DEE Ian SE A WE N 5% REN, [x N ERHRN BERN TS, N . > Er and. ERENEEERERN np) AN) 4 RK; k ’ r N NY UNE ER KENNE] VAL DERER NT REBDROLN 3 RE KRENEN NR Er VESENSEOHUNT ? L r, Ei N h NL W, LINIE TEN BOYRLS CHEN N IRROSENTNTLRAR, Work . %) BB SAN % R En Ba iR Sa; { Ay RR if BRETTEN EL REEL HR RS FR Ri HRS pr De ! Iyh Na'd RER! X; Y An tech, ann v ENT il Arehıv Mikroskopische Anatomie herausgegeben von v. la Valette St. George in Bonn und W. Waldeyer in Strassburg. Fortsetzung von Max Schultze’s Archiv für mikroskopische Anatomie. ININININININININ Zwanzigster Band. Mit 35 Tafeln und 12 Holzschnitten. Bonn Verlag von Max Cohen & Sohn (Fr. Cohen) 1882. Inhalt. Beiträge zur Kenntniss der Zelle und ihrer Lebenserscheinungen. IH. Theil. Von Walther Flemming, Professor der Anatomie in Kiel. Hierzu Tafel I, IL, III und IV - - 2 2 Ueber die Blutgefässe des cerebrospinalen Nebe ensystems ER aaa Von Dr. Jos. Schöbl in Prag. Hierzu Tafel V. £ Beitrag zur Kenntniss der Wolff’schen und Müller’schen Gänge bei Säugern. Von L. Langenbacher aus St. Petersburg. (Anatomisches Institut zu Strassburg, Elsass.) Hierzu Tafel VI. | Zur Kenntniss der knäuelförmigen Hautdrüsen der Katze und ihrer Veränderungen während der Thätigkeit. Von Dr. N. Bubnoff aus St. Petersburg. (Aus dem physiologischen Institut zu Breslau.) Hierzu Tafel VII, Fig. 1-11 . . . . : ; SI RE Ueber eigenthümliche, aus dem he Be niet Gebilde. Von Curt Schmidt, stud. med. Hierzu Tafel VII. Fig. I-VU Beobachtungen über weiteres Vorkommen der Karyokinese. Von Dr. med. Wilhelm Pfitzner, Assistent am anatomischen Institut zu Heidelberg . ; Beitrag zur Histogenese ae weiblichen Beustdräse Von Prof, S. ana in Utrecht. Hierzu Tafel VIII Die Augen von Planaria polychroa Schmidt ed Pohl: nigra Ehrh. Von Justus Carriere. Hierzu Tafel IX : er Untersuchungen über die Blätterbildung im Hühnerkeim. = Carl Koller. (Aus dem Institute des Herrn Prof. Stricker in Wien.) Hierzu Tafel X, XI und XII und 5 Holzschnitte . 2: Die Nervenendigung in den Tastkörperchen. Von W.Krause, Praor in Göttingen. Hierzu Tafel XIII er Zur Kenntniss des feineren Baues der ae Me reheirhint: VonDr. Philipp Stöhr, Prosektor und Privatdocent in Würzburg. Hierzu Tafel XIV und XV 2 U A Fa; Die Dentinbildung in den Hautzähnen der Sfichion Von Dr. Carl Benda, Assistent am pathol. Institut zu Göttingen. Hierzu Tafel XVI. Ueber das häutige Labyrinth der Reptilien. Von Professor Dr. Kuhn in Strassburg. Hierzu Tafel XVII—-XXIU . Die Innervation der glatten Muskulatur. Von Dr. W. Wolf f in Berlin. Hierzu Tafel XXIV, Fig. 1—9 . Seite 92 109 123 271 361 IV Inhalt. Die Nerven der Cornea. Von Dr. W. Wolff in Berlin. Hierzu Tafel XXIV, Figg. 10—14 EEE N Ueber freie sensible Nervenendigungen. Von Dr. W. Wolff in Berlin. Hierzu Tafel XXIV, Figg. 15—20 IE Ueber die Struktur des Hechtzahnes, a die des Yonodenkins Von Dr. Alfred Sternfeld. Hierzu Tafel XXV und XXVI Zur Entwicklungsgeschichte der Krystalllinse und zur Theilung des Zell- kerns. Von J. Henle. Hierzu Tafel XXVUI Untersuchungen über die embryonale Entwicklungsgeschichte En Milch- drüse. I. Von Dr. G. Rein. Privat-Docent der Gynäkologie in St. Petersburg. (Aus dem anatomischen Institut zu a Hierzu Tafel XXVII und XXIX Sn Einfache Vorrichtung zum Wiederauffinden NR Stellen an BR kopischen Präparaten. Von Dr. Max Flesch, Privatdocent und Prosector in Würzburg. Mit einem Holzschnitt R Ueber einige Verbesserungen an Seibert und Krafft’s Miskroskop- „Stativ. Von Dr. Max Flesch, Privatdocent und Prosector in Würzburg. Die chordotonalen Sinnesorgane und das Gehör der Insecten. Von Vitus Graber, k. k. o. ö. Professor der Zoologie an der Universität Czernowitz. Hierzu Tafel XXX—XXXV und 6 Holzschnitte . Berichtigung von Professor Dr. P. Langerhans Seite 373 377 382 413 431 502 504 506 641 Beiträge zur Kenntniss der Zelle und ihrer 1. Abschnitt: 2. Abschnitt: 3. Abschnitt: 4. Abschnitt: Schluss: Lebenserscheinungen. 1IL ‚Ehen l®). Von Waliher Flemming, Professor der Anatomie in Kiel. Inharkt: Die Befruchtung und Theilung des Eies bei Echino- dermen. a. Öbjecte und Methoden. Zur Kenntniss des Ovarialeies. Ueber den Befruchtungsvorgang. Theilung. Uebersicht der Ergebnisse. Zur re der Kerntheilung im Wandbeleg des Embryosacks bei Lilium. eAeF Einige neue Ergebnisse über Karyokinese und Kernbau. Kerntheilungen beim Menschen. Uebersicht und Besprechung der Ergebnisse. Abschnitt I. Die Befruchtung und Theilung des Eies bei Echinodermen. Hierzu Tafel I. und I. Im zweiten Theil dieser Beiträge findet man auf S. 186 und 244 die vorläufige Vermuthung ausgesprochen, dass auch bei der Theilung des Eies bis ins Einzelne die gleichen Formphasen der 1) Die Arbeit über Entwicklung des Ovarialeies, für welche früher auf diesen Theil verwiesen wurde, ist noch nicht zum Abschluss gelangt. Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd, 20. 1 2 Walther Flemming: Kernfiguren erscheinen, und die gleichen mechanischen Bedingungen derselben obwalten dürften, wie ich sie auf Grundlage der Am- phibiengewebe für andere Zellenarten feststellen konnte. Diese Vermuthung, so wahrscheinlich sie a priori erscheinen mag, bedurfte gegenüber den bisherigen Arbeiten der Stütze durch besondere Untersuchung; und dies um so mehr, als in der seither erschienenen 3. Auflage von Strasburger’s Werk: „Zellbildung und Zelltheilung“ (Jena, 1880) eine Darstellung des Kerntheilungs- vorganges bei Eiern gegeben ist!), welche mit jener meiner Ver- muthung durchaus im Widerspruch steht, und welche, wenn sie richtig wäre, die Annahme erfordern müsste, dass die physikalischen Vorgänge der Eikerntheilung von denen der Kerntheilung anderer Zellen sehr erheblich verschieden wären. Dies ergiebt sich ohne viel Erläuterung, wenn man das Schema der Karyokinese, das ich im II. Theil, p. 227 und 208, gegeben habe und hier auf der letzten Tafel in übersichtlicher Form vor- führe, mit Strasburger’s Schilderung der Eizellentheilung auf seiner Tafel XIV a. a. O. vergleicht?), und hinzunimmt, was Strasburger auf S. 338 zur Sache bemerkt: „Wie sollen endlich zu dem Flemming’schen Schema und „der Vorstellung, dass der Tochterkern nach rückwärts die Meta- „morphose des Mutterkerns durchzumachen habe, die so sorgfältig „untersuchten Vorgänge bei Anlage der Tochterkerne in thierischen „Eiern passen? Die Elemente der Kernplattenhälften verschmelzen „da zunächst nicht mit einander; jedes derselben höhlt sich viel- „mehr aus, wird zu einem Kernbläschen, das sogar ein Kern- „körperchen enthalten kann, und verschmilzt hiernach erst mit „seinen Nachbarn. So wird die Zahl der Bläschen zunächst ver- „mindert, bis dass aus der Verschmelzung aller ein einziger bläs- „chenförmiger Kern hervorgeht“. Diese Motivirung ist nicht richtig, wie dies schon ein vor- 1) Tafel 14, S. 302 u. a. a. 0. 2) Sieistnach H. Fol’s Darstellung der Kerntheilung im Echinodermenei construirt; aber diese Darstellung (1879 publieirt, wohl jedenfalls früher ge- schrieben) stammt aus einer Zeit, wo Fol über die gleichzeitigen neueren Fortschritte in der Kenntniss der Kerntheilung bei anderen Zellenarten noch nicht unterrichtet sein und also auch nicht versuchen konnte, seine Befunde denselben mehr anzupassen. ’ Beiträge zur Kenntniss der Zelle und ihrer Lebenserscheinungen. 3 läufiger Blick auf meine erste Tafel hier zeigen kann. Stras- burger hat, ohne eigenes erneuertes Studium der Objecte, einfach die Resultate von O. Hertwig (2), H. Fol (8, 6) und Selenka (4) als erschöpfend und maassgebend angenommen, und hat damit einen Irrthum begangen. Diese schönen Arbeiten sind gewiss, wie ich im Folgenden mehrfach zu bestätigen habe, höchst sorgfältig in denjenigen anderen Punkten, auf die es den Verfassern vorzüglich ankam, insbesondere in Bezug auf die Befruchtungsvorgänge. Aber Strasburger hat übersehen, dass zur Zeit jener Untersuchungen noch keine ausreichenden Vergleichungspunkte hinsichtlich der Theilung anderer thierischer Zellenarten vorlagen. Es ist danach erklärlich, dass die Verfasser in diesem Punkte weniger genau geforscht, und das, was sich gerade dem Blick darzubieten schien, in dem Sinne ge- deutet haben, wie ihn die citirte Stelle Strasburger’s im Wesent- lieben angiebt. Dabei aber sind gerade diejenigen Erscheinungen übersehen worden, welche die Homologie mit dem Theilungsvor- gang bei anderen Zellen darthun, und welche ich im Folgenden näher beschreiben will. a. Objeete und Methode. Mit Rücksicht auf die eben angeführten Arbeiten und auf einen kürzlich erschienenen Aufsatz Schneider’s (9) hatte ich Grund, vor Allem die Eitheilung bei Echinodermen genauer zu untersuchen, von denen ich in Neapel im März und April Sphaer- echinus brevispinosus, Echinus miliaris u. Toxopneustes lividus!) befruchtungsreif fand?), abgesehen von anderen Arten, 1) Ich befolge die bisher gebräuchliche, auch von H. Fol benutzte Nomenclatur, um Verwechselungen leichter zu vermeiden. Nach den von H. Ludwig (Ber. der zool. Station) eingeführten Benennungen ist der hier Toxopneustes lividus genannte Seeigel Strongylocentrotus lividus; Sphaerechinus brevispinosus pflegt auf der Station Toxopneustes genannt zu werden. 2) Für künftige Untersucher dieser Objecte bemerke ich, dass man dort in der angegebenen Zeit von den Geschlechtsproducten der drei Seeigel stets reichliches brauchbares Material haben kann. Nach den Mittheilungen H. Fol’s (a. a. O., p. 86) sind in Messina bei Toxopneustes und Sphaere- 4 Walther Flemming: deren Eier nicht hinreichend durchsichtig sind. Hauptsächlich habe ich mich an Sphaerechinus und Toxopneustes gehalten, gerade weil dies auch die Objecte OÖ. Hertwig’s und Fol’s gewesen sind. Die Eier von Echinus miliaris sind in gleichem Grade durchsichtig, etwas kleiner, für die gleich zu besprechende Färbung aber weniger günstig, weil die Dotterkörner sich hier etwas stärker mitfärben und so die Beobachtung des Kernes erschweren. Echinus miliaris kann aber zur Aushülfe deshalb mit Vortheil mitbenutzt werden, weil die Furchung bei ihm rascher abläuft, so dass man, wenn man von ihm und einem der andern gleichzeitig Eier befruchtet, dann weit verschiedene Stadien nebeneinander zum Vergleich bekommt. Für die Technik der künstlichen Befruchtung bei den Echi- niden darf ich auf die Arbeiten von Hertwig und Fol verweisen. Das lebendig beobachtete Ei dieser Arten zeigt in Be- zug auf Befruchtung wie auf Theilung nichts, was nicht schon meine Vorgänger gesehen und erwähnt hätten. Was ich Neues fand, verdanke ich der Fixirung durch Säure und Tinection. Essigsäure, Chromsäure, Pikrinsäure, in verschiedener Weise angewandt, zeigen das was die Autoren damit gesehen haben, aber auch nicht mehr!). Die Safranin- und Anilinfärbung?) giebt an Objecten, die schon mit den obengenannten Mitteln fixirt sind, für die Kern- chinus die Genitalien nur um die Vollmondzeiten voll von Producten, bald nachher leer. In Neapel habe ich eine so deutliche Gebundenheit an die Mondperioden nicht gefunden, sondern jederzeit im März und April Thiere mit vollen und leeren Genitalien zwischeneinander erhalten. Uebrigens sind auch bei mässig gefüllten Ovarien reife Eier vorhanden, welche sich so nor- mal entwickeln, wie die aus vollen Ovarien kommenden. — Ich habe meistens die Befruchtungen nur von ganz frisch gefischten Thieren gemacht, doch ge- lingen sie bei der guten Einrichtung der Stations-Aquarien auch meistens noch normal nach 1—2tägiger Aufbewahrung. 1) Vgl. Hertwig und Fol l. c. und Th. II dieser Beiträge, p. 186, 224 ff. Nur über Osmiumsäure vergleiche etwas weiter unten. 2) Dies Archiv 1881, p. 317. Um solche Objecte oder Chrom- oder Ösmiumpräparate von Eiern, welche immerhin für einige Zwecke dienen können, ohne Schrumpfung mit ätherischem Oel zu durchtränken und in Lack einzuschliessen, finde ich es bequem, eine Portion Eier auf einem feinen Hollun- dermarkschnittchen zu sammeln, und dieses mit den Eiern dann ebenso, wie einen Schnitt, in verdünnten Alkohol, absoluten Alkohol, Nelkenöl und Lack Beiträge zur Kenntniss der Zelle und ihrer Lebenserscheinungen. 5 theilung keine schönen Resultate, da die Dotterkörner im Ei- plasma und auch dieses selbst sich mitfärben resp. Farbe halten, zwar in geringem Grade, aber doch stark genug, dass die Tinction der Kerngebilde nicht genug vortritt. Auch an Pikrinpräparaten sind mir hinreichend reine und starke Kerntincetionen nicht ge- lungen. Die besten Präparate, die ich mit all diesen Mitteln er- halten habe, sind nicht schöner und zeigen nicht mehr von der Karyokinese als die Pikrinpräparate Fol’s, die ich durch dessen Freundlichkeit kennen lernte. Nur an Osmium präparaten mit nachfolgender Carminfärbung, wenn sie in geeigneter Weise ausgefallen sind), lässt sich in Bezug auf die Kernfiguren etwas von dem sehen, was die folgenden Behandlungen zeigen. Als Beispiel diene Fig. 30, Taf. 2. Es ist hier freilich doch einige Quellung der Tochterfiguren nicht ausgeblieben, so dass man fälschlich glauben könnte, diese beständen aus Klümpchen oder Kügelchen, wie es in den bisheri- gen Beschreibungen heisst. Die vorangehenden Stadien (Kronen- formen der Tochterkerne, vergl. Fig. 27, Taf. 2, Essigearmin) sind durch Osmium gewöhnlich besser, oft ganz treu erhalten, aber freilich die Färbung recht schwach. Zuweilen findet man auch leidliche Erhaltung der Mutterkernfäden. Man kann also an guten Osmiumpräparaten den wahren Sachverhalt sehen, aber doch erst dann, wenn man ibn einigermassen versteht. Das Object, nach dem Figur 30 gezeichnet ist, war mir von H. Fol geschenkt und etwa 4 Jahre in meinem Besitz; ich habe aber, trotz häufigem Durchmustern, die Kernfiguren darin erst jetzt deutlich entziffern gelernt, nachdem ich sie durch andere Behand- lung kenne. Wirklich brauchbare Kernfärbungen, wie sie der folgen- den Beschreibung zu Grunde liegen, habe ich nur auf zwei Wegen erhalten. Einmal durch direete Färbung der lebenden Eier unter dem Deckglas, mit Einsaugung der Farbstofflösungen. Man kann hierzu Lösungen von Safranin oder andern Azofarbstoffen oder zu übertragen. Man vermeidet so Schrumpfung, die sonst beim Aufschütten der Eier aus Alkohol auf Nelkenöl leicht eintritt. Nach der Oeldurch- tränkung kann man dann die Eier von dem Markplättchen abstreifen und dieses entfernen. 1) Man erhält leicht zu starke Bräunung der Eier, und dann auch keine brauchbaren Kernfärbungen. Die Osmiumbehandlung muss kurz sein. 6 Walther Flemming: Anilinen verwenden; nachdem sich die ganzen Eier hiermit sehr dunkel gefärbt haben, saugt man lprocentige Essigsäure hinterher, und erhält, nachdem diese einige Zeit gewirkt hat, zwar sehr wechselnde, im Fall des Gelingens aber sehr gute Tinetion der chromatischen Theile des Kerns. Noch bequemer, weil man kein weiteres Ausziehen nöthig hat, ist das von Schneider benutzte Essigearmin !), an das ich mich vorzüglich gehalten habe, weil es mir auf eine Controle der Angaben Schneider’s ankam. Man verwendet es hier am Besten eoncentrirt; Färbungen in verdünn- ten Lösungen gerathen mir/nur mangelhaft. Für das Einsaugen komme ich mit folgendem möglichst ein- fachen Verfahren völlig aus: auf den Objectträger wird ein Stück halbfeuchtes Fliesspapier gelegt, dick genug um auf einer Seite das Deckglas zu stützen nnd die Eier grade vor Druck zu bewah- ren; daneben kommt der Tropfen mit den Eiern, darauf ein mittel- grosses Deckglas, an dessen Rand, gegenüber dem Fliesspapier, ein Tropfen der Farblösung. Von Zeit zu Zeit wird ein Stück- chen neues Fliesspapier auf das alte gelegt, und an der anderen Seite ein Farbtröpfchen hinzugefügt. Wer etwas in der Ansaugungs- technik geübt ist, wird so sehr leicht die Verhältnisse treffen, unter denen die Eier nicht mehr treiben, aber noch nicht gedrückt sind; will man eine leichte Compression haben, so hat man nur näher dem Rand zu gehen, welcher dem Fliesspapier gegenüber steht und wo das Deckglas ungestützt liegt. Ich bemerke im Voraus, dass sich Alles, was ich von den Kernfiguren beschreibe, aucham nicht gedrückten, noch schwimmendenEi sehen lässt und dass viele der Abbildungen nach solchen gezeichnet sind; leichte Compression unterstützt aber natürlich die Beobachtung. — Da eine ganz gleichmässige und gleichzeitige Durchströmung des Deekglasraums ohne Wegschwemmung der Eier nicht thunlich ist, so wird der Färbungsgrad bei verschiedenen Eiern im Präparate selbstverständlich etwas variabel gefunden werden. Meine Be- schreibungen beziehen sich auf die bestgefärbten; wenn man ein solches vor sich hat, können nebenliegende noch sehr ungenügend tingirt sein und langes weiteres Durchsaugen von Farbe (resp. Säure) erfordern. Ich bemerke dies, damit man bei etwaiger Nachprüfung nicht nach den ersten besten Eiern urtheilen möge, die vielleicht grade schlecht gefärbt sind. 1) Bereitung, wie von Schneider in Nr. 9 des Lit. Verz. angegeben. Beiträge zur Kenntniss der Zelle und ihrer Lebenserscheinungen. iR Beim Herandringen der sauren Carminlösung an das Ei zeigt sich zunächst eine Wirkung der Säure: Der Eikörper quillt auf, der Art, dass er die abgehobene Membran nahezu bis selbst ganz ausfüllt. In Zeit von wenigen Minuten beginnt dann der Farbstoff zu wirken, der Eikörper tingirt sich gelbroth, die ehromatischen Kernfäden carmoisinfarben, und um dieselben her, im Bereich der achromatischen Fadenspindel und noch etwas darüber hinaus, er- scheint ein blassrosa gefärbter Hof (Fig. 3 u. 4, Taf. 1), auf dessen fragliche Bedeutung ich unten zurückkomme. Die erwähnte Aufquellung bei der Wirkung des Essigsäure- Carmins betrifft nicht nur das Eiplasma, sondern auch in einigem Grade den Kern. Daher darf man nicht schliessen, dass die unten beschriebenen Kernfiguren im Leben ganz genau-so beschaffen waren, wie man sie an den betreffenden Objeeten findet und wie ich sie hier zeichne: es ist vielmehr wohl fast überall einige Aus- einanderrückung, und oft auch Durcheinanderverschiebung der Kernfäden im Spiel. Sehr bedeutend ist diese aber in den meisten Fällen nicht!)}, so dass die typischen Eigenschaften der betreffenden Phasen doch deutlich bleiben; und es wird durch die leichte Dis- torsion der Figuren das Verfolgen der einzelnen Fäden gerade erleichtert. Dass diese Quellungen bei dem Einsaugungsverfahren nicht an allen Eiern im Präparate in genau gleichem Grade eintreten, wird erklärlich durch die Erwägung, dass die Mischung der ein- gesogenen Säuretinetur mit dem Seewasser im Präparat nicht überall gleichmässig vor sich gehen kann, das eine Ei also von einer etwas verdünnteren Säurelösung getroffen und fixirt wird, als das andere. Zuweilen erhält man sogar Exemplare, bei denen der Kern so gut wie gar keine Quellung erlitten hat (z. B. Fig. 24, Taf. 2, vergl. Anmerkung). Es blieb mir nicht die Zeit, die Be- dingungen auszuprobiren, um dies vielleicht nach Belieben errei- chen zu können. Das beschriebene einfache Einsaugungsverfahren habe ich, weil es bequemer ist, der Verwendung von Wachsfüsschen unter dem Deckglas (Schneider) vorgezogen, mit welcher man natür- lich bei geeigneter Abpassung der Füsschen ganz das Gleiche erzielt. 1) Was sich aus dem Vergleich mit der Wirkung anderer Fixirungs- mittel, z. B. Osmium und Pikrin, ergiebt. 8 Walther Flemming: Das zweite Mittel, das mir gute Präparate geliefert hat, ist die Salpetersäure. Ihr Vermögen, feinere Gewebstheile lebens- getreu zu fixiren, habe ich schon lange gekannt und benutzt, aber nicht erwähnt, da sie an anderen Objeeten keine Vortheile vor Chrom- und Pikrinsäure zeigte. — Uebergiesst man furchende Eier von Seeigeln mit einem Gemisch von concentrirter Salpeter- säure 40—50 zu Agq. dest. 60—50, so erhält man eine recht gute Fixirung der Strueturen im Eiplasma, und die Möglichkeit, die chromatischen Elemente durch Tinction deutlich zu machen. Hier- für hat mir bisher auch nur das Essigearmin gute Erfolge gege- ben. Die Eier müssen dafür vorher mit Aq. dest. so lange gewa- schen sein, bis’ die von der Salpetersäure rührende Gelbfärbung einer weislichen Platz gemacht hat. Schon nach kurzer Färbung mit Essigearmin kann man dann dieselben Bilder der Kernfiguren finden, die sich durch Färbung des lebenden Eies in obenerwähn- ter Weise zeigen. Doch sind die Tinetionen an den Salpeter- säurepräparaten weniger gleichmässig, man muss etwas mehr nach gutgefärbten Objeeten suchen, als bei der Tinetion unter dem Deckglas. Dafür lassen sich solche mit Salpetersäure fixirten und gefärbten Eier mit Glycerin durchtränken und im Einschlusse einige Zeit conserviren; es tritt jedoch dabei allmählich eine Nach- dunklung der Tinction ein, welche die Kernfiguren nach einiger Zeit unkenntlich macht!). — Von den frisch mit Essigearmin ge- färbten Objeeten gelang es nicht, Präparate in Glycerin zu con- serviren, da die Eier eigenthümlicherweise sofort beim Zutritt des Letzteren eine sehr dunkle Rothfärbung bekommen, so dass nichts mehr darin zu erkennen ist. Da ich also vor der Hand auf Dauerpräparate verzichten musste, habe ich hier die benutzte Technik um so genauer ange- geben; wer sie an Echinideneiern befolgt, wird keine Mühe haben das unten Beschriebene zu bestätigen. b. Zur Kenntniss des Ovarialeies. Ueber die Reifung der Eier und Befruchtungsvorgänge haben die drei genannten Arbeiten schon so viele und schöne Aufschlüsse 1) Während der Correctur erfahre ich von Dr. Altmann, dass auch er Salpetersäure (übrigens stärker verdünnt) mit schönem Erfolg zur Fixirung von Kernfiguren bei Säugethierembyen neuerdings benutzt hat. Beiträge zur Kenntniss der Zelle und ihrer Lebenserscheinungen. be) gegeben, dass ich auf ihre Untersuchung ganz verzichtet haben würde, wäre nicht durch die eitirte Mittheilung Schneider’s ein Theil jener Resultate wieder in Frage gestellt worden, so dass ich wünschen musste, mir Klarheit durch eine erneute Prüfung zu ver- schaffen. Diese hat auch nebenbei noch einiges Neue und Be- merkenswerthe ergeben. Die Reifeveränderungen des Echinodermeneies sind, wie es H. Fol in seinen letzten Arbeiten nachgewiesen hat, ganz gleich- artig mit den bei andern Eiern beobachteten; es erfolgt auch hier die Richtungskörperbildung, unter den Erscheinungen einer indi- recten Zelltheilung mit sehr ungleicher Grösse der Tochterzellen, von denen dann die kleinere als Richtungskörper sich ablöst. Bei den Echiniden geschieht dies noch innerhalb des Ovarium, bei den Asteriden erst nach der Eiablegung !). Der Umstand, dass der weibliche Pronucleus, welcher nach dieser Theilung als Kern des Eies bleibt, bei Echinodermen gerade fast genau die gleiche Grösse hat wie der Kernkörper (Keimfleck) des Ovarialeies, hat früher Derbes und O. Hertwig (a. a. O.) veranlasst, den Pronucleus als ein Umwandlungsproduet des Letzeren anzusehen. Fol hat dies widerlegt durch direeten Nachweis der Kerntheilungsfigur („Richtungsspindel“ der Autoren), welche bei der Richtungskörper- bildung auftritt. Meine Befunde stimmen damit ganz überein. Ich habe unter den Ovarieneiern von Echinus und Sphaerechinus nicht lange zu suchen gebraucht, um die bezüglichen Erscheinungen öfter zu finden. (Fig. 6, Taf. 2, nur als ein Beispiel von vielen.) Bilder, wie sie OÖ. Hertwig als Ausdruck einer direeten Aus- stossung des veränderten Keimbläschens aufgefasst hat?), habe ich (ebensowenig wie Fol) niemals an intacten Eierstockseiern ge- sehen; dagegen finde ich Erscheinungen, die den Hertwig’schen Figuren 4,5,6a.a. 0. ähneln, sehr häufig an Ovarialeiern welche etwas Quetschung erlitten haben; das Eiplasma wird dadurch an einer Seite deconstituirt und quillt in Form einer vacuolenhal- tigen Kappe aus der Eikugel heraus; bei noch unreifen Eiern kann man das Keimbläschen herausschlüpfen sehen, worauf schon Fol (3) aufmerksam macht. Nachdem sich gezeigt hat, dass der Eikern ?) bei der Rich- 1) Vergl. hierfür Fol 3 und 6. 2) Taf. X, Fig. 4, 5, 6. 3) Ich behalte hier die von O, Hertwig gewählten Bezeichnungen; 10 Walther Flemming: tungskörperbildung durch eine kinetische Kerntheilung entsteht, — bei welcher ja bekanntlich die Nucleolen aufgelöst oder doch deconstituirt werden — darf man wohl kaum annehmen, dass die Ableitung des Eikerns vom Keimfleck noch aufrecht er- halten wird. Sollte dies doch der Fall sein, so würde sie ausser- dem widerlegt durch die sonstigen verschiedenen Charaktere bei- der Dinge. Es stimmt in der That weiter nichts bei beiden Dingen, als die ungefähre Grösse. Im Uebrigen aber ist der Keimfleck ein Nucleolus nach all seinen Eigenschaften: nach seinem starken Lichtbrechungsvermögen, nach seiner Neigung zur Bildung von Vacuolen — die übrigens, wie ich hervorheben möchte, erst mit dem Absterben in grösserer Zahl auftreten!) —; endlich und besonders nach dem starken Grade seiner Tinctionsfähigkeit. — Der Eikern dagegen (Fig. 1, Taf. 1) ist ein wahrer Zellkern; er besitzt eine Wandschicht (Kernmembran), die zwar lebend, wie an vielen anderen Kernen, nicht sichtbar ist, aber auf Essigsäure u. A. Reagentien hervortritt; er besitzt ferner intranucleare Gerüst- bälkchen mit Verdiekungen, von denen dasselbe gilt; und zeigt in allen diesen Theilen sowie der Zwischensubstanz ein Tinetions- vermögen, das mit dem anderer Zellkerne correspondirt, aber er- heblich geringer ist wie das des Keimflecks und der Nucleolen überhaupt. — Der Umstand, dass Membran, Netz und Netzknoten des Eikerns erst durch Reagentien sichtbar zu machen sind, spricht nicht gegen ihre Auffassung als natürliche Strueturen. nachdem (5) der einfache Nachweis geführt ist, dass diese Dinge an den einen Zellkernen lebend sichtbar sein können, an den Eikern= Pronucleus fem., Spermakern = Pronucleus masc., Furchungskern = dem aus Copulation Beiderhervorgegangenen Kern, wegen ihrer Kürze und Einfachheit bei; obwohl sich bedauern lässt, dass der Name „Eikern“ gewählt wurde, da er Verwechselungen mit dem Kern des unreifen Eies zulässt, dessen veralteter Name „Keimbläschen“ hoffentlich doch endlich einmal verschwinden wird. 1) Im ganz frischen Ovarialei, ohne Zusatz von Seewasser o. A., findet man entweder keine oder nur kleine Vacuolen im Keimfleck, dagegen öfter in seiner Substanz undeutliche Strangbildungen, die aber natürlich keinen Grund abgeben, den Eikern, weil er seinerseits auch Gerüststränge führt, aus dem Keimfleck entstehen zu lassen, Beiträge zur Kenntniss der Zelle und ihrer Lebenserscheinungen. 11 anderen lebend unsichtbar, in beiden Fällen aber in gleicher Weise und Form durch die Reagentien fixirt werden. Ueber das reife Ei habe ich noch einen Befund zu vermer- ken, der von Anderen an diesen Objeeten noch nicht geschildert ist, aber, wie das Folgende zeigen kann, einiges Interesse hat. Es existirt nämlich schon am reifen Ei im Ovarium, also ohne jede Beziehung zu den Befruchtungsvorgängen, eine radiäre Anordnung im Eikörper !), wie ich sie in Fig. 1, Taf. 1 und Fig. 5, Taf. 2 darstelle. Vielleicht ist es die gleiche Erscheinung, die bereits von Kupffer (dies. Archiv, Bd. VI.) am Ovarienei der Ascidien gesehen worden ist und die, wie ich an früherer Stelle schon bemerkt habe (Theil I. Lit.-Verz. Nr. 22, p. 105), nichts zu thun hat mit den Radiensystemen, welche später im Zusammen- hang mit der Befruchtung und Furchung auftreten ?). Es em- pfiehlt sich deshalb der Aufmerksamkeit, ob dies Verhalten viel- leicht ein allgemeines ist. — Am Ovarialei, welches eine längliche (Fig. 5, Taf. 2), oft nicht regelmässig ellipsoide Form hat, ist diese Strahlung zwar nicht sehr auffallend, aber immerhin erkenn- bar ausgesprochen, sehr deutlich wird sie, wenn mit Abhebung der Eimembran der Eikörper sich auf eine kugelrunde Form zu- sammengezogen hat (Fig. 1, Taf. 1, Fig. 8, 9, Taf. 2). Auch dann ist sie durchaus unabhängig von dem eingedrungenen Spermato- zoon und von der Strahlung, die dann schon an diesem aufzutre- ten beginnt (Fig. 1, Taf. 1, Fig. 9, Taf. 2). Die Eikörperstrah- lung liegt vielmehr so, dass sie auf den Mittelpunkt der Ei- kugel selbst centrirt ist, keineswegs auf den Eikern, welcher um diese Zeit, sowie auch vorher am unbefruchteten Ei, bekanntlich noch nicht im Centrum liegt, in das er erst später hineinrückt. 1) Den Ausdruck Eikörper brauche ich hier durchweg, um das Pro- toplasma der Eizelle nebst Dotterkörnern zu bezeichnen, und so den Missbrauch zu vermeiden, der mit dem Worte Dotter in dieser Hinsicht ge- trieben wird. Dass man unter Dotter bald das gesammte Eiprotoplasma mit den Körnern von Nährmaterial, bald die letzteren allein versteht, ist eine Ausdrucksweise, deren Nutzen ich nicht einsehe, und die leicht zu Missver- ständnissen führen kann. 2) Ich erwähne dies, weil seitdem in der Literatur dieser Befund am Ascidienei verschiedentlich mit den von Fol, mir und Bütschli wieder- aufgefundenen Strahlungen der Furchung zugleich angeführt worden ist. 12 Walther Flemming: Diese Eikörperstrahlung ist übrigens nur in der Peripherie recht deutlich ausgesprochen, obsehon man sie auch gegen das Centrum zu hie und da durch einzelne Reihen von Dotterkörnern angedeutet findet (s. die Figuren). Diese Erscheinung verdient schon desshalb bemerkt zu werden, weil sie mit den späteren Strahlungen des Spermakerns und der Furchung verwechselt werden kann und, wie mir scheint, auch wirklich verwechselt worden ist. Ich erwähnte ferner schon, dass das reife Ovarialei der-Echi- niden nicht rund ist, wie es von den letzten Forschern gezeichnet wird, sondern länglich, ellipsoid (Fig. 5, 6, Tafel 2), wie es be- reits Hoffmann beschrieb !). Man kann dies natürlich nur dadurch sicherstellen, dass man die Eier in Seewasser oder Leibeshöhlensaft freischwimmend und rotirend beobachtet. Dabei überzeugt man sich auch, dass das Ei an einer Stelle seines Umfangs, meist etwas schief gegen die grösste Axe gelagert, ein flach vorspringendes Höckerchen zeigt, (Fig. 5, Taf. 2, d) — offenbar dasselbe was Selenka bei Toxo- pneustes variegatus als Dotterhügel beschrieben hat (a.a. O. p. 4); von den übrigen Autoren wird es nicht berücksichtigt. Es ist nicht etwa zu verwechseln mit den längst abgelaufenen Phäno- menen der Richtungskörperbildung (vergl. z. B. Fol, 3, p. 13. Fig. 8 u. 9), oder mit den Richtungskörpern selbst, welche bei den Seeigeln ?) beim völlig reifen Ei schon ganz verschwunden sind; jener Höcker oder Nabel erscheint als ein continuirlicher Vor- sprung des Eiprotoplasma. Vielleicht bezeichnet er die Stelle, wo die Richtungskörper ausgetreten und verschwunden sind (Selenka); vielleicht ist er der abgeschnürte Rest des Stieles, mit welchem das Ei der Wand des Ovarialschlauchs aufgesessen hat, und wel- cher an unreifen Ovarialeiern deutlich zu finden ist (Fol 6, p. 31, T. V. Fig. 4 s. v.; Ludwig, Tafel 13, Fig. 5); vielleicht auch fällt Beides zusammen, denn es wäre wohl denkbar, dass der Ort jenes Eistiels zugleich die für den Riehtungskörperaustritt prädesti- nirte Stelle ist. — Natürlich muss man die meisten Eier erst unter 1) C. K. Hoffmann, Zur Anatomie der Echiniden und Spatangen. Niederl. Archiv f. Zool., I, 1871. 2) Anders bei den Asteriden, wo sich ihre Reste länger erhalten, vgl. Fol (6), p. 89—90, Beiträge zur Kenntniss der Zelle und ihrer Lebenserscheinungen. 13 dem hochgestützten Deckglase rollen lassen, um das Vorhanden- sein dieses recht kleinen Vorsprunges zu constatiren, und kann nicht verlangen, dass dies bei jedem Ei gelingt. Nach Selenka (a. a. 0.) ist der Dotterhügel in den meisten Fällen der Ort, wo die Spermatozoen eindringen. Ich habe hier- über aus Mangel an Zeit keine eigenen Beobachtungen sammeln können !). ec. Ueber den Befruchtungsvorgang. Auf das Eindringen des Samenfadens ins Ei habe ich nicht nöthig sehr nahe einzugehen, da über dieses Faetum und seine Erscheinungen die früheren Untersucher nicht in besonderem Widerspruch stehen. Ich finde, wie es Fol’s und Selenka’s Beschreibung entspricht, dass bei Eiern, die normale Entwickelung nehmen, ein Spermatozoon eindringt, unter den Erscheinungen, wie sie Fol (p. 100 ff.) ausführlich und vortrefflich geschildert hat. Das Eindringen mehrerer bis vieler Samenfäden, welches häufig genug vorkommt, nennt Fol pathologisch; gewiss mit Recht, insofern hier bei den Echiniden niemals normale Entwicklung des Eies darauf folgt. Wenn Fol jedoch annimmt, dass die Be- dingung dazu nur entweder durch Unreife, oder Ueberreife, oder Ver- änderung des Eies (durch Gefangenschaft der Thiere) gegeben sein müsste (p. 118), so sehe ich dafür keinen zwingenden Grund: ich habe sehr oft das Eindringen vieler Spermatozoen, und die darauf folgende abnorme Entwicklung auch bei Eiern beobachtet, welche ganz frisch gefangenen Seeigeln entnommen und mit ebenso fri- schem Sperma befruchtet waren, und von denen solche, in die nur ein Samenfaden drang, sich normal entwickelten; es scheint mir die einfachste Auffassung die folgende zu sein: Auf das Einbohren des Samenfadens folgt, ganz entsprechend Fol’s Beschreibung, alsbald die Abhebung der Membran vom Eikörper; nachdem sie 1) Fol (6, Supplement bibliographique, p. 292) leugnet die Existenz des Dotterhügels beim reifen Seeigelei, und vermuthet, dass Selenka’s An- gabe sich auf unreife Eier beziehe. Ich kann Fol hierin nach dem ÖObigen ' nicht beitreten; ich finde, wie gesagt, den Hügel stets an reifen Eiern, welche nach der Befruchtung normal furchen. 2) Fola.a. O., p. 115 fi.: Les processus pathologiques. 14 Walther Flemming: geschehen, dringen keine Samenfäden mehr durch die Membran. Dies ist thatsächlich. Der Grund dafür kann entweder darin liegen, dass die abgehobene Membran sich zu stark verdichtet, um die Durchbohrung zu gestatten, oder darin, dass bei der grössern Entfernung, in der jetzt die Spermatozoen vom Eikörper gehalten werden, die Attraction zwischen beiden nicht mehr stark genug ist, um erstere zum Durchdringen der Membran zu befähi- gen. Wenn nun, mit dem Eindringen eines Samenelements und dem Beginn der Membranlösung, gerade noch keine weiteren Samenfäden sich an das Ei angebohrt hatten, ist dieses damit vor mehrfacher Befruchtung geschützt und für die normale Entwicke- lung aufbehalten. Konnten aber noch rechtzeitig vor der Mem- branlösung mehrere Fäden haften und eindringen, so folgt patho- logische Entwicklung. Diese letztere würde nach dieser meiner Anschauung also ihren Grund gerade in der mehrfachen Befruch- tung, nicht so sehr in einer vorberigen schlechten oder unreifen Beschaffenheit der Eier haben. Dies schlösse jedoch nicht aus, dass unreife, überreife oder schlechternährte Eier besonders zur Aufnahme mehrerer Spermatozoen disponirt sein können. Während das Eindringen des Samenfadens in die Peripherie des Eikörpers von Keinem der neueren Untersucher bezweifelt wird, ist in Bezug auf die weiteren Schicksale des Samenelements ein solcher Zweifel durch die erwähnte Mittheilung Schneider’s (9) aufgeworfen worden. Nach O. Hertwig umgiebt sich der Kopf des eingedrunge- nen Spermatozoon — Spermakern, Hertwig — mit einem hellen Hof von körnerfreiem Plasma und weiter umher mit einer Strahlung; er rückt gegen den Eikern, dieser zugleich gegen das Centrum des Eies, in welchem sich beide Kerne treffen und ver- schmelzen. Die Befunde von Fol und Selenka stimmen hiermit der Hauptsache nach vollkommen überein. Beide haben ausserdem, was Hertwig noch nicht gelungen war, das Spermatozoon auch von seinem ersten Eintritt an direct im Ei verfolgen können. Nur über die Details des Vorganges weicht die Darstellung Beider von der Hertwig’s in einigen Puncten ab, die ich zum Theil später berühre. Dem Allen gegenüber war es überraschend, von Schneider (a. a. O. p. 5) den Ausspruch zu hören: „Es ist kein Samen- Beiträge zur Kenntniss der Zelle und ihrer Lebenserscheinungen. 15 kern vorhanden“. Schneider’s Ansicht, wenn ich sie nach seiner kurzen bisherigen Mittheilung richtig auffasse, ist diese: dass der Eikern um die Zeit der Befruchtung rhizopodenartig ver- theilte Ausläufer nach allen Richtungen durch den Eikörper sende; dass das Spermatozoon !) zwar in letzteren eindringe, aber schon in der Peripherie auf einen der erwähnten Ausläufer des Eikerns treffe, dann selbst morphologisch untergehe ?), und „möglicherweise nur den Reiz zur Bildung eines Sterns liefert“; dass, wenn die Zweitheilung eintritt, die zwei Sterne des Amphiaster „an zwei von einander entfernten Stellen des Keimbläschens ?) entstehen und sich dann der Theilungsebene nähern“; „so kann es leicht scheinen“, sagt Schneider, „als ob der Furchungskern aus zwei Pronucleis entstehe*. Meine Resultate geben für diese Anschauung Schneider’s keine Stütze, bestätigen vielmehr die Angaben der früheren Unter- sucher. Allerdings beziehe ich mich hier nur auf Echiniden, Schneider arbeitete an Asteracanthion: doch wird wohl Niemand annehmen, dass bei Beiden so fundamentale Verschiedenheiten existiren sollten, wie es der Fall sein müsste, wenn Schneider’s Deutung zuträfe. Die Verfolgung des Spermatozoons im lebenden Ei ist, wie es die Ergebnisse der Vorgänger zeigen, schwierig; ich habe an meinen Objecten im lebenden Zustand nicht mehr gesehen, als Hertwig, und noch weniger als Selenka, indem ich von dem Schwanze des schon ganz im Eikörper befindlichen Samenfadens nichts mehr wahrnehmen konnte. Dagegen ist der Kopf desselben, d. i. das von den Autoren beschriebene Centralkörperchen des Spermakerns, bald nach dem Eindringen auch im Leben erkennbar; aber doch nur so blass und verwaschen, dass ich mich mit Studien ohne Reagentien daran nicht lange bemüht, sondern gleich zum 1) Oder mehrere solche; ich kann aus dem Wortlaut auf Schneider’s p- 7, Nr. 7, nicht entscheiden, ob er das Eindringen mehrerer Samenfäden als Regel ansieht. — Nach meinen Erfahrungen, ebenso wie nach denen Fol ’s, ist es bei den Echiniden entschieden anders, wie Schneider annimmt: mit mehreren Spermatozoen imprägnirte Eier entwickeln sich hier nicht normal. 2) Dies sagt Schneider nicht direct, man muss es aber wohl aus der Leugnung des Samenkerns schliessen. 3) Es ist dies Wort bei Schneider offenbar als gleichbedeutend mit dem Eikern (weibl. Pronucleus) gemeint. 16 Walther Flemming: Essigearmin gegriffen habe, um so mehr, als gerade Schneider dies angewandt hat. Es ist wirklich ein ganz vorzügliches Mittel, um den Spermakern auf seinem ganzen Wege zu verfolgen und sich zu überzeugen, dass er in der That, entgegen Schneider'’s Meinung, bestehen bleibt und sich mit dem Eikern copulirt. Es färben sich in diesem Reagens — ebenso bei der Anilin- behandlung — die Spermatozoenköpfe sehr intensiv. Ich verfuhr so, dass ich alsbald nach der Befruchtung, in Zwischenräumen von 2 zu 2 Min., Eierportionen herausnahm, eindeckte und färbte, die Präparate der Zeitfolge nach ordnete und nacheinander untersuchte. Wenn auch der Befruchtungsvorgang — ebenso wie später die Theilung — am einen Ei etwas rascher ablaufen kann, wie am anderen, so erhält man doch durch jenes Verfahren eine völlig klare Uebersicht über das successive Vordringen des Samenele- mentes, wenn man nur eine grössere Zahl von Eiern durchsucht. — Es sei noch ausdrücklich bemerkt, dass diese Untersuchung keineswegs besonders schwierig ist: wenn man nur gutes Licht hat, lassen sich an einem Essigearminobject die eingedrungenen Sper- matozoen und ihre weiteren Umwandlungsproducte mit vollster Deutlichkeit schon mit mittelstarken Systemen erkennen. Ich untersuchte mit der Seibert’schen Oelimmersion und dem Abbe’- schen Beleuchtungsapparat; es braucht wohl kaum erwähnt zu werden, dass die Lage der Samenkörperchen innerhalb des Eiplasmas durch Einstellung auf darüber oder darunterliegende Dotterkörner vollkommen sicherzustellen war. Zunächst trifft man das Samenelement dicht unter der Ei- peripherie (Fig. 1, T. 1); es hat hier noch fast die Gestalt des Samen- fadenkopfes. Dieser (Fig. 7, Tafel 2) ist spiessförmig, mit einem hinteren, etwas schwächer lichtbrechenden und etwas schwächer tingirbaren Stück (Fig. 7); ich will es hier den hinteren Kopf- theil nennen!). Dieser Theil nun scheint schon wenige Minuten 1) Ich sage nicht: „Mittelstück“, weil es offenbar nicht dieselbe Be- deutung hat, wie das Mittelstück vieler anderer Samenfädenarten. Es scheint vielmehr, um ein Beispiel von den Säugethieren zu nehmen, dem hinteren Theil des Samenfadenkopfes beim Meerschweinchen vergleichbar, welches von dem vorderen kappenförmigen, stärker lichtbrechenden Theil gedeckt wird. Aehnliche Differenzirungen der Köpfe finden sich ja bei vielen Samen- fäden ausgesprochen. Beiträge zur Kenntniss der Zelle und ihrer Lebenserscheinungen. 17 nach dem Eindringen (wie in Fig. 1, 8) morphologisch unterge- sangen zu sein; es wäre möglich, dass aus ihm, nebst dem Schwanz, durch Aufquellung der helle Hof des Samenkerns entsteht, (Fig. 9, 10, Taf. 2) der sich von jetzt an zeigt und der von Hert- wig als aus dem Ei angesammeltes, körnerloses Plasma aufgefasst wurde. Wie dem auch sein mag, man sieht von jetzt an nur noch den vorderen, spiessförmigen, stark färbbaren und stark licht- breehenden Kopftheil im Ei (Fig. 1, Taf. 1, 8 Taf. 2), seine Form und scharfe Färbung kennzeichnen ihn ganz deutlich als solchen, beim Vergleich mit den aussen an der Membran haftenden Samen- fäden, deren vordere Kopftheile genau dieselbe Färbungsnuance zeigen (s. dieselbe Fig.). Auffallend ist es, dass der Kopf!) keineswegs immer mit seiner Spitze, d. i. dem Vorderende, nach dem Centrum des Eies gekehrt liegen bleibt; häufig liegt er schräg, und oft genug sogar umgedreht, so dass sein stumpfes Ende nach der Eimitte sieht, wie ein solcher Fall gerade in Fig. 1 Taf. 1 gezeichnet wurde. Es geht hieraus wohl hervor, dass es von jetzt an keine active Bewegung des Samenkerns selbst sein kann, die ihn gegen das Centrum und gegen den Eikern führt; es bleibt wohl keine andere Auffassung als die, dass es Attractionsverhältnisse, oder im Proto- plasma des Eies spielende Verschiebungen sind, welche die Bewe- gung beider Kerne gegen die Mitte des Eies und damit gegenein- ander bedingen. Und der Leser wird wohl mit mir daran denken, dass diese centripetale Kraftwirkung mit der monocentrischen Strahlung in Beziehung stehen mag, welche, wie ich zeigte, schon im Eierstocksei vorlag und welche in dem jetzt beschriebenen Zustande noch deutlicher geworden ist (s. d. Figuren). Wenn das Samenkörperchen bis auf etwa '/, oder !/s des Ei- durchmessers eingedrungen ist, hat sich seine Form verändert: der Kopf hat eine unregelmässige Gestalt erhalten, und umher ist eine Schicht heller Substanz ausgebreitet (Fig. 9, 10 ff., Taf. 2). Ich nannte das Centralkörperchen dieses hellen Hofes hier ohne Weiteres „den Kopf“, denn es zeigt sich nach seiner Masse und nach der Stärke seiner Färbung so durchaus dem Samenfaden- 1) Ich bezeichne der Kürze wegen im Folgenden den tingirbaren Cen- tralkörper des Samenkerns als Kopf, obwohl er, wie das Obige zeigt, nur dem vorderen grösseren Theil des ursprünglichen Kopfes entspricht. (Fig. 7 Tafel 2, v.) Archiv f, mikrosk, Anatomie. Bd. 20. 2 18 Walther Flemming: kopf entsprechend, dass an seiner Entstehung aus diesem nicht zu zweifeln ist !). Ist der so umgewandelte Spermakern noch weiter gegen die Mitte gerückt, so findet man zunächst keine weitere Umwandlung an ihm, ausser dass die Contoure des Centralkörperchens etwas rauher werden, und das Körperchen oft eine feinkörnige, — oder vielleicht feinnetzige — Beschaffenheit zu zeigen beginnt: für die Entscheidung, ob körnig oder netzig, sind die Verhältnisse schon zu fein. An Präparaten von Eehinus miliaris (Fig. 11, 12) fand ich diese Veränderung auffallender, als bei den beiden andern See- igeln. — Bei Ecehinus habe ich zuweilen Bilder gehabt, wie in Fig. 12 Taf. 2, wo der scharfgefärbte Vorderkopftheil des Samenfadens zum Theil noch deutlich compact, an seinem einen Ende eine Gruppe von Körnern, oder vielleicht feinen geknickt-verästelten Strängen, sich zeigt: es sieht danach aus, als ob die betreffende Auflockerungsmetamorphose des Kopfes an ihm von einem Ende zum andern fortschritte. Während aller dieser Vorgänge habe ich weder am lebenden noch am gefärbten Ei irgend Etwas von den Veränderungen am Eikern finden können, welche Schneider (a. a. O.) von Aste- racanthion beschreibt; von rhizopodenartigen Fortsätzen, die der- selbe gegen die Peripherie ausstrecken soll. Der Eikern behält vielmehr bei den Seeigeln in all dieser Zeit, bis zur Copulation, die gleiche Grösse, die gleiche Beschaffenheit (s. 0.) und die gleiche scharfe Abgrenzung gegen das umgebende Eiprotoplasma, was durch Säure oder Säurecarmin sofort demonstrirt werden kann (s. d. Figuren). Besondere Aufmerksamkeit wandte ich den beiden Radien- systemen zu, welche, wie durch OÖ. Hertwig, Fol und Selenka bekannt, am Spermakern und am Eikern sich im Plasma bilden. 1) Dies kommt also mit Hertwig’s und Fol’s Auffassung überein; nur mit der kleinen Abweichung, dass, wie oben ausgeführt, wohl nur der vordere Theil des Kopfes es ist, welcher zu dem Centralkörperchen wird. — Nach Selenka’s Darstellung (a. a. O. p. 7) entsteht der ganze Spermakern aus dem Halse des Samenfadens und würde die stark lichtbrechende vordere Spitze desselben, ebenso wie der Schwanz, losgelöst und im Eiplasma resor- birt. Bei meinen Objecten trifft dies jedenfalls nicht zu; die Färbung zeigt hier deutlich, dass gerade die Spitze, d. i. der vordere stark lichtbrechende Theil, erhalten bleibt, wenn schon in veränderter Form. Beiträge zur Kenntniss der Zelle und ihrer Lebenserscheinungen. 19 Die drei Untersucher lassen sie um diese Kerne als Centra ent- stehen. Ich finde dagegen, dass jeder dieser Asteren an dem be- treffenden Kern zunächst einseitig auftritt, so dass sein Centrum neben die Peripherie des Kernes fällt (Fig. 9 und 10 Taf. 2), und sich erst nachher so um den Kern her ausbreitet, dass das Centrum des Letzteren mit dem der Strahlung zusammenfällt. Dies geschieht aber, soviel mir scheint stets, erst dann, wenn die beiden Kerne sich bereits aneinandergelegt haben; aueh dann noch (Fig. 10 Taf. 2) ist oft auf’s Deutlichste zu sehen, dass das Centrum der Samenkernstrahlung zwischen Samenkern und Eikern ein- geschaltet liegt, und die Strahlung des Eikerns an dem ent- gegengesetztenPol des letzteren centrirt liegt; der Aster des Spermakerns erscheint dabei wie zwischen den beiden Kernen flachgedrückt. Der Samenkern schiebt also bei der Wanderung gegen den Eikern seinen Aster vor sich her und klemmt ihn, wenn der bildliehe Ausdruck erlaubt sein soll, zwischen sich und den letzteren ein. Erst mit der Verschmelzung beider Kerne dehnt sich die Strahlung gleichmässig um Beide aus. Natürlich kann man dies nur bei Vergleichung sehr vieler Eier und besonders aus Bildern, wie in Fig. 10 feststellen. Denn wenn man sich Fig. 1, 9 oder 10 um einen rechten Winkel, oder auch schon um etwas weniger gedreht gesehen denkt, so wird es den Eindruck machen, als läge die Strahlung wirklich centrisch um den Kern herum geordnet, so wie es die bisherigen Beschrei- bungen besagten. Wegen des grossen Vergleichsmaterials, das nöthig wäre, und wegen der gebotenen Zeitbeschränkung habe ich noch nicht aus- machen können, ob das Centrum des männlichen Aster zuerst an einer vorher gegebenen Stelle des Samenkerns auftritt, an der Vorderseite oder an der Schwanzseite des Kopfes, oder etwa stets gleich an der Seite, welche dem Eikern zunächst liegt. DieSchwie- rigkeit wird dadurch erhöht, dass bei Essigearminfärbung nach kurzer Zeit die Asteren viel undeutlicher werden, als sie es im leben- den Ei und noch unmittelbar nach der Wirkung des Reagens sind. Nach Schneider tritt bei Asteracanthion „die Sternbildung schon beim unbefruchteten Ei von Asteracanthion nach Einwirkung des Seewasser unter dem Auge des Beobachters mit einer für uns unmessbaren Geschwindigkeit auf“ (9, p. 6). Diese Angabe kann ich mir, in Bezug auf meine Objecte, nur durch die Annahme 20 Walther Flemming: erklären, dass eine Verwechselung der Kern-Asteren mit jener Strahlung vorliegt, welche nach meiner obigen Darstellung lange vor jenen, schon im Eierstocksei angelegt ist und allerdings nach der Befruchtung noch deutlicher hervortritt. Es müsste denn sein,. dass bei Asteracanthion wirklich abweichende Verhältnisse hinsichtlich dieser Strahlung vorlägen. In Bezug auf die Vereinigung des männlichen Kerns mit dem weiblichen habe ich vollkommen bestätigt gefunden, was O. Hertwig darüber angiebt (a. a. ©. p. 37, Taf. XI. Fig. 12). Er fand an Osmiumpräparaten von Eiern der bezüglichen Stadien bald ein Körperchen von der Beschaffenheit des Spermakerns am Eikern liegend und von ihm noch durch einen minimalen Zwischen- raum getrennt (Fig. 14, 12 a bei Hertwig), bald beide in Be- rührung, oder eine Verdickung in der Wand des Eikerns, von entsprechender Grösse wie der Spermakern (Fig. 12 b. e. d.); er schliesst daraus auf eine Verschmelzung beider Kerne. Die Essig- carminbehandlung zeigte mir dasselbe, nur noch detaillirter wie die Osmiumsäure. Wenn die beiden Kerne sich aneinandergelegt haben, hat der aus dem Samenfadenkopf entstandene, chromatische Centralkörper des Samenkerns nun definitiv jene körnige oder netzige Beschaffenheit bekommen (Fig. 10, 11, 12 Taf. 2 hier), welche er, wie oben erwähnt, vielfach auch schon früher erhält. Dieser Haufen von Körnern oder Fädchen lagert sich weiter schalenförmig an die Membran des Eikerns an und verschmilzt mit ihr (Fig. 13, 14). Nach den Bildern, die nun folgen (Fig. 14, a—c) lässt sich annehmen, dass die chromatische Substanz des Samenfadenkopfs sich, nach ihrem Aufgehen in der Kernmembran, in den Raum des Eikerns hinein vertheilt, indem sie dabei nicht eine eigentliche Auflösung erleidet, sondern im Ganzen in sich im Zusammenhang bleibt. Denn, während vorher die Netzstränge und Netzknoten im Eikern nur spärlich und blass waren (Fig. 10, 9, 11, 14 d) zeigen sich von nun an in ihm reichliche und schärfer färbbare Fadengerüste (Fig. 14 d, e, Fig. 17); und zwar findet man zahlreiche Fälle, wo diese Fadenwerke an der einen Seite des Eikerns auffällig dichter sind, als an der ent- gegengesetzten und in der Mitte des Kerns (Fig. 14 d), was sich im Anschluss an Fig. 153 b, 14 b ungezwungen so deuten lässt, dass hier das Eindringen der chromatischen Substanz des Samen- kerns in den Eikern erst im Beginn begriffen ist. Beiträge zur Kenntniss der Zelle und ihrer Lebenserscheinungen. 21 Ob jedoch hierbei nicht auch zeitweilige chemische Um- formungen der Kernsubstanzen mitspielen mögen, lässt sich einst- weilen nicht beurtheilen. Jedenfalls wird durch das Aufgehen des Samenkerns in den Eikern eine grössere Menge von Chromatin in den letzteren hineingeschafft; wobei man ja aus der Entwieklungsgeschichte des Samenfadens in Erinnerung ziehen wird, dass der Kopf desselben nichts anderes ist, als die concentrirte Gesammtmasse des Chromatins aus dem Kern, in welchem sich das Spermatozoon gebildet hatte '). Was aus dem hellen Hofe wird, der das Centralkörperchen des Spermakerns auch dann noch umgiebt, wenn die Verschmelzung beider Kerne beginnt (Fig. 14 a Taf. 2), habe ich nicht ermitteln können. Der Furchungskern zeigt sich nach der Verschmelzung um etwas grösser, als es vorher der Eikern war; es könnte dies auf einer Annexion auch jenes Hofes beruhen, möglich bleibt aber auch, dass dieser im Eiplasma verschwindet und dass jener Ver- grösserung des Furchungskerns eine Aufnahme von Flüssigkeit aus dem Eikörper zu Grunde liegt. Für bestimmte Schlüsse auf Eins oder das Andere sehe ich keinen Anhalt; es ist also noch die Frage, ob der männliche Kern zum Furchungskern noch Anderes beisteuert, als chromatische Substanz. d. Theilung. Ueber diesen Process habe ich die meisten neuen Ergebnisse mitzutheilen; aber sie sindzugleich so einfach, dass ihre Beschrei- bung ziemlich kurz gefasst werden kann. Wie es Hertwig und Fol schildern, streckt sich der aus der Conjugation der beiden Pronuclii entstandene Furchungskern zunächst in die Länge zu einer Spindelform (z. B. Hertwig’s Fig. 15, 16, hier Fig. 15, 16 Taf. 2, 2 Taf. I), von deren Spitzen sich noch Streifen körnerloser, heller Substanz in das Eiplasma erstrecken. Diese Portionen gehören nicht zum Kern selbst, wel- cher von der Verschmelzung an durch eine zarte, aber durch Essigsäure sofort deutlich demonstrirbare Kernmembran umschlossen ist, s. Fig. 16, 17. 1) Vergl. Theil II dieser Beiträge. Abschn. 3. 22 Walther Flemming: Ich halte mich im Nächstfolgenden an die Erscheinungen, die am Kern selbst auftreten; Alles, was die Verhältnisse der Strahlungen im Plasma betrifft, will ich weiter unten besonders besprechen. Behandelt man die Eier in dem eben erwähnten Zustand mit den im Eingang besprochenen Säure-Tinctionen, so erscheint in dem spindelförmigen Kern das gleiche, durch den Kernraum gleich- mässig vertheilte Fädengerüst, (Fig. 17 Taf. 2), wie es, nach der Beschreibung im vorigen Abschnitt, schon gleich nach der Ver- schmelzung zu selıen war. Hat man etwas länger gewartet, so sind die Fäden im Kern von durchweg gleicher Dicke, welligem Verlauf, und so starkem Tinetionsvermögen, dass sie mit überraschender Deutlichkeit hervortreten (Fig. 2 Taf. I, 18—20 Taf. 2), es ist ein Fadenknäuel, ganz vergleichbar den Knäuelformen, wie wir sie jetzt in Thier- und Pflanzenzellen der verschiedensten Arten kennen !). Andeutungen von der Gerüststructur in den spindelförmigen Kernen (Fig. 17 Taf. 2 hier), und vielleicht auch schon von den Knäueln, hat offenbar schon Fol an Osmium- und Essigsäure- präparaten gesehen (vergl. seine Fig. 2, 8, 9 und 11 Pl. VII), obwohl in diesen seinen Abbildungen nur Körnungen, nicht zu- sammenhängende Fadenwerke dargestellt sind. Die Säurebehand- lung allein lässt in der That nicht mehr erkennen, es muss die scharfe Tinetion und gute Beleuchtung hinzukommen, um den wahren Sachverhalt mit voller Evidenz zu zeigen. Wenn man die Fixirung in etwas späterem Stadium eintreten lässt, so zeigen sich jetzt die Knäuel deutlich segmentirt, in ge- wundene Fadenstücke von anscheinend gleicher Länge?) zertheilt. (Auch schon in Fig. 2 Taf. 1 stellenweise zu sehen; wo aber die Fäden dicht liegen, ist wegen der Kleinheit der Figur die Ent- scheidung unsicher, ob und wie viel Unterbrechungen vorliegen.) Die ganzen Kerne sind dabei häufig um ein wenig vergrössert, und haben statt der Spindelgestalt mehr rundliche Form. 1) Vergl. den I. Theil dieser Beiträge, Taf. XVII Fig. 3, 4, 5 u. A., nur dass die Knäuel der Eikerne geringere Dichtigkeit der Windungen haben. 2) Man kann dies natürlich nur schätzen, weil die Fäden vielfach im optischen Schnitt gesehen werden. Desshalb muss es an den Abbildungen erscheinen, als wären sie von sehr ungleicher Länge; ich verweise dafür auf die Erklärung dieser und meiner früheren Figuren (Theil I und I). Beiträge zur Kenntniss der Zelle und ihrer Lebenserscheinungen. 23 Ich verstehe im eben Gesagten unter dem ganzen Kern noch den gesammten Raum, der z. B. in Fig. 20, Taf. 2 von dem zarten Contour km umgeben wird; denn dieser entspricht offen- bar der ursprünglichen Kernmembran (vergl. Fig. 16, 17), Aber dieser Membrancontour wird allerdings jetzt auffällig zart, und verschwindet im Folgenden ganz. Etwas später findet man die Fädensegmente gegen die Aequa- torialebene zusammengedrängt (Fig. 21, 25, 26; Polarbilder: 22, 23, 24.). Genau in dieser Ebene gesehen, decken sie sich gegen- seitig oft so vielfach und erscheint die ganze Gruppe so dunkel, dass man ihre Lage nicht immer genau ausmachen kann, aber man braucht nur Eier aufzusuchen, in denen man etwas schräg gegen die Theilungsaxe sieht, und in denen zugleich durch etwas Quel- lung!) die Kernfäden leicht auseinander gerückt worden sind (Fig. 3 Taf. 1, 26, 25, siehe Erklärung), um leicht zu erkennen, dass die Figur sich ebenso wie die vorige aus Fädenstücken zu- sammengesetzt, welche jetzt zu Schleifen mit meist gebogenen oder gewundenen Schenkeln geformt sind. Letztere Biegungen können möglicherweise (ebenso wie bei anderen Zellenarten) durch die Säurebehandlung zum Theil verstärkt, und die natürliche Lage der Schleifenschenkel eine mehr gestreckte sein ?). Wenn man solche Figuren von der Polseite her oder schräg betrachtet, so erhält man bei manchen den Eindruck einer radiären Gruppirung (Fig. 22, 23, 34, sowie Fig. 24, 36, letzteres sind schon Tochterformen, die wieder in Theilung eintreten); besonders deutlich ist dieser Eindruck jedoch nur dort, wo nur geringfügige Quellung eingetreten ist (wie in Fig. 24), während bei stärkerer (Fig. 23) die Verrückung und Schlängelung der Schleifen doch zu bedeutend wird, um jene Anordnung noch recht kenntlich zu lassen. Ausser den chromatischen Fadenschleifen ist nun in diesen Stadien auch schon die achromatische Figur bemerkbar, in Gestalt der bekannten, vielbeschriebenen Fadenspindel (Fig. 3, Taf. 1), in deren Halbirungsebene im Aequator die chromatische Figur angehäuft liegt. Die achromatischen Fäden werden bei den 1) Vergl. im Eingang: Methode. 2) Dass jedoch Biegungen und Schlängelungen der Schleifenschenkel auch an der lebenden Kerntheilung vorkommen, zeigen meine Erfahrungen über die Hodenzellen von Salamandra (Th. II dieser Beitr., Taf. 3 Fig. 35), und die Epithelzellen derselben (Th. 1, Taf. XVI). 24 Walther Flemming: hier gebrauchten Behandlungen allerdings sehr blass, nur eben als zarte Streifen erkennbar; auch die Polarkörperchen der Spindel !) sind nach Essigearmin- und Salpetersäurebehandlung nicht erkenn- bar, obwohl sicher vorhanden, wie sich durch andere Mittel er- kennen lässt (Fig. 30). — Wie schon bei Besprechung der Methode erwähnt ist, erhält auch die blasse Fadenspindel, wie auch die ge- sammte helle Masse, welche die Kernfigur zunächst umgiebt, durch Essigearmin einen blassrothen Ton (Fig. 3, 4 Taf. 1); doch ist dieser im Vergleich mit der Tinetion der Fadenschleifen immer noch so matt, dass die Bezeichnung „achromatische Figur“ für die Fadenspindel desshalb immerhin zulässig bleibt. Auch die achromatische Fadenspindel ist, am stärksten in ihrer Mitte, durch das Reagens mehr oder weniger bauchig aufgequollen, was sich aus dem Vergleich mit Osmium- und Pikrinpräparaten, die ohne Quellung sind, ergiebt (Fig. 3 Taf. 1 mit Fig. 30 Taf. 2 — Osmium — zu vergleichen). Da unter diesen Umständen einige unnatürliche Verschiebung der chromatischen Schleifen gegen- über den achromatischen Fäden jedenfalls im Spiele ist, so darf man aus Bildern, wie Fig. 3 Taf. 1, Figur 18—26 Tafel 2 u. a, nicht schliessen, dass die natürliche Anordnung der Schleifen ge- rade so gewesen sein müsste, wie sie dort gezeichnet ist. Obwohl bei den Polaransiehten und schrägen Ansichten (Fig. 22, 23, 24, 26, 28, Taf. 2) auch in der Mitte der chromatischen Figur Schleifen zu sehen sind, so bliebe es doch sehr wohl möglich, dass in natura diese Mitte nur durch das achromatische Fadenbündel ein- genommen war und die chromatischen Schleifen um dieses gruppirt waren, so dass die Anordnung ganz der entspräche, welche im folgenden Abschnitt durch einige Figuren von Salamandra von der Polseite demonstrirt wird (Taf. 3); bei der Quellung könnten die chromatischen und achromatischen Fäden in der Art durcheinander gerathen sein, dass nun Bilder, wie die der Fig. 3 Taf. 1 und Fig. 22—26 Taf. 2 resultiren. Die eben beschriebenen Formen lassen sich, unter Vergleich dessen, was ich und Andere von der Kerntheilung anderweitig be- schrieben haben, selbstverständlich als Repräsentanten der abge- flachten Sternform und Aequatorialplatte auffassen. Zu einer ganz reinen Sternform von mehr allseitiger gleicher Aus- 1) Corpuscules polaires. H. Fol. Beiträge zur Kenntniss der Zelle und ihrer Lebenserscheinungen. 25 dehnung der Strahlen, wie sie bei den Amphibien besonders her- vortritt, scheint es hier wie auch bei manchen anderen Zellenarten nicht zu kommen, oder solehe doch nur sehr kurz zu dauern: Bilder wie Fig. 24, die solehe Formen zeigen, findet man nicht eben oft. Es folgt hierauf die Scheidung der chromatischen Figur in ihre zwei Tochterhälften (Fig. 4 Taf. 1), welche sich nun ziem- lich rasch von einander entfernen und an den achromatischen Fäden entlang verschieben, bis sie eine Strecke weit aequatorial- wärts von den Polen Halt machen. Das Auseinanderrücken erfolgt rasch, es sind nur selten Formen zu finden, bei denen die Tochter- kernmassen noch sehr nahe an der Aequatorialebene liegen. Auch hier, wie bei allen sonst von mir untersuchten Objecten, kann man hierbei nach dem sachlich Wahrnehmbaren nur von einer Scheidung oder Sonderung, nicht von einer Con- tinuitätstrennung der chromatischen Elemente sprechen. Niemals finden sich Bilder, aus welchen auf die letztere zu schliessen wäre. Freilich lässt sich auch die erstere — eine Scheidung also in der Art, dass die schon längst segmentirten Fäden nur in zwei Gruppen auseinanderrücken !) — hier bei der Kleinheit und relativ dichten Lagerung der Fäden nicht sicher erkennen; ich begnüge mich vorläufig darauf zu verweisen, dass sie bei Salamandra nachzuweisen war (a. 2.0.7). Von jetzt an nehmen die chromatischen Fäden der Tochter- gruppen eine Richtung an, die den achromatischen Spindelfäden fast parallel geht oder doch nur einen sehr spitzen Winkel mit ihnen bildet (Fig. 4 Taf. 1, Fig. 27 Taf. 2), Bilder, die auch sämmtlichen Vorgängern an diesen Eiern schon bekannt waren ?). Bei der grösseren Verdeutlichung durch die Tinetion, die meine Objeete bieten, präsentirt sich jede Tochtergruppe von der Seite ge- sehen in einer Art Kronenform (Fig. 4 Taf. 1, Fig. 27 Taf. 2), wo- bei jedoch einzelne Fädenenden oft nach centralwärts etwas un- regelmässig hervorragen — Letzteres ganz wie bei Salamandra 3). Während bei den Zellen des letzteren Thieres die chromatischen Fadenschleifen an der Polseite einander genähert, die freien Enden 1) Theil II dieser Beiträge, Tabelle p. 227, Holzschnitt p. 208. 2) z. B. O. Hertwig, Taf. XII, H. Fol, Taf. VI Fig. 13, 14, Se- lenka, Fig. 18 A, 21. 3) Vergl. Theil I, z. B. Taf. XVII Fig. 7. 26 Walther Flemming: der Schenkel gegen die Aequatorialebene auseinandergespreizt liegen, so dass die Form eines nach dem Aequator offenen Korbes oder einer Palmkrone entsteht !): liegen hier in den Echinideneiern die Fäden der Tochterfiguren einander fast parallel. Dabei er- scheinen sie jetzt nur schr wenig geschlängelt, oft ganz geradlinig. Bei der Ansicht solcher Figuren von der Polseite aus (Fig. 28 Taf. 2), wo man die optischen Querschnitte erhält, fällt zunächst auf, dass chromatische Fäden auch mitten zwischen den Fasern der achromatischen Spindel liegen. Die optischen Durchschnitts- bilder der gefärbten Fäden, die man sieht, bestehen zum Theil deutlich aus je zwei, nebeneinanderliegenden Querschnitten (Fig. 28 Taf. 2), zum Theil aber auch kann man nur einfache solche erkennen. Diese Phase ist die einzige, bei welcher eine Homologie mit meinen früheren Objeeten (Amphibien, Säugethiere u. A.) sich nicht auf den ersten Blick ergiebt. Wie bei den letzteren, sollte man erwarten, dass die chromatischen Tochterfiguren hier aus Faden- schleifen bestünden, die ihre Umbiegungen polarwärts, ihre freien Enden aequatorialwärts kehrten. So ist es bei Salamandra evident, und dass dasselbe auch anderswo, so bei Pflanzenzellen vorkommt, habe ich im II. Theil gezeigt. Allerdings könnte man nun bei den Echinideneiern nicht erwarten, dieses, wenn es da ist, ganz deutlich zu sehen; dazu sind die Verhältnisse doch schon zu klein, die Verdunklung durch den Eikörper zu gross, und in der Seiten- ansicht der Kernfiguren (Fig. 4 Taf. 1) decken sich die Fäden allzu sehr, um eine genaue Abgrenzung der einzelnen zuzulassen; einzelne Umbiegungsschleifen kann man jedoch am Polarrande der Figur oftmals erkennen (s. dieselbe Abb.). Die Bilder aber, welche man beim Anblick von der Polseite erhält, nachdem die Auseinanderrückung erfolgt ist (Fig. 28 Taf. 2, vergl. deren Erklärung) — Bilder also, welche die chromatischen Elemente als gradlinige Stäbchen demonstriren, diezum Theil zu je zweien, zum Theil auch einzeln neben und zwischen den achromatischen Fäden liegen: diese Bilder haben mich wirklich lange in Zweifel gelassen, ob nicht hier in der That eine erheb- liche Abweichung vom Verhalten bei den Säugethieren vorläge, bis sich mir ein neuer und unerwarteter Schlüssel für das Ver- 1) Th. I, Taf. XVII, Fig. 15, XVIN Fig. 6, Th. II, Taf. 2, Fig. 15 d. Beiträge zur Kenntniss der Zelle und ihrer Lebenserscheinungen. 27 ständniss ergab. Es liegt in dem Verhalten der nächstfolgenden Figuren (Fig. 29, 31 Taf. 2). In diesen liegen wieder gebogene Fäden vor, dieselben sind anfangs deutlich von einander getrennt und auffallend kurz: im Vergleich mit den Fäden, welche die Aequatorialplatte und die Muttersternform bilden (Fig. 26, 23), kann man sie durchgehends auf die halbe Länge der Letz- teren schätzen. Danach glaube ich annehmen zu müssen, dass während des Auseinanderrückens der Tochterkern- figuren dieSchleifen derselben sich an den Kniekungs- stellen trennen, so dass aus jeder zwei grade Fäden werden. Damit würden sich die Polarbilder (Fig. 28 Taf. 2) vollkommen erklären: wo hier zwei optische Querschnitte von Fäden dieht aneinander liegen, entsprechen diese einer so halbirten Schleife, deren Hälften aber noch nicht auseinandergerückt sind. Man findet übrigens, wenn man eine Anzahl solcher Polarbilder durehsucht, oft genug zwischen den optischen Querschnitten auch etwas schrägliegende Elemente, die sich deutlich als Schleifen ergeben (so in Fig. 28 in der oberen Kernfigur); es würden dies nach dem eben Gesagten solche Schleifen sein, bei denen sich die Halbirung etwas verspätet hat. Bei der Seitenansicht dieser Figuren kann man nicht hoffen, über diesen Process etwas sicherzustellen, da die Fäden, wie ge- sagt, sich dabei zu sehr gegenseitig deeken und undeutlich machen. Eine solche Halbirung der Fadenschleifen ist nun zwar bei anderen Zellen (z. B. Salamandra, Pflanzen) in der Tochterstern- form — denn dieser entspricht offenbar die jetzt besprochene Phase — bisher weder von mir noch von Anderen festgestellt worden; es ist aber vollkommen möglich, dass sie auch hier, und überhaupt allerwegen vorkommt. Denn wenn der Halbirungsprocess bei diesen Objeeten in die Stadien fällt, die z.B. meiner Fig. 15 und 16 Taf. XVIN. Theil I., Fig. 15c, 30d, 24, 25, 26 Taf. 2 Theil II ent- sprechen: so kann man bei der dann so dichten Gruppirung der Fäden gar nicht erwarten, dies zu sehen. Die folgende Phase, in welcher die Zelltheilung in der bekannten Weise, durch eine zunächst einseitig auftretende Ein- schnürung des Protoplasmakörpers anhebt, (welche auch oft während der vorigen Phase schon beginnt, Fig. 28) zeigt hinsichtlich der Kernfiguren wieder ausgesprochene Homologie mit meinen früheren Objecten. Die chromatischen Fäden haben leicht gewundene oder 28 Walther Flemming: hakenförmig gekrümmte Anordnung erhalten (Fig. 29, 31) und er- scheinen dabei, wie gesagt, schätzungsweise um die Hälfte kürzer als die schleifenförmigen Fäden der Aequatorialplatte, obne dass sie dabei dicker wären als die letzteren. Etwas später fixirte Eier (Fig. 32) zeigen dagegen statt dieser kurzen Häkchen wieder Windungen, die in längerer Ausdehnung untereinander zusammenhängen; offenbar parallel zu stellen mit den Knäuelformen der Tochterkerne, die an anderen Ob- jeeten auf die Sternformen folgen. Die Kernfigur ist in dieser Phase, wie es die Abbildungen angeben, sehr stark in der Paral- lelebene des Aequators abgeflacht, und zeigt sich dabei meistens nach dem Pol etwas concav, nach dem Aequator convex geformt (Fig. 31; in Fig. 32 war dies gerade nicht der Fall). Es folgt endlich die volle Ausbildung der Toehterkerne zur Ruheform (Fig. 35—34): das gewundene Fadenwerk geht mehr und mehr in die Form eines ziemlich gleiehmaschigen Netzwerks über, in dem ich Nucleolen nicht finde; nur hie und da zeigen sich leichte Verdiekungen in den Bälkchen. Dabei geht der Tochter- kern aus der abgeflachten Form (Fig. 32) in eine mehr rundliche über (Fig. 34). Zunächst ist seine Peripherie nicht glattwandig abgesetzt, wie es diese Abbildung zeigt; die Gerüstbälkchen ragen überall peripherisch hervor (Fig. 33). Etwas weiter ist eine Kern- membran ausgebildet (Fig. 34). Die Knäuelphasen der Tochterkerne, wie Fig. 33—33, scheinen hier relativ rasch vorüberzugehen, man muss desshalb zur betreffen- den Zeit nach der Befruchtung ziemlich viel Eier durchmustern, wenn man deutliche Repräsentanten dafür finden will. Der Ausdruck „Ruheform der Tochterkerne“, den ich nach der Analogie anderer Zellenarten für den Zustand der Fig. 34 gebraucht habe, ist hier eigentlich nicht recht passend: denn die Ruhe dauert hier nur sehr kurz, die Tochterkerne treten sehr rasch wieder in Kinese ein, und man muss sich natürlich hüten, die Bilder des Wiederbeginnes der Theilung (Fig. 35, 36) mit denen zu verwechseln, welche ich zuletzt beschrieb. Denn man kann beide Arten von Bildern zahlreich in einem Präparat nebeneinander finden, da, wie früher erwähnt, die furchenden Eier keineswegs alle genau mit einander Schritt halten. Die Erscheinungen der Tochter-Kinese sind, wie ich kaum weiter auszuführen brauche, wieder die genaue Copie der Mutter- Beiträge zur Kenntniss der Zelle und ihrer Lebenserscheinungen. 29 Kinese: Eine Knäuelform, eine Segmentirung, eine nicht sehr aus- gesprochene Sternform und Aequatorialplatte (Fig. 35, 36, 24) u. s. w. wie oben. In den folgenden Generationen werden jedoch wegen der Verkleinerung der Kerne die Einzelheiten so schwer sichtbar, dass man nicht mehr alles hier Beschriebene herauskennen kann. Wenn ich im Obigen vielfach die Ausdrucksweise gebrauchte: „etwas später fixirte Eier zeigen diese oder jene Veränderung“, so ist dies nicht so zu nehmen, als ob alle Eier einer Befruchtungs- portion sich der Zeit nach genau in den gleichen Stadien fortbe- wegten, so dass man in jedem fixirten Präparat nur ein und das- selbe Stadium anträfe. Die einen Eier gewinnen Vorsprung vor den anderen, und so kann man in demselben Präparat neben Aequatorialplatten schon Tochterfiguren, neben den letzteren Zell- theilungen, neben schon fertigen ersten Tochterkernpaaren wieder die Anfangsformen der Neutheilung finden. Jeder Sachkundige wird wissen, dass und wesshalb ich berechtigt war, auf Grund der früheren Arbeiten und an der Hand anderer Objecte die Reihen- folge der Phasen zu diagnostieiren und in der obigen Weise zu ordnen. In den Figuren, welche Eier nach geschehener Trennung zeigen, wird man die beiden Tochterzellen nieht rund, wie es dem Lebenszustand entspricht, sondern halbkuglig gezeichnet finden. Ich habe dies so gegeben, wie es die Essigsäurepräparate bieten: die im Eingang erwähnte Säurequellung verwischt die Abschnü- rungsmarken, und plattet die schon getrennten Tochterzellen in einer Ebene an einander ab. Die achromatischen Fäden bleiben, während die chro- matische Figur die Phasen bis zur Knäuelform der Tochterkerne durchläuft, zu der bekannten Spindel geordnet. Nur in einem Punet habe ich über ihr Verhalten etwas ausmachen können, was bisher nicht beschrieben war. Von dem Auseinanderweichen der chromatischen Tochterfiguren an, wo zwischen diesen das achro- matische Fädenbündel frei wird (Fig. 4 Taf. 1), zeigt sich an diesem in der Aequatorialebene eine Differenzirung, offenbar die 30 Walther Flemming: „Zellplatte* Strasburger's. Dieser stellt dieselbe in sehr vielen seiner Figuren von Pflanzentheilungen dar, stets in Form von kleinen runden oder länglichen Knötchen, welche im Aequator die achromatischen Fäden durchsetzen. Annähernd das Gleiche hat Fol, bei Ecehinodermen- und anderen Eiern, in einer Anzahl von Abbildungen (unter der Bezeichnung: Ft., Filaments eonneetifs) dargestellt; nur sind hier weit längere Anschwellungen der Fäden gezeichnet, als in Strasburger’s Zellplatten. — An den Eiern meiner drei Seeigel nun zeigt mir die Oel-Immersion als die Be- dingung dieser aequatorialen Differenzirung keineswegs deutliche Knötchen, oder langspindelförmige Anschwellungen der Fäden: sondern es macht den Eindruck, als seien die blassen Fäden hier auf eine kurze Strecke weit in gewundenen Lagen und durchein- andergewirrt (Fig. 4 Taf. 1). Um den Sachverhalt noch genauer zu erkennen, ist aber bei den Säuretinetionen das Fädenbündel zu blass, und auch die übrigen Methoden haben mir keinen wei- teren Aufschluss gegeben. Wegen jener Blässe der achromatischen Figur konnte ich leider der wichtigen Frage nicht näher kommen, wie dieselbe sich an den Polen verhält, während die Tochterkerne in ihrer Aus- bildung begriffen sind. Nicht einmal das Polarkörperchen lässt sich an Essigearminobjeeten unterscheiden, während die Methoden H. Fol’s hinreichend zeigen, dass es thatsächlich vorhanden ist (S. Fig. 30 Taf. 2, Osmiumsäure). Die Strahlungen im Eiprotoplasma, die während der Theilung auftreten, sind namentlich am lebenden Ei und nach geeigneter Essigsäurewirkung, auch mit anderen Reagentien !), so 1) Ich verweise auf die Vorschriften Fol’s und Hertwig’s. Die Essigsäure muss hierfür stärker verdünnt gewählt werden; das Schneider’- sche Essigearmin, das mehr als 40 p. c. Säure hat, lässt die Strahlung nach einiger Zeit undeutlich werden, oder doch nur in der Nähe ihrer Centra er- halten bleiben. In meinen Zeichnungen habe ich die Strahlungen, wo sie überhaupt ausgeführt und nicht blos angedeutet sind, nach dem lebenden Zustand der betreffenden Phase dargestellt : nach der Fixation und Färbung würden die Strahlen nicht mehr in so langer Ausdehnung zu sehen sein, wie sie z. B. auf Taf. 1 gegeben sind. Beiträge zur Kenntniss der Zelle und ihrer Lebenserscheinungen. 51 leicht zu studiren, dass ihre Hauptverhältnisse schon in den früheren Arbeiten erkannt und beschrieben sind und mir hier nur Weniges beizufügen bleibt. Wichtig scheint es mir dagegen, etwas genauer die Parallele zwischen dem Verhalten der Strahlungen einerseits, und der Phasenfolge der Kernfiguren andererseits zu ziehen, was erst jetzt, mit der näheren Kenntniss der letzteren am Ei, mög- lich wird. Ueber das morphologische Wesen der Asteren oder Radien- systeme muss ich mich H. Fol in der Anschauung vollkommen anschliessen, dass es sich dabei nicht nur um eine Aufreihung von Dotterkörnern, sondern zugleich und hauptsächlich um eine Differenzirung des Protoplasma selbst handelt, in welches die Körner gebettet sind, also um eine vorübergehende Proto- plasmastructur. Fol nennt die Radien geradezu „Filaments protoplasmatiques“; und auch mir macht es den Eindruck, dass die Asteren aus feinen, radiär geordneten Strängen verdichteten Proto- plasma’s bestehen, und dass die Dotterkörnerreihen zwischen diesen Strängen, und damit natürlich auch wieder selbst in radiärer Anordnung gelagert sind. So habe ich denn auch das Verhalten in den genauer ausgeführten Abbildungen der Taf. 1 und 2 dar- gestellt, und es in den übrigen Skizzen angedeutet. Am lebenden Ei sieht man allerdings nichts von Protoplasmastrahlen, sondern nur Dotterkörnerreihen; bei Wirkung schwächerer Essigsäure aber, und auch noch im ersten Anfang der Essigearminbehandlung, werden die Dotterkörner blasser, und dabei zeigt sich doch die feine geradlinige Strahlung in grosser Schärfe, und zwar auch noch in den nächsten Bereich der Poleentren hinein- greifend, welcher frei von Dotterkörnern ist (Fig. 3 und 4 Taf. 1). Dieser letztere Punkt scheint mir für die substantielle Beschaffenheit der Radien ganz ausschlaggebend zu sein. In der Phase, welche der beginnenden Knäuelform des Furchungskerns entspricht (Fig. 15, 16, 17 Taf. 2) findet man oft bei bestimmter Lage der Eier eigenthümliche Anordnungen der Strahlung, wie sie die Fig. 15 wiedergiebt: die Radien bilden Curven, welche von den Enden der hellen Centralfigur wirtel- förmig abfallen und sich gegen eine Ebene, die senkrecht gegen die Theilungsaxe liegt, allmählich abflachen. Wenn man ein solches Ei um etwa einen rechten Winkel dreht, so sieht man wieder eine geradlinige Ordnung der Radien, wie in Hertwig’s Fig. 15 32 Walther Flemming: Taf. XII oder in meiner Fig. 2 Taf. 1. Ich habe dies so oft ge- funden, dass ich nicht unterlassen wollte es zu erwähnen, da es vielleicht künftig für ein physikalisches Verständniss der Strahlen- bildung brauchbar werden mag. Vor der Hand jedoch muss ich es möglich lassen, dass es sich hierbei um Eier handelt, welche einen anomalen Entwicklungsweg nehmen werden, da ich keine Zeit hatte ein bestimmtes Objeet dieser Art lebend weiter zu verfolgen. — Wenn man nun die Strahlungen im Eiprotoplasma unter Be- rücksiehtigung des jeweiligen Zustandes der Kernfigur betrachtet, so ergiebt sich auf den ersten Blick, dass die Sterne im Protoplasma nieht etwa zeitlich genau zusammenfallen mit den Sternformen der Mutterkern- und Tochterkernfiguren. Wenn im Protoplasma die zum Mittelpunet centrirte Strahlung besteht (Fig. 10, 15 Taf. 2), ist im Kern noch nicht einmal die Bildung der Knäuelfigur in Gang; wenn letztere gebildet ist, bestehen im Protoplasma zwei. Asteren, zu den Polen des Kerns centrirt; wenn die Kernfigur in das Stadium tritt, das der Kranzform und Sternform des Mutter- kerns bei anderen Zellen entspricht (Fig. 22, 23, 241)), wenn also im Kern eine radiäre Anordnung waltet, sind jene zwei Pol-Asteren im Protoplasma immer bei Bestand, und bleiben es durch die Radiärformen und Knäuelformen der Tochterkerne hindurch (Fig. 27 bis 34). Dies stimmt nun vollkommen mit Demjenigen, was ich im I. Theil?) über polare Ansammlung und radiäre Anordnung der Körner im Protoplasma der Salamanderepithelien mitgetheilt habe. Nur sind diese Asteren dort wegen der Kleinheit des Zellkörpers und der Spärlichkeit der Körner wenig augenfällig, und desshalb scheint meine dortige Darstellung nicht auf viel Vertrauen gestossen zu sein. Es ist mir desshalb erwünscht, hiermit festzustellen, dass die grossen deutlichen Asteren im Eiprotoplasma sich in ihrem Auftreten gegenüber der’ Zeitfolge der Karyokinese genau so ver- halten, wie jene. — Auch für Pflanzenzellen dürfte sich vielleicht 1) Fig. 24 ist vom Pol gesehen, der Aster im Protoplasma hat sein Centrum nicht in der Kernfigur, sondern über dieser, ein anderer Aster liegt unter ihr: vergl. Fig. 3 Taf. 1, welche etwa denselben Zustand in der Aequatorialebene gesehen zeigt. 2) p. 372 ff., vergl. p. 421 ff., Fig. 6, 6a Taf. XVI, Th. L, Bd. 16 d. Archivs, Beiträge zur Kenntniss der Zelle und ihrer Lebenserscheinungen. 33 Aehnliches herausstellen (vergl. Abschn. II, letzte der Figuren von Lilium auf Taf. 3). Als Material für eine künftige physikalische Deutung dieser Processe kann somit vermerkt werden: es ist in der Mutterstern- phase der Kernfigur nicht ein und derselbe Punet, auf welchen die Radien der chromatischen Kernfigur centrirt sind !), sondern die ersteren haben und hatten schon vorher die beiden Theilungs- pole zu Centren, dagegen die chromatische Kernfigur erscheint wie auf ein eigenes Centrum in ihrer Mitte eingestellt. In der folgenden Phase dagegen (Fig. 27 Taf. 2, zu vergleichen die Sche- mata) sind die chromatischen Fäden der Tochterfiguren so gestellt, wie Radien zu je einem der Polcentren; es fällt also in dieser Phase — die ich Sternform der Tochterkerne nenne — die Üentrirung im Protoplasma mit der der chromatischen Fäden auf eine Zeit lang zusammen, bis dann die letzteren aus diesem Typus heraus und in ihre Knäuelform treten. — Hypo- thesen über die physikalischen Bedingungen dieses Verhaltens würden verfrüht sein; aber es scheint mir wichtig genug, um hier registrirt zu werden. e. Uebersicht der wesentlichen Ergebnisse aus diesem Abschnitt. 1) Es existirt bereits im reifen Eierstocksei der Echiniden (vermuthlich auch anderweitig) eine radiäre Anordnung des Eiprotoplasma, welche nach der Ausstossung und Membran- lösung, sowie während der Befruchtung fortbesteht und deut- licher wird. Diese Strahlung ist nicht zu verwechseln mit den Asteren, welche sich dann am Spermakern und Eikern bilden. 2) Ein Spermakern existirt, geht aus dem eingedrungenen Samenelement im Wesentlichen in der Weise hervor, wie es OÖ. Hertwig’s, Fol’s und Selenka’s Darstellungen entspricht, und copulirt sich mit dem Eikern. (Ueber die Differenzen der Autoren und über das Nähere der Vorgänge vergl. die Beschrei- bung oben.) 3) Die männliche Substanz, welche sich mit dem Eikern co- pulirt, ist jedenfalls der Hauptsache nach die chromatische 1) Vergl. die Schemata auf der letzten Tafel. Archiv f. mikrosk. Anatomie. 20. Bd. 3 34 Walther Flemming: Substanz des Samenfadens, d. i. der Vordertheil seines Kopfes. (Es bleibt dabei immerhin möglich, dass auch von den übrigen Theilen des Samenfadens Substanz in umgewandelter Form mit aufgenommen wird, vergl. Text.) Hiermit verliert ein Satz von allgemeiner Bedeutung seinen Halt, welchen H. Fol vor zwei Jahren aufstellen konnte und welcher damals, nach den vorliegenden Kenntnissen, noch wohl motivirt schien. „Die neuen Untersuchungen“, sagte Fol!), „drängen „immer mehr zu der Annahme, dass die Substanz des Kerns der „Samenmutterzelle nicht in die Zusammensetzung des Sperma- „tozoids eingeht; dieses besteht also aus Zellprotoplasma, „mit Ausschluss von Kernsubstanz“. — Danach würde für die Bil- dung des Furchungskerns nur von weiblicher Seite Kernsubstanz (also Nucleinkörper), von männlicher dagegen lediglich Protoplasma beigesteuert werden. Jetzt aber wissen wir, dass es vielmehr der Kern, und zwar gerade die chromatische Substanz des Kerns ist, die bei der Sa- menbildung den Spermatozoenkopf bildet. Ich darf wohl sagen, dass ich diese Thatsache endgültig und mit ausreichender Ge- nauigkeit für die Samenbildung bei Salamandra festgestellt habe ?). Und schwerlich dürfte Jemand glauben, dass in diesem Punkt nicht ein gleichartiges Verhalten durch das ganze Thierreich gehen sollte. Es vereinigen sich also im Furchungskern das Chro- matin (die Nuceleinkörper) sowohl eines männlichen als eines weiblichen Kerngebildes. 4) So viel ich sehe, bildet sich der Aster des Spermakerns an diesem einseitig, wird von ihm gegen den Eikern angeschoben (Fig. 9, 10 Taf. 2), und entsteht der Aster des Eikerns am ent- gegengesetzten Pol desselben (s. dieselbe Abbildung). Hiernach liegt also nieht bloss ein Herumgreifen des männlichen Aster um den Eikern vor. 5) Die Theilung des durch die Copulation entstan- denen Kerns (Furchungskern) ist in keinem wesent- lichen Punkt verschieden von der karyokinetischen (indireeten) Theilung sonstiger Zellkerne, wie dies nach den bisherigen Darstellungen anzunehmen wäre Sie verläuft 1) a. a. O. p. 251. 2) Theil II, Abschnitt 3, wo auch die übrige Literatur. Beiträge zur Kenntniss der Zelle und ihrer Lebenserscheinungen. 35 mit Fadenfiguren, welche mit unwesentlichen Form- abweichungen alle Phasen durchschreiten, die ich für die Kerntheilung von Gewebszellen beschrieben habe. 6) Die Muttersternform der karyokinetischen Figur hat nicht dasselbe Centrum, wie die Strahlung im Eiprotoplasma, sondern die letztere besitzt und besass schon vorher deren zwei, an den Polen. Die Radiärformen der Tochterkerne dagegen haben die- selben Centren wie die Protoplasmastrahlung, nämlich die Pole. Dies gilt nicht blos für Eizellen, sondern auch für andere Zel- lenarten. Man hat es oft und mit Grund beklagt, dass die Arbeit in der Entwicklungsgeschichte gerade am Vogelei begonnen worden ist, weil sie dadurch auf mancherlei Umwege und Irrwege geführt wurde, die beim Beginnen mit anderen Objecten, z. B. Everte- braten, von vorn herein vermieden worden wären. Aehnlich, so lässt sich vergleichsweise sagen, hat es sich unglücklich getroffen, dass die ersten genaueren Untersuchungen über die Zelltheilung und Kerntheilung im Thierkörper grossen- theils gerade an der furchenden Eizelle gemacht worden sind, statt an Zellen der Wirbelthiergewebe. Die meisten Eier sind für Kerntheilungsstudien fast die ungünstigsten Objecte, die sich denken lassen. Ich darf mir solches Urtheil gestatten, nachdem ich früher, gleich Anderen, am Ei in Bezug auf die Kerntheilung im Dunkeln getappt habe. Die Arbeiten von Bütschli, Fol, Auerbach, Strasburger, OÖ. Hertwig, Selenka und Andern, welche die Eifurchung betrafen, haben bei allen senstigen Ergeb- nissen nicht zur Erkenntniss des wahren Sachverhalts der Kern- theilung geführt, trotz aller Sorgfalt und Beobachtungsschärfe der Untersucher, lediglich wegen der Widerspenstigkeit des Objectes, der Schwierigkeiten, die geeigneten Behandlungsmittel zu finden, und des damaligen Mangels an Analogien, die aus der Kenntniss der Theilung anderer Zellenarten zu entnehmen waren. Ohne diese Kenntniss würde ich das Beschriebene auch nicht gefunden haben. — Schneider ist der Einzige, welcher bisher an einem Ei, dem von Mesostomum, die Fadenfiguren der Kerntheilung richtig gesehen und beschrieben hat (1). Um so mehr könnte es auffallen, dass 36 Walther Flemming: gerade er jetzt in seiner letzten Mittheilung (9) niehts von ge- sehenen Fadenfiguren erwähnt hat. Gerade deshalb habe ich auch sein Arbeitsmittel, das Essigearmin, bei den Echiniden vorzüglich verwendet und zwar, wie man sieht, hier mit bestem positivem Erfolg. Das Ei von Asteracanthion, an dem Sehneider arbeitete, ist verhältnissmässig so körnerreich und dunkel, dass das Verbor- genbleiben seiner Kernfiguren unter gleicher Behandlung nicht Wunder nehmen kann. Die Resultate dieses Abschnittes verdanke ich der Bereit- willigkeit, mit weleher die preussische Regierung mir rechtzeitig einen Arbeitsplatz an der zoologischen Station in Neapel gewährte. Herrn Professor Dohrn, den Herren Dr. Paul Mayer, Dr. Eisig und Salvatore schulde ich für vielfache freundliebe Un- terstützung meinen besten Dank. Citirte Literatur. 1. A. Schneider, Untersuchungen über Plathelminthen. Jahrb. der oberhess. Gesellsch. f. Natur- und Heilkunde 1873. 2. Oscar Hertwig, Beiträge zur Kenntniss der Bildung, Befruchtung und Theilung des thierischen Eies. Hab.-Schr. Jena 1875, Morphol. Jahrbuch Bd. I. (Fortsetzung s. weiter am letzteren Orte). 3. Hermann Fol, Commencement de l’hönogenie chez divers animaux. Archives des sciences physiques et naturelles, Geneve 1877. 4. E. Selenka, Zoologische Untersuchungen. Befruchtung der Eier von Toxopneustes variegatus. Leipzig 1878. 5. W. Flemming, Beiträge zur Kenntniss der Zelle und ihrer Lebens- erscheinungen, I. Theil. Arch. f. mikr. Anatomie Bd. 16, 1878. 6. H. Fol, Recherches sur la f&condation et le commencement de l’heno- genie. Geneve 1879. W. Flemming, II. Theil von: 5) Arch. f. mikr. Anat. Bd. 18 p. 151. Ed. Strasburger, Zellbildung und Zelltheilung. 3. Aufl. 1880. A. Schneider, Ueber die Auflösung der Eier und Spermatozoen in den Geschlechtsorganen. Ueber Befruchtung. Zool. Anzeiger v. 12. Jan, und 24. Mai 1880. Für sonstige Literatur, welche nicht direct eitirt ist, siehe: Literatur- verzeichniss in Nr. 5), 7) und 8). o on Beiträge zur Kenntniss der Zelle und ihrer Lebenserscheinungen. 37 Erklärung der Abbildungen auf Taf. I und II. Die Figuren, bei denen nichts weiter über die Beobachtung angegeben, sind mit Seibert’s homogener Immersion "/,; und Abbe’s Beleuchtungs- apparat mit verschiedenen Ocularen (Hartnack 1, Seibert 0 und 1) aufge- nommen, auf letzteres sind die Grössenabweichungen bei einzelnen Figuren zu beziehen. — Die Farbenintensität der Kernfäden auf Taf. 1 entspricht durchaus der Färbung, welche sie über dem Beleuchtungsapparat, bei weg- genommener Blende und weissem Wolkenlicht, an den Präparaten zeigten. Die Farbe des Eiprotoplasma’s auf Tafel 1 habe ich der Uebersichtlichkeit wegen rein gelbbraun genommen, während sie an den Präparaten mehr oder weniger röthlichen Nebenton hatte. Auf Taf. 2 sind alle dunkler schat- tirten Kernfigurentheile in derselben rothen Farbe zu denken, wie auf Taf. 1. — Ueber die Methode vergl. am Anfang unter a. Die abgehobene Eimembran ist nur in Fig. 1 und 15 mitgezeichnet. Die Strahlungen im Eiprotoplasma sind nur in Fig. 1—5, 8—10, 24, 33 aus- gezeichnet, anderswo nur angedeutet. Tafel T. Fig. 1. EivonToxopneustes (Strongylocentrotus)lividus etwa 4 Min. nach der Befruchtung fixirt. Der Spermatozoenkopf (links) lag mit seinem spitzen Vorderende (links) abgekehrt von dem Eikern (rechts) und dem Eicentrum, hatte sich also nach dem Eindringen gedreht. (Dies kommt öfters vor, meistens ist aber die Lage die umgekehrte, vergl. Fig. 8 Taf. 2.) Am Eikern noch keine Strahlung; in der Eikörperrinde die centrische Strahlung sichtbar, welche schon das Ovarialei (Fig. 5 Taf. 2) besitzt. Fig. 2. EivonEchinus miliaris, in der Grösse des vorigen dargestellt, etwa 3/, Stunden nach der Befruchtung. Anfang der Karyokinese in dem durch die Copulation entstandenen Furchungskern. Vergl. Fig. 18—20 Taf. 2, etwas späteres Stadium. Vor der Fixirung und Färbung bot das Ei das Bild von 0. Hertwig’s Fig. 15 Taf. 12, H. Fol’s Fig. 2, 3 Taf. 6 (hier Fig. 15, 16 Taf. 2); der Contour des Kerns war dabei im Leben nicht zu erkennen. Fig. 3. Ei von Sphaerechinus brevispinosus, etwas über 1 Stunde nach der Befruchtung. Flache Sternform der chromatischen Figur. Bei der Behandlung sind die achromatischen Fäden sehr blass, nur eben wahrnehmbar, die Polarkörperchen nicht zu sehen. Vor der Fixirung bot das lebende Ei das Bild etwa der Fig. 16-17 Taf. 12 O. Hertwig’s, Fig. 4 Taf. 6 H. Fol’s. 38 Walther Flemming: Fig. 4. Sphaerechinus, nach der Zweitheilung: Kinese der zwei ersten Tochterkerne, welche in diesem Fall nicht ganz genau mit einander Schritt hielten (wie es sonst die Regel ist). Oben noch Kronenform, unten Knäuelform den chromatischen Figuren. Der blassrosenrothe Ton, den in den beiden letzten Bildern auch die achromatische Figur und ihre nächste Umgebung zeigt, ist so gegeben, wie ihn günstig gerathene Essigearminfärbungen zeigen (vergl. im Eingang unter a, Methode). Ich wiederhole, dass man es nicht jedesmal so findet; meistens ist das Eiprotoplasma, oder seine Dotterkörner, leicht mitgefärbt und dann die Abgrenzung des blassrothen Hofes nicht so deutlich. Sein Umfang ist ohne jede scharfe Abgrenzung nach aussen, und entspricht nicht etwa dem Umfang, welchen der Kern vor der Kinese besass, sondern etwa dem Umfange der ganzen langgestreckten hellen Stelle, welche dann in- mitten des lebenden Eies sichtbar ist (Fig. 15, 16 Taf. 2, H, Fol Fig. 2, 3, 4 Taf. 6). Tafel II. (Mit Ausnahme von Fig. 5, 15, 16 alle Figuren nach Tinctionspräparaten.) Fig. 5. Sphaerechinus brevispinosus, reifes Ovarialei direct in der Fig. 11. Eierstockflüssigheit, mit Hartnack 7 aufgenommen. Strahlung im Ei- protoplasma, welche jedoch am Eierstocksei nur in der Peripherie deutlich hervortritt. Es war kein Seewasser, geschweige denn Sperma zu dem Präparat gekommen. Diese Strahlung gehört also schon dem Ovarialeian. d: Dotterhügel Selenka’s. Vergl. oben S. 12. . Ovarialei ebendaher mit Richtungskörperbildung etwas stärker ver- grössert, Essigcarmin. Die chromatischen Elemente der Kernfigur sind so klein, dass auch mit Seibert’s Oelimmersion ihre Form nicht sicher festzustellen ist. . Samenfaden von Sphaerechinus, wie er sich mit Essigearmin- oder Anilinfärbung zeigt. V vorderer, * hinterer Theil des Kopfes. . Sphaerechinus, wenige Minuten nach der Befruchtung fixirt. Körnung nur halb ausgezeichnet. Samenfadenkopf dicht unter der Oberfläche, noch ohne deutliche Strahlung, ebenso der Eikern. . Etwas später, beginnende Strahlung an beiden. 10: 20 Minuten nach der Befruchtung, Berührung von Spermakern und Eikern. Die Lage der Radiensysteme ist genau so dargestellt, wie sie sich alsbald nach der Säurewirkung zeigten. Später werden sie bei der hier gebrauchten Behandlung undeutlicher. Der gleiche Zustand von Echinus miliaris. Der veränderte Sperma- tozoenkopf (Centralkörper des Spermakerns) erscheint ausgesprochen körnig oder netzig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. 1. Fig. Fig. Fig. Beiträge zur Kenntniss der Zelle und ihrer Lebenserscheinungen. 39 „12. 15. 16, IT. 25, Echinus, Stadium zwischen Fig. 9 und 10. Der Kopf zeigt einen compacten, einen körnigen Theil. Rechts Eikern. Schwächer ver- grössert dargestellt. . 13a. Toxopneustes, etwa 30 Minuten nach der Befruchtung, Spermakern und Eikern noch im Zustand wie Fig. 10. ig. 13b. Etwa 15 Minuten später fixirt. . 14. Toxopneustes. a, b, c: Verschmelzung des Spermakerns mit der Grenzschicht des Eikerns. (In ce sind ausnahmsweise zwei getrennte, stark gefärbte Stellen in der Eikernmembran ; sonst für gewöhnlich nur eine, der Substanz des Spermakerns entsprechend). d, e: Ver- theilung des Chromatins des Spermakerns in dem Eikern, dadurch Zunahme der Gerüstsubstanz im letzteren. Ei von Sphaerechinus etwa im Zustand von Fig. 2, helle Figur schon etwas mehr verlängert; eigenthümliche Anordnung der Strah- lung bei gewisser Lage des Eies (s. oben Capitel d, 8. 31, 23). Schwächer vergrössert. 17. Vor dem Beginn der Karyokinese. Kern spindelförmig. Fig. 16: bei der ersten leichten Wirkung von Essigsäure aufgenommen. Vor- her war am lebenden Ei der zarte Contour des Kerns nicht erkennbar. Gleicher Zustand, nach Färbung. (Die folgenden Figuren bis Fig. 36 theils von Sphaerechinus, theils von Toxopneustes, geben eine Uebersicht aus sehr vielen gesehenen). 19, 20. Knäuelform und Segmentation der chromatischen Figur. 19: vom Pol, 18, 20: im Aequator gesehen. \ bis 24. Formen, welche den Kranz- und Sternphasen von Salamandra correspondiren. und 23. Vom Pol gesehen. In 22: sehr enge Anordnung. . Das gleiche Stadium in einer der zwei ersten, wieder in Theilung getretenen Tochterzellen (liegt also vor Fig. 4 Taf. 1, ist die Mutter- figur zu je einem der dortigen Tochterpaare). Vom Pol gesehen, wie 22 und 23: es scheint desshalb die Strahlung im Eiprotoplasma von der Kernfigur auszugehen, in der That liegt aber (Einstellung) je ein Aster über und unter der Kernfigur ; vergl. Fig. 21, 25, 26 Aequatorialansicht. 26. Den Kränzen, Sternen und Aequatorialplatten correspondirende Formen. Fig. 25 genau im Aequator gesehen (die Schleifen decken sich desshalb sehr und es sind wenig freie Enden zu sehen). Fig. 26: mehr gelockerte Figur, etwas schräg gesehen. (Für alle diese, und auch die folgenden Figuren ist zu berück- sichtigen, dass die Fadenschleifen durch die leichte Säure- quellung etwas ausder natürlichen Lage gekommen sein können.) Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. . 50. 32. 33 34. = 35 Walther Flemming: . Nach dem Auseinanderweichen, wie Fig. 4 Taf. 1, etwas schräg. Kronenform, entspricht der Sternform der Tochterkerne (insofern die chromatischen Fäden ja offenbar als Radien zu den beiden Polen geordnet sind). . Gleiche Form in den 2 ersten Tochterzellen, auf Fig. 24 folgend ; vom Pol gesehen. Optische Querschnitte der Fäden. Oben eine Umbiegung sichtbar. Die meisten Fäden erscheinen an der Um- biegung in 2 Hälften getrennt zu sein. Vergl. Text, p. 26, 27. . 30, 31. Die hierauf folgende Form (vergl. Fig. 4 Taf. 1, unteres Kernpaar), von mehr lockerer Anordnung in Folge der Säurequel- lung. Die Fäden sind kurze Häkchen, nur etwa halb so lang wie die Schleifen in Fig. 20, 24, vergl. Text. Fig. 29 schräg, fast vom Pol gesehen. Vergl. p. 26, 27. Nach einem Osmium-Carminpräparat von H. Fol gezeichnet: ent- spricht offenbar dem Zustand von Fig. 31, die Kernfiguren sind aber zu compact und die Färbung nicht stark genug, um, auch selbst mit Oelimmersion, zu entscheiden, ob Körner oder Faden- schleifen vorliegen. — Die Polarkörper sind recht deutlich, eines scheint aus mehreren zu bestehen. Die achromatischen Fäden sind hier nicht gut erkennbar. Auf 31 folgender Zustand : Verbindung der Fäden zur Knäuelform der Tochterkerne. Diese Kernfigur, wie auch Fig. 30, 31, ist von flacher Tellerform ; zu vergleichen damit das Bild derselben vom Pol in in einer Zelle zweiter Generation. Darauf folgende Gerüstform der Tochterkerne (vergrössert darge- stellt), an welchem deutliche, mitgefärbte Grenzmembran, welche nicht etwa durch „Abhebung“, sondern durch periphere Verschmel- zung der chromatischen Stränge entsteht. und 36. Der nach sehr kurzer Ruhe darauf folgende Anfang der neuen Kinese der Tochterkerne: Fig. 35 = Fig. 18, Fig. 36 = Fig. 23, 24. Beiträge zur Kenntniss der Zelle und ihrer Lebenserscheinungen. 41 Abschnitt II. Zur Kenntniss der Kerntheilung im Wandbeleg des Embryosackes von Lilium u. a. Pflanzen. (Taf. 3. Fig. la—m, nach Strasburger, und Fig. 2, a—g. — Taf. 4.) In der letzten Auflage von Strasburger’s „Zellbildung und Zelltheilung“ ist in Fig. 85—108 und auf S. 30 ff. die Kerntheilung am genannten Orte bei Lilium Martagon geschildert ). Wenn diese Beschreibung der Natur entspricht, so würde allerdings nicht daran zu denken sein, dass die Mechanik der Kernfiguren hier dieselbe oder nur eine ähnliche wäre wie die, welche ich bei Thierzellen beschrieben, und bei einigen Pflanzen im Wesentlichen wiedergefunden habe ?). Ich erlaube mir, zur Erläuterung hier in Fig. 1 a—m einige Repräsentanten der Mittelstadien aus Stras- burger’s Figuren abzuzeichnen : das vorher im Zellkern gebildete unregelmässige Fadennetz soll nach Strasburger vorwiegend in einer Richtung gestreckt werden, die queren Verbindungsbrücken der so längsgeordneten Fäden sich nach der Aequatorialebene ziehen (Fig. 1 a—b hier) und die in Schleifen verwandelten Maschen des Netzes nun vorwiegend senkrecht gegen dieselben gestellt werden. Dann sollen sich die Schleifen an ihren Polenden öffnen (Fig. 1ik, von Galanthus, nach Strasburger p. 32) und eine „Kernspindel“ resultiren, die aus einer mehr oder weniger eontinuirlichen, hier nur relativ schwachen aequatorialen Platte, und von derselben abgehenden nach den Polen zu frei endenden Fäden besteht (Fig. 1b, ec). Diese Fäden sollen von verschiedener Dicke, an ihren polaren Enden manchmal an- geschwollen sein. Zwischen den von dieser Platte nach polwärts abgehenden Fäden sah Strasburger (Fig. le) in einigen günstigen Fällen die blassen (achromatischen) Spindelfasern, die in den folgenden Stadien deutlich an den Polen und in der Mitte hervortreten, und über deren Vorkommen und Verschiedenheit von der chromatischen 1) Offenbar ganz ähnliche Formen ferner von: Leucoium sativum, Fig. 66—84, Galanthusnivalis S. 32, auch Picea vulgaris, Fig. 111—118. 2) II. Theil dieser Beiträge. 42 Walther Flemming: Figur er jetzt mit mir in Uebereinstimmung getreten ist (p. 33 8.2.08 Die nun folgende Theilung der erwähnten aequatorialen Kernplatte (Fig. 1b, ce) fasst Strasburger so auf, dass die sämmt- lichen Fäden oder andere geformten Elemente !) derselben im Aequator eine halbirende (oder ungefähr halbirende) Spaltung er- leiden ?), und die Spaltungshälften gegen die Pole rücken, indem sie theilweise Verbindungsfäden zwischen einander ausziehen, die später zerreissen (Fig. 1def). Dieses Schema der Theilung ist also sehr verschieden von demjenigen, welches ich, zwar vor Allem nach dem Verhalten der Thierzellen, aber auch unter Berücksichtigung der Pflanzenzellen aufgestellt habe. In diesem meinem Schema kommt, wie Stras- burger mit Recht bemerkt, von jener „aequatorialen Spaltung“ der Kernfäden nichts vor; es drückt sich einfach in den schema- tischen Bildern aus, die im II. Theil auf S. 208 gezeichnet sind und hier auf Taf. 4 zur Erläuterung wiederholt werden, und lautet: a. Muttersternform: Umbiegungen der Schleifen liegen nach dem Centrum der Mutterzelle, Schenkel nach der Peripherie (Tas 5.1, 1.2): b. Aequatorialplatte: Umbiegungen je einer Halbportion der Schleifen drehen sich nach den Polen, Schenkel nach dem Aequator; dabei können theilweise Berührungen und Ver- klebungen der beiderseitigen Schenkelenden vorkommen (Taf. 4A 3); ec. Trennung oder eigentlich besser, Auseinanderweichen, da die ganze chromatische Kernfigur schon im Stadium a) in gleichlange Fadenschleifen segmen- tirt war: die beiden Schleifenportionen rücken vom Aequator ab und auseinander, in derselben Stellung, die sie in b) hatten (Taf. 4 B. 4). Im vorigen Herbst erhielt ich durch die Güte des Herrn Soltwedel einige Präparate desselben von Kerntheilung im Wand- 1) Nach den Figuren Strasburger’s — vergl. dieselben — müssten sie sehr ungleich geformt sein. 2) Vergl. Strasburger’s S. 331 a. a. O., und seine Berufung auf Schleicher’s und Peremeschko’s Figuren p. 333. Beiträge zur Kenntniss der Zelle und ihrer Lebenserscheinungen. 43 beleg des Embryosackes von Lilium eroceum zum Geschenk. Sie waren mit Alkohol fixirt, die Färbung (Boraxcarmin und Methylgrün) diffus und nieht stark; die Kernfiguren waren nicht deutlich zu entziffern und machten nahezu den gleichen Eindruck, wie die eben besprochenen und bier abgezeichneten Figuren Stras- burger’s. Es gelang mir, nach Abhebung der Deckgläser drei der Stücke, die in Glycerin eingeschlossen gewesen waren, heraus- zunehmen, nach guter Waschung ihnen in Alauncarmin eine hin- reichende Kerntinetion zu geben und sie dann mit Nelkenöl- Damarlack aufzuhellen; welcher Letztere, wie ich hier notiren will, für die speciellen Dinge, um die es sich hier handelt, absolut er- forderlich ist. Ich war sehr erstaunt, als ich die Objecte in diesem Zustand sah und mit ihrem früheren Ansehen, und mit Stras- burgers Zeichnungen verglich. Ich stelle den letzteren hier in Fig. 2 a—9 Taf. 3 einige Bilder der betreffenden Phasen gegenüber. Sie sind mit Seibert’s hom. Imm. '/ı und Abbe’s Beleuchtungsapparat (Blende weggenommen, Farbenbild) gezeichnet, auch noch mit der stärkeren hom. Imm. t/,s eontrolirt, die aber nicht mehr zeigte, als was auch mit jener schon auszumachen war. Die Alaunearminfärbung ist allerdings, wohl zufolge der früheren Behandlung der Objeete, nicht sehr stark, lange nicht so intensiv gerathen wie sie an meinen sonstigen Kerntinetionen zu sein pflegt; immer aber stark genug, dass sich bei Wegnahme der Blendung die chromatischen Fäden sehr wohl in rosenrother Farbe präsentiren, während die achromatischen bei der angewandten Auf- hellung nur als eine feine, blasse Strichelung erscheinen, die nur einen schwach gelblichen Hauch von Färbung zeigt. Ich stelle nun zusammen, was an diesen Präparaten von den Bildern Strasburger’s abweicht: 1. Es sind — worauf übrigens weniger ankommt — in allen Kernfiguren viel zahlreichere chromatische Fäden vorhanden, als er sie dargestellt hat !). Ich selbst habe auch nicht alle Fäden eingetragen, die sich bei verschiedener Einstellung sehen lassen, weil das die Dar- stellung sehr schwierig und verworren gemacht hätte. In Fig. 2a sind etwas mehr als die Hälfte der vorhandenen gezeichnet, 1) In Fig. 98 (1c hier), wo die Zahl grösser ist, entspricht nach S. 31 ein Theil davon achromatischen Fäden. 441 Walther Flemming: solche, die sich mit jenen grade deckten, vielfach fortgelassen. In der Mitte — Aequatorialgegend — der Figur sind dem- gemäss auch nicht alle betreffenden Umbiegungen und opti- schen Schnitte mit angegeben. In den 3 folgenden Bildern entspricht die Menge der angegebenen oder angedeuteten Fäden Fäden ungefähr drei Vierteln der vorhandenen; bei dem viel dichteren Bau dieser Figuren war es nicht möglich, alle genau wiederzugeben. 2) Die ehromatischen Fäden sind überall in den Figuren von 3) 4) 3) gleicher Dieke, oder zeigen doch nur hie und da ganz minimale Anschwellungen oder Verdünnungen. ° Von den starken Ansehwellungen, Zuspitzungen ete., die Strasburger nicht nur zeichnet, sondern auch beschreibt (p. 31), ist nichts zu finden. Man sieht in der Aequatorialebene nicht eine zusammen- hängende Platte, wie es Strasburger’s Fig. 95, 96 (hier 1b) von Lilium Martagon, Fig. 1 i k I (hier) von Galanthus, Fig. 75 und 111 ff. Taf. III und IV a. a. O. von Leucoium und Picea geben, sondern nur dichtgedrängte Windungen, optische Sehnitte von solehen und auch von freien Fädenenden, letztere mit Deutlichkeit natürlich nur nach dem Umfange der Figur erkennbar (Fig. 2 a b). Man sieht vielfach eine Form, welche sich bei Strasburger nicht findet, und welche, wie ich nicht anders annehmen kann, zwischen meimer Fig. 2a und 2e liegen muss: es erscheint in der Aequatorialebene eine helle Marke, in der sich nur hie und da chromatische Fäden zeigen: die beiden halbwegs ge- trennten Fädenportionen richten, noch gerade wie in’ Fig. 2a, freie Enden nach polarwärts, aequatorialwärts bildet jede ein Gewirr von Biegungen, optischen Schnitten und Faden- enden, welche ungefähr parallel der Aequatorialebene heraus- stehen. Weder in dieser Form, noch in der folgenden, der Tonnen- form (Fig. e—d), sind chromatische Verbindungsbrücken zwi- schen den Tochterportionen in der Weise zu sehen, dass ein dicker Faden einer Tochtergruppe sich allmählig schlank zu- spitzte, wie es Strasburger so vielfach darstellt (Fig. le, lm). Wo man hier zwischen den Tochtergruppen gefärbte Fäden angeordnet findet, da sind sie ebenso dick, wie die Beiträge zur Kenntniss der Zelle und ihrer Lebenserscheinungen. 45 in den Tochtergruppen selbst liegenden (Fig. 2 b). Es können dies sämmtlich Schleifen sein, die noch nicht auf ihre künftige Seite übergetreten sind, und geben also keineswegs einen Beleg dafür, dass hier eine substantielle Trennung vorher zusammen- hängender Elemente im Aequator vor sich gegangen sein müsste, wie es Strasburger annimmt. 6) In den folgenden (Stern- oder Kronen-) Formen der Tochterkerne (Strasburger’s Fig. 101, 102, 103, Fig. 1 e fg hier) sind ebenfalls keine kolbigen Anschwellungen und Zuspitzungen, und verschwimmende Enden an den Fäden zu sehen, wie sie dort gezeichnet sind; die Fäden vielmehr in ihrer ganzen Länge von gleieher Dieke, und scharf begrenzt. 7) Ueber die weitere Umformung und Anlage der Tochterkerne giebt Strasburger an: „sie biete nichts Eigenthümliches; die Elemente nähern sich einander bis zur seitlichen Ver- schmelzung (Strassburger Fig. 103—104, g h hier), nachher hebe sich eine Membran von den jungen Zellkernen ab. — Ich finde dagegen, dass die auf Strasburger’s Fig. 1e f (meine Fig. 2 d e) folgenden Formen, welche der Reihenfolge nach denen der Fig. g—h Strasburger’s entsprechen, keines- wegs „verschmolzene Elemente“ enthalten; diesen Eindruck bekommt man nur bei ungenügender Färbung und mit Systemen bis Hartnack 9 a imm., bei guter Tinction aber, mit Oelim- mersion und Beleuchtungsapparat zeigen sich solche Kerne auf’s deutlichste inKnäuel-und Gitterformen (Fig. 2efg). Hiernach hat also Strasburger in diesen Fällen entweder stark verzerrte und entstellte Objecte vor sich gehabt !), oder er hat seine Präparate missverstanden, weil es an hinreichend starker Kerntinetion und geeigneter Beleuchtung fehlte. Die Unterschiede seiner und meiner Bilder, welche ich auf- gezählt habe, können nur Demjenigen geringfügig erscheinen, der mit dem jetzigen Stande der Kerntheilungsstudien nicht näher be- kannt ist. In der That sind diese Unterschiede ausschlaggebend in der Frage, ob die Theilungsmechanik in diesem Pflanzengewebe 1) Was mir jedoch weniger wahrscheinlich ist, da die mir vorliegenden Objecte von Lilium ebenso wie die seinigen mit Alkohol fixirt waren, 46 Walther Flemming: prineipiell die gleiche sein kann, wie die, welche in Thiergeweben gezeigt ist. Nach Strasburger’s Bildern geht dies nicht an, nach den meinigen lässt es sich ungezwungen durchführen. Die Phase der Fig. 2a Taf. 3 entspricht offenbar der Reihen- folge nach der Sternform bei Salamandra (Fig. Bl und B2 auf Taf. 4, zu vergleichen mit A 1 daselbst). Diese Form hat bei Lilium nur in so fern eine abweichende Anordnung, als die Schleifenschenkel hier nicht radiär nach allen Richtungen diver- siren, sondern vorwiegend nach zweien: die einen Schenkel mehr parallel der Axe gelagert, die andere mehr parallel dem Aequator. Vom Pol gesehen, würde sich also auch eine Sternform bieten. Da man aber in den flachgeformten Objecten alle Kernfiguren senkrecht gegen die Theilungsaxe, oder doch schräg gegen dieselbe vor sich hat, tritt jene nicht hervor. Bei den geschlängelten oder gebogenen Fädenlagen, wie sie in Fig. B2, B2* Taf. 4 angedeutet sind, werden natürlich Bilder wie Fig. 2a Taf. 8 herauskommen. Aus dieser Form Fig. 2a Taf. 3 kann die spätere, Fig. 2 e Taf. 3, in ganz derselben Weise entstehend gedacht werden, wie dies bei Salamandra thatsächlich erfolgt: die Umbiegungen der Schlei- fen, die bisher nach der Aequatorialebene gerichtet lagen, kehren sich gegen die Pole (Fig. B3 Taf. 4), so dass nun Bilder wie Fig. 2e,d Taf. 3 resultiren.— Zwischen beiden würden hier For- men auftreten, die in den kurzen, polar zusammengedrückten Kern- figuren von Salamandra nicht so zum Ausdruck gelangen (Fig. 2 b Taf. 3). Die beiden Tochterportionen haben sich schon gruppirt, machen Versuche umzuklappen und auseinanderzurücken (wie in den flachgeformten Sternen von Salamandra, Th. II p. 208 Fig. 3), bleiben aber noch zeitweilig nach der Aequatorialebene attrahirt; die einen Schleifen sind in diesem Zustand schon mit ihren Win- keln nach den Polen gerichtet, die andern noch nicht; den ersteren entsprechen die einzelnen Schenkel, die man in der hellen Marke inmitten der Fig. 2b Taf. 3 sieht, den letzteren die noch polar hervorragenden. Endlich überwiegt die polare Attraction und schlägt der Zustand in den der Fig. 2e, d Taf. 3 über (Schema: Fig. B2 bis B3 Taf. 4). Uebrigens kommen auch bei den Amphibien ähnliche Zwi- schenformen vor; ich bitte dafür meine Fig. 6 und 7, Taf. 1 Th. I anzusehen und mit Fig. 2b Taf. 3 hier zu vergleichen. Es wäre Beiträge zur Kenntniss der Zelle und ihrer Lebenserscheinungen. 47 möglich, dass ein solches vorläufiges Auseinanderweichen auch hier regelmässig vorkommt, aber nur kurz dauert und desshalb nicht oft fixirt wird. Nachdem die chromatischen Tochterkernmassen dann die Sternform (oder wenn man hier lieber so sagen will, Kronenform) in Fig. 2e (lg) durchgemacht haben, gehen ihre Elemente zu- nächst in die Knäuel- oder Gitterform über (Fig. 2 e—f—g), welche Strassburger hier wie bei vielen andern seiner Objecte übersehen, oder doch nicht berücksichtigt hat; während ich sie bei all den meinigen, Thier- wie Pflanzenzellen finde und, als deutliche Repetition der Knäuelphase des Mutterkerns, für ty- pisch halte. Ob noch später hier völlige Verschmelzungen der chro- matischen Fäden in den Tochterkernen vorkommen mögen, und eine Membran von diesen sich abhebt, wie Strasburger es an- nimmt, kann ich nicht beurtheilen, da in den mir vorliegenden Objeeten diese Formen nicht vorkommen. Dies ist aber gleich- gültig für die Uebereinstimmung mit der Phasenfolge bei Thier- zellen, wie ich sie behaupte und wie sie Strasburger bestreitet. Er benutzt als Argument für diesen Zweifel unter Anderm, dass die chromatischen Stäbchen der Tochterkerne bei Pflanzen schon vielfach in der (meiner) Sternform (das wäre Strasburger’s Fig. 1 g hier) mit einander verschmölzen und so im Folgenden blie- ben, so dass dann freilich die Repetition der Knäuelform fehlen würde. Ich habe dagegen hier gezeigt, dass in der That sowohl während der Sternform als der Knäuelform die Elemente getrennt liegen (Fig. 2e fg) und nur eine unzureichende Beobachtung den Eindruck geben kann, als wären sie verschmolzen. Vollkommen richtig hat Strasburger beobachtet, dass in den Formen, welche der Figur 2a Taf. 3 vorangehen, an den Polseiten der Figur vielfach zusammenhängende Schleifen zu sehen sind (Fig. 1a,lik hier, Fig. 4, 5, Seite 32, Fig. 94 Seite 30 unten). Dies involvirt keineswegs, wie es scheinen könnte, eine Abweichung von dem Verhalten bei Salamandra u. a.; es lässt sich vielmehr ganz wohl einfügen in die Segmentirungs- stadien der Figur (Knäuel- bis Kranzformen, z. B. in meinem Theil I Taf. XVII Fig. 6, 7 11); wie die Segmentirung des Faden- knäuels sich dort bis in die Sternform hinein verzögern kann, so wird das auch hier bei den Pflanzen sein können, wo nach meiner 48 Walther Flemming: hier gegebenen Auffassung die Form der Fig. 2a oder 1b und lik der Sternform des Mutterkerns entspricht. Abschnitt III. Einige neue Ergebnisse über Karyokinese und Kernbau. (Taf. 3, Fig. 3—9.) Für ein künftiges Verständniss der Karyokinese liegt eine wichtige Vorbedingung in der weitern morphologischen Erforschung der achromatischen Fädenspindel. Wir wissen noch nicht, wie und woraus sie sich formt !), können nicht sicher sagen, in welcher Weise sie bei der Ausbildung der Tochterkerne betheiligt ist, und dürfen daher jeden neuen thatsächlichen Beitrag zu ihrer Kenntniss als brauchbar hinnehmen. Was ich in dieser Hinsicht hier beschreiben will, ist schon etwas zu fein, um auch selbst bei Salamandra mit Trockensystemen oder Wasserimmersionen deutlich hervorzutreten, obwohl es, wenn man es einmal kennt, auch mit solchen Mitteln einigermaassen zu sehen ist. Ich bin erst durch die homogene Immersion (Seibert !/ıs und Yıs?)) und bei Benutzung des Abbe’schen Beleuchtungs- apparates auf diese aufmerksam und über sie klar geworden. Denn die achromatischen Fäden sind an den meisten Zellen- arten der Urodelen und der Wirbelthiere überhaupt so blass und so gering an Masse, dass ich ja im Anfang der Untersuchung hier selbst an ihrer Existenz zweifeln konnte. Es ist mir dann gelungen, sie im Stadium der Aequatorialplatte vielfach bei Sala- mandra aufzufinden (Th. II Abschn. 2, F), bisher aber hatte ich sie stets nur an solchen Kernfiguren studirt, welche in der Aequa- torialebene gesehen vorlagen?). Man kann sie aber auch in 1) Die neue Annahme Strasburger’s, dass die achromatische Figur aus dem Zellprotoplasma in den Kern hineindringen soll, ist vor der Hand weder beweisbar, noch widerlegbar; ich bespreche sie im Schlussabschnitt näher. 2) Die Benutzung der letzteren verdanke ich der Freundlichkeit meines Collegen Heller. 3) S. d. Fig. auf Taf. 2, Th. II. Beiträge zur Kenntniss der Zelle und ihrer Lebenserscheinungen. 49 der Ansicht vom Pol aus erkennen und sieht dabei Einiges, was die Aequatorialansicht nicht zeigt. Es gelingt dies bei Salamandra am Besten bei Kernfiguren, welche im Uebergang aus noch gebogenen Fädenlagen in die eigent- liche Sternform begriffen sind !); ich habe sie früher als Kränze bezeichnet, weil sie bei der Ansicht vom Pol vielfach ein grösseres freies Mittelfeld zeigen; während in der nachfolgenden eigent- lichen Aequatorialplatte ?) die Anordnung zu dicht zu sein pflegt, als dass sich ein solches Feld noch darstellte. In jenen Kränzen nun sieht man hie und da schon mit Hartnack Imm. 9 ein körnig- streifiges Wesen, welches durch die Oelimmersion in das Bild der Fig. 3 und 4°) auf Taf. 3 aufgelöst wird. Was man hier vor sich hat, ist offenbar das Polarbild der achromatischen Fädenspindel, die demnach schon in diesem Stadium, während der ersten Anlage der Muttersternform, existirt. Sie ist aber bei aequatorialer Ansicht bei Salamandra nicht zu sehen, weil hier, bei der Grösse der ehromatischen Figur im Verhältniss zur achromatischen, die erstere durch die Strahlen des Sterns verdeckt wird (Fig. A 1 Taf. 4). — Die blassen Fäden bil- den eine weitbauchige Spindel, sind also bei der Polaransicht natürlich nur durch verschiedene Einstellung in das Bild zu pro- jieiren, welches Fig. 3 und 4 Taf. 3 geben. In jedem Pol, wo sie zusammentreffen, sieht man ein mattglänzendes Körper- chen, welches an guten Safrauinpräparaten, gleich den blassen Spindelfäden selbst, fast keine Spur von Färbung zeigt: offen- bar das Aequivalent der Polarkörperchen, welche H. Fol (s. Absehn. 1) an Eizellen bekannt gemacht hat. Ich habe die Polarkörper hier in Fig. 3 und 4 Taf. 3 zu Gunsten der Wieder- gabe etwas dunkler, schärfer umrandet gezeichnet, als sie zu sehen sind; an ihrer Existenz als körperliche Dinge kann bei gutem Licht kein Zweifel bestehen. Ob sie jedoch ganz compact oder, wie man es öfters bei Eiern sieht, aus mehreren Körperchen com- binirt sind, lässt sich hier nicht mehr entscheiden. Die blassen 2) Var 3018 23,,4..6, 7,5... Erkl,; Th. I, Esf. XV Eig. VEu. A. 2) Th. II Taf. I Fig. 10—14, hier Taf. 4 A 3. 3) Fig. 3 Taf. 3 ist eine Doppelfigur, Theilung einer zweikernigen Zelle, wie ich solche von mehrkernigen Zellen schon im Th. II, Taf. 2 und 3 darstellte, und jetzt im Epithel und Bindegewebe öfter gefunden habe. Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 20, 4 50 Walther Flemming: Spindelfäden scheinen als direete substanzielle Fortsetzungen von ihnen auszugehen. Es besteht also auch in diesem Punet Homologie zwischen zwei Zellenarten, die in Bezug auf die Formverhältnisse der Kern- figur sonst möglichst weit von einander abweichen: die Polar- körperchen finden sich sowohl in diesen Zellen von Salamandra mit ihrem grossen Chromatinreichthum und ihren sehr kleinen achromatischen Figuren, als in den Eizellen, wo die blasse Spindel relativ mächtig und die chromatische Figur winzig ist. Diesem Unterschied entsprechend, sind sie aber auch in den Eiern weit grösser als in den Amphibienzellen. Ich möchte hiernach glauben, dass sich namentlich bei Pflanzen- zellen die Polarkörperchen bei genauerer Untersuchung recht viel- fach finden lassen werden, weil dort die achromatischen Figuren relativ viel Masse haben. Die Hodenzellen von Salamandra, wo ein ähnliches Verhältniss besteht, will ich demnächst auf diesen Punct prüfen. Bei einigen Aequatorialplatten, die ich schon früher genauer studirt hatte, so bei dem Object der Fig. 12 Taf. 1 Th. II ist mit Hartnack Imm. 9 und 10 auch bei bestem Licht nicht mehr zu sehen, als was ich dort zeichnete: ein anscheinendes Aufhören der blassen Spindelfäden in einer Ebene. Die Oelimmersion zeigt bei richtiger Beleuchtung, dass die Fäden dort nicht aufhören, son- dern sich eonvergirend noch etwas weiter fortsetzen und im Pol zusammentreffen. Es liegen gerade hier um die Pole her einige Körneransammlungen im Protoplasma, welche für Hartnack Imm. 9 und 10 das Bild schon hinreichend verdunkeln, um hier die Fäden unsichtbar zu machen. Es ist aber damit keineswegs gesagt, dass die Spindelfäden stets in einem Punct im Pol zusammentreffen müssten. Bei Eiern kommen oft Bilder zur Beobachtung, wie auf Taf. 2 hier, wo eine flächenförmig ausgedehnte Gruppe von Polarkörperchen vorliegt; und bei Pflanzen mag vielleicht Aehnliches vorkommen. Interessanter als die Polarkörperchen, über deren Bedeutung sich für jetzt noch nichts aussagen lässt, ist eine andere Erschei- nung, welche gleichfalls in der Polaransicht zum Ausdruck kommt, Beiträge zur Kenntniss der Zelle und ihrer Lebenserscheinungen. 51 und welche auf Anknüpfung physivologischer Gedanken schon eher Aussicht bietet. Die Umbiegungswinkel der Fadenschleifen, welche die kranz- oder sternförmige chromatische Figur zusammensetzen (Fig. 3, 4 Taf. 3), liegen vielfach deutlich in Berührung mit je einem der achromatischen Fäden. Die Blässe und Feinheit der Letzteren ist allerdings so gross, dass ich dies bis jetzt auch mit den Oelimmersionen nur bei be- sonders günstigen Figuren mit weitem Mittelfeld, die mit der Axe fast gerade vertical im Präparat liegen, feststellen kann; und auch dort nur bei einem Theil der Fäden. Es finden sich aber solche Fälle grade in den am besten fixirten Präparaten, wo die Kerne und Kernfiguren auch sonst besonders regelrechte Formen und geringfügige Schrumpfung zeigen. Es ist hiernach wahrschein- licher, dass die Berührung je einer chromatischen Schleife mit einem der achromatischen Fäden !) der natürlichen Lage ent- spricht, als dass beide Dinge durch Verrückung beim Einwirken des Fixirungsmittels künstlich in Berührung gekommen sein sollten. Es würde sich danach ergeben, dass der Winkel der chromatischen Schleife von dem entsprechenden achromatischen Faden attrahirt wird, und dass die Schleifen später, bei der Tren- nung der Mutterfigur, sich an den blassen Fäden entlanggleitend in zwei Gruppen auseinanderordnen (Schema, Fig. A 1, A 2, A 3). Es würde, eine solche Attraction vorausgesetzt, nicht unbedingt nothwendig sein anzunehmen, dass dieselbe immer ganz zur directen Berührung führen muss, und so würde man die Fälle auffassen können, in denen man Schleifenwinkel weiter von der achroma- tischen Spindel entfernt findet; wobei jedoch auch einige Ver- rückung durch die Reagentien im Spiel sein kann. In einigen Exemplaren von Stern- oder Kranzformen liegen die chromatischen Fadenschleifen so lose, dass sie sich mit Hülfe 1) Ich bitte daraus aber noch nicht den Schluss zu ziehen, als ob ich annähme, dass die Zahl der chromatischen Segmente stets gleich der ganzen Zahl, oder auch gleich der Hälfte der achromatischen sei. Beides wäre mög- lich, bliebe aber noch zu ermitteln; denn die Zählung der achromatischen Fäden ist für jetzt ein frommer Wunsch, während die der chromatischen allerdings in günstigen Fällen gelingt (siehe unten). 52 Walther Flemming: von Oelimmersion und Beleuchtungsapparat'!) zählen lassen. In drei Fällen, bei Mund- und Kiemen-Epithelzellen der Salamander- larve, ist mir dies bis jetzt ganz klar gelungen; hier waren es jedesmal vierundzwanzig Schleifen (Fig. 6 und 7 Taf. 3 sind 2 von diesen Fällen). In etwa 20 anderen Fällen, Epithel und Bindesubstanz betreffend, liessen sich die meisten Schleifen zwar deutlich abgrenzen, an einigen Stellen aber, wo die Fäden in opti- schen Schnitten und dichter lagen, blieb die Entscheidung un- möglich, ob Unterbreehungen vorhanden waren und ob sonach einige Schleifen mehr oder weniger vorlagen. In diesen eirca 20 Fällen betrug die Zahl der gezählten Schleifen 17 bis 22, die der übrigen, unsicheren war der Schätzung nach so, dass auch hier überall die Annahme von 24 zulässig wäre ?). Es lässt sich hier- nach natürlich nicht behaupten, dass diese Zahl auch nur bei diesen Geweben genau eingehalten würde; immerhin scheint mir der Be- fund vorläufig bemerkenswerth, schon um zu zeigen, wie viel sich mit den Kernen von Salamandra machen lässt. Betrachtet man an reinen scharfen Kerntinetionspräparaten von Epithel, Bindesubstanz, Muskeln u. A., nach Chromsäure-, Pikrin- säure- o. a. Fixirung, die ruhenden Kerne mit Trockenlinsen oder Wasserimmersionen bis Hartnack Nr. 10°), so sieht man was ich im I. Theil beschrieben habe: ein loses, unregelmässiges Gerüst von feineren und gröberen Strängen, Verdickungen darin, Nucleolen meist in diesen eingeschlossen; eine Kernmembran, die einen scharfgefärbten, eontinuirlichen Grenzeontour zu bilden scheint, und als übrige Substanz des Kerns eine Zwischenmasse, die körnig aussieht und anscheinend gleichmässig und viel matter, als die vorerwähnten Theile gefärbt ist (z. B. Fig. 1a Taf. 1, Th. D). In dieser scheinbar homogenen Zwischensubstanz zeigt die homogene Immersion bei weggenommener Blende des Be- l) Gute Färbung vorausgesetzt, ohne Blende, gutes weisses Licht. 2) Solcher Fall ist z. B. die im Th. II gezeichnete Fig. 9 Taf. 1, wo ich nur 19 Schleifen dargestellt habe, an einigen Stellen in der Mitte aber, wo die optischen Durchschnittsbilder keine sichere Abgrenzung der Enden zuliessen, einiges habe ausfallen lassen. Vergl. auch Erkl. d. Fig. 4 Taf. 3. 3) Unter Hülfe des Beleuchtungsapparats kann man auch mit diesen Wasserlinsen das weiter Beschriebene schon theilweise erkennen. Beiträge zur Kenntniss der Zelle und ihrer Lebenserscheinungen. 53 leuchtungsapparats, also im reinen Farbenbild, nun noch ein viel feineres Gerüstwerk von tingirten Bälkchen, in Fortsetzung der sröberen, die man schon mit schwächeren Mitteln sieht (vergl. Fig. BEHFLON Pal. Schiet mit" Fig. 1 a) Taf’ TAI, Fig: 1, 7 Taf. 15 Th. D. Offenbar ist die anscheinende feine Körnung, die sich in der „Zwischensubstanz“ des Kerns findet "\, nur der Ausdruck von optischen Quer- und Schrägschnitten dieser feineren Bälkchen. Das, was man „Zwischensubstanz des Kerns‘ nennen kann, wird hierdurch auf einen geringeren Theil reducirt als ich früher annahm; denn, so lange man sie nicht unterscheiden konnte, habe ich damals die feinen Bälkchen natürlich dabei mitgerechnet. Dies bezieht sich auch auf dasjenige, was ich früher a. a. ©. über die Tingirbarkeit dieser „Zwischensubstanz‘“ angab. Es ist möglich, dass die homogene Farbe, die sie mit schwächeren Linsen zeigt, nichts anderes ist als Ausdruck der Färbung der feineren Bälkehen, dass also die Substanz, die noch zwischen diesen übrig bleibt, wirklich achromatisch sein mag. Hierüber ganz sicher zu entscheiden, ist auch mit den neuen Linsen schwer. Bei recht flachen Kernen erscheinen mir die Maschen zwischen den Bälkchen im reinen Farbenbild manchmal in der That ebenso farblos, wie das den Kern umgebende Zellplasma ?); meistens haben auch jene Maschen noch einen deutlichen Farbenschimmer, doch bei etwas diekeren Kernen könnte dies immer auf dem durchschimmernden farbigen Licht anderer, darüber oder darunter liegender Bälkchen beruhen. Es kann nun die Frage aufgeworfen werden, ob diese feinere Fortsetzung des Netzwerkes Natur- oder Reagentienproduet ist. Es braucht nicht gesagt zu werden, dass man von so zarten Ver- hältnissen im lebenden Kern nichts sehen kann: hier muss man schon zufrieden sein festzustellen, dass die gröberen Gerüst- stränge intra vitam so, wie ich sie früher beschrieben habe, vor- handen sind ; und letzteres gelingt allerdings mit der homo- 1) S. Th. I Abschn. 1. (Vergl. die Fig. 1 a, 2a b Taf. 17 ebenda, und Fig. 1a Taf. 1 Th. I). 2) Natürlich immer reine Kerntinction vorausgesetzt! (Alauncarmin, Anilin-Kerntinction, oder solche Hämatoxylinfärbungen, bei denen das Zell- protoplasma gar keine Mitfärbung hat). 54 Walther Flemming: genenlImmersion, bei geeignet regulirterAbblendung, noch weit schlagender als mit den Wasserlinsen. Da diese gröberen Netzbalken also unzweifelhaft vital praeformirt sind, so hat man einigen Grund dies auch von den feineren vorauszu- setzen, da diese, ausser in der Dicke, in keiner Beziehung andere Beschaffenheit zeigen als jene. Ein Beweis liegt allerdings nicht vor. Auch für den Fall— der mir als der wahrscheinlichere vor- kommt — dass das feinere Netz Natur ist, bleibt es natürlich ganz möglich, dass die Reagentien an den Strängen einige Schrumpfung oder Verzerrung hervorgebracht haben. Die Kernwand zeigt sich bei flüchtigem Hinsehen wie aus zusammengeordneten Körnern bestehend ; sieht man aber genauer nach, so ergiebt sich, dass kleine Portionen von chromatischer Sub- stanz innen an dem Umfangscontour des Kerns anlagern, die genau so intensiv gefärbt sind, wie die chromatischen Gerüste im Innern des Kerns (Fig. 8, 9, 10). Diese Portionen sind von meist abge- flachter, unregelmässiger Form, erstrecken sich hie und da als stärkere Fortsätze in das Innere des Kerns (s. ebenda, besonders Fig. 9), sind aber an den meisten Stellen allerdings unter sich von annähernd gleicher Grösse, so dass dadurch der Eindruck zu Wege kommt, als sei die Kernwand von ziemlich gleichmässig vertheilten Lücken durchbrochen. Ob nun solche Lücken wirklich existiren, oder ob der Raum der Kerngrenze, der so von chromatischer Substanz freige- lassen ist, noch durch eine feste Wandschicht überspannt wird, lässt sich bis jetzt nicht entscheiden. Auf alle Fälle wollte ich den obigen Befund schon erwähnen mit Rücksicht auf die Ansicht Klein’s und Anderer, nach welcher die Bälkchen des Kernnetzes nach Aussen mit den Structuren im Plasma der Zelle zusammen- hängen sollen!). Dafür könnte man nun diese fraglichen Lücken, als eventuelle Form der Kernwand, offenbar nicht in Anspruch ziehen. Denn gerade die Substanz des Netzwerks im Kern, welche nach jener Ansicht Fortsätze nach Aussen schicken soll, hängt ja susammen mit den verdickten Stellen der Kernwand, geht in sie über, und ist so tingirbar wie diese Portionen der Wand selbst. Nach den hier vorläufig mitgetheilten Befunden habe ich meine 1) Ich habe dies nicht geläugnet, wie von anderer Seite irrig ange- geben worden ist, sondern halte es nur bis zur Zeit für nicht erwiesen. S.d. früheren Theile d. Beiträge. Beiträge zur Kenntniss der Zelle und ihrer Lebenserscheinungen. 55 früheren Sätze über den Bau des Kerns!) durch folgendes zu er- weitern: a. Das, was ich Zwischensubstanz des Kerns genannt habe, ent- hält an Reagentienpräparaten, vermuthlich auch intra vitam, noch eine verfeinerte Fortsetzung des Kerngerüstes. Die feine Körnung, welche man an Reagentienpräparaten in der Zwischensubstanz des Kerns mit schwächeren Linsen (bis Hartnack 10) sieht, und von welcher ich es früher möglich liess, dass sie auf Gerinnung in einer homogenen Masse be- ruhen könnte, ist auf optische Durchschnitte jener feinen Bälkehen zurückzuführen. Die letzteren sind die direete Fortsetzung der gröberen, und sind chromatisch (tingirbar) gleich ihnen. Vielleicht ist darauf die ganze Tingirbarkeit der Zwischensubstanz des Kerns zu- rückzuführen. b. Die Kernwand, soweit sie tingirbar ist, besteht aus kleinen peripheren Ausbreitungen der Netzbälkchen am Um- fange des Kerns, die aus der gleichen Substanz constituirt scheinen, wie die Bälkchen selbst. Ob ausserdem noch eine nicht tingirbare, schliessende Membran den Kern umgiebt, bleibt zu entscheiden. Abschnitt IV. Kerntheilungen beim Menschen. (Taf. 3 Fig. 11—16.) Nachdem die karyokinetische Theilung bei Säugethieren — im physiologischen Wachsthum von mir?), in menschlichen Sar- komen und Careinomen von J. Arnold’) — festgestellt worden ist, und nachdem J. Gaule sie aus dem Pankreas des Hundes 1) Th. I p. 348, 356 ff, Th. Ip. 152 fi. 2) Th. II, Abschn. 1, D. Seitdem hat Pfitzner bei Säugethierembryen und jungen Thieren (Hund) in verschiedenen Geweben zahlreiche Theilungs- figuren gefunden (bisher noch nicht publicirt). 3) Virchow’s Archiv Bd. LXXVIU p. 2 ff. 56 Walther Flemming: beschrieben hat !), scheint es eigentlich überflüssig, ihr Vorkommen beim Menschen noch anderweitig zu beschreiben. Denn obschon es Fachgenossen giebt, welche nicht eher einer Sache näher treten, als bis sie ihnen auch bei Homo sapiens praesentirt wird, so sollte man dieser Richtung doch keinerlei Concession machen. Wenn ich es doch geeignet finde, hier Einiges über menschliche Kern- theilungen zu bringen, so geschieht es hauptsächlich, weil man nach der eitirten Arbeit Arnold’s vermuthen könnte, dass die beim Menschen vorkommenden Formen durchweg in Manchem erheblich von denjenigen abwichen, die ich bisher besonders von Amphibien genauer beschrieben habe; oder dass sie doch beim Menschen sehr vielfältige Varianten böten. Durch das, was ich bis jetzt gefunden habe, würde diese Annahme aber nicht gestützt werden. Sehr klare Präparate von menschlicher Kerntheilung habe ich aus dem Epithel einer Cornea vom Erwachsenen. Der Bulbus, den ich der Güte meines Collegen Völckers verdanke, war wegen einer Geschwulst in der Orbita exstirpirt, an der Horn- haut nichts Abnormes zu bemerken. Der Bulbus kam etwa 10 Min. nach der Exstirpation in Chromsäure von ’/s p. e.; die Schnitte von der Cornea wurden in Safranin gefärbt. In der untersten und zweitunteren Schicht des Epithels finden sich Theilungen, ziemlich sparsam und verstreut, nirgends local gehäuft. Von einer grossen Zahl Schnitte, 10—15 « diek und '/s bis /g der Hornhautfläche begreifend, enthält noch nicht einmal die Hälfte Theilungen. Zur Verdeutlichung ihrer Formen begnüge ich mich, in Fig. 11—15 Taf. 3, einige der Hauptphasen, mit homogener Immersion und Beleuchtungsapparat, zu zeichnen. Die Bilder sind bei gutem Licht durchaus deutlich und klar?). Man sieht, es sind Formen 1) Arch. f. Anat. und Entwickelungsgeschichte 1881. Inzwischen ' hat A. Bockendahl auch in der Submaxillaris von Carnivoren zahlreiche Thei- lungen gefunden. 2) Mit Rücksicht darauf, dass Gaule in der vorher citirten Arbeit an- führt, es habe ihm im Pankreas des Hundes erst die Oelimmersion die Zellthei- lungen als solche ganz deutlich gemacht, will ich jedoch bemerken, dass im Harnhautepithel beim Menschen die Kernfiguren gross und deutlich genug sind, um schon mit Hartnack 9 a imm. bei gutem Licht die Phase sicher- zustellen. Doch sind allerdings die Details: die Doppelfäden, der Bau der Tochterkerne in Fig. 13, erst mit Oellinse und Beleuchtungsapparat zu er- kennen. Beiträge zur Kenntniss der Zelle und ihrer Lebenserscheinungen. 57 der ehromatischen Figur, ganz wie sie bei Salamandra ma- culata vorkommen. Ich habe gerade einige Formen mit be- ginnender oder durchgehender Fädenlängsspaltung gewählt, um zu zeigen, dass auch diese hier nicht feblt. Die achromatische Figur ist bei der Kleinheit der Objeete nieht zu ermitteln; kein Wunder, wenn man bedenkt, dass sie auch bei Salamandra recht schwer studirbar bleibt. Beim Vergleich der beiderseitigen Bilder dürfte schon starke Zweifelsucht zu der Annahme gehören, dass diese menschlichen Zelltheilungen irgendwie erheblich von denen bei Amphibien abweichen sollten. Ein anderer menschlicher Bulbus war wegen eines Pigment- carecinoms der Conjunctiva exstirpirt, und etwa !/; Stunde nach der Operation in !/; p. e. Chromsäure gekommen. Das Geschwulst- gewebe reichte am Limbus eorneae bis in das Hornhautgewebe hinein; die Lamina basalis anterior lag auf eine Strecke weit noch unverändert innerhalb des ersteren. Ich vermuthete danach, dass sich an Schnitten durch Tumor und Cornea reichliche Thei- lungen finden würden, sah mich aber völlig getäuscht; weder im Epithel oder in der Bindesubstanz der noch unveränderten, benach- barten Hornhaut, noch aueh indem Carcinomgewebe selbst, habe ich bis jetzt bei vielem Suchen eine einzige Theilung finden können. Hieraus ist entweder zu schliessen, dass die Theilungen auch in Gesehwulstgeweben, wie in so vielen anderen, in Schüben, mit Intervallen verlaufen; oder, dass die Zeit von etwa 5 Mi- nuten, um welche das Einlegen gegen den ersten Fall verspätet war, schon genügt hatte um die etwa in Gang befindlichen Thei- lungen zum Ablauf zu bringen. Im letzteren Falle würde die Dauer einer Zelltheilung in diesen Geweben beim Menschen also in der That, wie ich es früher vermuthet hatte, erheblich kürzer sein wie bei den Urodelen: schätzungsweise eirca "/;s Stunde, bei letzteren 2bis 5 Stunden. — Oder endlich, es können diese beiden Schlüsse neben einander zutreffen. Ferner fand ich Zelltheilungen mit kinetischen Figuren (Fig. 16 Taf. 3) im Blut eines Leukoeythämischen, zu dessen Un- tersuchung mir Herr College Quincke freundlich verhalf. Das Blut hatte einen excessiven Reichthum an farblosen Zellen und zeigte eine gelbweissliche Farbe. Ich untersuchte es einfach durch Ein- 58 Walther Flemming: deckung mit dünner Essigsäure, da die Ehrlich’sche Trocken- methode, so schön und nützlich sie für andere Zwecke ist, für das Aufsuchen von Kernfiguren sich nicht brauchbar zeigte: sie ver- schrumpft dieselben zu sehr. Die Theilungen lassen sich auch in Essigsäurepräparaten unschwer finden: die Zellen sind aber um so vielkleiner als an der Cornea, dass das Detail der Phasen nicht mehr deutlich hervortritt. Es interessirte natürlich vor Allem die Frage, ob die Thei- lungen so zahlreich waren, dass man die Vermehrung der farblosen Zellen wesentlich hätte in das strömende Blut selbst verlegen, und dabei indireete Theilung als einzigen Modus hätte voraussetzen können. Dies war nicht derFall. Bei zwei Untersuchungen ergab sich die Zahl der indireeten Theilungen im Blut als so gering, dass schätzungsweise höchstens auf mehrere Tausend Zellen eine in Karyokinese befindliche kam. Es ergeben sich hiernach zunächst folgende Annahmen als möglich: 1) Entweder: dass die farblosen Zellen im leukoeythämischen Blut sich im Blute selbst hauptsächlich mit direeter Kernab- schnürung vermehren, und dass nur nebenbei indirecte Kerntheilung einzeln vorkommt. | 2) Oder, dass die Zellvermehrung durchaus nach dem indi- recten Typus verläuft, dass aber die Heerde dieser Zellvermehrung in der Milz und im Knochenmark liegen, so dass man im Blut nur noch einzelne Zellen in flagranti der Theilung findet. In diesem letzteren Fall ist natürlich die Frage zu stellen, ob man die haemoglobinlosen Zellen, die in der Leukocythämie im Blute sich anhäufen und der Affeetion den Namen gegeben haben, wirklich „farblose Blutzellen“ im gewöhnlichen Sinne des Wortes nennen soll — oder, ob sie vielleicht Vorstufen farbiger Blutzellen aus Knochenmark und Milzpulpa sind, unter denen eine abnorme Proliferation ausgebrochen ist. Da ich die betreffenden Organe des Patienten noch nicht habe untersuchen können, wollte ich diese Frage hier nur formu- liren, um darzuthun, dass aus dem Befund von indireeten Kern- theilungen im leukocythämischen Blut noch keineswegs der Schluss gezogen werden darf: „dass auch die farblosen Blutzellen sich mit indireeter Kerntheilung vermehrten.“ Denn unter der zweiten der obigen Annahmen brauchen die betreffenden Zellen ja nicht Beiträge zur Kenntniss der Zelle und ihrer Lebenserscheinungen. 59 gewöhnliche Leukocyten zu sein. In Bezug auf die Theilungs- weise der Letzteren befinde ich mich noch jetzt in derselben Un- gewissheit, wie früher; worüber im Anhange zu diesem Abschnitt noch einiges gesagt werden soll. In den Schilderungen von Zelltheilungen aus menschlichen Sarkomen und Careinomen, die wir Arnold (a. a. ©.) verdanken, findet sich manches, was von den Verhältnissen bei Salamandra abweicht. Einige dieser Verschiedenheiten sind nur scheinbar, und erklären sich dadurch, dass der H. Theil dieser Beiträge, welcher die Verhältnisse der achromatischen Figur bei Salamandra näher berücksichtigte, zur Zeit von Arnold’s Publication noch nicht erschienen war. Es ist wohl kein Zweifel, dass die Figg. 26—31 Arnold’s mit den Zuständen zusammenfallen, die ich z. B. inFig. 2bd, 3 u. 4, Taf. 3 hier, und im II. Theil Fig. 43—45 Taf. 3, 12 Taf. 1 gezeichnet habe, indem die feinen Fäden Ar- nold’s den achromatischen !) entsprechen. Arnold selbst hat übrigens geschlossen, dass die betreffenden Formen nicht zur An- nahme prineipieller Differenzen nöthigten (p. 16 a. a. O.). Was noch abweichend bleibt, sind zunächst die verschiedenen KernfigurenArnold’s mitspitz auslaufenden Strahlen (Fig. 7—9 Taf. V, 33 34 Taf. VI). Dass sie meinen radiären Phasen (Stern- und Kranzformen) entsprechen, ist wohl nicht zweifelhaft. An meinen menschlichen Objeeten finde ich jedoch so wenig wie anderswo eine derartige schlank-conische Verdünnung der Strahlen, sondern stets gleicheDicke derselben. Ebenso wenig sind mir bis jetztdrei- und vier- strahlige Kernfiguren (wie Armold’s Fig. 17, 18), und anscheinende Dreitheilungen (Fig. 35, 36 ebenda, vergl. p. 21 Arnold’s) vor- gekommen. Da ich annehmen kann, dass seine Bilder mit Wasser- immersionen und Trockensystemen gewonnen waren, so lässt sich vermuthen, dass die homogene Immersion vielleicht noch Manches von dem Erwähnten mit den sonstigen Befunden in besseren Ein- klang bringen mag. Mit jenen Linsen würden mir manche Figuren aus dem Hornhautepithel und Blut auch nicht viel anders erschei- 1) Bei den Hämatoxylinfärbungen, die Arnold meistens gebraucht hat, erhält man entsprechend seiner Angabe (p. 16 unten a. a. O.) oft einige Mit- färbung der achromatischen Fäden (auch des Zellprotoplasma), 60 Walther Flemming: nen, als die betreffenden Abbildungen Arnold’s. — Doch bleibt es vollkommen denkbar (worauf auch Arnold p. 20 hindeutet), dass in pathologisch wachsenden Geweben wirklich einige Ab- weichungen von den sonstigen Verhältnissen der Zelltheilung vor- kommen. Ich wollte mit diesem Capitel nur feststellen, dass diese Abweichungen dann nicht die menschlichen Gewebe als solche betreffen, sondern dass sich beim Menschen Kerntheilungen vom selben Typus finden, wie bei den Amphibien. Hinsichtlich des Theilungsmodus der Leukocyten (also: farbloser Blut-, Lymph- und Wanderzellen) sind meine Ergebnisse bisher immer die gleichen geblieben, das heisst: negativ in Be- zug auf indirecte Kerntheilung. Dass man das oben con- statirte Vorkommen indirecter Theilungen im leukämischen Blut nicht als einen positiven Beweis in dieser Hinsicht nehmen kann, wurde wenige Seiten zuvor besprochen. Und überhaupt wird, durch Untersuchungen des Blutes selbst, eine Entscheidung sehr schwer zu gewinnen sein. Denn wenn man im normalen Blute hämoglobinlose Zellen in indirecter Theilung anträfe, so würde immer noch die Frage bleiben, ob diese Zellen nicht Hämatoblasten, Vorstufen rother Blutzellen aus den Bildungsstätten der letzteren sind; und weiter, ob solehe junge rothe Blutzellen mit den amö- boiden Leukocyten zusammenzuwerfen, oder nicht vielmehr Zellen andrer Art zu nennen sind, was ja jetzt vielfach vertreten wird. Ich habe daher einen anderen Weg der Untersuchung einge- schlagen. Bei Salamandralarven trifft man vielfach an verschie- denen Orten des Bindegewebes (namentlich leicht im Mundboden und überhaupt in den Bindesubstanzplatten des Kiemengerüstes) massenhafte locale Anhäufungen von Wanderzellen. Da die einen derselben reichlicher sind als die anderen, und da die Zellenver- mehrung in sämmtlichen Geweben bei den betreffenden Thieren stark zu sein pflegt, so ist wenigstens die Wahrscheinlichkeit da- für, dass diese Zellenhaufen in Folge von Theilungen entstanden, nicht aber bloss zusammengeschwemmt oder -gewandert sind. Ich habe nun viele solche Zellenhaufen an fixirten und gefärbten Prä- Beiträge zur Kenntniss der Zelle und ihrer Lebenserscheinungen. 61 paraten auf Theilungen durchsucht. Die Präparate sind der Art, dass sie das Protoplasma der Wanderzellen, die grossentheils in Kriechformen, zum Theil in runden fixirt sind, gut wahrzunehmen gestatten; wenn auch nicht jede dieser Zellen, so doch sehr viele lassen sich nach jenen Formen und dem Körnerinhalt sehr wohl als freie Zellen diagnostieiren gegenüber den plattverästelten fixen Bindegewebszellen, die daneben vorliegen. Noch nie habe ich in einer Wanderzelle, die auf diese Weise sicher als solche bestimm- bar war, eine karyokinetische Figur gefunden, während solche sich oft unmittelbar daneben in fixen Bindegewebszellen, Muskeln, Epithelien und Gefässwänden zahlreich vorfinden. Die Leukocyten besitzen nun, wie ja bekanntlich überall !), meistens mehrere Kerne und zeigen vielfach die Formen anscheinender Kernabschnürung, die ich schon im ersten Theil d. Beitr. beschrie- ben habe?). Dieser Befund stimmt mit meinen sonstigen Erfahrungen, und es würde danach am Wahrscheinlichsten aussehen, dass die Leuko- cyten ihre Kerne in der That durch direete Kernabschnürung ver- mehren; eine Möglichkeit, auf die ich stets hingewiesen habe ?). . 1) Auch im normalen menschlichen Blut sind die Leukocyten zum grössten Theil zwei- bis mehrkernig, was von den Pathologen noch nicht allseitig ge- würdigt zu sein scheint. 2) P. 397 und 425, Taf. XV Fig. 133,1. n. na. 3) An den eben erwähnten Orten, ferner Th. II p. 154—155 ; Vir- chow’s Arch. Bd. LXXVII p. 8, p. 22, 24 u. a. a. O., dies Arch. Bd. 18 p- 363— 364. Ich kann diese Selbsteitate nicht vermeiden, gegenüber der grossen Unaufmerksamkeit, mit welcher Andere beim Einsehen der Literatur zu Werke gehen. Hier ein Fall als Beispiel für viele. In einer Arbeit von Dr. OÖbrastzow (Zur Morphologie der Blutbildung im Knochenmark. Vir- chow’s Arch. 1881, Bd. 84 H. 2. S. 408) steht wörtlich Folgendes: „Die Behauptung von Flemming (l. ce. p. 364), dass nur indirecte Zelltheilung existirt, findet in meinen Untersuchungen keine Be- stätigung.“ Die Stelle bei mir aber, auf die sich der Verfasser bezieht (dies Archiv Bd. 18 p. 364), lautet wörtlich: „Bis jetzt hat diese Forschung mit Sicherheit noch keine andere Art solcher Umbildung gezeigt, als: Zellenfortpflanzung durch Zelltheilung, mit Kernvermehrung durch metamorphotische Kern- theilung.* Dies ist eine objective Wiedergabe der Lage unserer Kenntnisse, nicht 62 Walther Flemming: Aber es ist dies doch nieht mehr als eine Wahrscheinlichkeit, die sich auf negative Befunde gründet. Es bleibt immer noch denkbar, dass die Leukocyten sich doch mit Kinese theilen, dass sie aber ihre Vermehrungsheerde anderswo haben, und dass die erwähnten Ansammlungen von solchen im Bindegewebe nicht durch Theilung, sondern durch Conflux zu Wege gekommen sein können. Eine „direete“ Kerntheilung, d. h. eine Fragmentation des Kerns, ist in neuester Zeit an Pflanzengeweben von Schmitz), Treub 2), Hegelmaier?) und Johow *) beschrieben, von Stras- aber eine „Behauptung, dass nur indirecte Zelltheilung existirt.“ Dass es mir nie eingefallen ist, eine solche Behauptung aufzustellen, kann der Herr Verfasser an den eitirten Stellen nachlesen. Ich bitte also, mir nicht Alles, was ich hier und anderswo wahrschein- lich, annehmbar oder möglich nenne, etwa auch gelegentlich als „Be- hauptungen‘“ anzuschreiben. Aus der Arbeit Obrastzow’s mag hier vorläufig noch ein Punct er- wähnt werden, weil er mit den Befunden über Kerntheilung in Beziehung kommt. Obrastzow beschreibt als „radiäre Kernbildung in Hämatoblasten“ das Auftreten einer radiären Figur in einem kernlosen Protoplasmakörper, Verdeutlichung und Hellwerden der Strablen, Concentration derselben auf die Mitte und Bildung eines Kernes in der letzteren (a. a. O. Fig. 2, vergl. p- 367 ff.), und bringt dies in folgende Beziehung zu Befunden von mir und Peremeschko (p. 382): „wenngleich die Strahlenform des Kernes an den Uebergangsformen der Säugethiere noch nicht beschrieben sei, so sei sie doch von F. und P. in den rothen Blutkörperchen von Amphibien bei ihrer Thei- lung gesehen“. Diese unsere Befunde haben aber zunächst gar keinen Bezug zuder angeblichen Kernbildung, welche Obrastzow annimmt und bei welcher diese Sternfigur eine Contraction der Strahlen auf das Centrumerleiden soll, wo sie dann einen soliden Körper, den Kern bilden sollen. Bei Peremeschko’s und meinen Beobachtungen ist hiervon keine Rede, es handelt sich dabei viel- mehr um wahre kinetische Theilungsfiguren und zwar um Mutterstern- formen (s. Th. I Fig. 19, 21), aus denen dann durch Trennung wie immer zwei Tochterfiguren werden (Fig. 20 ebenda). ı) Unters. üb. die Zellkerne der Thallophyten. Sitz.-Ber. d. niederrhein. Gesellsch. f. Natur- und Heilkunde, Bonn, 4. Aug. 1879. 2) Notice sur les noyaux des cellules v&getales. Archives de Biologie (E. van Beneden et van Bambeke) Bd. 1. 3) Bot. Zeitung 1880. 497. 4) Untersuchungen über die Zellkerne in den Secretbehältern und Parenchymzellen der höheren Monocotylen. Dissert. Bonn, 1880, Beiträge zur Kenntniss der Zelle und ihrer Lebenserscheinungen. 63 burger!) bestätigt worden. Aber diese Vorgänge scheinen hier nirgends zur Zelltheilung zu führen oder mit soleher zu verlaufen, und wir haben noch keinen Grund zu der Annahme, dass sie beim Aufbau stabiler Gewebe irgendwie betheiligt ist. In den betreffen- den Fällen resultiren nach der Beschreibung der Verfasser nur mehrkernige Zellen. Dass solche übrigens nicht etwa bloss auf diesem Wege direeter Kerntheilung, sondern in zahlreichen Fällen durch indirecte entstehen, ist bekanntlich festgestellt. (Th. II.) V. Sehluss. Bemerkungen über die Ergebnisse. Wiederum habe ich bei verschiedenen Objecten — Eizellen, Pflanzenzellen, menschliche Epithelien — zeigen können, dass die physikalischen Vorgänge und die entsprechende, op- tisch sich ausdrückende feinere Mechanik der kine- tischen Kerntheilung überall im Wesentlichen gleich- artig sind oder doch sein können: dass zum Mindesten für jetzt kein Grund besteht, an dieser Gleichartig- keit zu zweifeln. Zur Verfolgung dieses Nachweises, der auch schon Gegen- stand des vorigen Theils dieser Beiträge war, werde ich immer von neuem aufgefordert durch die Arbeiten Strasburger’s. Wenn die Verschiedenartigkeit der Formen, welche die Kernfiguren bei verschiedenen Objecten anscheinend zeigen, wirklich so gross wäre wie Strasburger auch in seiner neuen Auflage sie noch als reell hinnimmt: so würde der Schluss auf überall gleichartig wirkende Kräfte zu einer reinen Illusion werden. Allerdings ist Strasburger von vielen seiner früheren An- schauungen, die sich mit solcher allgemeinen Homotypie nicht ver- einigen liessen, jetzt zurückgetreten *), nachdem die neueren Ar- beiten auf zoo-histologischem Gebiet, darunter die ersten Theile 1) Einige Bemerkungen über vielkernige Zellen und über die Embryo- genie von Lupinus. Bot. Zeitung Jahrg. XXXVIIH. 2) Zellbildung und Zelltheilung. 3. Aufl., 1880. 64 Walther Flemming: dieser Beiträge, den Weg zu einer anderen Auffassung gezeigt hatten. Strasburger hat nunmehr auch an seinen Objeeten die Anfangsformen der Karyokinese gefunden und sie grossentheils gebührend berücksichtigt; er hat die Scheidung der Kernfiguren in zwei ganz verschiedene Typen, Kerntonnen und Kernspindeln, fallen gelassen, und die Identität der „Kernspindelfasern“ mit den „Verbindungsfäden“ anerkannt '), nachdem ich dafür die betreffen- den Nachweise gebracht und die naturgemässen Schlüsse daraus gezogen hatte ?). Aber von diesen Zugeständnissen ist es noch weit bis zur Anerkennung einer wirklichen allgemeinen Homo- typie — oder doch ihrer Möglichkeit — in Bezug auf das physi- kalische Wesen der Vorgänge. Die Verschiedenheiten in den Formen der chromatischen Figuren, welche auch jetzt noch von Strasburger angenommen werden, müssten mit einer solchen Homotypie unverträglich genannt werden. Die letztere verlangt ja gewiss nicht, dass nun Alles in jedem Punct genau so sein sollte, wie man es gerade bei der Kerntheiluug von Salamandra findet, und bier besonders deutlich sehen kann; ich meinerseits habe dies Verlangen auch nie gestellt und habe manche Abwei- chungen selbst beschrieben. Aber in gewissen Grenzen müssen die letzteren doch bleiben, wenn das Kräftespiel im Wesentlichen das gleiche sein soll; und das liesse sich nieht annehmen, wenn die folgenden Puncte in Strasburger’s Darstellung richtig sein sollten. Während die Constituenten der chromatischen Kernfigur nach meinen Beobachtungen Fäden sind, die zu Schleifen geknickt werden und die Umlagerungen durchmachen, welche auf S. 208 und 227 des II. Theils, und auf Taf. 4 hier schematisch dargestellt sind: würde dies nach Strasburger nur für einen Theil der Zel- lenarten zntreffen; bei anderen sollen nach ihm jene Elemente Körner sein, die sich im Stadium der Aequatorialplatte (Kern- platte Str.) in je zwei Hälften theilen, und auseinanderrückend zu den Tochterkernmassen verschmelzen. In wieder andern Fällen (Lilium, Galanthus u. A.) soll zwar eine Art Knäuelform wie im ersten Fall voraufgehen, dann aber die Fäden sich der Axe parallel ordnen, in der Aequatorialebene quere Verschmelzungen erhalten 1) A. a. O. p. 20, p::334 n.'a...a,; 0: 2) Theil II dieser Beitr. p. 176 ff. und 220 ff, Beiträge zur Kenntniss der Zelle und ihrer Lebenserscheinungen. 65 (Fig. 1b Taf. 3, dies die „Kernplatte“), in dieser Verschmelzungs- sruppe soll sich eine aequatoriale Trennung bilden und die so getrennten Figurenhälften auseinanderrücken (Fig. 1 e d f Taf. 3). Endlich bei Eiern (Strasburger’s Taf. XIV Fig. 7-11, Erkl. S. 302) soll auf eine aus länglichen Körnern zusammengesetzte Kern- platte eine aequatoriale Spaltung!) dieser Körner folgen, die Spal- tungshälften sollen, wiederum als längliche Körner oder kurze Stäbchen, auseinanderrücken, ein jedes soll sich dann in ein kleines Bläschen verwandeln, jedes dieser Bläschen ein Körperchen in seinem Innern entstehen lassen, endlich sollen die Bläschen zu den Toehterkernen verschmelzen ?). Es ist hiermit nar eine Auswahl aus der bunten Mannichfal- tigkeit von ganz verschiedenen Formen der Kerntheilung ge- geben, die angenommen werden müssten, wenn man Strasburger folgen wollte. Ich ziehe hier wörtlich die Stelle an, an welcher Stras- burger seine jetzige Meinung über die Theilung der chromatischen Figur („Kernplatte“ nach Strasburger) zusammenfasst (p. 331 a0.) „Die Theilung der Kernplatte wird im Aequator vollzogen „und beide Hälften rücken auseinander. Ich nehme,an, dass die „Trennung in die beiden Hälften stets in wesentlich derselben Weise „erfolgt, ob nun die Kernplatte nur aus einer aequatorialen Reihe „von Körnern oder Stäbchen, ob sie aus langen, von einem Pol „zum andern reichenden Stäbchen, ob sie aus polwärts und aequa- „torial gelagerten Fäden besteht. Elemente, welche in der Aequa- „torialebene liegen, oder dieselbe durchsetzen, erfahren eine Thei- 1) Diese „aequatoriale Spaltung der Kernplatte‘ stellt Strasburger überhaupt ausdrücklich als typisch für die Kerntheilung hin (p.:333); wäh- rend ich bei allen meinen bisherigen Objeeten zeigen konnte, dass sie ent- weder nicht vorhanden ist, oder doch nichts vorliegt, was zu ihrer Annahme berechtigte. Die Darstellungen von Schleicher und Peremeschko, auf welche Strasburger sich hierbei gegen mich beruft, sind ebenso undeutlich und verschwommen wie die von Strasburger selbst, welche ich hier kriti- sire; sie zeigen, dass nicht deutlich gesehen, sondern das Undeutliche in dem Sinne gedeutet wurde, welcher damals der nächstliegende schien. 2) Diese Auffassung der Eikerntheilung hat Strasburger allerdings nach der Darstellung H. Fol’s wiedergegeben ; er spricht jedoch auf Seite 337—338 wörtlich aus, dass er sie als wirklich hinnimmt. Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 20, 5 66 Walther Flemming: „lung. Bei Körnern, Stäben und Stäbchen geschieht dies einfach „durch Einsehnürung. Besteht die Kernplatte aus gehäuften Körnern „oder Stäbehen, so geht ein Theil auf die eine, ein anderer auf die „andere Seite iiber; Elemente, welche die Aequatorialebene durch- „setzen, werden eingeschnürt. Complieirter wird der Vorgang in „Kernplatten, welche aequatorial gelagerte Fäden aufzuweisen „haben. Diese bilden, wie wir schon wissen, meist zwei- oder „mehrschenkelige Figuren mit nach aussen gekehrten Schenkel- „enden. Ich nehme an, dass eine vollständige Spaltung auch „dieser Figuren, soweit sie in Einzahl in der Aequatorialebene „liegen, zu erfolgen hat. Die Figuren verdoppeln sich zu zwei „einander gleichen und gehen nun auf die entsprechenden Tochter- „kerne über, so zwar, dass ihre verschmolzenen Enden gegen die „Pole, ihre freien Enden gegen den Aequator gerichtet werden ?). „Es ist das der einzige Ort, an dem ich bis jetzt longitudinale „Spaltung von Fäden anzunehmen habe, von Fäden, die übrigens „eine relativ ansehnliche Dicke besitzen.“ Wenn dieses Schema richtig wäre, so bliebe in dieser Man- nigfaltigkeit von Körnern, Stäbchen, quergetrennten und längs- gespaltenen Fäden wenigstens das eine einheitliche Prineip, dass alle diese Elemente Continuitätstrennungen erlitten und dass diese Trennungen in der Aequatorialebene vor sich gingen. Das Strasburger’sche Schema ist aber nicht richtig. Denn wenn dies der Fall wäre, so müssten auch die Formen darin unterzubringen sein, die sich bis jetzt von Allen am genauesten haben durchblicken, und in Einzelheiten und Reihenfolge erkennen lassen, die Formen der Kerntheilung nämlich bei Salamandra und Triton. Hier lässt sich erstens sehen, wie ich es im II. Theil 1) Diese Auffassung der Fädenlängsspaltung ist unmöglich durchführ- bar, aus Gründen, die alsbald im Text berührt werden. Als ich die Fäden- längsspaltung zuerst gefunden hatte, dachte ich im Anfang auch an die so naheliegende Möglichkeit, dass je ein Längshalbstrahl für je einen Tochter- kern bestimmt sein könne, habe aber (Th. I p. 380, 383—384) sofort auch die Schwierigkeiten erkannt und betont, die dem entgegenstehen. Im II. Theil, der ein halbes Jahr vor der 3. Auflage Strasburger’s erschienen ist, habe ich die betreffenden Formen dann genauer analysirt (II. p. 211—213, und besonders 215). Bei Berücksichtigung dieser Stellen, und der so sehr durchsichtigen Verhältnisse dieser Figuren bei Salamandra, wäre der obige Deutungsversuch Strasburger’s unmöglich geworden. Beiträge zur Kenntniss der Zelle und ihrer Lebenserscheinungen. 67 ausführlich beschrieben habe, dass im Aequator keine Continui- tätstrennung von Fäden ihrer Quere nach stattfindet, sondern dass die Fädenmasse schon vor der Trennung, in der Sternform, in Schleifen von gleicher Länge segmentirt ist, welche sich in der Phase der Aequatorialplatte (Kernplatte Strasburger) nur zu zwei Hälften umordnen (Taf. 4 hier, Fig. A 1-A 3). Zwei- tens lässt sich hier feststellen, dass eine Längsspaltung der Fäden in der Aequatorialebene, welche Strasburger nach seinem obigen Wortlaut dann hier zu Hülfe nehmen müsste, ebenfalls für diesen Zweck nicht zu verwerthen ist: denn wie ich ausführlich beschrieben habe !), beginnt die von mir gefundene Fädenlängs- spaltung bei Salamandra bereits in den Knäuelformen wie Fig. 5 Taf. 3 hier, wo die Kernfigur ja eine allseitig gerundete Ausdehnung hat, und dauert durch die Sternformen (Fig. 7, 12 Taf. 17 Th. I, Fig. 9 Taf. 1 Th. I), während diese ebenfalls nach allen 3 Dimensionen gleichmässig ausgebreitet sind; Strasburger’s Annahme, dass diese Längsspaltung an den Fäden nur in der Aequatorialebene zu Stande kommen sollte, während sie in dieser liegen, ist also nicht haltbar. — Die Extensität der Arbeiten Strasburger’s über die pflanz- liche Zelltheilung muss jedem seiner Leser Bewunderung abfordern. Aber sein oben angeführtes Schema ist nach meinem Dafürhalten nur ein gezwungener Versuch, eine einheitliche Auffassung für sämmtliche bisher bekannte Formen der Kerntheilung zu geben, ehe der grösste Theil derselben hinreichend genau gesehen, er- forscht und verstanden ist. — Ich bin dagegen den Weg gegangen, dass ich zunächst einzelne, besonders deutliche Objeete möglichst intensiv untersuchte und den Typus daraus ableitete, nach dem man sich dort die Theilungsmechanik denken kann, und der aller- dings von dem Strasburger’schen sehr verschieden ist; dass ich dann bei anderen Objeeten, thierischen wie pflanzlichen, zur Prü- fung stellte ob sich für sie derselbe Typus annehmen lässt; und dabei zu eigener Ueberraschung fand, dass dies in den Hauptzügen 1) Th. II p. 213, Abs. 1, 2; dort Fig. 9 Taf. 1. 68 Walther Flemming: überall dort der Fall war, wo sich bisher wirklich genau sehen und erkennen liess. Strasburger stützt sich gegenüber meinem hiernach auf- gestellten Schema, und zu Gunsten des seinigen, auf manche Fälle, deren Habitus auf den ersten Blick weit von jenem abzuweichen scheint. Ich habe nun hier für einige besonders hervorstechende solcher Fälle gezeigt, dass diese Abweichungen nur scheinbar, und dass dieser Schein dureh ungenügende Untersuchung bedingt war. Ich verweise auf Lilium und die Eier. Da es möglich war, dass Strasburger die Kernfiguren von Lilium se zeichnen und ver- stehen konnte, wie sie seine Fig. 94—101 Taf. IV, (Fig. 1 Taf. 3 hier) zeigt, während sie bei genauer Prüfung so aussehen, wie sie meine Fig. 2 Taf. 3 hier giebt; — da die Kernbilder der Echini- deneier bei geeigneter Behandlung ganz anders ausfallen, als Strasburger geglaubt hat, und sich in sehr gute Uebereinstim- mung mit meinen Kernfigurenphasen stellen: so ist es auch voll- kommen denkbar, dass viele von den übrigen Objeeten, die in Strasburger’s letzter Auflage gezeichnet sind und mit einer all- gemeinen Homotypie der Kerntheilung — mit meinem Schema — noch unverträglich zu sein scheinen, sich bei grösserer Genauigkeit und richtiger Art der Untersuchung sehr wohl damit vertragen werden. Nur wird Niemand erwarten wollen, dass sich dies für alle, auch für die ungünstigeren dieser Zellenarten zeigen lassen muss. Bei manchen, wo die chromatischen Figuren sehr klein sind, wird dies mit den heutigen Mitteln wohl niemals möglich sein. Mayzel legte mir z. B. im vorigen Sommer Kerntheilungen von Blatta orientalis vor, an denen die chromatischen Elemente der Aequa- torialplatte, so viel ich mich erinnere, nur den Durchmesser von kaum 2 Mikren hatten. Sie waren nicht tingirt und konnten, so wie sie vorlagen, für rundliche Körner genommen werden. Aehnlich sieht es an den Abbildungen vieler, kleiner Objecte bei Stras- burger und Anderen aus. Solche winzige Kernfiguren würden, auch wenn aufs beste tingirt und aufgehellt, selbst für heutige Oel-Immersionslinsen schwerlich entscheiden lassen, ob es sich um Körner, ob um optische Durchsehnittsbilder von Fäden handelt. Schon an 8zelligen Keimen von Echiniden ist es wegen der Klein- heit der Fäden sehr schwer, Letzteres noch zu erkennen, die Fäden sehen daauch wie Körner aus. Und doch wird hier wohl Niemand “ Beiträge zur Kenntniss der Zelle und ihrer Lebenserscheinungen. 69 daran zweifeln wollen, dass die Kerntheilung nach der 4ten Ge- neration nach derselben Mechanik verläuft, wie sie bis dahin verlaufen ist (Taf. 1 und 2). Es würde mir unverständlich sein, wenn man fortfahren wollte sich gerade solche ungünstigen Objecte herauszusuchen, an denen man nichts sehen kann; und, weil man an ihnen nichts sehen kann, die typische Bedeutung der günstigen Zellenarten anzuzweifeln, welche die Verhältnisse der Kerntheilung mit Fracturschrift de- monstriren. Was Strasburger im Einzelnen gegen meine Befunde und Ansichten angeführt hat, scheint mir hiemit beantwortet zu sein. Nur einen Punet will ich hier noch etwas näher vertreten, weil er mir besonders bemerkenswerth vorkommt, wie Alles was für die Physielogie, das heisst für die Physik dieser Erscheinungen auf Erklärungen hoffen lässt. Ich bin beim Studium der Kerntheilung bei Ampbibien, Säugethieren, Pflanzen und Eizellen überrascht worden durch die eigenthümliche Erscheinung, dass die Anfangsformen des Mutterkerns (Knäuel) repetirt werden durch die Endformen der Tochterkerne, und dass die Folgeformen des Mutterkerns (Sterne) ihren rückläufigen Wiederausdruck finden in Sternformen der Toch- terkerne. Strasburger scheint sich dieser Thatsache zu verschliessen; obwohl er mehrfach zugiebt, dass die erwähnte Reihenfolge, und überhaupt das Flemming’sche Schema der Kerntheilung, für die von mir untersuchten Objecte allerdings Gültigkeit habe). Da unter diesen Objeeten sich Zellen von Wirbelthieren, Wirbel- losen und Pflanzen befinden, so kann ich mit dieser Zugabe eigent- lich zufrieden sein; nur verstehe ich nicht, wie man es für an- nehmbar halten kann, dass bei dem einen Wirbelthier, dem einen Ei oder der einen Pflanze die Kerntheilung nach dem Schema verläuft, welches hier auf Tafel 4 und im I. Theil auf Seite 227 angegeben ist — bei dem andern Wirbelthier, dem andern Ei oder der anderen Pflanze aber nach dem Schema, welches auf Stras- burger’sS. 331 steht und hier einige Seiten vorher angeführt wurde. 1) pag. 328, 338 a. a. 0. 70 Walther Flemming: Strasburger spricht aber geradezu aus !): „nur in den sel- tensten Fällen seien die Vorgänge an den Tochterkernen solcher Art, dass sie sich als eine rückläufige Wiederholung der Differen- zirungen im Mutterkern deuten liessen“. Nachdem ich oben einige Beispiele dafür gegeben habe, auf wie unvollkommene und unsichere Bilder Strasburger ein solches Urtheil gegründet hat, überlasse ich die weitere Entgegnung darauf einer wirklich eindringenden Untersuchung. Aber dafür ist nöthig, dass man sich vorher über die Ausdrücke und das, was sie bedeuten sollen, verständigt. Strasburger wendet sich dagegen, dass ich jeden Tochterkern eine Sternform durchmachen lasse: „als solche Form“, sagt er (p. 337), „kann bei thierischen Zellen das Stadium gedeutet werden, in welchem oft die Stäbchen der Kernplattenhälften nach rückwärts umschlagen; bei Pflanzen habe ich nichts Aehnliches beobachtet, und Flemming hilft sich hier nur, indem er die Tochterkerne vom Pol betrachtet; dass hier aber die Sternform nichts Anderes ist als der Ausdruck der Convergenz der Stäbehen nach den Polen, ist klar.“ Das heisst aber am Worte haften und den Sinn nicht beachten. Ich habe bei den „Sternformen“ niemals etwas Anderes im Sinne gehabt, als gerade den Ausdruck der Convergenz der Fäden nach den Polen, oder, beim Mutterstern, nach dem Centrum, denn dies ist eben die Hauptsache dabei. Bei der Benennung als Sternform ist es doch ganz gleichgültig, ob deren Strahlen nun immer genau als Radien auf einen im Innern lie- senden Punct gestellt sein müssen, wie die Spitzen eines Morgen- sterns oder die Stacheln eines Seeigels; sternförmig nennt man ja auch eine flache Blüthenkrone mit herabhängenden oder aufragen- den Blättern, obgleich im letzteren Fall das Centrum der Strahlen ausserhalb der Krone selbst liegt. Und dass solche Formen bei den Tochterkernen die gewöhnlichen, jene anderen aber die Ausnahmen sind, habe ich von Anfang an gewusst und beschrieben?). Bei dem Namen Sternform kam und kommt es mir nur darauf an, dass eben in dieser Phase ein Centrum zu finden ist, nach welchem hin, oder von welchem aus, die chro- matischen Fäden radiär orientirt gehalten werden. 1) p. 338. 2) Th. 1 5. 387—388, Th. II p. 214, u. Abbildungen daselbst. Beiträge zur Kenntniss der Zelle und ihrer Lebenserscheinungen. 71 Diese Centren sind bei den Tochterkernen die Pole, die Polar- körperchen, zugleich die Puncte, in welchen die achro- matischenFäden an denPolenzusammentreffen. Die Pole liegen nun bei manchen Zellenarten, besonders bei gross- kernigen wie bei Salamandra, so nahe an der chromatischen Faden- figur, dass sie in dem bezüglichen Stadium des Tochterkerns zwischen den chromatischen Fäden verborgen bleiben: das giebt dann eine reine, oder meist eine abgeflachte Sternform, wie im Schema Taf. 4 Fig. D. Bei anderen, so bei vielen Pflanzenzellen und Eizellen, ist die ganze Kernfigur viel mehr in die Länge gezogen, die Tochter- figuren bleiben bei ihrer Divergenz noch relativ weit entfernt von den Polen: denken wir uns eine Attraction von jedem der Pole auf die Umbiegungswinkel der Tochterschleifen, eine Repulsion auf deren freie Enden wirkend !), so wird eine Anordnung der chroma- tischen Figur entstehen wie im Schema Fig. B 4 und C, Taf. 4, entsprechend den Figuren 2 e, 15 Taf. 3, und den Tochterformen unten links auf Taf. 2: Linien, durch die Halbirungslinie des Winkels je einer chromatischen Fadenschleife gezogen, werden hier erst ent- fernt von der chromatischen Figur und von dem Orte des künftigen Kerns zusammentreffen (Taf. 4 Fig. B 4), darum aber nicht minder ineinem Punct, dem Pol). Man kann solche Formen nach Belieben auch Kronenformen, Korbformen, oder wenn die Fäden gebogen liegen, Glocken- oder Palmenformen nennen; da sich aber kaum ein Name finden lässt, der das Wesen der Sache, die Centrirung, so einfach und kurz ausdrückt als das Wort Sternform, so ist es wohl am besten dabei zu bleiben. Diese Sternform wird nun in allen bis jetzt bekann- ten Fällen von den Tochterkernen durchge- macht?°), oder es liegt doch kein Fallindirecter Kerntheilung bisher vor, bei dem man sie mit Sicherheit ausschliessen könnte. — 1) Dies ist, wie im Früheren (II, p. 206) natürlich zunächst nur eine Construction zur Erleichterung des Verständnisses. 2) Die oft gebogene Lage der Fäden — z. B. Fig. 2de Taf. 3 — macht dies natürlich oft undeutlicher. 3) Belege dafür finden sich fast auf jeder Tafel des Strasburger’- schen Buches. 72 Walther Flemming: In den Fällen, wo die Fäden sehr klein sind oder sehr dicht liegen, oder die Winkel, die sie mit einander bilden, sehr spitz sind (Fig. 2 d e, Fig. 15 Taf. 3), „hilft man sich“ in der That am Besten, indem man die Figur vom Pol betrachtet: denn dann sieht man deutlich, dass die Fäden nicht etwa irgendwie unordent- lieh durch einander liegen, sondern als Radien zum Pol centrirt sind — und das nenne ich eine Sternform. Was ferner die Knäuelformen der Tochterkerne angeht, so lässt sich gleichfalls in den bisher genauer untersuchteu Fällen überall eine Phase finden, welche diesen Namen verdient und die betreifende Phase des Mutterkerns repetirt. Es mag Fälle geben, in denen dann im weiteren Verlauf eine Zusammendrängung der Fäden bis zu enger Berührung stattfindet, und man mag dies nach Belieben eine Berührung, oder eine Verschmelzung des Fadenknäuels nennen; es würde mir ein Wortstreit scheinen, wenn man über diese Ausdrücke länger verhandeln wollte. Nicht hierauf kommt es an, sondern darauf, ob diesen anscheinend homogenen Tochterkernen, wie sie bei manchen Objeeten vorkommen !), Phasen vorange- sangen sind, welche sich als Repetition des Mutterknäuels anf- fassen lassen. Strasburger bestreitet dies für viele Fälle; ich behaupte, dass es in allen sicher beobachteten Fällen vorkommt, und dass in den übrigen noch nichts dagegen spricht. Strasburger würde einen Gegenbeweis liefern, wenn er das zeigen könnte, was er allerdings annimmt: dass noch in den (meinen) Sternformen, wie in Fig. 19, 2 e Taf. 3, vielfach die Fäden der Tochterkerne an der Polseite mit einander verschmölzen. Dann würde die Knäuel- phase in der That ausfallen, es würden auf Formen wie Stras- burger’s Fig. 103 a. a. O. sofort die seiner Fig. 104 folgen. Aber was bei mangelhafter Färbung und ungenügender Beleuchtung wie eine Verschmelzung an der Polseite aussieht, ergiebt sich bei ge- nauer Untersuchung nur als eine enge Lagerung (Fig. 2 e Taf. 3), auf welche dann erst eine Knäuelform folgt (Fig. 2 f g ebenda). Somit kann ich das Gesetz, dass die Mutterformen von den Tochterformen umgekehrt wiederholt werden, nur aufrecht erhalten, ohne dabei zu verkennen, dass es einstweilen nichts erklärt, sondern selbst erklärt sein will. Es scheint mir aber diesen complieirten und unverstandenen Erscheinungen gegenüber nützlicher, auch nur 1) Z. B. Strasburger’s Fig. 104 Taf. 4, 3. Fig. 1 h Taf. 3 hier. Beiträge zur Kenntniss der Zelle und ihrer Lebenserscheinungen. 73 eine durchschlagende Gesetzmässigkeit zu ermitteln, als viele Hypo- thesen aufzustellen. Es findet sich in dem neuen Werke Strasburger’s, in Form kurzer Sätze, eine Anzahl Ansichten von allgemeiner Bedeutung niedergelegt, die um so mehr Aufmerksamkeit beanspruchen, als der Verfasser damit zum Theil von früher gehegten Meinungen zurücktritt. Deshalb hat Jeder, der sich selbst näher mit den Lebensvorgängen an Zelle und Kern beschäftigt, Anlass zu diesen Ansichten seine Stellung zu nehmen, wie ich dies hier zum Schluss thun will. Die betreffenden Sätze Strasburger’s lauten !): 1. Die Zelltheilung und die Kerntheilung sind zwei verschiedene Vorgänge, die gewöhnlich ineinandergreifen, aber sich auch getrennt abspielen können. 2. Die active Rolle bei der Zelltheilung spielt das Zellplasma. 3. Dasselbe regt auch in den Zellkernen die Vorgänge an, die ihrer Theilung vorausgehen. 4. Es sammelt sich an den beiden Polen des Zellkerns an und dringt von hier in die Kernfigur ein, um die Spindelfasern derselben zu bilden. 5. Es indueirt einen Gegensatz in der Kernmasse, welcher zu deren Theilung führt. 6. Diese Theilung wird von der Kernsubstanz activ ausgeführt: die beiden Kernplattenhälften scheinen sich abzustossen, sie gleiten auseinander, entlang den an Ort und Stelle verbleiben- den Spindelfasern. 7. In allen Kernspindeln nehme ich die Existenz von Spindel- fasern an, auch wo sie zwischen den Elementen der Kernplatte “nicht sichtbar zu machen sind. 8. Die Theilung der Kernplatte erfolgt durch Spaltung. 9. Die Spindelfasern bilden die primären Verbindungsfäden, zwischen welchen, beiPflanzen, meist weitere Verbindungsfäden aus der Substanz des Zellplasma eingelagert werden. 1) Die Numerirung habe ich mir zur Uebersichtlichkeit erlaubt. 74 Walther Flemming: 10. Aus den Elementen der Kernplattenhälften gehen die Tochter- kerne hervor. 11. Sie haben hierbei verschiedene Veränderungen zu durchlaufen, die in den meisten Fällen aber nicht eine rückläufige Wie- derholung der Vorgänge im Mutterkern in sich schliessen. 12. Sie wachsen zur definitiven Grösse an, indem sie sich aus dem Zellplasma ernähren. 13. Die Zelltheilung spielt sich durch Vermittlung von Zellplatten oder dureh Einschnürung ab. 14. Die Zellplatten können bei höheren Pflanzen nur in den Ver- bindungsfäden, an anderen Orten auch unmittelbar in dem Zellplasma entstehen. 15. In einkernigen Zellen geht der Zelltheilung die Kerntheilung unmittelbar voraus, so dass jede Zelle einen Zellkern erhält. 16. In vielkernigen Zellen spielen sich beide Vorgänge zu ver- schiedenen Zeiten ab und zeigen ihre volle Unabhängigkeit von einander. In dem 6ten), 7ten, 9ten und 10ten dieser Sätze acceptirt Strasburger der Sache nach vollständig die von mir früher ver- tretene Anschauung ?) über das allgemeine Vorkommen der zwei verschiedenen Fädenarten in der Kernfigur, der chromatischen und achromatischen, sowie über das kinetische Lagerungsverhältniss beider Figuren zu einander; nur dass er dabei die von mir ange- wandten Bezeichnungen nicht braucht. Seine früheren Annahmen über das Kräftespiel bei der Thei- lung, welchen ich im U. Theil p. 228 entgegentrat, hat Stras- burger hiermit verlassen oder vertritt sie doch nicht weiter. Der 1l5te und 16te Satz ist ebenfalls im Einklang mit meinen früheren Angaben °). Dem Sten Satz, welcher die Theilung der Kernplatte durch Spaltung behauptet, und dem llten, welcher die Wiederholung der 1) Nur das Wort „activ“ in Strasburger’s Satz möchte ich mir nicht aneignen, da ich darin keinen Gewinn für das Verständniss sehen kann. Denn wir wissen noch nicht, ob die bei der Theilung spielenden Kräfte von der chromatischen Figur aus wirken, oder von der achromatischen, oder von Aussen vom Zellplasma aus, oder von mehreren oder allen diesen Seiten zugleich. (Th. II, p. 228, 229 ff.) 2) Th. II dieser Beiträge, Abschnitt 2. 3) Ebenda, Abschn. 2 und 3. Beiträge zur Kenntniss der Zelle und ihrer Lebenserscheinungen. 75 Mutterphasen durch die Tochterphasen als allgemeine Erschei- nung leugnet, bin ich hier in diesem Abschnitt schon entgegen- getreten. Neu ist Strasburger’s 4ter Satz, nach welchem die Spin- delfasern (meine achromatischen Fäden) aus Zellproto- plasma bestehen sollen, welches von den Polen in die Kern- figur eindringt. — Ich finde für jetzt keine weiteren Belege für diese Ansicht, als erstens die Erfahrungen Strasburger’s an Spirogyra, zweitens die unbestreitbare Thatsache, dass die Tochter- kerne zusammen gegenüber dem Mutterkern um etwas an Masse zunehmen. Aus Strasburger’s Beschreibung der Theilung bei Spirogyra majuscula (S. 173 ff., Taf. X, XI) erhält man wohl den Eindruck, dass es hier nach einem Hineinwachsen der Fäden aus dem Protoplasma aussieht, und dass ein solches an diesem Object annehmbar erscheint; einen wirklichen Beweis aber, und den Aus- schluss, dass es sich auch anders verhalten könnte, vermag ich in den dort geschilderten Verhältnissen nicht zu finden. Dass die Toehterkerne gegen den Mutterkern an Masse wachsen, und also irgendwelche Substanz aus dem Protoplasma aufnehmen müssen, ist klar: es giebt dafür kein einfacheres Beispiel als das furchende Ei, wo es in die Augen springt, dass z. B. an einem Szelligen Keim die Summe der Kerne schon erheblich mehr Masse ausmacht, als sie der Furchungskern besass. Hieraus folgt aber noch nicht, dass diese Zuschussmasse aus dem Protoplasma bei der Theilung in Form der achromatischen Fäden in die Kernfigur hineinge- wachsen sein muss; es könnte ja auch Substanz in anderer Gestalt, z. B. in gelöster Form aus dem Zellkörper in den Kern aufgenom- men und zu dessen Aufbau verarbeitet werden, und an eine solche Aufnahme denkt offenbar auch Stras burger selbst (Satz 12) hin- sichtlich der weiteren Vergrösserung der Kerne. — Aus dem Um- stande, dass die achromatischen Fasern bei reiner Kerntinetion so gut wie gar nicht färbbar sind, und sich darin also verhalten wie das Zellplasma, kann man nicht den Schluss ziehen, dass sie des- halb aus dem letzteren stammen müssten; denn der ruhende Kern enthält ja auch achromatische Substanz (Th. I und Il.d. B.), und eine Ableitung der achromatischen Spindel aus dieser wäre einst- weilen nicht zu widerlegen; obwohl sich, wie ich ausdrücklich hinzusetze, für jetzt nichts findet was auf eine solche Ableitung hindrängt. Jedenfalls muss aber doch auch die achromatische Sub- 76 Walther Flemming: stanz des ruhenden Kerns bei der Theilung irgendwo bleiben ; wenn die achromatische Spindel aus dem Zellplasma hineinwachsen soll, so müsste jene Substanz dafür wieder aus dem Kern heraus- transsudiren, sonst würden die folgenden Massenverhältnisse der Figur nicht gut stimmen. Ich sehe noch nicht ein, warum die achromatische Kernsubstanz nicht zum Bau der Spindel verwendet werden könnte. Dass ich jedoch einen Austausch zwischen Zellplasma und Kernsubstanz bei der Kerntheilung stets für möglich und an- nehmbar gehalten habe, dafür verweise ich auf frühere Angaben !). Für einen solchen sprechen in der That Strasburger’s Befunde an Spirogyra sehr ?), ebenso wie die meinen an den rothen Blut- zellen. Ein solcher Austausch kann aber auch chemisch oder transfusorisch gedacht werden; dass dabei wirklich Protoplasma- fortsätze in die Kernpole einwachsen, scheint mir nicht festzustehen, so lange ich nicht weiss, wie die Theilungsbilder von Spirogyra (a. a. ©. Taf. X, XI) sich bei scharfer Kernfärbung ausnehmen würden. Hiernach kann ich dem 4ten Satze Strasburger’s vor der Hand nur den Werth einer Hypothese beilegen, erkenne aber an, dass Manches zu ihren Gunsten spricht. Sie würde, worauf auch Strasburger hinweist (p. 330), für das eigenthümliche Verhalten der Kernfigur bei den rothen Blutzellen ein Verständniss bieten, und theilweise die Massenzunahme der Tochterkerne erklären 3). — Der 1. Satz Strasburger’s: „die Zelitheilung und die Kerntheilung sind zwei verschie- „dene Vorgänge, die gewöhnlich ineinandergreifen, aber „sich auch getrennt abspielen können* — sagt, so weit er thatsächlich zu begründen ist, etwas aus, was schon bekannt war. Durch Untersuchungen von Treub‘), 1). Th; T, 9.4 2) Da die Plasmaansammlungen an den Polen hier so stark abnehmen, vergl. Strasburger’s p. 175. 3) Ich weiss allerdings nicht, ob Strasburger Letzteres acceptiren würde, da er annimmt, dass das vom Kern in Form von Spindelfasern assi- milirte Plasma später wieder ausgeschieden werde. Vergl. seine 8. 330 a. a. 0. 4) Treub, sur la pluralite des noyaux dans certaines cellules vege- tales. Comptes rendus, 1. September 1879. Beiträge zur Kenntniss der Zelle und ihrer Lebenserscheinungen. 77 Schmitz!) nnd mir?) ist vor 2 Jahren festgestellt worden, was sich freilich aus thier-histologischen Erfahrungen schon lange ver- muthen liess: dass in einer Zelle der Kern sich durch Karyokinese theilen kann, ohne dass das Protoplasma sich mit theilt, und dass auf diese Weise und durch Wiederholung desselben Vorganges vielkernige Zellen entstehen: dass es also eine Kerntheilung ohne Zelltheilung giebt. Diese, dann auch von Strasburger bestätigte Thatsache, war und bleibt bisher der beste, thatsächliche und sichere Beleg für den erwähnten Satz. Dass Strasburger noch Anlass genommen hat, den letzteren besonders zu formuliren, erklärt sich wohl daraus, dass die Botaniker erst in jüngster Zeit auf die vielkernigen Zellen aufmerksamer geworden sind, während man sie in der Thierhistologie lange kannte und ihre Entstehung durch Kerntheilung ohne Zelltheilung annahm. Für die Umkehrung des eben hervorgehobenen Schlusses: dass es auch eine Zelltheilung, oder besser, Protoplas- matheilung ohne Kerntheilung geben kann, lagen als Belege besonders die Arbeiten von Bütschli°?) und R. Hertwig ®) vor, auf welche sich Strasburger bezieht, zu welchen er mit vieler Umsicht aus seinen eigenen Beobachtungen weiteres Ma- terial gefügt hat°), und zu welchen seitdem auch noch die inter- essanten Beobachtungen Gruber’s an Euglypha *) gekommen sind. Man wusste und weiss somit: Dass ein Zellkern sich theilen kann, ohne dass die ganze Zelle sich theilt; und dass das Protoplasma der Zelle sieh inzwei Theile bringen kann, ohne dass vorher oder gleichzeitig Ver- änderungen am Kern zu bemerken sind; welcher letztere sich in solchen Fällen dann nachträglich theilt. 1) Schmitz, Sitz.-Ber. der niederrhein. Gesellsch. f. Nat. und Heilk. Bonn, 5. Mai und 4. August 1879. 2) Ueber das Verhalten des Kerns bei der Zelltheilung und über die Bedeutung mehrkerniger Zellen. Virch. Arch. Bd. 77, März 1879 p. 11-15. — I. Theil dieser Beiträge, p. 189 ff. und Abschnitt 3. 3) Ueber die Entstehung der Schwärmsprösslinge der Podophrya quadripartita. Jen. Zeitschr. Bd. X, p. 287, 1876. 4) Ueber den Bau und die Entwicklung der Spirochona gemmipara. Ebenda Bd. XI, p. 148, 1877. BYA. 2.0.9. 33 E. 6) A. Gruber, der Theilungsvorgang bei Euglypha alveolata. Zeitschr. f. wiss. Zoologie Bd. 35, p. 431, 1881. 78 Walther Flemming: Dass in so weit Kerntheilung und Zelltheilung zwei verschie- dene Vorgänge sind, die nicht stets ineinanderzugreifen brauchen, war somit bekannt und musste von Jedem anerkannt sein, der sieh näher mit diesen Fragen und der neueren Literatur darüber beschäftigt '). Während es aber hiernach klar und unbestritten ist, dass Kerntheilung und Zelltheilung, nach ihrem morphologischen Ha- bitus und ihrem zeitlichen Verlauf, zwei von einander ver- schiedene Vorgänge sind oder sein können: so bleibt es eine andere Frage, ob und in wie weit beide durcheinander beein- flusst sind, oder der eine von dem andern abhängig ist. Diese Frage heisst in etwas andere Worte gefasst: Ist der Kern, abgesehen von den anderen unbekannten Functionen die er noch haben kann, ein Vermehrungsorgan der Zelle, d. h. ein Apparat der bei ihrer Theilung mitfungirt — wie dies in letzter Zeit die verbreitetste Ansicht gewesen ist; — oder ist er es nicht? — Strasburger beantwortet diese Fragen in seinem 2. und 3. Satz dahin: dass das Zellplasma die active Rolle bei der Zell- theilung spiele, und auch in den Zellkernen die Vorgänge anrege, die ihrer Theilung vorausgehen. Indem er den Sitz der Kräfte, die bei der Zelltheilung sich äussern, vornehmlich im Zellplasma sucht, findet er die Rolle fraglich gemacht, welche der Kern in der Zelle zu spielen habe, und denkt daran, dass er vielleicht in Beziehung zur Bildung der Eiweissstoffe stehen möge ?). Der 2. und 3. Satz kann sich, so viel ich sehe, bis jetzt auf dreierlei stützen: Erstens, auf die Ansicht Strasburger’s über die Ent- stehung der achromatischen Fäden (Spindelfasern S.) aus dem Zellplasma; in der ich, wie oben gesagt, bis jetzt nur eine An- nahme sehen kann. Zweitens, auf die Beobachtungen von Treub und mir?) über die Kerntheilung bei vielkernigen Zellen. Wir haben gefun- 1) Ich erwähne dies, weil neuere Zustimmungen zu dem Satze Stras- burger’s (s. Gruber a. a. O. p. 437) auf die Meinung schliessen lassen können, als proclamire derselbe eine neue Thatsache, und als könne er von irgendwelcher Seite bestritten werden. 2) S. 371—372. 3) Th. II, p. 190. Beiträge zur Kenntniss der Zelle und ihrer Lebenserscheinungen. 79 den, dass die Kerne in je einer solehen Zelle vorwiegend alle gleichzeitig in Theilung treten; und ich konnte sogar feststellen, dass der Regel nach !) alle diese Theilungen sich in gleicher Phase befinden, der Anstoss zu ihrem Beginn also auch gleich- zeitig gewirkt haben muss. Hieraus habe ich sofort den Schluss gezogen ?): „dass die nächsten Ursachen, welche einen Kern „zur Theilungsmetamorphose veranlassen, nicht „oder nicht allein in ihmselbst wirken, sondern zu- „gleich durch die ganze Substanz der Zelle hin- „durch thätig sind, in weleher er liegt. Wenn dies „für vielkernige Zellen gilt, wird es sich auch auf einkernige „beziehen lassen; und damit werden wir darauf geführt, auch „in dem Protoplasma der in Theilung tretenden Zelle nach „etwa erkennbaren Erscheinungen, die darauf Bezug haben, „genauer zu suchen als dies bis jetzt geschehen ist. Weiteres aber, als dies, kann meines Erachtens aus un- serem Befund noch nicht geschlossen werden, und desshalb habe ich ihn hier nochmals angeführt und erläutere ihn nochmals, da- mit man ihn nicht einfach als Beleg für den direecten Wort- laut von Strasburger’s Satz 2. und 3. verwerthen möge. Die Sache bei den vielkernigen Zellen liegt so: da die Kerne alle gleichzeitig in Theilung treten, so liegt die Annahme am nächsten, dass sie dazu durch gleichzeitig auf sie wirkende Kräfte veran- lasst worden sind. Diese Kräfte können dann nur aus dem Proto- plasma heraus, oder von aussen durch dieses hindurch, anf die Kerne gewirkt haben. Sie können gewirkt haben entweder in Gestalt von gröberen morphologischen Bildungen, von in die Kerne hineindringenden Protoplasmafäden, so wie es sich Strasburger denkt; oder in Form von moleeular-mechanischen, also chemischen Einflüssen, die das umgebende Protoplasma auf die Kerne äussert; oder vielleicht selbst nur in Form von Lösungen, welche von aussen her das Protoplasma der Zelle durchtränken, oder in ihm gebildet werden. Es kann sein, dass solehe zur Theilung be- stimmende Einflüsse rasch und plötzlich einwirken; es kann aber auch sein, dass sie lange fortbestehen und ihre Wirkung sich 1) Ganz durchgreifend ist dies nicht. Vergl. Th. II, Tafel 3 Fig. 49a. 2) Ebenda, p. 190, 80 Walther Flemming: summiren musste, bis sie die Kerne zur Theilungsmetamor- phose trieb. So lange nun aber alle diese Möglichkeiten bestehen, möchte ich meine Vorstellungen über die Sache nicht in die personi- fieirende Ausdrucksweise kleiden: „die active Rolle bei der Zell- theilung spielt das Zellprotoplasma“. Drittens endlich: liegt ein Beleg zu Gunsten der beiden Strasburger’schen Sätze in den obenerwähnten Erfahrungen von Bütschli undR. Hertwig an knospenden Infusorien, und in den jetzt hinzugekommenen von Gruber über die Theilung des Rhizo- poden Euglypha alveolata (a. oben a. O.). Diese Fälle sind in so fern vollkommen beweiskräftig, als sie zeigen, dass ein Proto- plasmakörper sich in zwei Theile zu bringen vermag, ehe an dem darin enthaltenen Kern morphologisch wahrnehmbare Theilungs- veränderungen eintreten; dass also die Kräfte, welche die Zell- theilung bestimmen, nicht von einem schon in Theilung (Kinese) stehenden Kerne ausgehen müssen. k Damit ist aber, soviel ich sehe, noch nicht der Beweis ge- geben, dass die Karyokinese ein Vorgang sei, der lediglich ange- regt werden könne durch unmittelbaren Anstoss vom Zellplasma aus, in dem Sinne, wie es Strasburger (Satz 3, 4 und 5) hin- stellt: so dass der Kern somit nur nebenbei mitgetheilt würde, wie etwa ein Chlorophylikörper, und also in keinem Sinne ein Vermehrungsorgan der Zelle sein könnte. Denn man kann sich, wie ich eben ausführte, die Disposition des Kernes zu seiner Theilung einstweilen auch so denken, dass Einflüsse, (in chemischem Sinne gedacht), die allmählig auf ihn ein- und in ihm fortwirken, ihn dazu bestimmen, ohne dass wir bis jetzt einen morphologischen Ausdruck dieser Veränderungen finden können. Dass solche Einflüsse an den Kern von aussen her, also zunächst aus dem Protoplasma der Zelle, herauskommen müssen, ist klar; aber wenn man sie sich z. B. als langsam wir- kende chemische Vorgänge vorstellt, so würde dies wohl nicht ge- rade eine „Action“ des Protoplasma genannt werden können. Wenn ich mir nun denke, dass der Kern auf solche Weise allmählig die Disposition zur Theilungsmetamorphose erhalten hat!): dass er sich, um es bildlich auszudrücken, allmählig ge- 1) Ich bitte daran zu denken, dass die ersten Anfänge der Karyokinese (Anlage des Knäuels) lange vor dem Stadium beginnen, wo nach Stras- jeiträge zur Kenntniss der Zelle und ihrer Lebenserscheinungen. 81 laden hat, so lässt sich auch ohne Schwierigkeit denken, dass die Decharge dieser Ladung, die Karyokinese, nicht nothwendig immer mit der Theilung der Zelle zusammenzufallen braucht. In der ungeheueren Mehrzahl der Fälle geschieht dies ja, es verläuft Karyokinese und Zelltheilung mit einander, und man kann sich ganz wohl denken, dass dabei beide Vorgänge in mechanischer, d. h. physikalischer Beziehung und Wechselwirkung stehen; dass die Zelltheilung, deren feinere morphologische Verhältnisse im Zellplasma wir noch sehr wenig kennen, dabei mitbeinflusst wird ‘ dureh die Mechanik der Kerntheilung, und dass also der Kern immerhin ein Theilungsorgan oder Theilungsapparat der Zelle sein und heissen kann; womit nicht im Geringsten gesagt ist, dass die Initiative zur Theilung nun desshalb vom Kern ausgehen müsste. Er kann ein Theilungsorgan sein, vergleichsweise ebenso, wie ir- gend ein Organapparat im Thierkörper seine Funetion hat und nach dieser benannt wird, obwohl er nicht auf eigene Hand diese Function beginnen und äussern kann, sondern dies nur vermag in Weehselwirkung mit dem übrigen Körper, und veranlasst und unterstützt durch dessen Stoffwechsel. Jene besonderen Fälle von Zellsprossung aber, in welchen der Kern in der That mit seiner Theilung hinter der des Zell- plasma zurückbleibt, kann man sich auch denken als Abände- rungen des Vorganges, bei denen das Protoplasma!) seine Thei- lung allein zu Stande bringt, der Kern erst nachhinkt und bei der Zelltheilung selbst ausser Mitwirkung bleibt; ebenso — um wieder den obigen Vergleich zu brauchen — wie ein Organ bei irgend- weleher Organismenform verkümmert und dureh andere ersetzt sein kann, während es bei den übrigen die lebenswichtigste Fune- tion hat. Wem die hier vorgelegte Anschauung complieirt vorkom- men sollte, den bitte ich sich zu erinnern, dass der Inhalt der von Strasburger formulirten Sätze: — das Anstossgeben des Protoplasmas, das Hineindringen von Protoplasmafortsätzen in den burger Protoplasmafäden in den Kern einwachsen sollen; es muss also jeden- falls schon eine Disposition zu dieser Veränderung im Kern gewesen sein, bevor irgendwelcher morphologische Anstoss von Seiten des Protoplasma anzunehmen ist. 1) In diesen Fällen, bei Rhizopoden und Infusorien, ein relativ hoch- differenzirtes Protoplasma. Archiv f, mikrosk. Anatomie. Bd. 20. 6 82 Walther Flemming: Zellkern, das nachherige Selbstaetivwerden der Kernsubstanz — ebensowenig schon irgend eine causalmechanische Erklärung ent- hält; sondern im Grunde nur ein bildliches Schema darstellt, nach dem man sieh den Vorgang denken kann, indem man dabei das Protoplasma als Subject und den Kern als Object nimmt. Ich sche also noch keinen Grund zu einer Verbannung des bis jetzt so verbreiteten Gedankens, dass der Kern ein Thei- lungsapparat der Zelle ist; wobei es selbstverständlich bleibt, dass er ausserdem auch noch andere, für jetzt unbekannte Funetionen haben kann. Ich hege aber keinerlei vorgefasste Meinung für jene Auffassung des Kerns als Theilungsorgan: wenn es mir richtig scheint, sie nieht ohne dringende Veranlassung aufzugeben, so ist der Grund allein der, dass diese Anschauung einiges Verständniss giebt oder verspricht für das so allgemeine Vorkommen des Kerns einerseits, und für die complieirten kinetischen Vorgänge bei seiner Theilung andererseits. Wenn sich jedoch noch bessere Gründe gegen jene Auffassung des Kerns ergeben sollten, als sie bis jetzt vor- liegen, so würde man dieselbe verlassen können, ohne dass darum die Vorgänge bei der Kerntheilung aufhören dürften, Gegenstand ‘einer immer tiefer eindringenden Forschung zu sein. Denn mag der Kern bei der Zelltheilung als eine Unterstützungsmaschine wirken, oder mag er dabei nur passiv oder nebenbei mit zerlegt werden: die optisch wahrnehmbaren Erscheinungen, die er dabei zeigt, sind uns zunächst viel zugänglicher wie die im Zellplasma verlaufenden; diese Erscheinungen am Kern können verwerthet werden, um künftig zu einer wirklichen Physiologie der Zell- theilung zu führen; und Alles was zu solchem Ziel auch nur den Weg zeigt, scheint mir viel wichtiger als irgendwelche bloss mor- phologische Thatsache. In den vorigen Theilen dieser Arbeiten habe ich die allge- meine Gleichartigkeit der Kern- und Zelltheilungsvorgänge, die ich für wahrscheinlich halte, häufig durch das Wort „Homologie dieser Vorgänge“ ausgedrückt. Dazu ist jetzt eine Erläuterung am Orte. Strasburger!) glaubt nicht an eine Homologie dieser Vor- 1) A. a. 0. S. 374. Beiträge zur Kenntniss der Zelle und ihrer Lebenserscheinungen. 83 gänge; er äussert sich dahin, „dass es sich hier um in der Natur des Protoplasma selbst begründete Gestaltungsvorgänge handelt, die unzählige Male, unabhängig von einander, entstanden sind und sich aus den Eigenschaften des Protoplasma, gleichsam wie ein Krystallisationsvorgang, unmittelbar ergaben“. Bei dem Ausdruck „Homologie“ habe ich zunächst gar nicht die phylogenetische Bedeutung untergelegt, in welcher jenes Wort heute vielfach verwendet wird; sondern habe es in dem Sinne gebraucht, in welchem z. B. auch jeder Physiologe oder Pathologe von homologen Vorgängen, homologen Erscheinungen zu sprechen pflegt, um überhaupt eine Gleichartigkeit oder Gleichwer- thigkeit im Wesen dieser Erscheinungen auszudrücken. Wenn man sich an dieser Verwendung des Wortes Homologie stossen sollte, so kann statt dessen das andere „Homotypie“ dienen, das ich hier verschiedentlich im gleichen Sinne gebraucht habe und das jedenfalls keiner Missdeutuug ausgesetzt ist. Dass die Theilungsvorgänge ‚in der Natur des Protoplasma (und der Kernsubstanzen) !) begründet sind und sich aus deren Eigenschaften unmittelbar ergeben“, wie es Strasburger aus- drückt, erscheint mir so selbstverständlich, dass ich kaum Grund sehe, es noch besonders hervorzuheben. Wenn es anders wäre, würden wir ja nicht bei so vielen verschiedenen Zellenarten, die in anderen Beziehungen gewiss sehr verschiedenartiges Proto- plasma haben und haben müssen, dennoch überall gleichartige Theilungserscheinungen wiederkehren sehen. Ob aber die Zellen die hierfür bedingenden Eigenschaften vermöge einer durchgehen- den Vererbung an sich tragen, oder sie in jedem Falle, wo Protoplasma entsteht oder wächst, mitbekommen, vergleichsweise wie eine chemische Verbindung ihren Molekülbau ?), — ob man also von einer Homologie der Zelltheilung auch in biogene- tischem Sinne reden kann, oder nicht: das ist eine Frage, die sich der histologischen Forschung für jetzt entzieht, und deren 1) Dies setze ich hinzu, da Zellprotoplasma und Kernsubstanzen be- kanntlich nicht identisch sind. 2) Ich sage: vergleichsweise, denn es wird wohl heute Niemand mehr annehmen wollen, dass „Protoplasma“ eine chemische Verbindung im gewöhn- lichen Sinne des Wortes sei. Im entgegengesetzten Falle empfehle ich Kennt- nissnahme der Analysen von Reinke über das Protoplasma von Aethalium septicum (Göttingen 1881). 84 Walther Flemming: Beantwortung sich grossentheils danach richtet, ob man der mono- phyletischen oder der polyphyletischen Descendenzhypothese den Vorzug giebt. Fie. Fie. Erklärung der Taf. III und IV. Taf. 3. 1, a—h: Theilungsbilder aus dem Wandbeleg des Embryosackes von 2 T) Lilium Martagon, aus Strasburger’s Zellbildung und Zell- theilung, 3. Aufl., nach Taf. IV Fig. 94, 96, 98, 99, 101, 102, 103, 104 Taf. IV daselbst, zum Vergleich copirt (S. 32). i—m. Ebendaher copirte Theilungsbilder von Galanthus nivalis. a—g mit obenstehenden Figuren zu vergleichen: Theilungsbilder aus dem Wandbeleg des Embryosackes von Lilium Croceum, nach Präparaten, welche ich Hrn. Soltwedel verdanke, von mir mit Alauncarmin nachgefärbt, aufgehellt und mit Seibert’s hom. Imm. !/,; und Bel. App. untersucht, mit desgl. !/,, eontrolirt. : der Sternform entsprechende Phase, vergl. Taf. 4 A I, B1l,B2. : Aequatorialplatte, vergl. Taf. 4 A 3, B 3. : Weiteres Trennungsstadium, e: Sternform der Tochterkerne, a b: Uebergang zu ce d f, &: Knäuelformen derselben. Die Lage der Fäden in verschiedenen Ebenen, sowie ihre Bie- gungen in verticalem Sinne, sind, wie auch sonst, durch verschiedene Schattirung der Fäden möglichst so ausgedrückt, dass der topo- graphische Eindruck herauskommt, den man bei wechselnder Ein- stellung erhält. Auf absolut treue Wiedergabe der Lageverhältnisse jedes einzelnen Fadens muss in diesem Gewirr und bei diesen Ver- grösserungsverhältnissen natürlich verzichtet werden. Im Ganzen sind die bei tieferer Einstellung abgebildeten Fäden und Fädentheile heller gehalten. Sämmtliche folgende Figuren bis Fig. 15 sind mit Seibert’s hom. Imm. !/,; oder !/,;, und Abbe’s Beleuchtungsapparat, nach Chromsäure-Safranin- Nelkenöl- Damarlack - Präparaten. gezeichnet, indem das reine Farbenbild und die Bilder, welche ver- schiedene Blenden des Bel. App. geben, wechselseitig controlirt wurden. Die verschiedenen Grössenverhältnisse sind zum Theil auf Beiträge zur Kenntniss der Zelle und ihrer lLebenserscheinungen. 85 Fig. 3. Fig. 4. Fig. Sn mn Benutzung verschiedener Oculare (Hartnack 1 bis Seibert 1) bei der Anlage der Zeichnungen zu beziehen. Theilung einer zweikernigen Zelle, Mundepithel, Salamanderlarve. Die chromatischen Figuren beider Kerne in Sternform, von der Pol- seite gesehen. An der Stelle, wo die beiden Figuren aneinander- gedrängt liegen, und an zwei anderen Stellen (links), war die Menge der optischen Schnitte so gross und lagen sie so dicht, dass nicht alle Fadenenden abgegrenzt werden konnten, so dass die genaue Zahl der Schleifen zweifelhaft bleibt. In der Mitte jeder Figur das Polarkörperchen, und das Polarbild der achromatischen Fadenspindel. An vielen Stellen ist deutlich zu sehen, dass der Winkel einer Schleife einen achromatischen Faden berührt. (Vergl. das Schema auf Taf. 4, A 1, A 2, B 2*.) Einkernige Zelle ebendaher in derselben Theilungsphase, eben be- ginnende Fädenlängsspaltung, Polarbild. Die beiden Polarkörper- chen und die achromatischen Fäden sind bei verschiedener Einstel- lung eingetragen. Es scheinen 24 chromatische Schleifen zu sein; an zwei Stellen ist die Lage der optischen Schnitte aber zu dicht, um sicher zu zählen. An diesen zwei Stellen habe ich die Fädenlage so gegeben, wie sie mir zu sein scheint. Kerntheilung im Knäuelstadium, ebendaher. Durch die ganze Figur geht die beginnende Längsspaltung der Kernfälen. Theilung vom Kiemenblattepithel ebendaher, Stadium wie Fig. 4, schief liegend. Oben das Ende der achromatischen Spindel sichtbar. Chromatische Schleifen bei verschiedener Einstellung gezeichnet. Jede einzelne lässt sich abgrenzen und 24 zählen. (Vergl. S. 52.) Ebenso vom Pol gesehen: die Figur ist durch etwas Quellung dis- trahirt, die achromatische Figur nicht deutlich. Jede Schleife deut- lich abzugrenzen, Zahl 24. (Ebenso noch in einem dritten Fall.) 9, 10: Ruhende Kerne. : Bindesubstanzkern, Kiemenbogen. : Muskelkern, ebendaher. 10: Epithelkern, ebendaher. Ausser den gröberen Gerüststrängen, Knötchen und Nucleolen ist die feinere Fortsetzung des Kerngerüstes dargestellt, wie es die Oellinsen zeigen. Näheres: siehe 3. Abschnitt, S. 52 ff. . 11—15. Kerntheilungen aus dem Epithel der menschlicheu Hornhaut, verschiedene Phasen. (Siehe 4. Abschnitt.) 16. Kerntheilungen aus dem Blut eines Leukocythämischen, Essigsäure. Hartn. Imm. 9. (Siebe ebenda.) ab ce de f: Theilungsphasen (der Reihe nach: Knäuel, Segmentation, Sterne, Aequatorialplatte (?), Tochtersterne, Tochterknäuel). g& h: wahrscheinlich erste Anfangs- phasen. Die übrigen Zellen: Leukocyten, mehrkernig. 86 Walther Flemming: Beiträge zur Kenntniss der Zelle etc. Taf. 4. Schemata zur Erläuterung der Karyokinese bei verschiedenen der Objecte: A: Salamandra. B: Lilium. C: Echinus. D: Salamandra. a: achromatische, ch: chromatische Fäden. ri Sternform des Mutterkerns. A2 : Schema der abgeflachten Sternform. B 2 und B 2* : Andeutung, wie durch gebogene Lage der chromat. Fäden der Habitus der Figuren, wie etwa in Fig. 2 a b Taf. 3, entsteht. X. Aequatorialplatte, durch Umordnung der Schleifenwinkel und Ver- I“ schiebung gegen die Pole aus A2 und B2 entstehend. — (A3 mit Bildern wie Fig. 12 Taf. 1 (VII) im II. Theil verglichen, er- läutert ganz klar den Bau solcher Figuren.) B 4. Sternform der Tochterkerne, Lilium (vergl. Taf. 3, Fig. 2 de). C. Dieselbe Form, 2 Echinusei. A3 B3 D. 4 ; v Salamandra. In allen dreien würden Radien der Pole sich durch die chromatischen Fadenschenkel, oder genauer durch die Halbirungslinie ihrer Winkel gelegt denken lassen. Natürlich ist dabei keine mathematische Genauigkeit vorausgesetzt, und können Biegungen der Fäden die Bilder verwickelter machen. Näheres über diese Sternformen : oben 8. 70, 71. Jos. Schöbl: Ueb. d. Blutgefässe d. cerebrospinalen Nervensystems etc. 87 Ueber die Blutgefässe des cerebrospinalen Nerven- systems der Urodelen. Von D. Jos. Schöbl in Prag. Hierzu Tafel V. Ich habe bereits vor einigen Jahren in diesem Archiv eine eigenthümliche Schleifenbildung der Blutgefässe im Gehirn und 'Rückenmark der Saurier beschrieben. Ein noch viel interessanteres und auffälligeres Verhalten der Blutgefässe fand ich im Gehirn und Rückenmark der Urodelen. Während bei den Sauriern jede Arterie von der entsprechen- den Vene bis in die allerfeinsten Verzweigungen begleitet wird, wo dann die capillaren Zweigchen schlingen- oder schleifenförmig in einander umbiegen, so dass jede Arterie mit ihrer entsprechen- den Vene ein streng isolirtes Stromgebiet bildet, enthält die Ge- hirn- und Rückenmarkssubstanz der Urodelen weder Arterien noch Venen; diese verzweigen sich vielmehr nur auf der Oberfläche in der Pia und senden ins Innere des Gehirnes und Rückenmarkes nur einfache unverästelte Capillaren-Schleifen. Die Arteria carotis cerebralis zerfällt gleich nach ihrem Ein- tritt in die Schädelhöhle in zwei Zweige, den Ramus anterior und Ramus posterior. Die Rami anteriores der beiderseitigen Carotiden verlaufen nahezu geradlinig zu beiden Seiten der Lobi optiei bis zur Ursprungsstelle der Nervi optiei, woselbst sie sich in zwei Hauptzweige spalten. Der eine, der den Lauf des Ramus anterior beibehält, bildet die Arteria lobi haemisphaeriei inferior externa. Sie verläuft nahe- zu geradlinig nahe dem Aussenrande der unteren Fläche der Lobi optiei bis zum Tubereulum olfactorium ; ihre Zweigchen verbreiten sich baumförmig verästelnd und stark schlängelnd längs der un- 88 Jos. Schöbl: teren und äusseren Fläche der Lobi optiei und senden von Stelle zu Stelle ein eapillares Aestchen senkrecht zu ihrem Verlaufe in die Hirnmasse der betreffenden Lobi, welches unter geschlängeltem Verlaufe nahezu bis zum Epithel der Ventrieularwandungen vor- dringt, um daselbst in ein entsprechendes venöses Aestchen um- zubiegen, welches gleichfalls ungeästelt wieder der Peripherie der Hirnmasse zustrebt, um nun in die später zu beschreibenden Venenzweigchen an der Oberfläche der betreffenden Lobi einzu- münden. Nicht selten findet man, dass je ein stärkeres Stämmehen der beiderseitigen Arteriae lobi haemisphaerici inferiores in der Gegend zwischen Lobi optiei und Lobi haemisphaerici miteinander com- munieiren und es entsteht dadurch eine Arteria communicans an- terior, welehe jedoch nicht constant vorkommt. Der zweite Zweig des Ramus anterior verläuft zwischen Lobi optiei und haemi- sphaeriei zur oberen Fläche derselben, an deren Innenrande er nachdem er eine Arterie zum Plexus chorioideus abgegeben hat, als Arteria lobi haemisphaeriei superior interna bis zur Spitze der Lobi verläuft. Die Zweigehen dieser Arterie verlaufen in ähnlicher Weise und verhalten sich zu den Capillarschleifen im Innern des Hirnes gerade so, wie wir es bei der Arteria lob. haemisph. inferior be- schrieben haben. Die Rami posteriores beider Seiten verlaufen bogenförmig nach hinten und innen und vereinigen sich unterhalb der Hypo- physis cerebri und bilden auf diese Weise eine Arteria communi- cans posterior, von welcher aus die im sulcus medullae spinalis inferior verlaufende Arteria spinalis mit 2—3 Wurzeln entspringt. Von der Arteria communicans posterior geht jederseits ein stärkerer Zweig zu den Lobi optiei, die Arteria lobi optiei, deren Zweige sich sowohl an der unteren Fläche als zu beiden Seiten und an der oberen Fläche der betreffenden Lobi ebenso ver- zweigen und ins Innere derselben ebensolche Capillarschleifen enden, wie wir es bei den Lobi haemisphaerici beschrieben haben. Ein zweites von der Arteria communicans stammendes stärkeres Zweigchen geht beiderseits zur Hypophysis cerebri, um daselbst ein äusserst dichtes Gefässnetz zu bilden, ohne hier jedoch die charakteristischen Schleifen abzugeben. Von der mächtigen Arteria spinalis entspringen von Stelle Ueber die Blutgefässe des cerebrospinalen Nervensystems der Urodelen. 89 zu Stelle Zweige, welche sich auf der Unterfläche und den Seiten der Medulla spinalis ähnlich verbreiten und in gleicher Weise ins Innere der Medulla die betreffenden Capillarschleifen entsenden, um dann in die entsprechenden an der obern Fläche der Medulla verlaufenden Venenstämmehen überzugehen, wie wir es beim Ge- hirne besehrieben haben, nur dringen hier die Schleifen hauptsäch- lich von beiden Seiten in die Medulla ein, weniger von der unteren und oberen Fläche. Was das venöse System anbelangt, so finden wir in der dura mater mächtige Venenplexus, zwei unpaare und einen paarigen. Der mächtigste von ihnen liegt als Plexus venosus trian- sularis medius zwischen den Lobi baemisphaeriei und optiei unmittelbar über dem Lobus ventrieuli tertii, den er bedeckt; er ist von Gestalt dreieckig, enthält in seiner Mitte einen triangu- lären venösen Sinus. In den vorderen Winkel des dreieckigen Plexus ergiessen sich gewöhnlich drei mächtige Venenstämme, von denen die mittlere, wie wir später sehen werden, von der Pia der Lobi haemisphaeriei stammt, während die beiden äusseren das Blut aus dem äusserst weitmaschigen, die dura durchziehenden venösen Netz zum Plexus leiten. | Von den beiden Basalwinkeln des Plexus triangularis läuft beiderseits nach hinten und aussen zu eine sehr starke Vene in der Furche zwischen Lobi haemisphaeriei und optiei, welche den be- treffenden Plexus mit den zu beiden Seiten der Lobi optiei liegen- den paarigen Plexus venosi laterales verbindet. Ausserdem münden in jeder Seite des Plexus triangularis zwei bis drei Venenstämme des Netzes der Dura. Die beiden Plexus laterales liegen, wie bereits erwähnt, zu beiden Seiten der lobi optiei; sie erhalten ihr Blut durch die eben beschriebenen Venen aus dem Plexus triangularis, dann aus einer seitlichen vorderen Randvene der Dura der lobi haemisphaeriei, und aus dem die Dura der lobi optiei durchziehenden weitmaschigen Venennetz und ergiessen sich am Hinterrande der lobi optiei in der Gegend des Cerebellum in die Venae jupulares. Der vierte venöse Plexus ist der Plexus chorioideus ventrieuli quarti; er deckt das Cerebellum und die Grube des verlängerten Markes, ist sehr engmaschig, er erhält sein Blut aus den obersten Theilen des Rückenmarks nnd ergiesst sich, mit den 90 Jos. Schöbl: Plexus laterales vielfach eommunieirend, nach vorne zu in die Vena jugularis. An der Unterfläche des Gehirnes finden sich keine Venen- plexus, sondern nur eine starke Vene, welche median zwischen den lobi haemisphaeriei nach rückwärts läuft und in der Gegend der lobi optiei gewöhnlich einen unregelmässig pentagonalen eirculus venosus bildet, von dessen Basalwinkeln beiderseits bogig nach aussen und hinten verlaufend, eine starke Vene das Blut zu den Plexus laterales leitet. Ausserdem findet sich fast constant an der Unterfläche des Gehirns hinter der Hypophysis eine bogenförmige, die Convexität nach hinten kehrende Vena communicans, welche die beiden Plexus laterales verbindet. Die Venenstämmechen der Pia der oberen Fläche der lobi haemisphaeriei sammeln sich ge- wöhnlich in drei wirtelförmige Venen, von denen die vordere un- paarige sich in den Vorderwinkel des plexus triangularis ergiesst, während die beiden seitlichen beiderseits in dessen Seiten ein- münden. Die Venenstämmehen der oberen Fläche der lobi optiei sammeln sich gewöhnlich in zwei Stämmchen, welche nahe der Medianlinie nach hinten und dann bogig nach aussen verlaufend in die plexus laterales einmünden. Die venösen Gefässe der vordersten Parthie des Rückenmarks sammeln sich in zwei seitlichen Venenstämmchen, welche, nach vorne verlaufend, sich in den plexus ventriculi quarti ergiessen. Die weiter nach hinten zu gelegenen Venenstämmchen jedoch bilden die im suleus medullae spinalis superior nach rückwärts zu ver- laufende vena spinalis, welche jedoch vorne mit den oben beschrie- benen Venenstämmen communieirt. Die Venenstämmehen der un- teren Fläche der lobi haemisphaerici sammeln sich gleichfalls ge- wöhnlich in drei Venen, von denen die mittlere unpaarige kork- zieherartig gewunden, die beiden seitlichen wirtelförmig sind. Alle ergiessen sich, die eine von vorn, die beiden anderen seitlich, etwa in der Mitte der Lobi haemisphaeriei, in die früher beschriebene me- diane Vene. Die Venenstämmehen der Unterfläche der lobi optiei münden unmittelbar in den circulus venosus, die der Hypophysis in die Vena communicans. Die vorliegende Beschreibung und Abbildung über das Ver- halten der Blutgefässe im Gehirn und Rückenmark ist zunächst der Salamandra maculosa entnommen und zwar nur deshalb, weil ich selbe in beliebiger Anzahl haben konnte. Ueber die Blutgefässe des cerebrospinalen Nervensystems der Urodelen. 91 Ausser Salamandra habe ich auch Gehirne und Rückenmark von Triton, Proteus, Amblystoma und Menobranchus injieirt und genau untersucht. Ueberall fand ich dasselbe Verhalten mit nur geringfügigen Modifieationen. Erklärung der Abbildungen auf Tafel V. Fig. 1. stellt dar das Gehirn und die vorderste Parthie des Rückenmarks von Salamandra maculosa von oben betrachtet, bei mässiger Ver- grösserung. Vorne liegen die mächtigen Lobi haemisphaeriei, in denen, aus der Vogelperspektive gesehen, die einfachen Capillar- schleifen dargestellt sind, aus denen sich nach hinten und Innen zu die zwei wirtelförmigen Venen entwickeln. In der Mitte liegen die lobi optici in ähnlicher Weise mit ihren Capillarschleifen dargestellt. Zwischen lobi haemisphaerici und optici ist der mächtige plexus venosus triangularis dargestellt und zu beiden Seiten der lobi optiei liegen die plexus venosi laterales, die sich in die Vena jugularis ergiessen. Unter ihnen schimmert die Arteria carotis cerebralis mit ihren Hauptästen durch. Sowohl lobi haemisphaerici als optici sind von einem grobmaschigen Venennetz, der dura mater angehörend, um- sponnen. Unmittelbar hinter den lobi optiei liegt der plexus chorioi- deus ventriculi quarti das Cerebellum und die Medulla oblongata theilweise bedeckend. In dem dahinterliegenden Rückenmark sind die Capillarschleifen hauptsächlich von beiden Seiten her gegen die Mitte zu verlaufend dargestellt. Die oberflächlichen Venen im vordersten Theil ziehen gegen den Plexus chorioideus, die folgenden bilden die Vena spinalis superior, welche nach hinten zu verläuft. Fig. 2. stellt dasselbe Präparat dar von den unteren Flächen gesehen. Lobi haemisphaerici und optiei sind in ähnlicher Weise darge- stellt wie in der. vorigen Figur, nur schimmern hier die Plexus chorioidei der Ventrikel durch. An der Aussenseite der Lobi läuft der ramus anterior der Carotis cerebralis. Umsponnen werden die lobi gleichfalls von einem groben Venennetz der dura, welches unterhalb der lobi optici einen Venen- ring bildet. Hinter den Lobi optici liegt die gefässreiche Hypophysis, hinter welcher sich die rami posteriores der Carotis verringern, um die Arteria spinalis zu bilden, welche im sulcus spinalis inf. nach rück- wärts verläuft, 92 L. Langenbacher: Fig. 3. stellt dar einen Durchschnitt durch die Lobi haemisphaerici vom salamandra maculata bei starker Vergrösserung und zeigt deutlich das Verhalten der Capillarschleifen so einfach, dass eine weitere Erklärung überflüssig erscheint. Fig. 4. zeigt einen Durchschnitt des Rückenmarks desselben Thieres eben- falls stark vergrössert und zeigt gleichfalls die hauptsächlich von den Seiten her gegen den Canalis spinalis zustrebenden Caipllar- schleifen. Im sulcor medulla sp. superior erscheint im Durchschnitt die Vena spinalis, im sulcus inferor die Arteria spinalis. Beitrag zur Kenntniss der Wolff’schen und Müller’- schen Gänge bei Säugern. Von L. Langenbacher aus St. Petersburg. (Anatomisches Institut zu Strassburg, Elsass.) Hierzu Tafel VI. Ueber die Art und Weise der Umwandlung einzelner Theile der embryonalen Gänge in die späteren Geschlechtskanäle sind die Angaben verschiedener Autoren bis jetzt noch keineswegs über- einstimmend. Abgesehen von den verschiedenartigen Anschauun- gen, welche über die rudimentären Ueberreste obiger Gänge beim erwachsenen Thiere herrschen, ist auch das Verhalten derselben bei Embryonen noch nicht genügend aufgeklärt. Die bisher vor- liegenden Beobachtungen sind an keiner vollständigen Reihe von Säugethierembryonen veranstaltet worden und haben in Folge dessen noch manche Lücke aufzuweisen. Was zunächst die Müller’schen Gänge anlangt, so stehen die Meinungen, sowohl über die ursprüngliche Einmündung der- selben in den Sinus urogenitalis als auch über den Modus ihres Beitrag zur Kenntniss der Wolfl’schen u. Müller’schen Gänge bei Säugern. 93 Verschmelzungsprocesses und Schwindens bis jetzt noch vielfach im Widerspruch. Thierseh !) vermuthet eine gesonderte Einmündung der Müller’schen Gänge in den Urogenitalkanal, obgleich es ihm nieht gelang, eine solche zu beobachten. Die Verschmelzung der Müller’schen Gänge beginnt nach seinen Untersuchungen am unteren Ende und schreitet nach aufwärts fort. Nach Dohrn?) ist ebenfalls die Einmündung der Müller’- schen Gänge in den Sinus urogenitalis eine getrennte. Was die Verschmelzung derselben anbetrifft, so will Dohrn sich überzeugt haben, dass dieselbe etwas oberhalb ihrer unteren Mündung zwi- schen dem unteren und mittleren Drittheile des Genitalstranges beginnt und von hier nach unten und aufwärts schreitet. Die Ver- schmelzung des unteren Abschnittes soll sehr rasch vor sich gehen. Dohrn glaubt, dass die Stelle der ersten Verschmelzung der Müller’schen Gänge der entspräche, wo später Uterus und Vagina zusammenstossen ?). Kölliker*) nimmt gleichfalls eine getrennte Mündung der Müller’schen Gänge in den Sinus urogenitalis an, bemerkt je- doch, dass er darüber nicht vollständig in’s Klare kam. Die Ver- schmelzung lässt er in der Mitte beginnen und nach dem oberen und unteren Ende des Genitalstranges fortschreiten. Alle drei Autoren untersuchten vorzugsweise Embryonen vom Schafe, Rinde und Menschen. Kölliker benützte zu seinen Unter- suchungen auch das Kaninchen. Ebenso unsicher und wenig übereinstimmend sind die Vor- stellungen verschiedener Forscher von dem Schwinden sowohl der Müller’schen als auch der Wolff’schen Gänge bei den ent- sprechenden Geschlechtern. Es werden in Folge dessen die ein- zelnen Organe, welche für rudimentäre Ueberreste der embryonalen Kanäle gelten, bis jetzt auf sehr verschiedene Theile derselben zurückgeführt. 1) Illustrirte med. Zeitung Bd. I, Heft I. 1852. 2) Schriften der Gesellschaft zur Beförderung der gesammten Natur- wissenschaft. zu Marburg 1872. Bd. IX. 3) Monatsschrift für Geburtshülfe 1869. Bd. 34. p. 382. 4) Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere, Leipzig 1879. 94 L. Langenbacher: In jüngster Zeit schreibt Kölliker!) auch der unpaaren Samenblase, in welche beim männlichen Kaninchen die Samenleiter einmünden, einen anderen Ursprung zu, als den bisher allgemein aceeptirten. Während man nämlich dieses Organ gewöhnlich für einen rudimentären Ueberrest des unteren Theiles der Müller’- schen Gänge ansah, dasselbe als Homologon von Uterus + Vagina betrachtete und mit dem Namen Uterus masculinus zu bezeichnen pflegte, meint Kölliker, dass diese Blase nichts mit den Müller'- schen Gängen zu thun habe, sondern durch eine Verschmelzung der Wolff’schen Gänge entstehe. Er gibt an, es sei bei einem von ihm untersuchten männlichen Kaninchenembryo von 23 Tagen, weder im Genitalstrange, noch in der Urogenitalfalte, noch auch an dem in Atrophie begriffenen Wolff’schen Körper eine Spur der Müller’schen Gänge mehr vorhanden gewesen. Von den Urnierengängen wird im allgemeinen angenommen, dass dieselben bei weiblichen Individuen schwinden und nur in manchen Fällen sich theilweise erhalten und dann unter dem Namen Gartner ’sche Gänge bekannt sind. Letztere wurden be- kanntlich schon von Malpighii gesehen, von Gartner und Jacobson bei Schweinen und Wiederkäuern beschrieben und später auch vonRathke, Coste, Follin, Kobelt u. A. bestätigt. In neuerer Zeit sind dieselben von Arloing?) bei Nagern beo- bachtet worden und von Kölliker?) und Beigel*) auch bei menschlichen Embryonen nachgewiesen. Näheres über die Art und Weise des Verschwindens der Wolff’schen Gänge wird je- doch nirgends angeführt. Angesichts dieser noch unvollständigen Beobachtungen und verschiedenartigen Deutungen der Vorgänge im Bereiche der em- bryonalen Kanäle, welche der Entwicklung der späteren Geschlechts- organe zuGrunde liegen, hielt ich es nicht für überflüssig, einzelne dieser Vorgänge aufs Neue einer Untersuchung zu unterwerfen. Ich habe bei Gelegenheit einer Untersuchung über die Entwicklung der männlichen Geschlechtsdrüse, welche Frage mich gegenwärtig beschäftigt und deren Ergebnisse ich in kürzester Zeit zu ver- 23.1.2. p. 381. 2) Journal d’Anatomie de Ch. Bobin 1868. 3) l. c. p. 986. 4) Centralblatt f. med. Wissensch. 1878 Nr. 27. Beitrag zur Kenntniss der Wolfl’schen u. Müller’schen Gänge bei Säugern. 95 öffentlichen beabsichtige, auch die embryonalen Kanäle berück- sichtigt und dieselben in Bezug auf ihr Verschmelzen und Schwinden verfolgt. Ich untersuchte vorzugsweise Kaninehenembryonen, welehe mir in allen Grössen und in beliebiger Anzahl zur Verfügung standen. Embryonen anderer Thiere erhielt ich nicht in allen Grössen und konnte desshalb nur einzelne derselben untersuchen. Die Beschreibung wird sich daher hauptsächlich auf das Kaninchen beziehen und wird von den vorgefundenen Abweichungen bei an- deren Thieren nur kurz die Rede sein. Zur Untersuchung dienten sowohl Flächenpräparate, als suc- cessive Querschnitte und sagittale wie frontale Längsschnitte. Bei Embryonen von 10 mm Körperlänge (vom Scheitel bis zur Schwanzwurzel) fand ich den Müller’schen Gang am oberen Theile des Wolff’schen Körpers, in der bekannten leistenförmigen Verdiekung der äusseren Wand des Wolff ’schen Kanals in Form eines Zellenstranges, der oben etwas erweitert war und auf eine kurze Streeke bereits ein Lumen besass. Nach unten sah man diesen Strang in ein solides, etwas abgeplattetes Ende auslaufen. Das Vordringen dieses soliden Endes geht ziemlich rasch vor sich und fast in gleicher Weise folgt demselben das Auftreten des Lu- mens. Bei Embryonen von 15 mm Körperlänge findet man die solide Spitze des vordringenden Müller ’schen Ganges ungefähr bis zur Mitte des Wolff’schen Körpers vorgerückt. Bei Embryonen von 2 em Körperlänge reicht er bereits bis an das untere Ende des Wolff’schen Körpers (s. Fig. 10). Bei 21/s bis 3 em langen Embryonen fand ich ihn fast immer in seiner ganzen Länge bis zum Sinus urogenitalis ausgebildet (s. Fig. 11). Die Lage der Müller ’schen Gänge ist bei Kaninchenem- bryonen im allgemeinen dieselbe wie sie bei anderen Thieren schon häufig beschrieben wurde, d. h. im Bereiche des Wolff'- schen Körpers verlaufen die Müller’schen Gänge an der äusseren Seite der Wolff’schen Gänge, während sie am unteren Ende des Wolff ’sehen Körpers nach innen treten und bis zum Sinus uro- genitalis an der inneren Seite der Wolff’schen Gänge herabsteigen (s. Fig. 12). Die Ausmündung der Müller’schen Gänge in den Sinus urogenitalis fand ich jedoch beim Kaninchen nichtals eine getrennte, wie sie Dohrn beim Schafe, Rinde und beim Menschen schildert, 96 L. Langenbacher: sondern immer als eine gemeinschaftliche. Sie geschieht unter spitzem Winkel sowohl der beiden Gänge zu einander als auch zum Sinus urogenitalis und befindet sich dicht unterhalb und zwischen den Mündungen der Wolff’schen Gänge (s. Fig. 2). Es kommt diese Art der Ausmündung auf folgende Weise zu Stande. Die von oben herunterrückenden Müller’schen Gänge haben, zur Zeit, wo sie den Sinus urogenitalis erreichen, noch solide Spitzen und müssen diese letzteren, da sie an der inneren Seite der Wolff'- schen Gänge herabsteigen und in einer Ebene mit denselben zu liegen kommen, nothwendigerweise in dem sehr engen Raume zwischen den Ausmündungen der Wolff’schen Gänge zusammen- stossen und gemeinschaftlich in den Sinus urogenitalis eindringen. Auf gleiche Weise müssen selbstverständlich auch die sich bilden- den Lumina der Müller’schen Gänge, welche etwas später den Sinus urogenitalis erreichen, kurz vor der Einmündung in den- selben in einander übergehen. Die beim Kaninchen stattfindende Erweiterung der untersten Enden der Wolff’schen Gänge, welche ziemlich früh beginnt, trägt ebenfalls dazu bei, die geschilderte Einmündungsweise der Müller’schen Gänge herzustellen. Nach dem Zusammentreffen der Müller’schen Gänge am Sinus urogenitalis beginnt ihre Verschmelzung und die Bildung des Thiersch’schen Genitalstranges. Was den Genitalstrang selbst anlangt, so will ich auf eine nähere Beschreibung desselben hier nicht weiter eingehen, da derselbe beim Kaninchen im wesent- lichen von derselben Beschaffenheit ist, wie bei anderen Thieren. Eine sehon sehr früh auftretende eoncentrische Anordnung des noch nieht differeneirten Gewebes und einen, besonders in dem mittleren Abschnitte des Genitalstranges, mehr oder minder reichen Gefäss- gehalt findet man beim Kaninchen ebenfalls. Auch die schräge Lage der Müller’schen Gänge im Genitalstrange, welche Dohrn vom Drucke des Mastdarmes herleitet und als Ursache der nicht selten vorkommenden Axendrehung der Uterusanlage betrachtet, lässt sich ziemlich häufig beobachten (s. Fig. 4). Was dagegen die Verschmelzung der Müller’schen Gänge betrifft, so fand ich dieselbe beim Kaninchen in etwas abweichender Weise sich vollziehen. Sowohl bei weiblichen als auch bei männlichen Kaninchen- embryonen beginnt die Verschmelzung der Müller’schen Gänge weder in der Mitte, wie esKölliker annimmt, noelı auch in dem Beitrag zur Kenntniss der Müller’schen u. Wolff’schen Gänge bei Säugern. 97 von Dohrn so genau bestimmten Punete zwischen dem unteren und mittleren Drittheile des Genitalstranges, sondern in allen Fällen am unteren Ende wie es anfangs von Thiersch ange- nommen wurde. Dass die Ausmündungsstelle der bereits verschmolzenen Müller ’schen Gänge auch bei älteren weiblichen Kaninchenem- bryonen noch häufig ein quergedehntes oder bisquitförmiges Lumen zeigt und den Anschein bietet, als hätte sich hier die Verschmel- zung noch nicht vollzogen, ist allerdings Thatsache, keineswegs ist aber daraus zu schliessen, dass auch beim Kaninchen die Ver- schmelzung der Müller schen Gänge etwa von der Mitte beginnt und auf- und abwärts schreitet, wie es bei anderen Thieren der Fall zu sein scheint. Dass diese Verschmelzung beim Kaninchen immer vom un- teren Ende beginnt, davon kann man sich sehr leicht an Quer- schnitten des Genitalstranges von 3 bis 5 em langen Embryonen überzeugen (s. Fig. 2, 3, 4 und 5). Die Ausmündung der ver- schmolzenen Müller’schen Gänge hat bei Embryonen von genannter Grösse immer ein Lumen von runder oder ovaler Form. Erst später zeigt sich bei weiblichen Embryonen in der That manch- mal an Querschnitten eine Bisquitform, welche aber jedenfalls nicht die ursprüngliche ist und auf verschiedene Ursachen zurück- geführt werden kann. Möglicherweise entsteht die Bisquitform durch theilweise Aneignung der Ausmündungen der Wolff'schen Gänge, welche beim Kaninchen häufig diese Form zeigen, durch die sich erweiternde Ausmündung der Müller’schen Gänge. Es kann somit beim Kaninchen von einem Zusammenhange der Stelle des ersten Verschmelzens der Müller’schen Gänge mit dem Puncte, wo später Uterus und Vagina zusammentreffen, wie ihn Dohrn aufzustellen versucht, gar nicht die Rede sein. Im Gegentheil entspricht, wenigstens beim Kaninchen, der Stelle der späteren Abgrenzung zwischen Uterus und Vagina, beim Embryo nicht der Anfang, sondern umgekehrt der Endpunct der Verschmel- zung der Müller’schen Gänge im oberen Drittheile des Genital- stranges. Es ist gerade beim Kaninchen sehr leicht, sich davon zu über- zeugen, da bei diesem Thiere der Uterus ein doppelter ist, und sich die Abgrenzung desselben von der Vagina schon sehr früh markirt. Archiv f. mikrosk. Anatomie, Bd. 20, 7 98 L. Langenbacher: Aus dem verschmolzenen Theile der Müller’schen Gänge entsteht nämlieh beim Kaninchen nur die Scheide, während die Lumina derjenigen Theile dieser Gänge, aus welchen sich die Uterushälften gestalten, nicht verschmelzen, trotzdem die untersten Enden derselben noch im Genitalstrange liegen und sich mit ihren Wandungen vereinigen (s. Fig. 12, 14 und 15). Diese Vereinigung bleibt auch im späteren Leben bestehen und findet man bei er- wachsenen Kaninchen die untersten Enden der beiden Uterushälften mit ihren inneren Seitenwänden auf eine gewisse Strecke constant zusammengeheftet, ihre Lumina jedoch getrennt mittelst zweier orifieia uteri externa in die Vagina ausmünden. Bei Thieren mit einfachem Uterus ist diese Stelle allerdings schwieriger zu bestimmen, jedoch wird dieselbe schwerlich dem Anfangspuncte der Verschmelzung der Müller’schen Gänge ent- sprechen, sondern jedenfalls höher zu suchen sein. Ich glaube kaum zu irren, wenn ich annehme, dass auch bei den übrigen Thieren und auch beim Menschen die Stelle der späteren Grenze zwischen Uterus und Vagina dieselbe ist wie beim Kaninchen und folglich im oberen Dritttheil des Genitalstranges sich befindet, nur dass bei Thieren, welche einen Uteruskörper besitzen, die Müller’- schen Gänge auch oberhalb dieses Punetes auf eine gewisse Strecke verschmelzen, während sie beim Kaninchen getrennt bleiben und nur ihre Wandungen an einander geheftet sind. Die Verschmelzung der Müller’schen Gänge beginnt bei Kaninchenembryonen ungefähr zur Zeit, wo dieselben etwa 21/, bis 3 em Körperlänge besitzen und erreicht ihren Höhepunct ge- wöhnlich bei Embryonen zwischen 4 und 5 em Körperlänge. Eine scharfe Grenze kann dafür nicht angegeben werden, da geringe Abweichungen oft vorkommen und der Verschmelzungsprocess überhaupt sich sehr rasch vollzieht. Nach Ablauf der Verschmelzung der Müller’schen Gänge, welche bei beiden Geschlechtern stattfindet, beginnt bei weiblichen Embryonen eine Erweiterung und Vergrösserung der verschmol- zenen Stelle, während bei männlichen Embryonen dieselbe allmäh- lich atrophirt. Auch die Erweiterung der vereinigten Müller’schen Gänge beginnt beim Kaninchen vom unteren Ende des Genitalstranges und schreitet nach aufwärts fort, erreicht im mittleren Abschnitte der verschmolzenen Stelle jedoch sehr bald eine grössere Aus- Beitrag zur Kenntniss der Wolff’schen u. Müller’schen Gänge bei Säugern. 99 dehnung und hat das Ganze zu dieser Zeit ein spindelförmiges Aussehen (s. Fig. 12, 14 und 15). In ähnlicher Weise und zu derselben Zeit beginnt auch die Erweiterung der höher gelegenen Theile der Müller’schen Gänge, welehe keine Verschmelzung eingehen und aus denen sich die Uterushälften gestalten. Es geschieht jedoch die Erweiterung dieser Theile nicht von unten nach oben, wie die vorhinbeschriebene, sondern gleichmässig längs der ganzen Ausdehnung dieser Ab- sehnitte bis zu den künftigen orifieia uteri interna. Diese letztere Erweiterung erstreckt sich aufwärts ungefähr bis zur Stelle, wo das künftige lig. uteri rotundum den Müller’- sehen Gang berührt, und ist hier der Uebergang der erweiterten Stelle, in den bedeutend engeren, den späteren Eileitern ent- sprechenden Theil der Müller’schen Gänge, ein ziemlich plötzlicher und manchmal schon sehr früh etwas geschlängelter (s. Fig. 15). Bei Embryonen von 6 cm Körperlänge sieht man die Er- weiterung sowohl der verschmolzenen Müller’schen Gänge im Genitalstrange als auch der ausserhalb desselben gelegenen Ab- schnitte ziemlich weit vorgeschritten, bei 7 bis 8 em langen Kanin- chenembryonen sind die Abgrenzungen zwischen Vagina, Uterus und Eileiter fast immer schon sehr deutlich zu unterscheiden (s. Fig. 15). Der obere Theil der Müller’schen Gänge, aus welchem die Eileiter hervorgehen, erfährt keine auffallende Erweiterung, sondern wächst allmählich zu den genannten Kanälen heran. Das erweiterte oberste Ende der Müller’schen Gänge hat schon bei sehr jungen Embryonen eine deutliche triehterförmige Gestalt. Bei 5 em langen Embryonen sieht man bereits das Auf- treten von Falten und Fransen, auch beginnt zu dieser Zeit eine Veränderung der Lage des ganzen Trichters. Während er näm- lich mit seiner äusseren weiten Oeffnung anfangs schräg nach oben und später medianwärts gerichtet war, wendet sich jetzt, durch Krümmung des Trichterstieles, die Oeffnung nach unten gegen die Gesehlechtsdrüse hin. Bei 7 bis 8 cm langen Embryonen ist diese Lageveränderung nahezu vollendet und findet man den Trichter in fast verticaler Lage mit der Spitze nach oben und mit der Basis abwärts gegen das obere Ende der Geschlechtsdrüse ge- riehtet (s. Fig. 11, 12 und 15). Bei Embryonen beider Geschlechter ist bis zur Zeit, wo die- selben ungefähr 5 cm Körperlänge erreichen, die Form und Lage 100 L. Langenbacher: sowohl der Wolff’schen als auch der Müller’schen Gänge im Bereiche des Genitalstranges eine nahezu gleiche, d. h. die Müller’- schen Gänge sind verschmolzen und an ihrem unteren Ende ein wenig erweitert, die Wolff’schen Gänge haben ihre gewöhnliche Lage und zeigen ebenfalls eine Erweiterung ihrer Ausmündungs- stellen (s. Fig. 12). Es ist desshalb bei Kaninchenembryonen, deren Körperlänge weniger als 5 cm misst, das Geschlecht nach Querschnitten des Genitalstranges allein unmöglich zu bestimmen, während man an den Geschleehtsdrüsen schon sehr viel früher deutlich unterscheiden kann, ob aus denselben Hoden oder Eierstöcke werden. Bei männlichen Embryonen wird nun die Erweiterung der W olff’schen Gänge am untersten Ende immer grösser, die erwei- terten Lumina beider Gänge rücken dadurch immer näher aneinander und verdrängen allmählich den zwischen ihnen gelegenen, in Atro- phie begriffenen untersten Theil der verschmolzenen Müller’schen Gänge. Zuletzt stossen die erweiterten Theile der Wolff’schen Gänge -zusammen und bilden ein gemeinschaftliches Lumen, indem die Wand an ihrer Vereinigungsstelle schwindet (s. Fig. 13): An Querschnitten zeigt zu dieser Zeit das gemeinschaftliche Lumen der Wolff’schen Gänge eine bisquitförmige Gestalt. Am oberen und unteren Rande der Vereinigungsstelle kann man an Querschnitten noch deutliche Reste der Müller’schen Gänge wahr- nehmen, welche jedoch bald gänzlich schwinden und bei Embry- onen von 6 bis 7 em Länge entweder gar nicht mehr vorhanden sind, oder es erhält sich über der vereinigten Stelle der Wolff- schen Gänge manchmal noch einige Zeit ein kleiner Theil der- selben, welcher ein kurzes, mit zwei gabelförmig auseinander- weichenden Spitzen versehenes Kanälchen vorstellt (s. Fig. 7). Dieser letzte Rest der Müller’schen Gänge im Genitalstrange, den man in einigen Fällen noch bei 7 em langen männlichen Kaninchenembryonen vorfindet, ist derjenige Theil, welcher bei anderen Thieren nicht selten auch im späteren Leben noch vor- handen ist und den eigentlichen Uterus masculinus oder das sog. Weber’sche Organ repräsentirt. Bei Kaninchenembryonen dagegen schwindet auch dieser kleine Rest allmählich und fand ich ihn in keinem Falle bei Embryonen, welche mehr als 7 Ctm. Körperlänge erreicht hatten. (S. Fig. 16.) Es ist somit ein Uterus maseulinus beim erwachsenen Kanin- Beitrag zur Kenntniss der Wolff’schen u. Müller’schen Gänge bei Säugern. 101 chen nicht vorhanden und kann ich Kölliker’s Angabe, dass die unpaare Samenblase bei diesem Thiere mit Unrecht für einen solehen gehalten wird, vollkommen bestätigen. Die Erweiterung der Wolff’schen Gänge an ihrem untersten Abschnitte, aus welcher genannte Samenblase hervorgeht, resp. die Samenblase selbst, hat in der That manchmal grosse Aehnlichkeit mit,einem rudimentären Uterus !) (S. Fig. 16). An der hinteren Wand dieser Erweiterung, oder vielmehr am oberen Ende der daraus entstehenden Blase, findet man sehr oft einen oder zwei zipfelartige Vorsprünge, welche sehr leicht einen Rest der Uterushörner vortäuschen, im Grunde aber gar Nichts mit denselben zu thun haben. Der sicherste Beweis, dass die unpaare Samenblase beim Kaninchen keinen Uterus mas- . eulinus vorstellt, ist der, dass man bei einem und demselben Em- bryo manchmal beide neben einander antrifft (S. Fig. 7). Endlich findet man in manchen Fällen, wie es auch Kölliker an einem Embryo beobachtet hat, dass die Wolff’schen Gänge an ihrer Aus- mündungsstelle in den Sinus urogenitalis doppelt bleiben oder wenigstens ein bisquitförmiges lumen behalten und erst ein wenig höher zu der genannten Samenblase verschmelzen. Was endlich das Schwinden der Gänge beim Kaninchen an- betrifft, so beginnt dasselbe, bei beiden Geschlechtern, ungefähr zu einer Zeit, wo der Embryo eine Körperlänge von 5 cm erreicht. Fast bei allen Autoren findet man die Angabe, dass das Schwinden der Gänge von ihrem oberen Ende beginne und nach unten fortschreite. Ich kann dieser Annahme nicht beistimmen, da ich in allen Fällen, und nicht allein beim Kaninchen, sondern auch bei den übrigen Thieren, den mittleren Theil der Gänge, zwischen Genitalstrang und Wolff’schen Körper zuerst verschwinden sah, während die oberen Theile noch vorhanden waren und Spuren derselben nicht selten auch bei erwachsenen Thieren noch zu con- statiren sind. Das Schwinden des grössten Theiles sowohl der Wolff’schen als auch der Müller’schen Gänge geschieht beim Kaninchen sehr rasch, und zwar schwinden die Müller’schen Gänge in der Regel etwas früher als die Wolff’schen. 1) Krause geht so weit, dass er in seiner Anatomie des Kaninchens behauptet, dieses Organ entspräche entwicklungsgeschichtlich so sehr dem Uterus, dass es noch bei neugeborenen Kaninchen unmöglich ist, beide Or- gane mit blossem Auge zu unterscheiden. 102 L. Langenbacher: Bei 6 bis 7 em langen männlichen Kaninchenembryonen findet man gewöhnlich nur noch Spuren des oberen und unteren Endes der Müller’schen Gänge. Bei weiblichen Embryonen von derselben Grösse sind dagegen noch bedeutende Reste der Wolff- ’schen Gänge vorhanden, und zwar findet man sie hier zu beiden Seiten der verschmolzenen M üller’schen Gänge, bis zur Theilungs- stelle derselben im oberen Drittheil des Genitalstranges, in Form zugespitzter Kegel, deren Basis nach unten an den Genitalkanal grenzt (S. Fig. 14). Bei 7 bis S em langen weiblichen Kaninchenembryonen sind auch diese kegelfürmigen Reste der Wolff’schen Gänge nicht mehr vorhanden und fand ich in keinem Falle eine Spur derselben bei Embryonen, welche mehr ‘als 3 cm Körperlänge besassen, trotz- . dem ich eine grosse Anzahl derselben in Schnitte zerlegte. Auch bei erwachsenen weiblichen Kaninchen gelang es mir nicht die sog. Gartner’schen Gänge zu beobachten und zweifle ich deshalb, ob die von Arloing bei erwachsenen Nagern unter diesem Namen beschriebenen Kanäle wirklich Reste der Woltf’schen Gänge waren, oder bin mindestens genöthigt das Vorkommen derselben als äusserst selten zu betrachten. Die von Arloing beschriebenen und abgebildeten Kanäle sind von bedeutender Grösse, haben in ihrer ganzen Ausdehnung eine gleiche Weite, sind an beiden Enden offen und befinden sich ausserdem grösstentheils im obersten Ab- schnitte der Vagina. Alles dieses spricht wenig dafür, dass es Reste der Wolff’schen Gänge sind, da letztere unten constant eine Erweiterung erleiden und gerade im oberen Abschnitte des Genitalstranges resp. der Vagina noch viel früher schwinden als unten. Das obere Ende der Wolff’schen Gänge ist noch längere Zeit vorhanden und findet man, ebenso wie bei anderen Thieren und beim Menschen, nicht selten Reste desselben, von verschiedener Ausbildung, auch bei erwachsenen weiblichen Kaninchen als Be- standtheile des sog. Rosenmüller’schen Organs im lig. latum. (Parovarium Epoophoron), (Waldeyer). Bei 8 bis 9 em langen weiblichen Kaninchenembryonen ist dieser Rest noch ein ziem- lich bedeutender und hat das Aussehen eines nach der Kante gebogenen Kammes, dessen Rücken einen Theil des oberen Endes des Wolff’schen Ganges vorstellt, und dessen Zähne von mehreren nebeneinander verlaufenden feinen Kanälchen gebildet werden, welche Beitrag zur Kenntniss der Wolfl’schen u. Müller’schen Gänge bei Säugern. 103 umgewandelte Urnierenkanälchen vorstellen, die beim männlichen Geschlechte zu den Coni vaseulosi sich gestalten (S. Fig. 15). Die Müller’schen Gänge schwinden, wie schon erwähnt wurde, etwas früher als die Wolff’schen und ist in der Regel bei 7 em langen männlichen Kaninchenembryonen keine Spur der- selben mehr vorhanden. Nur trifft man sehr oft, dass auch beim Kaninchen der oberste Theil der Müller’schen Gänge zurückbleibt und sich in ein Organ verwandelt, welches das Aussehen einer ge- lappten Hydatide besitzt und beim erwachsenen Thiere am Kopfe des Nebenhodens seine Lage hat. Dass diese Hydatide, welche in der Regel die einzige ist, die man am Nebenhoden des Kaninchens vorfindet, und welche häufig auch als ungestielte oder als Morgagni’sche Hydatide bezeichnet wird, trotzdem sie nicht selten deutlich gestielt erscheint, ihren Ursprung thatsächlich einem Reste der Müller’schen Gänge ver- dankt, davon glaube ich mich an der ununterbrochenen Reihe von Kaninchenembryonen, sowie auch an einigen Embryonen vom Rinde, Schafe und anderen Thieren, welche ich untersuchte, überzeugt zu haben. Den kurzen Kanal dieser Hydatide, der nach Löwe!) und Anderen mit den Kanälchen des Nebenhodens eommunieiren soll, beobachtete ich sehr oft, und lässt derselbe bei der Untersuchung von Embryonen verschiedenen Alters, keinen Zweifel übrig, dass er ein Rudiment des Müller’schen Ganges ist. Was dagegen seinen Zusammenhang mit den Nebenhodenkanälchen anbetrifft, so habe ich einen solchen in keinem Falle beobachtet. Zwar hat es sehr oft den Anschein, als stehe dieses Kanälchen mit einigen Nebenhodenkanälchen in Verbindung, bei genauerer Untersuchung jedoch überzeugt man sich fast immer, dass eine solche Vereinigung nicht vorhanden ist, sondern das Kanälchen zuletzt solide wird und entweder stumpf endet oder fein auslaufend sich in dem benach- barten Gewebe verliert. In manchen Fällen findet man dieses Kanälchen ziemlich lang, und bleibt in solchen Fällen, seinem Ver- laufe und seiner Lage nach, nicht der geringste Zweifel mehr übrig, dass dasselbe einen Theil des Müller’schen Ganges vor- stellt (S. Fig. 135). Dass eine Verbindung dieses Kanälchens mit den Kanälchen des Nebenhodens trotzdem zuweilen vorkommen kann, will ich nicht 1) Arch. f. mikr. Anat. Bd. XVI. S. 15. 104 L. Langenbacher: in Abrede stellen, betrachte jedoch eine solche als eine zufällige und später zu Stande gekommene. In Folge dessen und auf Grund der grossen Aehnlichkeit, welche diese Hydatide bei Embryonen von verschiedener Grösse in ihrer Form und Lage mit der Tube zeigt, schliesse ich mich entschieden unter den vielen Deutungen, welche diese Hydatide er- halten hat, derjenigen an, welche diesem Organ von Waldeyer!) zuerst gegeben wurde und später von Löwe eine Bestätigung fand, und welche diese Hydatide als Homologon der Pars infundi- buliformis Tubae bezeichnet. Von den übrigen Rudimenten der embryonalen Kanäle, welche im Bereiche der Geschlechtsorgane an verschiedenen Stellen vor- gefunden werden, wie die vasa aberrantia, das Organ von Giral- des, die Tubencysten u. s. w. ist für das Kaninchen nichts beson- deres zu verzeichnen und kommen dieselben in ähnlicher Form vor wie bei anderen Thieren. Was endlich die oben beschriebenen Vorgänge an den embryo- nalen Kanälen anderer Thiere betrifft, so kann ich folgendes bei- fügen. Bei Embryonen vom Rinde, Schweine und Schafe sah ich deutlich eine getrennte Ausmündung der Müller’schen Gänge in den Sinus urogenitalis und zwar erhielt ich an Querschnitten genau dasselbe Bild wie Dohrn es beim Schafe abbildet. Bei der Ziege habe ich mich noch nicht genau davon überzeugen können. Bei allen diesen Thieren münden die Wolff’schen Gänge in ziemlich bedeutendem Abstande von einander in den Sinus urogenitalis, während beim Kaninchen die Ausmündungen dieser Kanäle fast nebeneinander zu liegen kommen. Es stossen demzufolge die herab- steigenden Müller’schen Gänge bei den vorhin genannten Thieren nicht an einander, sondern münden jeder für sich neben dem Wolff’schen Gange der entsprechenden Seite und zwar abwärts und nach innen von demselben. Was die Lage der Kanäle im Ge- nitalstrange anlangt, so fand ich dieselben bei diesen Thieren in der That im mittleren Abschnitte des Stranges am nächsten zu ein- ander gelegen und ist es daher begreiflich, weshalb auch die Ver- schmelzung der Müller’schen Gänge hier nicht von unten, sondern etwa von der Mitte des Stranges beginnt und auf- und abwärts fort- 1) Arch. f. mikr. Anat. XIII. Bd. S. 278. Beitrag zur Kenntniss der Wolff’schen u. Müller’schen Gänge bei Säugern. 105 schreitet. Genau den Punct zu bestimmen, wo bei den genannten Thieren die Verschmelzung beginnt, halte ich kaum für möglich, da es schwerlich ein constanter sein wird und deshalb auch keiner bestimmten Stelle beim erwachsenen Thiere entsprechen kann. Bei der Katze scheint das Verhalten dieser Kanäle wieder mehr Aehnlichkeit zu haben mit der Beschaffenheit derselben beim Kaninchen. Bei 6°, em langen weiblichen Katzenembryonen fand ich wenigstens folgendes: Die Müller’schen Gänge im Genitalstrange waren verschmol- zen, neben denselben waren aber auch die Wolff’schen Gänge noch vollkommen erhalten. Diese letzteren zeigten jedoch nirgends eine Erweiterung, mündeten aber sehr nahe neben einander, dicht über der gemeinschaftlichen Ausmündung der verschmolzenen Mül- ler’schen Gänge (8. Fig. 3). Bei männlichen Katzenembryonen von derselben Grösse waren die W olff’schen Gänge im mittleren Abschnitte des Genitalstranges etwas weiter, ihre Mündungen aber ebenso nahe aneinandergelegen. Zwischen ihren Mündungen befand sich die gemeinschaftliche Aus- mündung der ebenfalls bereits verschmolzenen Müller’schen Gänge. . Letztere waren aber schon bedeutend atrophirt und repräsentirten das manchmal persistirende sog. Weber’sche Organ oder den Uterus masculinus in Form eines dünnen Stranges, welcher noch ein enges Lumen besass und sich allmählich, in zwei feine Spitzen auslaufend, im oberen Drittheil des Genitalstranges verlor (S. Fig. 9). Zum Schlusse will ich noch kurz die Ergebnisse obiger Un- tersuchungen in folgenden Sätzen zusammenfassen. Die Vorgänge, welche sich sowohl an den Wolff’schen als auch an den Müller’schen Gängen abspielen, tragen nicht bei allen Thieren denselben Charakter, sondern sind mehr oder minder be- deutenden Abweichungen unterworfen, von denen die wesentlichsten beim Kaninchen auftreten. Es sind zunächst die ursprünglichen Mündungen der Kanäle in den Sinus urogenitalis beim Kaninchen etwas verschieden von den Mündungen derselben bei anderen Thieren. Während nämlich die Wolff’schen Gänge bei den meisten Thieren mehr oder we- niger von einander entfernt in den Sinus urogenitalis ausmünden, befinden sich ihre Mündungen beim Kaninchen anfangs fast neben- einander. In Folge dessen müssen die Müller’schen Gänge, welche im Genitalstrange an der inneren Seite der Wolff’schen Gänge 106 L. Langenbacher: herabsteigen, kurz vor dem Eintritte in den Sinus urogenitalis zu- sammenstossen und gemeinschaftlich in letzteren eindringen. So- mit ist beim Kaninchen die ursprüngliche Ausmündung der Mül- ler’schen Gänge in den Sinus urogenitalis eine gemeinschaftliche, während dieselbe bei anderen Thieren meistens getrennt erscheint. Die Verschmelzung der Müller’schen Gänge beginnt beim Kaninchen nicht in der Mitte des Genitalstranges, wie es bei den meisten übrigen Thieren der Fall zu sein scheint, sondern immer von unten. In derselben Weise beginnt auch die bald darauf fol- sende Erweiterung der verschmolzenen Stelle, ebenfalls von unten und schreitet aufwärts fort. Aus dem verschmolzenen Theile der Müller’schen Gänge wird beim Kaninchen nur die Vagina gebildet, während diejenigen Abschnitte der Müller’schen Gänge, aus welchen der Uterus ent- steht, nieht verschmelzen, trotzdem die unteren Enden derselben noch im Genitalstrange liegen. Der Endpunkt der Verschmelzung der Müller’schen Gänge befindet sich beim Kaninchen im oberen Dritttheile des Genitalstranges und entspricht der späteren Grenze zwischen Uterus und Vagina. Beim Kaninchen findet auch eine Erweiterung und Verschmel- zung der Wolff’schen Gänge im unteren Theile des Genitalstranges statt und bildet sich daraus die unpaare Samenblase, welche lange Zeit irrthümlich für einen Uterus maseulinus gehalten wurde. Das Schwinden der Gänge beim Kaninchen zeigt schon we- niger bedeutende Abweichungen und vollzieht sich im wesentlichen wie bei den übrigen Thieren. Die Müller’schen Gänge schwin- den in der Regel etwas früher als die W olff’schen und erhält sich von denselben nicht selten der obere Theil, welcher alsdann in die gelappte Hydatide am Nebenhodenkopfe sich verwandelt. Der verschmolzene untere Theil der Müller’schen Gänge, welcher bei männlichen Individuen anderer Thiere öfters zurück- bleibt und den eigentlichen Uterus masculinus darstellt, schwindet beim Kaninchen meistens schon sehr früh, und ist bei erwachsenen Kaninchen ein Uterus masculinus nicht vorhanden. Die Wolff’schen Gänge schwinden bei weiblichen Kaninchen- embryonen, bis auf geringe Reste ihrer oberen Abschnitte, voll- ständig und ist das Vorkommen von Gartner’schen Gängen bei denselben noch sehr fraglich. Beitrag zur Kenntniss der Woltf’schen u. Müller’schen Gänge bei Säugern. 107 Fig. 1. Fig. 2. Fig. 3 Fig. 4. Fig. 5. Rio, 6. Fig. 7. Fig. ‚8. Pie, 9. Fig. 10. Re. 11: Erklärung der Abbildungen auf Taf. VI. abe. Querschnitte durch die Einmündungsstelle der Wolff’schen Gänge in’ den Sinus urogenitalis von einem 2'/, em langen Kanin- chenembryo. s Sinus urogenitalis, ww Wolff’sche Gänge, r Rectum, v Vesica urinaria. a b cd. Querschnitte durch den Genitalstrang eines 5 cm langen Kaninchenembryo. mm Müller’sche Gänge. Die übrigen Bezeichnungen wie oben. Die soliden Spitzen der Müller’schen Gänge haben sich bereits vereinigt und sind bis zum Sinus urogenitalis vorgedrungen. abc d. Querschnitte durch den Genitalstrang eines 4 cm langen Kaninchenembryo. Bezeichnungen wie oben. Die Müller’schen Gänge münden bereits in den Sinus urogenitalis. abcede f. Querschnitte durch den Genitalstrang eines 5 em langen weiblichen Kaninchenembryo. Bezeichnungen wie oben. abcede f. Querschnitte durch den Genitalstrang eines 5 cm langen männlichen Kaninchenembryo. Bezeichnuugen wie oben. abcde. Querschnitte durch den Genitalstrang eines 6 cm langen weiblichen Kaninehenembryo. Bezeichnungen wie oben. abcdefg h. Ununterbrochen aufeinanderfolgende Reihe von Querschnitten durch den Genitalstrang eines männlichen Kaninchen- embryo von 6°/, cm Körperlänge. mm Reste der Müller’schen Gänge, welche den, hier noch vorhandenen, Uterus masculinus oder das sog. Weber’sche Organ vorstellen. ww Wolff’sche Gänge, die bereits verschmolzen sind und die unpaare Samenblase bilden. Die übrigen Bezeichnungen wie oben. abcedefg. Querschnitte durch den Genitalstrang eines weib- lichen Katzenembryo von 6°/, cm Körperlänge. Bezeichnungen wie oben. ab cd. Querschnitte durch den Genitalstrang eines männlichen Katzenembryos von 6°/, cm Körperlänge. Bezeichnungen wie oben. Die Reihenfolge sämmtlicher Querschnitte ist vom Schwanzende aufwärts, wobei an den meisten Figuren jedoch nicht alle Schnitte abgebildet sind, sondern nur solche, an welchen eine Aenderung der Form und Lage der Gänge stattfindet. Die Vergrösserung ist Hartnack ?],. Flächenpräparat vom Wolff’schen Körper eines 2 cm langen Kanin- chenembryo. wk Wolff’sche Körper. gd Geschlechtsdrüse. w Wolft’- scher Gang. m Müller’scher Gang. Flächenpräparat der Geschlechtsorgane eines 3 cm langen Kanin- chenembryo. Bezeichnungen wie oben. 108 Langenbacher: Beitr.z. Kenntn.d.Wolff’- u. Müller’schen Gänge b. Säugern. Fig. Fig. 14. 15. Flächenpräparat der Geschlechtsorgane eines 5 cm langen Kaninchen- embryo. Bezeichnungen wie oben. Flächenpräparat der Geschlechtsorgane eines 6'/, cm langen männ- lichen Kaninchenembryo. ww Wolff’sche Gänge, die unten bereits zu der unpaaren Samenblase sb verschmolzen sind. m Kudiment der Müller’schen Gänge. cv Anlagen der Coni vasculosi des Nebenhodens. h Rest des obersten Endes des Müller’schen Ganges, aus welchem die gelappte Hydatide hervorgeht. gh Guberaculum Hunterni. wk in Atrophie begriffener Wolff’scher Körper. Flächenpräparat des Genitalstranges von einem 6!/, cm langen weiblichen Kaninchenembryo. m verschmolzener Theil der Müller’- schen Gänge, aus welchen die Vagina hervorgeht. m! der zum Uterus werdende Theil der Müller’schen Gänge. ww kegelförmige Reste der Woltf’schen Gänge. Flächenpräparat der Geschlechtsorgane eines weiblichen Kaninchen- embryo von 8 cm Körperlänge. v Vagina. u Uterus. e Eileiter. pt Pars infundibuliformis Tubae. o Ovarıum. Ir lig. uteri rotun- dum. vw Rudiment des Wolff’schen Ganges und der oberen Urnieren- kanälchen. Flächenpräparat der unpaaren Samenblase von einem 8 cm langen männlichen Kaninchenembryo. sb Samenblase. sl Samenleiter. Die Flächenpräparate sind gezeichnet bei einer Vergrösserung von Hartnack °,. N. Bubnoff: Zur Kenntniss d. knäuelförmigen Hautdrüsen d. Katze etc. 109 (Aus dem physiologischen Institut zu Breslau.) Zur Kenntniss der knäuelförmigen Hautdrüsen der Katze und ihrer Veränderungen während der Thätigkeit. Von Dr. N. Bubnoff aus St. Petersburg. Hierzu Tafel VII, Fig. 1—11. Gegenwärtig, wo zu fast allen die Schweissabsonderung be- treffenden Experimenten die unbehaarten Ballen der Katze benutzt worden sind, schien es uns nicht ohne Interesse, die Kenntnisse, welche von den knäuelformigen Drüsen der Katze überhaupt exi- stiren, zu sammeln und zu vervollständigen, um so mehr, als wir während unserer Untersuchungen fortwährend unter der Unvoll- ständigkeit dieser Kenntnisse litten. Dieselbe veranlasste uns auch, ehe wir an die Behandlung unsers eigentlichen Thema’s: der Ver- änderung der Schweissdrüsen während ihrer Thätigkeit, heran- traten, vorerst noch einmal die histologischen Verhältnisse aller Knäueldrüsen der Katze in unsre Untersuchung hineinzuziehen. Zuerst erwähnt Tobein im Jahre 1853 die Hautdrüsen der Katze !); aber er beschränkt sich auf die Bemerkung, dass in ihren Ausführungsgängen fibrae elasticae und fibrae spirales existirten. Im Jahre 1857 darauf erwähnt Leydig die Schweissdrüsen der Katze: aber er beschäftigt sich bloss mit den auf den unbehaarten Ballen der Katze befindlichen Schweissdrüsen und sagt von ihnen nur, dass sie „ganz vom Aussehen der menschlichen Schweissdrüsen seien“‘2). Weiter untersuchte im Jahre 1868 Harms die Hautdrüsen 1) Tobein: Dissertatio: De glandularum ductibus efferentibus ete. Dorpat 1853, p. 26. 2) Lehrbuch der Histologie des Menschen und der Thiere von Prof. Leydig 1857, p. 87. 110 N. Bubnoftf: der Katze im Allgemeinen !); doch auch er erwähnt auf der 9ten Seite seiner Arbeit nur, dass die knäuelförmigen Drüsen der Katze ganz identisch den entsprechenden Drüsen des Hundes seien; bei der Beschreibung der Schweissdrüsen des Hundes aber beschränkt er sieh auf die Erwähnung ihres Aussehens und sagt kein Wort über das mikroseopische Bild derselben. Allerdings macht er auch einen Unterschied zwischen den Knäueldrüsen der unbehaarten Ballen und der übrigen Haut des Hundes; folglich wusste er wahrscheinlich auch von dem Unter- schiede zwischen den entsprechenden Drüsen bei der Katze. Seine Zeichnung der knäuelförmigen Drüsen an den unbehaarten Ballen der Katze ist ganz schematisch gehalten und ohne Darstellung des mikroscopischen Verhaltens derselben. Im Jahre 1871 endlich er- schien die erste ziemlich vollständige Beschreibung der Hautdrüsen der Katze in einer Dissertation von L. Chodakowski?). Diese letztere Arbeit umfasst beinahe alle Kenntnisse, die von den knäuel- förmigen Drüsen der Katze existiren und wir brauchen nur ihre Resultate zu vervollständigen und die Punkte auseinanderzusetzen, in denen unsere Untersuchungen von den seinigen abweichen. Wenden wir uns zuerst an die Beschreibung der knäuelför- migen Drüsen auf den unbehaarten Ballen der Katze. Diese Drüsen waren schon Herrn Chodakowski gut bekannt. Eine grosse Menge derselben ist im Bindegewebe der unbehaarten Ballen ein- gebettet. Diese Drüsen, welche wie jede knäuelförmige Drüse aus Drüsenschlauch und Ausführungsgang bestehen, variiren sehr in ihrer Länge, je nachdem sie ganz nahe von der Oberfläche der. Haut, oder tief ihren Ursprung nehmen. Der Drüsenschlauch stellt im grossen Theil der Fälle eine langgedebnte, geschlängelte Röhre dar, so dass er thatsächlich keinen Drüsenknäuel bildet — Cho- dakowski kennt und beschreibt nur diese Form (Fig. 1); — in andern Fällen bildet der Drüsenschlauch schön entwickelte Knäuel, ganz so wie bei den Schweissdrüsen des Menschen. Diese letztere Form der Drüsen findet sich vor der Uebergangsstelle der unbe- haarten Ballen in die behaarte Haut der Pfoten und beschränkt 1) Beiträge zur Histologie der Hautdrüsen der Haussäugethiere von Dr. Carsten Harms. Hannover 1868, p. 9. 2) Anatomische Untersuchungen über die Hautdrüsen einiger Säugethiere von L. Chodakowski. Dorpat 1871. Zur Kenntniss der knäuelförmigen Hautdrüsen der Katze ete. 111 sich auf eine nur kleine Anzahl von Drüsen. — Chodakowski erwähnt auch des Umstandes, dass „an einigen der Schlangenwin- dungen des Schweissdrüsenschlauches stellweise seitliche, kurze Fortsätze von der Dicke des Schlauches aufträten; dadurch erhielte der Haupteanal ein ungleiches, höckriges Aussehen (Taf. III Fig. 18 x).“ — Wir haben auch solche Bildungen gesehen, aber nicht an jeder Drüse; im Gegentheil, diese Ausbuchtungen sind sehr selten und darum können sie nicht als characteristische Eigen- schaften der Knäueldrüsen dieser Gegend gelten. — Was den eigent- lichen Ausführungsgang der Drüse betrifft, so varlirt seine Länge bedeutend: entweder beginnt er erst in der pars retieularis der Cutis oder tief im Bindegewebe. Grossen Theils verläuft er ziem- lieh gerade; nur hier und da macht er kleine Windungen; aber im stratum Malpighi und stratum corneum, ausgenommen wenn letzteres sehr diek ist, zeigt er immer sehr schön entwickelte, kork- zieherartige Schlängelungen. Der Ausführungsgang der Drüsen seht allmählich ohne scharfe Grenzen in den eigentlichen Drüsen- schlauch über. — Was den feineren mikroscopischen Bau des Drüsenschlauches anbetrifft, so besteht er aus den Epithelialzellen und der Drüsen- wand. Die Epithelialzellen stellen kleine, runde Zellen mit etwas körnigem Protoplasma und einem verhältnissmässig ziemlich grossen Kerne mit einem oder zwei Kernkörperchen dar. Diese Zellen bilden auf der Innenwand des Drüsenschlauches grossen Theils eine einfache Schieht; aber man kann auch Drüsenschläuche beobachten, bei denen diese Zellen zwei, in andern Fällen sogar drei Schichten bilden. Die Contouren der Zellen werden erst sichtbar bei Be- handlung der Drüsen hauptsächlich mit Müller’scher Flüssigkeit, 2% Kal. biehrom. und Osmiumsäure; an frischen Präparaten und solchen, die in Alkohol gehärtet sind, sind diese Contouren nicht siehtbar. — Mikrochemische Reactionen weisen einen hohen Al- bumingehalt nach. Sehr verdünnte anorganische Säuren trüben die frischen, mit wenig Wasser aufgehellten Zellen; eoncentrirte Mi- neralsäuren noch stärker, während eoncentrirte Essigsäure beträcht- liche Quellung und Aufhellung des Zellkörpers hervorruft. Osmium- säure giebt den Zellen frischer Präparate eine etwas dunkelbraune Färbung, aber die Zellen zeigen keine schwarzen Körnchen. — Was die Wand des Drüsensehlauches betrifft, so kann man besonders gut auf Quersehnitten sehen, dass sie aus einer hellen, 112 N. Bubnoff: scharf ins Auge fallenden tunica propria besteht. Auf denselben Quersehnitten ferner kann man beobachten, dass diese tuniea propria auf der Innenseite sich nicht glatt darstellt, sondern scheinbar mit ziemlich regelmässig gesetzten keilförmigen oder dreieckigen Fort- sätzen versehen ist, weiche auch hell sind und gleichsam Bestand- theile der tunieca zu sein scheinen. Diese keilförmigen Fortsätze dringen zwischen die Epithelialzellen und zum Theil unmittelbar in die Basis derselben ein (Fig. 2). An den Präparaten, wo die tuniea propria zufällig von den Epithelialzellen entfernt ist, sieht man zugleich auch immer diese Fortsätze mit ihr abgetrennt. Wenn man die Drüsenschläuche von der Fläche untersucht, so kann man sehr deutlich beobachten, dass diese Fortsätze ziemlich regelmässig verlaufenden Längsstreifen entsprechen, welche alle Schlängelungen und Windungen der Drüsenschläuche begleiten. Schon an den mit absolutem Alkohol behandelten und mit Pikrocarmin gefärbten Präparaten kann man bemerken, dass diese Längsstreifen durch spindelförmige, ziemlich langgestreckte Zellen hervorgerufen wer- den (Fig. 3); besonders gut aber kann man sich davon über- zeugen an Präparaten, die frisch mit schwachen Lösungen von Essigsäure oder Mineralsäuren behandelt sind; hier treten nicht bloss die Contouren der spindelförmigen Elemente klar hervor, sondern auch die ihrer Kerne, was an den in Alkohol erhärteten Präparaten manchmal nicht gleich schön zu beobachten ist. Die Untersuchung der genannten Präparate lässt keinen Zweifel, dass wir es mit glatten Muskeln zu thun haben, die ganz dicht an .der Innenseite der tunica propria gelegen sind und sich zwischen die untersten Enden der Epithelialzellen nicht selten eindrängen. Diese Längsstreifung der tunieca propria ist übrigens auch schon früher auf den knäuelförmigen Drüsen anderer Thiere (Schaf, Hund ete.) beobachtet worden; bei der Katze jedoch hat man sie nicht be- merkt. Unmittelbar auf die stark lichtbrechende tunica propria folgt eine Bindegewebsschicht mit ihren Bindegewebszellen, welche in ihre Lagen eingebettet sind, Die ausführlichere Beschreibung des Baues des Ausführungs- ganges betreffend, so besteht er bis zu seinem Eintritt in das stratum Malpighi, ähnlich wie der Drüsenschlauch aus der Wand und den Epithelialzellen. Es ist keine scharfe Grenze zwischen Ausführungs- gang und Drüsenschlauch zu constatiren; die Wand des Schlauches, sowie seine Epithelialzellen gehen allmählich ohne scharfe Grenzen Zur Kenntniss der knäuelförmigen Hautdrüsen der Katze ete. 113 in die entsprechenden Theile des Ausführungsganges über. Die Epithelialzellen nehmen allmählich die Form glatter, concav-con- vexer, concentrisch in mehreren, zwei oder drei Schichten ange- ordneter Zellen mit einem ziemlich grossen, glatten, ovalen Kern und einem oder zwei Kernkörperehen an (Fig. 4). Die innere Schicht dieser Zellen bildet einen scharf begrenzten, ein ganz regel- mässiges Röhrchen darstellenden Canal, was dadurch bedingt ist, dass die Zellen der innern Schicht auf ihrer freien, dem Lumen zugewandten Seite mit einer stark lichtbreehenden Cutieula ver- sehen sind. Die eigentliche Wand des Canals besteht aus Binde- gewebe mit eingelagerten Bindegewebszellen; scharf begrenzt ist hier die tunica propria nicht mehr. Sobald der Ausführungsgang dem stratum Malpighi sich nähert, nehmen seine Zellen allmählich die Form der Epithelialzellen des stratum Malpighi an; sie sind schon pigmentirt; auch beobachtet man hier immer die Vermehrung der Schichten der Epithelialzellen. Wenn der Ausführungsgang das stratum Malpighi erreicht hat, so verliert er seine bindegewebige Wand, in seinem weitern Verlaufe hat er korkzieherartige Gestalt und ist begrenzt bloss von concentrisch gelagerten Zellen des stratum Malpighi und des stratum eorneum. Die innere Schicht dieser Zellen hat auch eine, wenn gleich nicht so scharf eontourirte Cutieula. Die Wandungen des Ausführungsganges im Gebiete des stratum Malpighi sind immer wie mit kleinen Körnchen bestreut, die identisch mit denen auf der Oberfläche des stratum Mal- pighi sind. Auf der Uebergangsstelle der unbehaarten Ballen in die be- haarte Haut der Pfoten, auf der Haut des Oberkiefers und zwar in einem Gebiete, welches nach vorn begrenzt ist vom unbehaarten Nasensaum, nach hinten beinahe bis in die Mitte der Lippe, nach oben bis zum obern Lidrand, nach unten bis zur Oberlippe reicht, ferner in der Haut des Unterkiefers an der Uebergangsstelle der- selben in die Lippenschleimhaut und schon einige Millimeter vor- her, und schliesslich zerstreut auch auf der Innenfläche der Ohr- muschel liegen in dem Bindegewebe knäuelförmige Drüsen, welche von den oben beschriebenen stark abweichen. Zuerst fällt ihre Grösse in’s Auge; sie bilden grosse, röhrenförmige Drüsen, deren Schläuche grössten Theils stark geschlängelt verlaufen. In den meisten Fällen ist der Drüsenschlauch eine einfache Röhre und nur sehr selten theilt er sich diehotomisch in 2 Schläuche. Er Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd, 20. 6) 114 N. Bubnoft: beginnt immer im Bindegewebe entweder etwas tiefer wie die Haarwurzeln oder in demselben Niveau mit ihnen. Nachdem er hier einige deutlich augeprägte Schlangenwindungen gebildet hat, steigt der Schlauch nach oben empor zwischen den Haarbälgen, allmählich nur um weniges enger werdend. In der Höhe der Basis der Talgdrüsen alsdann oder schon etwas niedriger, wird der Dia- meter der Röhre plötzlich kleiner und der Drüsenschlauch geht in den Ausführungsgang über, welcher sowohl durch seinen Bau als auch durch sein enges Lumen von dem Schlauche sich wesentlich unterscheidet (vgl. Fig. 5). Nachdem der Ausführungsgang ent- weder schwach gewunden oder gestreckt emporgestiegen ist und zwar immer sich dicht an die Talgdrüsen haltend, dringt er schräg von unten nach oben durch die Scheide der Haarbälge, immer höher als der Ausführungsgang der Talgdrüsen und ziemlich nahe vom Austritte des Haares auf der Oberfläche der Haut (Fig. 5). Der Drüsenschlauch selbst besteht aus den Epithelialzellen und der Wand der Drüse. Die Epithelialzellen stellen konische, an beiden Enden abgerundete, grosse Zellen mit grossen, runden Kernen dar, welche ein, selten zwei Kernkörperchen besitzen. Der- Kern liegt immer im Grunde der Zelle. Das Protoplasma der Zellen, welches sehr stark entwickelt ist, zeichnet sich durch seine Zart- heit und ausgesprochene feine Körnelung aus; hierin liegt ein auf den ersten Blick unterscheidendes Merkmal gegenüber den Drüsen der Ballenhaut. Die Zellen bilden an der Innenfläche der Drüsen- wand immer nur eine einfache Schicht. Ihre Grenzen sind sowohl auf den frischen, als auf den mit erhärtenden Reagenzien behan- delten Präparaten stets deutlich sichtbar (Fig. 6 a, b, e). Mikro- chemische Reactionen weisen hier wie an den Zellen der erst be- schriebenen Drüsen einen hohen Albumingehalt nach. Bei der Be- handlung mit Osmiumsäure erhalten die Zellen nur eine etwas dunkelbraune Färbung; doch zeigen sie keine schwarzen Körnchen. Bei der genauern Beschreibung des Baues der Wand der Drüsenschläuche können wir hier alles wiederholen, was wir schon oben über die erste Drüsenform gesagt haben, nur wäre zu erwähnen, dass die Muskelzellen hier in viel grösserer Zahl als dort auftreten: dort waren sie ziemlich sparsam, hier bilden sie eine eigne, beinahe eontinuirliche Schicht. Sehr schön kann man diese Schicht der Muskelzellen bei Einwirkung von Essigsäure auf frische Präparate zu Gesichte bekommen: die bindegewebige Wand quillt dann näm- Zur Kenntniss der knäuelförmigen Hautdrüsen der Katze etc. 115 lieh allmählich auf; sie drückt fort und fort auf die ebenfalls auf- gequollenen Epithelialzellen des Drüsenschlauches; endlich reisst sie an irgend einer Stelle, alle Epithelialzellen dringen plötzlich aus der Röhre des Drüsenschlauches heraus, und es bleibt dann nur die klare, stark gequollene Wand des Schlauches zurück, in deren Innerem man einen Streifen glatter Muskelzellen verlaufen sieht (Fig. 8). Der Bau des Ausführungsganges ist auch im Wesentlichen identisch mit dem der oben beschriebenen Drüsen, nur ist der Aus- führungsgang hier weniger gut entwickelt, als bei jenen. Seine bindegewebige Wand ist spärlich, die mit ihrer Oberfläche dem Lumen zugewandten Zellen desselben zeigen eine nicht so gut ent- wiekelte Cutieula, wie wir sie an den Zellen der erst beschriebenen Drüsenform gesehen haben. Wenn der Ausführungsgang an die Scheide der Haarbälge herantritt, verliert er seine bindegewebige Wand und ist in seinem Verlaufe in der Scheide selbst von deren Zellen begrenzt. Seine Oberfläche ist hier auch mit jenen kleinen Körnchen bestreut. Durch eine Reihe allmählicher Zwischenformen gehen diese Drüsen über in kleine sackförmige Drüsen, die auf der ganzen Oberfläche der Haut vertheilt sind (die Analsäcke und die behaarte Umgebung derselben haben wir nicht untersucht). Diese letztern Drüschen sind sehr klein; sie bestehen ebenfalls aus dem Drüsen- schlauch und Ausführungsgang und beginnen im Bindegewebe ent- weder unter den Haarwurzeln oder in gleichem Niveau mit ihnen. Der Drüsenschlauch stellt ein an der Basis abgerundetes Säckchen dar, welches nach der Uebergangsstelle des Schlauches in den Aus- führungsgang zu allmählich enger wird. Der Drüsenschlauch hat entweder eine schwach geschlängelte, oder, was selten- ist, eine schleifenartige Form ; er geht ohne scharfe Grenzen in den Aus- führungsgang über. Der letztere bildet nur eine sehr schwache Windung und dringt alsdann, grösstentheils den Talgdrüsen dicht angelagert, immer etwas höher als diese, schräg von unten nach oben in die Scheide der Haarbälge ein. Zuweilen, aber sehr selten, mündet der Ausführungsgang selbständig an der Oberfläche der Haut (Fig. 8). Auf der Innenfläche des Drüsenschlauches dieser Drüsen liegt eine einfache Schicht ungefähr kubischer Zellen, die einen ziemlich grossen, runden Kern mit einem, zwei oder drei Kernkörperchen besitzen. Diese Zellen sind sehr niedrig, ihr Pro- 116 N. Bubnoff: toplasma nur sehr spärlich entwickelt und von kaum körniger Be- schaffenheit. — Mikrochemische Reaetionen geben dieselben Re- sultate wie oben. Die Zellen liegen unmittelbar der tuniea propria an. Die innere Seite der tuniea propria ist ganz glatt, weil die kleinen Drüsen (mit Ausnahme der Zwischenformen) keine Mus- kularis haben. Unmittelbar auf die tunica propria folgt eine ziem- lich spärlich entwickelte bindegewebige Schicht. Die Epithelial- zellen des Drüsenschlauches gehen allmählich in glatte, runde Zellen des Ausführungsganges über. Diese Zellen besitzen einen Kerm mit einem Kernkörperchen; auf ihrer innern, dem Lumen zuge- wandten Seite haben sie eine nicht so scharf begrenzte Cutieula. Nach aussen von den Zellen folgt eine schwach entwickelte, binde- gewebige Wand (Fig. 9). Wenn der Ausführungsgang an die Sebeide des Haarbalges oder das Malpighi’sche stratum herange- treten ist, so verliert er seine bindegewebige Wand und verläuft zwischen den Zellen der Haarbalgscheide resp. des stratum Mal- pighi, seine Wände zeigen die schon erwähnten kleinen, schwarzen Körnchen. Von allen diesen knäuelförmigen Drüsen der Haut der Katze sondern, wie schon bekannt, Schweiss ab nur die auf den unbe- haarten Ballen liegenden. Setzte man Katzen den verschiedensten Eingriffen, welche Sehweissabsonderung anregen, aus (Reizung der nn. ischiad., des plex. brach., höhere Temperatur, Einspritzung von Pilocarpin ete.) und beobachtete man noch so aufmerksam die Schweissabsonderung, man konnte Schweiss immer nur auf den unbehaarten Ballen auftreten sehen. Die Oberfläche der Haut der Katze blieb auch dann ganz trocken, wenn wir den Rumpf der Thiere nach Umhüllung ihrer Pfoten mit Kautschuk, um die Ver- dunstung des von den Ballen abgesonderten Schweisses zu ver- hüten, mehrere Stunden in einen geschlossenen, warmen Raum setzten, während der Kopf sich ausserhalb befand. Ausserdem hat uns eine Reihe von Versuchen mit Boussolen, die wir ganz analog den Versuchen Hermann’s und Luchsinger’s anstellten !), ge- zeigt, dass während bei der Reizung der nn. ischiad. und des plex. brach. bei eurarisirten Katzen mit grosser Regelmässigkeit ein Seeretionsstrom an den auf die unbehaarten Ballen gestellten 1) Ueber die Secretionsströme der Haut bei der Katze von L. Her- mann und B. Luchsinger. Pflüger’s Archiv. Bd. XV. 1878. p. 213. Zur Kenntniss der knäuelförmigen Hautdrüsen der Katze ete. 117 Electroden eintritt (Hermann und Luchsinger), dagegen nie- mals bei denselben Thieren und unter den gleichen Bedingungen eine Ablenkung des Magnetes der Boussolen zu beobachten war, wenn die Electroden auf andre Stellen der Pfoten oder der vor- gängig enthaarten Hinterextremität gesetzt worden waren. Was die Veränderungen der Schweissdrüsen während ihrer Thätigkeit betrifft, so haben über sie bisher nur zwei Arbeiten Aufschluss gegeben; die eine, von Renaut!), erschien im Jahre 1878; die andere, deren Autor J. Ott ist), erschien im Jahre 1879. Der Veriasser der ersten Arbeit beschreibt hauptsächlich die Ver- änderungen der Schweissdrüsen beim Pferd. Die eylindrischen, etwas an becherförmige Zellen erinnernden Schweissdrüsenzellen zeigen an der Peripherie ein klares Protoplasma, das nur in geringer Menge kleine Körnchen besitzt, welche manchmal in parallel zum Längsdurchmesser der Zelle gestellten Linien angeordnet sind. Die Zelle erhält ferner einen im Grunde liegenden Kern und zeigt bei schweissenden Thieren folgende Veränderungen: Der klare Theil der Zelle verschwindet und die ganze Zelle bekommt ein körniges Aussehen. Der Kern wird grösser und nimmt die Mitte der Zelle ein. Ausserdem hat der Autor bei schneller Einwirkung von Al- kohol das Lumen der Drüse voll von coagulirtem Secret gesehen. Endlich erwähnt der Autor kurz, dass er auch an den Schweiss- drüsen menschlicher Leichen, welche von ihm untersucht worden sind, Veränderungen beobachtet hat, welche ganz analog denen sind, die man bei langer Reizung der chorda tympani in der gland. submax. erhält. Er sagt, dass diese Veränderungen in Verbindung stehen mit dem starken Schweiss, der das Stadium der Agone begleitet. J. Ott, der Verfasser der zweiten Arbeit, machte seine Unter- suchungen an den Schweissdrüsen der unbehaarten Ballen der Katze. Er untersuchte 3 Katzen: bei der ersten durchsehnitt er den n. ischiad. und liess das Thier 5 Tage leben; bei der zweiten reizte er das periphere Ende des n. ischiad. während 2 Stunden 30 Minuten; die dritte Katze, die er untersuchte, wählte er nach einer seiner Viviseetionen, ohne vorherige Ruhe noch verlängerte Reizung, wie er selbst sagt. Die unbehaarten Ballen aller drei 1) Renaut S. Gazette medicale de Paris 1878. p- 293. 2) J. Ott. The Journal of Physiology. Vol. II No. I. 1879. p. 42. 118 3 N. Bubnoff: Katzen behandelte er mit absolutem Alkohol und färbte sie mit Carmin. Führen wir mit des Verfassers eigenen Worten seine Resultate an, zu denen er gekommen ist: „Es wurde gefunden, dass die gereizten Zellen kleiner waren, als die ruhenden, körniger in Beziehung auf ihren protoplasmatischen Inhalt und in höherem Masse durch die Carminlösung gefärbt, obgleich sie dieselbe Zeit in derselben geblieben waren, als die ruhenden Zellen.“ Das ist alles, was der Autor im Text sagt; so eitirt ihn auch Professor Luchsinger!) und wünscht zugleich beweisendere Controlver- suche. Wenn man die etwas schematischen Zeichnungen des Dr. Ott betrachtet, dann ist das erste, was ins Auge fällt, nicht so sehr die Veränderung der Grösse der Zellen und ihres Protoplas- mas, als vielmehr des Kerns. Die Zellkerne in den Zellen der Katze, bei welcher der n. ischiad. während 5 Tage durchschnitten war, sind sehr klein gezeichnet, während sie auf den Präparaten von den beiden andern Katzen gross abgebildet sind. In allen 3 Fällen sehen wir die Kerne eckig, unregelmässig gezeichnet, unglücklicherweise sagt aber der Autor davon kein Wort. Auf den Vorschlag Herrn Prof. Heidenhains haben wir auch eine Reihe von Beobachtungen an den knäuelförmigen Drüsen der unbehaarten Ballen der Katze angestellt. — Bevor wir jedoch an die Beschreibung der Veränderungen gehen, durch welche die Schweissdrüsen während ihrer Thätigkeit von den ruhenden sich unterscheiden, erlauben wir uns kurz die Methode unserer Unter- suchungen anzugeben. Zuerst haben wir, wie Dr. Ott, eine ganze Reihe den unbe- haarten Ballen der Katze entnommener mikroskopischer Präparate untersucht, nachdem der n. ischiad. der Versuchsthiere während 2—3 Stunden gereizt worden war. Zu diesen -Versuchen haben wir immer noch 2 andre Katzen verwandt; bei der einen durch- schnitten wir den n. ischiad. und liessen sie dann noch 2—3 Stun- den leben, die andre tödteten wir schnell ohne irgend welche „vor- herige Viviseetion“: denn wir erinnerten uns daran, dass unter solchen Bedingungen immer Angstschweiss eintritt. Trotz einer ganzen Reihe soleher Versuche konnten wir zu keinem Ergebniss kommen, und wir waren schon nahe daran, an ein negatives Resultat zu denken. In Folge dessen wählten wir noch eine et- 1) Hermann. Handbuch der Physiologie 1880. Bd. V. Th. I. p. 430. Zur Kenntniss der knäuelförmigen Hautdrüsen der Katze ete. 119 was andre Untersuchungsmethode, die uns auch in der That zu positiven Ergebnissen geführt hat. Bei einer Anzahl von Katzen durehsehnitten wir den n. isch. und liessen die Thiere dann noch 1—5 Tage leben; bei einer anderen Reihe von Versuchen dureh- schnitten wir auf einmal beide nn. ischiad.,;, alsdann legten wir das periphere Ende des einen n. isch. in Ludwig’s Eleetrode und reizten den Nerven während S—9 Stunden mit starken, tetanisiren- den Inductionsströmen; während der Reizung selbst machten wir stets Pausen in der Weise, dass auf 3 Minuten der Reizung 2—3 Minuten der Ruhe folgten. Die Haut der unbehaarten Ballen wurde grossen Theils zuerst mit SO °/ Alkohol, dann mit abso- lutem Alkohol behandelt, weiter mit Pikrocarmin gefärbt, mit ol. Bergamotti durchsichtig gemacht und in Canadabalsam untersucht. Wir sind bei dieser letztern Methode geblieben, weil sie uns die besten Resultate lieferte. Stets haben wir alle 4 Pfoten untersucht. Wenden wir uns zuerst zu den Resultaten der ersten Ver- suchsreihe, die die Katzen betraf, welche nach Durchsehneidung des n. isch. noch einige Tage lebten. Auch wenn die Thiere 5 Tage am Leben blieben, so ergab sich doch bei Vergleichung der mikroskopischen Präparate der knäuelförmigen Drüsen auf den unbehaarten Ballen das gleiche mikroskopische Bild an allen vier Pfoten. Mit wenigen Ausnahmen stellten sich die Drüsenschläuche so dar: die Kerne der Epithelialzellen, welche auf Spirituspräpa- raten keine scharfen Grenzen zeigten, waren klein, mit unregel- mässigen Contouren, polygonal, oft dreieckig sogar und wie die Steine des Strassenpflasters aneinander gereiht. Die Kernkörper- chen waren grössten Theils nicht scharf sichtbar, manchmal ganz unsichtbar. Manchmal zeichneten sich die Kerne, besonders wenn sie sehr klein waren, dureh stärkere Färbung aus (Fig. 10). Ein ganz andres Bild geben die knäuelförmigen Drüsen der unbehaarten Ballen in der zweiten Untersuchungsreihe, wo der n. ischiad. gereizt worden war. Hier sind mit wenigen Ausnahmen die Kerne der Zellen, die selbst im Grossen Ganzen ganz ähnlich den ebenbeschriebenen Zellen waren, gross, rund, oder, wenn sie polygonal sind, nähern sie sich doch immer stark der runden Form; das Kernkörperchen ist deutlich sichtbar (Fig. 11). Bei der Untersuehung der andern hintern Ballen, deren n. ischiad. wohl durebschnitten, aber nicht auch gereizt worden war, gaben die Zellen ein Bild, das dem in der ersten Versuchsreihe gewonnenen 120 N. Bubnoff: ganz älmlich war. Bei der Untersuchung der Ballen der beiden Vorderpfoten derselben Katzen schliesslich zeigte das mikrosko- pische Bild Zwischenformen zwischen den in der ersten Unter- suchungsgruppe gefundenen Zellen und den Zellen der Ballen, deren n. ischiad. während S—9 Stunden gereizt worden war. Jene theilweisen Veränderungen der Drüsen an den Ballen der nicht gereizten Extremitäten rührt davon her, dass dieselben während des Versuches in Folge psychischer Erregung mehr oder weniger stark und anhaltend schwitzen, namentlich in den ersten Versuchs- stunden. Als wir von der Veränderung der Kerne sprachen, wieder- holten wir vorsätzlich immer den Ausdruck „mit wenigen Aus- nahmen“, weil wir niemals gesehen haben, dass alle Drüsenschläuche in derselben Weise verändert waren; sehr oft kommen auf den unbehaarten Ballen, deren n. isch. gereizt war, vereinzelt zwischen den Drüsenschläuchen mit grossen, runden Kernen auch solehe mit etwas kleinern Kernen vor, die auch unregelmässigere Contouren haben. Eine in ähnlicher Weise wechselnde Veränderung an den Kernen der Drüsenschläuche beobachten wir an Präparaten von Ballen, deren n. isch. durchschnitten war, während das Thier noch einige Zeit am Leben blieb. So sehen wir aus den mikroskopischen Bildern, dass die Ver- änderungen der Kerne parallel gehen mit der Absonderung des Schweisses. Der runde, grosse Kern mit deutlichen Kernkörper- chen entspricht der Zelle der funetionirenden Drüse; denselben runden oder manchmal schwach schon an eine polygonale Form erinnernden Kern erhält man auch auf Präparaten der beiden Vorderpfoten der Katzen der zweiten Untersuchungsgruppe, bei denen im Anfange der Versuche starker Angstschweiss ausgebrochen war. Der runde Kern wird von einem kleinern, mit unregelmässigen Contouren, oft dreieckigen Kerne ersetzt dort, wo keine Schweiss- absonderung erfolgte, d. h. wo der n. isch. durchschnitten, aber nicht gereizt war. Wenn man dasselbe Bild auch auf Präparaten der andern 3 Pfoten, deren Nerven intact blieben, beobachtet, so darf man nicht vergessen, dass Katzen unter gewöhnlichen Ver- hältnissen auf den Ballen überhaupt wenig schwitzen. Schweiss auf den Ballen kommt bei solchen Katzen nur von starker Angst her, und sehr selten kann man auf den Ballen ruhiger Katzen Schweiss beobachten. Unter solche Bedingungen aber hatten wir Zur Kenntniss der knäuelförmigen Hautdrüsen der Katze ete. 121 alle unsere Katzen gesetzt, welche mit durchschnittenem n. isch. lebten. Was die mikroskopischen Veränderungen der beiden andern knäuelartigen Drüsenformen betrifft, so gelang es uns bisher nicht, eine Veränderung, die mit der Durchschneidung oder Reizung der Nerven in Verbindung stände, constatiren zu können. Resumiren wir am Schluss noch einmal die hauptsächlichen Thatsachen, so ergiebt sich, dass von den drei durch ihren ana- tomischen Bau verschiedenen knäuelförmigen Drüsenarten nur die- jenigen schwitzen, welche auf den unbehaarten Ballen liegen; nur diese geben einen Secretionsstrom und zeigen auch mikroskopische Veränderungen, welche in Verbindung mit der Schweissseeretion stehen. — So drängt sich uns gewiss unwillkürlich die Frage auf, welche Rolle in dem physiologischen Leben der Thiere die beiden andern Drüsenformen spielen, und welche Ursachen ferner dafür bestehen, dass diese knäuelförmigen den Schweissdrüsen der an- dern Thiere entsprechenden Drüsen bei den Katzen keinen Schweiss absondern. Zu der Annahme, dass diese Drüsen bei der Katze die Stelle der Talgdrüsen vertreten, haben wir keine Berechtigung, da sowohl die mikroskopischen Bilder als besonders die mikroche- mischen Reactionen dagegen sprechen. Ein Vergleich ihrer Zellen mit denen der wirklichen Talgdrüsen lässt darüber keinen Zweifel. Ausser ihrem anatomischen Bau zwingt uns besonders die Stelle, die sie in der Reihe der knäuelförmigen Drüsen andrer Thiere einnehmen, bei denen diese Drüsen auf der ganzen Hautoberfläche Schweiss absondern, vielmehr zu der Ansicht, dass sie eine gewisse Rolle bei der Perspiration spielen; aber wahrscheinlich ist ihr Secret und besonders die Menge des abgesonderten Wassers so minimal, dass es gleich verdunstet. Immerhin bleibt bemerkens- werth, «dass diesen Drüsen keine Nervenreizung die Andeutung eines electrischen Stromes zu entlocken vermag. Eine Frage weiterer Untersuchungen wäre es dann, warum nur die einen knäuelförmigen Drüsen Schweiss absondern, die andern nicht. Bei der Besprechung der Veränderung der Knäueldrüsen auf den unbehaarten Ballen konnten wir nur eine Veränderung des Kerns constatiren; sie allein gab über die Thätigkeit resp. Unthätigkeit der Drüse Aufschluss. Unsere Untersuchungen gewinnen dadurch, dass die thätigen Schweissdrüsen zwar eine auffällige Veränderung des Kerns ihrer Zellen, aber nicht der Zelle selbst zeigen, ein ganz besonderes 122 N. Bubnoff: Zur Kenntniss der knäuelförmigen Hautdrüsen der Katze etc. Interesse; denn die andern bisher untersuchten Drüsen (Speichel- drüsen, Magendrüsen, Pankreas u. s. f.), lassen bei hochgradiger Thätigkeit nicht blos Rundung des Zellkerns, sondern ‚hochgradige Veränderung der Zellen selbst erkennen.. Die letztere rührt daher, dass in allen diesen Drüsenzellen chemische Prozesse behufs Bil- dung specifischer Bestandtheile des Secrets ablaufen. In den Schweissdrüsen ist das letztere nicht der Fall; denn der Schweiss enthält keine specifischen Drüsenproducte. Wir werden mithin zu dem Schlusse gedrängt, dass die Rundung des Kerns ein von der Bildung besonderer Seeretionsproducte innerhalb der Drüsenzellen unabhängiger Vorgang ist, welcher mit dem Vorgange der Wasser- absonderung in Beziehung steht. Wenn Renaut an den Drüsen- zellen des Pferdes besondere Veränderungen des Zellkörpers be- schreibt, so scheint daraus, wie aus der Angabe, dass inden Drüsen- räumen oft durch Alkohol coagulirtes Secret aufzufinden sei, der Schluss sich zu ergeben, dass der Schweiss des Pferdes eine wesentlich andere Zusammensetzung habe, als der der Katze, wo- rauf schon die bekannte schaumige Beschaffenheit desselben hin- deutet. Erklärung der Abbildungen auf Tafel VII. Fig. 1. Eine knäuelförmige Drüse von den unbehaarten Ballen der Katze. Vergr. 50. Querschnitt derselben; an der Innenfläche der tunica propria sind die Durchschnitte der Muskelzellen sichtbar. Vergr. 300. Fig. 3. Der Drüsenschlauch von der Fläche gesehen, mit der von den glatten Muskeln bedingten Längsstreifung und Muskelkernen. Vergr. 300. Fig. 4. Querschnitt des Ausführungsganges der Drüse. Vergr. 300. w Fig. Fig. 5. Grosse knäuelförmige Drüse aus der Uebergangsstelle der unbe- haarten Ballen in die behaarte Haut. Vergr. 50. Fig. 6. a) Längsschnitt derselben Drüse. b) Querschnitt. c) der Schlauch von der Fläche gesehen mit Längsstreifung und Muskelkernen. Fig. 7. Drüsenschlauch bei Einwirkung von Essigsäure. Vergr. 300. Fig. Kleine, sackförmige Drüse der Haut des Oberschenkels. Vergr. 50. Fig. 9. Dieselbe bei starker Vergrösserung. Vergr. 300. C. Schmidt: Ueb. eigenth., a. d. Flimmerepithel hervorgehende Gebilde. 123 Fig. 10. Unthätige knäuelförmige Drüse der unbehaarten Ballen von einer Katze, die nach Durchschnitt des n. isch. 5. Tage lebte. Vergr. 300. Fig. 11. Thätige Drüse der unbehaarten Ballen einer Katze, deren n. isch. 9 Stunden gereizt war. Vergr. 300. Bemerkung: Die Zeichnungen unserer mikroskopischen Präparate waren verfertigt mit Hülfe eines Hartnack’schen Zeichnenprismas und der Objeetivlinsen No. IV resp. VII. Die Ebene der Zeichnung lag für die starke Vergrösserung 19 mm über dem Öbjecttische, für die schwächern 113 mm. Die Vergrösserungen bei diesen Anordnungen sind unmittelbar be- stimmt worden. (Aus dem physiologischen Institut zu Breslau.) Ueber eigenthümliche, aus dem Flimmerepithel hervorgehende Gebilde. Von Curt Schmidt, stud. med. Hierzu Taf. VII, Fig. I-VU. E. Neumann beobachtete bei Untersuchungen von Flimmer- epithelien eine charaeteristische Art eilientragender Körperchen, die, meist kugelrund und ohne Basalsaum, über einen Theil der Oberfläche hin oder in einem Kreis rings um dieselbe mit Flimmer- haaren bedeckt waren. Katarrhalisch affieirte Epithelien liefern diese Gebilde in zahlreicherer Menge, z. B. die Nasenschleimhaut bei heftigem Nasenkatarrh, der mit Osmiumsäure (von ca. Y«—!/z °/o) behandelte Oesophagus des Frosches. Doch auch normalen Epi- thelien fehlen sie nicht, wenn sie auch hier in geringerer Anzahl auftreten, wie ich bei Untersuchung normaler Oesophagi von Fröschen und Luftröhren von Warmblütern zu beobachten Gelegen- heit hatte. Herr Professor Heidenhain!) fand die Körperchen 1) Centralblatt f. d. med. Wissensch. 1876 Nr. 24. 124 Curt Schmidt: besonders zahlreich, wenn er ca. 24 Stunden nach einer Injeetion von Pilocarpin. mur. (in einer einprocentigen Lösung) unter die Rückenhaut den in der Speiseröhre des Frosches massenhaft ab- gesonderten Schleim untersuchte, ihm verdankte ich die Möglich- keit, eine Reihe von Beobachtungen über das Wesen und den Ur- sprung der Körperchen anzustellen. Zu den Untersuchungen dienten zum grössten Theile Frösche, denen 1 cem Pilocarpinlösung subeutan injieirt worden war und bei welchen die Flimmerkörperchen im Oesophagusschleime sich oft überaus zahlreich vorfanden. Bei starker Absonderung wird das Secret nicht selten in den Magen hinabbefördert, wo man die Körperchen noch antreffen kann, so lange sie nicht von dem Magen- safte verdaut sind. Zum Theile wurden auch Frösche benützt, denen einige Tropfen einer !/,—/sprocentigen Osmiumsäurelösung, wie Neumann es that, in den Rachen geträufelt worden waren. Die Gebilde, um welche es sich handelt, sind rund, von kör- nigem Aussehen, ohne einen deutlich nachweisbaren Kern. Ihr Durchmesser beträgt nur 0,005 mm. Sie tragen auffallend lange Haare von mindestens 0,008 mm Durchmesser, welche ihrem kugel- förmigen Leibe mindestens an einer Hälfte seines Umfanges auf- sitzen. Um beurtheilen zu können, auf welchem Theil ihres Um- fanges die Körperchen Haare tragen, müssen sie so gelagert sein, wie esFig. I darstellt. Wenn sie auf dem eilienfreien Theil ihres Leibes liegen, also ihren Cilienbesatz dem Beobachter zukehren, kann der Anschein entstehen, als streckten sie die Haare von allen Punkten ihrer Oberfläche aus (ef. Fig. II). — Die frei in dem schleimigen Seerete des Oesophagus befindlichen Körperchen findet man oft noch in voller Flimmerung begriffen. In dem letzten Falle lösten sich von den Körperehen mitunter sehr kleine Proto- plasmakugeln ab, um zunächst in der Regel an den Flimmerhaaren haften zu bleiben, später durch die heftigen Bewegungen derselben ins Freie geschleudert zu werden (Fig. II). Ruhende Flimmereilien konnten mitunter auf dem heizbaren Objeettische in Bewegung versetzt- werden, um bei Abkühlung wieder in Stillstand zu verfallen, bei erneutem Erwärmen von Neuem zu schwingen u. =. f. Die in Kürze beschriebenen Gebilde beanspruchen in mehr- facher Beziehung Interesse, erstens bezüglich ihres Ursprunges, zweitens bezüglich des Mechanismus der Flimmerbewegung. Ueber eigenthümliche, aus dem Flimmerepithel hervorgehende Gebilde. 125 Den Ursprung anlangend, so liess sich darüber Folgendes beobachten: An losgestossenen Flimmerzellen, die ihre eylindrische oder kegelförmige Gestalt oft verlieren und mehr eiförmig oder rundlieh werden, beobachtete ich an ihrem obern Ende eine Einschnürung, die ein kleines, rings mit Flimmerhaaren besetztes Stück von der übrigen Zelle abgrenzt (Fig. IV). — Die Einschnürung scheint weiter fortzuschreiten und schliesslich zur Abschnürung des obern Theilstückes vom übrigen Zellkörper zu führen; denn man kann, verhältnissmässig eben so häufig, wie Zellen mit den betreffenden Einsehnürungen, auch solche beobachten, wo das schon abgesehnürte obere Ende noch an seinem Standorte ist und seine ursprüngliche Beziehung zur Mutterzelle errathen lässt (Fig. V). Auch konnte man nicht selten an den Flimmerkörperchen einen protoplasmatischen Anhang beobachten, der mitunter schon abgeschnürt zwischen den Flimmerhaaren steckte und bei jedem Wimperschlage wieder angezogen wurde, wenn er im Begriff war, den Bereich des Körperchens zu verlassen (ef. Fig. VD). Die Abschnürungsprocesse genannter Art spielen sich nun an Zellen ab, wie sie schon oben in Kürze angedeutet worden sind. Die Gestalt der Zellen war rundlich, auch ei- oder kegelförmig; eine Zellenmembran war nicht deutlich nachzuweisen, ebenso war ein Basalsaum, welchen normale, an ihrem Standorte befindliche Flimmerzellen erkennen lassen, nicht zu beobachten. Man muss desshalb wohl annehmen, dass die Zellen, an denen Abschnürungen sich geltend machen, jüngern Stadien angehören, oder dass sie vielleicht nichts andres darstellen, als die protoplasmatischen Zell- leiber von Flimmerzellen, welche mit den Flimmerhaaren die Zell- membran verlassen haben. An die schon besprochenen Beobachtungen schliesst sich noch eine die Länge der Flimmerhaare betreffende. Dieselbe differirt nämlich bei den Flimmerkörperehen gewöhnlich nieht unwesentlich von der Durchschnittslänge der Cilien normaler Flimmerzellen. Messungen an normalen Flimmerzellen ergaben für die Flimmer- cilien eine Länge von 0,006—0,008 mm, wenn die Zellen abgelöst waren; Cilien von 0,009 mm waren selten. Bei den beschriebenen Flimmerkörperchen dagegen massen die Haare selten unter 0,008 mm; 0,009 mm lange Cilien waren sehr häufig, einzelne Körperchen trugen sogar Haare von 0,010—0,012 mm Länge. Und zwar waren 126 C. Schmidt: Ueb. eigenth., a. d. Flimmerepithel hervorgehende Gebilde. die Flimmerhaare gewöhnlich um so länger, je unbedeutender das Protoplasma entwickelt war, dem sie aufsassen, so dass bei Cilien von 0,012 mm das Protoplasma auf ein sehr kleines Klümpchen redueirt war (ef. Fig. VII), einen grösseren Ballen dagegen dar- stellte, wenn die Cilien 0,008 mm oder noch weniger massen. Von Bedeutung scheinen schliesslich die Flimmerkörperchen für den Mechanismus der Flimmerbewegung zu sein. Man nahm früher an, dass eine Bewegung der Flimmereilien nur möglich sei, so lange dieselben im Zusammenhang mit ihrem Zellkörper stän- den. Engelmann !) allerdings, der lebhafte Bewegungen an Zellen von Austerkiemen sah, deren untre die Kerne enthaltende Hälften zufällig von den obern, die Wimpern tragenden Theilen abgelöst waren, spricht die Vermuthung aus, dass der zunächst an der Basis der Härchen befindliche Theil der Zelle zur Erhaltung der Bewegung zu genügen scheine. Nach den an den Flimmerkörper- chen gemachten Befunden entspricht diese Vermuthung völlig den Thatsachen. Der obere Theil der Zellen, ja unter günstigen Um- ständen ein winziges Protoplasmaklümpchen, reicht schon aus, um die Bewegung der Flimmerhaare noch auf längere Zeit hin lebhaft zu unterhalten. 1) Hermann’s Handbuch der Physiologie, Bd. I Abth. I. Ueber Flimmerbewegung VII. W. Pfitzner: Beobachtungen üb. weiteres Vorkommen d. Karyokinese. 127 Beobachtungen über weiteres Vorkommen der Karyokinese. Von Dr. med. Wilhelm Pfitzner, Assistent am anatomischen Institut zu Heidelberg. Die Frage, in welcher Form die einzelnen Gewebe wachsen, d. h. wie sich ihre histologischen Elemente vermehren, um einer- seits das durch Abnutzung Verlorengehende zu ersetzen, andern- seits auch die durch das Grösserwerden des Individuum bedingte Grössenzunahme der einzelnen Organe zu ermöglichen, scheint sich immer mehr einer Lösung zu nähern, die wir für unsere bisherigen Gesichtspuncte wohl als endgültig ansehen können. Die fleissigen Arbeiten der letzten Jahre auf diesem Gebiet, vom schönsten Er- folge begleitet, haben die wünschenswerthesten Aufklärungen über diesen Punet gebracht, und die Lösung der Frage tritt in immer deutlicheren Umrissen hervor: die Zellen vermehren sich durch directe Theilung, ausgehend von einer Kernvermehrung durch meta- morphotische Kerntheilung (Flemming); und dies Schema der Zellvermehrung, das wir als Karyokinese bezeichnen, ist zugleich das einzig vorkommende und für die ganze organische Welt gültig. Wir haben somit auch hier wieder erfahren müssen, dass das ganze Reich des Organisirten unendlich viel einfacher ist, als wir bisher geglaubt ; anfangs durch die bunte Mannigfaltigkeit der Erscheinungen geblendet, sind wir jetzt, nachdem wir das Wesentliche vom Unwesentlichen besser zu unter- scheiden gelernt, damit zugleich auch zu der Erkenntniss gekommen: dass alle Erscheinungen der organisirten Welt, wenn man sie des störenden Bei- werks entkleidet und sie auf ihre einfachsten Verhältnisse zurückführt, sich dann auch nicht länger so fremd gegenüberstehen, sondern sich als zusammen- gehörige Glieder eng aneinander schliessen. Dem denkenden Forscher wird dieses Resultat nicht unerwartet kommen, er wird von vorne herein über- zeugt sein, dass wir, je tiefer wir in das Innere der Erscheinungswelt ein- dringen, eine desto grössere Einfachheit finden müssen ; dass, um mich bild- lich auszudrücken, das uns umgebende Geräusch der Aussenwelt sich dem 128 Wilhelm Pfitzner: gereifteren und vorgeschritteneren Menschengeiste in eine harmonische Reihe von Accorden auflöst, die sich sämmtlich auf Einen Grundton zurückführen lassen — (das Bewusstsein von der Berechtigung dieser Ueberzeugung spricht sich als dunkle Ahnung schon in dem alten Satze aus: simplex sigillum veri! Je einfacher ein Resultat ist, desto grösser ist seine Wahrscheinlichkeit — das ist ein Maassstab, den wir ohne viel Bedenken bei jeder wissenschaft- lichen Untersuchung anlegen dürfen. Zwar sind wir auch hierin gar leicht Irrthümern ausgesetzt; wir suchen häufig die Einheit auf einem falschen Wege herzustellen. Stellt sich dann später heraus, dass doch nicht so ein- fache Verhältnisse vorlagen, wie wir gedacht, so können wir jedenfalls sicher sein: bei noch eingehenderer Untersuchung kommen wir schliesslich zu einem Resultat, welches nicht allein ebenfalls einfach ist, sondern sogar noch ein- facher als das erste, das als falsch erkannte, das uns doch weiterhin schon als zu einfach erschien. Eine Wissenschaft bedeutet das Bestreben, Einzelheiten in einen logi- schen Zusammenhang zu bringen und unter Einem Gesichtspuncte zusammen- zufassen, Verschiedenheiten zu Einheiten aufzulösen ; eine Summe von Einzel- kenntnissen kann nie auf den Namen einer Wissenschaft Anspruch machen. Erst indem das Einzelne sich zur Einheit ordnet, gewinnt es Werth und Be- deutung für uns. Das Studium der Einzelheiten ist unbedingt nothwendig, aber nur insofern es die Vorbedingung für den Aufbau einer Einheit dar- stellt. Scheinen Einzelheiten diesem Bemühen zu widerstreben, so ist das nur ein deutlicher Fingerzeig, dass wir sie noch nichtrichtig erkennen und auf- fassen — Bausteine haben nur insoferne eine Existenzberechtigung, als sie sich zu einem Ganzen zusammenfügen. Die Grundeinheit aller Erscheinungen ist ein aprioristisches Postulat unserer Vernunft; wollten wir dasselbe auch nur in einem Puncte aufgeben, so wäre die ganze Welt nichts weiter als ein grosses Tollhaus, und es wäre das grösste Unglück, als vernunftbegabte, denkende Wesen darin existiren zu müssen. Ursache und Wirkung — das ist die Formel, auf die sich die ganze Erscheinungswelt zurückführen lässt ; und das Fundamentalgesetz für alle Erscheinungen ist die unabänderliche, Congruenz zwischen Ursachen und Wirkungen. Gleiche Ursachen müssen immer gleiche Wirkungen haben — das ist wohl der einzige Satz, an dem noch nie gerüttelt ist, so lange es denkende Wesen giebt. Selbst der Begriff des Wunders widerspricht dem nicht einmal; besagt er doch nichts anderes, als dass, wenn ausser den normal concurrirenden Ursachen noch eine inter- eurrirende in Wirksamkeit tritt, das Resultat, die Wirkung, auch ein vom normalen differirendes sein muss. Diese beiden aprioristischen Sätze der Untrennbarkeit und der Congruenz von Ursache und Wirkung, die so die ganze Mannigfaltigkeit der Erscheinungen bestimmen, zwingen uns nun, die Erscheinungswelt als eine Einheit aufzufassen, und unsere Aufgabe besteht einzig darin, diese Einheit überall zu erkennen, die Dissonanzen aufzulösen, die Mannigfaltigkeit auf die Einfachheit, das Einzelne auf das Allgemeine zurückzuführen, | Beobachtungen über weiteres Vorkommen der Karyokinese. 129 Auch in den speciell sogenannten Naturwissenschaften befolgen wir jetzt immer bestimmter diese Bahn, mit immer ausgesprochenerem Bewusst- sein, und zugleich mit immer grösserem und immer deutlicher hervortreten- dem Erfolge, Der ungemeine Aufschwung, den die exacten Naturwissen- schaften in der neueren Zeit genommen haben, manifestirt sich am deut- lichsten in der immer grösseren Deutlichkeit und Klarheit, in der wir die Natur vor uns ausgebreitet liegen sehen. Wir gleichen dem Wandrer, der einen seine Nachbarn weit überragenden Bergriesen besteigt. Je höher wir kommen, desto mehr vergrössert sich unsere Uebersicht, desto mehr weichen die umliegenden Höhen zurück und gestatten uns einen Blick auf die bisher von ihnen verdeckten Partien; und über uns winkt der Gipfel, wo wir die letzten Hindernisse fallen sehen, wo alles, was uns weither umgibt, unserer Einsicht offen liegt, wo der Geist die Materie endgültig besiegt und der Mensch die letzte Stufe der Vollkommenheit erreicht hat. Werden wir jemals dies Ziel erreichen ? Wir können uns keinen rechten Begriff von dem Zustande machen, der dadurch für uns geschaffen würde, aber müssen uns sagen, dass wir dann aufgehört haben werden, Menschen zu sein im bisherigen Sinne, d. h. unvollkommene, in engen Schranken be- grenzte Wesen. Aber derselbe Fall würde ja eintreten, wenn wir unser” Ideal auf ethischem Gebiete erreicht hätten; und doch dürfen wir da eben- sowenig als hier daraus eine Berechtigung ableiten, unser Streben nach diesem letzten Ziele aufzugeben. Statt uns die Köpfe über das Wann? und Was dann ? zu zerbrechen, sollen wir uns lieber vergegenwärtigen, wie unendlich weit wir noch von unserem Ziele entfernt sind, und uns nicht müssigen Speculationen und Träumereien hingeben, sondern rüstig die Hände anlegen, um ein jeder nach besten Kräften zum Ausbau des Werkes beizutragen. Aber das Ziel selbst muss uns klar vor Augen stehen; wir dürfen keinen Augen- blick schwanken oder planlos arbeiten; wir müssen eine unerschütterbare Richtschnur für unser Streben haben, um nicht vergeblich gearbeitet zu haben; und desshalb darf kein Zweifel bestehen über unser letztes Endziel, unser Ideal, mögen wir dasselbe wirklich erreichen zu können hoffen oder nicht. Wohl können wir manchmal missmuthig werden, wenn wir sehen, wie die Arbeit eines ganzen Menschenaälters uns dem Ziele nur wenig näher geführt hat, wenn immer neue Hindernisse sich vor uns aufthürmen, wenn wir uns dem Ziele bereits so nahe glaubten und wir es dann plötzlich wieder in un- absehbare Ferne gerückt sehen: dann mag ein kurzer Rückblick auf das bereits Vollendete uns trösten und zu neuen Anstrengungen anregen. Jeder Schritt, den wir vorwärts thun, jede neue Bereicherung unserer Erkenntniss führt uns dem Ziele näher. Auf die Schulter unserer Vorgänger gestützt haben wir bereits manchen Schritt weiter vorwärts thun können als jene, und auf den von uns geebneten Bahnen werden wieder unsere Nachfolger zu grösseren Erfolgen vordringen. In den sogenannten exaeten Naturwissenschaften lautet nun unsere Endaufgabe dahin: alle die mannigfaltigen Erscheinungen der Natur auf eine Archiv f. mikrosk. Anatomie. 20. Bd. 9 130 Wilhelm Pfitzner: einzige Grunderscheinung zurückzuführen. Sowenig wir uns auch jetzt schon hiervon eine klare Vorstellung zu bilden im Stande sind, so können wir es doch bereits jetzt als zweifellos hinstellen, dass diese Grunderscheinung, von der alle anderen, unter einander noch so verschiedenen Erscheinungen nur die specielle Form darstellen, unter der sie im gegebenen Falle in den Kreis unserer sinnlichen Wahrnehmungen tritt, nur das sein kann, was wir jetzt mit dem Begriff der Bewegung bezeichnen. Also Eine einzige Bewegung, die je nach den Bedingungen, unter denen sie in Wirksamkeit tritt, den bunten Wechsel der Erscheinungswelt hervorruft, in der ganzen Natur zu constatiren, das ist unser Ideal, und sobald wir dies vermocht haben, so ist auch die Aufgabe der Naturwissenschaft erfüllt. Bereits haben wir in der Physik erkennen können, dass die mannigfaltigen Erscheinungen, wie sie in Wärme, Licht, Schall, Electricität uns bekannt sind, Bewegungen darstellen, die 'einerlei Gesetzen gehorchen, und die dadurch, dass sie in einander über- gehen können, bezeugen, dass sie nur Erscheinungen einer und derselben Grundbewegung sind. Auch diejenigen Vorgänge, die das Untersuchungs- gebiet der Chemie ausmachen, schliessen sich hier an; die Grenze zwischen Physik und Chemie verwischt sich mehr und mehr, und sehen wir aus dem ununterbrochenen Ineinanderübergehen von physikalisch-mechanischen Pro- cessen in chemische, dass eine Bewegung, die sich unter veränderten Bedin- gungen bald als physikalische, bald als chemische Veränderung in den Kör- pern äussert, in letzter Instanz ebenfalls auf jene allgemeine Grundbewegung zurückführt. Die Reihe von Erscheinungen, die wir bisher als die belebte Natur der unbelebten gegenüberzustellen gewohnt waren, fügt sich denen der letzteren ebenfalls allmählich immer zwangloser an. Wie wir schon früher erkannt haben, dass im Grossen und Ganzen in der belebten Natur dieselben Gesetze herrschen wie in der unbelebten, so kommen wir jetzt mehr und mehr dahin, auch im Einzelnen in den complieirtesten Lebenserscheinungen die prineipielle Identität mit einfachen mechanischen Vorgängen zu erkennen. Ich habe in einer bereits gedruckten und demnächst erscheinenden Arbeit (8) den Versuch gemacht, einen der complieirtesten biologischen Processe, die Vermehrung der Zellen, auf einfache physikalische Gesetze zurückzuführen ; wenn ich auch selbst durchaus noch nicht der Meinung bin, dass alles dort Aufgestellte sich bei näherer Prüfung bewähren wird, so glaube ich doch, einen im Grossen und Ganzen richtigen Weg eingeschlagen zu haben und hoffe, dass die dort ausgesprochenen Anschauungen mit gebührenden Correc- turen und weiteren Ausarbeitungen dazu beitragen werden, eine bisher noch recht bemerkbare Kluft zu überbrücken. Aber während wir unser Endziel, die Zurückführung aller Erscheinungen auf eine einheitliche Urbewegung, unverwandt im Auge behalten, dürfen wir nur höchst vorsichtig weitergehen, Schritt für Schritt, nie eine Stufe über- springend; wir müssen erst dort, wo wir stehen, festen Fuss zu fassen suchen, ehe wir einen weiteren Schritt vorwärts thun. Wo wir bis dahin ebene Bahn zu erblicken glaubten, thut sich uns plötzlich ein neues Hinderniss Beobachtungen über weiteres Vorkommen der Karyokinese. 131 auf; statt es leichtsinnig zu umgehen zu versuchen, bemühen wir uns, es aus dem Wege zu räumen, und siehe da! was uns vorher als unerwartetes und unerwünschtes Hinderniss erschien, gewährt uns plötzlich ein neues und überraschendes Mittel zum Vorwärtsschreiten. Eine solche Beobachtung haben wir auch bei einem Gegenstand gemacht, der hier unsere Aufmerksamkeit beschäftigen soll, bei der Frage nach der Vermehrung der histologischen Elemente aller Organismen, der Zellen. Nach unseren früheren Anschauungen waren die einzelnen Arten der Vermehrung resp. Neubildung von Zellen relativ ein- fache zu nennen; wir waren daher erschreckt, als die neuen Be- obachtungen über Karyokinese den Vorgang plötzlich zu einem anscheinend so ungeheuer complieirten machten. Aber bei näherem Studium finden wir, dass sich gerade aus dieser anscheinend so grossen Complieirtheit eine ungemeine Vereinfachung ergab. Wäh- rend man früher verschiedene Schemata für die Neubildung von Zellen aufstellte: Theilung des Kerns durch Abschnürung und da- rauf folgende Zweitheilung der Zelle; Abschnürung eines Proto- plasmastücks und darin auftretende spontane Neubildung eines Kerns; spontane Neubildung eines Kerns in einem indifferenten Blastem und secundäre Ausbildung resp. Abgrenzung eines Zell- leibes ete. etc., von welchen Schemata jedes gleich wenig Aussicht auf Verständniss bot und keins mit dem anderen in Zusammenhang zu bringen war; so haben wir jetzt nur ein einziges zurückbehalten, das der Karyokinese. Dadurch ergab sich auch eine ungemeine Vereinfachung für unsere Anschauungen über das Verhältniss zwischen Thier und Pflanzen. War schon ungefähr vierzig Jahre früher ein inniger Zusammenhang zwischen beiden dadurch her- gestellt, dass man beide als aus gleichwerthigen histologischen Elementen, den Zellen, aufgebaut erkannt hatte, so sehen wir jetzt aus der wunderbaren Uebereinstimmung, die die Veränderungen der Kerne, wie sie beim Zelltheilungsvorgang auftreten, zeigen, dass der Zusammenhang ein unendlich viel innigerer ist, als wir vorher ahnen konnten. Von Tag zu Tag verschwinden die Unter- schiede mehr und mehr, immer deutlicher tritt das Verhältniss her- vor, dass die Zelle im Grunde stets dieselbe bleibt, mag sie selbst- ständig ein individuelles Dasein führen, mag sie einen integrirenden Bestandtheil eines aus vielen ihresgleichen zusammengesetzten Ge- sammtorganismus bilden, mag sie als Keimzelle den Ausgangspunct eines zum Aufbau eines vielzelligen Organismus führenden Vorganges darstellen. 132 Wilhelm Pfitzner: Und schliesslich ist das eingehendere Studium dieses Vorganges. wie ich in meiner bereits erwähnten Arbeit nachzuweisen bemüht war, vielleicht am besten dazu geeignet, uns eine Brücke zwischen belebter und unbelebter Natur bauen zu helfen ; indem wir gerade diesen, anscheinend so complieirten Vorgang auf rein mechanische Gesetze zurückführen, haben wir zugleich die fundamentalste Erscheinung des Vorganges, den wir „Leben“ nennen, als gleichwerthiges Glied unter die einfacheren Erscheinungen der Physik ein- gereiht, haben das ganze „Leben“ seines bisherigen räthselhaften Charakters entkleidet und sind zur Erkenntniss gekommen, dass das Leben und die ein- fachsten Erscheinungen der Mechanik quantitativ aber nicht qualitativ ver- schieden sind, dass auch das Leben nur eine der vielen Erscheinungsformen darstellt, unter denen die Eine grosse allgemeine ‚Urbewegung zur sinnlichen Wahrnehmung gelangt. Aber während wir diesen allgemeinen Gesichtspunet fest- halten, dürfen wir uns der Wahrnehmung nicht verschliessen, dass unsere Kenntnisse des karyokinetischen Processes noch nicht ab- geschlossen sind. Wenn auch in Folge der fortschreitenden Ver- besserung der Untersuchungsmethoden die Differenzen zwischen den Angaben der einzelnen Beobachter mehr und mehr schwinden, so bleiben doch noch manche zurück, die einer gemeinsamen Auf- fassung und Erklärung widerstreben, und ebenso hat man noch nicht für alle Gewebe eine Vermehrung der Zellen nach gleichem Schema sicher stellen können. Da nun noch manche Forscher aus dem Umstande, dass man bei einigen Geweben die karyokine- tischen Figuren bisher nicht aufgefunden hat, sich zu der Schluss- folgerung berechtigt glauben, dass bei diesen Geweben eine Zell- vermehrung nach anderem Schema stattfände; so wird beiden Parteien damit gedient sein, wenn es gelingt, durch das Auffinden der charakteristischen Kerntheilungsfiguren bei einer immer grös- seren Anzahl von Geweben die Möglichkeit des Vorkommens einer anderen Vermehrungsart immer mehr zu vermindern. Der Aus- spruch meines hochverehrten Lehrers und Freundes, des Herrn Prof. Flemming: „Bis jetzt hat diese Forschung mit Sicherheit noch keine andere Art solcher Neubildung gezeigt als Zellfort- pflanzung durch Zelltheilung, mit Kernvermehrung durch meta- morphotische Kerntheilung“ (3, 364), lässt sich so mit wachsender Berechtigung dahin erweitern, dass die Möglichkeit des Vor- kommens eines anderen Zeilyertähränkstaddi IE ausge- schlossen ist. Ich habe nun, obgleich ich bisher die Frage der Zellvermeh- Beobachtungen über weiteres Vorkommen der Karyokinese. 133 rung nicht gerade zum speciellen Gegenstand meiner Untersuchungen gemacht habe, Gelegenheit gehabt, die mir wohlbekannten typi- schen Formen der Karyokinese in Geweben aufzufinden, wo sie bisher noch nicht beobachtet wurden, und glaube den speeiellen Forschern auf diesem Gebiete einen Dienst zu erweisen, wenn ich im Folgenden eine kurze Uebersicht über meine bisherigen eigenen Befunde gebe. Da, wie gesagt, diese Beobachtungen eigentlich ausserhalb des Kreises von Aufgaben lagen, die ich mir für meine histologischen Arbeiten gestellt, so werde ich mich darauf be- schränken, meine Befunde als rein casuistische Beiträge zur Lösung dieser Frage mitzutheilen. Bemerken will ich noch, dass alle An- gaben sich nur auf solche Figuren beziehen, die vollständig er- halten und deutlich erkennbar und bestimmbar waren, dass also alle durch Messer oder Reagentienwirkung verstümmelten oder ihrer Form und ihrer Gewebsangehörigkeit nach nicht sicher zu bestimmenden Figuren streng ausgeschlossen wurden. — Will man Gewebe auf das Vorkommen von Kerntheilungsfiguren unter- suchen, so muss man natürlich solche Untersuchungsmethoden wählen, die 1. überhaupt geeignet sind, Kernfiguren auffinden zu lassen, und 2. das Auf- finden erleichtern. Ad I brauche ich nur auf die ausführlichen Angaben von Flemming (Lit.-Verz.) darüber, welche Untersuchungsmethoden die Kern- figuren erthalten und welche dieselben zerstören oder unkenntlich machen, zu verweisen. Auf den zweiten Punct muss ich etwas näher eingehen. Sind die Kerne und somit auch die Kernfiguren der betr. Gewebe relativ klein, so ist es bedeutend schwieriger, die ruhenden Kerne und die in der Kinese begriffenen von einander zu unterscheiden, da eine entsprechende stärkere Vergrösserung den Grössenunterschied in dieser Beziehung nicht zu compensiren vermag. Man ist dann genöthigt, zu den Färbemethoden zu greifen. Welche Färbemittel man anwendet, ist natürlich gleichgültig, vor- ausgesetzt, dass sie ihrer Aufgabe genügen, d. h. eine möglichst scharfe intensive Färbung nur der geformten Bestandtheile des Kerns geben. Auch eine ausgedehnte Benutzung aller optischen Hülfsmittel der modernen mikro- skopischen Technik erweist sich häufig als unumgängliches Erforderniss. Gute Linsen und gute Beleuchtung stehen natürlich oben an; ich benutzte bei feineren Objeceten Seibert’s Oelimmersion !/,,; und einen ebenfalls von Seibert gelieferten Beleuchtungsapparat nach Abbe. Ferner wird das Auffinden von Kernfiguren sehr erleichtert, wenn man im farbigen Lichte arbeitet, und zwar muss das Licht die Complementärfarbe des Objects zeigen. Ich bediente mich mit vielem Vortheil eines Apparates, dessen Benutzung ich der Güte des Herrn Geh. Rath Kühne zu verdanken hatte, und der einen Flüssigkeits- behälter mit parallelen Glaswänden von beliebig zu veränderndem Abstande darstellte. Die Dicke der Flüssigkeitsschicht wird so gewählt, dass sie nur 134 Wilhelm Pfitzner: die etwaige Mitfärbung des Protoplasmas mässig übercompensirt; eine totale Compensation der eigentlich gefärbten Elemente ist nicht vortheilhaft, ausser unter gewissen Umständen bei Demonstrationen, wenn die Ungeübtheit des Beobachters handgreifliche Bilder wünschenswerth erscheinen lässt. Das Tageslicht war mir häufig theils zu ungleichmässig, theils zu ungenügend, und habe das Licht der Seibert’schen Mikroskopirlampe ihm stets vorgezogen, Mit. diesen vier Hülfsmitteln — Oelimmersion, Abb&’scher Beleuchtungs- apparat, Lichtfärbungsapparat und Mikroskopirlampe — wird das Auffinden relativ kleiner Kernfiguren, überhaupt färbbarer zarter Detailstructuren un- gemein erleichtert. Aber auch die Form des Präparates ist nicht gleichgültig. Zupfprä- parate schliessen Irrthümer über die Gewebsangehörigkeit der Zelle nicht aus, sind ausserdem unpraktisch, weil man entweder nur wenig Zellen in einem Gesichtsfelde vereinigt hat, oder bei grösseren Fetzen die Durchsichtig- keit des Präparates mangelhaft wird. Wenn nicht zufällig das ganze Object dünn genug ist, ist man auf Schnitte von gleichmässiger Dicke angewiesen. Am besten sind Serienschnitte, die jeden Irrthum über die Herkunft der Zelle unmöglich machen. Die Schnitte müssen ferner eine gewisse, für jedes Object gegebene, Feinheit haben. Solche Schnitte, die mehrere Zelllagen in der Dicke einschliessen, lassen häufig den darin vorhandenen Reichthum an Kernfiguren gar nicht erkennen : ein darüber liegender Kern, eine grössere Schicht etwas trüben Protoplasmas genügen, um die Figur unkenntlich oder doch so schwer erkennbar zu machen, dass sie dem Beobachter beim Durch- mustern des Präparates in der Regel entgeht. [Ich habe mehrere Male Ge- legenheit gehabt zu beobachten, welchen Einfluss die Schnittdicke in dieser Hinsicht hat und wie leicht zu dicke Schnitte Irrthümer veranlassen, wenn es sich darum handelt, die relative Häufigkeit des Vorkommens von Kern- figuren annähernd zu bestimmen. Ich hatte z. B. von der Epidermis eines Salamanders Schnitte aus freier Hand gemacht und fand trotz wohlgelungener scharfer Färbung auf mehr als hundert Schnitten nur verschwindend wenig Kernfiguren. Einige Zeit später fertigte ich von demselben Hautstück mit dem Mikrotom feine gleichmässige Schnitte an und fand bei sonst gleicher Behandlung einen grossen Reichthum an Kerntheilungsformen. Dieselbe Erfahrung machte ich bei einem Darmstück vom erwachsenen Salamander, einer Hundeschnauze und dem Ovarium eines Rindsembryo.] Bei grosszelligen Thieren (Salamander, Triton ete,) dürfen die Schnitte bei Geweben, die ent- weder viele, dicht nebeneinander gelagerte Kerne (Rückenmark, Blut) oder besonders trübes Protoplasma (Leber) haben, höchstens 10—15 u, bei klein- zelligen Thieren (Wirbelthieren) höchstens 7—10 u dick sein. Allerdings ist man dann auf Benutzung eines guten Mikrotoms angewiesen, da man nur in den seltesten Fällen solche Schnitte aus freier Hand wird anfertigen können, namentlichnicht in grösserer Anzahl und als lückenlose Serien. Ich benutzte seit vorigem Herbst ausschliesslich das Thoma’sche Mikrotom, das mir alle anderen weit zu übertreffen scheint — und damit stimmen, soviel ich bis jetzt Beobachtungen über weiteres Vorkommen der Karyokinese. 135 erfahren, alle überein, die Gelegenheit hatten, mit diesem vorzüglichen Instru- ment zu arbeiten. Ich bin durch dieses Instrument in den Stand gesetzt, für meine Untersuchungen jetzt nur noch — aus freier Hand schneide ich überhaupt nicht mehr, es ist mir zu zeitraubend — Schnitte verwenden zu können, die bei grosszelligem lockerem Gewebe 10 u, bei kleinzelligerem, festerem 5 « dick sind. Die Anfertigung solcher Schnitte macht nicht die geringste Schwierigkeit, mag das Präparat in Masse eingebettet oder zwischen Hollundermark eingeklemmt sein. Mit frischgeschliffenem Messer gelang es mir einmal, mehr als 50 Schnitte von 3 « Dicke zu erhalten, ohne dass ein einziger Schnitt inzwischen ausgefallen war (das Object war menschliche Haut, Epidermis und ein Theil der Cutis; in Osmium, später in Spiritus gehärtet, zwischen Hollundermark eingeklemmt); sämmtliche Schnitte waren durchaus vollständig, nirgends zerrissen oder lückenhaft! — Nach diesen Vorbemerkungen, die ich zur allgemeinen Orien- tirung voraufschieken musste, wende ich mich nun zu den einzelnen Befunden. I. Vorkommen von Kernfiguren bei der Larve von Salamandra mac. Vier Larven, 22 mm lang, in Pikrinsäure gehärtet, ausgewaschen und in Alkohol aufbewahrt. No. 1 und 2 in toto mit ammoniakalischer Carmin- lösung gefärbt, No.3 desgl.mit Kleinenberg’schem Hämatoxylin (Färbung war hier misslungen), No. 4 ungefärbt. Alle vier wurden in Calberla’scher Ei- weissmasse eingebettet und nachdem sie dann noch einige Monate in Alkohol gelegen, mit dem Thoma’schen Mikrotom geschnitten. Bei No. 1 und 3 wurde eine Schnittdicke von 25 « gewählt, da sie nur zur vorläufigen Orien- tirung dienen sollten. No. 2 und 4 wurden in Schnitte von 10 « Dicke zer- legt; da aber das die Chorda umgebende „skeletogene“ Gewebe bereits starke Verkalkung aufwiess, die ich versäumt hatte vorher unschädlich zu machen, so war ich gezwungen, auf einer kürzeren Strecke in der Mitte zwischen vorderer und hinterer Extremität eine Schnittdicke von 15 « und darüber anzuwenden. No. 2 zeigte, wahrscheinlich infolge des monatelangen nach- träglichen Liegens in Alkohol, eine so vorzügliche Schärfe der Kernfärbung, wie ich sie bei Carmin noch nie beobachtet habe und sonst nur bei Safranin zu sehen gewohnt war. No. 4 wurde nach dem Schneiden in Safranin ge- färbt, wobei allerdings die strenge Reihenfolge der Schnitte nicht mehr inne zu halten war; doch ermöglichten ja Serie 1—3 eine genaue Bestimmung der einzelnen Schnitte. Ich muss vorweg schicken, dass sämmtliche beobachtete For- men von Kernfiguren mit einer einzigen Ausnahme (Blut; s. d.) genau dieselben waren, die Flemming vom Hautepithel der Salamanderlarve beschrieben hat; ich habe mir daher das beifügen 136 Wilhelm Pfitzner: besonderer Abbildungen ersparen können und werde mich, wo es sich um nähere Bestimmung der einzelnen Formen handelt, an die hierzu geeignetste Flemming’sche Tafel (Virchow’s Archiv Bd. 77, Tafel 1) halten. A) Vorkommen in Geweben. 1. Epithelien; s. u. B. 2. Bindegewebe. Alle auf der angeführten Tafel ange- gebenen Formen, überall, in allen Körpergegenden; bisweilen be- sonders gross und schön. Sehr reichlich, besonders in der Nähe der Chorda. 3. Stützgewebe. a) Chorda. Nicht bei diesen Larven, wohl aber bei andern, jüngeren, habe ich einzelne Kernfiguren gefunden. Nach der Be- schaffenheit der Schnitte und der Lage der Kerne war es nicht anders möglich, als dass sie den eigentlichen Chordazellen, nicht etwa der Chordascheide, angehörten, obgleich der Inhalt der Chorda- zellen bereits sehr hell war und vom Zellprotoplasma nur noch schwache Spuren in der Nähe des wandständigen Kerns sichtbar waren, die Chordazellen also bereits den blasigen Character der späteren Entwicklungsstufen in ausgesprochenem Maasse aufwiesen. b) Knorpel. Alle Formen, in allen Theilen des gesammten Skeletts. Nur in den Kehlkopfknorpeln, die sich um diese Zeit erst auszubilden beginnen, habe ich keine mit Sicherheit nach- weisen können. c) Skeletogenes Gewebe. Zum Theil sehr schön aus- gebildete Formen; wo aber bereits intensivere Verkalkung statt- gefunden hatte, fanden sich viele räthselhafte Figuren, bei denen ich nicht entscheiden konnte, ob sie ein natürliches Vorkommen oder verstümmelte, ruhende oder kinetische Kerne vorstellten. Eigentliche Kerntheilungsfiguren waren es wohl keinenfalls. d) Knochengewebe. Echte Knochenbildung existirt in diesem Stadium noch nicht. 4. Muskelgewebe. Da die Muskulatur am Stamm sowohl als an den Gliedmassen fast ausschliesslich in der hierfür ungünstigsten Richtung (senkrecht zur Faserrichtung) getroffen wurde, so habe ich das specielle Auf- suchen und Bestimmen von Kernfiguren hier als zu zeitraubend unterlassen, um so mehr, als sie in animalen und organischen Beobachtungen über weiteres Vorkommen der Karyokinese. 137 Muskeln der Larve längst constatirt sind (1,394 u. a.) und ich selbst bereits früher im quergestreiften Muskel viele Kernfiguren gefunden hatte. Andeutungen fand ich übrigens überall. 5. Nervengewebe; s. u. B. B. Vorkommen in Organen. l. Integument. Da ihr Vorkommen in der Epidermis ja genügend bekannt ist, will ich hier nur anführen, dass ich alle Formen in jeder Region ohne Ausnahme fand, sowie ferner, dass sie, im Verhältniss zu anderen Individuen, hier ziemlich spärlich waren; es geht daraus das nicht unwichtige Factum hervor, dass eigentlich die hier von mir untersuchten Thiere ziemlich un- günstige Verhältnisse boten, und dass ich bei besser genährten Exemplaren bedeutend mehr Kernfiguren auch in den übrigen Or- ganen gefunden haben würde. 2. Epithel der inneren Körperoberfläche. Mundhöhle: Im Epithel der Zunge, des Mundbodens, des Gaumens; der Kiemenblätter, der Kiemenbüschel; des Schlundes, des Oesophagus. Ueberall, alle Formen. Magen: Im eigentlichen Magenepithel, und zwar sowohl in den Flimmerzellen als in den tieferen Zellschichten; in den Epithel- zellen der Magendrüsen. Alle Formen. Dünndarm: Spärlicher in dem Epithel der eigentlichen Darmschleimhaut, sehr reichlich dagegen in den Drüsenzellen. Enddarm: In den oberflächlichen Zellen sowohl als in den tieferen Schichten. Alle Formen, sehr gross und schön, sehr zahl- reich; ebenso in der Cloake. Leber und Pankreas: In den Drüsenzellen beider Organe sehr reichlich, namentlich in der Leber; hier auch zum Theil be- sonders gross. Im Peritoneum habe ich, wie ich hier bemerken will, keine gefunden, was ja auch bei dieser Art von Präparaten niemand wunder nehmen kann; übrigens sind sie dort ja längst bekannt (1, 394). 3. Epithel der Respirationsorgane. Kiemen: s. oben. Im flimmernden Cylinderepithel des Kehlkopfs und im kubi- schen Epithel der beiden, in diesem Stadium noch glattwandigen, Lungensäcke; nur wenige Figuren. . 138 Wilhelm Pfitzner: 4. Epithel der Harn- und Geschlechtsorgane. Im Epithel der Keimdrüsen (spärlich), der Ausführungsgänge (am unteren Ende sehr zahlreich, nach den Keimdrüsen zu immer spärlicher), der Nieren (reichlich), der Harnleiter (sehr gross, sehr zahlreich). Im Epithel der Harnblase (Allantois) und der Urethra, die beide in diesem Stadium ein geschichtetes Epithel besitzen; be- sonders zahlreich, besonders grosse Formen, in allen Zellschichten. 5. Gefässsystem. In den Wandungen der Blutbahnen habe ich, ausgenommen in der Muskulatur und dem Endothel des Herzens, keine Kern- figuren gefunden. Vom Endothel der Capillaren sind sie übrigens Ja schon lange durch Flemming bekannt (1,394). Blut. Die hier als Härtungsmittel angewandte Pikrinsäure bietet den grossen Vortheil, das Blut als festzusammenhängende Masse zu härten, von der man Schnitte von grosser Feinheit an- fertigen kann, ohne dass die einzelnen Zellen auseinanderfallen. Ich hatte nun bereits früher, an anderen Präparaten, die Beobach- tung gemacht, dass man bei Salamanderlarven in der Mitte des Lumens grössere Gefässe, also recht eigentlich in der Strömungsbahn, eine auffallend grosse Menge von rothen Blutkörperchen findet, deren Kerne die verschiedensten Formen der Karyokinese in unverkenn- barster Deutlichkeit repräsentiren; und dass von den feinsten Capillaren an die Häufigkeit des Vorkommens von Kernfiguren ganz unverhältnissmässig rasch mit dem grösseren Caliber der Ge- fässe zunimmt. Bei diesen Larven, die, wie oben gesagt, eigentlich recht arm an Kernfiguren waren, fand ich nur im Herzlumen Kern- figuren in den Blutzellen, dort allerdings in ganz unglaublicher An- zahl. Auf einzelnen Schnitten war kaum eine einzige rothe Blut- zelle zu finden, deren Kern nicht eine der mittleren Theilungs- stadien (l. e. Fig. d—1) aufwies. Die Kernfiguren der rothen Blutzellen bieten gegenüber denen der Epithelzellen einiges Abweichende, was noch erst einer ein- gehenderen Untersuchung bedarf. Auch zeigten einige Zellen sehr schöne und deutliche achromatische Fadenfiguren, doch war nicht immer festzustellen, ob dies Blutzellen oder Lymphzellen (weisse Blutkörperchen) waren. Einige abweichende oder in ihrer Form mir noch nicht ganz verständliche konnten möglicherweise auch dem Endothel des Herzens angehören. Unter diesen Umständen Beobachtungen über weiteres Vorkommen der Karyokinese. 139 muss ich mich vorläufig darauf beschränken, hier nur auf die höchst interessanten Facta hinzuweisen: 1. dass bei der Salamanderlarve die Vermehrung der Blutzellen durch direete Theilung auf karyokine- tischem Wege vor sich geht, und dass, wie die enorme Häufigkeit der Kernfiguren mit Sicherheit schliessen lässt, dies die einzige Vermehrungsart ist; 2. dass diese Vermehrung nicht in feinsten Capil- laren oder wo sonst das Blut relative Ruhe geniesst, sondern fast ausschliesslich gerade in der heftigsten Strömung vor sich geht. 6. Nervensystem. Soweit mir bekannt, sind Kerntheilungsfiguren in nervösen Gewebselementen, mit Ausnahme eines einzigen Befundes von Peremeschko (6, 172) in einer peripheren Nervenfaser, bisher noch nicht beobachtet worden, und dürften daher die jetzt anzu- führenden Befunde ein grösseres Interesse beanspruchen. Das Centralorgan zeigt in diesem Stadium bereits eine mäch- tige Ausbildung der weissen Substanz, die nur ganz sporadisch einzelne Kerne enthält. Die graue Substanz enthält sehr viele, relativ kleine, und sehr dicht gedrängte Kerne und hält es dess- halb schon bei einer Schnittdicke von 15 u recht schwer, Kern- figuren aufzufinden. Die den Centralcanal und seine Ausbuchtun- gen begrenzenden Zellen haben nach diesem zu noch einen rein epithelialen Character bewahrt, ohne sich jedoch von den übrigen Zellen der grauen Substanz als besondere Lage abzuheben. Von sämmtlichen Kernen nun fand ich eine überraschend grosse Anzahl in den verschiedensten Stadien der Kinese, und zwar sowohl von den Kernen der grauen Substanz wie von den spärlichen der weissen, in den Zellen, die die Wandung des Cen- tralcanals bilden, wie in den übrigen, in den einzelnen Ab- schnitten des Gehirns und des Rückenmarks: überall schien das procentische Verhältniss von Theilungsfiguren zu den ruhenden Kernen annähernd das gleiche zu sein und nirgends sah ich einen grösseren Unterschied, der etwa principielle Bedeutung hätte haben können, ausgesprochen. Höchstens hätte ich nach den Befunden einen etwas grösseren Procentsatz im Gehirn, namentlich in den vorderen Abschnitten, constatiren zu können geglaubt. Auf den ersten 600 Schnitten, von der äussersten Schwanz- 140 Wilhelm Pfitzner: spitze an gezählt, vermochte ich bei Larve No. 2 folgende Formen der Flemming’schen Tafel zu bestimmen: b4, e9, d 12, e 19, fll,g8,h3, 15, k4 15, m2, n4, ol, p3 mal; ausserdem e 2 mal in der weissen Substanz; Summa 92 Kernfiguren allein in dem kurzen und dünnen Abschnitte des Rückenmarks, der in den letzten 6 mm des Schwanzes enthalten ist. Diese Zahl repräsentirt aber durchaus nieht die Gesammtsumme der Kernfiguren, die in diesem Abschnitte des Rückenmarks enthalten waren, da ich nur die ab- solut zweifellosen Formen gezählt habe; alle zerschnittenen Figuren sowie alle, die aus irgend welchen anderen Gründen nicht mit Sicherheit zu bestimmen waren, wurden nicht notirt. Viele Figuren werden mir überhaupt entgangen sein; bei eingehenderem Durch- suchen mit stärkeren Vergrösserungen hätte ich wohl leicht eine um einMehrfaches grössere Gesammtzahl feststellen können, wäh- rend ich mich darauf beschränkte, die Schnitte mit Seibert IV zu durchmustern und nur die gefundenen Figuren behufs ihrer Classi- fieirung mit stärkeren Objectiven zu untersuchen. Namentlich die Anfangs- und Endstadien, auch schon die Tochterfiguren überhaupt, entgehen dem Beobachter leicht, während die grösseren und dick- strahligen Formen 1 —g eher ins Auge fallen. Auch muss man berück- sichtigen, dass diese Larve, wie erwähnt, arm an Kernfiguren war. In den peripheren Nerven sind mir keine Kernfiguren zu Gesicht gekommen, was bei der Art dieser Präparate nicht weiter befremden kann, dagegen habe ich noch einige Befunde aus den Sinnesorganen zu registriren. Auge. Die Kerne der Netzhaut waren sehr schlecht erhalten, was wohl die Schuld trägt, wenn ich hier ebensowenig wie in den übrigen Geweben dieses Organs Kernfiguren auffand '). Ohr. Vereinzelte Kernfiguren in dem einschichtigen kubischen Epithel der Bogengänge sowie im geschichteten Epithel der Cristae. Geruchsorgan. Sehr zahlreich, namentlich in den tieferen Schichten an der nasalen Wand des Canals, wo das Epithel eine bedeutend grössere Mächtigkeit besitzt als an der temporalen, und wo sich auch die eigentlichen Sinneszellen, sehr langgestreckte Cylinderzellen finden; auch in letzteren hin und wieder einige Kernfiguren. 1) Nachträglich habe ich bei einer weiteren Larve noch einige deutliche Figuren in der Retina gefunden, ebenso zahlreiche im ganzen Epithel des inneren Öhrs. Beobachtungen über weiteres Vorkommen der Karyokinese. 141 Hautsinnesorgane. Nicht nur in den „Stützzellen“. son- dern auch in den eigentlichen Sinneszellen, lange Cylinderzellen, die auf der freien Oberfläche ein kurzes steifes Härchen tragen, fand ich bisweilen karyokinetische Figuren: einmal sehr deutlich die Tochterform k. II. Vorkommen an einigen anderen Orten. 1. Beim erwachsenen Salamander. a) Epidermis. Hierüber kann ich mich auf eine frühere Arbeit beziehen, die diesen Punet eingehend behandelt (7). b) Epithel der Hautdrüsen. Die Hautdrüsen treten bei der Larve bald nach der Geburt auf, erlangen aber erst jenseits der Metamorphose ihre volle Ausbildung. In ihren Drüsenzellen findet man eine Menge Kernfiguren, besonders zahlreich während der Larvenzeit, aber auch noch beim vollständig ausgewachsenen Thiere nicht selten. ec) Unterhautbindegewehe. Häufig, sehr grosse Formen. d) Drüsen der Darmschleimhaut. In einem Stück Dünndarm fand ich auf jeden Schnitt mindestens einige, meistens 3—6, sehr grosse und schöne Figuren, dagegen auf vielen Hundert Schnitten fast keine einzige im eigentlichen Darmepithel. Das betr. Thier war vollständig ausgewachsen; ich habe desshalb ge- glaubt, zu dem Schlusse berechtigt zu sein, dass die starke Zell- vermehrung nicht zur Vergrösserung des Organs, sondern zum Er- satz verloren gehender Elemente bestimmt sei. Mit anderen Worten, ich habe aus der ganz überwiegenden Häufigkeit des Vorkommens von Kernfiguren in den Drisenzellen gegenüber den das eigent- liche Darmlumen auskleidenden Zellen geschlossen, dass eine er- höhte secernirende Thätigkeit einen grossen Zellverbrauch bedinge. Die Drüsenzellen zeigen nun keine besondere Formverschieden- heiten; von „Halbmonden“ ete. ist keine Spur vorhanden, die Zellen, deren Kerne in der Kinese sind, zeigen die gewöhnliche, annähernd „kubische“ Form. Es würde desshalb anzunehmen sein, dass von den ursprünglich gleichwerthigen Zellen der Drüse stets ein Theil sich ganz besonders der secernirenden Thätigkeit hin- gäbe und dadurch einem frühzeitigen Untergang anheimtfiele, wäh- rend der, minder weit nach dieser Richtung hin differeneirte, Rest der Drüsenzellen durch fortgehende Vermehrung diesen Verlust wieder auszugleichen hätte. 142 Wilhelm Pfitzner: 2. Epidermis von Rana und Triton. Bereits längst bekannt und hier nur der Vollständigkeit halber anzuführen. Bei Froschlarven jedes Stadiums, in den tieferen Schichten sowohl als in den oberflächlichen, so lange letztere nieht verhornt; ebenfalls im Unterhautbindegewebe und in den Epithelzellen der Hautdrüsenanlagen. Beim erwachsenen Frosch und erwachsenen Triton nur in den untersten Zellschichten (Basalzellen und darauf folgende Zelllage), nie weiter nach der Hornschicht zu. Bei beiden Thieren auch einzelne, meist sehr grosse, Figuren im Bindegewebe. 3. Bei Säugethieren. In der Epidermis eines jungen Hundes fand ich sehr zahl- reiche Kernfiguren im Stratum mucosum, aber nur in denjenigen Zellen, die unmittelbar der Cutis aufsitzen (Basalzellen), sowie in der Tiefe zwischen den Cutispapillen auch in anderen Zellen, nie aber dort, wo die Zellen sich bereits abzuflachen beginnen, also mehr nach der freien Oberfläche zu. Ausserdem noch an denselben Präparaten einzelne Kernfiguren im Bindegewebe der Papillen; in den Epithelzellen der schlauchförmigen Hautdrüsen; der Haar- wurzelscheiden; der Talgdrüsen (hier nur in den peripbersten, an das Bindegewebe angrenzenden Zellen). In einem Stück Sehweinsleber, das ich zufällig recht frisch erhalten hatte, fand ich gelegentlich drei sehr diekstrahlige wohl ausgesprochene Kernfiguren in den eigentlichen Leberzellen. Das Ovarium eines Rindsembryo von 18 em Kopf-Steisslänge zeigte ganz überraschende Mengen von Kernfiguren. Da die Ele- mente sehr klein sind, war eine äusserst geringe Schnittdieke, sehr scharfe Kernfärbung und starke Aufhellung erforderlich, wodurch es fast unmöglich wurde zu bestimmen, ob die Kerne dem Keim- epithel oder dem bindegewebigen Stroma angehörten; letzteres schien wenigstens in ganz überwiegendem Maasse der Fall zu sein. Um die Angaben nochmals kurz zu recapituliren, so habe ich Kernfiguren gefunden: a) Larve von Salamandra maeculosa: In: Bindegewebe, Chordazellen, Knorpel, querge- Beobachtungen über weiteres Vorkommen der Karyokinese. 143 streiftem Muskel; Epithel der Haut, des ganzen Traectus intestinalis, der Leber, des Pankreas, des Kehlkopfs, der Lungen; Musculatur und Endothel des Herzens; rothen Blutzellen; Epithel der Harn- und Geschlechts- organe; Gehirn- und Rückenmark; Epithel des Gehör- organs, des Geruchorgans, der Hautsinnesorgane. b) erwachsene Salamandra maculosa: In: Epithel der Haut, der Hautdrüsen, der Darm- drüsen; Bindegewebe. ec) Froschlarven: In: Hautepithel, Hautdrüsen, Bindegewebe. d) erwachsene Frosch (r. temporaria u. r. eseulenta): In: Hautepithel und Bindegewebe. e) erwachsene Triton (T. eristatus und T. punetatus ): In:- Hautepithel und Bindegewebe. f) Hund: In: Epithel der Haut, der schlauehförmigen Haut- drüsen, der Haarwurzelscheide, der Talgdrüsen; Binde- gewebe. g) Schwein: Leberzellen. h) Rindsembryo: Bindegewebiges Stroma des Ovarium. Mit alleiniger Ausnahme der rothen Blutzellen der Salamanderlarve habe ich in all’ diesen Objeeten keine einzige Kernfigur gefunden, die nicht mit denen der Salamanderlarvenepidermis übereingestimmt hätte; sowie ferner: Wo überhaupt Kernfiguren in genügender Häufig- keit vorkamen, vermochte ich auch sämmtliche für die Salamanderlarvenepidermis typischen Formen zu con- statiren. Diese Mittheilungen liefern also einen neuen Beitrag zur Unterstützung der Ansicht: 1. dass alle Zellvermehrung dureh Zelltheilung auf karyokinetischem Wege vor sich geht, 2. dass der Process der Karyokinese im Wesent- lichen überall der gleiche ist. Abweichungen sind allerdings bereits constatirt worden und 144 W. Pfitzner: Beobachtungen üb. weiteres Vorkommen der Karyokinese. werden vielleieht noeh mehr aufgefunden werden, wenn auch wieder manche der bisher angenommenen sich nachträglich als irrthümlich herausstellen werden. Die wahren Abweichungen haben ihren grossen Werth: mit der Norm zusammengestellt geben gerade sie den besten Fingerzeig zur Auffindung der primären, fundamen- taleren Gesetze, die schliesslich der ganzen Karyokinese zu Grunde liegen. Wie geringere Abweichungen durch die Formeigenthüm- lichkeit der Zelle verständlich werden (so entsprechen z. B. der überwiegenden Ausbildung der Zelle in einer Richtung, wie sie quergestreifte Muskelfasern zeigen, Formen von Kernfiguren, die von denen der Epithelzellen etwas abweichen), so wird bei grösseren Abweichungen (Blutzellen, mehr wohl noch Lymphzellen} eine ge- nauere Untersuchung, die gleichzeitig die abweichende Beschaffen- heit der ganzen Zelle mit in Betracht zieht, uns einen weit frucht- bareren Weg zum Verständniss der Mechanik des Kerntheilungs- vorganges eröffnen, als das ausschliessliche Studium der normalen Verhältnisse. Ausnahmen des Specialgesetzes, nicht das Special- gesetz selbst, weisen auf das Fundamentalgesetz zurück; und nicht das Speeialgesetz, sondern das Fundamentalgesetz festzustellen, ist für uns die Hauptsache! Heidelberg, 1. Juli 1831. Verzeiehniss der eitirten Literatur. 1. Flemming, Beiträge zur Kenntniss der Zelle und ihrer Lebenser- scheinungen. 1. Theil. Arch. f. mikr. Anatomie. Bd. XVI. . Id. II. Theil. Ibid. Bd. XVII. 3. Id. H. Theil Supplement. Ibid. Bd. XVII. Id. Ueber das Verhalten des Kerns bei der Zelltheilung und über die Bedeutung mehrkerniger Zellen Virchow’s Archiv Bd. LXXVI. 5. Id. Ueber das E. Herrmann’sche Kernfärbungsverfahren. Archiv für mikr. Anat. Bd. XIX. 6. Peremeschko, Ueber die Theilung thierischer Zellen. Ibid. Bd. XVII. 7. Pfitzner, Die Epidermis der Amphibien. I. Morphol. Jahrb. Bd. VI. 8. Id. Ueber den feineren Bau der bei der Zelltheilung auftretenden fadenförmigen Differeneirungen des Zellkerns. Morphol. Jahrbuch Bd. VII Heft 2. (Noch nicht ausgegeben.) S. Talma: Beitrag zur Histogenese der weiblichen Brustdrüse.. 145 Beitrag zur Histogenese der weiblichen Brustdrüse. Von Prof. Ss. Talma in Utrecht. Hierzu Tafel VII. Dass die Trennung der Abkömmlinge der Hautplatte und des Hornblattes in speciellen Fällen schwierig sein muss, geht schon aus den Mittheilungen Kölliker’s hervor. Dieser Embryolog ersten Ranges sagt, dass die Outis bei 2monatlichen menschlichen Embryonen nicht wohl vom Stratum Malpighi zu trennen ist. Sie soll durch und durch aus Zellen bestehen, von denen die einen rundlich sind und an die der Oberhaut erinnern !). Dem skep- tischen Naturforscher heisst dies soviel, als dass die Trennung noch einer gänzlich neuen Bearbeitung bedarf und dass die herr- schenden prineipiellen Ansichten, wie solche überhaupt, nicht auf Erfahrung basiren, sondern nur die Producte sogen. geistvoller Deductionen sind. Meine pathologischen Studien führten mich auf die Epithel- bildung im normalen Thierkörper und erregten meinen Zweifel hinsichtlich der scharfen Trennung zwischen der Epidermis und der Cutis. Herr Dr. de Snoo nahm im hiesigen pathologischen Institute eine Untersuchung ihres gegenseitigen Verhältnisses vor ?); seine Resultate waren wichtig. De Snoo schnitt bei Hunden ein Stück aus der Nackenhaut. Täglich wurden die Wundränder ziemlich stark mit dem Paquelin’- schen Thermocautere geätzt, so dass von Wucherung der Epithel- 1) Kölliker: Entwickelungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. 2. Aufl. S. 773. 2) D. de Snoo: over de entwikkeling van de epitheliumcel. Dissert. inaugur. Utrecht, 1879. Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 20. 10 146 S. Talma: zellen dieser Ränder hier keine Rede sein konnte. Es folgte eine starke Eiterung, welche in der Peripherie der Wunde stets anhielt, im Centrum dagegen bei zwei Hunden nach vielen Tagen aufhörte. Hier bedeckte sich dann die Wunde mit einer Kruste. In beiden Fällen wurde unter der Kruste ein ausgebildetes Epithel gefunden. Diese grausamen Versuche waren so angestellt worden, dass Fort- kriechung der Proliferationsproducte der Wundränder bis in’s Cen- trum der Wunde unmöglich genannt werden konnte. Die Haut- stüicke waren an Stellen ausgeschnitten, welche für die Zunge des Versuchsthiers unerreichbar waren. Also war nur die Entwicklung des Epithels aus dem unterliegenden Bindegewebe resp. Granu- lationsgewebe möglich. Die mikroskopische Untersuchung brachte diesen Wahrscheinlichkeitsschluss zur Gewissheit. Denn die Zellen des darunterliegenden Granulationsgewebes nahmen, je mehr sie sich der Oberfläche näherten, um so mehr eine Rangordnung an, welche den Epithelzellen zukommt. Von einer scharfen Tren- nung zwischen Granulationszellen und Epithelzellen war keine Spur vorhanden. Die Form der Granulationszellen ging allmählich in die der Epithelzellen über. Die sogen. Riffe zwischen den Epithel- zellen waren nur die körnigen Reste der Bindegewebsfasern zwischen den Granulationszellen. Damit wäre also die Möglichkeit der Ursprung der Epithelzellen aus Bindegewebszellen bewiesen. De Snoo unter- suchte weiter u. A. die gegenseitigen morphologischen Verhältnisse der Cutis und der Oberhaut bei Kaninchenembryonen von 10 a 14 Tagen. Aus seinen deutlichen und naturgetreuen Abbildungen seht hervor, dass von einer Trennung der genannten Partien auch bei diesen Embryonen keine Rede sein kann. Die oberen Theile der Cutis bestehen aus grossen kernhaltigen Zellen zwischen feinsten Fäserchen liegend. Sie sind den Epithelzellen fast vollkömmen ähnlich. Nur sind sie der Oberfläche parallel, während die an- srenzenden Epithelzellen senkrecht stehen. Ein zartes struktur- loses Häutchen soll ganz entschieden nicht vorhanden sein. Köl- liker steht auch schon an, die Anwesenheit eines solehen Häut- chens zu behaupten. So sagt er: „Ich glaube ein zartes structur- loses Häutchen, welches leicht Falten bildet, nicht elastisch ist und ganz an die Linsenkapsel erinnert, das mir bei meinen Prä- parationen der Haut fast constant vorkam, zwischen Cutis und Oberhaut verlegen zu dürfen, um so mehr, da ich auch bei älteren Embryonen bestimmte Andeutungen eines solchen Gebildes wahr- Beitrag zur Histogenese der weiblichen Brustdrüse. 147 senommen habe.“ !) Kurz — aus dem Bau der Haut von Kanin- chenembryonen soll auch nicht die Idee eines verschiedenen Ur- sprungs der Cutis und des Epithels hervorgehen, vielmehr ihre genetische Einheit folgen. Weil anderswoher entlehnte Gründe nicht das Gegentheil lehren, so hält de Snoo an der ursprüng- lichen Einheit der Cutis und des Epithels fest. De Snoo stützt sich dabei noch auf die heutzutage fast allgemein herrschenden neuen Ansichten von der Bedeutung der Keimblätter. Conf. Köl- liker?): „die Keimblätter anlangend, so ist es Götte’s Verdienst, etwas ausgesprochen zu haben, das sich zwar schon lange vorbe- reitet, aber doch noch nicht vollkommen zum Durchbruche ge- kommen war, dass die Keimblätter weder für die Organe noch für die Gewebe eine besondere einheitliche Bedeutung haben, mit andern Worten, dass dieselben weder histologische noch morpho- logische Primitivorgane sind.“ Von der pathologischen Epithelbildung (wovon an geeigneter Stelle wird gehandelt werden) wurde ich auf die Histogenese der weiblichen Brustdrüse geführt. Die Resultate meiner bezüglichen Untersuchungen wünsche ich hiermit bekannt zu machen. Die herrschenden Ansichten mit Bezug auf die Entwickelung der Milehdrüsen sind bekannt. Ursprünglich sollen sie nichts an- deres als ganz solide Auswüchse des Stratum Malpighi der Ober- haut sein. Später sollen sich aus diesen Auswüchsen von Neuem Fortsätze bilden, welche allmählich grösser werden und sich ver- mehrend die Drüsen zusammenstellen. Dass die neuen Zellen Proliferationsproducte der alten Zellen sind, welche die Drüsen- anlagen und die jungen Drüsen zusammenstellen, wird allgemein angenommen, jedoch, soweit ich sehe, ohne Begründung durch direete diesbezügliche Wahrnehmungen. Die Langer ’schen Unter- suchungen?) waren mir leider nicht zugänglich, enthalten jedoch, den Angaben von Kölliker und Huss‘!) gemäss, keine Mit- theilungen, welche auf die Herkunft der neuen Zellen, welche die alten Epithelmassen vergrössern, sich direet beziehen. Auch die 1) 1. c. 8. 773. 2,1. @ S. 398. ' 3) Langer: Ueber den Bau und die Entwickelung der Milchdrüsen. Denkschr. der Wiener Akad. Bd. III, 1858. 4) Huss: Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Milchdrüsen ete. Jenaische Zeitschr. f. Med. und Naturw. VII. 148 S. Talma: letztgenannten Autoren nehmen, weil die Drüsen sich aus den ver- grösserten und ausgewachsenen Epithelmassen bilden, als selbst- verständlich an, dass die neuen Zellen die Abkömmlinge der alten Epithelzellen sind. Bei der Beschreibung der Milehdrüsenentwick- lung macht Kölliker sogar nicht einmal Meldung vom grossen Zellenreiehthum des Coriumgewebes um die wachsenden Drüsen, den schon Huss sah und welcher ohne Aufwand grosser Mühe bestätigt werden kann. Aus den folgenden Mittheilungen geht meiner Ansicht nach hervor, dass wenigstens ein Theil der neuen Epithelzellen aus der Cutis stammt. Dass, in Uebereinstimmung mit der heutzutage fast allgemein gehegten Ueberzeugung und auf die merkwürdige neu- lich bekannt gewordene Weise, auch die Epithelzellen der jungen Milchdrüsen und ihrer Anlagen durch Theilung sich vermehren, bestreite ich zwar nicht, habe jedoch für diese Annahme einen stichhaltigen Grund nicht finden können. Für die Meinungen über die Epithelbildung überhaupt verweise ich auf die Handbücher und auf die allbekannten Zeitschriftartikel und gehe sofort zur Vermeldung meiner Untersuchungen über. Bei keinem der von mir untersuchten Säugethiere scheint mir die Genese der neuen Drüsentheile deutlicher als beim halber- wachsenen Kaninchen, bei keinem undeutlicher als bei den mensch- lichen Jungfrauen. Die befolgte Untersuchungsmethode ist einfach genug. Bei den kleinen Thieren werden die Drüsen mit der bedeckenden Haut und mit einer dünnen Schicht der anderen anliegenden Weich- theile ausgeschnitten und erhärtet in einer !/,procentigen Chrom- säurelösung. Danach werden sie während 24 Stunden in eine dieke Lösung von Gummi arabicum in Phenylsäure (2 proe.) ge- lest und zuletzt zwischen Stücken von gekochter Leber fest ge- bunden. Die äusserst feinen Schnitten werden, mindestens wäh- rend 24 Stunden, in Alaunkarmin gelegt (Grenacher). Der Grund- substanz wird der Farbstoff im Wasser grösstentheils entzogen, jedoch nicht länger als während '/; Minute. (Oefters benutzte ich auch Hämatoxylin). Die Schnitten werden zuletzt in reinem Gly- cerin aufgehellt und aufbewahrt. Fig. 1 giebt das Aussehen junger Aeini zurück. Sie ist einem halberwachsenen weiblichen Kaninchen entnommen. In der Ab- bildung sieht man, dass von einem Milchgange aus, dessen Lumen Beitrag zur Histogenese der weiblichen Brustdrüse. 149 schon gebildet ist, sich zwei Fortsätze entwickeln, welche von jedem Mikroskopiker sofort für junge Acini erkannt werden, welche noch einer Liehtung entbehren. Es wäre allerdings möglich, dass der Schnitt eben durch die Wand der Acini geführt und also das Fehlen der Liehtung nur scheinbar wäre, aber die vielen Aeini, welche in guten Präparaten immer neben einander gefunden werden, beweisen, dass der spätere Acinus im Anfange wenigstens oft ein solider Fortsatz ist, welcher später eine Höhlung bekommt. Der Milchgang zeigt ein doppelschichtiges Epithel. Die an der Wand anliegenden Zellen haben einen deutlichen Kern, die innern nur einen undeutlichen. Aus anderen Präparaten (s. unten) scheint mir hervorzugehen, dass die Höhlungen der Gänge ent- stehen und sich vergrössern durch eine Auflösung der inneren Zellen, deren Contouren und Kerne immerfort undeutlicher und am Ende ganz unkenntlich werden. Zwischen den Epithelzellen des Ganges sieht man die an der verzweigten Form und an der dunkelen Farbe (bei Anwendung von Alaunkarmin) leicht zu kennenden Bindegewebskerne liegen. Hier und da sieht man zwischen den Epithelzellen und um die Bindegewebskerne Fasern d. h. Bindegewebe. Die dunkel ge- färbten Bindegewebskerne liegen auch in grosser Anzahl an der Aussenseite der Epithelzellen, der Längsrichtung des Milchganges fast immer parallel. Dass wir es hier wirklich mit Bindegewebs- kernen zu thun haben, geht ausser aus den angegebenen Kenn- zeichen auch noch daraus hervor, dass im Bindegewebe selbst Kerne liegen mit in jeder Beziehung gleichen Eigenschaften (so- weit kennbar), und dass die Kerne im Bindegewebe völlig denen ähnlich sind, welche an vielen andern Stellen im Bindegewebe gefunden werden und allgemein als dem Bindegewebe angehörend betrachtet werden. Mit keinem Reagens habe ich diese verästelten Kerne so deutlich sichtbar gemacht, als mit dem Alaunkarmin, wenn er sehr lange eingewirkt hatte. Die ziemlich geringe Tin- girung der Epithelkerne und die intensive Färbung der zwischen- liegenden Bindegewebskerne sind in hinreichend dünnen Schnitten die Ursache von prachtvollen Bildern, deren Reiz noch durch die Anwendung des Abbe’schen Beleuchtungsapparates mit einem ziemlich grossen Diaphragma gesteigert wird. Ich mache schon hier darauf aufmerksam, wie an den Stellen, wo das Bindege- webe zwischen einem Acinus und einem Milchgange eindringt, 150 Ss. Talma: dessen Kerne den grössten Dimensionen dieser Zungen parall sind). Aus anderen Stellen des Präparates, wovon diese Abbildung entnommen ist, und aus anderen Präparaten wurde mir deutlich, dass an den jüngsten Milchgängen die an der Stelle des späteren regelmässigen Epithels gefundenen Zellen noch unregelmässig neben einander liegen und dass, je nachdem die Gänge älter wer- den, die Zellen mehr die typische eylindrische Form annehmen. In den jüngsten Gängen sind die Zellen auch deutlicher als später durch fasriges Gewebe mit den verästelten Bindegewebs- kernen von einander getrennt. Zugleich sieht man in dem die Gänge umgebenden Bindegewebe Zellen, welche denen der Gänge ähnlich sind, deren Kerne für Alaunkarmin eine nicht sehr grosse Affinität zeigen, kreisförmig oder oval und von mehr oder weniger Protoplasma umgeben sind. Zwischen diesen Zellen werden die stark tingirten Bindegewebskerne ebenso gefunden, wie zwischen den grösseren Zellen der Milchgänge. Ich kehre zurück zu Fig. 1, welche sehr deutlich die Art und Weise der Entwickelung der neuen Acini durch die Bildung der bekannten Fortsätze an den Milchgängen zeigt. Die Fortsätze sind zusammengesetzt aus Zellen mit den grossen Kernen und mit ziemlich viel Protoplasma. Der Aecinus der linken Seite des Ganges ist weiter in der Entwickelung fortgeschritten als der an der rechten Seite. In beiden Aeinis sind die grossen zusammensetzen- den Zellen an vielen Stellen durch die Bindegewebskerne und durch fasriges Gewebe von einander getrennt; Letzteres ist jedoch in der Partie, welche dem Gange am nächsten ist, sehr spärlich und erst vollkommen deutlich am freien Rande des jüngeren Acinus. Hier ist es überhaupt ersichtlich, wie allmählich das interstitielle Gewebe mit den Bindegewebskernen deutlicher wird je nachdem man sich weiter vom Milchgange entfernt, so dass man unmerk- bar aus der jungen scheinbar nur aus Zellen bestehenden Acinus- anlage in das Bindegewebe kommt, welches wie das Bindegewebe um die Acini überhaupt in grosser Zahl Zellen enthält, welche denen der Acinusanlage ähnlich sind. Nur sind im Bindegewebe die Protoplasmamassen um die runden Kerne spärlicher, als in den Jungen Acinis. Die verzweigten Bindegewebskerne sind zwischen 1) Conf. Boll, Princip des Wachsthums; Berlin 1876. Beitrag zur Histogenese der weiblichen Brustdrüse. 151 den Zellen der jungen Drüsentheile und in deren Umgebung viel zahlreicher als in dem übrigen Bindegewebe. Fügt man zu dieser Beschreibung hinzu, was aus der Abbil- dung sofort hervorgeht, so muss man zur folgenden Verbindung kommen. Die Zellen, welche die neuen Drüsenanlagen bilden, sind von zweierlei Art: 1. sind es die bekannten typischen, jungen Drüsenzellen, und 2. sind sie den Bindegewebszellen ähnlich. Letz- tere Zellen liegen in einem fasrigen Gewebe, welches die ersteren trennt und um so massenhafter ist, je nachdem die Formation von jüngerer Periode ist. Die verästelten Kerne gehören nahezu zweifelsohne Bindegewebszellen an, welche um und in der neuen Drüsenanlage in grosser Zahl vorhanden sind. 1. Weil die typi- schen Drüsenzellen prineipiell überall durch das fasrige Gewebe mit den Bindegewebszellen von einander getrennt sind; 2. weil ihre Bildung der Zahl nach nahezu mit derjenigen der Bindege- webszellen pari passu geht; 3. weil die zwei Zellformen fast gleich- mässig durcheinander zerstreut liegen; 4. weil beide Zellarten ziemlich weit von der Drüsenanlage im Bindegewebe gefunden werden, so ist es wahrscheinlich, dass die neuen Aeini und die Milehgänge wenigstens zum Theil aus Bindegewebszellen entstehen, deren Kerne und Protoplasma zum Theil eine Metamorphose zeigen, wie sie zuerst experimental von Ziegler hervorgerufen ist und deren interstitielles Gewebe allmählich an Masse abnimmt. Es wäre allerdings noch möglich, obwohl unwahrscheinlich, dass der beschriebene Bau dadurch zu Stande gekommen wäre, dass in der Nähe der Drüsenneubildung die Bindegewebszellen sieh vermehrt hätten und dass die amöboiden Proliferationspro- ducte der ursprünglichen Drüsenzellen activ in das umgebende Bindegewebe gewandert wären und sich zwischen den neuen Binde- gewebszellen gelagert hätten, in um so geringerer Zahl, je nach- dem der Abstand von der ursprünglichen Drüsenpartie zugenommen hätte. Aus sofort mitzutheilenden Thatsachen (s. z. B. Fig. 3, der Brustdrüse einem 7 Monate schwangeren Weibe entnommen) er- hellt die grosse Unwahrscheinlichkeit dieser Vorstellung. Fig. 2, den Querschnitt eines jungen, noch in der Entwick- lung begriffenen Acinus vorstellend, zeigt ausser den aus Fig. 1 hervorgehenden Merkwürdigkeiten noch die Bildungsweise der Höhlung. Letztere entsteht dadurch, dass die Contouren der zu- sammensetzenden Theile der Zellen allmählich verschwinden und (in 152 S. Talma: Verband mit anderen Stellen) zuletzt eine feinkörnige weiter nicht analysirbare Masse entstehen lassen. Nicht überall geht jedoch beim halberwachsenen Kaninchen die Bildung der neuen Drüsenelemente auf dieselbe Weise vor sich. An mehreren Stellen sieht man einen abweichenden Bau. Mitten im fasrigen Bindegewebe z. B. liegt eine ungeheure Masse von lymphoiden Zellen, deutlich derart arrangirt, dass daraus die Umrisse neuer Drüsenbläschen und Drüsengänge gebildet werden. Der grossen Uebereinstimmung wegen mit den Formen, welche ich bei einem 7 Monate schwangeren Weibe gefunden und in Fig. 3 wiederzugeben versucht habe, verweise ich auf letztere Ab- bildung. Sofort sieht man, dass man nur eine starke Vermehrung der Iymphoiden Zellen im Bindegewebe vor sich hat, wie solche nach der Application sehr verschiedener Reize gefunden wird; nur ist die Anordnung eine andere. Meines Erachtens folgt hieraus für den unbefangenen Beobachter, dass wirklich Iymphoide Binde- gewebszellen (deren Herkunft ich hier bei Seite lasse). sich ver- einigen und nach einer Umwandlung in epitheloide Zellen und einem allmählichen Verschwinden der interstitiellen Substanz, welche an älteren Stellen gesehen wird, neue Drüsentheile bilden. Dies in Verbindung mit dem oben mitgetheilten macht es überaus wahr- scheinlich, dass an den Stellen, denen Fig. 1 und 2 entnommen sind, die neuen Drüsenbläschen auch aus Bindegewebszellen ent- stehen. Oben wurde nämlich gezeigt, dass es, obwohl unwahrschein- lich, jedoch noch möglich wäre, dass nicht die neuen Drüsenzellen aus den Zellen des Bindegewebes, sondern umgekehrt die Zellen im Bindegewebe aus den alten Drüsenzellen hervorgehen. Hier ist die Anordnung von bekannten Iymphoiden Bindegewebszellen zu Drüsentheilen so deutlich, dass damit zugleich die genannte Mög- lichkeit fast eine Unmöglichkeit wird. Bei der zuletzt beschriebenen Bildung der neuen Acini geht die Intercellularsubstanz zu Grunde und bilden sich die Drüsen- höhlungen auf die nämliche Weise wie in Fig. 2. Bei dieser Entwieklungsweise ist sehr oft ein Zusammenhang der neugebildeten Theile mit den älteren nicht nachweisbar, sogar unwahrscheinlich. Selbstverständlich ist der Beweis des Fehlens eines solchen Zusammenhanges nur bei der Verwendung der grössten Mühe zu liefern; mir ist es nicht gelungen, einen solchen Beweis zu finden. Beitrag zur Histogenese der weiblichen Brustdrüse. 153 In schneller Entwicklung begriffen und desshalb zum Studium der Entwicklung geeignet ist die Brustdrüse eines schwangeren Weibes. Mir war in der letzten Zeit nur eine solche Drüse zu Dienste und zwar von einem im 7. Monate schwangeren. Die ver- schiedenen Entwieklungsphasen waren sehr deutlich neben einander zu finden. Nach der Erhärtung in Chromsäure waren schon für das un- bewaffnete Auge die Haufen von Acini mit einem Durchmesser von 1 & 2 mm. sichtbar. An einzelnen Stellen, augenscheinlich dort wo die Entwicklung der Drüse die höchste Stufe erreicht hatte, waren die Bläschenhaufen in einer solchen Zahl zusammengedrängt, dass interstitielle Substanz zwischen ihnen nicht ersichtlich war. An anderen Stellen jedoch, wo die Entwicklung weniger weit fort- geschritten war, trennte eine !/; &1letm. dicke Bindegewebsschicht die Bläschenhaufen. Mikroskopisch zeigte sich, dass an den letzten Stellen, d.h. in den jüngeren Entwickelungsstadien, die Genese der Drüsenelemente am leichtesten erkannt werden konnte. In den diesen Theilen entlehnten Präparaten sieht man mitten im fasrigen Bindegewebe hier und da Häufchen von Iymphoiden Zellen, scheinbar ohne eine gesetzmässige Anordnung. An anderen Stellen ist die Zahl dieser zusammengehäuften Zellen viel grösser und hin und wieder ist die Anordnung zu den Umrissen von Drüsenbläschen und Drüsengängen schon deutlich (s. oben). Fig. 3 stellt eine solche Anordnung vor. Die Umrisse der späteren Drüsen- bläschen sind nicht mehr zu verkennen. Die lymphoide Natur der Zellen zwischen den Bindegewebsfasern angehäuft ist deutlich. Ebenso ist es deutlich, dass in der späteren Drüsenhöhlung die zusammensetzenden Theile undeutlich werden und dass an den Stellen stärkster Anhäufung, d. h. der späteren Epithelzellen, das fasrige interstitielle Gewebe abnimmt. Um und zwischen den lymphoiden Zellen sind schon die länglichen Bindegewebszellen erkennbar. An älteren übrigens den beschriebenen ähnlichen Drüsenan- lagen ist es deutlich, dass die jungen Drüsenzellen allmählich epitheloid werden. Die Kerne schwellen und bekommen einen durchsichtigen Inhalt, welcher eine geringe Affinität zu Alauncar- min zeigt und ein oder wenige Kernkörperchen enthält. Zugleich nimmt das Protoplasma der Zellen an Menge zu. Die Zellen ran- giren sich zu einem wandständigen regelmässigen Epithel. Ich 154 S. Talma: mache bei dieser Metamorphose noch besonders auf Alaunkarmin aufmerksam. Soweit mir bekannt, zeigt sie kein anderer Farb- stoff so schön. Die Iymphoiden Zellen mit dem körnigen Inhalt färbt Alaunkarmin nach langer Einwirkung sehr dunkel. Die ab- nehmende Intensität der Färbung weist auf die fortschreitende Metamorphose hin. An den Stellen, wo schon makroskopisch eine starke Anhäu- fung der Drüsenbläschen sichtbar ist, zeigt sich mikroskopisch die Entwieklung um so schwieriger zu erkennen, je grösser die Zahl der mehr oder weniger vollkommen gebildeten Acini ist. Fig. 4 zeigt von einer solchen Stelle einen schon beinahe fertigen Acinus (Färbung mit Alauncarmin während 24 Stunden). In dem um- gebenden Bindegewebe liegen viele Ilymphoide Zellen mit dunklen Kernen und einer geringen fast unsichtbaren Protoplasmamasse. Von einer Membrana propria des Acinus kann auch nicht die Rede sein. Die Peripherie des Acinus wird gebildet von zum Theil epitheloiden Zellen mit den schwach tingirten Kernen mit stark hervorspringenden Kernkörperchen. Die Grenzen der Epithelzellen sind undeutlich. Zwischen den Epithelzellen liegen die bekannten stark tingirten Kerne, welche zum Theil denen im umgebenden Bindegewebe völlig ähnlich sind, zum Theil schon einen helleren Inhalt zeigen. Das Vorhergehende lässt also auch hier in den sichtbaren Formen verschiedene Entwicklungsphäsen erblicken, je- doch liefern für die Lösung der von mir bearbeiteten Frage die Stellen geringerer Bläschenanhäufung mehr geeignetes Material. Bei dem schwangeren Weibe entwickeln sich neue Drüsen- elemente auf Kosten des alten Fettgewebes, welches dabei ver- drängt wird. Das Wie dieser Verdrängung ersieht man leicht. In geeigneten Stellen entnommenen Schnitten sieht man nämlich sofort, dass von dem alten Bindegewebe aus sich viele Jymphoide Zellen mit fasrigem Gewebe zwischen den Fettzellen entwickeln. Je nach- dem das Bindegewebe an Masse zunimmt, verschwindet das Fett- gewebe. Im neuen Bindegewebe entwickeln sich später wieder die neuen Drüsenelemente. Es kommt jedoch auch noch eine andere Entwicklungsweise der neuen Drüsenelemente beim schwangeren Weibe vor. Wie beim halberwachsenen, nicht schwangeren Kaninchen, bilden sich auch hier neue Acini durch Apposition von Bindegewebszellen an die alten Milchgänge. Die Zellen, zu Epithelzellen sich entwickelnd, Beitrag zur Histogenese der weiblichen Brustdrüse. 155 anfänglich noch getrennt durch fasriges Bindegewebe mit den von Alaunkarmin stark gefärbten Kernen stellen bald einen soliden Fortsatz dar. In diesem Fortsatze entsteht durch die bekannte Metamorphose der Zellen eine Höhlung, welche mit derjenigen des Milchganges zusammenhängt. Dass die seeretorischen Zellen der Brustdrüse sich, wenigstens zum Theil, aus Bindegewebezellen entwickeln, halte ich also für gewiss. Woher die Bindegswebszellen stammen, weiss ich nicht. Weil ich in den in Bildung begriffenen Drüsen immer die kleinsten Blutgefässe von vielen Iymphoiden Zellen umgeben finde, die wahr- scheinlich die per diapedesin aus den Gefässen gekommenen farb- losen Blutzellen sind, so bin ich geneigt, die Bindegewebszellen, welche zu Drüsenzellen werden, auf farblose Blutzellen zurückzu- führen. Ich .habe aber einen hinreichenden Grund zur Behauptung nicht finden können. Ich habe noch die Brustdrüsen von mehreren Kaninchen in der ersten Zeit der ersten Schwangerschaft untersucht. Die Bil- dung von neuen Drüsengängen und Drüsenbläschen war sehr deut- lich. Ich habe im Wesentlichen nur dasselbe gefunden wie beim halberwachsenen Kaninchen. Der Kürze wegen übergehe ich hier eine besondere Beschreibung. Bevor ich weiter gehe, muss ich noch über das Epithel etwas zum Besprochenen hinzufügen. Nur in den älteren Theilen wird das wandständige Cylinderepithel gefunden. In den Partien, welche noch in der Entwicklung begriffen sind, sind die Zellen von einer unregelmässigen Form und öfters zwei-, drei- oder mehrschichtig. In grösseren Schnitten, welche wachsenden Milchdrüsen entnommen sind, sieht man öfters die unregelmässigen mehrschichtigen Beleg- zellen der jüngsten Milchgänge allmählich in das bekannte regel- mässige Cylinderepithel der älteren Gänge übergehen. Dass ich das Vorkommen einer Membrana propria um die wach- senden Drüsenbläschen bestreite, braucht nicht besonders erwähnt zu werden. Die jungfräulichen Drüsen zeigen noch einzelne Merkwürdig- keiten in Bezug auf das von mir betretene Gebiet. Die Zahl der Drüsengänge und der Bläschen ist gering; sie sind durch sehr dicke Bindegewebsmassen von einander getrennt. "Die Bläschen sind fast alle solid, die Gänge hohl. Um die Bläschen und die Gänge verästeln sich viele Gefässe, deren Wände aus spindelför- 156 Ss. Talma: migen Zellen mit länglichen Kernen aufgebaut sind. (Nach Er- härtung der Drüse in Chromsäure habe ich die Verhältnisse dieser Zellen und Kerne am besten mit Bismarekbraun sichtbar gemacht und zwar durch eine während langer Zeit in einer concentrirten Lösung zu Stande gekommene intensive Färbung und spätere theil- weise Entfärbung in verdünnter Essigsäure.) Langer!) giebt die Verhältnisse dieser Gefässe, meinem Befunde nach, im Allgemeinen richtig an. Nur finde ich bei jungen geschlechtsreifen Mädehen die Distanz zwischen den Bläschen und den Gefässen viel kleiner, als sie Langer angiebt. Dazu waren die Wände der Bläschen in den von mir untersuchten Drüsen immer viel weniger scharf, als Langer sie abbildet.. An den meisten Stellen sah ich prin- eipiell dasselbe, was ich von der Kaninchendrüse in Fig. 1 (s. den kleinsten Acinus) abgebildet habe, nämlich eine allmähliche Auf- lösung der Bläschen in zellenreiches Bindegewebe. In den Drüsen des halberwachsenen Kaninchens sind jedoch die Zellen grösser und alle Verhältnisse viel deutlicher, als in denen von Jungfrauen, bei denen die zusammenstellenden Zellen fast lymphoid sind. Wer jedoch die Kaninchendrüsen analysirt hat, wird sich auch bei denen der Jungfrauen zurecht finden. Fig. 5 soll einen Drüsengang eines Mädchens wiedergeben, welches 2 Mal menstruirt hatte und ziemlich schnell an einer sub- acuten Endocarditis zu Grunde gegangen war. Zwischen den sogen. eigentlichen Drüsenzellen sind die mit Alaunkarmin stark tingirten Bindegewebskerne, welche ebenfalls um die Drüsenzellen gefunden’ werden. Man sieht wie ein an Spindelzellen reiches Gefäss (a) um den Gang läuft und wie im umgebenden Bindegewebe lym- phoide und epitheloide Zellen gefunden werden. Nur bei älteren Jungfrauen (z. B. von 30 bis 40 Jahren) fand ich die Bläschen und Gänge von solchen breiten und hellen fast homogenen Zonen, wie sie Langer gezeichnet hat, um- geben ?). Im Allgemeinen werden also bei Mädchen in den Pubertäts- jahren die nämlichen Entwickelungszustände gefunden, wie bei halb oder nahezu völlig erwachsenen Kaninchen, jedoch der langsamen Entwieklungsweise gemäss ist alles viel weniger deutlich. 1) Langer, die Milchdrüse; Stricker’s mikrosk. Anatomie, S. 627. 2) 1. ce. Fig. 207. Beitrag zur Histogenese der weiblichen Brustdrüse. 157 Den histologischen Bau der Drüsen von stillenden Frauen und Kaninchen habe ich zu entwirren versucht; es ist mir jedoch nicht gelungen Sicherheit zu erlangen. Das interstitielle Binde- gewebe habe ich an vielen Stellen besonders reich an Iym- phoiden Zellen gefunden, in grosser Zahl die kleinsten Gefässe umlagernd. Ich weise hierfür auf die Rauber’schen Unter- suchungen hin !). Dieser Forscher findet in den Brustdrüsen säugen- der Meerschweinchen (später hat er es auch „in grosser Schönheit“ bei dem Kaninchen, der Kuh u. s. w. gefunden) viele Lymphkör- perchen in den Lymphgefässen, im Stroma der Brustdrüsen, inner- halb der Endbläschen der Brustdrüsen. Die Colostrum-Körperchen sollen nur metamorphosirte Lymphkörperchen sein, während die Epithelien ohne alle Vermehrungserscheinungen sein sollen. Der Bau der Brustdrüse eines neugebornen Knaben stimmt im Wesentlichen gänzlich mit dem Bekannten überein, sowie er auch auf eine nämliche Genese der Drüsenzellen schliessen lässt. Die Drüse selbst hat einen Durchmesser von 4 & 6 mm. und die Liehtungen der Acini communieiren durch 2 & 4 mm. lange Röhren mit der Aussenwelt. Die Höhlungen der Acini sind gross, jedoch kaum für das unbewaffnete Auge wahrnehmbar. Bei mikroskopi- scher Betrachtung hinreichend dünner Schnitten sieht man sofort, dass die Acini noch in der Entwicklung begriffen sind. Die be- kleidenden Zellen haben noch nicht die Formen von Epithelzellen angenommen und werden fast überall deutlich durch fasriges Ge- webe von einander getrennt, hier und da die bekannten sternför- migen Kerne enthaltend. Diese Zellen bilden fast überall zwei Schichten. Je weiter sie von den Aecini entfernt sind, desto mehr : sind die Zellen in den Ausführungsgängen epitheloid geworden. Die Acini sind gegen das umgebende Bindegewebe nur unscharf begrenzt. Dieses Bindegewebe enthält nämlich um die Aecini viele kleinere epitheloide und auch Iymphoide Zellen und zwischen den Fasern, welche diese Zellen von einander trennen, die bekannten Bindegewebskerne. Die allmähliche Metamorphose dieser Bindege- webszellen in die Drüsenzellen geht aus den neben einander ge- fundenen Bildern deutlich hervor (s. oben). 1) Rauber, über die Absonderung der Milch; Schmidt’s Jahrb. 1879, Bd. 181, S. 14. Derselbe, Bemerkungen über den feineren Bau der Milch- drüsen ; ebendaselbst, Bd. 182, S. 7. 158 S. Talma: Die Wände der Aeini zeigen die bekannten Buchten oder Thäler von einander getrennt oder gebildet durch die Vorsprünge und Erhabenheiten, welche (nach einer verbreiteten Auffassungs- weise) von dem eindringenden Bindegewebe herrühren. Die Rich- tungen der Bindegewebskerne um die Thäler und in diesen Vor- sprüngen hat Boll nachgewiesen, auf dessen Abhandlung ich mir zu verweisen erlaube). Ueberaus deutlich ist die Genese der Drüsenzellen an den blindsaekförmigen Enden vieler fast grade durchlaufender Röhren. Das Bindegewebe enthält junge Gefässe, welche mit den Länge- durchmessern der Röhre parallel laufen und deren Wände nur aus Spindelzellen bestehen. Die Umgebung dieser Gefässe, besonders an der Seite der Drüsenröhre, ist mit vielen kleinen epitheloiden Zellen mit einer geringen Menge Protoplasma infiltrirt. Zwischen diesen Zellen und in dem fasrigen interstitiellen Gewebe liegen wiederum viele verzweigte Bindegewebskerne. Je mehr man sich der Höhlung der Drüsenröhre nähert, nimmt das Protoplasma dieser Zellen an Menge und das fasrige interstitielle Gewebe ab; die Bindegewebskerne bleiben deutlich. Die beschriebenen Zellen sind es, welche zuletzt die Höhlung der Röhre begrenzen, noch immer hier und da die verästelten Kerne zwischen sich fassend. (Nach dem oben Mitgetheilten glaubte ich die Abbildung weglassen zu dürfen.) Die körnige Masse in den Alveolen und in den Röhren geht aus dem Zerfall der besprochenen Drüsenzellen hervor. Mit meinen Resultaten über die Entwicklung der Brustdrüsen können die Befunde von Boll?) in Verband gebracht werden, der in anderen Drüsen zwischen den Alveolen platte Zellen mit vielen Ausläufern fand, von denen Folgendes gesagt wird. ‚Die aus der weiteren Theilung und Verästelung derselben hervorgehenden feinsten Ausläufer und Bälkchen dringen in das Innere der Alveolen zwischen die einzelnen Epithelien ein und verästeln sich und ana- stomosiren dort mit einander. Ob nieht auch in der intraalveolären Verästelung zwischen den Epithelien selber sternförmige Zellen liegen können, will ich jetzt noch mit Sicherheit nicht entscheiden. IE Ach 2) Boll, die Bindes ubstanz der Drüsen. Arch. f. mikr. Anat. V. Beitrag zur Histogenese der weiblichen Brustdrüse. 159 Durehschnittspräparate lassen mitunter eine ähnliche Deutung zu“ )). A priori bin ich also nicht geneigt den Sehwalbe’schen Zweifels- äusserungen?) bezüglich dieser Boll’schen Anschauungen beizu- treten. Erklärung der Abbildungen auf Tafel VII. Fig. 1. Bildung von Aeini in der Brustdrüse eines halberwachsenen Kanin- 400 chens; - ai 300 Wie Fig. 1; as = “5. w Fig. 3. Anordnung von lymphoiden Zellen zu den Umrissen von Drüsen- bläschen und von Drüsengängen bei einer im 7. Monate schwangeren 350 Frau; Ian Fig. 4. Ein beinahe schon fertiger Acinus von einer im 7. Monate schwan- 400 geren Frau; - 1 Fig. 5. Drüsengang eines 17jährigen Mädchens; — — 1) Conf. Langer, |. c. 2) Schwalbe, Beiträge zur Kenntniss der Drüsen in den Darmwan- dungen, insbesondere der Brunner’schen Drüsen. Archiv f. mikr. Anat. VII, S. 126. 160 Justus Carri6ere: Die Augen von Planaria polychroa Schmidt und Polycelis nigra Ehrb. Von Justus Carriere. Hierzu Tafel IX. Solange es sich noch darum handelt, die allgemeine Anatomie einer Thiergruppe festzustellen, werden natürlich von den betreffen- den Forschern einzelne Organe, namentlich Sinnesorgane, nicht zum Gegenstand speeieller Untersuchungen gemacht. Desshalb findet sich, wenn wir die bis jetzt über die Anatomie der Tur- bellarien existirende Literatur durchsehen, das Auge meist nur nebenbei erwähnt als ein Pigmentfleck, dem eine, bisweilen auch mehrere Linsen eingelagert scheinen, und dessen Vorkommen in Bezug auf Zahl und Lage — man findet ein bis vier und noch zahlreichere Augen entweder über dem Gehirnganglion oder längs dem Rande des Vorderendes — ein sehr variables ist. Desshalb halte ich es auch nicht für nöthig, am Ende dieser kleinen Unter- suchung all’ die einzelnen Arbeiten!) über Turbellarien in der jetzt so beliebten Manier eines Literaturverzeichnisses aufzuzählen, dagegen will ich gleich hier die — leider nicht zahlreichen — Angaben anführen, welche das Turbellarien-Auge etwas genauer charakterisiren. i Während Schultze?) zuerst die verschiedenen Formen, in welchen die Augenflecke bei den Turbellarien auftreten, eingehen- 1) Die Literatur über Turbellarien findet sich ziemlich vollständig an- gegeben in den Arbeiten von Minot, Studien an Turbellarien, in den „Ar- beiten aus dem zool.-zootom. Institut in Würzburg“. Bd. III, und von Hallez, Contributions & l’histoire naturelle des Turbellari6s, in den „Travaux de !’in- stitut zoologique de Lille“. Lille 1879. 2) M. S. Schultze, Beiträge zur Naturgeschichte der Turbellarien. Greifswald 1851. Die Augen von Planaria polychroa Schmidt und Polycelis nigra Ehrb. 161 der besprach, finde ich specieller bei Schmidt!) das Pigment des Auges eines Mesostomum als aus einer losen Anhäufung von Pig- mentkörnern an der Innenseite des Auges angegeben und Leydig?) gibt ausführliche Zeichnungen von Planaria gonocephala und Pl. laetea, sowie von Polycelis nigra. Bei den ersteren berücksichtigt und erwähnt er die Augenganglien und die streifige Beschaffenheit des „Innenkörpers“, bei den letzteren die verschiedene Form und den Inhalt der Pigmentflecke. Was das Auge im Allgemeinen betrifft, so finde ich in der neuesten Literatur nichts, was nicht mit der früheren Zusammen- stellung Graff’s?) in Einklang stände und erlaube mir desshalb, dieselbe hier anzuführen. „Die niedrigste Bildung wird repräsentirt durch zwei diffuse, den Gehirnganglien (oder den Stellen, wohin wir per analogiam dieselben verlegen müssen) aufliegende Pigmentflecken, welche constant sind und sich durch ihre dunkle Farbe von dem übrigen Pigmente des Körpers erheblich unterscheiden. Einen weiteren Ausbildungsgrad erreicht das Auge durch Consolidirung und scharfe Umgrenzung des Pigmentfleckes, und ferner durch Auftreten von lichtbrechenden Apparaten — Linsen. Diese finden sich zu je einer auf jeder Seite oder zu mehreren (Stenostomum) und im ersten Falle stets in einem Pigmentbecher eingebettet. Als relativ selten sind jene Flecke zu verzeichnen, in welchen ein solcher Lichtem- pfindungs-Apparat vollständig mangelt, oder die zwei getrennten Pigmentflecken zu einem einzigen mittelständigen vereinigt sind. Indess finden sich Uebergänge von diesen zu den zweiäugigen, so- wie überhaupt die Form und Grösse der Pigmentflecke selbst bei einer und derselben Species innerhalb bestimmter Grenzen variiren kann“. Hiezu ist noch zu bemerken, dass Minot?) die Anwesen- heit eines lichtbrechenden Körpers (Linse) bestreitet, und in dem Inhalt der Pigmentbecher nur eine strukturlose, helle Substanz sieht. 1) Oscar Schmidt, Handatlas der vergleichenden Anatomie. Jena 1854. 2) F. Leydig, Tafeln zur vergleichenden Anatomie, Tübingen 1864 Tafel 1 und Text. 3) L. Graff, Zur Kenntniss der Turbellarien. Zeitschrift für wissen- schaftliche Zoologie XXIV 1874. Ich freue mich, meinem verehrten Freunde für seine bereitwillige Unterstützung in Betreff der Turbellarien-Litteratur hier meinen besten Dank sagen zu können. 4) Minot, Arbeiten aus dem zool.-zoot. Institut Würzburg III, p. 447. Archiv f, mikrosk. Anatomie. Bd. 20. al 162 Justus Carriere: Die auffallenden Angaben von Minot, dass er bei Dendro- eoelum laeteum vergebens nach unverkennbaren nervösen Ele- menten gesucht habe, und von Hallez!), dass er auf seinen Schnitten von Planaria fusca nnd nigra, sowie von Dendrocoelum lacteum keine Spur eines Nervensystems gefunden habe, kann ieh dahin beriehtigen, dass auf den Horizontal-Schnitten wie auf den Quer- schnitten, welche ich von Planaria lactea (Dendrocoelum lacteum) und Polyeelis nigra gemacht habe, das Gehirn ebenso deutlich zu erkennen ist wie bei Planaria polychroa. Methode der Untersuchung. Ich bediente mich zur Conservirung der Thiere der Lang- schen Methode und einer nach seinen Angaben bereiteten Conser- virungs-Flüssigkeit, aus 5 Theilen Quecksilberchlorid, 5 Theilen acid. acet. glaciale und 100 Theilen Wasser bestehend. Die ganzen Thiere oder die abgeschnittenen Köpfe wurden hiemit übergossen und kamen nach einer halben Stunde beziehungsweise 20 Minuten in 70°/, Alkohol, worauf sie auf die gewöhnliche Weise zum Schneiden vorbereitet wurden. Die Schnittserien wurden zu Yso bis !/o mm Dicke angefertigt. Zum Tingiren wandte ich das Braun’sche Pikrokarmin an. Ich will nun zunächst meine Beobachtungen über das Auge von Planaria polychroa ©. Schmidt mittheilen, der grössten Turbellarie, welche ich in Strassburg fand. Die beiden sehr deutlich wahrnehmbaren Augen dieses Thieres liegen auf dem Vorderende des Körpers zu beiden Seiten der Me- dianlinie, ca. 1 mm weit auseinander und ea. ?/, mm weit vom Sei- tenrande des Körpers entfernt. Besonders auffallend sind sie durch einen hellen Hof, welcher vor und über ihnen sichtbar ist und da- durch entsteht, dass das Pigment, welches an den übrigen Körper- stellen unter dem Epithel abgelagert ist, hier fehlt (Fig. 7). Geht man nun von diesem Hof aus in die Tiefe, so trifft man 1) Hallez. Travaux de l’institut zoologique de Lille. fasc. II 1879 p. 14. N Die Augen von Planarıa polychroa Schmidt und Polycelis nigra Ehrh. 163 auf den obersten Rand des Pigmentbechers, gleichzeitig aber auch auf die ersten Kerne eines Ganglions, des Ganglion optieum. (Fig. 1). Dieses liegt vom Auge nach Aussen und seitwärts zwischen dem Epithel und der Oeffnung des Pigmentbechers. An dem Ganglion, welches das Auge an Grösse um etwas übertrifft, lassen sich — wie an dem Gehirnganglion des Thieres — zwei Theile unterschei- den (Fig. 2 und 3); erstens eine aus länglichen Kernen bestehende Rindenschieht, und zweitens von dieser umschlossen, eine innere nur aus feinen Fasern gebildete Masse, welche die Rindenschicht an Grösse bedeutend überwiegt. Ob letztere aus Ganglienzellen, oder nur aus den Kernen gebildet wird, kann ich nicht mit Bestimmtheit behaupten. Es gelang mir wenigstens nicht, mit Sicherheit Zellkörper oder Zellgrenzen wahrzunehmen. Auch ist die Trennung beider Schichten keine ganz schroffe, sondern einzelne Kerne sind auch in der Faserschicht des Ganglions ein- gelagert. Die Kerne des Ganglion opticum sind von Ansehen denen des Gehirn-Ganglion gleich bei einer durchschnittlichen Länge von 0,008 mm. In der Fasermasse fällt auf den ersten Blick eine Anzahl diekerer, stärker Licht-brechender Fasern auf, welche das Ganglion schräg von unten nach oben durchsetzend in ziemlich geradlinigem Verlaufe der Oeffnung des Pigmentbechers zustreben. Hier, an der Grenze des Ganglions und des (ich will ihn mit Leydig so nennen) Innenkörpers angekommen, erleiden sie eine je nach der Stelle des Antrittes verschieden starke Kniekung und treten dann ziemlich horizontal in das Innere des Pigmentbechers: ein. Indem sie nun allmählieh an Dieke zunehmen, endigen sie in ziem- lich umfangreichen Kolben. Diese Kolben, welche durchsehnittlich 0.015 mm im Quer- durchmesser haben, sind hyalin, glasig und strukturlos, ganz wie die zu Stäbchen umgewandelten Theile der Retinazellen von Üe- phalophoren. Sie gleichen, wenn man die Fasern soweit sie sich im Innern des Pigmentbechers befinden, mit den Kolben zusammen als ein Stück betrachtet, in der äusseren Form vollkommen einem Trichter mit langer Röhre, doch sind sie massiv und an dem breiten Ende abgerundet. Während die Kolben im lebenden Thiere den Pigmentbecher ausfüllen und dicht aneinander liegen, zeigen meine Abbildungen sie von der Pigmenthülle sowohl als auch von ein- 164 Justus Carriere: ander etwas abgehoben, eine Erscheinung, hervorgerufen durch eine leichte Contraktion unter dem Einflusse der angewandten Reagen- tien; auf dieselbe Ursache führe ich bei einzelnen vorhandene sehr feine Runzeln der Oberfläche des Kolbens zurück. — Die Grenze des Ganglions und des Innenkörpers an der Beugungsstelle der Fasern ist meist eine sehr scharfe, doch konnte ich keine Mem- bran wahrnehmen, welche das Innere des Pigmentbechers an dieser Stelle abschlösse und von den Fasern durchbrochen würde, so dass ich noch im Zweifel bin, ob die sehr feine Grenzlinie nicht allein dureh die hier stattfindende Knieckung der Fasern erzeugt wird. — Als dritten Bestandtheil des Auges haben wir jetzt noch den Pig- mentbecherzu betrachten, der bei Planaria polychroa und Pl. lactea vielleicht besser als Pigmentschale zu bezeichnen ist. Die Höhe derselben beträgt — nach dem äusseren Umfange gemessen — un- sefähr 0.12 mm, die Höhe des Innenraumes ca. 0.09 mm, die Tiefe des Innenraumes ca. 0.033 mm. Die äussere Gestalt ist ungefähr die einer Halbkugel. Sie besteht aus einer losen Anhäufung von kleinen Pigmentkügelchen verschiedener Grösse, ungefähr 1 bis 4 u messend; die kleinern und kleinsten scheinen die Hauptmasse aus- zumachen, während die grössern nur spärlich vertreten sind. Sie sind dem Innenkörper von Aussen angelagert und bilden entweder nur eine Lage, wie meist bei Dendrocoelum lacteum, oder eine dieke Schicht, wie bei Planaria polychroa. Die Mündung oder Oeffnung dieser Schale ist nach dem Ganglion und somit seitlich nach aussen zu gelegen. Diese Beschreibung bezog sich auf ein normal ausgebildetes Auge und zwar waren in diesem Falle auch beide Augen von gleicher Grösse und gleich entwickelt. Sehr häufig kommen aber, wie auch Graff bemerkte, die verschiedensten Stufen der Augen- bildung, nach Zahl und Gestalt, vor, abgesehen von Grössendiffe- renzen der beiden Augen eines Thieres, wie sie sich oftmals finden. Schon die normalen, ganz regelmässig gebauten Augen von Planaria polychroa, wie von Dendrocoelum lacteum, zeigen meist in der Mitte eine Einbuchtung der Pigmentschale sowohl als des In- nenkörpers, wie sie auch bei Fig. 2 zu sehen ist. Bei einem Auge von Dendrocoelum lacteum (Fig. 4 a und b), welches ich von oben nach unten zu in Horizontalschnitte zerlegt hatte, war der obere Theil der Pigmenthülle normal, der untere Die Augen von Planaria polychroa Schmidt und Polycelis nigra Ehrb. 165 aber, in der Mittellinie getrennt, ging in zwei Theile auseinander, zwischen welchen keine Verbindung mehr bestand. Der Innenkörper war nicht getheilt, aber ziemlich stark eingeschnürt. Stärker ausgedrückt war die Trennung bei einem anderen Dendroeoelum lacteum, von welchem in Fig. 5 zwei Querschnitte abgebildet sind, der eine aus dem Anfang, der andere aus der Mitte des Auges. Auf dem ersteren, 5a, sehen wir eine grössere Pigmentschale, an welcher die Oeffnung eben sichtbar wird, und über ihr ganz selbstständig eine noch geschlossene kleinere; auf dem letzteren Schnitte, 5b, zeigt sich, dass wir es hier mit zwei Augen zu thun haben, welehe sich zwar berühren, aber sowohl was die Pigmenthülle, als was den Innenkörper betrifft, mit einander nicht in Verbindung stehen. Die Schnitte von der Mitte ab nach dem Ende zu bieten dieselben Bilder, wie die Schnitte vor der Mitte (al. Das grössere der beiden zeigt seinerseits eine starke Einschnürung etwas unterhalb der Mitte. Das Auge der anderen Körperhälfte war regelmässig gebildet. Auch bei Planaria polychroa finden sich öfters Nebenaugen ; so in dem in Fig. 6 dargestellten Falle. Hier ist, wie die schema- tische Zeichnung 6b andeutet, auf der rechten Seite ein vollkom- men normales Auge vorhanden; auf der linken Seite ist ebenfalls ein gut entwickeltes Auge da, aber an seinem Vorderende liegt noch ein bedeutend kleineres, accessorisches Auge, medianwärts von dem Hauptauge gelegen. Der Querschnitt 6a, welcher das grössere Auge an seinem vor- deren Ende und das Nebenauge etwas vor der Mitte trifft, zeigt, wie bei letzterem die Oeffnung des Pigmentbechers nicht nach aussen, sondern naclı innen und unten zu gerichtet ist. Wegen seiner Kleinheit und der tiefen Lage war dieses Nebenauge nicht von aussen sichtbar. . Hieher gehört auch noch ein Fall, welchen ich bei einer Planaria polychroa beobachtete und nach dem Leben zeichnete (Figur 7). Ich hatte dem Thiere gelegentlich meiner Regenerationsver- suche das Kopfende mit den Augen abgeschnitten. Nach 29 Tagen fand ich zwei Augen von normaler Grösse; zwischen ihnen aber, in einer Linie mit ihren Vorderenden, lag rechts dicht neben der Medianlinie ein drittes Auge, nur den vierten Theil so gross wie ein normales Auge, jedoch sonst einem solchen vollständig gleich. 166 j Justus Carriere: Es besass ebenfalls einen pigmentfreien Hof, und seine Oeffnung war nicht nach der Seite, sondern nach vorne zu gerichtet. In anderen Fällen erschienen Nebenaugen einfach als kleine, runde Pigmentkapseln ohne jede Oelfnung, deren Inhalt nieht deut- lich zu erkennen war. Es erübrigt nun noch die Betrachtung eines Falles, in wel- chem es gar nicht zu der Bildung eines einheitlichen Auges kam. Ich traf ihn bei einem Dendrocoelum laeteum. Figur Sa, b, e. Das linke Auge war vollkommen entwickelt, es hatte die nor- male Grösse und Pigmenthülle, Kolben, Ganglion waren sehr deut- lich und scharf wahrnehmbar. Auf der rechten Seite dagegen fand sich gar kein Auge, sondern statt dessen über einen grösseren Raum — ungefähr dem Platz entsprechend, welchen ein normales Auge einnimmt — zerstreut eine grosse Menge kleiner Pigment- haufen. Die drei Horizontalschnitte, welche ich abgebildet habe (der 2., 4. und 7.) zeigen die regellose Anhäufung und den Unterschied in der Form derselben. Theils sind es ganz kompakte, runde Pigmenthaufen, deren Körner mit einander verklebt zu sein scheinen, bald sind die Pigment-Kügelchen mehr diffus über eine grössere Strecke verbreitet. Der grösste Pigmenthaufen in Figur Sa war von einem hellen Hofe. umgeben. Manchmal schien es mir, als seien namentlich die lockeren Pigmenthäufehen einer Zelle oder einem Kern angelagert, doch konnte ich darüber nicht zur Ge- wissheit kommen. — Die grosse Schwierigkeit, welche die Unter- suchung der Entwicklung des bleibenden Turbellarien-Auges bietet, bewog mich, bei der Regeneration von Turbellarien-Köpfen auf die Bildung des Auges zu achten, um vielleicht auf diese Weise einen Anhalt zu der Erklärung dieses merkwürdigen Auges zu ge- winnen. Doch bemerke ich ausdrücklich, dass ich weit entfernt bin zu glauben, die Regeneration sei immer eine genaue Wieder- holung der embryonalen Entwicklung, oder man dürfe bei Thieren und Organen, deren Entwicklungsgeschichte noch unbekannt ist auf Grund der Regenerations-Erscheinungen auf eine geradeso ver- laufende erste Entwicklung schliessen. In vielen Fällen existirt ja eine vollkommene Uebereinstimmung, wie bei dem Auge der Schnecken, in anderen aber treten mehr oder weniger grosse Differenzen auf. — Also bei meinen Versuchen fand ich folgendes. Die Augen von Planaria polychroa Schmidt und Polycelis nigra Ehrb. 167 Die Augen, welche sich auf dem Wege der Regeneration ent- wickeln, sind schliesslich dem normalen Auge vollkommen gleich. Je jünger aber das Stadium ist, desto kleiner (das heisst: aus weniger Zellen bestehend) ist nicht nur das Auge, sondern auch, wenn der Ausdruck gestattet ist, desto lockerer. Die Pigment- schale ist noch nicht als eine einheitliche Masse entwickelt, son- dern zerfällt in einzelne, kugelige Anhäufungen, welche kaum oder noch gar nicht mit einander verschmolzen sind (Figur 9a und e), und schliesslich finden sich ganz getrennte Pigmenthaufen, welche einzelnen Kermen anliegen. Solche Anfangsstadien, wie sie in Figur 9b dargestellt sind, trifft man immer in der Umgebung jüngerer regenerirender Augen. Es sind Zellen, welche den rege- nerirten Ganglienzellen gleichen; der Kern ist jedoch etwas ver- grössert und das Protoplasma der Zelle zum Theil in Pigment verwandelt, welches den Kern von hinten und von den Seiten um- fasst. Rücken diese Zellen dann näher zusammen, so beginnen die einzelnen Pigmenthüllen mit einander zu verschmelzen und gleichzeitig scheint eine Veränderung in den Kernen vor sich zu gehen. In Figur 9e zum Beispiel ist der unterste von den drei mit Pigment umgebenen Kernen abgesehen von seinem etwas grös- seren Umfang kaum von den umliegenden Ganglienzellen-Kernen verschieden, die beiden obern dagegen zeigen noch eine deutliche Contour, aber ihr Inhalt ist entschieden homogener geworden. Wenn nun alle diese umgewandelten, pigmentirten Zellen (es ist wohl gestattet, sie Einzelaugen zu nennen), sich um ein Centrum vereinigen, und zwar so, dass sie mit der pigmentfreien Seite nach derselben Richtung sehen, so wird sich dann — ange- nommen dass die Kerne sich zu den Kolben umwandeln, wofür die glasige Veränderung derselben spricht — ein von gemeinsamer Pigmenthülle umschlossenes Auge bilden, das normale Turbella- rien-Auge. Gruppiren sich aber diese Einzelaugen um zwei, drei oder noch mehr Centren, so müssen dann Doppelaugen und Nebenaugen entstehen, wie sie Figur 4, 5, 6 von dem normalen und Figur 7 von dem regenirten Thier zeigen. Diese Nebenaugen sind nicht einfach „verkleinerte Augen“, sondern ihr geringerer Umfang rührt immer daher, dass sie nur aus wenigen, beziehungsweise aus einer Zelle bestehen oder entstanden sind. Ist gar kein Vereinigungs-Centrum vorhanden, so wird auch 16 Justus Carricre: (0 6) kein Auge gebildet werden können, sondern wir finden statt dessen einen sogenannten diffusen Pigmentfleck, wie ihn Figur 8, eben- falls dem normalen Thier entnommen, zeigt. Meiner Ansicht nach sind also die Augen von Planaria poly- ehroa und von Dendrocoelum lacteum als ursprünglich aus einer grösseren Anzahl von Einzel-Augen hervorgegangen anzusehen, deren Pigmenthüllen zu einer gemeinsamen Schale verschmelzen. Und ich vermuthe, dass die Kolben Umwandlungs-Produkte der Zeilkerne sind. Diese Kolben müssen das erregbare Organ — den Stäbehenenden der Mollusken-Augen entsprechend, obschon diese nicht aus den Kernen, sondern aus dem Protoplasma hervor- gehen — sein, denn in der Pigmentschale liegen keinerlei zellige Elemente mehr verborgen, sie ist eine lose Anhäufung von Pigment- körnern. Die Art und Weise der Lichtempfindung würde also so vor sich gehen, dass das einfallende Licht durch das Ganglion, welches seiner Durchsichtigkeit halber zuweilen wohl für eine Linse ge- halten wurde, auf die von der Pigmentschale umschlossenen Kolben fällt und die in diesen erzeugte Erregung durch die dieken Fasern in das Ganglion opticum geleitet und von diesem dann weiter in das Gehirn übertragen wird. Ich möchte hier noch auf ein Planarien-Auge ER machen, dessen Theile zwar abweichend von dem obigen beschrieben wurden, dessen Abbildung mich aber überzeugt, dass es diesem äusserst ähnlich ist (Figur 10). Ich lasse wörtlich die Beschrei- bung folgen, wie sie Keferstein!) von dem Auge von Lepto- plana tremellaris gibt. „Man kann einen Nerven zu den 0,05 mm grossen Augen deutlich verfolgen, derselbe breitet am Auge sich in ein feinzelliges Ganglion, äussere Retina, re, aus und umschliesst eine dünne, aber dichte Kugel-Schale eines dunkelbraunen, körnigen, auf einer feinen Haut gelagerten Pigments. Diese Pigmentschale, Chorioidea, ch, stellt keine volle Kugel dar, sondern ist am vorderen Theil in verschiedener Ausdehnung offen, so dass man sie als becher- oder glockenförmig bezeichnen kann. Im Innern umschliesst der Chorioi- 1) Keferstein, Beiträge zur Anatomie und Entwicklungsgeschichte einiger Seeplanarien von St. Malo. Abhandlungen der Königlichen Akademie der Wissenschaften, Göttingen, Bd. XIV, 1868 p. 24. Die Augen von Planaria polychroa Schmidt und Polycelis nigra Ehrb. 169 dealbecher eine, soweit ich sehen konnte, ganz klare Substanz, welche vorn bisweilen etwas die Chorioidea überragt, und die ich, ob- wohl keine weitere Struktur erkannt wurde, als innere Retina an- spreche. Vor dieser klar erscheinenden Substanz liegt eine deut- lich zellige Masse, Linse, welche den Chorioidealbecher ungefähr zu einer Kugel ergänzt.“ Keferstein hat seine Zeichnung und Beschreibung nicht nach Schnitten, sondern nach dem äussern Ansehen des ganzen Auges gemacht. Nun, wenn ich in derselben Weise das Auge von Planaria polychroa betrachtete, so würde ich genau dasselbe Bild zu zeichnen haben. Man vergleiche nur meine Figur 1, 2 und 3. Von der Antrittsweise des Nerv muss ich absehen, da auch Kefer- stein sie nieht näher bezeichnet hat, und die von ihm etwas un- sicher gezeichnete „äussere Retina“ darf ich wohl für anliegendes Parenchym-Gewebe halten. Sodann kommt die Chorioidea, welche man wohl einfacher Pigmentschale nennen kann und „innere Retina“, welche Keferstein selbst mit Leydig’s „Innenkörper“ vergleicht; die aus „deutlichen Zellen“ bestehende Linse werde ich wohl ohne weiteres als das dem Auge vorliegende Ganglion opticum an- sprechen können, die Zellen als die Rindenschicht desselben, und wir haben nicht nur in der Anordnung der einzelnen Theile, son- dern auch in der äusseren Gestalt genau dasselbe Bild wie bei Planaria polychroa und damit zugleich ein weiteres Beispiel eines Planarienauges, dessen Ganglion opticum vor dem Auge liegt. Ich glaube auch noch ein anderes Auge hieher beziehen zu können, das von Lang!) beschriebene sehr einfach gebaute Auge von Tristomum ceoceineum; dasselbe besteht nach Lang aus einer schüssel- oder becherförmigen Pigmentanhäufung, welche einen kug- ligen oder ovalen, lichtbrechenden Körper umschliesst, der bei den vorderen Augen nach hinten, bei den hinteren nach vorn gerichtet ist und in dessen Innerem man Andeutungen von Stäb- 1) Lang, Arnold, Untersuchungen zur vergleichenden Anatomie und Histologie der Plathelminthen I. Ueber das Nervensystem der Trematoden. Mittheilungen aus der zoologischen Station zu Neapel. II. Bd. p. 41, Taf. IH, Fig. 2. Wenn ich mich dessen, was ich mit Dr. Lang mündlich über das Turbellarien- und Trematoden- Auge verhandelt habe, recht entsinne, so glaube ich seiner Einstimmung zu der von mir vorgeschlagenen Deutung der ein- zelnen Theile des Tristomum-Auges sicher zu sein. 170 Justus Carricere: chen oder Kernen wahrnimmt. An diesen schmiegt sich eine typische Ganglienzelle als Retina. Wir haben also auch hier — indem wir von Innen nach Aussen gehen — den aus lockeren Körnern bestehenden Pigment- haufen, den gestreiften Innenkörper und vor diesem dem Ganglion optieum der Planaria polychroa entsprechend eine grössere Augenganglienzelle, welche in Verbindung mit klei- neren Ganglienzellen den Innenkörper ebenso umschliesst, wie dies das Ganglion bei P. polychroa thut. Das Licht, welches den Innenkörper erregen soll, muss wie dort zuerst die Ganglien- zellen passiren, das Tristomum-Auge entspricht also in jeder Be- ziehung dem polychroa-Auge, und ich glaube nicht fehlzugehen, wenn ich es diesem als ein einfacheres, aber im Prineip gleich- gebautes Auge an die Seite stelle. Ob und in wieweit die von Kennel!) bei Rhynehodemus terrestris beschriebenen Augen „zwei kleine Pigmentbecher, aus- gefüllt von kleinen Zellen, deren Kerne sich ziemlich deutlich färben“ und Graff’s „Pigmentbecher mit zelligem Inhalt“ bei Geodesmus bilineatus hieher zu beziehen sind, kann ich leider wegen des Mangels einer Abbildung dieser Organe nicht bestimmen. Polycelis nigra. Die schon mit der Loupe oder bei ganz schwacher Vergrös- serung leicht zu machende Beobachtung, dass die zahlreichen rand- ständigen Pigmentflecken, welche sich am Vorderende dieses Thieres finden, öfters zu zweien oder dreien zusammen verschmolzen scheinen, brachte mich darauf diese Augen zu untersuchen, um hier vielleicht ganz einfache, den polychroa-Augen entsprechende Bildungen zu finden. Doch meine Erwartung wurde getäuscht, denn das Ver- schmelzen zweier oder dreier einfacher Augen zu einem grösseren zeigte sich als die einzige Aehnlichkeit zwischen den beiden For- men; der übrige Bau dieser Organe erwies sich so abweichend, dass es mir noch nicht gelang, eine Beziehung zwischen ihnen und den Augen von Planaria polychroa aufzufinden. * 1) Kennel, diein Deutschland aufgefundenen Landplanarien, Rhyncho- demus terrestris OÖ. F. Müller und Geodesmus bilineatus Mecznikoff. Arbeiten aus dem zool.-zootom. Institut Würzburg. Bd. V. 1879. z PEN GE Die Augen von Planaria polychroa Schmidt und Polycelis nigra Ehrb. 171 Ich will zunächst diese Augen ihrer Lage und ihrem gegen- seitigen Verhältnisse nach beschreiben und dann mich zu dem fei- neren Bau derselben wenden. An dem Vorderrande und den beiden Seitenrändern des Kopf- endes, und zwar an der Kante, welche die flache Sohle mit dem ge- wölbten Körper bildet, liegt bei Polycelis nigra eine grosse Anzahl schwarzer Pigmentflecke. Dieselben sind kegelförmig bis halb- kugelig gestaltet und über sowie vor ihnen nimmt man einen hellen Hof wahr, welcher durch lokale Verminderung des unter dem Epithel abgelagerten Pigmentes hervorgebracht wird. Am besten sind diese Flecke bei den braunen Spielarten von Polycelis nigra wahrzu- nehmen, wo sie sich von der Umgebung sehr scharf abheben. Sie sind unregelmässig gelagert sowohl in Beziehung auf den seitlichen Abstand von einander, als auch in sofern sie nieht immer in einer Linie, sondern zuweilen auch zu mehreren übereinander stehen. Ferner findet sich ein Unterschied in Gestalt und Grösse, indem die vorderen Pigmentflecke mehr kegelförmig, die hinteren etwas flacher und länger sind. Auch die Zahl ist keine eonstante, son- dern nach den einzelnen Exemplaren und selbst an den beiden Körperhälften eines Individuums verschieden; so hatte zum Bei- spiel ein Thier von nicht ganz lem Länge auf der einen Seite 12 kleinere und 14 grössere Augen, auf der anderen 22 kleinere und 21 grössere — also links fast noch einmal so viele als rechts. Ich studirte diese Augen hauptsächlich auf Horizontalschnitten, welche den Vortheil boten, dass auf jedem Schnitt, der durch die Augengegend ging, eine ganze Anzahl Augen getroffen wurde. Die Serien wurden !/so bis !/yo mm dünn angefertigt. Was nun die feinere Struktur dieser Augen betrifft, so ist sie eine sehr einfache (Fig. 12 und 13). Eine homogene Kugel — von Leydig als helle, sehr weiche Innensubstanz bezeichnet, ganz strukturlos und hyalin, bildet den Innenkörper des Auges. Ihr Durchmesser beträgt 0.009 bis 0.0l mm. Sie wird von einer aus losen Körnern gebildeten Pigment-Schale umschlossen, welche nach Aussen zu offen ist. Als dritter Bestandtheil des Auges ist eine grosse, helle, halb- kugelförmige Zelle mit einem 0.008 mm langen Kern zu nennen. Dieser Kern, den umliegenden Kernen gleich, liegt der Pigment- schale an und ist öfters theilweise in die Pigmentkörner ein- gebettet. 172 Justus Carriere: Die Gestalt dieser Augen ist die eines stumpfen Kegels, dessen Basis nach der Körperwandung, dessen Spitze nach dem Gehirn- _ sanglion zu gerichtet ist. Wie oben erwähnt, finden sich diese einfachen Augen zumeist an. dem Vorderrande des Kopfendes. An den Seitenrändern treten nach hinten zu Doppelaugen auf, welche ihrer ganzen Erschei- nung nach aus der Verschmelzung zweier einfacher Augen hervor- gegangen zu sein scheinen. Diese Verschmelzung zeigt sich auf verschiedenen Stadien (Fig. 14, 15, 16). Immer finden sich zwei homogene Kugeln, bald beide gleich sross, bald die eine die andere an Umfang etwas übertreffend, und im Durchschnitt von gleicher Grösse wie diejenigen in den Einzelaugen. Diese Kugeln sind in eine gemeinsame Pigmenthülle einge- fasst, welche je nach dem Grade der Verschmelzung in der Mitte entweder nur eine Einbuchtung zeigt (Fig. 16) oder zwischen den beiden Kugeln durch bis an die Vorderseite des Auges reicht (Fig. 14). Einem Zwischenstadium entspricht vielleicht das in Fig. 15 abgebildete Auge, bei welchem das Pigment die beiden Kugeln nicht mehr trennt, aber eine schmale Brücke des Paren- chyms sich zwischen sie hineinzieht. Statt zweier heller Zellen aber, oder einer hellen Zelle mit zwei Kernen, wie man erwarten könnte, findet sich nur eine solche vor, welche nicht halbkugelförmig ist, wie bei den einfachen Augen, sondern der Längs-Ausdehnung des Doppelauges entspre- chend eine flache Kugelschale bildet, welche in der Mitte einen Kern enthält. Grösse und Lage des Kernes sind dieselben wie bei den einfachen Augen. Noch weiter nach hinten zu sieht man, wie Leydig es ab- gebildet hat, auch dreifache Augen, deren Bau dem der zweifachen analog ist. Obgleich das Nervensystem auf meinen Schnitten sehr deut- lich sichtbar war, konnte ich den Zusammenhang desselben mit den Augen nicht erkennen. Nur schienen mir um das Auge herum immer Ganglienzellen zu liegen, von denen die Kerne sehr deutlich, die Zellkörper jedoch weniger gut zu sehen waren. Strassburg, im Mai 18831. BEE (ea Er VW rn nn Die Augen von Planaria polychroa Schmidt und Polycelis nigra Ehrb. 173 Fie. Erklärung der Abbildungen auf Taf. IX. Für alle Figuren gültige Bezeichnungen : fer} a Epithel. b Ganglion opticum. ce Innenkörper. d Pigmentschale. e Kerne der Rindenschicht des Ganglion optieum. . Schematischer Querschnitt, aus zwei aufeinanderfolgenden Schnitten kombinirt, um die Lage der Augen und die Verbindung mit dem Gehirnganglion g zu zeigen. Querschnitt durch die Mitte eines Auges von Planaria polychroa (I). Mit dem Zeichenapparat entworfen mit Seibert 0/VII, b, ausgeführt mit Seibert 1'/,; (bomogene Immersion). k Kolben, n Nervenfasern, welche in den Kolben endigen. . Querschnitt durch dasselbe Auge, etwas weiter nach vorne zu. Ver- grösserung wie bei Fig. 2. Zwei Horizontalschnitte durch ein Auge von Dendrocoelum lacteum (XI), a aus der Mitte des Auges, b der nächste Schnitt nach unten zu. Figur 4, 5, 6, 8, entworfen nach Seibert O,III, ausgeführt nach S. 1/V. Der Innenkörper ist nur schematisch angegeben. . Zwei Querschnitte durch ein Doppel-Auge von Dendrocoelum lac- teum (X), a aus dem Anfang, b aus der Mitte des Auges. . 6a Querschnitt durch ein Doppelauge von Planaria polychroa (VI). Bei 1 das am Vorderende getroffene linke Auge, bei 2 das etwas vor der Mitte getroffene accessorische Auge. 6b stellt schematisch die gegenseitige Lage der drei Augen vor. Regenerirtes Vorderende mit 3 Augen, nach dem Leben gezeichnet, schwach vergrössert. Planaria polychroa Iar. 3 Horizontal-Schnitte durch ein unentwickeltes Auge von Planaria lactea (II). Das Auge besteht nur aus einer Anzahl kleiner Pigment- häufehen. a zweiter, b vierter, e siebenter Schnitt. 9a Schnitt durch ein regenerirendes Auge von Planaria polychroa (1r). Es ist ein Doppelauge, dessen einer Theil aus einigen von ge- meinsamer Pigmentschale umschlossenen Kernen besteht, während der andere noch aus isolirten Pigmenthaufen gebildet wird. 9b und 9 c verschiedene Stadien der Umbildung von Zellen zu Einzelaugen und Nebenaugen, aus der Umgebung des regenerirenden Auges. 174 Carl Koller: Fig. 10. Aussenansicht eines Auges von Leptoplana tremellaris; natürliche Grösse 0,005 mm. Copie nach Kefer stein. 3ezeichnung nach Keferstein. nach meiner Deutung. re äussere Retina _ wahrscheinlich anhaftendes Parenchymgewebe. ri innere Retina -— dem Innenkörper entsprechend. l Linse —_ Ganglion opticum. ch chorioidea — Pigmentschale. Fig. 11. Auge von Tristomum coceineum. Copie nach Lang. p Pigmentbecher. l licehtbreehender Körper mit Andeutungen von Stäbchen oder Kernen (Innenkörper). agz Augenganglienzelle \ dem Ganglion opticum bei Planaria gez Ganglienzelle polychroa entsprechend. Fig. 12—16. Horizontalschnitte von Augen von Polycelis nigra (IH). Ent- worfen mit dem Zeichenapparat nach Seibert 0,VIIb, ausgeführt nach 8. 11/5 (homogene Immersion). ce Innenkörper, eine homogene, hyaline Kugel bildend. h helle Zelle mit dem der Pigmentschale an- liegenden Kern. gz um das Auge liegende Kerne von Ganglienzellen. 12 Schnitt aus dem Anfang, 13 aus der Mitte eines Einzel-Auges, 14, 15, 16 Schnitte von Doppel-Augen. Untersuchungen über die Blätterbildung im Hühnerkeim. Von Carl Koller. (Aus dem Institute des Herrn Prof. Strieker in Wien.) Hierzu Taf. X, XI und XI. Das Studium von Flächenansichten aus den ersten Stadien des Hühnerkeims!) hat mir einen Anhaltspunkt an die Hand gegeben, = 1) Beiträge zur Kenntniss des Hühnerkeims im Beginne der Bebrütung. Stzber. d. Wien. Akad. d. Wissensch. 1879. Novemberheft. Untersuchungen über die Blätterbildung im Hühnerkeim. 175 eine neue Untersuchung der Keimblattbildung mit Aussicht auf Erfolg zu unternehmen; in wieweit mir dies gelungen ist, wird das folgende lehren. Auch mit Rücksicht auf den vergleichend embryologischen Standpunkt hoffe ich, dass meine Arbeit keine fruchtlose gewesen sei. Die Resultate, zu denen ich gelangt bin, stimmen recht gut zu dem, was uns die neueren Publicationen auf dem Gebiete der Reptilien und Säuger, dieser nächsten Verwandten der Vögel, gelehrt haben. Im folgenden will ich eine kurze Uebersicht der verschiedenen neueren Ansichten über die Keimblattbildung geben, wobei ich mich mit Beiseitelassung der phylogenetischen Hypothesen auf das Thatsächliche der Angaben beschränken will. Die Vergleichung dieser Ansichten wird zur schärferen Fassung der strittigen Fragen führen. Ueber den Bau des Keimes im eben gelegten Eie divergiren im Ganzen die Meinungen nicht bedeutend; allgemein wird ange- nommen, dass er aus zwei Keimschichten besteht, wovon die obere einschichtig und zusammenhängend, die untere von wechselnder Dicke und vielfach durchbrochen erscheint; dabei sei die letztere in ihrem Mitteltheil, entsprechend dem Gebiete der area pellueida, dünner als in ihrem Randtheil, „dem Randwulst des Entoderm“, der auf dem weissen Dotter aufruht und im Flächenbilde als area opaca in Erscheinung tritt. Dieser Aufbau der Keimscheibe sei aus dem „linsenförmigen Furchungsstadium“ durch centrifugale Verschiebung der Furchungselemente hervorgegangen. Nur Götte nimmt in diesem Punkte eine Sonderstellung ein, indem er be- hauptet, dass der Keim erst einschiehtig werde und dann durch einen Umschlag des Randes und centripetale Verschiebung seiner Zellen die untere Keimschichte bilde. Von den verschiedenen Autoren sind Rauber und His die ersten gewesen, die darauf Gewicht gelegt haben, dass der hintere Theil schon der unbebrüteten Keimscheibe sich vom vorderen be- züglich seines Aufbaues unterscheidet; ichmuss dies nun hervorheben, da ich es in meiner ersten Abhandlung zu erwähnen unterlassen 176 Carl Koller: habe; inwiefern meine eigenen Erfahrungen mit diesen Angaben übereinstimmen, werde ich später besprechen. Wenn nun über den Aufbau des frisch gelegten Keimes die Meinungen leidlich harmoniren, so ist der andere feste Punkt in dieser Frage das Endstadium des Blätterbildungsprocesses: Das Ektoderm, eine einschichtige Lage, in der Mitte aus eylindrischen, gegen die Peripherie allmählich platter werdenden Zellen bestehend. Das Entoderm im Bereiche der area pellueidea einschichtig und aus platten, im Querschnitt spindelförmigen Zellen bestehend, im Bereich der area opaca aus rundlichen und mehrschichtig. Zwischen diesen zwei Blättern das Mesoderm, eine Lage von runden Zellen, im allgemeinen gleichmässig stark und nur in dem Theil der Axe, wo es mit dem Ektoderm verwachsen ist, beträchtlich dieker; diese axiale Verwachsung der zwei Blätter — der Primitivstreif zeigt eine Rinne, die Primitivrinne. Abgesehen davon, dass einige Autoren die Verwachsung von Ektoderm und Entoderm im Primitivstreif leugnen, dürfte diese Darstellung der Meinung der meisten Forscher entsprechen. — Was zwischen diesen zwei Phasen geschieht, darüber sind nicht zwei Stimmen vollkommen einig. Ich werde später versuchen zu zeigen, welche Momente es sind, die diese Disharmonie be- dingen. Am bedeutsamsten spricht sich der Gegensatz der Ansichten in der Auffassung aus, die die einzelnen Forscher über die Valenz der beiden primären Keimschichten äussern. Das ist der Kern- punkt der ganzen Frage. Aus dem Materiale des gefurchten Keimes, der zur Zeit, wo das Ei gelegt wird, aus den zwei primären Keim- schichten besteht, müssen sich die drei Keimblätter anlegen, muss sich der Embryo aufbauen — unter der mit (einziger Ausnahme von His) allgemein anerkannten Voraussetzung, dass nichts Neues von aussen in den Keim hineingelangt. — Unter dieser Voraus- setzung lauten nun die Fragen wie folgt: Ist die obere primäre Keimschichte nur die Anlage des Ek- toderm, oder wird noch etwas anderes aus ihr? Ist die untere primäre Keimschichte nur die Anlage des En- toderm, oder enthält sie noch andere Elemente? In diesen beiden Fragen ist implieite schon diejenige nach Entstehung des Mesoderm enthalten. Untersuchungen über die Blätterbildung im Hühnerkeim. 177 Sehen wir nun, wie man diese Fragen von den ver- schiedenen Seiten beantwortet; dabei werde ich selbstverständlich diejenigen Autoren übergehen, deren Darstellung nicht den eben geschilderten Zustand der unbebrüteten Keimscheibe zum Ausgangs- punkte nimmt. Remak war der erste, welcher feststellte, dass die unbebrütete Keimscheibe aus zwei Schichten in unserem Sinne bestehe, und welcher die Elemente dieser Schichten auf Grundlage mikros- kopischer Untersuchung beschrieb und abbildetee Nach ihm ist die obere Schichte das Ektoderm, während Mesoderm und Entoderm durch einen Spaltungsvorgang in der unteren Schichte gebildet werden. Waldeyer hat im Anschlusse an His!) behauptet, dass aus der oberen Keimschichte nicht blos das Ektoderm, aus der unteren nicht bloss das Entoderm hervorgehe; Wucherungen in der Axe beider Schichten erzeugen den Primitivstreifen, während die Sei- tentheile des Mesoderm einer Abspaltung von der unteren Keim- schichte ihre Entstehung verdanken. Den vollkommenen Gegensatz zu dieser Ansicht bildet die Peremeschko’s. Nach ihm sind die beiden primären Keim- schichten vollkommen in die Bildung von Ektoderm und Entoderm aufgegangen, und da er nicht in ihnen das Material für den Auf- bau des Mesoderm erblickt, so stellt er die Hypothese auf, dass jene seitdem vielbesprochenen grossen, grobgranulirten Elemente vom Boden der Keimhöhle zwischen die beiden Keimblätter ein- wandern, sich dort theilen und das Mesoderm aufbauen. Nach Kölliker wird aus der untern Keimschichte nur das Entoderm, aus der oberen vorerst das Ektoderm. Da er nun das Mesoderm anfangs nur im Primitivstreifen und daselbst mit dem Ektoderm fest verbunden antraf, nahm er an, dass derselbe durch eine axiale Wucherung des Ektoderm entstehe, die Seitentheile des 1) His hat seine frühere Ansicht von der Blätterbildung modifieirt, daher ich ihn erst später anführen werde. Archiv f. mikrosk, Anatomie, Bd. 20, 12 178 Carl Koller: Mesoderm vom Primitivstreifen aus zwischen die beiden anderen Keimblätter hineinwachsen. Balfour steht mit seiner Ansicht zwischen Peremeschko und den nächstfolgenden Autoren: die obere Keimschichte ist die An- lage des Ektoderm; von der untern bleibt nach Constitution des einreihigen Entoderm ein Rest von Zellen zwischen Ektoderm und Entoderm liegen, der unter Mitwirkung eingewanderter Peremesch- ko’scher Furchungskugeln das Mesoderm bildet. Im Primitivstreifen ist nach B. der Contour zwischen Ektoderm und Mesoderm meist nachweisbar. Götte’s Standpunkt gegenüber der Entstehung der primären Keimschichten habe ich oben gekennzeichnet. Das Entoderm spaltet sich von der unteren Keimschichte ab, deren obere Lagen fort- während aus dem Randwulst sich verstärkend von vorn und den Seiten her sich zusammenschieben und in der Axe den Primitiv- streifen bilden. In diesem ist nach G. die Grenzlinie zwischen Ektoderm und Mesoderm immer erhalten. Im weissen Dotter am Boden der Keimhöhle setzt sich die Furchung fort; ihr Product sind die grossen grobkörnigen Kugeln Peremeschko’s; dieselben bilden das Blut und die Gefässe. His vertritt nach seinen neueren Untersuchungen!) die Meinung, dass das Entoderm sich von der unteren Keimschichte abspalte; ein Theil derselben bleibt als „intermediäre Zellen“ zwischen Ektoderm und Entoderm liegen. Im Bereich der Axe verschmilzt diese intermediäre Lage mit dem Ektoderm und so entsteht der Primitivstreifen. Der Uebergang von Ektodermzellen ins Mesoderm bleibt unentschieden. Blut, Gefässe und Bindesub- stanzen entstehen vom Randwulst her unter Vermittlung von weissen Dotter-Elementen. Rauber hat in seiner letzten Arbeit?) gleichfalls die Angabe gemacht, dass das Mesoderm aus der unteren Keimschichte ent- stehe, die gleich anfangs im hintern Abschnitte ihres Keimhöhlen- antheils verdickt sei; die oberen Zelllägen dieser unteren Keim- schichte schieben sich von beiden Seiten zusammen und bilden 1) Neue Untersuchungen über die Bildung des Hühnerembryo. Archiv f. Anat. und Entwicklungsgesch. Jahrg. 1877. 2) Primitivstreifen und Neurula der Wirbelthiere. Leipzig 1877. ee ei EEE Untersuchungen über die Blätterbildung im Hühnerkeim. 179 einen medianen Zellenstrang, der dureh seeundäre Verwachsung mit dem Ektoderm zum Primitivstreifen wird, während die unterste Zelllage sich zum Entoderm differenzirt. In Rücksicht auf die Bildungsweise der Seitentheile des Mesoderm hat sich Rauber der Ansicht von Kölliker angeschlossen. Nach Gasser entsteht das Mesoderm im Primitivstreifen aus beiden primären Keimschichten, in den Seitentheilen nur aus der unteren. Disse!), der neueste Autor auf diesem Gebiete, glaubt, dass die untere Keimschichte in der Mittellinie sich verdiekt und sich in Mesoderm und Entoderm spalte. Die Verwachsung von Ekto- derm und Mesoderm im Primitivstreifen sei eine seeundäre. Die grossen grobkörnigen Kugeln sind Nahrungsballen für die Zellen des Keimes. Wie bereits erwähnt, hat schon Kölliker behauptet, dass in einem gewissen Stadium alles, oder doch die weitaus überwiegende Masse des Mesoderm im Primitivstreifen vereinigt ist, und Rauber hat sich dieser Aufstellung angeschlossen, wenn er auch bezüglich der Entstehungsweise des Primitivstreifens Köllikers Meinung nicht theilt. Gleichwohl hat dieser Satz nicht allgemeine Anerken- nung gefunden. Wenn ich aber nachweisen würde, dass jene Be- hauptung Köllikers thatsächlich richtig ist, so wäre es gestattet, die Frage nach der Entstehung des Mesoderm mit der nach der Entstehung des Primitivstreifens zu identifieiren und die eine Frage für gelöst zu halten, insoferne die andere zur Genüge beant- wortet ist. Nun ist allerdings die Entwicklung des Primitivstreifens auch noch nicht geklärt; ich glaube indess einige Gründe dafür angeben zu können, dass diese Verhältnisse immer noch dunkel sind. Schon die Flächenbilder von Keimscheiben, welche ich in einer früheren Abhandlung ?) beschrieben habe, geben uns hierüber einigen Auf- 1) Die Entwicklung des mittleren Keimblattes im Hühnerei. XV. Bd. dieses Archives. 2) Beiträge zur Kenntniss des Hühnerkeims im Beginne der Bebrütung. Stzgsber. der Wiener Akad. der Wissensch. 1879. Novemberheft. 180 Carl Koller: schluss. Ich habe daselbst auf eine bisher unbekannte Bildung am hintern Umfang der area pellueida unbebrüteter Keimscheiben aufmerksam gemacht, die ich „Sichel“ nannte, und weiter gezeigt, dass eine Stelle derselben, ‚der Sichelknopf‘“, von vornherein aus- gezeichnet ist, dass an diesem hintersten Punkte des Fruchthofes (area pellueida) die Bildung des Primitivstreifens beginnt, und dass der letztere von hier allmählich gegen das Centrum der Keimscheibe und darüber hinaus sich verlängert. Das scheint nun zu sagen: der Primitivstreifen entsteht nicht da, wo er später ge- funden wird. Wie ich weiter darthun werde, findet dieser Satz dureh methodische Durchschnitte seine vollinhaltliche Bestätigung. Die eigenthümliche Bildung, die wir Primitivstreifen nennen, ver- dankt einem Processe ihre Entstehung, der sich an einer umschrie- benen Stelle an der äussersten Grenze der area pellueida abspielt, und der so gebildete Primitivstreif in nuce wird durch einfaches axiales Wachsthum zu dem, dessen Herkunft bis jetzt dunkel er- scheint. Darum also treffen wir auf Durchschnitten, die senkrecht gegen die Längsaxe des werdenden Embryo geführt sind, immer nur einen vollkommen ausgebildeten Primitivstreif an denselben Stellen, an denen vorher keine Spur davon, auch nicht die Vor- bereitung einer Bildung zu sehen war, darum suchen wir vergebens im ganzen Bereiche der area pellueida nach den Zwischenstufen eines Vorganges, der sich indess unbemerkt an einem Orte voll- zogen hat, welcher durch seine Lage gar leicht der Beobachtung entgeht. Noch ein Umstand ist es, der die richtige Beurtheilung der Mesodermbildung erschwert und zu Irrthümern vielfach Anlass giebt. Der Entwieklungsgang des Hühnerkeims bis zur vollkommenen Ausbildung des Mesoderm lässt sich ungezwungen in zwei Akte zerlegen; der erste davon ist der Anordnung des vorhandenen Keimmateriales zu den zwei primären Keimschichten gewidmet, deren Elemente indess die dem Ekto- und Entoderm eigenthümliche Gestalt annehmen und sich zu einschichtigen Lagen!) reihen; der zweite Akt hat die Bildung des Primitivstreifens und weiterhin des 1) Im Bereich des Randwulstes (also in der area opaca) bleibt das Entoderm mehrschichtig und seine Zellen behalten die rundliche Gestalt bei. Untersuchungen über die Blätterbildung im Hühnerkeim. 181 Mesoderm zum Inhalt. Wenn nun, wie dies thatsächlich der Fall ist, bei einer grossen Anzahl von Keimen diese zwei Akte zeitlich nicht ganz auseinanderfallen, wenn die Mesodermbil- dung beginnt, ehe es an der ausgeprägten Zellform von Ekto- und Entoderm deutlich goworden, dass die primären Keim- schichten wirklich in der Bildung dieser zwei Keimblätter aufgegangen sind, dann ist die Entscheidung über den Ur- sprung des Mesoderm schwer gemacht. Wenn dagegen bei einer anderen Anzahl von Keimen jene zwei Akte zeitlich vollkom- men getrennt sind, so lassen sich die Vorgänge, die zur Bildung des Mesoderm führen, isolirt von allen anderen verfolgen; und ist man einmal darüber klar geworden, so ist es ein Leichtes, sich zu überzeugen, was kaum des Beweises bedarf, dass an den Keimen der ersten Kategorie die Entwicklung den nämlichen Weg geht. Dass die Klarlegung dieser Verhältnisse dadurch erleichtert wird, dass mit den Flächenbildern ein sicheres und genaues Merkmal für die Einhaltung geplanter Schnittrichtungen gegeben und dass der Entwicklungsgrad jeder einzelnen Keimscheibe schon äusserlich kenntlich ist, darauf habe ich in meiner ersten Abhandlung hin- gewiesen. Neben einer richtigen Orientirung der Durchschnitte möchte ich für die Erkenntniss gewisser Umstände auf eine grosse Zahl von Untersuchungen Werth legen. In den zwei Sommern 1879 und 80 habe ich weit über 1000 Keimscheiben in Rücksicht auf das Flächenbild und über 300 an Durchschnitten untersucht. Methode. Ueber die Art, wie ich die von Kölliker empfohlene protra- hirte Bebrütung angewendet, ist das Nöthige in meiner ersten Ab- handlung bemerkt worden. Das zu untersuchende Ei wurde geöffnet und vorsichtig in eine Schale geleert, das Eiweiss mit einer Scheere oder den Fingern möglichst vollständig entfernt. Um später die beabsichtigte Schnitt- richtung genau einhalten zu können, war es meist nothwendig, schon am frischen Ei ein Merkzeichen zu machen, da in den allerfrühesten 182 Carl Koller: Stadien das Flächenbild durch die Härtung undeutlich wird; zu diesem Zweck habe ich ein kleines spitz-dreieckig zugeschnittenes Papierschnitzelehen mittelst einer Pincette so in den Dotter knapp hinter der Keimscheibe eingestochen, dass es den hintersten Punkt des Keimes markirte und zugleich in der Medianebene des künf- tigen Embryo gelegen war. Der Dotter wurde nun durch 24 Stunden der Einwirkung von 0.1°/, Chromsäurelösung ausgesetzt, hierauf 24 Stunden einer 0.2°/,, und so täglich um 0.1°/, gestiegen bis zu 0.5%. War der Dotter genügend erhärtet, so wurde das den Keim tragende Dottersegment sammt der Marke mit einem feinen Scalpell ausgestochen und für 24 Stunden in destillirtes Wasser gethan, um die überschüssige Chromsäure zu entfernen. Die Dotterhaut lässt sich vom gehärteten Keim sehr leicht ohne Verletzung desselben abziehen. Die Keimscheibe wurde in toto mit schwach ammoniakalischem Carmin gefärbt (Dauer der Ein- wirkung 12—24 St.), hierauf durch 24 St. in destillirtem Wasser ausgewaschen und dann in absoluten Alcohol gegeben. Nach 1—2 Tagen war die Keimscheibe schnittfähig. Eingebettet wurde in eine Mischung von Wachs und Oel, nachdem das Präparat einige Minuten in Nelkenöl gelegen hatte. Geschnitten wurde aus freier Hand mit Anwendung von Terpentin. Die Chromsäurehärtung liefert mitunter vorzügliche Präparate, doch ist sie besonders bei den frühesten Stadien unzuverlässig; an der Hand einer bessern Härtungsmethode würden dieselben Ziele mit ungleich weniger Aufwand von Mühe und Zeit und geringerer Verschwendung von Material erreicht werden. Untersuchungen über die Blätterbildung im Hühnerkeim. 183 Die unbebrütete Keimscheibe (l. Stadium). Fig. 1 Taf. X stellt einen Medianschnitt durch einen frisch gelegten Keim dar. Daran sieht man die obere Keimschichte (o. K.) Schema des Flächenbildes im I. Stadium. im allgemeinen nur eine Zelllage stark; ihre Zellen sind nur im Randtheile des Keimes deutlicher von den Elementen der untern Lage differenzirt und da von ku- bischer Form, nichtdagegen in dem über der Keimhöhle gelegenen Theile. Die untere Keimschichte (u. k.), deren Elemente von kleinen *rundlichen Zellen bis zu den grossen, grob- lu peimeidh. granulirten anscheinend R Sichel. kernlosen Furchungskugeln mm Medianlinie, zugleich die Schnittrich- Alle möglieben Uebergänge tung des inFig. 1 Taf. X abgebildeten zeigen, findet sich an bei- Durchschnittes. den Enden des Durchsehnit- ll würde die Richtung eines lateralen tes in compacten Massen; Längsschnittes, q q eines Querschnittes dies sind die Durchsehnitte angeben. ri a. 0. area opaca. des sogenannten Randwulst des Entoderm (Rw.), jener ringförmigen Zone, mit der die untere Keimschiehte dem weissen Dotter aufrubt. Im Gebiete der Keim- höhle (in der area pellueida) ist die untere Keimschiehte nicht zu- sammenhängend; ihre Elemente kleben theils der oberen Lage an, theils liegen sie zerstreut auf dem von weissem Dotter gebildeten Boden der Keimhöhle umher; oft auch findet man die ganze Keim- höhle von ihnen erfüllt. Diese Thatsachen sind allgemein bekannt. Bei näherer Be- trachtung des Durehschnittes fallen noch zwei Umstände auf: 1) Der hintere Durchschnitt des Randwulstes (auf der linken Seite der Figur) ist um vieles mächtiger als der vordere; auch enthält er besonders reichlich jene grossen, grobgranulirten Elemente. 184 Carl Koller: 2) An der hinteren Grenze der area pellucida, an den Rand- wulst anschliessend‘, sieht man eine Ansammlung von Zellen der unteren Keimschichte (S); diese Zellanhäufung findet im Flächen- bilde in der Sichel ihren Ausdruck. Laterale Längsschnitte zeigen im Ganzen ähnliche Verhält- nisse; die der Sichel entsprechende Zellanhäufung verschwindet allmählich, je weiter der Schnitt nach aussen fällt; dass zu- gleich der vom Schnitte getroffene Theil der Mittelscheibe!) zu Gunsten des Keimringes kleiner wird, liegt in der Natur der Sache. Querschnitte lehren nichts, was nicht aus den eben geschilderten Verhältnissen medianer und lateraler Längsschnitte ohnehin er- sichtlich wäre. Dass der Randwulst des Entoderm hinten mächtiger ist als vorn, hat schon Rauber gesehen?), er bemerkt jedoch, dass dies nur manchmal so sei; ich kann dieser letzteren Angabe nicht zu- stimmen: an jedem wirklich medianen Schnitte kann man .sich von dieser Thatsache überzeugen und nicht nur am unbebrüteten Keime verhält sich dies so, sondern auch in den späteren Stadien. Wenn ferner Rauber an dem unbebrüteten Keime die untere Keimschichte im hintern Theil der Mittelscheibe als zusammen- hängende und verdickte Lage beschreibt?) und angibt, dass dieses Gefüge das Substrat seiner „Lunula“ im Flächenbilde sei, so muss ich allerdings zugeben, dass dieses Flächenbild und der von R. abgebildete Durchschnitt mit einander correspondiren, auf eine frisch gelegte Keimscheibe passen sie aber nicht. Der betreffende Durchschnitt *) gleicht beinahe vollkommen jenem, den ich als Paradigma für das II. Stadium in Fig. 4 Taf. X abgebildet habe und die Lunula ist nichts anderes als der Embryonalschild der Autoren, der bekanntlich erst ein Effect der Bebrütung ist?). 1) Der bequemeren Ausdrucksweise wegen, will ich im folgenden mit- unter die von Rauber angewendeten Termini „Mittelscheibe* für den die Keimhöhle deckenden Theil (area pellucida) und „Keimring“ für die ring- förmige Randzone des Keimes (area opaca) anwenden. 2) Primitivrinne und Urmund. Gegenbauer’s Morphol. Jahrb. 2. Bd. Seite 559. 3) Loco citato. 4) L.c. Taf. XXXVI Fig. 1. 5) Vergleiche das Flächenbildä Tafel XXXVIU, Figur 12 ebenda- Untersuchungen über die Blätterbildung im Hühnerkeim. 185 Zwischenstadium (I—I)!). Fig. 2 und 3 Taf. X stellen Medianschnitte von Keimen dar, die der unbebrüteten Keimscheibe gegenüber einige Fortschritte gemacht haben. Die obere Keimschichte (0 k) hat keine Veränderung aufzu- weisen. Die untere Keimsehichte (u k) ist nun in der That in der hintern Hälfte der Mittelscheibe mächtiger als im vorderen Theil derselben, wo nur vereinzelte Zellen der oberen Keimschichte ankleben; als zusammenhängendes Blatt möchte ich die untere Keim- schichte selbst in der hintern Hälfte noch nicht beschreiben, da noch keine deutliche Spalte sie von der oberen Keimschichte trennt. In diesen, wie in einer Reihe anderer Keime hat der Rand- wulst (Rw) an Mächtigkeit verloren gegenüber den Dimensionen des Randwulstes, wie sie gewöhnlich im I. Stadium angetroffen werden; doch muss dabei bemerkt werden, dass auch unbebrütete Keime häufig einen geringeren Randwulst zeigen als der in Fig. 1 dargestellte. An der hinteren Grenze von Ringgebiet und Mittelscheibe findet man wieder die Ansammlung von Zellen der unteren Keim- schiehte — den Durchschnitt der Sichel (S). In Fig. 3 fällt noch etwas auf, was aber zu dem übrigen Zustande des Keimes nicht recht passt, sondern als Vorwegnahme eines Vorganges zu deuten ist, der in der Regel in ein späteres Stadium fällt: an der Stelle selbst und Fig. 2 der lithogr. Taf. meiner Abh. Wr. Stzgsber. 1879 mit Berücksichtigung der verschiedenen Ausführungsmethoden der beiden Zeich- nungen. — Die in Fig. 24 (Seite 37 von Raubers Abhandlung „Primitiv- streifen und Neurula“) abgebildete „Lunula“, die sich von der des unbe- brüteten Keimes nur sehr wenig unterscheiden soll, entspricht vollkommen dem in Fig. 2 meiner ersten Abhandlung dargestellten Embryonalschild des U. Stadiums. 1) Ich unterlasse es, die Dauer der Bebrütung anzugeben, da es ja be- kannt ist, dass besonders in den frühesten Stadien die Brutzeit für den Ent- wicklungsgrad nicht genau bestimmend ist. Das Nähere hierüber siehe meine bereits citirte Abhandlung. 186 Carl Koller: der Sichel ist nämlich die obere Keimschichte eingesenkt (S R); diese Einsenkung ist der Durchschnitt einer knrzen Rinne, von der später noch die Rede sein wird. II. Stadium. Das II. Stadium ist charakterisirt einerseits durch das Auf- treten des Embryonalschilds und andrerseits durch die Vorbereitung jener Vorgänge am Sichelknopf (dem Mittelpunkt der Sichel), die im III. Stadium zur Anlage des Primitivstreifens und des Meso- derms führen. Durchschnitte aus diesem Stadium können sehr verschiedene Bilder darbieten, je nachdem der eine oder der andere dieser beiden Processe an dem betreffenden Keime weiter fortge- schritten ist. Wir hätten sonach Varietäten von Keimen zu un- terscheiden; nicht etwa als ob man der Meinung Raum geben könnte, dass die Entwickelung das eine Mal diesen, das andere Mal jenen Weg gehe; nur die Reihenfolge ihrer Fortschritte ist eine verschie- dene. Es können darum zwei derartig verschiedene Keime den- noch gleich weit vom Anfang und gleich weit vom Ende der Ent- wicklung entfernt sein, wenn auch ihre einzelnen Theile nicht auf der gleichen Entwicklungsstufe stehen. Das Ideal einer genauen Darstellung wäre nun die zusammengehörigen Stadien dieser Ent- wicklungsvarietäten zusammenzustellen; da dies aber sehr schwierig sein dürfte, muss man sich auf andere Weise behelfen um zum Ziele zu gelangen. Es sei mir darum gestattet, bevor ich an die Beschreibung der einzelnen Bilder aus diesem Stadium gehe, im Zusammenhange zu besprechen, was der Embryonalschild ist, was sein Schicksal ist, und welche Vorgänge andrerseits die Bildung des Primitiv- streifens vorbereiten. Im Flächenbilde') erscheint der Embryonalschild als eine weissliche Färbung von rundlicher Form, die in der area pellueida derart excentrisch gelagert ist, dass sie hinten an die Sichel an- stösst, vorn und zu den Seiten aber ein halbmondförmiges Stück der unveränderten area pellucida frei lässt. 1) Siehe Figur 2 der lithogr. Tafel loco citato. u Untersuchungen über die Blätterbildung im Hühnerkeim. 187 Was ist nun der Embryonalschild? Ist er nur eine Ver- dieckung der oberen Keimschichte, wie Kölliker behauptet, nur der unteren, wie an- dere Autoren sagen, oder beider, welche letztere Meinung auch einige Anhänger hat? An einem Median- schnitte durch eine derartige Keimscheibe 7 (wie ihn etwa Fig. 4 Taf. X zeigt) bemerkt man, dass im hinteren TheilderMittelscheibe 1 die untere Keim- schichte (E n‘) eine Schema des Flächenbildes im II. Stadium. a. 0., 4. p., S haben dieselbe Bedeutung wie im vo- rigen Schema. E. S., Embryonalschild, S. R., Sichelrinne. mm Medianlinie, Schnittrichtung der in Fig. 4, 5,6, 8 Taf. X und XI abgebildeten Durch- schnitte. ll wäre die Richtung eines lateralen Längs- mehrschichtige Lage bildet, sich von der Sichel an nach vorn verjüngt, vorn unzu- sammenhängend wird, sogar meist eineLücke zeigt und erst wieder schnittes. _ qq Schnittrichtung des Querschnittes Fig. 7. Taf. XI. im vorderen Rand- wulstangetroffen wird. Ein lateraler Längsschnitt, wie er etwa der Linie Il in dem Schema entsprechen würde, zeigt die untere Keimschichte nur in der Mitte der Mittelscheibe spindelförmig verdickt, nach vorn und hinten aber verjüngt, hinten in der Gegend der Sichel wieder verdickt). An Querschnitten durch die vordere Hälfte der Mittelscheibe besteht die untere Keimschichte aus wenigen zerstreuten Zellen, fallen die Schnitte weiter nach hinten, so erscheint dieselbe in Form eines einschichtigen, zusammenhängenden Blattes. An einem Quer- schnitt durch die hintere Hälfte eines solchen Keimes, wie ihn etwa 1) Laterale Schnitte aus den ersten vier Stadien habe ich nicht abge- bildet, so viele ihrer mir auch zur Verfügung stehen, um nicht die Zahl der Zeichnungen übermässig zu vermehren. 188 Carl Koller: Fig. 7 Taf. XI zeigt, sieht man die untere Keimschichte (En) in der Mitte spindelförmig verdickt, nach beiden Seiten bis gegen den handwulst hin wird sie allmählich einschichtig. Die untere Keim- schichte ist demnach in der Mittelscheibe von vorn nach hinten zu und von den Seiten gegen die Mitte verdickt, was die Gestalt einer Linse ergeben würde, die man sich in einem Radius gegen den Rand hin nicht zugeschärft denken müsste. Da nun die Grenzen der Verdiekung der unteren Keimschichte mit denen des Embryonalschilds zusammenfallen, so ist es jeden- falls sicher, dass derselbe in eben dieser Verdickung sein Substrat hat; gleichwohl habe ich Ursache anzunehmen, dass auch die obere Keimschichte an der Erscheinung des Embryonalschilds betheiligt ist. Wie man an den meisten Schnitten aus diesem Stadium sieht, nimmt die obere Keimschichte (Ek) von ihrem vordersten Ende (v) allmählich an Dicke zu, wobei sie aber immerhin einschichtig bleibt; ihre Zellen werden eben höher und sind mit je einem breiten und einem spitzen Ende derartig alternirend gestellt, dass daraus eine grössere Dicke der Lage resultirt. Am grössten ist die Dieke der oberen Keimschichte an der Stelle der Sichel, von da nach hinten nimmt sie rasch ab. Seitliche Längsschnitte, die in geringe Entfernung von der Medianlinie fallen, lassen dasselbe Verhältniss erkennen. Auch am Querschnitt (z.B. Fig. 7 Taf. XD) sieht man die obere Keimschichte (Ek) in der Mitte am dicksten, von da nach beiden Seiten allmählich sich verjüngen. — Also auch die obere Keimschichte ist im Bereich der Mittelscheibe von vorn nach hinten und von den Seiten gegen die Mitte zu verdickt. Steht der Embryonalschild in Beziehung zum Auftreten des Mesoderm, und wenn nicht, was wird sonst aus ihm? Indem ich mich vorläufig damit begnüge, diese Frage dahin zu beantworten, dass der Embryonalschild durchaus nichts mit der Bildung des Mesoderm zu thun hat und dass er allmählich wieder verschwindet, verschiebe ich den Beweis dafür auf die Beschreibung der anderen Schnitte. Mit dieser Antwort habe ich aber zugleich ausgesprochen, dass die beiden primären Keimschichten nichts anderes sind, als Ektoderm und Entoderm, (wobei ich allerdings eine kleine Ein- schränkung werde machen müssen), und ich werde mir erlauben, diese Keimschichten im Folgenden der Kürze halber Ektoderm und Entoderm zu nennen, wenngleich ich den Beweis für diese Berechtigung noch schuldig bin. Untersuchungen über die Blätterbildung im Hühnerkeim. 189 Was die die Anlage des Primitivstreifens vorbereitenden Vor- gänge anbelangt, so bemerke ich vorerst folgendes: Bei Beschreibung ') des Flächenbildes im III. Stadium habe ich einer Rinne erwähnt, die an der oberen Fläche der Sichel so- wohl am frischen als am gehärteten Keime zu sehen ist und die Sichel, besonders deutlich aber den Sichelknopf in eine vordere und eine hintere Hälfte theilt. An Durchschnitten ist diese Rinne schon sehr häufig im HI. Stadium zu finden; wegen ihrer Beden- tung für die Bildung des Mesoderm will ich sie benennen — sie mag Sichelrinne heissen. Schon in Fig. 3, also im Zwischenstadium I—II sieht man an der Stelle der Sichel eine Einsenkung in der oberen Keimschichte (SR), doch ist ein so verfrühtes Auftreten der Sichelrinne eine Seltenheit, und habe ich die Fig. 3, die sonst näherungsweise der Fig. 2 entspricht, nur aufgenommen, um zu zeigen, wie sehr verschieden in Bezug auf die einzelnen Theile sich Keimscheiben verhalten können, die man gleichwohl in an- derer Hinsicht in das gleiche Stadium rechnen muss. Fig. 4 Taf. X zeigt an der Stelle der Sichel eine ganz leichte Andeutung einer Einsenkung, Fig. 5 Taf. X schon eine bedeutende, in Fig. 8 Taf. XI ist eine tiefe Einstülpung des Ektoderm zu sehen, während in Fig. 6 Taf. X noch keine Spur davon vorhanden ist, obschon der daselbst abgebildete Keim in der Entwicklung ebenso weit sein dürfte als der in Fig. 5 und jedenfalls weiter als der in Fig. 4. Der Ort der Sichelrinne fällt also zusammen einerseits mit der grössten Dicke des Ektoderm und einer Zellanhäufung des Entoderm; während also im ersten Stadium die Sichel im Flächen- bilde nur der Ausdruck einer Zellanhäufung in der unteren Keim- schichte war, ist sie jetzt der Ausdruck sowohl dieser letzteren, als auch einer Verdickung des Ektoderm und überdies in ihrem mitt- leren Theile einer Rinne. Dass die Sichelrinne nicht etwa ein Kunstproduet ist wie viele andere Falten, die der Chromsäurehärtung ihre Entstehung verdanken, das beweist ausser ihrem constanten Auftreten an der- selben Stelle auch der Umstand, dass sie, wie oben erwähnt, schon an der ungehärteten Keimscheibe im Flächenbilde sichtbar ist. Ich gehe an die Beschreibung der Durchschnitte. Fig. 4 Taf. X ist ein Medianschnitt, Fig. 7 Taf. XI ein Querschnitt von Keimen, 1) Loco eitato. 190 Carl Koller: wie sie am häufigsten, ieh möchte sagen, normaler Weise in diesem Stadium angetroffen werden; sie sind beiGelegenheit des Embryo- nalschildes schon besprochen worden; ich habe nur hinzuzufügen, dass die Zellen des Ektoderm nun deutlich eylindrisch und nur sehr fein granulirt erscheinen und dass in der Mittelscheibe eine deutliche Spalte obere und untere Keimschichte trennt; dass der Randwulst des Entoderm hinten mächtiger ist als vorn, ist auch jetzt ersichtlich. Querschnitte wie Fig. 7 haben dadurch, dass sie die untere Keimschiehte in der Mitte verdickt zeigen, und andrerseits in späteren Stadien das Mesoderm gleichfalls in der Mittellinie, näm- lich im Primitivstreifen am mächtigsten angetroffen wird), zu der Annahme geführt, dass das Mesoderm nach Abspaltung eines ein- reihigen Entoderm aus den oberen Lagen der unteren Keimschiehte entstehe. Dieser Meinung huldigen Götte, Disse und nun auch Rauber. — Scheinbar gestützt wird diese Ansicht durch den Um- stand, dass im Flächenbilde der Embryonalschild, der ja grössten- theils in dieser Verdiekung seinen Grund hat, beim Auftreten des Primitivstreifens allmählich verschwindet und während er kleiner wird, nur am vorderen Ende des Primitivstreifens, also ungefähr im Centrum der Keimscheibe zu sehen ist?). Gleichwohl ist diese Ansicht nicht haltbar. Durch Vergleichung vieler Schnitte aus diesem und dem folgenden Stadium wird es ganz klar, dass die Verdickung der unteren Keimschichte allmählich verschwindet, während sie sich immer mehr vom hintern Rande der Mittelscheibe entfernt, während die untere Keimschichte immer mehr blattartig zusammenhängend wird, und während alle ihre Zellen den Charakter der platten- respective spindelförmigen Entodermzellen annehmen. Schon im II. Stadium kann man an manchen Keimen diese letztere Zusammensetzung der unteren Keimschichte beobachten (s. Fig. 8 Taf. XI), also zu einer Zeit, wo die Mesodermbildung noch nicht stattgefunden hat; ferner findet man noch Reste der Entodermver- diekung an Keimscheiben, an denen man zu gleicher Zeit sehen kann, dass das Mesoderm in anderer Weise entsteht. Eine andere Form des II. Stadiums stellt der Medianschnitt in Fig. 5 Taf. X dar. Die Verhältnisse des Ektoderms gleichen denen in Fig. 4, nur ist die Sichelrinne (SR) bereits in Bildung 1) Vgl. Fig.-12 Taf. XI und Fig. 17 Taf. X. 2) Siehe Figur 3, 4, 4A der lithogr. Tafel loco eitato. Untersuchungen über die Blätterbildung im Hühnerkeim. 191 begriffen; der untere Contour des Ektoderm ist gerade an dieser Stelle weniger glatt als in den übrigen Theilen, es macht den Ein- druck, als sollten die Zellen proliferiren. Von der unteren Keim- schiehte bilden die untersten Zellen im Bereiehe der Keimhöhle eine einschichtige zusammenhängende Lage (uZ) und sind im Be- sriffe, jene Plattenform anzunehmen, deren Querschnitt spindel- förmig erscheint und die für das Entoderm die eigenthümliche ist. Im vordersten Theile der Mittelscheibe verlieren die Zellen diesen Charakter, die Lage wird unzusammenhängend und zeigt eine Lücke. Auch hinten, wo diese Lage in die Sichel übergeht, hören ihre Zellen auf, spindelförmig zu erscheinen, und die Zellanhäufung der Sichel selbst besteht aus rundlichen Zellen, unter denen sich noch srössere granulirte Elemente finden. Zwischen der unteren Spindel- zellenlage (uZ) und dem als solches deutlich charakterisirten Ekto- derm (Ek) sieht man eine Anzahl grösserer und kleinerer Zellen (iZ) von meist rundlicher Form; manchmal zeigt auch ein Theil dieser Zellen Uebergänge zur Plattenform und mehrere derartige Zellen sind wie zu kurzen Schnürchen aneinandergereiht. Haben wir nicht ein Recht mit His, der jedenfalls ähnliche Bilder gesehen hat, diese „intermediären Zellen“ für Mesodermzellen zu erklären? Diesen „intermediären Zellen“ kommt ja das Krite- rium der Mesodermzellen zu, dass sie zwischen einem aus Cylinder- zellen bestehenden einschichtigem Ektoderm und einem aus Platten- zellen bestehenden einschichtigem Entoderm liegen. Und doch halte ich diese Zellen nieht für Mesodermzellen; ich habe für diese Annahme zwei Gründe: Einmal beziehe ich mich auf die schon oben erwähnten Keimscheiben aus diesem Stadium, deren Entoderm im Bereich der Keimhöhle blattartig zusammenhängend, grössten- theils einschichtig und aus Spindelzellen bestehend erscheint, ohne dass intermediäre Zellen vorhanden wären; dabei weist die aus- geprägte Form der Entodermzellen auf eine höhere Entwicklungs- stufe hin. — Zweitens werde ich zeigen, dass das Mesoderm an einem andern Orte entsteht, dass es nur in geschlossener Masse in die Mittelscheibe vorrückt und dass zur Zeit, wo es daselbst erscheint, keine Spur der intermediären Zellen mehr vorhanden ist. Ich glaube nun, dass diese „intermediären Zellen“ früher oder später in die Bildung des Entoderm eingehen — einen wesentlichen Antheil an der Bildung des Mesoderm haben sie gewiss nicht. Eine andere Varietät des II. Stadiums stellt der Medianschnitt 192 Carl Koller: Fig. 6 Taf. X dar. Das Ektoderm (Ek) ist im Allgemeinen dünn und zeigt auch in der Gegend der Sichel (S) keine besondere Ver- diekung; von der Sichelrinne ist noch keine Spur vorhanden. Die untere Keimsichte (En) ist im Bereich der Mittelseheibe ein dünnes zusammenhängendes Blatt, das allerdings stellenweise zwei Zell- lagen übereinander aufweist; seine Zellen sind noch rundlich. Keimscheiben von dieser Zusammensetzung lassen schon im Flächen- bilde keinen deutlichen Embryonalschild erkennen, statt dessen eine schwache Trübung der ganzen area pellueida; ich bin der Meinung, dass sie ohne Vermittlung eines Embryonalschildes ein einschichtiges Entoderm bilden und dass sie, schon bevor dasselbe zusammenhängend wird, ein relativ bedeutendes Flächenwachsthum hinter sich haben; das schien mir die geringe Dicke zu erklären, die sie bei einer ziemlich bedeutenden Flächenausdehnung zeigen; die absoluten Grössenverhältnisse können nicht viel Aufschluss dar- über geben, da ja schon die unbebrüteten Keimscheiben in ihren Flächen- und Dickendimensionen nicht unbeträchtlich variiren. In dem Fig. 8 Taf. XI abgebildeten Keime ist eine so tiefe Siehelrinne (SR) vorhanden, wie sie nicht häufig in diesem Stadium angetroffen wird; es ist der Keim aber auch sonst recht entwickelt. Das Entoderm (En) ist eine im Bereich der Keimhöhle blattartig zusammenhängende im ganzen einschichtige Lage; nur in der Mitte (Env) ist noch ein geringer Rest der Entodermverdiekung vor- handen. Die Zellen zeigen Uebergangsformen zu den platten Spindeln späterer Stadien; gegen das vordere Ende der Keimhöhle geben sie diese Form auf und werden rundlich, das Entoderm zeigt daselbst Lücken. Durch den letzteren Keim dürfte ein Theil des Beweises erbracht sein, dass die untere Keimschichte im Bereiche der Mittel- scheibe kein Mesoderm bildet. Schon Peremeschko muss ähnliche Keime wie die zwei letztbeschriebenen gekannt haben, denn er hat es mit grosser Be- stimmtheit ausgesprochen, dass die zwei primären Keimschichten in der Bildung von Ektoderm und Entoderm aufgehen, und weil er die Mesodermbildung aus keiner der vorhandenen Schichten ab- leiten konnte, hat er die bekannte Hypothese von der Einwanderung der grossen grobgranulirten Kugeln zur Hülfe genommen. Auch Kölliker scheint diese Bilder vor Augen gehabt zu haben; auf seine Erklärung von der Entstehung des mittleren Blattes werde ich gelegentlich zurückkommen. Br re Tee Me De ee re En ER En Untersuchungen über die Blätterbildung im Hühnerkeim. 193 III. Stadium. Das Resultat des II. Stadiums war die Umbildung der zwei primären Keimschichten im Ektoderm und Entoderm und das Auf- treten einer kurzen Rinne an der hinteren Grenze der area pellu- eida und area opaca. Im III. Stadium beginnt die Bildung des Primitivstreifens. Im Flächenbilde!) dieses Stadiums tritt der Sichelknopf, der mittlere Theil der Sichel besonders stark kervor, er scheint über die obere Fläche der Keimscheibe zu prominiren; die Sichelrinne ist gleichfalls deutlich sichtbar. Vom Sichel- knopf geht nach vorn ein kurzer weisser Fortsatz aus, die Anlage des Primitivstreifens; daran schliesst sich der nun kleiner gewordene Embryonalschild mit ie nach vorn runder Begrenzung, nach hinten gegen den Sichel- knopf spitz verlaufend. Wegen Schema des Flächenbildes im II. Stadium. a.0. area Oopaca; a.p. area pellucida; E.S.Embryonalschild ;S.K.Sichelknopf; BR) Sichelrinne: der dadurch entstehenden spatel- mm Medianlinie, zugleich Schnitt- förmigen Figur habe ich dieses richtung der Fig. 9 Taf. XI; Stadium „das Stadium des spatel- ll Richtung eines lateralen Längs- förmigen Embryonalschilds“ ge- schnittes. nannt. Figur 9 Taf. XI ist das Bild eines Medianschnittes durch einen Keim dieser Entwicklungsstufe. — Daran ist Folgendes zu beachten: die Zellen des Ektoderm (Ek), die nun an Chromsäurebildern und bei Vergrösserungen von etwa 100 linear kaum eine Granulation er- kennen lassen, nehmen vom vorderen Ende des Keimes (v) bis in die Gegend der Sichel stetig an Höhe zu; an dieser Stelle verschwindet der untere Contour des Ektoderms in einer Zellenmasse (M), die in der Umgebung der tiefen Sichelrinne (SR) fest mit dem Ektoderm 1) Siehe Fig. 3 der lithogr. Tafel loco citato. Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 20. 13 194 Carl Koller: verbunden ist. Hinter dieser Zellenmasse, im Gebiet des hintern Keimrings, erscheint der untere Contour des Ektoderms wieder, während seine Zellen gegen das hintere Ende des Keimes (h) rasch an Höhe abnehmen. — Das Entoderm (En) ist im Bereich der Keimhöhle ein zusammenhängendes, an den meisten Stellen einschichtiges Blatt, aus Spindelzellen bestehend; in der Mitte sind noch Reste der Entodermverdickung (Env) wahrnehmbar. In der Gegend der besprochenen Zellenmasse (M) setzt sich das Entoderm scheinbar in deren unterste Lage fort; diese letztere scheint im Begriffe die Zellform des Entoderm anzunehmen, ist aber durch keinen scharfen Contour von der übrigen Zellenmasse abzugrenzen. Der hintere Randwulst bietet, abgesehen davon, dass er auch jetzt mächtiger ist als der vordere, nichts bemerkenswerthes dar; eine scharfe Grenze zwischen den Zellen des Randwulstes und jenen der vor ihm liegenden Zellenmasse in der Umgebung der Sichel- rinne ist nicht wahrzunehmen. Die Zellen derselben erscheinen relativ klein und lassen die Kerne scharf hervortreten: das Ganze macht den Eindruck, als ob in der Gegend der Sichelrinne eine lebhafte Zelltheilung und Wucherung stattgefunden hätte. Bilder wie das eben beschriebene liefern auch Längsschnitte, die nahe an die Medianlinie fallen, also auch durch den Sichel- knopf gehen. Mehr seitliche Schnitte (wie sie etwa der Linie ll im Schema des III. Stadiums entsprechen würden) zeigen den unteren Contour des Ektoderm auch in der Gegend der Sichel wohl erhalten; die Zellen des Entoderm hören daselbst auf, die ihnen im Bereiche der Keimhöhle eigenthümliche Form zu zeigen, so dass das Spindelzellenblatt an der hinteren Grenze der Keim- höhle in einem kleinen Haufen von rundlichen Zellen zu endigen scheint (wie es etwa in Fig. 5 Taf. X der Fall ist). In anderen Fällen setzt sich das Spindelzellenblatt an dieser Stelle in die unterste Zellreihe jenes Haufens fort, die zusammenhängend er- scheint, so dass zwischen ihr und dem Ektoderm eine Anzahl von rundlichen Zellen eingeschlossen liegen. An Querschnitten dieses Stadiums aus dem Bereiche der Keimhöhle ist nichts zu lernen, was nicht durch die Verhältnisse der Längsschnitte ohnehin klar wäre. — Uebersichtliche Quer- schnitte durch den Sichelknopf sind wegen der eigenthümlichen Lage desselben und wegen des Vorhandenseins der tiefen Sichel- rinne kaum zu erhalten. Untersuchungen über die Blätterbildung im Hühnerkeim. 195 Das Resultat des III. Stadiums ist somit das Verschwinden des Contours der oberen Keimschichte an der Stelle des Sichel- knopfs und das Auftreten eines compacten Zellenklumpens an der nämlichen Stelle. Dieser Zellenklumpen ist die Anlage des Primitivstreifens. Dass bei der Entstehung jenes Zellenklumpens die obere Keim- sehichte betheiligt ist, dürfte wohl ausser Zweifel sein; die vorher- gängige Einsenkung derselben und das Verschwinden ihres unteren Contours spricht deutlich dafür. Aber auch die Theilnahme der unteren Keimschichte an diesem Vorgange wird durch einige Gründe wahrscheinlich gemacht: Erstens war in den früheren Sta- dien an der betreffenden Stelle eine Zellansammlung der unteren Keimschiehte vorhanden, von der es keineswegs klar war, dass sie nur Entodermelemente enthalte; und zweitens haben sich da- selbst auch in diesem Stadium die untersten Zellen noch nicht vollkommen zu Entodermzellen differenzirt. — Wenn ich also vor- hin gesagt habe, dass die obere Keimschichte zum Ektoderm, die untere zum Entoderm wird, so muss ich diesen Ausspruch nun dahin einschränken, dass an der Stelle des Sichelknopfs die obere Keimschichte, wahrscheinlich mit Hülfe der unteren, das Mesoderm bildet. Für das Entoderm wird sich noch eine weitere Einschrän- kung ergeben. IV. Stadium. Im diesem Stadium sieht man am Flächenbilde !) den Primitiv- streifen als einen kurzen dreieckigen Streifen, der nach vorn spitz ausläuft und mit seinem hinteren breiten Ende ?) (dem Sichelknopf) der Sichel aufsitzt. Eine Primitivrinne ist noch nicht vorhanden; 1) Siehe Figur 4 und 4A der lithogr. Tafel loco citato. 2) Dass der Sichelknopf in Verbindung mit dem Primitivstreifen als dessen verbreitertes hinteres Ende schon Reichert und Dursy bekannt war, habe ich schon bei der Beschreibung der Flächenbilder erwähnt; ich hätte noch nachzutragen, dass auch His (Archiv f. Anat. und Entw. 1877 S. 130) und Rauber (Morpholog. Jahrb. II. Taf. XXXVIH Fig. 14) den Primitiv- streifen dieses Stadiums naturgetreu abgebildet haben; Rauber nennt das hintere Ende „die Randplatte des Primitivstreifens“, 196 Carl Koller: das vordere Ende des Primitivstreifens wird von einem Rest des Embryonalschilds umgeben. Schema des Flächenbildes im IV. Stadium. In Fig.10 Taf. XI > ist ein Median- jet _a.0 schnitt dieses ji a ap Stadiums abge- ES. bildet. Das Ento- Ba derm (En) ist im TEE, L tb 7 7777717177 VBereiehatseider Tr It — ” ge 7 Keimhöhle ein * hi DIN0r/ einschichtiges ee wohl ausgebil- .i detes Spindelzel- lenblatt; an der m hinterstenGrenze 2.0, a.p, E.S, S.R, haben dieselbe Bedeutung wie n der Keimhöhle den vorigen Figuren. endigt es auf mm Medianlinie, zugleich Schnittrichtung der Fig. 10 dc Bode Taf. XI. 49, g’g‘, q’gq” Schnittrichtung der in Fig. 11, IDEE selben (En B). Im Taf. XI abgebildeten Schnitte. vorliegenden ll wäre die Richtung eines lateralen Längsschnittes. Präparate reicht es vorn bis an das vordere Ende der Keimhöhle; sehr häufig aber zeigt es daselbst eine Lücke und seine vordersten Zellen verlieren die Platten- respective Spindelform. Das Ektoderm (Ek) verhält sich bis etwa zum hinteren Dritttheil der Keimhöhle wie im vorigen Stadium; von da an aber hört sein unterer Contour auf und es verschmilzt untrennbar mit einer compacten Zellenmasse (P.S), die nach hinten dieker werdend, in der Gegend der Sichelrinne (S.R) ihre grösste Dicke erreicht. Eine kurze Strecke hinter der Sichel- rinne tritt der untere Contour des Ektoderm wieder auf. Im Be- reich dieser Zellenmasse, die der Durchschnitt des jungen Primi- tivstreifens ist, liegt das Entoderm derselben enge an, ist aber leicht von ihr abzugrenzen. Wo der hintere Randwulst des Ento- derm und die Zellenmasse des Primitivstreifens aneinanderstossen, lässt allerdings das compacte Gefüge des letzteren sich von dem mehr lockeren des Randwulstes unterscheiden, eine scharfe Grenze existirt aber nicht. — Die Sichelrinne (S.R), ist jetzt sehr seicht geworden. Mehr seitliche Schnitte, die den Primitivstreifen noch treffen, er EL 4 A a ee u u u nn m 2 ZU u 2 ee ee eu ei. ee ee ee Untersuchungen über die Blätterbildung im Hühnerkeim. 197 zeigen im Ganzen dieselben Verhältnisse; nur ist es von vornherein angesichts der nach vorn sich verjüngenden Gestalt des Primitiv- streifens klar, dass die Durchschnitte desselben desto kürzer aus- fallen, je weiter der Schnitt nach aussen fällt (vergl. das Schema des IV. Stadiums). An lateralen Sehnitten (etwa derLinie ll im Schema Seite 196 entsprechend) ist im Bereiche der Mittelscheibe nur das einschich- tige Ektoderm und das einschichtige Entoderm zu sehen, welches hinten ebenso wie in Fig. 10 am Boden der Keimhöhle als Spindel- zellenblatt sein Ende hat. An dieser Stelle aber, also dort, wo in früheren Stadien die Zellanhäufung der Sichel angetroffen wurde, sind zwischen Ektoderm und Entoderm bei vollkommen er- haltenen Contouren beider Blätter constant einige runde Zellen zu sehen, welche ohne Grenze in die Zellen des Randwulstes über- gehen und über deren Herkunft ich nichts Bestimmtes auszusagen weiss. Indessen wird es mir gestattet sein, jene Umstände nam- haft zu machen, die meiner Meinung nach hier in Betracht kommen: An dieser Stelle war in früheren Stadien ein Haufe rundlicher Zellen vorhanden; nun findet man daselbst eine untere nun auch differenzirte Lage und darüber, respective zwischen Ektoderm und Entoderm, die eben besprochenen Zellen. Es wäre somit folgende Deutung möglich: diese Zellen, die ein Continuum des Mesoderms im Sichelknopf bilden, sind Mesodermzellen; während im Sichel- knopf die Zellen der Sichelanhäufung an der vom Ektoderm ein- geleiteten Wucherung theilnehmen, um den Primitivstreifen anzu- legen, werden in den Seitentheilen der Sichel durch Differenzirung der untersten Zellen von den darüber liegenden von vornherein freie, das heisst nicht mit dem Ektoderm verschmolzene Mesoderm- zellen gebildet. — Will man diese Deutung nicht acceptiren, so könnte man der Meinung Raum geben, dass diese Zellen aus dem Randwulst stammen, was sich schliesslich vom ersten Fall nicht wesentlich unterscheiden würde; der eine wie der andere Fall involvirte die Annahme, dass dieser Theil des Mesoderms aus der untern Keimschicht entsteht. Eine dritte Lösung, die ich allerdings nicht favorisire, wäre die, dass jene Mesodermzellen von dem im Sichelknopf entstandenen Mesoderm stammen. Den Satz, dass die untere Keimschichte zum Entoderm wird, müsste man den ersten zwei Fällen gemäss dahin einschränken, 198 Carl Koller: dass die untere Keimschichte in der Sichel auch einen Theil des Mesoderm erzeugt. Für die Bildung des übrigen Mesoderm kommt dies übrigens nur in sehr geringem Maasse in Betracht; die weitaus überwiegende Masse des Mesoderm entsteht auf andere Weise. Querschnitte dieses Stadiums sind ausserordentlich lehrreich. Der Querschnitt Fig. 11 Taf. XI fällt vor den Primitivstreifen. Zwischen Ektoderm und Entoderm ist kein Mesoderm wahrzuneh- men; das Ektoderm verdickt sich von beiden Seiten gegen die Mitte zu allmählich. Fig. 12 Taf. XI ist das Bild eines Querschnittes, der derselben Keimscheibe angehört wie Fig. 11 und Fig. 13, und der den Pri- mitivstreifen etwa in seinem Mittelstück trifft. Der Primitivstreifen (P.S.) erscheint auf dem Querschnitt als eine dem Ektoderm fest anhaftende Zellenmasse; die Zellen des Ektoderm sind an der be- treffenden Stelle radiär gestellt, von einem untern Contour des Ektoderm ist daselbst keine Spur vorhanden. Das einschichtige Entoderm geht glatt unter dem Primitivstreifen hinweg. Freies, das heisst vom Ektoderm losgelöstes Mesoderm ist nirgends zu sehen. Solch ein Querschnitt erzeugt den Eindruck, als wäre der Primitivstreifen nur eine in loco entstandene Wucherung des Ekto- derm; zu dieser Auffassung gibt auch der Umstand Veranlassung, dass schon in früheren Stadien das Ektoderm gegen die Median- linie hin verdickt erscheint (vergl. Fig. 7 Taf. XI), wie bereits er- wähnt wurde. In der That hat Kölliker, der ebenso wie Pe- remeschko erkannt hat, dass die primären Keimschichten vorerst in der Bildung von Ektoderm und Entoderm aufgehen, gestützt auf ähnliche Bilder jene Annahme gemacht. Der in Fig. 13 Taf. XI abgebildete Querschnitt ist aus dem hintern Ende des Primitivstreifens und dürfte der Lnieq’ q im Schema dieses Stadiums auf Seite 196 entsprechen. Der Querschnitt des Primitivstreifens ist breiter als im vorigen Bilde, auch sieht man einige Mesodermzellen (F.M.) die nicht der compaceten Masse des Primitivstreifens angehören. Das Entoderm zeigt nicht die deutliche Differenzirung wie in den zwei vorigen Schnitten. Da wir an Schnitten des IV. Stadiums keine Entodermver- diekung mehr antreffen, so muss man den am vordern Ende des Primitivstreifens im Flächenbilde noch vorhandenen Rest des Em- bryonalschilds auf Rechnung der Ektodermverdickung setzen. ae See. ee Zuale. c Seeseeiieee ee ee ee ee a Untersuchungen über die Blätterbildung im Hühnerkeim. 199 Im IV. Stadium besteht also der Keim aus einem einschich- tigen Ektoderm und einem im Bereich der Keimhöhle einschich- tigen Entoderm; mit dem ersteren ist im hintern Theile der Längs- axe der area pellucida eine nach vorn sich verjüngende Mesoderm- masse fest verwachsen; an der hinteren Grenze von Mittelscheibe und Ringgebiet, den Seitentheilen der Sichel entsprechend, ist etwas freies Mesoderm vorhanden. V. Stadium. Der Primitivstrei- fen nimmt im Flä- chenbilde !) dieses Sta- diums ?/; bis ®/ı vom Längsdurchmesser der area pellueida ein. Sein vorderes und sein hinteres Ende sind breiter als sein Mittel- stück. Sowohl am frischen als am gehär- teten Keime ist deut- lich zu erkennen, dass eine Rinne, die weder das vordere noch das hintere Ende erreicht, den Primitivstreifen in Schema des Flächenbildes im V. Stadium. 2.0.,2.p.,P. S. haben dieselbe Bedeutung wie in den früheren Figuren. zwei seitliche Hälften G H Grenzrinne von His; S K Sichelknopf, S scheidet; dies ist die Rest der Sichel. Primitivrinnee Vom m m Medianlinie, entspricht der Schnittrichtung hintern Ende des Pri- der Fig. 14, 11 der Fig. 15 Taf. XI, qq, mitivstreifens, dem q’ q‘, qq“ den Fig. 16, 17, 18 Taf. XI. früheren Sichelknopf, geht der hintern Grenze der area pellucida folgend jederseits ein kurzer bogenförmiger Schenkel aus, die Reste der Sichel. Die Sichelrinne ist nicht mehr sichtbar. Das vordere Ende des Primi- 1) Siehe Fig. 5 der lithogr. Tafel loco citato, 200 Carl Koller: tivstreifens wird in einigem Abstande von einer halbkreisförmigen Rinne umgeben, die auch oft schon im IV. Stadium zu sehen ist, der Grenzrinne von His. Der Embryonalschild ist verschwunden; eine schmale saumförmige Trübung hart den Grenzen des Primi- tivstreifens folgend ist die Kölliker’sche „Randzone des Primi- tivstreifens“. Der Medianschnitt Fig. 14 unterscheidet sich von dem des vorigen Stadiums in Fig. 10 in folgenden Punkten: 1) Hat die Länge des Primitivstreifens (P. S.) im Verhältniss zum Längsdurch- messer der Keimhöhle bedeutend zugenommen; 2) ist am vorderen und am hinteren Ende des Primitivstreifens etwas freies Mesoderm (S.M) vorhanden; 3) die Dicke des Primitivstreifens erscheint ge- ringer; 4) im vorderen Ende des Primitivstreifens ist eine geringe Einsenkung (EPR) zu sehen, der Durchschnitt einer an dieser Stelle gelegenen Erweiterung der Primitivrinne; 5) die Sichelrinne ist nicht mehr vorhanden; 6) in einiger Entfernung vom vorderen Ende des Primitivstreifens sieht man den Durchschnitt der Grenz- rinne von His (GH). Das Entoderm liegt dem Primitivstreifen enge an; seine Zellen sind sehr platt; auch die des Ektoderm sind niedrig. Fig. 15 ist das Bild eines Längsschnittes, der etwas seitwärts von der Medianlinie das vordere und das hintere Ende, nicht da- gegen das Mittelstück trifft (entsprechend der Linie 11 im Schema des V. Stad. Seite 199). In Folge dessen erscheint an den ent- sprechenden Stellen (v P Sund SK) das Mesoderm mit dem Ekto- derm verwachsen; zwischen diesen beiden Stellen ist freies Meso- derm (S. M.) vorhanden, der untere Contour des Ektoderm also er- halten. Die übrigen Verhältnisse sind denen des Medianschnittes identisch. Noch mehr seitliche Längsschnitte, die aber noch immer sehr nahe an den Primitivstreifen fallen, zeigen entsprechend dem Orte, wo an Medianschnitten der Primitivstreifen zu sehen ist, freies Mesoderm. An Schnitten, die sich noch mehr von der Mittellinie entfernen, ist im Bereiche der area pellueida nur das aus sehr niedrigen Cylinderzellen bestehende Ektoderm, und das aus sehr platten Spindelzellen zusammengesetzte Entoderm zu sehen; an der Stelle der Sichel finden sich einige freie Mesodermzellen. Weiter nach aussen auch diese nicht mehr. Fig. 16, 17 und 18 Taf. XIl sind drei Querschnitte einer Keim- Untersuchungen über die Blätterbildung im Hühnerkeim. 201 scheibe aus diesem Stadium; sie entsprechen den Linien q4, q’q‘ und q“q“ im Schema Seite 199. Der Schnitt in Fig. 16, der vor den Primitivstreifen fällt, enthält nur Ektoderm und Entoderm, im ganzen Bereich des Durchschnittes ist kein Mesoderm zu sehen; die bogenförmige Grenzrinne von His istzweimal getroffen (G.H). Im inneren Theile der area opaca ruht das Ektoderm dem Dotter unmittelbar auf. Der Querschnitt Fig. 17 trifft das Mittelstück des Primitiv- streifens. Im Centrum des Schnittes ist eine Einsenkung des Ekto- derm vorhanden (P.R), unterhalb deren das Ektoderm mit dem Me- soderm ohne auffindbare Grenze verschmolzen ist (P. S); die Ein- senkung ist der Querschnitt der Primitivrinne, die Verbindung von Ektoderm und Mesoderm der Primitivstreifen. Zu beiden Seiten des Primitivstreifens sieht man mit dem Mesoderm desselben zu- . sammenhängend je eine Platte freien Mesoderms (S.M); diese Platten stellen die noch schmalen Seitentheile des mittleren Keim- blattes dar; im Flächenbilde finden dieselben in der Kölliker- schen „Randzone des Primitivstreifens“ ihren Ausdruck. Das aus ganz platten Zellen bestehende Entoderm liegt dem Mesoderm be- sonders in der Gegend des Primitivstreifens enge an. Am Rande der Keimhöhle endigt das Entoderm, soweit es aus Spindelzellen besteht, an der Spitze eines im Querschnitte keilförmigen Dotter- stücks (D. K), das vom übrigen Dotter losgelöst erscheint; diesem Dotterstück ruht das Ektoderm unmittelbar auf. Im peripheren Theile der area opaca ist der Rest des Randwulst sehr verschmäch- tigt zu sehen. Weiter nach vorn rangirende Qnerschnitte zeigen die Primi- tivrinne breiter, nach hinten nimmt sie immer mehr die Gestalt eines senkrechten Spaltes an, der sich etwas vor dem hintern Ende des Primitivstreifens allmählich verliert. Der Querschnitt Fig. 18 trifft den Primitivstreifen in seinem . hinteren Ende; abgesehen davon, dass die Verwachsung von Ekto- derm und Mesoderm viel breiter ist, als in dem vorher beschrie- ‚benen Schnitte, dass auch die Seitentheile des Mesoderm ($.M) breiter erscheinen und dass an Stelle der Primitivrinne nur eine kaum merkliche, seichte Einsenkung (E. P. R) vorhanden ist, weichen die Verhältnisse von denen mehr nach vorn gelegener Querschnitte nicht wesentlich ab, 202 Carl Koller: Fig. 19 Taf. XII ist die Abbildung eines Querschnitts, der einer Keimscheibe entnommen wurde, welche sich ungefähr am Ende des ersten Brüttages befand und bereits einen Kopffortsatz des Primi- tivstreifens zeigte. Der Schnitt geht durch das Mittelstück des Primitivstreifens. Die Medullarwülste (M W) beginnen sich zu beiden Seiten des Primitivstreifens zu erheben. Die Seitentheile des Me- soderm (S.M) reichen bereits in das Gebiet der area opaca. Wenn wir nun auf die Mesodermentwicklung im Hühnerei einen Rückblick werfen wollen, so haben wir zu untersuchen, wie sich aus dem Sichelknopf des III. Stadiums, den wir als die An- lage des Primitivstreifens und zugleich des Mesoderms bezeichneten, jener Zustand des Primitivstreifens und des Mesoderms entwickelt . hat, wie wir ihn an Keimen des V. Stadiums und an älteren an- treffen. Ich habe bereits meines früheren Nachweises Erwähnung ge- than, dass im Flächenbilde der Primitivstreifen zu allererst als ganz kurzer Fortsatz des Sichelknopfs erscheint und allmählich gegen das Centrum der area pellueida und darüber hinaus sich verlängert. Vergleichen wir angesichts dieser Thatsache die Me- dianschnitte des IIl., IV. und V. Stadiums, so ergiebt sich aus dieser Vergleichung das nämliche Resultat: der Primitivstreifen wird nach vorn zu immer länger. Bei dem vollkommenen Mangel aller Umstände, die darauf hinweisen könnten, dass sich dem Pri- mitivstreifen irgend welche zwischen Ektoderm und Entoderm vor- handene Elemente aggregiren, um ihn zu verlängern, kann diese Längezunahme nur auf zweifache Weise erklärt werden. Entweder: jene Wucherung des Ektoderm, die im III. Stadium in der Um- gebung der Sichelrinne stattgefunden hat, setzt sich am vorderen Ende des Sichelknopf fort und verlängert so den Primitivstreifen; dabei müsste man noch die etwas unwahrscheinliche Annahme machen, dass diese Wucherung entsprechend der allmählichen Längenzunahme des Primitivstreifens nach und nach von den hin- teren auf die vorderen Ektodermtheile in der Längsaxe übergreift. Oder: der mit dem Ektoderm verschmolzene Zellenklumpen im Sichelknopf des III. Stadiums streckt sich in die Länge und erzeugt durch einfaches axiales Wachsthum den Primitivstreifen des V. EA Untersuchungen über die Blätterbildung im Hühnerkeim. 203 Stadiums. Diese letztere Annahme wird durch mehrere Umstände sehr wahrscheinlich gemacht. 1) Wird die Dicke des Primitiv- streifens während seines Längenwachsthums geringer; 2) wird die Sichelrinne während dessen immer seichter und verschwindet schliesslich vollständig; 3) tritt die Grenzrinne von His auf. Es ist plausibel anzunehmen, dass der sich nach vorn verlängernde Primitivstreifen das vor ihm befindliche Ektoderm der area pellueida vor sich hertreibt, und dass bei dem geringen gleichzeitigen Flä- chenwachsthum des Keimes ein Ueberschuss von Ektoderm ent- steht, der in einer bogenförmigen Rinne seine Ausgleichung findet; dazu stimmt auch der Umstand, dass diese bogenförmige Rinne ungefähr im vorderen Ende des Primitivstreifens ihr Centrum hat. Was die Seitentheile des Mesoderm anbelangt, so ist ihre Bildungsweise ganz unzweideutig. Im IV. Stadium war noch nichts von ihnen vorhanden; im Längsschnitte des V. Stadium fanden wir am vorderen und ebenso am hinteren Ende des Primitivstrei- fens einen kurzen Fortsatz von freiem Mesoderm, an Querschnitten desselben Stadiums beiderseits vom Primitivstreifen eine freie Me- sodermplatte. Das Vorrücken der Seitentheile des mittleren Keim- blattes gegen die Peripherie bis in die area opaca hinein lässt sich Sehritt für Schritt weiter verfolgen. Der Satz den Kölliker zu- erst mit grosser Bestimmtheit aufgestellt hat, dass die Seitentheile des Mesoderm aus dem Primitivstreifen herauswachsen und sich zwischen Ektoderm und Entoderm gegen die Peripherie hin aus- breiten, findet somit seine vollinhaltliche Bestätigung. Die Resultate meiner Untersuchung lauten wie folgt: 1) Die obere Keimschichte wird zum Ektoderm, die untere zum Entoderm; davon macht die obere Keimschichte mit einer umschriebenen Stelle, dem Sichelknopf, die untere Keimschichte wahrscheinlich mit einer schmalen Zone am hinteren Rande der area pellueida, der Sichel, eine Ausnahme. 2) Die Anlage des Primitivstreifens und somit des Me- soderms entsteht in Folge einer Wucherung des Ektoderm, welche inder Umgebung einer Rinne (der Sichelrinne) am hintern Längsaxenende der area pellueida auftritt. Die Theilnahme der unteren Keim- schiehte an dieser Wucherung ist sehr wahrscheinlich gemacht, aber nicht sicher festgestellt worden. 3) Aus dieser Anlage entsteht der Primitivstreifen 204 Carl Koller: durch einfaches Längenwachsthum; die Seiten- theile des Mesoderm wachsen vom Primitivstreifen aus zwischen Ektoderm und Entoderm hinein. In meiner ersten Abhandlung, in welcher ich eine Reihe von Flächenbildern der Keimscheibe näher beschrieb, habe ich gestützt auf vielfache Analogieen den Sichelknopf, die erste Anlage des Primitivstreifens, mit der Schwanzknospe des Forellenkeims ver- glichen. Gleichwohl sind wir noch nicht im Stande für die Blätter- bildung im Ei der Vögel und dem der Knochenfische nähere Be- ziehungen namhaft zu machen. Hätte ich damals die Arbeit von Kupffer und Benecke: „Die ersten Entwicklungsvorgänge im Ei der Reptilien, Königsberg 1878“ gekannt, so wäre mir ein an- derer Vergleich viel näher gelegen, der bei weitem zutreffender ist. Die Umstände, unter denen sich die Bildung der Keimblätter bei den Reptilien vollzieht, stimmen so sehr bis in die meisten Details mit den eben beschriebenen Vorgängen im Hühnerei über- ein, dass man die Darstellung von Kupffer und Benecke bei- nahe vollinhaltlich auf das Hühnerei anwenden könnte; ja die Aehnlichkeit erstreckt sich so weit, dass ich in jener ersten Ab- handlung einzelnen Bildungen des Hühnerkeims dieselben Namen, die Kupffer und Benecke auf analoge Bildungen des Eidechsen- eis angewendet hatten, zutheilte, ohne von der Arbeit der genannten Autoren eine Kenntniss zu haben. Unter diesen Umständen muss ich betonen, dass auch die vorliegenden Untersuchungen im Herbst des vorigen Jahres vollkommen abgeschlossen waren, ehe die am hiesigen Platze nicht zugängliche Abhandlung Kupffer und Be- neckes mir in die Hände kam!). Wenn auch die von mir ge- wonnenen Resultate an Werth verlieren mussten, die Bestätigung ihrer Richtigkeit durch ähnliche Ergebnisse bei einer verwandten Thierklasse konnte für mich nur erfreulich sein. K. und B. unterscheiden an der Keimscheibe des Eidechsen- eies eine area pellueida und den ringförmigen Randwulst; das Ento- 1) Die genannte Abhandlung habe ich mir erst Anfang Januar 1881 durch Vermittlung der Wiener Universitäts-Bibliothek von der Königsberger Universitäts-Bibliothek zur Einsicht verschafft. u a ne nn es Untersuchungen über die Blätterbildung im Hühnerkeim. 205 derm entsteht nach ihnen allerdings durch freie Zellbildung aus der Rindenschichte des Dotters. Ungefähr in der Mitte der area pellueida tritt der Embryonalschild auf. „Die Verdiekung des „Embryonalschilds beruht darauf, dass die vorher platten Zellen „des Ektoderm in dieser Region eylindrisch werden, aber ein- „schiehtig bleiben“. Nahe dem hinteren Ende der Längsaxe des Embryonalschild, aber noch im Bereich desselben, entsteht eine ventralwärts und schräg nach vorn gerichtete blindsackartige Ein- stülpung des Ektoderm, die das schon vorhandene Entoderm vor sich her drängt. Die Eingangsöffnung dieses Blindsackes ist das Ende des künftigen Embryo. Diese Einstülpung des Ektoderm, welche dem Orte nach und auch durch ihre Bedeutung für die Mesodermbildung der Sichelrinne im Hühnerkeim analog ist, wird von den Autoren als Gastrulahöhle, der Rand ihrer Eingangsöffnung als Urmund im Sinne der Häckel’schen Gastrulatheorie gedeutet. „Die nächste Umgebung der Einstülpungsöffnung verdickt „sich derart, dass dieselbe sich sowohl über das Niveau des Blas- „toderma erhebt, als auch nach unten gegen den Dotter knopf- „artig vorspringt. An der abgelösten Keimhaut sieht man bei „durchfallendem Licht diese Wulstung als dunkle Partie, an der „man einen hinteren sichelförmigen Abschnitt und einen „Knopf davor unterscheidet. Die Sichel umgreift hinten den „Gastrulamund, ragt aber seitlich mit beiden Hörnern merklich „hinaus, der Knopf enthält im Innern den eingestülpten Blindsack „der Gastrula“. Das Mesoderm entsteht nun im Umschlagsrande der Ein- stülpungsöffnung („dem Gastrulamunde‘“) und entlang den Wandun- gen des Blindsackes durch eine Wucherung des Ektoderm, wobei sich das Entoderm nicht betheiligen soll. Am Mesoderm unterscheiden die Autoren drei Theile: „l) den Theil, der ent- „sprechend der hinteren Grenze des Embryonalschild sich vom „Gastrulamunde beiderseitig lateralwärts erstreckt, 2) eine Platte, „die von demselben Ausgangspunkte als mediane Zone nach vorn „wächst, die Axenplatte des Mesoderm, 3) das dem eingestülpten „Blindsacke selbst zukommende Mesoderm“. Die Axenplatte ist Anfangs nur lose mit dem Ektoderm ver- bunden, später verschmilzt sie in der Medianlinie ihrer ganzen Länge nach mit demselben. Dass die rings um die Einstülpung stattfindende Wucherung 206 Carl Koller: jener im Siehelknopf des III. Stadiums analog ist, braucht wohl nicht besonders erwähnt zu werden; auch die Analoga der drei Theile des Eidechsenmesoderms wird man am Hühnerei unschwer auffinden (1. Mesoderm in der Zone der Sichel, 2. im Primitiv- streifen, 3. im Sichelknopf). Dass die Axenplatte des Mesoderm im Eideehsenkeim erst secundär mit dem Ektoderm verschmilzt, ist allerdings ein Unterschied. — Verschieden ist auch das Loos der Ektodermeinstülpungen beim Huhn und bei der Eidechse: Während beim Hühnchen die Sichelrinne im V. Stadium meist schon vollkommen, manchmal bis auf geringe Reste verschwunden ist, soll sieh nach Kupffer und Benecke bei der Eidechse nur der Eingang in den Blindsack verengern und dann schliessen, nachdem er eine Zeit lang zu beiden Seiten von den Medullar- wülsten eingeschlossen eine Communication zwischen „Gastrula- höhle“ und dem Medullarrohr hergestellt hatte. Kupffer und Benecke legen Gewicht auf diesen Umstand, der ihre Theorie von der Gastrula des Reptilieneis stützt. — Der Blindsack soll später zur Allantois werden. Es ist vielleicht hier der passende Ort, auf ein Missverständ- niss hinzuweisen, das sich betreffs eben der Ektodermeinstülpung in die Literatur eingeschlichen hat. Gasser!) hat an Gänse- embryonen auf einen Gang aufmerksam gemacht, der im hinteren Theile der Medullarrinne den Primitivstreifen schräg nach vorn und unten ziehend durchbohrt; weil dieser Gang eine Communi- cation zwischen Nervenrohr und der als Urdarmhöhle gedeuteten Keimhöhle herstellt, hatte ihn Gasser mit dem sogenannten Rusconischen After der niederen Säugethiere analogisirt. — Nun hat Balfour?) an Eidechsenkeimen einen ähnlichen Gang im vorderen Theil des Primitivstreifens beobachtet und ihn mit dem Gasser- schen Gange in Parallele gestell. Da aber Balfour der Meinung war, dass der von ihm beobachtete Gang und die Ektodermein- stülpung Kupffer und Beneckes identisch wären, glaubte er sich zu der Bemerkung bemüssigt, dass K. und B. es übersehen hätten, dass ihre Ektodermeinstülpung keinen Boden hätte, dieselbe wäre in der That ein vollkommen durchgängiger Canal. B. undK. 1) Ueber den Primitivstreifen bei Vogelembryonen. Marburg 1877. 2) On the early Developement of the Lacertilia together with some observations of the primitiv streak Quart. Journal of Microscopical science Vol. 19 July. u Untersuchungen über die Blätterbildung im Hühnerkeim. 207 hatten aber ausdrücklich gesagt, ihre Ektodermeinstülpung sei der hinterste Punet des späteren Primitivstreifens, während Balfour seinen Gang als im vorderen Theile des Primitivstreifens liegend beschrieben hat. — Ich erlaube mir dieses Missverständniss dahin richtig zu stellen, dass der Gasser’sche Gang allerdings deın Balfour’schen Canale, Kupffer und Beneckes Ektodermein- stülpung aber meiner Sichelrinne entsprechen dürfte. — Haben ja doch Kupffer und Benecke in der erwähnten Arbeit angegeben, dass sie an Keimscheiben von Sperlingen, die bereits einen eusgebildeten Primitivstreifen zeigten, manchmal auch an ebensolehen Keimscheiben des Huhnes eine Vertiefung am hintern Ende des Primitivstreifens gesehen hätten, die ihrer Meinung nach der Ektodermeinstülpung der Reptilien entspräche. Nach meinen Erfahrungen ist die Sichelrinne im Flächenbilde des V. Stadiums nieht mehr zu sehen, an Durchschnitten in seltenen Fällen noch Reste davon. Wenn ich nun die Analogieen, die die Blätterbildung im Ei der Säugethiere mit der des Hühnereis bietet, darstellen soll, bin ich nicht in der glücklichen Lage, wie bei den Reptilien mich der Angaben eines Forschers oder zweier, die gemeinsam ihre Untersuchungen anstellen, bedienen zu können; ich werde genöthigt sein, aus einander widersprechenden Darstellungen verschiedener Autoren meine Vergleichspunkte herauszuholen. Die Keimblase des Kanincheneis besteht zu einer gewissen Zeit nur aus einer Lage von platten, im Querschnitt spindel- förmigen Zellen, dem Ektoderm. Ein Rest von Furchungskugeln, der an einer Stelle der innern Fläche dem Ektoderm anhaftet, ist die Anlage der unteren Keimschichte, die von dieser Stelle aus dem äusseren Blatte folgend, sich peripheriewärts ausbreitet. Im Centrum des zweiblättrigen Blasentheils ist ein runder weisslicher Fleck zu sehen, die „tache embryonnaire“. Bis hieher bin ich der Darstellung von Hensen!) und von v. Beneden?) gefolgt. 1) Beobachtungen über die Befruchtung und Entwicklung des Kanin- chens und Meerschweinchens. Zeitsch. f. Anat. u. Entw. I. Bd. 2) Recherches sur l’embryologie du lapin. Archives de Biologie Vol. I. 1880. 208 Carl Koller: Der Embryonalfleck wird später birnförmig. — An demjenigen Ende seiner Längsaxe, welches später als hinteres sich erweist, hat Hensen und nach ihm Kölliker eine dunkle rundliche Verdiekung beobachtet, „welche allmählich nach vorn in einen „kegelförmigen Anhang sich verlängert und so in einem gewissen „Stadium die keulenförmige Gestalt zeigt, die die Figur 157 !) „wiedergibt. Dass diese Verdiekung nichts anderes ist als die „erste Andeutung des Primitivstreifen, lehren die weiteren Stadien“. Ich brauche wohl nicht erst hervorzuheben, dass jene Ver- diekung am hinteren Ende des Fruchthofes meinem Sichelknopf entspricht. — Der Primitivstreifen geht nach Kölliker aus einer axialen Wucherung des Ektoderm hervor, nachdem im Bereich des ganzen Embryonalflecks die platten- resp. spindelförmigen Zellen eylindrisch geworden sind und erst auf diese Weise den Embryonal- schild sichtbar gemacht haben. Die Seitentheile des Mesoderm sollen aus dem Primitivstreifen zwischen Ektoderm und Entoderm hineinwachsen. Die untere Keimschichte, welche nach Kölliker schon vor Auftreten des Mesoderm auch im Fruchthofe einschichtig ist, bilde nur das Entoderm. Nach v. Beneden ist die untere Keimschichte im Embryonal- fleck mehrschichtig, in der Peripherie einschichtig; während ihre Zellen in der Peripherie die plattenförmige Gestalt annehmen, thun dies im Bereich des Fruchthofes nur die Zellen der untersten Lage, so dass daselbst zwischen zwei einschichtigen Blättern eine Lage von rundlichen Zellen mit wenig Protoplasma und grossen Kernen eingeschlossen bleibt — die ersten Mesodermzellen. Wäh- rend die Mesodermzellen zur Zeit ihres ersten Auftretens im Bereiche des ganzen Fruchthofes angetroffen werden, findet man sie in einem etwas späteren Stadium nur in einer Zone, welche im Flächenbilde die Gestalt einer Mondsichel hat, am hinteren Umfange des Fruchthofes gelegen ist und von dem davor befind- lichen kreisförmigen Theile des Embryonalflecks durch grössere Dunkelheit sich abhebt. Dieser kreisförmige hellere Theil der tache hat kein Mesoderm. v. Beneden kann nicht darüber Auf- schluss geben, wie dieser Zustand sich aus dem vorherigen ent- wickelt habe; neben anderen Möglichkeiten hält er es nicht für ausgeschlossen, dass in dem kreisförmigen Abschnitt die Mesoderm- 1) Kölliker, Entwicklungsgeschichte. 2. Auflage S. 234. Untersuchungen über die Blätterbildung im Hühnerkeim. 209 zellen in das Entoderm eingegangen sind, ähnlich, wie ich in manchen Fällen des II. Stadiums es für die ‚„intermediären Zellen“ angenommen habe. Ich möchte nur darauf hinweisen, dass v. Benedens „crois- sant“ und meine Sichel nicht nur im Flächenbilde mit einander übereinstimmen, sondern auch darin, dass beide die Orte sind, wo sich zuerst freies Mesoderm findet. Ueber die Entstehung des Pri- mitivstreifens hat v. B. seine Untersuchungen noch nicht abge- schlossen, er giebt indess an, dass der Primitivstreifen später auf- trete als sein eroissant und dass die Verwachsung von Ektoderm und Mesoderm im Primitivstreifen eine secundäre sei. Nach Hensen entsteht das Mesoderm im Primitivstreifen und in der Umgebung seines vorderen Endes im „Knoten“ auf Kosten der zwei primären Keimschichten. Im Primitivstreifen sind nicht nur Ektoderm und Mesoderm mit einander, sondern nach Hensen auch mit dem Entoderm verwachsen. Mit dieser Ansicht steht Hensen isolirt da; nur für den von Hensen entdeckten soge- nannten Knoten, der im Centrum des Embryonalflecks ‚schon vor Erscheinen des Primitivstreifens vorhanden sein soll, wird von v. Beneden zugegeben, dass Ektoderm und Entoderm miteinan- der verschmolzen sind, somit nach Auftreten des Primitivstreifen, dessen vorderes Ende der „Knoten“ darstellt, alle drei Blätter an dieser Stelle verwachsen erscheinen. Nachtrag. Nachdem ich mein Manuscript abgesendet hatte, kam mir in Nr. 2 des „biologischen Centralblatt“ vom 30. April 1881 eine Mittheilung von Dr. Leo Gerlach („Ueber die entodermale Ent- stehungsweise der Chorda dorsalis“) zu Gesicht, in welcher, abge- sehen von dem neuen wie mir scheint wichtigen Funde über die Chorda, Angaben enthalten sind, welehe sich mit den von mir eben mitgetheilten in wesentlichen Stücken decken. Gerlach bemerkt in einer Note, dass meinen Angaben (Stzgsber. d. Wr. Acad. der Wiss. Novemberheft 1879) entgegen die Sichel am unbebrüteten Ei noch nicht vorhanden und dass in meinen Abbildungen (l. c.) die Sichel zu breit gezeichnet sei. Gerlach erwähnt aber nicht, dass ich sowohl die Sichel als auch das allmähliche Herauswachsen Archiv f. mikrosk. Anatomie. 20, Bd. 14 210 Carl Koller: des Primitivstreifens aus ihrem Mittelstücke (dem Sichelknopf) zu- erst beschrieben habe. Ich halte meine Meinung, dass die Sichel schon im unbe- brüteten Ei vorhanden ist, aufrecht. Der Vorwurf, dass ich die Sichel zu breit abgebildet habe, kann vielleicht richtig sein, da ich meinen Abbildungen keine genauen Messungen zu Grunde ge- legt habe. Insofern sich Gerlach auch über die Schnittbilder äussert und seine Mittheilung im „biologischen Centralblatt“ der Publication nach älter ist als der voranstehende Aufsatz, erlaube ich mir noch die Bemerkung anzufügen, dass ich die wesentlichen Resultate der vorliegenden Untersuchungen in 5 kurzen Sätzen im „Anzeiger der Wiener Acad. d. Wiss.“ schon im Jahre 1880 (9. December) publieirt habe. Wien, den 26. Mai 1881. Erklärung der Abbildungen auf Taf. X, XI und XII. Sämmtliche Figuren sind bei Hartnack Objectiv 4, Ocular 1 gezeichnet. Fig. 1. Medianschnitt durch einen unbebrüteten Keim: v ist das vordere, h das hintere Ende des Schnittes, oK obere Keimschichte, uK untere Keimschichte, Kh Keimhöhle, Rw Randwulst des Entoderm, S Sichel. Fig. 2. Medianschnitt durch eine Keimscheibe des Zwischenstadiums I—II. Bezeichnungen dieselben wie in Fig. 1. Fig. 3. Medianschnitt des Zwischenstadium I—II; Bezeichnungen wie in Fig. 1 und 2. S.R Sichelrinne. Fig. 4. Medianschnitt des II. Stadiums. Die gleichlautenden Bezeichnungen haben dieselbe Bedeutung wie früher ;, Ek Ektoderm = obere Keim- schichte, Ek‘ Ort der grössten Dicke des Ektoderm, En Entoderm — untere Keimschichte, En‘ verdickter Theil des Entoderm in der hinteren Hälfte der Mittelscheibe. Fig. 5. Medianschnitt des II. Stadiums. SR Sichelrinne, uZ unterste Zellen der unteren Keimschichte, die eine zusammenhängende Lage bilden, iZ intermediäre Zellen, PZ Peremeschko’sche Zellen. Fig. 6. Medianschnitt des II. Stadiums. Fig. 7. Querschnitt des II. Stadiums entspricht der Linie qq im Schema Seite 187. P.Z Peremeschko’sche Zellen. Ektoderm und Entoderm gegen die Mitte verdickt. Fig. 8. Medianschnitt des II. Stadiums. Das Entoderm ist meist einschichtig, Eny Rest der Entodermverdickung. Carl Koller: Untersuchungen über die Blätterbildung im Hühnerkeim. 211 Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. 10. 21. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19. . Medianschnitt des III. Stadium. M Anlage des Mesoderm, Env Rest der Entodermverdickung. Medianschnitt des IV. Stadium. P.S Primitivstreifen, EnE schein- bare Endigung des Entoderm an der hinteren Grenze der Keim- höhle, V Vacuole. Querschnitt des IV. Stadiums vor dem Primitivstreifen (entspricht der Linie qq im Schema Seite 196). Querschnitt aus der gleichen Keimscheibe (entspricht der Linie q’q, im Schema). P.S Querschnitt des Primitivstreifens. Querschnitt aus der gleichen Keimscheibe wie die zwei vorigen, trifft das hintere Ende des Primitivstreifens 'entsprechend der Linie q”q‘ im Schema, F.M einige Mesodermzellen, die nicht zur com- pacten Masse des Primitivstreifens gehören. Medianschnitt des V. Stadiums. SM Seitentheile (eigentlich: Vorder- und Hintertheil) des Mesoderm. EP.R Erweiterung der Primitiv- rinne, GH Grenzrinne von His. Längsschnitt des gleichen Keimes, etwas seitlich von der Mittel- linie, etwa der Linie Il im Schema des V. Stadiums entsprechend ; das vordere Ende, das hintere Ende und der Boden der Keimhöhle fehlen. vPS vorderes verbreitertes Ende des Primitivstreifens, SK eben solches hinteres Ende —= Sichelknopf; dazwischen freies Meso- derm SM. Querschnitt des V. Stadiums vor dem Primitivstreifen (entspricht der Linie qq im Schema des V. Stadiums). Querschnitt des gleichen Keimes wie Figur 16, entspricht der Linie q’q‘ im Schema des V. Stadiums. Das rechte Ende des Schnittes fehlt. PR Primitivrinne, SM Seitentheile des Mesoderm. GH die Grenzrinne von His ist nur links deutlich zu sehen. DK Dotterstück, im Durchschnitt keilförmig ; daran scheint das Entoderm zu endigen. Querschnitt des gleichen Keimes, geht durch das hintere Ende des Primitivstreifens entsprechend der Linie q”q” im Schema. EP.R schwache Einsenkung an Stelle der Primitivrinne. Querschnitt durch die hintere Hälfte einer etwa 24 Stunden alten Keimscheibe.. MW die zu beiden Seiten des Primitivstreifens sich erhebenden Medullarwülste. Die Seitentheile des Mesoderm SM reichen bis an die area opaca. Das Entoderm an mehreren Stellen abgelöst und zerrissen. — Die übrigen Bezeichnungen wie oben. 319 W. Krause: Die Nervenendigung in den Tastkörperchen. Von W. Krause, Professor in Göttingen. Hierzu Tafel XIII. Wenn Jemand Jahre lang fortgesetzte theils offene, theils in Anmerkungen verborgene Angriffe auf einen Anderen richtet, so hat er sich mit den Consequenzen abzufinden. Für Diejenigen, welche nicht Zeit gefunden haben mögen, meinen früheren Artikel !) genauer zu lesen, wird die Bemerkung nicht überflüssig sein, dass die darin enthaltene Kritik nicht so- wohl einigen Specialdaten aus der Lehre von den terminalen Körperchen, als vielmehr in erster Linie der Methode galt. Mit letzterem Ausdruck ist hier selbstverständlich die Technik nicht gemeint. Zur Charakterisirung der betreffenden Merkel’schen Polemik genügt folgende Probe ?): „Von der Mache des Krause’schen Handbuches°) mag die darin vorfindliche, hierher gehörige, historische Notiz Zeugniss geben — — ?).“ Damit ist zu vergleichen: „Es war während meiner?) Studienzeit in Göttingen, wo mich Herr Krause während der beschäftigungslosen Zeit bei einem ]) Dieses Archiv 1880. Bd. XIX. S. 53. 2) Merkel, dieses Archiv 1876. Bd. XV. S. 416 Anmerkung. 3) Die gesperrt gedruckten Worte sind im Originale nicht hervor- gehoben. - 4) Ueber das darauf folgende Sachliche vergl. W. Krause, dieses Arch. 1880. Bd. XIX. S. 83. 5) Merkel, dieses Arch. 1881. Bd. XIX. S. 526. Anmerkung. Die Nervenendigung in den Tastkörperchen. 213 pathologisch-histologischen Kurs mit Untersuchung der Submaxillar- drüse des Kaninchens auf event. Nervenendigungen betraute“, Ob diese beiden Anmerkungen der Sache, die vertheidigt werden sollte, wohl zum Vortheil gereichen ? In letzterer selbst fragt es sich, ob Merkel die Existenz eines ellipsoidischen, im frischen Zustande feinkörnigen Gebildes speciell in den Tastkörperchen jetzt anerkennt, welches ich „Innen- kolben“ genannt habe und welches, wie Tomsa (1865 !)) gezeigt hat, aus Zellen besteht. Aus der letzten Merkel’schen Mitthei- lung ist hierüber nichts Sicheres zu entnehmen. Nach Erledigung dieser Angelegenheit wenden wir uns zu Flemming, an den Merkel?) in seinem letzten Aufsatz appel- lirt hat. Flemming?) scheint darüber zweifelhaft gewesen zu sein, ob an denE. Fischer’schen®) Präparaten resp. Abbildungen das Gesammtbild für ein Kunstprodukt von mir?) hat erklärt werden sollen oder nur das abwechselnde sich Verdünnen und Verdicken einer an dem Tastkörperchen verlaufenden doppeltcontourirten Nervenfaser. Was das Letztere anbelangt, so lässt die Ueberosmiumsäure keinen Zweifel, dass solche successive Caliber-Aenderungen nicht existiren, so lange die Nervenfasern ausserhalb der Tastkörperchen verlaufen. [Wenn isolirte Querstreifen in stärkeren Lösungen sich schwärzen ®), so folgt daraus noch nicht, dass sie markhaltige Nervenfasern sind, vielmehr müsste dies erst besonders bewiesen werden — vergl. unten.] Dasselbe zeigt sich, wenn man nach der gewöhnlichen Methode vergoldet”). Hat man hinlänglich frische Haut zur Verfügung, so mag man auch Durcbschnitte davon ohne 1) Wiener medieinische Wochenschrift. S. 973. 2). 1. c. ©. 025, 3) Daselbst, S. 518. 4) Dieses Archiv, 1876. Bd. XII. S. 364. 5) Daselbst 1880. Bd. XIX. S. 108. 6) Flemming, 1. c. Taf. XXV. Fig. 5 und 6. 7)S. Thin, Sitzungsberichte der k. Akademie der Wissenschaften in Wien. Math.-naturw. Cl. 1873. Bd. LXVIL. 214 W. Krause: Zusatz, oder mit Wasser, oder mit verdünnter Essigsäure oder Natronlauge untersuchen. Letztere kann ebenfalls nach vorherigem Einlegen der Hautstückehen in Müller’sche Flüssigkeit!) ange- wendet werden. Da diese verschiedenen Untersuchungsmethoden übereinstim- mende Resultate ergeben, so bleibt in Betreff der doppeleontou- rirten Nervenfasern nur der Schluss übrig, dass die E. Fischer’- sche Anwendungsweise des Goldchlorids ein Kunstprodukt hervor- gerufen hat. Ueber die Entstehung desselben durch Anwendung starker Ameisensäure auf das frische Präparat vergl. unten. Was nun die Nervenendigung in den (Meissner’schen ) Tastkörperchen anlangt, so stehen mehrere Ansichten einander gegenüber. 1. Die Langerhans’sche Ansicht. Es sind nur eine oder zwei blasse Terminalfasern resp. Ter- minalscheiben in jedem Tastkörperchen oder doch in jeder grös- seren Abtheilung eines solchen (Zwillings- und Drillingstastkörper- chen) vorhanden. Hierfür würden die Befunde an Ueberosmium- säure-Präparaten, ferner an solchen aus Müller’scher Flüssigkeit ?) sprechen, sowie die Resultate, welche man mitunter vermöge der Vergoldung bekommt (Taf. XIII Fig. 1), wie sie schon Kraus?) mittelst der letzteren im Wiener physiologischen Institut, welches unter Bruecke’s Leitung steht, erhalten hat (Fig. 6). Flemming erklärt zwar die betreffenden Präparate für sehr unvollkommen, was sie gewesen sein mögen; sie haben aber die bemerkenswerthe Eigenschaft, mit den durch verschiedene andere, eben genannte Methoden erhaltenen Bildern übereinzustimmen. Zufolge seiner Abbildungen war bereits Langerhans‘*) durch Anwendung von Ueberosmiumsäure zu analogen Befunden geführt; man kann daher die betreffende Vorstellung nach diesem Forscher benennen. Ranvier°) hat in einer vorläufigen Mittheilung angegeben, dass die Nervenfasern in den Tastkörperchen des Menschen mit 1) W. Krause, dieses Arch. 1880. Bd. XIX. Taf. V. Fig. 50. 2) W. Krause, dieses Arch. 1880. Bd. XIX. Taf. V. Fig. 46 und 50. 3) Sitzungsber. der k. Akad. der Wissensch. zu Wien 1878. Bd. 78. Abth. III. 4) Dieses Arch. 1873. Bd. IX. Taf. XXX. Fig. 3 und 4. 5) Comptes rendus 1880. T. 91. S. 1088. Die Nervenendigung in den Tastkörperchen. 215 boutons aplatis aufhören. Diese Endigungsform steht wohl derjenigen sehr nahe, die ich !) als Terminalscheiben beschrieben und abgebildet habe; wenigstens hat Renaut?) die Ansicht Ranvier’s, indem er sie bestätigen wollte, dahin näher präeisirt, dass die doppeltcon- tourirten Nervenfasern sich nach ihrem Eintritt in die Tastkörper- chen mehrfach theilen und mit kolbigen oder scheibenförmigen An- schwellungen aufhören, die wie in den Grandry’schen Körperchen zwischen den Querkolbenzellen gelegen sind. Die Abbildung Re- naut’s zeigt nur drei solche Terminalscheiben in einem grossen, der Länge nach durchschnittenen Tastkörperchen aus der Volarhaut des Zeigefingers, die mit Ueberosmiumsäure behandelt war. Ueber eine andere Mittheilung Ranvier’s vergl. das Folgende. 2. Die Ranvier’sche Ansicht. Früher hatte Ranvier?) nämlich die Vorstellung ausge- sprochen, dass die Tastkörperchen im Wesentlichen ganz wie die Grandry’schen Körperchen gebaut seien. Genauer betrachtet, würden sie hiernach aus einer oder mehreren Kolbenzellensäulen bestehen, und zwischen je zwei Zellen eine Terminalfaser oder Terminalscheibe (disque tactile) liegen, nach der von Ranvier angegebenen Formel k=t— 1, worin k die Anzahl der Kolben- zellen, t die Anzahl der Terminalfasern bedeutet. Ranvier’s Mittheilung lautet wörtlich: „eorpuscules du tact — que la constitution de ces corpuscules bien que plus complexe est entierement comparable & celle des corpuscules de la langue et du bec des Palmipedes. J’y reyien- drai dans une prochaine Communication sur les nerfs de la peau.“ Zwischen je zwei Kolbenzellen, durch welche die im frischen Zustande des Tastkörperchens sichtbare Querstreifung des letzteren bedingt wird, hätte man hiernach eine blasse, knopfförmig endigende Terminalfaser oder Terminalscheibe zu erwarten. Dies scheint durch die vertrauenswerthesten Goldpräparate (Taf. XIII. Fig. 2) bewiesen zu werden. Auch die Abbildungen (Fig. 5) von Tatani) können darauf bezogen werden. 1) Dieses Archiv 1880. Bd. XIX. 8. 53. 2) Annales de dermatologie etc. 1881. T. II. S. 208—211. 3) Comptes rendus. T. 85. 1877. S. 1023. 4) L’organo del tatto. Firenze 1879. Figur 1a. 216 W. Krause: Aehnliehe Bilder wie Fig. 2 hatte ich ') schon vor längeren Jahren erhalten, sie als querverlaufende Terminalfasern gedeutet und damals mit den im frischen Zustande sichtbaren Querstreifen irrthümlieher Weise identifieirt. Dass es ausser den quergestellten Kernen noch zwei. unter verschiedenen Umständen sichtbare Sorten von Querstreifen in den Tastkörperehen geben möchte, konnte man damals nicht voraussehen. Auf zahlreiche, durch Ueberosmiumsäure stark geschwärzte, von der Kante gesehene Terminalscheiben sind vielleicht die von Flemming?) jedenfalls irrthümlich als markhaltige Nervenfasern angesprochenen Querstreifen zu beziehen. 3. Die Meissner’sche Ansicht. Nach der ursprünglich von Meissner herrührenden Anschau- ungsweise waren die im frischen Zustande sichtbaren Querstreifen der Tastkörperchen als blasse Terminalfasern zu betrachten, die aus Theilungen der eintretenden doppeleontourirten Nervenfasern hervorgegangen sein würden. Da nun die vorhandenen, zumeist dichotomischen Theilungen der letzteren nicht im Entferntesten ausreichen würden, um die zu beobachtende Anzahl (z. B. 40) Quer- streifen in grösseren Tastkörperchen, die gleichwohl nur eine ein- zige Nervenfaser erhalten, zu erklären, so blieb nichts übrig als successiv sich wiederholende Theilungen der blassen Terminalfasern, welche letzteren an der Innenwand des Tastkörperchens verlaufen, zu supponiren. Diese früher von mir?) aufgestellte Anschauung würde durch die E. Fischer’schen Abbildungen sehr wesentlich gestützt werden. Flemming war so freundlich, mir einige von E. Fischer’s Präparaten zur Ansicht zu übersenden. Sie zeichnen sich durch die Farblosigkeit der Grundsubstanz der Haut besonders aus, wie Fischer und Flemming*) richtig angeben. Nach einem solchen Präparat ist Taf. XIII Fig. 4 von Herrn Peters in Göttingen sehr sorgfältig gezeichnet worden. Offenbar ist das Körperchen iden- 1) Medieinisches Centralblatt 1874. S. 401. 2) 1. c. Taf. XXV. Fig. 5 und 6. 3) Die terminalen Körperchen ete. 1860. S. 82. — Allgemeine Ana- tomie 1876. S. 512. A)E c. 8. 519, Die Nervenendigung in den Tastkörperchen. 217 tisch mit der Figur 4 von E. Fischer !), wie denn auch auf der Etikette des Präparates von Fischer die Nro. 4 notirt worden ist. Die Differenzen der beiderseitigen Copien erklären sich theils aus der etwas schwächeren Vergrösserung bei Fischer, theils aus dem Umstande, dass Letzterer seine Abbildungen selbst gezeichnet hat. Wie man sieht, sind die Differenzen ganz unerheblich; nicht so irrelevant erscheint es, was gleich hier bemerkt werden soll, dass das Präparat zufolge seiner Etikette (vergl. Tafel-Erklärung) zum Schluss mit Cyankalium behandelt worden ist, denn wie bekannt wird in Goldehlorid-Präparaten durch nachträgliche An- wendung jenes Lösungsmittels nicht nur die Grundsubstanz auf- geklärt, sondern auch die Nervenfasern könnten gleichsam ange- fressen werden. Uebrigens hat Flemming?) die Behandlung mit Cyankalium zugestanden, obne wie es scheint weiteres Gewicht darauf zu legen. Diese Methode rührt bekanntlich von J. Ger- lach °) her; nachher wurde sie von mir?) angewendet. Trotz jener möglicherweise eingetretenen Erodirung von Nervenfasern, die ohne Zweifel?) auch durch intensive Anwendung der Ameisensäure herbeigeführt werden kann, würden in Betreff des Nervenverlaufes die Fischer’schen Präparate und Abbildungen vielleicht über- zeugend sein, wenn Fischer nichts weiter als seine Arbeit über die Tastkörperchen veröffentlicht hätte. Um so mehr, da man an Tastkörperchen, die mit der gewöhnlichen Goldmethode (ohne Ameisensäure und Cyankalium) behandelt worden sind (Taf. XII Fig. 3), hier und da Andeutungen des auch vom frischen Präpa- rat her bekannten, zuweilen gewundenen Verlaufs der blassen Terminalfasern erkennen kann. Unglücklicher Weise hat aber Fiseher die von ihm benutzte Untersuchungsmethode später auf die quergestreiften Muskelfasern angewendet. Die Nervenendigung innerhalb der motorischen Endplatten ist zwar auch bei Säugern und Reptilien nicht ganz aufgeklärt. Von mir %) wurde eine wieder- 1) Dieses Archiv 1876. Bd. IX. Taf. XVII. 2) 1. c. S. 522. Fig. 3 und 4. 3) Das Verhältniss derNerven zu den willkürlichen Muskeln der Wirbel- thiere 1874. S. 43. 4) Dieses Archiv 1876. Bd. XIII. S. 179. 5) Drasch, Sitzungsberichte der k. Akademie der Wissenschaften zu Wien 1880. Abth. III. October. Sep.-Abdr. 8. 8. 6) Die motorischen Endplatten u. s. w. 1869. — Allgemeine Anatomie 1876. Fig. 271. 218 W. Krause: holte diehotomische Theilung und knopfförmige Endigung blasser Terminalfasern, von Kühne!) ein blasses Terminalnetz beschrieben und Beides ist von Anderen mehr oder weniger bestätigt worden. Wie dem sei, so dürften gleichwohl alle Untersucher darüber einig sein, dass die Endigung in den Tastkörperchen und den motorischen Endplatten verschieden aussieht. Nur in E. Fischer’s?) Abbildun- gen findet sich eine bedenkliche Aehnlichkeit (Taf. XIII Fig. 7, 8, 9). In beiden Fällen sieht man abwechselnde Verdünnungen und Verdickungen der doppelteontourirten Nervenfasern, in beiden Fällen unregelmässige geschwärzte Flecken und Streifen an den Stellen, welche der eigentlichen Nervenendigung entsprechen würden. Der daraus zu ziehende Schluss ist sehr einfach: die fleckige Beschaffenheit der letzteren Stellen ist ein Kunstprodukt. Da wenigstens im Muskel die gewöhnliche Vergoldungsmethode keine Spur eines solchen Verhaltens ergiebt?), so ist es nicht schwer, die Ursache in der von E. Fischer nach Löwit ausgeführten vorherigen Behandlung mit Ameisensäure zu finden. Man weiss von den Säuren der Buttersäuregruppe, dass sie das Nervenmark doppelteontourirter Nervenfasern ausfliessen machen und zufälliger Weise hat Hesse) dies für die Ameisensäure speciell nach- gewiesen. Es kommt wohl nichts darauf an, dass Ranvier°) das mit dieser Methode vonE. Fischer‘) aus dem Herzmuskel des Hundes dargestellte Nervennetz für ein Capillargefässnetz erklären wollte. Ebensowenig darauf, dass man, da E. Fischer leider aus der "Reihe der Lebenden geschieden ist, schwerlich die specielle Modi- fication seiner Anwendung des Goldehlorids ermitteln wird, durch welche jene Kunstprodukte erzielt wurden. Es sind dabei, abge- sehen von der nach dem Tode verstrichenen Zeit”), bekanntlich 1) S. W. Krause, die motorischen Endplatten u. s. w. 1869. S. 133 und Frey, Histologie und Histochemie 1876. Fig. 315. 2) Dieses Archiv 1876. Bd. XIII. S. 365. Taf. XXV. 3) S. meine Allgemeine Anatomie 1876. Fig. 273. 4) Archiv für Anatomie und Physiologie. Anat. Abth. 1879. S. 343. 5) Lecons d’anatomie generale 1881. S. 199. 6) Dieses Archiv 1876. Bd. XIH. Taf. XXVI. Fig. 27 und 28. 7) Vergl. Gerlach, das Verhältniss der Nerven zu den willkürlichen Muskeln 1874. S. 41. — Drasch, Sitzungsberichte der kgl. Akademie der Wissenschaften zu Wien 1880. IlIte Abth. October. Sep.-Abdr. 8. 6. Die Nervenendigung in den Tastkörperchen. 219 viele Kleinigkeiten zu berücksichtigen: durchschnittliche und momentane Temperatur, Beleuchtung, Jahreszeit, Menge der ange- wendeten Flüssigkeit, Grösse der Hautstückchen u. s. w. Ohne eine speciell hierauf gerichtete Untersuchung, zu welcher sich nicht so leicht Jemand bereit erklären dürfte, wird es kaum mög- lich sein, die oben geschilderte fleckige Beschaffenheit der Präpa- rate hervorzurufen. Dagegen hängt die unregelmässige Quellung mancher Tastkörperehen!) theils von schrägen Schnitten, theils und hauptsächlich von der Ameisensäure ab. Die Aufhellung der Grundsubstanz ist wohl vorzugsweise dem Cyankalium zuzuschrei- ben, was merkwürdigerweise weder von E. Fischer noch von Flem- ming mitgetheilt worden ist. Hiervon abgesehen, so erwächst für die betreffende Unter- suchung eine Schwierigkeit aus der conservativen Richtung der heutigen Chirurgie. Nur selten werden Finger amputirt, von denen man hirreichend frische Hautstückchen entnehmen kann und mit der Zehenhaut ist manchmal nicht viel anzufangen. Obgleich auch in ackerbauenden Distrieten schwere Verletzungen durch land- wirthschaftliche Maschinen nur zu oft vorkommen, sind doch die schliesslich exartieulirten Finger öfters vorher brandig geworden. In einer grossen Fabrikstadt würde dergleichen Haut viel leichter zu erhalten sein. Vorläufig wird man noch die von Ranvier in Aussicht gestellten ausführlichen Mittheilungen abzuwarten haben. Nach dem Vorstehenden lässt sich die Behauptung begründen, dass die E. Fischer’schen, von Flemming vertheidigten Präpa- rate ihre Eigenthümlichkeiten einer successiven Anwendung von Ameisensäure, Goldchlorid, Ameisensäure und event. Cyankalium verdanken. Ferner ergiebt sich, was ein Blick auf Taf. XIII in einfacherer - Weise bestätigt, dass die Vergoldung bisher keinen sicheren Auf- schluss über die Nervenendigung in den Tastkörperchen des Men- schen gewährt habe. Diese Anschauung hat in dem vorliegenden Artikel ihre Be- gründung erfahren, die früher bei unbefangener Prüfung der vor- liegenden Literatur überflüssig erschien. Wer Freude an Compromissen hat, könnte die Fig. 4 und 2 (Taf. XIII) combiniren wollen: erstere würde den Nervenlauf, letztere 1) Dieses Archiv 1881. Bd. XIX. Taf. XXV. Fig. 4. 220 W. Krause: die Nervenendigung darstellen und diese Endigungsform mit den von Flemming !) abgebildeten Ueberosmiumsäure-Präparaten über- einstimmen. Doch würde eine solche Hypothese nur um ihrer selbst willen existiren. Es wäre allerdings zu wünschen, dass sie bald direet widerlegt werden möchte. | Die Goldmethode ist keineswegs launisch; nur hängen ihre Effeete von chemisch-physikalischen Bedingungen ab, die für jedes einzelne Object besonders untersucht sein wollen. Schliesslich ist noch auf die eben erschienenen „Nachträge zum ersten Bande“ meinesHandbuches der Anatomie (S. 136) zu verweisen. Erklärung der Taf. XIII. Fig. 1. Senkrechter Durchschnitt der Haut der Vola der Fingerspitze; 16 Stunden nach dem Tode in 25°/,ige Ameisensäure gelegt. Nach 20 Stunden wurde die Epidermis entfernt und die Cutis 25 Minuten mit 0,1/,igem Goldchlorid behandelt, in Wasser ausgewaschen, dann 2 Tage lang in 25°/,ige Ameisensäure gelegt, dann in absoluten Alkohol. Feine Durchschnitte mit Nelkenöl und Dammarlösung auf- gehellt. Vergr. 500. Fig. 2. Senkrechter Durchschnitt der Plantarhaut einer amputirten Zehe eines etwa 40jährigen Mannes. Die Haut wurde unmittelbar nach der Operation (chirurgische Abtheilung von Dr. G. Fischer in Hannover) in 25°/,ige Ameisensäure gelegt, im Uebrigen wie bei Fig. 1 behandelt. Vergr. 500. Fig. 3. Tastkörperchen vom Gorilla, vergl. dieses Archiv 1880. Bd. XIX. Seite 129. Aus einem von Herrn Oberstabsarzt Rabl-Rückhard mit der gewöhnlichen Goldmethode behandelten Hautstückchen. Senkrechter Durchschnitt, Alkohol, Nelkenöl, Dammar. Das Körper- chen ist in der Zeichnung wegen der Unbestimmtheit seiner seit- lichen Contouren etwas zu breit ausgefallen. Vergr. 500. Fig. 4. Tastkörperchen der Volarhaut des Fingers vom Menschen. Gold- chlorid, Ameisensäure, Cyankalium, Ammoniak, Glycerin. Ver- grösserung 500. Präparat von E. Fischer (Nro. 4), von Herrn Peters in Göttingen gezeichnet. Obige Darstellungsmethode ist in Chiffreschrift auf der Etikette des Präparates verzeichnet ; abgesehen von den gedruckten Angaben 1) Dieses Archiv 1881, Bd. XIX, Taf. XXV, Fig. 5 und 6. Fig. Fig. 5. Die Nervenendigung in den Tastkörperchen. 221 Fischers (dieses Archiv 1876. Bd. XII. S. 366) lässt sich jedoch aus der Beschaffenheit des Präparates selbst der Schluss ableiten, dass das Hautstückchen vor Anwendung des Goldchlorids auch noch gleich zuerst in Ameisensäure gelegt worden ist. Tastkörperchen nach Behandlung von Hautstücken mit 0,0014°/,igem Goldcehlorid (12 Tropfen einer 1°/,igen Lösung auf ca. 15 ccm Wasser). d disque tactile. Nach Tafani, l’organo del tatto 1879. Fig. 1a. Tastkörperchen in zwei Hälften zerfallen, nach Behandlung von Hautschnitten mit Goldchlorid, Ameisensäure, Amylalkohol, Glycerin, Chlorwasserstoffsäure. Nach Kraus, Sitzungsberichte der k. Akad. der Wissensch. zu Wien. Math.-naturw. Cl. 1878. Bd. 78. Fig. 3 u. 4. Fig. 7—9. Motorische Endplatten quergestreifter Muskelfasern, welche letzteren Fig. % hier weggelassen sind, nach Behandlung des frischen Muskels mit Ameisensäure, Goldchlorid, Ameisensäure. Nach E. Fischer, Archiv für mikroskopische Anatomie 1876. Bd. XII. Taf. XXV. #186: 1A. Vom Meerschweinchen. Fig. 8. Vom Menschen. Fig. 9, Vom Kaninchen. Zur Kenntniss des feineren Baues der menschlichen Magenschleimhaut. Von Dr. Philipp Stöhr, Prosektor und Privatdocent in Würzburg. Hierzu Tafel XIV und XV. Die seltene Gelegenheit, einen ganz frischen menschlichen Magen zu untersuchen, benutzend habe ich es unternommen, die Beschaffenheit desselben eingehend zu prüfen. Es geschah dies ursprünglich in der Absicht, mich über den Bau der Schleimhaut zu orientiren und mir hinsichtlich der mannichfachen Streitfragen ein eigenes Urtheil zu bilden. Bei diesem Unternehmen bin ich nun auf Manches gestossen, das bis jetzt nur unvollkommen oder gar 222 Philipp Stöhr: nicht bekannt war, so dass sich eine weitere Bearbeitung wohl verlohnte. Ein Theil meiner Resultate ist schon im vergangenen Jahre veröffentlicht worden !); die hier vorliegenden Mittheilungen beziehen sieh vorzugsweise auf den feineren Bau der Drüsen- schläuche, auf eine genaue Feststellung der Form und der Lager- ungsverhältnisse der sie constituirenden Zellen. Dem entsprechend sind auch die Abbildungen mit möglichster Sorgfalt vermittelst des Oberhäuser’schen Zeichnenapparates angefertigt; die meisten Figuren sind naturgetreu, Zelle für Zelle, Kern für Kern nachge- zeichnet, nur Figur 4 ist nicht nach einem Präparate, sondern mit Benutzung mehrer Stellen entworfen. Es schien mir gerade diese Figur insofern von besonderem Werthe, als wir bis jetzt kaum eine naturgetreue Abbildung menschlicher Fundusdrüsen besitzen ?). In den meisten Lehrbüchern sind statt dessen Magendrüsen von Thieren abgebildet, die sich manchmal recht weit von dem wirk- lichen Verhalten entfernen ?). Zur Untersuchung diente der leere Magen eines Hingerichteten, dessen Leichnam eine halbe Stunde nach dem Tode in das anatom. Institut gebracht wurde. Den meisten Abbildungen liegen Präpa- rate zu Grunde, welche nach vierwöchentlichem Liegen in Müller’- scher Flüssigkeit ausgewaschen und in Alhohol gehärtet worden waren. Doch wurden auch Stücke untersucht, die nur in Alkohol gehärtet waren. Die feinen, mit Hilfe des Long’schen Mikrotoms hergestellten Schnitte wurden theils mit wässrigem Anilinblau nach Heidenhain), theils mit Nigrosin nach Grützner?°) oder mit 1) Ph. Stöhr: Ueber das Epithel des menschlichen Magens. Verh. der phys.-med. Gesellsch. zu Würzburg N. F. XV. Bd. 1880. 2) Am Ehesten würde noch Edinger’s Abbildung (Arch. f. mikrosk. Anatomie, Bd. XVII Taf. XVI, Fig. 1) entsprechen, doch ist der Schlauch etwas kurz gerathen, das Epithel des Drüsenausganges sicher zu dick. Ausser- dem verleiht die Behandlung mit Osmiumsäure den Drüsenzellen eigenthüm- liche Formen, welche sowohl von frischen, als von andern durch verschiedene Methoden erlangten Formen wesentlich verschieden sind. E 3) Dies gilt auch von Heidenhain’s Fig. 31 (Handbuch der Physiol, herausgegeben von Hermann Bd. V, Physiol. der Absonderungsvorgänge), wo die beiden Drüsenschläuche rechts, statt sich gegen den Drüsenausgang mit einander zu vereinen, direkt in das Epithel der einen Seite des Drüsen- ausganges übergehen, 4) Heidenhain: Archiv für mikrosk. Anatomie. Bd. VI p. 368. 5) Grützner: Archiv für die gesammte Physiologie. Bd. XX. p., 395. Zur Kenntniss des feineren Baues der menschlichen Magenschleimhaut. 223 Eosin nach Toldt’s!) Angaben gefärbt; sehr gute Resultate lieferte mir die Färbung mit Fuchsin und Hämatoxylin ?), nur schade, dass die Haltbarkeit derselben kaum nach Tagen zählt. In gleicher Weise wurden die zum Vergleich herangezogenen Mägen von Thieren behandelt. Es wurden untersucht: der Magen eines grossen Hundes (Metzgerhund), der etwa 8 Stunden vor dem Tode mit fettgetränkten Schwammstückehen gefüttert worden war, der Magen enthielt noch Schwammstücke in grosser Menge; ferner wurden leere Mägen eines kleinen Hundes (Dachshund), zweier Katzen und eines Dachses untersucht. Obwohl der Name ‚‚Belegzelle“ dem wirklichen Verhalten, wie sich zeigen wird, nicht vollkommen entspricht, habe ich mich doch für die Beibehaltung desselben entschlossen, um die Zahl der für diese Gebilde gewählten Namen nicht um noch einen ver- mehren zu müssen, denn die von andern Autoren gewählten Namen entsprechen theilweise noch weniger, theils sind sie so ungefügig, dass ihre Verwendung sich nicht empfehlen dürfte. Ebenso habe ich mich betreffs der einzelnen Drüsenregionen der von Heidenhain geübten Nomenclatur angeschlossen. I. Fundusdrüsen. Drüsenausgang. Nach Heidenhain sollen in den Drüsen- ausgängen (Magengruben) vereinzelte Belegzellen zwischen dem Cylinderepithel und der Tunica propria vorkommen °), eine Angabe, welche von Friedinger*) und Henle’) bestätigt, von Rollet‘) und Jukes’') dagegen bestritten wurde. Beim Menschen finde ich daselbst sehr häufig Belegzellen und zwar nicht nur in dem Rol- let’s „innerem Schaltstücke“ entsprechendem Abschnitte, sondern noch weiter gegen die innere Magenoberfläche zu. Die Lagebe- 1) Toldt: Sitzungsberichte der kaiserl. Akad. der Wissenschaften. Math.-naturw. Classe. LXXXI. Bd. I. und II. Heft 1880. 2) Siehe meine Arbeit über das Magenepithel. 3) Heidenhain: Archiv für mikrosk. Anatomie. Bd. VI. p. 373. 4) Friedinger: Sitzungsberichte der math.-naturw. Classe der k. Akad. der Wissensch. LXIV. Bd. II. Abtheil. Jahrg. 1871. p. 327. 5) Henle: 1. c. p. 170. 6) Rollet: Unters. aus dem physiol. Institut Graz. II. Heft 1871. p. 167. 7) Jukes: Beiträge zum histologischen Bau der Labdrüsen. Diss, Göttingen 1871. p. 24. 224 Philipp Stöhr: ziehungen dieser Belegzellen zu den Cylinderepithelien, sowie deren Form erscheint jedoch beim Menschen nicht immer so, wie sie von Heidenhain für den Hund beschrieben und abgebildet (1. e. Fig. 2) werden. Dieselben liegen nämlich nicht zwischen Cylinderepithel und eigentlicher Schleimhaut, also nicht unterhalb der Cylinder- zellen !), sondern mit diesen in einer Reihe, ein Verhalten, das leichter an Querscehnitten wie an Längsschnitten constatirt werden kann. Ihre Form ist, soweit sie zwischen den hohen Cylinder- zellen der Magengruben liegen, auf dem Querschnitt die eines hohen Dreiecks, die schmale Basis ist gegen die bindegewebige Schleimhaut, die langen Seiten sind gegen benachbarte Cylinder- zellen, die Spitze ist gegen das Lumen gekehrt; in einzelnen Fällen gelingt ‘es, die Spitze bis zum Lumen zu verfolgen, so dass die Belegzellen an der Begrenzung desselben directen Antheil nehmen (Fig. 1). Ganz ähnlich — eine etwas breitere Basis aus- genommen — ist die Gestalt der Zellen im senkrechten Schnitt durch die Magenschleimhaut, so dass wir die Belegzellen der Drüsengänge am Besten mit steilen Pyramiden vergleichen können, Nieht immer stehen die Belegzellen so, dass ihre Längsaxe senk- recht zur Längsaxe der Drüsenausgänge gerichtet ist, zuweilen sind sie in mehr oder minder spitzem Winkel zu den Drüsenaus- gängen angeordnet. Es ist diese Stellung insofern von besonderem Interesse, als reine Querschnitte durch Drüsenausgänge, in denen solche Zellen gelegen sind, leicht zu Täuschungen Veranlassung seben können. Es ist leicht ersichtlich, dass dünne Querschnitte nur den einen z. B. den peripheren Theil der Belegzellen treffen, während die centralen Parthien erst auf den nächsten Schnitten zu Gesicht kommen; denn es hat den Anschein, als lägen rund- liche Belegzellen unter den Cylinderzellen (vergl. Heidenhain l. e. Fig. 2 bei «). Solche Formen existiren in Wirklichkeit nicht. Noch besser, wie an Flächenschnitten, kann man an senkrechten Schnitten, die glücklich das Lumen des Drüsenausganges getroffen haben, constatiren, dass die Belegzellen bis zum Lumen reichen und an der Begrenzung desselben deutlichen, wenn auch geringen Antheil nehmen. Das dunkle Aussehen, die Fähigkeit, sich mit verschiedenen Farbstoffen intensiv zu färben, kommt nicht der 1) Henle (l. c. p. 170) fand beim Menschen vereinzelte platte Zellen (d. h. Belegzellen) unterhalb der cylindrischen Zellen der Magengruben. Zur Kenntniss des feineren Baues der menschlichen Magenschleimhaut. 225 ganzen Belegzelle zu; die Spitze ist durchsichtig, hell, ohne Spur von Körnung und bleibt meist ungefärbt. Der Art fand ich die Verhältnisse fast durchweg, so dass die oben beschriebenen und in Fig. 1 abgebildeten Zellen in Form und Lage als typisch für die Belegzellen der Drüsenausgänge des menschlichen Magens an- gesehen werden müssen. Die gestreckte Form der Belegzellen ist wohl abhängig von der hohen Gestalt der benachbarten Cylinder- zellen. Sämmtliche auf die oben erwähnte Streitfrage hin von mir untersuchten Thiere (Hund, Katze und Dachs, ferner Meerschwein- schen, Kaninchen und Fledermaus) liessen Belegzellen in den Drüsenausgängen nachweisen !). Meine Vermuthung, dass dieselben sich geradeso wie beim Menschen verhielten, hat sich bei Hunden, die ich genauer daraufhin untersuchte, nicht in vollem Umfang bestätigt. Vor Allem ist es die Form der Belegzellen, welche sich von der des Menschen durch die im Verhältniss zur Länge be- deutendere Dicke und Breite unterscheidet. Ob man berechtigt ist, die Belegzellen als unterhalb der Cylinderepithelien liegend zu bezeichnen, erscheint mir sehr zweifelhaft; niemals habe ich gesehen, dass Cylinderepithelien vollständig, d. i. sammt dem Kern?) vor den Belegzellen gelegen waren; nur die centralen Abschnitte der Cylinderzellen waren es, welche sich von den Seiten her über die Belegzeillen legten und so die letzteren vom Lumen auszu- schliessen schienen. Dass dies nicht immer der Fall ist, zeigt Fig. 3. Die Belegzelle liegt gewissermassen in einer Vertiefung, die dadurch entstanden ist, dass die benachbarten Cylinderzellen etwas kleiner sind und sieh gegen die Belegzelle neigen, welch’ letztere an der Begrenzung des Lumens direkten Antheil nimmt; möglicher Weise ist dies beim Hunde Regel, meine Untersuchungen darüber sind indessen nicht so ausgedehnt, um dies mit Sicherheit behaupten zu können. 1) Heidenhain (Physiol. der Absonderungen p. 103) gibt an, dass er Rollet von der Richtigkeit seiner diesbezüglichen Behauptungen überzeugt habe. Von welchen Thieren die demonstrirten Präparate waren, ist nicht angegeben. e 2) In den Abbildungen Heidenhain’s sind die Kerne nicht wieder- gegeben, so dass dieselben zur Feststellung dieser Thatsachen nicht in Ver- wendung gezogen werden können. Archiv f. mikrosk, Anatomie. Bd. 20. 15 236 Philipp Stöhr: Drüsenhals. (Aeusseres Schaltstück Rollet.) Auch hier bestehen zwischen Heidenhain und Rollet Differenzen, indem ersterer nicht nur Belegzellen wie Rollet behauptet hatte, sondern auch Hauptzellen daselbst findet (p. 374). Für Heidenhain hat sich schon Jukes!) entschieden (p. 24), während Henle (p. 170) eine mehr unentschiedene Stellung einnimmt. Ich habe nicht nur beim Menschen, sondern auch bei den oben genannten Thieren an vertiealen, noch besser aber an horizontalen Schnitten beide Zellen- arten gesehen (Fig. 3 und 4°). Wie bei Thieren, so sind auch beim Menschen die Belegzellen in diesen Drüsenabschnitten in besonderer Menge vorhanden. Wie Querschnitte zeigen, liegen die Belegzellen hier durchweg in einer Reihe mit den Hauptzellen und nehmen an der Begrenzung des Lumens ausgedehnten Antheil. Ihre Gestalt ist gewöhnlich eine rundlich viereckige; meist sind sie etwas gsösser wie die Hauptzellen, doch gibt es häufig Belegzellen, die auf dem Querschnitt weder in Grösse, noch in Form sich von den Hauptzellen wesentlich unterscheiden; die ein- zige Differenz besteht alsdann nur in dem dunkleren Aussehen der Belegzellen, sowie in dem Verhalten derselben gegen Reagen- tien. Es stimmt somit der Mensch hierin fast völlig mit dem Hunde überein, bei welchem nach Heidenhain (l. e. p. 374) nicht selten Beleg- und Hauptzellen nebeneinander gelagert sind. Auch für die anderen Thiere lässt sich das Gleiche mit Leichtig- keit constatiren. Drüsenkörper. (Endstück Rollet.) Der Uebergang von Drüsenhals zu Drüsenkörper erfolgt beim Menschen so allmählich, dass eine scharfe Grenze zwischen beiden unmöglich gezogen werden kann; aber auch bei den von mir untersuchten Thieren kann von einer so scharfen Scheidung, wie sie Rollet will, durch- aus keine Rede sein?). Flächenschnitte der Magenschleimhaut lassen sofort erkennen, ob man Hals oder Grund der Drüsen ge- 1) Bei Henle ist unrichtiger Weise angegeben, dass Jukes hierin mit Rollet übereinstimme. p. 170. | 2) Vergl. auch Edinger, Arch f. mikr. Anatom. Bd. XV, Taf. XVI, Figur 1. 3) Rollet’s Figuren sind oft stark schematisirt und contrastiren selt- sam mit einem im Text enthaltenen Passus, in welchem er die grössere ana- tomische Vollkommenheit seiner Abbildungen im Vergleich mit denen Heiden- hain’s betont. Zur Kenntniss des feineren Baues der menschlichen Magenschleimhaut. 227 troffen hat, denn der Querschnitt des Letzteren scheint ansehnlich — oft fast um das Doppelte — grösser zu sein, Die Ursache hierfür liegt jedoch nicht in einer so bedeutenden Zunahme des Kalibers nach unten, sondern vielmehr in dem Umstande, dass die Schläuche häufig von der senkrechten Richtungabweichen und so durch Flächenschnitte nicht rein quer, sondern mehr oder minder stark schräg durch- schnitten werden. Die Drüsenschläuche werden — ich habe das durch Messungen constatirt — nach unten kaum merklich dicker, nur das letzte, blinde Ende ist etwas angeschwollen. Es lässt sich an Verticalschnitten leicht nachweisen, dass die Diekendurchmesser des Drüsenhalses und Drüsenkörpers sehr geringe Differenzen zeigen. Uebereinstimmend wird berichtet, dass im Drüsenkörper ‚die Hauptzellen eine vollständig geschlossene Epithelialröhre bilden, welche innen das enge Drüsenlumen begrenzt, aussen entweder un- mittelbar an die Schlauchwand (Membrana propria) stösst oder von dieser durch die sich dazwischen eindrängenden Belegzellen getrennt wird“ (Heidenhainl. ce. 374), so dass die Querschnitte stellenweise „wirklich drei getrennte das Lumen begrenzende Wandschichten er- giebt: die Membrana propria, die Lage der delomorphen Zellen, end- lich die Lage der adelomorphen Zellen“ (Rolletl. e. p. 164). „Stets ist das Prineip festgehalten, dass die Belegzellen ausser Berührung mit dem Drüsenlumen bleiben, weil sie von diesem durch die Hauptzellen getrennt werden“ (Heidenhain l. c. p. 375). Diese Angaben finden auch für den Menschen durch Henle und Jukes Bestätigung. Meine Resultate stellen mich dazu in Wider- spruch. Ebensowenig wie die Belegzellen in Drüsenausgängen und Drüsenhälsen vollkommen vom Lumen ausgeschlossen sind, ebensowenig findet dies im Bereich des Drüsenkörpers statt. Ausser einzelnen Belegzellen, welche ähnlich wie im Drüsenhalse an der Begrenzung des Lumens ausgedehnten Antheil nehmen, zeigen die Belegzellen des Drüsenkörpers ein anderes Verhalten. Ihr grösster Theil ist vom Lumen abgedrängt und liegt theils zwischen den peripheren Abschnitten der Hauptzellen, theils zwischen der Basis der letzteren und der Membrana propria. Gegen das Drüsenlumen spitzen sich die Belegzellen zu und laufen in einem schmalen 1,7—5 u messenden Fortsatz aus, der bis zum Drüsenlumen reicht. Der Fortsatz ist heller als die Zelle, nur selten granulirt und färbt sich fast nie mit den die Belegzelle selbst so auszeichnenden 228 Philipp Stöhr: Anilinfarben. Die Stellung des Fortsatzes ist häufig senkrecht zur Längsaxe der Drüsen gerichtet; seltener steht der Fortsatz schräg oder zieht gebogen zwischen den Hauptzellen zum Lumen. Zuweilen vereinen sich die Fortsätze zweier delomor- phen Zellen zu einem, der dann zum Lumen führt. Schräg- schnitte, sowie zu dicke Schnitte gestatten dieselben gar nicht oder nur sehr schwer wahrzunehmen, dagegen bringen feine Querschnitte (Figur 6) noch besser aber glückliche Längs- schnitte (Fig. 7), welche das Drüsenlumen eine Strecke weit ge- troffen haben, diese Fortsätze so häufig zu Gesicht, dass es äusserst wahrscheinlich ist, dass alle Belegzellen, soweit sie aus der Reihe der Hauptzellen gerückt sind, zum Drüsenlumen ziehende Fortsätze besitzen. Ich muss übrigens hier noch eines Umstandes erwähnen, welcher mir Anfangs wiederholt zweifelhaft gemacht hat, ob man von „Fortsätzen“ reden oder ob man nicht besser diese Gebilde inter- cellulare bis zu den Belegzellen ziehende Spalten, welche Fort- setzungen des Drüsenlumens sind, nennen soll. Es ist mir nämlich nieht gelungen, eine deutliche Abgrenzung zwischen Fortsatz und Drüsenlumen wahrzunehmen; stets gingen beide continuirlich in einander über und ich würde mich unbedenklich für „intereellulare Spalten“ entschieden haben, hätte ich mich nicht an isolirten Be- legzellen, noch besser aber an Zupfpräparaten zarter Querschnitte auf das Bestimmteste von dem Vorhandensein wirklicher Fortsätze überzeugt (Fig. 8 und 9). Wie mir scheint, ragen diese Fortsätze in Seitenäste des axialen Drüsenlumens hinein, es würden danach sowohl Fortsätze der Belegzellen, wie intercellulare Spalten be- stehen. Mein nächstes Augenmerk war nun darauf gerichtet, auch bei Thieren nach derartigen Fortsätzen zu suchen; es ist mir auch hier gelungen, in einer ganzen Reihe von Fällen das Vorhanden- sein derselben zu constatiren (vergl. Fig. 10, 11 und 12). Es ist sehr wahrscheinlich, dass auch hier allen Belegzellen, soweit dieselben nicht an den Begrenzungen des Lumens ausge- dehnteren Antheil nehmen, solche Fortsätze zukommen, dass somit auch hier ein völliger Ausschluss der Belegzellen vom Lumen nicht stattfindet. Selbst in den Fällen, wo die stark entwickelten Beleg- zellen fast gänzlich aus der Reihe der Hauptzellen herausgedrängt waren, konnte ich solche Fortsätze wahrnehmen. Aus Vorstehendem ergibt sich somit, dass die Belegzellen Zur Kenntniss des feineren Baues der menschlichen Magenschleimhaut. 229 des Menschen sowie der von mir daraufhin unter- suchten Säugethiere (Hund, Katze, Dachs) nicht voll- ständig vom Drüsenlumen abgedrängt sind, sondern vielmehr an der Begrenzung desselben stets grösseren oder geringeren Antheil nehmen. Das von Heidenhain betonte Prineip (s. oben p. 227) kann demnach für die eben genannten Fälle keine Bedeutung bean- spruchen. Wie aus einzelnen Mittheilungen hervorgeht, scheinen schon früheren Untersuchern der Magenschleimhaut Andeutungen des eben Geschilderten zur Beobachtung gelangt zu sein. Wenigstens glaube ich den in Heidenhain’s Abhandlung enthaltenen Passus ‚bei sehr starker Vergrösserung !) sieht man mitunter zwischen benach- barten Belegzellen ?) ganz feine Spalten von Drüsenlumen aus ein- dringen“ (l. ec. p. 374) darauf beziehen zu müssen, H. hat aber dieser Tnatsache keine weitere Beachtung geschenkt, sondern im Gegentheil gleich darauf den Ausschluss der Belegzellen vom Drüsen- lumen betont. In der „Physiologie der Absonderungsvorgänge“ geschieht des früheren Fundes keine Erwähnung mehr. Auch” bei Rollet findet sich eine Bemerkung, die für das oben von mir Dargestellte von Werth erscheint. Nach Rollet (p. 146) sind die Belegzellen des Endstückes von denen des „äus- seren Spaltstückes“ dadurch verschieden, dass ihnen neben langen in der Richung der Schlauchaxe liegenden Zacken noch einzelne kürzere in anderen Richtungen zukommen. Diese letzteren stim- men offenbar mit meinen zum Lumen reichenden Fortsätzen über- ein. Dass dieselben nicht an den Belegzellen des äusseren Spalt- stückes gefunden werden, erklärt sich aus der schon oben erwähn- ten Thatsche, dass die Belegzellen dortselbst noch mehr in gleicher Reihe mit den Hauptzellen liegen und in grösserer Ausdehnung das Lumen begrenzen. 1) Es bedarf zur Demonstration der Fortsätze keineswegs starker Ver- grösserung; es ist mir stets möglich gewesen, meinen Collegen dieselben schon mit Hartnack Obj. VII Oc. 3 zu demonstriren, ja ich besitze Präpa- rate, in denen die Fortsätze schon mit Obj. IV Oc. 3 wahrgenommen werden können. 2) Es soll wohl Hauptzellen heissen; im anderen Falle wäre mir die Bemerkung unverständlich. to [2>] >} Philipp Stöhr: Endlich müsste noch Edinger!) erwähnt werden, welcher die Fortsätze ganz richtig abgebildet, dieselben aber als Sekret- ströme zwischen den Zellen ansieht, eine Ansicht, der ich mich aus oben erwähnten Gründen nicht anschliessen kann. Bei genauer Durchsicht der Zellen der Fundusdrüsen stösst man nicht selten auf Gebilde, welche Uebergangsformen von Haupt- zellen zu Belegzellen zu sein scheinen (Fig. 13); bald sind es Zellen, welehe nach Form und Lage als Hauptzellen angesprochen werden müssten, während sie die Farbenreaktion zu den Beleg- zellen stellt; umgekehrt sieht man Zellen, die an ungefärbten Präpa- rate von Jedem als Belegzellen bezeichnet würden, die sich aber nicht wie Belegzellen, sondern wie Hauptzellen Anilinfarben gegen- über verhalten. Solehe Momente schienen mir gegen eine Trennung beider Zellarten zu sprechen ?), eine Ansicht, die schon vor mir Edinger, gestützt auf ähnliche Beobachtungen am menschlichen Magen, ge- äussert hatte. Edinger ging aber noch weiter, indem er in Rücksieht auf vergleichend-anatomische Resultate die Meinung aus- sprach, dass aus den Hauptzellen durch Zunahme des Volumens und Füllung mit Ferment Belegzellen werden, dass also der Magen nur eine Zellenart besitzt. E. betrachtete also Hauptzellen und Belegzellen als ein und dieselben Zellen in verschiedenen Funktions- zuständen. Ich kann mich dieser Meinung nicht anschliessen. Fände wirklich eine derartige Umbildung von Hauptzellen in Belegzellen statt, so müssten in der „intermediären Zone“, wo, wie ich später zeigen werde, die Drüsenschläuche in den verschiedensten Funk- tionszuständen angetroffen werden, am häufigsten solche Ueber- gangsformen vorkommen. Das ist nicht der Fall. Auch die Fundus- drüsen winterschlafender Thiere sprechen dagegen; denn ich habe bei Fledermäusen, die während des Winterschlafes getödtet wur- den, deren Magen vollkommen leer war, dennoch Belegzellen ge- 1) Edinger: Arch. f. mikr. Anatomie. Bd. XVII. p. 19. 2) Ph. Stöhr: Zool. Anzeiger III. Jahrg. 1880 p. 177, Siehe ferner G. Herrendörfer: Physiol. und mikrosk. Untersuchungen über die Aus- scheidung von Pepsin. Königsberg 1875. Diss. Zur Kenntniss des feineren Baues der menschlichen Magenschleimhaut. 231 funden !). Sie mussten nach dem, was Edinger in einem Falle beim Menschen beobachtet haben wollte ?), vollkommen verschwun- den sein. Die vergleichend anatomische Studie Edinger’s über den Heehtmagen ist doch wohl zu wenig eingehend behandelt, um den Satz: „Die eine Zellart in der Magendrüse des Hechtes ver- hält sich also im Hungerzustande wie die Hauptzeilen, im ver- dauenden Zustande wie die Belegzellen des Säugethiermagens gegen Osmiumsäure“ als einen hinreichend begründeten hinzustellen. Wie mir scheint, hat Toldt das Richtige getroffen, wenn er diese Vebergangsformen nicht als unmittelbare Folgen der Secretions- thätigkeit, sondern als einen physiologischen Regenerationsvorgang der Drüsenwand betrachtet, welcher mit einer ganz langsamen aber stetigen Erneuerung der Belegzellen einhergeht und dessen Wesen- heit von den secretorischen Veränderungen der Drüsenzellen ganz unabhängig ist. II. Pylorusdrüsen und intermediäre Zone. Die Mittheilungen Wassmann’s?), nach welchen die Drüsen der Pylorusgegend verschieden von denen des Fundus sein sollten, hatten vielfache Zustimmung und in den meisten Lehr- büchern Aufnahme gefunden, bis die in Heidenhain’s Institut von Ebstein unternommenen Untersuchungen *) den bisherigen Anschauungen entgegen die Zellen der Pylorusdrüsen als gleich- werthig den unterdessen aufgefundenen Hauptzellen der Fundus- 1) Die Bemerkung Nussbaum’s: „durch Rollet wissen wir nun, dass bei Fledermäusen während des Winterschlafes die Belegzellen schwinden“ (Arch. f. mikr. Anat. XIII), könnte dem Glauben Vorschub leisten, dass alle Belegzellen verschwinden; das ist nach Rollet keineswegs der Fall. Wäh- rend R. bei Winterschläfern nur in wenigen Endstücken (Drüsenkörper) ver- einzelte Belegzellen gefunden hatte, waren bei nicht winterschlafenden Fleder- mäusen in allen Endstücken dissociirte Belegzellen vorhanden; in den äusseren Schaltstücken (Drüsenhälsen) fanden sich immer Belegzellen. 2) Dieser Fall, in welchem nach 10tägigem (nicht einmal absolutem) Fasten die Belegzellen fast ganz geschwuuden oder doch nur in einigen zweifelhaften Exemplaren vertreten waren, ist mir zweifelhaft und kann ich mich des Gedankens nicht erwehren, dass die Beschaffenheit des Magens doch nicht mehr zu einer histologischen Untersuchung vollkommen tauglich war. 3) Wassmann: De digestione nonnulla. Berolini 1839. 4) Ebstein: Arch. f. mikrosk. Anatomie VI. p. 515. 1870. 232 Philipp Stöhr: drüsen bezeichneten und dieselbe für Pepsinbilder erklärten. Die Arbeit Ebstein’s bildete gleichzeitig eine der wesentlichsten Stützen der von Heidenhain aufgestellten Hypothese, dass die Hauptzellen der Fundusdrüsen das Pepsin absondern sollten. Denn da in der Regio pylorieca nur eine Art von Drüsenzellen gefunden wurde, die ehemisch wie morphologisch in ihren Gestaltsverände- rungen während der Funktion so vielfach mit den Hauptzellen, nieht aber mit den Belegzellen übereinstimmt, da ferner auch im Pylorus unzweifelhaft Pepsin ausgeschieden wird !), so können nur die den Pylorusdrüsenzellen ähnlichen Hauptzellen als Pepsin- bildner angesprochen werden ?). Aber diese oft eitirte Arbeit enthält ausser manchen Unge- nauigkeiten und Lücken solch auffallende Widersprüche, dass ihr Werth sehr gemindert wird und ihre Bedeutung als. Stütze der Heidenhain’schen Hypothese kaum mehr anerkannt werden darf. Ungenau sind die mikrochemischen Untersuchungen, die Ebstein behufs Identifieirung der Pylorusdrüsenzellen mit den Hauptzellen angestellt hat. Statt nach dem Vorgange Heidenhain’s die Pylorusdrüsenzellen mit Salpetersäure in den angegebenen Concen- trationen (0,02 %/, — 0,05 °%% und 0,5 — 5/0) oder mit Essigsäure (0,5%/ —5°/o) zu behandeln, hat E. die mehr verdünnnte Salpeter- säure gar nicht angewendet, sondern sofort mit 0,5°/,iger Salpeter- säure und mit 5%/,iger Essigsäure) begonnen. Ungeachtet der nun widersprechenden Resultate, dass nämlich durch solche Behand- lung die Hauptzellen trotz ihres dunkleren Aussehens den früher unsichtbaren Kern jetzt erkennen lassen 3), während in den Pylorus- drüsenzellen die Kerne schwer sichtbar oder ganz verdeckt wer- den *), liess sich Ebstein nicht von dem Ausspruche „die Drüsen- zellen der sog. Magenschleimdrüsen zeigen ein ganz gleiches Ver- halten gegen Säuren, wie die Hauptzellen der sog. Labdrüsen“ abhalten. Wenn man den Beweis liefern will, dass zwei Zellarten einander gleich seien, so ist doch zu erwarten, dass man auch beide Arten selbst untersucht. Ebstein hat dies bei der Fest- 1) Vergl. R. Heidenhain: Arch. f. d. ges. Physiol. XVII. p. 169. 1878. 2) Vergl. Ebstein l. c. p. 537. 3) Heidenhain Arch. f. mikrosk. Anatomie. VI. p. 377. 4) Ebstein |, c. p. 525. Zur Kenntniss des feineren Baues der menschlichen Magenschleimhaut. 233 stellung der Veränderung der Drüsenzellen während der Verdauung unterlassen, sich begnügt, nur die Veränderungen der Pylorus- drüsenzellen zu studiren und auf ihre Uebereinstimmung mit den Hauptzellen der Fundusdrüsen hinzuweisen. Würde E. die Fundus- drüsen derselben Mägen untersucht und zum Vergleich herange- zogen haben, so hätte ihm nicht entgehen können, dass zeitliche Verschiebungen in der Funktion beider Regionen bestehen, dass die Hauptzellen meist gerade ein umgekehrtes Verhalten zeigen, als die Pylorusdrüsenzellen, dass sie z. B. trüb sind, während die Pylorusdrüsenzellen hell aussehen u. s. w., eine Thatsache, deren Ebstein mit keinem Worte erwähnt. Zu ganz auffallenden Resul- taten aber führt ein Vergleich der Angaben Ebstein’s mit denen Heidenhain'’s hinsichtlich der Zeit, in welcher die Veränderungen an den Pylorusdrüsenzellen wahrzunehmen seien. Nach Ebstein treten die Veränderungen (d. i. Trübung und Schrumpfung) der Drüsenzellen (des Pylorus) schon ziemlich frühzeitig nach der Nahrungsaufnahme auf. „Nach 1—2 Stunden lassen sich dieselben schon sehr deutlich constatiren, erreichen 4—5 Stunden nach der Nahrungsaufnahme ihr Maximum; nach 6—8 Stunden sind die- selben, wenn auch immerhin sehr stark ausgesprochen, doch schon im Abnehmen. Auch nach 12 Stunden erscheinen sie vollkommen deutlich und es gehört ein nahezu 24stündiger Hunger dazu, um nach aufgenommener reichlicher Nahrung alle Spuren der Verdau- ungsveränderung zu verwischen und den Drüsenzellen wieder das Gepräge des Hungerzustandes zu verleihen“ !). Hören wir dagegen Heidenhain: „Während der ersten sechs Verdauungsstunden nach Aufnahme reichlicher Mahlzeit“: „Pyloruszellen noch nicht verändert“. „Sechste bis neunte Verdauungsstunde“: Die Zellen der Pylorusdrüsen vergrössern sich, sind hell oder doch nur sehr schwach körnig; Kerne von unregelmässiger Form, nahe dem Aussenende der Zellen“. „Fünfzehnte bis zwanzigste Stunde‘: Die Drüsenzellen des Pylorus schrumpfen mehr und mehr, trüben sich, ihr Kern wird rund, scharf eontourirt, zeigt ein deutliches Kernkörperchen und rückt mehr in die Mitte der Zellen 2). Nach Ebstein erreichen also die Pylorusdrüsenzellen sechs Stunden nach der Nahrungsaufnahme das Maximum ihrer Ver- 1) Ebstein 1. c. p. 530. Hermann: Handb. der Physiologie. Bd. V. p. 143. 1880. 234 Philipp Stöhr: änderungen, während Heidenhain dieselben um diese Zeit gar nicht verändert findet )! Lassen sich wohl grössere Gegensätze denken ? Und dazu sind beide Untersuchungen in demselben In- stitut, nach denselben Methoden unternommen worden! Solche Widersprüche lassen zum Mindesten berechtigte Zweifel an der Brauchbarkeit der von beiden Forschern geübten Methoden ent- stehen. Wenn ein und dieselbe Methode solche Differenzen zu Tage fördert, so wird der Werth der durch .sie erlangten Resultate ein sehr fraglicher sein. Aber auch die ältere Ansicht fand weitere Verfechter. Nuss- baum, dem sich späterhin Edinger anschloss, hat die Belegzellen für Fermentbildner, Hauptzellen und Pylorusdrüsenzellen dagegen für Schleimzellen erklärt und trotz wiederholter Zurückweisung von Seiten Grützner’s immer wieder neue Belege für seine An- schauungen zu erbringen versucht. In seiner letzten Arbeit ?) ist es N. gelungen, in den Pylorusdrüsen eine zweite Zellenart zu entdecken, welche er mit der Pepsinbereitung in Zusammenhang bringt. Die einseitige Anwendung der Ueberosmiumsäure, deren sich N. zur Darstellung seiner neuen Zellen bedient hatte und deren spezifischer Werth für Reaetionen auf Fermente nach den Feststellungen Grützner’s ein sehr zweifelhafter sein dürfte, er- leichterte in hohem Grade die Entgegnung, die daraufhin von Seiten Grützner’s®) erfolgte. Es gelang nicht, die „Nussbaum’- schen Zellen“ mit den die Belegzellen eharakterisirenden Anilin- stoffen (Anilinblau und Nigrosin) zu färben; ferner unterscheiden sich dieselben von den Belegzellen in Form und Lage, indem die ungefähr kegelförmigen Nussbaum’schen Zellen mit einem schmalen Fortsatze bis zur Richtung der Schläuche vordringen, während die linsenförmigen Belegzellen sich im Drüsengrunde ja stets zwischen der T. propria und den eylindrischen Hauptzellen 1) Damit scheinen sich wieder andere Angaben Heidenhain’s nicht recht in Einklang bringen zu lassen. H. sagt (Arch. f. d. ges. Physiologie Bd. XVII. p. 169), dass die Pylorusfistel um die fünfte Stunde nach der Nahrungsaufnahme ihre vordere geringfüge secretorische Thätigkeit bedeutend steigere. Man sollte dann doch erwarten, dass die Pylorusdrüsenzellen dem- gemäss entsprechende Veränderungen erkennen lassen, was ja nach Heiden- hain (s. oben) um diese Zeit nicht der Fall ist, sondern erst später eintritt. 2) Nussbaum: Arch. f. mikrosk. Anatomie. XVI. p. 532. 1879. 3) Grützner (und Menzel): Arch. f. d. ges. Physiol. XX. p. 395. 1879. Zur Kenntniss des feineren Baues der menschlichen Magenschleimhaut. 235 befinden sollten, ohne das Drüsenlumen zu erreichen. Die geringe Anzahl der vorgefundenen Nussbaum’schen Zellen schien gleich- falls nielıt ausreichend, die Menge des ausgeschiedenen Pepsins zu erklären. Die Nussbaum ’schen Zellen konnten demnach keine Beleg- zellen oder auch nur den Belegzellen ähnliche „protoplasmatische“ Zellen sein und schien es somit festgestellt, dass in der Pylorus- schleimhaut des Hundes keine Belegzellen vorkommen, eine An- sicht, der sich auch Toldt!) anzuschliesen geneigt ist. Auch ich glaubte mich vollkommen auf die Seite Grützner’s, dessen Ab- handlungen ich mit besonderem Interesse gefolgt war, stellen zu müssen. Um so mehr war ich erstaunt, als eine Untersuchung der Schleimhaut des Hundepylorus mir Bilder zu Gesicht brachte, welche weit eher für Nussbaum, als für Grützner zu sprechen schienen. Schnitte durch den Pylorus eines etwa acht Stunden nach vorangegangener Schwammfütterung getödteten Hundes zeigten zwischen den sehr hohen (0,026 mm) und dabei schmalen (0,008 mm) eylindrischen Drüsenzellen, welche leicht körnig, einen an der Zellenbasis stehenden querovalen Kern besassen, andere dunkle Zellen, welehe sich mit dem Belegzellen charakterisirenden Anilin- blau (sowie mit Eosin, Fuchsin ete.) deutlich gefärbt hatten (Fig. 14). Solche Zellen fanden sich überall von der intermediären Zone an bis zum Beginn des Duodenum in verhältnissmässig grosser An- zahl, oft zeigte jeder Drüsenquerschnitt solche, doch schien es, als wenn eine allmähliche Abnahme gegen die Duodenalgrenze statt- fände, immerhin war die Menge dieser Zellen eine ansehnliche und liessen sich dieselben in der weit überwiegenden Anzahl der Drüsenschläuche nachweisen. Sie hatten ihren Sitz in den Drüsen- körpern, vorzugsweise in den tieferen Abschnitten derselben; zwi- schen den Zellen der Äusführungsgänge habe ich sie nicht gesehen. Auf dem Querschnitt von dreieckiger Gestalt sassen sie mit breiter Basis der Tuniea propria auf, während die schmale, zuweilen et- was hellere Spitze bis zum Drüsenlumen reichte; ihre grösste Breite betrug ca. 0,006 mm, doch fanden sich viele Zellen, die noch schmäler auf dünne —0,0025 mm messende Streifen redueirt waren; solchen dünnen Zellen fehlte auch eine breitere Basis ; möglicher Weise sind dies Tangentialschnitte breiterer Zellen. Die 1) Toldt 1. « p: 119. 236 Philipp Stöhr: Kerne waren rund oder längsoval in der basalen Hälfte der Zelle gelegen und zeichneten sich den Kernen der hellen Pyloruszellen gegenüber durch ihre Grösse aus (Fig. 15). Zuweilen waren die Zellen von bräunlicher Farbe, die vorzugsweise in der basalen Zellenhälfte ihren Sitz hatte. Die hier beschriebenen Zellen sind zweifellos dieselben Ge- bilde, die Nussbaum und Grützner vor Augen gehabt haben. Allerdings stimmen dieselben nicht ganz in Form und Aussehen mit den von Nussbaum abgebildeten Zellen überein; ich glaube aber bei der geringen anatomischen Vollkommenheit, deren sich die Zeichnungen Nussbaum’s überhaupt erfreuen, kein zu grosses Gewicht auf diesen Punkt legen zu müssen. Das Auffallende ist nur, dass diese Nussbaum’schen Zellen sich mit Anilinblau ete. färben, was ja nach Grützner und Menzel nicht der Fall sein soll. Ich kann demnach diesen gegen die Belegzellennatur be- sagter Zellen erhobenen Einwand nicht gelten lassen. Allein auch die anderen oben angeführten Bedenken sind nicht so schwer- wiegend. Dass die Nussbaum’schen Zellen mit einem Fortsatz bis zum Drüsenlumen reichen, kann nieht mehr gegen die Auf- fassung derselben als Belegzellen sprechen, da, wie ich oben pag. 229 nachgewiesen habe, auch die Belegzellen der Fundusdrüsen nicht vollkommen vom Lumen abgedrängt sind. Ebensowenig kann die eigenthümliche Form der Nussbaum’schen Zellen ausreichen, um sie scharf von den Belegzellen zu trennen, sobald man nur die oben (pag. 225) schon erwähnte Thatsache berücksichtigt, dass ihre Form in gewissem Grade von der Form der benachbarten Zellen abhängig ist; es sei nur darauf hingewiesen, dass sich z. B. in den Ausführungsgängen der menschlichen Fundusdrüsen unzweifel- hafte Belegzellen finden, die den hier abgebildeten Nussbaum’- schen Zellen äusserst ähnlich sind (vergl. Fig. 1)!). Nach All dem könnte man vielleicht die Nussbaum’schen Zellen als Beleg- zellen betrachten, die in eigenthümlicher Weise durch die Form ihrer Nachbarzellen modifieirt sind. Diese Annahme gewinnt eine wesentliche Stütze durch die Verhältnisse des menschlichen Pylorus. Hier sind die gewöhn- 1) Es darf aber auch nicht unerwähnt bleiben, dass ich in den Aus- führungsgängen der Hunde-Fundusdrüsen keine so langen Belegzellen gesehen habe (s. Figur 3). Zur Kenntniss des feineren Baues der menschlichen Magenschleimhaut. 237 lichen Drüsenzellen nicht so hoch wie beim Hunde, nähern sich vielmehr in ihrer Form derjenigen der Hauptzellen in hohem Grade. Dem entsprechend sind die auch hier vorkommenden Nussbaum’- schen Zellen (Fig. 16) so übereinstimmend mit den Belegzellen der Fundusdrüsen, dass es vollkommen überflüssig erscheint, diese mit einem eigenen Namen zu bezeichnen und als von den Belegzellen differente Gebilde aufzuführen. Jukes!)}, welcher der einzige zu sein scheint, der im menschlichen Pylorus solche Zellen gesehen hat ?), nimmt auch keinen Anstand, dieselbe als „polygonale Zellen“ (d. i. Belegzellen) zu bezeichnen und ich stimme ihm voll- kommen bei. Ich kenne keine Eigenschaften, welche die Beleg- zellen des menschlichen Pylorus besonders vor denen des Fundus auszeichneten. Dagegen ist die Zahl der Belegzellen in den Pylorus- drüsen eine ungleich geringere. Es giebt eine ganze Anzahl von Pylorusdrüsen, die nicht eine einzige Belegzelle aufweisen können, andere Drüsenschläuche sind im Besitz nur weniger Belegzellen. Im Allgemeinen nimmt die Zahl der Belegzellen tragenden Schläuche gegen den Pylorus zu stetig ab, doch findet man einzelne Beleg- zellen selbst dicht an der Pylorusgrenze. Die Aehnlichkeit solcher Pylorusdrüsen mit Fundusdrüsen is eine so grosse, dass es selbst einem geübten Beobachter schwer würde, den Entscheid zu treffen, würde nicht die verhältnissmässig geringe Anzahl der Belegzellen, die Nachbarschaft nur mit einer Zellenart ausgestatteter Drüsen- schläuche die Unterscheidung ermöglichen. Was aber im Bereich der Pylorusschleimhaut thunlich ist, wird kaum ausführbar, sobald wir die Uebergangszone zwischen Fundus und Pylorus, die von Ebstein sogenannte „intermediäre Zone“ zum Gegenstand unserer Untersuchung machen. Ich will hier zunächst die intermediäre Zone des Menschen, die meines Wissens bis jetzt noch nicht besehrieben worden war, etwas eingehender betrachten. Was sofort in die Augen springt, ist, dass hierselbst die Drüsenschläuche in verschiedenen Funktions- 1) Jukes: Beiträge zum histologischen Bau der Labdrüsen. Diss. Göttingen 1872. p. 23. 2) Die älteren Angaben von J. Gerlach (Handbuch der Gewebelehre, II. Aufl. 1854) und Maier (Berichte der Freiburger naturw. Gesellsch. Nr. 9) werden in Anbetracht der damals noch sehr unvollständigen Kenntniss des feineren Baues der Magenschleimhaut wohl heute nicht mehr als ganz voll- wichtig gelten können. 238 Philipp Stöhr: zuständen angetroffen werden; während ich im Fundus die Haupt- zellen trüb, körnig mit rundem Kern gefunden hatte, waren hier in den meisten Drüsenschläuchen die Hauptzellen hell, nur schwach körnig und der querovale Kern sass an der Basis der Zelle. Ueber- sänge aller Art verbanden die oft an einem Schnitt zu beobachten- den Extreme. Es stimmt dieser Befund mit der schon mehrfach erwähnten Thatsache der zeitlichen Verschiebung der Funktions- zustände der Fundus- und Pylorusschleimhaut. Während also in dem einen Abschnitt Thätigkeit, in dem anderen Ruhe herrscht, zeigen die Drüsen der intermediären Zone beide Zustände neben einander, verknüpft durch zahlreiche Uebergangsbilder. Die hellen Hauptzellen unzweifelhafter Fundusdrüsen (d. h. soleher, deren Drüsenhälse Belegzellen in dichter Reihe besassen), zeigten eine derartige Uebereinstimmung mit den hellen Zellen ächter Pylorus- drüsen (d. h. solcher, welche keine einzige Belegzelle aufweisen), dass eine Unterscheidung mir nicht möglich war. Wer, nur ge- stützt auf Vergleiche von Präparaten der Regio cardiaca und R. pylorica, Hauptzellen und cylindrische Pylorusdrüsenzellen für ver- schiedene Gebilde anzusehen geneigt ist !), der möge sich die inter- mediäre Zone des Menschen betrachten (vergl. Fig. 17). Ich muss gestehen, auch mir schien der Versuch, beide Zellarten zu identi- fieiren, ein gewaltsamer und diese Meinung war durch das Studium der Arbeit Ebstein’s keineswegs erschüttert; seitdem ich ‘aber die intermediäre Zone des Menschen kenne, bin ich überzeugt, dass Eb- stein in diesem Punkte Recht hat. Die intermediäre Zone des Menschen birgt die besten Stützen für die Annahme der Identität der Pylorusdrüsenzellen und der Hauptzellen der Fundusdrüsen. Die Vertheilung der Belegzellen ist hier eine sehr ungleiche; neben Schläuchen, die Belegzellen in grosser Menge zeigen, finden sich solehe, die sparsam damit versehen sind und andere wieder, die nur vereinzelte Belegzellen besitzen. Ein Versuch nach der Menge der Belegzellen eine Scheidung in Fundus- und Pylorus- drüsen auszuführen, dürfte wohl kaum durchführbar sein. Allein es kommen in der intermediären Zone Drüsenschläuche vor, welche durchaus keine Belegzellen auffinden lassen, und welche aufs 1) Siehe Sertoli e Negrini, Arch. di medic. veter. 1879, Langley und Sewall. Proceed. of the royal society 1879. Bd. XXIX. p. 383, vergl. ferner Heidenhain (Hermann Hdb. d. Physiol. Bd. V. p. 101) und Toldt l. ec. p. 118 und p. 120. Zur Kenntniss des feineren Baues der menschlichen Magenschleimhaut. 239 Neue den Gedanken an eine durchführhare Trennung in zwei Arten von Drüsenschläuchen aufkommen lassen. Ich werde weiter unten, nachdem wir die intermediäre Zone des Hundes kennen ge- lernt haben, noch einmal auf diese Frage eingehen: Auch die intermediäre Zone des Hundemagens birgt Drüsen- schläuche in verschiedenen Funktionszuständen, allein es ist hier im Allgemeinen nicht so schwer, Fundusdrüsen und Pylorusdrüsen auseinander zu halten, selbst wenn sie in den gleichen Funktions- zuständen angetroffen werden. Die bedeutendere Höhe der eylindrischen Zellen der Pylorus- drüsen, sowie vorzugsweise die Form der Nussbaum’schen Zellen, die ja doch deutlich sich von den Belegzellen unterscheiden, bieten genug Anhaltspunkte, um die Drüsenschläuche der einen oder der anderen Kategorie zuzutheilen. Und doch gibt es wieder Formen, bei denen uns die angegebenen Kriterien im Stiche lassen; helle Cylinderzellen, die etwas niedriger sind und denen doch Nuss- baum'’sche Zellen beigemengt sind, sowie hohe Cylinderzellen mit ächten Belegzellen !); oft finden sich Nussbaum’sche und Beleg- zellen in einem Drüsenschlauche zusammen, weiterhin gibt es Zellen, die man mit demselben Rechte Nussbaum’sche und Be- legzelle nennen könnte (Fig. 18); kurz, Uebergangsformen, welche die Zusammengehörigkeit aller dieser Gebilde lebhaft befürworten. Versucht man die an der Magenschleimhaut des Menschen und des Hundes gemachten Erfahrungen zusammenzufassen, so er- geben sich nicht unerhebliche Schwierigkeiten, da die Schlüsse, welche aus dem Verhalten der einen gezogen werden könnten, Widerspruch erfahren durch Verhalten der andern. So wie die Dinge jetzt liegen, gibt es wohl nur ein Mittel, die Thatsachen auf eine befriedigende Weise zu erklären und das ist die Auf- fassung der Nussbaum’schen Zellen des Hundemagens als (selbstverständlich modifieirte) Belegzellen. Für diese Auf- fassung spricht 1) dass sie sich mit den Belegzellen charakteri- sirenden Anilinfarbstoffen färben, 2) dass in der intermediären Zone 1) Solche Fälle zeigen gleichfalls, dass die Höhe der Cylinderzellen nicht das einzige formbestimmende Moment für die Nussbaum’schen Zellen zu sein scheint. ’ 240 Philipp Stöhr: Uebergangsformen zu ächten Belegzellen gefunden werden, 3) dass die Nussbaum’schen Zellen des Menschen mit ächten Belegzellen in jeder Beziehung vollkommen übereinstimmen. Ich habe eben die „Nussbaum’schen Zellen“ des Hundes als modifieirte Belegzellen bezeichnet, da sie ja, wie schon erwähnt, durch eine Reihe von Eigenthümlichkeiten von den ächten Belegzellen sich unterscheiden. Dasselbe gilt aber auch von den Drüsen- eylindern der Pylorusschläuche, welche gleichfalls nur als modi- fieirte Hauptzellen betrachtet werden können; denn auch hier bestehen — die Fälle in der intermediären Zone abgerechnet — deutliche Unterschiede. Als solche sind zu nennen: 1) Die schon oben erwähnte, oft viel bedeutendere Länge der Pylorusdrüseneylinder. 2) Gewisse Verschiedenheit im Verhalten gegen Reagentien, die ich indessen nicht selbst geprüft habe, sondern nur in Anbe- tracht der Angaben Ebstein’s vermuthe. Dazu kommt noch als Unterschied für Fundusdrüsen und Pylorusdrüsen das Aussehen des in den Schläuchen enthaltenen Sekretes. In den Fundusdrüsen des Menschen sieht man zuweilen gleichartige, mit Hämatoxylin blassblau gefärbte Körper, welche von meist rundlicher Gestalt auf den ersten Blick Kerne vortäuschen könnten, doch zeigt ihre sehr verschiedene Grösse schon, dass wir es nicht mit Kernen zu thun haben. Diese Körper scheinen von den Belegzellen ausge- schieden zu werden, denn ich finde zuweilen solche in Vacuolen der Belegzellen gelegen (Fig. 19a). Vacuolen in Belegzellen sind nicht selten sowohl an Spirituspräparaten, als an solchen Magen- stücken, die in Müller’scher Flüssigkeit gelegen haben, wahrzu- nehmen und lässt die sonstige gute Erhaltung des Präparates nicht wohl annehmen, dass wir es mit Kunstprodukten zu thun haben. Die Grösse der Vaeuolen ist sehr verschieden; meist ist nur eine, in selteneren Fällen sind deren mehrere vorhanden. Manchmal finden sich Belegzellen, die nur eine geringe, in Fäden auslaufende Menge Protoplasma’s, das um den Kern gelagert ist, enthalten, während der übrige Raum leer erscheint (Fig. 19b); möglicher Weise ist das nichts anderes, als eine sehr ausgedehnte Vaeuolen- bildung. Ich möchte nicht glauben, dass wir es hier mit zuGrunde gehenden Belegzellen zu thun haben, es scheinen hier vielmehr mit der Funktion der Belegzellen zusammenhängende Erscheinungen Zur Kenntniss des feineren Baues der menschlichen Magenschleimhaut. 241 vorzuliegen. Anders verhält sich der Inhalt derPyloruschläuche. Hier findet man beim Hunde zweierlei Inhalt: einmal eine dunkle, aus stäbchenförmigen !) Körpern bestehende Masse, die sich gegen Anilinfarben gerade wie die Nussbaum’schen Zellen verhält und wahrscheinlich als von diesen ausgeschieden ist (Fig. 15a); und zweitens helle, halbkuglige Körper, welche ganz den Eindruck von Schleim machen und den Drüseneylindern aufsitzend, von diesen ausgeschieden zu sein scheinen (Fig. 15 bj. Wir werden also, wenn wir auch die Zusammengehörigkeit der Nussbaum’schen Zellen und Belegzellen, sowie der Hauptzellen und der Pylorus- drüseneylinder anerkennen, doch nie vergessen dürfen, dass in den ausgebildeten Formen beide durch eine Reihe von Merkmalen von einander unterschieden sind. . Mit der Auffassung der Nussbaum’schen Zellen als Beleg- zellen ändert sich aber die Definition, welche uns bis jetzt über die Magendrüsen geläufig war, dahin: Die Drüsenschläuche der Magenschleimhaut enthalten zwei Arten von Zellen, Belegzellen und Hauptzellen. Erstere sind in der cardialen Magenhälfte in grosser Menge vorhanden, nehmen aber, wenn wir uns der Pylorusgegend nähern, an Zahl ab. Beim Hunde enthält die Mehrzahl der Pylorusdrüsen (modifieirte) Belegzellen, die Abnahme ist keine so grosse, wie beim Menschen, bei welchen verhältnissmässig sehr wenige Pylorus- drüsen Belegzellen tragen. Im Hinblick auf die hierin zwischen Mensch und Hund be- stehenden Verschiedenheiten ist es zu vermuthen, dass auch bei den übrigen Säugethieren in dieser Hinsicht Differenzen vorhanden sind und ist es nicht unmöglich, dass bei einzelnen Thieren!) in den Pylorusdrüsen gar keine Belegzellen gefunden werden. Ob die Belegzellen als Pepsinbildner anzusehen sind oder nicht, kann hier nicht entschieden werden; die bekannte That- sache, dass in der R. pylorica weniger Pepsin ausgeschieden wird, 1) Es ist vielleicht möglich, dass diese Form des Sekrets in den engen Ausführungsgängen (s. v. v.) der Nussbaum’schen Zellen ihren Grund hat. 2) Ich habe in der Pylorusschleimhaut der Katze, die ich freilich nicht so eingehend untersucht habe, wie die des Menschen und des Hundes, bis Jetzt noch keine Belegzellen gesehen. Archiv f. mikrosk, Anatomie. Bd. 20. 16 242 Philipp Stöhr: als im Fundus !), sowie der Umstand, dass in den tieferen Schiehten der Pylorussehleimhaut das meiste Pepsin sich vorfindet, sprechen keineswegs gegen die Deutung der Belegzellen als Pepsinbildner. Vielleicht würde durch eine solche Annahme sich erklären lassen, warum die Verdauungsversuche mit Pylorusschleimhaut zu so ver- schiedenen Resultaten geführt haben. Könnte ein Theil dieser Widersprüche nieht dadurch entstanden sein, dass Schleimhaut- stücke verschiedener Thiere (vielleicht auch verschiedener Pylorus- regionen) bei den Versuchen benutzt worden sind? Zum Schlusse seien noch einige Bemerkungen über die Tunica propria der Magenschleimhaut gestattet. Dieselbe besteht, wie be- kannt, aus fibrillärem Bindegewebe und eytogenem Gewebe, deren Antheil am Aufbau der T. propr. bei den einzelnen Thieren oft sehr erheblichen Schwankungen unterliegt. So hat die Tunica propria des Hundes einen vorwiegend fibrillären Charakter, wäh- rend diejenige des Menschen in überwiegender Weise von eytogener Bindesubstanz hergestellt wird ?). Besonders reichlich fand sich dieselbe in der Pylorusschleimhaut, in welchem auch viele Iym- phoide Follikel gelagert waren; letztere waren auch — allerdings nicht in so grosser Anzahl — im übrigen Theile der Magenschleim- haut nachzuweisen. Die Follikel bestanden regelmässig aus einer hellen centralen Parthie, in welcher eigenthümliche kanalartige Räume (Fig. 20 k) enthalten waren, und einer dunkleren, dichteren Hülle, die sich allmählich in das umgebende Gewebe verlor. 1) Klemensieniez: (Sitzungsber. der Wiener Acad. Math.-naturw. Cl. 1875. 28. März) ist wohl der einzige, der behauptet, dass das Pepsin im Succus pyloricus reichlicher vorkomme, als im Fundussekrete. 2) Unter den in der Schleimhaut gelegenen Iymphoiden Zellen finden sich nicht selten Elemente, welche sich durch ihre bedeutende Grösse, die nahezu diejenige kleiner Belegzellen erreicht, auszeichnen. Ihr Protoplasma färbt sich manchmal (besonders bei Eosinfärbung) intensiv roth, so dass, wenn eine solche Zelle einem Drüsenschlauch anliegt, eine Verwechslung mit einer Belegzelle leicht möglich ist. Vielleicht liegt einer solchen Verwechs- lung die irrthümliche Angabe Sewall’s (Journal of physiology. Vol. I. p. 321), dass Belegzellen aus den Zellen des Schleimhautbindegewebes hervor- gehen, zu Grunde. Zur Kenntniss des feineren Baues der menschlichen Magenschleimhaut. 243 Figur 20 stellt einen senkrechten Schnitt durch die Mitte eines solehen Follikels dar; mehr den Rand des Follikels treffende lassen das helle Centrum nicht mehr erkennen, sondern zeigen nur die diffuse Hülle. Dieses Verhalten ist wohl geeignet, die sich wider- sprechenden Angaben einzelner Autoren zu erklären, von denen ein Theil behauptet, dass die Follikel scharf abgegrenzt seien (Sehnitt durch die Mitte der Follikel) während die andere die Follikel als diffus verlaufende Ansammlung eytogenen Gewebes (Schnitt durch den Rand der Follikel) betrachten. Gegen die Angabe Kölliker’s!) dass beim Menschen zwischen den eigentlichen Magensaftdrüsen senkrecht aufsteigende zarte Bündel von contractilen Faserzellen sich finden, bemerkt Henle?), dass es ihm nicht gelungen sei, sich von diesem Verhalten zu über- zeugen. Es ist seitdem von verschiedenen Seiten das Vorhanden- sein glatter Muskelfasern zwischen den Magendrüsen von Thieren bestätigt worden, indess macht auch der menschliche Magen hierin keine Ausnahme. Man sieht auf senkrechten Schnitten zwischen den Drüsenschläuchen dickere und dünnere Bündel glatter Muskel- fasern, die sich durch den eigenthümlichen mattblauen Ton (bei Hämatoxylinfärbung), sowie durch die langen stäbehenförmigen Kerne in unverkennbarer Weise von den Bindegewebssepten unter- scheiden (Figur 4m). Fassen wir die wesentlichsten Ergebnisse vorliegender Arbeit zusammen, so ergibt sich folgendes: 1. Die Belegzellen des Menschen, sowie diejenigen des Hundes, der Katze und des Dachses nehmen an der Begrenzung des Drüsenlumens stets Antheil. 2. Es gibt Uebergangsformen zwischen Beleg- und Hauptzellen, welehe jedoch nicht als Ausdruck seere- torischer Thätigkeit, sondern eines Regenerationsvor- ganges der Drüsenwand zu betrachten sind. 3. Die Drüsenschläuche der intermediären Zone sind in verschiedenen Funktionszuständen begriffen 1) Kölliker: Verhandlungen der physical.-med. Gesellschaft zu Würz- burg. Bd. IV. 1854. p. 55; vergl. ferner dessen Handbuch der Gewebelehre. 5. Aufl. 1867. p. 403. 2) Henle: Eingeweidelehre des Menschen. 2. Aufl. 1873. p. 171. 244 Philipp Stöhr: und vermitteln den Uebergang von dem Funktionszu- stand der Fundusdrüsen zu demjenigen der Pylorus- drüsen. 4. In einer kleinen Anzahl Pylorusdrüsen des Men- schen finden sich einzene Zellen, welche mit den Be- legzellen der Fundusdrüsen vollkommen übereinstimmen. 5. In den meisten Pylorusdrüsen des Hundes finden sich Zellen, welehe zwar in vielen Punkten mit den Belegzellen der Fundusdrüsen übereinstimmen, allein durch eine Reihe von Eigenthümlichkeiten von jenen unterschieden sind. Diese Zellen dürften als Modifi- kationen von Belegzellen aufgefasst werden. Erklärung der Tafeln XIV und XV. Fig. 1. Querschnitt einer Fundusdrüse des Menschen in der Höhe des Drüsenausganges. 600 x vergr. Zwei Belegzellen. IS) Fig. Querschnitt einer Fundusdrüse des Menschen in der Höhe des „inneren Schaltstückes“ (Rollet). 600 x vergr. Drei Belegzellen, von den zwei ihrer ganzen Länge nach getroffen sind. Fig. 3. Stück eines Querschnittes einer Fundusdrüse des Hundes (Magen leer) in der Höhe des Drüsenausganges. 600 x vergr. Fig. 4. Senkrechter Schnitt der Magenschleimhaut des Menschen (Fundus). 220 x vergr. ab Drüsenausgang, be Drüsenhals, cd Drüsenkörper, m glatte Muskelfasern, v Vene. Fig. 5. Flächenschnitt der Fundusschleimhaut des Menschen in der Höhe der Drüsenhälse. 600 x vergr. Fig. 6. Querschnitt einer Fundusdrüse des Menschen nach dem Drüsengrunde. 600 x vergr. v Vakuole, f Fortsätze der Belegzellen, Alkohol, Anilinblau. j Fig. 7. Längsschnitt einer Fundusdrüse des Menschen (Drüsenkörper). 600 x vergr. Fortsätze der Belegzellen. Alkohol. Anilinblau. Fig. 8. Belegzellen mit Fortsätzen. a b c des Menschen, isolirt nach Digestion in Salzsäure 0,1°/,. defg der Fledermaus, isolirt nach Maceration in Müller’scher Flüssigkeit. 600 x vergr. Fig. 9. Querschnitt einer Fundusdrüse des Hundes (Zupfpräparat). 600 X vergr. Centraler Fortsatz einer Belegzelle. Fig. 10. Querschnitt einer Fundusdrüse des Hundes (Schwammfütterung). Drüsenkörper. 600 x vergr. Belegzellen mit Fortsätzen. Zur Kenntniss des feineren Baues der menschlichen Magenschleimhaut. 245 Fig. Fig. Fig. Fig. 18. Fig. 19. Fig. 20. 11. 212; Ag ch 14. 15. «16. sEYß Querschnitt einer Fundusdrüse des Dachses. (Magen leer). Drüsen- körper. Stück eines Längsschnittes einer Fundusdrüse der Katze. (Magen leer). Alkohol. Nigrosinfärbung nach Grützner. 600 x vergr. ab Belegzelle, ce „Nussbaum’sche Zelle“ ? Querschnitt einer Fundusdrüse des Menschen. Gegend der Zona intermedia. 600 X vergr. Uebergangsformen von Hauptzellen zu Belegzellen. Senkrechter Schnitt der Pylorusschleimhaut des Hundes (Schwamm- fütterung) 220 X vergr. Aus der Mitte zwischen Pylorus und Zona intermedia. n Zahlreiche „Nussbaum’sche Zellen.“ Querschnitt einer Pylorusdrüse des Hundes (Schwammfütterung). 600 X vergr. n „Nussbaum’sche Zellen“, a dunkler, aus stäbchen- artigen Gebilden bestehender Inhalt, b heller schleimähnlicher Inhalt. Stück eines Längsschnittes einer Pylorusdrüse des Menschen mit vier „Nussbaum’schen Zellen“. 600 x vergr. A BC D. Aus einem senkrechten Schnitt der Magenschleimhaut des Menschen. Zona intermedia. 600 X vergr. A Fundusdrüse mit Belegzellen. Zustand der Thätigkeit, bei X Hauptzellen im Uebergang zur Ruhe. B Fundusdrüse mit Belegzellen. Zustand der Ruhe. C Fundusdrüse (Pylorusdrüse?) mit Belegzelle (Nussbaum’sche Zelle?) Zustand der Ruhe. D Pylorusdrüse. Zustand der Ruhe. (Diese Drüse zeigt in ihrer ganzen Länge keine einzige Belegzelle). Querschnitt eines Drüsenschlauches des Hundes. (Magen leer). Aus der „intermediären Zone“. 600 x vergr. Schrägschnitt eines Drüsenschlauches des menschlichen Magens. a Vacuolen in Belegzellen, in einem derselben der gleiche Inhalt wie im Drüsenlumen, b leere (?) Belegzelle. 600 x vergr. Senkrechter Schnitt der Magenschleimhaut des Menschen. Mitte des Magens. 600 x vergr. Follikel. k kanalartige Räume. 246 Carl Benda: Die Dentinbildung in den Hautzähnen der Selachier. Von Dr. Carl Benda, Assistent am pathol. Institut in Göttingen. Hierzu Tafel XVI. Bereits Leydig, H. Meyer, Williamson und vor Allem Gegenbaur hatten klargelegt, dass die Hartgebilde der Selachier- haut vollkommene Homologa mit den Zähnen derselben Familie darstellen, und dass wir so in ihnen die Anfangsglieder in der Entwickelungsreihe der Wirbelthierzähne erblicken dürfen. Diese Beobachtung hat zuerst Oscar Hertwig!) in seiner Arbeit „Ueber Bau und Entwickelung der Placoidschuppen und Zähne der Sela- chier“ verwerthet. Von der Erwartung, wie er in seiner Einleitung sagt, ausgehend, dass von den Selachiern, die aufeiner niedrigeren Entwickelungsstufe stehen als Ganoiden und Teleostier, und die anatomische Verhältnisse zum Theil noch auf einer indifferenten Stufe der Entwickelung zeigen, auf so manche dunkle Punkte in der Zahnbildung der Säugethiere einiges Licht geworfen werden könne, gelangt er zu einer wirklich erschöpfenden Würdigung der einzelnen, in die Zusammensetzung der gesammten Zahnanlage ein- gehenden Theile. Ferner liegt es seiner Arbeit, die Art und Weise, in welcher nun diese Theile die constituirenden Substanzen des fertigen Zahnes bilden, zu untersuchen, und so berührt er nament- lich die Frage der Dentinbildung nur vorübergehend. Diese war nur von Leydig?) näher untersucht worden. Derselbe hatte an der Oberfläche der herausgenommenen Pulpa des Rochenstachels kugelige Kalkkörper beobachtet, die sich entweder noch isolirt, oder zu grösseren Klumpen verwachsen zeigen, Elemente, die er 1) Jenaische Zeitschrift. Bd. VII, 1874. p. 331. 2) Beiträge zur mikroskopischen Anatomie etc. der Rochen und Haie p. 82. Lehrbuch der Histologie p. 94. Die Dentinbildung in den Hautzähnen der Selachier. 247 den kurz vorher von Özermak beschriebenen Zahnbeinkugeln an die Seite stellt. Er stellt sich das Wachsthum des Dentins so vor, dass der von den Pulpagefässen ausgeschiedene Kalk wohl in Vereinigung mit organischer Substanz zuerst kleinere Kugeln bildet, die sich durch Verschmelzung vergrössern und sich an die bereits gebildete Substanz anlegen; die Lücken zwischen den Kügelchen treten mit den schon fertigen verästelten Hohlräumen in Communi- eation und bilden so die Kanälchen. Hertwig übergeht diese Beobachtung gänzlich mit Stillschweigen und erwähnt nur, dass von ihm keine gegen die Ausscheidungstheorie sprechenden Be- obachtungen gemacht wurden, wohl aber solche, welche, wie die Schiehtungsstreifen im Dentin, sich mit der. Umwandlungstheorie schwer vereinigen lassen. Wenn er sich auch ausdrücklich dagegen verwahrt, eine so wichtige Frage nur nebenbei zu entscheiden, so thut er eigentlich der Sache schon keinen guten Dienst, indem er die beiden Parteilosungsworte „Umwandlungs- und Secretions- theorie“ von vorn herein in die Untersuchung der Selachier hinein- spielt, und so die Dunkelheit, die in diesem dunkelsten Punkte der Odontologie herrscht, ohne Weiteres dorthin überträgt, wo sich nach seinem eigenen Ausspruche für andre Dinge so schönes Licht findet. Sollte man nicht vielmehr erwarten dürfen, auch in dieser Hinsicht bei den Hautzähnen der Selachier einfachere und ausge- prägtere Verhältnisse zu finden, und darum mit möglichster Unbe- fangenheit an die Untersuchung der Vorgänge gehen? In diesem Sinne unternahm ich die beifolgende Arbeit über die Dentinbildung in den Hautzähnen der Selachier, und hoffe, sie so durchgeführt zu haben, wenn auch die Aussicht, gewonnene Resultate weiter ausdehnen zu dürfen, der Objeectivität immer eine gewisse Gefahr bringt. Ich begann meine Untersuchungen im vorigen Herbst in Paris auf dem Laboratoire d’Histologie zoologique, wo mir G. Pouchet seinen Rath und sein reiches Material in liebenswürdigster Weise zur Verfügung stellte. Herr Professor G. Fritsch hatte dann in Berlin die Freundlichkeit, sich für die Fortsetzung und den Abschluss der Arbeit zu interessiren. Beiden Herren sage ich hier meinen Dank. Der Schwanzstachel von Trygon species (?), der mir als Beispiel der Rochenabtheilung vorlag, unterscheidet sich von dem allgemeinen Schema des Rochenstachels, wie es Leydig beschreibt, dadurch, dass es bei ihm entsprechend seiner vorwiegenden Längs- 248 Carl Benda: ausdehnung nicht zur Bildung einer Centralhöhle kommt, von der die Gefässkanäle radiär ausstrahlen. Sie verlaufen vielmehr gleich von der Wurzel an ziemlich parallel und zeigen nur spärliche Verästelung. Diese vollzieht sich vorkommenden Falls auf die gleiche Weise wie in den Haversischen Kanälen der Röhrenknochen, indem der Seitenast nach Bildung eines kurzen, auch schon mög- lichst spitzwinkligen Querverlaufes sofort, die gleiche Richtung mit dem Hauptstamm annimmt. Ferner scheint der Stachel unter- sehiedlich von den kleineren nur an der vorderen und den Seiten- flächen von einer Schmelzschicht überzogen zu sein. Die Kanälchen verlaufen, wie das Bild eines Querschliffs (Figur 1) zeigt, in einer breiten Zone unterhalb des Schmelzes, in der sich keine Gefäss- kanäle finden, ziemlich parallel untereinander senkrecht gegen den Schmelz. In den übrigen Partieen dagegen bieten sie das Bild einer grossen Unregelmässigkeit. Sie bilden ungefähr in der Mitte zwischen den Gefässkanälen ein dichtes Geflecht, aus dem sie sich plötzlich in einige grössere Kanälchen sammeln, die dann zu den Gefässkanälen hinziehen. In Folge dessen umgiebt jedes Gefäss ein ziemlich breiter Ring einer fast compacten Grundsub- stanz, der sich namentlich bei schwacher Vergrösserung durch eine helle Farbe scharf gegen die grau schraffirten Mittelpartien ab- hebt. Eine sonstige lamellöse Schichtung der Grundsubstanz habe ich nicht wahrgenommen. Querschnitte, die einem in Müller’scher Flüssigkeit conser- virten Organe nach Entkalkung mit verdünnter Salzsäure entnom- men waren, bieten ein wesentlich anderes Aussehen. Zwar impo- nirt der nur von wenigen scharf contourirten Kanälehen durchsetzte Ring in der Umgebung der Gefässe noch immer durch ein homo-. genes compactes Aussehen, in den übrigen Theilen aber sind die feineren Kanälchen fast gänzlich verschwunden. Dagegen treten hier theilweise im Zusammenhang mit der compacten Substanz, theilweise unter einander verschmelzend, theilweise endlich ganz isolirt runde Scheiben auf, die sich eircumseript gegen ein fein granulirtes Stroma, das sie einbettet, abheben. Da sie sich auf Schnitten in allen Richtungen wiederfinden, nur dass sie auf Längsschnitten im Ganzen etwas elliptische Gestalt zeigen und oft auch zu Fasern aufgereiht sind, sind wir berechtigt, sie für den Ausdruck kugeliger Gebilde anzusprechen. In Bezug auf ihr Brechungsvermögen und namentlich durch ihr Verhalten gegen Die Dentinbildung in den Hautzähnen der Selachier. 249 gewisse Farbstoffe schliessen sie sich der eompacten Substanz an. Die compacte Substanz nämlich sowohl als die Kugeln resp. Fasern färben sich in Ammoniakkarmin etwas .dunkler als die granulirte Zwischensubstanz, und bleiben andrerseits durch in Wasser lös- liches Anilinviolett vollkommen ungefärbt, während die granulirte Substanz eine leichte violette Färbung annimmt. Auf manchen Schnitten, und zwar um so häufiger, je mehr man sich der Wurzel des Organs nähert, zeigen sich in jener Region mitten zwischen den Gefässkanälen, die ich kurz als glo- buläre Substanz bezeichnen will, äusserst charakteristische Lücken. Sie sind nämlich rings von den Kugeln begrenzt, die von allen Seiten ins Lumen hineinragen. Oft findet man auch Querschnitte derselben isolirt in der Lücke, die dann entweder wirklich frei in den Räumen liegen oder von einer über oder unter der Sehnitt- fläche liegenden Wand hineinragen. Diese. Lücken sind von sehr verschiedener Grösse. Manchmal scheint es, dass sich nur ein isolirtes Kanälchen in der granulirten Substanz erhalten hat, in andern fehlt einfach zwischen einigen Kugeln das Stroma, die grösseren schliesslich entsprechen einem Defeet mehrerer Kugeln. Der Inhalt besteht aus einer feinkörnigen protoplasmaartigen Masse, die sich mit Anilinviolett intensiv färbt. Ich bezeichne diese Lücken wegen einer sofort imponirenden Aehnlichkeit als Interglobular- räume. Es sind dies möglicher Weise dieselben Räume, die Ley- dig in dem Basaltheil des Rochenstachels erwähnt, ohne sie näher zu beschreiben. Ob sie aber dem entsprechen, was Hertwig in der Basalplatte der Placoidschuppe gesehen hat, ist mir sehr zweifelhaft. Derselbe nennt dort Interglobularräume gewisse „kug- lige Räume, die mit einer etwas vom Dentin verschiedenen Masse erfüllt sind“. Nach meiner Auffassung ist aber ein Interglobular- raum nichts weniger als kugelig, und sein Inhalt, ein protoplas- matischer Detritus unterscheidet sich auch recht erheblich vom Dentin. Sonst ist nur noch zu bemerken, dass eine besonders als Basaltheil differenzirte Partie nicht in dem Trygonstachel zu er- kennen war, wenn auch sicher die Wurzelpartien sich durch eine reichlichere Bindegewebsverkalkung dem anschliessen. Soviel über das in seiner Entwicklung abgeschlossene Organ. Eins der mir vorliegenden bot in den Wurzelpartien Veränderungen des Baues dar, die zu dem Schlusse berechtigten, dass es noch im Wachs- thum begriffen sei, und dieses benutzte ich zum Studium der 250 Carl Benda: Dentinbildung. Hier fanden sich nämlich die grossen Gefässe bis zu einer gewissen Höhe von einer kegelförmigen Pulpa umkleidet. Ein Querschnitt nahe der Wurzel zeigte demnach das Bild, das Fig. 2 darstellt. Die Grundsubstanz bildet in schmalen Balken ein netzartiges Gerüst von einer gewissen Regelmässigkeit, dessen Maschenräume ein oder mehrere centrale Gefässe und die zellige Pulpa enthalten. Je weiter von der Wurzel die Querschnitte fallen, um so mehr verdieken sich die Balken der Grundsubstanz, um so geringer wird der Pulparaum, bis derselbe schliesslich auf einen einfachen Gefässkanal redueirt ist und wir so das Bild des aus- gewachsenen Stachels haben. Figur 3 stellt einen Querschnitt aus den untersten Theilen des Organs bei 500facher Vergrösserung dar. Der Balken bereits fertigen Dentins (Fig. 3 6) zeigt denselben Bau, wie die globuläre Substanz des fertigen Stachels, der er ja nach seiner Lage in der Mitte zwischen den Gefässen auch entspricht. Wir sehen in ihm das mattviolett gefärbte granulirte Stroma und die stark brechenden ungefärbten Kugeln. Gegen die Pulpahöhle zu zeigen die Balken eine höchst unregelmässige Grenze. ‘Die Kugeln springen meistens weit in die Höhle vor und finden sich stellenweise ganz isolirt mitten unter den Zellen der Pulpa. Diese andrerseits dringen zum Theil so tief in die Balken ein, dass sie fast die Zellen der Nachbarhöhle erreichen, und sind an andern Stellen abgesprengt in den Balken ganz von Kugeln umgeben. Die Zellen der Pulpa- höhle sind in derselben Weise, wie es Hertwig an andern Ob- jeeten beobachtete, nach zwei Richtungen hin differenzirt. In der Umgebung des centralen Gefässes finden sich auf einem ziemlich eircumseripten Terrain, dessen Grenzen oft noch zum Ueberfluss durch lang ausgezogene Pigmentzellen bezeichnet sind, kleine Bindegewebszellen, deren kleiner runder Kern sich durch Anilin- violett etwas dunkler färbt, als das Protoplasma. Ausserhalb dieses Bezirks gewahrt man die unregelmässig abgeplatteten, im Ganzen rundlichen Querschnitte von Zellen, wie sie Hertwig und ich ganz typisch an all den Stellen wiederfanden, wo Dentification bei Selachiern vor sich ging, und die man daher füglich als Odonto- blasten bezeichnen kann. Dieselben sind charakterisirt durch den grossen ovalen granulirten Kern, der nur von wenigem Protoplasma spindelförmig umgeben ist. Das Anilinviolett färbt, wie ich ganz regelmässig beobachtete, das Protoplasma intensiv und lässt den Die Dentinbildung in den Hautzähnen der Selachier. 251 Kern ungefärbt. Diese Zellen liegen in der Pulpa des Trygon- stachels ziemlich unregelmässig durcheinander, jedoch im Ganzen mit ihrer Längsrichtung derjenigen des Organs parallel. Endlich enthält jede Pulpahöhle namentlich gegen die Balken zu reichliche Mengen von krümligem Protoplasma, das man nicht in Zusammen- hang mit cellulären Elementen sieht. Ich will nun versuchen, wahrheitsgetreu den Weg zu be- richten, den meine Beobachtungen und Schlüsse in Betreff der Dentinbildung inne hielten; ich hoffe auf diese Weise am besten zu gleicher Zeit von meiner Gewissenhaftigkeit Zeugniss ablegen und den Vorgang demonstriren zu können. Ich untersuchte zuerst nur die tiefsten Theile auf Längs- und Querschnitten, indem ich erwartete, in den Gegenden, wo der Process vermuthlich am leb- haftesten war, die besten Bilder zu bekommen; ich färbte damals noch mit Eosin und hatte nur schwache Vergrösserungen bis 300 d zu meiner Verfügung. Das Eosin färbt alle protoplasmatischen Bestandtheile roth und lässt die dentifieirten fast ungefärbt. Hier- durch heben sich diese Theile sehr scharf gegen einander ab, und namentlich die isolirten Kugeln im Innern der Pulpa treten deut- lich hervor. Es sind dies offenbar dieselben Kalkeoneretionen, die, wie oben erwähnt, schon Leydig sah, und die er für die eigentlichen Elemente des Dentins im Rochenstachel hält, indem er annimmt, dass sie sich an die schon gebildete Dentinsubstanz anlagern und diese so vermehren. Es kann in der That kaum zweifelhaft sein, dass diese Kugeln mit denen der globulären Sub- stanz und folglich überhaupt mit Theilen der Dentingrundsubstanz histologisch und genetisch zusammengehören. In diesem Falle beweist allein das Vorkommen jener isolirten Kugeln, dass die Grundsubstanz der Dentinbalken nicht das Secret einer epithel- artigen Odontoblastenfläche sein kann, die man sonst allenfalls trotz ihrer Unregelmässigkeit noch zusammenconstruiren könnte. Vielmehr müssen auch dort die Bildungsvorgänge so beschaffen sein, dass in ihnen auch die Möglichkeit zur Entstehung derartiger isolirter Elemente gegeben ist. Prüfen wir also vorläufig einmal die verschiedenen Wege, die nach bekannten Analogien zur Bil- dung solcher einzelnen Kugeln führen könnten. Einige derselben lassen sich durch die Betrachtung des beschriebenen Bildes schnell ausschliessen. Erstens ist es undenkbar, dass eine einzelne der Spindelzellen, deren Querschnitte im Allgemeinen doch immer noch 952 Carl Benda: rund neben den runden Kugelquerschnitten liegen, wenn sie auch plötzlich noch so viel Ausläufer treibt, neben sich eine Kugel aus- sondern könnte. Jeder Anhalt fehlt ferner dafür, dass sich eine Gruppe dieser Zellen vereinigen sollte, um zwischen sich die Dentinkugel etwa in der Art auszusondern, wie die Epithelien eines Threoidfollikels eine homogene Colloidmasse. Eine sehr naheliegende Analogie dagegen bietet die Bildung von Knochenkugeln, wie sie sich bei der unregelmässigen Ossi- fieation der Rhachitis oft im Innern einer Knorpelkapsel findet. Gleichviel, ob wir uns diese Bildung von einer Zelle, die auf Kosten der eigenen Substanz secernirt, oder von einer solchen, die eine suceessive Umwandlung ihrer äussersten Schichten erfährt, ausgehend denken, wir werden in diesem Falle immer eine Zelle oder den deutlichen Rest einer Zelle im Centrum der Kugel finden, und so werden wir auch nur aus diesem Befunde in unserm Falle ein gleiches Zustandekommen der Dentinkugeln annehmen dürfen. Die Kugel könute sehr wohl auch im Innern der Zelle, wie der Fetttropfen in der Bindegewebszelle ausgesondert werden, in diesem Falle würde der Nachweis eines bei Seite gedrängten Kernes das Entscheidende sein. Sie könnte endlich nach Wal- deyer’s Dentificationstheorie aus der formellen und chemischen Umwandlung eines Theiles des Odontoblasten hervorgehen und auch in diesem Falle müsste sich das Wesen des Vorganges aus dem Verhalten der unveränderten Theile erkennen lassen. Die genaueste Betrachtung meiner Objecte selbst mit Zuhülfe- nahme stärkerer Vergrösserungen entschied von diesen Punkten nur, dass sich niemals Reste einer wirklichen Zelle im Innern eines Globulus fanden, denn einige unregelmässige Risse, die hin und wieder wohl hervortraten, waren absolut nicht dafür zu deuten. Aber auch die anderen Eventualitäten fanden nur Widerlegungen, denn nirgends verloren die Kerne von ihren äusserst präcisen Contouren etwas an Form oder Schärfe. Doch schien mir soviel nach diesem Bilde festzustehen, dass, gleichviel auf welche Weise, jedenfalls sehr plötzlich der Globulus an die Stelle des ganzen Odontoblasten treten musste. Von einer verkalkenden Intercellular- substanz, die ich übrigens nicht gesehen hatte, musste dann die sranulirte Substanz, oder durch Lücken zwischen den Kugeln die Kanälehen gebildet werden; wo Zelle unmittelbar neben Zelle dentifieirte, musste in späteren Phasen die compacte Substanz ent- Die Dentinbildung in den Hautzähnen der Selachier. 253 stehen. Pouchet, der meine Präparate in Paris sah, schloss aus jenen Bildern auf eine von Zellen unabhängige Entstehung der Kugeln, wie er sie für die Hornfasern der Fischflossen, wie sie Ranvier für die elastischen Fasern annimmt. War meine Auffassung die richtige, so musste ich das Ge- nauere an solehen Stellen erkennen können, wo der Dentifications- process langsamer war, Stellen, wie sie sich doch bei der Ent- wickelung eines derartigen Organs finden mussten, und wirklich in exquisiter Weise fanden. Einmal war überhaupt anzunehmen, dass sich in weiter von der Wurzel entfernten Partien an den Spitzen der Pulpakegel die Vorgänge langsamer vollzogen. Darum untersuchte ich Schnitte aus diesen Gegenden. Diese Schnitte wiesen aber sofort noch eine andre, wohl noch bequemere Ge- legenheit auf. Es fanden sich nämlich dort in Mitten der schon fast vollendeten Dentinbalken, die schon gegen die Pulpahöhle hin compacte Substanz zeigten, Interglobularräume, die den vorher beschriebenen vollständig glichen, nur dass ihr Inhalt meist deut- lich zellig war. Die Entstehung dieser Interglobularräume war klar; bei der Unregelmässigkeit der ersten Dentifieationsvorgänge hatte man schon an den andern Schnitten bemerken können, dass einzelne Zellen und Zellgruppen in das Innere der Dentinsubstanz abgesprengt wurden. Nun fanden sie sich aber als Interglobular- räume an Stellen, wo sie später verschwanden; sie mussten also noch nachträglich der Umwandlung anheimfallen, und zwar in Folge der jedenfalls mehr erschwerten Stoffzufuhr vermuthliech äusserst langsam. Trotz alledem war selbst in diesen bequemen Objeeten nichts zu finden, was meine Ansicht bestätigen konnte, oder mir sonst Klarheit verschaffte; überall .wo ich Zellen sah, fehlte auch nicht der scharf contourirte Kern, ja ich konnte sogar bemerken, dass das Protoplasma ihm gegenüber immer mehr zurück- trat, während andrerseits im Globulus nie Reste davon nachzu- weisen waren, und dies waren ja die Punkte, auf die ich mein Augenmerk richtete. Ich suchte nun der Sache dadurch näher zu kommen, dass ich verschiedene Kernfärbemittel anwandte. Häma- toxylin und Ammoniakkarmin (wie ich jetzt nachträglich noch hinzufügen kann), übrigens auch Alaunkarmin, welches sonst wohl am sichersten die Kerne färbt, liessen gänzlich im Stich. So kam ich schliesslich zu dem im Wasser löslichen Jodmethylanilin, das mir die überraschendsten Resultate gab. 254 Carl Benda: Wie oben erwähnt, färbt das Anilinviolett das Protoplasma intensiv violett, lässt den Kern indess bei den Odontoblasten, unter- schiedlich von dem der Bindegewebszellen ungefärbt. Hierdurch stellt sich in den Bildern eine eigenthümliche Beziehung zwischen ungefärbten Kernen und Kugeln, gefärbtem Protoplasma und granu- lirter Substanz her. Ich konnte jetzt wahrnehmen, dass einzelne der Interglobularräume Zellen enthielten, die vollständig den Cha- racter der Odontoblasten der Pulpa bewahrt hatten: intensiv ge- färbtes Protoplasma und den grossen ovalen granulirten Kern. In andern konnte man den Kern anfänglich immer noch im Innern einer geformten Zelle, gewöhnlich mit beträchtlicher Zunahme seines Volumens sein granulirtes Aussehen verlieren sehen. Dieses macht wohl meist zuerst in den Randpartien einer compacten Homogenität Platz, denn öfters sieht man im Centrum noch ein granulirtes dunkleres Fleckchen, das ganz allmählich in die homo- gene Substanz aufgeht. Oft erhält sich auch die Granulirung in unregelmässigeren Linien. In einem weiteren Stadium verliert nun auch der Zellenleib seine Form. Das Protoplasma diffundirt als eine krümlige Masse und füllt im Verein mit dem der Nachbar- zellen, die gewöhnlich gleichzeitig diese Veränderungen eingehen, den Interglobularraum gleichmässig aus. Oft sieht man übrigens auch in demselben Interglobularraum eine Zelle noch wohlerhalten zwischen andern aufgelösten liegen. Nach und nach erreicht der Kern vollständig das Aussehen der Dentinkugel und in zweiter Linie gewinnt das Protoplasma die Eigenschaften der granulirten Substanz, anscheinend oft viel später, nachdem der Kern seine Meta- morphose durchgemacht hat. Kurzum: die Dentinkugel ist ein metamorphosirter Zellkern, die granulirte Substanz metamorpho- sirtes Zellprotoplasma. Diese Beobachtung fand nun ihre vollständige Bestätigung in den Pulparäumen der betreffenden Gegend. Denn hier, wo ja die Bildung der compaeten Substanz vor sich gehen musste, fanden sich, wie Figur 4 bei P darstellt, die Pulpahöhlen fast ganz von etwas kleineren, aber dicht gedrängt liegenden Kernen ausgefüllt, die offenbar das Produkt einer fortgesetzten Wucherung und Zell- theilung der Pulpazellen sind. Hin und wieder nur haben sich dazwischen einige Reste von Protoplasma erhalten. Diese Kerne sind auch äusserst geeignet zum Studium der Metamorphose, in- dem man dort unmittelbar nebeneinander alle Bilder von der aus- Die Dentinbildung in den Hautzähnen der Selachier. 255 geprägten Granulirung bis zur vollkommensten Homogenität findet. Es sind dies übrigens auch offenbar die Stellen, auf die Leydig’s Beobachtung am besten passt und an denen sie vermuthlich ge- macht wurde. Hier sieht man Kugel an Kugel, stellenweise selbst ganze Klumpen derselben sich den Dentinbalken anlagern. Wenn ich jetzt wieder zu der Untersuchung der tiefen Quer- schnitte zurückkehrte, so wurde es mir nun leicht, dieselben zu verstehen. Nicht im Innern des Globulus war der Kern, sondern in der Umgebung des Globulus der Rest des Protoplasmas zu suchen. Hier zogen erstens die erwähnten Anhäufungen von krüme- ligem Protoplasma an der Grenze der Balken die Aufmerksamkeit auf sich. Dasselbe muss von aufgelösten und verschmolzenen Zell- leibern herrühren. Man erkennt auch, dass es oft in die granulirte Substanz übergeht, oder dieselbe auch im Innern der Balken zwi- schen den Kugeln ersetzt. Recht selten ist allerdings noch der geformte Zellenleib um den Globulus erhalten. Hier dürfte man sicher zu der Annahme einer grösseren Plötzlichkeit des Vorganges seine Zuflucht nehmen, um das Fehlen dieser wichtigen Ueber- gangsform zu entschuldigen. Indessen gelang es mir in einem rein mechanischen Momente eine noch weit befriedigendere Er- klärung dafür zu finden. Nicht selten fallen nämlich in den Präpa- raten Figuren wie die auf Fig. 3 bei * angedeuteten auf, scharf um- grenzte Protoplasmahaufen, die sich in den äusseren Contouren den benachbarten Zellen anreihen, die aber statt einen Kern in sich einzuschliessen, halbmondförmig eine Lücke umgeben. Ich halte dieselben für Zellenleiber, aus denen bei der Schnittführung der Kern herausgerissen wurde, und dies vermuthlich, weil er eine festere Consistenz als das Protoplasma erlangt hatte. Bei sorg- fältigem Nachsuchen fand ich übrigens hin und wieder auch wirk- lich Globuli im Innern von geformtem Protoplasma, so dass ich also auch hier diesen Vorgang als constatirt betrachten konnte. In welcher Weise haben wir nun die Verschiedenheit zwischen den Produkten der Kern- und Protoplasmametamorphose aufzu- fassen? Vorliegende Erfahrungen kann ich nicht für oder gegen die Möglichkeit anführen, dass neben dem aus der Umwandlung des Kerns hervorgehenden Produkt, welches in diesem Falle jeden- falls als das wesentliche zu betrachten ist, noch ein chemisch davon verschiedenes von dem Protoplasma gebildet werde. Eine Ent- scheidung dieser Frage würde für die Kenntniss des Verhältnisses 256 Carl Benda: dieser beiden Zellbestandtheile zu einander einen werthvollen Bei- trag geben. Vorläufig war indess nur zu constatiren, dass das Protoplasma bei der Umwandlung der Interglobularräume eine ge- ringere Disposition für den Process oder eine geringere Attraction für die infiltrirenden Substanzen bewies. Diese Differenz scheint insofern von allgemeiner Gültigkeit und charakteristisch für die Odontoblasten des Trygonstachels, als sie sich auch, wie wir jetzt sehen werden, bei der Entstehung des Kanälchens ausspricht. Die Beobachtung Leydig’s, nach der durch die Lücken zwischen den Globulis die Kanälchen gebildet werden sollen, ist insofern von imponirender Richtigkeit, als es nirgends gelingen wird, ein Kanälchen in einen Globulus eintreten zu sehen. Da aber die Lücken nach meiner Auffassung ursprünglich stets von Zellprotoplasma ausgefüllt sind, schliesse ich weiter, dass nur dieses sich an der Kanälchenbildung betheiligt. Nun konnte ich mich mit Leichtigkeit überzeugen, dass in der compacten Substanz, wo kein Protoplasma in granulirte Substanz übergeht, die Kanälchen- bildung einfach dadurch zu Stande kommt, dass das Protoplasma, das hin und wieder zwischen den Kernhaufen der Matrix erhalten war, unverkalkt blieb. Es war mir aber selbst dort schon unmöglich zu entscheiden, ob dieses Protoplasma einen wesentlichen Bestand- theil der Kanälchen bildet, und sich darin erhält. Mit Anilin- violett liess es sich nicht mit Sicherheit nachweisen. Noch schwieriger liegt die Frage bei der globulären Substanz, wo die Kanälchen bei der Entkalkung fast vollständig verschwanden, wo sie aber jedenfalls in der granulirten Substanz liegen mussten. Die ganze Unregelmässigkeit ihrer Anordnung macht so sehr den Eindruck der Zufälligkeit, dass man sehr wohl an eine secundäre Entstehung denken könnte, derart, dass die granulirte Substanz, in der wohl anfänglich in Folge ihres eigenthümlich langsamen Umwandlungsprocesses verhältnissmässig viel organische Sub- stanz mit wenig Kalksalzen imprägnirt ist, einer nachträglichen Schrumpfung unterläge und in Spalten auseinander trete. Vielleicht könnten viele dieser kanälchenartigen Lücken gar erst bei der künstlichen Austrocknung des Organs entstehen. Wenn aber schliesslich die Kanälchenbildung darauf zurückgeführt wurde, dass gar kein Protoplasma verkalkte, so muss man auch eine all- mähliche Entwickelung dieses Phänomens voraussetzen und diese würde naturgemäss darin bestehen, dass auch zuerst in der globu- Die Dentinbildung in den Hautzähnen der Selachier. 284 lären Substanz geringere unverkalkt bleibende Protoplasmareste die Kanälchenbildung bedingen. Hierdurch ist die Kanälchenbil- dung gleichzeitig der normale Anfang der spätern, offenbar auf einer Entwickelungshemmung beruhenden Bildung von persistiren- den Interglobularräumen, wie wir sie in der Wurzel des Organes gefunden haben. Wenn wir vorher nämlich die nachträgliche Meta- morphose der bei der ersten Dentinbildung abgesprengten Zell- haufen als den gewöhnlichen Vorgang wahrgenommen hatten, wird in späteren Perioden mit dem Nachlass der nutritiven und forma- tiven Vorgänge in dem Organe ein Zeitpunkt kommen, wo diese nicht mehr ausreichen, die Veränderung an jenen offenbar unter erschwerter Nahrungszufuhr stehenden Zellen zu bewirken. Hierbei sehen wir dann nach und nach immer grössere Reste von Proto- plasma als Lacunen in der granulirten Substanz oder als er- weiterte Kanälehen unverkalkt zurückbleiben, bis das Material auch für die Metamorphose der Kerne nicht mehr ausreicht und ganze Zellen in den Räumen zurückbleiben. In den meisten Fällen werden diese einem allmählichen Zerfall entgegengehen und dann den körnigen Protoplasmainhalt der Interglobularräume bilden, wobei nicht ausgeschlossen ist, dass sie sich auch längere Zeit intact erhalten. Ich möchte nun die Resultate dieser längeren Betrachtung dahin zusammenfassen: Die Dentinbildung im Schwanzstachel des Trygon beruht auf einer Metamorphose von Zelltheilen, bei der sich Kern und Protoplasma verschieden verhalten. Aus der Um- wandlung des Kerns geht die Dentinkugel hervor. Ursprüng- lich combinirt sich mit dieser ein von ihr verschiedenes Um- wandlungsproduct des Protoplasmas, die granulirte Substanz. Indem allmählich der Process im Protoplasma nachlässt, kommt es zur Bildung von Kanälchen und später von Interglobu- larräumen. Hiervon ganz getrennt gehen in der Pulpa weitere Veränderungen vor, so dass die dentifieirende Matrix schliesslich nur noch aus Kernen besteht; hierdurch entsteht die compacte Substanz. Das wesentliche in dem Vorgang der Dentinbildung des Trygonstachels ist also jedenfalls die Metamorphose der Odontoblastenkerne. Wenn ich es wagen wollte, von dem Gesichtspunkte aus, von dem ich meine Arbeit unternommen hatte, aus meinen Unter- “ suchungen über die Selachier allgemeinere Schlüsse zu ziehen, Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 20, 17 258 Carl Benda: so galt es zunächst, zu constatiren, ob nicht etwa der Vorgang, den ich bei der Dentinbildung des Trygonstachel beobachten konnte, selbst in dieser Familie isolirt dastand. Hertwig hat, soviel ich es controliren konnte, von seinem Standpunkte aus mit Recht die Selachier als solidarisch aufgefasst. Für meine Frage musste schon der Unterschied zwischen Leydig’s und Hertwig’s Be- obachtungen sehr verdächtig sein. An den ersteren Forscher konnte ich mich ohne Weiteres anschliessen; ein Blick auf Hert- wig’s Figuren aber musste genügen, zu zeigen, dass hier ganz andre oder sehr modifieirte Vorgänge vorlagen. Ich habe als Typus des Placoidbelages der Haifische den Flossenstachel vom Spinax acanthias untersucht. Der complieirte Bau dieses Organs ist äusserst interessant. Derselbe kommt durch eine Combination des Placoids mit Sceletttheilen zu Stande, welche sich mit einer Ausbreitung nicht des gewöhnlichen Hautplacoids, sondern einer Duplicatur desselben überdecken. Diese Bildung geht in der folgenden Weise vor sich. Wenn Hertwig bei den jüngsten Embryonen von Acanthias, die er untersuchte, solchen von 8 cm Länge, die Odontoblasten der zukünftigen Placoidschup- pen als langgestreckte Zellen mit grossen Kernen über der bereits geschichteten Cutis an der untern Seite der Basalmembran ange- schmiegt fand, so muss die Differencirung dieser Zellen von den Bindegewebszellen, die die geschichtete Cutis bilden, natürlich wohl in der Zeit stattgefunden haben, da die Bildung der Cutis begann. Jedenfalls werden sich zu einer Zeit diese Zellen nicht von einander unterschieden haben, sondern einfach Rund- oder Spindelzellen des mittleren Keimblattes gewesen sein. Bei den etwas jüngeren Embryonen von etwa 6 em, die mir zur Verfügung standen, sah ich unter der Epidermis noch keine Odontoblasten und keine Cutis, sondern nur Spindelzellen, und eben diese Spindel- zellen umhüllen die knorplige Anlage des vordersten Flossen- strahls der beiden Rückenflossen, die einen schief nach hinten und oben aufragenden Kegel darstellt. Einige Zwischenstufen fehlen mir, die ich ergänzen muss. Jedenfalls zu derselben Zeit, wo über der Bindegewebsbildung der Cutis einfache Zellen als Odontoblasten des Hautplacoids zurückbleiben, wahrscheinlich an der Spitze mit diesen letzteren von vornherein zusammenhängend, differeneirt sich aus den Spindelzellen über dem Flossenstrahl eine kappenartige Schicht von Odontoblasten, während die unmittelbar Die Dentinbildung in den Hautzähnen der Selachier. 259 an den Knorpel stossenden Zellenlagen in die Bildung gefäss- führenden Bindegewebes eintreten, das dazu bestimmt ist, gleich- zeitig die Gefässpapille des Hautzahnes und das Perichondrium dar- zustellen. Dieses Bindegewebe schlägt sich an dem untern Rande der Odontoblastenschicht sattelförmig um, und hüllt so, indem auch die aussen gelegenen Spindelzellen Bindegewebe bilden, die Odon- toblasten allseitig ein. In einem nächsten Stadium beginnt die Odontoblastenschicht zuerst an der Spitze einen sich sehr schnell über die ganze Oberfläche des Flossenstrahls herüberziehenden Dentinmantel zu bilden. Entsprechend der eigenthümlichen Lage der Odontoblasten zu ihrer Papille erfolgt diese Ablagerung aber nicht an der Oberfläche der Schicht, sondern in ihre Mitte, so dass die Schieht durch das von ihr gebildete Dentin in zwei Lamellen gespalten wird, die an dem untern Rande des Dentins in einem Ringe wieder sattelartig mit einander communieiren. Von beiden Lamellen, deren innere, dem Knorpel zunächst liegende die äussere bei weitem an Mächtigkeit übertrifft, geht jedenfalls das Dicken- wachsthum der Dentinschicht aus, während der Sattel das Längen- wachsthum versieht. Diese ganzen Vorgänge finden vorläufig noch unterhalb der unveränderten Hautdecke statt, die von vornher mit einem kleinen Höcker über den Stachel direct zur Flosse übergeht. Im weiteren Wachsthum eilt nun der Stachel der Flosse voraus. Hierdurch hebt er die Haut, durchbohrt sie aber nicht eigentlich, sondern reisst sich mit der Hautdecke, die ihn bis zur Spitze an seinen Vorder- ‚und den Seitenflächen überzieht, von der Flosse in der hinteren Region der äusseren Odontoblastenlamelle vor. Nun beginnt in diesem Hautzipfel, dessen Placoidodontoblasten, wie wir vorher erwähnten, mit denen des Stachels, jetzt also mit der äusseren Lamelle in Communication getreten sind, von der Spitze her die Placoidbildung. Die etwas schwierigen Verhältnisse dieses Placoids sind wohl so zu deuten, dass wir es uns als eine halbe kolossale Placoidschuppe des Hertwig’schen Schemas vorstellen, in deren Pulpa der Flossenstachel liegt. Auf diese Weise wird es klar, wie über den Stachel hin an seiner Vorderseite conver- girende Gefässe zur Spitze aufsteigen, wie um diese Spitze halb- kreisförmig die vereinigten Odontoblasten des Placoids und der äusseren Lamelle liegen, und hier oben eine Substanz bilden, die der des Hertwig’schen Schuppenstachels entspricht, während die Substanz, die an den Seitenwänden gebildet wird, sich der der 260 Carl Benda: Basalplatte anschliesst. Wenn an der Spitze im Fortschritt des Wachsthums sich das Placoiddentin in immer grösserer Ausdehnung an das Dentin des Stachels anlegt, oblitterirt die zwischen ihnen befindliche Pulpahöhle bis auf die Gefässkanäle, die dann die Grenze zwischen den beiden Dentinarten noch im fertigen Stachel bezeichnen. Der unverkalkte Rest der Hautfalte, die das Placoid erzeugte, löst sich von diesem ab und legt sich von vornher an den Stachel, wie die Getreidegranne an das Fruchtkorn. Wenn wir uns also den Bau des Organs noch einmal kurz vergegenwärtigen, so haben wir als Kern den schiefen Knorpel- kegel des vordersten Flossenstrahls mit seinem Perichondısum. Darüber stülpen sich käppenartig die innere Odontoblastenlamelle und das Dentin, darauf die äussere Odontoblastenlamelle, die nach oben hin vorn bis auf einige Gefässkanäle oblitterirt, hinten da- gegen zerrissen ist. Ein halber Kegelmantel von Plaeoid überdeckt das Ganze schliesslich nach oben und vorn. Wir gehen jetzt auf den feineren Bau des Dentins ein, das uns hier wieder allein beschäftigen soll. Abgesehen von dem, nach dem Vorigen leicht verständlichen Zurücktreten der Gefäss- kanäle in eine bestimmte Zone, tritt am besten auf Schnitten in der Nähe der Spitze, wo die Ausbildung des Dentins bereits vol- lendet ist, die Erscheinung hervor, die dem Dentin des Flossen- stachels gegenüber dem des vorigen Organs am meisten ein charak- teristisches Gepräge verleiht. Es ist dies die bedeutend hervor- ragendere Stellung, die die Kanälehen in dem ganzen Aufbau des Organes einnehmen. Dieselbe spricht sich vor Allem darin aus, dass ihr Inhalt jetzt deutlich protoplasmatisch ist; er färbt sich intensiv mit Anilinviolett und ist fein granulirt. Zweitens zeigt sich eine gewisse Regelmässigkeit in der Anordnung, in der sie die Grundsubstanz durchziehen. Sie dringen in diese von der Oberfläche aus in starken Stämmen ein, und verzweigen sich baum- artig. Gemäss den drei Richtungen, in denen die Dentinbildung vor sich ging, bilden sie auf Querschnitten durch die obern Par- tien drei concentrische Systeme, nämlich eins im Placoid und zwei in dem andern Dentin. Die Richtung der Kanälchen ist im ganzen radiär, und zwar in dem Placoid im centrifugalen Sinne, in dem innern System des Stacheldentins ebenfalls centrifugal, im äussern centri- petal. Die Kanälchen bezeichnen das Dentificationsgebiet jeder einzel- nen Odöntoblastenschicht, und an der überwiegenden Mächtigkeit des Die Dentinbildung in den Hautzähnen der Selachier. 261 innersten Systems erkennen wir, dass die innere Lamelle bei weitem den grössten Antheil an der Zahnbildung hatte. Die Zone, in der sich die letzten feinsten Ausläufer des von den beiden Lamellen ausgehenden Kanälchensystems auflösen, hat ein fein granulirtes Aussehen und färbt sich mit Anilinviolett diffus aber nur sehr schwach. Sie ist in den obern Theilen sehr schmal, nimmt aber nach unten zu an Mächtigkeit zu, während die Kanäl- chen führenden Platten abnehmen. In den untersten Dentintheilen sind keine Kanälchen. Auch die Lage des Dentins, die beidereits unmittelbar an die Odontoblasten stösst, hat ein granulirtes Aus- sehen. Man sieht die Kanälchen diese Schicht durchziehen, aber sie heben sich noch weniger von ihr ab. Das eigentliche Dentin setzt sich mit ziemlich scharfer, zackiger Grenze an diese granu- lirte Schicht an, während es in die andre allmählich übergeht. Die Odöntoblasten überziehen die Oberfläche des Dentins in einer ziemlich regelmässigen Schicht im Vergleich mit denen des Trygonstachels. Sie verhalten sich genau wie die der Selachier- zähne, wie sie Hertwig beschreibt. Von denen höherer Thier- zähne weichen sie allerdings noch erheblich, wie Hertwig bemerkt, darin ab, dass sie entsprechend der besondern Ursprungs- und Verlaufsweise der Dentinröhrchen zerstreut liegen, und nicht neben einander stehend zu einer Art von Cylinderepithel angeordnet sind. Es sind dieselben grosskernigen Spindelzellen mit spärlichem Protoplasma, wie sie bereits verschiedentlich erwähnt wurden, sie verhalten sich wie die andern gegen das Anilinviolett, doch gelang es mir, ihren Kern auch mit dem Grenacher’schen Alauncarmin zu färben. Ihre Richtung entspricht im Ganzen der Längsrichtung des Organs; auch in dem Sattel unter dem Dentin sind sie so 'ge- ordnet und liegen hier also senkrecht gegen die Dentinschicht, der sie sonst platt anliegen. Der wesentlichste Unterschied dieser Zellen gegen die des Trygon ist, dass man sie häufig im Zusam- menhang mit dem Protoplasmainhalt der Kanälchen sieht, so dass es den Anschein hat, dass sie einen Fortsatz dort hineinsenden. Wir sehen also, dass sich das Bild hier erheblich dem aus den höheren Klassen nähert. In gleichem Schritte hiermit wächst nun allerdings auch die Zweideutigkeit der Dentifieationsvorgänge. Die Frage spitzt sich hier thatsächlich ebenso zu, wie bei den höhern Thieren: Ist die Dentinbildung ein Vorgang, bei dem sich im Wesentlichen nur die oberste Odontoblastenschieht betheiligt, 262 Carl Benda: indem sie vor sich her das Dentin aussondert, oder wird dieses dadurch gebildet, dass die Odontoblasten Schicht auf Schieht dort eintreten, indem sie sich nach Waldeyer’s Ausdruck chemisch. und formell umwandeln. In diesem Falle war mir die wichtigste Frage: Ist es wieder, wie beim Trygon der Kern der Zelle, in dem sich der wesentliche Umwandlungsprocess abspielt? In dieser Hinsicht stellte ich von vornherein meine Untersuchungen an. Die ersten Resultate waren dem im höchsten Grade ungünstig. So aufmerksam ich die granulirte Substanz durchsuchte, ich konnte keine Spur von Kugeln oder Interglobularräumen dort finden. Sehr täuschende Bilder boten Querschnitte durch die untern Partien des Placoids dar, in denen sich reichlich runde, stark brechende Scheiben fanden. Dieselben stellten sich aber als Querschnitte mit die Verkalkung eintretender Bindegewebsbündel, die sich wie Sharpey’sche Fasern verhalten, heraus. Ebensowenig konnte ich wahrnehmen, dass das Dentin sich gegen die Odontoblasten- lamelle kuglig abgrenzte. Eine Stelle findet sich in dem Organe, die zum Studium der Erscheinungen von der Natur destinirt scheint, das ist diejenige, wo die Odontoblasten des Placoids und der äussern Lamelle zu- sammenstossen, und wo unter Neubildung von Dentin die Matrix um einige Gefässkanäle herum verschwindet. Diese bezeichnen dann noch die Grenzen, die jene ursprünglich einnahm. Es legen sich hier, wie das oben ausführlicher beschrieben wurde, zwei Dentinplatten an einander, deren Wachsthum, nach der Richtung ihrer Dentinröhrcehen beurtheilt, fast in gerade entgegengesetzter Richtung vor sich gegangen war. Stellen wir uns nun vor, dass dieses Wachsthum von einer aussondernden Thätigkeit einer ge- wissen Anzahl von Odontoblasten abhängig gewesen war, und dass die entsprechenden Dentinröhrchen die Protoplasmafortsätze jener Zellen enthalten, die die dazu gehörige Intertubularsubstanz bilde- ten, so muss erstens an der Mündung der grösseren vielverzweigten Röhrchen ein ganzer Knäuel Odontoblasten zusammenliegen, in ähnlicher Weise, wie sie Hertwig in der Spitze der Schuppen- pulpa am Ausgang des grossen centralen Dentinrohrs sah. Natur- gemäss werden dieselben dann weiter, wenn sie von beiden Seiten aneinanderstossen, nach unten umbiegen und sich in dieser Rich- tung unter fortwährender Dentinausscheidung zurückziehen, so dass hierdurch die Oblitteration der Pulpahöhle zu Stande käme. Viele Die Dentinbildung in den Hautzähnen der Selachier. 263 der Odontoblasten würden sich auch secernirend in die Umgebung der Gefässe zurückziehen, und hier schliesslich eine wahre vascu- larisirte Pulpahöhle bilden. Dieses Alles wird sich schliesslich durch den Verlauf der Dentinröhrchen nachweisen lassen, wenn wir in einer Partie, in der die Höhle bereits vollständig verschwunden ist, die Stelle, die sie vorher einnahm, unter- suchen. Wir finden hier also Stellen, an denen jede Spur von Zellen fehlt. Ein Theil der Röhrchen schneidet allerdings, wenn er die Grenze seines Dentinsystems erreicht hat, auf dem Querschnitt scharf ab, so dass man sich vorstellen kann, dass die Röhrchen sich nach unten umgeschlagen haben. Andre münden auch offen in die Gefässkanäle, so dass ihre Zellen in Beziehung zu den Ge- fässen getreten sein konnten. Ferner aber zeigt sich, dass die Röhrchen in jener Grenzregion überhaupt ganz allgemein ihre vor- her so scharf ausgesprochene Richtung verlieren und sich in der mannigfachsten Weise unter einander verflechten. Hierbei findet man nicht selten ein äusserst bemerkenswerthes Bild. Ein Röhr- chen wendet sich, bevor es die Grenzen seines Dentinsytems er- reicht, in derselben Ebene mit einem sanften Bogen um, begegnet sich geradezu mit einem Nachbarröhrchen, und geht ohne jede Grenze in dieses über, so dass es den Anschein hat, als ob das- selbe Röhrehen in die Dentinsubstanz zurückkehrt, und sich dort von Neuem verzweigt. In derselben Weise sieht man gar Röhr- chen der beiden entgegengesetzten Dentinsysteme mit einander in Verbindung. Derartige Röhrchen sind sicher zufällig auf einander gestossen, die Odontoblasten aber, die vorher vor ihrer Mündung lagerten, müssen, gleichviel welche Beziehung sie vorher zur Ent- stehung des Röhrehens hatten, hier an Ort und Stelle zu Grunde gegangen sein. Hier muss man beobachten können, ob sie atro- phiren und resorbirt werden, oder ob sie in die Röhrchen oder die Grundsubstanz aufgehen. Und in der That war es möglich, den Process zu verfolgen. Figur IX stellt einen Längsschnitt aus der betreffenden Gegend dar. Hertwig muss in seinen Placoidschuppen ganz ähnliche Bilder zu Gesicht bekommen haben. Er beschreibt in der Spitze der jungen Schuppe einen kegelförmigen Abschnitt der Pulpa, der in seiner Lage dem weiten Dentinrohr der ausgebildeten Schuppe entspricht, welehes von der Papille direet nach der Spitze des Schuppenstachels dringt. Da er später in dem Rohre noch hin 264 Carl Benda: und wieder einige Odontoblasten vorfindet, und er von vorn herein der Ansicht ist, dass das Rohr zu Stande kommen muss, in dem sich die Odontoblasten secernirend daraus zurückziehen, gelangt er weiter zu dem Schlusse, dass dieses Rohr sich von dem echten, nur Zahnfasern enthaltenden, dadurch unterscheidet, dass es eine Fortsetzung der Schuppenhöhle und sein Inhalt eine Verlängerung der Schuppenpulpa ist. Auch in unserm Bilde finden wir nach unten einen solchen Zipfel der Pulpa mit Odontoblasten, während von oben und seitwärts allerseits die Dentinröhrehen herantreten. Der Unterschied liegt allerdings darin, dass in unserm Falle aus dem Pulpazipfel kein weites Dentinrohr wird, sondern dass dieser Theil der Partie entspricht, in der sich’ jenes eigenthümliche ‘oben beschriebene Flechtwerk von Dentinröhrchen bildet. Dies käme vielleicht dadurch zu Stande, dass die secernirenden Odontoblasten, die sich dort geordnet nach einer Richtung zurückziehen, hier bunt durcheinander retirirten ? Wenn wir unsere Aufmerksamkeit zunächst den mittleren Theilen des Bildes zuwenden, muss die Aehnlichkeit derselben mit dem Interglobularraum des Trygonstachels in einem gewissen Stadium sofort in die Augen fallen. Wir erkennen eine Höhlung, die ebenfalls jene eigenthümlichen Begrenzungen zeigt, die wir als Abschnitte von Kugeleontouren ansprechen müssen und eben- falls liegen im Innern des Raumes kugelige Kalkeoneretionen der- selben Art, eingebettet in einem feinkrümeligen, protoplasmatischen Stroma. Mit völliger Sicherheit weisen alle möglichen Uebergangs- formen darauf hin, dass die Analogie eine vollkommene ist, und wir jene Kugeln ebenfalls als die umgewandelten Kerne von Odontoblasten anzusehen haben, deren Protoplasma sich in den Lacunen zwischen den Kugeln erhalten hat. Dieses letztere ver- hält sich auch darin wie beim Trygon, dass es gleichzeitig mit der Dentification einer Auflösung unterliegt, und die zellige Be- grenzung einbüsst, ein Vorgang, der hier zu einer weiteren wich- tigen Erscheinung Anlass giebt. Die vorbereitenden Veränderungen treten in den Odontoblasten mit grösserer Regelmässigkeit als bei der Dentification in den Interglobularräumen auf, und so kommt es, dass die der Dentificationslinie zunächst liegenden Zellen wenigstens nach der einen Seite hin bereits ihre Grenzen verloren haben und unmittelbar mit dem Protoplasma, welches die Inter- globularlacunen anfüllt, confluiren. Hierdurch gewinnt es den Die Dentinbildung in den Hautzähnen der Selachier. 265 Anschein, als ob von ihnen aus Fortsätze in die Lacunen ein- dringen. Ein solcher Fortsatz ist eben nichts, als das zurückge- bliebene Protoplasma des vorigen Odontoblasten, welches mit dem der nächsten Zelle bereits bei Beginn der Kernmetamorphose in Continuität getreten war. Es muss hiernach einleuchten, dass nie- mals der Fortsatz eines Kerns in eine Lacune eindringen kann. Ein durchaus nicht seltenes und mit dem Wesen des Vorgangs wohl im Einklang stehendes Bild ist es dagegen, dass sich hin und wieder in den letzten Stadien des Processes ein nicht meta- morphosirter Kern zwischen den Kugeln findet. Dies ist dann kein beim Rückzuge verspäteter Odontoblast, sondern dieselbe Entwick- lungshemmung, die‘ wir in den letzten Interglobularräumen des Trygonstachels ganz gewöhnlich antrafen. Während soweit die Beziehungen des Interglobularraums zur Pulpa wohl vollkommen klargelegt sind, bleibt andrerseits sein Verhältniss zu dem andern Dentin zu untersuchen. Die Protoplasma- lacunen gehen nirgend in eine der granulirten entsprechende Inter- globularsubstanz über, sie scheinen also nicht zu einer nachträg- lichen Dentifieation bestimmt. Dagegen kann man sie nach allen Seiten bis tief in das anstossende Dentin hinein verfolgen. Sie dringen in dasselbe unter regelmässiger Verjüngung ihres Lumens und unter Absendung zahlreicher Verzweigungen ein, kurz- um, die Protoplasmalacunen werden veritable Dentinröhrchen. Da nun umgekehrt die Röhrchen ohne eine merkliche Grenze in jenes mannigfaltig verzweigte Lacunensystem eindringen, wird es klar, wie es in jener Region zu der beschriebenen Verflechtung der Dentinröhrehen untereinander kommt und wie dann rein zufällig auf den Schnitten die Röhrehen jene oben beschriebenen eigen- thümlichen Verbindungen und Anastomosen eingehen können, für die sonst jede Erklärung im Stich liesse. Sollen wir nun annehmen, dass ebenso, wie nach Hertwig’s Ansicht das weite Dentinrohr, so hier der Interglobularraum eine ganz eigenthümliche Bildung ist, die wir von der übrigen Dentifi- cation abtrennen müssen; sollen wir annehmen, dass nur jene letzten . an der Mündung der Dentinröhrchen liegenden Odontoblasten eine solche Metamorphose eingehen könnten? Ich glaube vielmehr, dass wir uns insofern auf eine Homologie der Erscheinungen verlassen dürfen, um in der Bildung jener Interglobularräume die Conse- quenzen derselben Vorgänge zu suchen, die bei der Entwickelung 266 Carl Benda: des ganzen Organes galten. Nach der Analogie des Trygonstachels werden wir erwarten dürfen, dass diese Vorgänge in einer grund- legenden Dentifieation der Odontoblastenkerne bestehen, neben welchen eine allmählich nachlassende Metamorphose des Protoplas- mas einhergeht. Und in der That beweisen Bilder, wie sie Fig. VII und X darstellen, hinlänglich, dass in den Anfangs- stadien der Entwickelung ganze Zellen, und im weitern Verlauf stets noch Theile der Odontoblasten selbst in die Dentinsubstanz übertreten, und Zellreste die Dentinröhrehen ausfüllen. Es kommt aber nirgend zur Bildung von globulärer Substanz, sondern die Producte der Kern- und Protoplasmametamorphorse sind gleich. Dieser Umstand erschwert allerdings in hohem Grade gegenüber dem Verhalten beim Trygon die Entscheidung der Frage, wie weit sich die einzelnen Zellbestandtheile bei der Dentinbildung be- theiligen. Durch direete Anschauung kann man sich nur über- zeugen, dass factisch nie ein Fortsatz des Kerns in ein Dentinrohr eindringt, sondern dass der Kern bis zu dem Moment, wo er in die Dentinmasse aufgeht, seine scharfen runden Contouren behält. Das Beweisendste bleibt nach meiner Meinung doch der Ausgang des Processes, wie wir ihn in dem Interglobularraum beobachteten, und ich trage daher kein Bedenken, auch in dem Flossenstachel des Dornhais die Bildung der Dentingrundsubstanz im Wesentlichen auf eine Metamorphose der ÖOdontoblastenkerne zurückzuführen, neben der diejenige des Protoplasma nur von untergeordneter Be- deutung ist. Hier spricht sich die geringere Attraetion des Proto- plasma eben nicht in der Bildung einer anders gearteten Substanz, sondern nur dadurch aus, dass dasselbe zwar in der ersten Leb- haftigkeit des Processes dazu gelangt, eine dem andern Dentin gleiche Substanz zu bilden, dann aber sogleich ein allmähliches Nachlassen der Veränderungen die Röhrchenbildung einleitet. Eine gewisse Verschiedenheit des Protoplasmadentins documentirt sich ja auch in dem granulirten Aussehen der Zone, in der es in grösserer Mächtigkeit auftritt. Wenn wir nun auch in dem allmählichen Nachlassen der Protoplasmametamorphose den Grund für das continuirliche Zu- nehmen des Lumens der Röhrchen erblicken dürfen, so reicht dies noch nicht aus, um eine unverkennbare Regelmässigkeit des Ver- laufes der Röhrchen zu erklären, der ja namentlich in den grös- seren oft ganze Strecken weit vollkommen geradlinig ist. Woher Bere“ m Die Dentinbildung in den Hautzähnen der Selachier. 267 kommt es z. B. in der Pulpaspitze der Placoidschuppe zur Bildung des graden weiten Dentinrohrs, während an ähnlicher Stelle in dem Flossenstachel ein unregelmässiger Interglobularraum ent- steht? In letzterem Falle macht es vollkommen den Eindruck, als ob die interglobulare Lacune in ganz zufälligen Combinationen mit dem sich auflösenden Protoplasma der benachbarten Odonto- blasten in Verbindung tritt. Zur Bildung eines einigermaassen regelmässigen Rohres ist aber entschieden nöthig, dass sieh die dentifieirenden Kerne vorher richten und dass sich in Folge dessen stets entsprechende Protoplasmaabschnitte an das Dentinrohr an- schliessen. Finden sich nun Andeutungen eines solchen Vorganges? In der Spitze der Schuppenpulpa beschreibt Hertwig eine Gruppe von Zellen, die ein besonderes Verhalten zeigen. Sie sind mehr eylindrisch, besitzen einen grossen Kern, und an ihrem peri- pheren Ende einen langen Ausläufer. Sie liegen, ohne eine dis- tinete Schicht auf der Pulpa zu bilden, um die Einmündungsstelle des centralen Dentinrohrs, und schicken ihre Ausläufer zu einem Bündel vereint in dasselbe. Er unterscheidet sie von den platten Zellen, die an den Seitenwänden der Höhle langgestreckt dem Dentinrand anliegen, und nur kleine oder gar keine Ausläufer in das Dentin schieken. Ich habe ein derartiges Verhalten an der Stelle, wo es Hertwig beschreibt, vollkommen constatiren können, und habe es auch bei der Dentinbildung des Flossenstachels ge- wissermassen auf die Fläche projieirt wiedergefunden. Auch hier nämlich kann man auf gewissen Schnitten zwischen den platt an- liegenden Odontoblasten ein ganzes Bündel von Zellen wahrnehmen, die im Ganzen senkrecht gegen das Dentin gerichtet vor einem Röhrchen liegen, dessen Protoplasmainhalt im Zusammenhang mit dem Zelleneonvolut steht. Nur muss ich bemerken, dass diese Gruppe sich oft soweit von den Nachbarzellen absondert, dass sich in ihrem Innern kaum Zellgrenzen erkennen lassen und dagegen die ganze Gruppe fast wie eine Riesenzelle (Fig. VIH bei *) neben den andern imponirt. Hertwig, der sie entsprechend seinen An- siehten über die Dentinentwicklung für die Odontoblasten, die sich aus den einzelnen Verzweigungen des Rohrs zurückgezogen haben, hält, vermuthet, dass sie durch das {bereits vollendete Rohr die Ernährung der fertigen Substanz übernehmen, während die platten Zellen in der Seeretion fortfahren. Ich bin in Betreff dieser Zell- gruppen zu einer völlig andern Ansicht gekommen. Es ist sehr 268 Carl Benda: schwer, an einer Placoidschuppe zu entscheiden, ob sie sich noch im Stadium des Wachsthums oder der Vollendung befindet. In. dem Stacheldentin aber konnte ich mit voller Sicherheit consta- tiren, dass jene Zellenhaufen nicht vor vollendeten Dentinröhren liegen. Sie finden sich vielmehr nur in den untern Partien des Stachels vor ziemlich kleinen Röhrchen und zwar fast ausschliess- lich in der inneren Pulpalamelle, von der ja hauptsächlich das Diekenwachsthum des Dentins und die Bildung der grössten Dentin- röhrehen ausging, also nicht an Stellen, wo grössere Dentinröhr- chen entstanden sind, sondern dort, wo solche entstehen sollen. Ich habe mich somit berechtigt geglaubt, sie mit der Bildung dieser Röhrchen in Beziehung zu bringen, und halte sie für solche Zellen, die sich zum Zwecke der Röhrchenbildung rangirt haben. Man wird dieses Phänomen, wenn man nicht an Force majeure oder Instinet der Zellen glauben will, am natürlichsten auf das Vorhandensein eines gemeinschaftlichen Wucherungscentrums für jeden derartigen Zellencomplex zurückzuführen haben. Hierdurch wird es leichter verständlich,. dass die Zellen eines solchen Wucher- ungsherdes, da sie ja von vornherein schon einen innern Zusam- menhang haben, nachher in einer gewissen Gruppirung in die Dentification eintreten, und einen regelmässig verlaufenden Röhr- chenstamm bilden. Sie sind also durchaus nicht von den andern Odontoblasten speeifisch verschieden. Vielmehr ist es sogar wahr- scheinlich, dass sie, wenn sie gegen die Dentificationslinie vorge- schoben werden, sich platt gegen diese anlegen. Es ist auch nicht einmal zu beweisen, dass nicht jeder der platten Odontoblasten in einer andern als der Schnittebene mit einem derartigen Herde in Verbindung steht, oder nicht wenigstens doch einem solchen ent- stammt. Dennoch scheint allein in dem Umstande, dass eine grosse Zahl von Odontoblasten, die entweder unregelmässiger entstehen, oder sich vorzeitig von jenen Herden separiren, als isolirte Individuen dentifieiren, jene Wucherungsherde dagegen vereinzelt auftreten, der Grund für das spärlichere Auftreten regelmässigerer und grösserer Röhrchenstämme zu liegen. Ich trage kein Bedenken, die am Flossenstachel des Dornhais gewonnenen Resultate über die Dentinbildung vorläufig ohne Weiteres auf die von Hertwig untersuchten Selachierorgane, nämlich die Placoidschuppen und die Kieferzähne auszudehnen. Hier muss ich noch einmal Hertwig’s Einwand gegen die Metamorphose der Die Dentinbildung in den Hautzähnen der Selachier. 269 Odontoblasten berühren. Nach meiner Meinung beweisen Schich- tungsstreifen, die ich zwar nicht bei den Stacheln von Trygon und Acanthias, aber wohl in den Zähnen gesehen habe, weiter nichts als eine Periodieität der Wachsthumsvorgänge, wie sie nach ana- logen Erscheinungen bei der Schalenbildung der Wirbellosen, bei Häutung und Mauserung von Epidermoidalbildungen u. s. w. sehr wohl denkbar ist. Dass aber beispielsweise die Bildung von Jahresringen als Beweis gegen die zellige Natur der Holzgefässe angeführt worden wäre, ist mir nicht bekannt. Bei der Beobachtung von zwei Formen von Dentinbildung in der Selachierfamilie habe ich folgendes Resultat erhalten: Die Grundlage der Dentinbildung liegt in der Metamorphose der Odontoblastenkerne. Das gleichzeitige Verhalten des Odonto- blastenprotoplasma und die vorbereitenden Vorgänge in der Matrix bedingen Differeneirungen in der Dentinform und dem Bau des Organes. Gegenstand meiner nächsten Arbeiten wird der Nachweis sein, dass sich die Giltigkeit dieser Sätze über die engen Grenzen der Selachierfamilie ausdehnt. Der zweite Satz wird den Gesichts- punet für die Construction von Entwicklungsreihen abgeben, und gewisse Differenzirungen des Processes im Placoid gegenüber dem Rochendentin deuteten bereits den Weg an, auf dem sich diese Reihen zu höheren Formen bewegen werden. Halle a. d. S., 11. Juni 1831. Erklärung der Tafel XVI. Fig. 1—5. Schwanzstachel von Trygon. Fig. 1. Querschliff durch den ausgewachsenen Stachel. Vergrösserung 49. Fig. 2. Querschnitt durch den wachsenden Stachel 0,5 em über dem Wurzel- ende. Vergr. 45. Fig. 3. Dasselbe. Vergr. 500. Fig. 4. Querschnitt durch den wachsenden Stachel 3 cm über dem Wurzel- ende. Vergr. 500. Fig. 5. Längsschnitt durch die Wurzel des wachsenden Stachels. S Schmelzschicht, @ Grundsubstanz des Dentins, P Pulpahöhle, V Gefäss, I Interglobularraum, a Zahnkugel, e granulirte Substanz, b Odontoblast, * kernlose Odontoblasten. Carl Benda: Die Dentinbildung ete. 6—10. Flossenstachel von Acanthias. 6. ie. 10. Längsschnitt, Uebersichtsbild. S Stachel, F Flosse, C Cutis, in einen Zipfel G auslaufend, K Knorpel des Sceletts. Querschnitt durch die Spitze des Stachels. Vergr. ca. 30. A Dentin der innern Pulpalamelle, B Dentin der äussern Lamelle, Pl. Placoiddentin, V Gefässe, G granulirte Schicht. Dentification der innern Pulpalamelle im Querschnitt. Vergr. 500. K Knorpel, Pe Perichondrium, P innere Pulpalamelle, A Dentin, b Odontoblasten, * Odontoblastenbündel, k Dentinröhrchen. Dentification im obersten Theil der äusseren Pulpalamelle. Längs- schnitt. Vergr. 500. Pl. Placoid, P Pulpa, B Dentin, b Odonto- blasten, h Dentinröhrchen. Dentification an der Umschlagsstelle der Pulpa am untern Dentinrand. Längsschnitt. Vergr. 500. P Pulpa, D Dentin, b Odontoblasten, ch Pigmentzellen. 4 Ita - e j . FT Kuhn: Ueber das häutige Labyrinth der Reptilien. 271 Ueber das häutige Labyrinth der Reptilien. Von Professor Dr. Kuhn in Strassburg. Taf. XVI— XXI. Im Anschlusse an meine Untersuchungen über das häutige Labyrinth der Knochenfische (Archiv f. mikroskop. Anatomie Bd. XIV) und der Amphibien (Bd. XVII) theile ich heute die Resultate meiner Studien über die Morphologie und Histologie dieses Sinnes- organes bei den Reptilien mit. Schon den älteren Anatomen war es bekannt, dass das Gehörorgan der Reptilien in seinem Bau und in seiner Zusammen- setzung interessante Uebergangsformen darbiete zwischen dem Inne- ren Ohre der niederen und dem der höheren Vertebraten; mehrere unter ihnen haben sich mit der Untersuchung dieser so mannich- faltigen und zahlreichen Vertebratenklasse beschäftigt. Bei aller Unzulänglichkeit der einzelnen Untersuchungsmittel und Methoden, mit denen jene Forscher ihre Arbeiten ausgeführt haben, müssen wir anerkennen, dass sie Dank ihrer scharfen Beobachtungsgabe viele richtige Thatsachen gefunden haben. Mögen immerhin die aus jenen Zeiten stammenden anatomischen Schilderungen nur einen beschränkten Werth haben für eine morphologische Beschrei- bung, wie sie die Jetztzeit verlangt, so wird doch ein jeder von uns die Meisterschaft bewundern müssen, mit der jene Forscher ihre geringen Hilfsmittel benutzt und so durch Kopf und Ge- duld vieles Wahre geschaffen haben. Um dessenwillen schon und auch der Vollständigkeit halber geziemt es sich, in einigen Worten der älteren Arbeiten über diesen Gegenstand zu gedenken. Die ersten Angaben über das Reptilien-Ohr finden wir bei Geoffroy (Dissertations sur l’organe de l’ouie de l’homme, des Archiv f. mikrosk. Anatomie, Bd, 20. 18 O2 Kuhn: reptiles et des poissons. Paris 1778), der bei den Eidechsen die drei halbzirkelförmigen Kanäle beschreibt; bei Anguis fragilis und bei Coluber war er nicht im Stande dieselben nachzuweisen. Aus- führlichere Angaben finden wir bei Comparetti (De aure interna comparata. Patavii 1789), der in seinen das ganze Thierreich umfas- senden vergleichend anatomischen Studien über das Innere Ohr, aus der Classe der Reptilien, die Gattungen Lacerta, Vipera, Cha- maeleon und Testudo eingehend untersucht hat. Seine Bemerkun- sen über Grösse und Verlauf der drei halbzirkelförmigen Kanäle, über die gemeinsame Vestibularblase und die darin enthaltenen Otolithen (tubereula conereta instar gypsi), seine Angaben endlich über die gröbere Vertheilung des Hörnerven zeugen von einem Beobachtungstalente, dem wir unsere Anerkennung nicht vorent- halten können. Im gleichen Jahre erschienen die klassischen Untersuchungen Searpa’s (Anatomicae disquisitiones de auditu et olfactu. Tieini 1789). Er konnte bei den Serpentes, Coluberes, Lacerta, Testudo und Crocodilus den alveus communis mit den 3 Ampullen und den dazu gehörigen halbzirkelförmigen Kanälen feststellen, und be- schreibt auch den unter dem alveus gelegenen sacculus membra- naceus „materiam eretaceam continens“. Er erwähnt ausserdem, dass ein „limpidus humor“ in der Höhlung des alveus vorhanden sei und erkannte die Existenz der perilymphatischen Flüssigkeit. Trotz der bekannten Schärfe seiner Untersuchungen war es ihm jedoch nicht gelungen, die Reptilienschnecke zu finden und er stellt desshalb das Innere Ohr dieser Thiere demjenigen der Fische ganz gleich. Nur durch das Hinzukommen des äusseren Ohres resp. des Trommelfells, der Gehörknöchelehen und der tuba Eustachii, meint Scarpa, vermögen die Reptilien schärfer zu hören als die Fische. | Die Untersuchungen Pohl’s (Expositio generalis anatomica organi auditus. Vindobonae 1818; p. 13) ergeben keinerlei Fort- schritte gegenüber den Angaben von Scarpa; für ihn besitzen Ophidier, Saurier und Chelonier den alveus communis mit den halb- zirkelförmigen Kanälen und den sacculus mit seiner Kalkmasse. Das einige Zeit vorher von Cuvier bei Krokodilen und Eidechsen aufge- fundene rudimentum cochleae stellt Pohl ausdrücklich in Abrede. Duerotay de Blainville (De l’organisation des animaux. Paris 1822; tom. I, p. 538) erkannte allen Reptilien ausser dem [66] | os Ueber das häutige Labyrinth der Reptilien. eigentlichen Vestibulum und den halbzirkelförmigen Kanälen ein Schneekenrudiment von rundlicher Form zu, das am unteren Rande des Vestibulum gelegen ist. Aus der Thatsache, dass er in der Form dieses Organes bei den einzelnen Klassen (Ophidier, Saurier, Chelonier und Crocodile) keinen Unterschied finden konnte, geht unstreitig hervor, dass dieser Autor den sacculus als Schnecken- rudiment auffasste. Den gleichen Fehler hat auch Cuvier (Ana- tomie comparee. Paris 1505 und Recherches sur les ossements fossiles. Paris 1824; tom. V, 2, p. 82) begangen; er spricht zum ersten Male von einem runden Fenster bei den Crocodilen und Schildkröten; mit diesem runden Fenster steht, nach Cuvier, ein häutiges Gebilde im Zusammenhang, in dessen Innerem eine Stärke-artige Masse liegt, wie im Gehörorgane der Rochen und Haie; dieses Organ hält er für die Schnecke, die jedoch noch viel ge- ringer entwickelt sei, als diejenige der Vögel; Cuvier meint hier offenbar den Steinsack, welchen er als das einfache Homologon der Schnecke ansieht. Letzterer Ansicht huldigt auch noch Huschke (Beiträge zur Physiologie und Naturgeschichte. Weimar 1824; Ba. I, p. 21); für ihn unterscheidet sich der Steinsack der Fische, Amphibien und Reptilien von der Schnecke der höheren Wirbel- thiere nur dadurch, dass er keine spiralförmigen Windungen hat; erst beim Crocodile fand er den Uebergang zu der hornartig ge- krümmten Vogelschnecke. Aus jener Zeit stammen auch die so schön ausgeführten Zeich- nungen zur Anatomie der Schildkröte von Bojanus (Anatome testu- dinis. Vilnae 1819; Fig. 148—153); aus den Erläuterungen zu der auf das Labyrinth Bezug habenden Tafel geht hervor, dass dieser Autor die unterhalb des alveus communis gelegene Parthie als ein einziges blasenförmiges Gebilde mit steinigem Inhalt auffasst, als den saceulus; Bojanus war jedoch nicht im Stande, ein Schnecken- rudiment an demselben zu erkennen, dagegen sind seine Angaben -über die gröbere Nervenvertheilung am Labyrinthe richtig. Erst Windischmann (De penitiori auris in amphibiis struc- tura. Lipsiae 1831) hat es verstanden, mehr Klarheit in die Ana- tomie des Inneren Ohres der Reptilien zu bringen, und er ist der Erste, der uns über die Schnecke dieser Thiere, die von allen bisherigen Forschern theils übersehen, theils ungenügend erkannt worden war, nähere Aufschlüsse gibt. Die Angaben dieses Autors über die morphologischen Verhältnisse der Vestibulartheile sind, 274 Kuhn: bis auf einige wenige Einzelheiten, so genau und richtig, dass sie heute noch als vollberechtigt angesehen werden können. An der häutigen Schnecke der Reptilien unterscheidet W. zwei Knorpel, oben und unten verbunden, welche die Schnecke in die beiden Sealen eintheilen, und eine Lagena; er spricht ferner von einer beide Knorpel verbindenden Membran, von dem nervus cochleae und endlich von den Membranae vasculosae; also im Wesentlichen findet W. am Reptilienohre dieselben Attribute, welche die Schnecke der Vögel charakterisiren. Wo beide Knorpel an ihrem unteren Ende verbunden sind, setzen sie sich in eine Membran (!) fort, die vorn und an den Seiten etwas eingebogen ist und die Lagena bildet. Auf der eben genannten Membran findet die pinselartige Ausstrah- lung des nervus lagenae statt. Im Inneren des Organes befindet sich eine wässrige Flüssigkeit. Am oberen Theile der Schnecke wird der Zwischenraum zwischen den beiden Knorpelschenkeln von einer feinen Membran (lamina spiralis) ausgefüllt, auf welcher die feinste Vertheilung des Schneckennerven Statt hat (Deiters). Windischmann hat vorzugsweise Orocodilus und Emys lutea untersucht; auch bei Lacerta und Serpens konnte er eine fenestra rotunda und ein der Crocodilschnecke ähnliches Gebilde nachweisen. Trotz dieser so genauen Untersuchungen Windischmann’s, für welehen die Schneeke der Schildkröten höher steht, als die- jenige der Schlangen und Eidechsen, stellt Stannius in seinem Lehrbuche der vergleichenden Anatomie (Berlin 1846; p.201) die Schneeke der Ophidier und Saurier als viel ausgebildeter dar, als die der Chelonier. Nach ihm liegt die Schnecke der Ophidier u. s. w. in einem kurzen, am Ende etwas erweiterten, Knochen- kanale mit einer durch die Membrana tympani secundaria ver- schlossenen fenestra rotunda. Ein Knorpelring im Inneren dieses Kanales bietet den häutigen Theilen eine feste Stütze, und theilt die Schnecke in eine scala tympani und eine scala vestibuli. Bisher waren es blos die morphologischen Verhältnisse, auf welche die oben erwähnten Forscher ihr Augenmerk gerichtet hatten. Die ersten histologischen Untersuchungen über das häutige Labyrinth der Reptilien finden wir bei Steifensand (Müller’s Archiv, 1835, p. 177). Er fand in der vorderen und hinteren Am- pulle der Crocodile und der Eidechsen das von ihm so benannte Septum eruciforme und die plana semilunata. Weiterhin macht Leydig in seinem Lehrbuche der Histologie (Frankfurt 1857; | Ueber das häutige Labyrinth der Reptilien. 275 p. 275) einige mikroskopische Angaben über die Schnecke von la- certa agilis; er beschreibt das Nervenepithel der lagena mit kör- nigem Inhalt und mit kurzen Stachelfortsätzen. In der treffliehen Studie von Deiters „Ueber das innere Gehörorgan der Amphibien* (Reichert und Du Bois-Reymond’s Archiv f. Anat. u. Physiol. 1862) finden wir zuerst ausführliche Angaben über den histologischen Bau des häutigen Labyrinthes für Laeerta agilis; auch über die betreffenden Strukturverhältnisse von Anguis fragilis und Coluber natrix macht D. einige beiläufige Bemerkungen. In meiner Arbeit über das Innere Ohr der Amphi- bien (l.e.) habe ich schon die Vorzüge dieser Untersuchungen und das grosse Beobachtungstalent dieses Forschers hervorgehoben. Ich erachte es nicht für nothwendig, die Einzelnheiten dieser Untersuch- ungen speciell aufzuführen, da ich im Verlaufe meiner Arbeit zu wiederholten Malen auf dieselben zurückkommen werde. Gleiches muss ich auch von den Arbeiten über das Reptilien-Ohr sagen, die Hasse in seinen Anatomischen Studien (Bd. I, Leipzig 1873) nie- dergelegt hat. ‘Auf fast jedem Schritte, den man beim anato- mischen Studium des Inneren Ohres der "Wirbelthiere macht, begegnet man dem geübten Auge und der grossen Beobachtungs- gabe dieses Autors. Unter den Reptilien hat er das Gehörorgan von Coluber, Testudo und Crocodilus untersucht und zur Ver- vollständigung des Ganzen hat sein Schüler Clason das Innere Ohr von Lacerta näher bearbeitet und im gleichen Werke (l. c.) beschrieben. Schliesslich muss ich noch die Arbeit Paul Meyer’s erwäh- nen, der in seiner Dissertation „Du labyrinthe membraneux chez les reptiles et les oiseaux, Strasbourg 1876* eingehende Studien über die feinsten Strukturverhältnisse des Labyrinthes und beson- ders über die Endigungen des n. acustieus bei Tropidonotus und Lacerta gemacht hat nnd auf welche wir ebenfalls noch zurück- kommen werden. Getreu meiner Aufgabe, Morphologie und Histologie des häu- tigen Inneren Ohres durch die Reihe aller Wirbelthierklassen näher zu studiren, veröffentliche ich heute den 3. Theil dieser Arbeit, die Untersuchungen über das häutige Labyrinth der Reptilien. Aus der Ordnung der Ophidier habe ich Tropidonotus na- trix, aus derjenigen der Saurier Lacerta muralis untersucht; aus der Ordnung der Chelonier standen mir Cistudo europaea (Emydae) 276 Kuhn: und Testudo graeca (Chersidae) zu Gebote und von den Hydro- sauriern war ich in der Lage, einige Exemplare (27—28 cm lang) von Alligator lucius zu diesen Untersuchungen verwenden zu können. Obzwar Form und Bau des Inneren Ohres der einzelnen Reptilienklassen mitunter grosse Unterschiede aufweisen, und es ist. dies besonders in Bezug auf die bei diesen Thieren schon ziemlich entwickelte Schnecke der Fall, so liegen doch keine prin- ceipiellen Differenzen vor; es erscheint mir demnach auch hier noth- wendig und praktisch, in gleicher Weise bei der anatomischen Schilderung des Reptilienohres vorzugehen, wie ich dies bei den Fischen und Amphibien gethan habe; auch dies Mal greife ich aus den 4 Reptilienklassen eine einzige, die Klasse der Chelonier, her- aus, um an ihr alle für das Innere Ohr der Reptilien charakte- ristischen Merkmale näher zu beleuchten. Scarpa (l. e. p. 27) sagt schon in den Worten „testudinis aurem duntaxat describere susecipimus, utpote quae veluti archetypum organi auditus eunctorum Reptilium pedatorum considerari potest“, dass das Ohr der Schild- kröten den geeignetsten Typus für dieses Sinnesorgan bei den Rep- tilien abgebe, und wir werden in der Folge sehen, dass unsere heutigen Erfahrungen diesen Satz vollständig bestätigen. Nach detaillirter Schilderung des Chelonierlabyrinthes werde ich das Innere Ohr der Ophidier, Saurier und Crocodile berücksichtigen und die Unterschiede derselben dem Chelonierohre gegenüber her- vorheben, und schliesslich die Hauptmerkmale angeben, die das Reptilienlabyrinth im Vergleiche zum Inneren Ohre der von mir schon untersuchten Amphibien und Fische kennzeichnen. Die einzelnen Untersuchungsmethoden, nach denen ich dies Mal gearbeitet, sind nahezu dieselben, die ich in meiner Arbeit über das Amphibienohr angegeben habe. Auch hier war es fast ausschliesslich die Osmiumsäure, deren ich mich sowohl zur histo- logischen Detailforschung, als auch zum Studium der morpholo- gischen Verhältnisse bediente. Bei dem meist grösseren Volumen des Reptilienohres gegenüber dem Amphibienohre und besonders bei dem stark verknöcherten Gehäuse des Inneren Ohres dieser Thiere wird man gut thun, stärkere Lösungen von Osmiumsäure anzuwenden. Nach 24stündiger Behandlung des isolirten Ohrge- häuses mit !/s %/ Osmiumsäurelösung wird dasselbe während 14 Tagen bis 3 Wochen in allmählich stärkere und stärkere Chrom- säurelösungen (1/s %o—!/ı /o— "a °/s) gebracht; nach vollständiger eo a EZ Ueber das häutige Labyrinth der Reptilien. 277 Entkalkung wird es in Wasser ausgewaschen, dann 24 Stunden lang in absoluten Alkohol gelegt und schliesslich in Leimglycerin und Leber eingebettet. Nach weiterem mehrtägigem Liegen in ab- solutem Alkohol sind die Präparate schnittfähig. Für die morpho- logischen Untersuchungen gilt das Gleiche, was ich darüber in meiner Arbeit über das Amphibienohr gesagt habe. A. Inneres Ohr der Chelonier. I. Knöchernes Labyrinth. „Die Schildkröten und die Reptilien überhaupt bilden das Mittelglied zwischen den Thieren, bei denen sich aus der Form des knöchernen Labyrinthes auf die Form der weichen Contenta schliessen lässt und denen, bei welchen dies durchaus nicht der Fall.“ (Hasse.) Das knöcherne Gehäuse, in welchem das häutige Labyrinth der Schildkröte eingeschlossen ist, wird, wie bei den Batrachiern, von dem os prooticum und dem os opisthoticum gebildet; es ist an der hinteren Seitenfläche des Schädels gelagert, nach vorn vom foramen trigemini, nach hinten vom foramen jugulare begrenzt. Seine Form ist die einer unregelmässigen Pyramide, deren Basis nach oben und deren Spitze nach unten sieht. An dieser Pyramide lässt sich eine grössere obere und eine kleinere untere Hälfte unterscheiden; erstere zur Aufnahme des Vestibulum, letztere zu derjenigen der Cochlea bestimmt. Man unterscheidet an der knö- chernen Pyramide, ausser ihrer Basis und ihrer Spitze, 4 Flächen: ‚eine äussere, vordere, hintere und eine innere. An der nach oben und aussen gerichteten, ganz in den Knochen eingelassenen Basis sieht man zwei dicke knöcherne Leisten, die sich aus der übrigen Knochenmasse isoliren lassen und von denen die vordere dem sagittalen, die hintere dem frontalen knöchernen halhzirkelförmigen Kanale entsprechen. Die Basis der Pyramide ist leicht von oben nach unten und lateralwärts geneigt, während die Spitze der Pyramide etwas nach hinten ge- bogen ist. Die Spitze ist ebenfalls wie die Basis ganz in knö- cherne Massen eingebettet; sie wird nach oben von den Knorpel- massen der inneren Labyrinthwand begrenzt, biegt etwas weniges nach hinten um und erstreckt sich fast bis zur Mittellinie der innern Schädelbasis. 278 Kuhn: Von den vier Flächen der Labyrinthpyramide sind die äussere und vordere ganz in Knochenmassen eingeschlossen, die beiden anderen dagegen liegen frei. Die äussere oder laterale Fläche begrenzt das cavum tympani und an ihrem unteren Abschnitte liegt das foramen ovale s. vestibulare, in dem die ovalgeformte Fussplatte der co- lumella durch ein ligamentum annulare befestigt ist. An der hinteren Fläche und zwar in der Gegend, wo die- selbe an die innere stösst, liegt eine kleine abgerundete Knochen- öffnung, die schon von Windischmann als foramen rotun- dum s. cochleare erkannt wurde. Letzteres ist viel kleiner als das foramen ovale; es ist bei den Cheloniern offen und die soge- nannte membrana tympani secundaria der höheren Wirbelthiere fehlt vollständig. Nach Hasse soll ein Aestehen der vena jugu- laris in demselben gelegen sein. Zwischen diesen beiden Fenstern, dem for. vestibulare und dem for. cochleare, findet sich eine dritte Knochenöffnung, die apertura aquaeduetus ceochleae, die schräg nach innen und abwärts sieht. Die vordere Fläche der knöchernen Pyramide ist die kleinste; sie ist ebenfalls ganz in Knochenmassen eingegraben und wird lateralwärts vom foramen ovale, medianwärts vom porus acustieus begrenzt. Die vierte und wichtigste Pyramidenfläche ist die innere oder mediane oder Schädelhöhlenfläche; sie ist, im Gegensatze zu den drei anderen ganz aus Knochen bestehenden Flächen des Labyrinthgehäuses, — und selbst bei ganz alten Thieren noch — aus Knochen und Knorpel zusammengesetzt. Die centralen Theile der inneren Wand sind knorpelig, während die um diese centralen Knorpelmassen gelegenen peripheren Theile knöchern sind. Am vor- deren unteren und knöchernen Abschnitte der medianen Wand liegen zwei Oeffnungen, die zum Durchtritte des Gehörnerven bestimmt sind; eine kleine vordere für den ramus vestibularis n. acustiei und eine grössere hintere für den ramus cochlearis. Nach oben von letzterer und durch den centralen knorpeligen Wandabschnitt von derselben getrennt, findet sich eine dritte kleine Knochenöffnung, die zum Durchtritte des duetus endolymphatieus bestimmte aper- tura aquaeductus vestibuli. Die innere Wand des knöchernen Labyrinthes springt leicht gegen die Schädelhöhle vor, zum Unter- schiede von der medianen Labyrinthwandung der Batrachier, die Ueber das häutige Labyrinth der Reptilien. 279 abgeplattet ist und sich an keiner Stelle gegen den inneren Schä- delraum vorwölbt. f Um ein Bild von der Lagerung des häutigen Labyrinthes in seinem knorpelig-knöchernen Gehäuse zu erhalten, ent- fernt man an dem in der Medianlinie gespaltenen Thierschädel die Weichtheile des Gehirns und bricht vorsichtig die ganze innere Wandung der Knochenpyramide auf. Auf diese Weise erhalten wir die mediane Ansicht des häutigen Labyrinthes. Dasselbe liegt in einem grossen kegelförmigen Hohlraume, dessen Basis nach oben und dessen Spitze nach unten gerichtet ist. An der nach oben i. e. nach dem Schädeldache sehenden Basis erkennt man die Oeffnungen der Knochenkanäle, in denen die häutigen Bogengänge verlaufen; wir sehen fernerhin im unteren Theile dieses oberen Raumes zwei Gruben, eine grössere vordere, gegen das foramen trigemini zu gelagerte, die von Scarpa als fovea major be- zeichnet wird und in welcher die beiden zusammenstehenden vor- deren Ampullen nebst dem recessus utrieuli gelegen sind; in dieser Grube geht nach vorn und oben der knöcherne sagittale, nach hinten der knöcherne horizontale Bogengang ab. Die zweite, kleinere Grube, von Scarpa als fovea minor bezeichnet, liegt in entgegengesetzter Richtung von der fovea major, also nach dem . hinteren Schädelabschnitte zu; sie ist viel kleiner und birgt die frontale Ampulle; in ihrem oberen und hinteren Abschnitte geht der knöcherne frontale Bogengang ab. „Diese beiden Räumlich- keiten mit ihren Fortsetzungen, den Bogengängen gehen nach kurzem Verlaufe mit weiter Mündung in den inneren Hohlraum über, der zur Aufnahme der vereinigten Bogengänge dient und senkrecht gestellt, unten weit geöffnet, in den unteren Raum über- geht“. (Hasse.) — Die Spitze des kegelförmigen Hohlraumes, in dem das häutige Innere Ohr liegt, ist nach unten und hinten ge- wendet und zur Aufnahme des Saceulus und der Cochlea bestimmt. Der Hohlraum des knorpelig-knöchernen Labyrintbgehäuses, sowie auch die Innenfläche der knöchernen halbzirkelförmigen Kanäle sind von einem Perioste ausgekleidet, das an allen diesen Theilen, mit Ausnahme der knorpeligen inneren Wand i. e. Schädelhöhlenwand, eine dünne faserige Membran darstellt, in welcher zahlreiche Bindegewebselemente mit anastomosirenden Aus- läufern enthalten sind. An der eben erwähnten knorpeligen me- dianen Labyrinthwand ist die Periostbekleidung beträchtlich dicker, 280 Kuhn: besitzt jedoch die gleiche histologische Zusammensetzung; die Fasern wie auch die Bindegewebszellen sind hier wesentlich ver- mehrt und das Ganze ist viel massiger als an den übrigen dünnen Parthien der Knochenhöhlenauskleidung. An der Innenfläche des Periostes gelang es mir nicht, einen Epithelbelag aufzufinden; da- gegen konnte ich auch bei diesen Wirbelthieren (Emys, Testudo) ähnliche Pigmentzellen nachweisen, wie sie in so grosser Zahl und in so variabler Form am Perioste des Batrachierohres vorhan- den sind. In diesem mit Periost ausgekleideten knöchernen Hohlraume liegt das häutige Labyrinth; es ist in allen seinen Abschnitten von einer häutigen Hülle überzogen (Taf. XVII, Fig. 10 und 11); be- sonders mächtig ist dieselbe an der pars inferior, wo sie gleichsam sackartig diesen Labyrinthabschnitt umgiebt. Während sie in einem weitmaschigen, losen Netzwerke die verschiedenen Theile der pars superior einhüllt, stellt die Umhüllung der pars inferior eine aus derben Fasermassen zusammengesetzte, zapfenförmige Hülle dar, in der die kegelförmige pars inferior eingeschlossen ist. Die äussere Begrenzung dieser zapfenförmigen Hülle wird durch eine ziemlich derbe Bindegewebsmembran gebildet, die am vorderen Pole des foramen ovale beginnt (Taf. XVII, Fig: 10 und 11), sieh über dasselbe hinüberschlägt, die ganze laterale Ausdehnung der pars inferior umgiebt, dann nach vorn zieht und die medianen Abschnitte der cochlea ebenfalls einhüllt, um schliesslich in der Gegend, wo die pars inferior i. e. der sacculus an die pars superior i. e. den utrieulus sich ansetzt, in die weitmaschige lockere Umhüllung der pars superior allmählich überzugehen. Letztere stellt, im Gegen- satze zu der dichten zapfenförmigen und durch die Grenzmembran so zu sagen abgeschlossenen Hülle der pars inferior, ein lockeres, maschiges Netzwerk dar, das besonders stark an den lateralen Parthien des Vestibulum entwickelt ist, dagegen nur in spärlichem Maasse die median gelegenen Labyrinththeile überzieht (Taf. XVIIL, Fig. 11). Zahlreiche, theils grosse, theils kleine Maschenräume durchziehen dies Netzwerk, sowohl in der lockeren Hülle der pars superior, als auch in der sackförmigen Bindegewebskapsel der cochlea. Das Gewebe, aus dem diese Umhüllungsmembran zusam- mengesetzt ist, stellt ein feinfaseriges fibrilläres Bindegewebe dar mit spärlich eingestreuten, kleinen, spindelförmigen Zellelementen (Taf. XVIIL, Fig. 9). Die sackartige Hülle der pars inferior, I 4 Ueber das häutige Labyrinth der Reptilien. 281 liegt diesem Labyrinththeile nicht dicht an, sondern überzieht die laterale Fläche desselben, besonders in der Gegend des ovalen Fensters, in weitem Abstande; an der medianen Fläche des Laby- rinthes dagegen ist nur ein geringer Zwischenraum zwischen Hülle und pars inferior vorhanden. Nach Herausnahme der columella aus dem ovalen Fenster sieht man daher „eine zarte, durchsichtige, leicht flottirende Membran, nach deren Wegnahme wir in einen rundlichen, tiefen perilymphatischen Raum gelangen, aus dessen Grund uns der Sacculus mit seiner Otolithenmasse entgegenschim- mert‘“ (Hasse). Die Bindegewebshülle des häutigen Labyrinthes steht einerseits mit dem Periost, anderseits mit der Oberfläche des La- byrinthes durch faserige Bindegewebsstränge in Verbindung. Und so sehen wir, dass bei den Schildkröten zwischen der lateralen Wand des knöchernen Gehäuses und dem häutigen La- byrinthe ein grosser Zwischenraum vorhanden ist, zwischen dem Labyrinthe und der medianen Gehäusewandung dagegen ein nur klei- ner derartiger Raum besteht, dass also auch bei diesen Thieren wie bei den übrigen Vertebraten, das häutige Innere Ohr excentrisch gelagert ist, d. h. der medianen Schädelwand des Ohrgehäuses fast anliegt, von dessen lateraler Wandung dagegen ziemlich ent- fernt ist. Die maschen- und sackartigen Hohlräume in der zwischen Labyrinth und Gehäuse gelegenen Umhüllungsmembran hängen unter einander zusammen und enthalten eine klare, dünne Flüssig- keit (Perilymphe); in ihrer Gesammtheit stellen sie den sogenannten perilymphatischen Raum dar, auf den wir später noch zurückkom- men werden. Dadurch, dass die Umhüllung der pars inferior durch die oben erwähnte, derbe, periphere Bindegewebsmembran zu einem abgeschlossenen sackartigen Hohlraume wird, könnte man zwei peri- Iymphatische Räume annehmen, einen grösseren inneren zwischen pars inferior und dieser derben Begrenzungsmembran gelegenen, und einen kleinen äusseren, der sich zwischen letzterer und der Periost- bekleidung befindet. Beide Räume communieiren, nach Hasse, dureh feine Spaltbildungen in der erwähnten Bindegewebsmembran. Diese kurzen Angaben über das knöcherne Ohrlabyrinth der Schildkröte mögen zur Orientirung über die Lageverhältnisse des häutigen Inneren Ohres in seinem Knochengehäuse genügen. 282 Kuhn: . II. Häutiges Labyrinth. a. Pars superior. Das häutige Labyrinth der Schildkröte besteht, wie bei den Fischen und den Amphibien, aus zwei grossen Abtheilungen: der Pars superior s. vestibulum proprium und der Pars inferior s. sacculus s. cochlea. Die Lageverhältnisse dieser Labyrinththeile zu einander sind genau dieselben, wie wir dies bei den Teleostiern und den Batrachiern beschrieben haben. Es steht das Labyrinth aufrecht in seinem knöchernen Gehäuse; sein grösster Durchmesser erstreckt sich von oben nach unten d. h. vom apex sinus utrieuli bis zum unteren Ende der cochlea resp. der lagena, sein Breiten- durchmesser ist geringer und geht von vorn nach hinten, von der Ampulla sagittalis bis zur Amy. frontalis (Taf. XVII, Fig. 1). Die Parssuperiors. vestibulum proprium setzt sich zusammen aus dem utrieulus und den 3 Ampullen mit ihren halbzirkelför- migen Kanälen. Die Pars inferior s. cochlea besteht aus dem Saecculus und der Cochlea (Taf. XVII, Fig. 5 und 6). Wir beginnen mit der Beschreibung der Theile, aus denen die Pars superior zusammengesetzt ist. Der Utrieulus s. Alveus communis s. Saceulus hemielliptieus bildet den Haupttheil der pars superior; er liegt im Centrum der- selben und alle übrigen Theile gruppiren sich um ihn und stehen mit ibm in weiter direeter Verbindung. Der Utrieulus in toto stellt eine cylindrische Röhre dar, deren längster Durchmesser eirca 1 cm beträgt und von vorn nach hinten zieht, während ihr Höhendurchmesser, von der Spitze des sinus utrieuli bis zum un- teren Rande des utrieulus, 6 mm und ihre Tiefe 1,5 mm misst. Man unterscheidet am Utrieulus einen breiten Mitteltheil, den cor- pus utrieuli und eine vom Centrum des letzteren abgehende und nach oben ziehende Röhre, den sinus utrieuli (Taf. XVII, Fig. 5). Der corpus utrieuli wird vorn von den beiden zusammenstehenden Ampullen, hinten von der frontalen begrenzt; sein vorderes End- stück ist etwas enger als der Mitteltheil (Taf. XVII, Fig. 12) und stellt den recessus utrieuli dar, an dessen untere Fläche ein Zweig des Gehörnerven tritt, um im Inneren des Hohlraumes die macula acustica utrieuli zu bilden, auf die wir später zurückkommen wer- den. Das hintere Endstück des utrienlus stellt eine kurze, eylin- drische Röhre dar, die unmittelbare Fortsetzung der frontalen Am- IE Der « Ueber das häutige Labyrinth der Reptilien. 283 pulle (Taf. XVIIL, Fig. 13). Am vorderen und hinteren Ende des Utrieularschlauches münden die drei Ampullen ein, und zwar die Amp. sagittalis und horizontalis in das vordere Ende resp. in den recessus utrieuli (Taf. XVIIL, Fig. 12), die Amp. frontalis in das hintere Ende (Taf. XVII, Fig. 13). Nach oben verlängert sich das Mittelstück des utrieulus in einen etwas engeren Schlauch, den sinus utrieuli; derselbe stellt eine 3—4 mm lange, 2 mm breite eylindrische Röhre dar, die ohue Unterbrechung aus dem corpus utrieuli emporsteigt und in deren oberes, stumpfes Ende (apex) die beiden von vorn und von hinten herkommenden sagittalen und frontalen Bogengänge einmünden, ersterer am vorderen, letzterer am hinteren Pole des sinus (Taf. XVII, Fig. 5). Unmittelbar über der Abgangsstelle des sinus aus dem corpus utrieuli mündet der horizontale Bogengang ein und zwar, wie wir noch ausführlicher anzugeben haben, an der hinteren Fläche der Sinusröhre (Tat. XVII, Fig. 6). Bei den Fröschen fanden wir die mediane Wand des utri- eulus viel dicker als die laterale; dies ist bei den Schildkröten nicht der Fall, sondern hier sind die betreffenden Wandungen — diejenige des recessus ausgenommen — gleich dünn, membranartigund bestehen aus einer streifigen Bindegewebssubstanz mit elastischen Fasern und spärlichen theils runden, theils spindelförmigen Zell- elementen. Zahlreiche Blutgefässe liegen an der Aussenfläche des utrieulus, ohne jedoch in seine Wandungen einzudringen. Die Innenfläche der Utrieuluswandung ist von einem hellen, niedrigen und regelmässig polygonalen Pflasterepithel ausgekleidet, dessen runder Kern im Centrum der Zelle liegt. Der recessus utrieuli, der vordere und wichtigste Ab- schnitt des utrieulus stellt ein nahezu rundes, bläschenförmiges Or- gan dar, das nach hinten zu mit weiter Oeffnung in den grossen Utrieularraum übergeht (Taf. XVIII, Fig. 12); diesem Uebergange entspricht eine leichte Einziehung an der medianen und unteren Wandung des recessus. Eine ähnliche aber stärkere Einziehung findet sich am vorderen Ende des recessus und deutet die Stelle an, wo die beiden Ampullen einmünden (Taf. XX, Fig. 39). Die Wandungen des recessus besitzen eine verschiedene Dicke; wäh- rend der nach unten und median gelegene Abschnitt, der Boden des Organes, diek und voluminös ist, besitzt der nach oben und lateral gelegene Theil, das Dach des recessus, ebenso dünne Wan- 284 Kuhn: dungen, als der oben geschilderte übrige Theil des utrieulus. Das Gewebe des Daches ist demnach in allen seinen Bestandtheilen das gleiche wie am utrieulus; nach unten hin geht dasselbe in ein an Masse stetig zunehmendes Knorpelgewebe über, aus welchem der Boden des recessus zusammengesetzt ist. An dieser Knorpel- masse finden wir die histologischen Eigenschaften jenes „Spindel- knorpels“ (Retzius), wie wir ihn am häutigen Labyrinthe der Tele- ostier und der Amphibien kennen gelernt haben, d. h. ein homo- genes, knorpelartiges Gewebe mit sparsam in dasselbe eingestreuten meist spindelförmigen, selten runden Zellelementen (Taf. XXH, Fig. 60 u. 62). Bei den Schildkröten, und überhaupt bei den Rep- tilien, ist diese Knorpelsubstanz ganz homogener Natur, und allen- fallsige an ihr auftretende Faserungen oder Risse dürften stets auf die Einwirkung der einzelnen Reagentien oder anderer äusserer Momente zurückzuführen sein. Der aus Knorpel bestehende Boden des recessus ist schaalen- förmig gekrümmt; an seine untere und mediane Fläche tritt ein Ast des ramus vestibularis n. acustiei (Taf. XVII, Fig. 12), der sogenannte nervus utrieuli, breitet sich halbmondförmig an der Aussenfläche des Bodens aus und bildet im Innern der Recessus- höhle die macula acustica utrieuli, deren feineren Bau wir im Zu- sammenhange mit den anderen Nervenendstellen des häutigen Labyrinthes beschreiben werden. An der Aussenseite des Recessus- bodens, da wo die Knorpelmasse mit dem Periost des Knochen- gehäuses durch Faserzüge in Verbindung steht, finden sich zahl- reiche, verschiedenartig geformte Pigmentzellen; überhaupt sind diese Zellen an allen den Theilen des häutigen Labyrinthes vorban- den, die zur Aufnahme der Hörflecke und Hörleisten bestimmt sind. Der Innenraum des recessus wird in seinem oberen Abschnitte i. e. am Dache von einem ganz ähnlichen polygonalen Pflasterepithel ausgekleidet, wie im grossen utriculus; gegen den Boden zu und besonders in der Nähe der macula acustica wird das Epithel höher und schmäler, und geht schliesslich, in nächster Nähe des Hörfleckes, in helle, grosse und hohe Cylinderzellen über, deren runder Kern an- fangs am Boden der Zelle, später aber in deren Mitte gelegen ist. Von den drei Ampullen, deren Lageverhältnisse zum utrieulus wir oben schon angedeutet haben, liegen die Ampullae sagittal. und horizont. nach vorn vom recessus, die Amp. frontalis nach hinten von dem hinteren röhrenförmigen Abschnitte des utriculus. 2 ort Ueber das häutige Labyrinth der Reptilien. 28: Die Ampulla sagittalis liegt ganz nahe an der medianen Wand des knöchernen Gehäuses; wie an allen diesen ampullenför- migen Gebilden unterscheiden wir an ihr einen Boden, zwei Seiten- wände (median und lateral) und ein Dach. Der Boden liegt nach vorn und unten, während das Dach nach hinten und oben gerichtet ist; die mediane Seitenwand sieht nach vorn, die laterale nach hinten. Der Hohlraum der Ampulle geht am hinteren Ende des ÖOrganes in den recessus über und dieser Uebergang ist an einer Einziehung der Aussenflächen des Daches und der Seitenwandungen siehtbar (Taf. XVIII, Fig. 12); der äusseren Einziehung entspricht wiederum ein nahezu ringförmiger Vorsprung des Gewebes im Inneren des Hohlraumes (Taf. XX, Fig. 39). Am vorderen Theile der Ampulle, wo der sagittale Bogengang abgeht, ist das Dach des Organes ebenfalls und zwar noch viel stärker eingezogen. Während der Boden der Ampulle ohne sichtbare Absetzung in die convexe Wand des häutigen Kanales übergeht. sieht man das Dach gegen die concave Fläche des Bogenganges durch eine tiefe Ein- schnürung abgegrenzt (Taf. XVII, Fig. 13), der dann wiederum eine gleich starke Erhebung im Inneren des Organes entspricht. Am Boden der Ampulle befindet sich eine leichte Einschnürung des Knorpelgewebes, in welche der nervus ampullae sagittalis tritt, um im Inneren des Ampullenraumes die erista acustica zu bilden (Taf. XVII, Fig. 13). Die Wandungen der Ampulle sind aus dem gleichen „Spin- delknorpel“ zusammengesetzt, wie der Boden des recessus utrieuli; nur sind an der Ampulle die Zellgebilde in grösserer Anzahl vor- handen (Taf. XXII, Fig. 59). Am Dache und besonders am Boden des Organes ist die Knorpelmasse dicker als an den Seitenwan- dungen. Zahlreiche Blutgefässe umspinnen die Aussenfläche der Ampulle, und häufig hängen an ihr die aus Bindegewebsfasern bestehenden Maschenräume der Labyrinthumhüllung und deren Ver- bindungsstränge mit dem Periost. Am Boden des Innenraumes der Ampulle liegt ein von ihrer medianen zur lateralen Seite quer verlaufender Knorpelwulst, der bis- euitartig geformt ist und in die Höhlung des Organes vorspringt; es ist dies das septum transversum (Taf. XX, Fig. 35); sein cen- traler Abschnitt ragt ziemlich hoch in den Ampullenraum hinein, fällt aber gegen die Seitenwandungen immer mehr und mehr ab. Das septum transversum, auch septum nerveum genannt, ist 286 Kuhn: zur Aufnahme der crista acustica bestimmt, auf deren Form und intimen Bau wir späterhin zurückkommen werden. Die Innenfläche der Ampulle ist von dem schon mehrfach er- wähnten polygonalen Pflasterepithel ausgekleidet. Am Dache tritt ein heller Streifen hervor, der sich auf die concave Fläche des sagittalen Bogenganges, die sogenannte Raphe verfolgen lässt. Die Knorpelwandung ist an dieser Stelle etwas mächtiger und es liegen an der Innenfläche dieses Streifens die „Dachzellen* Hasse’s, d. h. hohe, schmale, glashelle Cylinderzellen mit grossem Kerne. Von der Raphe aus gegen die Seitenwände der Ampulle zu nehmen diese hohen Cylinderzellen an Breite allmählich zu, werden aber dabei niedriger und gehen so in das gewöhnliche polygonale Pflaster- epithel über. In der Mitte der beiden Seitenwandungen, gegen die beiden Enden der Hörleiste zu, liegen zwei halbmondförmige Flecke, die plana seminulata, die aus grossen Cylinderzellen bestehen. Sie hängen mit der erista acustica zusammen und es erscheint mir nützlicher, deren Form und Zusammensetzung im Zusammenhange mit dem Bau der Hörleiste zu besprechen. Aus dem vorderen Ende der sagittalen Ampulle geht der vordere verticale oder sagittale häutige Bogengang hervor (Taf. XVII, Fig. 5); er wendet sich zuerst nach vorn und oben, zieht dann nach hinten und lateral, um schliesslich, nahe am Dache des knöchernen Labyrinthes, vorn und oben in den sinus utrieuli einzumünden, der Einmündungsstelle des später zu erwähnenden canal. frontalis gerade gegenüber. Die Wandungen dieses Bogen- sanges, wie auch der beiden übrigen, sind ziemlich dick und be- stehen aus der bekannten Spindelknorpelmasse. Auf verticalen Durchschnitten zeigen die Bogengänge ein ceylindrisches Lumen (Taf. XVII, Fig. 11), dessen nach unten gerichtete Basis, der Concavität des Bogenganges entsprechend, etwas dicker ist als die übrige Wandung. Betrachtet man den Bogengang in seinem äus- seren Verlaufe, so entspricht dieser verdickten Stelle des verticalen Durchschnittes ein, schon bei Lupenvergrösserung hervortretender, heller sehnenartiger Streifen, der sich von der Raphe der Ampulle aus über die ganze Concavität des halbzirkelförmigen Kanales ver- folgen lässt. Die Aussenfläche des Bogenganges ist wie diejenige der Ampulle glatt, wird ebenfalls von Blutgefässen umhüllt und steht durch zahlreiche Bindegewebszüge mit dem Perioste des knöchernen Bogencanales in Verbindung. Die Lagerung des häu- ee A TE er nn ce a Eu Ueber das häutige Labyrinth der Reptilien. . ,.287 tigen Bogenganges in seinem Knochenkanale ist eine excentrische. Das Innere des Bogenganges ist mit einem hellen polygonalen Pflasterepithel bekleidet, das gegen die raphe zu, jenen oben beschrie- benen weisslichen Streifen an der Concavität des Bogenganges, kleiner aber höher wird, um dann an dieser Stelle, wie in den Ampullen, in Oylinderzellen mit rundem Kerne überzugehen. Die zweite der am vorderen Abschnitte des utrieulus gelege- nen Ampullen ist die Ampulla horizontalis. Sie ist die kleinste der drei Ampullen, liegt lateral von der Amp. sagittalis und mün- det neben und mit dieser vermittelst einer gemeinschaftlichen, grossen Oeffnung in den recessus utrieuli (Taf. XVIII, Fig. 12). Ihr Boden ist lateralwärts und ihr Dach medianwärts gerichtet; die Seitenwände sind dementsprechend nach oben und nach unten gelegen. Der nervus amp. horizontalis tritt nicht, wie an den beiden verticalen Ampullen (sagittal. und horizontal.), am Boden des Organes ein, um sich gleichmässig an beiden Seitenwandungen auszubreiten, sondern wir sehen auch hier bei den Schildkröten, wie dies schon bei den Fischen und den Amphibien der Fall war, dass der Nerv sich von aussen her über den Boden der Ampulle hin- überschlägt und sich an die obere Seitenwandung begiebt, an deren Innenfläche er die cerista acustica bildet (Taf. XVIII, Fig. 12 und 17). Der feinere Bau dieser Ampulle ist genau derselbe wie der beiden übrigen und auch in ihrem Innenraume finden sich die gleichen Verhältnisse. Nur ist zu bemerken, dass entsprechend der Ausbreitung des Nerven an der oberen Seitenwandung nur ein planum semilunatum in dieser Ampulle vorhanden ist und zwar auf der unteren Wand (Taf. XX, Fig. 37). Der zu dieser Ampulle gehörige Canalis semicireular. hori- zontalis wendet sich, nach seinem Abgange von der Ampulle, late- ralwärts und nach hinten in nahezu horizontaler Richtung, biegt dann nach vorn und medianwärts um, und mündet in den sinus utrieuli an dessen hinterem und unterem Pole gerade da, wo der sinus von dem utrieulus abgeht. Seine Einmündungsstelle ist trichter- förmig und schräg gestellt; die mediane Wand des Bogenganges geht in die mediane Wandung des sinus, die laterale dagegen in die gleichnamige Wandung des corpus utrieuli über (Taf. XVIII, Fig. 13 und Taf. XVII, Fig. 6). Die dritte und letzte, die Ampulla frontalis oder die hin- tere verticale mündet in den hinteren Theil des utriculus und zwar Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 20. 19 288 Kuhn: geschieht dies, wie bei den Batrachiern, vermittelst einer kurzen eylindrischen Röhre, die dann seibst, unterhalb der Einmün- dungsstelle des horizontalen Kanales, in das corpus utrieuli über- geht (Taf. XVII, Fig. 13). Die Ampulle stimmt in Form und Bau genau mit der Amp. sagittalis überein; ihr convexes Dach ist vorn und hinten, vor ihrem Uebergange in die Utrieulusröhre einer- seits und in den frontalen Bogengang anderseits, stark eingeknickt. Nerveneintritt, septum transversum und plana semilunata sind ge- nau so beschaffen wie an der vorderen verticalen Ampulle. Der aus dieser Ampulle hervorgehende frontale Bogengang verläuft von hinten und lateral nach vorn und medianwärts, um gerade gegenüber dem sagittalen Bogengange in das obere Ende des sinus utrieuli und zwar an dessen hinterer Fläche einzumünden. Der Innenraum des Utriculus stellt, im Gegensatze zu den compliecirten Verhältnissen des Utrieularbinnenraumes der Batrachier, eine einfache eylindrische Höhlung dar, die, durch Nichts unter- brochen, von einer Abtheilung in die andere führt. Von dem Hohl- raume des corpus utrieuli aus gelangt man ohne Unterbrechung in den sinus, in die drei Ampullen und die dazu gehörigen häutigen Bogengänge. Der Binnenraum des Utrieulus steht mit der pars inferior, d.h. mit einem Theile derselben, mit dem Sacculus in offener Ver- bindung und zwar durch eine elliptische, nahezu runde Oeffnung, die sich an der unteren Wand des corpus utriculi befindet, gerade vor der Stelle, wo das röhrenförmige Verbindungsstück der ampulla frontalis in den utrieulus einmündet (Taf. XIX, Fig. 28). Es ist dies das foramen utriculo-saceulare und stellt bei Emys und Testudo einen einfachen ovalen Ausschnitt in der betreffenden Wandung dar, dessen grösster Durchmesser (0,003 m) von vorn nach hinten und dessen kleinster (0,002 m) von der medianen nach der lateralen Seite gerichtet ist. Wir haben es bei diesen Thieren mit keinem eigentlichen Kanale zu thun, wie z. B. bei den Teleostiern, sondern mit einem einfachen Loche. Hasse schildert das foram. utrieulo-saceulare von Chelonia Midas als eine am Boden des utri- culus gelegene trichterförmige Einziehung mit breiten, niedrigen Vorsprüngen gegen den Utricularraum zu; von hier aus führt dann ein ganz kurzer, enger Kanal nach dem Binnenraume des saceulus. Als Lumen dieses Kanales fand Hasse eine feine, nadelkopfgrosse Oeffnung, die an der hinteren Ecke der vom utrieulus ausgehenden F | 3 | | ‘ Ueber das häutige ILaabyrinth der Reptilien. 289 Wand in den saceulus führt. Hier ebenfalls, wie im utrieulus, liegt die feine Mündung im Grunde einer trichterförmigen Einziehung. b. Pars inferior. Wir gehen zur Beschreibung der Pars inferior über. Die nach unten vom Utriculus gelegene zweite Hälfte des häutigen Schildkrötenlabyrinthes besteht aus dem Saceulus und der Cochlea. In toto betrachtet stellt die pars inferior ein kegelförmiges Hohl- gebilde dar, dessen breite Basis nach oben sieht und mit dem Utrieulus zusammenhängt, und dessen schmälere abgestumpfte Spitze frei und nach unten gelegen ist. Man kann an der pars inferior, ihrer Kegelform entsprechend, 6 Flächen unterscheiden: eine obere, untere, vordere, hintere, mediane und laterale. Die obere Fläche oder die Basis wird durch die Unterfläche des corpus utriculi ge- bildet, die untere oder die Spitze der pars inferior durch die la- gena. Die vordere Fläche stellt der saceulus dar, die hintere der dreieckige Knorpel der pars basilaris; an der nach dem Schädel- inneren gerichteten medianen Fläche findet die Ausbreitung des nerv. cochlearis statt, einerseits an die Knorpelschaale des Saceulus, anderseits an den vorderen Knorpel der pars basilaris und an die lagena; die laterale Fläche endlich der pars inferior liegt in der Richtung des ovalen Fensters und bestelıt aus den lateralen Wan- dungen des Saceulus und der Cochlea. Wir betrachten in erster Linie den Saceulus. Derselbe, auch Steinsack, Saceulus im engeren Siune, Sacculus hemisphaericus genannt, bildet den vorderen Abschnitt der pars inferior und stellt ein grosses, abgeplattetes, blasenförmiges Organ dar, das nach oben mit dem utrieulus, nach unten und hinten mit der cochlea zusam- menhängt. Nach vorn ist der saceulus frei gelegen und blos von der allgemeinen Labyrinthhülle überzogen. Am besten lässt sich der saceulus mit einer Doppelschaale vergleichen, von welcher die eine Schaalenhälfte median, die andere lateral gelegen ist. Beide Schaalen berühren sich an ihrem unteren Ende und an ihren Seiten- theilen, an ihrem oberen Abschnitte sind sie nicht mit einander verbunden, sondern hier steht die mediane Schaale mit der medi- anen Utrieuluswand in inniger Verbindung, während die laterale Schaalenwand sich an die gleichnamige Utrieulusfläche ansetzt. Die beiden Schaalen stehen somit oben auseinander und der zwischen ihnen gelegene grosse Sackraum wird nur dadurch nach oben ge- 290 Kuhn: schlossen, dass die untere Fläche des corpus utrieuli in ihn hin- einragt und die Verbindung der beiden auseinanderstehenden oberen Schaalenwände vermittelt. Die mediane Schaale des Sacculus ist nach vorn und etwas medianwärts gelegen; ihre Wandung ist viel voluminöser als die- jenige der lateralen Schaale und sie kann als Boden des ganzen saceulus angesehen werden. Die laterale Schaale liegt gegen das ovale Fenster zu und wölbt sich in den daselbst befindlichen grossen perilymphatischen Raum hinein; sie wird von einer unge- mein dünnen Membran gebildet und stellt das Dach des saceulus dar. Der Boden des Steinsackes liegt nahe an der medianen Wand des knöchernen Ohrgehäuses und ist daselbst fest und innig von der Umhüllungsmembran des Gesammtlabyrinthes umgeben; um die dünne Dachmembran dagegen zieht die Bindegewebshülle in weitem Abstande und nur an einigen Stellen ist sie mit derselben durch strangförmige Bindegewebszüge verbunden (Taf. XXI, Fig. 46 und 47). Die Bodenschaale des saceulus ist an ihrem oberen Abschnitte mit der medianen Wand des corpus utrieuli, in dessen ganzer Breite bis nahe an die Ampulla frontalis, verwachsen (Taf. XVII, Fig. 5); ihre untere Grenze reicht bis zur lagena herab; von ihren beiden Seitenrändern liegt der vordere etwas lateralwärts und geht un- unterbrochen in den vorderen Theil der Dachschaale über, der hintere dagegen krämpt sich um, bevor das Dach des saceulus sich mit ihm verbindet (Taf. XX, Fig. 41); dieser umgekrämpte hintere Rand des Saeculusbodens grenzt an den vorderen Knorpel der pars basilaris, oder, bestimmter ausgedrückt, die Knorpelmasse der Bo- denschaale des saceulus geht direct in den vorderen Knonet der pars basilaris über (Taf. XX, Fig. 41). Wir unterscheiden an der medianen Sackschaale zwei Ab- schnitte, einen oberen dünneren und einen unteren dickeren (Taf. XIX, Fig. 24); der obere hängt mit dem utriculus zusammen und besteht aus einer faserigen Bindegewebsmembran, in welcher zahlreiche theils runde, theils ovale Zellgebilde eingestreut liegen; seine Innenfläche ist von einer zarten Basalmembran ausgekleidet, auf der ein helles, grosses Cylinderepithel sitzt, dessen runder Kern am Boden der Zelle zu liegen pflegt (Taf. XXI, Fig. 49). Mitten unter diesen hellen, grossen und regelmässigen Cylinderzellen sieht man, hie und da, dunkle, verschiedenartig geformte, bald rundliche, Ueber das häutige Labyrinth der Reptilien. 291 bald längliche Zellgebilde, die mit ihren Ausläufern unter einander in Verbindung stehen. Hasse bezeichnet dieselben als „eontraktile pigmentirte Zellmassen“ (Taf. XXI, Fig. 52). Bevor der dünne häutige Abschnitt der medianen Schaale an die mediane Fläche des eorpus utrieuli sich ansetzt, geht, als trich- terförmige Verlängerung seiner dünnen Wandung, der später zu beschreibende ductus endolymphatieus nach oben ab (Taf. XIX, Fig. 24). Nach unten von diesem membranösen Abschnitte der medianen Sackschaale wird die Wandung allmählich dieker; die Bindegewebs- bestandtheile werden compacter, voluminöser und es findet allmählich der Uebergang in Spindelknorpelsubstanz statt, wie wir dies beim recessus utrieuli gleichfalls gesehen haben. Der nun folgende dicke, aus Spindelknorpel bestehende, untere Schaalenabschnitt stellt den recessus saceuli dar und ist zur Aufnahme des nervus saceuli bestimmt. Die laterale Saceulusschaale wird durch eine ungemein dünne Membran gebildet, die aus dem gleichen, fein gefaserten Bindege- webe mit spindelförmigen Zellen besteht, wie der vorhin geschilderte obere Abschnitt der medianen Schaale. Die Innenfläche ist mit einem feinen Basalsaume überzogen, auf welchem dicht an einander ge- reihte, polygonale Pflasterzellen gelegen sind (Taf. XXI, Fig. 51). Der zwischen den beiden Schaalenwandungen gelegene und von der Unterfläche des ecorpus utriculi nach oben abgegrenzte, grosse Hohlraum ist die Saceulushöhle; nach oben ecommunieirt dieselbe dureh das schon beschriebene foramen utrieulo-saceulare mit dem Binnenraume der pars superior; eine zweite Oeffnung am oberen und hinteren Theile des lateralen Schaalendaches verbindet den Saekraum mit dem Hohlraume der cochlea, der sogen. scala coch- learis, worauf wir später noch zurückkommen werden. Nach hinten vom recessus saceuli liegt die Cochlea. Dieselbe stellt ein eylindrisches Hohlorgan dar, dessen vordere und hintere Wandung knorpelig, und dessen mediane und laterale Seite mem- branös ist; die vier Wandungen dieses knorpelig-häutigen Organes umschliessen einen Hohlraum, die sogen. scala cochlearis. Die knorpeligen Theile werden von einem ovalen Knorpelrahmen, die membranösen Abschnitte von der membr. basilaris und Reissneri gebildet. Die Cochlea setzt sich aus zwei Theilen zusammen, aus 292 Kuhn: der pars basilaris und aus der lagena. Die Pars basilaris macht den oberen Abschnitt der cochlea aus; sie stellt einen ovalen Knorpelrahmen dar, dessen vordere und hintere Lichtung durch je eine Membran verschlossen ist. Der ovale Rahmen steht mit seinem längeren Durchmesser von oben nach unten, mit seinem kürzeren von vorn nach hinten. Er besteht aus zwei vertical gestellten parallelen Knorpelschenkeln, die an ihrem oberen und unteren Ende bogenförmig mit einander vereinigt sind (Taf. XIX, Fig. 25). Die obere bogenförmige Verschmelzung stellt den Anfang der pars ba- silaris dar; sie liegt dicht neben dem oberen und hinteren Abschnitte des recessus saceuli, d. h. sie geht unmittelbar aus der Knorpel- substanz dieses Organes hervor (Taf. XX, Fig. 41). Am unteren Pole des Knorpelrahmens sind die beiden Knorpelschenkel eben- falls bogenförmig vereint, setzen sich aber, nach ihrer Verschmel- zung, in eine breite Knorpelmasse fort, die sich nach unten weiter ausdehnt und das untere konische Ende der pars inferior, die la- sena, darstellt (Taf. XIX, Fig. 25). Von den beiden parallel ver- laufenden Knorpeln der pars basilaris liegt der eine vorn und me- dian, der andere hinten und lateral. Der vordere, auch Ner- venknorpel genannt, weil der Schneckennerv sich an ihm aus- breitet (Taf. XIX, Fig. 25), besitzt eine unregelmässige Gestalt, an der wir 4 Flächen unterscheiden müssen (Taf. XX, Fig. 41): eine vordere und eine hintere, eine mediane und eine laterale. Die vordere Fläche ist die unmittelbare Fortsetzung des hinteren um- sekrämpten Randes des knorpeligen recessus sacculi, genau so wie wir dies am oberen vereinigten Pole des Knorpelrahmens gesehen haben. Die Trennung des Saceulusknorpels vom vorderen Knorpelschenkel der pars basilaris ist durch eine tiefe Einziehung der Knorpelsubstanz an der Aussenfläche dieser Organe kenntlich. Die hintere Fläche des vorderen Knorpelschenkels ist die wich- tigste aller vier Flächen; sie ist ziemlich breit, stark concav nach dem Binnenraume des Organes zu, und begrenzt mit der ihr gegen- überliegenden vorderen Fläche des hinteren Schenkels die ovale Lichtung des Knorpelrahmens; am mediangelegenen Pole dieser Fläche finden wir einen leistenartigen Vorsprung, der zur Anhef- tung der membrana basilaris bestimmt ist; am entgegengesetzten lateralen Ende der hinteren Fläche befindet sich ebenfalls ein kleiner, aber viel schwächerer Knorpelvorsprung zum Ansatze der membrana Reissneri (Taf. XX, Fig. 41). Die zwischen diesen beiden Ansatz- Ueber das häutige Labyrinth der Reptilien. 293 punkten der Basilar- und Reissner’schen Membran gelegene, breit ausgehöhlte, hintere Fläche des vorderen Knorpelschenkels entspricht dem sulcus spiralis der Vögel und der Säuger. Die laterale Fläche des Nervenknorpels ist gleichfalls ausgehöhlt und in jene Bindegewebsmasse eingehüllt, die sich zwischen dem Sacculusdache und dem lateralen Ueberzuge der pars basilaris befindet. Schliess- lich haben wir noch die mediane Fläche des vorderen Knorpels, an welche sich der nervus eochlearis anlegt, um an ihr vorbei in den Innenraum der pars basilaris einzudringen. Nach hinten zu begrenzt diese Fläche die scala tympani, die sogenannte Pauken- treppe, deren Schilderung wir uns für später vorbehalten (Taf. XX, Fig. 41). Der hintere Knorpelschenkel, dem dreieckigen Knorpel der Vogelschnecke oder auch dem ligamentum spirale der Säuge- thiere entsprechend, ist an seinem oberen Ursprunge aus dem hin- teren Sacculusrande ziemlich breit; er vereinigt sich dann nach vorn mit dem Nervenknorpel zu dem oberen bogenförmigen Ab- schnitte des ovalen Knorpelrahmens, zieht von da aus in paralleler Richtung mit dem Nervenknorpel nach abwärts, um schliesslich am unteren Rahmenende wieder mit dem vorderen Knorpelschenkel zu verschmelzen und in die breite Knorpelwand der lagena über- zugehen (Taf. XIX, Fig. 25). Wir unterscheiden an ihm gleich- falls 4 Flächen: eine vordere, hintere, mediane und laterale. Er- stere, die vordere, ist die wichtigste; sie liegt der hinteren Fläche des Nervenknorpels gerade gegenüber (Taf. XX, Fig. 41); etwas weniger ausgehöhlt wie letztere, besitzt sie an ihrem medianen Pole einen leistenförmigen Vorsprung zum Ansatze der membrana ba- silaris, und an ihrem lateralen Ende einen ähnlichen aber weniger starken Vorsprung zur Anheftung der membrana Reissneri (Taf. XX, Fig. 41). Die hintere Fläche dieses Knorpels ist ganz gerade und geht ohne scharfe Grenze in die laterale Fläche über. Beide Knorpelflächen sind stark zerklüftet und allseits von den Binde- gewebsmassen der Umhüllungsmembran umgeben; man sieht an diesen Stellen in deutlichster Weise den allmählichen Uebergang des Netzwerks der Bindegewebshülle in die Substanz des hinteren Knorpelschenkels. Die mediane Fläche endlich ist frei gelegen und besitzt in ihrem vorderen Theile eine leistenartige, rundliche Erhebung, die besonders in den oberen Abschnitten des Knorpel- schenkels stark hervortritt, nach abwärts aber, gegen die lagena 294 Kuhn: zu, sich mehr und mehr verflacht; die Leiste trennt die mediane Fläche in einen vorderen und einen hinteren Abschnitt, von denen letzterer in die hintere Fläche des Knorpelschenkels übergeht und wie diese in das umgebende Bindegewebe eingehüllt ist, während der vordere Abschnitt, frei nach vorn gelegen, die scala tympani begrenzen hilft (Taf. XX, Fig. 41). Das Knorpelgerüste der pars basilaris geht nach unten in den zweiten Abschnitt der Cochlea, in die Lagena über. Die beiden Kovorpelschenkel der pars basilaris vereinigen sich bogenförmig am unteren Pole des ovalen Knorpelrahmens; die lateralen Flächen beider wachsen mit ihren Rändern gegen die vordere Fläche des Nerven- und gegen die hintere des dreieckigen Knorpels und bil- den so eine einzige breite knorpelige Platte, die mediane Wandung der lagena (Taf. XIX, Fig. 25); nach kurzem Verlaufe nach ab- wärts krämpt sich diese Wandung an ihrem unteren Abschnitte und an ihren Seitentheilen nach hinten um, zieht eine kurze Strecke aufwärts, um dann mit einem leicht zerklüfteten, freien Knorpel- rande zu enden. Dies ist die Lagena; ein kleines, mützenartiges, knorpeliges Hohlorgan, dessen grössere, median gelegene Wandung die unmittelbare Fortsetzung der vereinigten Knorpelschenkel dar- stellt und dessen kleinerer, lateraler Abschnitt sich von unten her dachförmig über das Ganze stülpt (Taf. XX, Fig. 43). Die Knorpelmasse, aus welcher die Knorpelschenkel der pars basilaris und ihre untere Fortsetzung, die lagena, zusammengesetzt sind, bietet die gleiche histologische Struktur dar, wie die Sub- stanz der übrigen knorpeligen Labyrinththeile. Wir haben auch hier wieder den bekannten „Spindelknorpel“ mit seiner homogenen Grundsubstanz und den darin zerstreut liegenden, theils rundlichen, theils spindelförmigen Zellgebilden; an seiner Innenfläche ist er von einem feinen, eutieularen Basalsaume überzogen. Das Knor- pelgerüst der Cochlea steht an seinen peripheren Grenzen mit der bindegewebigen Umhiüllungsmembran des Labyrinthes in Verbin- dung; an diesen Stellen aber ist die Grundsubstanz des Knorpels nicht mehr so homogen beschaffen, wie in den central gelegenen Theilen, sondern besitzt deutliche Faserungen; der Knorpel ist zerklüftet, es entstehen mehr weniger grosse, unregelmässige Räume in ihm; die einzelnen Knorpelbalken und -Leisten zeigen faserige Struetur, in welcher die spindelförmigen Knorpelgebilde rundlichen lymphoiden Zellen Platz gemacht haben, und so wird nach und Ueber das häutige Labyrinth der Reptilien. 295 nach die Structur der einzelnen Knochenbalken dem Bau der fase- rigen Umhüllungsmembran vollständig identisch. An der Knorpelmasse der Cochlea finden sich zahlreiche Blut- gefässe; sie liegen theils an der Aussenfläche des Knorpels, theils haben sie ihren Verlauf im Inneren der Knorpelsubstanz selbst; letzteres gilt besonders für den hinteren Knorpelschenkel, an dem Blutgefässkanäle die Substanz des Knorpels von oben nach unten durchsetzen. Das Kvorpelgerüste der Cochlea besitzt an seiner medianen Seite durch das Auseinanderstehen der beiden Knorpelschenkel einen ovalen Ausschnitt, der durch die ziemlich ansehnliche Breite der hinteren resp. vorderen Flächen dieser beiden Knorpel eine gewisse Tiefe besitzt; wir haben es daher mit einem ovalen, ziem- lich tiefen Knorpelrahmen zu thun; derselbe wird durch zwei Mem- branen, die sogen. Membrana basilaris an seiner medianen und die Membrana Reissneri an seiner lateralen Fläche, in ein Hohlorgan umgewandelt (Taf. XX, Fig. 41); es entsteht, zwischen dem Knorpel- gerüste einerseits und diesen membranösen Verbindungen ander- seits, ein Hohlraum in der Cochlea, den wir späterhin als scala cochlearis näher kennen lernen werden (Taf. XX, Fig. 43). Wir gehen zur Schilderung dieser beiden Membranen über und betrachten in erster Linie die an der medianen Fläche des ovalen Ausschnittes der pars basilaris gelegene Membrana ba- silaris (Taf. XIX, Fig. 25 und Taf. XX, Fig. 41). Dieselbe stellt eine ovale, feine Membran dar, die straff zwischen den zwei lei- stenförmigen Vorsprüngen am medianen Pole der Innenflächen bei- der Knorpelschenkel ausgespannt ist; an ihrem Ursprunge vom oberen Pole des ovalen Knorpelrahmens ist sie schmal und abge- rundet, allmählich zunehmend erreicht sie in der Mitte des Organes ihre grösste Breite; nach abwärts wird sie wiederum schmäler und heftet sich an den unteren Pol des Rahmens in gleich schmaler und abgerundeter Gestalt, wie sie vom oberen ausgegangen war. Die Membran ist ungemein dünn, hell und durchsichtig (Taf. XXI, Fig. 65). Hasse fand dieselbe bei Chelonia Midas ungleichmässig dick; der mit dem hinteren Knorpelschenkel verbundene Theil der Membran war viel stärker, als der an den Nervenknorpel grenzende. Ich habe einen derartigen Unterschied in der Dicke der Basilar- membran bei den von mir untersuchten Chelonierarten (Emys cas- piea, Testudo graeca) nicht finden können. Die Membran besitzt 296 Kuhn: bei etwas stärkerer Vergrösserung ein feinstreifiges Aussehen, und zwar verlaufen die einzelnen Streifen in schräger Richtung von oben und hinten nach unten und vorn (Taf. XXIII, Fig. 65 und 66). Ausgenommen hievon ist jener Abschnitt der Membran, der mit dem Neryenknorpel zusammenhängt (Taf. XXIII, Fig. 65 und 67); hier liegen die Streifen sehr dicht beisammen und verlaufen ganz gerade von oben nach unten, also parallel mit den Knorpel- schenken. Am deutlichsten tritt die Gesammtfaserung hervor, wenn wir die Membran von ihrer medianen Seite aus untersuchen; fernerhin bekommen wir dann zahlreiche, runde Zellen mit grossem Kerne zu Gesicht, die, unregelmässig über die Oberfläche der Mem- bran zerstreut, zwischen und auf den Fasern derselben gelegen sind. Auf Querschnitten sieht man, dass diese Zellen auf der äusseren. e. medianen Fläche der Basilarmembran liegen, während die innere i. e. die der scala cochlearis zugewandte Fläche deren gar keine besitzt (Taf. XXIII, Fig. 66 und 67 und Taf. XXI, Fig. 61). An der Aussenseite der Membran verlaufen mehrere ansehnliche Ge- fässstämmchen, deren Richtung dem Längendurchmesser der Basi- larmembran entspricht (Taf. XXII, Fig. 65). An ihrer Innenfläche, also nach dem Binnenraune der cochlea zu, wird die membrana basilaris von einer feinen Basalmembran überzogen; auf ihrem vorderen Drittel ist die macula acustica der pars basilaris gelegen, während die hinteren Abschnitte der Membran von einem grossen Cylinderepithel bedeckt sind (Taf. XXI, Fig. 61). Wir kom- men auf diese innere Zellbekleidung der Basilarmembran bei der Schilderung der scala eochlearis und ihrer Auskleidung noch- mals zurück. „Nach Hasse sind die Streifen der Basilarmembran der Aus- druck von hellen Fasern, die durch eine Kittsubstanz zusammen- hängend die Membran constituiren*, wie er dies von derselben Membran beim Hühnerembryo') gezeigt hat. Es wäre demnach diese Membran ein elastisches Gewebe, dessen einzelne Fasern aus Zellfortsätzen entstanden sind. „Der Unterschied zwischen der Basilarmembran der Vögel und derjenigen der Chelonier wäre nur der, dass die Bildungszellen der Membran bei den letzteren, nach- dem sie die Basilarmembran abgesondert, geringer entwickelte Fort- 1) Siebold und Koelliker’s Zeitschrift für wissenschaftliche Zoo- logie. Bd. 17. - Ueber das häutige Labyrinth der Reptilien. 297 sätze treiben und frühzeitiger functionsunfähig werden, daher auch die Membran bei den Vögeln viel voluminöser sei als bei den Schildkröten“. Bei den Fröschen ist die Basilarmembran die un- mittelbare Fortsetzung jenes Basalsaumes, der die Innenfläche des ovalen Basilarknorpels überzieht. Einen weiteren Beweis für die Richtigkeit dieser entwicklungsgeschichtlichen Auffassung der m. basilaris findet „Hasse“ in dem Umstande, dass an den Theilen des dreieckigen Knorpels, wo die Membran sich ansetzt, die spin- delförmigen Zellgebilde der Knorpelsubstanz sich zusammendrängen und ihre Fortsätze in die Basilarmembran selbst hineinschicken, „so dass es schwer zu sagen sei, wo der Knorpel aufhört und die Basilarmembran anfängt“. „Membrana basilaris und Knorpel gehen aus denselben embryonalen Bildungszellen hervor“. Die Spindel- zellen des Knorpels sind denen auf der Aussenwand der Membran gleich, ihre Fortsätze den Fasern der Membran homolog und eben- so die homogene Grundsubstanz des Knorpels der Kittsubstanz der Fasern der Basilarmembran. (Anat. Stud. von Hasse p. 287.) Die eben beschriebene membr. basilaris bildet, nebst der la- gena, die mediane Wand des Schneckenrohres, die beiden Knorpel- schenkel stellen die Seitenwandungen dar und schliesslich liefert die membrana Reissneri den lateralen Verschluss des Schnecken- eylinders. Letztere, die membrana Reissneri, ist die unmittel- bare Fortsetzung der Dachmembran des saceulus (Taf. XX, Fig. 41 und 42); nachdem sich diese an den hinteren, umgekrämpten Rand des knorpeligen recessus sacculi, zum Abschlusse des Sack- raumes, angesetzt hat (Taf. XX, Fig. 41), zieht sie nach hinten weiter und schlägt sich über die obere bogenförmige Verschmelzung der Knorpelschenkel und über den ganzen lateralen Ausschnitt des Knorpelgerüstes der cochlea. Nach hinten endet sie am lateralen Ende des dreieckigen Knorpels, nach unten am freien, oberen la- eralen Rande der lagena (Taf. XX, Fig. 43). Während sie von oben nach unten zieht, heftet sie sich an die entsprechenden lateralen Ränder der Innenflächen beider Knorpelschenkel, überbrückt somit bogenförmig den ovalen Ausschnitt des Knorpelrahmens, wie auch die in dessen unterer Fortsetzung gelegene laterale Oeffnung der lagena und schliesst so die scala cochlearis nach der lateralen Seite vollständig ab (Taf. XX, Fig. 43). Am oberen Theile der Cochlea, wo die Membr. Reissnerei direkt aus dem hinteren Saeeulusabschnitte hervorgeht, ist sie breit gespannt, nach unten 298 Kuhn: zu, der Entfernung der lateralen Knorpelschenkelränder entsprechend, verliert sie an Breite, um schliesslich schmal und abgerundet an den gezackten Knorpelrändern der Lagena zu enden. Zwischen den Knorpelschenkeln und der Lagena ist die Reissner’sche Membran leicht ausgespannt, also viel weniger straff angezogen, als es die ihr gegenüberliegende membrana basilaris ist. Sie besteht aus der gleichen streifigen Bindegewebsmasse wie die Dachmembran des Sackes (Taf. XXI, Fig. 50); zahlreiche theils runde, theils spindel- förmige kleine Zellen sind in ihrem streifigen Grundgewebe ein- gestreut, Ueber die Aussenfläche der Membran verlaufen mehrere kleine Blutgefässe, die jedoch nicht in das Innere der Cochlea ein- zudringen scheinen; an ihrer Innenfläche ist sie von einem ziem- lich hohen, hellen und leicht granulirten Cylinderepithel überzogen (Taf. XXI, Fig. 55), dessen runder Kern am Boden der Zelle zu liegen pflegt; an einzelnen Stellen der Membran, besonders in ihren oberen Abschnitten, fand ich grössere und kleinere, polygonale Plattenepithelien, gruppenweise in das allgemeine Cylinderepithel eingelagert (Taf. XXI, Fig. 50). Zwischen dem Knorpelgerüste der Cochlea einerseits, den membranae basilaris und Reissneri anderseits, liegt ein langgestreck- ter, eylindrischer Hohlraum, die sogen. Schneckentreppe, seala eochleariss. media. Es ist dies ein ungetheilter, ununterbrochener Hohlraum im Inneren der beiden Schneckenabschnitte (Taf. XX, Fig. 41 und 43); der Binnenraum der pars basilaris setzt sich ohne jedwede Unterbrechung in den der lagena fort. Das untere Ende der scala eochlearis wird vom untersten Abschnitte der lagena, dem fundus, gebildet und ist blind geschlossen; nach oben steht die Schneckentreppe mit dem Hohlraume des Steinsackes durch eine am vorderen, oberen Theile der pars basilaris befindliche Oeff- nung in weiter Verbindung; letztere stellt eine von unten und me- dian, nach oben und lateral gestellte, ziemlich grosse Spalte im hinteren, oberen Abschnitte der Dachmembran des saceulus dar, gerade da, wo sich ein Theil dieser Membran nach hinten schlägt und den oberen Ursprung der Cochlea als membrana Reissneri überzieht. Hasse fasst einen Theil der am oberen Ende der cochlea direet aus dem saceulus hervorgehenden Knorpelmasse in Verbin- dung mit dem lateralen Ueberzuge dieses Theiles als canalis reu- niens auf. Er hält sich im Hinblick auf die bei den Vögeln hier Ueber das häutige Labyrinth der Reptilien. 299 vorliegenden Verhältnisse hierzu berechtigt; bei diesen Thieren trägt gleichfalls ein Theil der Schneckenknorpel zur Bildung des im Uebrigen sehr zartwandigen canalis reuniens bei, und „stelit sich an der oberen Vereinigung der Knorpelschenkel und zwar dem _ Nervenknorpel näher gelegen, als eine dreieckige Grube dar, deren innere Auskleidung Pflasterepithel besitzt“. Eine solehe Einziehung konnte Hasse an der Cochlea der Riesenschildkröte ebenfalls nach- weisen; es liegt dieselbe mehr im Bereiche des dreieckigen Knor- pels im Gegensatze zu den Vögeln, bei denen diese Grube, wie schon oben erwähnt, dem Nervenknorpelschenkel angehört. Der hintere Knorpel von Chelonia Midas ist gegen die hintere Begren- zung der Saceulusschaale durch eine vorspringende Leiste abge- setzt; eine zweite, mehr nach vorn gelegene und von oben her kommende Leiste bildet mit der vorhin beschriebenen die dreiseitige Einziehung des canalis reuniens, „der dann nach hinten in dem scharf vorspringenden Rande des Knorpels, dem hinteren Ansatz- punkte der membrana Reissneri, seine Begrenzung erhält, während er nach vorn durch die Grenzleiste gegen den Sack hin abge- schlossen wird“. Bei einigen grösseren Exemplaren von Testudo graeca gelang es mir, diese leistenförmigen Begrenzungen des knor- peligen Kanalabschnittes zu sehen und würde auch für die Existenz eines solehen canalis reuniens bei den Cheloniern das von mir be- obachtete Vorkommen von Pflasterepithel an den obersten Abschnitten der Reissner’schen Membran sprechen (Taf. XXI, Fig. 50). Wir nehmen die Schilderung der sceala cochlearis wieder auf. Dieselbe besitzt eine vierseitig prismatische Gestalt; die betreffen- den vier Wandungen werden von den beiden gerade verlaufenden Membranen und den stark ausgehöhlten Innenflächen der beiden Knorpelschenkel gebildet. Die median gelegene Fläche des Prisma’s, i. e. die membrana basilaris, ist viel schmäler als die laterale Fläche, i. e. die m. Reissneri (Taf. XX, Fig. 41); die beiden Seiten- flächen sind nahezu gleich gross. Die Begrenzungsflächen dieses Raumes sind an ihrer Innenseite von verschiedenen Epithelialge- bilden überzogen. Von der median gelegenen m. basilaris aus- gehend, finden wir auf der dem Nervenknorpel zunächst liegenden vorderen Hälfte dieser Membran das specifische Nervenepithel der macula acustica, dessen Detailschilderung wir in dem Abschnitte über den n. acusticus geben werden; nach hinten zu geht das Neuroepithel des Hörfleckes in ein ziemlich hohes, helles aber 300 Kuhn: granulirtes Cylinderepithel über (Taf. XXIL Fig. 61), das nahezu die beiden hinteren Drittel der Basilarmembran bedeckt und von hier aus sich in das ganz älinliche, vielleicht etwas niedrigere, eylin- drische Epithel fortsetzt, das die ausgehöhlte Innenfläche des hin- teren Knorpelschenkels bekleidet; am Ansatzpunkte der Reissner’- schen Membran an den hinteren Knorpelschenkel findet der Ueber- gang dieses Cylinderepithels in das gleichgestaltete, schöne und ziemlich hohe Epithel der m. Reissneri statt (Taf. XX, Fig. 41 und 42); endlich sehen wir auch am vorderen Pole der letzteren, da wo sich dieselbe an die Innenfläche des Nervenknorpels ansetzt, das gleiche Cylinderepithel eine Strecke weit sich auf die Innen- fläche dieses Knorpels fortsetzen; am mittleren Theile dieser Fläche jedoch geht dasselbe in ein ungemein hohes, schmales und auf- fallend helles Cylinderepithel über (Taf. XX, Fig. 41 u. Taf. XXIH, Fig. 64), das sich bis nahe an den medianen Pol dieses Knorpel- schenkels erstreckt; hier schliesslich geht dasselbe in das Neuro- epithel der am vorderen Drittel der membrana basilaris gelegenen papilla acustica über (Taf. XXII, Fig. 61). Zwischen diesem hohen Cylinderepithel der Innenfläche des Nervenknorpels und dem vor- deren Rande der Gehörpapille liegt eine kleine Einziehung, die dem suleus spiralis der Vögel entsprechen dürfte (Taf. XXL, Fig. 61). Die eben erwähnten hohen Cylinderzellen bedecken den medianen Abschnitt der Innenfläche des Nervenknorpels; sie fallen dureh ihre glashelle Beschaffenheit ungemein auf, und sogar an Osmiumpräparaten tritt ihre helle Farbe noch deutlich hervor, während die durch dieses Reagens behandelten Cylinderzellen der m. Reissneri, wie auch die übrigen Zellgebilde des Schneckenbinnen- raumes stark granulirt erscheinen. Anfangs liegt der grosse runde Kern dieser Zellen am Boden, steigt dann mehr und mehr in die Höhe bis zur Mitte der Zelle, ja sogar noch etwas darüber, je mehr wir uns der macula acustica nähern (Taf. XXIL, Fig. 61 u. Taf. XXIII, Fig. 64). Mit dem Nerven stehen diese Zellen in keinem Zusammenhange. Sie gehen auf die haartragenden Zellen der Gehörleiste über, sind jedoch, wie schon oben erwähnt, durch einen kleinen Einschnitt von denselben getrennt; in dieser niedri- gen Einziehung, die genau am medianen Knorpelrande gelegen ist, fand ich zuweilen einige niedrige Cylinderepithelien. Auf Quer- schnitten sieht man regelmässig, dass das vordere Segment der Corti’schen Deekmembran über das vordere Ende der Hörpapille Ueber das häutige Labyrinth der Reptilien. 301 übergreift und diese glashellen Cylinder bedeckt, eine Thatsache, auf die wir bei der Nervenausbreitung an diesen Theilen nochmals zurückkommen werden. Der von Hasse für diese Zellen gewählte Name „Zahnzellen“, wie er dieselben auch bei den Vögeln nennt, scheint mir nur dann annehmbar, wenn wir sie nicht mit den sogen. Basalzellen der erista acustica verwechseln, die bekanntlich bei Hasse ebenfalls „Zahnzellen* heissen, die aber uach unsern Erfahrungen mit den obigen Cylinderzellen absolut keine Achn- lichkeit besitzen (Taf. XXIII, Fig. 64). Schliesslich erwähnen wir, um die Schilderung der scala coch- learis und ihrer Zellenauskleidung zu Ende zu bringen, dass die Cylinderepithelien der Reissner’schen Membran sich nach unten hin in die innere Auskleidung der lagena fortsetzen; der Gesammt- raum dieses Organes ist im Inneren von einem niedrigen Cylinder- epithel ausgekleidet, das gegen die an der medianen Fläche ge- legene crista lagenae zu höher wird und allmählich in das Neuro- epithel derselben übergeht (Taf. XX, Fig. 43 und Taf. XXI, Fig. 64). Bevor wir zur Ausbreitung des Gehörnerven am Inneren Ohre der Chelonier übergehen, ist es geboten, zur vollständigen Schil- derung der Morphologie des häutigen Labyrinthes dieser Thiere, zweier Kanäle zu erwähnen, welche die Cireulation der endo- und perilymphatischen Flüssigkeiten in diesem Sinnesorgane ver- mitteln. Wie bei allen Wirbelthieren, so erhebt sich auch bei den Schildkröten aus dem saceulus der duetus endolymphaticus und stellt das vestibulare Ende eines Kanales dar, durch welchen die Endolymphe der Labyrinthhöhle mit einem im Schädel liegen- den sackartigen Gebilde, dem saceus endolymphatieus, communieirt. Nach den Schilderungen von Rathke!) und Hasse?) — und ich kann im Wesentlichen die Angaben dieser Autoren auch für Testudo graeca und Cistudo europaea bestätigen — entsteht der ductus endolymphaticus am oberen häutigen und trichterförmig ausgezogenen Abschnitte der medianen Sackschaale (Taf. XIX, Fig. 25), als eine zartwandige, enge Röhre; die Oeffnung, wodurch er in den Sack einmündet, ist ziemlich eng und liegt nach vorn 1) Ueber die Entwicklung der Schildkröten. Braunschweig 1848. 2) Die Lymphbahnen des inneren Ohres der Wirbelthiere. Leipzig 1873, 302 Kuhn: und medianwärts von dem grösseren foramen utrieulo-saceulare. Der duetus zieht vom Sacke aus nach oben längs der medianen Fläche des corpus utrieuli (Taf. XVII, Fig. 5), wendet sich als- dann nach vorn gegen die oben geschilderte apertura aquaeductus vestibuli und tritt durch dieselbe hindurch in das cavum cranii; hier zieht er an der dem Gehirne zugekehrten Fläche der medianen Wandung des Ohrgehäuses nach vorn und oben, und endet schliess- lich in dem über dem hinteren Gehirnabschnitte gelegenen saccus endolymphatieus. Von seinem Ursprunge aus dem sacculus bis zur apertura aquaeductus vestibuli ist der dünnwandige duetus von einer bindegewebigen Hülle umschlossen, die mit der allgemeinen Umhüllungsmembran zusammenhängt und aus welcher es schwer ist, die Röhre der Vorhofswasserleitung zu isoliren. Ich habe bei den verhältnissmässig kleinen Exemplaren von Testudo und Cistudo nie gesehen, dass das Periost der Innenfläche der Ohrkapsel die Hülle des duetus umgiebt, wie dies Hasse für Chelonia Midas angegeben hat. Mit seinem Eintritte in die Schädelhöhle wird der ductus von der dura mater umhüllt. Das centrale Ende der endolymphatischen Flüssigkeitsbahn wird durch den saccus endolymphaticus repräsentirt; derselbe stellt einen ziemlich weiten, dünnwandigen Sack dar, der über dem hin- teren convexen Gehirntheile zwischen dura mater und Gehirnhülle gelegen ist und dicht von dem gleichnamigen Gebilde der anderen Kopfhälfte begrenzt wird, jedoch mit demselben nicht communieirt, ebensowenig wie mit dem epicerebralen Raume. Bei erwachsenen Thieren ist der Sack mit Flüssigkeit, bei Embryonen dagegen (Rathke) mit Kalkkrystallen gefüllt. Wie wir oben näher beschrieben haben, ist das häutige La- byrinth der Schildkröte von einem lockeren Bindegewebe umhüllt, das sehr stark an seinen lateralen Abschnitten, besonders gegen das ovale Fenster zu, viel geringer dagegen an seinen der medianen Gehäusewand zugewandten Theilen entwickelt ist; durch zahlreiche maschenartige Verbindungen in dieser Umhüllung kommen grössere und kleinere Hohlräume zu Stande, in welchen eine dünne und klare Flüssigkeit, die Perilymphe, eireulirt. Die Gesammtheit dieser miteinander communieirenden Hohlräume stellt das cavum perilymphaticum vor (Taf. XVII, Fig. 10 u. 11; Taf. XXI, Fig. 47); dasselbe ist gegen die columella i. e. foramen ovale zu unge- mein gross, dagegen sehr wenig entwickelt am median gelegenen Ueber das häutige Labyrinth der Reptilien. 303 Labyrinthabschnitte. Am mächtigsten ist der direkt am ovalen Fenster gelegene Theil des cavum, in den man nach Wegnahme der columella und ihres inneren häutigen Ueberzuges gelangt (Taf. XVIII, Fig. 10 und 11; Taf. XXI, Fig. 47). Dieser grössere rundliche Hohlraum setzt sich nach oben in die feinen Bindege- websnetze der Umhüllungsmembran fort, medianwärts von ihm liegt die feine Dachmembrau des sacculus; nach unten liegen mehrere fächerförmig von der lateralen Grenze des Hohlraumes zum hinteren Abschnitte des Saceulusdaches ziehende dichte Faserstränge. Nach hinten von diesem grossen Hohlraume (scala vestibuli), am Uebergange des sacceulus in die pars basilaris und lagena, stossen wir auf eine rundliche Oeffnung (Taf. XXI, Fig. 47), die in einen Kanal führt, der, nach vorn gerichtet, um die mediane Fläche des oberen Abschnittes der cochlea herumzieht und am foramen coch- leare endet. „Diesen im Maschenwerke der Umhüllungsmembran gleichsam ausgegrabenen Kanal bezeichnet Hasse als canalis lym- phaticus. Die benachbarten Maschenräume des cayum perilympha- ticum communieiren durch ganz enge Spalträume mit diesem un- gemein dünnwandigen Kanale“ Er verläuft an der medianen Wand des knöchernen Ohrgehäuses und wird desshalb bei der Er- öffnung desselben vom Gehirn her leicht verletzt. „Gegen das runde Fenster zu erweitert sich dieser Kanal trichterförmig, seine Oeffnungsränder sind etwas zerrissen.“ Den weiteren Verlauf dieses Gebildes habe ich nicht verfolgt und liegt es auch nicht im Plane dieser Studie über den Gehör- nerven auf die weiteren Details der Lymphbahnen des Inneren Öhres näher einzugehen; es soll in einer späteren Arbeit meine Aufgabe sein, diesen Gegenstand im Zusammenhange durch alle Wirbelthier- klassen hindurch einer näheren Untersuchung zu unterziehen. Nach den Angaben von Ibsen, Hasse und Clason (l. e.) „tritt der canalis Jymphaticus oder der ductus perilymphaticus durch das foramen rotundum in den recessus tympani, bekommt eine periostale Hülle und schwillt zu einem elliptischen, zartwandigen Sacke an, dem saceus perilymphaticus. An der Spitze dieses Sackes befindet sich eine nadelstichgrosse Oeffnung, wahrscheinlich der Eingang in ein Lymphgefäss, anderseits geht von demselben ein Fortsatz ab, der, trichterförmig sich erweiternd, in die Hülle des Gehirnes übergeht“. Hierdurch kommt, nach Hasse, auch bei den Schildkröten Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 20. 20 304 Kuhn: eine Verbindung des saccus und somit des cavum perilymphaticum mit dem cavum epicerebrale zu Stande. Eine kurze Strecke von der Stelle entfernt, wo der duetus perilymphaticus am foramen cochleare mündet, liegt in der late- ralen Wand des ductus eine runde Oeffnung, die in die sog. scala tympani führt; unter letzterem Namen verstehen wir einen von der medianen Fläche der membrana basilaris, den medianen Abschnitten der beiden Knorpel der pars basilaris einerseits, und von der hier gegenüberliegenden Umhüllungsmembran anderseits, begrenztenRaum im medianen Theile des cavum perilymphaticum (Taf.XX, Fig. 41 u.42). Im Gegensatze zu dieser scala tympanioder Paukentreppe haben wir auch bei der Schildkröte, wie von jetzt an bei allen höheren Vertebraten, eine seala vestibuli oder Vorhofstreppe; es ist dies der lateral von der membrana Reissneri, zwischen ihr und dem ovalen Fenster, gelegene untere Abschnitt des cavum perilymphaticum (Taf. XX, Fig. 41 und Taf. XXI, Fig. 47). Beide scalae stellen somit die median und lateral von der Basis der cochlea gelegenen Abschnitte des cavum perilymphaticum dar, die durch das Maschen- netz der an den freien Knorpelflächen der pars basilaris gelegenen Umhüllungsmembran mit einander in Verbindung stehen. e. Nervus acustieus. Der nervus acustiecus der Schildkröte tritt, von der Schädel- höhle her, als ein ziemlich starker Nervenstamm an die mediane, die sogenante Schädelhöhlen-Fläche des knöchernen Ohrgehäuses, und zwar an deren unteren und vorderen Abschnitt, in welchem die beiden Knochenöffnungen zum Durchtritt des Gehörnerven ge- legen sind. Schon vor seinem Eintritt in diese beiden Knochen- kanäle theilt sich der Nerv in zwei Aeste, den ramus vestibularis und den ramus cochlearis, von denen der erste in den kleineren vorderen, der letzte in den grösseren hinteren Kanal eintritt. Der ramus vestibularis ist der schwächere der beiden Gehörnervenäste; er zieht nach seinem Durchtritt durch den oben erwähnten, vorderen Knochenkanal nach vorn und oben und begiebt sich zum recessus utrieuli und den beiden zusammenstehenden vor- deren Ampullen (Taf. XVII, Fig. 5 und 6). Der etwas dickere ramus cochlearis tritt durch den hinteren Knochenkanal, zieht nach hinten bis zum recessus saceuli, giebt hier den n. saceuli und den n. cochleae ab und endet als ein dünner Nervenzweig Ueber das häutige Labyrinth der Reptilien. 305 an der Ampulla frontalis (Taf. XVII, Fig. 5 u. 6). Es existirt demnach bei den Schildkröten keine so scharfe Trennung für die Ausbreitungsbezirke der beiden Acusticusäste, wie wir dies bei den Säugethieren anzunehmen pflegen, bei denen der ramus vestibularis nur Theile des Vorhofes, der ramus cochlearis nur Theile der Schnecke versorgen soll. Bei den Schildkröten, und wir können hinzufügen bei allen Reptilien, wird ein dem Vestibu- lum zugehöriges Organ, die ampulla frontalis, vom ramus cochlearis versorgt; es erinnert dies an Verhältnisse, * wie wir sie bei den Fischen und den Amphibien geschildert haben und auf die wir bei der Vergleichung des Reptilienohres mit dem der niedrigeren Vertebraten noch zurückkommen werden. Der Gehörnerv, in seinem Stamme sowohl, wie in seinen Ver- zweigungen, besteht aus starken doppelcontourirten Nervenfasern und aus grossen bipolaren Ganglienzellen, die zwischen die Nerven- fasern eingelagert sind. An einzelnen Abschnitten des acusticus liegen grössere Mengen dieser Ganglienzellen beisammen, so z. B. da, wo sich der nervus partis basilaris vom Schneckenaste abzweigt; die betreffende Stelle ist hierdurch voluminöser geworden und wir be- zeichnen sie mit dem Namen des ganglion cochleare. Der Acustieusstamm ist von einer straffen Bindegewebshülle umgeben, die am Eintritt des Nerven in die beiden Knochenkanäle besonders stark entwickelt ist, und das Freilegen desselben an dieser Stelle ungemein erschwert. Die einzelnen Nervenzweige sind von einer ähnlichen, wenn auch viel lockereren Bindegewebs- scheide umhüllt. Der Verlauf der verschiedenen Aeste, in welche die beiden Acusticuszweige nach ihrem Austritt aus den Knochenkanälen zer- fallen, ist folgender: die verschiedenen Nervenstämmehen treten an die Knorpelwandungen der einzelnen Labyrinththeile, spalten sich hier in kleinere Nervenbündel, die in die Knorpelsubstanz eindringen und daselbst in feinste Nervenästchen zerfallen; letztere lösen sich alsdann in ihre einzelnen Fasern auf, die, parallel neben einander verlaufend, — Kreuzungen derselben habe ich nicht beobachten können — die Knorpelsubstanz von unten nach oben durchsetzen, dieselbe an ihrem oberen Rande durchbohren, und schliesslich in den sogen. Hörflecken und Hörleisten in complieirter und noch näher anzugebender Weise enden. Während ihres Verlaufes durch den Knorpel sind die einzelnen 306 Kuhn: Nervenfasern aus Schwann’scher Scheide, Myelin und Axeneylinder zusammengesetzt; an der oberen Knorpelgrenze angekommen, und mit ihrem Eintritt in das Epithelpolster der maculae und cristae acusticae verlieren die Fasern ihr Myelin und ihre Umhüllung, und der nackte Axeneylinder allein dringt in das Hörepithel (Taf. XXII, Fig. 62 und 63). Dies Verhalten ist bei den Reptilien die Regel, nur die Saurier und speciell Lacerta machen hievon eine Aus- nahme; bei diesen Thieren sieht man häufig, dass die in das Epi- thellager der Hörfleeke eingedrungene, feinste Nervenfaser ihre Markscheide noch besitzt (Taf. XXII, Fig. 60). Im Zellpolster der eristae und maculae acusticae theilt sich der blasse Axeneylinder nicht mehr; er steigt entweder direet zu den einzelnen im oberen Abschnitte der Hörflecke gelegenen Zellen empor (Taf. XXII, Fig. 60, 61 und 62), oder er wendet sich um, nach seinem Durchtritt durch den Knorpel, und zieht in horizon- taler mit der Knorpeloberfläche paralleler Richtung weiter, um sich mit anderen analog verlaufenden Fasern zu kreuzen. Hie- durch entsteht im Inneren der Hörflecke ein weitmaschiger plexus (Taf. XXI, Fig. 63), aus welchem dann einzelne feinste Nerven- fasern wieder hervortreten, um gegen die Oberfläche der Macula ihren endgültigen Verlauf zu nehmen. Die einzelnen Nervenfasern in diesem plexus verbinden sich nieht direet mit einander, sondern es findet blos eine Kreuzung der einzelnen Fasern unter einander statt, so dass wir es hier mit einem Nervenplexus und nicht mit einem Nervennetze zu thun haben. Die Art und Weise, wie der Axeneylinder endet, d. h. mit welchen Theilen der Hörleiste er in endgültigem Zusammenhange steht, werden wir später bei der Detailschilderung der eristae und maculae ausführlicher anzugeben haben. Die hier in Kürze geschilderten allgemeinen Verhältnisse der Acusticusausbreitung kehren in allen Theilen des Schildkröten- labyrinthes wieder; sie gelten für alle eristae und maculae acusti- cae dieser Thiere, ob dem Vestibulum oder der Cochlea angehörig, wie ich es seiner Zeit für diese Verhältnisse bei den Fischen und den Amphibien ebenfalls betont habe. Der nervus acusticus theilt sich, wie schon oben erwähnt, in einen ramus vestibularis und einen ramus cochlearis. Der ramus vestibularis ist dünner als der ramus cochle- aris; er zieht, nach seinem Austritt aus dem foramen acusticum, nach oben und vorn, legt sich an die mediane Wandung des utrieulus, Ueber das häutige Labyrinth der Reptilien. 307 giebt hier einen Zweig zum recessus utriculi ab und zerfällt dann in seine beiden Endzweige, von denen der eine zur Ampulla sagit- talis, der andere zur Ampulla horizontalis tritt; der ramus vesti- bularis zerfällt demnach in den nervus utrieuli, den n. am- pullae sagittalis und den n. amp. horizontalis (Taf. XVIII, Fig. 12). Der ramus cochlearis ist stärker als der Vorhofsast; nach seinem Austritt aus demhinteren Knochenkanal zerfällt derSchnecken- ast in zwei Zweige, von denen der eine den nery. sacculi ausmacht (Taf. XIX, Fig. 22 und 23), und der andere sich wieder in zwei Aeste theilt, wovon der eine stärkere den n. partis basilaris und den n. lagenae bildet, während der zweite und Endast den n. ampullae frontalis und den von diesem abgehenden n. papillae Retzii dar- stellt. Vom ramus cochlearis entstammen demnach: der nerv. saceuli, n. partis basilaris, n. lagenae, n. amp. frontalis und der n. papillae Retzii. Wir beginnen mit den einzelnen Aesten des ramus vestibu- laris und haben in erster Linie die Ausbreitung des n. utrieuli zu besprechen. Der nervus utrieculi stellt einen kurzen, ziemlich dicken Ast des ramus vestibularis dar; er tritt von unten her an den medianwärts gelegenen Boden des recessus utrieuli (Taf. XVIII, Fig. 12) und breitet sich fächerförmig an dessen Aussenfläche aus. Die einzelnen Nervenzweige zerfallen in feine Bündelchen, die in schräger Richtung die dicke Knorpelmasse des Utricularbodens durchbohren; die Bündelchen selbst lösen sich wiederum in feine, doppeltcontourirte Nervenfasern auf, die gegen die Innenfläche des Knorpels in die Höhe steigen und zwar eine jede für sich und ganz gesondert von der anderen; sie durchsetzen den Knorpel bis zu seinem Basalsaume, wo sie ihr doppelcontourirtes Aussehen ver- lieren, und wo alsdann der übrig gebliebene feine, blasse Axeney- linder den Basalsaum senkrecht durehbohrt und in die Epithelmasse der macula acustica eindringt (Taf. XXIL, Fig. 62). Die einzelnen feinen Nervenfasern steigen stets isolirt in die Höhe und kreuzen sich niemals mit anderen daneben verlaufenden Fasern; ebensowenig habe ich eine Theilung der Fasern während ihres Verlaufes im Knorpel beobachtet. Diemacula acustica utrieuli stellt eine halbmondförmige, weissgelbliche Erhabenheit an der Innenfläche des Utrieulusbodens 308 Kuhn: dar (Taf. XIX. Fig. 27); sie nimmt fast den ganzen Boden des recessus ein und wird durch ein Zellenlager gebildet, das von den angrenzenden Theilen her allmählich aufsteigt, immer dieker wird und in den mittleren Parthien der macula sein grösstes Volumen erreicht (Taf. XXI, Fig. 60). In der Umgebung der macula nimmt das polygonale Pflasterepithel — das Auskleidungsepithel der Utri- cularhöhle — allmählich an Höhe zu; die kleinen Pflasterzellen werden länger und rundlicher, sie werden eylindrisch; je mehr man sich dem Hörflecke nähert, desto mehr nehmen diese Zellen an Höhe zu und erscheinen dann als hohe, helle Cylinderzellen, deren run- der Kern in der Mitte der Zelle gelegen ist. An diese eylindri- schen Zellgebilde schliesst sich das eigentliche Nervenepithel der Macula an. Zwischen den polygonalen Pflasterzellen und den eben be- schriebenen Cylinderzellen findet sich in der Umgebung der macula utrieuli eine dritte Epithelienvarietät, die sogenannten protoplas- matischen Zellen; es sind dies grosse, runde, zuweilen flaschenför- mige Zellgebilde mit granulirtem Inhalte und grossem, rundem Kerne; bei Zusatz von OsO, erscheinen dieselben dunkler gefärbt, als die sie umgebenden Pflaster- und Cylinderzellen (Taf. XXI, Fig. 54). Sie liegen theils einzeln, theils in grösserer Zahl beisam- men und bieten in ihrer Grösse und in ihrer Form beträchtliche Varietäten dar; bald sind es protoplasmatische Klumpen ohne scharfe Begrenzung und Form, andere Male sind es runde, niedrige Zellen, dann wiederum sind sie flaschenförmig mit schmalen Fortsätzen. Bei den Reptilien sah ich in denselben nur einen einzigen Kern, während bei den Fischen (l. e.) ich zwei grosse, runde Kerne in einer und derselben Zelle beobachten konnte. Von der Fläche betrachtet, erkennt man schon bei schwacher Vergrösserung, dass die macula aus rundlichen Epithelien zusam- mengesetzt ist; man sieht neben einander liegende, kleine, kreis- förmige Zellen, in deren Centren ein kleiner, glänzender Punkt — die Andeutung des Haares — sichtbar ist; zwischen diesen runden, kreisförmigen Zellen liegen ungemein schmale und kleine Zwischen- räume, die mir stets leer erschienen. Auf Querschnitten erhält man eine klare Einsicht in die Anord- nung und Form der einzelnen Epithelelemente der macula; man sieht zwei verschiedene Zellschichten, von denen die eine auf dem Basalsaume gelegen ist und aus runden, kleinen Zellen besteht, Ueber das häutige Labyrinth der Reptilien. 309 während die andere Schichte auf der vorhergehenden ruht und aus grossen, hellen Cylinderzellen zusammengesetzt ist (Taf. XXI, Fig. 59 und 62). Wie bei den Fischen und den Amphibien, be- zeichne ich auch hier die erste Schiehte als „Basalzellen“-, die letztere als „Cylinderzellen“-schichte. Die Zellen der beiden Maculaschichten besitzen bei den Schild- kröten, wie überhaupt bei den Reptilien, genau jene Formen, wie wir sie bei den Batrachiern kennen gelernt haben. Man erkennt dies besonders sehr gut an Zerzupfungspräparaten des mit ChrO,; oder mit OsO, behandelten Maculaepithels (Taf. XXII und XXIII, Fig. 72). Die Basalzellen sind rundliche Zellgebilde, die dem Basal- saume des Knorpels direet aufsitzen und in regelmässiger Weise neben einander liegen; sie bilden nur eine einzige Zellenlage. Zwischen der Basalzellenschichte und den darüberliegenden Cy- linderzellen sieht man — an Osmiumpräparaten ist dies besonders deutlich — eine leicht granulirte, amorphe, dünne Masse; ähn- liche, aber weit geringere Massen liegen auch zwischen den ein- zelnen Basalzellen selbst (Taf. XXII, Fig. 61 und 63). Die Basalzellen stellen helle, durchsichtige Zellgebilde dar, an welehen keine Zellmembran unterschieden werden kann; zuweilen jedoch lassen sich Kernkörperchen in ihrem Centrum erkennen. Auch an den Basalzellen der Reptilien fand ich niemals jene nach oben zwischen die Cylinderzellen hineinragenden Fortsätze, wie dies Hasse von seinen „Zahnzellen* beschreibt. Ebensowenig konnte ich bei den Reptilien die von Cisow!) bei den Ganoiden gefundenen Verhältnisse constatiren; der Letztere leugnet die Ba- salzellen als solche vollständig, und nach ihm sind dieselben nichts anderes als Fadenzellen, deren Kerue im unteren centralen Ende der Zelle liegen und deren periphere Fortsätze abgerissen sind. Jene Zellformen, die wir in den maculae acusticae der Knochen- fische gesehen und unter dem Namen der „Fadenzellen“ beschrieben haben, existiren bei den Reptilien ebensowenig mehr wie bei den Amphibien, und es spricht die Vergänglichkeit dieser Gebilde für die niedrige Entwicklung der Fische den Amphibien und Reptilien gegen- über. Wir erkennen in den Basalzellen die sogenannten „Kern- zellen“?) Waldeyer’s, also grosse Kerngebilde mit Protoplasmamantel. 1) Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 18. p. 503. 1880. 2) Stricker’s Handbuch der Gewebelehre. p. 949. 1870. 310 Kuhn: . Auf der Basalzellenschichte ruht die Cylinderzellen- schichte; letztere besteht aus regelmässig neben einander liegen- den, grossen, hellen und durchsichtigen Cylinderzellen, die an frischen Präparaten scheinbar keinen Kern besitzen; bei Zusatz von Osmium- säure dagegen tritt in denselben sehr deutlich ein grosser Kern mit Kernkörperchen hervor, der im unteren bauchigen Abschnitte der Cylinderzelle gelegen ist. Kern sowohl wie Zelleninhalt wer- den durch OsO, intensiv braun gefärbt und erscheinen leicht gra- nulirt. Zerzupft man das durch OsO, gehärtete und gefärbte Epithel der macula, so treten an diesen Cylinderzellen verschiedene Formen zu Tage (Taf. XXIlund XXIII, Fig. 72); besonders sind es Varietäten in Bezug auf die Form des unteren Zellenabschnittes; zuweilen ist derselbe leicht abgerundet, andere Male ist er conisch verlängert und-zugespitzt, endlich sieht man am zugespitzten unteren Ende der grossen Cylinderzelle einen feinen, fadenförmigen Fortsatz hängen, der durch OsO, ebenso dunkel gefärbt wird, wie die ganze Zelle selbst. Die obere Fläche der Cylinderzelle, auch „Hörzelle“ ge- nannt, ist quer abgestumpft und von einer dünnen Cuticularmem- bran überzogen, auf welcher feine Haare von verschiedener Länge auf- sitzen; an den in OsO, gehärteten Präparaten sind diese Haarbil- dungen verklebt und stellen auf jeder Zelle je ein einziges, an der Basis ziemlich dickes, borstenförmiges Gebilde mit spitzem Ende dar. Die Länge dieser Haare ist eine verschiedene und bei den Reptilien habe ich niemals so lange Haarbildungen beobachtet, wie bei den Fischen; es ist schwer, die wirkliche Länge dieser Haare zu bestimmen, da dieselben an frischen Präparaten fast immer abfallen oder günstigen Falles nur noch partiell erhalten bleiben. An erhärteten Präparaten (OsO,, Aleohol) sind dieselben verkürzt, zusammengeschrumpft oder auch abgebrochen. und ihre Länge ist eine ganz geringe. Wir werden bei der Besprechung der cupula terminalis in den Ampullen nochmals auf diesen Punkt zurückkommen. Im utrieulus, saceulus und in der eochlea sind die Haare der Cylinderzellen kürzer als in den Ampullen. Es ist immer eine gewisse Anzahl von feinen Haaren, die die obere Fläche der Cylinderzelle krönen; allein sie verkleben sehr leicht und stellen dann blos ein einziges Gebilde dar; als Beweis, dass es stets mehrere Haare sind, die die Zellenoberfläche bedecken, und dass das einfach erscheinende borstenförmige Gebilde aus mehreren, zusammengeklebten Einzelhaaren besteht, dienen jene Präparate, bei Ueber das häutige Labyrinth der Reptilien. 3ll denen ein abgebrochenes, kurzes Haar an den verschiedensten Punkten der Zellenoberfläche zurückgeblieben ist, während die zu- sammengeklebten Einzelgebilde immer auf der Mitte der Zelle auf- sitzen. Wie verhält sich nun der Nerv zu dem Epithel der macula? Nach seinem Durchtritt durch den feinen Basalsaum des Labyrinth- knorpels geht der nackte Axeneylinder zwischen und an den Ba- salzellen vorüber und steigt an einzelnen Stellen . direkt aufwärts zur Cylinderzellenschichte (Taf. XXII, Fig. 60, 61 und 62), oder aber, er biegt in dem zwischen den beiden Zeilschichten ge- legenen und mit amorpher Masse ausgefüllten Raume quer um, und kreuzt sich mit anderen ebenfalls querumgebogenen Axencylinder- fasern; hiedurch entsteht ein reicher, intraepithelialer Nervenplexus, aus welchem dann feinste Nervenfasern heraustreten, die schliess- lich bis zur Cylinderzellenschichte emporsteigen (Taf. XXII, Fig. 63). Es besteht demnach im Verlaufe des blassen Axencylinders, von seinem Durchtritte durch den Basalraum an bis zur Cylinder- zellenschichte, ein zweifacher Modus: derselbe tritt entweder direct von unten nach oben bis in den Bereich der Cylinderzellen, oder er trägt zur Bildung eines Nervenplexus bei, aus welchem er wieder austritt, um dann ebenfalls zu den Cylinderzellen empor zu ziehen. Ist nun der Axencylinder, auf die eine wie auf die andere Weise, im Bereiche der Cylinderzellen angelangt, so tritt uns gleich- falls ein zweifacher Modus in seinem weiteren und endgültigen Verlaufe entgegen: derselbe tritt entweder direct an das untere conische Ende der Hörzelle und vereinigt sich mit demselben, oder er steigt weiter hinauf bis zur freien Oberfläche der macula. Die Nervenfasern, die sich mit dem unteren Pole der Oylinderzelle ver- einigen, schienen mir immer direct vom Basalsaume her zu kom- men; ich habe nie gesehen, dass die aus dem intraepithelialen Plexus hervorgehenden feinsten Fibrillen zu einer Hörzelle traten, sondern stets waren es direct von unten aufsteigende Axeneylinder, die sich an das zugespitzte Ende der Cylinderzelle anlegten (Taf. XXH, Fig. 60, 61 und 62). Ein anderer Theil der direet empor- ziehenden Nervenfasern verbindet sich nicht mit den Hörzellen, und wir fügen hinzu, dass die aus dem intraepithelialen Plexus hervortretenden feinsten Fasern sich von nun an in gleicher Weise verhalten, sondern steigen noch weiter in die Höhe und enden an der Oberfläche der macula i. e. der Cylinderzellen (Taf. XXIJ, Fig. 59, 61 und 63); es legen sich diese feinsten Nervenfasern ent- 312 Kuhn: weder in die Zwischenräume der Cylinderzellen, oder auch über und unter dieselben, so dass es zuweilen den Anschein hat, als verliefen dieselben durch das Innere der Hörzelle selbst. An der Oberfläche der macula angekommen, endet der feine Axeneylinder in jenem dünnen Cuticularsaume, der die obere Fläche der Cylin- derzelle bedeckt; ich sah jedoch niemals, dass die feinen Ner- venfasern durch den Cutieularsaum dringen und in die Hörhaare übergehen, wie dies Rüdinger und Paul Meyer angegeben haben. Wenn einzelne Untersucher von einem Ein- und Durchdringen des Axencylinders durch die „Hörzellen* sprechen, und ich selbst habe ähnliche Befunde bei den Fischen und Amphibien verzeichnet, so möchte ich nach meinen jetzigen Erfahrungen am Reptilienohre die Sache so deuten, dass die feinsten Nervenendfasern rings um die Cy- linderzelle gelegen sind, dieselbe, wie die Staubfäden einer Pflanzen- blüthe das Pistill, umgeben und in dieser Lage bis zur oberen Fläche der Cylinderzelle aufsteigen. Die so verlaufenden Fasern kommen auf Querschnitten der Macula entweder neben, oder auf, oder unter die Cylinderzelle zu liegen. Bei starken Vergrösserungen wird es nun sehr häufig vorkommen, dass eine solche unter oder über der Hör- zelle nach oben verlaufende Faser durch die Zelle selbst zu gehen scheint; es ist dies jedoch nur ein scheinbares Durchtreten, denn oft sieht man derartige Fasern nicht in ganz vertikaler Richtung die Zelle durchziehen, sondern sie durchlaufen in schräger Richtung die Cylinderzelle (Taf. XXII, Fig. 60 und 62). Es wird dies für die grosse Mehrheit jener feinen Axeneylinder der Fall sein, die in den Zeichnungen die Hörzellen bis zum Cuticularsaume durch- laufen. Hiebei ist aber immerhin noch möglich, dass die an das untere Ende der Hörzelle sich ansetzende Nerveufaser weiter in das Innere der Zelle selbst vordringt, z. B. bis zum grossen Zellkerne, wie ich dies bei den Teleostiern und den Batrachiern gesehen habe, oder noch mehr, durch die ganze Zelle hindurch bis an ihr oberes Ende tritt und sich in das Hörhaar fortsetzt, wie dies Rü- dinger und Coyne angeben. Bei den Reptilien habe ich die Nervenfaser nie in die Zelle eindringen gesehen, weder bis zum Kern noch bis zum oberen Zellabschnitte. Ebensowenig habe ich bei diesen Thieren jene zapfenförmigen Bildungen in den Inter- stitien der Cylinderzellen beobachtet, wie ich dies beim Frosche be- schrieben habe; bei den Reptilien ist das Epithelpolster- der Hör- Ueber das häutige Labyrinth der Reptilien. 313 fleeke und Leisten viel massiger als bei den Amphibien; es liegen die einzelnen grossen Cylinderzellen dicht aneinander, und man sieht keine Zwischenräume zwischen denselben und naturgemäss auch keine zapfenförmigen Gebilde, wie dies an den dünnen, und aus verhältnissmässig nur wenigen Cylinderzellen bestehenden, maculae und ceristae acusticae des Frosches der Fall ist. Die Oberfläche des Nervenepithels der macula utrieuli wird von einer dünnen, structurlosen Masse bedeckt, dem sogenannten Cutieularsaume. Die auf dem oberen Ende der Hörzelle sitzenden Haare durchbrechen diesen Saum. An Osmiumpräparaten zeigt diese feine cuticulare Deckmasse deutliche mit der Oberfläche der macula parallel verlaufende Streifen (Taf. XXII, Fig. 60). Am Schlusse dieser Angaben über die Zusammensetzung der macula acustica utriculi müssen wir noch der Otolithenmasse Er- wähnung thun, die den Hörfleck in seiner ganzen Ausdehnung be- deckt. Nur an ganz frischen Präparaten gelingt es den Otolithen im Utrieulus nachzuweisen, und man sieht alsdann, dass die aus weichem Kalkbrei bestehende Masse von einer ganz dünnen Mem- bran umhüllt ist. Letztere verbindert das Auseinanderfallen der weichen Steinmasse. Niemals vermochte ich die Membran selbst zu isoliren, und deren feinere Struktur zu untersuchen. Die breiige Kalkmasse selbst besteht aus grösseren und kleineren, nadelförmigen Krystallen von kohlensaurem Kalk (Taf. XXI, Fig. 56). Die Oto- lithenmasse des utrieulus ist viel geringer als diejenige des saccu- lus, von der wir später noch zu berichten haben. Die zur Ent- kalkung des knöchernen Ohrgehäuses gebräuchlichen Reagentien lösen diese verhältnissmässig geringen Kalkmassen fast vollständig auf und nur selten sieht man auf Querschnitten derartig behandelter Hörflecke noch einzelne wenige, zurückgebliebene Kalkkrystalle (Taf. XXIII, Fig. 64). Die Verbindung der Oberfläche des Hörfleckes mit der Otoli- thenmasse soll, nach Angabe einiger Autoren, durch ein Cuticular- gebilde hergestellt sein, das sich am frischen Labyrinthe als eine glashelle, strueturlose Masse darstellt, in welche von unten her die feinen Haare hineinragen, während in deren oberem Theile die Kalkkrystalle des Otolithen eingesenkt sind. An Osmiumpräparaten erscheint die betr. Masse aus grösseren und kleineren, runden Hohl- räumen zusammengesetzt. Derartige Bildungen haben wir im sac- culus der Reptilien beobachtet, und werden wir noch näher darauf 314 Kuhn: zurückkommen müssen; im utrieulus dagegen und ich kann jetzt schon hinzufügen, auch in der lagena gelang es mir nie, etwas Aehnliches zu finden. Nachdem der ramus vestibularis den n. utrieuli abgegeben hat, zerfällt er in seine beiden Endzweige, den n. ampullae sagit- talis und den n. amp. horizontalis (XVIII, Fig. 12). Der n. am- pullae sagittalis zieht als ein ziemlich kräftiger Nervenstrang bis zur Aussenfläche des Bodens der Ampulle, zerfällt in zwei Aeste, die, fächerförmig sich ausbreitend, in den sogenannten suleus trans- versus — eine am Ampullenboden gelegene Einschnürung des Knor- pels — eindringen. Hier spalten sich beide Aeste in zahlreiche Nervenbündel, welche die Knorpelsubstanz durchbohren und bis zu der im Innenraume der Ampulle gelegenen crista acustica vor- dringen. Bei ihrem Verlaufe durch den Knorpel zerfallen die ein- zelnen Nervenbündel in die sie constituirenden, doppelteontourirten Fasern, die in den centralen Theilen des suleus transversus fast senkrecht, in den Seitentheilen desselben mehr schräg bis zum Basalsaume des Knorpels in die Höhe steigen. Die Nervenfasern verlieren alsdanun ihre Schwann’sche und Myelinscheide, ganz in ähnlicher Weise, wie wir dies bei der macula acustica des rec. utrieuli angegeben haben, durchbohren als blasse Fi- brillen den Basalsaum und enden schliesslich im Nervenepithel der erista. Die erista acustica ampullae sagittalis stellt einen länglichen Knorpelwulst dar (Taf. XX, Fig. 35), der im Inneren des Organs, und zwar in der Mitte seines Bodens, gelegen ist und sich quer von der einen Seite zur anderen erstreckt; bei den Schildkröten hat derselbe eine biseuitartige (Cisow) Form; in seiner Mitte ist der Knorpelwulst am mächtigsten und am höchsten, gegen seine Enden zu wird er allmählich selimäler, besitzt aber wieder an seinen beiden Endpolen i. e. an seinem Uebergange auf die beiden Seitenwandungen der Ampulle eine etwas beträchtlichere Breite. Der Knorpelwulst der erista, auch septum nerveum benannt, erhebt sich gleichmässig aus der Knorpelmasse des Ampullenbodens; nur in den mittleren Abschnitten des septum sind die vom Boden aufstei- genden Partien der crista etwas dicker und zugleich stärker ausgebuchtet als der übrige Theil der Knorpelleiste. Es deutet diese centrale Ausbuchtung des septum nerveum der Schildkröte auf die kreuzförmigen (Taf. XVIIL, Fig. 18 und Taf. XX, Fig. 33 und 34) Ueber das häutige Labyrinth der Reptilien. 315 eristae acusticae der übrigen Reptilienklassen (Tropidonotus, Lacerta, Crocodilus), worauf wir weiter unten zurückkommen werden. Die beiden Enden der quer verlaufenden crista sind breit abgerundet, und stossen dicht an die beiden Seitenwände der Am- pulle; hier sind dieselben von einem halbmondförmigen, weissen Flecke begrenzt, der nach oben convex ist und sich eine kleine Strecke weit an der Seitenwand der Ampulle in die Höhe zieht. Es ist dies das von Steifensand') zuerst gesehene planum semilunatum (Taf. XVII, Fig. 17). Dasselbe besteht aus regelmässig neben einander gelagerten, hellen und hohen Cylinder- zellen mit grossem Kerne in der Mitte (Taf. XX, Fig. 37). Am oberen convexen Rande der plana semilunata sieht man das poly- gonale Plattenepithel der Seidenwandungen schmäler und höher werden und allmählich in die eben erwähnten hohen Cylinderzellen des planum übergehen ; anfangs liegt der runde, grosse Kern dieser Zellen am Boden; erhebt sich dann immer mehr und mehr und be- findet sich schliesslich in der Mitte der Zelle. Am Boden der Ampulle, in der Nähe der cerista acustica, sehen wir eine weitere Aenderung des bekannten polygonalen Pflaster- epithels; auch hier findet ein ähnlicher allmählicher Uebergang der Pflasterzellen in schöne, regelmässig nebeneinander liegende, glashelle Cylinderzellen — vielleicht weniger hoch als an den plana semilunata — statt, die den direkten Uebergang zum eigentlichen eylindrischen Hörepithel der erista bilden (Taf. XXII, Fig.59). Es war mir nicht möglich, in den Ampullen der Schildkröte jene Epi- thelienvarietät, die sogenannten protoplasmatischen Zellen (Hasse’s flaschenförmige Pigmentzellen) nachzuweisen, dieman im rec. utri- euli in so grosser Zahl findet. Auf dem biseuitförmigen Knorpelwulste, dem septum nerveum, sitzt nun das Zellenpolster der eigentlichen Hörleiste auf; am mäch- tigsten ist dasselbe in der Mitte der erista und fällt allmählich gegen die Peripherie zu ab; nach allen Seiten hin wird das Ner- venepithel der crista von dem oben beschriebenen einfachen Cylin- derepithel des Ampullenbodens begrenzt (Taf. XX, Fig. 36). Das Zellenpolster der erista stellt das eigentliche Nervenepithel dar, und besteht genau aus den gleichen Elementen, wie das Neuroepithel der macula utrieuli. Auch hier finden wir die Basalzellen und die 1) Müller’s Archiv für Anatomie und Physiologie. 1835. 316 Kuhn: grossen Cylinder- oder Hörzellen ; erstere liegen auf dem Basalsaume des Knorpels, letztere bilden den oberen Theil der Hörleiste. Weder in ihrer Form, noch in ihrer Grösse zeigen beide Zellarten der erista acustica einen Unterschied von denjenigen der macula utri- euli, und so ist auch das Verhältniss der feinsten Nervenfasern zu diesen Zellen genau das gleiche wie im utriculus. Die blassen Axencylinder gehen an den Kernzellen der Basalschichte vorbei, entweder direkt zu der Cylinderzellenschichte, oder sie bilden zwischen Basal- und Cylinderzellen einen intraepithelialen Plexus, um dann in ähnlicher Weise endgültig zu verlaufen, wie wir dies für die macula utriculi ausführlich berichtet haben. Die auf der Oberfläche der Cylinderzellen befindlichen sogen. Hörhaare haben die gleichen Eigenschaften wie im recess. utri- euli; nur scheinen sie in den Ampullen länger zu sein. Sie durch- dringen eine dünne, structurlose Cutieularmembran, die auch hier in der Ampulle die obere Fläche der crista acustica i. e. der Cy- linderzellen bedeckt, ganz so, wie wir dies bei der macula utrieuli angegeben haben (Taf. XX, Fig. 36 und 37 und Taf. XXL, Fig. 59). Wir finden schliesslich in den Ampullen der Chelonier ein weiteres Cutieulargebilde, das, wie bei den Fischen und Amphibien, die cerista acustica überdeckt und sie nach dem Binnenraume des Organes endgültig abschliesst. Es ist dies die Cupula termi- nalis. An frischen Präparaten ist es unmöglich, dieselbe in situ zu beobachten; sie fällt von der erista ab und wird ihrer Durch- sichtigkeit halber stets übersehen. Am erhärteten (ChrO;, OsO,) häutigen Labyrinthe dagegen gelingt es ziemlich leicht, dieselbe in toto, andere Male nur partiell, auf der erista nachzuweisen. Sie stellt alsdann ein kuppelartiges Gebilde dar, das auf dem Nerven- epithel der Hörleiste gelegen ist, aber niemals über die Grenzen des eigentlichen Hörepithels hinausragt, somit zu dem planum semi- lunatum der Seitenwandungen in keiner Beziehung steht (Taf. XX, Fig. 36 u. 37; Taf. XXII, Fig. 59). Man unterscheidet an der Cupula eine breite eoncave Basis, die auf der crista aufsitzt, und eine kugelförmig abgerundete Spitze, die frei in den Ampullenraum bis zur Hälfte seiner Höhe hineinragt. An der Basis ist die cupula sehr breit, nach oben zu wird sie etwas schmäler und dünner, und an ihrer Spitze, die wir ihrer runden Convexität wegen als Scheitel bezeichnen können, ist sie relativ am dünnsten. Ueber das häutige Labyrinth der Reptilien. 317 Im frischen Zustande erscheint die Cupula ungemein hell, fast durchsichtig und besteht allem Anscheme nach aus einer schleimigen und wenig consistenten Substanz, an der man keine Spur von Streifen entdecken kann. An gehärteten Präparaten da- gegen, besonders an den mit OsO, behandelten, stellt sich die eu- pula als ein glänzendes, leicht gelbliches Gebilde dar, dessen Con- sistenz ziemlich beträchtlich ist; bei starker Vergrösserung erschei- nen zahlreiche feine Streifen an ihr, die das Organ von der Basis bis zur Spitze in verticaler Richtung durchlaufen, dicht und parallel nebeneinander liegen und sich endlich an der Cupulaspitze dadurch vereinen, dass sie gegen die Mitte desScheitels convergiren. Zuweilen gelingt es die in OsO, gehärtete Cupula in toto von der erista ab- zulösen und alle die eben beschriebenen Details lassen sich alsdann mit Leichtigkeit bei starker Vergrösserung nachweisen. Seitdem Lang!) dies Deckorgan bei den Cyprinoiden zum ersten Male nachgewiesen hat, ist dasselbe auch von anderen Unter- suchern (Hasse, Clason, Retzius, Meyer) bei verschiedenen Vertebraten gefunden worden, und Alle sind darin einig, dass die Cupula als ein selbständiges Gebilde die crista acustica bedeckt, und dass die auf der Oberfläche der Hörzellen sitzenden Haare in das Innere der Cupula eindringen. Hasse giebt sogar an, dass sich an der Basis der Cupula kleine Löcher vorfinden, durch welche die Haare eindringen. Zerzupft man die Cupula, so erscheint sie aus feinen Fibrillen zusammengesetzt, die sich unter einander kreuzen und vermengen. Im Gegensatze zu den Angaben dieser Autoren stellt Hen- sen?) die Behauptung auf, dass die Cupula als Organ gar nicht existire; nach ihm konımt diese kuppelartige Bildung, die auf einer jeden Ampullencrista aufsitzt, dadurch zu Stande, dass die langen Hörhaare der Cylinderzellen in ihrer Gesammtheit zusammenkleben. An erhärteten Präparaten trete dies immer ein, da durch die Wir- kung der Reagentien die sehr dünnen und langen Haare sich an- einander legen, mit einander verkleben und in ihrer Gesammtheit erhärten; waren alle Hörhaare noch erhalten, so trete durch die Schrumpfung der zusammengeklebten und erhärteten Haare die eigenthümliche Kuppelform der Cupula zu Tage; waren die 1) Gustav Lang, Zeitschrift für wissenschaftl. Zoologie. v. Siebold und Koelliker. 1863. | 2) Archiv f. Anatomie und Entwicklungsgeschichte. 1878. 318 Kuhn: Haare theilweise schon abgefallen, so bleiben nur noch Segmente der Kuppel zurück. Hensen begründet seine Ansicht, dass die Cupula als solche ein Kunstprodukt sei, durch den Umstand, dass er an Jungen, durchsichtigen Exemplaren von Gobius niemals eine Cupula sehen konnte, dagegen ungemein lange Hörhaare auf den Cylinder- zellen aufsitzen sah, die hoch in den Ampullenraum hineinragten. Cisow (l.e.), in seiner Arbeit über das Labyrinth der Ganoiden, ist ebenfalls geneigt, die Cupula als ein solches Kunstprodukt anzusehen. In meinen Untersuchungen über das Innere Ohr der Amphi- bien glaubte ich diese Ansicht Hensen’s bekämpfen zu müssen und stützte mich hiebei auf Präparate, an denen die Cupula durch Haematoxylin deutlich gefärbt erschien, während die borstenförmigen Haare der Cylinderzellen, als nicht zur Cupula gehörige Gebilde, die besagte Färbung nicht angenommen hatten. Ich habe natur- gemäss auch bei den Untersuchungen des Reptilienohres obigen Punkt im Auge behalten, und stehe heute nicht an zu bekennen, dass ich in meiner Ansicht über diesen Punkt sehr schwankend geworden bin. Nach allen meinen jetzigen Erfahrungen ist es un- gemein schwierig, an Schnitten von gehärteten und entkalkten Schildkrötenlabyrinthen ein endgültiges Urtheil hierüber zu fällen; an frischen Präparaten ist es, für die Reptilien wenigstens, absolut unmöglich, sich über diesen Punkt Klarheit zu verschaffen; bis man die häutigen Theile aus dem knöchernen Gehäuse des inneren Obhres herauspräparirt hat, sind Haare und Cupula längst abgefallen. Auf Durchschnitten gehärteter Labyrinthe i.e. Ampullen bildet die Cupula ein so regelmässiges und gleichgeformtes Gebilde, dass es schwierig ist, derselben ihre Eigenschaft als selbständiges Organ abzusprechen (Taf. XX, Fig. 36 und 37). Anderseits aber erhält man zuweilen Bilder von ganz feinen Querschnitten, in welehen die Haare der Hörzellen sich direkt in die verticalen Streifen der Cupula fortzusetzen scheinen (Taf. XXII, Fig. 59), eine Thatsache, die für die Hensen’sche Ansicht sprechen dürfte. Ich wage es desshalb nicht, mich endgültig über diesen Punkt auszusprechen und behalte mir vor, diesen Gegenstand, der ja auch von grossem physiologischem Interesse ist, am leichter zugänglichen Labyrinthe der Fische einer nochmaligen Untersuchung zu unterwerfen. Den zweiten Endast des ramus vestibularis bildet der n. am- pullae horizontalis (Taf. XVIH, Fig. 12); derselbe zieht als ein einfacher Nervenzweig gegen den Boden der Ampulle, Ueber das häutige Labyrinth der Reptilien. 319 geht aber an diesem vorüber und begiebt sich zur oberen Seiten- wandung des Organes, wo er sich in der daselbst gelegenen erista acustica auflöst. Er theilt sich nieht, wie die Aeste der beiden an- dern Ampullen, in zwei Zweige, sondern bleibt bis zum oberen Ende der erista als einfacher Nervenstamm bestehen, von dem als- dann zahlreiche Bündelchen abgehen, die, senkrecht durch die Knorpelwandung hindurch, zu der an der Innenfläche der oberen Seitenwandung gelegenen Hörleiste vordringen. Diesem Verlaufe des Nerven entsprechend, liegt die erista acustica nicht am Boden der horizontalen Ampulle, wie dies in der sagittalen und auch in der frontalen der Fall ist, sondern sie nimmt die Mitte der oberen Ampullenwand ein (Taf. XVIII, Fig. 17); sie beginnt ziem- lich schmal in der Nähe des Bodens und wird allmählich breiter und dicker, je mehr sie an der Seitenwand emporsteigt; ihre Gestalt ist demnach eine zungenförmige; ihre schmale Spitze ist nach unten, ihre breite Basis nach oben gegen das Ampullendach gerichtet. Während auf Verticaldurchschnitten, welche der gauzen Crista- länge entsprechen, die Hörleisten der beiden verticalen Ampullen in der Mitte am höchsten sind und gegen die beiden Enden sich allmählich abflachen, erscheint die erista der horizontalen Ampulle am Boden des Organes sehr niedrig, steigt allmählich an und er- reicht am oberen Ende ihre grösste Höhe (Taf. XX, Fig. 39). Die eristae der beiden verticalen Ampullen liegen genau in der Mitte des Bodens (Taf. XX, Fig. 38) und es existirt somit an einer jeden der beiden Seitenwandungen ein planum semilunatum ; in der horizontalen Ampulle kann dies nicht der Fall sein; hier nimmt die crista selbst eine Seitenwand ein und nur die noch übrige gegenüberliegende Wand besitzt ein planum semilunatum (Taf. XX, Fig. 37). Die dritte und letzte Ampulle, die frontale (Taf. XVII, Fig. 5 und 6) erhält ihren Nerven vom ramus cochlearis (Taf. XVIII, Fig. 13) und werden wir bei dessen Schilderung noch hierauf zu- rückkommen. In Form und Bau ist sie, wie schon früher erwähnt, mit der amp. sagittalis ganz identisch, und ebenso sind auch die Verhältnisse des Nerveneintrittes und seiner Ausbreitung, sowie Form und Grösse der crista acustica genau die nämlichen. Es erscheint nur auffallend, dass die den Vorhofstheilen zugehörige ampulla frontalis durch einen Nerven versorgt wird, der dem Archiv f. mikrosk, Anatomie. Bd. 20, 21 320 Kuhn: Bereiche des Schneckennerven entstammt, ein Verhalten, wie wir es auch bei den Fischen und Amphibien verzeichnet haben. Um mit der Nervenausbreitung an den Ampullen abzuschliessen, erwähnen wir noch, dass die Hörleisten der drei Ampullen in Bezug auf Zusammensetzung und Anordnung des Nervenepithels, so- wie auch in allen Details der Nervenausbreitung ganz die gleichen Verhältnisse darbieten, wie wir dies bei der amp. sagittalis ange- geben haben. Wir gehen zu den Nerven der Pars inferior über i. e, zu den einzelnen Ausbreitungen des ramus eochlearis. Essinddies der n. saceuli, n. partis basilaris, n. lagenae, n. ampullae frontalis und der n. papillae Retzii. Der n. saceuli entstammt dem ramus cochlearis; letzterer zerfällt, sobald er an der medianen Fläche des recessus saceuli angekommen ist, in zwei Aeste, von denen der eine nach abwärts zum saceulus zieht, der andere noch etwas mehr nach hinten ver- läuft, um zur cochlea zu treten. Nach Abgabe dieser beiden starken Nervenzweige verbleibt vom ramus cochlearis nur noch ein dünner Endast, der sich an der amp. frontalis ausbreitet. Der zum saceulus ziehende Nervenast stellt den n. saceuli dar, einen kräftigen Nervenzweig, der, nach seinem Abgange vom ramus cochlearis, nach unten und etwas nach hinten zur medianen Knorpelschaale des saeculus, dem sogen. recessus, zieht, um sich an dessen Aussenfläche fächerförmig auszubreiten (Taf. XIX, Fig. 22 und 23). Die einzelnen Nervenästchen zerfallen in stärkere und schwächere Nervenbündel, die schräg in die Knorpelsubstanz ein- dringen und aus welchen, in ganz analoger Weise wie am n. utrieuli, die blassen Axenceylinder hervorgehen, die durch den Basal- saum bis zur inneren Knorpelfläche vordringen, um sich in der daselbst gelegenen macula acustica saceuli auszubreiten. Der Hörfleck des Steinsackes besitzt unter allen Hörleisten und Hör- fleeken des Schildkrötenlabyrinthes die grösste Ausdehnung; er hat die Form eines Halbmondes (Taf. XX, Fig. 41 und Taf. XXI, Fig.46) und nimmt die ganze Breite der medianen Sackschaale ein (Taf. XIX, Fig. 22 und 23). In der Nähe der maecula ist die knorpelige Saekwandung am stärksten. Die polygonalen Pflasterzellen, welche die Innenwandung des Sackes auskleiden, werden in der Nähe der macula höher und schmäler, nehmen eylindrische Form an und gehen schliesslich in das charakteristische eylindrische Nervenepithel Ueber das häutige Labyrinth der Reptilien. 321 des Hörfleekes über. In der Umgebung der macula finden wir, ähnlich wie im Utrieulus, protoplasmatische Zellen, die, verschie- den in Grösse und Form, theils in kleineren, theils in grösseren Haufen beisammen liegen; sie besitzen gleiche Struktur und Eigen- schaften, wie die analogen Gebilde des Utrieulus. Niemals sieht man sie in der allernächsten Umgebung der macula, sondern immer nur in den Gegenden, wo der allmähliche Uebergang der Pflaster- zellen in die kleinen eylinderförmigen Zellgebilde Statt hat. Dicht um die macula herum liegt eine regelmässige Schichte heller, durchsiehtiger und ziemlich grosser Cylinderzellen mit run- dem Kerne in der Mitte. Gegen die macula zu steigen diese Cylinder- zellen allmählich in die Höhe und gehen in das Neuroepithel über, das die Oberfläche des Hörfleckes darstellt. Letzterer stellt ein etwas erhabenes Zellpolster dar, das in seinem Centrum seine grösste Dicke erreicht und gegen die Seiten hin an Mächtigkeit abnimmt. Seine intimen Bestandtheile sind die gleichen wie an der maeula utrieuli, und ebenso verhält es sich mit der endgültigen Ausbreitung des Sacknerven im Hörflecke. Die Oberfläche der macula ist in ihrer Totalität leicht aus- gehöhlt zur Aufnahme eines Otolithen. Derselbe stellt am frischen Labyrinthe eine weisse, voluminöse Masse von rundlicher Gestalt dar (Taf. XIX, Fig. 30 und Taf. XX, Fig. 41) und ist von einer ungemein zartwandigen Membran umhüllt, die sehr leicht zerreisst und die weiche breiige Otolithenmasse ausfliessen lässt. Die Masse selbst erweist sich unter dem Mikroskope aus kleineren und grös- seren Krystallen von kohlensaurem Kalk bestehend (Taf. XXI, Fig. 56). Der Otolith besitzt eine beträchtliche Dieke, besonders in seinen mittleren Theilen und wird desshalb, selbst an Präpa- raten, die längere Zeit in ChrO; gelegen haben, nicht vollständig aufgelöst. Weiterhin haben wir Gelegenheit gehabt, besonders an Osmiumpräparaten, auf der Oberfläche der macula noch eine andere Deckmasse zu beobachten, welche genau die halbmondförmige Ge- stalt der macula wiedergiebt. An einzelnen Stellen dieses durch die Osmiumsäure bart gewordenen und gelb gefärbten Gebildes sieht man zurückgebliebene Kalkkrystalle, an anderen dagegen erkennt man, bei etwas stärkerer Vergrösserung, kleinere und grös- sere leere Hohlräume, die in zahlloser Menge die sonst strukturlose Masse durchsetzen (Taf. XXIII, Fig. 70 und 71). Aehnliche Bil- dungen haben wir bei den Fischen und Amphibien kennen gelernt, 322 Kuhn: und sie stellen die Bindemasse dar, welche den Otolithen mit der Oberfläche der macula vereint. Ob in die zahlreichen Hohlräume dieser Deckmembran die Haare der Cylinderzellen von unten her eindringen und ob an der nach oben gerichteten Fläche des Ge- bildes die Kalkmassen des Otolithen mit ähnlichen Vacuolen in Verbindung sind, darf wohl vermuthet werden; den Nachweis hierfür zu liefern, wollte mir jedoch nicht gelingen, da einerseits an frischen Präparaten die besagte Bindemasse neben dem com- pacten milchigweissen Otolithenbrei absolut unsichtbar ist, ander- seits auf Querschnitten erhärteter Objecte die Masse niemals in Verbindung mit der macula und dem Otolithen bleibt. Der zweite vom ramus cochlearis abgehende Nervenzweig ist der nervus partis basilaris (Taf. XIX, Fig. 22—24); derselbe zweigt sich, zugleich mit dem Sacknerven, nach unten und hinten vom Hauptstamme ab und zieht als ein kurzer, dicker Nervenast zum Nervenknorpel der pars basilaris (Taf. XVIIL, Fig. 25); bevor er an denselben tritt, schwillt seine Masse rundlich an und bildet das sogenannte ganglion cochleare (Taf. XX, Fig. 44) ; diese Zunahme seines Volumens kommt dadurch zu Stande, dass sich zahlreiche bipolare, grössere und kleinere Ganglienzellen zwischen die ein- zelnen Nervenfasern einlagern. Aus dem Ganglion treten alsdann die doppelteontourirten Fasern des Nerven wieder heraus, strahlen fächerförmig auseinander und legen sich von oben bis unten an die mediane Fläche des Nervenknorpels (Taf. XXIII, Fig. 64), um schliesslich den hinteren Rand dieser Knorpelfläche, gerade da, wo sich die Basilarmembran ansetzt, zu durchbohren und in das Innere der scala cochlearis einzutreten. Nachdem der n. partis basilaris den grössten Theil seiner Nervenbündel an den vorderen Knorpel- schenkel abgegeben hat, tritt der noch restirende Theil, in Form eines mässig starken Nervenzweiges, an die mediane Wandung der lagena und zerfällt in mehrere Aestchen, die sich fächerförmig an dieser Wand ausbreiten (Taf. XIX, Fig. 25 und Taf. XXIII, Fig. 64); die einzelnen Nervenbündel verästeln sich nur an der medianen Wand und greifen weder auf die Seitenflächen noch auf den fundus lagenae über, auf welchen Punkt wir bei der detaillirten Beschrei- bung der cerista lagenae nochmals zurückkommen werden. Was die Endausbreitung des n. partis basilaris selbst betrifft, so sehen wir, dass seine in die scala cochlearis eingetretenen Nervenfasern sich im Epithelpolster der auf dem vorderen Drittel Ueber das häutige Labyrinth der Reptilien. 323 der membrana basilaris gelegenen erista acustica endgültig ver- ästeln (Taf. XXII, Fig. 61 und Taf. XXIII, Fig. 64). Beim Durchtreten des Nerven durch den Nervenknorpel, dicht am vorderen Pole der Basilarmembran, weichen die einzelnen Nervenbündel auseinander und lösen sich in ihre doppelteontourirten . Fasern auf; diese verlieren alsdann, vor ihrem Eintritt ins Crista- epithel, Myelin und äussere Scheide und bilden als blasse, feine Axencylinder zwischen den Zellschichten der erista einen deutlich ausgesprochenen Nervenplexus (Taf. XXII, Fig. 63), aus dem her- aus feinste Nervenfasern emporsteigen, die sich endgültig in der oberen Zellschichte der Gehörleiste verlieren, ganz in derselben Weise, die wir an den übrigen maculae und cristae acusticae des häutigen Labyrinthes kennen gelernt haben. Die erista acustica partis basilaris, oder die „papilla acustica“, wie sie Huschke nennt, ist von gleicher Länge, wie der vordere Knorpelschenkel; sie ist ziemlich schmal und das sie zusammensetzende Neuroepithel bedeckt nur das vordere Drittel der m. basilaris. Die einzelnen Elemente des Cristaepithels sind die bekannten runden Basal- und die grossen Cylinder- oder Hör- zellen; ihre näheren Beziehungen zu der letzten Endigung der feinen Axencylinder sind die gleichen wie an den übrigen maculae und cristae acusticae. Nach hinten zu i. e. gegen den dreieckigen Knorpel geht das Nervenepithel der Gehörleiste in die mässig hohen Cylinderzellen über, welche die beiden hinteren Drittel der Basilarmembran bedecken (Taf. XXIL, Fig. 61); nach vorn wird die erista von jenem hellen und grossen Cylinderepithel begrenzt, das, wie oben angegeben, die Innenfläche des Nervenknorpels aus- kleidet (Taf. XXI, Fig. 64); der Uebergang zu diesen Zellen ist kein ganz direkter, sondern zwischen letzteren und dem speecifischen Neuroepithel der crista liegt bei den Schildkröten, wie auch bei den Alligatoren (Taf. XXI, Fig. 61), eine kleine Einsenkung, die dem sulcus spiralis der Vögel entspricht. Auf Querschnitten der pars basilaris sieht man an der Stelle, wo der Nerv den Rand des Nervenknorpels durchbohrt (Taf. XX, Fig. 41 u. Taf. XXII, Fig. 61), die Durchschnitte von 2—3 dünnen Blut- gefässen, die, entsprechendihrem Vorkommen beiden höherenWirbel- thieren, als vasa spiralia aufzufassen sind; sie verlaufen parallel mit dem Längsdurchmesser der Cochlea und stehen mit jenen Blutgefässen 324 Kuhn: in Verbindung, welche die Aussenfläche der Basilarmembran über- ziehen (Taf. XXIIL, Fig. 65). | Die erista der pars basilaris wird von einem eutieularen Ge- bilde überdeckt, der membrana Corti. Dieselbe stellt am frischen Präparate eine zungenförmige, ziemlich dicke, amorphe und hell- durehsiehtige Masse dar, welche die crista in ihrer ganzen Länge und Breite von oben bis unten bedeckt (Taf. XXIIL, Fig. 64). Ihr vorderer Rand ist dick und rund und liegt auf den grossen Cylinder- zellen, den „Zahnzellen“ des Nervenknorpels (Taf. XXUH, Fig.61); ihr hinterer Rand ist sehr dünn und zart, und reicht noch ein wenig über die hintere Grenze der papilla acustica hinaus. Ihre oberen und unteren Grenzen fallen mit dem oberen und unteren bogen- förmigen Anfange und Ende des ovalen Knorpelrahmens zusammen; am oberen Pole ist die Membran abgerundet und etwas dicker als an ihrem unteren spitz auslaufenden, dünnen Ende (Taf. XXIII, Fig. 64); niemals sah ich dieselbe tiefer hinabreichen als bis zum unteren Ende der pars basilaris; sie steht demnach mit der lagena in keinem Zusammenhang. In ihrer Dicke bietet diese Membran gleichfalls einige Verschiedenheiten dar; am Nervenknorpel schon ziemlich stark, wächst von da an ihr Diekendurchmesser immer mehr und mehr bis zur Mitte der Nervenpapille (Taf. XXI, Fig. 61), um dann allmählich wieder abzunehmen und als ganz dünne Haut. auf den Cylinderzellen der hinteren Hälfte der Basilarmembran zu endigen. Die Unterfläche der Membran wird in ihrer Breitenaus- dehnung durch eine von oben nach unten ziehende, dunkle Leiste in zwei Abschnitte getheilt, in einen kleineren auf den „Zahn- zellen“ ruhenden und in einen grösseren, der auf dem Neuroepithel der Gehörleiste gelegen ist; es entspricht dieser leistenartige Vor- sprung der Vertiefung des suleus spiralis, füllt jedoch denselben, wenigstens beim Alligator, nicht vollständig aus (Taf. XXU, Fig. 61 und Taf. XXIII, Fig. 69). Das isolirte frische Präparat der membrana Corti ist ganz hell und durchsichtig, und lässt zahlreiche grössere und kleinere Hohlräume in seiner Substanz erkennen; mit OsO, und anderen erhärtenden Reagentien behandelt, stellt es eine gelbliche, resistente Membran dar, an der, bei starker Vergrösserung, zahlreiche Hohl- räume mit einem dazwischen liegenden, maschenartigen, feinen Netz- werke scharf hervortreten; meist sind diese Vacuolen leer, zuweilen liegen Cylinderzellen an und in denselben (Taf. XXIIL, Fig. 69); Ueber das häutige Labyrinth der Reptilien. 325 die dunkle Färbung dieser Zellen deutet darauf hin, dass sie der papilla acustica angehören, da die grossen und hellen „Zahnzellen“, wie oben schon erwähnt, durch die Osmiumsäure in ihrer Farbe kaum modifieirt werden. Auf Querschnitten von gehärteten Prä- paraten, in welchen die membrana Corti im Zusammenhange mit der erista acustica geblieben ist, besitzt dieses Deckorgan ein strei- figes Aussehen; die einzelnen Streifen verlaufen von der Unterfläche der Membran zu ihrer Oberfläche; in dem auf der ecrista selbst gelegenen Abschnitte stehen dieselben fast senkrecht, an den beiden seitlichen Abschnitten dagegen ziehen die Streifen in stark schrä- ger Richtung von unten nach oben und gegen das Centrum der Membran (Taf. XXII, Fig. 61). Es ist schwer zu sagen, was an solchen Bildern Diehtung und was Wahrheit ist, d.h. bis zu wel- chem Grade die erhärtende und schrumpfende Wirkung der Osmium- säure sich bei dieser Faserung der Membran geltend gemacht hat! Im Ganzen wird man nur sagen dürfen, dass die kleineren und grösseren Hohlräume in dieser Cuticularbildung dazu bestimmt sind, den oberen Theil der Cylinderzellen, sei es der Zahnzellen, sei es der Hörzellen nebst ihren Haaren, in sich aufzunehmen i. e. zu überdecken. Die Membrana Corti liegt nach oben völlig frei und ist von keinem Otolithen bedeckt; ich wenigstens konnte keine Spur einer derartigen Masse in der pars basilaris der von mir untersuchten Chelonier entdecken. Hasse giebt an, bei einem einzigen Exem- plare von Chelonia Midas eine langgestreckte, sichelförmige Oto- lithenmasse in der cochlea gefunden zu haben; dieselbe dehnte sich vom oberen Ursprunge der cochlea bis zum fundus lagenae aus und stellte einen die ganze scala cochlearis ausfüllenden und mit den bekannten breiigen, weissen Kalkmassen gefüllten Sack dar. Diese Ueberlagerung der Corti’schen Membran der Schnecke durch einen Otolithen sieht Hasse selbst als etwas höchst auffal- lendes an, und um so mehr, als er diese Thatsache nur bei einem einzigen Thiere, aber hier in beiden Gehörorganen, feststellen konnte. Der nervus lagenae ist die unmittelbare Fortsetzung und zugleich das Ende des n. partis basilaris (Taf. XIX, Fig. 25). Der noch mässig starke Nervenzweig vertheilt sich fächerförmig an der medianen Knorpelwand dieses Organes; seine einzelnen Bündel zerfallen in die constituirenden doppeltcontourirten Nerven- 326 Kuhn: fasern, die dann die Knorpelwandung durchbohren, um sich im Inneren des Organes an der erista acustica lagenae endgültig zu verzweigen. Letztere liegt an der Innenfläche der medianen Lagenawandung und besitzt die Form eines Halbmondes, dessen laterale Enden nur ganz wenig auf die Seitenwandungen des Or- ganes übergreifen (Taf. XXI, Fig. 46 und 47). Ihre Zusammen- setzung und die Art der Nervenvertheilung an derselben entspre- chen vollständig den bei der macula utrieuli u. s. w. beschriebenen Verhältnissen (Taf. XXIIL, Fig. 64). Die Oberfläche der crista ist von einem Otolithen bedeckt, der viel kleinere Dimensionen besitzt als der des sacculus, aber, ebenso wie dieser, einen mit Kalkbrei gefüllten Otolithensack darstellt. Die betreffende Sackmembran ist hell, durehsichtig und ungemein zart. AufQuerschnitten hat Hasse den auf dem Neuroepithel der erista gelegenen Abschnitt des Oto- lithensackes in situ gesehen, und dabei gefunden, dass die Haare der Hörzellen in kreisförmige Oeffnungen hineinragen, die in der Substanz dieses Gebildes vorhanden sind. Auf meinen Querschnitts- präparaten war die zarte Sackmembran immer zerrissen resp. durch die einzelnen Reagentien aufgelöst worden, und ich sah nur Kalk- krystalle, die in zahlreicher Anzahl auf der erista zurückgeblieben waren (Taf. XXIII, Fig. 64). Der Endast des ramus cochlearis geht als dünner Nervenzweig zur ampulla frontalis, theilt sich in deren Nähe in zwei gleich- starke Aeste, die sich fächerartig an der unteren Fläche des Or- ganes ausbreiten, in die Knorpelsubstanz eindringen und sich an der Innenfläche des Ampullenbodens in der daselbst gelegenen erista ampullae frontalis endgültig auflösen. Die Details- verhältnisse der Nervenendigung, der Form und der Zusammen- setzung dieser Gehörleiste sind denen der crista amp. sagittalis ganz identisch (Taf. XX, Fig. 38). Schliesslich haben wir noch am häutigen Labyrinthe der Rep- tilien, und speciell der Schildkröten, einer Nervenendstelle Erwäh- nung zu thun, die bis jetzt noch von keinem Untersucher beschrie- ben worden ist. (Deiters, Hasse, Clason, Meyer.) Es ist dies eine kleine Nervenpapille, die an der Innenfläche des Utri- cularbodens gelegen ist und dem Bereiche des ramus cochlearis entstammt. Nachdem der n. amp. frontalis, als Endzweig des ra- mus cochlearis, über den hinteren Abschnitt der pars inferior hinweg- gezogen, um an die betreffende Ampulle zu treten, zweigt sich Ueber das häutige Labyrinth der Reptilien. 327 ein feines Nervenästchen von seiner oberen Seite ab (Taf. XVII, Fig. 5), zieht eine kurze Strecke weit nach oben und setzt sich am Boden des corpus utrieuli an. Die Ansatzstelle selbst entspricht dem centralen Ende der Verbindungsröhre der frontalen Ampulle mit dem Utrieulus (Taf. XVII, Fig. 13). Der kleine Nervenzweig zerfällt in mehrere schwache Nervenbündelchen (Taf. XXI, Fig. 57), welche in die hier ziemlich derbe, aber nicht knorpelige Substanz des Utrieularbodens eindringen, und sich in einer, an der entsprechenden Innenfläche gelegenen, runden Nervenpapille endgültig verzweigen. In Bezug auf die Endausbreitung der einzelnen Nervenfasern, wie auch auf die Beschaffenheit des Neuroepithel’s konnte ich hier die gleichen Verhältnisse constatiren, wie an der macula utrieuli (Taf. XXL, Fig. 58). In der Nähe der Papille finden sich kleine Haufen pro- toplasmatischer Zellen, die in das bekannte polygonale Platten- epithel der Innenfläche des utriculus eingestreut sind (Taf. XXI, Fig. 54). Niemals gelang es mir auf der Oberfläche dieser Ner- venpapille eine Deekmembran oder irgend ein anderes Cuticular- gebilde nachzuweisen, dagegen sah ich zu wiederholten Malen, dass die an der Oberfläche gelegenen, grossen Cylinderzellen mit dünnen, kurzen Haaren gekrönt waren. Ich kann jetzt schon erwähnen, dass ich diese Nervenendstelle nicht allein bei den Cheloniern, sondern auch bei den einzelnen Repräsentanten der 3 übrigen Reptilienelassen gefunden habe. Es gehört hiezu etwas Mühe und Geduld, und vor allen Dingen, frische Labyrinthe, die längere Zeit in OsO, gelegen haben. Nur nach 24—36 stündlicher Einwirkung einer !/s°/, Osmiumlösung und bei ausgedehntem Bloslegen des häutigen Labyrinthes in seinem Kno- chengehäuse dringt das Reagens genügend ein, um dieses schwache und kurze Nervenästchen hinlänglich schwarzbraun zu färben und bei Lupenvergrösserung in der oben angegebenen Weise erkenn- bar zu machen. Bekanntlich war es Retzius, der die Existenz dieser Nerven- endstelle zum ersten Male, und zwar bei den Knochenfischen nach- gewiesen hat; später habe ich dieselbe bei den verschiedenen Gat- tungen der Teleostier gefunden und kurze Zeit darauf hat Retzius dieselbe bei den Plagiostomen und in neuester Zeit Cisow bei den Ganoiden bestätigt. Bei den Amphibien habe ich darauf hingewiesen, dass die pars initialis cochleae bei Proteus und den übrigen Urodelen und 328 Kuhn: Anuren die fortgeschrittene Entwickelung dieser, von Retzius als „papilla basilaris“ bezeichneten, Nervenendstelle sei, und, da bei den Salamandrinen und in noch viel ausgesprochenerem Maasse bei den Anuren, neben der pars initialis cochleae eine selbständige pars basilaris mit zugehörigem, leicht isolirbarem und ziemlich kräftigem Nervenzweige besteht, so war ich mir schon damals bewusst, dass die Annahme von Retzius „es sei die papilla basilaris der Fische die erste Anlage zu der pars basilaris der höheren Vertebraten“ eine irrthümliche sein müsse. Jetzt, wo ich bei der Untersuchung des Reptilienohres gefunden habe, dass bei diesen Thieren die pars initialis cochleae der Amphibien als solche nicht mehr besteht, dass aber an ihrer Stelle eine einfache kleine Nervenpapille auftritt, die derjenigen des Fischohres ganz anolog gelagert und beschaffen ist, jetzt muss ich den Namen einer papilla basilaris auch für die Fische als unberechtigt bezeichnen, da bei den Reptilien, neben der Existenz einer schon so vollkommen entwickelten pars basilaris, eine mit der sogenannten „papilla basilaris* der Fische ganz iden- tische Bildung vorhanden ist. Es fragt sich nun, welchen Namen müssen wir dieser neuen Nervenendstelle am Reptilienohre wie auch am Fischohre geben? Bei den Fischen liegt dieselbe vollständig im Bereiche des Utri- eulus, gehört also dem eigentlichen Vestibulum an; der zu ihr tretende, dünne Nervenast entstammt dem nerv. ampullae frontal., einem Zweige des ram. cochlearis. Bei den Amphibien finden wir an Stelle dieser einfachen „papilla basilaris“ ein schon beträchtlich entwickeltes, schaalenförmiges, von Hasse „pars initialis cochleae“ benanntes Organ, das an der unteren Fläche des Utricularbodens gelegen und mit demselben breit verwachsen ist; dasselbe gehört dem Vestibulum nur noch durch seinen partiellen Zusammenhang mit dem corpus utrieuli an und sein unterer Abschnitt steht ver- mittelst einer schmalen Knorpelbrücke mit dem tiefer gelegenen, ovalen Knorpelringe der pars basilaris in Verbindung. Der zur pars initialis cochleae gehörige Nerv entstammt dem ramus cochlearis und geht von dessen oberer Fläche als ein ziemlich starker Nervenzweig ab, um sich an der Unterfläche des mit dem Utrieularboden verwachsenen, oberen Knorpelschenkels der pars initialis auszubreiten und die breite erista acustiea dieses Organes zu bilden, deren Zusammensetzung einen gleich hohen Entwicke- lungsgrad zeigt, wie die erista partis basilaris selbst. Ueber das häutige Labyrinth der Reptilien. 329 Bei den Reptilien verschwindet die pars initialis und an ihre ‚Stelle tritt, wie bei den Fischen, eine kleine, unscheinbare Nerven- papille, die dem Utrieulus angehörig ist und zur eochlea nur die relativ geringe Zugehörigkeit aufweist, dass das zu ihr tretende schwache Nervenästchen, durch die Vermittelung des nerv. ampul- lae frontalis, dem ramus cochlearis entstammt. Und so sehen wir einerseits bei den Fischen und den Rep- tilien die besagte Nervenendstelle am Vorhofe i. e. Utrieulus ge- legen, anderseits hat sie sich bei den Amphibien zu einem Organe herangebildet, das zum grossen Theile der eochlea angehört, mit dem vestibulum aber noch in einer gewissen Verbindung steht. Der hiezu gehörige Nerv entstammt in allen Fällen dem Bereiche des ram. cochlearis. Ich beschränke mich für jetzt auf die Andeutung dieser eigen- thümlichen anatomischen Verhältnisse und wage es nicht, dieselben genauer zu deuten; es wird dies erst dann möglich sein, wenn ich einerseits das weitere Schicksal dieser Nervenpapille bei den Vögeln und den Säugethieren kennen gelernt habe, bei denen ein derar- tiges Gebilde bis jetzt noch nicht gefunden ist, und anderseits, wenn es mir gelungen sein wird, das häutige Labyrinth der Dipnoi (Ceratodus und Lepidosiren), jener interessanten Uebergangsgruppe zwischen Fischen und Amphibien, nachträglich auf diese Ver- hältnisse untersuchen zu können, was mir bis jetzt bei der Selten- heit dieser Thiere noch nicht möglich gewesen. Immerhin muss der Name „papilla basilaris* fallen und es erscheint mir in jeder Weise geeignet, dieser so verschiedenartig entwickelten und zum Theile auch anatomisch so verschieden ge- lagerten Nervenendstelle den Namen jenes Autors beizulegen, der das Verdienst hat, sie zuerst am häutigen Labyrinthe der Fische gefunden zu haben. Ich werde demnach von jetzt an dieselbe als „papilla Retzii“ und den dazu gehörigen Nervenzweig als „ner- vus papillae Retzii“ aufführen. Am Schlusse dieser Arbeit, als Zeichnungen und Text schon vollendet waren, gelange ich in den Besitz der kleinen Broschüre von Retzius (Zur Kenntniss des inneren Gehörorganes der Wir- beltbiere. Archiv f. Anatomie und Physiologie 1880. Anatom. Ab- theil. pag. 235—244), in welcher derselbe mittheilt, dass es ihm 330 Kuhn: gelungen sei, auch bei den Reptilien jene Nervenendstelle aufzu- finden, die er, der Erste, bei den Fischen gesehen und als „papilla basilaris“ beschrieben habe. Er giebt fernerhin an, dass bei allen Reptilien diese Nervenpapille klein, verkiimmert und geringer ent- wickelt erscheine als bei den Amphibien. Seine Angaben über Form und Lagerung dieser Nervenendstelle am Boden der medianen Utrieularwandung des Reptilienlabyrinthes stimmen, wenn auch die hierauf bezüglichen Zeichnungen noch nicht beigegeben sind, genau mit meinen Befunden und den dieselben reprodueirenden Illustra- tionen. Wenn mir auch durch diese früher erfolgte Publication . von Retzius das geringe Verdienst, dieselben zuerst bei den Reptilien gefunden zu haben, vorweggenommen ist, so bleibt ° mir, der ich ja kein eigentlicher Fachmann auf anatomischem Ge- biete sein kann, doch die Genugthuung, meine Untersuchungen durch einen so bewährten Forscher bestätigt zu wissen. Retzius führt weiterhin aus, dass er, im Hinblick auf diesen Befund bei den Reptilien, den Namen „papilla basilaris“ zurücknehme und schlägt vor, die betr. Nervenendstelle als „macula acustica neglecta* und den zugehörigen Nerven als „ramulus neglectus“ zu bezeichnen. Ich hoffe gerne, dass Prof. Retzius diese immerhin recht unbe- stimmten Bezeichnungen zu Gunsten der von mir vorgeschlagenen Namen fallen lassen möge. B. Inneres Ohr der Reptilien. a. Ophidia. Aus der Reihe der Ophidier habe ich das Innere Ohr von Tropidonotus natrix (Colubriformia, Colubridae) un- tersucht (Taf. XVII, Fig. 3; Taf. XVIIL, Fig. 16; Taf. XIX, Fig. 20 und 23; Taf. XX, Fig. 33). Bei den Ophidiern, die in der Classe der Reptilien den nie- drigsten Platz einnehmen, fehlt das äussere und das mittlere Ohr; sie besitzen weder Trommelfell noch Paukenhöhle und stehen unter den Reptilien in dieser Beziehung den Urodelen am nächsten. Das häutige Labyrinth von Tropidonotus ist in einer knöchernen Ohrkapsel gelegen, die von drei Knochen gebildet wird, dem os prooticum, epioticum und opistoticum; die Knochenkapsel ähnelt einer vierseitigen Pyramide, die, wie bei den Cheloniern, zwischen Ueber das häutige Labyrinth der Reptilien. 331 dem foramen trigemini und dem foramen vagi, an der hinteren Sei- tenfläche des Schädels eingeschoben ist. An dieser knöchernen Pyramide lässt sich eine Basis, eine Spitze und vier Wandungen unterscheiden. Die Basis oder auch die obere Fläche ist schräg von oben und median nach unten und lateral gerichtet; sie ist zum grössten Theile von Muskeln bedeckt und nur an ihrem der Mit- tellinie des Schädels zunächst liegenden Abschnitte liegt sie direet unter dem Integumente. Auf der Knochenoberfläche der Pyrami- denbasis erkennt man sehr deutlich drei leistenartige Knochenvor- sprünge, die den 3 knöchernen halbkreisförmigen Kanälen ent- sprechen, und von denen die vordere lange, wenig vorspringende den sagittalen, die hintere kürzere, aber stark vorragende den fron- talen und die laterale Leiste endlich den horizontalen knöchernen Bogengang darstellt. Wir sehen fernerhin auf der Basis der La- byrintkkapsel die drei Verbindungsnähte verlaufen, die der Vereini- gung des os pro-, epi- und opistoticum entsprechen. Die Spitze der Pyramide ist abgestumpft und liegt auf dem vorderen Abschnitte des os oceipitale basilare; sie bildet mit diesem Knochen eine kleine knö- cherne Hervorragung an der Unterfläche der Schädelbasis. Von den 4 Pyramidenflächen ist die vordere vom prooticum gebildet und unmit- telbar hinter dem foramen trigemini gelegen; diehintere Fläche, aus dem os opistoticum entstanden, grenzt nach hinten an das foramen jugulare; über letzterem und etwas medianwärts von ihm liegt an der hinteren Pyramidenfläche ein kleiner Knochenkanal, das foramen rotundum, dessen Lagerung an das runde Fenster der Batrachier erinnert. Die wichtigsten der vier Pyramidenflächen sind die la- terale und diemediane; erstere wird vom os prooticum und vom opistoticum gebildet, deren Verbindungsnaht die Mitte der lateralen Fläche einnimmt; am hinteren unteren Abschnitte dieser Pyramiden- wand liegt das foramen vestibulare, dessen Form bei diesen Thieren eine nahezu runde ist; das Vorhofsfenster wird von der Basis der Columella ausgefüllt. Die mediane oder Schädelfläche des knöchernen Ohrgehäuses wird von den drei Knochen der La- byrinthkapsel in der Weise zusammengesetzt, dass zwischen dem vorn gelegenen prooticum und dem nach hinten gerichteten opisto- tieum das os epioticum von oben her eingeschoben ist und den oberen centralen Abschnitt dieser Pyramidenfläche darstellt. Die mediane Fläche springt, im Gegensatze zu der flachen medianen Wandung des Ohrgehäuses der Batrachier, ziemlich stark gegen 332 Kuhn: das cavum eranii vor; besonders ist dies der Fall in ihrem cen- tralen oberen Abschnitte, hinter welchem der sinus utriculi gelegen ist; nach vorn, gegen das foramen trigemini zu, springt die mediane Fläche ebenfalls etwas vor und es entspricht diese Knochenvor- stülpung der Lage des recessus utrieuli nebst der ampulla sagit- talis. Die untere Hälfte der medianen Fläche ist abgeflacht; sie schliesst die häutige cochlea ein. Weiterhin sehen wir an dieser Knochenfläche drei kleine Knochenkanäle: der eine, im oberen Theile dieser Wand gelegene, ist zum Durchtritt des aquaeduetus vestibuli s. duetus endolymphaticus bestimmt; die beiden anderen liegen mehr nach unten; sie sind von gleicher Grösse und stellen zwei kleine, ovale Knochenausschnitte dar, von denen der eine nach vorn, der andere nach hinten gelegen ist; durch ersteren tritt der ramus vestibularis des Gehörnerven, durch letzteren dessen ramus cochlearis, um sich am häutigen Labyrinthe auszubreiten. Nach Hasse liegt unter der Oeffnung, die für den Schneckenast dient, eine vierte kleine, rundliche Knochenöffnung, die nach aussen und hinten führt und die innere Oeffnung des canalis facialis darstellt. Im Inneren der knöchernen Ohrkapsel liegt das häutige La- byrinth. Hasse theilt den Binnenraum der Knochenpyramide in zwei Hauptabschnitte, in ein cavum vestibuli und in ein cavum cochleae; beide sind durch einen, vom oberen Rande des foramen trigemini bis zum gleichen Pole des foramen jugulare ziehenden, leistenförmigen Vorsprung an der Innenfläche der medianen Ge- häusewandung von einander getrennt. Im cavum vestibuli lagern die Vorhofstheile (Utrieulus und Ampullen), im cavum cochleae die einzelnen Abschnitte der cochlea (pars basilaris und cochlea). Der Saeculus liegt an der lateralen Seite des Gehörbläschens und lagert mit seinem oberen Abschnitte im cavum vestibuli, mit seinem unteren im cavum cochleae. In diesem Hohlraume sehen wir das häutige Labyrinth ver- tieal von oben nach unten liegend, genau so, wie wir dies bei den Cheloniern angegeben haben; sein grösster Durchmesser erstreckt sich von oben nach unten d. h. vom Schädeldache bis zur Schä- delbasis; sein Breitendurchmesser ist geringer und beginnt am hinteren Rande des foram. trigemini, um in der Nähe des vorderen Poles des foramen jugulare zu enden. Wie bei den Fischen und den Amphibien ist auch das häutige Labyrinth der Ophidier ex- centrisch in seinem knöchernen Gehäuse gelagert; während seine Ueber das häutige Labyrinth der Reptilien. 333 einzelnen medianen Abschnitte der medianen Knochenfläche der Ohrkapsel fast anliegen, ist zwischen den lateralen Theilen des häutigen Labyrinthes und der lateralen Gehäusewandung ein grosser, freier Zwischenraum, der mit einer dünnen, klaren Flüssigkeit, der Perilymphe ausgefüllt ist. Es stellt dieser Raum das cavum peri- lymphaticum dar und ist gegen das foramen vestibulare besonders stark entwickelt; er ist frei und ungetheilt und wir finden bei Tro- pidonotus keine Spur jenes reichhaltigen, maschenartigen Binde- gewebes in ihm, wie dies bei den Cheloniern in so ausgesprochenem Grade der Fall ist. Am häutigen Labyrinthe der Ophidier unterscheidet man, wie bei allen Vertebraten, eine Pars superior und eine Pars inferior (Taf. I, Fig. 3); erstere besteht aus dem Utrieulus und den Ampullen; letztere aus dem Saeculus und der Cochlea. Der Utriculus setzt sich aus dem eorpus utrieuli und einem niedrigen sinus utriculi zusammen; am vorderen Ende des utrieulus liegt der recessus utriculi nebst den durch eine weite Oeffnung in ihn ein- mündenden vorderen Ampullen, von denen die sagittale stark nach unten und median gelagert ist; am hinteren Pole des corpus utri- euli, durch eine kurze cylindrische Röhre mit ihm verbunden, liegt die frontale Ampulle (Taf. XVIII, Fig. 16). Die den Ampullen zugehörigen drei halbzirkelförmigen Bogengänge sind leicht abge- plattet, wie dies der niedrigen Schädeibildung dieser Thiere ent- spricht (Taf. XVII, Fig. 3); der längste von ihnen ist der horizon- tale, während der hintere verticale (frontale) die geringste Aus- dehnung besitzt. Dicht unter dem corpus utrieuli liegt die Pars inferior, deren vorderer und oberer Theil vom Sacculus gebildet wird; letzterer stellt ein bläschenförmiges, rundes Gebilde dar, dessen mediane Wandung oben mit der medianen Wand des corpus utri- euli und der Verbindungsröhre der frontalen Ampulle verwachsen ist, während sie unten mit der Cochlea zusammenhängt (Taf. XIX, Fig. 20. An der medianen Wandung des saceulus breitet sich der nerv. saceuli aus; wir finden ausserdem an ihr zwei Oeffnungen (Taf. XVIII, Fig. 16), von denen die eine nach oben und hinten gelegen ist und das foramen utrieulo saceulare darstellt, während die andere mehr nach vorn und unten befind- liche die Einmündungsstelle des duetus endolymphaticus re- präsentirt (Taf. XVIII, Fig. 16 und Taf. XIX, Fig. 20). Beide 334 Kuhn: Oeffnungen besitzen nur kleine Dimensionen; das foramen utrieulo- saceulare ist bei Weitem nicht so gross als die entsprechende Com- munication zwischen dem utrieulus und dem saceulus der Batrachier. Die kleine vordere Oeffnung stellt das Labyrinthende des von Rathke zuerst gesehenen duetusendolymphaticusderSchlangen dar; von hier aus zieht dieser enge, häutige canalis Iymphatieus hakenförmig um den utrieulus herum (Taf. XVII, Fig. 3; Taf. XVIII, Fig. 16) nach vorn und oben, zu der früher erwähnten knöchernen apertura aquaeductus vestibuli in der medianen Ge- häusewand. Die am hinteren unteren Abschnitte des Saceulus (Taf. XIX, Fig. 23) gelegene Cochlea der Ophidier stellt ein kegelförmiges, beutelartiges Hohlorgan dar (Taf. XIX, Fig. 20), an dem wir eine breite Basis und eine abgerundete Spitze unterscheiden können; erstere hängt mit dem saceulus innig zusammen, geht gleichsam aus dessen medianer Wandung hervor, letztere liegt frei im knö- chernen Labyrinthgehäuse und ist nach unten und etwas nach hinten gerichtet. Der Hohlraum der cochlea steht mit dem Bin- nenraume des sacculus vermittelst einer verhältnissmässig kleinen Oeffnung in Verbindung, im Gegensatze zu den einzelnen Coch- learabschnitten der Batrachier, deren Höhlungen in grosser, weiter Communikation mit dem Sackraume stehen; die Cochlea der Ophidier ist hiedurch viel selbständiger geworden. Die Cochlea ist aus zwei Theilen zusammengesetzt: der pars basilaris und der lagena; erstere macht den oberen hinteren Ab- schnitt, letztere den oberen vorderen Abschnitt und die ganze Spitze des Organes aus; die lagena ist bei diesen Thieren der über- wiegende Theil der cochlea und erinnert an die grosse beutelartige lagena der Batrachier. Die pars basilaris der Schlangen entsteht durch das Auswachsen des hinteren Theiles der knorpeligen medianen Wand der lagena zu einem Knorpelringe. Der im Inneren der lagena und der pars basilaris gelegene Hohlraum ist ein gemeinschaftlicher und steht vorn und oben durch eine schmale längliche Oeffnung mit der cavitas sacceuli in Verbindung. Die Pars basilaris ist die am hinteren oberen Pole der pars inferior gelegene wichtigere Abtheilung der cochlea (Taf. XIX, Fig. 20 und 23); sie stellt einen ovalen Knorpelrahmen dar, an dem wir, wie bei den Schildkröten, einen vorderen Knorpelschenkel oder Nervenknorpel und einen hinteren oder dreieckigen Knorpelschenkel Ueber das häutige Labyrinth der Reptilien. 335 unterscheiden; am vorderen findet die Ausbreitung des Basilarnerven statt; der hintere entspricht dem ligamentum spirale der Säuger. Die frei gebliebene, mediane Fläche des ovalen Rahmens wird von einer glashellen, dünnen, amorphen Membran ausgefüllt, der mem- brana basilaris, deren Struktur nur in so fern von derjenigen der Basilarmembran der Batrachier verschieden ist, als bei den Ophi- diern an der medianen Seite dieser Membran einzelne spärliche Kerngebilde, ein leichter Belag von Endothelien eingestreut ist; auf der gegen den Cochlearraum (scala media) zu gerichteten In- nenfläche der Basalmembran liegt die erista acustica der pars ba- silaris, auf die wir noch zurückkommen werden. Der Knorpelrah- men wird lateralwärts von einer ungemein dünnen Membran über- zogen, die von ihrem hinteren Ansatzpole am dreieckigen Knorpel- schenkel aus, in weitem Abstande den ovalen Ausschnitt des Knor- pelrahmens überdacht und nach vorn wie auch nach unten hin in den lateralen Ueberzug der lagena übergeht (Taf. XIX, Fig. 23), während sie nach oben hin mit einem Theile des Saceulusdaches noch zusammenhängt. Die laterale Wandung der pars basilaris — das Homologon der membrana Reissneri — ist bei Tropidonotus die unmittelbare Fortsetzung des Saceulusdaches, das sich nach unten über die ganze cochlea hinüberschlägt und die laterale Bedeckung des Schnecken- binnenraumes ausmacht. Wir finden hier ähnliche Verhältnisse wie bei den Schildkröten, nur mit dem Unterschiede, dass bei letzteren die auf die laterale Fläche der cochlea sich hinüberschlagende Dachmem- bran des saceulus am Nervenknorpel der pars basilaris sich befestigt und so die Höhlung des Sackes von derjenigen der eigentlichen Cochlea getrennt wird; die dadurch selbständig gewordene, laterale Wandung der pars basilaris entspricht der Reissner’schen Membran der höheren Vertebraten. Am vorderen Ende der pars basilaris liegt die lagena (Taf. XIX, Fig. 20 und 23); sie macht den bei Weitem grösseren Theil der häutigen cochlea aus; nach oben hängt sie breit mit dem sac- culus zusammen, ihre nach unten stehende, abgerundete Spitze ist frei im knöchernen Schneckengehäuse gelegen; nach vorn ist sie ebenfalls frei gelagert, nach hinten dagegen geht ihre knorpelige mediane Wand direkt in den vorderen Knorpelschenkel der pars basilaris über; die Uebergangsstelle selbst ist durch eine hohe, kammartige Erhebung der Knorpelsubstanz im Innern des Organes Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 20. 22 : 336 Kuhn: leicht kenntlich. Die mediane Wand der lagena besteht aus dicker Knorpelsubstanz und es findet die Ausbreitung des n. lagenae an ihr statt; unten und an ihren Seitenrändern krümmt sich die me- diane Knorpelwand um, greift noch eine kleine Strecke weit nach oben und lateral, um einen Theil der lateralen Wandung des Or- ganes mitzubilden; an die Ränder dieses knorpeligen lateralen La- genaabschnittes setzt sich die oben erwähnte feine Membran — die Fortsetzung des Saceulusdaches — und schliesst den Hohlraum der lagena und denjenigen der daneben liegenden pars basilaris von der lateralen Seite her vollständig ab; der hiedurch im Innern der cochlea entstandene grosse Hohlraum ist demgemäss ein un- getheilter; das cavum lagenae geht ohne Unterbrechung in das ca- vum partis basilaris über (Taf. XIX, Fig. 23). In Bezug auf die feinere Structur des häutigen Labyrinthes von Tropidonotus verweise ich auf meine Angaben über die Histo- logie des Schildkrötenlabyrinthes, mit welchem hier ganz überein- stimmende Thatsachen vorliegen, nicht allein was die Zusammen- setzung des ganzen Organes aus dem sogen. „Spindelknorpel“ be- trifft, sondern auch in Rücksicht auf die Zellenauskleidung seines Innenraumes. Ausserdem sind die feineren mikroskopischen Ver- hältnisse des inneren Ohres von Tropidonotus durch die Arbeit von Paul Meyer (l. ec.) in ausreichendster Weise gewürdigt worden. Die Ausbreitung des nervus acustieus am Schlangenlaby- rinthe hat in folgender Weise Statt (Taf. XVII, Fig. 3): Der ziem- lich kräftige Gehörnervenstamm zerfällt in einen ramus vestibularis und in einen ramus cochlearis, die durch die beiden oben erwähnten Knochenkanäle in den Binnenraum des knöchernen Ohrgehäuses eindringen. Der ramus vestibularis wendet sich nach vorn gegen das häutige Labyrinth, giebt den n. recessus utrieuli ab und zerfällt in seine beiden Endäste, den n. ampullae sagittalis und den n. amp. horizontalis; der ramus cochlearis verläuft nach hinten und entsendet, unmittelbar bei seinem Abgange vom Hauptstamme, den n. saceuli, der, in mehrere kleinere Nervenästehen zerfallend, nach oben zieht und sich an der medianen Wand des sacculus ausbreitet (Taf. XIX, Fig. 23); unterhalb der Abgangsstelle des Sacknerven wird die Hauptmasse des ram. cochlearis zum nervus cochleae, an dem wir den zuerst abgehenden, stärkeren nervus la- genae und den schwächeren n. partis basilaris unterscheiden. Der Ueber das häutige Labyrinth der Reptilien. 837 vom ramus cochlearis noch übrig bleibende, dünne Endast zieht über die pars basilaris hinweg und inserirt sich an der Unterfläche der ampulla frontalis; letzterer, der n. amp. frontalis giebt, ungefähr in der Höhe des oberen Poles der pars basilaris, ein feines Nerven- ästchen ab (Taf. XVII, Fig. 3), das zum corpus utrieuli tritt und im Inneren des Utrieulus gerade ‚da, wo die Verbindungsröhre der frontalen Ampulle in den Alveus communis einmündet, die pa- pilla Retzii bildet (Taf. XVII, Fig. 16; Taf. XIX, Fig. 20). Die feinere Verzweigung aller dieser Nervenäste, die Form, die Lagerung und die Zusammensetzung der einzelnen ceristae und maculae acusticae bieten die gleichen Verhältnisse dar, die ich hie- für bei den Cheloniern angegeben habe. Eine Ausnahme hievon macht nur die Form der Gehörleisten in den beiden verticalen Ampullen der Ophidier; statt der bei den Schildkröten, den Am- phibien und den Fischen beschriebenen „Biscuitform® des septum nerveum S. transversum finden wir bei den Schlangen das schon von Steifensand beobachtete „septum erueiatum® (Taf. XX, Fig. 33). Die knorpelige Erhebung, die sich am Boden der Schild- krötenampulle quer von der einen Seitenwand zur anderen zieht (Taf. XX, Fig. 35), ist bei den Ophidiern und wir können hinzu- fügen, bei den Sauriern und den Hydrosauriern sowie auch bei den Vögeln, durch einen in der Längsrichtung der Ampullen verlaufen- den zweiten, kurzen Knorpelwulst unterbrochen; derselbe fällt genau in die Mitte der queren Knorpelleiste und erhält hiedurch das sep- tum nerveum und somit auch die erista acustica die Form eines Kreuzes. Nur in den beiden vertikalen Ampullen (sagittal und frontal) haben die eristae diese Form; die Gehörleiste der horizon- talen Ampulle besitzt die gleiche zungenförmige Gestalt, die wir bei den Cheloniern gesehen haben. Die eristaacustica partisbasilaris bildet eine hügelartige Erhebung auf der Innenfläche der Basilarmembran (Taf. XIX, Fig. 23); sie nimmt das ganze vordere, dem Nervenknorpel anliegende Drittel dieser Membran ein und ist aus dem gleichgeformten Neu- roepithel zusammengesetzt, wie alle die übrigen Gehörleisten und Flecke; sie wird gleichfalls, wie bei den Schildkröten, von einer Corti’schen Membran überdeckt. Die erista acustica lagenae ist ungemein lang, sie dehnt sich vom oberen Pole der medianen Lagenawandung bis zur unteren Spitze des Organes aus; in ihrer Breite besitzt sie die Form eines 538 Kuhn: Hufeisens und greift beiderseits ziemlich weit auf die laterale Wandung über. Sie ist von einer ziemlich ansehnlichen Otolithen- masse bedeckt, die jedoch viel geringer ist, als jene grosse kugelige Steinmasse, die den saecculus hemisphaerieus der Ophidier ausfüllt. b. Saurii. Aus der Ordnung der Eidechsen standen mir, zur Untersuchung des häutigen Labyrinthes, die hier zu Lande vor- kommenden Lacerta muralis und Lacerta agilis s com- munis (Fissilinguia, Lacertidae) zu Gebote. (Taf. XVII, Fig. 4; Taf. XVII, Fig. 19; Taf. XIX, Fig. 21; Taf. XX, Fig. 34, 36, 37, 40; Taf. XXI, Fig. 55; Taf. XXI, Fig. 59 und 60.) Das knöcherne Labyrinth der Saurier bietet so viel Ueberein- stimmendes mit dem der Ophidier, dass ich es füglich unterlassen kann, auf eine Schilderung desselben einzugehen, und dies um so mehr, als Clason (l. c.), im Anschlusse an die Arbeiten von Com- paretti und Windischmann, die hierauf bezüglichen Details in ausführlicher Weise gegeben hat. Der Binnenraum des knöchernen Labyrinthes von lacerta ist von einem straffen und ziemlich dicken Perioste ausgekleidet, in welchem zahlreiche Pigmenteinlagerungen vorhanden sind. Der Raum zwischen Periost und häutigem Labyrinthe, das sogenannte cavum perilymphaticum, ist mit der klaren und dünnflüssigen Peri- lymphe angefüllt; es fehlt in diesem Raume, gerade wie bei den Ophidiern, jenes reiche Bindegewebsnetz, das bei den Cheloniern zwischen der Aussenfläche des häutigen Labyrinthes und dem Pe- rioste der Ohrkapsel ausgespannt ist; nur ganz vereinzelte, feine Bindegewebszüge finden sich vom corpus utrieuli, oder von der Schneckenspitze aus zu der gegenüberliegenden Wand des knöcher- nen Ohrgehäuses ziehend. Auch bei Lacerta ist das häutige Labyrinth excentrisch ge- lagert, d. h. seine medianen Abschnitte liegen ganz nahe an der medianen Wandung des knöchernen Ohrgehäuses, ‚während sich zwischen den lateral liegenden Theilen des häutigen Inneren Ohres und der lateralen Knöchenwand der Ohrpyramide ein grosser Zwischenraum befindet. Das häutige Labyrinth der Saurier besteht, wie bei allen Wirbeltbieren, aus einer Pars superior und einer Pars inferior. Die Zusammensetzung der ersteren, ihre Lagerung und die Grösse ihrer einzelnen Theile geben jene Verhältnisse wieder, die wir bei Tropidonotus und bei Testudo kennen gelernt haben (Taf. XVII, Ueber das häutige Labyrinth der Reptilien. 339 Fig. 4); nur der sinus utrieuli ist etwas länger als bei den Ophi- diern; auch bei diesen Thieren steht die frontale Ampulle mit dem utrieulus durch eine eylindrische Röhre in Verbindung, die jedoch etwas länger ist, als bei Tropidonotus (Taf. XVII, Fig. 19). Der horizontale Bogengang mündet in den sinus utrieuli unmittelbar oberhalb der Vereinigungsstelle der röhrenförmig verlängerten Am- pulla frontalis mit dem corpus utrieuli; sein Einmündungstheil ist elliptisch und besitzt ein viel weiteres Jumen als der übrige Kanal. Nach unten von der erwähnten Mündung liegt an der lateralen Wand des corpus utrieuli (Taf. XVII, Fig. 19) ein kleines, steck- nadelkopfgrosses Loch, durch welches man aus der Höhlung des utrieulus in diejenige des saceulus gelangt; es ist dies das foramen utrieulo-sacceulare, das bei diesen Thieren ungemein klein ist und sich hierin dem betreffenden foramen der Fische und der Schlangen nähert. Der Saceulus, in dessen Raum wir durch diese Oeffnung gelangen, bildet den voluminösen oberen Abschnitt der pars inferior; er liegt unmittelbar auf der lateralen Fläche des eorpus utrieuli (Taf. XVII, Fig. 4); seine mediane Wand ist in der Umgebung des foramen utriceulo-saceulare mit dem mittleren lateralen Abschnitte des utrieulus innig verwachsen. Im Vergleiche zu der mässigen Grösse des sacculus der Ophidier besitzt dies Organ bei lacerta ein sehr beträchtliches Volumen, und stellt eine fast runde, grosse und hohle Kugel dar, deren Binnenraum von einer mächtigen Otolithenmasse nahezu vollständig ausgefüllt ist; die breiige Steinmasse der letzteren besteht aus Kalkkrystallen und wird durch eine zarte Umhüllungsmembran zu einem Ganzen zusammengehalten. Bei der grossen Zartheit dieser Membran ist es sehr schwer, dieselbe in toto zu conserviren; zuweilen gelingt es dieselbe auf Querschnitten in ihrer ganzen Ausbreitung über der oberen Otolithenfläche zu sehen (Taf. XX, Fig. 40). Am kugeligen Saceulus lassen sich zwei halbkugelförmige Schaalen unterschei- den, von denen die eine, median gelegene, ziemlich diek ist und die Basis des Organes darstellt, während die andere, lateral gele- gene und ungemein dünne, das Dach des Organes repräsenfirt. An der knorpeligen Basis breitet sich der Sacknerv aus und auf ihrer ausgehöhlten Innenfläche ruht der Otolith. Am hinteren unteren Abschnitte des Sackes setzen sich beide Kugelhälften in Form eines kurzen, trichterförmigen Fortsatzes auf den lateralen Ueberzug der Cochlea fort und wir finden an dieser Stelle eine schmale, schräg 340 Kuhn: gestellte Oeffnung im Dache der eochlea, die, wie bei den Chelo- niern, die Communication zwischen den Binnenräumen des Sackes und der Schnecke vermittelt. Der in Zeichnung 4 und 21 dargestellte duetus endolympha- tieus mündet in den Sack vermittelst einer, im vorderen Abschnitte der medianen Schaale dieses Organes gelegenen, runden Oeffnung, ganz so, wie wir dies bei den bis jetzt betrachteten Vertebraten ge- sehen haben. Vor seinem Eintritte in den Sack geht der häutige aquaeduetus vestibuli nach unten zwischen saceulus und utrieulus hindurch, biegt schleitenartig um und zieht an der medianen Wand des letzteren nach oben zur apertura ossea aquaeduetus vestibuli, dureh welehe hindurch er in die Schädelhöhle tritt, um nach den Untersuchungen von Clason (l. ce.) an der Schädelwölbung in einem „länglichen, kolbenförmigen saccus endolymphaticus“ blind zu enden. Die äussere Gestalt der cochlea von Lacerta (Taf. XVII, Fig. 4; Taf. XIX, Fig. 21) erinnert an diejenige der Ophidier; das gleiche kegelförmige Hohlorgan mit breiter Basis nach oben und abgerundeter Spitze nach unten, welch letztere zugleich etwas nach hinten gerichtet ist. Die Wandungen dieses Hohlkegels sind zum grössten Theile knorpelig, nur der laterale Abschnitt ist membran- artig. Oben sehr breit an seiner Begrenzung gegen den Sack, verjüngt sich der Cochleakegel nach seiner freiliegenden Spitze zu immer mehr und mehr. Die mediane Fläche der eochlea besitzt die grösste Ausdehnung und ist die wichtigste; diese ganz aus Knorpelsubstanz zusammengesetzte Wandung krämpt sich an ihren Seiten und an der Spitze um, der Knorpel zieht eine kurze Streeke weit in die Höhe zum lateralen Abschlusse der eochlea und ver- bindet sich hier mit der dünnen Membran, die den Cochlearraum lateralwärts abschliesst, dem Dachüberzuge der cochlea oder der sogenannten Reissner’schen Membran. Der zwischen der knorpe- ligen medianen und der häutigen lateralen Wandung der eochlea gelegene innere Raum stellt die scala eochlearis dar und steht, wie schon angegeben, durch die schmale schlitzförmige Oeffnung im oberen Schneckendache, mit der Höhle des sacculus in Verbin- dung. Die eochlea selbst besteht, wie bei den Ophidiern, aus zwei Theilen, der pars basilaris und derlagena; letztere ist viel grös- ser als erstere, wenn auch nicht mehr in so überwiegender Weise wie bei Tropidonotus; die Lagerungsverhältnisse beider Theile zu ein- Ueber das häutige Labyrinth der Reptilien. 341 ander sind die gleichen wie an der Schnecke der Schlangen. Am ovalen Knorpelrahmen der pars basilaris fällt uns bei lacerta, im Vergleiche zu diesem Schneckentheile von Tropidonotus, vorerst seine viel beträchtlichere Grösse und zweitens ein Knorpelstreifen auf, der die Mitte des Knorpelrahmes überbrückt und so den ovalen Ausschnitt der pars basilaris in eine obere und in eine untere Hälfte theilt (Taf. XVII, Fig. 21); die Knorpelbrücke selbst ist schmal und dünn, besonders in ihrem mittleren Theile; sie zieht von der Mitte des Nervenknorpels bis zur Mitte des hinteren Knor- pelschenkels. Entsprechend der Zweitheilung der pars basilaris durch diese Knorpelbrücke, wirdauch die an der medianen Fläche des ovalen Knorpelausschnittes gelegene membrana basilaris in zwei Abschnitte getheilt und es spaltet sich auch demgemäss der zur pars basilaris tretende Nervenast in zwei Zweige, von denen sich der eine an der oberen, der andere an der unteren Hälfte der Basilar- membran ausbreitet (Taf. XVII, Fig. 4; Taf. XVII, Fig. 21). Aus dem hinteren Rande der knorpeligen medianen Wandung des saceulus geht bei lacerta, gerade so wie bei Tropidonotus, der vordere oder Nervenknorpel der pars basilaris hervor; die Knor- pelsubstanz des saceulus setzt sich an dieser Stelle direkt in die- jenige der pars basilaris fort; den Uebergangspunkt der beiden Organe in einander deutet ein hoher abgerundeter Knorpelwulst an (Taf. XX, Fig. 40), der stark in die scala cochlearis vorspringt und von einem regelmässigen, niedrigen Cylinderepithel bedeckt ist; man constatirt ferner, dass dieser Wulst in der ganzen Länge der pars basilaris i. e. ihres vorderen Knorpelschenkels vorhan- den ist. Die beiden Abschnitte der Basilarmembran sind von ganz identischer Zusammensetzung; wir haben es hier, wie bei Tropido- notus, mit einer ungemein dünnen, glashellen und structurlosen Membran zu thun; an ihrer medianen Seite — gegen die scala tympani zu — ist dieselbe ganz glatt, besitzt aber eine Art Endo- thel in Form kleiner Kerngebilde, die in spärlicher Menge auf der- selben zerstreut sind; an der gegenüberliegenden Fläche, die gegen die Cochlearhöhle sieht, besitzt die Basilarmembran einen breiten und ziemlich hohen, rundlichen Wulst, der die gleiche glas- helle Färbung darbietet, wie die Membran selbst und an welchem eine bestimmte Structur ebenfalls nicht zu erkennen ist; derselbe nimmt genau die Mitte der beiden Abschnitte der Basilarmembran 342 Kuhn: ein und kann bei seiner identischen Farbe und Beschaffenheit mit dem übrigen Theile der Membran als eine lokale Verdiekung der- selben aufgefasst werden. Auf dem Wulste ruht die erista acustica der pars basilaris mit ihrem charakteristischen Neuroepithel. Die Verzweigung des Acusticus am Eideehsenlabyrinthe (Taf. XVI, Fig. 4) bietet die gleichen Verhältnisse dar, wie bei den Ophidiern; die einzige Ausnahme macht der n. partis basilaris, der, wie schon oben angedeutet, unmittelbar nach seinem Abgange vom ramus cochlearis sich in zwei Aeste spaltet, die an den beiden Hälften der Basilarmembran sich ausbreiten. Bei den Sauriern gelang es mir gleichfalls, wie bei allen übrigen Reptilien, eine papilla Retzii und das dazu gehörende Nervenstämmehen nachzuweisen; letzteres geht an der oberen Fläche des nervus ampullae frontalis ab — ungefähr in der Höhe des hinteren oberen Poles der pars basilaris, — breitet sich an der medianen Wandung der Verbindungsröhre der frontalen Ampulle aus, und bildet die papilla Retzii (Taf. XVII, Fig. 19). Wir fin- den auch in den beiden verticalen Ampullen der Eidechsen das bei Tropidonotus näher beschriebene septum eruciatum (Taf. XX, Fig. 34). Für die feineren Form- und Strukturverhältnisse der einzelnen cristae und maeulae acusticae und ihrer Deekorgane im Labyrinthe der Saurier (Taf. XX, Fig. 36 und 37; Taf. XXIL, Fig. 59 und 60) kann ich auf die hierauf bezüglichen Angaben bei Testudo graeca verweisen. Nur in einem einzigen Punkte liegt eine Ver- schiedenheit vor; während nämlich bei den Amphibien und bei den drei übrigen Reptilienordnungen die feinsten Nervenfasern bei ihrem Eintritt in das Zellpolster der Hör-Leisten und -Flecke, ihre Myelinscheide nebst der Schwann’schen Umhüllung verlieren und nur als nackte Axencylinder im Inneren des Neuroepithels sich endgültig verästeln, tritt bei lacerta die doppeltcontourirte Nervenfaser durch den Basalsaum der cristae und maculae hindurch und geht in ihrer ganzen Dieke in das Innere des Neuroepithelpolsters, um sich hier mit dem unteren Ende der Cylinderzellen zu verbinden, ohne sich vorher seiner Schwann- schen Scheide, noch seines Myelins entledigt zu haben (Taf. XXI, Fig. 60). Eine Netzbildung dieser relativ dieken Nervenfasern habe ich nicht beobachtet; dagegen war das Herantreten der dieken Nervenendfaser an den unteren Pol der Hörzelle und das Ver- Ueber das häutige Labyrinth der Reptilien. 343 schmelzen mit demselben an einer grossen Zahl von Präparaten sehr deutlich nachweisbar. Es erinnert dies Verhalten der Nerven- faseın bei lacerta an die Teleostier, bei denen gleichfalls die in die eristae eingetretenen Nervenfasern ihr Myelin und ihre Schwann’sche Scheide beibehalten. c. Hydrosauria. Ich habe an einigen gut erhaltenen, zum Theil noch ganz frischen Exemplaren von Alligator lueius (Croeodilia, Alligatoridae) die morphologischen und histologischen Strukturverhältnisse des Inneren Ohres untersucht. Die Thiere entstammten dem Mississippi und die Körperlänge der einzelnen betrug durchschnittlich 0,26—0,27 Centimötres, wovon 0,055 Milli- metres auf die Länge des Kopfes. (Taf. XVII, Fig. 2, 7, 8; Taf. BNII. Big: 14, 15,017, 1857 Taf. XIX, Fig. 26, 27,29, 31, 32; Taf. XX, Fig. 44, 45; Taf. XXI, Fig. 51, 52, 53, 54, 56, 57; Taf. XXI, Fig. 61, 63; Taf. XxII, Fig. 67, 68, 71 und 72.) Der Gehörapparat der Crocodile zeichnet sich von demjenigen aller bis jetzt von uns betrachteten Reptilien, wie auch von dem der Amphibien und Fische dadurch aus, dass er aus den drei Ab- schnitten zusammengesetzt ist, die das Gehörorgan der höheren Vertebraten constituiren; das Crocodil besitzt, zum ersten Male in der Reihe der niederen Wirbelthiere, ein äusseres, ein mittleres und ein inneres Ohr; bei den Ophidiern existirt weder äusseres noch mittleres Ohr, bei den Sauriern und den Cheloniern sind Trommelfell, Mittelohr und tuba Eustachii vorhanden und bei den, in Bezug auf ihr Gehörorgan, am höchsten unter den Reptilien stehenden Hydrosauriern finden sich die drei Abtheilungen des Gehörapparates der Vögel und der Säugethiere. Schon hiedurch, noch mehr aber durch die später anzugebende Form und Zusam- mensetzung der häutigen Schnecke der Crocodile, bilden die Hy- drosaurier den Uebergang von den Reptilien zu den Vögeln, wie Proteus und Siredon piseiformis das Bindeglied zwischen Fischen und Amphibien darstellen. Zur besseren Orientirung über die Lagerung der einzelnen Abschnitte des häutigen Labyrinthes im knöchernen Ohrgehäuse schicke ich einige Worte über die Form und Zusammensetzung des letzteren voraus; meine hierin gewonnenen Erfahrungen stim- men in den meisten Punkten mit den hierauf bezüglichen Angaben Scarpa’s, Windischmann’s und Hasse’s überein. Das knöcherne Labyrinth des Alligator liegt an der hinteren 344 Kuhn: Seitenfläche des Schädels zwischen foramen trigemini und foramen jugulare ; es besitzt in toto die Form einer vierseitigen Pyramide, deren breite Basis nach oben und deren Spitze nach unten ge- richtet ist. Das Labyrinth wird aus den bekannten drei Ohrkno- chen zusammengesetzt: das os prooticum bildet den vorderen, das opistotieum den hinteren Abschnitt der Knochenpyramide, während das epiotieum sich von oben her zwischen diese beiden hinein- schiebt. Neben einer Basis und einer Spitze besitzt das knöcherne Ohrgehäuse vier Flächen: eine vordere, hintere, mediane und la- terale. Die unter den Deekknochen des Schädelgewölbes gelegene Basis sieht nach oben, ist breit und lässt mit Leichtigkeit drei leistenförmige Knochenvorsprünge erkennen, die den knöchernen halbzirkelförmigen Kanälen entsprechen; die Pyramidenspitze liegt nach unten und ruht auf dem os sphenobasilare der Schädelbasis. Die vordere Fläche des Gehäuses ist schmal und liegt dicht hinter dem foramen trigemini; an ihr befindet sich eine Knochenöffnung zum Durchtritt des nervus facialis. Die hintere Fläche grenzt an das foramen jugulare; an ihrem hinteren und unteren Theile, da wo sie in die laterale Fläche übergeht, liegt das foramen rotundum s. eochleare, das bei diesen Thieren eine nach hinten und lateral- wärts gerichtete, runde Knochenöffnung darstellt. Die hintere Fläche geht unmerklich in die laterale Pyramidenfläche über, an deren hinterem und mittlerem Abschnitte sich das mit seinem längsten Durchmesser von vorn nach hinten sehende foramen ovale s. ves- tibulare befindet, dessen unterer Pol durch eine dicke Knochenleiste von dem tiefer liegenden, runden Fenster getrennt ist; wir finden ferner an der lateralen Fläche die von oben nach unten verlaufende Verbindungsnaht des prooticum und des opistotieum und endlich die knöcherne Rinne des canalis Fallopiae, die am vorderen oberen Abschnitte dieser Fläche gelegen ist. Die mediane Fläche des knöchernen Ohrgehäuses springt ziemlich stark gegen die Schädel- höhle vor, besonders in ihrem oberen Theile, hinter dem der sinus utrieuli gelegen ist und an welchem sieh die knöcherne Durch- trittsöffnung für den ductus endolymphaticus findet, die apertura ossea aquaeductus vestibuli. Nach unten zu wird die mediane Fläche schmäler und geht in die Pyramidenspitze über, die das knöcherne Gehäuse der häutigen cochlea darstellt; letzteres ist stark nach hinten gekrümmt und bietet so die ersten Andeutungen jener Windungen dar, die das knöcherne Schneckengehäuse der Ueber das häutige Labyrinth der Reptilien. 345 Säugethiere charakterisiren. Im mittleren Abschnitte der medianen Pyramidenfläche, dem oberen Anfange der knöchernen Sehnecke entsprechend, befindet sich eine seichte Knochenvertiefung, der meatus auditorius internus; in ihm bemerkt man drei kleine Kno- chenkanäle, von denen der obere vordere zum Durchtritte des ra- mus vestibularis, der obere hintere für den ramus cochlearis und endlich der untere für den nervus facialis bestimmt ist. Der im Inneren der Knochenpyramide gelegene, grosse Hohl- raum zerfällt in zwei grosse Abtheilungen: ein ecavum superius und inferius. Ersteres, auch cavum vestibuli genannt, lässt sich wie- derum in drei Abschnitte theilen, von denen der nach oben i. e. nach der Schädeldecke zu gelegene den sinus utrieuli einschliesst und an dessen oberem Pole die knöchernen verticalen Bogengänge einmünden; der vordere Abschnitt des cavum vestibuli nimmt den recessus utrieuli und die beiden vorderen Ampullen auf, während im hinteren Abschnitte des cavum superius die frontale Ampulle gelegen ist. Das cavum inferius wird durch eine schon bei Tro- pidonotus beschriebene Knochenleiste an der Innenfläche der me- dianen Gehäusewand in zwei Theile getrennt, von denen der obere den utrieulus nebst dem saceulus, der untere die cochlea umschliesst. Letzterer erscheint zum ersten Male in der Wirbelthierreihe in einer so beträchtlichen Grösse und vor allem in so isolirter Form; wir können ihn als knöchernen Schneckenraum auffassen; er stellt einen Hohlkegel dar, der oben breit in die Wandungen des cavum ves- tibuli übergeht, unten dagegen frei und abgestumpft endet. Der knöcherne Binnenraum der Schnecke entspricht der äusseren Form des Gehäuses und zeigt, wie das letztere, in seinem mittleren Theile eine spiralige Krümmung, deren Convexität nach vorn und deren Concavität nach hinten gerichtet ist. Am oberen Pole der medianen Kegelwandung liegt die Eintrittsöffnung für den ramus cochlearis und ihr gegenüber, in nahezu gleicher Höhe, finden wir an der la- teralen Wand des Schneckengehäuses das foramen rotundum s. eochleare. Die Innenflächen des knöchernen Labyrinthraumes sind von einem derben, weisslichen und pigmentarmen Perioste überzogen (Taf. XX, Fig. 44 und 45); das häutige Innere Ohr des Alligator füllt diesen Binnenraum nicht vollständig aus, sondern liegt, wie bei allen Wirbelthieren, excentrisch an der Innenwand des knöchernen Gehäuses; es erübrigt demnach zwischen den lateralen Flächen des 346 Kuhn: häutigen Labyrinthes und der gegenüberliegenden lateralen Wand der Ohrkapsel ein grosser, freier Raum, der zwischen dem Saccu- lusdache und dem foramen ovale besonders entwickelt ist; derselbe repräsentirt das cavum perilymphaticum und ist mit Flüssigkeit gefüllt. Das Cavum selbst erstreckt sich auch in den Hohlraum der knöchernen Schnecke hinein, umgiebt jedoch nicht an allen Seiten das häutige Schneckenrohr, sondern dehnt sich nur an zwei Seiten aus; da nämlich der Nervenknorpel der cochlea mit seinem medianen hinteren und der dreieckige Knorpel mit seinem lateralen vorderen Pole auf dem Knochen des Schneckenraumes aufruhen, so wird sich das cavum perilymphaticum an diesen Punkten nicht ausdehnen können, sondern nur an zwei zwischen diesen festen Stützpunkten gelegenen Abschnitten, von denen der eine vorn und lateralwärts gelegene die scala vestibuli, der andere, hinten und medianwärts, die scala tympani vorstellt. Beide scalae gehen an der Spitze der Schnecke in einander über, denn das häutige Ende des Schneckenrohres, die lagena, füllt das Knochengehäuse nicht vollständig aus. Nach oben an der Schneckenbasis geht die scala vestibuli in das grosse cavum perilymphaticum der pars superior über; die scala tympani dagegen, bei ihrer Lage nach hinten, wird von den oberen Hälften der gekrümmten Knorpelschenkel gleich- sam überdeckt und kann desshalb nach oben mit dem cavum peri- Iymphaticum des Vorhofes nicht eommunieiren. „Es geht somit, „nachH asse “, das cavum perilymphaticum des Crocodillabyrinthes an der Aussenfläche des sacculus, in der apertura cavitatis cochleae, nach unten über die Basis der Schnecke in die scala vestibuli vorn innen gegen die Spitze abwärts und dann unter derselben, im Kuppelblindsacke, aufwärts nach hinten und aussen in die scala tympani und dann, wie bei den übrigen Reptilien, durch das fora- men cochleare in den recessus scalae tympani. Ein canalis peri- Iymphaticus in der Weise wie bei den Schlangen, Eidechsen und Schildkröten ist also nicht vorhanden, sondern wird durch die bei- den Treppen repräsentirt“. Das häutige Labyrinth des Alligator liegt frei in der von Periost ausgekleideten Höhle des knöchernen Ohrgehäuses; wir finden hier ebensowenig wie bei den Schlangen und den Eidechsen jenes reichliche Bindegewebe, das bei den Cheloniern den Zwi- schenraum zwischen Labyrinth und Gehäuse ausfüllt; nur an we- nigen Stellen, z. B. am vorderen Pole des Nervenknorpels (Taf. Ueber das häutige Labyrinth der Reptilien. 347 XX, Fig. 44), an den Ampullen und den Bogengängen sieht man partielle Verbindungen zwischen häutigem Labyrinthe und Periost in Gestalt von mehr oder weniger dicken, spärlichen Bindegewebs- strängen. Ich gehe zur Beschreibung des häutigen Labyrinthes über (Taf. XVII, Fig. 7 und 8) und kann auch hier in Bezug auf die Form und Zusammensetzung der pars superior s. vestibulum und auf die Lagerung der einzelnen Theile auf meine Angaben über diese Verhältnisse bei den Cheloniern hinweisen. Nur einiger Ab- weichungen soll Erwähnung geschehen, die im Bau des Alligator- labyrinthes, gegenüber demjenigen der übrigen Reptilien, vorliegen. Vorerst muss hervorgehoben werden, dass alle Theile des häutigen Labyrinthes, entsprechend der beträchtlichen Körpergrösse dieser Thiere, ein viel ansehnlicheres Volumen besitzen, dass das sie constituirende Gewebe ein viel derberes, knorpelartiges ist, als bei den bis jetzt beschriebenen übrigen Reptilienarten. Der sinus utri- euli (Taf. XVII, Fig. 7 und 8) stellt beim Alligator eine kurze eylindrische Röhre dar, deren Wandungen dünner sind als die- jenigen der Ampullen; in das obere Ende der sinus utrieuli, auch Bogengangeommissur genannt, münden in bekannter Weise die beiden stark gekrümmten, verticalen häutigen Bogengänge; mit dem unteren und hinteren Abschnitte des sinus verbindet sich das weite Endstück des horizontalen Kanals in der Art, dass die mediane Wand des halbzirkelförmigen Ganges in die mediane Wandung der Verbindungsröhre der frontalen Ampulle, während seine laterale Wand in die gleichnamige des corpus utrieuli übergeht. Am vor- deren Ende des utrieulus liegt der schaalenförmige, aus festem Spindelknorpel bestehende recessus utrieuli mit seiner halbmond- förmigen macula acustica (Taf. XVII, Fig. 14; Taf. XIX, Fig. 27); in ihn münden die beiden vorderen Ampullen der Art, dass die sagittale zuerst die horizontale aufnimmt und dann erst beide zu- sammen durch eine mässig weite, spaltförmige Oeffnung in den recessus einmünden (Taf. XVII, Fig. 14). Die Aussenfläche der einzelnen Labyrinththeile ist an vielen Stellen von dünnen Blutge- fässstämmehen umsponnen (Taf. XVIII, Fig. 15) die ihrerseits mit Blutgefässen in Zusammenhang stehen, welche die Knorpelmasse der Ampullen u. s. w. durchziehen. Der Binnenraum der pars superior ist, wie bei allen bis jetzt beschriebenen Wirbelthieren, von einem feinen Basalsaume ausge- 348 Kuhn: kleidet, auf dem ein niedriges polygonales Pflasterepithel gelegen ist und das gegen die Raphe der Ampullen und der halbzirkelför- migen Kanäle höher wird und eylindrische Gestalt annimmt. Im Inneren der Ampullen gehen die Pflasterzellen allmählich in die höher und höher werdenden Cylinderzellen der plana semilunata, die auch bei diesen Thieren vorhanden sind (Taf. XVII, Fig. 17), über. Am dünnwandigen, lateralwärts gelegenen Dache des utri- eulus und des saceulus fand ich (Taf. XXI, Fig. 52) dunkle, theils spindel-, theils sternförmige Zellen, die in das helle polygonale Pflasterepithel unregelmässig eingesprengt waren und die, nach Hasse, mit den von Retzius bei den Fischen beobachteten pro- toplasmatischen Zellen identisch sind. Aehnliche Zellgebilde aus der Umgebung der papilla Retzii sind in der bei starker Vergrös- serung aufgenommenen Zeichnung von Taf. XXI, Fig. 54 sichtbar. Das in Fig. 52 wiedergegebene Bild dieser Zellen lässt die Wahr- scheinlichkeit zu, dass ihre Deutung, wie sie Retzius gegeben hat, richtig sei; besagter Autor hält die in's Pflasterepithel einge- sprengten, dunklen Zellgebilde für contraetile Zellen, die über dem polygonalen Pflasterepithel gelegen seien und die Kerne letzterer durchschimmern lassen; hiedurch würden diese protoplasmatischen Zellgebilde zuweilen in sternförmiger, andere Male in spindelför- miger Gestalt und bald mit einem, bald mit mehreren Kernen er- scheinen (Taf. XXI, Fig. 52 und 54). Mit der Unterfläche des corpus utrieuli, jedoch nur in ganz geringer Ausdehnung, ist der saceulus verwachsen: an dieser Stelle liegt das foramen utrieulo-saceulare (Taf. XVII, Fig. 8, Taf. XVII, Fig. 15)in Gestalt eines von vorn nach hinten gerichteten, ovalen Loches, dessen Grösse und Form an die entsprechende Verbin- dungsöffnung zwischen dem utrieulus und sacculus der Batrachier und Chelonier erinnern. Der ziemlich grosse Saceulus besitzt eine fast kreisrunde Form, er ist jedoch bei weitem nicht so voluminös als bei lacerta; sein schaalenförmiger medianer Abschnitt besteht aus derber Knor- pelmasse und an seiner Innenfläche liegt die halbmondförmige macula acustica (Taf. XIX, Fig. 26 und 29) mit ihrem den Saceu- lusraum nahezu vollständig ausfüllenden, grossen Otolithen, der, wie bei allen Reptilien, aus einer breiigen Kalkmasse besteht, die durch eine feine Umhüllungsmembran zu einem Ganzen zusammen- gehalten wird. Am oberen Abschnitte der medianen Sacculuswand, Ueber das häutige Labyrinth der Reptilien. 349 nach vorn und etwas nach unten von dem vorhin beschriebenen foramen utrieulo-saceulare befindet sich eine zweite Oeffnung von nahezu gleicher Grösse (Taf. XVIIL Fig. 15; Taf. XIX, Fig. 26); sie stellt die Einmündung des duetusendolymphatiecus in den Sack dar; der häutige Gang der Vorhofswasserleitung tritt aus dem Schädelecavum durch die apertura ossea aquaeductus vestibuli an die mediane Wand des sinus utrieuli, zieht an derselben nach ab- wärts und unter dem corpus utrieuli hinweg zum oberen Abschnitte der medianen Sackwandung. ‘ Der Sack geht an seinem hinteren und unteren Pole in eine kurze, diekwandige, eylindrische Röhre über, den sogenannten ca- nalis reuniens der Säugethiere und Vögel; die Wandungen dieses Kanals erstrecken sich nach unten bis zum häutigen Dache der cochlea — der membrana Reissneri —, verwachsen mit demselben und vermitteln dadurch die Verbindung der Höhle des Sackes mit dem Binnenraume der cochlea. Wir hatten es bis jetzt nur mit geringen Form -Differenzen zwischen der pars superior und dem sacculus des Alligator und diesen Theilen der übrigen Reptilien zu thun; anders verhält es sich mit der letzten und wichtigsten Abtheilung des häutigen La- byrinthes dieser Thiere, mit der Cochlea. Die äussere Form derselben nähert sich der Vogelschnecke; das häutige Schneckenohr hat sich beträchtlich verlängert und zeigt eine ausgesprochene spiralige Drehung nach hinten (Taf. XIX, Fig. 31), statt jener leichten Rückwärtskrümmung, die wir an der Cochleaspitze der Chelonier kennen gelernt haben. Die Knorpel- substanz der beträchtlich grösser gewordenen pars basilaris hängt nicht mehr mit dem knorpeligen medianen Sackabschnitte zusam- men, wie bei der Schildkröte, sie ist vollständig isolirt und die Verbindung der cochlea mit dem sacculus geschieht nur durch den oben erwähnten häutigen canalis reuniens. Von den beiden Knor- pelschenkeln der cochlea resp. der pars basilaris verdient der vor- dere dreieckige, wegen seiner Form, den Namen des ligamentum spirale der Vögel und Säugethiere, während die Gestalt des hin- teren oder Nervenknorpels mit dem limbus spiralis cartilagineus dieser höheren Wirbelthiere grosse Aehnlichkeiten besitzt. Wir unterscheiden an der häutigen Cochlea des Alligator eine pars basilaris und eine lagena; erstere bildet den oberen grossen Abschnitt, die Basis, letztere das ampullenartiggeformte, untere 350 Kuhn: Ende der Schnecke; letzteres entspricht dem Kuppelblindsack der Säuger. In toto betrachtet, besteht die Schnecke aus einem lang- gestreekten Knorpelrahmen und zwei Membranen, der membrana basilaris und Reissneri, die den tiefen Rahmenausschnitt an seiner vorderen und hinteren Seite überziehen, ganz in der Art, wie wir es bei den Cheloniern gesehen haben. Der grosse obere Theil des Knorpelrahmens, die pars basi- laris (Taf. XIX, Fig. 31, setzt sich aus zwei Knorpelschenkeln zu- sammen, die oben und unten mit einander verschmolzen sind und von denen der eine — wegen der spiraligen Drehung des Schnek- kenrohres liegen bei Alligator die umgekehrten Lageverhältnisse vor, wie bei Testudo — nach hinten und median gelegene den vier- eckigen Nervenknorpel, der andere nach vorn und lateral gelegene den dreieckigen Knorpel darstellen (Taf. XX, Fig. 44 und 45; Taf. XIX, Fig. 31). An ihrer oberen Verschmelzung bilden die beiden Schenkel eine breite Knorpelplatte, deren Innenfläche leicht gewölbt ist und, als erste Andeutung des Vorhofblindsackes, eine Oeffnung in der Reissner’'schen Membran überdacht, die das Coch- learende des canalis reuniens darstellt. Am unteren Ende der pars basilaris verbinden sich die beiden Knorpelschenkel ebenfalls bogen- förmig, verschmelzen alsdann zu einer flachen Knorpelwand, die wie bei den Schildkröten noch weiter nach abwärts zieht und sich an ihren Seitentheilen und besonders an ihrem unteren Ende stark umkrämpt, um von da aus eine kurze Strecke weit in lateraler Richtung wieder in die Höhe zu steigen und so die ampullenartige, knorpelige lagena zu bilden (Taf. XIX, Fig. 31 und 32), die wie eine Mütze das Schneckenrohr von unten her überdeckt. Am Knorpelgerüste der cochlea sind diemembrana basilaris und Reissneri befestigt; erstere füllt von der hinteren und medianen Seite her den ovalen langezogenen Ausschnitt des Knorpelrahmens vollständig aus; letztere, die Reissner’sche Membran, überdeckt das Rahmengerüste von der anderen i. e. der vorderen lateralen Seite her, setzt sich nach unten an die umgekrämpte laterale Lagenawand an und schliesst somit den im Knorpelrahmen gelegenen Hohlraum ab. Wir haben hier dieselben Verhältnisse, wie an der cochlea der Chelonier, nur mit dem Unterschiede, dass das bei Testudo aus dem hinteren Theile des sacculus hervorgegangene Schnecken- rohr beim Alligator vollständig frei und isolirt ist; die beiden Ab- schlussmembranen verhalten sich in ganz gleicher Weise, denn die Ueber das häutige Labyrinth der Reptilien. 351 Reissner'scheMembran ist auch an der Sehildkrötenschnecke zu einem gesonderten und selbständigen Abschnitte des Sackdaches geworden. Der zwischen dem Knorpelrahmen und den beiden Membranen gelegene, langgestreckte Hohlraum stellt die Schneckentreppe i. e. scala media dar, deren Weite eine nahezu gleichmässige ist (Taf. XX, Fig. 44); auf Querschnitten fand ich oben an der Basis der Sehnecke, wegen der daselbst ungemein lockeren Anspannung der Reissner’schen Membran, die Räumlichkeit der scala media etwas grösser (Taf. XX, Fig. 45) als in den unteren Theilen der pars basilaris; ganz unten an der Schneckenspitze ist der Lagenaab- schnitt der scala immer etwas weiter als an der pars basilaris selbst. In Bezug auf die Detailsverhältnisse der einzelnen Theile des Sehneckenrohres muss erwähnt werden, dass die beiden Knorpel der pars basilaris viel voluminöser sind, als bei Testudo und stark gegen das Knochengehäuse vorspringen; besonders ist dies. an der Stelle der Fall, wo die Knorpel ihre stärkste Krümmung besitzen, also gegen die scala tympani zu, und sieht man hier leistenförmige Fortsätze, die von den beiden Knorpeln aus bis nahe an die Innen- wand der knöchernen Schnecke verlaufen (Taf. XX, Fig. 44). Im Uebrigen lassen sich an den beiden Knorpelschenkeln die gleichen Flächen unterscheiden, wie bei den Cheloniern. Die membrana basilaris ist zwischen dem nach hinten sehenden tympanalen Pole der Innenfläche des Nervenknorpels und der entsprechenden gegen- überliegenden Kante — anguli basilares nach Hasse — des drei- eckigen Knorpels straff ausgespannt (Taf. XX, Fig. 44 und 45); sie füllt den ovalen Knorpelausschnitt vollständig aus, erstreckt sich aber nicht weiter nach abwärts; sie beginnt schmal und ab- gerundet (Taf. XIX, Fig. 31) an der oberen bogenförmigen Ver- schmelzung der Knorpelschenkel, nimmt etwas an Breite zu, die sie dann in ihrem ganzen Verlaufe beibehält bis zu ihrem unteren Pole an der unteren Bogenverbindung der Knorpel, wo sie wieder schmal und abgerundet endigt. Auf Flächenbildern (Taf. XXIII, Fig. 68) erkennt man deutlich ihre Zusammensetzung aus einer einfachen Lage parallel und schräg von oben nach unten verlau- fender, straffer Fasern ; an ihrer Unterfläche finden sich grössere und kleinere, runde Kerngebilde in grosser Zahl und ohne regel- mässige Anordnung in ihre Substanz eingestreut (Taf. XXIL, Fig. 61 und Taf. XXIII, Fig. 66 und 68). Auf ihrer oberen Fläche, die gegen die scala eochlearis sieht, liegt im vorderen Drittel die Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 20. 23 352 . Kuhn: erista acustiea partis basilaris, die in Betreff ihrer Lage und Zu- sammensetzung, sowie ihrer Längen- und Breiteausdehnung auf der Membran, die gleichen Verhältnisse darbietet, wie die papilla acustica (Huschke) der Chelonier (Taf. XXIL, Fig. 61 und 63). Die membrana Reissneri schliesst das Schneekenrohr von der entgegengesetzten Seite her ab; bei der Spiralform des Knorpel- rahmens liegt die Reissner’sche Membran nach vorn, oben und lateralwärts, während die Basilarmembran nach hinten, unten und medianwärts gerichtet ist. Erstere ist zwischen den lateralen, gegen die scala vestibuli gerichteten Polen der Innenflächen beider Knorpel ausgespannt; in ihrer oberen Hälfte ist die Membran unge- mein locker und erscheint auf Querschnitten gefaltet, oder auch stark sewölbt (Taf. XX, Fig. 45); nach unten ist sie etwas straffer ge- spannt (Taf. XX, Fig. 44) und besonders in ihrer Verbindung mit dem umgekrämpten lateralen Lagenatheile erscheint sie glatt und fest ausgespannt. Sie ist in ihrer ganzen Ausdehnung von gleichartiger Beschaffenheit und Zusammensetzung und bietet die nämlichen Strukturverhältnisse wie die membrana Reissneri von Testudo (Taf. XXI, Fig. 50 und 53). Die Innenfläche des Nervenknorpels ist beim Alligator von glashellen, hohen Cylinderzellen, den sogenannten Zahnzellen, be- deckt (Taf. XXII, Fig. 61), die durch eine tiefe Grube, den suleus spiralis, von dem bekannten Neuroepithel der Gehörpapille getrennt sind; gegen den dreieckigen Knorpel zu geht das specifische Epi- thel der erista in ein niedriges Cylinderepithel über, das auch die Innenfläche des letzteren Knorpels bedeckt und schliesslich in die Zellbekleidung der Reissner’'schen Membran übergeht. Alle diese Verhältnisse fanden ihre Berücksichtigung bei der Schilderung der Schildkrötenschnecke und es wäre nur eine Wiederholung der gleichen Thatsachen, hier nochmals darauf zurückzukommen. Schliesslich kann noch erwähnt werden, dass das untere Ende der cochlea, die lagena (Taf. XIX, Fig. 32) ganz aus Knorpel be- steht und dass an der Innenfläche ihrer medianen Wand die fächerförmige Ausbreitung des n. lagenae Statt hat; die dadurch gebildete cerista acustica ist halbmondförmig und wird von einer dünnen Otolithenmasse überdeckt. Der nervusacusticus verzweigt sich in ganz ähnlicher Weise am häutigen Labyrinthe des Alligator, wie bei den iibrigen Rep- tilien (Taf. XVII, Fig. 7 und 8); er theilt sich in einen ramus ves- ı u Ueber das häutige Labyrinth der Reptilien. 353 tibularis und cochlearis; ersterer versorgt den recessus utrieuli mit den daran grenzenden vorderen Ampullen; letzterer ist von be- trächtlicher Stärke, giebt zuerst den n. sacculi nach oben hin ab und entsendet dann einen kräftigen Nervenast nach hinten, den n. partis basilaris, dessen Hauptmasse sich am Nervenknorpel- schenkel ansetzt und dessen unteres, schwächeres Endstück sich an der lagena ausbreitet (Taf. XIX, Fig. 31 und 32); den End- zweig des ramus cochlearis stellt der n. ampullae frontalis dar; derselbe giebt, bevor er an der Ampulle sich ansetzt, ein kurzes, dünnes Nervenästchen ab, das nach oben zieht und sich an der Verlängerungsröhre der frontalen Ampulle, in der papilla Retzii ausbreitet (Taf. XVIIL, Fig. 15; Taf. XXI, Fig. 57). Auffallend erschien mir bei diesen Thieren, dass diese runde Nervenendstelle aus dem Bereiche des eorpus utrieuli, wo sie bei den bis jetzt be- schriebenen Reptilien zu liegen pflegte, ganz in die Nähe der frontalen Ampulle gerückt ist, ein Verhalten, dessen auch Retzius (l. e.) Erwähnung gethan hat. Die Zeichnungen in Taf. XXI, Fig. 61 und 63 beweisen zur Genüge, dass die Art und Weise der feinsten Nervenendigungen, die Form und Grösse des Neuroepithels der cristae und maculae acusticae am Alligatorlabyrinthe genau die nämlichen sind, wie bei den Cheloniern. Auf den septa eruciata (Taf. XVII, Fig. 18) der beiden verticalen Ampullen liegen die Gehörleisten mit ihrem bekannten Neuroepithel, das, wie bei allen Wirbelthieren, von einer eupula terıminalis überdeckt ist; letztere lässt sich bei ihrer verhältnissmässigen Grösse ziemlich leicht isoliren und bietet in ihrer Gestalt und Zusammensetzung nichts Verschiedenes von der cupula der übrigen Reptilien; sie liegt der Cristaoberfläche direct auf und ich habe niemals an ihrer unteren Fläche jene glocken- förmigen kleineren und grösseren Hohlräume sehen können, wie dies Hasse von der cupula des Crocodilus niloticus angegeben hat; dagegen sah.ich derartige Bildungen an jenen Deckmembra- nen, die sich zwischen der Oberfläche der macula saceuli und utri- euli und den darauf ruhenden Otolithen finden und deren dicht an einander liegende, theils grosse, theils kleine, runde und ovale Oeffnungen durch dünne Substanzbrücken von einander getrennt sind; bald fand ich diese zahlreichen Hohlräume vollständig leer, andere Male waren Kalkkıystalle in dieselben eingelagert (Taf. XXI, Fig. 70 und 71). 354 Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Kuhn: Erklärung der Abbildungen auf Taf. XVH—XXII. [$) [1 } 10. 11° 13. Rechte Hälfte eines sagittal durchschnittenen Schädels von Testu do graeca (Chelonia, Chersidae). Die Schädelhöhlenwandung des knö- chernen Inneren Ohres ist entfernt. Mediane Ansicht des häutigen Labyrinthes. (Natürliche Grösse.) Rechte Hälfte eines sagittal durchschnittenen Schädels von Alli- gator lucius. (Hydrosauria. Alligatoridae) |Das ganze Thier war 27 Centimötres lang; die Länge des Kopfes betrug 5!/, Centi- mötres.] Die Schädelhöhlenwand des knöchernen Inneren Ohres ist entfernt. Mediane Ansicht des häutigen Labyrinthes. (Natürliche Grösse.) Rechtes häutiges Labyrinth von Tropidonotus natrix. Me- diane Ansicht. Osmiumpräparat. 4:1 (Vierfache Grösse). Linkes häutiges Labyrinth von Lacerta communis s. agilis. Mediane Ansicht. Osmiumpr. 4:1. Rechtes häutiges Labyrinth von Testudo graeca. Mediane An- sicht. Osmiumpr. 4:1. Dasselbe Präparat in lateraler Ansicht. 4:1. Rechtes häutiges Labyrinth von Alligator lucius. Mediane Ansicht. Osmiumpr. 4:1. Dasselbe Präparat in lateraler Ansicht. 4:1. Umhüllungs- und Verbindungsmembran des häutigen Labyrinthes mit dem knöchernen Öhrgehäuse Testudo graeca. Hartnack Ocul. 3. Linse VII. Verticaler Durchschnitt durch das knöcherne Innere Ohr, um die Lagerung des darin befindlichen häutigen I.abyrinthes zu zeigen. Die columella ist in situ und deren Verhalten zum cavum perilym- phaticum sichtbar. Der Durchschnitt geht nahezu durch das Cen- trum der pars inferior. Testudo graeca. Zeiss 2:a. Aehnlicher Durchschnitt, aber mehr an der vorderen Peripherie der pars inferior. Hier treten die Verhältnisse der Umhüllungsmembran zum häutigen Labyrinthe sebr deutlich hervor. Zeiss 2:a. ‚ Mediane Ansicht des vorderen Labyrinthabschnittes von Testudo graeca. Die beiden zusammenstehenden vorderen Ampullen (sa- gittal und horizontal) in ihrer Verbindung mit dem recessus utrieuli und dem angrenzenden Theile des corpus utrieuli; an letzterem sieht man das foramen utriculo-sacculare. Osmiumpr. 4:1. Mediane Ansicht der Amp. frontalis von Testudo graeca und ihrer Verbindungsröhre mit dem corpus utriculi; auf der un- teren medianen Wand des letzteren sieht man die Ausbreitung des . Fig. 14. Fig. 15. Fig. 16. Fig. Fig. a un, 20. Ueber das häutige Labyrinth der Reptilien. 355 n. papillae Retzii. Oberhalb und parallel mit der Ampulle und ihrer Verbindungsröhre verläuft das Endstück des canal. horizontal., das in verticaler Richtung in den sinus utriculi einmündet. Os- miumpr. 4:1. Mediane Ansicht der beiden zusammenliegenden (sagittal und horizont.) Ampullen und ihrer Einmündung in den recessus utrieuli. Alligator lucius. Osmiumpr. 4:1. Mediane Ansicht der Ampulla frontalis von Alligator lucius und deren Verbindungsröhre mit dem corpus utriculi. Ein Theil des Sacculus ist noch erhalten und man sieht oben das foram. utrieul-saccul. ; weiter unten befindet sich, ganz im Bereiche des sacculus, eine zweite Oeffnung, welche der Einmündung des duct. endolymphat. in den Sackraum entspricht. An der Verbindungs- röhre der Amp. front. mit dem utriculus liegt die papilla Retzii. ÖOsmiumpr. 4:1. Laterale Ansicht der Verbindungsröhre der Amp. front. mit dem utriculus von Tropidonotus natrix. Das foram. utriculo-saccul. tritt an der Verbindungsröhre deutlich hervor; etwas nach unten und hinten von demselben liegt die papilla Retzii, deren Nerv vom ram. amp. front. ahgeht. Oberhalb und parallel zur Verbindungs- röhre liegt der canal. horizont.; vor und unter demselben liegt die mediane Wandung des sacculus, an welcher der ductus endolympha- ticus sichtbar ist. Osmiumpr. 6:1. Ampulla horizont. von Alligator lucius. Die obere Ampul- lenwand ist entfernt, und die crista acustica mit dem planum semi- lunatum sind sichtbar. Osmiumpr. Hartn. 3:1. Die Amp. sagittalis von Alligator lucius von oben gesehen. Das Ampullendach ist entfernt und man sieht das septum nerveum eruciatum. Osmiumpr. Hartn. 3:1. . Mediane Ansicht der Amp. frontal. und ihrer Verbindungsröhre mit dem Utriculus. Lacerta communis. An der medianen Wand der Verbindungsröhre breitet sich die papilla Retzii aus. Osmiumpr. Zeiss 2:a. Mediane Ansicht der Pars inferior von Tropidonotus natrix. Der untere Theil des corpus utriculi ist noch erhalten und man sieht hier das foramen utriculo-saceul., unter ihm liegt die papilla Retzii und links von demselben ist ein kleines Stück des duct. endolymph. sichtbar. Osmiumpr. 6:1. Aehnliches Präparat von Lacerta; hinter dem utriculus, von dem ein Theil der Verbindungsröhre erhalten ist, sieht man den grossen Sacculus, in welchen der duct. endolymph. einmündet. An der Pars basilaris ist die centrale Verbindungsbrücke der beiden Knorpel- schenkel deutlich. Osmiumpr. Zeiss 2:a. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. ig. 23. 24, 25. 26. 32. 33. Kuhn: . Mediane Ansicht der Pars inferior von Testudo graeca. ÖOsmiumpr. 4:1. Querschnitt durch die pars inferior von Tropidonotus; die mediane Sackwand mit n. sacculi und macula acust. sind erhalten, da der Schnitt etwas schräg geführt wurde; man sieht die lagena mit der aus ihrem hinteren Knorpelrande hervorgehenden pars ba- silaris; die m. basilaris und der gemeinsame Dachüberzug der lagena und der 'p. basilaris (m. Reissneri) sind ebenfalls sichtbar. Os- miumpr. Hartn. 3:11. Die ganze Pars inferior von Testudo graeca. Ansicht des ganzen Hohlraumes von oben; der ductus endolymphat. geht direct aus dem oberen Abschnitte der medianen Wandung des sacculus hervor. Die knorpelige, median gelegene Sacculusschaale mit ihrer Nervenausbreitung erstreckt sich fast bis zum unteren Abschnitte der pars inferior und ist gegen die pars basilaris durch scharf hervortretende Kanten abgesetzt. Osmiumpr. 6:1. Laterale Ansicht der isolirten Pars basilaris und lagena von Testudo graeca. Die Verbindung des vorderen Knorpels der pars basilaris mit dem Sacculusknorpel ist künstlich getrennt. Man sieht den Uebergang der vereinigten Basilarknorpel in die lagena. ÖOsmiumpr. Zeiss 2:a. Mediane Ansicht des Sacculus von Alligator lucius. Ein Theil seiner Verbindung mit dem utriculus ist noch erhalten und man sieht das for. utrie.-saceul. Die untere Oeffnung entspricht der Einmündung des duct. endolymph. Osmiumpr. 6:1. . Mediane Ansicht des recessus utriculi von Alligator luc. Ausbreitung der macul. utrieuli. Osmiumpr. 6:1. . Die Pars superior von Testudo graeca vollständig von der pars inferior getrennt. Das an der unteren Utrieuluswandung ge- legene foram. utriculo-sacculare tritt deutlich hervor. Os- miumpr. 4:1. . Mediane Wandung des Sacculus von Alligator lucius. Flä- chenausdehnung der macula acustica sacculi. Osmiumpr. Zeiss 2: AA. . Steinmasse aus dem Sacculus von Testudo graeca. Zeiss 2: a. . Laterale Ansicht der Pars inferior dextra von Alligator lucius. Nervenknorpel mit der Ausbreitung des n. part. basilaris. ÖOsmiump. 4:1. Laterale Ansicht der lagena von Alligator lueius. Die knor- pelige laterale Wandung ist in dieser Ansicht ganz sichtbar. Der nerv. lagenae breitet sich nur an der medianen Wand aus. Os- miumpr. 4:1. Isolirtes Septum cruciatum aus der Amp. front. von Tro- pidonotus natrix. Osmiumpr. Zeiss 2: AA. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. 41. Fig. 42. Fig. 43. 34. 3D. 36. 37. . 38. ig. 39. . 40. Ueber das häutige Labyrinth der Reptilien. 357 Amp. frontalis von Lacerta; das Ampullendach ist vollständig entfernt und das septum eruciatum sichtbar. Osmiumpr. Zeiss 3: AA. | Amp. sagittal. von Testudo. Das Ampullendach ist wegge- nommen. Ansicht des septum nerveum mit den herantretenden Nervenzweigen. Osmiumpr. Zeiss 2: AA. Verticaler Durchschnitt durch die Amp. front. von Lacerta (im Breitendurchmesser der Ampulle). Die crista und das septum erheben sich hoch in die Ampullarhöhlung. Cupula gut erhalten. Osmiumpr. Hartn. 3: IV. Vertikaler Durchschnitt durch die Amp. horizont. von La- certa. Cupula vollständig erhalten. In der horizontalen Ampulle ist das plan. semilunat. nur an einer Ampullenwand vorhanden. Ösmiumpr. Hartn. 3: IV. Verticaler Durchschnitt der Amp. sagitt. von Testudo (in der Längsrichtung der crista). Osmiumpr. Zeiss 2:a. Verticaler Durchschnitt durch recess. utriculi und amp. horiz. von Testudo. Osmiumpr. Zeiss 2:a. Lacerta communis. Querschnitt durch die mediane Wand des Sacculus, und durch die lagena mit der aus ihrem hinteren Knorpelrande hervorgehenden pars basılaris.. Membr. basilaris mit der papilla acust. und gemeinsamer Ueberzug der lagena und pars basilaris (m. Reissneri) sind sichtbar; ebenso die beiden Knorpel- schenkel. Der ramus cochlearis des n. acustic. giebt den n. sac- culi ab, sein anderer Ast geht zur lagena und zur pars basilaris; der Schneckenast bildet nach seinem Abgange vom Hauptstamme das gangl. cochleare. Osmiumpr. Zeiss 3:a. Querschnitt durch die Pars inferior von Testudo. Der Schnitt ist im mittleren Theile des Organes geführt. Die grössere Höhle stellt den Sacculus dar, die kleinere gehört der pars basilaris an, und stellt die Scala media vor. Der directe Uebergang des mc- dianen Knorpelschenkels der pars basilaris aus dem Saceulusknorpel tritt deutlich hervor. Die medianen Flächen der beiden Knorpel- schenkel sind von Bindegewebe umgeben, in welchem die scala tym- pani und ein starkes Blutgefäss gelegen ist. Durch die Erhaltung der columella ist die ausgedehnte scala vestibuli sichtbar. Osmium. Zeiss 2:2. Aehnlicher Querschnitt durch die pars inferior von Testudo; derselbe entspricht dem obersten Abschnitte des Organes. Die scala media communieirt mit dem Hohlraume des Saceulus; auch hier sind columella und scala vestibuli vorhanden. Osmiumpr. Zeiss 2:a. Verticaler Schnitt durch pars basilaris und lagena von Emys caspica. Der nerv. part. basilaris ist seiner ganzen Länge erhalten; membrana basilaris sichtbar, da der Schnitt ziemlich 358 Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. 44. 45. 46. ig. 47. . 48. 49. 50. 51. 52. 53. Kuhn: schräg geführt wurde. Die membrana Reissneri ist vollständig erhalten und ihr Uebergang auf die innere Auskleidung der lagena deutlich. Osmiumpr. Zeiss 2:a. Querschnitt durch die pars basilaris von Alligator luecius. Das knöcherne Gehäuse der pars inferior ist vollständig erhalten; die beiden Knorpelplatten, die membrana basilaris und Reissneri deutlich. Der Schnitt geht durch den mittleren Abschnitt des Or- ganes und der hintere Knorpelschenkel ist hier fast völlig dreieckig. Osmiumpr. Zeiss 2:a. Aehnlicher Querschnitt durch die pars basilaris von Alli- gator lucius, jedoch mehr im oberen Abschnitte des Organes. Aehnliche Verhältnisse wie in Fig. 44; nur ist die Gestalt der beiden Knorpelschenkel eine verschiedene, besonders diejenige des hinteren. Ösmiumpr. Zeiss 3:a Querschnitt durch Sacceulus und Lagena von Tes- tudo, im oberen Abschnitte der lagena. Die Knorpelschaale des Sacculus geht direkt in den Knorpel der lagena über; die laterale Wand der lagena ist membranös. Osmiumpr. Zeiss 2:a. Aehnlicher Querschnitt durch das untere Ende der lagena; der Hohlraum der lagena ist allseitig von Knorpel umgeben. Die Umhüllungsmembran der pars inferior und das cavum perilymphat. sind erhalten. Osmiumpr. Zeiss 2:a. Grundmembran der lateralen SaceuluswandvonCistudo europ., aus Faserzügen und ovalen Zellgebilden bestehend. Flächen- ansicht. Hartn. 3: VII. Laterale Sackwand von Testudo. Flächenansicht. An den beiden Enden des Präparates ist das auf dem Grundgewebe liegendepolygonale Plattenepithel nocherhalten. Hartn. St. VI8 Membrana Reissneri von Testudo. Flächenbild. An einzelnen Stellen fehlt das Epithel, man sieht das Grundgewebe wie in Fig. 48; der übrige Theil der Membran ist theils von Cylin- derzellen, theils von Pflasterzellen verschiedener Grösse bedeckt. Ein starkes Blutgefäss zieht über die Membran. Hartn. 3: V. Polygonales Plattenepithel aus der lateralen Sackwand von Alligator luceius. Flächenansicht. Hartn. 3:NIE Polygonales Plattenepithel von Alligator. Flächen- bild. Zwischen den hellen, regelmässigen Epithelzellen sieht man dunklere Figuren, die Zellenumrisse besitzen und in welchen auch kleine Kerngebilde sichtbar sind, die jedoch tiefer liegenden Zellen angehören können. Osmiumpr. Hartn. 3: VII. Cylinderzellen der membr. Reissneri von Alli- gator. Osmiumpr. H. 3: VII. Fig. 54. Fig. 60. Fig. 62. Fig. 63. Ueber das häutige Labyrinth der Reptilien. 359 Protoplasmatische Zellen aus der Umgebung der pa- pilla Retzii von Alligator. Flächenansicht. Osmiumpr. HSV: . Krystalle aus dem Sacculus von Lacerta. H. 3:VIl. . Krystalle aus dem Sacculus von Alligator. H.3:VI. . Flächenansicht der papilla Retzii von Alligator. Os miumpr. Zeiss 2: AA. . Flächenansicht der papilla Retzii von Testudo. Osmiumpr. Hartn. 3: VII. . Querschnitt durch die crista amp. frontal. von La- certa. Die cupula ist in ihrem Zusammenhange mit der crista geblieben; am oberen Ende ist das Cupulagewebe zerfasert. Die Hörhaare scheinen direct in die einzelnen Cupulafasern überzugehen. Ösmiumpr. Hartn. 3: VII. Querschnitt durch die macul. utriculi von Lacerta. Ander rechten Seite des Präparates ist das Nervenepithel etwas vom Knorpel abgehoben und die Basalzellen sind dadurch isolirt. Die ziemlich starken Endfasern des acusticus treten an einigen Stellen an das untere Ende der Oylinderzellen; hie und da scheint die feinste Nervenfaser durch die Zelle hindurch bis an das obere Ende derselben zu verlaufen. Osmiumpr. Hartn. 3: VII. . Querschnitt durch die erista acustica der Pars ba- silaris von Alligator. Man sieht den breiten Eintritt des Nerven und sein Zerfallen in feine Fasern ; letztere durchbrechen den Knorpelsaum, gehen an den Basalzellen vorbei und treten zum unteren Pole der grossen Cylinderzellen. Am linken Rande des Nerveneintrittes beginnt die Membr. basilaris, deren Quer- und Längsfasern mit den dazwischen liegenden Zellen sichtbar sind. Am rechten Rande der crista liegen hohe glashelle Cylinderzellen, die nach oben hin in die Zellen der Reissner’schen Membran über- gehen (s. Fig. 44 und 45). Das Ganze ist von der Corti’schen Mem- bran bedeckt. Osmiumpr. H. 3: VII. Theil eines Querschnittes durch die erist. acust. der pars basilaris von Emys. Die feinen Nervenfasern gehen theils zum unteren Ende der Cylinderzellen, theils legen sie sich in die Zwischenräume der Cylinderzellen und verlaufen bis zur Crista- oberfläche. Einzelne Nervenfasern lassen sich durch die Cylinder- zellen hindurch bis zur Oberfläche derselben verfolgen. Osmiumpr. H:3: VIE Theil eines Querschnittes durch die erista acustica der pars basilaris von Alligator. Die Nervenfasern bilden, nach ihrem Durchtritt durch den feinen Knorpelsaum des vorderen Knorpelschenkels, einen intraepithelialen Nervenplexus zwischen Basal- und Cylinderzellen; aus dem plexus steigen Nerven- 360 Fig. Fig. ig. 66. Fig. Fig. Fig. 64. 67. 68. 69. au: Kuhn: Ueber das häutige Labyrinth der Reptilien. fasern in die Höhe und treten an den unteren Pol der Cylinderzelle. Ösmiumpr. Hartn. 3 : VIII. Verticealer Schnitt durch den vorderen Knorpelschenkel der parsbasilaris von Testudo. Der Knorpel geht nach unten direet in die Lagena über. Auf der crista acustica der pars basilaris liegt die Corti’sche Membran. Osmiumpr. H. 3: VD. ‚Innere Fläche der Membr. basilar. von Testudo. Ein- zelne Nervenfasern sind am vorderen Rande zurückgeblieben Auf dem mittleren Theile der Membran sind noch die deckenden Zell- gebilde erhalten; weiterhin liegen am vorderen Theile der Membran einzelne Blutgefässe. Osmiumpr. Zeiss 2: AA. Der rechtsgelegene Theil des Präparates zu Fig. 65 bei stärkerer Vergrösserung. Die Faserung der Membran und die zwischen den Fasern gelegenen Kerngebilde sind sichtbar, ebenso die Zellen, welche die Membran bedecken. Osmiumpr. H. 3: VIII. Querschnitt durch de membrana basilaris von Alli- gator. An der linken Hälfte des Präparates sind oberhalb der Basilarmembran die Basalzellen der crista acustica zurückge- blieben. ÖOsmiumpr. H. 3: VII. Flächenansicht der Membr. basilaris von Alliga- tor. Osmiumpr. H. 3: V. Flächenansicht eines Stückes der Membr. tecetoria s. Cortider crista basilaris von Testudo. Am linken Rande sind einige Oylinderzellen aus der Hörleiste der pars basil. zurückgeblieben. Osmiumpr. H. 3: VIII. Flächenansicht der membr. tectoria aus dem Sac- culus von Alligator. Rechts liegen Kalkerystalle vom Sac- culussteine. Osmiumpr. H. 3: IV. . Der linke Abschnitt von Fig. 70 bei Hartn. 3 : VIII. . Flächenansicht der Corti’schen Membran aus der pars basilaris von Alligator. Osmiumpr. Hartn. 3:V. . Isolirte Zellen: Testudo graeca: Osmiumpräparate; a. aus Ampulla horizont., . aus Amp. sagittalis, . aus Amp. frontal., . aus dem Utriculus, Dee en . aus dem Sacculus, Leer) . aus der pars basilaris. Hartn, 3: VI, W. Wolff: Die Innervation der glatten Muskulatur. 361 Einleitung. A. Inneres Ohr der Chelonier. I. Knöchernes Labyrinth. II. Häutiges Labyrinth. a. Pars superior. b. Pars inferior. c. Nervus acusticus. B. Inneres Ohr der Reptilien. a. Ophidia. b. Saurii. c. Hydrosauria. Die Innervation der glatten Muskulatur. Von Dr. W. Wolff in Berlin. Hierzu Taf. XXIV, Fig.1—9. Die meisten Forscher, die die Innervation der glatten Mus- kelfasern studirt haben, haben zugestanden, dass sie die letzten Endigungen der Nerven in den glatten Muskelfasern nicht haben sehen können. Untersuchungen, wie solche von J. Arnold!) gemacht wurden, der die Endigungen der blass gewordenen markhaltigen Nerven mit den Kernen der glatten Muskelfasern zusammen hängen sah, sind nicht wieder bestätigt worden. Es sind die Nervenen- digungen iu der glatten Muskulatur ausserordentlich schwer zu sehen, doch da, wo man sie bisher gesucht hat, sind dieselben überhaupt nicht vorhanden, wie ich in Folgendem auseinandersetzen werde. Ich benutzte als Untersuchungsobjeet hauptsächlich die Harn- blase des Frosches und behandelte dieselbe, nachdem ich verschie- dene Methoden versucht und nachgemacht in folgender Weise: Ein 1) S. Stricker, Handbuch der Gewebelehre, 362 W. Wolff: Frosch wird getödtet, darauf spritze ich durch den After eine ganz schwache Lösung von Goldchlorid, ungefähr 1: 20,000, in die Harnblase und zwar soviel als dieselbe fassen kann ohne zu platzen; fliesst dieselbe nach Entfernung der Spritze durch den After wieder heraus, was selten geschieht, so werden dem Frosche die Ober- schenkel zusammengebunden. Darauf wird der Frosch geöffnet, die Harnblase frei präparirt, von ihren Bändern getrennt, der Darm oberhalb der Harnblase unterbunden nnd mitsammt dem ganzen Frosche oberhalb der Ligatur abgeschnitten. Während des Prä- parirens wird die Harnblase stets mit einer schwachen Goldchlorid- lösung befeuchtet. Endlich wird die Harnblase, die jetzt nur noch mit dem untersten Darmstück und den Beinen des Frosches in Verbindung ist in eine Goldchloridlösung von 1:2000 gelegt. Die- selbe wird also innen von einer ausserordentlich schwachen, aussen von einer stärkeren Goldehloridlösung bespühlt; dies hat einen doppelten Grund: einerseits soll sich die Harnblase von innen nicht färben, andererseits unterstützt die schwache Goldlösung die Ent- fernung des Epithels in ausserordentlichem Grade. Nach ungefähr 4 Stunden wird die Harnblase herausgenommen, aufgeschnitten, vom Darme abgeschnitten und auf einen Kork mit Igelstacheln aufgespannt und zwar so, dass die Aussenseite der Blase dem Kork, die Innenseite der Blase dem Präparator zugewandt ist. Darauf wird mit einem starken Wasserstrahl unter der Wasserleitung das jetzt nur sehr lose zum Theil schon in Fetzen hängende Epithel entfernt. Man kann auch ohne Furcht die Nerven zu verletzen, wie gewöhnlich angegeben wird, da dieselben nicht dicht unter dem Epithel liegen, mit einem Pinsel nachhelfen, falls sich an einigen Stellen das Epithel nicht durch den Wasserstrahl lösen sollte. Nach dieser Manipulation wird die aufgespannte Harnblase bis zum anderen Tage der Einwirkung einer Goldchloridlösung von 1:6000 ausgesetzt. Würde man die Harnblase gleich zu An- fang in eine Lösung von ungefähr 1:4000 legen und sie nach 24 Stunden aufschneiden und ausbreiten, so ist dieselbe schon in ihrer runden Form starr geworden ünd es gelingt gar nicht oder nur ausserordentlich mühsam, dieselbe glatt auf dem Objectträger aus- zubreiten. Nachdem man das Object aus der Goldchloridlösung herausgenommen, wird dasselbe fleissig abgewaschen, dann in destillirtem Wasser, zu dem man einen Tropfen Essigsäure gesetzt, noch einige Zeit im dunklen Raume gelassen und schliesslich, Die Innervation der glatten Muskulatur. 363 nachdem man das Wasser wiederum gewechselt, der Einwirkung des gewöhnlichen Tageslichtes ausgesetzt. Ich füge hier gleich hinzu, dass es durchaus nicht unbedingt nöthig ist, ganz pedantisch alle die Weisungen zu befolgen, um gute Präparate zu bekommen, zumal da die Goldfärbung so ausser- ordentlich launisch ist, doch thut man immerhin gut, dieselben namentlich zu Anfang zu befolgen, da man sich dadurch vor vielen Zufälligkeiten schützt. Doch auf eins lege ich besonderes Gewicht, das ist: die Gewebe möglichst frisch noch lebendig der Goldlösung auszusetzen, darum die Harnblase schon unter der Goldlösung frei- präpariren! Ist das Präparat gelungen, so sind die Muskeln hell- blau-roth, die Contouren derselben ganz scharf, die markhaltigen Nerven dunkelblau-roth, die marklosen Nerven d. h. die sympa- thischen Nerven und die Ganglienkugeln carminroth gefärbt; letztere besitzen eine glatte Contour, haben sich nicht von ihrer Scheide zurückgezogen. Man kann nun an einem solchen Präparate alle markhaltigen Nerven, die übrigens in nicht grosser Anzahl vorhanden sind, bis zu ihren Enden verfolgen, man wird dieselben nie mit einer Mus- kelfaser zusammenhängen, man wird sie ferner nie in marklose Nerven übergehen sehen. Nachdem ich dies nach vieler Mühe und beinahe ein Jahr langer Untersuchung festgestellt hatte, kam ich erst auf die richtige Fährte. Es sind die sympathischen Nerven, die die glatten Muskeln innerviren. Mit den markhaltigen Cerebrospinalnerven, die zumeist in einem oder mehreren Bündeln vereinigt an dem Uebergang der Harnblase in den Darm in die Blase eintreten, geht eine grössere Anzahl sympathischer Nerven in dieselbe hinein, oder genauer gesagt, gehen die sympathischen Fasern hinaus, um zu dem Grenz- strang zu gelangen. An diesen sympathischen Fasern, in Verbin- dung mit denselben, liegen sympathische Ganglienzellen meist in grösseren Nestern vereinigt, so dass sie häufig mit blossem Auge sichtbare Ganglien bilden. (Fig. 1 stellt ein solches Ganglion vor.) Diese sympathischen Nerven sowohl als diese Ganglien un- terscheiden sich in Nichts von ihren Geschwistern im Grenzstrang. Die Nerven besitzen die kernreiche den Axencylinder fest um- schliessende dicke Scheide. Die Ganglienzellen besitzen je eine Kapsel; liegen mehrere Ganglienzellen zusammen, so sind dieselben noch ausserdem in einem bindegewebigen Stroma dem Periganglion 364 WW OILTE: eingebettet. Sie besitzen einen körnigen Inhalt, der sich mit Gold roth, mit Ueberosmium dunkelgrau färbt, mit Silber behandelt weiss erscheint; einen grossen kugligen Kern, der sich bei der Gold- und Silberbehandlung so gut wie gar nicht färbt, bei der Ueberosmium- behandlung durch den dunkelgefärbten Inhalt der Ganglienzelle fast ganz verdeckt wird; endlich gewöhnlich ein seltener zwei Kernkörperehen. Die Form der Ganglienzellen ist sehr variabel, kreisrund, länglich, dreieckig, viereckig ete.; häufig wird die Form durch ihre Lage oder durch die Zahl der Ausläufer bestimmt. Der grösste Durchmesser solch einer Ganglienzelle schwankt zwischen 0,05 bis 0,1 mm, je nachdem dieselbe mehr kreisförmig oder läng- lich ist; der Kern misst 0,025 mm; das Kernkörperchen 0,005 mm im Durchmesser. Eine jede von diesen Ganglienzellen nun hat zwei einander ungleichwerthige Arten von Ausläufern. Stellen wir uns den ein- fachsten Fall vor: eine solche Zelle hat zwei Ausläufer, so wird der eine derselben als sympathischer Nerv zur Harnblase hinaus zum Grenzstrang gehen, der andere wird eine Muskelzelle inner- viren. Einen derartigen Fall stellt Fig. 2 dar, der Ausläufer b geht an eine Muskelfaser heran, der Ausläufer a senkt sich in den sympathischen Nervenstrang, der zur Harnblase hinaus geht, um zum Grenzstrang zu gelangen. Dies ist das gewöhnliche Verhält- niss, doch finden sieh auch Zellen mit mehreren Innervationsaus- läufern; auch solche, die mit einer breiten Basis dem sympathischen Nerven aufsitzen wie in Fig. 3 und 4. Endlich finden sich auch unipolare Ganglienzellen. Diese könnten wir nach unserer bis- herigen Anschauung von den unipolaren Ganglienzellen nicht für unser Innervationssystem verwerthen. Fig. 8 stellt eine unipolare Gang- lienzelle dar, deren einer Ausläufer sich sofort in den sympathischen Nervenstrang senkt. Fig. 9 stellt zwei Ganglienzellen dar, von denen sich zwei Ausläufer vereinigen und einen selbst bei den stärksten Vergrösserungen homogenen Strang bilden. Der Nerv der aus Fig. 8 entspringt, ist bedeutend stärker als der in Fig. 9, welcher durch Verschmelzung zweier entsteht. Die Grössenverhältnisse sind genau nach der Natur gezeichnet; muss es da einem unbefangenen Beobachter nicht zweifelhaft erscheinen, ob unsere Ideen von unipo- laren, bipolaren etc. Zellen nicht ein wenig zu eng begrenzt sind? In dem Ausläufer einer solehen unipolaren Ganglienzelle können sehr viele Fortsätze enthalten sein und zwar der verschiedensten Lei- Die Innervation der glatten Muskulatur. 365 stungsenergie, die in ihrem Verlaufe irgend wo auseinander weichen, so lange sie jedoch von einer Scheide umschlossen sind, für uns als ein Nerv gelten. Etwas anderes spricht noch dafür, dass in einer von uns für primitive Nervenröhre gehaltenen Nervenfaser mehrere primitive Nerven enthalten sind. Es existiren nämlich in einer Harnblase bedeutend mehr Ganglienzellen, als schliesslich sympathische Nerven aus der Harnblase herausgehen. Da nun aber eine jede Ganglienzelle einen Fortsatz abgiebt, der als sym- pathischer Nerv dem Grenzstrang zustrebt, so müssen mehrere Nerven schliesslich in einer Scheide eingeschlossen die Harnblase verlassen. Ein Analogon hierfür haben wir bei den cerebrospinalen Nerven ebenfalls. Man sieht häufig eine scheinbar primitive Ner- venfaser in der Cornea sich in viele feinste Aeste auflösen, um sich dann wieder nach kurzem Verlaufe in eine oder einige schein- bar primitive Nervenfasern zu vereinigen, d. h. in einer oder einigen Scheiden weiter zu verlaufen. Ebenso kann man sich auch vorstellen, dass mehrere sympathische Ganglienfortsätze d. h. pri- mitive Nervenfasern in einer Scheide die Ganglienzelle verlassen, und dieses Bündel von Fortsätzen, da es eben in einer Scheide eingeschlossen ist, den Eindruck einer primitiven Nervenfaser macht. Wir haben also keine zwingenden Gründe diese soge- nannten unipolaren Ganglienzellen nicht als Innervationscentra der glatten Muskelfasern anzusehen und dieselben physiologisch von den bipolaren und multipolaren zu trennen. Andererseits ist es auch wahrscheinlich, dass mehrere sympathische Nerven wirklich verschmelzen, d. h. dass zwei oder mehrere Axencylinder, höchst wahrscheinlich wenn sie dieselbe Leitungs- d. h. Leistungs-Energie haben, zu einem verschmelzen, nicht nur in einer Scheide neben einander her laufen. Diese Anschauung habe ich aus Präparaten des Mesenteriums kleiner Thiere gewonnen; man sieht in demselben nämlich häufig ein Netzwerk von den feinsten sympathischen Nerven, die überall die gleiche Dieke haben, abgesehen, wo sie durch den Kern ihrer Scheide eine kurze Anschwellung erhalten, die namentlich an den Scheitelpunkten liegt. Würden diese Nerven nicht verschmelzen, dann müsste doch von dem Knotenpunkte zweier dieser feinsten Nerven derselbe die doppelte Dicke haben, das ist aber nicht der Fall. Grade so wie nun die Ganglien je einen sympathi- schen Nerv zur Harnblase heraus zum Grenzstrang schicken, ich will ihn den centripetalen Ast nennen, senden dieselben \ 366 W. Wolff: auch einen oder mehrere sympathische Nervenäste, die wir folglich centrifugal nennen können, als Innervationsnerven zu den glatten Muskelfasern. Wo diese Innervationsnerven aus einem Ganglienhaufen entspringen, also aus vielen Ganglienfortsätzen bestehen, haben sie vollständig das Ansehen der breiten sympa- thischen Fasern, wie sie auch im Grenzstrang verlaufen; dieselben gehen weite Strecken zumeist mit stärkeren Muskelzügen mit und werden durch Abgabe von Innervationsästen an dieselben immer dünner und dünner bis zum Verschwinden. Dies ist der allgemeine Modus, wie die Innervation in der Harnblase vor sich geht; ein solches Bild ist recht instructiv, wenn man den Vorgang schon genau kennt, doch wird schwerlich Jemand die Innervation der glatten Muskelfasern daran studiren können, weil in einem solchen Bilde sowohl Nerven wie Ganglienzellen wie Muskelfasern viel zu massenhaft vorkommen, als dass man eine klare An- schauung davon erhalten könnte. Wir müssen uns nach isolirt liegenden Ganglienzellen umsehen. Wenn dieselben im Allgemeinen auch in Nestern beisammen liegen, so findet man dennoch stets einige, die vereinzelt und an einer einzelnen Nervenfaser liegen, welches letztere ebenfalls von Wichtigkeit ist, um den ganzen Vor- sang übersehen zu können. Fig. 2 stellt uns ein solches Bild in überraschender Klarheit dar. Wir sehen wie von der Ganglienzelle ein feiner Ausläufer zu dem Muskelzug geht, um sich an die zweite Faser anzulegen ; die Innervation geschieht so einfach als denkbar. Manchmal geht der Nerv an die Stelle des Kerns der Muskelzelle heran, doch durchaus nicht constant, im Gegentheil, es sind dies die selteneren Fälle, wie aus den Abbildungen ersichtlich ist. Ferner bemerken wir, dass der Nerv, der von der Ganglienzelle ausgehend sich in das starke Nervenbündel senkt, ziemlich dünn ist, ungefähr die Dicke des motorischen Astes hat, höchst wahr- scheinlich weil er, wie aus der Figur ersichtlich, nur aus dieser einen Ganglienzelle entspringt und nicht aus den Ausläufern mehrerer Ganglienzellen zusammengesetzt ist. Im Gegensatz hierzu sehen wir in Fig. 3 und 4, in denen die beiden Ganglienzellen mit ihrer Basis dem Nerven aufsitzen, der jedenfalls schon in seinem Verlaufe Ausläufer von Ganglienzellen aufgenommen hat, oder weniger genau ausgedrückt, an dem jedenfalls noch mehrere Ganglienzellen liegen, den centripetalen Nerven, bedeutend stärker. In Fig. 4 sehen wir, dass die Kapsel der Ganglienzelle auf den Nerven übergeht und den- Die Innervation der glatten Muskulatur. 367 selben als Scheide umgiebt. Der Nerv selbst theilt sich vor der Innervation in zwei Aeste, von denen einer an die Kernstelle der Muskelfaser herantritt. In Fig. 3 hat der centrifugale Nerv vor seinem Ende eine geringe Anschwellung, jedenfalls wohl durch einen Kern der Scheide hervorgebracht, wie solche bei den feinen sympathischen Nerven in gewissen Zwischenräumen stets eine An- schwellung bedingen. Der andere Innervationsnerv in Fig. 3 konnte nicht weiter verfolgt werden, weil derselbe von starken Muskelzügen verdeckt wurde. An den Fig. 2, 3, 4 kann man recht sehen, wie die Form der Ganglienzellen von ihrem Sitze und der Zahl der Ausläufer abhängt; in Fig. 2 ist die Ganglienzelle gleichsam in einen Nerven eingeschaltet, der an einem Ende hinein, an dem anderen Ende herausgeht, daher die längliche Form; in Fig. 4 sitzt die Ganglien- zelle mit einer Seite dem Nerven auf und hat einen Ausläufer, ist daher dreieckig; Fig. 3 hat denselben Sitz, nur zwei Ausläufer, ist daher viereckig. Da wo sich mehrere Ganglienzellen berühren, platten sie sich ab, wie wir in Fig. 5 und 6 sehen. In Fig. 5 können wir noch beide centripetalen Nerven gesondert verlaufen sehen; eine von beiden Ganglienzellen giebt zwei centrifugale Aeste ab. Beim Aste e ist die Innervationsstelle nicht mehr auf dem Bilde. In Fig. 6 sieht man nur einen centripetalen Nerv von beiden Ganglienzellen ausgehen, hier scheint der centripetale Ast der einen Zelle in den der andern übergegangen zu sein, so dass sie nun beide in einer Scheide verlaufen. Es wäre auch denkbar, dass hier eine Leitung von einer Ganglienzelle direkt auf die daneben- befindliche stattfinden könnte, doch hat eine jede ihre besondere Kapsel, was dies an und für sich unwahrscheinlich macht. Die Figuren sind meist aus Präparaten genommen, die so schön ge- lungen sind, dass man von der Kapsel gar nichts oder nur An- deutungen sieht, da sich die Zellen eben gar nicht von ihrer häu- tigen Kapsel zurückgezogen haben. Die dunklen Flecke in den Fig. 5 und 6 sind Kerne der Kapsel. In Fig. 9a hat sich der Zell- inhalt etwas von der Kapsel zurückgezogen, darum sieht man hier die Kapsel vollständig. Ein sehr instruktives Bild giebt auch Fig. 7, ein kleines Nest von 6 Ganglienzellen; sie hängen höchst wahrscheinlich sämmtlich an dem Nerven a, oder besser ausge- drückt: der Nerv a wird aus den centripetalen Ausläufern dieser 6 Ganglienzellen gebildet; ob derselbe aus nur einer Nervenfaser Archiv f, mikrosk. Anatomie. Bd. 20. 24 368 W.NolEt: bestand, konnte ich nieht mit vollständiger Sicherheit entscheiden. 1, 2 und 3 sehen wir deutlich in den centripetalen Nerven über- sehen; 4 und 5 schicken ganz kurze centrifugale Aeste, die wir deutlich endigen sehen; 3 giebt einen centrifugalen Ast ab, an dem wir den Endigungspunkt nicht genau bestimmen können. Die übrigen Aeste können wir nicht sehen, wie das ja gewöhnlich der Fall ist, wenn mehrere Ganglienzellen zusammen liegen. Ich hebe noch einmal ausdrücklich hervor, dass dieser be- schriebene Vorgang nicht die allgemeine Weise der Innervation vorstellt, dass nämlich von einer mehr weniger isolirt liegenden Ganglienzelle ein kurzer feiner Innervationsast zur Muskelfaser abgeht. In der überaus grössten Mehrzahl liegen die Ganglien- zellen in grossen Nestern beisammen, deren Ausläufer dann ganze Nervenbündel bilden, die den sympathischen Nervenfasern im Grenzstrang vollständig gleichen, während die feinen von einzelnen Ganglien ausgehenden Aeste den ganz feinen sympathischen Nerven gleichen, die wir nach öfterer Theilung aus den gröberen Nerven entstehen sehen; sie besitzen in viel grösseren Zwischenräumen als die gröberen Nerven die Kerne der Scheide, ferner bewirken die Kerne, da sie dicker sind als die feine Faser, stets eine Ver- diekung derselben. Jene starken centrifugalen Nervenbündel nun sehen weite Strecken, wie schon erwähnt, namentlich mit stärkeren Muskelbündeln mit und verschmälern sieh zusehends durch Abgabe von Aesten an dieselben bis zum Verschwinden. Die Darmmuskelhaut eignet sich nicht gut zur Demonstration der Nervenendigungen, einerseits weil erst zu viel Manipulationen nothwendig sind, um die Muskelhaut zu isoliren, andrerseits auch, weil sowohl Muskeln wie Nerven zu massenhaft darin enthalten sind, als dass man ein klares Bild einer einzelnen Innervation er- halten könnte. Der gangliösen Glockenapparate will ich noch Erwähnung thun, die J. Arnold!) in der Froschlunge beschrieben hat; die- selben sind ganz dieselben Ganglienzellen, die wir in der Harn- blase beschrieben haben, von denen hier die Innervation der glatten Muskelfasern in der Lunge ausgeht, und die nicht an marklos ge- wordenen markhaltigen, sondern an sympathischen, selbstver- ständlich also von Anfang an marklosen Nerven liegen. Die gang- 1) J. Arnoldz. Histologie der Lunge, Virchow’s Archiv Bd. XXVIIH. Die Innervation der glatten Muskulatur. 369 liösen Glockenapparate nun entstehen aus diesen Ganglien dadurch, dass sich bei nicht guter Präparation der Inhalt von der Kapsel nach einer Seite zurückzieht und nun an dieser Seite der Kapsel eine halbkuglige Figur bildet, die man bei einiger Phantasie mit einer Glocke vergleichen kann. Es tritt nun die Beantwortung der Frage an uns heran: wird jede einzelne Muskelzelle von einem Nerven innervirt, oder findet die Leitung von einer Muskelzelle auf eine andere statt? In der Harnblase des Frosches sind die Nerven den Muskelzellen gegen- über in so bedeutender Minderzahl vorhanden, dass es unmöglich denkbar ist, dass eine jede Muskelzelle von einem Nerven versorgt wird. In der Muskelhaut des Darms dagegen sind reichlich so viele Nerven vorhanden, dass man annehmen kann, eine jede Mus- kelzelle würde innervirt. Es scheint daher jedenfalls eine directe Innervation einer jeden Muskelfaser nicht nöthig zu sein, um eine Contraetion derselben hervorzurufen, andererseits scheint aber die Function des Muskels mit der Zahl der Innervationen in Verbin- dung zu stehen. Es kann uns nicht wundern, dass eine Leitung von einer Muskelzelle auf die andere stattfinden kann, wenn wir sehen, dass sich die Muskelzellen so eng an einander legen, wie die Muskelfibrillen in einer Muskelfaser, so dass man bei den stärksten Vergrösserungen häufig keinen Zwischenraum zwischen den einzelnen Zellen eines glatten Muskelbündels eonstatiren kann; ebenso, wo sich die Enden der Muskelzellen an einander legen, oft nieht entscheiden kann, wo die eine Muskelzelle aufhört und die andere anfängt, so dass sie gleichsam mit einander zu verschmelzen scheinen. Zum Schluss will ich noch einige Betrachtungen über den Sympathicus anknüpfen. Sympathische Fasern nenne ich nur solche, die den grauen Remack’schen Fasern entsprechen, sich durch ihre kernreiche Scheide und das Fehlen des Markes von den cerebrospinalen Nerven unterscheiden. Chemisch unterscheiden sich die sympathischen Nerven von den cerebrospinalen dadurch, dass erstere sich mit Gold schwach roth färben, während sich letztere, abgesehen von ihrem Mark, dunkelroth färben; ferner werden erstere durch Ueberosmiumsäure hellscbiefergrau gefärbt, während letztere (wiederum abgesehen vom Mark) vollständig ungefärbt bieiben. Die markhaltigen Nervenfasern, die in sympathischen Nervenbündeln eingeschlossen sind, sind darum noch nicht sym- 370 W.aW-olft: pathische Fasern; sie verlaufen eben als cerebrospinale Fasern eine Strecke im Sympathieus, um sich irgendwo wieder von ihm zu trennen. Es kommt nicht vor, dass eine solche markhaltige Ner- venfaser in eine sympathische Nervenfaser übergeht, wie überhaupt eine markhaltige Faser nie in eine marklose übergeht; letzteres werde ich noch in den folgenden Arbeiten über sensible und Cornea- Nerven auseinandersetzen. Wenn nun aber die sympathischen Nerven in ihrem Verlaufe nirgends mit den cerebrospinalen Nerven in Verbindung treten, wo ist dann die Verbindung des Sympathiecus mit dem Cerebrospinal-System? Höchst wahrscheinlich ist dieselbe in Ganglien des Grenzstranges zu suchen und wohl namentlich in denen, zu welchen rami communicantes hingehen. Nicht alle Ner- venfasern der rami communicantes verdienen diesen Namen mit Recht; denn einige benutzen den Sympathiceus nur als Bahn, um durch ihn und mit ihm zu irgend welchen Organen zu kommen und sich dort wie alle übrigen cerebrospinalen Nerven zu ver- halten; andere sind wohl als nervi nervorum anzusehen, d. h; sie vermitteln die Empfindlichkeit des Sympathicus; endlich sind einige wirkliche rami eommunicantes; sie verbinden sich höchst wahr- scheinlich mit Ganglienzellen des Sympathieus, so dass also die- selben einen markhaltigen cerebrospinalen und einen marklosen sympathischen Ausläufer hätten. Solche Ganglienzellen sind von Arnold!) in Ganglien des Sympathicus vom Frosche beschrieben worden, wenn sie auch nicht als Verbindungscentra des Sympathieus mit dem Cerebrospinal-System aufgefasst sind, und es wäre wohl der Mühe werth, diese Untersuchungen mit sicheren Färbemitteln zu wiederholen. Aus dieser Auffassung leuchtet ein, dass wir die rami com- municantes nicht als Ursprung des Sympathicus auffassen können, dass es überhaupt eine müssige Arbeit ist,. den Ursprung des Sym- pathieus zu suchen. Wir können den Sympathieus allenfalls als einen bis in die äussersten Organe vorgeschobenen Theil des Cen- tralnervensystems betrachten, oder aber den Ursprung oder Anfang in allen sympathischen Ganglienzellen des Organismus suchen. Wie nun die Innervation vor sich geht, ob der Reiz direct von den in den Organen liegenden Ganglienzellen oder von den Ganglienzellen im Grenzstrange ausgeht, müssen die physiologischen Untersuchungen klarstellen. Dem Anscheine nach scheint beides 1) 3. Arnold. Virchow's Archiv Bd. XXIV. Die Innervation der glatten Muskulatur. 371 der Fall zu sein, je nachdem eine directe Reizung oder eine Reizung auf reflectorischem Wege stattfindet. Ob die einzige Aufgabe des Sympathicus die Innervation der glatten Muskulatur ist, oder ob derselbe noch die Herzmuskulatur und die Drüsenelemente innervirt, müssen neue Untersuchungen über diesen Gegenstand klarstellen. Jedenfalls hoffe ich, dass durch diese Arbeit das Verständniss der Physiologie des gesammten glatten Muskelsystems gefördert werden möchte. Die Literatur über den besprochenen Gegenstand ist neuer- dings, von Ranvier in seinen „Lecons d’Anatomie general 1880“ ziemlich erschöpfend zusammengefasst worden, daher glaube ich dieselbe in dieser Schrift übergehen zu dürfen. Am richtigsten scheint Klebs (Virchow’s Archiv, Bd. 32, 1865) die Verhältnisse aufgefasst zu haben. Dieser Forscher beschreibt wenigstens nur als Nerv, was wirklich Nerv ist. Einen Fortschritt zeigt erst die Arbeit Ranvier’s |. e. in sofern nämlich, als in derselben ausge- sprochen wird, dass ein Gangliengeflecht im Verlaufe aller der Nerven eingeschaltet sei, die zu den Muskeln des organischen Lebens gehen. Dagegen ist Ranvier auch der irrthümlichen Ansicht wie alle Forscher vor ihm, dass die blassen Remak’schen Fasern aus markhaltigen cerebrospinalen Fasern hervorgingen. Die Folge von dieser Auffassung ist, dass er die Ganglien an den blassen Nerven- fasern nicht ausschliesslich dem Sympathbicus zurechnen kann; an- drerseits auch die Ganglien, die sowohl eine blasse als auch eine markhaltige Faser aussenden, nicht als Verbindungs - Ganglien zwischen dem cerebrospinalen System und dem Sympathicus auf- fasst. Thatsachen, die nach meinen Untersuchungen unerlässlich sind, mag man diesen Ganglien wo immer begegnen. Ausserdem bereichert Ranvier die Wissenschaft mit einer tache motrice als Endapparat des Nerven in der glatten Muskelfaser, die wohl wegen der Analogie seiner „arborisation terminal“ in den quergestreiften Muskeln und seiner tache motrice in den glatten Muskelfasern einiger wirbelloser Thiere nicht fehlen durfte. Auffällig ist, dass in dem angeführten Werke von 530 Seiten und 85 Abbildungen nicht eine Figur vorhanden ist, die diese tache motrice am orga- 372 W. Wolff: Die Innervation der glatten Muskulatur. nischen Muskel eines Wirbelthieres darstellt. Was die Unter- suchungs-Methode d. Verf. im Allgemeinen anbetrifft, so halte ich die Anwendung der starken Säuren für hinderlich einerseits zur Unterscheidung der feinen markhaltigen von den marklosen Fasern, andrerseits zur Darstellung der feinsten marklosen Fasern überhaupt. Eine Thatsache, die Ranvier selbst zugiebt und anderen Autoren zum Vorwurf macht. Er selbst nimmt jedoch nicht Anstand, starke Säuren in Verbindung mit Goldehlorid und Ueberosmiumsäure in Anwendung zu ziehen. Erklärung der Fig. 1—9 auf Tafel XXIV. Fig. 1. Sympathisches Ganglion vom Frosch. a. Sympathische Nervenfasern, b. cerebrospinale Nervenfasern, c. Periganglion. Fig. 2. Sympathische Ganglienzelle. a. Centripetaler Ast, b. centrifugaler (innervirender) Ast, c. Muskelfasern, d. sympathisches Nervenbündel. Fig. 3. Viereckige Ganglienzelle.. a. Centripetaler Nerv, b. centrifugaler Nerv, d. Anschwellung desselben wahrscheinlich durch einen Kern der Scheide, c. centrifugaler Nerv, der nicht weiter verfolgt werden konnte. Fig. 4. Dreieckige Ganglienzelle. a. Centripetaler Nerv, b. centrifugaler Nerv, c. Theilung desselben, d. Membran der Kapsel. Fig. 5. Zwei Ganglienzellen. a. Centripetale Nerven, b. centrifugale Nerven, c. ein centrifugaler Nerv, dessen Innervationsstelle nicht mehr auf dem Bilde ist, d. cerebrospinale Nervenfaser, e. Kerne der Kapsel. Fig. 6. Zwei Ganglienzellen. a. Centripetaler Nerv, b. centrifugale Nerven, d. Kerne der Kapsel. Fig. 7. Sechs Ganglienzellen. a. Centripetaler Nerv, b. centrifugale Nerven, c. centrifugaler Nerv, bei dem die Innervationsstelle nicht deutlich zu sehen ist. Fig. 8. Unipolare Ganglienzelle. a. sympathisches Nervenbündel. Fig. 9. Zwei Ganglienzellen. a. Kapsel, b. Verschmelzungspunkt zweier Nerven, c. sympathisches Nervenbündel. Sämmtliche Präparate sind aus der Harnblase vom Frosch. Fig. 1 Lineare Vergrösserung —= 150. Fig. 2—9 » n ==,700. Immersion XH, Ocular 1, (Beneche). W. Wolff: Die Nerven der Cornea. 37 © Die Nerven der Cornea. Von Dr. W. Wolff in Berlin. Hierzu Tafel XXIV, Fig. 10—14. Alle neueren Beobachter stimmen darin überein, dass die Nerven der Cornea marklos seien; man hält dies im Allgemeinen für ein nothwendiges Desiderat für die Durchsichtigkeit der Horn- haut; es ist dies möglich, doch ist wohl noch nicht nachgewiesen, dass die Thiere, bei denen die Ausbreitungen der Sehnerven in der Retina markhaltig sind (das Licht also auch diese markbhaltigen Ausstrahlungen durchbrechen muss, um zur Stäbehenschicht ete. zu selangen) deshalb weniger gut sehen. Aber hiervon ganz abge- sehen enthalten die Nerven, die sich in der Cornea verbreiten, nicht das gewöhnliche Nervenmark, das sich durch seinen Fettreichthum auszeichnet und aus diesem Grunde auch wahrscheinlich das Licht stark refleetirt. Man kann dies sehr leicht dadurch beweisen, dass man eine Cornea irgend eines Wirbelthieres mit Ueberosmium färbt; dann sieht man die Nerven dunkel gefärbt an den verschiedenen Stellen von der Peripherie her in die Cornea hineintreten, doch nach einem ganz kurzen Verlaufe hört die Färbung des Markes auf, und es gelingt überaus schwierig: die Fortsetzung des Nerven zu beobachten, da sich der seines fettreichen Markmantels beraubte Nerv mit Veberosmiumsäure überhaupt nicht färbt, man mag jede beliebige Concentration anwenden. Ein solches Bild stellt Fig. 10 vor. Man sieht hier ausserdem an der einen Nervenfaser, dass dieselbe, nachdem sie schon das fettreiche Nervenmark eingebüsst hat, dasselbe nach einem kurzen Verlaufe auf eine kleine Strecke wieder erhält, dieses Vorkommen gehört nicht zu den Seltenheiten. Es wäre nun aber voreilig, daraus, dass das Nervenmark alsbald nach dem Eintritt in die Cornea den Fettgehalt verliert, dasselbe 374 W.Wglff: überhaupt zu leugnen und diesen Fehler haben die Forscher be- gangen. Färbt man die Cornea mit Goldlösungen, so sieht man aller- dings bei ganz exacten und schwachen Färbungen eine etwas dunklere rothe Färbung in der Ausdehnung, die der durch Ueber- osmiumsäure hervorgebrachten Färbung des fetthaltigen Markes entspricht, und von hier an eine etwas heilere rothe Färbung der Nerven, in der man den Axencylinder als dunkleren Faden ver- laufen sieht. Dunkelt ein solches Präparat nach, oder ist die Fär- bung von Anfang an dunkler ausgefallen, so kann man einen sol- chen Unterschied nicht mehr bemerken. Die Färbung wird schliess- lich ganz dunkel schwarzroth. Es ist höchst interessant und lehr- reich entweder an verschiedenen Präparaten, die in der Färbung ungleich ausgefallen sind, oder an ein und demselben Präparate, während dasselbe nachdunkelt, den Uebergang von dem hellrosa des Nervenmarkes, das noch vollständig durchsichtig ist, bis zu dem schwarzroth, das vollständig undurchsichtig ist, zu beobachten. So lange das Corneamark, wie ich es zur Unterscheidung von dem gewöhnlichen fettreichen Nervenmarke nennen will, noch hell ge- färbt ist, kann man den Axencylinder oder besser gesagt, das Fi- brillenbündel des Axencylinders in dem Corneamarke verlaufen sehen. Häufig sieht man den Axencylinder in eine grössere Zahl von Fibrillen (oder dünneren Axeneylindern?) sich auflösen, um sich dann nach kurzem Verlaufe wieder in einen Strang oder in mehrere Stränge zu sammeln, oder endlich als feinere Nerven die Hornhaut weiter zu durchsetzen (vgl. Fig. 11 und Fig. 14b). Ein genaues Studium der Corneanerven würde höchst wahrscheinlich noch manche Aufklärung über das Gefüge des Axencylinders er- geben. Ist das Corneamark etwas dunkler gefärbt, so kann man noch an einzelnen Stellen die Axencylinder in einem solchen Ner- venbündel verfolgen, an andern verdeckt das Mark dieselben, wie in Fig. 12 angedeutet ist. Schliesslich, wenn das Corneamark ganz dunkel geworden ist, sieht man nichts weiter als einen dicken un- durchsichtigen Strang, der die Nervenfaser in toto oder ein ganzes Nervenbündel vorstellt. Die Endigungen der Nerven sind meist im Epithel, doch kommen auch deren in dem Corneagewebe vor, und zwar laufen die Nerven in feine Spitzen aus, ohne irgend welche Anschwel- lungen zu zeigen, mag man auch die stärksten Systeme anwenden; Die Nerven der Cornea. 375 man kann dieselben sowohl an Vertikal- wie an Horizontal-Schnitten und schliesslich an ganzen Hornhäuten sehen. Fig. 14 stellt einen Vertiealschnitt vor. Ein Herüberragen des Nerven über das Epithel habe ich niemals constatiren können; im Gegentheil reichen die Nervenendigungen nie bis zur äussersten Epithelgrenze, die aus abgeplatteten, den oberflächlichen Epidermiszellen ähnlichen Ge- bilden zu bestehen scheint. Bei Verticalschnitten reisst das Messer manchmal ein Stück Nerv mit heraus und dieser Umstand mag wohl zu diesem Irrthum die Veranlassung gegeben haben. Allein die freien Endigungen sind im Verhältniss zu der grossen Anzahl der Nerven nur in geringer Zahl vorhanden; die meisten Nerven bilden ein Netzwerk, das bei den verschiedenen Thieren von ver- schiedener Weite ist; bei grösseren dickeren Hornhäuten sieht man gleichsam mehrere Netze übereinander liegen, die selbstverständlich mit einander communieiren, von denen das der Linse zugewandte am gröbsten und weitmaschigsten, das dem Epithel zugewandte am feinsten und engmaschigsten ist. Eine Verbindung der Nerven mit den Hornhautkörperchen habe ich nicht finden können, obgleich häufig eine solche vorgetäuscht wird, bei genauer Beobachtung sich jedoch als ein feiner Nerv, der von einem Hornhautkörperchen zum Theil verdeckt wird, herausstellt; ebenso wenig habe ich eine Verbindung der Nerven mit den Epithelzellen gefunden. Der Axencylinder ist ausser von seinem Corneamarke noch von einer Schwann’schen Scheide umgeben, die man im Verlaufe der Nerven sehr häufig zu Gesicht bekommt. Die Kerne derselben sind verhältnissmässig schmal und langgestreckt; besonders deut- lieh sind dieselben bei Behandlung der Cornea mit Ueberosmium- säure zu demonstriren. Nachdem beim Eintritt in die Cornea der Nerv sein gewöhnliches fettreiches Mark eingebüsst hat, kann man denselben vermöge dieser Kerne, trotzdem er sich dort bei Be- handlung mit Ueberosmiumsäure, wie schon oben erwähnt, gar nicht färbt, noch eine weitere Strecke verfolgen (vgl. Fig. 10). Die Ver- diekung, die man an den Scheitelpunkten der feineren Nerven sieht, ist wohl in den seltensten Fällen durch einen Kern der Scheide hervorgebracht; gewöhnlich entsteht dieselbe dadurch, dass die Scheide sich ein wenig von dem Axencylinderwinkel abhebt, ob als präformirtes Gebilde oder in Folge der Präparation, lasse ich dahin gestellt sein. DieserZwischenraum ist mit Mark gefüllt, färbt sich mit Gold dunkel und stellt so ein kernähnliches Gebilde vor (Fig. 14a). 376 W, Wolff: Die Nerven der Cornea. Eine äussere Basalmembran habe ich an der Cornea nie beobachtet, während die innere mir durch das häufige Falten derselben öfters Präparate verdorben hat. Die Behandlung der Hornhäute war verschieden, je nachdem ich das Epithel erhalten wollte oder nicht; im ersteren Falle nahm ich eine Lösung von Goldehloridkalium 1:3000, im letzteren 1:5000. Gewöhnlich legte ich die ganzen Augen einige Zeit in diese Flüssigkeit bis die Cornea eine gewisse Festigkeit erlangt hatte, dann wurde dieselbe abgeschnitten. Fingen die Nerven an sich ein wenig zu färben, so wurde die Cornea in mit Essigsäure angesäuertem Wasser dem Licht ausgesetzt und danach in Gly- cerinwasser 1:1 untersucht. Erklärung der Fig. 10—14 auf Tafel XXIV. Fig. 10. In die Hornhaut eintretendes Nervenbündel vom Frosch mit Ueber- osmiumsäure behandelt. a. Fettreiches Mark, b. Kerne der Scheide. Fig. 11. Nervenfaser der Hornhaut des Meerschweinchens an beiden Enden in viele feine Fasern ausstrahlend; mit Goldehloridkalium behandelt. Fig. 12. Nervenbündel der Hornhaut des Meerschweinchens. Verticalschnitt. Dunkelgefärbtes Mark, in dem man die Axencylinder verlaufen sieht; mit Goldchloridkalium behandelt. Fig. 13. Nervenbündel in der Hornhaut vom Frosch. Ganz hell gefärbtes Mark; mit Goldehloridkalium behandelt. Fig. 14. Verticalschnitt der Hornhaut des Meerschweinchens mit Goldchlorid- kalium behandelt. a. Kernförmige Verdickung am Scheitelpunkt, b. Auseinanderweichen der Fibrillen des Axencylinders. Lineare Vergrösserung der Fig. 10 = 200. 11—14 = 700. n ” ” ” W. Wolff: Ueber freie sensible Nervenendigungen. 377 Oo o- Ueber freie sensible Nervenendigungen. Von Dr. W. Wolff in Berlin. Hierzu Tafel XXIV, Fig. 15—20. Mit dem Namen „freie sensible Nervenendigungen“ will ich alle diejenigen Nervenendigungen bezeichnen, die nicht in speeci- fische Endorgane, wie z. B. in Tastkörperchen, Geschmackswärzchen, Retina ete. übergehen. Zu diesen gehören also auch die sensiblen Nervenendigungen im Muskel und in der Drüse, denn es ist bis jetzt wenigstens nicht bekannt, dass die sensiblen Nerven mit den Muskelfasern oder mit Drüsenzellen in Contact treten; thun sie dies aber nicht, so liegen dieselben zwischen den Muskelfasern resp. zwischen den Drüsenzellen. Es können demnach die freien sensiblen Nervenendigungen in zwei verschiedenen Geweben liegen, entweder nämlich liegen dieselben im Bindegewebe oder im Epithelialgewebe (resp. Drüsen- gewebe). ein Drittes wüsste ich nicht. Ein Beispiel letzterer haben wir in den Corneanerven, die sich dadurch von den übrigen sen- siblen Epithelialnerven unterscheiden, dass sie eine ihnen eigen- thümliche Art Nervenmark besitzen; im Uebrigen gleichen sie so- wohl diesen, als auch den im Bindegewebe eingebetteten Nerven- endigungen, was aus Folgendem ersichtlich werden wird. Die freien sensiblen Nervenendigungen sowohl, wie die motori- schen im quergestreiften und glatten Muskel, wie auch die Nervenen- digungen in den verschiedenen eleetrischen Organen, wie endlich die Nerven in der Cornea hat man stets als marklose Fasern, die aus mark- haltigen hervorgegangen sind, beschrieben, und je nachdem man nun über eine dieser fünf Arten Nervenendigungen schrieb, hat man das Sonderbare des Markverlustes durch die Analogie bei den vier an- deren Arten der Nervenendigungen abzuschwächen versucht, so bewegte man sich stets in einem eirculus vitiosus. Ich habe in 378 W. Wolff: meiner Arbeit „Ueber Nervenendigungen im quergestreiften Muskel“ !) nachgewiesen, dass dieselben markhaltig seien; ferner habe ich nach- gewiesen, dass die Nerven, welche die glatten Muskeln innerviren, überhaupt keine cerebrospinale Nerven, sondern sympathische Nerven seien, also nie Mark besessen haben, endlich habe ich gezeigt, dass die Nerven in der Cornea allerdings eine eigenartige Markscheide besitzen. Es bleiben nur noch die Nervenendigungen in den ver- schiedenen eleetrischen Organen übrig, aber auch hier wird das Feld der marklos gewordenen markhaltigen Nerven immer mehr eingeschränkt; denn theils wird schon das direete Anlegen mark- haltiger Fasern an den Stiel der Platte abgebildet theils ein ganz kurzer markloser Theil der Nerven, der jedoch nicht mehr den Charakter eines Nerven hat, endlich lassen einige Forscher die Frage ob markhaltig oder marklos unentschieden. Ich selbst war leider nie in der Lage, frische derartige Präparate zu unter- suchen, darum kann ich in dieser Frage kein bestimmtes Urtheil abgeben, doch bin ich überzeugt, dass auch hier über kurz oder lang die Nervenendigung, solange sie noch wirklich einen Nerven vorstellt, sich als markhaltig herausstellen wird; es existirt eben im ganzen peripheren Nervensystem der Wirbelthiere kein Analogon, dass ein cerebrospinaler Nerv in seinem Verlaufe marklos würde; dass er in manchem Endorgane marklos sei bestreite ich nicht. Wenn man nun fragt, wie die Forscher zu der irrigen Ansicht gelangt sind: ein markhaltiger Nerv setze sich in einen marklosen fort, so sind es im Allgemeinen drei Fehler, die bei den Unter- suchungen begangen wurden. Der gröbste ist der, dass man Binde- gewebsfasern, die manchmal auch von der Schwann’schen Scheide oder dem Perineurium ausgingen, für Fortsetzungen des Axen- cylinders gehalten hat. Dieser Fehler ist namentlich den Forschern passirt, die solche Reagentien angewandt haben, welche die Binde- substanz besonders hervorheben, wie die längere Einwirkung der Essigsäure ete. Ferner hat man den Markmantel, da wo er nicht sehr stark ausgeprägt ist, wie eben an den feinen Nervenendigungen übersehen; zumal wenn man nicht Controllversuche mit Ueberos- miumsäure angestellt hat. Nur die Färbungen mit Gold und ver- gleichende mit Ueberosmiumsäure können in zweifelhaften Fällen sicheren Aufschluss geben, ob ein Nerv markhaltig sei oder nicht. Endlich haben die Forscher den allerdings sehr verführerischen 1) Dieses Archiv Bd. XIX. Ueber freie sensible Nervenendigungen. 379 Fehler begangen, dass sie bei der Verfolgung einer markhaltigen Cerebrospinalfaser in eine sympathische blasse Faser hineingekom- men sind und letztere für die Fortsetzung der ersteren gehalten haben, ein Fehler, der in einem Objecte, in dem beide Arten Ner- venfasern vertreten sind, um so leichter zu begehen ist, als die blassen Fasern von den cerebrospinalen Fasern manchmal fast voll- ständig verdeckt werden und erst da, wo letztere aufhören, zu Ge- sicht kommen. Als ich derartige Bilder zuerst sah, war ich selbst schwankend, ob diese marklosen Nerven nicht die Fortsetzungen der markhaltigen seien. Doch als ich bessere Präparate machte, sah ich alsbald, dass der Irrthum durch sympathische Fasern her- vorgebracht war, die gewöhnlich schon eine längere Strecke mit den cerebrospinalen Fasern einherliefen, jedoch wegen ihrer Un- scheinbarkeit entweder von mir übersehen oder für die bindege- webige Scheide des markhaltigen Nerven gehalten worden waren. Fig. 15 stellt einen derartigen Nerven mit Ueberosmiumsäure be- handelt aus dem Mesenterium des Frosches dar. Man sieht hier bei b zufälliger Weise dicht hinter einer Ranvier’schen Ein- schnürung einen blassen Nerven von dem durch Ueberosmiumsäure dunkelgefärbten Cerebrospinalnerven abgehen und könnte ihn für eine blasse Zweigfaser dieses Nerven halten, wenn man nicht bei genauerer Beobachtung sähe, dass es ein sympathischer Nerv sei, der schon eine längere Strecke mit dem cerebrospinalen Nerven einherging, um sich hier von ihm zu trennen. Fig. 16 stellt eine Nervenendigung aus der Harnblase des Frosches mit Ueberosmium- säure behandelt dar. Dieselbe müsste man nach der gewöhnlichen Ausdrucksweise „eine sensible Nervenendigung in der glatten Mus- kulatur“ nennen; doch habe ich schon oben auseinandergesetzt, dass dies unlogisch sei. Besonders gut sind an Fig. 16 die Kerne der Scheide zu sehen. Im Uebrigen präsentiren sich die mit Ue- berosmiumsäure behandelten sensiblen Nerven grade so wie alle anderen markhaltigen Nerven. Die feinsten Fasern sind ziemlich dünn, messen beim Frosch ungefähr 7 « im Durchmesser. Die Sehwann’sche Scheide ist bei guten Präparaten, abgesehen von den Kernen derselben, ebenso wenig wie bei lebenden Präparaten zu sehen, da bei Behandlung mit Ueberosmiumsäure weder Axen- cylinder noch Mark merklich schrumpft, dieselben sich daher nicht von der Scheide zurückziehen. Anders verhalten sich diese Gewebe gegen die Goldbehandlung; durch dieselbe schrumpft namentlich 380 WoW ol£f: der Axeneylinder bedeutend, das Mark viel weniger und das Binde- gewebe fast gar nicht. Dies giebt den feineren mit Goldlösungen behandelten Nerven ein ganz eigenthümliches Aussehen, das auch den gröberen Nervenfasern nicht ganz abgeht, zumal wenn man stärkere Goldlösungen in Anwendung bringt. Sie geben nämlich ungefähr ein Bild, wie ein feiner Stab, den man in eine netzende Flüssigkeit taucht und dann wieder herauszieht; dann ist die Flüs- sigkeit nicht gleichmässig um den Stab vertheilt, sondern hängt in einzelnen kleinen Tropfen um den Stab herum, je feiner nun ein Nerv ist, desto mehr ähnelt er dem beschriebenen Bilde; so sehen wir bei den äusserst feinen sensiblen Nervenendzweigen der Säuge- thiere das Mark schliesslich als lauter kleine Kügelehen um den Axeneylinder liegen, durch die hindurch wir, falls dieselben nicht zu dunkel gefärbt sind, den Axeneylinder als dünnen Faden ver- laufen 'sehen (vgl. Fig. 19). Die Erklärung für dieses Bild ist nun folgende: Sobald die Goldlösung auf den Axencylinder ein- wirkt, schrumpft derselbe; die Nervenscheide nun kann dem Zuge, der durch das Schrumpfen gesetzt wird, nicht folgen, da sie einer- seits selbst fast gar nicht schrumpft, andrerseits durch ihre eigene Festigkeit und das umliegende Gewebe in ihrer Form erhalten wird; das Nervenmark nun ist durch das Schrumpfen des Axen- eylinders und durch sein eigenes Schrumpfen in ein dreifaches Dilemma versetzt. Einerseits will es seiner Cohäsion folgen, an- drerseits der Adhäsion an den Axencylinder, endlich der Adhäsion an die Nervenscheide, je nachdem nun eine von diesen drei Kräften oder zwei zusammen überwiegen, sehen wir es in einer anderen Form. Diese Erklärung mag auf den ersten Blick etwas künstlich erscheinen, doch scheint sie eben nur so, da sie auf ganz einfachen physikalischen Grundsätzen beruht. Und dass diese eigenthüm- lichen Formen, in denen sich das Mark präsentirt, nicht präformirte Gebilde sind, davon kann man sieh mit aller Bestimmtheit durch Vergleichung mehrerer Präparate untereinander und durch die Vergleichung dieser mit durch Ueberosmiumsäure gefärbten über- zeugen. Es bleibt noch ührig die Frage zu entscheiden, was aus der Schwann’schen Scheide am Ende der Nerven wird, ob dieselbe den Axenecylinder einschliesst d. h. als eine geschlossene Röhre endigt, oder ob dieselbe am Ende offen bleibt und mit dem Bindegewebe verschmilzt. Ich muss auf Grund meiner Präparate Letzteres an- Ueber freie sensible Nervenendigungen. 381 nehmen, da ich nie eine Contour gesehen habe, die um die Nerven- endigung herumginge. Die Präparate wurden meist dargestellt, indem sie auf Kork aufgespannt vierundzwanzig Stunden mit einer Goldehloridkalium- lösung von 1:3000 respective einer Lösung von Ueberosmiumsäure 1:2000 behandelt, dann, nachdem sie in angesäuertem Wasser dem Licht ausgesetzt waren, darin untersucht wurden. Erklärung der Figuren 15—20 auf Taf. XXIV. Fig. 15. Mit Ueberosmiumsäure behandelter sensibler Nerv im Mesenterium des Frosches. a. Sensible cerebrospinale Nervenfaser und Endigung, b. sympathische Nervenfaser. Fig. 16. Mit Ueberosmiumsäure behandelte sensible Nerven in der Harnblase des Frosches. a. Kerne der Schwann’schen Scheide. Fig. 17 und 18. Mit Goldchloridkalium behandelte sensible Nerven in der Harnblase des Frosches. a. Kerne der Schwann’schen Scheide, b. Schwann’sche Scheide, c. Markklümpchen. Fig. 19. Mit Goldchloridkalium behandelte sensible Nervenverzweigung in einer Sehne von der Fledermaus. a. Kerne der Schwann’schen Scheide, b. Schwann’sche Scheide, ec. Marktropfen, bei d ist die En- digung durch eine Sehnenzelle verdeckt. Eine Endigung der Fig. 19 ist, da sie keinen Platz hatte, darüber gezeichnet. Fig. 20. Mit Goldchloridkalium behandelte sensible Nervenfaser im Mesen- terium des Frosches mit einem sympathischen Nervenbündel verlaufend und auf ihm endigend. Lineare Vergrösserung der Fig. 15, 16, 17, 18, 20 = 700. & . . 19 800. 382 Alfred Sternfeld: Ueber die Struktur des Hechtzahnes, insbesondere die des Vasodentins (Owen). Von Dr. Alfred Sternfeld. Hierzu Tafel XXV und XXVI. Die Untersuchungen, welehe der vorliegenden Arbeit zu Grunde liegen, wurden in dem unter Leitung des Herrn Professor Kupffer stehenden histologisch-embryologischen Laboratorium der Universität München ausgeführt. Für die eingreifende Hilfe und die vielfachen Belehrungen, welche mir Herr Prof. Kupffer dabei angedeihen liess, spreche ich demselben hiemit meinen verbindlichsten Dank aus. Zunächst beabsichtigte ich bei diesen Arbeiten nur, mich per- sönlich in den verschiedenen Zahnsubstanzen zu orientiren, ohne mir eine präcise Frage zur Beantwortung vorzulegen. Im Laufe der Untersuchungen und bei Anwendung mannigfacher Methoden ergaben sich aber an den verschiedenen Substanzen des Hechtzahnes Strukturverhältnisse, die zum Theil bei der Beurtheilung dieser Substanzen noch nicht Berücksichtigung gefunden haben, zum an- dern Theil mindestens bestimmter hervortraten, als sie bisher ge- schildert wurden. Ausserdem bewogen mich die Angaben in Charles Tomes!) neuerer Arbeit über das „vasculäre Dentin“ wegen mancher Abweichungen von den bisher allgemein geltenden Anschauungen, die sich hauptsächlich auf die Arbeiten von Retzius und Owen stützten, zu einer genaueren Prüfung ihrer Richtigkeit. 1) „On the Structure and Development of Vascular Dentin“, by Char- les Tomes, communicated by John Tomes. Philosophical Transactions Vol. 169, Part. I. 1878, pg. 25. Ueber die Struktur des Hechtzahnes etc. 383 Die hiebei gemachten Befunde veranlassen mich, mit einem Theil meiner Arbeit bereits jetzt an die Oeffentlichkeit zu treten. Ganz abgeschlossen würde dieselbe erst vorliegen nach Darlegung der Entwicklung des Zahnes in allen seinen Theilen. So weit ich bereits jetzt über diesen Entwicklungsvorgang mich orientirt habe, kann ich indessen schon sagen, dass auch eine eingehendere Kennt- niss der Entwicklung an der Auffassung, die ich hier über die Struktur des ausgebildeten Zahnes vertrete, nichts wesentliches ändern wird. So, glaube ich, rechtfertigt sich die vorliegende Publication. I. Allgemeines. Bekanntlich unterscheiden sich die Zähne des Unterkiefers, sowie die obersten der Kiemenbögen von denen der übrigen zalın- tragenden Knochen des Hechtes, der ossa intermaxillaria, palatina, des vomer, der Zunge, der oberen und unteren Schlundknochen und theilweise der Kiemenbögen (Heincke!)). Während die Unter- kieferzähne im ausgebildeten Zustande mit dem Knochen ankylo- siren, sind die anderen durch einen Bandapparat befestigt, der eine Zurücklegung des Zahnes nach hinten und resp. nach innen gestattet. Heincke?) war der Erste, der die Befestigungsweise der Hechtzähne genauer beschrieb. Er lässt im Anfange sämmtliche Zähne durch Fasermasse locker mit dem unterliegenden Knochen verbunden sein; während beim Unterkieferzahn diese verbindende Fasermasse verknöchere, und so Ankylose eintrete, zerfalle bei den dauernd beweglich bleibenden Zähnen ein Theil der Fasern und werde an dieser Stelle die Verbindung der Zahnbasis mit dem Knochen vollständig aufgehoben, wodurch eine Umbiegung des Zahnes nach der entgegengesetzten Seite ermöglicht werde. Die spontane Aufrichtung der umgebogenen Zähne geschehe durch elastische Fasern, welche vom centralen Theil des Zahnes zum Knochen ziehen. Ch. Tom es?), welchem die Darstellung Heincke’s 1) „Untersuchungen über die Zähne niederer Wirbelthiere“, Zeitschrift für wissenschaftl. Zoologie, Bd. XXIII. 1873, pg. 543. (Abbrev. Z. f. w. Z. XXIII.) 2) Ibidem pg. 543 und 554. 3) „Hinged teeth of common pike“. Quarterly Journal of Microscopie. Science 1878, pg. 1. Archiv f. mikrosk. Anatomie, Bd, 20. 25 384 Alfred Sternfeld: unbekannt war, beschrieb neuerdings die Befestigungsweise der Hechtzähne; er stimmt im Wesentlichen mit den Angaben Heincke’s überein und betont hauptsächlich den Zweck der Beweglichkeit der Gaumenzähne, die er durch eine Angel (hinge) befestigt sein lässt,, zur Festhaltung der einmal in der Mundhöhle befindlichen Beute, deren Eindringen durch die Niederlegung der beweglichen Zähne sehr erleichtert werde. Zunächst habe ich die Unterkieferzähne untersucht und die leichter zu entkalkenden Gaumenzähne nur so weit hereingezogen, als zur Ergänzung des Verständnisses der Structur an ersterem Object erforderlich war. Der mit dem Unterkiefer ankylosirte Zahn (Fig. 1) zeigt auf dem Bilde des trockenen Schliffes folgende verschiedene Theile. 1. Das Wurzelstück (Fig. 1 W.), durch das die Verbindung . des Zahns mit dem Unterkiefer erfolgt. Dasselbe wurde schon von Born!) unterschieden;. derselbe gibt an, dass, wenn die Verknöcherung des Zahns nahezu vollendet sei, derselbe mit dem unterliegenden Knochen durch Ankylose ver- bunden werde, indem das zwischen Zahn und Knochen befindliche Bildungsgewebe verknöchere und der basische Knochen sich erhebe; der letztere helfe gleichsam die Wurzel des Zahns ergänzen, in welcher seitlich eine ganz kleine Oeffnung zum Eindringen des Gefässes und der Nerven bleibe. In der von Born gegebenen Ab- bildung, welche von Owen?) copirt wurde, sind diese Verhältnisse indessen nicht deutlich zu erkennen. Nach Retzius°) macht der Knochen, auf welchem die älteren Zähne mit der Basis befestigt sind, obgleich von anderem Ansehen, doch eine Fortsetzung des inneren oder jüngeren Zahnkuochens selbst aus, und ermangelt der Weisse und des Glanzes des übrigen Zahnes, indem er bis an die Oberfläche grobröhrig ist. Heincke*) gibt an, dass sämmtliche Zähne des Hechtes nicht 1) „Bemerkungen über den Zahnbau der Fische“, Zeitschrift f. organ. Physik von Heusinger 1827. Bd. I. pg. 190, 201. 2) Odontography, Atlas, Tb. 44. 3) „Bemerkungen über den inneren Bau der Zähne etc. etc.“ von Retzius; aus dem Schwedischen von Creplin. Müller’s Archiv 1837, pg. 526. 4) 2. f. w. Z. XXII, pg. 543. Ueber die Struktur des Hechtzahnes ete. 385 unmittelbar auf dem Skeletknochen befestigt seien, sondern auf besonders hervorragenden Theilen von Hautknochen, die entweder in gar keiner festen Verbindung mit dem Skeletknochen stehen, oder in eine flache Vertiefung desselben eingesenkt und fest mit ihm verwachsen sind. Der Bau dieser Hautknochen ist spongiös. Nach meinen Präparaten (Fig. 1—3 W.) hat das Wurzelstück eine ungefähr stumpfkonische Form und setzt sich auch bei voll- ständiger Ankylose durch eine scharfe Grenze von dem Unterkie- ferknochen ab. Von dem cavum oris proprium her dringt an der Basis ein blind endender Kanal (Fig. 1 bei F eine Kanalhälfte) in dieses Wurzelstück und reicht etwas über die halbe Dicke des- selben hinein. Die gegen die Schleimhaut gerichtete Mündung des Kanals kann man als „foramen dentis* bezeichnen. Der Kanal dient Gefässen und Nerven zum Eintritt, die sowohl in den Unter- kiefer, wie in den Zahn sich erstrecken. 2. Die Zahnkrone (Fig. 1 K); an dieser kann man unter- scheiden: a) Eine Achsensubstanz, deren Bezeichnung als Vaso- dentin (Owen) ich beibehalte, während Ch. Tomes in neuester Zeit dafür den Namen Osteodentin eingeführt wissen will. Bei allem Gewichte, das ich den Ansichten und Aussprüchen dieses besten Kenners der Zähne und Zahnsubstanzen auch meinerseits beigelegt wissen möchte, glaube ich doch, dass die Bezeichnung Vasodentin sich für diese Substanz im Folgenden rechtfertigen wird. — Das Vasodentin hängt continuirlich mit dem Wurzelstück zusammen, und zeigt am trockenen Schliff, der keine weitere Be- handlung erfahren hat (Fig. 1 V), keine scharfe Grenze gegen das Wurzelstück. Das Vasodentin unterscheidet sich gleich dem letzteren von den übrigen Theilen des Zahnes durch gelbliche Färbung und geringe Härte. Eine unverknöcherte pulpa dentis ist bekanntlich an ausgebildeten Unterkieferzähnen nicht vorhanden. b) Das Dentin (Fig. 1 D) bildet, am Wurzelstück dünn beginnend und gegen die Spitze allmählich dicker werdend, einen eontinuirlichen Ueberzug des Vasodentins. ec) Der Schmelz. Es besteht für mich kein Zweifel, dass der Zahn in der ganzen Ausdehnung des Dentins auch von Schmelz bekleidet ist; derselbe zeichnet sich schon makroskopisch durch seinen Glanz und seine Härte aus. An der Spitze, und scheinbar auch an den beiden, resp. nach vorn und hinten gerichteten Kanten 386 Alfred Sternfeld: der stärkeren, seitlich im Unterkiefer stehenden Zähne bildet der Schmelz ein etwas mächtigeres Lager. Die Eintheilung des Hechtzahns in einen inneren, weicheren, gelblich gefärbten, Elfenbeinähnlichen Bestandtheil, und in einen äusseren harten, mehr weissen geschah schon von Retzius!) und wurden von demselben als Ursache hiefür die verschiedenen Ka- nalisationsverhältnisse der beiden Theile angegeben. Diese beiden von Retzius beschriebenen Schichten wurden auch von allen späteren Autoren angenommen. d) Das Schmelzoberhäutchen; dasselbe kann nur durch eine später zu schildernde Methode isolirt werden. Es wurde zu-. erst von Heincke?) genauer beschrieben. II. Specielle Beschreibung der einzelnen Substanzen. 1. Struktur des Wurzelstücks: Die Substanz desselben ist in kurzem Ausdruck als ein von zahlreichen mit einander anastomosirenden Kanälen durchzogener Bindegewebsknochen zu bezeichnen. Heincke?°) gibt über den Bau des von ihm als Hautknochen bezeichneten Wurzelstücks an, es sei spongiös und ermangle ebenso, wie der Skeletknochen des Hechtes der Knochenkörperchen; in den an Dicke und Länge wechselnden Balken seien nur, oft sehr spär- lich vertheilte, zahnkanälchenartige Hohlräume vorhanden. Ich finde die Grundsubstanz an Schliffen des Wurzelstückes (Fig. 2 und 3 bei W) völlig homogen; es sind trotz Anwendung von Imbibitionsmethoden, die in anderen Partien die feinsten Kanälchen zur Anschauung bringen, weder Knochenkörperchen noch Primitiv- röhrchen in derselben nachzuweisen. Sie ist an verschiedenen Stellen in verschiedener Mächtigkeit vorhanden, je nach der Stärke der Kanäle und deren Entfernung von einander. — Anders verhält es sich an Querschnitten durch entkalkte Präparate. (Die Ent- kalkungs- und Tinktionsmethoden, welche zur Anwendung kamen, werden später noch näher ausgeführt werden.) Nach Tinktion der Schnitte mit Carmin oder Hämatoxylin sieht man (Fig. 6) in einer 1) Müller’s Archiv 1837, pg. 526. 2) 2. f. w. 2. pg. 551. 3) Z. f. w. Z. XXIII. pg. 544. Ueber die Struktur des Hechtzahnes etc. 387 spärlichen Kittsubstanz (KS), welche keine weitere Struktur er- kennen lässt, fein punktirte hellere Felder von dem Durchmesser von 7,5—18,5 u; dieselben sind zum grossen Theil kreisrund, oft auch abgeplattet, wenn mehrere nahe an einander liegen, und dann eckig, polygonal. Dieselben stellen die Querschnitte von Faser- bündeln dar, welche in diesem Theil des Zahnes longitudinal ver- laufen. Die einzelnen Bündel scheinen durch die oben erwähnte Kittsubstanz förmlich eingescheidet zu werden. Zellen oder deren Kerne sind weder an den Querschnitten der Faserbündel, noch an der spärliehen, sie verbindenden Substanz zu finden. Während zum Studium der Grundsubstanz Querschnitte instruktiver sind, kann man die Anordnung und den Verlauf der Kanäle nur an Längssehnitten resp. Schliffen (Fig. 2 und 3 W) eruiren. Geht man bei der Untersuchung vom Kieferknochen aus, so findet man (Fig. 2 U) als erste auffallende Thatsache, dass die Kanäle des letzteren senkrecht zur Richtung der Kanäle des Wurzelstücks ver- laufen. An einem das foramen dentis schneidenden Längsschliff von einem mit dem Knochen in Verbindung stehenden Zahne sind die Kanalisationsverhältnisse am deutlichsten zu überschauen (Fig. 1 bei stärkerer Vergrösser.). Von dem bereits im allgemeinen Theile erwähnten, 1—1,5 mm im Durchmesser haltenden Kanale, welcher durch das foramen dentis Gefässe und Nerven eintreten lässt und mit seinem Boden von der Grenze des Wurzelstücks gegen den Unterkieferknochen nur mehr etwa 9,5 mm entfernt ist, gehen nach allen Richtungen hin Kanäle aus, die Gefässe enthalten. Einzelne derselben sieht man direkt mit den entsprechenden Kanälen des Unterkieferknochens anastomosiren, woraus erhellt, dass der Unter- kieferknochen theilweise von dem Zahn-Kanale aus mit Gefässen ver- sorgt wird. Die Grenze zwischen Zahn und Kiefer zeigt sich (Fig. 2 zwischen U und W) als eine unregelmässig geformte, im Allge- meinen wellenförmig verlaufende, schwach markirte Linie an jener Stelle, wo der Zahn früher durch fibröses Gewebe befestigt war, dessen Verknöcherung die Ankylose erzeugte. Die Kanäle des Wurzelstücks verlaufen zwar in der Längsrichtung des Zahns, geben aber eine grosse Anzahl von Seitenästen, welche vielfach mit ein- ander anastomosiren ab, so dass auch auf dem Längsschliffe sehr viele Querschnitte oder auch zur Längsachse senkrecht oder schief verlaufende Kanäle gefunden werden. Der Durchmesser der Kanäle ist sehr wechselnd von 15,0 u. bis 70,0 «u. Im Allgemeinen werden 388 Alfred Sternfeld: dieselben nach Abgabe von Seitenästen dünner; ausser diesem Systeme stärkerer Kanäle, welche in Form eines grossmaschigen Netzes das Wurzelstück durchsetzen, sind Hohlräume oder feinere Röhrehen, wie sie am Vasodentin auftreten, in demselben nicht nachzuweisen. — Was nun den Inhalt und die Wandungen dieser Knochenkanäle betrifft, so kann man diese sowohl für sich als in ihren Beziehungen zu einander besonders an tingirten Querschnitten entkalkter Objekte gut erkennen. Zur Erhaltung vorhandener zel- liger Bestandtheile, welche bei Anwendung von Salzsäure allein nicht gelang, geschah die Entkalkung entweder mit gesättigter Pikrinsäuresolution, der jedoch allmählich bis zu 2 Vol. procent Salzsäure zugefügt werden musste, da bei Anwendung von Pikrin- säure allein die Objekte noch nach Wochen fast vollkommen un- entkalkt waren; oder mit einer Lösung aus gleichen Theilen 1/; O/siger Chromsäuresol. und Y/s°/siger Salzsäure, welch’ letztere jedoch ebenfalls bis 2°/, allmählich verstärkt werden musste. Eine vollkommene Entkalkung wurde auf diese Weise erst nach 3 Mo- naten erzielt. Das Wurzelstück und der Kieferknochen leistet der Entkalkung immer grösseren Widerstand, als die Zahnkrone, welch’ auffallende Thatsache sich nur durch grössere Dichtigkeit und Undurchlässigkeit der peripheren Theile erklären lässt. Im Lumen eines Kanales findet sieh fast immer ein Blutgefäss (G Fig. 6), manchmal auch zwei, mitunter noch mit Blutkörperchen erfüllt; dasselbe füllt jedoch den Hohlraum nicht aus, sondern steht in der Regel von der Kanalwandung ab. Die Gefässe sind im Allgemeinen dünnwandig, es finden sich jedoch auch stärkere Gefässe und zeigen die Querschnitte dieser ein inneres Endothel (Fig. 6 GEi), darauf folgt eine Schicht, die nach der Form und Lagerung ihrer Kerne als Längsmuskelsehieht gedeutet werden muss (Fig. 6 MK). Mehr- fach habe ich ferner eine dieser Muskelschicht auflagernde äussere Endothelbekleidung deutlich nachzuweisen vermocht. Die Kanal- wandung bekleidend findet man platte-Zellen mit deutlich erkenn- barem Kern (Fig. 6 E), auf Querschnitten sind diese oft in gleichem Abstande von einander ringförmig angeordnet, die Kerne etwas gegen das Lumen des Kanals vorragend. Die letzteren zeigen eine Dicke von ce. 3,54 und eine Länge von 7,5—11,0u. An vielen Stellen sieht man von der Kanalwandung zur Gefässoberfläche spindelförmige Zellen ziehen (Fig. 6 Sp), wodurch das Gefäss förmlich im Kanal suspendirt erscheint; darnach lässt sich sagen, Ueber die Struktur des Hechtzahnes etc. 389 dass sich zwischen den Gefässen und der Kanalwand ein beider- seits von Endothel ausgekleideter perivasculärer Raum befindet. Eine eigene Wandschicht der Kanäle ist an vielen Querschnitten deutlich erkennbar (Fig. 6 L) in Form eines homogen aussehenden oder leicht concentrisch gestreiften Ringes. Eigentliche Lamellen- systeme sind nicht zu sehen. Die Kanäle darf man nach diesen Befunden als Haversische auffassen, da man bei guten Präparaten in dem Lumen eines jeden Kanals Querschnitte von Gefässen an- trifft. Das ganze Wurzelstück wäre darnach als ein an Gefäss- kanälen reicher aus Bindegewebe entstandener Knochen aufzufassen. Leydig!) sagt von den Knochen des Polypterus, Lepto- cephalus und Helmichthys, dass sie keine Spur vom Bau des Knoehengewebes haben, vielmehr einfach als mit Erdsalzen im- prägnirtes Bindegewebe erscheinen, auch ohne Knochenkörperchen seien. Zu dieser Kategorie von knochenartigen Geweben gehört auch das Wurzelstück des Hechtzahns, wie überhaupt das Skelett des Hechtes, das nach Heincke keine Knochenkörperchen besitzt. Das Gewebe des Wurzelstücks hat im Verhalten seiner Grundsub- stanz Aehnlichkeit mit einem Knochengewebe, das ebenfalls aus fihrrösem Gewebe entstanden ist und das als Typus der Bindege- websverknöcherung angesehen werden kann, nämlich mit der ver- knöcherten Vogelsehne. Die Beziehung der verknöcherten Vogel- sehne zu echtem Knochengewebe wurde zuerst von Lieberkühn?) beschrieben. Nach Ranvier?) bestehen die Beugesehnen der Klauen der Hühner, der Truthähne u. s. w. im grössten Theil ihres Verlaufes aus wahrem Knochengewebe, welches Knochen-Körperchen enthält, sowie Havers’sche Kanäle, deren Richtung gewöhnlich parallel zur Achse der Sehne verläuft. An Querschnitten entkalkter Knochen werden alle Sehnenbündel und die Mehrzahl der Haversischen Kanäle quer durchschnitten. Beinahe die ganze Grundsubstanz be- steht aus Sharpey’schen Fasern; dieselben entsprechen wohl den Seh- nenbündeln, nur sind sie, selbst wenn die verkalkten Theile voll- 1) Lehrbuch der vergleichenden Histologie 1857, pg. 163. 2) Lieberkühn und Puelma, „Ueber Bildung der Knochensubstanz“, Schriften d. Gesellsch. z. Beförd. d. gesammt. Naturw. i. Marburg 1876. 3) L. Ranvier’s Technisches Lehrbuch der Histologie. Deutsch v. Nicati und Wyss (1877) pg. 427 und ft. 390 Alfred Sternfeld: ständig entfernt wurden, steif und homogen, während die gewöhn- lichen Sehnenbündel geschmeidig sind und an Querschnitten Zeich- nungen darbieten, die den Fibrillen oder den Gruppen der Fibrillen, die sie zusammensetzen, entsprechen. Die Ossifikation der Sehne geschieht daher nicht allein durch eine Infiltration mit Kalksalzen, sondern auch durch eine Umwandlung ihrer collagenen Substanz. In der Nähe der Gefässkanäle haben die Sehnenbündel eine stärkere Condensation erlitten als in dem Rest der Sehne. Ihre Grenze ist dort weniger scharf gezeichnet, obwohl sie noch erkenn- bar ist. Ausserdem springen sie ins Lumen der Kanäle vor, und bilden dort einen gezackten Rand, wo jede Zacke einem querge- schnittenen Bündel entspricht. Alle diese Sehnenbündel, sowohl diejenigen, welche in der Nähe der Gefässe liegen, als die andern, werden durch eine homogene Substanz von veränderlicher Dicke getrennt, in der namentlich an den von mehreren Bündeln gebil- deten Winkeln Kerne liegen, die besonders gut sichtbar sind bei Carmin- oder Purpurintinktion, und den Knochenkörperchen ange- hören. In den in Ossifikation begriffenen Sehnen findet sich an der Grenze der verknöcherten Theile ebenfalls eine chondroide Zone. Die darin enthaltenen Zellen sind kugelig oder embryonal. Sie unterscheiden sich von den Osteoblasten dnreh ihre Form und doch besitzen sie ihre Eigenschaften, denn um dieselben entsteht zwischen den Sehnenbündeln Knochensubstanz. Diese Darstellung Ran vier’s vom Sehnenknochen kann auch für die Grundsubstanz des Wurzelstücks vom Hechtzahn gelten, nur weicht die Struktur von der des Vogelsehnenknochens darin wesentlich ab, dass in ihr keine Knochenkörperchen zu finden sind. Was nun die Endothelbekleidung der Kanäle des Wurzel- stücks, resp. das Vorhandensein perivasculärer Räume betrifft, die wohl unbedenklich als Lymphräume bezeichnet werden können, so liegen entsprechende Beobachtungen für andere Knochen vor. Budge!) wies in compakter Knochensubstanz perivasculäre Räume nach. Nach ihm lassen sich durch Einstich an geeigneten Stellen des Periosts, im Zusammenhang mit den groben Lymph- gefässen, Räume in der compakten Knochensubstanz injieiren, die 1) Dr. A. Budge „Ueber Lymph- und Blutgefässe der Röhrenknochen“, Auszug aus einem Vortrag im medizinischen Verein zu Greifswald vom 6, Mai 1876. pg. !/a. Ueber die Struktur des Hechtzahnes etc. 391 zwischen zwei Endothelschichten liegen, deren eine der Blutcapil- lare angehört, während die andere den Haversischen Kanal aus- kleidet. 2. Struktur der Zahnkrone. a) Vasodentin. Gefässhaltiges Dentin war sicher schon Retzius!) bekannt; es geht dies deutlich aus seinen Angaben über die Zähne von Esox Lucius und Gadus Molva hervor; bezüglich der ersteren sagt Retzius, dass die gröberen Röhren des inneren Zahnknochens stellenweise eine blutrothe Substanz enthalten, und deswegen als eine vielfach getheilte cavitas pulpae betrachtet werden können. Die Anordnung dieser Röhren beim Langfische vergleicht Retzius mit den feineren Blutgefässen in den Darmzotten, woraus sich (auch nach Tomes)?) schliessen lässt, dass Retzius den wahren Charakter dieses Zahnbeins kannte.. Eine besondere Nomenelatur oder Systematisirung wurde aber von Retzius unterlassen, Erst Owen?°), welcher für das mit den verschiedensten Namen belegte Zahnbein die generelle Bezeichnung Dentin eingeführt hatte, unterschied dann besonders das gefässhaltige Zahnbein (vaseular dentine) und belegte die Unterabtheilungen oder Modi- ficationen des letzteren noch mit besonderen Namen. Im Allge- meinen sollte für gefässhaltiges Dentin die Bezeichnung „Vasodentin“ gelten, wenn dieses Dentin aber ausser Gefässen noch Haversische Lamellen mit Knochenkörperchen enthält und dadurch den Knochen- geweben ähnlich wird, die Bezeichnung „Osteodentir“. Den besten Beweis dafür, dass man wegen des allmählichen Uebergangs des einen Gewebes in das andere in vielen Fällen die eine oder die andere Bezeichnung nicht vollkommen rechtfertigen kann, liefert Owen selbst und zwar dadurch, dass er in seiner Odontography gewöhnlich nur von „vascular dentine* spricht, das bekanntlich „Vasodentin“ und „Osteodentin“ zusammenfasst. 1) Die oben (pg. 384, N. 3) eitirte Arbeit in Müller’s Archiv 1837, pg. 526/8. Ins Englische übertragen von Nasmyth „On the teeth“ 1839. 2) Philosoph. Transact. 1878, pg. 31. 3) Report of British Association 1838, pg. 137; und Odontography, London 1840/45, Introduction pg. VI. und LXXII. 392 Alfred Sternfeld: Es hat nun in neuerer Zeit Ch. Tomes') die strenge Unter- scheidung der einzelnen Dentinmodifikationen wieder in Angriff senommen und kam zu dem Resultate, dass man im Ganzen vier Dentinarten unterscheiden müsse. Bei der Bestimmung der Be- zeichnung ging er hauptsächlich von der Entwicklung aus; mit Berücksichtigung dieser stellt Tomes folgende Definitionen für Va- sodentin und Osteodentin auf?): „Das Vasodentin ist ein Gewebe ohne ächte Zahnkanälchen (dentinal tubes), obschon es gänzlich aus der Odontoblastenschichte einer einfachen Pulpa gebildet wird. Es wird reichlich durchzogen von Röhren stärkeren Kalibers, welche gebildet werden durch die Umsehliessung von Capillargefässen und enthält solche Capillar- gefässe. Beispiel: Merlucius vulgaris“. Nach Tomes sind bier die Gefässe in innigem Contakt mit der Kanalwandung, weil die das Gefäss bedeckenden Zellen ver- kalken. Die Abwesenheit der Zahnkanälchen bei Vasodentin ist von Tomes nicht besonders betont; er lässt die Bezeichnung auch noch zu, wenn Zahnkanälchen gleichzeitig vorhanden sind (Pleu- ronectidenzähne)?). „Das Osteodentin (für welches als Muster der Hechtzahn an- gegeben ist) entbehrt, ausser in der Form einer Schicht harten Dentins auf seiner Oberfläche, der Zahnkanälehen und entsteht durch eine Verkalkung, welche sich durch die ganze Substanz der for- mativen Pulpa hindurch erstreckt (shoot), so dass es (das Osteo- dentin) nicht von einer speciellen Odontoblastenschicht herrührt. Die grösseren Röhren enthalten keine Capillaren und der einzige unterscheidende Charakter dieses Gewebes vom Knochen liegt in der Thatsache, dass es sich aus einer Zahnpulpa entwickelt, und nicht in der Art jener Entwicklung. Es ist dem Knochen so ver- wandt, dass der Zahn eines Hechtes füglich als ein konischer Knochenkern bezeichnet werden kann, der mit einer dünnen Haut harten Dentins versehen ist“. Beim Osteodentin entstehen nach Tomes durch die balkenweise Verkalkung der Pulpa und durch Verschmelzung dieser Knochenbalken Kanäle, welche zufällig 1) Die oben (pg. 382 A. 1) eitirte Arbeit in den Philosoph. Transact. Vol. 169, Part. I, 1878, pg. 25. 2) Ibid. pg. 39/40. 3) Ibid. pe. 34. Ueber die Struktur des Hechtzahnes ete. 393 (as a matter of aceident) Gefässe enthalten können, diese füllen aber dann nie den ganzen leeren Raum aus!). Der Hauptunterschied zwischen Vasodentin und Östeodentin liegt also nach Tomes darin, dass das Vasodentin durch eine ex- centrische, schichtenweise stattfindende Odontoblastenverkalkung mit Kanalbildung direkt um- und resp. durch die Gefässe entsteht, dass dagegen, beim Osteodentin das ganze Pulpagewebe ordnungs- los verkalkt, wobei kanalartige Lücken gebildet werden, in welchen sich neben anderem unverkalktem Pulpagewebe auch gelegentlich Gefässe befinden können. Das Vasodentin besitzt somit noch eine mehr minder redueirte Pulpa mit glatter Oberfläche?), während beim Osteodentin, wenn überhaupt noch ein Rest der Pulpa vor- handen ist, dieser eine vollkommene unebene Oberfläche besitzt, weil hier die Verkalkung ganz unregelmässig und nicht schichten- weise vor sich gegangen ist. Im Folgenden hebe ich jene Punkte hervor, auf welche sich Tomes bei seinen Aufstellungen wesentlich stützt, welche sich aber im Laufe meiner Untersuchungen als nicht stichhaltig erwiesen. Nach Tomes ist: 1) Die Achsensubstanz des Hechtzahns von gröberer Struktur als das Dentin; sie ist von grossen, unregelmässigen Zwischen- räumen durchzogen, die eine allgemein longitudinale Richtung haben°); sie*) ist dem unterliegenden Knochen in der Struktur so ähnlich, dass es absolut unmöglich (absolutely impossible) ist, in einem ausgebildeten Zahne zwischen diesen beiden eine Demar- kationslinie zu finden. 2) Enthalten die grösseren Kanäle nach T. nur zufälliger Weise (as a matter of aceident)°) capilläre Blutgefässe, d. h. das Dentin, wie es geformt ist, ist nicht um Capillaren herumgelagert, so dass diese darin eingeschlossen sind und dadurch enthalten sehr wenige Kanäle Capillaren. Darauf, dass die Kanäle keine Be- 1) Ibid. pg. 35/6. 2) Ibid. pg. 37. 3) Ibid. pg. 35. 4) „Hinged teeth of common Pike“, Quarterly Journal of Microscopical Science 1878, pg. 4. 5) Philosoph. Transact. 1878, pg. 35. 394 Alfred Sternfeld: ziehung zu capillären Blutgefässen haben, wird von T. wiederholt!) hingewiesen. 3) Die die Oberfläche der Hechtzahnpulpa wie ein Epithel bedeckenden Zellen bilden keine so klare und scharf begrenzte Schieht wie die Odontoblasten der meisten Zahnpulpen?). 4) Der Hechtzahn besteht aus einem porösen Knochen, welcher mit einer dünnen Dentinhaut überdeckt ist’); (es ist desshalb nach T. die Bezeichnung „Osteodentin“ am zweckmässigsten). Ich werde auf diese seine Aufstellungen bei Besprechung der betreffenden Theile zurückkommen. Gehe ich nun an die Beschreibung des Vasodentins nach meinen eigenen Präparaten, so finde ich hier Folgendes: Auf den ersten Bliek unterscheidet sich an einem trockenen Schliffe des Hechtzahns (Fig. 1 V), der ohne weitere Behandlung - untersucht wird oder aber nach Einbettung in Canadabalsam der Prüfung unterliegt, diese Substanz ihrer Struktur nach nicht von der des Wurzelstücks, wie denn auch zwischen beiden Abtheilungen keine Grenze zu sehen ist, ausser dass die Zahnkrone sich gegen den Durchmesser des Wurzelstücks etwas verjüngt. Es findet sich die verkalkte Grundsubstanz von demselben Aussehen und dem- selben Lichtbrechungsvermögen, wie an dem Wurzelstück; dasselbe Kanalsystem erstreckt sich in Fortsetzung der Kanäle des Wurzel- stücks durch die ganze Länge der Achsensubstanz und zwar zeigt sich auch hier, wie an dem Wurzelstück, dass stärkere Kanäle in der Nähe der Achse gelegen sind. Genaueres über den Charakter der Grundsubstanz lässt sich erst an Längs- und Querschnitten durch den entkalkten Zahn ermitteln, nachdem diese Schnitte ver- schiedenen Färbungen unterzogen wurden. Das Entkalkungsver- fahren war das bereits oben erwähnte; es wurden die Zähne in gesättigte Pikrinsäurelösung gebracht und nach 8 bis 10 Tagen der Lösung 1 bis 2 Volumprocent käuflicher Salzsäure hinzugesetzt. Die nicht ankylosirten Unterkieferzähne waren bei Anwendung dieser Methode gewöhnlich nach 14 Tagen entkalkt, während bei den am Knochen befestigten Zähnen die Entkalkung der Zahnkrone erst nach 3 Wochen und des Wurzelstücks und Unterkieferknochens 1) Ibid. pe. 37. 2) Ibid. pg. 36. 3) Ibid. pg. 37. Ueber die Struktur des Hechtzahnes ete. 395 erst nach 2 bis 3 Monaten eine vollständige war. Dass lose Zähne schneller entkalkt werden, mag zum Theil daher rühren, dass die Säure auch von der Zahnbasis her durch das Dentin auf den Schmelz einwirken kann, während bei befestigten Zähnen die Säure fast nur durch das äusserst resistente Schmelzoberhäutchen hindurch zur Wirkung gelangt. Ganz ähnlich waren die Entkalkungsre- sultate bei Anwendung von Y/s%/siger Chrom- mit !/aP/siger Salz- Säure (zu gleichen Theilen). Die entkalkten Zähne wurden zur Entfernung der Säure mit destillirtem Wasser ausgewaschen und in Alkohol gehärtet. Zur Einbettung wurde ausschliesslich Paraffin, zum Schneiden das Leyser’sche Mikrotom verwendet. Die aus den entkalkten Zähnen gewonnenen Schnitte wurden mit Carmin, Haematoxylin oder Bismarckbraun tingirt. Zur Carmintinktion wurde essigsaure Lösung in verschiedenen Concentrationen ver- wendet; die Schnitte verblieben darin 12—24 Stunden, wurden dann mit Wasser abgespült und mit Glycerinsalzsäure (Glycerin, aqu. dest. aa, acid. muriat. !/g°/o) extrahirt bis zur deutlichen Kern- differenzirung. Zur Haematoxylintinktion wurde die Böhmer'sche Lösung verwendet; die Schnitte verblieben darin 5—15 Minuten, wurden dann durch stark verdünnte Salzsäure (1 Tropfen Salzsäure auf ein Uhrschäichen Wasser) bis zur röthlichen Färbung extrahirt und wurde mit Ammoniak (dieselbe Concentration wie bei Salz- säure) die Nachdunklung vermittelt. Bismarekbraun wurde in wässriger Lösung verschiedener Concentration verwendet; die Schnitte blieben etwa 5 Minuten darin und kamen dann in 90°%/,igen Alkohol. In einigen Fällen wurde mit schwacher Pikrinsäureso- lution nachtingirt, die Schnitte dann direkt in absoluten Alkohol, in welchem die Pikrinsäure bekanntlich schwer löslich ist, gebracht. Die so tingirten Schnitte zeigen nun eine grössere Compli- kation in der Zusammensetzung der Grundsubstanz, als man an den nicht entkalkten Zahnschliffen annekmen konnte. Die Haupt- masse dieser Substanz bilden wie beim Wurzelstück Fibrillenbün- del, die vorherrschend in der Längsrichtung des Zahnes verlaufen. Der Querschnitt jedes Bündels ist annähernd kreisförmig. Die Zusammensetzung aus Fibrillen gibt sich an dem Querschnitt durch eine feine Punktirung kund und es gelingt nicht selten durch Druck oder in Folge des Zuges des Messers die Fibrillen derart isolirt wahrzunehmen, dass sie an der Schnittfläche pinselartig divergiren. Das Bild in Fig. 9 ist zwar einem Gaumenzahn entnommen, ent- 396 Alfred Sternfeld: spricht aber in Bezug auf die Fibrillenbündel durchaus den Ver- hältnissen des Unterkieferzahns. Zwischen diesen longitudinal ver- laufenden Fibrillenbündeln findet sich eine sie verbindende Masse, (Fig. 7 KS) die levhaftere Tinktion annimmt, wie die Bündel selbst; es scheint als wären die Fibrillenbündel in eine anders geartete Kittsubstanz eingelagert. Diese Kittsubstanz erscheint an ver- schiedenen Präparaten von verschiedener Mächtigkeit und liegt die Annahme nahe, dass die einem Bündel zunächstliegenden Theile der Kittsubstanz eine wirkliche Scheide um dasselbe bilden; in der Circumferenz der mehr minder farblos erscheinenden Bündelquer- schnitte zeigt sich nämlich oft eine deutliche farbige Contour, welche auf solehe Scheiden bezogen werden kann; mit Sicherheit wurde diese Frage nicht entschieden. Ein eigenthümliches Verhalten zeigten jene Zähne, welche mittelst Chromsäure entkalkt worden waren; während nämlich bei den mit Pikrinsäure entkalkten die Kittsubstanz gefärbt und die Bündelquerschnitte mehr minder farb- los erschienen an tingirten Schnitten, war das Verhalten bei der Chromsäureentkalkung ein umgekehrtes: die Grundsubstanz blieb hell und die Bündelquerschnitte erschienen gefärbt, gleichviel welcher Farbstoff zur Tinktion angewendet wurde. Von der eben beschriebenen aus Faserbündeln sich zusam- mensetzenden Substanz abweichend verhält sich die Wandschicht der Kanäle, die (auch bei Pikrinsäureentkalkung) schwächer tingirt erscheint und lamellöse Schichtung wahrnehmen lässt (Fig. 7 A). Ist diese Schichtung auch lange nicht so deutlich und regelmässig wie die Havers’schen Lamellen an den Knochen der Säugethiere, so liegt doch entschieden etwas Analoges hier vor; weder an dieser lamellösen Wandschicht der Kanäle, noch zwi- schen den Fibrillen und in der die letzteren zusammen- haltenden Substanz sind irgend die typischen Knochen- körperchen wahrzunehmen. Man hat es also auch hier mit einem diese Knochenkörperchen oder Höhlen entbehrenden Binde- gewebsknochen zu thun. Längsschnitte solcher entkalkter Zähne zeigen die Bündel sowohl als die in denselben enthaltenen Fibrillen geradlinig verlaufend und im Verhältniss zum gewöhnlichen Binde- gewebe rigide, wie dies ja auch von dem verwandten Gewebe der verkalkten Vogelsehnen beschrieben wurde. Die Kanäle anlangend, so lässt sich der Verlauf und der Zu- sammenhang derselben mit Sicherheit nur an Präparaten verfolgen, Ueber die Struktur des Hechtzahnes ete. 397 an denen das ganze Kanalsystem mit einem Farbstoff imbibirt ist. Das Verfahren zur Imbibition von Zahnschliffen war das von Ranvier!) empfohlene und ausführlich beschriebene, doch wurde dasselbe nach einer im hiesigen histologisch-embryologischen Laboratorium bewährt gefundenen Methode modifieirt, durch welche die lang- wierige der Imbibition vorausgehende Maceration vollständig ersetzt wird. Es werden nach dieser von dem Präparator des Laboratoriums Herrn A. Böhm angewandten Methode die in gewöhnlicher Weise hergestellten Schliffe auf 3 bis 4 Tage in Benzin gelegt, darauf auf Filtrirpapier getrocknet und nun erst nach dem Vorschlage Ranvier’s in die alkoholische Lösung des in Wasser unlöslichen Anilinblau gebracht und während einiger Stunden darin gelassen, dann die Lösung mit den Schliffen im Wasserbade bis zur voll- ständigen Eintrocknung erwärmt, und nun die mit Farbstoff be- deckten Schliffe von beiden Seiten her auf einer mit physiologischer oder auch mit 2°/,iger Kochsalzlösung befeuchteten matten Glas- tafel abgeschliffen, mit derselben Lösung gewaschen und in mit Koch- salz gesättigtem Glycerin eingeschlossen. (Der Zusatz von Kochsalz geschieht, um die Unlöslichkeit des Anilinblau vollkommen zu sichern.) Die Imbibition des gesammten Kanalsystems der Zähne bis in die feinsten Primitivröhrehen des Dentins und Vasodentins war an den so behandelten Präparaten durchaus vollständig, wie die Figuren 3 und 4 ergeben. Die Figur 3 zeigt einen so behan- delten Schliff, der bei W das Kanalsystem des Wurzelstücks, bei V das des Vasodentins der Zahnkrone enthält. Man sieht bei vor- wiegend longitudinalem Verlauf der Kanäle dieselben durch zahl- reiche quere und schräge Anastomosen mit einander in Verbindung. Das Kaliber dieser Kanäle ist ein sehr verschiedenes, zwischen 20 und 70 u. wechselndes. Indessen die Achsensubstanz der Zahnkrone wird nicht allein von diesen gröberen Kanälen durchsetzt, es findet sich viel- mehr ein feines Röhrchensystem (Fig. 3 und 5 P), das ich als Primitivröhrchen des Vasodentins bezeichnen will, zwi- schen denselben. Diese Primitivröhrchen fehlen dem Wur- zelstück (Fig. 2 und 3) und es fällt das Auftreten derselben mit der Grenze zwischen Wurzelstück und Zahnkrone zusammen. Während 1) Ranvier’s Technisches Lehrbuch der Histologie, Deutsch v. Ni- cati und Wyss, pg. 287/8. 398 Alfred Sternfeld: also an dem nicht imbibirten Zahnschliff eine Differenz im Baue des Wurzelstücks und der Achsensubstanz der Zahnkrone kaum wahrzunehmen ist, zeigt der gut imbibirte Schliff den durch das erwähnte Strukturverhältniss bedingten Unterschied in ausgepräg- tester Weise. Dieses System der Primitivröhrchen ist von Tomes nieht wahrgenommen worden. T. sagt nämlich, der Kern des Zahnes und der unterliegende Knochen seien so ähnlich strukturirt, dass es absolut unmöglich sei, in einem ausgebildeten Zahne zwischen diesen beiden eine Demarkationslinie zu finden !), und damit ver- lieren seine Aufstellungen der verschiedenen Modifikationen des Dentins an Gewicht. Dagegen hat Retzius die Verhältnisse wohl richtig erkannt, obwohl er die Struktur nur an trockenen Schliffen studirte, an welchen die Primitivröhrehennetze des Vasodentins nur ganz unvollständig und mit geringerer Deutlichkeit wahrnehm- bar sind; und Owen hat durch die vollkommene Wiedergabe der Angaben von Retzius die letzteren bestätigt, ausserdem geht aus Owen’s Schilderung des vasculären Dentins?) hervor, dass Owen das Primitivröhrehennetz, das er als moosähnliches Geflechte (moss like plexus) bezeichnete, kannte. Retzius?) gibt folgende auf den Hechtzahn sich beziehende Beschreibung: „Von den groben Stammröhren (des Zahnkernes) gehen besonders schöne, sehr kurze Röhrenstämme, von "/soo bis 1/1000‘ PM Dicke, meistens nach querer Richtung aus, die sich gleich nach ihrem Austritte in äusserst feine Büschel theilen, deren Ramifikationen unzählige netzförmige Verbindungen unter ein- ander eingehen und die Zwischenräume zwischen den gröberen Röhren ausfüllen“. Heincke‘) gibt über das Primitivröhrchennetz nichts an; seiner Auffassung der Zahnkanälchen im Dentin entsprechend müssten wohl auch die Primitivröhrechen des Vasodentins nicht als wirkliche Röhrehen, sondern nur als Lücken der Grundsubstanz aufgefasst werden, welche Auffassung jedoch gerade beim Hecht- zahn aus später zu erörternden Gründen nicht zutrifft. An gut imbibirten Schliffen zeigen die Primitivröhrehen fol- 1) Siehe oben pg. 12, I. 2) Odontography, Introduct. pg. XVIUXVIL. 3) Müller’s Archiv, 1837, pg. 5267. 4) Z. f. w. Z. XXII, pg. 555. Ueber die Struktur des Hechtzahnes etc. 399 gendes Verhalten, das die Figur 3 illustrirt: In kurzen Abständen gehen von den oben beschriebenen stärkeren Kanälen feine Stämm- chen aus, die sich ramifieiren und mit den Ramifikationen der Nachbarstämmchen derart in Communikation treten, dass ein Netz- werk von rundlich viereckigen Maschen entsteht; dieses eontinuir- liche Maschenwerk durchsetzt die verkalkte Grundsubstanz in der ganzen Ausdehnung gleichmässig, derart, dass das gröbere Kanal- netz durch dieses System der Primitivröhrchen allseitig verbunden wird. Das Kaliber dieser Primitivröhrchen entspricht demjenigen der eigentlichen Dentinröhrchen, und es kann keinem Zweifel un- terliegen, dass beide Systeme analoge Bildungen sind, was noch durch weitere Befunde später aufs Bestimmteste bewiesen werden wird. Wir haben also in der Achsensubstanz der Zahn- krone, dem Vasodentin, ein Gewebe vor uns, das zwi- schen demBindegewebsknochen des Wurzelstücks und wahrem Dentin die Mitte hält. Tomes’ Angabe, der Hechtzahn bestehe aus einem Kern po- rösen Knochens, der mit einer dünnen Dentinhaut überdeckt sei !), ist daher unzureichend, denn dieser poröse Knochen ist bestimmt von dem porösen Knochen des Wurzelstücks zu unterscheiden. Nachdem ich in der Achsensubstanz der Zahnkrone diese den Den- tinröhrehen analogen Primitivröhrcehen erkannt hatte, schien mir für dieses Gewebe die Bezeichnung „Vasodentin“ besonders ge- eignet und ich halte dieselbe daher gegenüber Tomes aufrecht. Den Inhalt der stärkeren Kanäle anlangend, so gilt für die- selben, was bereits bei Beschreibung des Wurzelstücks angegeben wurde: Ein jeder Kanal ist zu äusserst von einer continuirlichen Schicht platter Zellen (deren Kerne besonders deutlich an beliebig tingirten Schnitten von jenen Zähnen erschienen, welche mittelst 1/a°/o Chrom- und '/s°/uiger Salzsäure, zu gleichen Theilen, ent- kalkt waren) ausgekleidet, was an jenen Stellen sehr schön zu sehen ist, an welchen mehrere zusammenhängende Endo- thelzellen von der Kanalwand etwas abgehoben oder losgerissen sind, — Endothelrohr des Kanals (Fig. 9 CE) — und enthält inner- halb dieses 1 bis 2 Gefässe, die theils den Bau von Capillaren zeigen, theils dickere Wandungen aufweisen, und dann mit längs- 1) Siehe oben p. 12, IV. Archiv f. mikrosk, Anatomie. Bd. 20. 26 400 Alfred Sternfeld: gestellten Muskelkernen versehen sind (Fig. 9 MK, siehe auch Fig. 6, welehe in dieser Beziehung viel Aehnlichkeit mit dem Vaso- dentin hat). An manchen Gefässen konnte mit Sicherheit eine äussere Endothelschieht mit in das Lumen des Kanals vorspringen- den Kernen erkannt werden (Fig. 9 GEa), so dass also der peri- vasculäre Raum eine äussere Endothelbekleidung an der Kanalwand und eine innere an der Oberfläche der Gefässe besitzt; es finden sich somit in den Kanälen die Gefässe umgebende Räume, die mit Wahrscheinlichkeit als Lymphräume bezeichnet werden können, wie sie bereits beim Wurzelstück beschrieben wurden. Die Gefäss- wandungen stehen von dem Endothelrohr der Kanäle meist deut- lich ab, sind aber häufig durch spindel- oder sternförmige Zellen (Fig. 9 Sp), welche von der Gefässoberfläche zum Endothelrohr ziehen, an die Kanalwand fixirt oder förmlich im Kanallumen sus- pendirt. Also auch nach dieser Seite hin sind Tomes’ An- gaben über das Achsengewebe des Hechtzahns zu be- richtigen. Es finden sich nicht, wie er behauptet, in den Kanälen die Gefässe nur spärlich und ausnahms- weise!), sondern ausnahmslos. Das gröbere Kanalwerk führt in seiner ganzen Ausdehnung Blutgefässe, aber allerdings nicht diese allein. Von besonderem Interesse war es nun, festzustellen, welcher Inhalt sich in den Primitivröhrchen des Vasodentins fände, ob die- selben, wie die Röhrchen des eigentlichen Dentins weiche Fasern enthielten, und, wenn dem so ist, von welchen Elementen diese Fasern ausgehen. Ich beantworte diese Frage nach Beschreibung der Verhältnisse des das Vasodentin continuirlich bekleidenden eigentlichen (harten) Dentins. b) Dentin. Das eigentliche Dentin setzt sich vom Vasodentin deutlich durch die Grenze ab, welche die peripher gelegenen Kanäle des letzteren durch reichliche Anastomosen bilden. Auf Querschliffen oder Schnitten findet man diese Grenze in Form einer Reihe von runden, ovalen oder mehr minder verzogenen Lücken, welche immer 1) Siehe oben pg. 12, H. Ueber die Struktur des Hechtzahnes etc. 401 dem Lumen eines Kanals oder zweier in einander mündender Kanäle entsprechen (Fig. 5 D), an Längsschliffen- oder Schnitten dagegen trifft man kürzere oder längere Gefässstücke in unter- brochener Reihenfolge an der Grenze zwischen Vasodentin und eigentlichem Dentin. An diesem letzteren kann man zwei wesent- lich von einander differirende Regionen wahrnehmen: die gegen die Achse zu gelegene (Fig. 3, 4, 5, 7, D‘) zeigte gewöhnlich so- wohl an entkalkten als nicht entkalten Präparaten, auf dem Längs- sowie auf dem Querschnitt eine vollkommen homogen beschaffene Grundsubstanz;; bei mehreren Präparaten, welche von mitPikrinsäure entkalkten Zähnen herrührten, zeigten sich bei Carmin-, besonders deutlich aber bei Hämatoxylintinktion einzelne helle Felder (Fig. 7 D), welche vollkommen den Bündelquerschnitten des Vaso- dentins in ihrem Verhalten entsprachen und nur viel geringeren Umfang als diese besassen. Bei allen übrigen Präparaten war an der Grundsubstanz weder eine fibrilläre Streifung noch eine Ein- lagerung von Faserbündeln oder zelligen Gebilden wahrzunehmen; an mit Carmin oder Hämatoxylin tingirten Schnitten von Zähnen, welche mit Pikrinsäure entkalkt wurden, erscheint nach Extraktion mit Salzsäure (Glycerin, Wasser aa; 1—2 gtt. Salzsäure auf ein Uhrschälehen), bis zur deutlichen Kerndifferenzirung die Grund- substanz farblos oder doch nur ganz schwach gefärbt. Wie schon erwähnt verjüngt sich die Dentinkappe des Zahns gegen die Zahn- basis und erscheint das Dentin deshalb in grösserer oder geringerer Mächtigkeit, je nach dem man eine der Spitze oder der Basis näher gelegene Stelle untersucht. Die Grundsubstanz dieser Region des Dentins weicht also in der Struktur gewöhnlich in keiner Weise von der des Säugethierzahnes ab, und da die nun zu be- schreibenden Zahnbeinröhrehen in ziemlicher Regelmässigkeit an- geordnet sind, so gleicht überhaupt der innere Theil des Dentins sehr dem echten Dentin des Säugethierzahnes. Die Röhrchen im Dentin sind wie im Vasodentin vorzugs- weise an Imbibitionspräparaten deutlich zu erkennen; diese Prä- parate (Fig. 3, 4, 5, 7, D) zeigen nun Folgendes: Von den peripher gelegenen Gefässkanälen des Vasodentins ziehen wie von einer Pulpahöhle aus Röhrchen von einem Durchmesser von 3—44 in leicht welligem Verlaufe gegen die Peripherie hin. In der Nähe der Zahnbasis gehen sie fast unter einem rechten Winkel von den Kanälen ab, während die gegen die Spitze zu folgenden einen 402 Alfred Sternfeld: immer spitzer werdenden Winkel mit der Achse des Ursprungs- kanals bilden, bis endlich die in der Spitze selbst liegenden Zahn- beinröhrehen in derselben Richtung wie der Kanal selbst verlaufen. Bald nach ihrem Austritte theilen sich die Röhrchen, und die Zweiglein, welche unter einander zahlreiche Anastomosen eingehen, ziehen nahezu parallel gegen die Oberfläche des Zahns. Nach kurzem Verlauf lösen sich die Zweiglein in ein Maschennetz (Fig. 4, D“) auf, welehes an Feinheit das Primitivröhrchennetz des Vasodentins noch übertrifft. — Den Theil des Zahnes, welcher von diesem Maschennetz durchsetzt wird, bezeichne ich als die äussere Region des Dentins D“. — Die Röhrchen der inneren Region, welche wie aus dem Folgenden hervorgehen wird, als echte Zahnbeinröhrchen aufgefasst werden müssen, sind bei allen Prä- parationsmethoden deutlich zu erkennen. Zur Prüfung des Inhaltes jedoch eignen sich nur Schnitte frisch entkalkter Zähne; ganz ver- schiedene Resultate ergaben gewöhnlich in dieser Hinsicht die Pikrinsäure- und die Chromsäure-Entkalkung; da die ganze übrige Behandlungsweise der Präparate dieselbe war, musste die Ver- schiedenheit der Resultate unbedingt auf die Entkalkungsmethode zurückgeführt werden. Während nach Anwendung von Pikrin- säure das ganze Zahnbeinröhrchen tingirt erschien und eine Diffe- renz zwischen Inhalt und Röhrchenwandung nirgends zu erkennen war, wurde an den meisten Röhrchen von Zähnen, welche mit Chromsäure entkalkt waren, eine stark tingirte, von der Wandung weitabstehende, sehr schwache Faser gefunden, wie bei Fig.12a, Zf; diese durch Schrumpfung verdünnten Fasern sind so fein, dass sie deutlich nur mittelst stärkerer Vergrösserung (Immersion X Hart- nack = 750fach) gesehen werden konnten. Die mit Chromsäure immer gleichzeitig angewendete Salzsäure kann nicht als Ursache der Schrumpfung angenommen werden, da trotz Zufügung von Salzsäure zur Pikrinsäure bei Entkalkung mittelst letzterer gewöhn- lich keine Schrumpfung eintrat. Zum erstenmale wurden die Fasern gefunden an einem mit Carmin tingirten Längsschnitte eines noch nicht ankylosirten, also nicht ausgebildeten Unterkieferzahnes (Fig. 12a Zf.); man sieht hier von einem längsverlaufenden Kanale ausgehend, baumartig sich verzweigende Zahnbeinröhrehen und im Innern derselben von der Wandung abstehend, eine stärker tingirte Faser, welche sich durch entsprechende Theilungen bis in die feinsten Verzweigungen der Röhrchen fortsetzt, in den letz- Ueber die Struktur des Hechtzahnes ete. 403 teren allerdings nicht mehr von der Wandung abstehend, aber doch noch deutlich erkennbar als Faser oder feinkörniger eontinuirlicher Inhalt. (Obwohl bei diesem Präparate zur Entkalkung Pikrinsäure angewendet worden war, zeigten sich dennoch die Fasern stark geschrumpft; wahrscheinlich wurden die noch jungen Gewebe dieses Zahns von der Pikrinsäure stärker affieirt als die Gewebe eines ausgebildeten Zahns). Dieselben Verhältnisse fanden sich dann später auch an ausgebildeten Zähnen, welche mit Chromsäure ent- kalkt worden waren. Auf das Vorhandensein von Fasern in den Zahnbeinröhrchen wurde schon früher aus Präparaten geschlossen, bei welchen zwar keine Schrumpfung eingetreten war, aber die Fasern etwas aus den Röhrchen herausgezerrt waren und in das Lumen des betreffenden Vasodentinkanales frei oder im Zusam- menhang mit einer Zelle hineinragten. Nachdem nun festgestellt war, dass diese Dentinröhrehen Fasern enthielten, musste ange- nommen werden, dass dieselben Fortsätze seien von Zellen, die den Odontoblasten des Säugethierzahns entsprächen. Aber welche Zellen waren es hier, die die Fasern abgaben? Jedenfalls konnten diese Zellen nur in den das Dentin tangirenden äussersten Gefäss- kanälen des Vasodentins liegen, denn von diesen Gefässkanälen nahmen die die Fasern enthaltenden Dentinröhrehen ihren Ursprung. Waren es die Endothelzellen der Kanäle oder Zellen, die noch ausserhaib des Endothels lagen? Die Präparate entschieden für Ersteres. An dem Längsschnitte, welchem die Abbildung Fig. 12 entnommen ist, sieht man die Stämme der Fasern ausgehend von platten Zellen welche sich als continuirliche Bekleidung, an die Wandung des Vasodentinkanals anlegen. Diese Zellen würde man ihrer Form und ihrer Beziehung zu den Gefässkanälen nach zu- nächst nicht als Odontoblasten ansehen, dass sie aber aus den Odontoblasten der Säugethierzähne ähnlichen Zellen entstehen, geht mit grosser Wahrscheinlichkeit daraus hervor, dass sich im basalen Theil des jungen Hechtzahns wohl differenzirte, pallisa- denförmig gestellte, eylindrische Zellen mit deutlichem Kerne finden (Fig. 110). Diese wohldifferenzirte Odontoblastenschicht scheint von Owen nicht beobachtet worden zu sein und Heincke, sowie Tomes bestreiten die Anwesenheit einer solchen direkt. Heincke') sagt, eine Schichte wohl differenzirter Odontoblasten könne er 1) Z, £. w. Z. XXI. pg. 556. 404 Alfred Sternfeld: beim Hechtzahn während der ganzen - Entwicklung nicht finden. (Tomes, siehe oben p. 12, III). Diese Zellen gehen gegen die Spitze zu ganz allmählig in die vorher beschriebenen platten Endo- thelzellen über. Wie die Fig. 12 bei D zeigt, ist über der Odon- toblastenschicht bereits Dentin abgelagert. Die schon beim Wurzel- stück als grosse platte Zellen mit vorspringendem Kern beschrie- benen Endothelien der Kanalwandung erscheinen von der Fläche gesehen als grössere Platten von verschiedener Form (Fig. 12 b). Kehren wir nun zu den Verhältnissen beim Vasodentin zurück, so haben wir hiernach den Inhalt der Primitivröhrchen festzustellen. Nachdem ermittelt war, dass von den Endothelzellen der äussersten Gefässkanäle Fasern in die Dentinröhrchen sich erstrecken, lag die Vermuthung nahe, dass auch die Primitivröhrchen des Vaso- dentins solche Fasern aus den Endothelien der entsprechenden Gefässkanäle erhielten, und in der That findet man an Quer- schnitten entkalkter Zähne zwischen den Bündeln in der Kittsub- stanz verlaufend, durch ihre stärkere Tinktion auffallende feine Fäden, ganz ähnlich den Fasern der Zahnkanälchen. Das Abstehen der Fasern von der Wandung des betreffenden Kanälchens ist hier ebenso deutlich zu beobachten, als bei den Primitivröhrehen des Dentins. Auf Querschnitten lassen sich einzelne Fasern viel weiter verfolgen als auf Längsschnitten, welcher Umstand für eine vor- wiegend horizontale Lagerung der Primitivröhrchen spricht. Ob die Zweiglein benachbarter Fasern stellenweise zusammenhängen, entsprechend den Anastomosen der Primitivröhrehen selbst, habe ich nicht mit Sicherheit constatiren können, aber sehr wahrschein- lich erscheint es mir. — Was den Ausgangspunkt der Fasern in den Primitivröhrehen des Vasodentins betrifft, so wurde mit vollkom- mener Sicherheit der Zusammenhang derselben mit Endothelzellen der Gefässkanäle constatirt. Aus allen diesen Befunden erhellt, dass die Achsensubstanz des Hechtzahns ein verkalktes fibilläres Gewebe darstellt, das von einem System Havers’scher Kanäle durchzogen wird, der typischen Knochenkörperchen entbehrt, dagegen ein Netzwerk von Primitiv- röhrchen besitzt, die nur in ihrer Anordnung von den Primitiv- röhrchen des Dentins sich unterscheiden. Es steht dem wahren Dentin näher als Tomes wusste und sein von Tomes irrthümlich bestrittener Gefässreichthum rechtfertigt durchaus die Bezeichnung desselben als Vasodentin. Ueber die Struktur des Hechtzahnes etc. 405 Die äussere Region des Dentins, D“ Fig. 4 und 6 unter- scheidet sieh in ihrer Struktur von der inneren, D‘. Wie bereits oben geschildert wurde, bilden die Endigungen der Zahnkanälchen hier ein äusserst feinmaschiges, sehr dichtes Netz; in den seltenen Fällen, in welchen der Inhalt der sehr feinen Röhrchen erkennbar ist, erscheint derselbe nicht als eine continuirliche Masse, eine Faser, sondern feinkörnig zerfallen. Die Grundsubstanz, welche erklärlicher Weise hier sehr spärlich sein muss, lässt sich nur in den grösseren Maschenräumen deutlich erkennen, und hier findet man häufig, wie im Vasodentin, auf Querschnitten helle, fein punk- tirte Felder, welche unzweifelhaft die Querschnitte von Faser- bündeln darstellen. Faserbündel an dieser Stelle wurden auch von Heincke'!) beobachtet, welcher angibt, dass die sich vielfach kreuzenden, anastomosirenden Kanälchen oft auf das deutlichste Querscheiben verkalkter Faserbündel von einander trennen. (Diese Aeusserung H.’s scheint sich auf die manchmal in der inneren Dentinschicht vorkommenden Bündelquerschnitte nicht zu beziehen.) — An tingirten Schnitten ist die äussere Dentinschicht an einer stärkeren Färbung zu erkennen, welehe wohl von dem Reiehthum an Kanälchen, resp. dem tingirten Inhalt derselben und der Spär- liehkeit der nur schwach tingirbaren Grundsubstanz herrührt. c) Schmelz. In der ganzen Ausdehnung der Zahnkrone wird die äussere Region des Dentins, die durch das enge Netzwerk der Dentin- röhrchen und die Fibrillenbündel der Grundsubstanz charakterisirt ist, von einer oberflächlich gelegenen Schicht bekleidet, die ich als Schmelz auffasse. Die Literatur über diesen Gegenstand istbereits von Heineke?) ausführlicher mitgetheilt und beschränke ich mich deshalb darauf, die Ansichten der bezüglich der Zahnsubstanzen am meisten ge- nannten Autoren in aller Kürze wiederzugeben. Born°®) nahm Schmelz bei Fischzähnen, speciell auch beim Hechtzahn an. 1) Z. £ w. Z. XXIIL p. 555. 2) Z. f. w. Z. XXIII. p. 49. 3) Zeitschr. f. organ. Physik, v. Heusinger. 1827, p. 202. 406 Alfred Sternfeld: Retzius!) fand bei mehreren Fischzähnen Schmelz, für den Heehtzahn läugnet er die Anwesenheit desselben. Owen?) beschreibt nur bei einer geringen Minderzahl von Fischzähnen Schmelz, bezüglich des Hechtzahns scheint er sich den Anschauungen von Retzius anzuschliessen, da er dessen Beschrei- bung als eine genaue wörtlich wiedergibt. Leydig?) läugnet (auf Grund der Entwicklung) die An- wesenheit von Schmelz bei Fischzähnen vollkommen. Waldeyer*) gesteht nur eine Cuticula für den Hechtzahn zu und bemerkt noch, dass die von Kölliker für die Bezeich- nung „Cuticula“ eingeführte Bezeichnung „Schmelzoberhäutchen“ sich gerade beim Hechtzahn als unzweckmässig erweist, da hier wohl eine Cutieula, aber kein Schmelz vorhanden sei. Kölliker’) liess sich zur Behauptung, dass bei Fischen Schmelz nicht existire, durch den Umstand veranlassen, dass das Vorhandensein von Prismen nicht ganz sicher sei. Nach Heincke®) haben alle Zähne des Hechtes wirklichen Schmelz; derselbe soll von gelblich brauner Farbe sein und nur in sehr geringer Masse die äusserste Spitze des Zahns bekleiden, eine bedeutende Härte erreichen und sich das ganze Leben des Zahns hindurch erhalten. Die äusserste Schicht des Schmelzes soll als feines strukturloses Häutchen noch eine Strecke von der Spitze aus auf den Zahn fortsetzen, und so soll es kommen, dass obwohl das Dentin des Hechtzahns eine verhältnissmässig sehr weiche Beschaffenheit habe, dennoch die obersten Partien des Zahns wegen ihrer Bekleidung mit harter Schmelzmasse eine bedeutende Resistenzkraft erlangen. Die Schmelzspitze sei weder scharf vom Zahne abgegrenzt noch bei ihrer homogenen oder körnigen Struktur von dem ähnlich aussehenden Zahnbein der Spitze wesentlich unterschieden, und zweitens scheine es bei mikroskopischer Be- trachtung ganz evident zu sein, dass die letzten Ausläufer der. Zahnkanälchen fast bis in die äusserste Spitze des Zahns vor- 1) Müller’s Archiv, 1837, p. 527. 2) Odontography, p. 134/5. 3) Lehrbuch der vergl. Histologie 1857, p. 302. 4) „Bau und Entwicklung der Zähne“, Stricker’s Gewebelehre, 1871, pg- 335. 5) Holländer, Anatomie der Zähne, Berlin 1877, p. 42. 6) Z. f. w. Z. XXIII. p. 544/5. Ueber die Struktur des Hechtzahnes etc. 407 dringen. Bei Anwendung stärkerer Salzsäurelösungen und gar eoncentrirter Salzsäure schmelze ein grosser Theil der Spitze unter gleichzeitigem Verschwinden der gelben Färbung vollkommen weg und man sehe schliesslich als Rest derselben einen ziemlich spitzen kegelförmigen Aufsatz der übrigen Dentinmasse. Dadurch werde es auch klar, dass alle Zahnkanälchen, die bei Betrachtung des intakten Zahnes in die gelbe Spitze eindringen, auf diesen kegel- förmigen aus Dentin gebildeten Kern derselben sich beschränken. Ch. Tomes!) nimmt Schmelz bei Fischzähnen an, und sagt, dass man bei denselben die grössten Mannigfaltigkeiten in der Struktur finde. Wenn ich die Angabe Heincke's?), dass der Zahn in einem wirklichen Zahnsäckchen, also einem geschlossenen Einzelsäckchen entstehe, (wovon man sich am besten durch Herstellung horizon- taler Längsschnitte durch die Zahnmasse des Vomer überzeuge) nicht voll zu bestätigen vermag, da meine Untersuchungen über die Entwicklung der Hechtzähne noch lückenhaft geblieben sind, so will ich mit diesem Ausspruche durchaus keinen Zweifel an der Existenz von Schmelz beim Hechtzahn aufwerfen; ich bin vielmehr in der Lage, durch einen Befund diese Auffassung besonders stützen zu können. Es findet sich nämlich an jungen Hechtzähnen aus dem Unterkiefer, die noch nicht ankylosirt sind, aber bereits eine verkalkte Kuppe enthalten, in der ganzen Ausdehnung, in welcher sich einwärts vom 'Dentin die Lage eylindrischer Odonto- blasten nachweisen lässt, zugleich auswärts von der verkalkten Kuppe eine Schicht grosser Cylinderzellen (Fig. 12 Sz) in engem Contakt mit der Oberfläche. Diese Zellen können nichts anderes sein als inneres Schmelzepithel. Sowohl gegen die Grenze des noch nicht verkalkten Wurzelstücks als gegen die in der Verkal- kung vorgeschrittene Spitze des Zahns nehmen die Schmelzzellen in der Höhe successive ab und die Schicht verschwindet. Nach der Spitze zu sieht man die Schmelzzellen weiter reichen als die eylindrischen Odontoblasten, die sich an der Innenseite der ver- kalkten Kuppe hinziehen. Dieser Befund genügt an und für sich, um auf das Vorhandensein von Schmelz zu schliessen. Da sich 1) Manual of dental anatomy human and comparative, deutsch v. Hol- länder. Berlin 1877, p. 42. 2) Z. f, w. Z. XXIII. p. 551, 408 Alfred Sternfeld: nun auf der ganzen Ausdehnung der Krone des Zahnes eine von der äussern Region des Dentins abgegrenzte Schicht pallisaden- förmiger, verkalkter Elemente findet, Fig. 7 Sp, so dürfen diese, wenn nicht besondere Gründe dagegen sprechen, als Schmelzprismen gedeutet werden, und mir ist nichts begegnet, was dieser Auf- fassung zuwider liefe. Das Einzige, was auf den ersten Blick Bedenken erregen könnte, wäre der Umstand, dass die durch Imbibition mit Anilinblau präeise darstellbaren Primitivröhrehen des Dentins sich zwischen diese Prismen hineinerstrecken, wenn auch nicht bis zur äussersten Oberfläche (Fig. 4 S). Aus dem engen Netzwerk dieser Röhren in der äusseren Region des Dentins entspringen Fortsetzungen, die in parallelem Verlauf senkrecht gegen die Oberfläche des Zahns hingehen (Fig. 3, 4, 5, 7, 8). Indessen liegen jetzt mehrfache Angaben darüber vor, dass Dentin- röhrehen in die Schicht zweifellosen Schmelzes sich fortsetzen, ja bei Lösung des Schmelzes isolirt darstellbar seien. So gibt Tomes!) z. B. für die Marsupialien mit Ausnahme des Wombat das Eindringen von Zahnkanälchen in den Schmelz förmlich als Charakteristicum an, was sich experimentell durch Auflösung des Schmelzes mittelst einer Säure nachweisen lasse; die vom Schmelz befreiten Zahnkanälchen sollen nämlich dann vom Rande des Dentins frei hervorragen. Bei Sargus gibt Tomes Kanälchen sowie Prismen im Schmelz an; jedoch sei hier nicht festgestellt, ob die Kanälchen zwischen den Prismen verlaufen oder innerhalb der- selben. Die Angaben Tomes’ bezüglich der Marsupialienzähne werden von Kölliker?) bestätigt (im Gegensatz zu Waldeyer und Hertz). Die Schmelzprismen des Hechtzahnes lagern sich dem Dentin nicht mit ebenen Endflächen an, sondern es sind diese inneren Enden der Schmelzprismen keilförmig oder pyramidal, vielleicht auch konisch zugespitzt, Fig. 8. Dadurch wird die Grenze von Schmelz gegen Dentin eine sägeförmig gezahnte Linie. An manchen Präparaten sind ganze Reihen von Prismen vom Dentin abgelöst und erhält man dann an der sägeförmig gezahnten Dentingrenze den Eindruck, als wären die zugespitzten Enden der Prismen aus 1) Manual of dental anatomy etc. etc., deutsch v. Holländer. p. 41 und 42 mit Abbild. 23 und 24. 2) Handbuch der Gewebelehre p. 370. Ueber die Struktur des Hechtzahnes etc. 409 leichten Vertiefungen herausgelöst und hinterliessen förmliche Mulden im Dentin. Jedenfalls scheint der Zusammenhang der Prismen- schicht mit der äusseren Dentinregion, wie zwischen Schmelz und Dentin bei Säugthierzähnen; ein loserer zu sein. — Differenzirun- gen an den Schmelzprismen, wie etwa eine Querstreifung, habe ich nicht wahrnehmen können. — Nach aussen von der Prismenreihe findet sich eine völlig homogene Schicht (Fig. 7 und 8, Sh.); dieselbe ist an den Kanten und der Spitze des Zahns, wo die Prismen selbst kürzer sind, stärker entwickelt und desshalb hier deutlicher zu beobachten. Die Dentinröhrchen setzen sich nicht in diese Schicht hinein fort. Ich fasse Heincke’s Darstellung des Schmelzes so auf, als habe er nur diese oberste homogene Schicht als Schmelz angesehen, die einwärts davon gelegenen Prismen aber dem Dentin zugerechnet; letzteres scheint mir nicht gerechtfertigt. Gegen die Deutung, dass die Schicht Dentin sei, spricht noch die Thatsache, dass in dieser ganzen Region Faserbündel, wie sie an entkalkten Präparaten noch in der äusseren Dentinregion nachweisbar sind, nicht vorhan- den sind. Der Schmelz des Hechtzahns besteht mithin aus zwei Schichten, einer inneren aus Schmelzprismen bestehen- den und einer äusseren homogenen. Die Schmelzprismen sind mit dieser homogenen Schicht continuirlich verbunden. d. Scehmelzoberhäutchen. Eine Cuticula wurde, wie oben erwähnt, schon von Wal- deyer!) für den Hechtzahn zugegeben; Heineke?) beschrieb dieselbe genauer und kann ich die Angaben desselben vollkommen bestätigen. Am deutlichsten wurde das Schmelzoberhäutchen an macerirten Zähnen gesehen. Die Maceration geschah in folgender Weise: Frische Zähne wurden in 10°/,ige Salpetersäurelösung ge- bracht und während zweier Tage darin belassen; dann wurden sie zwei Tage hindurch in Wasser in einem Brutapparat bei 38° 0. aufbewahrt. Nach dieser Behandlung waren die Zähne so erweicht, dass sie bei starkem Schütteln in einen Brei zerfielen. Bei leichter Compression eines solchen zwischen Objektträger und 1) Stricker’s Gewebelehre pag. 335, 2) Z. f. w. Z. XXIII. pag. 551. 410 Alfred Sternfeld: Deckgläschen gelegten macerirten Zahns hob sich in grösseren Fetzen oder selbst wie eine Kappe ein zartes Häutchen ab, das trotz Tinktion keinerlei Zellstruktur, dagegen eine grosse Anzahl feinster Poren erkennen liess. Erklärung der Abbildungen auf Taf. XXV und XXVL U = Unterkiefer CE = Canalendothel Be nrgelntäck \ des Zahns GE = EN RR: EEE Br, Krone \ a = äusseres V. = Vasodentin MK= Muskelkerne D = Dentin Sp = Spindelzellen oder sternför- I u \ a pekin zu Bindegewebszellen D“ = äussere f B = Fibrillenbündel S = Schmelz KS = Kittsubstanz Sh = homogene Schmelzschicht Zk = Zahnkanälchen des Dentins Sp = Schmelzprismen (oder Schmelzes) SO = Schmelzoberhäutchen Zf = Zahnfaser (Tomes’sche Faser) Fd = Foramen dentis Pr = Primitivröhrchen des Vaso- C = Canäle dentins L = Lamellen Os = Zellen der jungen Pulpa G = Gefässe Od = Odontoblasten E = Endothel Sz = Schmelzzellen (inneresEpithel). (Syst. —, Oc. —) = gezeichnet bei Vergrösserung mittelst Hartnack’s Big.’t1, Fig. 2. Fig. 3. Fig. 4. System — und Ocular —. (Sfache reelle Vergrösserung mittelst der Loupe), Längsschliff eines mit dem Unterkieferknochen ankylosirten Zahnes vom Hecht. Die Kanäle des Zahnes sind vorwiegend in der Längsrichtung, die des Unterkieferknochens quer getroffen; in der Nähe des letzteren das Foramen dentis (da der Zahn halbirt ist) in Form einer Rinne. (Syst. IV Oe. III). Imbibirter Schliff des Wurzelstücks mit Unter- kieferknochen; annähernd in frontaler Richtung angefertigt. (Syst. IV Oc. II). Imbibirter Längsschliff der Zahnkrone mit Wurzelstück. Im Vasodentin das Primitivröhrchennetz so weit reichend als nach aussen Dentinröhrchen vorhanden sind. (Syst. VII Oc. III). Imbibirter Längsschliff des Dentins mit Schmelz; die Dentinröhrchen (Zahnkanälchen) entspringend von einem längs- getroffenen Vasodentinkanal und sich auflösend in ein feinmaschiges Röhrchennetz (äussere Dentinregion); nach aussen folgt Schmelz mit Fortsetzungen der Dentinröhrchen. Fig. 5. Fig. 6 Fig. 7 Riga 6, Be; #9. Fig. 10. Ueber die Struktur des Hechtzahnes etc. 411 (Syst. IV Oe. III). Imbibirter Querschliff der Zahnkrone (nahe der Basis). Das Vasodentin die quer- oder schief getroffenen Gefäss- kanäle und das Primitivröhrchennetz zeigend; von den äussersten Gefässkanälchen die Dentinröhrchen entspringend. . (Syst. VII Oe. III). Querschnitt des entkalkten Wurzelstücks (Ent- kalkung mit Pikrinsäure und Salzsäure, Tinktion mit Carmin). Grundsubstanz die quergeschnittenen Fibrillenbündel zeigend, die durch eine spärliche Kittsubstanz getrennt erscheinen. Die Kanal- wandungen als hellere Ringe erscheinend und ausgekleidet von Endothel; im Kanallumen 1 oder 2 Gefässe mit quergetroffenen Muskelkernen und mit innerem Endothel; an einzelnen Stellen von der Gefässoberfläche zur Kanalwand ziehend spindel- oder stern- förmige Zellen. . (Syst. VII Oc. III). Querschnitt der Zahnkrone, etwa der Mitte des Zahnes entsprechend. (Abbildung aus verschieden behandelten Prä- paraten combinirt.) Vasodentin dem Wurzelstück ganz ähnlich, da bei dieser Vergrösserung die entkalkten Präparate die Primitiv- röhrchen mit den Fasern noch nicht zeigen; die Gefässquerschnitte zum grossen Theil aus den Kanälen herausgefallen. Grundsubstanz des Dentins bis auf einzelne von quergeschnittenen Faserbündeln herrührende hellere Felder überall gleichartig. Innere Region: Dentinröhrchenstämme mit Verästelungen; äussere Region: Röhr- chennetz. — Schmelz: Prismen getrennt durch Fortsetzungen der hier körnigen Inhalt zeigenden Dentinröhrchen; homogene Schmelz- schicht; Schmelzoberhäutchen. (Syst. X Immersion; Oc. III). Schmelzschicht des vorigen Präpa- rates bei stärkerer Vergrösserung. Schmelzprismen getrennt durch die aus dem Dentinröhrchennetz entspringenden Fortsetzungen der Röhrchen; homogene Schmelzschicht; Schmelzoberhäutchen. (Syst. VII Oc. III). Querschnitt des Vasodentins eines Gaumen- zahns (alle übrigen Präparate von Unterkieferzähnen herrührend); Entkalkung mit Pikrinsäure, Tinktion mit Carmin und Pikrinsäure. Die Faserbündelquerschnitte theils feinpunktirt, theils pinselartig sich auffasernd. Kanäle mit Endothel ausgekleidet. a (Syst. VII Oc. III). Längsschnitt des Vasodentins.. Entkalkung mit Chromsäure, Tinktion mit Carmin. Canäle und theilweise auch die Gefässe mit Endothel bekleidet; an einzelnen Stellen zwischen Kanalwand und Gefässoberfläche spindel- oder sternförmige Zellen. Grundsubstanz (wie gewöhnlich auf Längsschnitten) homogen, an einzelnen Stellen von den Kanälen ausgehende Primitivröhrchen mit einer aus einer Endothelzelle entspringenden Faser. (Letzteres an der Nebenfigur b, welche mit Syst. X Oc. II gezeichnet wurde, deutlicher sichtbar.) 412 Alfred Sternfeld: Ueber die Struktur des Hechtzahnes ete. Fig. Eis Fig. 12. (Syst. VII Oc. II). Längsschnitt eines noch nicht ankylosirten (jungen) Zahnes, Basaler Theil. Entkalkung mit Pikrinsäure, Tinktion mit Carmin, Pulpa in Verknöcherung begriffen, Grund- substanz leicht faserig, zahlreiche Spindelzellen; nach aussen eine Schicht wohldifferenzirter Odontoblasten, dann homogen aussehendes Dentin und dieses bedeckend Schmelzzellen; letztere und die Odonto- blasten deutlich Kerne zeigend. a (Syst. X Immers. Oc. Il). Eine Partie Dentin von dem Prä- parate, welchem die vorige Abbildung entnommen ist; nahe der Spitze des Zahnes; Längsschnitt. Zwei baumförmig sich ver- zweigende Dentinkanälchen mit ebenso sich verzweigenden Zahn- fasern, welche von grossen, platten Zellen mit deutlichem Kerne ausgehen. Die Nebenfigur b zeigt bei derselben Vergrösserung solche Zellen von der Fläche gesehen. J. Henle: Zur Entwicklungsgeschichte der Krystalllinse etc. 413 Zur Entwicklungsgeschichte der Krystalllinse und zur Theilung des Zellkerns. Von J. Henle. Hierzu Taf. XXVIl. In einer im Jahr 1878 erschienenen Abhandlung über den Bau der Kıystalllinse sprach ich den Verdacht aus, dass das Faser- gerüst, welches kurz vorher!) Flemming an den Kernen der Knorpel- Bindegewebs- und Epithelzellen des Salamanders beschrieben hatte, das Product eines Gerinnungsprocesses sei. Ich wurde dazu da- durch veranlasst, dass ich netzförmige und ästige Figuren, die an die Flemming’schen Bilder erinnerten, in den Kernen der Linsen- fasern des Salamanders wahrnahm, in Kernen also, die ihre active Rolle ausgespielt haben und dem Zerfall entgegengehen. Eigenthüm- lichkeiten, die an Kernen dieser Art hervortraten, schienen eher auf beginnende Zersetzung, als auf ein für die Lebensäusserungen des Zellenkerns wichtiges Structurverhältniss bezogen werden zu müssen. Zwar hatte Flemming seine Beobachtungen zum Theil an den Geweben lebender Thiere angestellt; aber die nach lebenden Kernen gezeichneten Fadenfiguren erschienen denjenigen gegenüber, welche er durch Reagentien hervorgebracht hatte, so zart und un- bestimmt, dass ein Zweifel, ob beiderlei Figuren identisch seien, wohl erlaubt sein musste. Ich bekenne, diesen Zweifel auch heute noch nicht überwunden zu haben. Und auch das scheint mir be- denklich, dass man jede an lebenden oder gar an überlebenden Organen wahrgenommene Structur für normal und ursprünglich er- klärt. Man gesteht zu, dass die Zeichnung, welche die Aufmerksamkeit erregt, nicht in allen, oft in nur wenigen „besonders günstigen“ Fällen sichtbar sei; aber man bedenkt nicht, dass auch die gleich- artigen Elemente des lebenden Körpers sich unter wechselnden 1) Dieses Archiv Bd. XIII. 1877. S. 693. Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 20. 27 414 J. Henle: Bedingungen der Ernährung, der Turgescenz u. s. f. befinden, dass demnach in einzelnen Zellen und Kernen Faltungen oder fadenförmige Gerinnungen entstehen können, welche für die Function dieser Elementartheile nur von untergeordneter Bedeutung sind. Ich komme noch einmal auf die im Schwinden begriffenen Kerne der Linsenfasern zurück, um die Umwandlungen, die sie durchmachen, genauer zu schildern. Voraus sei bemerkt, dass der Beschreibung nicht die frische Linse zu Grunde liegt, an welcher von Fasergrenzen und Kernen kaum etwas zu sehen ist. Ich habe die Linsen erwachsener Tritonen mit Alkohol, mit Pikrinsäure und man- chen andern erhärtenden Substanzen behandelt, blieb aber zuletzt bei der verdünnten Salzsäure (6—12 Tropfen auf 30 Cubikcentimeter Wasser) stehen, welehe die Linse gut conservirt und die durch- sichtigen Bestandtheile derselben hinreiehend trübt, ohne deren Form und Consistenz sehr zu verändern. Vor der Pikrinsäure hat dies Reagens den Vorzug, dass es den Zusammenhang der Fasern so weit lockert, als es für die Präparation bequem ist und dass die Präparate keiner weiteren Vorbereitung bedürfen, um mit Anilinfarben gefärbt zu werden. Die Reihenfolge der regressiven Veränderungen des Kerns ist dadurch ziemlich sicher gestellt, dass diese Veränderungen in der Richtung von der Oberfläche gegen das Centrum der Linse vor sich gehen, wenn auch allerdings die Kerne die Stadien der Metamorphose bis zum völligen Schwinden nicht vollkommen gleich- mässig durchlaufen, vielmehr in nebeneinander gelegenen Fasern Einer und derselben Schichte auf verschiedenen Stufen der Rück- bildung angetroffen werden. Zwischen den Kernen der äussersten Faserlagen und den Kernen der hintersten Zellen des sogenannten Kapselepithels, die sich zum Uebergang in Fasern anschicken, besteht kein Unterschied. Wohl aber ändert sich einigermassen in der Richtung von vorn nach hinten der Charakter der Kerne der Epithelzellen. Während sie an der Vorderfläche der Linse blass und ganz gleichmässig fein granulirt erscheinen (Fig. 1a), werden sie gegen den Aequator des Organs dunkler, was besonders daher rührt, dass in der gleichmässigen Körnung einzelne, mehr oder minder zahlreiche dunkle Pünktehen sich auszeichnen (Fig. 2). Mit Flemming müsste man die letztern als optische Quersehnitte feiner, den Kern netzförmig durchsetzender Fasern auffassen. Ich kann mich dieser Deutung für das vorliegende Objeet nicht an- Zur Entwicklungsgesch. der Krystalllinse u. zur Theilung des Zellkerns. 415 schliessen, wenn ich auch bekennen muss, dass die Unterscheidung zwischen Faserquerschnitten und selbständigen Körnern von diesen Dimensionen schwierig ist und das Vorurtheil dabei eine grosse Rolle spielt. Die Entscheidung beruht zunächst auf einem gewissen Tact, der dureh die Erfahrung erworben ist, dass bei Veränderun- gen der Focaldistanz Körnchen schneller verschwinden, als der optische Querschnitt eines, wenn auch kurzen Fäserchens. Dann aber sprechen für die Annahme, dass der körnige Anschein wirklich von disereten Körnern herrührt, die Veränderungen, die man an den Kernen der weiter nach innen gelegenen Fasern beobachtet. Dieselben sind platter, meist etwas verlängert und entschieden grobkörniger; die einzelnen Körner sind grösser und durch grössere Zwischenräume getrennt, hell mit dunkeln Conturen; sie machen den Eindruck, als wäre jedes derselben aus dem Zu- sammenfluss einer Anzahl der feinen Körner der äussern Kerne entstanden. An diesen grobkörnigen Kernen aber ist die Frage, ob Körner oder Faserquerschnitte, leicht zu lösen: man begegnet Fasern, welehe an der Stelle des Kerns durch den Kern abge- brochen sind und erkennt an dem unregelmässigen Bruchrande die über den hellen Contur der Grundsubstanz hinausragenden Kügelchen (Fig. 3.b*.. Hier hat man auch Gelegenheit zu er- fahren, ob der Farbstoff, der die Kerne der Linsenfasern, wie des Epithels imprägnirt, an den körnigen Bestandtheilen oder an der Grundsubstanz hafte. Es unterliegt keinem Zweifel, dass die Körner farblos von der gefärbten Grundsubstanz eingeschlossen werden. Die Rückbildung der Kerne beginnt von der Peripherie; sie verlieren den scharfen Contur und werden gleichsam angefressen, wobei die Lücken, in denen die Körner enthalten sind, sich öffnen und die letzern spurlos verschwinden (Fig. 3b); dies ist beson- ders auffällig in den letzten Stadien des Processes, an sehr ver- kleinerten Kernen, an denen auch gewöhnlich die Verschmelzung der Körner zu rundlichen oder auch unregelmässigen Figuren noch weitere Fortschritte gemacht hat. Dass sich in manchen Fasern an der Stelle des Kerns ein heller Fleck erhält, habe ich bereits in der oben eitirten Abhandlung angegeben. Was die Substanz der Körner, auch der grössern, zusammen- geschmolzenen, betrifft, so erwähne ich nur, dass sie nach ihrem indifferenten Verhalten gegen Osmiumsäure nicht wohl für Fett- tropfen angesprochen werden können. 416 J. Henle: Nach dem Vorbilde der Verschmelzung der groben Körner, die in den Kernen der tiefern Linsenfasern vor sich geht, glaube ich die nicht eben häufigen Fälle beurtheilen zu dürfen, wo sich in oberflächliehen, feinkörnigen Kernen das Bild von verzweigten Fasern darbietet (Fig. 3 a). Eine spätere Mittheilung Flemming’s t), die sich hauptsäch- lich mit dem Theilungsprocess des Zellenkerns beschäftigt, beginnt mit einer ausführlichen Schilderung des Fasergerüstes der Kerne, welche er im Gegensatz zu den in Theilung begriffenen „ruhende“ nennt. Ich kann nicht sagen, dass durch diese Darstellung und manche ähnliche, auf welehe Flemming sich beruft, mein Miss- trauen gegen die Deutung der Bilder überwunden wäre und ich befinde mich in dieser Beziehung in Uebereinstimmung mit Stras- burger?) und Schleicher), welche beide dem Bestreben, den Inhalt der Kerne überall auf ein Netzwerk zurückzuführen, ent- gegentreten. Doch nöthigen die Vorgänge der Kerntheilung, der sogenannten Karyokinese, wie sie jetzt bereits von vielen Seiten bezeugt sind, zu der Annahme, dass die Substanz des Kerns das Vermögen besitzt, sich zu Zeiten in Fasern zu ordnen, die dann freilich so scharf, so augenfällig und so characteristisch gruppirt sind, dass man sich nur verwundern kann, sie so lange übersehen zu haben. Ich gehe nicht auf die Untersuchung ein, wie sich diese Fasern aus dem nach meiner Ansicht ursprünglich, abgesehen von den Kernkörperchen, gleichmässig feinkörnigen Inhalt des Kerns entwickeln. Auch halte ich mich nicht für berufen, in den Streit- punkten, die zwischen zwei so sorgfältigen und so lange mit dem Gegenstand beschäftigten Beobachtern, wie Flemming und Stras- burger, noch bestehen, eine Meinung abzugeben. Doch scheint es mir der Mühe werth, auf ein bisher unbeachtetes Organ die Aufmerksamkeit zu lenken, an welchem die Vermehrung der Zellen auf dem Wege der Karyokinese vor sich geht und an welchem sie vielleicht, bei richtiger Wahl des Zeitpunktes, mit grösserer 1) Dieses Archiv Bd. XVI. 1879. S. 302. 2) Zellbildung und Zelltheilung. 3. Aufl. Jena 1880. S. 322. 3) Dieses Archiv Bd. XVI. 1879. 8. 250. Zur Entwicklungsgesch. der Krystalllinse u. zur Theilung des Zellkerns. 417 Sicherheit verfolgt werden kann, als an manchen der bisher durch- forschten Organe und Gewebe. Ich meine die Krystalllinse, in deren sogenanntem vordern Epithel, d. h. in der einschichtigen Zellenlage, die die hintere Fläche der vordern Kapselwand be- kleidet, die betreffenden Figuren, die Faserkörbe, Sterne und deren Spaltung bis zur Verdoppelung der Zellen leicht aufzufinden und auch ohne Färbung mit überraschender Deutlichkeit wahrzunehmen sind (Fig. 5). Vorerst habe ich sie benützt, um Aufschlüsse über die Art des Wachsthums der Linse zu erhalten. Dass die Linse durch Auflagerung neuer Fasern an Volumen zunimmt, kann nicht bezweifelt werden. Es ist ebenso gewiss, dass die neuen Fasern aus den Epithelzellen, durch Verlängerung derselben nach beiden Seiten, hervorgehen und es durfte nach dem gegenwärtigen Stande der Zellenlehre vermuthet werden, dass, um den Nachwuchs an neuen Epithelzellen zu liefern, die alten sich durch Theilung vervielfältigen. Aber dies blieb Vermuthung. Die Angabe Kölliker’s und v. Becker’s, dass in der fötalen Linse die der Grenze des Epithels nächsten Zellen in einem beständigen Vermehrungsprocesse begriffen seien, vermochte ich nicht zu be- stätigen, musste vielmehr die Frage, wie die Neubildung der Fasern an der Oberfläche der Linse vor sich gehe, als eine offene hin- stellen !). Die Untersuchung der Linse von Frosch- und Tritonenlarven hat, wenigstens für diese Thiergruppe, das Räthsel gelöst: die neuen Zellen entstehen nicht da, wo man sie suchen zu müssen glaubte, am Rande des Epithels, um direct zum Ersatz der in Fasern auswachsenden Zellen zu dienen; man findet im Gegentheil die in Theilung begriffenen Zellen mitten zwischen ruhenden oft in beträchtlicher Entfernung von der Stelle, wo die Zellen sich in Fasern umzuwandeln beginnen (Fig. 6, 7, 10, 12). Es ist dasselbe Prineip, nach welchem auch das einschiehtige hintere Epithel der Cornea in die Breite wächst, nieht durch Anfügung am Rande, sondern durch Einlagerung neuer Zellen, die aus Theilung von hier und da mitten zwischen den übrigen gelegenen Zellen hervor- gehen und die vorhandenen vor sich her und dem Rande zuschieben müssen. Und so stimmt die Art, wie die Zellen der wachsenden Membran sich vermehren, mit der Vermehrung derselben bei der 2)58:8. 08.1 418 J. Henle: Regeneration überein, wo, nach Eberth!), die Proliferation nicht auf den Saum der Zellen, die den Defect zunächst umgeben, sich beschränkt, sondern sich auch ausserhalb desselben in einem ziemlich breiten Bezirk zwischen ruhenden Zellen nachweisen lässt. An der Linse der geschwänzten und ungeschwänzten Batra- chier erstreckt sich, wie an allen kugeligen Linsen, das Epithel über den Aequator hinaus und auf die hintere Fläche. Am Aequator haben die Zellen noch ganz die unregelmässig polygonale Gestalt, wie an der vordern Fläche; dann folgen mehrere Reihen ellip- tischer, fast vierseitiger Zellen, deren längerer Durchmesser quer, d.h. senkrecht zum Verlauf der Linsenfasern steht und an die queren Zellen schliessen sich, so lange die Linse im Wachsen ist, Reihen längerer Zellen mit parallel zu den Fasern gerichtetem längern Durchmesser. Die in Einer Reihe gelegenen Zellen der letztern Art decken einander dachziegelförmig (Fig. 7, 8); sie enden in einiger Entfernung vom hintern Pol der Linse und ziehen sich um so weiter von demselben zurück, je älter die Linse wird. Die Zellen- reihen sind schmaler als die äussersten Linsenfasern, entsprechen ihnen aber der Zahl nach ziemlich genau, so dass in der Regel jede Faser von einer Zellenreihe bedeckt wird. Doch ereignet es sich häufig, dass die Zellenreihen sich gegen die Fasern etwas verschieben (Fig. 7). Und dies ist erwünscht, weil man sonst Mühe hätte, diese zwischen der Kapsel und den äussersten Linsen- fasern gelegenen Elemente von den in den äussern Fasern ent- haltenen Kernen der sogenannten Kernzone zu unterscheiden. Ich muss nämlich bemerken, dass die Elemente, um die es sich hier handelt, nur theoretisch als Zellen aufzufassen sind, ihrer Form nach aber viel mehr nackten Kernen gleichen. Ihr fein- körniger Inhalt wird von einem einfachen Contur umgeben und lässt auch dann keine eigene Begrenzung erkennen, wenn sich, wie dies zuweilen geschieht, die äussere Membran einseitig von dem Inhalt abhebt (Fig. 2). Dass sie aber die Bedeutung von Zellen haben, glaube ich desshalb annehmen zu dürfen, weil sie nach vorn und hinten an unzweifelhafte Zellen, d. h. an Körper grenzen, welche deutlich in einen Kern und einen denselben rings umgebenden hellen Saum geschieden sind, nach vorn an die mittlern Epithelzellen der vordern Kapselwand (Fig. 1a), nach hinten an 1) Virchow’s Archiv. Bd. LXVIII. 1876. S. 525. Zur Entwicklungsgesch. der Krystalllinse u. zur Theilung des Zellkerns. 419 die länglichen in zwei Spitzen auslaufenden Zellen, die sich zu Linsenfasern entwickeln (Fig. 9). Es sieht, wenn man diese Reihenfolge betrachtet, ganz so aus, als ob der Kern, der die Zellen der vordern Kapselwand nicht ausfüllt, in den dem Aequator der Linse entsprechenden Zellen sich bis an die Zellenwand aus- dehne und sich dann wieder, wenn die Zellen in Fasern auszu- wachsen beginnen, von der Wand zurückziehe. Jene dem Aequator der Linse sich nähernden, aber noch polygonalen Zellen nun sind es, in welchen die karyokinetischen Figuren auftreten, die Knäuel, Sterne (Kernplatten Strasb.) und Doppelsterne bis zum Auseinanderweichen der letztern und der Bildung der Scheidewand zwischen denselben. Die Theilungsfiguren kommen bald vereinzelt, bald in grosser Zahl vor und ich konnte nicht finden, dass ihre Zahl zu dem Alter der Larven in Beziehung stehe. Auch sind die äussersten Zellen nicht immer die in der Theilung am meisten vorgeschrittenen. Ganz zufällig scheint sich bald hier, bald da eine Zelle zur Theilung zu entschliessen und es ist, bei den gleichförmigen Verhältnissen, in welchen sie alle sich befinden, ganz unmöglich zu errathen, was den einzelnen den Anstoss zur Vermehrung giebt. Ich habe karyokinetische Figuren in den Linsen von Fröschen und Tritonen gesehen, die sich fast am Ende des Larvenstadiums befanden. Niemals ist mir eine bei ausgewachsenen Thieren, so viel ich deren darauf untersuchte, begegnet. Häufig kommen bei diesen Kerne vor, die durch eine enge Spalte in zwei ungefähr gleiche Hälften oder auch in mehrere Bruchstücke unregelmässig getheilt sind (Fig. 1). Doch deutet nichts darauf, dass damit eine Theilung der Zellen eingeleitet werde. Den erwachsenen Thieren fehlen auch die den Uebergang zu Fasern bildenden meridional verlängerten, dachziegelförmig geschichteten Kerne oder Zellen und das Epithel schliesst nach hinten mit den in die Quere ver- längerten Kernen ab (Fig. 4). Eigenthümlich endlich sind ihnen die haar- und stachelförmigen Fortsätze, womit die Epithelzellen gegenseitig in einandergreifen (Fig. 1a). Ich knüpfe an diese speciell auf die Linse bezüglichen An- gaben noch einige gelegentliche Bemerkungen über die Kerntheilung im Allgemeinen an. 420 J. Henle: Flemming fand die chromsauern Salze nicht geeignet zur Darstellung der karyokinetischen Figuren. Er erklärt sich an mehreren Stellen und mit wachsendem Eifer gegen deren Verwen- dung !) und stellt zuletzt eine Warnungstafel auf mit der Inschrift: „wer mit Kali bichromieum oder andern Chromsalzen Kerntheilungen suchen oder ausschliessen will, begiebt sich auf einen hoffnungs- losen Irrweg.“ Er hat insofern recht, als die Fadenfiguren, die Faserkörbe, Sterne u. s. f. an Präparaten aus chromsaurer Kali- lösung oder Müller’scher Flüssigkeit ganz unkenntlich werden. Aber die Veränderung, die sie erfahren, ist so beständig und regelmässig und die Bilder, die man an Stelle der Fadenfiguren zu sehen bekömmt, sind so auffallend und characteristisch (Fig. 10—13), dass mit ihrer Hülfe die Thatsache der Kerntheilung ebenso sicher und mitunter sogar leichter, als mittelst der eigentlichen karyokinetischen Figuren konstatirt werden kann. Die Formen, welche die in Theilung begriffenen und getheilten Kerne in Müller’scher Flüssigkeit erhalten, lassen sich auch nicht dureh Schrumpfung erklären ; die Fäden scheinen vielmehr gequollen, so dass sie die Zelle vollständig ausfüllen und nur durch die Wellen- oder Zackenform des freien Randes (Fig. 11 ab) die Zusammen- setzung aus parallelen oder radiären Stäben verrathen. Den knäuel- förmigen Fadenfiguren entsprechen offenbar unter den mit Müller’- scher Flüssigkeit behandelten Kernen die von gewundenen dunkeln Streifen durchzogenen (Fig. 11 e); diese Streifen deuten die Grenzen der gequollenen Fäden an. An den gequollenen Sternfiguren aber sind häufig die Grenzen der Fäden völlig verwischt; es sind homogene Platten. Versuche, durch Alkohol, Essig- oder Pikrin- säure, concentrirte Salzlösungen u. s. f., die Grenzen wieder herzu- stellen, blieben erfolglos. Nun fehlt es ja nicht an Beispielen — ich darf nur an das Bindegewebe erinnern — dass eine faserige Substanz durch Quellung jeden Anschein von Faserung verliert; indess kömmt für den vorliegenden Fall in Betracht, dass nach Strasburger, Schleicher und nach Flemming’s eigenem Ge- ständniss ?) selbst in lebenden Kernen Verschmelzungen, wie die Müller’sche Flüssigkeit sie hervorbringt, vorkommen und dass 1) Dieses Archiv Bd. XVI. S. 334. Med. Centralbl. 1879. Nr. 23. Vir- chow’s Arch. Bd. LXXVII. S. 19. Dieses Archiv Bd. XVIII. 1880. S. 352. 2) Dieses Archiv XVII. S. 180. Zur Entwicklungsgesch. der Krystalllinse u. zur Theilung des Zellkerns. 421 auf natürlichem Wege die karyokinetische Figur mit der Herstel- lung homogener Kerne endet. Demnach wäre es doch wohl nicht ohne Interesse, der Einwirkung der chromsauern Salze genauer nachzuforschen. Ich glaube, diese Aufgabe Flemming anheim- stellen zu dürfen und begnüge mich, einem ausgezeichneten und bequemen und darum mit Recht beliebten Conservirungsmittel seine Stelle gewahrt zu haben. Wo es sich darum handelt zu erfahren, ob und an welchem Orte Kerntheilungen stattfinden, da leitet der auffallende Gegensatz der Glätte und des Glanzes der proliferirenden gegen die feinkörnige Beschaffenheit der ruhenden Kerne das Urtheil bestimmt genug. Es kömmt hinzu, dass die homogenen Kerne sich durch ihre Verwandtschaft zu Farbstoffen nicht weniger auszeichnen, als die Fäden der Knäuel und Sterne, die Anwendung der Färbemittel aber nirgends weniger Umstände macht, als an Präparaten aus Müller’scher Flüssigkeit. Sollte ich durch das Vorhergehende Flemming Anlass geben, auf einen Gegenstand, den er für erledigt halten durfte, nochmals zurückzukommen, so freue ich mich, von einer andern Seite zur Förderung der Aufgabe, die er sich gestellt hat, beitragen zu können. Flemming bemüht sich, die Art der Kerntheilung, die er die indirecte nennt, nachdem sie in einer so grossen Zahl von Organen und Geweben für die erste Entwicklung wie für die Regeneration nachgewiesen ist, als die allgemeine und einzige hinzustellen und den Glauben an die vorher allein anerkannte direete Kerntheilung, die Theilung durch Ein- und Abschnürung zu erschüttern. In seinem ebenso berechtigten, als vielfach erfolg- reichen Streben !) sieht er sich aber gehemmt durch die Lymph- I) Dies zugleich als Antwort auf eine Frage, welche Flemming in der Drasch gewidmeten Abhandlung (d. Arch. XVIII, 348) implicite an mich richtet, ob ich noch an der spontanen Entstehung von Zellen in den tiefsten Schichten der Epidermis festhalte? Die freie Zellenbildung kann nur auf negativem Wege bewiesen werden; ich habe sie in Schutz genommen, weil ich keine der Fortpflanzungsarten, die man bis dahin aufgestellt hatte, für erwiesen hielt und in diesem Punkte haben mir ja die neuesten Entdeckungen Recht gegeben. Dass Drasch sich nicht von der Kerntheilung durch Karyokinese überzeugen konnte, möchte ich nicht, wie Flemming, der unpassenden Conservirung, sondern der unpassenden Wahl des Objects zuschreiben. Es steht durchaus nicht fest, ist sogar, trotz Drasch’s Versicherung, unwahr- scheinlich, dass die Zellen des Flimmerepithels, gleich denen der geschichteten 422 J. Henle: und farblosen Blutkörperchen, deren Fortpflanzung durch Kern- theilung Niemand bezweifelt, während es doch bis jetzt weder ihm, noch Andern gelungen ist, die der Theilung vorhergehenden Stadien der karyokinetischen Umformung des Kerns zu beobachten. Ich darf dies Hinderniss, falls es allein der allgemeinen Durchführung des Prineips der indireeten Kerntheilung im Wege stehen sollte, beseitigen, indem ich zeige, dass die Veränderungen, die an den Kernen der farblosen Blut- und Lymphkörperchen vor sich gehen, nicht die Bedeutung von Theilungen haben, am wenig- sten von Theilungen zum Behufe der Proliferation. Zu dem Ende aber muss ich an eine Controverse erinnern, die seitetwa 30 Jahren ruht und desshalb wohl der jüngern Generation unbekannt ge- blieben ist. Im Anfange unserer mikroskopischen Aera (1837) wurde Güterbock durch eine Preisaufgabe der berliner med. Faeultät veranlasst, die Körperchen des Eiters zu untersuchen!). Nach damaligem Brauch behandelte er sie, um die Zellen durchsichtig und die Kerne sichtbar zu machen, mit Essigsäure und fand die Kerne aus einem bis drei, napfförmig vertieften Körperchen zusam- mengesetzt. Ein Jahr darnach bemerkten gleichzeitig Jul. Vogel?) und ich 3) zwischen ein- und mehrkernigen Eiterkörperchen Ueber- gänge mit herz-, biscuit-, kartentrefleföormigen Kernen; Vogel stellte, noch vor den ersten Publieationen von Schleiden und Scehwann, die Entwicklung der Eiter- und verwandten Schleim- körperchen so dar, dass kleine Körperchen, die sich neben den reifen Elementen in der Flüssigkeit des Eiters und Schleims Pflasterepithelien, in beständiger Regeneration begriffen seien; es ist darum auch gar nicht zu erwarten, dass man zwischen oder unter denselben be- ständig oder auch nur häufig irgend welche Proliferationsformen antreffen sollte. Und wenn Drasch in seiner neuesten Abhandlung (im Maiheft des 83. Bandes der wiener Sitzungsberichte) eine karyokinetishe Figur abbildet, die einzige, die er unter vielen hunderten von Schnitten aus thierischen und menschlichen Luftröhren habe ausfindig machen können, so ist daraus zu schliessen, nicht, dass im Flimmerepithel eine freie oder anderartige Neu- bildung von Zellen stattfinden müsse, sondern dass daselbst nur in seltenen Fällen neue Zellen gebildet werden. 1) Güterbock, de pure et granulatione. Berol. 1837. 2) Ueber Eiter, Eiterung und die verwandten Vorgänge. Erlangen 1838. 3) Ueber Schleim- und Eiterbildung und ihr Verhältniss zur Oberhaut. Berlin 1838. Zur Entwicklungsgesch. der Krystalllinse u. zur Theilung des Zellkerns. 423 fänden, zu 2 und 3 zusammenträten, um zum Kern der reifen Körperchen zu verschmelzen, der sieh nachträglich mit der Hülle umgebe. Ich hatte gefunden, dass unter der Einwirkung der Essig- säure die anfangs einfachen Kerne sich einbiegen und allmählich mehr oder weniger weit einreissen, bis zum Zerfallen in geson- derte Bruchstücke. Auf diese Thatsache, zusammengehalten mit Vogel’s entwicklungsgeschichtlichen Ergebnissen, hatte ich den Schluss gebaut, dass die Schleim- und Eiterkörperchen unvollendete, auf dem Wege, Epithelzellen zu werden, fortgeschwemmte Zellen seien, deren Kern, je jünger um so vollständiger durch Essigsäure gespalten und in seine ursprünglichen Bestandtheile zerlegt werde. Man weiss, dass Schwann neben der freiwilligen Zellenbil- dung aus dem Blastem, die er als Regel ansah, einen Fortpflan- zungsprocess der Zellen, namentlich durch endogene Entwicklung, . anerkannte. Der Erste, der nach diesem Schema die mehrfachen Kerne der Eiterkörperehen als Producte einer Vervielfältigung deutete, war Barry ''); ihm stimmte Kölliker?) bei und die reformirte Zellenlehre, welche Virchow mit dem Wahlspruch „omnis cellula e cellula* inaugurirte, zählte alsbald die Eiter- körperehen zu den anschaulichsten Beispielen der Vermehrung der Zellen „von sich aus“. Das dunkle Centrum der Bruchstücke des Kerns, das wir, gleich dem centralen Fleck der Blutscheiben der Säugethiere, für Ausdruck einer centralen Depression hielten, wurde auf ein Kernkörperehen bezogen (Simon)?). Meine Angaben über die den Kern zerspaltende Wirkung der Essigsäure widerlegte Reinhardt‘) damit, dass er mir den Irrthum Schuld gab, ich hätte die von dem körnigen Protoplasma der Zelle umhüllten Kerne für den einfachen Kern, die nach Aufhellung des Protoplasma deutlicher hervortretenden Kerne für Bruchstücke jenes scheinbar einfachen gehalten. Bei einer erneuten Behandlung des Gegenstandes), zu der ich mich durch diese Einwürfe aufgefordert fühlte, fand ich Manches an meinen früheren Vorstellungen zu berichtigen. Es gelang mir 1) Philosoph. transact. 1841. P. I. p. 219. 2) Entwicklungsgeschichte der Cephalopoden. Zürich 1844. S. 147. 3) Handbuch der angewandten med. Chemie. Bd. II. Berlin 1840. 5. 314. 4) Virchow und Reinhardt, Archiv. Bd I. 1847. S. 528. 5) Canstatt’s Jahresbericht 1848. Bd. I. S. 28. Handbuch der ratio- nellen Pathologie. Bd. II. Lief. 3. 1850. S. 680. 424 J. Henle: jetzt, indem ich die Essigsäure sehr verdünnt und sehr langsam einwirken liess, eine allmähliche Umwandlung des einfachen Kerns in die mehrfachen zu verfolgen: ich sah seine ursprünglich kuglige Gestalt sich innerhalb der Zelle bis zur Stäbchenform strecken, das Stäbehen sich stellenweise einbiegen und krümmen. Hierauf passte der Begriff des Einreissens und der Zerspaltung nicht mehr, wie denn auch nach den Fortschritten, die die Zellenlehre unter- dess gemacht hatte, der Gedanke an eine Zusammensetzung des Kerns aus einzelnen Körnern und eine Zerlegung in dieselben auf- gegeben werden musste. Der Vorgang liess sich eher, wie auch von Zimmermann!) geschah, als Ein- und Abschnürung be- zeichnen und den Veränderungen an die Seite stellen, welche Wasser an den Retinastäbehen, an den Schwänzen der Spermato- zoiden hervorbringt. Damit verlor aber auch die Hypothese, dass die Schleim- und Eiterzellen jugendliche, in der Entwicklung zu bleibendem Gewebe unterbrochene Zellen seien, ihren Halt und es wurde ebenso wahrscheinlich, ja nach den begleitenden Umständen wahrscheinlicher, dass sie, in regressiver Metamorphose begriffen, dem Zerfall entgegengingen. Ich komme hierauf noch einmal zurück und gedenke nur noch eines Versuchs, der die schwebende Frage mit geringern An- sprüchen an die Geduld des Beobachters und unabhängiger vom Zufall zu entscheiden gestattet, als die Betrachtung der Umgestal- tung je eines im Gesichtsfeld festgehaltenen Körperchens. Schon Nasse?) und H. Müller?) hatten bemerkt, dass man aus der näm- lichen Lymphe und dem nämlichen Eiter ganz verschiedene Kern- formen erhält, je nachdem man Wasser oder Essigsäure zusetzt, und dass in den mit Essigsäure behandelten Körperchen eine grössere Zahl von Kernen erscheint. Vertheilt man einen Tropfen frischen Eiters oder Schleims auf zwei Objectgläser und setzt dem einen destillirtes Wasser, dem andern verdünnte (1/„—!/sprocentige) Essig- säure zu, So wird man einen grossen Theil der Körperchen auf dem ersten Glas mit einem centralen, kugeligen Kern versehen finden, indess die Körperchen des zweiten Glases fast ausschliess- lich eingeschnürte und mehrfache Kerne enthalten. Ganz unregel- 1} Rust’s Magazin. Bd. LXVI. 1848. S. 428. 2) R. Wagner’s Handwörterbuch. Art. Lymphe. 1845. 3) Ztschr. für rationelle Mediein. Bd. II. 1845. S. 239. Zur Entwicklungsgesch. der Krystalllinse u. zur Theilung des Zellkerns. 425 mässige, zerrissene Kernformen zeigen sich, wenn man den Eiter unmittelbar mit stärkerer Essigsäure mischt. Ich muss diese Angaben auch heute noch vertreten und füge denselben nur eine Beriehtigung hinzu, die aber der Fortpflanzungs- theorie der Eiter- und Schleimkörperehen nicht zu Gute kommt. Darin nämlich irrte ich, dass ich die mehrfachen Kerne in allen Fällen für Produkte künstlicher Zerlegung eines einfachen Kernes hielt und mir das Vorkommen derselben in einem nicht mit Säure behandelten Eiter aus einer spontanen sauren Gährung des Eiters erklärte, die ich freilich auch oft genug mittelst Laemuspapier konstatiren konnte. Unter den starken Vergrösserungen, deren man sich heute bedient, sieht man häufig die in einer Zelle ein- geschlossenen Kerne so deutlich abgegrenzt und durch so ansehn- liche Zwischenräume getrennt, dass man an ihrer ursprünglich ge- sonderten Existenz nicht wohl zweifeln kann. Sie schimmern mit- unter, wie auch der einfache Kern, kaum kenntlich durch das Pro- toplasma der unversehrten Zellen des neutralen Eiters und Schleims hindurch; auf Zusatz sehr verdünnter Essigsäure werden sie dunkler, kleiner und rücken deshalb in der Regel weiter auseinander. Da- bei erhält sich ihr Contur genau kreisförmig. Die Formen, welche durch Anwendung der Y,—!/sprocentigen Essigsäure erzeugt werden und welche bisher als Beweise für die Abschnürung und Theilung der einfachen Kerne benutzt wurden, entstehen auf zweierlei Art, entweder durch die oben beschriebene Umgestaltung einfacher Kerne oder dadurch, dass die ursprünglich mehrfachen Kerne sich dehnen, kräuseln und sämmtlich oder theilweise zu einem unförm- lichen Haufen zusammenfliessen. Da im Eiter und im puriformen Schleim das Verhältniss der einkernigen Zellen zu den mehrkerni- gen sehr veränderlich, auch die Resistenz der einzelnen Körper- chen gegen Reagentien Schwankungen unterworfen ist, so kostete es einige Mühe, sich in der Mannigfaltigkeit der Erscheinungen zurecht zu finden. Der Einzige, der sich meinen Argumenten gegen die Proliferation der Eiterkörperchen anschloss, war Donders'). 1) Nederlandsch Lancet 1856. Nr. 4. p. 240. Physiologie des Menschen. A.d. Holländ. von Theile. Bd. I. Leipz. 1856. S. 182. Das so eben er- schienene 4. Heft des Journal de l’anatomie enthält (p. 331) eine Notiz von Robin, worin auch er, allerdings von einem ganz andern Standpuncte, die Entstehung der mehrfachen Kerne der Leucocyten aus einfachen bestreitet. Seiner Ansicht zufolge sind die Zellen im lebenden Zustande kernlos und die 426 J. Henle: Er leitet die Veränderung der Kerne von einer lokalen Resistenz- verminderung ihrer äusseren Membran oder von dem Austreten eines Theils des Inhalts her, der sich sogleich wieder zum Kügel- chen forme. Den pathologischen Schulen genügte es, dass Förster!) erklärte, die von mir behaupteten Wandlungen des Kerns nicht gesehen zu haben, und sie fuhren fort, die Eiterkörperchen für wuchernde Zellen zu halten, bis aus den Reihen der Pathologen der Schöpfer einer neuen Entzündungslehre erstand, welche sich, da sie die Eiterzellen für ausgetretene farblose Blutkörperchen er- klärte, gegen die Proliferation der Eiterzellen gleichgültig verhielt. Cohnheim?) erkannte an, dass Verbiegungen, Einbiegungen und selbst Spaltungen der Kerne nicht ohne Weiteres als vorbereitende Acte der Vermehrung der Zellen aufzufassen seien und dass trotz der Vermehrung der Kerne eine Vermehrung der Zellen des Eiters durch Theilung noch niemals beobachtet worden sei. Die Aehnlichkeit der Schleim- und Eiterkörperchen mit den Körperehen der Lymphe und den farblosen Blutkörperchen fiel allen auf, die sich mit diesen Objeeten mikroskopisch beschäftigten. In meinem Handbuche der allgemeinen Anatomie) stellte ich bei- derlei Elemente als Beispiel eines gleichartigen Zellenentwicklungs- processes zusammen und in dem Handbuch der rationellen Patho- logie‘) schlug ich vor, alle Zellen, deren ursprünglich einfacher Kern durch Essigsäure in der angegebenen Weise verändert wird, mögen sie dem Blut, der Lymphe, dem Eiter, Speichel oder einer anderen Flüssigkeit entstammen, mit dem Namen „eytoide Körper“ zu belegen. Das gleiche Ansehen und die gleiche Reaction der Lymph- und Eiterkörperchen veranlassten, lange vor Cohnheim, Waller?) undZimmermann‘), die Ansicht auszusprechen, dass die farblosen Blutkörperchen die Gefässwand durchbohrten, um im Exsudat als Eiterkörperchen aufzutreten und Waller beschrieb einfachen „corpuscules nucleiformes“ sind, wie die mehrfachen, zufällige Nieder- schläge oder Gerinnungen aus dem Zelleninhalt. 1) Handbuch der patholog. Anatomie 1855. S. 306. 2) Virchow'’s Arch. Bd. XL. 1867. S. 1. 3) S. 157. 4) a. a. 0. 5) The london, edinburgh and dublin philosoph. magazine. Vol. XXIX. 1846. p. 397. 6) a. a. 0. Zur Entwicklungsgesch. der Krystalllinse u. zur Theilung des Zellkerns. 427 sogar genau, wie unter seinen Augen die Körperchen aus dem Innern der Gefässe an deren Aussenseite gelangten. Die Beob- achtung fand keinen Glauben und die Theorie keinen Anklang, weil es an einer plausibeln Erklärung des Vorgangs fehlte. Die Gefässwand galt damals noch für solid und es war nicht abzusehen, wie ein Riss derselben, gross genug, um die farblosen Körperchen durchzulassen, nieht auch von den farbigen zum Austritt benützt werden sollte. Es musste, um den Auswanderungsprocess begreif- lieh zu machen, zuvor die Zusammensetzung der Gefässwand aus platten Endothel-Zellen und die amöboide Natur der Lymphkörper- chen, ihre Fähigkeit, feine Fäden auszustrecken und ihren Körper nachzuziehen, entdeckt werden. Wenn nunmehr, nach dieser neuesten Wendung, für ausge- macht gilt, dass die Eiterkörperchen den farblosen Blutkörperchen nicht blos ähnlich, sondern wirklich mit denselben identisch seien, so darf ich um so weniger Anstand nehmen, das, was über die Eiterkörperchen ermittelt ist, auf die farblosen Blutkörperchen und die mit diesen wieder identischen Lymphkörperchen zu übertragen. Ich darf behaupten, dass die Formen der Lymphkörperchen, welche Bütschli (Abhandlungen d. Senekenberg. naturf. Gesellsch. Bd. X, Taf. VI, Fig. 1—22), Flemming (dies. Arch. Bd. XX, Taf. III, Fig. 16) und Renaut (Arch. de physiol. 1881. pl. XX, Fig. 7) ab- bilden und für proliferirende ausgeben, verzerrte Kerne cytoider Körper sind. Ich behaupte es um so sicherer, da alle drei Beob- achter mit aller Unbefangenheit zu Aufklärung oder „Fixirung“ ihrer Objeete Säuren angewandt zu haben bekennen, Bütschli und Flemming Essigsäure, Renaut Osmiumsäure, Ich schlage vor, meine Angaben durch folgenden einfachen Versuch zu kontro- liren: Ein Tropfen Blut aus dem Herzen des Frosches wird auf zwei Gläser vertheilt und bedeckt, das eine Präparat bleibt sich selbst überlassen oder wird mit destillirtem Wasser gemischt; dem andern lässt man vom Rande des Deckgläschens verdünnte Essigsäure zu- fliessen; so wird man die eytoiden, eine Kerntheilung heuchelnden Körper, wie sie Fig. 14 abgebildet sind, nur auf dem zweiten Glase finden, während das erste, wenn die amöboiden Bewegungen der farblosen Zellen erloschen sind, fast nur einkernige Formen dar- bietet. Zuweilen gestaltet sich durch Zufall der Versuch noch ein- facher. Nicht immer breitet sich die Essigsäure gleichmässig aus und an den farbigen Blutkörperchen, jenachdem sie sich unverändert 428 J. Henle: erhalten oder in einer entfärbten Hülle den Kern deutlich hervor- treten lassen, kann man unterscheiden, wo die Säure gewirkt hat, wo nicht. In solchem Falle liegen zwischen den unveränderten Blutkörperchen einkernige, zwischen den veränderten mehrkernige Lymphkörperchen. Wer die Kerne farbig zu sehen wünscht, mag Hämatoxylin oder Bismarckbraun zusetzen. Es empfiehlt sich, die Blutprobe mit Wasser zu verdünnen, bevor man die Säure hinzu- fügt; in Folge der endosmotischen Vergrösserung des Kernes ver- grössern sich auch die Theilstücke. Es muss noch bemerkt werden, dass der scharfe und feine kreisförmige Contur mancher eytoider Körper, den auch Bütschli zeichnet, meistens nicht der vom In- halt abgehobenen Zellmembran, sondern ausgetretenen Eiweiss- tropfen angehört, somit auch eine Einsehnürung dieses Conturs nicht die Tendenz zur Theilung der Zellmembran bedeutet. End- lieh darf nieht unerwähnt bleiben, dass im Blut mancher Frösche, wie im Schleim und Eiter, Zellen vorkommen, welche vom An- fang an von mehreren, bis 5 kleineren Kernen erfüllt sind. Es spricht nichis für die Annahme, dass diese mehrkernigen Zellen aus einkernigen hervorgehen und demnach scheinen sie den auch in andern Geweben beobachteten Ausnahmefällen angereiht werden zu müssen, wo sich von vornherein eine Zellenmembran um mehrere Kerne bildet. So dürfte zwar von der „direkten“ Kerntheilung auch auf diesem Gebiete Abstand genommen werden, aber damit wäre das Dunkel nur um so dichter, welches die Vermehrung der Elemente umhüllt, die als Lymph-, Schleim-, Eiterkörperchen, als farblose Blutkörperchen, als Leucoeyten, als Wander- und amöboide Zellen eine so grosse Verbreitung haben. Die Hoffnung, auch dies Dunkel gelichtet zu sehen, gründet sich auf die neuesten Abhandlungen von Peremeschko!) und von Flemming?) selbst. Pere- meschko sah denselben Theilungsprocess, wie an den Epithelzellen, nur rascher an Wanderzellen bei Tritonenlarven sich vollziehen und nur an den farblosen Zellen des strömenden Blutes suchte er vergeblich nach karyokinetischen Figuren. Flemming fand die letzteren im leucoeythämischen Blut, doch, wie er meint, in nicht genügender Anzahl, um die relativ enorme Menge der farblosen 1) Dieses Archiv. Bd. XVII. 1880. S. 171. 2) Eb endas. Bd. XX 1881. S. 1. Zur Entwicklungsgesch. der Krystalllinse u. zur Theilung des Zellkerns. 429 Zellen dieses Blutes zu erklären. Er denkt an die Möglichkeit, dass die Stätte der Vermehrung dieser Zellen irgendwo in festen Geweben zu suchen sei. Dieser Gedanke scheint mir weiterer Erwägung werth. Ich habe oben die Frage berührt, ob die scheinbare Spalt- barkeit des Kernes, wodurch die eytoiden Körper sich charakte- risiren, als ein Zeichen progressiver oder regressiver Metamorphose zu deuten sei. Der letztern Annahme den Vorzug zu geben, be- stimmte mich die Erfahrung, dass die farblosen Körperchen des Blutes, die doch höchst wahrscheinlich aus der Lymphe stammen, srösstentheils den eytoiden angehören, während in der Lymphe selbst dergleichen nur ausnahmsweise vorkommen!). Noch viel seltener sind sie im conglobirten Gewebe der Lymph- und ähn- licher Drüsen, am häufigsten im Eiter und in den Secreten, wo man oft nur mit Mühe einen Kern ausfindig macht, der der Essig- säure widersteht. Sind aber die cytoiden Körper auf dem Wege zum Zerfall, so versteht man, warum eine thierische Flüssigkeit um so weniger ächte Kerntheilungen enthalten wird, je reicher sie an falschen, d. h. an cytoiden Körpern ist. Im Widerspruch sowohl mit der karyokinetischen Kernthei- lung, als mit der Theilung der Kerne durch Abschnürung, wie sie bisher beschrieben wurde, stehen die Angaben Klein’s?) und Ranvier’s®), wonach die Körperchen der Lymphe, welche zwei Kerne besitzen, durch ihre eigenen, amöboiden Bewegungen die Theilung der Zelle herbeiführen, indem durch Auseinanderweichen des Protoplasma in zwei Massen ein Faden ausgezogen wird, der schliesslich reisst. Klein machte seine Beobachtungen an dem geheizten Objecttisch, auf welchem bekanntlich auch einkernige und nicht amöboide Zellen mitunter in Stücke zerfallen; Ranvier aber gibt ausdrücklich eine Temperatur von 16—18° an, bei wel- cher die Erscheinung sich vollziehe. 1) Handbuch der ration. Path. a. a. O. S. 705. 2) Med. Centralbl. 1870. Nr. 2. 3) Trait& technique d’histologie. Paris 1875. p. 161. Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 20. 28 430 J. Henle: Z. Entwicklungsgesch.d. Krystalllinsen u.z. Theilung d. Zellkerns. Erklärung der Figuren auf Tafel XXVII. . Zellen des innern Epithels der vordern Wand der Linsenkapsel, a vom Triton, b vom Frosch. Scheinbare Theilungen des Kerns. . In die Breite gezogene Zellen der Linsenkapsel des Triton hinter dem Aequator der Linse. . Kernhaltige Linsenfasern des Triton; a oberflächliche, b tiefer ge- legene, mit im Schwinden begriffenen Kernen. . Ein Segment der hintern Fläche der Linse des Triton, mit der Kapsel und dem Epithel derselben. . Epithelzellen der vordern Wand der Linse einer Tritonlarve, mit in Theilung begriffenen Kernen. . Diesselben, mit einer sternförmigen Theilungsfigur. . Von der hintern Fläche der Linse einer Tritonlarve, die Reihen der hintern, einander dachziegelförmig deckenden Zellen. . Dieselben in Profilansicht. In Fasern übergehende Zellen von der Oberfläche der Linse einer Tritonlarve. . Inneres Epithel der vordern Linsenkapselwand einer Tritonlarve, mit zahlreichen Kerntheilungen. Aus Müller’scher Flüssigkeit. . Kerntheilungsfiguren aus dem innern Epithel der Linsenkapsel einer Tritonlarve.. Müller’sche Flüssigkeit. . Aus dem innern Epithel der Linsenkapsel einer Froschlarve. Kern- theilung. Müller’sche Flüssigkeit. . Einzelne Zellen mit gequollenen karyokinetischen Figuren, aus dem Gaumenepithel des Triton. Müller’sche Flüssigkeit. . Farblose Blutkörperchen des Frosches, mit Essigsäure behandelt. G. Rein: Unters. üb. d. embryonale Entwicklungsgesch. d. Milchdrüse. 431 (Aus dem anatomischen Institut zu Strassburg.) Untersuchungen über die embryonale Entwicklungs- geschichte der Milchdrüse. 1. Von Dr. &. Rein, Privat-Docent der Gynäkologie in St. Petersburg. Hierzu Tafel XXVII und XXIX. Das Organ, welchem eine so wichtige Rolle für die Existenz einer ganzen Classe von Thieren, eingerechnet den Menschen, zu- kommt, verdient eingehendere und vielseitigere Beachtung, als sie ihm bisher widerfahren ist. — Die oberflächliche Lage der Milch- drüse, sowie die Periodieität ihrer Function, welche durch längere oder kürzere Ruhepausen unterbrochen wird, machen dieses Organ mehr wie ein anderes zu einem geeigneten Objecte, an dem sich genaue anatomische und physiologische Untersuchungen anstellen lassen, Untersuchungen, welche nicht ohne Bedeutung auch in Bezug auf andere, weniger günstig situirte drüsige Gebilde sein müssen. Wasdie Entwicklungsgeschichte der Milchdrüse betrifft, so haben wir in dieser Richtung freilich eine ganze Reihe höchst anerkennens- werther Arbeiten wie von: A. Cooper!), Kölliker?), ©. Langer°), 1) A. Cooper, On the Anatomy of the Breast. London 1840. 2) A. Kölliker, Mittheil. der Züricher Nat. Ges. 1850. Nr. 41. S. 23. Derselbe, Entwicklungsgeschichte I. Aufl. 1879. Bd. I. Derselbe, Mikroskopische Anatomie, Bd. I. 3) C. Langer, Ueber den Bau und die Entwicklung der Milchdrüse bei beiden Geschlechtern. Denkschriften der Wiener Akademie der Wissen- schaften. Bd. III. Lief. 2. 1851. 432 G. Rein: Huss!), Gegenbaur?), de Sinety°) und And. Doch ist bis jetzt keine complete Beschreibung des ganzen Entwicklungs- ganges des Organes, besonders was die jüngsten Stadien betrifft, für kein Thier in der Literatur gegeben. Man kann sich voll- ständig mit der Meinung Gegenbaur’s, eines der besten Kenner dieses Gegenstandes, einverstanden erklären, wenn er sich folgender- massen äussert: „Wir wissen unendlich viel mehr und genaues über die Struetur und Textur der anderen Integumentorgane der Säuge- thiere, als über den nicht blos physiologisch, sondern, wie ich ge- zeigt zu haben glaube, auch morphologisch wichtigen Apparat der Milechdrüsen und ihrer Ausführungsgänge“. Aber das Erscheinen selbst der vorzüglichen Arbeit Gegen- baur’s, welcher das eben angeführte Citat entnommen ist, sowie frühere Publicationen desselben Autors und des Dr. Huss lassen, meiner Ansicht nach, neue Untersuchungen über dasselbe Thema noch wünschenswerther erscheinen, als es früher der Fall war. Bekanntlich kommt Gegenbaur auf Grund der Arbeit von Huss sowohl, wie seiner eigenen Untersuchungen, zu einem ganz uner- warteten Resultat, welches er dahin formulirt, dass er die Saug- warze (PapillaMammae) des Menschen für „ein völlig anderes Ge- bilde“ erklärt, als die Zitze der Wiederkäuer. Dieses Ergebniss verwerthet Gegenbaur in der ihm eigenen klaren und scharf- sinnigen Weise für eine vergleichend anatomische und phylogene- tische Betrachtung der Milchdrüse, welche, die volle Richtigkeit der thatsächlichen Untersuchungsergebnisse vorausgesetzt, eine äus- - serst werthvolle Bereicherung nicht nur unserer Kenntnisse des in Rede stehenden Organes, sondern auch der comparativen Mor- phologie überhaupt bilden würde. Die weittragende Bedeutung, welche diese Anschauungen mit sich bringen, bewog mich, auf Vorschlag Prof. Waldeyer’s, eine 1) M. Huss, Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Milchdrüse. Jenaische Zeitschrift Bd. VII. 1873. S. 176. 2) Gegenbaur, Bemerkungen über die Milchdrüsenpapillen der Säugethiere. Ibidem S. 204. Derselbe, Zur genaueren Kenntniss der Zitzen der Säugethiere. Morpholog. Jahrb. Bd. I. 1876. Derselbe, Grundriss der vergleichenden Anatomie. II. Aufl. 1878. 3) De Sinety, Recherches sur la mamelle des enfants nouveau-nes, Archives de physiologie. 1875. Untersuch. über die embryonale Entwicklungsgeschichte der Milchdrüse. 433 erneute Untersuchung des Gegenstandes vorzunehmen und zwar an einem möglichst grossen Material. Das hauptsächlichste und zugänglichste Material lieferte mir das Kaninchen, und hatte ich die Möglichkeit, dessen Embryonen in den verschiedensten Entwicklungsstadien und im frischesten Zustande zu untersuchen. In sehr bedeutender Anzahl und aus verschiedenen Entwicklungsperioden herrührend standen mir ferner zur Disposition Embryonen des Menschen, des Rindes, des Schafes, der Ziege und des Schweines. Leider verfügte ich über das übrige Material, wie Maus-, Ratten-, Meerschweinchen-, Hund-, Katzen-, Maulwurf-, Igel-, Didelphys- und Känguruh-Embryonen nur in sehr beschränkter Quantität). Ich beabsichtige zunächst, um dem Eingangs berührten Mangel in der Darstellung unserer Kenntnisse der Milchdrüse zu begegnen, eine möglichst vollständige Schilderung des Entwicklungsganges des Organes bei einem Thiere, und zwar beim Kaninchen, zu geben. Das Kaninchen zeigt in dieser Beziehung eine grosse Aehnlichkeit mit dem Menschen. Ich lasse dann die Darstellung der Entwick- lung beim Menschen, den Wiederkäuern, dem Schwein und andern Thieren folgen, besonders insofern, als sich Unterschiede vom Kaninchen und Menschen ergeben. In einem später zu veröffent- lichenden zweiten Theile soll dann eine übersichtliche Zusammen- stellung, sowie eine vergleichend anatomische Bearbeitung folgen. Die Präparate wurden in Müller’scher Flüssigkeit und Al- eohol, in Kleinenberg’scher Flüssigkeit, absolutem Alcohol, Os- miumsäure u. s. w. gehärtet. Die Müller’sche Flüssigkeit be- währte sich vorzüglich. Die Kleinenberg’sche wird mit Vortheil nur für jüngere Embryonen verwendet. Bei Anfertigung von Schnitten aus derartig erhärteten und in einem Gemische von 4 Theilen Spermacet und 1 Theil Rieinusöl eingebetteten Objeeten leistete das Microtom von Dr. Roy, welches im Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. XIX.beschrieben ist, gute Dienste. Ich färbte mit Pikrocarmin, Beale’s Carmin und Hämatoxylin. Kaninchen. Zur grösseren Bequemlichkeit bei der Beschreibung theile ich den Entwicklungsprocess der Milchdrüse bei Kaninchenembryonen 1) Für die Ueberlassung einiger dieser Embryonen bin ich Herrn Professor Wiedersheim in Freiburg zu grossem Danke verpflichtet. 434 G. Rein: in 6 Perioden. Dieselben Perioden kann man, wenn auch mit einigen, mehr nebensächlichen Abweichungen, auch bei anderen Thierarten unterscheiden. Erste Periode. Hügelförmige Anlage. Die ersten An- fänge der Milchdrüse treten bei Kaninchen bereits in einer äus- serst frühen Periode des embryonalen Lebens auf. Ich fand sie schon bei Embryonen mit noch deutlich ausgesprochenen Kiemen- bögen und nach aussen vorragendem Herzen. Die mit einem Faden gemessene Länge des gerade gestreckten Körpers beträgt 15—16 mm, vom Scehwanzansatze bis zum vorragendsten Punkte des Kopfes gerechnet ). Die Bauchhöhle ist in ihrer grösseren Ausdehnung nur von der vorderen Verbindungsmembran (membrana reuniens anterior) geschlossen. Dem entsprechend sind die Seiten- wände der Rumpfhöhle noch sehr dünn. Auf der hervorragendsten Partie der Seitenwände (Fig. 3) lassen sich mit einer starken Lupe (z. B. Syst. I oder besser noch Syst. IV Hartnack als Lupe ge- braucht) einige, gewöhnlich 4, symmetrisch zu beiden Seiten ge- legene Punkte wahrnehmen. Diese Punkte nehmen hier diejenige Lage ein, welche bei erwachsenen Thieren den Brustwarzen zukommt, jedoch mit dem Unterschiede, dass sie relativ viel weiter von der vorderen Mittellinie des Embryo abstehen, als bei älteren Thieren. Das Alter dieser Embryonen schätze ieh auf 11—12 Tage. Bei einzelnen Exemplaren dieses Entwicklungsstadiums konnte ich selbst bei sorgfältigster Untersuchung keine Anlagen der Milch- drüsen erkennen. In einem darauffolgenden Stadium (Körperlänge 16—17 mm, Kiemenspalten theilweise bereits geschlossen) war es stets möglich, diese Anlage aufzufinden. Die oben erwähnten Unterschiede finden sich nicht selten an Embryonen eines und desselben Uterus, die also nur ganz unbedeutende Altersdifferenzen darbieten können. Somit glaube ich, dass wir es bei den Em- bryonen aus der beschriebenen Altersperiode in der That mit den ersten Anfängen der Milchdrüse zu thun haben. Die mikroskopische Untersuchung bestätigte diese Anschauung. In dieser Periode ist vom Körperintegument nur die Oberhaut deut- lich differenzirt (Figur 1 und 2). Eine scharf von den tieferen Gewebslagen unterschiedene Cutis existirt noch nicht. Die Oberhaut setzt sich aus 2 Schichten zusammen. Die untere — die Anlage der Malpighischen Schichte — besteht 1) Alle weiter unten folgende Maasse auch für die Menschenembryonen sind auf dieselbe Weise genommen. Untersuch. über die embryonale Entwicklungsgeschichte der Milchdrüse. 435 aus einer Lage regelmässiger, kurzeylindrischer, z. Th. auch cubischer, mit grossem Kern versehener Zellen; die obere — die Anlage der Hornschicht — wird aus einer Reihe meist abgeplatteter, stellenweise elliptischer, stellenweise spindelförmiger oder auch runder Zellen gebildet. Diese Ungleichheit der Zellenform bedingt eine leichte Unebenheit der Oberfläche der Hornschicht. Dagegen ist die untere Fläche der Malpighischen Schicht vollkommen glatt und eben. Sie sitzt unmittelbar dem rundzelligen Embryonalgewebe, welches die Bauchwände zusammensetzt, auf. Dieses Gewebe färbt sich am intensiv- sten bei Carmintinction, weniger die Malpighische Schicht und noch weniger die Hornschicht. Letztere bleibt an manchen Präparaten ganz ungefärbt. Die erste Anlage der Milchdrüse stellt sich unter dem Mikroskop in der Form eines sehr sanft ansteigenden Hügels dar. Diese Erhebung — primäre Epithelanlage — (Fig. 1) verdankt ihren Ursprung ausschliesslich einer localen Proliferation der Zellen der Malpighischen Schicht. Das darunter gelegene embryonale Gewebe (die zukünftige Cutis) weist keinerlei wahrnehmbare Veränderungen auf; ihre obere Grenzfläche ist vollständig eben, was namentlich deutlich an solchen Präparaten zu Tage tritt, wo die Drüsenanlage mit dem nächstgelegenen Bezirk der Malpighischen Schicht sich von dem darunterliegenden Gewebe zufällig losgelöst hat (Fig. 4). An demselben Präparate sieht man auch, wie innig der Zusammenhang der Milchdrüsenanlage mit dem nächtsgelegenen Abschnitte der Ober- haut ist, in welche letztere die hügelförmige Anlage ohne jegliche sichtbare Grenze unmittelbar übergeht. Die Zellen sind hier wie da völlig gleich, nur sind die die oberen Schichten der Anlage zu- sammensetzenden Zellen manchmal etwas kleiner und zeigen mehr abgerundete Conturen als die Zellen der untersten Schicht. An der unteren Fläche des Hügels habe ich bei einigen Präparaten eine sehr dünne structurlose zarte Basalmembran gesehen (Fig. |, vgl. Kölliker, Entwickelungsgesch. Bd. II, S. 773). Auf frontalen Durchschnitten der frühesten Drüsenanlage konnte ich eirca 25 Zellen zählen, welche an der vorspringendsten Stelle in 4 Reihen angeordnet waren. Uebrigens war eine Anordnung der Zellen in Reihen im strengen Sinne des Wortes nicht zu constatiren. Die Hornschicht zieht ohne irgend welche Veränderungen über die Anlage hinweg. In dem unter dem Hügel gelegenen Gewebe sieht man gewöhnlich einige mit kernhaltigen Blutkörperchen gefüllte Capillargefässe. Die Veränderungen, welehe in der ersten Periode an der Drüsenanlage vor sich gehen, beschränken sich auf eine unbe- 436 G. Rein: deutende Zunahme des Höhendurchmessers, unter fortschreitender Proliferation der Elemente. In der grössten von mir beobachteten hügelförmigen Anlage betrug die Anzahl der Zellen bei unverän- derter Basislänge auf dem Frontal-Durehschnitte etwa 50. Der Sagittalschnitt ist etwas länger wie letzterer, und hat somit die Basis der Anlage eine ovale Form !). Zweite Periode. Linsenförmige Anlage. Die Basis der Anlage wird nach unten zu convex, indem sie sich in das unterliegende Gewebe einsenkt. Die Anlage gewinnt die Form einer Linse. Gegen das Ende der Periode dringt die linsen- förmige Anlage immer tiefer in das unterliegende Gewebe hinein und wird gleichzeitig ihre obere Fläche immer mehr abgeplattet, bis sie endlich zum Anfange der folgenden Periode völlig in das Niveau der umliegenden Haut übergegangen ist. Die Frontal- durchschnitte boten, wie das schon für die frühere Periode bemerkt wurde, ein etwas anderes Bild dar wie die Sagittalschnitte und zwar hat hier die Anlage, wie es scheint, eine stärkere obere Wölbung und eine geringere Länge wie an Sagittalschnitten, welche umgekehrt weniger hoch, aber länger sind. Die successiven Veränderungen, welche die Drüsenform auf Frontal- wie Sagittal- schnitten durehmacht, sind aus Fig. 5, 6, 8 ersichtlich. Gleichzeitig mit den eben beschriebenen Form- und Lage- veränderungen vergrössert sich die Anlage in allen Dimensionen. Die mikroskopische Structur der eigentlichen Anlage bleibt in der beschriebenen Periode eine ähnliche wie in der ersten. Das einschichtige Stratum Malpighii der Umgebung geht unmittel- bar in eine Anhäufung von epithelialen Zellen über, welche eben die Anlage bilden. Diese Zellen haben abgerundete Conturen und sind etwas kleiner, wie die nächstgelegenen Cylinderzellen der Malpighi’schen Schicht. An einzelnen Präparaten wird, so wie manchmal in der ersten Periode, eine Differenzirung der Zellen der Anlage bemerkbar (Fig. 5). In den 2—3 untersten Schichten sind die Zellen höher, liegen dichter einander an und haben eine regel- mässige Anordnung: sie stehen senkrecht auf ihrer Unterlage und da diese eine kugelförmige Vertiefung darstellt, so haben die diese Vertiefung auskleidenden Zellen eine strahlige Anordnung. Die oberen Zellen sind kleiner, färben sich schwächer bei Carmin- 1) Die Messungen werden unten in einer Tabelle angeführt. Untersuch. über die embryonale Entwicklungsgeschichte der Milchdrüse. 437 tinetion, sind rundlicher und liegen ohne sichtbare Ordnung und weniger dicht bei einander. Bei Anfertigung von Präparaten fallen diese Zellen leicht zum Theil heraus, so dass in solchen Fällen die Oberfläche der Anlage ein unebenes Aussehen erhält. Die angrenzende Haut hat dieselbe Structur wie in der vor- hergehenden Periode, nur ist ihr Verhältniss zur Anlage ein an- deres. Fällt bei gewissen Manipulationen die ganze Anlage heraus, wie das nicht selten geschieht, so zeigt die Cutis an der Stelle, wo die Anlage gesessen, eine napfförmige Vertiefung mit scharfen, glatten Rändern (Fig. 7). Bemerkenswerth ist es, dass an einzelnen Präparaten, welche aus dem Endstadium dieser Periode stammen, die runden Elemente der embryonalen Cutis dort, wo sie an die erwähnte napfförmige Vertiefung grenzen, eine deutliche Anhäufung in der Form einer Zone zeigen, die einzelnen embryonalen Zellen hier etwas kleiner sind, als weiter nach der Tiefe zu, und sich intensiver mit Carmin färben. Aus diesen Zellen wird später das Gewebe der Warze gebildet; ich bezeichne daher die eben be- schriebene Zone als „Warzenzone*. Das Gewebe, welches den Boden für die zukünftige Drüse abgiebt, stellt an einzelnen Präpa- raten eine sanft ansteigende Erhebung dar. Die Hornschieht ist ebenso beschaffen, wie in der vorigen Periode und zieht unverändert über die Anlage hin. Die zweite Entwicklungsperiode folgt auf die erste so schnell, dass ich z. B. häufig in der Lage war, dieselbe bereits an ein- zelnen Objecten zu constatiren, während andere Exemplare, gleich- zeitig demselben Uterus entnommen, noch in der ersten Periode der Entwicklung begriffen waren. Die Grösse der Embryonen beträgt 17—19 mm. Die Kiemenspalten sind nicht mehr zu sehen, die Mundöffnung ist noch verhältnissmässig breiter als bei Er- wachsenen, die Bauchdecken sind noch in beträchtlicher Aus- dehnung nicht eompletirt. Der Embryo ist auf seiner Bauchfläche gebogen, an den Extremitäten werden die ersten Anfänge der Fingerbildung sichtbar. Die Drüsenanlagen sind deutlich mit unbewaffnetem Auge in Gestalt rundlicher Erhebungen zu sehen; indessen haben letztere auf ihrem Gipfel keine Spur einer cen- tralen Einsenkung und gelingt es eine solche selbst nicht einmal mit Hülfe des Syst. 4 (Hartnack), als Lupe benützt, wahrzu- nehmen. Dritte Periode. Zapfenförmige Anlage. Indem die 438 G. Rein: linsenförmige Anlage der zweiten Periode immer tiefer in das darunterliegende Gewebe hineinwächst, plattet sich ihre obere Fläche, wie bereits erwähnt, immer mehr ab, während die untere, umgekehrt, immer convexer wird; die Höhe der ganzen Anlage nimmt zu. Zu Anfang der dritten Periode hat die Anlage die Form eines kurzen Zapfens angenommen, dessen horizontale obere Fläche im Niveau der umliegenden Haut liegt, dessen unteres Ende hin- gegen nach unten stark convex vorgebaucht ist (Fig. 9). Die Grössen-Differenz zwischen Frontal- und Sagittaldurch- schnitten besteht auch in dieser Periode fort, wovon man sich leicht bei Betrachtung von Flächenpräparaten mit schwacher Ver- grösserung überzeugen kann. — Gegen Ende dieser Periode ist das zapfenförmige untere Ende der Anlage noch mehr ausgeprägt und findet gleichzeitig eine theilweise Abrundung der Oberfläche statt, in Folge derer die peripherischen Theile der Anlage bereits unter das Niveau der umliegenden Haut einsinken, während der grössere centrale Theil der Drüse noch im Niveau der Hautober- fläche liegt. In manchen Fällen sieht man noch im Centrum der Oberfläche eine leichte Vertiefung. Diese Form (Fig. 10) stellt bereits den Uebergang zur IV. Periode dar. Die feinere Struetur der Anlage unterscheidet sich nur wenig von dem Baue, den sie in der II. Periode hatte. Auch jetzt haben wir es mit einer Anhäufung von epithelialen Zellen zu thun, welche an manchen Präparaten einander vollständig gleich erscheinen, an anderen dagegen eine Differenzirung in peripherische und centrale zeigen, eine Differenzirung, wie wir sie bereits für manche Präpa- rate der ersten und zweiten Periode beschrieben haben, wie sie jedoch in dieser Periode an einzelnen Objeeten mit grösserer Deut- lichkeit hervortritt als oben. Das unterliegende Gewebe zeigt zu dieser Zeit eine in der Differenzirung weit vorgeschrittene zukünftige Cutis, die sich deut- lich von dem tiefer gelegenen Muskelgewebe unterscheiden lässt (Fig. 10). Das Gewebe der Cutis besteht noch aus runden Ele- menten, die jedoch durch eine reichlichere Intercellularsubstanz aus einander gehalten werden. Gegen das Ende dieser Periode treten ovale und spindelförmige Zellen auf, zwischen denen die Intercellularsubstanz sich noch stärker entwickelt zeigt. Das Stratum Malpighii ist an einzelnen Präparaten noch ein- schichtig, an anderen dagegen bereits mehrschichtig. DieHornschicht Untersuch. über die embryonale Entwicklungsgeschichte der Milchdrüse. 439 zieht entweder, wie bisher, unverändert über die Anlage hin, oder aber sie trägt an Präparaten aus einem vorgeschritteneren Stadium im Centrum einen kleinen Pfropf, der aus 2—3 Schichten ver- hornter Zellen besteht und die oben erwähnte, am oberen Ende der Anlage befindliche Delle ausfüllt. Das Verhältniss der Cutis zur Anlage ist in dieser Periode folgendes: die Erhebung der Cutisoberfläche im Gebiete der An- lage über das Niveau der umliegenden Hautpartieen, welche auch schon vorher ab und zu zur Beobachtung kam, wird in dieser Periode eine constantere (jedoch noch nicht in jedem Falle zu eonstatirende); zugleich spricht sie sich immer stärker aus, so dass an einzelnen Präparaten die Anlage fast mit ihrer halben Höhe die Nachbarschaft überragt (Fig. 10). An der Berührungsfläche der Cutis mit der Drüsenanlage bemerkt man jetzt, als eine con- stante Erscheinung, eine aus angehäuften jungen Rundzellen be- stehende Warzenzone. Blutgefässe kommen ebenfalls stets in der Nachbarschaft der Anlage vor. Das eben beschriebene Stadium traf ich bei Embryonen von 19—25 mm Länge. Ihre Körperform hatte sich bereits definitiv ausgebildet, mit Ausnahme der vorderen Bauchwand, welche an einzelnen Exemplaren noch nicht vollständig completirt war. Bei Betrachtung mit einer starken Lupe kann man jetzt bisweilen auf der Höhe der Anlage eine punktförmige Vertiefung beobachten. Diese Erscheinung entspricht selbstverständlich dem Herausfallen des eben erwähnten kleinen Pfropfes verhornter Zellen. Vierte Periode. Kolbenförmige Anlage. Wächst die Anlage noch tiefer in das unterliegende Gewebe hinein, so nimmt sie eine charakteristische Kolbenform an (Fig. 11 und 12). Das ursprünglich kugelige Gebilde gewinnt durch Verschmälerung seines oberen Theiles einen Hals, dessen erste Entstehung am Ende der 3. Periode bereits beschrieben ist. Bei jüngeren Exemplaren ist dieser Hals kurz und kaum er- kennbar, bei älteren wird er immer länger, bis er endlich gegen Ende der 4. Periode die Länge des Kolbenkörpers erreicht oder sogar überschritten hat (Fig. 13). Er besteht aus einem nach unten zu engen und einem nach oben sich trichterförmig erweiternden Theile, welcher letztere an seinem oberen Ende gewöhnlich gegen Sehluss der Periode wit einer seichten Delle versehen ist. Der enge Theil ist im Verhältniss zum ganzen Halse sehr niedrig; der 440 G. Rein: srösste Theil des letzteren wird zur Bildung des Trichters ver- wandt. Die Differenzirung der Zellen, aus denen sich die Anlage aufbaut, ist schon bei allen Objeeten dieses Stadiums mit der grössten Deutlichkeit ausgesprochen. Die peripherischen Zellen, welche in 2—3 Lagen die Wände der Anlage bekleiden, haben ihr Aussehen und ihre Anordnung, welche sie in der 2. Periode hatten, behalten und färben sich lebhaft mit Carmin. Die cen- tralen Zellen färben sich bei jüngeren Embryonen bald gut, bald schlecht (Fig. 11), bei älteren hingegen bleiben sie fast durchgän- gig ungefärbt, mit Ausnahme der Kerne, und gestalten sich aus runden Zellen zu solchen von unregelmässiger Form um. Im Ganzen und Grossen sieht man das Verhältniss, dass während die peri- pheren Zellen den Cylinderzellen der Malpighi’schen Schicht ähn- lieh bleiben, die centralen Zellen, namentlich die im Inneren des Trichters befindlichen, immer mehr, was Form und Verhalten gegen Farbstoffe anbetrifft, den obersten Reihen des Stratum Malpighii ähnlich werden. Je älter die Anlage wird, desto mehr nimmt im Verhältniss zu den peripheren Zellen die Zahl der centralen, in der oben beschriebenen Weise veränderten Elemente zu (Fig. 12 u. 13). Die Cutis besteht in der Mitte der Periode bereits aus spindelförmigen, mit grossen, sich intensiv in Carmin färbenden Kernen versehenen Zellen und aus Intercellularsubstanz, die, mit fortschreitendem Alter des Embryo, immer mehr an Mächtigkeit zunimmt. Zu Ende dieser Periode erhält das Cutisgewebe ein deutlich faseriges Aussehen. An der der Anlage entsprechenden Stelle zeigt die Cutis gewöhnlich eine mehr weniger deutliche Er- hebung. Die Warzenzone ist immer deutlich ausgesprochen. An älteren Objeeten erreicht sie eine recht beträchtliche Dicke, so dass sie bisweilen ebenso breit wird, wie die Anlage selbst (Fig. 13). Zwischen ihren Elementen bemerkt man jetzt eigenthümliche, glän- zende, spindelförmige Zellen, welche als junge glatte Muskelfasern zu deuten sind. Das subcutane Fettgewebe tritt in kleinen Inseln auf und zwar bei ältern, dieser Periode angehörigen Individuen. Die Malpighi’sche Schicht besteht bereits aus einigen Zellenreihen. Die Cylinderzellen der untersten Reihe sind in der nächsten Umgebung der Drüse etwas höher. In dieser Periode lassen sich die Anfänge der Bildung anderweiter Abkömmlinge der Malpighi’schen Schicht beobachten, nämlich der Haarbälge und der Talg- drüsen (Fig. 12, h). Dieser Process geht, soweit ich das verfolgen konnte, davon aus, dass an einer begrenzten Stelle die eylindrischen Zellen der Untersuch. über die embryonale Entwicklungsgeschichte der Milchdrüse. 441 Malpighi’schen Schicht an Höhe zunehmen, ohne dass dabei sich neue Ele- mente bilden. In dem nächstfolgenden Stadium drängen sich diese Zellen tiefer in das Gewebe der Cutis hinein, eine Delle bildend, und treten die Proliferationserscheinungen ein. Jetzt stellt die Anlage ein sehr seichtes Grübchen dar, welches mit einigen jungen, aus den obersten Reihen der Malpighi’schen Schicht stammenden, rundlichen Elementen ausgefüllt ist und darüber hin zieht die Hornschicht. Von unten und von den Seiten her ist die Grube von einer Lage dicht angehäufter Zellen der Cutis eingefasst. Im weitern Verlauf wächst die Anlage immer-mehr, hauptsächlich nach unten, bis sie die Zapfenform erreicht, welche immer weiter in die Tiefe eindringt. Bald jedoch nimmt die Anlage die charakteristische schiefe Stellung zur Oberfläche der Haut an. Aus dem eben Angeführten sieht man, wie die Haarbälge und die mit ihnen gegebenen Talgdrüsen in ihrer Entwicklung in mehrfacher Beziehung von der Milchdrüse abweichen. Diese Periode der Entwickelung der Milchdrüse zieht sich ziemlich lange hin. Ich traf die kolbenförmige Anlage bei Em- bryonen von 2,5 bis 4,5 cm Länge, deren Körperform bereits defi- nitiv ausgebildet war. Makroskopisch stellt sich die Anlage als Erhöhung dar, die mit runder Basis aufsitzt und am Anfange der Periode sehr sanft, späterhin steiler ansteigt. Der Gipfel derselben trägt, bei älteren mit blossem Auge, bei jüngeren Objecten mit der Lupe sichtbar, eine kleine Grube von runder oder mehr unregel- mässiger Form. Diese Vertiefung liegt bisweilen genau central, entsprechend dem höchsten Punkte der Anlage, andere Male mehr excentrisch. Fünfte Periode. Periode der Knospenbildung. Jetzt geht eine weitere Umgestaltung der äusseren Form der Anlage, hauptsächlich des Körpers derselben vor. Die runde Figur (auf Durehsehnitten) wird zu einem Dreieck (Fig. 14) oder Vieleck mit abgerundeten Rändern ; weiterhin treten die an der Basis gelegenen Ecken immer mehr nach den Seiten hin vor (Fig. 15), um sich schliesslich, vermöge einer sich nun ausbildenden Einschnürung, fast ganz vom Körper loszulösen (Fig. 16). Man erkennt aus dieser Sehilderung unschwer, dass es sich hierbei um die Bildung der Knospen handelt, welche gegen Ende der Periode zu eylindrischen, mit ihrer Länge die Höhe der Anlage fast um das Doppelte über- treffenden Zapfen — sekundäre Epithelanlage — auswachsen (Fig. 17). Die Höhe der primären Anlage selbst bleibt entweder die- selbe, wie sie am Schlusse der vorigen Periode war, oder sie nimmt 442 G. Rein: noch ein wenig zu. Die Knospen sind solide Cylinder, die mit leichten kolbigen Anschwellungen enden. Die grösste Anzahl, in der ich die Ausläufer auf einem und demselben Verticalschnitte gesehen habe, betrug 4. Der Unterschied, welcher anfänglich in der Breite zwischen oberen und unteren Theilen der Anlage be- steht, verwischt sicb mehr und mehr, so dass eine Halsbildung nur undeutlich (Fig. 17) oder gar nicht mehr erkennbar ist (Fig. 18). Die obere Fläche trägt eine trichterförmige Vertiefung, die mit ihrem unteren engen Theile an älteren Objecten fast bis zur Mitte des Höhendurehmessers der Anlage reicht. Was die feinere Structur der Anlage betrifft, so spiegeln sich in ihr dieselben Vorgänge ab, wie sie in der benachbarten Haut Platz greifen. Dasselbe vielschichtige Stratum Malpighii, mit einer unteren, durch ihre grössere Affinität zum Carmin von den übrigen deutlich sich unterscheidenden Zellenreihe (Cylinderzellen). Die- selbe, aus den für erwachsene Individuen characteristischen platten Zellen bestehende Hornschicht, welche eben, Dank dieser Platten- form, nur wenig diek erscheint, obgleich auch sie aus mehreren Lagen besteht. Alles das treffen wir in der Anlage wieder; nur sind die aufgezählten Differenzen zwischen diesen drei zum Aufbau verwandten Elementen hier mit noch schärferer Deutlichkeit aus- gesprochen. An der Peripherie der Anlage lassen sich 2 bis 3 Reihen hoher eylindrischer, intensiv mit Carmin sich färbender Zellen unterscheiden. Dann folgt zum Centrum hin eine weniger gut sich färbende Schicht leicht granulirter, mit grossen Kernen versehener polymorpher Zellen, welche die Hauptmasse der An- lage constituiren und welche nichts anderes wie die Fortsetzung der höheren (Riffzellen) des Stratum Malpighii sind. Im Centrum selbst endlich sitzt ein Pfropf aus verhornten Plattenepithelien, oben mit einer trichterförmigen Vertiefung versehen, die ihren Ursprung der vollständigen Verhornung und dem Herausfallen einer kleineren oder grösseren Anzahl oberflächlich gelegener Zellen verdankt. Die Zapfen setzten sich aus gleichartigen epithelialen Elementen zusammen und verhalten sich Farbstoffen gegenüber genau ebenso, wie die peripheren cylindrischen Zellen der primären Anlage, deren unmittelbare Derivate sie ja auch sind. An der Stelle der Anlage ist die Haut gewöhnlich noch be- trächtlicher als in der vorigen Periode erhoben (Fig. 16) und nimmt bei älteren Objecten bereits eine der Kegelform sich nähernde Untersuch. über die embryonale Entwicklungsgeschichte der Milchdrüse. 443 Gestalt an, wie sie der fertigen Brustwarze zukommt. Uebrigens finden auch jetzt (wie bereits früher) mannigfache individuelle Schwankungen in dieser Beziehung statt. Parallel mit dieser Er- hebung geht die Erhebung der Basis der Anlage und wächst die- selbe so weit heraus, dass nicht selten gegen den Schluss der in Rede stehenden Periode ihr unteres Ende im Niveau der benach- barten Haut angelangt ist. Die Warzenzone differenzirt sich in noch stärkerem Grade von der Nachbarschaft und nimmt gleichzeitig an Umfang zu. Sie präsentirt sich in der Form eines Halbmondes, der die epi- theliale Anlage von unten und von den Seiten her umgreift und theils in der beschriebenen Erhebung der Haut, ohne sie jedoch ganz auszufüllen (Fig. 16), theils tiefer, unter derselben, gelegen ist. Zu Ende dieser Periode tritt ein neuer Bestandtheil auf, es ist dies das „Drüsenstroma“. Während früher (Fig. 15) die Warzenzone mit ihrer unteren Fläche unmittelbar der Muskelschicht der Haut auflag, tritt nunmehr eine von der Warzenzone verschie- dene Gewebsmasse zwischen beiden auf (Fig. 16, 17 s), welche die Warzenzone immer höher nach oben drängt. Der weitere Ver- folg der Dinge lehrt, dass dieses neuformirte Gewebe die Anlage des bindegewebigen Drüsenkörpers repräsentirt; wir wollen es in der Folge kurz mit „Drüsenstroma* oder „Stromazone“ bezeich- nen !). Diese erste Anlage dieses wichtigen Drüsenbestandtheiles ist in ihrer feineren Structur nur wenig von dem benachbarten Cutisgewebe verschieden. Allenfalls sind die zelligen Bindegewebs- elemente dichter aneinander gelagert und besteht die Zwischen- substanz aus enger durcheinander geflochtenen Zügen. Die epi- thelialen Drüsenzapfen gehen unverändert durch die Warzenzone hindurch, dringen in die Stromazone ein und laufen erst hier in die erwähnten Anschwellungen aus. Gute Carminpräparate lassen sehr deutlich an den Farbenunterschieden die drei im Bezirke der Anlage gelegenen Zonen der Cutis erkennen. Am intensivsten ge- färbt ist die Warzenzone. Etwas weniger die dieselbe von unten 1) Auch Jakowski, Abhandl. der Krakauer Akad., math.-naturw. Klasse VII, 1880, hat diese „Stromazone“ gesehen; er bezeichnet sie als „embryonales Bindegewebe“, meint indessen, abweichend von meinen Be- funden, dass dasselbe an der Bildung und am Wachsthum der Acini und Ausführungsgänge Theil habe. Jedenfalls ist das für den epithelialen Theil der letzteren nicht richtig. 444 G. Rein: und in beträchtlicher Ausdehnung auch von den Seiten umgreifende, zur Bildung des Stroma dienende Schicht. Am wenigsten imbibirt sich die benachbarte unveränderte Cutis; hier nehmen nur die Kerne das Carmin auf, derart, dass die einzelnen Zellen durch reichliche ungefärbte Zwischensubstanz von einander getrennt er- scheinen. Scharfe Grenzen zwischen der sich ausbildenden Stroma- anlage und umliegenden Cutis existiren nicht und ist hierin ein wesentlicher Unterschied von dem Verhältnisse gegeben, wie es zwischen Warzenzone und Stromagürtel Platz hat und welches sich in einer scharfen halbmondförmigen, die beiden letzterwähnten Gebilde deutlich scheidenden Grenzlinie ausspricht. Die äussere Gestalt der Stromazone ist unregelmässig halbmondförmig, mit lappigen, sich in die benachbarte Cutis einsenkenden Rändern. Gewöhnlich tritt die Stromazone nicht aus dem Bereich der Basis der Warzenerhebung der Haut hervor. Bei Präparaten von älteren Embryonen trifft man zwischen der unteren Fläche der Milchdrüsenanlage und Muskelschicht fast regelmässig Fettträub- chen und Bündel unveränderten Cutisbindegewebes an und dringen nicht selten diese beiden Gebilde stellenweise in die Stromazone selber ein. — Was die übrigen Derivate der Malpighi’'schen Schicht anlangt, so schreitet ihre Ent- wicklung in dieser Periode sehr rasch vorwärts, so dass man zum Schluss derselben bereits ganz gut entwickelte Talgdrüsen, sowie ausgebildete Haar- schafte mit ihren Haarbälgen antrifft. Makroskopisch ändert sich das Aussehen und die Form der Drüsenanlage nur wenig. Die beschriebene Periode beobachtete ich bei Embryonen von 4,5—8 em Länge. Sechste Periode Rückbildung der primären, wei- tere Ausbildung der sekundären Epithelanlage. In dieser Periode zeigt der Entwickelungsgang der primären Epithelanlage ein vollständig anderes Verhalten, als bisher, und zwar hört nicht nur das Weiterdringen der Primäranlage in die Tiefe der Haut sowie ihr Wachsthum vollständig auf, sondern es tritt eine ent- schiedene Rückbildung derselben ein. Sie fängt an, sich allmäh- lich in allen Durchmessern zu verkleinern; am raschesten nimmt die Höhe ab. So kommt es, dass die primäre Epithelanlage beim neugeborenen Thiere wieder ein sehr unbedeutendes Gebilde repräsentirt. Reste der primären Epithelanlage in demselben Zustande wie sie bei Neugeborenen existiren, fand ich auch bei Thieren in den ersten Tagen ihres extrauterinen Lebens, ferner bei 1—3 Wochen Untersuch. über die embryonale Entwicklungsgeschichte der Milchdrüse. 445 alten Thieren, ja auch bei einem vollständig ausgewachsenen, je- doch noch nicht trächtig gewesenen Kaninchenweibchen. Bei sol- chen jedoch, die bereits geboren und gesäugt hatten, konnte ich nur noch unbedeutende Spuren der primären Anlage entdecken. Die Verkleinerung der Anlage findet gleichzeitig mit einer Ver- änderung in den einzelnen sie zusammensetzenden Elementen statt. Bereits bei Beschreibung der 3. Periode erwähnte ich eines aus verän- derten und verhornten Zellen bestehenden Pfropfes, der in einigen Präparaten zu sehen war und der die centrale Vertiefung auf der Ober- fläche der Anlage ausfüllte. Pfropf wie Vertiefung vergrössern sich in der 5. Periode beträchtlich und zwar bisweilen derart, dass beide bis zur Mitte des Höhendurchmessers der Anlage hinabreichen (Fig. 17). Bis jetzt sahen wir, wie der lokale Rückbildungsprocess Hand in Hand mit einem progressiven Wachsthum, einer Proliferation der Elemente in anderen Gebieten der Anlage einherging. Anders ver- hält es sich in der sechsten Periode; der Rückbildungsprocess, den man jetzt bereits definitiv als eine Verhornung bezeichnen kann, macht rapide Fortschritte, während die Proliferation der den Boden und die Seitenwände der primären Epithelanlage auskleidenden, zelligen Elemente sistirt. Dieser Vorgang der Verhornung pflanzt sich wie auch früher vom Centrum und von der Oberfläche, mit anderen Worten von solchen Punkten der Anlage beginnend, die wegen ihrer relativen Entfernung von den Blutgefässen die un- günstigsten Ernährungsverhältnisse darbieten, nach unten und nach der Peripherie hin fort. Die verhornten metamorphosirten Zellen fallen zum Theil, wie es scheint in toto, aus der Anlage heraus, theils unterliegen sie einem moleculären Zerfall. In Folge dessen kommt es, erstlich einmal (wegen Betheiligung der ceniralen Zellen) zu einer Lumenbildung im Inneren der Epithelanlage und zweitens (Ausfallen der obersten Zellen) zu einer Abnahme in der Höhe derselben (Fig. 19). An der erwähnten Metamorphose partieipiren ausschliesslich die centralen Zellen (vergl. Fig. 18). Hier sehen wir eine deutliche Schicht (u s) eingeschaltet, die aus Zellen im Uebergangsstadium besteht und welche die bereits vollständig ver- hornten Zellen der Anlage (h p) von den unverändert gebliebenen Zellen scheidet. An Carminpräparaten nimmt diese Uebergangs- Schicht eine diffuse, sehr intensive Färbung an. Die sich nach Innen zu daranschliessenden verhornten Elemente bleiben ungefärbt; die nach aussen von diesem dunklen Streif gelegenen, noch zu den Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 20. 29 446 G. Rein: eentralen gehörigen Zellen dagegen haben dieselbe hell rosarothe Färbung, welche die Riffzellen der Malpighi'schen Schicht charae- terisirt, zeigen deutliche Zelleneonturen und enthalten in ihrem fein granulirtem Protoplasma grosse Kerne. Die peripheren Zellen der primären Epithelanlage ver- ändern sich im Verlauf der oben beschriebenen Processe am lang- samsten. Ich fand sie in Gestalt eines feinen, die Anlage um- gebenden Saumes selbst bei erwachsenen, jedoch noch nicht ge- säugt habenden Weibchen (Fig. 20 p z), wo ausser ihnen der Rest der primären Epithelanlage nur aus einem kleinen Häufchen ver- hornter Zellen bestand. Später setzen sie wahrscheinlich einer- seits die eylindrische Schicht, welche der Oberhaut angehört und auf dem Gipfel der Brustwarze gelegen ist, zusammen, andererseits gehen sie wohl in die die Ausführungsgänge der Drüsen ausklei- denden Zellen über. Die seeundären Epithelanlagen nun schreiten im Gegen- theil beträchtlich in ihrer Entwicklung fort, so dass eigentlich nur die intermediären, zwischen den Abtrittsstellen der einzelnen Zapfen ge- legenen Theile der primären Epithelanlage vollkommen zu Grunde gehen. Nicht blos nehmen die Zapfen beträchtlich an Umfang zu, son- dern es stellen sich in denselben noch zwei weitere wesentliche Veränderungen ein: sie erhalten ein Lumen und verzweigen sich. Die ersten Spuren einer Lumenbildung traf ich in den kol- bigen Endanschwellungen der Zapfen bei einer todt geborenen, nicht ganz ausgetragenen Frucht an. Bei einen Tag alten Kanin- chen haben die unteren Abschnitte der Zapfen bereits überall eine ziemlich weite Lichtung, während sie in den oberen Partien noch solid sind. Eine vollständige auf die Zapfen in ihrem ganzen Verlauf sich erstreekende Kanalisirung gelang es mir selbst bei einem 5 Tage alten Kaninchen nicht nachzuweisen. Am 15. Tage nach der Geburt fand ich jedoch die secundären Epithelanlagen bereits in ihrer ganzen Ausdehnung mit einem Lumen versehen, jedoch mündeten sie auf der Höhe der Brustwarze (ob nur ein- zelne von ihnen oder alle, kann ich nicht sagen) in einen Haufen von verhornten Zellen aus der primären Anlage herstammend, be- sassen somit noch keine offenen Zugänge (Fig. 20). Bezüglich der Art und Weise, wie die Kanalisirung ge- schieht, kann ich nur sagen, dass wahrscheinlich die centralen Zellen untergehen und, nach vorgängiger Fettdegeneration, resorbirt Untersuch. über die embryonale Entwicklungsgeschichte der Milchdrüse. 447 werden. Reste soleher untergegangener Zellen sieht man beständig im Inneren der jungen Kanäle, in Gestalt von fettigen Detritus- massen angehäuft. Die kanalisirten seeundären Anlagen stellen sich als Röhren dar, die sich nach unten zu kolbig erweitern und mit einschichtigem niedrigem eylindrischen oder kubischen Epithel ausgekleidet sind. Die nach dem Lumen zugekehrte freie Ober- fläche der Zelle zeigt einen, aus glänzender, amorpher Masse ge- bildeten Streifen, welcher als eine Cutieularbildung aufzufassen ist. Das Vorhandensein der Cutieula bedingt, dass die Durch- schnitte dieser Kanäle mikroskopisch ein eigenthümliches Aus- sehen darbieten, wie dies die Figur 20 gut wiedergiebt. Selbst an 24tägigen Kaninchen, mit. vollkommen offenen Ausführungs- gängen, ist der Unterschied zwischen den Epithelien oberer und unterer Abschnitte der Kanäle nicht auffallend. Die weiter sich ausbildende Verzweigung stellt sich in zwei Formen dar, von denen jede, wie mir scheint, ihre besondere Bedeutung hat. Entweder es theilen sich diehotomisch die noch soliden Zapfen in ihren oberen Theilen, was bald etwas höher, bald etwas niedriger geschehen kann, oder es theilen sich die bereits kanalisirten Schläuche und namentlich an ihren unteren Ab- schnitten. Als Folge des ersten Theilungsmodus treten unter einander anostomosirende (Fig. 18, 20, t) Ausführungsgänge der zukünftigen Drüse und zwar in grösserer Anzahl auf, als es ursprünglich Sprossen, welche die primäre Epithelanlage aussandte, gab. Der „weite Vorgang führt zu einer Sprossenbildung, welche an den Wandungen der erweiterten Schlauchenden vor sich geht und unter dem Bilde von kurzen hohlen Sprossen, welche daselbst mit breiter Basis anfsitzen, verläuft (Fig. 19, 20 i). Auf diese Weise kommt es zu einem immer complieirteren Systeme von Kanälchen, die in ein und denselben Ausführungsgang münden. Die Zahl der Sprossen, die sich an eine Röhre ansetzen, ist eine sehr variable. Nicht selten sieht man sie in regelmässigen rosettenförmigen Figuren auftreten. Auf demselben Wege kann es an den Wan- dungen der so secundär entstandenen Hohlräume zu einer tertiären Sprossenbildung und nachträglichen Canalisation kommen. Dieser Process wird an neugeborenen Kaninchen beobachtet und scheint es bis zum Beginne der Geschlechtsreife zu keiner weiteren Ver- ästelung zu kommen, erst dann hebt dieselbe von neuem an. Be- merkenswerth ist es, dass die sich verästelnden Kanalenden in 448 G. Rein: ihrem Inneren relativ weite Höhlungen, die späterhin sich ver- kleinern, bergen. Es ist das eine Erscheinung, die dem von Th. Kölliker!) an Menschen im ersten Lebensjahre unter dem Namen der „Eetasiebildung“ beschriebenen Vorgange entspricht. — Bei Vergleichung von Drüsen eines neugeborenen und eines erwach- senen, Milch gebenden Thieres kann man sich leicht überzeugen, dass die erwähnten seeundären und tertiären Verästelungen sich nachträglich zu Drüsengängen (Ductus lactiferi) umgestalten, wäh- rend die Schläuche selbst zu den allgemeinen Ausführungsgängen eines ganzen Drüsenlappens werden. Jeder dieser Ausführungs- gänge beim erwachsenen Thiere zerfällt in einen oberen kleineren engeren Theil — den eigentlichen Ausführungsgang — und in einen unteren grösseren und breiteren Abschnitt, welcher dem Sinus der menschlichen Driüse entspricht (Fig. 21). Auch die Warzenzone betheiligt sich in der genannten Periode an dem Wucherungsprocesse in recht beträchtlicher Weise. An ihrer Peripherie macht sich eine besonders rege Zellenproliferation bemerkbar und äussert sich dieselbe in dem Vorhandensein eines ziemlich breiten, dunklen Streifens, welcher in der genannten Partie gelegen ist (Carminpräparate). Jetzt lassen sich die Züge aus gut entwickelten glatten Muskelfasern mit voller Deutlichkeit er- kennen. An einem Präparate, das von einem 5 Tage alten Indi- viduum stammte, waren sie in Gestalt eines dichten, eng und un- regelmässig durcheinander geflochtenen Netzwerkes, welches haupt- sächlieh die Basis der Warze einnahm, vorhanden. Auffällig ist es, dass die Warzenzone bei Weitem nicht die ganze Breite der Brustwarzenerhebung einnimmt. Im Anfange der sechsten Periode findet man an der Peripherie der zukünftigen Brustwarze, in weiter Ausdehnung verbreitet, ein unverändertes Bindegewebe, wie es der gewöhnlichen Cutis zukommt. Dasselbe unveränderte Cutisgewebe sah ich auch bei einem 4 Wochen alten Objecte an der Peripherie der Warze wieder, allein jetzt bildete es nur mehr eine schmale gürtelförmige Schicht, während die Hauptsubstanz der Brustwarze sich bereits aus dem characteristischen Gewebe, wie es der Warzen- zone zukommt, aufbaute (Fig. 20 ec). Dies beweist uns, dass die eben beschriebene Warzenerhebung, die jetzt meist sehr deutlich 1) T. Kölliker. Beiträge zur Kenntniss der Brustdrüse. Würzb. Verhandl. 1880. N. F. Bd. XIV. S. 142. Untersuch. über die embryonale Entwicklungsgeschichte der Milchdrüse. 449 ausgesprochen ist und bereits ganz ansehnliche, je nach der Indi- vidualität varirende Grössendurchmesser besitzt, genau genommen allein noch nicht die Brustwarze in ihrer definitiven Gestalt, welche dieselbe am Schluss ihres Entwicklungsganges hat, darstellt. Auch das Wachsthum der Stromazone schreitet beträcht- lich vorwärts. An einzelnen Präparaten, die sich durch eine be- sonders hohe Brustwarzenerhebung auszeichneten, konnte ich con- statiren, dass das Wachsthum des Stroma hauptsächlich in der Richtung nach oben stattgefunden hatte. So z. B. übertraf bei einem 5 Tage alten Embryo der Höhendurchmesser des betreffen- den Gürtels um das dreifache das Maximum, welches dieser Dimen- sion am Ende der vorigen Periode zukommt, während die Breite desselben die Breite der, Basis der Brustwarzenerhebung nicht überstieg. In anderen Fällen prävalirte umgekehrt, bei mässigem Höhenwachsthum, das Breitenwachsthum, wobei das Stromage- webe sich keilföürmig nach beiden Seiten hin in das subeutane Gewebe einschob. Die feinere Structur des Stroma ist dieselbe geblieben, wie früher, d. h. es besteht aus Bindegewebe, in welchem jedoch die embryonalen rundlichen Zellen in reichlicherer Anzahl vorhanden sind, als in der Warzenzone und im umliegenden Cutisgewebe. Die eigentliche Stromasubstanz ist bei neugeborenen Individuen, deren betreffende Organe bereits mit Ausführungsgängen für die werdenden Acini versehen sind, im Verhältniss zu der relativen Weite der Hohlraumbildung in nur spärlicher Menge vorhanden. Umgekehrt verhält es sich damit in den späteren Entwickelungs- stadien z. B. bei einem erwachsenen, jedoch noch nicht geboren habenden Weibchen, wo das Stroma gegenüber den Hohlräumen stark praevalirte, was darin seine Erklärung findet, dass ersteres, wenn auch langsam, fortfährt zu wachsen, während das Lumen der Kanäle entweder in demselben Zustande verharrt, den es in den ersten Tagen nach der Geburt hatte, oder viel langsamer zu- nimmt. Das subcutane Fettgewebe (Fig. 19, 20 f), welches in der genannten Periode gewöhnlich in reichlicher Menge an der ganzen Körperoberfläche verbreitet ist, häuft sich bisweilen, wie ich dies bereits erwähnte, in der Gegend der Brustwarzenbasis derart an, dass es daselbst eine kissenartige Verdickung bilden kann. Wenngleich jetzt die Endigungen der Drüsenschläuche ganz dicht an der Grenze des Fettpolsters gelegen sind, so kommt es dennoch in 450 G. Rein: der genannten Periode niemals zu einem Eindringen desselben in den Panni- culus, vielmehr bleiben sie stets von ihrer characteristischen Stromasubstanz umgeben. — In der Nachbarschaft der Drüse ist die Haut bereits definitiv ausgebildet, dünne feine Härchen ragen aus derselben hervor und zwar zu einer Zeit, die der Geburt um einiges vorausgeht. Auch die nächste Um- gebung der Drüse ist nicht ganz von Haaren entblösst, ja, dieselben kommen auch auf der Brustwarze selbst vor (Fig. 20). Auch jetzt stellt sich die Drüse makroskopisch in Gestalt einer Erhebung dar, die mit einer centralen Delle versehen ist. Ihre Höhe ist mannigfachen individuellen Schwankungen unter- worfen. Die Saugwarze fängt gewöhnlich gleich von den ersten Tagen nach der Geburt an, immer deutlicher hervorzutreten und eine Kegelform anzunehmen. Ihre Grösse bleibt bis zum Beginn der Lactationsperiode bei Männchen und Weibchen dieselbe oder ist eine nur etwas beträchtlichere, als sie im ersten Monat nach der Geburt war. Bei säugenden Thieren dagegen entwickelt sich die Saugwarze wie die Drüsensubstanz selbst in kurzer Zeit zu bedeutenden Dimensionen. Die beschriebene Periode erstreckt sich von den letzten Tagen des intrauterinen Lebens bis in die ersten Wochen nach der Ge- burt hinein. Ein Embryo von 8 em Länge steht, wie erwähnt, noch in der 5. Entwickelungsperiode. Die Körperlänge des neu- geborenen Kaninchens beträgt 9—10 em. Das weitere Schicksal, welches die Milchdrüse beim erwachsenen Indi- vidiuum, während der Lactationsperiode, im Involutionsstadium ete., erfährt, habe ich bei allem Interesse, welches diese Dinge bieten, als ausserhalb des Planes meiner Arbeit gelegen, nicht näher verfolgt. Betreffs der Structur der Drüse beim erwachsenen Thiere habe ich gefunden, dass die Zahl der Ausführungsgänge, deren jeder einem beson- deren Drüsenlappen entspricht, bei weitem grösser ist, wie dies Rudolphi') angiebt und zwar, dass sie nicht 5, sondern mehr wie 10, im Maximum 13 beträgt. Bei der Kegelform der Saugwarze münden die Ausführungsgänge nicht alle in der gleichen Ebene, sondern ein Theil höher oben, ein Theil mehr an der Basis. So kommt es denn, dass Querschnitte aus der Warze eine um so geringere Zahl Ausführungsgänge zeigen, je höher nach oben sie angefertigt sind. Gewöhnlich sieht man an Schnitten, die mehr aus der Spitze des Kegels stammen, 7 Gänge, während solche aus der Mitte die meisten Oefinungen (Fig. 22) — 10 bis 13— zeigen. An der Basis ist die Zahl der Querschnitte der Kanäle wiederum geringer geworden, 5—7; gleichzeitig 1) Abhdl. d. k. Akad. d. Wissensch. zu Berlin 1831, S. 342. Untersuch. über die embryonale Entwicklungsgeschichte der Milchdrüse. 451 sind hier die Kanäle verbreitert. Ueberhaupt ist es schwer, bei der oben erwähnten Möglichkeit der Anastomosen zwischen Haupt-Ausführungsgängen, nach den Querschnitten der Warze eine genaue Bestimmung der Zahl der Ausführungsgänge zu machen. Die Injectionsmethode scheint mir mehr dazu passend. Doch jedenfalls halte ich mich für vollkommen gerechtfertigt. die Zahl der Ausführungsgänge auf mehr als 5 anzugeben. An Vertical-Schnitten aus der Warze eines Thieres, welches am 5. Tage post partum getödtet worden war und nur den ersten Tag seine Jungen gesäugt hatte, konnte man sich leicht davon überzeugen (Fig. 21), dass die Ausführungsgänge in 2 Abschnitte zerfallen, wovon der obere — das Mündungsstück (e) — sehr kurz und schmal, mit mehrschichtigem Plattenepithel ausgekleidet ist, während der untere — Sinus lacteus (sn) — sehr viel länger sich ausdehnt. ungemein weit ist und zahlreiche seitliche Ausbuchtungen trägt. Die Wände des letzteren sind mit Cylinderzellen ausgekleidet. Der Uebergang aus der einen Epithelform in die andere ist ein allmählicher. Doch ist das Uebergangsgebiet nur sehr schmal und entspricht der schon deutlich makroskopisch wahrnehmbaren Grenze zwischen diesen zwei Abtheilungen. Diese Verhältnisse werde ich ge- nauer bei den Wiederkäuern (s. unten) besprechen. Die Warze ist in ihrer ganzen Ausdehnung von sehr zahlreichen Bündeln von glatten Muskelfasern durchsetzt. Dieselben bilden in den unteren Theilen der Saugwarze, in der Umgebung der sinuösen Ausbuchtungen Züge, die sich in den mannigfachsten Richtungen durchkreuzen (Fig. 22 mb), während in den oberen Partien sich ausser ihnen noch mächtige, ringförmig angeordnete, die eigentlichen Aus- führungsgänge sphincterartig umgebende Muskellagen vorfinden (r). — Das Drüsenparenchym wächst nur sehr unbedeutend in die Dicke, um so inten- siver jedoch in die Breite, so dass es während der Lactationsperiode soweit kommt, dass nicht blos die auf der einen Körperseite gelegenen Drüsen die auf der anderen Seite befindlichen innig berühren, sondern dass auch die einseitig gelegenen unter einander so gut wie verschmolzen sind und es ziemlich schwer fällt, eine von ihnen ohne Verletzung der anderen heraus zu präpariren. Jetzt ist die ganze Bauchwand, sowie der grösste Theil der Brust des säugenden Kaninchens mit prall gespanntem Drüsengewebe bekleidet. Die Zahl der einzelnen Drüsen beträgt gewöhnlich 8. Auch die Sinus sowie die Ausführungsgänge kleinerer Läppchen sind colossal ausgedehnt und gehen eine in die andere ohne jegliche scharfe Grenze über, wovon man sich leicht schon bei Betrachtung einer vertical ge- schnittenen Drüse mit blossem Auge überzeugen kann. Das gesammte System der Ausführungsgänge einer thätigen Drüse nimmt somit eine Art cavernösen Characters an, und fungirt in Ermangelung einer „Milchblase“ wie ein Recep- taculum, aus welchem sich die Milch beim Beginne des Saugactes leicht in grösserer Menge entleert; cf. Henle, Splanch. II. Aufl. p. 555. Hiermit will ich die Detail-Beschreibung der einzelnen Vor- gänge, die sich meiner Beobachtung darboten, beschliessen und 452 G. Rein: erlaube mir nun in Folgendem einen kurzen Rückblick auf den gesammten Entwickelungsgang der Milchdrüse, wie er beim Kanin- chen sich gestaltet, mit Berücksichtigung der betreffenden vorhan- denen literarischen Angaben zu werfen. Nicht alle Bestandtheile der zukünftigen Drüse treten gleich- zeitig auf. Am ersten, bereits in einer sehr frühen Periode des embryonalen Lebens, entwickelt sich allein die Epithel-Anlage und zwar in Gestalt einer charakteristischen Erhebung. Das Material dazu liefern ausschliesslich die Zellen der Malpighischen Schicht und speciell die eylindrischen, welche übrigens in der genannten Periode die einzigen sind, die existiren. Dieses Stadium, die hügelförmige Anlage, ist bis jetzt für die Milchdrüse noch nicht beobachtet worden. Die Gestalt derselben lässt sich, meiner Ansicht nach, leicht durch den Umstand erklären, dass die durch Proliferationsvorgänge in der Malpighi- schen Schicht gebildeten Zellen anfänglich nach der Seite des schwächsten Druckes ausweichen und dort ihre Aufstellung nehmen, d. h. nach oben hin, wo sie blos durch eine einzige Zellenreihe, die der Hornschicht bedeckt sind. Erst in der folgenden Periode, wann der Hügel eine gewisse Höhe erreicht hat, wird der Druck, dem die sich vermehrenden eylindrischen Zellen des Stratum Malpighii von obenher ausgesetzt sind, immer stärker und überwiegt endlich den Druck von unten, so dass jetzt die proliferirenden Zellen der epithelialen Anlage sich in der Richtung nach unten anhäufen und damit die Veranlassung zu einer Hervorbuchtung der unteren Fläche abgeben. Die primäre Epithelanlage nimmt eine linsenförmige Gestalt an und beginnt in das darunterliegende Gewebe weiter hineinzuwachsen. In letzterem selbst kann man nun die charakteristischen Veränderungen, welche als Ausdruck einer Reaction auf den Reiz, dem dasselbe ausge- setzt ist, auftreten, beobachten, nämlich die Proliferation von zel- ligen Elementen der zukünftigen Cutis in nächster Nachbarschaft der primären Epithelanlage — die Bildung der Warzenzone — und die Erhebung des ganzen Bodens der Anlage — erstes Auf- treten der zukünftigen Warzenerhebung. Ferner kann man nunmehr eine beginnende Differenzirung der Zellen der epi- thelialen Anlage beobachten, ein Vorgang, der analog dem ist, welcher in der benachbarten Oberhaut vor sich geht. Die unteren Zellen, die späteren peripherischen, bleiben bis zum Schluss in Untersuch. über die embryonale Entwicklungsgeschichte der Milchdrüse. 453 der primären Epithelanlage bestehen und geben hauptsächlich das Material ab, aus dem sich weiterhin die secundären epithelialen Anlagen — die Drüsenzapfen, resp. Drüsenläppehen entwickeln. Die centralen Zeilen ihrerseits gehen allmählich auf dem Wege der regressiven Metamorphose zu Grunde und werden eliminirt. Somit haben wir es in der zweiten Periode mit den Anlagen zweier Bestandtheile, des Epithels und des charakteristischen Gewebes der Warze zu thun. In der Literatur finden wir die linsenförmige Anlage erwähnt von Langer |. e. (linsenförmiger Körper) und beschrieben von Huss 1. e. und zwar von Beiden, wie sie beim Menschen vorkommt. Aus der Schilderung Langers, die durch keinerlei Zeichnung er- läutert ist, und die sich auf Embryonen aus dem 4.—5. Schwanger- schaftsmonate bezieht, scheint es, wie wir noch weiter unten sehen werden, dass der Autor den Namen „linsenförmige Körper“ einem Stadium beilegt, welches am allerwahrscheinlichsten meiner dritten oder sogar vierten Periode entspricht. Die Drüsenanlage beim Menschen in dieser Zeit hat in der That einige Aehnlichkeit mit einer Linse. Die Beschreibung von Huss, auf die ich später noch zurückkommen werde, entspricht fast vollkommen meiner 2. Periode. In der dritten Periode — zapfenförmige Anlage — finden nur Formgestaltungen statt und kommt es zu keinerlei wesent- lichen Veränderungen in der feineren Structur. Die centralen Zellen beginnen stellenweise zu Grunde zu gehen und herauszu- fallen. Dieses Stadium in der Entwickelung der Milchdrüse ist bisher ebenfalls nicht unterschieden worden. Die Milchdrüse hat in dieser Periode grosse Aehnlichkeit mit den von Kölliker in seinem Handbuche der Entwickelungsgeschichte abgebildeten Anlagen für die Schweissdrüsen. Weiteren Untersuchungen bleibt es vorbe- halten, zu ergründen, ob auch letztere in einer früheren Entwickelungsperiode etwa die beiden für die Milchdrüse geltenden ersten Phasen durchmachen, eine Frage, über die uns die Kölliker’schen Angaben keine Auskunft geben können, da die Präparate von Kölliker aus einer viel späteren Periode stammen, als die von mir hier gegebenen Beschreibungen der Milchdrüsen- Anlagen. In der 4. Periode — der kolbenförmigen Anlage — kommt es ausser einer neuen Umgestaltung der Form zu weniger wichtigen Veränderungen. Es schreiten vielmehr die Processe, welche bereits früher eingeleitet werden, weiter vorwärts. In der 454 G. Rein: Warzenzone treten die ersten sicher erkennbaren Anfänge der glatten Muskelnfasern auf. Die characteristische Kolbenform der Drüsenanlage war für den Menschen bereits genau von Kölliker!) beschrieben und abgebildet. Gegenbaur?) hat dasselbe Stadium für Didelphys geschildert und hierbei auf die Differenzirung der centralen Zellen von den peripheren, sowie auf das an der Öber- fläche der Anlage befindliche Grübehen hingewiesen. Die Stroma- zone scheint bei Kölliker unter dem Namen „Faserhülle“ ab- gebildet zu sein. In der sich nun daranschliessenden Periode —der der Sprossen- bildung — kommt es zu wichtigen Umänderungen. 1) Es treten die Sprossen auf, d. h. bleibende epitheliale Gebilde, dieman auch als secundäre Epithelanlagen bezeichnen kann, zum Unterschiede von der oben beschriebenen, in der folgenden Periode wieder ver- schwindenden primären Epithelanlage. Sie stellen die Anlagen der weiteren epithelialen Drüsenbestandtheile: Hauptausführungs- gänge, Sinus lactei, der secundären, tertiären etc. Ausführungsgänge (duetus laetiferi) und der Acini dar. 2) Es bildet sich die Anlage des künftigen Drüsenstroma’s aus. 3) Es nimmt endlich der Process der regressiven Metamorphose, welcher die Veranlassung zum Unter- gange der centralen Zellen der primären epithelialen Anlage war, einen ausgesprochenen Character der Hornmetamorphose an. Die übrigen Processe, wie das Eindringen der primären Epithelanlage in die Tiefe, das Breiterwerden der centralen Vertiefung, die in der Mehrzahl der Fälle constatirte Erhebung des Bodens der Anlage gehen in derselben Weise und Richtung vorwärts, wie vorher. — Dieses Entwickelungsstadium, wo die Drüse aus einer bestimmten Anzahl von Zapfen besteht, die nach einem Punkte hingerichtet sind, wo sich eine centrale Vertiefung findet, die gleichsam als allgemeiner Ausführungsgang, in den hinein die einzelnen werden- den Drüsenlappen einmünden, angesehen werden kann, war bereits seit lange für den Menschen, wenigstens in seinem äusseren Aus- sehen von Langer und anderen Autoren beschrieben worden. Hierher gehört eine allgemein bekannte Abbildung von Langer (ie.rFig: 1.) Dagegen fand ich betreffs des ersten Anfangs der Stroma- 1) Entwickelungsgeschichte II. Aufl. S. 800. 2) Morphol. Jahrb. I, 1876, S. 266. Untersuch. über die embryonale Entwicklungsgeschichte der Milchdrüse. 455 bildung, sowie bezüglich des Characters des Vorgangs, in Folge dessen die centralen Zellen der primären Epithelanlage zu Grunde gehen, keinerlei bestimmte Angaben in der Literatur. Die characteristischsten und hervorragendsten Momente der letzten 6. Periode bilden die energische regressive Metamorphose der primären Epithelanlage, das mit ihm Hand in Hand gehende stärkere Wachsthum der Warzenerhebung und die progressive Aus- bildung der secundären Epithelanlagen. Das Verschwinden eines Theiles, welcher in der vorhergehen- den Periode ein so intensives Wachsthum zeigte, ist nicht leicht zu erklären, findet jedoch sein Analogon in Entwickelungsvor- gängen, wie sie sich auch sonst in vielen anderen Organen des Körpers abspielen. So wissen wir z. B., dass an Stelle des zu- künftigen Lidspaltes anfänglich solides Gewebe besteht, welches im weiteren Verlaufe resorbirt wird und zu Grunde geht. Das- selbe finden wir in den röhrenförmigen Organen — wie Oesopha- sus, Vagina, Rectum ete. wieder, die ihrerseits anfänglich auch solide Gebilde darstellen und erst nachträglich, nach vorgängigem Zerfall und Resorption der centralen Zellen zu Hohlorganen sich umformen. An der Glans Penis des Menschen endlich, welche bis zu einem gewissen Zeitpunkte mit dem Praeputium verwachsen ist, ist es sogar derselbe Process — die Verhornung, — welcher, nach Schweigger-Seidel!), unter späterer Auflösung und Zerfall der die Verlöthung besorgenden Epithelzellen zur Bildung des Praeputialsackes führt. Huss war der erste, welcher auf die Erhebung des Drüsen- bodens behufs der Warzenbildung und das Zugrundegehen der pri- mären Epithelanlage aufmerksam gemacht hat. Jedoch ist seine Schilderung nicht ganz zutreffend und befasst sich nur mit der äusseren Seite des Vorganges, während das Wesen derselben keine Erklärung findet. Die Verzweigung und Kanalisation der secundären Epithel- anlage wird in der Literatur für den Menschen in etwas anderer Weise beschrieben, als ich dies für das Kaninchen fand (siehe unten.) Die glatten Muskelfasern der Brustwarze sind nur bei neu- geborenen Menschen und zwar von Huss beschrieben worden. 1) Virchow’s Archiv Bd. 37. 456 G. Rein: Der Mensch. Der Entwiekelungsgang der Brustdrüse des Menschen bietet im Ganzen und Grossen ungemein viel Aehnliches mit dem für das Kaninchen Geschilderten dar, und sind meine eigenen Unter- suchungen, die zum Zweck hatten, die von Langer, Kölliker, Huss u. A. gefundenen Daten zu ergänzen und zu completiren, nur dazu angethan, diese Aehnlichkeit noch mehr in’s Licht zu stellen. Die ersten Spuren einer Brustdrüsenanlage konnte ich mit voller Gewissheit bei einem Embryo von 24 mm Länge constatiren. Die Messung mit dem Zirkel ergab an demselben, gerade gestreck- ten Embryo 16 mm vom äussersten Kopf- bis zum äussersten Steiss- ende. Das Alter dieses Embryo, glaube ich, muss der 2. Hälfte des 2. Monats des Embryonallebens entsprechen. Der Mund des- selben war noch nicht definitiv ausgebildet, sondern stellte noch einen langen schmalen Spalt dar; die Bauchwände sind noch nicht completirt; an den Extremitäten sieht man die ersten, kaum er- kennbaren Andeutungen einer Fingertheilung. Die Drüsenanlage selbst zeigt sich bei der Lupenbetrachtung als punktförmige, in dem Centrum eines kreisförmigen Hautabschnittes gelegene Er- hebung. Letztere Hautpartie zeichnet sich von der Nachbarschaft durch ihre Glätte und durch eine eigenthümliche Färbung aus und stellt die Areola dar. Leider gelang es mir nicht, dieses Object einer genauen mikroseopischen Untersuchung zu unterwerfen, da dasselbe, schon seit lange in der Sammlung befindlich, sich nicht gehörig eonservirt hatte, undzum Schneiden untauglich geworden war. An noch jüngeren Embryonen war es mir unmöglich, irgend welche Spuren einer Milchdrüsenanlage zu constatiren, jedoch muss ich hinzufügen, dass die Embryonen aus der 5. und 6. Woche, die mir zu Gebote standen, ebenfalls schlecht erhalten waren. Ein gut gehärtetes 4 Wochen altes Object aus der Sammlung Prof. Waldeyer's liess, selbst mit starker Lupe, nichts von einer Drüsenanlage erkennen. Das jüngste Object, welches vollständig geeignet war, mir zu genauen mikroseopischen Untersuchungen zu dienen, war mit dem Faden gemessen 32 mm lang (Zirkelmessung 26 mm) und entsprach der 9.—10. Woche des Embryonallebens. Bei Betrach- tung mit blossem Auge, besser mit der Lupe, sah man an dem- Untersuch. über die embryonale Entwicklungsgeschichte der Milchdrüse. 457 selben, wie auch an den vorher geschilderten Präparaten, ent- sprechend der Stelle der Drüsenlage, eine runde glatte Fläche (Areola), in deren Centrum ein punktförmiger Hügel sich erhob, auf dessen Spitze man leicht, wenn man das Object spiegeln liess, eine kleine seichte Vertiefung erkennen konnte. Diese Anlageform ist bekanntlich, ihrem makroskopischen Aussehen nach bereits von Meckel!) beschrieben, der jedoch fälschlicher Weise die punktförmige Erhebung für die Warze, die centrale Vertiefung daselbst für den weiten Ausführungsgang der Drüse nahm. Mikroskopisch stellt sich uns dasselbe Bild dar (Fig. 23), wie wir es für Kaninchen aus der 4. Periode unter dem Namen kolben- förmige Anlage (Fig. 11, 12), mit deutlicher Warzenzone, beschrie- ben haben. Wesentliche Unterschiede zwischen dem vorliegenden Präparat und der aus dem Anfange der IV. Periode stammenden Anlage des Kaninchens, konnte ich nicht constatiren und halte ich daher eine nähere Beschreibung für überflüssig. Eine ähnliche kolbenförmige Anlage fand ich bei einem Mäd- chen von 7 cın Länge. Bei einer männlichen Frucht von 8,5 cm Länge war der Halstheil des Kolbens bereits etwas in die Länge gezogen. Kölliker?) hat die kolbenförmige Anlage, wie oben erwähnt, bei einem männlichen Objecte aus dem 5. Monate des intrauterinen Lebens beschrieben. Die betreffende Zeichnung unter- scheidet sich in 2 Punkten von der meinen Figur 23. Erstlich trägt die Oberfläche seiner Anlage keine Delle von herausgefal- lenen, entarteten Zellen; zweitens sieht man bei ihm keinerlei Differenzirung der Zellen in periphere und centrale. Diese beiden Dinge sowohl, wie das Aussehen des Kolbens selbst, mit seinem kurzen und breiten Halse, der an die zapfenförmige Anlage der III. Periode beim Kaninchen erinnert, sprechen dafür, dass das Köllikersche Object wahrscheinlich dem Anfange der IV. Periode angehört oder, was noch richtiger sein dürfte, dass dasselbe ein Uebergangsstadium der Anlage aus der III. in die IV. Periode darstellt (vgl. Fig. 10). Dieser scheinbare Widerspruch bezüglich des Alters zwischen diesen zwei Angaben, die sich einerseits auf 5monatliche Embryonen beziehen, und andererseits mit Objecten aus dem Anfange des 3. und aus dem 4. Monate 1) Meckel. Handbuch der menschlichen Anatomie. Bd. IV, S. 60, 1820. 2) Entwickelungsgeschichte, 1879, II. S. 800. 458 G. Rein: zu thun haben, lässt sich erklären, wenn man die bei Kaninchen gewonnenen Ergebnisse über die individuellen Schwankungen berücksichtigt und sich er- innert, wie man die oben erwähnte Differenzirung der Zellen bisweilen schon bei Objeceten aus der 2. Entwickelungsperiode antreffen kann, während von derselben in anderen Fällen selbst in der 3. Periode noch keine Spur zu sehen ist. Ferner sieht man ja nicht selten, dass gleichaltrige, aus demselben Uterus stammende Embryonen in der Entwicklung ihrer Milchdrüsen sehr verschieden vorgeschrittene Stadien aufweisen können und darf man ausser- dem nicht vergessen, wie bedeutend die individuellen Variationen auch in Bezug auf Länge des Körpers und sonst überhaupt während des allgemeinen Entwickelungsganges der Embryonen sein können. Au dem von Huss in Fig. 2 T. XII abgebildeten, von einem weiblichen, aus dem Anfange des 5. Monats stammenden Object, welches den Anfang der Sprossenbildung schon zeigt, war die Vertiefung an der Oberfläche der Anlage eine deutlich aus- gesprochene, von einer Differenzirung der zelligen Elemente jedoch kann man noch nichts wahrnehmen. Man muss mithin im Ganzen und Grossen die Milchdrüse zu denjenigen Bildungen zählen, die in der Reihenfolge, sowie in der Art und Weise der Entwickelung ihrer Bestandtheile den bedeutendsten individuellen Abweichungen unterliegen können und diese ihre Eigenthüm- lichkeiten nicht blos während des intrauterinen Lebens und in mehr neben- sächlichen Dingen dokumentiren, sondern auch bei erwachsenen Individuen, sowie in ihren wesentlichen Bestandtheilen, wie z. B. in Betreff der Zahl der Ausführungsgänge, in Grösse und Gestalt der Warze etc. dieselbe Tendenz zur Individualisirung hervorkehren. Irgend einen Einfluss des Geschlechtes auf den Entwickelungsgang der Anlage habe ich nicht beim Menschen beo- bachten können. Auf Grund der Aehnlichkeit, die in allen weiter folgenden Stadien für die menschliche Brustdrüse mit der des Kaninchens existirt, ist es wohl nicht zu viel gesagt, wenn man die für das ‚Kaninchen gefundenen drei ersten Stadien. auch dem Menschen vindieirt, zumal letztere bei Thieren — Schweinen, Wiederkäuern —, die in den späteren Perioden ihres Entwickelungsganges eine weit beträchtlichere Divergenz in dem Bau und in der Entwickelungs- weise der Drüsenanlage zeigen, in den drei ersten Perioden voll- kommen gleich verlaufen. In dieser Voraussetzung bin ich noch weiter durch das von Huss gefundene schon erwähnte Stadium bestärkt. So erinnert seine früheste Form der Drüsenanlage bei einem 4 cm langen menschlichen Embryo ungemein lebhaft an die linsenförmige Anlage des Kaninchens. Der Unterschied, welcher in dem Vor- handensein einer Vertiefung auf dem Gipfel der Anlage besteht, lässt sich zum Theil, möglicherweise durch den Umstand erklären, dass menschliche Embryonen selten in wohlerhaltenem Zustande Untersuch. über die embryonale Entwicklungsgeschichte der Milchdrüse. 459 zur Untersuchung gelangen. Oder aber, was ebenfalls sehr plau- sibel erscheint, man muss annehmen, falls man erstere Möglichkeit - von der Hand weist, dass die regressive Metamorphose der Zellen, sowie das Herausfallen derselben, welches zur Bildung der Ver- tiefung führt, beim Menschen, wenigstens in einzelnen Fällen, nicht in der 3. (wie beim Kaninchen), sondern bereits in der 2. Periode vor sich geht. Mein aus der 9.—10. Woche stammendes mikroskopisches Präparat, sowie das aus dem Ende des 2. Monates herrührende makroskopische Bild, weisen auch in der Zeit des ersten Auf- tretens der Anlage beim Menschen auf eine Uebereinstimmung mit dem Kaninchen hin. Unzweifelhaft muss man das Auftreten der ersten sichtbaren Spuren der Brustdrüsenanlage des Menschen nicht in den 3., sondern gegen das Ende des 2. Monats oder möglicher- weise in einen noch etwas früheren Zeitraum verlegen. Aller Wahrscheinlichkeit nach coineidirt auch hier der Anfang der Drüsenbildung mit der Schliessung der Kiemenspalten (6—7. Woche), d. h. sie fällt gerade in eine Periode des embryonalen Lebens, wo die Gesammtkörperform eben definitiv ausgebildet ist und wo bereits die Anlagen für alle übrigen wichtigeren Organe des Kör- pers existiren. In der Folge werden wir an anderen Thieren diese Behauptung des Weiteren bestätigt sehen. Gehen wir zu den weiteren Entwickelungsstadien der menschlichen Brustdrüse über. Zu Anfang des Stadiums der Sprossenbildung (5. Periode) ist die primäre Epithelanlage relativ kürzer und breiter, wie beim Kaninchen (Fig. 24 und Huss Fig. 2 und 3). Die Zellen sind grösser, und der Unterschied zwischen peripheren und centralen Elementen ist deutlicher ausgesprochen. Erstere sind in einer Reihe angeordnet. Die Oberfläche der Anlage kann entweder im Niveau der benachbarten Haut liegen, oder aber die darunterge- legene Hautpartie wölbt sich an der Stelle der Anlage so stark vor, dass letztere auf dem Gipfel der warzenförmigen Hervorragung gelegen ist, und nur mit ihrer Basis in derselben Ebene mit der umliegenden Haut steht. Ein derartiges sehr interessantes Präparat ist in Figur 24 abgebildet. Dieselbe Zeichnung zeigt noch eine andere bemerkenswerthe Eigenthümlichkeit. Es ist eine Verdiekung der Oberhaut einer in der Nähe der Anlage gelegenen Hautpartie — eine Verdieckung, die sowohl die Cylinderzellen, wie auch die anderen Elemente des Stratum Malpighii betrifft und 460 G. Rein: allmählich in die normale Oberhaut zu beiden Seiten der Anlage übergeht. Die Verdiekung der Cylinderzellenschicht wird durch die Höhezunahme der einzelnen Zellen bedingt; in der Riffzellen- schicht dagegen findet eine Proliferation der Elemente statt. Das Präparat beweist uns,. wie wir weiter unten besser sehen werden, dass der Unterschied in der Drüsen-Anlage des Menschen und der Wiederkäuer in seinen wesentlichen Momenten bei Weitem nicht so beträchtlich ist, wie dies in der Literatur angegeben wird. — Im weiteren Verlauf kann die sprossende Epithelanlage sich auch tiefer in die Haut einsenken, indem sie sich hierbei in ihrer äus- seren Gestalt verlängert und gleichzeitig verschmälert. In einem, von einem männlichen 18 em langen Embryo angefertigten Prä- parate war die Gestalt und das Aussehen der Anlage genau die- selbe, wie ich sie für das Kaninchen Fig. 17 abgebildet habe. Auf demselben Präparate habe ich die Ursprünge der Sprossen aus dem oberen Dritttheile der Anlage gesehen, während der Regel nach, beim Kaninchen sogar immer, sie von der unteren Hälfte der Anlage ausgehen. Die Vertiefung auf der Oberfläche der An- lage verdankt ihre Entstehung demselben Vorgange, wie beim Kaninchen, ist in ihrer Grösse wechselnd, kann jedoch, wie dies das eben erwähnte Präparat lehrt, mit ihrem Boden bis etwa zur Mitte des Höhendurchmessers der Anlage reichen. Die ersten Anfänge des Drüsenstromas treten gewöhnlich gegen Ende der 5. Periode auf und zwar zur selben Zeit, wo die Sprossen sich zu langen eylindrischen Zapfen umgestalten. Hierauf geht die Anlage sehr rasch in die 6. Periode über. Die 5. Periode beobachtete ich am Menschen im 5. und 6. Monate des intrauterinen Lebens; die Länge der Objeete variirte zwischen 10,5 und 13 cm. Das makroskopische Aussehen war das- selbe, wie es Huss detaillirt schildert. Auch die sechste Periode verläuft in einer Weise, die ganz auffallend an die Vorgänge beim Kaninchenembryo erinnert. — Die Beschreibung der 6. Periode will ich in folgende Abschnitte zerlegen. a) Rückbildungderprimären Epithelanlage. — Warzenerhebung. b) Fortentwickelung der secundären Epithelanlagen. ce) Warzenzone. d) Stromazone. e) Fettpolster. f) Schweiss-, Talg- und Montgomery’sche Drüsen. Untersuch. über die embryonale Entwicklungsgeschichte der Milchdrüse. 461 Das merkwürdigste Moment dieser Periode besteht in einer auf dem Wege der Verhornung rasch vor sich gehenden regres- siven Metamorphose der primären Epithelanlage. Die verhornten centralen Zellen fallen aus und hinterlassen auf der Oberfläche der Anlage eine Vertiefung, die eine sehr wechselnde, keinerlei bestimmten Regeln folgende Gestalt hat. Daher kommt es, dass die Abbildungen von Huss in Fig. 3, 4, 5 und 6, welche die suc- cessive Aenderung in der äusseren Gestalt der Anlage schildern sollen, nicht immer streng der wirklichen Reihenfolge entsprechen. Nicht selten ist die Vertiefung bei einem älteren Embryo weniger ausgesprochen tief und mehr in die Breite gehend, als bei jüngeren Objeeten, die selbst der vorhergehenden Periode angehören können. Die einzige allgemeine Schlussfolgerung, die in Betreff des Vor- gangs der Verhornung gezogen werden kann, lässt sich so ziem- lich auf das zurückführen, dass der Verhornungsprocess von oben und central beginnend, nach unten und peripher weiter schreitet und auf diesem Wege den mannigfachsten individuellen Schwan- kungen unterworfen sein kann. Auch an menschlichen Embryonen aus dem 7., 8., 9. und 10. Monate (s. Fig. 25) fand ich eine Ueber- gangszone, die aus den Zellen der primären Epithelanlage ent- standen und zwischen die verhornten und die unverändert geblie- benen eingeschaltet war. Ebenso konnte ich ein langes Bestehen der peripheren Zellen der Anlage, welche saumförmig die Reste der primären Epithelanlage umgeben, constatiren. In die Ver- tiefung der primären Anlage können wenigstens einige Ausführungs- gänge münden. Ein dies in exquisiter Weise zeigendes Präparat gewann ich aus der Brustdrüse eines Mädchens, welches in den ersten Tagen nach der Geburt gestorben war und dessen Nabel- strang sich noch nicht völlig abgelöst hatte. Immerhin ist es un- statthatt, diese Vertiefung mit Langer als temporären allgemeinen Drüsenausführungsgang zu betrachten, einmal schon, weil dieselbe noch theilweise mit Resten von verhornten Zellen verstopft ist und ferner, weil die Drüsenröhren selber zur Zeit des Bestehens dieser Vertiefung noch nicht in ihrer ganzen Länge hohl geworden sind. Ebenso gelang es mir nicht immer, die von Huss beschrie- bene ceirculäre Erhebung (Wall) zu sehen, welche die centrale Ver- tiefung der primären Epithelanlage umgeben soll und aus der ihrer Umgebung entsprechenden Partie der Areolaroberfläche besteht. Meiner Ansicht nach ist das Vorhandensein sowie die Grösse dieses Archiv f, mikrosk. Anatomie. Bd. 20, 30 462 G. Rein: Gebildes, welches nach Huss und Gegenbaur ein so grosses theoretisches Interesse in der vergleichenden Morphologie der Drüse in Anspruch nimmt, den mannigfachsten individuellen Abweichungen unterworfen. So z. B. werden wir es in dem einen Falle, wenn die Anlage die von mir in Figur 24 abgebildete Form in der 5. Periode besitzt und wenn sie bereits zu einer so frühen Zeit so stark über das Niveau der benachbarten Haut hervorragt, noth- wendigerweise, sobald in der 6. Periode der Verhornungsprocess in der gewöhnlichen Weise sich etablirt, mit einer ziemlich grossen wallartigen Erhebung um die Grube herum zu thun haben; wäh- rend ein anderes Mal, wie dies Figur 25 illustrirt, eine derartige Bildung auch in viel späterem Stadium unmöglich ist, weil es hier, eben selbst bei einer reifen ausgetragenen Frucht noch zu keiner Erhebung der Drüsenanlage über die Oberfläche der Haut gekom- men ist. Nach dem eben auseinandergesetzten, sowie aus Gründen, auf die ich später zurückkommen will, halte ich mich zur Auf- stellung dieser meiner Behauptung von der relativ mehr nebensäch- lichen Bedeutung der wallartigen Erhebung berechtigt und kann ich ihr nicht die von Huss und Gegenbaur vindieirte Rolle zusprechen. Aehnliche rein individuelle Schwankungen sah ich auch bei der Bildung der Brustwarze Platz greifen. So bilden die Form und Höhe der Brustwarze, wie sie Huss für ein 2!/s Monate altes Mädchen beschreibt, nach meinen Beobachtungen fast die Regel für dieselben Verhältnisse, wie ich sie bei Neugeborenen ange- troffen habe (vgl. auch Langer und Th. Köllikerl. e. Fig. 1). Nicht selten sieht man die Brustwarzen bei Neugeborenen ebenso stark oder gar relativ stärker prominiren, als wie dies Huss für ein 21/sjähriges Mädchen beschreibt. Ueberhaupt muss man den Zeit- raum, in welchen der Abschluss des intrauterinen Lebens fällt, beim Menschen wie beim Kaninchen, als den Moment ansehen, von dem der Beginn einer deutlichen Brustwarzenbildung datirt, doch kann die Prominenz in anderen Fällen bedeutend früher oder später ihren Anfang nehmen. Bei einem 5jährigen Mädchen sah ich auf dem Gipfel der Brustwarze noch Reste der primären Epithelanlage in der Form einer Vertiefung bestehen, in welche letztere 3 eentrale Ausführungs- gänge mündeten. Die eingezogene Brustwarze, d. h. die Form ec wo Untersuch. über die embryonale Entwicklungsgeschichte der Milchdrüse. 463 an Stelle der Erhebung eine Vertiefung besteht, kann ich kaum für eine Entwickelungshemmung, bei der die Drüse in einem Stadium welches der 6. Periode angehört, stehen geblieben wäre, ansehen, wie Huss dies thut. In einem von mir untersuchten Falle (Fig. 26), der einen 6jährigen Knaben betraf, dessen Brustwarze an Stelle der Prominenz eine 5 mm messende Vertiefung trug, fand ich auf dem Boden der letzteren eine vollständig ausgebildete und für das betreffende Alter gut entwickelte Brustwarze. Somit liess sich diese Anomalie nicht aus einem Nichtvorhandensein dieses Gebildes, wie es in der 6. Entwickelungsperiode der embryonalen Brustdrüse zu geschehen pflegt, erklären, sondern sie verdankt ihren Ursprung einer Abweichung von den normalen Verhältnissen, die zwischen Warze und der Haut der Areola existiren, eine Erschei- nung, die bei einigen Thieren als Regel vorkommt (s. unten). Be- kanntlich trifft man ja dieselbe Missbildung häufig bei erwachsenen Frauen an, wo sie eine klinisch wohlbekannte Form der Brust- warzenanomalien darstellt. Nach Hyrtl (Anatomie, 14. Auflage, S. 793) hat Cruveillier einen Fall von wirklichem Mangel der Warze bei einem 53jährigen Weibe beschrieben. Bezüglich der weiteren Entwickelung der Drüsenschläuche, ihrer Canalisirung, ihrer Theilungen sowohl am oberen Abschnitte (Fig. 20) wie am unteren (Fig. 25), kann ich auf das beim Ka- ninchen Gesagte verweisen. Theilungen am oberen Abschnitte eines Hauptausführungsganges sah ich bei einer siebenmonatlichen Frucht, Theilungen und Sprossungen an den unteren Enden verfolgte ich vom 7. Monate bis zum extrauterinen Leben. So complieirte Verzweigungen jedoch, wie sie Huss in seinen Figg. 4, 6 u.a. von den unteren Enden der Kanäle, sowie in ihrem oberen Theil abbildet, gelang es mir nie, weder bei Embryonen noch bei bereits seit einigen Monaten geborenen Kindern zu be- obacbten (cf. auch die Zeichnungen von Th. Kölliker |. e., Langer l.c., de Sinety l.c., u. Anderen). Den ersten Anfang einer Lumenbildung in den Drüsenröhren konnte ich im Gegensatze zu A. Kölliker!) zuerst an den er- weiterten kolbenförmigen Enden der Kanäle constatiren, erst später in den oberen Abschnitten derselben. Die Zeit, in welcher die Kanalisation beginnt, fällt in eine 1) Histologie, Bd. II, S. 414, 1854. 464 G. Rein: Periode, von der an die Frucht extrauterin weiter zu leben befähigt ist, d. h. in den Anfang des 8. Monates. Freilich sah de Sinety (l. e. Pl. XIV, Fig. 2), wie diese Kanalisirung bereits bei einer 7!/g monatlichen Frühgeburt in weiter Verbreitung Platz gegriffen hatte. Allein es weist dieses Object auch in anderen Dingen, wie z. B. in der Höhe der Brustwarzenerhebung, auf eine ungewöhn- lich frühe und unverhältnissmässig weit vorgeschrittene Brustdrüsen- entwiekelung hin, so dass man es wohl nicht als ganz regulär be- trachten darf. Eine von mir untersuchte siebenmonatliche Früh- geburt, die am 2. Tage gestorben war, zeigte die Drüsenschläuche blos an ihren erweiterten Endigungen kanalisirt. Bei einem wäh- rend der Geburt gestorbenen, ausgetragenen Knaben war die Ka- nalisation noch nicht bis in die oberen Endigungen der Drüsen- schläuche fortgeschritten, und boten dieselben nur die schon beim Kaninchen beschriebene Differenzirung der Zellen in periphere und centrale dar, welche das baldige Eintreten der Lumenbildung ankündigte. Dagegen waren die Drüsenschläuche eines in den ersten Tagen nach der Geburt gestorbenen Mädchens (der Nabelstrang war noch nicht abgefallen) bereits in ihrer ganzen Ausdehnung mit einem Lumen versehen und enthielten überall oben, wie in den erweiterten Endigungen eine sehr geringe Menge einer emul- siven Flüssigkeit. Ein Theil der Drüsenschläuche und zwar die- jenigen, die an der Peripherie der zukünftigen Warze ausliefen, waren bereits mit offenen Mündungen versehen, während die anderen mehr central gestellten noch mit Haufen verhornter Epithelzellen der primären Anlage verstopft blieben (cf. deSinety 1. e., Pl. XIV, Kiel m. YBIHXV, Fig: 1): Vom Anfange des Canalisirungsprocesses bis zu dessen Ende findet man bekanntlich in den sich bildenden Lumina nicht selten eine emulsive Flüssigkeit, welche öfters bei Anfertigung der Präparate in reichlicher Menge hervortritt und mikroskopisch wie makroskopisch viele Aehnlichkeit mit Milch hat. Ihre Bildung steht jedoch in directem Zusammenhange mit dem fet- tigen und körnigen Zerfall, der in den centralen Drüsenzellen vor sich geht und zu einem Hohlwerden der Schläuche führt. Anders verhält es sich mit der Secretion einer milchartigen Flüssigkeit, wie sie bei Kindern in den ersten Tagen nach der Geburt beobachtet wird (Hexenmilch! und welche sich nicht selten dermassen steigern kann, dass bei Druck auf die Drüse die Milch in feinen Strahlen hervorspritzt, wobei es häufig zu einer Schwellung und Vergrösserung des Organs um das mehrfache seines ursprünglichen Volu- mens kommt. Ich glaube, dass man de Sinety’s Ansichten bezüglich dieser _ Untersuch. über die embryonale Entwicklungsgeschichte der Milchdrüse. 465 Flüssigkeit vollkommen beipflichten kann und in der That annehmen muss, dass man es hier mit einer wirklichen secretorischen Thätigkeit der Drüsen, welche vollständig demselben Vorgange bei Erwachsenen analog ist, zu thun hat. Ich möchte zu Gunsten dieser Auffassung dem von de Sinety bereits Vorgebrachten noch Folgendes hinzufügen: 1) Vom anatomischen Standpuncte aus steht Nichts der Annahme im Wege, dass die Drüsen der Neugeborenen zu einer sekretorischen Thätig- keit befähigt sind, da dieselben bereits einige Tage nach der Geburt ein fast vollständig ausgebildetes Organ, ganz wie es beim Erwachsenen existirt, darstellen und sie sich von letzterem mehr quantitativ, d. h. in Be- zug auf ihre weniger complicirten Verästelungen, als qualitativ unterscheiden. Langer und A. Kölliker sprechen sich im gegentheiligen Sinne aus, da die Drüse der Neugeborenen noch der eigentlich secretorischen Partien der Acini, entbehre. Jedoch ist zu bedenken, dass auch die Drüse des Er- wachsenen genau genommen ebenfalls keine acinöse, sondern eher eine tubu- löse ıst, nur quantitativ weiter ausgebildet. Acini wie Milchgänge, welche letztere bei Neugeborenen in reichlicher Anzahl vorkommen, lassen weder in ihren Durchmessern, noch in der Art ihres Epithels irgend welche Anhalts- punkte für eine derartige strenge Scheidung auffinden (Heidenhain!) und Seftigen?)). Dieselben niedrigen Cylinderzellen, wie dies an meinen Prä- paraten von Neugeborenen zu sehen ist, welche die letzten kolbigen Endver- ästelungen der Kanäle bekleiden, finden sich auch in den unteren Abschnitten der eigentlichen Milchgänge wieder. 2) Nehmen wir an, dass die Drüse bereits in der ersten Zeit nach der Geburt secernirt, so können wir uns leicht das Zustandekommen der Drüsen- schlauchektasien, die Th. Kölliker als Regel im ersten Lebensjahre beim Menschen und ich beim Kaninchen getroffen haben, erklären. Die Differenzirung der Schläuche in verschiedene Abschnitte, wie sie bei Erwachsenen ausgesprochen ist, ist Anfangs bloss in- soweit angedeutet, als man schon am Ende der 5. Periode an den Zapfen einen engeren beinahe die ganze Länge derselben einneh- menden oberen und einen stecknadelkopfförmig erweiterten End- theil unterscheiden kann. — Ist die Lumenbildung zu Stande ge- kommen, so sieht man jeden Kanal in 4 deutliche Hauptabschnitte zerfallen. Von unten gerechnet sind das folgende (Fig. 25): 1) Kolbige Endverzweigungen der Kanälchen, erster, zweiter etc. Ordnung; 1) Physiologie der Absonderungsvorgänge. Hermann’s Phys. Bd. V, S. 380. 2) Zur feineren Anatomie der Milchdrüse während der Lactations- periode. Bullet. de l’acad. imp. de Sc. de St. Petersbourg 1881, T. 27, Fasc. », p. 81. 466 G. Rein: 2) Der breitere, zwischen Anfang dieser Verästelungen und der Grenze der Warzenzone gelegene Theil der Schläuche; 3) Der engere Abschnitt zwischen Grenze der Warzenzone und dem Reste der primären Epithelaniage; 4) Die leicht triehterförmige Erweiterung der Schläuche an der Mündungsstelle derselben in die primäre Epithelanlage, resp. den von letzterer eingenommenen Raum (Fig. 26e). Diese 4 Abschnitte treten am deutlichsten bei Kindern einige Tage nach der Geburt hervor, wann die äussere Mündung sich definitiv ausgebildet hat und die Milchdrüse gleichsam wie künst- lieh mit Milch injieirt ist (ef. de Sinety 1. e. Pl. XIV, Fig. 1). In dieser Differenzirung müssen wir den Anfang einer Thei- lung der Schläuche in diejenigen Hauptabschnitte ansprechen, welche auch beim erwachsenen Weibe existiren und die besonders deutlich in der Laectationsperiode hervortreten. Die an den Schlauchenden gelegenen Sprossen des Neuge- borenen stellen die Anfänge der eigentlichen Milchgänge und Acini beim Erwachsenen dar. Der zweite, weitere Abschnitt der Schläuche ist der künftige Sinus lacteus, die zwei darauffolgenden bilden die Ausführungsgänge und deren ganz kurze Mündungsstücke; sie ent- sprechen durchaus, wie der Entwickelungsgang zeigt, den beiden gleichgelegenen Abschnitten der Ausführungsgänge beim Kaninchen, cf. p. 451. Ein Unterschied ist hier jedoch insofern vorhanden, als der eigentliche Ausführungsgang beim Menschen relativ bedeutend länger ist, als beim erwachsenen Kaninchen. Der Umstand, dass der An- fang der Sinusbildung beim Neugeborenen relativ viel tiefer unter der Hautoberfläche gelegen ist, als beim Erwachsenen, wo dieselbe. etwa in der Höhe der Warzenbasis, d. h. annähernd im Niveau der Areola, theils sogar noch höher anfängt, wird leicht verständ- lich, wenn man bedenkt, dass es in dieser Periode noch keine eigentliche Warzenerhöhung gibt, sondern dass blos das Gewebe, aus der sich dieselbe in der Zukunft aufbaut — die Warzenzone — vorhanden ist, an deren Basis eben die Sinus ihren Anfang nehmen. Der vierte Theil des gesammten Kanalsystemes, der am nächsten zur Oberfläche liegt, ist vollkommen scharf beim Menschen besonders in den ersten Lebensjahren zu sehen, er ist mit verhornter Epidermis ausgekleidet, bildet eine kleine triehterförmige Erwei- terung und gehört aller Wahrscheinlichkeit nach einem Reste der Untersuch. über die embryonale Entwicklungsgeschichte der Milchdrüse. 467 primären Epithelanlage an. Bei Erwachsenen ist diese Erweite- rung bald mehr, bald weniger deutlich ausgesprochen, was ihre Form anbetrifft, in der Struetur jedoch zeigt ihre Wandung immer die grösste Uebereinstimmung mit der äusseren Haut, mit ihren Papillen und verhornten oberen Zellenlagen. Auch geht bei Er- wachsenen dies Mündungsstück ohne scharfe Grenzen in den nächst- gelegenen, ebenfalls noch mit mehrschichtigem Pflasterepithel be- kleideten Kanalabschnitt, den „Ausführungsgang“ über, so dass man diese zwei Theile wohl zusammen fassen kann. Die Grenze zwischen dem Ausführungsgange und dem weiter unten sich daran- schliessenden Theil — dem Sinus — ist mikroskopisch auch nicht absolut scharf, indem sich, wie es beim Kaninchen erwähnt wurde, auf einer kurzen Strecke ein Uebergangsepithel zeigt, doch tritt dann im Sinus selbst hohes Cylinderepithel auf, welches weiterhin unter allmählicher Formveränderung in das niedrigere Epithel der Milchgänge sich fortsetzt. Die bisher in den Handbüchern der menschlichen und thierischen Anatomie gebräuchliche Nomenclatur für die einzelnen Theile des ausführenden Kanalsystems der Milchdrüsen, bedarf, wie sich aus dem Vorstehenden ergibt, einer Abänderung und Erweiterung. Man spricht bis jetzt nur von „duetus lactiferi“ s. „galactophori“ und versteht darunter das ganze Kanalsystem, von den Mündungen auf der Warze an gerechnet bis zu den Acinis. Ausserdem werden noch die bekannten erweiterten Stellen dieser Gänge, die beim Menschen an der Warzenbasis gelegen sind, als „Ampullen“ oder „Sinus lactei“ unterschieden. Dass man mit diesen Bezeichnungen nicht auskommt, lehrt unter anderem ein Blick in die Abhandlungen ‘von Huss und Gegenbaur, wo die innerhalb der Warze gelege- nen Kanäle vielfach nicht als „Milehgänge‘“ sondern als „Ausfüh- rungsgänge“ bezeichnet werden. Man kommt in der That ohne Einführung neuer Termini nicht aus, sobald man an eine verglei- chend anatomische Betrachtung des Organs herantritt. Auf Grund der im Vorigen dargelegten Entwickelungsvor- gänge glaube ich zweckmässig folgende Theile, deren Bezeichnung ich im Verfolg der Darstellung überall festhalten werde, unter- scheiden zu sollen: 1) das Mündungsstück (pars infundibuli- formis), 2) den Ausführungsgang (duetus exeretorius) vom Mün- dungsstücke bis zum Sinus reichend, 3) den „Sinus laeteus“ welcher bei den verschiedenen Geschöpfen eine verschiedene Ge- 468 G. Rein: stalt und Ausdehnung besitzt, und 4) den vielfach verzweigten Rest des Kanalsystemes, für welchen am passendsten der alte Name „duetus lactiferi“ reservirt bleibt, und die man nach Bedürfniss in Milehgänge IL, I., III. ete. Ordnung unterscheiden könnte. Die vorhin gegebene Schilderung vom Kaninchen und vom Men- schen ergibt die Abgrenzung dieser einzelnen Abschnitte; ausser- dem sind sie auf den Figg. 20, 21 und 25 gut zu erkennen. In Fig. 21 bezeichnet e den ductus excretorius, (beim Kaninchen von geringer Länge), dieser geht einerseits in das trichterförmige Mündungsstück, andrerseits in den sehr grossen Sinus lacteus über, in den engere Milchgänge münden, die man bei k querdurchschnitten sieht. Fig. 20 zeigt die Anlagen der pars infund., der ductus excretorii (eng und ohne Lichtung) und der grossen Sinus. Fig. 25 (Mensch) lässt (im Grunde von hp) die Mündungsstücke, weiter abwärts (im Bereich der Warzenzone) die Anlagen der ductus exere- torii, dr, erkennen, denen (in der Stromazone) die deutlich weiteren Sinus- Anlagen folgen. Aus den Enden der letzteren sprossen die Anfänge der ductus lactiferi unserer Nomenclatur. Wenden wir uns nach dieser im Interesse der Verständlich- keit der weiteren Darstellung erforderlichen terminologischen Ein- schaltung wieder zur sachlichen Erörterung zurück: Die Drüsen- schläuche Neugeborener werden in ihrem ganzen Verlaufe von reichliehen Gefässen, die nicht selten an den kolbigen Endaus- breitungen dichte Capillarnetze bilden, umzogen. — Die Warzenzone ist in dieser Periode exquisit ausgeprägt, zeigt auf Querschnitten eine meist halbmondförmige Gestalt, eine beträchtliche Breite (ef. Fig. 25) und färbt sich intensiv mit Carmin. Sie dringt an Präpa- raten, die noch keine Brustwarzenerhöhung tragen, durch die ganze Dicke der Haut und endet im Unterhautgewebe. Ihr ganzes Aus- sehen ist ein solches, als ob eine subeutane Saugwarze existirte; dort wo jedoch die äussere Prominenz deutlicher ausgesprochen ist, ist auch die ganze Warzenzone höher gelagert, so dass ihre untere Begrenzung an der Grenze von Haut und Unterhautzellge- webe gelegen ist. Die Seitentheile der Warzenerhebung bestehen wie beim Kaninchen, noch aus Cutisgewebe. Aehnliche Ver- hältnisse fand ich bei einem 6—8jährigen Mädchen wieder, jedoch mit dem Unterschiede, dass die aus unveränderter Cutis be- stehenden Theile die seitlichen Partien der Warzenzone blos in Gestalt eines schmalen Streifens überzogen. Die vollständig ent- wickelten Brustwarzen der Erwachsenen bestehen durchgängig aus Untersuch. über die embryonale Entwieklungsgeschichte der Milchdrüse. 469 dem ceharacteristischen Warzengewebe und sind unmittelbar von der Oberhaut überzogen. Die Warzenzone besteht aus dichtem fibrillären Bindegewebe, in dem elastische Fasern und ovale und Spindelzellen eingestreut sind. Das Vorhandensein glatter Muskelfasern lässt sich von Be- ginn dieser Periode an leicht eonstatiren. Bei Neugeborenen sind dieselben in sehr reichlicher Menge vorhanden und zwar durch- ziehen sie, in Bündeln angeordnet, die Warzenzone in den ver- schiedensten Richtungen. Einzelne Züge sind auffallend diek und bilden eine besondere Lage an der ganzen unteren Grenze der Warzenzone, sowie im unteren Theil der seitlichen Partien der- selben, welche letzteren an der Grenze zwischen Cutis und Subeu- tangewebe sich .zu beiden Seiten von der Anlage auf eine gewisse Strecke in’s umliegende Gewebe hin fortsetzen und in die Areola eindringen (cf. Fig. 25 ms). Diese Schicht gehört unzweifelhaft der Warzenzone an und folgt derselben bei ihrem Emporsteigen. Sie entspricht dem von Sappey beschriebenen „Muscle sous -areolaire“. Nach Luschka sind es eben diese Fasern, wel- chen neben den Muskeln der Brustwarze selbst die Rolle von Sphincteren der Milchgänge zukommt '). Dieser Muskel vertritt wahrscheinlich, wenn auch nur theilweise, die Stelle der von mir an den Ausführungsgängen beim Kaninchen beschriebenen starken Sphineteren. Für die Absperrung der Milch in der menschlichen Brust ist auch die grosse Länge der Ausführungsgänge, die von allen Seiten von den Muskelbündeln der Warze umgeben sind, gewiss nicht ohne Bedeutung. Was das Drüsenstroma betrifft, so glaube ich eine diesbezüg- liche Beobachtung Th. Köllikers, der dasselbe durch Bündel, die aus dem subceutanen Gewebe kommen, in einzelne Zapfen zer- fallen lässt, bestätigen zu können. Diese Bündel bilden eine direete Fortsetzung der das Fettpolster der Drüse in Läppchen zerlegenden Trabekel. Das Feitpolster liegt im Anfange dieser Periode unmittel- bar unter der Anlage, späterhin, mit fortschreitender Entwicke- lung der Drüsenschläuche und des Stroma, umgiebt es die Drüse in reichlicher Menge von den Seiten wie von unten her. In einer noch späteren Zeit endlich, z. B. bei 5—8jährigen Kindern, nimmt l) Luschka. Die Anatomie der Brust des Menschen 1863, S. 243. 470 G. Rein: seine Menge derart zu, dass die Drüse gleichsam auf ein dickes Kissen zu liegen kommt, ja sogar noch etwas in dasselbe versenkt ist. Weiter unten werden wir sehen, dass bei Wiederkäuern, d.h. solehen Thieren, bei denen, wie beim Menschen, die Drüse auf einen enger umschriebenen Hautbezirk beschränkt bleibt, und nicht wie beim Hunde, Schweine, Kaninchen u. and. sich fast auf die ganze vordere Rumpfwand verbreitet, das betreffende Polster in noch reichlicherer Menge zu einer Zeit, die ziemlich dem vor- liegenden Stadium des Menschen entspricht, vorhanden ist. Beim erwachsenen Menschen findet sich bekanntlich auch Fettgewebe zwischen den Lappen der Drüsensubstanz selber vor. Dieser Um- stand, der bei allen Untersuchungen über die Entwickelung der Brustdrüse sofort in die Augen springt, lässt die Frage nach der Bedeutung des Fettpolsters für dieses Organ aufwerfen. Nach meinen Untersuchungen muss ich jeden unmittelbaren Zusammen- hang des Fettgewebes mit der Entwickelung des Drüsenparen- chyms, wie das von einigen Seiten jüngst behauptet worden ist, in Abrede stellen und vermag vorläufig das Fettgewebe nur als das geeignetste Polster anzusehen, welches den verschiedenen Involutions- und Füllungszuständen der Drüse sich am raschesten zu adaptiren vermag. Von Hautdrüsen sieht man um diese Zeit im Gebiete der Areola Talg- und Schweissdrüsen. Erstere kommen zahlreich auch im Bereich der Saugwarze vor und münden bekanntlich nicht selten in den äusseren Theil der Ausführungsgänge der Milehdrüse (Fig. 25 t)!). Letztere fand ich blos auf der Areola und zwar waren sie häufig bei Neugeborenen in bedeutend hypertrophischem Zustande vorhanden. Auf einem Präparate, von einem neugeborenen ausgetragenen Knaben stammend, fand ich Montgomery’sche Drüsen (Fig. 25 MD). Es sind diese Gebilde in Bezug auf Gestalt und Structur nichts anderes, als eine merkwürdige verkleinerte Copie der Brustdrüse aus dem entsprechenden Entwickelungsstadium, d. h. aus dem Ende der 6. Periode. Ihre oberen Theile entsprechen der primären 1) Krause (Handb. der menschl. Anat. Bd. I S. 293) behauptet: „Die Brustwarze selbst ist drüsenlos“, dagegen stimmen die Befunde Jakowski’s (Abhandl. der Krakauer Akad. 1880, math. naturw. Klasse III) u. And. mit den meinigen überein. Untersuch. über die embryonale Entwicklungsgeschichte der Milchdrüse. 471 Epithelanlage mit ihrem Pfropf, dessen obere Partie ausgefallen ist und eine Vertiefung, die etwas an den. Langer’schen allgemeinen Ausführungsgang erinnert, hinterlassen hat. Mit stärkerer Ver- grösserung lässt sich auch eine Schicht peripherer Zellen, welche die Anlage in Gestalt eines schmalen Saumes umgeben, erkennen. Ihre unteren Theile bestehen aus einigen gesonderten Zapfen, die mit kleinen stecknadelförmigen Anschwellungen enden. Die grösste Zahl, in der ich diese Zapfen auf einem verticalen Schnitte an- traf, betrug 5. In ihrem Verlauf halten sie eine einander mehr parallele Richtung ein und divergiren nicht so stark, wie dies mit den Drüsenschläuchen der Hauptdrüse der Fall ist. Von einer eigentlichen Canalisation der Zapfen ist noch nichts zu sehen, je- doch besteht bereits eine Differenzirung der Zellen in wandständige und centrale, die uns die bevorstehende Canalisation ankündigt. Eine Warzenprominenz ist nicht vorhanden. — Wir haben es so- mit in der That mit accessorischen Milchdrüsen zu thun, die nicht nur im Bau, sondern auch in ihrer Genese mit der Haupt- drüse vollständig übereinstimmen und können daher mit diesem wichtigsten aller Gründe die Anschauung Montgomery’s, Haller’s, Walter’s, Bidloo’s, J. Fr. Meckel’s, Luschka’s, Hyrt!l’s, Duval’s, Pinard’s'), de Sinsty’s u. And. bestätigen, wonach diese Gebilde als rudimentäre Milchdrüsen aufzufassen seien. Nichts spricht für eine Zusammengehörigkeit mit Talgdrüsen, welche in neuester Zeit Krause?) und vor ihm Langer°), Ley- dig und Andere angenommen haben. Wiederkäuer. Die Entwickelungsgeschichte der Wiederkäuer - Milchdrüse untersuchte ich an Rinds-, Schaf- und Ziegenembryonen. Erste Periode. Die hügelförmige Anlage traf ich im ersten Beginn ihrer Entwickelung als eine geringe Zellenanhäufung der ÖOberhaut bei einem Schafembryo von 22 mm Länge, mit deutlichen Kiemenbögen. Die nur mikroskopisch auffindbare Anlage lag in der Inguinalfalte, unterschied sich jedoch weder in ihrer Structur, noch in ihren Beziehungen zu der Nachbarschaft in irgend einer 1) Bull. de la Soc. anat. de Paris 1877. 2) Krause. Handbuch der menschlichen Anatomie. 3) Langer. Lehrbuch der Anatomie des Menschen 1865. S. 614. 472 G. Rein: Weise von dem, was wir beim Kaninchen (Fig. 2 und 3) beschrie- ben haben. | Fin anderer Schafembryo, der mit dem Faden gemessen (incl. Schwanz) 32 mm lang war (Zirkelmessung ohne Schwanz blos 17 mm), der ebenfalls deutliche Kiemenbögen hatte und dessen Extremitäten bereits differenzirt, jedoch ohne Spur einer Finger- theilung waren, zeigte unter dem Oberhauthügel eine leichte Er- hebung der embryonalen Cutis. Beide Fälle zeigen die frühe An- lage der Milchdrüse, zu einer Zeit, in der noch die Kiemenbögen deutlich zu sehen waren. Bezüglich der im 2. Falle constatirten Cutiserhebung vermag ich nicht zu sagen, ob dieselbe zur Drüsen- anlage gehörte, da der Epithelhügel nicht auf ihrem Gipfel ge- legen war. Im ersten Falle, sowie in den nächstfolgenden Stadien, fand ich keine Cutiserhebung; es könnte sich indessen auch um eine der mehrfach erwähnten individuellen Sebwankungen gehan- delt haben. — Das Alter der beiden Embryonen muss nach Ger- lach-Gurlt!) auf die 5. Woche bestimmt werden. Das folgende Stadium, welches mir zu beobachten gelang, muss zum Anfange der 2. Periode gerechnet werden. Der Form nach (Fig. 27) kann man die Anlage als linsenförmige bezeichnen, ob- gleich ihre obere Fläche bereits eine deutliche Abflachung zeigt, während die untere, umgekehrt, ziemlich tief in das Cutisgewebe sich hineinsenkt. Somit haben wir es, genau genommen, mit einem Uebergangsstadium aus der 2. in die 3. Periode zu thun. Diese Anlage stammt von einem 28 mm langen Ziegenembryo mit noch uncompleter Bauchwand, weiter Mundspalte und eben beginnender Fingertheilung. Weder mit freiem Auge, noch mit der Lupe ver- mochte ich diese Anlage wahrzunehmen. Ein ähnliches Stadium fand ich bei einem Schafembryo, der bis zur Schwanzspitze 35 mm, ohne Schwanz 30 mm lang war. Die feinere mikroskopische Structur der linsenförmigen Anlage der Ziege (Figur 27) zeichnet sich nur dadurch von der ent- sprechenden des Kaninchens aus, dass die obere Partie der Anlage mehrschichtig war und die Cutis in breiterer Zone aus dichter 1) Gurlt (Handbuch der vergleichenden Anatomie der Haussäugethiere IV. Auflage) sah die Entstehung der Milchdrüsenanlage bei dem Rinde in der 7. Woche; Fürstenberg (Die Milchdrüse der Kuh, Leipzig 1868) in der 5.—8. Woche bei einer Länge des Körpers von 1°/,—2”. Untersuch. über die embryonale Entwicklungsgeschichte der Milchdrüse. 473 gedrängten Zellen unter der Epithelmasse sich zusammengesetzt zeigte. Eine Erhebung der unterliegenen Cutis im Gebiete der Anlage wurde hier nicht beobachtet. Die auf der Zeichnung sichtbare Unebenheit des im Gebiete der Anlage gelegenen Hautbezirkes lässt sich aus der Lage derselben in der Leistenbeuge erklären. — Im Uebrigen ist volle Uebereinstimmung mit den diesbezüglichen Verhältnissen beim Kaninchen vorhanden. An einzelnen Schnitten lässt sich bereits eine deutliche Differenzirung der Zellen in cen- trale und periphere erkennen. Dieselbe ist in stärkerem Grade beim erwähnten Schafembryo ausgesprochen. Die Blutgefässe weisen auch ähnliche Verhältnisse auf. Dritte Periode. Die zapfenförmige Anlage traf ich bei 4 und 6 cm langen Schafembryonen und bei einem 8,5 cm langen Rindsembryo. Dieselbe stellte beim 6 cm langen Schafembryo den Uebergang zur 4. Periode dar, insofern, als sie am oberen Ende eine leichte Einschnürung, die Andeutung einer Halsbildung, trug. In allen diesen 3 Fällen sass die Anlage auf dem Gipfel eines sanft ansteigenden, aus embryonalem Cutisgewebe gebildeten Hügels. Bei beiden Objecten vom Schaf ist letzterer äusserst wenig prominirend und entspricht darin ungemein dem von mir für’s Kaninchen (Fig. 10) gefundenen; beim Rindsembryo hingegen ist die Erhöhung eine meist beträchtlichere und erinnert lebhaft an das Präparat vom Menschen, welches ich in Fig. 24 abgebildet habe. Betrefis der übrigen Details in der Structur der zapfen- förmigen Anlage gilt so ziemlich dasselbe, wie für das Kaninchen; nur folgende Einzelheiten dürften hinzugefügt werden: Die Ober- haut des Rindsembryo ist in den benachbarten Hautgebieten be- reits mehrschichtig. Eine Differenzirung der Epithelzellen in cen- trale und periphere, welche beim Schaf exquisit ausgesprochen war, ist beim Rinde nur angedeutet; von einer regressiven Meta- morphose jedoch, sowie einem Ausfallen der eentralen Zellen war bei allen Objeceten nichts zu finden. Die Warzenzone nimmt bei dem Rinde blos die Mitte der erwähnten Hauterhöhung (Zitzen- resp. Warzenerhebung) ein, an ihren Seitenpartien ist letztere voll- ständig mit der übrigen Haut identisch, d. h. besteht ebenso, wie diese, aus theils runden, theils ovalen embryonalen Bindegewebs- zellen in derselben Anordnung (Fig. 29). Wir haben es sonach mit demselben Processe, den man auch bei der Bildung der Warzener- 4T4 G. Rein: hebung des Kaninchens beobachtet, zu thun, mit dem Unterschiede jedoch, dass bei letzterem derselbe Vorgang in einer viel späteren Entwickelungsperiode der Drüse, zum Theil erst während des extrauterinen Lebens, Platz greift. (Vgl. z.B. das auf pag. 443 und 448 Gesagte, sowie Fig. 16 und Fig. 20, wo die Warzenzone in derselben Weise wie in Fig. 29 und 31 von einem dickeren oder dünneren Cutissaume auch an den Seiten sich umgeben zeigt.) Die Blutgefässe umgreifen die Basis der Anlage in einer regel- mässigen kranzförmigen Anordnung, wie dies Fig. 28 zeigt. Kolbenförmige Anlage (4. Periode). Dieselbe ist im Anfange auch nur wenig von demselben Gebilde beim Menschen und Kaninchen verschieden. Ich fand sie bei einem Rindsemnbryo von 4,5 em (Fig. 28) und 8,0 cm. Hier war übrigens die Zitzen- erhebung weniger bedeutend ausgesprochen, als in den früheren Stadien, wieder ein Beweis für die häufigen individuellen Schwan- kungen. In den nun folgenden Entwickelungsstadien der kolbenför- migen Anlage (vgl. Fig. 12 und 29) wird die Zitzenerhebung eine ausgesprochenere und tritt mit einer Beständigkeit auf, von der beim Menschen und Kaninchen erst in der Zeit nach der Geburt die Rede ist. Die Verlängerung des Kolbenhalses kann sich noch steigern, ohne jedoch die Grenzen der beim Kaninchen gefundenen Ver- hältnisse zu übersteigen und gebe ich hier die Objeete, bei denen ich die Verlängerung in diesem Grade getroffen, in der Reihen- folge an, wie sich bei ihnen dieselbe mehr und mehr accentuirte: weiblicher Rindsembryo von 9 em, männlicher Rindsembryo von 12,3 em, weiblicher Schafembryo von 7 em und männlicher Rinds- embryo von 11,5 cm. Bei letzterem hat die Anlage fast dieselbe Gestalt, wie ich sie beim Kaninchen in Fig. 13 abgebildet habe, mit dem Unter- schiede, dass der Körper im Vergleich zum Halse noch niedriger ist und blos den dritten Theil der ganzen Höhe der Anlage aus- macht, während seine Breite sogar etwas geringer ist wie diejenige des trichterförmig erweiterten oberen Endes. Die Zitzenerhebung ist hierbei noch stärker ausgesprochen wie in Fig. 29. Auf das eben geschilderte Stadium, welches noch ohne weiteres auf die beim Kaninchen beobachteten Verhältnisse zurückführbar ist, folgt eine Entwickelungsstufe, die in Fig. 30 repräsentirt ist. Untersuch. über die embryonale Entwicklungsgeschichte der Milchdrüse. 475 Der abgebildete Schnitt hat nicht die Längsaxe der Anlage getroffen, daher ist das Verhalten des obersten Abschnittes derselben daran nicht zu sehen. Andere Schnitte aus demselben Stadium, welche axial gelegt waren, zeigen, dass, wie es in Fig. 32 und z. Th. auch in Fig. 31 zu sehen ist, oben ein trichterförmig erweitertes Stück des Canales besteht. In diesem Trichter zeigen sich bereits die Anfänge der Verhornung (h b, Fig. 31 und 32) ganz so, wie wir es beim Kaninchen und beim Menschen fanden. An diesen Mündungstrichter schliesst sich ein enges Canalstück an, welches sich mikroskopisch genau wie die engen Abschnitte der Canäle in Fig. 20, die auf die primäre Anlage unmittelbar folgen — s. auch e in Fig. 21, oder dr in Fig. 25 — verhält. Dann folgt ein wei- terer Theil, der in Fig. 30 sich in seinen ersten Anfängen als ganz schmale helle Lichtung präsentirt, und in einen noch soliden Kolben endigt, in Fig. 31, bei k, schon weiter wira und sich in Fig. 32 deutlich als Anlage der Ampulle des Strichkanales (sn) erweist. Ohne dass wir an dieser Stelle der später für den II. Theil aufbewahrten vergleichend anatomischen Darstellung praeju- dieiell vorgreifen wollen, können wir diese einzelnen Abschnitte mit den ihnen ähnlichen des Kaninchens und des Menschen zu- nächst einmal gleich benennen, und daher den mit hb bezeichneten Theil (Fig. 32) als „Mündungsstück“, den folgenden engen (e Fig. 33) als „Ausführungsgang“, den sich anschliessenden weiteren als „Sinus lacteus“ (Ampulla s. Cisterna lactea) hier einführen. Die Warzenzone nimmt stets nur die Mitte der Zitzenerhöhung ein (Fig. 30 und 31 W). Letztere hat bereits eine beträchtliche Höhe und- die characteristische Kegelform erreicht. Ihre Maasse sind für diese wie auch für die späteren Perioden schon von Huss ge- nau notirt. Erwähnungswerth ist das Verhalten der Gefässe, welche in Gestalt eines dichten Netzes die ganze Zitzenerhebung ein- nehmen. Auch in diesem Stadium also differirt die Anlage der Wieder- käuer von der entsprechenden Anlage des Kaninchens, so viel ich sehe, wesentlich nur dadurch, dass von der Primäranlage nur eine einzige secundäre Epithelanlage in die Tiefe wächst, die natürlich unter dem Bilde einer einfachen Verlängerung der Primäranlage erscheint, im übrigen aber sich genau so verhält, wie jede ein- zelne der secundären sprossenartigen Epithelanlagen des Kaninchens und des Menschen; minder wesentliche weitere Unterschiede sind 476 G. Rein: durch die grössere quantitative Ausbildung der Warzenerhebung gegeben. Ob diese Auffassung bezüglich des Verhaltens der Wiederkäuer-Anlage zu der des Kaninchens und des Menschen zu Recht besteht, oder ob eine andere Interpretation, im Sinne Gegen- baurs, gegeben werden muss, davon wird im II. Theile des Ge- naueren die Rede sein. Vor der Hand will ich mich im Folgenden auf eine rein thatsächliche Schilderung beschränken. Die weiters Sprossenbildung beginnt in der jetzt rasch folgenden 5. Periode, welche jedoch nur von sehr kurzer Dauer ist und bald der 6. Periode Platz macht. Diese Anlage sah ich bei einem weiblichen Schafembryo von 9,5 em, einem männlichen Schafem- bryo von 12,0 und einem männlichen Rindsembryo von 19,0 cm Länge. Nur bei dem ersten dieser 3 Embryonen war die Periode der Sprossenbildung in ihrer reinen Form zu beobachten, die beiden anderen zeigten bereits Veränderungen, wie sie dem folgenden 6. Stadium eigen sind, so dass sie richtiger als Uebergangsformen von der 5. zur 6. Periode anzusehen waren. Die Sprossen treten, als kaum erkennbare, der Peripherie des kolbigen Endes aufsitzende Unebenheiten auf. Letzteres hat jetzt das Aussehen einer unregelmässig geformten Maulbeere. Im Centrum des Propfes Malpighischer Zellen, welcher die trichter- förmige Mündung verschliesst, war bei dem 19,0 cm langen Rinds- embryo bereits eine kleine Anhäufung verhornter Zellen zu sehen. Bei den beiden Schafembryonen ist der sprossentreibende untere Theil der Anlage spindelförmig in die Länge ausgezogen. Die Sprossen bilden bereits stärkere Hervorragungen, als bei dem genannten Rindsembryo. Dieselben gehen von beiden Seiten der Anlage ab und stellen eylindrische, an den Enden sich abrundende Gebilde von verschiedener Länge dar. Auf einem Verticalschnitt bei einem 9,5 cm langen Embryo sah ich 5 derartige Zapfen, 2 von der einen, 3 von der anderen Seite. Bei einem 12,0 cm langen Embryo waren deren 7 auf einem Schnitte vorhanden — 3 auf der einen, 4 auf der anderen Seite. Die Sprossen bestehen durch- gängig aus Epithelzellen, welche eine direete Fortsetzung der peripheren Zellen der Anlage sind. Bei dem 12 cm langen Em- bryo machten sich im unteren Theile der Secundäranlage die ersten Spuren einer centralen Höhlenbildung bemerkbar, wesshalb auch dieses Object zu den Uebergangsformen zwischen 5. und 6. Periode zu zählen ist. Untersuch. über die embryonale Entwicklungsgeschichte der Milchdrüse. 477 Gestalt und Structur der Zitzenerhebung sind dieselben wie in der vorhergehenden Periode; ihre Grösse nimmt zu. Die sechste Periode ist auch bei den Wiederkäuern durch regressive Processe im Bereiche der centralen Zellen der primären Epithelanlage characterisirt. Die ersten deutlich ausgesprochenen Anzeichen regressiver Vorgänge in den centralen Zellen der pri- mären Epithelanlage sieht man in Fig. 31 (weiblicher Rindsembryo von 19,5 em). Die peripheren Zellen zeigen nicht blos nichts von regressiven Vorgängen, sondern im Gegentheil, es macht sich an ihnen dieselbe Proliferationserscheinung geltend, wie beim Menschen und Kanin- chen. Als Resultat dieses Processes ergibt sich erstens die Bildung neuer Sprossen vom unteren Ende der Anlage aus; zweitens eine partielle Erweiterung in der unteren Partie der secundären Anlage (Fig. 31,k). Die letztere, auch von Huss beschriebene Erschei- nung, führt in weiterer Entwickelung zur Bildung eines grösseren Hohlraumes (sn. Fig. 32), welchen wir bereits vorhin als das Ho- mologon des Sinus lacteus anderer Thiere vorläufig angesprochen haben. Der Rücekbildungsprocess geht an den centralen Zellen der Wiederkäuer auch auf dem Wege der Verhornung vor sich, jedoch geschieht das blos in den obersten Theilen der Anlage. Dieser Vorgang verläuft hier in folgender höchst interessanten Weise. Bei einem weiblichen Rindsembryo von 19,5 em (Fig. 31) und einem weiblichen Schafembryo von 20 em Länge macht sich in der Axe des triehterförmig erweiterten äusseren Endes der primären Anlage ein aus stark gequollenen, schwach sich färbenden Zellen bestehen- der Pfropf bemerkbar (hb). An der Grenze zwischen veränderten und normalen Zellen (in der Uebergangszone) zeigt sich die- selbe diffuse Carmintinetion, wie sie an der entsprechenden Stelle beim Kaninchen Statt hat und setzt sich beim männlichen Rinds- embryo von 29 em Länge ganz in die Tiefe des Trichters, theilweise sogar noch weiter nach unten, in den nicht erweiterten Abschnitt fort. Bei einem männlichen Rindsembryo von 19cm Länge be- findet sich, wie schon erwähnt, im Centrum der trichterförmigen Erweiterung ein sphärisches Gebilde, welches aus concentrisch ge- lagerten, sehr schwach gefärbten, abgeplatteten Zellen besteht. Bei den folgenden Embryonen — zwei männlichen Rindsembryonen von 32 und 35 em, zwei weiblichen Rindsembryonen von ? (Fig. 32) Archiv f. mikrosk, Anatomie, Bd, 20. 3l 478 G. Rein: und 32 em — vergrössert sich dieser rundliche Körper immer mehr, so dass er endlich fast den ganzen Trichter einnimmt. Seine peripheren Zellen verhornen vollständig. Die centralen bieten die Erscheinungen eines feinkörnigen Zerfalles dar; zum Theil sind sie bereits herausgefallen (Fig. 32). Auf diese Weise entstehen Bilder, welche in etwas an die in den Cancroiden gelegenen con- centrischen Körper, zum Theil aber auch an die Vorgänge erinnern, welche Schweigger-Seidel (l. e.) beschrieben hat, und welehe während der Rückbildungsprocesse in dem die Eichel mit der Vorhaut des menschlichen Embryo verlöthenden Gewebe Platz greifen. Auf eine genauere Beschreibung dieser interessanten und für das Verständniss der Verhornung der Gewebe überhaupt werth- vollen Erscheinung will ich, da es ausserhalb des Planes meiner Arbeit liegt, nicht weiter eingehen. In den späteren Stadien zerfällt der erwähnte Hornkörper (Fig. 32) und fällt heraus, hierbei eine trichterförmige Vertiefung, deren Wände von ganz derselben Structur sind, wie die benach- barte, die Zitze bekleidende Haut, hinterlassend. Aus dieser Ver- tiefung bildet sich später der Ausführungsgang — ductus exere- torius — (Verschlusstheil — Gurlt). Hierbei ist noch ein Um- stand erwähnenswerth, dass nämlich mit fortschreitender Zunahme des Umfanges des sphärischen Körpers auch die trichterförmige Einsenkung sich theilweise in die Breite, namentlich aber auch in die Tiefe vergrössert (Fig. 31, 32, 33) wie es schon Huss be- merkte. Es kann das mit dem verglichen werden, was wir beim Kaninchen und beim Menschen im Anfange des Verhornungspro- cesses der primären Epithelanlage sahen. Gegeu Ende des Vor- ganges, kurz vor dem Abschlusse des intrauterinen Lebens (Fig. 32, 33) lassen sich im Trichter bisweilen 2 Abschnitte unterschei- den: ein oberer in Gestalt eines gewöhnlichen Trichters und ein unterer Abschnitt in Becherform mit nach einwärts gebogenen Rändern. Diese beiden Abschnitte sind auch beim erwachsenen milchabsondernden Thiere (Kuh, Schaf, Ziege) unterschieden und zwar insofern, als der untere Theil im Vergleich zum oberen be- deutend länger wird. Beide zusammen bilden sie, wie bereits be- merkt, ein Ganzes, nämlich den genannten Verschlusstheil oder richtiger den Ausführungsgang selber (vergl. Mensch), der bei der erwachsenen milchabsondernden Kuh bis zu 1—1!/s em lang wer- den kann und sich schon im äusseren Aussehen seiner Schleimhaut Untersuch. über die embryonale Entwicklungsgeschichte der Milchdrüse. 479 sehr scharf von der sich daranschliessenden erweiterten Partie un- terscheidet (sn, Fig. 32 u. 33). Mikroskopisch in dem Charakter des Epithels spricht sich keine so scharfe Grenze aus, wie man es nach der makroskopischen Betrachtung vermuthen sollte. Der Aus- führungsgang ist von der Mündung an zu drei Vierteln von einem völlig der Epidermis gleichenden Epithel bekleidet; das unterliegende Binde- gewebe entspricht ganz der Cutis und schickt Papillen in das Epithel- lager hinein. Das unterste Viertel trägt ein Uebergangsepithel, ähnlich wie esam Anus zwischen der Epidermis und dem Cylinderzellenbelag des unteren Rectalabschnittes vorkommt; dann, im oberen Theile der Ampulle (sn), werden auf eine kurze Strecke die dem Lumen zugekehrten Zellen deutlich eylindrisch, während mehr in der Tiefe noch runde Formen vorkommen; der bei weitem grösste Theil der Ampulle trägt, wie das schon Fürstenberg l. c. und Koless- nikow!) gezeigt haben, ein hübsches, einfaches hohes Cylinder- epithel mit einzelnen kleinen, tiefer gelegenen Zellen dazwischen, ebenso wie die ductus laetiferi. Es ist hiernach die Angabe von Gegenbaur zu berichtigen, derzufolge (Morphol. Jahrb. I, p. 280) der ganze Strichcanal bis zur Zusammenmündung der „Drüsenaus- führungsgänge“ von Epidermis ausgekleidet sein soll?). Die regressive Umbildung, welche sich in den tieferen Par- tien der Anlagen abspielt, scheint denselben Charakter zu tragen, 1) Virchow’s Archiv Bd. 70. 2) Hüss und Gegenbaur stimmen hier nicht überein. An der von Gegenbaur (Morph. Jahrb. I p. 280) eitirten Stelle der Arbeit von Huss (Jen. Ztschr. VII p. 196), steht nichts davon, dass die Epidermis sich bis zu der Stelle, wo die Drüsenausführungsgänge zusammenmünden — also bis zum Ampuilenboden — erstrecke, Huss lässt sie nur einen Theil der Ampulle auskleiden. Es heisst: „In der die „Cisterne* vorstellenden Erweiterung be- sitzt also die Schleimhaut zwei Epithelformen. Der der Basis benachbarte Abschnitt trägt Cylinderepithel, der andere gegen die Mündung gerichtete besitzt eine Fortsetzung der Epidermis“. Auch das ist, meinen Untersuchun- gen zufolge, noch zu viel gesagt. Uebrigens stimmen die von Huss ge- brauchten Termini nicht mit den gangbaren. Er nennt (p. 195) den obersten der Spitze der Zitze zukommenden Theil des Ausführungsganges von 1,5 mm Länge „Stricheanal der Thierärzte“. Unter Stricheanal versteht man aber den ganzen, die Zitze durchsetzenden Canal, und auch Gegenbaur gebraucht den Ausdruck in diesem Sinne. Das von Huss gemeinte 1,5 mm (beim l4tägigen Kalbe) lange Stück ist der „Verschlusstheil* der Thierärzte, cf. Gurlt, Anat. der Haussäugethiere. 480 G. Rein: welcher während der Canalisirung der Drüsenzapfen stattfindet, nämlich, aller Wahrscheinlichkeit nach, den der fettigen Metamor- phose. Bald nach stattgehabter Lumenbildung folgt in dem untersten Anlagetheile eine rapide Erweiterung; es bilden sich seitliche Ausbuchtungen und der ganze erwähnte Bezirk ver- wandelt sich in einen weiten Hohlraum mit zahlreichen kleinen Nebenhöhlen, die entweder in diesem Zustande bleiben können, oder aber ihrerseits seitliche Sprossen ansetzen. Auf diese Weise erhält man auf Querschnitten höchst complieirte Figuren. Dieser Hohlraum, der zukünftige Sinus, breitet sich allmählich nach oben aus und nimmt endlich fast den grössten Theil der Zitzenerhebung ein (Fig. 32). An den Wandungen der neugebildeten Cavität mit ihren Nebenhöhlen, welche ebenfalls mit Cylinderepithel bekleidet sind, kann man lange Zeit hindurch das Vorhandensein von Fett- detritus konstatiren. Bei Rindsembryonen von 35 cm Länge und mehr konnte ich einen Unterschied in der Gestalt des Sinus, die von dem Geschlecht des betreffenden Individuums abhängig war, bemerken. Bei männ- lichen Embryonen, deren Zitzenerhebung weniger hoch, dafür breiter ist, wie bei weiblichen, ist diese Cavität hauptsächlich nach der Breite hin entwickelt und besitzt relativ weniger seitliche Aus- buchtungen, wie bei weiblichen. Die Zitzenerhebung, welche gegen Ende der Periode eine be- trächtliche Grösse erreicht, kann noch immer nicht als Zitze im wahren Sinne des Wortes bezeichnet werden, schon weil sich ihre peripheren Partien noch immer unter dem Bilde eines Saumes, von derselben Struktur wie die normale Haut, darstellen, während aller- dings der grösste Theil derselben bereits aus einem, der Zitze eigenthümlichen derben, fibrösen, zum Theil mit glatten Muskel- fasern durchsetzten Bindegewebe besteht (Fig. 33). Die Muskel- fasern waren auch beim erwachsenen Individuum in relativ ge- ringerer Menge vorhanden, wie beim Menschen und Kaninchen. Bei einem Objekte, welches aus dem Finde der intrauterinen Periode stammte, sah ich, wie an der Basis der Zitzenerhebung das Gewebe derselben unmittelbar in eine dicke, unter der be- nachbarten Haut gelegene Muskelschicht überging und dadurch lebhaft an den von Sappey für den Menschen beschriebenen sub- areolären Muskel erinnerte. Die Veränderungen, welche die sprossenartigen Drüsenzapfen Untersuch. über die embryonale Entwicklungsgeschichte der Milchdrüse. 48i in der 6. Periode erleiden, sind im Wesentlichen dieselben, wie beim Menschen und Kaninchen. Dieselben wachsen fort, erhalten ein Lumen und verzweigen sich. Ihre weiteren Sprossen stehen sehr dicht bei einander und geben zu Ende des intrauterinen Lebens auf Quer- wie auf Längsschnitten gewöhnlich recht regelmässige, schön rosettenartige Bilder. Die Drüsenschläuche des Schafes sind länger, gewundener und scheinbar in grösserer Anzahl vorhanden, wie bei der Kuh, welch letzterer Umstand wohl darin seine Erklärung findet, dass es beim erwähnten Thiere weniger einzelne Drüsen gibt (2), wie beim Rind (4). Der ganze Bezirk, in dem sich die Drüsenschläuche, sammt dem dieselben verbindenden und die Stromaanlage darstel- lenden Bindegewebe befinden, liegt unterhalb der Zitzenbasis, nimmt einen relativ geringen Flächenraum (beim Schaf etwas mehr) ein und wird von unten und von den Seiten her von Fettgewebe umsäumt. Entsprechend der gedrängten Anordnung der Drüsenschläuche nimmt auch die Stromazone einen nur geringen Flächenraum ein und besteht aus unregelmässig gelagerten Bindegewebsbündeln, denen zahlreiche runde, junge Zellen beigemengt sind. Diese Züge verlaufen vornehmlich in der Richtung der Drüsenschläuche. Die Stromazone geht nur wenig über das von den Drüsenschläuchen eingenommene Gebiet hinaus und grenzt nach unten und seitlich an das Fettgewebe, nach oben geht sie ohne scharfe Grenze in der Warzenzone auf. Es stehen somit hier Warzenzone und Stromazone in dem- selben Verhältnisse zu einander, wie beim Kaninchen und Menschen in der Periode nach der Geburt, wo erst die Warzenerhebung bei letzteren dieselbe Grösse erreicht, welche sie bei Wiederkäuern bereits bedeutend früher gehabt hat. Im Gegensatz zu dem relativ wenig entwickelten Drüsen- parenchym der Wiederkäuer, bildet sich das unter dem Organ ge- legene Fettpolster in ganz bedeutendem Grade aus. Die ersten Spuren seiner Existenz kann man zu Anfang der 6. Periode beob- achten. Ich sah die charakteristische Anordnung runder Binde- gewebszellen zu Gruppen, die auf Durchschnitten eine runde, die Fettträubehen andeutende Gestalt zeigten, sich intensiv mit Carmin färbten und stellenweise im Protoplasma der Zellen kleine Fetttröpfehen erkennen liessen, bei einem weiblichen Rindsembryo 482 G. Rein: von 19,5 em Länge. Bei einem weiblichen Rindsembryo von 39 em waren die Fettträubchen bereits vollständig ausgebildet. Späterhin nimmt das Fettgewebe rasch an Umfang zu und wird zu einem bedeutenden Fettpolster, welches durch spärliche Bindegewebssepta (Ausläufer des lockeren subeutanen Bindegewebes) in einzelne Abschnitte zerlegt ist. Es nähert sich immer mehr den Driüsensehläuchen und wird, wie erwähnt, endlich von diesen blos durch einen schmalen Saum — die Anlage für die Stromazone — geschieden. Beim Schaf ist das Fettpolster noch stärker ent- wiekelt. Hier war es bei einem 20 cm langen Individuum viel weiter vorgeschritten, wie beim erwähnten Rindsembryo von 39 em Länge. Was die Entwickelung von Haaren auf der Zitze anlangt, so finde ich mit Huss, dass dieselbe mit dem Beginn der Drüsen- sprossenbildung zusammenfällt (Rindsembryonen von 20 em Länge), doch sah ich sie um diese Zeit immer nur in einiger Entfernung von der Warze selbst auftreten; erst später bilden sich Haare auch auf der letzteren bis zur Spitze hin. Uebrigens begegnen wir hier wieder sehr vielen individuellen Verschiedenheiten. Ich möchte die Angabe von Huss, dass eine Rückbildung von Haaren auf der Rinderwarze ein regelmässiges Verkommniss sei, nicht ohne Wei- teres annehmen. Wenn bei älteren Thieren ein grösserer Theil der Warze kahl erscheint, so kann das auch durch eine Weiter- entwiekelung des schon beim Embryo haarlos gebliebenen Theiles erklärt werden. Bei Schafen ist bekanntlich die ganze Zitze be- haart, die Haare treten hier bereits sehr früh auf. Schwein. Am Schwein vermochte ich, Dank der Leichtigkeit, mit der das Material beschafft werden konnte, alle Hauptphasen aus der Entwickelungsgeschichte der Milehdrüse leicht zu constatiren und sah ich dieselben fast in derselben Form und in derselben Reihen- folge auftreten, wie bei den schon beschriebenen Thierarten. Das früheste Stadium beobachtete ich bei einem 21 em langen Embryo mit deutlichen Kiemenspalten, dessen vordere Bauchdeeken sich kaum zu completiren begannen. Die Anlage zeigt nach Grösse, Gestalt, Struetur und Lage die grösste Aehnlichkeit mit der in Fig. 3 für das Kaninchen gezeichneten. Untersuch. über die embryonale Entwicklungsgeschichte der Milchdrüse. 483 Die folgende Entwickelungsstufe (Fig. 34), ebenfalls zur ersten Periode gehörig, sah ich bei einem 23 mm langen Embryo, dessen breite Mundspalte auf eine vor kurzer Zeit erst stattgefundene Schliessung der Kiemenspalten hinwies. Der Hügel läuft hier am Sagittalschnitte in eine etwas mehr zugespitzte Form aus, wie beim Kaninchen (cf. Fig. 1, 2, 4). Der Frontalschnitt einer anderen, von demselben Thiere stammenden Anlage, zeigt diese Verjüngung nach dem Gipfel zu nicht. Der Querdurchmesser an der Basis dieses Schnittes ist kleiner als der Längendurchmesser. Dieselbe Uebereinstimmung mit den betreffenden Verhältnissen beim Kanin- chen lässt sich auch in der 2. Periode verfolgen. Bei einzelnen Embryonen von 23 mm Länge, die einem und demselben Uterus entnommen wurden, kündigte sich das Eintreten der 2. Periode dadurch an, dass die Basis des Hügels leicht in das darunter- liegende Gewebe eingesenkt erschien. Bei einem 26 mm langen Objecte beobachtete ich bereits eine vollkommen ausgesprochene linsenförmige Anlage, welche sich in Nichts von der in Fig. 6 abgebildeten unterschied. Auch sah ich ferner Bilder, wie sie Fig. 7 zeigt. Die cylinderförmige Anlage der 3. Periode traf ich bei einem 5 em langen Embryo. Das betreffende Präparat zeigt die grösste Aehnlichkeit mit der in Fig. 35 abgebildeten kolbenförmigen Anlage; nur fehlt hier der dem Kolbenhalse entsprechende verengte obere Theil. Uebrigens lässt sich beim Schweine diese Cylinderform nicht selten selbst in bedeutend vorgeschritteneren Entwickelungsstadien nachweisen. Zur Erklärung derartiger Fälle muss man vielleicht annehmen, dass es bisweilen gar nicht zur Kolbenform zu kommen braucht, sondern dass die Anlage direct aus der 3. in die 5. Periode über- gehen kann. Ueberhaupt bildet sich der die kolbenförmige Anlage chara- eterisirende Halstheil beim Schwein niemals in der exquisiten Weise aus, wie es beim Kaninchen und noch mehr bei Wiederkäuern zu beobachten ist. Das in Fig. 35 abgebildete gehört zum Maximum, was ich in dieser Hinsicht aus meinen Präparaten notiren konnte. Man überzeugt sich leicht davon, dass diese Figur mit den für Kaninchen und Wiederkäuer geltenden, dem Anfange der 4. Periode entnommenen Abbildungen 10, 11, 12 und 28 übereinstimmt. Eine stärkere Verjüngung und Verlängerung des Halstheiles 484 G. Rein: gelang mir nicht zu beobachten und hat in dieser Beziehung die Anlage der Schweine - Milchdrüse 'grosse Aehnlichkeit mit der menschlichen (ef. Fig. 23). Die kolbenförmige Anlage beim Schweine hat folgende unwesentliche Eigenthümlichkeiten (Fig. 55): eine nur schwach angedeutete Differenzirung der Zellen in centrale und periphere; ein mässiges Prominiren der Zitzener- hebung; eine nicht stark entwickelte Warzenzone und eine beträchtliche Verdickung der Oberhaut im ganzen Bereiche der Zitzenerhebung. Diese Dickenzunahme der Oberhaut, die, wenn auch in geringerem Grade, bei Wiederkäuern und Menschen ebenfalls vorkommt, betrifft sowohl die ceylin- drischen Zellen, wie auch die oberen Schichten des Stratum Malpighii. Letz- tere Zellenart zeigt eine eigenthümliche Quellung der einzelnen Elemente — ein Zustand, welcher den Uebergang zur Verhornung andeutet. Wie dies aus der Beschreibung hervorgeht, erinnert der An- fang der 4. Periode der Anlage beim Schwein am meisten an das entsprechende Stadium bei Wiederkäuern (Fig. 28). Diese Aehn- lichkeit nimmt in der darauffolgenden Periode, in Folge des rapi- den Wachsthums der Zitzenerhebung, noch mehr zu und erhalten wir ein Bild (Fig. 36), welches, abgesehen von dem bereits er- wähnten Unterschiede in der Länge des Kolbenhalses, völlig mit dem in Fig. 29 dargestellten übereinstimmt. Um diese Zeit haben sich auch die Zellen der Anlage weit deutlicher als bisher in cen- trale und periphere differenzirt. An manchen aus dem Ende dieser Periode stammenden Präparaten sieht man, wie die in der be- kannten Art veränderten, gequollenen, schwach mit Carmin sich färbenden Zellen der Malpighischen Schicht zapfenförmig (wie ein Nagel) von oben her in die Anlage und bis zu deren Mitte reichend, eindringen, eine Erscheinung, welche uns den Beginn der Rückbildungsprocesse in der primären Epithelanlage ankündigt. Der obere Theil dieses Nagels geht zu Grunde und fällt bisweilen heraus, ehe es noch zur vollständigen Verhornung gekommen ist, indem er hierbei auf dem Gipfel der Anlage eine Grube hinter- lässt; in anderen Fällen kommt es umgekehrt zu einer Anbildung von neuen derartig veränderten Elementen, welche auf der Höhe des Zapfens stattfindet und Dank welcher dieser Theil zum hervor- ragendsten Punkte der Anlage wird (Fig. 37). In anderen Fällen endlich sieht man die obere Fläche der Anlage (ohne Erhebung oder Einsenkung) ganz plan verlaufen. Die 5. Periode (Bildung der secundären Epithelaniage) weist Untersuch. über die embryonale Entwicklungsgeschichte derMilchdrüse. 485 eigenartige Bilder auf, welche sich von dem bisher angegebenen Verhalten bei anderen Thieren nicht unbedeutend unterscheiden. Es bilden sich nämlich, wenigstens bei der Race von Schwei- nen, welche meiner Beobachtung zugänglich war, in Uebereinstim- mung mit der Zahl, in der die Ausführungsgänge beim erwachsenen Individuum vorhanden sind, gleichzeitig 2 Sprossen, und zwar singen sie nicht, wie meist beim Menschen und Kaninchen, vom unteren Ende der primären Epithelanlage aus, sondern seitlich von dem oberen Abschnitte derselben. Auf Frontalschnitten ergiebt sich auf diese Weise eine ganz characteristische symmetrische Figur (Fig. 37 und 38), während dagegen auf Sagittal-Schnitten, wo nur eine Sprosse getroffen ist, die ganze Anlage eine unregel- mässige asymmetrische Gestalt annimmt. Nach den Angaben von Gurlt, 1. e. S. 437, Gegenbaur, Franck?) u. A. soll dasSchwein nur einen Ausführungsgang haben, was ich jedoch an meinen Objecten in Uebereinstimmung mit A. Cooper) niemals zu sehen Gelegenheit fand. Es müssen derartige Individuen mit nur einem Zitzengange ein bedeutendes Interesse in embryologischer Hinsicht darbieten?). Der jüngste Embryo, bei dem ich eine unzweifelhafte seeun- däre Epithelanlage sah, hatte eine Länge von 7,5 cm, zeigte eine geringe Zitzenerhebung, eine 3—4schichtige Epidermis, jedoch keine Spur von Anlagen anderer Hautdrüsen. Bei einem 11 cm und einem anderen 13 em langen Embryo hatten die Sprossen noch immer das Aussehen rundlicher Prominenzen. Bei einem Embryo von 15,5 cm waren sie bereits zu eylindrischen Zapfen ausgezogen. Ihre Länge kam fast der Höhe der Epithelanlage selber gleich (Fig. 38) und trugen sie an den Enden leicht kolbige Anschwellungen. Beim Schwein ist es leichter, wie bei irgend einem anderen von den erwähnten Thieren, sich davon zu überzeugen, dass diese Bildung der secundären Epithelanlage als das Resultat von Pro- liferationsvorgängen in den peripheren Zellen der Anlage auftritt. Die centralen Zellen unterscheiden sich sehr beträchtlich von den peripheren in ihrer Gestalt sowohl, als auch durch die erwähnte ge- ringe Affinität zum Carmin, welches dagegen von den peripheren Zellen sowie von dem Gewebe der in Rede stehenden Sprossen begierig aufgenommen wird. 1) Handbuch der Anatomie der Hausthiere. Stuttgart 1871. 2) Chauveau (Traite d’anat. comp. des aminaux domest. 3me edit. p- 970) gibt für das Schwein 5-10 Ausführungsgänge an. 486 G. Rein: Unter den übrigen Erscheinungen, welche das Auftreten der secundären Epithelanlagen begleiten, verdienen folgende einer besonderen Erwähnung: 1. Das Weiterwachsen der Zitzenerhebung in die Höhe und in die Breite, wobei ihr Gewebe in der Mitte, wie gegen das Ende der Periode schon ausschliesslich aus dem Gewebe der Warzenzone besteht (Fig. 38). Auf diese Weise sehen wir beim Schweine viel früher wie bei anderen Thierarten sich aus der Zitzenerhebung die eigentliche Zitze (Warze) heraussondern. 2. Die bedeutende Zunahme der die Epidermis zusammensetzenden Zellenschichten, wobei die obersten Lagen bereits deutliche Verhornung zeigen. 3. Das fortschreitende Höhen- und Breitenwachsthum der primären Epithelanlage in toto, welches ungefähr gegen Ende der Periode sein Maximum erreicht. Die 6. Periode beobachtete ich bei einigen Embryonen, deren Länge zwischen 20 bis 22 cm schwankte, mithin um 2—3 cm ge- ringer war, wie die der Neugeborenen (nach Gurlt). Die Objeete stammten von 3 verschiedenen Würfen. Die secundären Epithelanlagen (Fig. 39) stellen sich in der Form langer Zapfen dar, deren unteres Ende bedeutend erweitert, canalisirt und mit seitlichen Ausbuchtungen, die wiederum ihrer- seits secundäre Fortsätze ausschicken, versehen ist, wie dies auf einigen Präparaten, die nicht gezeichnet sind, zu sehen war. Der obere Theil der Zapfen ist noch immer solid und geht unmittelbar in den Rest der primären Epithelanlage über. Letztere ist auf der Zeichnung nur theilweise sichtbar. Auf anderen Schnitten dringt die Anlage bedeutend tiefer ins Gewebe der Zitze ein und besteht fast durchweg aus centralen, in der characteristischen Art gequol- lenen Zellen, deren oberste Lage allein Verhornungsvorgänge zeigt. Sie sind in nur geringer Zahl herausgefallen. Die peripheren Zellen umgeben als einreihiger schmaler Saum die ganze primäre Anlage. Die Zitze hat die Form einer eylindrischen ziemlich stark prominenten Erhebung und zeigt im Aeusseren grosse Aehnlichkeit mit der gut ausgebildeten Brustwarze einer erwachsenen Frau. Die unteren Enden der Drüsenschläuche (duetus lactiferi) sind tiefer als das Niveau der Saugwarzenbasis gelegen und von einem dichten fibrillären, aus dem subeutanen Gewebe stammenden Stroma um- geben. In dem Unterhautzellgewebe waren an meinen Objeeten noch keine Spuren von Fettgewebe vorhanden. Die Verhornung der benachbarten Epidermis erstreckt sich bis zu 2—3 Schichten in die Tiefe. Haarbälge und Talgdrüsen sind ausgebildet, letztere Untersuch. über die embryonale Entwicklungsgeschichte der Milchdrüse. 487 besitzen ein Lumen, in welchem bereits fertiges Secret liegt. Die Haare sind noch nicht entwickelt. Maus, Ratte, Meerschweinchen, Maulwurf, Igel, Katze, Hund, Didelphys, Känguruh. Was die Entwickelung der Milchdrüse bei den eben aufge- zählten Thieren betrifft, so kann ich hierbei nur wenige, bruch- stückweise Thatsachen mittbeilen, wie das bei der Dürftigkeit des mir zu Gebote stehenden Materials leider nicht anders zu er- warten stand. Die Milchdrüse von Mus domestieus und Mus decumanus ist kürzlich von Gegenbaur!) untersucht worden und haben sich da- bei folgende höchst interessante Facta ergeben: 1) dass die Drüse ähnlich der der Wiederkäuer blos einen Ausführungsgang besitzt und 2) dass die Saugwarze sich in einer besonderen Tasche, der sogenannten Mammartasche, welche dem bereits lange bekannten Gebilde bei Echidna entsprechen soll, befindet. Von diesen Thatsachen springt die erste selbst bei der flüch- tigsten Untersuchung sofort in die Augen. Die zweite, welche nach Gegenbaur eine sehr wichtige morphologische Bedeutung hat, die ich im Il. Theile berücksichtigen werde, bedarf einiger Erörterungen. Die Tasche sah ich bei einer erwachsenen weissen Maus, 10 Tage nachdem sie geboren hatte. Dieses Thier säugte seine Jungen nur inden ersten 2—3 Tagen. Die stark entwickelte Saug- warze war fast 2 mm hoch, von konischer Gestalt, leicht nach der einen Seite gekrümmt?) und ragte mit ihrer ganzen convexen Seite über die Oberfläche der benachbarten Haut hervor, während die concave Seite mit den unteren drei Viertheilen der ganzen Längen- ausdehnung sich an eine Hautfalte anlegte, welche aus der um- liegenden Haut gebildet war, und zwischen sich und der Saug- warze einen tiefen schmalen Spaltraum frei liess. Die Taschen- wände waren von derselben Struktur wie die Haut, mit Haaren ete. versehen. Es ragte somit an dieser Seite die Saugwarze blos etwa mit dem obersten Viertel über das Niveau der Umgebung hervor. An diesem Präparate war also keine eigentliche Tasche vorhanden, sondern die Saugwarze war einfach unter eine Hautfalte der Nach- 1) Morpholog. Jahrbuch Bd. I. 2) Auf dem Spirituspräparate. 488 G. Rein: barschaft eingestülpt, wie dies auf Fig. 26 für den Menschen ab- gebildet ist, mit dem Unterschiede jedoch, dass bei der Maus die Zitze blos mit ihrer einen Seite in die Vertiefung hineingezogen erschien. Ausser dieser Tasche, die auch nach Gegenbaur bei Weitem nicht konstant vorhanden ist, und die je nach dem augen- blieklichen Zustande, in dem sieh die geschlechtliche Thätigkeit des Thieresbefindet, inverschiedenen Entwickelungsstufen gefunden wird, die endlich möglicherweise, wie beim Menschen, individuelle Schwan- kungen aufweisen kann: ausser ihr, sage ich, findet sieh auf dem- selben Präparate noch folgendes: Von der Basis der Zitze, deren charakteristisches Gewebe sich weit unter die Haut fortsetzt, gehen beiderseits je ein schmaler, unregelmässig halbmondförmiger Aus- läufer der Malp. Schicht aus, welche nach unten zu in die Tiefe fast bis zur Muskelsehieht der Haut eindringen, mit ihren coneaven Flächen gegeneinander gekehrt sind und ihrerseits an beiden Seiten seeundäre Ausläufer tragen. Diese Epithelausläufer, in denen ich keinerlei Andeutung eines Lumens erkennen konnte, grenzen die unter der Haut gelegene Zitzenpartie, theilweise aber auch das Drüsenparenchym selber von der benachbarten Haut ab. Dieselben habe ich auch bei anderen Thieren {s. unten) zu Gesicht bekommen und scheinen sie eine Fortsetzung der Tasche in die Tiefe der Haut zu sein, eine Fortsetzung die auf einer bestimmten Entwicke- lungsstufe, da nämlich, wo es noch nicht zur Lumenbildung ge- kommen ist, stehen geblieben ist. Ein derartiges Stehenbleiben auf einer gewissen Entwiekelungsstufe, wie sie beim erwachsenen Thiere konstatirt wird, dürfte vom phylogenetischen Standpunkte aus vielleicht darin seine Erklärung finden, dass wir es hier mit Ueberbleibseln von Bildungen zu thun haben, die bei den Vorältern der betreffenden Thiergattung einst in voller Entwickelung be- standen haben. Aehnliche Verhältnisse sah ich bei den etwa 3 Wochen alten Jungen einer weissen Ratte. Die Zitze ist hoch, besitzt nur einen Ausführungsgang und liegt ganz, wie das Gegenbaur |. e. abbildet, von allen Seiten in einer Vertiefung der Haut. Die Ränder der Grube haben ca. ?/; der Höhe der Zitze. Die Epidermisaus- läufer sind etwas dünner, wie im vorhergehenden Falle und dringen in die Haut in Gestalt leieht ziekzackartiger Linien ein, welche zu beiden Seiten der Saugwarzenbasis herabsteigen und fast bis zum Drüsenparenehym reichen. Letzteres besteht im gegebenen Untersuch. über die embryonale Entwicklungsgeschichte der Milchdrüse. 489 Falle aus erweiterten Milchgängen in geringer Anzahl und mit nur wenigen seitlichen Ausbuchtungen. — Bei einer neugeborenen weissen Maus fand ich die Zitzenerhebung entweder gar nicht, oder nur in Gestalt einer unbedeutenden sanft ansteigenden Er- höhung vor und erschwerte dieser Umstand nicht wenig das Stu- dium der Milchdrüsenanlage in diesem Entwickelungsstadium. Auf verticalen -Schnitten der Anlage sieht man 3 epitheliale Ausläufer in annähernd verticaler Riehtung von der Oberhaut aus- gehend, fast bis in die Muskelschicht der Haut dringen. Der mitt- lere Ausläufer ist dicker und länger wie die seitlichen, verläuft in gerader Richtung und verästelt sich an seinem unteren Ende. Es ist das die Anlage der Drüse selbst. Die beiden leicht bogenförmig gekrümmten und mit den Concavitäten gegen einander gerichteten seitlichen Ausläufer erinnerten in allem an die oben für erwachsene Individuen geschilderten Verhältnisse, d. h. an den Beginn einer Taschenbildung. Alle 3 hatten dieselbe Structur: d.h. sie bestanden aus epithelialen Zellen, einer direeten Fortsetzung der Cylinder-Zellen der Malpighischen Schicht und trugen am oberen Ende eine trichter- förmige Erweiterung. — Ich glaube, dass man nach dem eben ge- schilderten Präparate berechtigt ist anzunehmen, dass die Drüsen- tasche einer Epidermiswucherung ihr Dasein verdankt. Diese Wucherung bildet anfänglich solide Ausläufer, die erst im weiteren Verlauf und nur in ihren oberen Partien hohl werden, während die unteren Abschnitte derselben, wenigstens bei der Maus, zeitlebens nicht zur vollen Ausbildung gelangen. Es wiederholten sich somit, soweit: man das aus den geschilderten Präparaten folgern kann, bei der Taschenbildung dieselben Vorgänge, welche bei der Ent- wicklung der epithelialen Drüsenanlage selbst Platz haben. Bei einem 13 mm langen Embryo einer weissen Maus, wel- cher bereits vollständig entwickelte Körperform, sowie die ersten Anzeichen einer Haarbildung zeigte, sah ich die Drüsenanlage in derselben Kolbenform, welche dem Kaninchen (Fig. 12) in der 4. Periode zukommt, wieder. Der Körper der Anlage wurde von einer Warzenzone umgeben. Deutliche Zitzenbildung war noch nicht sichtbar. An diesem Präparate konnte ich keine Spur von Taschen- bildung bemerken. Das folgende, ebenfalls zu den Nagern gehörende Objeet — das Meerschweinchen — bietet mehr Aehnlichkeit mit den be- treffenden Verhältnissen bei der Ratte, als mit dem Kaninchen. 490 G. Rein: De Sinety!) hat nachgewiesen, dass beim erwachsenen Thiere die lange Zitze blos einen allgemeinen Ausführungsgang, wie bei den Wiederkäuern, enthält, eine Thatsache, die sich bereits bei Ast- ley Cooper I. ec. angeführt findet. Diese Aehnlichkeit kann ich nach dem, was ich bei dem von mir untersuchten neugeborenen Individuum sah, bestätigen. Die Zitze hat hier bereits eine beträchtliche Grösse und die chara- cteristische Gestalt eines langen Kegels. Der die Zitze durchsetzende Ausführungsgang lässt einen äusseren, dem Verschlusstheil der Wiederkäuer entsprechenden, mit einer Pflasterepithel ausgekleideten Abschnitt erkennen und einen darauffolgenden längeren Theil — den Sinus —. welcher bis zur Basis der Zitze reicht, seitliche Ausbuchtungen trägt und mit Cylinderepithel versehen ist. Der mit Pflasterepithel ausgekleidete Theil des Zitzencanals (Aus- führungsgang) ist verbältnissmässig länger als der entsprechende . Abschnitt der Wiederkäuer, jedoch ist keinesfalls der ganze Canal bis zur Basis der Zitze mit geschichtetem Plattenepithel versehen, wie de Sinety behauptet hat. In der Höhe der Saugwarzenbasis oder etwas weiter abwärts münden in den Sinus zahlreiche, ge- schlängeite und dicht zusammengelagerte Drüsenschläuche. Auf der Zitzenhaut sieht man sehr spärliche Haare, die in ebenso ge- ringer Menge auch an einer runden eircumseripten Hautstelle, die um die Basis der Saugwarze herum gelegen ist und die Areola darstellt, vorhanden sind. Ausserhalb der Areolagrenze ist die Haut mit diehten langen Haaren bedeckt. Bekanntlich existirt eine der- artige Areola auch beim erwachsenen Thiere als scharf begrenzte runde, fast unbehaarte oder vollkommen haarlose Fläche. Der Maulwurf-Embryo, über den ich disponirte, war 3,5 cm lang. Es war das ein Spirituspräparat, auf dem das Alter des Embryo nicht vermerkt war. Jedoch muss das Thier, nach Grösse und Entwickelung der Haut und Klauen zu urtheilen, als in der letzten Zeit des intrauterinen Lebens befindlich angesehen werden. Die Anlagen der Milchdrüsen, deren Zitzen bereits deutlich mit dem unbewaffneten Auge zu sehen waren, liegen in der Ingui- nalgegend und zwar je 3 auf einer Seite. Die hintersten Zitzen kommen zu beiden Seiten der äusseren Geschlechtsorgane zu stehen; 1) De Sinety, Comptes rendus des Seances de la societe de biologie. Anne& 1877, p. 42. Untersuch. über die embryonale Entwicklungsgeschichte der Milchdrüse. 491 die folgenden sind in gerader Linie, welche parallel mit den Inguinalfalten verläuft, und in gleichmässigen Distanzen von einander symmetrisch angeordnet, und reichen ziemlich weit nach vorne und aussen. Auf Verticalschnitten stellt sich die Zitze als ein niedriger, sanft ansteigender Hügel dar mit abgerundeter Oberfläche, welche ebenso wie die Nachbargebiete der Haut, mit einigen Schichten vollständig verhornter Zellen bedeckt ist. Die zwei Ausführungs- gänge der Drüse, die auf einem Verticalschnitte getroffen wurden, noch nicht mit Lumen versehen, beginnen auf dem Gipfel der Zitze mit trichterförmiger Erweiterung, verengten sich hierauf, drangen in gerader Richtung vertieal durch die ganze Dicke der Haut und der gut entwickelten Muskelschicht in das subeutane Fettgewebe ein und endeten hierselbst, nachdem sie sich vorher kolbig erweitert und einige seitliche Ausbuchtungen ausgeschickt hatten, mit kurzen blinden Ausläufern. Zwischen Fettgewebe und Drüsencanälen liegt spärliches fibrilläres Bindegewebe — das Drüsenstroma. Die Drüsencanälchen sind in ihrer ganzen Ausdehnung mit eng aneinan- der liegenden, sich in Carmin gut färbenden Zellen ausgekleidet. Die Anlage befand sich, nach Vergleichung mit den für’s Kanin- chen geltenden Kennzeichen, in der 6. Entwickelungsperiode und zeigte keine wesentlichen Abweichungen von der des letzteren Thieres. Das Gewebe der Saugwarze dringt tief in die Haut ein und erstreckt sich bis zur Muskelschicht. Es wird genau von denselben gleichen, halbmondförmigen Epidermisausläufern, wie wir sie bei der Maus sahen, eingefasst. Diese Ausläufer sind in der Nähe der Hautoberfläche breiter; nach unten zu verschmälern sie sich all- mählich und dringen dabei bis fast auf die Muskelschicht vor. In diesen Gebilden, welche ohne Zweifel Anlage für die Mammar- tasche darstellen, konnte ich ebenfalls kein Lumen entdecken. — Die benachbarte Haut enthält dicht gedrängte, tubulöse Talgdrüsen, zwischen denen hie und da Haarbälge mit vollständig entwickelten über die Hautoberfläche hervorragenden Haaren angetroffen werden, Bei einem anderen von mir untersuchten Insectenfresser, dem Igel (Erinaceus europaeus) liegen die Anlagen für die Milchdrüsen symmetrisch zu beiden Seiten des Bauches und der Brust, 8 an der Zahl. Sie verhalten sich also ähnlich, wie beim Kaninchen. Das vorliegende Exemplar stammte aus der letzten Zeit des intra- 492 G. Rein: uterinen Lebens. Auf der Rückenhaut waren bereits zahlreiche grosse warzige Erhebungen zu sehen, allein dieselben führten noch keine Stacheln. Die Untersuchung ergab Folgendes: Zitze von beträchtlieher Höhe, eylindrisch, mit abgerundeter Spitze, wie beim Schweine. Auf dem Gipfel der Zitze liegen Reste der primären Epithelanlage in Gestalt eines aus Epidermiszellen bestehenden Häufchens. Die Ausführungsgänge, auf einem Verticalschnitt höchstens in der Zwei-Zahl vorhanden, verlaufen gradlinig, sind eng und noch nicht canalisirt. In der Gegend der Zitzenbasis erweitern sie sich kol- big und sehieken einige seitliche Sprossen aus. Im allgemeinen ist es dasselbe Bild, welches wir in der 6. Periode beim Kaninchen haben, und unterscheidet es sich blos durch eine beträchtlichere Entwickelung der Zitze, erinnernd an die entsprechenden Verhältnisse bei den Wiederkäuern. Auch hier sieht man zu beiden Seiten der Zitzenbasis sehr kleine Epidermis- ausläufer — Anlagen der Mammartasche — hinabziehen. Von Fleischfressern konnte ich blos Katze und Hund zur Untersuchung erhalten. Bei einem 6,5 em langen Katzenembryo fand ich die kol- benförmige Anlage in der Form an die des Kaninchens, wie sie in Fig. 12 abgebildet, erinnernd; nur war ihre obere Fläche auf einzelnen Schnitten vollständig eben, ohne Spur einer centralen Vertiefung. An anderen Schnitten sah man an Stelle der Grube einen kleinen epidermoidalen Hügel, bestehend aus gequollenen, halb- verhornten Zellen. Die Differenzirung der Zellen der Anlage in periphere und centrale ist nur schwach ausgesprochen. Die Zitzen- erhebung entspricht in Bezug auf ihre Gestalt und beträchtliche Grösse dem in Fig. 37 (vom Schwein) abgebildeten Präparate. Die Warzenzone nimmt nur die Mitte der Erhebung ein (ef. Fig. 29 Rindsembryo), hat einen regelmässig halbmondförmigen Contour und zeigt coneentrische Anordnung ihrer Bestandtheile, wie in Fig. 13 (Kaninchen). Die Beimischung von Anlagen glatter Muskelfasern ist hier mit derselben Deutlichkeit .zu konstatiren, wie beim Ka- ninchen. An den obersten Zellen der Epidermisbekleidung der Zitze ist noch nirgends eigentliche Verhornung eingetreten, sondern es sind dieselben in der charakteristischen Art, wie wir sie am besten beim Schweine notiren konnten, gequollen. Die Haarbälge stehen theilweise erst in den Anfangsstadien ihrer Entwickelung, Untersuch. über die embryonale Entwicklungsgeschichte der Milchdrüse. 493 theils übertreffen sie bereits an Höhe die primäre Epithelanlage der Milchdrüse. — Bei einem neugeborenen weiblichen Kätzchen fand ich nichts mehr von der primären Epithelanlage. Die Zitze ist bereits definitiv ausgebildet. Die Kanäle der sekundären Epithel- anlage (2 auf einem Verticalschnitte) erinnern ungemein an die Verhältnisse der menschlichen Drüse aus der entsprechenden Periode: sie haben einen sehr engen, leicht gewundenen äusseren, noch nicht mit Lumen versehenen Abschnitt (Ausführungsgang der Drüse); auf diesen folgt ein sich allmählich nach unten zu erweiternder, den ersteren um etwa das 5-fache an Länge übertreffender Theil, der stellenweise kanalisirt und mit feinkörnigem Fettdetritus an- gefüllt, stellenweise jedoch noch solid ist (Sinus), Am unteren Sinusende tragen die Wände desselben leichte seitliche Vorbuch- tungen (Anfänge der Milchgänge). Die die Zitze überziehende Haut besteht aus einer stärkeren Lage von Riffzellen und entbehrt vollständig der Haare, welche dafür die benachbarten Hautpartien, von der Zitzenbasis angefangen, in dichter Lage bekleiden. Auch hier findet man die Mammartaschenanlage in Gestalt sehr kurzer Epidermisausläufer wieder. Bei einem Hundeembryo, der sich in den letzten 2 Wochen des Intrauterinlebens befand, sah ich folgendes: Eine gut ausge- bildete Zitze von derselben Gestalt wie bei der Katze. Auf dem Gipfel derselben ein Häufchen von epithelialen, zum Theil ver- hornten Zellen — Reste der primären Epithelanlage. — Die secun- dären Epithelanlagen in- Gestalt langer eylindrischer Zapfen, welche von der Basis der primären Epithelanlage an in gerader Richtung durch die ganze Dieke der Saugwarze hindurch ziehen und tief unter der Basis derselben, in geringer Entfernung von dem Muskel- lager der Haut, mit steeknadelkopfförmigen Anschwellungen enden. Letztere tragen kleine seitliche Ausbuchtungen. Von Beutelthieren standen mir ein Didelphys-Embryo aus dem Strassburger anatomischen Institute, sowie ein Didelphys- und ein Känguruh-Embryo aus der Freiburger anatomischen Sammlung zur Disposition. Ausserdem hatte ich noch Gelegenheit die Milchdrüse eines erwachsenen Känguruh, der Mutter des ebenerwähnten Em- bryo, zu untersuchen. Die Körperlänge des ersten, wahrscheinlich Didelph. virginiana angehörigen Embryo, betrug ohne Schwanz 11,5 cm, Schwanzlänge 73/; cm. Der Körper ist durchweg mit feinen Haaren bedeckt. Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd.20, 32 494 G. Rein: Die Zehen tragen gut entwickelte Klauen. Die den Beutel bil- dende halbmondförmige Falte ist in Gestalt und Aussehen ebenso beschaffen, wie im Gegenbaur’schen Falle (Morphol. Jahrb. 1. e.), nur etwas tiefer. Die Contouren der vorderen Grenze der Tasche lassen sich kaum wahrnehmen. Die grösste Längenausdehnung des Beutels ist 12 mm, die Breitenausdehnung 9 mm. Mit blossem Auge sieht man deutlich 11 Zitzenerhebungen, von denen die eine im Centrum des Beutelgrundes gelegen ist, während die anderen 10 sich symmetrisch um dieselbe herum gruppiren. Die 4 vorderen sind bei Weitem weniger entwickelt, als die hinteren und die centralen. Leider war das Objekt, welches sehr lange in Spiritus gelegen hatte, schlecht konservirt, so dass die mikroskopische Untersuehung nur schwer anzustellen war und dem entsprechend wenig befriedigende Resultate ergab. Ich erwähne seiner blos desshalb, weil sich an ihm vollständig deutliche Zitzenerhebungen constatiren liessen, ein Umstand, aus dem sich mithin ergab, dass die Anlage in diesem Stadium mehr Aehnlichkeit mit den Dingen, wie sie bei den Wiederkäuern und Schweinen liegen, besitzt, wäh- rend bei dem Exemplare von Gegenbaur die Milchdrüse, welche aus einer früheren Periode stammte, sich in nichts von der kolben- förmigen Anlage des Menschen oder des Kaninchens unterschied. Ein zweites Exemplar von 10 em Länge, welches offenbar eineranderen, nicht genau bestimmten Beutelthiergattung angehörte, deren Repräsentanten wahrscheinlich im erwachsenen Zustande keinen Beutel besitzen, zeigte keine Spur von letzterem. Dagegen sah man an demselben zwischen Nabel und Genitalien auf an- scheinend völlig unveränderter Haut 9 Zitzenerhebungen vorragen, von denen die eine central gestellt war, während sich die anderen regelmässig kreisförmig um dieselbe herum anordneten. Die Zitzen- erhebungen sind in diesem Falle noch viel prononeirter, 4—6 mm hoch und ragen zum Theil in ganzer Länge über die Hautober- fläche vor, oder aber sie liegen in Hautfalten (Mammartaschen) verborgen, so dass nur ihre Gipfel in einer Ausdehnung von 1—2 mm sichtbar werden !). Diese Beobachtung bestätigt einmal die oben ausgesprochene Ansicht Betreffs der bei Didelphys während der Drüsenentwicke- 1) Vgl. Fig. 3 Tab. VIII Heft 5 in G. Carus Erläuterungstafeln zur vergleichenden Anatomie 1825— 1855. Untersuch. über die embryonale Entwicklungsgeschichte der Milchdrüse. 495 lung vorkommenden Ausbildung von Zitzenerhebungen, zweitens aber zeigt sie uns, mit einigen literarischen Angaben übereinstim- mend, dass es wenigstens bei manchen Arten dieser Thiergattung zu einer ebenso starken Entwickelung der Mammartaschen kommt, wie beim Känguruh, zu dem ich jetzt übergehe. Das von mir untersuchte junge Känguruh war offenbar erst vor ganz kurzer Zeit zur Welt gekommen. Seine Länge betrug 5 em. Es war der Sammlung genau in dem Zustande, wie man es bei dem Tode der Mutter angetroffen hatte, einverleibt worden: es befand sich im Inneren der Tasche und hatte sich an eine der Zitzen fest gesaugt. Seiner äusseren Gestalt nach, sowie im Aussehen der einzelnen sichtbaren Körpertheile zeigt es auffallende Aehnlichkeit mit den Jüngsten von Morgan!) und Owen?) beschriebenen Exemplaren. An Stelle des Beutels sieht man mit blossem Auge eine seichte Vertiefung, welche etwa einen grossen Stecknadelkopf in sieh auf- nehmen kann. Die mikroskopische Untersuchung des gut in Spiritus conser- virten Präparates ergab auf Frontalschnitten, welche senkrecht zur Hautoberfläche gelegt wurden, folgendes eigenthümliche Bild: Eine dünne Hornschicht mit leicht faltiger Oberfläche liegt auf einem beträchtlich entwickelten Stratum Malpighii, in welchem man etwa 10 Schichten von grossen rundlichen mit grossen Kernen versehenen Zellen erkennen kann. Die unteren cylindrischen Zellen des Malpighischen Schleimnetzes unterscheiden sich scharf von den übrigen. Die Cutis trägt keinerlei Andeutungen von Pa- pillen und besteht aus ovalen und spindelförmigen Zellen mit ziemlich reichlicher Intercellularsubstanz. Nach unten zu wird das Bindegewebe der Öutis lockerer, ohne jedoch den Character eines deutlich entwickelten Subeutangewebes zu tragen, und liegt direet einem quergestreiften Muskel (Beutelmuskel) auf. Keine der von mir untersuchten Hautpartien liess irgend was von Haarbalg- oder Hautdrüsenanlagen erkennen. Genau von derselben Beschaffenheit ist auch die Haut, welche den Boden der oben erwähnten Vertiefung auskleidet. Die einzige wichtige Abweichung, welche hier existirt, besteht darin, dass die 1) Descriptions of the Mammary Organs of the Kangorow. Transactions of Linnean Society v. XVI, 1833, p. 61. 2) Philosophical Transactions 1834. 496 G. Rein: Malpighische Schicht 4 solide Zapfen von der Gestalt verlängerter Kegel in die Tiefe schickt. Diese Zapfen übertreffen an Länge um das Sfache die ganze Dicke des Malpighischen Netzes. Sie sind symmetrisch, zu je einem Paare an die Seitenwände der Ver- tiefung, welche sonst an ihrem Grunde keinerlei Veränderungen zeigt, angeschlossen. Die Spitzen derselben divergiren etwas nach beiden Seiten. — Diese oben erwähnten Zapfen trifft man in einer ganzen Folge successiver frontaler Schnitte wieder und zwar nehmen sie um so mehr an Höhe ab, je mehr man sich dabei dem vorderen oder hinteren Ende der Vertiefung nähert. Es ist mithin klar, dass die Gestalt dieser Gebilde, welche sich auf Frontaischnitten in der eben beschriebenen Weise darstellen, auf Sagittalschnitten eine an- nähernd halbmondförmige sein muss. Jeder Zapfen setzt sich aus unveränderten Zellen der Malpig- hischen Schicht zusammen und liegen dieselben an seiner Basis in 5—6, an seiner Spitze in 2—3 Reihen. Das ganze Gebilde wird an seiner Peripherie von Cylinderzellen eingerahmt. Die darunterliegende Haut zeigt deutlich eine Zellenanhäufung. Nach aussen von den äusseren Zapfen zieht in nächster Nähe von den- selben die quergestreifte, eine dieke Lage bildende Museulatur vorbei. Das Gewebe (Cutis) zwischen den einzelnen Zapfen ist, abgesehen von einer leichten Zellenanhäufung, unverändert. Es ist ziemlich schwer, darüber zu entscheiden, welcher Natur diese Zapfen sind. Mit Milchdrüsenanlagen, welche ich wenigstens in den ersten Stadien ihrer Entwickelung bei den verschiedensten Thiergattungen so merkwürdig gleich gebildet fand, haben sie nichts zu thun. Dazu kommt noch, dass es völlig unerklärlich wäre, wie man auf einem Frontalschnitte 4 Milchdrüsen-Anlagen erhalten sollte, während bekanntlich beim Känguruh die Milchdrüsen blos in 2 Paaren — einem vorderen und einem hinteren — vor- handen sind. Ich glaube hiernach der Wahrheit näher zu kommen, wenn ich die erwähnten Gebilde ais Mammartaschenanlagen an- spreche, Anlagen, welche sich hier in ähnlicher Form präsentiren, wie ich sie z. B. beim Maulwurf und bei der Maus gesehen habe. Damit stimmt auch Form wie Zahl der Zapfen (je zwei für jede Zitze) sehr gut überein. Freilich spricht gegen diese Annahme, die einer weiteren Bestätigung bedarf, der Umstand, dass bei der Maus der Bildung der Mammartaschenanlagen die Entwickelung » Untersuch. über die embryonale Entwicklungsgeschichte der Milchdrüse. 497 der Milchdrüsenanlagen vorausgeht. Dass es beim Känguruh um- gekehrt der Fall sein kann, lässt sich theilweise verstehen, wenn man die betreffenden Verhältnisse in späteren Stadien und beim erwachsenen Thiere berücksichtigt. Es ist bekannt, wie ausser- ordentlich stark die Mammartasche beinoch sehr jungen eben aus- getragenen Känguruhs entwickelt ist (vgl. dazu die Abbildungen Mos2an’s»(l. ec. und!) Tab 21 wI2) To, f 1u2,T. I, f. D. Darnach zu urtheilen, hat die Tasche bei jungen Känguruh’s den Höhepunkt ihrer Entwickelung schon erreicht. Sie bedeckt die Anlage der Drüse von allen Seiten und communieirt mit der Aussenwelt vermöge einer engen, auf dem höchsten Punkte der faltenartigen Erhebung der Haut gelegenen Oeffnung und kann sogar auf den ersten Bliek die Zitze selber vortäuschen, so dass man geneigt wird, anzunehmen, dass dieselbe auch hier, wie bei den Wiederkäuern, mit einem einzigen Ausführungsgang mündet (ef. Gegenbaur, Jenaische Zeitschr. l. e.). In Wahrheit jedoch wird die ächte Zitze erst beim Einschneiden der Taschenränder sichtbar. Sie liegt im Grunde der Tasche, woselbst sie nur eine leichte Zitzenerhebung (Morgan |. e.) wie um diese Zeit beim Kaninchen darstellt und trägt an ihrer Spitze e. 20 Ausführungsgänge. Im weiteren Verlaufe ändert sich dies Bild. Die Zitzenerhe- bung wächst immer mehr, bis sie endlich mit ihrer Spitze aus der engen Taschenöffnung hervortritt. Jetzt haben wir es hier mit einem ähnlichen Verhältniss zu thun, wie es zwischen Glans Penis und dem dieselbe zur Hälfte bekleidenden Praeputium besteht 2). So wenigstens fand ich die Zitze beim erwachsenen Thiere, jedoch war es nicht diejenige, an der das Junge sich festgesaugt hatte. Diese hatte offenbar das Maximum ihrer Entwickelung erreicht. Ihre Länge betrug am Spirituspräparate 3 em. Ihrer äusseren Ge- stalt nach war sie eine getreue Copie der von Morgan in Taf. 8, f. 1 und 2 und T. III, f. 5 abgebildeten. Hier ist schon nichts mehr von einer Mammartasche zu sehen, welche offenbar in der übermässig langen Zitze, an der das Junge gleichsam wie an einem 1) J. Morgan. A further Description of the Anatomy of the Mam- mary Organs of the Kangorow. Trans. of the Linnean Society of London 1833, V. XVI, p. 455. 2) Dieser vollkommen passende Vergleich ist von Laurent undOwen gemacht. 498 G. Rein: Nabelstrange hing, aufgegangen war. Die beiden anderen Saug- warzen zeigten Uebergangsstadien zwischen den beiden soeben be- schriebenen Formen (die Tasche bekleidete die untere Hälfte der Zitze) und hatten wahrscheinlich Früchten aus vorhergegangenen Schwangerschaften gedient. Diese Beobachtungen am Känguruh werfen einiges Licht auf die Bedeutung und die Rolle, welche der Mammartasche überhaupt zukommt. Offenbar erfüllt dieses Gebilde nur zeitweilig einen Zweck und zwar insofern, als es dazu dient, die Hautoberfläche der Zitze zu vergrössern, ähnelt also darin den gleichen Ein- richtungen, welche bei anderen, ihr Volum beträchtlich verändern- den Organen, wie z. B. beim Penis existiren. Sie findet sich in den diversen Präparaten in den allerverschiedensten Formen, je nach dem, in welcher Funktionsperiode sich die Milchdrüse befindet und kommt nicht blos dem Känguruh, sondern wie gezeigt wurde, vielen anderen Thieren zu. Wahrscheinlich spielt sie bei den letzteren eine mehr unter- geordnete Rolle in physiologischer Beziehung und hat auch keine grosse morphologische Wichtigkeit, wie später erörtert werden soll. Die ausführenden Canäle in der Zitze des erwachsenen Kän- guruh zeigen die meiste Aehnlichkeit mit den beim Menschen ge- gebenen Verhältnissen. Zwischen eigentlichen Ausführungsgängen und den Milchsinus giebt es keine scharfen Grenzen, weder in Bezug auf Weite der betreffenden Canäle, noch in der Art des sie auskleiden- den Epithels, wenigstens gilt das für die von mir untersuchten Alko- holpräparate. Das verhornte Epithel der Haut dringt ziemlich tief in die Ausführungsgänge ein (Mündungsstück) und geht nur all- mählich in ein gewöhnliches Pflasterepithel und weiter in das Cylinderepithel der Sinus über. Glatte Muskelfasern finden sich in der Zitze in reichlicher Zahl und durchkreuzen sich in den ver- schiedensten Richtungen. Eine eigentliche Sphineterbildung um die äussere Oeffnung der Ausführungsgänge herum, ähnlich wie bei Menschen, existirt jedoch nicht. Die Maassangaben sollen am Ende des demnächst zu ver- öffentlichenden zweiten, vergleichend anatomischen Theiles dieser Untersuchungen mitgetheilt werden. Untersuch. über die embryonale Entwicklungsgeschichte der Milchdrüse, 499 Erklärung der Abbildungen auf Taf. XXVIII und XXIX. Folgende Buchstaben haben in allen Figuren der beiden Tafeln dieselbe Bedeutung: Hornschicht der Epidermis. Malpighische Schicht der Epidermis. Cylinderzellenschicht der Epidermis. Cutis. Blutgefässe. Fettgewebe. Haaranlage. Stromazone (Anlage des Drüsenstroma). Warzenzone (Anlage des Gewebes der Warze). Peripherische Zellen der primären Epithelanlage. Centrale Zellen der primären Epithelanlage. Unterhautzellgewebe. Sämmtliche Zeichnungen der ersten Tafel sind Kaninchenembryonen entnommen. Die eingeklammerten Nummern bezeichnen die Körperlänge des betreffenden Thieres. Tafel I. Hügelförmige Milchdrüsenanlage (16 mm). Längsschnitt. bm Basalmembran. Hartn. 2/VII. Etwas frühere hügelförmige Anlage als Fig. 1. (15 mm). Längs- schnitt. Hartn. 3/IV. . Allerfrüheste hügelförmige Anlage der Milchdrüse in situ. Quer- schnitt durch den ganzen Rumpf. (15 mm). en Centralnervensystem, g Spinalganglion, ch Chorda, ao Aorta, wk Wolff’scher Körper. k Keimepithel, ms Mesenterium, bw Bauchwand. (Im unteren Theile “ noch primitiv, theils abgerissen), ma Milchdrüsenanlage. Hartn. 3/1. te Fig. 2. Fig. 3 Fig. 4. Fig. 5. Fig. 6. Fig. 7 Fig. 8, Fig. 9 Fig. 10. Fig. 11. Bei der Präparation zufällig von der Cutis abgehobene hügelförmige Anlage. Anderer Schnitt von dem zu Fig. 1 gehörigen Embryo. Hartn. 3/IV. Linsenförmige Anlage (17 mm). Längsschnitt. Differenzirung der Anlageelemente. Erste Andeutung der Warzenzone. Hartn. 2/VII. Linsenförmige Anlage. Querschnitt (17 mm). Hartn. 3/IV. . Delle der Cutis, entsprechend der Stelle der herausgefallenen linsen- förmigen Anlage (17 mm). Hartn. 3/IV. Linsenförmige Anlage mit abgeflachter Oberfläche, in die Cutis schon tiefer vorgedrungen. Uebergangsform zum folgenden Stadium (18 mm). Hartn. 3/IV. . Zapfenförmige Anlage (18 mm). Hartn. 2/VII. Uebergangsformen zwischen zapfen- und kolbenförmiger Anlage (20—21 mm). Bemerkbare Erhöhung der ganzen entsprechenden Hautgegend (Warzenerhöhung). hm Hautmuskel. Hartn. 3/IV. Kolbenförmige Anlage (29 mm). Erstes Auftreten der den Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. . 12. ..13. N: ‚18. 16. 7. 18. 19. 20. 21. 22. G. Rein; Riffzellen entsprechenden Zellen, oberhalb des Cylinderzellenstraturos der Malpighischen Schicht. Hartn. 2/VII. hm Hautmuskel. Kolbenförmige Anlage. Weiteres Stadium (3,5 cm). Vertiefung an der Oberfläche der Anlage. Hartn. 3/IV. hm Hautmuskel,'q tiefere Muskelschicht (quer). Kolbenförmige Anlage (4,5 cm). Verlängerung des Halses. Erste Erscheinung der glatten Muskeln in der Warzenzone, Blutgefäss- kranz um die letztere herum. Osmiumpräparat. Hartn. 3/IV. Uebergangsform zwischen 4. und 5. Periode (4,5 cm). Dreieckige Form der primären Epithelanlage. Hartn. 3/IV. Fünfte Periode (5 cm). Hartn. 3/IV. kn erste Anlage der Knos- pen, hm Hautmuskel. Fünfte Periode (7”—8 cm). Weitere Ausbildung der 2 Knospen. Erste Andeutung der Stromazone {s). Hartn. 2/IV. hm Hautmuskel, q quergeschnittene tiefe Muskulatur. Fünfte Periode (7,5—8 em). Ausbildung der Knospen zu soliden Drüsenzapfen (secundäre Epithelanlage). Deutliche Verhornung der centralen Zellen der primären Epithelanlage. Die Zeichnung ist aus zwei Präparaten completirt. Hartn. 2/IV. hp Hornpfropf, ds Drüsenzapfen (secundäre Epithelanlagen), k kolbiges Ende eines Drüsenzapfens. Sechste Periode (9 cm, todtgeborenes, wahrscheinlich unausge- tragenes Thier), Rückbildung der primären Epithelanlage, Anfangs- stadium. Hartn. 2/IV. hp Hornpfropf, us Uebergangsschicht zwi- schen verhornten und unveränderten Central-Zellen, t dichotomische Theilung eines Drüsenzapfens. | Tafel 11. Weibliches Kaninchen 1 Tag alt. Weitere Rückbildung der pri- mären Epithelanlage. Canalisation in der unteren Hälfte der Drüsen- zapfen. Weitere Zunahme der Warzenerhöhung. Hartn. 2/IV. hp Hornpfropf, us Uebergangsschicht zwischen verhornten und unver- änderten centralen Zellen, sn canalisirte und erweiterte blinde Enden der Drüsenzapfen, i dieselben lappig getheilt. Weibliches Kaninchen 15 Tage alt. Starke Entwicklung der Warze. Kleiner Rest der primären Epithelanlage. Vollkommen canalisirte Drüsenschläuche. Hartn. 3/I. hp Hornpfropf, sn blinde Endigun- ungen der Drüsenschläuche erweitert, gewunden und (bei i) lappig getheilt, t dichotomische Theilung eines Ausführungsgangs. Erwachsenes Kaninchen 5 Tage nach unterbrochenem Stillen. Ver- ticalschnitt. Hartn. 2/I. e Ausführungsgang. sn Sinus lacteus, k querdurchschnittener Milchgang (ductus lactiferus), n Drüsenläpp- chen, mb Bündel von glatten Muskelfasern. Dasselbe Thier. Horizontalschnitt durch die Warze im oberen Dritt- theile derselben. Zehn in verschiedener Höhe durchgeschnittene Aus- G. Rein: Unters. über die embryonale Entwicklungsgesch. d. Milchdrüse. 501 Fig. Fig. ig. 28. ..23. . 24. . 25. 26. 27. . 29. ig. 30. sl: . 32. führungscanäle. Hartn. 3/I. e Ausführungsgang, sn Sinus lacteus. r concentrische Ringsmuskelfasern der Ausführungsgänge, mb un- regelmässig zerstreute Muskelbündel der Sinus lactei. Mensch, vom Steiss bis zum Scheitel 32 mm. Kolbenförmige Anlage (s. Fig. 11). Hartn. 3;1V. Mädchen, vom Steiss bis zum Scheitel 11 cm. Erste Knospenbildung (fünfte Periode). Bedeutende Erhöhung des Drüsenbodens. Gefäss- kranz. Hartn. 2;IV. Reife männliche Frucht, gestorben während des Geburtsactes. Sechste Periode. Warzen- und Stromazonen klar ausgeprägt. (Subcutane Warze). Montgomery’sche Drüse (M d) im gleichen Entwickelungs- stadium. Hartn. 2/I. hp Hornpfropf an der Stelle der primären Epithelanlage, dr Drüsenzapfen, (bei i) diehotomisch getheilt, t Talg- drüse, ms Muscle sous-are&olaire (Sappey). Knabe, 6 Jahre alt. Eingestülpte Form der Warze. Hartn. 2/I. ar Areola, e trichterförmige Erweiterung eines Ausführungsganges. Ziege 23 mm. Linsenförmige Milchdrüsenanlage. sh Innere Ober- fläche des Schenkels. Rind 4,5 cm. Kolbenförmige Anlage. Unbedeutende Erhöhung des Drüsenbodens, Warzenzone, Blutgefässkranz. Hartn. 3/I. sh innere Oberfläche des Schenkels. Rind, männlich 12,3 cm. Sagittalschnitt durch zwei benachbarte kolbenförmige Anlagen im weiteren Entwickelungsstadium. Der Drüsen- boden stark erhoben, Warzenzone gut unterscheidbar. Hartn. 3/I. Rind, weiblich 14,5 em. Zitzencanal, Lumenbildung eben beginnend. “ Hartn. 2/1. Rind, weibl. 19,5 em. Knospenbildung. Warzenzone gut unterscheid- bar. Die Zeichnung nach 2 Schnitten combinirt. Hartn. 2/I. k Be- ginn der Kanalisation, hb Hornpfropf. Rind, weibl. 14 cm. Bildung des Sinus (sn). Hartn. 2/I. hb Horn- pfropf z. Th. im Zerfallen begriffen. . Rind, männl. 66 cm (fast ausgetragenes). Hartn. 2,I. e Ausführungs- gang, sn Sinus lacteus (Cisterna). q Querschnitt einer Seitenaus- buchtung des Sinus. . Schwein, 23 mm. HügelförmigeMilchdrüsenanl. (vgl. Fig- 1). Hartn. 3/1V. . Schwein, 5 em. Kolbenförmige Anlage. Hartn. 3/IV. . Schwein, männl. 9 cm. Kolbenförmige Anlage, schärfere Differen- zirung der Zellen derselben. Bedeutende Erhöhung des Drüsenbodens. Gefässkranz (vgl. Fig. 29). Hartn. 31. . Schwein, weibl. 5,5 em. Erste Knospenbildung. Knospen kn. Hartn. 3/I. . Schwein, weibl. 13cm. WeiteresWachsthum der Knospen (kn). Hartn.3/l. Schwein, weibl. 21cm (fast ausgetragen). Rückbildung der primären Epithelanlage. Hartn. 3/I.. hp Hornpfropf, e Ausführungsgang, sn Sinus lacteus. 502 Max Flesch: Einfache Vorrichtung zum Wiederauffinden wichtiger Stellen in mikroskopischen Präparaten. Von Dr. Max Flesch, Privatdocent und Prosector in Würzburg. Mit einem Holzschnitt. An Stelle complieirter Findapparate lässt sich zum Privat- gebrauche folgende einfache Vorrichtung zweckmässig verwenden. Eine hufeisenförmige Federklemme zum Fixiren der Präpa- rate im Objeettisch, welche mit zwei Stiften in den Objeettisch eingefügt wird, ist an den auswärts gekehrten Seiten der Branchen scharfkantig abgeschliffen, die abgeschrägte Fläche mit einer Einf. Vorrichtung z.Wiederauffinden wichtiger Stellen i. mikrosk. Präparaten. 503 Theilung versehen. Ist ein Präparat eingestellt und mittelst der Klemme fixirt, so wird entlang den Rändern der Branchen jeder- seits mit scharfem Stift ein Strich auf die Etiquette gezogen, dann durch kurze Querstriche jederseits 2 Theilstriche angezeichnet; durch Beifügung von Ziffern wird bemerkt, welchen Strichen der Scala diese aufgezeichneten Querlinien entsprechen, während die Längsstriche die Stellung der Branchen fixiren. Da die letzteren durch die Befestigung der Klemmen an 2 Stellen eine constante Stellung einnehmen, so wird, sobald das Präparat entsprechend der Bezeichnung eingestellt ist, die gewünschte Stelle wenigstens nahe dem Centrum des Gesichtsfeldes zu finden sein. Es ist z. B. mög- lich, ohne weiteres eine Hipparchia-Schuppe bei etwa 150facher Vergrösserung, ohne dabei in das Mikroskop zu sehen, einzustellen. Die Vorriehtung wurde von Seibert und Krafft auf meine Veranlassung angefertigt. Da bei dem Seibert’schen Mikroskope der tubus durch die eigenthümliche Parallelogrammführung bei der feinen Einstellung ein wenig aus der Achse verschoben wird, so ist natürlich die Genauigkeit der Ortsbestimmung ausser von der Einstellung des Präparates auch von der Tubusstellung abhängig. Wo das Stativ mit drehbarem Objecttisch versehen ist, kann man dieser kleinen Ungenauigkeit leicht durch Benutzung der Stell- schrauben, mittelst deren die Centrirung vollzogen wird, ausweichen. Selbstverständlich kann man übrigens an diese einfache Vorrich- tung nicht, den gleichen Präeisions-Anspruch wie an complieirte „Finder“ erheben. 504 Max Flesech: Ueber einige Verbesserungen an Seibert und Krafft’s Mikroskop-Stativ. "Von Dr. Max Flesch, Privatdocent und Prosector in Würzburg. An mehreren von Seibert und Krafft im Frühling dieses Jahres gelieferten Mikroskopen haben die Verfertiger einige von ihnen neu erdachte Verbesserungen angebracht, die, nachdem sie sich bei längerer Anwendung bewährt haben, eine kurze Besprechung rechtfertigen dürften. Der Tubus des Mikroskopes wird durch Trieb statt in einer Hülse an einer Messingplatte bewegt; die Ränder der Platte gleiten federnd in Schienen, die dem Tubus aufgeschraubt sind !). Diese Einrichtung hat vor allen Stativen mit Hülsen- führung den grossen Vortheil, dass der Tubus, auch wenn er mit eineın Revolver-Objeetivträger armirt ist, sofort aus dem Stativ entfernt werden kann, dass man ferner bei Anwendung von Systemen mit grossem Focalabstand den Tubus — mit oder ohne Revolver — höher erheben kann, als anderwärts. Die Fixirung der Röhre ist jedenfalls mindestens ebenso sicher, als in einer Hülse. Der Tubus steht noch fest, wenn er soweit erhoben ist, dass die Zahnstange nieht mehr in das Triebrad eingreift. Erst durch jene Einrichtung können ganz schwache Systeme ihre volle Ausnützung finden, wo es gilt, etwa in Glasschalen schwimmende Objecte zu suchen ?). Eine andere an sich unbedeutende und eigentlich selbstverständliche Einrichtung, deren Mangel mich indessen bei den mir bisher zu- gänglichen Instrumenten empfindlich gestört hat, betrifft die An- wendung zu Untersuchungen im polarisirten Liehte. Ein Einschnitt 1) Bisher ist wohl nur bei Instrumenten mit Doppeltubus (stereoskopi- schem Tubus) die geschilderte Einrichtung üblich gewesen. 2) Es darf wohl hervorgehoben werden, dass mehrere deutsche Systeme, u. a. auch 00 und O0 von Seibert den gleich schwachen englischen Systemen vorzuziehen sind, da sie nicht wie letztere ein weiteres Gewinde im Tubus neben dem gewöhnlichen erfordern, mithin auch am Revolver angebracht werden können, Ueber einige Verbesserungen an Seibert und Krafft’s Mikroskop-Stativ. 505 in der Blendungshülse nebst einer Gradtheilung in der Fassung des polarisirenden Prisma einerseits, correspondirende Marken und Einschnitte im Tubus, dessen Auszug und in der Ocularfassung ander- seits ermöglichen, da der Tubus durch die vorher erwähnte Schienen- führung eine feste Stellung zu seiner Axe hat, die Stellung des Polarisators zum Analysator ohne jedes Ausprobiren von vorneherein zu bestimmen. Der Tubus ist innen geschwärzt; dies ist bei den meisten Instrumenten nicht der Fall; erst neuerdings ist dies von einem englischen Autor ') hervorgehoben worden. Leider waren die Instru- mente geliefert, ehe dessen Notiz mir bekannt war; es wäre zweck- mässig, wenn nach dessen Muster das Ocular in einem der Tubus- Oeffnung eingelegten Ringe glitte, um zu vermeiden, dass beim Wechsein der Oeulare abgescheuerte Partikel der Beize auf das Objectiv fallen und das Gesichtsfeld verunreinigen. Durch einen relativ bedeutenden Durchmesser des drehbaren Objecttisches ist ein wesentlicher Vortheil grosser Stative dem mittelgrossen Instrument einverleibt. In Verbindung mit den auf leichten Wechsel der Vergrösserung und schnelle Einstellung be- rechneten Modificationen der Tubusführung u. s. f. dürfte es wohl eine besondere Empfehlung als „Handmikroskop“ verdienen. 1) J. W. Groves. On a Means of obviating the Reflection from the Inside of the Body-tubes of Microscopes ete. Journ. of the R. micr. Soc. vol. III, p. 225..Fig. 14. 506 Vitus Graber: Die chordotonalen Sinnesorgane und das Gehör der Insecten. Von Vitus Graber, k. k. o. ö. Professor der Zoologie a. d. Univerität Ozernowitz. Hierzu Tafel XXX—XXXV und 6 Holzschnitte. I. Morphologischer Theil!). Binlertiun,n. Als „ehordotonal“ oder ‚‚saitenartig“ bezeichne ich im weiteren Sinne alle jene eigenartigen Sinnesorgane, in welchen den bekannten „Hörstiften“ der Orthopteren ähnliche Nerven-Terminal- gebilde vorkommen. Warum ich aber, da die Gegenwart der genannten stiftartigen oder scolopalen Körperchen doch das hervorstechendste und all- gemeinste Merkmal dieser Einrichtungen bildet, gleichwohl die neue Bezeichnung „Chordotonalorgane“ einführe, hat u. A. hauptsächlich darin seinen Grund, dass sich diese Bezeichnung, wie ich später darlegen werde, auf eine bestimmte mechanische Eigenschaft, d. i. auf die saitenartige Spannung dieser Organe stützt, die mir für ihre physiologische Deutung weit wichtiger er- scheint, als die gewissen Stifte, die trotz ihrer ganz speecifischen Natur dennoch über ihre Function kaum einen Aufschluss zu geben geeignet sein dürften. Was dann den Zweck der vorliegenden Arbeit betrifft, der ich über zwei Jahre alle meine Kräfte widmete, so war es mir vor Allem darum zu thun, zu erforschen, wie weitdenn eigentlich diese stifteführenden oder scolopoferen Bildungen, die man bisher nur ganz vereinzelt und, ich möchte sagen, zu- fällig auffand, in der Klasse der Inseeten verbreitet sind und wie sie untereinander und wie namentlich die 1) Der U. Physiologische Theil erscheint im nächsten Bande. Die chordotonalen Sinnesorgane der Insecten. 507 tympanal differeneirten Vorkommnisse mit den primi- tiveren Zuständen zusammenhängen. Das Folgende wird lehren, dass die von mir erzielten Er- gebnisse auch für die Erörterung gewisser allgemeiner morpholo- logischer Fragen, z. B. jener über die homotopische Conver- genz, von Bedeutung sind, sowie sie andererseits auch die Grund- lage zur Erforschung der Funetion dieser Einrichtungen bilden. Zunächst scheint es mir nun aber angezeigt, eine kurze Ueber- sicht der bisherigen auf unsern Gegenstand bezüglichen Unter- suchungen zu geben. Der Entdecker der scolopoferen oder stiftführenden Nerven- enden ist bekanntlich von Siebold (Lit. 1), der dieselben i. J. 1844 in den von mir (Lit. 15) wegen der trommelfellartigen Bildungen als Tympanalapparate bezeichneten Einrichtungen der Orthopteren auffand, und sie eben wegen dieser und gewisser anderer Beziehungen, wobei namentlich die Anwesenheit von mit diesen Bildungen associirten tonerregenden Instrumenten wichtig erscheint, als acustische bezeichnete. Was speciell die Natur der tympanalen Stifte anlangt — denn diese Körperchen interessiren uns hier begreiflicherweise zunächst —, so fand Siebold davon zweierlei Formen: nämlich relativ dicke, birn- oder kolbenförmige Gebilde im intratympanalen oder (nach mir) Siebold’schen Organ derLocustiden (crista acustica Hensen’s) und dann verhältnissmässig schlanke Körperchen, Stifte i.e.$., „im flachen Ganglion“ (Siebold) des tibialen Locustidenorgans (unser supratympanales Organ), sowie im abdominalen „Ohr“ der Acridier (vgl. Fig. 22). Während ein späterer Untersucher, O. Schmidt (Lit. 13), weil ihm das supratympanale Loeustiden-Organ entgangen war, die Behauptung aussprach, dass „die Hörstifte der Acridier durchaus andere als die der Locustiden sind“, hatten früher bereits Leydig (Lit. 4) und Hensen (Lit. 11), denen wir wichtige neue Daten über die in Rede stehenden Organe ver- danken, Siebold’s Entdeckung des Dimorphismus der tym- panalen Stifte bestätigt (die betreffenden Angaben sind freilich ziemlich unbestimmter Art) und ich selbst lieferte in meiner aus- führlichen und auf mehrjährigen intensiven Studien basirten Mono- graphie dieser Einrichtungen den strengen Nachweis, dass die Stifte des tibialen Supratympanal-Organs der Loeusti- den und Gryllodeen (letzteren fehlen die kolbenförmigen Ge- 508 Vitus Graber: bilde ganz) genau dieselben wie im abdominalen Ohr der Acridier sind. Nachdem man das Vorkommen der so eigenthümlichen stift- artigen Nervenendigungen über ein Jahrzehnt ausschliesslich auf die Tympanalorgane der Heuschrecken beschränkt glaubte, brachten dann bekanntlich die Mitte der fünfziger und Anfangs der sechs- ziger Jahre gepflogenen und in ihrer Bedeutung für den Fortschritt der feinern Inseetenanatomie und speeiell der Erkenntniss der Sinnesorgane kaum hoch genug anzuschlagenden Untersuchungen Leydig’s das wichtige Ergebniss, dass den tympanalen Stiften ganz ähnliche Terminal-Gebilde auch bei an- deren Inseeten und an verschiedenen anderen Körper- stellen und, was besonders wichtig, ohne Verbin- dung mit tympanalen Einrichtungen in ziemlich weiter Verbreitung vorkommen. Diese atympanalen stiftführenden Organe, wie ich sie zum Unterschied von den tympanalen vorläufig nennen will, lassen sich in Bezug auf die Differeneirung der mit ihnen verbundenen Inte- gumentstreeken in zwei Kategorien theilen, die ich als porifere und als primitive bezeichne. Unter den „poriferen“ stiftführen- den Organen begreife ich jene Vorkommnisse an den Halteren und Flügeln, bei welchen die den stiftführenden inneren Gebilden anlagernde Integument - Cuticula durch eigenthümliche Poren (Flügel) oder (Halteren) diesen ähnliche Differeneirungen ausge- zeichnet ist. Als „primitive“ stiftführende Organe bezeichne ich hingegen . jene, bei welchen die mit den spec. Nervenenden verbundenen Integumentabschnitte gar keinerlei bemerkbare Differenzirung dar- bieten. Die Bezeichnung „primitiv“ für die in Rede stehenden Vor- kommnisse rechtfertigt sich auch insofern, als hier erstens die Zahl der Nervenenden i. A. im Vergleich zu den tympanalen und poriferen Bildungen eine ungleich geringere ist und als diese Vor- kommnisse auch, wie schon aus Leydig’s Angaben zu entnehmen, eine viel weitere Verbreitung besitzen. Die erwähnten Angaben von Leydig sind nun in Kürze folgende. Er fand solche Organe bez. solche stiftartige Nervenend- körperchen Die chordotonalen Sinnesorgane der Insecten. 509 A. bei Imagines. 1) Bei Dipteren und zwar an mehreren aus dem Rumpf- ganglion entspringenden Nervenästen (Lit. 8, Taf. 8, Fig. 1). 2) Bei Coleopteren („Weichkäfer“) und zwar in den Antennen (Lit. 8, Taf. 10, Fig. 5). B. bei Larven. 1) bei diversen Dipteren und zwar im Rumpf (Lit. 2 u. Lit. 9, p. 98 Anm.) 2) bei Coleopteren (namentlich Dytiseus) und zwar a) in den Labialpalpen (Lit. 8, Taf. 10, Fig. 3), b) ”„ ” Max.-Palpen ( ” „ ”„ ) 6) ” „ Antennen { ”„ ”„ ” ), d) el Beinen ( „ „ Fig. 4). Im Anschluss an diese Daten sei hier kurz constatirt, dass scolopofere Organe bisher nurbeidreilnsecetengruppen, nämlich bei den Orthopteren, Dipteren und Coleopteren sicher nachgewiesen wurden und weiter, dass soviel ich weiss, bisher Niemand bei den übrigen Ordnungen nach solchen gesucht, ja nicht einmal die Vermuthung, dass sie hier gleichfalls vorkommen, ausgesprochen hat!). 1) Aus einer mir während der Redigirung vorliegender Arbeit zu- gekommenen Schrift von J. Lubbock über die Anatomie der Ameisen (Lit. 18) ersehe ich, dass dieser ausgezeichnete Forscher bereits i. J. 1877 (Lit. 17) in den Tibien mehrerer Ameisen (mit entsprechend durchscheinenden Beinen wie z.B. bei Lasius flavus, Myrmica ruginodis etc.) ein Organ entdeckte, das er mit Rücksicht auf seine Lage und Beschaffenheit mit den tibialen Supra- tympanal-Organen der Locustiden und Gryllodeen vergleicht. Indem ich die auf die Convergenz der tibialen Tracheen der in Rede stehenden beiden Insectengruppen bezügliche Darstellung vorläufig übergehe, theile ich nur die Stelle mit, welche die fraglichen chord. Organe betrifft. Er sagt (Lit. 17 pag. 135 und in wörtlicher Wiederholung Lit. 18 pag. 148 und zwar unter Berufung auf die Darstellung in meiner Monographie der Tympanalapparate): „At the place, where the upper tracheal sac (vgl. unsere Copie Fig. 71 As) contracts, there is, moreover, a conicalstriated organ (Ch) wich is situated at the back of the leg, just at the apical end of the upper tracheal sac. The broad bas lies against the external wall of the leg, and the fibres converge inwards. In some cases I thought I could perceive indications of bright rods, but I was never able to make them out very clearly.“ Aus dem letzten Passus, namentlich aber aus der einschlägigen schon Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 20. 33 510 Vitus Graber: Ausser den oben angeführten Vorkommnissen von primitiven stifttragenden Organen sind dann noch einige in diese Kategorie ge- hörige und gleichfalls mehr zufällig gemachte Funde zu er- wähnen, die unser besonderes Interesse verdienen; ich muss aber, ehe ich die betreffenden Beobachtungen mittheile, ein Paar Worte über die Beschaffenheit der die Stifte in sich einschliessenden Nervenenden, die ich kurz als Stiftträger oder Scolopophoren bezeichne, vorausschicken. Bekanntermassen konstatirte schon Siebold, dass die Scolo- pophoren des nach ihm bezeichneten intratympanalen Locustiden- Organes blasenartige Gebilde seien, und will ich hinsichtlich ihrer Lagerung noch besonders daran erinnern, dass sie (vgl. umstehenden Holzschnitt B sc) im Gegensatz zu den meisten andern Sinnesnervenendigungen mit dem Integument (Cu Ma) in gar keinernähern Beziehung stehen, sondern frei unterhalb der Haut im Innern des mit Blut erfüllten Bein-Lumens sich befinden, weshalb ich dieselben als subintegumentale be- zeichne. Was dann die Nerven-Endschläuche der übrigen Vorkomm- nisse dieser Organe mit relativ schlanken Stiften anlangt, so ist im Vergleich zu den eben genannten Scolopophoren vor Allem hervorzuheben, dass dieselben (Holzsehnitt 1A) unmittelbar mit dem Integument zusammenhängen, also insofern den gewöhnlichen Haut- nervenendigungen gleichen, und daher als integumentale unter- schieden werden mögen. eitirten Abbildung (unsere Fig. 71 Ch) geht wohl zur Genüge hervor, dass Lubbock den strieten Beweis, dass man es hier wirklich mit scolopoferen Organen zu thun hat, schuldig geblieben ist; wie meine eigenen später mit- zutheilenden Untersuchungen lehren, erweist sich aber seine Annahme als vollkommen gerechtfertigt. Nachträglich sehe ich auch, dass Dyonis Burger (Lit. 20, p, 120 und Fig. 8 und 9) „Stäbchen‘‘ bei mehreren Lepidopteren (Spilosoma und Mamestra) beobachtet hat. Auf die schon in Lit. 15 erwähnten Angaben Fritz Müller‘s (Lit. 19, p. 254 und Taf. XII, Fig. 32, 34, 35 und 36) über eine hinsichtlich der Lage an das (supratympanale!) „Hörorgan der Laubheuschrecken‘‘ erinnernde „flaschenförmige‘“ Bildung in sämmtlichen Tibien der Termiten komme ich noch später zurück. Stifte sind in diesen Organen noch nicht nachge- wiesen. Die chordotonalen Sinnesorgane der Insecten. 5ıl VereinfachteDar- Erklärung zu Holzschnitt 1. stellung der inte- gumentalen (A) u. subintegumentalen (B) Scolopophoren an einem Quer- schnitt durch die Tympanalgegend (Ty) eines Locusti- den-Vorderbeines. Cu Cuticula der Beinwandung. Ma Matrix derselben. Tr Trachea, auf welcher die sog. Crista acustica (B) aufsitzt. sc Scolopophor, ak apicaler, bk basaler Kern, g Ganglienzelle, v Ver- bindungsfaser zwischen der Ganglienzelle und dem stifttragenden Nervenend- schlauch. dm Deckmembran über dem scolopoferen Organ, bei der crista dachförmig und wahrscheinlich eine Duplicatur der (bindegewebigen ?) Basal- membran oder innern Grenzhaut der Matrix. Während aber nach Leydig'’s Darstellung diese Schläuche im Ganzen eine ähnliche (nur schlankere) blasenartige Gestalt resp. eine Ähnliche kuppenartigeEndfläche wie die subintegumen- talen Scolopophoren der Locustiden besitzen sollten (vgl. Fig. 22 u. 23), habe ich seinerzeit speciell betreffs der in Rede stehenden tympanalen Scolopophoren nachgewiesen, dass dieselben distalwärts vom Stifte, d. i. gegen das Integument zu, nicht einfach abgerundet endigen, sondern in einen oft ziemlich langen Strang, die sog. End- faser (Fig. 27 fs), übergehen, und habe ich weiter, namentlich in Be- zug auf das supratympanale Organ (Lit. 15, Fig. 64 ete.), wo die ein- zelnen Endfasern der in grösserer Anzahl vorhandenen Scolopophoren, ähnlich den Saiten eines Klavieres, eine gewisse Abstufung in ihrer Länge zeigen, die Vermuthung ausgesprochen, dass eben diese Endfasern wichtige mechanische Einrichtungen für die Ton- unterscheidung sein mögen. Aehnliche saitenartige oder chordo- tonale Bildungen, wie ich sie zuerst für gewisse Tympanalorgane nachgewiesen, waren aber und zwar eben bei den noch zu er- wähnenden atympanalen Vorkommnissen schon lange früher be- schrieben worden; dass ich seinerzeit aber auf die betreffenden 512 Vitus Graber: Beobachtungen keine Rücksicht nahm, erklärt sich aus dem Um- stande, dass, wie wir später hören werden, der scolopofere Charakter dieser Organe nicht hinlänglich klar gestellt war, ich also damals in Ermangelung eigener Erfahrungen über dieselben gar nicht bestimmt wusste, ob diese Ein- richtungen überhaupt mit den übrigen echte Stifte führenden Sinnesbildungen zusammengestellt werden dürfen. Wie ich schon oben bemerkte, sind es aber gerade diese Vorkommnisse, welche für die richtige Beurtheilung des functio- nellen Werthes der scolopoferen Einrichtungen die grösste Wichtig- keit besitzen. Die betreffenden Angaben sind nun in Kürze folgende. Die erste bezieht sich auf die bekannte Larve der Corethra plumicornis und rührt wieder von Leydig (Lit. 2) her. Später hat Weismann (Lit. 10) Manches hinzugefügt und ich fasse der Kürze wegen im Nachstehenden beide Darstellungen zusammen. Leydig erkannte in jedem Körpersegment der genannten Larve vom 4. bis zum 10. jederseits einen blassen Faden, der sich (Weismann) „in schräger Richtung vomVorderrande des Segmentes (vgl. zur Orientirung unsere Fig. 15b) zu einer dem hintern Rand nahen Hautstelle (e) straff wie eine Saite ausspannt“. Zu diesem Faden tritt nun von innen her, näher seinem vordern Ende, vom ersten der Nervenstämme (N), welche jedes Ganglion (BG) beider- seits abgibt, ein Zweig (a), „der sich unter Verbreiterung zu einem mehrzelligen kleinen dreieckigen Ganglion“ (unsere Figur 15 und 16g, Leydig Lit. 2, Taf. 16, Fig. 1d, Weismann unsere Fig. 29G) an den Faden ansetzt. Der vordere, d. i. der prae- ganglionäre Abschnitt des Fadens, wird von beiden Autoren als vollkommen homogen, der hintere dagegen, der, wie Leydig auch in seiner Zeichnung sehr bestimmt ausdrückt, nahe dem Ganglion auf eine kurze Strecke (unsere Fig. 16 St) verdickt erscheint, zeigt eine eigenthümliche „faserige Längsstreifung“, die von Leydig zuerst auf aus dem Ganglion entspringende Nerven- primitivfasern, in einer späterno von Weismann offenbar über- sehenen Notiz aber (Lit. 9 pag. 98 Anm.) auf „die gleichen speei- fischen (d. h. stiftartigen) Elemente“, wie er sie anderwärts ent- deckt und beschrieben, bezogen wurden. Indem ich hiermit Leydig die Priorität hinsichtlich des Die chordotonalen Sinnesorgane der Insecten. 513 Nachweises der scolopoferen Natur dieser Organe wahre, sei vor- läufig nur noch erwähnt, dass die zwei Jahre später publicirte Darstellung dieser Elemente (vgl. die betr. Copie auf unserer Fig. 29St) Seitens Weismann’s, wie wir weiter unten sehen werden, derart unbestimmt ist, dass man auf Grund derselben leicht den scolopischen Charakter derselben in Zweifel ziehen könnte. Auch darin trifft Leydig das Bessere, dass er den post- ganglionären oder scolopoferen Abschnitt des Fadens als directe Fortsetzung des zugehörigen Nerven und den praeganglionären Theil als blosses (nach ihm bindegewebiges) Befestigungs- band auffasst, während Weismann den ganzen „frei wie die Saite einer Harfe durch die Leibeshöhle hingespannten‘“ Faden als besonderen „eigenthümlichen Endapparat“ darstellt. Die zweite diese echten Chordotonalorgane betreffende An- gabe ist fast um ein Decennium jünger als die frühere und findet sich in ©. Grobbens schöner Arbeit über die Larve von Ptychoptera contaminata (Lit. 16). Er unterscheidet hier dreierlei scolopofere und zwar wieder saitenartig ausgespannte und paarig vorkommende Organe. Das erste derselben fand er im 3., 5., 10. und 11. Rumpfsegment, und spannt sich dasselbe (wenigstens am 3. Segment) zwischen dem Anfang des betr. Ringes und der Mitte desselben aus. „Es besteht (vgl. die Copie in unserer Figur 30) aus einem bindegewebigen (Leydig, Weismann) straff gespannten Strange. (bs), in welchem Stifte (st) eingelagert sind. Jeder Stift besteht aus einem kurzen Cylinder, der an der vom Ganglion abgewendeten (also distalen) Fläche in eine kurze (k), an der dem- selben zugewendeten (proximalen) Fläche in eine sehr lange Spitze (l) ausläuft. Ein Nerv (n) tritt dorsal an das dem Vorder- körper zugewendete Ende des Stranges und schwillt zu einem meist 5zelligen Ganglion (g) an.“ Zu dieser Darstellung sei hier nur kurz bemerkt, dass dieselbe, ähnlich wie bei Weismann, hin- sichtlich der offenbar mit zu schwachen Linsen studirten Stifte, so mangelhaft ist, dass auf Grund derselben gar keine ‘sichere Vergleichung dieser Körperchen mit den von Siebold, Leydig und mir als Stifte bezeichneten Ele- menten möglich ist, und gilt das Nämliche auch betrefis der beiden andern gleich zu erwähnenden Organe. Letztere unter- scheiden sich nach Grobben von dem beschriebenen vor Allem 514 Vitus Graber: dadurch, dass an denselben kein besonderes Befestigungs- band angegeben wird. Das erste derselben scheint Grobben nur an den zwei mit bläschenförmigen Sinnesorganen ausgestatteten Schlusssegmenten gefunden zu haben. „Es besteht (vgl. seine Figur 2 ny) aus einer spindelförmi- gen Ganglienzelle, die sich verdünnt und in einer darauf folgenden Anschwellung zwei Stäbchen trägt, welche sieh von den bereits beschriebenen dadurch unterscheiden, dass ihnen die hintere (proximale) lange Spitze fehlt.“ Als zweites (resp. drittes) Organ wird dann noch ein Ganglion mit „einem Nervenstift“ am Ende des vorletzten Segmentes und zwar als Abzweigung vom Nerv des zweiten Organs angegeben, so dass man also nach diesem Befunde bei Ptychoptera von einem mehr-, zwei- und einstiftigen (poly-, di- und monoscolopischen) Organ reden kann. Die Art und Weise der Befestigung an der Haut, dann der nähere Zusammenhang der Endkörperchen mit dem Nerv, bez. mit dem Ganglion, bleibt auch hier wie bei dem von Leydig-Weismann geschilderten Corethra-Organ völlig unerörtet. Erwähnt sei noch die kurze Bemerkung @robben’s, wonach er „Sinnesorgane der zuerst beschriebenen Art an allen Seg- menten bei einer Culex-Larve wieder auffand“. Nach dieser Orientirung über den bisherigen Stand unserer Kenntniss der scolopoferen Organe gebe ich kurz die allerwich- tigsten Fragepunkte an, auf welche meine morphologischen Unter- suchungen gerichtet waren. Es sind folgende: 1. In wieweit stimmen die einzelnen Vorkomm- nisse dieser Örgane in ihrem Baue und namentlich betreffs der scolopalen Körperchen miteinander überein? 2. Beschränkt sich das Vorkommen dieser Organe nur auf einzelne Formen, resp. Gruppen der Insecten, wie es bisher den Anschein hatte, oder besitzen dieselben und insbesondere gewisse Vorkommnisse, wie z.B. die pteralen und subgenualen eine weitere bez. eine allgemeine Verbreitung in dieser Thierklasse? 3. Wie verhalten sich die einzelnen ähnlich gelager- ten Vorkommnisse bei verschiedenen Inseeten zu ein- Die chordotonalen Sinnesorgane der Insecten. 515 einander, hat man es mit homologen oder mit conver- gsenten Bildungen zu thun? Diesen Hauptfragen entspricht auch die Gliederung der fol- senden Darstellung, indem ich erstens vom Bau, zweitens von der Verbreitung, drittens von den morphologischen resp. entwieklungs- geschichtlichen Beziehungen der verschiedenen Chordotonalorgane spreche. Schliesslich noch ein Paar Worte über die Methode meiner Untersuchungen. Da es nach dem Obigen vor Allem im Plane meiner Arbeit lag, Näheres über die Verbreitung der in Rede stehenden Organe zu erfahren, das Vorkommen derselben aber, wenigstens bei den primitiven Zuständen, äusserlich nicht zu er- kennen ist, so war ich in erster Linie auf die Durchmusterung möglichst durchsichtiger lebender Objeete angewiesen und suchte ich mir dem entsprechend besonders junge, eventuell, so weit es mir möglich war, eben ausgeschlüpfte Larven zu verschaffen, von denen aus naheliegenden Gründen gewisse im Wasser lebende Formen vor Allem geeignet sind. Demgemäss bezieht sich auch die Beschreibung der scolopo- feren Nervenenden resp. Weichtheile fast durchgehends auf leben- des Material. Bei der ausserordentlichen Kleinheit der scolopalen Körper- chen, aus deren Gegenwart im Allgemeinen allein ein sicherer Schluss auf jene scolopoferen Organe gemacht werden kann, ist es ferner nothwendig, schon zur ersten Durchsuchung möglichst starke Vergrösserungen anzuwenden und bediente ich mich fast durch- gehends der nicht genug zu empfehlenden Immersionslinse L von Zeiss. Um Linsen von so kleiner Focaldistanz gebrauchen zu können, sowie auch, um die Objeete noch durebsichtiger zu machen und sie, was unbedingt nöthig, vollkommen zu fixiren, ist ferner eine geeignete Quetschvorrichtung erforderlich. Sind aber auch alle nöthigen Bedingungen gegeben, so wird man doch, was ich nicht scharf genug betonen kann, oft lang ver- geblichb suchen. Durch solche Misserfolge darf man sich aber gerade hier nicht im Mindesten abschrecken lassen, sondern muss in der Beobachtung anhaltend fortfahren, beziehungsweise sich um ein günstigeres Untersuchungs-Exemplar umsehen. Ich habe mich bei mehreren Objeeten wochenlang, ohne das 516 Vitus Graber: mindeste positive Resultat zu erzielen, abgemüht und mitunter gegen hundert Exemplare Glied für Glied durchmustert, endlich gelangte ich aber an einem besonders tauglichen Präparat doch zum Ziele. Auf die Untersuchung resp. Anatomirung undurchsichtiger Thiere habe ich mich, die später zu erwähnenden Studien an den Beinen abgerechnet, gar nicht eingelassen, da aber selbstverständ- lich unsere Organe auch in diesen vorkommen, so wird man sich, um gewisse wichtige Fragen zu lösen, mit der Zeit diesem überaus langwierigen Geschäft nicht entziehen dürfen. Bemerkt sei dies- bezüglich nur noch, dass sich hierzu, namentlich an den Glied- massen, die Anwendung der Schnittmethode empfehlen dürfte. Was das Studium gewisser mit den scolopoferen Weichtheilen verbundenen integumentalen resp. euticularen Bildungen (z. B. an den Flügeln und Halteren) anlangt, so können zu diesem Zwecke auch Spiritus- und Trocken-Objecte benutzt werden, deren ich mich auch, da ich die betreffenden Untersuchungen während des Winters machte, vorwiegend bediente. Die einschlägigen Chitin-Präparate wurden meist in Canadabalsam aufgehellt. An Spiritusobjecten kann man auf diese Weise auch gewisse sonst schwer nachweisbare Verhältnisse der Weichtheile sich vor Augen führen. I. Ueber den Bau der Chordotonalorgane!). a) Die scolopalen Nervenend-Körperchen, und die axialen Nervensaiten. Die Bezeichnung scolopale oder stiftartige Körperchen ge- brauche ich ausschliesslich für die ganz speeifisch geformten axialen Nervenendgebilde der in Rede stehenden Organe im Gegensatz 1) In diesem Abschnitt kommen nur die chordotonalen Nervenendigun- gen oder Weichtheile zur Besprechung; gewisse damit in Beziehung stehende anderweitige Differencirungen, wie namentlich die poriferen, werde ich in dem nächsten über das Vorkommen dieser Organe handelnden Theile zur Dar- stellung bringen, m Die chordotonalen Sinnesorgane der Insecten. 517 namentlich zu den in mancher Hinsicht ähnlich gearteten baeillären oder stäbchenförmigen Netzhaut-Körpereben. Eine solche scharfe Trennung der Termini „Stifte‘‘ und „Stäbe‘ erscheint schon in- soweit wohlbegründet, als die letzteren, nämlich die retinalen Elemente, thatsächlich häufig eine stabartige Form besitzen, während die chordotonalen (vgl. u. A. Fig. 12) ohe Ausnahme stiftartig d. h. wenigstens nach einer, und zwar nach der proximalen Seite zugespitzt erscheinen, und das andere oder Aussen-Ende fast durchgehends eine einem Nagelkopf ver- gleichbare Verdickung trägt. Auch ist hervorzuheben, dass die scolopalen Körper- chen stets ausgehöhlt, also kapselartig sind, während die typischen Sehstäbe oft ganz solide Gebilde darstellen. Ohne mich vorläufig in eine weitere Vergleichung der retinalen und chordotonalen Körperchen einzulassen, möchte ich zunächst nur bemerken, dass letztere mit den ersteren u. A. darin übereinstim- men, dass die Substanz ihrer Wandung vollkommen homogen und ganz ausserordenlich stark lichtbrechend ist. Bei mittlerer Vergrösserung erscheinen die frischen Stifte meist blassgelblich, bei Anwendung der stärksten Immersionslinsen dagegen mehr bläulich, oft sogar intensiv azurfarben (Fig. 12 St), während ihre Höhlung (im optischen Längsschnitt) matt-blassgelb wie das umgebende Gesichtsfeld erscheint. Im Ganzen erinnert das optische Verhalten der Stifte an das der chitinösen Cutieularbildungen, denen sie auch hinsichtlich ihrer grossen Resistenz gegen diverse andere Gewebe stark verändernde Reagentien gleichen. Im Gegensatz zu den retinalen Elementen, die bekanntlich vielfach sehr spröder Natur sind, indem sie leicht in scharfkantige Stücke zerbrechen, oft, wie dies z. B. beim Frosch der Fall ist, mit „staffelartigem“ Bruch, kommt den chordotonalen eine hoch- gradige Elastieität und Zähigkeit zu, Eigenschaften, die bekannt- lich auch die chitinösen Cutieularbildungen auszeichnen. Es ergiebt sich diese ihre Beschaffenheit aus dem Umstande, dass sie selbst bei sehr starker Quetschung oder Zerrung niemals zerbrechen, sondern nur verbogen werden und dasselbe gilt auch von den zu ihnen führenden Axenfibrillen oder Chorden. Betreffs der letzteren muss ich hier besonders Ranke’s 518 Vitus Graber: (Lit. 14) Behauptung, dass dieselben wie „Glasfäden zerbrechliche“ Gebilde seien, zurückweisen. Es kommen gelegentlich allerdings ziekzackförmig gebogene Chorden vor (F. 24), ich sah aber trotz jahrelanger Beschäftigung mit diesen Objeeten nie ein wirkliches Bruchstück, und speciell bei der Corethra-Larve (Fig. 17 p) zeigen dieselben bei starker Zerrung stets nur wellige Biegungen. Umständlieher ist nun die Gestaltung der Stifte zu be- sprechen. Im Ganzen und Grossen ist dieselbe überall eine und die- selbe, d. h. die betr. Körperchen sind stiftartige, am freien Aussenende kopfartig verdiekteAnschwellungen des aus der Ganglienzelle entspringenden Axenfadens. An drei Untersuchungsobjeeten, nämlich bei den Pedieuliden, bei einer Syrphus-Larve und bei Corethra zeigte sich aber in- sofern ein beträchtlicher Unterschied, als hier (Fig. 17 u. 19a) der Kopftheil durch einen der centripetal verlaufenden Chorda ähnlichen langen Faden vertreten wird. Ich spreche deshalb gesondert von den ein- und zweifädigen oder mono- und amphinemati- schen Stiften. Mononematische Stifte. Die gestaltliche Beschaffenheit dieser bisher allein näher studirten Elemente wurde von den verschiedenen Autoren, und was das Auffallende, vielfach an einem und demselben Object, z. Th. sehr verschieden, im Ganzen aber bis auf gewisse innere Verhältnisse ziemlich richtig geschildert. Letzteres gilt insbesondere von der ersten Darstellung der- selben durch Siebold (vgl. unsere Fig. 22). Er unterscheidet hier deutlich den schlanken, spitzkonischen hohlwandigen Körper und die „stumpfe, massive Spitze“ (unser Köpfchen), ferner den vom ersteren ausgehenden „zarten, geraden Faden“. Ziemlich ungenau erscheint daneben die nächst spätere Darstellung des gleichen Ob- jeets von Leydig (Lit. 4, unsere Copie-Figur 23* St) und die Be- merkung „das Stäbchen scheint hohl zu sein, da die (beträchtlich zu diek gezeichnete) Wand nach innen einige Vorsprünge macht“. Im zu kurz und zu stumpf dargestellten Köpfchen fällt ferner der relativ weite Hohlraum auf. Dagegen kommt in den übrigen späteren Darstellungen des- selben Forschers der Charakter dieser Körperchen mit seltener Präzision zum Ausdruck, nur dass die betreffenden Figuren allzu Die chordotonalen Sinnesorgane der Insecten. 519 klein sind. Es gilt dies vor Allem hinsichtlich der Halteren- (unsere Copie Fig. 23St) und Flügelrippen-Stifte (Lit. 4, Fig. 18). Der Stift zeigt sich in diesen Darstellungen als ein Doppelkegel, wobei aber der distale oder köpfehenartige Conus beiläufig nur an Länge ein Viertel des proximalen überall gleich dicken Hohlkegels misst und in der Regel keine ganz scharfe. Spitze sowie keine ebene, sondern bald eine concave, bald eine convexe Basis besitzt. Eine noch spätere Darstellung der nämlichen Theile, die von Ranke (unsere Fig.24 u. 25), gibt dieselben viel zu plump und namentlich den Kopfabschnitt zu gross und zu stumpf; denn unsere Stifte sind eben keine Kölbchen, sondern eher noch, wenigstens in einzelnen Fällen z. B. bei Corethra (Fig. 17 St), Spindeln zu nennen. Eine weitere Angabe über die mononematischen Stifte liegt nicht mehr vor; denn auffallender Weise hat O. Schmidt, trotz- dem er sich die Erforschung der Convergens der feinern Tympanal- elemente zur Aufgabe stellte, die Stifte der Tibialorgane, wie schon früher erwähnt, ganz übersehen, jene der Acridier aber nur mit einer bildlichen Darstellung (unsere Copie Fig. 26 St) bedacht, welche die nähere Beschaffenheit derselben ganz unbestimmt lässt. Hinsichtlich einer Bemerkung O. Schmidt’s (Lit. 13, p.200), dass in der Acridier-Trommelfellgrube und ihrer Furche „ganz ähnliche stiftartige und kolbenförmige Endigungen“ wie am Kegel gefunden werden, sei hier neuerdings erwähnt, dass die Tympanalkörperchen dieser Heuschrecken alle ohne Ausnahme nur einerlei Gestalt und zwar die schlanke, stiftartige besitzen. Uebergehend auf die eigenen Studien, so verweise ich zunächst auf die seinerZeit von den Tympanalstiften gegebene Darstellung (Lit. 15, vgl. bes. Tafel 8). Wenn wir vorläufig nur die gröbern Verhältnisse ins Auge fassen, wie sie ohne Anwendung stärkerer Immersionslinsen und bei gewöhnlicher nicht auf besondere Einzel- heiten gerichteter Beobachtungsweise sich darstellen, so wäre etwa Folgendes hervorzuheben. Die betr. Elemente besitzen an allen von mir untersuchten Tympanalorganen nahezu eine und dieselbe Gestalt. Diese ist (Fig. 28) der schon oben charakterisirte Doppel- kegel. Charakteristisch erscheint es, dass bei vielen Stiften das äussere breiteste Ende des innern (proximalen) Hohlkegels etwas über die Basis des anscheinend massiven kurzen Kopfkegels her- vorspringt. Der optische Längsschnitt des Stiftes bietet in diesem 520 Vitus Graber: Falle, namentlich wenn die (proximale) Spitze, wie dies sehr häufig vorkommt, in den umgebenden Gewebetheilen versteckt liegt oder bei schiefer Lage nicht ins Gesichtsfeld tritt, das Bild einer zweizinkigen Gabel, wobei das Köpfehen dem Stiel, die beiden an der Uebergangsstelle ausgebogenen Seitenkonturen des Stiftkörpers den Zinken des genannten Instrumentes entsprechen. Diese Aus- bauchung fand ich besonders prägnant bei der Feldgrille, deutlich aber auch bei manchen Acridiern und bei Locusta (Fig. 83). Beachtenswerth ist an den Tympanalstiften die grosse Form- konstanz des Kopftheiles, der sonst, wie sich weiter unten zeigen wird, vielfache und ziemlich weitgehende Modificationen darbietet. Der Kopf der Tympanalstifte zeigt fast durchaus die Form eines Kegels, bei dem nur die Dimensionsverhältnisse etwas ver- änderlich sind, indem u. A. die Stiftköpfe der Tibialorgane im Ganzen etwas schlanker als jene der abdominalen sind. Auffallend stumpfköpfig sind die Stifte von Gryllotalpa (Lit. 15, Fig. 92), die übrigens noch eines genauern Studiums bedürfen. Mitunter er- schienen mir die Seiten des Kopfkegels nicht ganz gerade, sondern etwas ausgebogen (vgl. Fig. 83), indessen muss auch diesfalls erst eine wiederholte Untersuchung in möglichst guten Conservirungs- medien die Frage entscheiden, in wieweit solche Verhältnisse wirk- lich typisch sind und in wieweit es auch bei diesen Gebilden nam- hafte individuelle Variationen gibt. Ich schliesse an das Mitgetheilte gleich die Besprechung der äussern Formverhältnisse der in den übrigen von mir untersuchten Chordontonal-Organen vorkommenden Stifte. Wie schon wiederholt bemerkt, ist der Typus derselben der nämliche wie bei den Tympanalwerkzeugen, und beziehen sich die vorkommenden Differenzen vorwiegend nur auf die Gestalt des Kopftheiles. Es sind mir diesfalls viererlei Haupt -Stiftformen untergekommen, die ich kurz als kegel-, birn-, zapfen- und eylin- derköpfige oder als cono-, apio-, eonaco- und eylindrocephale be- zeichne. Conocephal nenne ich Stifte, deren Köpfe, ähnlich wie bei den vorbeschriebenen tympanalen Elementen, einen in eine ziemlich scharfe Spitze auslaufenden Kegel darstellen. Solchescheinen im Ganzen weit verbreitet; ich fand sie u. A. bei der Larve von Tabanus (Fig.3 u. 4st) und zwar mit etwas ausgebogenem Basal- theil, wodurch die Aehnlichkeit mit gewissen Tympanalstiften zur völligen Identität wird, dann bei der Raupe von Tortrix serophu- Die chordotonalen Sinnesorgane der Insecten. 521 lariana, ferner an den atympanalen Subgenualorganen der Orthop- teren, mancher Formiciden (F.75)u. A. Ich füge, was nach meiner Erfahrung auch für andere Insecten gilt, noch bei, dass nicht bloss sämmtliche Stifte eines und desselben Organs, sondern auch die Stifte in den verschieden situirten Organen eines und desselben Thieres genau die gleiche Gestalt besitzen, dass also mit anderen Worten, im Allgemeinen wenigstens, jedes Insect nur einerlei Stiftform besitzt. Den zweiten oder apiocephalen Typus (Fig. 15 A) fand ich bisher nur einmal, nämlich in den Beinen einer Phryganiden-Larve. Er unterscheidet sich vom frühern nur dadurch, dass der Kopf relativ plumper und seine seitlichen Be- grenzungslinien nicht gerade, sondern stets nach aussen gebogen sind; die oben erwähnten stumpfkegel-köpfigen Stifte der Werre zeigen aber, dass auch hier, wie selbstverständlich, zwischen den einzelnen Hauptformen keine scharfen Grenzen bestehen. Unter dem dritten oder conacocephalen Typus begreife ich jene Stifte, deren Köpfchen die Form eines Kegelstutzes haben oder sich derselben nähern. Ersteres ist der Fall bei Dytiscus (Fig. 12 A), letzteres bei gewissen Chironomuslarven, wo der Stift- kopf zuweilen Zuckerhutgestalt annimmt (vgl. auch Locusta Fig. 83 und Isopteryx Fig. 79 St). Den vierten oder eylindrocephalen Typus endlich fand ich am ausgeprägtesten bei einer Blattwespenraupe (Fig. 7), deren Stiftkopf an der Spitze genau dieselbe Breite wie an der Basis hat, sowie beim Engerling (Fig. 69). Uebergänge einerseits zum kegelstutzköpfigen (Fig. 9), andererseits zum Zapfenkopf- Typus bieten wiederum gewisse Chironomen sowie die Formieiden dar. Bei manchen Formen der letztgenannten Insecten (z. B. bei Solenopsis) scheint der relativ breite Stiftkopf, ähnlich wie an den kolbenförmigen Crista-Körperchen, eine flache mützenartige Gestalt zu besitzen (vgl. Fig. 74). Ich bemerke gleich an dieser Stelle, dass die eylindrischen Köpfchen der in Bündeln vor- kommenden Stifte von Nematus (Fig. 7 kö) und dem Engerling (Fig. 68 St) im Gegensatz zu andern ähnlichen Stiftaggregaten, wo die Köpfe alle eine und dieselbe Grösse haben, hinsichtlich der Dicke sehr beträchtlich von einander differiren; doch bleibt hier die Möglichkeit, dass diese Schwankungen nur scheinbare sind, in- sofern es sich vielleicht nur um verschiedene Lagen eines im 522 Vitus Graber: Quersehnitt nieht kreisförmigen Gebildes handelt, nieht ausge- schlossen. Erwähnen muss ich zum Schlusse noch eine Eigenthümlich- keit der Stifte des tarsalen Organes vom Engerling. Sie besteht darin, dass hier die Wandung des Stiftkörpers, die sonst immer ganz glatt erscheint, unweit der Kopfbasis ringsum im Kreise (und zwar bei allen Stiften in ganz gleicher Weise) mit mehreren (drei oder vier) etwas in das Lumen des Stiftes vorspringenden Knötchen versehen ist, welche letztere, wenn man das Object recht scharf fixirt, schon bei mittelstarker Ver- grösserung hervortreten. Während sich die jetzt beschriebenen äussern Gestaltverhält- nisse der Stifte in der Regel schon mit stärkern Trockensystemen erkennen lassen, ist zur Erforschung ihrer weitern innern Be- schaffenheit unbedingt die Anwendung der besten Immersionslinsen erforderlich und obgleich mir zu diesem Zwecke das ausgezeichnete System L von Zeiss zur Verfügung stand, bin ich dennoch, wie sich zeigen wird, über eine Frage von grösster Wichtigkeit nicht zu voller Klarheit gekommen. Nachdem bereits Leydig in seiner Abbildung eines Acridier- Stiftes (Fig. 23) im Kopf desselben eine Höhlung angegeben und dann später Ranke ausdrücklich bemerkt hatte, dass ihm auch das Köpf- chen nicht solid erscheine, da im Liehtbrechungsvermögen zwischen der äusseren und centralen Partie ein beträchtlicher Unterschied besteht, den er indess auf seiner Zeichnung (unsere Fig. 25) nicht zum Ausdruck bringt, habe ich selbst gleichzeitig mit der letzt- erwähnten Arbeit (Lit. 15 pag. 49) hierüber folgendes berichtet. „Mittelst guter Immersionssysteme (Hartnack X) konnte ich mich überzeugen, dass auch der Kopf des Stiftes einen, wenn auch weit dünneren Hohlraum als der (Stift)-Körper in sich einschliesst. Derselbe erschien im optischen Längsschnitte als ein schmaler, minder als die Umgebung (d. i. die Wand des Kopfes) glänzender Mittelstreifen, der sich (vergl. unsere Copie Fig. 23 h‘) bis an das spitze Ende des Kopfes verfolgen lässt, und welcher, was ich leider niemals mit aller Bestimmtheit sehen konnte, in entgegengesetzter Richtung bis in den Hohlraum des Stiftkörpers sich verlängern dürfte.“ Gegenüber Leydig (resp. auch Ranke), der die Kopfspitze massiv darstellt, war hiermit wenigstens die eine neue Thatsache Die chordotonalen Sinnesorgane der Insecten. 523 konstatirt, dass sich in dieselbe von aussen her ein feiner Kanal einsenke, hinsichtlich dessen die einschlägigen Zeichnun- gen (Lit. 15 Fig. 91 ete.) erkennen lassen, dass er im mittleren, bei der Feldgrille nach neuerlich vorgefundenen Skizzen im basalen Abschnitt eine merkliche Erweiterung besitzt. Im Laufe der vorliegenden Untersuchungen bin ich nun wenig- stens hinsichtlich dieses Kopfkanales an einigen sehr günstigen Objeeten zu einem gewissen Abschluss gekommen. Am deutlichsten sah ich den Sachverhalt an den Stiften von Dytiseus. Es wurde schon erwähnt, dass sich die Wand des Stiftkörpers bei Anwen- dung der Immersionslinse L, und, wenn das Gesichtsfeld dieselbe durchsehneidet, in Form zweier Stäbe darstellt, die sich durch ihren bläulichen Glanz sehr seharf vom meist blassgelb erscheinen- den Grunde abheben. Bei relativ hoher Einstellung zeigt hiebei der Kopf in seiner ganzen Ausdehnung dieselbe Beschaffenheit wie die Stiftwand (Fig. 12 A), d. h. sie scheint durch und durch aus der gleichen stark liehtbreehenden Substanz wie der Stifkörper zu bestehen. Senkt man aber den Tubus so weit, bis der mittlere Längs- schnitt des Kopfes ins Gesichtsfeld tritt, so zeigt sich der bläuliche Kopf der ganzen Länge nach derart von einem scharf doppelcon- turirten und ziemlich breiten gelben Streifen (Fig. 12 Bh) durch- schnitten, dass der Gesammtstift nunmehr das Bild einer Draht- zange darbietet, wobei der scheinbar durch den erwähnten Streifen in zwei Hälften zerlegte Stiftkopf der zum Festdrücken des Drahtes bestimmten Zangenspitze entspricht. | Darnach unterliegt es wohl keinem Zweifel mehr, dass hier der Stiftkopf in der That von der Basis bis zur Spitze von einem Kanal durehbohrt ist!). Nieht minder bestimmt unterschied ich dasselbe Verhalten an den eylindrischen Stiftköpfen gewisser Chironomen (Fig. 9 h) und besonders schön bei Nematus (Fig. 7 kö). Hier sowie bei Dytiscus schien es mir ferner, als ob die distale Endfläche des Kopfes gegen den centralen Porus hin schwach trichterförmig eingesenkt wäre. 1) An den jüngst in Osmiumsäure untersuchten relativ plumpen Halteren- stiften der Stubenfliege vermochte ich von diesem lichten Mittelstreifen nichts zu sehen, dagegen erschien mir hier das stumpfkegelförmige Köpfchen körnig. 524 Vitus Graber: Undeutlicher ist die Sache schon an den spitzen Kegelköpfen von Tabanus und Tortrix, wo sich der matte Mittelstreifen (Fig. 3kö) jedoch über die ganze Länge des Kopfes verfolgen lässt, während bei Mystaeides (Fig. 13 Bh) die Höhlung nur im Mitteltheil scharf zu unterscheiden ist, ohne Zweifel aber auch hier, vielleicht etwas verschmälert, den ganzen Kopf durchzieht. Ich komme nun auf das Innere des Stiftkörpers, muss dies- falls aber schon zum Vorhinein bemerken, dass es mir trotz aller Bemühungen nicht gelang, mit den mir zu Gebote stehenden Hilfs- mitteln das über diesen Punkt schwebende Dunkel vollkommen aufzuhellen. Ueber besondere Inhaltstheile des Stiftkörpers findet man bei keinem der Autoren, die sich mit diesen Gebilden befassten, irgendwelehe Andeutung, sondern sie stellen diesen Abschnitt als einfachen, von einer durchaus homogenen (flüssigen) Substanz er- füllten Hohlkörper dar. Dass dies auch in jüngeren Arbeiten, wie z. B. in der von Ranke (vgl. unsere Copie Fig. 25h) geschieht, ist desshalb auffallend, weil in den analogen birnförmigen Körper- chen, der sog. erista der Locustinen, bereits im Jahre 1866 von Hensen (Lit. 11) gewisse characteristische Inhaltsgebilde ange- geben wurden und die Vermuthung, dass in den stiftförmigen Ele- menten Aehnliches vorkomme, gewiss eine sehr naheliegende ist. Zur Klarstellung der betreffenden Verhältnisse müssen wir nun zunächst etwas näher auf den vielfach sehr verschieden be- schriebenen Bau der erwähnten Crista-Körperchen eingehen. Dass diese Körperchen im Ganzen von ähnlicher Beschaffen- heit wie die stiftförmigen sind, ergiebt sich schon aus der Dar- stellung, die ihr Entdecker von ihnen gegeben hat. Sie bestehen nach ihm aus einem verdickten mützenartigen Kopftheil (Fig. 30 ko) und aus einem dünnwandigen conischen Hohlkörper, und ein Unter- schied im Vergleich zu den stiftartigen Gebilden zeigt sich zunächst (namentlich bei schwächerer Vergrösserung) nur darin, dass die birnförmigen Elemente, wie schon ihr Name andeutet, verhältniss- mässig plumper oder dicker als die stiftartigen sind. Im hohlen Hauptabschnitt unterschied ihr Entdecker keinerlei weitere Gebilde und lässt er die centripetale Axenfaser oder Chorda von der ver- diekten (proximalen) Spitze des Haupttheiles abgehen. Nach der nächstspätern Darstellung, der von Leydig (Lit. 3 und 4), hätten diese Körperchen eine ganz andere Form. Er be- Die chordotonalen Sinnesorgane der Insecten. 525 schreibt nämlich das „mützenförmige Ende des kolbenförmigen Stäbchens“ als „regelmässig vierlappig im Einklang mit den vier Seitenkanten“ des Haupttheiles. Das Bild der Birne würde sich zufolge dieser Schilderung, um einen seinerzeit von mir ge- brauchten Vergleich zu wiederholen, in das einer Strassenlaterne verwandeln; Leydig’s kurze Beschreibung lässt es aber unent- schieden, ob er sich die der Metallfassung der Laterne entsprechen- den Kanten zugleich rippenartig verdiekt denkt. Ein besonderes Inhaltsgebilde des Haupttheiles erwähnt Leydig nicht. Der dritte Untersucher, Hensen, setzte wieder Siebold’s Auffassung vom runden Charakter unserer Gebilde in ihr Recht ein und erschloss ausserdem unter Anwendung besserer optischer Hilfsmittel, als sie den früheren Forschern zu Gebote standen, eine bis dahin ganz unbekannte Differenzirung des Innern. Es handelt sich hiebei um drei diserete, jedoch sowohl unter sich als z. Th. auch mit der Wand des Körperchens verbundene Gebilde. Zunächst wies Hensen nach, dass die Verdickung des Kopftheiles nicht von einer Anschwellung des betreffenden Wandstückes, sondern von einer selbständigen, den Hohlraum des Kopfes einnehmenden „kugelförmigen körnigen Masse“ (Fig. 31 ku) herrühre. Zweitens zeigte er, dass Siebold’s „Nervenfaden‘ oder, wieer ihn nennt, die Chorda, nicht von der Spitze, d. i. vom inneren Ende des Körperchens ausgehe, sondern im Innern desselben und zwar an der oben erwähnten körnigen Kugel entspringe. Man sieht nämlich, sagt er, längs der Mitte des birnförmigen Körperchens einen dunkeln Strich (Fig. 31 xf) verlaufen, der wie eine Fort- setzung des vom Körperchen nach innen abgehenden Fadens sich ausnimmt, und der von oben als centraler Punkt gesehen wird. Ich bezeichne künftig den innerhalb des Körperchens be- findlichen Abschnitt der Chorda als Axenfaden. Drittens endlich glaubte Hensen darthun zu können, dass die Chorda im Innern des Körperchens von einer besonderen röhren- artigen Hülle (Fig. 31 chh) umgeben sei. Ausgehend von Siebold’s Angaben, dass das innere (proxi- male) Ende der birnf. Körperchen verdickt sei, machte ferner Hensen darauf aufmerksam, dass dies daher rühre, dass sich die Wand des Körperchens (Hensen’s „äussere Membran“) an gedachter Stelle (Fig. 31 sp) nach innen, d. i. gegen die centrale Chorda zu handschuh- fingerartig einstülpe, die Membran des Stiftes hier also verdoppelt Archiv f. mikrosk, Anatomie. Bd. 20. 34 526 Vitus Graber: ist, und dass ferner, wie er sich ausdrückt, diese innere Membran wieder (gegen den Kopftheil) zurückläuft. „Von da an, sagt er, wo diese glänzende Verdiekung (der Spitze) aufhört, löst sich die innere Membran von der äussern ab, wird zarter und läuft nun als weitabstehende Hülle, die Chorda begleitend, bis zum verdickten Kopf des Stiftes hin.“ Hensen glaubte ferner, dass dieser ‚innere Tubus“ die körnige Masse des Kopfes umhülle. Ich füge bei, dass Hensen die Conturen dieser Chorda-Hülle nur mit einer zarten Linie bezeichnet und dass ihm die Existenz derselben nicht über allen Zweifel erhaben schien, da er selbst auf die Möglichkeit hinweist, dass man es hier vielleicht doch nur mit einem durch die im Innern der Körperchen auftretenden Licht-Reflexe bedingten Schein- oder „Schattenbilde“ zu thun habe. Der vierte Untersucher, OÖ. Schmidt, greift bezüglich der äus- seren Configuration unserer Körperchen z. Th. wieder auf Leydig’s Darstellung zurück; doch sind seine einzelnen Befunde derart von einander abweichend, dass er (pag. 208) selbst gesteht, er wisse nicht recht, wie sie aufzufassen seien. Aus gewissen Stellen seines Textes, sowie aus seiner Figur 26 6 muss man schliessen, dass er im Allgemeinen Hensen gegen Leydig darin beipflichtet, dass unsere Gebilde nicht vierkantig sein können, weil das Bild derselben bei der Ansicht von oben ausnahmslos kreisrund ist. Er sagt dann aber im weiteren Ver- laufe folgendes: „Die doppelteonturirten vier Pyramidenkanten können aller- dings blosser optischer Effeet sein und sind es wohl auch in der Regel. Allein abgemacht ist damit die Sache noch nicht. In Fig. 26 C (= unserer Figur 32) gebe ich einen Stift von Loeusta ganz frisch im Blut des Thieres untersucht, und in D einen von Xiphidium nach 10st. Liegen in Kali bichr. Hier ist an eine Täuschung nicht zu denken, die Bilder waren scharf und klar und können nicht auf Rechnung eines Lichteffeets gebracht werden. Dort geht das Dach in vier Zähnchen (unsere Fig. 32z), hier in vier Lappen aus und die Gestalt des zugespitzten (Haupt-)Theiles des Stiftes kann unmöglich eine andere als eine in dem einen Fall ziemlich scharf, im andern abgerundet vierkantige mit Einbuchtungen der (Seiten-)Flächen sein. Dass diese Formen nicht die Regel ist eben so gewiss, ich weiss aber nicht, wie diese Ausnahmen Die chordotonalen Sinnesorgane der Insecten. 527 aufzufassen.“ Da O. Schmidt die Ansicht der Locustastifte von oben in seiner schon erwähnten Fig. 26 G, gleich Hensen, kreisrund darstellt, und gleichwohl demselben Thier auch vier- kantige oder pyramidale Stifte zuschreibt, von denen er pag. 209 noch ausdrücklich sagt, diese Stifte müssen von oben anders aussehen, so ist klar, dass sich ©. Schmidt die angeblichen „Ausnahmen“ so vorstellt, dass ein und dasselbe Organ bald runde, bald kantige Stifte habe, dass mit einem Worte die Stifte einer gewissen und in diesem Falle sehr auffallenden indivi- duellen Veränderlichkeit ihrer Gestaltung unterworfen wären. Hinsichtlich der innern Beschaffenheit unserer Körperchen schliesst sich Schmidt vollständig Hensen an. Er erwähnt und zeichnet die körnige Kugel im Kopftheil, dann den Axenfaden sowie den inneren Tubus. Die von Hensen nur mit Vorsicht behauptete Existenz des letztern glaubt er durch ein Paar glück- liche Präparate, an denen dieses Gebilde, z. Th. wenigstens, isolirt erschien, sicher konstatiren zu können; ich bemerke aber schon hier, dass, ganz abgesehen vom Mangel jeder nähern Beschreibung, die betreffenden Zeichnungen (seine Fig. 26 E und F), an denen auch die angeblich herausgerissene Chorda fehlt, einerseits von einander so verschieden und andrerseits so schematisch gehalten sind, dass man sich unmöglich eine nähere Vorstellung über das Verhalten des betreffenden Gebildes machen kann, ja nicht einmal volle Gewissheit erlangt, ob dasselbe wirklich dem inneren Tubus Hensen’s entspricht. Uebergehend auf die eigenen Studien konstatire ich zunächst betretfs der Form der Crista-Körperchen unter Verweisung auf die mehrgenannte Monographie, dass ich unter den in die Tausende zählenden Ansichten derselben von oben nie ein anderes Bild als das eines Kreises gesehen habe. Wenn demaber so ist und, die einzige offenbar rein schema- tische Querschnittsfigur Leydig’s (Lit. 4, Fig. 151 e) ausgenommen, auch von keinem andern Forscher je ein anderes als ein eireuläres Bild angegeben wurde, so ist man, glaube ich, wohl zur Behaup- tung berechtigt, dass die in Rede stehenden Gebilde ganz allgemein eine runde Gestalt besitzen. Muss man aber auf Grund dieser Beobachtungen einräumen, dass das Querschnittsbild unserer Körperchen rund und nicht eckig ist, dann kann, mögen sie in der Seitenansicht noch so sehr den 528 Vitus Graber: Eindruck kantiger, resp. der Länge nach gerippter Gebilde machen, die Anschauung, dass sie wirklich je, und wäre es auch nur aus- nahmsweise, eine solche Gestalt besitzen, logischerweise absolut nicht aufrecht erhalten werden. Indem ich weiterhin betreffs der Profilansichten unserer Körperchen zugebe, dass sie erstens überhaupt oft ein sehr schwer zu deutendes Verhalten zeigen, und dass einem ab und zu auch solche zu Gesicht kommen, die man ohne Rücksichtnahme auf das hier in erster Linie ausschlaggebende Querschnittsbild im Sinne der von mir bekämpften Anschauung deuten könnte, muss ich doch ausdrücklich konstatiren, dass ich unter allen einschlägigen Ansichten auch nicht eine einzige fand, die man nothwendig nur auf kantige Objecte hätte beziehen müssen. Was dann speciell Schmidt’s bildliche Darstellung eines vierkantigen Stiftes bei Locusta (unsere Copie Fig. 32) anbelangt, so muss ich hiezu bemerken, dass ich von einer solchen Längs- leiste am Kopftheil (in welchem die „körnige Kugel“ entschieden zu klein dargestellt ist), wie sie Schmidt als Fortsetzung der dem Beschauer zugewandten Seitenkante des Stiftkörpers zeichnet, so- wie von einem eben daselbst befindlichen zahnartigen Vorsprung des Stiftdeckels niemals auch nur die mindeste Andeutung wahr- genommen habe. Was dagegen die vom genannten Forscher in der eitirten Figur gezeichneten und als verdickte Seitenkanten gedeuteten zwei mittleren Längsstreifen am Stiftkörper selbst (kı und ks) betrifft, so bin ich ähnlichen Bildern in der That nicht selten begegnet. Erwägt man aber hinsichtlich dieser Bilder, dass in der be- treffenden Figur weder die axiale Chorda, noch der bekanntlich auch von Schmidt angenommene innere Tubus eingezeichnet er- scheint, so wird man zugeben, dass die Annahme, es habe Schmidt möglicherweise die letzterwähnten mediären Gebilde für die in Rede stehenden Seitenkanten gehalten, durchaus nicht so unbe- gründet ist. Um uns von der Richtigkeit seiner Auffassung zu überzeugen, hätte er konstatiren müssen, dass, wenn man das angeblich vierrippige Gebilde um seine Längs- axe dreht, der scheinbare gegenseitige Abstand der supponirten Leisten sich ändere, und dass bei einer gewissen Stellung die dem Beschauer gerade zuge- wendete Kante die ihm abgewendete decke; dass mit Die chordotonalen Sinnesorgane der Insecten. 529 andern Worten ganz wie an einer durchsichtigen, sagen wir gläsernen vierseitigen Pyramide, ein und dasselbe Object bald vier-, bald dreikantig erscheine. Vom vielbewährten Grundsatz ausgehend, dass man sich in solchen Fällen, wo die mikroskopischen Bilder eines und desselben schwierig zu entziffernden feinen Objectes vielfach von einander verschieden erscheinen, ausschliesslich an jene Ansicht halten soll, welche von allen die bestimmteste und unzweideutigste ist, gebe ich nun eine kurze Schilderung der in den letzten Tagen mit meinen besten Hilfsmitteln untersuchten Tympanal-Körperchen von Meconema varium, und zwar desshalb, weil ich an keiner andern der seinerzeit von mir studirten Locustinen die fraglichen Verhält- nisse so klar und schön wie bei diesem Objecte angetroffen habe. Das Siebold’sche Organ der genannten Heuschrecke, das man, wegen der grossen Zartheit der Trommelfelle, auch in situ unter dem Quetscher studiren kann, wurde nicht ohne Mühe voll- ständig isolirt, wobei als Zusatzflüssigkeit theils Zuckerwasser theils verdünntes Eiweiss in Anwendung kam, Medien, welche unsere Körperchen fast ganz so wie im frischen Zustande erscheinen lassen. Das Präparat hatte nur den Druck eines grösseren Deckglases zu tragen und wurden die birnf. Körperchen durch dasselbe in eine horizontale Lage gebracht, so dass ich die reine Profilansicht vor mir hatte. Bei der Einstellung der Immersionslinse Zeiss III ganz auf die Oberfläche sah ich weder auf dem Kopf- noch auf dem Haupttheil einen leistenartigen Längsstreifen, sondern der ins Ge- sichtsfeld fallende, von verschwommenen Umrissen begrenzte Theil erschien in seiner ganzen Ausdehnung ziemlich gleichmässig blass- bläulich und nur um den breitesten Theil oder die Basis des Kopfes zog sich ein doppelt conturirtes, stärker glänzendes und intensiv blaues Band (ef. Fig. 34 r), das bei der tiefsten Einstellung in gleicher Weise wieder erschien. Hier hat man es offenbar mit einem Ring zu thun, ich lasse es aber unentschieden, ob wirk- lich eine eireuläre Verdiekung der Kopfwandung vorliegt oder ob es nur der optische Ausdruck des vorspringenden Randes ist. Senkt man nun den Tubus allmählich tiefer, so sieht man zunächst, dass die ganze Höhlung des Kopftheiles von einer grob- körnigen Masse erfüllt ist, und zweitens, dass das ganze Körper- chen von einem Rahmen umschlossen wird. Um vorerst auf den letzteren einzugehen, so unterscheide ich 530 Vitus Graber: daran den bogenförmigen Kopfabschnitt und dann die zwei seit- lichen Leisten. Beiderlei Abschnitte zeigen genau dieselbe Be- schaffenheit. Sie sind verhältnissmässig sehr dick, immer doppelt eonturirt und heben sieh durch ihren Glanz, sowie durch die schön himmelblaue Färbung sehr scharf von dem matten gelblichen Grunde ab. Der innere Contur des Rahmens ist nicht immer ganz glatt, sondern zeigt oft ziemlich bedeutende Vorsprünge. Das ganze Verhalten und besonders der Umstand, dass die beiden Seitentheile des Rahmens beim allmählichen Senken des Tubus immer weiter aus einanderrücken, bis sie im optischen Längsschnitt die grösste Distanz darbieten, worauf sie wieder sich nähern, lässt absolut keine an- dere Deutung zu, als dass sie die jeweiligen Durch- schnittslinien der offenbar kegelförmigen Stiftwandung sind, welchel etztere, dadieDicke der genanntenRahmen- theile bei allen Einstellungen und Lagen des Objectes dieselbe ist, überall ungefähr dieselbe Stärke besitzen muss. Weitere den genannten seitlichen Leisten an Dieke und optischem Verhalten gleiche Längsstreifen sah ich bei keiner Einstellung und ich muss sonach für dieses Objeet sowohl die Annahme, dass unsere Körperchen pyramidenartig, als auch die, dass sie wenigstens mit mehreren Längsrippen versehen seien, mit Entschiedenheit zurückweisen. Ganz besonders lehrreich erwies sich aber unser Objeet hin- sichtlich des sog. inneren Tubus und der Chorda. Bei jener Ein- stellung (in die Profillage), wo, von der Oberfläche ausgehend, der rahmenartige Durchschnitt durch die Stiftwandung zuerst sicht- bar wird, bemerkt man in dem mattgelben dreieckigen Felde zwi- schen den beiden blauen seitlichen Grenzleisten ein, wenn ich mich so ausdrücken darf, dem äusseren (Durchschnitts-)Dreieck eingeschriebenes inneres trianguläres Feld, das, Dank seiner bläu- lichen Färbung, ungemein scharf hervortritt, und dessen Seiten- ränder durch einen ziemlich breiten (gelblichen) Streifen von der Aussenwand getrennt sind. Da dieses innere Gebilde, ähnlich wie die äussere Stiftwandung, bei hoher Einstellung in seiner ganzen Ausdehnung sichtbar ist, doch, wie ein abgerundeter Körper, nur ver- schwommene Conturen zeigt, bei etwas tieferer hingegen von ihm nur zwei gegen den Kopftheil divergirende seitliche Begrenzungs- linien übrig blieben, so ist es evident, dass man es mit einem Die chordotonalen Sinnesorgane der Insecten. 531 umgekehrt kegelförmigen oder trichterartigen Hohlkörper zu thun hat. Ich bemerke noch, erstens, dass die lateralen Grenzleisten dieser nach oben sich erweiternden Röhre sehr merklich schmäler sind, als jene der Aussenwand, und dann, dass das Gebilde in toto matter und weniger bläulich, also schwächer licht- brechend als der äussere Rahmen ist. Beides beweist, dass, wie auch von vorne herein wahrscheinlich, diese Binnenröhre eine dünnere Wandung als die äussere Kapsel hat. Gegen den Kopf- theil, bez. gegen die körnige Masse hin verbreitert sich dieser Tubus so weit, dass er letztere fast ganz umfängt. Was nun schliesslich die Chorda betrifft, so überzeugte ich mich auf’s bestimmteste, dass sie in den beschriebenen Tubus sich hinein erstreckt. Bei mittlerer Einstellung sah ich längs der Axe einen feinen „dunkeln Strich“, der aber unter Zuhilfenahme der stärksten Ocularvergrösserung deutlich zwei Conturen und einen bläulichen Glanz erkennen liess, demnach kein Schatten-, sondern ein wirkliches körperliches Gebilde ist, das sich an gün- stigen Objeceten bis zur Körnermasse verfolgen lässt. — An dieser Stelle möchte ich kurz darauf aufmerksam machen, dass die in Rede stehende Nervenendigungsweise der scolopalen Körperchen keineswegs ohne Analogie dasteht, indem an gewissen, z. Th. als Tastorgane gedeuteten Nerven-Terminalbildungen der Wirbelthiere (z.B. an den sogen. Vater’schen Körperchen) . die freilich meist diekere oft aber auch stark verschmächtigte Endfaser gleichfalls mit einem körnigen Knopfe (Terminal- knospe) abschliesst, und darf noch beigefügt werden, dass sich die Analogie zwischen den verglichenen Bildungen z. Th. auch auf die kapselartige Umhüllung der eigentlichen axialen Nerven- enden erstreckt !). Hinsichtlich des Baues der birnförmigen Elemente habe ich noch einen Punct zu erwähnen. Zu meinen früheren Untersuchungen derselben hatte mir nur ein starkes Trockensystem (Zeiss F) zu Gebote gestanden, unter 1) Vgl. u. A. W. Krause „Die Nervenendigung innerhalb der termi- nalen Körperchen“, dieses Archiv 1880, pag. 53 ff. Ohne mich in die Wirbel- thier-Histologie einmischen zu wollen, glaube ich doch bemerken zu sollen, dass der von Krause für die in Rede stehenden Sinnesorgane gewählte „in- differente Sammelnamen“ „terminale Körperchen“ allzu unbestimmt und vieldeutig ist und durch einen andern ersetzt werden muss. 532 Vitus Graber: dem mir der Kopftheil im Gegensatz zu jenem der stiftartigen Körperchen stets vollkommen massiv, d. h. ohne irgend welche axiale Porung erschien. Als ich aber dann später während der Drucklegung meiner Monographie mit dem Immersionssystem II von Zeiss noch ein- mal die betreffenden Körperchen einer Locusta mir ansah, glaubte ich an der Profilansicht aufs allerdeutlichste einen von der Spitze des Kopfes in die körnige Masse sich einsenkenden Kanal (Fig. 33h) zu erkennen und liess mich durch diesen Befund bestimmen, die bereits lithographirten Illustrationen meines Werkes in diesem Sinne zu ändern. Am Vorkommen einer solchen Perforation des Kopftheiles glaubte ich um so weniger zweifeln zu sollen, als ich ja für die Stifte eine ähnliche Bildung wiederholt nachgewiesen hatte. Wie ich mich nun aber im Laufe der vorliegenden Arbeit neuerdings über diesen Punkt und zwar mit dem stärkeren System III und am gleichen Objekt vergewissern wollte, vermochte ich zu meiner nicht geringen Ueberraschung von diesem Porus, an der Profilansicht wenigstens, Nichts mehr zu sehen und für die Ele- mente von Meconema muss ich nach dem Obigen die Existenz einer solehen Kopfbohrung entschieden in Abrede stellen. Mit Bezug auf die eitirte Fig. 33 füge ich noch bei, dass mir seinerzeit die axiale Chorda gegen den Kopf zu etwas verbreitert und manchmal sogar röhrenartig, also hohl erschien, und dass ich mir die Frage stellte, ob nicht möglicherweise zwischen der Kopf- höhlung und dem supponirten Lumen der röhrenartig erscheinenden Chorda ein direkter, aber durch die Körnermasse verdeckter Zu- sammenhang bestehe. Obwohl ich nun, wie schon bemerkt, auf Grund meiner neuesten Untersuchungen derartige Konjekturen für unbegründet halte, glaubte ich sie doch erwähnen zu sollen, damit spätere, und, wie zu hoffen, mit noch weiter vervollkommneten Linsen ausgerüstete Untersucher bei ihren Forschungen auch diese, wenn auch wahrscheinlich irrige Anschauung einer näheren Prüfung unterwerfen. Kehren wir nun nach dieser Abschweifung wieder zu den eigentlichen Stiften zurück. Da, wie wir oben sahen, der Nachweis gewisser Binnentheile selbst bei den relativ umfangreichen birnförmigen Elementen mit den grössten Schwierigkeiten verbunden ist, darf man mit Rück- sicht auf das überaus enge Lumen der in Rede stehenden Körper- Die chordotonalen Sinnesorgane der Insecten. 583 chen schon a priori sich nicht viel erwarten, und ich habe in der That bisher an den Chordotonalstiften nicht mehr unterscheiden können, als was ich seinerzeit schon an den tympanalen (Fig. 28 xf) wahrnahm, nämlich, dass sie von einem dünnen, die Fortsetzung der Chorda repräsentirenden Axenfaden durchzogen sind. Eine solche intracapsuläre Fibrille fand ich verhältnissmässig deutlich bei Dytiscus (Fig. 12 B), dann bei Chironomus (Fig. I xf), ferner bei Mystaeides (Fig. 13), und an den Halterenstiften der Stubenfliege; weniger bestimmt bei Tabanus (Fig. 3st) u. A. Dass es wirklich ein axiales Gebilde und keine Wandleiste (Leydig bezeichnet nämlich auch die Stifte der Gryllodeen als vierkantig), schliesse ich einmal aus dem Umstande, dass man in besonders günstigen Fällen an der proximalen Spitze des Stiftes die Continuität zwischen der Chorda und der fraglichen Faser be- obachten kann und vor Allem daraus, dass dieser Längsstreifen nur bei mittlerer Einstellung sichtbar wird und in der Regel wenigstens schmäler und schwächer lichtbrechend als der optische Längsdurchschnitt der Wandung ist!). Da, wie ich nach dem Obigen bestimmt annehmen zu dürfen glaube, der Kopftheil i. A. in axialer Richtung durchbohrt ist, weiss ich nicht, wie und wo eigentlich der Axenfaden endigt. Ein paar Mal (bei Mystacides und der Grille) schien mir’s, als ob im Anschluss an die homogene Verdickung der Kopf- wandung gegen die Höhlung des Haupttheiles zu ein Klümpchen körniger Masse (Fig. 13 Be) vorhanden sei, an der dann wohl das Chorda-Ende zu suchen wäre. Dagegen habe ich von einer besonderen Chorda-Hülle nie eine sichere Spur gefunden, was indess bei der Kleinheit dieser Objeete noch durchaus nicht beweist, dass sie gänzlich fehlt. Uebri- gens würde der eventuelle Mangel einer solchen Binnenkapsel bei der grossen Enge der äusseren durchaus nicht auffallen, voraus- gesetzt natürlich, dass, wie solches wahrscheinlich, diese innere Umhüllung der terminalen Axenfaser bei den birnförmigen Körper- chen in erster Linie als Stütz- und Schutzeinrichtung für den über- aus zarten Nervenfaden fungirt. Amphinematische Stifte. Ueber diese zweite Hauptform von chordotonalen Nerven-Endkörperchen liegt bisher nur eine ein- 1) Besonders deutlich erkannte ich diesen Unterschied an den Embryonal- Stiften einer jungen Locuste (Fig. 83). 534 Vitus Graber: zige und wie schon in der Einleitung erwähnt, nur ganz beiläufige Angabe, nämlich von Weismann hinsichtlich der Corethralarve vor. Er nennt sie „stabförmige Gebilde, welche in einer An- zahl von vier oder fünf (seine Zeichnung hat nur zwei) im Innern des Gebildes (d. i. des Faserstranges unserer Fig. 29) liegen und sich bis gegen dessen Ansatzpunkt verfolgen lassen. Dicht hinter dem Ganglion (G, bei f) beginnen sie als feine Fäden, schwellen sodann (k) zu einem dunkelcontourirten, spindelförmigen Gebilde, wahrscheinlich einem Kern, an und verlaufen von da an, breiter geworden, mit doppelten Contouren (St), um schliesslich unter all- mählicher Zuspitzung (in der Zeichnung werden sie aber breiter!) sich zu verlieren.“ Indem ich an diese Darstellung gleich, unter Verweisung auf unsere in verhältnissmässig kleinem Massstab gezeichnete Figur 16, das Ergebniss meiner eigenen Untersuchungen an demselben Ob- jekte anschliesse, so wird man bemerken, dass die eben angeführte Zeichnung mit jener Weismann’s — abgesehen davon, dass ich stets nur drei Stifte fand — viele Uebereinstimmung darbietet. Ein wesentlicher Unterschied liegt zunächst nur darin, dass die proximalen Stiftfäden (p), wie selbstverständlich, nicht hinter dem Ganglion, sondern in diesem selbst wurzeln und dann darin, dass, wie schon mit einem stärkern Trockensystem zu erkennen, die ge- wissen spindelförmigen Gebilde (St) nicht massive kernartige Kör- perchen, sondern hohle Anschwellungen oder Knoten im Verlauf der Chorda, mit andern Worten die eigentlichen Stäbchenkörper oder Hohlstifte selbst sind. Weit klarer wird noch selbstverständlich Alles, wenn man ein gutes Immersionssystem zu Hülfe nimmt (Fig. 17). Die Stifte erweisen sich dann als spindelförmige, aber gegen den Kopftheil minder als am entgegengesetzten Ende zugespitzte Hülsen, deren Wandung überall von gleicher und im ganzen mässiger Dicke ist. Im Vergleich zu den typischen köpfehentragenden Stiften erschei- nen sie nicht am äussern Ende am dieksten, sondern sind, wie ja schon das Epitheton „spindelförmig“ sagt, mehr gegen die Mitte zu am stärksten ausgebaucht. Der proximale Faden, sowie — wenn ein soleher wirklich vorhanden — der weit dünnere Axenfaden (xf?) verhalten sich ähnlich wie bei den mononematischen Elementen. Das Beachtenswertheste ist hier natürlich der distale Faden. Seine Substanz stimmt hinsichtlich der Licehtbrechung und der Die. chordotonalen Sinnesorgane der Insecten. 535 schön himmelblauen Färbung vollkommen mit jener der Stift- wandung überein. An seinem Ursprung am Stift ist er mässig verdickt, etwa doppelt so stark wie die Wandung des Stiftes; im übrigen Verlaufe erscheint er mir aber überall und bis zu seiner Endigung am Integument von gleichem aber merklich grösserem Kaliber wie der proximale Faden, woraus — abgesehen von der Einschaltung der fraglichen Axenfaser — hervorgeht, dass er nieht etwa als Verlängerung der proximalen Nerven- chorda, sondern als fadenartige Zuspitzung des in ihn aufgehenden Stiftkopfes anzusehen ist. Ich erwähne noch, dass der verbreiterte Anfangstheil des Fadens an seiner freien, d. i. der Stifthöhlung zugewandten Fläche einen auffallend starken Lichtreflex gibt, was möglicherweise, ähn- lich wie an den Stiften gewisser Chironomus, von einer spiegelnden Aushöhlung herkommt. Der Faden selbst erscheint aber ganz solid und stets vollkommen gerade und straff ausgespannt. Die fadenköpfigen Stifte der übrigen von mir untersuchten Insekten sind etwas anders geformt. Am nächsten kommen den früher beschriebenen jene einer Syrphuslarve, die ich leider wegen der grossen Dicke des ohnehin stark zu quetschenden Objektes nur mit dem Trockensystem F studiren konnte. Der eigentliche Stiftkörper (Fig. 19 St) ist hier entschieden am Kopfende am breitesten, im Ganzen also kegelförmig. Höchst auffallend erscheint hier die ungleiche Dieke der Wandung. Die äussere oder distale Hälfte (ab) zeigt im Längsdurchschnitt die Form eines schmalen Hufeisens, dessen parallele Schenkel von der gewöhnlichen Stärke und optischen Beschaffenheit der Stiftwandung sind, während die innere oder proximale Hälfte (be) kegelförmig und der auffallend dünnen und daher auch relativ blassen Wandung wegen oft nur schwer zu erkennen ist. Bei schwächerer Vergrösserung (Fig. 18 St) sieht man in Folge dessen auch nur den oberen diekeren Abschnitt. Die centripetale Chorda (ce) ist verhältnissmässig dünn, fast von gleichem Kaliber wie der hier sehr deutlich erkennbare Axenfaden (xf). Die distale Faser zeigt die gleiche Beschaffenheit wie bei Corethra; nur scheint mir der Anfangstheil relativ stärker ange- schwollen. Hier ist es aus den angeführten Gründen noch evidenter als dort, dass der periphere Faden keine Fortsetzung des centri- petalen ist, sondern dem stark in die Länge gezogenen Kopftheil der Stiftwandung entspricht. 536 Vitus Gräber: Ein sehr fremdartiges Aussehen, namentlich beim ersten An- bliek, zeigen die Stifte der Pedieuliden. Ich hatte, wovon noch später die Rede sein wird, deshalb auch grosse Mühe, sie über- haupt (vorläufig wenigstens an einer Stelle) aufzufinden. Mit dem System F und an wenig durchsichtigen Objekten erschienen sie mir (Fig. 37St) als dunkle, beiläufig bisquitartige Körper mit je einem hellen, glänzenden Mittelfleck in beiden Verbreiterungen. An günstigen Objekten und mit dem Immersionssystem er- kennt man indess bald den stiftartigen Charakter dieser Bildungen (Fig. 38). Das Bemerkenswertheste ist an ihnen, dass die ziemlich derbe, bläulich glänzende und von breiten Schattenstreifen um- säumte Wandung beträchtlich oberhalb der Mitte (ce) derart einge- schnürt ist, dass sie bei minder starker Vergrösserung in zwei vollständig getrennte Felder zerschnitten erscheint. Den proximalen längeren Abschnitt des Stiftes konnte ich leider nie ganz bis zur Spitze verfolgen; aus dem ganzen Verhalten darf man aber schlies- sen, dass eine solche vorhanden ist. Der distale Abschnitt ist proximalwärts ausgebaucht, aussen stark zugespitzt und erinnert so an eine Spritzflasche. Gedachte Spitze ver- schmächtigt sich zu einem dünnen Faden (a), den ich aber wegen der Dieke und geringen Durchsichtigkeit des Objektes nie so deut- lich wie in den vorbeschriebenen Fällen wahrnahm. Da ich eine solehe Einschnürung oder Zweitheilung des Stiftkörpers sonst nir- sends beobachtete, dachte ich anfangs daran, ob nicht etwa der distale Abschnitt als ein hier in grösserem Umfang ausgehöhlter Kopf aufzufassen sei, doch verwarf ich bald diese Meinung und zwar, von manchen andern Gründen abgesehen, hauptsächlich darum, weil diese Einschnürung an manchen Stiftexemplaren sehr gering ist, ja zuweilen vollständig zu fehlen scheint. Wenn sich aber auch die amphinematischen Stifte morpho- logisch unschwer auf die mononematischen zurückführen lassen und vermuthlich gibt es auch hier vermittelnde Zwischenformen (wohin möglicherweise die von Grobben entdeckten Ptychoptera- körperchen und vielleicht auch die mancher Pediculiden gehören), so muss doch beachtet werden, dass, wie ich gleich hier kurz dar- legen will, zwischen diesen beiden Axialbildungen, wenn wir ihren mechanischen Charakter ins Auge fassen, ein sehr wesentlicher Unterschied besteht. Gehen wir von den diese Bildungen umschliessenden Scolo- Die chordotonalen Sinnesorgane der Insecten. 537 pophoren aus, so können wir sie in gewisser Beziehung, nämlich mit Rücksicht auf ihren geringen Querschnitt und auf die Art ihrer Befestigung als hohle und von einem flüssigen Medium erfüllte Saiten betrachten. Innerhalb einer solchen, einerseits am centralen Ganglion, anderseits am Integument fixirten Hohlsaite liegt nun bekanntlich die als axialer Fadenfortsatz der Ganglienzelle zu betrachtende Chorda mit dem terminalen Stifte, sozusagen eine Saite innerhalb einer andern. Diese dünne und homogene Binnensaite ist aber nur bei den amphinematischen Bildungen, gleich der sie umhüllenden äusseren Saite an beiden Enden fixirt, resp. wirklich nach Art einer Saite ausgespannt, wäh- rend bei den mononematischen das äussere mit dem Stift abschliessende Ende derselben ganz frei innerhalb des saiten- artigen Endschlauches liegt, und nur durch die umgebende Flüssig- keit, in der sie schwebt, eventuell auch, nämlich bei wagerechter Lage des Organs, durch das Gewicht des verdickten Chorda-Endes selbst in ihrer Position erhalten wird. Wenn nun nach der später zu begründenden Annahme diese Organe durch gewisse äussere Bewegungen erschüttert werden, so ist doch klar, dass die Schwingungen der mononema- tischen oder freischwebenden Binnensaiten andere sein werden als bei den amphinematischen oder fixirten Chorden. Unter Berücksichtigung aller einschlägigen Verhält- nisse dürfte es aber schwer halten zu entscheiden, welche der beiden Chorden- oder Stiftbildungen für die hier in Betracht kom- mende Function die bessere sei und noch zweifelhafter bleibt die phylogenetische Beziehung zwischen denselben. Zum Schlusse dieses Kapitels über die chordotonalen Axen- körperchen sei noch bemerkt, dass sich die hohe Uebereinstimmung zwischen denselben bei den verschiedensten Thieren auffallender- weise auch auf ihre Dimensionsverbältnisse erstreckt. Ich sagte desshalb „auffallender Weise‘, weil wir es ja mit Thieren von höchst ungleicher Grösse zu thun haben. Ohne die einzelnen Maasse mitzutheilen, will ich beispiels- halber nur anführen, dass die Länge der Stifte bei einer ca. nur 538 Vitus Graber: 2 mm langen Tabanuslarve fast genau dieselbe ist (0,016 mm), wie bei einer erwachsenen Feldgrille und dasselbe gilt von den übrigen Dimensionen. Es verhalten sich diese Sinnesnervenkörperchen also ähnlich wie viele andere histologische Elemente, deren Dimensionen von der Grösse des Gesammtorganismus unabhängig sind. C. Bau der Scolopophoren. Als Seolopophoren bezeichne ich bekanntlich die einzelnen schlauchartigen Terminalbildungen des Chordotonalnervs, die in ihrem Inneren die gewissen stiftartigen Körperchen beherbergen. Wie wir sehen werden, sind die Scolopophoren in dieser Fassung mehrzellige Bildungen, die nur mit ihrem aus der terminalen Gang- lienzelle entspringenden Endabschnitt, dem Scolopophor im engeren Sinne, und auch nur theilweise, anderen Sinneszellen gleichgestellt werden dürfen. Auch sei noch vorausgeschickt, dass bei der Unkenntniss der Entwieklung dieser Bildungen die Frage, ob sie, gleich manchen anderen Sinneszellen, aus dem Integu- ment-Epithel hervorgegangen sind, dermalennoch offen bleiben muss; speeciell für die Crista-Scolopophoren ist die Annahme einer solehen Herkunft im Hinblick auf den Umstand, dass sie, wie schon Eingangs betont worden, mit dem Integumente in gar keinem direkten Zusam- menhang stehen, von vorneherein ziemlich unwahr- scheinlich. Was nun zunächst die bisherigen Angaben über diese Theile betrifft, wobei ich der Kürze wegen von den bereits in meiner Monographie der Tympanalapparate ausführlich erörterten Crista- Scolopophoren vorläufig absehe, so sind dieselben noch sparsamer und mangelhafter als jene über die axialen Einschlüsse. Die grundlegende erste Mittheilung hierüber verdanken wir Leydig und betreffen dieselben zunächst die tympanalen Schläuche der Acridier. Er spricht hier (Lit. 4, p. 281 u. 282) von einem mit grössern hellen Blasen und echten Kernen versehenen Ganglion, aus dem strangartige, kolbig verdickte und wie der freie (in der Zeichnung, unserer Fig. 23, stumpfabgerundete) Rand beweist, von einer überaus feinen Hülle umgebene „Massen“ von „Nervenmole- külen“ ausstrahlen. Die chordotonalen Sinnesorgane der Insecten. 539 Weit bestimmter erscheint schon eine weitere Mittheilung desselben Forschers, nämlich hinsichtlich der Seolopophoren’ an den Flügeln und Halteren (unsere Fig. 22), indem er, wenigstens an den letzteren, drei Abschnitte, die bipolare Ganglienzelle (G), dann, als unmittelbare röhrige Fortsetzung derselben, einen schma- len und drittens, als eigentliches Ende, einen kolbig verdickten blassgranulären Schlauchtheil (E) darstellt. Ganz analog ist ferner seine Zeichnung von den Scolopophoren der Fühler eines Weichkäfers (Lit. 8, Taf. 10, Fig. 5b1). In allen genannten Fällen lässt aber Leydig den Endkolben hart über dem Stift abschliessen und bleibt die Frage, wie denn eigentlich diese Gebilde am Integument,.bie- festigt sind, unentschieden. Eine aber nicht vollständige Darstellung der Scolopophoren i.e.S. gibt derselbe Forscher dann noch hinsichtlich der einschlä- gigen, aus dem Brustganglion der Musciden entspringenden Organe (Lit. 8, Taf. 8, Fig. 1d), und bleibt noch zu konstatiren, dass er auch in den übrigen Fällen, wo die einzelnen Endschläuche nicht zur gesonderten Darstellung kommen, an der Basis der Stifte fast durchweg gangliöse Zellenanhäufungen zur Abbildung bringt (vgl. z. B. Lit. 8, Taf. 10, Fig. 3 u. 4b), das Vorkommen der letzteren also, soweit sich seine Untersuchungen erstrecken, ein ganz allge- meines ist. Im grellen Widerspruch zu diesen vielseitigen Nachweisen, dass die Stifte je in einem besonderen Gefässe eingeschlossen sind, negirt Ranke (Lit. 14) die Existenz der Endschläuche und lässt die Tympanalkörperchen ganz frei in einer „feinkörnigen, granulären Masse“, vergleichbar dem bindegewebigen Grundgerüst höher ent- wickelter Sinnesorgane, eingebettet sein. Erweist sich nun auch diese seine Anschauung als irrthümlich, so enthält die Arbeit doch nach einer Seite eine Bereicherung der frühern Kenntniss dieser Dinge, nämlich durch den (gleichzeitig mit mir) geführten Nachweis, dass zwischen der Ganglienzelle und dem Stifte ein von Proto- plasma umgebener Kern (unsere Fig. 24 k), vorkomme, der End- schlauch (bez. bei Ranke das Endgebilde) also nicht ein- zellig ist. Bei Weismann und Grobben findet man hinsichtlich die- ser Verhältnisse keine erwähnenswerthen Mittheilungen, es fehlt (das ein- resp. zweistiftige Organ bei Ptychoptera ausgenommen) 540 Vitus Graber: selbst der Nachweis, wie eigentlich Nerv, Ganglienzellen und stift- führende Theile zusammenhängen. Ich selbst habe mir in der mehr eitirten Arbeit die Erfor- schung der Endschläuche ganz besonders angelegen sein lassen und es freut mich dies jetzt um so mehr, als ich dadurch zur Ent- deckung jener bis dahin unbekannten saitenartigen Endfasern ge- führt wurde, die in meinen Augen für die Vergleichung der tym- panalen Vorkommnisse mit den übrigen ehordotonalen Organen von allergrösster Wichtigkeit sind. Um nun vorerst auf die eben genannten Bildungen einzu- gehen, so ist aus den zahlreichen einschlägigen Abbildungen ge- dachter Monographie, bes. aus Fig. 57, 60, 64, 83 ete. zu ersehen, dass der im Ganzen nach Leydig’s Darstellung gebaute End- schlauch (vgl. das Schema Fig. 27) mit der kolbigen, den Stift bergenden Erweiterung (E) nicht abgeschlossen ist, sondern sich noch weit darüber hinaus in eine schmale, straff ausgespannte Röhre fortsetzt, dieich als ehordotonale Endfaser (fs) bezeichne und durch welche jeder einzelne Scolopophor am Integument an- geheftet wird. Ich nannte das Gebilde eine Röhre, weil vielfach wenigstens (vgl. Lit. 15, Taf. 8, Fig. 86 fak) darin spindelartige (wie es scheint manchmal — Fig. 87 — mit einem Kerne versehene) Auftreibungen vorkommen, und, was die Hauptsache, das Gebilde der ganzen Länge nach einen körnigen Inhalt erkennen lässt. Die Länge dieser Fasern übertrifft im Allgemeinen jene des übrigen Schlauchabschnittes, stuft sich aber am ganzen System dieser tympanalen Scolopophoren derart „klaviersaitenartig* (Lit. 15, p. 52) ab, dass die längste (vgl. bes. Lit. 15, Fig. 64) minde- stens das fünffache der kürzesten misst. Indem ich hinsichtlich des übrigen Abschnittes der tympa- nalen Scolopophoren auf das einschlägige Werk verweise, will ich hier nur kurz hervorheben, dass ich ausser der überall nach- gewiesenen auffallend grossen ganglienzellenartigen Bildung am Beginn des Endschlauches in letzterem selbst ganz allgemein einen basalen Kern (unser Schema Fig. 27 mk) und in den meisten Fällen auch noch einen zweiten apicalen (Fig. 27 tk) in nächster Nähe des Stiftkörpers und zwar (vgl. u. A. Lit. 15, Fig. 84, 87 ete.) mit aller Bestimmtheit nachwies. Dass die in Rede stehenden tympa- nalen Endschläuche sonach nicht, wie die Nervenenden mancher anderer Sinnesorgane, einzellig sind, wird man, wenn dies, Ranke Die chordotonalen Sinnesorgane der Insecten. 541 ausgenommen, auch bisher nur von mir allein behauptet wurde, schon desshalb nicht so unglaubwürdig finden, weil ja an den analogen, aber der Endfaser entbehrenden Crista-Blasen auch von Hensen und OÖ. Schmidt dreierlei Kerne, nämlich ausser jenem der Ganglienzelle noch ein basaler und ein apicaler angegeben wird (vgl. Holzschnitt 1 pag. 511). Mit Bezug auf die Annahme Ranke’s, dass die Stiftehorda im basalen Kerne entspringe (Fig. 24), muss ich unter Verweisung auf unsere Figuren 85, 87, 93 ete. (Lit. 15) noch ausdrücklich be- tonen, dass ich sie wiederholt hinter diesen Kern gegen die Ganglienzelle zurück verfolgte, und dass ich sie in Folge dessen als peripherischen Axenfortsatz der letz- teren ansehen muss. Hinsichtlich der die Stifte umgebenden Substanz der End- schläuche sei dann noch erwähnt, dass ich manchmal innerhalb der feinkörnigen Masse, von der sie erfüllt sind, einen ganz hellen, mit homogener Flüssigkeit erfüllten Hohlraum (in nächster Nähe des Stiftes) gesehen, habe, doch nie in so bestimmter Weise, wie bei den birnförmigen Körperchen, wo dieser helle Raum von einer besonderen, auch von Leydig erwähnten blasenartigen Membran umgeben zu sein scheint. Uebergehend auf die im Laufe vorliegender Arbeit von mir untersuchten chordotonalen Scolopophoren der übrigen Vorkomm- nisse, so stimmen dieselben im Wesentlichen vollkommen mit den tympanalen überein. Ueberall, wo das Object in seiner ganzen Aus- dehnung zur Ansicht gelangt, unterscheidet man (vgl. u. A. Fig. 3 von Tabanus) eine ganglienzellenartige Anschwellung des Nervs (gı ete.) und einen daraus hervorgehenden, den Stift tragenden Schlauch, der sich weiter gegen die integumentale Anheftungsstelle hin zu einer straff ausgespannten Faser (fs ete.) verschmächtigt. Ein Unterschied besteht hier zunächst nur hinsichtlich der Breitenverhältnisse der einzelnen Abschnitte des Endschlauches. Während nämlich an den tympanalen Scolopophoren und vollkommen übereinstimmend verhalten sich jene der atympa- nalen Subgenualorgane (Isopteryx Fig. 79, Blatta Fig. 81 etc. Sc), der den Stift umgebende Abschnitt im Vergleich zu dem proximal und distal von demselben gelegene Theil sehr stark spindel- oder blasenartig aufgetrieben ist (Fig. 79 Se), erscheint diese Strecke bei den meisten übrigen Vorkommnissen Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 20. 35 542 Vitus Graber: (vgl. z.B. Fig. 3, 4 St, Fig. 8 st!, Fig. 19 St) ungleich schmäch- tiger und nicht selten nimmt der Stift, welcher bei den früher ge- nannten Bildungen gegen den Umfang des betreffenden Schlauch- theiles fast verschwindet, hier fast das ganze Lumen desselben ein (Fig. 3 und Fig. 19 St). Offenbar haben wir es also in dieser Hinsicht bei den sub- genualen Organen mit einer höheren Differenzirung zu thun, die an den weiten Blasen der Crista ihr Maximum erreicht. | Was die zwei bei den Tympanal-Scolopophoren an den ent- gegengesetzten Enden des Stiftes befindlichen Kerne anlangt, so konnte ich dieselben bei den übrigen Vorkommnissen nur in einem einzigen Falle, nämlich bei Tabanus (Fig. 2 Ch,, Fig. 3), hier aber mit aller Sicherheit unterscheiden. Sie haben die oben angegebene Lage, nur mit dem Unter- schiede, dass der apicale oder distale Kern (Fig. 3 tk) merklich weiter distalwärts von dem Stifte liegt. Beiderlei Kerne sind etwas länglich, scharf do ppeltkonturirt und zeigen gleich den vielmal grösseren Ganglienzellenkernen einen blassröthlichen, auf Diehroismus beruhenden Farbenschimmer (vgl. Fig. 14 und 16 auch die Kerne der Tastorgane k beim gleichen Thier). Obwohl ich nun, wie schon bemerkt, diese Kerne sonst nir- gends mehr beobachtete, möchte ich a priori doch nicht annehmen, dass sie wirklich fehlen, sondern eher glauben, dass sie sich wegen der zu geringen Durchsichtigkeit der betreffenden, bekanntlich stets in toto untersuchten Thiere, der Wahrnehmung entzogen haben. Die Endfasern erscheinen bei genügender Vergrösserung noch eine lange Strecke distalwärts vom Stifte mit feinkörnigem Inhalt versehen, und lassen oft (Fig. 4 fs) eine doppeltkonturirte, wenn auch sehr feine Hülle erkennen. Gegen das Ende zu aber nehmen sie allmählich das Aussehen homogener Fäden an. Am früher er- wähnten Chordotonalorgan ss Ch; von Tabanus, das seitlich am zweiten Körpersegment in einer im höchsten Grade durchsichtigen Stelle liest, beobachtete ich im Verlaufe aller drei Endfasern (Fig. 2a), mehr gegen das Ende hin, eine mit einem kernartigen Centralgebilde versehene Anschwellung, von der seitlich, wie an gewissen in der Nähe befindlichen Hautganglienzellen ein feiner Faden abzweigt; eine Verwechslung mit letzteren schien mir hiebei ausgeschlossen. Die chordotonalen Sinnesorgane der Insecten. 543 Im Gegensatz zu den tympanalen Endfasern, bei denen ich mich, freilich nie ganz sicher, überzeugt zu haben glaubte, dass dieselben in einer Hypodermiszelle ihr letztes Ende finden, und dass sie sonach als integumentale Theile betrachtet werden müssten, glaube ich hier, z.B. bei Chironomus, Dytiscus (Hinterleib) bestimmt ge- sehen zu haben, dass sich diese Fasern, ohne mit irgend einem integumentalen Kern in nähere Verbindung zu treten, direct, resp. zwischen den Matrixelementen, an die Integument-Cuticula anheften. C. Bau der Scolopophoren-Systeme. Die Scolopophoren treten selten in einfacher Zahl als selb- ständige Organe auf. Solche einfache oder monoscolopische Einriehtungen hat zuerst Grobben bei Ptychoptera nachgewiesen; ich selbst fand sie bei Tabanus (Fig. 2, sCh,, und s; Ch,, Cha, Ch,), dann bei den meisten Chironomus-Arten, sowie bei einer Syrphus-Larve. Die Regel ist, dass die Chordotonalorgane polyscolopisch sind, d. h. dass sie eine Vereinigung mehrerer einfacher Scolo- pophoren oder, wie ich es nenne, ein Scolopophoren-System dar- stellen. Diese Scolopophorensysteme, mit denen wir uns hier etwas näher beschäftigen müssen, zeigen namentlich hinsichtlich der Zahl und der Anordnung der sie constituirenden Elemente sehr bedeutende Verschiedenheiten. Was zunächst die Zahl der zu einem einheitlichen Organ ver- einigten Scolopophoren betrifft, so ist dieselbe, wie schon zum Vorhinein zu erwarten, am grössten bei den tympanal und porifer differeneirten Vorkommnissen. Am Tympanalorgan der Acridier zählte ich seinerzeit (vgl. Lit. 15) über hundert Stifte, und noch mehr, oft über 200, findet man an manchen poriferen Organen, namentlich jenen der Halteren. Diesen Vorkommnissen zunächst kommen hinsichtlich ihres Umfanges die meisten subgenualen Organe. Nach meinen Erfahrungen findet hier aber insoferne ein Unterschied statt, als jene Thiere, welche keine Tympana besitzen, wie z. B. Isopteryx und Blatta, minder entfaltete Subgenualorgane besitzen, als die mit Tympanis versehenen. Es scheint also nach dem an die äussere Differeneirung auch eine innere geknüpft. So zählt man beispielsweise am supratympanalen Subgenual- organ der Grillen über 30 Seolopophoren, während Blatta nicht 544 Vitus Graber: viel über 15 und die den mit Tympanis versehenen Orthopteren noch ferner stehende Isopteryx nur ca. 10 besitzt. Dagegen sei schon hier bemerkt, dass in dieser Hinsicht zwischen dem tympanalen Organ des Vorderbeines und dem atympanalen der Mittel- und Hinterbeine kein wesentlicher Unter- schied zu bestehen scheint, indem ich z. B. am Mittelbein von Loeusta über 23 Stifte zählte. Relativ gering ist die Zahl der Scolopophoren am Subgenual- organ der Formieiden, sie dürfte hier kaum über 10 steigen; bei manchen (Fig. 77 St) kommen sicher nicht mehr als 6 oder 7 vor. Ziemlich reich entfaltet ist ferner das femorale Scolopophoren- system der Pediculiden (Fig. 37) und das antennale von Telepho- rus. Bei den übrigen Vorkommnissen ist die Zahl der Stifte in der Regel eine sehr geringe, am häufigsten findet man 2 bis 5. Ungemein verschieden sind dann die zusammengesetzten Chor- dotonalorgane hinsichtlich der Verbindungsweise und Anordnung der Sceolopophoren. In ersterer Beziehung unterscheidet man solche, bei denen die stiftführenden Endschläuche distalwärts von den meist ganz dicht beisammen liegenden Ganglien bis zum Ende vollkommen isolirt nebeneinander liegen und andere, bei denen dieselben mehr oder weniger innig aneinandergeknüpft oder gar, wenigstens streckenweise, ganz miteinander verschmolzen sind, wobei, wie vorauszusehen, mannigfache Uebergänge bestehen. Die erste oder lockere Verbindungsweise findet man fast ohne Ausnahme bei allen reichstiftigen und namentlich bei den poriferen, tympanalen und subgenualen Vorkommnissen (vgl. z. B. Fig. 79) und ist damit häufig, besonders dort, wo die stifttragende Mittel- strecke blasig aufgetrieben, eine radiäre Entfaltung verbunden. Bei den armstiftigen primitiven Organen hingegen liegen die (hier, wie wir wissen, relativ sehr schlanken) Scolopophoren meist sehr knapp bei einander. Eine Trennung derselben, und zwar fast von der Wurzel an, fand ich nur am triseolopischen Organ 83 Cha (Fig. 2) und Fig. 3 von Tabanus, während an den meisten übrigen Vorkommnissen dieser Larve (vgl. z.B. Fig. 2 s; Ch;) nur die diver- girenden Endfasern (e,, €, es) von einander vollkommen isolirt sind. Die Regel bei den in Rede stehenden armstiftigen Vorkomm- nissen ist, dass die einzelnen Endschläuche vom Ursprung bis zum Ende in ein einziges kabelartiges Bündel vereinigt sind, an dem häufig die Grenzlinien der einzelnen Röhren nur schwer nach- Die chordotonalen Sinnesorgane der Insecten. 545 weisbar sind. So findet man es z. B. bei Corethra (Fig. 16), Ptychoptera (Fig. 30), Nematus (Fig. 7), Tortrix (Fig. 10 Ch), Syrphus (Fig. 18), Chironomus ete. Den höchsten Grad erreicht diese Concentration der Scolopo- phoren an den abdominalen Organen von Dytiscus, insoferne hier die einzelnen vier Endschläuche nur eine einzige relativ sehr dünne gemeinsame Endfaser besitzen (Fig. 11, fs). Fraglich bleibt es, ob die Verschmelzung der Scolopophoren gelegentlich noch weiter gehe, d. h. ob es eventuell auch zum Schwunde der die stiftführenden Mittel-Strecken von einander trennenden Scheidewände kommt und so mehrstiftige Scolopophoren entstehen. Erwähnt sei noch die eigenthümliche Gliederung gewisser Scolopophoren-Systeme bei Chironomus und Syrphus, wo (vgl. u. A. Fig. 8) aus einem gemeinsamen Ganglion (G) ein eoncentrirtes triscolopisches System (ste) und ein vollkommen davon isolirtes uniscolopisches Organ (st‘d) entspringt. Bei dem Tanypus-Organ (Fig. 21) erstreckt sich diese hetero- nome Gliederung auch auf das Ganglion, indem am grossen, stark angeschwollenen Hauptganglion (hG) noch mehrere kleine an Stielen angeheftete Seitenganglien (sGs ete.) vorkommen, die vermuthlich als Ausgangspunete separater uniscolopischer Organe anzusehen sind. Um nun wieder zu den reichstiftigen Scolopophoren-Systemen zurückzukehren, so ist vor Allem zu beachten, dass die Anordnung oder Vertheilung der einzelnen Schläuche eine ausserordentlich ungleiche ist. Ganz unregelmässig ist das Arrangement bei vielen poriferen Bildungen, während bei andern eine streng reihenweise oder seriale Anordnung vorkommt. An den meisten subgenualen Vorkommnissen ist die Verthei- lung wieder fächerartig und am Haupttheil des Acridier-Organs zeigen die einzelnen stiftführenden Nervenendstrahlen, ähnlich wie an der Retina, eine becherartige Gruppirung. Speeiell die subgenualen Organe verdienen aber noch in an- derer Beziehung und zwar betreffs der Verlaufsrichtung der Seolo- pophoren-Endfasern Beachtung. Während nämlich bei allen oder doch den meisten übrigen Vorkommnissen die stiftführenden Endröhren vom Anfang bis zum Ende (am Integument) ganz gerade 546 Vitus Graber: ausgespannt sind, erscheinen an den subgenualen ÖOr- ganen dieEndfasern gegen die übrige Schlauch-Strecke oft fast reehtwinkelig, aber bei allen Scolopophoren im gleichen Sinne, gebogen und laufen gegen ihr integumentales Ende in einen Strang zusammen. So sieht man es z. B. sehr deutlich bei Isopteryx (Fig. 79), Blatta (Fig. 81) und den Formieiden (Fig. 77), wo die Scolopo- phoren im engeren Sinn (Sc) nahezu in der Längsrichtung des Beines verlaufen, während die Endfasern (ef) vorwiegend quer ge- legen sind und alle gegen einen Punct an der Mittellinie der Streckseite (nur bei den Formieiden in entgegengesetzter Richtung) zusammenlaufen, d) Das Chordotonal-Ligament. Die gewöhnlichen oder integumentalen d. h. die mittelst der Endfasern un- mittelbar an der Haut be- festigtenChordotonalorgane bieten bekanntlich, wie aus der Einleitung zu ersehen, mit Rücksicht auf ihre Fixirung resp. Lagerung zweierlei scharf von ein- ander zu unterscheidende Zustände dar. Bei der einen Gattung (z. B. Supratympanalorgan) verhalten sich die periphe- rischen aus dem chord. Nerv hervorgehenden End- schläuche im Ganzen so wie bei den meisten Sinnes- nervenendigungen, d.h. sie liegen in der geraden Ver- Erklärung zu Holzschnitt 2. Schema der segmentalen Chordotonalorgane (i. e.S) im Stammkörper eines Insects (Co- |. oil). längerung des Nervs und G Ganglienkette, n Chordotonal - Nerv, g ihr Verlauf ist also in Chord.-Ganglion, gb Chord.-Nervenend- Bezug auf das Centralor- strang, li (ag) Chord.-Ligament. gan vorwiegend einra- Die chordotonalen Sinnesorgane der Insecten. 547 diärer, bez. sie stehen im Allgemeinen mehr oder weniger senk- recht (antielin) auf dem zugehörigen Hautabschnitt. Bei der andern Gattung hingegen — als Beispiel diene das Corethra-Organ Fig. 15 abe — biegt das strangartige Endorgan (vgl. umstehenden Holzschnitt 2 gb) derart unter einem meist rechten Winkel von der radiären Verlaufsrichtung der zugehörigen Nerven- faser (Cg) ab, dass es mehr oder weniger parallel (periclin) mit der Hautoberfläche zu liegen kommt. Damit in Beziehung steht eine weitere Eigenthümlichkeit, nämlich die, dass das freiliegende proximale Ende des scolopoferen Stranges, offenbar, um ihn in einer gewissen Spannung zu erhalten, in entgegengesetzter Richtung mit einem besonderen vom Integument entspringenden Band (Holz- schnitt ag), das ich als Chordotonal-Ligament (li) bezeichne, verbunden ist !). Durch diese ganz specifische Einrichtung, die in ähnlicher Weise bei keinem anderen Sinnesorgan vorkommt, erhalten die betreffenden Organe den Charakter wahrer saitenartiger Bildungen, und bezeichne ich dieselben daher als Chordotonalorgane im engeren Sinn. Ich mache gleich hier kurz darauf aufmerksam, dass diese eigenthümliche Lagerungs- und Befestigungsweise des scolopoferen Endstranges im Vergleich zu den radiär ausgespannten Bildungen zwei Vortheile gewährt, und zwar erstens den, dass die saiten- artigen Organe ihrer ganzen Länge nach möglichst nahe an die Hautoberfläche kommen und zweitens den, dass dieselben, da ihre Lage von jener der zugehörigen Nerven unabhängig ist, nach den verschiedensten Richtungen sich aus- spannen können. Hier sei aber anderseits auch hervorgehoben, dass die liga- mentlosen Chord.-Organe hinsichtlich ihrer mechani- schen Beschaffenheit und Leistungsfähigkeit keines- wegs etwa von den typischen oder mit Ligament be- 1) Denkt man sich, um diese Lagerungsverhältnisse recht anschaulich zu machen, den Chord.-Nerv durch das Zeichen I vorgestellt, so kann der Nerv sammt dem von ihm rechtwinklig abbiegenden scolopoferen Endstrang durch den Buchstaben FT und diese Bildung mit Hinzurechnung des Ligamentes durch den Buchstaben T versinnlicht werden, wobei der Querbalken dem eigentlichen Chordotonalorgan entspricht, und die drei Endpuncte dieser Figur zugleich die Stellen bezeichnen, an welchen das Organ fixirt ist. 548 Vitus Graber: festigten Bildungen wesentlich verschieden sind, denn es sind auch hier, in der Regel wenigstens (vgl. z. B. die Sub- genualorgane Fig. 79, 81 etc.), die Lagerungsverhältnisse derart, dass der scolopofere Endstrang mehr oder weniger parallel mit dem zunächst liegenden Integumentabschnitt verläuft. Nach diesen einleitenden Bemerkungen und nachdem ich noch erwähnt, dass die mit einem besonderen Ligament ausgestatteten typischen Chordotonalorgane viel weiter als die übrigen verbreitet sind, haben wir uns, der Aufschrift dieses Kapitels entsprechend, etwas näher mit der Natur der in Rede stehenden Hilfsvorrichtungen zu befassen. Was nun zunächst den histologischen Charakter derselben anlangt, der von den meisten Forschern als ein bindegewebiger bezeichnet wurde, so muss ich auf Grund meiner sorgfältigen Be- ‚obaehtungen namentlich bei Corethra (Fig. 16li) dieser Anschau- ung entschieden widersprechen. Ich finde, dass das Ligament im Wesentlichen mit der ihm diametral gegenüber liegenden Endfaser übereinstimmt, dass es also im Allgemeinen eine dünnwandige und continuirlich in die Nervenscheide übergehende Röhre sei (vgl. Fig. 16 namentlich bei G), die mit einer bald ganz homo- genen bald etwas körnigen Masse erfüllt ist. Bisweilen erscheint das Ligament allerdings längsstreifig und wie ein Fibrillenbündel (Fig. 211i), bei entsprechender Vergrös- serung überzeugt man sich aber doch unschwer, dass diese Strei- fung nur eine oberflächliche ist und von schmalen Längsfaltungen der eutieularen Hülle herrührt. Die Dicke des Ligamentes stimmt im Allgemeinen gleichfalls mit jener der Endfaser überein, es ist aber hervorzuheben, dass dasselbe an den mehrstiftigen Organen, bei welchen oft mehrere getrennte Endfasern vorkommen, stets einen einzigen ungetheilten Strang darstellt (vgl. u. A. das reich- stiftige Organ der Pediculiden, Fig. 3711). Dagegen ist die Längenausdehnung des Ligamentes von jener des scolopoferen Stranges völlig unabhängig und richtet sich nur nach der Entfernung des proximalen Endpunktes des ersteren vom Integument. Wir können auch sagen: die zweiihrer Natur nach ganz verschiedenen Stücke, aus welchen das saitenartige Organ sich zusammensetzt, nämlich das scolopofere Die chordotonalen Sinnesorgane der Insecten. 549 und das ligamentöse sind an Länge meist ungleich. Bald wie bei Chironomus (Fig. 8) und bei den Pediculiden (Fig. 37) besteht die Saite fast nur aus dem Nervenendstrang und das liga- mentöse Ergänzungsband (li) ist ganz kurz, bald dagegen, z. B. bei Tanypus (Fig. 20), ist ersterer ganz kurz und der grösste Ab- schnitt der Saite wird vom Ligament (gb) gebildet. Schliesslich sei noch bemerkt, dass es mit Rücksicht auf die grosse Mannigfaltigkeit der in Rede stehenden Zustände auffallend ist, dass sich der aus dem Nerv hervorgehende scolopofere End- strang stets nur nach einer Seite hinwendet (die Bildung also T- förmig ist) und nicht (nach dem T-förmigen Typus) auf beide Seiten sich vertheilt. Würde Letzteres irgendwo der Fall sein — und es kommt mir diese Eventualität nicht so unwahrscheinlich vor — dann. würde selbstverständlich das Ligament völlig ent- behrlich sein. e. Allgemeine Lagerungsweise der Chordotonalorgane. Dass die Lagerungsweise der einzelnen Vorkommnisse der Chordotonalorgane grosse Verschiedenheiten aufweist, ergibt sich schon aus dem Umstande, dass sie sowohl im Stamm als in den diversen Gliedmassen des Insektenleibes, also unter höchst unglei- chen räumlichen Verhältnissen auftreten. Trotzdem lassen sich auch in dieser Beziehung gewisse, allen Vorkommnissen gemein- same Züge erkennen, die ich nun kurz hervorheben will. Vor Allem ist zu beachten, dass sich die typischen Chordotonalorgane stets zwischen zwei solchen Punk- ten des Integumentes ausspannen, die gegeneinander relativ unbeweglich sind, bez. die trotz der verschiedenen Lageverände- rungen der einzelnen Körpertheile stets die gleiche Entfer- nung von einander haben. Es zeigt sich dies besonders in dem Umstande, dass die Ausdehnung jedes einzelnen Organes stets auf ein und dasselbe Segment (am Stamm so gut wie an den Extremitäten) beschränkt ist, dass es also niemals die die Segmente verbindenden Zwischenhäute überbrückt. Dieser streng segmentale Charakter der Chordotonalorgane (vgl. Holzschnitt 2, p. 546) erscheint mir insofern von Wichtigkeit, als sie in Folge desselben immer eine von den Orts- und an- 550 Vitus Graber: deren Bewegungen des Körpers völlig unabhängige konstante Spannung besitzen. Ist nun auch aus dem eben angeführten Grunde einer be- trächtlichen Längenausdehnung der Chordotonalorgane ein nicht zu überschreitendes Ziel gesetzt, so lässt es sich andererseits nicht verkennen, dass dieselben innerhalb der ihnen angewiesenen Gren- zen, d.i. im Raum eines und desselben Körper- (resp. Gliedmassen-) Segmentes im Allgemeinen sich so weit als nur möglich auszu- strecken pflegen, oder mit anderen Worten, dass sich gewisser- massen in der Art ihrer Lagerung die Tendenz zur Er- reichung einer möglichst bedeutenden Längenaus- dehnung kundgibt. Dies schliesse ich vor Allem aus dem schon im früheren Kapitel erwähnten Verhalten bei Tanypus, wo das Chordotonal- organ (Fig. 20 ab) in der That die denkbar grösste Länge dadurch erreicht, dass es sich in diagonaler Richtung vom Vorder- bis zum Hinterrand des Segmentes erstreckt, ja an letzterer Stelle sogar die Grenzen des eigentlichen Stammes überschreitend, mit seinem dünnen Endfaserstrang in den Basaltheil der dort befindlichen Glied- massen eintritt. Wenn, und vermuthlich, z. Th. wenigstens, wegen der Unstatt- haftigkeit einer solchen Lagerung mit Bezug auf die umgebenden Weichtheile, eine derartige diagonale Situirung nur ausnahmsweise vorkommt, so ist es doch etwas sehr häufiges, dass die Chordotonalorgane mindestens die gesammte Länge eines Segmentes in Anspruch nehmen. So findet man es, zunächst am Stamm, bei Dytiscus (Fig. 11ab), bei Tabanus (Fig. 2s> Che) und anderwärts; ferner an den Extre- mitäten bei den Pedieuliden (Fig. 35, 36 ab), bei Mystacides und vermuthlich — die Sache ist hier noch weniger als am Stamm genau verfolgt — in den meisten Fällen. Wenn ausnahmsweise u. A. bei Corethra das Organ (Fig. 15be) nicht weit über die vordere Hälfte der Stammsegmente hinausgeht, so beweist dies nur, dass hinsichtlich der Längenausdehnung des- selben auch noch andere Faktoren massgebend sind. Hinsichtlich der Direktion unserer Organe genügt es zu sagen, dass sie insofern eine völlig beliebige ist, als man die- selben oft, z. B. Tabanus (Fig. 2), Chironomus (Fig. 5), in einem und demselben Segmente nach den verschiedensten Die chordotonalen Sinnesorgane der Insecten. b5l Richtungen, oder, wie man sagt, die Kreuz und Quer verlaufen sieht, wobei indess zu beachten, dass in jenen Fällen, wo ein Segment mehrere Paare dieser Stränge enthält, die Verschiedenheit ihrer Verlaufsrichtung durch die Wechsellagerung mit anderen Organen bedingt sein kann. Betreffs der quer und schief gelagerten Organe sei noch be- sonders bemerkt, dass hier, und zwar an einem und demselben Paare, sehr häufig Kreuzungen beobachtet werden (Fig. 2 s: Chr, ssCh,, Fig. 5 Chı, Ch;) in der Weise, dass z. B. die von den Seiten des Körpers gegen die Bauch- oder Rückenmittellinie sich erstreckenden Stränge nach entgegengesetzter Richtung über die- selbe hinausgehen, was gleichfalls im Sinne der Erreichung einer möglichst bedeutenden Länge erklärt werden kann. Endlich sei neuerdings hervorgehoben, dass die Chordo- tonalorgane im Ganzen eine relativ oberflächliche Lage einnehmen und überhaupt vorwiegend in solchen Regio- nen eines Segmentes vorkommen, wo sie vor den Be- wegungen anderer Theile, z.B. der Muskeln, des Darms ete. möglichst gesichert sind. Letzterer speciell macht, in der Regel wenigstens, eine Ausbreitung derselben durch den axialen Segmentraum geradezu unmöglich. Hinsichtlich ihrer Lagerung speciell in den Beinen sei noch bemerkt, dass sie in der Regel gegen die Streckseite zu sich befinden, und zwar meist an einer solchen Stelle oberhalb der Beintrachea, wo nur wenige oder gar keine Muskeln vorhanden sind. So verhält es sich namentlich betreffs der voluminöseren Tibialorgane der Orthopteren, Pseudoneuropteren und Formi- ciden. Da die Tibia, zumal in ihrem oberen subgenualen Raume auf der Streckseite fast ganz muskelleer ist, während die Integument-Hülse des Femur meist ganz von Muskeln erfüllt ist, so erscheint es mir auch leicht erklärlich, wesshalb die Chordo- tonalorgane ungleich häufiger im erstern als im letztern Abschnitt vorkommen. 552 Vitus Graber: II. Ueber die Verbreitung der Chordotonalorgane. a) Verbreitung in den einzelnen Ordnungen der Insekten. Wenn wir von den Eingangs erwähnten Angaben Lubbock’s und Burger’s absehen, so war das Vorkommen der Chordotonal- organe bisher nur bei den drei Ordnungen der Orthopteren, Coleop- teren und Dipteren nachgewiesen, während betreffs der vier übrigen Hauptgruppen, der Pseudoneuropteren, Neuropteren, Hymenopteren, Lepidopteren und Rhynchoten noch gar keine einschlägigen Daten vorlagen. Dem gegenüber erscheint nun die Verbreitung der Chordo- tonalorgane auf Grund meiner eigenen Untersuchungen in einem ganz andern Lichte. Obwohl ich nämlich dem Gegenstand verhältnissmässig nur wenig Zeit widmete, ist es mir doch gelungen, auch bei allen letztgenannten Gruppen diese Einrichtungen nachzuweisen und ich will nun in Kürze unter Verweisung auf die weiter unten (p. 558) folgende Verbreitungstabelle über die betreffenden Funde berichten. Hierbei beschränke ich mich aber ausschliesslich nur auf die sog. primitiven Vorkommnisse, indem die poriferen Organe an den Flügeln, die, wie ich vorausschicke, bei gar allen Insekten vorzukommen scheinen, später gesondert zur Sprache kommen. Pseudoneuroptera. Nach langem vergeblichen Suchen bei verschiedenen Imagines und Larven dieser Gruppe fand ich endlich bei einer eben gehäuteten Isopteryx ein stiftführendes Organ in der Subgenualgegend. Auf einige weitere Vorkommnisse werde ich noch zurückkommen. Neuroptera. Von passenden Untersuchungsobjekten dieser Gruppe standen mir zunächst ganz junge Larven von Mystaeides zu Gebote, an denen ich, wenigstens innerhalb der Beine, die stift- artigen Körperchen mit seltener Deutlichkeit wahrnehmen konnte. Dagegen verhinderte der reichliche Fettkörper den entsprechenden Einblick in das Innere des Stammleibes. Ausserdem bemerkte ich an den Beinen frisch entpuppter Chrysopa-Arten und zwar wie bei den Pseudoneuropten und Ortho- pteren in der Subgenualgegend ein streifiges, flügelförmig ausge- breitetes Organ, das ich, obwohl es mir wegen der geringen Durch- Die chordotonalen Sinnesorgane der Insecten. 553 sichtigkeit des Objektes nicht gelang, die Stifte selbst zu sehen, dennoch mit Rücksicht auf den mir durch viele Erfahrung genau bekannten eigenthümlichen Habitus, entschieden als ein chordo- tonales ansprechen zu dürfen glaube. Lepidoptera. Hinsichtlich dieser Insekten beziehungsweise ihrer Larven vermochte ich mir lange keine Gewissheit zu ver- schaffen. Zahlreiche, anscheinend sehr geeignete Minirmottenräup- chen, die ich zuerst vornahm, erwiesen sich alle als zu wenig durehsichtig. Dagegen kam ich an ganz jungen Apfelwickler- larven, behufs deren Beschaffung man aber oft hunderte von Früchten vergeblich öffnet, insoweit ans Ziel, als ich wenigstens an den meisten Segmenten einen den Längs-Haupttracheenstamm hinter dem Stigma schief durchkreuzenden faserigen Strang bemerkte, der ganz das Aussehen und die Lage des bei der später zu erwäh- nenden Form vorkommenden Chordotonalorganes hat. Die Stelle, wo vermuthlich die Stiftkörper liegen, war ganz vom Fettkörper eingehüllt. — In ausgezeichneter Klarheit fand ich dann aber das Gesuchte an eben ausgeschlüpften Räupchen einer Wassermotte, Tortrix serophulariana, die bekanntlich zwischen versponnenen Blattstücken des Froschlöffels leben, und, nachdem sie mit dem Pinsel von den bei Wasserinsekten so häufig verkommenden, an- haftenden Fremdkörpern gesäubert sind, einen seltenen Grad von Durchsichtigkeit zeigen. Die betr. Organe (Fig. 10, Chs, Ch;) liegen seitwärts in den aufeinanderfolgenden Segmenten und überbrücken, in schiefer Rich- tung von vorne nach hinten ziehend, nicht weit hinter den Stigmen (Sta, sts) die Längshaupttrachea (Tr). Die Stifte liegen etwas ausser- halb der letzteren, sind aber bisweilen wegen des darunter befind- lichen Fettkörpers schwer zu sehen, weshalb man, um eine durch- sichtige Stelle zu finden, alle Segmente durchmustern muss!). 1) Nach einer jüngst erschienenen Arbeit von Cattie (Beiträge zur Kenntniss der Chorda supra-spin. d. Lepidoptera u. d. Nervens. d. Raupen, Zeitschr. f. wissensch. Zoologie 35. Bd. 2. Heft) zu urtheilen, dürfte der Chordotonalnery dem hintersten oder dritten spinalen Nervenpaare (Taf. 16 Fig. 10 4g) angehören. Von den chord. Organen bat Cattie nichts gesehen. Hier sei noch erwähnt, dass u. A. auch die Scorpioniden eine stark entwickelte Chorda supraspinalis besitzen und dass deren histol. Structur eine ähnliche wie bei den Lepidopteren ist. Auch möchte ich darauf aufmerksam machen, dass der infraspinale Blutsinus keineswegs auf die Lepidopteren beschränkt ist, sondern von mir 554 Vitus 'Graber: Hymenoptera. Betreffs dieser Insekten, die sonst doch so reich an anscheinend sehr geeigneten Larven sind, erging es mir ähnlich wie bei den Schmetterlingen: ich konnte lange kein passen- des Objekt ermitteln; denn die vielen Schlupfwespenlarven, die ich, und, wie gewöhnlich, mit Hülfe des Quetschers untersuchte, hatten einen zu reichlichen Fettkörper. — Endlich kamen mir ganz junge, bekanntermassen in erbsenartigen hohlen Gallen der Weidenblätter verborgene Afterräupchen des Nematus viminalis L. unter die Hände, an denen ich gar bald meinen Zweck erreicht sah. Die Organe liegen hier ganz ähnlich wie die der früher er- wähnten echten Raupen, nur dass sie (Fig. 6 Chs, Ch; vgl. mit Fig. 10) nieht schief von vorne nach hinten, sondern in umgekehrter Richtung verlaufen und die Endfaser nicht wie bei Tortrix (Fig. 10) an der Laterallinie (a) befestigt ist. Zu diesen dermalen freilich noch höchst lückenhaften Nach- weisen kommen dann noch die schon in der Einleitung erwähnten Funde in den Tibien der Formiciden. Rhynehota. Wie sich zeigen wird, bieten meine Unter- suchungen bei diesen Thieren manches Lehrreiche dar. Da ich ganz jungeWasserwanzen (Nepa, Naucoris, Corixa!) ete.), von denen ich mir viel versprochen hatte, gerade als ich sie brauchte, nicht auftreiben konnte, ging ich zunächst an die Untersuchung verschiedener neugeborener Blattläuse, bei denen wenigstens die Extremitäten hinlänglieh durchsichtig waren, konnte aber trotz aller Mühe keinerlei Stifte mit Sicherheit unterscheiden. In Ermangelung anderer geeigneter Formen gab ich nun die Sache endlich ganz auf, indem iek mich damit tröstete, dass die Allgemeinheit der Verbreitung unserer Organe ja schon durch die früher angegebenen Funde hinlänglich dargethan sei. Im Verlauf der Ausarbeitung dieser Schrift drängte sich mir indess fortwährend das Bewusstsein einer so bedeutenden Lücke in beunruhigender Weise auf, und so nahm ich denn schliesslich, und Anderen bei verschiedenen Ordnungen (z. B. den Orthopteren und Neu- ropteren) nachgewiesen wurde (vgl. diesbezüglich meine Schrift über den pul- sirenden Bauchsinus der Insecten, Dieses Archiv T. XII, sowie „Organismus der Inseceten“, München 1876.). 1) An inzwischen wiederholt untersuchten eben aus dem Ei geschlüpften Corixcolarven vermochte ich keine chord. Organe aufzufinden; dagegen be- obachtete ich an den Tibien eine am tarsalen Gelenk ausmündende Drüse. Die chordotonalen Sinnesorgane der Insecten. 555 um Nichts unversucht zu lassen, meine Zuflucht zu den hier in jeder Jahreszeit in schwerer Menge zu habenden — Läusen. Allein auch an diesen Objekten, und obwohl ich mich selbstverständlich an möglichst junge und z. Th. auch an ausgehungerte Individuen hielt, suchte ich viele Tage vergebens und zwar, ich möchte sagen, Faser für Faser ab, so dass mir schon die Geduld riss. Da bemerkte ich aber zu guterletzt, und: zwar zuerst bei einer jungen Kleiderlaus, eine eigenthümliche auf Stifte hinweisende Bildung in den Oberschenkeln sämmtlicher Beine und war dann auch bald so glücklich, mich vom ehordotonalen Charakter des be- treffenden Organes zu überzeugen. Nunmehr hielt ich es für eine leichte Sache, dasselbe auch bei Phthirius nachzuweisen; konnte aber zwei Tage lang absolut Nichts auffinden, und nur mein durch die früheren Erfahrungen wohl berechtigter Glaube, es muss vorhanden sein, liess mich die Untersuchung fort und fort auf neue Individuen ausdehnen, und siehe, endlich wurde meine Bemühung von Erfolg begleitet. Ich berichtete diesen Hergang deshalb umständlicher, weil man daraus wohl am Besten ersieht, worauf es bei diesen Studien ankommt, und dass das Bekannte „wer sucht, der findet“ vielleicht nicht bald auf irgendwelche Dinge besser passt, als auf die vor- liegenden. Was dann endlich die Verbreitung der Chordotonalorgane bei jenen Ordnungen anlangt, bei welchen man das Vorkommen derselben schon früher gekannt hat, so kann ich mich vorläufig unter Ver- weisung auf das Spätere mit der Bemerkung begnügen, dass es mir gelang sehr zahlreiche neue Vorkommnisse zu konstatiren'). Mit Rücksicht darauf, dass die Chordotonalorgane bis nun hauptsächlich nur an durchsichtigen Objekten und besonders an Larven nachgewiesen wurden, wird man künftig die Studien auch auf undurchsichtige Objekte, resp. auf die Imagines auszudehnen haben, und ich zweifele nach den bisherigen Ergebnissen keinen Augenblick, dass man unter Anwendung der richtigen Methode bald dahin gelangen wird, sagen zu können, dass diese meist rein innerlichen Empfindungsorgane ebenso weit ver- breitet sind wie gewisse andere, aber mehr an die Ober- 1) An mehreren vor Kurzem untersuchten jungen aber wenig durch- sichtigen Tysanopteren kam ich zu keinem positiven Resultat. 556 Vitus Graber: fläche sich hervordrängende und daher ungleich besser erkannte Sinneseinrichtungen, wie etwa die Seh- und Tastwerkzeuge. Wenn ich auf Grund der vorliegenden Thatsachen die Chordo- tonalorgane in der Klasse der Insekten für sehr weit, ja für all- gemein verbreitete Bildungen ansehe, so scheint es mir damit gleich- wohl ganz gut vereinbar, wenn dieselben auch bei einzelnen Formen gänzlich fehlen sollten. Ich darf nämlich nicht verschweigen, dass Letzteres in der That bei gewissen Insekten der Fall zu sein scheint. Hierbei habe ich in erster Linie die von mir untersuchten Ephemeridenlarven (Clo&@ und Baetis) vor Augen, von denen mir beliebige Mengen ganz exquisit pellueider z. Th. aus dem Ei ge- zogener Individuen zur Verfügung standen und bei denen ich trotz wiederholter und umsichtigster Durchmusterung, speciell auch an den Extremitäten, bisher absolut Nichts aufzufinden vermochte. Wenn ich es aber auch hier nach dem negativen Ergebniss der Beobachtung zu urtheilen für wahrscheinlich halten muss, dass unsere Organe ausnahmsweise ganz und gar fehlen, so gestehe ich doch offen, dass ich von ihrem Mangel noch lange nicht überzeugt bin und ich werde es — trotz so vieler resultatloser Bemühungen — nicht versäumen, bei der nächsten sich bietenden Gelegenheit sie abermals zu suchen und zwar in der Hoffnung, sie auch wirk- lich aufzufinden. Zum Schlusse noch Eines. Im Gegensatz zu den Grund- elementen anderer Sinnesorgane der Insekten, z. B. der Sehstäb- ehen, welche, und zwar z. Th. sehr gleichartiger Weise, auch den übrigen Arthropodenklassen, namentlich den nächst verwandten Myriopoden und Arachniden zukommen, wurden bekanntlich die so überaus charakteristischen Chordotonalstifte bez. Organe bisher ausschliesslich nur bei den Ersteren angetroffen). Mit Rücksicht auf die grosse anatomische und vielfach auch biologische Uebereinstimmung zwischen den letztgenannten Glieder- füsslern und gewissen Insekten (namentlich den Larven derselben) erscheint es nun sicher sehr befremdend, dass gerade diese aller 1) Ob vielleicht gewisse u. A. von Leydig und Claus beobachtete in der Nähe der Augen mancher Branchiopoden befindliche Sinnesorgane mit den chordotonalen Bildungen irgend eine nähere Analogie besitzen, lässt sich auf Grund der bisherigen Angaben kaum entscheiden. Die chordotonalen Sinnesorgane der Insecten. 557 Wahrscheinlichkeit nach einem wichtigen Perceptionsbedürfniss dienenden Theile auf die Hexapoden beschränkt sein sollen, und eine weitere sorgfältige Umschau in dieser Beziehung muss sicher als zeitgemäss betrachtet werden. Im Augenblick bin ich aber nach einer nur flüchtigen Orien- tierung bei mehreren jungen Spinnen und Wassermilben nur in der Lage zu sagen, dass ich in den Beinen derselben Nichts Be- stimmtes dieser Art zu unterscheiden vermochte. b) Verbreitung in den verschiedenen Körpertheilen. Ein Blick auf die umstehende Tabelle, in der ich bei den einzelnen bisher auf die Chordotonalorgane untersuchten Insekten das Vorkommen derselben in den verschiedenen Haupttheilen des Körpers übersichtlich zusammenstellte, lässt sofort erkennen, wie ausserordentlich lückenhaft unsere Kenntniss in dieser Beziehung noch ist, indem die in Rede stehenden Einrichtungen bei den einen Arten nur im Stammkörper, bei den anderen nur in einzelnen Gliedmassen und auch hier in der Regel nur auf beschränkten Strecken nachgewiesen sind und nur ausnahmsweise, wie bei der Larve von Dytiseus, ihre Verbreitung über den Gesammtkörper, d. i. über Stamm und Anhänge, ziemlich vollständig klar gelegt erscheint. Der Kürze wegen bezeichne ich künftig die im Rumpf vor- kommenden Chord.-Organe als truncale, die der Gliedmassen als membrale, und will dieselben nun einzeln durchgehen. Truncale Chordotonalorgane. Wo die Beschaffenheit des Untersuchungsobjektes eine allseitige Durchforschung des Stamm- körpers zulässt, zeigt es sich, dass die hier vorkommenden Organe dieser Art zwar nicht ganz allgemein aber doch in der Regel einen segmentalen Charakter besitzen, d. h. dass sie, wie dies zuerst Leydig bei Corethra entdeckte und dann Weissmann für das gleiche Insect in sehr bestimmter Weise aussprach, analog manchen andern Bildungen in den meisten oder doch in mehreren Segmenten in gleichartiger Ausbildung wiederkehren. Hinsichtlich dieser metamerischen Verbreitung hat man aber wieder zu unterscheiden den Fall, wo in jedem Segment nur ein Paar der betreffenden Organe vorkommt und den andern, wo, wie dies zuerst Grobben bei Ptychoptera beobachtete, alle oder doch Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd, 20, 36 Vitus Graber: 558 mr n 4 nn | ä ST ww _ De = u Bu.) ln bei ge) — —— auge + Fe |zogeıg ssporH atpkort N =) — + + + + ++ > daageaın) Sıpkary (AtBr] pun oSeup) snosty a Ba pe +e.+rmc.+ - |--1-|— STIOINGN =y — _ -{1- - ---- stIOo9TdoAT, -V — _— —— — 0 - |-—-|—- ®PP9UOION eIoyouÄyy _—— — Tiere a rer la a Ei BEL TH = — Terre meer = BER BEUTE CH) - 2 Para care ee er n Be —_ y +) + 2)----.=- | + aaqe.ın) (oAaerp) sopromgsipg, TOrdoman ee as a = Tel | u “ ee era | nondonng — 19 le+le+-erl — 1-1 || — om "ag dogean) | uoprmmo], pun uopraowoydsg) erdoqo Sa 23 2 5. —- 2 el ae = “ vnOTAIO] ei. = 4 + +. — --_-[- Zi— —_ aagqeın) e9ruewmIod vYyeIg _—— —- +4 +- + —- |--i-i-| = F 9epIpLOYy| 8aordoq1g Er | + +++) — 1 --i-/-1 164 — r seprkag —— % | + *H ai eo = aageırn PIogeIs O8pr}snoorg | 3 B 81 8% 3 Aa B & 8 I = ie Ss |BlejEls|e Erensjie| os Eis) 5 |EIE58| 3% (eltleldıeıs =. uo99suf En Ba |E|e 2 | 2 een saoyyoegoag 8 E ae re = \glalsisı® u9P9SUT UAUJEZUIO AOP OUBN dp 5 © oe ws 8 PS sop 9ueN { | - [ar ar PB 3 | [of | unupao 5 uruegg UA SUrag oproygpunm UOFEITWOAIXT "yorurotppsaygem Isyo9U 247148 Aap souol xoqw TagoM “urofe U9A92I0] AEp uouWoNLoN sep 7 “uoyooaysyuoumdoruf uaaoyrıod ur Sunpurgaoy ur uoyo1adıoyy dodtyLegyts osuago & ‘uogpaodıoyy uas1N1I7778 UOA SUEWWONLON SOP STIOMUOBN Up yonapaq = oıreqeL "uO499SUJ AOP AUBFLOSAUUIG USTEUOFOPAOYO 19op Funyroagaoy Pu9soLmoadyoeu doysıq oIp aoqn 559 Die chordotonalen Sinnesorgane der Insecten. OAIIT | | III I I I I IT © w=] [2] PFEFFER Na Dee U O0 U Pan De Don FRE NO IE DER PRo 24. CR nik >65 ode Dr EHRE, 20 srorH \ deqeag SyDI aodıng aaqean “ “ «“ aoquan) “ uagqgqoan) uusustoay S1PÄor] aaqean) “ “ Sıpfor] SYPIH Z j eqeag NOoqqn E u | Joe.) _— “ | syoLH ne | dagqean) _— | “ Pr u in “ u “ 5 rt. ” B17soUBE (OAler]) xXL1do]L, | uaAıer] (OArer]) sıpsuruuta suyewoN enpoN xÄquog ®104dopıdory | snydaig) sndÄupf, SNWOUOLL) snuege], xomy) 810jdoyoä4T Bauj9do) snjısy eLÄwmouso,) snpalsÄäg. sıdwurg orqueg sı80784) suydaarıpom. eyuÄg sıydarg snuwge] xayng “endıy, 090 uöugdoguog Sony] we eaoydı(] USPIOTULIOT soypeıgdy snquog eLıpuvpag snyewoNn uorydo opaayyua], ®10}douswäy SAAB] BUNUOLOION xÄqumaa/) snjtydoapky vruoaaT ®]9U10009 I %8193d0910) » 560 Vitus Graber: mehrere Somiten je zwei oder auch mehrere Paare soleher Bildungen besitzen, die dann in der Regel sowohl hinsichtlich der Zahl ihrer Elemente als auch betreffs ihrer Lagerungsweise mehr oder weniger von einander verschieden sind. Um mit dem ersteren, dem monozygen Verhalten zu be- ginnen, so wurde dasselbe bisher bei Corethra und dann von mir selbst bei einer Schwimmkäferlarve sowie bei Nematus und Tortrix nachgewiesen. Ob auch, wieGrobben angibt, die Chord.-Organe von Culex monozygisch sind, muss vorläufig desshalb dahin gestellt bleiben, weil uns der genannte Autor über die näheren Umstände ihres Vorkommens gänzlich im Unklaren lässt. Bei keinem der bezeichneten Insecten ist aber die Verbreitung der Chordotonalorgane über alle Rumpfseg- mente beobachtet, wie dies Grobben ausdrücklich von Culex behauptete, sondern bei Corethra beschränken sie sich nach Weis- mann auf das 4. bis 10. Segment (in letzterem habe ich sie selbst noch nicht gesehen), bei Nematus und Tortrix auf den ersten bis achten Abdominalring, so dass also bei diesen Formen die Brust- sowie z. Th. die letzten Hinterleibssegmente ohne Chor- dotonalorgane sind, und dasselbe scheint bei der erwähnten Schwimmkäferlarve der Fall zu sein. Die in Rede stehenden Organe verhalten sich somit hinsicht- lich ihrer Verbreitung ähnlich, wie gewisse andere von Segment zu Segment sich wiederholende Bildungen, wie z. B. die Stigmen, die Ganglien der Bauchkette u. s. w., die gleichfalls in den letzten räumlich sehr beschränkten und anderweitig oceupirten Leibes- ringen nicht vorkommen. Ist schon die genaue Verfolgung der monozygen Verbreitung oft mit unüberwindlichen Schwierigkeiten verbunden, so ist dies selbstverständlich bei der polyzygen in noch viel höherem Grade der Fall, und man wird sich bei den meisten der betreffenden Thiere wohl noch lange Zeit mit einer fragmentarischen Kenntniss der einschlägigen Verhältnisse begnügen müssen. Wenn ich nichtsdestoweniger die bisher hierüber eruirten Daten einzeln anführe, so geschieht es nur desshalb, damit die künftige Forschung doch einige Anhaltspunkte hat. Den ersten Fall von Polyzygie hat Grobben bei Ptychoptera konstatirt, hier liegt nämlich im 3., 5., 10. und 11. (vorletzten) Rumpfsegment je ein Paar polyscolopischer, zweitens im 11. und 12. Die chordotonalen Sinnesorgane der Insecten. 561 ein Paar diseolopischer und drittens im 11. ein Paar. monoscolo- pischer Organe, so dass also auf das vorletzte Segment nach dieser Darstellung (und wenn ich des Autors z. Th. nicht ganz bestimmte Angaben richtig interpretirt habe) im Ganzen drei verschiedene Paare dieser Bildungen entfielen, während die zwei ersten Leibes- ringe und ferner, was a priori unwahrscheinlich, das 6. bis 9. Segment ganz leer ausgiengen. Weitere Beispiele von Polyzygie fand ich dann selbst bei verschiedenen Chironomus und Tabanus. Bei beiderlei Verbreitungs- Typen liegen mir aber, wie schon oben angedeutet, nur einzelne und in Folge der je nach der Lage des Thieres oft scheinbar ganz ungleichen Situirung der betr. Organe, noch dazu sich z. Th. wider- sprechende Daten vor. | Bei Chironomus zunächst beobachtete ich Folgendes. Erstens (und zwar an einem und demselben Individuum) vom 2. bis inel. 8. Segment ein Paar discolopischer Organe, welche schief von der Seite des Vorderrandes nach hinten und innen ziehen (Fig. 5 Chı), und ausserdem noch im 2. Segment ein gleichfalls discolopisches quer durch die Mitte des Ringes laufendes Gebilde (Fig. 5 Chs). Zweitens beobachtete ich (aber an einem andern Individuum ev. an einer andern nahe verwandten Art) im 2. Ring ein anders situirtes Organ (Fig. 5 Ch;), das ich, sowie das querverlaufende, dann auch bei Tanypus in mehreren der mittleren Segmente wiederfand. Relativ am Genauesten kenne ich die Verhältnisse bei Tabanus. Die Chordotonalorgane beginnen hier am zweiten Rumpf-, bez. wenn man den die Mundtheile tragenden vordersten Stammabschnitt für ein Segment ansieht, am 3. Körperring und verfolgte ich die- selben bis zum vorletzten oder Aftersegment. Gemeinsam für alle diese Segmente ist es, dass darin nur uni- und triscolopische Or- gane vorkommen (nur manchmal schienen mir letztere vier Stifte zu enthalten); die Zahl und Anordnung derselben ist jedoch, wohl im Zusammenhang mit der Verschiedenheit der Form und Ein- richtung der betreffenden Körpertheile, im ersten scolopoferen Seg- ment etwas anders, wie in den folgenden, von denen ich aber vor- wiegend nur das vorderste genauer abgesucht habe. Im erstgenannten Ring beobachtete ich an ein Paar Dutzenden von Individuen stets nur zweierlei Organe, nämlich ein (ganz sicher) triscolopisches (Fig. 2 s3 Ch>), das eine fast genau longitu- dinale Richtung einhält und dann ein uniscolopisches, die Endfasern 562 Vitus Graber: des genannten quer überbrückendes Gebilde (s Chi), das aber oft lange gesucht werden muss, und dessen seitlich zwischen den ge- wöhnlichen Hautsinneszellen gelegenes Ganglion (s; Ch; g) leicht mit ersteren verwechselt werden kann. Am nächsten Segment gehen dagegen meine Beobachtungen an verschiedenen Individuen scheinbar auseinander. Im ersten Fall beobachtete ich nämlich nebeneinander 1. ein triscolopisches System (f. 23 Chs), dessen getrennte Endfasern lateralwärts gerichtet sind und 2. ein Paar uniscolopischer, sich kreuzender Organe mit nahe der Medianlinie nach hinten gerichteten Endfasern. Im zweiten Fall unterschied ich dann dreierlei Organe: 1. ein triscolopisches Organ (s; Ch;) mit nach innen und hinten gerichteten Endfasern (das Ganglion hart an der Laterallinie); 2. ein dito System (s; Chs) fast parallel mit dem ersten, aber weiter einwärts gegen die Medianlinie gelegen und 3. ein uniscolopisches Organ (s3 Cha), das letztgenannte an den Endfasern rechtwinkelig kreuzend. Im dritten Fall endlich sah ich ausschliesslich nur ein uniscolopisches Kreuz-Paar (ss Ch,) nahe der Laterallinie. Wenn wir nun auch annehmen, dass das letztere nur einmal beobachtete laterale Kreuz-Paar mit dem medianen identisch sei, indem dasselbe vielleicht in Folge einer etwas andern Situirung des Gesammtleibes etwas seitwärts gerückt ist, so muss doch das neben ihm beobachtete polyscolopische System (s3 Cha) wegen der ganz differenten Lagerung als eine von den zwei anderen mehr- stiftigen Organen verschiedene Bildung betrachtet werden und wir haben also an diesem Segment mindesteäs dreierlei triscolopische und zweierlei uniscolopische, im Ganzen somit fünferlei Chordotonalorgane zu unterscheiden. Hinsichtlich mehrerer der folgenden Segmente konstatirte ich nur, dass sie wenigstens zweierlei triscolopische Organe und ein monoscolopisches besitzen; da letztere Seginente aber wegen der Aus- breitung des Darmes und der Ganglienkette (vgl. Fig. 1) weniger zu- gänglich sind, sonst aber mit dem eben besprochenen übereinstimmen, halte ich es für höchst wahrscheinlich, dass auch ihr Verhalten hinsichtlich der Stiftorgane ein ähnliches sei. Was dann die nicht segmental sich wiederholenden Vorkomm- nisse anlangt, so erinnere ich diesfalls einmal an die Tympanal- organe der Acridier, dann an die gleichfalls sehr stiftreichen von Leydig nachgewiesenen Chordotonalsysteme am Brustganglion der Die chordotonalen Sinnesorgane der Insecten. 563 Museiden und endlich an das gabelförmige Organ bei Tanypus, von dem es aber wie z. Th. auch von den früher genannten Vor- kommnissen, noch lange nicht feststeht, ob es wirklich nur auf ein einziges Segment beschränkt ist. So ausserordentlich unvollständig nun auch, wie wir gesehen haben, die Verbreitung der stiftführenden Organe innerhalb des Stammleibes bekannt ist, das Eine ist doch jetzt schon hinlänglich festgestellt, dass derselbe und zwar in den verschiedensten Regionen mit diesen Einrichtungen versehen ist, ja dass sich darin viel- fach ein ganzes Netz solcher saitenartiger Sinneswerkzeuge ausspannt. Membrale Chordotonalorgane. Aus der oben eingeschalteten Verbreitungstabelle ist zu ersehen, dass die stiftführenden Stränge schon dermalen mit alleiniger Ausnahme der zu ihrer Aufnahme wohl kaum geeigneten Kauladen (Mandibein und Maxillen) sowie der gleichfalls, vielfach wenigstens, unpractikabeln Vorderflügel, in sämmtlichen Gliedmassen des Kopfes und Stammes nachge- wiesen sind. Dabei ist allerdings gleich zu bemerken, dass diese allgemeine Verbreitung nur in einem Falle, bei der Dytiscus-Larve, bei einem und demselben Thiere beobachtet wurde, während bei andern Unter- suchungsobjecten ihr Vorkommen in der Regel bloss an zwei oder drei Extremitäten eruirt ist. Fühler, Hier wurden die scolopoferen Organe zuerst von Leydig und zwar an der mehrerwähnten Dytiscuslarve und bei Telephorus entdeckt. An der im Ganzen fünfgliedrigen Antenne des ersteren Objectes fand Leydig (Lit. 8, Taf. 10, Fig. 3) einmal im 2. Gliede innerhalb eines gemeinsamen breiten nervösen Bandes, das sich distalwärts in vier wahrscheinlich, z. Th. wenigstens, als Endfaserstränge aufzufassende Fäden sondert, im Ganzen 6 fast in einer Höhe liegende Stifte, und dann noch im vorletzten Segment einen Stift. Bei Telephorus dagegen (Fig. 5) erscheinen die Scolo- pophoren auf eine einzige Stelle beschränkt, bilden aber ein unge- mein reich entfaltetes System von nicht weniger als vierzehn Ele- menten. Ich selbst beobachtete derartige Organe an diesen Anhängen, obwohl ich bei mehreren sehr durchsichtigen Objecten (Mystacides, Aphiden etc.) darnach fahndete, nur noch bei Phthirius und zwar 564 Vitus Graber: im 2. Gliede. Hier sah ich nämlich und zwar im mittleren Theil und in schiefer Lage zwei Paare. von Stiften. Mundtheile.. An diesen Gliedmassen wurden die Chord.- Organe bisher nur bei einer Schwimmkäferlarve und zwar an der Unterlippe und an den beiden Tasterpaaren beobachtet. Nach ihres Entdeckers (Leydig) Angaben, die ich bestätigen kann, sind die Stifte an der Unterlippe nur auf das Mentum be- schränkt, während sie an den Tastern an mehreren Stellen (resp. Gliedern) auftreten. Es ist wohl überflüssig, zu bemerken, dass sicherlich auch die Mundtheile anderer Inseeten mit diesen Organen versehen sind. Hier möchte ich noch kurz die Frage anregen, ob die Chord.-Organe, da sie an den Anhängen des Kopfes vorkommen, nicht doch vielleiechtauch in diesem selbst, wo sie aber bisher noch nie gefunden wurden, auftreten. Beine, mit besonderer Berücksichtigung der sub- genualen Vorkommnisse. Im Vergleich zu den cephalen Glied- massen, an denen die Chord.-Organe, wie wir eben erfuhren, bisher nur ganz vereinzelt zur Beobachtung gelangten, ist ihr Vorkommen an den ventralen Gliedmassen (und dasselbe gilt in noch höherem Grade von den dorsalen Extremitäten) ungleich häufiger konstatirt worden und kann ich zu den bisherigen Funden noch manche neue und zwar z. Theil höchst interessante hinzufügen. Was nun die Verbreitung dieser pedalen Vorkommnisse inner- halb der einzelnen Glieder des Beines anlangt, so unterscheide ich zunächst zwei Fälle: den, wo diese Bildungen, ähnlich wie in den Palpen der Schwimmkäferlarve, über zwei oder mehrere Segmente zerstreut sind (polytopische Vorkommnisse), und den, wo sie, ähnlich wie am Telephorus-Fühler, auf ein einziges Segment bez. auf eine einzige Stelle beschränkt oder localisirt erscheinen (Mono- topische Vorkommnisse.) Ich sage „erscheinen“, weil es immerhin möglich ist, dass neben den factisch beobachteten Vorkommnissen noch andere vor- handen sind, die sich in Folge ihrer Lage oder ihrer geringen Entfaltung den Blicken bisher entzogen haben. Das Vorkommen an mehreren Stellen beobachtete zunächst Leydig bei Dytiscus, wo (vgl. unsere Fig. 70) diese Organe an drei getrennten Orten auftreten, nämlich 1. in der Mitte des ersten Tarsalgliedes (Ch) mit ungefähr 6 Stiften, 2., mit Uebergehung Die chordotonalen Sinnesorgane der Insecten. 565 des mittleren Tarsalgliedes, im proximalen Abschnitt des letzten (dritten) Tarsalgliedes (Ch>) mit nur zwei Stiften und 3. am distalen Ende desselben Segmentes (Ch;) mit ca. 3 Stiften. Während hier alle genannten drei Vorkommnisse auf den Tarsus beschränkt erscheinen, tritt nach meiner Beobachtung bei Mystacides das tarsale Organ neben einem tibialen auf. Ersteres (Fig. 66 ta—Ch Punctlinie) liegt ganz am distalen Ende des ersten Gliedes und kann somit auf keinen Fall mit dem medial gelagerten Dytiseus-Organ desselben Gliedes homologisirt werden. Es befindet sich auf der Streckseite zwischen zwei langen Borsten, wesshalb es leicht wieder aufzufinden ist. Das tibiale Organ (ti—Ch) hat genau dieselbe Lage am be- treffenden Abschnitt, wie das tarsale, es befindet sich nämlich auch am äussersten distalen Abschnitt und zwar gleichfalls zwischen zwei Borsten. Auch für dieses Vorkommen weiss ich bei anderen Ordnungen kein Homologon. Beiderlei Vorkommnisse haben nur, ähnlich den tarsalen Dytis- eus-Organen, eine äusserst schwache Entfaltung, da sie bloss zwei, vielleicht drei Stifte umfassen. Uebergehend auf die monotopischen d. h. nach den bisherigen Beobachtungen nur auf eine Stelle des Beines beschränkten Vor- kommnissen, so unterscheide ich femorale, tarsale und subgenuale Bildungen. Erstere beide erscheinen im Vergleich zu den letzteren weit seltener, sind aber insofernn sehr interessant, als sie uns lehren, dass die Localisation dieser Organe keineswegs, wie man nach den bisherigen Daten schliessen musste, lediglich an die Subgenualgegend gebunden ist. Die femoralen Bildungen fand ich bisher ausschliesslich nur bei den Pedieuliden. Sie erstrecken sich (Fig. 36, 37), was wohl von der Kürze des betreffenden Gliedes abhängt, durch die ganze Länge desselben und zeigen hinsichtlich der Zahl der Stifte eine ähnliche starke Entfaltung wie die subgenualen Bildungen. Bei mehreren andern Rhynchoten kommen sie entschieden nicht vor, und dasselbe muss ich vorläufig betreffs anderer Ord- nungen behaupten. Das monotopische Tarsalorgan fand ich bei einer jungen Melolontha-Larve. Es liegt (Fig. 67 St) im Ganzen ähnlich wie das (in Fig. 70 abgebildete) oberste Tarsalorgan von Dytiscus, und 566 Vitus Graber: da die betreffenden beiden Thiere derselben Ordnung angehören, ist es a priori, wovon übrigens noch später, wahrscheinlich, dass diese Uebereinstimmung auf Homologie d. i. auf gleichem Ursprung beruht. Das nähere Detail der Lage und Gestaltung dieses Organs ergiebt sich aus den Abbildungen Fig. 67 und 68. Der Chord.- Nerv (Fig. 67 n) läuft längs der Haupttrachea (tr), durchkreuzt diese ungefähr in der Mitte des Gliedes und schwillt dann ganz allmählich zu einem sehr langen kolbenförmigen Ganglion (g) an. Auf letzteres folgt wieder eine längere halsartige Einschnürung und darauf eine dem Ganglion ähnliche Auftreibung, in der die durch ihre äusserst lichtbrechenden und dieken Köpfe ausgezeich- neten Stifte (St) liegen. Der relativ breite Endfaserstrang be- festigt sich am unteren Ende des Gliedes (e). Mit Rücksicht auf das Verhalten bei Dytiscus fiel es mir auf, dass ich im folgenden Endglied des Tarsus keine Stifte entdecken konnte, was übrigens, wie ich nicht oft genug betonen kann, noch kein strenger Beweis ist, dass sie hier wirklich fehlen. Ich komme nun zu den subgenualen Vorkommnissen, die einerseits wegen ihrer weiten Verbreitung und andererseits wegen ihrer Beziehung zu den tympanalen Bildungen ein ganz be- sonderes Interesse bieten. Es scheint mir nicht unpassend zu sein, wenn ich die ein- schlägigen Beobachtungen in ihrer historischen Aufeinanderfolge darlege, denn man wird dann sehen, zu welch’ schönen Resultaten die angewandte inductiv-deducetive Methode führt. Das erste subgenuale Vorkommen wurde bekanntlich von Siebold bei den Locustiden oberhalb der Crista, und, gleich der letzteren, ausschliesslich nur an den mit Tympanis versehenen Vordertibien aufgefunden. Ich wies dann in meiner mehrfach eitirten Arbeit nach, dass dieses supratympanale Organ, wie ich es nannte, bei den Gryliodeen an derselben Stelle, aber ohne Ver- bindung mit einer Crista, jedoch auch im Zusammenhang mit einem Tympanum, auftrete, dass es also factisch ein besonderes für sich allein zu betrachtendes Organ sei. Mit Rücksicht darauf, dass andere pedale Vorkommnisse, wie z. B. die von Leydig entdeckten tarsalen Dytisceus - Organe in gleicher Weise an sämmtlichen Beinen ausgebildet sind, sowie aus andern Gründen, erachtete ich es schon damals Die chordotonalen Sinnesorgane der Insecten. 567 als nicht unwahrscheinlich, dass die subgenualen Bildungen der Loeustinen und Gryllodeen auch an den Mittel- und Hinterbeinen vorkommen, ja ich suchte dieselben, wie in der genannten Arbeit zu lesen, auch bei den mit abdominalen Tympanalorganen ver- sehenen Acridiern, jedoch überall, was bei der Natur dieser Objecte nicht befremden wird, vergeblich. Im Laufe der vorliegenden Arbeit, bei der ich zuerst die Verbreitung der Vorkommnisse im Stamme und dann jene in den Flügeln studirte, wurde in mir die Ueberzeugung, dass auch die pedalen Vorkommnisse und insbesondere die subgenualen eine weitere Verbreitung besitzen, immer mehr befestigt. Mit Eintritt dieses Sommers wandte ich mich nun auch der neuerlichen Untersuchung der letzteren zu, wobei ich das Verfahren befolgte, dass ich mir mit dem Streifsack eine grosse Anzahl (vorwiegend kleiner) Insecten aus allen Abtheilungen sammelte, dieselben in grosse Glasgefässe gab, wo sie sich grösstentheils an den Wänden halten, und dann jene zur Mikroskopirung auswählte, die mir verhältnissmässig gut durchsichtige Beine zu besitzen schienen. Meine Geduld wurde aber auf eine sehr harte Probe gestellt; denn ich untersuchte nach der angegebenen Methode mehrere Wochen lang ohne nur das geringste sichere positive Resultat zu erzielen. Endlich stiess ich aber auf ein Object, nämlich auf eine eben aus- geschlüpfte Isopteryx, an dem ich meine Mühe belohnt fand. An- fangs vermochte ich allerdings auch an den relativ sehr pellueiden Beinen dieses Insectes, offenbar wegen ihrer dichten Haarbedeckung, Nichts zu sehen und wollte schon von der weiteren Beobachtung abstehen; zu rechter Zeit fesselte aber noch eine scharf umschrie- bene helle rundliche Stelle an der Streekseite der Tibia und ziem- lich weit unterhalb des Kniees (Fig. 78 Ch) meine Aufmerksamkeit. Mit der Tauchlinse erkannte ich nämlich darin sofort die mir wohlbekannten Stifte. Das betreffende Organ (Fig. 79) zeigt zunächst eine Reihe von ca. sieben Scolopophoren (Sec), welche sich in schiefer Richtung von der Trachea, die ungefähr die Mitte des Beines einnimmt, bis zur Aussenwand des letzteren erstreckt. Diese Scolopophoren- Reihe liegt in einem hellen ovalen Felde, das ich, da kein Tympanum zu bemerken, als den optischen Ausdruck eines von Bindegewebe umschlossenen Blutraumes betrachte. Bei genauer Beo- bachtung sieht man ferner, dass die Seolopophoren nicht, wie es den 568 Vitus Graber: Anschein hat, blasenartig abgerundet enden, sondern sich in eine dünne Röhre, die Endfaser, fortsetzen, welche aber von der Blase rechtwinkelig gegen das Integument abbiegt. Alle Endfasern ver- einigen sich zu einem Strang, der (bei ef) an die Haut des Beines angeheftet ist. Wie ich schon im früheren Abschnitt hervorhob, ist der Bau und die Lagerung dieses Organs ganz ähnlich wie am Supra- tympanalwerkzeug der mehrgenannten zwei Orthopterenfamilien ; dasselbe findet sich aber und in vollkommen gleicher Ausbildung nicht nur an den Vorder-, sondern auch an den Mittel- und Hinter- beinen. Aus dem beschriebenen Fund zog ich sofort den Schluss, dass die Subgenualorgane auch in der Ordnung der eigentlichen ÖOrthopteren weiter verbreitet sein müssen; denn ich wusste mir keinen Grund anzugeben, warum sie bei trommelfelllosen Familien der letzteren z. B. bei den Mantiden, Blattiden u. s. f. fehlen sollten, da sie bei der viel entfernter stehenden Abtheilung der Perliden ausgebildet sind. In Folge dieser Erwägungen gieng ich unverweilt zunächst an die Untersuchung der Blattiden, die ich mir zum genannten Zwecke früher gar nie näher angesehen hatte. Da ich mir betreffs der Durchsichtigkeit der Beine bei der gewählten Art, Blatta germanica, wenig versprochen hatte, war ich umsomehr überrascht, das gesuchte Organ schon beim ersten Blick und zwar mit seltener Deutlichkeit zu erkennen. Auch überzeugte ich mich bald, dass es, wie ich nach dem Vorkommen bei Isop- teryx erwartet hatte, in allen drei Beinpaaren in gleicher Weise ausgebildet ist. Wie die Vergleichung der mit der cam. lue. gezeichneten Figuren 80 und 78 lehrt, liegt das Blattiden-Organ (Fig. 80 Ch) etwas näher dem Kniegelenk, wie jenes von Isopteryx (Fig. 78 Ch); die übrigen Lagerungsbeziehungen sowie die Bauverhältnisse sind aber (vgl. Fig. 81 mit 79) nahezu identische zu nennen, nur dass das Blattiden-Organ ca. die doppelte Zahl von (relativ schlanken) Scolopophoren (Fig. 81 Se) nämlich bei fünfzehn zählt, und so zwischen dem der Perliden und der Gryllodeen-Loecustinen beiläufig in der Mitte steht. Insbesondere ist — auf gewisse andere Homo- logieen komme ich später zurück — hervorzuheben, dass auch hier der Endfaserstrang (ef) sich an der Aussenwand des Beines befestigt. Die chordotonalen Sinnesorgane der Insecten. 569 Ich brauche wohl kaum zu sagen, dass ich nach den Ent- deckungen, die ich bei Blatta machte, trotz der seinerzeitigen negativen Befunde, keinen Augenblick länger zweifelte, dass auch die übrigen Orthopteren-Gruppen mit subgenualen Organen ver- sehen seien und insbesondere, dass dieselben bei den Locustiden- Gryliodeen, wo solche bisher nur an den Vordertibien nachgewiesen waren, auch an den Mittel- und Hinterbeinen vorkommen. Die Untersuchung fing ich mit einer jungen Locusta viri- dissima an, wobei ich aber, da selbst bei den jüngsten Thieren die Beine zu stark pig- mentirt sind, um das Organ in situ zu sehen, zur äusserst diffieilen Blosslegung der sub- genualen Weichtheile schreiten musste. Ueber den Fortgang der betref- fenden Untersuchungen will ich nur kurz berich- ten, dass sie lange ver- geblich waren und ich die Hoffnung, auf diese Weise die Stifte zur An- sicht zubekommen, schon aufgeben wollte, dass ich endlich aber doch zum Ziele kam. Was ich vom be- treffenden grossentheils vom Fettkörper verdeck- ten Organe unterscheiden konnte, ist im beige- gebenen Holzschnitte 4 genau mit der cam. luc. dargestellt. Das Wichtigste ist, dass die Zahl der gesehenen Stifte (23) nicht minder gross wie am supratympanalen Erklärung zu Holzschnitt 4. Subgenuales Chordotonalorgan aus der Mittel- Tibia von Locusta viridissima L. (Dritt- letztes Stadium) nach einem Zupfpräparat. n Chord.-Nerv. Die Punktlinie p giebt den beiläufigen Umriss des durch Quetschung mit dem Deckglas verzerrten Organs an. St Stifte, deren Lage genau mittelst der cam. luc. gezeichnet wurde. 570 Vitus Graber: Organ der Vordertibien zu sein scheint und dann, dass diese Körperchen eine ganz ähnliche bogenförmige Anordnung zeigen, wie ich dies seinerzeit (vgl. Lit. 15, Fig. 57) vom eben genannten tympanalen Vorkommen nachgewiesen habe. Daraufhin kann man wohl mit Sicherheit annehmen, erstens, dass das von mir entdeckte Organ der Mittelbeine vollkommen jenem der Vorderbeine homodynam ist und zweitens, dass letzteres kaum, wie man a priori leicht glauben könnte, beträchtlich stärker wie das erstere entfaltet sei, die äussere tympanale Differen- eirung somit keinen wesentlichen Einfluss auf die inneren Gebilde ausgeübt hat. Was das Subgenualorgan der Hinterbeine betrifft, so habe ich dasselbe zwar nicht aufgesucht; nach dem Verhalten bei Blatta zu urtheilen, ist aber an seinem Vorkommen wohl nicht im Min- desten zu zweifeln. Mit Rücksicht darauf, dass die Locustinen hinsichtlich der in Rede stehenden Organe mit den ihnen nur entfernt verwandten Blattinen in hohem Grade übereinstimmen, und ferner, nach dem Mit- getheilten, das Vorkommen der subgenualen Bildungen bei den Orthopteren durchaus nicht an jenes der Trommel- felle gebunden ist, hielt ich es wohl mit Recht für ganz selbst- verständlich, dass dieselben auch den Aeridiern zukommen, welche letztere ja den Loeustinen ungleich näher stehen als die Blattinen, und die Untersuchung eines jungen Stenobothrus bestätigte auch bald die Richtigkeit dieser Schlussfolgerung. Ich fand hier nämlich, wovon Näheres noch später, unter ganz ähnlichen Verhältnissen wie bei Loeusta, eine grössere Anzahl subgenualer Stifte, die (vgl. weiter unten Holzschnitt 6) genau dieselben Lagerungsverhält- nisse wie bei den Blattinen zeigen. Die Länge der Stifte maass 0,019, jene des Kopftheiles 0,004 mm; ihre Gestalt ist dieselbe wie am Abdominalorgan. Hier möchte ich gleich der Anschauung Ausdruck verleihen, dass, da bei den Aeridiern neben den tympanaldifferen- ecirten Chordotonalorganen des Stammleibes auch noch atympanale Vorkommnisse dieser Art an den Beinen vorhanden sind, umgekehrt auch bei den Locustinen und Gryllodeen (sowie wahrscheinlich bei allen Orthop- teren), welehe subgenuale Stift-Organe besitzen, solche auch im Stamme vorkommen dürften. Die chordotonalen Sinnesorgane der Insecten. 571 Bezüglich der noch übrigen Orthopterenfamilien konnte ich in Ermangelung lebender Mantiden und Phasmiden, die hinsieht- lich der Subgenualorgane jedenfalls näher den Locustinen als den Blattiden stehen, nur noch die Forfieuliden untersuchen, von denen ich mir aber, da sie von den übrigen Orthopteren bekanntlich in manchen Puncten sehr abweichen, betreffs des Vorkommens der in Rede stehenden Organe a priori keine bestimmte Ansicht bilden konnte, und in der That sind die Verhältnisse hier ganz eigen- thümliche. Indem ich auf gewisse Punete, wie namentlich auf die Bil- dung der subgenualen Tracheen, noch später zurückkomme, sei hier nur der fraglichen Nervenendigungen gedacht. Da die Beine einer Forfieula, namentlich bei jungen Thieren, ziemlich durchsichtig sind, überzeugt man sich bald, dass Sub- genualorgane von dem bisher beschriebenen Typus hier entschieden nicht vorkommen. Dafür sieht man hier aber, nahe der Aussen- wand, aber relativ hoch oben am Kniegelenk, unterhalb eines wulstartigen Vorsprunges der Haut, eine kleine birnförmige Nerven- anschwellung (Fig. 83 Ch?), deren Spitze an einem ca. 0,01 mm weiten kragenartig umwallten hellen Porus (Fig. 84 P) endigt, der vielleicht dureh ein dünnes Häutchen abgeschlossen ist. In der bauchigen Erweiterung dieser Nervenendigung sieht man (mit Immers. L) einige helle Bläschen, die auf eine gangliöse Entfaltung hindeuten. Von Stiften konnte ich aber absolut Niehts wahrnehmen, und desshalb kann auch vorläufig von einer Vergleichung mit den übrigen scolopoferen Subgenualorganen der Orthopteren kaum eine Rede sein. Würde es solche Körper- ehen besitzen, so liesse sich die Bildung mit dem sog. birnförmigen, gleichfalls an einer Hauteinsenkung fixirten Endorgan am Acridier- Tympanum analogisiren. Nachdem ieh mich so überzeugt hatte, dass die subgenualen Stiftorgane bei den meisten Hauptgruppen der Orthopteren vor- kommen und also keineswegs bloss wie die tympanalen auf jene be- schränkt sind, welche sich durch die bekannten Stimmwerkzeuge auszeichnen, nahm ich neuerdings wieder die Untersuchung bei anderen Ordnungen auf; denn ieh wusste mir keinen Grund anzu- geben, warum diese Einrichtungen nur auf die Abtheilung der Orthopteren beschränkt sein sollten! In der That gelang es mir diesmal auch erstens einige neue 572 Vitus Graber: Vorkommnisse zu konstatiren und andererseits mich zu überzeugen, dass diese Organe in gewissen Ordnungen, wie z. B. bei den Dip- teren, Coleopteren und Rhynchoten gar nicht oder wenigstens nicht allgemein vorkommen. Indem ich auf die Bedeutung der negativen Resultate noch später zurückkommen werde, sei hier nur der positiven Ergebnisse gedacht. Sie betreffen zunächst die Formiciden, von denen namentlich die kleineren, blassen Formen relativ sehr durehsichtige Beine besitzen. Am deutlichsten sah ich das Organ bei Solenopsis fugax Latr. $ (Arbeiter.) Dasselbe (Fig. 72 Ch) liegt beträchtlich tiefer wie bei Blatta (Fig. 80 Ch) und ungefähr in derselben Höhe wie bei Isopteryx (Fig. 78) und zwar wie in allen übrigen Fällen, auf der Streckseite und in nächster Nähe der mittleren Haupttrachea. Auch die Form resp. der Umriss sowie der Bau der ganzen Nervenausbreitung ist ähnlich wie bei den Orthopteren, jedoch mit dem einen wesentlichen Unterschied, dass der End- faserstrang (Fig. 77e) nicht gegen die Aussenwand des Beines, sondern nach innen gegen die Trachea (resp. gegen eine der Seitenwände) sich richtet. An der Insertionsstelle scheint die Cutieula etwas verdickt zu sein. Die Zahl der Stifte, welche namentlich mit ihren dicken Köpfen (Fig. 74) sehr scharf hervortreten, ist eine geringe; ich konnte nie mehr als sechs zählen. Sie liegen aber nicht so regelmässig wie bei Isopteryx (Fig. 79) und den Örthopteren und vertheilen sich in zwei triscolopische Gruppen (St). Das Organ findet sich wieder an allen drei Beinpaaren und zwar überall genau in derselben Ausbildung. Aehnlich wie bei Solenopsis, jedoch nicht so klar, fand ich das Organ bei Tetra- morium caespitum L. (Männchen) (Fig. 76 Ch). Es erinnert in seiner Erscheinung an die bekannte Kernspindel-Figur, wobei die in der mittleren Auftreibung liegenden Stiftköpfe den Körnern der Aequatorialplatte entsprechen. An der Endstelle des Faserstranges (e) bemerkt man, wie bei gewissen Muskeln, die winzigen kreis- förmigen Ansatzpunkte der einzelnen Fasern, wodurch sie ein sieb- artiges Aussehen gewinnt. Die Stifte sind hier zahlreicher wie bei der früheren Art. Verhältnissmässig sehr klar sah ich das Organ auch bei einer Myrmeeina. Es liegt hier höher wie bei den beiden früher genannten Die chordotonalen Sinnesorgane der Insecten. 573 Formen (Fig. 73 St), und die Stifte bilden zwei hinter einander- liegende unregelmässige Querreihen. Der Endfaserstrang ist hier nicht sichtbar, er biegt also wahrscheinlich über den Stiften um. Dagegen unterscheidet man sehr deutlich proximalwärts von den Stiften eine Anhäufung von Ganglienzellen. So gering die Zahl der untersuchten Formen ist, erkennt man doch bei den einzelnen Vorkommnissen eine z. Th. sehr bedeutende Verschiedenheit, die besonders auch an der Form der Stifte (Fig. 74 und 75) sich kundgibt. Selbstverständlich habe ich dem Vorkommen der subgenualen Organe auch bei andern Hymenop- teren aber bisher erfolglos nachgespürt; jedenfalls finden sie sich aber in dieser Abtheilung nicht allgemein; denn bei mehreren sehr hellbeinigen Schlupfwespen fehlen sie ganz entschieden. Erwähnt sei endlich noch, dass ich bei zwei Familien der Pseudoneuropteren, bei denen ich auf Grund des Vorkommens bei Isopteryx, gleichfalls ein Paar Wochen hindurch neuerdings nach Subgenualorganen suchte, nämlich bei den Ephemeriden und Libelluliden, den genannten Bildungen an Lage und äusserer Formzwarähnliche Theile (Fig. 85 und 86 b) auffand, dass darin aber, wie ich wegen der grossen Durchsichtigkeit der betreffenden mit Zeiss Immer. L. geprüften Objeete mit voller Bestimmtheit be- haupten kann, keinerlei stiftartige Körperchen vorkommen. Liesse sich, was mir nie gelang, mit Sicherheit konstatiren, dass diese Organe mit einem Nerv zusammenhängen, so könnte man sie vielleicht nach Analogie der stäbcehenlosen Augen, als un- entwickelte Zustände scolopoferer Subgenualorgane ansehen; indess muss ich noch beifügen, dass bei Ephemera das zuerst an jungen Larven beobachtete Organ auch im Imago vorhanden ist und hier gleichfalls keine Stifte besitzt. Würde nicht die ganze Lage und Form dieser Theile für eine Homologie mit den scolopoferen Subgenualorganen der übrigen Orthopteren (i. w. S.) sprechen, so würde ich gar keinen Anstand nehmen, sie als ganz besondere Bildungen anzusehen. Die poriferen Vorkommnisse der Halteren. Während man sich bisher hinsichtlich der in Rede stehenden Bildungen aus- schliesslich nur an die Eingangs erwähnten Angaben Leydig’s hielt, sah ich mich auf Grund meiner eigenen Nachforschungen nunmehr veranlasst, auf eine ältere, dermalen ganz verschollene Arbeit, nämlich von Hieks (Lit. 5) zurückzukommen, die mir leider Archiv f. mikrosk, Anatomie. Bd. 20. 37 574 Vitus Graber: nur nach ihren in Gerstäcker’s entom. Jahresbericht (Troschel’s Archiv 1858) mitgetheilten Hauptergebnissen bekannt ist. Erwähntem Bericht zufolge beobachtete der (zu diesen Studien durch Purkiss angeregte) Verfasser zuerst an der Basis der Halteren von Rhingia rostrata jederseits ein an einer Erhabenheit liegendes längliches Organ, welches aus etwa zwanzig Reihen kleiner „Bläs- chen“, die nur durch geringe Zwischenräume und feine Borsten- haare getrennt sind, besteht; die Bläschen-Reihen verlaufen in querer Richtung gegen die Längsaxe der Halteren, die Bläschen selbst sind durchsichtig, häutig und die zwischen ihnen stehenden Härchen so angeordnet, dass je zwei einem der Bläschen ent- sprechen. Eine gleiche oder nahe übereinstimmende Bildung zeigte sich auch an den Schwingkolben anderer Dipteren der ver- schiedensten Familien. Mit Rücksicht auf den starken in die Halteren eintretenden Nervenstamm hält Verfasser das angegebene Bläschen-System für ein Sinnes- und zwar, aber ohne irgend welche stichhaltige Begründung, für ein (in dieser Situation gewiss sehr sonderbar sich ausnehmendes) Geruchsorgan. Selbst ohne die einschlägigen Illustrationen zur Hand zu haben, ergibt sich aus der eitirten Darstellung von Hicks doch zur Evidenz, dass er die ein Paar Jahre später von Leydig näher studirten Bildungen vor sich hatte (vgl. loc. eit. Leydig’s Fig. 19) und er muss sonach, wenn auch die Hauptsache, nämlich der zu- gehörige Nervenendapparat, erst von Leydig enthüllt wurde, als der eigentliche Entdecker derselben bezeichnet werden. Indem ich hinsichtlich der Leydig’schen Angaben, soweit sie den Nachweis der inneren scolopoferen Weichtheile angehen, auf das frühere verweise, haben wir hier nur seiner Darstellung der zugehörigen Hautdiffereneirungen zu gedenken. Er beschreibt dieselben (bei Eristalis) als drei speeifisch geartete Platten oder Wülste, die bei oberflächlicher Betrachtung den Eindruck machen, als ob sie aus Querreihen von Bläschen mit dazwischen geschobenen Härchen beständen, während man bei schärferem Beschauen zu der Ueberzeugung kommt, dass man es (vgl. s. Fig. 20 e) mit Hohlräumen in der Cuticula zu thun hat, welche nur nach innen geöffnet, nach aussen aber geschlossen sind !). 1) Von andern Forschern, welche diese Organe beachteten, erwähne ich H. Landois, der (die Ton- und Stimmapparate der Insecten. Zeitschr. Die chordotonalen Sinnesorgane der Insecten. 575 Hierzu sei vorläufig nur in Kürze bemerkt, dass Leydig’s Darstellung der in Rede stehenden Cutieularbildungen im optischen Durchschnitt wohl nur, gegenüber dem meisterhaft dargestellten Flächenbilde (Fig. 19), einen ganz schematischen Character hat, und dass er uns ferner, wie schon bei einer früheren Gelegenheit erwähnt wurde, über die eigentliche Endigung der Scolopophoren bez. über deren Zusammenhang mit den gewissen bläschenartigen Integumentgebilden im Ungewissen lässt, indem es beispielsweise nach seiner Zeichnung (Fig. 20) sogar fraglich bleibt, ob jedem Bläschen nur je ein Scolopophor entspricht oder ob die Zahl der Scolopophoren grösser als jene der Bläschen ist. Indem ich nun im Nachstehenden über diese Organe einige eigene Beobachtungen mittheilen will, muss ich früher ausdrücklich betonen, dass ein eingehenderes Studium derselben durchaus nicht im Plane meiner Arbeit lag, dass ein solches aber, wie sich zeigen wird, sicherlich zu höchst interessanten Ergebnissen führen würde. Ich schicke zunächst voraus, dass die gewissen charakteris- tischen Cutieular-Bildungen bei allen untersuchten Musciden (Taba- nus, Leptis, Musca ete.), wie es Leydig von Eristalis angibt, auf drei von einander gesonderte „Platten“ vertheilt sind. Davon liegt eine auf dem untersten verdiekten Basaltheil der Haltere, während die zwei andern sich in der Längsrichtung des Stieles ausdehnen. Dieser Lagerung entsprechend hat die basale Platte eine relativ breite schuppenartige Form, indess die scapalen Schienen meist länglich-lanzettförmig erscheinen. Damit hängt es wohl auch zusammen, dass die Reihen der Bläschen resp. Haare an den letzteren stets in querer, an der basalen Platte da- gegen in longitudinaler Richtung verlaufen. Ausserordentlich verschieden ist aber vor Allem die Zahl und die Ausdehnung der einzelnen Reihen. So findet man beispielsweise bei Sarcophaga carnaria an den scapalen f. wissensch. Zoologie, Bd. XVII, 1867), offenbar aber ohne Leydig’s An- gaben zu kennen, von denselben folgende z. Th. ganz irrthümliche Beschrei- bung gibt: „Kurz über der Einlenkungsstelle des Stieles, sagt er, schwillt die Haltere wiederum knopfartig an. Ich bemerke daran eine sonderbare chitinöse Spiralfeder (!), die ringsum mit kleinen Tüpfelzeichnungen geziert ist. Vielleicht trägt diese Spiralfeder zur leichtern und schnellern Vibration des Schwingkölbehens viel bei.“ 576 Vitus Graber: Schienen 10 Querreihen, von welchen jede eine fast gleiche Zahl (nämlich 7 bis 8) Bläschen besitzt, während bei Syrphus luniger Mg. bei 20 Serien gezählt werden, dieaber von oben nach unten (gegen den Basaltheil) derart in fast regelmässiger arithmetischer Progres- sion zunehmen, dass die erste Reihe nur 1 Bläschen, die zweite 2, die dritte 3 u. s. f. (bis zu 12 Bläschen) enthält, worauf mehrere gleich lange Reihen folgen und zuletzt wieder eine Abnahme erfolgt. Nun muss ich aber bemerken, dass die Anordnung der in Rede stehenden Hautgebilde durchaus nicht immer jene fast mathematische Regelmässigkeit darbietet, wie sie, und zumal bei flüchtiger Betrachtung, den von Leydig untersuchten Formen eigen_ thümlich zu sein scheint. Mit diesen Organen verhält es sich vielmehr ganz so wie mit manchen andern durch die Regelmässigkeit ihrer Lage und Verbin- dung ausgezeichneten Hautdiffereneirungen z. B. den facettirten Hornhäuten, indem sich, wie bei den letzteren, nachweisen lässt, dass sie, offenbar durch successive Anpassung und Vervollkomm- nung, aus ursprünglich ganz indifferenten Integument- feldern hervorgegangen sind. Höchst lehrreich ist in dieser Beziehung zunächst das Ver- halten bei den Tipuliden und Culieciden. Von einer serialen Ver- theilung der „Bläschen“ ist hier auch nicht eine Spur zu sehen, sie liegen vielmehr ganz regellos durch einander und da sie ausserdem relativ sehr schütter d. h. durch weite Zwischenräume von einander getrennt sind, so treten die betreffenden Integument- strecken auch nicht so scharf als SSEOp hen Schienen wie bei andern Musciden hervor !). Weiters überzeugt man sich dann hier, und zwar auf das Evidenteste, dass die zwischen den Bläschen (Fig. 40 sp) stehenden Haare, welche z. B. bei Sarcophaga und Eristalis (Fig. 44h) gleich den letzteren (namentlich an der basalen Platte) streng serial an- geordnet und von bedeutender Länge sind, durchaus keine aparten d. h. nur diesen Platten eigenthümliche Bildungen darstellen, 1) Bei meinen fortgesetzten Untersuchungen überzeugte ich mich, dass die in Rede stehenden Bildungen innerhalb der Tipulidenfamilien z. Th. ziemlich weit, namentlich betreffs der scapalen Platten, auseinandergehen, indem letztere u. A. beim Genus Tipula höher als bei Pachyrhina ent- faltet sind. Die chordotonalen Sinnesorgane der Insecten. 577 sondern dass sie in jeder Hinsicht, nach Länge, Beschaffenheit und Anordnung mit den auch die übrigen Theile der Halteren be- deckenden Hautanhängen übereinstimmen, und dass also die ge- nannten differenzirteren Zustände bei den Musciden, Syr- phiden u. s. w. auf die gewöhnlichen allenthalben verbreiteten Haarbildungen zurückzuführen sind. Bei der grossen Verschiedenheit, welche hinsichtlich der An- ordnungsweise der in Rede stehenden Theile zwischen den Tipu- liden und den Musciden besteht, könnte man geneigt sein, dieselben als von einander unabhängige Bildungen anzusehen, wenngleich die Uebereinstimmung hinsichtlich ihrer Lage sowie, wie wir hören werden, betreffs der Gestaltung derselben schon a priori für ihre Homologie spricht. Eine weitere Umschau bei anderen Muscidenfamilien ergab hier aber das interessante Resultat, dass zwischen jenen scheinbar ganz unvergleichbaren Zuständen eine Reihe von Zwischenformen bestehen, die keinen Zweifel übrig lassen, dass jene bewun- dernswerthe Regelmässigkeit in der Vertheilung der gewissen Integumentgebilde, wie sie u. A. bei den Musciden und Syrphiden zu Tage tritt, nur ganz allmählich, ich möchte sagen, nach mannig- fachen Vorversuchen, zu Stande kam. Ich verweise in dieser Hinsicht auf das Verhalten bei den Bibioniden, Coenomyiden, Leptiden und Tabaniden. Bei allen diesen Familien ist das Arrangement der scapalen Bläschen (vgl. u. A. Fig. 41) ein solches, dass man es weder ein streng seriales noch ein ganz regelloses nennen kann. Speciell bei Tabanus, wo an den scapalen Schienen die Bläschen stellen- weise sich zu unvollkommenen Reihen aneinanderschliessen, wäh- rend die entsprechenden basalen Gebilde, ähnlich wie bei Bibio ' und Coenomyia, auch nicht die Spur einer zeiligen Anordnung er- kennen lassen, sieht man auch, dass die Differenzirung der beiden Formen von Halterenplatten z. Th. ganz unab- hängig von einander vor sich gehen kann. Das ganze Verhalten erscheint mir noch in anderer Beziehung von grosser Wichtigkeit. Ist es nämlich richtig, dass bei den in Rede stehenden Bildungen die streng regulären oder schablonen- artigen Zustände (vgl. Fig. 42) aus irregulären Vorkommnissen abzuleiten sind, dann gibt uns der Grad der Vollkommen- heit betreffs der Ausführung dieser gewissermassen sünstlerischen Bildungen bei den verschiedenen Dip- 578 Vitus Graber: teren zugleich einen Maassstab für die Beurtheilung der phylogenetischen Stellung der betreffenden Insecten, und dieser Maassstab ist um so werthvoller, als sich daran die suecessive Entwicklung mit relativ grösserer Genauigkeit wie bei den meisten anderen minder regelmässig geformten Organen be- stimmen lässt. Dass aber diese meine Anschauung über die Bedeutung der pori- feren Halterenorgane den gegenwärtig herrschenden Ansichten über die stammesgeschichtliche Entwicklung der Dipteren durchaus nicht widerstreitet, geht schon aus dem Umstande hervor, dass man die Tipuliden bez. Simuliden, bei welchen die in Rede stehenden Or- gane ein sehr primitives Verhalten zeigen, hauptsächlich wegen ihrer verhältnissmässig sehr unvollkommenen Metamorphose, als den Ur-Dipteren relativ nahe stehende Formen auffasst, während die durch vollkommen seriale Halterenbildungen ausgezeichneten Mus- eiden und Syrphiden an die Spitze des Zweiflügler-Stammbaumes gestellt werden !). Auf einen Umstand muss ich noch aufmerksam machen. Wenn ich früher die poriferen Halterenplatten der letzterwähnten Dipteren wegen der symmetrischen Vertheilung der Bläschen und Härchen mit künstlerisch vollendeten Bildungen verglich, so ist dies insoferne nicht ganz richtig, als dieselben bei aller Regel- mässigkeit der Anordnung, die wir an ihnen bemerken, dennoch mit sehr bedeutenden Mängeln behaftet sind. Man werfe diesfalls nur einen Bliek auf Fig. 42. An der Symmetrie der Bläschenreihen mit ihrer wahrhaft gefälligen später noch näher zu besprechenden Umrahmung ist Wenig auszusetzen, wenn auch ab und zu im Detail nieht unbedeutende Fehler sich geltend machen. Anders verhält es sich aber mit den zwischen den Bläschen- zonen befindlichen Haarreihen. Im Allgemeinen und bei schwacher Vergrösserung erscheinen die betreffenden Zwischenstreifen aller- dings ziemlich gleich breit und stehen auch die Haare meist in einer einzigen Linie (h). An gewissen Stellen weichen aber, wie 1) Vgl.u. A. Brauer’s bekannte Mittheilungen über die Descendenz der Insecten in den Schriften der k. k. zool.-bot. Ges. in Wien, sowie Paul Mayer „Ueber Ontogenie und Phylogenie der Insecten“ (Jenaische Zeitschr. f. Naturw. 1876 Taf. VIb). Die chordotonalen Sinnesorgane der Insecten. 579 man mit schärferen Linsen erkennt, die Bläschenzonen, und zwar in ganz unregelmässiger Weise, weiter auseinander und die Härchen (h‘, h“) stehen dann ebenso regellos durch einander wie bei den Tipuliden, bei denen es noch zu keiner serialen Sonderung ge- kommen ist. Ich brauche wohl kaum zu bemerken, dass in dieser Beziehung auch mannigfache individuelle Variationen vorkommen, und dass manche dieser Unregelmässigkeiten wohl als Rück- fälle in die früheren indifferenten Zustände aufzufas- sen sind. Nicht minder interessant wie das Studium der Vertheilung der scolopoferen Halterenpapillen erweist sich jenes über die Ge- staltungsverhältnisse derselben. Dabei ist vor Allem folgendes zu beachten. Während Leydig, und so viel aus Gerstäcker’s Bericht zu entnehmen, auch Hicks, die Sache so darstelit, als ob die betreffenden Papillen an den scapalen und basalen Platten von der gleichen Beschaffenheit wären, fand ich, und zwar zuerst bei Tipula, in dieser Beziehung insoferne einen ausgesprochenen Dimorphismus, als die Papillen der ba- salen Platte, wie man freilich erst bei stärkerer Vergrösserung deutlich erkennt, einen wesentlich anderen Bau darbieten, wie jene der scapalen Region. Ein möglichst treues Bild der ersteren (mit Zeiss Immers. III) gibt Fig. 39 und zwar A bei hoher, B bei tiefer Einstellung. Bei ersterer erscheinen die Bläschen als dunkle uhrglasförmig gewölbte resp. umschattete Protuberanzen auf hellem Grunde, von dem sich nur die Spitzen der Härchen scharf abheben, und daraus kann man wohl mit völliger Bestimmtheit schliessen, dass man es that- sächlich, wie Leydig behauptet, mit dünnwandigen papillenartigen Erhebungen der Cuticula zu thun hat, die an der Aussenseite vollkommen geschlossen sind, denn im andern Falle müsste ja auch bei der höchsten Einstellung in der Mitte ein heller scharf umrandeter Fleck sichtbar werden. Eine solche Liehtung kommt aber erst zum Vorschein, wenn man etwas tiefer einstellt, bez. wenn das Gesichtsfeld die Kuppe der Papille durchschneidet, und vergrössert sich successive gegen die Basis hin (Fig. 39 B), wo diese Lichtung dann die Härchen verschwinden und im Innern des weiten hellen Porus eine körnige vom darunter liegenden Weich- gewebe her rührende Trübung auftritt. 580 Vitus Graber: Ich will gleich hier bemerken, dass es mir bei Anwendung der besten optischen Hilfsmittel bisweilen vorkam, als ob in der Mitte des hellen basalen Papillenlumens ein bläulicher stark licht- breehender Ring mit einem centralen kleinen Fleck von ähnlicher optischer Beschaffenheit vorhanden sei und möchte ich dies Bild auf die Flächenprojection des unter der Papillenbasis stehenden Stiftes beziehen. Was nun die analogen Gebilde der oberen Platten betrifft, so unterscheiden sich dieselben von den anderen vor Allem dadurch, dass sie auch bei der höchsten Einstellung, wo die ersteren eine durchaus gleichmässig dunkle Kuppe zeigen, von einem scharf um- randeten ganz hellen Mittelstreifen durchzogen erscheinen (Fig.52sp), den man wohl mit grosser Wahrscheinlichkeit für den optischen Aus- druck einer die äussere freie Fläche dieser Gebilde durchsetzenden Spaltöffnung erklären darf. Die, wie man aus der doppelten Kontur entnehmen kann, etwas aufgewulsteten beiden Ränder dieser Spalten laufen einander theils ziemlich parallel, theils erscheinen sie nahe dem Centrum derart nach aussen gebogen, dass sie ein länglich elliptisches Feld umrahmen und dem Gebilde ein Aussehen ver- leihen, wie es die bekannten von zwei halbmondförmigen Schliess- zellen gebildeten Spaltöffnungen der Pflanzen darbieten. Auch hier sah ich bei tieferer Einstellung, wo sich die schmale Spalte zu einem grösseren hellen Kreisfleck erweitert, bisweilen den er- wähnten, auf den darunter stehenden Stift zu beziehenden bläulich glänzenden Ring mit dem der Chorda entsprechenden Mittelfleck. Im Uebrigen sind diese perforirten oder offenen Papil- len, wie ich sie, im Gegensatz zu den geschlossenen der unteren Platte bezeichne, weniger gewölbt als letztere, sondern von mehr flacher, etwa uhrschalenartiger Form. Die beiden im Allgemeinen halbmondförmigen Lippen des Spaltes müssen verhältnissmässig ziemlich dick sein, da sie, gleich andern derberen Chitingebilden, eine dunkelbraune Färbung besitzen. Nachdem ich mich bei den Tipuliden vom Dimorphismus der in Rede stehenden Gebilde überzeugt hatte, war ich selbstverständ- lich nicht wenig gespannt darauf zu sehen, wie die Sache bei den übrigen Dipteren stehe. Ein Blick auf die betreffenden Platten einer Eristalis zeigte mir aber sofort, dass die Verhältnisse hier im Wesentlichen genau dieselben sind, und da dies von den untersuchten Museiden, Leptiden und Tabaniden gilt, darf Die chordotonalen Sinnesorgane der Insecten. 581 man wohl sagen, dass der Dimorphismus der poriferen Halterenplatten ein allgemeiner ist. Ich will die einschlägigen Verhältnisse, und zwar bei einer Eristalis, an der Hand der nach Zeiss Immers. III entworfenen Figg. 43 und 44 etwas näher erläutern. Fig. 44 gibt die Ansicht von drei Papillenreihen der basalen Platte und zwar die oberste Zeile bei hoher, die nächste bei mitt- lerer, die letzte bei tiefer Einstellung. Bei ersterer Ansicht sieht man die Kuppen der Papillen als dunkle Hügelchen und dahinter stehen die (durch den Quetscher niedergedrückten) Härchen, alle in einer einzigen aber nicht ganz geraden Zeile. Bei der mittleren Einstellung treten dann auf der Firste des Papillen- Wellenberges die obenerwähnten hellen kreisförmigen Durchschnitte auf, während man im zugehörigen Wellenthal die Wurzeln der Härchen sieht (h‘). In der dritten Zeile erscheint dann wieder im basalen Lumen der Papillen eine körnige Trübung, bisweilen mit dem mehrerwähnten Stiftdurchschnittsbild. Ein Bild der Papillarreihen an den scapalen. Platten gibt dann Fig. 43. Die Anordnung ist dieselbe, nur liegt bei der grös- seren Flachheit der Papillen zwischen deren einzelnen Reihen keine so tiefe capillifere Furche. Was dann die Hauptsache, nämlich die Beschaffenheit der scapalen Papillen betrifft, so stimmt auch sie im Wesentlichen vollkommen mit jener der Tipuliden überein, und dasselbe gilt betreffs der übrigen untersuchten Dipteren (vgl. u. A. Leptis Fig. 41), wenn auch hinsichtlich der Breite und Form des Spaltes, sowie der Lippen bei den einzelnen Gattungen mancherlei feinere Unterschiede bemerkt werden. Dereben besprochene Dimorphismus der scolopoferen Cutieular- bildungen an den Halteren mag Manchem im ersten Moment etwas befremdend erscheinen ; bedenkt man indess, dass Aehnliches auch bei anderen Sinnesorganen, wie z. B. sehr häufig an den Tast- haaren und, in besonders auffälliger Weise, auch an den Sehwerk- zeugen (z. B. bei den Spinnen) vorkommt, so wird man in der in Rede stehenden Differeneirung nichts so Absonderliches mehr finden. Bei den letztgenannten Organen, ich meine an den Spinnen- Ocellen, hat bekanntlich zuerst Grenacher nachgewiesen, dass der Dimorphismus der äusseren eutieularen Theile vielfach auch von einer Verschiedenartigkeit in der Ausbildung der inneren, 582 Vitus Graber: perceptiven Elemente begleitet wird, und es wäre nun sicher von hohem Interesse zu konstatiren, ob dies auch bezüglich der scolo- poferen Halteren-Organe der Fall sei. Es erscheint dies von vorn herein insoferne nieht ganz unwahrscheinlich, als an den Seolopo- phoren der Tympanalorgane der Locustiden ein solcher und zwar ein sehr hochgradiger Dimorphismus in der That vorliegt, indem ja, von den Endschläuchen selbst abgesehen, die Stifte der sog. erista acustica eine wesentlich andere Form als am supratympa- nalen Organ darbieten. Merkwürdigerweise ist nun ein soleher Dimorphismus, wie ich bereits vor Jahren (Lit. 15, pag. 126) hervorhob, und zwar durch Leydig, factisch schon nachgewiesen. Ich sagte „merk- würdigerweise“, weil der Entdecker selbst dieser wichtigen That- sache in keinem Worte gedenkt. Dieselbe ergibt sich aber aus der mehreitirten Abbildung des Halteren-Ganglions in s. Fig. 19, auf der man zwei ungleich grosse Bündel von Endschläuchen sieht, von welchen das kleinere Stifte von gewöhnlicher d. i. schlanker Form enthält, während im grösseren Scolopophoren-Packete diekere Körperehen mit (in der Zeichnung) plumperen z. Th. herzförmig gezeichneten Köpfchen sich befinden. Bleibt nun auch vorläufig die Beziehung dieser zwei ver- schiedenen Arten von Stiften zu den betreffenden Cutieularplatten ungewiss — es gelang mir trotz aller Mühe bisher nicht, die fraglichen Nervenendigungen in situ zur Ansicht zu bringen — so ist es doch gewiss höchst wahrscheinlich, dass die eine Stiftform den spaltmündigen (schizostomalen), die andere den geschlossenen oder astomalen Papillen angehört. Nachdem ich im Vorhergehenden den Unterschied zwischen den basalen und scapalen Bläschen festgestellt, komme ich zum Schluss noch einmal auf die letzteren zurück und zwar mit Rück- sicht auf eigenthümliche aber bisher völlig unbekannt gebliebene Gestaltungsverhältnisse derselben, die, wie sich zeigen wird, in mehrfacher Beziehung sehr interessant sind. Wenn man die früher gut aufgehellten scapalen Platten einer Sareophaga mit einem sehr starken !) System untersucht, so sieht 1) Es sei hier ausdrücklich bemerkt, dass ich über die in Rede stehen- den Verhältnisse, so lange ich mich nur des sonst ganz ausgezeichneten Trocken- systems F. von Zeiss bediente, vollständig im Unklaren blieb; das Bild, das letzteres von den betreffenden Bildungen gibt, ist im Vergleich zu jenem, welches die Imm. L. zeigt, geradezu ein nebelhaftes zu nennen. Die chordotonalen Sinnesorgane der Insecten. 583 man, dass die bei gewisser Einstellung ringförmig erscheinenden Papillen (Fig. 42 p) derselben nicht isolirt nebeneinander stehen, sondern dass jede Papillen-Reihe vorne und hinten, also an den Grenzen der capilliferen Furche, von einem eigenthümlich geformten Rahmen eingefasst wird, welcher, in der aus der Figur ersicht- lichen Weise, mit dem ringförmigen Peristom der einzelnen Papillen verwachsen ist. In Folge dieser Umrahmung oder dieser Einschaltung von die einzelnen Papillenringe vorne und hinten verbindenden Querleisten nimmt sich jede Papillenreihe wie ein zusammenhängender dicker Streifen von gelblichbrauner Farbe aus, in welchem alternirend, wie in gewissen Spitzenmustern, zweierlei verschiedene helle Lücken vorkommen, nämlich ringförmige, welche dem Papillenlumen ent- sprechen und dann Xförmige (ph), die mit den erwähnten Spalt- stücken correspondiren. Noch näher liegt ein anderer Vergleich nämlich mit der lamina retieularis des Corti’schen Organs, worauf ich noch später, im physiologischen Abschnitt zurückkomme. Hier will ich diesfalls nur bemerken, dass die vorhin als Xförmige Maschen be- zeichneten Bildungen nicht bloss durch ihre Stellung zu den ring- förmigen, sondern auch durch ihre Gestaltung an die „Phalangen* der genannten netzartigen Haut erinnern, und dass man es in beiden Fällen mit Differeneirungen einer Cuticular-Schichte zu thun hat. Nachdem ich mich überzeugt hatte, dass auch bei anderen mit zeilig geordneten Papillen versehenen Dipteren, z. B. bei den Syrphiden, ein ganz ähnliches Rahmenwerk vorkommt, war ich nicht wenig neugierig, zu erfahren, wie sich in dieser Beziehung jene Formen verhalten, bei welchen die Papillen keine so regel- mässige Vertheilung darbieten. Was nun die Ergebnisse der einschlägigen Bee betrifft, denen ich viele Zeit opferte, so darf ich sie insoferne als sehr interessante bezeichnen, als es sich gerade in diesen Verhält- nissen besonders deutlich ausspricht, dass die serialen Bil- dungen durch allmähliche Modificationen aus den ge- wissen dispersen Zuständen hervorgegangen sind. Die Entwicklungsreihe beginnt wieder mit jenen Tipuliden, bei welchen die Papillen (Fig. 42 und Holzschnitt 3 A) vollkommen getrennt neben einander liegen. Da ein gemeinsames Rahmenwerk 584 Vitus Graber: hier gänzlich fehlt, so sieht man sich anfangs lange vergeblich nach Anknüpfungspuneten an die beschriebenen Bildungen um. I Erklärung zu Holzschnitt 3. *) Schema zur Erläuterung der phylo- genetischen Entwicklung der schizostomalen (scapalen) Halteren-Papillen der Dipteren A Typus der Tipuliden, B der Leptiden, Tabaniden etc, C der Musciden, D der Syrphiden. li halbmondförmige Lippen der Papil- len, r ringförmige Oeffnung derselben, sp Seitenspangen, si sichelförmige Lücke, 1b Längs-, gb Querbalken zwischen den Pa- pillen, ph phalangenförmige Lücke durch Verschmelzung zweier benachbarter sichel- förmiger Lücken unter Schwund des Längs- balkens entstanden. Solche bestehen aber doch und zwar geht, wie sich zeigen wird, jenes Rahmen- werk aus Bildungen her- vor, welche sich ursprüng- lich als integrirende Theile der Papillen selbst darstel- len. Es sind dies schmale den äusseren Rand der halb- mondförmigen Lippe um- gebende und mit denselben henkelartig verwachsene Spangen (Holzschnitt A sp), die von den Lippen durch eine sichelförmige Lücke (si) getrennt werden. Genau dieselben charak- teristischen Spangenbildun- gen findet man nun auch bei allen übrigenDipteren, deren Papillen nicht serial geord- net sind, so insbesondere bei Coenomyia, Bibio, Leptis, Tabanusu. s. w. Beiden letzt- genannten Dipteren bahnt sich aber schon, indem die Papillen einander näher rücken u. dieSpangen der benachbarten Papillen z. Th. miteinander verschmelzen, die Entwicklung des serialen einheitlichen Rahmensystems an. An den einschlägigen Figuren 41 und Holzschnitt B sieht man, dass in Folge der erwähnten partiellen Verwachsung zwischen je zwei benachbarten Papillen, die aber nicht immer wie am Schema, in derselben Höhe sich befinden, ein Xförmiges Gestell liegt, das beiderseits an eine sichelförmige Lücke stösst. *) Die Figur auf pag. 569 wurde aus Versehen mit 4 bezeichnet, wess- halb obige die Ziffer 3 trägt. Die chordotonalen Sinnesorgane der Insecten. 585 Dieser Zustand scheint auf den ersten Blick, namentlich in jenen häufigen Fällen, in welchen die Verkettung der Papillen (wie in Fig. 41) eine sehr unregelmässige ist, von dem oben be- schriebenen serialen Verhalten sehr beträchtlich verschieden zu sein. Und doch ist der Uebergang ein überraschend einfacher. Denkt man sich nämlich den im Holzschnitt B mit 1b be- zeichneten Mittelbalken des genannten XGestells durch- brochen, so vereinigen sich die beiderseitigen ( för- misen Spalten zu dem bekannten phalangalen Maschen- raum, und aus den Ueberresten der primitiven bogen- förmigen Spangen-Paare gehen die obern und untern queren Verbindungsbalken (C Ib) hervor!). Dass aber das seriale Rahmenwerk wirklich einer solehen Transformation seinen Ursprung verdankt, das darf man wohl mit aller Sicherheit aus dem Umstande schliessen, dass die bezeichneten Querbalken bei Sarcophaga (Fig. 42) thatsächlich einen in die phalangale Lücke hineinragenden Zapfen (a, b) trägt, der um so mehr als parietales Rudiment des primitiven Längsbalkens aufzufassen ist, als derselbe bei den einzelnen untersuchten Dipteren eine ungleiche Länge be- sitzt, und demselben äusserlich (HolzschnittCv) auch eine (verschieden tief gehende) Einstülpung des Querbalkens entspricht. Wenn ich recht gesehen, so fehlen die erwähnten Zapfen bei gewissen Syrphiden vollständig (Holzschnitt D) und damit hat die Umwandlung der ursprünglich von einander völlig getrennten Papillenspangen in ein zusammenhängendes Rahmenwerk offen- bar ihre äusserste Grenze erreicht. Die poriferen Vorkommnisse der Flügel. a) Hinter- flügel. Wie es hinsichtlich der Halteren zuerst Hicks war, der, olıne freilich von den darin vorkommenden scolopoferen Organen selbst auch nur eine Ahnung zu haben, durch die Entdeckung der damit verbundenen so eigenartig differenzirten Cutieulargebilde die Spur auf die letzteren lenkte, so verhält es sich auch betreffs der ver- wandten Vorkommnisse an den Flugorganen, bezüglich welcher, 1) Die oben erwähnte Analogie unserer Bildungen mit der m. reti- cularis der Säugethierschnecke erstreckt sich insoferne auch auf die Entwick- lungsweise, als nach Pritschard (The Development of the organ of Corti, The Journal of Anatomy and Physiologie Vol. 13, pag. 99—103) die langen, phalangenartigen Maschen der letzteren wahrscheinlich gleichfalls aus der Verschmelzung zweier oder mehrerer primärer Maschen hervorgehen. 586 Vitus Graber: wie ich schon oben andeutete, seine Angaben in gewisser Hinsicht, nämlich soweit sie die blosse Verbreitung dieser Organe anlangen, sogar ungleich vollständiger wie jene von Leydig sind. In Fortsetzung des obenerwähnten Gerstäcker’schen Be- richtes über die einschlägigen Arbeiten heisst es: ähnliche Bläs- chen (wie an den Halteren), obwohl nicht in derselben Weise (d. i. so regelmässig oder zeilig) angeordnet, sondern viel ver- einzelter, beobachtete Hicks ferner in den Vorderflügeln der Dipteren, nahe der Basis der Subeostalrippe, und ebenso an der Basis der Flügel (der vorderen oder hinteren?) bei anderen Insecten, besonders deutlich bei. manchen Schmetterlingen (Bombyeiden und Noctuen), ferner (nach einer zweiten Arbeit Lit. 5) bei Coleopteren (Strangalia, Melolontha, Carabus) und Hyme- nopteren (Ophion und Tenthredo), also bei sämmtlichen Haupt- abtheilungen mit Ausnahme der Gerad- und Netzflügler sowie der Rhynchoten. Aus einem weiteren Beisatz des Berichtes, dass Hicks nämlich an den (sehr zweckmässig) mit „Terpentinspiritus“ und Kanadabalsam aufgehellten Präparaten die gewissen Bläs- chen durch einen Nerv mit feinen Aestchen versehen sein lässt, kann man wohl mit Bestimmtheit schliessen, dass Hicks factisch die scolopoferen Organe vor sich hatte, und dass also Gerstäcker’s (l. e. p. 206 geäusserter) Zweifel, ob „die an der Basis der Vorderflügel sichtbaren Bläschen mit denen der Halteren- organe irgendwelche Analogie besitzen“, durchaus nicht gerecht- fertigt erscheint. Was nun die Untersuchungen von Leydig betrifft, so ergaben sie vor Allem, dass die gewissen „Bläschen“ von Hicks, über deren wahre Natur sich derselbe auch bei den Halteren ganz im Unklaren befand, nichts Anderes als weite Porenkanäle der Cuticula sind, und dann, dass in nächster Nähe dieser Integument-Differeneirun- gen ausser einem mitunter etwas local erweiterten Tracheenstamm ein reich entfaltetes System von scolopoferen Nervenendigungen vorkomme. Letztere Ergebnisse beziehen sich aber bekanntlich ausschliess- lich nur auf einige Käfer (Dytiseus marginalis, Acilius suleatus, Luca- nus, Melolontha und Telephorus) und zwar hier wieder nur auf die Subeostalvene der Hinterflügel, und will ich das Wesentlichste der betreffenden Angaben, soweit es nicht anderwärts zur Sprache kommt, kurz anführen. Die chordotonalen Sinnesorgane der Insecten. 587 Bei Dytiseus zunächst spricht Leydig von einem „Trupp starker Hautkanäle“ auf dem Basaltheil des braunen, chitini- sirten Streifen, welcher Subeostalvene genannt wird. Diese Haut- kanäle (in seiner Fig. 18 in schiefer Lage bei mittlerer Vergrös- serung abgebildet) sind innen weiter als aussen (kegelstutzartig) und zeigen gerade von oben drei Ringe, wovon der kleinste auf die oben abschliessende Warze zu beziehen ist. Hinsichtlich des (gleich den meisten Weichgeweben) von zahlreichen Tracheen durchzogenen Ganglion fügt er noch bei, dass die davon ausstrah- lenden Scolopophoren (seine „Nervenzüge“) sich nach jener Riehtung wenden, wo die Hautkanäle sichtbar sind, welche letztere aber viel zahlreicher als die einzelnen stäbchen- führenden Nervenzüge sind. Bei Acilius fand er das Verhalten im Ganzen ähnlich, ver- mochte sich aber auch hier nicht zu überzeugen, dass, was er von vorne herein für wahrscheinlich hält, die Scolopophoren in nächster Nähe der Hautkanäle liegen. Bei Melolontha hingegen konnte er wenigstens konstatiren, dass dieselben sehr innig mit dem Integumente verbunden sind, da sie beim Anziehn des betr. Nervs regelmässig (in drei Fällen) abrissen und in der Hohlrippe zurückblieben. Hier hat auch das ganze scolopofere System nicht das kurze gedrungene Aussehen wie bei Dytiseus, sondern der Nerv läuft, allmählich an Dieke abnehmend und unter successiver Abgabe von Scolopophoren- büscheln, gleichmässig aus, ähnlich wie auch die Hautkanäle selbst (nach seiner Fig. 17 stehen sie theils einzein aber dicht hinter einander, theils bis zu 4 unregelmässig neben einander) einen Längszug bilden. Leydig bemerkt noch, dass hier und bei Lucanus die Nerven- entfaltung von einem grossen Blutraum umgeben wird, und ferner, dass beim letztgenannten Käfer sowie bei Telephorus dispar auch in die „hinter“ der Subeostalvene befindliche Flügelader ein von einer Trachea*begleiteter (zweiter) Nerv eintritt. Ich gehe nun auf die eigenen Untersuchungen über. Da es, wie wir eben hörten, selbst nach Leydig’s Darstel- lung nicht ganz sicher gestellt ist, ob der scolopofere Nervenend- apparat zu den gewissen poriferen Strecken der Flügelader-Wan- dung in näherer Beziehung steht, so trachtete ich in erster Linie hierüber und zwar mit Hilfe der auf diese Objeete noch nieht 588 Vitus Graber: angewandten Schnittmethode ins Klare zu kommen, und ich hatte die Befriedigung, schon beim ersten Präparat, einem tingirten und in Karbolsäure aufgehellten Querschnitt durch die porifere Subeostal- rippen-Wurzel von Lucanus, meinen Zweck zu erreichen. In der betreffenden Fig. 49 (aus ökonomischen Gründen in einem relativ kleinen Maassstab gezeichnet) zeigt O die obere, U die untere Wandung der von einem weiten Hohlraum durchzogenen Rippe. Während die untere (d. i. die dem Körper zugekehrte) Wandung verhältnissmässig dünn und biegsam ist, erweist sich die obere freiliegende Wandung von sehr derber und starrer Beschaffenheit und sondert sich in zwei Schichten, nämlich in eine dunkelleder- braune Aussen- (a) und in eine blasse Innenlage (i). An letztere schliesst sich dann die in allen Flügelhohlräumen leicht nachweis- bare zellige Matrix ma (vgl. auch Fig. 52) an. In der Mitte der obern oder äussern Wandung liegt nun eine furchenartige Einsenkung (be), und auf diese sind die gewissen Poren ausschliesslich beschränkt. Dass es wirklich solche sind, konnte ich mich auf das Bestimmteste überzeugen, weiss aber nicht, da die Schnitte zu dick ausfielen, wie die Form derselben beschaffen ist; es schien mir nur, dass sie aussen enger als innen und in der Mitte (Fig. 50) etwas bauchig aufgetrieben sind. Die Cuticula ist ferner genau so weit, als die Poren gehen, in ihrer ganzen Dicke gleichmässig braun gefärbt, und erscheint auf dieser Strecke die eigentliche Matrix unterbrochen. Was nun das Innere des weiten Rippenlumens betrifft, so erscheint dasselbe zum weitaus grösseren Theile ganz leer, d. h. bloss von Blut erfüllt, und nur vom siebartigen-Porenfelde der Cuticula hängt ein zapfenartiger Körper in das Innere hinein, der durch ein lockeres Netz von der unteren Wandung entspringenden Fäden fixirt wird. Zu innerst (oder unterst) an diesem an der siebför- migen Platte aufgehängten Körper bemerkt man sofort den charak- teristischen Durchschnitt durch einen grösseren Tracheenstamm, und daraus, sowie aus der ganzen Lage der Divge kann man schon vor der näheren Prüfung des genannten Körpers schliessen, dass derselbe dem Nervenendapparate entspricht. Nach erfolgter Auf- hellung des Schnittes unterscheidet man bei entsprechender Ver- grösserung auch bald das nähere Detail desselben. Zu innerst, d. i. zunächst dem Luftrohr, sieht man den Durchschnitt durch den iu Die chordotonalen Sinnesorgane der Insecten. 589 deutliche Fibrillen gesonderten Nervenstamm (N), dann weiter nach aussen zahlreiche bläschenartige Gebilde, die sich aber durch den Mangel eines Kerns als Durchschnitte durch die zu den Scolopo- phoren führenden Nervenzweige (Fig. 5l n) erweisen. Vermischt mit letzteren sieht man dann aber auch, namentlich gegen die Peripherie zu, grössere Blasen mit grossem scharf tingirten Kern — die basalen Ganglienzellen (Fig. 51 G) — und endlich zu äusserst eine Zone relativ heller Schläuche, die Scolopophoren (Fig. 49, se), die aber, weil sie der Schnitt fast alle in schiefer Richtung trifft, nur in einzelnen Fragmenten erhalten sind und nur in den selten- sten Fällen (und an diekern Schnitten) stiftförmige Körperchen erkennen lassen. Nach diesem Befunde — und im Ganzen dasselbe beobachtete ich bei Dytiseus (Fig. 46) — unterliegt es nun wohl keinem Zweifel mehr, dass die stiftführenden Nervenendorgane thatsächlich zu den porentragenden Integumentstrecken in engster, ja in unmittelbarer Beziehung stehen, oder dass, mit anderen Worten, die seolopo- feren und poriferen Bildungen zusammen gehören. Leider wurde meine Hoffnung, an einem Längsschnitt durch das longitudinale Porenfeld etwas Genaueres über die direete Be- ziehung zwischen den einzelnen Poren und den Seolopophoren zu erfahren, durch die Unmöglichkeit, einen solchen von ent- sprechender Feinheit herzustellen, vereitelt; doch bietet auch der aus einem solchen aber relativ sehr dieken Schnitte herausgeschälte Nerv (Fig. 48) manches Interessante. Im Gegensatz nämlich zum langgezogenen Nervenendsystem der tibialen Crista der Loeustiden, wo jeder einzelne Seolopophor aus einer vom gemeinsamen Nervenstamm sich gesondert abzweigen- den Faser entspringt, die nahe der Abgangsstelle zu einem Ganglion anschwillt, findet man hier relativ viel weniger aber diekere Seitenäste (n), die sich gegen das Integument zu mehrfach diehotomisch verzweigen, an meinem Spiritusprä- parat aber leider nicht sammt ihrem scolopoferen Endtheil loszu- trennen waren. Durch geeignete Maceration eines frischen Objeetes würde man jedenfalls eine schöne Uebersicht über diese Bildungen erhalten (vgl. diesbezüglich Fig. 61). Nebstbei zeigt unser Präparat noch den enge mit dem Nerv verbundenen zierlich hin und her sich biegenden Tracheenstamm (tr), der von den in manchen andern Flügelrippen verlaufenden Luftröhren durchaus nicht verschieden ist. Archiv f. mikrosk, Anatomie, Bd. 20. 38 590 Vitus Graber: Was ich bei Lucanus, Dytiscus und manchen andern Insecten vergeblich durch Anwendung verschiedener Kunstmittel herauszu- bringen mich bemühte, nämlich den direeten Zusammenhang zwi- schen den einzelnen Poren und Scolopophoren, das bot sich mir bei Clytus so zu sagen von selbst dar, und ist dies neuerdings ein Beweis, dass es behufs der Entzifferung gewisser Fragen vor Allem darauf ankommt, ein günstiges Objeet zu finden, was freilich in der Regel wieder eine möglichst ausgedehnte Umschau über die betreffenden Vorkommnisse voraussetzt. Bei dem genannten Käfer (ein Spiritusexemplar) beobachtete ich zunächst an jener Stelle der Subeostalrippenwurzel, wo sie sich von der Randrippe deutlich absondert und in entgegengesetzter Riehtung eine schmale Commissur (Fig. 45 a) zur nächsten Rippe abgibt, eine Anhäufung sehr gedrängt stehender und relativ enger Poren (P). Dieselben, in Fig. 46 bei starker Vergrösserung von oben dargestellt, zeigen einen breiten bräunlichen Ring (Wulst?) und darin eine kleine kreisrunde Oeffnung. Um den Chitinring zieht sich ferner ein breiter heller und von einer doppeltkonturirten Linie eingefasster Hof, auf dessen Bedeutung ich später zurück- komme. Bei genauerer Musterung der Rippenoberfläche bemerkte ich dann ferner, dass auch ober- und unterhalb des bezeichneten auf- fälligen Porenfeldes noch einzelne ähnliche Hauttüpfel vorkommen, oder dass sich besagtes Porenfeld nach den genannten Richtungen hin sozusagen in eine (gegen das Ende zu einzeilige) Porenlinie (Fig. 45 p, p‘) auszieht. Bringt man das Präparat nach erfolgter Aufhellung mit Kali- lauge unter den Quetscher, so gestattet es auch eine ungewöhnlich klare Einsicht in die innern Verhältnisse. Zunächst sieht man einen mässig dieken Tracheenstamm (tr), welcher längs der oberen Porenlinie nach innen, längs der unteren nach aussen von der letzteren (tr‘) liegt, indem er unter dem Haupt- porenfeld, wo er in die bezeichnete Rippencommissur einen Ast (a) entsendet, eine Krümmung von innen nach aussen macht. — Im engsten Anschluss an dieses Luftrohr bemerkt man dann ferner den um ein Geringes breiteren Nervenstamm (n), der zu oberst uach innen von der Trachea verläuft, dieselbe dann hart über dem Porenfelde schneidet, und dann nach Aussen von derselben z. Th. (vgl. Fig. 47 n, tr) von ihr bedeckt, weiter geht. Die chordotonalen Sinnesorgane der Insecten. 591 Das Lehrreichste an diesem Object ist aber das Verhalten der Nervenendigungen zu den einzelnen Hautkanälen, das man am Schönsten im unteren Porenfelde wahrnimmt. Hier zweigen sich vom Nerv längs der Porenlinie eben so viele feine hintereinander liegende Zweige ab, als Hautöffnungen vorhanden sind und erinnert namentlich der unterste Abschnitt dieses Systemes von Nervenquer- sprossen an das bekannte Verhalten der serialen Locustiden-Crista. Die betreffenden Nervenzweige gehen aber nicht in ganz querer Richtung d. i. unter rechtem Winkel auf die Poren los, sondern verlaufen sehr schief von vorne nach hinten, und hat ausser- dem das ganze zwischen dem Nerv und einem Porus befindliche Endgebilde eine ganz besondere Gestaltung. Dieselbe wird dadurch bedingt, dass die einzelnen Nerven- zweige sich nicht direet und in gerader Richtung gegen die Poren hin ausspannen, sondern etwas hinter dieselben zurücktreten und sich dort unter einem fast rechten Winkel mit einem weiten blasenartigen Gebilde (Fig. 47 e) verbinden, das seinerseits direct mit dem Haut- kanal zusammenhängt, und das wir schon früher an der Flächen- ansicht als heilen Hof um die Poren (Fig. 46 e) haben kennen lernen. Was nun das nähere Verhalten des dem Nerv zunächst liegenden Abschnittes betrifft, so bemerkt man daran erstens eine basale kernführende Auftreibung (Fig. 47 g), die als Ganglienzelle zu betrachten ist, und dann eine zweite mehr längliche spindel- artige Verdickung, in der ich einigemale aber freilich nie voll- kommen deutlich ein stiftartiges Gebilde (St) zu erkennen glaubte. Ist ein solches, was erst an frischen Objeeten konstatirt werden muss, wirklich an besagter Stelle vorhanden, dann entspricht dieser Theil der Nervenendigung dem Scolopophor und die darauf fol- sende unmittelbar dem Cuticularporus anliegende Blase wäre dann wohl als eine modifieirte Matrixzelle anzusehen. Sehr interessant erscheint mir an diesen Bildungen noch der Umstand, dass dieselben an der Umbiegungsstelle, d. i. dort, wo nach meiner Auffassung der Scolopophor in die integumentale Poruszelle übergeht, durch mehrere von einem Punet entspringende und nach hinten divergirende Bänder (a) an der Haut befestigt werden. Dadurch — wenn ich dies Verhalten anders richtig deute — wird der scolopofere Nervenzweig in Spannung erhalten und ihm der Character eines wahren Chord.-Organs verliehen. Bemerkt sei noch, dass selbstverständlich diese distalwärts 592 Vitus Graber: % vom Stift liegende Befestigungsvorrichtung nicht mit dem typischen — proximalwärts — angebrachten Chord.- Ligament homologisirt werden kann. Im Vorstehenden ist offenbar vor Allem der Nachweis von Wichtigkeit, dass thatsächlich, wie ich von vornherein ver- muthete, jeder Porus der in Rede stehenden Organe je mit einem besonderen scolopoferen Nervenende verbunden ist, und wir dürfen nun wohl auch ohne Weiters annehmen, dass es sich bei den übrigen poriferen Vorkommnissen ebenso verhalte, be- ziehungsweise es wird gestattet sein, schon aus der Gegenwart der gewissen Cuticularbildungen auf das Vorhandensein der ge- wissen Nervenendigungen zu schliessen. Im Folgenden, wo ich in Kürze die Resultate meiner Unter- suchungen über die Verbreitung der poriferen Organe bei den ein- zelnen Inseetengruppen mittheile, kommen aus naheliegenden Grün- den fast ausschliesslich nur die erwähnten äussern Verhältnisse in Betracht. Um mit den Käfern zu beginnen, bei denen bisher einzig und allein das Vorkommen stiftartiger Elemente sicher konstatirt ist, so fand ich die beschriebenen poriferen Bildungen bei gar allen Formen (ohne jede Ausnahme), bei denen ich sie überhaupt suchte, und zwar unter solchen Lage- und andern Verhältnissen (worunter ich vor Allem auch die Gegenwart eines in unmiittel- barer Nähe der Poren sich ausbreitenden Nervs verstehe), dass an ihrer Homologie mit den entsprechenden scolopoferen Organen von Dytiseus, COlytus ete. absolut nicht gezweifelt werden kann. Im Einzelnen findet man aber, und dies gilt von diesen Or- ganen überhaupt, hinsichtlich der Ausbreitung, der Anordnung, Zahl, Grösse, Form ete. der Poren die mannigfachsten Abweichungen, deren genauere Darstellung indess nicht im Plane unserer Arbeit liegt, die aber, wie ich weiter unten an einem Beispiel näher er- läutern werde, wohl verdiente, den Gegenstand einer besonderen Untersuchung zu bilden. Von den geprüften Formen nenne ieh besonders Coceinella, Elater, Feronia, Hydrophilus und Cerambyx. Der Umstand, dass bei der letztgenannten Longicorniergattung das Porenfeld mehr jenem von Melolontha als dem des näher stehenden Genus Clytus gleicht (es ist ungemein lang und stehen auf dem grössern Theil der ganzen Strecke bei 6 Poren nebeneinander, nur zu hinterst Die chordotonalen Sinnesorgane der Insecten. 593 liegen sie mehr vereinzelt) beweist wohl aufs deutlichste, dass unsere Organe keineswegs bei den einzelnen Hauptabtheilungen dieser Inseetenordnung (und so findet man es auch bei anderen in der Regel) eine besondere typische Beschaffenheit besitzen. Manches Eigenthümliche zeigt u. A. Elater, bei dem die An- ordnung der Poren i. A. an Melolontha erinnert. Die Poren sind näm- lich von sehr ungleicher Grösse und stehen im.basalen Abschnitt häufig in kleinen Trupps beisammen, wobei die dieken Ringwälle derselben in einander verfliessen. | Von den übrigen meist nur an ein paar Vertretern unter- suchten Inseetenordnungen erwähne ich zunächst die bisher ganz unberücksichtigten Neuropteren, weil ich hier an der auch im Winter leicht lebend zu beschaffenden Chrysopa ein für unsere Zwecke äusserst instructives Object kennen lernte. Der Hinterflügel dieses Kerfs (Fig. 54) lässt schon bei ganz roher Behandlung (in Wasser unter dem Quetscher) an der bauchig aufgetriebenen Sub- costalrippenbasis ein nach hinten sich zungenförmig verschmälern- des Feld relativ weiter Poren (Fig. 55), sowie einen dicken an letzteres herantretenden Nerv (n) unterscheiden und ist das ganze Verhalten derart, dass ein Zweifel an der Uebereinstimmung mit dem scolopoferen Pteralorgan der Käfer wohl nicht erhoben werden kann, wenn es mir auch bisher, wohl in Folge der Kleinheit des Objectes, nicht gelingen wollte, die stiftartigen Körperchen nach- zuweisen. Ausserdem untersuchte ich noch Rhaphidia, bei welcher der dicke Subeostalrippennerv auf einer längeren Strecke zahlreiche feine Queräste abgibt. Von Hymenopteren studirte ich: Nematus, Selandria, Bom- bus und Ephialtes und ein paar andere unbestimmt gelassene Ich- neumoniden, und fand gleichfalls überall ein deutliches Porenfeld. Im Allgemeinen, so z. B. bei Bombus, hat es völlig die Lage und das Gepräge, wie man es bei den Käfern antrifft, bei manchen Formen ist es aber theils wegen seiner Kleinheit, theils wegen seiner versteckten Lage zwischen den basalen Gelenkstücken (Nema- tus, Selandria!)) sehr schwer und ohne Anwendung starker 1) Sehr leicht und klar sieht man das basale Porenfeld bei kleineren Formieiden; der relativen Grösse der Flügel entsprechend ist das der Vorder- flügel etwas umfangreicher wie jenes der hinteren, im Uebrigen aber besteht zwischen beiden Vorkommnissen die vollständigste Uebereinstimmung. 594 Vitus Graber: Aufhellungsmittel und des Quetschers meist gar nicht zu sehen. Sehr augenfällig ist das scharf umschriebene auf braunem Grunde relativ hell erscheinende kreisrunde Porenfeld einer (wegen des dem betr. Spiritusexemplar fehlenden Kopfes) nicht genau bestimmbaren Ichneumonide (Fig. 49 P). Hier, und dasselbe gilt von Nematus und Selandria, sind die Poren relativ weit aber wenig zahlreich, während sie bei Ephialtes, wo auch reiche Nerven- verzweigungen beobachtet wurden, sehr dieht und klein sind. Von Pseudoneuropteren untersuchte ich bisher nur Agrion mit Erfolg. Ich sah hier ähnlich wie bei Selandria gelegene, d. i. zwischen den Gelenkstücken verborgene, weite Poren. Bei den Rhynchoten blieben meine Nachforschungen lange resultatlos, bis ich endlich unter Anwendung harziger Aufhellungs- mittel {früher hatte ich Kalilauge gebraucht) bei Notoneeta und Tropicoris das gesuchte Porenfeld entdeckte. Es liegt ähnlich wie bei gewissen Hymenopteren ganz im Gelenktheil der Flügelwurzel. Die Lepidopteren liess ich ganz unberücksichtigt, und bei verschiedenen und mit den besten Hilfsmitteln untersuchten Orthopteren (Pachytylus, Platycleis) vermochte ich bisher Nichts einem zusammenhängenden Porenfeld Aehnliches zu sehen, möchte aber trotzdem, da ein solches, wie wir hören werden, an den Vorderflügeln vorkommt, nicht an dessen völlige Abwesenheit glauben. Mögen aber auch die in Rede stehenden poriferen Bildungen bei einzelnen Formen und vielleicht auch bei gewissen Familien wirklich fehlen, so geht aus den obigen Daten doch unzweifel- haft hervor, dass dieselben eine sehr weite Verbreitung besitzen, oder dass sie mit anderen Worten, einzelne Ausnahmen abge- - rechnet, einen integrirenden Bestandtheil oder ein wesentliches Hilfsorgan des Inseeten-Hinterflügels dar- stellen, das für diese Locomotionsorgane ebenso characteristisch ist, wie etwa das Vorkommen gewisser Tast- und Riechpapillen für die Antennen dieser Thiere. b. Vorderflügel. Während das Vorkommen scolopoferer Bildungen an den Hinterfiügeln durch Leydig wenigstens für die Käfer schon lange sicher gestellt ist, hatte man bekanntlich betreffs analoger Einrichtungen an den vorderen Flugorganen bisher keinerlei Anhaltspuncte als die oben erwähnten Daten von Hicks, nach Die chordotonalen Sinnesorgane der Insecten. 595 welchen speciell an den Vorderflügeln der Dipteren, aber auch bei anderen Insecten (bei welchen lässt Gerstäcker’s Bericht unbe- stimmt) ähnliche bläschenförmige Integumentgebilde wie an den Halteren vorhanden sind, und ist es bei der Mangelhaftigkeit der Hicks’schen Darstellung leicht erklärlich, dass des Vorkommens solcher Bildungen an den Vorderflügeln meines Wissens später nirgends mehr weder in einem allgemein zoologischen noch ento- mologischen Werke Erwähnung geschieht. Gleichwohl zweifelte ich selbst nie auch nur einen Augenblick daran, dass die in Rede stehenden Organe factisch auch den Vorderflügeln zukämen. Ganz abgesehen davon nämlich, dass die scolopoferen Bildungen an den übrigen Bewegungswerkzeugen, ich meine an den Beinen, nicht auf ein einziges Paar dieser Gliedmassen beschränkt bleiben, sondern sich, und meist in völlig gleicher Weise an allen wiederholen, wusste ich mir auch keinen stichhaltigen Grund anzugeben, wesshalb sie an den Flugorganen und nament- lich jener Insecten, bei welchen beide Flügelpaare im Ganzen einerlei Beschaffenheit besitzen, nur das hintere auszeichnen sollten. Was nun meine einschlägigen Untersuchungen betrifft, so er- strecken sich dieselben zwar nür über einige wenige Formen, doch lassen die erzielten Ergebnisse gleichwohl auf das unzweideutigste erkennen, dass die Verhältnisse hier in der That ganz ähnliche wie an den Hinterflügeln sind. Gewisse gleich zu beschreibende Vorkommnisse an den Vorder- flügeln mancher Dipteren bestimmten mich, speciell dieser Gruppe eine grössere Aufmerksamkeit zu schenken und ich will daher auch mit diesen Bildungen den Anfang machen. Mustert man einen entsprechend präparirten Flügel einer Eristalis tenax, so bemerkt man auf der hinsichtlich der Lage und Beschaffenheit der Subeostalrippe der Hinterflügel (anderer Insecten) correspondirenden Ader zwei von einander getrennte Porenfelder. Nämlich eins (Fig. 62 P), das ganz an der Basis der betreffenden Ader unweit des Flügelgelenkes liegt und aus mehreren unregel- mässig zerstreuten Poren besteht, die auf dem dunkelbraunen stark behaarten Grunde z. Th. schwer zu sehen sind — ich nenne dies das basale Porenfeld — und dann ein zweites (P‘), das sich von der mit der grobbehaarten Flügelrandleiste verschmolzenen Wurzel längs eines mittleren relativ hellen resp. zartwandigen Streifens des freien Rippentheiles bis zur sog. Wurzelquerader (q) 596 Vitus Graber: erstreckt, und das ich aus einem später zu erörternden Grunde das seapale Porenfeld nenne. Dass man es aber hier wirklich mit wahren Poren zu thun hat, überzeugt man sich bei stärkerer Vergrösserung, wobei man auch sieht, dass dieselben hier eine ganz besondere doppelkeleh- artige Form haben, indem der eylindrische Kanal (Fig. 62 p) sowohl an der inneren als an der äussern Mündung eine trichterartige Erweiterung besitzt. Vor Allem beachtenswerth ist aber die Regelmässigkeit in der Anordnung der Poren im scapalen Felde, die mich, als ich sie das erstemal erblickte, nicht wenig überraschte. Die betreffenden Poren bilden nämlich, ähnlich wie bei Cly- tus, eine einzeilige Längsreihe, die aber weit regelmässiger wie beim genannten Käfer ist, indem hier alle Poren genau in eine gerade Linie fallen und die ersten, 15 bis 20 derselben, derart dieht aufeinanderfolgen, dass man bei schwächerer Vergrösserung einen zusammenhängenden dunkeln Streifen vor sich zu haben glaubt. Nach hinten dagegen weichen sie immer weiter auseinander, gehen aber an allen untersuchten Exemplaren niemals über die Wurzelquerader hinaus. Als interessanter Fall von individueller Variation sei erwähnt, dass ich bei einem Exemplar ausserhalb der vorderen dicht ge- schlossenen Tüpfelreihe einen ganz vereinzelt stehenden Porus (p‘) beobachtete, der auffallend kleiner als die übrigen Hautkanäle war. Wahrscheinlich ist dieser die Regelmässigkeit der Reihe störende Porus ein Ueberbleibsel eines früheren Zustandes, in welchem die Poren noch nicht streng serial angeordnet, sondern unregelmässig zerstreut waren. Unter den obwaltenden Verhältnissen war ich selbstverständ- lich sehr gespannt darauf, die zur Porenlinie gehörige innere Ein- richtung kennen zu lernen. Die Derbheit und Behaarung der Rippe lässt aber von aussen kaum mehr erkennen, als dass dieselbe von einer Trachea (tr) und einem Nerv (n) durchzogen wird. Ganz unerwarteter Weise gelang es mir aber an einem in schwachem Alcohol macerirten Flügel aus der mit einer passenden Lanzette aufgeschlitzten Ader fast den ganzen Nerventraet herauszuschälen. Am betreffenden Präparat (Fig. 61) sieht man sofort, dass die Vertheilung der vom Rippennery sich abzweigenden Endgebilde genau jener der Poren entspricht. Man unterscheidet nämlich Die chordotonalen Sinnesorgane der Insecten. 597 erstens ein pinselförmiges System von Endgebilden (g), das sich an das basale Porenfeld (P) anschmiegt und dann, eine beträchtliche Strecke hinter demselben, ein bandförmiges System (g‘), dessen Einzelganglien genau mit den scapalen Poren zusammenfallen, in- dem sie vorne ganz dicht aufeinanderfolgen, mehr nach hinten aber (g“) grössere Intervalle zwischen sich lassen. Die ganze Bildung zeigt eine unverkennbare Aehnlichkeit mit jener an der Locustiden-Crista (vgl. Lit. 15 u. A. Fig. 74), wo man auch einen mehr compacten Theil (am obern Ende) und einen bandförmigen (im weiteren Verlaufe) unterscheidet, und möchte ich schon hier darauf hinweisen, dass die am vorliegenden Object auftretende Sonderung des gesammten Endapparates in zwei dif- ferente Bestandtheile, wovon der hintere eine genau lineare Glie- derung besitzt, gegenüber dem gewöhnlichen Verhalten ebenso eine höhere Differeneirungsstufe bezeichnet, wie dies hinsichtlich des eben erwähnten tympanalen Organes der Fall ist. Was dann den Bau der einzelnen Endgebilde betrifft, so er- kennt man zunächst leicht, dass es einem kurzen Nervenzweig auf- sitzende, mit einer basalen spindelförmig aufgetriebenen Ganglien- zelle versehene Schläuche sind; es gelang mir aber nie, dieselben vollkommen intact zu erhalten und blieb insbesondere meine Hoff- nung, am bandförmigen Theile irgendwelche stiftartige Körperchen zu entdecken, unerfüllt. ‚ Dagegen sah ich an dem von der Cutieula losgerissenen freien Rande des basalen Ganglions wiederholt starklichtbrechende bläulich- glänzende Zäpfchen (Fig. 61 St), die ich auf Grund meiner übrigen Erfahrungen ohne das geringste Bedenken für die Köpfchen von (in ihrem übrigen Theil durch die Maceration unkenntlich gemachten) Stiften anspreche, und zweifle ich auch keinen Augenblick daran, dass solche auch im bandförmigen Organe vorkommen, dass man es hier also in der That so gut wie an den Hinterflügeln mit scolopoferen Bildungen zu thun hat. Da mich die im Vergleich zu anderen pteralen Porenfeldern so auffallend regelmässige Anordnung der scapalen Hautöffnungen bei Eristalis auf den gewiss nicht so ferne liegenden Gedanken brachte, dass dies Verhalten vielleicht mit der den Schwebfliegen so eigenthümlichen Flugweise in Zusammenhang stehe, war ich begreiflicher Weise nicht wenig neugierig zu erfahren, in wie weit dasselbe für die genannte Dipterenfamilie überhaupt bezeichnend 598 Vitus Graber: sei, wobei ich meine Untersuchungen freilich nicht, wie es zur Erzielung einer allgemein giltigen Entscheidung der angeregten Frage nothwendig wäre, auf die meisten, sondern nur auf einige wenige Gattungen auszudehnen in der Lage war. Indem ich vorausschicke, dass ich meine Annahme insoferne bestätigt fand, als alle von mir untersuchten Syrphiden im Wesent- lichen die bei Eristalis beschriebene Bildung zeigen, während eine so strenge Reihenbildung sonst bei keiner einzigen der übrigen beobachteten Dipterenformen zur Wahrnehmung gelangte, will ich nun in Kürze auf das Detail eingehen. Von Syrphiden zunächst untersuchte ich ausser Eristalis noch vier Genera, nämlich: Melitreptus, Merodon, Cheilosia und Syritta. Characteristisch für alle diese Formen ist zunächst der Um- stand, dass die scapale Porenreihe von der basalen Porengruppe stets vollständig durch ein mehr oder weniger ausgedehntes poren- loses Areal getrennt ist, und dass ferner in der ersteren die vor- deren Poren stets dichter als die hinteren aufeinanderfolgen. Etwas abweichend verhält sich dagegen — vom Basalfeld nehme ich ganz Umgang — bei manchen Formen die scapale Porenlinie. Die grösste Uebereinstimmung mit Eristalis fand ich bei Melitreptus und Cheilosia, namentlich auch darin, dass die Poren- linie vorne relativ sehr dieht ist und sich ganz bis zur Wurzel- querader ausdehnt. Speciell bei Cheilosia pulchriceps Lw. zählte ich auf 14 basale (die vordersten 12 sind in drei schiefen Reihen zu je drei angeordnet) 22 scapale Poren. Das Genus Merodon (elavipes F.) unterscheidet sich dadurch, dass auch die vorderen Poren sehr weit auseinanderstehen und also auch relativ minder zahlreich sind. Am Weitesten entfernt sich aber unter den beobachteten Formen Syritta') (pipiens L.) vom Eristalis-Typus, indem hier 1) Hier zeigt die Cuticula der Subcostalrippenwurzel eine höchst auf- fallende Differeneirung. Beiläufig die halbe Breite derselben einnehmend, sieht man ein beiderseits spitz ausgezogenes, oben etwas zur Seite gebogenes ellip- tisches Feld, das von einem Rahmen umgeben und von einer mittleren Leiste durchzogen wird. Zwischen letzterer und dem Rahmen spannen sich in gleichen Distanzen Querbalken aus, so dass das ganze Feld in zwei Reihen relativ durchsichtiger Alveolen getheilt wird. Es ist wahrscheinlich, dass dieser sonderbaren äusseren Bildung auch eine specifische innere Einrichtung entspricht. Die chordotonalen Sinnesorgane der Insecten. 599 (vgl. das Schema Fig. 62) die Poren nur in der ersteren (vorderen) Hälfte des scapalen Rippenstückes eine zusammenhängende gerad- linige Reihe (P‘a) bilden, während die hinteren Oeffnungen (P‘b) in der aus der Abbildung ersichtlichen Weise ganz regellos durch- einander liegen und ausser Continuität mit der eigentlichen Poren- linie sich befinden. Bei den übrigen untersuchten Dipteren kommen hinsicht- lich der Vertheilung der Poren sozusagen alle nur er- denkliehen Variationen vor; doch kann es auch bei ihnen im Gegensatz zu anderen Inseceten, wo ich stets ein continuirliches Porenfeld beobachtete, als fast allgemein gültige Regel ausgespro- chen werden, dass die in Rede stehenden Poren in zwei, mit- unter auch in mehrere und oft ziemlich weit von einander getrennte Gruppen zerfallen. Eine grosse Aehnlichkeit mit dem Verhalten der Syrphiden fand ich bei einem Vertreter der denselben auch systematisch nahe stehenden Bombyliden, nämlich bei Systechus sulphureus Mk., sowie bei Coenomyia ferruginea, insoferne hier im vorderen scapalen Abschnitt eine ganz geradlinige, aber kurze und schüttere Poren- reihe vorkommt. Ein verwandter Typus zeigt sich dann auch noch bei Asilus (rufinervis Mg.). Hier zieht vom ungemein reichporigen Basalfeld an der äussern Seite des scapalen Rippenstückes eine Reihe ziem- lich dicht stehender Hautkanäle bis zur Querader hinab, neben derselben und zwar nach innen liegen aber ähnlich wie bei Syritta (Fig. 62), jedoch auf der ganzen Strecke, noch zahlreiche vereinzelte Poren. | Anfänge, oder wenn man will Rudimente einer scapalen Porenreihe sieht man u. A. auch bei Dryomyza, sowie bei Empis (tesselata) (Fig. 63 P‘). In beiden Fällen besteht sie aber nur aus wenigen und nicht geradlinig angeordneten Poren. Ganz abnorm ist beim letztgenannten Genus das Vorkommen einer grössern zerstreuten Porengruppe am Ursprung der Querader (Fig. 63 P“). Dagegen scheinen bei Bibio (hortulanus) und Tabanus die Poren ausschliesslich nur auf das Basalfeld beschränkt. Weitaus die reichste Porenentfaltung unter allen beobachteten Dipteren zeigt das Genus Leptis, indem hier (Fig. 65) der grössere Theil des Scapalfeldes (P‘) mit solchen ziemlich dicht übersät ist, 600 Vitus Graber: und auch der davon getrennte basale Abschnitt (P) eine beträcht- liehe Ausdehnung besitzt. Wie im folgenden Abschnitt näher begründet werden wird, betrachte ich dies Verhalten als das primäre, von dem die andern Typen der Porenvertheilung abzuleiten sind. Am betreffenden mit Karmin tingirten Präparat konnte ich auch sehr schön den Nerv (n) mit seinen getrennten Ganglien (g und g‘) sehen. Sind nun die im Vorstehenden über die poriferen Pteralorgane der Zweiflügler gemachten Mittheilungen auch im höchsten Grade lückenhaft, so dürften sie vielleicht doch geeignet sein, zu zeigen, dass eine eingehendere Behandlung dieses Gegenstandes, selbst innerhalb einer und derselben Abtheilung der Inseeten, zu interes- santen und z. Th. auch für die Systematik werthvollen Ergebnissen führen würde. Uebergehend auf das Vorkommen der poriferen Chordotonal- organe der Vorderflügel bei den übrigen Insectenordnungen, so konstatirte ich dasselbe überall mit Ausnahme der Coleopteren, der Neuropteren und Rhynchoten. Dabei erweist sich der Habitus in der Anordnung der Poren im Ganzen dem der Hinterflügel ähnlieh und wurde insbesondere nur ausnahmsweise eine Sonderung derselben in zwei Gruppen, wie solches für die Dipteren bezeichnend ist, beobachtet. Die- selben liegen theils alle nahe dem Gelenk des Flügels (Selan- dria, Bombyx), entsprechen somit jenen des Basalfeldes der Dipteren, theils befinden sie sich (Platyeleis, Ephemera) weiter nach hinten und sind dann wohl in der Regel mit den scapalen Bildungen der genannten Inseeten zu vergleichen, ohne dass freilich der Nachweis einer strengen Homologie zu erbringen wäre. Im Einzelnen erwähne ich Folgendes: Bei Selandria serva Fab. (Hymenoptere) fand ich hart am Gelenk, also in ähnlicher Lage wie an den Hinterflügeln desselben Objectes, ein mit zahlreichen dicht stehenden Poren besetztes kurzes, nach hinten zungenförmig sich verschmälerndes Feld und daneben, weiter nach innen, resp. gegen den Hinterrand des ausgespannten Flügels, noch eine zweite kleinere Gruppe ähnlicher Hautkanäle. Ein mehr langgestrecktes, vom Gelenk bis in die scapale Region sich hineinziehendes Porenfeld beobachtete ich ferner bei einer Andrena, wo auch der Nerv sehr deutlich zu verfolgen war Die chordotonalen Sinnesorgane der Insecten. 601 und notirte ich mir noch — das Präparat habe ich leider wegge- worfen — dass dies Vorflügel-Porenfeld ganz dem der Hinterflügel gleicht. Wenn ich nun auch bei einer Pimpla-Art bisher vergeblich (auch an den Hinterflügeln) nach Poren suchte, dürften die vorer- wähnten positiven Daten eine weitere Verbreitung unserer Organe bei den Hautflüglern doch ausser Frage stellen. Grosse Schwierigkeit macht das Aufsuchen der poriferen Stellen an den Schmetterlingsflügeln, welche gleichwohl, was mir unerklärlich, von Hicks als Objeete bezeichnet werden, an denen dieselben sehr deutlich zu erkennen wären. Nach sorgfältiger Entschuppung, gehöriger Aufhellung und Quetschung sah ich beim Seidenspinner an der aus der Fig. 56 ersichtlichen Stelle (P) eine Gruppe von Poren (Fig. 57), die bei schwächerer Vergrösserung leieht mit den Schuppentaschen ver- wechselt werden können, indessen beträchtlich enger wie die letz- teren sind und sich auch durch ihre Lage und Beschaffenheit als besondere Bildungen erweisen. Bei Platyeleis (Örthopteren) ist das Porenfeld gleichfalls sehr unscheinbar, weshalb ich es auch lang vergeblich suchte. Wie zu erwarten, befindet es sich auf der dieken Mittel- ader (Fig. 59 P), die sonach, falls die Lage das Porenorganes überhaupt eine constante ist, der Subeostalrippe anderer In- secten homolog gesetzt werden muss. Die Poren befinden sich über der Gabelungsstelle der Rippe, sind ziemlich weit, aber höchst unregelmässig und spärlich ver- theilt. Ihre Beschaffenheit wird erst bei stärkerer Vergrösserung deutlich, wo sie sich (A) als nach innen schwach erweiternde Ka- näle darstellen. Bei starker Quetschung erkennt man auch den zu ihnen tre- tenden Nerv (n), sowie einzelne gangliöse Querzüge desselben. Dass man sich durch negative Resultate vom wiederholten Suchen nach unseren Organen nicht abschrecken lassen darf, mag zum Schluss das folgende, auf die Vorderflügel einer Ephemera Bezügliche lehren. Als ich dieselben zu einer Zeit, wo ich über die weite Ver- breitung der gewissen Poren, sowie über die zum Ziele führenden Forschungsmethoden noch keine Erfahrung hatte, zum erstenmal in Wasser musterte, sah ich gar Nichts. Später, als mir ihr Vor- 602 Vitus Graber: kommen auf Grund anderweitiger Befunde an den Hinterflügeln sehr wahrscheinlich vorkam, untersuchte ich sie zum zweitenmale und zwar in Kalilauge und bemerkte nun mit Zeiss © im vorderen Absehnitt des scapalen Theiles der dicken Subeostalrippe eine Menge dunkler Puncte (Fig. 58 P), die mir indess für Poren allzu klein erschienen. Inzwischen lernte ieh die weite Verbreitung der Poren speciell auch an den Vorderflügeln kennen und ich nahm nun die Unter- suchung im festen Glauben, dass auch bei Ephemera Poren vor- kommen müssen, noch einmal und zwar unter Anwendung der bekannten harzigen Aufhellungsmittel und der stärksten Linsen auf und, wie Fig. 58 A zeigt, nicht umsonst, da sich die unschein- baren dunkeln Punete als deutliche, wenn auch auffallend winzige eylindrische Hautkanäle erwiesen. Als eine übrigens selbstverständliche Sache will ich nur noch die Gegenwart eines an das Porenfeld schief herantretenden Nervs (n), sowie einer mit derselben verbundenen Trachea (tr) erwähnen. Angesichts des eben mitgetheilten Falles kann ich den nega- tiven Ergebnissen meiner bisherigen Untersuchungen an den Vor- derflügeln der übrigen Inseetenordnungen wohl kaum ein grösseres Gewicht beilegen, wenn es gleichwohl wahrscheinlich ist, dass die in Rede stehenden Organe wenigstens unter gewissen Umständen, so z. B. bei starker Erhärtung der betreffenden Flügel (speeiell bei manchen Käfern und Wanzen) und namentlich, wenn dieselben gar nicht zum Fluge gebraucht werden, völlig eliminirt oder doch bis zur Unkenntliehkeit redueirt sind. 111. Ueber die genetische Beziehung zwischen den einzelnen Vorkommnissen der Chordotonalorgane. Obwohl von den einzelnen Chordotonalorganen, die bei den verschiedenen Inseeten und in den verschiedenen Abschnitten ihres Körpers vorkommen, bisher offenbar nur ein sehr geringer Bruch- theil erforscht ist, so erscheinen mir die einschlägigen Thatsachen, welche bereits bekannt sind, doch ausreichend, um daran gewisse, die Entstehung und den Zusammenhang dieser Bildungen betreffende Erörterungen zu knüpfen. Vergleicht man zunächst die einzelnen Vorkommnisse der Die chordotonalen Sinnesorgane der Insecten. 603 Chord.-Organe ganz im Allgemeinen, so gelangt man vor Allem zur Erkenntniss, dass dieselben einen äusserst ungleichen Grad von Entfaltung oder Differeneirung besitzen. So gibt es Vorkommnisse, die nur aus einem einzigen Scolo- pophor bestehen und daneben andere, welche aus hunderten soleher stiftführender Nervenenden zusammengesetzt sind. Ferner ist bei den einen Vorkommnissen das Organ ein rein innerliches, und bezieht sich dessen Differeneirung nur auf die eigentlichen Nerven- enden, während bei andern (tympanale, porifere Bildungen) an seinem Aufbau auch die äussere Cutieula und, gelegentlich wenigstens, noch andere Theile, wie die Tracheen, Muskeln u. s. f. partieipiren. Aus der angeführten Thatsache darf nun aber, wie ich glaube nach Analogie mit andern ähnlich abgestuften Bildungen, der Schluss gezogen werden, dass sich die Chord.-Organe nicht mehr alle in dem Zustande befinden, in welchem sie zuerst entstanden sind, sondern dass sie sich entwickelt und zwar in sehr verschiedener Weise entwickelt haben. So wie wir aber nach dem Gesagten annehmen, dass die complieirteren Vorkommnisse der Stift-Organe aus einfacheren ber- vorgiengen, so werden wir, noch weiter zurückgehend, auch anneh- men dürfen, dass auch die einfachsten scolopoferen Bil- dungen wieder aus noch einfacheren, stiftlosen Nerven- enden entstanden sind. An diese Annahme knüpfen sich eine Reihe weiterer Fragen. Zunächst nach der Natur jener primitiven, sensiblen Nervenenden, welche als die Vorläufer der scolopoferen anzusehen sind. Mit Rücksicht auf die weite Verbreitung, die Beschaffenheit und die integumentale Befestigung der in Rede stehenden Organe ist es nicht unwahrscheinlich, dass sie aus den über die ganze Kör- perperipherie verbreiteten gewöhnlichen Haut- oder Tastnervenendi- gungen hervorgingen. Zu einer nähern Begründung dieser Hypothese fehlt aber gegenwärtig noch die Kenntniss des ontogenetischen Verhaltens und darf auch nicht verschwiegen werden, dass die mit dem Inte- gument in gar keiner direeten Verbindung stehenden oder subinte- gumentalen Crista-Scolopophoren dieser Ansicht nicht eben günstig sind; jedenfalls miissten letztere, einen gleichartigen Ursprung dieser Bildungen vorausgesetzt, nachträglich bedeutende Verände- rungen erlitten haben. 604 Vitus Graber: Noch sehwieriger ist die gleichfalls nahe liegende Frage nach den Ursachen und Bedingungen, welche zur ersten Differeneirung sowie zur weiteren Entwicklung der Stiftorgane geführt haben. In dieser Beziehung kennen wir nur einen einigermassen ver- lässlichen Anhaltspunkt, ich meine die Beziehung zwischen den tympanalen Differeneirungen und den bekannten tonerregenden Einrichtungen der Heuschrecken. Da nämlich erstere, wenigstens in der Regel, nur in Begleitung der letzteren vorkommen, so darf man wohl schliessen, dass zwischen diesen Bildungen ein causeller Zusammenhang besteht, beziehungsweise, dass die von den toner- regenden Werkzeugen produeirten Schallreize die Entwicklung der Trommelfelle wo nicht bedingt, so doch befördert haben und wenn diese Anschauung richtig ist, so darf man wohl noch weiter gehen und annehmen, dass die acustischen Reize, zu deren Perception, wie ich später zeigen werde, die Chordotonalorgane höchst wahr- scheinlich dienen, auch auf die Bildung der scolopoferen Nerven- enden selbst Einfluss genommen haben. Endlieh wäre noch die Frage zu berühren, wesshalb die sco- lopale Differeneirung von Nervenenden, nach den bisherigen Beob- achtungen zu urtheilen, vornehmlich nur bei den Inseeten vorkommt, während sie z. B. bei den Crustaceen gänzlich vermisst wird. Mit Rücksicht darauf, dass hier die biologischen Verhältnisse nicht allein entscheidend sein können, da ja gewisse wasserlebende Insecten ganz ähnlichen äusseren Bedingungen wie manche Krebse ausgesetzt sind, kommen wir nothgedrungen zum Schluss, dass die Ursache dieser Erscheinung in erster Linie in der innern Natur oder in der physischen Beschaffenheit der betreffenden Thiere gelegen sein müsse, dass also, kurz gesagt, eine gewisse Disposition zur Entwicklung solcher Bildungen vorhanden sein muss. Um die Sache durch einen Vergleich zu illustriren, verhält es sich da ähnlich wie etwa mit den knidalen Differenzirungen der Würmer, die bekanntlich bisher auch nur in einer Abtheilung nämlich bei den Turbellarien nachgewiesen sind, oder mit den Seleritbildungen der Coelenteraten (i. w. S.), die auch nur in einzelnen Abtheilungen auftreten, während die homologen Zellen anderer Formen keinerlei solche specifische Inhaltskörper in sich erzeugen. 1) Hier wären u. A. auch die sog. Poleapseln der Myxosporida (Bütschli, Zeitschr. f. wissenschaftl. Zoologie 1881) zu nennen. Die chordotonalen Sinnesorgane der Insecten. 605 Gehen wir nun, nachdem wir das Vorkommen der Chordoto- nalorgane ganz im Allgemeinen betrachtet haben an die speciellere Vergleichung und zwar zunächst bei einem und demselben Orga- nismus und dann bei verschiedenen Thieren. Was hinsichtlich der Vorkommnisse bei einem und demselben Thier vor Allem zu beachten, das ist der Umstand, dass diese Organe im Gegensatz zu den übrigen höhern Sinneseinrichtungen niemals nur auf einen einzigen Körpertheil beschränkt erscheinen, sondern stets an mehreren und häufig an ganz verschiedenen Stellen auftreten. In dieser Hinsicht gleichen also die Chordotonalorgane am meisten den Tasteinrichtungen, wenn auch ihre Verbreitung im Ganzen eine weit beschränktere ist. Besonders ist noch hervorzuheben, dass die meisten, wo nicht alle Vorkommnisse eine metamerische Verbreitung besitzen, d. h., dass sie niemals nur auf einem einzigen Segment resp. Segment- anhang vorkommen, sondern sich auf allen einander gleichenden Metameren und deren Gliedmassen wiederholen. So finden wir es z. B. hinsichtlich der verschiedenen Pedal- organe, die stets an allen Beinen vorkommen, ferner bei den pteralen, die gleichfalls der Hauptsache nach an den vordern und hintern Flügeln gleichgebildet sind, und dasselbe gilt von den Vorkommnissen des Stammleibes, bei denen sich auch die in Rede stehenden Organe gleichmässig über die meisten Segmente erstrecken. Eine scheinbare Ausnahme in letzterer Beziehung liegt nur betreffs der abdominalen Tympanalorgane der Acridier vor; doch habe ich schon bei einer frühern Gelegenheit bemerkt, dass man mit Rücksicht auf die analogen Verhältnisse an den Beinen der Loeustinen und Gryllodeen wohl mit Sicherheit annehmen kann, dass die specifische Nervenendigung des Acridier-Tympanalappa- rates auch inden auf das tympanofere Segment folgenden Somiten vorkommt. Interessant ist auch das Verhalten bei Mystaeides, wo wir sehen, dass sich die Stiftorgane an zwei Segmenten des Beines, nämlich an der Tibia und am ersten Tarsusglied (Fig. 66) unter ganz gleichen Form- und Lagerungsverhältnissen wiederholen, was offenbar mit dem Umstande zusammenhängt, dass die betreffenden Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 20. 3 606 Vitus Graber: Abschnitte, ähnlich den auf einander folgenden Stamm-Segmenten, eine sehr gleichartige Ausbildung besitzen. Es entsteht nun die wichtige Frage, wie sich denn die einzelnen Vorkommnisse bei einem und demselben Thier genetisch zu ein- ander verhalten, d. h. ob alle gleichzeitig aufgetreten sind, oder ob sie sich unabhängig von einander, die einen früher, die andern später entwickelt haben. In dieser Beziehung scheint es mir angezeigt, zu unterscheiden zwischen den Vorkommnissen, die einander nach Lage und Form homodynam sind und zwischen jenen, die nicht im Verhältniss der Homologie zu einander stehen. Was die ersteren, d. i. die homodynamen Vorkommnisse an- belangt, so unterliegt es wohl gar keinem Zweifel, dass sie ent- weder von vorne herein alle zugleich entstanden, oder dass wenig- stens, falls sie zuerst nur auf einem der einander homodynamen Leibesabschnitte auftraten, die Wiederholung in den übrigen Me- tameren eine direete Folge der Anfangsbildung war. So glaube ich beispielsweise ohne Weiteres annehmen zu können, dass die Subgenualorgane der einzelnen drei Beinpaare bei den Orthopteren so gut wie bei den Formieiden vollkommen gleichzeitige oder syngenetische Bildungen sind und dasselbe wird hinsichtlieh der Vorkommnisse am Stamm der Fall sein. Dies schliesst aber selbstverständlich nicht aus, dass die einzelnen ein- ander homodynamen Vorkommnisse nachträglich z. Th. verschiedene Modifieationen erlitten, oder eine verschieden hohe Entwicklung erreichten, indem z. B. die Subgenualorgane der Vorderbeine, die bei Blatta u. A., mit denen der übrigen Beine übereinstimmen, bei den Locustinen und Gryllodeen eine tympanale Differeneirung erfuhren, während andererseits z. B. die poriferen Organe an den stark modifieirten Vorderflügeln der Coleopteren, Hemipteren u. S. w. eine totale Rückbildung erlitten zu haben scheinen. Letzteres Verhalten lehrt uns zugleich, dass die seeundären Veränderungen, welche einzelne Vorkommnisse einer homodynamen Reihe der in Rede stehenden Organe erfuhren, im Allgemeinen jenen der betreffenden Körpertheile entsprechen. Ungleich schwieriger ist begreiflicherweise die Frage nach. der genetischen Beziehung zwischen jenen Vorkommnissen, die nicht im Verhältniss der allgemeinen Homologie zu einander stehen, Die chordotonalen Sinnesorgane der Insecten. 607 und ich glaube, es lässt sich hierüber auch nicht im Allgemeinen, sondern nur von Fall zu Fall entscheiden. Nur auf Eines möchte ich schon hier aufmerksam machen. Bei vielen Sinnes-Organen, wie z. B. bei den Augen gewisser Thiere, hat es den Anschein, dass sie zuerst an vielen verschie- denen Körperstellen und in verhältnissmässig grosser Anzahl zur Ausbildung gelangten und dass sie dann nachträglich auf relativ wenige besonders günstig situirte Vorkommnisse redueirt wurden. Manche Erscheinungen, wie z. B. das über mehrere Beinabschnitte verbreitete Vorkommen relativ einfacher Chordotonalorgane bei den Käfern, dann das polyzygische Verhalten am Stammleib mehrerer Insecten legen einem auch für diese Einrichtungen eine ähnliche Erklärung nahe; die nachfolgenden Erörterungen werden aber zeigen, dass, in manchen Fällen wenigstens, eine solche Annahme nicht wohl zulässig, es vielmehr wahrscheinlicher ist, dass die einzelnen Vorkommnisse eines und desselben Thieres nur nach und nach sich gebildet haben und dass sie z. Th. ein sehr unglei- ches Alter haben. Selbstverständlich können aber mit einer solchen successiven Vergrösserung des gesammten Besitzstandes von Chordotonalorganen auch gewisse Rückbildungen Platz greifen und wird man überhaupt mit der Annahme, dass es bei diesen Organe noch nicht zu einem Definitivum gekommen, ziemlich das Richtige treffen. Ich komme nun zum Hauptgegenstand dieses Abschnittes, nämlich zur Erörterung der Frage, wie sich die einzelnen Vor- kommnisse der Chordotonalorgane verschiedener Thiere hinsichtlich ihrer Entstehung zu einander verhalten, d. h. in wieweit man es hierbei mit homogenetischen, auf den gleichen Ursprung zu beziehenden, und in wieweit mit heterogenetischen resp. con- vergenten Bildungen zu thun hat. Da der Bau der einzelnen Chord.-Organe, wie wir wissen, wenigstens in Bezug auf die Natur der sie zusammensetzenden scolopoferen Elemente ein sehr übereinstimmender ist, so kommt es bei der Entscheidung vorliegender Frage offenbar vor Allem auf die Lagerungsverhältnisse der zu vergleichenden Bildungen an. Von Vorkommnissen nämlich, die ungleichlagerig oder hete- rotopisch sind, ist aus naheliegenden Gründen im Allgemeinen anzunehmen, dass sie keine genetische Verwandtschaft miteinander haben, während die gleichlagerigen oder homotopischen Vor- 608 Vitus Gräber: kommnisse in der Regel auch als homogenetisch oder homolog angesehen zu werden pflegen. Indem ich schon zum Vorhinein darauf aufmerksam mache, dass bei relativ so einfachen Bildungen, wie es die chordotonalen im Allgemeinen sind, die Entscheidung, ob sie als gleich- oder ungleichlagerig anzusehen, nicht immer so leicht ist, will ich zu- nächst, aber nur in aller Kürze, einige Beispiele von unzweifelhaft heterotopischen bez. heterogenetischen Vorkommnissen anführen. Wie ein Ueberbliek über die verschiedenen scolopoferen In- seeten lehrt, zeigt der Grad der Heterotopie viele Unterschiede. So ist beispielsweise die Heterotopie zwischen den Vorkommnissen des Stammes und der diversen Anhänge im Allgemeinen weit grösser als zwischen Vorkommnissen eines und desselben Körpertheiles, wie etwa eines Stamm-Somits oder eines bestimmten Segmentan- hanges. Hier beschränke ich mich lediglich auf die Heteropieen in den Beinen. Unzweifelhaft heterotopisch bez. heterogenetisch sind u. A. die Femoralorgane der Pediculiden verglichen mit den Tibialorganen der Neuropteren, Orthopteren, Formieiden u. s. w. und den tarsalen Vorkommnissen der Käfer etc. Heterotopie findet sich hier aber auch innerhalb eines engern Rahmens, nämlich im Bereich eines und desselben Beinabschnittes So haben beispielsweise das am distalen Tibienende befindliche Mystaeides-Organ (Fig. 66 ti—Ch) und die näher dem proximalen Ende situirten sog. Subgenualorgane der Orthopteren entschieden eine ganz differente Lage und auch einen völlig verschiedenen Ursprung, und dasselbe gilt betreffs der tarsalen Organe der Käfer, verglichen mit jenen der Mystacides-Larve, denn erstere liegen in der Mitte, letztere am distalen Ende des ersten Tarsusgliedes und für die Annahme einer Lageverschiebung liegt hier sowie in den früher genannten Fällen nicht der geringste Anhaltspunkt vor. Eines möchte ich noch bemerken. Bekanntlich hat ©. Schmidt die subgenualen Tympanalor- gane der Locustinen (streng genommen freilich nur die Crista) mit den abdominalen Tympanalorganen der Acridier verglichen und sie als untereinander heterogenetische bez. eonvergente Bildungen erklärt. Diese Auffassung ist auch vollkommen richtig, wenn man die genannten Vorkommnisse nur für sich allein betrachtet. Die chordotonalen Sinnesorgane der Insecten. 609 Erwägt man aber, dass es nach meinen Untersuchungen höchst wahrscheinlich ist, dass Acridier und Locustinen im Ganzen die gleichen Chordotonalorgane besitzen, so wäre es offenbar gefehlt, anzunehmen, dass zwischen den bezeichneten Bildungen gar kein genetischer Zusammenhang bestände, sondern die Sache verhält sich so, dass die in Rede stehenden Organe ver- schiedene, d. i. ungleichlagerige Bestandtheile homo- loger Systeme sind. Ich gehe nun zu den homotopischen Vorkommnissen über, die aus naheliegenden Gründen für die Erörterung der in Rede stehenden genetischen Fragen weitaus von der grössten Wichtig- keit sind. Unter den Vorkommnissen, die ich da vor Augen habe, unter- scheide ich zwei verschiedene Kategorien, nämlich solche, die, wie ich zeigen werde, gleichen Ursprungs sind und dann solche, hin- sichtlich welcher es wahrscheinlicher ist, dass sie von einander unabhängig entstanden sind. Die Beziehung zwischen den letzteren bezeichne ich als homotopische Convergenz, und will ich gleich mit Rücksicht darauf, dass das Vorkommen solcher Pseudo-Homologien von man- chen Forschern wo nicht ganz geleugnet, so doch sehr unterschätzt wird, der Untersuchung der Einzelfälle einige orientirende Bemer- kungen vorausschicken. Zunächst wird man zugeben, dass, wenn es thatsächlich hetero- topische Convergenz, d. i. ähnliche Anpassung an ungleichen Körperstellen resp. unter z. Th. verschiedenen inneren oder ört- lichen Bedingungen gibt, an die Möglichkeit des Vorkommens von homotopischer Convergenz, d. i. von ähnlicher Anpassung an gleichen Körperstellen resp. unter mehr identischen Verhältnissen doch absolut nicht gezweifelt werden kann, ja a priori müsste logischerweise sogar angenommen werden, dass homotopische Con- vergenz häufiger als heterotopische sei. Wenn Letzteres aber gleichwohl nieht der Fall ist, und homo- topische Convergenz im Ganzen selten nachweisbar ist, so sind die Ursachen hievon z. Th. sehr naheliegende. Ein Hauptgrund ist der, dass homotopische Convergenz wegen des Umstandes, dass durch die Vererbung irgend ein neu erwor- benes Organ auch auf die Nachkommen des betreffenden Thieres übergeht, in der Regel nicht bei einander näher verwandten, 610 Vitus Graber: sondern nur bei relativ ferne stehenden Geschöpfen und auch hier nur unter gewissen Bedingungen vorkommen kann. Ein Beispiel, auf das ich auch später noch wiederholt zurück- kommen werde, wird dies deutlicher machen und insbesondere auch zeigen, worauf es bei der in Rede stehenden Frage vornehm- lich ankommt. Nehmen wir an, die Stammform der Insecten, d. i. jene, von welcher, als der gemeinsamen Wurzel, die als Ordnungen bekannten divergirenden Aeste dieser Thiere entsprangen, hätte an irgend einer Körperstelle ein neues Organ erworben. Die Folge davon wird im Allgemeinen sein, dass vermöge der Vererbung sämmt- liche Deseendenten dieser Stammform, also im angenommenen Falle alle Inseeten überhaupt an der nämlichen Körperstelle dasselbe Organ besitzen. Unter diesen Umständen ist nun klar, dass in Bezug auf dieses bestimmte Vorkommen bei dem in Rede stehen- den Thiere keine homotopische Convergenz möglich ist, denn der Platz, den eine zweite ähnliche Neubildung eventuell einnehmen könnte, ist bereits durch das vererbte Vorkommen besetzt. Dasselbe gilt natürlich auch für eine einzelne Ordnung oder andere Unterabtheilung der Insecten, falls die Bildung des gewissen Organs schon bei der Ausgangs- oder Stammform auftrat. Homotopische Convergenz kann also nach dem Gesagten offen- bar nur zwischen divergenten Zweigen des Insecten-Stammbaumes stattfinden und nur unter der Bedingung, dass die betreffende Neu- bildung erst nach erfolgter Sonderung der gewissen divergenten Formenreihen zuerst auftrat. Stellen wir uns beispielsweise, um an einen concreten Fall anzuknüpfen, vor, dass zu einer Zeit, wo bereits die Ordnungen der Orthopteren und Hymenopteren von einander getrennt waren, bei einer Form der ersteren das Sub- genualorgan entstand, so ist es möglich, dass dieselbe resp. eine ähnliche Bildung unabhängig von der der Orthopteren auch bei irgend einer Hymenopteren-Abtheilung, z. B. bei den Ameisen, zur Differeneirung gelangte, und auf diese Weise ergäbe sich eine homo- topische Convergenz. Aus dem Mitgetheilten ist auch leicht zu ersehen, worauf man bei Entscheidung der Frage, ob die gleichlagerigen Vorkomm- nisse zweier verschiedener Thiere einander homolog oder eonvergent sind, in erster Linie zu achten hat. Es kommt auf den Grad der Verwandtschaft der betreffenden Die chordotonalen Sinnesorgane der Insecten. 611 zwei Thiere und dann auf die Verbreitung der gewissen Organe bei den übrigen nächst verwandten Formen an. Nehmen wir z. B. an, in der Descendenz-Reihe A, B, C ete. bis Z hätten wir ein bestimmtes Vorkommen, sagen wir ein Sub- genualorgan zuerst bei den einander ziemlich ferne stehenden For- men A und M beobachtet. Zeigt sich nun bei der weiteren Unter- suchung, dass dasselbe Vorkommen sich auch bei allen oder doch bei den meisten Zwischenformen von A bis M vorfindet, so ist die An- nahme, dass das Vorkommen beiM von dem bei A herrühre, jeden- falls viel wahrscheinlicher als die andere, dass die gleichen Vor- kommnisse bei A und M von einander unabhängig sind, denn dasselbe müsste dann auch von B, C, D u. s. f., kurz von allen Zwischenformen behauptet werden, und müsste gegen alle Erfah- rung implieite auch angenommen werden, dass dieses Organ nicht vererbbar sei. Erwähnen will ich noch, dass die Möglichkeit einer Homologie des Vorkommens A und M auch für den Fall besteht, dass das- selbe bei den Zwischenformen sich nicht vorfindet; die wirkliche Annahme einer Homologie in diesem Falle würde aber den Nach- weis voraussetzen, dass das betreffende Organ bei den Zwischen- formen aus irgend welchen Ursachen rückgebildet wurde und ich brauche wohl kaum zu bemerken, dass ein solcher Nachweis in der Regel nicht zu erbringen ist. Wenn ich bei der nachfolgenden Erörterung von der Voraus- setzung ausgehe, dass die Homotopie gewisser Vorkommnisse von Chordotonalorganen nicht auf Homologie, sondern auf Convergenz beruhe, so stütze ich mich hiebei, wie ich zum Schluss noch an- führe, u. A. auch auf den Umstand, dass gerade innerhalb der Klasse der Inseeten auch an vielen andern und z. Th. weit com- plieirteren Bildungen ganz schlagende Fälle homotopischer Conver- genz vorkommen, und will ich wenigstens auf einen dieser Fälle aufmerksam machen. Er betrifft die Tracheenkiemen der Larven eines Käfers (Gyrinus) und eines Geradflüglers (Ephemera). Bei beiden der genannten Formen befinden sich zunächst die Tracheenkiemen genau an derselben Stelle, nämlich an den Seiten der ersten sieben bis acht Abdominalsomiten. Sie haben aber auch eine sehr übereinstimmende und zugleich höchst characteri- 612 Vitus Graber: stische Gestaltung, indem jede dieser Ausstülpungen in zwei lange lanzettliche Blätter getheilt ist. Würde Gyrinus und Ephemera derselben Familie angehören, so würde es sicher Niemand bezweifeln, dass die erwähnte Form- und Lageübereinstimmung ihrer Larvenkiemen auf Homologie beruhe. Da diese Formen aber aus zwei ganz verschiedenen Ord- nungen sind und ausser den genannten Gattungen die Mitglieder derselben theils gar keine, theils ganz andere Larvenkiemen haben, so gibt es für die in Rede stehende Uebereinstimmung offenbar absolut keine andere Erklärung, als dass sie auf Convergenz be- ruhe. Der Fall zeigt uns auch, dass morphologische Convergenz wenigstens in der Regel einen gewissen Grad von biologischer Convergenz voraussetzt; denn Gyrinus und Ephemera leben als Larven im Wasser, während bekanntlich viele andere Käfer und Orthopteren im Trockenen aufwachsen. Bemerken möchte ich noch, dass die Chordotonalorgane im Vergleich zu den mit Muskeln, Nerven, Tastwerkzeugen ete. aus- gestatteten Tracheenkiemen doch sicherlich ausserordentlich ein- fache Theile sind, und dass also auch eine wiederholte Neu- bildung der ersteren ungleich leichter als bei den letzteren statt- finden kann. A. Einige Fälle von Homologie der Chordotonalorgane. 1) Homologie zwischen den poriferen Chord.-Or- sanen der Flügel. Diese Vorkommnisse von Chord.-Organen nehmen u. A. dadurch unser besonderes Interesse in Anspruch, dass sie dermalen die einzigen sind, von denen wir mit Bestimmtheit wissen, dass sie, einige Ausnahmen abgerechnet, bei allen Insecten verbreitet sind. Schon dieser Umstand macht es, ganz abgesehen von der Uebereinstimmung in der Form und Lagerung dieser Vorkommnisse, im höchsten Grade wahrscheinlich, dass dieselben, gleich den Flügeln selbst, alle gemeinsamen Ursprunges sind. Ist dies aber der Fall, dann ergibt sich von selbst, dass die erste Differeneirung dieser Pteralorgane bereits bei den Ur-Insecten beziehungsweise zu einer Zeit stattfand, wo die heutigen divergenten Zweige der Inseeten, d. h. die verschie- denen Ordnungen der Geradflügler, Netzflügler ete. noch nicht zur Sonderung gelangt waren. Die chordotonalen Sinnesorgane der Insecten. 613 Die gewissen pteralen Sinnesorgane stehen demnach in phylo- genetischer Beziehung ungefähr auf gleicher Linie wie die Facett- augen der Insecten, von denen, in der Regel wenigstens, auch an- senommen wird, dass sie bereits von den Ur-Insecten erworben wurden und von diesen auf alle übrigen Hexapoden übergingen. Zunächst noch einige Bemerkungen, welche zeigen sollen, dass die in erster Linie auf die Verbreitung der poriferen Pteralorgane gegründete Annahme ihrer Homologie auch mit den Form- und Lagerungsverhältnissen derselben in Einklang steht. Was die ersteren betrifft, so ist vor Allem zu beachten, dass die Einzel- bildungen, aus denen sich diese Organe zusammensetzen, nämlich die Cutieularporen und, soviel uns bekannt, auch die inneren Theile, im Wesentlichen überall dieselben sind. In dieser Beziehung herrscht also, um wieder an den obigen Vergleich anzuknüpfen, sogar eine grössere Uebereinstimmung als betreffs der radiären Elemente der verschiedenen Facettaugen, die bekanntlich, wie wir u. A. durch Grenacher wissen, z. Th. einen äusserst divergenten Bau darbieten. Die Uebereinstimmung erstreckt sich aber auch auf die all- gemeine Form des Gesammtorgans, worunter hier vor Allem die Anordnung der einzelnen Scolopophoren resp. Poren zu ver- stehen ist. Diese Uebereinstimmung erscheint im Allgemeinen allerdings nicht so gross wie bei den Facettaugen, es ist aber zu bedenken, dass bei den letzteren wegen der engen und radiären Verbindung der Elementartheile in dieser Beziehung auf keine so grossen Unterschiede wie bei den Pteralorganen möglich sind, bei welchen die betreffenden Nervenenden ähnlich wie an den Tast-, Riech- und Geschmacksorganen über eine grössere Fläche ausgebreitet sind. Speciell hinsichtlich der Zahl der Nervenenden sind bei den Augen die Differenzen sogar weit bedeutender. Im übrigen ver- halten sich die Pteralorgane betreffs ihrer Form wie andere homo- loge Bildungen. Die Ueberstimmung ist im Allgemeinen am grössten bei nahe verwandten Formen und vermindert sich bei einander ferne stehenden. So zeigen beispielsweise die meisten Syrphidengattungen fast dieselbe characteristische Reihenbildung, während die verschiedenen Dipterenfamilien nur das miteinander gemein haben, dass die Poren in eine basale und scapale Gruppe gesondert sind. 614 Vitus Graber: Wenn u. A. die monoseriale Differeneirung auch bei andern Ordnungen, z. B. bei den Käfern vorkommt, so beweist dies nur, dass, wie allerwärts, innerhalb des Rahmens der Homologie auch Convergenz besteht. Jedenfalls können von einem indifferenten Porenfeld-Typus, wie er etwa bei Ephemera besteht, die übrigen Zustände mit Leichtigkeit abgeleitet werden. Was dann die Lagerungsverhältnisse betrifft, so ist die Ueber- einstimmung der verschiedenen Vorkommnisse eine ganz augen- fällige. Ueberall befindet sich das Porenfeld ganz an der Basis des Flügels und zwar in der Regel längs der sog. Subecostalader. Ich verweise in dieser Beziehung nur auf das Verhalten bei den Dipteren (Fig. 60) und bei den Ephemeriden (Fig. 58). Etwas abweichend erscheint die Lage nur bei gewissen Orthopteren z.B. Platycleis (Fig. 59), wo die Poren auf der dicken meist als Schulterader bezeichneten Mittelrippe liegen. Der Umstand, dass die porifere Ader hier nicht Subeostal- rippe heisst, beweist aber offenbar gegen die Homologie resp. Homotopie der betr. Organe gar Nichts; in Anbetracht der übrigen Verhältnisse ist vielmehr anzunehmen, dass die porifere Ader an allen Flügeln homolog ist, und dies mag man sich bei der gegen- wärtig noch sehr im Argen liegenden Vergleichung des Flügel- geäders verschiedener Inseeten stets vor Augen halten. Schliesslich noch die Frage, wie man sich das gelegentliche Fehlen der poriferen Pteralorgane z. B. an den Deckflügeln der Käfer und Wanzen zu erklären hat. Nach dem Früheren besteht wohl kein Zweifel, dass dasselbe auf Rückbildung beruht. Wenn nämlich bereits die Ur-Insecten, die wir uns mit zwei ganz oder nahe übereinstimmenden Flügel- paaren ausgestattet denken, diese Organe und selbstverständlich an beiden Flügelpaaren besassen, so müssen dieselben auch auf die verschiedenen Ordnungen übergegangen sein, und wenn wir sie trotzdem bei einzelnen derselben wie z. B. eben bei den Käfern an den Vorderflügeln nicht mehr vorfinden, so setzt dies eine statt- gefundene Reduction voraus. Eine solehe wird uns angesichts der Umwandlung, welche diese Flugorgane erfahren haben, auch durch- aus nicht befremden und sei noch hinzugefügt, dass ja, wie wir wissen, die Entfaltung dieser Organe auch bei gewissen anderen Insecten eine sehr geringe ist. Die chordotonalen Sinnesorgane der Insecten. 615 2. Homologie zwischen den poriferen Chord.-Or- sanen der Halteren. Die Beziehungen zwischen den poriferen Halterenorganen der einzelnen Dipteren sind derart, dass wir sagen können, wenn es überhaupt homologe Vorkommnisse giebt, dann müssen nothwendig auch diese als solche angesehen werden. Ab- gesehen nämlich davon, dass diese Organe über gar alle Dipteren ohne Ausnahme verbreitet sind und dass ihre Lage überall genau dieselbe ist, sind es namentlich die Gestaltverhältnisse, die auf den einheitlichen Ursprung dieser Bildungen hinweisen. Ich erinnere diesfalls nur kurz daran, dass überall das Porenfeld in drei Unter- felder, ein basales und zwei scapale gesondert, ferner, dass allen Dipteren der merkwürdige Dimorphismus zwischen den basalen und scapalen Poren gemeinsam ist und endlich, dass, wie ich im beschreibenden Theil ausführlich gezeigt habe, die eigenthümlichen Rahmen- resp. Seitenspangenbildungen der scapalen Poren nur unter der Annahme einer streng monophyletischen Entwicklung ver- standen werden können. 3. Homologie zwischen den poriferen Halteren- organen der Dipteren und den gleichnamigen Bildungen der Hinterflügel der übrigen Insecten. Die Annahme dieser Homologie setzt selbstverständlich zunächst voraus, dass die Träger der betreffenden Organe, nämlich die Schwingkolben der Dipteren und die Hinterflügel der übrigen Inseeten einander homolog sind. Letzteres dürfte aber gegenwärtig wohl kaum mehr be- zweifelt werden. Erstens ist nämlich klar, dass, wenn die Insecten überhaupt einheitlichen Ursprungs sind, auch die Dipteren einmal wirkliche Hinterflügel besessen haben und zweitens ist die Lage, die Entwicklung und die übrige Beschaffenheit der Halteren eine solche, dass wir nothwendig annehmen müssen, dass eben sie den genannten Gliedmassen entsprechen. Was den etwaigen Einwurf betrifft, dass die Grösse und Ge- staltung der Schwingkolben von jener der typischen Flügel doch allzusehr abweicht, so will ich nur bemerken, dass manche als ent- schiedene Flügel-Rudimente aufgefasste Bildungen, wie z. B. die dornförmigen Elytren mancher Phasmiden wirklichen Flügeln nicht minder unähnlich sind. Der Unterschied zwischen diesen rudimentären Flügelbildungen ist nur der, dass die- selben bei den übrigen Inseetenordnungen nur verein- zelt vorkommen, während die in Rede stehende Modifi- 616 Vitus Graber: cation, ähnlich jener an den Käfer- und Wanzendecken, einer sanzen Abtheilung eigenthümlich ist. Auch sei noch in Kürze beigefügt, dass, wie bekannt, die Schwingkolben mancher Dipteren ein Paar deutliche Längsadern und bisweilen sogar, wie z. B. bei Leptis, zwischen denselben eine Querader besitzen, dass somit auch in rein gestaltlicher Beziehung nicht alle Anknüpfungspunkte mit wirklichen Flügeln fehlen. Wenn aber die Schwingkolben der Dipteren denselben Ur- sprung wie die Hinterflügel der übrigen Ordnungen haben, dann darf wohl ohne Weiteres angenommen werden, dass dies auch hin- sichtlich der entsprechenden poriferen Bildungen der Fall sei. Stammen nämlich die Dipteren von Insecten ab, die statt der Halteren, gleich den andern Ordnungen, normale und daher auch mit den gewöhnlichen poriferen Pteralorganen ausgestattete Flügel - hatten, dann gibt es für die vorhandenen poriferen Halterenorgane nur zwei Erklärungen. Entweder entsprechen sie eben den typi- schen Pteralorganen der Ur-Inseeten oder letztere sind bei den Dipteren verloren gegangen und es haben sich nachträglich die gegenwärtig bestehenden Einrichtung neugebildet. Erwägen wir nun erstens, dass die Organe der Halteren im Wesentlichen dieselbe basale Lage wie an den normalen Hinter- flügeln einnehmen und zweitens, dass trotz ihres eigenartigen Ge- präges die Gestaltung im Ganzen doch eine sehr ähnliche wie an den echten Pteralorganen ist, so scheint mir die erste Erklärungs- weise doch ungleich viel wahrscheinlicher als die zweite zu sein, für welche wir gar keine festen Anhaltspunkte kennen. Weiters sei dann auf folgenden Punkt hingewiesen. Aus einer Vergleichung des Geäders der typischen Flügel ergibt sich, dass im Allgemeinen die dem Vorderrand zunächst liegenden Rippen die stärksten sind oder dass der von diesen Rippen gebildete Flügeltheil gewissermassen den festen Stamm darstellt, der die angehängte Flughaut trägt. Unter solehen Umständen ist es nun wohl a priori wahrscheinlich, dass bei einer eintretenden- Verküm- merung des Flügels sich gerade dieser Stamm am längsten erhält. Ist aber diese Auffassung richtig, dann scheint es mir wenig zweifelhaft zu sein, dass die Halteren diesem (basalen) Stamm des typischen Flügels entsprechen und da, wie bekannt, die in Rede stehenden poriferen Bildungen an allen Flügeln dem mehrgenannten Flügeltheil, nämlich der Subeostalader angehören, so erhält da- Die chordotonalen Sinnesorgane der Insecten. 617 durch meine Auffassung über die Genesis der Halterenorgane eine neue Stütze. Schliesslich möchte ich noch hervorheben, dass zwischen den verglichenen poriferen Organen auch hinsichtlich der Vertheilung der Poren eine grosse Aehnlichkeit besteht, insoferne nämlich, als letztere bekanntlich gerade an den Vorderflügeln der Dipteren in zwei Felder, ein basales und ein scapales gesondert sind. An den Halteren ist die scapale Porenregion freilich wieder in zwei Platten abgetheilt, angesichts der Thatsache aber, dass - auch an den Flügeln gelegentlich (vgl. Fig. 63, P‘, P“) eine Ver- theilung auf zwei oder noch mehr scapale Gruppen vorkommt, ist dieser Unterschied wohl kein wesentlicher. 4. Homologie zwischen den Subgenualorganen der Orthopteren (i. w. S.). Fassen wir zunächst die in Rede ste- henden Vorkommnisse bei den eigentlichen Orthopteren (mit Aus- schluss der Forfieuliden) ins Auge, so kann es, nach dem, was ich oben über die Lage, den Bau und die Verbreitung derselben an- gegeben habe, wohl kaum zweifelhaft erscheinen, dass dieselben, trotz gewisser Differenzen, thatsächlich alle gemeinsamen Ursprunges sind, beziehungsweise, dass das Subgenualorgan bereits bei den Ur-Orthopteren vorhanden war, und dass es von diesen auf die später zur Sonderung gelangten verschiedenen Familien der heu- tigen Orthopteren übertragen wurde. Bei dieser Anahme stütze ich mich vor Allem auf die That- sache, dass das Subgenualorgan nicht allein bei den drei Familien der Saltatoria, nämlich bei den Gryllodeen, Locustinen und Acri- diern vorkommt, sondern von mir auch bei der phylogenetisch ferne stehenden Blattidengruppe nachgewiesen wurde. Vorausgesetzt wird dabei nur, dass das Subgenualorgan auch den bisher nicht hierauf untersuchten Phasmiden und Mantiden zukommt; denn würde es hier fehlen, so wäre meines Erachtens die Ueberein- stimmung zwischen den Subgenualorganen der Cursoria und Salta- toria durch Convergenz zu erklären. Schwieriger ist die Frage nach der Beziehung zwischen dem Subgenualorgan der eigentlichen Orthopteren und jenem der Pseu- doneuropteren, wie wir es u. A. bei einer Perlidenform (Isopteryx) konstatirt haben. Dass das Perlidenorgan nach Bau und Lage im Wesentlichen dasselbe Verhalten wie das gleichnamige Orthopteren-Vorkommniss 618 Vitus Graber: zeigt, wurde bereits früher nachgewiesen. Ich erinnere insbeson- dere daran, dass auch bei Isopteryx die Scolopophoren eine einzige regelmässige Reihe bilden nnd dass deren Endfasern gleichfalls gegen einen Punct an der Aussenwand oder Streckseite convergiren. Von diesem Gesichtspunkt aus könnte gegen die Homologo- sirung des Perliden- und Orthopterenorgans höchstens eingewendet werden, dass ersteres (vgl. Fig. 78Ch) etwas tiefer unter dem Knie als letzteres (vgl. Fig. SO Ch) zu liegen scheint. Abgesehen - davon aber, dass die erwähnte Distanz naturgemäss mit der Strek- kung der gesammten Tibia wächst, so würde offenbar ein solcher Distanz- Unterschied allein, wenn er auch wirklich bestände, noch lange nieht gegen die genannte Homologie sprechen; denn es ist ja bekannt, dass zwischen unstreitig homogenetischen Bildungen noch weit grössere Lageverschiebungen vorkommen. Die Entscheidung der schwebenden Frage hängt in letzter Instanz auch hier wieder von der Verbreitung des betreffenden Organs innerhalb der Ordnung der Pseudoneuropteren ab. Sind, was im Allgemeinen sehr wahrscheinlich ist, die an- scheinend stiftlosen Subgenualorgane der Ephemeriden und Libel- luliden und ferner die von Fr. Müller beobachteten (scolopo- feren ?) Bildungen der Termiten dem Vorkommen bei den Perliden homolog, dann kann es, glaube ich, als ausgemacht betrachtet werden, dass die in Rede stehenden Vorkommnisse der Orthopteren (i. e. S.) und der Pseudoneuropteren alle einer Abkunft sind — beziehungs- weise, dass sie bereits vor der Trennung dieser Gruppen d. i. bei den Vorfahren der Orthoptera i. w. S. vorhanden waren, und sieht man an diesem Beispiel neuerdings, dass das Studium der Ver- breitung der Chordotonalorgane auch für die Eruirung der phylo- genetischen Beziehungen der betreffenden Inseeten von hoher Wichtigkeit sein kann In letzterer Hinsicht scheint mir auch das Verhalten bei den Forfieuliden sehr lehrreich zu sein. Diese gewöhnlich den Orthopteren zugezählte Familie besitzt bekanntlich ein anscheinend stifteloses Subgenualorgan, das, wenn es mit dem gleichnamigen Gebilde der übrigen Orthopteren über- haupt verglichen werden kann, von demselben doch auf alle Fälle weit mehr abweicht als jenes der Pseudoneuropteren. Gehen wir nun von der Voraussetzung aus, dass die Uebereinstimmung in diesem Punkte bei den phylogenetisch einander näher stehenden Die chordotonalen Sinnesorgane der Insecten. 619 Gruppen grösser ist als bei weitschichtig verwandten Formen, so werden wir zum Schlusse gedrängt, dass dieForficuliden den eigentlichen Orthopteren ferner stehen als gewisse Pseudoneuropterenundinsbesondere diePerlidengruppe. Zum Schlusse noch einige Bemerkungen über die Entste- hung der tympanal differeneirten Vorkommnisse der Sub- genualorgane und über die Locustiden-Crista. Was zunächst die tympänalen Zustände anlangt, so kann es auf Grund der vorliegenden Thatsachen wohl als ausgemacht angesehen werden, dass dieselben nicht als solche entstanden, sondern von atympanalen oder primitiven Vorkommnissen abzuleiten sind. Dafür sprechen insbesondere folgende drei Thatsachen : 1. dass im Laufe der ontogenetischen Entwicklung die innern (scolopoferen) Bildungen viel früher als die äusseren tympanalen Differeneirungen auftreten, welche letztere erst beim Imago ihre völlige Ausbildung erreichen. 2. dass es ausser den tympanalen Zuständen factisch auch atympanale gibt, die aber sonst den tympanalen vollkommen homo- log erscheinen und 3. endlich, dass die tympanalen Subgenualorgane auch in Bezug auf den scolopoferen Endapparat eine weit stärkere Entfal- tung als die atympanalen zeigen, woraus hervorgeht, dass erstere in jeder Hinsicht als eine höhere Entwicklungsstufe der letzteren anzusehen sind. Unsere Auffassung der Beziehung zwischen den tympanalen und atympanalen Zuständen der Subgenualorgane erscheint aber auch mit Rücksicht auf gewisse analoge Bildungsreihen als eine sehr natürliche. Eine solche Parallele bieten uns z. B. die corne- alen und die acornealen (resp. linsenlosen) Augen gewisser Thier- gruppen. Noch näher liegt, und zwar auch in physiologischer Hinsicht, die Analogie mit den Gehörorganen der Wirbelthiere, die bekanntlich bei den niederen Gruppen nur aus dem sog. innern Ohr bestehen, während die tympanale Differeneirung erst bei den höheren Klassen auftritt. Naturgemäss ergibt sich nun aber die Frage, wie es denn kommt, dass die Ausbildung tympanaler Hilfsvorrich- tungen ausschliesslich nur an den Vorderbeinen er- folgte, obgleich die entsprechenden innern Theile auch an den Mittel- und Hinterbeinen auftreten? 620 Vitus Graber: Dass die Tympana zunächst nur an einem der drei Bein- paare vorkommsn, möchte damit zu erklären sein, dass eine solche Loealisirung für diese Sinneseinrichtungen vortheilhafter als eine öftere Wiederholung derselben sei. Ausserordentlich schwierig dürfte es aber sein den Grund zu finden, warum die Tympanalisirung der Chordotonalorgane — um mich dieses Ausdruckes zu bedienen — gerade an den vordern und nicht an den mittleren oder hinteren Beinen stattfand. Mit Rücksicht darauf, dass bei den Acridiern, wo die toner- zeugende Pteral-Einrichtung relativ weiter hinten als bei den Lo- eustiden und Gryllodeen liegt, auch die Tympana verhältnissmässig weiter vom Kopfe weggerückt sind, könnte man a priori annehmen, dass die Ausbildung der Tympana im Allgemeinen möglichst nahe an den tonerregenden Körperstellen erfolge. Dies trifft indess im gegebenen Falle insoferne nicht zu, als die Tonwerkzeuge den Mittelbeinen näher liegen als den vorderen, die Tympanalisirung aber trotzdem an den letzteren er- folgt ist. Es müssen also jedenfalls ausser der Distanz von dem toner- regenden Werkzeug noch andere Momente mit ins Spiel kommen. Ob bei einzelnen Formen die Ausbildung der Trommelfelle nicht doch auch an den Mittel- und vielleicht auch trotz ihrer anderweitig, nämlich durch die Sprungfunetion sehr oceupirten Stellung an den Hinterbeinen stattgefunden hat, werden weitere Untersuchungen lehren; a priori halte ich dies, sowie das gelegent- liche Vorkommen pedaler Tympana bei den Acridriern und andern Orthopteren für sehr wahrscheinlich. Eine weitere Frage ist dann die, ob die subgenualen Vorderbein-Tympana der verschiedenen Gryllodeen und Locustinen, gleich den entsprechenden Chordotonalorganen alle homolog oder gemeinsamen Ursprunges sind, oder ob für sie eine wiederholte Neubildung resp. homotopische Con- vergenz anzunehmen ist? In dieser Beziehung möchte ich zunächst darauf aufmerksam machen, dass, wenn an einander ähnlichen zusammengesetzten Organen mehrerer Thiere gewisse Theile homolog sind, daraus, wie wohl selbstverständlich, noch keineswegs der Schluss zu ziehen ist, dass auch die übrigen Bestandtheile gleichen Ursprungs sind. So wissen wir, um eine naheliegende Parallele zu ziehen, dass Die chordotonalen Sinnesorgane der Insecten. 621 das innere Ohr der verschiedenen Wirbelthiere auf einen gemein- samen Ausgangspunct zurückzuführen ist, während es hinsichtlich der tympanalen sowie gewisser anderer Hilfsorgane der Amphibien, Reptilien, Vögel und Säugethiere sehr zweifelhaft ist, ob sie durchaus homologe Bildungen darstellen. Wir sind somit darauf angewiesen, die in Rede stehenden Cutieularbildungen für sich allein in Betracht zu ziehen, und wenn wir dies vorurtheilslos thun, so gelangen wir zur Ueberzeugung, dass die subgenualen Tympana, so sehr sie auch auf den ersten Blick mit einander übereinstimmen, entschieden ungleichen Ur- sprungs sind. Die wichtigsten Thatsachen, auf die ich meine Anschauung stütze, sind nun in Kürze folgende: i. die pedalen Tympana kommen nicht beiallen Gryllodeen und Loeustinen vor, sondern fehlen (vgl. Lit. 15, Tabelle I, pag. 16 u. f.) bei einer beträchtlichen Anzahl Gattungen beider Gruppen, ohne dass man diesen Mangel durch Rückbildung zu erklären in der Lage ist. Mag man nun annehmen, dass die Locustinen von den Gryl- lodeen, oder umgekehrt abstammen, oder dass, was das Wahr- scheinlichste, beide Gruppen parallele Zweige darstellen, auf keinen Fall kann unter solchen Verhältnissen zwischen den Tympanis der Gryliodeen und Locustinen ein genetischer Zusammenhang bestehen, sondern es muss für die Trommelfelle jeder dieser Gruppen wenigstens ein besonderer Ausgangspunct angenommen werden. 2. Speciell innerhalb der Gryllodeengruppe bieten die Lage- rungsverhältnisse der Trommelfelle solche Verschiedenheiten dar, dass an einen gemeinsamen Ursprung derselben kaum zu denken ist. Ich hebe diesfalls unter Verweisung auf die oft eitirte Arbeit Lit. 15 und auf den umstehenden Holzschnitt 6 nur folgende drei Hauptstadien hervor. Es gibt Gryllodeen, bei denen a). (Fig. 1—5) nur ein vorderes Tympanum vorkommt (prae- tympanaler Zustand), ferner solche, bei welchen b). (Fig. 6) nur ein hinteres Trommelfell ausgebildet ist (post- tympanaler Zustand) und endlich solche, denen e). (Fig. 7) ete. sowohl ein vorderes als ein hinteres Tympanum eigen ist (amphitympanaler Zustand), die aber, wie das Schema lehrt, sowohl hinsichtlich der Grösse als betreffs der Bedeckung vielfach von einander abweichen. Liesse sich nun betreffs dieser Archiv f. mikrosk, Anatomie. Bd. 20. 40 622 Vitus Graber: differenten Zustände nachweisen, entweder, dass die monotympa- nalen die Vorläufer der amphitympanalen, oder, dass erstere durch Reduction aus den letzteren abzuleiten sind, dann wäre gegen die allgemeine Homologisirung der Gryllodeen- Tympana nicht viel einzuwenden. Die Begründung jeder dieser beiden Annahmen stösst aber mit Rücksicht auf die Verwandtschaftsverhältnisse der betref- fenden Thiere auf z. Th. unüberwindliche Schwierigkeiten und so scheint mir unsere Auffassung, dass speciell bei den Gryllodeen- Tympanis mehrere von einander unabhängige Bildungen vorliegen, weitaus die ungezwungenste zu sein. ah. Erklärung zu Holzschnitt 5. Querschnitte durch die subgenuale Tympanalregion der Vorderbeine verschiedener Grylloden und Locustinen (vgl. Lit. 15, pag. 9). T Tympanum, v vorderes, h hinteres, d Tympanaldeckel. Gryllodeen. 7. Gryllus campestris L. 1*. Eneoptera punctata. 8. Oecanthus, Phylloptera etc. 1. Endacusta Br. Locustinen. 2. Cophus Br. 9. Phaneroptera rostrata Br. 3. Gryllotalpa L. 10. „ spec. 4. Orocharis Uhl. 11. Haania lanceolata Stoll. 5. Platydactylus von Amboina. 12. Phaneroptera macropoda Burm. 6. Gryllus tolteeus Sauss. 13. Phylloptera aus Port Natal. 6*. Platydactylus brevipennis. 14. Decticus etc. 3. endlich weisen auch die Deckelbildungen der Trommel- felle bei den Gryllodeen sowohl als bei den Locustinen darauf hin, dass für letztere in beiden Gruppen ein mehrfacher Ursprung an- zunehmen ist. Ich erinnere in dieser Beziehung nur an zwei Thatsachen. Fürs erste daran, dass erwähnte Deekel bald vom innern (Holz- Die chordotonalen Sinnesorgane der Insecten. 623 schnitt Fig. 5), bald vom äusseren Rand des Trommelfelles (Fig. 10 etc.) entspringen, dass diese beiden Zustände von Deckelbildungen sonach ganz unzweifelhaft verschiedenen Ursprungs sind. Zweitens mache ich in Kürze neuerdings darauf aufmerksam, dass auch zwischen den gleichlagerigen (speciell den vom Innen- rande entspringenden) Deckeln kein durchgehender genetischer Zusammenhang besteht und zwar deshalb nicht, weil die Art der Bedeckelung bei nahe verwandten Thieren (z. B. den Arten von Phaneroptera) oft sehr ungleich bei verschiedenen dagegen sich gleich verhält. Sind aber, woran nicht im Entferntesten zu zweifeln ist, dieDeckel der subgenualen Trommelfelle verschiedenen Ursprungs, dann sehe ich nicht ein, warum dies nicht auch betreffs der Trommelfelle selbst derFall sein soll. Zum Schlusse bemerke ich noch, dass das Gesagte vielfach auch für die abdominalen Acridier-Tympana gilt, so dass ich es mir füglich ersparen kann, die letzteren einer besonderen Bespre- ehung zu unterziehen. Es erübrigt noch, ein paar Worte über die sog. Crista beizu- fügen. Bekanntlich wurde dieselbe bei allen hierauf untersuchten tympanoferen Locustiden nachgewiesen, während sie, bisher wenig- stens, bei keiner einzigen Gryllodee aufgefunden wurde. Daraus darf man nun wohl schliessen, dass dieselbe eine ausschliesslich nur den Locustiden zukommende resp. eine erst innerhalb dieser Abtheilung entstandene Bildung ist. So viel mir meine Nachforschungen bei der trommelfelllosen Phalangopsis anzunehmen erlauben, dürfte die Crista ferner nur auf die tympanoferen Locustiden beschränkt sein und mit Rück- sicht darauf, dass die Gryliodeen Trommelfelle aber keine Crista besitzen, halte ich es für wohlmöglich, dass dieses eigen- artige Organ sogar jüngeren Datums als die Trommel- felle der Locustiden ist. Ungemein schwierig ist es, aut Grund der vorhandenen That- sachen sich darüber eine Meinung zu bilden, ob die Crista ein völliges Neugebilde ist oder ob sie nur einen hochgradig differen- eirten Abschnitt des weit verbreiteten Subgenualorganes darstellt. Für letztere Auffassung spricht die successive Entfaltung des in- neren Ohres, wie wir sie bei den Wirbelthieren kennen, für die 624 Vitus Graber: erstere Anschauung hingegen der Umstand, dass zwischen den in- tegumentalen Sceolopophoren des supratympanalen und den sub- integumentalen Blasen des intratympanalen Organs ein schroffer Gegensatz besteht, und dass speciell bei den Grillen an der Stelle, wo bei den Locustiden die Crista sich befindet, keinerlei Gebilde vorkommt, das als Anlage einer Crista gedeutet werden könnte. 5. Homologie zwischen den chord. Tarsalorganen von Dytiseus und Melolontha. Die Aufstellung dieser Homo- logie begründe ich damit, 1. dass die betreffenden Organe (Fig. 67 St, Fig. 70 Ch.) dieselbe Lagerungsweise darbieten, 2. dass sie ungefähr die gleiche Entfaltung zeigen und 3. dass die betref- fenden Thiere einer und derselben Hauptabtheilung der Insecten, nämlich den Käfern angehören. Zu einem strengen Beweise, dass man es hier thatsächlich mit homogenetischen Bildungen zu thun hat, ist aber selbstverständlich noch der Nachweis erforderlich, dass dieselben wo nicht bei allen, so doch bei vielen anderen Coleop- teren vorkommen. Was die allfällige Verbreitung ähnlich ge- lagerter Tarsalorgane bei den übrigen Ordnungen anlangt, so kann ich vorläufig nur mittheilen, dass sie bei den hierauf untersuchten Hemipteren, Hymenopteren, Dipteren und Orthopteren ganz ent- schieden fehlen. Auf Grund dieser freilich äusserst lückenhaften Daten halte ich es daher vorläufig für wahrscheinlich, dass die in Rede stehenden Bildungen erst innerhalb der Coleopterenabtheilung entstanden sind. 6. Homologie zwischen den chord. Femoralorganen von Pedieulus uud Phthirius. Dass die in Rede stehenden Bildungen wirklich gleichen Ursprungs sind, ist bei der völ- ligen Uebereinstimmung in ihrer Lage und Form (vgl. Fig. 35 und 36), sowie mit Rücksicht auf die nahe Verwandtschaft der betref- fenden Gattungen wohl über jeden Zweifel erhaben. Worauf ich aber hier besonderen Nachdruck legen möchte, das ist der Um- stand, dass ich ähnlich situirte und überhaupt femorale Bildungen bisher bei keiner andern Familie der Rhynchoten, von denen mehrere exquisit durchsichtige Objeete zur Untersuchung gelangten, auffinden konnte und demnach anzunehmen ist, dass diese Vor- kommnisse erst entstanden sind, nachdem sich die Pedieulidengruppe von den übrigen Rhynchoten abgezweigt hatte. Ueberblieken wir zum Schlusse und im Zusammenhang mit der eben konstatirten Thatsache die verschiedenen bisher auf ihre Die chordotonalen Sinnesorgane der Insecten. 625 genetischen Verhältnisse erörterten Vorkommnisse von Chordotonal- organen, so zeigt es sich klar, dass dieselben, wie ich schon früher betonte, in der That ein sehr ungleiches Alter haben. Wir kennen erstens Vorkommnisse, nämlich die pteralen, die der gesammten Classe der geflügelten Hexapoden eigen sind und die wir desshalb von den Ur-Insecten ableiten. Wir kennen zwei- tens solche, wie die subgenualen, die zwar nieht allen aber doch zwei Ordnungen, nämlich den Orthopteren i. e. S. und den Pseu- doneuropteren zukommen und die allem Anschein nach erst nach der ersten Trennung der Insecten in divergente Gruppen auftraten. Wir kennen dann drittens Bildungen, wie die Tarsalorgane der Käfer, die nur einer einzigen Ordnung eigenthümlich zu sein scheinen und endlich auch solche, wie die Femoralorgane der Pedieuliden und die Crista der Locustiden, welche nur bei einer kleineren Unterabtheilung zu finden sind, und die somit im Ver- gleich mit jenen anderen weiter verbreiteten Vorkommnissen sehr jungen Datums sind. Was die Beziehungen zwischen den verschiedenen ungleich- altrigen Vorkommnissen bei einem und demselben Organismus be- trifft, so habe ich schon früher angedeutet, dass mit der Erwerbung neuer Bildungen dieser Art, welche ohne Zweifel z. Th. durch den Wechsel der Lebensverhältnisse der betreffenden Thiere bedingt wurde, die älteren Vorkommnisse manche Veränderung und mit- unter auch eine völlige Rückbildung erlitten haben mochten. B. Einige Fälle von homotopischer Convergenz der Chordotonalorgane. 1. Homotopische Convergenz zwischen den abdomi- nalen Chord.-Organen von Corethra und Dytiscus. Ich habe schon bei einer früheren Gelegenheit darauf hingewiesen, dass, wenn in einem Falle, nämlich bei den Pteralorganen, die Homologie einer Chordotonalbildung sich auf sämmtliche Insecten erstreckt, dies höchst wahrscheinlich auch noch bei anderen Vor- kommnissen der Fall ist; denn es ist a priori nicht einzusehen, warum von allen Vorkommnissen gerade nur die pteralen schon bei den Ur-Inseeten entstanden und von diesen auf die verschie- denen Ordnungen der heutigen Vierflügler übergegangen, die 626 Vitus Graber: übrigen aber erst später bald in dieser, bald in jener Abtheilung der Kerfe aufgetreten sein sollten. Solehe über alle Insecten verbreitete homologe Bildungen vermuthete ich insbesondere unter den abdominalen Vorkommnissen, da solche, wie oben nachgewiesen worden, thatsächlich bei den allermeisten Abtheilungen angetroffen werden. Unterwirft man nun aber die einschlägigen Vorkommnisse einem strengeren Vergleiche, so ergibt sich, dass die meisten einen solehen sehon desshalb nicht aushalten, weil ihre Lagerung eine z. Th. ganz differente ist. Dass dem wirklich so sei, überzeugt man sich leicht, wenn man beispielsweise das abdominale Vorkommen von Corethra (Fig. 15 be) mit dem von Tortrix (Fig. 10 Cha) und Nematus (Fig. 6 Ch;) confrontirt. Während nämlich ersteres nahe der Laterallinie der betref- fenden Segmente und mit dieser fast parallel (also im Ganzen longitudinal) verläuft, haben die letztgenannten Vorkommnisse eine schiefe Richtung und sind auch unter einander verglichen, gänzlich heterotop, da bei Tortrix die Endfaser lateral, bei Nematus mehr medial inserirt. Die einzigen bisher bekannten abdominalen Vor- kommnisse, die ungefähr wenigstens als homotop bezeichnet werden können, sind die von Corethra (Fig. 15 be) und Dytiscus (Fig. 11 ab), indem bei letzterer Form ähnlich wie bei ersterer das Chord.-Organ einen lateral-longitudinalen Verlauf nimmt. Indessen lässt sich leicht zeigen, dass gerade diese Ueber- einstimmung nicht auf gleicher Abstammung, sondern auf Conver- genz beruht. Dabei lege ich weniger Gewicht darauf, dass zwischen den Stiften beider Organe ein wesentlicher Unterschied besteht, indem jene von Dytiscus mono-, die von Corethra amphinematisch sind, sondern stütze meine Anschauung wie früher vornehmlich auf die Verbreitungsweise der in Rede stehenden Bildungen. Wenn die Aehnlichkeit zwischen dem Organ von Corethra, die bekanntlich den Dipteren angehört, und jenem von Dytiscus, der zu den Coleopteren zählt, auf Homologie berubte, so müsste wohl mit Recht erwartet werden, dass ersteres, d. i. das Organ von Corethra, mit den entsprechenden Vorkommnissen der übrigen Dipteren noch einen höhern Grad von Uebereinstimmung zeige, als mit jenen der den Dipteren sehr ferne stehenden Käfer. Die chordotonalen Sinnesorgane der Insecten. 627 Dies ist nun aber ganz und gar nicht der Fall, indem u. A. von den verschiedenen abdominalen Chord.-Organen von Chirono- mus (Fig. 5) oder Tabanus (Fig. 2) kein einziges auch nur im Entferntesten dem Corethraorgan hinsichtlich seiner Lage so ähn- lich ist, wie das Dytiscus-Vorkommen. Daraus folgtnun aber, dass die Homotopie zwischen den ver- glichenen Bildungen thatsächlich nicht auf Homologie, sondern auf Convergenz beruht. 2. Homotopische Convergenz zwischen dem Sub- genualorgan der Orthopteren und Formiciden. Die Homo- topie zwischen den Subgenualorganen der in Rede stehenden zwei Insecetengruppen ist wegen der räumlichen Beschränktheit und der grössern Einfachheit der Organisation in den betreffenden Körper- theilen noch augenfälliger als die vorerwähnte in den Hinterleibs- ringen, und umsomehr mag es auf den ersten Blick befremden, dass wir dieselbe dennoch auf Convergenz zurückführen, dieselbe also gewissermassen als ein Werk des Zufalles hinstellen. Gleichwohl lassen die obwaltenden Verhältnisse dermalen wenigstens keine andere Auffassung zu. Der Hauptgrund, auf den ich mich stütze, liegt abermals in der Verbreitungsweise dieser Bildungen, d. i. in dem Umstande, dass ihr Vorkommen, wie schon oben erwähnt wurde, durchaus kein so allgemeines ist, dass wir jenes der inRede stehenden zwei Gruppen als auf gleichem Ursprunge beruhend ansehen können. Ich will diesfalls nur kurz bemerken, dass ich diese Bildungen bei verschiedenen Coleopteren, Neuropteren, Dipteren und Rhynchoten bisher ganz vergeblich gesucht habe, und dass dieselben wenigstens bei einzelnen besonders durchsichtigen Formen dieser Gruppen ganz entschieden nicht existiren. Beim gegenwärtigen Stand der Dinge liesse sich eine Homo- logie höchstens unter der wohl kaum zu rechtfertigenden Voraus- setzung annehmen, dass unter den verschiedenen heutigen Insecten die Formieiden die nächsten Verwandten der Orthopteren sind. Ich sagte ausdrücklich die Formieiden und nicht die Hymenopteren über- haupt, weil ich subgenuale Organe auch bei mehreren Familien der letzteren und z. Th. unter sehr günstigen Bedingungen bisher nicht aufzufinden vermochte. Für meine Anschauung, dass die Subgenualbildungen der Orthopteren und Formieiden unabhängig von einander entstanden sind, spricht aber auch das Verhalten dieser Organe selbst. 628 Vitus Graber: Es ist allerdings richtig, dass das Formieidenorgan topo- graphisch vollkommen jenem der Orthopteren entspricht, es ist aber an der Stelle, die es einnimmt, wesentlich anders als dieses situirt, indem die Endfasern der Scolopophoren, wie ich schon oben hervorhob, bei den Orthopteren (vgl. u. A. Fig. 81 ef) sich gegen die Aussenwand der Tibia biegen, während jene der Formieiden (Fig. 77 e) nach innen sich erstrecken. Von diesem Gesichtspunet aus ist also die Lage beider Vorkommnisse in der That keine ganz gleiche zu nennen. Erwägen wir nun ferner, dass zwischen diesen zwei Lagerungs- arten keinerlei Uebergang zu bemerken, so liesse sich meines Erach- tens die allfällige Annahme, dass beiderlei Bildungen den gleichen Ursprung haben, selbst in dem Falle nicht rechtfertigen, wenn Orthopteren und Formieiden phylogenetisch einander näher stünden, als dies thatsächlich der Fall ist. Sehliesslich will ich bei dieser Gelegenheit noch ein Verhalten zur Sprache bringen, das bisher nicht berücksichtigt wurde, näm- lich jenes der subgenualen Tracheen. Bekanntlich hat schon Siebold entdeckt, dass die Haupt- Trachea der vorderen Locustiden-Beine sich durch zwei Besonder- heiten auszeichnet. Erstens dadurch, dass sie unterhalb des Kniees, in der Nähe der Tympana, blasenartig angeschwollen ist und zweitens dadurch, dass sie zwischen den beiden Trommelfellen in zwei oben und unten in einander übergehende Arme getheilt ist. Ich wies dann später (vgl. Lit. 15, Fig. 76 bis 82) nach, einmal, dass bei den Gryllodeen ganz homologe Bildungen bestehen und dann, dass die Anschwellung am trommelfelllosen Mittelbein genannter Thiere weit geringer ist als am tympanoferen Vorderbein, woraus, da diese Gliedmassen sonst vollkommen mit einander übereinstim- men, zur Evidenz hervorgeht, dass die Erweiterung des tibialen Tracheenstammes mit der Differeneirung der Trommelfelle in Zu- sammenhang steht. Neuerlich macht nun Lubbock in der Eingangs eitirten Ar- beit (Lit. 17) darauf aufmerksam, dass bei den Formieiden und z. Th. auch bei manchen andern Insecten und selbst bei gewissen Milben analoge Verhältnisse obwalten. Es entsteht nun zunächst mit Rücksicht auf die in diesem Abschnitt zu erörternden genetischen Beziehungen die Frage, ob die erwähnte Uebereinstimmung zwischen den Orthopteren und Formi- Die chordotonalen Sinnesorgane der Insecten. 629 eiden derart ist, dass sie etwa gegen unsere vorhin dargelegte Auf- fassung dieser Sache ins Feld geführt werden könnte. Da sei nun zunächst bemerkt, dass die Bildung der Subgenual- trachea bei jenen Orthopteren, die keine Tibialtympana besitzen, speciell bei den Blattiden und Acridiern eine wesentlich andere wie bei den Gryllodeen und Locustinen ist. Wie die camera-lueida-Zeichnungen auf umstehendem Holz- schnitt 6 zeigen, ist die Tibialtrachea (tr) der Acridier und Blat- tiden unterhalb des Kniegelenkes beträchtlich (und dies gleichmässig in allen drei Beinpaaren) angeschwollen, an der den Locustiden- Tympanis entsprechenden Stelle aber nicht in zwei Arme gespalten. Statt dessen entspringt oberhalb des Kniegelenkes (bei a) ein schmaler Seitenast (ad), der längs der Beugeseite verlaufend, den Hauptstamm begleitet und dann nach kürzerem oder längerem Verlaufe wieder in denselben (bei ce) einmündet. Mit Rücksicht auf das kurz geschilderte Verhalten müssen wir nun sagen, dass die subgenualen Tracheen-Seitenarme der Locustiden und Gryllodeen einer- und die der Acri- dierundBlattiden andererseits von einander ganz unab- hängige, auf besonderer selbständiger Anpassung be- ruhende Differencirungen darstellen. Wenn aber die in Rede stehenden Bildungen innerhalb der Orthopteren nicht auf Homologie beruhen, dann versteht es sich wohl von selbst, dass in dieser Hinsicht zwischen den Orthopteren und Formi- eiden umsoweniger ein genetischer Zusammenhang anzunehmen ist. In der That lässt sich aber auch der subgenuale Tracheen- Abzweiger der Formieiden, wie ihn Lubbock (vgl. unsere Fig. 71 und Fig. 72 rt) darstellt, weder mit den correspondirenden Bil- dungen der Gryllodeen-Locustinen, noch mit jenen der Acridier- Blattiden homologisiren, sondern erweist sich als eine ganz beson- dere Gestaltung. Wie vorsichtig man darin sein muss, zwischen morphologisch so äusserst schwankenden Theilen, wie es die erwähnten Tracheen- Aeste sind, genetische Beziehungen zu postuliren, das lehrt uns u. A. auch das einschlägige Verhalten bei Forfieula (Fig. 83 tr‘) und Ephemera (Fig. 85 tr), das mit jenem der übrigen Orthopteren wohl kaum einen Anknüpfungspunct darbietet. Der Umstand, dass hier in der Nähe der supponirten Chordoto- nalorgane auch keinerlei Anschwellung der Haupttrachea vorkommt, 630 Vitus Graber: legt einem auch die Frage nahe, ob diese Dilatation iiberhaupt in erster Linie mit der Differeneirung von Chordotonalorganen zusammenhängt. A. Erklärung zu Holzschnitt 6. A Subgenualschnitt eines Mittelbeines von Blatta germanica, B Mittelbein-Tibia von Stenobothrus variabilis, C Hinterbein-Tibia vom gleichen Thier. tr Haupttrachea, Ch Chordotonalorgan. Die chordotonalen Sinnesorgane der Insecten. 631 Literatur. (Dies Verzeichniss enthält ausschliesslich nur die direct auf die chord. Organe bezüglichen Arbeiten.) 1) Siebold. Ueber das Stimm- und Gehörorgan der Orthopteren (Wieg- mann’s Archiv f. Naturg. 1844). 2) Leydig. Anatomisches und Histologisches über die Larve von Corethra plumicornis (Zeitschrift f. wiss. Zoologie. 3. Bd. 1851). 3) Leydig. Zum feinern Bau der Arthropoden (Archiv f. Anat. u. Phys. 1855). 4) Leydig. Lehrbuch der Histologie d. Menschen u. d. Thiere. 1857. 5) J. Braxton Hicks. On a new organ in Insecets (Yournal of the proc. of the Linnean Soc. Zoology I. p. 136 ff. Taf. 5. 6) Further remarks on the organ found on the bases of the halteres and wings of Insects (Transactions of the Linnean Soc. of London. Vol. 22 pt. 2, p. 141 ff. tab. 17. 18). 7) Leydig. Ueber Geruchs- u. Gehörorgane der Krebse u. Inseeten (Archiv f. Anat. u. Phys. 1860). 8) Leydig. Tafeln zur vergleichenden Anatomie 1864. 9) Leydig. Vom Bau d. thierischen Körpers 1864. 10) Weismann. Die Metamorphose d. Corethra plumicornis (Zeitschrift f. wiss. Zoologie 1866). 11) Hensen. Das Gehörorgan von Locusta (Zeitschrift f. wiss. Zoologie 1866). 12) Graber. Kurzer Bericht über eine grössere das sog. Gehörorgan der Geradflügler betreffende Arbeit. (Mitthlg. d. naturw. Vereins in Graz 1874). 13) OÖ. Schmidt. Die Gehörorgane der Heuschrecken. (Dieses Archiv Bd. 11). 14) J. Ranke. Beitrag zu der Lehre von den Uebergangssinnesorganen (Zeitschrift f. wiss. Zoologie 1875). 15) Graber. Die tympanalen Sinnesapparate der Orthopteren (Denkschriften d. kais. Akad. Wien 1875). 16) Grobben. Ueber bläschenförmige Sinnesorgane etc. der Larve von Ptychoptera contaminata L. (Sitzber. d. kais. Akad. d. Wiss. Wien 1875). 17) Lubbock, J. On some Points in the Anatomy of Ants (Royal micro- scopial Society 1877). 18) Lubbock, J. On the Anatomy of Ants. (Transactions of the Linnean Society 1879.) 19) Müller, Fritz. Beiträge zur Kenntniss der Termiten. (Jenaische Zeit- schrift für Naturwissenschaft, 9. Bd. 1875). 20) Burger, D. Ueber das sog. Bauchgefäss der Lepidoptera. (Niederländ. Arch. f. Zoologie. III. Bd.). 21) Graber. Ueber die stifteführenden oder chordotonalen Sinnesorgane bei den Insecten. (Zool. Anzeiger 1881, Nr. 91). 632 Rie, 1. Fig. 2. Vitus Graber: Erklärung der Tafeln XXX—XXXV. (Figur 1—38 nach frischen Objecten.) Eben aus dem Ei geschlüpfte Larve eines Tabanus (autumnalis ?) vergrössert, gezeichnet mit der cam. luc. $S; —Sı; Leibessomiten, w mit Hackenborsten bewehrte Warzen, dahinter in jedem Segment zwei lange Tast-Fäden (tb). sch Schlundkopf, md Mittel-, ed Enddarm, ma Malpigh. Gefässe, a After, tr Tracheenstämme, hinten in einen aus dem Endsegment hervorstreckbaren Stachel (tre) sich vereinigend. oG oberes, u@ unteres Schlundganglion, bg,—bg,, Bauchganglien- kette. Ch,, Ch, etc. chordotonale Sinnesorgane inden auf- einanderfolgenden Rumpfsegmenten. ot das am Hinterrand des Analsegmentes entspringende otoecisten- artige Organ, in welchem beim Ausschlüpfen aus dem Ei von den drei Paaren klöppelartiger Inhaltskörper, die sich bei älteren Larven vorfinden, nur das vorderste Paar ganz und das mittlere in der An- lage (in Form eines am Ende verdickten Stieles) entwickelt ist. Ebendaher. Die rechte Seite des 1. und 2. Rumpfsegmentes bei stärkerer Vergrösserung. Das feinere Detail mit Zeiss Imm. L. analysirt. 2. Segment. Cu Cuticula, ma Matrix, stellenweise bei Anwen- dung der Quetschvorrichtung abgehoben, m, Ringmuskulatur des Schlundkopfes, m, aussen am Hinterrand des 1. Rumpfsegmentes ent- springende und schief nach innen und vorne gerichtete Muskeln, die sich durch eine sehr markante Querstreifung sowie durch ihre starke Con- tractionsfähigkeit auszeichnen, hn Hautnerv, ekg daraus entspringende einkernige-, mkg mehrkernige terminale Ganglienzellen, tb Tast- borsten, Ch, monoscolopisches, Ch, triscolopisches Chordotonal- organ, li das zugehörige Ligament, st, detto Stäbchen, efs End- faser, e,, €;, e, die Insertionspuncte derselben. mn, Muskelnerv, tr feiner Tracheenausläufer. 3. Segment. m, System von sagittalen vielfach untereinander anastomosirenden und im frischen Zustande ganz glatt erscheinenden Muskeln, bo mit Borsten besetzter Hautstreif am vorderen Segment- abschnitt, Ch, —Ch, Chordotonalorgane nach Ansichten ver- schiedener Objecte. Davon wurden Ch, und Ch,, ferner wieder Ch,, Ch, und Ch, je an einem und demselben Objecte neben einander beobachtet, e,, &, & Insertionspuncte der Endfasern von Ch,; e,, €, e; desgleichen von Ch,, u@ unteres Schlundganglion. | Fig. 3. Die chordotonalen Sinnesorgane der Insecten. 633 Ebendaher. Das triscolopische Chordotonalorgan des zweiten Seg- mentes mit Zeiss Imm. L. n Nerv, 8, &5, &s die drei über einander liegenden Ganglienzellen mit dem röthlichen Kern, xfs Axenfaser übergehend in Stifte (st), kö Köpfchen derselben, mk Kern am proximalen, tk am distalen Ende des Stäbchens, fs, —fs; die drei Endfasern. Fig. 4. Ebendaher. Das monoscolopische Chordotonalorgan des 2. Segmentes mit Zeiss Immers. L. Man sieht hier besonders deutlich in der Höhlung des Stiftes den Axenfaden xfd. Fig. 5. Rechte Hälfte des 2. Rumpfsegmentes einer jungen Chironomus- Fig. 6. Fig. 7. Fig. 8. Fig. 9. Fig. 10. Larve. dr Grosszellige Munddarm(Speichel-) Drüsen, tr rechter Tracheenlängsstamm. Ch, Chordotonalorgan (vom 2.—8. Segment), Ch, detto an einem andern Exemplar (vom 2.—8. Segment, neben Ch, nur im 2. Segment), li Chordotonal-Ligament, n Chordotonalnerv, g Ganglion, €, €, Insertionspuncte der Endfasern. Ch, detto bei einer andern Larve. Linke Hälfte der drei ersten Abdominalsegmente der Larve einer Gallenblattwespe (Nematus viminalis_L.), gezeichnet mit der cam. luc. m Hautmuskelnetz, Im starke laterale Längsmukeln, Tr Längs- tracheenstamm, st,, st, Stigmen des 2. und 3. Abdominalringes. Ch,, Ch; Chordotonalorgan der betreffenden Leibessegmente, St, zugehörige Stifte, fs Endfaser, Fe kleinlappiger Fettkörper. Heptascolopisches Chordotonalorgan ebendaher mit Zeiss Imm. L. fs Endfasersystem, kö cylinderförmige, aussen ganz gerade abgestutzte Köpfe der anscheinend ungleich grossen Stifte (st), G Ganglion. Chordotonalorgan des vorletzten Abdominalsegmentes einer Chiro- nomuslarve (vgl. Fig. 5). ab hintere Hälfte des linken Seiten- randes vom vorletzten Segment, ac Hinterrand des gleichen Seg- mentes. li strangförmiges am Insertionspunct (b) stark verbreitertes Chor- dotonalligament, n Nerv, dessen Uebergang in das Ganglion (G) aber nicht sicher zu konstatiren war. st triscolopischer, st‘ monoscolopischer Schenkel des gabelförmigen Chordotonalorgans, ce Endigung des ersteren, d des letzteren. Stift aus dem Chordotonalorgan Fig. 8 mit Zeiss Immers. L. kö fast eylindrisches Köpfchen, h dessen centrale Höhlung, xf Axenfaden. Linke Hälfte des 2. und 3. Abdominalsegmentes einer ganz jungen Larve von Tortrix scrophulariana H. S. gezeichnet mit der cam. luc. D Darm, ma Malpighische Gefässe, Tr Tracheenlängsstamm, Sta, st, verschlossene (?) Stigmen, F aus polyedrischen Zellen- bestehender bandförmiger Fettkörper, m Muskelgruppen, g trauben 634 Fig. 11. Fig. 12. Fig. 13. Fig. 14. Fig. 15. Fig. 16. Vitus Graber: artige Anhäufungen kleiner Hautganglienzellen (bei schwacher Vergrösserung wie flottirende Blutkörperchen aussehend), tb nach den einzelnen Segmenten paarig vertheilte Tastborsten mit den zu- gehörigen Ganglien, Ch,, Ch, tetrascolopisches Chordotonal- organ, fs Endfaser, a Insertionspunct desselben. Rechte Hälfte des vorletzten Abdominalsegmentes einer jungen Schwimmkäfer-Dytiscus(?)-Larve. Tr Längstracheenstamm, m Längsmuskeln, F grossblasiger Fett- körper, ma Hypodermis. Ch, tetrascopisches Chordotonalorgan, St Stifte, fs End- faser, b Endpunct des letzteren, & Ganglion, 1 Chordotonal-Ligament, a Insertionspunct desselben (nicht ganz bestimmt), n Chordotonalnerv (nicht sicher konstatirt). Chordotonalstifte ebendaher mit Zeiss Immers. L. A in der Ansicht von Aussen, B im optischen Durchschnitte. Bezeichnung wie in Fig. 9. Chordotonalstifte aus der Hinterbeintibia (vgl. Fig. 66) einer eben aus dem Ei geschlüpften Larve von Mystacides nigra mit Zeiss Immers. L. A bei hoher, B bei mittlerer, C bei tiefer Einstellung. Bei mittlerer Einstellung ist bisweilen, aber nur undeutlich, an der Basis des Köpfchens oder an der Spitze des Axenfadens eine knopf- artige Verdickung (e) bemerkbar. Tastborste sammt zugehörigem Ganglion von der Larve des Taba- nus autumnalis (vgl. Fig. 2 tb) mit Zeiss Immers. L. Cu Cuticula, tb gelenkig eingepflanzte Tastborste, Ma Hypodermis (im frischen Zustand ohne sichtbare Zellgrenzen) mit röthlichen Kernen, n Tast- nerv, G mehrkerniges Terminalganglion, davon ausgehend ein feiner aus der Tastborstenhülse durch Zerrung herausgerissener (Nerven?) Endfaden. Rechte Hälfte des 8. Rumpfsegmentes einer älteren Larve von Co- rethra plumicornis möglichst naturgetreu, doch mit Hinweglas- lassung der meisten mit dem Chordotonalorgan nicht zusammen- hängenden Gewebe. BG Bauchganglienkette, N der erste und dickste vom Ganglion ausgehende Nervenstamm, der sich in zahlreiche hauptsächlich an der Haut endigende Zweige zerspaltet, a der vorderste dieser Nerven- zweige, der sich zum Chordotonalorgan Ch, (Gegend der Stifte} be- gibt, g Chordotonalganglion, gb Chordotonalligament, b Insertions- punct desselben, e Insertionspunct der Endfaser, hn Hautnerven- endigungen (z. Th. pinselförmig), tb gefiederte Tastborsten, Im starker Längsseitenmuskel, unter welchem das Chordotonalganglion ge- legen ist. Das Chordotonalorgan ebendaher mit Zeiss Immers. L. n Nerv, G Ganglion, bestehend aus drei in die Endschläuche übergehenden Zellen, St Stifte, p ihr proximaler, d ihr distaler Faden, li Ligament. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. 21. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. 17: 1% Die chordotonalen Sinnesorgane der Insecten. 635 Der stifteführende Abschnitt desselben Organs bei noch stärkerer Vergrösserung und starker Quetschung. St kolbenförmiger (hohler) Körper des amphinematischen Stiftes, p die proximale (centrifugale), d die distale (aus dem Köpfchen a hervorgehende) Chorda des- selben, h Hülle, i feinkörniger Inhalt des Endschlauches. . Abschnitt eines hexascolopischen Chordotonalorgans einer grünlich- gelben auf Chenopodium lebenden Syrphus-Larve mit System F. St amphinematischer Stift, d seine distale, p seine proximale Chorda. Jedem Stift scheint ein besonderer Schlauch zu entsprechen, das Ganze also ein Bündel von scolopoferen Röhren darzustellen. Abschnitt eines monoscolopischen Chordotonalorgans ebendaher bei noch stärkerer Vergrösserung. St Stift, ab die distale Hälfte (im optischen Durchschnitt hufeisen- förmig) diekwandiger als die proximale (be), ad bis zum Insertions- punct des Organs reichende am Ursprung etwas verdickte (distale) Chorda, ce proximale (vom Ganglion entspringende) Chorda, xf Axenfaden des Stiftes (nicht ganz bestimmt). . Vorletztes Körpersegment einer Tanypus-Larve bei seitlicher An- sicht. cb dessen Vorder-, de Hinter-, be Rücken-, ca Bauchseite, a borstentragende stielförmige Fortsätze. Von den innern Theilen ist nur das Chordotonalorgan, dies aber mit möglichster Genauigkeit, namentlich in Bezug auf das Lagerungs- verhältniss seiner einzelnen Abschnitte, gezeichnet. &g Ganglion, n Nerv (Lage nicht sicher bestimmt), st Stifte, fs Endfaser, a dessen Insertionspunct am äusseren Ende der die setiferen Stiele tragenden Körperausstülpung, li Chordotonalligament, b dessen Insertionspunct. Das Chordotonalorgan ebendaher mit Zeiss Immers. L. h@ zwei(?)- kerniges Hauptganglion, sG,—sG, einkernige gestielte Seitenganglien, n Nerv, dessen direeter Uebergang in die Gangliengruppe nicht er- mittelt werden konnte. St Stifte, kö Köpfchen derselben, ch ihre (bestimmt) im Ganglion (bei a) wurzelnden Anfänge, d Hülle der Endfaser, c stärker licht- brechende Streifen derselben (Falten der Hülle?), li Chordotonal- ligament, b Streifen wie an der Endfaser. 22—30. Copien der wichtigsten Darstellungen der scolopoferen Nerven- 22. 23. enden von früheren Autoren. Stift aus dem abdominalen Tympanalorgan von Stetheophyma gros- sum nach v. Siebold (Lit. 1, Taf. I, Fig. 7). Halteren-Scolopophor von Eristalis tenax nach Leydig (Lit.7, Fig.20.) G Ganglion, E Endschlauch, St Stifte. 23*, Scolopophor vom abdominalen Tympanalorgan eines Acridiers nach 24. Leydig (Lit 4, Fig. 151). Dasselbe und vom gleichen Organ nach Joh. Ranke (Lit. 14, Fig. 3.) 636 Fig. 3 Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Vitus Graber: G Ganglion, k „kleine Ganglienzelle“ oder „Korn“, pr Protoplasma um dasselbe, ch Nerven-Chorda, St „kolbenförmiges Stäbchen“. . 25. Der Stift von Fig. 24 noch stärker vergrössert (nach desselben Autors Fig. 2). h Höhlung des Stiftes. . 26. Dasselbe vom gleichen Organ nach O0. Schmidt (Lit. 13, Fig. 10.) G Ganglion, E Endschlauch, St „Stäbchen“ mit Chorda. . 27. Dasselbe von gleichem Organ nach mir (Lit. 15, Fig. 86.) G Gang- lion, E Endschlauch, mk Mittelkern, ch Chorda, St Stift, tk Terminal- kern, fs Endfaser, h deren Endigung an der Haut. . 28. Der Stift ebendaher mehr vergrössert. ch Chorda, xf Axenfaden, e knopfförmiges Ende desselben, kö Stift-Köpfchen, h‘ Höhlung des letzteren, h Höhlung des Stiftkörpers. . 29. „Stäbchenführender Nervenendapparat“ der Larve von Corethra plumicornis nach Weismann (Lit 10, Fig. 21.) n Nerv, @ mehrkerniges Ganglion, bs bindegewebiger Fixirungs- strang (unser Chordotonalligament), k „spindelförmige Gebilde, wahr- scheinlich Kerne“, St „Stäbchen“. 30. „Stäbchenführendes Sinnesorgan‘“ der Larve von Ptychoptera conta- minata L. nach Grobben (Lit 16, Fig. 6.) n Nerv, g ‚‚fünfzelliges Ganglion“, bs „bindegewebiger“ Strang, st Stäbchen, 1 „lange (proximale), k kurze (distale) Spitze‘‘ desselben. . 31—34. Verschiedene Darstellungen der kolbenförmigen Stifte des intra- tympanalen Organes der Locustiden. . 31. nach Hensen (Lit. 11), ch chordale Nervenendfibrille, xf dessen als Axenfaden bezeichneter Endabschnitt im Innern des Stiftes, ku körnige Endkugel des Axenfadens, chh innere Hülle desselben, . w Wand des Stiftes, a die nach Hensen kontinuirlich in den Stift übergehende sog. Deckzelle. 32. eine Ansicht nach O. Schmidt (Lit. 10, Fig. 26 B), k,—k, die vier Seitenkanten des nach ihm pyramidal geformten Stiftes. 33. Eine Ansicht aus meiner Monographie der Tympanalapparate (Lit. 15, Taf. 8, Fig. 96) und zwar von Locusta vir. (Ich glaubte damals einen von der Spitze des Köpfchens ausgehenden Porus (h) gesehen zu haben). 34. Stift von Meconema varium frisch in Zuckerwasser mit Zeiss Imm. L. (vgl. den Text). 35. Polyscolopisches Chordotonalorgan im Femur von Pediculus ca- pitis. co coxa, tr trochanter, fe femur, ti Tibia, ab das Chord.- Organ beiderseits von Muskeln umgeben, Ch Stelle der Stifte. 36. Dasselbe von Phthirius pubis. 37. Dasselbe (von Pediculus) mehr vergrössert (Zeiss Imm.L.) MM zwei breite Muskelprimitivfasern, dazwischen das Chord.-Organ, G Gang- lion, St Zone der Stifte, li Chordotonalligament. 38. Chord.-Stift ebendaher bei sehr starker Vergrösserung. ch proximale Nervenendfaser, a distaler fadenförmiger Ausläufer des Stiftes. Die chordotonalen Sinnesorgane der Insecten. 637 Porifere Chordotonalorgane der Halteren und Flügel. Fig. x Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. 39. 40. 41. 42. 43. 44. 45. 46. 47. (Zur Darstellung gelangen meist nur die mit den innern oder eigentlichen Chord.-Organen in Zusammenhang stehenden poriferen Bildungen der Integument-Cuticula, und zwar in der Regel nach Canadabalsam-Präparaten.) Flächenansicht der Cuticula des basalen Halterenorgans von Pachyrhina (Tipulide), A bei hoher Einstellung, p Kuppen der Pa- pillen, h dazwischen liegende Härchen, B bei tiefer Einstellung. Starke Vergrösserung Immers. L. Dasselbe vom scapalen (obern) Halterenorgan des gleichen Thieres. Starke Vergr. Imm. L. Die von einander vollkommen isolirten Papillen mit einer spalt- förmigen (ganz offenen?) Mündung (sp unten). Die halbmondförmigen Lippen derselben mit einer seitlichen henkelartigen Spange (sp). Vertheilung der Papillen und Härchen ganz unregelmässig. Dasselbe vom scapalen Halterenorgan einer Leptis-Art. Imm.L. Die spaltmündigen Papillen bilden durch partielle Verkettung ihrer lateralen Spangen unregelmässige Reihen. Dasselbe vom scapalen Halterenorgan einer Sarcophaga car- maria Imm. L. Vergr. 1000:1. Regelmässig serial geordnete Pa- pillen (p) und Härchen (h.) Letztere an gewissen Stellen (h‘, h‘) unregelmässig gestellt. p ringförmiges Lumen der Päpillen, ph phalangenförmige Zwischenlücke. Das Nähere im Text. Dasselbe vom scapalen Halterenorgan einer Syrphus-Art. p Papillen-, h Härchenreihen, r Rahmen. Dasselbe vom basalen Halterenorgan des gleichen Thieres. p Papillen, h Härchen, beide streng serial. Erste Zeile bei hoher, zweite bei mittlerer, dritte bei tiefer Einstellung. Porifere Chord.-Organe der Flügel. Basaler Abschnitt des Vorderrandes der Hinterflügel von Clytus detritus (Käfer) von oben. Spirituspräparat nach Aufhellung mit Kalilauge. co Costal-, sco Subcostalrippe, letztere Träger des Chordotonal- systems, n Nerv, tr Trachea, P mit dicht stehenden Tüpfeln über- sätes mittleres Porenfeld, ober- und unterhalb eine Poren- Reihe (p, p‘). Flächenansicht der Poren des Mittelfeldes, ebendaher, stark vergr. Eine Strecke des serialen Chörd.-Systems ebendaher, stark vergr. tr Trachea, n Nerv, g Scolopophoren, a Ligament derselben, p Cuticular-Poren, darunter e eine vom’ Scolopophor abgeschnürte blasenartige Zelle. Fig. 48. Chordotonal-Nery (N) sammt diehotomisch sich theilenden Ausläufern Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 20. 41 Fig. D° Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. 49. 90. „a: Vitus Graber: desselben (n) und Trachea (Tr) aus der Hinterflügel-Subeostal- rippe von Lucanus cervus. Querschnitt durch dieselbe Rippe. O obere, U untere Wand der Rippe, a—i Cuticula, ma Matrix, bc furchenartig. eingesenktes Porenfeld, N Chord.-Hauptnerv, n Querschnitte der Seitennerven, sc Zone der Scolopophoren, Tr dem Nerv dicht anliegende Trachea, bi Netz von Bindegewebssträngen zur Fixirung des Chord.-Systemes an der Rippenwand. Poren der Cuticula ebendaher, stärker vergr. Querschnitte durch die Scolopophoren-Nerven (n) und Ganglienzellen (ge), stärker vergr. . Querschnitt durch die porifere Hinterflügel-Subcostalrippe von Dytiscus marginalis. P Porenfeld, die übrige Bezeichnung wie in Fig. 49. . Hinterflügel-Wurzel einer Icehneumonide, vergr. P Porenfeld. . Hinterflügel-Wvrzel von Chrysopa, vergr. P Porenfeld, n Chord.-Nerv. . Einzelne Poren ebendaher, stark vergr. . 56. . 51. Hinterflügel-Wurzel von Bombyx mori, vergr. P Porenfeld. Einzelne Poren ebendaher, stark vergr. Porifere Chordotonalorgane der Vorderflügel. ig. 58. ie. 59. 60. 61. 62. 63. 64. (Gleichfalls meist nach Canadabalsam-Präparaten). Flügel-Wurzel einer Ephemera vergr. v Vorder-Flügelrand, P Poren- feld, n Chord.-Nerv, tr Trachea, A Partie des Porenfeldes, stark vergr. Desgleichen von Platycleis grisea (Laub-Heuschrecke) vergr. Bezeichnung dieselbe, ma durch die Cuticula durchschimmernde Matrixzellen. Fig. 60 —65 von Dipteren. Flügel-Wurzel von Eristalis tenax, vergr. gez. mit der cam. Iluc. n Nerv, tr Trachea. P basales, P‘ scapales (seriales) Porenfeld, p‘ ein ausserhalb der Reihe stehender Porus, p ein einzelner Porus, stark vergr. Chordotonalsystem sammt Trachea ebendaher aus der Rippe heraus- präparirt (stark macerirtes Weingeistexemplar), vergr. Cu ein Stück der Rippenwand, P basales Porenfeld, g basales, g'’—g“ seriales Chordotonalsystem resp. Ganglion, St Endstück eines Scolopophor mit Stift-Kopf. Schema der Subcostalporen von Syritta pipiens L. vergr. P basale Porengruppe, P‘a regelmässige scapale Poren-Reihe, P’b un- regelmässige Fortsetzung der letzteren. Flügel-Wurzel von Empis tesselata A. vergr., gez. m. d. cam, luc. P,P‘,P“ mehrere kleine weit von einander liegende Porengruppen. Dasselbe von Andromyza flaveola_L. vergr., gez. m. d. cam. luc. P basale Porengruppe, P‘ scapale Porenreihe. Fig. Die Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. 65. Die chordotonalen Sinnesorgane der Insecten. 639 Dasselbe von Leptis spec., vergr. n Chord.-Nerv, g gangliöse An- schwellung desselben an der basalen Porengruppe, g’ desgleichen am scapalen Porenfeld (P‘). Chordotonalorgane der Beine und insbesondere die subge- nualen Vorkommnisse (grösstentheils nach frischen Objecten). 66. 67. 1268; . 69. 70. 72. 73. Hinterbein einer Mystacides-Larve gez. m. d. cam. luc. ti Tibia, ta, erstes Tarsalglied, ti—Ch tibiales, ta—Ch tarsales Chord.-Organ (Stifte in Fig. 13). Hinterbein einer jungen Larve von Melolontha vulgaris, gez. mit der cam. luc. fe femur, ti Tibia, ta, erstes, ta, zweites Tarsus- glied, tr Haupt-Beintrachea, m, m‘ Muskeln, zwischen welchen die Stifte (St) des tarsalen Chord.-Organs gelegen sind, n Chord.-Nerv, g Chord.-Ganglion, e Insertionspunct der Chord.-Endfaser. Das pentascolopische Chordotonalorgan ebendaher, stärker vergr. frisch in Osmiumsäure. n Nerv, & Ganglion, St Stifte, ef Endfaser- strang (der ganze Abschnitt etwas verkürzt dargestellt). Stift ebendaher mit Zeiss Immers. L. Vergr. 1000: 1. kö Köpfchen, a,b warzenartige Verdickungen der (vierkantigen?) Stiftkörper-Wan- dung, xf stark bläulich glänzender Axenfaden. Länge des Stiftes 0.016, Breite des Kopfes (sehr gross) mm 0.004—0.005 mm. Tarsus der Larve von Dytiscus (?) nach Leydig (Lit. 8, Taf. 10, Fig. 4). (Zeichnung vereinfacht). Zur Vergleichung mit dem Enger- lingbein (Fig. 67). ta,, ta,, ta, erstes, zweites und drittes Tarsusglied, Ch, Uhor- dotonalorgan im ersten, Ch, und Ch, im dritten Tarsalglied. . 71—77 subgenuale Chordotonalorgane der Formiciden. Copie nach J. Lubbock (Lit. 17, Taf. CXCH Fig. 5). Tibia von Lasius flavus 9. s subgenuale blasenartige Tracheen-Erweiterung, rt henkelartiger Seitenast derselben, Ch Chordotonalorgan („conical striated organ“). Mittelbein von Solenopsis fugax Latr. 9. gez. mit der cam. luc. ti Tibia, tr Haupt-Trachea, m Muskeln der Beugeseite, Ch Chor- dotonalorgan. Genualer Abschnitt eines Mittel-Beines von Myrmeecina spec. 9. m Muskeln, s Sehne der Beugeseite, h Haare, St Stifte, g Gang- lion des Chordotonalorgans. . Stift ebendaher mit Zeiss Immers. L. . Stift des Subgenualorgans von Tetramorium coespitum L. $. Genualer Abschnitt der Mitteltibia von derselben Ameise. Ch spindelartiges Chordotonalorgan; die glänzenden Körperchen in der Mitte sind wahrscheinlich die Köpfchen der Stifte. . Subgenuales Chordotonalorgan in situ von Solenopsis fugax Latr. (vgl. Fig. 72 Ch), gez. mit der cam. luc. nach Zeiss Imm. L. Cu optischer Längsdurchschnitt der behaarten Cuticula der 640 Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. 78. 79: 80. öl. . 82. 83. 84. 85. 86 Vitus Graber: Tibienwand an der Streckseite, tr Trachea (ungefähr in der Mitte des Beines). n Chord.-Nerv, g Ganglion, St Stifte, e Insertionspunct des End- faserstranges. Mittelbein von Isopteryx apicalis gez. mit der cam. luc. ti Tibia, Ch Chordotonalorgan. Subgenuale Chordotonalorgane in situ ebendaher mit Zeiss Immers. L. Bezeichnung wie in Fig. 77, Sc Scolopophoren, ef Endfaserstrang, fast rechtwinkelig von den Scolopophoren abbiegend. Mittelbein von Blatta germanica L., gez. mit der cam. luc. ti Tibia, tr Haupttrachea, b femoraler oder supragenualer Ur- sprung des Seitenarmes (vgl. Holzschnitt pag. 630), d supragenuale Tracheenblase, m Muskeln der Beugeseite, Ch subgenuales Chordoto- nalorgan der Streckseite, F Fettkörper unterhalb desselben. Subgenuales Chordotonalorgan in situ ebendaher mit Zeiss Imm. L. Bezeichnung wie in Fig. 79. Ma Matrix der Bein-Cuticula, Sta Stachel hart unterhalb des Chord.-Organs, F Fettkörper. Stift aus dem subgenualen Chordotonalorgan der Mittel-Tibia von Locusta viridissima L. mit Immers. L. Der Axenfaden (xf) bei jeder Einstellung beträchtlich dünner als der optische Durchschnitt der Wandung des Stiftkörpers. Länge des Stiftes: 0.026, Länge des Kopfes 0.007 mm. Genualer Abschnitt des Vorderbeines von Forficula auricularia (jung), gez. mit der cam. luc. fe femur, ti Tibia, tr Haupt-Trachea, tr‘ Tibialtrachea, n Haupt- Nerv, m,, m,, m; (auch die subgenuale Streckseite der Tibia ein- nehmende) Muskeln, Ch? birnförmiges (chordotonales?) Nerven (n‘)- Endorgan. Das subgenuale birnförmige Nervenendorgan ebendaher bei stärkerer Vergrösserung. Cu Integument-Cuticula, über dem fraglichen Organ (E) wulst- artig verdickt, n Nerv, g helle Bläschen (Ganglienzellen?), P von einem dicken kragenartigen Ring umgebener Porus. Genualer Abschnitt eines Beines einer Ephemeriden- (Palingenia) Larve, untersucht mit Immers. L., gez. mit der cam. luc. fe femur, ti Tibia, tr Trachea, abe anscheinend stifteloses Sub- genualorgan, m,, m, Muskeln, ma Matrix. Dasselbe von einer jungen Libelluliden- (Calopteryx?)Larve, unter- sucht mit Zeiss Immers L. b anscheinend stifteloses Subgenual- organ, n Nerv; übrige Bezeichnung wie oben. P. Langerhans: Berichtigung. 641 Berichtigung Von Prof. Dr. P. Langerhans. Bei der lebhaften Discussion, die sich jetzt über die End- organe der sensiblen Nerven erhoben hat, möchte ich einen Irr- thum nicht unberichtigt lassen, der sich in W. Krause’s letzter!) Mittheilung über diesen Gegenstand findet. Krause führt darin unter der Ueberschrift „Langerhans’sche Ansicht“ an: „Es sind nur ein bis zwei blasse Terminalfasern resp. Ter- minalscheiben in jedem Tastkörperchen oder doch in jeder grös- seren Abtheilung eines solchen (Zwillings- und Drillingstastkörper- chen) vorhanden.“ Es ist mir nicht ganz klar, wie man das hat aus meiner Arbeit herauslesen können. Denn zunächst hebe ich an verschie- denen Stellen?) ausdrücklich die „grosse Anzahl“ der Endknospen hervor, betone, dass es nicht gelingt, an Einem Tastkörperchen sie „Alle oder auch nur die Mehrzahl“ in Verbindung mit den Nerven zu sehen — und sodann folgere ich aus der Osmiumreac- tion, dass diese Endknopsen myelinhaltig sind. Ich habe also nicht „ein oder zwei“, sondern zahlreiche Endknospen im Tastkör- per beschrieben, und diese sind nicht „blass“, sondern sie sind myelinhaltig, Und diese Endknospen sowie die Nervenfasern liegen in einem Haufen von Zellen wahrscheinlich bindegewebiger Natur, welche das Tastkörperchen aufbauen. Das waren fast wörtlich die Ergebnisse meiner Arbeit von 1873 und wenn W. Krause schon einmal so freundlich sein will, eine Ansicht als die Langerhans’sche zu bezeichnen, so möchte ich ihn bitten, diese und nicht eine beliebige andre zu wählen. Das Ergebniss meiner damaligen Untersuchung war ja nur theilweise neu. Die zellige Structur der Tastkörper war schon 1865 von Tomsa gesehen worden, der allerdings die Zellen für 1) Dieses Archiv Bd. XX, 214, 1881. 2) Dieses Archiv Bd. IX, 732, 733, 1873. 642 P. Langerhans: nervös hielt, und die Endknospen hatte Meissner gleich in seiner ersten grösseren Arbeit 1353 erschöpfend beschrieben, lange ehe die Osmiumsäure bekannt war. Abgesehen von dem Missverständniss, das mich zu dieser Reklamation bewegt, habe ich übrigens keine Ursache, den seitdem erschienenen Arbeiten über diese Frage zu grollen. Zuerst hat E. Fischer meine Angaben über den Verlauf der Nerven bestätigt und sehr wesentlich ergänzt, Kraus, Merkel u. A. haben die zellige Struktur wiederholt beschrieben, und W. Krause selbst for- mulirt 1880 seine Ansicht in Worten, die sich nur wenig von den meinen unterscheiden !): „Der Innenkolben?) in sämmtlichen termi- nalen Körperchen besteht aus Kolbenzellen“. Zwischen jenen Kolbenzellen endigen die einfach sensiblen Nervenfasern mit Terminalfasern, die in birnförmige oder abgeplattete Endknöpf- chen anlaufen.“ Nur konnte Krause Dank der grossen Reihe von Arbeiten, die seitdem über andre Arten terminaler Körperchen gemacht worden sind, das ganz allgemein aussprechen, was ich nur von den menschlichen Tastkörpern aussagen konnte. Unter diesen Arbeiten sind vor Allen die von Ranvier von Bedeutung, die ja zu ganz ähnlichen Schlüssen führten und mir durch ihre vorzügliche Methode sehr geeignet scheinen, die streitenden Ge- müther zu versöhnen. Nur Merkel hält noch an der nervösen Natur der zelligen Elemente fest. Präparate, die ich in diesem Frühjahr in Paris gesehen habe, machen es mir wahrscheinlich, dass auch er die Tomsa’sche Ansicht wird fallen lassen, wenn er das in diesem Archiv Bd. XIX, p. 526, Anm. 1 gegebene Versprechen wird aus- geführt haben. Ich möchte mir erlauben, hier noch einige Worte über die Nervenenden in der Epidermis anzufügen. Im Anschluss an Cohn- heim’s Cornea-Arbeit hatte ich 1868 den Eintritt blasser Nerven- fasern in das Nickhautepithel des Frosches und des Rete Malpi- shii des Menschen beschrieben, und war sehr geneigt, einen direeten Zusammenhang mit den verästelten Zellen anzunehmen, die ich im Rete vorfand. Ich habe später an der nervösen Natur dieser Ele- mente festgehalten hauptsächlich aus vergleichend anatomischen 1) Dieses Archiv XIX, 53. 2) cf. Merkel, dieses Archiv XIX, p. 524. Berichtigung. 643 Gründen. Wenn nicht nur bei einer ganzen Reihe niederer Typen, von denen ich hier nur auf die Medusen, Inseeten und Anneliden hinweisen will, sondern auch beim Amphioxus und Petromyzon die einfach sensiblen Nerven in Zellen des äusseren Keimblattes enden, dann schien es mir unabweislich, dass auch bei Säugern solche Fühlzellen in der Epidermis vorhanden sein müssten. Und das um so mehr, als wir ja bei allen Thierklassen gleichmässig die Geschmacks-, Gehörs- und Geruchs-Nerven in Schmeck-, Hör- und Riechzellen enden sehen, die ja doch phylogenetisch nur von einfachen Fühlzellen abzuleiten sind. In diesem Sinne schienen mir, wie ich es verschiedentlich schüchtern ausgesprochen habe, meine Befunde bei Amphioxus, Petromyzon und den Anneliden eine Bestätigung meiner Ansicht über die verästelten Zellen beim Menschen zu sein, und ich war verstockt genug, mich selbst durch die Arbeiten von Eimer über die Maulwurfsschnauze 1871, von Mojsisovies 1875 und Merkel 1880 nicht bekehren zu lassen. Aber auch die schönste Deduction muss schliesslich den That- sachen weichen, und so will ich denn bekennen, dass auch mich Ranvier’s wunderschöne Präparate davon überzeugt haben, dass meine Zellen jedenfalls nicht für die Nervenendigung wesentlich sind und dass ich damals zwar den Eintritt der Nerven ins Epithel und vielleicht öfters ihr Ende gesehen habe, aber über ihren Verlauf im Rete mich im Irrthum befunden habe. Ich denke, Ran- vier’s Arbeiten werden auch hierüber zu einem für den Augen- blick allseitig befriedigenden Abschluss führen. Madeira, 11. November 1881. „> sa = Bien _ v “ ie ern N N h ‘ | u j ’ “7 j Nu) 3 RT Pr # gi? N ra e PREIS \ E . - 2 P N 1 q - z f MIEnF 5 13 f; da 1) tier }3 r y ‚ sn , . + 7; ö >, ia k f I VEN, ‘ > \ 4 ur x 7 5 r 1:2 A Re \ 3 ’ t ! “ : ar A Dbsadarız r 4 R “rs br i Le : «u ur - R Su, "e z _Universitäts-Buchdruckerei von Carl Georgi in Bonn. . = 2 j r i P 277 InmnS iR 4 ‚ l ‘ 1% as Te had, ee age wur; Ar rs N, f i 4 ar 4 ra I GETBLsTaHllv Acer ’ \ ra Du een CH BRIER Hub | ie me EBer ey torte, ©" Hana An a tan BEN TERN Pe & ER a A t ra de 2 Pau TS en at) wills SELTEN Be KR ER RER BE f ! er ae" 2 ET © 522 Lith Anst w.J.6.BachjLeipziß.\ -.° ar ann alt er Archiv Emikroskop Anatomie. Dad. XX, r bez. W. Flemming ’ „ .; Fig. Wa. Fu ) Litn, änstv.d/6 Bach, Lepzif, ie u z © % Ey Per Archiv Imikroskop. Anatomie BaAX. Taf II. aa =4 a Ve u HEN @2) ur Ü ® ) vw NS | mn A \ j A 8 0 AN RR BI E \ N trasburger copırt.) Lith. Anst.v.J.G. Bach, Leipzig Archiv F mikroskop Anatomie Da... Tat-IV. Fig.B.J1. Fig. 11. Na Ma 7 \ | \\ [ \\ Anst v. 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D" Julius Heıtzmann, _Archio Emikvoskop.dnatomie BANN. 1 SEINIITEET TEEN Rasgan sa nes re EU, une ieh‘ ER TR, Fr 174 SIEHE ER RER EIER RS bez von DrJulius Heitzmann Lith,Anst.w.J.6.Bach, Leipzig, B BT. 7" ERW -j* ge 5 R 1a ri = 75 Archin Emikroskop Anatomie, Bd X. “ IE ra bez.v. DE Julius Heitzmann. _ Zus Taf AH. BAAR. "Archiv Emil, roskop. Anatomte Zu W.Krause, Tastkörperchen. 0. Peters del ‚Irchtv £nttkraskop Inatorvie DANN. \ LithiAnst.x J.b. Bach, Leipzig, = 3 £ Archiv £ mikroskop Anatunnie Bd.XX. Lith. Anst.v. 3.6, Bach, Leipzig. Taf. XVT. Lith. Anst:v.d.@.Bach; leipzig. - Archiv Pmikroskop. Anatomie. Ba: M. z Archiv F mikroskop. Anatomie BdXX. - - Taf. XV. r—- ; u Fig.3. . & zn r RS _ B a sin.utr. ge ‚duct.endol.: Ss FÜR can. sag. F$ amp. hon..... > a ..can.front. Sin. utr, % amp. Fronz ö T; A ! nr y wur = De 3 me N ’ < : >, Fig. 6b. ”y = Fig.4 N PR |, Ei AN Fig.? 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Ivont. for. utr. sace.... x | n.pap. Retzii. duct.endol. forum saceul. sept. cruciat. Fig. 19. papill. Retzü. Wittmaack Lith.Anstw. J.6.Bach, leipzig. : Archiv F mikroskop. Inatom te BANN. 5 Fig. 9. I: Taf XIX. Fig. 9. saccul. lagena. cablagen. ‚memb.Reissn. Be: ‚scal,med.. hint.Knorp. utrie. nerv.lag. later lag. ductendol.- -For.utr-saccul, WrLc.- par, cochlear. . 3 A r.cochlean- = on.ppl.Retziü. mae.saic on saccul. pars.bastl. 3 N saccul: p Se n.saccul---- m.basil. .basil. lagen. i pn.bas. \ n.cochl. ; Scal.tymp. lagen: vord.linorp. Fig.25 B Ri BLO: duchendol....._ Fig. 27. fon. utric-sace. duct.endol_ . utmic ra meropurt.bas. hintKnorp:--- De; membrCorti: saccal. ze j menrb.basil: Vorder Inorp. N u,part.bas. i er V.sacc, u saceul. D.Dasil. 2 eur lagen.(nediun) N R - sacenl. lagenilater) Fig. oe mac.utrie. m.Corti. . scalamed. 2 lagen. Fig.29 Kig.d2 E: Fig. 98 © “ dx Be Pig. For.utrie-saceul. corp.utrie. > 1. Seck.linorp.; saccul. | i nerinbas: mned.lag.-- Pe Co > GG ;= .: BE membr.basil. i scal. cochl. \ ka amp.tront-[-- N rec.ulr, nlag: amp.hor. ' lagen. can.horix . MAC Sale. Archiv 1. mihroskop, Anatomie. Bä.NX. Fig. DD. Fig. 38. sepenend. — SEPE.CTUL. ae a° pl. end, usb ua, Se Casa le Rh w- S N = ge z B 5 3 2 se SQ $ 5 F S H lateral. E Fig. 4. = s i - Sach, = u Bord. Ko, 7 Nero. I Wittmaack ) ‘ hr r i ” ° “ [) ’ ‚ t . ne a. y { ‘ PH, . D & LTR v } j N a gr ' 1 n E e . r J« I ih r v Archiv Fmikroskop Anatomie. Ba.XX. e 1 tl | | & | 2 | | Blutget 7 I | - gav.lagen. lagen... vl Fig. #6. Wittmaack Lith.Anst.v.d.&.Bach, Leipzig. PP | % ge 15 sd ee " Ask 4 me a Se a Archiv £ mukroskopı Anatonne ba, AT. Taf, | {) Fig. 60. Cutieulsaum. ML. Haar N Fig 39 - enpnlalas. - -Unar AN Gylind. 2. \ Nerofas. Earth. B-- Basals.. F sule syiral | vas gural, Basalz, "Wilma. Ba ae: F Lich, AnstnlBach,leipziß +» Pr 2; Ri “ Archiv £mikroskon. Anatomie Bd.AX, Yittmaack u. 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