Archiv Mikroskopische Anatomie herausgegeben von v. 1a Valette St. George in Bonn und W. Waldeyer in Strassburg. Fortsetzung von Max Schultze’s Archiv für mikroskopische Anatomie. Dreiundzwanzigster Band. Mit 25 Tafeln und 7 Holzschnitten. Bonn Verlag von Max Cohen & Sohn (Fr. Cohen) 1884. vıdsıA +ä} shdwergerngl Ik: naoH ni eg10sh AB stteleV al .v NN its ‚gıudeasıda ni 10T3blaW ‚u 4 lolink nosigedensdiun A wide waslludad za naı Aue hıral nleaianewsbiurard nee hi aa ARM mom (mil AT Bere Dee (2 j we Kr “ Bey: Inhalt. Beitrag zur Entwicklungsgeschichte der Batrachier. Von Dr. Oskar Schultze in Bonn. Hierzu Tafel I $ } 5 Ueber Secret-Vacuolen der Leberzellen im ish mit ach Gallenkapillaren. Von Leonhard Pfeiffer, appr. Arzte. (Aus dem histiologischen Laboratorium zu München.) Hierzu Tafel II. Die Entstehung rother Blutkörperchen im Knorpel am Ossificationsrande. Von Bernhard Bayerl, cand. med. (Aus dem histiologischen Laboratorium zu München.) Hierzu Tafel III . BR Zur Ontogenie der Knochenfische. Von Dr. C. K. Hoffmann, en fessor an der Reichsuniversität zu Leiden. Hierzu Tafel I’—VI. Beiträge zur Kenntniss der Samenkörper und ihrer Entwicklung bei Säugethieren und Vögeln. Von Dr. A. v. Brunn, Prosector in Göttingen. Hierzu Tafel VIIA ; } une Bemerkungen über den feineren Bau der Cherdolanal. one, Von Arthur Bolles Lee. Hierzu Tafel VIIB. ee Ueber Organe vom Bau der Geschmacksknospen an den Taster ver- schiedener Mollusken. Von W. Flemming, Professor der Anato- mie in Kiel. Hierzu Tafel VII. ß IS TORNEES Zur Kenntniss der Regeneration der Epidermis beim Sängethier. Von W. Flemming, Professor der Anatomie in Kiel. ag Ueber die Veränderungen der Geschlechtsproducte bis zur Eifurchung; ein Beitrag zur Lehre der Vererbung. Von Dr. Moritz Nuss- baum, a. o. Professor und Prosector am anatomischen Institut zu Bonn. Hierzu Tafel IX—XI an Ueber den Bau und die Funktion der sog. re bei a ae Von Dr. Ph. Bertkau in Bonn. Hierzu Tafel XII. (Aus dem anatomi- schen Institut der Universität Bonn.) . Er Die Controversen der indirecten Kerntheilung. Von Eduard burger. Hierzu Tafel XIII und XIV. . Der Bau des menschlichen Samenstranges. Von Dr. Paolo Pariesin, (Aus dem anatomischen Institute zu Strassburg, Elsass). Hierzu Tafel XV und XVI Seite 22 30 108 133 141 148 214 246 305 Untersuchungen über die Histiogenese der Retina. Von Dr. J.Koganei, Assistenten am anatomischen Institute zu Berlin. Hierzu Tafel XVII Ueber den Bau der Grandry’schen Körperchen. Von Dr. med. N.K. Kultschizky. (Aus dem histologischen Institut der Universität zu Charkow.) Hierzu Tafel XVII . { Ueber ein Endothelial-Element der Norahprimitiveie ae Nom K Ge en- hagen. Hierzu 1 Holzschnitt 5 Zur Kenntniss des Baues der Schleimdrüsen. Tann P Schigfrepdenken Prosector und Docent zu Göttingen. Hierzu Tafel XIX und XX . Untersuchungen über die doppelte Form der Samenkörper von Paludina vivipara. Von Max v. Brunn. Hierzu Tafel XXI und XXII Ueber die Muskelfasern des Froschherzens. VonDr.Pohl-Pineus in Berlin. Myrtillus, ein neues Tinctionsmittel für thierische und pflanzliche Gewebe. Von Dr. M. Lavdowsky (St. Petersburg). . SIAME Neue Formen von Nervenendigungen in der Haut von Säugethieren. Von Dr. George Hoggan (London). Hierzu Tafel XXIII und XXIV. Ueber die Beziehung der ersten Kiementasche zu der Anlage der Tuba Eustachii und des Cavum tympani. Von Dr. C. K. Hoffmann, Professor an der Reichsuniversität zu Leiden. Hierzu Tafel XXV. Fig. 1—4. . .ı ahh.kuad, IRBEBRER, LEE DEIN IS INDIEN Ueber das Amnion des zwbiblittähgen Keimes. up Dr. C. K. Hoff- mann, Professor an der Reichsuniversität zu Leiden. Hierzu Tafel XXV, Fig. 5 und 6 und 4 Holzschnitte. . 3.2 Ein neuer Schnittstrecker. Von Dr. F. Decker, Assistent am anato- mischen Institut in Würzburg. Hierzu 2 Holzschnitte.. a [31 u | Beitrag zur Entwicklungsgeschichte der Batrachier. Von Dr. Oskar Schultze in Bonn. Hierzu Tafel 1. Wenn man sich in der umfangreichen Litteratur umsieht, welche die embryologische Untersuchung seit den ewig denk- würdigen Arbeiten von C. Fr. Wolft, Chr. Pander und K. E. von Baer zu Tage gefördert hat, so findet man die Angabe, dass nach Ablauf der Furchung und der mehr oder weniger deutlichen Sonderung in die drei Keimblätter als erste äussere, d. i. auf der Oberfläche des befruchteten Eies sichtbare Andeutung des Embryo die Medullarplatte auftritt, die in der Längsaxe von der Primitiv- rinne durchzogen, seitlich durch die Medullarwülste deutlich von der Oberfläche des Eies abgehoben wird. Ueber diese ersten auf der Oberfläche des Eies hervortretenden embryonalen Anlagen der Batrachier — speciell von Rana — geben unter anderen Rusconi!), Remak?) und Eeker?) ausführlichere Schilderungen, welche in folgenden Zeilen durch einige Beob- achtungen zu ergänzen mir vergönnt sein möge. Die Eier von Rana fusca bilden, nachdem die an dem vege- tativen Pole!) gelegenen, pigmentameren Zellen durch den Vor- 1) M. Rusconi, Developpement de la grenouille commune depuis le moment de sa naissance jusqu’ä son &tat parfait, 1826. 2) R. Remak, Untersuchungen über die Entwicklung der Wirbel- thiere, 1850— 1858. 3) A. Ecker, Icones physiologicae, 1851— 1859. 4) Die neuesten Beobachtungen Pflügers (Archiv für die ge- sammte Physiologie des Menschen und der Thiere, Bd. XXI, pag. 311) zeigen, dass der in der freien Natur zum „vegetativen“ Pol normirte, pigment- armere Theil des Eies künstlich in den „animalen“ Pol umgewandelt werden kann, dass demgemäss im reifen Ei der Batrachier keine auf die künftige Organisation hinzielende Vertheilung des Protoplasmas präformirt ist. Was in dem befruchteten Ei nach aufwärts, dem Lichte zugewandt, liegt, wird animaler Pol; sei es nun die pigmentirte oder die weisse Halbkugel des Bies. Archiv f. mikrosk, Anatomie. Bd. 23. 1 2 Oskar Schultze: gang der Gastrulation in das Innere des Eies verschoben sind, wegen ihrer tief schwarzen und glatten Oberfläche eines der ge- eignetsten Objekte zum Studium der an der Aussenfläche des Eies sichtbar werdenden Veränderungen. Einerseits reflektirt die schwarze Fläche die Lichtstrahlen in so ausgiebiger Weise, dass überaus kleine Vertiefungen und Hervorragungen deutlich erkannt werden können, andrerseits wird das Studium von Wulstbildungen wesent- lich erleichtert durch die auf der Aussenfläche vorhandene Glätte, welche, je mehr sich die Gastrulation und die mit ihr verbundene Zellverschiebung im Inneren des Eies ihrem Ende nähert, um so ausgeprägter erscheint. Zur Beobachtung derartiger Veränderungen empfiehlt sich daher eine möglichst intensive Beleuchtung, und des- halb wurden die zu schildernden Beobachtungen alle an Eiern aus- geführt, die von ihrer Gallerthülle mit über die Fläche gebogener Scheere befreit, einzeln in mit Wasser gefüllte Uhrgläschen ge- bracht in direktem Sonnenlicht unter dem Präparirmieroscope ihre Weiterentwicklung durchmachten und auf stumpfen Nadeln in der gerade zweckdienlichen Lage gehalten wurden. Die Erscheinungen wurden ausserdem an Eiern controlirt, die sich innerhalb der Gallerthülle bei der Temperatur des die Aquarien durchfliessenden Wassers entwickelten. Die in Fig. 1—6 dargestellten Entwicklungsstadien zeigten sich an ein und demselben Eie im Verlaufe von vier Stunden. Als erste Veränderung auf der Oberfläche dieses Eies wird bei noch siehtbarem Rusconischen Dotterpfropf die Hervorwölbung zweier sich von dem Blastoporus nach aufwärts erstreckender Er- hebungen bemerkt — die erste Anlage der Medullarwülste —, deren Aussenrand sich allmählich nach der Oberfläche abflacht, während der Innenrand scharf hervortritt (Fig. 1, uM). Dicht oberhalb des Blastoporus nahe beieinander liegend und als erste Andeutung der Primitivrinne eine schmale Furche begrenzend di- vergiren sie nach oben hin mit nach innen convexen Rändern. Indem hiermit die unten schmale Furche nach oben hin an Breite zunimmt, wird sie zu einem flachen Thale, das aber alsbald durch Abflachung der Wülste verstreicht. Demzufolge weist das Ei von oben (von dem animalen Pole) betrachtet keinerlei Erhebungen an seiner Oberfläche auf. Mit der nun (Fig. 2) eintretenden, schär- feren Abhebung der die Primitivrinne begrenzenden Zellenwülste, die sich mehr und mehr entgegenwachsen, geht naturgemäss eine o> Beitrag zur Entwicklungsgeschiehte der Batrachier. Verschmälerung der Primitivrinne vor sich. Während dieser An- näherung der Wülste hebt sich aus dem von ihren oberen diver- girenden Rändern begrenzten Thale ein kleiner Wulst (m) hervor. Zugleich tritt eine Differenzirung in der Anordnung der oberhalb des flachen Thales gelegenen Zellen ein. Diese gruppiren sich zu einem grossen, senkrecht zur Primitivrinne stehenden, nach aussen eonvexen Wulst — Kopfwulst (KW) —, dessen Convexität sich scharf von der Eioberfläche abhebt, dessen Concavität jedoch all- mählieh zu dem breiten Thale hin abfällt. Ganz ähnliche Vor- gänge schildert van Bambecke bei Pelobates'!). Diese Wulst bildung, herbeigeführt durch das aus der Tiefe nach der Oberfläche hin fortschreitende Zellenwachsthum, schiebt sich dann von dem oberen und seitlichen Rande des Bogens aus nach der Mitte hin continuirlich fort, sodass das flache Thal und mit ihm die in demselben gelegene kleine Erhebung (m) völlig verstreichen. Von dem ursprünglichen Thale bleiben auf diese Weise zwei mit der bei zunehmendem Entgegenwachsen der Medullarwülste sich mehr und mehr verschmälernden Primitivrinne zusammenhängende, trans- versale Furchen zurück (Fig. 3, tpr.). Der Rest des Dotterpfropfes ist ganz in das Innere des Eies gedrängt, sodass der Blastoporus nur noch als schmaler Schlitz sichtbar ist. Bald darauf (Fig. 4) stellen sich nach aussen von dem unteren Theile der Primitivrinne zwei nach dem Blastoporus hin convergirende leistenartige Erhebungen auf der Oberfläche ein, die ich als äussere Embryonalwülste (a E) bezeichnen möchte. Durch ihr Auftreten entsteht an ihrem Innen- rande eine längliche Furche — Embryonalfurche (Ef) —, von welcher sieh weiter nach innen nunmehr die Aussenränder der Medullarwülste abheben. Der Kopfwulst geht darauf, sich seit- wärts immer deutlicher von der Oberfläche des Eies abhebend, eine Verschmelzung mit den Medullarwülsten ein, und es kommt, während die Embryonalfurchen sich beiderseits nach aussen und oben hin verbreiten, eine dentliche embryonale Figur zu Stande, in der Längsaxe von der Primitivrinne mit ihren vorderen trans- versalen Schenkeln durehzogen und unten von den sich nach oben in die Embryonalfurche verlierenden äusseren Embryonalwülsten 1) Ch. vanBambeke, „Recherches sur le d&veloppement du Pelobate brun“. M&moires couronnös ete. de l’Acad. roy. de Belgique 1868. 5. Goette, Entwickl. von Bombinator p. 157. 4 Oskar Schultze: begrenzt. Letztere flachen sich nach dem Blastoporus zugleich mit den Medullarwülsten ab. Dieses deutliche Bild verschwindet jedoch bald wieder und zwar in der Weise, dass bei zunehmender Zellenverschiebung sowohl die äusseren Embryonalwülste, als auch die ganze äussere Umgrenzung der geschilderten embryonalen Figur sich nach aussen abflachen und während eirca einer halben Stunde als Relief auf der Eioberfläche nur die Primitivrinne mit ganz schwach angedeuteten transversalen Schenkeln und der Blasto- porus sichtbar sind. Alsdann hebt sich der obere Theil des Em- bryo wieder mehr und mehr von dem Eie ab, doch hat sich der Kopfwulst durch zwei an seinem oberen Rande entstandene Ein- kerbungen nunmehr in drei kleinere Wülste (Fig. 5) getheilt, einen mittleren (o M) und zwei symmetrische seitliche (SW). Die Verschmelzung der unteren Randenden der Seitenwülste mit den Medullarwülsten ist verstrichen, sodass an der früheren Ueber- gangsstelle beider sich nun eine allmähliche Abflachung beider darbietet. Von der Stelle aus, an welcher die Primitivrinne mit ihren transversalen Schenkeln zusammentrifft, entsteht alsdann zu- nächst nach oben hin unterhalb des mittleren Wulstes (oM) eine breite, runde Grube, der Hirntheil des späteren Medullarrohrs, in deren Grund wiederum der kleine Wulst (m) sichtbar wird. Mit zunehmender Weiterentwicklung wird der Embryo allseitig deut- licher von der Unterlage abgehoben, und zwar treten von neuem die äusseren Embryonalwülste hervor, die, sich nun auch weiter nach oben und aussen erstreckend, beiderseits in ihrem Aussen- rande eine Verschmelzung mit dem unteren Aussenrand der beiden Seitenwülste eingehen (Fig. 6). Der schlitzförmige Blastoporus wird immer deutlicher zur Fortsetzung des unteren Endes der Primitivrinne. Die äusseren Embryonalwülste fallen ganz allmäh- lich nach der wieder sichtbar gewordenen Embryonalfurche ab. Von dieser nach innen heben sich die Aussenränder der Medullar- wülste stark hervor, deren Ausläufer nach oben eine mehr ge- streckte, der Primitivrinne parallel laufende Richtung annehmen. Mit diesem Vorgange geht ein Verstreichen der transversalen Schenkel der Primitivrinne Hand in Hand, veranlasst durch Breite- zunahme des ganzen oberen Theiles der Rinne, wobei sowohl die zwischen obere Grube und transversale Schenkel, als auch die zwischen letztere und den an sie nach unten anstossenden Theil der Primitivrinne beiderseits sich einschiebenden Zellenmassen theils Beitrag zur Entwicklungsgeschichte der Batrachier. E 5 seitlich verdrängt, theils mit in die Tiefe gezogen werden, während in der Mitte des obereu Theiles der Primitivrinne der kleine Wulst (m) wieder abgeflacht wird. Auf dem Kopfwulste kommt darauf eine weitere Sonderung der Zellenlagen zu Stande in der Art, dass die mehr nach innen gelegenen Zellen durch eine nach oben von ihnen entstehende Leiste — Medullarleiste (m L) — von den mehr nach dem Aussenrande zu liegenden Zellen gesondert werden und etwas tiefer zu liegen kommen. Weitere von diesem Stadium ausgehende Beobachtungen an anderen Eiern ergaben folgendes: Die Schenkel der Medullarleiste wachsen in einer der Primitivrinne parallel verlaufenden Richtung nach unten (Fig. 7) und verschmelzen bald mit einer sich beider- seits auf den Medullarwülsten in derselben Weise wie auf dem Kopfwulst abhebenden Leiste, sodass endlich bei zunehmender Abflachung der transversalen Schenkel der Primitivrinne diese letztere von der ganzen Leiste umwachsen ist. Alle Zellen, die nach innen von der Medullarleiste gelagert sind, kommen später innerhalb des Medullarrohres zu liegen, alles, was nach aussen von ihr liegt, verbleibt auf der Eioberfläche. — Während dieser Entstehung der Medullarleiste erfolgt an dem Aussenrand des Em- bryo die durch Einkerbungen veranlasste Theilung der seitlichen Wülste in je zwei kleinere (Fig. 7), welche Ecker beschrieben hat. Von diesen bilden der obere (Sp) die erste Anlage der von Remak nachgewiesenen Sinnesplatte (erster Visceralbogen), der untere (Kp) die der Kiemenplatte (zweiter Visceralbogen). Von den oberen wachsen dann beiderseits die bekannten, den animalen Eipol umgreifenden Fortsätze aus, die bogenförmig nach hinten mit einander verschmelzen und hier sich in flachem, dreieckig zugespitztem Wulst (Fig. 10 Sp) auf der Oberfläche verlieren. Sie stellen die allseitig deutlich begrenzte Sinnesplatte Remak s dar. Dieselbe ist anfangs noch durch eine feine Commissur mit der Mitte des oberen, mittleren Wulstes verbunden, die aber bald verstreicht, sodass nun die bei Ecker (l. ce. Taf. XXIIL, Fig. XX, v) wiedergegebene flache Stelle deutlich zur Ansicht kommt, auf welcher sich später die Mundöffnung einstülpt. Auch von dem unteren, kleinen seitlichen Wulste (Kp) zieht sich jederseits ein nach aussen und oben verlaufender Fortsatz auf der Oberfläche des Eies hin und bildet die Kiemenplatte (Fig. 8 Kp). 6 Oskar Schultze: Als wichtigstes Ergebniss der Weiterentwicklung stellt sich nun die volle Ausbildung des Aussenrandes der Medullarwülste heraus. Diese ziehen, in der Richtung von unten nach oben mit zunehmender Deutlichkeit hervortretend, längs der Primitivrinne nach aufwärts und verschmelzen hier mit dem Aussenrande des oberen, mittleren Wulstes (oM), der also zu dem oberen Theile der Medullarwülste wird. Hierdurch ist sowohl die Ausbildung der Medullarwülste zu ihrem Ende gekommen, als auch sind diese von den bisher mit ihnen verbundenen beiden ersten Visceralbogen (Sinnes- u. Kiemenplatte) abgeschnürt (Fig. 9). Die transversalen Schenkel der Primitivrinne verstreichen nun ganz und beiderseits von den Medullarwülsten heben sich im Inneren der Primitivrinne zwei Längswülste ab, die, wie Durchschnitte lehren (Fig. 9 a), dureh Hervorwölbung des Ektoblasts nach der Primitivrinne zu entstehen, sodass hier eine in der Primitivrinne auftretende axiale Furche deutlich wird, wie Götte sie auch hei Bombinator beschreibt. An dem oberen Theile der nunmehr vollkommen ausgebildeten Medullarwülste entstehen im weiteren Verlaufe die von Remak (vergl. 1. e. Taf. X, Fig. 6) beschriebenen, wulstförmigen Anlagen der Hirnblasen (Fig. 11) und zwar in der Weise, dass der obere, unpaare Wulst und die beiden symmetrischen darauf folgenden, welche zusammen das Vorderhirn bilden, sich beiderseits auf Kosten der Sinnesplatte entwickeln, während die darauf folgenden, welche die gemeinschaftliche Anlage des Mittel- und Hinterhirns darstellen, dem angrenzenden Theile der Kiemenplatte ihre Entstehung danken. Hierdurch werden also die an den oberen Theil der Medullarwülste anstossenden Grenzen der Sinnes- und Kiemenplatte beiderseits weiter nach aussen gerückt. Die geschilderten Befunde, in Sonderheit die Beobachtung der sich vollziehenden Trennung swischen Medullarwülsten und Visce- ralbogen, welche die darauffolgende Entstehung der Hirnanlagen nach sich zieht, mag in etwa zur Aufklärung der in den Ecker- und Remak’schen Darstellungen liegenden Verschiedenheiten dienen können. Ecker einerseits erklärt das Entstehen der pri- mitiven Hirnblasen so, dass die sich an dem oberen Theile der Medullarwülste zu beiden Seiten bildenden Einkerbungen, welche nach aussen die ersten Rudimente der Visceralbogen abgrenzen, zugleich nach innen zur Entstehung von Abtheilungen der bis dahin noch offenen einfachen Schädelhirnblase (der primitiven Beitrag zur Entwicklungsgeschichte der Batrachier. 7 Hirnzellen führten. Der genannte Autor erkennt also sehr wohl, dass bei dem ersten Auftreten der beiden Visceralbogen die ihnen zum Ursprung dienenden Zellenmassen noch nicht von den Medul- larwülsten getrennt sind, gibt aber keinen Aufschluss darüber, in welcher Weise diese Abgrenzung erfolg. Remak andrerseits zeichnet (Taf. X, Fig. 6) ein sehr deutliches Bild der an dem oberen Theile der Medullarwülste ausgebildeten, von den angren- zenden beiden Visceralbogen getrennten, ersten Hirnanlagen (vgl. unsere Fig. 11) und glaubt Eckers Auffassung, dass diese aus- schliesslich durch die Anlagen der angrenzenden sogenannten Vi- sceralbogen bedingt seien, zurückweisen zu müssen. Die Ver- schiedenheit in der Auffassung dürfte sich vielleicht als wesentlich dadureh bedingt erklären, dass Entwicklungsstadien verschiedenen Alters einander gegenüber gestellt wurden, indem Eckers Figuren XVIH—XXI unseren Figuren 7—10 entsprechen, Remaks Figur 6 jedoch erst in der beigefügten Figur 11 ihr Analogon findet. Die gemachten Beobachtungen werden im folgenden durch andere, ebenfalls von ein und demselben Eie gewonnene Unter- suchungen, welche zum Verständniss der in Rede stehenden Ent- wieklungsvorgänge beizutragen geeignet sind, ergänzt. Figur 12 stellt ein Ei von Rana fusca dar, auf dessen Oberfläche bei noch siehtbarem Dotterpfropf zunächst durch eine flache und breite Furche — die Primitivrinne — getrennt zwei seitliche nach oben divergirende Wülste — die erste Anlage der Medullarwülste — sichtbar sind, die sich nach oben und auswärts allmählich abflachen, nach unten hingegen sich deutlich von einer den Blastoporus sichelförmig umgebenden Einschnürung (sF) abheben. In die letztere geht das untere Ende der Primitivrinne über, während aus dem oberen, sich verbreiternden Ende dieser sich ein besonders nach dem oberen Eipole hin scharf begrenzter, flacher Wulst (m) hervorwölbt. Nach aussen von den Medullarwülsten sind die äusseren Embryonalwülste sichtbar. Mit der darauf erfolgenden dureh grössere Annäherung der Innenränder der Medullarwülste bedingten Verschmälerung der Primitivrinne (Fig. 13) kommt eine deutliche, allseitige Abgrenzung des medianen Wulstes (m) und eine Vertiefung der Embryonalfurehen zum Vorschein. Bald darauf tritt nun auch die der in Figur 2 u. ff. dargestellten Zellengrup- pirung analoge Differenz in der Anordnung der mehr nach dem animalen Pole zu gelegenen Zellen ein, welche sich in einer zur 8 Oskar Schultze: Primitivrinne senkrecht gestellten, nach aussen eonvexen Bogen- linie von der Eioberfläche deutlich abzuheben beginnen (Fig. 14, KW). Dieser mit zunehmender Entwicklung zu einem Wulst wer- dende Bogen zeigt jedoch nicht, wie im Fig. 2 u. ff. einen con- tinuirliehen Zusammenhang, sondern ist an seiner höchstgelegenen Stelle durch den oberen Rand des dazwischen gelagerten, medianen, runden Wulstes unterbrochen, sodass hier zwei symmetrische obere Wülste sichtbar sind, welche bald darauf zusammen den Kopfwulst bilden. Dieses bogenförmig angeordnete Hervortreten der seitlich von dem medianen Wulste gelegenen Zellen schreitet beiderseits nach der Mitte, nach innen und unten in der Weise vorwärts, dass der grosse mediane Wulst sich mehr und mehr verkleinert und die beiden oberen, seitlichen Wülste zu einem grossen ver- schmelzen, an welchem dann alsbald die Sonderung in einen me- dianen, oberen und zwei seitliche Wülste eintritt (Fig. 15 oM und SW). Der Rest des medianen Wulstes verstreicht dann mehr und mehr, sodass, nachdem auch hier die äusseren Embryonalwülste zum Vorschein gekommen sind und die sichelförmige, den Blasto- porus umgebende Furche immer mehr verstreicht, das Bild, wie es in Figur 15 dargestellt ist, abgesehen von der hier schon ein- getretenen Ausbildung des oberen, medianen und der beiden seit- lichen Wülste und dem hier noch als winziger, weisser Punkt sichtbaren Dotterpfropf ungefähr analog dem in Figur 4 gegebenen erscheint. Die Veränderungen am animalen Pole gingen bei diesem Ei offenbar schneller vor sich, als in der ersten Serie und hielten mit den Umwandlungen am vegetativen nicht gleichen Schritt. Auch sind in beiden Serien die Entwicklungsverhältnisse der Em- bryonalwülste verschieden, indem dieselben in den Figuren 3 u. 4 deutlich durch die nach oben und aussen verlaufende Embryo- nalfurche von dem Kopfwulst getrennt erscheinen, während sie in der Serie 12—15 deutlichen Uebergang auf die unteren Seiten- ränder des Kopfwulstes darbieten. Mit diesen verschmelzend flachen sie sich nach aussen ab. Die Beobachtung der Weiterentwicklung dieses Eies wurde hier mehrere Stunden unterbrochen. Alsdann ergab die fortge- setzte Untersuchung desselben Eies die Entwicklungsstadien, wie sie in den Figuren 9 u. ff. wiedergegeben sind. Den bisherigen Schilderungen reihe ich noch die Erklärung der Beobachtungen an, welche die in Figur 16—20 dargestellten Beitrag zur Entwicklungsgeschichte der Batrachier. 9 Vorgänge betreffen. Wir finden an diesem Ei ebenfalls zunächst zwei sich von dem Blastoporus nach aussen und aufwärts erstre- ckende Wülste (Fig. 16), zwischen welche sich ein unten zuge- spitzter und nach oben an Breite zunehmender, flacher Wulst einlagert. Während die Innenränder der beiden seitlichen Wülste und die nach unten convergirenden Ränder des medianen Wulstes sich beiderseits durch ziemlich scharf begrenzte Furchen — die hier in ihrer ersten Anlage gabelförmige Primitivrinne — von ein- ander abgrenzen, flachen sich die Aussenränder der seitlichen Wülste "allmählich ab; dieselbe Abflachung ist an dem oberen Rand des medianen Wulstes sichtbar. Durch eine dann, wie in den beiden anderen beschriebenen Fällen, eintretende Annäherung der beiden seitlichen Wülste — die wir bald als die erste Anlage der Medul- larwülste erkennen — und eine stärkere Abhebung derselben von der Eioberfläche (Fig. 17) werden auch die nach oben divergirenden Furchen mehr und mehr zusammengerückt, wodurch der mediane Wulst auf einen unten schmalen und oben sehr viel breiteren Streifen redueirt wird. Bald nachher erfolgt dann die als Kopf- wulst bezeichnete, bogenförmige Zellensonderung oberhalb der Pri- mitivrinne, durch deren nach unten und innen, wie in den beiden anderen Fällen, sich vollziehende Ausdehnung eine schärfere Ab- grenzung von dem oberen Rande des medianen Wulstes eintritt (Fig. 185), der nun mehr und mehr verschwindet (Fig. 19); zugleich nähern sich die ihn seitlich begrenzenden, nach oben divergirenden Furchen von unten her stetig einander und verschmelzen schliess- lich zu einer Furche — der Primitivrinne. Die durch Entgegen- wachsen des Kopfwulstes und der unteren Medullarwülste entstehen- den, transversalen Schenkel der Primitivrinne kommen bei diesem Vorgange weniger deutlich zur Ansicht, weil der in Figur 4 nach dem Inneren des Eies verlagerte mediane Wulst hier (Fig. 19) sich noch deutlich nach der Oberfläche hin hervordrängt. Endlich (Fig. 20) ist nur noch der obere breite Theil des medianen Wulstes, auf einen kleinen Rest redueirt, in der Tiefe des oberen Endes der Primitivrinne sichtbar. Bei dann eintretender Trennung des oberen Wulstes in den mittleren und zwei seitliche, dureh Ent- stehung der Embryonalfurchen und äusseren Embryonalwülste und damit Hand in Hand gehender, mehr oder weniger deutlichen Verschmelzung der Medullarwülste mit dem Unterrande der beiden 10 Oskar Schultze: Seitenwülste bietet uns der Embryo ein Bild, das zwischen die in Figur 5 u. 6 gegebenen Entwiceklungsphasen zu verlegen ist. Anknüpfend an die beschriebenen Beobachtungen möchte ich nunmehr eine Combination derselben versuchen und zugleich auf die bezüglichen früheren Mittheilungen eingehen. Es heisst bei Remak (l. e. p. 146): „Auf dem von den Medullarwülsten be- grenzten Thale hatte Baer (Entwicklungsgeschichte, Theil I, p- 284) beulenförmige Erhebungen bemerkt und als Anlagen der ‚drei höheren Sinnesnerven‘ bezeichnet. Ecker (Ieones physio- logieae, Taf. XXIII, fig. XVIII) gibt eine sehr lebhafte Darstellung dieser Beulen und meint, dass dieselben ‚ohne Zweifel Zellenan- sammlungen für die Sinnesorgane, für das Auge und für das Ohr seien, wie schon Baer angegeben‘. Allein Baer hat nicht von Sinnesorganen sondern von Sinnesnerven gesprochen.“ Weiterhin beweist dann Remak, dass die Eeker’sche Ansicht über die Be- deutung dieser Wülste durch keine Thatsache beglaubigt ist. Ein Verständniss der beschriebenen Beulen und Wülste kann nun wohl bei dem überaus wechselvollen Auftreten der ersten Anlagen, wie es schon Remak klar hervorhebt, nur dann möglich sein, wenn man durch Combination der verschiedenen Befunde ein allgemeines ihr Zustandekommen beherrsehendes Prineip aufzu- stellen versucht. Die Entwieklungsstadien der drei beobachteten Eier von Rana fusca bieten uns allgemein das deutliche oder weniger deut- liche Hervortreten eines oben breiten und unten verschmälerten, medianen Wulstes, der im grossen und ganzen in den frühesten Stadien am deutlichsten sichtbar, mit der zunehmenden Annähe- rung der seinen unteren Theil theils einschliessenden, theils ver- deckenden, seitlichen Wülste (u M) verschwindet. Gleichzeitig wird die Primitivrinne schmaler und tiefer. Die Bedeutung des medianen Wulstes als erste Anlage des centralen Nervensystems geht deutlich aus der Beobachtung an Durchsehnitten hervor. Diese zeigen, dass derselbe der von Strieker!) beschriebenen, in der Verbindungslinie des Dotterpfropfes mit dem animalen Pole ge- legenen Verdiekung der zweiten Schicht des Embryo — des 1) Untersuchungen über die ersten Anlagen in Batrachier-Eiern von Dr. S. Stricker. Zeitschr. für wissenschaftl. Zoologie, Bd. XI, 1861. p. 323, Taf. XXVI, Fig. 3 u. 5. Beitrag zur Entwicklungsgeschichte der Batrachier. 11 Nervenblattes — entspricht, über die der genannte Forscher fol- gendes sagt: „Die zweite Schiehte nach innen umgibt das ganze Ei, ist aber an verschiedenen Stellen von verschiedener Dicke. Wenn wir von dem Dotterpfropfe aus über die Mitte der Rücken- hälfte eine Linie gegen den oberen Pol ziehen, so fällt das mitt- lere Drittel derselben auf jene Stelle, wo diese zweite Schichte am dieksten ist. Nach abwärts gegen den Dotterpropf verschmächtigt sie sich allmählich, nach den Seiten und nach vorne hin aber so rasch, dass sie bald nur als einzige Lage kleiner Zellen das Ei umschliesst. Der diekste Theil manifestirt sich bald als die An- lage des Gehirns und seine Verlängerung gegen den Dotterpropf als Rest des centralen Nervensystems.“ Götte!) bezeichnet diesen verdickten Theil seiner „Grundschicht“ des äusseren Keimblattes als „Axenplatte“. Der mediane Wulst tritt mit zunehmender Tiefe der Primitivrinne allmählich unter das Niveau der seitlichen Wülste und die dureh die Primitivrinne veranlasste Einstülpung der bei- den Ektoblastschichten bedingt ein Abflachen des medianen Wulstes (Fig. 16—19). Die Combination der verschiedenen Befunde ergibt ferner, dass mit der Verstreichung dieses medianen Wulstes eine Hervorwölbung der seitlichen Wülste zur Wahrnehmung kommt, und zwar treten gemäss der Verschmälerung des unteren Theiles des medianen Wulstes und des daraus resultirenden, geringeren Widerstandes hier die seitlichen Wülste meist früher hervor, als an dem oberen cerebralen Theile, der durch seine Verdickung der medullaren Umschliessung einen grösseren Widerstand bieten mag. Diese Umschliessung geschieht ferner keineswegs durch eine von allen Seiten in derselben gleichen Anordnung sich vollziehende Zellenansammlung, sondern das Zustandekommen der gewöhnlich schleehthin als Medullarwülste bezeichneten Gebilde wird in dem den spinalen Theil des Nervenwulstes umgebenden Abschnitt durch die symmetrischen unteren Medullarwülste bedingt, während der obere, cerebrale Theil des Nervenwulstes von einer Zellenansamm- lung umschlossen wird, die als oberer Medullarwulst aus dem Kopfwulst hervorgeht. Auf bestimmten Stadien lässt sich häufig diese durch die transversalen Primitivrinnenschenkel (tpr) deut- 1) Entwicklungsgeschichte der Unke p. 157. vergl. auch Moquin-Tondon, Developpement des Batraciens anoures, Annales des sciences naturelles Tome III, 1876 p. 41, Taf. 4, Fig. 5 und 6 d. 12 Oskar Schultze: lich sichtbare Trennung des oberen von den beiden unteren Me- dullarwülsten deutlich erkennen (vgl. Fig.5 uM, oM und 14 uM, KW). Das in Figur 14 wiedergegebene Stadium weist sogar di- rekt darauf hin, dass der ganze Kopfwulst ebenfalls aus bilateral symmetrischen Hälften zusammengesetzt wird. Die oft so klar ausgeprägten, transversalen Schenkel der Primitivrinne, welehe mit zunehmender Verschmelzung des oberen und der unteren Me- dullarwülste verschwinden, dürften jedenfalls ein für das Verständ- niss des ganzen Entwicklungsplanes wichtiges Anzeichen enthalten. Mit der Sonderung des Kopfwulstes (KW) in den mittleren, der als oberer Medullarwulst allein an der Bildung der Medullarwülste betheiligt ist, und in die beiden seitlichen stellen sich letztere als die gemeinsame Anlage der Sinnes- und Kiemenplatte Remaks dar. Die äusseren Embryonalwülste bilden die äusserste Grenze der auf der Eioberfläche zur Ansicht kommenden embryonalen Figur. Ihr oberes Ende flacht sich bald (s. Fig. 4) ab, bald (s. Fig. 6) zeigt es deutlichen Uebergang in die seitlichen, oberen Wülste (SW) und so tragen sie dann zur allseitigen Umgrenzung des Embryo bei. Mit Hülfe dieser letzteren Beobachtung glaube ich auch die von Ecker (l. e. Taf. XXIIL, Fig. XVII) gegebene Abbildung erklären zu können. Genanntem Autor lag hier wohl ein Ei vor, bei welchem die Verschmelzung der äusseren Em- bryonalwülste mit den seitlichen Bogen (wie in Fig. 6 u. 7) beson- ders deutlich ausgesprochen war, wie überhaupt nicht genug be- tont werden kann, dass gerade in den ersten embryonalen An- lagen, sofern sie auf der Eioberfläche zur Ansicht kommen, ein ungeheuerer Wechsel herrscht, der, wenn man die Entwicklung nicht fortwährend verfolgt, leicht zu den verschiedensten Auf- fassungen führen kann. Eckers ziemlich gerade nach vorn ver- laufenden, schwach divergirenden Wülste (b) möchte ich für die Analoga der unteren Medullarwülste und die erhabeneren seitlichen eigentlichen „Rückenwülste“ (r) für die äusseren Embryonalwülste halten, während die zwischen den vorderen Enden der Wülste b gelegene buckelförmige Hervorragung (q) dem oberen Theile des medianen Wulstes und somit der Anlage des Gehirns entsprechen dürfte (vgl. Fig. 13). Da die folgende von Ecker in Fig. XVII gegebene Entwicklungsstufe desselben Eies erst zwölf Stunden später beobachtet ist, dürften die zwischen Fig. XVII und XVIII gelegenen Entwicklungsphasen nicht zur Beobachtung ge- Beitrag zur Entwicklungsgeschichte der Batrachier. 13 kommen sein. Aus unseren Figuren 6—9 ist die Abschnürung der äusseren Embryonalwülste und deren Abflachung auf die Oberfläche, sowie das Zusammenfliessen der Ecker'schen Wülste b in Fi- gur XVII mit dem oberen Medullarwulst (oM) ersichtlich. Durch das Uebergehen dieser Zwischenstadien mag die Identifieirung der Embryonalwülste (r, Fig. XVII) mit den Medullar- oder Rücken- wülsten entstanden sein. Dass die innerhalb der Ecker’schen „Rückenwiülste“ gelegenen, beulenförmigen Erhebungen keine An- lagen von Sinnesorganen sein können, wie dies Remak bewiesen, wird um so verständlicher erscheinen, als die buckelförmigen Her- vorragungen (Fig. XVIIL, a und o) sich nicht aus den unteren Me- dullarwülsten (b Fig. XVII) hervorgebildet haben können, sondern wohl nichts anderes sind, als die hier stark hervortretenden, oben beschriebenen, durch Hervorwölbung des Ektoblasts bedingten Längswülste innerhalb der Primitivrinne (vgl. Fig. 9). Die Quer- furchen, welche die Wülste a und o in Eekers Figur XVII trennen, halte ich für die transversalen Schenkel der Primitiv- rinne. Wenn wir uns in den gewaltig wechselnden Erscheinungen der ersten Embryonalanlagen orientiren, so finden wir, dass der Grad dieses Wechsels auf den frühesten Entwicklungsstadien am grössten ist und mit der zunehmenden Entwicklung des Embryo ab- nimmt. Die ersten sich als durchaus verschieden darstellenden Entwicklungsstufen in Figur 1, 12 und 16 führen zur Ausbildung eines Embryo, der im wesentlichen das Bild, wie es Figur 20 wiedergibt, erkennen lässt. Dass auf Grösse und Gestalt des Blasto- porus und des Dotterpfropfes (vor einer Vergleichung mit den Vor- sängen im Inneren des Eies) nicht grosser Werth gelegt wird, dürfte hier damit motivirt werden, dass auf verhältnissmässig späten Stadien, in denen die Medullarwülste schon fast ganz aus- gebildet waren, der Dotterpfropf noch äusserlich zur Ansicht kam. Es wird bisweilen ein Rest des Dotterpfropfes durch den eireularen Rand des Blastoporus theilweise nach aussen eine Zeit lang ab- seschnürt, der dann erst ganz allmählich in das Innere hineinge- zogen wird, während die sonstige Entwicklung ungestört weiter schreitet. Dass der Wechsel der Erscheinungen in den ersten Phasen ein so bedeutend grösserer ist, als später, mag vielleicht dadurch bedingt sein, dass der Widerstand, welchen das noch wenig differenzirte Zellenmaterial des Eies der durch die Befruch- 14 Oskar Schultze: tung ausgelösten, bildenden Kraft — nennen wir sie nun rein me- chanisch, chemisch oder „lebendig* — entgegensetzt, ein in den ein- zelnen Zellengruppen noch nicht so bestimmt ausgeprägter ist, dass die Ueberwindung desselben stets Veränderungen hervorruft, die zwar zu demselben Endresultate führen, aber sich an der Eioberfläche nicht immer in derselben Weise kundgeben. So überwiegt z. B. in Fig. 1 uff. von vorneherein das Hervortreten der unteren Me- dullarwülste, während in Figur 16 sich die von diesen begrenzte Anlage des centralen Nervensystems am deutlichsten darstellt. In Figur 4 ist es wegen der übermässigen Zellenanhäufung oberhalb der transversalen Primitivrinnenschenkel noch nicht zu der Aus- bildung des cerebralen Primitivrinnentheiles gekommen, wie wir ihn in den Figuren 15 und 19 von vorneherein auftreten sehen. Eine eingehendere Gegenüberstellung dieser vielen Mannigfaltig- keiten würde zu weit führen. Unterschiede in der gleichzeitigen Entwicklung am animalen und vegetativen Pole müssen ebenfalls zur Erklärung dienen. Wir verliessen den Embryo in dem Stadium, in welchem durch Entgegenwachsen und Vereinigung des oberen und der unteren Medullarwülste der Schluss des Nervenrohres angebahnt ist und die ersten Hirnanlagen an dem oberen Ende hervortreten. Der an die Anlage des Vorderhirns anstossende Theil der Sinnes- platte wird nun nach Schluss des Medullarrohres, wie dies aus Ecker’s und Remak’s Schilderungen ersichtlich ist, zur Anlage der Augenblase verbraucht (vergl. Fig. 21—24), indem diese sich in die Sinnesplatte vom Vorderhirne aus einstülpt. Auf der sich an die gemeinsame Anlage des Mittel- und Hinterhirns anlegenden Kiemenplatte entstehen während dieses Vorganges die beiden ersten Kiemenspalten und zwar zuerst die obere (Fig. 23, Ksp‘), dann die zweite (Fig. 24, Ksp‘). Indem Remak in seinem herr- lichen Werke die an das Vorderhirn — später Grosshirn und also Centralorgan der Sinneswahrnehmungen — sich anlegende Sinnes- platte als den Bildungsheerd der vier höheren Sinnesorgane, der Augenblasen, der Geruchshöhlen, des Labyrinths und der Ge- schmackshöhle erkannte und in der an die gemeinschaftliche An- lage des Mittel- und Hinterhirns — später Vierhügel und Kleimhirn (Centrum der vegetativen Funktionen) — angelagerten Kiemen- platte den Theil des Embryo erblickte, welcher die Athemwerk- Beitrag zur Entwicklungsgeschichte der Batrachier. 15 zeuge der Larve und das Herz hervorbringt, betonte er den offen- bar in dieser Thatsache liegenden tiefen physiologischen Sinn. Durch den Schluss der Medullarwülste wird bekanntlich der Blastoporus in das untere Ende des Medullarrohres hineingezogen. Häufig lässt sich noch durch die sich mehr und mehr verschmä- lernde Furche, welche die sich vereinigenden Medullarwülste trennt, der in dieselbe aufgenommene Blastoporus deutlich erkennen und schon jetzt erscheint, dieht an dem unteren Ende der Medullar- wülste die Einstülpung des Afters (Fig. 11). Noch vor völliger Ausbildung der Augenblasen treten auf dem ventralen Theile der Sinnesplatten die ersten Anlagen der sogenannten Saugnäpfe (Ecker), Haftscheiben (Götte) oder Mund- höcker (Remak) in Form von zwei seitlichen kleinen Grübchen als Einstülpungen des Ektoblasts auf, die, parallel dem unteren Rande der Sinnesplatte sich ventralwärts nach unten entgegen- kommend, eine einfache, bogenförmige, auf der Sinnesplatte ge- legene Furche darstellen, welche sich besonders an den beiden Enden mehr und mehr vertieft. Mit zunehmendem Längswachs- thum des Embryo treten dann die Schenkel der Furchen in spitzem Winkel zusammen und, indem dann oberhalb und zwischen den Schenkeln sich die Mundbucht anlegt, wird das die beiden Schenkel der hufeisenförmigen Rinne verbindende Mittelstück (vergl. Ecker, Fig. XXIV) wieder abgeflacht und dann hervorgewölbt; endlich begrenzt es die Mundbucht nach unten, sodass dadurch beiderseits die sogenannten Saugnäpfe entstehen, die mit der zunehmenden Ausbildung der Larve mehr und mehr verschwinden. Ecker gibt schon an, dass diese „Saugnäpfehen“ nach unten anfangs in ein- ander fliessen, sich aber später wieder von einander trennen, und bezeichnet sie als vorübergehende Gebilde, mit denen sich die Larven an Wasserpflanzen anheften. Das Entstehen derselben durch Einstülpung auf der Sinnesplatte finde ich nirgends deutlich betont. Remak sagt in seiner Erklärung zu den Tafeln, dass sie das Bauchende der Sinnesplatten bilden und p. 151, dass sie hauptsächlich durch eine Verdiekung des äusseren Keimblattes ge- bildet würden, die aus braunen, eylindrischen, röhrigen und ein- kernigen Zellen beständen, welche durch die centrale Lage ihres Kernes an glatte Muskelfasern erinnerten (Taf. IX, Fig. 26). Doch habe er keine Erscheinungen von Contraetion an ihnen beobachtet: wahrscheinlich seien sie epitheliale Bildungen, in ihrer Entwicklung 16 Oskar Schultze: den Linsenfasern vergleichbar. Rusconi (Devel. de la grenouille Pl. II, Fig. III N. 16—21) nennt sie Haken „crochets“, die zur Stütze der Larve auf festen Unterlagen dienen. Reichert hält sie für Fresswerkzeuge. Wenn wir die Entwieklung des Organes aus der den bleiben- den Sinnesorganen gemeinschaftlichen Anlage, dem Ektoblast — speciell der Sinnesplatte —, uns vergegenwärtigen und zugleich beachten, dass das Organ in der Entwicklungsphase sich zu bilden beginnt, in welcher sich die ersten activen Bewegungserscheinungen der Larve zeigen, und dass es dann in dem Maasse, als die Ent- wieklung der bleibenden Sinnesorgane fortschreitet, seine Rück- bildung erfährt, bis es schliesslich ganz schwindet, so könnte man geneigt sein, anzunehmen, dass das Organ die Bestimmung hat, den der sonstigen Sinnesorgane entbehrenden Embryo über die Aussenwelt zu orientiren, als Mittel zu dienen zur Regulirung der in ihm erwachenden, bewegenden Kraft. Dass das Organ nicht ausschliesslich — wenn überhaupt — als Saugorgan wirke, gibt Remak schon an (l. e. p. 15h). Doch wird man die Deutung dieser vergänglichen Bildung als Sinnesorgan nur mit Vorbehalt einer auf histologiseher Untersuchung beruhenden eventuellen Be- stätigung geben können. Balfour!) deutet die fraglichen Bil- dungen als „an embryonie suctorial organ“. Dieses Organ soll nach Parker den meisten Anuren zukommen, Pipa und Dactylethra aber fehlen. Doch scheint der Vergleich mit der ausgebildeten Saugscheibe von Lepidosteusembryonen nicht statthaft zu sein, da aus den von Balfour mitgetheilten Figuren erhellt, dass die Lagerung der homologisirten Theile mit Bezug auf den Mund ver- schieden ist. Die Saugscheibe des Lepidosteusembryo liegt ober- halb, das Organ der Anurenlarven dagegen unterhalb der Mund- öffnung. Auch die von Balfour „suctorial (?) processes“ benannten Bildungen bei Aceipenserembryonen (pag. 89, Vol. II) liegen ober- halb der Mundöffnung. Die zum Vergleiche der geschilderten Entwicklungsvorgänge bei Rana fusca mit den entsprechenden bei Bufo einereus ange- stellten Beobachtungen ergaben, dass sich bei letzterem in mancher Beziehung ähnliche Verhältnisse erkennen lassen. Nur treten hier die Wülste und Vertiefungen der Oberfläche nicht in allen Stadien 1) A treatise of comparative embryology Vol. II, pag. 109. Beitrag zur Entwicklungsgeschichte der Batrachier. 17 mit derselben Deutlichkeit hervor, wie dies bei Rana der Fall ist. Nach den Untersuchungen Strieker’s!) stellt sich auf der Ober- fläche des Eies als erste deutliche Differenzirung zugleich mit der Primitivrinne eine bogenförmige Furche dar, welche das obere Ende der Primitivrinne umkreist (l. e. Fig. 6). Diese würde ferner- hin zur Grenze zwischen der vorderen und unteren Wand des Embryo, bekomme noch ein in der Mittellinie der unteren Wand (l. e. Fig. 7a) liegendes, kurzes Ansatzstück, werde breiter, tiefer und gebe sich als Uranlage der Mundöffnung kund, indem die die Furche einschliessenden wulstigen Ränder zu den Lippen würden. Das frühe Auftreten der bogenförmigen Furche wurde hier auch beobachtet; zugleich mit ihrem ersten Erscheinen findet sich weiter unterhalb in der Medianlinie der Rückenfläche des Eies eine nach oben scharf begrenzte, nach unten hingegen sich all- mählich verlierende, länglichrunde Einsenkung, die erste Anlage des cerebralen Theiles der Primitivrinne (Fig. 25). Indem nun letztere nach abwärts immer deutlicher hervortritt (Fig. 26), er- heben sich die Zellen der Rückenfläche zu einem flachen, birnför- migen Wulst, der, oben die bogenförmige Furche umgreifend, sich nach unten verschmälert und hier die Primitivrinne mit dem an ihrem Ende gelegenen Blastoporus umgreift. Innerhalb der Pri- mitivrinne werden die auch oben bei Rana erwähnten Längswälste (vergl. Götte) sichtbar, welche die axiale Furche der Primitivrinne begrenzen. Oberhalb des cerebralen Theiles der Primitivrinne tritt in der Medianlienie jetzt schon eine flache Einziehung des Ekto- blasts ein, die sich später als die erste Anlage der Mundbucht er- weist. Durch allseitiges von aussen nach der Mitte fortschreiten- des Wachsthum wird der birnförmige Wulst deutlicher von der Oberfläche abgehoben (Fig. 27). Es tritt damit zugleich einerseits eine Verkleinerung des Wulstes ein, andererseits werden die sich vertiefende bogenförmige Furche und die Primitivrinne auf eine kleinere Ausdehnung beschränkt. Auf dem unteren verschmälerten Theile des birnförmigen Wulstes zeigen sich nun beiderseits von der Primitivrinne stärker hervortretende Längswülste, die nach oben mehr und mehr hinaufwachsen, schliesslich oberhalb des cere- 1) Entwicklungsgeschichte von Bufo einereus bis zum Erscheinen der äusseren Kiemen von Dr. J. Stricker. Sitzungsberichte der kaiserl. Aca- demie der Wissenschaften, Band 39, Wien 1860. Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd, 23. 2 18 Oskar Schultze: bralen Theiles der Primitivrinne zusammenstossen und sich auf diese Weise als die Medullarwülste zu erkennen geben (Fig. 28). Der durch dieses Hervortreten der Medullarwülste nach der Mittel- linie der embryonalen Anlage wirkende starke Zug veranlasst eine Abflachung der äusseren Ränder der embryonalen Figur. In beiden Seiten des oberen, äusseren Randes der Medullarwülste treten nun je zwei neben einander liegende, nach aussen und auf- wärts verlaufende, flache Wulstbildungen auf (Fig. 28), die sich nach aussen auf die Eioberfläche abflachen, nach innen oben und nach aussen unten aber ausgeprägte Abgrenzung aufweisen. Sie geben sich, wie aus der Analogie mit Rana leicht ersichtlich, als die ersten, äusserlich zur Ansicht kommenden Anlagen der Sinnes- und der Kiemenplatte zu erkennen. Mit zunehmender Annäherung der Medullarwülste verschwinden nun diese eben deutlich sicht- baren ersten Anlagen wieder, es ist bei der mehr und mehr sich steigernden offenbar sehr intensiven Zellverschiebung nunmehr auf der Eioberfläche nur die fast geschlossene Primitivrinne und von ihr nach aufwärts die bogenförmige Furche wahrzunehmen. Höchstens lassen sich noch die Grenzen der anfangs aufgetretenen birnför- migen Figur schwach erkennen. Indem nun durch die Vereinigung der das Nervenrohr umschliessenden Medullarwülste der Embryo eine mehr längliche Gestalt erhält, treten an den sich wiederum deutlich abhebenden, vereinigten Medullarwülsten oben zwei den ersten Hirnanlagen entsprechende Anschwellungen auf. Unter den- selben sind jedenfalls die von Stricker (l.e. p. 476) beschriebenen, beiden hinter einander liegenden Erweiterungen an dem breiteren Ende der primitiven Rinne gelegen, deren erste der ersten und deren zweite der Lage nach der dritten Hirnzelle entspricht. An die obere der beiden Anschwellungen, die offenbar homolog ist den beiden von Remak beschriebenen Anschwellungen am oberen Ende der Medullarwülste, welche zusammen das Vorderhirn zu bilden bestimmt sind (vergl. Fig. 11), lehnt sich die den animalen Eipol umgreifende, nunmehr mit deutlicher allseitiger Begrenzung wieder hervortretende Sinnesplatte, an die untere — entsprechend der gleichen bei Rana — die Kiemenplatte an. Die grosse bogen- förmige Furche wird vollkommen von den Rändern der Sinnes- platte umwachsen und erscheint nun auf derselben gelegen: wir erkennen in ihr leicht die erste Anlage der sogenannten Haft- scheibe. Dieselbe ist aber, wie aus der bisherigen Beschreibung Beitrag zur Entwicklungsgeschichte der Batrachier. 19 und aus Figur 25 u. ff. ersichtlich, bei Bufo einereus schon viel früber angelegt, als bei Rana fusea. Während sie hier erst nach Schluss der Medullarwülste auftritt, erscheint sie bei Bufo als die von Strieker beschriebene bogenförmige Furche schon mit der Entstehung der Primitivrinne und bildet mit dieser die erste Diffe- renzirung auf der Eioberfläche nach Ablauf der Gastrulation. Weiterhin wird nun, ganz in Uebereinstimmung mit Rana, der an die oberste Anschwellung der Medullarwülste anstossende Theil der Sinnesplatte zur Bildung der Augenblasen verbraucht, die beide trennende Furche verstreicht vollkommen und die Augen- blase ist äusserlich nicht durch eine Furche von dem ventralen Theil der Sinnesplatte getrennt. Oberhalb der in ihren Rändern zunehmende Wulstung darbietenden Haftscheibe zeigt sich die Ein- stülpung der Mundbucht. Demgemäss sind das sogenannte Haft- organ und die Mundeinstülpung bei Bufo wie bei Rana völlig ge- trennte Anlagen, indem ersteres auf dem ventralen Theil der Sinnesplatte, letztere zwischen oberem Ende der Medullarwülste (Vorderhirn) und ventralem Theile der Sinnesplatte erscheint. Dies Verhalten dürfte Stricker entgangen sein, indem er die bei Bufo so früh auftretende, bogenförmige Furche für die erste An- lage des Mundes hielt. Nachdem der Blastoporus durch den Schluss der Medullarwülste in das untere Ende des Medullarrohres aufge- nommen ist und nun die als Canalis neurenterieus bekannte Com- munication zwischen Darm und Medullarrohr vermittelt, erfolgt, wie bei Rana an der ventralen Fläche des Embryo dicht unterhalb des unteren Endes der geschlossenen Medullarwülste die After- einstülpung (vergl. Fig. 3l). Von den, den grossen birnförmigen Wulst (vergl. Fig. 25) umgreifenden . Rändern parallelisiren sich die unteren seitlichen, längs der Primitivrinne nach oben und aussen verlaufenden den äusseren Embryonalwülsten von Rana, der obere stellt die obere Grenze der Sinnesplatte dar. Die ganze embryonale Figur erinnert an die Area pellucida des Hühner- embryo. 20 Oskar Schultze: Erklärung der in den Figuren gebrauchten Abkürzungen. Abl Augenblase. Mb Mundbucht aE äusserer Embryonalwust. MI gemeinschaftliche Anlage des Af Aftereinstülpung. Mittel- und Hinterhirns. apr axiale Furche der Primitivrinne. | mL Medullarleiste. bl Blastoporus. oM oberer Medullarwulst. Ef Embryonalfurche. KW Kopfwulst. Ew vom Ektoblast gebildeter Längs- | pr Primitivrinne. wulst innerh. der Primitivrinne. | SW Seitenwulst. Hf sogenanntes Haftorgan. Sp Sinnesplatte. Kp Kiemenplatte. 0oS oberer Rand der Sinnesplatte. Ksp‘ erste Kiemenspalte. tpr transversale Schenkel der Pri- Ksp‘“ zweite Kiemenspalte. mitivrinne. M Medullarwulst. uM unterer: Medullarwulst. m medianer Wulst (Anlage des | Vh Vorderhirn. centralen Nervensystems). In den Figuren 26, 27 und 29 ist, um Zeichnungen zu ersparen, der untere Theil der embryonalen Anlage flächenhaft angefügt. Erläuterungen zu den Figuren auf Taf. 1. Fig. 1—6. Entwicklungsstufen ein und desselben Eies von Rana fusca nach Ablauf der Gastrulation. Fig. 1. Die die Primitivrinne (pr) begrenzenden, unteren Medullarwülste (uM) mit dem zwischen ihren oberen Enden gelegenen flachen Thale. Fig. 2. Aus letzterem hebt sich bei stetigem Entgegenwachsen der unteren Medullarwülste der mediane Wulst (m) hervor, der äusserlich sicht- bare Theil der Anlage des centralen Nervensystems. Fig. 3. Der Kopfwulst (KW) wächst den unteren Medullarwülsten entgegen, von dem flachen Thale bleiben nur zwei, Kopfwulst und untere Me- dullarwülste trennende Furchen, die transversalen Primitivrinnen- schenkel (tpr) zurück. Die Primitivrinne hat sich bedeutend ver- schmälert. Seitlich sind die äusseren Embryonalwülste (aE) ent- standen. Fig. 4. Kopfwulst und untere Medullarwülste verschmelzen, zwischen ihnen und den äusseren Embryonalwülsten ist die Embryonalfurche (Ef) entstanden. Fig Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Beitrag zur Entwicklungsgeschichte der Batrachier. 21 5. Der Kopfwulst hat sich in den oberen Medullarwulst (oM) und die beiden Seitenwülste, die gemeinschaftliche Anlage der Sinnes- und Kiemenplatte, gesondert. Aus der nach oben verbreiterten Primitiv- rinne ragt wiederum der kleine Wulst (m) hervor. Die äusseren Embryonalwülste sind verstrichen. b. Die wieder aufgetretenen äusseren Embryonalwülste verschmelzen mit dem unteren Rand der Seitenwülste, während die unteren Me- dullarwülste längs der Primitivrinne mehr nach oben wachsen. Auf dem oberen Medullarwulst ist die Medullarleiste (mL) entstanden. Fig. 7—1l. An ferneren Eiern von Rana fusca gewonnene Befunde. 7. Die Seitenwülste haben sich in zwei kleinere Wülste (Sp u. Kp), die Anlage der Sinnes- und der Kiemenplatte getrennt. Die em- bryonale Figur hat sich verschmälert. 8. Die transversalen Primitivrinnenschenkel sind verstrichen, die un- teren Medullarwülste fest mit dem oberen Medullarwulst zu den defini- tiren Medullarwülsten verschmolzen ; die äusseren Embryonalwülste verschwinden mehr und mehr, die Sinnesplatte hebt sich deutlich hervor. 9. Die Medullarwülste sind vollkommen ausgebildet, die äusseren Em- bryonalwülste verschwunden. 9a. Schematischer Querschnitt durch die beiden Ektoblastschichten (Horn- und Nervenblatt) in der Mitte der Medullarwülste, zur Erklärung der Längswülste (Ew) innerhalb der Primitivrinne dienend. 10. Die Sinnes- und die Kiemenplatte in der Ansicht von oben. 11. Erste Ausbildung der Hirnanlagen (Vh und MH); Blastoporus (bl) und Aftereinstülpung (Af). 12—15. In anderer Weise, als in Fig. 1—5, sich darstellende erste Veränderungen auf der Oberfläche des Eies von Rana fusca nach Ablauf der Gastrulation. Das Bild in Fig. 15 würde ungefähr einem zwischen Fig. 4 und 5 zu verlegenden Stadium entsprechen. 16—20. Sich noch anders darbietende Entwicklungsvorgänge ein und desselben Eies von Rana fusca, entsprechend den Stadien der Figuren 1—5 und 12—15. Das Bild von Figur 20 schiebt sich ungefähr zwischen die Figuren 5 und 6 ein. 21. Das Vorderhirn beginnt die Augenblasen (Abl) zu bilden; hierdurch wird der anstossende Theil der Sinnesplatte, wie aus den folgenden Figuren 22—24 ersichtlich, in das Vorderhirn mit einbezogen. 22. Die Mundbucht (Mb) entwickelt sich als flache Einsenkung zwischen Sinnesplatte und Vorderhirn. Auf der Sinnesplatte treten die An- lagen der sogenannten Haftorgane (Hf) jederseits als kleines Grüb- chen auf. IV . Die Grübchen wachsen nach unten und innen aus, um sich in eine gemeinsame Furche zu vereinigen. Auf der Kiemenplatte zeigt sich die erste Kiemenspalte Ksp‘. 22 Leonhard Pfeiffer: Fig. 24. Mundbucht, Haftorgan, Augenblasen sind vollkommen ausgebildet; die Aftereinstülpung ist mit zunehmendem Längenwachsthum des Embryo mehr nach vorne gerückt. Fig. 26—32. Mit den beschriebenen von Rana fusca correspondirende Ent- wicklungsstadien des Bufo einereus. (Aus dem histiologischen Laboratorium zu München.) Ueber Secret-Vacuolen der Leberzellen im Zusammenhange mit den Gallenkapillaren. Von Leonhard Pfeiffer, appr. Arzte. Hierzu Tafel II. Auf der im September 1873 zu Wiesbaden abgehaltenen 46. Versammlung der Naturforscher und Aerzte berichtete Prof. Dr. Kupffer!) über die Ergebnisse seiner Injeetionen der Säugethier- leber, insbesondere der des Kaninchens, Hundes und der Katze und lenkte hierbei die Aufmerksamkeit auf kleine in den Zellen gelegene Hohlräume. Derselbe theilte Folgendes mit: „Durch Injeetion des Gallengangsystems lassen sich von den Gallenkapillaren aus kleine intracelluläre Hohlräume oder Vacuolen erfüllen, die durch äusserst feine Kanälchen mit den die betreffende Leberzelle umgreifenden Gallenkapillaren zusammenhängen. An gut gelungenen Injeetionspräparaten erhält man durch diese Verhältnisse ein Bild, das die Gallenkapillaren mit kleinen, aber durehschnittlich gleich grossen gestielten Knöpfehen besetzt zeigt. Der feine Stiel, d. h. das Verbindungskanälchen zwischen der injieirten Vacuole der Leberzelle und dem intracellulären 1) Tageblatt der 46. Vers. d. Naturf. und Aerzte 8. 139. [80] © Ueber Secret-Vacuolen der Leberzellen etc. Gallengange, erst bei Hartnack Nr. X deutlich sichtbar, erscheint meist etwas gekrümmt.“ Hering!) hatte in seiner ausgezeichneten Arbeit über den Bau der Wirbelthierleber das Eindringen der Injectionsmasse in die Leberzellen bereits erwähnt, bezog dasselbe jedoch nicht auf präformirte normale Verhältnisse, sondern deutete es als Extra- vasation. Er sagte: „Ueberhaupt extravasirt das in die Gallenwege injieirte Berlinerblau sehr leicht. Die Art dieser Extravasation ist von In- teresse. Injieirt man unter so geringem Drucke, dass keine Extra- vasate entstehen, so füllen sich nur die peripherischen Theile des intralobularen Gallenwegnetzes. Bei stärkerem Drucke erfolgen zunächst Extravasate in die Zellen, sowohl in die des Epithels der Ausführungsgänge, als in die eigentlichen Leberzellen. Die Injectionsmasse in den interlobularen Gängen erscheint dann in viel diekeren Strängen, unregelmässig contourirt, stellenweise knotig seschwellt, bisweilen mit kleinen, ziemlich regelmässig angeord- neten, rundlich contourirten Vorsprüngen besetzt, etwa wie die Oberfläche eines Maiskolbens. In die eigentlichen Leberzellen treten zuerst kleine runde Tröpfchen, später grössere unregelmässige Tropfen, bis endlich die ganze Leberzelle als eine blaue Masse erscheint, welche noch die polyedrische Form der Leberzelle bewahrt, wenn auch eine oder die andere der sie begrenzenden Scheidewände convex vor- getrieben ist. Bisweilen liegt eine ganze Gruppe solcher injieirter Zellen wie die Beeren einer Traube beisammen. Weiterhin reissen die Zellenscheidewände ein und die Masse fliesst in unregelmässige Klumpen zusammen.“ Ferner hat G. Asp?) die Beobachtung gemacht, dass beim Einspritzen von harzigen Farbstofflösungen das Harz zwar in dem Augenblick, wo es mit der feuchten Wandung des Gallenganges in Berührung kommt, in feinen Kügelchen aus der Lösung fällt, der Farbstoff jedoch trotzdem in die Leberzellen gelangt, und zwar wie er annehmen zu müssen glaubt durch Gänge, welche vom interlobulären Raum her unmittelbar in die angrenzenden Leber- zellen ausmünden. 1) Hering, Archiv f. mikr. Anatomie 1867. Bd. III. S. 109. 2) Arbeiten aus d. Physiol. Anstalt zu Leipzig VII. Jahrgang 1873. S. 124 ff. 24 Leonhard Pfeiffer: Zweifelhaft muss es bleiben, ob Kolatschewsky'!) diesen Zusammenhang intralobulärer Vacuolen mit Gallenkapillaren be- obachtet hat, wenn er schreibt: „Nicht selten sind Zellen mit dünnen Fortsätzen. Dieselben sind rund und verschieden lang. Unmittelbar an der Zelle selbst bestehen sie offenbar aus derselben körnigen Masse wie die Zelle selbst; in einiger Entfernung aber von dieser zeigen sie sich als hohle Kanälchen. Diese Kanälchen werden hie und da enger, um sich dann wieder zu erweitern. Von der Zelle gehen sie unter verschiedenen Winkeln ab. Ich habe gesehen, dass die Kanälchen von zwei solehen Zellen bald in der Nähe ihrer Körper, bald in einiger Entfernung in einen gemein- schaftlichen Gang zusammenflossen, welcher dann einerseits wiederum in zwei Zweige sich theilte. Was die Frage über die Bedeutung dieser Kanälchen betrifft, so kann ieh die Bilder nieht anders deuten, als dass die feinsten Leberausführungsgänge unmittelbar vor den Leberzellen beginnen; aus dem Umstande, dass die von den Zellen stammenden Kanäl- chen, wie ich oben erwähnte, nicht selten sich zu einem gemein- schaftlichen Ausführungsgange verbinden, halte ich mich für be- rechtigt diesen Schluss zu machen.“ (sie!) Die Präparate, auf welche sich die bisher aufgeführten Autoren stützen, sind zum Theil durch Maceration der Leber, zum Theil durch Injection gewonnen und zwar einerseits vom Duetus chole- dochus bez. eystieus oder hepaticeus aus, andererseits nach dem Vorgange von Chrzonsezewsky auf dem Wege der sogenannten physiologischen Selbstinjeetion dureh Einspritzen irgend einer Färbeflüssigkeit in eine Arterie bez. unter die Haut. Ich habe nun neuerdings unter Leitung des Herrn Prof. Dr. Kupffer Injeetionen der Gallenwege bei verschiedenen Thieren versucht und bin dabei folgendermassen verfahren. Ein mittelgrosses Thier (Kaninchen oder Meerschweinchen) wurde durch den Nackenstich getödtet und nachdem sich dasselbe möglichst verblutet hatte, die Bauchhöhle eröffnet, sodann die Vena cava inferior oder das rechte Herz angeschnitten, um dem Blut raschen Abfluss aus der Leber zu gestatten und so die Widerstände für die Injection zu verringern. Hierauf unterband ich beim Meerschweinchen den Ductus 1) Archiv f. mikr. Anatomie von Waldeyer 1877. Bd. XIII. S. 415. Ueber Secret-Vacuolen der Leberzellen etc. 25 choledochus etwa in der Mitte mit einem gewichsten Seidenfaden, schnitt mit einer feinen Scheere die Gallenblase an und führte, nachdem sie ihres Inhalts entleert war, eine feine Canüle in die- selbe ein, welche mittelst eines Fadens darin befestigt wurde. Sodann wurden unter Vermeidung etwaigen Lufteintritts je nach der Grösse der Leber acht bis zwölf Gramm in Wasser voll- kommen löslichen Berlinerblaus, dem vorher eine geringe Menge Glycerin beigesetzt worden war, langsam und unter möglichst gleichmässigem Drucke injieirt. War die Injection gelungen, was sich durch Auftreten von kleinen blaugefärbten Erhabenheiten verrieth, die sich immermehr ausbreiteten und schliesslich fleckenweise die ganze Leberober- fläche einnahmen, so wurde die Spritze von der Canüle abge- nommen, letztere, um dem Ausfliessen der Masse vorzubeugen, so- fort verschlossen und das ganze Thier in ein bereitstehendes Gefäss mit angesäuertem 90°/, Alkohol gelegt zum Behuf der Fixation des Farbstoffs; erst nach ein paar Stunden wurde die Leber heraus- genommen, zerkleinert und weiterer Erhärtung unterworfen. Dass ich die Canüle nicht in den Duectus choledochus, son- dern in die Gallenblase einband, sollte den Zweck haben einen allzustarken Druck bei der Injection zu vermeiden, es sollte die Gallenblase, welche sich jedesmal sehr bedeutend ausdehnte und oft die Hälfte der zu injieirenden Flüssigkeitsmenge aufnahm, gleichsam als Sicherheitsventil dienen und das fintstehen von Extravasaten thunlichst verhüten, dadurch dass ein Theil des Druckes auf ihre Wände gelenkt wurde. f Bei Kaninchen konnte allerdings dieses Verfahren nicht an- gewendet werden, da hier die Gallenblase gewöhnlich sehr tief in einen Ausschnitt der Leber eingebettet ist und mit der letzteren selbst ziemlich fest und straff verwachsen zu sein pflegt. Hier wurde die Canüle in den Duetus choledochus eingeführt, wobei natürlich die Masse immer zuerst in die Gallenblase ein- drang, und erst nachdem diese prall gefüllt war in die Leber selbst überging. Es tritt hierbei mitunter der Umstand hindernd entgegen, dass gleich nach dem Tode des Thieres der Gallengang mit ziem- licher Kraft sich eontrahirt und so die Canüle nicht einbringen lässt. Theils aus ebengenannten, theils aus unklar gebliebenen Gründen misslangen manche Injeetionen der Leberläppehen und 26 Leonhard Pfeiffer: einigemale ereignete es sich, dass trotz aller angewandten Vor- sicht die Injeetionsmasse ganz oder theilweise dem Verlauf der Gefässe folgte und so die Präparate für meine Zwecke werthlos machte; auch Zerplatzen der Gallenblase kam hie und da vor und vereitelte die nahezu vollendete Injection. Aber abgesehen von all diesen Zufälligkeiten, denen man bei einiger Aufmerksamkeit leicht entgehen konnte, bot die Bemessung der einzuspritzenden Flüssigkeit und des anzuwendenden Drucks das Haupthinderniss für das Gelingen der Injectionen, welches erst nach längerer Uebung zu überwinden war. Nachdem nun die möglichst zerkleinerte Leber durch Alkohol gehärtet worden war, wurden mittelst des Mikrotoms theils nach vorhergegangener Einbettung in Paraffin, theils ohne dieselbe dünne Schnitte sowohl senkrecht als parallel zur Oberfläche ange- fertigt, diese mit Bismarekbraun gefärbt und durch Nelkenöl auf- gehellt. Gute Präparate liefern nun folgende Bilder. Zunächst be- merkt man bei schwachen Linsen (Syst. I. Oc. O. Seibert) eine ausgedehnte Injection der Gallengänge, welche hie und da sich fast über das ganze Leberläppchen erstreckt. Die gröberen Gallen- wege sind vollständig mit blauer Masse erfüllt. Bei stärkerer Vergrösserung (Syst. IV) zeigen sich die Leber- zellen durchweg gut erhalten mit deutlichen Kernen, die beim Kaninchen sehr häufig zu zweien mitunter sogar zu vieren in einer Zelle vorhanden sind. Die einzelnen Zellen werden in Form unregelmässiger Vielecke (meistens Sechsecke) von einem zier- lichen Netzwerk blauer Fädchen umsponnen, an denen kleine Knöpfehen sichtbar werden, welche gestielten Beeren vergleichbar zu den Seiten der Gänge sitzen und im Innern der Zellen gelegen sind. Dieselben finden sich im ganzen Bezirk der Injection und sind nieht etwa blos auf einzelne Maschen beschränkt (Fig. 1). Bemerkenswerth ist, dass diese Gebilde vorwiegend nur an einer Seite der Zellen auftreten, gewöhnlich zwei oder drei, bis- weilen aber vier und mehr an der Zahl. Je weiter man von den grösseren Gallengangstämmen nach dem Centrum des Läppehens geht, desto zahlreicher treten die Knöpfchen auf, während sie an der Peripherie spärlicher gefunden werden. Ueber Secret-Vacuolen der Leberzellen etc. 27 Ihre Grösse beträgt in den meisten Fällen ungefähr ein Sechstel bis ein Fünftel derjenigen des Zellkerns. Auch an den feinsten Injeetionsfädchen lassen sich die Knöpf- chen nachweisen, während sie dort, wo der erhöhte Druck den Gang stärker ausgedehnt hat, oft vermisst werden. Nicht allzuselten lassen sich Uebergänge bis zur Injection einer ganzen Zelle beobachten und hier ist von Bedeutung, dass in solchen Fällen die Masse sich genau auf die Grenzen einer Zelle beschränkt ohne in nebenanliegende auszutreten. Man sieht die Knöpfehen an solchen Stellen zunächst grösser werden, aber die Vergrösserung bei Erhaltung der Form hat ihre bestimmte Grenze, dann wird die Gestalt des angefüllten intra- cellulären Raumes unregelmässig und die blaue Masse überfluthet den Zellkern und vertheilt sich diffus in der Zelle (Fig. 2. a. b). Bei stärkerer Vergrösserung (Syst. VII) erscheinen die Knöpf- chen mehr weniger kreisrund, scharf begrenzt und häufig nahe dem Kern gelagert. Und nun wird man sehr feine Verbindungsstiele zwischen Knopf und Gallenröhrehen gewahr, welche man zwar auch schon bei schwächerer Vergrösserung aber nicht ganz sicher bemerken kann. Diese Stielchen verlaufen theils gerade theils aber auch leicht gekrümmt oder geradezu geknickt und übertreffen die Knöpfchen etwa ein halbmal an Länge (Fig. 3 u. 4). Sobald die Knöpfchen ihre regelmässige Begrenzung ver- lieren und mehr den Character des Extravasats annehmen, ver- misst man auch die Stiele und jene sitzen unmittelbar den Gängen auf, ganz so wie es Hering beschrieben hat, die Form eines Maiskolbens nachahmend. Nachweisen konnte ich die Knöpfe mit ihren feinen Stielen an der Leber vom Kaninchen, Meerschweinchen und auch in der Leber eines Kindes. Die Verhältnisse waren in allen Fällen die- selben. Was nun die Deutung jener intracellularen Hohlräume an- langt, so ist Prof. Kupffer !) sehr geneigt, sie als „Vacuolen“ anzusprechen und sie mit jenen „Seeretkapseln“ zu identifieiren, welche er in den Speicheldrüsen von Blatta orientalis auffand. 1) Beiträge zur Anatomie und Physiologie als Festgabe C. Ludwig gewidmet. 1874. 8. 69. 28 Leonhard Pfeiffer: Die letzten Enden des Gallensystems wären darnach in der Leberzelle zu suchen. Die Galle sammelte sich zunächst in Se- eretvacuolen an und flösse von hier aus durch sehr feine Röhr- chen in die die Zelle begrenzenden Gallenkapillaren ab. Fritsch!) hat allerdings die Vermuthung ausgesprochen, es dürfte Prof. Kupffer nicht präformirte Räume der Zellen in- jieirt haben, sondern die extravasirende Masse die Kapillare an schmaler Stelle durchbrochen und den weichern Theil des Zell- protoplasma’s vor sich herdrängend selbst die „Secretkapsel“ in der Zelle geschaffen haben. Aber ich glaube nichts destoweniger, dass man hier Extra- vasate ausschliessen kann und zwar auf Grund folgender Erwä- gungen. Einmal ist bemerkenswerth, dass jene Gebilde, die Knöpfchen, mit grosser Regelmässigkeit im ganzen Bereiche des injieirten Läppchens auftreten, dass sie nahezu überall die gleiche Form und Grösse aufweisen und dass dort wo Extravasate zu beobachten sind, die Masse immer von zwei oder mehr Punkten ausgeht, welche sich unschwer als vergrösserte Knöpfe erkennen lassen, deren Begrenzung in Folge erhöhten Drucks durchbrochen worden ist. Wichtig ist ferner auch das regelmässige Vorkommen der feinen theils geraden theils gekrümmten Stiele, was sich doch kaum als Kunstprodukt auffassen lässt. Von grosser Bedeutung ist nun aber die Thatsache, dass Wyss?) und Popoff‘) nach Unterbindung des Ductus choledochus bei Kaninchen und dadurch hervorgerufener Gallenstauung in den Leberzellen ganz ähnliche Dinge fanden. Wyss freilich hält dafür, dass es sich hier um Gebilde handle, die nicht in, sondern auf den Zellen liegen, Popoff jedoch beschreibt sie folgendermassen: „Die mit Gallenpigment angefüllten Kanälchen verlaufen durchaus nicht ausschliesslich zwischen den Zellen. Ziemlich oft erscheinen sie mehr oder weniger mit ihnen verbunden, indem sie gleichsam in die Leberzellen eindringen oder sich in ihnen verästeln. Bisweilen verzweigen sich diese deutlich doppelt con- 1) Archiv für Physiologie 1879. S. 356. 2) Virchow’s Archiv Bd. 35. 1866. S. 553 ff. 3) Virchow’s Archiv Bd. 81. 1880. S. 524. Ueber Secret-Vacuolen der Leberzellen etc. 29 tourirten oder pigmenthaltigen Kanälchen ausserhalb der Zellen, schieken aber zugleich Ausläufer zu ihnen aus, die in sie eindringen und dort entweder im Protoplasma enden oder bis zum Zellenkern vordringen und gleichsam die Zelleontouren um- randen. Dergestalt können wir uns durch sorgfältige Untersuchung dieser Präparate bei Anwendung starker Vergrösserungen sicher davon überzeugen, dass die sogenannten Gallencapillaren in Form überaus dünner häufig sehr kurzer Ausläufer hervorgehen, alsdann sich ausserhalb der Leberzellen mit andern derartigen Ausläufern vereinigen und dergestalt das Netz der sogenannten Gallenkapil- laren bilden. Der Ursprung der Gallengänge liegt aber im Proto- plasma der Leberzellen zwischen den Fäserchen des fibrillären Zellenstroma.“ Nach dieser Darstellung bleibt kaum noch etwas zu bemerken übrig zur Erklärung des Zusammenhangs zwischen den Zellen und Vacuolen. Indessen hebe ich doch gegenüber der Auffassung von Wyss hervor, dass man an Injectionspräparaten mit der grössten Sicher- heit constatiren kann, dass die injieirten Vacuolen innerhalb der Zellen liegen. Man findet sie sehr häufig unmittelbar in der Nähe des Kerns derart, dass sie beim Erheben und Senken des Tubus in gleichem Niveau mit dem Kerne erscheinen und ebenso gelingt es unschwer bei Maceration injieirter Lebern Leberzellen zu iso- liren, die solehe injieirte Vacuolen enthalten. Erklärung der Abbildungen auf Tafel II. Fig. 1. Partie aus der Leber eines Kaninchens nach Injection der Gallen- wege. Seibert Syst. IV. Oe. I. Fig. 22 A und B aus einer injieirten Leber vom Kaninchen. Der ange- wandte Druck ist zu stark gewesen, in Fig. A sind die Secret- vacuolen übermässig gedehnt, in Fig. B bei b ist eine Vacuole ge- borsten und die Injeetionsmasse umfliesst den Kern. Seibert Syst. NLIUBSEN 30 Bernhard Bayer: Fig. 3. Leberzellen mit injieirten Vacuolen, an denen feine Stiele theils gerade, theils geknickt zu sehen sind. Vergr. %0%/,. Fig. 4. Partie einer injieirten Kaninchenleber, an der unter dem Injections- drucke die Gallenkapillaren stark gedehnt und erweitert waren, ohne dass Extravasation erfolgte. Secretvacuolen zeigen sich im typischer Grösse und Form. (Aus dem histiologischen Laboratorium zu München.) Die Entstehung rother Blutkörperchen im Knorpel am Össificationsrande. Von Bernhard Bayerl, cand. med. Hierzu Tafel III. Die Frage nach der Entstehung des Blutes in den ÖOssifiea- tionskernen und speziell an der Ossificationsgrenze hat N. Kass o- witz!) in seinen Untersuchungen über normale und pathologische Össification beim Menschen einer erneuten Prüfung unterzogen und ist dabei zu Resultaten gelangt, die in mehr als einer Be- ziehung beachtenswerth erscheinen. Jene Frage nach der Blut- bildung an diesen Stellen erscheint nicht einfach dadurch gelöst respective beseitigt, dass der Nachweis geführt werden kann, es wachsen vom Periost aus Gefässe in den ossifieirenden Knorpel hinein, denn beachtet man speziell die Verhältnisse an den Enden der gegen den Knorpel blind geschlossenen jungen Markräume des Össificationskernes an den ossifieirenden Diaphysen irgend eines Skeletsstückes der Extremitäten von Säugethieren, so fällt vor allem auf, dass Blutkörperchen zunächst der Grenze gegen den Knorpel besonders angehäuft sind und erst in einiger Entfernung sich neben denselben auch Markzellen finden. Es stossen also an 1) N. Kassowitz, Die normale Össification und die Erkrankungen des Knochensystems ete. Wien 1881. Theil I. Die Entstehung rother Blutkörperchen im Knorpel am Össificationsrande. 31 die äussersten noch geschlossenen Knorpelkapseln zunächst Mark- räume, die vorherrschend, ja selbst ausschliesslich Blut enthalten, und man ist sehr häufig nicht in der Lage, eine Gefässwand nach- zuweisen, die diese Blutansammlung einschlösse. Kassowitz ist denn in der That auch zu der Anschauung gelangt, dass Blut hier in loco entstehe. Dieselbe Auffassung ver- trat auch Professor Kupffer in seinen Vorlesungen über Histiolo- sie und forderte mich auf, Kassowitz’ Beobachtungen und Dar- stellungen einer Prüfung mittelst besserer und neuerer Methoden zu unterziehn. Ich lege nun in Nachfolgenden die Ergebnisse dar, zu welchen mich meine im hiesigen histiologischen Institute angestellten Untersuchungen geführt haben und beginne mit der Anführung desjenigen, was Kassowitz über diesen Prozess lehrt. Der Kürze und Uebersichtlichkeit halber eitire ich die Aussprüche des genannten Autors, soweit sie die in Rede stehende Frage be- treffen und in der ausgedehnten Abhandlung zerstreut vorkommen, hier im Zusammenhange an einander gereiht, dabei zu jedem Ci- tate die betreffende Seitenziffer des Werkes hinzufügend. Im Wesentlichen halte ich mich an den Wortlaut des Autors. Kassowitz sagt: S. 143. „Der Össifieationskern d. h. der verkalkte Knorpel ist eine Zeit lang gefässlos. Mark entsteht erst, wenn ein Blut- gefäss sich hineingebildet hat. Durch den umgebenden Knorpel dringt ein Gefäss ein oder bei Diaphysenkernen auch durch vor- her gebildete periostale Knochenrinde ; das erste Gefäss ist stets die arteria nutritia dieses Knochens, theilt sich in einen auf und absteigenden Zweig und (S. 144) jeder theilt sich gablig gegen die Enden des Össifications-Kernes vordringend und später auch über die Grenze hinaus in den Säulenknorpel dringend, wo sämmtliche Zweige in derselben Höhe endigen oder vielmehr in die rücklaufenden Gefässe umbiegen.“ „Das Gefäss grenzt nie an den Knorpel, sondern ist stets von weichem zellenreichem Marke umgeben. Die Markräume halten sich ziemlich genau an die Ver- zweigung der Blutgefässe. In einer gewissen Distanz um das Ge- fäss ist stets die Verkalkung geschwunden, es fehlen die Knorpel- fibrillen, das Mark nimmt die Stelle ein. (S. 145). Aber sobald eine Knorpelhöhle durch theilweises Wegschmelzen der Grund- substanz geöffnet wird, so dass ihr weicher Inhalt mit dem des Markraumes ein continuum bildet, zeigt sich in der Höhle, auch 32 Bernhard Bayerl: ohne dass das Gefäss in sie eingedrungen wäre, ein zellenreiches Gewebe. Der Inhalt der Markräume besteht normaler Weise aus ziemlich grossen rundlichen, polygonalen oder abgeplatteten Zellen mit granulirtem Zellenleibe und einem bis zwei Kernen, die schwer sichtbar sind, ferner vielkernigen Myeloplaxen.“ S. 146. „Zwischen den Zellen ist ein ungemein zartes hin und wieder fein gekörntes Stroma“. S. 147. „In den fingerförmigen Markräumen an der ÖOssifi- cationsgrenze der Diaphysen findet man lange geradlinige selten dichotomisch getheilte Gefässe. Verzweigungen der Arteria nutri- tia; ein solches Endzweigchen verliert seine Wand im Markraume zwischen den Markzellen und dort findet man Gruppen von gelb- lichen hämaglobinhaltigen Körpern, wie unregelmässige Bruchstücke von Blutkörperchen (Heitzmanns Hämatoblasten). Dieselben liegen in der ehemaligen Pericellularsubstanz der eröffneten Knor- pelzellenhöhle. Erst in einiger Entfernung davon (markwärts) findet man die Querschnitte von venösen Capillaren. S.148. „Die Blutgefässe wachsen mit ihrer Wand nicht in das verkalkte Knorpelgewebe hinein, sondern durch die Saftströ- mung des in der Weiterbildung begriffenen Blutgefässes werden die Kalksalze gelöst, die Knorpelfibrillen zum Schwinden gebracht, dann in dem freigewordenem lebendem Grundgewebe gewisse Theile der Art verändert, dass sie hämaglobinhaltig werden. Durch Verflüssigung des sie verbindenden Gewebes werden die neuen Blutbestandtheile gelockert und rings um das Gewebe zu einer Capillarwand verdichtet; so bildet sich eine Fortsetzung eines schon vorhandenen Gefässes oder ein neues Zweiglein. Die Bil- dung der Markzellen erfolgt normal nur in der unmittelbarsten Umgebung des neugebildeten Gefässchens, so dass unmittelbar über der Kuppe des Markraumes eine noch unveränderte mit einer einzigen Zelle versehene Knorpelhöhle angrenzen kann. Sehr häufig aber findet man bei geringgradiger rachitischer Störung in der unmittelbar auf den Markraum folgenden und in den daran sich anschliessenden Knorpelhöhlen einer Säule Zellvermehrung in ganz geschlossenen Höhlen, so dass solche Knorpelhöhlen von dicht gedrängten granulirten Zellen erfüllt sein können. Die Er- öffnung kann erfolgen, indem das zwei knorplige Höhlen trennende Septum von einem protoplasmatischen Strange durchbohrt wird, der zwei Zellen und je zwei Höhlen mit einander verbindet.“ Die Entstehung rother Blutkörperchen im Knorpel am Össificationsrande. 53 S. 150. „Auch in allseitig geschlossenen Knorpelhöhlen mit mehreren Zellen findet man vereinzelt zwei bis drei Blut- körperchen, d. h. unregelmässig geformte gelbliche, in Chrom- säurepräparaten grünliche Zellen, häufiger in solehen, die mit dem Markraume oder der zunächst gelegenen Höhle dureh einen Proto- plasmastrang in Verbindung standen. Auch in diesem Strange trifft man Blutkörperchen. Ein Blutgefäss des Markes kann in solch soliden Protoplasmastrang übergehen, der das zunächst an- stossende Querbälkchen durchsetzt, sich jenseits zu einem breiten protoplasmatischen Körper ausdehnt, und dieser myeloplaxe Körper kann neben einigen Kernen auch ein oder mehrere gelblich ge- färbte Körper enthalten. Diese Blutkörperchen entstehen aus Theilen des Protoplasmas durch Umwandlung.“ „Unter Umständen, die auf rachitische Störung deuten, be- merkt man eine vorbereitende Veränderung in dem Inhalte ge- schlossener Knorpelhöhlen in der Nähe des Markraumes, aber ausschliesslich in der Schicht der vergrösserten Knorpelzellen. Der ganze Inhalt der Höhle wird gelblich oder gelblich braun, homogen glänzend; Carmin färbt denselben schwach rosa, Fuchsin intensiv roth, Methylviolett blau, Hämatoxylin dunkelblau, schwache Jod- tinetur rothbraun (Mahagony); Heitzmann nennt solche Knorpel- zellen hämatoblastisch. Das sind sie noch nicht, aber solcher Zellinhalt geht besonders häufig den Zerfall in Blutkörperchen ein; dabei verschwindet die Tinetionsfähigkeit für Hämatoxylin und Fuchsin. Diese Veränderung steht immer in Beziehung zur be- vorstehenden Mark- und Blutbildung und greift auch auf die Quer- septa des Knorpels über.“ S. 152. „Diese veränderten Massen werden granulirt und endlich erscheint der ganze Inhalt in getrennte Zellkörper zer- fallen. Dabei erfolgt an solchem homogen gewordenen Knorpel- höhleninhalt central die Bildung von Blutkörperehen, während secundär der periphere Theil in Markzellen sich zerfureht. Mitten in der homogen glänzenden Substanz bilden sich schmale gelblieche oder grünlich intensiv glänzende Stückchen oder Seherbehen. Diese vereinigen sich nach und nach, mit ähnliehen neu auftauchenden Partikeln und endlich entsteht dureh Confluenz die Gestalt von Blutkörperchen, aber nicht scheibenförmig sondern kugelig. Das ist besonders bei 6--8monatlichen Föten an den Ossifieations- Rändern der Rippen der Fall. Dies erfolgt indessen unter Um- Archiv f. mikrosk, Anatomie, Bd. 23. 3 34 Bernhard Bayerl: ständen, die auf rachitische Störung und zwar auf eine beginnende zugleich deuten.“ S. 155. „Die überwiegende Mehrzahl der in den Knorpel- höhlen und in den jungen Markräumen neu gebildeten Blutkörper- chen ist von ‘vornherein kernlos. Und es ist unwahrscheinlich, dass kernhaltige in kernlose übergehen. (S. 156) Erstere entstehen wohl nur postembryonal, bei reichlicher Blut- und Gefässbildung neben den kernlosen durch gelegentliche Umwandlung von fertigen Bildungs- oder Markzellen. Man kann nämlich hämaglobinhaltige aber nicht homogene, sondern fein granulirte kernhaltige Blut- körperchen finden; die Kugelgestalt der kernlosen ist wohl eine Jugendform.“ Das Angeführte gibt in gedrängter Kürze das Wesentliche aus den Mittheilungen von Kassowitz über die angebliche Ent- stehung von Blutkörperchen innerhalb des Knorpels an der Ossi- fieationsgrenze. Zum Theil hat derselbe seine Beobachtungen an pathologischen Objekten angestellt. Anfänge oder Andeutungen einer rachitischen Störung werden von ihm mehrfach erwähnt, wo es sich um die Beobachtung der in Rede stehenden Blutbildung handelte. Ich habe nun nicht die Absicht gehabt, dem genannten Autor auf allen Gebieten seiner Untersuchungen zu folgen, ins- besondere das pathologische Gebiet vermieden. Meine Unter- suchungen erstreckten sich auf Embryonen von Säugethieren, junge Thiere und auf drei Föten von Menschen, von welchen zwei aus dem 4.—5. Monat, einer vom 7. Monat der Gravidität waren, und mein Augenmerk richtete sich hauptsächlich darauf, an der Ossi- fieationsgrenze der Diaphysen sichere Anhaltspunkte über eine etwaige Entstehung von Blutkörperchen im Bereiche des Knorpels zu erlangen. Ein Mangel haftet der Arbeit von Kassowitz an, der viel- fach seinen Behauptungen und Angaben das Gewicht nimmt, der Mangel einer genauen Darlegung der Methoden, die bei der An- fertigung der Präparate in Anwendung kamen, und dieser Mangel erschwert die Kontrole seiner Untersuchungen soweit sie sich speziell auf den Nachweis der Entstehung des Blutes erstrecken. Es ist zwar vielfach von der Anwendung verschiedener Farbstoffe die Rede; indessen erfährt man nicht genau, wie gerade die Prä- parate gefärbt waren, aus welchen er seine Schlüsse auf die Bil- dung des Blutes in loco zieht. Mehrfach hat es den Anschein, als Die Entstehung rother Blutkörperchen im Knorpel am Össificationsrande. 55 wenn er die Bildung von Hämaglobin und Blutkörperchen aus Bildern erschlossen hätte, die ungefärbte Präparate darboten; eben- sowenig ergeben die Abbildungen genaueres über diese Methoden. Nach dem Colorit der meisten Tafeln dieses ersten Bandes sollte man annehmen, dass die Objekte durch Pikrinsäure entkalkt und mit Eosin gefärbt wären. Indessen geben die Erklärungen der Tafeln darüber keinen Aufschluss. Die Figuren X und XI der Tafel VI, die vorbereitende Abschnitte der Blutbildung illustriren sollen. sind nicht colorirt und unklar. Es ist nicht gesagt, dass Blut respeetive einzelne Blutkörperchen durch Färbung mit Eosin und nachfolgendes reichliches Auswaschen nachgewiesen worden wären. Das Hauptgewicht musste also bei den controlirenden Untersuchungen auf die Methode des Nachweises von Blut respec- tive von Hämaglobin gelegt werden. Erfahrungen, die durch mehrere Jahre im hiesigen histiologischen Institute erworben waren, gestatteten diesen Nachweis mit einer Sicherheit zu führen, wie wohl keine der bisher gebräuchlichen Methoden es ermöglicht. Es war konstatirt worden, dass ein Gemenge von Indigearmin und Boraxcarmin unter nachfolgender Behandlung mit Oxalsäure den rothen Blutkörperchen der Säuger sowohl im frischen Zustande wie nach der Erhärtung in Alkohol oder Chromsäure eine lebhaft srasgrüne Farbe verleiht. Die Anwendung dieser Methode zur Erlangung von Doppelfärbung haben zunächst Noris und Shake- speare, ebenso Merbel empfohlen. Die Vorschrift, die die ge- nannten zur Herstellung der Doppelfärbung empfehlen, lautet nach dem Jahresberichte über Fortschritte der Anatomie und Physiologie von Hoffmann und Schwalbe, Literatur 1877, 1. Abtheilung, Seite 7 folgendermassen: „Noris und Shakespeare, ebenso Merbel empfehlen zur Färbung mikroskopischer Präparate die Anwendung von Carmin und Indigearmin nach folgender Vorschrift: Garmin 2 gr Indigearmin 8 gr Borax 8 gr Borax 8 gr Aqu. destillata 150 gr Aqu. destillata 130 gr. Die Ingredienzen jeder der beiden Mischungen werden sorg- fältig in einem Mörser verrieben, die überstehende Flüssigkeit nach einiger Zeit abgegossen und filtrirt. Die ausgewaschenen Schnitte werden einige Minuten in Alkohol und dann 15—20 Minuten in eine Mischung aus gleichen Theilen der rothen und blauen Flüssig- 36 Bernhard Bayerl: keit und für ziemlich ebenso lange Zeit in eine gesättigte Lösung von Oxalsäure gebracht, durch Auswaschen von letzterer befreit und in Balsam aufgehoben. Die Grundsubstanz des Knorpels wird blau, die Zellen werden roth gefärbt.“ Die Originalabhandlungen: „Noris W. F. and Shakespeare E. OÖ. a new method of double staining. American Journal of the medieal sciences. January 1877“ „Merbel, F. Double staining with a single fluid. Monthly mierose. journ. Nov. and Dec. 1877, p. 242“ waren mir nicht zugänglich. Nach den im hiesigen Institute erlangten Erfahrungen war es nicht zweekmässig, grössere Gewebsportionen oder gar ganze Embryonen dieser Methode zu unterwerfen, um die gewünschten Resultate zu erlangen. Präzise und constante Ergebnisse erzielt man nur bei nachträglicher Färbung der Schnitte. Die Methode, die ich anwandte, gestaltete sich daher etwas eomplieirt und hielt folgenden Gang ein: Die in Ossification begriffenen Skelettheile wurden oberfläch- lieh von den umgebenden Weichtheilen befreit und in einer Mischung aus gleichen Theilen von 1°/, Salzsäure und 3 0%, Chromsäure ent- kalkt, die entkalkten Theile mehrere Tage lang in destillirtem Wasser ausgewaschen, darauf in absolutem Alkohol erhärtet, in Parafin eingebettet und mit dem Jung’schen Mikrotome in Längs- schnitte zerlegt. Es wurden feine Schnitte angefertigt, die in der Region des grosszelligen Knorpels nur die Dicke etwa einer Knorpel- kapsel hatten, die Schnitte wurden durch Terpentinöl von dem Parafin befreit, darauf mit absolutem Alkohol behandelt. Die mit Alkohol getränkten Schnitte wurden nun der oben auseinander gesetzten Färbungsmethode unterzogen; nach der Färbung aber- mals mit absolutem Alkohol ausgewaschen, um das Wasser und die Oxalsäure zu entfernen; dann in Nelkenöl geklärt und dann endlich in Canada-Balsam für die Dauer eingeschlossen. Diese Präparate zeigten nun ausnahmslos das Blut gras- grün gefärbt, und zwar ist die Färbung so intensiv, dass jedes isolirte Blutkörperchen mit der grössten Sicherheit in dem Schnitte aufgefunden und erkannt werden kann. Kein anderes Element nahm an diesen Präparaten dieselbe oder auch nur eine ähnliche Färbung an. Ich kann hinzufügen, dass nach den hier gewonnenen ° Die Entstehung rother Blutkörperchen im Knorpel am Össificationsrande. 37 Erfahrungen von allen Gewebsbestandtheilen des Körpers nur ge- wisse verhornte Zellen bei dieser Methode sich ebenfalls grünlich färben, und zwar die Zellen der innern Haarwurzelscheide aus- gebildeter Haare, also Elemente, die für meine Untersuchungen gar nicht in Betracht kamen. Ich weiss nun nicht, ob Noris und Shakespeare, ebenso Merbel diese Farbenreaction des Blutes bei der von ihnen em- pfohlenen Methode gleichfalls beobachtet haben, da ich wie gesagt die Originalmittheilungen nicht einzusehen in der Lage war. Der . Auszug in dem Jahresberichte erwähnt dieser Färbung des Blutes nicht. Eine andere Reaction, von der dort die Rede ist, habe ich nieht angetroffen; es heisst daselbst, die Grundsubstanz des Knor- pels werde blau, die Zellen roth gefärbt. An meinen dünnen Schnitten war die Knorpelgrundsubstanz am unveränderten hyalinen Knorpel fast farblos. Im Bereiche des Säulenknorpels, noch be- stimmter gegen die Ossificationsgrenze zu, nahm die Grundsubstanz einen schwach rosarothen Ton an; blaue Färbung der Grund- substanz habe ich bei der Behandlung der Präparate, die ich ein- hielt, nieht beobachten können. Die Knorpelzellen in dem noch nicht gerichteten hyalinen Knorpel waren röthlich gefärbt, die Kerne intensiver roth, ebenso roth erschien die entkalkte neu ge- bildete Knochensubstanz sowohl des periostalen, wie des endo- chondralen Knochens; roth erschienen auch die Osteoblasten. Ein Uebelstand machte sich an meinen Präparaten bemerk- lich, sie hielten die Farbe nicht auf die Dauer fest. Besonders entfärbten sich binnen wenigen Wochen die Blutkörperchen. Durch verschiedene Versuche im hiesigen Laboratorium kam man zu der Erkenntniss, dass diese successive Entfärbung auf das Nelkenöl zurückzuführen sei. Bekanntlich haben alle ätherischen Oele und so auch das Nelkenöl die Eigenschaft, an der Luft Veränderungen zu erleiden, indem sie begierig Sauerstoff aufnehmen und den- selben zum Theil ozonisiren; dadurch leiden die Farben. Es wurde deshalb die Methode in der Weise modifizirt, dass man die Schnitte, ehe sie für die Dauer in Canada-Balsam eingeschlossen‘ wurden, von dem Nelkenöle durch einige Tropfen Benzin befreite. Dieses Verfahren bewährte sich, indem die so behandelten Schnitte sich weit beständiger in Bezug auf Frische und Deutlichkeit der Farbe erwiesen. Die Hauptobjekte, die ich zu meinen Untersuchungen ver- 38 Bernhard Bayer]: wandte, bestanden in Längsschnitten durch Rippen oder Extremi- tätenknochen, an welchen die Ossification im Bereiche der Diaphyse begonnen hatte und mein Hauptaugenmerk war darauf gerichtet, in der Nähe der Ossificationsgrenze in noch geschlossenen Knorpel- kapseln in Bildung begriffene oder bereits ausgebildete Blutkörper- chen zu finden. Durchmustert man einen solchen Längsschnitt vom Epiphysenende gegen die Ossificationsgrenze hin, so kann man bekanntlich am Knorpel drei Zonen unterscheiden, die man als die Zone des unveränderten hyalinen Knorpels, des Säulen- knorpels und des grosszelligen Knorpels bezeichnet. Im Vergleich zu der Färbung des unveränderten hyalinen Knorpels am äussersten Ende bietet der Säulenknorpel einige Modificationen der Färbung dar; während die Zellen in ersterer Region gleichmässig röthlich erscheinen mit lebhaft roth gefärbtem Kerne, zeigt sich am Säulen- knorpel bei der Annäherung gegen den grosszelligen Knorpel hie und da an den abgeplatteten vergrösserten Zellen eine fleeken- weise auftretende bläuliche Färbung. Diese Erscheinung ist nicht ganz constant, ist indessen doch so häufig, dass sie nicht unbe- rücksichtigt bleiben darf. Die bläuliche Färbung haftet nieht an bestimmten abgegrenzten innerhalb der Knorpelzelle etwa auftre- tenden Partikeln, sondern betrifft kleinere oder grössere Bezirke des eine deutlich retieulirte Anordnung zeigenden Protoplasmas der Zellen. Diese Erscheinung nimmt nicht zu, wenn man sich der Ossificationsgrenze nähert, also im Bereiche des grosszelligen Knorpels; an: den noch mehr vergrösserten Zellen dieser Region sieht man die bläulichen Flecken seltener als im Bereiche des Säulenknorpels. Die Färbung der Zellen ist hier überhaupt minder ausgeprägt, was sich daraus erklärt, dass sich bei der Vergrösse- rung der Kapselräume (Knorpelhöhlen) das Protoplasma der Zellen weniger compact zeigt; die retieulirte Anordnung desselben ist hier noch deutlicher ausgesprochen als im Bereich des Säulen- knorpels, der Körper der Zellen bildet ein Netzwerk von dünnen Fäden mit grösseren Maschen, die ungefärbt bleiben, so dass die schwach rosarothe Tinetion des Netzwerkes kaum hervortritt. Die Kerne der Knorpelzellen erscheinen deutlich roth gefärbt und per- sistiren bis hart an die Ossificationsgrenze, so dass überall in den äussersten, den Markräumen des Ossificationskernes zunächst ge- legenen, noch geschlossenen Knorpelkapseln die Kerne der Knorpel- zellen ausnahmslos nachweisbar sind. Die Entstehung rother Blutkörperchen im Knorpel am OÖssifiecationsraude. 59 Im Bereiche dieses grosszelligen Knorpels nun, an dem die säulenförmige Anordnung durch die Ver- srösserung der Knorpelhöhlen und die Reduction der Grundsubstanz nicht mehr deutlich hervortritt, sieht man innerhalb derKnorpelhöhlen (Kapselräume) Körper auftreten, die nach Form und Färbung als kernlose Blutkörperchen aufgefasst werden müssen (Fig. |). Die Färbung ist es, die diese Gebilde bemerklich macht. Innerhalb des weiten Hohlraumes, der von der netzförmig ange- ordneten Substanz der vergrösserten Knorpelzellen durchsetzt wird, erblickt man scharf umschriebene lebhaft grasgrün gefärbte Par- tikel von verschiedener Gestalt. Bald erscheinen sie dreieckig, bald vieleckig, mitunter gezackt wie ein stechapfelförmiges Blut- körperchen, in anderen Fällen als Kreisscheiben, dann als auf der Kante stehende Scheiben. Nicht selten ist es mir gelungen an denjenigen, die sich in der Kreisscheibenform präsentirten, durch Hebung und Senkung des Tubus eine Delle nachzuweisen. Der Zahl nach kommen sie einzeln, zu zweien oder dreien innerhalb einef Kapsel vor und haben durchschnittlich die Grösse der kern- losen Blutkörperchen des betreffenden Embryo, der zur Anfertigung der Schnitte diente. Seltener als diese vereinzelten grünen Körper traf ich etwas grössere Massen von derselben intensiven gras- srünen Färbung, Klümpehen, die um das zwei- bis dreifache den Durchmesser eines Blutkörperchens überstiegen. Diese grösseren Partikel fanden sich in der Regel im freiem Kapselraume von der retieulirten Substanz der Zelle geschieden, die kleineren die Grösse eines Blutkörperehens einhaltend waren in der Regel in das Netzwerk eingelagert. Die Markräume des Ossificationskernes boten nun an jedem Objekt Gelegenheit das darin enthaltene Blut mit diesen innerhalb der Knorpelkapsel auftretenden Körpern nach Grösse und Färbung zu vergleichen und die Uebereinstimmung der kernlosen Blutkörperchen der Markräume mit jenen im Innern der Knorpelhöhlen war eine vollständige. Niemals habe ich eine nähere Beziehung dieser intracapsu- lären Blutkörperchen des Knorpels zu den Kernen der Knorpel- zellen beobachten können, denn ausnahmslos fand sich der Zell- kern unverändert vor und auch die Lage der Blutkörperchen zum Kerne war keine constante. Bald lagen sie demselbem nahe, bald an der Wand des Raumes. Dieser Befund liess sich in gleicher 40 Bernhard Bayerl: Weise nachweisen an der Ossificationsgrenze der Rippen und der Diaphysen des Femur, dann an den Finger- und Zehenphalangen zweier menschlicher Föten aus dem 6. bis 7. Monat; dann an ver- schiedenen Skelettheilen der Extremitäten eines neugebornen Meer- schweinchens und ferner bei Schafembryonen. Die Färbung des Blutes war in all diesen Fällen immer dieselbe. Niemals habe ich innerhalb der Knorpelkapseln kernhaltige Blutkörperchen auffinden können. Ich hebe diesen Umstand her- vor, nachdem ich lange und ausgedehnt hierauf mein Augenmerk gerichtet hatte. Es liegt ja der Einwand nahe, dass die innerhalb der Knorpel- kapseln gesehenen Blutkörper nicht in loco entstanden wären, sondern durch den Schnitt, das Auswaschen etc. aus den Mark- räumen dahin verlagert worden wären, so wurde denn auf die Sicherstellung des Befundes besondere Sorgfalt verwendet. Es blieben die Fälle ausser Acht, wo man neben den grünen Kör- perehen nicht die Substanz der Knorpelzelle mit ihren Kernen nachweisen konnte. Es konnte bei wiederholter Durchmusterung aller Präparate, die das hier in Betracht kommende Verhalten*auf- wiesen, festgestellt werden, dass diese Körperchen sich ausschliess - lieh nur in einer Region, der des grosszelligen Knorpels vorfanden; es konnte ferner festgestellt werden, dass keine anderen in den Markräumen (Granulationsräumen) des ÖOssifiecationskernes vorhan- denen Elemente, die roth gefärbt wären, im Bereiche des Knorpels anzutreffen waren; es konnte endlich häufig der Nachweis geführt werden, dass die betreffenden Knorpelkapseln, die einen oder zwei grün gefärbte Körper enthielten, durch den Schnitt nicht er- öffnet waren, sondern ringsum von anderen Knorpelkapseln um- geben waren. Das intracapsuläre Auftreten der Blutkörperchen erscheint zweifellos sichergestellt. Ist der Ossificationskern bereits ausgedehnter, indem er etwa die ganze Breite der knorpligen Dia- physe eines Extremitätenknochens oder eines anderen Skeletstückes einnimmt, so sind die Bilder sehr ecomplizirter Natur und es kam darauf an, die bisher gemachten Angaben an Präparaten zu kon- troliren, die den ersten Anfang der endochondralen Ossification darboten. Nach dieser Seite hin bin ich dem Assistenten am hie- sigen Laboratorium Herrn Dr. G. Baur zu besonderem Dank ver- pflichtet. Derselbe, mit der Untersuchung über die Entwicklung des Extremitätenskelets beschäftigt, stellte mir mehrere Präparate Die Entstehung rother Blutkörperchen im Knorpel am Össificationsrande. 41 zur Disposition, die vollen Aufschluss über die Fragen gewährten, welche hier in Betracht kamen. Nach einem dieser Präparate ist die Figur 3 gezeichnet. Das Präparat ist einem Metacarpus- gliede eines Schafembryo entnommen. Es war ja von vornherein wahrscheinlich, dass, wenn in der Nähe des Ossificationskernes bei weiter vorgeschrittener Ossifica- tion Blutkörperchen im Innern der Knorpelkapseln entstehen, sich dieser Vorgang auch am ersten Beginn des Prozesses der endo- chondralen Ossification zeigen werde und diese Ansicht wurde durch Präparate bestätigt. Die endochondrale Ossification anlangend so stellt sich Pro- fessor Kupffer auf die Seite von Stieda und hält die Angabe des genannten genauen Beobachters für durchaus gut begründet, dieser Prozess werde dadurch eingeleitet, dass von der innern Schicht des Periosts (Perichondrium) eine Wucherung ausgehe, die durch die periostal gebildete Knochenrinde hindurch in den Knorpel hineinwachse. Noch enger aber schliessen sich die im hiesigen histiologischen Institute gewonnenen Erfahrungen, die durch die Präparate des Herrn Dr. Baur insbesondere erlangt wurden, den Anschauungen Loven’s an. Loven’s') ältere Ar- beit ist ihrem wesentlichen Inhalte nach erst durch den Auszug, den Stieda?) von derselben gibt, bekannt geworden. Loven’s Auffassung ist folgende: „leh bin der Ansicht, dass das Mark ein Gewebe ist, welches hauptsächlich durch Invasion von aussen entsteht, dass das Gewebe theils auflösend vordringt, theils auch die Elemente des ihm in den Weg tretenden Gewebes in sich einverleibt.“ Stieda vertritt bekanntlich diese Anschauung nur zum Theil, indem er dem Knorpel die aktive Betheiligung an der Bil- dung des foetalen Markgewebes abspricht und das letztere nur von dem einwuchernden periostalen osteogenen Gewebe herleitet. Stieda gebührt jedenfalls das grosse Verdienst, den Vorgang der Ein- wucherung des Periosts in den Knorpel unabhängig von Loven 1) Medieinsk Archiv ut gifvet af Lärarne vid Carolinska Institutet I. Bd., 3. Heft. Stockholm 1865. Cap. II. 2) Stieda, „Stud. über die Entwicklung der Knochen und Knochen- gewebes“. Archiv f. mikroskop. Anatomie Bd. XI. 1875. S. 236. — Derselbe, „Bildung des Knochengewebes“. Festschrift des Naturforschervereins zu Riga am 15. Sept. 1872. 42 Bernhard Bayerl!: erkannt und die Bedeutung dieses Prozesses für die Ossification in das richtige Licht gestellt zu haben. Nach seiner Ansicht aber verkümmerten die Knorpelzellen an der Össificationsgrenze und gingen zu Grunde. Diesem letzteren Theile seiner Darstellung fügen sich die hier gewonnenen Erfahrungen nicht, vielmehr lehren die Präparate, von welchen eines in Figur 3 abgebildet ist, übereinstimmend, dass bei der Eröffnung der Knorpelkapseln durch die vordringende Periostknospe die Knorpelzellen zwar verkleinert sich zeigen, keineswegs aber Erscheinungen des Zerfalls darbieten, sondern sich dem heranwachsenden periostalen osteogenen Gewebe anschliessen. Es ist nun nicht meine Aufgabe, hier den Prozess der endo- chondralen Ossifieation eingehender zu behandeln, das bisher Ge- sagte sollte nur dazu dienen, die Verhältnisse der Figur III zu erläutern. Die durch den periostalen Knochen hindurch in den Knorpel vordringende Periostknospe gelangt stets, so auch hier in die Region des grosszelligen Knorpels mit krümelig verkalkter Grundsubstanz; der Säulenknorpel in diesem Präparate lag ausser- halb des zur Zeichnung benutzten Gesichtsfeldes. Hier, im gross- zelligen Knorpel, hat die Wucherung nun einen weiten buchtigen Raum geschaffen, der durch die Auflösung der Knorpelgrundsub- stanz entstanden ist; die Buchten an der Peripherie dieses Raumes werden durch die zuletzt eröffneten Knorpelkapeln gebildet, in welchen man die verkleinerten aber durchaus wohl erhaltenen Knorpelzellen erblickt, denen das junge Markgewebe entgegen wuchert. Es nehmen mit der Annäherung an den durch Auflösung entstandenen Raum die Knorpelzellen deutlich an Grösse ab. Wie sich nun im Periost und in der Knospe desselben Blut vorfindet, zum Theil in Gefässen, zum Theil aber auch ohne dass man um- schliessende Gefässwände nachweisen könnte, zo zeigen sich ein- zelne Blutkörperchen in der Nachbarschaft des Hohlraumes, der von dem jungen Markgewebe eingenommen wird, innerhalb noch geschlossener Knorpelkapseln. Es entsteht also Blut im Knorpel bereits beim ersten Beginn der endochondralen Ossifieation. Ich bin demnach in der Lage die Eingangs eitirte Behauptung von Kassowitz, dass sich kernlose rothe Blutkörperchen im Knorpel bilden, im Allgemeinen zu bestätigen ; den Bildungsmodus aber anlangend, so habe ich mir bisher kein sicheres Urtheil bilden können. Sehr häufig findet man die Blutkörperchen innerhalb der Die Entstehung rother Blutkörperchen im Knorpel am Össificationsrande. 43 Knorpelkapseln bereits in ihrer definitiven Grösse, ja mitunter in ihrer characteristischen Form, indem man die Delle sicher nach- weisen kann; in andern Fällen erscheinen innerhalb der Knorpel- kapsel kleinere grün gefärbte Partikel, seltener Klümpchen aus zusammengeballten rundlichen Portionen grüngefärbter Masse be- stehend. Ich gebe in Figur 2 eine Zeichnung aus grosszelligem Knorpel in der Nähe des Ossificationskernes einer Rippe, wo in begrenzter Partie sich in mehreren benachbarten Knorpelkapseln Blut vorfindet. Die Zeichnung ist bei Anwendung des vortrefflichen Immersionssystems No. 7 von Seibert und Krafft entworfen. Man sieht daraus, dass die grossen Knorpelzellen ein reiches Faden- werk entwickelt haben, welches den Raum der Knorpelhöhlen durchzieht; die Blutkörpchen liegen in den Maschen des Faden- werks. Sie entstehen also höchst wahrscheinlich im Protoplasma der Zellen; indessen lässt sich das doch nicht mit voller Sicher- heit behaupten, da das Fadenwerk sie nur locker umgibt und noch eine andere Substanz, die bei der angegebenen Behandlung ungefärbt bleibt, den Kapselraum und die Maschen des Protoplas- manetzes erfüllen muss. Ob diese Substanz flüssig ist oder eine gewisse Consistenz hat, kann ich nicht entscheiden. Ich begnüge mich daher mit der Constatirung der Thatsache von der Entstehung rother kernloser Blutkörperchen innerhalb der Knorpelkapsel der grosszelligen Region. Wenn nun sonach Blut im Knorpel an der Ossificationsgrenze entsteht, so tritt dasselbe doch niemals so massenhaft auf, um daraus alles Blut des foetalen Markgewebes in den Räumen des Ossifieationskerns herleiten zu können. Der Haupttheil wird ohne Zweifel vom eindringenden Perioste mitgeführt werden. Die Knorpelzelle aber, als nicht zu Grunde gehende Zelle, die viel- mehr dazu bestimmt ist, sich dem osteogenen Gewebe des Periosts anzuschliessen und Markzelle zu werden, kann bereits antieipando Blut entstehen lassen. Dass die grüne Färbung der rothen Blutkörperchen bei der oben beschriebenen Methode vom Hämaglobin abhängt, ist durch einen Versuch, der im Laufe meiner Arbeit im hiesigen Labora- torium angestellt wurde, bestätigt worden. Es wurde eine Portion amorphen trockenen Hämaglobin’s, das Herr Prof. v. Voit die Güte hatte zur Disposition zu stellen, in destillirtem Wasser ge- löst und die Lösung mit der halben Quantität der kombinirten 44 Bernhard Bayerl: Entstehung rother Blutkörperchen im Knorpel etc. Färbeflüssigkeit versetzt, wodurch eine bläulich-rothe Färbung ent- stand. Zu je einem Theil dieser so gefärbten Flüssigkeit wurden dann Oxalsäure, Ameisensäure und Essigsäure tropfenweise hinzu- gesetzt. Die Oxalsäure rief eine lebhaft grüne Farbe hervor, die beiden andern Säuren gaben eine schmutzig grünliche Tinetion, die bei Verdünnung kaum zu erkennen war. Fig. 12 Erklärung der Abbildungen auf Tafel 11. Metacarpus eines Schafembryo. Seibert und Krafit S. IV. Oe. I. a Zone des Säulenknorpels. b Zone des grosszelligen Knorpels. Innerhalb dieser Zone ent- . halten verschiedene Knorpelkapseln theils ausgebildete Blut- körperchen, theils kleinere grün gefärbte Partikeln. c Markgewebe. bl Blutkörperchen. Partie aus der Rippe eines 6monatlichen Fötus vom Menschen, hart am Össificationskern. Seibert und Kraft Immersion VI. Oe. I. Grosszelliger Knorpel. Knorpelzellen mit ausstrahlendem Proto- plasmanetz, das den grössern Theil der Kapselräume einnimmt. An mehreren Kapseln finden sich in den Maschen des Netzes ausgebildete Blutkörperchen. bl Vier Blutkörperchen mit Delle in einer Knorpelkapsel. Aus dem Metacarpus eines Schafembryo. Seibert und Krafft 8. V. Oc. I. Eindringen der Periostknospe in die Zone grosszelligen Knorpels. p Periost. k Periostale Knöchenrinde. pk Periostknospe, die durch die periostale Knochenrinde in den Knorpel eindringt. Gefässschlinge. 08 Buchtiger Hohlraum durch Schmelzung der Knorpelgrundsubstanz entstanden. bl Blutkörperchen in geschlossenen Knorpelkapseln. z Knorpelzellen, die nach Eröffnung der Kapseln frei geworden. Sie sind von bedeutend kleinerem Umfange als diejenigen, die sich in den noch geschlossenen Capseln in einiger Entfernung von dem Schmelzungsherde befinden. C. K. Hoffmann: Zur Ontogenie der Knochenfische. 45 Zur Ontogenie der Knochenfische. Von Dr. €. K. Hoffmann, Professor an der Reichsuniversität zu Leiden. Hierzu Tafel IV—VI. In den „Natuurk. Verh. der Koninkl. Akad. van Wetensch. te Amsterdam. T. XXI. 1551 und T. XXIII. 1832“ habe ich einen Theil der Resultate meiner Untersuchungen über die Entwickelungs- geschichte der Knochenfische mitgetheilt. Dieselben enthalten I. Allgemeines über die Ontogenie einiger Knochenfische ; II, III. das Eierstockei und die Umwandlung desselben in das reife, be- fruchtungsfähige Ei; IV. die ersten Entwiekelungsvorgänge in den befruchteten Eiern; V. die Furehung; VI. die Bildung der Keim- blätter und die Anlage des Embryo (1881. T. XXT); VII. die Leistungen der Keimblätter; VIII. die Anlage des peripherischen Nervensystems und der Sinnesorgane (1832. T. XXIII). Die jetzt folgenden beschäftigen sich mit der Entwickelungsgeschichte der Sinnesorgane, der Epiphyse und Hypophyse. Als Untersuchungs- material haben mir für die eben erwähnten Studien fast ausschliess- lieh Salmen- und Forellen-Embryonen gedient, welche durch ihre sehr langsame Entwickelung für diese Zwecke am meisten geeignet sind. Ich fange an mit der IX. Entwickelungsgeschiehte der Sinnesorgane. A. Die Entwickelungsgeschichte des Auges. Schon bei einer früheren Gelegenheit!) habe ich angegeben, dass die Augenblasen bei den Knochenfischen als solide Auswüchse 1) C. K. Hoffmann, Zur Öntogenie der Knochenfische. Verhand. Koninkl. Akademie van Wetenschappen Bd. XXIII. 1882, 46 C. K. Hoffmann: des soliden Gehirns entstehen, und zwar bemerkt man, dass in diesem Entwickelungsstadium diese soliden Blasen ganz hoch oben von den Seitenflächen des Gehirns entspringen. Dieselben wachsen zuerst am schnellsten distalwärts und indem dann zugleich der nach hinten gekehrte Theil nach hinten zu wachsen anfängt, der vordere Theil dagegen an seiner Stelle verharrt, bilden die Augenblasen in dieser Periode zwei solide eylinderförmige Körper, welche an ihrem vorderen Ende vermittelst querer Stiele, welche unter einem Winkel von nahezu 90° von den eylinderförmigen Augenblasen abbiegen und ebenfalls solide sind, mit dem Gehirn in Zusammenhang stehen. Die ebengenannten Stiele werden die „Augenstiele“ genannt und sind nichts anderes als die Anlagen des Nervus optieus, wie aus dem folgenden hervorgehen wird. Sobald das Gehirn anfängt hohl zu werden, setzt sich dieser Pro- cess auch über die Augenstiele und Augenblasen hin fort und so werden dann die Augenstiele in hohle Cylinder umgebildet mit jedoch engem Lumen, und werden auch die Augenblasen in mehr oder weniger hohlen Cylindern gleichende Gebilde umgeändert. Anfangs sind die proximale und distale Wand der Augenblasen fast von gleicher Dicke, bald jedoch ändert sich dieser Zustand, denn schon sehr frühzeitig wird die proximale, d. i. dem Gehirn zugekehrte, Wand einschichtig, während die distale, d. i. nach aussen gerichtete Wand, ein diekes mehrschichtiges Zellenblatt darstellt. Ueber die Lage der Augenstiele in Beziehung zu dem Gehirn geben senkrechte Querschnitte, über die Lage der Augenstiele in 3eziehung zu den Augenblasen geben Verticalschnitte den besten Aufschluss. Erstere zeigen, dass die Augenstiele etwas von der Rückenfläche nach der Bauchseite gerückt sind; letztere, dass die Augenstiele immer noch ganz vorn in die Augenblasen übergehen, wie Taf. IV. Fig. 7 zeigt. Schon in diesem Stadium fängt die Linsenbildung an. In der vorigen Mittheilung habe ich angegeben, dass die Linsenbildung erst dann auftritt, wenn die Augenstiele vollständig nach der ventralen Fläche des Gehirns gerückt sind; fortgesetzte Untersuchungen haben mir indessen ergeben, dass die Anlage der Linse schon früher auftritt und sehon bedeutend ge- fördert ist, wenn die Augenstiele ihre bleibende Stelle an der ven- tralen Gehirnfläche eingenommen haben. Hand in Hand mit der Linsenbildung rücken die Augenblasenstiele immer mehr ventral- Zur Ontogenie der Knochenfische. 47 wärts und sobald sie ihre definitive Stelle eingenommen haben, ist die Linse in ihrer Entwiekelung schon ziemlich weit vorge- schritten. Die erste genauere Kenntniss über die Entwiekelung des Auges bei den Knochenfischen verdanken wir Schenk !). Indem er aber seine Untersuchungen in einem schon ziemlich weit fort- geschrittenen Stadium der Entwickelung anfing, musste es ihm unbekannt bleiben, dass die Augenblasenstiele wie das ganze Cen- tralnervensystem anfangs vollständig solide ist. Es war Kupffer, der in seiner wiehtigen Schrift über die Entwickelung der Knochen- fische uns mit dieser Thatsache bekannt machte ?). Seine Unter- suchungen sind nachher von Oellacher?) und Götte) durchaus bestätigt. Auf die vortreffliche Arbeit von Schenk komme ich nachher noch ausführlicher zurück. 1. Die Retina und der Nervus optienus. Indem ich mir vornehme die Anlage der Linse, der Glaskörper- flüssigkeit und der übrigen Augenhäute nachher ausführlicher zu beschreiben, werde ich erst etwas eingehender die Entwickelung des Nervus optieus und der Retina betrachten und ich werde diese Beschreibung mit dem Stadium anfangen, in welchem die Augen- blasenstiele noch keine Spur einer Faserbildung zeigen und in den Augenblasen selbst auch noch jede Spur einer weiteren Diffe- renzirung fehlt. Die Augenblasenstiele sind in. dieser Entwicke- lungsperiode kurze, eylindrische Röhren, mit dieker Wand und engem Lumen; sie werden aber schon in diesem Stadium von einer deutlichen, wenn auch sehr dünnen Mesodermhülle umkleidet (vergl. Taf. V. Fig. 1). Sie liegen mit ihrer ventralen Fläche dann noch fast unmittelbar der Grundschicht des Hormnblattes an, denn zu dieser Zeit der Entwiekelung hat sich der M. rectus internus, der 1) S. L. Schenk, Zur Entwickelungsgeschichte des Auges der Fische; in: Sitzungsber. Wiener Akademie 1867. 2. Abth. Bd. LV. p. 480. 2) C. Kupffer, Archiv f. mikrosk. Anatomie Bd. IV. p. 209. 1868. 3) T. Oellacher, Beiträge zur Entwickelungsgeschichte der Knochen- fische; in: Zeitschrift f. wiss. Zoologie Bd. XXIII. 1873. 4) A. Götte, Beiträge zur Entwickelungsgeschichte der Wirbelthiere. III. Ueber die Entwickelung des Central-Nervensystems der Teleostier; in: Archiv f. mikrosk. Anatomie Bd. XV. p. 139. 1878. 45 C. K. Hoffmann: bei den Knochenfischen auf ähnliche Weise wie bei den Knorpel- fischen aus dem ersten Somit (erstem Urwirbel des Kopfes) sich herausbildet, noch wenig entwickelt. Bekanntlich verdanken wir van Wyhe!) die wichtige Mittheilung, dass bei den Knorpel- fischen die Mm. reetus superior, reetus internus, reetus inferior und obliquus inferior aus dem ersten Somit sich entwickeln; ganz ähnlich verhalten sich nun die Knochenfische, nur mit dem Unter- schiede, dass die Höhlung des in Rede stehenden Somites kaum entwickelt ist, ich komme hierauf in einem spätern Abschnitt aus- führlicher zurück. Sind nun in einer weiteren Entwickelungs- periode die genannten Augenmuskeln zur mächtigen Ausbildung gekommen, so liegt der Optieusstiel dem Musculus reetus internus immer unmittelbar auf und zwar immer auf dessen dorsalem Rand, so dass der Augennerv auf dem erwähnten Muskel liegt. In diesem Stadium nun, in welchem die Augenblasenstiele mit ihrer ventralen Fläche noch fast direet die Grundschicht berühren, setzt sich die dorsale Wand der Stiele in die proximale (mediale) Wand der Augenblase fort, während ihre ventrale Wand in die distale (la- terale) Wand der Augenblase übergeht. Die erste Veränderung, welche an den Augenblasen auftritt, ist die Bildung des Retinalpigmentes. Um die sehr grossen Kerne der Zellen der proximalen Augenblasenwand, die, wie schon er- wähnt, nur eine einzige Schicht bilden, setzt sich ein feiner Nie- derschlag äusserst kleiner, schwarzer Pigmentkörnchen ab, welche die erste Anlage der Pigmentschicht der Retina bilden (vergl. Taf. V Fig. 9). Diese Pigmentkörnchen treten zuletzt an der Stelle auf, wo die Wände der Augenblasen in die der Stiele über- gehen. In den Stielen selbst ist dann noch keine weitere Diffe- renzirung zu sehen, kaum aber ist die Pigmentablagerung etwas deutlicher geworden, so fängt in einem sehr kleinen Theil der Zellen, welche die Wand der Augenblasenstiele zusammensetzen, die Fibrillenbildung an und diese Fibrillenbildung lässt sich von dem Ursprung der Augenblasenstiele aus dem Zwischenhirn bis“ in die distale Augenblasenwand in durchaus gleiehförmigem Grade verfolgen. Um diesen etwas complieirten Process gut zu verstehen, 1) J. W. van Wyhe, Ueber die Mesodermsegemente und die Ent- wiekelung der Nerven des Selachierkopfes; in: Verh. koninkl. Akad. v. Weten- schappen. Amsterdam 1882. Zur Ontogenie der Knochenfische. 49 muss man Schnittserien in drei Richtungen anfertigen, nämlich senkreehte Querschvitte, senkrechte Längsschnitte und Vertikal- sehnitte, sowohl durch die Augenblasen und Augenblasenstiele als dureh den Theil des Gehirns, wo die Augenblasenstiele ihren Ur- sprung nehmen. Taf. VI. Fig. 2—6 sind fünf Querschnitte durch den basalen Theil des Thalamencephalon abgebildet. Indem ich in einem spä- teren Abschnitt eine ausführliche Beschreibung der Entwiekelung des Gehirns der Knochenfische geben werde, beschränke ich mich hier einfach auf die Verhältnisse dieses Hirntheiles, welchen ich als Thalamus optieus bezeichnen werde, zu den von ihm abgehen- den Augenblasenstielen. Fig. 2 ist der vorderste Schnitt, die Hirnhöhle (3. Ventrikel) hat mehr oder weniger die Gestalt eines umgekehrten T. Nur in den oberen Partien der lateralen Wand des Thalamus hat die Fibrillenbildung begonnen; in den unteren Theilen dieser Wand, so wie in dem Dache und an dem Boden begegnet man nur zelligen Elementen. Der nächstfolgende Schnitt ist auf Fig. 3 abgebildet; er unterscheidet sich wie man sieht von dem vorigen, dadurch, dass eine Zellenbrücke die Hirn- höhle in zwei Räume getheilt hat. In dem darauf folgenden Schnitte bemerkt man (vergl. Fig. 4), dass die Faserbildung sieh auf den peripheren (nach hinten gerichteten) Theil dieser Zellenbrücke fortsetzt und dass es diese Zellenbrücke ist, aus welcher sich das Ohiasma nervorum opticorum bildet, wie der darauf folgende Schnitt (Fig. 5) lehrt. Das Chiasma legt sich also sehr frühzeitig an; um sich aber eine genaue Vorstellung von seinem ursprünglich sehr geringen Umfang und seiner Lage in Beziehung zu den noch zelligen Theilen des Thalamencephalon zu machen, so wie von der Thatsache, dass Hand in Hand mit der Anlage des Chiasma die Faserbildung über den ganzen Augenblasenstiel bis in die Augenblasenwand hinein sich erstreckt, sind senkrechte Längs- schnitte am meisten zu empfehlen. Taf. V Fig. 13 stellt einen Theil eines Längsschnittes vor, der unmittelbar neben der Axe hergeht, Epiphyse und Hypophyse fallen beide in die Sehnittebene, das abgebildete Stück ist der basale Abschnitt des Thalamence- phalon, die Wände desselben sind überall noch zellig, nur an einem kleinen, ganz bestimmten Orte bemerkt man, dass die Umbildung der Zellen in Fasern eingeleitet ist. Der Schnitt verläuft wie ge- sagt unmittelbar neben der Axe, von den beiden Fasersträngen Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 23. 4 50 C. K. Hoffmann: stellt der eine uns also den nach dem Gehirn gehenden, der andere den nach dem Auge der anderen Seite abtretenden Strang des Chiasma dar. Ein Sehnitt aus derselben Schnittserie ist auf Tat. V Fig. 14 abgebildet; er stellt wieder den Theil des Thalamencepha- lon vor, wo die Faserbildung des Optieus sich eingeleitet hat, ist aber etwas weiter von der Medianebene entfernt wie der vorige Schnitt. Taf. V Fig. 2 endlich stellt einen Schnitt dureh den Optieus dar zwischen seinem Ursprunge aus dem Thalamencephalon und seinem Uebergange in das Auge. Der Optieus zeigt hier noch vollständig das Bild des Augenblasenstieles aus dem vorigen Entwickelungsstadium, ein Lumen ist noch sehr deutlich vorhanden, er selbst besteht noch fast vollständig aus Zellen, nur an einer sehr umschriebenen Stelle bemerkt man, wie an dem Thalamen- cephalor die Zellen sich in Fasern umzubilden anfangen; die Stelle dieser Faserbildung liegt innerhalb der Mesodermhülle und ist ventralwärts und etwas nach hinten gerichtet. Verfolgt man nun Längsschnittserien aus diesen Entwickelungsstadien noch mehr lateralwärts, dann überzeugt man sich leicht, wie bei dem Eintritt des Augenblasenstieles in die Augenblasenwand die noch voll- ständig zellige dorsale Wand des Stieles sich unmittelbar in die proximale Wand der Augenblase — die Schicht des Retinalpig- mentes — fortsetzt, wie dagegen die laterale, mediale und ven- trale Wand des Augenstieles in die distale Wand der Augenblase — die ich bequemlichkeitshalber einfach als Retina bezeichnen werde — übergeht, und wie die Faserbildung, welche, wie wir gesehen haben nur an einer sehr umschriebenen Stelle des Augen- blasenstieles angetroffen wird, bei dem Uebergang des Stieles in die Augenblase, unter fast rechtem Winkel sich umbiegend, auch dadurch zugleich und auch dadurch allein Gelegenheit findet, an die Peripherie der distalen Wand der Retina sich fortzusetzen, wie Querschnitte (vergl. Taf. V, Fig. 16) deutlich nachweisen. In der Retina selbst ist dann die Faserbildung am stärksten dort entwickelt, wo der Augenblasenstiel in die Augenblase ein- tritt, um von dort aus allmählich nach allen Riehtungen an Stärke abzunehmen und zuletzt vollständig zu verschwinden. Gleichzeitig bemerkt man aber, dass die Retina überall durch eine äusserst zarte, kaum messbare Membran begrenzt wird, es ist dies die Membran, welche eigentlich als Membrana limitans externa zu be- zeichnen wäre, die aber unglücklicher Weise in der menschlichen Zur Öntogenie der Knochenfische. 51 Anatomie den Namen „Membrana limitans interna“ erhalten hat. Dieselbe hat sieh also wie die Nervenfaserschicht aus den peri- pherischen Zellen der ursprünglichen distalen Augenblasenwand ge- bildet, besser gesagt, ist durch diese abgeschieden worden. Denn ich kann diese Membran, welche man auch wohl als Membrana limitans hyaloida bezeichnet, nur als ein Abscheidungsproduet der am meisten distalwärts gelegenen Zellen der secundären Augenblasenwand betrachten. Und dass dies wirklich so ist, geht, wie ich glaube, wohl am deutlichsten aus dem Umstand hervor, dass die in Rede stehende Membrana limitans schon dann zu sehen ist, wenn noch keine Spur von Glaskörper vorhanden ist und durch die Augenblasenspalte auch noch keine Mesodermzellen nach innen gerückt sind. Aus dem eben Mitgetheilten geht jetzt schon hervor, dass die Fasern des Optieus aus den Zellen des Augenblasenstieles, die Nervenfaserschicht der Retina aus den peripheren Zellen der dis- talen Augenblasenwand, das Chiasma aus den peripheren Zellen des Thalamencephalon sich bilden, und dass diese Umbildung von Zellen in (Nerven-) Fasern vom Gehirn bis in die Retina voll- kommen gleichen Schritt hält, wie aus einer Untersuchung späterer Entwickelungsstadien noch deutlicher hervorgehen wird. Kaum hat die erste Bildung der Optieusfasern in der Retina begonnen, so schieken sich die übrigen Zellen der distalen Augenblasenwand zu einer höheren Differenzirung an; es ist, als ob die aus den peri- pherischen Zellen der distalen Augenblasenwand sich entwickelnden Nervenfasern den Impuls zu einer höheren Differenzirung der übrigen Zellen dieser Schicht geben. Die Umbildung der Zellen der Augenblasenstiele in Fasern hat nur noch wenige Fortschritte gemacht, wie ein Querschnitt durch dieselben lehrt (vergl. Taf. V Fig. 3), wann die Zellen der distalen Augenblasenwand schon die erste deutlichere Differen- zirung zeigen. Die Stiele sind länger aber dünner geworden, ihr Lumen ist verschwunden und die aus dem ersten somit entstehenden Augenmuskeln haben sich schon bedeutender ent- wickelt, so dass jetzt der Augenblasenstiel immer dem Musculus reetus internus anliegend angetroffen wird. Die Zellen der proximalen Augenblasenwand zeichnen sich dureh einen etwas grösseren Gehalt an Pigmentkörnchen aus und die der distalen Wand zeigen folgende Veränderungen, die in der 52 C. K. Hoffmann: Umgebung der Eintrittstelle des Augenblasenstieles in die Augen- blasenwand am deutlichsten sind, und um so mehr verschwinden, je weiter man sich von diesem Ort entfernt. Um jeder Verwechse- lung zuvorzukommen, muss ich noch hervorheben, dass die Be- zeichnungen „medial“ und „lateral“ gerade in umgekehrtem Ver- hältniss genommen sind, als in der menschlichen Anatomie ge- bräuchlich ist, indem hier das Auge nicht als selbständiges Organ betrachtet werden kann, sondern in Beziehung zu dem ganzen Embryo beschrieben werden muss; dadurch wird dann natürlich die Pigmentschicht der Retina, welche die menschliche Anatomie als die meist äussere (laterale) bezeichnet, als die meist mediale; die die Retina von der Höhle der Glaskörperflüssigkeit abschliessende Membran — welche die menschliche Anatomie als die meist innere (mediale) beschreibt, als die meist äussere (laterale) benannt wer- den, ich werde aber, um jede Verwechselung zu vermeiden, die gebräuchlichen Namen beibehalten. Kehren wir jetzt zu der distalen Augenblasenwand zurück und betrachten wir die ersten Veränderungen, welche ihre Zellen in dem in Rede stehendem Stadium der Entwickelung betroffen haben. Un- mittelbar neben und medialwärts von der Nervenfaserschicht liegen Zellen mit noch mehr weniger indifferentem Charakter in 2 bis 3 Schichten angeordnet und es sind diese, welche die spätere Ganglien- zellenschieht der Autoren — die Schicht des Ganglion optiei von Wil- helm Müller — bilden werden. Medialwärts werden dieselben von den darauf folgenden Zellen durch ein äusserst dünnes Schiehtehen getrennt, welches uns die Anlage der inneren granulirten Schicht der Autoren, das Neurospongium von W.Müller, vorstellt; das- selbe ist kaum 0,002 mm dick, hat das bekannte fein granulirte Aussehen und enthält einzelne, kleine, langgestreckte Kerne. Dann folgt medianwärts eine ‚ganz colossale dieke Schicht von wieder ganz indifferenten Zellen, sie stellt die Anlage der inneren Körner- schicht dar und der radialen Stützfasern der Autoren nebst der Membrana perforata von W. Krause oder dem Stratum intergra- nulosum fenestratum von M. Scchultze, die Schicht des Ganglion retinae, die Schicht der Spongioblasten, die Anlage des Fulerum generale und des Fulerum tangentiale von W. Müller vor. — Darauf folgt medialwärts wieder ein äusserst dünnes Schiehtehen, die Anlage der äusseren granulirten Schicht der Autoren, der Nervenansätze von W. Müller, die Membrana fenestrata von oO (se) Zur Ontogenie der Knochenfische. Krause; sie zeigt dieselbe Structur als die innere granulirte Sehieht, ist aber noch etwas dünner, enthält ebenfalls einzelne Kerne, wie die eben erwähnte innere granulirte Schicht. Schliess- lich folgt dann am meisten medialwärts nochmals eine aus voll- kommen indifferenten Zellen bestehende Lage, zwei bis drei Schiehten dick — die Anlage der äusseren Körnerschicht, der Stäbchen und Zapfenschiecht der, Autoren — die Schicht der langen und kurzen Sehzellen von W. Müller. Dieselbe ist dann noch durch einen immer bedeutenden Zwischenraum von der proximalen Augenblasenwand — der Schicht des Retinalpigmentes — ge- trennt. Ueber das Verhältniss der beiden Augenblasenwände an der Augenblasenspalte, komme ich später bei der Beschreibung des Processus faleiformis ausführlicher zurück. — Das nächste Stadium, welches ich untersuchte, zeigte noch sehr wenig Verän- derungen, mit dem vorigen verglichen; bemerkenswerth ist nur, dass die Faserbildung in dem Optieusstiele etwas zugenommen hat, wie ein Schnitt durch den Augenblasenstiel aus diesem Ent- wickelungsstadium deutlich nachweist (vergl. Taf. V Fig. 4). Man sieht aber wie die Faserbildung zu dem ventralen Theil des Augenblasenstieles beschränkt bleibt, die lateralen und dorsalen Wände bestehen noch durchaus aus Zellen und zeigen noch keine Spur einer Faserbildung. Etwas weitere Differenzirungen waren in dem folgendem Stadium, das ich untersuchte, eingetreten. Betrachten wir erst einen Querschnitt durch den Augennerven zwischen seinem Ursprung aus dem Thalamencephalon und seinem Uebergang in die Retina (vergl. Taf. V Fig. 5). Ein bedeutend srösserer Theil der Zellen der ursprünglichen Augenblasenstiele hat sich in Nervenfasern umgebildet, innerlich besteht der Optieus schon durchaus aus Nervenfasern, dieselben werden aber noch von einem Mantel von Zellen umgeben, welche die dorsale Fläche des Augenblasenstieles bilden, und sich also noch nicht in Ner- venfasern umgebildet haben; sie unterscheiden sich leicht von den platten Zellen der Mesodermhülle, innerhalb welcher sie gelegen sind. Zwischen den Fasern trifft man einzelne mehr weniger sternförmige Zellen an, welche sich zu Stützzellen entwickeln, es ist dies ein kleiner Theil der ursprünglichen Zellen der Augen- blasenstiele, welche einen anderen Differenzirungsweg eingeschlagen haben, der übrige grösste Theil wandelt sich in Nervenfasern um. Gleichen Schrittes mit dieser Umwandlung nimmt auch der 54 C. K. Hoffmann: Diameter des Opticusstieles im Umfang ab, bis der ganze Stiel faserig geworden ist, dann fängt er allmählich an wieder dicker zu werden. Ein Schnitt durch den Opticus kurz vor seinem Abgang aus dem Thalamencephalon stellt Taf. V Fig. 15 vor, man sieht wie auch hier die Faserbildung an Mächtigkeit zugenommen hat. Verfolgen wir jetzt den Sehnerven bei seinem Uebergang in das Auge. Ich habe schon erwähnt, dass die dorsale Wand der ursprünglichen Augenblasenstiele in dieser Periode der Entwicke- lung noch durchaus zellig ist, hieraus folgt schon unmittelbar, dass die Continuität zwischen der Pigmentlamelle und der dorsalen Wand des Augenblasenstieles erst sehr spät unterbrochen wird und zwar erst dann, wenn die Augennerven fast in allen ihren übrigen Theilen schon faserig geworden sind. Werfen wir jetzt einen Blick auf die verschiedenen Schichten der Retina. Von allen Veränderungen, welche sie erfahren hat, springt die Bildung der radialen Stützfasern am meisten ins Auge. Die Zellen, welche sich in die Elemente des Fulerum generale umgebildet haben, sind von einer sehr länglich ovalen Form ge- seworden, nach beiden Seiten setzen sie sich m dünne Fortsätze fort. Die lateralwärts gerichteten streben der Membrana limitans interna zu, an welche sie mit äusserst kleiner, dreieckiger Basis inseriren (vergl. Taf. V Fig. 18), die medialwärts gerichteten setzen sich an eine äusserst feine Membran an, welche medial- wärts die Schichten der Retina in dieser Periode der Entwicke- lung begrenzt und die ich jetzt zuerst deutlicher sehe, die Anlage der Membrana limitans externa (die eigentlich Membrana limitans interna heissen sollte). Die Zellen der Schicht des Ganglon optieum zeigen jetzt schon deutlicher ihre Ganglienzellennatur. Recht schön sieht man, wie von einzelnen dieser Zellen ein feiner Fortsatz ab- tritt, der unmittelbar in eine Faser der Opticusfaserschicht über- seht. Das Neurospongium zeigt noch fast gar keine weiteren Veränderungen. Von der Schicht, welche der des Ganglion retinae, der Spongioblasten, des Fulerum generale und tangentiale ent- spricht, habe ieh die höhere Ausbildung, welche die Zellen, die sich zu Elementen des Fulerum generale (die radialen Stützfasern) entwickeln, schon durchlaufen haben, bereits erwähnt. Ausserdem zeigt aber diese mächtige Schicht weiter schon eine deutliche Gliederung in drei Lagen; die Zellen der lateralen Lage sind mehr rundlich, die stellen die Anlage der Schicht der Spongioblasten Zur Ontogenie der Knochenfische. 55 vor, die der medialen Lage sind mehr eiförmig und bilden die Zellen des künftigen Ganglion retinae, während die am meisten medialwärts gelegene Zellenschicht der Anlage der tangialen Fulerumzellen entspricht. Die drei genannten Schichten liegen aber jetzt noch so dicht aufeinander, dass es nicht möglich ist, auch nur mit einiger Genauigkeit ihre resp. Dicke zu bestimmen. Die äussere granulirte Schicht hat noch gar keine weitere Ver- änderung erfahren und die Elemente der Sehzellenchicht sind etwas eylindrisch geworden. Wilhelm Müller!) hat in seinen präch- tigen Untersuchungen über die Stammesentwickelung des Sehor- ganes bei den Wirbelthieren gründlich und klar auseinander ge- setzt, dass die Stäbehen- und Zapfenschieht und die äussere Körner- schicht der Autoren als eine einzige Schicht, die der Sehzellen, aufgefasst werden muss, indem die sogenannten äusseren Körner weiter nichts als die den Kern enthaltenden Abschnitte der Seh- zellen vorstellen. Demnach lässt sich also jede Sehzelle — sowohl die lange (Stäbehen) also die kurze (Zapfen) — in drei Abschnitte theilen, das Aussenglied, das Innenglied und das Kernstück (äusseres Korn der Autoren). Bei den Knochenfischen seheint nun die Membrana limitans externa immer dort zu liegen, wo das Kern- stick in das Innenglied des Zapfens resp. Stäbehens übergeht, wie, dies gewöhnlich auch bei den übrigen Wirbelthieren der Fall ist (aber nieht immer, wie z. B. bei den Fröschen). Daraus geht also hervor, dass diejenigen Zellen, welche ich als die Elemente der Sehzellenschicht bezeichnet habe, eigentlich nur den Kern- stücken entsprechen und dass die Aussen- und Innenglieder in diesem Stadium der Entwickelung eben im Begriff sind sich anzu- legen, beide aber noch als ein einziger Theil, welchen ich einfach als den pereipirenden Abschnitt der Sehzelle bezeichen werde. Derselbe zeigt sich als eine kleine kolbenförmige Verlängerung des Kernstückes, doch ist derselbe noch so wenig scharf umschrieben, dass ich über ihre wahre Natur kein Urtheil auszusprechen ver- mag (Taf. V Fig. 17). Ich lasse jetzt noch einige Maasse folgen und will hier noch hervorheben, dass die Dieken hier wie bei allen folgenden Schnitten immer an solchen gemessen sind, welche die Retina unmittelbar vor dem Eintritt des Sehnerven getroffen haben. 1) Beiträge zur Anatomie und Physiologie als Festgabe an Carl Ludwig. 56 0..K.>Hoffmann: 1. Dieke der Nervenfaserschicht — 0,010 0,011 mm RN uns „ Ganglienzellenschicht — 0,050—0,032 mm u „ innere granulirte Schicht (Neuro- spongium) — 0,007—0,008 mm SR © „ Inneren Körnerschicht (Ganglion retinae, Schicht der Spongio- blasten, dertangentialen Fulerum- zellen, nebst den Anlagezellen des Fulerum generale) — 0,085 — 0,090 mm Ber] „ äusseren granulirten Schicht — 0,002 mm Bis „ Sehicht der Sehzellen (Stäbchen- und Zapfenschicht nebst äusserer Körnerschicht) —= 0,013—0,014 mm E: „ Pigmentschicht der Retina = 0,005 — 0,006 mm Erwähnt: sei noch, dass die Opticusfasernschicht, sobald man sich aus der Gegend des Optieuseintrittes entfernt, bald sehr an Dicke abnimmt, um nach der Peripherie, wo auch die Differen- zirung der Retinaschichten kaum angefangen hat, fast vollständig zu verschwinden. In einem wieder etwas höheren Stadium der Entwickelung zeigt der Nervus optieus folgende Veränderungen (Taf. V, Fig. 6); er ist jetzt, wie man sieht, vollständig faserig geworden, zugleich hat sein Diameter, mit dem des vorigen Stadium verglichen, etwas an Umfang zugenommen, die Fasern liegen etwas loser aneinander, zwischen denselben bemerkt man deutlich, wenn auch nicht zahl- reich, mehr oder weniger stern- oder spindelförmige Gebilde, die sich in Elemente des Stützgewebes umwandeln, es sind dies Zellen der ursprünglichen Augenblasenstiele, welche nicht der Faserbildung anheim gefallen sind und in keinem Fall als mesodermale Binde- sewebselemente angesehen werden dürfen. In der Retina selbst sind noch wenig Veränderungen ein- getreten; das Retinapigment bildet jetzt eine intensiv schwarze Schieht. Von den übrigen Schichten will ich nur hervorheben, dass die innere granulirte Schicht zuerst das eigenthümliche ge- bänderte Aussehen zeigt, auf welches W. Müller insbesondere hingewiesen hat. Die Membrana limitans externa ist schärfer zu | unterscheiden, die Elemente der Sehzellenschicht — die Kern- stücke — haben sich deutlicher in zwei Lagen. angeordnet, der perceipirende Theil ist deutlicher zur Entwickelung gekommen, a = Zur Ontogenie der Knochenfische. ausserordentlich schwierig bleibt es aber, über die wahre Natur dieser Theile in solehen frühen Entwickelungsstadien ein bestimm- tes Urtheil auszusprechen, sie haben noch ein mattes, blasses Aus- sehen und durchaus noch nicht den eigenthümlichen Glanz, der besonders das Aussenglied so scharf ceharakterisirt. Schon jetzt fangen die Retinalpigmentzellen an pinselförmige Fortsätze abzuschicken, welche die sich bildenden pereipirenden Elemente umlagern und dadurch die Untersuchung noch mehr er- schweren. Die zu der äusseren granulirten Schicht gehörenden Zellen — die tangentialen Fulerumzellen von W. Müller — haben sich ebenfalls schärfer entwickelt (vergl. Taf. V, Fig. 10 und Fig. 17). Die Dicke der verschiedenen Schichten der Retina beträgt jetzt: Dieke der Nervenfaserschicht 0,012—0,014 mm „ Ganglienzellenschicht (Gangl. optie.) = 0,052 — 0,034 mm des Neurospongium (innere granulirte I Schicht) —= 0,014—0,015 mm „ der inneren Körner- ( Spongioblasten = 0,047 —0,0485 mm schicht | Gang]. retinae == 0,041—0,042 mm Schicht der tan- > ,‚ Äusseren granu- \ gent. Fulerumzell. = 0,0025-0,005 mım lirten Schicht Les granul. \ Schicht = 0,002 mm Kernstücke — 0,015—9,014 mm » » Sehzellenschicht 5 pereipirende Ele- mente —= 0,004—0,006 mm » » Pigmentschicht der Retina = (,008—0,009 mm Taf. V, Fig. 7 stellt uns dann einen Querschnitt durch den Optieus aus einem noch späteren Stadium der Entwickelung vor. Wie man sieht, hat der Durchmesser des Augennerven bedeutend an Umfang zugenommen, ebenfalls ist die Differenzirung der ver- schiedenen Retinaschichten in gleichem Grade fortgeschritten, in- dessen beziehen sich die hauptsächlichsten Veränderungen auf die pereipirenden Elemente. Denn während die übrigen Schichten der Retina von jetzt ab selbst etwas an Dieke abnehmen, indem haupt- sächlich ein Flächenwachsthum stattfindet, nehmen die pereipiren- den Theile allmählich an Dieke (Länge) zu. Nicht allein, dass die beiderlei Elemente, Stäbehen und Zapfen, sich deutlicher nach- weisen lassen, sondern man sieht auch, wie der frühere, nicht 58 C. K. Hoffmann: weiter differenzirte pereipirende Theil sich jetzt in seine beiden Abschnitte, das Aussenglied und Innenglied scheidet. Vergebens habe ieh versucht an Isolationspräparaten über diesen Vorgang eine etwas genauere Kenntniss zu bekommen, für diesen so Äus- serst schwierigen Process sind die überaus zarten und dünnen Stäbehen der Knochenfische sehr wenig geeignet. Die Differen- zirung des pereipirenden Theiles ist um so höher, je mehr man sich der Eintrittstelle des Optieus nähert. Auf Taf. V, Fig. S endlich habe ich einen Querschnitt durch den Optiecus eines jungen Salmen abgebildet, bei welchem der Dottersack fast vollkommen verschwunden war. Der Augennerv hat jetzt, wie man sieht, eine eigene Lymphscheide bekommen; wie diese sich bildet, kann ich aber nicht angeben. Ein Quer- schnitt durch die Retina aus einem gleichen Entwickelungsstadium ist auf Taf. V, Fig. 11 abgebildet. Die Innen- und Aussenglieder der langen und kurzen Sehzellen sind beide jetzt sehr schön zur Entwickelung gekommen und haben, mit dem vorigen Stadium verglichen, beträchtlich an Länge zugenommen. Eine gute Isola- tion gelingt aber noch sehr schwierig. Mit aller Schärfe sieht man, wie die innere Körnerschicht der Autoren aus zwei Lagen besteht, von welchen die eine — die lateralwärts gelegene -— mehr aus rundlichen Zellen besteht — die Schieht der Spongioblasten von W. Müller —, die andere, das Ganglion retinae, mehr ovale Zellen enthält. Unmittelbar letzteren an liegen die tangentialen Fulerumzellen; ich selie dieselben in diesem Stadium schon deut- lich in zwei Schichten. Erwähnt sei noch, dass der Optieus, so- wohl intra- als extra-oculär, sehr reich ist an rundlieh-ovalen Kernen, den Neuroglia-Kernen von Schwalbe ähnlich, dieselben gehören dem eigenen Stützgewebe der Augennerven an und unter- scheiden sich sofort von den länglichen Bindegewebskernen der Optieusscheide, welche Producte des Mesoderms sind, während die sogenannten Neuroglia-Kerne aus dem Ektoderm stammen und den Zellen angehören, welche nicht in Nervenfasern, sondern in Ele- mente des Stützgewebes umgebildet sind. Die Dicke der verschiedenen Schichten der Retina beträgt jetzt: Dicke der Nervenfaserschicht — 0,018—0,020 mm » „» Ganglienzellenschicht (Ganglion op- ticum) — 0,022—0,024 mm Zur ÖOntogenie der Knochenfische 59 Dicke des Neurospongium (innere granulirte Schicht) — 0,018—0,019 mm „ der inneren Körner- ( Spongioblasten = 0,036—0,057 mm schicht Gangl. retinae = 0,029—0,030 mm der tangentialen » „ äusseren granu- | Fulerumzellen = 0,0025—0,0025 mm lirten Schieht |der eigentlichen granul. Schicht = 0,002 mm Kernstücke — (,015—0,016 mm »„ » Sehzellenschieht | Aussen- und In- | nenglieder — (0,012—0,015 mm » » Pigmentschicht der Retina — 0,018—0,020 mm Schliesslich gebe ich noch einen Querschnitt durch die Retina eines einjährigen Salmen (Taf. V, Fig. 12). Ich theile zuerst die Dieke der verschiedenen Schichten der Retina mit: Dieke der Nervenfaserschicht — 0,040—0,045 mm » » Ganglienzellenschicht — (0,026—0,0350 mm M „ Inneren granulirten Schicht (Neuro- spongium) — 0,030 - 0,032 mm * „ Inneren Körner- ( Spongioblasten = 0,026 0,027 mm schicht Ganglion retinae — 0,029 — 0,050 mm ‘' Tang. Fulerum- ® „ äusseren granu- ) zellen — (), 0063 — 0,007 mım lirten Schicht Eigentl. granul. Schicht — (), O04— 0,0045 mm Kernstücke — 0,023—0,024 mm » » Sehzellenschicht $ pereipirende Ele- ‘ mente —= 0,058—0,040 mm Be „ Pigmentschieht der Retina — (,035—0,040 mm Vergleichen wir jetzt die Dieke der verschiedenen Retina- schiehten aus den versehiedenen Entwickelungsstadien mit ein- ander, so ergiebt sich, dass die Ganglienzellenschicht (die Zellen des Ganglion optieum) und die innere Körnerschicht (die Schicht der Spongioblasten und des Ganglion retinae) bei Embryonen ab- solut dicker sind als bei einjährigen Thieren, dass dagegen die innere granulirte Schicht (Neurospongium), die Nervenfaserschicht, besonders aber die Schicht der pereipirenden Elemente (Stäbehen und Zapfen) und die des Retinapigmentes bei einjährigen Thieren 60 C. K. Hoffmann: absolut dicker sind als bei Embryonen. Die zu der äusseren sranulirten Schicht gehörenden Zellen, die tangentialen Fulerum- zellen von W. Müller, liegen bei dem einjährigen Salmen nicht allein sehr deutlich in zwei Schichten, sondern bilden auch zweierlei Art von Zellen; die einen, welche den des Ganglion re- tinae am meisten anliegen, gleichen den Spongioblasten in sehr vielen Beziehungen, die anderen dagegen sind platter und schmaler. Die Zellen des Ganglion optiecum liegen bei dem einjährigen Salmen in einer bis zwei Reihen, während sie bei Embryonen in zwei bis drei, ja oft selbst bei sehr jungen Embryonen vier Reihen hoch angetroffen werden. Auf Taf. VI, Fig. 7 sind die kurzen und langen Sehzellen eines Forellenembryo abgebildet, bei welchem ein Dottersack noch recht deutlich sichtbar war; wie man aber sieht, sind dieselben schon vollständig ausgebildet. Die secundäre Augenblasenwand liefert aber ausser der Pig- mentschicht der Retina und der eigentlichen Retina noch etwas mehr, sie liefert nämlich auch einen Theil der Iris. Ich komme darauf bei der Entwicekelung der Iris zurück und will hier nur hervorheben, dass es die Stelle ist, wo die proximale Augenblasen- wand — das einschichtige Pigmentblatt also — in die distale um- biegt, welche sich an der Bildung der Iris betheiligt. An der Um- biegungsstelle ist nämlich auch die distale Augenblasenwand ein- schichtig, und indem nun beide Wände, beide als einzellige Blätter nach oben und unten über die Linse her, weiter wachsen, bilden sie so einen Vorhang über die Linse und stellen die hintere Wand der Iris dar; dabei setzt sich dann die Pigmentirung des proxi- malen Blattes der seeundären Augenblase auch auf den distalen fort. Die vordere Wand der Iris wird dann durch Elemente des mittleren Keimblattes gebildet. Dass ich die Entwickelung des Sehnerven so ausführlich be- schrieben habe, möge im folgenden seinen Grund finden. Während früher Niemand zweifelte, dass der fertig gebildete Sehnerv durch allmähliche histologische Differenzirung aus dem primordialen Augenblasenstiel sich entwickele, ist His!) dagegen aus scharf- 1) W. His, Untersuchungen über die erste Anlage des Wirbelthier- leibes p. 131. 1868. Zur Öntogenie der Knochenfische. 61 sinnigen theoretischen Gründen zu der Ansicht gekommen, dass der Augenblasenstiel nur als Leitgebilde zu betrachten sei, das den Sehnervenfasern den Weg weist. Letztere aber scheinen nach ihm, den bisher bekannten Thatsachen zufolge, vom Gehirn aus zu entstehen und von da in die Retinaanlage hereinzuwachsen. Die Zellenverbindung, welche der Stiel der Augenblase zwischen dem Gehirn und der Retinaanlage anfangs herstellt, muss sich später lösen, indem die Zellen einem der beiden Theile, nämlich dem Gehirn zufallen. Der bis auf His geltenden Meinung, dass aus dem Stiel der Augenblase der Sehnerv hervorgeht, steht nach ihm vor Allem entgegen, dass der Sehnerv keinerlei Ganglienzellen enthält. His hat das Problem einfach aufgestellt, wirklich unter- sucht hat er es nieht. Mit vollem Recht hebt aber schon Manz!) hervor: „Diese Annahme hat durch die neuesten Arbeiten von Ranvier (Recherches sur l’Histologie et la Physiologie des nerfs; in: Archiv de Physiologie p. IV, 1872; Trait& technique d’histo- logie) einen wohl zu beachtenden Widerspruch erfahren und darf daher jetzt nicht mehr ohne weiteres als Argument anderen Folgerungen zu Grunde gelegt werden.“ Wenn man dann weiter bedenkt, dass sämmtliche sowohl dorsale als ventrale Wurzeln der Spinalnerven, sämmtliche dorsale Wurzeln der Gehirnnerven, sowie der Olfactorius in ihren Anlagen vollkommen zellig sind und ein gewisser Theil dieser Zellen später einer Fibrillenbildung anheim- fällt, dann sehe ich vom theoretischen Standpunkt keinen Grund, warum die Augenblasenstiele nur als Leitgebilde für die Optieus- fasern fungiren sollen und die Zellen, welche die Augenblasen- stiele bilden, nicht selbst sich in die Nervenfasern des Optieus umwandeln sollten, wie dies für alle ebengenannte Nerven doch allgemein angenommen wird. Die directe Beobachtung hat dann auch, wie ich glaube, wohl ganz zweifellos festgestellt, dass die Augenblasenstiele von dieser allgemeinen Regel keine Ausnahme machen und dass sie es selbst sind, welche sich direet in die Augennerven umbilden. In seinen ausgezeichneten Untersuehungen über das Auge des Wirbelthierembryo sagt Lieberkühn?) darüber folgendes: „Die l) Manz, Entwickelungsgeschichte des menschlichen Auges; in: Hand- buch der gesammten Augenheilkunde 2. Bd. 2. Th. 1876. 2) N. Lieberkühn, Schriften der Gesellschaft zur Beförderung der gesammten Naturwissenschaften zu Marburg Bd. X. 1872. 62 C. K. Hoffmann: Ansicht dass die Zellen, welche die Anlage des Optieus bilden, nur als Leitgebilde für die aus dem Gehirn hervorwachsenden Fasern desselben dienen und alsdann selbst dem Gehirn zufallen, bestätigt sich nicht. Sie vermehren sich vielmehr mit dem Wachs- thum der Nerven. In einer gewissen Zeit besteht derselbe fast nur aus spindelförmigen Zellen und ausserdem aus einer an- deutungsweise streifigen Substanz.“ Später erkennt man in ihm an Querschnitten die Scheide und die Felder des vollkommen entwickelten Zustandes. In den Scheiden sieht man noch eine Zeit lang Bindegewehskörper in einem strei- figen Gewebe, später sind sie nicht mehr sichtbar. Innerhalb der Felder wechseln Zeilkerne, die von Spuren von feinkörnigem Protoplasma umgeben sind, und Fasern mit einander ab, und dann erscheinen nur noch äusserst kleine Kerne zwischen den Nerven- fasern lange bevor noch die Markhülle auftritt. Auf den Längs- sehnitten durch den Sehnerven sieht man während der Ent- wickelung niemals Nervenfasern vom Gehirn her eintreten und in ihm peripherisch vordringen, sobald Fasern in ihm erscheinen, erscheinen sie in seiner ganzen Länge zugleich und ebenso zu- gleich am Gehirn. Die Knochenfische bestätigen durchaus diese Angaben von Lieberkühn. Ich stimme dann auch vollkommen mit diesem Forscher überein, wenn er sagt: „Die Nervenfasern des Optieus entstehen auf Kosten des Protoplasma der Zellen, welche ihn von vorne herein zusammensetzen und sich vermehren.“ Radwaner!) verdanken wir eine Mittheilung über die Ent- wickelung der Sehnervenkreuzung bei den Knochenfischen. Wenn ich diesen Autor gut verstehe, was mir aber nicht überall gelungen ist, dann lässt er die Optieusfasern zum Theil in loco entstehen, zum Theil aus dem Gehirn hervorwachsen. — Bergmeister?) giebt an, dass seine Beobachtungen (an Kaninchenembryonen) da- für sprechen, dass bei der Bildung des Opticus die Nervenfasern, wie His annimmt, aus dem Gehirn hereinwachsen, während der Stiel, nur als Leitgebilde, als Form, in der sich die Nervenmasse umzubilden hat, dient. Nach ihm tritt nämlich die Masse der 1) J. Radwaner, Ueber die Entwickelung der Sehnervenkreuzung in: Schenk’s Mittheilungen p. 21. 1880. 1. Bd. 2) O. Bergmeister, Beiträge zur Entwickelungsgeschichte des Säuge- thierauges; in: Schenk’s Mittheilungen p. 63. 1880. 1. Bd. Zur ÖOntogenie der Knochenfische. 63 Nervenfasern in die Höhlung des Stieles, gleichsam als Ausfüllungs- masse der „primären“ Optieushöhle zwischen den einander zu- gekehrten Flächen der äusseren und der eingestülpten Optieus- wand und zwar so, dass von der ursprünglichen Wand des Augen- blasenstieles sowohl eine oberflächliche mit dem Stratum pigmenti zusammenhängende, als auch eine centrale, den Optieuscanal aus- kleidende Schiehte von Cylinderzellen übrig bleibt, welche letztere in die Oberfläche der Netzhaut unter der Limitans hyaloidea übergeht. W. Müller!) hat insofern sich His angeschlossen, als auch er die Optieusfasern nicht im Augenblasenstiele sich bilden lässt, jedoch abweichend von His dieselben von den Ganglienzellen der Retina ableitet, von wo aus sie centripetal ins Gehirn hinein- wachsen sollen. Für die Entscheidung dieser Frage bietet nach W. Müller der Befund bei Petromyzon dadurch einen wich- tigen Anhalt, dass frühzeitig eine Kreuzung der Opticusfasern an der Durehtrittstelle durch die Retina zu constatiren ist. Diese Kreuzung bleibt nach ihm absolut unverständlich bei der Annahme, dass die Fasern des Opticus vom Gehirn nach der Retina zu sich entwickeln; sie wird dagegen erklärlich — wie er anführt — durch die Annahme, dass die Fasern des Nervus optieus Fortsätze in der Retina gelegener Ganglienzellen sind, welche an der Durch- trittstelle durch die Retina in der Richtung ihres bisherigen Ver- laufes weiter streben, bis sie durch die den Augenblasenstiel um- sebende Mesodermhülle von ihrer bisherigen Richtung abgelenkt werden. Die eben erwähnte sehr frühzeitige Kreuzung scheint mir für die in Rede stehende Frage nieht von einer solchen grossen Bedeutung zu sein, als W. Müller vermuthet; sie wird, wie ich glaube, nur hervorgerufen durch die beschriebene fast recht- winkelige Umbiegung der Sehnervenfasern bei dem Uebergang der ventralen Wand des Augenstieles in die distale Wand der Augen- blase. Die Thatsache, dass die erste Umbildung eines Theiles der Zellen des Augenblasenstieles in Nervenfasern zusammenfällt mit dem Momente, in welchem das Chiasma auftritt, weist meiner Meinung nach wohl auf den sehr alten phylogenetischen Ursprung I) W. Müller, 1. e, 64 C. K. Hoffmann: desselben hin; die Kreuzung tritt auf gleichzeitig mit der Um- bildung von Zellen in Fasern. Wuchern wirklich die Nervenfasern des Opticus aus den Ganglienzellen, dann müsste man Stadien finden, in welchen die Optieusfaserschicht in der Retina vorhan- den wäre, dagegen in den Augenblasenstielen die Fasern noch fehlten; dies ist aber, wie ich glaube nachgewiesen zu haben, nicht der Fall. Indem W. Müller die Optieusfasern von der Ganglienzellenschicht der Retina ableitet, lässt er das Epithel des Augenblasenstieles sich durchweg zu Stützzellen entwickeln, welche bei Petromyzon in Form eines Axenstranges das ursprüngliche Lumen ausfüllen, mit ihren nach der Peripherie gerichteten Fort- sätzen die Faserbündel des Sehnerven umscheidend. Die Meso- dermhülle des Augenblasenstieles betheiligt sich nach ihm an dieser Umscheidung nicht, sie wird zur bindegewebigen Umhüllung des Nervus opticus. Letzteres gebe ich W. Müller vollständig zu, weiche aber darin von ihm ab, dass, nach meiner Ansicht, nur ein sehr kleiner Theil der ursprünglichen Zellen des Augenblasen- stieles sich in Stützzellen umbildet. Während also W. Müller die Optieusfasern von der Peri- pherie gegen das Centrum hin sich entwickeln lässt, kommt v.Mihalkovies!) zum Schluss, dass das umgekehrte Verhältniss stattfindet, indem Nervenfasern am Ende des 6. Tages (bei Hühner- embryonen) nur im allerhintersten Theile der Retinaspalte und dem entsprechend der Retina selbst, am siebenten schon bis zur Mitte und am Ende des achten auch an dessen vorderem Ende zu finden sind. In diesem Stadium zeigt der in der Retinaspalte liegende Opticusquerschnitt im unteren Theile noch eine über- wiegend zellige Structur, während er oben aus zur Retina überbiegenden feinen marklosen Fasern besteht. Hiergegen be- merkt aber W. Müller, dass das frühere Deutlichwerden der Optieusfasern nicht nothwendig beweise, dass dieselben hier auch zuerst entstanden seien. Kölliker?) schliesst sich, ebenso wie Wilhelm Müller, vollkommen der von His ausgesprochenen Vermuthung an, dass der Augenblasenstiel nur die Bahn darstellt, auf welcher die 1) v. Mihalkovics, Untersuchungen über den Kamm des Vogelauges; in: Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. IX, p. 591. 1873. 2) A. Kölliker, l. ce. p. 690. Zur ÖOntogenie der Knochenfische. 65 Optieusfasern weiter schreiten, und nicht selbst an der Bildung soleher sich betheiligt. In Betreff der Frage, wo die Opticusfasern entstehen, ob in der Retina oder im Gehirn, ist nach ihm eine Entscheidung schwierig, doch führt er an, er habe noch keinen Optieus gesehen, der nicht in seiner ganzen Länge Nervenfasern enthalten hätte. Dagegen lässt sich nach Kölliker nachweisen, dass — wenigstens bei den Säugethieren — die Fasern des Tractus optieus früher da sind, als die im Nervus optieus, und wird hier- durch die Entscheidung im Sinne der Vermuthung von His ge- geben. Bei den Knochenfischen dagegen haben wir gesehen, dass in demselben Moment, in welchem die Fasern des Chiasma sich zeigen, die Faserbildung über den ganzen Augenblasenstiel bis in die Retina sich erstreckt, wie hier denn auch der Augenblasenstiel wohl offenbar nicht als Leitgebilde fungirt, sondern sich unmittel- bar in die Augennerven selbst umbildet. Kölliker, W. Müller, Lieberkühn und Manz erwähnen weiter den grossen Kernreichthum des embryonalen Augennerven und betrachten diese Kerne als den aus den Elementen der Me- dullarplatten hervorgegangenen Zellen des Stützgewebes zugehörig. Auf die grosse Menge einer zelligen Stützsubstanz des fertigen Optieus haben schon ebenfalls Schwalbe!) und Axel Key und G. Retzius?) hingewiesen. Schwalbe bezeichnet die im Innern der Nervenfaserbündel gelegenen Kerne als „Neurogliakerne“, die sich dureh ihre Form sofort von den Bindegewebskernen unter- scheiden lassen. Mit der Entwickelungsgeschichte der Retina haben sich be- sonders Kölliker, Babuchin, Max Schultze, W. Müller und Löwe eingehender beschäftigt. In einer sehr guten Arbeit giebt Babuchin?) schon an, dass beim Hühnchen die Bildung der Stäbchen die letzte Erscheinung in der Entwickelung der Retina ist. Die Ganglienzellen bemerkt man nach ihm schon am fünften Tage, noch früher aber werden die Müller’'schen Fasern ange- 1) G. Schwalbe, Mikrosk. Anatomie des Sehnerven, der Netzhaut u.s. w.; in: Handb. der gesammt. Augenheilkunde. 1874. 2) A. Key und G. Retzius, Studien in der Anatomie des Nerven- systemes u. s. w. 1876. 5) Babuchin, Beiträge zur Entwickelungsgeschichte des Auges be- sonders der Retina; in: Würzburger naturw. Zeitschrift Bd. IV. 1863. p. 71. Archiv f, mikrosk. Anatomie. Bd. 23. j 5 66 C. K. Hoffmann: legt. Die Füsschen der letzteren sollen — wie er angiebt — zu- sammen wachsen und später mit der angrenzenden Substanz die Membrana limitans interna bilden. Die ersten Spuren der Ner- venfaserschicht beobachtete er nach der Differenzirung der Ganglien- zellen. Die Anwesenheit der bekannten dunklen, mit der Retina- oberfläche parallelen Streifen in der inneren granulirten Schicht führt er wohl vollkommen richtig auf ein schichtenweises Wachsthum zurück. Vollständig richtig beschreibt er auch schon, dass aus den Zellen, welche die äusserste Lage der primären Re- tina darstellen und aus denen sich äussere Körnerschicht bildet, auch die Stäbehen und Zapfen hervorgehen. Die einen wie die anderen sagte er, sind Verlängerungen von Zellen und bilden im Zusammenhange mit ihren Körmern, ein unzertrennbares Ganzes; Stäbehen- oder Zapfenzellen. Schliesslich bestätigte er die schon früher von Kölliker (Entwickelungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. 1. Aufi. 1861) erwähnte Thatsache, dass aus der äusseren (proximalen) Lamelle der seeundären Augenblase nur das sogenannte Pigmentepithel entsteht. Max Schultze!) giebt an, dass beim Hühnchen am 7. Tage der Bebrütung dass innere Blatt der secundären Augenblase nach aussen durch einen sehr scharfen Contour — welche der Membrana limitans externa der Autoren entspricht — abgegrenzt wird; auf ihr sprossen im Laufe des 9. Tages bald Höcker hervor, welche die Anlagen der Stäbehen und Zapfen sind. Dabei schreitet die Differenzirung der inneren Schichten der Retina continuirlich fort. Zunächst scheidet sich nach ihm die äussere von der inneren Körnerschieht am 10. Tage, während am 13. auch schon die mole- euläre Schicht scharf von der der inneren Körner abgesetzt ist, zugleich die Opticusfasern an der limitans interna immer deutlicher hervortreten. Es sind nun diese anfänglich halbkugeligen Höcker auf der Limitans externa, welche bald kegelförmig werden und sich später zu den Stäbehen und Zapfen herausbilden. Das äussere Blatt der seeundären Augenblase wird dann, wie auch Schultze angiebt, ausschliesslich zum Pigmentepithel der Retina. Bei Säu- gethieren entwickeln sich die Stäbehen und Zapfen in ähnlicher Weise; Kaninchen und Katzen besitzen bei der Geburt noch keine Spur von Stäbehen und Zapfen. 1) M.Schultze, Zur Anatomie und Physiologie der Retina; in seinem Archiv Bd. II, p. 175. 1866. Zur Ontogenie der Knochentische. 67 Nach Wilhelm Müller’s schon mehrfach erwähnten Unter- suchungen !) kann man bei der Retina in dem Abschnitt des Ekto- derms, welcher das Neuroderm liefert, den epithelialen Theil dem cerebralen gegenüberstellen. Wie im Gehirn ein Theil des Neu- rodernis zu indifferenten Gebilden, den Elementen des Stützgewebes — des Fulerums wie Müller diese Stützsubstanz nennt — ein anderer Theil zu den eigentlichen nervösen Gebilden, den Ele- menten der Nervensubstanz wird, verhält sich das Neuroderm in der Retina ebenfalls, ihr cerebraler Theil sondert seine gleichför- migen Anlagezellen frühzeitig in Gebilde des Fulerum und in Ge- bilde der eigentlichen Nervensubstanz, während ihr epithelialer Theil sich in die pereipirenden Elementen, die Sehzellen umwan- delt, ein Theil der ursprünglich gleichförmigen epithelialen An- lagezellen der Retina wird mit anderen Worten zu Sinnesepithelien und zu den specifischen Gebilden des centralen Nervensystems, ein anderer Theil wandelt sich um zu stützenden und isolirenden Elementen; die Scheidung beginnt bei Petromyzon mit dem gleich- zeitigen Sichtbarwerden der Radialfasern und der flachen, die Seh- zellenschieht von der Unterlage sondernden Zellenlage. Dem Siehtbarwerden der Radialfaserzellen folgt das Auftreten der Mem- brana limitans interna und externa sofort nach. Erst etwas später wird durch das Auftreten der Optieusfaserschicht eine Scheidung der inneren Lagen bewirkt. Demnach weicht Petromyzon nicht unbedeutend von den Knochenfischen ab, bei welchen die Nerven- faserschicht der Retina vor allen anderen Schichten auftritt und gleichzeitig siehtbar wird, wenn die erste Faserbildung im Gehirn aufgetreten ist, wie hier, zeigt sie sich in der Retina zuerst in den peripherischen Schichten. Bei allen Vertebraten geht nach W. Müller die Entwickelung der charakteristischen Sehzellen von dem Augenhintergrund aus und verbreitet sich von da nach der Peripherie der Retina. Wir haben gesehen, dass die Knochenfische vollständig ebenso sich verhalten wie dies schon von W. Müller angegeben ist. Nach Lieberkühn?) zeigen die ersten Spuren von Verän- derung diejenigen Zellen, welehe zur Bildung der Müller’schen Fasern dienen. Nach denselben bilden sich zuerst die Ganglien- 1).W. Müller; 1. «. 2) Lieberkühn, |. c. 68 C. K. Hoffmann: zellen und bald darauf die Nervenfaserschicht. Die Sonderung der Moleeular- und der Zwischenkörnerschicht und die erste Ent- stehung der Stäbehen und Zapfen tritt bei Froschlarven beinahe gleichzeitig auf, aber die Moleeularschicht entsteht nach ihm bei diesen etwas früher; noch früher beim Hühner-Embryo. Stäbchen und Zapfen entstehen durch Verlängerung von Zellen. Die ersten Differenzirungen, die nach Kölliker!) bei Säu- sethieren an der primitiven Retina auftreten sind folgende: Erstens vergrössern sich die innersten zwei bis drei Reihen Zellen und erhalten grössere Kerne; zweitens bildet sich an der Aussenseite dieser Lage eine hellere dünne zellenarme Schicht und drittens erscheint auch an der inneren Seite der grösseren Zellen — Ner- venzellen — eine Lage von feinen Fasern — die Optieusfasern, die von mehr weniger deutlichen feinsten radiären Fäserchen durchzogen sind. Eine solche Retina zeigt somit von innen nach aussen 1) die Limitans interna als innerste Begrenzung, 2) die Optieusschicht, 3) eine dünne Nervenzellenlage, 4) eine dünne mo- leeuläre Schicht, 5) eine dieke äussere Zellenlage aus dem Reste der früheren Zellen bestehend und 6) eine Limitans externa. In diesem Zustande verbleibt die Retina lange Zeit mit der einzigen Ausnahme, dass sie sich verdickt, bis endlich mit einer Umwand- lung der äusseren mächtigen Zellenschicht die: bleibenden Verhält- nisse sich anbahnen. Aus dieser Lage nämlich gestaltet sich nach Kölliker die Stäbehenschicht, die äusseren und inneren Körner und die Zwischenkörnerlage. Eine von allen anderen Autoren ganz abweichende Darstellung der verschiedenen Schichten der Retina giebt Löwe). Entgegen den meisten bisherigen Angaben, werden nach ihm die Aussen- glieder der Stäbehen und Zapfen bei den Säugethieren von allen Retina-Elementen am frühesten gebildet. Nach allen anderen Au- toren dagegen entstehen dieselben bei den verschiedenen Thieren am spätesten und ebenso verhalten sich auch die Knochenfische. Zweifel besteht nur noch, ob die Stäbehen und Zapfen einfache Verlängerungen der Kernstücke — der äusseren Körner sind, oder als Cntieularbildungen aufgefasst werden müssen. Kölliker und 1) Kölliker, 1. ce. p. 692. 2) L. Löwe, Die Histogenese der Retina; in: Archiv f. mikrosk. Ana- tomie Bd. XV, p. 596. 1878. Zur ÖOntogenie der Knochenfische. 69 Babuchin sind Vertreter der ersteren’ Ansicht; Max Schultze und Wilhelm Müller der anderen. Die Entscheidung ist eine äusserst schwierige und für dieselbe sind die überaus zarten Stäb- chen und Zapfen der Knochenfische wenig geeignete Objecte. In so weit ich aber selbst im Stande war, die Sache zu verfolgen, kommt mir die von Babuchin und Kölliker vertretene An- sicht als die meist wahrscheinliche vor. 2. Selerotica, Cornea, Chorioidea, Iris und vordere Augenkammer. Die Selerotica und Cornea, die Chorioidea und die Iris sind Produete des Mesoderms; alle diese Schiehten entstehen aus Zellen des mittleren Keimblattes, an der Bildung der Iris betheiligen sich dann auch noch, wie wir gesehen haben, die beiden Blätter der seeundären Augenblase. Vor und selbst auch noch einige Zeit nach der vollständigen Abschnürung der Linse von der Grund- schicht des Hormblattes liegt zwischen beiden kein Mesoderm (vergl. Taf. V Fig. 19). Erst in einem spätern Entwickelungsstadium finde ich zwischen der vorderen Fläche der Linse und dem Horn- blatt, und zwar letzterem unmittelbar anliegend, eine äusserst dünne Schieht von nur in einer einfachen Lage angeordneten Mesoderm- zellen, welche ich als die erste Anlage der Cornea betrachte. Nach- dem die Linse nämlich vollständig abgeschnürt ist, bemerkt man, dass Zellen des Mesoderms auf der medialen (hinteren) Fläche der seeundären Augenblasenwand allmählich anfangen in zwei ein- ander unmittelbar anliegende Schichten sieh zu gruppiren, beide setzen sich auf den vorderen Umfang der secundären Augenblasen- wand fort, dieselbe liegt dann dem Hornblatt fast noch unmittel- bar an. Die medialwärts gelegene Schicht endigt an dem Um- schlagsrande der secundären Augenblasenwand, die lateralwärts gelegene setzt sich weiter fort und hört dort auf, wo die Linse dem Hornblatt noch anliegt, so dass in diesem Stadium der Ent- wickelung zwischen der Vorderfläche der Linse und dem Horn- blatt noch kein Mesoderm vorhanden ist, die an den Augen lateral- wärts gelegene Schicht stellt uns also die Anlage von Selerotica und Cornea, die medialwärts gelegene die Anlage von Chorioidea und Iris vor (Taf. V. Fig. 20). Beide Schichten bleiben eine 70 6. K. Hoffmann: sehr geraume Zeit in demselben Stadium der Entwickelung, dann erst fängt die erste höhere Differenzirung an, wodurch es möglich wird, die Selerotica von der Cornea zu unterscheiden, während Chorioidea und Iris noch ein Continuum bilden. Bei dem allge- meinen weiteren Wachsthum des Embryo nimmt die Linse auch sehr beträchtlich an Grösse zu und drängt demgemäss im gleichen Grade die Hornhaut vor sich her. Indem nun die laterale Schicht dem Hornblatt folgt, die mediale dagegen unmittelbar dem Pig- mentblatt anliegend bleibt, weichen in der Gegend der Pole der Augenblase die beiden in Rede stehenden Schichten auseinander und bilden so die erste Anlage der vorderen Augenkammer (vergl. Taf. V. Fig. 21); eine geringe Wucherung der hier gelegenen Zellen beider Blätter stellt uns das in Entwickelung begriffene Ligamentum annulare iridis vor. Ich sagte schon, dass die beiden in Rede stehenden Blätter noch einschichtig sind, zuerst bemerkt man nun, wie in der Polgegend der Augenblase die Zellen der lateralen Schicht sich in embryonale Knorpelzellen umgebildet haben und dadurch zuerst die Gliederung dieser Schicht in zwei Theile herbei führen, von welchen der eine der Cornea, der andere dem Selerotica entpricht. Die Cornea bekleidet jetzt auch die vordere Fläche der Linse, sie bildet ein äusserst dünnes, kaum messbares Schichtehen langer, stark plattgedrückter, spindelför- miger Zellen in unmittelbarer Berührung mit dem Hornblatt. Cho- rioidea und Iris zeigen in diesem Stadium der Entwickelung noch keine höhere Differenzirung. In spätern Stadien bemerkt man dann zuerst eine sehr dünne homogene Substanzlage, in welche die äusserst platten Zellen der bis jetzt noch einschichtigen Cornea sich einhüllen, dieselbe stellt uns wohl die Grundsubstanz der Cornea vor, welche von den Zellen der Cornea selbst abgeschieden wird und mithin ein Pro- dukt des Mesoderms ist. Dann fängt die Bildung einer zweiten Zellenschicht an, von einer Verdickung der Grundsubstanz gefolgt, darauf eine dritte u. s. w. Ob die Verdiekung der Cornea auf einer Proliferation ihrer anfänglich in einer einzigen Schicht an- geordneten Zellen, oder auf einem nachher erfolgten Nachrücken mehrerer Mesenchymzellen beruht, weiss ich nicht, doch kommt mir die erstgenannte Meinung am wahrscheinlichsten vor. Während also die Cornea sich verdickt, und mehrschichtig wird, nimmt zwar die Dicke der Selerotica ebenfalls zu, sie bleibt aber bis Zur Ontogenie der Knochenfische. 1 zum Stadium, in welchem der Dottersack fast vollständig resor- birt ist, als eine einschichtige Lage von Knorpelzellen fortbestehen, wie ein Querschnitt durch das Auge aus diesem Entwickelungs- stadium noch deutlich zeigt (vergl. Taf. V. Fig. 22). In diesem Stadium ist es noch nicht zu der Bildung eines Corneaepithels sekommen, — die Cornea nämlich liegt dem Hornblatt immer noch unmittelbar an, wohl dagegen hat sich das Cornea-Endothel entwickelt, welches sich, wie wir wissen, auf die vordere Fläche der Iris fortsetzt (Taf. V. Fig. 22). In diesem Stadium ist dann auch das Ligamentum annulare iridis schon zu einer ziemlich mächtigen Entwickelung gelangt. Chorioidea und Iris, anfangs wie wir gesehen haben, ein einschichtiges Blatt, sind jetzt mehrschichtig geworden, beide stimmen in ihrem Bau noch so vollkommen mit einander überein, dass es nicht möglich ist, auch mit nur einiger Sicherheit anzu- geben, wo das eine aufhört und das andere anfängt. Hand in Hand mit ihrer Mehrschichtigkeit tritt für sie eine höhere Diffe- renzirung auf. In dem der Chorioidea entsprechenden Theil haben sich zahlreiche Zellen schon deutlich pigmentirt, mit anderen Worten ist es schon zu der Anlage einer Lamina fusca gekonımen, in dem der Iris entsprechenden Theil haben sich diese Zellen nicht so sehr pigmentirt, sondern werden von einer nadelförmigen krystallinischen Substanz dicht erfüllt, welche der vorderen Iris- fläche ihren schönen Silber- oder Goldglanz verleiht. Das Pigment der Iris, wird, wie wir schon angegeben haben, durch die Retina geliefert, indem dort, wo an dem Umschlagerand die proximale Wand der secundären Augenblase in die distale übergeht, die Pigmentirung der Zellen des Retinapigmentes sich auch auf das eingestülpte Blatt der seeundären Augenblasen fort- setzt. So entsteht aus einem Theil der Retina die Grundlage der für die Sehschärfe erforderlichen Blendung, ein anderer Theil wird durch die Elemente des Mesoderms geliefert. Obwohl museulöse Elemente und zwar sowohl radiäre als eireuläre Fasern, in der Fischiris vorhanden sind, wie uns aus den Untersuchungen von Faber!) und Berger?) bekannt ist, scheint dagegen ein Museulus tensor chorioidea vollständig zu fehlen. Die Accomodation findet 1) ©. Faber, Der Bau der Iris des Menschen und der Wirbelthiere. 1876. 2) E. Berger, Beiträge zur Anatomie des Sehorganes der Fische; in: Morphol. Jahrb. Bd. VIII, p. 97. 1882. 72 C. K. Hoffmann: hier wahrscheinlich dann auch auf eine ganz andere Weise statt und zwar durch das durch den Augenblasenspalt hindurch tretende Campanulum Halleri, welches sehr reich an Muskelfasern ist, die sich an die Linsenkapsel adhäriren, wir kommen darauf gleich näher zurück. Ein Strahlenkranz scheint bei allen Teleostiern zu fehlen, vielleicht mit Ausnahme des Thunfisches; man vergleiche für die Organologie des Auges die vortreffliche Beschreibung von Leuekart!) und weiter die ausführlichen Mittheilungen von Berger (l. e.). Ueber die Entwickelung der Cornea verdanken wir Kessler?) folgendes: Zuerst erscheint nach ihm an der Innenfläche des Hornblattes eine sehr schmale, strueturlose Zone, die erste Anlage der Cornea propria, dieselbe ist nach ihm eine Ausscheidung des Hornblattes. Kaum hat die structurlose Schicht die Dieke der Cornea erreicht, so beginnt die Bildung des Cornea-Endothels, eine von vorn herein einfache Zellenschieht — von den Kopf- platten herstammend, — welche an der Innenfläche der Anlage der Cornea propria, concentrisch vorrückend, gegen den Mittel- punkt dieser Fläche hinkriecht. Unmittelbar nach der Bildung des Cornea-Endothels beginnt eine Einwanderung der Zellen der Kopfplatten in die structurlose Schicht und liefert die Cornea- Körperchen. Die in Rede stehende Einwanderung findet nach ihm nur in der mittlern Zone der structurlosen Zone statt, die dem Hornblatt und dem Endothel angrenzenden Zonen sollen dagegen zellenlos bleiben, anfangs noch breit, verschmälern sie sich aber rasch, schwinden jedoch niemals ganz, persistiren vielmehr durch das ganze Leben hindurch als vordere und hintere Grenzschicht (Elastica anterior und posterior). Früher als alle übrige Schichten existirt das Cornea-Epithel, welches sich in einfacher Weise aus dem Hornblatt entwickelt. Sobald die zuerst vorhandene hyaline Schieht eine gewisse Dicke erreicht hat, wird dieselbe nach Kessler vom Hornblatt abgedrängt durch eine zweite an dieses sich anbildende hyaline Schicht, in dieselbe rückt in einfacher Lage eine zweite Schicht von Mesodermelementen, so entsteht eine dritte, vierte u. s. w., und nimmt die Cornea allmählich an Dicke 1) R. Leuckart, Organologie des Auges; in: Handbuch der gesamm- ten Augenheilkunde 2. Bd. 2. Th. 1876. p. 145—302. 2) Kessler, l. c. Zur Ontogenie der Knochenfische. 73 zu. — Demnach rührt nach ihm die Cornea propria vom Ektoderm, die Corneakörperechen vom Mesoderm. — Die Gesammtdarstellung Kessler’s enthält nach Kölliker!) unzweifelhaft viel Richtiges, ist jedoch nach ihm insofern weniger gelungen, als sie die homo- gene Substanzlage (die Cornea propria) als eine besondere histo- logische Bildung aufstellt und dieselbe vom Epithel ableitet. Nach ihm stammt die ganze Cornea vom mittleren Keimblatt ab. Ich stimme hierin Kölliker vollständig bei und fand, wie ich dies mitgetheilt habe, immer zuerst die Zellen der Hornhaut vorhan- den, erst viel später sah ich die helle Grundsubstanz auftreten, die jedoch bei den Knochenfischembryonen überaus dünn ist. Dies alles stimmt also vollkommen mit Kölliker’s Auffassung überein. Wenn auch Lieberkühn?) in mancher Beziehung von Köl- liker und Kessler abweicht, so stimmt er darin doch überein, dass der bindegewebige Theil der Cornea mit ihren Grenzmem- branen aus dem Gewebe der Kopfplatten stammt und demnach vom Mesoderm herrührt, und dass nur das Epithel der Cornea von dem Ektoderm (Hornblatt) abzuleiten ist. — Ueber die An- lage der Selerotica und Chorioidea stimmen dann alle Beobachter darin überein, dass beide mesodermale Bildungen sind, wenn auch noch über ihre histogenetische Differenzirung wenige Angaben vor-. liegen. Aehnliches gilt von dem Stroma der Iris. Wichtiger und zahlreicher sind die Mittheilungen über die Entwiekelung des Iris- pigmentes. Kessler?) verdanken wir zuerst die interessante Mit- theilung, dass bei Tritonen und Vögeln der Umschlagsrand der seeundären Augenblase mit seinen beiden Lamellen gleichzeitig mit der Irisbildung nach vorn wächst, wobei die vordere distale Lamelle der secundären Blase sich verdünnt und später ebenso sich pigmentirt wie die andere Lamelle; welche Angabe er auch später in ausführlicher Weise auf die Säugethiere ausgedehnt hat. Die erwähnten Mittheilungen von Kessler sind in der fast gleich- zeitig erschienenen Arbeit von Lieberkühn*) für die Vögel be- 1) Kölliker, l. c. 2) Lieberkühn, |. c. 3) L. Kessler, Untersuchungen über die Entwickelung des Auges, an- gestellt an Hühnchen und Puten. 1871. 4) Lieberkühn, I. c. 74 C. K. Hoffmann: stätigt, ebenso von Langerhans!) für die Petromyzonten und von W. Müller?) für Repräsentanten fast aller Wirbelthiere (Lachs, Forelle, Triton, Huhn, Kaninchen). Sehr eingehend hat Kölliker?) sich schliesslich mit dem in Rede stehenden Process beim Huhn und Kaninchen beschäftigt und sich vollständig Kessler und den andern genannten Autoren angeschlossen. Demnach können wir wohl sagen, dass dieser Punkt vollständig bekannt ist. Bei den Knochenfischen bleibt die Chorioidea und die Iris auf ihrer em- bryonalen Entwiekelungsstufe stehen, bei den höher entwiekelten Wirbelthieren dagegen entsteht durch Faltenbildung eine höhere Differenzirung, welche zu der Bildung eines Corpus eiliare Re- tinae führt. [5] 3. Die Bildung der Augenblasenspalte, des Glas- körpers, des Processus faleiformis und der Campanula Halleri. Wie schon erwähnt, fängt mit der Linsenbildung gleichzeitig auch die Einstülpung der distalen (vorderen) Wand der primären Augenblase an und führt so zu der Entwickelung der secundären Augenblase. Anfänglich liegt die Linse der eingestülpten Wand der Augenblase fast unmittelbar an, sodass man dann noch nicht von einem Glaskörperraum reden kann. Sobald sich jedoch die Linse abgeschnürt hat, ändert sich dieser Zustand. Deutlichkeits- halber will ich hier noch eben in Erinnerung bringen, dass der Augenblasenstiel in diesem Stadium der Entwiekelung mit seiner ventralen Fläche der Grundschicht des Ektoderms (des Hornblattes) noch unmittelbar anliegt. Mit der Bildung der Augenmuskeln ändert sich dieser Zustand, indem der M. rectus internus zwischen (den Augenblasenstiel und das Hornblatt sich einschiebt und so den Augenblasenstiel in die Höhe drängt. Es existirt also der- Jenige Theil der seeundären Augenblase auch in der Anlage noch gar nicht, der innen und unten um den Linsenrand liegt. Mit der Hebung des Augenblasenstieles wächst er jetzt erst empor, aber l) Langerhans, Untersuchungen über Petromyzon Planeri. Frei- burg 1875 3) Kölliker, I. c. Zur Ontogenie der Knochenfische. 75 nicht ununterbrochen, sondern mit Zurücklassung einer Spalte — die Augenblasenspalte. — Dieselbe hält in ihrem Wachsthum glei- chen Sehritt mit der Bildung des ganzen ventralen Theiles der secundären Augenblase. Durch die in Rede stehende Spalte tritt alsbald eine Gefässschlinge in den zwischen der hinteren Wand der Linse und der vorderen Wand der secundären Augenblase sich allmählich bildenden Raum, sie stellt uns die erste Anlage des Glaskörpers dar. Diese Gefässschlinge theilt sieh bei dem Salmen und der Forelle in einen Zweig, der oberhalb der Augenblasenspalte nach dem ventralen Linsenrand hinzieht und in einen anderen, welcher an der Innenfläche der medialen Augenblasenwand dorsal- wärts verläuft. Die in Rede stehende Gefässschlinge liegt am meisten medialwärts, lateralwärts von derselben treten spindel- förmige Mesodermzellen durch die Augenblasenspalte in den Glas- körperraum hinein. Gefässsprosse, Blutkörperchen und sternförmige Bindegewebszellen, nebst einer gerinnenden, wohl eiweissartigen Flüssigkeit werden demnach bald in kleinerer, bald in grösserer Menge in dem Glaskörperraum angetroffen. Kessler (l. ec.) be- schreibt beim Hecht wohl das Vorkommen einer Gefässschlinge, welche sich in ähnlicher Weise, wie bei dem Salmen und der Forelle verhält, fand aber in dem Glaskörper keine Spur von Zellen, sondern nur Flüssigkeitsgerinnsel. Serien von senkrechten Längsschnitten eignen sich am meisten, um die Verhältnisse der Augenblasenwand in der Umgebung der Augenblasenspalte kennen zu lernen. Taf. IV, Fig. 18, 19, 20 sind drei Längsschnitte durch die Augenblasenspalte in verschiedenen Stadien der Entwickelung. Fig. 18 ist das jüngste Stadium, die Zellen der proximalen Augen- blasenwand sind dann noch nicht einmal pigmentirt. Zwischen den beiden Wänden der secundären Augenblase liegt noch ein ziemlich grosser Zwischenraum, durch die Augenblasenspalte tritt die Gefäss- schlinge in den Glaskörperraum ein. Fig. 19 ist einem älteren Embryo entnommen, die Pigmentbildung in der secundären Augenblasen- wand ist nicht allein deutlich vorhanden, sondern man sieht wie die Pigmentirung tief nach innen, bis zu der Stelle wo die proximale Wand der secundären Augenblase in die distale umbiegt, sich fort- setzt. Fig. 20 endlich ist ein Schnitt durch einen noch älteren Embryo. Aus einem Theil der Mesodermzellen, welehe dureh die Augenblasenspalte in den Glaskörperraum eingedrungen sind, hat sich der Processus faleiformis nebst der Campanula Halleri an- 76 C. K. Hoffmann: gelegt. Ueber diese merkwürdige Bildung im ausgebildeten Zu- stande verdanken wir Leydig!) und besonders Leuckart?) ge- nauere Angaben. Bekanntlich setzt sich die Campanula an die Linsenkapsel fest. Aus welchem Nerven das Stämmehen entspringt, das in den Sichelfortsatz zu der Campanula verläuft, habe ich trotz wiederholter Untersuchungen niemals mit Bestimmtheit feststellen können. Das Pigment, welches den Processus faleiformis, beson- ders die Campanulafasern umgiebt, dringt ebenfalls durch die Augenblasenspalte nach innen. Bei den Knochenfischen scheint die in Rede stehende Spalte sehr lange in ihrer ganzen Ausdehnung offen zu bleiben, und erst ganz spät schliesst sich der gegen die Linse hin gerichtete Theil derselben. Die Campanula setzt sich bekanntlich bei den Fischen an die Linsenkapsel an und wird für die Accomodation von sehr grosser Bedeutung sein, indem, wie wir gesehen haben, ein M. tensor chorioidea noch nicht zur Entwickelung gekommen ist. Die Fischretina gehört zu den „anangischen“ Netzhäuten, sie enthält weder im embryonalen, noch im ausgebildeten Zustande je Gefässe und sie wird ernährt durch die Vasa hyaloidea, welche, wie wir gesehen haben, unmittelbar mit der Bildung der Augen- blasenspalte in den Glaskörperraum hineintreten. Salme und Fo- rellen machen von dieser allgemeinen Regel keine Ausnahme. Nach W. Krause?) enthält aber die Retina des Aales ein Gefässnetz. Bei alten Thieren konnte Denissenko*) jedoch kein einziges Gefäss auffinden. Dagegen fand er bei jungen Karpfen sehr zahl- reiche Gefässe, bei erwachsenen Karpfen aber die meisten wieder obliterirt. Die Entwickelung des Processus falciformis ist bei den Knochenfischen von Schenk’) schon theilweise ganz genau und gut beschrieben, nämlich hat er schon ganz richtig erkannt, dass der Sichelfortsatz aus Elementen des mittleren Keimblattes sich 1) F. Leydig, Beiträge zur mikrosk. Anatomie und Entwickelungs- geschichte der Rochen und Haie. 1852. 2) R. Leuckart, Organologie des Auges; in: Handb. der gesammt. Augenheilkunde 2. Bd. 2. Th. 1876. 3) W. Krause, Die Membrana fenestrata der Retina. 1868. 4) G. Denissenko, Mittheilungen über die Gefässe der Netzhaut der Fische; in: Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. XVIII. 1880. p. 480. 5) Schenk, ]. c. I u | Zur ÖOntogenie der Knochenfische. entwickelt, welehe dureh die Augenblasenspalte in den Glaskörper treten. Bergmeister!) erkannte dieselbe Entwiekelungsweise des Sichelfortsatzes bei den Knochenfischen, welehe nachher von Bal- four?) vollkommen bestätigt wurde. 4. Die Chorioidealdrüse. Neben der Eintrittsstelle des Sehnerven liegt bei den Knochen- fischen in der Chorioidea zwischen Argentea und Pigmentschicht die Chorioidealdrüse, ein sowohl ontogenetisch als histologisch überaus schwierig zu: enträthselndes Organ. Dieselbe ist uns nach Bau und Beziehungen besonders durch die treffliehen Untersuchungen Joh. Müller’s°) bekannt geworden, wenn auch schon frühere Ana- tomen, besonders Albers®) und Erdl°’) darin ein Wundernetz erkannt hatten. Das Auftreten dieser Drüse ist bei den Knochenfischen an die Existenz der sogenannten Nebenkieme gebunden. Es sei hier im Vorbeigehen bemerkt, dass es dringend nöthig ist, die Begriffe „Nebenkieme* und „Pseudobranchie* scharf auseinander zu halten. Wie schon Gegenbaur‘) in scharfer Weise betont hat, ist die sogenannte Pseudobranchie der Teleostier eine andere als die der Selachier, mit der sie meist wegen der übereinstimmenden An- ordnung der Blutgefässe zusammengeworfen wird, sie ist die Kieme des Zungenbeinbogens, die Opereularkieme. Ich werde dieselbe als „Nebenkieme“ bezeichnen. Unter „Pseudobranchie“ dagegen verstehe ich die bei zahlreichen Knorpelfischen vorkommende Spritzloehkieme, die bekanntlich zu dem ersten Kiemenbogen, dem Mandibularbogen, gehört und also auch als Mandibularkieme be- zeichnet werden kann. Den Knochenfischen fehlt die Pseudo- 1) Bergmeister, Beitrag zur vergl. Embryologie des Coloboms; in: Wiener Sitzb. Bd. LXXI. 1875. 3. Abth. p. 343. 2) Balfour, Elasmobranch fishes. 3) Joh. Müller, Vergl. Anatomie der Myxinoiden (dritte Forts.); in: Abh. Berl. Akad. 1839 (1848). 4) Albers, Gött. gelehr. Anz. 1806. p. 681. 5) Erdl, Disq. de piscium glandula chorioid. Diss. inaug. Monachii 1839. 6) ©. Gegenbaur, Grundzüge der vergl. Anatomie, 2. Aufl. 1870. 1 io ») C. K. Hoffmann: branchie, bei ihnen bildet sich die Spritzlochkieme in die Chorioi- dealdrüse um. Sonderbarer Weise ist das Auftreten dieser Chorioidealdrüse bei den Knochenfischen an die Existenz der Nebenkieme gebun- den. In seiner eben erwähnten Abhandlung sagt Joh. Müller) von derselben: „Der wichtigste Punkt in der Organisation der Nebenkiemen ist ihr Verhältniss zum Auge. welches so constant zu sein scheint, dass diese Nebenkiemen zwar nicht zum Athmen, aber zum Sehen der Fische im engsten Verhältniss stehen. Nicht alle Theile des Auges erhalten nämlich bei den Fischen mit Neben- kiemen ihr Blut aus dem Arteriensystem des Cireulus cephalieus. Dahin gehören nur die Iris, Selerotica, die Sehnerven mit den von ihnen abhängigen Theilen und die Augenmuskeln, deren Arterien vom Arteriensystem gefüllt werden. Alles Blut hingegen, welches der glandula chorioidalis und der von ihr abhängigen chorioidea zugeführt wird, kommt nicht aus dem Arteriensystem zunächst, sondern durch die Arteria ophthalmiea magna von der Nebenkieme, deren Vene sich in der Art einer Pfortader in eine Arterie ver- wandelt und bei den Knochenfischen keinen Theil mit Blut ver- sieht als die Glandula chorioidalis des Auges, aus welcher das 3lut durch eine ebenso grosse Vene — die Vena ophthalmica magna — in die obere Jugularvene geführt wird. Aus den Untersuchungen von Joh. Müller wissen wir ferner, dass die Chorioidealdrüse ein Zwillings-Wundernetz ist; sie besitzt nicht bloss die Vertheilung der Arterien in zahllose büschelförmige Gefässe und die Sammlung derselben in neue arteriöse Stämme, die Arterien der Chorioidea, sondern besitzt ausser dem arteriösen einen venösen Theil, in welchem die Vertheilung und Sammlung sich wiederholt. Ausser den zahllosen dünnen Blutgefässröhrchen, die in ver- tikaler Richtung dicht neben einander hinlaufen und zu einer zu- sammenhängenden Masse unter sich veremigt sind, besteht die Chorioidealdrüse aus einer spärlich vorhandenen Grundsubstanz. Vergebens habe ich versucht. diese Grundsubstanz in befriedigen- der Weise zu isoliren. Alle gebräuchlichen Macerationsmittel, wie Müller'sche Flüssigkeit, sehr verdünnte Lösungen von Chromsäure und ehromsaurem Kali, Ranvier’scher Aleohol, Osmiumsäure u. A. 1) Joh. Müller, 1. e. p. 222. Zur ÖOntogenie der Knochenfische. , 79 haben mich im Stiche gelassen. Nur so viel kann ich angeben, dass spindelförmige oder mehr weniger sternförmige Zellen in nicht unbeträchtlicher Zahl zwischen den Gefässbüscheln zerstreut liegen. Eine genauere Kenntniss über die Structur der Chorioideal- drüse und nicht weniger der so zahlreiche Modificationen zeigenden Nebenkieme scheint mir sehr wünschenswerth. Versuchen wir jetzt die Entwiekelungsgeschichte der Chorioi- dealdrüse zu erklären. In einer früheren Abhandlung !) habe ich schon nachgewiesen, dass auch den Knochenfischen eine Spritzloch- kieme zukommt. Während bei den Knorpelfischen die Spritzloch- kieme anfangs sich vollständig ähnlich wie die übrigen verhält, bildet sie sich erst nachher, nach Obliteration ihres ventralen Theiles in das Spritzloeh um. Bei den Knochenfischen dagegen scheint die erste Kieme niemals an der ventralen Seite nach aussen durehzubrechen, denn ich habe bis jetzt nie eine ventrale Durch- bruchstelle der ersten Kieme gefunden, wenigstens nicht bei dem Lachs und der Forelle. Schon bei ihrer Anlage steigt sie unmit- telbar nach oben, um bald an der dorsalen Seite, zwischen der Anlage des N. trigeminus und faeialis nach aussen durehzubrechen. Der bei den Knorpelfischen noch auftretende Durchbruch der ersten Kieme an der ventralen Seite wird also bei den Knochenfischen ontogenetisch nicht mehr zur Entwickelung gebracht. Die dorsale Ausmündung der in Rede stehenden Kieme verschwindet bei den Knochenfischen bald wieder, was mit dem allmählichen Wachsthum der Ohrblase zusammenfällt, dagegen lässt sich ihr in den primi- tiven Darm ausmündender Theil noch längere Zeit hindureh sehr gut wahrnehmen, indem ihre Lage unten zwischen dem Ganglion des Nervus trigeminus und dem des Ramus ventralis nervi facialis uns einen ausgezeichneten Orientirungspunkt anbietet. Ist dann später auch der Musculus recetus externus zur Entwickelung ge- kommen, dann bietet uns dieser einen dritten Orientirungspunkt, indem er unmittelbar vor und oberhalb des restirenden Theiles der ersten d. h. Spritzloehkieme gelegen ist. Ferner bietet ihre Lage in Beziehung zu der Vena jugularis einen weiteren Vergleichungs- punkt. Auf Taf. VI, Fig. 11 gebe ich einen Längsschnitt durch einen 1) C. K. Hoffmann, Zur Ontogenie der Knochenfische. 2. Forts. Verh. Akad. van Wetenschappen. Amsterdam 1882, 80 C. K. Hoffmann: Embryo des Salmen aus einem Entwickelungsstadium, in welchem die distale Wand der seeundären Augenblase noch keine Spur von Pigment enthält. Die Spritzlochkieme ist gleich erkennbar, sowohl ihrer Lage nach, als was ihren Bau angeht (sp.k). Ihre Wand besteht noch aus demselben ceylindrischen Epithelium, wie die Wände des primitiven Darmes. Verfolgt man die zu dieser Schnitt- serie gehörenden Schnitte noch etwas medialwärts, so überzeugt man sich leicht, dass die Spritzlochkieme unmittelbar in den Kopf- darm ausmündet. Verfolgt man sie lateralwärts, so sieht man, dass sie in dieser Periode der Entwickelung an der Rückenseite vor der Ohrblase noch frei nach aussen mündet. Sie enthält in diesem Stadium auch noch deutlich eine Höhle. Hat man sich nun einmal über die Lage der Spritzlochkieme orientirt, so ist es nicht schwierig, dieselbe auch dann wieder zu finden, wenn sie ihre allmählichen Veränderungen eingeht. Zuerst bemerkt man nämlich, wie die eben erwähnte Höhle allmählich zu obliteriren anfängt, die Spritzlochkieme ist aber dann noch an ihrem eigen- thiimlichen Cylinderepithelium histologisch erkennbar, welches dem der übrigen Kiemen noch durchaus ähnlich ist; ausserdem aber auch dadurch, dass sie mit dem Kopfdarm in diesem Stadium ebenfalls noch in unmittelbarer Verbindung steht. Später schnürt sie sich vollständig von dem Kopfdarm ab und fängt dann all- mählich an sich in einen Haufen mehr weniger ovaler oder spindel- förmiger Zellen umzubilden. An lückenlosen Schnittserien, beson- ders an Längsschnitten lassen sich diese Veränderungen am besten Stufe für Stufe verfolgen. Noch bevor sich die Spritzlochkieme vom Kopfdarm abgeschnürt hat, fängt die Bildung des grossen Lymphraumes an, in welchem bekanntlich das Auge der Knochen- fische liegt. Gleichzeitig fangen auch in den wahren Kiemen die Kiemenblättehen an sich allmählich zu entwiekeln, und auch die Nebenkieme zeigt anfangs noch sehr den Bau der wahren respira- torischen Kiemen; ich komme darauf später zurück. Alsbald be- merkt man, wie aus der Nebenkieme ein Gefäss — die Arteria ophthalmiea magna — zu der in einen Haufen runder und spindel- förmiger Zellen umgebildeten Spritzlochkieme sich begiebt und von dort nach der inzwischen vollkommen ausgebildeten Chorioidea geht, deren Zellen dann schon eine deutliche Pigmentirung zeigen. Während ihres Verlaufes von der so umgebildeten Spritzlochkieme nach der Chorioidea, wird die Arteria ophthalmiea magna von zahl- Zur Ontogenie der Knochenfische. 81 reichen spindelförmigen Zellen umgeben, welche alle wohl kaum anders als von der in den Haufen spindelförmiger Zellen umge- bildeten Spritzlochkieme abstammen können; gleichzeitig bemerkt man, wie durch den grossen Lymphraum zahlreiche dieser Zellen nach der Chorioidea sich begeben und dort von Gefässsprossen der Art. ophthalmieca magna umsponnen werden; dieselben bilden die erste Anlage der Chorioidealdrüse (vergl. hierzu Taf. VI, Fig. 12). Mit der Grössenzunahme dieser in Rede stehenden Drüse ver- schwindet allmählich der Haufen spindelförmiger Zellen, in wel- chem sich die Spritzlochkieme umgebildet hat und welche durch die angegebenen Orientirungspunkte immer noch leicht wieder- zufinden ist. Hat sich die Chorioidealdrüse vollständig ausgebildet, dann finde ich an zahlreichen darauf untersuchten Längsschnitt- serien keine Spur mehr von einer Spritzlochkieme und hiermit ist, wie ich glaube, der Beweis geliefert, dass die Spritzlochkieme sich in die Chorioidealdrüse umgebildet hat, indem sie sieh erst in einen Haufen spindelförmiger Zellen umwandelt, welche, dem Verlauf der Arteria ophthalmiea magna folgend, von ihrer ursprünglichen Stelle nach der Chorioidea aufrücken, um dort die Grundsubstanz dieser Drüse zu bilden. In seiner Treatise of Comperative Embryologie sagt Bal- four!) über die in Rede stehende Drüse „A thorough investiga- tion of the ontogeny of the choroid gland might throw further lisht on this interesting question, but I think it is not impossible that the choroid gland may be nothing else but the modified man- dibular pseudobranch, a view whith fits in very well with the re- lations of the vessels of the Elasmobranch mandibular pseudo- branch to the choroid“. Ich glaube die oben mitgetheilten Unter- suchungen bestätigen seine Ansicht vollkommen. Leider war ich nur im Stande die Entwickelung der Chorioi- dealdrüse bei dem Salmen und der Forelle zu untersuchen, es wäre jetzt sehr interessant dieselbe auch bei anderen Knochen- fischen zu untersuchen, denn es ist durchaus nicht unwahrschein- lich, dass die bei Salmen und Forellen ziemlich schwer zu ent- räthselnden Umbildungen der Spritzlochkieme in die Chorioideal- drüse bei anderen, besonders bei niedriger (phylogenetisch älter) entwickelten, in viel klarerer Weise sich abspielen; ich brauche 1) Balfour, p. 268. Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 22, 6 82 ©. K. Hoffmann: hier einfach an die Resultate zu erinnern, welche die vergleichende Untersuehung über die Bildung des Canalis neurenterieus bei Vogelembryonen ergeben hat. 5. Die Linse. Schon in einem sehr frühen Stadium der Entwickelung. wenn die Augenblasenstiele noch nicht einmal bis zu der ventralen Fläche des Gehirns heruntergerückt sind und die Bildung eines Lumens in dem Centralnervensystem und in den Augenblasen noch nicht lange angefangen hat, tritt schon die Anlage der Linse auf. Die- selbe bildet anfangs eine ziemlich breite, jedoch wenig hohe, so- lide Verdiekung der Grundschicht, an welcher sich die Deeksehicht durchaus nicht betheiligt (vergl. Taf. IV, Fig. 21) und die der lateralen (distalen) Wand der Augenblase unmittelbar anliegt. Aus dieser soliden Proliferation entwickelt sich nun alsbald die Linse in der Art weiter, dass sie sich in einen blinddarmför- migen Sack, die Linsengrube, umbildet, und indem nun, wie wir gesehen haben, .die Deckschicht keinen Antheil an der Linsenbil- dung nimmt, mündet demnach auch die bei den Knochenfischen längliche aber schmale Grube nicht frei nach aussen, sondern wird von der Deckschicht geschlossen (vergl. Taf. VI, Fig. S), Hand in Hand mit der starken Ausbildung der Linsengrube, stülpt sich auch die distale Augenblasenwand tiefer nach innen, letzteres be- ruht höchst wahrscheinlich wohl auf einer eigenen Wachsthums- richtung der Zellen der distalen Augenblasenwand und lässt sich schwerlich auf mechanische Ursachen zurückführen, denn: 1) ist kein plausibler Grund anzuführen, durch welche Ursachen die schwache Wand der Linsengrube die viel stärkere Wand der di- stalen Augenblase vor sich ausstülpen kann; 2) findet man als- bald zwischen der hinteren Wand der Linsengrube und der vor- deren Seite der distalen Augenblasenwand einen kleinen, dennoch sehr deutlichen Zwischenraum ; 3) kommt nach Wilhelm Müller’s Mittheilungen (l. e.) bei Myxine keine Linse vor, obgleich doch die distale Augenblase eingestülpt ist. Die Ränder der Linsengrube wachsen allmählich einander zu und so wird schliesslich die Linse vollständig von der Deckschicht abgeschnürt, sie bildet dann eine runde diekwandige Blase mit einer excentrisch gelegenen Höhlung. In der weiteren Entwickelung Zur Ontogenie der Knochenfische. 83 der Linse schliessen sich dann die Knochenfische durchaus den übrigen Wirbelthieren an. Auch bei ihnen bemerkt man, dass die Produetion und das Wachsthum in ihrer Wand sich vorzugsweise auf den am stärksten und weitesten medianwärts eingezogenen medialen (proximalen) Theil der Linsenanlage concentrirt;, nicht nur schichten hier die Zellen dicht zusammengedrängt sich in mehrere Lagen übereinander, sondern es beginnt auch gleichzeitig eine Volumszunahme der einzelnen Zellen, indem dieselben mehr spindelförmig werden. Die distale Wandhälfte der eben abge- schnürten Linsenblase besteht, wie die proximale, anfangs aus mehreren Zellenlagen, welche sich gleichfalls wie in der proximalen allmählich in eine einzige Schicht rangiren; während aber jene sich dabei verlängerten, verkürzen diese sich während dieser Umord- nung und platten sich ab, so dass schliesslich, wenn dieser Pro- cess, der bedeutend langsamer als in der proximalen Wand ver- läuft, beendigt ist, die distale Wand das Aussehen eines niedrigen einschichtigen Epithels angenommen hat (vergl. hierzu Taf. VI, Fig. 9 und 10). Schon sehr frühzeitig kommt es zu der Bildung der Linsen- kapsel, welche keine weiteren histologischen Elemente aufweist. Indem primäre Augenblase und Hornblatt in derjenigen Aus- dehnung, in welcher beide später eingestülpt werden, nieht dureh eine Bindegewebsplatte von einander getrennt sind, sondern ein- ander vielmehr so dicht und unmittelbar anliegen, dass die ein- ander zugekehrten Begrenzungseontouren meist auf grosse Strecken in eins zusammenfliessen, ist die Bildung der Linsenkapsel einzig und allein auf ein Ausscheidungsproduet der die Linse constitui- renden Zellen zurückzuführen, denn Mesodermgewebe fehlt an- fangs zwischen Hornblatt und Linse einerseits, und distaler Augen- blasenwand und Linse andererseits vollständig, und noch bevor durch die Augenblasenspalte Zellen des mittleren Keimblattes in den Glaskörperraum hineingedrungen sind, lässt sich die Linsen- kapsel deutlich nachweisen. Die meisten Beobachter stimmen also miteinander darin überein, dass bei Knorpel- und Knochen- fischen, Amphibien, Reptilien und Vögeln zwischen Linse und pri- märer Augenblase keine Lage des mittleren Keimblattes sich findet, dagegen scheint bei den Säugethieren immer sehon vor der Bildung der Linsenanlage eine dünne Schicht Mesoderm vor der primitiven Augenblase zu liegen, welehe die Grundlage für die 34 ©. K. Hoffmann: Tunieca vasculosa lentis bildet. (Vergl. Kölliker’s Entwickelungs- geschichte des Menschen und der höheren Thiere S. 631-666.) Ueber die Entwiekelungsgeschichte der Krystalllinse bei den Knochenfischen verdanken wir Schenk eine vortreffliche Mit- theilung !); er erkannte schon vollständig richtig, dass an ihrer Bildung sich die Decekschicht durchaus nicht betheiligt, sondern dass dieselbe einzig und allein durch die Grundschicht geliefert wird, eine Angabe, welche auch später von Oellacher?) bestätigt wurde. Ueber die Art des Wachsthums der Linse von Frosch- und Tritonenlarven vergleiche man die ausgezeichnete Arbeit Henle’s °). Meine Untersuchungen über die Entwickelung der Augen- müskeln und Augenmuskelnerven sind noch zu lückenhaft, um die- selben jetzt schon zu veröffentlichen. Ich berühre diesen Punkt dann auch einfach darum, um einen Lapsus calami zu corrigiren. In der zweiten durch die Akademie der Wissenschaften in Amster- dam publieirten Abhandlung (p. 52) steht: „der letzte Autor, den ich zu erwähnen habe, ist van Wyhe, der nicht allein auf's Neue die Angaben von Balfour und Marshall bestätigt hat, dass die Nn. o eulomotorius, trigeminus ete.... aus der oberen Fläche des Gehirns herauswachsen, sondern dem wir auch die höchst wichtige Mittheilung verdanken, dass die Nn. abducens und trochlearis sich cbenso wie die ventralen Wurzeln der Spinalnerven verhalten ete.“ Dies muss natürlich heissen: dass die Nn. trigeminus ete. ..... aus der oberen Fläche des Gehirns herauswachsen etc... .. dass die Nn. oeulomotorius, abducens und trochlearis sich ebenso wie die ventralen Wurzeln der Spinalnerven verhalten; indem be- kanntlich van Wyhe nachgewiesen hat, dass der N. oculomotorius eine rein ventrale Wurzel darstellt. 1) Schenk, Zur Entwickelungsgeschichte des Auges der Fische; in: Wiener Sitzungsb. Bd. 55. Jahrg. 1867. 2. Abth. p., 480. 2) Oellacher, Beiträge zur Entwickelungsgeschichte der Knochen- fische; in: Zeitschrift f. wiss. Zoologie Bd. XXIII. 1873. 3) J. Henle, Zur Entwickelungsgeschichte der Krystallinse; in: Archiv f. miskrosk. Anatomie Bd. XX. 1882. p. 413. or Zur Ontogenie der Knochenfische. 8 B. Die Entwickelung des Gehürorganes. Ueber die Bildungsgeschichte des Gehörorganes kann ich nur sehr wenig mittheilen. In einer früheren Abhandlung habe ich schon angegeben, dass das Gehörbläschen durch eine Einstülpung der vorher etwas verdickten Grundschicht entsteht, über welche hin die Deeksehieht eontinuirlich sich fortsetzt; dasselbe wird von dem N. acusticus polsterartig umfasst und schnürt sich erst später vollständig ab. Ist dies Stadium erreicht, dann bildet dasselbe eine kleine, ringsgeschlossene Blase, mit verhältnissmässig dicken Wänden und engem Lumen. Ersteres wird dadurch hervorgerufen, dass die Zellen, welehe ihre Wand bilden, fast überall zwei, hier und dort selbst dreischichtig sind. Dieser Zustand dauert aber nur sehr kurze Zeit, denn alsbald bemerkt man, dass die dorsale, sowie der obere Theil der lateralen und medialen Wand ein- schiehtig werden, während dagegen die ventrale Wand und der untere Theil der lateralen und medialen Wand zweischichtig blei- ben. Unter letztgenannten Partien liegt der Acusticus, immer noch polsterartig die Basis des Gehörbläschens umfassend; gleichzeitig bemerkt man, dass das Lumen ziemlich schnell in Grösse zunimmt. Schon in dem Stadium der Entwickelung, in welchem die Bildung des Retinapigmentes sich noch nicht eingeleitet hat, beginnt die Anlage der Canales semicirculares, dieselben entstehen als Aus- stülpungen des primitiven Gehörbläschens, und sind leicht dadurch zu erkennen, dass an den Stellen, wo die bogenförmigen Canäle sich anlegen werden, die Epithelzellen der primitiven Ohrblasen- wand eine hohe, eylinderförmige Gestalt annehmen. Taf. IV, Fig. 22 stellt einen Querschnitt vor durch einen Em- bryo des Salmen aus einem etwas spätern Stadium der Entwickelung. Der Acusticus ist schon nach der Basis des Gehirns gerückt; fa- serig aus dem Hirn entspringend, schwillt er unter der Basis der Gehörblase zu einem mächtigen Ganglion an. Die hohen Cylinder- zellen bei a weisen die Stelle an, wo alsbald die Canales semieireulares sich anlegen werden. Um aber die Entwickelung derselben gut zu verstehen, wird es, wie mir scheint, nöthig sein, aus Schnittserien der verschiedensten Entwickelungsstadien, Modelle anzufertigen, indem man allein so eine genauere Einsicht in die Entstehungsweise dieser ‚Canäle werfen kann. Die Gelegen- heit fehlte mir indessen für eine solche mühsame und zeitraubende 86 C. K. Hoffmann: Arbeit. Ich kann dann auch allein dies angeben, dass unmittel- bar nachdem die in Rede stehenden Canäle zur Ausbildung ge- konımen sind, die Nervenendstellen gleich nachweisbar sind. So- wohl hier, wie an den Theilen des Gehörsäckchens, welche den spätern Utriculus und Saceulus entsprechen, sind dieselben dadurch leicht erkennbar, dass nämlich das „Epithel“ an diesen Stellen aus schmalen, hohen, geschichteten Cylinderzellen besteht, während es überall anders ein so niedriges, einschichtiges Cylinderepithelium bildet, dass man es wohl mit dem Namen eines „Pflasterepithels“ bezeichnen kann. Später sind die Nervenendstellen noch leichter erkennbar, indem unter jeder derselben das Nervenstratum sehr reich an Ganglienzellen ist. Nur einen Punkt will ich hier noch hervorheben, nämlich die Bildung des perilymphatischen Lymphraumes, der erst in einem sehr späten Stadium der Entwickelung zur Ausbildung kommt. Wenn die halbeirkelförmigen Canäle und die verschiedenen Nerven- endstellen schon vollständig sich entwickelt haben, liegen die ver- schiedenen Theile des membranösen Gehörorganes alle fast noch unmittelbar den inzwischen knorpelig gewordenen Wänden der Schädelkapsel an, ein perilymphatischer Raum existirt noch gar nicht. Erst bei ausgeschlüpften Salmen- und Forellen-Embryonen bemerkt man, dass allmählich ein Raum zwischen dem membranösen Gehörorgan und der Knorpelwand sich zu bilden anfängt. In diesemRaume begegnet man vereinzelten stern- und spindelförmigen Zellen, welche von dem membranösen Gehörorgan nach der knor- peligen Schädelwand ausgespannt sind. Die Bildung dieses peri- Iymphatischen Raumes ist wohl — wie mir scheint — nur auf eine eigene Wachsthumsrichtung des Schädelknorpels zurückzu- führen, denn von einer mechanischen Ursache kann hier wohl schwerlich die Rede sein. C. Die Bildung des Geruchsorgans. Die erste Bildung des Nasengrübchens, sowie des N. olfac- torius habe ich ebenfalls schon in einer früheren Abhandlung er- wähnt (Zur Ontogenie der Knochenfische 2. Abth. p. 48, 1882). Ich habe dort schon mitgetheilt, dass an der Anlage des Nasengrübchens sich auch wieder nur die Grundschicht der Epi- dermis betheiligt. Während dasselbe sehr bald nach allen Rich- Zur Ontogenie der Knochenfische. 87 tungen in Grösse zunimmt und somit auf Querschnitten und Längs- schnitten immer deutlicher sich nachweisen lässt, verliere ieh da- gegen den N. olfactorius wieder aus dem Auge. Vermuthlich ist dies dem zuzuschreiben, dass N. olfactorius bei seinem Herab- rücken nach der Schädelbasis, schon sehr frühzeitig faserig wird, und indem in solchen frühen Stadien der Entwickelung die Wände des Gehirns durch eine ziemlich dünne Schicht dicht auf einander sedrängter Mesodermzellen von der Geruchsgrube getrennt werden, schreibe ich es dem zu, dass die feinen Fasern des dann noch schwachen Olfaetoriusstammes auf ihrem Verlauf von dem Gehirn nach der Nasengrube so äusserst schwierig zu verfolgen sind. Denn sobald die Entwickelung etwas weiter fortgeschritten ist, ge- lingt es wieder leichter den N. olfactorius aufzufinden, obgleich immer doch die feinsten Schnitte nöthig sind. Auf Taf. IV, Fig. 23 gebe ich einen Querschnitt durch die Nasengrube eines Salmen- embryo aus einem Stadium der Entwickelung, in welchem die Pigmentbildung in der proximalen Augenblasenwand eben ange- fangen hat, die Hypophyse in der Anlage begriffen, die Mund- öffnung jedoch noch nicht durchgebrochen ist. Auch in diesem schon ziemlich weit vorgerückten Stadium der Entwickelung über- zeugt man sich leicht, dass das ganze Nasengrübchen eine rein ektodermale Bildung ist; der vollständig faserige Olfactoriusstamm lässt sich in diesem Stamm mit vollkommener Sicherheit von seinem Abgang aus dem Gehirn bis zur innigen Vereinigung mit der unte- ren und hinteren Wand der Geruchsgrube verfolgen und, je spätere Stadien man untersucht, um so leichter gelingt dies. Das anfänglich sehr untiefe Nasengrübehen stülpt sich all- mählich mehr und mehr ein; zugleich bemerkt man, dass die Zellen, welche seine Wand bilden, eine höhere Differenzirung einschlagen, indem nämlich die nach der Peripherie gelegenen Zellen eine eylindrische Gestalt annehmen und so in das eigentliche Riech- epithelium sich umzubilden anfangen, während die tiefer (mehr centralwärts) gelegenen Zellen durch ihre rundliche Form sich aus- zeichnen. Auf Taf. IV, Fig. 13 gebe ich einen Längsschnitt durch die Nasengrube eines Salmen-Embryo, dessen Nahrungsdotter zum grössten Theil schon resorbirt war; die Ränder der Grube nähern sich einander in der Mittellinie mehr und mehr, um schliesslich an dieser Stelle zuerst mit einander vollkommen zu verwachsen, die Flimmerhärchen sind ebenfalls schon zur Ausbildung gekommen. 85 G. K. Hoffmann: Bei Salmen- und Forellen-Embryonen mit vollkommen resorbirtem Nahrungsdotter hat dann die Geruchsgrube ihre definitive Gestalt schon angenommen, sie zeigt aber dann durchaus noch keine Faltenbildung. Obgleich ich die Entwickelung der Geruchsgrube an hunderten von Schnitten, sowohl von Längs- als Querschnittserien untersucht habe, bin ich niemals im Stande gewesen etwas zu finden, was zu Gunsten der von Dohrn!) zuerst vertretenen, von Milnes Mar- shall?) gestützten Ansicht anzuführen wäre, dass die Nasengruben als modifieirte Kiemenspalten zu betrachten seien. Im Gegentheil, denn von dem ersten Moment ab, in welchem ich die Bildung der Geruchsgrübehen eintreten sah, bis zu dem Stadium, in welchem dasselbe seine definitive Form angenommen hat, zeigt es sich als eine reine Ektodermentwickelung, als eine Proliferation der Grund- schicht der Epidermis und verhält sich demnach in seiner Ent- wickelung der des Gehörorganes und des Seitenorganes vollkommen ähnlich. D. Die Entwickelung der Kopf- und Seitencanäle. Leydig?®), Fr. E. Schulze*),.- Merkel°), Eisig®), Sol- ser?) und Bodenstein®) verdanken wir unsere Kenntniss über 1) A. Dohrn, Der Ursprung der Wirbelthiere und das Princip des Functionswechsels. 1875. 2) A. Milnes Marshall, The Morphology of the Vertebrate Olfactory Organ; in: Quart. Journ. mierosc. Science T. XIX. p. 300. 1879. 3) Fr. Leydig, Ueber die Schleimkanäle der Knochenfische; in: Müller’s Archiv. 1850. p. 171. — Derselbe, Ueber Organe eines sechsten Sinnes; in: Nova Act. Leop. Carol. XXXIV. 4) Fr.E. Schulze, Ueber die Sinnesorgane der Seitenlinie bei Fischen und Amphibien ; in: Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. VI, p. 62. 1870. 5) Merkel, Ueber die Endigungen der sensiblen Nerven in der Haut der Wirbelthiere. Rostock 1880. 6) H. Eisig, Die Seitenorgane und die becherförmigen Organe der Capitelliden; in: Mitth. zool. Stat. zu Neapel Bd. I, p. 278. 1879. Die letzte Arbeit von Leydig: „Neue Beiträge zur anat. Kenntniss der Hautdecke und Hautsinnesorgane der Fische“, stand mir nicht zur Ver- fügung. 7) Solger, Neue Untersuchungen zur Anatomie der Seitenorgane der Fische; in: Archiv f. mikrosk. Anatomie Bd. XVIII, p. 384. 8) E. Bodenstein, Der Seitenkanal von Cottus Gobio; in: Zeitschrift f. wiss. Zoologie Bd. XXVIL, p. 121. 1882. Zur Ontogenie der Knochenfische. 89 den Bau der Kopf- und Seitencanäle bei den Knochenfischen im erwachsenen Zustande. Nachdem Leydig in dem Seitenkanal- system periphere Nervenendigungen nachgewiesen hat, zeigte Schulze, dass die in Rede stehenden Organe entweder als freie Seitenorgane oder als Seitenorgane in Canälen sich darstellen. Erstgenannte sind wohl als die phylogenetisch ältesten zu be- trachten. Während wir also über den Bau dieser Organe im aus- gebildeten Zustande schon mehrere ausgezeichnete Arbeiten be- sitzen, ist unsere Kenntniss über die Entwickelungsgeschichte dieser Sinnesapparate viel lückenhafter. Zwar haben Schulze, Solger, Bodenstein, Eisig und Leydig sich ebenfalls mit ihrer Entwiekelung beschäftigt, doch fangen alle diese Mittheilungen erst mit dem Stadium an, in welchem die Seitenorgane schon seg- mentirt auftreten. Ueber ihre früheste Bildungsgeschichte liegen meines Wissens bei den Knochenfischen noch keine Angaben vor, und doeh ist dies der interessanteste Theil, indem der Entwickelung dieser Sinnesorgane die Anlage des Ramus lateralis nervi vagi vorhergeht. Ich fange also mit der Bildung dieses Nervenastes an; derselbe entwickelt sich aus einem Theil der Zellen der Grund- schicht des Hornblattes, wie aus dem Folgenden genügend hervor- gehen wird. Die allererste Anlage dieses Nervenastes ist ausserordentlich schwierig zu verfolgen. Schon bei sehr jungen Embryonen, bei welchen der N. vagus sich noch als ein dorsaler Auswuchs des Gehirns zeigt, finde ich hinter der Ursprungsstelle dieses Nerven, an einer bestimmten Stelle, die Zellen der Grundschicht des Horn- blattes jederseits etwas verdickt, und diese Verdiekung stellt uns höchst wahrscheinlich schon die erste Anlage des Ramus lateralis nervi vagi dar. Indessen eignen sich Entwickelungsstadien des Salmen und der Forelle, in welchen der Schwanzdarm seine grösste Ausbildung erreicht hat, und bei welchen in den Zellen der proxi- malen Augenblasenwand die Pigmentbildung eben angefangen hat, am besten für die in Rede stehenden Untersuchungen, denn hier findet man bei einem und demselben Embryo alle Entwickelungs- stadien des Ramus lateralis nervi vagi. Indem der Ramus lateralis in der Richtung von vorn nach hinten sich weiter entwickelt, ist es am zweckmässigsten mit den Verhältnissen am hinteren Ende anzufangen. Der in Entwickelung begriffene Seitennerv zeigt sich hier als eine ziemlich breite und hohe Proliferation der Zellen der 90 C. K. Hoffmann: Grundschicht des Hornblattes, über dieselbe setzt sich die Deck- schicht ganz unverändert fort. Die eben erwähnte Proliferation (Taf. V, Fig. 23) liegt im gleichen Niveau mit der Stelle, wo später das Septum intermusculare zur Ausbildung kommt, welches aber jetzt noch durchaus fehlt. Verfolgt man den so gebildeten Zellhaufen nach hinten, so bemerkt man, dass er, und zwar ziem- lich schnell, an Umfang abnimmt und bald vollständig verschwun- den ist; verfolgt man ihn nach vorn, so bemerkt man ebenfalls, dass er bald in allen Dimensionen abnimmt, aber nicht vollständig verschwindet, sondern als ein feiner Streifen fortbestehen bleibt, der nur bei den stärksten Vergrösserungen zu erkennen ist. Dieser Streifen kennzeichnet sich nämlich dadurch, dass die Zellen der Grundschicht, welche ihn zusammensetzen, durch Pikrocarmin, Alauncarmin und andere Farbstoffe intensiver tingirt werden, als die angrenzenden Zellen der Grundschicht. Ausserdem haben die- selben eine etwas andere Gestalt, sie sind nämlich mehr oder weniger kegelförmig und auch etwas kleiner, sonst gleichen sie vollständig den angrenzenden Zellen und liegen wie diese fest ein- ander an (Taf. V, Fig. 24). Mehr nach vorne zu treten allmählich andere Bilder auf. Die Zellen des in Rede stehenden Stranges nehmen nämlich eine mehr rundliche Gestalt an, sie liegen mehr lose neben einander; der Raum, in welchem sie gelegen sind, wird dureh scharfe Contouren begrenzt, und zwar oben durch die Zellen der Deckschicht, lateralwärts durch die angrenzenden der Grund- schicht, unten durch ein äusserst dünnes und zartes hyalines Häutchen; indem ich in diesem Häutchen niemals, ungeachtet der sorgfältigsten Prüfung, Kerne beobachten konnte, kann ich das- selbe einzig und allein als eine von den oben beschriebenen Zellen ausgeschiedene Membran betrachten (Taf. IV, Fig. 25). Noch mehr nach vorn (Taf. IV, Fig. 26) sieht man, dass in der am meisten medialwärts gelegenen Zelle dieses Gebildes schon eine Fibrillenbildung auftritt, und dadurch wird es zuerst deutlich, dass die in Rede stehenden Zellen die Grundlage für die Bildung des Ramus lateralis nervi vagi darstellen. Verfolgt man die so eingeleitete Entwickelung des Seitennerven immer weiter nach vorn, so ergiebt sich, dass allmählich auch eine zweite Zelle der Fibrillenbildung anheimgefallen ist. Der so angelegte Ramus lateralis nervi vagi rückt immer tiefer nach innen, rings um den- selben liegen ein Paar Zellen, die noch keine Fibrillenbildung Zur ÖOntogenie der Knochenfische. 91 zeigen; ob diese vielleicht einen anderen Differenzirungsweg ein- schlagen und sich in das Stützgewebe, welches die Nervenfibrillen umgiebt, umwandeln, wage ich nieht mit Bestimmtheit zu entschei- den. Das feine hyaline Häutchen, welches nach unten zu den Raum umschliesst, in welchem die sich in den Ramus lateralis nervi vagi umbildenden Zellen der Grundschicht gelegen sind, lässt sich an jedem Schnitt mit vollkommener Deutlichkeit nach- weisen. In gleichem Grade, als die so bevorzugten Zellen aus ihrer ursprünglichen Lage nach innen rücken, bemerkt man, dass den übrigen Elementen der Grundschicht vollkommen gleichförmige Zellen den so entstandenen Raum allmählich wieder zu füllen an- fangen (Taf. V, Fig. 27). In regelmässig wiederkehrenden Ab- ständen bleibt aber der sich so bildende Seitennerv mit der Grund- schicht durch ein Paar Zellen verbunden; indem dieselben später ebenfalls einer Fibrillenbildung anheimfallen, kann ich in den- selben nur die sich entwickelnden Seitenästchen erblicken, welche später die Sinneshügel mit dem Hauptstamm verbinden. Sobald nun der Ramus lateralis nervi vagi soweit nach innen gerückt ist, dass er den Seitenmuskeln unmittelbar anliegt — ein Septum inter- musculare ist dann auch hier noch nicht vorhanden —, bemerkt man, demselben unmittelbar anliegend, einen Haufen kleiner, dicht aufeinander gedrängter Zellen. Den Ursprung derselben habe ich nicht verfolgen können, sie bilden aber das Material, aus welchem sich alsbald das den Seitennerven begleitende Lymphgefäss aufbaut. Ein Schnitt noch mehr nach vorn ist auf Taf. V, Fig. 28 abgebildet. Der Seitennerv ist hier schon vollkommen fertig. Zwischen den zahlreichen, äusserst feinen Nervenfibrillen liegen hier und dort einzelne zerstreute Kerne, von einem sehr dünnen Protoplasmamantel umgeben; es sind dies wohl Elemente, welche sich in das Stützgewebe umbilden. Demnach sehen wir hier die- selbe Erscheinung, wie bei der Bildung des Nervus optieus an- gegeben ist, dass nämlich aus einem Theil des ursprünglichen Zellenmaterials die Fibrillen, aus einem anderen Theil das Stütz- gewebe sich entwickelt, denn auch hier ist wohl eine Theilnahme der Zellen des Mesoderms von der Bildung des Stützgewebes des Seitennerven durchaus ausgeschlossen, indem der Ramus lateralis nervi vagi immer noch von der schon beschriebenen feinen hyalinen Röhre umschlossen wird. Neben und ventralwärts von dem Seiten- nerven sieht man das hier schon mit einem deutlichen Lumen 92 C. K. Hoffmann: versehene Lymphgefäss.. Vollkommen den übrigen Zellen der Grundsehieht gleichende Gebilde haben die Stelle wieder einge- nommen, welche in mehr nach hinten gelegenen Schnitten durch diejenigen eingenommen wird, aus welchen sich der Ramus late- ralis nervi vagi bildet; nur an den Stellen, wo der Seitennerv mit der Grundschicht in regelmässigen Abständen verbunden bleibt, sieht man, dass hier die Zellen eine mehr kegelförmige Gestalt haben. In noch weiter vorwärts gelegenen Schnitten verliere ich das hyaline Häutchen, welches den Seitennerven umgiebt, aus dem Auge; gleichzeitig rückt der Nerv immer mehr nach innen und tritt schliesslich in das Ganglion nervi vagi ein. Aus dem eben Mitgetheilten ergiebt sich also, dass der Ramus lateralis nervi ‘vagi aus einem Theil der Zellen der Grundschicht des Hornblattes sich anlegt und dass der so sich entwickelnde Nerv in seiner histologischen Differenzirung vollkommen denselben Weg einschlägt, wie wir dies für die Bildung des Sehnerven beschrieben haben. Es wäre jetzt sehr interessant, die früheste Anlage des Seiten- nerven genauer zu studiren, besonders in seinen Verhältnissen zu dem Ganglion des Vagus. Die Knorpelfische eignen sich aber für diese höchst schwierige Frage weit besser als die Knochen- fische, es stand mir aber von den Knorpelfischen kein Material zur Verfügung, um die in Rede stehende Frage genauer zu prüfen. In einem spätern Stadium der Entwickelung findet man bei den Knochenfischen den Ramus lateralis nervi vagi immer in dem von dem dorsalen und ventralen Schenkel eines Septum inter- museulare gebildeten Winkel. Das Lymphgefäss, welches ur- sprünglich an seiner ventralen Seite liegt, ändert seine Lage in Beziehung zu dem Nerven, indem es jetzt lateralwärts von dem Ramus lateralis zu liegen kommt. Sobald nun der Sehnerv zu vollkommener Ausbildung gelangt ist, sind die Zellen der Grund- schicht überall wieder zu ihrer früheren Anordnung zurückgekehrt, mit Ausnahme derjenigen Stellen, wo der Hauptstamm durch die Seitenzweigchen mit den Zellen der Grundschicht in Zusammen- hang geblieben ist, denn dort, findet man Zellen, welche voll- kommen denjenigen gleichen, aus welchen sich eben der Seiten- nerv gebildet hat, und dieselben unterscheiden sich nur dadurch von den letztgenannten, dass sie keinen continuirlichen Strang bilden, sondern in kurzen, regelmässigen Abständen mit gewöhn- Zur Ontogenie der Knochenfische. 93 lichen Grundsehichtzellen alterniren; sie stellen uns wohl die in der Anlage begriffenen Sinneshügel vor. Erst viel später aber, wenn die Cutis schon zur Ausbildung gekommen ist, treten die Sinneshügel der Seitenorgane deutlicher auf und zwar stehen die- selben, wie dies auch von allen anderen Untersuchern angegeben ist, streng segmental. Wie der Ramus lateralis n. vagi, so liegen auch die Sinneshügel der Seitenorgane, wie leicht begreiflich ist, in der Riehtung von vorn nach hinten sich an; hinten fehlen sie oft noch durchaus, wenn sie vorn schon recht deutlich vorhanden sind; an ihrer Bildung nimmt auch wieder nur die Grundschicht Theil. Die in der Anlage begriffenen Sinneshügel zeichnen sich folgenderweise aus: in regelmässigen Abständen findet man die Zellen der Grundsehicht deutlich kegelförmig verlängert und auch dadurch von den angrenzenden Zellen verschieden, dass sie durch Farbstoffe stärker tingirt werden. Zwischen der ersten Anlage des Ramus lateralis nervi vagi und der der Sinneshügel besteht also nur dieser Unterschied, dass erstgenannter in einem sehr frühen Entwickelungsstadium auftritt und nicht segmentirt sich anlegt, während die Sinneshügel der Seitenorgane erst in einer viel späteren Periode der Entwiekelung zur Ausbildung kommen und gleich vom Anfang an segmentirt sind. Die so streng seg- mental auftretenden, in kegelförmige Elemente umgebildeten Zellen der Grundschicht stellen uns wohl unzweifelhaft die in der Anlage begriffenen Sinneshügel vor; in diesem Stadium der Entwickelung sleichen die so veränderten Grundschichtzellen einander noch durchaus, die höhere Differenzirung, welche sie später zeigen, die Scheidung in Mantel- oder Deekzellen und eigentliche Sinneszellen, fehlt noch vollkommen. Auf Taf. V, Fig. 29 gebe ich einen Querschnitt durch einen in Entwickelung begriffenen Sinneshügel aus einem frühen Stadium der Entwickelung, Die Zellen der Grundschicht zeigen überall schon eine höhere Entwieckelung, sie liegen nieht mehr in einer einzelnen Schicht, sondern in zwei bis drei Lagen übereinander geschichtet, einzelne haben sich schon in Becherzellen umgebildet. Ueber den Sinneshügel setzt sich die Deekschicht noch unabge- brochen fort. Gerade demselben gegenüber liegt der Ramus late- ralis in dem Winkel des Septum intermuseulare. Lateralwärts von dem Nerven liegt das beschriebene Lymphgefäss. Jedesmal tritt genau der Mitte eines Sinneshügels gegenüber ein Aestehen 94 C. K. Hoffmann: «des Ramus lateralis ab, welches, das Lymphgefäss durchbohrend, in gerader Linie der Basis des Sinneshügels zustrebt. Und um sich von der streng segmentalen Anordnung der Sinneshügel zu überzeugen, sind Längsschnitte am meisten zu empfehlen, wie Taf. V, Fig. 30 einen zeigt. Derselbe ist einem spätern Stadium der Entwiekelung entnommen, wenn die Cutis schon Pigmentzellen enthält. Deutlich ist auch hier wieder das Lymphgefäss zu sehen, welches lateralwärts von dem Ramus lateralis nervi vagi verläuft und also zwischen den Sinneshügeln und dem Nervenstamm liegt, und das von den feinen Nervenstämmehen durchbohrt wird, welche von dem Hauptstamm zu der Basis der Sinneshügel treten. Bei Salmen und Forellen, bei welchen der Nahrungsdotter schon vollständig verbraucht ist, liegen die Sinneshügel noch frei zu Tage, am vorderen Körperende liegen sie dann schon in einer ziemlich tiefen Furche, die nach hinten allmählich mehr und mehr sich verflacht und schliesslich hinten noch durchaus fehlt. Die Sehliessung der Rinne ist uns dann aus den schönen Untersuchungen von Leydig, F.E. Schulze, Solger, Bodenstein u. A. genügend bekannt. Ueber die histologische Struetur der Sinneshügel selbst habe ich weiter keine Untersuchungen angestellt, sondern verweise auf die Mittheilungen der eben genannten Autoren. Ueber die Entwiekelung der Kopfeanäle (die supra- und infra- orbitalen Schleimeanäle) kann ich weniger mittheilen, nur so viel kann ich sagen, dass auch hier die Nervenäste, welche diese Canäle innerviren, auf gleiche Weise wie der Ramus_ lateralis nervi vagi zur Ausbildung kommen. Ich hoffe bei der Entwicke- lungsgeschichte der Gehirnnerven von den Knochenfischen später auf die Aeste, welche die Kopfeanäle innerviren, zurück zu kommen. Ueber die Entwickelung des Ramus lateralis nervi vagi be- sitzen wir Mittheilungen von Götte!), Semper?), Balfour?), und van Wyhe®). Götte war der erste, welcher nachwies, dass bei der Unke der Nervus lateralis direet aus dem Ektoderm her- 1) A. Götte, Die Entwickelungsgeschichte der Unke. 1875. p. 672. 2) C. Semper, Das Urogenitalsystem der Plagiostomen; in: Arbeiten aus dem zool.-zoot. Institut in Würzburg Bd. 2, p. 398. 1875. 3) F. M. Balfour, Elasmobranch fishes. p. 141. 1878. 4) J. W. van Wyhe, Ueber die Mesodermsegmente ete. Zur Ontogenie der Knochenfische. 95 vorgeht, Semper bestätigte dies bei Haifischembryonen. Nach ihm ist hier die Entstehung dieses Nerven ungemein leicht zu con- statiren; das kann man aber von den Knochenfischen nicht be- haupten, denn hier sind die vorzüglichsten Schnittserien bei An- wendung der stärksten Vergrösserung nöthig. Die Mittheilungen von Götte und Semper sind aber nur sehr kurz. Ausführlicher sind die Angaben von Balfour. Vergleicht man die Abbildungen, welche er auf Taf. XI Fig. 3a, 3b, 3e giebt, so stimmen sie fast genan mit den überein, welche ich von den Knochenfischen gegeben habe. Doch neigt Balfour zu der Meinung, dass: „the lateral nerve of Elasmobranchs arises as ä branch of the vagus, and not as a direet product of the external epiblast“. Er führt drei Gründe zu Stützung seiner Meinung an, von welehen der dritte mir der wichtigste scheint, nämlich ‚‚the faet that the era- nial representatives of the lateral line are supplied with nerves which originate in the normal way“. Diesen Grund hat aber van Wyhe widerlegt, indem er nachgewiesen hat, dass die supra- und infraorbitalen Schleimcanäle durch Aeste von Gehirnnerven (Ramus dorsalis n. glossopharyngei, Portio facialis rami ophthalm. sup., Zweig des Ganglion eiliare) versorgt werden, welche mit dem Epi- thelium der Schleimorganenanlage so innig verschmolzen sind, dass die Theilnahme der Epidermis an der Bildung der in Rede stehenden Nervenzweige höchst wahrscheinlich ist. < X. Die Entwiekelung der Epiphyse und Hypophyse. Hypophyse. In seiner Treatise of Comparative Embryologie sagt Balfour (p- 358) folgendes über die Entwiekelung der Hypophyse (Pitui- tary body: Balfour): „the pituitary body is an organ derived from the epiblast of the stomodaeum. This fact has been demon- strated for Mammalia, Aves, Amphibia and Elasmobranchii and may be aceepted as holding good for all the Craniota.“ Für die Knochen- fische gilt dies ebenfalls; auch hier entwickelt sich die Hypophyse aus dem unmittelbar vor der Mundöffnung gelegenen Ektoderm, ihre Anlage ist aber hier viel schwieriger zu verfolgen als bei den übrigen Wirbelthieren, indem die Kopfbeuge und die Mundein- stülpung, man kann fast sagen, gleich null sind. Ich habe die 96 C. K. Hoffmann: Anlage der Hypophyse erst in dem Stadium der Entwickelung mit Sicherheit gesehen, in welchem die Mundöffnung in Begriff steht nach aussen durchzubrechen. Sie bildet dann eine ziemlich starke Proliferation der Grundschieht des Hornblattes, von ovaler Gestalt und vollständig solide, unmittelbar unter dem Theil des Gehirns gelegen, welcher dem Infundibulum entspricht (vergl. Taf. IV, Fig. 1). Anihrer Bildung betheiligt sich auch hier wieder die Deckschicht durchaus nicht. Kurz nachdem die Hypophyse zur Anlage gekommen ist, bricht die Mundöffnung nach aussen durch und dann natürlich ist es nicht mehr möglich zu sagen, ob die Hypophyse ein’ Product des Ektoderms oder des Entoderms ist, indem beide Blätter hier gerade in einander übergehen. Mit dem Wachsthum des Embryo nimmt auch die Hypophyse an Grösse zu, wie Längs- und Querschnitte aufs deutlichste zeigen (vergl. Taf. IV, Fig. 2 und 3); sie bleibt aber noch eine geraume Zeit mit dem Ektoderm in eontinuirlichem Zusammenhang. Was ihre histologische Structur betrifft, so besteht sie bis jetzt nur noch aus einem Haufen dieht aufeinander gedrängter, rundlicher Zellen, ohne jede Spur eines Lumens. Erst in einem viel spätern Stadium der Entwickelung, in welchem Salm und Forelle in Begriff stehen auszuschlüpfen, fängt sie allmählich an von ihrem Mutterboden sich abzuschnüren und rückt dabei unmittelbar an die Basis des Infundibulum heran; sie zeigt dann aber fast noch die oben er- wähnte Struetur, wie Längs- und Querschnitte lehren (vergl. Taf. IV, Fig. 4 und 5), nur mit dem Unterschiede, dass sie eine deutlichere bindegewebige Hülle bekommt und indem von dieser einige Fort- sätze nach innen rücken, erhält sie eine etwas gelappte Gestalt und nimmt dadurch zugleich eine mehr weniger deutliche drüsige Struetur an. Die Abschnürung von der Hornschicht bleibt aber sehr lange Zeit eine unvollständige, indem sie durch einen eben- falls soliden Gang, den man den Hypophysengang nennen kann, mit ihrem Mutterboden in unmittelbarer Verbindung bleibt. Selbst bei Embryonen, die schon eine geräumige Zeit ausgeschlüpft sind, bleibt dieser Gang sehr deutlich fortbestehen. Der eben erwähnte Gang ist aber nur sehr klein, denn sowohl an Längs- wie an Querschnittserien, bei welchen die Schnitte nur 0,015 mm dick sind, finde ich denselben nur auf einem einzigen Schnitt; er liegt an dem vorderen Umfang der Hypophyse und verläuft von unten und vorn nach oben und hinten. Allmählich aber schnürt sie sich Zur ÖOntogenie der Knochenfische. 97 auch von diesem Gang ab, der sich dann vollständig zurückbildet, und dann liegt die Hypophyse durch eine ziemlich dieke Schicht 3indegewebe von ihrem Mutterboden getrennt und unmittelbar dem Infundibulum an. Das Auftreten eines embryonalen Hypophysen- sanges scheint mir nicht ohne Interesse zu sein. Bei Säugethieren, Vögeln, Amphibien, Haien und Öyelostomen bildet sich die Hypo- physe durch eine Einstülpung des Ektoderms der Mundbucht (Stomodaeum); bei den Knochenfischen, bei welchen eine Kopf- beuge und eine Mundbucht fast nicht zur Entwickelung kommen, muss demnach denn auch die Bildung der Hypophyse eine andere sein. Wir haben denn auch gesehen, wie sie hier durch eine solide Proliferation der Grundschicht des Ektoderms entsteht, all- mählich von ihrem Mutterboden sich abzuschnüren anfängt, dureh einen ebenfalls soliden Gang jedoch noch eine sehr geraume Zeit mit der Oberhaut in Verbindung stehen bleibt und somit onto- genetisch eine gleichförmigere Entwickelungsphase als bei den anderen Craniota durchläuft; es ist dies wieder ein neuer, wenn auch kleiner Beweis, der für die innige Verwandtschaft aller Wirbel- thiere spricht. Kehren wir jetzt zu der Hypophyse selbst wieder zurück. Sobald sie vollständig vom Ektoderm sich getrennt hat, nimmt ihr Längen- und Breiten-Durchmesser beträchtlich zu, ihr Höhen-Dureh- messer dagegen nicht unbedeutend ab, wie Querschnitte sowohl als Längsschnitte nachweisen. Ihre Structur hat dabei noch wenige Veränderungen erfahren; sie ist immer noch ganz solide, nur tritt ihr lappenförmiger Bau etwas mehr in den Vordergrund und erst in den spätesten Stadien der Entwickelung, wenn der Nahrungs- dotter zum grössten Theil schon resorbirt ist, zeigt sich zuerst das Vorhandensein deutlicher Drüsenschläuche. W. Müller!) be- schreibt in seinen treffliehen Untersuchungen den Bau der Hypo- physe beim Karpfen folgenderweise: „Sie besitzt eine dinne binde- gewebige Kapsel, welche zarte, die Gefässe begleitende Fortsätze an das Innere abgiebt. Das Parenchym besteht theils aus kurzen, der Kugelform sich annähernden, vorwiegend aber aus langge- zogenen, etwas gewundenen Schläuchen von 0,02—0,05 mm Dicke. Sie bestehen aus einer dünnen Membrana propria und sind im 1) W. Müller, Ueber die Entwickelung und Bau der Hypophysis und des Processus infundibuli; in: Jenaische Zeitschrift Bd. VI, p. 354 1871. Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 23. 7 98 ©. K. Hoffmann: Innern erfüllt von theils eylindrischen, theils ganz unregelmässig gestalteten Zellen.“ Fast ganz dasselbe kann man von der Hypo- physe des jungen Salmen und der jungen Forelle sagen, aueh hier besteht dieselbe aus kurzen Schläuchen von einem eylindrisehen Epithel ausgekleidet (vergl. Taf. IV, Fig. 6). Aeltere Stadien der Entwickelung standen mir nicht mehr zur Verfügung. Ueber die Entwiekelung der Hypophyse besitzen wir Mit- theilungen von W. Müller!), Götte?), Balfour?), Mihalkovies®), Kölliker’) und Dohrn ®). Die Untersuchungen des letztgenann- ten Forschers interessiren uns hier am meisten, indem sie eben die Anlage des in Rede stehenden Organes bei den Knochenfisehen behandeln. Bei Belone und Hippocampus entsteht nach ihm die Hypophyse zur selben Zeit wie die entodermalen Aussackungen der Kiemen- und Mundspalten als blinde Aussackung des Vorder- darmes, gerade unter dem wenig umgebogenen Hirn, dem spätern Infundibulum. Sie entsteht — wie er angiebt — beträchtlich vor der Mundaussackung, und zwischen ihrem Ende und dem Beginn der Mundausstülpung befindet sich ein Abschnitt des abgeplatteten Vorderdarmes, dessen obere, dem Hirn anliegende Wandung nach. oben und nach den Seiten eine Ausstülpung erfährt, die, wenn sie auch bei Weitem nicht so beträchtlich ist, wie die Mund- oder Kiemenausstülpungen, so doch durchaus damit verglichen werden kann. Bei Hippocampus soll der doppelseitige Charakter der Hypophysisanlage sehr klar sein und auf Quersehnitten bemerkt man nach ihm, wie es in der That zwei nach den Seiten und nach oben von der Mitte her gerichtete Ausstülpungen ‘des Darm- blattes sind, welche die ursprüngliche Anlage der Hypophyse bil- 1 W.’Muülfer, 4. Vc: 2) A. Götte, Die Entwickelungsgeschichte der Unke. 1875. 3) Balfour, Elasmobr. Fishes. 4) Mihalkovics, Wirbelsaite und Hirnanhang; in: Archiv f. mikrosk. Anatomie Bd. XI, p. 389. 1875. — Derselbe, Entwickelungsgeschichte des Gehirns nach Untersuchungen an höheren Wirbelthieren und dem Men- schen. 1877. 5) A. Kölliker, Entwickelungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. 1879. 2. Aufl. 6) A. Dohrn, Studien zur Urgeschichte des Wirbelthierkörpers. II. Die Entstehung und Bedeutung der Hypophysis bei den Teleostiern; in: Mittheil. aus der zool. Station in Neapel Bd. III. 1882. p. 268. en Zur Öntogenie der Knochenfische. 99 den. Demnach sollte dieselbe also nicht ein Produet des Ekto- derms, sondern des Entoderms sein. Dohrn knüpft daran dann eine Reihe von theoretischen .Betrachtungen und kommt zum Schluss, dass die Hypophyse der Teleostier als entodermal zu be- trachten und für eine vor dem Mund liegende, nicht mehr zum seitlichen Durchbruch gelangende Kiemenspalte zu erklären sei. Wir haben indessen gesehen, dass bei den Knochenfischen, wie dies auch schon a priori zu erwarten war, die Hypophyse, wie bei allen anderen auf ihre Bildung untersuchten Wirbelthieren, ein Product des Ektoderms, nicht des Entoderms ist. Ich habe ihre Anlage nicht in einem solchen frühen Stadium der Entwickelung gesehen, als von Dohrn angegeben wird. In einem späteren Auf- satz giebt Dohrn!) an, dass bei Petromyzon die Hypophyse wirklich aus dem Ektoderm entsteht und zwar zwischen zwei Ein- stilpungen des äusseren Keimblattes, von denen die eine der Mund- bueht-Einstülpung, die andere der Nasengrube entspricht. Wichtig und neu ist die Mittheilung, dass sie bei Petromyzon niemals von ihrer ursprünglichen Einstülpungsöffnung abgeschnürt wird und dass diese ihre Einstülpung nicht in der Mundbucht, vielmehr in der Nasengrube befindlich ist. Ihre ektodermale Bildung war schon früher durch Seott?) nachgewiesen. Obgleich Dohrn also — wenigstens für Petromyzon — zugiebt, dass die Hypophyse aus dem Ektoderm ihren Ursprung nimmt, hält er doch die Hypo- these aufrecht, dass es sich bei derselben um den letzten Rest einer ursprünglich selbständigen, vor dem Munde befindlichen Kiemenspalte handelt. Dem steht aber entgegen, dass sich an der Bildung der Kiemenspalten doch hauptsächlich nur das Ento- derm und nicht oder nur spurweise das Ektoderm betheiligt. Der Hypophysengang bei den Knochenfischen scheint Dohrn entgangen zu sein, denn er erwähnt denselben nicht, was wohl hauptsächlich dem zuzuschreiben sein wird, dass die Entwickelung des Salmen und der Forelle so äusserst langsam fortschreitet und dadurch auch bestimmte Entwiekelungsphasen für die Beobachtung viel leichter zugänglich sind, als dies bei Embryonen anderer Knochenfische der Fall ist. 1) A. Dohrn, III. Die Entstehung und Bedeutung der Hypophysis bei Petromyzon Planeri; in: Mitth. zool. Station zu Neapel Bd. IV, p. 172. 1882. 2) Scott, Beiträge zur Entwickelungsgeschichte der Petromyzonten ; in: Morphol. Jahrb. Bd. VII, p. 158. 100 ©. K. Hoffmann: Während W. Müller in seiner schon erwähnten Abhandlung zum Resultat kam, dass die Hypophyse ein Abkömmling des Schlund- epithels ist, mit anderen Worten sich aus dem abgesehnürten blin- den Ende des Vorderdarmes entwickeln soll, bestätigte Balfour zuerst für die Knorpelfische die von Götte bei den Amphibien gemachte Entdeckung, dass die Hypophyse aus dem Hornblatt vor der Anheftung der Rachenhaut an die Schädelbasis entsteht und ein Produet des Ektoderms ist und nicht des Entoderms, wie W. Müller annahm. Später wurde die ektodermale Entwiekelung der Hypophyse bei Vögeln und Säugethieren auch von Mihal- kovies und Kölliker bestätigt. Epiphyse. Die Epiphyse — glandula pinealis — entsteht bei den Knochen- fischen auf vollkommen ähnliche Weise wie bei den übrigen Wirbel- thieren, sie bildet nämlich einen Fortsatz der Deeke des hinteren Theiles des Vorderhirns, mit anderen Worten desjenigen Gehirn- absehnittes, welcher dem spätern 'Thalamencephalon entspricht. Schon in einem ziemlich frühen Stadium der Entwickelung, lange noch bevor die Pigmentbildung in der proximalen Augenblasen- wand angefangen hat, legt sie sich an und zwar anfangs als eine breite, ziemlich grosse, platte und sackförmige Ausstülpung der Hirndecke. Taf. VI, Fig.1 ist eine Abbildung eines axialen Längs- schnittes bei schwacher Vergrösserung, um die in Entwickelung begriffene Epiphyse zu zeigen, und Taf. IV, Fig. 8 zeigt letztere bei stärkerer Vergrösserung. Wie die Hirndecke, so bestehen auch die Wände der eben angelegten Epiphyse aus schmalen, ziemlich kurzen, eylindrischen Zellen, in einer einfachen Sehicht gelagert. Auch bei der stärksten Vergrösserung untersucht, ist es nicht mög- lich zwischen dem Hornblatt und der dorsalen Epiphysenwand eine Spur von Mesoderm zu finden, sie liegt dem Hornblatt un- mittelbar an und dies weist meiner Meinung nach wohl darauf hin, dass die Anlage der Epiphyse eingeleitet wird, bevor noch Elemente des mittleren Keimblattes zwischen dem Hornblatt und der Decke des Gehirns sich haben ablagern können. Aber noch in einem anderen Punkt scheint mir die Thatsache, dass in den früheren Stadien der Entwiekelung Mesoderm zwischen Hornblatt und Epiphyse fehlt, von Bedeutung. Bei der Unke entsteht nach Zur ÖOntogenie der Knochenfische. 101 Götte!) die Zirbel an der Decke des Vorderhirns etwas unterhalb der Grenze des Mittelhirns.. Nach dem Schluss der Hirnröhre bleibt nämlieh — wie Götte angiebt — dieselbe an jener Stelle mit der Oberhaut in Zusammenhang, sodass eine kurze Brücke zwischen beiden ausgezogen wird. Indem diese Brücke ihre breite Basis am Hirndache behält, dagegen an der Berührungsstelle mit der Oberhaut sich verdünnt, erscheint sie als ein an der Oberhaut hängengebliebener Zipfel des Hirns; alsbald dringt auch eine Fort- setzung der Hirnböhle in denselben ein und löst sich von der Oberhaut vollkommen ab, sodass er dann als hohler Auswuchs des Hirns sich darstellt. — Für die Knorpelfische bestätigte van Wyhe2) die Entdeckung von Götte, dass die Epiphyse ein Um- bildungsproduct einer letzten Verbindung des Hirns mit der Ober- haut ist. Die Knochenfische sind für die im Rede stehende Frage ein ausserordentlich ungünstiges Object, indem, wie wir gesehen haben, das Centralnervensystem sich solide anlegt und auch dann, wenn es sich vom Hornblatt abgeschnürt hat, demselben anfangs noch fast unmittelbar anliegen bleibt. Aber die Thatsache, dass auch bei den Knochenfischen ursprünglich Mesoderm zwischen Oberhaut und Epiphyse vollständig fehlt und dass beide hier un- mittelbar aneinander grenzen, spricht wohl sehr zu Gunsten der Meinung, dass die Anlage der Epiphyse sich hier in ähnlicher Weise, wie bei den Knorpelfischen und den Amphibien vollzieht. Taf. IV, Fig. 9 ist ein Theil eines axialen Längsschnittes von einem Embryo aus einem spätern Stadium der Entwickelung, das Mittelhirn hat sich durch eine tiefere Furche deutlicher von dem Thalamencephalon abgesetzt, während die Epiphyse sich mehr von dem letztgenannten Hintertheil abgeschnürt hat. Histologisch zeigt die Epiphysenwand noch keinerlei Structurveränderungen, sie besteht noch aus denselben schmalen Cylinderepithelzellen, als die Decke des Gehirns. Ein Längsschnitt und ein Querschnitt aus einem noch spätern Stadium der Entwickelung sind abgebildet auf Taf. IV, Fig. 10 und 11. Erstgenannter zeigt nicht allein, dass die Epiphyse noch mehr sich abgesehnürt hat und grösser geworden ist, sondern auch dass die ersten histologischen Veränderungen in den Zellen, welche 1) Götte. 1. c. p. 283. 2) van Wyhe,. c. 102 C. K. Hoffmann: ihre Wand bilden, eingetreten sind. Anstatt eines regelmässigen Cylinderepithelium bemerkt man jetzt mehr weniger rundliche Zellen, in zwei, zuweilen in drei Schichten gelagert. Das Proto- plasma dieser Zellen bildet nur ein dünnes Schichtchen um den verhältnissmässig sehr grossen Kern und die Contouren der Zellen selbst sind so ausserordentlich schwach, dass es fast nicht mög- lich ist, die Grenze der einzelnen Zellen deutlich zu bestimmen. Der erwähnte Querschnitt geht in der Richtung der Pfeile, in Fig. 10 angegeben, und zeigt besonders deutlich die in der Epi- physenwand eingetretenen Veränderungen. g Bald aber entstehen neue Veränderungen. Längsschnitte aus späteren Stadien der Entwickelung zeigen nämlich, dass die Decke des Thalamencephalon eine kurze Strecke vor der Epiphyse eine seichte, allmählich tiefer werdende blinddarmförmige Einstülpung nach innen und hinten schickt, wie Taf. IV, Fig. 12 zeigt. Die Wände dieser Einstülpung liegen fast unmittelbar einander an und bestehen wie die Wände der Decke aus kurzen, schmalen Cylinder- zellen. Durch diese Einstülpung wird so zu sagen die Basis der Epiphyse selbst mehr oder weniger von dem Thalamencephalon abgeschnürt; ich werde die so gebildete Epiphysenbasis im An- schlusse an Mihalkovics!) den Recessus infrapinealis (infra- pinealprocess: Balfour) nennen. An Längsschnitten aus dieser Entwickelungsperiode ist es besonders schön zu sehen, wie die Nervenzellen des Mittelbirns mit einer ziemlich scharfen Linie (Taf. IV, Fig. 12 bei x) aufhören. Die Epiphyse selbst ist in ihrer weiteren Entwickelung noch wenig fortgeschritten; das ein- zige Erwähnenswerthe ist, dass ihre Wände etwas dicker gewor- den sind und dadurch das Lumen etwas eingebüsst hat. Für die Verhältnisse des Recessus infrapinealis sind auch Querschnitte sehr lehrreich. Auf Taf. IV, Fig. 13 und 14 gebe ich zwei Quer- schnitte, einem Embryo aus demselben Entwickelungsstadium als Fig. 11 entnommen; der erste, mehr nach vorn genommene, geht in der Richtung der Pfeile a der Fig. 12, der zweite, mehr nach hinten genommene, in der Richtung der Pfeile b in derselben Figur. In dem erstgenannten Querschnitt sehen wir also den Recessus infrapinealis als einen rings geschlossenen, weiten Sack unterhalb 1) V. v. Mihalkovies, Entwickelnngsgeschichte des Gehirns p. 94. 1877. Zur Ontogevie der Kuochenfische. 103 der Epiphyse gelegen, in dem mehr nach hinten genommenen Querschnitt sieht man die Höhle des Recessus in unmittelbarer Verbindung mit der Höhle des Thalamencephalon und die Wände des Reeessus ununterbrochen in die des Thalamencephalon über- gehen. Die in Rede stehende blinddarmförmige Ein.tülpung der Decke des Thalamencephalon wächst immer tiefer nach hinten und unten und sehnürt im gleichen Grade den Recessus mehr von dem Tha- lamencephalon ab, wie ein Querschnitt (siehe Taf. IV, Fig. 15) lehrt. Derselbe ist einem Embryo entnommen, dessen Nahrungs- dotter zum grössten Theil schon aufgezehrt war. In den Zellen, welche die Wände des Recessus bilden sind noch keine Verände- rungen eingetreten, dagegen sieht man, wie das Lumen der Epi- physe fortwährend kleiner wird; hervorgerufen wird dasselbe haupt- sächlich dadurch, dass rings um die Epiphyse sich allmählich eine bindegewebige Wand abgesetzt hat, die jetzt auch nach innen Fortsätze abzuschicken anfängt, welche die Zellen der Wand sprossenförmig vor sich austreiben. Taf. IV, Fig. 16 und 17 stellen einen axialen Längsschnitt und einen Querschnitt durch das Gehirn eines jungen Salmen vor, bei welchem der Nahrungsdotter schon vollständig resorbirt war. Die blinddarmförmige Einstülpung der Hirndecke ist jetzt noch mehr nach hinten gewachsen, sodass sie die vordere Wand des Thalamencephalon fast berührt; die Zellen des Recessus bestehen noch durchaus aus Cylinderzellen in einfacher Schicht angeordnet. Das Lumen der Epiphyse ist jetzt fast vollständig verschwunden und wird durch Zellen eingenommen, die durch ihre schon er- wähnte Eigenthümlichkeit sich auszeichnen, dass ihre Contouren kaum zu unterscheiden sind und nur ein schmaler Saum von Pro- toplasma ihren grossen Kern umgiebt. Der Stiel der Epiphyse ist noch bis zu diesem schon ziemlich weit vorgerückten Stadium der Entwickelung sehr kurz. Die Untersuchung der Querschnitt- serie lehrte, dass die Wände des Recessus infrapinealis nach dem Lumen zu kleine faltenförmige Einbuchtungen machen und dadurch das Lumen zu verkleinern anfangen. Der grösste Theil des Re- cessus hat sich vollständig von dem Thalamus abgeschnürt, nur ganz hinten, hinter dem Stiel der Epiphyse, gehen die Wände des Recessus unmittelbar in die des Thalamencephalon über. Hiermit schliessen meine Untersuchungen über die Entwicke- 104 C. K. Hoffmann: lung der Epiphyse ab, denn junge Salmen und Forellen aus weiter entwickelten Stadien standen mir nicht zur Verfügung. Für den Bau der Epiphyse bei den Knochenfischen im aus- gebildeten Zustande kann ich auf die Untersuchungen von Cattie!) verweisen. Ueber die Entwickelung der Epiphyse bei den Knochenfischen liegen meines Wissens nach bis jetzt nur Angaben von Rabl- Rückhard?) vor, die mit den meinigen in vollkommenem Ein- klang stehen. Aus dem eben mitgetheilten ergiebt sich indessen, dass ibre Entwickelung bei dieser Abtheilung der Wirbelthiere in ähnlicher Weise sich abspielt, als uns dies bei den Cycelosto- men aus den Beobachtungen von Scott?°), bei den Selachii aus den Untersuchungen von Balfour*) und Ehlers), bei den Am- phibien aus der grossen Monographie von Götte (l. ec.) und bei den Vögeln und Säugethieren aus den Arbeiten von Mihalkovies und Kölliker®) bekannt ist. Schliesslich sei erwähnt, dass auch die Ganoiden sich ähnlich verhalten, wie aus den eben er- schienenen umfassenden Untersuchungen von Balfour und Par- ker’) hervorgeht. 1) J. T. Cattie, Vergelyk. anat. en histol. onderz. van de Epiphyse cerebri. Diss. inaug. Utrecht 1881. — Recherches sur la glande pineale; ’n: Archives de Biologie pub. par E. v. Beneden et C. van Bambeke T. IM, p. 101. 1882. 2) Rabl- Rückhard, Entwickelung des Knochenfischgehirns; in: Sitzb. Gesellsch. Naturf. Berlin p. 54. 18862. — Archiv f. Anat. und Ent- wickelungsg. 1882. p. 111. 3) B. Scott, Beiträge zur Entwickelungsgesc} 'chte der Petromyzonten ; in: Morphol. Jahrb. Bd. \ıl. 1882. 4) F. M. Balfour, Development of Elasm. fishes 1878. 5) E. Ehlers, Die Epiphyse am Gehün der Plagiostomen; in: Zeit- schrift f. wiss. Zoologie Bd. 30. Suppl. p. 607. 1878. 6) A. Kölliker, Entwickelungsgeschichte des Menschen etc. 2. Aufl. 1879. 7) F. M. Balfour and W.N. Parker, On the Structure and Deve- lopment of Lepidosteus; in: Philos. Transact. royal Society 1882. Zur Ontogenie der Knochenfische. Erklärung der Abbildungen auf Tafel IV— VI. Tatel IV. Für alle Figuren dieser Tafel gültige Bezeichnung. a. Siehe die Beschreibung. hyp. Hypophyse. acust. N. acusticus. Kal Linse. CH Campanula Halleri. | mes. Mesoderm. ch. Chorda. 'n.o. Nervus olfactorius. d. Deckschicht der Oberhaut. pr. w. Proximale Augenblasenwand d.w. Darmwand. (Pigmentschicht der Retina). d’.w.(r) Distale Augenblesenwand (Re- | r.ip. NRecessus infrapinealis. tina). ' w.g. Wand des Gehirns (Infundi- ep. Epiphyse. bulum). gbl. Gehörbläschen. ' w.mh. Wand des Mittelhirns. gr Grundschicht der Oberhaut. | w.nh. Wand des Nachhirns (Medulla erg. Geruchsgrübchen. gh. Gehirn- oblongata). höhle. ı w.tc. Wand des Thalamencephalo» h. Grenze des Hornblattes (Epi- | w.vh. Wand des Vorderhirns. dermis). ı IVv. 4. Hirnhöhle. hg. Hypophysengang. De Siehe die Beschreibung. h.t.c. Höhle des Thalamencephalon. | Fig. 1. Längsschnitt durch die in der Anlage beg.iffene Hypophyse eines Salmenembryo. 1%/.. Fig. 2 3. Längsschnitt und Querschnitt der Hypophyse eines Salmen-Embryo aus einem späteın Stadium der Entwickelung. 1'/,. Fig. 4. 5. Längsschnitt und Querschnitt der Hypophyse ein‘ Salmen-Em- bryo aus einem noch spätern Entwickelungsstadium. 1/,. Fig. 6. Längsschnitt durch die Hy »ophyse eines Salmen-Embryo aus einem noch spätern Stadium. 1. Fig. 7. Vertigalschnitt durch die Augenanlage aus einem sehr frühen Sta- dium der Entwickelung. 1""/,. Salmen-Embryo. Fig. 8. Theil eines »xialen Längsschnittes durch das Gehirn, um die Anlage der Epiphyse zu zeigen. ?°/,. Salmen-Embryo. Fig. 9. Ein ähnlicher Schnitt eines älteren Embryo. 1%/,. Fig. 10. 11. Längsschnitt und Querschnitt eines noch älteren Embryo. 10/,. Fig. 12. 13. 14. Längsschnitt und zwei Querschnitte von einem noch älteren Embryo. 18/,. Fig. 15. Längsschnitt durch die Epiphyse eines Forellen-Embryo, dessen Nahrungsdotter zum g.össten Theil schon resorbirt war. 1°/,. 106 C. K. Hoffmann: Fig. 15. 17. Längsschnitt und Querschnitt durch die Epiphyse eines Forellen- Embryo. dessen Nahrungsdotter vollständig resorbirt war. 135/,. Fig. 18. 19. 20. Drei Längsschnitte durch die Augenblasenspalte in verschie- denen Stadien der Entwickelung eines Salmen-Embryo. 1/,. Fig. 21. Querschnitt durch die primäre Augenblase, um die erste Entwicke- lung der Linse zu zeigen. 1%/,. Salmen-Embryo. Fig. 22. Querschnitt durch das Gehörbläschen aus einem noch frühern Stadium der Entwickelung. 15/,. Salmen-Embryo. Querschnitt durch das Geruchsgrübchen aus einem noch jungen Stadium der Entwickelung. 160/,. Salmen-Embryo. fe) 11 ea heli Ve Für alle Figuren gültige Bezeichnung. a.gr. Aeussere granulirte Schicht. le. Lymphgefäss. bl. Blutgefäss. l.e. Limitans externa. C. Cornea. lot: Limitans interna. C.e. Cornea-Endothel. mh. Mesodermhülle. ch. Chorda. m.r.i. M. rectus internus. e.i. Chorioidea, Iris. n. Neurospongium (innere granu- c.p- Cornea propria. lirte Schicht). chr. Chorioidea. nf.o. Nervenfaserschicht des Opticus. d. Deckschicht der Oberhaut. n.o. Nervus opticus. d‘.w.(r)Distale Augenblasenwand (Re- | p. Pigmentschicht der Retina. tina). p.i. Pigmentschicht der Iris. gr. Grundschicht der Oberhaut. p-w. Proximale Augenblasenwand 8.0. Ganglienzellenschicht (Gang- (Pigmentschicht der Retina). lion opticum) der Retina. r.1.n.v. Ramuslateralisn. vagi. s.r.l.n.v. g.r. Ganglion retinae (medialer Seitenzweigchen desselben. Theil der inneren Körner- | scl. Sclerotica. schicht). S. Schicht der Spongioblasten. h.b. Hornblatt (Epidermis). (Lateraler Theil der inneren 1. Iris. Körnerschicht.) i.a g. Innen- und Aussenglieder der | s.c. _Sclerotica, Cornea. Sehzellen. s.h. Sinneshügel des Seitenorganes. i.k. Imnere Körnerschicht. s.z. Schicht der Sehzellen. k. Kerne der Sehzellen (äussere | t.f.z. Tangentiale Fulcrumzellen. Körnerschicht). v.a. Vordere Augenkammer. l. Linse. 3 Grenzlinie der Seitenmuskeln. l.a.i Ligamentum annulare iridis. x Septum intermusculare. Fig. 1—8. Acht Querschnitte durch den Augenblasenstiel in verschiedenen Stadien der Entwickelung, um die allmähliche Umbildung der Zellen Zur Ontogenie der Knochenfische. 107 des Stieles in den Nervenfasern des Opticus zu zeigen. Fig. 1, 2, 3, 4, 5, 8 Vergr. 1%/,. Fig. 6, 7 %0%/,. Salmen-Embryo. 9—12. Vier Querschnitte durch die Retina in verschiedenen Stadien der Entwickelung. Salmen-Embryo. 2%,. 13—15. Drei Querschnitte durch die Basis des Thalamencephalon (Thalamus opticus), um die allmähliche Umbildung der Zellen in den Fasern des N. opticus zu zeigen. 1%/,. Salmen-Embryo. 16. Querschnitt durch die Retina eines Salmen-Embryo aus einem frühen Stadium der Entwickelung. 16%/,. 17. Sehzellen aus einem sehr frühen Stadium der Entwickelung eines Salmen-Embryo. Sehr stark vergrössert. 18. Ganglienzellen der Retina aus einem sehr frühen Stadium der Ent- wickelung eines Salmen-Embryo. Stark vergrössert. 19—22. Vier Querschnitte durch einen Theil des Auges, für die Bildung der Chorioidea, Cornea, Iris und Sclerotica eines Salmen-Embryo. 160/,.. (Vergl. die Beschreibung.) 23—28. Sechs Querschnitte durch den in der Anlage begriffenen Ramus lateralis. n. vagi eines Salmen-Embryo. 3807,. &. 29. Querschnitt durch einen Sinneshügel des Seitenorganes eines Salmen- Embryo. 28%).. . 80. Längsschnitt durch einen Theil des Seitenorganes aus einem spätern Stadium der Entwickelung. Salmen-Embryo. 1%/,. Tafel VI Für sämmtliche Figuren gültige Bezeichnung. a?, a®. etc. Zweiter (hyoidaler), drit- | glg.ph. Gauglion n. glossopharyngei. ter Aortabogen etc. gr. Grundschicht der Oberhaut. ag. Aussenglieder. g.tr. Ganglion n. trigemini. a.gr. Aeussere granulirte Schicht. g.v. Ganglion n. vagi. a.o.m. Arteria ophthalmica magna. h. Grenze des Hornblattes. as. Augenstiele. i.g. Imnenglied. cer. Rudimentäres Vorderhirn. | inf. Infundibulum. eb. Cerebellum. k. Kern der Sehzellen (äussere chr. Chorioidea. Körnerschicht). e.n. 0. Chiasma nervorum opticorum. | l.e. Linsenepithel. d. Deckschicht der Oberhaut. l.gr. Linsengrube. d‘.w. Distale Augenblasenwand (Re- | l.i. Limitans interna. tina). ir, Lymphraum des Auges. ep. Epiphyse. m.h. Mittelhirn. g.ac. Ganglion n. acustici. m.o. Medulla oblongata. g.bl. Gehörbläschen. ' m.r.e. M. rectus externus. g.f. Ganglion n. facialis. nk. Nebenkieme. 108 C. K. Hoffmann: Zur Ontogenie der Knochenfische. n.o. Nervus opticus. ' w.m.h. Wand des Mittelhirns. p-w. Proximale Augenblasenwand | w.n.hb. Wand des Nachhirns (Me- (Pigmentschicht der Retina). dulla oblongata). sp. k. Spritzlochkieme. Il V. Dritte Ventrikel. v.j- Vena jugularis. Fig. 1. Axialer Längsschnitt durch das Gehirn eines sehr jungen Salmen- Embryo, um die erste Anlage der Epiphyse zu zeigen. ®/,. Fig. 2—6. Fünf Querschnitte durch den basalen Abschnitt des Thalamen- cephalon (Thalamus opticus). Salmen-Embryo. 135/,. = R 1 Stäbchen und Zapfen eines Forellen-Embryo, dessen Nahrungsdotter zum grössten Theil schon resorbirt war. Fig. 8. Querschnitt durch die Anlage der Linse. Salmen-Embryo. 16/,. Fig. 9. Längsschnitt durch die Linse aus einem spätern Stadium der Ent- wickelung. Salmen-Embryo. 2%/,. Fig. 10. Querschnitt durch die Linse aus einem noch spätern Stadium der Entwickelung. Salmen-Embryo. 18%/,. Fig. 11. Längsschnitt durch einen Theil des Kopfes eines Salmen-Embryo. (Siehe die Beschreibung.) 9. 2. Ein ähnlicher Schnitt aus einem spätern Stadium. ®/;. le 3| fen S er oo . Längsschnitt durch die Geruchsgrube aus einem spätern Stadium der Entwickelung. Salmen-Embryo. 135/,. (Alle Figuren sind vom Verf. selbst gezeichnet.) Beiträge zur Kenntniss der Samenkörper und ihrer Entwicklung bei Säugethieren und Vögeln. Von Dr. A. v. Brunn, Prosector in Göttingen. Hierzu Tafel VII A. I. Säugethiere. a) Die reifen Samenkörper. Nachdem Schweigger-Seidel in seiner bekannten, vielfach eitirten Arbeit (1) die Zusammensetzung des fadenförmigen Theiles des Samenkörpers aus dem Mittelstück und dem eigentlichen A. v. Brunn: Beiträge zur Kenntniss der Samenkörper etc. 109 Schwanz entdeckt und die Vermuthung ausgesprochen hatte, dass diese beiden Theile aus einem fadenförmigen Axentheil und einer Umhüllung, der Zellhülle vergleichbar, zusammengesetzt seien, hat Eimer (2) die Zusammensetzung dieser Theile genau untersucht und gefunden, dass die Spermatozoen einen Centralfaden — ich halte den Ausdruck „Axenfaden“ für richtiger und benutze ihn deshalb — besitzen, welcher im Innern des Kopfes beginnt und durch das Mittelstück in den Schwanz geht. Im Inneren des letz- teren gelang es ihm nicht, diesen Faden weit zu verfolgen und er vermuthet nur, dass derselbe bis zum Ende des Fadens gehe und das letzte Stück desselben vielleicht allein bilde. Die umhüllende Masse bezeichnete er als „Protoplasmamantel“ und sah ihn bei Fledermäusen, namentlich Vesp. pipistrellus, im Bereiche des Mit- telstüäckes aus einzelnen annähernd würfelförmigen Stücken zu- sammengesetzt, welche nur durch den Centralfaden zusammenge- halten werden, wie etwa Perlen durch eine Schnur. Dieselbe Zusammensetzung war bei anderen Thieren — Kaninchen, Meer- schweinchen, ‚Maus, Stier, Hund, Kater, Hermelin — sichtbar, wenn auch nicht so auffallend wie bei den erstgenannten. Diese Angaben sind merkwürdigerweise in den neueren Ar- beiten über die Structur der Spermatozoen gar nicht berücksichtigt worden. Heneage Gibbes beschrieb in zwei Arbeiten (3, 4) einen Spiralsaum ähnlich dem bei den Salamanderspermatozoen längst bekannten und zeichnet ihn bei Pferd, Hund, Kater, Meer- schweinehen, Kaninchen, Stier als sehr feines, nur im Bereich des Mittelstückes in 6—9 Windungen den Axenfaden umziehendes Fädehen, beim Menschen als durchaus dem bekannten Saum der- selben Elemente des Salamanders ähnliche, den ganzen Faden be- gleitende Membran. W. Krause (5, 6) schliesst sich dem an und giebt ebenfalls eine Zeichnung von einem menschlichen Samen- körper mit Flossensaum, der, je besser das Mikroskop, desto wei- ter sich verfolgen lasse. Ungefähr gleichzeitig mit Gibbes’ erster Mittheilung erschien eine Arbeit von Jensen (7), welche für die Spermatozoen von Säugethieren — und zwar steht im Text meist „fast reife“ — eine Zusammensetzung sowohl des Mittelstückes wie des Schwanzes aus zwei Fäden annimmt, von denen einer, der Centralfaden, gradlinig verlaufe, vom zweiten Faden, dem Spiral- strang, in einer oder mehreren Windungen umzogen. Die beiden Stränge sollen sich am Mittelstück chemisch verschieden verhalten, 110 A.v. Brunn: indem nur der Spiralstrang durch Maceration zerstört wird, wäh- rend der Centralfaden sich erhält, — am Schwanz sollen sie optisch gleich wirken und gegen Maceration gleich widerstandsfähig sein. Seine Zeichnungen differiren sehr von denen der beiden vorher- genannten Autoren. Endlich hat sich über diese Frage bezüglich der Spermatozoen der Hausmaus noch Leydig (8) geäussert. Er kommt zu dem Schlusse, dass ein Spiralsaum vorhanden sei und erläutert dies durch Abbildung eines Kopfes und des oberen Theiles des Mittelstückes eines Samenkörpers. Ich muss, wie später er- sichtlich werden wird, dieses Spermatozoon für ein unreifes halten und das, was Leydig als optischen Ausdruck eines Flossensaumes ansieht, für eine Entwicklungserscheinung erklären. — Vollständig negativ gegenüber den Angaben von Gibbes, Krause und Jen- sen fielen die Untersuchungen von Retzius (9) aus, weleher von einem Flossensaum bei Säugethierspermatozoen nichts zu entdecken vermochte. Er hat uns dann mit einem bis dahin unbekannten Stiueturverhältniss bekannt gemacht, nämlich dem „Endstück“ des Schwanzes, dem durch seine Feinheit ausgezeichneten, gegen das „Hauptstück“ deutlich abgesetzten äussersten Theil des Schwanzes. Retzius rechnet, ohne Gründe dafür anzugeben, auch das Mittel- stick dem Schwanze zu und bezeichnet es als „Verbindungsstück“ desselben, — sodass also das ganze Körperchen aus Kopf und Schwanz, letzterer aus Verbindungs-, Haupt- und Endstück be- stände. Es handelte sich für mich zunächst darum, zu diesen ver- schiedenen Meinungen über den Bau der Samenkörper Stellung zu nehmen. Ich schliesse mich in Bezug auf den Flossensaum nach Untersuchung mit den besten Oelimmersionen Retzius an. Ich habe bei völlig entwiekelten Spermatozoen nichts wahrnehmen können, was sich als soleher Saum deuten liesse. Ebenso kann ich Retzius’ Endstück durchaus bestätigen (Fig. 8, SE) ). 1) Schweigger-Seidel (1) hat offenbar das Endstück auch bereits gesehen. Er sagt S. 332: „Unter Anderem fiel es mir besonders beim Igel auf, dass an getrockneten Samenkörperchen die Schwänze stumpf zu endigen schienen. _ Bei genauerer Betrachtung ergab sich, dass an die stumpfe Spitze noch ein blasser, ungefähr 0,005 mm langer, fein auslaufender Fortsatz an- gefügt war.“ Ebenso ist Grohe (10) aufgefallen, dass das Ende des Schwan- zes sich in Anilinroth nicht färbe, während das bei den übrigen Theilen des Schwanzes der Fall sei. Er hält — von der Ansicht ausgehend, dass das Beiträge zur Kenntniss der Samenkörper und ihrer Entwicklung ete. 111 Bei solch’ complieirter Zusammensetzung des fadenförmigen Theiles entsteht nun die Frage: worauf ist die verschiedene Dicke der einzelnen Stücke zurückzuführen? Sind die drei Abtheilungen völlig von einander unabhängig, nur durch zwischenliegende Kitt- substanz mit einander verbunden, — oder sind sie, wie es Eimer’s Angaben vermuthen lassen, von einem gemeinsamen Axenfaden durchzogen und dann also die verschiedene Dicke bewirkt durch ungleichmässig starke Auflagerungen auf jenen? Die Antwort haben mir die Untersuchungen des Nebenhodeninhaltes des Stieres, der Maus u. A., der aus dem frischen Organ ausgedrückt, mit 0,3- procentiger Osmiumsäure geschüttelt und nach einigen Tagen unter- sucht wurde, gegeben. In derartigen Präparaten findet man gar nicht selten Samenkörper, wie sie in Fig. 3 und 4 dargestellt sind. Es tritt auf das Klarste ein Axenfaden sowohl im Verbindungs- stück wie im Hauptstück des Schwanzes hervor dadurch, dass eine ihn umhüllende Rindensubstanz streekenweise abfällt. Diese Bilder erinnern sehr an diejenigen,-welche man erhält, wenn man mark- haltige Nerven, welche längere Zeit in Müller’scher Flüssigkeit auf- bewahrt waren, zerzupft: so wie dort das Mark stellenweise ab- fällt und den Axeneylinder nackt sehen lässt, so ist hier der Axenfaden stellenweise blosgelegt. Dass dieser letztere in den Kopf eindringe, wie Eimer will, kann ich nicht bestätigen, sche vielmehr immer eine scharfe Grenze zwischen Kopf und Verbin- dungsstück, finde auch, wo der Kopf abgebrochen ist, seinen eau- dalen Rand durchaus scharf und glatt und sehe nie am isolirten Kopf ein Stück des isolirten Axenfadens anhaften, während solche freie Stückchen desselben an Bruchstücken des Fadens häufig ge- funden werden. Auch die Zusammensetzung des Verbindungs- stückes aus einzelnen durch den Axenfaden verbundenen Stücken kann ich für reife Samenkörper des Stieres, Schafbockes, Hundes, Katers und der Maus nicht zugeben, sondern sehe bei ihnen, so lange die umhüllende Protoplasmamasse nicht künstlich brüchig gemacht worden ist, dieselbe ganz gleichmässig dieht und dunkel. Freilich muss ich bemerken, dass ich Spermatozoen von Fleder- mäusen nicht habe bekommen und untersuchen können. Möglicher- Körperchen aus einer structurlosen Hülle mit contractilem Inhalt bestehe — dies Stück für den nicht mehr von solch’ eontractiler Masse cefüllten Theil der Hülle. 112 A.v. Brunn: weise sind die Samenkörper, welche jene Bilder lieferten, die bei Eimer gefunden werden, doch solche gewesen, deren Entwicklung noch nicht ihren Abschluss erreicht hatte. Dagegen hat Eimer mit seiner Vermuthung, dass der Axenfaden vielleicht das Ende des Schwanzes allein bilde, ganz gewiss das Rechte getroffen. Retzius’ Endstück ist nichts Anderes, als der des Protoplasma- mantels entbehrende Theil des Axenfadens, ‘wie das die Fig. 3 wohl zur Genüge erkennen lässt. Es liegt nun nahe, grössere Spermatozoen ebenfalls auf eine solche Zusammensetzung des Schwanzes zu prüfen. Salamandra maculata wurde gewählt und an ihren Spermatozoen durchaus das für die Säugethiere Gefundene bestätigt. Fig. 16 zeigt einen Theil des Hauptstückes des Schwanzes: auch hier hat sich ein dem End- stick durchaus ähnlicher Faden, von derselben Dicke wie jenes, stellenweise vom Protoplasma befreien lassen; mit letzterem zu- sammen ist die Flossenmembran sammt Randfaden abgerissen. Man wird nicht fehlgehen, wenn man den Protoplasmamantel und jene Membran in nahe Beziehung zu einander stellt und letztere als Anhängsel des ersteren betrachtet. Dann würden also die Samen- körperschwänze des Säugethieres und Salamanders einander gleich sein in Bezug auf das Vorhandensein des Protoplasmamantels — die Differenz zwischen ihnen in der Entwicklung der Flossen- membran von Seiten dieser Hülle bestehen. Im Bereich des End- stückes ist bei ersteren der Protoplasmamantel nicht entwickelt, bei letzteren fehlt er ebenfalls, nur die Membran ist gebildet, — vielleicht von dem Ende des Mantels aus? Da nun also der Axenfaden vom Kopf an den ganzen Faden durchzieht, halte ich es mit Retzius für riehtig, die bisher bei uns im Gebrauch gewesene Schweigger-Seidel’sche Nomen- elatur zu ändern, namentlich die Bezeichnung „Mittelstüek“ ganz fallen zu lassen, welche andeutet, dass das betreffende Stück keinem der beiden anderen Theile, welche es verbindet, näher stehe als dem anderen; es scheint mir richtig, diesen Theil dem Scehwanze zuzureehnen, und also wie Retzius thut das Sperma- tozoon nur aus Kopf und Schwanz, letzteren aus Ver- bindungs-, Haupt- und Endstück bestehen zu lassen. Beiträge zur Kenntniss der Samenkörper und ihrer Entwicklung ete. 113 b) Die Bewegung der Säugethierspermatozoen. Ueber die Art und Weise der Bewegung gehen die Hand- bücher sehr kurz hinweg, dieselbe wird meist als eine schlängelnde bezeichnet und ohne genauere Präzision der Flimmerbewegung an die Seite gestellt. Von älteren Beobachtern hat sich namentlich Krämer (11) sehr eingehend mit derselben bei menschlichen Sper- matozoen beschäftigt. Er giebt an, dass sie in langsamer Krüm- mung und schneller Ausstreckung des Körperchens bestehe und sagt: „Progressio autem eodem tempore fit quo mechanismus mo- vendi agit, nempe ubi animalculum in reetum extenditur, quae ex- tensio motus progressorii causa est; morae vero ineidunt ubi ani- malcula eurvantur.*“ Dass dabei das Körperehen von der Stelle sich bewegt erklärt er durch den Widerstand der umgebenden Flüssigkeit gegenüber dem Schlage des Schwanzes. Er schildert dann genau die verschiedene Richtung, in welcher die Bewegung vorkommt: zuerst als häufigste die in einer Wellenlinie, deren Zu- standekommen er durch die Annahme, dass die Körperchen die langsame Krümmung bald nach rechts, bald nach links ausführen, erklärt; — weiter die Bewegung in einer Kreislinie, ferner die Drehung um den zufällig fixirten Kopf, — die Rotation um die Längsaxe ete. Er fasst die Bewegungen als willkürliche auf und folgert aus ihnen die Thiernatur der Spermatozoen. Von neueren Beobachtern haben Grohe (10) und Eimer (2) der Bewegung nachgespürt: ersterer wollte ihre Ursache in einen contractilen Inhalt des Kopfes und Schwanzes verlegen und die Zusammen- ziehungen desselben in fortwährenden Formveränderungen des Kopfes direct beobachten, — Beobachtungen, welche von verschie- denen Seiten als ungenaue, durch die Rotationen der Körperchen bedingt, bezeichnet worden sind. Eimer lässt die Vorwärts- bewegungen durch Schlagen des Schwanzes oder der Geissel zu Stande kommen und zwar meint er, dieses Schlagen geschehe nicht abwechselnd nach einer und der anderen Seite, sodass das Körperehen aus der nach rechts concaven Bogenform durch die grade Linie in die nach links concave Bogenform überginge, son- dern so, dass der grössere hintere Theil des Fadens einen nach hinten offenen Kegelmantel umschriebe, während der kleinere vor- dere Theil einen nach vorn offenen trichterförmigen Hohlraum um- gebe: sodass also der von dem ganzen Körperchen umschriebene Archiv f. mikrosk, Anatomie. Bd. 23, 8 114 A.v. Brunn: Hohlraum ein sanduhrförmiger wäre. Der Drehpunkt soll sich hinter der Mitte des Mittelstückes befinden. Diese Bewegung soll ein schraubenförmiges Vorwärtsschieben des Ganzen bedingen und sie wird als besonders zweekmässig für das Eintreten des Samen- fadens in das Ei gepriesen: der Kopf soll bei seinen in einer Kreislinie ausgeführten Bewegungen kleine Oeffnungen — die Mikropyle — grösser machen, gewissermassen grösser schaufeln können. Meine Untersuchungen haben mich in dieser Hinsicht zu einem anderen Resultat geführt, dem nämlich, dass die Bewegung ganz ebenso vor sieh geht wie bei den Flimmereilien, indem sie sowohl in demselben Rhythmus erfolgt wie dort, wie auch nur in einer Ebene geschieht wie bei jenen. Beobachtet man genau einzelne Samenkörperchen, bei denen die Bewegung des Schwanzes langsam geworden ist und keine Locomotion des Ganzen bewirken kann, so ist ein Rhythmus wie bei dem Schlagen der Flimmerhaare ohne Weiteres erkennbar: der Schwanz krümmt sich, vom Kopfe anfangend, langsam nach einer Seite so wie das Flimmerhaar sich langsam rückwärts beugt, und schnellt dann wie jenes in eine nach der entgegengesetzten Seite gekrümmte Form (Krämer), wobei ebenfalls die Bewegung vom Kopfe beginnend gegen die Spitze fortschreitet; dann beginnt das- selbe Spiel von Neuem. Jiegt das Körperchen so, dass man den Kopf völlig in der Flächenansicht vor sich hat, so sieht man auch die Exeursionen des Schwanzes deutlich, erkennt jeden Punkt bis zum äussersten Ende desselben mit gleicher Schärfe: ist dagegen der Kopf genau von der Kante her sichtbar, so lässt sich die Be- wegung nur daran erkennen, dass der Faden bald sichtbar bald unsichtbar ist, während seine sämmtlichen Punkte, so oft sie ge- sehen werden, in der Fortsetzung der Mittellinie des Kopfes liegen. — Hat man sich fortbewegende Spermatozoen vor sich, so sieht man sie bei der erstbesprochenen Stellung in einer Wellenlinie vorrücken und sieht stets sämmtliche Punkte des Schwanzes gleich- zeitig, bei der letztgenannten Stellung rückt das Spermatozoon in einer graden Linie vorwärts, wobei aber nie das ganze Gebilde vollkommen gesehen werden kann, sondern nur einzelne Theile, bald dieser bald jener, im betreffenden Moment begrenzt durch die scharfen punktförmigen Querschnitte anderer, senkrecht ‚zur Ebene des Gesichtsfeldes liegender. Sorgt man dafür, dass die Körper- Beiträge zur Kenntniss der Samenkörper und ihrer Entwicklung ete. 115 chen recht isolirt sind, indem man nur ganz wenig Nebenhoden- inhalt mit viel 0,6-procentiger Kochsalzlösung oder Kammerwasser oder Jodserum mischt, so lässt sich dieselbe Richtung des Schlages des Schwanzes auch bei schnell sich bewegenden Körperchen er- kennen. Aber hier erscheint die Bewegung etwas anders nicht nur wegen der grösseren Schnelligkeit und Kraft, mit welcher sie ausgeführt wird, sondern auch wegen der schnelleren Aufeinander- folge der einzelnen Actionen und wegen der auftretenden Rotations- bewegungen. Zunächst über ersteren -Punkt. Die Bewegungen folgen so schnell aufeinander, dass die eine noch nicht die ganze Länge des Fadens durchlaufen hat, während die nächste schon beginnt. Das heisst also: während bei einem schnell sich be- wegenden Spermatozoon die Mitte des Schwanzes noch die schnelle schlagende Bewegung ausführt, ist am Ende und Anfang desselben die langsame Zurückbiegung oder Aufrichtung im Gange oder um- gekehrt: dadurch bekommt der ganze Faden ein geschlängeltes Aussehen. Je nach der Schnelligkeit der Action wird nun auch die Vor- wärtsbewegung einen verschiedenen Anblick gewähren. Nehmen wir der Einfachheit der Ausdrücke wegen an, das erste Tempo geschehe so, dass der Faden nach links concav wird, das zweite so, dass er die nach rechts concave Form annimmt, — so würde der Kopf bei langsamer Biegung nach links langsam und wenig nach rechts vorwärts bewegt, bei dem zweiten Tempo mit grosser Gewalt weit nach links vorwärts geschleudert werden; — wieder- holt sich dieser Vorgang, so beschreibt das Körperchen eine aus abwechselnd kleinen, nach rechts concaven und grossen, nach links concaven bogenförmigen Stücken bestehende, im Ganzen kreis- förmige Bahn, welche es von rechts nach links durchläuft. Ist dagegen die Bewegung eine schnelle, so sind nicht die einzelnen nach rechts resp. nach links gekrümmten Theile der Bahn von einander durch Pausen zeitlich getrennt, sondern gehen unmittel- bar in einander über, eine kreisförmige Schlangenlinie erzeugend. Danach müssten also eigentlich alle Samenkörperchen im Kreise herumlaufen, und in der That sieht man in manchen Präparaten, besonders von starkverdünntem Samen, — ich habe deren viele vor mir gehabt — alle Spermatozoen solche Bewegungen aus- führen. Besonders ist das der Fall, wenn die Bewegungen keine sehr schnellen mehr sind. Solche Mane&gebewegungen erinnern 116 A. v. Brunn: sehr frappant an die Bilder, welche man an lebendem, in physio- logischer Kochsalzlösung zerzupftem Flimmerepithel vom Frosch- gaumen sieht. Gerade so wie dort die isolirten Zellen oder Zell- häufehen mit einer der Geschwindigkeit des Wimperschlages entsprechenden Schnelligkeit in der Ebene der ersteren und ent- gegengesetzter Richtung wie jene rotiren, so ist das hier mit den Spermatozoen der Fall. Dass diese Man@gebewegung nicht immer deutlich sichtbar ist, bei schneller Bewegung häufig gar nicht zur Perception kommt, liegt daran, dass zu der beschriebenen Bewegung regelmässig eine Rotation um die Längsaxe kommt. Wie kommt diese zu Stande? Ich habe die feste Ueberzeugung, dass die Richtung des Schlages des Schwanzes mit dieser Bewegung gar nichts zu thun hat, — also gerade entgegengesetzt wie Eimer, — dass sie vielmehr nur durch die Form des Kopfes (hier Platte, bei den Vögeln Spirale) bedingt ist, im Uebrigen aber von zufälligen Umständen abhängt. Alle möglichen platten Körper, welche durch Luft oder Flüssigkeit mit der Kante voran rasch bewegt werden, kommen in Rotation, falls sie durch irgend welche Einflüsse von der regelmässigen Bahn abgelenkt werden, seien das nun Strömungen, welche sie treffen, seien es verschiedene Dichtigkeitsverhältnisse des Mediums oder andere Körper, welche sich ihnen in den Weg stellen. Stösst z. B. der Kopf des Samenkörperchens, während er bei dem Schlage des Scehwanzes die Flüssigkeit nach der entgegengesetzten Seite hin durchschneidet, an ein anderes Körperchen an oder wird er von jer durch die Bewegung eines Nachbarkörperchens erzeugten Welle getroffen, so tritt diese Rotation ein; da dieselbe aber das ganze Spermatozoon, den Schwanz inbegriffen, ergreift, so werden die nächsten Bewegungen des letzteren nicht genau in einer Ebene erfolgen, sondern in einer gekrümmten Fläche liegen. Tritt nun ein anderes Hinderniss ein, welches die entgegengesetzte Seite des Kopfes trifft, so erfolgt die Rotation nach der anderen Seite hin. Eine solche unregelmässige Abwechslung der Achsendrehung bald nach rechts, bald nach links ist stets zu beobachten, sie scheint mir die Annahme einer Entstehung durch Bewegung des Schwanzes im Kreise, wie sie Eimer annimmt, absolut auszuschliessen; der genannte Autor hat sie auch beobachtet und beschrieben. — Es spricht für solche zufällige Entstehung der Rotationen auch der Umstand, dass die Drehungen je häufiger sind, je schneller die Beiträge zur Kenntniss der Samenkörper und ihrer Entwicklung ete. 117 schlagenden Bewegungen, dass man sie bei langsam sich bewegen- den ganz vermisst, — sowie man ja auch eine Glasscheibe lang- sam durch Wasser bewegen kann ohne Rotationsbewegung eintreten zu sehen, was bei schneller Bewegung kaum ausführbar ist. Diese Rotationen sind es also, welche die Bewegung der Samenkörper in kreisförmigen Bahnen aufheben, welche ihre Bahn zu einer ganz unregelmässigen machen. So sind also die activen Bewegungen des Schwanzes lang- sames Rückwärtsbeugen mit Vorwärtsschnellen abwechselnd und sie erfolgen stets nur in einer Ebene, nämlich der des Spermato- zoenkopfes. Die Flimmerbewegung hat nun aber ausserdem, dass das einzelne Haar nur in einer Ebene schlägt, noch die Eigenthümlich- keit, dass es in dieser einen Ebene nach einer bestimmten, stets derselben Richtung langsam, nach der anderen schnell sich krümmt, in der Trachea z. B. die erste Bewegung nach innen, die zweite nach aussen; im Oesophagus des Frosches umgekehrt. — Auch diese Regelmässigkeit ist an den Spermatozoen leicht zu erkennen. Schon an den vierseitig symmetrischen der meisten Säugethiere — Kaninchen z. B. — ist bei langsamer Bewegung zu erkennen, dass jede Bewegung stets nach derselben Seite hin erfolgt, über alle Zweifel deutlich aber ist es bei den nur bilateral symmetrischen der Mäusearten, deren Köpfe einen concaven — ich will ihn vorderen nennen — und einen convexen — hinteren — Rand haben. Hier sieht man den Schwanz sich langsam nach hinten beugen und dann schnell in die nach vorn eoncave Richtung übergehen. Die Bewegung ist also durchaus dieselbe wie die Flimmerbewegung, und glaube ich der Gleichstellung beider durch Vorstehendes noch mehr Grund gegeben zu haben, als sie bisher hatte !). 1) In irgend welchem Verhältniss zu dieser Bewegungsrichtung der Spermatozoenschwänze muss die bekannte Thatsache stehen, dass die Schwänze bei Zusatz destillirten Wassers Oesen bilden. Diese liegen nämlich in den weitaus meisten Fällen in derselben Ebene, in welcher das Schlagen des Schwanzes erfolgt. Ich habe Präparate aus dem Vas deferens der Maus vor mir gehabt, in welchen ausnahmslos die Oesen in der Ebene des Kopfes lagen, sodass man bei Flächenansichten der Köpfe zugleich die völlige An- sicht der Oese hatte, bei Kantenansichten dagegen bei gewisser Einstellung nur kurze Stücke der Fäden, bei anderer nur optische Querschnitte derselben 118 A. v. Brunn: ec) Zur Entwicklung der Samenkörper der Säugethiere. Einleitend bemerke ich, dass ich es hier nicht auf die Er- örterung der Herkunft der je ein Spermatozoon liefernden Zellen — Spermatoeyten (v. la Valette St. George), Nematoblasten (Sertoli 12), Spermatoblasten (Duval 15), runden Hodenzellen oder Samenzellen (Merkel 14) abgesehen habe, sondern nur einen Theil der Umbildungsgeschichte der Samenzelle in den Samen- körper besprechen will, nämlich die Bildung des Schwanzes mit specieller Berücksichtigung dessen, was oben über den Bau dieses Theiles bekannt gemacht wurde. Der Ansichten, welche über die Entwicklung des Spermato- zoenschwanzes aufgestellt sind, sind zwei; Kölliker (15) lässt ihn vom Kern der Zelle auswachsen, ihm schliesst sich heute noch Brissaud (16) an. Die anderen Autoren lassen ihn aus dem Protoplasma der Zelle hervorsprossen. So sagt Merkel (14): „Der- selbe bildet sich zugleich mit den Veränderungen des Kernes als ein hyalin aussehender Faden, welcher aus der Substanz der Zelle selbst hervorwächst;“ er beschreibt den frisch gebildeten Faden als sehr durehsiehtig, fein, dem späteren relativ derben und sehr glänzenden Spermatozoidenschwanz nur wenig Ähnlich. E. Meyer (17) giebt an, dass der Schwanz allmählich aus dem Protoplasma (der Spermatoblastenlappen) hervorwachse, während aus letzterem sich als letzter Theil das Mittelstück des Spermatozoids bilde. Da- bei scheint er nach den Figg. 12 und 13, sowie 33, 34, 50, 78, 96, 110 anzunehmen, dass die Bildung der Schwänze ziemlich spät erfolge, während doch schon Merkel auf die sehr frühe Ent- stehung derselben aufmerksam gemacht hatte. Klein (18) sagt, das Mittelstick scheine vom hinteren Ende des Kopfes auszu- wachsen. Helman (19) lässt das Mittelstück durch Metamorphose der hinteren Kernhälfte sich bilden, den Schwanz sah er bereits an Rundzellen und bemerkt als auffallend, dass derselbe häufig schon sah. Auch bei andern Thieren, Kaninchen, Stier, Hengst, habe ich Versuche in der Richtung gemacht, habe meist dasselbe Verhalten gesehen, in seltenen Fällen allerdings auch Abweichungen davon nicht verkennen können. Viel- leicht ist eine ungleichmässige Vertheilung des den Axenfaden umhüllenden Protoplasma die Ursache sowohl der Regelmässigkeit der Bewegung wie der Krümmung bei Wasserzusatz. Beiträge zur Kenntniss der Samenkörper und ihrer Entwicklung ete. 119 bei solehen von bedeutender Länge sei, während er zugleich die grosse Feinheit desselben betont. Renson (20) legt Gewicht darauf, dass man Schwänze sogar schon sehen könne, bevor irgend welche Veränderung am Kerne sichtbar sei, ferner darauf, dass der Schwanz von Anfang an stets mit dem Kerne verbunden sei; — anfangs sei er sehr kurz und werde nachher länger. Gemeinsam ist also allen diesen Angaben die Annahme, dass der Schwanz aus dem Protoplasma herauswachse als ein homo- gener äusserst zarter Fortsatz, den Fortsätzen amöboider Zellen vergleichbar. Ich habe die Entstehung des Schwanzes an vielfachen Prä- paraten, verschiedenen Thieren entstammend, untersucht. und dafür gleich gut geeignet gefunden frische Zupfpräparate in Serum, Jod- serum oder 0,6-proc. Kochsalzlösung, 0,5-proc. Osmiumsäure, sowie Isolationspräparate von Hoden, welche 1—3 Tage in Müller’scher Flüssigkeit gelegen hatten. (Längeres Verweilen bringt, wie Renson hervorhebt, dunkle Trübung des Protoplasma und Kernes hervor, welche von den äusserst zarten Verhältnissen, um welche es sich hier handelt, gar nichts mehr erkennen lassen.) Unter- sucht man nun an solchen Präparaten mit Oelimmersionen die runden Hodenzellen, so sieht man diejenigen, welche bereits die bekannten, von Merkel zuerst beschriebenen Kernveränderungen durchgemacht haben, grösstentheils mit Schwänzen von äusserster Zartheit -und unmessbar kleinem Durchmesser versehen. Die Schwänze erscheinen stark geschlängelt und fallen ausnahmslos durch ihre bedeutende Länge auf. Wegen ihres geschlängelten Verlaufes eignen sie sich sehr schlecht zum Messen: man muss die einzelnen zwischen zwei Knickungen gelegenen Abschnitte messen und die erhaltenen Maasse addiren. Ich maass an einem Präparat vom Kaninchen 26 Fäden auf diese Art und fand die Länge zwischen 0,050 und 0,054 mm, nur 3 von jenen 26 waren kürzer, nämlich 0,043, 0,046 und 0,049 mm. Dies Resultat fordert zu einer Vergleichung mit der Länge der Schwänze entwickelter Samen- körper auf. Es wurden 14 Schwänze (exel. Verbindungsstück) gemessen: ihre Länge schwankte zwischen 0,0415 und 0,0456 mm. Das Verbindungsstück zeigte die constante Länge von 0,010, so- dass also der ganze Schwanz 0,0515— 0,0565 mm lang ist; d.h. also: die Länge des Schwanzes der Rundzelle ist fast dieselbe wie die des ausgebildeten Samenkörpers, — die geringe Differenz ist 120 A. v. Brunn: möglicherweise darauf zu schieben, dass die Schwänze der Rund- zellen stark geschlängelt sind und so die Messung sehr erschweren, während die Schwänze der entwickelten Körper grade oder sehr wenig gebogen sind und genaue Messungen gestatten. — Eben- solche Messungen nahm ich nachher auch an einem Präparat aus dem Hoden der Maus vor. Von 3 Rundzellen besass eine einen Schwanz von 0,105, die beiden anderen solche von 0,112 mm; drei ausgebildete Spermatozoen hatten Schwänze (exel. Verbindungs- stück) von 0,0938 bis 0,098 mm Länge, Verbindungsstücke von 0,0224, also totale Länge des Schwanzes 0,1162 — 0,1204 mm. Weitere Messungen fanden beim Stier statt. 6 Rundzellen hatten Schwänze von 0,050 bis 0,059 mm Länge, die fertigen Spermato- zoen solehe von 0,052 und Verbindungsstücke von 0,013—0,014, also totale Länge von 0,065— 0,066. Bei allen drei Thierarten sehen wir also, dass schon an den Rundzellen die Schwänze fast so lang sind wie die Schwänze der ausgebildeten Samenkörper, immer aber länger als das Hauptstück und Endstück des Schwanzes zusammen genommen, dass also auch der Axenfaden des Mittelstückes schon mit in diesem Faden ent- halten sein muss. Wenn nun also die Schwänze an allen Zellen schon von An- fang an so lang sind, so ist klar, dass die Annahme des allmäh- lichen Hervorsprossens dieses Theiles aus dem Zellkörper nicht richtig sein kann, — denn da müsste man ja doch die Schwänze von sehr verschiedener Länge finden. Es führt uns vielmehr die angegebene Thatsache zu der Ueberzeugung, dass die Schwänze im Inneren der Zelle sich bilden und plötzlich aus ihr heraus- schnellen müssen. Diese Annahme erwies sich bei genauer Unter- suchung mit den besten Immersionssystemen — Winkel homog. Imm. Dd und !/, — auch als vollkommen richtig. Diejenigen Rundzellen, welche die Merkel’sche Kernveränderung zeigen, haben entweder lange freie Schwänze oder sie zeigen solche in dem peripherischen Theile ihres Protoplasma spi- ralig aufgerollt; ja man findet solche aufgerollte Fäden auch in Zellen mit noch gänzlich unveränderten Kernen. Das betref- fende Bild ist ein ausserordentlich zartes, nichtsdestoweniger aber durchaus scharfes. Man sieht bei hoher Einstellung auf der Ober- fläche der Zelle eine feine Linie, dieselbe geht beim Herabschrauben des Tubus jederseits in einen glänzenden, am Rande des grössten Beiträge zur Kenntniss der Samenkörper und ihrer Entwicklung etc. 121 optischen Durchsehnittes der Zelle gelegenen Punkt über, zugleich tritt das Bild des Kernes in das Gesichtsfeld. Wird abermals tiefer geschraubt, so verschwindet diese Zeichnung und die punkt- förmigen optischen Querschnitte der Faser gehen wieder in Längs- ansichten über; man kann sich so, besonders schön an frisch in Serum oder 0,5-proc. Osmiumsäure untersuchten Präparaten, von dem spiraligen Verlauf der intracellulären Faser zweifellos über- zeugen, auch die Verbindung des einen Endes mit dem Kern mittelst eines etwas diekeren glänzenden Pünktehens mitunter er- kennen. Ich muss aber ausdrücklich betonen, dass die besten Linsen zur Erkennung dieses Verhältnisses nöthig sind und dass auch dann noch gutes Licht und ein an die Untersuchung zarter Strueturen gewöhntes Auge eine Rolle spielen. Es ist ein Bild, welches sich wegen der Lage seiner einzelnen Punkte in verschie- denen Ebenen zur Wiedergabe in der Zeichnung wenig eignet: Fig. 1 giebt nur ein sehr unvollkommenes Bild und vermag namentlich die extreme Zartheit des Fadens nicht gebührend zu veranschauliehen. — Dabei will ich übrigens zu erwähnen nicht unterlassen, dass man gar nicht selten auch in mehrkernigen grossen Samenzellen die Bildung so vieler Schwanzfäden als Kerne da sind bemerken kann; bei zwei- und dreikernigen Zellen habe ich das oft gesehen. Es ist ja bekannt, dass auch die weiteren Stadien mit freiem Schwanzfaden mitunter durchlaufen werden, ohne dass die Theilung des Protoplasmas eintritt. Wie ist die Entstehung dieses Fadens zu denken? Als Faden gewöhnlicher Zellsubstanz, wie man bisher den Schwanz auffasste, darf er nieht angesehen werden, denn er ist schon im Inneren des Protoplasmas mit aller Schärfe sichtbar; er ist vielleicht am rich- tigsten als eine später freiwerdende Protoplasmastructur, als ein Protoplasmafaden — im Gegensatz zum Paraplasma (Kupffer) — zu bezeiehnen. Obgleich er mit dem Kern verbunden gesehen wird, glaube ich ihn doch nicht als einen Auswuchs des letzteren betrachten zu dürfen; denn die Grenze beider ist zu scharf, die Verbindungsstelle zu deutlich markirt. Es giebt keinen Punkt an der Vereinigungsstelle, von dem man zweifelhaft sein könnte, ob er dem Kern oder dem Faden angehört. Dieser Faden nun ist der Axenfaden des ganzen Schwanzes und die weiteren Veränderungen geschehen durch Auflagerungen aus dem Protoplasma der Zelle. In welcher Weise diese letzteren 122 A. v. Brunn: vor sich gehen, ist mir bei dem Hauptstück des Schwanzes zu er- kennen nicht gelungen, nach Analogie mit dem Vorgang bei den Vögeln (s. unten) vermuthe ich, dass die betreffenden Theile des Protoplasmas sich an dem Axenfaden nach dem Ende desselben hinunterziehen. Jedenfalls geschieht die Auflagerung des Proto- plasmamantels auf den Axenfaden im Bereiche des Hauptstückes früher als in dem des Verbindungsstückes: denn man.findet oft junge Samenkörper, deren Schwanz im Bereich des Hauptstückes die endgiltige Dicke besitzt, während, soweit das Verbindungsstück reicht, nur erst der zarte Axenfaden allein da ist. An letzterem Theile des Samenkörpers ist nun der Umhüllungs- prozess des Axenfadens sehr leicht zu studiren, besonders leicht an den Elementen des Mäusehodens. Die erste Veränderung, welche man bemerkt ist die, dass die Granula des Protoplasmas, welche bisher von sehr verschiedener Grösse waren, regelmässige Grösse bekommen (Fig. 5); sie rücken dann dem Axenfaden näher, legen sich an ihn an und drücken sich zugleich eines dicht an das andere, sodass das jetzt noch in der Zelle befindliche Verbindungs- stück das Aussehen eines Maiskolbens erhält (Fig. 6}, — dabei ist der Axenfaden manchmal noch sichtbar, manchmal aber auch ganz verdeckt. — Diese Körnehen verschmelzen dann mit einander, und zwar zunächst der Quere, nicht der Länge nach: dadurch bekommt das Verbindungsstück ein sehr zierliches quergestreiftes Aussehen, wie es die Fig. 7 veranschaulicht, ein Aussehen, das man vielleicht am besten mit dem des als Ringelwalze bekannten landwirthschaft- lichen Instrumentes vergleichen kann, da hier wie dort die Ringe ziemlich weit hervortreten und scharfkantig sind. Diese Ringelung ist von Äusserster Regelmässigkeit. Bei einer Maus zählte ich an 5 Exemplaren 31—36 Querstreifen, bei einer anderen ganz regel- mässig 30 solche an 8 Samenkörpern. Bei ersterer war die Länge des Verbindungsstückes 0,029 mm, bei letzterer 0,025 mm; woraus sich also ergiebt, dass auf 0,0008 bis 0,00085 mm je ein solcher Streifen kommt. Die um den Axenfaden gruppirten Körner sowohl wie auch die Ringe zeigen noch die Reaction von Protoplasma- granulationen bei Essigsäurebehandlung, d. h. sie werden erst blasser, dann undeutlich, verschwinden schliesslich ganz, während der Axenfaden noch deutlich erkennbar bleibt. Ob nun hier einzelne in sich geschlossene Ringe vorliegen, ob es eine Spiralfaser ist, welche diesen Theil des Fadens um- Beiträge zur Kenntniss der Samenkörper und ihrer Entwicklung ete. 123 kreist, getraue ich mir nicht zu entscheiden, die Entscheidung ist auch sehr schwer; ich neige mehr zu ersterer Ansicht, da ich nie gesehen habe, dass sich eine Faser, wenn auch nur auf kurze Strecke, abgelöst hätte. Dieses Stadium geht dann endlich in das letzte des ent- wickelten Samenkörpers über, indem die Querstreifen mit einander verschmelzen, sodass eine dunkle völlig gleichartige Masse den Axenfaden einhüllt, und dieser Prozess erfolgt bald noch im Ho- den, bald erst im Nebenhoden oder wohl gar im Vas deferens: hier sind noch einzelne Samenkörper vorhanden, an denen die Querstreifung eben noch erkennbar ist, aber es sind deren nur wenige und nie ist jene Erscheinung so charakteristisch und klar wie in Hodenpräparaten. Während diese Auflagerung auf den Axenfaden des Verbindungsstückes vor sich geht, ist zuerst das Zellprotoplasma homogen geworden, dann allmählich verschwunden. So habe ich die Entwicklung des Schwanzes bei allen von mir untersuchten Säugethieren gefunden, nämlich beim Kaninchen, Hengst, Schafbock, Stier und Kater. Ueberall gleich deutlich sind die Fäden in den Rundzellen und an ihnen; zarter als bei der Maus, aber an Klarheit auch allen Wünschen gerecht werdend, die Bildung des Verbindungsstückes. Dass ich nach dem Gesagten der Helman’schen Ansicht, das Mittelstück sei die hintere in die Länge gezogene Hälfte des Kernes, nicht beipflichten kann, ist klar und ich bin überzeugt, dass er mit dieser seiner Meinung für alle Zeiten allein bleiben wird, da sich die weiteren Umbildungen dieser Kernhälfte leicht verfolgen lassen, s. meine frühere Arbeit (21). Zweifellos sind es die zuletzt beschriebenen Entwicklungs- formen der Spermatozoen gewesen — Fig. 7 —, welche Heneage Gibbes (3) zur Annahme einer den Samenkörpern der Säuger normaler Weise zukommenden Spiralfaser gebracht haben, seine Zeichnungen bestätigen dies auch: obgleich sie viel zu wenig Windungen angeben, zeigen sie dieselben doch immer — bei Säu- gern — auf das Verbindungsstück beschränkt. Ich möchte ver- muthen, dass auch ein Theil der Eimer’schen Abbildungen (2) von solchen Entwickelungsformen genommen sind; wenigstens so- weit ich dieselben Objeete vor mir gehabt habe, glaube ich das annehmen zu dürfen. Wie es sich mit den von diesem Forscher besonders genau untersuchten Fledermausspermatozoen verhält, 124 A. v. Brunn: habe ich nicht controliren können, — übrigens aber wäre es ja gar nicht so sehr wunderbar, wenn die auf den Axenfaden des Verbindungsstückes sich auflagernden Granula bei dieser oder jener Thierart nicht bis zur völligen Verschmelzung mit einander kämen. Leydig's Zeichnung (8) endlich vom Verbindungsstück der Hausmaus ist sicher auch dem letzten Entwiekelungsstadium an- gehörig, — nur sind die mir dunkel erscheinenden, über den Rand prominirenden Querstreifen in dieser Zeichnung hell gehalten. II. Sperlinge. a) Die reifen Samenkörper. Merkwürdigerweise sind die Samenkörper der Singvögel nur sehr selten untersucht: ich habe Beschreibungen mit Abbildungen nur bei Schweigger-Seidel (1), v. la Valette St. George (22, 23) und Helman (19) gefunden. Die ausführlichste und exacteste Beschreibung und Zeichnung ist die von Schweiger- Seidel, welche sich auf den Finken bezieht, aber auch für den Sperling zutreffend ist. Man unterscheidet nach diesem Autor den Kopf und Schwanz. Ersterer ist korkzieherförmig gewunden und zwar in 21/, Windungen. Nach dem Schwanz zu ist er deut- lich begrenzt und endet mit einer convexen Fläche. Der untere Theil des Kopfes ist dunkler als der obere, färbt sich lebhaft in Carmin, quillt in Essigsäure weniger als der obere und wird von Schweiger-Seidel als dem Mittelstück der Säugethiere ent- sprechend betrachtet. Am oberen Theile, welchen er als Kopf an- sieht, finden sich feine hautartige Anhänge, welche die Spiral- windung mitmachen. Der Schwanz zeigt sich häufig wie aus zwei Fasern, einem Centralfaden und einem wellenförmig an ihm entlang laufenden oder ihn spiralig umziehenden zusammengesetzt. Die anderen Beobachter erwähnen nur die Schraubenform des Kopfes, ohne Genaueres über seine Zusammensetzung anzugeben. Mit unseren heutigen Hilfsmitteln kommt man nun wesent- lich weiter. Am Kopf ist zunächst schon an frischen oder Os- miumpräparaten die von Schweigger-Seidel beschriebene Son- derung in zwei Theile deutlich. Ungleich klarer dagegen zeigen sich die Verhältnisse, wenn man zu einem Osmiumpräparate aus dem Vas deferens Fuehsinlösung bringt. Der untere 0,07 mm Beiträge zur Kenntniss der Samenkörper und ihrer Entwicklung ete. 125 lange Theil weist die Aufnahme des Farbstoffes entschieden ab, der obere sammt der anhangenden Membran wird dunkelroth, — besonders scharf tritt dies Verhältniss hervor, wenn man nach Zufügung des Fuchsins das Präparat einkittet und nach 24 Stun- den untersucht. Gerade umgekehrt ist die Sachlage, wenn man eigentliche Kernfärbemittel auf Präparate, welche in Alkohol oder Müller’scher Flüssigkeit mit nachfolgendem Alkohol gehärtet waren, einwirken lässt, z. B. Alauncarmin: dann ist das untere Stück in- tensiv gefärbt, das obere farblos. Das Verhalten dieses unteren Theiles ist nun aber ganz dasselbe, wie es auch die Köpfe der Säugethierspermatozoen zeigen, das des ganzen Kopfes absolut dasselbe, wie es Retzius von den beiden Theilen des Kopfes des Salamanderspermatozoon schildert. Dazu kommt noch eine gleiche Reaction dieser und der Vogelspermatozoen auf Müller’sche Flüs- sigkeit: das Retzius’sche Hauptstück des Kopfes bei Salamandra mac. quillt in derselben zu einer dieken wurstförmigen Masse auf, während das vordere Ende, der Spiess von Retzius, unverän- dert bleibt. Genau ebenso verhalten sich die beiden Theile hier. — Daraus geht also hervor, dass die untere Windung des Kopfes beim Sperling nicht dem Mittelstück bei Säugethieren und Am- phibien, wie Schweigger-Seidel will, sondern dem ganzen Kopfe des Säugethierspermatozoon, dem Hauptstück des Kopfes bei Salamandrinen entspricht. Die beiden Abtheilungen sind auch sonst noch verschieden und zwar zeigt im Allgemeinen das Haupt- stück grössere Festigkeit und Widerstandsfähigkeit als der Spiess. Ueberlässt man ein Präparat von Samen aus dem Vas deferens, mit physiologischer Kochsalzlösung verdünnt, sich selbst in der feuchten Kammer, so sind nach 4 Stunden sämmtliche Spiesse stark gequollen, manche völlig aufgelöst, während die Haupt- stücke durchaus unversehrt erscheinen; erst später beginnen diese sich zu lösen und sind nach 24 Stunden ebenfalls verschwunden. — Ein Zerfall des Kopfes in seine beiden Theile tritt häufig ein in Präparaten aus 0,3-proc. Osmiumsäure, sowohl in völlig ent- wickelten wie noch nicht ganz ausgebildeten Samenkörpern. Die Grenze zwischen beiden ist eine nach dem Hauptstück zu stark convexe Fläche (Figg. 11, 12). Der dem Spiess anhaftende mem- branöse Anhang wird bei Bespreehung der Entwiekelung noch Erwähnung finden. Der Schwanz des Samenkörpers des Sperlings ist von der 126 A. v. Brunn: constanten Länge von 0,084— 0,085 mm, er erscheint in ganz frischen oder an in Osmiumsäure von 1 Procent erbärteten Prä- paraten vom Kopfe an geschlängelt und nimmt allmählich an Dicke ab. In einiger Entfernung vom Ende findet sich eine plötzliche Verdünnung, jenseits deren der Schwanz nur aus einem äusserst feinen, blassen, nicht mehr geschlängelt, sondern schlicht verlau- fenden Faden besteht: das ist zweifellos der dem Endstück der Säugethier- und Salamanderspermatozoen entsprechende Theil (Fig.9 SE). Seine Länge schwankt zwischen 0,0154 und 0,025 mm, beträgt aber meist um 0,021 mm herum. Mitunter kann man auch am frischen Samenkörper den obersten Theil des Schwanzes als etwas dunklere Partie, die sich gegen das Hauptstück absetzt, erkennen; besser gelingt das aber auch an Osmiumpräparaten, welche mit Fuchsin gefärbt waren. Dies obere Stück (Fig. 9 SV) ist das Verbindungsstück, welches an noch nicht völlig reifen Samenkörpern weit deutlicher ist (Figg. 12, 13, 15) und später noch genauere Erwähnung finden wird. Was nun den geschlängelten Theil des Schwanzes angeht, so hat Schweigger-Seidel einen gelegentlich von ihm sich ab- lösenden geschlängelten Faden bemerkt, wie seine Fig. D 4 zeigt, — und diese Beobachtung ist leicht zu bestätigen. Man kann schon am ganz frischen Präparat Bilder wie das eben erwähnte erhalten, jenen Faden sehen, von dem es schwierig ist zu sagen, ob er wie die Randfaser des Flossensaumes beim Salamander und Triton auf einer Seite der Axenfaser heruntergeht oder ob er letztere spiralig umgiebt. Ich glaube mich für erstere Annahme entscheiden zu sollen, nicht auf Grund der Beobachtung unver- sehrter Samenfäden, sondern wegen der Bilder, die man ab und zu von in ÖOsmiumsäure von 0,3 Prozent macerirten Hoden in Zupfpräparaten bekommt. Man sieht da mitunter den welligen Faden ganz abgelöst, nur noch in der Nähe des Kopfes dem Axenfaden angeheftet: wäre die Faser eine spiralige, so könnte sie sich nicht wohl auf so grosse Entfernung isoliren lassen ohne Beschädigung der Axenfaser. Diese geschlängelte Faser reicht bis an das untere Ende des Hauptstückes und giebt ihm sein cha- racteristisches Aussehen gegenüber dem nur aus der Axenfaser bestehenden Endstück. Die beiden Fasern sind sehr verschieden widerstandsfähig gegenüber der Zersetzung durch Fäulniss. Ein in der feuchten Beiträge zur Kenntniss der Samenkörper und ihrer Entwicklung ete. 127 Kammer eingeschlossenes, mit Kochsalzlösung von 0,5 Proe. ver- dünntes Präparat von Samen aus dem Vas deferens liess nach 24 Stunden nur noch Spuren der geschlängelten Faser erkennen, während die schnurgrade Axenfaser sehr deutlich hervortrat ; noch nach 4 Wochen war letztere vollständig intact, von ersterer längst keine Spur mehr zu erkennen. Die Axenfaser hatte zu dieser Zeit noch die ganz constante Länge von 0,08 mm, zeigte am obe- ren Ende noch deutlich die concave Fläche, in welcher das con- vexe untere Ende des Kopfes gesessen hatte, — und keine Spur mehr von einer Trennung in Hauptstück und Endstück, — wohl der sichere Beweis, wenn überhaupt noch einer nöthig wäre, da- für, dass letzteres wie bei den Säugethieren, der nicht eingehüllte Theil des Axenfadens ist. Beide Fasern sind, wie ich vermuthe, aber durch direete Be- obaehtung nicht beweisen kann, in derselben Weise mit einander verbunden wie die Axenfaser und die Randfaser des Flossen- saumes bei Salamandern, d. h. durch eine den Axenfaden ein- hüllende Protoplasmamasse, als deren differenzirter einseitig vor- tretender Rand die wellige Faser anzusehen wäre. Ueber die Art und Weise der Bewegung dieser Elemente habe ich, trotzdem ich sie zu wiederholten Malen lebend vor mir gehabt habe, nur wenig eruiren können. v. La Valette St. George (23) bezeichnet sie als eine geradlinig fortschreitende, wo- bei lebhafte Drehung sichtbar ist. Ich glaube nicht, dass damit genug gesagt ist. Man sieht nämlich, wenn man lebhaft sich be- wegende Spermatozoen beobachtet, nicht den ganzen Schwanz deutlich, das hintere Ende ist höchst unklar, — dieses schreitet also jedenfalls nicht in gerader Linie vorwärts. An fixirten, mit dem Kopf irgendwo festsitzenden Körperchen gelingt es auch zu sehen, dass der Schwanz, ähnlich dem gleichen Elemente der Säugethiere, schlagende Bewegungen ausführt, ohne dass eine Ro- tation stattfindet. Schlagende Bewegungen sind auch an frei- liegenden, im Absterben begriffenen mitunter sichtbar, es gesche- ben eine Anzahl Schläge ohne Drehung, dann folgen einmal ein paar Drehungen rasch hinter einander. Also die einzige Bewe- sung, welche zugleich die Ursache der Locomotion wäre, ist die Rotation jedenfalls nicht, — ob aber diese letztere durch die seit- liche schlagende Bewegung des Schwanzes allein hervorgebracht wird wie bei den Säugethieren, oder ob die umhüllende Proto- 128 A. v. Brunn: plasmamasse durch eigene schraubenförmige oder wellenförmige Bewegungen dabei mitwirkt, ist mir, wohl wegen der Kleinheit des Objectes, nicht klar geworden. Unwahrscheinlich ist es nicht, dass nur die seitliche Bewegung des Schwanzfadens die Fortbe- wegung bewirkt, — noch weniger, bei der eigenthümlichen Form des Kopfes, dass die Axendrehungen nur durch solche Schläge hervorgerufen werden. b) Zur Entwicklung der Spermatozoen des Sperlings. Die Umbildung der Rundzelle in den Samenkörper beginnt hier auch mit der Entstehung des Axenstranges des Fadens im Innern des Protoplasmas und Fig. 1 könnte ebensogut vom Sper- ling wie vom Säugethier stammen, abgesehen von der Differen- zivung des Kernes, welche mir hier so deutlich nicht geworden ist. Ebenso wie dort wird dann dieser äusserst feine Faden, der spätere Axenfaden, frei, sodass Rundzellen mit Schwänzen von 0,07—0,08 mm Länge entstehen. Dann erfolgen weitere Verän- derungen sowohl am Kern wie am Protoplasma, ähnlich denen bei Säugern. Der Kern rückt nach dem einen Pol der Zelle hin, und zwar stets nach dem der Wand des Samenkanälchens zugekehrten, — und tritt aus dem Protoplasma heraus. Unterdessen ist mit ihm eine Veränderung, welche Fig. 14 zeigt, vorgegangen und welche darin besteht, dass er sich in zwei Hemisphären geson- dert hat, deren caudale die ursprüngliche dunkle Beschaffenheit zeigt, während die andere sehr hell geworden ist und das Kern- körperehen sowie eine kleine halbkugelige, auf der ebenen Fläche der dunklen Hemisphäre excentrisch aufruhende Prominenz zeigt. Es ist mir leider nicht geglückt, die Entwicklung dieser Verände- rung zu verfolgen; zuerst glaubte ich in der Begrenzung der hellen Halbkugel ein der Kopfkappe bei den Säugethieren entsprechendes Gebilde vor mir zu haben, aber ich bin davon zurückgekommen, weil ich in dem Hohlraum regelmässig das Kernkörperchen fand und weil ich die Kopfkappe der Säugethiere als ein protoplas- matisches Gebilde bezeichnen muss!). Ich muss also die Herkunft 1) Renson (20) meint die Kopfkappe als eine dem Kern ursprünglich angehörige Bildung ansehen zu müssen uud verwirft meine in meiner vorigen Arbeit über die Entwicklung der Samenkörper (21) ausgesprochene Ansicht, Beiträge zur Kenntniss der Samenkörper und ihrer Entwicklung ete. 129 dieser Bildung dahingestellt sein lassen und rechne sie einstweilen dem Kerne zu. Bemerkenswerth ist, wie häufig sieh an Osmium- präparaten die beiden Hemisphären des Kernes trennen, wie häufig man nur die untere der Zelle anhaftend findet, eine Erscheinung, welehe an das oben besprochene gleiche Vorkommen an dem aus- gebildeten Spermatozoenkopfe erinnert. Die ferneren Verände- rungen des Kernes bestehen nun blos in dem Verschwinden des Kernkörperehens und in der Verlängerung und spiraligen Auf- wiekelung der gebildeten Theile, wobei die untere Kernhemisphäre das Hauptstück des Kopfes, die obere den Spiess bildet, — an welch’ letzterem die beiden obengenannten Theile stets sichtbar bleiben, nämlich die dunkle Prominenz als dunkler spiraliger Fa- den, die helle Kappe als hautartige halbseitige Umhüllung (Figg. 15, 15, 10). Die weitere Ausbildung der für das Verbindungs- und Haupt- stück eharacteristischen Beschaffenheit kommt in folgender Weise zu Stande. Das Protoplasma hat sich, während der Kerm aus ihm heraustritt und die Differenzirung der beiden Kernhälften ein- tritt, lang ausgezogen, den Axenfaden auf längere Strecke ein- hüllend (Fig. 14). Unmittelbar hinter dem Kopf bemerkt man nun zuerst ein kugeliges dunkles Körperchen, welches während der weiteren Veränderungen des Kopfes in die Länge wächst und sich sowohl an ungefärbten Präparaten durch seinen Glanz, wie an Fuchsinpräparaten durch die Intensität seiner Fär- bung auszeichnet. Es nimmt allmählich die Form und Grösse des dass sie aus der als „Nebenkern“ oder „Corpusceule accessoir“ bezeichneten Protoplasmaverdichtung hervorgehe. Er sieht den Beweis für seine Ansicht darin, dass das „corpusceule aecessoir“ noch existire zur Zeit, wo auch die Kopfkappe schon sichtbar sei und weiter darin, dass die Samenzellen beim Stier nie ein solches Körperchen enthielten, trotzdem eine Kopfkappe auch hier entstände. Ich glaube, diese Beobachtungen sind nicht ganz genau. Es finden sich nämlich häufig in den Samenzellen — beim Kaninchen z. B. — zwei einander sehr ähnliche Körperchen im Protoplasma (s. 22 Fig. la—d), von denen eins meiner Ansicht nach die Kopfkappe bildet, während das andere noch weiter persistirt; — dies letztere mag man immerhin dem Rich- tungskörperchen des Eies vergleichen. Was den zweiten Beweispunkt be- trifft, so muss ich seine Richtigkeit entschieden bestreiten: ich finde in den runden Hodenzellen des Stieres das betreffende concaveonvexe Protoplasma- klümpehen gerade so deutlich wie bei anderen Thieren. Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd, 23. I 130 A. v. Brunn: Verbindungsstückes an (Figg. 15, 12, 15). In welcher Weise es entsteht, ist nicht erkennbar; dass es aber mit dem Kern nichts zu thun hat, sondern dem Protoplasma entstammt, nicht zu be- zweifeln, besonders nicht für denjenigen, welcher die Bildung dieses Theiles beim Säugethier kennt. — Der wellenförmige Fa- den des Hauptstückes endlich ist in seiner Entstehung leicht zu verfolgen. Man findet Körperchen, deren Axenfaden noch nackt ist: das Protoplasma liegt dem in den Kopf sich umwandelnden Kern dieht an (Fig. 14); ferner solche, bei denen der Axenfaden theilweise schon von dem welligen Faden begleitet ist: dann sieht man das Protoplasma am Ende des letzteren ansitzen (Fig. 15) als Klumpen, der je grösser der bereits gebildete Theil des in Rede stehenden Fadens, desto kleiner ist. Daraus muss man wohl schliessen, dass das Protoplasma, während es an dem Axenfaden sich entlang zieht, jenes accessorische Gebilde liefert, welches hin- fort mit dem Hauptstück des Schwanzes verbunden ist. Sehr in die Augen fallend ist folgende Thatsache: die frühen Stadien der Spermatozoen — Rundzellen mit eingeschlosse- nem Spiralfaden, solche mit freiem Axenfaden, Bildungen wie Fig. 14 — liegen ausnahmslos frei und werden in den Präparaten in grosser Masse isolirt gefunden. Die späteren Stadien hingegen liegen stets zu Bündeln vereinigt: ein Vorkommen, welches ent- schieden für die Merkel'sche Stützzellentheorie spricht und welches ieh mir auch nicht anders wie durch Annahme derselben erklären kann. Von anderen Vögeln hatte ich noch Hoden vom Haushahn und Enterich zu untersuchen Gelegenheit. Die Spermatozoen dieser Thiere haben viel Aehnliehkeit unter einander und mit denen der Säugethiere. Die Bildung des Verbindungsstückes speciell er- folgt ganz in der Art wie bei jenen, indem sich um den Axen- faden aus dem Zellprotoplasma Granula anfügen, welche zuerst als körniger Belag, dann als querstreifige Masse erscheinen und eine Spiralfaser im Bereich des Verbindungsstückes vortäuschen können, welehe endlich mit einander zu einer homogenen Masse verschmelzen. Die Bildung des Axenfadens aber ist durchaus dieselbe intracellulare wie bei allen anderen untersuchten Thieren. Beiträge zur Kenntniss der Samenkörper und ihrer Entwicklung etc. 131 Verzeichniss der eitirten Literatur. 1) Schweigger-Seidel, Ueber die Samenkörper und ihre Entwickelung. Dieses Arch. Bd. 1. 2) Eimer, Untersuchungen über den Bau und die Bewegung der Samen- fäden. Verhandl. d. phys.-med. Ges. zu Würzburg. N. F. Bd. 6. 1874. 3) Heneage Gibbes, On the structure of the vertebrate spermatozoon. Quart. Journ. of micr. science Bd. 19. 1879. 4) Derselbe, On the structure of the spermatozoon. Ebenda Bd. 20. 1880. 5) W. Krause, Zum Spiralsaum der Samenfäden. Biol. Centralbl. Bd. 1. 6) Derselbe, Handbuch d. menschl. Anat. 5. Aufl. Nachtrag zum I. Bd. 1881. 7) Jensen, Die Structur der Samenfäden. Bergen 1879. 5) Leydig, Untersuchungen z. Anatomie und Histologie der Thiere. Bonn 1883. 9) Retzius, Biologische Untersuchungen. Jahrg. 1881. 10) Grohe, Ueber die Bewegung der Samenkörper. Virchow’s Archiv Bd. 32. 1865. Il) Krämer, Öbservationes microsc. et experim. de motu spermatozoorum. Diss. Göttingen 1842. 12) Sertoli, Sulla struttura dei canal. seminif. del testicolo. Gazz. med. Ital. Lomb. Nr. 51. Milano 1875. (Nach Hoffmann-Schwalbe’s Jahresbericht.) 15) Duval, Recherches sur la spermatogenese etudiee chez quelques Gastro- podes pulmones. Journal de micrographie Bd. Ill. 1879. 14) Merkel, Erstes Entwickelungsstadium der Spermatozoen. Untersuch. aus d. anat. Inst. zu Rostock 1874. 15) Kölliker, Gewebelehre. 16) Brissaud, Etude sur la spermatogenese chez le lupin. Archives de Physiol. VII. 1880. 17) E. Meyer, Die Spermatogenese bei den Säugethieren. Me&moires de l’Acad. imp. des sciences de St. Pötersbourg. VII. Sörie T. XXVI. 15) Klein, Beitr. z. Kenntn. d. Samenzellen u. d. Bildung d. Samenfäden bei den Säugethieren. Centralbl. f. d. med. Wiss. 1880. 19) Helman, Ueber die Entwicklung der Spermatozoen der Wirbelthiere. Diss. Dorpat 1879. 20) Renson, De la spermatog6enese chez les Mammiferes. Archives de Bio- logie 1882. T. III. 21) v. Brunn, Beiträge z. Entwicklungsgeschichte der Samenkörper. Dieses Arch. Bd. 12. 1876. 22) von la Valette St. George, Ueber die Genese der Samenkörper. Dieses Arch. Bd. 1. 1865. 23) Derselbe, Der Hoden. Stricker’s Handbuch. 132 A. v. Brunn: Beiträge zur Kenntniss der Samenkörper etc. Erklärung der Abbildungen auf Tafel VIIA. Sämmtliche Figuren sind bei Winkel Dd, homog. Imm., gezeichnet, und zwar in der wirklichen Grösse (Vergröss. 1214); nur Fig. 3—7 etwas grösser. Fis. 1. Samenzellen vom Kaninchen mit intracellulärem Faden. g. 2. dto. dto. mit freigewordenem Faden. [5} Fig. 3 und 4. Samenfäden aus dem Vas def. des Stieres, mit 0,3-proc. Os- miumsäure behandelt; Axenfaden; SE Endstück des Schwanzes. Fig. 5—7. Aus einem Zupfpräparat eines 24 Stunden in Müller’scher Flüs- sigkeit gelegenen Mäusehodens. Bildung des Verbindungsstückes. Bei 5 ist der Axenfaden deutlich und treten gleich grosse Körner im Protoplasma auf, bei 6 legen sich dieselben dem Axenfaden an, bei 7 sind sie zu Ringen verschmolzen. Fig. 8. Ausgebildetes Spermatozoon der Maus. SV Verbindungsstück, SH Hauptstück, SE Endstück des Schwanzes. Fie. 9. Ausgebildeter Samenkörper des Haussperlings. Osmiums. 1°/, Fuchsin. KS Spiess, KH Hauptstück des Kopfes. SV, SH, SE wie bei voriger Figur. Fig. 10. Kopfende eines solchen. Osmiums. 1%/,. Grenze zwischen Hauptstück und Spiess des Kopfes nicht sichtbar, wohl aber der membranöse Anhang au letzteren. Fig. 11. Reifer Samenkörper aus einem in Osmiums. 0,30/, macerirten Hoden. Der Spiess des Kopfes in eine feinkörnige Masse verwandelt. Die beiden Fäden des Schwanzes getrennt. Fig. 12, 13, 14, 15. Entwicklungsformen der Samenkörper des Haussperlings. In Fig. 14 die Theilung des ausgetretenen Kernes in die beiden Hemisphären KH und KS, deren weitere Veränderung, Längswachs- thum und Schlängelung die Fig. 12 — bei welcher das dem Spiess entsprechende Stück abgefallen ist —, Fig. 13 und 15 zeigen. Fig. 14 zeigt das erste Auftreten des Verbindungsstückes, dessen weitere Ausbildung auch in Fig. 12, 13, 15 erkennbar ist. Letztere Figur veranschaulicht die Bildung des welligen Fadens aus dem am Axen- strang sich hinziehenden Protoplasma. Fig. 16. Theil des Hauptstückes eines Salamander- (Sal. mac.) Samenkörpers, aus 0,3-proc. Osmiums. SH Hauptstück des Schwanzes, dessen Axenfaden bei Ax freigeworden ist durch Abfallen des Protoplasma- mantels. FI Flossenmembran, bei Ax zerstört. Arthur Bolles Lee: Bemerk. üb. d. fein. Bau d. Chordotonal-Organe. 133 Bemerkungen über den feineren Bau der Chordotonal-Organe. Von Arthur Bolles Lee. Hierzu Tafel VIIB. Nachstehende Zeilen geben die Resultate von Studien an, deren Zweck es war, mittelst Beobachtung von lebenden Orga- nismen eine möglichst vertrauenswürdige Vorstellung vom Bau der Gehörstifte zu erwerben. Sie beziehen sich direet nur auf die Dipterenlarven; ich glaube jedoch, dass sie fähig sind, auch auf die anderen Vorkommnisse ein Licht zu werfen. Was die Termimologie betrifft, schliesse ich mich an die be- kannte Arbeit von Graber an (dieses Arch. Bd. XX), die ich bitte zur Hand zu nehmen. Chordotonalorgane habe ich an den folgenden Larven beob- achtet: Culex (mehrere Arten); Chironomus plumosus; Si- mulium; Psychoda; an einer Tipulide; Tabanus autum- nalis; Eristalis (mehrere Arten); an zwei Syrphiden; zwei Museiden. In allen Fällen, in denen ich die Art der Verbreitung feststellen konnte, habe ich gefunden, dass die truncalen Chordal- organe in der Regel eine dizygische Anordnung haben; und zwar so, dass in der Regel ein polyseolopisches System mit einem monoscolopischen in jedem Segment (mit Ausnahme des ersten und letzten) vorkommt. Davon giebt es einzelne Ausnahmen; z.B. das vorletzte Segment von Culexlarven hat keine Chord.-Organe im truncalen Theil, während dessen Anhang (Athemrohr) 3 Paare be- sitzt. Oefters besitzt das zweite (resp. dritte) Leibessegment ein überzähliges monoscolopisches Paar, so bei Eristalis und den anderen Syrphiden. Immer habe ich die Organe paarig sym- metrisch gelagert gefunden, und kann Graber nicht beistimmen, wenn er sich berechtigt glaubt, die an verschiedenen Individuen beobachteten Vorkommnisse zu summiren, falls sie „eine ganz 134 Arthur Bolles Lee: differente Lagerung besitzen“; denn ich halte dafür, dass die Lagerung überhaupt keine absolut präcise ist; nur die numerische Anordnung ist constant (Altersverschiedenheiten ausgenommen). Die Zahl der Elemente der polyscolopischen Systeme ist meist 3, kann aber auch 2, 4 oder 5 sein. Die Fussstummel der Syrphi- den haben je ein Stiftelement so wie auch deren Fühler. In den Fühlern und Max.-Tastern von Chironomuslarven finde ich auch je ein Stiftehen. 3ekanntlich fassen die Autoren die chordotonalen Nerven- endkörperchen als stiftförmige Gebilde auf, das heisst als solche, die „ohne Ausnahme nach der proximalen Seite zugespitzt er- scheinen“, während ihr anderes oder Distalende „fast durch- gsehends eine einem Nagelkopf vergleichbare Verdieckung trägt“. Sie sprechen daher vom Stiftkopf, vom Stiftkörper und von der Spitze des Körpers. Ferner sind sie der Meinung, dass ge- dachte Spitze in eine centripetal verlaufende Chorda übergehe, die sie als „aus der Ganglienzelle entspringenden Axenfaden“ auf- fassen. In der Lichtung des Stiftkörpers beschreiben sie eine Axenfaser, die von der Spitze bis zur Basis des kegelförmigen Körperlumens übergeht und als Fortsetzung der Chorda zu be- trachten ist. Das ganze Stiftkörperchen fassen sie als Anschwel- lung der Chorda, das heisst eines axialen Fortsatzes der Ganglien- zelle auf. Ich habe gefunden, dass der Stiftkörper überhaupt keine Spitze besitzt; — dass die Chorda keine einfache Fortsetzung einer Ganglienzelle ist, sondern etwas Complieirteres; — dass die Axenfaser nicht von der Chorda herstammt; — und dass das ganze Stiftkörperchen nicht als terminale Anschwellung eines nervösen Filamentes anzusehen ist, sondern als kapselartiger Umhüllungs- Apparat desselben. An den Köpfen sämmtlicher larvalen Gehör- stifte habe ich eine eigenthümlich complieirte Structur gefunden. Ueber allgemeineres Vorkommen von Distalchorden, resp. ampbhi- nematische Beschaffenheit der Stifte, habe ich ebenfalls etwas zu berichten. | „Spitze“ und „Chorda“ Bilder, die eine scharf abge- srenzte Spitze vorstellen, wie Fig. 1 und 5, kommen sehr häufig vor. Sie sind aber immer Trugbilder, so schön auch die Spitze definirt sein mag. Ebenso häufig findet sich auch das „Bild der zweizinkigen Gabel“ vor (Fig. 6). Beiderlei Erscheinungen können Bemerkungen über den feineren Bau der Chordotonal-Organe. 135 an den Stiften desselben Scolopophorenbündels vorkommen, was sich leicht erklärt, sobald man einmal die wahre Structur kennen gelernt hat. Diese ist aus Figg. 8, 9, 11 leicht ersichtlich. An dem Punkte nämlich, wo die geometrische Spitze des Conus des Stiftkörpers zu liegen kommen würde, biegen sich die Wandungen des Körpers mehr oder weniger ein, gerade als ob sie zu einer Spitze zusammenfliessen wollten; ehe sie aber dies thatsächlich sethan, werden sie plötzlich sehr dünn, verlieren an Lichtbreehungs- vermögen, nehmen entweder eine parallele Riehtung an (Figg. 9, 11), oder weichen auseinander (Fig. 8), um als dünner die Axen- faser einhüllender Schlauch ihren Weg nach dem Ganglion fortzu- setzen. Diesen Schlauch nenne ich „Apicalschlauch“. Nicht sel- ten collabirt er: in Fig. 3 z. B. ist er gänzlich collabirt; in Fig. 2 nur zum Theil, und dort bleibt noch ein kleines Lumen an einer Stelle sichtbar. Dass man alsdann die Axenfaser in ihm nieht mehr sehen kann, ist selbstverständlich ; bleibt er aber parallelwandig, wie in Figg. 9, 11, so bedarf es doch der stärk- sten Auflösungskraft des Mikroskops, um ein rechtes Bild von ihm und der axialverlaufenden Axenfaser zu bekommen. Gelingt dies nicht, so wird das Ganze einen soliden Strang vorspiegeln, die „Chorda“ Grabers. Auch wenn der Apicalschlauch ausge- baucht ist, ist er nicht immer sichtbar, seiner grossen Dünnheit wegen; daher rührt das Bild der zweizinkigen Gabel (s. Fig. 6), das folglich nicht, wie Graber meint, daher kommt, dass ‚‚die Spitze versteckt“ ist, oder „bei schiefer Lage nicht ins Gesichts- feld tritt“, denn es kommt auch bei ganz horizontaler Lage zu Stande, wie man daraus urtheilen kann, dass die Axenfaser immer sichtbar geblieben ist (Figg. 4, 6). Was aus dem Apicalschlauch proximalwärts wird, weiss ich nicht. Natürlich würde die Sache erst recht verständlich sein, wenn man demonstriren könnte, dass er eine Fortsetzung einer Ganglienzellen-Kapsel wäre; nie aber habe ich ihn bis zum Ganglion hinauf verfolgen können. Aus obiger Darstellung geht hervor, dass die „Chorda“ Gra- bers ein zusammengesetztes Gebild ist, aus Apiealschlauch und Axenfaser bestehend. Es gilt dies von allen Gehörstiften die ich kenne, d. h. auch von den Halterenstiften und von den Tym- panalstiften, sowie von den hier speciell in Betracht kommen- den Larvenorganen. Axenfaser. Ich habe die Axenfaser nie bis zu einer Gang- 136 Arthur Bolles Lee: lienzelle hinauf verfolgen können. Distalwärts aber habe ich die Art ihrer Endigung feststellen können. An den Chord.-Organen der Larven von Simulium habe ich nämlich wiederholt und mit aller nur wünschenswerthen Klarheit gesehen, dass sie sich am Fundus des Stiftlumens, hart unter dem Kopf, mittelst einer Ter- minalknospe ansetzt (Figg. 9, 10, 11). Die Knospe scheint mir hohl zu sein; sie ist entweder einfach halbkuglig (Fig. 9), oder etwas länglich, und in der Mitte eingeschnürt (Fig. 11); in letz- term Falle ist der distale, grössere Theil halpkuglig hohl, der proximale aber kuglig solid. Die Höhlung der Knospe scheint in die Liehtung des Kopfkanals überzugehen. Sie ist etwas brei- ter als der Kopfkanal. (Fig. 2. Vergl. auch Grabers Fig. 13, B.) An den anderen beobachteten Objeeten habe ich nur sehen können, dass die Axenfaser fein zugespitzt in die Liehtung des Stiftkörpers hineingehe (Figg. 4, 5, 6, S); doch zweifle ich nicht, dass sie an dem tuberkelartigen Vorsprung, den der Kopf ins Körperlumen zu machen scheint, endige (Figg. 4, 5, 6. 8). Kopf. Bei allen von mir näher studirten Larvenarten ist der Stiftkopf merocephal, oder zweigliedrig (Fig. 6). Er ist schlank in allen polyscolopisehen Organen, häufig stumpf und min- der stark gegliedert in den monoseolopischen (Fig. 8 und 9). Das Proximalglied ist ein abgestutzter Conus (Zuckerhut); es ist an der Basis des Stiftkörpers pfropfenartig inserirt; seine Ba- sis ist nach innen zugewandt und ragt meistens tuberkelartig ins Lumen des Stiftkörpers hinein. Das Distalglied gleicht ihm in Allem, nur dass es rein conisch, nicht abgestuzt ist (die mono- scolopischen Vorkommnisse wieder ausgenommen, wo beide Glie- der häufig fast nichts mehr als knoten- oder ringförmige Ver- diekungen des Kopftheils sind (Fig. 8 und 9). Einen Axenkanal habe ich nur in Simulium- und Chironomuslarven beobachten können. (Es ist natürlich damit keineswegs gesagt, dass ein sol- cher bei den anderen Objeeten nicht vorhanden sei.) Nun aber muss ich beifügen, dass Bilder wie die Köpfe in Figg. 1, 2, 3 (eylindrische) und Fig. 10 (eonacoide), in der That sehr häufig vorkommen. Dies alles ist nach meiner Ansicht auf inadäquates Auflösungsvermögen des Mikroskops zurückzuführen. Will man sich davon überzeugen, wie leicht aus einem mero- cephalen Stiftehen das Bild eines holocephalen bei mangelhafter Auflösung zu erhalten ist, so hat man nur z. B. Fig. 7 unter Bemerkungen über den feineren Bau der Chordotonal-Organe. 137 sehr kleinem Sehwinkel, etwa von 1 Meter Abstand aus, zu be- trachten; man wird leicht die Vorstellung von einem einfach eylin- drischen Kopf bekommen. Ein schlagendes Beispiel der Art lie- fert ferner das Stiftehen, das in den beiden Figuren 10 und 11 dargestellt ist. Ich hatte es nämlich während des Niederschrei- bens dieser Zeilen mit dem Wasserimmersionssystem ZeissH stu- dirt und als Beispiel von einem einfachen eonacocephalen Larven- stiftehen abgebildet, da ich überzeugt war, dass ich in ihm end- lieh ein solches aufgefunden habe. Sobald ich aber zur Controle die Oel-Immersionslinse (Powell !/,,) aufschraubte, bekam ich das Bild, das ich in Fig. 11 wiedergegeben habe. Ungefähr dasselbe ist mir mit den stumpfköpfigen Stiften der monoscolopischen Organe desselben Thieres begegnet, die mir zuerst, mit einem Trocken- systeme beobachtet, sogar kopflos erschienen! Bilder wie Fig. 4 und 5 gehören auch nicht zu den seltensten, und lassen eine gleiche Interpretation zu. Hier ist das Distalglied, weil es der Substanz der Distalchorda an Liehtbrechung nieht merklich über- legen ist, in der Chorda selbst optisch verborgen. Weiss man jedoch, dass es da sein muss, so findet man es endlich regel- mässig auf. In den Figg. 4 und 5 habe ich es, wie es als ein heller Fokal-Punkt oder -Streif durchschimmert, wiederzugeben ge- sucht. An Fig. 5 hat der Leser wohl bemerkt, dass das Proximal- glied ganz in der verlängerten (nicht sehulterartig vorspringen- den) Basis des Stiftkörpers zu liegen scheint. Ich glaube, dass diese Erscheinung daher kommt, dass von der Distalchorda (siehe unten) eine feine Membran (m in Figg. 5 und 11) bis zu den „Schultern“ oder der Basis des Körpers gespannt ist. Zwar be- kommt so das Ganze einen conacocephalen Contur, es ist aber nicht als conacocephal zu deuten, weil der Raum, der zwischen der gedachten Membran und der centralliegenden stark licht- brechenden Substanz liegt, leer ist. Möglicherweise ist diese Mem- bran immer vorhanden, auch wenn keine Spur davon demonstrirbar ist, denn die zwei Fälle können in demselben Thier, ja in dem- selben Chordotonalorgan vorkommen. Was für eine physiologische oder morphologische Bedeutung diese Gliederung der Köpfe haben mag, weiss ich nicht anzugeben ; so viel aber glaube ich annehmen zu dürfen, dass sie ein allge- meines Merkmal der larvalen Stiftchen der Dipteren ist, und 9* 138 Arthur Bolles Lee: bei allen mittelst adäquater Vergrösserung und Apertur sich de- monstriren lassen wird. Distalehorda. Bekanntlich sind nach Graber (S. 518 ££.) zwei Typen von Stiftkörperchen zu unterscheiden; die amphine- matischen, d.h. solche, die „an beiden Enden fixirt, resp. wirklich nach Art einer Saite ausgespannt“ sind; und die mononematischen, die nur an dem einen (proximalen) Ende fixirt sind, während sie distalwärts, mit keinem Befestigungsband versehen, ‚ganz frei innerhalb des saitenartigen Endschlauches“ liegen. Die Distal- chorda besteht nach ihm aus dem bis zum Integument hin ver- längerten Kopf; er beschreibt sie nur bei der Corethralarve, einer Syrphuslarve, und gewissen Pediculiden. Solche verlängerte Köpfe kenne ich aus eigener Anschauung nicht; ich bin aber zu dem Resultat gekommen, dass alle chordo- tonalen Stiftchen überhaupt amphinematisch sind im Sinne obiger physiologischer Definition; d. h., dass sie nach beiden Richtungen hin gespannt sind, obgleich dies nicht immer mittelst eines ver- längerten Kopfes geschieht. An allen polyscolopischen Organen der von mir untersuchten Organismen ist das distale Befestigungs- band leicht zu demonstriren; an den monoscolopischen habe ich es nur an den Larven von Simulium und Chironomus mit Sicher- heit sehen können, zweifle aber nicht mehr, dass es auch bei den anderen Formen existirt. Dieses Befestigungsband ist immer ein sehr dünnwandiger Schlauch. In sehr günstigen Fällen sieht man, dass der Schlauch enorm fein längsstreifig ist. Bei Simulium lässt sich feststellen, dass er ein Doppelschlauch ist. Er enthält entweder nur eine klare Flüssigkeit, oder aber dazu auch eine wechselnde Menge einer stärker lichtbrechenden Substanz, die sich meist gegen den Stiftkopf zu ansammelt (in Fig. 11 etwa bis zu den Buchstaben De sichtbar). Er scheint öfters (z. B. Simulium, Culex) an dem Kopf fixirt zu sein (Fig. 9, 11), dann ist er schmäler als der Kopf, oder doch nicht viel breiter; manchmal aber (Eristalis, Syr- phiden, Figg. 4, 5, 7) ist er beträchtlich breiter, ungefähr so breit wie das Stiftehen selbst; in dem Falle ist es ungewiss, ob er an den Schultern des Körpers (ohne vorher mit dem Kopf Ad- häsionen einzugehen) sich inserire, oder ob er gar das ganze Stift- chen in sich einschliesse und auch proximalwärts sich fortsetze (siehe Fig. 7). (Davon spricht wohl Graber (8. 635), wenn er in Bemerkungen über den feineren Bau der Chordotonal-Organe. 139 der Beschreibung des Chordotonalorgans einer Syrphuslarve be- merkt: „Jedem Stiftehen scheint ein besonderer Schlauch zu ent- sprechen, das Ganze also ein Bündel von scolopoferen Röhren dar- zustellen“.) Um etwaigen Missverständnissen vorzubeugen, füge ich bei, dass alle diese „scolopoferen Röhren“ in einer gemeinsamen aus dem Nerven abstammenden Neurilemmahülle eingeschlossen sind; das Ganze bildet distalwärts die Endfaser, oder die End- fasern, der Autoren. An einem typischen scolopalen Element, wie z. B. dem von Simulium, Fig. 11, ist das Ganze wesentlich ein aus der Gang- lienzellenkapsel (wahrscheinlich!) hervorgehender eine Axenfaser einhüllender Schlauch (Apicalschlauch), der zum Stiftkörper an- schwillt, zum Stiftkopf sich verdickt, und wieder verdünnt als Distalchorda an dem Integument endigt. Der Kopf scheint eine ringförmige Verdickung zur Anheftung der Nerventerminalknospe zu sein. Dass manchmal der Kopf frei in der Distalchorda zu liegen scheint, kann daher kommen, dass er sich, nach seiner Ab- lagerung, von der Hülle abgespaltet hat. Fliessen seine Wandungen zusammen, so kommt es zur Obliterirung des Axenkanals. Eine weitere Fortsetzung desselben Prozesses wird aus dem ganzen End- schlauch einen soliden Strang machen, — den von Graber be- schriebenen in die Länge ausgezogenen Kopf von der Corethra- larve. Erklärung der Abbildungen auf Tafel VIIB. Fig. 1. Drei Stiftchen einer Eristalislarve. X 550 (Zeiss H, Wasser- immersion). Die Stifte mit scheinbaren Spitzen und einfachen cy- lindrischen Köpfen. Trugbild. Fig. 2. Stiftchen eines monoscolopischen Organs einer Eristralis- Larve. x 700 (Zeiss H). Kopf unvollkommen definirt, Apicalschlauch (ap) zum Theil collabirt, eine solide Chorda (Ch) vorspiegelnd. Trugbild. Fig. 3. Stiftchen eines anderen monoscol. Organs ebenderselben Larve. x 700 (Zeiss H). Wie Fig. 2, uur der Apicalschlauch ganz collabirt. Trugbild. Fig. Arthur Bolles Lee: Bemerk. üb. d. fein. Bau d. Chordotonal-Organe. ER: 10. 11. Aus einem pentascolopischen Chordotonalorgan einer Syrphiden- larve. x 750 (Zeiss H). Distalglied (Dk) des Kopfes fast ganz in der Distalchorda (Dec) verborgen; die „Spitze“ scheint offen zu sein. Pk Proximalglied des Kopfes. Ax Axenfaser. Anderes Stiftehen desselben Organs. Bezeichnung wie vorher. Distalglied deutlicher durch die Distalchordasubstanz durchschim- mernd. m Kopfmembran, von der Distalchorda herstammend. Ax Axenfaser. Eine scheinbare Spitze. Besseres Bild, aber noch immer mangelhaft. Aus einem triscolopischen Organ derselben Larve. x 750 (Zeiss H). Kopf vollkommen aufgelöst. (Distalchorda nicht gezeichnet, der Klarheit wegen.) Apicalschlauch der Feinheit wegen unsichtbar, daher das Bild der zweizinkigen Gabel. Axenfaser sichtbar (Ax). Wahres Bild. Die drei Stifte eines triscolopischen Organs derselben Larve. x 600 (Zeiss H). Köpfe ganz in den Distalchorden (De) eingeschlossen; man sieht die Apicalschläuche (ap) proximalwärts. Es ist ungewiss ob die Distalchorda sich an den Schultern der Stiftkörper inserire, oder gänzlich vorbeigehe. Stiftehen eines monoseolopischen Organs einer Eristalislarve. x 1050 (Powell and Lealand’s Oel-Immersion !/ıe). Apicalschlauch (ap) etwas ausgebaucht, man sieht die Axenfaser (ax) in ihm. Ganz wahres Bild, nur die Distalchorda nicht demonstrirt. Stiftehen eines monoscolop. Organs einer Simuliumlarve. x 1500 (Powell, Oel-Imm. 1/j)- Apicalschlauch (ap) in der natürlichen Lage. Axenfaser (ax) geht in eine Terminalknospe über. Kopf mit Axenkanal. Distalehorda (De) doppelwandie. Stiftehen eines polyscol. Organs ebendaher. x 750 (Zeiss H). Apicalschlauch unsichtbar, Kopf (k) nicht aufgelöst, scheinbar con- acoid, Distalchorda (De) scheinbar solid. Trugbild. Dasselbe Stiftehen, X 2000, mit Powell’s Oel-Imm. Y/. Apical- schlauch (ap) demonstrirt, Kopf aufgelöst, merocephal mit Axen- kanal, Distalchorda (De) aufgelöst, doppelwandig hohl, mit abgelager- ter Kopfsubstanz, bis etwa (De) hinauf sichtbar, 'Terminalknospe trichterförmig, hohl. Ax Axenfaser. W. Flemming: Ueber Organe vom Bau der Geschmacksknospen etc. 141 Ueber Organe vom Bau der Geschmacksknospen an den Tastern verschiedener Mollusken. Von Ww. Flemming, Professor der Anatomie in Kiel. Hierzu Tafel VII. Den Anlass zur Mittheilung dieser Beobachtungen, die nun schon zwölf Jahre alt sind, erhalte ich durch eine eben erschienene verdienstvolle Abhandlung von Dr. Bela Haller!), in der, neben dem Nervensystem und anderen Theilen, auch diejenigen äusseren Sinnesorgane von Fissurella und von Trochiden genauere Be- schreibung finden, welche Haller als Seitenorgane benennt). Er schildert bei Fissurella jederseits eine Reihe von kleinen weissen Zöttchen (Seitentaster, Haller), hier 44—48 an der Zahl, unter der Seitenfurche gelegen, an deren medianer Fläche die eigent- lichen Seitenorgane oder Sinneshügel Haller’s als Wülste mit besonderem Epithel vorspringen. Mit jenen Seitentastern bei Fis- surella sind, wie Haller morphologisch begründet, die viel länge- ren Tentakeln am Fussrande der Trochiden gleichwerthig zu setzen, welche bei letzteren Schnecken (Trochus, Turbo) nur in Vierzahl vorkommen, und durch ihre Länge und lebhafte Bewegung wohl jedem Beobachter dieser Thiere aufgefallen sein werden. Am Fusse jedes solchen Tasters anliegend fand Haller auch hier einen Wulst, einem Seitenorgan der Fissurella entsprechend und mit gleichbeschaffenem Epithel. Ueber diese Seitenorgane, ihr Epithel und ihren Nerven- apparat habe ich aus eigner Erfahrung nichts auszusagen und da- für nur auf Haller’s Beschreibung zu verweisen. An den Rand- 1) Untersuchungen über marine Rhipidoglossen. Morpholog. Jahrbuch Bd. 9, 1883. Taf. I-VI. 2) S. 44 ff. und 55 ff. Archiv f. mikrosk. Anatomie, Bd, 23. 10 142 W. Flemming: tastern und Fühlern aber von Trochus einerarius kenne ich seit lange Verhältnisse, die so auffallend sind, dass es mich überraschte, sie in der eben besprochenen Arbeit nicht erwähnt zu finden. Ich möchte mir dies, angesichts der sonstigen Genauigkeit des Ver- fassers, durch die Vermuthung erklären, dass bei seinen Objecten, Trochus zizyphinus und Turbo rugosus, die betreffenden Verhält- nisse vielleicht weniger hervortretend, die Papillen, die ich hier beschreibe, kürzer sein mögen als bei Trochus einerarius, Haliotis und Anderen !). Ausserdem kommt wohl in Betracht, dass Haller sein Augenmerk mehr auf die eigentlichen Seitenorgane, als auf die Taster und Fühler gerichtet hatte. Ueber das Epithel der Taster bei Trochus zizyphinus sagt er (S. 57), „dass der Taster von niederen gelben Pigmentzellen überzogen ist“ und „dass in diesem Epithel nur wenige Becherzellen vorkommen, und auch die Pinselzellen schwer zu beobachten sind‘; bei Fissurella?) beschreibt er (S. 46) das Tasterepithel als flimmerlos und mit Cuticularsaum versehen (so ist es auch bei Trochus), und zusammengesetzt aus dreierlei Zellen: indifferenten Pigmentepithelien, Becherzellen und Haar- oder Pinselzellen der Art, wie ich sie früher von Mollusken bekannt machte ?). Ich will nun meine betreffenden alten Befunde an Trochus, Haliotis und zwei Lamellibranchiaten hier kurz mittheilen, theils weil sie als eine Ergänzung zu Haller’s Arbeit dienen können, in welcher die Verbreitung von becherförmigen Organen bei Mol- lusken als ziemlich gering angenommen wird; theils auch weil sie, wie ich denke, einiges allgemeine Interesse für die vergleichende Kenntniss der Sinnesorgane haben. Diese Beobachtungen hatte ich früher einstweilen liegen lassen, um noch weitere hinzu zu gewinnen; ich habe sie bisher nur bei einer anderen Gelegenheit, und so kurz erwähnt *), dass die Notiz wohl so gut wie ganz übersehen worden ist). 1) Oder sie müssten wirklich dem einen Trochus fehlen, während sie beim anderen vorkommen. 2) Diese habe ich nicht untersucht. 3) Dies Archiv Bd. 5, S. 415 und Bd. 6, S. 439. 4) Zur Anatomie der Landschneckenfühler und zur Neurologie der Mollusken. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie Bd. 22, 1872 (S. 370—371). 5) Für den Fall, dass seitdem, ausser der unten angezogenen Angabe von Möbius, noch etwas über die Sache publieirt sein sollte, muss ich Ueber Organe vom Bau der Geschmacksknospen an den Tastern ete. 143 Der erste bezügliche Befund gehört, so viel ich weiss, Franz Boll), welcher a. a. O. über Haliotis sagt: „Besonders interes- sant sind die grossen Tentakel, von denen jeder nach oberfläch- licher Schätzung etwa S0— 100 secundäre Tentakel trägt. Dieselhen (Fig. 22) sind von einem niedrigen, eine deutliche Cutieula tragen- den Cylinderepithel überzogen. — In den Zellen sind stets Körnchen eines schmutzig olivenbraunen bis grünlichen Pigments abgelagert. An der Spitze des secundären Tentakels ragt eine Anzahl kranz- oder büschelförmig angeordneter Haare hervor.“ Boll’s Fig. 22 zeigt eine Gruppe solcher Wärzchen, ganz ähnlich wie in meinen Figuren 2, 5, 7 hier, nur stark pigmentirt. Den Bau derselben hat Boll nicht weiter untersucht. Demnächst ist ein Befund von K. Möbius als wahrscheinlich hierher gehörig anzuführen ?2).. An den Cirren der Mantelröhren von Solen pellueidus beschreibt und zeichnet Möbius „kleine Warzen, deren Ende vertieft ist. In dieser Vertiefung steht ein Büschel feiner Haare.“ Nach den bei 150facher Vergrösserung ge- gebenen Abbildungen dürften hier wohl ähnliche Endorgane vor- liegen wie die unten beschriebenen, die dann nur an den Cirren von Solen in viel geringerer Zahl vorhanden zu sein scheinen, als bei Trochus und Anderen. Bei Arbeiten auf Helgoland fand ich 1871 bei Trochus einerarius an den Fühlern und Randtastern sehr dicht geordnete lange Papillen, einzelne auch am Mantelrand und Kopf vertheilt (Fig. L—5), und untersuchte sie näher durch Isolation mit Chrom- kali-Jodserumgemischen, Versilberung und Vergoldung mit An- fertigung von Schnitten. An der frischen Warze sieht man eine undeutliche innere Längsstreifung (Fig. 2), die, wie die Isolation zeigt, einem cen- tralen Bündel von langen Zellen entspricht; die Kerne derselben, und der Deckzellen, sind sofort durch Essigsäure zu demonstriren meine Unkenntniss mit dem Unvermögen entschuldigen, zur Zeit die ganze zoologische Literatur zu übersehen. Doch hätten derartige Angaben dann wohl bei Simroth (Z. f. w. Zool. Bd. 26, S. 227) und Haller a. a. 0. eitirt werden müssen, bei beiden finde ich nichts. 1) Beiträge zur vergl. Histiologie des Molluskentypus. Dies Archiv 1869, Supplementheft. S. 52. 2) Fauna der Kieler Bucht, v. H. A. Meyer und K. Möbius, 1872, S. 112, Solen pellueidus, zugehörige Tafel Fig. 11 und 12, 144 W. Flemming: (Fig. 4), wobei sich, unter Vergleich der Epithelgrenzen-Versilberung (Fig. 3), zeigt, dass auch die Kerne der flachen Deckzellen an der basalen Hälfte der Warze localisirt sind, nur kernlose Theile dieser Zellen bis an die Spitze reichen (vergl. die 2 isolirten Deckzellen in Fig. 6 e). Das Central-Zellenbündel lässt sich bei gelungener Maceration in haartragende Zellen auflösen, wie sie die Fig. 6abd zeigen. Die Härchen sind kurz und fein, an wohlerhaltenen Exem- plaren findet man mehrere auf einer Zelle. Da die Zahl der Cen- tralzellen in der Knospe bei der Isolation oft ziemlich so gross erscheint, als die der einzelnen Borsten, die an der lebenden Knospe zu sehen sind, so ist daran zu denken, dass jede Borste ein Bündel von Härchen ist und zu einer Zelle gehört. Das Abmaceriren des Epithels und die Betrachtung seiner ° Unterlagefläche zeigt, dass der Warze nur ein flaches Polster von muskelhaltiger Bindesubstanz unterliegt (Fig. 6d), es besteht also die Papille zum bei weitem grössten Theil nur aus Epithel. Die Wärzehen sind am Fühler oder Taster so angeordnet, dass sie an einer Seite desselben entlang eine schmale papillen- lose Bahn frei lassen. Am einfachsten zeigt dies ein Querschnitt (Fig. 8). Am Kopf und Mantelrand sind die Papillen kürzer und wul- stiger, als an den Tastern (Fig. 5). | Die Vergoldung der Fühler, nach Cohnheim’s und H£noe- que’s Methoden, zeigte an Quer- und Längsschnitten, dass von dem Hauptnerven zahlreiche Seitenzweige abgehen, schätzungs- weise reichlich genug, um jede Papille mit einem Endnerven zu versorgen; die Imprägnationen gelangen aber nicht so vollständig, dass letztere bis ganz in die Basen der Warzen zu verfolgen ge- wesen wären. Bei späteren Arbeiten am Mittelmeer überzeugte ich mich, dass die von Boll beschriebenen secundären Tentakel bei Haliotis in diesem Bau mit denen bei Trochus übereinkommen. Ganz gleich gebaute Papillen fand ich nun auch bei Lamelli- branchiaten: bei Peeten sind die massenhaften „Tastfäden“ am Mantelrand reichlich ebenso dicht, wie bei Trochus die Taster, mit Wärzchen besetzt, die etwa dieselbe Länge, und wie mir einige Isolationsversuche hinreichend zeigten, jedenfalls in der Haupt- sache den gleichen Bau haben wie die beschriebenen. Das Gleiche - Ueber Organe zum Bau der Geschmacksknospen an den Tastern ete. 145 fand ich dann bei Anomia, ich erinnere nicht mehr, an welcher Körperstelle.. Meinem Collegen Möbius verdanke ich noch den Hinweis, dass bei Seintilla aurantia!) an den Manteltastern Papillen vorkommen, die nach seiner Erinnerung denselben Bau haben dürften; die von ihm gegebene Abbildung (s. Anm.) lässt jedenfalls darauf schliessen. Gleiches könnte sich dann wohl noch bei anderen Mollusken finden. Aber ich hebe auch hervor, dass es bei den meisten von mir untersuchten Arten sicher nicht in derselben Weise vorkommt: so fehlen die Wärzchen an den Fühlern aller Sisswasserschnecken, die ich darauf nachsah, ebenso an den Mantelpapillen der Najaden, und bei vielen Seemuscheln habe ich sie noch an keinem Körpertheil finden können. Dem Bau nach können die hier behandelten Epithelwarzen offenbar durchaus mit denen verglichen werden, die F. E. Schulze als Geschmacksorgane der Froschlarven aus deren Mundhöhle be- kannt gemacht hat), und die gleichfalls frei hervorragende Epi- thelzapfen sind®). Abgesehen aber von diesem freien Hervorragen, sind auch die gewöhnlichen, in’s geschichtete Epithel versenkten Geschmaeksknospen der Säugethiere, und die an Kopf, Lippen und Barteln von Knochenfischen vorkommenden, nach Form und An- ordnung der Zellen durchaus nicht von ihnen verschieden; und wenn man diese becherförmige Organe nennt, so fallen die be- sprochenen Gebilde von Prosobranchiern und Acephalen offenbar am nächsten in dieselbe Rubrik. Der einzige nennenswerthe Unter- schied im Bau zwischen diesen Epithelknospen bei Mollusken einer- seits, und den Geschmacksknospen der Wirbelthiere andererseits, bleibt der, dass bei jenen die Endhärchen der centralen Sinnes- zellen frei hervorragen, bei diesen ihre freien Enden noch inner- halb der Knospe liegen haben. Das wird man aber schwerlich einen wesentlichen Unterschied nennen wollen, da auch im letz- 1) Beiträge zur Meeresfauna der Insel Mauritius und der Seychellen. Bearb. von K. Möbius, F. Richters und E. v. Martens. Nach Samm- lungen von Möbius. Taf. XXI, Fig. 10b, gez. v. Möbius. 2) Dies Archiv Bd. 6, S. 407. 3) Denn der Unterschied, dass bei den Froschlarven ein längerer Binde- substanzzapfen die Unterlage bildet, ist offenbar nicht wesentlich; das End- organ selbst ist auch dort die frei hervorragende Epithelknospe. 146 W. Flemming: teren Fall die Härchenenden ohne Zweifel in direeten Contact mit der angrenzenden Flüssigkeit kommen; ausserdem zeigen die jetzt von Haller in der Mundhöhle von Fissurella entdeckten Organe (a. a. O. S. 82, Fig. 27, 28 u. A.) grade die gleiche Eigenschaft mit den hier beschriebenen Knospen an den Tastern, dass die Härchen frei hervorstehen, wie dies in seinen eitirten Figuren deutlich zu sehen ist. Da also Haller, und gewiss mit vollem Grund, diese Organe der Mundhöhle den becherförmigen Organen der Vertebraten gleichsetzt, so wird das wohl auch mit den hier beschriebenen zu geschehen haben. Dann besitzen also die becher- förmigen Organe bei Mollusken doch eine bedeutend grössere Ver- breitung, als es Haller anzunehmen geneigt war). Ich glaube nun zwar wie früher?), dass man einzig aus dem Bau soleher Endorgane noch nicht sicher auf die Function schliessen kann, wenigstens dann nicht, wenn der Bau ein relativ so ein- facher ist wie in diesem Fall. Denn es ist zu berücksichtigen, dass im Epithel des Molluskenkörpers fast überall einzeln ver- theilte Sinneshaarzellen vorkommen, die den Centralzellen der Knospen in der Form ganz ähnlich sind; sie stehen an einzelnen Orten dichter als an anderen, besonders dicht auf Fühlern und ähnlichen prominenten Körpertheilen. In den Fällen, die ich hier beschreibe, haben wir nun bei einzelnen Arten Fühler, an denen sämmtliche Sinneszellen in Gruppen zusammengerückt und diese Gruppen von abgeflachten Epithelzellen umhüllt sind. Es ist mög- lich, und vollkommen gut denkbar, dass in einer solehen Grup- pirung schon das Wesen eines speeifischen Sinnes-Endorgans liegt; aber es ist nicht erwiesen. Trotzdem möchte ich es auch für das Wahrscheinlichste hal- ten, was Haller?) allerdings schon für einigermassen sicher hält: dass Endorgane vom Bau der Geschmacksknospen auch Geschmacks- empfindungen vermitteln. Wenn das anzunehmen ist, dann wären also auch diejenigen Taster und Fühler bei Mollusken, welche die hier beschriebenen Papillen besitzen, Geschmacksorgane ?); natür- 1) a. a. O. S. 73—76, und Anm. S. 82. 2) Zeitschr. f. wiss. Zoolog. Bd. 22, S. 341. 3) 2.2: 0. 8. 74, 4) Der Umstand, dass sie an der freien Aussenfläche des Körpers vor- kommen, würde natürlich nicht gegen diese Function sprechen, da bei Fischen Ueber Organe zum Bau der Geschmacksknospen an den Tastern etc. 147 lich unbeschadet anderer Empfindungen, die sie noch daneben ver- mitteln können. Und es wäre für die Entwicklungslehre gewiss von Interesse, dass sich solche specifische Sinnesorgane bei einigen Thierformen an derselben Stelle herangebildet haben, wo bei den meisten, und zwar oft bei sehr nahestehenden Formen nur ver- streut gestellte Haarzellen vorkommen. — Die Verfolgung dieser Frage wird den Zoologen von Fach zu überlassen sein, und es war der Zweck dieser Mittheilung, dafür auf den Gegenstand auf- merksam zu machen. Erklärung der Abbildungen auf Tafel VIII. Fig. 1. Skizze eines Fühlerendes von Trochus cinerarius, schwache Ver- grösserung. Es sind nur die am Randprofil sichtbaren Epithel- papillen gezeichnet, diejenigen, auf welche man grade oder schräg sieht, nicht angegeben. Die dunkeln Flecke sind pigmenthaltige Epithelstellen an den Basen der Papillen. > ir jo} DD Drei solche Papillen am lebend abgeschnittenen Fühler von Trochus ein., mit Hartnack Imm. 9. Fig. 3. Papille ebendaher mit Silbernitrat behandelt, Epithelgrenzen der Deckzellen. Sinneshärchen durch die Silberwirkung verstümmelt. Kerne der Deckzellen nicht sichtbar. (Die Stiele der zwei Deck- zellen, welche den vorderen Theil der Papille decken, liegen auf der entgegengesetzten Seite.) Das Centralzellenbündel ist durch die Silberwirkung leicht angedeutet und schimmert durch. Fig. 4. Frische Papille ebendaher mit Essigsäure behandelt. Fig. 5. Papillen derselben Art von Trochus cinerarius, kürzer geformt, a: vom Mantelrand, b: vom Kopf. Fig. 6. Mit Chromkali-Jodserumgemischen isolirte constituirende Zellen der Papillen: a unter dem Präparirmikroskop zerzupfte Papille, die Deckzellen sind bis auf eine (rechts) abgelöst, die Centralzellen noch zusammenliegend; Hartnack Imm. 9. b Centralzellen, e Deckzellen, mit dem gleichen System etwas vergrössert gezeichnet. d, ebenso gezeichnet: nach Abzupfung der Deckzellen einer Papille, das Cen- tralbündel (von dem vielleicht 1—2 Zellen fehlen) noch an den Stielen der Zellen auf dem unterliegenden Bindegewebswulst fest- die Geschmacksknospen auch an der Aussenfläche des Kopfes und den Barteln zu finden sind. 148 W. Flemming: sitzend; die Zellen flottirten an den Stielen beim Beklopfen des Deckglases. Papillen der gleichen Art an den Mantelrandfäden von Pecten, frisch abgeschnittener Faden. (Nur die vorderen ?/, der Papillen- länge sind in der Figur enthalten.) Querschnitt eines vergoldeten Fühlers von Trochus cinerarius, nahe der Basis, schwach vergrössert. n: der Hauptnerv, einzelne von ihm abgehende Seitenzweige im Schnitt enthalten. m: Querschnitte der Längsmuskelbündel des Fühlers. f: der Streifen an der Fühler- fläche, welcher keine Papillen trägt und niedriges Cylinderepithel hat. Neben dem Nerven der Durchschnitt des Hauptgefässes.. Ra- diäre und verflochtene Muskeln des Fühlers nur durch Strichelchen angedeutet. An der Oberfläche die Papillen, zum Theil schräg angeschnitten. (Die Zeichnungen sind mit Ausnahme von Fig. 8 Skizzen, die 1871 und 1873 nach dem Object entworfen wurden, ich gebe sie in dieser einfachen Form, weil mir hier das frische Material als Grundlage für besser auszu- führende Bilder fehlt.) Zur Kenntniss der Regeneration der Epidermis beim Säugethier. Von W. Flemming, Professor der Anatomie in Kiel. Wie die Zellen des geschichteten Hautepithels im erwachsenen Körper des Menschen und Säugethiers sich erneuern, ist bis jetzt noch immer nicht ausreichend bekannt. Vor einigen Jahren habe ich es als die wahrscheinlichste Annahme hingestellt, dass diese Regeneration und überhaupt aller Epithelnachwuchs durch fort- dauernde indireete Theilungen der Zellen in den tiefsten Schich- ten des Malpighi’schen Lagers bedingt ist!). Die Gründe dafür, 1) Dies Archiv Bd. 18, 1880, S. 347 ff. Zur Kenntniss der Regeneration der Epidermis beim Säugethier. 149 die dort zusammengestellt wurden, sind zwar der Art, dass sie kraft des Analogieschlusses recht stark zu Gunsten jener Annahme sprechen können !); beweisend sind sie aber nicht, weil sie immer noch die Möglichkeit bestehen lassen, dass im Epithelgewebe, und speciell in der Hornepidermis, eine Vermehrung durch freie Zell- bildung, oder doch mit freier Kernbildung, oder mit direeter Kern- theilung vorkommen könnte, entweder neben indireeter Theilung, oder selbst als alleiniger Modus des normalen Ersatzes. Anschau- ungen dieser Art sind, zunächst wenigstens für das Hornhaut- und 1) Als wichtigste notire ich: a) bei Amphibien (Salamandra, Triton) finden sich auch beim erwachsenen Thier so reichliche Kerntheilungen in den tiefen Schichten des Hautepithels (Pfitzner, ich, 1877), dass für diese Wirbelthiere eine andere Quelle der Vermehrung, als indirecte Zell- theilung, hier nicht angenommen zu werden braucht. b) Das Gleiche ist ge- funden am Cornea-Epithel erwachsener Säugethiere (beim Menschen von mir, ds. Arch. 1880, S. 55; beim Kaninchen von Vossius, Archiv f. Ophthal- mologie 1881, Bd. 27). Dass bei Embryonen, Larven und noch wachsenden Thieren das Haut- epithel sich allgemein auf dem Wege der indirecten Theilung vermehrt, ist wohl jetzt hinreichend bekannt (Belege siehe in meinen früheren Arbeiten an diesem Ort, ferner Pfitzner’s „Beobachtungen üb. weiteres Vorkommen der Karyokinese“, dies Arch. Bd. 20, S. 127, und in meiner Bearbeitung in: Zellsubstanz, Kern und Zelltheilung, Leipzig, Vogel, 1882, S. 286 ff. und 366 ff.). Man kann dies jedoch in der vorliegenden Frage nicht sicher ver- werthen, da der Einwand möglich bleibt, dass der Modus der Epithelregenera- tion im erwachsenen Körper ein anderer sein könnte, als im noch wachsenden. Hinsichtlich indireeter Theilung von entodermatischen und ektoderma- tischen Drüsenzellen des erwachsenen Körpers liegen mehrere Beobachtungen vor: für Leberzellen (Pfitzner, a.a. O. S. 142), Pankreas (Gaule), Uterin- drüsen (Mayzel), Speicheldrüsen (Bockendahl), ferner männliche Keim- drüse (Flemming), die Stellen siehe im cit. Buch des Verf. S.287 u.a. 0. — Ein Gegner braucht aber auch diese Befunde nicht für massgebend zu Schlüssen auf das Hornepithel zu halten. In pathologischen Bildungen des erwachsenen Körpers ist vielfach indirecte Theilung gefunden (Citate am letzterwähnten Orte); es kommt dazu, als für das Hautepithel besonders wichtig, jetzt noch der Fund von Unna: Theilungsfiguren im Epithel menschlicher spitzer Condylome (Entwicklungs- geschichte und Anatomie der Haut, in: Ziemssen’s Handbuch d. Pathologie). — Aber auch hier könnte wiederum entgegnet werden, dass Erscheinungen an Orten pathologischer Zellvermehrung und in ihrer nächsten Umgebung noch keine Schlüsse auf die Art der normalen Neubildung gestatten. 150 W. Flemming: Trachealepithel, bekanntlich auch in neuerer Zeit von Lott!) und Drasch?) vertreten worden. Vom Boden der letzteren Ansicht aus kann man von den An- hängern der erstgenannten jedenfalls mit Grund verlangen, dass sie zunächst einmal irgendwo im normalen Stratum Malpighii des gewöhnlichen, ektodermatischen Hornepithels beim erwachsenen Säugethier wirkliche Mitosen ?) demonstriren sollen. In wirklich ausgiebiger und unfraglicher Weise ist dies bisher meines Wissens noch nicht gelungen. Die einzige hierher gehörige positive An- gabe, die mir bekannt ist, findet sich bei Unna, am vorher eitir- ten Orte S. 25%). Aber die betreffenden von ihm beobachteten Mitosen aus anscheinend normalen Hautstellen waren, wie mir Unna selbst freundlich mittheilte, nicht zahlreich, und ihr Fund- ort war die nahe Nachbarschaft krankhaft veränderter Stellen, so dass auch die Normalität dieses Befundes noch angezweifelt wer- den kann. Ausserdem kennen wir das Vorkommen von mitotischen Zelltheilungen aus dem Hornhautepithel des Menschen und Kanin- chens (s. Anmerkung oben); wenn aber auch das Hornhautepithel ein Theil des ektodermatischen Hautepithels ist, so könnte doch der Einspruch erhoben werden, dass es gegenüber der sonstigen Zelldecke der Haut ja seine besonderen Eigenthümlichkeiten hat, und so auch grade zum Vorkommen indirecter Zelltheilungen aus- nahmsweise disponirt sein könnte, ohne dass diese darum die all- gemeine wesentliche Regenerationsart darzustellen brauchten. — Da an anderen Orten das Suchen noch vergeblich blieb, sprechen sich denn auch die neueren Autoren in der vorliegenden Frage noch nicht entschieden aus). 1) Unters. aus dem Institut für Physiol. und Histol. in Graz, A. Rollett 1873, S. 267. 2) Sitzungsb. d. Wiener Academie d. Wiss., math.-nat. Cl. Bd. 80, 1879, October und Bd. 83, 1881, Mai. 3) Der Kürze wegen brauche ich den Ausdruck Mitosis (abgekürzt für Karyomitosis, von wiros, Faden) fernerhin als gleichbedeutend mit: Kern- theilungsfigur oder karyokinetische Figur. S. im oben eit. Buch, 3. 77 u. 376. 4) „Zelltheilungsfiguren finden sich nach meinen bisherigen Erfahrungen in ganz normaler Haut fast nur in der alleruntersten Zellenlage der Stachel- schicht, während sie sich unter pathologischen Verhältnissen (spitzes Con- dylom) auch noch in höheren zeigen.“ (Unna, a. a. 0.) 5) So W. Krause (Nachträge zur allg. und mikr. Anatomie 1881, Zur Kenntniss der Regeneration der Epidermis beim Säugethier. 151 Bei dieser Sachlage habe ich mir seither mehrfach Mühe ge- geben, im Stratum Malpighii und in den Matrizen der Haare Mitosen zu finden, indem ich Haut verschiedener Gegenden von Säugethieren noch lebenswarm mit den geeigneten Mitteln fixirte, schnitt und färbte. Dabei hatte ich lange keinen positiven Erfolg, freilich auch nicht hinreichende Zeit, um die Arbeit nach Gebühr auszu- dehnen. Endlich traf ich vor Kurzem an Schnitten durch das Epithel der Schweinsrüsselscheibe auf reichliche Zelltheilungen. Der Rüssel, der von einem ausgewachsenen Thier entnommen war und keine Spur irgend einer pathologischen Veränderung zeigte, war in Y/, p. e. Chromsäure fixirt und etwa 6 Tage darin gelassen, dann nach der Waschung in Alkohol aufbewahrt, die Schnitte theils mit Safranin, theils mit Hämatoxylin gefärbt. In den tiefsten 2—3 Lagen der Malpighi’schen Schicht, wo Zellen und Kerne im Durchschnitt geringere Grösse und die Kerne stärkere Tincetion zeigen, als weiter nach der Oberfläche, finden sich Mitosen aller Formen, Knäuel, Sterne, Metakinesen, Tochterkernpaare verschie- dener Phasen, schon mit Seibert Y/;; und Abbe’s Bel. App. völlig controlirbar; in der ersten Stunde fand ich an etwa 8 Schnitten über 50, seitdem noch viele. In den grosszelligeren Epithelmassen mit breiten Intercellularlücken, die gegen die Oberfläche zu folgen und die Hauptmasse der Epithelriffe zwischen den langen Papillen eonstituiren, finden sich keine Theilungen; diese halten sich stets in den Zellschichten, die dem Bindegewebe der Papillen die näch- sten sind, was mit Unna’s vorher erwähnter Angabe übereinkommt. Es ist aber auffallend, und von besonderem Interesse für die Erklärung der sonstigen Misserfolge, dass die Theilungen fast überall local gruppirt liegen: wo man eine findet, wird man meistens in der Umgegend noch mehrere treffen, und andererseits sind grosse Schnittstrecken, zuweilen ganze Schnitte von mehr als S. 27 und a. and. O.), obwohl ich nach seiner ganzen dortigen Darstellung annehmen zu dürfen glaube, dass er meine hier im Eingang erwähnte Ver- muthung theilt. Henle, der den Gegenstand kürzlich berührt hat (dies Archiv Bd. 20), drückt sich dort ebenfalls mit einer gewiss berechtigten Vor- sicht aus (a. a. O. S. 421, Anmerkung). In Quain’s Anatomy (1882) ist zwar S. 239 gesagt: „The cells of the Malpighian layer are constantly under- going multiplication“, es ist aber über die Art dieser Vervielfältigung mit gutem Grunde nichts hinzugefügt. — Von neueren speciellen Angaben über den Gegenstand, welche Säugethiere beträfen, ist mir nichts bekannt geworden, 152 W. Flemming: 1 em Länge, völlig ohne Theilungen. Wäre ich nun zufällig beim Anfang des Untersuchens grade nur auf einige solche ungünstige Schnitte oder Stellen gerathen, statt, wie es der Fall war, bald auf Orte mit Theilungen: so hätte ich vielleicht die ganzen Ob- jeete resignirt mit dem Prädicat „wieder keine Theilungen“ bei Seite gelegt, und so mag es mir in manchem Falle bei der früheren vergeblichen Arbeit gegangen sein, und ebenso Anderen. Solche Untersuchungen verlangen eben Consequenz und mehr Zeit, als ein Docent der menschlichen Anatomie übrig zu haben pflegt. Die locale Gruppirung der Theilungen ist bei Larven und Embryonen bekannt !), und dort, wegen der Reichlichkeit der Figuren, noch auffallender. Auf die ebenso frappante zeitliche Gruppirung der Theilungen, d. h. auf ihr schubweises Auftreten bei Larven und in der männlichen Keimdrüse, habe ich früher aufmerksam gemacht?) und den Schluss gezogen, dass die nega- tiven Ergebnisse im Auffinden von mitotischen Zelltheilungen viel- fach hiedurch erklärt werden können. Da ohne Zweifel die Thei- lungen bei der langsamen Epidermiserneuerung des Erwachsenen weit spärlicher eintreten werden, als bei einem lebhaft wachsenden Embryo oder jungen Thier, so wird es nicht Wunder nehmen, dass man am ersteren Orte lange vergeblich suchen kann, bis man einen Theilungsschub antrifft. Vorsichtshalber will ich noch besonders versichern, dass die hier besprochenen Mitosen im Schweinsrüsselepithel — deren Zeich- nung ich mir wohl ersparen darf — ganz zweifellose, deutliche und typische Kerntheilungsfiguren sind. Ich thue dies mit Bezug auf eine kleine Controverse, die zwischen Merkel und W. Krause gespielt hat. Letzterer Forscher hatte die von Merkel beschrie- benen Tastzellen am Scehweinsrüssel als Zelltheilungen in Verdacht genommen ??); Merkel hat dies zurückgewiesen *), und sowohl nach seinen mir gesandten), als meinen eigenen Präparaten muss 1) Citate im Buch a. a. O. 2) Ebenda, S. 271, dies Archiv Bd. 18, S. 233 ff., und Virchow’s Archiv 1879 7Bd. 77, BE. 3) Die Nervenendigung innerhalb der terminalen Körperchen, dies Archiv Bd. 19, S. 120. 4) Ebenda Bd. 19, S. 525. 5) Merkel, a. a. O. Zur Kenntniss der Regeneration der Epidermis beim Säugethier. 153 ich ihm darin völlig Recht geben und erwähne das nur noch be- sonders, um meinerseits nicht umgekehrt dem Argwohn zu unter- liegen, dass meine Zelltheilungen etwa Tastzellen sein könnten }). Hieran ist kein Gedanke. Die Tastzellengruppen liegen, wie be- kannt ?), am Schweinsrüssel dicht gehäuft am tiefsten Grund der Epithelleisten, die zwischen die Basen der Papillen hineinreichen, und hie und da liegen einzelne der Merkel’schen Zellen, oder kleinere Grüppchen davon, auch etwas weiter aufwärts im inter- papillären Epithel. In diesen Gruppen finde ich bis jetzt niemals Zelltheilungen; die Kerne der Tastzellen sind überall in Ruheform. Die Theilungsfiguren liegen zwar, wie ich sagte, gruppirt, aber bei weitem nicht so dicht gelagert und so zahlreich an einem engen Ort, wie die Tastzellenhaufen; mit „Gruppirung“ meine ich hier nur, dass vielfach bis etwa 6 Mitosen in einem Sehfeld mit Seibert Y/;;, Ocular I zu finden sind. Uebrigens sind, wie schon erwähnt, die Theilungsfiguren selbst der Phase nach oft ganz deutlich bestimmbar, und es kann also von einer Verwechse- lung derselben mit den Tastzellen keine Rede sein. Die Epidermis des Schweinsrüssels ist, wenn auch durch ihren Reichthum an verschiedenen Nervenendigungen ?) ausge- zeichnet, doch ein Theil der Oberhaut, dem man wohl keine spe- eifischen Verschiedenheiten gegenüber dem sonstigen Hornepithel zusprechen kann. Sie wird bei der starken Abnutzung durch das Wühlen wohl eine relativ lebhafte Regeneration brauchen, und dem wird vielleicht eine besondere Reichlichkeit von Theilungen 1) W. Krause hat, um seinen Angriff gegen Merkel zu stützen, a. a. OÖ. in Fig. 58, Taf. V einige Zellen aus der Epidermis des Enten- schnabels gezeichnet, deren Erklärung lautet: „Zwei junge Epidermiszellen (sog. Tastzellen) mit undeutlichen knäuelförmigen Kernfiguren; in einer drit- ten (rechterhand) sind solche nicht zu erkennen.“ Doch auch die Figuren in den beiden anderen Zellen erscheinen mir zu wenig deutlich, als dass ich wagen würde, auf ein derartiges Bild hin eine Kerntheilung zu diagnosticiren. 2) Merkel, Ranvier. 3) Ausser den Merkel’schen Tastzellen noch die hier besonders reich- lichen, weiter vordringenden intraepithelialen Nerven (vergl. Mojsisovics, Wiener Sitzungsberichte 1875, Bd. 71, Merkel, Ueber die Endigung der sensiblen Nerven etc., Rostock 1881, und meine Bemerkungen in diesem Archiv, Bd. 19, 1881, S. 519—521). 154 W. Flemming: Zur Kenntniss der Regeneration der Epidermis ete. entsprechen; aber es würde mir jedenfalls sehr wenig glaublich scheinen, dass, wenn sich an diesem Orte das Epithel durch mitotische Zelltheilungen regenerirt, an anderen Stellen ganz ab- weichende Arten der Regeneration vorkommen sollten. So lange nur dieser erste Befund vorliegt, wird immerhin noch der Einspruch möglich bleiben, dass der betreffende Rüssel pathologisch affieirt gewesen sein könnte, obwohl es ihm nicht anzusehen war; sowie der andere, dass neben den indireeten Thei- lungen noch directe, oder freie Zellbildungen, oder Zelltheilungen mit freier Kernbildung vorkommen könnten. Ich will daher auch meinen Befund vor der Hand nicht als einen Beweis vorführen; kann ihn aber doch wohl als eine weitere gute Stütze für die Wahrscheinlichkeit hinstellen, dass die Epidermis bei erwachsenen Säugethieren, gleich anderen Geweben, sich durch indireete Zell- theilung regenerirtt. Kiel, den 1. October 1883. Nach dem Abschluss des Vorstehenden erhalte ich eine Arbeit von Dr. J. Ostry (Ueber den Befund von Karyokinese in entzünd- lichen Neubildungen der Haut des Menschen. Prager Zeitschrift für Heilkunde, Bd. 4, S. 252, 1 Taf., 1883). Der Verfasser, der noch vor der Publication Unna’s (s. oben) zu seinen Resultaten gelangte, fand im Epithel verschiedener Neubildungen reichliche Mitosen; nach seiner sehr genauen Untersuchung scheinen dieselben in allen Einzelheiten so sehr mit den von mir bei Amphibien u. A. studirten Figuren übereinzustimmen, dass Ostry mit Wahrschein- lichkeit auf Gleichheit der karyokinetischen Vorgänge in all diesen Fällen schliesst. — Ostry’s Untersuchung bezieht sich lediglich auf pathologisch affieirte Hautstellen. Moritz Nussbaum: Ueb. die Veränderungen d, Geschlechtsproducte ete. 15 a oO Ueber die Veränderungen der Geschlechtsproducte bis zur Eifurchung; ein Beitrag zur Lehre der Varerbung. Von Dr. Moritz Nussbaum, a. 0. Professor und Prosector am anatomischen Institut zu Bonn. Hierzu Tafel IX—XI. Die vorliegende Arbeit schliesst sich an die im XVIII. Bande dieses Archivs veröffentlichte an; ihre äussere Form verdankt sie zum Theil dem jüngst erschienenen Buche Schneider’s: Das Ei und seine Befruchtung. Die einzelnen Kapitel behandeln: I. Die Entwicklung und Copulation der Geschlechtsproducte bei Ascaris megalocephala. II. Die Theorie der Befruchtung. Ill. Die Entwicklung der Geschlechtsdrüsen und die Ver- erbung. IV. Die Bedeutung der einzelnen Theile der Samenzellen. I. Die Entwicklung und Copulation der 6eschlechtsproducte bei Ascaris megalocephala. Die Anatomie der Generationsorgane der Nematoden ist in der Schneider’schen Monographie!) dargestellt worden. Zur leichteren Orientirung bei den speciellen Untersuchungen dieser Theile von Ascaris megalocephala sei eine kurze Beschreibung derselben voraufgeschickt, die in vielen Punkten Uebereinstimmen- des, in einigen Neues, in anderen von der Schneider’schen Auf- fassung Abweichendes bringt. 1) Monographie der Nematoden, Berlin 1866. 156 Moritz Nussbaum: Zur Unterscheidung der weniger zahlreichen Männchen von den Weibehen kann man die Grösse nicht verwerthen. Am einfachsten ist das bis 25cm lange Männchen an dem gegen den After gerichteten Vas deferens zu erkennen; das- selbe schimmert am lebenden Thier wegen der Anwesenheit der Samenkörper als weisser Strang durch die Bedeckungen. An das Vas deferens schliessen sich analwärts die Copulationsorgane, oralwärts der röhrige Hoden an. Die Copulationsorgane treten an gehärteten Exemplaren meist frei hervor; ein Zeichen, das eben- falls zur Geschlechtsbestimmung mit Erfolg zu verwerthen ist. Da nur ein Hoden vorhanden ist, so tritt hier dieselbe Er- scheinung einseitiger Ausbildung auf, wie sie an den Ovarien beim iuhn beispielsweise sich findet. Die Hodenröhre ist in Schleifen gelegt, die den Darm umgeben und einbuchten. Das blinde Ende des Hodens liegt oralwärts und misst 18 « in der Breite; von hier aus nimmt der Durchmesser der Röhre stetig bis auf 0,55 mm zu: doch so, dass oft Strecken bis zu 12 cm Länge ihr Caliber nicht ändern. Bei den bis zu 3S5cm langen Weibehen münden die Generationsorgane mit einer im vorderen Fünftel des Körpers ge- legenen Vulva, an die sich eine kurze und enge Vagina anschliesst, nach Aussen. Die Vagina führt in die beiden Uterus, deren letzte verjüngte Abschnitte Tuben genannt werden. Auf die Tuben folgen die beiden Ovarialröhren, die wie die Hodenröhre auf etwa 20 u sich verjüngend, in zahlreichen Schleifen um Uterus, Tuben und Darm geflochten sind. Die blinden Enden der Ovarien liegen oralwärts nahe der Vagina. Die Uterus, am Anfangstheil sehr eng, dann sich erweiternd und bei älteren Weibchen wegen der prallen Füllung mit Eiern leicht gedreht, steigen nach abwärts und schlagen sich, bedeutend verengert, in ziemlich erheblicher Ent- fernung vom After wieder nach aufwärts um. Alle diese röhrenförmigen Bildungen, sowohl die des Männ- chens wie die des Weibehens, haben eine gleichartige Wandung, deren Elemente an verschiedenen Punkten freilich in verschiedener Mächtigkeit auftreten. Man findet als äusserste Schicht der Generationsorgane eine homogene Cuticula und unter ihr eine Lage von Zellen von auf- fallender Beschaffenheit. An dem blinden Ende der Geschlechts- röhren ist der primitive Zelleharakter dieser Schicht gut erhalten. Ueb. die Veränderungen der Geschlechtsproducte bis zur Eifurchung. 157 Weiter aufwärts aber, in der Höhe der etwa 0,1 mm dicken Ovarial- oder Hodenröhre, sind diese Zellen zu langen spindelförmigen Fasern ausgewachsen, die von einem Protoplasmamantel umhüllt werden. In Fig. 26 ist ein Stück eines 0,22 mm dieken Hoden- schlauches von der Innenfläche dargestellt. Wie hier die Spermato- cyten nach oben im Präparat gerichtet sind, so würden im Eier- stock die Eier dieselbe Stelle einnehmen. Darunter folgt eine Schicht zugespitzter Fasern, die auf kleine Strecken durch die Präparation von ihrem Protoplasma entblösst sind. Zwischen den einzelnen Fasern bleibt ein Zwischenraum, wo die aussen gelegene Cutieula nur von den Grenzbezirken des Protoplasmas zweier be- nachbarter Fasern bedeckt ist. Die Fasern selbst können leicht isolirt erhalten werden. Die Kerne liegen in grossen Abständen von- einander entfernt. Ob die Fasern Muskeln seien, kann allein der Form nach nicht entschieden werden. Der kräftige Muskelschlauch der Leibeswand, die Muskeln an den Oeffnungen des Darmes und der Generationsorgane haben ganz anderen Bau. Doch ist es wahr- scheinlich, dass sowohl die kurzen Zellen am Anfang der Genital- röhren, als im Verlaufe derselben die spindelförmigen Faserzellen contractil sind. An den Tuben nämlich werden die Fasern ver- zweigt. Neben den ausschliesslichen Längsfasern treten Querfasern auf. In dem Uterus sind nur breite, durch Zwischenräume ge- trennte Bänder organischer Muskeln vorhanden, die der Quer- richtung nach das Rohr umziehen. Auf die Contraetionsfähigkeit der Geschlechtsröhren habe ich bis jetzt noch nicht geachtet; würde man sie beobachten, so könn- ten sich die functionellen Theile nur verkürzen und erweitern; die Ausführungsgänge würden dagegen gelegentlich der Verkürzung ihrer Musculatur länger und zugleich enger werden. Die eontinuirliche Folge von einfachen epithelartigen Zellen und von Muskelfasern in derselben Schicht eines Organes würde die von Leydig betonte Zusammengehörigkeit dieser Bildungen gut illustriren. Zu den beiden Elementen der Wandung (der Cutieula und der Museulatur) kommt in den ausführenden Wegen der Geschlechts- organe noch ein inneres Epithel hinzu, dessen verschiedene Formen schon Schneider!) beschrieben hat. Ich hätte gewünscht, diese 1) Monographie der Nematoden. Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 23, 11 158 Moritz Nussbaum: Zellen von dem Charakter einzelliger Drüsen in allen Phasen ihrer Thätigkeit untersuchen zu können; doch musste dies wegen Mangel an geeignetem Material unterbleiben. Der Bau der Hoden- und Eierstockswandung ist darum so ungemein interessant, weil wir im Allgemeinen ganz andere Ver- hältnisse zu finden gewohnt sind. Der Inhalt der Geschlechts- röhren wird eontinuirlich vom blinden Ende derselben nach vorn weitergeschoben, wobei er fortschreitende Veränderungen erleidet. Man findet an bestimmten Punkten der Röhre fast regelmässig dieselben Stadien vor und kann leicht nachweisen, dass von einer gewissen Stelle an jede Neubildung aufhört, und nur noch Ver- srösserung und Umbildung der Geschlechtsproducte stattfindet. Wird aber sonst in einem röhrigen Organ der Inhalt fortbewegt, so ist für gewöhnlich die Wand mit einem Epithel ausgekleidet. Das Epithel fehlt aber und tritt erst in den ausführenden Wegen zu den muthmasslichen Muskeifasern in der Wand hinzu. Trotz- dem ist diese Wanderung des Inhalts nicht so paradox, als sie im ersten Moment zu sein scheint. Die Benarbung wunder Flächen zeigt eine ähnliche Verschiebung von Zellen auf der Unterlage und die Neubildung der Samenkörper im Hoden der Wirbelthiere ist ein analoger Vorgang. In Fig. 50, nach einem Präparat aus dem Hoden von Rana fusca im Monat August, sieht man wie rechts der jüngere Samenfollikel der Wandung aufsitzt, während die bei- den links folgenden älteren schon durch eine Spermatogonie von der Wand des Hodenschlauches abgedrängt sind. Auch die Cutieula an der Aussenseite der Geschlechtsröhren verhält sich histogenetisch durchaus abnorm, da ganz sicher kein anderes Zellenstratum als das der langgezogenen Fasern vorhanden ist, von dem sie hätte abgeschieden werden können. Bedenkt man aber, dass im blinden Ende der Geschlechtsröhren diese Fasern noch einfache Zellen sind, so wird die Schwierigkeit nicht zu gross sein, sich vorzustellen, dass im ganzen Verlauf der Genera- tionsorgane die Cuticula von den Zellen der Wandung gebildet wurde. Die Entwicklung der quergestreiften Muskelfaser und ihres Sarcolemma aus denselben Bildungszellen ist ein ähnlicher Vor- gang. — Bei der Besprechung der Spermatogenese im Allgemeinen werden wir Gelegenheit haben weiter zu zeigen, dass die Zellen nicht immer histologische Elemente einer einzigen Art bilden. Ueb. die Veränderungen der Geschlechtsproducte bis zur Eifurchung. 159 Spermatogenese. Gehen wir zur Schilderung der Geschlechtsproducte und ihrer Entwicklung über, so imponirt vor Allem die absolute Gleichheit in den ersten Stadien bei beiden Geschlechtern, auf die Reichert!) zuerst aufmerksam machte. Die in Fig. 1—4 dargestellten Zellen von einer dem blinden Ende nahen Stelle einer Ovarialröhre könn- ten ebensogut als Entwicklungsformen aus derselben Gegend des Hodens gelten. Die Bildung von Ei und Samen geht also auch hier von Zellen — Ureiern und Spermatogonien — aus, die sich, wie die Figuren erläutern, nach dem Schema der indireeten Kern- theilung vermehren. Es soll aber nicht unerwähnt bleiben, dass an diesen Stellen auch Zellen mit eingeschnürtem Kern vorkommen (Fig. 2), ein Verhalten, welches gewiss gegen die von Krause?) und Flemming?) vorgebrachte Deutung dieser Kernform spricht. Von dem blinden Ende der Hodenröhre bis zu einem Dureh- messer derselben von 0,1 mm fahren die Zellen fort, sich auf dem Wege der indireeten Kerntheilung zu vermehren. Man beobachtet alle Stadien dieses Processes und kann an Präparaten, die in Chromsäure und Alcohol gehärtet wurden, die Spindel mit den färbbaren Fäden und schliesslich auch diese allein isolirt dar- stellen. An den so isolirten Fäden sind, je nach dem Stadium des _ Kerntheilungsprocesses, ein oder zwei Körnchenreihen®) bei starker Vergrösserung zu erkennen. Mit der weiteren Diekenzunahme der Hodenröhre beginnen dann die Spermatoeyten Veränderungen einzugehen, die sowohl am Kern als am Zellleib auftreten. Der Kern ist saftig, rund; die Substanz desselben klumpig, vielleicht amöboid wegen der unregelmässigen Formen an gehärteten Präparaten. (Bei der Schwierigkeit der Untersuchung wurden auf die Beweglichkeit nur die reifen Samenkörper geprüft) In das Protoplasma werden Körnchen eingelagert, die beständig an Grösse zunehmen und in der Höhe der 0,33 mm breiten Hodenröhre strahlig um zwei Kern- 1) Müller’s Archiv 1847, pag. 126. 2) W. Krause, Handbuch der menschlichen Anatomie; Nachträge zum I. Bd. 1831. 3) Flemming, Zellsubstanz, Kern- und Zelltheilung, pag. 336. 4) Pfitzner, Morphol. Jahrbuch 1881, pag. 239 und E. Balbiani, Compt. rend. 1876. 160 Moritz Nussbaum: centren gruppirt sind. Hier scheinen sich die Spermatocyten nochmals zu theilen. Absolute Gewissheit habe ich mir nicht verschaffen können. Doch die Grösse der Zellen, ihre Ein- schnürung, das Vorhandensein von Kernbildern die auf indireete Theilung schliessen lassen (ef. Fig. 11 und 19, Taf. IX), nament- lich aber die für die Fadenfigur bei Ascaris megalocephala typische Vierzahl der färbbaren Fäden in den Kernen während der Thei- lung, sowie schliesslich die Kleinheit der Zellen in dem weiter folgenden Abschnitt des Hodens: dies alles spricht zu Gunsten einer erneuten Zelltheilung an dieser Stelle. Die aus dem vermutheten Theilungsprocesse hervorgegangenen Zellen sind kleiner und verdichten sich von nun noch weiter in ihren einzelnen Theilen. Von dem Kern, der nach der supponirten Theilung noch rund, gross und mit vier färbbaren Fäden versehen war (ef. Fig. 20, Taf. IX), bleibt in Folge allmählich fortschreiten- der Verdichtung nur ein Kügelchen übrig, das sich mit Farbstoffen lebhaft imbibirt (Fig. 21). Die groben Granula im Protoplasma der Zellen, die in der gequetschten Zelle in Fig. 20 eliminirt, in Fig. 19 dagegen sichtbar sind, nehmen an Grösse zu und grup- piren sich nach und nach derart, dass in der 0,35 mm dicken Hodenröhre die Spermatosomen in den männlichen Generations- organen ihre höchste Ausbildung erreicht haben und von folgen- der Beschaffenheit sind. In einem bei 38° amöboiden, glasartig durchsichtigen Proto- plasma sind central der verdichtete Kern und um ihn herum feine Körnehen gelagert. Die centrale Masse wird von einer Kugel- schale glänzender grosser Körner umgeben, deren weitere Verän- derung erst innerhalb der weiblichen Generationsorgane vor sich geht. Im Vas deferens des Männchens treten an den Samen- körpern keine weiteren Veränderungen auf (ef. Fig. 21). Es dürfte sich empfehlen, gleich hier die Beschreibung der Samenkörper anzuschliessen, wie sie in dem ausführenden Ge- schlechtsapparat der Weibchen gefunden werden, und zwar bis zu dem Moment, wo sie in die zur Befruchtung reifen Eier ein- dringen. In Vagina und vorderem Abschnitt der Uterushörner findet man nicht selten die Samenkörper von der Gestalt, die sie im Vas deferens der Männchen angenommen hatten. Diese Formen sind jedoch in der Minderzahl, was auch erwartet werden muss; da es Ueb. die Veränderungen der Geschlechtsproducte bis zur Eifurchung. 161 ja nicht zu häufig gelingen wird, Weibchen direct nach der Copu- lation zur Untersuchung zu erhalten. Es muss aber eine längere Zeit nöthig sein, die Samenkörper in die sogleich zu beschreiben- den vorgerückteren Entwicklungsstadien überzuführen. Wenigstens ist es mir nicht gelungen, Spermatosomen aus dem Vas deferens eines Männchens in kürzerer Zeit unter den günstigsten Bedingungen — bei 38° in Uterinflüssigkeit des Weibehens — zur Fortentwick- lung zu bringen. Die Weiterentwieklung der Samenkörper besteht nämlich darin, dass die grossen glänzenden Körper mehr und mehr zusammenfliessen; zuerst klein und kaum zu zählen, werden sie grösser und weniger an Zahl, bis sie schliesslich einen zuckerhut- förmigen, stark glänzenden Körper darstellen, dem der Kern und das restirende Zellprotoplasma an der Basis anhaften. Häufig ist für den Kern eine kleine Delle in der glänzenden Kopfkappe — so wollen wir von jetzt an den zuckerhutförmigen Körper nennen — vorhanden (ef. Fig. 25). Die Kopfkappe anlangend, so kann man Schritt für Schritt verfolgen, wie sie durch das Zusammenfliessen von Einlagerungen in dem Protoplasma der Samenzelle sieh bildet. Sie ist von der- selben untergeordneten Bedeutung, wie bei den Samenfäden höherer Wirbelthiere; da die Samenkörper der Ascaris megalocephala be- fruchtungsfähig sind, gleichgültig ob die Kopfkappe mit in das Ei dringe oder vorher abgeworfen wird. Wir werden später (pag. 180) Gelegenheit nehmen, auf diesen Gegenstand im Zusammenhang mit der Betrachtung ähnlicher Verhältnisse bei anderen Thieren und der Gesehichte der Entdeckung der Kopfkappe wieder zurück- zukommen. An dieser Stelle nur so viel, dass bei jungen Ascaris- weibehen, je weiter man sich der Tube nähert, immer mehr Samen- körper ohne Kopfkappe und freie Kopfkappen sich finden, bis schliesslich zwischen den zur Befruchtung reifen Eiern nur noch nackte Samenkörper vorkommen. An den reifen Samenkörpern aus den Generationsorganen der Weibehen, und zwar an beiden befruchtungsfähigen Formen, ist der Kern oder der Kopf unverändert geblieben; er stellt eine kleine Kugel an der Basis der Kopfkappe dar (wenn dieselbe vorhanden ist) und färbt sich intensiv bei Tinetionen. Das Protoplasma des Samenkörpers ist bei Körpertemperatur des Wirthes unserer Parasiten beweglich. Die Bewegungen, das Vorstrecken und Einziehen von Buckeln, langen Fühlern, stumpfen 162 Moritz Nussbaum: Fortsätzen geschehen schnell und erinnern oft an das Vorwärts- kriechen einer Gehäuseschnecke, wenn sie ihre Fühler tastend ausgestreckt hat. Morphologisch ist eine hyaline Grundsubstanz, die auch als dünner Mantel die Kopfkappe umzieht (Fig. 25) und die veränderlichen amöboiden Fortsätze treibt, von feinkörnigen Einlagerungen zu unterscheiden. Bei den Bewegungen geht die Protoplasmamasse voran, die von einem feinen hyalinen Proto- plasmamantel umgebene Kopfkappe folgt; eine Form der Orts- veränderung, welche in Uebereinstimmung ist mit der Art des Eindringens der Samenkörper in die Eier. Auf die Contraetionen des Protoplasmas in den Samenzellen müssen auch die comprimir- ten Formen der Kopfkappe zurückgeführt werden (Fig. 24), wie sie nicht selten in gehärteten Uterus sich finden. Oogenese. Von den allerersten Stadien der Eibildung ist schon oben die Rede gewesen. Es wird nicht nöthig sein, an dieser Stelle nochmals darauf zurückzukommen; da jede Beschreibung nur eine genaue Wiederholung der bei den Anfängen der Samenbildung geschilderten Verhältnisse sein könnte. Nach der Theilung der Ureier aber im blinden Ende der Eiröhren und den angrenzenden Abschnitten derselben weicht die Weiterentwieklung ab von der Fortbildung der Spermatocyten, mit denen die Eier nur noch das gemeinsam haben, dass beide Geschlechtsproducte radiär um die centrale Rhachis gruppirt sind. Was das Keimbläschen anlangt, so’ bleibt es bis zu einem Durchmesser der Eiröhren von 0,7 mm als ein runder saftiger Kern erhalten, dessen färbbarer Inhalt mehr und mehr klumpig wird und irreguläre Gestalten annimmt. Die Figuren 5 und 6 stellen solche Keimbläschen dar. Mit der weiteren Diekenzunahme der Eiröhren wird der Con- tour des Keimbläschens unregelmässig; die Keimflecke gruppiren sich zu zwei oder auch drei Körnern, die in Tuben und Uterus, je nachdem das Ei befruchtet wurde oder nicht, verschiedenartige Veränderungen erleiden. Das Protoplasma der Eier wächst inzwischen mächtiger als das Keimbläschen und nimmt eine Reihe morphologischer Ele- mente in sich auf, die gemeinhin als Lecithin betrachtet werden. Man findet nämlich, sobald die Eiröhren einen Durchmesser von Ueb. die Veränderungen der Geschlechtsproducte bis zur Eifurchung. 163 0,2 mm erreicht haben, in den Eiern neben dem netz- oder filigran- artig angeordneten Protoplasma mit seinen feinen eingelagerten Körnchen noch helle glänzende Kugeln und namentlich an der Peripherie des Dotters glänzende farblose Krystalle. Die Krystalle sind meist stäbehenförmig, isolirt oder zu zweien; manche der- selben haben aber keine charakteristisch ausgebildete Form. Legt man Stücke der Eiröhren oder der Tuben in Essigsäure oder m ein Gemisch von Alcohol und Aether, so werden alsbald die Kugeln und Krystalle extrahirt und der Eidotter zeigt ein balkenartiges Gefüge, wie es in Figur 13 dargestellt ist. Auf diesen Bau des Eies muss um so mehr Gewicht gelegt werden, als hiernach die Volumverkleinerung des Dotters nach der Be- fruehtung, und die Ausscheidung einer hyalinen Substanz um den- selben als eine Sonderung von Bildungs- und Nahrungsdotter auf- gefasst werden kann. Die Gestalt der Eier ist, so lange sie an der Rachis in der Eiröhre befestigt sind, entsprechend den räumlichen Verhältnissen eine kegelförmige. Das Keimbläschen liegt nahe der breiten Grundfläche. Die periphere Schicht jeden Eies umgibt sich mit einer Hülle, in der jedoch an der Stelle, wo die einzelnen Eier durch die Rhachis zusammengehalten werden, sich eine Lücke, die Mieropyle, befindet. Die Micropyle liegt demgemäss dem Keim- bläschen diametral gegenüber. Wenn die Eier sich den beiden Tuben nähern, so lösen sie sich von der Rhachis ab und nehmen alsbald eine ovale Gestalt an. Die Micropyle ist jetzt direet nicht mehr nachzuweisen; doch ist es wahrscheinlich, dass sie bis zum Eindringen des Samen- körpers erhalten bleibe. Dies kann aus der gegenseitigen Lagerung der Theile, Keimbläschen und eingedrungenes Spermatosom, er- schlossen werden. Die weiteren Veränderungen der Eier sind sehr verschieden, je nachdem dieselben im Anfangstheile der Tuben befruchtet wur- den oder nicht. Dabei soll an dieser Stelle nochmals darauf hin- gewiesen werden, dass die einzelnen Stadien sich mit einer be- wundernswerthen Regelmässigkeit folgen. Die genaue, von einem Ende bis zum anderen fortschreitende Untersuchung des Inhalts der Tuben und des Uterus ersetzt in hinreichender Weise eine con- tinuirliche Beobachtung des lebenden Objects. Hat man beispiels- weise den Ort bestimmt, wo in der Tube die Befruchtung der 164 Moritz Nussbaum: Eier beginnt, so kann man mit grosser Sicherheit angeben, in welchem Stadium sich die Bier an jeder folgenden Stelle befinden werden. Man kann aber auch weiter aus der eingetretenen Ver- änderung eines einzelnen Bestandtheiles des befruchteten Eies den Zustand der übrigen Theile vorhersagen. Es ist eine überaus sorgfältig durchgeführte Correlation aller Componenten hier vor- handen: mit bestimmten Veränderungen des Samenkörpers treten gleichzeitig ganz bestimmte Veränderungen des Dotters, des Keim- bläschens, der Eihüllen auf. Wenn wir die Metamorphosen der unbefruchtet bis zur Vagina vorrückenden Eier zu beschreiben haben werden, wird sich freilich ergeben, dass nicht alle nach der Befruchtung auftretenden Erscheinungen nur der Befruchtung ihre Entstehung verdanken. Die betonte Regelmässigkeit der Succession der einzelnen Stadien würde jedoch für eine sichere Erkenntniss der Befruchtung nicht hinreichen, wenn dieser Vorgang und der der Zelltheilung nicht schon an lebenden Objecten studirt worden wäre. Bei meinen Untersuchungen habe ich die lebenden befruchteten Eier der Lep- todera nigrovenosa Schn. (die Ascaris nigrovenosa älterer Autoren) zum Vergleich herangezogen. Dieses Object ist von Auerbach!) und Mayzel?) empfohlen worden. Auerbach sah die Vereinigung zweier Kerne, die Strahlungen im Protoplasma, den Verlauf der Furchung; Mayzel die Phasen der indirecten Kerntheilung ge- legentlich der Furehung. Die Eier der Leptodera empfehlen sich unter den einheimischen Objeeten vorzüglich wegen ihrer Re- sistenz und des raschen Ablaufs des zu eruirenden Processes. In ein und einer halben Stunde bei 20° C. kann man die Bildung des Richtungskörpers, die Vereinigung der Kerne, die Kernspindel, die Strahlung an den Polen derselben und die erste Furchung ver- folgen. Die Faserung der Kernspindel ist sehr deutlich; die sog. chromatischen Fäden sind an derselben aber gar nicht zu erkennen. Tödtet man die Eier mit energisch eingreifenden Reagentien, so leiden die Structuren; langsam wirkende fixiren nicht die Stadien, deren Erkennung für die Deutung des Processes massgebend sind. Zu langsam wirkenden werden aber die gewöhnlich gebräuchlichen Concentrationen der Reagentien wegen der Eihülle. So wurden 1) Organologische Studien. 2) Zoologischer Anzeiger 1879, pag. 281. Ueb. die Veränderungen der Geschlechtsproducte bis zur Eifurchung. 165 in einem Falle die angesehnittenen Würmer in 1°/, Ueberosmium- säure abgetödtet und in 2°, Essigsäure auf 7 Stunden eingelegt. Als sie darauf 15 Stunden in einer mit 0,5°/, Alaunlösung bereite- ten Färbeflüssigkeit gelegen, bewegten sieh einige Embryonen noch lebhaft in ihrer Eihülle. Der schnelle Ablauf der Erscheinungen macht die Eier der Leptodera in gehärtetem Zustande zu einem höchst unvollkom- menen Objeet; weil nach meinen Erfahrungen in der Fixirung der einzelnen Phasen gewisse bevorzugt werden. Es scheint als ob die Entwicklung in Folge der eintretenden Reagentienwirkung bis zu diesen gleichsam todten Punkten voranschreite, so dass die Form der „ruhenden* Kerne in gehärteten Präparaten die vor- wiegende ist. Man kann aber auch die Spindel des Kernes mit ihren färbbaren Fäden darstellen, wie es früher schon Mayzel gethan. Umgekehrt eignen sich die Eier der Ascaris megalocephala nieht zu einer erfolgreichen eontinuirlichen Beobachtung im leben- den Zustande; während sie gewiss eins der besten Objecte sind, sobald man sie gehärtet untersuchen kann. Die Dauer der Entwicklung ist zu protrahirt; auf dem heiz- baren Objecttisch kann man stundenlang ein Ei in unveränderter Gestalt beobachten, während nebenan die Samenkörper im Prä- parat sich lebhaft amöboid bewegen. Es stimmt dies mit den Angaben, welche wir nach Leuekart'!) dem Holländer Schubart über die Entwicklungsperiode der Spulwürmer verdanken. Die feineren Vorgänge im Innern der Eier können wegen der Undurchsichtigkeit des Dotters im lebenden Zustande bei As- caris megalocephala nicht erkannt werden. Zudem gibt es noch einen Punkt, den man auch an den abgetödteten und in geeigneter Weise hergerichteten Eiern wohl zu berücksichtigen hat. Die einzelnen wichtigen Bestandtheile des befruchteten Eies liegen nicht in derselben Ebene, und wenn es hin und wieder gelingt einige der- selben in einem einzigen optischen Schnitt zur Ansicht zu bringen, so bleiben andere wieder bei derselben Lage des Eies absolut verborgen, bis ein Wälzen des Eies auch diese zur Anschauung bringt. Die Technik der Beobachtung lebender Objeete kann dem- gemäss bei den Eiern der Ascaris megalocephala nicht hinreichend 1) Die menschlichen Parasiten II. Bd., 1876, pag. 208. 166 Moritz Nussbaum: genug ausgebildet werden; da ein Wälzen der Eier unberechen- bare Veränderungen hervorrufen, eine gleichzeitige Beobachtung aller Theile nicht ermöglichen und das Austrocknen des Präparats ganz sicher herbeiführen würde. Der langsame Ablauf der Veränderungen im befruchteten Ei von Ascaris megalocephala macht dasselbe aber zu einem höchst werthvollen Objeet in gehärtetem Zustande. Die Ausführungsgänge enthalten die einzelnen Stadien in geordneter Folge in überaus grosser Zahl, so dass die Wahrscheimlichkeit, bei der Erhärtung alle Stadien zu fixiren, eine relativ grosse ist. Im Allgemeinen findet man in dem Uterus lebender Weibehen nur wenige einmal gefurchte Eier, so dass es wünschenswerth erscheinen muss, diese Zahl künstlich zu vergrössern. Hierfür giebt es ein einfaches Mittel. Es ist bekannt, dass die Eier der Nematoden wegen ihrer euticularen Hülle gegen erhärtende Reagentien widerstandsfähiger sind als andere Organtheile. Vorhin wurde schon auf die Lebens- fähigkeit der immerhin dünnschaligen Eier der Leptodera nigro- venosa hingewiesen. Von den Eiern der Ascaris megalocephala berichtet Munk }), dass sie in „Spiritus“ und 2°, doppeltehromsaurem Kali sich weiter entwickeln. Nach einigen Tagen waren die vorher ungefurchten Eier gefurcht, gingen aber von da in ihrer Entwicklung nicht weiter, nachdem sich etwa acht Furebungskugeln gebildet hatten. Es kam nach diesen Beobachtungen darauf an, die Concen- tration des Spiritus zu bestimmen, in der die Eier entwicklungs- fähig bleiben. Legt man frei präparirte Uteri in 30 %, Alcohol, so sind die im Endstück, nahe der Vagina gelegenen Eier, die im lebenden Thier meist ungefurcht waren, in Gastrulation nach acht bis neun Tagen; nach vier bis fünf Wochen enthalten dieselben Partien Eier mit Embryonen von einer Länge, die sie zwingt, sich zwei- mal im Eiinnern aufzurollen; weiter aufwärts gegen die Tube hin sind die Würmer nur halb so lang. Die Eier mit ihren Embryonen bleiben in 80°, Alcohol zwei bis drei Stunden am Leben; in 70% Aleohol sterben sie erst nach zwei Tagen ab; 60%, Alcohol schadet ihrer Lebensfähigkeit nicht. Man kann die Eier auch, ohne sie zu tödten, ein bis zwei Tage eintrocknen lassen. 1) Zeitschrift für wissensch. Zoologie Bd. IX, pag. 410. Ueb. die Veränderungen der Geschlechtsproducte bis zur Eifurchung. 167 Die Conservirung in 30°, Alcohol dürfte sich demgemäss zur Züchtung der Nematoden empfehlen, weil die Eier in der nor- malen Lagerung im Uterus bleiben, und man an einem Exemplar dureh stärkere Erhärtung (70%, Alcohol) eine grosse Reihe von Entwicklungsstufen auf einmal und in geordneter Folge erhält. Die folgende Beschreibung ist zum grössten Theil nach con- servirten, in verdünntem Glycerin oder harzigen Einbettungsmassen untersuchten Präparaten entworfen. Es wird zweckmässig sein, zuvörderst die Metamorphosen des befruchteten Eies zu untersuchen und vorläufig die in vielen Fällen bis zur Vagina vorrückenden unbefruchteten Eier ausser Acht zu lassen. Befruchtung. Ist das befruchtungsfähige Ei (Fig. 27) in die Region der Tube gelangt, bis zu welcher die reifen Spermatosomen vordringen und in grosser Zahl zwischen den Eiern sich anhäufen, so verliert es seinen regelmässigen Contour und wird wie es scheint an dem dem Keimbläschen entgegengesetzten Pole von einem Samenkörper angebohrt. Es dringt, soweit dies nach einer grossen Zahl von Beobachtungen behauptet werden kann, in jedes Ei nur ein Samen- körper ein; indem der protoplasmatische, amöboide Theil desselben mit dem Kern voraufgeht und die Kopfkappe nachgeschleppt wird. Die Samenkörper trifft man an gehärteten Präparaten in allen Phasen des Eindringens; Fig. 285 und 29 stellen zwei aufeinander- folgende Stadien dar. In Fig. 28 ist das Ei nur zur Hälfte dar- gestellt; das Spermatosom steckt mit einem Theil seiner Kopf- kappe noch nieht im Ei. In Fig. 28 ist der Samenkörper völlig eingedrungen. Der Contour des Eies ist wieder glatt geworden; an der Stelle wo der Samenkörper eindrang, befindet sich eine buckelartige Ausbuchtung des Eies. Wie schon früher bemerkt, sind es zwei Formen von Samenkörpern, welche die Befruchtung vollziehen können; die eine mit Kopfkappe versehen, die andere frei davon. Die weiteren Veränderungen des Eies sind in beiden Fällen dieselben; doch kommt nach meinen allerdings nicht hin- reichend ausgedehnten Untersuchungen die Befruchtung durch Samenkörper ohne Kopfkappe nur bei jungen Weibchen vor. Nach dem Eindringen des Samenkörpers in das Ei erleiden 168 Moritz Nussbaum: beide Theile eine regelmässige Reihe von Veränderungen, die nun- mehr im Zusammenhang zu beschreiben sein werden. Das Keimbläsehen ist an die Peripherie gerückt und macht bis zum völligen Eintritt des Spermatosoms in den Eidotter die Differenzirungen durch, welche für die indirecte Kerntheilung charakteristisch sind. Die Abgrenzung des Keimbläschens gegen den Dotter dureh eine feste Hülle verschwindet; der färbbare In- halt wird zu Fäden umgestaltet, die sich an einer im Kern ent- wickelten faserigen Spindel gruppiren. Diese nicht färbbare Spindel wird mehr und mehr zu einer Hantel ausgezogen und schliesslich hakenförmig gebogen; ihre Pole platten sich ab. Die im Anfang in der Mitte der Spindel gruppirten dicken vier Fadenbogen wer- den der Länge nach gespalten; je vier rücken nach den Polen der Spindel. Schliesslich weichen die Spindelfasern in der Mitte aus- einander. Die eine Hälfte bildet das erste Richtungskörperchen; die andere senkt sich nur wenig in den Dotter zurück. Beide verlieren die Faserung, nehmen wieder nach Art der ruhenden Kerne eine feste Begrenzung, Kernhülle, an, in der noch eine Zeit lang die vier färbbaren Fäden sichtbar bleiben (vgl. Fig. 34, IRk). Das zum Kern des Richtungskörpers gehörige Protoplasma kann nur in geringer Masse vorhanden sein. An den gehärteten und gefärbten Präparaten ist es nicht nachzuweisen, während es doch bei anderen Eiern leicht zu beobachten ist. Der in den Dotter zurückgesunkene Rest des Keimbläschens unterscheidet sich nach einiger Zeit in Nichts. von einem ruhenden Kern (vergl. Fig. 31E‘). Der Dotter hat sich inzwischen nicht verändert. Die Eihülle hingegen, die von nun an primäre Dotterhülle genannt werden soll, verdiekt sieh in rasch zunehmendem Maasse. Das Spermatosom hat ganz auffällige Veränderungen erlitten, die vorzugsweise den Kern und die Kopfkappe betreffen. Der Kern vergrössert sich, ist oft sichelförmig geworden und färbt sich im Verhältniss zur Ausdehnung seiner früheren comprimirten Ge- stalt nicht mehr so intensiv. Kern und Protoplasma des Samen- körpers sind tiefer in das Eiinnere vorgedrungen. Die Kopfkappe dagegen ist abgeworfen; sie liegt peripher und verkleinert sich eontinuirlich. Während sie eine Zeit lang noch an ihrem lebhaften Glanz erkannt werden kann, geht sie nach und nach spurlos zu Grunde; sie wird vom Eidotter assimilirt. Dieser Vorgang ist in Ueb. die Veränderungen der Geschlechtsproducte bis zur Eifurchung. 169 guter Uebereinstimmung mit der oben erwähnten Thatsache, dass Samenkörper auch ohne Kopfkappe in das Ei eindringen; beide Male wird die untergeordnete Bedeutung der Kopfkappe für das Wesen der Befruchtung dargethan. Das Auftreten des ersten Riehtungskörpers stellt eine erste Etappe der Veränderungen des befruchteten Eies von Ascaris megalocephala dar. Die folgenden Metamorphosen können in ähn- licher Weise gruppirt werden. Es wird sich demgemäss zuvör- derst handeln um die Umformung der Theile bis zur Abscheidung des zweiten Richtungskörpers. Im Anfang dieser Periode beginnt neben der primären Dotter- hülle noch eine andere äussere Hüllschicht sich zu bilden, die sich ebenfalls bis zu einer gewissen Mächtigkeit wie die primäre Dotter- hülle verdiekt. Die primäre Dotterhülle ist glänzend, nimmt schwer Farbstoffe auf und ist gegen Essigsäure resistent. Die äussere Hüllenschieht ist in frischem Zustande feinkörnig, gerinnt in ver- dünnter Chromsäure und in Alcohol, nimmt gelegentlich von Tinetionen Farbstoff auf, entzieht sich in verdünnter und 45°, Essigsäure der Beobachtung. Das Keimbläsehen macht inzwischen nochmals dieselben Ver- änderungen durch, die zur Bildung des ersten Richtungskörpers führten und liefert durch indireete Theilung den Kern des zu be- fruchtenden Eies oder den Eikern (Hertwig) und den Kern des zweiten Riehtungskörpers, der wiederum recht protoplasmaarm ab- geschieden wird. Zur Orientirung über den Vorgang der Bildung der Rich- tungskörper, der für beide der gleiche ist, wolle man die Figg. 28 bis 37 als eine continuirliche Serie betrachten. In der Natur kommen diese Phasen selbstverständlich zweimal vor; die abge- bildete Reihe ist aus verschiedenen Stadien der Entwicklung beider Riehtungskörper zusammengestellt, um Wiederholungen zu vermei- den. In Fig. 55 sind die färbbaren vier Fadenbogenpaare einer in Theilung begriffenen Richtungsspindel in zwei verschiedenen Lagen bei starker Vergrösserung gezeichnet. Bei a sind die vier Paare deutlich zu erkennen, bei b dagegen durch veränderte Lagerung nicht mehr so deutlich auseinanderzuhalten, was ge- wöhnlich auch bei schwächeren Vergrösserungen der Fall ist; da die Zahl der Fäden dureh Projeetion verringert und in der Seitenansicht die Form der Fäden verborgen wird. Oft sieht 170 Moritz Nussbaum: man nur Punkte, bis ein Wälzen des Eies die wahre Fadennatur enthüllt (vergl. Fig. 32 —34). Ueber die Bedeutung der Richtungskörper kann bis heute nichts Positives gesagt werden; das eine Mal werden sie vor der Befruchtung, das andere Mal wie bei Ascaris megalocephala nach dem Eindringen der Samenkörper erst abgeschieden. Bei der Ascaris megalocephala sind die Phasen der Bildung der Richtungs- körper lang ausgedehnt, und man hat Gelegenheit die einzelnen Stadien besser zu beobachten als bei anderen Thieren. Es dürfte nicht unwichtig sein, daran zu erinnern, dass die Zahl der färb- baren Fadenschenkel bei der indireeten Kerntheilung, die zur Ab- scheidung der Richtungskörper führen, vier ist: eine Zahl, die bei der Zelltheilung der Ascaris megalocephala typisch wiederkehrt. Der protrahirte Entwieklungsgang bringt es auch mit sich, dass Phasen der Kerngestaltung fixirt werden können, die bei einem schnell verlaufenden Process nur schwer zur Beobachtung gelangen. So wird in der Literatur allgemein angegeben, das Keimbläschen nehme nach Abscheidung des ersten Richtungs- körpers aus dem Ei nicht wieder die ruhende Kernform an, son- dern erzeuge gleich die Spindel zur Bildung des zweiten Riehtungs- körpers. An unserem Objeet ist auch die Pause zwischen beiden Vorgängen gross genug, dass die ruhende Form des Kernes (vergl. Fig. 31) zur Ausbildung kommt. In den Kernen der Richtungskörper bleiben eine Zeit lang die vier färbbaren Fäden gesondert; später fliesst diese Substanz ringförmig an der Kernwand zusammen. Die Riehtungskörper der Ascaris megalocephala zeigen noch eine besondere und gewiss bedeutungsvolle Eigenthümiichkeit, die sich am leichtesten verfolgen lässt, wenn man die Veränderungen des Dotters bis zur Abscheidung des zweiten Richtungskörpers verfolgt. Die oben beschriebenen Einlagerungen in den Dotter sind nämlich gegen Ende der zweiten Theilung des Keimbläschens regelmässig geschwunden. Der früher balkenartig durchbrochene Dotter ist eine compaete, meist runde Masse geworden; er hat sich stark eontrahirt und steckt in einer durchsichtigen Kugel- schale, die man ungezwungen als die veränderten Kugeln und Krystalle des anfänglichen Eidotters betrachten kann. Diese Masse wird Perivitellin genannt. Um das Perivitellin herum ist eine Ueb. die Veränderungen der Geschlechtsproduete bis zur Eifurchung. 171 neue zarte Dotterhülle siehtbar geworden, deren Bildung in die Zeit zwischen der Entstehung des ersten und zweiten Richtungs- körpers fällt. An frischen Präparaten sieht sie bei Einstellung des Tubus auf das Eicentrum wie ein Kranz feinsten Filigranes aus, da sie in diesem Zustande fein gefältelt ist (vergl. Fig. 39). Beim Eindringen verdünnter Chromsäure in das Ei wird sie glatter (vgl. Fig. 36). Die Richtungskörper sind nun zu dieser secundären Dotterhülle so gelagert, dass der erste Richtungskörper zwischen ihr und der verdickten primären Dotterhülle, der zweite Rich- tungskörper dagegen in der Nähe des Dotters innerhalb der secun- dären Dotterhülle sich findet. Die beiden Richtungskörper liegen bis zur Furchung auf der Halbkugel des Eies, in der das metamorphosirte Keimbläschen sich findet und bleiben beide bis zur fertigen Wurmgestalt des Embryo erhalten. Sie gehen somit nicht in die Organisation des neuen Individuums über. Was die Veränderungen des Samenkörpers bis zur Ueber- führung des Keimbläschens in die ruhende Kernform nach der Abscheidung des zweiten Richtungskörpers anlangt, so können dieselben im Wesentlichen als rückläufige Veränderungen des Kernes bezeichnet werden, die dieser in umgekehrter Folge als Kern des Spermatoeyten bis zur definitiven Gestaltung des reifen Samenkörpers durehmachte. Wie man sich erinnern wird, ging der zuerst saftige, runde Kern mit zerstreuter färbbarer Substanz in seinem Innern durch allmälige Verdichtung in ein kleines, stark glänzendes und tief zu färbendes Kügelchen über. In diesem Zu- stande seines Kernes dringt der Samenkörper in das Ei ein. Die färbbare Substanz wird nachher im Ei wieder zerfällt; die Form des ruhenden Kernes restituirt sich nach und nach; die Kopfkappe schwindet gänzlich; das Protoplasma ist im Dotter nicht mehr gesondert nachzuweisen. Diese Reihe von Metamorphosen ist in Fig. 23—37 dargestellt. Man wird zugestehen müssen, dass dieser Vorgang zu Gunsten derälteren durch von la Valette St. George begründeten Vorstellung von der Natur des Kopfes der Samen- fäden sprieht und der Annahme Flemming’s!) nicht günstig ist, nur das Ohromatin des Kernes gehe in den Kopf des Samenkörpers über. Die Samenkörper der Nematoden sind nur wenig modificirte 1) Archiv f. mikroskop. Anatomie, Bd. XVIII, pag. 253 sq. 1723 Moritz Nussbaum: Zellen. Der Kern derselben nimmt jedoch bis zu dem Stadium, wo er in das Eiinnere eindringen soll, dieselbe condensirte Be- schaffenheit au, die auch die übrigen Samenfäden zeigen. Da es aber bei den Samenkörpern der Ascaris megalocephala sich ereignet, dass der compacte Kern, wenn die zwingenden Momente für diese Form im Eiinnern weggefallen sind, wieder gross und saftig wird, so liegt vorläufig kein Grund vor anzunehmen, nur ein bestimmter färbbarer Kernbestandtheil sei zum Kopf der Samenfäden, hier zum Kern der reifen Samenkörper verwendet worden. Man wäre näm- lich wegen der Restitution der ursprünglichen Kernform, nach dem Eindringen des Samenkörpers in das Ei, gezwungen anzunehmen, die ausser dem färbbaren Inhait vorhandenen Bestandtheile hätten sich neu aus dem Protoplasma des Samenkörpers oder gar des Eies gebildet. Die Vorstellung ist einfacher, anzunehmen, der Kopf der Samenkörper entstehe .durch Verdichtung des Kernes der Spermatoceyten, zumal auch an anderen Kernen Schwankungen im Gehalt an färbbaren und nicht färbbaren Kernbestandtheilen vor- kommen. Der verschiedene Wassergehalt ist leicht erklärlich. Wie sehr die Function der Samenfäden, in das Ei einzudringen, durch die Condensirung des Kermes erleichtert wird, hat Pflüger!) bei Bastardirungsversuchen an Urodelen und Anuren gezeigt. Samenfäden mit spitzem Kopf befruchten die Eier einer Art mit diekköpfigen Samenfäden, während der umgekehrte Versuch misslingt. Die Umbildung des Kernes ist demgemäss als ein Mittel zur Erleichterung der Befruchtung aufzufassen. Dass eime tiefein- greifende bei allen Thieren wiederkehrende morphologische Um- sestaltung gerade am Kern und an ihm zuerst auftritt, spricht für die hohe Bedeutung des Kermes bei der Befruchtung. Freilich wird auch das Protoplasma der Samenzelle umgeformt; doch mag die Vertauschung der amöboiden Beweglichkeit mit der Flimmerung neben der Erleichterung des Eindringens der Samenkörper ins Ei auch die erleichterte Erreichung des Eies überhaupt be- dingen. Es wäre nunmehr unsere Aufgabe zu zeigen, was nach Ab- scheidung der beiden Richtungskörper aus dem Reste des Keim- bläschens und dem geblähten Kern des Samenkörpers wird. Wir 1) Pflüger’s Archiv Bd. 29, Die Bastarderzeugung bei den Batrachiern, Ueb. die Veränderungen der Geschlechtsproducte bis zur Eifurchung. 173 nennen diese Kerne nach dem Vorgange O. Hertwig’s Eikern und Spermakern. Sie liegen in der Form ruhender Kerne zuerst voneinander entfernt; der Eikern in der Zone der Richtungskörper. Durch allmäliges Vorrücken (vergl. Fig. 33—40) kommen die Kerne in Berührungsnähe und verschmelzen miteinander, wenn sie unge- fähr im Centrum des contrahirten Dotters angelangt sind. Bei Leptodera nigrovenosa ist dieser Vorgang am lebenden Ei in mustergültiger Weise zu sehen und zuerst, freilich mit anderer Auffassung, von Auerbach!) dargestellt worden. An den Eiern von Leptodera habe ich die Annäherung und Verschmelzung, sowie die weiteren Veränderungen der vereinigten Kerne bis zur mehr- fachen Eifurchung eontinuirlich verfolgt. Bei Ascaris megalocephala sind die entsprechenden Stadien in derselben Reihenfolge im Uterus geordnet und demgemäss auf Tafel X nach gehärteten Präparaten dargestellt. Nach der Vereinigung von Ei- und Spermakern ist der Be- fruchtungsaet abgeschlossen und die Furchung des Eies beginnt. Soweit sich dies bis jetzt verfolgen liess, kehrt hier bei jeder neuen Theilung derselbe Process wieder, der die Kerntheilung der Sperma- togonien, der Ureier und die zur Abtrennung der Richtungskörper führenden Veränderungen des Keimbläschens begleitete. Die färbbare Substanz des Kernes ordnet sich zu allmälig sich verdickenden und an Zahl abnehmenden Fäden zuerst in der Mitte einer fasrigen nicht färbbaren Spindel. Kann man deutlich vier Fadenschleifen unterscheiden, so sondert sich der eontinuir- liche dieke Faden in vier Schenkelpaare, indem die einzelnen Schleifen sich der Quere nach abtrennen. Die Schenkelpaare sind flache Bogen mit der Oeffnung nach der Peripherie der Spindel ge- stellt. Man ist gezwungen anzunehmen, dass bei den weiteren Um- bildungen die Fadenschenkel der Kernfigur der Länge nach gespalten werden und von der Mitte der Spindel zuerst an die Aussenfläche und schliesslich an die Pole derselben wandern. Für die Spaltung spricht die Diekenabnahme der Fäden, die in ursprünglicher Länge in der Vierzahl später an beiden Polen der Spindel gelagert sind. Die Wanderung über die Aussenfläche der Spindel kann an den Präparaten demonstrirt werden; sie liegen in einer gewissen Phase in der Richtung der Spindelfasern, während sie vorher senkrecht 1) Organologische Studien. Archiv f. mikrosk, Anatomie, Bd, 23, 12 174 Moritz Nussbaum: dazu (vergl. Fig. 45 und 44) gestanden hatten. Eine Figur für die Lagerung der Fäden an der Aussenfläche der Spindel hat Sehneider!) von Mesostomum auf Taf. III Fig. 7 gegeben. Haben die vier färbbaren Fadenschenkel sich nach den Polen der Spindel begeben, so kehren ihre Bogen die Oefinungen einander zu, also nach dem Centrum der Spindel, die sich an den Polen mehr und mehr abflacht, in der Mitte schmaler wird und beim Durehsehneiden der ersten Furche des Dotters in der Mitte auseinanderweicht. Die Form des ruhenden Kernes wird restituirt und die Furchung geht nach demselben Schema: indireete Kerntheilung, Dotterfurchung weiter. Während der Ausbildung der Kernfigur ist an den beiden Polen der Faserspindel auch an den Eiern von Ascaris megalo- cephala eine Strahlung im Protoplasma deutlich ausgebildet. Die Fadenfigur der ersten Furchungskugel ist die grösste in den Zellen des entstehenden Embryo. Wie die Zellen an Grösse abnehmen bei weiterer Theilung, so werden auch alle Dimensionen der Kern- theilungsfigur in rasch fortschreitender Progression verkleinert. Die Fadenfigur der ersten Furchungskugel ist wegen ihrer Grösse ein treffliches Object zur Demonstration der indirecten Kerntheilung, deren Geschiehte neuerdings Flemming in seinem Buche „Zell- substanz, Kern- und Zelltheilung, 1882° gegeben hat. Während der ersten Furchung muss eine Rotation der beiden Furchungskugeln um 90° stattfinden, weil der am ungefurchten Ei dem einen Pole der Kernspindel des befruchteten Eies zugewandte zweite Richtungskörper am einmal gefurchten Ei an der Trennungs- linie der beiden Furchungskugeln sich befindet. Die Rotationen der Furchungskugeln bei Leptodera nigrovenosa sind von Auer- bach?) beschrieben worden und können leicht am lebenden Ob- ject demonstrirt werden. Es erübrigt nunmehr noch die Veränderungen zu beschreiben, welche unbefruchtete Eier bei ihrer Wanderung durch den Uterus erleiden. Bei einer grossen Zahl 35—37 em langer Weibehen — bei kleineren Thieren habe ich diese Erscheinung bis jetzt nicht be- obachtet — finden sich von der Vagina an, aufwärts bis zur Tube 1) Das Ei und seine Befruchtung. 2) Organologische Studien, 1874. > u m Ueb. die Veränderungen der Geschlechtsproducte bis zur Eifurchung. 175 hin, eine unglaublich grosse Zahl von Eiern, an denen die dureh die Befruchtung hervorgerufenen Veränderungen sich nicht zeigen. Die Uterus sind abgesehen von einer kleinen, der Vagina nahen Strecke arm an Spermatosomen. Bei einigen Messungen fanden sich 7em von der Vagina entfernt in den Uterus nur noch wenige Samenkörper; 15 em weit kein einziger. In den ausführenden Generationsorganen jüngerer 20—25 em langer Weibchen kommen Samenkörper 17—18S em von der Vagina entfernt in den beiden Uterus sehr zahlreich vor. « Was nun die fraglichen Eier anlangt, so bleibt ihr Dotter auf dem ganzen Wege bis zur Vagina durchaus unverändert. Das Keimbläschen liegt wie bei allen Eiern kurz vor der Befruchtung peripher; es macht beim Vorrücken des Eies im Uterus die fadige Differenzirung durch, die im unbefruchteten Ei die Abtrennung des ersten Richtungskörpers einleitet. Weiter, als die Figg. S—10 zeigen, scheint dieser Theilungsprocess jedoch nicht fortzuschreiten: einen deutlich abgetrennten Richtungskörper habe ich bis jetzt an diesen Eiern nicht gesehen; auch wenn sie nahe der Vagina zwischen anderen, mehrfach gefurchten Eiern lagen. Die Eier des Ascaris megalocephala zeigen somit ein höchst bemerkenswerthes Verhalten in Bezug auf die Entstehung der Richtungskörper. Wenn man nur befruchtete Eier beobachtet, so wird man das Object derjenigen Categorie zuzählen, wo die Richtungskörper erst nach der Befruchtung abgeschieden werden. Die unbefruchteten Eier zeigen, dass dieser Vorgang auch bei As- caris megalocephala ebenso unabhängig von der Befruchtung ist, als bei den Thieren, wo die Richtungskörper schon im Eierstocksei gebildet werden. (Vergl. Selen ka.) Die primäre Dotterhülle bleibt unverändert; sie wird nicht verdickt. Eine secundäre, bei befruchteten Eiern mit der Ab- scheidung des ersten Richtungskörpers zeitlich zusammenfallend, wird nicht gebildet. Ebensowenig wird Perivitellin ausgeschieden; ein Vorgang, der bei befruchteten Eiern in die Zeit der Bildung des zweiten Richtungskörpers fällt. Eine Veränderung aber gehen die unbefruchteten Eier ge- meinsam mit den befruchteten ein. Um alle nämlich wird eine äussere Hülle abgeschieden, deren Bildung, wie mir scheint, nieht auf die Thätigkeit der Eizelle zurückzuführen ist. Es wäre gewiss recht merkwürdig, wenn die befruchtete Eizelle trotz ihrer dieken 176 Moritz Nussbaum: primären und trotz der secundären Dotterhülle in derselben Weise eine äussere Haut sollte bilden können, wie das unbefruchtete Ei mit der dünnen Eihülle. Viel wahrscheinlicher ist es, dass diese äussere Hülle (vergl. Fig. 14, II) von den Drüsenzellen der Aus- führungsgänge abgeschieden und dem Ei von aussen aufgelagert wird. Dafür spricht auch das Verhalten der Hülle und der Drüsen gegen Essigsäure. Die Hülle wird in Essigsäure anscheinend ge- löst, die Köpfe der einzelligen Drüsen im Uterus sehen wie leer aus, so dass höchstwahrscheinlich das Seeret schon, kurz vor seiner Entleerung, in den Zellen in dieselbe Modification übergeführt ist, in der es, später noch erhärtend, die Eier umgibt. Wir glauben somit die Genese der drei Hüllen des befruch- teten Eies so erklären zu sollen, dass primäre und secundäre Dotterhülle vom Ei, die äussere dritte Hülle dagegen von den einzelligen Drüsen im Uterus gebildet werden. Ein einziges Mal fanden sich in allen Theilen der ausführen- den Generationsorgane eines Weibehens zwischen befruchteten Eiern in allen Stadien bis zur Furchung, Eier von der Form der Fig. 15. (Daneben kamen auch ovale unbefruchtete Eier vor. Da die Eier in Essigsäurecarmin zum Färben eingelegt worden waren, so lässt sieh nicht entscheiden, ob eine uterine Hülle die Eier umgab.) Aus der Mieropyle tritt Protoplasma hervor. Das Keim- bläschen zeigt einen Habitus, wie er an zu Grunde gehenden Zellen sich findet, es ist ein multinucleolärer Kern. In den anderen unbefruchteten Eiern an denselben Stellen der Uterus war das Keimbläschen fadig differenzirt. Es gehen somit auch bei diesen Thieren eine grosse Zahl von Eiern unbefruchtet zu Grunde. Ob eine bis zu einem gewissen Punkte gelangende parthenogenetische Entwicklung der Eier mög- lich ist, kann nach den vorliegenden Beobachtungsmaterial nicht entschieden werden. Wenn diese Entwicklung bei Ascaris megalo- cephala auch nicht wahrscheinlich ist, so kann doch von den ovalen unbefruchteten Eiern nicht mit derselben Bestimmtheit wie von den kegelförmigen behauptet werden, dass sie nicht weiter entwicklungsfähig seien. Ein Samenkörper kann freilich wegen der uterinen Hülle in diese Eier nicht mehr eindringen. Ueb. die Veränderungen der Geschlechtsproducte bis zur Eifurchung. 177 m Die Theorie der Befruchtung. Die Lehre von der Befruchtung schien so gut begründet, dass sie schon den Weg in die Hand- und Lehrbücher genommen hat. Die Frage nach dem Eindringen der Samenkörper in das Ei kann als erledigt gelten. Aber schon die Behauptung, das befruchtete Ei theile sich wie jede andere Zelle, ist nicht in allen Fällen bewiesen worden. Die durch Fol, Selenka und Flemming bestätigte Hert- wig’sche Theorie gar von der Vereinigung des Ei- und Sperma- kernes wurde in neuester Zeit der Gegenstand eines umfangreichen Angriffs. Das Schneider’sche Buch (Das Ei und seine Befruchtung sucht in einer grossen Zahl von Einzelbeobachtungen darzuthun, dass der Samenkörper im Ei spurlos vergehe. Vom Ei der Ascaris megalocephala behauptet Schneider dies ganz bestimmt. Die nach dem Schwinden des Samenkörpers im befruchteten Ei be- obachteten beiden Kerne werden von jenem Autor als die Kerne der ersten Furchungskugeln gedeutet. Da man auf Grundlage der Hertwig’schen Theorie vermuthen könnte, dass grade diese beiden Kerne den Ei- und Spermakern darstellen möchten, der eine derselben also vom Kern des Samen- körpers, der andere vom Keimbläschen abstamme; so ist die Con- troverse sachlich so scharf als möglich zugespitzt. Die eine Partei, Hertwig an der Spitze, hält für Vereinigung, was Schneider als Trennung ausgibt. Die Entscheidung kann jedoch nicht schwer sein, wenn es gelingt den Process noch über den Punkt hinaus zu verfolgen, bis zu dem Schneider seine Beobachtungen angestellt hat. Diese brechen jedenfalls vor vollzogener erster Furchung ab; da selbst, wenn man zugibt, dass die fraglichen beiden Kerne die Kerne der ersten Furchungskugeln seien, die Furchungskugeln in den Scehnei- der’schen Präparaten noch nicht gebildet waren. Gelingt es also, die Beobachtungen über den entscheidenden Punkt hinaus fort- zuführen, so muss sich zeigen, ob auf das Stadium der beiden Kerne die Zweitheilung des Eies folgt, oder, wie es nach der Hertwig’schen Theorie erwartet werden müsste, ob noch eine 178 Moritz Nussbaum: Vereinigung dieser beiden Kerne stattfinde und dann erst nach erfolgter indireeter Theilung des aus der Vereinigung hervor- gegangenen Kernes die erste Furchung sich vollziehe. Da meine Beobachtungen durch einen glücklichen Zufall an einem Objeete weiter geführt werden konnten, als es Schneider gelang, so bin ich in der Lage, die Darstellung meines Vorgängers in vielen Punkten bestätigen zu können. Gleichzeitig werden wir aber auch die Elemente des Beweises auffinden, dass die Schnei- der’sche Anschauung von dem Wesen der Befruchtung zu Gunsten der Hertwig’schen Theorie modifieirt werden muss. Es wäre zu wünschen, dass diese Beweise auch für andere Thiergruppen als die Nematoden (speeiell Ascaris megalocephala) hätten geliefert werden können; doch muss das Denjenigen überlassen bleiben, welche sieh vor Schneider schon zu Gunsten der Hertwig’- schen Theorie auf Grund ihrer Untersuchungen an anderen als den hier behandelten Objeeten entschieden haben. Um dem Leser ein Bild zu geben, wie Schneider in Grund- lage der von ihm eruirten Thatsachen zu seiner Theorie gelangen konnte, wird es zweekmässig sein, die Punkte gesondert zu be- sprechen, in denen eine erweiterte Untersuchung zu abweichendem Resultat gelangen muss. Das Eindringen des Spermatosomen und seine Ver- änderungen im Ei. Diese Thatsache, das Eindringen des Samenkörpers in das Ei, ist durch Sehneider’s!) frühere Beobachtungen über allen Zweifel sicher gestellt, schon lange vorher behauptet und nach- her auch bei anderen Thieren als den Nematoden aufgefunden worden. Sehneider hat zuerst die amöboide Bewegung der Samen- körper solcher Nematoden beobachtet, bei denen die Befruchtung weit unter der Temperatur der Warmblüter vor sich geht. Es dürfte aber nieht unwesentlich sein, auf einen Punkt hin- zuweisen, worin meine Untersuchungen von denen meiner Vor- gänger abweichen. Die Verschiedenheit der gewonnenen Resultate wird, da es sich um die Beschaffenheit des Kernes der Samen- 1) Monographie der Nematoden; vergl. daselbst auch die historische Darstellung dieses Gegenstandes. Ueb. die Veränderungen der Geschlechtsproducte bis zur Eifurchung. 179 körper handelt, geeignet sein zur Entscheidung für oder wider eine der Befruchtungstheorien beizutragen. Nach Schneider (Das Ei und seine Befruchtung, pag. 53) erfährt auch der Kern des Samenkörpers dieselbe Umwandlung, wie die Körnchen im Leibe der Samenzelle, solange dieselbe sich im Vas deferens des Männchens befindet. „Das Spermatozoon ist in eine fettglänzende Masse verwandelt“ (pag. 54 1. c.). Auf Seite 5 findet sich die wichtige Beobachtung, die wir zu bestätigen Ge- legenheit hatten, dass die Spermatosomen in zwei Modificationen in das Ei eindringen können. „Aus der feinkörnigen Modification gehen sie in die andere über.‘ — Die wörtlich eitirten Sätze (pag. 54 und pag. 5 des Schneider’schen Buches) wird man nicht be- stätigt finden. Erstens ist das Spermatosom niemals eine fettglänzende Masse; sondern es besteht aus der glänzenden Kopfkappe, dem Kern und dem feingranulirten Protoplasma, das bei Körpertemperatur der Warmblüter amöboid beweglich ist. Es finden sich somit mit Aus- nahme eines Schwanzfadens dieselben Elemente vor, wie sie auch bei den fadenförmigen Samenkörpern vorhanden sind. Der Kern ist so beschaffen, dass man ihn an der Spitze eines Samenfadens Kopf nennen würde; es hat sich eine Kopfkappe gebildet; nur das Protoplasma ist granulirter geblieben, als es bei den fadenförmigen Spermatosomen für gewöhnlich vorkommt; es scheidet sich in eine hyaline amöboide Grundsubstanz und die eingelagerten feinen Körnehen. — Man kann diese Theile am frischen Samenkörper aus dem Uterus und der Tube des Weibehens unterscheiden, sie aber auch ebenso leicht an gefärbten Präparaten wiedererkennen, in denen der Kern viel, das Protoplasma wenig, die Kopfkappe gar keinen Farbstoff aufgenommen hat. Nur die Kopfkappe ist stark glänzend. Bei alten und namentlich häufig bei jungen Thieren findet man diesen Theil des Samenkörpers in den mittleren Partien des Uterus isolirt vor; er dringt aber niemals isolirt in das Ei ein. In das Ei finden nur die ganzen Samenkörper, also Proto- plasma, Kern und Kopfkappe, oder Samenkörper ohne Kopfkappe ihren Weg. Im Ei aber wird regelmässig die Kopfkappe abge- worfen, wenn sie mit den übrigen Theilen des Spermatosomen ein- gedrungen war. Der letztere Vorgang ist von Schneider nicht beobachtet worden. Hiermit ist aber zugleich der zweite Satz widerlegt, die fein- 180 Moritz Nussbaum: körnige Modifieation der'Samenkörper gehe in die glänzende über. — Es gibt aber auch noch einen anderen Beweis hierfür. Bei jungen Weibchen findet man in Vagina und Uterus Samenkörper, wie sie im Vas deferens der Männehen vorkommen, und dann alle Uebergangsstadien bis zur definitiven Umformung der glänzenden Körner in denselben zur Kopfkappe. In den Tuben, wo die Be- fruchtung beginnt, trifft man in und zwischen den Eiern nur Samen- körper mit condensirtem kleinen Kern und feingranulirtem Proto- plasma. Man könnte somit glauben, die „glänzende Modification“ habe sich in die „feinkörnige“ verwandelt. Dies ist aber nur so zu verstehen, dass die Samenkörper auf ihrem Wege von der Vagina bis zur Tube die glänzende Kopfkappe abgeworfen haben, bevor sie in das Ei eindringen. Da die Kopfkappe auch im Ei spurlos verschwindet, so fällt mit der oben gegebenen Beschreibung das Verblüffende der Erscheinung von der Befruchtung des Eies durch zweierlei Samenkörper. In beiden Fällen werden Kern und Protoplasma dem Eie zugeführt. — Ein analoges Verhalten ist bei höheren Thieren längst bekannt. Beim Stier werfen die Samen- fäden die Kopfkappe ab, wenn sie den Hoden verlassen; beim Meerschweinehen haben die Samenfäden noch im Vas deferens ihre Kopfkappe und sind dadurch wie gestielte Münzen zu zweien oder mehreren aneinandergeheftet. Sehneider hat das Spermatosom in veränderter Gestalt noch zur Zeit der zweiten Umbildung des Keimbläschens in eine Kern- figur im Eie vorgefunden (vergl. Fig. 12 auf Tafel I, das Ei ete.). Wir werden später auf diese Thatsache zurückkommen. Die Bildung der Riehtungskörper. Die Bildung des ersten Richtungskörpers ist dem Wesen nach richtig beschrieben. Wenn meine eignen Untersuchungen in einigen Punkten von der Darstellung Schneider’s abweichen und mehr in Uebereinstimmung mit den gelegentlich des Studiums der indirecten Kerntheilung an anderen Objeeten gewonnenen Resul- taten sind, so mögen Nachuntersuchungen hierüber entscheiden. Die Lagerung des ersten Richtungskörpers zwischen primärer und secundärer Dotterhülle ist in Text und Tafeln des Schneider’- schen Buches nicht bekannt gegeben. Wir betrachten die von Schneider gegebene Beschreibung der Samenkörper als die erste Grundlage für die in dem oft eitirten Ueb. die Veränderungen der Geschlechtsproducte bis zur Eifurcehung. 181 Buche vertretene Ansicht über die Befruchtung; die zweite muss in dem Verkennen der Bildung eines zweiten Richtungskörpers gesucht werden. — Von allem, was in der Entwicklung des Eies auf dieses Stadium folgt, abgesehen, würde schon die Grösse und die Lage der von Schneider in Fig. 12, Taf. I gezeichneten Spindel einen zwingenden Beweis abgeben, dass dies nicht die Kernfigur der ersten Furchung sein kann; sie liegt zu peripher und ist zu klein. Die Kernfigur der ersten Furehung liegt central und ist, soweit bis jetzt beobachtet, stets um Vieles grösser als die eines Riehtungskörpers. Dies wird hbegreiflich, weil nach der Ausstossung des oder der Riehtungskörper die Kernmasse des Eies um die Kernmasse des Samenkörpers vergrössert wird. Die Spindel der Fig. 12, Taf. I des Buches, das Ei und seine Befruchtung, leitet wie oben (pag. 169) gezeigt, die indirecte Thei- lung des schon dureh die Bildung des ersten Richtungskörpers modifieirten Keimbläsehens zum Zweck der Abtrennung des zwei- ten Richtungskörpers ein. Der zweite Richtungskörper lagert sich dicht am Dotter innerhalb der secundären Eihülle. In Schneider ’s Abbildungen ist von Fig. 13 an nur der zweite Richtungskörper und nicht mehr der erste gezeichnet. Es kommen aber beide vor und sind an den bezeichneten Stellen des Eies noch zu erkennen, wenn der Embryo schon active Bewegungen innerhalb seiner Hüllen ausführt. Das Auftreten der beiden Kerne im befruchteten Ei. Gelegentlich der Discussion der Veränderungen, die der Samen- körper im Ei durchläuft (pag. 180), wurde darauf aufmerksam ge- macht, dass Schneider im Beginn der zweiten Umformung des Keimbläschens zu einer Kernspindel (ef. Fig. 12, Taf. I das Ei und seine Befruchtung) den Samenkörper im Ei in veränderter Gestalt noch vorgefunden habe. Zur Zeit der (von Schneider supponirten) ersten Furchung (ef. Fig. 13, Taf. I) sei kaum mehr ein Rest des Samenkörpers im Ei vorhanden (pag. 8 I. e.). Da nun oben der Nachweis erbracht wurde, dass die beobachteten zwei Kerne im Ei nicht die Kerne der ersten Furchungskugeln seien, so ist sachlich in der Beobachtungsreihe Schneider’s kein Hinderniss gegeben, die Kerne in der Weise zu deuten, wie wir es gethan. Es ist riehtig, dass zur Zeit „der beiden Kerne“ kein Rest des Samenkörpers weiter im Ei zu entdecken ist; da der 182 Moritz Nussbaum: eine Kern den Kern des Spermatosomen, der andere das modifi- eirte Keimbläschen darstellt, und Kopfkappe und Protoplasma des Samenkörpers nicht mehr vom Eiprotoplasma optisch zu trennen sind. Reihen wir diesen Thatsachen die weiteren an, dass die beiden Kerne — Ei und Spermakern — miteinander verschmelzen, und dass das Copulationsproduet dieser Kerne durch fortgesetzte indirecte Theilung allen Kernen des werdenden Organismus den Ursprung gibt, so können wir die Befruchtung bei Ascaris megalo- cephala dem in Thier- und Pflanzenreich gültigen Schema ein- reihen: Die Befruchtung ist eine Copulation zweier homologen Zellen, deren gleichwerthige Theile — Keimbläschen und Kopf oder Kern des Samenkörpers, Dotter und modifieirtes Protoplasma des Samenkörpers — mit einander verschmelzen. Man darf erwarten, dass dieser Satz allgemeine Bestätigung finde; wenn man sich auch nicht verhehlen darf, dass bei der Conjugation einzelliger Wesen bis jetzt der Befruchtungsact, die Conjugation, vielfach in anderer Weise noch dargestellt wird. Verbesserte Methoden werden aber auch hier die Schwierigkeiten der Untersuchung überwinden. Wäre dieses Ziel erreicht, so würde sich zeigen, dass der eontinuirliche Theilungsprocess der lebendigen Materie nur durch den Befruchtungsaet und zwar in fördernder Weise unterbrochen wird, und dass der Befruchtungsact vom einfachsten bis zum complieirtesten Wesen in der Vereinigung der identischen Theile zweier homologen Zellen besteht. III. Die Entwicklung der Geschlechtsdrüsen und die Vererbung. Der Abhandlung, Zur Differenzirung des Geschlechts im Thierreich (d. Archiv Bd. XVII) hatte ich in Grundlage fremder und eigner Untersuchungen einen Abschnitt allgemeiner und resü- mirender Betrachtungen angefügt, von denen einige bestätigt, an- dere einer abweisenden Kritik unterzogen worden sind. Da der behandelte Gegenstand das Wesen der Vererbung — ein biologisches Problem von hoher Bedeutung — durch Aufdecken Ber a Ueb. die Veränderungen der Geschlechtsproducte bis zur Eifurchung. 183 neuer und Verwerthung bekannter anatomischer Thatsachen dem Verständniss näher zu rücken bestrebt war, so möge es gestattet sein mit wenigen Worten auf die Hauptpunkte der in jenem Auf- satze niedergelegten Anschauungen zurückzukommen, und an ge- eigneter Stelle die Entgegnung auf die erhobenen theoretischen Bedenken und Einwände einzuschieben. Die dem allgemeinen Theile jener Arbeit voraufgehenden fünf Kapitel, eine Reihe von biologischen Entdeekungen der ver- schiedensten Autoren, hatten es ermöglicht die folgenden Behaup- tungen aufzustellen: 1. Es gibt unter den heutigen Bedingungen nur eine Art der Vermehrung lebendiger Materie, die der Theilung. 2. Bei allen Wesen, den einzelligen wie den mehrzelligen, wird die continuirliche Theilung durch den Befruchtungsaet unterbrochen, um dann in erneuter und vermehrter Inten- sität weiter zu gehen. Weiter kam es darauf an, einen einheitlichen Gesichtspunkt für die Erscheinungen der Vererbung aufzufinden. Die Darwin’sche Hypothese der Pangenesis befriedigt in so weit, als sie dem Bedürfniss Ausdruck gibt, für die Erhaltung der Art solehe lebende Materie zu postuliren, in der auch bei den höchst organisirten Wesen die Keime aller Kräfte und Formencom- plexe des fertigen Individuums enthalten seien. Eine einfache Erledigung findet dies Postulat bei den ein- zelligen Thieren und Pflanzen, die sich nach stattgehabter Copula- lation theilen und so ganz in die Erhaltung der Art aufgehen. Schwierigkeiten findet das Verständniss erst bei der Fortpflanzung der höheren Organismen. Um nun die in der äusseren Erscheinung so verschiedenen Fortpflanzungsformen der Protisten und der Metazoen auf ein ein- heitliches Prineip zurückzuführen, verglich ieh die Geschlechts- producte der Metazoen den Individuen unter den Protisten. Die Geschlechtsproduete wurden von einer in beiden Geschlechtern gleichen Anlage, den Geschlechtszellen, abgeleitet. Somit stellen die Geschlechtszellen der höheren Thiere den eontinuirlichen Grund- stock der Art dar, von dem die einzelnen Individuen nach kurzem Bestehen, wie die Blätter eines Baumes, welkend abfallen. Bei den Protozoen wahren die einzelnen Individuen mit ihrem ganzen Leibe die Continuität und Constanz der Art, während diese bei 184 Moritz Nussbaum: den Metazoen durch die Geschlechtszellen gesichert ist. Die Arbeits- theilung in den Colonien niederer Thiere und der pflanzlichen Organismen vermittelt den Uebergang, indem hier zum ersten Mal aus anscheinend gleichen Zellen Geschlechtsproduete sich aus- bilden und Gewebszellen mit dem Stempel der einseitigen Function. Ehe aber diesem angedeuteten Vergleiche ein überzeugender Werth zukommen konnte, musste die Zellennatur der Zeugungs- stoffe bei den höheren Thieren nachgewiesen werden, und ich nahm Gelegenheit zu zeigen, wie wesentlich für die richtige Deutung des Befruchtungsvorganges die Arbeiten der Männer geworden sind, welche wie von la Valette St. George in erster Reihe die Zellennatur des Eies und der Samenkörper gegen allen Zweifel sicher gestellt haben. Die eignen in fünf Paragraphen jenem Schlusscapitel vorauf- geschickten Untersuchungen berechtigten zu der Annahme, dass Samen und Ei homologe Zellen seien. Dieselben Untersuchungen im Verein mit den im letzten Ab- schnitte diseutirten Beobachtungen anderer Forscher erlaubten die Geschlechtsproduete direct mit den conjugirenden Protisten zu ver- gleichen; da an einer Reihe von Thieren der Nachweis erbracht werden konnte, dass die Geschlechtszellen, — von denen die Geschlechtsproducte, Samen und Ei, durch einfache additionelle Theilung sich ableiten — entweder schon vor der Keimblattbildung oder auch nachher als ganz besonders geartete und von Furchungs- zellen nicht zu unterscheidende Elemente der Form nach sich aus- zeichnen. Es gibt also Thiere, bei denen die Anlage der Ge- schlechtsdrüsen vor jeder histologischen Differenzirung im Embryo als etwas Besonderes kenntlich ist; bei anderen, so namentlich den Vögeln und Säugethieren, fehlt dieses Merkzeichen. Wenn nun in meinem früheren Aufsatze der Gedanke ausgesprochen wurde: es sei wahrscheinlich, dass die Anlagen der Geschlechts- drüsen schon früh vor jeder Arbeitstheilung der Zellen aus den zum Aufbau des Thierleibes verbrauchten Furchungskugeln abge- sondert werden, so ist dieser Satz für einige besonders günstig geartete Fälle der einfache Ausdruck des thatsächlichen Verhaltens. Für viele andere wird er sich über den Werth einer Hypothese nicht erheben können, der aber insofern Gültigkeit zukommen muss, als die in diesen Fällen eruirten Thatsachen sich sehr wohl an ihrer Hand erklären lassen. Ueb. die Veränderungen der Geschlechtsproducte bis zur Eifurchung. 185 Weismann hat in seinem Werke: „Die Entstehung der Sexual- zellen bei den Hydromedusen“ sich mit dem Satze: Die Trennung von Gesehlechts- und Körperzellen vor jeder histologischen Ditferen- zirung sei kein Postulat der Theorie, gegen meine Ausführungen gewandt. Ich hoffe zeigen zu können, dass auch die Verhältnisse, wie sie Weismann bei den Hydromedusen schildert, mutatis mutandis dem allgemein gefassten Satze meiner Abhandlung sich einreihen werden. Zuvörderst möchte ieh noch mit einigen Worten auf das Objeet zurückkommen, das zum Ausgangspunkt meiner Studien geworden ist; ich meine die Entwickelung der Geschlechtsdrüsen bei Rana fusca. Es ist gewiss ein grosser Mangel anatomischer Forschung, dass die Form in vielen Fällen das einzig Eutscheidende bleibt, und dass ein einseitig gewonnenes Resultat nicht noch durch andere Versuchsmethoden ceontrolirt werden kann. Bei der Ableitung der Geschleehtsproduete von Rana fusca aus den Geschlechtszellen sind wir aber in der glücklichen Lage, die Form und ihre Ent- wicklung als Basis beweiskräftiger Schlüsse zu verwerthen. In Fig. 49 der beigefügten Tafel XI findet man die Anlage der Generationsorgane und zwar des functionellen Theiles von Hoden und Eierstock dargestellt, wie sie sich bei 1,4 em langen Larven der Rana fusca findet. Die Präparate sind leicht zu ge- winnen, wenn man lebende Larven der angegebenen Grösse in absolutem Alcohol abtödtet und nach etwa 24 Stunden eröffnet. Nach Entfernung des Darmes und seiner Drüsen streckt man durch sanften, von den Seiten wirkenden Fingerdruck den stark gebogenen Rumpf der Larve und schneidet mit einer scharfen Klinge in einem Zuge die Vorniere, die Wolff’schen Gänge und die inneren Gefässe von der inneren Museulatur des Rückens ab. Oft gelingt es, ein Präparat zu erhalten, an dem jederseits die drei Trichter mit ihren schwarz pigmentirten Wimperzellen, die verschieden gestalteten Abtheilungen der Vorniere, der Glomerulus derselben, der ganze Verlauf des Wolff’schen Ganges bis zur Ein- mündung in die Kloake, die Anlage der Geschlechtsdrüsen und der bleibenden Amphibienniere — der Urniere oder des Wolff’schen Körpers — mit den stärksten Trockenlinsen zu durehmustern sind. Doch begnügen wir uns hier mit der Analyse der mittleren Parthie derartiger Präparate, der wir die Figur 49 zu Grunde legen. 186 Moritz Nussbaum: Auf den beiden Wolff’schen Gängen liegen in einer klein- zelligen Platte, dem Blastem des zukünftigen Mesorchium oder Mesovarium sowie des Stromagewebes des Hodens oder des Eier- stocks, in nicht zu weiten Abständen grosse mit Dotterplättchen angefüllte Zellen G, in Kapseln, die von kleinen durchsichtigen Zellen St gebildet werden. Die Zellgrenzen des Zwischengewebes St sind der Einfachheit halber nicht gezeichnet. In diesem Stadium sind es langgestreckte Zellen, die sich vermehren. Später flachen sich die oberflächlich gelegenen ab und geben die bekannte Silber- zeichnung. Im Inneren der Geschlechtsdrüsen bilden sie das Stroma. Was die grossen mit Dotterplättchen angefüllten Zellen an- langt, so sind sie in unserem Präparat in geringer Zahl schon entweder ganz oder annähernd frei davon; das Nährmaterial der Zellen schwindet, und man erkennt das Protoplasma und den Kern dieser Zellen, der Geschlechtszellen. In früheren Stadien, wenn die Geschlechtsdrüsenleiste schon als besonderes Organ kenntlich ist, sind alle Geschleehtszellen mit Dotterplättehen voll- gepropft. Es wurde gezeigt!), dass von diesen Zellen Eier und Samen nebst ihren epithelialen Hüllen abstammen. Wenn man die übrigen Körpertheile der Larven von ange- gebener Grösse mikroskopisch untersucht, so ist in ihnen die Ent- wicklung der Gewebe schon so weit gediehen, dass alle frei von Dotterplättchen sind, und alle Zellen des Organismus an Grösse weit hinter den Geschlechtszellen zurückbleiben. Bei Vögeln und Säugethieren werden die Geschlechtszellen im Keimlager erst seeundär durch ihre Grössenzunahme kenntlich. Bei Rana fusca behalten sie ihren embryonalen Character und die Grösse von Furchungskugeln so lange, dass sie an diesen Zeichen als etwas ganz besonderes leicht zu erkennen sind. Wären sie frei oder theilweise frei von Dotterelementen, während an anderen Körper- stellen die Dotterplättchen noch nicht geschwunden sind, so würde man nicht mit Sicherheit behaupten können, die Geschlechtszellen seien ächte zum Zweck der ausschliesslichen Bildung der Ge- schlechtsproduete ausgesonderte Furchungskugeln. Es wäre ja möglich, dass aus dem Vorrath der gewebebildenden Zellen Material in die Geschlechtsleisten oder Geschlechtsfalten eingewandert wäre, 1) Dies Archiv Bd. XVII. Ueb. die Veränderungen der Geschlechtsproducte bis zur Eifurchung. 187 So liegt die Sache bei Rana esculenta, die deshalb kein beweisen- des Objeet abgeben kann, obschon sie eine so nahe verwandte Species ist. Diese Gesichtspunkte sind in meiner früheren Arbeit alle geltend gemacht worden; es wurde nur von Rana fusca behauptet, dass hier ein Objeet gegeben sei, an dem sich mit genügender Sicherheit diejenigen Eigenthümliehkeiten nachweisen lassen, die theoretisch für die Anlagen der functionellen Theile der Geschlechts- drüsen aller Thiere gefordert werden müssen. An jener Stelle wurde gleichfalls hervorgehoben, dass selbst an diesem so unge- mein günstigen Object der Beweis nicht erbracht werden könne, die Anlagen der Geschlechtsdrüsen seien vor der Keimblattbildung als etwas Besonderes zu erkennen. Der Beweis für diese Anschauung kann an Rana nicht geliefert werden, weil die Geschlechtszellen und die Zellen der eben angelegten Keimblätter in ihrer äusseren Erscheinung zum Theil identisch sind. Einen Beweis liefern die eitirten Beispiele!) aus der niederen Thierwelt. Mit grossem Ver- snügen füge ich hier den früher angegebenen Thieren noch die von Mecznikow?°) untersuchten Ceeidomyidenlarven an, bei denen jener Autor aus den vor jeder Keimblattbildung gesonderten Pol- zellen die Generationsorgane entstehen sah. Bei der Abfassung meiner früheren Arbeit war mir dieser schöne Beweis, den Bal- biani?) neuerdings auch bei Chironomus aufgefunden hat, ent- gangen; ich hoffe aber, in der Einleitung zum Aufsatze des XVII. Bda. d. Arch. nicht vergeblich um Nachsicht gebeten zu haben. Giebt es somit in der Thierwelt eine Reihe von Objecten, an denen sich mit hinreichender Klarheit die drei postulirten Grundeigenschaften für die Gesehlechtszellen der Metazoen darthun lassen, so sind die Verhältnisse im Pflanzenreich nicht so einge- richtet, dass man aus den einschlägigen Untersuchungen ein auch für das Thierreich gültiges Gesetz ableiten könne. Immerhin musste Vöchting?) die Möglichkeit zur Reproduction der Totalität auf die vegetativen Zellen beschränken. 1) D. Arch. Bd. XVIII, pag. 109. 2) Zeitschrift f. wissenschaftl. Zool. Bd. XVI, pag. 491. Hier führt Mecznikow auch besonders an, „dass diese Polzellen durchaus nicht den sog. Richtungsbläschen der Mollusken und Würmer entsprechen.“ 3) Compt. rend. 1882, pag. 927. 4) Vergl. d. Archiv Bd. XVIII, pag. 108. 188 Moritz Nussbaum: Da nun mit der weiter gehenden Arbeitstheilung in der auf- steigenden Reihe der lebenden Wesen den einzelnen Zellen Kräfte der Form- und Functionsgestaltung verloren gehen müssen, so werden bei niederen Thieren Anklänge an das Pflanzenreich nicht überraschend sein. In der That sagt Weismann von den Hydro- iden, dass sie sich wie die höheren Pflanzen verhalten. Wie bei den Pflanzen aus einer Gefässzelle sich kein neues Individuum bilden kann, so hält es Weismann für die Polypen für unmög- lich, dass sie sich aus einer Nesselzelle reprodueiren könnten. Dies ist bis jetzt auch noch nicht beobachtet worden. Läge eine derartige Beobachtung vor, so wäre die bei der Gewebebildung supponirte Arbeitstheilung nichts anders als ein Latentwerden von Kräften in den Zellen des complieirten Organismus, von denen immer nur eine, zu bestimmten Verrichtungen an bestimmten Stellen des Leibes in einer ihrer Entfaltung angepassten Form der lebendigen Materie zur Wirkung käme. Alle Erfahrung spricht gegen diese Annahme. Mit. der specifischen Form der Gewebe sind nur speeifische aber nicht alle das Leben charaeterisirende Eigenschaften verbunden. Die Gewebszellen können ihresgleichen erzeugen. Nur die in den Geschlechtszellen repräsentirte Kraft- summe des Organismus der betreffenden Art kann die Art dureh Erzeugung neuer Individuen und neuer Geschlechtszellen erhalten. Da eine Kraft aus dem Nichts nicht entstanden gedacht werden kann, so müssen bei allen Wesen die zur Fortpflanzung der Art bestimmten Zellen den Anforderungen entsprechen, die man für die höchsten Organismen zu fordern berechtigt ist. Freilich wird der Beweis, der sich ausschliesslish auf das Studium der Form gründet, in vielen Fällen nur ein indirecter sein, als nämlich Nichts anderes wird gezeigt werden, als dass aus Zellen, denen durch histologische Differenzirung der Stempel der Arbeitstheilung auf- gedrückt ist, kein neues Individuum durch Theilung oder durch Befruchtung hervorgehen könne. Die Keimblattbildung betrachten wir als die Einleitung zur Arbeitstheilung im werdenden Organismus; indem die Bildungs- zellen der Gewebe an die Stellen gebracht werden, wo ihre histo- logischen Producte im fertigen Thier sich finden. Es sprechen einige Beobachtungen dafür, dass die Geschlechtsdrüsen vor der Keimblattbildung angelegt werden, und bis jetzt keine Beobach- tung dagegen, dass es nicht bei allen Thieren so sein könne; Ueb. die Veränderungen der Geschlechtsproducte bis zur Eifurchung. 189 wenn anch nicht in allen Fällen der Beweis hierfür zu er- bringen ist. Für die folgenden Betrachtungen, die im Wesentlichen nur eine Reproduction des am Schluss meiner Abhandlung — Zur Differenzirung des Geschlechts im Thierreich — gegebenen Raison- nement sind, bitte ich zu berücksichtigen, dass durch dieselben die Darwin’schen Hypothesen zur Descendenztheorie in keiner Weise berührt werden. Man könnte sogar mit Bezug auf diesen Punkt ganz anderer Meinung sein. Wie man sich aber auch die Entstehung der Arten vorstellen möge, die Erscheinung der Ver- erbung der Artcharaetere und der Charactere der einzelnen Indi- viduen werden nicht zu läugnen sein. Die Vererbung der Artcharactere, die „Constanz“ der Art, d. h. die in der Erscheinung des Atavismus gipfelnde Zähigkeit, mit der sich die Eigenthümlichkeiten der Vorfahren vererben, glaubte ich um ein Kleines begreiflicher gemacht zu haben durch den Hinweis auf die Bildungsgeschichte der Ge- schlechtsproducte. Die Befruchtung besteht in der Vereinigung zweier Zellen und in der Vereinigung ihrer Kerne. Die eine Zelle liefert der „mütterliche“, die andere der „väterliche* Erzeuger. Es können somit die Eigenschaften der Art beider Eltern auf das aus der Copulation jener beiden Zellen — Samen und Ei — hervorgehende Individuum übertragen werden. Eine Vorstellung von der Form der Uebertragung der Eigen- schaften beider Erzeuger auf die einzelnen Organe der Nach- kommen lässt sich bei der Beobachtung der Theilungsvorgänge im befruchteten Ei von Leptodera nigrovenosa gewinnen. Der vom Samenkörper gelieferte Kern, sowie der nach Abspaltung des Richtungskörpers von dem Keimbläschen restirende vereinigen sich im Ei und stellen sich vermittelst lang anhaltender drehen- der Bewegung!) mit ihrer Verschmelzungsfläche zur Längsachse des Eies, so dass die senkrecht zur Längsachse erfolgende erste Theilung die Hälfte eines jeden Kernes in die beiden ersten Furchungskugeln hineinbringt. Wie somit der Kern des be- fruchteten Eies aus Ei- und Spermakern, einer mütterlichen und einer väterlichen Hälfte, sich zusammensetzt, so besteht jeder 1) Vergl. Auerbach: Organologische Studien. Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 23. M 13 190 Moritz Nussbaum: Kern der beiden ersten Theilungskugeln aus je einer Hälfte mütterlicher und väterlicher Abstammung. Nach der Zweitheilung des Eies können zwar die Beobachtungen über die Vertheilung der Kernbestandtheile nicht fortgesetzt werden; doch spricht die regelmässig auftretende Richtung des Kernes im befruchteten Ei vor der ersten Theilung dafür, dass auch bei den folgenden Thei- lungen eine gleiehmässige Halbirung väterlicher und mütterlicher Kernsubstanz vorkommen werde. Der Befruchtungsvorgang, die Entwicklungsgeschichte der Geschleehtsproducte hatten mich bestimmt, die männlichen und weiblichen Zeugungsstoffe als Variationen einer Urform, der Zelle primitivster Form und Energie, anzusprechen. Wenn man die Copulation einzelliger Organismen mit der Befruchtung bei den Metazoen vergleicht, so mag die Gleichheit der Form bei den nie- deren Wesen und die Verschiedenheit von Samen und Ei wohl Bedenken erregen. Da sich aber zeigen lässt, dass die hoch differenzirten Samenfäden ein Stadium durchlaufen, auf dem die Samenkörper niederer Thiere verharren; dass Samen und Ei aus ganz gleichen Zellen hervorgehen, und dass alle nebensächlichen Theile in der Bildungsgeschiehte derselben in gleicher Weise im Hoden und im Eierstock auftreten: da sich ferner zeigen lässt, dass die Grössen- und die Beweglichkeitsunterschiede schon da auftreten, wo auch noch durchaus gleichartige Zellen zur Copu- lation gelangen !), so werden diese Bedenken schwinden. Hielt man aber auch an der alten Anschauung fest, wonach der Herma- phroditismus die Uebertragung früher vereinter Functionen an verschieden gestaltete Zellenderivate ist, so dass, um die Vorstel- lung in einen anderen Ausdruck zu fassen, eine Urzelle sich in Ei und Samenzelle theilt, von denen bei dem Zustandekommen des ausschliesslich männlichen oder weiblichen Geschlechts die eine immer zu Grunde geht, so würde auch für diese Vorstellungsweise die Vererbung verständlicher werden mit dem Nachweis, dass jener Urzelle alle das Leben characterisirenden Eigenschaften zu- kämen. Das im Befruchtungsact erzeugte Individuum könnte immerhin durch die Vereinigung der heterogenen Derivate von Urzellen aus zwei verschiedenen Erzeugern seinen beiden Eltern gleichen. 1) Vergl. Strasburger in Sitzungsberichten der Niederrhein. Ge- sellsch. 1882, pag. 184 saq. Ueb. die Veränderungen der Geschlechtsproducte bis zur Eifurchung. 191 Möge sich nun in der „hbermaphroditischen“ Anlage eine Theilung in diesem oder jenem Sinne vollziehen: dies bleibt für das Wesen der Vererbung gleichgültig. Es kommt einfach darauf an zu zeigen, dass jene Anlage, die Geschlechtszellen, mit den Zellen des vergänglichen Leibes des Individuums, in dem sie späterhin aufgespeichert sind, gleichen Ursprung haben und nicht etwa von dem Zellenmaterial dieses Individuums abstammen. Dies habe ich gethan !) und in dem Ausdruck wiedergegeben, dass nach der Abspaltung der Geschlechtszellen aus dem Zellenmaterial des gefurchten Eies die Conti des Individuums und der Art völlig ge- trennt sind, dass die Geschlechtszellen an dem Aufbau der Gewebe des Individuums keinen Antheil haben, und aus dem Zellenmaterial des Individuums keine einzige Ei- oder Samenzelle hervorgeht. Es erübrigt noch an dieser Stelle einer von anderer Seite vorgebrachten Hypothese zu gedenken, welche geeignet wäre die Vererbung der Artcharactere und der individuellen Eigenthümlich- keiten mit einem Schlage zu erklären. Durch die Annahme, es könnten sich bei hoch organisirten Wesen aus weissen Blutkörper- chen Geschlechtsproducte bilden, würde der von Darwin aufge- stellten Hypothese von der Pangenesis ein materieller Untergrund ‚geschaffen werden. Die wandernden Zellen haben Gelegenheit, bei allen Gewebszellen vorbeistreifend, sich mit den heterogensten stofflichen Partikeln zu beladen. Wenn man nun bedenkt, dass ein 'einziger Samenfaden, der ja auch der Masse nach nicht srösser ist als ein weisses Blutkörperchen, dass dieses winzige Stoffpartikelchen alle väterlichen Eigenschaften zu vererben ver- mag, so könnte die Kleinheit des Objectes keinen Einwand ab- geben. Wir sind überhaupt nicht im Stande uns vorzustellen, wie die Kräfte der organisirten Welt, an die stofflichen Theile von Samen und Ei gebunden, auf dem Wege der Entwicklung sich entfalten mögen. Dass Samen und Ei Träger dieser Kräfte sind ist fraglos: es bleibt aber trotzdem räthselhaft, dass ein so win- ziges Element wie ein Samenkörper mit „Portraitähnlichkeit“ die geistigen und körperlichen Eigenschaften eines jeden Individuums zu vererben vermag. Die Geschlechtsproducte der einzelnen Spe- cies zeigen so verschiedene Form, dass sie in vielen Fällen das beste Characteristicum einer Art abgeben; es wird aber ein Ding 1) D. Arch. Bd. XVII, pag. 112 und Zool. Anzeiger 1880, pag. 502. 192 Moritz Nussbaum: der Unmöglichkeit sein, die gewaltige Verschiedenheit der zahl- reichen Individuen einer Art an ihren Geschlechtsproducten wieder- zuerkennen. Es könnten demgemäss die weissen wandernden Lymphkör- perchen oder einige derselben sich wohl zu den Trägern der Ver- erbung in Form von Samen und Ei entwickeln; allein die Beob- achtung spricht gegen diese Annahme. Die Vererbung der erworbenen oder individuellen Eigenschaften war von mir auf die Einwirkungen zurückgeführt worden, welche die Geschlechtszellen im zugehörigen Individuum erleiden; „da sie den Bedingungen unterworfen sind, welche auf den elterlichen Organismus modificirend einwirken“. IV. Die Bedeutung der einzelnen Theile der Samenzellen. „Eine jede Samenzelle entwickelt je einen Samenkörper, wobei der Kern zum Kopfe wird und der Faden aus der Zellen- substanz hervorwächst“. Dieses von von la Valette St. George!) aufgestellte Gesetz wird in seiner vollen Bedeutung wohl erst in unserer Zeit zu würdigen sein, nachdem das Wesen der Be- frachtung in der Vereinigung zweier Zellen und speciell ihrer Kerne erkannt worden ist. Es würde zu weit führen an dieser Stelle auf alle Controversen einzugehen, welche mit Bezug auf die in der Spermatogenese auf- tretenden Bildungen noch zu erledigen sind; bier nur Folgendes. Von la Valette St. George und ich hatten an den Anfang der Spermatogenese die „maulbeerförmige“ Kerntheilung gestellt und mit den von uns gebrauchten Reagentien zur Zeit der fortschreitenden Theilung der Spermatogonien in Spermatocyten „grobgranulirte“ Kerne beobachtet. Bei Tritonen (d. Arch. Bd. XVII, pag. 7) war von mir die Anordnung in den sich theilenden Kernen als die die indirecte Kerntheilung characterisirende beschrieben worden. 1) D. Arch. Bd. XII, Die Spermatogenese bei den Amphibien. Vergl. auch die Arbeiten Ankermann’s, Zeitschrift f. wissensch. Zool. Bd. VII, pag.129 und von la Valette St. George, d. Arch. Bd. I; sowie Schweigger- Seidel ebendaselbst. Ueb. die Veränderungen der Geschlechtsproducte bis zur Eifurchung. 193 Flemming!) berichtete sodann über seine mit verbesserten Me- thoden und optischen Hülfsmitteln angestellten Untersuchungen, bei denen sich herausstellte, dass auch im Hoden dieselben einzelnen Phasen der indireeten Kerntheilung auftreten, wie sie an anderen Stellen der pflanzlichen und thierischen Organe bis dahin bekannt geworden waren. Schon im Jahre 1876 hatte Spengel?) im Coeeilienhoden vereinzelte Kernfiguren aufgefunden und sie als Theilungstadien gedeutet. Für die Erkennung des wahren Baues der Kerne während der indireeten Theilung an gehärteten Präparaten ist die vonFlemming benutzte Methode unumgänglich nöthig. Ich habe mich davon über- zeugt, indem ich meine alten Präparate von Rana aus Glycerin nach jener Methode behandelte und dann in den vorher grobgranulirt er- scheinenden Kernen deutliche Fadengerüste erkannte. Alcoholpräpa- rate in Glycerin untersucht lassen den Kern zu glänzend erscheinen, als dass man mehr erkennen könnte, als was von la Valette St. George und ich beschrieben haben. Lebend frische Präparate zeigen jedoch grade im Hoden die indireeten Kerntheilungsfiguren sehr klar. In einem Punkte weichen Flemming?) und Krause*) von der Deutung ab, die von la Valette St. George?) zuerst und nach ihm ich®) den Erscheinungen bei der Samenbildung ge- geben haben. Nach Krause und Flemming soll die „maulbeer- förmige“ Kerntheilung ein Absterbephänomen sein und an das Ende der Samenkörperbildung gehören. An einer anderen Stelle (d. Arch. Bd. XXI, pag. 341) habe ich mich bereits gegen diese Auffassung gewendet und füge heute als Stütze der von la Valette'schen Ansicht ‘eine Figur (51) bei, durch die es ohne Weiteres klar werden wird, dass die „maulbeerförmige* Kerntheilung an den Anfang der Spermatogenese zu setzen ist. Das betreffende Präparat stammt von einem Hoden der Rana fusca aus dem Anfang des Monats Juni. Die entleerten Cysten, welche den Samen der abge- laufenen Brunstperiode geliefert hatten, waren schon aus dem Hoden eliminirt. Die Spermatogonien lagen in ihrer Follikelhaut 1) D. Arch. Bd. XVII. 2) Arbeiten aus dem zool. Institut zu Würzburg, III. Bd., Taf. II, Fig. 35. 3) Zellsubstanz, Kern und Zelltheilung, pag. 336. 4) Handbuch der menschl. Anatomie; Nachträge z. ersten Bde. 5) D. Arch. Bd. XII und XV. 6) D. Arch. Bd. XVII. 194 Moritz Nussbaum: (siehe Fig. 52); ihre Kerne waren entweder maulbeerförmig (vergl. die links gelegene Zelle der Fig. 51) oder befanden sich in den verschiedensten Stadien der indireeten Kerntheilung (ef. Fig. 51, Zelle rechts und Fig. 52). In den zu Anfang Juni untersuchten durchsichtigen Ampullen der Hoden von Tritonen, in denen es noch nicht zur Bildung von Samenfäden gekommen ist, finden sich Spermatogonien mit maulbeerförmigem Kern. Maulbeerförmige Kerne, Zellen mit mehreren Kernen wurden von mir im Leberüber- zug von Salamandra maculosa, in dem sich regenerirenden Epithel der Cornea neben allen Stadien der indirecten Kerntheilung auf- gefunden; beides ist von mir für die Anlagen der Geschlechts- drüsen bei Fischen und Amphibien beschrieben worden. Eine Entscheidung über die Bedeutung der Maulbeerform der Kerne ist zur Zeit noch nicht möglich, weil es noch nicht hat ge- lingen wollen, ihre Entstehung oder gar ihre Umwandlung in ein anderes Stadium am lebenden Objeet zu verfolgen. Dass die Maulbeerform der Kerne in irgend einer Weise bei der Kerntheilung mitwirkt, scheint mir gewiss, weil sie stets zu Anfang in solchen Geweben auftritt, in denen später deutlich indireete Kerntheilung sich nachweisen lässt. Nur muss es vor- läufig unentschieden bleiben, ob die Maulbeerform der Kerne eine besondere, „direete* Kerntheilung einleite oder nur in gewissen Fällen ein Anfangsstadium der „indireeten“ Kerntheilung darstelle. Was ich bis jetzt über diesen Process habe ermitteln können, findet sich in den Sitzungsberichten der Niederrheinischen Gesell- schaft aus dem vergangenen Sommer. 5 Das Protoplasma von Zellen mit maulbeerförmigem oder mit mehreren Kernen ist amöboid. Während aber auf dem heizbaren Objecttisch in einer feuchten Kammer die indireete Kerntheilung unter den Augen des Beobachters fortschreitet, hat es bis jetzt mir nicht gelingen wollen, Veränderungen an maulbeerförmigen Kernen zu constatiren. Noch ein Punkt von vergleichend anatomischem Interesse mag hier Erwähnung finden. Die Samenkörper niederer Thiere, wie die der Nematoden, sind um eine Rhachis gruppirt; die Samen- fäden anderer, so die der Distomeen, der Lumbrieinen und Tubi- fieiden um eine centrale Protoplasmakugel!). In vielen Fällen werden 1) Ueber die Entstehung der Protoplasmakugel vergl. D. Nasse, Bei- träge zur Anatomie der Tubificiden. Inaug.-Dissert., Bonn 1882, pag. 19—20. Ueb. die Veränderungen der Geschlechtsproducte bis zur Eifurchung. 195 die reifen und von der Protoplasmakugel abgelösten Samenfäden durch das Secret und die Peristaltik einer Samentasche zu Sper- matophoren zusammengeklebt, in denen jedoch jeder Samenfaden gerichtet ist, so dass Kopf an Kopf zu liegen kommt. Ebenso gerichtet sind die Samenfäden vieler Arthropoden und die der Wirbelthiere, ohne dass eine Spermatophorenbildung vorläge. Wo wie bei den anuren Amphibien oder den höheren Klassen der Wirbelthiere der Hoden aus langgestreckten Schläuchen zusammen- gesetzt ist, haben die einzelnen Samenfadenbündel sich so geordnet, dass die Köpfe der Schlauchwand, die Schwänze dem Lumen zu- gewandt sind. Auch bei den Plagiostomen ist diese Anordnung deutlich, weil das Follikelgewebe in den Ampullen so zart ist, dass die Schwänze der Samenfäden sich ganz ausstrecken können. BeiArthropoden und den Urodelen sind die Follikel- und Cystenmem- branen derber, so dass die Spermatosomen, obwohl gerichtet, mehr- fach gewunden in den Häuten der einzelnen Bündel liegen, die durch fortgesetzte Theilung aus je einer Spermatogonie hervorgehen. Bei Rana fusca wird man nun im August ein Stadium der Samenkörperentwicklung vorfinden, welches in augenfälliger Weise demonstrirt, wie die Formen der hoch organisirten Wesen sich allmäh- lich im Verlauf ihrer Entwickelung aus solchen hervorbilden, welche bei niederen Organismen das Endstadium jeder Entwicklung darstellen. In Fig. 50 sind drei verschiedene Stadien der Spermatosomen- bildung bei Rana fusca dargestellt. Links unten, der Membrana propria des Hodenschlauches aufsitzend, das Ausgangsstadium jeder Entwicklung, die Spermatogonie in ihrer Follikelhaut. Darauf folgt in der Figur eine Spermatogonie, die zwei Follikel mit ziem- lich weit entwickelten Samenfäden von der Schlauchwand weit abgedrängt hat. An der Basis dieser Follikel liegt je ein Cysten- kern. Rechts in der Figur liegt ein Follikel, in dem die einzelnen Samenfäden noch wenig weit entwickelt und um eine centrale Protoplasmamasse radiär geordnet sind. Schiebt man zwischen das Stadium der Spermatogonie und dem rechts in Figur 50 darge- stellten Follikel die Stadien ein, welche von la Valette St. George in Figg. 3—7, Tafel XXXIV des XII. Bds. d. Arch. ab- gebildet hat, so wird man folgende Reihe erhalten. Die Spermatogonie theilt sich in ihrer Follikelhaut. Eine peripher gelegene Zahl von Zellen liefert eine zweite Haut, die Cystenhaut, um die übrigen aus der Theilung der Spermatogonie 196 Moritz Nussbaum: hervorgegangenen Zellen — die Spermatoeyten —, die anfangs dieht gedrängt den kugel- oder eiförmigen Körper, die Spermato- gemme, bilden und wie gesagt von zwei Häuten, der Cysten- und Follikelhaut eingeschlossen werden. (Je nach der Species sind diese Häute leicht vergänglich oder resistenter, wie letzteres in hervorragender Weise bei Bombinator igneus der Fall ist.) Geht nun innerhalb der Häute die Entwicklung der Sperma- tocyten von Rana fusca weiter, so gibt jeder derselben einen Theil seines Protoplasmas zur Bildung einer centralen Kugel ab. Die Sper- matocyten legen sich alsdann den Wänden ihrer Cystenhaut eng an und gleiten bei ihrer weiteren Entwicklung so an denselben nach abwärts, dass alle Köpfe — die Derivate der Kerne — der Mem- brana propria, die Schwänze — die Derivate des Protoplasmas — mit der vorher central gelagerten Protoplasmamasse gegen das Lumen gerichtet sind. Das Zwischenstadium, wie es rechts in Fig. 50 dargestellt ist, möchte ich nun mit dem Zustande vergleichen, wie er von der Gruppirung der Samenkörper niederer Thiere um eine Rhachis oder um eine centrale Protoplasmakugel schon längst bekannt ist. Es wird Sache fortgesetzter Beobachtung sein, zu entscheiden, ob ein ähnliches Entwicklungsstadium auch bei anderen Thieren sich findet, deren Samenfadenbündel oder Kugeln nicht nackt, wie die der Würmer, sondern in Follikel eingeschlossen sind. Die Mem- branen der Spermatogemmen höherer Thiere würden alsdann die Richtung und Ordnung der einzelnen Samenfäden erleichtern, in- dem diese an den mehr oder weniger resistenten Wänden entlang in die definitive Lage einrückten. Stellt sich somit auf diese Weise ein neuer Vergleichungs- punkt her zwischen der Spermatogenese der Wirbellosen und der Wirbelthiere, so wird man bei fortgesetzten Untersuchungen auch geneigter sein, die durch von la Valette St. George gegebene Deutung der einzelnen Theile in den reifen Samenfadenbündel der Säugethiere zu adoptiren, wonach die keulenförmige, von der Wand der Hodencanäle ausgehende Protoplasmamasse, — Spermatoblast, Stützzelle anderer Autoren — in der die fertigen Samenfäden mit nach aussen gerichtetem Kopf stecken, dem Protoplasmarest am Lumen der Hodencanäle bei Rana fusca und weiter mit der cen- tralen Protoplasmakugel der Samenballen vieler Würmer verglichen werden muss. Der Fusskern dieser keulenförmigen Protoplasma- Ueb. die Veränderungen der Geschlechtsproducte bis zur Eifurchung. 197 masse im Säugethierhoden ist dem Cystenkern, der, wie gesagt, einfach oder mehrfach vorkommt (vergl. Figg. 6 und 7 auf Taf. 34 des XII. Bds. d. Arch., von la Valette St. George) gleich- werthig; da beide aus der Theilung der Spermatogonie hervor- gehen. Das Follikelgewebe ist bei Säugethieren nicht dauerhaft genug, als dass es an den reifen Samenfadenbündeln noch nach- gewiesen werden könnte. An den Spermatogonien und den Jüngeren Spermatogemmen ist sein Nachweis nicht schwer, vorausgesetzt, dass man sich bei der Untersuchung der geeigneten Reagentien bedient (vergl. von la Valette St. George d. Arch., Bd. XV, Tafel XIX, Figg. 125, 138, 140). Während somit das Aequivalent der centralen Protoplasma- kugel oder der Rhachis in der Spermatogenese niederer Thiere wenigstens für ein Wirbelthier bis jetzt aufgefunden ist, wird man die der Cysten- und Follikelhaut gleichwerthigen Theile bei vielen niederen Thieren wohl vergeblich suchen. Bei manchen niederen Thieren liefert jede Spermatogonie durch Theilung eine Zahl von Zellen, die sich alle zu Samenkörpern umbilden. . Bei den höheren kann man in einigen Fällen nachweisen, dass aus den Spermatogonien ausser den Spermatocyten noch die Zellen der Follikel- und Cystenhaut durch Theilung hervorgehen; ebenso wie bei den Weibehen derselben Arten das Ei die Zellen seiner Membrana granulosa aus sich bildet, aber dann innerhalb der Membrana sranulosa bis zur Furchung nach voraufgehender Befruchtung oder bis zum Beginn der parthenogenetischen Entwicklung ungetheilt liegen bleibt. Wollte man der Zelle, die im Hoden nach Erzeugung der Follikelhaut aus der zuerst nackten „Spermatogonie* hervorgeht, einen besonderen Namen geben, so dürfte der Ausdruck „Spermato- blast“ hier Verwendung finden können; wenn er nicht früher für die verschiedenartigsten Dinge gebraucht worden wäre. Die von von la Valette St. George eingeführte Nomenclatur ist ausser- dem so”bezeichnend, dass sie für alle Fälle genügt. Für die Cystenhaut hat die Entstehung durch Theilung aus der Spermatogonie von la Valette St. George zuerst nachge- wiesen und eine gleiche für die Membrana granulosa des Eies hypothetisch angenommen. Im XVIIL. Bde. d. Arch. habe ich diese Vermuthung bestätigt und auch die Follikelhaut der Samenfaden- bündel in gleicher Weise abgeleitet. Nach mir hat Schneider!) 1) A. Schneider, Zoologische Beiträge, 1883. 198 Moritz Nussbaum: die Entstehung der Follikelepithelien bei Insecteneiern in ähnlicher Weise geschildert. Meine Arbeit muss, den Citaten in dem Buche „das Ei und seine Befruchtung“ nach zu schliessen, Schneider ent- gangen sein. Auch bei Aseidien scheint ein ähnlicher Bildungs- modus des Follikelepithels vorzukommen. Doch wird man weitere Berichte von Sabatier und Fol!) abwarten müssen. Wenden wir uns nunmehr zur Beschreibung der Weiterent- wickelung eines einzelnen Spermatocyten, zu der Hauptaufgabe dieses Abschnittes. Der Spermatocyt ist anfänglich eine Zelle, aus Kern und amöboidem Protoplasma zusammengesetzt. Bald tritt ein neuer Bestandtheil in dieser Zelle auf, der zuerst von von la Valette St. George?) beschrieben und richtig gedeutet worden ist. Schneider?) behauptet zwar: „Der solide Körper, welcher in der Samenzelle neben dem Kern liegt, ist zuerst bei den Nema- toden beschrieben worden.“ Geht man auf Reichert’s®) be- rühmten Aufsatz zurück, so findet man Nichts über die Entstehung und Umbildung des Nebenkernes. Reichert spricht von einer Cilie, dem hervorkeimenden Schwänzehen der Samenzellen bei Strongylus aurieularis, das sich zuerst, als ein dunkler Flecken an der Membran des Keimes haftend, markire. Nun geht aber nie- mals aus dem Nebenkern der Schwanzfaden hervor. Es ist viel- mehr auch bei Strongylus aurieularis die Kopfkappe, welche sich aus dem Nebenkern entwickelt, was Reichert aber nicht erkannt hat. Die anderweitige hervorragende Bedeutung dieser Arbeit wird hierdurch gewiss nicht geschmälert werden. Wenn man die Figuren der zu dem Aufsatze Reichert's zugehörigen Tafel be- trachtet, so würde man diesem Forscher mit demselben Recht die Entdeckung der indirecten Kerntheilung als die des Nebenkernes in den Samenzellen zuschreiben können. Schon vorhin (pag. 179) ist der Nachweis erbracht worden, dass auch Schneider den Nebenkern und seine Bedeutung bei den Samenkörpern der Nematoden nicht erkannt hat. In der Monographie der Nematoden (pag. 281) sowie in dem Buche „das 1) Compt. rend. 1882. 2) D. Arch. Bd. III, 1867 und Bd. X, 1874. 3) Das Ei und seine Befruchtung, pag. 56. 4) Müller’s Archiv 1847. Ueb. die Veränderungen der Geschlechtsproducte bis zur Eifurchung. 199 Ei und seine Befruchtung“ (pag. 54) gibt Schneider an, „das jo) o° o 2 72 ganze Spermatozoon könne sich in ein durchaus homogenes, fett- artiges Körperchen verwandeln.‘ Es wurde gezeigt, dass nur die Kopfkappe fettartig glänzend, und dass am reifen Samenkörper pP P 5 ) | ausserdem noch Kern und Protoplasma vorhanden sei. Die Be- schreibung Schneider’s passt nur auf eine vom Samenkörper abgefallene Kopfkappe. Somit muss ich an der von mir gegebenen historischen Dar- stellung!) festhalten und dazu behaupten, dass der Nebenkern in den Samenzellen der Nematoden bis jetzt noch nicht beschrieben wurde?). 1) D. Arch. Bd. XXI, pag. 344. 2) In ähnlicher Weise würde durch Masanori Ogata’s Darstellung (Arch. f. Anat. u. Physiol. 1883, p. 405) die Geschichte der Entdeckung des Nebenkernes der Drüsenzellen verdunkelt werden. Man kann jedoch auch hier den Sachverhalt feststellen. Meine erste Mittheilung über den Nebenkern der Drüsenzellen wurde in der Sitzung der Niederrheinischen Gesellschaft vom 18. Juli 1881 gemacht. Auf dem internationalen medicinischen Congress zu London hielt ich auf den Wunsch des Präsidenten der physiologischen Section in den ersten Tagen vom August desselben Jahres einen Vortrag, in dem unter Anderem auch von dem „Nebenkern“ gehandelt wurde. Beide Vorträge sind, wie allgemein bekannt, später gedruckt als sie gehalten wurden, so dass zu jener Zeit nur durch mündliche oder briefliche Mittheilung Jemand von ihrem Inhalt er- fahren konnte, der in jenen Sitzungen nicht persönlich anwesend war. Es würde gewiss für die Sache selbst nur förderlich gewesen sein, wenn Gaule gleichzeitig mit mir über den „Nebenkern“ Untersuchungen an- gestellt hätte. Das ist aber nicht der Fall gewesen. Gaule hat im Jahre 1880 einen Aufsatz publieirt: Ueber Würmchen, welche aus den Froschblutkörperchen auswandern (Archiv für Physiologie, Jahrgang 1880); im Jahre 1881 einen zweiten, worin die Würmchen oder Cytozoen von den Zellkernen abgeleitet werden (Die Beziehungen der Cytozoen [Würmchen] zu den Zellkernen, Archiv für Physiologie, Jahrgang 1881). In einer in Nr. 31 des Centralblattes für die medicinischen Wissenschaften 1881 erschienenen Mittheilung hat Gaule sodann über Untersuchungen berichtet, gelegentlich deren er die Würmehen auch in gehärteten Geweben aufgefun- den hätte. Dieser Aufsatz trägt die Ueberschrift „Kerne, Nebenkerne und Cytozoen“, und ist in den ersten Tagen des August vom Jahre 1881 ver- öffentlicht. In dieser letzten, von Ogata ausschliesslich eitirten Publication hält Gaule die Cytozoen und Nebenkerne für identisch. Ich besitze durch die Güte Gaule’s einen Separatabzug jener Mittheilung und citire von der zwei- 200 Moritz Nussbaum: Im Jahre 1867 hat von la Valette St. George (d. Arch. Bad. III, Tafel XIV, Figg.4, 10, 11) den Nebenkern in den Samen- ten Seite desselben, fünfte Zeile von oben: „Während nun an vielen der Nebenkerne das musternde Auge keinen Anhalt für eine Interpretation dieses Gebildes findet, erkennt es an einigen die Form des Würmchens.“ Von diesen Würmchen hat Wallerstein in einer aus dem anatomi- schen Laboratorium zu Bonn hervorgegangenen Dissertation gezeigt, dass sie Parasiten (Drepanidium ranarum) seien. (H. Wallerstein, Ueber Drepa- nidium ranarum Ray Lank. Inaug.-Dissert. Bonn 1882.) Somit würde, wenn man den Nachweis von Wallerstein anzweifelt, die Priorität Gaule’s ausser Zweifel sein. Gaule’s erste Mittheilung datirt vom Jahre 1880; die meinige aber vom Jahre 18831. Gibt man die Richtigkeit der Wallerstein’schen Behauptungen zu, so hat Gaule die Nebenkerne nicht mit mir gleichzeitig, sondern ich habe sie allein entdeckt. Die Arbeit Ogata’s leidet weiter an folgendem historischen Irrthum. Die Dissertation von C. Schmidt ist nicht vor meiner IV. Mittheilung über den Bau und die Thätigkeit der Drüsen, sondern nach ihr erschienen. Schmidt citirt meine Arbeit. Ogata hat auch nach anderer Richtung hin den Sachverhalt falsch berichtet. Ich habe die Zellbildung in den Drüsen nicht geleugnet, sondern nur geleugnet, dass die Secretion an die Neubildung von Zellen gebunden sei. Ich habe zuerst an einem lebenden Object, das durch die Untersuchung selbst nicht verändert wird, den Drüsen des Argulus foliaceus, diese Ver- hältnisse geprüft und in derselben Zelle zu wiederholten Malen Secre- tionsmaterial sich anhäufen und aus ihr sich entleeren gesehen. In der Arbeit „Kerntheilungen im Pankreas des Hundes“ spricht Gaule in dem Schluss- passus die Vermuthung aus, dass die Bildung eines so eiweissreichen Secrets, wie es das Pankreas liefert, an den Untergang von Zellen geknüpft ist. Man wird sich wohl erinnern, dass diese Vorstellung über die Bildung der Drüsen- secrete eine ziemlich weit verbreitete war. Was ich zu ihrer Beseitigung beigetragen, darf ich ruhig der gerechten Beurtheilung Anderer überlassen. Würden die Schlussfolgerungen, welche Ogata aus seinen Beobachtun- gen an gehärteten Präparaten gezogen hat, sich durch die continuirliche Beob- achtung lebender Drüsenzellen aufrecht erhalten lassen, so wäre durch diese Arbeit ein Wendepunkt in unseren Anschauungen über die Histogenese her- beigeführt worden. Was bis jetzt der Thätigkeit des Protoplasmas zuge- schrieben wurde, müsste auf Rechnung des Kernes gesetzt werden, und ein Secret aus den Bestandtheilen des Kernes hervorgehen. Auch die behauptete endogene Regeneration einer ganzen Zelle aus dem Kernkörperchen einer alten Zelle ist ausschliesslich durch die Unter- suchung gehärteter Objecte gestützt. Be" A ee Ueb. die Veränderungen der Geschlechtsproducte bis zur Eifurchung. 201 zellen des Meerschweinchens, der blauen Schnarrschnecke und der Hainschnecke abgebildet und als solchen benannt. Im Jahre 1874 (d. Arch. Bd. X) spricht sich derselbe Autor dahin aus, dass der Nebenkern nicht vom Kern abstamme, son- dern eine Verdichtung im Protoplasma darstelle. Die Literatur bis zum Jahre 1874 findet man ebendaselbst. Was nachher er- schien, brachte Bestätigung: so die Arbeit von Brunn’s!) oder ist bereits widerlegt. Aus den vorliegenden Untersuchungen ergibt sich, dass in den Spermatocyten neben dem Kern noch besondere Verdich- tungen im Protoplasma auftreten, die in verschiedener Form in die Zusammensetzung der Samenfäden übergehen. Einige Bei- spiele werden zur Illustration des Gesagten genügen. Beim Meer- schweinchen entsteht aus dem Nebenkern die Kopfkappe ?). Die Samenfäden von Stenobothrus dorsalis bilden aus dem Nebenkern das Mittelstück 3). Da man aber in beiden Fällen die Entstehung sowohl die der Kopfkappe als die des Mittelstücks aus dem Protoplasma nachweisen kann, so ist es gleichgültig, ob man in allen Fällen für Kopfkappe und Mittelstück eine besondere Verdichtung im Protoplasma des Spermatoeyten wird ermitteln können; der Schwer- punkt ist auf die Entstehung dieser Theile aus dem Protoplasma zu legen. Die Entwicklung der Kopfkappe von Ascaris megalo- cephala zeigt deutlich, dass es nicht ein einziger Nebenkern zu sein braucht, aus dem sie hervorgeht; ebenso ist es bekannt, dass für die Anlage des Mittelstücks nicht immer ein besonderer Neben- kern vorliegt, sondern dass das Mittelstück einfach als solches, Bis jetzt hat man für diese Anschauungen an lebenden Objecten keinen Anhaltspunkt gefunden; es spricht vielmehr alles Bekannte dagegen. Um so mehr lag die Nöthigung vor, die von Ogata gezogenen weittragenden Schlüsse an einem lebenden Object zu verificiren. Schliesslich ist der ganze Kernpunkt der Frage, ob Untergang von Zellen mit Secretion identisch sei, doch nicht verrückt worden; da selbst nach Ogata’s Darstellung die alten Zellen, freilich in anderer Weise, als ich es beschrieben habe, sich immer von Neuem mit Secret beladen. Meine An- gaben über die Häufigkeit der Kernfiguren hat auch Ogata bestätigt. 1) D. Arch. Bd. XII, pag. 528. 2),von la Valette St. George, d. Arch. Bd. Il. 3) Derselbe, d. Arch. Bd. X. 202 Moritz Nussbaum: die Verbindung zwischen Kopf und Schwanzfaden herstellend, entsteht. Anders liegt die Sache bei den nach von la Valette St. George!) als Modification des Gesetzes der Spermatogenese er- scheinenden Verhältnissen bei Astacus fluviatilis und bei Helix. Hier hat keine Betheiligung des ursprünglichen Zellkernes an der Bil- dung des Zoosperms statuirt werden können. Doch glaube ich an der Hand eigener Untersuchungen die vorliegenden Beobachtungen so deuten zu können, dass auch die Samenbildung bei Astacus und Helix dem allgemeinen Gesetz, wo- nach der Kern zum Kopf des Samenkörpers wird, sich unter- ordne. Wir verdanken Grobben’?) eine ausführliche Darlegung der Samenkörperentwicklung von Astacus. Was mich veranlasste den Gegenstand einer erneuten Untersuchung zu unterwerfen ist die bestimmte Behauptung sowohl Grobben’s als seines Vorgängers auf diesem Gebiete, Mecznikow °), dass der Kopf des Samen- körpers sich aus einem neben dem Kern auftretenden Gebilde ent- wickele, während der Kern selbst zu Grunde gehe. Wenn man, nach dem Stande unserer heutigen Kenntnisse behaupten muss, dass selbst nicht einmal in allen Fällen die ge- naue Verfolgung der Entwicklungsvorgänge der Samenfäden im Organismus des Männchens völligen Aufschluss über die Dignität der einzelnen Theile eines Samenkörpers geben kann, so ist dies für Astacus besonders zutreffend. Man hat bis jetzt Bewegungs- vorgänge an den im Männchen vorhandenen Spermatosomen ®) nicht beobachten können; obwohl sie sicher vorhanden sein wer- den. Man kann aber ebensowenig mit Sicherheit angeben, welcher Theil des Samenkörpers die Rolle des Kopfes übernehmen werde, bis man die Vereinigung dieses bestimmten Theiles mit dem modifieirten Keimbläschen direct beobachtet hat. Ueber diesen Vorgang, bin ich beschäftigt Untersuchungen anzustellen; glaube aber schon jetzt 1) ebenda pag. 502. 2) Arbeiten aus dem zool. Institut der Universität Wien 1878. 3) Citirt bei von la Valette St. George, d. Arch. Bd. X, pag. 502. 4) Viele Samenkörper verändern in den Generationsorganen der Weib- chen noch auffallend ihre Gestalt; so die der Nematoden, und wie Bertkau neulich gezeigt hat (Sitzungs-Ber. der Niederrh. Ges. vom 20. Juni 1881), auch die der Zecke, Ixodes ricinus. Ueb. die Veränderungen der Geschlechtsproducte bis zur Eifurchung. 203 durch manche Gründe wahrscheinlich machen zu können, dass die Samenkörper des Astacus ebenso wie die anderer Thiere aus dem Kern ihren Kopf bilden, und dass dem von Grobben als Kopf angesprochenen Theil nur die Rolle einer Kopfkappe zukommt. Vom Monat Juli bis in den September hinein ist das Keim- lager des Hodens — die Spermatogonien — in lebhafter indirecter Theilung, wie Grobben bereits angegeben hat. In den Spermatogonien tritt vor der Theilung ein excentrisch neben dem Kern gelagerter färbbarer Körper auf (ef. Grobben pag. 37) Fig. 53 Sk, der bei Ausbildung der Kernspindel verschwin- det, Fig. 54. Wie Grobben in Spermatogonien, so hat Stras- burger!) diesen Körper, den er Secretkörper nennt, in Pollenmutter- zellen vor der Theilung aufgefunden, und die Entstehung des Seeret- körpers aus dem Kern so geschildert, wie Grobben es, gestützt auf seine Funde bei Homarus, vermuthet hatte (l. ec. pag. 38). Es muss besonders betont werden, dass dieser vor der Theilung in den Spermatogonien auftretende Abkömmling des Kernes nicht zu ver- wechseln ist mit dem Nebenkern der Spermatocyten. Der Nebenkern oder die Nebenkerne der Spermatocyten entstehen im Protoplasma. Grobben bildet ein Stadium der indireeten Kerntheilung der Spermatogonien (die er Spermatoblasten nennt) ab. Bei dem Interesse, das man allgemein an der Beschreibung der Kerntheilungsbilder nimmt und mit Rücksicht auf die Versuche, den Vorgang selbst auf ein einheitliches Schema zurückzuführen und zu erklären, mögen einige Worte über die Kerntheilung bei Astacus gestattet sein. Die einzelnen färbbaren Fäden des Kernes sind winkelig ge- brochen, nicht rundlich gebogen, wie bei anderen Thieren (vergl. Fig. 53 und etwa Fig. 3 oder Fig. 41). In ihnen sind die ein- zelnen Kügelchen deutlich zu erkennen, sobald man die Fäden isolirt hat. Die Fäden weichen auseinander und ordnen sich cen- tral in einer Spindel (Fig. 54), von deren Polen feine Strahlungen in das netzförmig angeordnete Protoplasma der Zelle ausgehen. Fig. 54a stellt die Längsansicht der Kernspindel, Fig. 54b den Querschnitt durch die Mitte derselben dar ?). Die Fäden sind bei 1) D. Arch. Bd. XXI. 2) An gehärteten und isolirten Spermatogonien aus diesem Stadium habe ich die Beobachtung zu wiederholten Malen gemacht, dass beim Rollen in einer specifisch leichteren Flüssigkeit die Zellen in der „Längsansicht“ der Spindel zur Ruhe kamen, und dass das Bild aus der Vogelperspective 204 Moritz Nussbaum: Astacus kurz und, wie aus Fig. 54 b hervorgehen dürfte, in Cur- venzügen durch die ganze Mitte !) der Spindelfasern vertheilt. Das Object ist nicht geeignet, das folgende Stadium mit Sicher- heit aus dem eben beschriebenen abzuleiten; doch kann auch hier eine Längsspaltung der Fäden vorliegen, da, wie Fig. 55 zeigt, die auseinander rückenden Fäden dünner sind als zu der Zeit, wo sie noch im Centrum der Spindel lagen. Darauf wird die Spindel tonnenförmig (Fig. 56), und die färbbaren Fäden rücken als zwei durchbrochene Scheiben nach den Polen der Spin- del. Die Strahlung im Protoplasma ist nicht mehr nachzuweisen. In einem folgenden Stadium (Fig. 57) ist die frühere Spindel sanduhrförmig geworden, und die färbbaren Fäden liegen an ihren Polen; es erfolgt die Theilung des Kernes (i. e. der Spindel) und der Zelle. Die aus den Spermatogonien durch in- directe Theilung entstandenen Spermatocyten lassen alsbald neben dem Kern K einen excentrisch gelagerten hellen Körper Nk nur momentan sich dem Auge darbot. Offenbar ist die Anordnung der Theile eine bestimmte, so dass die Schwerkraft dem Ganzen jedesmal eine bestimmte Lage gibt. Es wird nöthig sein, diese Versuche auch an anderen sich theilen- den Zellen zu wiederholen. Ich will nicht unerwähnt lassen, dass diese Er- scheinung mir deshalb besonders auffiel, weil kurz vorher Pflüger seine Beobachtungen über den Einfluss der Schwerkraft auf die Theilung des Froscheies veröffentlicht hatte. Ob meine Beobachtung zur Erklärung bei- tragen könne, müssen weitere Untersuchungen lehren. 1) Eine bestimmte Zahl von Fäden festzustellen, ist wegen der grossen Zahl unthunlich. Selenka hat beim Seeigelei auf eine Gesetzmässigkeit in der Zahl der färbbaren Fäden aufmerksam gemacht (Zoolog. Unters. Leipzig 1878). Strasburger (d. Arch. Bd. XXI) hat diese Gesetzmässigkeit an vielen Objecten festgestellt. Wie oben gezeigt, sind die Eier der Ascaris megalocephala ein geeignetes Material zum Zweck derartiger Untersuchung. Da in ihnen nur vier Fäden vorkommen und bei anderen Zellen wieder eine sehr grosse Zahl, so ist es wahrscheinlich, dass die sogenannte indirecte Theilung durch stetige Abnahme der Zahl der Fadenelemente in die directe Theilung übergehe. Das heisst, wenn man noch Theilungsbilder mit nur drei oder zwei Fäden im Kern aufgefunden, würde die Reihe bis zur Theilung des einfachen Kernkörperchens und darauf erfolgender Theilung des Kernes eine continuirliche sein. Welche Form die primäre ist, kann vielleicht auf vergleichend anatomischem Wege entschieden werden. Stellt man sich mit Strasburger vor, dass die Spin- delfasern die richtige Lagerung der getheilten Fäden besorgeu, so wird eine Theilung des Kernkörperchens in zwei Theilstücke keiner Spindel bedürfen, die man bei der „directen“ Theilung auch vermisst. Ueb. die Veränderungen der Geschlechtsproducte bis zur Eifurchung. 205 erkennen, der wie es scheint im Protoplasma entstanden ist. Wenigstens tritt er erst später, wenn er sich vergrössert, in die Nähe des Kernes (vergl. Fig. 58 und 59). Der Kern wird walzen- förmig und verliert seine Fadenstructur, so dass er frisch ganz hyalin aussieht. Der neben dem Kern entstandene Körper, der Nebenkern, macht die Veränderungen durch, die von Grobben bereits beschrieben sind. Der Kern wird kleiner und bräunt sich leicht in Ueberosmiumsäure (Fig. 61). In Chromsäure und Alcohol oder in Essigsäure uud Alcohol gehärtete Spermatocyten lassen den Kern erscheinen, wie er in Fig. 62 dargestellt ist. Färbt man die Zelle, so bleibt die Kopfkappe farblos; der hantelförmige Kern nimmt Farbstoff auf. Bilden sich die Fortsätze des Samenkörpers aus dem Protoplasma der Bildungszelle, des Spermatocyten, her- vor, so nimmt der Kernrest gewöhnlich schon eine excentrische Lage, seitlich oder unterhalb der Kopfkappe an (vergl. Fig. 65 und 66, ebenso 67). In Fig. 63, nach einem in Chromsäure und Aleohol gehärteten, in Haematoxylin gefärbten Präparat gezeichnet, liegt der gefärbte Kernrest wie in Fig. 65 in einer Excavation der Kopfkappe. Fig. 65 könnte als der Längsschnitt des in Fig. 63 von oben gesehenen Samenkörpers gelten. In Fig. 63 sieht man ausen die durch die Reagentien veränderten Strahlen; der äussere kreisförmige Contour ist die Grenze des Protoplasmas, der folgende bezeichnet die Kopfkappe; im Centrum ist der Kern ge- legen. Fig. 64 zeigt zwei Kernreste in einem frischen Samenkörper aus dem Vas deferens; Fig. 67 und 63 nur je einen bei verschie- denen Ansichten. Der Kernrest kommt aber auch in Form eines kleinen Stäbchens vor, so dass Gestalt und Zahl vielfach variiren. Grobben berichtet hierüber 1. e. pag. 27: „Gewöhnlich sieht man neben dem Samenkopf in den Samenkörperchen von Astacus fluviatilis noch einem stark glänzenden Körper. Derselbe färbt sich nicht mit Carmin. Ich muss denselben für einen ganz un- wesentlichen Bestandtheil ansehen, da er nicht nur häufig fehlt, sondern manchmal anch nur aussen dem Samenkörperchen ange- lagert ist.“ Da man aber dieses Körperchen, wie so eben gezeigt, vom Kern ableiten kann; da es sich mit Haematoxylin färbt, während die von Grobben als Kopf angesprochene Kopfkappe dies nicht thut, so ist man, bis zur definitiven Entscheidung durcli das Stu- dium des Befruchtungsvorganges selbst, vorläufig nicht genöthigt, Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bi. 29. 14 206 Moritz Nussbaum: die Spermatogenese bei Astacus nach einem anderen Modus als dem allgemein gültigen verlaufend anzusehen. Es entwickelt sich aus einem wahrscheinlich im Protoplasma entstandenen Nebenkern (Fig. 558 Nk) die Kopfkappe (Fig. 65 K), der Kern bleibt verdichtet in der Zelle erhalten (Fig. 65 Spk), das Protoplasma treibt strahlige Fortsätze. Wenn man sich der Entwicklung der Samenkörper bei As- caris megalocephala erinnert, so wird man die Aehnlichkeit der- selben mit der eben von Astacus geschilderten sofort erkennen können. Die Spermatosomen von Ascaris haben allerdings keine strahligen Fortsätze; aber es konnte oben gezeigt werden, dass das bis jetzt verkannte unscheinbare Kügelchen Spk an der Basis der Kopfkappe K Fig. 23 sich nach der Befruchtung im Ei wie- der zu einem Kern aufbläht, aus dem es durch fortschreitende Verdichtung entstanden war. Bei Ascaris kann man auch mit grösserer Sicherheit die Entstehung der Kopfkappe aus dem Proto- plasma nachweisen; man wird hier an eine Betheiligung des Kernes bei ihrer Bildung nicht leicht denken, da sie allmählich durch das Zusammenfliessen grober, dem Protoplasma eingelagerter Körner entsteht. Es sind demgemäss bei Ascaris zu Anfang viele Nebenkerne vorhanden, die erst später zusammen die Kopfkappe bilden; während bei anderen Thieren die Kopfkappe durch Wachs- thum eines einzeln im Protoplasma auftretenden Nebenkernes entsteht. Meine Auffassung unterscheidet sich demgemäss insoweit von der Mecznikow’s und Grobben’s, als ich den von ihnen mit Kopf bezeichneten Theil der Samenkörper von Astacus als Kopfkappe deute und den von Grobben beschriebenen und in Fig. 33 auf Tafel III seiner Arbeit abgebildeten Körper vom. Kern ableite und ihn demgemäss für den Kopf des Samenkörpers erkläre; mit dem Vorbehalt, diese Auffassung durch die Verfol- gung der Umwandlung des Samenkörpers im Ei zu prüfen. In den Figg. 69—75 ist die Entwicklung der Samenfäden von Helix pomatia ausgehend vom Spermatocyten (Fig. 69 a) dar- gestellt 2). In der Zwitterdrüse dieses Thieres findet man im Juli Sper- matogonien in indirecter Theilung. Auch das „Seeretkörperchen“ tritt vor der Theilung auf. Die Fäden im Kern der aus der 1) Vergl. Sitzungs-Ber. der Niederrh. Ges. 1881, pag. 182. Ueb. die Veränderungen der Geschlechtsproducte bis zur Eifurchung. 207 Theilung der Spermatogonien hervorgegangenen Spermatoeyten verschwinden allmählich; der Kern wird granulirt, dann glänzend und in seiner Nähe tritt ein glänzender Nebenkern auf. Der Nebenkern verblasst aber nach und nach; er geht schliesslich zu Grunde; man kann ihn bisweilen in einer Protoplasmaanhäufung einer Schlinge des Schwanzfadens erkennen. Die Umwandlung des Kernes zum Kopf zeigen Figg. 71, 72, 73. Die letztere, so- wie Fig. 74 die Bildung des Schwanzfadens, der von Protoplasma umgeben ist, das später (Fig. 75) eine Wimpermembran am Samen- faden bildet. In Fig. 73—75 sind die Schwanzfäden nicht in ganzer Länge gezeichnet; da es ja hier nur darauf ankam zu zeigen, dass der Kern und nicht der Nebenkern zum Kopf des Spermato- somen werde. Reife Samenfäden von Helix hat Leydig in seinem Buche „Untersuchungen zur Anatomie und Histologie der Thiere, Bonn 18383“ ‘beschrieben und abgebildet, worauf hiermit verwiesen sei. Das in diesem Abschnitt Gesagte zusammenfassend würden wir zu folgenden Schlüssen gelangen. l. Der Kern einer jeden Samenzelle wird verdichtet und bleibt in allen Fällen im reifen Samenkörper erhalten. Bei Samenfäden bildet er den Kopf. 2. Das Umwandlungsproduct des Kernes verschmilzt bei der Befruchtung des Eies mit dem Eikern. 3. Das Protoplasma der Samenzelle bildet die Kopfkappe, das Mittelstick und die Fortsätze, wo sie vorhanden sind. Das Protoplasma bleibt entweder amöboid beweglich oder erscheint in verschiedenen Gestalten mit dem Kern vereinigt als Wimperzellet). 4. In vielen Fällen ist die Anlage der Kopfkappe oder des Mittelstücks als besondere Verdichtung im Protoplasma des Sper- matocyten, als Nebenkern, zu erkennen. 5. Die Kopfkappe ist bei der Befruchtung unwesentlich. Sie wird gewöhnlich vor dem Eindringen der Spermatosomen in das Ei abgeworfen. Wo sie, wie bei Ascaris megalocephala, gelegent- lich in das Ei gelangt, vermischt sie sich mit dem Dotter des Eies, wie die übrigen aus dem Protoplasma des Spermatoeyten hervorgegangen Theile des Samenkörpers. 1) Vergl. Pflüger, Ueber die Eierstöcke der Säugethiere und des Menschen 1863, pag. 99. 208 Moritz Nussbaum: Erklärung der Abbildungen auf Tafel IX—XI. (Sämmtliche Figuren sind mit der Camera lucida in der Höhe des Mikroskoptisches entworfen ) Tafel IX. ÖOo- und Spermatogenese bei Ascaris megalocephala. Fig. 1—10. Veränderungen des Kernes der Ureier und Eier vor der Befruch- ig. 11 10.19. Jule tung auf dem Wege vom blinden Ende des Eierstocks bis in den Uterus. Fig. 1—4 Theilungserscheinungen am Kern. Fig. 1—3. Aus der Eierstocksröhre von 50 u Durchmesser einer 12cm langen Ascaris megalocephala. Fig.1 ruhender, Fig.2 eingeschnürter Kern. Fig. 3 Ent- wicklung des Fadenapparates im Kern. Fig. 4. Aus der 0,lmm dicken Eierstocksröhre einer 25 cm langen Ascaris megalocephala; in dem Kern der Zelle links der Fadenapparat, in der Zelle rechts die fertige Kernspindel in Profilansicht. Vergr. Leitz, homog. Im. 1/5, Oec. ]. Fig. 5. Keimbläschen eines Övarialeies aus einer 0,32 mm dicken [eo] Röhre. Fig. 6. Dasselbe aus einer 0,48 mm dicken Röhre. Fig. 7. Keimbläschen eines zur Befruchtung reifen Eies aus einem 0,85 mm dieken Abschnitt der Tube. Vergrösserung: Zeiss F, Oc. II. Fig. 8, 9, 10. Vorbereitungen zur Bildung des ersten Richtungs- körpers in unbefruchteten Eiern mit dünner primärer Dotterhülle und der vom Uterus gelieferten Hüllschicht. Vergrösserung: Fig. 8, Leitz, homog. Immers. 1/5, Oc. III; Fig. 9, Leitz, h. Im. 1/j, Oc. I; Fig. 10, Zeiss, hom. Im. l/g, Oe. 11. Isolirter Kern eines in Fig. 19 dargestellten Spermatocyten. Vergr. Leitz, hom. Im. 1/5. Oe. II. Querschnitt einer Ovarialröhre bei Zeiss A, Oc. Il gezeichnet. C, die Cutieula; M, die langen Spindelzellen der Wandung; K, Keim- bläschen; R, Rhachis. . Ein mit Alcohol und Aether extrahirtes, zur Befruchtung reifes Ei, Zeiss F, Oec. Il. Die Hüllen eines befruchteten Eies aus dem vorderen Theile des Uterus; das Ei selbst durch Druck entleert. I die primäre, II die secundäre Dotterhülle, III die vom Uterus gelieferte Hüllschicht. x Ueb. die Veränderungen der Geschlechtsproducte bis zur Eifurchung. 209 Fig. 15. Ein abortives Ei aus dem vorderen Uterusende. Die Micropyle am spitzen Ende sichtbar; Kern polynucleolär. (Neben diesen Eiern auch andere unbefruchtete von ovaler Form; der Kern derselben wie in Fig. 10.) Vergrösserung: Zeiss F, Oc. II. Fig. 16. Amöboide Zellen aus dem 0,15 mm breiten Abschnitt des Hodens. Zeiss F, Oe 1. Fig. 17—25. Umwandlung der Spermatocyten in die befruchtungsfähigen Samenkörper. K Kopfkappe; Spk Kern oder Kopf des Spermatosom. Fig. 17—20 aus dem Hoden. Fig. 19. Nochmalige Theilung der Spermatocyten in dem 0,33 mm dicken Abschnitt der Hodenröhre. Fig. 20. Eine aus der Theilung hervorgegangene Zelle, zer- quetscht zur Demonstation der Kernform. Fig. 21. Aus dem Vas deferens, kugelförmiges Spermatosom; in der Mitte der Kern und das mit feinen Körnchen durchsetzte Protoplasma ; an der Peripherie eine Kugelschale von glän- zenden groben Körnern. Fig. 22—25 befruchtungsfähige Samenkörper. Fig. 22. Aus der Tube eines jungen Weibchens; Samen- körper ohne Kopfkappe. Fig. 23—25. Aus dem Uterus erwachsener Weibchen; Sa- menkörper mit Kopfkappe. Fig. 23. Die Kopfkappe ausgedehnt. Fig. 24. Die Kopfkappe comprimirt. Fig. 25 Das Protoplasma des Samenkörpers in einer indifferenten Flüssigkeit bei 380 C. in amöboider Bewegung. Fig. 26. Stück eines 0,22 mm breiten Hodenschlauches von innen gesehen. Se, die innen gelagerten Spermatocyten; darunter die langgestreck- ten Zellen der Wand mit ihren Kernen K, den Protoplasmahüllen Pm und den centralen Fäden F. Ct die äussere Outicula. Tafel X. Die Befruchtung und Furchung bei Ascaris megalocephala. Fig. 27. Befruchtungsfähiges Ei. Fig. 28. Der Samenkörper im Eindringen begriffen; die Keimflecke fadig differenzirt; die primäre Dotterhülle faltig.. Vom Ei ist nur die eine Hälfte gezeichnet. Fig. 29. Der Samenkörper ist eingedrungen; erstes Stadium der Umbildung des Keimbläschens in die Richtungsspindel. Vergrösserung Zeiss F, Oe. I. 210 Fig. 30. Fig. 31. Fig. 32, Fig. 35. Moritz Nussbaum: Der Kern des Samenkörpers vergrössert sich; die Richtungsspindel wird hantelförmig; die primäre Dotterhülle wird verdickt. Die Kopfkappe K des Samenkörpers ist abgeworfen; der Kern des Samenkörpers bei Spk. Das erste Richtungskörperchen IRk ist ausgestossen; der Rest des Keimbläschens bei E‘. Der Dotter hat sich contrahirt und die primäre Dotterhülle sich weiter verdickt. Die von den Uterindrüsen gelieferte Hüllschicht wird deutlich. 33, 34. Dasselbe Ei in drei verschiedenen Ansichten; Fig. 32 zeigt das Ei mit seinen drei Hüllen; in Fig. 33 ist nur die secun- däre Dotterhülle dargestellt; in Fig. 34 durch Wälzen des Eies die uterine Hüllschicht abgestreift. Der erste Richtungskörper IRk liegt zwischen primärer und secundärer Dotterhülle; in Fig. 32 und 33 die vier Fäden noch sichtbar. Das Keimbläschen ist in eine Kernfigur umgewandelt, die eben halbirt wurde; die eine Hälfte liegt höher als die andere; in bei- den die Spindelfasern (achromatischen Fäden) und die färbbaren Fäden (chromatischen Fäden) sichtbar; in Fig. 32 Ansicht der Fäden von der Seite. Der Samenkörper ist in zwei Theile zerfallen, die weit von einander entfernt liegen; bei Spk Kern und Protoplasmarest; bei K die Kopfkappe. Vergr. Leitz hom. Im. !//., Oec. I. Die Fäden der zweiten Richtungsspindel in zwei Ansichten; bei a sind die vier färbbaren Fäden gesondert zu erkennen; bei b durch Projection der Theile undeutlich. Vergrösserung Zeiss, hom. Im. 1/3 Oc. I. Fig. 36 und 37. Abtrennung des zweiten Richtungskörpers; in Fig. 36 Fig. 38, ist der Kern des zweiten Richtungskörpers noch in Zusammenhang mit dem definitiven Eikern; in Fig. 37 ist die Trennung erfolgt. Der zweite Richtungskörper liegt innerhalb der secundären Dotterhülle. Der Kern oder Kopf des Samenkörpers hat die „ruhende“ Kernform wieder angenommen Spk. Die Kopfkappe K ist in Fig. 56 noch in einem kleinen Rest vorhanden; in Fig. 37 nicht mehr zu erkennen. Der Dotter D hat sich stark contrahirt und schwimmt frei in dem Perivitellin P. Die Einlagerungen im Dotter (cf. Fig. 27) sind völlig geschwunden. 39, 40. Die Annäherung und Verschmelzung von Ei- und Sperma- kern. Fig. 38 stellt nur den Dotter mit den beiden Kernen dar; in Fig. 39 ist die secundäre Dotterhülle stark gefältelt; in Fig. 40 ist diese Hülle glatter von der verdickten primären Dotterhülle ab- gehoben und das erste Richtungskörperchen darum besser sichtbar. Fig. 41—47. Die erste Furchung auf dem Wege der indirecten Kerntheilung. Fig. 41. Die färbbaren Fäden bei Leitz !/;, Oc. III gezeichnet. Ueb. die Veränderungen der Geschlechtsproducte bis zur Eifurchung. 211 Fig. 42. Fig. 43. Fig. 44. Fig. 45. Fig. 46. Fig. 47. Beginnende Sonderung der Schenkel der Fadenfigur (nur der Dotter gezeichnet). Leitz !/s, Oc. I. Ei von oben gesehen; die Strahlung im Protoplasma und vier nach Aussen offene Schenkelpaare der Fadenfigur. Leitz 1/ja, Oe. I. Ei von vorn gesehen; die vier Schenkelpaare, die Kern- spindel und die Strahlung deutlich. Leitz Y/j, Oe. I. Ein unversehrtes Ei aus demselben Stadium; Kernfigur von oben gesehen. Leitz 1/jo, Oc. I. Ei im Beginn der ersten Durchfurchung. Es haben sich die dicken Fäden der Figur 43 und 44 gespalten und so umgelagert, dass die offenen Seiten der Schenkelpaare in den beiden Kernhälften einander zugekehrt sind. Die „Spindel“ ist abgeplattet, tonnenförmig geworden; die Strahlung im Protoplasma deutlich. Die zwei unteren Schenkelpaare lassen sich bei anderer Lagerung des Eies ebenfalls in vier auflösen. Vergr. Leitz 1/j.. Oc. I. Vorbereitung zur zweiten Furchung; Kernfigur in einer der beiden ersten Furchungskugeln. Das erste Richtungs- körperchen in der Zeichnung sichtbar, das zweite liegt an der Trennungsfläche der Furchungskugeln, ist aber nicht dargestellt. Wie im Text hervorgehoben, bleiben beide Richtungskörperchen bis zur deutlich entwickelten Wurm- gestalt des Embryo in ihrer Lage erbalten. Vergrösserung: Leitz 1/js, Oc. I. (Die uterine Hüllschicht ist durch Wälzen des Eies abgestreift.) Fig. 48. Kernfigur mit vier färbbaren Fadenschenkeln in einer Furchungs- kugel aus einem späteren Stadium. Vergr. Leitz !/j, Oe. I. Tafel XI. Entwicklung der Samenkörper bei Rana fusca, Astacus fluviatilis und Helix pomatia. — Die indirecte und maulbeer- förmige Kerntheilung. — Der Nebenkern. Fig. 49. Die Anlage der Geschlechtsdrüsen (Hoden und Ovarien) bei Rana fusca von der Bauchfläche aus gesehen. Länge des Embryo 1,4 cm. (Vergl. d. Arch. Bd. XVIII, pag. 3.) WG, Wolff’scher Gang; G, Geschlechtszelle; St, Kern des Stromagewebes, dessen Zellgrenzen der Einfachheit halber in die Zeichnung nicht eingetragen wurden. Aus der Mitte der schon von Pigmentzellen durchsetzten Platte zwischen den zukünftigen Geschlechtsdrüsen, dem Mesovarium oder Mesorchium, erhebt sich das Mesenterium, das in der vorliegenden Figur nicht dargestellt ist. Fig 50. Fig. 51. Kig. 52. Moritz Nussbaum: Aus dem Hoden der Rana fusca im Monat August: zur Demon- stration der Umlagerung der (rechts im Bild) zuerst um eine centrale Protoplasmakugel in ıhrem Follikel gruppirten Samenkörper. Die beiden weiter entwickelten Follikel mit dem basalen Cystenkern enthalten die Samenkörper zu gestreckten Bündeln geordnet; die Köpfe der Samenfäden sind gegen die Wand des Hodenschlauches, die früher centrale Protoplasmamasse des Follikels gegen das Lumen des Schlauches gerichtet. In diesem Stadium werden die Follikel schon durch jungen Nachwuchs — Spermatogonien in ihrer Follikel- haut — von der Schlauchwand abgehoben. Ck Cystenkern, Fk Fol- likelkern, Sg Spermatogonie, H Hodenschlauchwand. Vergr. Zeiss F, Oe. EM. Zwei Spermatogonien aus dem Hoden von Rana fusca im Monat Juni, um das Vorkommen der Maulbeerform des Kernes — links in der Figur — am Anfang der Spermatogenese zu illustriren. (Der Kern der Zelle rechts hat viele färbbare Fadenschlingen entwickelt: Beginn der indirecten Kerntheilung.) Vergr. Leitz, hom. Im. 1/5, Oe. 1. Indireete Kerntheilung einer Spermatogonie innerhalb der Follikel- haut. Fk Follikelkern, H Membrana propria des Hodenschlauches. Vergr. Leitz, hom. Im. 1/5. Oe. I. Fig. 53—68. Entwicklung der Samenkörper bei Astacus fluviatilis. Fig. 53—57 aus dem Monat Juli. Fig. 53 Spermatogonie in Vor- bereitung zur indireeten Kerntheilung. Neben dem Kern ein „Secretkörper“. Fig. 54a. Spermatogonie mit Kernspindel und Fadenapparat. Fig.54b, dieselbe Zelle von oben gesehen; der „Secretkörper“ ist nicht mehr nachzuweisen. Fig. 55—57 weitere Stadien der indirecten Kern- und der Zell- theilung. Fig. 58—68 aus dem Monat September. Fig. 58 Spermatocyt mit Kern K und Nebenkern Nk. Fig. 59—62 fortschreitende Veränderungen des Kernes und Nebenkernes; der Kern bildet einen oder zwei ver- dichtete Klumpen; der Nebenkern vergrössert sich und wird kronenförmig. Fig. 58, 59, 60 frisch im Blutserum desselben Thieres; Fig. 61 Ueberosmiumsäurepräparat, Fig. 62 Chromsäure, Alcohol, Haematoxylin. Fig. 63. Ein reifes Samenkörperchen mit Chromsäure, Al- cohol und Haematoxylin behandelt von oben gesehen. Aussen die zusammengeklebten fadenartigen, in frischem Zustande strahlenförmigen Fortsätze; dann der Contour des Proto- plasmamantels, der Contour der Kopfkappe und central der gefärbte Rest des Kernes, des Kopfes des Samenkörpers. Ueb. die Veränderungen der Geschlechtsproducte bis zur Eifurchung. 213 Fig. 64. Samenkörper aus dem Vas deferens mit 0,1°/, Ueberosmium- säure fixirt. Profilansicht; im Inneren des Protoplasma- körpers oben die Kopfkappe, an der Basis derselben zwei gebräunte Klümpchen, Kernreste. Fig. 65. Samenkörper aus dem Vas deferens in Chromsäure und Alcohol gehärtet, mit Haematoxylin gefärbt. An der Basis der Kopfkappe ein gefärbter Kernrest. Fig. 66. Profilansicht eines frischen Samenkörpers aus dem Hoden; links vom Nebenkern, der die definitive Form der Kopf- kappe noch nicht angenommen hat, der glänzende Kernrest. Fig. 67 und 68. Samenkörper aus dem Vas deferens frisch. Fig. 67 im Profil, Fig. 68 von oben gesehen. In Protoplasma, von dem die Fäden ausgehen, central und nach oben gerichtet die Kopfkappe, daneben der Kernrest. Fig. 69—75. Entwicklung der Samenfäden bei Helix pomatia. Fig. 69 a, b, c. Drei verschiedene Entwicklungsstadien von Sper- matocyten; bei ce tritt neben dem Kern ein kleiner ring- förmiger, glänzender Nebenkern auf; der Nebenkern ist in Fig. 72 noch eben sichtbar, in Fig. 73 nicht mehr nach- zuweisen; aus dem Kern hat sich (Fig. 71 ff.) der sichel- förmige Kopf entwickelt; an diesen setzt sich (Fig. 73) der von Protoplasma umgebene Schwanzfaden, der nicht in ganzer Länge gezeichnet ist. Fig. 74. Spermatosom mit aufgerolltem Schwanzfaden. Vergrösse- rung Zeiss F, Oc. I. Fig. 75. Kopf und oberer Theil des Schwanzes eines reifen Samen- fadens bei Zeiss F, Oc. II. 214 Ph. Bertkau: (Aus dem anatomischen Institut der Universität Bonn.) Ueber den Bau und die Funktion der sog. Leber bei den Spinnen. Von Dr. Ph. Bertkau in Bonn. Hierzu Tafel XI. Obwohl seit dem Anfange dieses Jahrhunderts die „Leber“ der Spinnen wiederholt und von namhaften Zoologen und Anatomen zum Gegenstand ihrer Forschungen gemacht wurde, so blieben dennoch mancherlei Fragen zu erledigen, zumal da die wenigsten Forscher zu einer übereinstimmenden Ansicht über ihre Bedeutung gelangten. Durch Plateau (Recherehes sur la structure de l’appareil digestif et sur les ph&enomenes de la di- gestions chez les Arandides dipneumones in Bull. Acad. roy. de Belgique (2) XLIV Nr. 8) ist zwar die physiologische Seite dieser Frage zu einem gewissen Abschluss gebracht worden, indem Plateau mit überzeugender Schärfe nachwies, dass diese Drüse ein verdauendes Ferment liefere und daher eher dem Pankreas als der Leber der Wirbelthiere gleichzustellen sei, und meine Versuche haben die Richtigkeit der Plateau’schen Angaben der Hauptsache nach bestätigt. Weniger befriedigend sind da- gegen nach meinen Erfahrungen Plateau’s Bemühungen um die Erforschung der morphologischen Verhältnisse unserer Drüse aus- gefallen. Indem ich nun auf den folgenden Blättern einige der von mir gewonnenen Resultate der Oeffentlichkeit übergebe !), bin ich mir der Lückenhaftigkeit meiner Mittheilung wohl bewusst. Aber indem ich an gehöriger Stelle auf die noch zu erledigenden Fragen hinweise, erfährt Jeder, wo eine spätere Untersuchung einzusetzen 1) Eine vorläufige Mittheilung s. im Zool. Anz. Nr. 95, S. 543. Ueber den Bau und die Funktion der sog. Leber bei deu Spinnen. 215 hat, und so gebe ich mich denn der Hoffnung hin, dass auch in dieser unvollkommenen Form meine Arbeit kein ganz unwichtiger Beitrag zu unseren Kenntnissen von der Anatomie und Physiologie der Gliederfüsser sein wird. A. Der Bau der „Leber“. Die gröberen anatomisch-topographischen Verhältnisse sind in Kürze die folgenden. Der grössere Theil der Leber liegt in der Rückenhälfte des Hinterleibes, unmittelbar bis unter die Haut desselben reichend, den Darm allseitig umhüllend, aber auf seiner unteren Seite nur in dünner Schicht entwickelt und durch das Rückengefäss in zwei symmetrische Hälften getheilt; ein kleineres Stück liegt, durch die Spinngefässe und Geschlechtsorgane von der oberen Partie getrennt, als ein medianer Lappen an der Bauch- seite. Seitlich kann sich der Rückenlappen bis zur Berührung mit dem Bauchlappen ausdehnen, ohne indessen mit demselben zu verschmelzen. Bei einigen Arten (der Gattung Epeira z. B.), wo sich das Herz nicht unmittelbar an die Rückenhaut anschmiegt, schliessen die beiderseitigen Hälften der Leber über dem Rücken- gefäss zusammen, dieses vollkommen verdeckend, und im vorderen Theile, da wo das Herz sich nach unten umbiegt, sind bei den meisten Arten kleinere Partien der Leber zwischen dieses und die Körperbedeckung eingeschoben. Der Länge nach sind auf jeder Hälfte durch die von dem Herzen ausgehenden (2) oder zu dem- selben zurückführenden (1—2) Gefässe 3 (Tristieta) oder 4 (Teetra- stieta) Furchen eingedrückt, von denen die 2 hinteren seichter und kürzer, die 1—2 vorderen tiefer und länger sind. Ausserdem wird die Leber von den Dorsoventralmuskeln durchsetzt, welche namentlich bei manchen Thomisiden (Artanes z. B.) zwei durch einen beträchtlichen Theil des Hinterleibes sich erstreekende Längs- septen bilden, durch welche von dem dorsalen Lappen der Leber ein Mittelstück und zwei Seitenflügel abgeschnitten werden. Schon hei der Betrachtung mit einer Lupe zeigt die Leber an ihrer Oberfläche, wie man dieselbe durch Entfernung eines Stückes der Hinterleibshaut bloss legen kann, drei verschiedene Bestandtheile: l. Mehr oder weniger regelmässige Halbkugeln, die in verschiedenen Nüaneirungen gelb oder braunroth, selten grün oder 2316 Ph. Bertkau: weiss gefärbt sind und einen dunkleren Centraltheil umschliessen. Der Zwischenraum zwischen diesen Halbkugeln ist ausgefüllt mit 2. einem fast glashellen Gewebe, in welchem 3. feine, reichverästelte Kanäle mit weissem, seltener braunem Inhalt verlaufen. — Das Mikroskop löst dieses Bild da- hin auf, dass sich die Halbkugeln als die letzten blinden Ver- zweigungen der eigentlichen Drüsenschläuche darstellen. Das unter 2 erwähnte Gewebe spannt sich zwischen den einzelnen Schläuchen aus und hat den Charakter von zelligem Bindegewebe; die in ihm verlaufend&n Kanäle erweisen sich als Malpighi’sche Gefässe. Demgemäss zerfällt der morphologische Theil dieses Aufsatzes in drei Abschnitte. 1. Die eigentliche Drüse. Die eigentliche Drüse besteht aus einem System von Blind- schläuchen, die mit einander und in letzter Instanz mit dem Darm- kanal kommuniziren. In dem über dem Darm gelegenen Theil lassen sich bei allen von mir untersuchten Arten jederseits zwei Hauptgänge unterscheiden, als deren Verästelungen die meisten der übrigen Follikel anzusehen sind, der unter dem Darm ge- legene Lappen enthält nur einen Hauptkanal. Das Lumen dieser wie der von ihnen sich abzweigenden Schläuche ist weder in ihrem ganzen Verlaufe das gleiche, noch von vorn nach hinten regelmässig zu- oder abnehmend, wechselt vielmehr in ganz unregelmässiger Weise, und diese Unregelmässigkeit ist nicht allein durch den Ur- sprung sekundärer Ausstülpungen bedingt; vgl. Fig. 2 und 3. Im Allgemeinen aber ist das Lumen der Drüsenfollikel als ein sehr weites zu bezeichnen, und alle mir bisher zu Gesicht gekommenen Abbildungen (Wasmann, Blanchard, Plateau) geben eine un- richtige Vorstellung hiervon. Eine Frage, deren zuverlässige Beantwortung mir viele Schwierigkeiten gemacht hat, ist die nach der Zahl der Aus- mündungsstellen dieser Drüse in den Darm. Treviranus (Ueber den inneren Bau der Arachniden) gab dieselbe bei Amaurobius auf 4, Wasmann (Beiträge zur Anatomie der Spinnen, in Ab- handl... herausg. von dem naturw. Verein in Hamburg. I. S. 132 ff.) und Blanchard (L’organisation du r&egne animal) von grossen Teraphosiden eben so hoch an, während Duge£s (in Cuvier’s regne animal) bei Nemesia caementaria deren 8 auffand. Nach Plateau jr But Ueber den Bau und die Funktion der sog. Leber bei den Spinnen. 2 (a. a. ©.) ist die Normalzahl 4 (er giebt diese ausdrücklich an von Tegenaria, Amaurobius und Clubiona); bei Argyroneta sind 6, und bei Epeira 8 vorhanden; Schimkevitsch (Zool. Anz. Nr. 82, S. 236) fand auch hier 4 Hauptmündungen der Leber. Ich weiss nicht, auf welche Weise die genannten Anatomen die angegebenen Verhältnisse ermittelt haben; bei den grösseren Teraphosiden, vielleicht auch den grossen ausländischen Sparassi- den, Lyeosiden und Epeiriden mag sich der Darm aus der um- gebenden Lebermasse herausschälen lassen; bei allen von mir untersuchten einheimischen Arten, Atypus und Tegenaria atrica nicht ausgenommen, ist mir dies nie gelungen. Sobald ich in die Nähe der von fast allen meinen Vorgängern erwähnten Erweiterung des Darmes in der vorderen Hälfte des Hinterleibes gekommen war, gehörte jede Trennung der Leber vom Darın zu den Unmöglich- keiten, und es liessen sich innerhalb gewisser Grenzen beliebig viele Mündungsstellen der Leber, d. h. Stellen, an denen die Drüse fest am Darm hing, herausrechnen. Um nun über diese Frage doch zur Klarheit zu gelangen, verfertigte ich von verschiedenen Arten (Tegenaria, Trochosa, Artanes, Segestria) Schnittserien, die mir dann zeigten, dass in gewissem Sinne, wenigstens bei den ge- nannten Gattungen, von einer bestimmten Zahl von Mündungen der Drüse nicht die Rede sein kann. Nämlich der Darm, der mit engem Lumen durch den Cephalothoraxstiel getreten ist, erweitert sich unter gleichzeitiger Wendung nach oben beträchtlich, und seine Wandung nimmt zugleich eine drüsige Beschaffenheit an, indem dieselbe ein Zellenepithel entwickelt ähnlich den „Haschen- förmigen“ Zellen aus dem Epithel der Leberschläuche; s. unten. Dann bildet er rechts und links, sowie an seiner Oberseite zahl- reiche, kleinere und grössere, einfache und verzweigte, Ausbuch- tungen, welche letztere eben Theile der „Leber“ darstellen. Unter ihnen zeichnen sich immer zwei nach hinten gelegene durch be- sondere Entwickelung aus; sie setzen sich in je einen der oben erwähnten Hauptkanäle, und zwar in den dem Rücken genäherten fort und können als das eine Paar der beiden von den Autoren erwähnten Ausführungsgänge gelten. Hierauf verengt sich der Darm, verliert die drüsige Beschaffenheit seiner Wandung und nimmt dann rechts und links je einen engen und längeren Aus- führungsgang auf, in dem sich unter Umständen Exkremente von derselben Beschaffenheit wie in dem Enddarm und in der Kloake 218 Ph. Bertkau: vorfinden. Das Paar dieser Ausführungsgänge, das unzweifelhaft das zweite der von Treviranus, Wasmann u. s. w. erwähnten ist, unterscheidet sich von dem vorhergehenden nicht nur durch sein engeres Lumen, sondern auch durch die histiologische Be- schaffenheit seiner Wandung, die mit der des Darmes an dieser Stelle übereinstimmt und sogar feine Fasern erkennen lässt, die ich als Muskelfasern in Anspruch nehme. — Von hier an verengt sich der Darm noch mehr; sein Epithel wird höher, die Zellen ab- gerundet kegelförmig und gruppenweise bald höher, bald niedriger, so dass sein Lumen, das anfänglich ein gerader Cylinder war, jetzt ziekzackförmig, bald enger, bald weiter, verläuft, und die Ex- kremente, die in dem vorderen Theile einen zusammenhängenden Strang bilden, hier in die kleinen Brocken zerlegt werden, die sich in der Kloake vorfinden; vgl. Fig. 2 und 3. — Bei Segestria ist der Unterschied zwischen den beiden Paaren von Ausführungs- gängen am geringsten, indem auch das hintere Paar, das sich übrigens hier auch dicht an das erste anschliesst, ein weites Lumen und eine drüsige Beschaffenheit seiner Wandung hat. Der unter dem Darm gelegene Theil der Drüse hängt ganz vorn, fast unmittelbar hinter dem Cephalothoraxstiel mit dem Darm zusammen. Somit lässt sich in gewissem Sinne sagen, dass die Leber fünf Ausführungsgänge habe: einen unteren und zwei Paar seit- licher, mehr nach hinten gelegener. Und in der frühesten Jugend scheinen dies die einzigen zu sein. Wenigstens giebt Leydig (Zum feineren Bau der Arthropoden, in Müller’s Archiv 1855, S. 452) von jungen, aus dem Eiersack genommenen Lycosen an, dass die Leber nur fünf Lappen habe; wahrscheinlich ist der unpaare Lappen der untere. Aber daneben dürfen wir nicht vergessen, einmal, dass der ganze Darm fast zwischen dem Hinterleibsstiel und dem ersten Paar jener Ausführungsgänge die drüsige Beschaffenheit der Leber hat und ferner, dass er eine grosse Anzahl von Ausstülpungen, deren jede als ein Leberfollikel zu gelten hat, bildet. Beide Punkte werden übrigens von Schimkevitsch angedeutet (a. a. O0. S. 236): „Les cellules de l’estomac posterieur — so nennt er den erweiterten Theil des Hinterleibsdarmes — sont tout & fait pareilles aux jeunes cellules de la glande abdominale (foie)..... Le foie s’ouvre dans l’estomae posterieur par 4 conduits lateraux et par un conduit inferieur et impair. .Quelques acini viennent Ueber den Bau und die Funktion der sog. Leber bei den Spinnen. 219 s’ouvririsol&ment,chacun d’eux par un conduit special, a la partie sup6&rieure de l’estomae.“ Bevor ich nun zur Darlegung der von mir ermittelten feineren Struktur-Verhältnisse der Drüse übergehe, halte ich es nicht für überflüssig, den Weg anzugeben, auf dem ich zu den gewonnenen Resultaten gelangt bin. Nachdem ich gefunden hatte, dass Ueber- osmiumsäure und Chromsäure nur schwer eindringen und nur eine dünne oberflächliche Schicht zur Anfertigung feiner Schnitte ge- schiekt machen, versuchte ich absoluten Alkohol als Härtungsmittel und erzielte hiermit einen relativ guten Grad von Härte. Aus Al- koholmaterial habe ich sowohl Schnittserien, denen die Originale zu Fig. 2 und 3 angehören, als auch feinere Schnitte durch kleinere Stücke angefertigt, deren einer in Fig. 4 dargestellt ist. — Auch sei hier noch einmal daran erinnert, was von den verschiedensten Autoren, die sich mit der Histiologie der Drüsen beschäftigt haben, und zuletzt und am vollständigsten von M. Nussbaum (dieses Archiv Bd. XXI, S. 296 ff.) bewiesen ist. Auch das mikroskopische Bild der Spinnenleber ist ein anderes bei einem frisch gefütterten und einem hungernden Thier, ein anderes in der guten Jahreszeit und im Winter. Der Schilderung des feineren Baues habe ich frisch eingefangene und getödtete Exemplare des Frühlings und Sommers zu Grunde gelegt, die wohlgenährt waren. Die Aende- rungen, welche die verschiedenen Ernährungszustände an der Drüse hervorrufen, habe ich nicht verfolgt. Die Tunica propria der Drüse ist ungemein zart; Kerne habe ich in ihr nieht mit Bestimmtheit wahrnehmen können, da es mir nicht gelang, ein grösseres Stück zu isoliren. Die secernirenden Zellen, welche diese T. propria auskleiden, sind zweierlei Art. Die einen, eiförmig und kleiner, sitzen mit breiter Basis der T. propria auf. Ihr Inhalt besteht fast ausschliesslich aus dicht ge- drängten, farblosen, fast gleichgrossen Kugeln, deren meiste ganz bomogen sind; nur hier und da hat die eine, seltener mehrere, einen fein granulirten Inhalt; mit Haematoxylin färben sie sich blau, und zwar intensiver als ein anderes Element, mit Ausnahme der Kerne des Bindegewebes. Zwischen diesen Zellen kommen grössere, flaschen- oder keulenförmige vor, die mit dünnem, oft fadenförmigem Fuss der T. propria aufsitzen, und, sich zwischen den ersteren hindurehzwängend, über dieselben hinausragen und sich über ihnen zusammenschliessen, auf diese Weise allein die 220 Ph. Bertkau: innere Höhlung der Drüsenfollikel begrenzend. Es sind diese keulenförmigen Zellen die einzigen zelligen Elemente, welche bis- her, wenn auch in unvollkommener Weise, aus unserer Drüse be- schrieben wurden; vgl. Plateau a.a. 0.8. 43f., Pl. 1, Fig. 23—32. Der Inhalt dieser Zellen ist weit mannigfaltiger, als der der ersteren Art. Ausser dem farblosen flüssigen Plasma enthalten sie nämlich folgende geformte Bestandtheile: An der Basis finden sich äusserst kleine kugelige Körperchen, die gewöhnlich so dicht gedrängt sind, dass sie diesen Theil ganz undurchsichtig machen, wenn der Sehnitt nieht sehr dünn ist. Nach der Spitze zu treten kleinere und grössere ölartige Tröpfehen, bisweilen zu mehreren an ein- ander gelagert und dann oft in einer grösseren Kugel eingeschlossen, auf. Endlich findet sich, gewöhnlich auf den centralen Theil der Endhälfte beschränkt, bisweilen aber auch peripherisch zwischen die Fetttröpfehen reichend, eine Unmasse kleiner säulenförmiger Krystalle in diesen flaschenförmigen Zellen vor. Das grünliche, gelbe, lederfarbene oder rothe Pigment, das der ganzen Drüse ihre charakteristische Farbe verleiht, ist ebenfalls auf diese Zellen be- schränkt, ünd zwar auf deren Spitzentheil, wo es diffus im Plasma vertheilt ist, sich aber auch an die Fetttröpfehen und Krystalle bindet; die dem Basaltheil der Zellen genäherten Fetttropfen und Krystalle sind ungefärbt. Der Zellkern lässt sich in beiden Zellenarten wegen der übrigen geformten Inhaltsmasse nur schwer, meist erst nach längerer Einwirkung von Essigsäure, wahrnehmen. Er ist im Vergleich zu den oft riesenhaften Zellen der zweiten Gruppe klein, oval, mit kleinen Kernkörperchen, und liegt an der Basis, durch den übrigen Inhalt meist an die Wand gedrängt; einen Unterschied zwischen den Kernen beider Zellenarten habe ich nicht wahrgenommen. Meine Bemühungen, die chemische Natur und physiologische Bedeutung der verschiedenen Inhaltstheile beider Zellenarten zu ermitteln, haben zu keinem befriedigenden Resultate geführt, und ich beschränke mich daher auf die Angabe, wie sie sich verschie- denen Reagentien gegenüber verhalten. Dass sich die grossen hellen Kugeln in den kleineren Zellen mit Hämatoxylin rasch und stark blau färben, wurde schon oben angegeben; mit Ueberosmiumsäure bräunen sie sich, aber nicht rascher als auch die Bestandtheile der anderen Zellen. In Aether und Alkohol sind sie unlöslich, in Glycerin und Wasser zerfallen sie sehr rasch. Ueber den Bau und die Funktion der sog. Leber bei den Spinnen. 221 Die kleinen, staubartigen Kügelchen an der Basis der flaschen- förmigen Zellen schwärzen sich mit Ueberosmiumsäure in kurzer Zeit. Was die Kıystalle in denselben Zellen anlangt, so ist es mir auffallend, dass keiner der bisherigen Beobachter sie erwähnt; ich habe sie fast bei allen von mir daraufhin untersuchten Arten gefunden (Amaurobius, Pardosa, Trochosa, Tegenaria, Hasarius, Misumena, Phyllonethis, Theridium tepidariorum) und zwar sowohl im frischen, als auch in dem durch Alkohol gehärteten Gewebe. Plateau (a. a. ©. S. 105) fand in der durch Maceration eines Stückchens der Leber gelieferten Flüssigkeit „eine ungeheure Menge kleiner- Krystalle“, die er hernach, S. 131, von Tegenaria und Argyroneta als rhomboidische Tafeln beschreibt. Aber diese Krystalle stammen nach ihm aus den Malpighi’schen Gefässen und unterscheiden sich ausserdem durch ihre Gestalt hinlänglich von den hier besprochenen; vgl. Plateau’s Fig. 87 mit unserer Fig. 4. Bisweilen sind mehrere dieser Krystalle in eine kugelige oder elliptische helle Blase eingeschlossen; ihre Form ist eine lange (gerade? quadratische oder rhombische?) Säule. Bei Theridium tepidariorum sah ich auch einzelne Krystalle, die hohl zu sein schienen, wie es von Harnsäurekrystallen bekannt ist. Essigsäure, Aether und Alkohol greift sie nicht an, dagegen sind sie in Wasser löslich, und ein geringer Zusatz von Wasser zu einer der genann- ten Flüssigkeiten genügt, um sie zum Verschwinden zu bringen. In dieser leichten Löslichkeit mag wohl der Hauptgrund liegen, dass sie bisher der Aufmerksamkeit entgangen sind. Bei der für mich wenigstens bestehenden grossen Schwierigkeit, eine grössere Menge rein darzustellen, habe ich über ihre chemische Natur nichts ermitteln können. Ich will hier nicht unterlassen, auf eine gewisse Ueberein- stimmung hinzuweisen, die im Bau der Spinnenleber und der Leber gewisser Crustaceen und Gasteropoden besteht. M. Weber (dies. Archiv XVII, 8. 385 ff.) zeigte, dass die Leber von Asellus, Poreellio, Typhloniscus, Gammarus und Astacus zweierlei (oder gar dreierlei) Zellen hat, und dasselbe konnte Barfurth (ebenda XXII, S. 473 ff.) für Arion und Helix nachweisen. Beiden gelang es auch, die Funktion der beiden Zellarten — von den „Reserve- zellen“ und „Kalkzellen“ sehe ich hier ab — zu ermitteln. Bei aller sonstigen Verschiedenheit sind die „Fermentzellen“ in diesen Fällen kleiner und sitzen mit breitem Fuss auf der Tunica propria Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 23. 15 106) ID LO Ph. Bertkau: der Drüse, die „Leberzellen“ sind grösser, mehr in die Länge ge- streckt und am Ende gewöhnlich keulig angeschwollen. Ebenso enthält nun die Spinnenleber zwei Zellsorten, und vom rein mor- phologischen Standpunkte aus lassen sich die kleinen, die hellen Kugeln enthaltenden, den „Fermentzellen‘“, die grösseren den „Leber- zellen“ der Crustaceen und Gasteropoden vergleichen. Ob aber die Aehnlichkeit über die Gestalt hinausgeht, das konnte ich, wie ich nochmals wiederholen will, nicht entscheiden. Bei Atypus finden sich in gewissen Zellen gelbgrüne, stark glänzende Kügel- chen, die durch Wasser und Glyzerin, nicht aber durch Aether oder Alkohol extrahirt werden und wahrscheinlich Fermenttröpf- chen sind. Indessen weicht Atypus überhaupt von den übrigen von mir untersuchten Arten soweit ab, dass diese Gattung wohl eine besondere Darstellung verlangt, die ich in der besseren Jahres- zeit bei reicherem Material liefern zu können hoffe. Der Inhalt in dem Drüsenlumen ist ein verschiedener. Fast zu jeder Zeit finden sieh in den verschiedenen Theilen der Drüse, selbst in dem erweiterten Stück des Darmes, Anhäufungen jener grösseren und kleineren gefärbten Kügelchen, die einen wesent- lichen Bestandtheil des Inhaltes der flaschenförmigen Zellen aus- machen, und zwar kommen sie hier in demselben Zustande vor, wie in den Drüsenzellen. Die aufgenommene Nahrung präsentirt sich auf den Querschnitten gehärteter Exemplare als eine schwach gelbliche oder rosafarbene bröckelige Masse, in der kleine Körn- chen dicht aneinandergelagert sind. Befinden sich beide Massen zugleich in dem Drüsenlumen, so nimmt die Nahrung das Centrum ein. Endlich kommen noch unregelmässige, gewöhnlich aber ei- förmige Ballen in dem Drüsenlumen vor, die aus einer hellen Grundmasse bestehen, der kleine und kleinste Kügelchen einge- bettet sind und die durch einen gewöhnlich grünen Farbstoff ge- färbt sind. Ich sehe diese Ballen als den als unbrauchbar aus- geschiedenen Theil der Nahrung an. In den hinteren Ausführungs- gängen der Leber und dem darauf folgenden Darmabschnitt finden sich ähnliche, aber zu grösseren Brocken zusammengeballte Massen. 2. Das Zwischengewebe. Das Zwischengewebe, welches die einzelnen Follikel der Drüse und, wie ich hier sofort hinzusetzen will, die Malpighi’schen Gefässe, unter einander und mit dem Darm verbindet, ist, soweit Ueber den Bau und die Funktion der sog. Leber bei den Spinnen. 223 ich sehe, von keinem meiner Vorgänger beobachtet worden. Nur Grube (Einige Resultate aus Untersuchungen über die Anatomie der Araneiden, in Müller’s Archiv 1842, S. 296 ff.) deutet es bei Argyroneta in unvollkommener Weise an. Hier beschränkt er (S. 299) nämlich den von Treviranus (a. a. ©.) für die Leber gewählten Namen „Fettkörper“ auf das, was nach Hinwegnahme der „excernirenden Gefässe“, der „blinden Ausläufer des Darm- kanals“ und „Blutgefässe“* übrig bleibt, und sieht in diesem Re- siduum erst das Analogon des Fettkörpers der Insekten. Wie weit Grube sich eine richtige Vorstellung von diesem „Fett- körper“ gebildet hatte, lässt sich bei dem aphoristischen Charakter seiner Mittheilung nicht beurtheilen. Ausser von Grube wird neben den Drüsenfollikeln ein „Fettkörper“ von Niemand erwähnt. Wasmann (a. a. ©. S. 145) nennt die ganze Leber „Fettkörper“ und lässt sie, nach Ausschluss der Malpighi’schen Kanäle und Blutgefässe, nur aus den mit dem Darm zusammenbängenden Drüsensäckchen bestehen; Plateau kennt ausser den Drüsenfollikeln nur noch die Malpighi-- schen Gefässe. Um das erwähnte Zwischengewebe zur Anschauung zu bringen, bedarf es keines anderen Verfahrens, als welches oben zum Studium der ganzen Drüse empfohlen wurde, und es gilt auch von ihm, dass es nach dem Ernährungszustande des Thieres ein verschiedenes Aussehen und eine verschiedene Entfaltung zeige. Fig. 4 ist nach einem wohlgenährten Exemplare von Amau- robius ferox gezeichnet. Die verhältnissmässig grossen Zellen sind polygonal, bald rechteckig, bald unregelmässig, und enthalten einen grossen elliptischen Kern mit feineren und gröberen Gra- nulis; namentlich wenn man die verschiedene Grösse dieser Zellen und der Epithelzellen der Drüsenfollikel in Betracht zieht, fällt die bedeutende Grösse der Kerne des Zwischengewebes noch mehr auf. Das Protoplasma der Zellen, fein granulirt, umgiebt zunächst den Kern und strablt von diesem in netzartigen Streifen nach der Wand aus, um die es ebenfalls einen, wenn auch vielfach unter- brochenen Belag zu bilden scheint. Durch dieses Netzwerk wer- den die zarten Zellwände vielfach verdeckt und wird die Deut- lichkeit der Zellgrenzen verwischt. Bei Atypus (und auch Eresus?) ist dieses Zwischengewebe nur wenig entwickelt und lässt die Zusammensetzung aus Zellen nicht deutlich erkennen. Hieran ist hauptsächlich der Umstand 294 Ph. Bertkau: Schuld, dass dasselbe von einer Unmasse kleinerer und grösserer Kugeln von konzentrischer Schichtung durehsäet ist; s. Fig. 5. Diese Kugeln sind weder in Wasser, Glyzerin, noch Alkohol, noch Aether, noch Alkalien, noch in einer der von mir versuchten Säuren löslich. Auf Zusatz von Wasser und Essigsäure ward die Schich- tung undeutlicher; Kalilauge lässt sie umgekehrt schärfer her- vortreten. Mit Osmiumsäure schwärzen sie sich rasch und intensiv, und mit Jod färben sie sich, gleich Glykogen, nach einiger Zeit braunroth. Ob hier eine (unlösliche) Modifikation von Glykogen oder was für ein Körper vorliegt, kann ich nicht entscheiden. Nach Zeichnungen, die ich früher von mit Essigsäure behandelter Leber von Eresus angefertigt habe, kommen bei dieser Gattung dieselben Körper vor, was ich nieht mit Sicherheit behaupten kann, da ich augenblicklich kein Material von derselben habe. Während das Zwischengewebe im Allgemeinen den beschrie- benen Charakter hat, nimmt es an einigen Stellen eine besondere Beschaffenheit an. Zunächst sei hier erwähnt der im vorderen Theile des Hinterleibes gelegene grosse Sinus zwischen dem Rückengefäss und der Leber. An dieser Stelle umgiebt das m Rede stehende Gewebe die blinden Enden der eigentlichen Drüse in einfacher Schicht und bildet ein regelmässiges diekwandiges Pflasterepithel mit rundlichem, scharf granulirtem Kern mit Kern- körperchen und einem klaren Inhalt, in dem nur 2—3 kleine Tröpfchen bemerkbar sind. Dasselbe Ansehen bietet sich in der Nachbarschaft der grösseren Blutgefässe dar, die im vorderen Theile des Herzens die Verbindung zwischen diesem und den Athmungsorganen herstellen. In der Umgebung der Kloake, wo das Zwischengewebe sich zwischen dieser, den beiden Sammelgängen der Malpighi’schen Gefässe, dem Darm und den Drüsenfollikeln ausspannt, hat es wiederum eine andere Beschaffenheit, indem es kleinzelliger und diekwandiger geworden ist. Hier sind in manchen Zellen Büschel feiner, nadelförmiger Krystalle abgelagert; oft dehnt sich ein solcher Krystallbüschel über mehrere Zellen aus. In unmittelbarer Nachbarschaft des Darmes haben Komplexe von 4—5 Zellen eine drüsige Beschaffenheit; sie münden in den Darm und scheiden wahrscheinlich die glashelle Umhüllungshaut ab, welche die Koth- ballen umgibt. Eine fernere Eigenthümlichkeit besteht darin, dass sich die Muskelfasern der Kloake und des Darmes mit feinen, Ueber den Bau und die Funktion der sog. Leber bei den Spinnen. 225 bisweilen verästelten Enden zwischen dieses Gewebe erstrecken, worüber bei den Malpighi’schen Gefässen mehr. Endlich muss ich noch_ der bei manchen Arten vorkommen- den Ablagerung einer feinkörnigen, weissen Substanz in den der oberflächlichen Schicht des gesammten Drüsenkörpers angehörigen Zellen Erwähnung thun. Am verbreitetsten und massenhaftesten sind diese Ablagerungen in den Familien der Epeiriden, Tetra- snathiden, Theridiaden, Thomisiden; fehlen aber auch den Lyco- siden und Agaleniden nicht ganz, z. B. bei Tegenaria domestica, wo sie aber auf einen kleinen Umfang beschränkt sind. Bei den Epeiriden sind sie schon den ältesten Zergliederern aufgefallen; bei Misumena vatia bildet diese weisse Masse eine dicke, zusammen- hängende Schicht über den ganzen Rückenlappen der Leber. Duges (nach Wasmann) verlegt den Sitz dieser Ablagerung in eine besondere Schicht, während Wasmann (a. a. O. S. 148) sie in den Drüsensäckehen selbst, und zwar an dem abgerundeten Gipfel findet, worin ihm Plateau (a. a. O. S. 46) beipflichtet. Ueber ihre Natur äussert Wasmann, dass sie aus „formlosen, körnigen Massen bestehen, die sich in Aether lösen, also wohl einen fettartigen Stoff ausmachen“. Plateau bestätigt auch diese Angabe Wasmann’s, und fügt noch hinzu, dass bei Epeira-Arten die ganzen Blindschläuche der Oberfläche von diesem „Fette“ er- füllt seien (S. 83). Ich glaube nun, dass hier eine Verwechselung mit dem an der Basis der flaschenförmigen Drüsenzellen gewöhn- lich abgelagerten Stoff vorliegt. Wenigstens habe ich nach tage- langem Einlegen des Hinterleibes von Meta, Zilla, Epeira, Tetra- gnatha, Pachygnatha und anderen Arten in Aether nie die geringste Spur einer Extraktion dieser weissen Substanz bewirkt. Auch das äussere Ansehen derselben ist nicht das von Fett. Bereits Leydig (a. a. OÖ. S. 384) beschreibt sie als „sehr kleine, lebhafte Mole- kularbewegung zeigende Plättehen oder Flimmerchen“, und ich kann dem noch hinzufügen, dass sie bei den Arten wenigstens, wo sie nicht den irisirenden Metallglanz zeigt, ganz das charak- teristische Aussehen der Körperchen hat, die den weissen Inhalt der Kloake ausmachen (Kügelchen, die gewöhnlich zu zwei und zwei so nebeneinander gelagert sind, dass eine 8-Figur entsteht). Trägt man vorsichtig diese Schicht ab und behandelt dieselbe dann mit rauchender Salpetersäure und Kalilauge auf die bekannte Weise, so erhält man die Purpurfärbung des Guanin ete. Kali- 226 Ph. Bertkau: lauge und Salzsäure machen sie rasch verschwinden, Aetzammoniak dagegen nicht. Aus der Salzsäurelösung krystallisiren nach dem Verdunsten die baumartigen Krystallgruppen aus, die bei der gleichen Behandlung des Guanin sich bilden. — Aus allen diesen Erscheinungen ziehe ich den Schluss, dass diese weisse Masse keine fettartige Substanz, sondern Guanin oder ein dem Guanin nahe verwandter Körper ist. Ich gebe zu, dass ich den vollen Beweis nicht geliefert habe, da ich eben kein Mittel gefunden habe, um diese weisse Masse von der letzten Spur des übrigen Gewebes, das ebenfalls Guanin enthält, zu trennen. Noch eine andere Erscheinung spricht dafür, dass wir es hier mit der Ausscheidung eines für den Stoffwechsel nieht weiter ver- wendbaren, und nicht mit der Ablagerung eines Reservestoffes zu thun haben, wie es die Fette doch im normalen Verlaufe sind. Das enorme Wachsthum der Eierstöcke zur Zeit der Fortpflanzung findet auf Kosten der Leber Statt, die um diese Zeit auf einen geringen Bruchtheil ihres früheren Volums reduzirt ist. Aber diese Reduktion erstreckt sich nicht auf die in Rede stehenden Massen, die vielmehr um diese Zeit und nach dem Eierlegen noch an Um- fang zunehmen. Wenn ich vorhin sagte, dass der weisse Stoff für den Stoff- wechsel nicht weiter verwendbar zu sein scheine, so schliesst dies nicht aus, dass er für das Leben der Thiere doch noch eine und vielleicht wichtige Rolle spiele. Und so ist es in der That, indem er wesentlich zur charakteristischen Zeichnung der Arten beiträgt. Das weisse Kreuz auf dem Hinterleibsrücken der Epeira diademata, das dieser Art ihren Vulgärnamen eingetragen hat, entsteht z. B. dadurch, dass an den betreffenden Stellen in der Haut kein Pigment abgelagert, wie schon Leydig hervorhob, und dass hier die weisse Schicht durch die durchsichtige Haut hindurchschimmert; an den übrigen Stellen wird sie durch die anders gefärbten Hautpigmente verdeckt. So ist es auch bei den übrigen Arten, wo immer erst der Mangel eines Hautpigmentes die tiefer gelegene Schicht sichtbar werden lässt. In biologischer Hinsicht ist daher bei diesen Spinnen der Fall ähnlich, wie bei der Raupe von Attacus Pernyi, von der Leydig (Bemerkungen über die Farbe der Hautdecke ... bei Insekten, dies. Archiv XII, S. 538) nachwies, dass die prächtigen Spiegelflecken ebenfalls in ihrer untersten Schicht einen Stoff enthalten, der wahrscheinlich Guanin Ueber den Bau und die Funktion der sog. Leber bei den Spinnen. 227 ist. Es bleibt übrigens noch zu untersuchen ob der Unterschied zwisehen der einfach weissen Farbe bei unseren Epeira-Arten und den irisirenden Farben von Zilla, Tetragnatha, Pachygnatha, aus- ländischen Meta und Argyrodes auf einer stofflichen Verschieden- heit beruht. Da es bekannt ist, dass den Schuppen von Alburnus lueidus ihr Glanz durch eine Verbindung von Guanin mit Kalk verliehen wird, so möchte etwas ähnliches auch bei Zilla u. s. w. Statt haben. Bevor ich diesen Gegenstand verlasse, seien mir einige Worte über die allgemeine Natur dieses „Zwischengewebes“ ge- stattet. Es kanu keinem Zweifel unterliegen, dass es den „Fett- körper“, die „Fettzellen“ u. s. w. der übrigen Arthropoden vertritt. Es zeichnet sich vor dem gewöhnlichen Fettkörper aber einmal dadurch aus, dass es zwischen und um die Blindsäcke des Darmes ein fast lückenloses Gerüst herstellt und dann dadurch, dass es sich nur zwischen diesen (und, wie gleich weiter ausgeführt wer- den wird, zwischen den Malpighi’schen Gefässen) ausspannt: auf die übrigen Organe, namentlich die Spinngefässe und Geschlechts- drüsen, greift es nieht über. Gerade durch dieses eigenthümliche doppelte Verhalten kommt die Vereinigung der Ausstülpungen des Darmes zu einer kompakten Masse, der Leber, zu Stande. 3. Die Malpighi’schen Gefässe. In dem vorher beschriebenen Zwischengewebe verlaufen nun die Malpighi’schen Gefässe. Dieselben besitzen eine kernhal- tige Tunica propria, die von den exzernirenden Epithelzellen aus- gekleidet ist. Letztere haben einen ovalen Kern mit Kernkörper- chen; ihr blassgelbes 'Protoplasma enthält eine grosse Anzahl kleiner rundlicher Körmer, die sich namentlich zwischen Kern und Lumen dichter drängen. Wohl durch zeitweilig eintretende Dehi- scenz der Zellwandung gelangen dieselben dann in das Lumen der Gefässe, das von ihnen manchmal prall angefüllt ist. Sie sind hier in einer klaren Flüssigkeit suspendirt, die sie aber wegen ihrer grossen Menge, da sie das Licht stark brechen, bei auf- fallendem Lichte milchweiss, bei durchfallendem schwarz er- scheinen lassen. Kohlensaures Lithion löst die Körperchen auf. Die Flüssigkeit, in der sie suspendirt sind, verdunstet sehr rasch, und sie bleiben dann als ein weisses Pulver zurück. Bei Atypus (und nach Wasmann bei den grossen Teraphosiden) sind sie 228 Ph. Bertkau: braun gefärbt, und diese selbe Farbe haben auch die ganzen Kanäle bei auffallendem Licht. Dasselbe ist bei Segestria der Fall, die also auch in diesem untergeordneten Punkte die nahe Verwandtschaft mit den Teraphosiden dokumentirt; wie sich un- sere übrigen einheimischen Tetrastieta, Dysdera und Harpactes, in dieser Hinsicht verhalten, habe ich nicht untersucht. Der braune Farbstoff dieser Kügelehen ist übrigens in Alkohol löslich und wird durch denselben extrahirt; daher erscheinen diese Kanäle bei Alkoholpräparaten der genannten Arten weiss wie bei den Tristieta. Indem die feinen Gänge zu gröberen zusammentreten, ent- stehen zuletzt die „Sammelgänge“, wie ich sie nennen will. Die früheren Beobachter geben deren nur zwei an, die sich dann un- regelmässig zwischen den Follikeln der Leber verästeln sollen, nur Ramdohr (Abhandl. über die Verdauungswerkzeuge der In- sekten, S. 208 Tab. XXX) giebt von ihnen unter der Bezeichnung „Gallengefässe‘“ eine richtige Darstellung. Wie ich nämlich durch Schnittserien festgestellt habe, hat man vier solcher Sammel- gänge zu unterscheiden, von denen allerdings das eine Paar in das andere einmündet (vgl. Fig. 6 und 7). Das letztere begleitet, rechts und links neben und etwas über dem Darm verlaufend, diesen durch den ganzen Hinterleib bis fast zum Cephalothorax- stil. Das andere Paar zweigt sich von diesem fast recht- winkelig nach aussen und in die Höhe ab, biegt dann wieder rechtwinkelig nach vorn um und verläuft so dem ersteren im All- gemeinen parallel, lässt sich aber nicht so weit nach vorn verfolgen wie dieses. Ich habe nicht gefunden, dass auf dem ganzen geschil- derten Verlaufe ein kleines Gefäss in diese Sammelgänge einge- mündet hätte und nehme an, dass dieses auch nicht stattfindet. Man muss, unter Voraussetzung der Richtigkeit dieser Annahme, demnach schliessen, dass alle im hinteren Theile des Hinter- leibes gelegenen Gefässe sich nach vorn wenden und erst hier zu den Sammelgängen zusammentreten, wobei vielleicht das obere Paar für den oberen Theil, das untere für den unteren und den unter dem Darm gelegenen Theil der Drüse bestimmt ist. Die Endigungsweise der Malpighi’schen Gefässe habe ich nieht ermitteln können. Nach Wasmann (a. a. O. S. 149) und Plateau (S. 48) endigen sie mit einer Ansehwellung blind. Mir ist es nicht gelungen, ein solches blindes Ende aufzufinden, und jedenfalls kom- Ueber den Bau und die Funktion der sog. Leber bei den Spinnen. 229 men weit mehr Anastomosen als blinde Enden vor. Auch nach Leydig (a. a. ©. I. S. 466) hängen sie „mit ihren Endverzwei- gungen zwischen den Endbläschen der Leber netzförmig zusam- men“. Das würde dem durch Stecker von Gibbocellum gemel- deten Befunde entsprechen, wo aber, nachdem sich die Haupt- gefässe in ein Netzwerk von feineren Gefässen aufgelöst haben, die letzteren wieder zu einem längeren, kräftigeren Stamm zu- sammentreten, der seinerseits blind endigt; s. A. Stecker, Ana- tomisches und Histiologisches über Gibbocellum, in Troschel’s Arehiv XL. 1. S. 328 Taf. XIX f, g. Die Sammelgänge münden in eine weite, elliptische, gewöhn- lich von oben nach unten zusammengedrückte Tasche, Kloake, welche von Duges (Regne animal von Cuvier) bei Cteniza caemen- taria, also einem jetzt zur Gattung Nemesia gerechneten Vertreter der Tetrasticta, in einer in die gebrauchtesten Handbücher überge- gangenen Abbildung als eine einfache Erweiterung des Enddarmes dargestellt wurde. Bei Atypus, Segestria und den Tristieta habe ich andere Verhältnisse gefunden; Wasmann und Blanchard bei den grossen Teraphosiden, und Plateau bei den Tristieta eben- falls, so dass sich die Dug£s’sche Zeichnung, wenn sie überhaupt richtig ist, niebt wohl als typische empfiehlt. Die Kloake ist nämlich nicht eine Erweiterung, sondern eine obere Ausstül- pung des Darmes, oberhalb dessen sie sich bei manchen Arten bis in das zweite Drittel des Hinterleibes nach vorn erstreckt, am weitesten unter den von mir untersuchten Arten bei Ocyale mira- bilis. Der Darm mündet an ihrer Unterseite und zwar fast am hinteren Ende in sie ein; kurz zuvor haben sich auch die beiden unteren Sammelgänge der Malpighi schen Gefässe mit ihr vereinigt; vgl. Fig. 6 und 7. Da sie demnach sowohl die Aus- scheidungen der Harngefässe als auch die Dejektionen des Darmes aufnimmt, so rechtfertigt sich der von mir gewählte Name von selbt; Dug£&s hat die indifferente Bezeichnung poche rectale, Wasmann Mastdarmtasche, Plateau poche stercorale. Die Wandung der Kloake besitzt einen deutlichen Muskel- beleg, der schon von Wasmann erwähnt wird. Derselbe gab auch bereits an, dass man eine doppelte Schicht zu unterscheiden habe: eine äussere von Längsmuskeln und eine innere von quer verlaufenden, und dass diese Muskeln quer gestreift seien. Ich finde bei Amaurobius ferox (s. Fig. 7), dass die Muskelfasern mit 230 Ph. Bertkau: ihren feinen, bisweilen in Aeste aufgelösten Enden in dem Zwi- schengewebe beginnen, dieses schräg durchsetzen und anfänglich in der Längsrichtung der Kloake verlaufen, um hernach quer umzubiegen; insofern wäre also keine doppelte Muskelschicht an- zunehmen. Auf der Unterseite der Kloake ist das Muskelnetz am stärksten und breitet sich auf den Darm aus; einzelne ganz feine Fasern umgeben auch die Sammelgänge der Malpighi’schen Ge- fässe. — Das Epithel der Kloake ist aus sehr hohen, spitz kegel- förmigen Zellen mit einem der Basis genäherten Kern und fein- körnigem Inhalt gebildet; Plateau’s Darstellung (a. a. O. Fig. 36 und 37 auf Pl. I), die sich nicht auf Querschnitte stützte, ist nicht zutreffend. Der verschiedenen Natur der in die Kloake mündenden Or- gane entsprechend ist auch ihr Inhalt zweierlei Art: Harn und Koth. Beide Ausscheidungen sind gewöhnlich so vertheilt, dass der Kotlı die Mitte einnimmt und ringsum vom Harn umgeben ist. Nur selten ist er eine einzige zusammenhängende Masse, gewöhnlich besteht er aus kleinen, durch den Harn getrennten Brocken, die bei auffallendem Licht schwarz, bei durchfallendem grünlich oder braunroth aussehen. Bei der Entleerung werden, wenn beide Massen in der Kloake vorhanden sind ’), auch beide gleichzeitig nach aussen befördert, in Gestalt eines weissen Tröpfchens, das in seiner Mitte eine verschieden grosse Anzahl kleiner schwarzer Brocken, eben die Kothballen, enthält. Letztere täuschen leicht kleine Trümmer der Chitinbekleidung der Insekten, die die Nah- rung der Spinnen ausmachen, vor und wurden selbst von dem vorsichtigen Menge (Ueber die Lebensweise der Arachniden; Neueste Schriften der Naturforschend. Gesellsch. in Danzig, IV. 1. S. 19) dafür gehalten. Schon Plateau hat indessen diesen Irrthum in bündiger Weise berichtigt; er beschreibt diese schwarze Ballen als verschieden gestaltete, gewöhnlich elliptische Körper, deren dunkeler Centraltheil feine gelbliche, grünliche oder rothe Granu- lationen und gelbe Fettkügelchen enthält und von einer homo- genen, gewöhnlich farblosen Schicht umgeben ist. Ueber den Ur- sprung der letzteren äussert er die Vermuthung, dass sie von dem Epithel des Mitteldarmes — dazu rechnet Plateau noch das Stück Darm zwischen den letzten Einmündungen der Leber und seiner 1) Nach längerem Fasten fehlen die Kothballen. Ueber den Bau und die Funktion der sog. Leber bei den Spinnen. 231 Mündung in die Kloake — sezernirt werde. Ich möchte diese Vermuthung dahin, präzisiren, dass die drüsigen Elemente des Zwischengewebes, für die eine andere Verrichtung nicht wohl an- zunehmen ist, bei der Bildung dieser Haut in erster Linie be- theiligt sind; vgl. oben S. 224. Die Angabe Plateau’s (a. a. O. S. 94), dass die Spinnen „n’absorbent que les parties reellement liquides“ ihrer Beute, kann leicht so missverstanden werden, und scheint von Plateau auch so gemeint zu sein, als ob die Spinnen bloss das Blut u. 8. w. ihrer Opfer saugen. Nun kann man sich aber leicht durch Untersuchung eines ausgesogenen Insektes, einer Fliege z. B, von dem Gegentheil überzeugen: während eine bloss ge- tödtete Fliege noch nach Jahren die vertrockneten Muskeln und andere eingetrocknete Theile deutlich erkennen lässt, zeigt eine von einer Spinne „ausgesogene“ Fliege nur die ganz leere Chitin- hülle. Schon dieser Umstand lässt vermuthen, dass die Spinne zunächst die festen Bestandtheile ihrer Beute flüssig macht und sie dann aufsaugt. Und so ist es in der That. Einem Amau- robius, der etwa 10 Minuten lang an einer Musca vomitoria, und zwar am Thorax, gesogen hatte, nahm ich die Beute weg und überzeugte mich, dass der grösste Theil der kräftigen Thorax- muskeln noch unverändert war. Nach 6 Stunden bereits war aber die gesammte Thoraxmuskulatur in eine einzige zähflüssige Masse verwandelt, in der die Tracheenintima die einzigen unver- änderten festen Theile waren; die Muskulatur einer gleichzeitig getödteten, sich selbst überlassenen Scehmeissfliege zeigte nach Verlauf derselben Zeit keine nennenswerthen Veränderungen. Den- selben raschen Verfall der Muskeln erhielt ich bei einer anderen Schmeissfliege, auf deren blossgelegte Thoraxmuskeln ich ein Stückehen Leber gebracht hatte. Hierdurch wird es wahrschein- lich, dass die Flüssigkeit, welche die Spinne über ihre Beute ergiesst und wodurch die Fleischtheile derselben verflüssigt wer- den, das Sekret der Leber ist: bestärkt wird diese Annahme da- durch, dass es weder Plateau, noch mir gelang, aus dem Ce- phalothorax irgend ein Ferment auszuziehen. Die Giftdrüse spe- ciell erwies sich, mit Insektenmuskeln zusammengebracht, als ganz unwirksam. Wie dem aber auch sein mag, jedenfalls be- steht für die Spinnen das bemerkenswertlie Verhältniss, dass die 232 Ph. Bertkau: Verdauung ihrer Nahrung eingeleitet wird, bevor sie dieselbe zu sich genommen haben. 5 Der übrige Inhalt der Kloake wird derselben durch die Malpighi’schen Gefässe zugeführt, mit deren Sekret er natürlich übereinstimmt; nach längerem Fasten ist er der alleinige Inhalt. Davy (Additional notice on the urinary excerements of Insects, with some observations on that of Spiders in Edinburgh New Philos. Journal XL, nach Berzelius’ Jahresbericht 27. Jahrg. 3. Heft) glaubte in ihm Xanthin gefunden zu haben; Gorup- Besanez und Will dagegen erkannten in den Exkrementen von Epeira diademata Guanin (Guanin ein wesentlicher Be- standiheil gewisser Secrete wirbelloser Thiere, in Ge- lehrte Anzeigen herausgeg. von Mitgl. d. k. bayer. Akademie d. Wissenschaften, XXVII Nr. 233 S. 825 ff. [22. Nov. 1848]), und Plateau bestätigt diese Angabe für eine ganze Reihe von Gat- tungen. Ich muss dem Chemiker von Fach die Entscheidung der Frage überlassen, ob nicht doch Xanthin in den Spinnenexkre- menten enthalten sei, oder ob das Guanin hier in einer Modifi- kation vorkommt mit Eigenschaften, die sonst dem Xanthin zuge- schrieben werden. Manche Handbücher geben nämlich als Unter- schied zwischen beiden die Löslichkeit des Xanthin in Aetzammo- niak an, während Guanin sich nur in Kalilauge lösen soll. Nun habe ich aber wiederholt beobachtet, wie grössere Mengen von Exkrementen (natürlich nur der weisse Bestandtheil derselben) sich in Aetzammoniak lösten, die weissen Massen dagegen, die bei Epeiriden u. s. w. in der oberflächlichen Lage des Zwischenge- webes auftreten, waren in Ammoniak unlöslich, löslich in Kali- lauge. Diese also erst würden richtiges Guanin sein. Wie gesagt will ich diese Frage hiemit aber nur angeregt haben. Aber gleich- viel, die Purpurinreaktion, die man bei Behandlung der Exkre- mente mit rauchender Salpetersäure und Ammoniak erhält, macht die exkretorische Natur der Malpighi’schen Gefässe unzweifelhaft. B. Die Funktion der „Leber“. Fragen wir nun nach der Bedeutung des Organkomplexes, den ich auf den vorhergehenden Blättern zu schildern versucht habe, so zeigt ein Blick auf die Ansichten meiner Vorgänger, dass die- Ueber den Bau und die Funktion der sog. Leber bei den Spinnen. 233 selben z. Th. recht weit auseindergehen. Ramdohr (a. a. ©. S. 207) hielt die Drüse für einen Magan, Treviranus (a.a. 0. S. 20 ff.) anfänglich für einen Fettkörper; Marcel de Serres (Sur les usages du vaisseau dorsal; Mem. du Museum. Paris t. V. p. 94) für eine Leber, und bei den späteren Anatomen hat sich die Gewohnheit eingebürgert, mit dem von M. de Serres ge- wählten Namen auch die Vorstellung einer der Leber der Wirbel- thiere gleichen Bedeutung zu verbinden. Doch hat es auch nicht an solchen gefehlt, die in dem Organ eine Kombination von mehreren sahen. So Duge&s (a. a. ©. S. 180), der sie Leber nennt und ihr eine unzweifelhafte Abscheidung der Galle zuschreibt, sie daneben aber auch als zweiten Magen, als reservoir aux sues ali- biles, in Anspruch nimmt. Wasmann (a. a. OÖ. S. 145-151) nennt sie zwar Fettkörper, sieht in ihr aber eine „appendikuläre Drüse des Darmkanals“, deren Follikel sich mit der flüssigen Nahrung füllen und deren Chylifikation vollziehen. Etwas deut- licher spricht sich Grube (a. a. O. S. 209) über die Trennung der Drüsensäckchen und des ‚Fettkörpers“ aus. Die ersteren sieht er als blinde Erweiterungen des Darmes an und beschränkt den letzteren Namen auf die Masse, die nach Ausschluss dieser Follikel, der Malpighi'schen Kanäle und Blutgefässe übrig bleibt. Abgesehen von Wasmann, der wenigstens die chemische Kon- stitution seines „Fettkörpers“ experimentell zu begründen suchte, unterliessen es die übrigen Autoren, ihre Ansichten über die sekre- torische Natur der Drüse durch irgend welche Versuche zu stützen. Erst Plateau zog in seinen vortrefflichen und breit angelegten Untersuchungen über die Verdauung der Gliederfüsser zuletzt auch die Spinnen in den Kreis seiner Studien und wies durch mehrere Versuche nach, dass die „Leber“ der Spinnen manche Umwand- lungen organischer Substanzen hervorrufe, die man von der Bauch- speicheldrüse der Wirbelthiere kennt, dass dagegen die für die Leber der Wirbelthiere charakteristischen Eigenschaften ihr nicht zukommen: sie löst Fibrin, Muskeln, gekochtes Eiweiss auf, ver- wandelt Stärkemehl in Glykose und bildet aus Fett eine Emulsion; der Nachweis von Gallensäuren und Gallenfarbstoffen gelang Plateau nicht. Auf die rein sezernirende Thätigkeit beschränkt nun Plateau die Funktion der Drüse. Ich betrachtete es als eine unabweisliche Aufgabe, die Plateau’schen Versuche wenn auch mit Abänderungen zu wie- 234 Ph. Bertkau: derholen und will hier zunächst einige Experimente mittheilen, welche zur Bestätigung der Plateau’schen Ansicht von der verdauenden Funktion des Sekretes der Drüse dienen und zu- gleich geeignet sind, die Eigenschaften des Sekretes näher ken- nen zu lehren. Die getrockneten Leber von 12 ausgewachsenen Exemplaren von Tegenaria atrica wurden zerkleinert und, in drei gleiche Theile getheilt, zu Verdauungsgemischen verwandt. Der eine Theil wurde bloss mit destillirtem Wasser und Fibrin zusammengebracht; den anderen Mischungen wurde 0,075-pro- zentige Salzsäure, beziehungsweise l-prozentige Sodalösung zuge- setzt; die Menge des Fibrins war in allen drei Fällen die gleiche. Nach 18—24 Stunden war der grösste Theil des Fibrins aufgelöst, und die Flüssigkeit zeigte deutlich die Peptonreaktion. Das von mir angewandte Verfahren zum Nachweis des Peptons ist das be- kannte: Neutralisiren und Abfiltriren der Flüssigkeit, der ein paar Tropfen des durch Eingiessen von Kalilauge in Kupfervitriol- lösung entstehenden blauen Kupferoxydhydrat zugesetzt werden; ist in der Flüssigkeit Pepton vorhanden, so ändert die Farbe in Violett. Diese Reaktion trat nun in allen drei Fällen ein; am geringsten war die Peptonentwickelung bei dem neutralen, am stärksten bei dem alkalischen Gemisch. Ich schliesse daraus, dass die Drüse zweierlei Fermente, ein tryptisches und ein peptisches liefert, die, weit entfernt, durch verdünnte Säuren oder Alkalien zerstört zu werden, an fermentirender Wirkung gewinnen. Bei einem wässerigen und einem Glyzerin-Auszug von 8, resp. 10 frischen Lebern derselben Art ergab die angesäuerte Flüssigkeit die stärkste Reaktion, woraus zu schliessen ist, dass das tryptische Enzym in Wasser und Glyzerin weit löslicher ist als das peptische. Meine Versuche hinsichtlich der emulsionirenden Einwirkung auf Fette ergaben dasselbe Resultat, das Plateau erhalten hat. Die Leber verschiedener Arten (Meta segmentata; Zilla atriea; Amaurobius fenestralis u.a.) jede für sich mit einer etwa 8—10 mal so grossen Menge Olivenöls zusammengebracht, verwandelten dasselbe beim mehrmaligen Umkehren fast augenblicklich in eine Emulsion. Weniger bestimmt kann ich mich über das diastatische Fer- ment der Spinnenleber äussern. Ich verfuhr z. B. auf folgende Weise. Die Lebern von 3 Exemplaren von Zilla x-notata wurden getheilt; die eine Hälfte mit etwas Stärkekleisterlösung eine Viertel- stunde lang in der Achselhöhle erwärmt, und dann nach Trommer’s Ueber den Bau und die Funktion der sog. Leber bei den Spinnen. 235 Methode auf Glykose geprüft: ich träufelte 1—2 Tropfen Kupfer- sulphatlösung ein und setzte Kalilauge im Ueberschuss zu. Mit der anderen Hälfte der Leber verfuhr ich ebenso, ohne Kleister zugesetzt zu haben, und zur Vergleichung der Farbennüancen stellte ich mir eine Kupferoxydhydratlösung von derselben Konzentration wie in den beiden anderen Fällen her. Während die blosse Kupfer- oxydhydratlösung nun auch beim Erhitzen ihre blaue Farbe be- hielt, wurde die zweite Flüssigkeit farblos und die erste erhielt einen Stich in’s Rosafarbene; die letztere liess schon in der Kälte die blaue Farbe des Kupferoxydhydrats nicht aufkommen; die charakteristische gelbe Färbung trat beim Erhitzen nicht auf. Mit gleichem unbestimmten Erfolg änderte ich den Versuch so ab, dass ich zu einer konzentrirteren Lösung von Kupferoxydhydrat mit überschüssigem Alkali geringere Mengen von Stärkelösung, auf die ich vorher längere Zeit bei Körper- temperatur zerkleinerte Spinnenleber hatte einwirken lassen, zugoss und dann erhitzte; die sich bildenden wolkigen Massen hatten zwar einen etwas anderen Farbenton als die, welche sich ohne Zusatz des Kleister-Lebergemisches bildeten, aber nicht die gelbe Farbe, wie sie bei Anwesenheit von Zucker, der sich z. B. durch Ein- wirkung von Speichel auf Stärkemehl bildet, entsteht. — Ferner setzte ich einer durch Jod tief gebläuten Lösung von Stärkekleister die Leber von Zilla x-notata zu und erwärmte in der Achselhöhle. Bereits nach 5 Minuten war die blaue Farbe heller geworden, ging ins Violette über und war nach einer halben Stunde ganz geschwunden. — Es ist somit eine Einwirkung der Spinnenleber auf Stärkemehl unzweifelhaft nachgewiesen. Ob das Ausbleiben der Trommer'schen Reaktion auf Rechnung der zu geringen Mengen der gebildeten Glykose zu setzen ist, oder ob eine andere Zucker- art gebildet wird, das zu entscheiden muss ich anderen überlassen. Die ausschliesslich von thierischer Nahrung lebenden Spinnen könnten ja auch sehr gut ein Ferment entbehren, das auf einen vorzugsweise im Pflanzenreich vertretenen Körper einwirkt. Weber (a. a. O. S. 415 ff.) gelang es, in der Leber der Iso- poden und anderer Crustaceen Farbstoffe nachzuweisen, die mit den Gallenfarbstoffen der Wirbelthiere einen Vergleich aushalten, und Cadiat (Gazette medicale de Paris, 1878 S. 270 £.) glaubt seine an einigen Wirbellosen erhaltenen Resultate dahin erweitern zu können, dass „partout oü nous trouvons des amas de cellules 236 Ph. Bertkau: en rapport avee la cavite digestive et coloree par cette substance verte ou brune, nous pouvons affırmer l’existence d’une glande hepatique.“ Obwohl die Voraussetzung Cadiat's hinsichtlich der Leber der Spinnen vollauf zutrifft, so ist es mir doch nicht ge- lungen, die Gmelin’sche Reaktion mit ihrem Sekret zu erhalten. Ferner möchte ich auch daran erinnern, dass Cadiat in seiner Verallgemeinerung entschieden zu weit geht, indem er auch den Malpighi’schen Gefässen Analogieen de foncetions avee l’organe biliaire zuschreibt; danach hätten die Spinnen gar eine doppelte Leber. Nach unseren bisherigen Erfahrungen liefert also die „Leber“ ein Sekret, dessen Hauptaufgabe die Verwandelung von Fibrin u. s. w. in Pepton ist. Für Plateau ist die Sekretion die einzige Thätig- keit der Drüse. Dem gegenüber werde ich den Beweis liefern, dass auch die andere, zuerst von Ramdohr ausgesprochene An- sicht, derzufolge das Organ auch zur Aufnahme grösserer Mengen von Nahrung, also als Magen dient, ihre Berechtigung hat. Bevor ich indessen meine eigenen, nach dieser Richtung hin sich erstreckenden Beobachtungen mittheile, sei es mir gestattet, die von Duges und Wasmann für ihre Ansicht vorgebrachten Gründe zu rekapituliren und die Gegengründe Plateau’s zu be- leuchten. Bei Duges heisst es (S. 150): Donnez & une araign6e, ä& jeun depuis longtemps, une proie volumineuse, et bientöt son ventre se renflera consid&erablement, et certes, ce n’est pas la reple- tion du canal intestine seul qui peut produire de pareils effets. Wasmann räsonirt folgendermaassen (S. 150 f.): Betrachtet man die grosse Weite der Gänge, die bedeutender ist als die Fort- setzung des Darmkanals nach hinten, und den Umstand, dass die Verzweigungen dieser Gänge noch weit in den Fettkörper hinein beständig mit demselben milchweissen Kontentum, welches im Darm befindlich ist, sich gefüllt zeigen (ausser bei Thieren, die lange gefastet haben), so muss man zu der Ueberzeugung kommen, dass diese Gänge kein in der Drüse bereitetes Sekret zum Darm- kanal hinführen. ..... Der Chymus verbreitet sich vom hinteren Magen!) in die nach allen Richtungen verzweigten Gänge des Fettkörpers, und wenn in den letzten Endigungen derselben, den 1) So nennt Wasmann gleich vielen anderen die Erweiterung des Darmes am Anfang des Hinterleibes. Ueber den Bau und die Funktion der sog. Leber bei den Spinnen. 237 Drüsensäckehen, derselbe nicht mehr gefunden wird, so rührt dies daher, weil inihnen eben jener Form und Stoff ändernde chemisch- vitale Prozess vor sich geht, dessen Endresultat die Bildung eines für die Assimilation tauglichen Chylus ist. Ob nun etwas der Funktion der Leber und anderer Darmkanaldrüsen analoges in dem Prozess der Fettkörperdrüse liegt, ist schwer zu sagen; jedenfalls aber kann unter den berührten Verhältnissen der Fettkörper nicht mit der Leber anderer Thiere gleichgestellt werden, indem sein Zweck der der Chylifikation im Allgemeinen ist. — Schwierig bleibt es freilich, zu erklären, wie die bei der Assimilation als exkrementiell ausgeschiedenen Stoffe wiederum auf denselben Wegen zurückwandern können, um in die weitere Fortsetzung des Darmkanals zu gelangen, eine Schwierigkeit, die übrigens bei anderen niederen Thieren, wo bei vorhandenem After ein ver- zweigter Darmkanal sich findet, dieselbe ist.‘ — Ich habe diese Stelle desshalb in aller Ausführlichkeit hingesetzt, weil Wasmann hier die Frage sehr präzise formulirt hat. Ich will aber noch ausdrücklich bemerken, dass ich die Annahme, die „Gänge führten nicht ein in der Drüse bereitetes Sekret zum Darm“, nicht in dieser sanz starren Fassung zu der meinigen gemacht habe. Hören wir nun, wie Plateau diese Ansicht widerlegt! Er führt zweierlei an (S. 120): 1. „Es begiebt sich oft, dass man bei der Durehmusterung des Hinterleibstheiles des Mitteldarmes in demselben eine Säule von bräunlichen Massen findet mit Seiten- zweigen, die in die grossen exzernirenden Kanäle der Drüse sich hineinerstreeken; aber eine aufmerksame mikroskopische Prüfung zeigt, dass diese Massen nur Produkte der Hinterleibsdrüse selbst und keine in Verdauung befindlichen Stoffe sind; mit Leichtigkeit kann man dieselben braunen Granula in den unmittelbar benach- barten Zellen der drüsigen Blindschläuehe wiederfinden, und nicht selten sieht man Sekretionszellen, losgelöst und sphärisch geworden, sich der Gesammtmasse in den exzernierenden Kanälen und dem Darm zugesellen.“ — Wie man sieht, macht Plateau hier auf eine von Dug&s und Wasmann zwar nicht erwähnte, aber doch in ihrem Sinne verwerthbare, mir wohlbekannte Erscheinung auf- merksam. Ich komme auf diese Frage weiter unten noch einmal zurück und will jetzt blos auf den oben (8. 222) angeführten Unter- schied in dem Aussehen der Kontenta der Blindsäcke und des Darmes verweisen, der denn doch zeigt, dass mit den ersteren Archiv f. mikrosk, Anatomie. Bd. 23. 16 938 Ph. Bertkau: noch etwas vor sich gegangen sein muss, bevor sie die Beschaffen- heit der letzteren annehmen. — 2. „Andererseits strömt, wenn man die Haut des Hinterleibes einer wohlgenährten Spinne mit Vorsicht ritzt, augenblicklich eine beträchtliche Menge einer farblosen Flüssigkeit hervor und man bemerkt unmittelbar ein allgemeines Zusammenfallen der Haut des Hinterleibes. Wenn diese Flüssigkeit in der Vielheit der Zweige der exzernirenden Drüsenkanäle eingeschlossen wäre, so könnte sie in Folge einer Wunde nur langsam ausfliessen und würde nicht diese Durchsichtigkeit haben, die man stets bemerkt. Diese Flüssigkeit ist das Blut des Thieres, welches in Strömen zwischen den Eingeweiden kreist und welches man in hellen Tropfen aus der Schnittfläche eines gewaltsam mit der Scheere durch- schnittenen Gliedes hervorquellen sieht u. s. w. Bei den Spinnen geschieht genau dasselbe wie bei den übrigen Artieulaten.. Die flüssigen Verdauungsprodukte filtriren durch einen osmotischen Vorgang durch die Darmwände hindurch, um sich direkt mit der Blutflüssigkeit zu mischen, und man braucht keineswegs, wie Duges, vorauszusetzen, dass sie in die exzernirenden Kanäle der Hinter- leibsdrüse aufgenommen werde, um das verhältnissmässig rapide Wachsthum des Volum einer Spinne zu erklären, die ihre Beute ausgesogen hat.“ Wenn ich Plateau recht verstehe, so meint derselbe, die sich durch Ausglätten der Runzeln und Falten kund- sebende Ausdehnung des Hinterleibes einer Spinne, der man nach längerem Fasten nun Speise und Trank giebt, wäre auf die Blutflüssigkeit zurückzuführen. Das würde aber, da man die Volumzunahme des Hinterleibes einer trinkenden Spinne mit blossem Auge verfolgen kann, nichts anderes als eine augen- blickliche Filtration der Nahrung durch die Darmwandung be- deuten, also mit einer Schnelligkeit, wofür aus dem ganzen übrigen Thierreich kein Beispiel bekannt ist. Bei dem hohen Ansehen indessen, welches Plateau in der Frage der Verdauung der Arthropoden mit Recht geniesst, musste ich mich nach einem Mittel umsehen, welches diese Streitfrage der Willkür der Meinungen entrückte. Ich tränkte zu dem Zwecke verschiedene Spinnen!) mit durch Karmin gefärbtem Wasser und 1) Nicht alle Arten trinken gleich gern; Scytodes z. B. habe ich nie- mals zum Trinken gebracht. Am durstigsten sind die Lycosiden, dann auch Ueber den Bau und die Funktion der sog. Leber bei den Spinnen. 239 konnte nun in besonders günstigen Objekten (Segestria, Mierommata) die rothe Farbe schon durch die Haut des Hinterleibes hindurch- sehimmern sehen, punktförmig, gerade so, wie sich die Enden der Blindsäckehen darstellen. Deutlicher wurde das Bild, wenn ich die Haut des Hinterleibes z. Th. entfernte; wurde dabei die Leber selbst verletzt, so strömte aus der Wunde die rothe Flüssigkeit aus; lässt man das Thier leben, so bleibt das Karmin noch nach Tagen, ja Wochen, in den Blindsäcken eingeschlossen. Wurde ein Exemplar unmittelbar nach dem Trinken getödtet, gehärtet und hernach zerschnitten, so zeigte sich die ganze Leber, auch der am Bauche liegende Lappen, bis in die letzten Ausläufer hinein mit Karmin gefüllt; auch in dem Cephalothoraxtheile des Darmes befand sich dasselbe, nicht aber im Enddarm, d. h. in dem zwischen der letzten Einmündungsstelle der Leber und dem After gelegenen Theil. Aus diesem Verhalten geht nun unzweifelhaft und unweiger- lich hervor, dass die Drüsenblindsäcke zur Aufnahme und Auf- bewahrung grösserer Nahrungsmengen, d. h. also, als Magen, dienen. Der etwaige Einwand, dass das, was mit dem Trink- wasser geschieht, noch nicht mit der Nahrung geschehen müsse, hätte um so weniger Gültigkeit, als ja auch die Nahrung im engeren Sinne von den Spinnen nur in flüssiger Form aufgenommen wird. Und nun möchte ich noch darauf aufmerksam machen, dass es nach dem ganzen anatomischen Verhalten des Darmkanals und seiner Blindsäcke und nach dem Saugmechanismus unver- meidlieh ist, dass die Nahrung in diese Blindsäcke hineingelangt. Nach Plateau’s schöner Darlegung wirken die Mundwerkzeuge und der Oesophagus gewissermassen abwechselnd als Saug- und Druckpumpe. Jeder Druck muss die Flüssigkeit, die z. Th. durch die Kapillarität in den Oesophagus gestiegen ist, in jede mit dem Darm kommunizirende Höhle treiben, und das um so leichter, je weiter das Lumen ist. Und dieser Vorgang wiederholt sich so lange, kann sich wenigstens so lange wiederholen, bis der Druck Micrommata, Segestria, Tegenaria, Drassiden und Thomisiden. Segestria und namentlich Mierommata eignen sich wegen der durchsichtigen Haut ihres Hinterleibes besonders zu solchen Versuchen. — Auf dieselbe Weise habe ich auch das Verweilen der Nahrung in den Blindsäcken des Cephalo- thorax beobachten können, während die Bemühungen Plateau’s nach dieser Richtung hin erfolglos blieben. 940 Ph. Bertkau: der aufgenommenen Flüssigkeit auf die Wand der mit ihr erfüllten Räume die Rlastizitätsgrenze des Verschlussapparates im Cephalo- thorax erreicht hat. Nun werden zwar immer die Blindschläuche der Leber kleine Mengen des Sekretes enthalten, die aber gegen- über der grossen Kraft des Saug- und Druckapparates im Cephalo- thorax kaum in Betracht kommen. — Dass die Blindsäcke der „Leber* in grösseren Mengen unverdaute Nahrung in sich aufnehmen, darf demnach als eine feststehende Thatsache gelten, von deren Richtig- keit sich jeder durch ein leichtes Experiment überzeugen kann. Dass dabei auch zugleich an Ort und Stelle die Einwirkung des Drüsen- sekretes auf die Nahrung, also die Chylifikation, vor sich geht, darf ebensowenig bezweifelt werden; eine weitere Frage ist aber die, in welchem Theile des Darmkanals denn die Resorbtion der auf- genommenen Nahrung stattfindet. Dieser Frage ist Plateau überhaupt nicht näher getreten. Stellt man sich auf seinen Standpunkt, so kommt für die Resorbtion nur der im Hinterleib gelegene Theil des eigentlichen Darmes (mit Ausschluss der „Leber“) in Betracht. Von diesem ist aber, in Plateau’s Sinne, wiederum die vordere, weitere Partie, die ja mit ihrer drüsigen Wandung und ihren Ausstülpungen selbst nur einen Theil der Leber ausmacht, auszuschliessen, so dass nur der enge Theil von der Mündung des letzten Paars der Ausführungs- gänge der Leber bis zur Kloake übrig bleibt. Dieses Darmstück ist aber zum Resorbtionsgeschäft möglichst schlecht geeignet, nicht nur wegen der Enge des Lumens, sondern auch aus dem Umstand, dass es zeitweilig von Exkrementen ganz angefüllt ist. Und da die Exkremente in diesem ganzen Theile des Verdauungstraktus dieselbe Beschaffenheit zeigen, so liegt darin eine weitere Veran- lassung, die Resorbtion als bereits vollendet anzusehen, wenn die Speisereste bis hierher gelangt sind. Schon hieraus geht hervor, dass der Sitz der Resorbtion ebenso wie der der Chylifikation wahr- scheinlich in der Leber zu suchen ist, und was das Räsonnement nur wahrscheinlich machte, das erhebt das Experiment zur Ge- wissheit. Tödtet man nämlich eine mit Karminwasser getränkte Spinne nicht sofort, sondern nach etwa 6 Stunden oder später, so ist das Karmin zum grossen Theil in die Zellen der Leber auf- genommen, und es ist nicht abzusehen, warum das, was hier mit dem Karmin geschehen ist, nicht auch mit den assimilirten Nahrungs- stoffen stattfinden sollte. Ueber den Bau und die Funktion der sog. Leber bei den Spinnen. 241 Es hat auf den ersten Blick etwas befremdendes, demselben Organ die drei Geschäfte der Sekretion, Assimilation und Resorbtion zugeschrieben zu sehen, aber dieses Befremden rührt doch wohl in erster Linie daher, weil unsere physiologischen Vorstellungen allzusehr von den bei den Wirbelthieren gültigen Verhältnissen be- herrscht werden. Aber wenn schon auch bei den Wirbelthieren zwei dieser Vorgänge theilweise kombinirt sein können, so ist kein stichhaltiger Grund anzugeben, warum nicht auch der dritte in demselben Organ statthaben sollte, und dieses um so weniger, als die Verschiedenheit der Zellen der Spinnenleber eine doppelte Funktion andeutet. Bezüglich der Sekretion und Assimilation könnte man auf denselben Unterschied wie zwischen den Tracheen und Lungen, resp. Kiemen hinweisen: während gewöhnlich die Sekrete die Nahrungsstoffe aufsuchen, gelangen nach unserer Vor- stellung bei den Spinnen die Nahrungsstoffe an die Bereitungs- stätte der verdauungskräftigen Sekrete, um an Ort und Stelle ihrer Bildung zugleich ihrer Einwirkung zu unterliegen. Und was die Resorbtion angeht, so ist in diesem Falle die Vergrösserung der resorbirenden Fläche, die gewöhnlich durch eine Verlängerung des Darmes erreicht wird, hier gewissermassen durch eine Ver- ästelung desselben erzielt. Die von Wasmann oben (8. 237) berührte Schwierigkeit, „wie die bei der Assimilation als exkrementiell ausgeschiedenen Stoffe wiederum auf denselben Wegen zurückwandern können“, hebt sich so, dass beide Vorgänge zunächst natürlich zeitlich ge- trennt stattfinden. Die Einwanderung der Nahrung geht nur während der kurzen Zeit des Saugens vor sich; sowie die Spinne ihre Mahlzeit beendet hat, beginnt dieallmähliche und viel langsamere Einleitung des zweiten Prozesses unter der Thätigkeit der Haut- muskulatur und der Dorsoventralmuskeln des Hinterleibes. Die Verschiedenheit in der Weite und histiologischen Beschaffenheit der Wandung der hinteren Ausführungsgänge von den vorderen hatte mich zu der Frage veranlasst, ob nicht die 2 oberen Haupt- kanäle schleifenartig in die unteren übergingen, sodass dann die Nah- rung nicht zweimal dasselbe Organ, aber in entgegengesetztem Sinne, passiren würde. Indessen habe ich diesen Zusammenhang nicht nachweisen können, und für den auf dem Bauche gelegenen Theil der Drüse bliebe doch die frühere Erklärung die einzig gültige. — Nach dem ganzen. Sachverhalte sagt indessen die Bezeichnung 242 Ph. Bertkau: „Ausführungsgang“ für die Stelle, wo ein Drüsenfollikel mit dem Darm zusammenhängt, zu wenig. Weiter ergiebt sich nun aus unserer Darlegung eine andere Auffassung des Theiles des Darmes, der sich von den beiden hinteren „Ausführungsgängen der Leber“ bis zum After erstreckt. Plateau rechnet den vor der Kloake gelegenen Theil noch zum Mitteldarm und beschränkt den Enddarm auf das ganz kurze Stück zwischen Kloake und After. Ist es aber richtig, dass auch der erstere Theil nur Koth enthält, so muss auch er bereits zum Enddarm gezogen werden. Man wende hiergegen nicht ein, dass die Malpighi’schen Gefässe weiter hinten ausmünden. Denn die Regel, von der Ein- mündungsstelle der Malpighi’schen Gefässe an den Enddarm zu rechnen, kann nur den Sinn haben, dass der Mitteldarm nicht über jene Einmündungsstelle hinausreicht; sehr wohl kann er aber be- reits früher zu Ende sein. Diese meine Auffassung wird auch dureh Balfour’s entwickelungsgeschichtliche Studien unterstützt; s. dessen Notes on the development of the Araneina in Stu- dies from the Morphol. Laboratory, Cambridge, S. 120 f£. Nach allem, was sich über die Funktion der „Leber“ hat er- mitteln lassen, ist gerade der am meisten gebräuchliche Name der am wenigsten gerechtfertigte. Plateau ersetzte ihn durch den indifferenten „Hinterleibsdrüse“, „glande abdominale“. — Um auch durch den Namen auf drei der Hauptresultate meiner Untersuchungen hinzuweisen, schlage ich vor, das Organ „Chylus- magen“ zu nennen. Es liegt nahe, zuzusehen, in wie weit bei den übrigen Ordnungen der Arachniden die „Leber“ ebenfalls als Chylusmagen anzusehen sei. Bei den höher organisirten Ordnungen, den Solifugen, Phryniden, Thelyphoniden, Scorpionen ist nach Blan- chard die Uebereinstimmung in dem gröberen anatomischen Ver- halten eine vollkommene: die „Leber“ besteht aus einer Unzahl von kleinen und kleinsten Blindsäckeben und überwiegt an Masse die des übrigen Darmkanals beträchtlich. Abweichungen sind hin- sichtlich der Zahl der „Ausführungsgänge* zu registriren, deren Blanchard bei Phrynus 4, Thelyphonus und Scorpio 5 Paar an- giebt, wobei indessen daran zu erinnern ist, dass er auch bei „Mygale“ neben den beiden Paaren grösserer Stämme auch noch 2 kleinere mehr nach vorn gerückte andeutet. Bei den Opilionen ist die Zahl der Blindsäcke (auf 30) ver- “ N 4 Ueber den Bau und die Funktion der sog. Leber bei den Spinnen. 243 mindert, das Volumen der einzelnen vergrössert und alle kommuni- ziren direkt mit dem Darmkanal, ohne sekundäre Ausstülpungen zu bilden, oder vielmehr, sie verästeln sich soforf, nachdem sie sich jeder- seits mit 3 Oeffnungen vom Darm abgezweigt haben. Zieht man den geringen Umfang des Darmkanals einerseits, das bedeutende Volum dieser 30 Blindsäcke und die Weite ihrer Mündung am Darm andererseits in Betracht, so wird man hier unwillkürlich zu der Annahme gedrängt, dass die Nahrung in dieselben übergeht, wie sie denn auch seit lange als „Magenblindsäcke‘‘ bezeichnet werden. Gerade diese einfachen Verhältnisse der Opilionen waren es, die Ramdohr veranlassten, auch in dem entsprechenden Organ der Spinnen einen Magen zu sehen. — Bei Gibbocellum, das einen Uebergang von den Opilionen zu den Chernetinen bildet, scheint nach Stecker's Darstellung (a.a. O.S. 327 Taf. XIX) die „Leber“ mit je 2 weit von einander entfernten, engen Gängen mit dem Darm zu kommuniziren, und somit für eine rein sekretorische Funktion geeignet zu sein; doch deutet Stecker selbst an, dass diese Dar- stellung nach erneuter Untersuchung eines reicheren Materials vielleicht einer anderen Platz machen werde. In der Beschreibung des Darmkanals der Chernetiden weist Menge (Neueste Schriften d. Naturf. Gesellschaft in Danzig, V. Bd., 2. H. Nr. 2, S. 12 ff, Taf. II, Fig. 5—7) selbst darauf hin, dass die „Leber“ möglicher Weise auch andere Funktionen als die in ihrem Namen angedeuteten haben könnte. Sie stehe durch viele Gefässe mit dem Darmkanal in Verbindung; die Koth- bildung beginne unmittelbar hinter der Leber; es scheine, dass auch aus dem Darmkanal Gefässe in die Leber führen, „da der Nahrungssaft doch irgendwo bleiben muss; das Organ wäre dann freilich nicht Leber zu nennen“. Bei den Milben endlich liegen die Verhältnisse wiederum noch einfacher als bei den Opilionen, worüber man Henking's „Beiträge zur Anatomie, Entwickelungsgeschichte und Biologie von Trombidium fuliginosum Herm.“ (Zeitschr. f. wissensch. Zool. XXXVI, S. 570 ff, Taf. XXXIV, Fig. 8, 9) vergleichen möge. Konnte Henking auch den Zusammenhang der „Leber“ mit dem Darmkanal nicht genau ermitteln und giebt auch die Fig. 9 hinsichtlich der Darstellung des Enddarmes zu gerechten Zweifeln an ihrer Richtigkeit Anlass, so geht doch soviel aus der sehr sorgfältigen und reichhaltigen Abhandlung hervor, dass die 244 Ph. Bertkau: „Leber“ vermöge der Weite ihres Lumens nicht einfach sezernirendes Organ ist; Henking glaubt in ihr Nahrungsreste aufgefunden zu haben und nennt sie daher geradezu „Lebermagen“. — Bei den Pantopoden und Tardigraden tritt das Organ wieder einfach als drüsige Ausstülpungen und Theile des Darmes auf, so über seine doppelte Natur keinen Zweifel lassend. Zusammenfassung. Die „Leber‘‘ der Spinnen entsteht dadurch, dass der erweiterte Theil des Darmes im Anfang des Hinterleibes eine beträchtliche Zahl kleinerer und grösserer Ausstülpungen bildet, die sich weiter und weiter verästeln und durch ein Zwischengewebe zu einer anatomischen Einheit verbunden werden. Unter den Darmausstülpungen sind5 von bedeutenderem Um- fange: eine befindet sich vorn auf der Unterseite des Darmes; die übrigen paarweise weiter nach hinten auf der Oberseite; das hintere Paar ist anfangs eng und hat in seiner Wandung Muskel- fasern (?). Die Ausstülpungen wie der Darm an der Stelle, wo er sie bildet, sind drüsiger Natur. Unter den Epithelzellen sind zwei Arten zu unterscheiden: kleinere eiförmige, mit grossen farb- losen Kugeln dieht gefüllte, und grössere, keulenförmige, deren Inhalt unter anderem aus kleinen Krystallen und grösseren Tropfen von gelber, brauner, grüner Farbe besteht. Die Hauptwirkung des Sekretes dieser Drüsenzellen ist die Auflösung und Verdauung von Fibrin, gekochtem Hühnereiweiss u. s. w. Die Spinnen nehmen keine Nahrung in fester Form zu sich. Die assimilirbaren festen Bestandtheile ihrer Beute, Muskeln u. s. w. lösen sie auf und saugen den flüssigen Brei. Derselbe gelangt bis in die letzten Verzweigungen der Darmausstülpungen. Der Enddarm beginnt unmittelbar hinter dem letzten Paar der Darmausstülpungen. Die Malpighi’'schen Gefässe verlaufen in dem Zwischenge- webe. Ihre Ausscheidung ist Guanin oder ein verwandter Körper. Derselbe oder ein verwandter Körper findet sich bei vielen Arten auch in der Aussenschicht des Zwischengewebes abgelagert und betheiligt sich in hervorragender Weise an der Färbung und Zeichnung des Thieres. Nach dem gegenwärtigen Stande unserer Kenntnisse ist es Ueber den Bau und die Funktion der sog. Leber bei den Spinnen. 245 angemessen, den Namen „Leber“ bei den Spinnen durch „Chylus- magen“ zu ersetzen. Zum Schluss ist es mir eine angenehme Pflicht, Herrn Prof. M. Nussbaum für die vielfache Unterstützung, deren ich mich von seiner Seite bei dieser Arbeit zu erfreuen hatte, aufrichtigen Dank abzustatten. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XI. Fig. 1. „Leber“ von Atypus affinis in situ, der Länge nach durch das Rückengefäss, der Quere nach durch vier von demselben ausgehende Gefässe getheilt. Medianer Längsschnitt durch Artanes margaritatus 4“ juv. Un- mittelbar unter der Rückenhaut des Hinterleibes verläuft das Rücken- gefäss, darunter der Darm, der vorn erweitert ist und unten eine, oben mehrere Ausstülpungen aufweist, von denen die letzte ausgezeich- net ist. — Hinten die Kloake als obere Ausstülpung des Darmes. Unter dem Darm die Spinngefässe und Hoden. Die Malpighi’schen Ge- fässe im Zwischengewebe sind schwarz gehalten. Zeiss I. A. Fig. 3. Querschnitt durch Art. margaritatus 9. Auf der rechten Seite ist der hinterste Ausführungsgang der Leber getroffen. Vergr. wie vorhin. Fig. 4. Drei Follikel von Amaurobius ferox im Querschnitt. In dem Zwischengewebe ein Malpighi’sches Gefäss im Längsschnitt und ein (6) Fig. grösseres quer durchschnitten. Zeiss I. F. Fig. 5. (Glykogen-?) Kugeln aus dem Zwischengewebe von At. affinis. Zeiss I. F. Fig. 6. Hinterleibstheil des Darmes von Trochosa terricola 4. Vorne ist derselbe erweitert mit zahlreichen Oeffnungen; das hintere Ende ist von der Kloake verdeckt, in die die beiden Sammelgänge der Mal- pighi’schen Gefässe münden; letztere nehmen kurz vorher noch zwei grössere Gänge auf. Fig. 7. Querschnitt durch Kloake, Darm und die unteren Sammelgänge der Malpighi’schen Gefässe von Amaurobius ferox. Die Muskelfasern der Kloake, des Darmes und der Sammelgänge verlieren sich im Zwischengewebe. 246 Eduard Strasburger: Die Controversen der indirecten Kerntheilung. Von Eduard Strasburger. Hierzu Tafel XIII und XIV. Die nachstehenden Untersuchungen sollen, so hoffe ich, dazu beitragen, einige der noch vorhandenen Controversen zu schlichten, respective deren Schlichtung anzubahnen. Auch bringen sie einige neue Thatsachen und werfen neue Fragen auf. Zunächst soll mit der eingehenden Schilderung des Theilungs- vorgangs an den freien Zellkernen im Wandbeleg des Embryo- sackes von Fritillaria imperialis begonnen werden. Dieses Object habe ich schon einmal beschrieben und abgebildet). Ich komme auf dasselbe zurück, weil mir jetzt Präparate von Herrn Emil Heuser zur Verfügung stehen, welche die Längsspaltung der Kernfäden zeigen. Diese Längsspaltung hatte Herr Emil Heuser bereits gesehen und im botanischen Centralblatte Bd. XVJ, p: 85 ff. beschrieben. Die in Frage stehenden Präparate sind aus Alcohol-Material gewonnen und nach der Safranin-Nelkenöl- respective der Gold- chlorid-Safranin-Methode hergestellt, oder auch mit Grenacher’schem Haematoxylin gefärbt. Zum Vergleich lagen mir auch mit 2% Chrom-Osmium-Essigsäure fixirte, mit Safranin-Nelkenöl weiter behandelte Präparate vor. In Fig. I gebe ich bei schwacher (90facher) Vergrösserung die Abbildung eines Wandbelegstreifens, an dem sämmtliche Thei- lungsstadien in fortschreitender Aufeinanderfolge zu sehen sind. Das Bild ist einem Alecohol-Safranin-Nelkenöl-Präparate entnommen und möglichst getreu nach der Natur copirt. Nur im obersten Ende bei 15 habe ich eine Verkürzung eintreten lassen und einige 1) Ueber den Theilungsvorgang der Zellkerne ete., p. 35, auch Archiv f. mikr. Anat. Bd. XXI, p. 476. Die Controversen der indirecten Kerntheilung. 247 vorgerückte Theilungsstadien von einem anderen Präparate einge- tragen. Dieses kam wenig in Betracht, da die Theilung hier be- reits vollendet war. Ein Blick auf die Figur zeigt, welche Vor- theile das Studium solcher Wandbelege gewährt. Da die Theilungs- stadien regelmässig in einer bestimmten Richtung fortschreiten, so kann über die Aufeinanderfolge der Stadien kein Zweifel entstehen. Was anderswo nur durch mühsame Untersuchung zusammenzu- bringen ist, hat man hier gleichzeitig vor Augen. Eine falsche Aneinanderreihung der Theilungszustände, die sonst auch bei sorgfältigster Untersuchung möglich bleibt, ist hier ausgeschlossen. Dabei sind alle Zellkerne des Wandbelegs, wie sich im ruhenden Zustande derselben feststellen lässt, gleich gross. Der Effect ist somit der nämliche, als wenn man aufeinanderfolgende Theilungs- stadien eines und desselben Zellkerns vor Augen hätte. Dazu kommt, dass diese Zellkerne zu den grössten der organischen Reiche gehören; in dem vorliegenden Präparat hatten sie eine Länge von durchschnittlich 0,06 mm aufzuweisen. Auch theilen sie sich alle in der nämlichen Ebene, so dass eine Verwechslung polarer und äquatorialer Ansichten ausgeschlossen ist. Sie präsen- tiren sich eben alle im Profil. Gleich vollkommene Präparate hatten mir bisher nicht vor- gelegen und gestatteten dieselben in der That einen tieferen Ein- blick in die Theilungsvorgänge, als mir bisher zu gewinnen ver- gönnt war. Der Fortschritt auf den complicirten Gebieten der Kern- theilung ist eben vollständig von der Vervollkommnung der Unter- suchungsmethoden abhängig gewesen, und um diese hat sich Flemming die grössten Verdienste erworben. Bemerkt sei hierbei gleich, dass sich für pflanzliche Objecte, mit Ausschluss etwa nur der Thallophyten, die mit absolutem Al- cohol fixirten Theilungsstadien meist ebenso gut, wenn nicht besser, bewähren, wie die nach anderen Methoden gehärteten. Mit Ausnahme der Fig. I, habe ich alle die hier in Betracht kommenden Figuren bei !/,; homogener Immersion von Zeiss, mit Zuhilfenahme des Abbe’schen Beleuchtungsapparates unter- sucht und gezeichnet. Der ruhende Zellkern (Fig. 22) zeigt zarte Fäden aus Kern- Protoplasma (Nucleoplasma), die ein Netzwerk (Kerngerüst) bilden. Die Fäden bestehen aus einer homogenen Grundsubstanz, die ich 248 Eduard Strasburger: als Hyaloplasma des Zellkerns (Nucleo-Hyaloplasma) unterschieden habe und aus Körnern, für welche ieh die Bezeichnung Mikro- somen des Zellkerns (Nucleo-Mikrosomata) in Vorschlag brachte. Diese Körner ') speichern Farbstoff auf. Sie zeigen etwas ver- schiedene Grösse. Zwischen den Fäden, denselben anliegend, sieht man die Nucleolen, die sich, wie auch Pfitzner neuerdings her- vorhebt ?), mit den gebräuchlichen Kernfärbungsmitteln meist in etwas anderer Nuance als die Nucleo-Mikrosomen färben. Zu äusserst wird das Kerngerüst umgeben von der Kernwandung, die sich nieht, oder doch nur zugleich mit dem angrenzenden Zell- plasma (Cytoplasma) tingirt und die ich als Hautschicht des Cyto- plasma auffasse, mit welcher sich jenes gegen die Kernhöhle ab- schliesst. Diese Hautschicht zeigt sich bei starker Vergrösserung porös und ist, so wie auch die äussere Hautschieht des Cyto- plasma ?), als äusserst feinporiges Netzwerk aus Cyto-Hyaloplasma aufzufassen. — Die Kernhöhle ist erfüllt von Kernsaft, Chyma des Zellkerns (Nucleo-Chyma), der allem Anschein nach eine ziem- lich diekflüssige Substanz repräsentirt, die bei starker Tinetion der Präparate unter Umständen eine gleichmässige, wenn auch wenig intensive Färbung annehmen kann. Eine Structur in dem Kern-Chyma zu erkennen ist auch in locker gebauten Zellkernen nicht möglich. Die in meinem Aufsatz über die Theilungsvorgänge der Zell- kerne benutzten Termini behalte ich hier somit bei. Dieselben sind zwar lang, aber haben den Vorzug an bekannte, bereits be- nutzte Ausdrücke anzuknüpfen. Aus diesem Grunde habe ich hier auch die vox hybrida der richtigeren Zusammensetzung mit Pyren oder Karyon vorgezogen, da eben Nucleus für Zellkern wohl bleibend eingebürgert ist. Die Bezeichnung Nucleochyma oder kürzer Nucleochym für Kernsaft wäre durch Plasmochym für den Cytoplasmasaft und Cytochym Zellsaft zu ergänzen. Das Plasmo- chym - spielt jedenfalls dieselbe Rolle im Gerüstwerk des Cyto- plasma, wie das Nucleochym im Gerüstwerk des Kerns und hat, 1) Vergl. auch Schmitz, Sitzungsber. der niederrh. Gesellsch. 13. Juli 1880. Sep.-Abdr. p. 15. 2) Archiv f. mikr. Anat. Bd. XXII, p. 618. 3) Auch Leydig (Unters. z. Anat. und Histol. d. Thiere, p. 75) giebt _ die Aussenfläche des Protoplasma als „durchlöchert“ an. Die Controversen der indirecten Kerntheilung. 249 wie manche Erfahrungen lehren, wohl auch dieselbe Consistenz. Das Cytochym ist aber der wässerige Zellsaft des Zelllumens und der Vacuolen. Ich habe in meiner letzten Publication im Anschluss an Balbiani!) die Ansicht vertreten, dass in dem ruhenden Zell- kern nur ein einziger Faden aus Nucleoplasma vertreten ist. Flemming?) tritt für ein verästeltes Balkenwerk ein, erkennt aber die Frage als diseutabel an. Bei der Fassung, die ich nun- mehr der Sache geben möchte, dürfte kaum ein Gegensatz zwischen Flemming und mir fortbestehen. Ich bin nämlich aus theore- tischen Gründen auch jetzt noch geneigt, das Fortbestehen eines einzigen Fadens im Kerngerüst anzunehmen, erkenne aber voll- ständig an, dass das Kerngerüst ein wahres Netzwerk bildet (Fig. 22). Der Fadenknäuel eines neu entstandenen Tochterkerns wird dadurch zum Netzwerk des ruhenden Kerns, dass seine Win- dungen sich seitlich an einander legen, respective verschmelzen, ja dass auch Verbindungsbrücken zwischen den Windungen aus- gebildet werden. Dass aber der Faden in diesem Gerüst fort- besteht, dafür spricht der Umstand, dass er sich aus demselben mit Eintritt der Theilungsphasen auch wieder herausbildet. Sollte er in dem Netzwerk seine Selbständigkeit völlig eingebüsst haben, so müsste es in der That auffallen, dass er sich als einziger, zunächst so eng gewundener, ineinandergreifende Windungen zei- gender Faden, fehlerfrei aus dem ruhenden Netzwerk wieder herausfindet. In der Auffassung des Kernsaftes als einer mehr oder weniger diekflüssigen Substanz stimme ich mit Flemming?) überein, und auch Flemming giebt an, den „Kernsaft“ tingirt zu haben. In einzelnen Fällen konnte ich um Kerngerüste, die sich innerhalb der Kernhöhle contrahirt hatten, eine sehr zarte Hülle erkennen, welche die Lücken des Kerngerüstes nach aussen abschloss. Ich nehme an, dass es sich bei dieser Erscheinung um die erhärtete Oberfläche des mit dem Kerngerüst zugleich contrahirten Kern- saftes handelte. Die Oberfläche, mit der dieser diekflüssige Saft 1) Zool. Anzeiger 1881. Nr. 99, 100. 2) Zellsubstanz, Kern und Zelltheilung, p. 113, 114 und 274. Bil. e.\p.: 175, 250 Eduard Strasburger: im lebenden Zustande des Objectes an die Kernwandung stösst, dürfte keinesfalls die Bezeichnung einer Hülle rechtfertigen }). Die einleitenden Phasen der Kerntheilung, die ich kurz die Prophasen nennen will, beginnen mit der Ausbildung des Faden- knäuels. Es differenzirt sich ein einzelner, reich gewundener Faden aus dem Netzwerk heraus. Dabei werden bestimmte Stränge des Netzwerkes eingezogen, seitliche Verbindungen gelöst, ein be- stimmter, fortlaufender Strang verstärkt. In diesem liegen die Mikrosomen nicht mehr in einfachen Reihen, wie dies in den Strängen des Netzwerkes meist der Fall war, schieben sich viel- mehr an einander vorbei und bilden mehrfache Reihen. An vielen Orten hat es den Anschein (vergl. Fig. 23), als wenn die zarten Stränge des Netzwerkes sich drahtfederartig einrollen, die Win- dungen verschmelzen möchten und so der dickere Strang erzeugt würde (Fig. 23); doch mag die Diekenzunahme der Stränge auch in einfacherer Weise, als unmittelbare Folge der Verkürzung sich einstellen 2). Eine Verkürzung der bevorzugten Stränge ist für alle Fälle mit eintretender Diekenzunahme verbunden. Die nächste Phase zeigt die ursprünglichen kleinen Mikrosomen zu grösseren verschmolzen, welche die ganze Dicke des Kernfadens einnehmen. Der Kernfaden besteht jetzt, wie Balbiani°?) und Pfitzner®) gezeigt haben, aus aufeinanderfolgenden, kurz tonnenförmigen Scheiben, die ich Mikrosomenscheiben nennen will und die durch sehr schmale Streifen von Zwischensubstanz, Hyaloplasma, getrennt werden (Fig. 32). Die Mikrosomensubstanz hat in dem, in die Theilungsphasen eingetretenen Kerne sehr bedeutend zugenommen; berücksichtigt man andererseits die geringe Menge des im Kern- faden in Gestalt von Zwischensubstanz vertretenen Hyaloplasma, so liegt es nahe, anzunehmen, letzteres sei zur Bildung der Mikro- somenscheiben zum Theil verbraucht worden. Denn im ruhenden 1) Erörterungen über diesen Gegenstand vergl. bei Pfitzner, Archiv f. mikr. Anat. Bd. XXI, p. 683. 2) So in den von Pfitzner untersuchten OÖbjecten, für welche der- selbe die drahtfederartige Zusammenziehung in Abrede stellt. Archiv f. mikr. Anat. Bd. XXII, p. 684. 3) Comptes rend. 30. Oct. 1876. Zool, Anz. 1881, Nr. 99, 100. 4) Morph. Jahrb. Bd. VII, p.289. Auch Baranetzky (Bot. Ztg. 1880, p- 284 und 285) sah diese Körner, hielt sie aber für die Windungen einer _ Spirale. Die Controversen der indireeten Kerntheilung. 251 Zellkerne war die Menge des Hyaloplasma nicht nur relativ, son- dern auch absolut grösser, es hat während der Ausbildung des Fadenknäuels abgenommen. — Nur in den günstigsten Fällen ist übrigens der Aufbau des Kernfadens aus Mikrosomenscheiben und Hyaloplasma deutlich zu sehen und zu constatiren, dass die Mikro- somenscheiben allein sich gefärbt haben, das zwischenliegende Hyaloplasma hingegen farblos blieb. Doch wo dieses auch nicht zu sehen, ist für alle Fälle festzustellen, dass der Kernfaden auf diesem Entwicklungsstadium, abweichend von dem vorausgehen- den, annähernd gleiche Dieke und ziemlich glatten Umriss erhal- ten hat (Fig. 24 und 25). — Die Dicke des Fadens nimmt in den folgenden Entwicklungsphasen zu, gleichzeitig fährt er fort sich zu verkürzen (Fig. 1). Die Kernkörperchen sind noch intact und liegen den Fadenwindungen an. Eine Veränderung ist aber mit dem Kernsaft vor sich gegangen. Derselbe hat seine Tinctions- fähigkeit eingebüsst. Er bleibt farblos in denselben Präparaten, in welehen die rulenden Kerne einen tingirten Grund zeigen. Die Tinetionsfähigkeit des Kernsaftes verliert sich mit der Ausbildung des Kernfadens und es liegt nahe anzunehmen, dass die tingir- bare Substanz des Kernsaftes zur Ernährung des Kernfadens bei- getragen hat. Jetzt erst beginnen die Nucleolen ihre scharfen Umrisse zu verlieren (Fig. 26), wobei sich um dieselben der Kern- saft wieder zu färben beginnt. Bald sind von den Nucleolen nur noch Reste da (Fig. 27), während der Kernsaft seiner ganzen Masse nach deutlich gefärbt ist. Diese Thatsache, die, einmal eonstatirt, leicht in unzähligen Fällen zu bestätigen ist, führt wohl sicher zu dem Schlusse, dass die Nucleolen bei Fritillaria nicht, wie man dies bisher allgemein annahm, direct in den Kernfaden aufgenommen werden, vielmehr sich im Kernsafte lösen. Auch ist hiermit wohl sicher der Nachweis gegeben, dass sie nicht identisch mit den Mikrosomen sein können. Mit den Kernkörperchen fast gleichzeitig schwindet die Kernwandung (Fig. 27, 2). Meist zer- fällt um die nämliche Zeit der Kernfaden in Abschnitte; doch kann dieser Zerfall auch bedeutend früher innerhalb der geschlos- senen Kernwandung erfolgt sein. Die Fadenabschnitte sind, so weit sich dieses beurtheilen lässt, nur von annähernd gleicher Länge. Sobald die Kernwandung verschwunden ist, wird der Kernsaft körnig. Seine Körnelung rührt nicht von den aufgelösten Kernkörperchen her, wie man dies sicher in Kernen constatiren A 252 Eduard Strasburger: kann, deren Nucleolen sich vor Schwund der Kernwandung zu lösen begannen. Es ist vielmehr augenscheinlich, dass dieses Körnigwerden des Zellsaftes von eingedrungenem Cytoplasma her- rührt. Dieses Eindringen, das ich in meiner letzten Arbeit zu be- gründen suchte !), ist hier so auffallend, dass es unmöglich in Frage gestellt werden kann. Die Menge des eingedrungenen Cytoplasma ist übrigens nicht gross genug, um den Kernsaft eben so körner- reich wie seine Umgebung zu machen, doch geht das umgebende Cytoplasma jetzt ohne Grenze in das Cytoplasma des Kerninnern über. Eine Grenze bleibt aber, wenn auch wenig scharf, durch den tingirbaren Kernsaft markirt, der, trotz Fehlens der Kern- wandung, in dem Raume der Kernfigur sich hält?). In günstig tingirten Kernen, wie beispielsweise den in Fig. 27 dargestellten, ist zu constatiren, dass das eingedrungene Cytoplasma innerhalb des Kernsaftes streifige Struetur annimmt und dass die Streifen parallel zur Längsaxe des Kernes laufen. Ich habe die Prophasen der Theilung bis jetzt aus verschie- denen Präparaten zusammengestellt und dabei auch verschieden grosse Zellkerne zum Vergleich herangezogen. Wir wollen uns weiterhin vornehmlich an ein einziges, das schon angeführte, in Fig. I abgebildete Präparat halten und auf diese Weise aufein- anderfolgende Zustände vergleichen, die gleich grossen Zellkernen entstammen. Die einzelnen, stärker vergrösserten Figuren sind an der Seite der Figur I mit entsprechenden Zahlen bezeichnet. Wo mehrere Zellkerne in gleicher Höhe liegen, giebt eine neben der grösseren angebrachte kleine Zahl an, der wievielte Zellkern, von rechts aus gezählt, zur Abbildung gewählt wurde. Den untersten Zellkern (Fig. 1) des in Betracht kommenden Präparates haben wir bereits besprochen. Derselbe befindet sich im Knäuelstadium. Er hat einen noch unsegmentirten Faden und Nucleolen aufzuweisen. Sein Saft ist homogen und nicht tingirbar, da alle tingirbare Substanz bei der Ausbildung des Kernfadens verbraucht wurde. Eine Wandung umgiebt diesen Kern. — Der in Fig. 2 dargestellte Zellkern ist bereits ohne Nucleolen, sein Kernsaft dem entsprechend tingirbar. Der Faden dieses Kerns 1) Flemming verhält sich dieser meiner Angabe gegenüber nicht ganz ablehnend, 1. c. p. 340. Pfitzner widerspricht derselben, 1. c. p. 655. 2) So auch Pfitzner, 1.’ c. p. 627, 628 u. a. Die Controversen der indireeten Kerntheilung. 255 erscheint in zahlreiche Segmente zerlegt; die Kernmembran ist geschwunden, das umgebende Cytoplasma wanderte in den Kern- saft ein, demselben ein feinkörniges Aussehen ertheilend. Wie schon berührt wurde, kann auf diesem Stadium das eingedrungene Cytoplasma, bei günstiger Tinetion, eine Anordnung in longi- tudinale Streifen erkennen lassen. — Die Segmente des Kern- fadens werden allmählich dieker, zugleich gerader und nehmen ausgeprägt quere Lagen an (Fig. 3). Dabei fällt es auf, dass die eine Seite der Figur (hier die linke) freie, die andere umgebogene Enden der Segmente zeigt. Erstere werden später polwärts, letztere nach dem Aequator gerichtet werden. Der Vorgang, der zu einer solehen Anordnung führt, ist aus Fig. 4 zu ersehen). Die eine Hälfte der vorkommenden Segmente bewegt ihre freien Enden nach dem einen, die andere nach dem entgegengesetzten Pol; die Schleifen kommen im Aequator zu liegen. Dabei haben die Seg- mentenden einen Viertel Kreisbogen zu beschreiben. Sie führen ihre Bewegung in annährend derselben Ebene, der Ebene des Wandbelegs aus. Die Anordnung ist, wie Fig. 4 zeigt, nicht so- fort perfeet, hat aber bald ein regelrechtes Aussehen erreicht (Fig. 5 u. 6). — Die longitudinale Streifung des aus Kernsaft und Cytoplasma bestehenden Kernlagers prägt sich schärfer aus und ich bin geneigt anzunehmen, dass es die Cytoplasmastränge sind, welche die Anordnung der Kernsegmente bestimmen. In meiner letzten Publication vertrat ich die Ansicht, es erfolge auf dem jetzt erreichten Stadium eine Halbirung der Kernfäden im Aequator. Ich wurde zur Annahme einer, in zwei Intervallen erfolgenden Segmentirung der Kernfäden, durch Beobachtungen geführt, die jetzt eine andere Deutung erfahren sollen. Wir kommen auf dieselben bei Besprechung der Theilungsvorgänge in den Pollenmutterzellen von Fritillaria persiea zurück. Thatsächlich erfolgt die Theilung des Kernfadens hier in einem Zuge, wenn auch nicht alle Theilungen völlig gleichzeitig sich abspielen. Die Zalıl der in der Kernspindel vertretenen Segmente ist somit gebildet, bevor die Gruppirung dieser Segmente zur Kernspindel erfolgt. Nur der Umstand, dass bei dieser Umordnung die äquatorialen Enden der Schleifen schwer zu sehen sind, erweckt die Vorstellung, als hätte 1) Vergl. hierzu auch die Figuren 99—102 in „Ueber den Theilungs- vorgang der Zellkerne“. Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 23. ltr 254 Eduard Strasburger: im Aequator später noch eine Continuitätstrennung zu erfolgen. Die fertige Kernspindel ist in Fig. 7 zu sehen. Ich verstehe aber jetzt, wie früher, unter „Kernspindel“ die von den Spindelfasern gebildete Figur, sammt der an den Kernfadensegmenten bestehenden Kernplatte. Ich muss dies hervorheben, weil Flemming und Pfitzner mit Kernspindel nur die aus den Spindelfasern gebildete Figur bezeichnen. Für den Terminus Kernplatte trete ich auch jetzt noch ein, da ich ihn demjenigen der „Sternform“ vorziehe. Auch Flemming giebt zu, dass „Steruform“ auf die pflanzlichen Kernplatten nieht passe!). Es passt aber, wie ich hinzufügen möchte, auch auf alle diejenigen thierischen Objeete nicht, deren Kernplatte der pflanzlichen in der Anordnung der Elemente ähnlich ist, ja selbst nur gezwungen auf die Kernplatten der untersuchten thierischen Eier. Der Ausdruck Platte lässt ja auch, wie ich gerne zugeben will, manches zu wünschen übrig und zeigt eben wie schwer es ist, hier einen Ausdruck zu finden, der auf die ganze Mannigfaltigkeit der sich darbietenden Fälle passt. Da nun aber die „Sternform“ der Amphibien und ähnlicher Objecte sich leichter auf den wenig bestimmten Ausdruck Platte zurückführen lässt, als die meisten pflanzlichen Kernplatten auf den viel be- stimmteren Ausdruck „Stern“, so gebe ich dem von mir einge- führten Namen den Vorzug. Dass aber Botaniker und Zoologen dasselbe Ding verschieden nennen sollen?), will mir nicht ein- leuchten. Ich trete daher für Kernplatte nur so lange ein, als nicht ein Ausdruck gefunden ist und Anklang findet, der auf pflanzliche und thierische Objecete gleich gut sich anwenden lässt. Hinzugefügt sei noch, dass wenn ich die ausgebildete Kernspindel, wie sie in Fig. 7 vorliegt, mit solchen, wie sie in den Figuren 5 und 6 dargestellt sind, vergleiche, ich letztere als unfertige Kernspindeln den fertigen gegenüber stelle. Die Figuren 3 und 4 würden Uebergangsstadien vom segmentirten Knäuel zur Kernplatte zeigen; in Figur 4 die dieentrische Umordnung des ursprünglich monocentrischen, in Fig. 3 einseitwendigen segmentirten Knäuels zu sehen sein. Die fertige Kernplatte der Fig. 7 zeigt, im Vergleiche zu den vorausgehenden Stadien, eine Verkürzung und entsprechende Ver- 2341. 6.9.3878. 2) Flemming, 1. c. p. 378. Die Controversen der indirecten Kerntheilung. 255 diekung der Segmente. Diese Verkürzung der Kernplattensegmente hat das Vortreten der Spindelfasern an den Polen zur Folge, die Spindelfasern haben jetzt ihre volle Ausbildung erfahren, doch bleiben sie bei diesem Objeete sehr zart. Sie neigen nach den Polen zusammen, ohne sich jedoch in einem Punkte zu treffen. Der Pol ist vielmehr scheibenförmig. Zwischen den Spindelfasern liest der tingirbare Kernsaft. Die Spindelfasern färben sich schwerer als jener. erst gleichzeitig mit den angrenzenden Cyto- plasmen. Die Spindelfasern führen äusserst kleine Mikrosomen. An den Segmenten der Kernplatte ist jetzt die Zusammensetzung aus aufeinanderfolgenden Körnern wohl am deutlichsten zu sehen. Jedes Segment ist im Aequator umgebogen und zeigt ein längeres polares und kürzeres äquatoriales Ende. Die Segmente, welche das innere der Kernplatte einnehmen, sind einander und der Längs- axe der Kernspindel annähernd parallel; die an den Rändern der Kernplatte befindlichen neigen mit dem polaren Ende nach aussen. Wie die Figur 8 zeigt, erfolgt jetzt eine noch weitere Ver- dünnung der Segmente, die zugleich bandförmig flach werden. Dabei spalten sich die Segmente der Länge nach. Diese Spaltung war mir bisher leider entgangen, was auch in meiner letzten Pub- lieation eine Reihe anderer Irrthümer veranlasst hat, die ich hier- mit richtig stellen möchte. Was Flemming in seiner letzten Pub- lieation angiebt, tritt in der That meist ein, die in Längsspaltung begriffenen Segmente verschmelzen unter dem Einfluss der Rea- gentien!). Nur in den günstigsten Fällen ist der Vorgang zu ver- folgen. Flemming selbst hat die Längsspaltung der Kernfäden bei einigen Pflanzen gesehen und stellte alle seine diesbezüglichen Beobachtungen in dem inhaltsreichen Werk zusammen, das er vor Kurzem veröffentliehte2). — Im August dieses Jahres theilte mir Emil Heuser mit, dass er die Längsspaltung der Kernsegmente an mehreren Präparaten gesehen und constatirt habe, dass die Längshälfte jedes Segments sich auf verschiedene Tochterkerne vertheile. Er zeigte mir seine Zeichnungen der diesbezüglichen Zustände, die in der That mit Evidenz seine Behauptung stützten. Ein Aufsatz, den er an das botanische Centralblatt sandte, ist in den ersten Nummern des XVII. Bandes erschienen. Einer vor- D 1. ce. p. 811. 2) Ebendas. 256 Eduard Strasburger: läufigen Mittheilung nach, nimmt auch Guignard!) eine Längs- spaltung der Segmente, „analog derjenigen, die mehrere Zoologen bei den Batrachiern beobachtet haben und welche die Zahl der ursprünglichen Segmente verdoppelt“, in den pflanzlichen Zell- kernen an. „‚Jede Hälfte der Segmente, welche an der Bildung der beiden Tochterkerne sich betheiligen sollen“, schreibt Guignard weiter, „wendet das eine ihrer mehr oder weniger umgebogenen Enden, oder den Winkel den ihre beiden Schenkel bilden, falls die Krümmung in der Mitte erfolgt, nach der -Riehtung der Pole, welche zwei neue Attractionscentra darstellen, um welche die ver- doppelten Segmente eine strahlige Anordnung annehmen“. — An dem Material, das mir durch die Güte des Herrn Heuser zur Verfügung steht, habe ich dem Studium dieses Vorgangs die grösste Aufmerksamkeit zugewandt und die erhaltenen Resultate waren es, die mich zu der vorliegenden Publication vornehmlich be- wogen. Wie es sich in den günstigsten Fällen feststellen lässt, geht in der von Pfitzner geschilderten Weise?) eine Verbreiterung der Mikrosomenscheiben der Längstheilung des Fadens voraus. — Der sich spaltende Faden ist bandartig abgeflacht. — Wie die Be- trachtung der Figur 8 lehrt, stellen sich die abgeflachten Fäden, bei beginnender Trennung der Längshälften, im Aequator auf ihre schmale Kante. Die dem Beobachter zugewandten äquatorialen Enden der Fäden präsentiren sich daher als zwei scharfe, über- einander liegende Punkte (vergl. Fig. 8). Verfolgt man ein Seg- ment in seinem Verlauf vom Pol zum Aequator, so sieht man, dass dasselbe am Pol sich von der flachen Seite darbietet, in der Nähe des Aequators sich aber um etwa 90° dreht, um den Aequator mit der schmalen Kante zu treffen. Die beiden, aus jedem Segment hervorgegangenen Zwillings- segmente, die ich als Tochtersegmente bezeichnen will, trennen sich nun in einer bestimmten Weise, die aus den Figuren 9, 10 und 11 zu ersehen ist. Da der Vorgang ziemlich eomplieirt ab- läuft, so schalte ich hier, um meine Angaben zu stützen, auch noch die Figuren 28, 29 und 30 ein, die anderen Präparaten ent- nommen sind. Fig. 28 würde so ziemlich der Fig. 8 entsprechen, 1) Compt. rend. 10. Sept. 1883. 2) Morph. Jahrb. Bd. VII, p. 295. Die Controversen der indireeten Kerntheilung. 257 doch sind die beiden Tochtersegmente am Aequator ein wenig stärker auseinander gerückt. Fig. 9 stellt dann das nächstfolgende Stadium dar. In diesem hängen die beiden Tochtersegmente an dem polaren Ende noch in ursprünglicher Weise zusammen, sind aber am äquatorialen Ende auseinander gewichen. Dieses Aus- einanderweichen erfolgt in der Richtung der Längsaxe der Kern- spindel und erklärt jetzt die Bedeutung der Torsion, durch welche jedes Segment zuvor im Aequator auf die Kante gestellt wurde. Auch die randständigen Segmente der Kernplatte, die zur Längs- axe der Spindel geneigt stehen, ja oft sehr stark geneigte Lage haben, zeigen dieselbe Trennung ihrer Zwillingssegmente an dem äquatorialen Ende (vergl. Fig. 9). Die äquatorialen Enden der Tochtersegmente sind alsbald, wie Fig. 29 zeigt, an sämmtlichen Segmentpaaren ziemlich weit auseinander gerückt, während die polaren Enden ihren ursprünglichen Zusammenhang noch be- wahren. Nur an einzelnen Zwillingspaaren wird eine geringe gegenseitige Verschiebung, auch der polaren Enden, bemerkbar. Der ganze bis jetzt geschilderte Vorgang hat aber zur Folge, dass im Aequator der Kernplatte eine scheibenförmige, an Dicke zu- nehmende Zone, eine „äquatoriale Umlagerungszone“ entsteht, die, mit Ausnahme ihres Randes, sich von geraden Fäden durchsetzt und an beiden Fndflächen von eingekrümmten Fadenenden be- grenzt zeigt. Die geraden Fäden, welche diese Zonen durch- setzen und mit kurzer Umbiegung endigen, wandern entgegen- gesetzten Seiten der Kernfigur zu. Diejenigen Tochtersegmente, welehe auf ihrer Ursprungsseite bleiben, krümmen ihr äquatoriales Ende immer stärker in “ förmiger, zum Theil wellenförmiger Bewegung ein (vergl. Fig. 29). Die beiden Endflächen der äquato- rialen Umlagerungszone werden somit begrenzt von den schwach umgebogenen Enden der herüberwandernden und den stark um- gebogenen Enden der zurückgebliebenen Tochtersegmente. Die randständigen Segmentpaare haben, soweit sie geneigt standen, ihre Tochtersegmente auf die beiden Endflächen der äquatorialen Zone unmittelbar vertheilt. Ihre Tochtersegmente spreizen am äquatorialen Ende einfach auseinander. Dieses ihr Verhalten ist in den Figuren 9, 10 und 30 sehr deutlich zu sehen, während in der Figur 29 auch die randständigen Segmentpaare annähernd parallel zu der Längsaxe der Kernfigur stehen und sich daher wie die inneren verhalten. Wahrscheinlicherweise waren übrigens 258 Eduard Strasburger: auch hier einige der randständigen Segmentpaare nachträglich noch in eine geneigte Lage gelangt, um sich dann so wie die von Anfang an geneigten zu verhalten. Während in Fig. 29 noch annähernd alle Segmentpaare an ihrem polaren Ende verbunden sind, trifft es alsbald ein, dass einzelne Paare sich auch dort von einander trennen. Dann gleitet das herübergewanderte Zwillings- segment des Paares an dem auf seiner Ursprungsseite verbleibenden entlang. Letzteres krümmt sich eine Zeitlang nur schwach an seinem äquatorialen Ende und ragt polwärts zwischen seinen Nach- baren vor. Die meisten Zwillingspaare bleiben aber mit ihren polaren Enden verbunden, bis letztere die Endflächen der sich stätig erweiternden äquatorialen Umlagerungszone erreicht haben. Jetzt erfolgt für alle Fälle die Trennung. — Ein Zustand wie der- jenige in Figur 10 dargestellte, zeigt uns am Rande der Um- lagerungszone die gespreizten Randsegmentpaare, im Innern der- selben annähernd parallele Fäden. Die kurzen, zackenförmig umgekrümmten Tochtersegmente stammen von einer entgegenge- setzten Kernhälfte, die stark umgebogenen sind die auf ihrer Ur- sprungsseite verbliebenen. In letztere Kategorie gehören auch alle polwärts hinausragenden und zwar sind es solche Tochterseg- mente, welche frühzeitig ihr Polende befreiten, dann nicht mehr von dem hinüberwandernden Zwillingssegmente gezogen wurden und daher polwärts zurückblieben. Auch diese polwärts hinaus- ragenden Tochtersegmente sind übrigens, wie Fig. 10 zeigt, meist schon an ihren äquatorialen Enden äquatorialwärts umge- bogen und wandern schliesslich zwischen die übrigen Tochterseg- mente ihrer Seite ein. Die für die beiden Tochterkernanlagen bestimmten Tochtersegmente durchsetzen in Fig. 10 noch die ganze Höhe der Umlagerungszone, greifen somit ihrer ganzen Länge nach noch zwischen einander. In Fig. 11 beginnen sie auseinander zu rücken. Die starken Umbiegungen der auf ihrer Ursprungs- seite verbliebenen Tochtersegmente verringern sich jetzt und gehen in eine, den herübergekommenen Tochtersegmenten gleiche, Kurz hakenförmige Form über. In Fig. 12 ist das Auseinanderrücken so weit gediehen, dass die Tochtersegmente der beiden Anlagen sich nur noch mit ihren Enden erreichen. Das Aussehen sämmt- licher Tochtersegmente ist jetzt ziemlich gleich, auch diejenigen, die zuvor polwärts hinausragten, sind schon grösstentheils einge- zogen worden und zwar zum Theil noch auf ihrem Ursprung zu Die Controversen der indirecten Kerntheilung. 259 erkennen. — Die geschilderte Art der Umlagerung bringt es aber mit sich, dass in beiden Tochterkernanlagen die Tochtersegmente zum Theil ihr ursprünglich polares, zum Theil ihr ursprünglich äquatoriales Ende dem Pol zukehren. Denn die Tochtersegmente, die durch Spaltung geneigter Randsegmente hervorgingen, kehren ihr ursprünglich äquatoriales Ende den Polen zu, die herüberge- kommenen Tochtersegmente tun es auf jeder Seite ebenfalls. Die auf ihrer Ursprungsseite verbliebenen haben sich hingegen mit ihrem äquatorialen Ende zwischen ihre Nachbarinnen hineinge- schoben, richten somit ihr ursprünglich polares Ende nach den Polen. Es ist somit ein polarer Gegensatz zwischen den beiden Enden eines Tochtersegmentes nicht vorhanden und ist es gleich- gültig, wie es seine Enden orientirt. Am besten zeigt sich dies an den Randsegmenten, die, abweichend von den weiter nach Innen gelegenen, auch das an seiner Ursprungseite bleibende Tochtersegment mit dem äquatorialen Ende polwärts stellen. Durch die Thatsache, dass eine Längsspaltung der Segmente des Kernfadens auch bei Pflanzen erfolgt, wird eine Uebereinstim- mung der typischen Vorgänge indireeter Kerntheilung im organi- schen Reich geschaffen, wie sie kaum vollständiger sich vor- stellen lässt. „Man könnte daran denken“ schreibt Flemming in seinem letzten Werke !) „dass von den beiden Schwesterspaltstrablen eines jeden Fadens, der eine für den einen, der andere für den andern Tochterkern bestimmt wäre. Einstweilen würde dies nicht zu be- weisen, auch nicht zu widerlegen sein“. Retzius?), der die von Flemming entdeckte Längsspaltung der Fäden für Triton punc- tatus bestätigt, fügt auch hinzu: „dass noch keine direeten Be- weise dafür vorliegen, dass die zwei Zwillingsfäden jedes Mutter- fadens nach den beiden entgegengesetzten Uentren sich trennen und ziehen lassen“. Erst Heuser, ]. ce. p. 87, spricht sich entschieden für die Vertheilung der Zwillingsfäden auf die beiden Tochter- kerne aus, und schildert die Trennung der Segmentpaare im Wesent- tlichen so, wie es hier von mir für die geneigten, randständigen geschehen. Durch den Nachweis, dass die Tochtersegmente jeder Kern- 1) l.c. p. 235. 2) Biologische Untersuchungen IX, 1881, p. 116. 260 Eduard Strasburger: plattenhälfte auf die beiden Tochterkerne vertheilt werden, ist so- mit auch festgestellt, dass die bereits gesonderten, nach zwei ver- schiedenen Polen gerichteten Hälften der Kernplatte, noch nicht den Gegensatz der beiden künftigen Tochterkerne repräsentiren. Erst mit dem Stadium der Figur 12 ist im Wandbeleg des Embryosacks von Fritillaria imperialis die Trennung und Umlage- rung der Tochtersegmente vollendet und der Zustand erreicht, der von Flemming als Aequatorialplatte bezeichnet wurde und den er jetzt „Metakinese“ nennen möchte !). Ich werde, im Gegen- satz zu den Prophasen die mit der Längsspaltung der Segmente in der Kernplatte ablaufen, die Stadien vom beginnenden Ausein- anderweichen der Tochtersegmente bis zur vollendeten Trennung und Umlagerung darstellend, als Metaphasen zusammenfassen. Das in Fig. 12 dargestellte, der „Aequatorialplatte entsprechende Sta- dium“, wäre dann dasjenige der vollendeten Metaphase. Im Wandbeleg des Embryonalsacks von Fritillaria imperialis sehen wir, wie auch sonst meist bei den Pflanzen, den Zustand der Kernspindel ziemlich lang andauern, die Metaphasen der Theilung werden rascher durchgemacht und die vollendete Me- taphase (Aequatorialplatte) geht unmittelbar in die anschliessenden Stadien über. Ein Blick auf die Fig. I bestätigt das Gesagte, indem dort die ganze Strecke zwischen 6 und 8, also etwa auf 4 mittlere Kernentfernungen hin, von fertigen Kernspindeln ein- genommen wird, während die Metaphasen in einer fast nur eine Kernentfernung fassenden Zone liegen. Die Phasen, die von der vollendeten Sonderung der Tochter- segmente, wie sie uns die Fig. 12 bietet, bis zur Fertigstellung der Tochterkerne verlaufen, können als Anaphasen der Theilung zusammengefasst werden. Der Schilderung dieser Anaphasen, wie ich sie in meiner letzten Publication brachte, habe ich nur Weniges hinzuzufügen. Auch bin ich jetzt, nach der Einschränkung, welche Flemming seiner diesbezüg- lichen Deutung gegeben, durchaus bereit, mich seiner Auffassung an- zuschliessen, dass die Anaphasen der Tochterkerne eine rückläufige Wiederholung der Prophasen des Mutterkerns geben. Eine rück- gängige Wiederholung der in den Metaphasen eingetretenen Spal- tungen und Umlagerung ist nicht nachzuweisen, vor Allem nicht, 1) 1. ce. p. 378, Die Controversen der indirecten Kerntheilung. 261 wie auch Flemming anerkennt, eine longitudinale Wieder- verschmelzung der Tochterkern-Segmente !). An den beiden polaren Enden der Fig. 12 ragen noch die Spindelfasern frei hervor. In Fig. 13 haben die Tochterkern- Segmente bereits die Pole der ursprünglichen Kernspindel er- reicht, ja überschritten. Zwischen den auseinandergewichenen Tochterkernanlagen sind, in bekannter Weise, die Spindelfasern als „Verbindungsfäden“ ausgespannt. Mit Sicherheit kann man jetzt feststellen, dass die Verbindungsfäden ungefärbt bleiben, so lange als das umgebende Cytoplasma keinen Farbstoff aufnimmt und dass die zuvor kaum vorhandene Färbung des ganzen Complexes von der zwischen den Verbindungsfäden befindlichen homogenen Substanz herrührt. Der Vergleich der in Fig. 11 bis 13 abgebil- deten Stadien lässt bestimmt erkennen, dass es der Kernsaft ist der zwischen den Verbindungsfäden verblieb und der sich hier tingirt zeigt. — In Fig. 14 ist eine im Verhältniss etwas schmal ausgefallene Theilungsfigur dargestellt, sie zeigt eine beginnende wellenförmige Krümmung der Tochterkern-Segmente. Die Krüm- mung dieser Segmente hat in Fig. 15 bedeutend zugenommen. In Fig. 16 sind die Windungen der Segmente ganz dicht, fast lückenlos, aneinandergerückt. Die Segmente haben sich gleich- zeitig verkürzt und an Dicke zugenommen. Die Tochterkernan- lagen sind auffallend flach. Zwischen den Windungen der Seg- mente ist kein Platz für eine andere Substanz vorhanden. Die Enden der Verbindungsfäden haben sich aus den Kernanlagen zu- rückgezogen. Eine äquatoriale Zone beginnt sich jetzt innerhalb der Verbindungsfäden zu markiren. Der tingirbare Kernsaft tritt aus dieser Zone zurück, dieselbe wird daher farblos. Die Ver- bindungsfäden scheinen in dieser Zone spärlicher zu sein, was aber nur daher rührt, dass sie nach dem Rücktritt des Kernsaftes sich einzeln deutlicher zeiehnen. Unzweifelhaft sind diese Fäden hier auch dieker geworden und erscheinen deutlich feinkörnig. Die nächste Anaphase (Fig. 14) zeigt uns die Tochterkerne wieder vergrössert. Betrachten wir dieselben näher, so können wir fest- stellen, dass während des in Fig. 16 dargestellten Zustandes, die Tochterkern-Segmente mit ihren Enden zu einem einzigen Tochter- kernfaden verschmolzen sind und dass das umgebende Cyto- 1) 1. c. p. 283, 285. 262 Eduard Strasburger: plasma sich mit einer zarten Hautschicht, der „Kernwandung“, gegen den Kernfaden abgeschlossen hat. Die Fig. 17 führt uns die ausge- prägte Knäuel-Phase, wie wir sie im Mutterkern während der Pro- phasen der Theilung sahen, vor. In Fig. 18 beginnt der Kernfaden eine unregelmässige Körnelung aufzuweisen. Die Zellkerne zeigen auf diesen Entwicklungszuständen oft, doch nieht immer eine Ver- tiefung an ihrer Polseite, so dass sie im optischen Schnitte nieren- förmig erscheinen !). Im unmittelbaren Anschluss an die Zell- kerne sind die Verbindungsfäden nicht mehr zu unterscheiden und auch der tingirbare Bestandtheil des Kernsafts ist aus dieser Region geschwunden. Er wird augenscheinlich in die Kerne eingesogen. Oefters sprechen die Bilder direet für solehe Auf- nahme, indem sie uns Stränge oder Ansammlungen dunkler tingirter Substanz an den Tochterkernen vorführen. An den bei- den Endflächen der hellen äquatorialen Zone ist noch gefärbter Kernsaft angesammelt. In Fig. 19 tritt dann aber die Verän- derung ein, dass dieser Kernsaft sich von den Endflächen nach der äquatorialen Zone selbst zieht. Diese zeichnet sich nun als schwach tingirte Platte und in ihr allein sind die Verbindungs- fäden noch sichtbar. Im übrigen ist die Stelle der Verbindungs- fäden durch netzartig vertheiltes Cytoplasma eingenommen. In halber Länge jedes Verbindungsfadens wird aber eine kleine fein- körnige Verdiekung sichtbar als Andeutung der Zellplatte. Da es hier im Wandbeleg nicht zur Bildung einer Scheidewand kom- men soll, so werden auch die äquatorialen Verbindungsfäden, sammt Zellplatte, wieder zurückgebildet. Die Rückbildung schrei- tet, wie Fig. 20 zeigt, von den Rändern der Platte gegen die Mitte fort. Es macht durchaus und bis zuletzt den Eindruck, als wenn der tingirbare Kernsaft den beiden Schwesterkernen zu- flösse und es liesse sich denken, dass die Anlage der hier nicht zur Verwendung kommenden Zellplatte doch den Nutzen hat, den Rest des Kernsaftes schliesslich zu halbiren. Die Verbindungs- fäden bleiben etwas länger erhalten als der Kernsaft der ihre Zwischenräume erfüllte und erscheinen alsdann farblos. Sie wer- den, wie deutlich zu sehen, in das Netzwerk des Cytoplasma auf- genommen. — Der noch relativ dieke Kernfaden der Fig. 19 be- ginnt feinkörnig zu werden und verliert seine bestimmten Um- 1), Vergl. Heuser, 1, ec. p- 9. Die Controversen der indirecten Kerntheilung. 263 risse. Gleichzeitig tauchen an den Fadenwindungen jetzt die Nucleolen auf. Es muss auffallen, dass dieselben vornehmlich und zunächst an der äquatorialen Seite der beiden Tochterkerne sich zeigen. Dieses Verhältniss markirt sich noch in der Fig. 20 und auch an dem einen Zellkerne der Fig. 21 lässt sich noch die äquatoriale Seite aus der Lage der Nucleolen bestimmen. Ja bei letzterem Zellkerne waren an der äquatorialen Seite einige Vorsprünge zu sehen aus Substanz bestehend, die den Nucleolen in ihrer Färbung entsprach. — Der Kernfaden ist in Fig. 20 bereits sehr dünn ge- worden, doch lassen sich seine Windungen noch leicht verfolgen. Die Mikrosomen bilden bereits fast durchgängig nur einfache Reihen im Faden. In Fig. 21 beginnt der Fadenknäuel schon netzförmige Structur anzunehmen und hat in Fig. 22, in Folge zahlreicher Anastomosen, das characteristische Aussehen des Netz- werks ruhender Zellkerne gewonnen. — Der Gehalt des Zellkerns an Hyaloplasma ist im Verhältniss zu den Mikrosomen bedeutend gewachsen, was mit einer Neubildung von Hyaloplasma zusammen- hängen kann. Andererseits ist aber auch anzunehmen, dass wie in anderen Processen so auch in diesem eine rückläufige Bewegung innerhalb der Tochterkerne sich geltend macht und dass ein Theil der Mikrosomensubstanz jetzt wieder zu Hyaloplasma wird. Erst kurz vor der Zeit, wo der Wandbeleg in einzelne Zellen sich sondern soll, werden die bei der Kerntheilung erzeugten Zellplatten resistenter und können selbst bis zur Bildung einer Cellulose-Wand, die schliesslich wieder aufgelöst wird, führen. Einen solchen Fall der Bildung einer Cellulose-Wand habe ich in Fig. 31 dargestellt, um die Figuren 18 und 19, die nur bis zur Anlage der Zellplatte reichten, zu ergänzen. Die gebildete Scheide- wand zeigt noch ein feinkörniges Aussehen. Zu beiden Seiten derselben sind die Verbindungsfäden im Schwinden begriffen. Wie ich in meiner letzten Publieation schon zu zeigen suchte !), wird im Innern der Endospermzellen von Fritillaria imperialis die Kernspindel aus dem Fadenknäuel in etwas an- derer Weise gebildet, als dies im protoplasmatischen Wandbelege des Embryosacks der Fall ist. Während wir nämlich in diesem Wandbelege fanden, dass die Fadenwindungen des Knäuels sich in mehr oder weniger querer Richtung strecken und dann erst l) l.c. p. 31 ff.;, und Archiv f. mikr. Anat. Bd. XXI, p. 506. 264 Eduard Strasburger: polwärts auseinanderweichen, sehen wir die sich streckenden Windungen des Knäuels in den Endospermzellen meist eine longi- tudinale Richtung einschlagen. So entstehen Bilder wie unsere Fig. 33). Für diese Differenz zwischen dem Wandbeleg und den Endospermzellen wusste ich damals keine Erklärung zu geben, hob aber hervor, dass mir im Wandbeleg verschiedener Em- bryosäcke von Lilium croceum beide Vorgänge begegnet wären ?). Meine seitherigen Beobachtungen weisen darauf hin, dass diese, je nach Umständen veränderte Richtung der ersten Streckung im Knäuel in Beziehung steht zu der Richtung der vorausgegangenen Theilung. Im Wandbelege der Embryosäcke von Fritillaria im- perialis folgen die Theilungsschritte annähernd rechtwinklig zu einander. Der fertige Kern rundet sich nicht ab, behält vielmehr seine ursprüngliche Form annähernd bei. Der sich differenzirende Kernfaden schlägt bei der ersten Streekung dieselbe Richtung ein, die er in der Kernanlage gehabt hatte. Anders in den Endo- spermzellen, wo die fertigen Zellkerne sich meist abrunden, dann mit Eintritt der Prophasen wieder strecken, wodurch in ihrem Innern die ursprünglichen Anordnungen des Kernfadens verän- dert werden. Wie ich früher schon geschildert hatte), strecken sich in den Zellkernen des Endosperms von Fritillaria imperialis die Windungen des Knäuels in der Richtung der Pole fast gerade, während Einfaltungen im Aequator zurückbleiben. Hierauf öffnen sich die polwärts gerichteten Schleifen und ebenso auch die äqua- torial gelegenen. Dieses Oeffnen erfolgt nieht völlig gleichzeitig, im Aequator zum Theil etwas später (Fig. 34, 35). Die fertige Kernspindel sieht ebenso wie diejenige im Wandbelege aus (Fig. 36). Hier im Endosperm hat man die Möglichkeit sie öfters auch vom Pol aus zu sehen (Fig. 37). Auch die Trennung und Umlagerung der Zwillingssegmente zeigt sich nieht anders als wir sie im Wandbeleg kennen lernten. Meine Fig. 37 der letzten Publication konnte nicht richtig sein, ein erneuertes Studium des 1) Die Bilder, die ich hier aus meiner letzten Publication wiedergebe, waren entweder nicht nach meinem Wunsch reproducirt worden oder haben jetzt in dem Original eine Verbesserung, respective Aenderung erfahren. 2) 1. c. p. 36 und 37; und Arch. f. mikr. Anat. Bd. XXI, p. 512, 513. 3) 1. c. p. 33; und ]l. e. p. 5ll. Die Controversen der indirecten Kerntheilung. 265 Präparats hat jetzt das Bild Fig. 33 ergeben. Die früheren Figuren 83 und 89 mussten eine leichte Aenderung erfahren (Fig. 39, 40); die übrigen 90—97 ]. e. lassen sich ohne Correctu- ren anschliessen und sollen hier daher nicht reproducirt werden. Diese Figuren ergänzen insofern in erwünschter Weise die dem Wandbeleg entnommenen, als sie auch polare Ansichten geben: so Fig. 91 und 92 1. ce. die polare Ansicht der Tochterkern- Anlagen bei Beginn des Auseinanderweichens; Fig. 95 1. ec. zu Beginn des Knäuelstadiums. Die Vorgänge im Wandbeleg des Embryosacks von Lilium- Arten weichen von denen im Wandbeleg und Endosperm von Fri- tillaria geschilderten nicht ab. Das ist bereits aus meinen Fi- guren 106—118 ]l. c. zu ersehen. Nur die damaligen Figuren 114 und 115, die Umordnung der Zwillingssegmente in den Meta- phasen zeigend, mussten durch richtigere ersetzt werden (Fi- guren 41, 42). Sehr instructiv für das Studium der Metaphasen ist der Wand- beleg des Embryosacks von Galanthus nivalis. Doch auch die Prophasen sind von Interesse. Die ruhenden Zellkerne führen hier ein auffallend grosses, annähernd centrales Kernkörperchen (Fig. 43). Dieses Kernkörperchen findet man oft in scheinbarer Einschnürung begriffen. Hat man aber eine grössere Zahl aufeinander folgender Kerne durchmustert, so kommt man zu der Ueberzeugung, dass es sich hierbei nicht um die Theilung eines Kernkörperchens, viel- mehr um Verschmelzungsvorgänge von Kernkörperchen handelt. Diese Verschmelzung der öfters in Zweizahl vorhandenen Kern- körperchen zu einem einzigen geht meist dem Eintritt der Pro- phasen voraus. Einen ähnlichen, wie Theilung durch Abschnürung sich präsentirenden Verschmelzungsprocess der Nucleolen hat neuer- dings auch Pfitzner in den Zellkernen von Hydra beobachtet }). — Das schon früher geschilderte Präparat lag mir wieder vor, in welchem die Zellkerne mit Eintritt der Theilungsphasen sich in eine spindelförmige, gestreifte Protoplasmamasse eingeschlossen zeigen. Diese Masse ist in der Richtung der zukünftigen Kern- spindel gestreckt und in dieser Richtung longitudinal gestreift. Eine solche Erscheinung lässt sich bereits um Zellkerne sehen, in welchen keinerlei polarer Gegensatz zu erkennen ist (Fig. 44). Dieses ver- 1) Archiv f. mikr. Anat. Bd. XXII, p. 822 u. f. 266 Eduard Strasburger: anlasst mich, die betreffende Erscheinung nochmals hervorzuheben, weil sie doch mit Evidenz zeigt, dass das umgebende Cytoplasma unmöglich eine völlig inactive Rolle bei der Kerntheilung spielen kann und meine Ansicht stützt, dass auch die Spindelfasern, deren Ursprung ich in das Cytoplasma verlege, einen richtenden Einfluss auf die Kernsegmente ausüben. Die den Kern umhüllenden Cyto- plasmastreifen sehen auch kaum anders als sonst Spindelfasern aus, und wenn der ganze Complex etwas anders reagirt, so ist es nur, weil der tingirbare Kernsaft zwischen diesen Plasmastreifen fehlt. — Das Kernkörperchen bleibt erhalten, während aus dem Gerüst des ruhenden Zustandes der Fadenknäuel sich ausbildet (Fig. 44, 45). Der Faden wird hier relativ dick und zeigt deutlich die Zusammen- setzung aus aufeinanderfolgenden Mikrosomenscheiben. Der Kern- saft ist zweifellos homogen und zwar bis zu der nächstfolgenden Prophase, in welcher die Kernwandung schwindet. Dann tritt die nämliche Erscheinung ein wie in den vorher betrachteten Fällen, der Zellsaft wird von eingewandertem Cytoplasma feinkörnig. Die Windungen des Knäuels strecken sich in der Richtung der aus- zubildenden Kernspindel (Fig. 46), eine gleich gerichtete Streifung ist innerhalb des Kernsaftes hin und wieder zu erkennen. Das Kernkörperchen pflegt während dieses Vorganges in Stücke zu zerfallen, die den Windungen des Kernfadens folgen, denselben stellenweise verstärkend. Eine direete Aufnahme der Nucleolar- substanz in den bereits fertigen, in aufeinanderfolgende Mikro- somenscheiben differenzirten Kernfaden halte ich nach den gemach- ten Erfahrungen auch hier für ausgeschlossen. Vielmehr dürfte die zähflüssige, an den Fadenwindungen sich vertheilende Nu- cleolarsubstanz als Nahrungsstoff von dem Kernfaden grösstentheils verbraucht werden. Es findet hier nämlich thatsächlich eine Massen- zunahme des Kernfadens während der Prophasen statt, während die relativ geringe Tinetionsfähigkeit des innerhalb der Kernfigur befindlichen Kernsaftes nieht dafür spricht, dass grosse Massen von Nucleolarsubstanz in demselben gelöst zurückgeblieben sein sollten. — In den nächsten Prophasen zeigen die longitudinal ge- streckten Windungen der Knäuel eine äquatoriale Schleifenbildung (Fig. 47). Dann werden die Schleifen an den Polen und im Aequator geöffnet (Fig. 48) und alsbald der Zustand der Kern- spindel erreicht (Fig. 49). Die Zahl der Segmente in den beiden Hälften der Kernplatte ist nicht sehr gross und oft entschieden Die Controversen der indireeten Kerntheilung. 267 ungleich, eine Erscheinung auf welche Heuser (l. e.) bereits hin- gewiesen hat. Die Spindelfasern zeichnen sich zart, zwischen ihnen befindet sich auch hier der Kernsaft. Die Metaphasen werden durch die longitudinale Spaltung der Fäden eingeleitet. Die Zwillingspaare verschmelzen hier äusserst leicht unter dem Einfluss der Reagentien. Das Auseinander- weichen der Tochtersegmente erfolgt so, wie wir es bei Fritillaria nur an einem geringeren Theile der Segmentpaare sahen. In den meisten Präparaten trennen sieh nämlich fast alle Tochtersegmente sofort ihrer ganzen Länge nach, also auch an den Polen. Das herüberwandernde Tochtersegment gleitet entlang des an der Ur- sprungsseite zurückbleibenden (Fig. 50). Da das zurückbleibende durch das hinüberwandernde nicht gezogen wird, so behält es auch seine ursprüngliche Gestalt bei und rückt langsam gegen die Pole, während die äquatoriale Umlagerungszone sich vergrössert (Fig. 50, 51). In Segmentpaaren, die sich an dem polaren Ende nicht sofort trennten, zeigt das äquatoriale Ende des zurück- bleibenden Zwillingssegments dieselben Krümmungen, die, wir an der Mehrzahl der zurückbleibenden Tochtersegmente von Fritillaria gesehen (Fig. 50). Die äquatoriale Umlagerungszone ist auch hier an ihren beiden Endflächen von den umgehogenen Enden der herübergewanderten und zurückgebliebenen Tochtersegmente be- grenzt. Da die Zahl der Segmentpaare weit geringer als bei Fritillaria, so ist der Vorgang auch leichter zu studiren. Auch wo die Zahl der Segmente zu beiden Seiten der Kernplatte zu- nächst ungleich war, führt der geschilderte Theilungsvorgang eine gleiche Zahl von Tochtersegmenten den beiden Kernanlagen zu. In Fig. 52 greifen die herübergewanderten Tochtersegmente noch mit ihren Enden ineinander. In Fig. 53 erreichen sich diese Enden nicht mehr. Ein Stillstand auf dem Stadium der vollendeten Umlage- rung ist hier nicht zu constatiren. In den meisten Fällen werden die auf ihrer Ursprungsseite verbliebenen Tochtersegmente bei Galanthus auch während des Auseinanderweichens der Tochterkern- anlage nicht eingezogen, sie ragen vielmehr polwärts vor und haben auch ihre ursprüngliche Gestalt behalten. Daher jede Anlage ge- bildet wird aus einer meist grösseren Anzahl polwärts umge- bogener, dem Aequator näherer und einer meist geringeren Anzahl äquatorwärts umgebogener, dem Pol näherer Tochtersegmente. Die geringere Anzahl der dem Pol näheren Tochtersegmente er- 268 Eduard Strasburger: klärt sich aus dem Umstande, dass einige derselben in die dem Aequator näheren bereits aufgenommen wurden. — Es kommen übrigens Präparate aus dem Wandbeleg des Embryosacks von Galanthus vor, wo frühzeitig, ähnlich wie bei Fritillaria, die pol- wärts hinausragenden Tochtersegmente sich in die, dem Aequator näheren, eingezogen zeigen. — Wo die polwärts hinausragenden Tochtersegmente dauernd in ihrer Stellung beharren, sehen vor- gerücktere Zustände wie unsere Fig.54 aus. Die Tochtersegmente beginnen jetzt die einander zugekehrten Enden wellig einzukrüm- men. Diese Bewegung schreitet fort und auf dem Stadium der Fig. 55 wäre der Ursprung des gebildeten Knäuels nicht ohne Weiteres mehr klarzulegen. Sehr lange ragen einzelne Win- dungen des Knäuels in das umgebende Cytoplasma unregelmässig vor. Eine Kernwandung ist dann auch nicht zu entdecken und selbst nach Ausbildung derselben (Fig. 56) ist der Umriss des Kerns zunächst noch uneben. Ganz wesentlich übereinstimmend mit Galanthus nivalis ver- hält sich auch Leueoium aestivum. Meist wird hier die Kern- figur im Wandbeleg des Embryosacks sogar besser fixirt als bei Galanthus und zeigt dann sehr schön die Längsspaltung der Fäden. Nach der Ausbildung des Fadenknäuels zerfällt auch hier das Kernkörperchen in Theile, die sich in der werdenden Kernspindel vertheilen. Dabei fällt es oft auf, dass einzelne Theile der Kern- körperchen aus der Kernfigur hinausgerathen und sich im angren- zenden Cytoplasma lösen können. Die Erscheinung war zu con- stant, um der Wirkung der Reagentien zugeschrieben werden zu können. — Erinnern möchte ich daran, dass ich in dem Wand- beleg der Embryosäcke von Leucoium früher gut ausgebildete, dreipolige Kernspindeln gefunden hatte (Fig. 180 1. c.). Hyacinthus orientalis verhält sich ganz so wie Fritillaria, nur möchte ich nochmals hervorheben, dass dieses Objeet mir, was bei Pflanzen nicht eben häufig, eine sehr schöne Strahlung an den Polen bereits auseinandergerückter Tochterkernanlagen zeigte (l. e. Fig. 143). Auch führt uns dieses Object ganz besonders schön die Verschmelzung der Segment-Enden in den Tochterkern- anlagen vor (l. ec. Fig. 144—148). Der Umstand, dass die Monocotyledonen dieselbe Längs- spaltung der Kernsegmente wie die Amphibien zeigen, legt die An- nahme nahe, dass auch bei den Diotyledonen diese Längsspaltung Die Controversen der indirecten Kerntheilung. 269 nicht fehlen dürfe. Die Dieotyledonen besitzen freilich meist zu kleine Zellkerne, als dass sich dieser schwierige Vorgang an den- selben beobachten lassen sollte. Ein Object, an dem dieses immer- hin gelingt, ist Helleborus viridis. Die Zellkerne im protoplas- matischen Wandbeleg dieser Pflanze sind relativ gross und zeigen schon in den Ruhezuständen eine grosse Uebereinstimmung mit Galanthus nivalis. Vor Allem fällt auch hier das voluminöse Kernkörperchen auf. Die Prophasen der Theilung spielen sich ganz so wie bei Galanthus ab und auch die Metaphasen und Ana- phasen sind so wenig von denjenigen bei Galanthus verschieden, dass eine Wiederholung der Schilderung überflüssig wäre. Bei so kleinen Objeeten wie den Zellkernen im Wandbeleg der Embryosäcke von Viola tricolor, Dietamnus albus und den meisten Dicotyledonen überhaupt, aber auch der kleinkernigen Monoecotyledonen, wie Asparagus offieinalis oder Iris sibi- rica, werden die Vorgänge in den Metaphasen wohl nie in allen Einzelheiten klarzulegen sein. Ein Grund zu der Annahme, dass sie dort in abweichender Form ablaufen sollten, ist nicht vor- handen. Wir wollen nunmehr ein Object in's Auge fassen, das sich dem Anscheine nach anders als die bisher betrachteten verhält: es sind das die Pollenmutterzellen von Fritillaria persica. Zur Untersuchung dienten mir Antheren-Längsschnitte, die aus Aleohol-Material gewonnen, nach der Safranio-Nelkenöl-Methode tingirt waren. Sehr instruetiv zeigten sich ähnliche Sehnitte aus. Lilium-Arten, vornehmlich Lilium croceum und bulbiferum, die ich mit Fuchsin-Jodgrün !) färbte. Zu diesem Zwecke mischte ich Fuchsin und Jodgrün, beide in 50%, Alcohol gelöst, bis dass die Flüssigkeit schön violett wurde, brachte die Schnitte für eine Minute etwa in diesen Farbstoff und legte sie in Glycerin ein. — Die Lilium-Arten stimmen so vollkommen mit Fritillaria persica überein dass die Präparate sich ohne Weiteres gegenseitig er- gänzen können. Die Entwicklungsvorgänge schreiten in den Antheren meist von der Mitte gegen die beiden Enden fort, so dass man in der Mitte die ältesten Stadien, an diese beiderseits anschliessend, die nächst jüngeren findet. Diese macht die An- theren-Anlagen zu sehr günstigen Studien-Objeeten für die Kern- 1) Nach Macfarlane. Transact. Bot. Soc. Edinb. Bd. XIV, p. 190. Archiv f. mikrosk. Anatomie, Bd. 23. 18 370 Eduard Strasburger: Theilung. Die verschiedene Lage der Pollenmutterzellen ermög- licht es gleichzeitig alle möglichen Ansichten der Theilungs- figuren zu vergleichen. Eine Verwechselung der Ansichten ist bei der sonstigen Beschaffenheit des Objeetes nicht gut möglich. Auch ist es gerade hier, wo die Theilung in runden Zellen sich abspielt, ein leichtes, an einzelnen zerzupften Präparaten die iso- lirten Pollenmutterzellen durch entsprechende Verschiebungen des Deckglases während der Beobachtung zu rollen. Schnitte durch sehr junge Antheren, in denen sich die Tren- nung der Mutterzellen noch nicht vollzogen hat, zeigen in den ellipsoidischen Zellkernen ein dichtes, sehr feinfädiges Gerüstwerk und in diesem eine grössere Zahl relativer kleiner Nucleolen (Fig. 57). Mit dem Beginn der Prophasen der Theilung geht aus dem Gerüstwerk ein eng gewundener Fadenknäuel hervor (Fig. 58). Die Nucleolen sind in demselben verschwunden. Die nächste Prophase zeigt den Zeilkern wesentlich vergrössert und ist dadurch ausgezeichnet, dass sich der Fadenknäuel ausserordentlich leicht bei Anwendung der Reagentien contrahirt. Auf diesem Stadium wird die beginnende Ansammlung einer stark lichtbrechenden Substanz an einer Stelle der Kernwand bemerklich. Diese Ansammlung hat zunächst die Gestalt einer sehr flachen, doch alsbald an Dicke zu- nehmenden Linse (Fig. 59). Die Substanz der Linse tingirt sich weniger intensiv als die Substanz der Nucleolen und verliert weiter- hin noch von ihrer Tinetionsfähigkeit. Ich habe diese linsenförmige. Masse als Sekretkörperchen bezeichnet, ziehe es aber vor, sie jetzt Nebenkernkörperchen, Paranucleolus, zu nennen. Denn that- sächlich wissen wir nunmehr, dass auch die Nucleolen in dem Kernsafte sich lösen, und aus diesem wieder ausgesondert werden und es ist nicht ausgeschlossen, dass dieser Paranucleolus in irgend einem Verhältniss zu der Nucleolar - Substanz stehe. Durch die Zeit seiner Bildung, den Ort seines Auftretens und zum Theil auch durch seine Reaction, weicht er von den gewöhnlichen Nucleolen ab und verdient somit eine besondere Bezeichnung. Dass er hin- gegen alsbald aufgelöst wird, ja selbst dass dieses oft ausserhalb der Kernfigur geschieht, befremdet uns nicht mehr in demselben Maasse wie früher, da wir beispielsweise auch im Wandbeleg des Embryosacks von Leucoium Theile des Kernkörperchens ausser- halb der Kernfigur in Lösung angetroffen haben. Aus dem Zell- körper selbst wird der Paranucleolus nicht entfernt und somit ist Die Controversen der indirecten Kerntheilung. 271 -immerhin möglich, dass seine Substanz sich in den Enkelkernen, denn erst diese bilden Nucleolen wieder aus, sammle. Eine be- sondere Bedeutung muss aber diesen Paranucleolen in den Pollen- und Sporen-Mutterzellen zukommen, denn sie sind in allen diesen Gebilden unter denselben äusseren Erscheinungen wiederzufinden !). In manchen Fällen, so beispielsweise bei Equisetum, lösen sie sich aber innerhalb der Kernhöhle noch vor dem Schwinden der Kern- wandung. — Mit der Aussonderung des Paranucleolus aus dem Kernsafte fällt stets auch der Zustand zusammen, in dem sich der Fadenknäuel des Kerns so leicht zusammenzieht. Ich möchte beide Erscheinungen in Beziehung bringen und annehmen, dass die Dichte des Kernsaftes bei der Ausscheidung plötzlich sinkt und der Contraetion des Fadenknäuels nicht den gewohnten Wider- stand entgegensetzt. Die Concentration des Kernsaftes müsste dann freilich rasch wieder wachsen, denn schon auf den nächsten Metaphasen contrahirt sich der Fadenknäuel nicht mehr. — Die Zustände während der Contraction sind übrigens für die Erken- nung der wahren Natur der Kernwandung von Bedeutung. Letztere eontrahirt sich nämlich nieht mit und wird, wie jetzt überaus leicht festzustellen, nicht, oder so wie das Cytoplasma tingirt. Sie zeigt sich nach Rückzug des tingirten Kernfadens deutlich als eine die Kernhöhle abgrenzende, dem umgebenden Cytoplasma zuge- hörige Hautschicht. Der Kernfaden beginnt sich in den nächsten Prophasen zu ver- kürzen, wobei er sehr deutlich eine drahtfederartige Einrollung zeigt (Fig. 61). Bald erscheint er als glatter, ziemlich starker Strang mit deutlicher Sonderung in aufeinanderfolgende Scheiben (Fig. 62). Zugleich zerfällt der Faden in Segmente. Von diesen glaubte ich früher, dass sie der Länge nach zusammenklappen. Thatsächlich war aber meine Angabe unrichtig. Es ziehen sich vielmehr die ursprünglich noch ziemlich langen Segmente (Fig. 62) zu weit kürzeren, dann entsprechend dickeren, bandartig verbreiteten zu- sammen und diese spalten sich der Länge nach (Fig. 63). Es hatte Flemming somit Recht, hier irgend einen Beobachtungsfehler zu vermuthen ?). — Die in Längsspaltung befindlichen Segmente liegen alle, wenigstens an einer Stelle, der Kernwandung an. 1) 1 cp. 26 ff; und ıl. e: p. :501. ZU Iuel, P5:1819: 272 Eduard Strasburger: Die meisten folgen ihr vollständig. Sie kehren fast immer eine flache Seite der Kernwandung zu und zeigen sich ziemlich gleich- mässig an derselben vertheilt. (Fig. 63 und 64, in letzterer zwei Paranucleolen.) Die zwei Zwillingssegmente, die aus jedem Seg- mente hervorgingen, bleiben entweder der ganzen Länge nach an- einander, oder sie bilden eine Oese, oder spreizen an einem Ende auseinander, so dass eine Y-förmige Figur entsteht, oder trennen sich an beiden Enden und ahmen dann ein X nach. — Die Längsspaltung der Segmente erfolgt hier somit früher als in den bisher betrachteten Fällen, in denen wir sie in dem Stadium der Kernspindel erst eintreffen sehen. Ihr Effeet für den Theilungs- vorgang ist aber der nämliche. Man stellt auf diesem Entwicklungszustande mit voller Sicher- heit fest, dass zunächst ausser den Segmenten nur Kernsaft in der Kernhöhle vertreten ist. Nur hin und wieder laufen vereinzelte feine Plasmafäden bereits durch denselben. Der Kernsaft muss hier eine relativ nur sehr geringe Dichte besitzen; es war nicht mög- lich ihn auf irgend welchem Entwicklungszustande zu tingiren. — Liegen nächst ältere Zustände zur Beobachtung vor, so zeigt sich die Kernhöhle von einer grösseren oder geringeren An- zahl mikrosomenhaltiger Stränge durchsetzt. Dieselben ent- springen der Kernwandung und laufen oft von einem Segment- paare zum andern. Nach der Fuchsin-Jodgrün-Behandlung haben die Segmentpaare sich blau gefärbt, das Oytoplasma roth und eben dieselbe Färbung zeigen auch die den Kernraum durchsetzen- den Fäden. Es sind das Cytoplasmafäden, welche von der Kern- wandung aus ihren Weg in die Kernhöhle gefunden haben. Die Kernwandung ist noch vorhanden und tingirt sich ebenso wie die äussere Hautschicht der Zelle, von welcher sie nur durch etwas geringere Dicke abweicht. Die in Ein- oder Zweizahl vertretenen Paranucleolen färben sich ähnlich dem Cytoplasma. — Hierauf schwindet die Kernwandung, oft nicht gleichzeitig im ganzen Um- fang (Fig. 64) und das Cytoplasma tritt nun vollständig in die Kernhöhle ein. Die Zwillingssegment-Paare werden durch das einwandernde Cytoplasma zusammengedrängt (Fig. 65, 66). In den günstigsten Fällen ist in einiger Entfernung um die zusammen- gedrängten Segmente die Grenze des vom Kernsafte eingenommenen Raumes zu unterscheiden. Der Kernsaft vermiseht sich auch hier nicht mit dem gesammten Cytoplasma und hält im Anfang die Die Controversen der indirecten Kerntheilung. 273 Grenzen der ursprünglichen Kernhöhle ein. — Hierauf fängt das in den Kernsaft eingedrungene Cytoplasma sich in Streifen zu son- dern an (Fig. 67—70). Diese Streifen sind die sich differenzirenden Spindelfasern. Mit ihrem Siehtbarwerden beginnen die Zwillings- paare der Segmente wieder auseinander zu rücken und gelangen, den Spindelfasern folgend, in äquatoriale Lage. Alle meine An- gaben über den Ursprung und die Bedeutung der Spindelfasern muss ich somit aufrechthalten. Für den stützenden und diri- girenden Einfluss der Spindelfasern spricht ja ganz unzweifel- haft der Umstand, dass in den noch geschlossenen und von Kern- saft erfüllten Kernhöhlen, die Segmente des Kernfadens eine Stütze nur an der Kernwandung zu finden vermögen und sämmtlich dieser anhaften, dass der äquatorialen Einordnung der Segmentzwillinge die Ausbildung der Spindelfasern vorausgeht, dass die Segment- zwillinge während dieser Einordnung den Spindelfasern folgen. In solchen Mutterzellen, wie die in Fig. 68 dargestellten, war mit voller Sicherheit festzustellen, dass die Spindelfasern von einem Pol der Spindel zum andern laufen und nicht etwa im Aequator unterbrochen sind. Aufsolchen Zuständen wie die letzt geschilderten, schwindet definitiv der Paranucleolus; er nimmt dabei allmählich an Grösse ab; man findet ihn in dem letzten Stadium seiner Exi- stenz oft in nicht unbedeutender Entfernung von den Kernseg- menten (Fig. 67, 68). Schliesslich ist die Kernplatte fertig (Fig. 69) und hiermit die Prophasen der Theilung absolvirt. In diesem Falle werden somit die Segmente des Kernfadens nach bereits vollendeter Längs- spaltung in eine Kernplatte angeordnet. Jedes Element der Kern- platte stellt ein Zwillingspaar von Segmenten dar, wenn auch unter dem Einfluss der Reagentien eine Verschmelzung meist er- folgt und die doppelte Zusammensetzung nicht immer ohne Weiteres sich erkennen lässt. Jedes Segmentpaar hat die Gestalt eines Y mit doppelt so starkem Fusse als es die Schenkel sind. Der Fuss ist eben doppelt, die Schenkel repräsentiren einfache Segmentenden. Der Fuss ist in der Aequatorialebene selbst, und zwar an den peripherisch gelegenen Segmentpaaren nach aussen, orientirt; die Schenkel sind nach den beiden Polen gerichtet. Sie folgen den Spindelfasern, deren Zahl der Zahl der Segmentpaare gleicht. Da die Zahl der Elemente hier gering, die Kernspindeln gross, so sind die Bedingungen für die Beobachtung relativ günstig. Die Spindel- 274 Eduard Strasburger: fasern führen sehr kleine Mikrosomen. Sie neigen nach den Polen stark zusammen, zwischen ihnen befindet sieh aber nicht allein, wie in früher beobachteten Fällen, Kernsaft, sondern auch feinkörniges Protoplasma. Dieses letztere ist auch longitudinal gestreift, doch sind seine Streifen nicht eontinuirlich und schwächer markirt als die Spindelfasern. Polare Ansichten zeigen, dass die Zahl der Kernplattenelemente gewöhnlich 10 bis 12, meist die letztere Zahl beträgt (Fig. 70, 71). Diese Elemente sind annähernd gleichmässig vertheilt. ° Ein oder einige befinden sich stets im Innern der Figur. Die Anwesenheit teinkörnigen Protoplasmas zwischen den Kernplattenelementen kann jetzt mit aller Evidenz constatirt werden. Oft erscheinen die einzelnen Elemente von einer Hautschicht des umgebenden Protoplasma umgrenzt, was aber wohl der Wirkung der Reagentien sich wird zuschreiben lassen. Die Trennung und Umordnung der Tochtersegmente erfolgt, indem der Fuss der Y-förmigen Figur der Länge nach aufklappt. Die Zwillingssegmente bleiben mit dem Aequatorialende zunächst in Berührung und benutzen diese Contactstelle gleichsam wie ein Scharnier. Das giebt Bilder wie unsere Figur 72. Zugleich krümmen sich die Tochtersegmente hakenförmig an ihrem polaren Ende (Fig. 73). Hiermit sind die Metaphasen vollendet und mit dem Auseinanderweichen der Tochtersegmente beginnen die Ana- phasen. Ein Ruhepunkt tritt zwischen den Metaphasen und Anaphasen nicht ein; die rasche Aufeinanderfolge der Zustände in den Prä- paraten zeigt, dass diese Phasen continuirlich ineinander über- gehen. In Fig. 74 ist ein relativ frühes Stadium des Auseinander- weichens der beiden Schwesterkern-Anlagen zu sehen; sie be- wegen sich längs der Spindelfasern. Fig. 75 zeigt eine spätere Phase in schräger Ansicht, welche ein Abzählen der Tochterseg- mente ermöglicht und deren Zahl gleich derjenigen der vorausge- gangenen Kernplattenelemente finden lässt. In Fig. 76 haben die Tochtersegmente die Pole der ursprünglichen Kernspindel fast, in Fig. 77 vollständig erreicht. Die Segmente werkürzen und ver- dicken sich hier, rücken dicht aneinander (Fig. 78) und bekommen ein perlschnurartiges Aussehen (Fig. 79). Von den Polen aus ge- sehen zeigen sie eine radiale Anordnung (Fig. 80). Hierauf folgt ein Einwärtsbiegen und Verschmelzen der Segmente mit ihren Die Controversen der indireeten Kerntheilung. 375 Enden (Fig. 81); der entstandene Fadenknäuel wird durch eine Hautschieht, die Kernwandung, vom umgebenden Cytoplasma ab- gegrenzt und die Anlage der Tochterkerne ist vollendet. — Das Verhalten der Verbindungsfäden ist dasselbe, wie wir es bei Fritillaria geschildert. Die Zahl der Verbindungsfäden wird ver- mehrt, so dass sie alsbald einen tonnenförmigen Körper bilden. Die äquatoriale Zone der Fäden beginnt sich hiermit stärker zu markiren (Fig. 78). Es treten die Zellplattenelemente in den Verbindungsfäden auf (Fig. 79). Gleichzeitig verliert sich das streifige Aussehen des Cytoplasma an den beiden Schwester- kernen. Die äquatoriale Zone der Verbindungsfäden breitet sich seitlich aus (Fig. S7) und schliesslich hat sie den ganzen Quer- schnitt der Zelle tiberspannt, wonach sie sich in eine Zellhaut ver- wandelt. Die zu einem Fadenknäuel in den Tochterkernen verschmol- zenen Segmente werden feinkörnig. Der Kern nimmt an Grösse zu; eine Kernhöhle bildet sich aus und in ihr findet sich auch der Kernsaft wieder ein. Die_Windungen des Fadenknäuels be- ginnen sich gleichzeitig zu strecken und nimmt der Faden dabei ein drahtfederartiges Aussehen an (Fig. 82). Nucleolen werden nicht ausgesondert und behält der Kernfaden, ohne ein Netzwerk zu bilden, im Wesentlichen die Anordnung bei, die er der Art seiner Entstehung verdankt. Dieser Fall ist daher auch recht in- struetiv, weil er über die Verschmelzung der Segmentenden in der Tochterkernanlage keinen Zweifel übrig lässt. In dem ver- srösserten Tochterkerne (Fig. 83), der auch seine ursprüngliche Form beibehalten hat, sehen wir in Seitenansicht (Fig. 83) die Windungen des Fadens ebenso verlaufen, wie wir die Tochter- segmente der Kernanlage vor dem Verschmelzen angeordnet fan- den. Betrachten wir aber den Zellkern von der Fläche, so sehen wir nur die Ansatzstellen der Windungen an der Kernwandung (Fig. 84), ganz so wie wir bei polarer Ansicht der Tochterkern- anlagen nur die umgebogenen Enden der Tochtersegmente wahr- nehmen konnten. — Hierauf beginnen die Windungen sich wie- der zu verkürzen, ihren welligen Verlauf auszugleichen (Fig. 85); sie strecken sich in longitudinaler Richtung (Fig. 86), wobei gleich- zeitig die Kernwandung schwindet und Cytoplasma in die Kern- höhle einwandert. So bekommen wir Bilder, die unmittelbar an entsprechende Prophasen im Wandbeleg des Embryosacks von 276 Eduard Strasburger: Galanthus anschliessen (Fig. 87). Die longitudinal verlaufenden Windungen zeigen sich in der Aequatorialgegend eingefaltet (Fig. 87). Hierauf öffnen sich die Schleifen an den Polen und am Aequator; es beginnen die Segmente unter entsprechender Ver- diekung kürzer zu werden und ziehen sich immer mehr auf den Aequator zurück (Fig.88 rechts). Polare Ansichten dieser Zustände lehren, dass die Segmente zu einem einfachen Kranze angeordnet sind (Fig. 88 links, 89 links, 91 links). Das Innere des Kranzes ist frei von Segmenten. Mit dem Einziehen der Segmente werden die Spindel- fasern besser sichtbar (Fig. 89 rechts). Schliesslich hat dieser Kranz nur noch geringe Höhe (Fig. 89 rechts in der Seitenansicht, 90 in Frontansicht). In diesem Stadium erfolgt die Längsspaltung der Kernfaden-Segmente. Diese Längsspaltung hier nachzuweisen hält übrigens ausserordentlich schwer. Sie wird durch unsere Fig. 90 voranschaulicht. In dieser sind die Elemente der Kern- platte deutlich der Länge nach halbirt. An manchen Zwillings- paaren haben sich die Längshälften zum Theil getrennt, wodurch bereits eine Aehnlichkeit mit den Y-förmigen Paaren der Mutter- kernplatte erreicht wird. Augenscheinlich entspricht dieses Kranz- stadium, in welchem hier die Längsspaltung der Kernfaden-Seg- mente erfolgt, dem Stadium in dem Zellkerne der Mutterzelle, wo die Kernfaden-Segmente sich ebenfalls der Länge nach halbiren. Der Unterschied besteht nur darin, dass dort um jene Zeit die Mutterzellwand noch existirt und die Kernfaden-Segmente ihr an- liegen. — Jetzt richten sich die beiden Hälften jedes Segment- paares scharf nach den beiden Polen zu auf, ordnen sich in einer Ebene an und bilden eine Kernplatte, die im Wesentlichen mit derjenigen, die wir in der Mutterzelle fanden, übereinstimmt (Fig. 91 rechts). Das Innere dieser Kernplatte bleibt von Ele- menten frei und könnte die Bezeichnung „Stern“ auf diese Kern- platte somit allenfalls passen. — Der Zustand der Kernspindel dauert nicht lange. Die Tochtersegmente strecken sich gerade ‚und be- rühren sich nur noch mit ihren äquatorialen Enden (Fig. 92 links). In polarer Ansicht ist die Anordnung dieser Elemente gut zu über- sehen (Fig. 92 rechts). Mit dem Emporrichten der Segmente an der äquatorialen Seite ist ein Umbiegen derselben an den polaren Enden nicht verbunden. Die Anaphasen beginnen mit dem Auseinanderweichen der Tochtersegmente (Fig. 93). Diese verdieken und verkürzen sich, - Die Controversen der indireeten Kerntheilung. 277 während sie sich den Polen der Spindelfasern nähern. Zugleich beginnen sie sich an dem polaren Ende umzukrümmen. Diese Umbiegung wird stärker, wenn die Pole erreicht sind (Fig. 94 links). Die Toehtersegmente rücken hier dicht zusammen und polare Ansichten zeigen (Fig. 94 rechts), dass einige Segmente jetzt auch in das Innere der Figur gerückt sind.. Die weitere Differenzirung der Tochterkerne, die Ausbildung der Verbindungs- fäden und der Scheidewände erfolgt hier nicht anders als beim ersten Theilungsschritt (Fig. 95) und braucht somit nicht wieder- holt beschrieben zu werden. Auf die Schilderung von Hemerocallis fulva komme ich hier nicht zurück, weil die Kerne in den Pollen-Mutterzellen derselben relativ klein sind und für die Lösung der obschwebenden Fragen ‚somit nicht geeignet. Corrigirt sei aber die Angabe, dass die Segmente des Mutterkernfadens, die auch bei Hemerocallis der Kernwandung anliegen, der Länge nach zusammenklappen sollten. Es liegt eben auch bei Hemerocallis eine Längsspaltung der Fäden in jenem Stadium vor. Die sich spaltenden Elemente ziehen sich dabei auf so geringe Länge zusammen, dass sie fast den Ein- druck von Körnern machen. — Erinnern möchte ich an dieser Stelle auch an das eigenthümliche Verhalten der Mutterzellen von Hemerocallis, die simultan in zwei grosse und eine bis einige kleine Zellen zerfallen können. Dabei findet der merkwürdige Vor- gang statt, dass ein oder einige Elemente vom Rande der Kern- platte, nicht in die beiden Schwesterkerne eingezogen werden, vielmehr im Aequator verbleiben und dort einen kleinen Zellkern bilden. Eine im Verhältniss zu der Grösse des Zellkerns stehende Cytoplasmamasse wird durch Zellplatten und aus diesen hervor- gehende Scheidewände von den gleichzeitig entstehenden grösseren Zellen abgegrenzt!). Ein so gebildeter Zellkern kann sich dann auch zugleich mit denjenigen der grösseren Schwesterzellen theilen und hiermit seine Vollwerthigkeit documentiren. Die kleinen Zellen werden auch mit ganz normal aussehender Wandung umgeben und unterscheiden sich nur durch entsprechend geringere Grösse von den normalen Pollenkörnern. — Ich habe diesen Fall nochmals hervorgehoben, weil er mir für gewisse theoretische Betrach- 1) l. c. p. 22 und Taf. II, Fig. 63—65; und 1. c. p. 497, Taf. XXVI, Fig. 63—65. 278 Eduard Strasburger: tungen, die ich am Schlusse anreiken will, von Bedeutung scheint. In meiner letzten Publication hatte ich darauf hingewiesen, dass die Pollenmutterzellen der Tradeseantia-Arten schon bei dem ersten Theilungsschritt zum Theil diejenigen Vorgänge am Zell- kerne zeigen, die wir bei Fritillaria und Lilium erst in den Tochterzellen fanden !). Der ruhende Zellkern von Tradescantia subaspera hat ein feines Gerüstwerk aufzuweisen, das einige wenig sichtbare Nucleolen einschliesst. Dann folgt ein feinfädiger Knäuel, mit sehr flachem, der Kernwandung anliegendem Paranucleolus. Dieser Knäuel zieht sich zu einem relativ kurzen, mindestens zehn Mal diekeren Faden zusammen. Von diesem ist es relativ leicht festzustellen, dass er in sich selbst zurückläuft. Derselbe zeigt auch in besonders auffälliger Weise die Zusammensetzung aus dunklern und hellern Abschnitten?). Es genügt in der That, An- theren entsprechender Entwicklungszustände im Wasser zu zer- drücken, um sich hiervon zu überzeugen. Der dicke Faden legt sich in Windungen, die in ihrer Höhe nicht unbedeutend ab- weichen, doch alle mehr oder weniger parallel zu einander laufen. Wie polare Ansichten zeigen, ist auch das Innere der Figur von den Windungen eingenommen. Gleichzeitig ist die Kernwandung aufgegeben worden und Cytoplasma wanderte in den Kernsaft ein. Der Faden zerfällt hierauf in hakenförmig umgebogene Seg- mente, die sich der Länge nach spalten. Dann öffnen sich die Zwillingspaare, das eine Ende als Scharnier benutzend. Sie trennen sich hierauf und weichen nach den Polen auseinander. — In den Tochterzellen wiederholt sich derselbe Vorgang. Das Ob- jeet lässt sich übrigens nur sehr schlecht fixiren und ist daher für das Studium der intimen Vorgänge der Kermtheilung durchaus ungeeignet. Von Interesse war es, die bei Monocotylen gewonnenen Re- sultate an den Pollenmutterzellen der Dieotyledonen zu prüfen. Letztere sind nun für die Untersuchung sehr ungünstig und die mir von früher her bekannten Beispiele hätten nicht für die Ent- scheidung der in Betracht kommenden Punkte ausgereicht. Die Erfahrung, dass im Endosperm der Helleborus-Arten die Zell- 1) 1. c. p. 24 und 1. e. p. 499. 2) Vergl. hierzu Baranetzky, Bot. Ztg. 1880, Sp. 284 und 285, Die Controversen der indirecten Kerntheilung. 279 kerne relativ gross sind, führte mich auf die Untersuchung dieser Pflanzen und in der That zeigte es sich, dass auch ihre Pollen- mutterzellen zu den günstigeren Objeeten dieser Art unter den Dieotyledonen gehören. Um die nöthigen Vergleichungspunkte zu A . gewinnen, genügte es, entsprechend alte Antheren in 1°), Essig- säure-Methylgrün zu zerdrücken. So gut, ja in mancher Be- ziehung besser als die genannte Essigsäure, bewährte sich 1%, Ameisensäure-Methylgrün und zwar kam ich auf die Ameisen- säure durch das Lob, das ihr Retzius!) ertheilt. Dabei zeigte es sich, dass die Pollenmutterzellen von Helleborus foetidus sich in den beiden aufeinanderfolgenden Kerntheilungsvorgängen durch- aus so wie Fritillaria oder Lilium beim ersten Theilungsschritt verhalten. Die Mutterzellen sind aber nicht unwesentlich kleiner. In einer Blüthenknospe die mit Stiel S—-10 mm misst, trifft man in den Antheren, von innen nach aussen in der Blüthe fortschreitend, alle aufeinanderfolgenden Theilungsstadien. Die Uebereinstimmung mit dem zweiten Schritt der Kerntheilung bei Fritillaria und Lilium ist wie gesagt, so gross, dass die Vorgänge hier nochmals zu schildern, überflüssig wäre. Hingegen sehen wir hier nach dem ersten Theilungsschritt die Zellplatte und die Verbindungsfäden wieder schwinden, die Tochterkerne sich reehtwinklich zu einander theilen und die Enkelkerne tetraädrische Lagen annehmen. Hier- nach werden die Verbindungsfäden im Cytoplasma derart frei er- gänzt, dass sich die vier Enkelkerne allseitig durch solche ver- bunden zeigen. In diesen Verbindungsfäden entstehen in gewohnter Weise sechs kreisquadrantische Zellplatten, die alsbald in Zellhaut verwandelt, den Raum der Mutterzelle in vier tetra&drisch angeordnete Zellen zerlegen. Die Verbindungsfäden sind übrigens auch in diesen wie in sonstigen dicotylen Pollenmutterzellen meist nicht gut zu sehen. Nach der bei Dieotyledonen gewohnten Art, erhält die Wand der Mutterzelle vor Theilung des Inhalts sechs leistenförmige Vor- Sprünge, welche den sechs Zellplatten in ihrer Lage entsprechen. An diese Leisten setzen die aus den Zellplatten hervorgegangenen Scheidewände an. Dass die kurzen Fadensegmente, die ich an der Kernwandung von Glaucium fulvum schon früher gesehen?), der Längs- 1) Biol. Unters. IX, p. 110. 2) 1. c. p. 27; und 1. c.-p. 502. 280 Eduard Strasburger: spaltung auch unterliegen, kann wohl nicht mehr angezweifelt werden. Bei Equisetum limosum!) ist in den Sporen - Mutterzellen leicht der Zustand des feinfädigen, eontrahirten Knäuels mit einem der Kernwandung anliegendem Paranueleolus aufzufinden. Dann trifft man auf die uns wohl bekannten Zustände, wo kurze Kern- fadensegmente an der Kernwandung befestigt sind. Dass diese sich der Länge nach spalten, ist wohl sicher anzunehmen. Der Paranucleolus löst sich allmählich innerhalb der Kernhöhle auf, vor Schwund der Kernwandung. Die Spindelfasern der Kernspindel sind sehr scharf gezeichnet, die Elemente der Kernplatte zu klein, um weiteren Einblick in den Trennungsvorgang zu gestatten. Dieselben Bilder kehren in den Pollen-Mutterzellen von Psi- lotum triquetrum wieder und lassen sich dort, der weit be- deutenderen Grösse der Zellkerne wegen, viel besser studiren. Auf ein äusserst feinfädiges Gerüst mit Nueleolen folgt der feinfädige Knäuel mit Paranucleolus.. Dann findet eine Verkürzung des Fadens und dessen Zerfall in sehr kurze, hier auch sehr zahlreiche Segmente, deren Zahl wohl an die 140 betragen kann, statt. Die Längsspaltung derselben ist hier mit Sicherheit zu constatiren. Das Schwinden der Kernwandung, Ausbildung der Spindelfasern erfolgt in derselben Weise wie bei Fritillaria und Lilium. Die Spindelfasern sind der Zahl der Doppelsegmente entsprechend sehr zahlreich, deutlich gezeichnet, die Kernspindel an den Polen scharf zugespitzt. Die Trennung der Zwillingssegmente und ihr Aus- einanderweichen schliesst sich auch unmittelbar den angeführten Fällen an. Die Tochterkerne wiederholen, hier wie bei Equisetum, die Vorgänge, die sich in den Mutterkernen abspielten. Die Theilung der Mutterzellen in vier Tochterzellen erfolgt simultan. Weiter musste ich mir die Frage vorwerfen, wie denn die Theilungsvorgänge in den Staubfädenhaaren von Tradescantia sich an die bisher geschilderten Fälle würden anreihen lassen. Schien es doch, nach so häufig wiederholter Untersuchung jener Haare, dass sich in denselben Anknüpfungspunkte für eine Längsspaltung von Kernsegmenten kaum noch würden finden lassen. Verfolgt man den Theilungsvorgang in den lebenden Haaren, für welches . Studium sich dieselben ja besonders empiehlen, so kommt man 1) 1.c.p.28, Taf. II, Fig. 66—68; und |. c. p. 502, Taf. XXVI, Fig. 66—68. Die Controversen der indirecten Kerntheilung. 281 alsbald zu der Ueberzeugung, dass die Längsspaltung im Leben zu sehen, hier wohl für alle Zeiten unmöglich sein dürfte. — Der ruhende Zellkern erscheint fein punktirt; er besitzt ein sehr diehtes Gerüstwerk, in welehem meist einige verschieden grosse Nucleolen eingebettet sind. Die Kernwandung ist sehr zart ge- zeichnet. Der Kern beginnt sich mit dem Eintritt der Prophasen in die Länge zu streeken und sein feines Gerüstwerk geht in einen grobkörnigen Fadenknäuel über, dessen Windungen in schräger Richtung verlaufen. Das Zellplasma sammelt sich jetzt an den Kernpolen. Hierauf beginnen die Körner im Fadenknäuel undeut- licher zu werden, derselbe wird homogen und macht Umlagerungen und Segmentirungen durch die sich in den Einzelheiten der sicheren Controlle entziehen. Ganz klar wird das Bild erst wieder mit dem Augenblick, wo der Kern sich bereits in zwei Hälften ge- sondert zeigt. Diese Hälften bestehen aus stäbehenförmigen bis an die Pole reichenden Elementen, die im Aequator aufeinander stossen. Unsere Erfahrungen an fixirten Objeeten erlauben uns den Schluss, dass dieses Stadium als das letzte der Metaphasen aufzufassen ist und den Augenblick repräsentirt, wo die Zwillings- segmente nach ihrer Umlagerung nur noch mit ihren äquatorialen Enden in Berührung stehen. Die Stäbchen, also Tochtersegmente, sind, wenn besonders lang, an ihrem polaren Ende etwas einge- krümmt. Zwischen dem Zustande der schräg verlaufenden grob- körnigen Windungen und diesem pflegt wohl eine Stunde zu ver- fliessen. Etwa 10 bis 15 Minuten nachden dieser letzte Zustand aus- gebildet war, beginnen die beiden Tochterkernanlagen auseinander- zuweichen. Dies geht so rasch, dass 5 Minuten später die beiden Anlagen bereits um einen merklichen Abstand entfernt sind. Nicht immer trennen sich alle gegenüberliegenden Segmentpaare gleich- zeitig von einander, manche bleiben länger verbunden zurück und eilen dann erst nach. Gleichzeitig sieht man die auseinander- weichenden Stäbehen sich an den Polenden umkrümmen. Sie werden auch etwas kürzer und dieker. Zwischen den beiden Kernhälften verbleibt eine glashelle Substanz, die alsbald noch durch Einwandern, wie es scheint des an den Polen angesammelten Cytoplasma, an Masse zunimmt. Das einwandernde Cytoplasma dürfte den Weg zur centralen Masse zwischen den Tochtersegmenten finden. Die glashelle Verbindungsmasse lässt keinerlei Structur erkennen. Sie nimmt allmählich tonnenförmige Gestalt an. Es 282 Eduard Strasbureger: mögen dann 25 bis 30 Minuten seit dem Beginnen des Ausein- anderweichens verflossen sein. Jetzt zeigen sich in der Aequatorial- ebene, innerhalb der glashellen Verbindungsmasse aneinanderge- reihte Punkte. Im nächsten Augenblick verschmelzen diese Punkte miteinander und bilden eine scharf gezeichnete dunkle Linie, die junge Scheidewand. Ist die Tonne aus glasheller Verbindungs- masse so stark gewesen, dass sie den ganzen Querschnitt ihrer Zelle erfüllte, so wird die Scheidewand simultan durch den ganzen Querschnitt gebildet. Ist die Tonne schmaler gewesen, so lag sie nur einseitig der Mutterzellwand an und an diese Seite anschliessend, ist ein Theil der Scheidewand, soweit als der tonnenförmige Körper reichte, zunächst angelegt worden. Hierauf bewegt sich die Ver- bindungsmasse, theilweise von der gebildeten Scheidewand zurück- weichend, durch die Zelle, bis dass sie die Seitenwand an allen Punkten des Querschnitts erreicht hat und die fehlenden Theile der Scheidewand ergänzen konnte. — Während dem haben sich die Tochtersegmente auch an ihrem äquatorialen Ende nach innen zugebogen und verschmelzen nun jedenfalls mit ihren Enden. Nach einiger Zeit beginnen die Windungen des so entstandenen Knäuels feinkörnig zu werden, strecken und krümmen sich wellenförmig. Zugleich nimmt der Zellkern an Grösse zu. Beide Tochterkerne näheren sich der neu gebildeten Scheidewand, während die Ver- bindungsmasse das Aussehen gewöhnlichen Cytoplasmas annimmt und zum grossen Theil schwindet. Der Kernfaden wird immer dünner, seine Windungen immer zahlreicher und enger und mit dem Auftreten der Kernkörperchen ist das Aussehen des Ruhezu- standes wieder erreicht. Es mögen anderthalb Stunden vom Be- ginn des Auseinanderweichens der Tochtersegmente verflossen sein. So viel, oder vielmehr so wenig, ist an den günstigsten der pflanziichen Objecte von dem lebendigen Vorgange der Kerntheilung zu sehen. Die Theilungszustände in den Staubfädenhaaren von Trades- cantia lassen sich leider sehr schlecht fixiren. Aus dem was sich durch Fixiren und Färben hier erreichen lässt, geht aber hervor, dass die Prostadien denjenigen von Galanthus fast vollständig entsprechen. Es erfolgt eine Einfaltung der longitudinal gestreckten Windungen des Fadenknäuels im Aequator, dann eine Continuitäts- Unterbrechung an den Polen und im Aequator. Die Kernspindel ist nun auch so gebaut wie bei Galanthus, nur dass die Segmente Die Controversen der indirecten Kerntheilung. 283 seitlich dieht aneinander gedrängt sind, ihre Schenkel bis an die Pole der Kernspindel reichen und von den Spindelfasern daher kaum etwas zu erkennen ist. Es erfolgt nunmehr eine Längs- spaltung der relativ wenig zahlreichen Kernplattensegmente. Die Trennung und Umlagerung der Tochtersegmente erfolgt wie im protoplasmatischen Wandbeleg der Embryosäcke von Galanthus. Die polwärts hinausragenden Zwillingssegmente werden rasch ein- gezogen und so entsteht das Bild, das wir im lebenden Zustande deutlich sehen können und das uns die umgelagerten Tochterseg- mente mit im Aequator aufeinanderstossenden Enden zeigt. — So günstig übrigens das lebende Objeet erscheint, so ungünstig sind die fixirten Bilder. Sie leiden stark bei der Härtung und sind somit ebensowenig wie die Pollenmutterzellen der Tradescantien für das Studium der intimeren Kerntheilungsvorgänge zu empfehlen. Wir können somit als höchst wahrscheinlich bereits den Satz aufstellen, dass bei allen typischen Vorgängen der indireeten Theilung pflanzlicher Zellkerne eine Phase vorkommt, in der die Segmente des Kernfadens sich der Länge nach theilen. Der Vor- gang ist aber bei verschiedenen Objeeten nicht an dieselbe be- stimmte Anordnung der Segmente in der Kernfigur gebunden und kann sowohl vor, als nach erfolgter Einordnung der Segmente in die Kernplatte erfolgen. Vergleichen wir alle diese Befuude bei Pflanzen mit den Ergebnissen der Studien über thierische Kerntheilung, wie sie vornehmlich auf die vorzüglichen Arbeiten Flemming'’s gestützt, in dessen letztem Werke ihren Ausdruck finden, so müssen wir zugeben, dass, ein Punkt ausgenommen, kaum noch so ernste Differenzen zwischen diesen Vorgängen bestehen. Auf eigene Studien an Salamandra, dem Hauptobjeet der Flemming’schen Untersuchungen, habe ich diesmal verzichtet, da ich mich den letzten Angaben Flemming’s im Wesentlichen an- schliessen kann und keinesfalls über das umfangreiche Material verfüge, das nothwendig wäre, um die noch vorhandenen Differenzen zu schlichten. Im ruhenden .Kern thierischer Zellen beschreibt Flemming in seinem letzt erschienenen Werke ein feinfadiges Kerngerüst (Kernnetz) mit eingelagertem „Chromatin“. Denn es sei möglich, dass das Chromatin ‚nur als grösster Massentheil in dem Netz- 284 Eduard Strasburger: werk und den Nucleolen enthalten sei und dass ein Rest davon übrig bleibt, der eben nicht Chromatin ist“!). Auch macht Flem- ming am Schluss seines Werkes die Bemerkung, dass das Chro- matin wahrscheinlich auch im ruhenden Kerngerüst in Gestalt von Körnchen vertheilt sei?). Meiner Auffassung nach ist im ruhenden . Zellkerne ein Gerüst vorhanden aus homogenem Nucleoplasma, in welchem Mikrosomen eingelagert sind. Diese allein sind es, die mit so grosser Begierde den Farbstoff aufnehmen, während das Hyaloplasma des Kerns eine nicht viel grössere Tictionsfähigkeit als das hyaloplasmatische Gerüstwerk des Cytoplasma besitzt. Auch Pfitzner nimmt an?), dass im Gerüst des Zellkerns noch eine mit den Chromatin nicht gleich zu achtende ‚‚Zwischensub- stanz“ vertreten sei und nur die „Chromatinkugeln“ das Chromatin enthalten. — Von dem Kernsaft giebt Flemming ausdrücklich an, dass er tingirbar sei*) und jedenfalls eine diekflüssige Sub- stanz repräsentire. Ich halte Letzteres auch für wahrscheinlich ; was Ersteres anbetrifft, so muss ich ergänzend für. Pflanzen- zellen hinzufügen, dass der Kernsaft in der That tingirbar sei, doch nicht in allen Entwicklungszuständen des Zellkernes. Er ist tingirbar im Ruhezustande, verliert die Tinetionsfähigkeit während der Ausbildung des Fadenknäuels und erlangt sie wieder während sich die Nucleolen auflösen. Es ist somit sehr wahrscheinlich, dass die Tinetionsfähigkeit des Kernsaftes überhaupt von der An- wesenheit der Nuclearsubstanz in demselben abhängig sei. Eine Structur konnte ich weder an dem Kernsaft der lebenden, noch der mit Reagentien behandelten Zellkerne jemals erkennen. Auch Flemming findet, dass für die Annahme einer Struetur im Kern- saft kein Grund vorliege; wo er feine Körnelung des Kernsaftes findet, führt er sie auf die Einwirkungen von Reagentien zurück. —- Die Nucleolen hält Flemming für besondere Substanztheile des Kerns, die sich vom Kerngerüst und dem Kernsaft unterscheiden). Hiermit stimmen auch meine Beobachtungen und ich möchte hinzu- fügen, dass ich die Nucleolen auch nicht für lebende Substanz des Zellkerns halte. Die Wahrnehmung, dass dieselben sich im 1) 1. c. p. 129, 130, 132, 204, 273. 2) 1. c. p. 339. 3) Morph. Jahrb. Bd. VII, p: 297. a... P.17D, 5) l. e. p. 138, Zusammenstellung p. 163. Die Controversen der indireeten Kerntheilung. 285 Kernsafte lösen und wieder aus diesem ausgesondert werden, mit einander verschmelzen und in Stücke zerlegt werden können, sprieht für diese meine letzte Auffassung. Die Beobachtung, dass die Tinetionsfähigkeit des Kernsaftes während der Ausbildung des Fadenknäuels schwindet, stützt die Annahme, dass es sich in den Nucleolen um einen Reservestoff des Zellkerns handle. Dass aber der Kernsaft seine Tinctionsfähigkeit der Nucleolar-Substanz ver- danke, geht aus dem Umstande hervor, dass er während der Auf- lösung der Nueleolen bei Fritillaria seine Tinetionsfähigkeit zurück- erlangt.- Die Nucleolen entstehen an den mir bekannten Objecten nieht im Gerüstwerk, sondern an demselben, respective in den Maschen desselben. Dort sind auch die fertigen Nucleolen, meist dem Gerüstwerk anhängend, zu finden. — Es ist nur eine beider- seits abgesetzte Kernwandung oder Kernmembram um den Zellkern vorhanden, sie fällt mit der achromatischen Kernmembram Flem- ming’s zusammen und zwar kann ich mit Bestimmtheit be- haupten, dass dieselbe eine Hautschicht des umgebenden Cytoplasma ist, was Flemming auch für möglich hält!). Die erhärtete Ober- fläche des Kernsaftes, die an contrahirten Kerngerüsten manchmal zu sehen ist, kann ich, da sie ihre Existenz den Reagentien ver- dankt, nicht als besondere Kernwandung bezeichnen. Ebenso wenig scheint mir dieser Name zu passen auf die äussere Grenze des Kerngerüstes, die sich dadurch zeichnet, dass hier die Faden- windungen umbiegen, eventuell eine Zeit lang der Kernoberfläche folgen. — Von einer direeten Fortsetzung der Cytoplasmafäden in das Gerüstwerk des Kerns habe ich mich eben so wenig wie Flemming?) und Retzius?) überzeugen können; wohl aber setzt das Gerüstwerk des Kerns direet an die Kernwandung an und be- findet sich so in unmittelbarem Contact mit dem Cytoplasma. Bei Salamandra geht nach Flemming aus dem ruhenden Kerngerüst ein Knäuel hervor, der von einem einzigen reich ver- schlungenen Faden gebildet wird. Die noch bestehenden Differenzen zwischen Flemming und mir, in der Art der Ausbildung dieses Fadens, sind nicht von Belang und sollen daher nicht weiter er- örtert werden. — Die Angabe von Flemming, dass die Nucleo- 1) 1. c. p. 169, p. 170, 241. 2) 1. c. p. 173. 8) 1. 0. p. 139. Archiv f. mikrosk., Anatomie. Bd, 23, 19 286 ' Eduard Strasburger: len sich nach und nach diconstituiren und ihr Chromatin an den Knäuel abgeben, würde meinen Erfahrungen nicht vollständig ent- sprechen, da ich, wie schon erwähnt, finde, dass ihre Substanz zum Theil im Kernsaft bleibt. Diese Auflösung erfolgt bei Pflanzen gewöhnlich später als bei Salamandra. Der im Kernsaft gelöste Theil der Substanz erfüllt bei Pflanzen mit diesen die Räume zwischen den Verbindungsfäden. — Der Kernfaden zeigt, wie Pfitzner vornehmlich erwies!), beiSalamandra den Bau aus Körnern, die ich als Mikrosomenscheiben bezeichnete. Dieser Bau lässt sich auch bei allen Pflanzen, die ausreichend grosse Kerne besitzen, mehr oder weniger deutlich erkennen. — Der feinfadige, dichte Knäuel geht bei Salamandra in den diekfadigen, lockeren über, der sich hierauf in Stücke segmentirt. Diese Segmentirung kann sich auch bis auf spätere Stadien verzögern und so auch fanden wir bei Pflanzen, dass die Segmentirung sich nach der einen oder anderen Richtung, innerhalb der Prophasen, verschieben kann. — Auf dem nächsten Stadium, wo wir bei Pflanzen die Kernwandung meist schon schwinden sehen, wird dieselbe auch bei Salamandra undeutlich. Die Fadensegmente nehmen zugleich die Gestalt von Schleifen an mit etwa gleich langen Schenkeln und ordnen sich derart zu einer Sternform an, dass die Schleifenwinkel nach dem Centrum und die Schenkelenden nach der Peripherie zu liegen kommen?). Die Zahl der Schleifen beträgt annähernd 24. Wie bei verschiedenen Pflanzen, ist auch bei verschiedenen Thieren, respective in den verschiedenen Geweben derselben Pflanze und desselben Thieres die Zahl der Segmente verschieden. — Bei Sa- lamandra ist die Mitte der Sternfigur von Segmenten frei, ein Ver- halten, das nur in Pollenmutterzellen beim zweiten Theilungsschritt begegnete. „In der Uebergangsperiode von Knäuel zum Stern giebt es ‚vielfach sehr unregelmässige Lagen der Schleifen, oft liegen einzelne ganz weit abgerückt“. Diese Angabe erinnert uns an die Verhältnisse in den Pollenmutterzellen von Fritillaria und Verwandten, beim ersten Theilungsschritt, während die Segment- paare in die Kernplatte eingeordnet werden. Flemming sah solche „abgerückte Schleifen“ auch in lebenden Zellen ?), so dass die angeführten Zustände nicht als Kunstproducte gelten können. 1) Morph. Jahrb. Bd. VII, p. 290. 2) 1. c. p. 210. 3) l.c. p. 214. Die Controversen der indirecten Kerntheilung. 287 Der Anordnung der Segmente zum Stern geht auch bei Salamandra die Ausbildung der Spindelfasern voraus. In diesem Punkte bleibt nun zwischen Flemming und mir noch eine Diffe- renz bestehen. Flemming giebt an, dass er in den segmentirten Fadenknäueln, die noch von der Kernmembran umschlossen sind, zwischen den Segmenten blasse Stränge sehen kann!). Er zeichnet dieselben granulirt, ohne entscheiden zu wollen, „ob sie wirklich aus Körnern oder aus geknickt laufenden Fädchenstructuren be- stehen“. „Bei manchen der Figuren findet man eine dichte Schicht so beschaffener Substanz dicht unter der Kernmembran, jedenfalls aber noch innerhalb des Kernraumes, wie die Einstellung am Profil deutlich zeigt“. „In manchen Figuren dieser Stadien, bei welchen eine Kernmembran noch deutlich vorliegt, unterscheidet man nun an zwei Stellen in der Figur eine unverkennbare, wenn auch meist unordentliche, radiäre Anordnung der blassen Stränge.“ Die letzteren dieser undeutlichen Strahlung sollen die Theilungs- pole sein. „Auf die Frage, woher die achromatischen Stränge stammen, würde sich die Antwort ergeben: aus den geformten Theilen des ruhenden Kerns, also den Gerüsten und Nucleolen“ 2). Aus dem Gerüst konnte hierzu die Substanz verwendet werden, die zwischen den Chromatinkörnern sich befindet. Eine Entstehung der achromatischen Fasern aus der Zellsubstanz ist Flemming ganz unwahrscheinlich, es spräche eigentlich nichts dafür an seinem Objeete. — Es hebt Flemming also selbst hervor, dass die Ent- scheidung der betreffenden Fragen bei den Amphibien und vor- nehmlich den Urodelen schwer sei, weil die achromatische Figur dort relativ klein und zart, gegenüber der chromatischen Figur ist?). Dieses, so wie die Erwägung, dass bei anderen Objee- ten, wie Eiern und manchen Pflanzenzellen, die Masse der achromatischen Fasern sehr gross ist, bewog Flemming die Möglichkeit einer Entstehung oder Verstärkung der achromatischen Fasern aus der Zellsubstanz doch noch in’s Auge zu fassen®). Es dürfte sich dann aber jedenfalls, meint Flemming, nicht um ein Hineindringen oder Hineinwachsen von den Polen her, son- 1) 1. c. p. 228. 2: c. p. 297. 3) 1. c. p. 220. 4) 1. c. p. 280. 288 Eduard Strasburger: dern um eine Vermischung von Zellensubstanz, Kernsaft und achromatischer Kernsubstanz handeln, welche nach Deconstituirung der Kernmembran concentrisch von überall her erfolgt. Die Spin- delformen sind dann in dem Raumgebiete des Kerns, zwischen den schon vorhandenen Polen, welche dicht an der Aussengrenze des Kerns aufgetreten waren. Für die von mir untersuchten, bis jetzt in diesem Aufsatz geschilderten pflanzlichen Objecte, kann ich mit voller Bestimmt- heit die Entstehung der Spindelfasern aus eingedrungenem Cyto- plasma behaupten. Das ganze Kerngerüst wird in den Faden- knäuel aufgenommen; die Kernhöhle bleibt nur von homogenem Kernsaft erfüllt. Die gesammte Masse der Spindelfasern findet ihren Ursprung in dem eingedrungenen Cytoplasma. Bei der Uebereinstimmung, welche die übrigen Vorgänge in den sich thei- lenden Zellkernen der gedachten Pflanzen und der Salamandra zeigen, sei mir die Annahme gestattet, dass die Sache sich auch bei Salamandra nicht anders verhält, um so mehr, als auch nach der Aussage von Flemming das genannte Objeet für die Ent- scheidung dieser Frage ungünstig ist, die von mir herangezogenen Öbjeete aber als sehr günstige gelten können. — Dass die Spin- delfasern nicht von den Polen aus in den Kernraum hineinwachsen, darin stimme ich vollständig mit Flemming überein, ob aber das Cytoplasma nicht in manchen Fällen diesen Weg einschlägt, um in die Kernhöhle einzudringen, will ich für andere Objeete später noch erörtern. — Neuerdings stellt Pfitzner auch für Hydra die Möglichkeit der Entstehung der Spindelfasern aus dem umgebenden Cytoplasma in Abrede!), doch sind die kleinen Kerne von Hydra sicher kein geeignetes Object, um diese schwierige Frage zu entscheiden. Wenn Pfitzner weiter behauptet, dass die Substanz der Spindelfasern bereits im ruhenden Zellkerne als selbständiger geformter Bestandtheil vertreten sei, so widersprechen diesem meine Erfahrungen auf das Bestimmteste. Die Längsspaltung der Segmente beginnt bei Salamandra schon in der Knäuelform ?); man kann dieselbe selbst an lebenden Ob- jeeten sehen. Bei dieser Spaltung schnüren sich nach Pfitzner?) 1) Archiv f. mikr. Anat. Bd. XXI, p. 655. 2) Flemming, l. c. p. 215. Dort die übrige Literatur. 3) Morph. Jahrb. Bd. VII, p. 295. Die Controversen der indireeten Kerntheilung. 289 die „Chromatinkugeln“ des Fadens durch, eine Angabe, für die auch die Erscheinungen in Pflanzenzellen sprechen. In der Stern- form sind die beiden Längshälften deutlich von einander gesondert, doch noch parallel. Wir hätten somit schliesslich in der Sternform eine Kernspindel mit einer Kernplatte, deren Elemente längs ge- spalten wären. Diese Kernplatte, wie sie in der Abbildung Flem- mings (Tafel IIIb, Figur 41 1. e.) vorliegt, stimmt mit den Kern- platten vieler Liliaceen fast vollständig überein. So ist denn anzunehmen, dass, wie bei gedachten Liliaceen, die Trennung der Zwillingssegmente von einander erst mit dem Beginne der Meta- phasen eintreffen sollte. Dieser Punkt, sowie die Art der Umord- nung, verlangt bei Salamandra noch weitere Untersuchungen. Die Schilderung, die ich von diesem Vorgang in meiner letzten Publi- kation gab, ist nicht zutreffend, da ich die Längsspaltung der Segmente verkannte. Es unterliegt wohl keinem Zweifel, dass von jedem Zwillingspaar das eine Segment der einen, das andere der entgegensetzten Seite der Theilungsfigur zufällt. Die flache Ausbreitung der Kernplatte, so wie die Bilder Flemmings (Fig. 42 und 43, Tafel IIIb 1. e.) und meiner eigenen älteren Figuren (208—210 1. e.) erwecken in mir die Vorstellung, dass der Vor- gang hier im wesentlichen so wie an den Randsegmenten der Kernplatte, im Wandbelege des Embryosackes von Fritillaria im- perialis sich abspielt. Jedes Zwillingspaar dürfte, das eine auswärts gerichtete, also polare Ende, als Scharnier benutzend, sich öffnen und so seine beiden Längshälften auf die beiden Seiten.der Figur vertheilen. Die betreffenden Segmenthälften hätten bierbei in nur unbedeutender Weise ihre ursprüngliche Biegung zu verändern. Mit dem Augenblick, wo die Sondirung der Zwillingssegmente vollzogen wäre, hätten wir das Stadium der Aequatorialplatte vor uns!). Die Tochtersegmente finden wir wie bei Pflanzen nur halb so stark als es die Segmente vor ihrer Längsspaltung waren. Dann treten auch bei Salamandra die Anaphasen mit dem Auseinanderweichen der beiden Tochterkernanlagen ein. Da auch die Tochterfiguren ein freies Mittelfeld lassen und radiären Bau zeigen, so werden sie von Flemming als Tochtersterne be- zeichnet ?). An den Polen der Spindelfasern rücken die Tochter- 1) 1. c. p. 231. 2) 1. c. p. 235. 290 Eduard Strasburger: segmente zusammen und werden alsbald von einer Kernmembran umgeben !. Zum Unterschied von den bis jetzt untersuchten Pflanzen bildet sich hier die Kernwandung um die noch getrennten Segmente. Diese haben sich so angeordnet, dass sie einen Tochter- knäuel bilden. Die Tochterkerne vergrössern sich, die Faden- segmente in ihrem Innern zeigen ungleiche Länge, weil sie, wie Flemming annimmt), an ihren Enden verschmelzen. Allmählich bildet sich aus dem Knäuel die Gerüstfigur des ruhenden Zustandes heraus. Die Verbindungsfäden werden bekanntlich bei den Thieren nicht vermehrt, die Zelltheilung ist der Regel nach eine Abschnü- rung. Sie beginnt meist einseitig. „An der lebenden Zelle sieht man entsprechend der äquatorialen Schnürstelle einen glänzenden Gürtel von Substanz auftreten ?), von noch etwas stärkerer Licht- breehung als die übrige dichte Aussenportion des Zellkörpers, mit der dieser Gürtel übrigens continuirlich ist“. Dieser glänzende Gürtel färbt sich an fixirten Objecten mit Haematoxylin tief violett, weit stärker als die Zellsubstanz. „Diese Gürtelschicht besteht auch während der endlichen Abschnürung der Zelle fort.‘ Die Abschnürung erfolgt in der Knäuelphase der Tochterkerne. In den Verbindungsfäden wird um diese Zeit eine äquatoriale Differenzirung sichtbar in Gestalt mattglänzender, länglicher, parallel- stehender Elemente. Diese Differenzirung würde wohl jedenfalls nicht den Zellplatten-Elementen der Pflanzenzellen entsprechen, vielmehr nur der äquatorialen Verdickung dieser Fäden vor Bil- dung der Zellplatte. An dieser Stelle werden die Fäden durch- schnürt. Auch in thierischen Zellen werden die Verbindungs- fäden in den Kernleib nicht eingezogen, vertheilen sich vielmehr im: Zellplasma. Dieses scheint mir ebenfalls ein Beweis dafür zu sein, dass sie zum Zellplasma, nicht zum Kernplasma gehören. Die den Zellkernen eigene Nucleolar-Substanz sammelt sich hin- gegen bei den Pflanzen aus den Verbindungsfäden wieder in den Kernen. Ob Zelltheilung mit simultaner Zerlegung in der Aequatorial- ebene nach Art pflanzlicher Zelltheilung bei Thieren vorkommt, Le. p. 241. 2) l. c. p. 242. 3) 1. c. p. 244. Die Controversen der indireeten Kerntheilung. 291 muss den letzten Angaben Flemmings zu Folge in Frage ge- stellt werden). In der Art wie sich die Zelltheilung abspielt ist somit ein Unterschied zwischen Thier- und Pflanzenreich gegeben, ein Unter- schied, der sich nur in den unteren Abtheilungen der Organismen, an der Grenze beider Reiche verwischt. Die Verwendung der Verbindungsfäden für die Zerlegung des Zellleibes, die Ausbildung der Zellplatte ist eine ausgeprägt pflanzliche Einrichtung. Das Resultat der Zelltheilung bleibt trotz dieser Differenz des Vorgangs bei Thier und Pflanze dasselbe. Wie bei Pflanzen so bei Thieren sehen wir zu Beginn der Prophasen der Kerntheilung, Cytoplasma sich an den künftigen Polen des Zellkerns sammeln. Diese Erscheinung ist in thierischen Zellen oft ganz besonders auffallend und erreicht ihren Höhepunkt in thierischen Eiern. Der Zellkern wird mit zwei radiären Syste- men, den Sonnen, versehen noch bevor irgend welche dicentrische Anordnung im Zellkern selbst zu bemerken ist. Der dicentrische Gegensatz im angrenzenden Protoplasma scheint somit demjenigen im Zellkerne vorauszugehen. Ich erinnere daran auch, dass wir bei Galanthus eine Ansammlung von Cytoplasma um die, in die Prophasen der Theilung eintretenden Zellkerne derart constatiren konnten, dass dieses Cytoplasma bereits eine Streifung in der Richtung der künftigen Spindelaxe zeigte. Andrerseits sahen wir im Innern der Zellkerne aus dem Wandbeleg von Fritillaria sowie an anderen Objeceten eine longitudinale Streifung des in die Kernhöhle eingedrungenen Cytoplasma, bei noch regelmässiger Knäuelform des Kernfadens. Alle diese Thatsachen bekräftigen mich in der Annahme einer Beeinflussung der Kerntheilung durch das Cytoplasma, so wie in der Ansicht, dass den aus dem Cyto- plasma stammenden Spindelfasern ein richtender Einfluss bei der Kerntheilung zukommt. Dass in vielkernigen Zellen so oft alle Zellkerne sich zugleich theilen, lässt sich ebenfalls leicht aus dem anregenden Einfluss des umgebenden Zellplasma begreifen. Einige der „abweichenden Formen des Theilungsprocesses“ die Flemming behandelt, dürften sich wohl unschwer aus den jetzt für Pflanzen gewonnenen Gesichtspunkten erklären lassen. Die tonnenförmigen Figuren, die sich während der Umordnung der 1) 1. c. p. 250. 292 Eduard Strasburger: Segmente im Hodenepithel von Salamandra einstellen !), erinnern in den wesentlichen Punkten so sehr an unsere Figuren 10 und 11 aus dem Wandbeleg des Embryosacks von Fritillaria, dass sie wohl eine ähnliche Erklärung finden werden. Es handelt sich wohl nämlich in denselben um das geradlinige Herüberrücken von Tochtersegmenten von der einen auf die andere Seite der Theilungsfigur und die gleichzeitige Andersbiegung der auf ihrer Ursprungsseite verbleibenden. In den rothen Blutzellen von Salamandra findet bei Ausbildung des Fadenknäuels eine bedeutende Vergrösserung des Zellkerns statt und es wird ein erheblicher Theil der Zellsubstanz in die Kernfigur aufgenommen?). Ich habe diesen Fall als Beispiel für die Aufnahme von Zellsubstanz in den Kern verwerthet?) und kann denselben auch jetzt noch als solehen anführen. Wenn die Spindelfasern nur eine kleine Figur in den rothen Blutzellen bilden, eine Figur also die nicht im Verhältniss zu der Menge des aufgenommenen Cytoplasma steht, so zeigt dies eben nur, dass nicht das gesammte Cytoplasma zur Bildung dieser Figur verwendet wurde, so wie wir auch in den Kernspindeln der Pollenmutterzellen von Fritillaria persica beim ersten Theilungssehritt körniges Cytoplasma zwischen den Spindel- fasern fanden. In den Eiern der Wirbellosen ist die Annahme eines Hinein- wachsens der Spindelfasern von den Polen aus in die Kernhöhle nicht nothwendig, auch wenn die Kernwandung, wie es Fol an- giebt, während der Ausbildung der Kernspindel nur an den Polen geschwunden sein sollte*). Es kann ja Cytoplasma von dort, wie sonst vom ganzen Umfange des Kerns aus, in die Kernhöhle ein- dringen und dann im Innern derselben sich zu den Spindelfasern ausbilden. Reagiren die Spindelfasern dann auch etwas anders als die im Cytoplasma befindlichen Polradien’), so spricht das durchaus nicht gegen ihre eytoplasmatische Natur. Denn das Cyto- plasma der Spindelfasern nimmt in allen Fällen eine äusserst fein- 1). ee. ,8 4,.b,.p, 258: 2) Flemming, ]l. c. p. 262. 3) Zellb. und Zellth. III. Aufl., p. 330. 4) Recherches sur la Fecondation. Vergl. vornehmlich die Abbildung Taf. VII und IX. 5) Flemming, |. c. p. 298. Die Controversen der indireeten Kerntheilung. 293 körnige Struetur an und die Reaction des ganzen Spindelfaser-Com- plexes wird durch den zwischen den Spindelfasern befindlichen Kern- saft beeinflusst. Kann es doch keinem Zweifel bei Pflanzen unterliegen, dass die Verbindungsfäden, wo sie zu einer starken Tonne an- schwellen, auf Kosten des umgebenden Cytoplasma vermehrt werden; nichts destoweniger zeigt der ganze Fadencomplex bis zuletzt dieselbe Reaction. Alle Verbindungsfäden, somit auch die hinzugekommenen, haben dieselbe äusserst feinkörnige Struetur und reagiren übereinstimmend, da sich der Kernsaft gleichmässig zwischen ihnen vertheilt. Ich hatte früher bei Spirogyren mit flachem, centralen Zell- kerne, nach Beobachtungen im Leben!), geschlossen, dass Cyto- plasma von den Polen eindringt um die Spindelfasern zu bilden. Thatsächlich sammelt sieh nämlich an den beiden Polen des Zell- kerns Cytoplasma zu Beginn der Prophasen an und differenzirt sieh in Stränge, die senkrecht gegen die Polflächen des Kerns ge- richtet sind. Die Masse der Spindelfasern wächst auf späteren Stadien in der Kernspindel so bedeutend?), dass unmöglich diese ganze Masse auf intranucleolare Substanz zurückgeführt werden könnte. Soll nun angenommen werden, dass die zuerst erscheinenden Theile der Spindelfasern andern Ursprungs seien als die später hinzukommenden? Nach anderweitig gemachten Erfahrungen musste mir eine solche Annahme sehr unwahrscheinlich erscheinen. — An den Spirogyra-Arten mit rundem centralen Zellkern ist die- selbe, ja eine noch stärkere Ansammlung längsstreifigen Cytoplas- mas an den Kernpolen, zu Beginn der Prophasen, zu sehen. Die Spindelfasern treten hier innerhalb der Kerne auf, während die Kernwandung noch erhalten und scharf auch an den Polen markirt ist. Man müsste somit ein Eindringen des Cytoplasma von den Polen aus dureh die Kernwandung annehmen. Diese Annahme kann zunächst unwahrscheinlich erscheinen, muss aber eigentlich schon gemacht werden, wenn man die Flemming’sche Figur 4 mit der Figur 6 (U) auf p. 319 (l. e.) vergleicht. Da sieht man nämlich, dass 1) Zellb. und Zellth. II. Aufl., p. 174. Ueber den Theilungsvorg. der Zellkerne p. 49; und 1. c. p. 524. 2) Vergl. meine Fig. 163 mit 166: Ueber den Theilungsvorgang ete., Taf. III, oder auch die Abbild. von Flemming Fig. 51 mit 54, Taf. IVa l.c. 294 Eduard Strasburger: die Spindelfasern der sehr bedeutend vergrösserten Zellkerne ent- sprechend an Masse zugenommen haben, während die Wandung des Kerns sich allseitig eben so scharf als zu Anfang zeichnet. Während der Massenzunahme der Spindelfasern hat aber die an den Polen angesammelte längsstreifige Cytoplasmamasse abgenommen. Ich habe in letzter Zeit diese, von Flemming behandelte, rund- kernige Spirogyra-Art, die ich als Spirogyra nitida bezeichnen will, ebenfalls studirt, sie in Theilungszuständen mit 1°, Chromsäure fixirt und mit Hämatoxylin dann gefärbt. Das längsstreifige Cyto- plasma sammelt sich an den Kernpolen noch bevor wesentliche Veränderungen im Kerninnern zu entdecken sind. Der Kern führt ein grosses centrales Kernkörperchen und besitzt ein nur sehr schwaches Gerüstwerk. Er geht aus der runden in eine recht- winklige Gestalt über, das Gerüstwerk zieht sich auf das Kern- körperchen zurück, das jetzt wie corrodirt erscheint; zugleich werden zu beiden Seiten dieser eentralen Kernmasse feine Stränge sicht- bar. Dieselben setzen an die centrale Kernmasse einerseits an, um andererseits, etwas divergirend, die Kernpole zu erreichen. Mit voller Bestimmtheit kann ich nun auf Grund meiner Präparate die Behauptung aufstellen, dass diese Fasern die Kernwandung an den Polen durchsetzen und continuirlich in die ausserhalb dieser Wandung befindlichen Cytoplasmafasern übergehen. Es kann so= mit für mich kein Zweifel mehr darüber bestehen, dass die in der Kernhöhle befindlichen Spindelfasern aus eingedrungenem Cyto- plasma hervorgegangen sind. Schon auf diesem, noch besser auf nächst folgenden Zuständen, erscheint die Kernwandung an den Polen wie ein Sieb und im optischen Durchschnitt wie eine Reihe durch die Spindelfasern getrennter Punkte. — Aus dem Gerüst- werk des Kerns und dem Nucleolus geht die Kernplatte hervor. Die Substanz des Nucleolus wird in die Kernplatte aufgenommen, sie geht ihrer ganzen Masse nach in den Segmenten auf. Die Kern- platte ist feinfädig, vom Pol aus gesehen scheibenförmig. Sie er- reicht, wie auch Flemming’s Abbildungen zeigen, 'die Seiten- wände des Kernes nicht. Der Zellkern streckt sich bedeutend und hat etwa die doppelte Länge erreicht, während die Wandung noch immer erhalten ist. Die Länge der Spindelfasern hat im Kern- innern entsprechend zugenommen, während das gestreifte Cyto- plasma an den Kernpolen verschwand. Die Kernplatte ist in halber Länge des Kerns auf den Spindelfasern suspendirt. Dieselben Die Controversen der indirecten Kerntheilung. 295 divergiren noch immer schwach gegen die Pole. Der Raum der die Kernspindel von der Seitenwandung des Kernes trennt, ist jedenfalls mit Kernsaft erfüllt. Hierauf spaltet sich die Kernplatte in zwei Hälften, wobei die Details des Vorgangs verborgen bleiben. Die beiden Tochterkernanlagen rücken an den Spindelfasern ent- lang fort, während die Kernwandung gleichzeitig schwindet. Haben die Tochterkernanlagen eine bestimmte Entfernung erreicht, so treten die Verbindungsfäden sich bogenförmig krümmend aus- einander. Sie verschmelzen, ohne sich zu vermehren, zu einigen dieken Strängen. Um die Kernanlagen wird eine zarte Kernwandung gebildet und die Kernfäden beginnen, eine Kernhöhlung erzeugend, sich von einander zu entfernen. Auch hier laufen die Faden- windungen in den Kernanlagen annähernd senkrecht zu der voraus- gegangenen Theilungsebene. Die Fadenwindungen werden stellen- weise dünner, schwellen anderwärts durch Ansammlung einer stark lichtbreehenden Substanz an, die schliesslich eine, selten mehrere Nucleolen bildet. — Der Nutzen der Einrichtung die hier die Kern- wandung so lange erhält, könnte vielleicht darin liegen den Kern- saft vor dem Vermischen mit dem umgebenden wässrigen Zellsaft zu schützen, bis dass etwa die Spindelfasern ihn aufnehmen und weiter leiten können. — Bei Betrachtung des in Frage stehenden Objectes lässt auch Flemming die Möglichkeit eines Hineinziehens von Zellsubstanz in die Substanz der Spindelfasern gelten, doch findet er keinen Grund, sie allein aus dem Zellkörper abzuleiten!). Ich finde hingegen, dass diese Ableitung hier die einzig zu- lässige ist. Diese für Pflanzen und Thiere gewonnenen Gesichtspunkte dürften aber nieht unmittelbar auf die Protisten übertragbar sein, wo die einzelnen Theile des Zellkörpers oft sehr weitgehende Veränderungen erfahren haben und oft neuen Functionen angepasst wurden. Auf jenen Gebieten wird die Zahl der Beobachtungen noch wesentlich steigen müssen, bevor der Versuch gemacht werden kann, allgemeine Gesichtspunkte aufzustellen. So zeigt beispiels- weise der Zellkern des Infusors Spirochona gemmipara, nach R. Hertwig?),in einer vorgerückten Theilungsphasezwei halbkugelige, 21%0:p.- 818, 2) Jenaische Zeitschr. Bd. XI, p. 156. 296 Eduard Strasburger: scharf abgesetzte homogene Endplatten, die durch ein streifig differenzirtes Mittelstück verbunden sind. Ein anderer Ursprung des gestreiften Mittelstücks als aus Kernsubstanz ist hier durch die Beobachtung ausgeschlossen. Die Streifen sind durch eine Ansammlung von körniger Substanz im Aequator unterbrochen. Diese Substanz wird zu einem eylindrischen Strang gedehnt, auf den sich die Streifung fortsetzt. Nur in der Mitte dieses Stranges erhält sich eine dichtere ungestreifte Stelle und dort löst sieh, bei weiterer Dehnung des Stranges, der Zusammenhang. Hier scheinen jedenfalls mehr verschiedene, bei der Theilung sich different verhaltende Substanzen im Zellkerne vertreten zu sein, als in den Zellkernen der typischen Pflanzen und Thiere. Der fertige Zell- kern der Spirochona besteht dann aus einem homogenen, kleinen Abschnitt, der sich aus einer Endplatte gebildet hat und einem grösseren feinkörnigen Abschnitt, der aus der Umbildung der streifigen Partieen hervorgegangen ist. Ueber directe Kerntheilung und ihr Verhältniss zu der in- direeten, weiss ich den Angaben in meiner letzten Publication !) nichts Wesentliches hinzuzufügen. Von Wichtigkeit für die Sicherstellung meiner Ansicht über den Ursprung der Spindelfasern schien es mir, die diesbezüg- lichen Angaben von Zacharias?) zu prüfen. Zacharias kommt zu dem Resultate, dass der Kern aus Nuclein und Plastin bestehe und zwar gehöre das Nuclein den Körperchen (meinen Nucleo- Mikrosomen), das Plastin der Zwischensubstanz (meinem Nucleo- hyaloplasma) und den Nucleolen an °®). Als Nuclein werden hierbei von Zacharias diejenigen Substanzen bezeichnet, welche in ihrer Reaction mit den löslichen .Nucleinen Miescher’s übereinstim- men. Für die schwer löslichen Körper im Zellkern wird der von Reinke eingeführte Namen Plastin verwandt. Dabei lässt es Zacharias übrigens dahingestellt, ob die von ihm als Nuclein und Plastin bezeichneten Substanzen wirklich mit den von Mie- 1) 1. c. p. 98; und |. c. p. 574. 2) Bot. Ztg. 1881, Sp. 169, 827; 1882 Sp. 611. 3) Bot. Ztg. 1882, Sp. 656. Die Controversen der indireeten Kerntheilung. 297 scher und Reinke untersuchten Stoffen identisch sind !). — So- weit Zacharias angiebt, dass zwei verschieden reagirende Sub- stanzen im Zellkern vertreten sind, befinden sich meine Angaben mit den seinigen nicht im Widerspruch. Denn auch ich nehme ja verschieden reagirende Substanzen: Hyaloplasma, Nucleolen und Mikrosomen im Zellkern an. Der Gegensatz bildet sich erst dort aus, wo Zacharias die Behauptung aufstellt, dass die Kern- platte aus den Nucleinkörpern (Mikrosomen), die Spindelfasern aus den Plastintheilen (Hyaloplasma) hervorgehen. Es sollen sich in den Pollenmutterzellen von Helleborus foetidus die Nucleinkörper aus der Zwischensubstanz zurückziehen und im Aequator des Kernes zur Kernplatte versammeln. In dem Grade als dies geschieht, nehme succesive die Substanz, welche sich in jenen Theilen des Kernes befindet, aus denen sich die Nuclein- körper zurückzogen, die Gestalt von Spindelfasern an. Niemals wird, meint Zacharias, während der Kern in das Spindelstadium übergeht, seine Abgrenzung gegen das Zellplasma undeutlich 2). Gegen den letztern Punkt muss ich gleich bemerken, dass die Pollenmutterzellen von Helleborus foetidus sich völlig über- einstimmend mit Fritillaria persica verhalten und dass die Kern- wandung in denselben ganz wie bei Fritillaria persica schwindet, bevor die Spindelfasern auftreten. Von den Reagentien, die zur Lösung der Nucleine führen, entsprach meinen Zwecken am besten die rauchende Salzsäure. Da die Anwendung derselben entscheidende Resultate gab, so will ich mich im Folgenden ausschliesslich an die Schilderung der letzteren halten. Ueberhaupt kam es bei meinen Versuchen, die auf den Ursprung der Spindelfasern gerichtet waren, weit mehr darauf an die Nucleine, als die Plastine zu entfernen. Auch geben die Versuche mit künstlichem Magensaft und Pankreatin, welche die Plastine lösen, viel weniger bestimmte Resultate. Die mit Alkohol fixirten, ruhenden Zellkerne aus dem proto- plasmatischen Wandbelege von Fritillaria imperialis mit rau- chender Salzsäure behandelt, zeigen bei mässiger Grössenzunahme des Zellkernes, ein Schwinden der Mikrosomen, während das Hyalo- plasma-Netz und die Nucleolen nur wenig gequollen zurückbleiben. 1) 1. c. Sp. 652. 2) 1. c. Sp. 662. 298 Eduard Strasburger: Die Nucleolen sind somit, wie auch dieser Versuch zeigt, von den Mikrosomen stofflich verschieden. Auch die Kernwandung zeichnet sich bei dieser Behandlung nur schärfer. Von besonderer Tragweite schien es mir, die rauchende Salzsäure auf die Zustände des Fadenknäuels einwirken zu lassen. In diesen Stadien hatte ich ja ausser dem Fadenknäuel nur homo- genen Kernsaft innerhalb der Kernhöhle unterscheiden können. Da der Kernfaden zweifellos nur die Kernplatte bildet, so hätte die Salzsäure somit geformtes Plastin in den Zwischenräumen der Knäuel nachweisen müssen. In den, von der Kernwandung noch umschlossenen Fadenknäueln war aber ein solcher Körper eben- sowenig mit Salzsäure als mit andern Mitteln sichtbar zu machen. Der Kernfaden verquillt und ist bald nur noch schwer zu unter- scheiden. Die Nucleolen bleiben kaum quellend erhalten. Die Kernwändung zeichnet sich scharf. Was an Hyaloplasma auf diesem Zustande in dem Kern vertreten ist, befindet sich in dem Kernfaden, der daher auch nicht vollständig schwindet. Ueber- haupt ist aber die Mikrosomensubstanz auf diesen Stadien gegen diejenige des Hyaloplasma sehr gewachsen, wie es ja auch die Tinetionsbilder der fixirten Präparate ohne weitere Reagentien zeigen. Wir fanden ja thatsächlich auf diesen Stadien das Hyalo- plasma nur durch die hellen Zwischenräume, welche die Mikro- somenscheiben trennen, vertreten; dazu passt auch die Salzsäure- Reaction. Sehr schön ist nach Salzsäure-Einwirkung das Bild derjeni- gen Kerne, die bereits Spindelfasern ausgebildet haben. Während nämlich die Elemente der Kernplatte undeutlich werden, treten die Spindelfasern scharf hervor und lassen sich, was auch in an- derer Beziehung äusserst instractiv, mit voller Sicherheit von einem Pol der Spindel zum andern ohne Unterbrechung verfolgen. Wo die Spindelfasern vorhanden, fehlt in allen Fällen die Kern- wandung. Die Spindelfasern stimmen aber in ihrer Reaction mit der Kernwandung anderer Kerne überein. Zwischen den Tochterkernanlagen zeichnen sich die Verbin- dungsfäden vollständig ebenso, wie in den Kernspindeln zuvor die Spindelfasern, nur dass die Zahl der Verbindungsfäden grösser ist. In den jungen Tochterkernanlagen ist noch sehr wenig Hyaloplasma vorhanden, ihr Inhalt wird fast homogen. Die Zell- plattenelemente in den Verbindungsfäden widerstehen der Salzsäure. Die Controversen der indirecten Kerntheilung. 299 Erst in ältern Tochterkernen, die ein Gerüstwerk ausgebildet haben, traten mit Salzsäure wieder deutlich die Hyaloplasma- Stränge hervor. Ganz die nämlichen Resultate ergab die Behandlung der mit Alcohol fixirten Pollenmutterzellen von Lilium eroceum mit rauchender Salzsäure. Im ruhenden Zellkern ein Gerüstwerk aus Hyaloplasma. In denjenigen Zellkernen, die der Kernwandung anliegende Segmente führen, werden diese undeutlich, ohne dass sonstiges Gerüstwerk sich zur Anschauung bringen liesse, so lange noch kein Cytoplasma in die Kernhöhle eingewandert ist. Der Paranucleolus wird durch die Salzsäure nicht verändert. Die Kern- wandung tritt gleichzeitig scharf hervor und völlig übereinstim- mend mit ihr auch die Hautschicht der Zelle. — Das Bild der Spindelfasern ist wieder äusserst instructiv, die Elemente der Kernplatte verquellen, während die Spindelfasern, etwas dicker werdend, scharf von einem Pol zum andern ohne Unterbrechung laufen. Die Bilder der Verbindungsfäden und der jungen Kern- anlagen wiederholen das im Wandbelege des Embryosacks von Fritillaria imperialis bereits Geschilderte. Wir sehen somit, dass diese Reactionen, so instruetiv sie sind, meine Angaben über den Ursprung der einzelnen Theile der Kernspindel uur bestärken. Die Zunahme des Hyaloplasma in den anwachsenden Tochter- kernen erweckt aber die Vorstellung, dass es dieses ist, das aus dem Cytoplasma als Nahrung den Zellkernen zugeführt wird. Mit Beginn der Prophasen geht dieses Hyaloplasma wohl grösstentheils in Mikrosomen-Substanz, das Nuclein, über. Die Uebereinstimmung in der Salzsäure-Reaction zwischen den Nucleolen und den Spindelfasern könnte eventuell auch die Vorstellung erwecken, dass aus der Substanz der sich im Kern- saft lösenden Nucleolen während der Prophasen die Spindelfasern entstehen. Dagegen spricht ausser directen Beobachtungen aber auch noch die verschiedene Reactionsfähigkeit von Nucleolen und Spindelfasern den Farbstoffen gegenüber. Die Spindelfasern und Verbindungsfäden zeigen in ihrer Salzsäure-Reaction die grösste Uebereinstimmung mit der Kern- wandung und mit der Hautschicht der Zelle und dürften so wie diese, der Hauptmasse nach verdichtetes Cyto-Hyaloplasma sein. 300 Eduard Strasburger: Den Nutzen der complieirten Vorgänge, die sich während der indireeten Kerntheilung abspielen, sucht neuerdings Roux !) darin zu finden, dass er annimmt, es handle sich um eine Sonderung sehr verschiedener Qualitäten, welche diese Masse zusammensetzen. „Die Kerntheilungsfiguren“, schreibt Roux, sind Mechanismen, welche es ermöglichen, den Kern nicht bloss seiner Masse, sondern auch der Masse und Beschaffenheit seiner einzelnen Qualitäten nach zu theilen. Roux verlegt diese Qualitäten in die einzelnen Mikro- somenscheiben, deren Substanz in der That durch die Längsspal- tung der Segmente gleichmässig auf die Tochterkerne vertheilt wird. — Die scheinbare Homogeneität der ganzen Chromatinmasse sowie des Protoplasma dürfe den Beobachter nicht täuschen und spräche der Umstand, dass für die Kerntheilung so eomplieirte Einrichtungen zur qualitativen Theilung getroffen sind, welche für den Zellleib fehlen, dafür, dass der Zellleib in viel höherem Maasse durch Wiederholung gleich beschaffener Theile gebildet wird als der Kern. Für die Entwicklung des Embryo, sowie auch für das Regenerationsvermögen der niederen Thiere sei der Zellkern daher wichtiger ‘als der Zellleib, eine Folgerung, die in vollkommener Uebereinstimmung mit den neueren Ergebnissen über den Vorgang der Befruchtung stehe. In der That scheint die Roux’sche Hypothese auf den ersten Bliek viel Wahrscheinlichkeit zu haben. Denn sicher auffällig ist es, dass der Zelleib sich in so einfacher Weise halbirt, während der Zellkern so eomplieirte Theilungsvorgänge durchmacht. Es liegt somit nahe in den Zellkern zahlreiche, zu halbirende Quali- täten zu verlegen und ihn zum Träger der specifieirten Eigen- schaften des Organismus zu machen. — Ob diese Auffassung des Zellkerns zutrifft oder nicht, soll hier nicht weiter erörtert werden, dass aber jede Mikrosomenscheibe die Trägerin einer andern Qualität sein sollte, dagegen spricht eine direete Beobachtung. — Ich habe auf letztere auch in diesem Aufsatze hingewiesen, sie wurde an den Pollenmutterzellen von Hemerocallis fulva gemacht. Wir fanden, dass dort bei der Zweitheilung des Zellkerns .einzelne Segmente der Kernplatte im Aequator zurückbleiben und den Ur- sprung kleinen, überzähligen Zellkernen geben können. Solche Zell- kerne dürften, falls alle Mikrosomenscheiben verschieden wären, kaum 1) Ueber die Bedeutung der Kerntheilungsfiguren. Die Controversen der indirecten Kerntheilung. 301 existenzfähig sein, oder es könnte ihnen im besten Falle doch nur ein Theil der Qualitäten der Mutterzellkerne zukommen; wir sehen aber, dass ein solcher Zellkern in der kleinen, ihm zugetheilten Zelle sich sogar theilen kann und dass seine Zelle, von der Grösse abgesehen, die ganz charakteristische Entwickelung zu dem speeci- tischen Pollenkorne der betreffenden Pflanze durchmacht. Also bleibt für diesen Fall nur die Annahme übrig, dass jedes Segment des Kernfadens die Eigenschaften des gesammten Kernfadens theilt. Die Bedeutung, welche der complieirten Kerntheilung zukommt, dürfte zunächst darin liegen, den Zellkern in zwei völlig gleiche Hälften zu zerlegen. Bei der ersten Segmentirung des Kernfadens sind augenscheinlich die Stücke oft von sehr ungleicher Grösse und sie können oft auch in sehr ungleichem Maasse auf die beiden Seiten der Kernplatte vertheilt werden, dadurch erst, dass sie der Länge nach sich spalten und die Längshälften auf beide Tochterkerne sich vertheilen, wird die Halbirung wirklich und in allen Fällen gleich. Sind aber, wofür sich neuerdings auch Heuser (l. ce. p. 128) ausspricht, mehrere verschiedene Substanzen in den Mikrosomen- scheiben vertreten, so würde die Längsspaltung der Segmente gleichzeitig das sicherste Mittel sein, um diese Substanzen gleich- mässig auf die beiden Tochterkerne zu vertheilen. Dem Zellkern kommt entschieden auch eine ernährungsphysio- logische Bedeutung in der Zelle zu. Welcher Art dieselbe ist, mag zunächst noch dahingestellt bleiben. Thatsächlich sehen wir aber die Zellkerne sich in den Internodien der Characeen massenhaft vermehren im Verhältniss zu der Masse des zunehmenden Cyto- plasma, ungeachtet eine Zelltheilung hier nicht die Kerntheilung begleitet und der Internodialzelle andere als ernährungsphysiolo- gische Funetionen nicht mehr zukommen. Da die Kerntheilung in diesen Internodialzellen von Zelltheilung nicht begleitet wird, so kommt es auch nicht darauf an, dass die Kerntheile völlig gleich seien und sehen wir daher die direete Kerntheilung durch Ein- schnürung hier an Stelle der indireeten treten. 19 Eduard Strasburger: Erklärung der Abbildungen auf Tafel XII und XIV. Fig. i—31 Fritillaria imperialis. Aus dem protoplasmatischen Wandbeleg des Embryosacks. Nach Alcohol-Safranin-Nelkenöl-Präparaten. Fig. I 90 Mal, Fig. 23 und 25 1300 Mal, die übrigen 800 Mal vergrössert. Fig. 1. Freigelegter Streifen des Wandbelegs, alle aufeinanderfolgenden Theilungsphasen zeigend. Fig. 1—18. Aufeinanderfolgende Theilungsphaseu dem Präparat Fig. I ent- Fig. Fig. Fig. Fig. .. Fig. nommen. An der Figur I sind rechts am Rande die Zellkerne, die zur Darstellung bei starker Vergrösserung gewählt wurden, mit den entsprechenden Nummern bezeichnet. Wo mehrere Zellkerne in gleicher Höhe liegen, giebt eine kleine, an der grösseren angebrachte Zahl an, der wievielte Zellkern vom rechten Rande aus in Betracht kommt. Fig. 1 bis 8 stellen Prophasen der Theilung dar, und zwar Fig.1 den unsegmentirten Knäuel; Fig. 2 den segmentirten Knäuel; Fig. 5 den einseitwendigen segmentirten Knäuel; Fig. 4 die dicen- trische Anordnung der Segmentschleifen; Fig. 5 und 6 unfertige Kernspindeln; Fig. 7 fertige Kernspindel; Fig. 8 Kernspindel mit längsgespaltenen Segmenten. — Fig. 9 bis 12 sind Metaphasen der Theilung, und zwar Fig. 9 beginnende Trennung der Segmentpaare im Aequator; Fig. 10 und 11 Trennung und Umlagerung der Zwil- lingssegmente. Fig. 13 bis 20 sind Anaphasen der Theilung, und zwar Fig. 15 Auseinanderweichen der Tochterkernanlagen; Fig. 14 und 15 Wellung der Tochtersegmente; Fig. 16 Verschmelzung der Tochtersegmente an den Enden; Fig. 17—19 Anwachsen der Tochter- kerne nach Anlage der Kernwandung, Knäuelstadium derselben, Ausbildung der Zellplatte, Auftreten der Nucleolen; Fig. 20 Aus- bildung des Gerüstes. Rückbildung der Zellplatte. — Fig. 21 und 22 Fertigstellung des Gerüstwerks der Tochterkerne. Von Fig. 18 an sind die Bilder anderen Präparaten entnommen und so die Serie der Anaphasen ergänzt. . Beginn der Prophasen, zur Ausbildung des Fadenknäuels führend; es bildet sich der Kernfaden heraus und zieht sich zusammen. Kleiner Theil eines Zellkerns. . Feinfädiger Knäuel. 5. Theile eines solchen stark vergrössert. Kleiner Theil eines Zellkerns. ;. Diekfädiger Knäuel, Kernkörperchen in Auflösung. . Segmentirter Knäuel, die Kernkörperchen bis auf geringe Reste auf- gelöst, die Kernwandung geschwunden; im Kernsaft längsstreifiges Cytoplasma. Die Controversen der indirecten Kerntheilung. 305 - Fig. 28. Längsspaltung der Segmente in der Kernspindel. Fig. 29. Beginn der Trennung der Zwillingssegmente. Fig. 30. Weitere Stadien der Trennung und Umlagerung der Zwillingsseg- mente. Fig. 31. Ein fertiges Schwesterkernpaar mit Membrananlage in den Verbin- dungsfäden. Fig. 32—40 Fritillaria imperialis. Aus dem jungen Endosperm. Nach Alcohol-Safranin-Nelkenöl-Präparaten. Die Fig. 73b 1100 Mal, die übrigen Figuren 540 Mal vergrössert. Fig. 32. Stück eines Segmentes aus einem segmentirten Fadenknäuel, die Mikrosomenscheiben und die Brücken aus Hyaloplasma zeigend. Fig. 33. Gestreckter Fadenknäuel in Vorbereitung zur Kernspindelbildung. Fig. 34. Ein solcher Fadenknäuel mit bereits dicentrischer Anordnung der Segmente. Fig. 35. Unfertige Kernspindel. Fig. 36. Fertige Kernspindel. Fig. 37. Polansicht einer Kernplatte. Fig. 38 und 39. Trennung und Umlagerung der Zwillingssegmente. Fig. 40. Vollendete Metaphase. Die getrennten Tochterkernanlagen berühren sich nur noch mit den Tochtersegment-Enden. Fig. 41—42 Lilium eroceum. Aus dem protoplasmatischen Wandbeleg des Embryosacks. Nach Alecohol-Safranin-Nelkenöl-Präparaten. Vergr. 800. Fig. 41 und 42. Stadien der Trennung und Umlagerung der Zwillingsseg- mente. Fig. 45—56 Galanthus nivalis. Aus dem protoplasmatischen Wandbelege des Embryosacks. Nach Alcohol-Safranin-Nelkenöl- und Alcohol-Haematoxylin-Präparaten. Fig. 54—56 540 Mal, die übrigen 800 Mal vergrössert. Fig. 43. Ein ruhender Zellkern. Fig. 44. Knäuelstadium, der Zellkern in einer spindelförmigen Ansammlung längsstreifigen Cytoplasmas liegend. Fig. 45. Knäuelstadium. Fig. 46 und 47. Longitudinal gestreckter Fadenknäuel, mit beginnender di- centrischer Anordnung der Windungen. Fig. 48. Segmentirung des Fadenknäuels, Ausbildung der Kernspindel. Fig. 49. Fertige Kernspindel. Fig. 50—52 Metaphase. Trennung und Umlagerung der Zwillingssegmente. Fig. 53. Auseinanderweichen der Tochterkernanlagen. Fig. 54—56. Ausbildung der Tochterkerne bis zum Knäuelstadium. 304 Eduard Strasburger: Die Controversen der indirecten Kerntheilung. Fig. 57—95 Fritillaria persica. Theilung der Pollenmutterzellen. Nach Alcohol-Safranin-Nelkenöl- und Chrom-Osmium-Essigsäure-Haematoxylin- 4 fe WB . dr ir [7 er . . a2 00 09 0 RR = Präparaten. Vergrösserung 800. . 57. Pollenmutterzelle noch im Gewebeverbande, mit ruhendem Zellkern. 58. Der Zellkern im feinfädigen Knäuelstadium. . 59. Fadenknäuel contrahirt, an der Kernwandung der Paranucleolus. . 60—61. Verkürzung und Verdickung des Kernfadens. 62. Segmentirung des Fadenknäuels. . 65 und 64. Längsspaltung der Kernfadensegmente. . 65 und 66. Zusammenrücken der Segmentpaare nach dem Schwinden der Kernwandung. . 67 und 68. Einordnung der Segmentpaare zur Kernplatte innerhalb der aufgetretenen Spindelfasern. . 69. Die fertige Kernspindel. . 69a. Ein Segmentpaar aus der Kernspindel einer Spindelfaser anliegend. . 70 und 71. Polansichten der Kernplatte. . 72 und 73. Trennung und Umlagerung der Zwillingssegmente. . 74—77. Auseinanderweichen der Tochterkernanlagen. . 78 und 79. Zusammenrücken der Tochtersegmente, Veränderung ihrer Structur. Ausbildung der Zellplatte. . 80. Eine solche. Tochterkern-Anlage in Polansicht. . 81. Verschmelzen der Tochtersegmentenden. Erweiterung der Zellplatte. g. 82. Ein Tochterkern mit Fadenknäuel. . 83. Verkürzung des Fadenknäuels in den Tochterkernen. . 84. Ein Tochterkern dieses Zustandes von der Fläche aus gesehen. ig. 85. Weitere Verkürzung des Fadenknäuels in den Tochterkernen. . 86. Longitudinale Streckung des Fadenknäuels. g. 87. Beginn einer dicentrischen Anordnung der Windungen. . 88. Segmentirung des Fadenknäuels. Vorbereitung zur Bildung der Kern- spindel, rechts im Profil, links vom Pol aus gesehen. . 89. Kernspindeln rechts im Profil, links vom Pol aus gesehen. . 90. Kernspindel mit der Länge nach gespaltenen Segmenten; in Flächen- ansicht, so dass nur eine Schwesterzelle zu sehen. . 91. Rechts beginnende Trennung der Zwillingssegmente, links derselbe Zustand wie in Fig. 89. ie. 92. Links Stadium vollendeter Metaphase. Die Zwillingssegmente be- rühren sich nur mit den Enden. Rechts derselbe Zustand schräg vom Pol aus gesehen. . 93. Stadien des Auseinanderweichens der Tochterkernanlagen. . 94. Nach vollendetem Auseinanderweichen; rechts die Tochterkernanlage in Polansicht. . 95. Knäuelzustand der Tochterkerne. Fertigstellung der Zellplatten. Paolo Pellacani: Der Bau des menschlichen Samenstranges. 305 (Aus dem anatomischen Institute zu Strassburg, Elsass.) Der Bau des menschlichen Samenstranges. Von Dr. Paolo Pellacani (Modena). Hierzu Tafel XV und XVI. Unsere genauere Kenntniss vom Baue des Samenstranges beginnt mit den classischen Untersuchungen A. Cooper’s: Obser- vations on the structure and diseases oft the testis. London 1830. Cooper gab zuerst eine eingehende Schilderung der bindegewe- bigen Hüllen, der Blut- und Lymphgefässe und Nerven, sowie des M. cremaster externus und des vas deferens, und zwar in folgen- der Weise: Als äusserste Hülle des Samenstranges (und des Hodens) bezeichnet er neben der Haut eine oberflächliche Faseie, welche den M. eremaster (externus) bedecke und nach aussen an das subeutane Zellgewebe des Scrotums grenze. Unter letzterem versteht er die Tunica dartos, deren musculöse Natur er jedoch läugnet. Er sagt von dieser Fascie: „It is loosely attached to the tendon of the external oblique muscle and adheres strongly to the edges of the external abdominal ring and unites the cord to them, as to conceal the opening until the fascia has been removed. It descends upon the outer surface oft the Cremaster, adhering to it by a loose texture; and externally it blends with the cellular tissue of the Serotum. The faseia descends to the lower part of the testis, still adhering to the Cremaster and surrounding it.“ Diese von A. Cooper zuerst genauer beschriebene Bindege- webslage, deren festere Anheftung an die Ränder des äusseren Leistenrings Cooper ebenfalls zuerst betont hat, wird, wie sich später zeigen soll, von den verschiedenen Autoren in verschiedener Weise aufgefasst und mit verschiedenen Namen belegt. Ich werde sie mit Hyrtl und Anderen als Fascia Cooperi bezeichnen. Bei Archiv f. mikrosk, Anatomie Bd, 23. 20 306 Paolo Pellacani: alten Hernien stellt sie zuweilen eine stark verdickte in mehrere Blätter gespaltene Lage dar !). Den M. eremaster — oder, wie er jetzt genannt wird: Öremaster externus — schildert A. Cooper nach dem Vor- gange von J. Cloquet als in Schlingen um den Testikel gelegt und scheint aus seiner Darstellung hervorzugehen, dass er den ganzen Samenstrang allseitig vom Cremaster umhüllt sein lässt. A. Cooper fasst bereits richtig den Cremaster als selbstständigen Muskel auf, der vom Lig. Pouparti entspringe, jedoch Zuschuss vom M. obliquus internus und transversus erhalte. Die Schilderung, welche Cooper von der Tunica vaginalis propria und communis gibt, ist conform mit der allgemein bekann- ten und kann füglich hier übergangen werden. Vom sogenannten Rudimentum proc. vaginalisperitonei heisst es, dass dasselbe vorn an den Vasa spermatica (es sind wohl die interna gemeint) gelegen sei. Das Vas deferens, hinten im Samenstrange gelegen, soll 1/,—1/, Zoll von der Art. spermat. interna entfernt sein. Um das- selbe herum, sowie um die Vasa spermatica interna, Sei noch eine besondere Hülle vorhanden (cf. p. 28 und 50 bei Cooper). Was die Hülle des Vas deferens anlangt, so sollen am inneren Leistenringe vom Peritoneum sehnige Fäden ausgehen, die theils zur faseia transvörsalis treten, theils mit dem Vas defe- rens nach abwärts ziehen, indem sie um dasselbe eine Scheide bilden, die, von einer Windung des Ganges zur andern sich an- heftend, diese Windungen erhalte. Am deutlichsten sei eine solche Speeialhülle im unteren Theile des Samenstranges, in der Nähe der Epididymis, wahrzunehmen. Die Fäden der Hülle sollen am 1) Hyrtl, Topogr. Anat. Bd. II, p. 785, VI. Aufl. bemerkt, dass sie richtiger „Fascia Scarpae“ heissen müsse, da Scarpa sie bereits notirt habe (Sull’ ernie, Paris 1821). Hyrtl stellt sie mit Scarpa als eine Fortsetzung der Fibrae intercolumnares hin. Dieselben müssen jedoch weiter abwärts ihren Character als festes Bindegewebe verlieren, denn p. 786 heisst es bei Hyrtl: ohne Hernie seien die Fasern dieser Fascie kaum mehr als umhüllen- des Bindegewebe des Samenstranges; wie er sie denn auch p. 42, Bd. H als einen „fibrös-cellulösen Beutel“ bezeichnet und, Lehrb. d. Anat. 14. Aufl, pag. 764, sie als eine aussen auf dem Cremaster liegende feine fibröse Mem- bran schildert, die von den Rändern der äusseren Oeffnung des Leistencanales ausgehe. Der Bau des menschlichen Samenstranges. 307 unteren Ende des Hodens und Nebenhodens enden und dort mit den Sehnenfasern des Cremaster zusammentreten. Eine ähnliche Hülle soll um die Vasa spermatica interna vorhanden sein. Ich habe dieser Scheiden hier etwas eingehender gedacht, weil die- selben in den neueren Beschreibungen nicht erwähnt zu werden pflegen. Die Arterie spermatica interna mit ihren Venen sowie die Art. deferentialis!) werden von A. Cooper nach Verlauf und Verästelung genau beschrieben; weniger genügend erscheint die Darstellung der Vasa spermatica externa. Es heisst von der Art. spermatica ext., p. 39, dass sie hinten auf dem Cremaster hinabziehe, den sie versorge. Den Plexus venosus spermaticus internus (pampini- formis) schildert Cooper in der Weise, dass er ihn in drei vom Hoden ausgehende Züge zerlegt, deren einer vom Rete testis, der andere von der Albuginea, der dritte vom unteren Ende des Vas deferens seinen Ursprung nehme; im Plexus seien diese Venen in zahlreiche Aeste getheilt, um einander gewickelt und mit reich- lichen Anastomosen versehen. Die zahlreichen kleineren Gefässe, welche im Samenstrange vorhanden sind, finden noch keine Er- wähnung, auch wird nicht von einer Vena deferentialis gesprochen. Pag. 39 ist von einer Vena spermat. externa die Rede, welche in Begleitung der gleichnamigen Arterie zur Vena epigastrica inferior ziehen soll. Von Lymphgefässen des Samenstranges kennt A. Cooper 3—4 Stämme, welche „upon the spermatie veins“ aufwärts steigen. Es mag hier gleich angefügt werden, dass, nach dem Pracht- werke Bartolomeo Panizza’s „Osservazioni -antropo-zootomico fisiologiche“, Pavia 1830, zu urtheilen, derer (beim Menschen) viel mehr sein müssen. Den Abbildungen Panizza’s Taf. VIII, Fig. 4, 5 und 6 zu- 1) Hyrtl (Lehrbuch der Anatomie) nennt die Arterie deferentialis „A. vasis deferentis Cooperi“, so wie er die Art. spermatica externa auch als „A. eremasterica Cooperi* bezeichnet. Hierzu möge bemerkt werden, dass der Zusatz „Cooperi“ nicht so gedeutet werden darf, als hätte Cooper diese Gefässe zuerst gesehen; sie sind vielmehr schon von Winslow be- schrieben, wenn Letzterer sie auch nicht benennt und angibt, dass die das Vas def. begleitende Arterie nur zuweilen vorkomme. S. Exposit. anat., Nouvelle @dit., Amsterdam 1752, T. IV, p. 56. 308 Paolo Pellacani: folge laufen oben im Samenstrange mindestens 6—7 grössere Lymphgefässstämme, welche unter einander anastomosiren, nach dem Testikel zu viel zahlreicher werden und dort etwa 20 Stämm- chen erkennen lasten, die am Nebenhoden und Hoden sich in ein diehtes Geflecht auflösen. Unten wären sie nach Panizza auf die mediale und laterale Seite vertheil, um mehr oben auf der vorderen Seite des Samenstranges zusammen zu kommen. Was die Nerven angeht, so schildert A. Cooper genau den N. ileoinguinalis, gibt jedoch über seine Lage zum Samen- strange nichts an, ebenso wenig darüber, ob er im Samenstrange selbst etwaige Endigungen habe. Der N. spermaticus externus trete, innig mit den Vasa spermatica verbunden, in den Inguinal- canal ein, vertheile sich im Oremaster schon innerhalb des Inguinal- canals, sende dann 2 lange dünne Endzweige aus dem Canal hin- aus, der eine vorn, der andere hinten im Strange verlaufend, welche sich in den Hodenhüllen verlören. Von NN. spermatiei int. unterscheidet A. Cooper sehr richtig einen doppelten Plexus, deren einer mit der A. spermat. int. verläuft und vom Plex. mesenter. super., renalis und aorticus stammt, der andere mit der Art. deferentialis zieht und vom Plexus hypogastrieus seinen Ursprung nimmt. Seit Coopers Schilderung, die im Wesentlichen bis auf den heutigen Tag als zutreffend gelten kann, sind nun eine Anzahl neuerer Entdeckungen im Gebiete des Samenstranges zu verzeichnen, die wir hauptsächlich Kölliker, Henle, Giraldes, Rektorzik und Barrois verdanken. Kölliker!) lehrte uns die glatte Muskulatur der Hüllen des Hodens kennen und verfolgte dieselbe auch eine Strecke weit in den Samenstrang hinein (bis 1 Zoll hoch über das obere Ende des Hodens hinaus). Seiner damaligen Beschreibung nach zeigt sich am unteren Ende und an der hinteren Fläche des Nebenhoden eine starke gelbröthliche Lage glatter Muskelfasern, welche am Nebenhoden und dem anliegenden untersten Theile des Samen- stranges fest adhärire, hier auch mit der Vaginalis communis fest verbunden sei. Von dieser Stelle aus wendet sich nach Kölliker diese Muskelschiecht von unten und von beiden Seiten her um den EZ 1) Kölliker, A., Beiträge zur Kenntniss der glatten Muskeln. Zeit- schrift f. wissensch. Zool. Bd. 1, 1849, p. 48 (65). Der Bau des menschlichen Samenstranges. 309 Hoden herum nach vorn, indem sie zwischen beiden Tunicae vagi- nales verläuft. Sie ist auf diesem Verlaufe besonders fest mit der Tuniea vaginalis propria verbunden, und erscheint — pag. 65 l. e. — eigentlich als äusserer Theil des freien Blattes derselben. Einige der Muskelbündel erstrecken sich auch (bis zu der ange- gebenen Höhe) in den Samenstrang hinein. Kölliker schlägt vor diese muskulöse Membran als „innere Muskelhaut des Hodens“ im Gegensatze zur Dartos zu bezeichnen. Ferner spricht er (Mikro- skopische Anatomie, II, p. 403) die Vermuthung aus, dass diese Muskulatur vom Gubernaeulum Hunteri abstammen möge. Vel. darüber weiter unten. Henle!) hat später die Kölliker’sche Beschreibung nicht unwesentlich ergänzt. Nach ihm reichen die glatten Muskelfasern im Samenstrang viel weiter hinauf, als nach Kölliker’s Dar- stellung zu vermuthen war, jedoch wird auch nicht genauer ange- seben, wo sie im Samenstrange proximal beginnen. Ich finde diesbezüglich nur die Notiz W. Krause’s?), dass die Bündel ein- zeln die Art. spermat. int. und das Vas deferens bis zum vorderen Leistenringe begleiten sollen. Wie Henle es zuerst genau und richtig schildert, umgeben die Bündel zum Theil wie eine weit- läufige Adventitia das Vas deferens und die Gefässe, zum Theil ziehen sie in stärkeren Strängen zwischen Vas deferens und Arterie spermatica interna durch das Bindegewebe des Samenstranges. Henle bezeichnet diese Museulatur zusammen als „ÖÜremaster internus“ und schreibt ihr die Leistung zu, den Hoden in der Schwebe zu halten, so dass er den Boden des Serotum nicht berührt. FE. Klein?) scheint mir die Henle’sche Darstellung nicht völlig richtig wiederzugeben, wenn er (l. e. p. 637) den Henle’- schen Cremaster internus so schildert, als ob darunter nur die das Vas deferens umgebenden Bündel zu verstehen seien. Dem- nach gelangt er denn noch zur Aufstellung eines „Cremaster medius“, von dem es pag. 638 heisst: „Noch weiter nach aussen an der dem Cremaster int. abgewendeten Seite, trifft man im 1) Eingeweidelehre I. und II. Aufl., p. 441 ff. 2) Allgemeine und mikrosk. Anat. p. 267. 3) E. Klein, Die äusseren männlichen und weiblichen Genitalien. Stricker's Handbuch der Gewebelehre p. 637 und 638. 310 Paolo Pellacani: Samenstrange kleinere zu einer Schicht zusammenhängende, lon- gitudinal verlaufende glatte Muskelfasern an, die man füglich unter dem Namen „Cremaster medius* zusammenfassen könnte. Wir werden später sehen, wie beide Beschreibungen einander ergänzen, keine jedoch die Anordnung des Cremaster internus völlig er- schöpfend gibt. Von der das Vas deferens umgebenden adventitiellen Muscu- latur (seinem Cremaster internus) gibt E. Klein an, dass derselbe am Anfangstseile des Vas deferens am stärksten entwickelt sei, von hier aus gegen die Bauchhöhle hin an Dicke fortwährend ab, an Ausbreitungsareal hingegen zunehme, so dass man oben am ganzen Umfange des Vas deferens kleine vereinzelte Muskelbündel antreffen könne. Die genaueste Schilderung der glatten Muskulatur in den Hüllen des Testikels gibt neuerdings Th. Ch. Barrois!). Wenn Barrois auch vorzugsweise auf die eigentlichen Hodenhüllen ein- geht, welche ich im Nachfolgenden nicht specieller berücksichtigt habe, so begründet er doch durch das weitere Verhalten der glatten Muskulatur des Samenstranges am Hoden, die Unterschei- dung eines Cremaster medius und internus, indem er zeigt, dass an den Hodenhüllen zwei getrennte glatte Muskelschichten zu unterscheiden seien. Der Cremaster medius von Barrois stellt eine gut loka- lisirte flächenhaft ausgebreitete Schicht dar, welche zwischen Tunica vaginalis communis und propria liegt, d. h. in der inneren Grenzschicht der Communis, nur durch eine dünne Sub- serosa von der Propria getrennt. Als Cremaster internus müsse man dagegen eine davon räumlich verschiedene glatte Muskellage bezeichnen, welehe in den äusseren Grenzschichten der Propria sich flächenhaft ausbreitet. So sind beide Cremasterschichten, freilich nahe zusammengelagert, durch die Subserosa, an welche die eine von innen, die andere von aussen angrenzt, deutlich ge- trennt. Diese Disposition sei besonders klar an den vorderen seitlichen Partien der Hodenhüllen erkennbar. Er rechnet den Cremaster medius zum Gebiet der Tunica vaginalis communis, wie 1) Barrois, Thöodore-Charles, Contribution a l’e&tude des enveloppes du testicule. Lille 1882, 8. (Travail fait au laboratoire d’histologie de la Faculte [de Medecine]). Der Bau des menschlichen Samenstranges. 3ll aus den Worten, pag. 21, hervorgeht: La tunique fibroide, sur les parois antero-laterales des bourses, est formee d’un enchev6trement de fibres lamineuses et &lastiques englobant le er&master moyen dans ses parties internes, et une couche vasculaire continue dans ses parties externes“. Der Cremaster medius soll sich nicht weit in dem Samen- strange hinauf erstrecken; am Ende des Stranges, oberhalb des Nebenhoden-Kopfes, sei er vorn seitlich nur noch in Spuren vor- handen, während er hinten ganz fehle. Die Fasern des Cremaster internus sind hier jedoch hinten und seitlich noch stark entwickelt (pag. 27), nehmen aber gegen die Raphe ab. Beide Muskeln neh- men im Samenstrange selbst beträchtlich ab; nur finde man hier und da zerstreute Bündel besonders im Umkreise der Blutgefässe. Diese liegen (am unteren Ende des Samenstranges) in dem lockeren Bindegewebe zwischen Vaginalis communis und propria, müssen also als drittes Element in der Gesammtmasse der glatten Musku- latur unterschieden werden. Doch gehören alle diese 3 Ausstrah- lungen in letzter Instanz einem (schon von Henle, Splanchnologie II. Aufl. p. 367 beschriebenen) Muskelkern an, welcher am untern Ende des Hodens im Scrotalgrunde zu suchen ist. Barrois resu- mirt bezüglich dieser Auffassung folgendermassen: (p. 39) „I eonvient d’insister egalement sur la continuite &vidente des faisceaux des deux cr&masters interne et moyen avec la masse museulaire qui, en bas, envahit tout le tissu cellulaire du cordon. En un mot, toutes les fibres museulaires lisses de l’enveloppe in- terne convergent vers un point unique, le fond des bourses; ou, si Fon veut, il esiste a la partie inferieure du Testicule un enorme muscle lisse, qui s’&Epanouit en eventail vers le haut, envoyant dans la sereuse, dans la fibroide, et dans le tissu cellulaire du cordon, des faisceaux qui diminuent graduellement en se rapprochant de Panneau inguinal.“ Nach Barrois nimmt die Menge der glatten Muskelfasern mit vorrückender Geschlechtsreife zu; mit der voll eingetretenen Pubertät erreichen sie ihr Maximum. — So weit die glatten Fasern im Bereiche des Hodens liegen, führt Barrois sie (mit Kölliker, s. w. u.) auf das Guberuaceulum testis zurück. Bezüglich der Tunica vaginalis communis (Tunique fibroide Barrois, Tunique fibreuse ou commune Sappey) herr- schen noch zum Theil einander widersprechende Ansichten. Henle, 312 Paolo Pellacani: dem wir die genaueste Beschreibung des Samenstranges verdanken, s. Splanehnologie II. Aufl. p. 420 ff., trennt, wie A. Cooper, zwei bindegewebige Hüllen, welche durch den M. ceremaster externus, wenn auch nur unvollkommen, von einander geschieden würden, ef. p. 40 1. c. Die äussere sei eine Fortsetzungsdez Faseia superficialis der Bauchwand und hänge zusammen mit dem lockeren Bindegewebe zwischen Serotalhaut und den tieferen Hüllen des Testikels. Ob wir es hier aber mit einer klar aus- gesprochenen lamellösen Membran zu thun haben, wird nicht näher angegeben. Die innere Hülle, Tunica vaginalis communis autt., hänge (wie das auch allgemein angegeben wird) mit der Fascia transver- salis der Bauchhöhle zusammen. Längs des Samenstranges sei sie locker, stellenweise fettreich, sei sowohl — offenbar durch Lücken des Cremaster hindurch, sowie durch Vermittelung der ebenge- nannten äusseren Schicht — in eontinuirlicher Verbindung mit der Serotalhaut, als auch mit. dem inneren Bindegewebe des Funiculus. Gegen den Testikel hin werde diese Tunica zu einer klar ausge- sprochenen lamellös gefügten Membran, die sich auf der Tunica vaginalis propria (serosa testis parietalis) ausbreite. Je weiter nach unten und je näher dem hinteren Testikelrande, desto inniger verschmelzen die einzelnen Lamellen unter sich sowohl, wie auch mit dem parietalen Blatte der Vaginalis propria, so dass eine nun- mehr einfache derbe Membran daraus resultire. So weit am Testikel die Tuniea eommunis besonders unterscheidbar bleibt, lasse sie sich in zwei Schichten zerfällen, in deren äusserer der Cre- master externus, in deren innerer der Cremaster internus gele- gen sei. Die äussere Hülle Henle’s ist zweifellos wohl dieselbe Schicht, welehe Searpa und A. Cooper zuerst beschrieben haben, die Faseia Cooperi. und welche auch Hyrti wiederholt erwähnt, siehe die Anm. zu pag. 306 dieses Artikels. — Liest man die An- gaben Luschka’s nach, s. Anatomie des menschl. Bauches p. 138, so gewinnt man den Eindruck, als ob hier noch zwei Dinge aus- einander zu halten seien: die Faseia Cooperi und die Faseia super- fieialis. Die Faseia Cooperi betrachtet auch Luschka als eine modifieirte Fortsetzung der Randfasern des Annulus inguinalis ex- ternus, welche als lockerer „Zellstoff* der allgemeinen Scheiden- haut des Hodens folgen. Die „Faseia superficialis“ solle aber im Der Bau des menschlichen Samenstranges. 313 ganzen Umkreise des Bauchringes mit dieser Fascia Cooperi zu- sammenhängen. Vgl. auch Ibid. p. 260. Ueber diese seit Scarpa und Cooper mehrfach von com- petenter Seite ausgesprochene Verbindung zwischen den Fibrae intercolumnares resp. den Randfasern des äusseren Leistenspaltes mit der Fascia Cooperi äussert sich Henle nicht. Aus seiner Beschreibung der betreffenden Hülle am Hoden und ihres Verhal- tens gegen das Perineum und die seitlichen Anheftungen des Scro- tums an die Oberschenkel lässt sich aber entnehmen, dass der zuerst als solcher von Sappey und jüngst auch von Barrois be- schriebene „Appareil de suspension des bourses“ (cf. Sappey, Traite d’anat., 3 edit. pag. 594) mit in das Bereich dieser Haut gehört. Sappey versteht unter diesem Aufhängeapparate das be- kannte System elastischer Faserzüge, welche im Niveau der Schicht, die als Faseia superfieialis beschrieben wird, gelegen sind, zu denen auch das Lig. suspensorium Penis gehört, die sich abwärts in die Dartos verlieren und in das Septum Seroti einstrahlen. (Cf. Barrois, l.e.p. 15.) Dass die Muskelfasern der Dartos sich in diese elastischen Fasern verlieren, gab bereits Treitz an (Prager Vierteljanrsschrift I. 1853). Barrois erwähnt die Fascia Cooperi nicht als besonderer Lage, ebensowenig Tillaux (Traite d’anatomie topographique 3. edit. 1882). Sappey gedenkt ihrer ganz kurz in seiner Anatomie. Im Gegensatze zu diesem fast gänzlichen Schweigen steht die Darstellung in dem ausgezeichneten Handbuche von Quain, IX. Auflage, besorgt von Allen Thomson, Edw. A. Schäfer und G. Dancer Thane, wo es heisst (II, 682), nachdem Haut und Dartos als erste und zweite Hülle des Samenstranges und des Hoden aufgezählt sind: „3) The interecolumnar or sper- matie fascia, a very thin and transparent but relatively firm layer, derived from the tendon of the external oblique muscle of the abdomen, is attached above to the margins of the external ring and is prolonged downwards upon the eord and testiele. It lies at first beneath the superfieial fascia and lower down beneath the dartos, and it is intimately connected with the layer next mentioned. (M. Cremaster.) Von den französischen Autoren geht Richet, Traite pratique d’anatomie medieo-chirurgieale, V. edit. 1877, genauer auf die in Rede stehende Gewebsschicht ein. Ihm zufolge, p. 759, hätte bereits P. Camper (leones herniarum p. 11) oO 314 Paolo Pellacanı: dieselbe beschrieben und schon vor Scarpa und A. Cooper habe ihrer J. Cloquet in seiner These: Recherches anatomiques sur les hernies de l’abdomen, Paris 1817, gedacht. Richet gibt an, dass unterhalb der hier doppelschichtigen Fascia superficialis eine fibrös-zellige (cellulo-fibreuse) Membran unmittelbar auf der glän- zenden sehnigen Aponeurose des M. obliquus abd. ext. zu treffen sei, welche er als „aponevrose d’enveloppe“ bezeichnet, um sie von der eigentlichen aponevrose d’insertion des Muskels zu schei- den. Diese Lage setze sich auch nach unten bis zum Grunde des Serotums über den Samenstrang fort, liege zwischen Dartos und Cremaster, mit Letzterem eine Schicht bildend (cf. p. 835 und 836 l. e.). Uebrigens legt er ihr keine Bedeutung bei (Elle est peu &vi- dente et sans importance p. 835). Was die innere Schicht, die Tunieca vagin. communis, anlangt, so ist wohl Sappey derjenige, der sie am wenigsten als eine ächte Membran betrach- ten möchte. Cf. 1. e. p. 601. Im Verlaufe des eigentlichen Samen- strangs sieht er in der Vaginalis communis der Autoren nur das lockere Bindegewebe, welches unterhalb des Cremaster gelegen sei und die einzelnen Theile des Samenstranges zusammenhalte; aber auch gegen den Hoden hin spricht er ihr die Selbstständig- keit ab; es heisst diesbezüglich: „Dans sa portion inferieure la tunique fibreuse ou mieux celluleuse, adhere a la surface ex- terne de la tunique vaginale (hierunter ist die Serosa verstanden) avee laquelle elle se eonfond sur la plus grande partie de son etendue.“ Barrois differirt, namentlich für die unteren den Testikel umhüllenden Partien der Vaginalis eommunis, wesentlich von Sappey, indem er hier eine feste, den Cremaster medius enthal- tende Haut beschreibt; selbst im Samenstrange scheint Barrois, nach dem Wenigen, was er über diesen angibt, keineswegs ein einfaches lockeres Bindegewebe als Grundlage der Vaginalis com- munis anzunehmen. Seine Beschreibung stimmt im Wesentlichen mit Henle überein. Neu ist bei ihm eine Schicht kleinerer Blut- gefässe, welche in den äusseren Lagen der Membran dicht unter dem Cremaster externus gelegen sein soll. Auch bei Richet, l. e. pag. 836, findet man die T. vagin. communis als eine feste Haut beschrieben: „elle est d’une strueture fibreuse tres &vidente“ ete. Als die eonstituirenden Bestandtheile des Samen- stranges, ausser den Hüllen, werden die von A. Cooper bereits genauer beschriebenen Gefässe und Nerven angegeben. Die Lage- Der Bau des menschlichen Samenstranges. 315 rung dieser Theile anlangend, so geht Sappey am genauesten darauf ein (Trait& d’anatomie deseriptive III edit. p. 637 et 639): Man müsse unterscheiden 1) Die A. spermat. int. und das zu ihr gehörige Venenbündel, welches das grössere sei und mehr nach vorn liege; es enthalte ausserdem beigemischt zahlreiche Bündel glatter Muskelfasern. Die Venen umgeben meist die Ar- terie, welche jedoch zuweilen auch hinter dem Venenbündel ge- legen sei. 2) Das accessorische Venenbündel; dieses sei das kleinere und liege hinter dem Vas deferens; letzteres sei also zwischen beiden Bündeln zu suchen. Von Lymphgefässen wären 6—8 Stämme zu unterscheiden, welche das Hauptbündel der Venen an dessen Peripherie umlagerten. Tillaux gibt, 3. Aufl. p. 829, eine schematische Figur, der zufolge auf einem Querschnitte des Samenstranges zu finden seien, ausser der Haut, Dartos, Schicht des lockeren Bindegewebes, Cre- master und Tunica vaginalis communis, noch eine „Tunique cellu- leuse immediatement en contact avec les elements du cordon“. Tillaux zeichnet wenigstens noch eine besondere periphere Lage von Bindegewebe, welche übrigens eontinuirlich sich in das zwischen den Gefässen des Samenstranges befindliche Bindegewebe fortsetzt. Auch er theilt die Bestandtheile des Stranges in zwei Gruppen: eine vordere, bestehend aus der A. spermat. int., dem Haupt- venenplexus, dem N. ilioinguinalis und den Lymphgefässen und eine hintere, welche neben dem Vas deferens zwei Arterien, die A. deferentialis und spermatica externa (funieulaire) enthalten soll, ausserdem den N. spermaticus externus. Anders ist die Darstellung von Henle, 1. c. p. 441, derzu- folge freilich die beiden seit A. Cooper bekannten Gruppen fest- gehalten, dieselben jedoch so umgrenzt werden, dass in der vor- deren der Venenplexus eingebettet in fetthaltiges Bindegewebe enthalten sei, die hintere aber aus der A. spermatica int., mit den Nervenzweigen, dem Vas deferens und dem M. eremaster internus bestehe, und von fettlosem Bindegewebe umschlossen sei. Was die Nerven anlangt, so finden sich auch darüber diffe- rente Angaben. Die meisten Autoren (Hyrtl z. B. p. 762, 14. Aufl.) lassen den Plx. spermat. int. die gleichnamige Arterie umspinnen, während nach Richet, 1. c. p. 839, die sympathischen Nerven mit der A. deferentialis verlaufen sollen. Von Tillaux’ Beschrei- buug war soeben die Rede. Henle, p. 568 Neurologie, 2. Aufl., 316 Paolo Pellacani: lässt den N. spermat. ext. zur hinteren Fläche des Samenstranges ziehen und dort ein Geflecht mit Aesten des Ilio-inguinalis, event. auch mit solchen des Lumbo-inguinalis bilden. Die feineren Zweige sollen besonders im Museul. eremaster nach abwärts ziehen. Henle eitirt auch eine Angabe von ©. Krause, der zufolge Anastomosen zwischen dem N. sperm. int. und ext. beständen. — W. Krause, Allg. u. mikrosk. Anat. p. 266, führt die Nerven des Vas deferens zum Theil auf den N. spermatieus ext. zurück; in der Adventitia des Vas def. finde sich an der vom M. eremaster internus abge- wendeten Seite ein ziemlich dichter Plexus markhaltiger Nervenfasern. So viel mir bekannt, existiren keine genaueren Angaben als diese über die Lagerungs-Verhältnisse der Theile im Samenstrange; vollständige Abbildungen fehlen gänzlich. Henle’s Zeichnung, Fig. 338, p. 442 1. e., ist die getreueste, umfasst aber nur einen Theil des Samenstranges; Tillaux’ Figur Nr. 227, p. 829]. e. ist rein schematisch, während die sonst treffliche Abhandlung von Barrois auch in ihren Abbildungen nur die Hüllen des Testikels selbst, nicht den Funiceulus spermatieus berücksichtigt. Als besonderer Bildungen sind endlich noch zu gedenken: des Rudimentum processus vaginalis peritonei, der von Rektorzik beschriebenen gestielten Anhänge und des von Giraldes entdeckten Restes der Urniere, der von Waldeyer so benannten Paradidymis. Ob von dem obliterirenden Processus vaginalis peritonei ein constanter erkennbarer Rest übrig bleibe, davon ist nichts Sicheres bekannt; Hyrtl, nach der Fassung in dessen Lehrbuche zu ur- theilen, scheint das allerdings anzunehmen (ef. 1. e. p. 764). Zuckerkandl!) zeigt, dass derselbe sehr häufig noch Monate lang post Partum bestehen bleibt; schliesst er sich nicht, oder un- vollständig, so wachsen solche Ueberreste mit dem übrigen Körper weiter; rechterseits werde ein Offenbleiben häufiger beobachtet. W. Krause (l. e.) lässt das Gebilde, wenn es überhaupt unter- scheidbar sei, aus festerem Bindegewebe bestehen. Genauere An- gaben, namentlich aber über die Vorgänge bei der Obliteration selbst, fehlen bei allen von mir eonsultirten Autoren. 2 Giraldes2) hat die von ihm 1859 entdeckte Paradidymis 1) Zuckerkandl, E., Ueber den Scheidenfortsatz des Bauchfells etc. Arch. f. klinische Chirurgie, Bd. 20, p. 215. 1876. 2) Giraldes, F., a) Note sur un Organ place dans le cordon spermä- Der Bau des menschlichen Samenstranges. 317 nach Form und Lagerung richtig beschrieben, den feineren Bau jedoch nur unvollständig klargelegt. Waldeyer!) führte später das Gebilde auf den von ihm unterschiedenen Urnierentheil des Wolff’schen Körpers zurück. E. Klein?) gibt den Schläuchen des Organs eine Schleimhaut mit Cylinderepithel, worauf endlich von Roth?) der Nachweis geliefert wurde, dass das Epithel flimmere. Rektorzik*) fand an der äusseren Fläche der Tunica vagin. communis und in dem zwischen dieser Hülle und der Dartos liegenden Bindegewebe eigenthümliche, z. Th. gestielte gefässlose Erhabenheiten von 0,15—0,7 mm Länge in wechselnder Zahl, welche aus Bindegewebe und elastischen Fasern zusammengesetzt seien. Die Arbeiten über das Gubernaculum Testis sowie die Tunica dartos habe ich nicht mit in das Bereich meiner Unter- suchungen gezogen. Es genüge darauf hinzuweisen, dass Einige, wie z.B. Tillaux, l.c., und Günther’) im Leitbande des Hoden die Anlage des Cremaster externus erblicken, während die Meisten, Kölliker folgend, den Cremaster internus vom Gubernaculum ab- leiten 6). Die Arbeit von Tigri”) ist mir (hier in Strassburg) nicht zugängig gewesen. tique, et dont l’existence n’a pas et& signalee pas les Anatomistes. Proc. roy. Soc. London, 1859, Vol. IX. — b) Recherches sur le corps innomine, Journ. de la physiologie de l’homme et des animaux, T. IV, 1861, p. 1. 1) Waldeyer, W., Eierstock und Ei, Leipzig 1870, p. 141 ff. 2) Klein, E., Strickers Handbuch der Gewebelehre, p. 639. 3) Roth, Flimmerepithel im Giraldes’schen Organ. Zeitschr. f. Anat. und Entwickl.-Gesch. von His und Braune 1876, p. 127. 4) Rektorzik, Wiener akad. Sitzungsber. 1857. Jan. p. 154. 5) Günther, Ueber das Gubernaculum Hunteri. Deutsche Zeitschrift f. Thiermediein Bd. I, p. 497, 1875. 6) S. insbesondere neuerdings Tourneux: Des restes du corps de Wolff ete. Bullet. scientif. du Departement du Nord. 2 Ser. 5 annde 1883, p- 26. — Vebrigens ist Kölliker’s neueste Mittheilung über die Bestand- theile des Gubernaculum nicht ganz widerspruchsfrei. Es heisst nämlich, Entwickelungsgeschichte 2. Aufl., p. 995, dass eine Beziehung des Guber- naculum zum Cremaster (externus) nicht zugegeben werden könne, dass da- gegen die glatte Musculatur, Cremaster internus, ein Rest des Bandes sei. Dagegen werden (p. 996) auch die quergestreiften Muskelfasern des Cremäster ext. unter den histologischen Bestandtheilen des Gubernaculum aufgezählt. 7) Tigri, Rivista scientifica dell’ Accademia dei Fisiocritici Marzo e Aprile 1872. 318 Paolo Pellacani: Ich habe die literarische Einleitung nicht ohne besonderen Grund etwas ausführlicher gegeben, als es vielleicht dem Umfange dieser Abhandlung eonform erscheinen möchte. Doch sind die Daten über den Bau des Funieulus spermaticus so verstreut, dass es schon dieserhalb Manchem nicht unerwünscht sein dürfte, die wichtigsten derselben einmal zusammengestellt zu sehen. Anderer- seits aber beabsichtigte ich durch die Besprechung der Literatur diejenigen Punkte hervortreten zu lassen, für welche eine erneute Untersuchung noch als Desiderat erscheint. In erster Linie fehlt es, wie wir erfahren haben, an einer genaueren Schilderung der Lage der Theile im Samenstrange, so wie an naturgetreuen Abbildungen von Querschnitten. Ferner sind namentlich die beiden bindegewebigen Hüllen des Stranges, die Fascia Cooperi und die Tunica vaginalis communis, sowohl in ihrem gegenseitigen Verhältnisse, als auch in ihrem Baue und dem Verhalten zu den Nachbarorganen einer genaueren Untersuchung zu unterziehen. Weiterhin dürfte die glatte Musculatur, welche Barrois nur für die tieferen Partien, die schon ausserhalb des eigentlichen Samenstranges liegen, genauer geschildert hat, aueh im Funieulus selbst noch näher zu besprechen sein, wozu endlich noch die Altersverschiedenheiten, der Modus des Verschlusses des Processus vaginalis, die Paradidymis und einige Details über das feinere mikroskopische Verhalten namentlich der Gefässe und des Vas deferens zu stellen wären. Ich beginne mit der Schilderung der Querschnittsbilder vom Samenstrange eines erwachsenen, jungen kräftigen Mannes (20 Jahre). Der Samenstrang zeigte keinerlei besondere Verhältnisse, war von mittleren Dimensionen, hatte nicht zu viel Fett, keine ab- norm erweiterten Venen, der Cremaster externus war gut entwickelt, die Verhältnisse des Leisteneanals, des Serotums und der Hoden waren als normale zu bezeiehnen, so dass man das in Rede stehende Objeet wohl als den Typus eines normalen Funiculus dieses Alters ansprechen durfte. Zur Erläuterung der Situationsverhältnisse auf dem Quer- schnitte diene Fig. 1, welche bei etwa 18—20facher Vergrösserung entworfen ist. (Einzelne Details sind mit stärkerer Vergrösserung eingetragen worden.) Der betreffende Querschnitt ist der Grenze zwischen mittlerem und unterem Drittel des (linken) Stranges — diesen selbst vom Orifieium subeutaneum des Leistencanales Der Bau des menschlichen Samenstranges. 319 bis zum Kopfe des Nebenhoden gerechnet — entnommen worden. Man sieht auf den ersten Blick die den Strang zusammen- setzenden Gebilde in die bekannten beiden Gruppen geschieden: die „Gruppe der Hodengefässe“ und die „Gruppe des Vas deferens“. Ich werde für die weitere Darstellung diese Be- zeichnung beibehalten, wenngleich schon jetzt hervorzuheben ist, dass in beiden Gruppen ausser den Theilen, von denen sie benannt sind, auch noch zahlreiche andere Bildungen liegen. Die Hodengefässgruppe nimmt den vorderen, die Deferens- sruppe den hinteren Theil des Querschnittsfeldes ein, so zwar, dass das Vas deferens selbst zugleich etwas mehr medial ge- legen ist. Umgeben sind beide Gruppen von einer dreifachen Hülle, als deren scharf zu unterscheidende Grundlage der Cremaster externus (Henle) zu bezeichnen ist. Dieser umschliesst (im vorliegenden Falle und in dieser Region) den Strang fast zu vier Fünfteln; er lässt nur eine kleine Strecke an der unteren medialen Ecke der Deferensgruppe frei. Aussen auf dem Üremaster zeigt sich eine deutlich als be- sondere Schicht zu erkennende Bindegewebslage; es ist dieses die Fascia Cooperi (Aponevrose d’enveloppe Richet, — Intercolum- nar or spermatic fascia Quain-Sharpey). Desgleichen lässt sich an der Innenfläche des Cremaster eine ähnliche Lage unterschei- den, welche als die Tunica vaginalis communis der Autoren bezeichnet werden muss, denn sie setzt sich inguinalwärts in das Bindegewebe fort, welches mit der Fascia transversalis abdominis zusammenhängt, serotalwärts dagegen in diejenige Hodenhülle, welche man hier deutlich als besondere Membran erkennen kann und unter dem Namen „Tunica vaginalis eommunis“ beschreibt. (Tunique fibreuse ou commune der Franzosen, infundibuliform fascia der Engländer). Beide fibrösen Lagen sind am vorliegenden Präparate sehr deutlich ausgebildet. Da, wo der Cremaster fehlt, fliessen diese beiden Membranen zu einer bindegewebigen Schicht zusammen, in der sich keine zwei Lagen mehr sondern lassen. Ein ganz ähnliches Bild der Gesammtanordnung gewährt Fig. 2 (Querschnitt von der Grenze des oberen und mittleren Drittels des rechten Samenstranges eines einjährigen Knaben). 320 Paolo Pellacani: Auch hier finden wir die beiden Gruppen, umgeben von den eben geschilderten Hüllen. Diese letzteren zeigen wieder den Cremaster externus ungefähr */, den Strang umschliessend — die mediale untere Ecke an der Deferensgruppe bleibt frei — aussen ist der Cremaster esternus bedeckt von der Faseia Cooperi, während innen ihm eine Bindegewebslage, die Tun. vag. communis, anliegt. Dieselbe ist nicht an allen Stellen als deutliche Membran zu er- kennen, da sie vielfache Verbindungen mit dem intrafuniculären Bindegewebe eingeht. Da, wo der Cremaster fehlt, sehen wir wie- der beide Bindegewebslagen zusammenfliessen. Die Deferensgruppe ist deutlich von der Gefässgruppe geschieden,‘ indem sich lockeres Bindegewebe dazwischenschiebt. Die grosse Lücke bei X ist eine künstlich bei der Präparation entstandene, nicht etwa ein noch offener Hohlraum eines Processus vaginalis peritonei, wie ich ausdrücklich hervorheben möchte. Dass dem so sei, geht unmittel- bar aus Fig. 3 hervor, wo neben dieser künstlich entstandenen Lücke (X) die Cavitas serosa (Cavit. serosa) erscheint. Der Quer- schnitt zeigt eine obere Schnittfläche vom linken Samenstrange eines vierwöchentlichen Knaben nahe dem Kopfe des Nebenhoden entnommen und ist ebenfalls geeignet, die Hüllen und allgemeinen Lagerungsverhältnisse im Gesammtbilde klar vorzuführen. Sehen wir uns jetzt näher an, was für Gebilde in jeder der Hüllen und Gruppen liegen, wie sie zu einander gestellt sind und welche Beziehungen die Hüllen untereinander und mit den Nach- bartheilen eingehen. | Die vielbesprochene und seit Cooper kaum mehr genau ge- schilderte Fascia Cooperi enthält, ausser dem sie constituiren- den Bindegewebe und wenigen Blutgefässen, keine weiteren Theile. Das Bindegewebe enthält ziemlich viel elastische Fasern. Diese Fascie stellt eigentlich die periphere Hülle des Samenstranges dar, welche ihn von den Nachbargebilden trennt und ihn als besonderes Formgebilde erscheinen lässt. Am deutlichsten ist dieselbe, wie man auch präparatorisch leicht darthun kann, am vorderen Um- fange des Samenstranges entwickelt. Hier stösst sie peripherisch an ein ungemein lockeres Zellgewebe, welches sie von der Fasecia superficialis und der Tela adiposa subcutanea, weiter unten von der Tunica dartos trennt, und erscheint in Folge dessen makro- wie mikroskopisch deutlich als besondere Hülle. Wenn der Samen- strang fettreich ist, so tritt sie besonders gut hervor. Weniger Fr Der Bau des menschlichen Samenstranges. 321 gut ist sie ausgeprägt da, wo der Cremaster externus fehlt, nament- lich am hinteren Umfange des Stranges. Hier ist einerseits keine Grenze zwischen dieser Hülle und der Tunica communis zu ziehen und andererseits geht auch das den Samenstrang umhüllende Bindegewebe hier so innige Verbindungen mit dem übrigen Binde- gewebe dieser Region, welches mehr nach hinten gelegen ist, ein, dass es unmöglich scheint genau zu bestimmen, wo die zum Samen- strange gehörigen Hüllen beginnen. Ich habe nicht nöthig noch hinzuzufügen, dass auch am vorderen Umfange des Samenstranges die Faseia Cooperi mit den benachbarten Bindegewebszügen, wo diese an sie herantreten, zusammenfliesst, ganz in derselben Weise, wie überall die Bindegewebsbildungen des Körpers continuirlich in einander übergehen; hier vorn aber ist der Character der Mem- bran, i. e. der Faseia Cooperi, immer deutlicher gewahrt und wird man niemals in Zweifel bleiben, wo man das Gebiet des Samen- stranges beginnen lassen soll. Inguinalwärts hängt, wie die von mir eitirten Autoren richtig angegeben haben, die Fascia Cooperi deutlich mit den soge- nannten Fibrae intercolumnares zusammen; serotalwärts wird sie immer schwächer und ist in der Region des Testikels, wo die Cremasterfasern sich über eine grössere Fläche verbreiten, also mehr zerstreut liegen, kaum mehr als eine besondere Membran zu erkennen. Man kann sagen, dass ein umgekehrtes Verhalten bei der Faseia Cooperi und bei der Tunica vag. communis bestehe inso- fern, als die erstere stärker ist in der Nähe des Inguinalcanales, schwächer am Hoden, wo man sie kaum von der Tunica commu- nis zu sondern vermag, die letztere dagegen umgekehrt schwächer am Inguinalcanal, stärker in der Testikelregion. Wegen ihrer nahen Beziehungen zum Cremaster, mit dessen Ausbildung und Ausbreitung das Verhalten der Fascia Cooperi wechselt und an den sie stets geknüpft erscheint, könnte man die in Rede stehende Membran passend wohl als Faseia eremasterica bezeichnen. Bezüglich der Tunica vaginalis communis habe ich nur Weniges zu bemerken. Wir sahen schon, dass dieselbe am Ingui- nalcanale schwach ist, und hat Sappey ganz Recht, wenn er Sie daselbst nicht als fibröse Membran bezeichnen möchte. Unzweitel- haft ist aber immer zwischen Cremaster und Inhalt des Samen- stranges eine stellenweise deutlich membranös gezeichnete Binde- gewebslage vorhanden, welche serotalwärts, so wie zur Deferens- Archiv f. mikrosk, Anatomie. Bd. 23. 21 3223 Paolo Pellacaniı: gruppe hin, an Stärke zunimmt, einerseits durch die Bündel des Öremaster hindurch mit der Faseia Cooperi, andererseits mit dem intrafunieulären Bindegewebe zusammenhängt. Auch hier treffen wir einen ziemlichen Reichthum elastischer Fasern. Scrotalwärts wird die Membran, wie dies Henle und Barrois neuerdings besonders hervorgehoben haben, immer stärker und als besonderes Gebilde präparirbar, verschmilzt aber zugleich mehr und mehr mit der parietalen Serosa Seroti, der Tuniea vaginalis propria, wie die genannten Autoren das auch eingehend erläutern. Wie weit nach oben diese Verschmelzung beginnt, scheint individuell verschieden. In Fig. 3 (vierwöchentlicher Knabe) ist es wohl nicht mehr möglich um die Cavitas serosa herum eine besondere eom- munis von der propria zu unterscheiden, während in Fig. 4, bei einem einjährigen Knaben, noch viel tiefer abwärts eine Lage als Tunieca eommunis deutlich von der Propria parietalis zu trennen ist. Ueber das Verhalten der glatten Muskeln zur Tunica com- munis wird weiter unten die Rede sein. Die Angabe von Barrois, dass in den äusseren (peripheren) Schichten der Communis ein grosser Reichthum kleiner Blutgefässe vorhanden sei, vermag ich zu bestätigen; wenigstens fand ich auch im Bereiche des Samenstranges zahlreiche solcher Gefässe in der in Rede stehenden Membran, wenn auch selbstverständlich hier eine Anordnnng derselben zu einer besonderen Gefässschicht nicht bervortreten kann. Mir scheint aber, dass diese Gefässe viel mehr zum Üremaster in Beziehung stehen, als zur Tunica ecommunis. - Besonders hervorgehoben zu werden verdient das Verhalten der Samenstranghüllen an der Deferensgruppe. Hier findet sich immer, besonders peripher, ein viel massigeres dichteres Bindegewebe, als an den anderen Bezirken. In den Figg. 1—4 ist dasselbe mit Tunica vag. comm. II bezeichnet, während die übrigen’ Bezirke der Membran die Signatur Tun. vag. comm. I tragen. In der That scheint die Hauptmasse dieser dieken Binde- gewebshülle der Tunica communis und nicht der Faseia Cooperi anzugehören, wie die Präparate und die nach denselben gezeich- neten Figuren lehren. Je näher dem Hoden, desto massiger wird dieses Bindegewebe. vergl. die angezogenen Figuren unter einan- der, namentlich aber Fig. 4. Zwischen Gefässgruppe und Deferensgruppe schiebt sich nun immer etwas lockeres Bindegewebe ein, welches bekanntlich die Der Bau des menschlichen Samenstranges. 323 in chirurgischer Beziehung so wichtige leichte Isolirbarkeit des Vas deferens von dem Gefässbündel ermöglicht. Immer aber folgen dem Vas deferens die ihm anliegenden und zu ihm gehörigen Blutgefässe, wie namentlich ein Blick auf Fig. 2 klar stellen dürfte. Ueber den M. Cremaster habe ich ausser dem Bemerkten, auf seine Ausbreitung am Samenstrange Bezüglichen den vorliegen- den Schilderungen nichts hinzuzufügen. Vornehmlich in seinem Bereiche liegen die Vasa spermatica externa, sowie Aeste des N. spermatieus ext., des N. ilio-inguinalis, seltener auch des N. ilio- lumbalis. Den Stamm der A. und Vena spermatica ext., sowie des N. spermat. ext. trifft man ausserhalb des Bereiches der Faseia Cooperi. Der Nerv liegt bekanntlich immer hinter dem Samen- strange, den er kreuzt, auch einen stärkeren Ast der A. und V. spermat. ext. fand ich meist hinten und medianwärts, ausserhalb des eigentlichen Stranges, ihm dicht anliegend. Von den Gefäss- und Nervenstämmen treten aber zahlreiche Aestchen in den Cre- master ein, und sind solche auf den Querschnitten markirt, siehe 2. B. Fig. 1 (vasa sperm. extt.), Fig. 2, A. sperm. ext. (hier ist nicht der Stamm gemeint), ferner ebenda: Vasa und NN. sperm. ext., wo auch nur Aeste von Beiden zu verstehen sind. Dasselbe gilt von der Bezeichnung: „A. sperm. ext.“ in Fig. 3. Den N. ilio-inguinalis, d. h. dessen Ramus perforans anterior, trifft man von der Fase. Cooperi bedeckt, d. h. also im Bereiche des Samenstranges in dem obersten Abschnitte des letz- teren, den er jedoch bald verlässt. Einzelne Zweige sollen, wie angegeben wird (s. z. B. Henle, Neurologie II. Aufl., p. 568), mit denen des Spermat. ext. ein weitmaschiges Geflecht bilden. Jeden- falls kommen die Gefässe und Nerven für die Hüllen des Samen- stranges so wie für den Üremaster vorzugsweise von den Vasa bezw. N. N. sperm. extt. Die Gefässgruppe setzt sich aus folgenden Theilen zu- - sammen: 1) Aus der A. spermatica interna, welche gewisser- massen das Centrum der Gruppe bildet; 2) aus zahlreichen Venen, den Venae spermaticae internae, die den bekannten Plexus pampiniformis ausmachen; 3) aus mehreren Lymphgefässen; 4) aus den Nervenstämmcehen des Plexus spermatieus internus; 5) aus zahlreichen kleinen Bündeln glatter Muskelfasern, einem Theile des sogenannten Cremaster internus Henle’s. Alle diese Theile sind in der ganzen Länge des Samenstranges von 394 Paolo Pellacanı: der Apertura subeutanea des Canalis inguinalis an bis zu dessen Auflösung am Hoden in der genannten Gruppe anzutreffen und können deshalb als wesentliche Stücke der letzteren bezeichnet werden. Ausserdem findet man nun noch im distalen Theile des Stranges einige andere Gebilde mit dieser Gruppe zusammen- gelagert, gewissermassen Unterabtheilungen derselben bildend: die Paradidymis und das für den Nebenhoden bestimmte Ge- fässbündel, wozu noch eine besondere Gruppirung der glatten Muskelfasern kommt. Alle diese Theile sind durch ein ziemlich dichtes Bindegewebe zu einer Masse vereinigt, welche wir eben als „Gefässgruppe“ bezeichnet haben. Die vorhin angezogenen Figuren 1—4 lassen sämmtliche Theile der Gruppe deutlich er- kennen; die in Worten wiedergegebenen Bezeichnungen machen jede weitere Erklärung hier überflüssig; einzelne Besonderheiten werden alsbald ihre Erledigung finden. Fig. 1 zeigt die Lagerung beim Erwachsenen; die Anordnung der zahlreichen Einzelstücke ist hier weniger übersichtlich. Klarer tritt diese an Samensträngen von Kindern hervor, s. Fig. 2, 3 und 4. In Fig. 2 bildet noch ein Hauptast der Art. sperm. interna (A. sperm. int. I) eine Art Centrum für die ganze Gruppe; ein kleiner Ast ist weiter unten getroffen (A. sperm. int. II). Die Arterie ist von den Venen umgeben; eine Gruppe grösserer Venen liegt mehr vorn, kleinere sind hinten um die hier ebenfalls dargestellte Para- didymis gelagert. Mehr nach vorn, gegenüber der Paradidymis, zeigt sich (Crem. int. I) eine besondere Anhäufung glatter Muskel- fasern. Es ist dies die Stelle, wo an demselben Samenstrange, an weiter abwärts gelegenen Schnitten die Lichtung der Cavitas serosa auftritt. In Fig.3 zeigt die Paradidymis eine etwas andere Lagerung und ist von zahlreichen kleineren Blutgefässen umgeben. Von der A. sperm. int. finden wir drei Aeste (A. sperm. int. I, II und III); die letztere ist wahrscheinlich der für den Nebenhoden bestimmte Ast; übrigens ist hier auch die für den Nebenhoden bestimmte Venengruppe deutlich abgehoben (VV. Epid.), sowie der Cremaster internus an der Cavitas serosa erkennbar. In Fig. 4 (näher dem Testikel) hat sich die Gruppe der Nebenhodengefässe deutlicher abgesondert; im Uebrigen sind die Verhältnisse unverändert; die glatte Muskulatur ist bei der schwachen Vergrösserung in der Zeichnung nicht wiedergegeben. Endlieh gibt auch Fig. 5 (Schnitt Der Bau des menschlichen Samenstranges. 325 durch den rechten Samenstrang und den Nebenhodenkopf eines 6-wöchentlichen Knaben, obere Schnittfläche) über die generelle Disposition der zur Gefässgruppe gehörigen Theile Auskunft; hier ist auch wieder die glatte Muskulatur (Crem. int. I, II, III) ge- zeichnet. Das Gefässbündel des Nebenhodenkopfes hat sich ganz abgesondert, die übrigen Gefässe der Gruppe erweisen sich nun- mehr als für den Hoden bestimmt, zwei Arterien erscheinen hier von einer sehr grossen Masse dichtstehender Venen umgeben; links oben sieht man noch einen unbedeutenden Rest der Paradidymis, welche hier ihr unteres Ende erreicht. Im Gegensatze hierzu bleibt die Gruppe des Vas deferens in ihrem Verlaufe vom Leistenkanale bis zum Hoden ziemlich un- verändert. Nur finde ich, dass dieselbe — und speciell das Vas deferens — sich etwas anders lagert. Dicht unterhalb des Leisten- canals liegt das Vas deferens lateralwärts neben der Gefässgruppe, schiebt sich dann allmählich hinter dieselbe und rückt dabei nach und nach mehr medianwärts, so dass es also mit den Gefässen sich kreuzt. Wie bekannt, nimmt es ja bei normaler Lagerung des Testikels dessen hintere mediale Seite ein, während der Neben- hoden hinten lateralwärts zu suchen ist, eine Lagerung, die sich allerdings bei der gewöhnlichen Form der Inversio testiculi dahin’ umkehren kann, dass man das Vas deferens vorn im Samenstrange antrifft. Die Vasa deferentialia bilden ein bald grösseres, bald kleineres Packet und scheint ihre Lagerung zum Vas deferens keine ganz bestimmte zu sein, indem ich sie z. Th. median — z. Th. lateral von letzterem antraf; anfänglich liegen sie wohl meist hin- ter dem Vas deferens. Mehr distal, nahe dem Nebenhodenkopfe, zeigen sich in dem das Vas def. umgebenden Bindegewebe zahl- reiche kleinere Blutgefässe (s. Fig. 4, kleine Blutgeff.). Ausser den Blutgefässen trifft man in der Deferensgruppe noch zahlreiche Bündel glatter Muskelfasern (siehe Fig. 1, Crem. int. II, Fig. 2 und 3, Crem. int. II), sowie viele kleine Bündel von Nervenfasern, welche in Begleitung des Vas def. vom Plexus hypogastrieus kommen und zur Innervirung des Ganges sowie der begleitenden Bündel des Cremaster internus bestimmt sind. (S. Fig. 1 und 2, Plexus deferent.) Alle diese Theile wer- den wieder, wie bei der Gefässgruppe, von Bindegewebe zusammen- gehalten, welches fester zu sein scheint als an den übrigen Stellen 326 Paolo Pellacani: des Stranges. Lymphgefässe sind von mir in der Deferensgruppe nicht beobachtet worden. E. Klein, l.c., gibt solehe aus der un- mittelbaren Nachbarschaft des Vas def. an. Zusammenfassend können wir also sagen: „Die den Inhalt des Samenstranges ausmachenden Gebilde vertheilen sich in die genannten beiden Gruppen derart, dass die eine, ausser der A. sperm. int., den Hauptvenenzug, die Lymphgefässe und die Nerven des Plexus sperm. int. enthält, die andere das Vas deferens und die Vasa deferentialia. Beide Gruppen führen noch glatte Muskel- fasern, den Henle’schen Cremaster internus. Die Deferensgruppe lagert proximal mehr lateralwärts, und rückt von da allmählich mehr nach hinten und medianwärts; sie ändert dabei in der gegen- seitigen Position der sie zusammensetzenden Theile kaum etwas, ausser dass nahe dem Hoden zahlreiche kleine Blutgefässe in ihr auftreten. Anders steht es mit der Gefässgruppe. Diese löst sich auf dem Wege vom Inguinaleanale zum Hoden in drei secundäre Gruppen auf: a) die Gruppe der Hodengefässe, deren Venen um so zahlreicher und diehterstehender werden, je näher wir zum Hoden gelangen; b) die Gruppe der Nebenhodengefässe und ce) die glatte Muskulatur, deren Elemente mehr und mehr an einen be- stimmten Platz zusammenrücken, indem sie der hinteren Wand des Hoden zustreben. Dazu gesellt sich noch als eine vierte Gruppe die Paradidymis. Die gegenseitige Lagerung dieser Gruppen ist so, dass die Hodengefässe das Centrum behalten, die des Neben- hodens mehr nach hinten und lateral rücken. Die Paradidymis liegt anfangs (proximal) mehr nach hinten (s. Fig. 2), rückt aber distal in die Nähe der Cavitas serosa vor, wo sie dann zwischen Hodengefässen und Nebenhodengefässen gefunden wird. Doch scheint hierbei keine besondere Regelmässigkeit obzuwalten.“ Die Lymphgefässe zeigten sich mir auf den Querschnitten — ieh untersuchte sie an injieirten und nicht injieirten Präparaten — immer in der Gefässgruppe, und zwar zumeist an deren me- dialen Rande gelegen; einige fanden sich auch lateralwärts, immer aber an der Peripherie. In Fig. 1 zeigen sich 4 Lympfgefässe zwischen Vas def. und Gefässgruppe, 2 am entgegengesetzten Rande der letzteren; dieselben sind an der relativ stark entwickelten Längsmuskulatur leicht von den Venendurchschnitten zu unter- scheiden. Ich habe versucht, den Unterschied, wie er sich unter Anwendung schwacher Vergrösserungen markirt, in der Figur er- Der Bau des menschlichen Samenstranges. 327 kennen zu lassen. (Vasa Iymph., vas Iymph. in der Figur.) — In Fig. 2 sind 4 Lymphgefässe zu erkennen, 3, welche mit a, a, a bezeichnet sind, medianwärts, eines lateralwärts an der Gefässgruppe (vas Iymph.). In Fig. 4 sind 5 Stämme gezeichnet, 4 (vasa Iymph.) anf der medialen, 1 (vas Iymph.) auf der lateralen Seite. Besonderes Interesse erweckt die glatte Muskulatur des Samenstranges, welche zwar schon vorhin bei Besprechung der Theile des Samenstranges und deren Lagerungsverhältnisse berührt wurde, auf welche es sich aber noch einmal im Zusammenhange zurückzukommen lohnt. Was Kölliker und Henle, so wie Barrois darüber sagen, habe ich vorhin eingehend mitgetheilt. Auf die Hodenhüllen selbst habe ich sie nicht verfolgt, vermag also aus eigener Erfahrung nicht anzugeben, wie weit Barrois, Unterscheidung eines Cremaster internus, welcher der Serosa, und eines medius, welcher der Tunica fibrosa (communis) ange- hört, begründet ist. Doch zeigen meine Präparate so viel, dass sich in der Nähe des Hodens die glatten Muskelfasern zur Wan- dung der Cavitas serosa hinbegeben und sich in deren Nähe be- sonders anhäufen. (Siehe Fig. 5.) Dort zeigt sich die grösste Menge etwas mehr nach vorn, wo sie sogar einen kleinen Strang bilden (Crem. int. I. Fig. 5); ein anderer Theil (Crem. int. II) liegt bei den Nebenhodengefässen, ein dritter Theil (Crem. int. III) mehr medianwärts. Daneben sind immer noch die um das Vas deferens gelagerten kleinen Bündel organischer Muskelfasern vor- handen. Sehr deutlich ist die Anhäufung um die Cavitas serosa in Fig. 3 zu sehen; die Fasern bilden hier ein compactes Lager auf der Seite des Gefässbündels (Crem. int. D; nur wenige gehen auf die andere Seite des Spaltes hinüber. Ausserdem finden sich noch einzelne zerstreut liegende Bündel (Crem. int. II) und die das Vas deferens begleitenden Züge (Crem. int. III). Lehrreich ist ferner Fig. 2. Hier ist noch keine seröse Ca- vität vorhanden, doch zeigt sich der Cremaster int. besonders schon an der Stelle aufgehäuft, an der weiter distal die seröse Serotal- höhle erscheinen wird (Crem. int. I). Ferner findet man wieder zerstreute Bündel (Crem. int. II) an einigen andern Stellen und den glatten Cremaster am Vas deferens (III). In allen den bisher angezogenen Fällen handelt es sich um ganz Junge Individuen, Kinder (4 wöchentl. — jährige). Bei 328 Paolo Pellacani: diesen ist überhaupt die glatte Muskulatur des Samenstranges noch nicht stark entwickelt und findet sich, ausser an den ange- gebenen Stellen, kaum vor; nur hier und da trifft man ganz ver- einzelte Bündelehen in mitten der Gefässgruppe. Mit dem Eintritt der Pubertät nimmt auch der Cremaster internus an Menge und Stärke seiner Fasern beträchtlich zu, namentlich auch im Innern der Gefässgruppe. Fig. 1 (20jähr. Mann) kann hier als Beispiel dienen. Zahllose longitudinale Bündelchen glatter Muskelfasern durchsetzen hier, fast eine continuirlich und gleichmässig ent- wickelte Masse bildend, das Bindegewebe der genannten Gruppe. Dabei fällt es auf, dass diese Bündel sich an die stark entwickelte longitudinale Muskulatur der Venen anschliessen, gleichsam als hätte die ganze Gefässgruppe den Character einer venösen Gefäss- wandung mit enorm entwickelter, diffus in Bündelchen zerstreuter Längsmusculatur angenommen. Die stark entwickelte Muskulatur der Venen des Samenstranges ist bereits E. Klein aufgefallen (l. ec. p. 638), doch ist mir nicht bekannt geworden, dass bislang auf diesen Zusammenhang der Längsmuskulatur der Venen mit den Bündeln des Cremaster int. aufmerksam gemacht worden wäre. Was der Sache ein noch erhöhtes Interesse verleiht, ist die grosse Aehnlichkeit, welehe auf diese Weise das Gewebe der Ge- fässgruppe mit einem cavernösen erectilen Gewebe gewinnt, dessen glatte Museulatur auch wohl überall, wo sie sich findet, aus auf- gelöster und zerstreuter Gefässwandmuseulatur abzuleiten ist. Auf die Bedeutung dieser Bildung für den Samenstrang komme ich weiter unten noch zurück. Aber auch abgesehen von den Venen kommen glatte Muskel- fasern bei jungen kräftigen Leuten in grösserer Menge im Samen- strang vor. Ebenso, wie die glatten Muskelfasern der Gefäss- gruppe, verstärken sich auch die der Deferensgruppe, siehe Fig. 1, Crem. int. IL — Nicht selten begegneten mir einzelne Bündel glatter Muskelfasern zwischen den quergestreiften Fasern des Cre- master externus. Dagegen konnte ich sie zwischen Art. sperm. int. und Vas def., wo sie Henle besonders namhaft macht, nicht, oder doch nur sehr vereinzelt antreffen. Ich habe die Fasern des Cremaster internus sowohl in der Deferens-Gruppe als auch in der Gefässgruppe bis unmittelbar an den äusseren Leistenring verfolgen können (wie es auch W. Krause Der Bau des menschlichen Samenstranges. 329 bemerkt), und zwar sowohl bei Kindern als bei jüngeren Er- wachsenen. Suchen wir uns nach diesem ein Gesammtbild des Cre- master internus des Samenstranges zu entwerfen, so müssen wir an ihm zwei Theile, (lie am besten wohl als portio deferen- tialis und portio vascularis zu bezeichnen wären, unterscheiden. Diese Namen verdienen offenbar den Vorzug vor den Bezeichnungen „medius“ und „internus“; denn, abgesehen von ihrer klaren Be- ziehung, ist es nach den bis jetzt vorliegenden Beschreibungen nicht recht sicher, was man ‚„Cremaster internus“, was man „Cr. medius‘“ im Samenstrange nennen soll. Der Cremaster interuus deferentialis verläuft bis zum Kopfe des Nebenhoden mit dem Vas deferens, wie er sich da weiter verhält, ob er auch in die ge- meinsame Muskelmasse am fundus der hinteren Hodenregion ein- strahlt, wie es Barrois anzunehmen scheint und es auch mir wahrscheinlich ist, kann ich z. Z. nicht entscheiden. Die pars vascularis sammelt sich distal mehr und mehr in eine Gruppe von Fasern an, welche in der Nähe der serösen Cavität des Serotum liegen und direet zur hinteren Wand des Hoden zu der dort vor- handenen gemeinsamen Muskelmasse ziehen; zwischen ihr und der glatten Muskulatur der Tunica vag. comm. und prop. der Hoden- gegend besteht ein Zusammenhang — vergl. die von Barrois ge- gebene schematische Figur 1. e. p. 49. Was die Altersverschiedenheiten des Samenstranges an- langt, so zeigt derselbe bei 7monatlichen Früchten, bei denen ich ihn in zwei Fällen bereits gut entwickelt fand, auf Querschnitten eine von vorn nach hinten verlängerte, nach vorn etwas zugespitzte Form. Das Gefässbündel ist von der Deferensgruppe bereits deutlich unter- schieden. Der Schnitt, Fig. 6, trifft in der Nähe des Nebenhodens, so dass auch schon dessen Gefässe als besondere Gruppe unter- scheidbar sind. Weder Fettgewebe noch Muskulatur sind zu er- kennen, waren es wenigstens nicht an den mir zu Gebote stehen- den Präparaten. Bis zum Beginne der Geschlechtsreife bleibt der Samenstrang, wie alle übrigen Geschlechtsorgane in der Entwickelung zurück, was namentlich in der Ausbildung des Vas deferens und des Üre- master internus wie externus zu bemerken ist. Auch zeigt sich wenig Fettgewebe. Mit dem Beginne der Geschlechtsthätigkeit kommen nament- 330 Paolo Pellacani: lich die Muskulatur des Vas deferens, so wie die beiden Cremasteren zu voller Entwickelung; auch erweitern sich sämmtliche Gefässe, besonders die Vasa deferentialia und spermatica interna; auch lagert sich mehr Fettgewebe, namentlich in der Umgebung der Gefässgruppe ab. Dasselbe fehlt jedoch auch nicht gänzlich in der Deferensgruppe und ist darnach die Angabe Henle’s zu be- richtigen. Im höheren Alter haben sich mir namentlich drei Verände- rungen bemerklich gemacht: die starke Entwickelung des Fett- gewebes, der Rückgang des Cremaster internus und die Erweite- rung der Venen. Ich bin geneigt, die beiden letzten Punkte als eine Folge der Vermehrung des Fettgewebes anzusehen und die Erweiterung der Venen wieder in nähere Beziehung zum Rück- gange des Cremaster internus zu bringen. Jedenfalls muss die übermässige Entwickelung von Fett die glatte Muskulatur, die da- durch ganz auseinander gedrängt wird, wenn auch anfangs vielleicht nur functionell, beeinträchtigen; eine Atrophie würde jedoch dann schon hierdurch erklärt. Dass sich die Venen in dem nachgiebigen Fettgewebe, zumal, wenn nicht mehr die doch offenbar hemmende . Wirkung des Cremaster int. hinzukommt, erweitern müssen, dürfte wohl allgemein zugegeben werden. So würden denn auch ein schwach entwickelter Cremaster internus und reichliche Ablagerung von Fett als prädisponirende Momente zur Entwickelung einer Varicocele angesehen werden können. Erwähnt sei noch, dass das Vas deferens im höheren Alter oft ein weiteres Lumen zeigt. Zu den Altersveränderungen gehört auch der Verschluss des Processus vaginalis peritonei. Indem ich für die Sta- tistik dieses Verschlusses auf Zuekerkandl’s oben eitirte Abhand- handlung verweise, bringe ich eine Zeichnung bei, welche den Modus der Obliteration zu erläutern im Stande ist. Derselbe voll- zieht sich auf dem Wege einer gewöhnlichen Granulationsbildung. Wir sehen in Fig. 7 die Wand des Processus vaginalis stark ver- diekt und Sitz einer enormen Blutgefässentwickelung, von der Innenfläche ist bereits ein reichlich entwickeltes Granulationsge- webe aufgesprosst, welches namentlich (in diesem Falle) von der hinteren Seite ausgeht und schon fast die ganze Cavität ausfüllt. In den Samensträngen, die ich untersuchte und bei denen eine völlige Obliteration vorlag, gelang es mir nicht auf den Der Bau des menschlichen Samenstranges. 331 Quersehnitten eine unzweifelhafte Spur des sogen. Rudimentum proe. vagin. perit. aufzufinden. Als bisher unbeachtet gebliebene Eigenthümlichkeiten des Vas deferens mögen hier erwähnt sein, dass die Lichtung des- selben bald mehr in der Mitte, bald mehr excentrisch gefunden wird, was wohl auf einen schraubenförmigen Gang zu beziehen ist. Die äussere Längsmuskulatur besitzt eine ungleiche Stärke und dieht an der Schleimhaut trifft man mehrere (5—6) längsver- laufende Blutgefässe. Was die Paradidymis, das Giraldes’sche Organ, betrifft, so kann ich den Fund Roths betreffend seine Auskleidung mit Flimmerepithel völlig bestätigen !) und hinzufügen, dass ich noch bei einem einjährigen Knaben einzelne deutliche Glomeruli in demselben gefunden habe, vgl. Fig. 8. Der betreffende Schnitt stammt aus der unteren Portion des mittleren Drittels des Samen- stranges. Nicht selten sah ich einige Schläuche des Organs eystisch erweitert, s. z. B. Fig. 4. Auch scheint das Organ vielfach unter- brochen zu sein, da es auf manchen Schnitten ausfällt, um auf den folgenden wieder zu erscheinen. Auch den Befund Raubers?) von dem Vorkommen Paecini'- scher Körperchen am Samenstrange kann ich bestätigen; ich fand dieselben in Form und Lagerung grade so wie sie Rauber be- schreibt, glaube jedoch, dass sie noch zahlreicher sein müssen, als Rauber es annimmt; wenigstens fand ich einmal bei einem er- wachsenen Manne drei Körperchen auf einem und demselben Quer- schnitte. Die von Rektorzik beschriebenen Anhänge sind mir niemals aufgefallen. Von dem eigenthümlichen Verhalten der Venen bezüglich ihrer Muskulatur, der Stärke dieser Muskulatur und besonders der starken longitudinalen Muskeln hier und auch bei den Lymphge- fässen, war bereits die Rede. Ich mache aber noch darauf auf- merksam, dass zwischen Cremaster int. deferentialis und der glatten longitudinalen Muskulatur des Vas deferens wahrscheinlich dieselben Beziehungen obwalten, wie das von den Venen geäussert wurde. 1) Vgl. auch: Tourneux: Des restes du Corps de Wolff chez l’Adulte. Bullet. scient. du Nord. 2 Ser. 5 annee. 1883, pag. 21. 2) Rauber, A., Neue Fundstellen Vater-Pacini’scher Körperchen am Menschen und Säugethier. Zool. Anzeiger 1880, p. 635. 332 Paolo Pellacaniı: Man sieht nämlich — und es findet sich darüber schon eine An- deutung bei Klein, Il. ce. — dass die Grenze der longitudinalen äusseren Muskellage des Vas deferens niemals scharf ist, sondern dass kleine Züge davon sich lostrennen, jedoch dicht angelagert bleiben. Von diesen Zügen, deren Zugehörigkeit zum Vas deferens Niemand bezweifelt, zu den Bündeln des Cremaster internus de- ferentialis gibt es aber so viele Uebergänge, dass der Gedanke, beide gehörten einer und derselben Anlage an, nicht abzu- weisen ist. Was schliesslich das Bindegewebe des Samenstranges be- trifft, so war zu verschiedenen Malen vorhin bereits davon die Rede, hier mag jedoch noch resümirend bemerkt werden, dass wir im allgemeinen mehr lockere und mehr feste Partien desselben unterscheiden können. Zu den ersteren gehört das Gewebe um den Cremaster externus, um die Vasa spermatica extt. und das zwischen den einzelnen Hauptgruppen gelegene. Einen festeren Character nimmt die Bindesubstanz überall da an, wo glatte Mus- kelfasern des Cremaster internus in grösserer Menge beisammen liegen, ferner in der Gefässgruppe auch da, wo wir nicht grade grössere Mengen glatter Muskelfasern haben; die Gefässwände gehen hier so unmerklich in das festere Zwischenbindegewebe über, dass letzteres wie ein Theil der Gefässadventitia selbst er- scheint; man vergleiche darüber das bei der glatten Muskulatur Gesagte. Vielfach findet man deshalb auch die Venen und Lymph- gefässe klaffend. Als wesentlichste Resultate der vorliegenden Untersuchung würden in Kürze folgende namhaft gemacht werden können: 1) Die Feststellung einer besonderen Faseia Cooperi (Faseia eremasterica, m.) als äusseren (peripheren) Hülle des Samenstranges auch durch den mikroskopisch-anatomischen Befund; ferner der Nachweis, dass diese Hülle, so wie überhaupt alle Hüllen des Samenstranges, an den vorderen und seitlichen Partieen am deut- lichsten entwiekelt sind. Die von Henle gegebene Darstellung der Hüllen des Samenstranges erscheint als die treueste. 2) Die genauere Präeisirung der Lageverhältnisse der ein- zelnen Theile des Samenstranges zu einander, welche bisher von verschiedenen Autoren in verschiedener Weise angegeben wor- den war, Der Bau des menschlichen Samenstranges. 333 3) Die Unterscheidung einer portio deferentialis und einer portio vaseularis beim Cremaster internus, sowie der Nachweis der Beziehungen dieses Muskels zu der Längsmuskulatur der Venen und des Vas deferens, als deren abgelöste Bündel sie aufgefasst werden können. 4) Die Schilderung der Altersverschiedenheiten und des Mo- dus der Obliteration des proe. vaginalis peritonei. Bezüglich der ersteren sind hervorzuheben die grössere Fettentwickelung und der Schwund des Cremaster internus im vorgerückten Alter. Vielleicht wird dadurch auch unter Umständen die Entstehung einer Varico- cele begünstigt. Der Verschluss des processus vaginalis peritonei erfolgt dureh einen Granulirungsprocess, wie bei einer Wund- heilung. Strassburg, Elsass, Juni 1883. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XV und XV1. Fig. 1. Schnitt durch den linken Samenstrang eines 20jährigen Mannes, unteres Drittel, obere Schnittfläche, 20fache Vergrösserung. Hinten und etwas mehr medianwärts das Vas deferens (ohne Bezeichnung). Cremaster ext. = Üremaster externus. Fasc. Cooperi = Fascia Cooperi. A. sperm. int. I = Hauptast der Arteria spermatica interna, dicht. daneben ein zweiter kleinerer Ast. A. sperm. int. II = Grösserer Ast der Art. sperm. interna. Crem. int. I = Bündel der Pars vascularis des Cremaster internus; man sieht diese Bündel durch die ganze Gefässgruppe zerstreut. Crem. int. II = Bündel der Pars deferentialis des Cremaster in- ternus. T. vag. comm. I = Tunica vaginalis communis deutlich als beson- dere Hülle ausgeprägt. Vag. comm. II = Der Theil der Tunica vaginalis communis, welcher an der hinteren Seite des Samenstranges mit der Fascia Cooperi und dem zur Deferensgruppe gehörigen, tiefer liegenden Bindegewebe zu einer Masse verschmolzen ist, hier also nicht mehr deutlich als besondere Hülle unterschieden werden kann. Plx. sperm. = Nervenbündel des Plexus spermaticus internus. Plx. defer. = Nervenbündel, welche vom Plexus hypogastricus ab- stammen und das Vas deferens innerviren (zahlreicher und stärker als die des Plexus spermat. int.). 334 Fig. 2. Fig. 3. Fig. 4. Fig. 5. Fig. 6. Paolo Pellacanı: Vasa lymph. (Vas Iymph) = Lymphgefässe. A. deferent. = Arteria deferentialis. Vasa sperm. extt. = (Gefässe, welche zum Gebiete der Art. und Ven. spermatica externa gehören. Schnitt durch den rechten Samenstrang eines einjährigen Knaben, mittleres Drittel, obere Schnittfläche. Gesammt-Situation, Paradi- dymis. 20mal. Vergr. x —= Lücke, welche bei der Präparation künstlich entstanden ist. a, a, a (links) drei Lymphgefässe. Crem. int. I = Compacte Masse des Cremaster internus vasc. Crem. int. II = Zerstreut liegende Bündel des Cremaster internus vascularis. Crem. int. III = Cremaster internus deferentialis. Vasa et N. N. sperm. ext. = Gefässe und Nerven, welche zum Ge- biete der Art. und Ven. sperm. ext. und des Nervus sperm. ext. gehören. Die Arterie liegt in der Mitte, ein kleines Nervenbündel über ihr. Die übrigen Bezeichnungen wie in Figur 1. Schnitt durch den linken Samenstrang eines vierwöchentlichen Knaben unweit des Nebenhodenkopfes; obere Schnittfläche. Ge- sammt-Situation, Paradidymis. 20mal. Vergr. Cavit. serosa — Höhle der Tunica vagin. propria (seröse Scrotal- höhle). Art. sp. int. III (Epid.) = Ast der Art. spermat. int., welcher zur Epididymis geht. V. V. Epid. = Venen der Epididymis. Die übrigen Bezeichnungen wie Fig. 1 und 2. Schnitt durch den rechten Samenstrang eines einjährigen Knaben, unteres Ende, obere Schnittfläche. Gesammtsituation, Paradidymis. 20mal. Vergr. A. Epidid. = Arterie des Nebenhodens. kleine Blutgeff. = Kleine Blutgefässe, welche in dieser Gegend zahlreich um das Vas defer. auftreten. Tun. vag. propr. = Tunica vaginalis propria Testis. Uebrige Bezeichnung wie in den vorhergehenden Figuren. Schnitt durch den Kopf des rechten Nebenhoden eines 6wöchentl. Knaben; obere Schnittfläche; 20mal. Vergröss. Gesammtsituation. Caput Epid. = Nebenhodenkopf. Crem. int. I, II, III = Verschiedene Abtheilungen des Cremaster internus vascularis. Uebrige Bezeichnungen wie vorher. Schnitt durch den Samenstrang eines 7monatl. Fötus; Uebersichts- bild. 20mal. Vergr. Ob die mit A. defer. bezeichnete Arterie in Der Bau des menschlichen Samenstranges. 335 der That dieses Gefäss ist, liess sich nicht sicher bestimmen; beim Vas deferens selbst wurde keine Arterie gefunden. Fig. 7. Stück eines Schnittes durch den Samenstrang eines 4monatl. Knaben vom unteren Ende des oberen Drittels. Obliteration des Processus vaginalis peritonei. 20mal. Vergröss. Proc. vagin. Perit. = Processus vaginalis peritonei. Uebrige Bezeichnung wie vorhin. Fig. 8. Stück eines Schnittes durch den Samenstrang eines einjährigen Knaben, mittleres Drittel, untere Portion. Glomerulus der Paradi- dymis. — Ca. 80mal. Vergr. Untersuchungen über die Histiosenese der Retina. Von Dr. 3. Koganei, Assistenten am anatomischen Institute zu Berlin. Hierzu Tafel XVII. Von ausführlichen Arbeiten über die Entwicklung der ge- sammten Netzhautschichten sind bis jetzt verhältnissmässig wenig erschienen. Babuchin (Beiträge zur Entwicklungsgeschichte des Auges, Würzburger naturwissenschaftliche Zeitschrift, Bd. IV, 1863 und: Vergleichend histologische Studien, ibid. Bd. V, 1864) war der Erste, der sämmtliche Schichten der Netzhaut berücksichtigt hat und auch zu wichtigen Resultaten gekommen ist. Nach seinen an Fröschen, Vögeln und Säugethieren vorgenommenen sehr ein- gehenden Untersuchungen besteht die innere Lamelle der secun- dären Augenblase zuerst aus spindelförmigen schmalen Körperchen, welche die gange Dicke der Netzhaut radiär durchsetzen und so- mit stellt die Netzhaut eine einzige Schicht von Zellen dar, ob- gleich es durch die in verschiedener Höhe gelegenen Kerne den Anschein gewinnt, als ob sie aus mehreren Lagen zusammengefügt wäre. Ebenso berichtet Würzburg in seiner Doetordissertation : 336 J. Koganei: Zur Entwickelungsgeschichte des Säugethierauges (Arch. für Augen- u. Ohrenheilkunde v. Knapp und Moos V. Bd. 1376) und bemerkt dabei, dass es nicht immer zu entscheiden sei, ob man es mit freien Kernen oder mit vollständigen Zellen zu thun habe. Bemerkenswerther Weise giebt Götte (die Entwicklungsge- schichte der Unke, 1875) an, dass die stets mit dunklen Kernen versehenen Embryonalzellen der Netzhaut nicht alle in die zelligen Elemente des fertigen Organs sich verwandeln, sondern, nachdem dieselben ihre bestimmten Contouren verloren, also die Zellleiber gewissermassen mit einander verschmolzen seien, aus dem die Kerne unmittelbar umgebenden Theile der Massen die neuen Zellen hervorgehen, während aus dem Rest die Zwischensubstanz sich bilde. Löwe (Ueber die Histiogenese der Retina, Arch. f. m. An. XV. 1878), der seine Untersuchung hauptsächlich an Kaninchen angestellt hat, beschreibt die Embryonalzellen der Retina als ver- hältnissmässig gross, länglich rundlich mit mächtigen Kernen und schmalem Protoplasmasaum versehen und giebt ausserdem noch zwei weitere Formen zelliger Elemente an, ohne jedoch genetische Bedeutung auf letztere zu legen. Ob die einzelnen Embryonal- zellen durch die ganze Dicke der Netzhautanlage reichen, erwähnt er nicht; doch scheint das nach der gegebenen Abbildung, Fig. 1, Taf. XXXVI, 1. e., nicht der Fall zu sein; ausserdem spricht Löwe von einer 6fachen Schichtung an der Papille. — Kölliker (Entwickelungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere 1879) hat kein bestimmtes Urtheil über den letzteren Punkt, ebenso- wenig Kessler (Zur Entwicklung des Auges, 1877). Neuerdings wurde die Babuchin’sche Auffassung durch die Untersuchung von Ogneff (Centralblatt für med. Wissenschaften Nr. 35, 1881) unterstützt. Ogneff glaubt mit Bestimmtheit con- statirt zu haben, dass alle Zellen mit zwei polaren, aus in ver- schiedener Höhe liegenden Zellkörpern abgehenden Fortsätzen die beiden Grenzflächen der ersten Retinalanlage erreichen. Ferner hat Ogneff dieht an der Aussenfläche der Retina grosse klare Elemente mit rundlichen Kernen wahrgenommen, ohne jedoch die- selben zu deuten. Es sind das wahrscheinlich dieselben Elemente, welche ich später als „proliferirende Zellen“ beschreiben werde. Die früheste Erscheinung in der Entwickelung der Retina ist nach Babuchin und OgneffdieDifferenzirung der Nerven- Untersuchungen über die Histiogenese der Retina. 337 zellen und der Müller’schen Radialfasern. Dabei vermehren sich die innersten Zellen der Anlage durch Theilung und werden grösser und rundlicher. Diese Zellen schicken mehrere Fortsätze aus. Die nach innen gehenden Fortsätze biegen sich um und laufen der inneren Oberfläche der Netzhaut parallel, und erscheinen somit als die Anlage der Nervenfaserschicht. Die Fortsätze anderer Zellen dagegen sind dieker und mit Füsschen versehen; diese stellen die embryonalen Müller'schen Fasern dar. Die Zwischen- räume der Füsschen werden von einer structurlosen Masse ausge- füllt. Später verwachsen die Füsschen und bilden so die Membr. limit. interna. Auch Kessler vermochte letztere Membran schon nachzuweisen zu einer Zeit, in der die innere Lamelle der secun- dären Augenblase der Linse noch unmittelbar anliegt und vom Glaskörper kaum eine Spur vorhanden ist, also zu einer Zeit, wo Bildungsmaterial von aussen gar keinen Zutritt hat; demnach muss die innere Grenzmembran nothwendiger Weise von der Augenblase selbst geliefert werden. Dagegen leitet Arnold (Beitrag zur Ent- wieklungsgesch. des Auges. 1874) die Entstehung der Membr. hyaloidea (es ist die Membr. lim. int. gemeint) aus dem einge- stülpten Theil der Kopfplatten als Grenzmembran des Glaskörpers gegen die Retina ab. Eine Verschmelzung derselben mit der Re- tina erfolgt nach ihm erst in späterer Zeit. Die Mittheilungen Löwe's bezüglich der weiteren Schichten- entwickelung in der Netzhaut enthalten von Babuchin und Osgneff ganz abweichende, zum Theil sehr auffallende Angaben: Er nimmt eine besondere Anlage für Zapfen- und Stäbchenaussen- glieder an, welche unter seiner „äusseren Grenzlinie“ eine dis- eontinuirliche einzellige Schicht geklärter Elemente bilden soll, und rechnet deren Auftreten zu den allerersten Erscheinungen in der Entwicklung der Retina. Darauf folgt nach ihm eine Schicht radiär angeordneter „Uranlagezellen“, aus welcher alle anderen Schichten der Netzhaut ihren Ursprung nehmen. Zuletzt kommt die radiär gestreifte glashelle Anlage der Nervenfaserschicht. Die Bildung der Müller'schen Fasern verlegt er in eine spätere Periode. Ueber die Entwicklung der Membr. lim. int. hat er nichts mit- getheilt. Babuchin und Ogneff lassen auf die eben geschilderten ersten Anlagen die Anlage der Molecularschieht mitten in ihrer Spin- delzellenschicht anftreten. Dadurch wird dann die Ganglienzellen- Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd, 23. 22 338 J. Koganei: schicht ausgesondert. Durch die darauf folgende Bildung der Zwischenkörnerschicht zerfällt die Spindelzellenmasse weiter in die äussere und innere Körnerschicht. Die Sonderung dieser beiden Schichten geht bei Froschlarven beinahe zur selben Zeit wie das Auftreten der Molecularschicht vor sich, während beim Hühnchen und wahrscheinlich noch mehr bei Säugethieren die Moleeularsehiecht früher gesehen zu werden pflegt. Die Stelle, wo künftig die Mole- eularschicht auftreten soll, zeichnet sich durch eine gesteigerte Thätigkeit der Zellen aus, sie theilen sich, sondern sich ab und ordnen sich in eine regelmässige Reihe. Die Zellen dieser Reihe werden durch eine moleculare Masse, die für eine Ausscheidung der Zellen zu halten ist, mehr und mehr auseinandergedrängt, welche Erscheinung zuerst am hintern Pol der Augenblase be- ginnt und allmählich bis zum vorderen Rande fortschreitet. (Beim Hühnchen um den 9. Tag der Bebrütung.) Die Bildung der Zwischenkörnerschicht erfolgt ganz in derselben Weise wie die der Moleeularschicht. In dem entsprechenden Stadium besteht nach Löwe die Ver- änderung in der Netzhaut ebenfalls darin, dass in der Mitte der Uranlagezellenmasse die Moleeularschicht auftritt, in welcher die Zellen sich klären, während sowohl die Ganglienzellenschicht als der noch übrig bleibende Theil der Uranlagezellen dunkler bleiben. Aus dem Reste der Uranlagezellen bilden sich nach und nach die übrigen Netzhautschichten hervor; es geschieht dies aber bei Ka- ninchen erst nach der Geburt. Es sind dies folgende 5 Schichten: 1) Die Anlage der Zapfen- und Stäbeheninnenglieder aus einer 2—3- fachen Lage dunkler Elemente bestehend, 2) Membr. lim. ext. als ganz dünner heller Strich, 3) äussere Körnerschicht von ca. 10facher Reihenlage. Davon trennt 4) ein heller Strich, 5) die innere Körnerschicht. Erst 6 Wochen später erhalten die Netzhautschich- ten die histiologischen Beschaffenheiten, wie sie sich beim erwach- senen Thiere vorfinden. Was die Membrana limit. ext. anbelangt, so will ich her- vorheben, dass Löwe dieselbe unter der Anlage der Zapfen und Stäbehen erst bei der Sonderung derselben erkennt und seine äussere Grenzfläche der embryonalen Retina somit nicht gleieh- werthig ist der Membr. lim. ext., sondern vielmehr derjenigen Linie entspricht, die auch die Netzhaut bei erwachsenen Individuen nach aussen begrenzt. Deshalb braucht er für letztere den Ausdruck Untersuchungen über die Histiogenese der Retina. 339 Grenzlinie, um etwaige Missverständnisse zu vermeiden. Das- selbe giebt auch Kupffer an, wie noch später erwähnt werden soll. Dagegen betrachtet Babuchin die betreffende Membran als eine Lage ausgetretener, die äussere Oberfläche der Retina bedeckender Zwischensubstanz, die aber später durch Hervor- wachsen der Stäbchen verschwindet und nur als optischer Aus- druck der Grenze der Zwischensubstanz der Retina und der En- digungen der Müller'schen Fasern zu erkennen ist. Forster und Balfour stellen das Auftreten der Membr. lim. ext. als den An- fang der Differenzirungen hin. Endlich ist der Entwickelung der Zapfen und Stäbchen zu gedenken. Nach Löwe besitzen dieselben, wie schon bemerkt, je eine besondere Anlage für Aussen- und Innenglieder und die Ent- wicklung beider Glieder verläuft somit unabhängig von einander; sie beginnt mit dem Auftreten der Aussenglieder und schliesst mit dem der Innenglieder. Es ist diese Darstellung Löwe’s das auf- fallendste in seiner ganzen Auffassung der Netzhautentwicklung, indem dadurch die so innig in Beziehung stehenden Gebilde, wie Aussen- und Innenglieder der Zapfen und Stäbehen, so verschie- dene Wege bei ihrer Entwickelung einschlagen sollen. Demnächst anzureihen ist die Angabe von Kupffer (Die Entwickelung d. Retina d. Fischauges. Centralblatt für die medieinische Wissensch. Nr. 41. 1868), die ebenfalls besagt, dass die Entwickelung der Aussen- und Innenglieder der Zapfen und Stäbehen sich in der ersten Periode getrennt von einander vollziehe. Hierher sind auch die Angaben Steinlin’s, Beiträge zur Anatomie der Retina, Ver- handl. der St. Galler naturforsch. Gesellsch. 1865/66, und Hensen’s, Virchow’s Arch. XXX, zu ziehen. Bei Götte, Entwicklung der Unke, finden wir die Angabe, dass die Anlagen der Stäbehen und Zapfen als blasig aufgetriebene Enden länglicher Zellen erscheinen, welche dann über die Grenz- fläche der Netzhaut hervortreten. Die übrigen Autoren sind insofern einig, als nach ihnen die Zapfen und Stäbchen keine gesonderte Anlage haben und die Son- derung derselben zu den spätesten Entwieklungsvorgängen gehört. Es war Kölliker (mikroskop. An. II), der zuerst bei Bombinator nachgewiesen hat, dass die Stäbehen und Zapfen durch Umge- staltungen der Zellen der äusseren Körnerschicht entstehen. Babuchin, der wegen der Grösse der Elemente die Frösche 340 J. Koganei: vorzog, hat die Kölliker’sche Ansicht vollständig bestätigt. Er beschreibt den Vorgang folgendermassen: Aus den Zellen der äussersten Lage der Retina, nämlich der Anlage der äusseren Körnerschicht, bilden sich Zapfen und Stäbehen als Verlängerungen dieser Zellen, die über die Membr. limit. ext. hervorwachsen. Jede Zelle der äusseren Körnerschicht bekommt an ihrem äusseren Theil einen Auswuchs mit einem gelblich glänzenden Tröpfchen, welches aber bei Stäbchen nicht immer sich findet. Aus diesen Auswüchsen bilden sich bei den Zapfen erst deren Innenglieder und dann die Aussenglieder als ein schmaler kurzer Fortsatz; bei Stäbehen sei eine successive Ausbildung von Innen- und Aussengliedern nicht zu constatiren. Max Schultze (Arch. f. m. An. Il) hat nun beim Hühnchen weiter verfolgt, dass die Stäbchen und Zapfen zwischen dem 7.—10. Tage als kleine halbkuglige Höcker über der Membr. lim. ext. hervortreten, und dasselbe auch bei Säugethieren gesehen. Ferner hat er festgestellt, dass die Entwickelung derselben bei verschiedenen Geschöpfen in verschiedenen Zeiten erfolge; Schenk, Zur Entwicklungsg. des Auges der Fische, Foster und Balfour, N. Lieberkühn, Ueber das Auge des Wirbelthierembryo, Schrif- ten der Gesellschaft zur Beförderung der gesammten Naturwiss. in Marburg, X, 1871, und neuerdings Ogneff stimmen im Wesent- lichen Max Schultze zu. Ob man die Bildung der Zapfen und Stäbchen als eine ein- fache Verlängerung der Zellen ansehen soll, wie Kölliker, oder als Auswüchse, aber mit Veränderung der Substanz, wie Babuchin meint, wenigstens für die Aussenglieder, oder als Cutieularbildungen (M. Sehultze), diese Frage bleibt zur Zeit noch offen, erscheint auch wohl als wenig wesentlich. Besondere Erwähnung verdient die Auffassung von W. Müller (Ueber die Stammiesentwickelung des Sehorgans d. Wirbelthiere. Festschrift an ©. Ludwig. 1875), welcher vom phylogenetischen Ge- sichtspunkte aus sehr umfangreiche Untersuchungen angestellt hat. Er sagt: „Die Retina ist ein in Folge der Anpassungen an die äusseren Verhältnisse allmählich an die Peripherie des Körpers vorgeschobener Abschnitt des Vorderhirns.“ Daraus sucht er für beiderlei Gebilde dieselben Entwicklungs- gesetze abzuleiten. Bei allen Vertebraten erfolge die Entwickelung der ursprünglich gleichförmigen Anlagezellen des centralen Nerven- Untersuchungen über die Histiogenese der Retina. 341 systems nach zwei Hauptrichtungen: ein Theil, der aus dem das Neuroderm liefernden Theil des Eetoderm abstammt, bleibt epi- thelial und liefert im Gehirn die epitheliale Auskleidung der Ven- trikel; der andere Theil, das eigentliche Neuroderm, wird zu nervösen Gebilden und wandelt sich theils zu den specifischen Ge- bilden des centralen Nervensystems, theils zu den stützenden und isolirenden Elementen der Neuroglia um. Von diesem fundamentalen Entwickelungsgesetze macht die Retina keine Ausnahme. Der epitheliale Theil wird durch die Schicht der Sehzellen, unter welcher Bezeichnung W. Müller die Zapfen-Stäbehenschicht und die äussere Körnerschicht zusammen- fasst, repräsentirt, ihr cerebraler Theil sondert sich in seinen gleich- förmigen Anlagezellen frühzeitig in die Elemente des Fulerum (Stützsubstanz) und in die der eigentlichen Nervensubstanz. Die Scheidung beider Grundelemente beginnt (bei Petro- myzon) mit dem gleichzeitigen Auftreten der Radialfaserzellen und einer flachen, die Sehzellenschieht von der Unterlage sondernden Zellenlage. Diese Zellenlage, die später auch als solehe persistirt, ist die von ihm sog. „Schicht der Nervenansätze“ und entspricht der Zwischenkörnerschicht. Darauf folgt alsbald das Auftreten der Membr. lim. int. und ext. Erst etwas später wird durch das Auf- treten der Opticusfaserschicht eine Scheidung der inneren Lage bewirkt. Das Auftreten der Opticusfasern ist bei Petromyzon wie bei höheren Vertebraten in der Nähe des Augenblasenstiels früher zu constatiren, als in der Peripherie. Noch später wird die innere granulirte Schicht sichtbar, die durch eine Ausscheidung der Fort- sätze der von ihm sogenannten „Spongioblasten“ entsteht. — W. Müller trennt nämlich die innere Körnerschicht in die Schicht des Ganglion retinae und in die der Spongioblasten, nach ihren total verschiedenen Functionen. — Die peripherischen Anlagezellen in der Umgebung des Augenblasenstiels erhalten sehr frühzeitig Fortsätze, die lange Zeit auf diesen kleinen Bezirk beschränkt bleiben. Die eigentliche Sehzellenbildung erfolgt jedoch bei Petro- myzon wie bei allen höheren Wirbelthieren erst in späterer Zeit, und dann schreitet sie rasch vom Augenhintergrund zur Peripherie fort. Aus den protoplasmatischen Fortsätzen der peripherischen Anlagezellen bilden sich erst die Innenglieder der Sehzellen und dann entstehen die Aussenglieder als ein Abscheidungsproduet 342 J. Koganei: euticularer Natur aus den Innengliedern. Cuticulare Scheiden können sich auch an den Innengliedern bilden und sich bis zu den Elementen der äusseren Körnerschicht fortsetzen. Nachdem ich im Vorigen die Angaben der verschiedenen Autoren kurz geschildert habe, wende ich mich nun zur Darstellung meiner eigenen Untersuchungen. Ich beschränke mich dabei im Wesentlichen auf diejenigen Partien der distalen Lamelle der se- eundären Augenblase, welche sich zur eigentlichen Netzhaut ent- wickeln, indem ich das Epithel des Corpus eiliare und der hinteren Irisfläche unberücksichtigt lasse. Nach zahlreichen Untersuchungen über die Histiogenese der in die bekannten Schichten zerfallenden Netzhaut an Vögeln (Hühn- chen) und Säugethieren, welche ich im letzten Sommer im Strass- burger anatomischen Institute vorgenommen habe, bin ich zu fol- senden Resultaten gekommen: Beim Hühnchen !), mit dem ich die Schilderung beginne, kann man schon in dem Stadium, wo die Anlage der Netzhaut als pri- märe Augenblase aus der des centralen Nervensystems hervor- sprosst, zweierlei allerdings nicht scharf getrennte Schiehten unter- scheiden, eine peripher gelegene, etwa drei Zellen tiefe Schicht, bestehend aus spindelförmigen Zellen — die von Würzburg und Löwe sogenannten „Uranlagezellen‘“ —, und eine zweite nach der primären Augenblasenhöhle zugekehrte einzellige, mehr blasse Schicht, deren Zellen zum grossen Theile karyokinetische Figuren zeigen, die man während der ganzen Entwickelungsperiode nur an dieser Stelle und, wie es scheint, nirgends sonst in der Retina- anlage findet. Demzufolge erscheint es nicht ungerechtfertigt an- zunehmen, dass in dieser Schicht das Wachsthum der Netzhaut hauptsächlich oder vielleicht gar ausschliesslich stattfindet. Die Elemente dieser zweiten Schicht bezeichne ich als „proliferirende Zellen“. Bei der Bildung der secundären Augenblase sieht man keine Veränderung in der Schichtung der nunmehr auftretenden beiden Lamellen; aber es fällt eine Dickendifferenz derselben auf. Die 1) Die Angaben der Bebrütungsdauer können nicht so streng gehalten werden, weil ich sehr oft unter anscheinend denselben Bedingungen ver- schiedene Entwickelungsstufen beobachtet habe. Ich gehe dennoch nach der Dauer der Bebrütung successive vor, damit ich wenigstens die Reihenfolge der Entwicklungserscheinungen genau angeben kaın. ; Untersuchungen über die Histiogenese der Retina. 343 distale Lamelle nämlich nimmt immer mehr an Dicke zu, während die proximale anfängt dünner zu werden, so dass bald die Dicke der letzteren nur etwa die Hälfte der ersteren beträgt. Die karyokinetischen Figuren sieht man auch jetzt bloss an dem der primären Augenblasenhöhle zugekehrten Theile sowohl der distalen als auch der proximalen Lamelle, aber bedeutend zahlreicher in der distalen, womit auch die erwähnte Dickendifferenz überein- stimmt. Die Elemente, aus denen die primäre Netzhaut zusammen- gesetzt wird, sind somit zweierlei. Das eine sind grössere, blasse, körnige, protoplasmareiche Zellen, welche sehr deutliche Kerne mit Kernkörperehen besitzen und sehr charakteristische Kernthei- lungsfiguren zeigen, wenn sie gerade in Theilung begriffen sind. Die zweite Art sind Zellen von spindelförmiger Gestalt mit mehr weniger langen, von beiden Enden der Zelle ausgehenden Fort- sätzen, mit einem länglichen Kern und ganz schmalem Proto- plasmasaum. Dass diese Zellen durch die_ ganze Dieke der Netz- haut reichen, wie Babucehin sagt und Ogneff mit Bestimmtheit bestätigt zu haben glaubt, halte ich nicht für sicher, wenigstens nicht für alle Theile der Netzhautanlage. In den peripherischen, dünneren Theilen der Netzhaut scheint es jedoch auch mir der Fall zu sein. Dass diese spindelförmigen Elemente ächte Zellen sind, brauche ich wohl kaum des Näheren zu begründen. Die ebenerwähnten Fortsätze treten an den Uranlagezellen erst später auf; die jüngsten Formen dieser Zellen zeigen sie noch nicht, diese sind einfach spindelförmig ohne lange Fortsätze und diese einfache Spindelform ist wahrscheinlich auf ihre dichte An- einanderlagerung zurückzuführen. — Wie aus dem Vorigen ersicht- lich, entwickeln sich die neu entstehenden Uranlagezellen aus den Zellen der proliferirenden Schicht; die Uranlagezellen ihrerseits gehen dann durch weitere Umformungen in die bleibenden Elemente der verschiedenen Retinaschichten ‚über. Bis dahin zeigt die Anlage der Netzhaut eine vollständige Gleiehheit mit der des centralen Nervensystems, so dass beide nicht von einander zu unterscheiden sind. Bei 4 Tage alten Hühnerembryonen tritt als die erste Diffe- renzirungserscheinung ein heller, weniger Farbstoffe aufnehmender Saum an der der secundären Augenblasenhöhle zugewandten Seite auf, welcher bei näherer Betrachtung sich als ein feines Netzwerk 344 J. Koganei: erkennen lässt. Zugleich sieht man in der diesem Netzwerk fol- genden Zone abgerundete, etwas vergrösserte, mit einem deut- lichen grossen Kern und Kernkörperchen versehene Zellen, und längliche, zackige, protoplasmaarme Zellen mit länglichen dunkler sich färbenden Kernen neben einander. Die runden Zeilen sind die Anlage der Ganglienzellen. Was aber die zackigen Zellen betrifft, die sich in der Form sowohl von den Ganglien- zellen als auch von den vorhin geschilderten Uranlagezellen unter- scheiden, so werden dieselben wohl zur Bildung der Neuroglia ähnlichen Stützsubstanz der Netzhaut so wie der zugehörigen Müller’schen Fasern Verwendung finden. Die Herkunft des eben erwähnten Netzwerks, in dem man keine zelligen Elemente nachweisen kann, ist offenbar von diesen „Stützzellen*, wie man sie nennen kann, abzuleiten, da deren Protoplasma direet in dasselbe übergeht. Es ergiebt sich dies auch daraus, dass diese Stützzellen bei der weiteren Entwicklung allmählich an Grösse abnehmen. Es ist dies insofern bemerkens- werth, als die Entwicklung der Stützsubstanz (Neuroglia), ent- gegen den bisherigen Angaben, schon von dem ersten Stadium an ganz getrennt von den nervösen Theilen zu verfolgen ist. Ob die primären Ganglienzellen durch Theilung sich vermehren, ob also auch diese Schicht zum Wachsthum der Retina ihren Theil bei- trägt, wie Babucehin behauptet, sei dahingestellt. Man sieht allerdings dort nirgends Zellvermehrungsprocesse und hat auch keinerlei Anhaltspunkte solche anzunehmen. Mir ist es sehr wahrscheinlich, dass die Ganglienzellen aus- schliesslich direct aus den Uranlagezellen hervorgehen, indem sie ihre Zellleiber abrunden und etwas vergrössern. Ebenso sind die Stützzellen als modifieirte Uranlagezellen zu betrachten. Die proximale Lamelle ist nunmehr auf eine einzige Schicht cubischer Zellen redueirt und zeigt die erste Andeutung der Pig- mentirung. Die Pigmentkörnchen treten zuerst an der der primären Augenblasenhöhle abgewandten Seite der Zellen auf; es sei jedoch gleich bemerkt, dass es bei Kaninehenembryonen merkwürdiger Weise gerade umgekehrt ist. Die einzelnen Körnchen sind rund- lich und zeigen bei genauer Einstellung ein helles Pünktchen in der Mitte, welches verschwindet, wenn man den Focus etwas tiefer stellt (Löwe, Würzburg). Alle diese Verhältnisse zeigt ein fünftägiger Embryo nun in Untersuchungen über die Histiogenese der Retina. 345 viel ausgeprägterem Maasse. Man kann an einem solchen mit Leichtigkeit folgende Schichten aufzählen : 1) Die Membr. limit. interna. Durch die Verdichtung und Verschmelzung der verbreiterten Enden der aus den Stützzellen hervorgegangenen Müller’schen Radialfasern wird eine mehr oder weniger vollständige Begrenzungslinie gegen die secundäre Augen- blasenhöhle gebildet. . 2) Die Optieusfaserschicht. Die Anlage der Müller'- schen Fasern hat an Mächtigkeit bedeutend zugenommen; sie stellt nicht mehr ein feines Netzwerk dar wie vorhin, sondern besteht aus deutlich ausgeprägten starken Fasern. Die Fasern kommen aus den Stützzellen, gehen radiär durch und sitzen mit ihren Füsschen auf der Membr. limit. interna; sie stehen durch feine spärliche Seitenäste unter einander in Verbindung. — Die aus den Ganglienzellen kommenden Fasern dagegen sind viel feiner, biegen sich gleich um und verlaufen der Oberfläche der Netzhaut parallel. An manchen Stellen sieht man ganz deutlich an denselben die charakteristischen Variecositäten, die für ihre nervöse Natur sprechen. Ob für die Entwickelung der Nerven- fasern besondere Zellen veranlagt werden, ob aus dem Stamme des N. optieus die Nervenfasern in diese Schicht hineinwachsen, beide Fragen sind verneinend zu beantworten, denn ich habe nir- sends in der Nervenfaserschicht wohlausgebildete oder redueirte Zellen gesehen, die vielleicht in späteren Stadien sich zu Fasern hätten umbilden können. Auch überzeugte ich mich nicht davon, dass die Fasern im Stiele der secundären Augenblase zuerst auf- treten und dann in die Netzhaut hineinwachsen, sondern sie kom- men in beiden Theilen zu gleicher Zeit zum Vorschein. Vielmehr ist es mir sehr wahrscheinlich, dass die Nervenfasern der Retina direet aus den Ganglienzellen hervorsprossen und mit den aus der Anlage des N. opticus kommenden Fasern in noch zu ermittelnder Weise später verschmelzen oder neben ihnen vorbei zum Gehirn ziehen. Jedenfalls ist es sicher, dass im Bereiche der Nervenfaser- schicht eine Bildung der Nervenfasern aus besonderen Zellen nicht stattfindet. 3) Die Ganglienzellenschicht. Diese Schicht besteht nunmehr aus einer 1—2 fachen Lage kugliger grösserer Zellen und dazwischen liegenden Stützzellen. 4) Die Schicht der Uranlagezellen. Diese besteht aus 346 J. Koganei: einer ca. 10—12fachen Lage der oben erwähnten spindelförmigen Zellen. 5) Endlich kommt die proliferirende Schicht, d. h. die Lage der ebenfalls schon beschriebenen flachen Zellen mit den karyokinetischen Figuren. — Es unterliegt wohl keinem Zweifel, dass an der proximalen Fläche der Netzhaut in diesem Stadium noch gar keine organisirte Begrenzungsschicht vorhanden ist und deshalb möchte ich für den in dieser Periode hier auftretenden Contour der Netzhaut mit Löwe den Ausdruck Grenzlinie brau- chen, um den Terminus: „Membr. limit. ext.*, von welcher sich jetzt noch keine Spur nachweisen lässt, zu vermeiden. Am folgenden Tage sieht man keine besondere Veränderung, ausser der, dass die Uranlagezellenschicht mächtiger geworden ist, so dass sie jetzt 15—17 Reihen von Zellen zählt. Bei Hühnchen von’ Tagen trennt sich die Ganglienzellenschicht von den Uranlagezellen durch ein feines Netzwerk ab, welches zuerst im centralen Theil der Netzhaut zu sehen ist und nach der Peripherie allmählich verschwindet. Dies ist die Anlage der Molecular- schicht. Doch befinden sich in diesem Netzwerke noch zahlreiche wohl characterisirte Zellen. Diese Zellen, welche in der primären Moleeularschicht zerstreut liegen, haben rundliche gezackte Form und gehören zu den vorhin genannten Stützzellen, deren Proto- plasma, wie bei den Anlagen der Müller’schen Fasern, zur Bildung der Moleeularschicht verwendet wird. Auch in der Uranlagezellen- schieht sind hie und da einzelne Stützzellen an ihrer Kleinheit und dunkleren Färbung zu erkennen. Die anderen schon früher differenzirten Schichten sind in ihrer Entwiekelung mehr vorgeschritten, die Membrana limitans interna ist als vollständig zusammenhängende Grenzschicht zu er- kennen und die Optieusfaserschicht ist auch mächtiger geworden. Der peripherische Abschnitt der secundären Augen- blase, der bisher einfach verdünnt war, zeigt nun ebenfalls eine Veränderung. In geringer Entfernung vom Umschlagsrande näm- lich tritt eine Faltenbildung beider Lamellen auf; dadurch werden alle aus der secundären Augenblase hervorgehenden Gebilde defi- nitiv geschieden. Nur der zwischen den Falten und dem Opticus- eintritte gelegene Theil der distalen Lamelle wird zur Netzhaut nebst dem schon jetzt fast ausgebildeten Pigmentepithel aus dem entsprechenden Abschnitt der proximalen Lamelle. Aus den eben Untersuchungen über die Histiogenese der Retina. 547 genannten Falten selbst nebst dem dazu gehörigen Mesoderm- abschnitte entsteht das Corpus eiliare und aus dem jenseits der Falten gelegenen dritten Abschnitte das doppelte Epithel der hin- teren Irisfläche. Vergleiche hierüber die grundlegende Darstel- lung von Kessler. Die weiteren Entwicklungsstadien zeigen nun, dass das Dicken- wachsthum der Netzhaut beim Hühnchen ungefähr bis zum neunten Tage geht, so dass von da ab die Retina nicht erheblich mehr an Dicke zunimmt. Die Differenzirung in die einzelnen Schichten hat aber bis zu dieser Frist bedeutend gewonnen; es fehlt dann nur noch die Stäbchen- und Zapfenlage. Die Schichten in diesem Stadium sind: 1) Membr. limitans interna. 2) Nervenfaserschicht. 3) Ganglienzellenschicht mit Stützzellen, immer noch in 2—3 facher Schichtung ihrer Elemente. 4) Die Moleeularschicht ist stärker entwickelt, das Ma- schenwerk ist dichter und feiner geworden. Die Stützzellen, welche vorher in dieser Schicht überall zerstreut lagen, sind in einer ein- zigen Reihe angeordnet, die gerade in der Mitte dieser Schicht gelegen ist. Sie haben an Masse abgenommen, zu Gunsten der Bildung des Netzwerks. Diese Schicht zeigt oft eine deutliche Streifung, indem helle Zonen mit mehr dunkleren abwechseln, eine Erschei- nung, die vielleicht durch ungleichmässiges Wachsthum bedingt sein kann. 5) Die Schicht der radiär angeordneten spindelförmigen Ur- anlagezellen in 12—15 facher Lage. Sie ist jetzt deutlich als die Anlage der inneren Körnerschicht zu erkennen, indem eine „äussere Körnerschicht“ von der Uranlagezellenschicht sich abge- trennt hat durch 6) die Zwischenkörnersehieht. Letztere tritt zuerst in der centralen Partie der Netzhaut in Form einer scharfen hellen Linie auf, welche noch kaum als ein Netzwerk zu erkennen ist. 7) Die Anlage einer äusseren Körnerschicht. Die- selbe besteht aus einer zweifachen Lage länglicher keulenförmiger Zellen; diese greifen mit ihren verjüngten Enden in einander ein. Die Zellen, welche Kerntheilungsfiguren zeigen, d.h. also die Ele- mente der proliferirenden Schicht, sind nur noch sehr spärlich 348 J. Koganei: vorhanden; hiermit stimmt die eben erwähnte Thatsache, dass die Netzhaut von dieser Zeit ab nicht mehr an Dicke zunimmt. 8) Membr. limit. externa. Von dieser Lage sieht man jetzt nur die ersten Spuren; weiteres soll darüber mit dem folgen- den Stadium berichtet werden. Beim Iltägigen Hühnchen sieht man, dass die eigen- thümlichen langen Stützzellen, die beim Kaninchen genauer be- schrieben werden sollen, stellenweise die innere Körnerschicht in radiärer Richtung durchsetzen. Die Zwischenkörnerschicht ist als feines zartes Netzwerk unverkennbar, von welchem Netzwerk feine Fäden proximalwärts ausstrahlen und an der proximalen Fläche mit ihren Enden unter einander zu einer discontinuirlichen Membran (Membrana limitans externa) verschmelzen. — Die Zellen der beiden Reihen der äusseren Körnerschicht spitzen sich kegelförmig nach der proximalen Seite hin anfangs in derselben Weise zu; indem aber im Allgemeinen die Zellen der proximalen Reihe zur Bildung der Zapfen und die der distalen zur Bildung der Stäbchen sich anschieken, tritt sofort eine Formverschiedenheit zwischen beiden ein in der Weise, dass die ersteren kegelförmig bleiben, während die Spitzen der letzteren schnell in die Länge wachsen und, zwi- schen den Zapfenkörnern sich durchschiebend, die Membrana limi- tans externa erreichen. Wenn dies geschieht, so verdieken sich die Spitzen zu je einem Knöpfchen und das ganze Gebilde nimmt eine Kolbenform mit langem schlankem Halse an. Diese Knöpf- chen ragen mit den Spitzen der Zapfenkörner über die Membrana limitans externa hervor und verleihen dieser Fläche der Netzhaut ein kleinwarziges Aussehen, das von vielen Forschern bereits erkannt und richtig beschrieben worden ist. Die warzigen Hervorragungen sind die Innenglieder. Sie unterscheiden sich vom gewöhnlichen Zellprotoplasma durch starkes Lichtbrechungsvermögen, geringe Neigung Farbstoffe aufzunehmen und eine ganz feine Granulation. Da die Zapfen und Stäbchen immer im centralen Theil der Netzhaut früher auftreten, als an der Peripherie, so findet man verschiedene Stadien gleichzeitig nebeneinander. Aus dem distalen Ende beiderlei Körnerreihen gehen feine Fäden aus, die in die Zwischenkörnerschicht sich einsenken, dort jedoch der weiteren Verfolgung mir sich entzogen. Die Aussenglieder erscheinen als die letzte Bildung der Untersuchungen über die Histiogenese der Retina. 349 Netzhaut beim l15tägigen Hühnchen. Die Aussenglieder der Zapfen wachsen als feine Härchen aus der Spitze der Innenglieder hervor. (s. Fig. 2a). Die Aussenglieder der Stäbehen entstehen durch ein- fache Verlängerung der Innenglieder ohne Abnahme des Dureh- messers (s. Fig. 2b). zugleich verdünnt sich das zwischen Innen- glied und Korn liegende Stück, so dass schliesslich die Verbindung beider Theile durch einen feinen Faden vermittelt wird (s. Fig. 2b). Es giebt auch Stäbchen, die den Körnern mit ihrer Basis unmittel- bar aufsitzen (s. Fig. 2d); solche Stäbchen müssen aus den Zellen der proximalen Reihe hervorgegangen gedacht werden. Dabei tritt abermals eine Umwandlung der Substanz ein; die Aussen- glieder sind durchaus homogen und färben sich selbst bei inten- sivster Tinetion nicht. Dass sowohl die Aussenglieder wie Innen- glieder als direete Auswüchse der äusseren Körner zu betrachten sind, so dass der zuerst hervorgewachsene Theil den Aussengliedern und der nachgewachsene den Innengliedern entspricht, eine An- nahme, deren Möglichkeit allerdings naheliegt, ist deshalb zu be- streiten, weil die Substanz des zuerst über die Membrana limitans externa vorwachsenden Theils den Innengliedern der ausgebildeten Zapfen und Stäbehen ähnlich bleibt. Meiner Ansicht nach würden also die Aussenglieder aus den zuerst gebildeten Innengliedern hervorgehen. An der Basis der Stäbehen sieht man oft ein oder sogar zwei glänzende Tröpfehen, die ich an den Zapfen im Gegensatz zu der Angabe Babuchin’s nicht nachweisen konnte. — Ueber die sog. Zwillingszapfen habe ich leider nichts Bestimmtes ermitteln können; genetisch scheint es mir höchst zweifelhaft, ob überhaupt solche vorkommen. Nicht unmöglich ist freilich, dass aus einer Zelle einmal zwei Zapfen hervorwachsen; aber meine Mühe war umsonst, ein entsprechendes Bild zu finden. Uebrigens habe ich sehr oft zwei aneinander festgeklebte Zapfen oder Stäbehen gefunden, die man natürlich nicht für Zwillingsgebilde halten darf. Mit dem 17. Tage etwa ist die Netzhaut beim Hühnchen in ihrer Histiogenese ganz vollendet und hat ihre definitiven Charactere erlangt. Man erkennt jetzt also deutlich: 1) Die Membr. limit. int. 2) Die Nervenfaserschicht. 3) Die Nervenzellenschicht. Diese besteht nunmehr aus einer einzigen Schieht von Ganglienzellen, nicht mehr aus 2—3 350 J. Koganei: Zellenschichten, wie noch vom vorigen Stadium berichtet wurde. Augenscheinlich beruht diese Lagereduction auf einer Metamor- phose der früher noch vorhandenen Stützzellen; letztere finden sich übrigens noch immer vereinzelt wischen den Ganglienzellen, je- doch im selben Niveau. 4) Moleeularschicht. Die Stützzellen in derselben sind sammt ihren Kernen verschwunden. 5) Innere Körnerschicht. Dieselbe besteht aus einer ea. 15 fachen Lage spindelförmiger Zellen mit grossen rundlichen Kernen. 6) Die Zwischenkörnerschicht. 7) Die äussere Körnersehicht aus einer zweifachen Lage spindelförmiger Zellen mit mehr länglichen Kernen bestehend. 8) Die Membrana limitans externa. 9) Stäbehen- und Zapfenschicht mit ihren feinkörnigen dunkleren Innen- und gelblich blassen Aussengliedern. 10) Endlich kann noch hier angereiht werden die Pigment- sehieht, welche bereits die bekannte Zellenmosaik darstellt. Von Säugethieren untersuchte ich auf die Entwicklungs- vorgänge der Netzhaut das Kaninchen. Ich beginne mit einem Embryo von 4 mm Körperlänge (gerader Abstand zwischen Scheitel und Schwanzwurzel), bei dem die Augenanlage noch im Zustande der primären Augenblase sich vorfand. Die Wandung derselben besteht aus einer, die Hauptdicke bildenden Abtheilung von 4—5- fach geschichteten Zellen von länglicher Form mit einem grossen ovalen Kern (Uranlagezellen) und einer einzelligen Schicht der schon bei Hühnehen beschriebenen blassen proliferirenden Zellen, die die innere Fläche der Blase einnimmt. An der äusseren Oberfläche sieht man ebenfalls einen hellen schmalen Saum, der aber weiter nichts bedeutet, als das Protoplasma der äussersten Zellenreihe. Bei 5 mm grossen Embryonen ist bereits die secundäre Augen- blase ausgebildet; die distale Lamelle ist dieker als die proximale in dem Verhältniss, dass die erstere eine sieben- die letztere eine vierfache Zellenlage besitzt. Der helle Saum an der distalen Seite hat an Breite zugenommen, indem die Zellen der am meisten distalen Reihe ihr Protoplasma nach dieser Seite hin verlängern. In diesem Saume, der jetzt schon leichte radiäre Streifung zeigt, bilden sich dann die Müller’schen Fasern. Untersuchungen über die Histiogenese der Retina. 351 Im nächsten Stadium (Embryo von 7 mm) sind schon mehr Einzelheiten zu sehen. Die embryonale Netzhaut erscheint an Horizontalschnitten in der Aequatorialgegend am dieksten und nach hinten verdünnt sie sich ein wenig, welches wohl aus der eigenthümlichen Ansetzungsweise des hohlen dünnwandigen Stiels zu erklären ist. Am vorderen Rande der secundären Augenblase schlägt sie sich unter stärkerer Verdünnung um und geht in be- kannter Weise in das proximale Blatt über. Dieses besteht jetzt nur noch aus einer einzigen Schicht eubischer kernhaltiger Zellen; die Verdünnung geht also sehr rasch vor sich, da wir bei einem Embryo von 5mm noch vier Lagen von Zellen zählten. Auch erscheinen die Zellen bereits pigmenthaltig. Das Pigment ist, wie schon bei Hühnchen angedeutet wurde, hauptsächlich in dem der primären Augenblasenhöhle zugekehrten Theile angehäuft. Die einzelnen Pigmentkörnehen sind ebenso beschaffen wie bei Hühn- chen. Das von Würzburg und Löwe angenommene Vorkommen der Pigmentkörnchen ausserhalb der Zellen ist ein zufälliger durch die Präparation veranlasster Befund, ebenso wie dieselben oft ganz frei unter dem Deckglase ausserhalb des Präparates ange- troffen werden. — Was nun das distale Blatt betrifft, so lässt es sich zunächst in eine aus ca. zehnfach geschichteten Zellen beste- hende, Farbstoffe gierig aufnehmende proximale und in eine distale, ganz blasse radiärfaserige zellenfreie Abtheilung zerlegen. An der proximalen Seite dieser Abtheilung bilden dann die proliferirenden Zellen den schon öfters beschriebenen hellen Saum, der, wie ich glaube, Löwe zu der Ansicht geführt hat, denselben für die An- lage der Zapfen- und Stäbchenaussenglieder zu halten und ist derselbe vielleieht auch identisch mit den klaren Elementen, die Ogneff an dieser Stelle gesehen hat. — Der übrige Theil ist gleichmässig zusammengesetzt aus spindelförmigen Uranlagezellen. Diese Zellen (Uranlagezellen) haben nunmehr zwei sehr zarte Fortsätze von mehr weniger ansehnlicher Länge erhalten, welche in zwei entgegengesetzten Richtungen verlaufen; die distalwärts ziehenden Fortsätze pflegen im Allgemeinen bedeutend länger zu sein. Die an der distalen Grenze liegenden Zellen dieser Abthei- lung fangen an sich in die Stützzellen, die durch besonders mäch- tige Fortsätze sich auszeichnen und in die kugligen Nervenzellen, bei denen noch keine Fortsätze nachweisbar sind, zu differenziren. Die von den Stützzellen kommenden Fädchen, welche später zu 352 J. Koganei: Müller’schen Fasern werden, bilden den weitmaschigen faserigen Theil der Netzhaut, indem sie durch feine Aestehen zahlreiche Verbindungen eingehen. Distalwärts wird derselbe begrenzt durch die festonartig gebogene Membrana limitans interna, an deren Bildung hauptsächlich die verdickten Enden der Müller’schen Fasern theilnehmen. — Die Anlage der Müller’'schen Fasern ist überhaupt, entsprechend dem Befunde an erwachsenen Thieren, bei Kaninchenembryonen viel mächtiger als bei Hühnchen im gleichen Stadium und ist deshalb an Kaninchen die Entwickelung derselben leichter zu verfolgen. An einem 12 mm langen Embryo zeigt sich die erste Spur der Nervenfasern in Form feiner kurzer Fädehen an der Grenze der beiden Schichten, die bestimmt mit den Nervenzellen zusammen- hängen. Diese Erscheinung beginnt am hinteren Pol des Auges in der Nähe des Sehnerveneintritts; allmählich nach der Peri- pherie vorschreitend, ist sie bei 2cm Kaninchen schon in der ganzen Ausdehnung der Netzhaut vorhanden. Bei beiden Embryonen (denen von 12 mm und von 2 em) ist die Netzhaut im Ganzen ge- wachsen; die proliferirenden Zellen sind reichlich vorhanden. Nach dem Erscheinen der Nervenfaserschicht sollte die Mole- cularschieht folgen; man findet dieselbe beim 3 cm messenden Embryo. Dadurch trennt sich die Ganglienzellenschicht, welche ausser den in 2—3 unregelmässigen Reihen gestellten eigentlichen Nervenzellen zahlreiche Stützzellen enthält, von den übrigen mehr distalen Sehichten ab. Die Moleeularschicht selbst stellt einen hellen Streifen dar, in welchem die Stützzellen wie auch einzelne Nervenzellen zerstreut liegen. Die weiten Intercellularräume wer- den durch ein feines Netzwerk ausgefüllt. Die Stützzellen sind auch in denjenigen Stellen der Retina schon erkennbar, deren Elemente noch auf der Stufe der Uranlagezellen stehen, wo sie besonders in den der Moleeularschicht angrenzenden Theilen sich anhäufen, während sie in den übrigen Theilen nur spärlich zu ' sehen sind. Von der Netzhaut 51/;, em grosser Embryonen ist Folgendes zu sagen: Die Moleeularschieht ist schärfer abgegrenzt. Die regel- mässige Anordnung der darin befindlichen Zellen, welche man bei Hühnchen beobachtet, ist auch hier, wenn auch nicht in so exqui- siter Weise nachweisbar. Die Anhäufung der Stützzellen im distalen Theile der Uranlagezellenschicht ist so stark geworden, Untersuchungen über die Histiogenese der Retina. 353 dass die Uranlagezellen daselbst bis auf wenige geschwunden er- scheinen. Die Stützzellen bilden so die dureh die intensive Fär- bung ihrer Kerne ausgezeichnete Zone, welche Löwe die Veran- lassung gegeben hat, in derselben irrthümlicher Weise die Anlage der gesammten inneren Körnerschieht zu erblicken, die aber in der That nur einen Theil der inneren Körnerschicht, in dem man auch später die Kerne der Müller'schen Fasern sieht, darstellt. Es ist dies die Schicht, welche W. Müller die Schicht der Spon- gioblasten nennt, weil er derselben die Bildung der Molecular- schieht zuschreibt. Meiner Ansicht nach kann dieses nur zum Theil, d. h. nur für die an der Moleeularschicht unmittelbar an- liegenden Stützzellen zugegeben werden; das Hauptproduct dieser Schieht ist aber die stützende Substanz der inneren Körnerschicht selbst. Ich bin auch der Ansicht, dass bei der Umwandlung dieser Zellen zur Stützsubstanz der inneren Körnerschicht ein Theil ihrer Kerne zu Grunde geht, da man später entschieden viel weniger Kerne wahrnimmt als anfangs. Selbstverständlich liegt es viel näher das Bildungsmaterial der Molecularschicht, wie beim Hühn- chen genauer geschildert, aus den in dieser Schicht selbst liegen- den Zellen abzuleiten. — Die proliferirenden Zellen sind jetzt meist nicht mehr nachzuweisen, die Netzhaut ist bezüglich ihrer zelligen Bestandtheil€ nicht merklich mehr gewachsen. Das Erscheinen der Zwichenkörnerschicht, resp. die Trennung des Restes der Uranlagezellenschicht in die beiden Körnerschichten, findet bei Kaninchen in den letzten Tagen des Uterinlebens statt, so dass es bei Neugeborenen schon in der ganzen Ausdehnung der Netzhaut ausgeprägt ist. Die Trennung kommt gerade in der Mitte der Uranlagezellenschicht durch eine helle Linie zu Stande; bei genauer Untersuchung erkennt man darin tangential verlaufende kurze unterbrochene Fasern, die unter einander zu einem Netzwerk sich verbinden. — Die Stützzellen der inneren Körnerschichtanlage sind, indem sie zur Bildung der Stützsubstanz verbraucht wur- den, beträchtlich vermindert; hingegen sind die inneren Körner- zellen ebenso vermehrt. Innere Körnerzellen findet man auch in den proximalen Partien dieser Schicht zwischen den noch unver- änderten indifferenten Uranlagezellen. Die Differenzirung schreitet also im Allgemeinen fort von distalen zu proximalen Theilen. In Folge dieser Veränderungen bekommt die ganze Schicht ein mehr blasses Aussehen. Die äussere Körnerschicht ist noch gleichmässig Archiv f. mikrosk. Anatomie, Bd, 23, 23 354 J. Koganei: aus Uranlagezellen zusammengesetzt. — Ueber der Membrana limitans externa, die jetzt als scharfer Contour deutlich geworden ist, ragen die Innengliederfortsätze der äusseren Körner hervor und es entsteht ein Bild, welches man am besten mit den Zähnen einer feinen Säge vergleichen kann. Die Hauptveränderung an der Netzhaut eines 7 Tage alten Kaninchens ist die beträchtliche Verdünnung der inneren Körner- schicht, deren Ursache wahrscheinlich darin liegt, dass die Zwischen- körnerschicht aus derselben gebildet und dazu ein grosser Theil der noch vorhandenen Uranlagezellen verbraucht wird. Der andere Theil des Restes der Uranlagezellen ist umgewandelt theils zu den inneren Körnerzellen, theils zu sehr eigenthümlichen, lang ge- streekten spindelförmigen Stützzellen. Diese durchsetzen mit ihren beiden fadenförmigen Ausläufern die innere Körnerschicht radiär in regelmässigen Abständen wie die Säulen eines Gebäudes. Die Ausläufer verschmelzen mit dem Netzwerk der Moleeularschicht resp. der Zwischenkörnerschicht. Die tief dunklen stäbehenförmi- gen Kerne liegen ungefähr in der Mitte der Zellen. — Die Elemente der äusseren Körnerschieht erscheinen mehr abgerundet. Aus der Zwischenkörnerschicht strahlen zahlreiche feine Stützfasern in die- selbe ein. — Die Aussenglieder der Zapfen und Stäbchen sind in Form langer dünner Prismen aus den Innengliedern hervor- gewachsen und ihre Spitzen stecken in der Pigmentschicht. Das ganze Aussehen der Netzhaut steht der vollendeten sehr nahe. Die Entwieklung von Stäbehen und Zapfen selbst habe ich hier nicht genauer verfolgt. Zwei Wochen nach der Geburt, also mit dem Eintritte des vollen Sehvermögens, ist die Netzhaut vollständig ausgebildet. Ich hatte ferner Gelegenheit einige Stadien an Schweine-, Lamm- und Katzenembryonen zu untersuchen, deren Befunde durchaus mit den an Kanincben bemerkten übereinstimmen, so dass ich letztere bloss bestätigen konnte. Nur sind zu bemerken die besonders stark ausgebildeten Zapfenkörner beim Kalb. Die Zapfenkörner treten hier als eine selbständige Zone dicht unter der Membrana limitans externa hervor, die ungefähr wie ein ein- schichtiges Cylinderepithel aussieht, weil sie fast doppelt so gross sind als die anderen Zellen dieser Schicht (Stäbehenkörner); das- Untersuchungen über die Histiogenese der Retina. 355 selbe fand ich bei einem ca. 2!/,‘ langen Kalb, bei dem die Retinaschichten so weit ausgebildet waren, dass die Innenglieder der Zapfen und Stäbehen deutlich nachgewiesen werden konnten. Die Grössendifferenz zwischen Zapfen- und Stäbehenkörnern gleicht sich später allmählich vollständig aus. Bei einem neugeborenen Meerschweinchen, das 12 Stunden nach der Geburt getödtet wurde, fand ich die Zapfen und Stäb- chen vollkommen ausgebildet; das würde dem Sehvermögen dieses Thieres genau entsprechen. Die Netzhaut des neugeborenen Hun- des war ebenfalls bis zu den Aussengliedern entwickelt. Aus dem Geschilderten dürften folgende Schlüsse zu ziehen sein: 1) Der Bildungsprocess der Netzhaut erfolgt bei Vögeln und Säugethieren in derselben Art und Weise, wie Ogneff hervorhebt und W. Müller auf alle Wirbelthiere ausgedehnt hat. 2) Die Production neuer Zellen geht in einer besonderen Schieht, der von mir sogenannten proliferirenden Zellenlage vor sich. Der rege Vermehrungprocess dieser Zellen hört mit dem Auftreten der Zwischenkörnerschicht auf, womit die proliferirenden Zellen verschwinden und die Stäbchen zu erscheinen beginnen. 3) Schon im Stadium der primären Augenblase sind ausser den proliferirenden Zellen noch die spindelförmigen „Uranlage- zellen“ (Löwe, Würzburg) vorhanden; sie stellen das nächste, jedoch noch indifferente Bildungsmaterial für die einzelnen Retina- schichten dar. Sie ergänzen sich aus den proliferirenden Zellen. 4) Die Histogenese der Retina beginnt mit der Trennung der indifferenten Uranlagezellen in die Elemente der Stützsubstanz und die nervösen Elemente und divergirt nach diesen beiden Rich- tungen. 5) Die Differenzirung der embryonalen Netzhaut beginnt an der distalen Seite und schreitet proximalwärts successiv vor, ohne etwa eine Schicht zu überspringen. 6) Die Differenzirung jeder einzelnen Schicht beginnt immer in der Nähe des Augenblasenstiels und setzt sich von da nach der Peripherie fort. 7) Mit der Ausbildung der Zapfen und Stäbchen fällt der Beginn des Sehvermögens zusammen. 8) Die Eintheilung der Netzhaut in einen epithelialen und cerebralen Theil findet histogenetisch in keinem Stadium eine Unterstützung. 356 J. Koganei: Ich habe bei meinen Untersuchungen gewöhnlich eine 5 procen- tige Lösung offieineller Salpetersäure verwendet. Der ganz frische nieht aufgeschnittene Augapfel, oder bei kleineren Embryönen der ganze Kopf, wurde darin 1/—1 Stunde, je nach der Grösse des- selben, gelegt, dann 12—24 Stunden in 2procentiger Alaunlösung entsäuert oder für ganz junge Stadien besser in schwachem Alkohol (70°/,) und nachher noch in stärkerem Alkohol (bis zu absolutem) nachgehärtet. Wenn das Objeet hinreichend gehärtet ist, wird es aufge- schnitten und in toto mit Grenacher’schem Carmin oder Piero- carmin gefärbt; bei grösseren Augen muss die Netzhaut erst abgelöst werden. In bekannter Weise wurde das Object nach der Ent- wässerung in absolutem Alkohol in Wachsmasse eingebettet, trocken geschnitten und in Damarlack eingeschlossen. Die 0,5 procentige Ueberosmiumsäure ist auch sehr brauchbar, hat aber keine besonderen Vortheile gegenüber der Salpetersäure und ihre manchmal doch nicht zu vermeidende schrumpfende Wirkung kann sogar als kleiner Nachtheil angeführt werden. Nicht minderes Verdienst hat die Maceration in Ranvier’- schem Drittelalkohol, um die einzelnen Elemente genauer zu studiren. Die bisher so gerühmte von den meisten Forschern angewen- dete Methode, die Härtung in Müller’scher Flüssigkeit oder in doppeltehromsaurem Kali, muss ich für unseren Zweck als unbrauch- bar bezeichnen, weil die zarten Gewebe der Netzhaut durch die langsam vorschreitende Gerinnung der Eiweisskörper die verschie- denartigsten Verbiegungen und Verschiebungen erleiden und oft so täuschende Veränderungen erfahren, dass man sehr leicht daraus falsche Vorstellungen gewinnen kann. Schon makroskopisch er- kennt man an der Netzhaut des in der Müller’schen Flüssigkeit gehärteten embryonalen Äuges unzählige Falten und Verkrüm- mungen, von denen an Salpetersäure-Präparaten und, was wichtiger ist, an ganz frischen Augen keine Spur vorhanden ist. Ich be- merke dies ausdrücklich, weil noch bis auf die neueste Zeit (z. B. bei Würzburg und Lieberkühn) Angaben cursiren, dass die embryonale Netzhaut in mehr oder minder zahlreiche Falten nor- maler Weise gelegt sei. Um ein allgemeines Bild der Anlage der Zapfen und Stäb- chen zu erhalten, ist die Untersuchung der Netzhaut frisch in Humor aqueus am Faltenrande sehr zu empfehlen. Dieses Bild Untersuchungen über die Histiogenese der Retina. 357 zeigt getreu dasselbe wie Salpetersäure-Präparate, was schr zu Gunsten dieses Reagens spricht. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XVII. Fig. 1. Netzhaut eines Hühnchens nach 5tägiger Bebrütung. In Salpeter- säure gehärtet, mit Grenacher’schem Carmin gefärbt, trocken ge- schnitten, Damarlack. Vergrösserung: Winckel, Syst. 8, Ocul. 3. a) Proliferirende Schicht. d) Opticusfasern. b) Uranlagezellen. e) Müller’sche Fasern. c) Anlage der Ganglienzellen. Fig. 2. a) Zapfenkorn mit Innen- und Aussenglied. b) Stäbehenkorn verbunden durch einen feinen Faden mit dem Innen- und Aussengliede; ein glänzendes Tröpfchen an der Basis des Innengliedes. c) Stäbehenkorn mit Innenglied. d) Stäbehenkorn mit breit aufsitzendem Stäbchen und glänzendem Tröpfchen. (a—d Hühnchen, 15 Tage bebrütet. Seibert, homogene Immersion.) e) Uranlagezellen, Hühnchen, 6tägige Bebrütung; Winckel, Syst. 8. Oc. 3. f) Zapfenkorn mit Anlage des Innengliedes. g) Stäbehenkorn mit einem Knopf auf der Spitze als Anlage des Innengliedes. h) Stäbehenkorn ohne Knopf. i) Lange Stützzelle aus der inneren Körnerschicht. (f—i Hühnchen, 11tägige Bebrütung; Winckel, 8. II.) Sämmtliche Präparate der Fig. 2 wurden nach 24stündiger Maceration in Drittel-Alkohol und Färbung in Pikrocarmin-Glycerin (unter dem Deckglase) erhalten. Fig. 3. Netzhaut eines neugeborenen Kaninchens, unmittelbar nach der Ge- burt getödtet. Behandlung wie bei dem Präparate der Fig. 1. Winckel, Syst. 8. Oc.3. Bezeichnung neben der Figur. x ist das Grenzgebiet der embryonalen inneren Körnerschicht gegen die Mole- eularschicht; dieses Grenzgebiet erscheint heller als die übrige innere Körnerschicht, zeigt zahlreiche spindelförmige Stützzellen nebst helleren und dunkleren rundlichen Zellen; die letzteren sind die Anlagen innerer Körner. Letztere sieht man zwischen den spindel- förmigen Stützzellen auch in der eigentlichen inneren Körnerschicht. 398 N. K. Kultschizky: (Aus dem histologischen Institut der Universität zu Charkow.) Ueber den Bau der Grändry’schen Körperchen. Von Dr. med. N. K. Kulischizky. Hierzu Tafel XVII. Im Schnabel der Ente und anderer Schwimmvögel finden sich zwei Formen von Nervenendapparaten vor. Die eine Form, die Herbst’schen Körperchen (Pacini’schen Körperchen der übrigen Thiere) ist längst bekannt, die andere ist vor nicht langer Zeit erst von Grandry!) aufgefunden. Erst im Jahre 1875 jedoch sind die Grandry’schen Körper- chen genauer untersucht und beschrieben worden, und zwar von Merkel?); er gelangte zu folgenden Resultaten: Die einfachste Form von Tastorganen stellen’ bläschenartige Zellen mit hellem Kern dar, in deren Protoplasma eine marklose Nervenfaser über- geht; es sind die Tastzellen. Diese Tastzellen legen sich zusammen, zu zwei gewöhnlich mit ihren Breitseiten sich berührend, und werden von einer binde- sewebigen Hülle umschlossen; das sind dann die Zwillingstast- ° zellen. Auch zu ihnen tritt nur eine markhaltige Faser, welche sich zwischen beiden Zellen hinzieht und in ihnen sich verliert. Wenn in einer Kapsel sich mehr als zwei Tastzellen vorfinden, bildet sich ein einfaches Tastkörperchen. Letzteres ist auch nur mit einer doppelteontourirten Nervenfaser versehen, welche bei ihrem Eintritt in das Körperchen ihre Markscheide verliert 1) Grandry, Recherches sur les corpuscles de Pacini. Journ. de l’ana- tomie et de la physiologie 1869, p. 390. 2) Merkel, Tastzellen und Tastkörperchen bei den Hausthieren und beim Menschen. Arch. f. mikr. Anat. Bd. XI, 1875, S. 636. Ueber den Bau der Grandry’schen Körperchen. 359 und zu jeder einzelnen Zelle ein dünnes Zweigchen sendet. Wenn endlich mehrere solcher einfachen Tastkörperchen sich vereinigen, so stellen sie ein zusammengesetztes Tastkörperchen dar, welches natürlich so viel Nervenfasern erhält, als sich in ihm einfache Tastkörperchen vorfinden !). In ihrem äusseren Aussehen gleichen die Tastzellen voll- kommen den Spinalganglienzellen; sie sind ausgezeichnet durch einen zarten, gleichmässig feinkörnigen Inhalt, besitzen einen run- den Kern mit fester Membran und zeigen eine concentrische und radiäre Streifung, welche der von M. Schultze an den Nerven- zellen beschriebenen entspricht. Was nun die eigentliche Nerven- endigung betrifft, so geht sie nach Merkel’s neuesten Angaben?) folgendermassen vor sich: Der Nerv tritt nach Verlust der Mark- scheide zu einer Tastzelle und verbreitert sieh an einer ihrer Breitseiten mit seinem Axencylinder zu einer Platte. Schon beim Beginn der Verbreiterung des Nerven jedoch kann man im Axen- eylinder die protoplasmatische Streifung bemerken, welche sich in ununterbrochener Verbindung mit dem Centraltheil der Zelle be- findet. Häufig vereinigt sich ein Theil des Axeneylinders mit dem Protoplasma der Zelle schon am Rande der letzteren, und alsdann könne man ungemein deutlich die unmittelbare Vereinigung der Fäserchen des Axeneylinders mit der gestreiften Substanz der Zelle beobachten ?). Die Tastzellen, ob vereinzelt oder zu Körper- chen vereinigt, sind immer von einer Hülle umgeben. In Ueber- einstimmung mit Key, Retzius und Ranvier nimmt Merkel in seiner letzten Arbeit an, dass diese Hülle Kerne besitzt und aus einigen aneinander liegenden Häutchen besteht. Mit der innersten Lamelle vereinigt sich die Schwann’sche Scheide der Nervenfaser. Von der Innenfläche der lamellösen Hülle gehen Scheidewände zwischen die einzelnen Zellen hinein. Diese Scheide- wände verdünnen sich ungemein rasch, sich in zarte Häutchen verwandelnd, welche jedoch nicht vollständig die einzelnen Zellen von einander trennen. Im Centraltheil der Scheidewand findet 1) Merkel, 1. e. p. 640. 2) Merkel, Die Tastzellen der Ente. Arch. f. mikr. Anatomie Bd. XV, 1878, 5. 415. — Derselbe, Ueber die Endigungen der sensibelen Nerven in der Haut der Wirbelthiere. Rostock 1880. 3)/1. c. p. 129, 360 N. K. Kultschizky: sich vielmehr eine ziemlich grosse Oeffnung, und dort liegt das verbreiterte Ende des Axencylinders !). Merkel erwähnt auch noch Kerne, welehe innerhalb der Kapsel liegen. Diese Kerne sind von einer geringen Menge Pro- toplasma umgeben; häufiger seien nur kleine Häufehen Protoplasma vorhanden — ohne Kerne. Die Frage über die Bedeutung dieser Protoplasma-Häufchen lässt Merkel unentschieden?). In etwas grösseren Körperchen pflegt man gewöhnlich zu beobachten, dass jede einzelne Tastzelle ihre eigene Axencylinderplatte besitzt, wäh- rend in Körperchen, die nur aus zwei Zellen bestehen, der Nerv sich dem Anschein nach nur zu einer Platte verbreitert, die zwischen beiden Zellen liegt. Hesse?) stellt im Gegensatze zu Merkel positiv jede orga- nische Verbindung der Tastscheibe mit den sie bedeckenden Zellen des Tastkörperchens (Deckzellen, Hesse) in Abrede; nach seinen Beobachtungen sind sie scharf von einander abgegrenzt. Hesse erwähnt weiter noch kleiner Tastkörperchen, deren Dimensionen nicht über 1/,—!/, der gewöhnlichen Tastkörperchen hinausgehen. Ein grosser Theil der kleinen Körperchen sind unvollständig ent- wickelte Tastkörperchen. Von ibnen bis zu vollkommen ausge- bildeten Körperchen finden sich Uebergangsstufen ®). Axel Key und Retzius°) kennen ebenfalls die von Merkel erwähnten kleinen intracapsulären kernhaltigen Protoplasmaanhäu- fungen, erklären aber auch ihre Bedeutung nicht. Eine Streifung der Zellen des Grandry’schen Körperchens geben sie nicht zu und halten auch eine organische Verbindung der Tastscheibe mit den benachbarten Deekzellen (Hesse) für nicht erwiesen, während sie den Uebergang der Nervenfaser in die Scheibe annehmen. Ranvier, dem wir die erste genauere Schilderung der von ihm sogenannten „Disque tactile“ (Tastscheibe) verdanken), fügt )1.c.p. 121. 2) 1. c. p. 123. 3) Hesse, Ueber die Tastkugeln des Entenschnabels. Archiv f. Anat. und Physiologie von His und Braune, Anat. Abth. 1878, p. 288. 4) 1. c. p. 301—308. 5) Studien in der Anatomie des Nervensystems und des Bindegewebes, Bd. I, Stockholm 1876, p. 227. 6) De la terminaison des nerfs dans les corpuscules du tact, Compt. rend. 1877. h Ueber den Bau der Grandry’schen Körperchen. 361 in seiner neuen Mittheilung !) noch einige Einzelheiten über die Structur der Grandry’schen Körperchen hinzu. Er behauptet, dass die Streifung im Protoplasma der Tastzellen von der gewölbten zur flachen Oberfläche derselben verlaufe, und dass die Streifen sich an Flächenschnitten als Punkte darstellen, die den Kern eon- eentrisch ähnlich einer Glorie umgeben ; ferner erkennt Ranvier an, dass in den Grandry’schen Körperchen ringförmige Scheide- wände zwischen den Zellen existiren. In diese Scheidewände geht nur das Endothel, welches die innere Oberfläche der Kapsel aus- kleidet, ein. Die Schwann’sche Scheide des Nerven geht auf die Tastscheibe über. Was den Character der Zellen in den Grandry’- schen Körperchen betrifft, so muss man dieselben nach Ranvier für drüsiger Art halten. S. Carriere?) stimmt im Wesentlichen Ranvier bei, fügt jedoch noch gewisse Eigenthümlichkeiten hinzu. Nach seiner Meinung besteht das Tastkörperchen zum wenigsten aus zwei Zellen; die höchste Zahl derselben ist fünf. Die Zellen zeichnen sich durch eine bedeutende Fähigkeit Farbstoffe aufzunehmen aus, worin sie den Zellen noch nicht verhormter Epidermis gleichen. Nach Carri&re geht die Nervenfaser nach dem Eintritt in’s Grandry’sche Körpereken nicht immer gerade zur Tastscheibe; bisweilen macht sie Windungen, die sich eng aneinander legen noch bevor sie in die Tastscheibe tritt. Ein Mal gelang es zu beobachten, dass die Nervenfaser, in’s Grandry’sche Körperchen eintretend, ihre Markscheide, ja sogar die Henle’sche bewahrte ?). Dank solcher knäuelförmigen Windungen bilden sich innerhalb der Kapsel jene Aushöhlungen, deren Hesse erwähnt. Carriere giebt eine unmittelbare Verbindung von Axencylinder mit den Streifungen des Zellprotoplasma nicht zu. Izquierdo*) bestätigt den von Merkel und Hesse gefun- denen „Plattenring“ und die Nervenendigung in der Tastscheibe. 1) Ranvier, Traite technique d’histologie, VI fase. 1882, p. 907— 909. 2) S. Carri&re, Kurze Mittheilungen zur Kenntniss der Herbst’schen und Grandry’schen Körperchen in dem Schnabel der Ente. Arch. f. mikrosk. Anat. Bd. XXI, Heft I, 1882, S. 146. Bull c.-pi) 153. 4) Ueber die Endigungsweise der sensibelen Nerven. Nach Unter- suchungen von Dr. V. Izquierdo mitgetheilt von Professor Waldeyer. Arch. f. mikr. Anat. Bd. XVII, Heft 3. S. 367. 362 N. K. Kultschizky: Nach ihm besteht die Tastscheibe aus einer homogenen dunk- leren Aussenschicht und einer inneren, heller erscheinenden proto- plasmatischen Masse. Die Schwann’sche Scheide soll nun in die Aussenschicht, der Axeneylinder in die protoplasmatische Binnen- masse der Tastscheibe übergehen; eine continuirliche Verbindung der Tastscheibe mit den übrigen Zellen (Deckzellen, Hesse) des kleinen Apparates konnte nicht nachgewiesen werden !), ıuß Zum Objeet meiner Untersuchungen wählte ich die Zungen- schleimhaut der Ente, hauptsächlich die Schleimhaut des hinteren Drittels der oberen Zungenfläche, wo sich die sogenannten weichen Papillen vorfinden; diese nehmen einen ziemlieh grossen Raum ein und liegen dort ohne bestimmte Anordnung. An dem Zungen- rande jedoch liegen sie regelmässig in einer Linie. In einer jeden solehen Papille finden sich Grandry’sche Körperchen von unbe- stimmter Anzahl, je nach der Grösse der Papille. Es versteht sich, dass der Randstreifen der Entenzunge, wo die Papillen in einer Reihe angeordnet sind, das beste Untersuchungsobjeet dar- bietet. Wie oben erwähnt, nehmen die breiten Papillen einen be- deutenden Theil des hinteren Drittels der oberen Fläche der Zunge ein, und bei Betrachtung mit blossem Auge könnte man meinen, dass ihr Verbreitungsgebiet scharf begrenzt sei. Bei mikroskopi- scher Untersuchung erweist es sich jedoch, dass sowohl nach der Zungenwurzel, als nach der Zungenspitze hin die Papillen allmäh- lich verschwinden, wobei sie an Zahl und Grösse abnehmen. Die breiten Papillen gehen allmählich in verhältnissmässig schmalere tiber und endlich in solche, welche nur eine Capillarschlinge mit sehr geringer Menge von Bindegewebe enthalten. Die Grandry’schen Körperchen liegen in der bindegewebigen Grundlage der Schleimhaut und sehr häufig in bedeutendem Ab- stande von der Epithelschicht. Jedes Körperchen ist von einer Kapsel umgeben. Schon in Grandry’s Arbeit findet sich eine Andeutung des lamellösen Baues der Kapsel, und wenn derselbe auch keine Beschreibung IN. c. P: 380: Ueber den Bau der Grandry’schen Körperchen. 363 einer solehen Struetur gegeben hat, so hat er doch dieselbe in den Abbildungen deutlich dargestellt (s. Fig. 10 seiner oben an- geführten Arbeit). Der lamelläre Bau der Kapsel unterliegt keinem Zweifel und kann ich in dieser Beziehung nur die Angaben der früheren Autoren bestätigen. Bisweilen zeigen sich die Lamellen in Form von sehr breiten Gürteln um das Körperchen, wobei sie glänzend erscheinen und mit deutlich hervortretenden Kernen versehen, wie man das auf den Abbildungen von Key und Retzius sieht; bisweilen je- doch umfassen sie das Körperchen in Form einer dünnen Mem- bran, in welcher die Kerne verhältnissmässig undeutlich bleiben. Die letzteren stellen sich in beiden Fällen verlängert dar und liegen in der Richtung der Längsachse des Körperchens. Ich glaube, dass die genannten Verschiedenheiten lediglich Folge des eingeschlage- nen Untersuchungsverfahrens sind. Die Sache liegt eben daran, dass die Lamellen der Kapsel aus Bindegewebe bestehen. Es versteht sich von selbst, dass, wenn man das Präparat z. B. mit Essigsäure behandelt, wie es Key nnd Retzius thaten, dieses Bindegewebe quillt und die Kapsel dann in Form einer dieken, glänzenden, fast gleichartigen Membran erscheint. Bei Be- arbeitung mit Osmiumsäure (1/,,°/,), Salpetersäure (Y/,°/,) und überhaupt an Präparaten, bei welchen keine bedeutende Quellung der Kapsel hervorgerufen wird, zeigen die Kapseln die andere Form. An der Innenfläche der Kapsel kann man, abgesehen von den Kernen, die der Kapsel selbst angehören, andere Kerne beob- achten von grösseren Dimensionen, an gelungenen Schnitten selbst vollständige Zellen. Ranvier, Carriere und Andere halten diese Zellen für ein Endothelium. Ich stimme dieser Auffassung zu. Unter anderen Präparaten erhielt ich eins, an welchem die Endo- thelzellen von der Fläche zu sehen waren (Fig. 1); der Schnitt hatte das Grandry’sche Körperchen sehr oberflächlich getroffen. An diesem Präparate zeigte sich die Kapsel mit dem sie auskleiden- den Endothel, und wahrscheinlich auch mit einem geringen Theil des Inhalts. Das Endothel erschien in Form von flachen viel- eckigen Zellen mit glatten Conturen und grossen bläschenartigen Kernen. Man muss hinzufügen, dass solche Präparate, wie das eben beschriebene, äusserst selten erhalten werden; die Endothel- zellen kann man indessen leicht beobachten. An dünnen Schnitten 364 N. K. Kultschizky: werden oft die charakteristischen Kerne angetroffen, welche von einer geringen Menge Protoplasma umgeben sind und an der Innen- fläche der Kapsel gelagert sind. Die Zellen der Grandry’schen Körperchen (Tastzellen Mer- kel’s, Deekzellen Hesse’s) sind nach ihren Merkmalen wenig charakteristisch, so dass es, wie wir weiter unten sehen werden, schwer ist zu entscheiden, zu welcher Art von Zellenelementen sie zu zählen sind. Im weitern Verlauf der Beschreibung will ich sie „Tastzellen“ nennen. Ehe man die Eigenschaften der Tastzellen betrachtet, ist vor- her eine wichtige Frage zu entscheiden, — die, ob eine einzellige Form der Grandry’schen Körperchen existirt, wie dies Merkel annimmt, oder ob die Körperchen immer wenigstens aus zwei Zellen bestehen, wie die übrigen Autoren meinen. Meine Beob- achtungen sprechen zum Theil zu Gunsten der Merkel’schen An- sicht. Ich habe zellige Elemente angetroffen, welche in ihren Eigenschatten den Tastzellen entsprechen und durchaus nicht mit den zelligen Elementen der umgebenden Gewebe verwechselt wer- den können. Dieselben habe ich nicht nur an den Spitzen der Papillen angetroffen, sondern auch nahe der Basis derselben. Bisweilen gelingt es, an dem Abhang der Papillen mehrere soleher Zellen zu beobachten, welche in bestimmten Distanzen von einander in einer geraden Linie liegen. Es versteht sich, dass man diese Zellen für Querschnitte von gewöhnlichen Körperehen halten könnte, indessen spricht dagegen zum Theil ihre geringe Grösse, und andererseits kann man für einzelne von ihnen dafür bürgen, dass dieselben ganz isolirt liegen. Stellen indess solche Zellen wirkliche vollständige und selbststän- dige Nervenendigungen vor? Auf diese Frage ist schwer zu ant- worten. Ich habe beobachten können, dass zu einer isolirten Tast- zelle eine markhaltige Nervenfaser hinlief, wie aber dieselbe zur Zelle sich verhielt, habe ich nicht bestimmen können. Wenn ich daher die Meinung Merkel’s bestätige, so geschieht dies doch nur in der Hinsicht, dass sich isolirte Tastzellen wirklich vor- finden, ob man sie aber deshalb schon für ausgebildete Nerven- endigungen halten darf — bleibt meiner Ansicht nach noch eine offene Frage. : Isolirte Tastzellen trifft man nicht nur in den Papillen allein, sondern auch inmitten von Epithelzellen, namentlich in den tiefern Ueber den Bau der Grandry’schen Körperchen. 365 Lagen des Epithels, wo dieses sich zwischen die Papillen binein- schiebt. Von isolirt liegenden Zellen bis zu vollständig ausge- bildeten Grandry’schen Körperchen existiren Uebergangsformen (Fig. 2, 3). Das Grandry’sche Körperchen besteht gewöhnlich aus mehreren Zellen; am allerhäufigsten trifft man Körperchen, aus drei Zellen sich zusammensetzend, alsdann aus zwei, verhältnissmässig selten aus 4—5 Zellen, in den seltensten Fällen aus 6—7. Besteht das Körperehen aus zwei Zellen, so haben diese eine halbkuglige Ge- stalt; setzt es sich aus einer grösseren Anzahl Zellen zusammen, so sind die an den Polen gelegenen Zellen halbkuglig, die übrigen mehr oder weniger scheibenförmig, d. h. sie zeigen zwei platte Ober-. flächen, mit denen sie sich aneinanderlegen. Diese Form der Zellen entspricht vollkommen derjenigen, welche Ranvier und andere Untersucher finden. Die Beschreibung passt auf die Mehrzahl der Fälle, denn diese Form zeigen die Tastzellen dann, wenn sie auf einander geschichtet sind; man trifft aber Körperchen, in denen die Zellen anders angeordnet sind. In diesem Falle kann sich die Form der Zellen etwas ändern. Es existiren zwei abweichende Formen von Grandry’schen Körperchen, von denen die erste in Fig. 4 abgebildet ist. Hier besteht das Körperchen aus vier Zellen: drei von ihnen sind so gelagert, wie die Zellen in den typischen Formen angeordnet liegen, die eine auf der anderen, die vierte Zelle schiebt sich zwischen die obere und mittlere Tastzelle ein, und zeigt eine keilförmige Gestalt, mit ihrem verjüngten Theil ungefähr die Mitte des Querdurchmessers des Körperchens er- reichend. Diese Abweichung von der typischen Form ist von vielen Forschern beobachtet; sie ist abgebildet in den Zeichnungen von Merkel und Hesse, mit dem Unterschiede jedoch, dass dort zwei keilförmige Zellen von den diametral entgegengesetzten Seiten sich zwischen die typischen einschieben. Die andere Form der Abweichung von der typischen Gestalt des Grandry’schen Kör- perchens ist in Fig. 5 dargestellt. Hier hat das Grandry’sche Körperchen fünf Zellen, die zu zwei Säulchen angeordnet sind; das linke besteht aus drei Tastzellen, das rechte aus zwei; diese Form findet sich weit seltener, als die vorhergehende und ist von andern Beobachtern nicht beschrieben worden. Leider gelang es mir nicht, die Tastzellen im frischen, un- veränderten Zustande zu sehen. An Präparaten aus Müller’- 366 N. K. Kultschizky: scher Flüssigkeit und aus Pikrinsäure zeigen sie folgende Eigen- schaften: Das Protoplasma der Zellen ist theils körnig, theils streifig und enthält einen verhältnissmässig nicht grossen bläschenartigen Kern mit 1—2 Kernkörperchen. An Präparaten aus Pikrinsäure zeigt sich der Kern mit deutlichen deppelten Conturen. Osmiumsäure färbt das Protoplasma der Tastzellen schmutzig- grau, Chlorgold mehr oder weniger intensiv violett. Was die übrigen in der mikroskopischen Anatomie gebräuchlichen Farb- stoffe (Carmin, Pikrocarmin, Hämatoxylin, Eosin und einige andere) anbetrifft, so wirken sie im Allgemeinen auf das Protoplasma schwach ein, da sie kaum eine merkliche Färbung hervorrufen. Das Protoplasma der Tastzellen zeigt sich, wie oben erwähnt, zum Theil streifig. Da dieser Streifung einige Forscher (Merkel) eine ausserordentliche Wichtigkeit beilegen, so hat man auf diese Eigenschaft der Tastzellen eine besondere Aufmerksamkeit zu richten. Der Erste, der auf die Existenz einer Streifung des Proto- plasma in den Tastzellen hinwies, war Merkel; ziemlich detaillirt hat sie Ranvier beschrieben, der auch die Methode kennen lehrte, dureh welche sie sich am besten darstellt (vorläufige Bearbeitung mit Osmiumsäure und nachfolgende Vergoldung nach der Gerlach’- schen Methode). Meine Untersuchungen brachten mich zu der Ueberzeugung, dass im Protoplasma der Tastzellen in der That eine Streifung vorkommt. Ein jeder Streifen besteht aus einer Reihe Körnchen, die lineär aneinandergereiht sind. Diese Körnehen färben sich nicht mit den gewöhnlichen Färbmitteln (Carmin, Hämatoxylin ete.), auch nicht durch Chinolinblau. Die einzelnen Streifen des Proto- plasma erscheinen immer leicht gekrümmt in Form von flachen Bogen, welche letztere höchst eigenthümlich gelagert sind. Be- trachtet man die Grandry’schen Körperchen im Längsschnitt, so ist die eine Hälfte der Streifen mit ibrer Concavität nach einer Seite gerichtet, die andere Hälfte nach der andern, wobei die Krümmung der Bogen von der Mittellinie an sich allmählich ver- stärkt. An Querschnitten durch Grandry’sche Körperchen gelang es mir nicht die Streifung zu bemerken, wie solche Merkel und Ranvier beobachteten. In Anbetracht dessen, dass die Streifung nur bei Betrachtung der Zelle im Profil bemerkbar ist, sowie auch, dass an Quer- Ueber den Bau der Grandry’schen Körperchen. 367 sehnitten keine regelmässige Zeichnung zu erkennen ist, bin ich gezwungen anzunehmen, dass die Streifung des Protoplasma der Tastzellen sich nur auf die peripherische Zone derselben be- schränkt. Am Leichtesten ist es sich von der Streifung zu über- zeugen an Präparaten, weiche in Müller’scher Flüssigkeit eonservirt waren oder überhaupt in Lösungen von Chromsalzen; es ist jedoch unumgänglich, dass die Einwirkung der erwähnten Reagentien auf das ganz frische Organ geschah, da die Leichenmaceration vor Allem die Streifung des Protoplasma der Tastzellen vernichtet. An in Müller’scher Flüssigkeit erhärteten Präparaten der Entenzunge ist die Streifung des Protoplasma deutlich zu sehen, wenn sie in Glycerin oder dem gewöhnlichen Gemisch von Gelatine und Glycerin liegen. An Durchschnitten, die mit Alkohol, Ter- pentin und Nelkenöl bearbeitet waren und in Canadabalsam ein- geschlossen sind, ist die Streifung überhaupt nicht sichtbar, da die Körnchen, deren lineare Anordnung dieselbe bedingt, so stark aufgehellt werden, dass sie von der übrigen protoplasmatischen Masse sich nieht mehr unterscheiden lassen. Wenn sich die Streifung des Protoplasma in den Tastzellen weitaus nicht an allen Präparaten beobachten lässt, so giebt es dafür natürlich eine Menge Ursachen. Ich habe soeben auf einige Bedingungen hin- gewiesen, bei welchen die Streifung verschwindet; aber auch ab- gesehen hiervon kann sie der Beobachtung folgender Umstände wegen entgehen. Wie oben schon erwähnt, beschränkt sich die Streifung nur auf die peripherische Zone der Tastzelle. Es ist leicht erklärlich, dass dieselbe nur dann auf dem Durchschnitt des Körperchens sichtbar ist, wenn der Schnitt, der die Kapsel ab- trennte, entweder die Tastzelle selbst gar nicht berührte oder nur einen unbedeutenden Theil der Zelle an der Peripherie wegnahm; es versteht sich von selbst, dass dergleichen Schnitte sehr selten vorkommen. Aus der soeben von mir gegebenen Beschreibung der Zellen in den Grandry’schen Körperchen, sowie aus Allem dem, was die anderen Forscher über dieselben mittheilen, kann man kaum irgend welchen sicheren Schluss über den Character dieser Zellen ziehen. Vor allem Anderen könnte man annehmen, es seien Nervenzellen; für eine solehe Annahme sprechen indessen wenig Daten. Wir wissen in der That, dass Nervenzellen Körper sind, die mit Fortsätzen versehen sind, bei den Tastzellen sind hingegen 368 N. K. Kultschizky: Fortsätze nicht nachgewiesen. Es ist freilich wahr, dass wir isolirte Tastzellen nieht ohne bedeutende Beschädigungen erhalten können und daher, genau genommen, die Existenz von Fortsätzen nicht bestreiten können. Mit Bezug auf die Art der Nervenendigung jedoch muss man stark daran zweifeln, dass für die Tastzellen jemals Ausläufer nachgewiesen werden sollten. — Der Kern der Nervenzellen ist ferner höchst charakteristisch, — er ist im Ver- hältniss zur Zellenmasse gross, ist doppelt conturirt und enthält ein eharaecteristisches, zumeist excentrisch liegendes Kernkörper- chen; der Kern der Tastzellen, wie wir oben sahen, fügt sich dieser Beschreibung nicht. In den Nervenzellen sowohl wie in den Tast- zellen findet man die Streifung des Protoplasma, aber sie stellt, wie schon Merkel aussprach, in diesen beiden Zellenarten zwei ganz verschiedene Dinge dar. Zum Schluss endlich vereinigt sich die Nervenzelle unmittelbar mit der Nervenfaser, was jedoch bei den Tastzellen, wie wir später sehen werden, nicht der Fall ist. Somit giebt es keine genügende Daten dafür, um die Tast- zellen für typische Nervenzellen zu halten, es existirt aber eine andere Ansicht, die von Ranvier ausgesprochen worden ist. Dieser Forscher hält die Tastzellen für drüsige Elemente, deren Thätigkeitsproduete auf die Nervenendigung reizend wirken sollten. Einige Autoren endlich lassen sich gar nicht über den Cha- rakter der Tastzellen aus und nennen sie schlichtweg Deckzellen (Hesse). Mir scheint es, dass die Tastzellen durchaus eigenthümliche Elemente darstellen. Nach ihrer Gruppirung in einer mit Endothel ausgekleideten Kapsel ähneln sie vor Allem den Zellen der Ganglien; anderseits kann man sie als den Epithelzellen nahe stehend be- zeichnen, besonders, nachdem Merkel zwischen letzteren isolirte Tastzellen aufgefunden hat. In Bezug auf das Vorhergesagte würde man sie billiger Weise für Mischelemente ansehen können, welche eine Mittelstellung zwischen Epithel- und Nervenzellen ein- nehmen und könnte sie als „Neuroepithelzellen“ bezeichnen. Was die physiologische Bedeutung der Tastzellen betrifft, so lässt sich daran denken, dass: 1) die Tastzellen der Nervenscheibe einen Schutz gewähren, 2) da dieselbe die Nervenscheibe von allen Seiten umgeben, so liegt diese letztere in einem Medium, dessen physicalisch-chemischen Eigenschaften in hohem Grade constant bleiben. \ Ueber den Bau der Grandry’schen Körperchen. 369 Ausser den Tastzellen finden sich in den Grandry’schen Körperehen noch andere Elemente vor, die bis jetzt noch nicht beschrieben worden sind. Sie liegen immer zwischen Kapsel und der nächstliegenden Tastzelle. Ich will diese Zellen „wandstän- dige“ wennen. Jede wandständige Zelle erscheint an dem Sehnitte halbmondförmig und liegt ein kleiner Kern im Centrum des Halb- monds (Fig. 6, 7). Das Protoplasma der wandständigen Zellen unterscheidet sich durch seine Eigenschaften deutlich von dem Protoplasma der Tastzellen — es ist grobkörnig, zeigt keine Strei- fung, färbt sieh weit intensiver durch Osmiumsäure, und ziemlich gut durch Chinolinblau. Durch Pikrocarmin färbt sich das Proto- plasma der wandständigen Zellen gelblich, der Kern aber intensiv roth. Wenn .das Präparat nach Färbung mit Pikrocarmin mit Wasser ausgewaschen wird, so verschwindet das Pikrocarmin aus den Tastzellen, in welchen nur der Kern gefärbt (schwach roth) bleibt, die wandständigen Zellen behalten die Färbung bei. Dabei nimmt das Grandry’sche Körperchen ein äussserst charakteristi- sches Ansehen an. Bisweilen finden sich solcher wandständigen Zellen im Körperchen zwei vor, wobei sie zumeist an den Polen desselben liegen. Die wandständigen Zellen sind gut zu sehen an Präparaten aus Müller’scher Flüssigkeit, am allerbesten jedoch mit Hülfe der folgenden Methode: Stückchen der Zungenschleimhaut werden 18—24 Stunden in schwacher Salpetersäure (1/o °/,) macerirt, alsdann in eine Lösung von Osmiumsäure (!/o°/) gebracht. Nach Verlauf eines Tages erhärten die Präparate so bedeutend, dass man schon sehr dünne Schnitte machen kann, die nun nach Wunsch des Untersuchenden mit irgend einem Farbstoff behandelt werden; nach meinen Beobachtungen giebt Pikrocarmin die besten Resultate. Der Kern der wandständigen Zellen unterscheidet sich be- deutend vom Kern der Tastzellen. Er ist kleiner, hat keinen doppelten Contur und erscheint in Form eines compaecten Häuf- chens von länglicher Gestalt; gewöhnlich fällt die lange Axe mit dem längsten Durchmesser der wandständigen Zelle zusammen. Es versteht sich von selbst, dass die Gestalt der wandständigen Zellen und ihr Verhältniss zu den Tastzellen nicht ganz gleich sein werden, je nachdem der Schnitt das Tastkörperchen getroffen. Die wandständige Zelle kann vollständig weggeschnitten sein, wo- durch sich die Abwesenheit der wandständigen Zellen an vielen Archiv f, mikrosk. Anatomie. Bd. 23. 24 370 N. K. Kultschizky: Präparaten erklärt. Jedoch, wenn auch die wandständige Zelle in das Präparat fiel, so kann sie sich verschieden darstellen — entweder in Form eines Halbmonds, wenn der Schnitt durch ihren centralen Theil ging, in welchem Falle auch gewöhnlich der Kern sichtbar zu sein pflegt — oder in Form eines mehr oder weniger breiten Bandes, gewöhnlich ohne Kern, wenn der Schnitt nur ihren peripherischen Theil traf. Welche Bedeutung die eben beschriebenen Elemente haben, ist mir nicht gelungen zu erklären. Die Mehrzahl der Autoren giebt zu, dass die Tastzellen von einander getrennt werden durch lamellöse Zwischenwände, die von der Kapsel abgehen. Diese Zwischenwände werden unterbrochen durch eine Oeffnung, an dem Orte wo die Nervenscheibe sich be- findet. Jedoch beschreiben die Autoren nicht genau, welche Bestand- theile der Kapsel an der Bildung dieser ringförmigen Zwischenwände, wenn man so sich ausdrücken darf, Theil nehmen. Nur Ranvier sagt, dass sich zwischen den Tastzellen Endothelzellen finden, wie diejenigen, welche die innere Fläche der Kapsel auskleiden. Meine Beobachtungen haben mir gezeigt, dass zwischen den Tastzellen gar keine Scheidewände existiren. In der That, wenn der Schnitt das Körperchen richtig getroffen hat, d. h. wenn wir die Grenze zwischen zwei Tastzellen deutlich erkennen, so findet sich zwischen ihnen Nichts als Kittsubstanz vor. Ich kann mir wenigstens nicht vorstellen, dass ein Ausläufer der Kapsel, der aus Endothel und Bindegewebe oder auch nur aus Endothel allein (nach Ranvier) bestehen soll, von so geringer Ausdehnung wäre, dass man ihn nicht sehen könnte, z. B. mit Hülfe des Systems 9 von Hartnack. Hier ist es am Ort vorläufig darauf hinzuweisen, dass die Tastzellen an den zur Kapsel gewendeten Flächen sich abgerundet erweisen: es versteht sich, dass von der Stelle an, wo die Ränder der Zellen sich abzurunden beginnen, diese sich nicht mehr berühren und einen freien Zwischenraum zwischen sich lassen. Wenn die innere Kapselfläche vollkommen eben wäre, würde sich dieser Zwischenraum in Form eines freien Ganges zeigen, der auf dem Durchschnitte eine ungefähr dreieckige Form hätte und wie ein Gürtel das Körperchen umfasste. Das ist aber in der That nicht so; der freie Raum, der von der Zelle übrig gelassen worden, wird durch einen Vorsprung der Kapsel, in den die inneren Lagen der Kapsel eingehen, ausgefüllt. Es kann sein, Ueber deu Bau der Grandry’schen Körperchen. 371 dass dieser Vorsprung nicht nur den freien Raum einnimmt, wel- cher von den Tastzellen übrig gelassen ist, sondern sich auch in Form einer dünnen Lamelle, wenn auch auf geringe Distanz, zwischen die Zellen hineinzieht. Ich leugne es nicht, halte es sogar für vollkommen wahrscheinlich. Es ist aber begreiflich, dass ein solch kleiner Vorsprung zwischen den Zellen nicht schon eine Scheidewand vorstellen kann und dass folglich die Zellen an dem grössten Theile ihrer Breitseiten nur durch Kittsubstanz ge- sondert sind; natürlich mit Ausschluss des Orts, der von der Nerven- scheibe eingenommen wird. An jedes Grandry’sche Körperschen tritt nur eine markhaltige Nervenfaser, so wenigstens erklären übereinstimmend alle Forscher, die den Bau dieser Körperchen untersuchten und gewiss trifft das für die weitaus überwiegende Mehrzahl der Fälle zu. Es gelang mir jedoch ein Präparat zu beobachten, wo zu einem dabei ver- hältnissmässig nicht grossen Körperchen zwei Nervenfasern traten (Fig. 8); übrigens ist das ein äusserst seltenes Vorkommniss — in der ganzen Zeit meiner Untersuchungen ist es mir nur ein Mal begegnet. Von vielen Forschern (Ranvier, Hesse, Carriere) ist fest- gestellt, dass die sogenannte Henle’sche Scheide der Nervenfaser unmittelbar in die Kapsel des Grandry’schen Körperchens über- geht, was auch meine Beobachtungen vollkommen bestätigen. Was nun das Verhalten der Markscheide des Nerven zum Grandry’schen Körperehen betrifft, so kamen die Untersucher in dieser Frage nicht zu gleichen Resultaten. So nehmen Merkel und Ranvier an, dass die Marksubstanz an der Eintrittstelle der Nervenfaser in die Kapsel aufhört. Hesse und Carriere meinen, dass die Marksubstanz auch innerhalb der Kapsel des Körperchens sich fortsetze. Carriere nennt ein Präparat, an welchem der Nerv in das Grandry’sche Körperchen mit Marksubstanz und allen seinen Scheiden tritt. Meine Untersuchungen in Bezug auf die Marksubstanz geben mir das Recht zum Schluss, dass dieselbe wirklich in die Kapsel tritt und oft ununterbrochen bis zur sogenannten Tastscheibe (disque tactil Ranvier) reicht. Uebrigens ist es nicht so leicht, als man erwarten könnte, zu entscheiden, bis zu welcher Stelle die Marksubstanz der Nervenfaser geht. In der That bricht einmal die Marksubstanz plötzlich ab, dem Anschein nach im Niveau einer 372 N. K. Kultschizky: ringförmigen Einschnürung, ein anderes Mal verschwindet die Marksubstanz ganz allmählich, so dass man den Ort, wo sie auf- hört, unmöglich bestimmen kann. Dass aber die Marksubstanz wirklich ins Innere der Kapsel tritt, kann man gut an Körperchen sehen, die mehr oder weniger der Leichenveränderung ausgesetzt waren. Wenn in diesem Falle das Präparat mit Osmiumsäure behandelt wurde, so sieht man zwischen den Tastzellen Massen von veränderter Marksubstanz. Sie haben gewöhnlich eine rund- liche oder etwas abgeplattete Form und liegen in Grübchen, die von ihnen an den anliegenden Tastzellen hervorgebracht wurden. Bisweilen sind diese Grübchen nicht vollkommen von der verän- derten Marksubstanz des Nerven ausgefüllt, was augenscheinlich von später eintretender Schrumpfung bei der Einwirkung von ‘ Osmiumsäure herrührt. Hesse meint daher wohl mit Unrecht, dass hier normale Höhlungen vorliegen, in welchen die Nerven- faser von Lymphe umspült werde. Wir haben es augenscheinlich mit einem Kunstproduct zu thun, da wir an Durchsechnitten aus der völlig frischen Zunge, die mit Osmiumsäure behandelt worden war, niemals, weder Höhlungen zwischen den Tastzellen, noch kuglige Massen von verändertem Myelin in den Grandry’schen Körperchen antreffen. Nach Verschwinden der Marksubstanz dringt die Nervenfaser weiter in das Innere der Kapsel. Ihr Axeneylinder geht eine Strecke weit zwischen Kapsel und Randoberfläche der Tastzellen, darauf zwischen die sich berührenden Flächen der letzteren und erweitert sich hier zu einer Scheibe, welche wir Nervenscheibe nennen wollen. Der Nerv durehbohrt die Kapsel nicht immer an derselben Stelle. Nicht jede Scheibe wird von einem gesonderten Nerven- faserzweig versorgt. Oefters — und man kann dies für das Ge- wöhnliche halten — vereinigt sich die Nervenfaser nur mit einer Nervenscheibe, erst die Scheiben, so viel ihrer auch sein mögen, vereinigen sich untereinander mittelst Anastomosen. Dem Anschein nach bestehen diese letzteren aus derselben Substanz wie die Nervenscheiben, mit dem Unterschied jedoch, dass man in ihnen niemals die bekannte Körnelung bemerkt, welche unter gewissen Bedingungen an den Nervenscheiben sichtbar zu sein pflegt. Der Form nach pflegen die Anastomosen bald schmal wie Fasern, bald etwas breiter bandartig zu sein (Fig. 9, 10). Hierbei lässt sich Ueber den Bau der Grandry’schen Körperchen. 373 an den bandartigen Anastomosen beobachten, dass die Mitte der- selben verengt ist, die Enden aber, welche sieh mit der Scheibe verbinden, verbreitert sind, so dass man den Eindruck erhält, als ob Ausläufer zweier Scheiben sich mit ihren zugespitzten Enden mit einander vereinigten. Genau die Zahl der Anastomosen zu bestimmen ist recht schwierig. Auf Grundlage von Sehrägschnitten durch das Körperchen kann man behaupten, dass zwischen den Nervenscheiben mehr als eine Anastomose vorhanden sein kann. Zumeist gehen die Anastomosen von der Nervenscheibe an der dem Uebergange des Axencylinders in dieselbe entgegengesetzten Seite ab. Wie früher schon erwähnt worden, sagt Ranvier, der zuerst die Anastomosen zwischen den Nervenscheiben beobachtet hat, dass der Axeneylinder nach der Verbreitung zur Scheibe sich wieder herstellt und zum nächstfolgenden Zellenzwischenraum ver- läuft. Von einer Wiederherstellung des Axeneylinders kann hier wohl nicht die Rede sein, weil die Anastomosen zwischen den Nervenscheiben nicht selten sich in Form von mehr oder weniger breiten Bändern darstellen. Die Nervenscheibe hat keine streng bestimmte Form, — sie wird vielmehr bedingt durch die Anordnung der Tastzellen, durch deren Anzahl, ebenso auch durch die Art und Weise der Ver- einigung der Scheiben untereinander. Der Einfluss der Anordnung der Zellen auf die Form der Scheiben lässt sich leicht beobachten. So ist z. B. in Fig. 4 ein Grandry’sches Körperchen dargestellt, in welehem eine Tastzelle sich zwischen zwei andere einschiebt; in diesem Falle wird die Nervenscheibe gewöhnlich in zwei Theile getrennt, die an den Seiten dieser keilförmigen Zelle sich hinauf- ziehen. Der Einfluss der Zahl der Tastzellen ist weniger auf- fällig. Mir ist es jedoch immer gelungen zu beobachten, dass in den Körperchen, welche aus einer bedeutenden Zahl von Zellen (5—6) bestehen, die Scheiben sich sehr dünn erwiesen. Bei den am meisten typischen Grandry’schen Körperehen zeigt sich die Nervenscheibe an der Anheftungsstelle der Nervenfaser verschmä- lert und verdünnt, auf der entgegengesetzten Seite pflegt die Scheibe verdiekt zu sein. In dem Falle, dass von dieser Scheibe eine Anastomose zu einer zweiten Scheibe geht, ist auch an der Abgangsstelle dieser die Scheibe verengt. An einem senkrecht zur Dicke der Scheibe geführten Schnitte hat die Scheibe zumeist eine 374 N. K. Kultschizky: laneettenförmige Gestalt; selten ereignet es sich, dass sie mit ver- diektem Rande endigt. Was die Lage der Scheiben zwischen den Tastzellen anbe- trifft, so nehmen sie gewöhnlich den mittleren Theil der sich be- rührenden Flächen der letzteren ein; selten liegt eine Scheibe im peripherischen Theil des Zellenzwischenraums. Nach meinen Be- obachtungen liegt die Scheibe immer zwischen Zellen und nie- mals kommt es vor, dass die Scheibe zwischen Tastzelle und Kapsel liegt, wie solches Axel Key und Retzius behaupten. Nach Ranvier wird die Zahl der Scheiben durch die Formel a—=b-]1, in welcher a die Zahl der Scheiben, 5 die Zahl der Tastzellen bedeutet, ausgedrückt. Man muss indessen hinzufügen, dass diese Formel nur für jene Grandry’schen Körperchen richtig ist, in welchen die Tastzellen eine auf der andern liegen; lagern sich aber die letzteren in mehr oder weniger unregelmässige Gruppen, so ist die Ranvier'sche Formel nicht zutreffend. Da nach meinen Beobachtungen sich Nervenscheiben auch zwischen wand- ständigen und Tastzellen vorfinden, so muss 5b der Ranvier’schen Formel nicht allein die Zahl der Tastzellen, sondern die Summe wandständiger und Tastzellen bedeuten. Ueber die Struetur der Nervenscheibe lässt sich sehr wenig aussagen. Hält man die Nervenscheibe für eine Fortsetzung des Axeneylinders, so muss man auch für ihre Structur jene Theile in Anspruch nehmen, aus denen der letztere besteht. Viele Forscher, wie bekannt, nehmen an, dass der Axencylinder aus feinsten Nervenfäserchen bestehe; diese Lehre überträgt Merkel auf die Nervenscheibe, auch Ranvier ist augenscheinlich dieser Meinung zugethan. Er sagt wenigstens, dass wenn die Nervenscheibe senk- recht zur Riehtung ihrer Nervenfaser durchschnitten worden sei, so bemerke man an derselben eine Körnelung, welche von dem Durchsehnitte der Fäserchen des Axencylinders bedingt wird. Am Durchsehnitte der Nervenscheibe kann man zwei Schich- ten unterscheiden, worauf Hesse und Izquierdo hinweisen, — eine äussere structurlose und eine innere körnige (nach Izquierdo protoplasmatische). An Präparaten aus Müller’scher Flüssigkeit unterscheiden sich diese zwei Lagen ziemlich scharf. In Bezug auf die äussere Schicht kann man annehmen, dass dieselbe eine unmittelbare Fortsetzung der sogenannten Mauthner’schen Scheide des Axeneylinders sei. Bei Beschreibung der körnigen Schichte Ueber den Bau der Grandry’schen Körperchen. 375 muss ich ein wenig länger verweilen, da meine Beobachtungen mit denen anderer Forscher nicht ganz übereinstimmen, nament- lich mit denen Ranvier's. Dieser Untersucher behauptet, dass nach Durchschnitten der Nervenscheibe, die perpendiculär zum Endtheile des Axeneylinders gehen, die Fäserchen derselben sich in Form von Körnchen darstellen, somit also im Querschnitt. Nach meinen Beobachtungen ist an Durehschnitten der Schei- ben, selbst beim Uebergange des Axeneylinders in dieselben, nur ein Theil der Fäserchen des Axeneylinders quer durchsehnitten, der übrige Theil mehr oder weniger schief, wie das Fig. 11 zeigt. An andern Schnitten, an denen man nicht genau die Richtung des Schnittes zum Axeneylinder bestimmen konnte, zeigt sich auch, dass ein Theil der Fäserchen desselben quer durchschnitten war, ein anderer grösserer aber schief (Fig. 12). Ein ähnliches Bild bieten auch schiefe optische Durchschnitte der Scheiben. Es folgt daraus, dass die Fäserchen des Axencylinders in den Scheiben in verschiedenen Richtungen verlaufen. Die Frage über die Art und Weise, in welcher die Nerven- scheibe aus dem Axencylinder hervorgeht, kann gegenwärtig nicht entschieden werden. Hier sind, nach meiner Ansicht, drei An- nahmen möglich — entweder bildet sieh die Scheibe in Folge einer Vermehrung der Zahl der Fäserchen des Axeneylinders, in- dem sich letztere theilen, oder die Scheibe entsteht durch gewun- dene Anordnung ohne Vermehrung der Zahl der Fäserchen, oder endlich es findet beides zugleich statt. Es war schon früher angeführt worden, dass ikaden einen unmittelbaren Uebergang der Fäserchen des Axenceylinders in das Protoplasma der Tastzellen annimmt. Er behauptet, dass ein sol- cher Uebergang leicht an Schiefschnitten der Grandry’schen Kör- perchen zu sehen sei. Ich muss jedoch hierzu bemerken, dass man gerade bei Präparaten dieser Art besonders vorsichtig sein muss, da hier viele Umstände den Untersucher irre führen können. Es kommt nicht selten vor, dass man bei Schiefsehnitten durch Grandry’sche Körperehen beobachtet, dass der Theil der Nerven- scheibe, welcher von der über ihr liegenden Tastzelle bedeckt ist, in einiger Ausdehnung seinen Contur verliert, wodurch der Ein- druck hervorgebracht wird, als ob die Nervenscheibe mit dem Protoplasma der Tastzelle verschmilzt. Aufmerksames Untersuchen namentlich von mit Osmiumsäure gefärbten Präparaten zeigt in- 376 N. K. Kultschizky: dessen, dass dieses Verschmelzen nur ein scheinbares ist und dass zwischen beiden Gebilden eine Grenzlinie existirt. Die Schwann’- sche Scheide umgiebt, wie bekannt, genau die Marksubstanz und setzt sich nach Aufhören der letzteren auf den Axeneylinder fort, wie man das an den Endverzweigungen der motorischen Nerven quergestreifter Muskeln sehen kann. In Bezug auf die Grandry’- schen Körperchen nehmen einige Forscher an, dass die Schwann’sche Scheide auf den Axencylinder, der schon innerhalb der Kapsel sich befindet, übergeht. In der That kann man an vielen Präpa- raten, besonders an Querschnitten durch Grandry’sche Körperchen, sehen, dass der Axeneylinder wie in einem Röhrchen liegt, dessen Lumen er bisweilen nicht vollkommen ausfüllt. Dieses Röhrchen muss man für die Schwann’sche Scheide halten, aber nicht für eine Membran, die den Axencylinder bekleidet, aus dem Grunde, weil keine Beobachtungen existiren, welche auf. die Möglichkeit hindeuteten, dass eine solche Membran sich von der Substanz des Axeneylinders auf eine mehr oder weniger bedeutende Strecke abheben könnte. An welcher Stelle jedoch die Schwann’sche Scheide aufhört — diese Frage ist bis jetzt noch nicht vollkommen beantwortet. Ranvier und Carriere behaupten, dass sie nicht nur auf den Axencylinder, sondern auch auf die Nervenscheibe übergehe. Einige von meinen Präparaten sprechen anscheinend zu Gunsten dieser Meinung. Es giebt indessen Facta, die gegen die Annahme von Ranvier und Carriere sprechen. Sind die Nervenscheiben mit der Schwann’schen Membran bekleidet, so müssten es auch die Anastomosen zwischen ihnen sein, und dies scheint nicht der Fall zu sein. Nach meinen Beobachtungen wenigstens giebt es keine Kennzeichen irgend welcher membra- nösen Hülle an den Anastomosen zwischen den Nervenscheiben, es bleibt somit die Frage über das Schicksal der Schwann’schen Scheide noch ungelöst. IM. Einige Forscher (lHlesse) beschäftigen sich mit der Frage — sind die Grandry’schen Körperchen Tastorgane oder nicht, und bejahen diese Frage; es seheint mir indessen, dass es in dieser Beziehung gar keinen Grund zum Zweifel giebt. Mir scheint weitaus wichtiger und interessanter die andere Frage, was näm- Ueber den Bau der Grandry’schen Körperchen. 377 lich ein Grandry’sches Körperchen, vom anatomischen Standpunkte betrachtet, ist, ob es eine vollständig ausgebildete Form ist, oder nur eine niedere Stufe einer anderwärts höher differenzirten Form darstellt. Merkel!) giebt an, dass man in der Haut des Menschen Tastzellen antreffe zu zwei beisammenliegend (Zwillingstastzellen), aber auch in Form von kleinen Gruppen, zu welchen eine mark- haltige Nervenfaser verläuft und auf besondere Art endigt. Die kleinen Gruppen von Zellen stellen nach ihm einen Uebergang zu den Tastkörperchen (Meissner’schen Körperchen) dar. Isolirte Tastzellen und Gruppen von ihnen habe ich in der Entenzunge ebenfalls gesehen. Schon früher ist erwähnt worden, dass die Resultate meiner Untersuchungen, wenn auch nicht vollständig, die Beschreibung, welche Merkel gegeben, bestätigen. Ich fand ebenso, wie dieser Forscher, in der Entenzunge sowohl isolirt liegende Tastzellen, als auch eine ganze Reihe von Gebilden, welche man mit vollem Recht für Uebergangsformen von Tastzellen zu vollständig ausgebildeten Grandry’schen Körperchen halten kann. Diese Beobachtungen stellen ein äusserst wichtiges Faetum sicher, dass nämlich die Grandry’schen und Meissner’'schen Körperchen sich aus denselben Zellenelementen formiren (Tastzellen Merkel’s). Vergleicht man aber jene beiden Gebilde, so sieht man, dass sie sich in ihrem Bau sehr wesentlich von einander unterscheiden. Es weist das nun freilich darauf hin, dass die Ausbildung der Grandry’schen Körperchen auf andere Weise vor sieh geht, als die Ausbildung der Meissner'schen Körperchen. Wenn man noch folgenden Um- stand dabei in Betracht zieht, dass die Grandry’schen Körperchen in ihrer typischen Form sich nur bei einer Art Thhiere [den Wasser- vögeln?)| vorfindet, so kommt man, glaube ich, ohne grosses Schwanken zu folgendem Schluss: Die Grandry’schen Kör- perchen stellen für sich eine vollkommen ausgebildete anatomische Form von Nervenendigungen dar, welehen aller Wahrscheinlichkeit nach auch eine besondere 1) Merkel, Ueber die Endigungen der sensibelen Nerven in der Haut der Wirbelthiere. Rostock 1880. S. 136. 2) Bei der Ente finden sich Grandry’sche Körperchen in der Wachs- haut, in den verhornten Papillen am Schnabelrand, im Gaumen und in der Zunge. 378 N. K. Kultschizky: (versteht sich bis zu einem gewissen Grade) physio- logische Function innewohnt. Als recht gutes Reagens erweist sich zur Färbung der Nerven- scheibe Chinolinblau; sie färbt dieselbe schön blau. Eine be- sonders schöne Färbung erbält man durch Doppelfärbung mit Chinolinblau und Eosin, wobei sich die Nervenscheibe intensiv dunkelblau, ja fast schwarz färbt. Als nicht zu ersetzende Reagentien bei Untersuchung des Nerven und der Nervenscheibe erweisen sich natürlich Chlorgold und Osmiumsäure, doch ist Chlorgold weniger bequem als Osmium- säure. Es ist das schon deshalb verständlich, weil Chlorgold so- wohl Nerv und Nervenscheibe, als auch die Tastzellen mit der- selben Farbe tingirt, wenn auch die letzteren bedeutend schwächer. Hierbei tritt noch folgender Umstand ein, dass, je stärker die Färbung des Nerven ist, auch die Tastzellen sich stärker färben. Osmiumsäure dagegen, namentlich bei der von mir gebrauchten Methode, färbt das Protoplasma der Tastzellen überhaupt sehr schwach (grauliche Farbe), ohne Rücksicht auf schwache oder starke Färbung der Nerven. In Folge dieses Umstandes erhält man eine sehr deutliche Unterscheidung der nervösen Elemente der Grandry’schen Körperchen von den Tastzellen. Ich halte es nicht für überflüssig zu bemerken, dass sich Osmiumpräparate weit länger erhalten, als Präparate, die mit Chlorgold bearbeitet waren. Die Art der Behandlung der Präparate mit Osmiumsäure, deren ich mich bei meinen Beobachtungen bediente, besteht in Folgendem: Kleine Stücke des zu untersuchenden Objects werden auf 3—4 Stunden in Ameisensäure (1/,—Ys/,) gelegt, alsdann leicht mit Wasser ausgespült und endlich auf 18—24 Stunden in Osmiumsäure (1/,,°/,) gethan. Die besten Resultate erhält man in dem Faile, dass die Lösung von Osmiumsäure das 15—20fache des Volumens vom Präparate ausmacht. Lagen die Präparate 24 Stun- den in 1/,,°/, Osmiumsäure, so wurden sie soweit gehärtet, dass man von ihnen feine Schnitte machen konnte. Will man für später die Präparate in Spiritus aufbewahren, so muss man sie vorläufig auf 24 Stunden durch Wasser ausziehen. Später nahm ich anstatt Ameisensäure Salpetersäure von 1 auf 1000 und behandelte Stücke der Zunge mit dieser Lösung 24 Stunden, legte sie alsdann in Osmiumsäure (1/o°/o) und ver- fuhr wie oben beschrieben. Diese Methode erwies sich in einigen Ueber den Bau der Grandry’schen Körperchen. 379 Beziehungen weitaus besser; die Reduction der Osmiumsäure ging ausserordentlich langsam vor sich, so dass man auf jeder beliebigen Stufe von Färbung des Nerven anhalten konnte. Färbung der andern Elemente, ausser der nervösen, tritt fast gar nicht ein, selbst nicht bei anhaltender Behandlung mit Osmiumsäure (48—72 Stunden). Diese eben beschriebene Methode erwies sich als so bequem, dass ich meine Untersuchungen fast ausschliesslich mit ihrer Hülfe anstellte. Meine Untersuchungen wurden im histiologischen Institut der Universität zu Charkoff unter Anleitung von Professor K. 8. Kutschin ausgeführt. Ich halte es für meine Pflicht, meinem verehrten Lehrer für seine Rathschläge tiefgefühlten Dank auszu- drücken. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XVIN. . Fig. 1. Grandry’sches Körperchen aus der Entenzunge. a Endothelzellen, die innere Kapselfläche bekleidend. Osmiumsäure. Hartnack Syst.9, Oeul. 3. Fig. 2, 5. a Gruppen von Tastzellen, den Uebergang von isolirten Zellen zu Grandry’schen Körperchen darstellend. Osmiumsäure. Hartn. Syst. 9, Ocul. 3. Fig. 4. Grandry’sches Körperchen aus der Entenzunge. a Tastzelle, sich keilförmig einschiebend zwischen zwei andere Tastzellen. Osmium- säure. Kartn. Syst. 9, Ocul. 3. Fig. 5. Grandry’sches Körperchen aus der Entenzunge. Tastzellen in zwei Säulen geschichtet; die linke Säule besteht aus drei, die rechte aus zwei Tastzellen. Müller’sche Flüssigkeit. Hartn. Syst. 9, Ocul. 3. Fig. 6. Grandry’sches Körperchen aus der Entenzunge. a Tastzellen, b wand- ständige Zellen, ce Nervenscheibe. Osmiumsäure. Hartn. Syst. 9, Oc. 3. Fig. 7. Grandry’sches Körperchen aus der Entenzunge. a Tastzelle, b wand- ständige Zelle. Osmiumsäure. Hartn. Syst. 9, Ocul. 3. Fig. 8. Grandry’sches Körperchen aus der Entenzunge. a Nervenfaser, b Nervenscheibe. Osmiumsäure. Hartn. Syst. 9, Ocul. 3. Fig. 9, 10. Grandry’sche Körperchen aus der Entenzunge. a Anastomosen zwischen Nervenscheiben. Osmiumsäure. Hartn. Syst. 9, Ocul. 3. Fig. 11, 12. Grandry’sche Körperchen aus der Entenzunge. a Nervenscheiben. ÖOsmiumsäure. Hartn. Syst. 12, Ocul. 3. 380 A. Gruenhagen: Ueber ein Endothelial-Element der Nervenprimitiv- » Fig. 1. Ze scheide. Von A. Gruenhagen. Hierzu 1 Holzschnitt. Bei der Untersuchung markhaltiger Nerven- fasern des Frosches bin ich auf ein Verhalten aufmerksam geworden, welches meines Wissens bisher nirgend beschrieben worden ist, jedenfalls aber Bedeutung besitzt für die Histiogenese der Nervenprimitivscheide Es lässt sich nämlich unschwer der Nachweis liefern, dass um jeden Kern der Schwann’schen Scheide ein unregel- mässiges Segment der letzteren durch Silber- behandlung abgegrenzt werden kann, welches zum Kern in dem Verhältniss einer Endothel- platte zu stehen scheint. Um beweiskräftige Präparate von dem Aus- sehen der beigefügten Abbildung (Fig. 1) zu er- halten, ist folgendes Verfahren das zweckmäs- sigste. Man zerfasert ein Stück des Frosch- ischiadieus ohne jeden Flüssigkeitszusatz auf dem Objectträger, übergiesst die dünne Lage isolirter Nervenfasern mit einigen Tropfen Y/, %, Höllensteinlösung, spült diese nach Ablauf von ungefähr 2—3 Min. mit destillirttem Wasser sorg- fältig ab, entwässert durch tropfenweise Zufuhr von Aleohol absolut. und bedeckt alsdann das Präparat mit einer concentrirten Lösung von Haematoxylin. Schliesslich, nachdem man die Tinetionsflüssigkeit, welehe ungefähr 1/, Stde. einwirken muss, wiederum durch Abspülen mit Ueber ein Endothelial-Element der Nervenprimitivscheide. 381 destillirtem Wasser entfernt, und nachdem man abermals durch Alcohol absol. entwässert hat, wird das Präparat durch Nelkenöl aufgehellt und zur gänzlichen Vollendung der Silberreduction auf kurze Zeit der Einwirkung hellen Sonnenlichts ausgesetzt. Die gut isolirten Nervenprimitivfasern lassen dann regelmässig wahr- nehmen: 1) eine charakteristische Auftreibung der Nervenprimitiv- scheide an der kerntragenden Stelle (Fig. 1a), 2) den blau gefärbten, häufig mit gezähneltem Randeontour versehenen Achsenecylinder (Fig. lc) und 3) im Umkreise des Kernes (Fig. Ik) die feine schmale Silberlinie (Fig. 1b) des zu ihm gehörigen Endothelsegments der Schwann’schen Scheide. Schliesslich will ich noch auf einen Punkt aufmerksam machen. Der in Vorstehendem mitgetheilte Befund wird sicherlich verschie- dene Auffassungen erfahren und namentlich auch dahin zu deuten versucht werden, dass die von mir beschriebene Silberlinie die periphere Abgrenzung des den Kern der Schwann’schen Scheide umhüllenden Protoplasmamantels darstelle. Ich. möchte dagegen von vorneherein geltend machen, dass diese Anschauung meines Erachtens nicht im Stande sein dürfte, die Erscheinung einer Silberlinie zu erklären. Vorausgesetzt dass letztere, wie überall so auch hier, die Anwesenheit einer Kittsubstanz anzeigt, wäre schwer erfindlich, mit welchem Theile der Nervenfaser gerade nur der Umfang der platten Sohlenebene des Protoplasmas verkittet sein sollte. Endlich spricht aber für die endotheliale Natur des Kernfeldes der mir nachträglich gelungene Nachweis feiner Silber- linien auch in den kernlosen Abschnitten der Schwann’schen Scheide. Letztere würde hiernach einen ähnlichen Bau wie die Blutcapillaren besitzen. 382 P. Schiefferdecker: Zur Kenntniss des Baues der Schleimdrüsen. Von Dr. P. Schiefferdecker, Proseetor und Docent zu Göttingen. Hierzu Tafel XIX u. XX. I. Einzellige Schleimdrüsen in der Blase der Amphibien. a. Blasenepithel. Die nachstehenden Untersuchungen wurden ausgeführt an der Blase von Rana esceulenta und Bufo vulgaris. Die Blase, dieser Thiere besitzt ein Uebergangsepithel ganz ähnlich dem der höheren Thiere. Wiedersheim in seiner Anatomie des Frosches giebt an, dass die Blase ein ‚gemischtes Epithel“ besitze, ein Ausdruck, der wohl dasselbe bedeutet. In wie viel Reihen die Zellen dieses Epithels übereinander liegen, ist nicht ganz leicht zu sagen, doch sind es deren wohl drei bis vier. Die Form der Zellen ist je nach dem Füllungszustande der Blase wesentlich verschieden. Bei isolirten Zellen, welche von einer ganz eontrahirten Blase stammen, findet man die bekannten ceonischen, eylindrischen, spindel- und keulenförmigen, mehr oder weniger platten Zellen wie sie dem Uebergangsepithel der höheren Thiere zukommen. Die platten am oberflächliehsten gelegenen Zellen sind indess nicht wirklich platt, wenn man sie im Profil sieht, sondern besitzen eine mehr oder weniger flache Kuppel, und da sie nach unten stets mehr oder weniger lange, oft sehr lange Fortsätze in die Schicht der keulenförmigen Zellen senden, so erscheinen sie einigermaassen ähnlich den kleinen Nägeln, welche von den Tapezierern bei Polstermöbeln verwandt werden. Demgemäss ist auch ein Quer- schnitt einer eontrahirten Blase an der äussersten Epithelgrenze nicht durch eine gerade, sondern durch eine leicht gewellte Linie begrenzt. Sehr häufig bemerkt man an den Zeilen scharfe Linien, welche über den Zellkörper mehr oder weniger weit hinlaufen, der Ausdruck von Druckkanten entstanden durch die benachbarten Zellen. Dieselbe Ursache haben natürlich die mannigfachen Ver- Zur Kenntniss des Baues der Schleimdrüsen. 383 tiefungen und Aushöhlungen, welche überall an den Zellkörpern sich vorfinden und dieselben bisweilen ausserordentlich stark ver- dünnen können. Die Zellen sind eben in ihre respeetiven Lagen hineingewachsen und jede hat sich den Raum, den sie einnimmt, auf Kosten der anderen erobert. Man bemerkt in sämmtlichen Zellen einen gut begrenzten deutlichen Kern von bedeutender Grösse mit gewöhnlich einem Kernkörperchen. Der Kern ist meist oval und liegt bei den Zellen einer contrahirten Blase mit seiner längsten Achse senkrecht zur Blasenoberfläche. Derselbe ist deut- lieh granulirt, doch zeigt sich sein Inhalt bei der Behandlung des frischen Präparats mit Müller’scher Flüssigkeit zwecks Isolirung der Zellen auch oft von der Umgrenzung zurückgezogen. Der Zell- körper ist mittelstark granulirt, dichter als der Kern. Fig. Ia und und Fig. IIa werden genügen, um das eben Gesagte zu illustriren. Von der Fläche gesehen erscheint das Epithel natürlich als ein Mosaik vielkantiger Zellen. Je mehr man die Blase ausdehnt, um so dünner wird die Schicht des Epithels und um so mehr nehmen die einzelnen Zellen auf dem Querschnitt die Gestalt von Spindeln an. Die Kerne sind auch jetzt oval oder elliptisch, doch liegt nun die längste Achse parallel der Blasenoberfläche, ausserdem überwiegt dieselbe jetzt mehr über die kurze wie vorher, so dass die Kerne auf einem Querschnitt der Blase oft fast spindelförmig erscheinen. Von der Fläche gesehen ist die Formveränderung nicht so bedeutend, die Kerne sind also wohl bei der Ausdehnung der Blase aus einer an- nähernd kurzen Eiform in eine annähernde Linsenform überge- gangen. Die Kerne haben sich also bei der Ausdehnung der Zelle nicht etwa gedreht, sondern sind gedehnt worden (Fig. Ha und IIb). Demzufolge erscheinen sie dann bei dieser Flächenansicht einer ausgedehnten Blase auch etwas grösser als bei der einer contrahirten. Wie weit man durch Ausdehnung der Blase diese Veränderungen treiben kann, habe ich nicht weiter ausprobirt, da nach den genauen Untersuchungen von London an der Blase von Hunden dies nicht mehr nöthig erschien, und die von mir ge- machten Beobachtungen mit den seinigen recht gut stimmten. Nur gegen den Schlussatz der London’schen Arbeit möchte ich einige Bedenken erheben. London sagt dort!) nämlich folgendes: „Wie in .,„ 1) Arch. f. Anat. u. Physiol. 1881. Physiol. Abthlg. p. 330. 384 P. Schiefferdecker: einer elastischen Membran, welche durch einen Druck gedehnt wird, rücken in dem Blasenepithel bei der Ausdehnung die einzelnen Theile auseinander, behalten aber ihren Zusammenhang und ihre relative Anordnung und es ist leicht erklärlich wie alles wieder in die alte Ordnung zurückkehrt, wenn der Druck nachlässt. Aber in einer Beziehung ist das Verhältniss hier ein ganz anderes. Der Druck, welcher auf die Innenfläche des Epithels der sich füllenden Blase wirkt, der es also nach dieser Vorstellungsweise dehnt, ist viel geringer als der in der sich eontrahirenden Blase, bei dem es in seine Ruhelage zurückkehrt. Diese Rückkehr kann durch die Compression der sich eontrahirenden Muskulatur nicht bewirkt werden, diese würde nur eine Faltung oder Wulstung herbeiführen. Wir können uns auch nicht mit der Erklärung helfen, dass erst, nachdem durch Muskelkräfte zuerst die Blase entleert, und damit der auf die Innenfläche des Epithels lastende Druck beseitigt sei, das Epithel in die Ruhelage übergehe. Denn thatsächlich ist es nieht so. In demselben Maasse wie die Blase sich entleert, während der Druck in ibr also noch hoch ist, wird das Epithel dicker. Es ist daher die Vermuthung gerechtfertigt, dass das Epithel während der Contraetion der Blase mit einer höheren Elastieität begabt ist, als während der Ausdehnung derselben. Dann würden sich die Erscheinungen der Formveränderungen des ganzen Epithels wie der einzelnen Zellen am ungezwungensten erklären.“ Ich möchte nun glauben, dass sich diese Erscheinungen viel ungezwungener als durch solch eine doch sehr gezwungene Theorie auf eine andere Weise erklären lassen. Die eben mitgetheilte Ausführung von London würde in dem Falle vollkommen richtig sein, wenn die Blasenwand nur aus einer Epithelschicht bestände, welche zugleich contractile Eigenschaften besässe. Dann müsste bei der Contraction der Blase in der That eine Elastieitätsveränderung der einzelnen Zellen angenommen werden und diese Annahme würde dann auch ziemlich selbstverständlich erscheinen. Nun liegt die Sache aber nicht so einfach. Das Epithel der Blase wird der Ausdehnung nur einen verhältnissmässig sehr geringen Widerstand entgegen- setzen, wie er eben dem betreffenden Elastieitätscoeffieienten ent- spricht und ebenso, da wir gar keinen Grund haben, dem Epithel eine active Contractionsfähigkeit zuzuschreiben, bei der Entleerung der Blase mit derselben Kraft an der Austreibung der Flüssigkeit mithelfen. Man kann das Epithel also in dieser Hinsicht einfach Zur Kenntniss des Baues der Schleimdrüsen. 385 als eine todte Masse betrachten. Ganz anders aber verhält sich das mit dem Epithel unlöslich verbundene Stroma der Blase. Hier finden sich in den zahlreichen Muskelfasern in der That Elemente, welche wesentliche Veränderungen erfahren indem sie aus dem Ruhezustande bei der allmählich sich ausdehnenden Blase in den Thätigkeitszustand bei der allmählich sich contrahirenden Blase übergehen. Diese Elemente zeigen Elastieitätsveränderungen und sie sind es, deren Eigenschaft London den Epithelzellen zuer- theilen will, natürlich nieht wissentlich, sondern in Folge einer falschen Auffassung des ganzen Vorganges. Bei der Ausdehnung der Blase wirkt der Druck der Flüssigkeit durch das Epithel auf das Stroma, dehnt dieses aus und in dem Moment, wo dieses aus- gedehnt wird, folgen natürlich die fest mit demselben verbundenen Epithelzellen dem Zuge und dehnen sich gleichfalls aus. Es ist die Ausdehnung und Abplattung der Epithelzellen also nicht, wie London annehmen muss, ein durch den Druck der Flüssigkeit bewirktes Auseinanderquetschen der einzelnen Theile der Zellen, sondern ein durch die Ausdehnung des Stroma bewirktes Aus- einanderziehen derselben. Bei dieser Annahme eines seitlichen Zuges ist es nun durchaus verständlich, warum die Epithelien bei der Contraction der Blase sofort wieder in ihre alte Form zurück- kehren. Durch die Contraction der Muskeln wird die Stromaober- fläche, da Flüssigkeit aus der Blase ausgetrieben wird, verkleinert, also lässt der seitliche Zug nach, also haben die Zellen keine Ursache mehr in ihrer abgeplatteten Form zu verharren, sondern nehmen in Folge der ihnen ebenso wie bei der Ausdehnung inne- wohnenden Elastieität ihre frühere Gestalt wieder an. Es ist selbst- verständlich, dass bei dieser Betrachtung der Sache angenommen werden muss, dass die Epithelzellen den Druckgraden gegenüber, welche unter normalen Verhältnissen in einer Blase vorkommen können, als incompressibel anzusehen sind. Wäre es nicht so, so würden die Epithelien nicht etwa abgeflacht werden, sondern sie würden zerstört werden. Am einfachsten kann man sich davon vielleicht so eine Vorstellung verschaffen, dass man annimmt, eine leere Blase sei von einer fest anschliessenden Gypskapsel umgeben und man versuche nun unter hohem Druck Flüssigkeit einzuspritzen. Unter solchen Verhältnissen würde sich das Blasenepithel sicher nicht zu den Formen ausdehnen, welche wir bei der ausgedehnten Blase beobachten, sondern würde bei einem bestimmten Druckgrade Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 23. 95 386 P. Schiefferdecker: einfach zerquetscht und zerstört werden. Wir kommen also zu dem Schluss, dass die von London aufgestellte Hypothese überflüssig und daher zu verwerten ist. b. Scehleimzellen. In dieser so eben beschriebenen Epithelschieht finden sich Zellen, welehe ein ganz abweichendes Aussehen besitzen. Am leichtesten sieht man dieselben, wenn man eine ziemlich ausge- dehnte Frosch- oder noch besser Krötenblase in starkem Alkohol härtet und dann Stücke davon nach meiner vor einigen Jahren angegebenen Doppelfärbungsmethode mit Eosin und Dahlia resp. Methylviolett oder Anilingrün behandelt. Wendet man die Doppel- färbung mit Eosin und Dahlia oder Methylviolett an, so sieht man auf Flächenbildern folgendes. Die Blasenepithelien erscheinen hell- rosa, sind deutlich und scharf an den Rändern durch gerade Linien begrenzt, und besitzen in der Mitte einen blassblauen Kern mit dunklerer Körnung. Durch die Epithellage schimmern hindurch die theilweise sehr lebhaft gefärbten Gebilde, welche in dem rosa Stroma liegen: Muskeln, Gefässe und Nerven. Ausser diesen Dingen fallen aber leicht in das Auge eigenthümlich gefärbte Zellen, die der Epithellage angehören. Man sieht einmal solche, welche dunkel- rosa gefärbt sind, eine deutliche Körnung besitzen, und an einer Stelle, gewöhnlich sehr excentrisch gelegen, einen ovalen blauen Kern mit dunklerer Körnung zeigen. Ferner sieht man Zellen, welche blau gefärbt sind, mehr oder weniger homogen erscheinen, an einer Stelle ihres Randes einen schmalen dunkelblauen Kern erkennen lassen und deutlich von einer dunkler erscheinenden Zell- membran umgeben sind. (Fig. Illa und b, welche solche Zellen von der Kröte zeigen.) Ueber jeder dieser Zellen nun sieht man die Grenzlinien der Blasenepithelien hinlaufen und an einem kleinen über der Zelle gelegenen Fleck zusammenlaufen. Dieser Fleck ist verschieden gefärbt, über den rothen Zellen röthlich, über den blauen bläulich, bald heller, bald dunkler. Dieser Fleck ist ver- schieden gross und selbst wieder deutlich von einer Linie um- srenzt, bis zu der eben die Zellgrenzen hinlaufen. Vielfach bemerkt man bei den blauen Zellen um diesen Fleck herum einen Hof, der wieder mehr oder weniger scharf begrenzt ist. Man sieht den- selben namentlich dann, wenn der Fleck recht klein ist. Auch dieser Hof ist heller oder dunkler bläulich. Bei den rothen Zellen, Zur Kenntniss des Baues der Schleimdrüsen. 387 über welehen schon der Fleck oft nur schwer zu sehen ist, be- merkt man diesen Hof nicht. Behandelt man eine ziemlich stark ausgedehnte Blase mit Osmiumsäure (1/,%/,), so sieht man folgendes: in dem scharf eon- tourirten Epithel, welches eine leieht graue Färbung besitzt, liegen wieder zwei anders aussehende Zellenarten. Die einen erscheinen dunkler, grob granulirt, die Granula leicht glänzend und haben einen helleren wenig granulirten Kern, der excentrisch liegt und ein Kernkörperchen zeigt. Die anderen Zellen sehen hell aus, entweder ganz homogen oder doch nur sehr wenig granulirt, be- sitzen einen schmalen an den Rand gedrückten Kern und eine deutliche, glänzende Zellmembran. Ueber jeder dieser Zellen, sowohl den körnigen wie den homogenen liegt wieder ein scharf begrenzter, dunkler oder heller erscheinender Fleck, zu welchem die Epithelgrenzen hinziehen. Hin und wieder sieht man um die Flecke auf den hellen Zellen wieder einen schwach angedeuteten Hof. Fig. IV zeigt diese Verhältnisse aus der Krötenblase, Fig. V aus der Froschblase. Auf letzterer sieht man, dass die Flecke hier viel grösser sind als auf der ersteren. In der That erscheinen dieselben beim Frosch durchschnittlich grösser als bei der Kröte, doch ist die Grösse nicht constant, und man findet in derselben Blase grössere und kleinere. Die Zahl der Zellen, sowohl der körnigen wie der hellen, ist bei der Kröte bedeutender als beim Frosch und eignet sich jene daher mehr zur Untersuchung. Das Verhältniss der Menge der beiden Zellarten zu einander ist ein wechselndes, sowohl nach dem Individuum als auch nach den ver- schiedenen Gesichtsfeldern. Der Fleck über den hellen Zellen liegt gewöhnlich über dem Niveau des umgebenden Blasenepithels, die Ränder der Zellen, welche bis an die Umgrenzung des Fleckes herangehen, steigen also auf der hellen Zelle bergan. Besonders stark ist dieses Verhalten beim Frosche ausgeprägt. Macht man Querschnitte von einer Blase, die mit Osmium behandelt ist, so erhält man Bilder wie sie uns Fig. Ha und b verdeutlichen. Auf Fig. Ila sieht man in dem dicken Epithel der eontrahirten Blase bei a eine der körnigen Zellen liegen. Dieselbe ist etwa birnförmig, besitzt einen deutlichen Kern und reicht durch die ganze Epithelschicht hindurch, mit einem schmalen Fusspunkt auf dem Stroma auisitzend und mit einer kleinen stumpf abge- sehnittenen Spitze zwischen den obersten Epithelzellen endigend. 388 P. Schiefferdecker: Die ganze Zelle ist von einem deutlichen Contour umgeben, dem Ausdruck der Zellmembran. Fig. IIb zeigt uns eine homogene helle Zelle in einer ziemlich stark ausgedehnten Blase. Die Zelle reicht wieder durch die ganze Epithelschicht hindurch und endigt zwischen den obersten Epithelzellen mit einem deutlichen Porus, dem früher beschriebenen über der Zelle liegenden Fleck. Die Zelle ist wieder von einer deutlichen Membran umgeben, welche oben den Porus umgrenzt, und an diesen Ring gehen die Grenz- linien der Epithelien heran. An der einen Seite der Zelle liegt an die Wand gedrückt der abgeplattete Kern. Das Innere ist im Allgemeinen homogen und zeigt nur hin und wieder feinere Pünktehen. Es ist recht schwer zu sagen, ob alle diese eigenthüm- lichen Zellen durch die ganze Dicke der Epithelschieht hindurch gehen, der Schnitt trifft sie eben oft etwas schräg oder die seitliche Ausbuchtung und so können täuschende Bilder entstehen, ich möchte es indess für wahrscheinlich erachten, dass sie sämmtlich hindurch reichen. Ist dieses der Fall, und oft genug kann man es ja direkt beobachten, so ist diese Eigenthümlichkeit speeifisch und unterschei- dend von den gewöhnlichen Epithelzellen. Die Durchschnitte zeigen klar, dass die erst beschriebenen Flecken die obersten zwischen den Epithelien hindurchragenden Enden der körnigen oder homogenen Zellen sind und dass der den Fleck eingrenzende scharfe Contour der Zellmembran angehört. Bei den homogenen Zellen ist dieses obere Ende nun sicher offen und oft sieht man den homogenen Zellinhalt aus dieser Oeffnung hervorquellen. Bei den körnigen Zellen ist das obere Ende eben auch körnig, ob aber eine Membran dasselbe nach oben verschliesst, ist nicht mit Sicherheit zu sagen. Isolirt man die Epithelzellen nach Maceration der contrahirten Blase in Müller’scher Flüssigkeit, so erhält man Bilder wie sie Fig. Ib vom Frosch und Fig. Ice von der Kröte wiedergeben. Man sieht, dass die körmnigen Zellen (bei k), deren Körnung so characteristisch ist, dass man sie sofort von den anderen Epithel- zellen unterscheiden kann (vergl. Fig. Ia), eine etwa kalebassen- oder flaschenförmige Gestalt besitzen. Ihre sonst zwischen den Epithelzellen zu Tage tretende Spitze hebt sich mehr oder weniger deutlich ab, doch läst sich auch in diesem Falle nicht sagen, ob die die Zelle umgebende Membran hier herübergeht oder nicht. Die homogenen Zellen machen durchweg den Eindruck, als ob Zur Kenntniss des Baues der Schleimdrüsen. 389 sie durch ihren Inhalt ausgedehnt sind, haben in Folge dessen bauchige Formen und besitzen eine Spitzenöffnung, die im Durch- schnitt viel breiter ist als der Spitzenfortsatz der körnigen. In den meisten Zellen dieser Art findet man mehr oder weniger deut- liche Spuren eines Netzwerks oder auch eine Körnung, welche der der körnigen Zellen ähnlich, aber nicht so dicht ist. Das Netzwerk steht direkt mit der Zellmembran in Verbindung, welche an diesen Stellen kleine Verdiekungen erkennen lässt, resp. mit einer der Zellmembran dicht anliegenden Schicht. Um den am Rande liegenden Kern befindet sich häufig eine Anhäufung einer körnigen Masse. Auf vielen körnigen Zellen sieht man Drucklinien hinlaufen, die oft nach der Spitzenumgrenzung hin- ziehen. Die Erscheinung, dass, wie oben beschrieben wurde, bis- weilen um den Fleck herum noch ein schwächer eontourirter Hof auftritt, wird sich bei solchen Zellen zeigen, welche wie die Zelle Fig. Ic, « eine deutlich ausgezogene Spitze besitzen, welche nach unten conisch sich verbreiternd ziemlich plötzlich in den Zellbauch übergeht. Färbt man eine ziemlich stark ausgedehnte Blase, welche in Alkohol gehärtet ist, mit Eosin und Anilingrün, so erhält man sehr interessante und characteristische Färbungen der körnigen und homogenen Zellen, Färbungen, aus denen mit Sicherheit hervorgeht, dass die genannten beiden Zellenarten nichts weiter als die ex- tremen Formen einer und derselben Zellenart darstellen, welche ver- schiedenen Thätigkeitszuständen derselben entsprechen. Zwischen diesen beiden Extremen findet man die mannigfachsten Uebergänge. Fig. VI(1—9) stellt eine Anzahl von derartigen Formen dar. Die Zellen sind einer Flächenansicht einer Krötenblase entnommen. Ueberall laufen die Grenzlinien der Epithelzellen zu dem betref- fenden Porus hin. Das Anilingrün lässt diese Uebergangstormen deshalb so gut erkennen, weil es die Fähigkeit besitzt ein in den Zellen sich bildendes Netzwerk zu färben, eine Fähigkeit, welche der Dahlia und dem Methylviolett nur in sehr geringem Maasse innewohnt. Als Anfangsstadium hat man in dieser Reihe eine protoplasmatisch körnige Zelle, welche eine deutlich rosa Eosin- färbung zeigt. Dass bei den von mir ‘angewandten Eosin-Dahlia ete. Doppelfärbungen sich gerade junge protoplasmatische Zellen intensiv rosa färben, habe ich schon früher mitgetheilt. In der Zelle liegt ein grosser, schöner Kern mit Kernkörperehen, welcher 390 P. Schie fferdecker: eine hellblaugrüne Färbung zeigt. Die nächste Veränderung ist nun die, dass in einer solchen Zelle allmählich mehr und mehr dunklere Pünktchen auftreten (Fig. VI, 2, 3), wobei der Kern an die Wand rückt und platter wird. Im nächsten Stadium (Fig. VI, 4) treten neben den bisherigen feinen dunklen Pünktchen gröbere auf, welche zerstreut in den Zellen liegen und dunkler aussehen. Der Kern bleibt an die Wand gedrückt. Dann (Fig. VI, 5) folgt ein Stadium, in dem die Zelle eine Menge solcher dunkler Punkte enthält, und wo zuerst einzelne Maschen eines Netzwerks auftreten, das ebenso dunkel gefärbt ist, wie die dunklen Punkte. Die ganze Zelle erscheint so recht dunkel, doch schimmert immer noch eine rosa Färbung hindurch. Der Kern ist ganz platt geworden. Das Netzwerk wird nun immer dichter (Fig. VI, 6) und die rosa Fär- bung heller. In den Maschen sieht man noch dunkle Pünktchen. In diesem Stadium sieht die Zelle am dunkelsten aus. Der Kern hat allmählich auch eine etwas abweichende dunkelblaugrüne Fär- bung angenommen und liegt platt der Wand an. Sodann wird das Netzwerk (Fig. VI, 7) in einem Theile der Zelle wieder grob- maschiger, die Substanz, welche in den Maschen liegt, sieht ganz hell blassrosa aus. Dann findet man Zellen, welche im Ganzen ein solches grobmaschiges Netz enthalten (Fig. VI, 5), in dessen Maschen wieder eine solche helle blassrosa Substanz lagert, während der Kern noch ganz platt an der Wand anliegt. Endlich löst sich das Netzwerk wieder auf, an seine Stelle treten wieder mässig dunkle Pünktehen, der Kern ist noch wandständig, wird aber wieder breiter, während der sonstige Zellinhalt noch blassrosa aus- sieht (Fig. VI, 9). In den Stadien 7 und 3 kommt es häufig vor, dass die Stelle des Porus dunkler aussieht als die übrige Zelle. Wenn ich die Stadien der Umwandlung der Zelle in dieser Weise zusammenstelle, so ist der Grund dafür ja natürlich nur die Wahrscheinlichkeitsannahme, dass die verschiedenen Zellbilder, welche man’ nebeneinander auf dem Präparat sieht, in dieser Weise zusammengehören dürften, und die Zeichnungen geben natürlich auch nur einzelne herausgesuchte Typen wieder, zwischen denen noch so manche Uebergangsformen liegen. Es ist ja nun aber sehr schwer zu sagen, welche von diesen Formen der fort- schreitenden Reihe angehören, denn ich möchte annehmen, dass das Stadium 9 allmählich wieder in das Stadium I übergeht und die Zelle dann ihre Veränderungen von neuem durchmacht. Zur Kenntniss des Baues der Schleimdrüsen. 391 Wie oft eine Zelle hierzu fähig ist, bin ich freilich ganz ausser Stande zu sagen. Ich habe niemals Bilder bekommen, welche es mir wahrscheinlich machten, dass eine Zelle zu Grunde ginge, und entweder ausgestossen oder resorbirt würde, indessen ist es ja wohl in hohem Grade wahrscheinlich, dass dieses vorkommen wird. Die Deutung der bisher beschriebenen Bilder möchte ich nun in folgender Weise versuchen. Wir finden in dem Blasenepithel von Frosch und Kröte zerstreut eine Anzahl grobkörniger, proto- plasmatischer Zellen. In diesen wird wahrscheinlich ein Netzwerk vorhanden sein, denn nach unseren jetzigen Kenntnissen ist ja an- zunehmen, dass eine jede Zelle eine derartige Structur besitzt, und die grobe Körnung findet hierdurch vielleicht ihre Erklärung. Nun jedenfalls färbt sich dieses Netzwerk mit Eosin und Anilingrün aber nicht. Es tritt nun in der Zelle die Umänderung ein, dass eine Substanz in ihr sich bildet, vielleicht als eine Modifiecation des alten Netzwerks, welche sich mit Anilingrün färbt. Diese Sub- stanz nimmt an Masse immer zu, bis sie schliesslich die ganze Zelle als Netzwerk durchzieht. Es wäre ja sehr wohl möglich, dass auf diesem Gipfel der Veränderung nur endlich das ganze alte Netzwerk in die neue Modification übergegangen ist, doch lässt sich darüber nichts sicheres aussagen. Während diese Ver- änderungen vor sich gehen, wandelt sich auch der Inhalt der Netz- maschen um, die intraretieuläre Substanz. Dieselbe erscheint heller, mehr flüssig, und die intensiv rosa Färbung macht einer leicht rosa- bläulichen Platz. Der Kern verändert seine Lage, seine Form und seine Färbung. Seine Lageveränderung lässt darauf schliessen, dass bei den erst beschriebenen Veränderungen in der Zelle ein Stoff sich bildet, welcher mehr Platz einnimmt als der früher vor- handene, wodurch der Kern dann an die Wand und platt gedrückt wird. Die Aenderung der Färbung lässt annehmen, dass auch der Kern chemisch sich verändert. Wir müssen diese Umwandlung der rothen protoplasmatischen Zelle als den Ausdruck ihrer Thätigkeit auffassen. Die Stoffe, welehe bei dieser Umwandlung gebildet werden, als das Sekret der Zelle. Dass wir es hier mit einer secer- nirenden «Zelle zu thun haben, dafür spricht das Vorhandensein der Oeffnung an der Spitze der Zelle und der Umstand, dass man öfter direkt ein Vorquellen des Inhalts aus dieser Oeffnung wahr- nehmen kann. Die Zelle erinnert also danach durchaus an die ge- wöhnlichen Becherzellen. Bei diesem Heraustreten des Inhalts tritt 392 P. Schiefferdecker: nun aller Wahrscheinlichkeit nach nicht nur die insraretieuläre Substanz hervor, sondern auch ein Theil des Retieulum, denn man findet, wie wir gesehen haben, Zellen, bei denen dieses Retieulum viel weitmaschiger geworden ist, und andere, in denen es nur noch in Rudimenten vorhanden ist (Fig. VI, 7, 8, 9) und es ist dem ganzen Aeusseren nach wahrscheinlich, dass diese Formen Rückbildungstormen sind, wie wir oben sahen. Aus den weiter unten mitgetheilten Thatsachen wird ebenfalls hervorgehen, dass bei ganz ähnlichen Drüsenzellen das Sekret aus beiden Substanzen zusammen besteht. Die körnige Substanz, welehe, wie wir bei den in Müller’scher Flüssigkeit isolirten Zellen fanden, um den Kern herum noch übrig bleibt, kann ja sehr wohl bei der Ausstossung des Sekrets und der Neubildung des Zellinhaltes von Wichtigkeit sein. Dass man dieselbe bei den mit Anilingrün gefärbten Zellen nicht nachweisen kann, liegt sehr wahrscheinlich an der Intensität der Färbung des Netzwerks. Dafür, dass das Sekret ein schleimiges ist, spricht das homogene Aussehen, das Vorquellen in dünner Salzlösung, die blaue Färbung mit Dahlia und Methylviolett. Wir haben es hier somit mit einzelligen Schleimdrüsen zu thun, welche sich bald mehr in einem protoplasmatischen, bald mehr in einem schleimgefüllten Zustande befinden. Will man hierbei einen thätigen und einen unthätigen Zustand unterscheiden, so muss man als den ersten wohl den betrachten, in welchem sich die Zelle umwandelt, und als den Gipfel der Thätigkeit also den, in welchem diese Umwandlung am weitesten vorgeschritten ist, in welehem die Zelle von jenem dunkeln Netzwerk ganz erfüllt ist (Fig. VI, 6), als Zustand der Ruhe würde dem entsprechend die protoplasmatische Zellform aufzufassen sein, doch sind die Aus- drücke Ruhe und Thätigkeit hierbei wohl überhaupt nicht recht passend, da die Zelle de facto wahrscheinlich niemals ruhen, sondern immer in irgend welcher Veränderung sich befinden wird, und es dürfte daher wohl richtiger sein, lieber von einem „sekretleeren“ und „sekretgefüllten‘‘ Zustande zu reden. Es fragt sich nun noch, wo stammen diese eigenthümlichen Zellen her? Es sind hier zwei Annahmen möglich. Einmal könnten diese Drüsenzellen sich unter bestimmten, zunächst unbekannten Ernährungsverhältnissen jederzeit aus den gewöhnlichen Blasen- epithelien entwickeln. Zweitens könnte man annehmen, dass die Drüsenzellen zu irgend einer Zeit der Entwicklung des Thieres Zur Kenntniss des Baues der Schleimdrüsen. 393 sich aus dem Blasenepithel herausgebildet haben und sich seitdem als speeifische Zellen weiter vermehren, gerade so, wie dies bei den zusammengesetzten Drüsen der Fall ist. Ich kann keine Ent- scheidung treffen. Eine entwieklungsgeschichtliche Untersuchung würde nichts genützt haben, und ich habe bei dem erwachsenen Thiere niemals Bilder erhalten, welche auf eine Entwicklung der Drüsenzellen aus den gewöhnlichen Epithelien hindeuteten. Ich habe andererseits ebenso vergebens nach Theilungsvorgängen bei den Drüsenzellen gesucht in Blasen, welche mit Chromsäure von 1/,0/, behandelt waren. Allerdings fand ich bei diesen auch im gewöhnlichen Blasenepithel nur wenige sich theilende Zellen, diese jedoch sehr schön conservirt. Nach dem Eindruck, den mir bei der ganzen Untersuchung die betreffenden Zellen gemacht haben, möchte ich eher glauben, dass es specifische Zellen sind. Es spricht hierfür ihr so ganz anderes Aussehen und der Umstand, dass sie durch das Epithel ganz hindurchragen und stets mit ihrer schmalen Spitze die Oberfläche erreichen, mögen sie sich nun im secretleeren oder secretgefüllten Zustande befinden. II. Die Schleimdrüsen der höheren Thiere. Es lag sehr nahe nach den eben mitgetheilten Befunden zu untersuchen, wie sich die Zellen der Schleimdrüsen der Säuge- thiere gegenüber der Doppelfärbung mit Eosin-Anilingrün verhielten, welche bei der Amphibienblase so überraschende Resultate ergeben hatte. Es war von diesen Drüsen ja schon lange bekannt, dass in ihnen deutliche und characteristische Veränderungen auftraten, je nachdem die Drüse gereizt war oder nicht, je nach ihrer Thätig- keit also. Dazu kam, dass es mir schon seit lange zweifelhaft war, ob die durch die ausgezeichneten Untersuchungen von Hei- denhain und Lavdowsky festgestellten Bezeichnungen der thätigen und unthätigen Drüsen auch wirklich für die Zustände der Zellen in der betreffenden Drüse richtig bezeichnend wären. So untersuchte ich denn vom Menschen die Gl. sublingual. und submaxill. sowie Drüsen der Mundhöhle, vom Hunde Gl. submaxill,, Gl. orbit. und ebenfalls Drüsen der Mundhöhle, Gl. linguales. Bei beiden erhielt ich durchaus übereinstimmende Resultate, und diese selbst stimmten wieder so völlig mit den an der Amphibienblase gewonnenen, dass über die völlige Gleichartigkeit der Erschei- 394 P. Schiefferdecker: nungen kein Zweifel sein konnte. Die Beobachtungen, welche ich machte, waren folgende: Von einer menschlichen Gl. sublingualis, welche von einem Hingerichteten stammte, und einige Stunden nach dem Tode in Alkohol gelegt war, wurden Schnitte gemacht und diese wurden mit Eosin und Anilingrün gefärbt. Die Schnitte zeigten unter dem Mikroskop ein ziemlich buntes Aussehen, da eine grosse Menge verschiedener Stadien der Thätigkeit bei den Zellen benachbarter Acini oder auch derselben Acini vorhanden waren. Fig. VII (1—4) stellt einige solcher Aeini dar. Die Zellen sind den Drüsenzellen der Froschblase, wie man bemerken wird, so ähnlich, dass ich schon nach diesen Bildern kaum noch zweifeln konnte, dass hier in der That, wie ich es gehofft hatte, dieselben Erscheinung vor- lägen. Einige Modificationen in Bezug auf die Farbennuancen der Zellen waren natürlich vorhanden und mussten vorhanden sein, denn es war ja nicht gut denkbar, dass die in einer Schleimdrüse eines Amphibiums enthaltenen Substanzen genau dieselben seien, wie die in einer entsprechenden Drüse eines Säugethiers, und dass die vorhandenen Unterschiede durch diese Doppelfärbung so deut- lich hervortraten, war gerade ein Zeichen von der Güte dieser Methode. Was die einzelnen Formen anlangt, so sieht man in dem Acinus Nr. 1 protoplasmatische Zellen, in denen die ersten Spuren des dunklen Netzwerks aufzutreten beginnen, zunächst in der Form einer feineren und dann gröberen Körnung. Acinus Nr. 2 enthält wiederum eine Anzahl solcher Zellen und von ihnen eingeschlossen schon solche, welehe das Netz fast völlig entwickelt erkennen lassen. Die peripher liegenden Zellen muss man als Halbmond betrachten, sie umgeben aber, wie man sieht, den Acinus von allen Seiten, bilden also einen völligen Kreis. Unter ihnen finden sich wieder verschiedene Uebergänge von der protoplasmatischen Zelle bis zu einem ziemlich hohen Grade der dunklen Körnung. In allen diesen Zellen liegt der runde Kern noch in der Mitte, während die centralen Zellen einen abgeplatteten Kern führen, welcher der Wand anliegt. Im Acinus Nr. 5 finden wir einmal wieder die Halbmondzellen, von denen eine dem Haupthalbmonde gegen- über allein liegt, und in der Mitte stark netzhaltige Zellen, welche den höchsten Grad der Umänderung darstellen. In den ganz dunk- len ist von Kernen gar nichts mehr zu erkennen, ob dieselben nicht Zur Kenntniss des Baues der Schleimdrüsen. 395 mehr vorhanden sind, oder nur durch den dunklen Zellinhalt ver- deckt werden, ist nicht zu sagen. In den etwas weniger dunklen Zellen, die danebenliegen, sieht man die Kerne noch schwach, doch scheinen dieselben sonst vollkommen erhalten zu sein, und daher ist es wohl wahrscheinlich, dass sie auch später noch vor- handen und nur verdeekt sind. Der Aecinus Nr. 4, ohne Halbmond, zeigt dann Zellen mit jenem eigenthümlich grossmaschigen Netz- werk und jenem hellen Inhalt, wie wir sie auch für die Blase als Endstadien betrachtet hatten. Doch liegen hier neben der ganz hellen noch mehrere, welche mehr oder weniger intensiv roth aus- sehen, eine Eigenthümlichkeit, welche sie den als im Anfangssta- dium befindlich angenommenen Zellen nähert. Hierbei ist zu be- merken, dass während die ganz helle Zelle beia keinen Kern erkennen lässt, in der leicht rosa gefärbten bei b ein schwach eontourirter Kern zu sehen ist, während in den schon intensiver rosa tingirten Zellen bei e die Kerne deutlich hervortreten, und wenn sie auch noch der Wand nahe liegen, doch nicht mehr so fest an dieselbe angedrückt erscheinen, wie in den dunklen Zellen und dass sie auch allmählich wieder eine mehr runde Gestalt an- nehmen. Ob die mehr protoplasmatischen Zellen bei d und enun noch Rückbildungsstadien oder schon Anfangsstadien sind, ist natürlich nicht sicher zu sagen; dafür dass es Rückbildungsstadien sind, würde vielleicht sprechen, dass die Kerne in ihnen noch ziemlich nahe der Wand liegen und noch nicht so rund sind wie in den Zellen im Aecinus 1, 2 und 3, denen sie sonst ja durchaus ähnlich sehen. Ganz interessant ist es auch, dass in denjenigen Acinis gerade, in denen selbst protoplasmatische Anfangsstadien oder Endstadien liegen, keine Halbmonde vorhanden sind, die da- gegen sehr schön aufteten in denen, wo die Zellen sich stark ver- ändert haben. Es würde dieses dafür sprechen, dass ein Theil der stark veränderten Zellen selbst mit ausgestossen wird, und an ihre Stelle die Halbmondzellen rücken, so dass dann aus den zwei Reihen von Zellen wieder eine einzige wird. Wir finden also in dieser Gl. sublingualis, welche sich augen- scheinlich im Augenblicke des Todes in einem ziemlich starken Thätigkeitszustande befand, alle Uebergänge von der einfach protoplasmatischen Zelle, dem relativen Ruhezustande, bis zu der Zelle mit stärkst ausgebildetem Netzwerke, dem Zustande relativ stärkster Thätigkeit, und dann wieder rückwärts zu dem protoplas- 396 P. Schiefferdecker: matischen Zustande zurück, und sehen, dass die Veränderungen prin- eipiell völlig die gleichen sind wie bei den einzelligen Drüsen der Amphibienblase. Diese Aehnliehkeit geht so weit, dass in den Acinis eine jede Drüsenzelle für sich thätig ist unabhängig von ihren Naehbarzellen, wie wir das auch weiterhin noch sehen werden. Eine Gl. submaxillaris vom Hunde, bei welcher Chorda und Sympathieus während verhältnissmässig kurzer Zeit gereizt worden waren, worauf die Drüse in absoluten Alkohol gelegt wurde, zeigte ganz Ähnliche Bilder. Es waren hier namentlich die allmählichen Uebergänge von der Ruhe zur Thätigkeit bei den einzelnen Zellen sehr schön zu verfolgen. Wie die Bilder (Fig. VIIl, 1—5) zeigen, färbt sich hier der rosa Zellinhalt allmählich mehr und mehr grün- lich, während die Kerne gleichzeitig an den Rand der Zelle treten und platt werden. Zugleich tritt das Netzwerk immer deutlicher hervor. Die Zellen im Acinus bei 3 lassen keinen Kern mehr er- kennen, derselbe bleibt verschwunden während der ganzen weiteren Entwicklung, bis er in eigenthümlichen röthlichen Zellen wieder auftaucht, wie sie der Acinus Nr. 5 zeigt. Im Acinus bei 2 be- merkt man, dass die Zellen, welche dem grössten Theil nach schon stark grünlich gefärbt sind, gerade nach ihrem äusseren Ende zu, in der Gegend des Kerns noch röthlich erscheinen, und diese röthliche Färbung findet sich auch, wenngleich in geringerem Grade, noch bei den kernlos erscheinenden Zellen des Acinus bei 3. Im Acinus bei 5 begegnen wir dann wieder jenen hellen Zellen mit weitläufigem Netzwerk, welche wir früher schon als Rück- bildungsformen betrachteten, und neben ihnen sehen wir jene schon erst erwähnten eigenthümlichen rothen Zellen mit theilweise noch erhaltenem Netzwerk und ganz eigenthümlichen kleinen runden rothbraun gefärbten Kernen. Diese Zellen sehen so ganz anders aus wie jene ersten Fortbildungsstadien bei 1 und 2, dass man wohl berechtigt sein dürfte, sie an das Ende des Processes zu stellen, wofür ohnehin schon ihr Zusammenliegen mit den weit- maschigen Zellen spricht. Die Bilder, welehe uns die Gl. sub- maxillaris des Hundes liefert, zeigen also den allmählichen Ueber- gang der protoplasmatischen in die schleimhaltigen Zellen ganz aussergewöhnlich gut, sie machen es dabei zugleich wahrschein- lich, dass um den Kern herum noch Jängere Zeit Protoplasma liegen bleibt, kenntlich an dem rosa Farbenton und sie bieten uns endlich wesentlich verschieden aussehende protoplasmatische Zellen Zur Kenntniss des Baues der Schleimdrüsen. 397 mit ebenfalls verschiedenen Kernen, welche als Anfangs- und End- stadien aufgefasst werden können. Merkwürdig ist bei dieser Drüse das Unsichtbarwerden des Kerns während einer längeren Zeit der Umwandlung der Zellen. An die letzbeschriebene Unterkieferdrüse schliessen sich dem ganzen Modus der Veränderungen nach die kleinen Schleimdrüsen der Mundhöhle an. Auch bei ihnen tritt zunächst jene grünliche Verfärbung der rosa Zellen auf. Die Schleimdrüsen der Mundhöhle unterscheiden sich dagegen von der Gl. submaxill. dadurch, dass erstens ihre Zellen eine sehr viel bedeutendere Grösse besitzen als die der letzteren, und dass zweitens das Netzwerk aus viel sröberen, diekeren Bälkchen besteht, so dass die betreffenden Zellen viel dunkler aussehen. Beides zeigt der in Fig. IXa ab- gebildete Acinus einer Mundschleimdrüse eines Menschen (eines Hingerichteten, die Drüse wurde wenige Stunden nach dem Tode in Alkohol gelegt). Der Acinus enthält Zellen auf dem Gipfel- punkt der Thätigkeit. Das Netzwerk ist so stark und dunkel, dass die Zelleonturen nur schwach zu sehen sind. Die Zellen sind so ausgedehnt, dass das Lumen des Acinus verschwunden ist. Vom Kern ist dabei natürlich nichts zu sehen. Die mittleren Theile der Zellen erscheinen dunkler als die Randpartieen gemäss ihrer grösseren Dicke. Die Munddrüsen des Hundes verhalten sich durchaus ebenso. An sie schliesst sich enge die Orbitaldrüse des Hundes an, sowohl was Grösse der Zellen wie ihre Veränderungen anlangt. Morphologisch ist sie ja auch als eine Munddrüse zu betrachten, so ist die histologische Uebereinstimmung natürlich. Die Gl. submaxillaris des Menschen zeigte in grosser Mehr- zahl die Acini mit rosa Zellen erfüllt, nur in wenigen Acinis waren Zellen mit gut entwickeltem dunklem Netzwerk zu bemerken und in diesen fand ich dann auch Uebergangsformen. So sehen wir denn also, dass in den hier untersuchten schleim- bereitenden Drüsen in der einzelligen Drüse der Amphibienblase wie in der zusammengesetzten Drüse der höheren Säugethiere derselbe Modus der Veränderung der Drüsenzellen besteht, wenn dieselben aus ihrem protoplasmatischen Ruhezustande in den secretgefüllten Thätigkeitszustand übergehen oder in jenen zurückkehren. Doch noch in anderer Beziehung tritt diese Uebereinstimmung deutlich hervor. Legt man ein Stück einer Gl. submaxill. eines Hundes in 398 P. Schiefferdecker: Müller’sche Flüssigkeit und isolirt dann durch Zerzupfen die Zellen, so erhält man Formen, wie sie die Fig. Xa wiedergiebt; von einer Gl. lingualis des Hundes zeigt sie uns Fig. X b. Wie man sieht besitzen die Zellen eine deutliche Membran, welche kleine Ver- diekungen erkennen lässt, zu welchen man häufig die Fäden eines im Inneren der Zelle befindlichen Netzwerks hin verfolgen kann. Dieses Netzwerk selbst tritt bei den einzelnen Zellen mehr oder weniger deutlich hervor. Die Zellen besitzen dann an dem dem Kern gegenüberliegenden Ende (der Kern liegt der Wand an) einen Porus, aus welchem bisweilen deutlich der Inhalt der Zelle hervortritt. Es zeigen indessen lange nicht alle Zellen diesen Porus, sondern nur eine verhältnissmässig geringe Anzahl, es ist also denkbar, dass derselbe erst bei einer gewissen Umänderungs- stufe der Zelle auftritt. Der Kern liegt an die periphere Seite der Zelle gedrückt und ist häufig von einer körnigen protoplas- matisch aussehenden Masse umgeben, bisweilen fehlt er. Die Zellen der Gl. lingualis sind wie man sieht, bedeutend grösser als die der Gl. submaxill,, wie das ja oben auch von den Bildern der Schnitte hervorgehoben wurde. Vergleicht man die Fig. Xa u. b nun mit Fig. Ib, e, so wird man die grosse Uebereinstimmung bemerken, welche zwischen den Drüsenzellen der Amphibienblase und den isolirten Zellen der zusammengesetzten Drüsen der Säuger stattfindet. Vergleicht man mit den hier gegebenen Abbildungen diejenigen, welche Lavdowsky!) in seiner grossen Arbeit von den Zellen der Gl. orbital. und submaxill. des Hundes giebt, so wird man finden, dass beide recht gut übereinstimmen und dass auch Lavdowsky jene flaschenförmigen Zellen mit Porus gesehen hat. Da er vorher nicht wie ich jene einzelligen Drüsen der Am- phibienblase studirt hatte, so fiel für ihn der Anlass fort, diesen Flaschenformen eine besondere Wichtigkeit beizulegen. Ferner wird man bei der Vergleichung bemerken, dass auch Lavdowsky die Zellen der Orbitaldrüse grösser zeichnet als die der Gl. sub- maxill., übereinstimmend damit, dass ich die Zellen der Gl. lin- guales. und der Gl. orbitalis grösser fand. 1) M. Lavdowsky: Zur feineren Anatomie und Physiologie der Speicheldrüsen, insbesondere der Orbitaldrüse (Aus dem physiol. Institut zu Breslau. Hierzu Taf. XXTI, XXIII und XXIX. Arch. f. mikroskop. Ant. Bd. 13. p. 281—365). 7ur Kenntniss des Baues der Schleimdrüsen. 899 Bei den Abbildungen der Drüsenaeini bemerkt man leicht, dass in demselben Aeinus Zellen in ziemlich verschiedenen Stadien der Umänderung nebeneinander liegen. Im Allgemeinen zeigen die Zellen der Aecini nur geringe Verschiedenheiten, sie gehören entweder alle derselben Umwandlungsstufe an oder doch wenigstens sehr nahe liegenden. Die hier gezeichneten Acini sind ausgesucht, um eben die verschiedenen Stadien in wenig Zeichnungen vorzu- führen. In denjenigen Aecinis, in welchen Halbmonde existiren, zeigen diese immer die jüngsten Formen und diese sind dann oft weit getrennt von den im Centrum liegenden Zellen, die sich in vorgerückten Stadien befinden. Dass solche Verschiedenheiten unter den Zellen eines Acinus vorkommen. beweist, wie das ja auch a priori wahrscheinlich ist, dass jede Drüsenzelle als ein In- dividuum aufzufassen ist wit eigener von der anderen unabhängi- gen Thätigkeit, dass die ganze Drüse also eine Colonie solcher Einzelwesen ist. Da die Zellen einander natürlich sehr ähnlich sein werden und die Zellen eines Acinus sich im Allgemeinen auch ziemlich unter den gleichen Ernährungs- und Reizverhältnissen be- finden werden, so ist nichts natürlicher, als dass in den meisten Fällen auch alle Zellen eines Aecinus die gleichen oder annähernd die gleichen Thätigkeitsstadien zeigen werden, wo zufällig Un- gleichheiten sich finden, erkennt man dann die individuelle Thätig- keit. Dass die Zellen des Halbmonds sich stets in den Anfangs- stadien befinden, beweist, dass sie jünger sind als die anderen, eine Annahme, die ja auch schon lange gemacht ist. Färbte ich Schnitte derselben Drüsen, die ich mit Eosin und Anilingrün untersucht hatte, mit Karmin, so erhielt ich genau die- selben Bilder wie Lavdowsky und Heidenhain. Nur die An- wendung jener Farbstoffe hatte mich in den Stand gesetzt, den von jenen ausgezeichneten Beobachtern gefundenen Resultaten neue hinzuzufügen. Die oben eitirte Arbeit von Lavdowsky und die „Physiologie der Absonderungsvorgänge“ von Heidenhain in dem Hermann’schen Handbuch der Physiologie enthalten zugleich eine so umfassende Literaturübersicht, dass ich mich wohl darauf beschränken kann, auf diese zu verweisen und hier nur die Resul- tate meiner Untersuchungen mitzutheilen. Die Darstellung der Vorgänge in den Schleimdrüsen, welche Heidenhain giebt, kann man überhaupt wohl als das Endergebniss der bisherigen For- sehungen über jene Organe betrachten, und so werde ich mich im Folgenden auch wesentlich auf diese beziehen. 400 P. Schiefferdecker: Wir haben nun noch einige Fragen zu erörtern, die in dem bisherigen mehr beschreibenden Theile der Arbeit nicht berück- sichtigt werden konnten. Da ist nun zunächst die Frage nach dem Zugrundegehen der Zellen in Betracht zu ziehen. Ich habe bisher vielfach Zellbilder beschrieben, welche es wahrscheinlich machten, dass eine Rück- bildung der Zellen in den protoplasmatischen Zustand stattfinde. Diese Zellbilder waren dadurch charakterisirt, dass der Inhalt der Zelle heller geworden war, oft ganz hell und dass das erst so dichte Netzwerk nur wenige weitläufige Maschen aufwies. Es war nach diesen Bildern also wahrscheinlich, dass ein Theil des Netzwerks und ein Theil der intrareticulären Substanz herausträte und als Sekret der Zelle aufzufassen wäre. Dafür sprachen auch solche Bilder, wie bei Fig. Xa die eine isolirte Zelle. Dafür sprechen endlich noch andere Thatsachen, die wir später kennen lernen werden. Ausser jenen beschriebenen Rück- bildungsformen fand ich aber auch mehrfach Bilder, welche darauf hindeuteten, dass in jenem Stadium der Zellumwandlung, welches das am meisten ausgebildete Netzwerk zeigte, also den Gipfel der Thätigkeit darstellte, eine Zerstörung der Zellen eintreten könnte, Die betreffenden Zellen zeigten an ihrer dem Lumen des Acinus zugewandten Seite eine unregelmässige zerrissene Begrenzung, von welcher es kaum anzunehmen war, dass sie ein Kunstproduct sei, vielleicht entstanden durch den Messerzug. Da es ferner an sich in hohem Grade wahrscheinlich ist, dass die Zellen zu irgend einer Zeit einmal zu Grunde gehen, so wird jene Annahme noch leichter, und dass ein solches Zugrundegehen der Zellen gerade im Stadium ihrer höchsten Umwandlung stattfindet, also dann, wenn sie von dem protoplasmatisehen Zustande am weitesten entfernt sind, ist ja ebenfalls nur natürlich. Wie viele Zellen bei normaler Drüsen- thätigkeit zu Grunde gehen, und wie lange also die Lebensdauer einer Zelle ist, vermag ich nicht zu sagen. In dem Falle, dass jedesmal eine Anzahl Zellen bei der Sekretion zu Grunde geht, würde also das Sekret der Drüsenaeini sich zusammensetzen ein- mal aus dem Netzwerk und der intraretieulären Substanz, welche beide von den sich zurückbildenden Zellen ausgestossen werden, und zweitens aus den ganzen zerfallenden Zellen. Diese letzteren bestehen ja nun im Wesentlichen aber auch aus Netzwerk und intraretieulärer Substanz, höchstens kämen noch ein Kern oder Zur Kenntniss des Baues der Schleimdrüsen. 401 Kernrudimente und etwas Zellmembran dazu, so dass dadurch das Sekret nicht verändert werden würde. Besonders häufig erhielt ich solche auf Zerfall der Zellen deutende Bilder bei den Munddrüsen. Bei den einzelligen Drüsen der Amphibienblase konnte ich einen Zerfall, wie schon oben er- wähnt, nicht finden. Wenn nun Netzwerk und intrareticuläre Substanz als Sekret aus der Zelle ausgestossen wurden und eventuell ganze Zellen ab- gestossen wurden, so musste man solche Dinge in den Ausführungs- gängen wiederfinden. In Fig. IXb ist ein Stück eines Ausfüh- rungsganges einer Munddrüse abgebildet. Derselbe besitzt ein in- differentes Cylinderepithel mit deutlichem Kerne, welches wie alle protoplasmatische Zellen bei der Doppelfärbung rosa erscheint. Der Inhalt des Ausführungsganges, welcher trotz der Alkoholbe- handlung das ganze Lumen erfüllt, zeigt nun dunkle halb körnig, halb netzförmig erscheinende Figuren, welche den Drüsenzellen in dem Acinus Fig. IXa sehr ähnlich sehen, wenn man sich ihre Zellhaut zerstört denkt. Hierzu ist noch zu bemerken, dass der Ausführungsgang bei 220 maliger Vergrösserung, der Acinus bei 480 facher gezeichnet ist, es stimmt daher auch die Grösse jener Figuren im Ausführungsgang recht gut mit der der Acinus- zellen. Wie man sieht, liegen die Figuren mehr in der Mitte des Ganges, während an den Seiten ein Streifen einer dunkelkörnigen Masse sich hinzieht. Hier haben sich eben die Zellreste durch die Reibung an der Wand zusammengeschoben und lassen keine Grenzen mehr erkennen, während in der Mitte des Ganges, wo die Reibung geringer ist, der leichter flüssige Inhalt der Netz- maschen noch gesonderte Zellreste suspendirt erhält. Untersucht man etwas Mund- oder Rachenschleim, indem man ebenfalls die Färbung mit Eosin und Anilingrün nach Alkoholbehandlung an- wendet, so findet man, dass die Schleimmasse im Ganzen ziemlich homogen grünlich-schwärzlich erscheint, bisweilen auf einem rosa Untergrunde. Man sieht hin und wieder dunkler gefärbte Fäden durch die Masse sich hinziehen oder mehr oder weniger dunkel- grüne Krümel, aber es erscheint kein irgendwie regelmässiges Maschenwerk, das auch nur entfernt Aehnlichkeit mit den bisher beschriebenen Formen darbietet. Daraus folgt, dass die im Aus- führungsgange so deutlich körnig-netzförmig erscheinende Masse Archiv f. mikrosk, Anatomie. Bd. 23. 26 402 P. Schiefferdecker: stark verändert, mehr homogen wird, nachdem sie den Ausführungs- gang verlassen hat. Die Ursache dieser Veränderung kann nur darin gesehen werden, dass eine andere Substanz auf das Sekret einwirkt, und diese Substanz kann wiederum nur das dünnflüssige Sekret anderer in die Mundhöhle sich ergiessender Drüsen sein, also wahrscheinlich hauptsächlich das der Speicheldrüsen. Es folgt daraus also: aus der Mischung von Netzüberresten und Mascheninhalt, intraretieulärer Substanz, entsteht bei Berührung mit einem dünnflüssigen, stärker wasser- haltigen Drüsensekrete jene homogene, stark muein- haltige Masse, welehe wir als Mundschleim kennen. Eine Bestätigung erhält diese Annahme durch Folgendes. Im Sommer 1883 fand Merkel bei Untersuchungen über die Spei- cheldrüsen!), dass alle diejenigen Theile der Ausführungsgänge, welehe Stäbehenepithel besassen, als sekretorische Organe zu be- trachten seien. Er sagt (p. 18): „Bei einem Vergleich dieser Be- obachtungen mit den vom Stäbchenepithel der Nierenkanälchen vorliegenden wird man zu dem Schluss geführt, dass das Stäbchen- epithel, ganz allgemein ausgedrückt, die Eigenschaft hat, concen- trirte Lösungen krystallisirbarer Substanzen zu secerniren.“ Dem Sehaltstück der Speicheldrüsen spricht Merkel die Function zu. Wasser oder ein dem reinen Wasser nahestehendes Transsudat auszuscheiden. Auf Fig. VIIL,6 ist ein Stück eines sich gabeln- den Ausführungsganges der Gl. submaxill. des Hundes abgebildet. Derselbe besitzt ein schönes Stäbchenepithel mit deutlichen Kernen. In der Mitte der Gabelenden sieht man einen schmalen dunkeln Faden, der lange nicht das Lumen ausfüllt. Die beiden Fäden laufen in dem weiteren gemeinsamen Ende nebeneinander hin. Dieselben sind als Schleimgerinnsel aufzufassen, entstanden wohl durch die Alkoholbehandlung. Da sie das Lumen des Ausfüh- rungsganges lange nicht ausfüllen, so muss in demselben der Schleim sehr verdünnt gewesen sein. Diese Thatsache wäre eine Bestäti- sung der Ansicht von Merkel. Eine weitere Bestätigung liegt in der Art des Verlaufs der Schleimfäden. Dieselben verbinden sich in dem ihnen gemeinsamen Ausführungsgange nicht, sondern laufen 1) Fr. Merkel: Die Speichelröhren. Rectoratsprogramm. Leipzig. F. C. W. Vogel. Zur Kenntniss des Baues der Schleimdrüsen. 403 neben einander her. Daraus folgt, dass hier ursprünglich zwei Schleimströme gewesen sind, von denen jeder in der Mitte am meisten Schleim enthielt, während die Randpartien mehr Wasser oder Salzlösungen führten. Diese beiden Ströme haben sich natürlich ‚zunächst in den beiden Gabelenden gebildet. Die Bildung eines Stromes von dieser Beschaffenheit ist nun nur dann leicht ver- ständlich, wenn man annimmt, dass am weitesten her die Schleim- masse kommt, also aus dem Acinus, und dass, während sie all- mählich weiter vordringt, von den Seiten des Ausführungsganges her fortdauernd Wasser oder wässerige Salzlösungen an sie heran- fliessen und sie einhüllen. Da haben wir denn die seeretorische Thätigkeit der Schaltstücke und Stäbehenzellen. Die Schleimfäden erscheinen durchaus homogen, es hat hier also schon jener Process stattgefunden, der bei den Munddrüsen erst mit dem Austritt des Sekrets in die Mundhöhle vor sich geht. Dieses ist eine Bestäti- gung unserer erst gemachten Annahme. In den Acinis der Spei- cheldrüsen sieht man auch häufig dunkel gefärbte Sekretmassen liegen. Diese füllen von dem Lumen immer weit mehr aus als die Schleimfäden in den Ausführungsgängen, ob sie aber noch kör- nig sind, was sie ja der Theorie nach sein müssten, das ist mir bei der dunklen Färbung und der geringen Masse zu entscheiden nicht möglich gewesen. Wenn es nun richtig war, dass Netzwerk und Mascheninhalt zusammen das ergaben, was man als mucinhaltiges Sekret, oder vielleicht auch nur als Mucin bezeichnet, so war es nothwendig, dass sich eine verschieden grosse Menge von Muein bildete, je nachdem das Retieulum oder die intraretieuläre Substanz überwog. Welche von beiden Substanzen darauf von Einfluss wäre, war im Voraus festzustellen unmöglich, wahrscheinlich war nur, dass es das Reticulum sein würde, da dieses den festeren Bestandtheil dar- stellte. Fig. XI, 2 zeigt einen Acinus auf dem Gipfel der Thätig- keit von einer Gl. submaxill. des Hundes nach Chorda-Reizung, Fig. XI, 1 einen solchen von einer nicht gereizten Gl. submaxill. Fig. VIII, 4 einen ebensolchen von einer Gl. submaxill. nach Chorda-Sympathieus-Reizung, bei der letztere aber überwog, wie ein Vergleich mit Präparaten einer Drüse auswies, bei der nur der Sympathicus gereizt war. Man sieht nun leicht, dass je stärker schleimhaltig das Secret war, um so stärker auch die Entwicklung 404 P. Schiefferdecker: des dunklen Netzes hervortritt. Vergleicht man damit noch die dunklen Zellen der Gl. sublingual. des Menschen in Fig. VI, 3, deren Sekret ja ebenfalls stark schleimhaltig ist, und den ganz dunkel erscheinenden Acinus der Munddrüse in Fig. IXa, deren Sekret von allen das mueinhaltigste ist, so kommt man zu dem Schlusse, dass mit der Dieke und Ausbildung des Netz- werks der Mueingehalt des Drüsensekrets steigt, dass also die das Netzwerk bildende Substanz als mucigene Substanz zar’ E£oynv bezeichnet werden muss. Um über die Beschaffenheit der in den Zellen enthaltenen Substanzen weiteres zu erfahren, behandelte ich Schnitte von der in Alcohol gehärteten Gl. orbitalis und Gl. submaxill. des Hundes unter dem Mikroskope mit einer Pepsinverdauungsflüssigkeit. Die Wirkung war folgende. In den hellen schleimgefüllten Zellen trat zunächst eine leichte Trübung ein, welche den Mascheninhalt, die intrareticuläre Substanz betraf. Durch dieselbe wurden die Theile des Netzwerks, welche zuerst sichtbar gewesen waren, weniger gut sichtbar, die ganzen Zellen erschienen dunkler. Nach kurzer Zeit trat dann wieder eine Aufhellung ein und das Netzwerk wurde in grösserer Ausdehnung sichtbar wie zuerst, ebenso traten die Zellmembranen, mit denen das Netzwerk in Zusammenhang stand, deutlich hervor. Das Netzwerk erschien dabei stark lichtbrechend glänzend und etwas stärker als zuerst, es wurde erst nach ziemlich langer Zeit von der Verdauungsflüssigkeit angegriffen und dann allmählich zerstört. Behandelte man einen Schnitt nar mit der ver- dünnten Salzsäure, mit welcher die Magenschleimhaut extrahirt war, so trat auch die Trübung der intrareticulären Substanz ein, aber später keine Aufhellung, diese letztere war also Verdauungs- wirkung, die Trübung Gerinnung in Folge der Säurewirkung. Setzte man zu einem Präparate in Wasser eine concentrirte Lösung von Kali carbon., so trat ein Hellerwerden der intraretieu- lären Substanz ein, so dass das Netzwerk deutlich siehtbar wurde; dieses selbst wurde weiter nicht verändert. Es folgt daraus, dass in der intraretieulären Substanz wahrscheinlich schon etwas Muein enthalten ist, und dass das Netzwerk noch kein Muein ist oder enthält, wobei sich aber nicht sagen lässt, woraus das Netzwerk besteht. Die Zellen der Halbmonde zeigten den erwähnten Rea- gentien gegenüber ein Verhalten, welches es in hohem Grade Zur Kenntniss des Baues der Schleimdrüsen. 405 wahrscheinlich machte, dass sie stark nucleinhaltig seien, ein Um- stand, der, wie ja alle anderen Eigenthümlichkeiten dieser Zellen, dafür spricht, dass sie als junge Zellen zu betrachten sind. Eine Besonderheit fiel mir bei diesen Untersuchungen noch auf. Die schleimgefüllten Zellen zeigen bei ungefärbten oder mit Karmin behandelten Präparaten niemals ein so enges, dichtes, sowie von so dieken Bälkchen gebildetes Netzwerk, wie die mit Anilingrün gefärbten. Auch bei der Aufhellung der Zellen durch Pepsin und Kali carbon. erschien es nicht so dieht und stark, wenn- gleich man mehr davon sah als sonst. Dass das durch Anilingrün gefärbte Netz ein anderes ist als dass, welches man weniger gut auf andere Weise zu sehen bekommt, ist ja äusserst unwahrschein- lich. Es bleibt also nur die Annahme übrig, das entweder sich bei allen anderen Methoden doch noch ein Theil der Bälkchen durch seine Feinheit der Beobachtung entzieht, und dass diese an sich so feinen Bälkehen uns nur durch die intensive Färbung des Ani- lingrüns so deutlich und stark erscheinen, oder zweitens, dass bei der genannten Färbung sich noch eine Substanz mitfärbt oder vielleicht auch allein färbt, die als dünne Schicht die feinen Bälk- chen einhüllt. Da nun aber für das Dasein einer solehen Umhül- lungsschicht weiter nichts spricht, so möchte ieh mich der ersteren Annahme als der nach allen Richtungen hin wahrscheinlieheren zuwenden. Da nach dem oben Mitgetheilten in der intraretieulären Sub- stanz Muein enthalten zu sein scheint, so wird man dieselbe eben- falls als mucigen bezeichnen müssen. Wir haben demgemäss in den Zellen zwei Substanzen, welche mueigen sind. Die intrareti- euläre ist weiter vorgeschritten als die andere und be- reits mueinhaltig, sie ist ausserdem die weniger feste. Die festere retieuläre mucigene Substanz wird zu Muein erst nach dem Zutritt verdünnter Salzlösungen, sie ist aber wegen ihres Gehalts an festen Bestandtheilen die maassgebende für die Menge des gelieferten Mueins. Heidenhain bemerkt in seiner oben eitirten Arbeit p. 55: „Tell habe schon oben unter Zugrundelegung der Erscheinungen an der Unterkieferdrüse bemerkt, dass die Unterschiede jener beiderlei Sekrete (Chorda- und Sympathieus-Reizung) nicht sowohl speeifischer als rein gradueller Natur sind; denn nach langer Rei- 406 P. Schiefferdecker: zung des Sympathieus zeigt das Submaxillarissekret Eigenschaften, welche eine Verschiedenheit von dem Chordasekrete nicht mehr erkennen lassen.“ Meine Beobachtungen stimmen mit diesem Satze sehr gut. Wie ich gezeigt habe, sind die Veränderungen bei beiden Arten der Reizung prineipiell ganz dieselben und nur gra- duell durch die verschieden starke Entwicklung des Netzwerks verschieden. Ferner sagt Heidenhain p. 53: „Während die Verstärkung der Reizung die geschilderten Veränderungen des Sekrets im Ge- folge hat, zeigt eine Abschwächung derselben nicht minder interes- sante Erscheinungen. Wird nämlich zwischen zwei schwache Rei- zungen eine recht starke eingeschoben, so sinkt bei der zweiten schwachen die Absonderungsgeschwindigkeit und der Salzgehalt ganz oder doch nahezu auf die ursprüngliche Grösse, während der Gehalt an organischen Bestandtheilen zwar ebenfalls abnimmt, aber doch die Anfangsgrösse bei Weitem nicht erreicht — ein neuer Beweis dafür, dass die Absonderung der organischen und die der anorganischen Substanzen von Bedingungen verschiedener Art ab- hängt. Im Sinne der oben aufgestellten Hypothese würde diese Erscheinung so zu deuten sein, dass die starke Reizung der tro- phischen Nerven eine grössere Summe organischer Substanzen in der Drüse löslich gemacht hat, als das Sekret während dieser Rei- zung aufzunehmen vermochte. Der Ueberschuss kommt dem Sekrete der folgenden schwächeren Reizung zu Gute.“ Die erwähnte Hypo- these ist die, dass es zwei Classen von Drüsennerven gibt: sekre- torische und trophische, von denen die ersteren der Wasserabson- derung resp. der der anorganischen Bestandtheile vorstehen, die letzteren bewirken, dass die organischen Sekretbestandtheile in den Drüsenzellen löslich und in das Sekret übergeführt würden. Nach den Untersuehungen von Merkel scheint es sicher zu sein, dass die Salze und das Wasser an einer anderen Stelle abgeschie- den werden als der Schleim resp. die organischen Bestandtheile überhaupt, doch sind es beides Vorgänge, bei denen Drüsenzellen thätig sind, wir haben also keinen Grund dieselben prineipiell zu trennen. Wir brauchen also nieht mehr zwei Classen von Nerven- fasern anzunehmen, sondern nur Nervenfasern, welche nach ver- schiedenen Stellen der Drüse hin verlaufen und dadurch wird der ganze Vorgang ein einfacherer und tritt mehr in Uebereinstimmung Zur Kenntniss des Baues der Schleimdrüsen. 407 mit den sonst für andere Organe bekannten Thatsachen. Da die Veränderungen in den Schleimzellen ferner jedenfalls viel durch- sreifender sind und viel langsamer verlaufen als die in den Wasser- Salz-Zellen (wenn es erlaubt ist, diesen Ausdruck zu gebrauchen), da sie eine vollständige Umgestaltung der ganzen Zelle bedingen, so ist es durchaus nicht wunderbar, dass die Mucinmenge bei einer plötzlichen Abschwächung der Reizung nicht ebenso rasch nach- lässt als die Wasser-Salzınenge. Es sind eben in Folge des Reizes eine Menge Schleimzellen in verschiedenen Stadien der Metamor- phose begriffen, und diese schreitet, nachdem einmal der Anfang gemacht ist, fort bis zu den Endstadien. Es ist sogar wahrschein- lich, dass gerade wegen der Abschwächung der Reizung die Mucinabsonderung noch um so länger stärker bleibt als bei der ersten schwachen Reizung, da die einmal in Thätigkeit versetzten Zellen bei Nachlassen der Reizung ihre Umwandlung nicht so rasch vollenden werden wie bei gleichbleibender starker Reizung. Uebrigens könnte man auf diese Weise vielleicht dureh direeten physiologischen Versuch die Zeit feststellen, welche die Umwand- lung der Zellen bei einer bestimmten Reizstärke in Anspruch nimmt. So vereinfachen also die Resultate der Untersuchungen Mer- "kels und die der meinigen, welche sich zufällig so glücklich er- gänzen, die ganze Theorie der Thätigkeit der Schleimdrüsen be- deutend. Die letzte Frage endlich, die noch zu erörtern bleibt, nämlich die nach dem Ersatz der untergehenden Zellen, kann ich nur man- gelhaft beantworten, da ich darüber nichts neues gefunden habe. Dass bei den Drüsen, welche Halbmonde besitzen, in diesen die jungen Zellen zu suchen sind, scheint mir nieht zweifelhaft. Wie der Ersatz bei denjenigen vor sich geht, welche der Halbmonde entbehren, weiss ich nicht zu sagen. Es lag nach dem Mitgetheilten sehr nahe, auch die Becher- zellen in den Kreis der Untersuchung zu ziehen. Waren doch die einzelligen Drüsen der Ampbibienblase eigentlich schon Becher- zellen. Ich habe auch versucht, in die betreffenden Verhältnisse einen Einblick zu gewinnen, doch war meine Zeit in Folge äusserer Verhältnisse zu beschränkt, um hier zu bestimmten Resultaten zu gelangen. Bei den Becherzellen des Darms schien mir auch ein dunkles Netzwerk vorhanden zu sein, welches ausserordentlich 408 P. Schiefferdecker: stark entwickelt war, doch konnte ich, wie gesagt, die Sache nicht genau genug studiren, um ein sicheres Urtheil zu gewinnen, hoffe indess das noch thun zu können. Fassen wir zum Schluss die Resultate dieser Arbeit kurz zu- sammen, so ergibt sich folgendes: l) Die Ausdehnung und Abplattung der Epithelzellen der Blase bei Ausdehnung dieser in Folge von Anfüllung mit Flüssig- keit erfolgt nicht, wie London annimmt, durch direkten Druck, sondern durch seitlichen Zug, bedingt durch die Ausdehnung des Blasenstromas. London’s Annahme von einer Elastieitätszunahme der Epithelzellen bei der Contraetion der Blase ist daher unnöthig. 2) In der Blase der Amphibien giebt es einzellige Schleim- drüsen, welche eine bestimmte Metamorphose durchmachen während ihrer Drüsenthätigkeit. 3) Diese Zellen sind wahrscheinlich specifische Drüsenzellen und entstehen nicht jedesmal aus den indifferenten Epithelien ihrer Umgebung. 4) In den zusammengesetzten Schleimdrüsen der Säugethiere zeigen die Acinuszellen ganz dieselben Formen und Umwandlungs- stadien wie die einzelligen Drüsen der Amphibienblase. Jede Zelle ist dabei selbstständig, die Drüse also eine Colonie von Zellenindividuen. 5) Die während der Thätigkeit der Drüsenzellen auftretenden Veränderungen beziehen sich auf den ganzen Zellkörper und den Kern. Im ersteren bildet sich ein mit Anilingrün sich stark fär- bendes Netzwerk und eine sich schwächer färbende Substanz in den Maschen desselben, Reticulum und intrareticuläre Substanz. Beide sind mucigen, die letzte Substanz wahrscheinlich in der Zelle schon mucinhaltig. Das Netzwerk besteht aus einem gegen Pepsin recht resistenten Stoff, der von kohlensaurem Kali in con- centrirter Lösung nicht gelöst wird. Der Kern der Zelle zeigt während der Metamorphose Lage-, Form- und Färbungsverände- rungen, welche letztere darauf hin deuten, dass auch er in seiner chemischen Zusammensetzung verändert wird. Bisweilen scheint der Kern ganz zu verschwinden. 6) Das Netzwerk sowohl wie der Mascheninhalt treten auf dem Gipfel der Ausbildung des ersteren, einem Stadium, das wohl auch dem Gipfel der Zellthätigkeit entspricht, durch einen Porus Zur Kenntniss des Baues der Schleimdrüsen. 409 aus, der entweder schon im protoplasmatischen Zustande der Zelle vorgebildet ist (Zellen des Amphibienblase) oder sich erst während der Metamorphose bildet (Zellen der Schleimdrüsen der Säuger). Der übrigbleibende Theil der Zelle bildet sich zu dem protoplas- matischen Ruhezustande zurück, um die Metamorphose von Neuem zu beginnen. Wahrscheinlich bleibt, wenigstens bei manchen Drüsen, ein Theil des Protoplasmas um den Kern unverändert und bethei- ligt sich bei dem Rückbildungsprocess. Eine Anzahl von Zellen wird wahrscheinlich auf dem Gipfel der Thätigkeit ganz zerstört und ausgestossen. 7) Reticulum und intraretieuläre Substanz fliessen bei Berüh- rung mit salzhaitigen Flüssigkeiten bestimmter Art zu mueinhal- tigem Secret zusammen. Dieser Vorgang geschieht bei den Drüsen, welche in den Ausführungsgängen Drüsenepithel besitzen (wasser- absonderndes Epithel in den Schaltstücken und Salzlösungen ab- sonderndes in den Ausführungsgängen mit Stäbchenepithel) in diesen Gängen, bei den Schleimdrüsen, deren Ausführungsgänge indiffe- rentes Epithel besitzen, wahrscheinlich bei dem Austritt des Secrets aus dem Hauptausführungsgang auf der Oberfläche der Schleimhaut (Drüsen der Mundhöhle) mit Hülfe des Secrets anderer Drüsen. 8) Die Menge des Mucins in einem Secrete ist proportional der Ausbildung des Reticulums. 9) Die verschieden grosse Menge des Mucins in dem Secrete der Gl. submaxill. des Hundes bei Chorda-Reizung und Sympathicus- Reizung ist ebenfalls nur durch die verschieden starke Ausbildung des Reticulums bedingt. Es sind also, wie Heidenhain schon ganz richtig vermuthet hatte, nur graduelle Unterschiede bei den beiden Reizungsarten zu constatiren, nicht prineipielle. 10) Wie aus den Untersuchungen von Merkel und mir her- vorgeht, findet die Absonderung der organischen und anorganischen Bestandtheile an verschiedenen Stellen der Drüse statt und zwar jedesmal durch Drüsenzellen. Daraus folgt, dass wir nicht nöthig haben, zwei verschiedene Arten von Nervenfasern anzunehmen, seeretorische und trophische, wieHeidenhain es that, sondern nur eine Art, deren Fasern zu verschiedenen Stellen der Drüse hinlaufen. 11) Auch die bei Verstärkung oder Abschwächung des Reizes beim physiologischen Versuch auftretenden Erscheinungen erklären sich nach dieser einfachen Annahme genügend. 410 P. Schiefferdecker: 12) Die Zellen der Halbmonde sind junge Zellen, welche als Ersatzzellen dienen. Dafür, dass es junge Zellen sind, spricht auch ihr Gehalt an Nuclein. In welcher Weise der Ersatz der Zellen vor sich geht bei den Drüsen, welche keine Halbmonde besitzen, ist unbekannt. 13) Wenn man bei den Schleimdrüsen überhaupt von Thätig- keit und Unthätigkeit sprechen will, so muss man als den relativen Zustand der Ruhe der Drüsenzelle den protoplasmatischen be- zeichnen, als den der höchsten Thätigkeit denjenigen, in welchem das Retieulum die grösste Ausbildung besitzt. Die gerade in ent- gegengesetztem Sinne angewandten Bezeichnungen Heidenhains sind also nicht richtig. i4) In einer nicht weiter künstlich gereizten normalen Drüse findet man alle Stadien der Thätigkeit nebeneinander, gerade wie auch in der Amphibienblase. Solche Drüsen eignen sich daher auch für die Untersuchung am besten. Zur Kenntniss des Baues der Schleimdrüsen. 411 Erklärung der Tafeln XIX u. XX. Sämmtliche Zeichnungen sind mit Winkel’schen Objectiven und einem Winkel’schen Zeichenprisma angefertigt. Fig. Ia. Fig. Ib. Fig. Ic. Fig. Ila. Fig. IIb. Fig. II. Obj. IX, ganzer Auszug, Vergr. 480. Rana escul., Epithelzellen aus einer mit Müller’scher Flüssigkeit behandelten Blase. Ebenso. Bei h isolirte Drüsenzellen im thätigen Zustande, bei k im Ruhezustande. ÖObj. IX, g A., Vergr. 480. Bufo vulgaris, die Buchstaben wie vor- hin, beia eine schleimhaltige Zelle, bei der man um den Kern her- um noch körniges Protoplasma sieht, und bei der die den Porus tragende Spitze kegelförmig ist. Obj. IX, g. A., Vergr. 480. Rana escul. Blase in Osmium 1/,%, gehärtet, nicht ausgedehnt, Querschnitt. Bei a eine protoplasmatische Drüsenzelle, bei b die an die Epitheloberfläche ragende Spitze, die den Porus bildet. Ebenso, Blase ziemlich stark ausgedehnt, bei a eine schleimgefüllte Drüsenzelle, bei b der offene Porus. Obj. IX, g. A., Vergr. 480. Bufo vulgaris, Blase in Alcohol ge härtet, ziemlich stark ausgedehnt, Eosin-Dahlia-Färbung, Flächenbild. Fig. la. a indifferente Epithelzellen, b deren Grenzlinien, c protoplas- matische Drüsenzelle, d deren Kern, e der Porus, zu dem die Grenzlinien der Epithelzellen hinlaufen. Fig. IIIb. a, b, d, e wie vorher, f Kerne der Epithelien, & Zellmembran Fig. IV. der schleimgefüllten Drüsenzelle bei c, h Hof um den Porus. Obj. VII g. A. Vergr. 385. Bufo vulgaris, Blase ziemlich stark ausgedehnt in Osmium 1/50/,, Flächenbild. a Epithelzelle, b deren Kern, ce glatte Muskelfasern im Stroma, d schleimgefüllte Drüsen- zelle, e protoplasmatische Drüsenzelle, f Porus. Fig. V. Obj. IX, g. A., Vergr. 480. Rana escul., Blase ziemlich stark aus- Fig. VI. Fi u gedehnt, Osmium 1/50/,, Flächenbild. Nach dem vorigen auch ohne Buchstaben verständlich. Obj. IX, g. A., Vergr. 480. Bufo vulgaris, Blase ziemlich stark ausgedehnt, in Alcohol gehärtet, Eosin-Anilingrün. Umwandlungs- formen der Drüsenzellen aus dem Flächenbild herausgenommen Nr. 1—9 verschiedene Stadien. Ueber jeder Zelle der Porus, zu dem die Grenzlinien der nicht gezeichneten Blasenepithelien hinziehen. g. VII. Obj. IX, g. A., Vergr. 480. Gl. sublingualis von einem Hinge- richteten, einige Stunden nach dem Tode in Alcohol gehärtet, Eosin- 412 P. Schiefferdecker: Zur Kenntniss des Baues der Schleimdrüsen. Fig. Fig. Anilingrün. Nr. 1—4 einzelne Acini mit verschiedenen Thätigkeits- stadien der Drüsenzellen. Wegen der Buchstaben siehe Text pag. 395. VIII. Obj. IX, g. A., Vergr. 480. Hund, Gl. submaxill. Reizung der Chorda und des Sympathicus, beides von kurzer Dauer, Härtung in Alcohol, Eosin-Anilingrün. Nr. 1—5 Acini mit Drüsenzellen in verschiedenen Thätigkeitszuständen. Nr. 6 Ausführungsgang mit Stäbchenepithel, im Lumen zwei Schleimgerinnsel, Eosin-Anilingrün. . IXa. Obj. IX, g. A., Vergr. 480. Drüse der Mundhöble von einem Hinge- richteten, einige Stunden nach dem Tode in Alkohol gehärtet. Eosin- Anilingrün. Ein Acinus mit Zellen auf dem Gipfel der Thätigkeit. . IXb. Obj. VI, g. A., Vergr. 220. Aus derselben Drüse, Stück eines Ausführungsganges. Xa. Obj. IX, g. A., Vergr. 480. Hund, Gl. submaxill. in Müller’scher Flüssigkeit, Drüsenzellen isolirt. . Xb. Obj. IX, g. A., Vergr. 480. Hund (derselbe wie vorher), Gl. lin- gualis in Müller’scher Flüssigkeit, Drüsenzellen isolirt. . XI. Obj. IX, g. A., Vergr, 480. Hund, Gl. submaxillaris, Alcoholhär- tung, Eosin-Anilingrün. Nr. 1 Acinus mit Zellen auf der Höhe der Thätigkeit aus einer nicht künstlich gereizten Drüse, Nr. 2 aus einer Drüse nach Chorda-Reizung. Maxv. Brunn: Untersuch. über d. doppelte Form d. Samenkörper ete. 413 Untersuchungen über die doppelte Form der Samenkörper von Paludina vivipara. Von Max v. Brunn. Hierzu Tafel XXI u. XXI. Das Studium der männlichen Geschlechtsproduhte hat seit dem Beginn der mikroskopischen Forschung eine lange Reihe namhat- ter Histologen beschäftigt. Kein Wunder! Verdient doch das Sperma seiner definitiven Bestimmung wegen ein hervorragendes Interesse, und bieten doch gerade die Samenelemente eine solche Fülle über- aus interessanter Beobachtungsmomente, dass sie für die allerver- schiedensten biologischen, morphologischen und physiologischen Fragen von besonderer Wichtigkeit erscheinen. — Ein wesentlich gesteigertes Interesse aber muss die Samenflüssigkeit in den Fällen in Anspruch nehmen, wo die Verhältnisse derartig eomplieirt sind, dass der Hoden eines Thieres nicht, wie sonst allgemein, nur eine speeifische Form vollkommen entwickelter Elemente aufweist, wo sich vielmehr eine zweite Form von Samenkörpern hinzugesellt, die, durch ihre Existenz das sonst allgemeine Gesetz von der Sinförmigkeit der männlichen Zeugungsstoffe wesentlich beschrän- kend, für die Physiologie der Zeugung neue Räthsel in sich birgt. Man sollte meinen, dass sich die Forschung dieser fragwürdi- gen Beobachtungen mit grösstem Eifer bemächtigt haben müsse, da doch, je auffälliger eine Erscheinung ist, sie umsomehr zu ei- ner Erklärung herausfordert. Beim Studium der Litteratur jedoch machen wir die überraschende Entdeckung, dass keine nennens- werthen Anstrengungen gemacht worden sind, der Sache auf den Grund zu gehen. Nachdem man die Thatsache constatirt hatte, begnügte man sich damit, sie „höchst auffällig“ zu finden, ohne das Bedürfniss zu bethätigen, etwas mehr Aufschluss darüber zu gewinnen. — Wie ungemein überraschend aber die in Rede ste- Archiv f. mikrosk, Anatomie. Bd, 29. 27 414 Max v. Brunn: hende Erscheinung in der That ist, geht wohl am schlagendsten daraus hervor, dass Kölliker, trotzdem ihm kein geringerer Ge- währsmann als v. Siebol«d gegenüber stand, in seinen bekannten, überaus eingehenden Untersuchungen über die von ihm zuerst als Samenfäden bezeichneten Gebilde eine doppelte Form von Samen- elementen für so völlig unvereinbar mit allen übrigen einschlagen- den Befunden hielt, dass er v. Siebold’s Beobachtung auf's be- stimmteste für ungenau halten zu müssen glaubte und in dieser Ueberzeugung es als einen seiner Hauptsätze aussprach (1841) und aufrecht erhielt (1847), dass jede Thierart nur einerlei Samen- fäden habe. — Demnach musste es dringend erwünscht scheinen, nachdem einige Jahre später (1851) v. Siebold’s Beobachtung durch Leydig über allen Zweifel erhoben worden war und von nun an als positive Thatsache in unsre Lehrbücher überging, diese so ungemein auffällige, aus dem allgemeinen Rahmen völlig her- austretende Erscheinung gründlich zu erforschen und womöglich ihres geheimnissvollen Wesens zu entkleiden. Und doch wurde dieser Forderung der Wissenschaft so gut wie gar nicht Rech- nung getragen, so dass wir jetzt, nach über drei Jahrzehnten, der Lösung dieser Aufgabe, streng genommen, nicht näher gekom- men sind. — Es darf daher eine erneute Untersuchung des Gegen- standes gewiss auf Beifall rechnen. Als ich durch meinen verehrten Lehrer Dr. Fraisse von der Thatsache unterrichtet wurde, dass Palud. vivip. in bisher unauf- geklärtem Gegensatze zu allen übrigen Thieren nicht eine, sondern zwei, völlig verschiedene Formen von Samenkörpern besitze, fasste ich den Entschluss, mir die Erforschung dieser dunklen Frage zur Aufgabe zu machen. — Ich begann die Untersuchung der Saımnen- flüssigkeit dieses in der Leipziger Gegend sehr gemeinen Proso- branchiers im März 1832 im hiesigen zoologischen Laboratorium unter den Auspicien unsres allverehrten Leuckart. Beide ge- nannte Herren erleichterten mir durch Gestattung einer unbeschränk- ten Benutzung ihrer vortreffliehen Bibliotheken und, im Verein mit meinem hochgeschätzten Lehrer, jetzigem Prof. Chun, durch über- aus dankenswerthe Anregung und Theilnahme die Ausführung meiner Absicht sehr wesentlich. Möchten Diese meinen aufrichtig- sten Dank für ihre Güte erkennen in einer sorgfältigen Behand- lung des Gegenstandes und sich durch die wenn auch nur gerin- gen Dienste, welehe die erzielten Resultate unsrer Wissenschaft Untersuch. üb. die doppelte Form d. Samenkörper v. Paludina vivipara. 415 \ vielleicht zu leisten vermögen, für ihr gütiges Entgegenkommen belohnt sehen. Geschiehtliches. Das Verdienst, unsre Wissenschaft mit der interessanten Kenntniss, dass Palud. vivip. zwei Formen von Samenkörpern be- sitzt, bereichert zu haben, gebührt unserm ehrwürdigen Senior v. Siebold. Ehe ich jedoch mit der Darlegung seiner Beobachtungen eine historische Behandlung der Frage eröffne, möchte ich anführen, dass Ehrenberg!) schon bei seinen Infusorienstudien in Palud. die wunderbare zweite Form sah und unter dem Namen Phacelura Paludinae als ein in Massen die ganze Leber der Palud. erfüllendes Anguillulaähnliches Thierchen nach Form und Bewegung ziemlich treffend beschrieb. — Treviranus?) untersuchte zuerst die Hoden- flüssigkeit von Pal. viv. Nach ihm enthält der Saft des „trauben- förmigen Organs“ (von ihm selbst als Hoden angesprochen) ähn- liche lebende Elementartheile, die ihm eigenthümlich sind, wie die nämliche Materie von Limax, Planorbis, Limnaeus, Fäden, die sich fortbewegen, indem sie sich nach Art der oscillirenden Conferven krümmen und drehen. Treviranus spricht also nicht von irgend welcher Verschiedenartigkeit der Elemente der Hoden- flüssigkeit; er sah danach ebenfalls nur die zweite, grössere Form. Uebrigens nennt er die Samenelemente Infusorien, die bei allen Schnecken von einerlei Art seien. v. Siebold veröffentlichte seine Studien über die Hoden- flüssigkeit von Pal. viv. im Jahre 1836 (1). — Schon bei 130facher Vergrösserung, sagt er ungefähr, unterscheidet man auf den ersten Blick in der weissgelben Samenmasse des Hodens zweierlei Ar- ten von Spermatozoön. Die eine, grössere, wurmförmige, ist farblos, wasserhell, überall gleiehmässig diek; nur das eine Ende ver- schmälert sich und läuft spitz aus, an dem andern ragen, wie aus einer Röhre, mehrere (nicht unter 7) sehr zarte Fäden hervor, die ein eigenthümliches, für sich bestehendes Leben äussern, „als woll- 1) Hemprich etEhrenberg, Symb. Phys. Animal. evert. Ser. I. 1831. Phytozoa Entozoa. Appendix. 2) Treviranus, Ueber die Zeugungstheile u. d. Fortpfl. d. Mollusken. Zeitschrift f. Physiologie (Tiedemann-Treviranus) I. B. 1. H. 1824. 416 Max v. Brunn: ten sie aus der Röhre, in welcher sie zu steeken scheinen, hervor- kriechen“. Die zweite, kleinere, haarförmige Art ist ausserordent- lich fein, linear; ihr Wurzelende, bedeutend stärker als der übrige haarfeine Körper, ist schraubenförmig gedreht. — Nach einer ein- gehenden Schilderung anderer specifischer Eigenschaften der bei- den Arten, besonders ihrer Bewegung und Reaction gegen die ver- schiedensten Zusatzflüssigkeiten, stellt v. Siebold dann die Ent- wicklung der wurmförmigen Art sehr befriedigend dar, „die all- mähliche Entwicklung von der Bläschenform bis zu ihrer vollkom- mensten Gestalt“. Anfangs verfiel der erfahrene Forscher auf den Gedanken, die linearen Spermatozoön schlüpften aus den wurmförmigen her- vor, diese seien gleichsam Schläuche; er fühlte jedoch zugleich die volle Unwahrscheinlichkeit einer solehen Erklärung, zu der eine ganze Reihe von Beobachtungen in Widerspruch stand. Sei- ner Ausdauer gelang es denn auch, Gebilde zu finden, die, so selten sie auch vorkamen, ihm als beweisend für eine selbständige Entwicklung der haarförmigen Spermatozo&@n erschienen. Er fand ge- stielte Bläschen von der definitiven Länge der haarförmigen Samen- fäden, von denen ein Theil am obern Ende eine Zersplitterung in zahlreiche feine Fasern zeigte. Der Versuch, auch diese Gebilde aus ursprünglichen Bläschen, analog der Entwicklung der andern Form, herzuleiten, gelang ihm nicht. Das ist allerdings sehr be- greiflich; denn seine „gestielten Bläschen“ sind, weit entfernt, Entwicklungsstadien darzustellen, nichts Anderes, als eine grössere Anzahl, nach dem natürlichen Absterben zu einem gemeinsamen Körper verschmolzener, haarförmiger Samenkörper !). Aber gerade diese Täuschung führte v. Siebold zu der prineipiell ganz rich- tigen Auffassung der Verhältnisse, zu der Ueberzeugung, dass beide Samenkörperformen sich völlig unabhängig von einander 1) Den späteren Beobachtern kamen derartige Gebilde nicht zu Gesicht; auch ich habe lange vergeblich danach gesucht, endlich fand ich sowohl „oben zersplitterte“ als auch „zur Zersplitterung noch nicht reife, gestielte Bläschen“. Ich habe sie in Fig. 6 dargestellt. sie gleichen denen v. Siebold’s vollkommen. Ich fand sie, wie gesagt, nur selten, eigentlich nur in zwei Fällen in grösserer Anzahl vor; zuerst im Hoden eines gestorbenen Thieres und dann unter der in einem Uterus enthaltenen, zum Auswerfen bestimmten, Samenmasse Untersuch. üb. die doppelte Form d. Samenkörper v. Paludina vivipara. 417 entwickeln. — Er schliesst seine Darstellung mit den Worten: „Höchst merkwürdig muss es immer erscheinen, dass die Pal. viv. zweierlei, von einander bestimmt verschiedene Arten von Spermatozoön besitzt.“ Den Versuch einer Erklärung dieses so höchst merkwürdigen, einzig dastehenden Phänomens machte der verdiente Entdecker nicht; die physiologische Digni- tät beider Formen in Bezug auf die Befruchtung liess er gänzlich unerörtert auf sich beruhen. Zahlreiche, sehr gute Abbildungen sind der eingehenden Darstellung beigegeben. Aber trotzdem v. Siebold seine Entdeckung, deren wunder- baren Charakter er, wie wir gesehen, sehr wohl erkannte, mit so srosser Gewissenhaftigkeit begründet, auch erst nach den sorgfäl- tigsten Erwägungen seine Entscheidung getroffen hatte, so konnte sich Kölliker, dem leider kein Material zur Controlle zu Gebote stand, doch nicht entschliessen, diese zu allen übrigen einschlagen- den Beobachtungen in schroffem Gegensatze stehende Thatsache anzuerkennen. Er sagt in seiner bekannten ersten Abhandlung (2), nachdem er auch auf die ganz eigenthümliche Gestalt der wurmför- migen Samenkörper hingewiesen, „die mit keiner aller übrigen Samen- fäden auch nur entfernte Aehnlichkeit hat,“ dass man nach all dem zu der Vermuthung komme, ‚dass hier eine Lücke der Be- obachtung sich vorfinden müsse, welche die richtige Auffassung aller Theile hinderte.“ Kölliker denkt sich die Entwicklung derart, dass die haarförmigen Samenfäden aus den wurmförmigen Ge- bilden durch Zerfaserung dieser „von oben herunter“ entständen. Allerdings erkennt er sehr wohl die Schwierigkeiten an, welche die vorliegenden Verhältnisse, besonders die Grössendifferenz, einer solehen Ansicht entgegensetzen; aber v. Siebold’s Einwürfe ge- gen die Annahme einer genetischen Zusammengehörigkeit beider Formen scheinen ihm doch so wenig stichhaltig, dass er zum Schluss seine Bedenken in die Worte zusammenfasst: „Nach Allem muss ich es wenigstens als keineswegs ausgemacht halten, dass die Paludina zweierlei Samenfaden besitze.“ — Leider hatte Köl- liker, wie schon erwähnt, in Zürich keine Gelegenheit, durch eigene Untersuchung die Verhältnisse kennen zu lernen, und so hielt er in seiner 1347 erschienenen Abhandlung (3) jene seine frühere Ansicht energisch fest, „dass alle von v. Siebold gesehe- nen Formen nur Entwicklungsstufen einer einzigen Art von Sa- menfäden“ seien, aber entsprechend seiner neu gewonnenen Auf- 418 Max v. Brunn: fassung der Spermatogenese, nach’ welcher sich die Samenfäden der meisten Thiere in den Kernen (‚Bläschen‘) der Samenbil- dungszellen bilden, und letztere bei dem allmählichen Strecken der mehr oder weniger ausgebildeten Samenfäden zu einem läng- lichen Schlauche ausgedehnt werden sollten, gab er seine frühere Zerfaserungstheorie auf und ersetzte diese durch folgende Erklä- rung: „Ich betrachte nämlich die sogen. grösseren Samenfäden als verlängerte Mutterzellen, welche mehrere Samenfäden enthalten, die manchmal an dem einen Ende derselben mit ihrem feineren, geradlinigen Theile schon durchgebrochen sind, ähnlich manchen Zellen von Helix, die oft ebenfalls in gewissen mittleren Stadien verwandte Formen zeigen.“ Ich finde nur, dass durch diese Annahme noch keineswegs, wie Kölliker meint, die letzten Zwei- fel, die er der Grössenverhältnisse wegen gegen seine Annahme hegen musste, gelöst erscheinen können. Ausserdem war die An- nahme, als ob schliesslich die haarförmigen Spermatozoön aus den wurmförmigen wie aus Schläuchen hervorträten, schon im Voraus von v. Siebold auf ausführliche, beweisende Erörterungen hin überzeu- send für unstatthaft erklärt worden. -— Aber leider hatte inzwischen Paasch 1845 nach eigenen Untersuchungen (4) die Schlauchna- tur der grösseren Samenfäden mit voller Bestimmtheit behauptet, wodurch Kölliker in seiner Ansicht noch wesentlich bestärkt wurde. Die Darstellungen von Paasch enthalten übrigens nichts Neues; er hält die feinen Fäden, „deren eine Hälfte ziemlich eng spiralförmig gewunden ist“, für die eigentlichen Samenfäden, die grösseren, wurmförmigen Gebilde dagegen für ganze Bündel jener, die noch von einer feinen Membran unıschlossen seien, und zwar we- gen der entsprechenden Stärke der „aus jenen Schläuchen hervor- ragenden Fäden“; ihre Bewegung analogisirt er der ganzer Bündel von Samenfäden von Limnaeus und Helix. Eine ganz besondere Hypothese stellte Gratiolet 1850 auf (5). Auch er glaubt, dass beide Formen demselben Entwicklungs- cyklus angehören, meint aber, dass ihr gegenseitiges Verhältniss ge- rade das umgekehrte von dem sei, welches Kölliker und Paasch annahmen. Nach Gratiolet sind nicht die haarförmigen, sondern die wurmförmigen Elemente die reifen Samenkörper; die wurmf. entwickeln sich aus den haarf. und zwar dadurch, dass der kork- zieherartig gewundene Theil der letzteren zu dem Wimpernbüschel der ersteren sich umbildet. Wie wenig Anspruch seine Beobach- Untersuch. üb. die doppelte Form d. Samenkörper v. Paludina vivipara. 419 tungen auf Gründliehkeit machen dürfen, ergiebt sich ebensosehr aus der Kritiklosigkeit seines Verfahrens, die vielfachen Wider- sprüche gänzlieh unberücksiehtigt zu lassen, wie aus verschiedenen direeten Unrichtigkeiten. Sagter doch unter Anderem in Bezug auf die haarf. Gebilde: „l’eau pure ne les altere en aucune fagon“, während ein einziger aufmerksamer Blick zeigt, wie es alle ande- ren Beobachter auch angeben, dass beim geringsten Zusatz von Wasser die haarförmigen Samenkörper sofort stark deformirt werden. Erst nach anderthalb Decennien war es v. Siebold vergönnt, seine interessante Entdeckung gegen alle Zweifel voll und ganz zur Anerkennung gelangen zu sehen. 1857 widmete Leydig in seiner ausführlichen Arbeit „Ueber Paludina vivipara ete.“ (6) der Spermatogenese die grösste Auf- merksamkeit. Das Resultat seiner Beobachtungen war eine völlige Bestätigung der Angaben v. Siebold’s. Nur in Bezug auf die Art der Entwieklung der haarförmigen Samenkörper gelangte Leydig zu weit befriedigendern Ergebnissen; er fand eine continuirliche Reihe Entwicklungsphasen von der ursprünglichen Bildungszelle an bis zum ausgebildeten Samenkörper. Seine Darstellung gipfelt in den Worten: „Fasst man diese Entwicklungsformen zusammen, so werden sich die haarförmigen Spermatozoiden wohl in dieser Weise bilden, dass die bläschenförmigen Kerne, welche anfangs in Mut- terzellen nebst einer gelben Masse eingeschlossen sind, frei werden, hierauf sich zuerst einseitig, dann doppelseitig verlängern und aus ihrem Inhalte den Spermatozoiden bilden, der endlich aus dem verlängerten Bläschen durch Schwinden der Membran frei wird und sich noch eine Zeit mit der ebenfalls freigewordenen gelben Masse verbunden zeigt.“ Seine Beobachtungen über die Entwicklung der wurmförmigen Art stimmen dagegen mitdenen v. Siebold’s über- ein, gehen aber tiefer auf die structurellen Einzelheiten ein, wobei freilich manche Irrthümer mit unterlaufen. — Nach Leydig’s Darstellung zeigt die Entwicklung beider Formen den fundamentalen Unterschied, dass der wurmförmige Samenkörper eine durch ausser- ordentliche Verlängerung zu seiner definitiven Grösse ausgewach- sene Zelle repräsentirt, deren Kern im Verlauf der Entwicklung ver- schwindet, während derhaarförmige ganz im Einklangmit Kölliker’s Bläschentheorie sich aus dem Inhalte eines ursprünglich bläschen- förmigen Kernes bilden soll. — Bezüglich der funktionellen Bestim- mung beider Formen scheint Leydig keinen Unterschied anzu- 420 Max v. Brunn: nehmen; er betrachtet beide als bei der Befruchtung in gleicher Weise eoneurrirend, wozu ihn die Beobachtung führte, dass in dem die Dotterkugel, resp. den jungen Embryo, umgebenden Eiweisse nicht selten beide Formen, theils abgestorben, theils noch in leb- hafter Bewegung, zu finden waren. Einen bedauernswerthen Mangel an Litteraturkenntniss bekun- det eine spätere Arbeit von Speyer 1855 (7) insofern, als die- ser den hervorragenden Aufsatz Leydig’s, neben welchem seine eigene .„Zootomie der Pal. viv.“ einen sehr untergeordneten Werth besitzt, gar nicht kennt. In Betreff der „Samenthierchen“ schliesst er sich den Ansichten von Kölliker und Paasch an, indem er anführt: „denn gehörten beide Formen verschiedenen Arten an, so müssten sie jedenfalls immer zusammenin dem Hoden ein und desselben Thieres auftreten, was ich aber niemals gefunden habe. Bei dem nicht ausgewachsenen Manne fand ich nämlich sowohl in dem vorderen wie in dem hinteren Hoden nur die wurmförmige Art mit und ohne Fäden, bei ausgewachsenen und namentlich ganz alten Individuen aber die haarförmigen Spermatozoön vorherrschend; ebenso bemerkte ich in der Bursa seminis (des Weibchens) nur die schraubenförmigen. Die Entwicklungsstufen der Spermatozo@n scheinen sich daher so zu verhalten, dass sich aus der Zelle zunächst die wurmförmigen Sper- matozo@n entwickeln, aus deren verdiekten Enden durch Theilung die haarförmigen hervorgehen.“ — Diese Beobachtungen sind that- sächlich unrichtig, wie sie ja auch mit den Angaben der früheren Forscher in Widerspruch stehen. Seitdem ist die Samenflüssigkeit von Pal., soviel mir bekannt, von deutschen Forschern nicht wieder zum Gegenstande ihrer Un- tersuchungen gemacht worden. — In Frankreich beschäftigte die in- teressante Frage nach Gratiolet zunächst Baudelot, der in seiner 1863 erschienenen Arbeit (3) über den Geschlechtsapparat der Gastropoden sich für die Einförmigkeit der Samenkörper von Pal. ausspricht. Er beobachtete, dass in drei Fällen während des Win- ters die in den weiblichen Geschlechtsorganen enthaltene Samenmasse nur aus haarförmigen Samenkörpern bestand. Dieser Umstand er- scheint ihm als Beweis dafür, dass die wurmförmigen nur eine „forme transitoire“ darstellen, aus der sich, also erst im Weibchen, die aus- gebildeten haarförmigen Körper entwickeln. Die Ansicht Gratio- let’s von der Entwicklung der wurmförmigen aus den haarförmigen verwirft Baudelot vollständig. Untersuch. üb. die doppelte Form d. Samenkörper v. Paludina vivipara. 421 Die jüngste Arbeit über unsern Gegenstand lieferte 1880 Du- val (9b), der zum ersten Male mit den Hilfsmitteln der modernen Technik die feineren Einzelheiten studirte. — Ich bedauere, dass ich die Befriedigung, welche Duval über die Ergebnisse seiner Untersuchung empfindet, nicht theilen kann. Ich fand viele seiner Beobachtungen in so directem Widerspruche mit den Thatsachen, dass ich mich einer eingehenden, leider meist sehr ungünstigen Kritik seimer Befunde nicht entziehen kann. — Ich bemerke zunächst, dass ich meine eigenen Studien unternahm, ohne Kenntniss von der Duval’schen Arbeit zu haben; von dieser erfuhr ich erst aus Hoff- mann-Schwalbe’s Jahresbericht 1382, als meine Untersuchun- gen in den wesentlichsten Punkten schon zu positiven Resultaten geführt hatten. Als ich nun in jener Arbeit vieles diesen Wider- sprechendes fand, konnte ich nicht umhin, neue Controllbeobach- tungen anzustellen, wobei ich zunoch weiter ausgedehnten Untersu- chungen, besonders über die Spermatogenese bei Pulmonaten gelangte. Ich fand meine ersten Befunde in allen Punkten bestätigt und fühle mich daher berechtigt, die entgegenstehenden Angaben Du- val’s als unriehtig zu bezeichnen, umsomehr, als die Darstellun- gen dieses Forschers in Wort und Bild einen auffallenden Mangel an Gründliehkeit und Sorgfalt zur Schau tragen. — Die vorange- gangene Besprechung der früheren Arbeiten zeigt zunächst, wie wenig Duval dazu berechtigt war, für sich das Verdienst zu be- anspruchen, unsre Wissenschaft mit der Kenntniss der selbständi- sen Entwicklung beider Formen von Samenkörpern bereichert zu haben. Wenn er sagt: „ce r&sultat nous permettait enfin de reeti- fier une opinion qui, appuyde sur des noms comme ceux de Kölliker et de Baudelot, semblait devoir &tre definitivement acquise A la science,“ so beweist dies nur, dass es ihm völlig un- bekannt ist, dass seit Leydig’s endgültiger Entscheidung 1850 in den deutschen Lehrbüchern die doppelte Form als unzweifelhafte Thatsache überall anerkannt und gelehrt wird!). Von diesem Ver- dienste Duval’s kann also keine Rede sein! — Ferner setzte mich die Darstellung sehr in Erstaunen, welche Duval von der Bildung I) Wagner’s Handbuch der Physiol. IV.B. Leuckart’s Artikel .‚Zeugung.“ 1855. — Leydig’s Lehrb. d. Histol. d. M. u. d. Th. 1857. — Bronn’s Klas- sen u. Ordnungen d. Thierr. III. B. II. Abth. 1862—66. — Stricker’s Handb. d. Lehre v. den Geweben d. M. u. d. Th. 1871. u. A. m. 422 Max v. Brunn: der haarförmigen Samenkörper giebt. Nachdem er auf diese mit den Worten aufmerksam gemacht: „nousavons dü decrire avee tout le soin possible l’evolution des produits figures de cette glande“ (seil. Hoden), müssen wir zufrieden sein, drei Seiten später zu er- fahren: ‚nous ne nous arreterons pas ici sur la formation des spermatozoides filiformes: elle a lieu d’une maniere identique A ce que nous avons observ& pour les spermatozoides de l’Helix.“ Damit bleibt dieser wichtige Punkt erledigt; auch ist keine einzige Figur von Umbildungsstadien des „Spermatoblasten‘“ zum reifen haar- förmigen Samenkörper beigefügt. Seine Darstellung der entsprechen- den Erscheinungen bei Helix jedoch, auf die uns Duval verweist, ist nach meinen Beobachtungen eine unrichtige, wie ich weiterhin ausführen werde. Somit ist unsre Kenntnis über diese interessanten Verhältnisse in keiner Weise gefördert worden. Duval’s Schrift behandelt den Gegenstand in drei Ab- schnitten: I. Description des deux especes de spermatozoides a l’etat de complet developpement. — Die hier niedergelegten Beobach- tungen über Gestalt und Bewegung beider Formen enthalten nichts Neues: v. Siebold und Leydig erörterten beide Erscheinungen ausführlicher und richtig, z. B. die eigenthümliche Bewegung der Wimpern. II. Etude du developpement de ces deux ordres de filaments spermatiques, et plus speeialement des filaments dits tubes eiliferes. — Beide Arten entstehen unabhängig von einander in vollständig analoger Weise. Die haarförmigen gehen den wurmförmigen in der Entwicklung voraus. Der Hoden ist immer mehr oder weniger gefüllt mitvollständigentwickelten Samenkörpern. Der Gang der Entwicklung ist folgender: Den Ausgangspunkt eines jeden Samenfädenbündels bildet eine sog. Mutterzelle (cellule mere ou ovule mäle); diese besteht aus einer membranlosen Protoplasmamasse, in der man unterscheidet 1. einen dicken, eiförmigen Kern (noyau prineipal), 2. eine Anzahl von jungen Kernen, die durch endogene Bildung entstehen. Diese Mutterzelle bildet sich zu einer Traube von sog. Spermatoblasten um in der früher bei Helix geschilderten Art und Weise, also folgendermassen (9a): Es trennt sich das Protoplasma der cell. m. in kleine Sprossen, die ihr durch einen kurzen Stil anhängen und je einen der jungen Kerne enthalten. Diese Spros- sen häufen sich mehr und mehr, indem sie sich auch selbst‘ Untersuch. üb. die doppelte Form d. Samenkörper v. Paludina vivipara. 423 theilen. So entsteht eine dichte Traube membranloser Zellen, die Duval Spermatoblasten nennt. Letztere hängen unter sich und mit der cell. m. so zusammen, wie die Beeren einer Weintraube. In der Basis der Traube liegt der n. prine., selbst noch von einer gewissen Menge Protoplasma umgeben; fettartige Granulationen erfüllen das Protopl. der cell. m. Im weiteren Verlaufe bilden sich nun in diesen Spermatoblasten direct die definitiven Samen- körper. Die Bildung der haarförmigen hält Duval, wie schon oben er- wähnt, ebenfalls für überflüssig zu schildern, indem er, wie vor- her, auf seine frühere Darstellung der ganz analogen Verhältnisse bei Helix verweist. Ich gebe daher auch diese kurz zusammen- fassend wieder: In jedem Spermatoblasten zeigt sich ausser seinem Kern ein körniger Körper mit wenig scharfen Contouren einge- schlossen, das sog. corpuseule eephalique, welches aber nur mit chlorure d’or gut nachweisbar ist, während selbst Osmiumsäure keine guten Resultate giebt (!). Beide Körper berühren sich nicht. Das ec. eeph. liegt immer an der Basis des Stils des Spermatobla- sten, der Kern in dessen nach dem Innern des Follikels gerichte- ten diekeren Theile. Dieses ce. e&ph. — identisch dem von v. la Valette St. George, Balbiani und Bütschli bei Arthropoden beschriebenen Nebenkörper — scheint sich bald zu condensiren, wird homogen, sehr lichtbreehend, glänzend, erhält scharfe Gren- zen und färbt sich mit Goldehlorid. Der Spermatoblast wird rake- tenförmig, indem sich das e. e&ph. mehr und mehr herausdrängt und das Protoplasma des Spermatoblasten in die Länge zieht. Nun bemerkt man an dem e. e&ph. Aenderungen der Form und zugleich im Protoplasma des Spermatoblasten eine neue Bildung, die dem Kör- per des Spermatozoiden entspricht. Weiterhin wird das ce. ceph. stäbehenförmig und ist von jetzt an als Kopf des Samenkörpers zu bezeichnen; er erscheint nun vollkommen frei, mit der Substanz des Spermatoblasten nur durch das eine seiner Enden zusammen- hängend. Zu gleicher Zeit bildet sich gerade in dem engen Theile des Spermatoblasten, an dessen Ende das ce. reph. hängt, der Sa- menfaden durch eine Art endogener Condensation, über deren Natur Duval nichts Genaues sagen kann. Gleichzeitig und in gleicher Weise entsteht an der dem c. eeph. entgegengesetzten Stelle des breiteren Theiles des Spermatoblasten, der den Kern einschliesst, der Schwanz des Samenkörpers. So bilden sich also alle drei Theile selbständig und unabhängig von einander; auf 424 Max v. Brunn: welche Weise sie in Zusammenhang kommen, giebt Duval nicht an. Der Kern des Spermatoblasten besteht während dieser Vor- gänge fort, nimmt keinen direeten Antheil daran, sondern geht allmählich seiner Auflösung entgegen, ist aber durch Karmintine- tion immer noch neben dem Samenfaden nachweisbar, selbst noch an beinahe ganz ausgebildeten Spermatozoiden. — Seine definitive Länge erhält der Samenkörper durch fortgesetzte Verlängerung des Spermatoblasten, dessen Substanz sich später in mehrfache Tropfen trennt, welche durch das Längenwachsthum des Fadens weiter und weiter auseinander rücken und ganz allmählich resor- birt werden. — Bei der Umwandlung der Spermatoblastentraube zu einem Bündel von Samenkörpern geht die cell. m. mit ihrem Kern nach und nach dem Untergange entgegen, der wahrscheinlich durch Resorption zunächst des Protoplasmas eintritt. Die Köpfe der Samenkörper nähern sich mehr und mehr dem Kerne (n. prince.) und werden durch diesen zunächst noch mit der Wand des Fol- likels zusammengehalten. Bald aber trennen sie sich sammt dem Kerne davon los; dieser wird durchsichtiger und verschwindet schliesslich, ohne Zweifel nun ebenfalls resorbirt, wie das Proto- plasma der cell. m.. der er angehörte. Ganz so soll sich also auch die Umbildung der Spermatoblasten zu den haarförmigen Samenkörpern bei Paludinen gestalten; ich habe davon, um dies gleich hier zu bemerken, ein gänzlich anderes Bild erhalten. — Und vollständig analog soll gleichfalls die Ent- stehung der wurmförmigen Art vorsichgehen. Vollkommen seien iden- tisch in erster Linie die Verhältnisse der cell. m. und der Spermatobla- sten; der einzige Unterschied bestehe in der verschiedeneu Grösse der Elemente, die in allen Phasen der Grössendifferenz der rei- fen Samenkörper entspreche. Die Umbildung der Spermatoblasten zu der wurmförmigen Art zeige ebenfalls in allen Hauptpunkten diesel- ben Erscheinungen. Der Spermatoblast besitzt einen grossen Kern, der bis zur völligen Ausbildung des Samenfadens nachweisbar ist, allmählich sich mehr und mehr auflöst und in letzter Instanz ver- schwindet, an der Bildung des Spermatozoiden aber nicht den ge- ringsten Antheil nimmt. — Das bei Helix und also auch in der Entwicklung der haarförmigen Samenkörper von Pal. so frühzeitig auftretende und leicht constatirbare ce. c&ph. auch in den Spermato- blasten der wurmförmigen Körper zu erkennen, gelang Duval nicht, doch scheint es ihm durchaus erklärlich, dass dieses Gebilde hier ganz Untersuch. üb. die doppelte Form d. Samenkörper v. Paludina vivipara. 425 unsichtbar bleiben könne, da nämlich auch der Kopf des reifen Samenköpers ziemlich wenig deutlich sei. Den Wimpernbüschel sah Duval zuerst an schon birnförmig gewordenen Spermatoblasten und zwar von Anfang an in seiner definitiven Länge, wie aus der bei- gefügten Zeiehnung deutlich hervorgeht. Die Cilien dringen auf diesem Stadium ziemlich tief in den Zellleib ein und scheinen sich an einer kleinen dunklen Masse im Protoplasma zu inseriren. Ueber den Charakter der letzteren ist Duval im Ungewissen, doch ist es ihm am wahrscheinlichsten, dass dieser „point de con- vergence des cils“ der erste Anfang des Körpers der Spermatozoi- den sei. Uebrigens seien diese und die nächstfolgenden Formen ziemlich selten und schwer zu isoliren. In den späteren Stadien tritt nun im Spermatoblasten der eylindrische Spermatozoidenkörper mit den an einem seiner Enden anhängenden Cilien nach entsprechender Präparation deutlich her- vor. Weiterhin tritt das Spermatozoid mit seinen beiden Enden aus dem Spermatoblasten, in welchem es sich ganz wie bei Helix gebildet hat, heraus. Der Rest des Protoplasmas des Spermatoblasten bleibt als eine kleine birnförmige Masse an dem mit den Cilien verbundenen Ende des Samenfadens angehäuft, bis er sammt den Resten des Kernes vollständig resorbirt ist. — Nach dieser Dar- stellung Duval’s würde also der Samenkörper zu betrachten sein als eine Neubildung im Innern einer speeifischen Bildungsmasse, aber nicht als ein Entwieklungsprodukt schon vorher bestehender Theile (Zellkern!). Duval sagt ausdrücklich, dass der Samenkörper im Innern des Spermatoblasten aus dessen Protoplasma ohne Be- theiligung des Kernes entstehe. Das corp. e&ph. sei eine Neubil- dung, ebenso der Spermatozoidenkörper; über die Entstehung der Cilien giebt er keinen Aufschluss, doch muss man annehmen, dass er für sie denselben Modus voraussetzt, welchen er für den Schwanz- faden der haarförmigen Art, mit dem er sie homologisirt, angiebt, indem er auf Helix verweist. Meine Untersuchungen haben auch in diesen Fragen zu dureh- aus verschiedenen Resultaten geführt. Nun schildert Duval den Einfluss einiger Reagentien auf die reifen Samenkörper. Durch die Beobachtung gleichartiger Ver- änderungen, welche Wasser, Essigsäure und Chromsäure an ent- sprechenden Punkten hervorrufen sollen, gelangte er dazu, eine Homologie zwischen den Absehnitten beider Formen festzustellen, 426 Max v. Brunn: demgemäss beide aus drei bestimmteu Theilen: Kopf, Körper und Schwanz bestehen. Die Beobachtung, dass die wurmförmige Artin der feuchten Kam- . mer bedeutend früher als die haarförmige abstirbt und sich gewisser- massen bis zum Verschwinden auflöst, während letztere nach dem später eintretenden Absterben ihre frühere Gestalt beibehält, findet Duval wichtig wegen Baudelot’s Angabe, dass die wurmförmigen Samenkörper in den weiblichen Geschlechtsorganen wiederholtgefehlt haben. Hierzu muss ich bemerken, dass Duval’s feuchte Kammer in Folge des verdunstenden Wassers ungeeignet ist, das natürliche Absterben zu beobachten. III. Etude historique et eritique de la question. — In diesem letzten, historischen Abschnitte stellt Duval in kurzem Abriss die von mir, wie ich es für nöthig hielt, ausführlicher dargelegten früheren Arbeiten sehr kurz aber im Ganzen richtig zusammen; in Bezug auf die Ansicht v. Siebold’s möchte ich nur berichtigen, dass dieser auch in seiner vergl. Anatomie durchaus seine erste Auffassung der Verhältnisse aufrecht erhält und an dieser Stelle nicht, wie Duval nach der allerdings etwas ungenauen Ueber- setzung angiebt, in den wurmförmigen Körpern Spermatophoren statt Spermatozoiden sehen will. Der in der Anmerkung!) wiedergege- bene Wortlaut lässt dies nicht zweifelhaft. Die wesentlichen Resultate seiner Studien fasst Duval in folgende drei Schlusssätze zusammen: „1. Wenn die beiden Arten von Spermatozoiden sich nichtimmerin den Organen des Weibehens finden, so hat das seinen Grund darin, dass die wurmförmigen leicht zerstört werden und verschwinden, wäh- rend die fadenförmigen der Zerstörung widerstehen. Uebrigens zeigt 1) v. Siebold, Lehrb. der vergl. Anat. der wirbell. Th. 1848 p. 345. „Sehr merkwürdig ist das Vorkommen der zwei verschiedenen Formen von Spermatozoiden in der Samenmasse der Pal. viv. Mich stört ebenfalls dieses auffallende Vorkommen von zweierlei Spermatozoiden in einer und derselben Samenfeuchtigkeit, ich selbst möchte daher die zweite, grössere und zusam- mengesetzte Form dieser Spermatozoiden in die Kategorie der Spermatozoi- denschläuche (Spermatophoren) stellen; allein sowohl gegen diese Ansicht, wie gegen die Ansichten von Paasch und Kölliker spricht der Umstand, dass man die spiralig gedrehten und verdickten Enden der ersten Spermato- zoidenform an jener zweiten Form nirgends herausfindet, und dass die Ent- wicklung beider Formen neben einander im Hoden vor sich geht.“ Untersuch. üb. die doppelte Form d. Samenkörper v. Paludina vivipara. 427 die Beobachtung Leydig’s, dass man die beiden Formen in der Eiweissumhüllung des Eies wiederfinden kann. 2. Wenn man zu den verschiedenen Jahreszeiten die Ent- wieklung der Spermatozoiden der Pal. studirt, so sieht man, dass die wurmförmigen und die fadenf. sich unabhängig von einander ent- wickeln (faits deja bien entrevus par Siebold et par Leydig). 3. Um diese Ansicht zu gewinnen, genügen nicht Dissoecia- tionspräparate, sondern man muss an passend gehärteten Stücken die Bildung der Spermatoblastentrauben verfolgen, welche sich, von Anfang an mit bestimmten Eigenthümlichkeiten, umbilden, die einen in fadenförmige, die andern in wurmförmige Spermatozoiden (tubes eiliferesde Baudelot). Dies ist die Untersuchung, deren wir uns in der vorliegenden Arbeit specieller befleissigt haben.“ Auf die Untersuchung der definitiven Schicksale der Samen- körper hat sich Duval also nicht eingelassen. -- Die selbständige Entwicklung beider Formen war schon vorher eine bei uns allge- mein angenommene Thatsache; und so könnte das Verdienst der besprochenen Arbeit nur in der Erkenntniss feinerer Verhältnisse der Spermatogenese bestehen. Dass die durch Duval gewonnene Vermehrung unsrer Kenntnisse in dieser Beziehung aber gerade in den prineipiell wichtigsten Fragen einen durchaus negativen Werth hat, wird die nachfolgende Darstellung meiner Beobachtungen hoffentlich nicht zweifelhaft lassen. Eigne Beobachtungen. Ehe ich diese selbst wiedergebe, möchte ich in kurzen Zügen die dabei in erster Linie verfolgte Absicht und die zur Erreichung derselben ausgeführten Sehritte bezeichnen. Das Endziel meiner Aufgabe sah ich in der befriedigenden Erklärung des so überaus auffallenden Dimorphismus der Samenkörper von Pal. viv. Durch 1) Zu der gegebenen eingehenden Vorführung der Duval’schen Ar- beit fühlte ich mich veranlasst durch die Nothwendigkeit, die Angaben dieses Autors in vielen Punkten zu berichtigen, was sich nicht wohl überzeugend thun liess, wenn jene nicht zum Vergleich vorlagen; ich hoffe auf diese Weise spätere Bemühungen nach Möglichkeit erleichtert zu haben, da das Journal de Micrographie, welches das Original enthält, in deutschen Bibliotheken nur selten zu finden zu sein scheint; ich erhielt es endlich von der Universitäts-Bibliothek Strassburg. 438 Max v. Brunn: frühere Forscher war die Thatsache der vollkommenen Unabhängig- keit beider Formen positiv festgestellt worden, doch die wichtigen Fragen, welche dadurch unbedingt angeregt werden mussten, wa- ren fast völlig unerörtert geblieben. Diese mit Sorgfalt zu erwä- gen und, wenn irgend möglich, das interessante Räthsel zu lösen, war der Hauptzweck meiner Arbeit. Bald aber machte sich dabei die Nothwendigkeit geltend, die Natur der Samenkörper in allen Einzelheiten genau zu kennen, und so musste sich mein Studium auf die gesammte Morphologie, Physiologie und, in Folge der da- durch gewonnenen Resultate, auch auf die Entwicklungsgeschichte erstrecken. 1. Bau und Bewegung der Samenelemente. 1. Bau. Die beigegebenen Abbildungen (Fig. 2) zeigen auf den ersten Blick, welche auffallende Verschiedenheit in der äusse- ren Erscheinung der beiden Samenkörperformen besteht, eine Ver- schiedenheit, die sich wohl am treffendsten mit den von v. Sie- bold gewählten Bezeichnungen haarförmig und wurmförmig aus- drücken lässt, wenn auch diese Bezeichnungen ihren vollen Werth erst für die sich lebhaft bewegenden Elemente haben. — Beide Formen differiren zunächst auffallend in ihren Dimensionen: Während die haarförmige constant nur 88 u misst, besitzt die wurmförmige unge- fähr die doppelte Länge, 1850—190 1); eine entsprechende Differenz besteht auch in der Dicke der Elemente. Nächstdem fällt in die Augen die völlige Verschiedenheit der einander entsprechenden Enden der Körper in Gestalt und Länge. Das eine, der üblichen Nomenklatur nach als Kopf zu bezeichnende («) ist bei der haarförmi- gen Art in sechs Schraubenwindungen gedreht und hat ganz die Ge- stalt eines scharf gewundenen spitzen Bohrers; seine Länge be- trägt 15u. Bei der wurmförmigen Art ist es hingegen kaum irgendwie 1) In Bezug auf diese Länge ist zu bemerken, dass die verschiedenen Mes- sungen sehr schwankene Maasse ergeben. Lebende zu messen ist kaum mög- lich; beim Absterben auf die eine oder andere Art — natürlicher Tod, Rea- gentien — ändert sich aber die Länge der einzelnen Körper regellos; in demselben Präparat, das durch kurzes Dämpfen über Osms. (10—15 sec.) ab- getödtet worden war, lagen zuweilen dicht nebeneinander vollständig gleich normal aussehende von wesentlich verschiedener Länge — bei einzelnen be- trug diese nur 160u, bei andern bis zu 200u und etwas darüber. Untersuch. üb. die doppelte Form d. Samenkörper v. Paludina vivipara. 429 ausgezeichnet; es erscheint hier nur als ein gegen den übrigen Körper durch eine leichte Verengerung abgesetzter, 6 «u langer Theil. — Das entgegengesetzte Schwanzende (y) ist andrerseits gerade bei dieser Form höchst charakteristisch gestaltet, indem es durch einen Cilienbüschel gebildet wird, der aus S—10 (12?) sehr zarten, 27 u langen, Fäden besteht; die haarförmige Art zieht sich dagegen in einen einzigen haarfeinen Schwanzfaden von 31 «u aus. — Der zwischen diesen beiden Abschnitten gelegene übrige Theil (3) der Samenkörper erscheint einfach eylindrisch, überall gleich stark, ohne besondere Eigenthümlichkeiten; er ist bei den haarförmigen 42 u, bei den wurmförmigen ca. 150 u lang. So stellen sich die reifen, frischen Elemente dar; man beob- achtet sie am zweekmässigsten natürlich im eigenen Blute der Pa- ludinen, das stets in reicher Menge abfliesst. Doch auch die Bütschli- sche Mischung von 1 Th. Hühnereiweiss, 1 Th. einer 5 °/, Koch- salzlösung und S— 9 Th. Wasser leistet recht gute Dienste. Die abgestorbenen und mit Reagentien behandelten Gebilde lassen jedoch eine Reihe anderer morphologischer Charaktere er- kennen; um diese zu schildern, ist es nöthig, jede der beiden Arten für sich zu betrachten, wennschon sich einige gemeinsame Züge vorfinden. Die feinere Struktur der haarförmigen Samenkörper ist, nach den weiter unten dargestellten Behandlungsweisen untersucht, die folgende: Der ganze Samenkörper besteht aus drei deutlich unter- scheidbaren Abschnitten, welche den von Schweigger-Seidel (10) bei Wirbelthieren festgestellten entsprechen und die ich dem- gemäss mit den Namen, die jener Autor wählte, bezeichne als Kopf, Mittelstück und Sehwanz. Aus den angegebenen Grössen- verhältnissen 15 u«—42 u— 31 u geht die bemerkenswerthe That- sache hervor, dass das Mittelstück fast dreimal so lang ist wie der Kopf und beinahe die Hälfte des ganzen Gebildes ausmacht; Kopf und Schwanz sind also verhältnissmässig kurz. — Die Verschieden- artigkeit dieser Abschnitte geht aus ihrem physikalischen und chemischen Verhalten hervor, ganz besonders aber auch aus ihrer Entwiekelungsgeschichte, worauf ich jetzt schon hinweisen möchte. — Der Kopf grenzt sich gegen das Mittelstück scharf ab durch bedeutend höheres Liehtbrechungsvermögen. — Schon an einfach unter dem Deckglas natürlich getrockneten Präparaten tritt dieses Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 23. 28 450 Max v. Brunn: Verhältniss deutlich hervor; man erkennt hier ohne Mühe das Ende des Kopfes — und ebenso das des Mittelstückes, indem letzteres sich gegen den Schwanz ungefähr in demselben Maase durch stärkeren Glanz absetzt, wie der Kopf gegen jenes. Der Schwanz ist matt, fast gar nieht glänzend, das Mittelstück glänzt schon ziemlich stark, der Kopf aber ist äusserst glänzend, und zwar schneiden diese Unterschiede scharf mit den angeführten Abschnitten ab (Vergr. ca. 700/,). — Bei diesem Austrocknen tritt ausserdem häufig noch eine andere Veränderung ein, die den Gegensatz der einzelnen Theile klar demonstrirt (Fig. 5): An einer Anzahl der in einem solehen Präparate enthaltenen haarf. Samenkörper ist der Schwanz genau bis an die Stelle, an der das glänzende Mittelstück anfängt, vielfach von ungewöhnlicher Beschaffenheit, oft aufgelöst, gerade bis an diese Stelle zusammengerollt oder auch eingeknickt. An solehen fällt oft auch der Kopf einer eigenthümlichen Veränderung anheim, indem er zu einer breiten, spitzauslaufenden, lanzettförmigen, blassen Masse wird, gewissermassen auseinanderläuft, so dass nur in der äussersten Spitze noch ein Rest der früheren Windung und des ehemaligen Glanzes erhalten bleibt. Das Mittelstück hingegen ist fast in allen Fällen völlig unberührt geblieben; es erhält sich in scharfer Abgrenzung gegen die veränderten Abschnitte in seinem vollen Glanze und stellt sich so besonders deutlich dar. Die Auf- lösung des Kopfes, die stets von der Ansatzstelle desselben am Mittelstücke ausgeht, ergreift zuweilen auch die unteren Ränder des letzteren, so dass hier dessen stark glänzende Partie wie von einem blassen Saume eingefasst erscheint. Ausserdem bricht beim Austrocknen häufig der Kopf direct am Beginne des Mittelstückes ab. — In natürlich ausgetrockneten Präparaten, welche durch Osmiumsäure abgetödtet worden sind, finden sich zahlreiche Sa- menkörper, bei denen sich am Kopfeund an dem grösseren proximalen Theile des Mittelstückes ein sehr zarter Mantel erkennen lässt. Ein selbst nur ganz minimaler Zusatz von Wasser wirkt un- gemein verändernd; es stellen sich sofort die bekannten Bildungen ein: vielfaches Oesen und Drillen, das aber nicht durchgehends an bestimmten Punkten auftritt, da die Wirkung meist zu heftig ist. Ziemlich regelmässig werden davon die Uebergangsstellen zwischen den Abschnitten betroffen. Der Kopf bricht häufig ab. In sehr augenfälliger Weise lässt sich der bohrerförmige Kopf als ein wesentlich anders eonstituirter Theil darstellen durch Fär- Untersuch. üb. die doppelte Form d. Samenkörper v. Paludina vivipara. 431 bung. — Die besten Präparate erhielt ich, wenn ieh die auf dem Objeetträger in recht dünner Schicht ausgebreitete Samenflüssigkeit auf kurze Zeit — ea. 15 Sec. — den Dämpfen von Ueberosmium- säure aussetzte und dann mit Borax-Carmin, dem ich etwas Glycerin zusetzte, färbte — ca. 24 St. — Auf diese Weise färbt sich in recht gelungenen Fällen der Kopf tief roth, das Mittelstück nimmt einen leichten rosa Schimmer an, während der Schwanzfaden nicht sichtbar gefärbt wird. Ich halte es für überflüssig, die Wirkungsart noch anderer Reagentien hier anzuführen, da sich dadurch nur immer wieder herausstellt, dass der haarf. Samenkörper aus den oben geschil- derten drei Abschnitten besteht. — Wie das verschiedene Licht- brechungsvermögen, die verschiedengradige Resistenz gegen Zer- störung, endlich das sehr abweichende Verhalten gegen Färbe- mittel deutlich darthut, sind Kopf, Mittelstück und Schwanz physikalisch und chemisch different; ich halte es jedoch für wahrscheinlich, dass nur der Kopf eine von den übrigen verschie- dene Substanz enthalte, während Mittelstück und Schwanz weniger qualitative als graduelle Substanzdifferenzen aufweisen. Die Ent- wiekelungsgeschichte wird uns später darüber, wesentlich bestätigend, weiter belehren; erst durch ihre Kenntniss wird es uns möglich, Näheres über die Beschaffenheit des ganzen Gebildes zu sagen. Die Hauptergebnisse derselben antieipirend, spreche ich aber schon bier meine Ansicht über die Natur und den Aufbau der haarförmigen Samenkörper in folgenden Sätzen aus: Das ganze Element ist das Umbildungsprodukt einer Zelle. Der Zellkern hat durch Auswachsen seines Inhalts einen langen Faden geliefert, dessen eines Ende die chromatophile Substanz enthält und zum definitiven Kopfe wird, während der übrige Theil nur aus Achromatin besteht, das in einen wesentlich diekeren und dichteren Abschnitt, das Mittelstück, und in einen sehr zarten Endabschnitt, den Schwanz, zerfällt. Dieser ganze Kernfaden wird umhüllt von einem dünnen, dieht anliegenden Mantel des übrigen Zellinhalts. — Den Axenfaden zu erkennen gelingt zuweilen auch an reifen Samenkörpern, wenn diese zufällig in dafür günstiger Weise verändert worden sind, was allerdings selten geschieht. Ich sah ihn verschiedene Male eine kleine Strecke weit blosliegen, indem dort der Mantel rings herum eingerissen war und sich nach den beiden Enden zu etwas eontrahirt hatte. 432 Max v. Brunn: Die Struktur der wurmförmigen Samenkörper zeigt in man- chen Punkten analoge Erscheinungen. Indem ich an die obige Beschreibung der äusseren Gestalt der lebenden Elemente anknüpfe, gebe ich hier die durch verschiedene Methoden erkannten feineren Verhältnisse: Auch bei dieser Form finden wir die drei charakteristischen Abschnitte, jedoch, wie schon angegeben, in wesentlich anderen Grössenverhältnissen, nämlich 6 «— 150 «—27 u. Mıthin bildet der Kopf einen nur sehr kleinen Bruchtheil, ca. !/,, der Gesammt- länge, der als Mittelstück zu bezeichnende Abschnitt hingegen nimmt ?/, davon in Anspruch und auf den den Schwanz darstellen- den Wimpernbüschel kommt danach ea. !/;, — !/,. Während also bei den haarf. das Verhältniss der drei Theile ungefähr = 1:3: 2 ist, stellt es sich bei den wurmförmigen = 1: 25: 4,5. — Mit grösster Deutlichkeit lassen sieh ferner folgende Einzelheiten eonstatiren, die durch die Entwickelungsgeschichte besonders fest begründet werden: Der ganze Samenkörper wird von einem centralen Axenfaden gebildet, der von einem ziemlich ansehnlichen Mantel umhüllt ist (Fig. 13 a—f). Dieser centrale Faden be- ginnt mit dem kleinen, eylindrischen Kopfe, setzt sich durch das lange Mittelstück fort und endet mit dem aus einer, allem Anscheine nach variırenden Anzahl, von Fäden gebildeten Wimpern- büschel. — Eine höchst interessante Eigenthümlichkeit zeigt das Mittelstück. Dieses erscheint zunächst als ein homogener Faden, ganz wie bei der haarförmigen Art. Doch bei genauerer Untersuchung stellt sich heraus, dass der Axenfaden ein langes, vom Kopfe ausgehendes Bündel eng vereinigter, zarter Fäden ist, deren jeder einem der freien Schwanzfäden entspricht. Dass dieses ganze Gebilde von einem Protoplasmamantel umhüllt wird, lässt sich wenigstens für das Mittelstück mit aller Bestimmtheit nach- weisen (Fig. 13), am Kopf und an den Fäden freilich ist seine Existenz kaum erkennbar; nichtsdestoweniger bin ich überzeugt, dass er sich auch über diese, wenn auch nur als ungemein dünner Ueberzug, fortsetzt. — Der ganze Samenkörper entspricht ebenfalls einer durch eigenthümliches Auswachsen metamorphosirten Zelle; auch hier ist das gesammte Chromatin des Kernes im Kopfe concentrirt, während das Achromatin, welches bei dem fortschreitenden Wachsthum sehr an Masse zunimmt, höchst wahrscheinlich die Fäden bildet. — Für all Dies bietet gleichfalls die Entwieklung die besten Beweise; Untersuch. üb. die doppelte Form d. Samenkörper v. Paludina vivipara. 433 aber schon am fertigen Samenkörper lässt sich das Gesagte auf geeignete Weise demonstriren. — Durch das einfache Austrocknen treten kaum irgendwelche charakteristische Veränderungen ein; die Samenfäden werden dadurch meist in toto sehr umgestaltet, an einzelnen aber erhält das Mittelstück einen starken Glanz, während die Wimpern äusserst blass werden und zuweilen zu einer einzigen spatelförmigen homogenen Platte verschmelzen; der Kopf tritt gar nicht hervor, weder durch stärkeren Glanz, noch durch irgend eine auffällige Veränderung. Der Axenfaden ist nicht selten in stark glänzende Körnchen zerfallen; an anderen ist der Mantel ganz blass, der Axenfaden tritt dann ziemlich stark glänzend hervor und lässt seine Fortsetzung in den Kopf unschwer erkennen. Bei vor dem Trocknen mit Ueberosmiumsäure-Dampf abgetödteten Körpern tritt dieser Gegensatz noch deutlicher auf (Fig. 13); der Axenfaden liegt sehr stark glänzend und scharf begrenzt da und zu beiden Seiten zieht sich in wechselndem Abstande je eine feine Linie hin, in deren Verlauf wohl auch schwach glänzende Körn- chen eingelagertsind. Diese Linien sind die Contouren des im Uebrigen nicht sichtbaren Mantels; sie beginnen an der Stelle des Fadens, von welcher die Wimpern ausstrahlen und reichen bis an den Kopf, diesen nicht mit umfassend; ebensowenig setzen sie sich an den Wimpern fort, aber an Kopf und Wimpern sieht man zuweilen einige ebensolche Körnchen angelagert, was wohl darauf schliessen lässt, dass die Substanz des Mantels auch jene in allerdings un- gleich zarterer Schicht umschliesst. Ungemein heftig und im höchsten Grade entstellend wirkt Zusatz von Wasser. Diese Einwirkung ist nicht an allen Samen- körpern dieselbe, sondern vielmehr eine sehr verschiedenartige, so dass es kaum möglich wäre, davon ein einigermassen vollstän- diges Bild zu geben. Charakteristisch ist die Entstehung von run- den oder spindelförmigen Blasen im Bereich des Mantels. Ihr Auftreten ist nicht an bestimmte Stellen gebunden, sondern erfolgt fast regellos, hier oder da, am constantesten am Schwanzende des Mittelstückes. An dieser Stelle liegen sie häufig nur einseitig am Körper, wodurch der Wimpernbüschel, ähnlich wie in Fig. 13e u.g zur Seite niedergezogen wird. Die Wimpern sind offenbar resi- stenter als der Mantel, wie auch noch an späterer Stelle bemerkt werden wird. Bei nur ganz geringem Einfluss des Wassers kann man innerhalb der Blasen die einzelnen Fäden des Axenfadens 434 Max v. Brunn: gut erkennen. Eine sehr häufig eintretende Bildung ist in Fig, 12 a dargestellt; der Mantel ist hier sehr feinköruig; ebensooft kommen Bilder wie Fig. 12 e u. 13 e vor. Besonders plötzliche Einwirkung des Wassers führt meist das Zerplatzen der entstande- nen Blasen herbei. Damit verbunden stellen sich vielfache Kniekun- sen, Verschlingungen, Verdrehungen u. A. m. ein, die oft zu den wunderlichsten Bildern führen. Durch Färben in der für die haarf. Art angegebenen Weise erhält man nach 24—36 Stunden sehr instructive Präparate. Wie bereits gesagt, wird durch den Einfluss der Ueberosmiumsäure der Unterschied zwischen Axenfaden und Mantel sehr hervorgehoben. Uebrigens verändern die Samenelemente dabei vielfach ihre Gestalt derart, dass sie sich mannigfach verkrümmen, wobei eine starke Contraktion des Fadens massgebend zu sein scheint (Fig. 13 e). In günstigen Fällen wird allein der Kopf sehr intensiv gefärbt, der Faden des Mittelstücks, wo er sichtbar, nimmt nur eine ganz blasse Färbung an, die Schwanzfäden gar keine. Es erscheint schon dadurch die Annahme vollkommen gerechtfertigt, dass der Kopf auch bei dieser Form die chromatophile Substanz enthalte. Es mögen hier noch die durch einige andere Reagentien an beiden Formen hervorgerufenen Erscheinungen ihre Stelle finden. Ale. abs., zur frischen Hodenflüssigkeit unter dem Deckglase zu- fliessend, veranlasst natürlich sofortigen Tod. Die haarförmigen Ele- mente behalten ihre natürliche Form mit geringen Schrumpfungs- erscheinungen bei, der Kopf wird auffallend stark glänzend, seine Windungen werden noch schärfer; der Unterschied zwischen Mittel- stück und Schwanz wird aufgehoben. Die wurmförmigen zeigen die Figur, die sie im Augenblicke vor dem Tode in Folge der verschiedenartigen Bewegung besassen, aber sie werden sehr viel dünner, indem der Mantel sich dem Axenfaden dicht anlegt und so scheinbar verschwindet, offenbar eine Folge der durch das Re- agens erfolgten Entziehung wässriger Substanz. Der Kopf zeigt an seinem Ende eine stärker glänzende Spitze, im Uebrigen unter- scheidet er sich von dem wenig glänzenden Mittelstück nicht; die Wimpern bleiben meist vortrefflich erhalten. Zum Färben eignen sich so abgetödtete Präparate nicht, da der Ale. in der Flüssigkeit (Blut) einen sehr störenden, geronnenen Niederschlag erzeugt. — Verdünntes Glycerin wirkt je nach dem Wassergehalt verschieden: 1 Theil Glycerin + 9 Theile Wasser verändert die wurmförmigen Untersuch. üb. die doppelte Form d. Samenkörper v. Paludina vivipara. 435 } stärker als die haarförmigen; dies Verhältniss kehrt sich bei grösserem Wasserzusatz um, so dass in einer Mischung von 1: 11 die haarförmigen in kurzer Zeit vielfach geöst und gedrillt wer- den, indess die wurmförmigen darin noch verhältnissmässig lange unverändert fortleben. Die haarf. erweisen sich also empfind- licher gegen Wasser als die wurmförmigen. Der Centralfaden der letzteren wird ganz unsichtbar. — Endlich sei noch Folgendes erwähnt: Lässt man ein frisches, durch Fett (Vaselin) luftdicht abgeschlossenes Präparat in einem kühlen Raume allmählich ab- sterben, so erhält man beide Formen in weit überwiegender Mehr- zahl gerade ausgestreckt; die wurmförmigen zeigen häufig auch verschiedenartige Biegungen. Man erhält so die beste Gelegenheit, recht genaue Messungen anzustellen. Besonders gestreckt sind in der Regel die Wimpernbüschel, die dann starren Pinseln gleichen; der Axenfaden wird nicht sichtbar; das ganze Mittelstück der wurmförmigen Art erscheint stark glänzend, Kopf und Wimpern sind weit matter; die verengte Stelle am Kopfe wird meist noch dünner und länger. Der Tod tritt ausserordentlich ungleichzeitig ein; die haarförmigen Fäden sterben, wie mir scheint, im Allgemeinen eher ab als die wurmförmigen, von denen ich selbst nach drei Tagen noch eine ganze Anzahl, wenn auch matt, sich bewegen sah. Licht und Wärme beschleunigen den Tod. 2.Bewegung. Die Bewegungsart der Samenkörper wissen- schaftlich darzustellen und besonders auf ihre Grundursachen zurückzuführen, ist eine so schwierige, trotz vieler Versuche bis- her noch mit geringem Erfolg bearbeitete Aufgabe, dass jeder Beitrag willkommen erscheinen darf, um im Laufe der Zeit eine richtige Gesammtvorstellung dieser wunderbaren Eigenschaft zu erlangen. Trotzdem es nun mit dem eigentlichen Ziele meiner Arbeit wenig zu thun hat, möchte ich gleichwohl, einerseits der Vollständigkeit halber, besonders aber auch, um die Aufmerksam- keit auf eines der für die betreffenden Biologen und Physiologen vielleicht vortrefflichsten Beobachtungsobjecte zu lenken, eine wenn auch nur ganz skizzenhafte Schilderung der Bewegung der Samen- körper von Pal. versuchen: Die Betrachtung des ganz wunderbar bewegten Treibens der vielgestaltigen Samenelemente darf sich mit den fesselndsten mikroskopischen „Augen- und Gemüthser- götzungen“ sicher in eine Reihe stellen, und ist es gewiss Jedem zu empfehlen, gerade dies Objeet zu wählen, um eine Vorstellung 436 Max v. Brunn: zu bekommen von den scheinbar durchaus selbständigen, will- kürlichen Bewegungen organischer Elementartheile. — Ganz be- sonders sind es diewurmförmigen Samenkörper, derenausser- ordentlich wechselnde, höchst lebhafte Bewegungen so sehr den Eindruck der Willkürlichkeit und Zweckmässigkeit machen, dass man diese Elemente ohne Weiteres für Thiere halten könnte, und es wirklich kein Wunder ist, wenn dies lange Zeit hindurch geschah. Die für diese Beobachtungen ganz besonders günstigen Dimensionen in Länge und Breite sind überdies ein sehr empfeh- lender Umstand. — Der erste Eindruck, besonders bei schwacher Vergrösserung (ca. 400), ist der eines diehten Getümmels in ge- waltiger Aufregung befindlicher, zarter Würmer. Ganz wie solche krümmen und winden sich die auch ebenso gestalteten Elemente nach allen Richtungen durcheinander, machen gewaltsame, meist vergebliche Anstrengungen, sich aus bedrängter Lage zu befreien, suchen Hindernisse zu umgehen, einander auszuweichen, oder zu- sammen zu spielen; kurz, wenn man nicht wüsste, woher sie stam- men, so würde man selbst jetzt noch wohl versucht sein können, sie für selbständige Wesen zu halten. Und selbst bei scharfer Beobachtung mit starker Vergrösserung und nach genauer Analyse der einzelnen Bewegungsmomente kann man schliesslich doch noch im Zweifel sein, ob eine nur in ihrem Ausdrucke durch äussere Nebenumstände vielfach beeinflusste Einförmigkeit der Bewegung vorliege. Die endgültige Ueberzeugung ist Letzteres aber doch, und zwar auf Grund folgender Einzelheiten der Erscheinung: Die Hauptbewegungsform des Samenkörpers ist eine mehr oder minder lebhafte Schlängelung. Er bewegt sich in ruhigem, nicht durch besondere Umstände angeregtem Zustande ganz so, wie ein Wurm oder eine Schlange im Wasser. In der Regel freilich treten die mannigfachsten Störungen ein; meistens findet in Folge derselben die Bewegung ohne oder mit nur sehr geringer Ortsveränderung statt. Der Samenkörper wird durch irgend ein Hinderniss festgehalten oder in seiner Vorwärtsbewegung gehemmt; seien dies nun widrige Strömungen, fortwährende in der belebten Flüssigkeit sich durch- kreuzende Wellen, sei es, dass die Wimpern einen Gegenstand sefasst haben, oder dass sie durch blosse Adhäsion mit ihren Spitzen am Glase oder an anderen Punkten festhaften, oder sei es endlich, dass der ganze Körper durch umlagernde Elemente, vielleicht nur an einer Stelle, eingeengt wird. Gewöhnlich stösst Untersuch. üb. die doppelte Form d, Samenkörper v. Paludina vivipara. 437 auch der Kopf bei allen seinen Wendungen auf Widerstände. Unter all’ diesen und ähnlichen Verhältnissen tritt an Stelle der ruhigen, gleichmässigen Schlängelung, welche eine Fortbewegung zur Folgr hat, ein regelloses Winden und Drehen nach allen mög- lichen Richtungen. Bald dehnt sich der Körper immer schlängelnd in seiner ganzen Länge aus, im nächsten Augenblick krümmt er sich nach irgend einer Seite, um sich gleich darauf vielleicht nach der entgegengesetzten oder einer beliebigen anderen zu wen- den. So wechselt die Lage seiner Theile fortwährend in ruhelosem Treiben. Hier erscheint er gestreckt oder auch fast zu einem sieh windenden Kreise geschlungen, so dass sich der Kopf in nächster Nähe des Schwanzes befindet, dort sind es andere Lagen der mannigfaltigsten Art. Nicht selten tragen, wie schon gesagt, alle diese Bewegungen den Stempel der Zweckmässigkeit, des Strebens, sich aus bedrängter Lage zu befreien; sie lassen sich dann z. B. ganz vergleichen mit den verzweifelten Anstrengungen, welche ein Wurm macht, den man am Schwanzende oder an einer anderen Körperstelle festhält. — Einen überraschenden Anblick sewähren die Bewegungen ganzer, um einen einzigen Punkt con- centrirter Massen von Samenkörpern. In einem Präparat, welches vor dem Bedecken mit dem Deckglase ein Weilchen ruhig stehen blieb und durch die Menge der Flüssigkeit genügenden Spielraum bietet, ordnen sich die völlig entwickelten wurmförmigen Samen- körper sehr rasch zu zahlreichen Gruppen zusammen, welche sradezu einem Medusenhaupte vergleichbar sind, wie Leydig sehr bezeichnend sagt. Die Schwanzbüschel klammern sich dabei alle rings an einem gemeinsamen Mittelpunkte fest, die Körper streben sämmtlich radiär nach Aussen, so dass also die Köpfe in der weiten Peripherie liegen. Diese schlagen nun überaus heftig um sich, auf und nieder, rechts und links, und die ganze Masse vollführt nun „ihre Schlangenwindungen“ in raschestem Tempo, wodurch eine gemeinsame, so zu sagen fluthende, centripetale Bewegung er- zeugt wird. Der Ausgangspunkt der Bewegung ist ohne Frage der Kopf oder, noch genauer, die verengte Stelle, an welcher sich das Mittel- stück diesem anschliesst. Diese Stelle erscheint gewissermassen als ein elastisches Gelenk. Die Bewegung geht in Wellen vor sich, welche, vom Kopfe beginnend, den ganzen Samenkörper durchlaufen und in einem eigenthümlichen Spiel des Wimpern- 438 Max v. Brunn: büschels ausklingen. Die dabei auftretenden Einzelerscheinungen kann man nur an langsam sich bewegenden Körpern deutlich beobachten. Der Kopf ist ein wenig gekrümmt, hat also eine concave und eine convexe Seite. Jede Welle wird dureh einen kräftigen Schlag des Kopfes eingeleitet. Ein soleber erfolgt in der Weise, dass sich der Kopf nach der convexen Seite zu in den oben erwähnten ideellen Gelenke beträchtlich zurückbiegt und gleich darauf mit einem sehr kräftigen Schlage in seine anfäng- liche Lage zurückschnellt, also in der Richtung seiner Coneavität (Fig. 14a)!). Die dadurch hervorgerutene zunächst stossartige Be- wegung pflanzt sich nun auf den sehr beweglichen Faden fort und versetzt diesen in fortlaufende wellenförmige Biegungen. Die Schläge des Kopfes wiederholen sich ruckweise in regelmässigem Takte und immer in derselben Ebene, so dass bei sehr raschem Tempo unausgesetzt eine Welle nach der anderen erzeugt wird. Bei recht matten Samenkörpern erfolgt ein neuer Schlag immer genau in dem Augenblicke, wo die vorhergehende Welle an dem andern Ende angelangt ist. Beilebhaft sich bewegenden, ganz frischen Fäden jedoch wechselt zuweilen das Tempo sowohl als die Beschaffenheit, Höhe und Länge der Wellen, fortwährend; jetzt läuft eine ganz niedrige, lange, Welle langsam dahin, sofort eine andere, vielleicht gewaltig hohe und lange, sehr rasch, bei der nächsten Wendung des Kopfes eine sehr niedrige, kurze, ausserordentlich rasch, und so verändert sich das Bild jeden Augenblick. Andere wiederum weniger er- regte Fäden bewegen sich andauernd in ruhiger, vollkommen gleichmässiger Weise — kurz, der Kopf bewahrt das Taktgefühl nur so lange, als seine Ruhe ungestört bleibt; sobald er durch irgend einen Umstand daraus erweckt wird, verliert er sein Gleich- gewicht und ergeht sich in den gewaltsamsten Drehungen und wunderlichsten Windungen, die den übrigen Körper selbstver- ständlich allemal in entsprechende Mitleidenschaft ziehen. — Praktisch lässt sich eine durchaus treue Vorstellung von dieser Wellenbewegung gewinnen durch Nachahmung mit einem Seile oder 1) Eine bezeichnende Uebereinstimmung in der Art und Richtung der Schläge spricht sich in der Bewegung der Samenkörper der Mäusearten aus. Auch bei diesen beugt sich der Schwanz regelmässig zuerst nach der Seite, welche durch den convexen Rand des Kopfes bezeichnet wird; darauf schnellt er nach der entgegengesetzten, der concaven Seite des Kopfes entsprechenden, Richtung zurück (26). U ntersuch. üb. die doppelte Form d. Samenkörper v. Paludina vivipara. 43 noch besser mit einem Gummischlauche; fasst man diese ein kurzes Stück entfernt von ihrem einen Ende an, biegt dieses Stück zurück und schlägt es nun kräftig nieder, so werden jene gleichfalls in je nach der Stärke des Schlages verschiedene Wellenschwingungen versetzt. — Mit Ausnahme des Kopfes und des Gelenkes verhält sich der ganze übrige Körper passiv. Seine Vorwärtsbewegung bei rascher Auf- einanderfolge der Wellen ist natürlich eine direkte Wirkung dieser letzteren in der Widerstand bietenden Flüssigkeit. Nicht selten schlängelt sich ein solcher Samenkörper ziemlich rasch durch’s Gesichtsfeld und ist bald dem Blick entschwunden; dabei besitzt er auch die Fähigkeit, sich zu wenden, bald diese, bald jene Richtung einzuschlagen, ist also nicht an die gradlinige Vorwärts- bewegung gebunden. Stets geht dabei der Kopf voran, in der entgegengesetzten Richtung bewegen sie sich niemals fort. — Her- vorragenden Antheil an der Beugung des Kopfes nimmt jedenfalls der Centralfaden, während Vieles dafür spricht, dass der Protoplas- mamantel weniger Bedeutung besitzt. Dieser kann in der ver- schiedensten Weise stark entstellt sein, und doch übt der Kopf seine Thätigkeit noch ebenso energisch aus wie am unverletzten Gebilde. Ich muss darauf verzichten, die zum Theil sehr inter- essanten Bewegungserscheinungen an solchen entstellten Samen- körpern zu schildern. Nur einen Fall möchte ich besprechen, der in den verschiedensten Beziehungen belehrend ist. Es lag ein Samenkörper vor, der offenbar durch einen geringfügigen Einfluss von Wasser in der Weise, wie es Fig.13 e zeigt, entstellt war. Der Körper zeigte langsame rhythmische Bewegungen, indem er in toto um seine ideelle Axe immer in demselben Halbkreise von rechts nach links und zurück rotirte. Die Wellenbewegung fand nicht statt, der ganze Körper war im Uebrigen starr. In den blasigen Anschwellungen liess sich deutlich erkennen, dass die einzelnen Fäden des sonst scheinbar homogenen Axenfadens isolirt verliefen ; inx sah ich nun mit aller Schärfe, dass sich die Summe der ein- zelnen Fäden rhythmisch im Sinne einer Spirale eontrahirte, und dass einer jeden solchen Contraktion eine Rotation des ganzen Körpers entsprach; bei der Erschlaffung der ersteren kehrte dieser wieder in seine Ruhelage zurück. Die spiralige Contraktion der Fäden hatte die Rotation zur Folge, nicht etwa umgekehrt. Das normale Absterben des Samenkörpers beginnt immer vom Schwanzende aus. Dann liegt dieser Theil starr da, der 440 Max v. Brunn: Kopf hingegen schlägt noch oft lebhaft hin und her, die dadurch veranlassten kurzen Wellen setzen sich nur eine kleine Strecke weit fort und erlöschen dann. — Zu erwähnen ist ferner noclı, dass die Schläge des Kopfes häufig, besonders wenn derselbe an irgend einem Gegenstande festhängt, nicht in der Ebene seiner Biegung geschehen, vielmehr im Halbkreise von einer zur anderen Seite erfolgen. Genauere Beobachtungen über diese Bewegung, welehe auch sehr deutlich an gewissermassen in den letzten Zügen liegenden Samenkörpern stattfindet, kann ich jetzt nicht geben. Die eigentliche Grundbewegung ist jedenfalls die oben geschilderte. Die Bewegungen der Wimpern könnte man für selbständig, unabhängig von denen des Körpers halten, wie es v. Siebold gethan, der ihnen ein „eigenthümliches, für sich bestehendes Leben“, „als wollten sie aus der Röhre, in welcher sie zu steeken scheinen, hervorkriechen‘“, zuschrieb ; ich bin jedoch überzeugt, dass dem nieht so ist. Sie führen ein eigenthümliches Spiel aus, wen- den und drehen sich, winden und schlängeln sich, die einen dahin, die anderen dorthin, scheinbar ohne einem gemeinsamen Impuls zu folgen. Bald breitet sich der ganze Büschel nach allen Seiten hin aus, indem jeder einzelne Faden beliebig tastend umherschweitt, dann wieder vereinigt er sich zum Theil oder ganz; oft concen- triren sich sämmtliche Enden vibrirend auf einen einzigen Punkt, klammern sich gewissermassen alle an einem Gegenstande fest, während die Fäden selbst wie die Meridiane einer Spindel weit auseinander weichen; dann wieder legen sie sich einmaleng an einander und führen einheitliche Wellenbewegungen aus. Doch herrscht im allgemeinen die grösste Regellosigkeit, und ich glaube, dass diese eine natürliche Folge der rasch und ungleichmässig auf einander folgenden, in diesen Wimpern ausklingenden Wellen des Körpers ist. Diese werden sich naturgemäss in ihrem Verlaufe an den zahlreichen zarten Fäden gegenseitig fortwährend stören, um so mehr, als die aufgeregte Umgebung unausgesetzt hindernd und verwirrend einwirkt. Die durch die rhythmischen stets nach derselben, der conca- ven, Seite erfolgenden Schläge des Kopfes veranlasste Wellenbe- wegung der wurmförmigen Samenkörper mit der charakteristischen Flimmer- oder Geisselbewegung zu identifieiren dürfte schon nach Vorstehendem seine volle Berechtigung haben. Gradezu überra- schend aber ist diese Uebereinstimmung, wenn man die Bewegungen Untersuch. üb. die doppelte Form d. Samenkörper v.Paludina vivipara. 441 des langen Wimpernbüschels einer im ersten Umbildungsstadium zum Samenkörper befindlichen Samenzelle beobachtet. Bezüglich dieser Zellen verweise ich auf die später folgende Darstellung der Entwickelung. Ich muss aber betonen, dass man die für diese Beobachtung passenden Zellen oft lange suchen muss. Gewöhnlich nämlich drückt sich die Bewegung der langen Fäden in einem ganz ähnlichen, regellosen Spiele aus, wie ich es oben von dem Wimpernbüschel der ausgebildeten Samenkörper darzustellen ver- sucht habe. Nur in ganz besonders günstigen Fällen gelang es mir, folgende, mit der Flimmerbewegung prineipiell vollkommen übereinstimmende Bewegung festzustellen. Die betreffende Zelle (Fig. 14b) war im Zustande der Ermattung, und in Folge dessen kam jeder einzelne Bewegungsakt gesondert zur Anschauung. Ausserdem lag der günstige Zufall vor, dass die Wimpernfäden sich dieht an einander gelegt hatten, jedenfalls auch eine Folge der Ermattung. Mit grösster Deutlichkeit bot sich nun ganz der Anblick einer schlagenden Flimmer- oder Geisselzelle dar. Die Zelle selbst lag völlig ruhig, die zu einer langen Geissel vereinigten Fäden aber führten in regelmässigen, jedoch immer länger wer- denden Pausen kräftige Schläge aus. Da, wo die Geissel von der Zelle ausging, bog sich der starke Faden stets nach derselben Seite langsam ein wenig zurück (s. d. Fig.) und nun erfolgte gleich darauf ein energischer Schlag nach der anderen Seite. Nach einer kurzen Pause wiederholte sich dies und ging so in ruhigem Takte fort. — Beim reifen Samenkörper, so sahen wir, wird der Kopf zurückgebeugt und vorgeschnellt; wir können nicht im Zweifel sein, dass nur die verschiedene Massenvertheilung die Ursache davon ist, dass die Wirkung der aktiven Kraft dort am Faden, hier zu- nächst am Kopfe zum Ausdruck kommt. Wäre der Kopf fixirt oder durch grössere Massenhaftigkeit zu schwer zur Ausführung der Schlages, so würde dieser auch am reifen Gebilde dureh den untersten Theil des Fadens erfolgen. Die Richtigkeit dieser An- nahme wird dadurch bewiesen, dass an weiter entwiekelten Samen- zellen (Fig. 10c), wo der Kopf schon ein Stück von der Haupt- masse der Zelle entfernt ist, in der er vorher selbst verborgen war, die grössere Masse also jetzt auf Seiten des Fadens liegt, auch schon der Kopf den Schlag ausführt. Die Bewegungen der haarförmigen Samenkörper er- scheinen weit schwieriger verständlich. Die an recht lebhaften 442 Max v. Brunn: Elementen zumeist in’s Auge fallende Erscheinung ist ein sehr rasches Rotiren des ganzen Körpers um seine Längsaxe, verbun- den mit unregelmässigen Schlägen und schlängelnden Windungen. Der Kopf gleicht dabei einem in rapide Bewegung versetzten Bohrer; bei allerschnellstem Tempo werden die Windungen des- selben völlig unsichtbar, und da dann auch die Schläge und Win- dungen sich so rasch folgen, dass die Exkursionen der einzelnen nur unendlich klein sein können, so erscheint in solehen Fällen der ganze Samenkörper nur wie ein vibrirender Strich. Dabei kann er am Orte liegen bleiben oder sich mit verschiedener, oft ziemlich bedeutender Geschwindigkeit fortbewegen. Letzteres findet allein in der graden Richtung statt, Kreisbewegungen oder ähnliche habe ich nie beobachtet. Bei sehr raschem Tempo geht der Kopf stets voran, bei langsamem kann der Samenkörper auch die entgegengesetzte Richtung einschlagen. In diesem Falle findet auch die Rotation im entgegengesetzten Sinne statt als sonst, was sich deutlich in der dann rückläufigen Schraubenbewegung des Kopfes ausspricht. Auch bei der Bewegung ohne Ortsver- änderung findet häufig ein Wechsel der Rotation statt. Die Be- wegung sistirt oft, beginnt aber sofort wieder, oft erst langsam, oft auch gleich im raschesten Tempo. — Ich glaube mich hinreichend überzeugt zu haben, dass auch bei diesen haarförmigen Samen- körpern eine gleiche, der Flimmerbewegung identische Grundbe- wegung die einzige unmittelbare Aeusserung der inneren Bewegungs- kraft ist. Alle übrigen Erscheinungen sind von rein äusseren Bedingungen abhängig. Als solche treten vor allem in den Vorder- grund: erstens, die Schlängelung, welche für sich allein auftreten kann, und zweitens, die je nach Umständen rasche oder langsame Rotation des ganzen Körpers; letztere ist nur möglich in Verbindung mit jener. Die einzelnen Bewegungsmomente kann man auch bei dieser Form nur an reeht schwach und matt beweglichen Körpern erkennen. Das Erste ist, dass der vorderste Theil des Mittelstückes oder viel- leicht auch schon das letzte Stück des Kopfes sich ein wenig nach der Seite beugt und darauf in seine frühere Lage oder wohl auch etwas darüber hinaus zurückschlägt. Die jedesmalige Beugung pflanzt sich natürlich auf Mittelstück und Schwanz fort und versetzt diese in entsprechende Wellenbewegung. Ich konnte diesen Vor- gang verschiedentlich verfolgen und betrachte ihn als die Grund- bewegung. Je schneller dieselbe ausgeführt wird, um so eomplieirter Untersuch. üb. die doppelte Form d. Samenkörper v. Paludina vivipara. 443 wird das Bild, welches der Samenkörper bietet: Die Wellenbewe- gungen erzeugen Gegenbewegungen, die sich mit ihnen kreuzen; von allen Seiten wirken endlich ausserordentlich mannigfaltige, störende Einflüsse auf die regelrechte Bewegung ein, so dass diese schliesslich in ihrer Ursprünglichkeit gar nicht wiederzuerkennen ist. So ist es leicht verständlich, dass man häufig nichts anderes sieht als ein lebhaftes Hin- und Herschlagen des Schwanzes und Kopfes, verbunden mit geringen, sehr wechselnden Beugungen des übrigen Körpers. Da das Mittelstück übrigens dem geschmeidigen Schwanze gegenüber sehr starr ist, so erklärt es sich, dass die Wellenbewegungen an ihm lange nicht so ausgiebig sind, wie an letzterem; es scheint fast, als ob es sich blos elastisch biege. Die oft so ausserordentlich rasche Rotation ist eine unmittel- bare Folge der bohrerartigen Gestalt des Kopfes; es bedarf keines weiteren Erklärungsgrundes, denn es ist ohne Weiteres klar, dass unter den übrigen Verhältnissen diese Rotation eintreten muss). An schon beinahe reifen Samenkörpern, deren Kopf aber noch wie ein vollkommen glattgestrecktes Stäbchen erscheint, sah ich die Rotation nie auftreten, trotzdem auch diese Stadien schon sich lebhaft bewegen. Häufig kann man beobachten, dass nur das eine Ende des Samen- körpers sich bewegt, während das andere ruhig daliegt. So führt nicht selten allein der Kopf und das nächste daran anstossende Stück des Mittelstückes ziemlich lebhafte Drehungen und Windungen aus, indess der Endabschnitt völlig starr ist; andrerseits findet oft das Umgekehrte statt, der Schwanzfaden schlängelt sich und schlägt munter umher, ohne dass der übrige Körper eine Bewegung erkennen lässt. Dieses findet man ganz besonders an bündel- und büschelweise vereinigten reifen und unreifen Samenkörpern, deren Köpfe in mehr oder weniger dichte Protoplasmamassen eingesenkt sind (Fig.4). In ersterem Falle ist der Endabschnitt jedenfalls schon abgestorben, in letzterem jedoch muss man unbedingt an- nehmen, dass die Bewegung wie beim isolirten Gebilde vom Kopfe ausgeht, dass dieser aber durch die Fixirung an sichtbarer Mitbe- wegung verhindert wird. Eine nicht seltene Erscheinung ist die, dass die Köpfe zweier 1) Eine hiermit völlig übereinstimmende Ansicht wurde über die Rota- tion der Samenkörper von Säugethieren und Vögeln aufgestellt (26). 444 Max v. Brunn: Samenkörper sich innig in einander verschrauben; die Fäden liegen dann nach entgegengesetzter Richtung in grader Linie. Ein solches Gebilde kann sich trotzdem lebhaft und rasch rotirend bewegen. H. Entwicklung. Ueber die Entwicklung der Mollusken-Samenkörper liegen nur sehr wenige etwas eingehendere Arbeiten vor und keine davon behandelt alle die zahlreichen, auf diesem Gebiete in der neueren Zeit geltend gemachten Fragen vollständig. Ich hoffe daher, mit den folgenden Ausführungen eine Lücke in unseren Kenntnissen wenigstens zum Theil auszufüllen, sowohl im Allgemeinen, als im Besonderen. Nach vergleichenden Beobachtungen habe ich, wie auch Andere, die Ueberzeugung gewonnen, dass bei unseren Gastropoden die Spermatogenese in wesentlich gleicher Weise verläuft, die bei Pa- ludina erkannten typischen Verhältnisse also auch bei den übrigen Gastropoden vorliegen. Freilich dürfte Pal. nieht das bequemste Object für das Studium vieler Einzelheiten sein, aber eine sorg- fältige Untersuchung wird diesen Nachtheil eliminiren können. Der hauptsächlich erschwerende Umstand ist, dass es in Folge der gleichzeitigen Entwicklung der beiden verschiedenen Formen oft ausserordentlich schwer, ja unmöglich wird festzustellen, welche der zahlreichen Elemente dem einen oder dem anderen der beiden Entwicklungskreise angehören; gleichwohl wage ich mich der Hoffnung hinzugeben, dass meine Darstellung ein zwar nicht ganz fehlerfreies und lückenloses, aber doch wesentlich vollständigeres Bild der eomplieirten Verhältnisse geben werde, als wir bisher besassen. Ich habe die Hodenflüssigkeit zu allen Jahreszeiten untersucht, nehme aber trotzdem Abstand davon, die periodischen Zustände zu schildern, da Irrungen dabei unvermeidlich wären. Denn erstens lassen sich bestimmte Grenzen kaum angeben, und zweitens musste ich lange Zeit in der Gefangenschaft gehaltene Thiere benutzen, deren Entwicklung in Folge der wesentlich veränderten Existenz- bedingungen sicher vielfach von den normalen Verhältnissen ab- wich. Die Entwieklung der Samenzellen. d. h. der Elemente, welehe Untersuch. üb. die doppelte Form d. Samenkörper v. Paludina vivipara. 445 durch direete Umbildung zu reifen Samenkörpern werden, geht bei der erwachsenen Pal. nicht von einem regelmässigen Epithel aus, sondern von grossen Kernen, die in mehr oder weniger unregelmässigen Abständen einem protoplasmatischen Wandbelage der Hodenam- pullen eingelagert sind. Ob in frühester Jugend dieser den Cha- rakter eines wirklichen Epithels besitzt, wage ich nicht zu entscheiden; es wird sehr schwer sein, Stadien aufzufinden, die den gewünschten Aufschluss geben könnten. In den jüngsten von mir untersuchten Thieren von ca. ®/, em Spindellänge, deren Hoden nur als dünne, !/, mm starke Schicht von relativ sehr wenig Ampullen der Leber auflag, war ein solches Epithel nicht vorhanden, sondern die ganze kurze Ampulle war dicht erfüllt von Protoplasmamassen, die mit zahlreichen Kernen durchsetzt waren, ohne dass bestimmte Zellterritorien zu erkennen gewesen wären. Nach den neuesten Untersuchungen von Rouzaud (31) werden die Gesechleehtsdrüsen der Gastropoden durch eine von den embryonalen Leitungswegen der Geschlechtsprodukte ausgehende Wucherung von Epithelien ge- bildet, welche vom Ektoderm abstammen. Danach würden die embryo- nalen Keimelemente also auch den Charakter von Epithelzellen haben, diese werden aber jedenfalls — ich wende dies nur auf Pal. an — ihre Natur als individualisirte Zellen bald verlieren und bei fortschreitender Vervielfältigung einen Complex von Kernen liefern, deren zugehörige Zellen nicht mehr scharf gegen einander abge- grenzt sind, sondern ein gemeinsames Protoplasmalager darstellen. Die Kerne erreichen nun durch zunehmendes Wachsthum nach und nach die Grösse der Mutterkerne, welche zur Bildung der Samenelemente führen. — Das Keimlager der Hodenampullen er- wachsener Paludinen breitet sich also, von dem umgebenden Ge- webe durch eine sehr zarte kernhaltige tuniea propr. abgeschlossen, an der inneren Wand dieser Hülle als eine gemeinsame, ziemlich dicke Protoplasmaschicht aus, der zahlreiche grosse Kerne einge- lagert sind. — Das sehr feinkörnige Protoplasma ist in seiner peripheren Schicht reichlich angefüllt mit Körnchen oder besser zähen Tropfen einer hochgelben, fettartigen Substanz, welche sich besonders rings um die grossen Kerne zu dichteren Ballen ansammeln ; dadurch werden Complexe gebildet, die eine gewisse Aehnlichkeit mit den Eierstockseiern haben, und es drängt sich unwillkürlich der Gedanke auf, dass diese gelbe Substanz dem gelben Dotter entspreche. Zwischen beiden herrscht entschieden eine eharakte- Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 23. 99 446 Max v. Brunn: ristische Analogie; physikalisch stimmen sie, wie mir scheint, ganz überein. In Farbe und Lichtbrechungsvermögen gleiehen sie sich vollkommen, und wie die Dottertröpfehen bei längerem Stehen oder stärkerem Drucke zu grösseren Massen zusammen- fliessen, so gleichfalls jene gelben Substanztheilchen; ihr Verhalten gegen Osmiumsäure ist, wenn ich nicht sehr irre, ebenfalls über- einstimmend, sie werden darin nach Art der Fette gebräunt. Auch ihre Bedeutung für die Entwicklung der Geschlechtsprodukte ist die gleiche, beide dienen dabei als Nahrungsmaterial und werden mehr und mehr resorbirt; so enthält das sich furchende Ei später nur noch wenig, und das die Samenkörperbündel zusammenbaltende Protoplasma ist fast ganz frei davon. Bei den Pulmonaten findet sich diese gelbe Substanz ebenfalls sehr reichlich vor und wurde hier von früheren Beobachtern erwähnt. So spricht Kölliker von gelben Körnern und Keferstein sagt (23), dass bei Hel. pom. die wulstartigen Erhebungen, welche die Samenkörper liefern, „viel gelbes Pigment, das bei den Eiern zurücktrat und wie in die Bildung der Eizelle mit einging,“ enthalten. Bei Pal. nennt es Duval „granulations graisseuses“ und sagt, dass diese das Protoplasma der Mutterzelle erfüllen und, durch Osmiumsäure stark schwarz gefärbt, den Kern derselben vollständig verhüllen. In besonders reicher Menge ist diese gelbe Substanz auch bei den en vorhanden, so dass die Zwitterdrüse derselben schön gelb erscheint. Auch bei Pal. verdankt der Hoden ihr seine, beson- ders bei älteren Exemplaren, auffallend ockergelbe Färbung. — Eingebettet in dieses Protoplasma sind nun also die Kerne, die als Samenmutterkerne zu bezeichnen sind. Von eigentlichen Ur- samenzellen zu sprechen scheint mir in Anbetracht der gegebenen Verhältnisse, des faktischen Mangels einer scharf begrenzten zelligen Struktur, welche bei den höheren Thieren jene allgemein gebräuch- liche Bezeichnuug rechtfertigt, nicht statthaft. Es entspricht ja allerdings je ein Kern mit seiner nächsten Protoplasmahülle einer Spermatogonie, und die aus ihm hervorgehenden Samenelemente bilden, wie mir scheint, eine dauernd gesonderte Gruppe, gleich- wohl halte ich es für wichtig, auch durch den Namen schon dem Irrthume vorzubeugen, dass bei Pal. eine Zelle im engeren Sinne der Ausgangspunkt der Samenbildung sei. — Es ist mir nicht gelungen, vollständige Klarheit darüber zu gewinnen, ob die Samenmutter- kerne, je nach ihrer Bestimmung, der einen oder der anderen Form Untersuch. üb. die doppelte Form d. Samenkörper v. Paludina vivipara. 447 von Samenkörpern den Ursprung zu geben, von verschiedener Grösse sind; wasich allerdings annehmen zu müssen glaube; es wird sich freilich schwer feststellen lassen, da in Dissociationspräparaten sich nie unzweifelhafte Beziehungen dieser Kerne zu einer der beiden Formen zu erkennen geben. Ausserdem verändert derselbe Kern je nach dem Entwiecklungszustande seine Grösse bedeutend. Auch auf Schnitten konnte ich keine Gewissheit über diese Frage erhalten. Die Samenmutterkerne erreichen eine sehr bedeutende Grösse, ich habe sie unter anderen von 42:30 « D. gefunden. Sie haben meist eine unregelmässige, abgeplattet ellipsoide Gestalt, sind stets ganz scharf contourirt und repräsentiren einen durchsichtigen, mehr oder weniger homogenen, mit zahlreichen Körnchen erfüllten Körper. Dieses typische Bild aber zeigt einen mannigfachen Wechsel. So treten besonders häufig mehrere, oft zahlreiche, grössere, stark glänzende Kernkörperchen hervor. In gut gefärbten Präparaten fallen diese Kerne durch ihre ausserordentlich intensive Färbung vor allen übrigen Elementen auf(s. die Schnitte auf Taf. XXII). Vermöge dieser Eigenschaft lassen sie sich leicht nachweisen, selbst wenn sie so dicht von Protoplasma umhüllt sind, dass sie im frischen Zustande den Blicken völlig ent- zogen wären. Die relative Anzahl der Kerne ist sehr schwan- kend, je nachdem sich der Hoden im Anfange oder auf der Höhe seiner productiven Thätigkeit befindet, wie aus dem Folgenden hervorgehen wird. Haben die Samenmutterkerne ihre volle Ausbildung erreicht, so liefern sie durch directe, multiple Theilung eine Anzahl Toehterkerne und zwar dadurch, dass sich Theile des Kernes ein- fach abschnüren, nachdem sie sich ein wenig vorgewölbt haben. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass vor der Abschnürung der Tochterkerne der Mutterkern selbst in mehrere Theile zerfällt, von denen aus sich nun erst die Tochterkerne bilden (Taf. XXII, Fig. 1, 3,5 u. a.). Diese Art der Vermehrung der ersten Keimelemente zeigt im Wesentlichen volle Uebereinstimmung mit den analogen Processen bei höheren Thieren. Der Kern unterliegt nieht der Fadenmeta- morphose, die durch die charakteristischen Kernfiguren zu der sog. indirekten Kemtheilung führt, sondern er liefert durch Ab- schnürung von Theilstücken einen Satz neuer Kerne. Die zahl- 448 Max v. Brunn: reichen Untersuchungen von v. la Valette St. George (13) haben diese selbe Art der Kernvermehrung im Hoden zuerst für die verschiedenen Wirbelthierklassen dargethan, und die sehr genauen Beobachtungen von Nussbaum (30) brachten neue, sehr überzeu- gende Belege dafür, besonders aus dem Hoden der Amphibien und Knochenfische. So schöne in „maulbeerförmiger Zerklüftung“ begrif- fene Kerne, wie Nussbaum aus den Spermatogonien von Bombinator u. A. abbildet, fanden sich bei Pal. übrigens nur selten (Fig. 3, 5). Auch Grobben bemerkt ausdrücklich (19), dass er an den Ersatzkeimen des Krebshodens, welche er für die Ausgangsele- mente der Samenbildung hält, nie Kernfiguren beobachtet habe. Nussbaum glaubt freilich nach eigenen Untersuchungen, in diesen Ersatzkeimen Follikelkerne erblieken zu müssen; die Arbeit Grob- ben’s ist aber ebenfalls so sorgfältig durchgeführt, und seine Anga- ben über die Ersatzkeime sind so ausführlich und durch überzeugende Abbildungen unterstützt, dass man wohl Grund hat, ihnen grosses Vertrauen zu schenken. — Ich trete also diesen Forschern voll- ständig bei und kann daher Krause (29) nicht beistimmen, wel- cher meint, dass ‚der öfters zu beobachtende Anschein von Kern- theilung durch Einschnürung“ auf beginnenden Zerfall d. h. Auflösung zurückzuführen sei. Gegen diese Ansicht sprechen doch zu deutlich die Befunde Nussbaum’s, dass grade die Vermehrung der ersten Keimelemente in den allerjüngsten, eben erst sich differ- renzirenden, Geschlechtsdrüsen durch maulbeerförmige, direete Theilung geschieht. In dem Umstande, dass die Spermatogonien v. la Valette St. George’s und Nussbaum’s, die Ersatzkeime Grobben’s und die Samenmutterkerne bei Pal. „niemals Spuren von Karyokinese zeigen“, kann ich nicht wie Krause ein Hinderniss für die Abstammung der „Knäuelzellen“ von jenen erblieken. Auch der vermuthlich geringe Besitz an chromatophiler Substanz dürfte nieht ausschlaggebend sein; dass dieselbe bei den Sperma- togonien „nur im Kernkörperchen“ vorhanden sei, ist übrigens wohl zu viel gesagt; die Ersatzkeime der Crustaceen und die Sa- menmutterkerne der Gastropoden sind auffallend reich mit Chro- matin ausgestattet. Grobben sagt von ersteren ausdrücklich S. 13: „Diese Kerne färben sich viel stärker mit Carmin und Hämatoxylin als die der Spermatoblasten“, und die Samenmutter- kerne von Pal. absorbiren diese Farbstoffe von allen Hodenele- menten am begierigsten. l Untersuch. üb. die doppelte Form d. Samenkörper v. Paludina vivipara. 449 Nachdem sich von dem Samenmutterkerne eine Anzahl klei- nerer Kerne abgeschnürt hat, bleibt der Rest des ersteren unbe- theiligt an den weiteren Schicksalen seiner Abkömmlinge Er wächst aller Wahrscheinlichkeit nach wieder heran, um darauf seine frühere Funetion wieder auszuüben. — Wie sich besonders auf Schnitten deutlich zeigt, sind nicht alle Samenmutterkerne in dem- selben Stadium, woraus hervorgeht, dass die Samenentwicklung nicht an allen Stellen der Ampulle gleichmässig vor sich geht. — Wie gross etwa die Anzahl der von einem Samenmutterkerne ab- stammenden ersten Tochterkerne ist, lässt sich nicht feststellen, doch glaube ich, dass sie eine ziemlich beschränkte ist. Diese Toehterkerne, zunächst von der Struktur ihres Mutterkernes, doch ihm gegenüber nur klein und rund, liegen in dessen Umgebung in das Protoplasma eingebettet; sie färben sich gleichfalls sehr intensiv. Bald aber ändert sich ihr Aussehen, indem sie sich für ihre nächste Bestimmung, die Theilung, vorbereiten. Diese ist hier wie von jetzt ab stets bis zur definitiven Samenzelle eine in- direete, und dementsprechend kommen jetzt Kernformen zur An- sicht, wie wir sie als vorbereitende Stadien für jene Form der Kernvermehrung allgemein kennen. Die vorher diffuse Kernsub- stanz sammelt sich mehr und mehr und tritt nun zur Bildung eines diehten Fadenknäuels zusammen. Charakteristisch ist, dass diesem eine scharfe Begrenzung gegen das Protoplasma fehlt, der glänzende, bestimmte Umriss des Kernes ist verschwunden, die Binnenräume des Knäuels stehen in direkter Communikation mit dem umgebenden Protoplasma; dies zeigen die Schnitte recht deutlich (s. z. B. Taf. XXI. Fig. 14e u. a.) Zur ungefälschten Erkenntniss dieser Verhältnisse ist es nö- thig, gewisse Vorsichtsmassregeln bei der Beobachtung im Auge zu behalten. Zerzupft man nämlich den Hodeninhalt frisch im Blute des Thieres, so bilden sich in Folge der weichen, beinahe flüssigen Consistenz des Protoplasmas zahlreiche Körper, welche die Vorstellung erwecken, als ob die Kerne in runden Zellen ein- geschlossen seien. Das gemeinsame Protoplasma ist zerstört wor- den, und jeder Kern hat einen mehr oder weniger starken Mantel davon erhalten. Dureh denselben Vorgang sind auch die bisweilen sehr grossen Kernkugeln zu erklären, die schon vielfach zu fal- schen Vorstellungen veranlasst haben. Grobben, Bütschli, Nussbaum machen auf dieselbe Fehlerquelle aufmerksam. Auch 450 Max v. Brunn: auf Schnitten begegnete ich derartigen Kunstproducten, aber nur selten. Auffallender Weise sind mir die dem Kernknänel folgenden Kernfiguren fast gar nicht zur Anschauung gekommen, höchst sel- ten eine undeutliche Aequatorialplatte, nur ganz ausnahmsweise die Kernspindel. Es ist mir dies um so auffallender, als die oft recht sonderbar gestalteten Kernknäuel (Taf. XXI. Fig. 7) meist in grossen Mengen beisammen lagen, wie gefärbte Zerzupfungspräparate und Schnitte lehrten (die mit ce bezeichneten Gruppen in Tafel XXL Fig. 11—14). Trotzdem ich diese nun mit aller Sorgfalt durchmusterte, ohne die späteren Kernfiguren zu finden, so glaube ich doch, dass sie vorhanden und mir nur aus irgend einem Grunde entgangen sind. Auch Krause (29 S. 78) giebt an, dass die chromatophi- len Kerne der der membrana propria im Säugethierhoden anliegen- den polyedrischen Zellen „meistens Knäuelfiguren, selten undeut- liche Stern- oder Kranzfiguren, Aequatorialplatten, auch Tonnen- formen darbieten.“ — Die durch diese indireete Theilung entstan- dene Kernpruppe bleibt auch noch von dem gemeinsamen Proto- plasma umschlossen, und hier unterliegen die Kerne nach einiger Zeit, während deren sie an Masse zugenommen, wahrscheinlich einer nochmaligen Theilung, durch welche nun schon ein ansehn- licher Kernhaufen entsteht. — Jetzt erst ist der Zeitpunkt gekom- men, wo sich die Kerne zu vollständigen Zellen ergänzen und von ihrer bisherigen Lagerstätte allmählich entfernen. Sie wachsen abermals etwas heran und drängen nun über die Peripherie der Plasmaschieht hinaus, die sie vorher schon hügelartig aufgewölbt hatten. Dadurch wird das Protoplasma genöthigt, sich um jeden Kern in Gestalt eines Mantels anzulegen und so entstehen dichte traubenartige Zelleonglomerate, deren einzelne Glieder unter sich durch dünne Protoplasmafäden verbunden sind. — Die zuletzt dargelegten Veränderungen habe ich bei Pal. nicht mit genügen- der Schärfe beobachtet; die gegebene Darstellung beruht vielmehr auf einer Combination der bei Helix deutlicher erkennbaren Ver- hältnisse mit den bei Palud. vorliegenden. Der Inhalt des Hodens der letzteren ist so ungemein dicht gedrängt, dass sich die Zellen, wie es scheint, nicht so frei entfalten können wie bei Helix; ja man könnte bei alleiniger Berücksichtigung der bei Pal. gefunde- nen Bilder fast zweifelhaft werden, ob es bei dieser im Laufe der Spermatogenese überhaupt zur Bildung von Zellen komme. Eine Untersuch. üb. die doppelte Form d. Samenkörper v. Paludina vivipara. 451 eigentliche Membran ist nicht nachzuweisen, aus verschiedenen Anzeichen vielmehr zu entnehmen, dass eine solche fehlt. Sehr häufig findet man, jedenfalls in Folge eines zu starken Druckes beim Präpariren, die Zellen in grösserer Anzahl zu einer gemein- samen Kugel zusammengeflossen, in welche, ohne durch Grenzen von einander abgesondert zu sein, eine Menge der charakteristi- schen Kerne eingebettet sind. — Das zähe Protoplasma der Zellen ist leicht körnig und umschliesst einen Kern, der gegenüber den früheren, stark körnigen, fast ganz homogen ist und nur durch eine wechselnde Anzahl (1—3) kleiner, stark glänzender Kernkör- perchen ausgezeichnet wird. Dieser färbt sich ebenfalls intensiv, doch, wie es mir schien, nicht so tief wie die früheren. Die Kern- körperehen zeigen auch hier die dunkelste Färbung, das Protoplasma bleibt in ganz gelungenen Präparaten (Bor. C.) völlig ungefärbt. Die bisher geschilderten Vorgänge der Spermatogenese bei Pal. vollziehen sich für beide Formen der reifen Samenkörper in übereinstimmender Weise; sowohl betreffs der Samenmutterkerne als ihrer Descendenten konnte ich keinen Unterschied auffinden, Von dem Stadium an, bei welchem wir angelangt sind, beginnt die Entwieklung jedoch beträchtlich zu divergiren. Diejenige Kate- gorie der letztgeschilderten Zellen, welche bestimmt ist, haarför- mige Samenkörper zu liefern, unterliegt einer nochmaligen indi- recten Theilung, deren Producte erst die eigentlichen Samenzellen sind — der andere Theil jener Zellen hingegen repräsentirt selbst schon die definitiven Samenzellen, welche sieh unmittelbar in die wurmförmigen Samenkörper umwandeln. Es unterbleibt bei letz- teren also die letzte Theilung und in dieser Verschiedenheit, ver- bunden mit den nächsten Vorgängen, sehe ich das Hauptmoment für das Verständniss der Entwicklung zweier Formen. Von die- sem Stadium an ist es daher nöthig, den ferneren Entwicklungs- gang jeder der beiden Samenkörperformen getrennt zu behandeln.!) 1) Amöboide Bewegung habe ich an Hodenelementen nie beobachtet; ich erwähne dies besonders, weil solche bei Wirbellosen öfters gefunden worden ist (v. la Valette St. George, Bütschli). Alle amöboide Körper, die ich bei der Untersuchung des Hodeninhalts bemerkte, waren unverkennbare Blutkörperchen; diese zeigen die erwähnte Erscheinung zuweilen vortrefflich. In Fig. 15 habe ich besonders schöne Formen wiedergegeben; das einzelne Blutkörperchen ist eine ansehnliche, kernhaltige, amoboide Zelle, welche so- 452. Max v. Brunn: 1. Die Bildung der haarförmigen Samenkörper. Die reifen Samenzellen dieser Form sind also das Produet einer abermaligen Theilung der primitiven Zellen. Auch sie ist, wie ich fest überzeugt bin, eine indireete, durch die eharakteristi- sche Kernmetamorphose vorbereitet. Ich habe dafür allerdings nur wenige Anzeichen gefunden, trotzdem ich viel Zeit und Mühe darauf verwendete, unzweideutige Beweise beizubringen. Es ge- lang mir nur, die ersten und letzten Phasen zu sehen. Was ich darüber sagen kann, ist Weniges: Der homogene Kern jener Zellen nimmt eine körnige Beschaffenheit an und tritt augenscheinlich in das Stadium der Fadenbildung (Taf. XXI. Fig. 3, «); es bildet sich in der Zelle der Kernknäuel, dessen weitere Entwicklung in der bekannten Weise kaum zweifelhaft sein kann. Als letztes Stadium sah ich endlich wiederholt die auseinandergerückten Tochterkerne, die noch durch deutliche feine Fäden mit einander in Zusammen- hang standen; zwischen beiden hatte sich die Zelle tief einge- schnürt, so dass die bekannte Bisquitform vorlag. Nach vollende- ter Durchschnürung runden sich die Kerne ab. Sie werden kör- nig und nun repräsentirt ein jedes Theilstück eine Samenzelle. Diese zeigt keinerlei Eigenthümlichkeiten, wie etwa Differenzirun- gen im Protoplasma oder Aehnliches. Auch diese Zellen sind nicht ganz isolirt, sondern ebenfalls durch feine Protoplasmastränge un- ter sich vereinigt, jedenfalls bilden sie stets dichte Ballen, welche mit der Wand der Ampulle durch Protoplasma verbunden sind. zusagen eine kapselartige dichte Hülle von feinen dunklen Körnchen besitzt. Diese umschliesst beim ruhenden Körperchen netzartig den gesammten Zell- leib; aus ihren wohl spontan sich bildenden Oeffnungen treten an wechseln- den Stellen die sehr verschieden gestalteten Pseudopodien aus. Sehr allge- mein tritt das Protoplasma an einer oder zwei Stellen geschlossen hervor und sendet dann erst finger- oder lappenförmige sich verästelnde Fortsätze aus. Oft nimmt es die Gestalt eines flachen Trichters an, dessen Ränder rings fingerförmige Ausläufer gebildet haben. Der Kern bleibt stets von der Körnchenhülle umschlossen; diese dehnt sich wohl mit den Pseudopodien etwas aus, geht aber nicht auf sie über. Das abgebildete gefärbte Körper- chen zeigt diese Verhältnisse sehr schön, auch den Gegensatz zwischen dem ausserordentlich zarten Protoplasma und dem grossen, sich intensiv färben- den Kerne Die Blutkörperchen sind häufig in grösseren Massen zusammen- geballt, von denen dann die Pseudopodien nach allen Seiten ausstrahlen; ein kleiner derartiger Ballen befindet sich in der Abbildung. Untersuch. üb. die doppelte Form d. Samenkörper v.Paludina vivipara. 453 Das erste erkennbare Zeichen der Umbildung der Samenzelle zum Samenkörper besteht darin, dass der Kern homogen und stark glänzend wird. Er färbt sich sehr schön; doch ist ein Kernkörperehen nicht zu bemerken. Im nächsten Stadium (Fig. 3, 0) besitzt die Zelle schon einen ausserordentlich zarten Faden; zugleich zeigen sich an der Austritts- stelle desselben einige stark glänzende Körnchen. Sie bilden die vier Eeken eines winzigen Quadrats, aus dessen Mitte der Faden hervortritt. Der ungemeinen Kleinheit des Objectes wegen ist es nieht möglich, über ihre Beziehungen zu einander, zu Faden und Kern Näheres zu ermitteln. Jedenfalls liegen sie dem letzte- ren dicht an, ein trennender Zwischenraum zwischen ihnen und diesem ist nicht wahrnehmbar; im Innern des Kernes liegen sie nicht, sondern an seiner Aussenfläche, und es zieht sich eine kaum siehtbare, dünne Decke des Zellprotoplasmas darüber hin, ohne dass dadurch die runde Form der Zelle, etwa durch Wöl- bung beeinträchtigt würde. Sehr charakteristisch ist, dass diese Körnchen sich nieht im geringsten färben, während der Kern nach wie vor eine intensive Färbung zulässt. Der Faden hat etwa die halbe Länge des fertigen Samenkörpers, er ist in allen Theilen, an der Insertion sowohl wie am freien Ende, gleich stark und bewegt sich schon jetzt langsam schlängelnd (Fig. 3,e). Mit fortschrei- tender Entwicklung beginnen die Verhältnisse deutlicher zu werden, Die glänzenden Körnchen nehmen ein wenig an Grösse zu und es scheint zwischen ihnen, wie auch mit dem Fusspunkte des Fadens eine Verbindung zu bestehen. Gleichzeitig wird in der Peripherie des Kernes an der den Körnchen zugewendeten Stelle eine kleine Oeffnung sichtbar, deren Ränder gegenüber der etwas glänzender gewordenen übrigen Kernwand ungemein zart sind. Die Contou- ren der Körnchen sind gegen den Kern zu nicht so scharf wie an der Aussenseite. Schon jetzt lässt sich mit einiger Sicherheit vermuthen, in welcher Beziehung die Körnchen zum Kerne stehen, wirklich erkennbar wird dies jedoch erst aus folgenden Bildern: Die Körnchen haben ihre scheinbar runde Form verloren und gehen mehr und mehr in kurze Stäbehen über, deren periphere, diekere Enden den stärksten Glanz besitzen; nach dem Kerne zu nimmt Stärke wie Glanz allmählich ab. Zunächst scheint es, als ob zwischen den Rändern der Kernöffnung und den proximalen Enden der Stäbehen eine Lücke bestehe, d. h. sowohl die Ränder 454 Max v. Brunn: dieser Oeffnung als auch die Stäbehenenden sind so zart, dass sie sich nicht weiter verfolgen lassen. Während dessen hat der Kern seine runde Gestalt beibehalten, das Zellprotoplasma jedoch ist an den distalen Enden der Stäbchen, von wo der Faden ausgeht, in Folge des Wachsthums der Körnchen, etwas hervorgewölbt. Der Faden ist ein beträchtliches Stück länger geworden. — Von nun an kann man bestimmt wahrnehmen, dass die Ränder der Kern- öffnung in Verbindung mit den Stäbchen stehen; diese sind am distalen Ende innig vereinigt, nach dem Kerne zu scheinen sie noch durch eine Spalte, die sich in die Kernöffnung fortsetzt, ge- trennt zu sein. Alle diese Bilder stellen die Verhältnisse dar bei mittlerer Einstellung, also im optischen Durchschnitt, was besondere Be- rücksichtigung erfordert. Bei höherer oder tieferer Einstellung wurden die überaus zarten Einzelheiten sofort undeutlich. Von jetzt ab treten diese schärfer hervor und es erscheinen die vorher als getrennt geschilderten Stäbchen als ein rings geschlossener, nach aussen sich verbreiternder, sehr schmaler, umgekehrt kegelförmiger Fortsatz des Kernes (Fig. 3, b und ff). Letzterer hat seine runde Form im Allgemeinen noch beibehalten, doch die vorher ziemlich weite Oeffnung darin hat sich wieder zusammengezogen, und es geht von dort mit einer feinen Spitze der noch sehr kurze Fort- satz aus. An dem äusseren abgerundeten Ende dieses geht der Faden hervor, der nun die definitive Länge des fertigen Samen- körpers minus Kopf erreicht hat; er ist noch ganz so beschaffen wie früher, äusserst dünn, gleich stark und bewegt sich langsam schlängelnd. Das Zellprotoplasma liegt dem Kerne in seiner un- teren Hälfte dicht an, zieht sich aber, durch den Fortsatz vorge- trieben, zu einer stumpfen Spitze aus. Bezüglich der Färbung zeigen sich dieselben Gegensätze wie früher; nur der runde Kern färbt sich, der Fortsatz sammt Faden bleibt völlig farblos. Dagegen zeichnet sich derselbe, wie vorher die Körnchen und Stäbchen, dem Kern gegenüber durch etwas stärkeren Glanz aus. Die weitere Entwicklung besteht nun im grossen Ganzen darin, dass der Kernfortsatz in der Richtung des Fadens sich ver- längert, der Kernkörper aber sich gleichzeitig in der entgegenge- setzten Richtung streckt und zu einem dünnen, cylindrischen, spitz ausgezogenen Stäbehen oder Röhrchen wird. Das Zellpro- toplasma dehnt sich in dem doppelten Sinne mit aus und legt Untersuch. üb. die doppelte Form d. Samenkörper v. Paludina vivipara. 455 sich beiden Theilen allmählich dieht an; zu bemerken ist jedoch, dass ein ziemlich beträchtlicher Theil desselben beim Emporwach- sen des Kernfortsatzes an dessen Ende stets eine besonders an- sehnliche Anschwellung bildet. Die Substanz des Kernfortsatzes zieht sich gleichmässig rings um den Faden bis über dessen grössere Hälfte empor, sodass da- durch dieser Theil vor dem Endstück, das seine ursprüngliche Natur stets beibehält, durch grössere Dieke ausgezeichnet wird. Kern und Fortsatz nehmen dabei an Masse entschieden zu, nicht durch Anlagerung von aussen, sondern durch inneres Wachsthum. Der vorher so dünne, vordere Theil des Fortsatzes wird etwas stärker; wenn endlich der letztere den Faden in einer bestimmten Länge umwachsen hat, was zeitlich ungefähr mit der vollendeten Längsstreckung des Kernkörpers zusammenfällt, dann hat der Fortsatz in seiner ganzen Länge eine gleichmässige Stärke an- genommen. Mit Berücksichtigung der früher gegebenen Schilderung des reifen Samenkörpers ist es nun sofort klar, welche Deutung den bisher als Kernkörper und Kernfortsatz bezeichneten Theilen zu geben ist; ersterer entspricht dem Kopfe, letzterer dem Mittelstücke. Vergleichende Messungen ergeben, dass der Fortsatz den anfänglich so langen, dünnen, gleichförmigen Faden genau in der Länge des Mittelstückes umwachsen hat. — Mit wenig Worten will ich noch hinzufügen, dass die Gestaltung des Kopfendes zu seiner defini- tiven, bohrerartigen Form von der Spitze aus beginnt; hier zeigen sich die ersten Schraubenwindungen und von da schreiten dieselben weiter nach dem Mittelstücke zu fort (Fig.31,m). Sie besitzen bedeutend stärkeren Glanz als der noch gestreckte übrige Theil des Kopfes und erscheinen etwas dünner als dieser; beides weist vielleicht auf eine weitere Condensation der Substanz hin. — Auf- fallend erscheint es, dass in Isolationspräparaten die glatten, noch nieht spiralig gewundenen Köpfe häufig stark gekrümmt sind (Fig. 30,p). Diese Erscheinung glaube ich auf die gedrängte Lage der Elemente im Hoden zurückführen zu dürfen, die es mit sich bringt, dass der in die Länge wachsende Kern sich biegt und erst später grade streckt. Kopf und Mittelstück stehen also, wie wir sahen, von Anfang an in einem gewissen Gegensatze. Gleichwohl besteht stets eine innige morphologische Beziehung zwischen ihnen, und, abgesehen 456 Max v. Brunn: von den allerfrühesten Stadien, ist eine directe Fortsetzung des einen in den anderen deutlich sichtbar. Was nun aber das erste Auftreten des Mittelstückes, jene oft genannten und in ihren wei- teren Schicksalen verfolgten Körnehen anbetrifft, so knüpft sich an diese eine Frage von hervorragendem Interesse für das Verständniss der Samenkörperbildung. Seitdem durch Schweigger-Seidel (10) die frühere Ansicht von der Strukturlosigkeit und Homogenität der Samenkörper durch die Erkenntniss ersetzt wurde, dass diese Ge- bilde aus mehreren (drei) speeifischen Abschnitten bestehen, machte sich das Bedürfniss geltend, über die genetischen Beziehungen dieser Theile zu einander und zu der Samenzelle Aufschluss zu gewinnen. Schweigger-Seidel selbst, der, wie schon andere Forscher vor ihm, das Samenkörperehen als Aequivalent einer Zelle, als eine „umgewandelte, einstrahlige Wimperzelle“ betrachtet, sagt von der Samenzelle des Frosches, dass der Kern nur den Kopf liefere und die eigentliche Zellsubstanz bei der weiteren Ausbildung mehr und mehr schwinde, „bis von ihr nur noch ein kleines zwischen Wimperhaar und Kern eingeschobenes Stückchen übrig bleibt. Es ist dies“, fährt er fort, „das Mittelstück am fer- tigen Spermatozoid und haben wir demnach gleichzusetzen: das Köpfchen dem Kern, das Mittelstück der modifieirten Zellsub- stanz und den Schwanz dem Wimperhaare aus dem Material der Zelle gebildet“. Denselben Modus nimmt Schweigger-Seidel auch für die Säugethiere an, doch nennt er seine eigenen Beob- achtungen über die Entwicklung nur unvollkommen. Seine Ansicht war in der Hauptsache auch bis in die neueste Zeit die weitaus verbreitetste. Nach den letzten, allem Anscheine nach höchst vertrauens- würdigen Untersuchungen aber liegen die Dinge, wenigstens bei den höheren Wirbelthieren, anders (26). Danach besteht bei diesen der Samenkörper nur aus zwei Haupttheilen, Kopf und Schwanz, indem das sogen. Mittelstück als ein Abschnitt des letzteren an- zusehen ist. Es durchzieht nämlich ein eimheitlieher Axenfaden, weleher sich in dem peripherischen Protoplasma der noch runden Samenzelle in toto bildet und, anfänglich darin spiralig aufgewun- den, später sofort in seiner ganzen Länge ausgeschnellt wird, den ganzen fadenförmigen Theil des Samenkörpers vom Kopfe an, der aus dem Kern entsteht, bis in die äusserste Spitze des Schwanzes. Nachträglich lagert sich auf diesen Axenfaden erst Protoplasma Untersuch. üb. die doppelte Form d. Samenkörper v. Paludina vivipara. 457 auf, durch dessen grössere Massenhaftigkeit am Mittelstück dieses erst seine scheinbare Selbständigkeit erhält. Bei den Wirbellosen haben die bisherigen Beobachtungen zu verschiedenen Resultaten geführt. Besonderes Interesse für die Lösung dieser Frage verdienen hier die Angaben einer Anzahl von Forschern, welche in den Samenzellen ihrer Objeete neben dem Kerne noch einen besonderen .‚Nebenkörper‘“ fanden, der an dem Aufbau des Samenkörpers nervorragenden Antheil nehme. Da ich im Interesse der Deutung meiner Befunde bei Palu- dina diesen fraglichen Nebenkörper ganz besonders berücksichtigen musste, so habe ich mich mit allen darüber vorliegenden Beobacht- ungen, so weit sie zugänglich waren, sehr genau bekannt gemacht. Ich sehe mich jedoch genöthigt, davon Abstand zu nehmen, die fertig ausgearbeitete Zusammenstellung und Kritik derselben hier folgen zu lassen, da vorliegende Abhandlung dadurch unverhältnissmässig erweitert werden würde. Nur in kurzen Sätzen sei daher das zum Verständniss der späteren Schlussfolgerungen Nöthigste hier angeführt. — Der sogen. ‚„‚Nebenkörper“ oder „Nebenkern“ wurde unter den Wirbellosen bei Arthropoden und Mollusken gefunden. Er wird von allen Beobachtern — mit Ausnahme Grobben’s bei Crustaceen (19) — für eine, unabhängig vom Kern der Samenzelle bestehende, körperliche Differenzirung im Protoplasma gehalten; über seine Entstehung als solche liegen keine bestimmten Beobach- tungen vor. Er soll beim Aufbau des Samenkörpers eine hervor- ragende Rolle spielen; über die Art derselben gehen jedoch die Angaben sehr auseinander. Balbiani (17) und Metschnikoff (15) fanden, dass er bei den von ihnen untersuchten Arthropoden zum Kopfe des Samenkörpers werde, während der Zellkern spurlos verschwinde. Nach den Untersuchungen Bütschli's (15, 16) und von la Valette St. George ’s (12) bildet er hingegen das Mittelstück, und der Kopf entsteht aus dem Kerne. Für die untersuchten Mol- lusken endlich lauten die übereinstimmenden Angaben Keferstein's (23), v. la Valette St. George’s (12), und Duval’s (9) dahin, dass der Nebenkörper den Kopf liefere und der Zellkern spurlos zu Grunde gehe. Welch’ auffallende Widersprüche in diesen Be- obachtungen! Sie allein könnten schon hinreichen, gegen letztere sehr misstrauisch zu werden. Ein eingehendes Studium der Ar- beiten hat mich jedoch belehrt, dass die selbständige Existenz dieses Nebenkörpers als eines vom Kern unabhängigen protoplasmatischen 458 Max v. Brunn: Gebildes und sein Antheil an der Bildung des Samenkörpers noch zu sehr der Bestätigung bedarf, als dass man die darauf bezüglichen Angaben schon jetzt als ausgemacht betrachten könnte. Ich habe mir auch, so weit es die Zeit erlaubte, durch eigene Untersuchungen Gewissheit zu verschaffen gesucht. Bei Insekten konnte ich sie nicht so weit verfolgen, dass ich die Frage zu entscheiden vermöchte. Bei Locusta viridiss. (Mitte Juli) war es mir nicht möglich, den von v. la Valette St. George und Bütschli beschriebenen und in seiner charakteristischen Umbildung dargestellten Nebenkörper zu finden. Ich habe in Fig. 20 die nach meinem Dafürhalten auf einander folgende Reihe von Entwicklungsstadien der Samenkörper dieses Insekts abgebildet. Die Zellen a enthalten 1—2 runde, mattglän- zende, sich nicht färbende Körper neben dem Kern; diese haben jedoch, soviel ich erkennen konnte, nicht etwa die Bedeutung des Nebenkörpers, wie vielleicht angenommen worden ist, sondern dürften als eiweissartige Reservestofie zu betrachten sein, wie Grobben solehe in den Spermatoblasten und Samenzellen von Crustaceen fand. Die damit versehenen Zellen wären dann noch nicht ganz reife Samenzellen. In den Zellen b, welche ich als reife Samen- zellen ansehen musste, fand ich ausser dem grossen Kern keinen anderen Körper. An einer Stelle war die Wand des Kernes, wie auch schon bei den vorigen Zellen, knopfartig verdickt; diese Verdiekung, im frischen Zustande durch besonderen Glanz hervor- tretend, färbte sich weit intensiver als der übrige Kern. Sie bildet den Ausgangspunkt der Bildung eines mehr und mehr an Grösse zunehmenden Anhangsbläschens, welches endlich, wie sich durch Färbung deutlich nachweisen liess, die Hauptmasse der chromato- philen Kernsubstanz in sich aufnimmt. Durch weitere charakteri- stische Umwandlung wird dies Kernbläschen zu dem eigenthümlich ankerförmigen Theile des Kopfes. Dagegen fand Bütschli, dass das von ihm „kernartiges Bläschen‘ genannte Gebilde ursprünglich vom Kern getrennt im Protoplasma der Samenzelle liege und sich erst sekundär mit diesem vereinige. Mit dem Nebenkörper hatte es nichts zu thun; dieser sollte ausserdem existiren, wovon ich mich jedoch nicht überzeugen konnte. Es gelang mir nicht, am Samenkörper ein eigentliches Mittelstück zu erkennen, wenn ich nicht den Theil jenes als solehes betrachten wollte, der aus dem bei der Bildung des Kernbläschens übrig bleibenden Segmente des Kernes entsteht. — Nicht im Zweifel über den Nebenkörper liess SEE EEE Untersuch. üb. die doppelte Form d. Samenkörper v. Paludina vivipara. 459 mich dagegen die Untersuchung von Pulmonaten. Das Ergebniss war, dass dieses Gebilde hier überhaupt nicht existirt, dass viel- mehr der als solches betrachtete Körper nichts anderes als der Kern der Samenzelle ist. Fig. 19 stellt die Entwicklung der Samenkörper von Helix pomatia dar, wie ich sie (im Juni) er- kannt habe. Durch indireete Theilung der Keimzelle entsteht die Samenzelle; diese (e) besitzt einen grossen sich intensiv färbenden Kern; einen anderen Körper umschliesst das feinkörnige Proto- plasma nicht. Ein soleher tritt auch später nicht auf, sondern der Kern bildet sich zu dem lang gestreckten Kopfe um; es lässt sich dies durch Färbung mit Sicherheit feststellen. Der Faden ist ausserordentlich frühe vorhanden und schon beim ersten Auftreten mit dem Kopfe verbunden. Ein besonderes Mittelstück fiel mir nieht auf, obwohl ein solches zweifellos vorhanden ist; so kann ich über die Bildung des Fadens nichts sagen. Nicht selten fand ich Bilder, welehe mir die gegentheiligen Befunde der früheren Beobachter bis zu einem gewissen Grade erklärten. Durch un- günstigen Einfluss von Zusatzflüssigkeiten entstehen leicht Kunst- produkte, Coagula, Vacuolen, Fadenschlingen um den Zellleib (Fig. 19x) u. a. m., welche Jene wohl zu Täuschungen verleitet haben mögen. Der von Duval im „Spermatoblasten“ der wurm- förmigen Samenkörper von Paludina angeblich beobachtete und in den Figuren durch seine Grösse auffallende Kern hat sich mir z. B. thatsächlich als ein solches Kunstprodukt erwiesen. Es existirt in Wirklichkeit nicht die Spur davon. Auch bei Wirbelthieren wurde ein körperliches Gebilde neben dem Kern der Samenzelle gefunden (13, 27, 24b!) und mehrfach als ein Aequivalent des „Nebenkörpers‘‘ der Wirbellosen bezeichnet; doch gewiss mit Unrecht, denn nach den meisten Angaben tritt es in gar keine Beziehung zur Bildung des Samenkörpers, sondern geht spurlos unter. Andererseits verdankt die Kopfkappe der Säugethiersamenkörper ihre Entstehung einer bei dieser Thier- gruppe ganz allgemein vorkommenden Protoplasmaanhäufung in der Samenzelle (25); jene ist aber nur eine ganz transitorische Bildung, indem sie dem Samenkörper nur während dessen Ent- wicklung zukommt und abgestossen wird, ehe diese ganz vollendet 1) s. in diesem Aufsatze das Referat einer Arbeit von Hermann über die Spermatogenese bei Selachiern. 460 Max v. Brunn: ist, somit also keinen Theil des reifen Samenkörpers darstellt. Die früher angeführten Beobachtungen (26) beweisen endlich, dass ein Nebenkörper bei den betr. Wirbelthieren mit der Bildung des Samenkörpers in dem Sinne, wie dies von demjenigen der Wirbel- losen behauptet wird, nichts zu thun haben kann). Der Kopf geht aus dem Kerne hervor, das sog. Mittelstück entsteht nicht als ein gesonderter Theil aus einem eigens gebildeten Protoplasmakörper, sondern bildet mit dem Schwanze eine genetische Einheit. — Indem ich es nun für wahrscheinlich halte, dass die Bildung der Samen- körper mit fadenförmigem Schwanze in den wesentlichsten Zügen bei den höheren Thieren übereinstimme, glaube ich, dass auch bei jenen Wirbellosen die Entstehung des Mittelstücks nicht von einem selbständigen Körper im Protoplasma ausgehe, noch viel weniger aber in einzelnen Fällen ein solcher Nebenkörper zum Kopfe des Samenkörpers werde und der Kern der Samenzelle vollständig zu Grunde gehe. Dass ich selbst bei Paludina, wie die früheren und folgenden Darstellungen ergeben, die Entstehung des Axenfadens anders finde als sie bei den Wirbelthieren erkannt worden ist, kann gegen die eben ausgesprochene Ansicht nicht in Betracht kommen. Ich gelange nun dazu, die bei der Bildung der haarförmigen Samenkörper von Paludina beobachteten Verhältnisse auf Grund der vorangehenden Erörterungen einer nochmaligen Besprechung und definitiven Deutung zu unterwerfen. — Es kann keine Frage sein, dass hier der Kopf des Samenkörpers direct aus dem Kerne der Samenzelle entsteht; die unmittelbare Umbildung des letzteren zu jenem lässt sich auf mannigfache Weise nachweisen. Auf grosse Schwierigkeiten stossen wir jedoch bei der Ableitung des Mittelstückes und Schwanzes von den Theilen der Samenzelle. — Wir fanden, dass an dieser die ersten Veränderungen darin bestehen, dass in derselben mehrere, wahrscheinlich vier, sehr kleine, glän- 1) Langerhans giebtan (28), dass die Anlage der Spermatozoönköpfe von Amphioxus „unabhängig vom Kern des Spermatoblasten‘ aus glänzenden Kör- perchen entstehe, welche schon neben dem Kerne der noch geschlechtlich indifferenten Keimdrüse in der Zahl der späteren Samenkörper liegen. — Man darf hier, glaube ich, getrost eine Täuschung annehmen, trotz der Sorg- falt der übrigen Arbeit. L. befand sich gewiss in demselben Irrthum wie seiner Zeit v. Ebner, mit dessen Beobachtungen er die seinigen für übereinstimmend erklärt. Untersuch. üb. die doppelte Form d. Samenkörper v. Paludina vivipara. 461 zende Körnchen sichtbar werden, die, im Viereck dicht neben einander stehend, durch scheinbare Zwischenräume jedoch von einander getrennt, dem Zellkerne innig anliegen und mit ihm von der Zelloberfläche eng umschlossen werden. Aus dem Mittelpunkte dieses winzigen Vierecks tritt nun ein ausserordentlich feiner Faden hervor, der zunächst nur ungefähr die Hälfte seiner späteren Länge misst. Der Zellkern lässt schon jetzt zuweilen an der den Körnchen zugewendeten Seite eine kleine lichtere Stelle erkennen, die einer Oeffnung gleicht. Betreffs der weiteren Phasen verweise ich auf die frühere Darstellung; der Faden erreicht allmählich seine definitive Länge, die Körnchen werden zu kleinen Stäbchen, die mit dem Kern in deutlicher Verbindung stehen u. s. w. — Nun fragt es sich aber, welcher Natur sind jene sog. Körnchen ? Man wird versucht sein, sie für eine dem Nebenkörper vergleich- bare Bildung zu halten, besonders wenn man ihr Wachsthum zu Stäb- chen mit den ähnlichen Veränderungen des fraglichen Nebenkörpers bei den Insekten in’s Auge fasst. Leider war es mir nicht möglich, die Verhältnisse bei diesen Thieren zu beobachten, was ich be- sonders deshalb bedaure, weil es mir sehr erwünscht wäre zu wissen, mit welcher Deutlichkeit die betreffenden Erscheinungen dort sichtbar sind. Doch aus verschiedenen Umständen, Wider- sprüchen, Ungenauigkeiten ete. glaube ich schliessen zu dürfen, dass die Deutlichkeit des geschilderten Vorganges Manches zu wünschen übrig gelassen habe, und dass die oft überraschend be- stimmten Abbildungen doch vielleicht etwas zu schematisch ausge- fallen sein möchten. — Bei Paludina war es mir unmöglich, bei der angewendeten Vergrösserung von 70%, (Seibert’s Imm.-Syst. VII) volle Gewissheit zu erlangen, ob die Trennung der Körnchen bez. Stäbehen unter sich und vom Kern wirklich oder nur scheinbar vorhanden war. Gewisse anderweitige Beobachtungen bestimmen mich aber, mit grosser Bestimmtheit anzunehmen, dass die fragliche Trennung in Wirklichkeit nicht besteht, sondern nur dureh opti- sche Verhältnisse, die durch die Kleinheit des Objeets begünstigt werden, vorgespiegelt wird. Man ist in solchen Fällen optischen Täuschungen ja sehr ausgesetzt, und so vermuthe ich, dass auch die glänzenden Körnchen auf einer solchen beruhen. Ich glaube daher, dass wir es in diesem Falle mit einem vielleicht nicht ganz regelmässigen Ringe zu thun haben, dessen optischer Querschnitt eben unter dem Bilde jener glänzenden Körnchen zum Ausdruck Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd, 23. 30 462 Max v. Brunn: kommt. Dann aber halte ich es für wahrscheinlich, dass dieser Ring in primärer Verbindung mit dem Kerne steht, von diesem aus entstanden ist und zwar derart, dass der Kern an der betref- fenden Stelle eine kleine, anfangs nur wenig erhabene, Ausstülpung getrieben hat, an deren Ende ein diekerer Substanzring oder -wulst sich befindet; die Verbindung dieses letzteren mit dem Kern ist vielleicht nur durch eine sehr zarte Substanzschicht hergestellt, so dass der Schein einer Trennung erklärlich wird. Und so fasse ich in der That die Verhältnisse auf. In welcher Beziehung steht nun aber der Faden zu dieser Bildung? Es ist offenbar eine der Hauptschwierigkeiten, in seine Natur klare Einsicht zu gewinnen. Ich kann mich der Ansicht nicht anschliessen, dass er ein blosser, sehr feiner, ge- wissermassen permanent gewordener amöboider Fortsatz des Zellprotoplasmas sei, was ja für die Samenkörper der höheren Wirbelthiere durch die früher angeführte Entdeckung (26) wider- legt worden ist; ich halte vielmehr ebenfalls den Kern für den Ausgangspunkt seiner Entstehung. Es hat sich mir im Laufe der Untersuchung unwillkürlich die Ueberzeugung aufgedrängt, dass der Kern das eigentlich plastische Element sei, indem er sich zu einem centralen Faden umbildet, der durch sein Längswachsthum das dadurch nicht resorbirte Protoplasma der Zelle mit in die Länge zieht und davon wie von einer zarten Haut überzogen wird. Mit dieser Erklärung steht keine der beobachteten Erscheinungen in Widerspruch, wie ich nun weiter ausführen möchte. Die beiden charakteristischen Bestandtheile der Kernsubstauz, das Chromatin und Achromatin, von zäher Consistenz, sind im ruhenden Zellkern vereinigt, besitzen jedoch die Fähigkeit, sich bei Umbildungsvor- gängen des Kernes zu sondern und bis zu einem gewissen Grade zu trennen. Eine solehe Sonderung tritt nun offenbar grade bei der Entstehung der Samenkörper in ganz besonderer Weise ein, und auf diese Erscheinung gründet sich nun meine Ansicht über die Bildung des centralen Theiles des Samenkörpers. Ein ganz auffallender Gegensatz des Kopfes zum übrigen Faden besteht bekanntlich in dem Verhalten gegen Färbemittel, indem ersterer in gut gefärbten Präparaten eine dunkle Färbung annimmt, letzterer hingegen vollkommen farblos bleibt. Diese Thatsache glaube ich als eine weitere Stütze meiner Auffassung in Anspruch nehmen zu dürfen. — Die Vorstellung, welche ich schliesslich über den Untersuch. üb. die doppelte Form d. Samenkörper v. Paludina vivipara. 463 Bau und die Entstehung des haarförmigen Samenkörpers von Pa- ludina gewonnen habe, ist, kurz zusammengefasst, folgende: Bei der Bildung des Samenkörpers findet im Kern der Samenzelle eine partielle Scheidung des Chromatin und Achromatin statt. Das erstere geht ausschliesslich in den definitiven Kopf über, während das Achromatin zum Faden auswächst. Dieser ganze Kernfaden erhält von Seiten des Protoplasmas eine zarte Hülle. Der Gegen- satz von Mittelstick und Endstück des Fadens wird dadurch be- dingt, dass das erstere eine grössere Dicke besitzt, wodurch seine grössere Resistenz, geringere Biegsamkeit und andere Eigenschaften erklärlich werden. — Nun fand ich aber mehrfach Bilder, wo der so gebildete Kernfaden mehr einer Röhre glich, in deren Axe ein ausserordentlich feiner Faden verlief, der sich bis an’s Ende des Mittelstückes erkennen liess. Dieser feinste Axenfaden scheint mir, wenn er wirklich existirt und nicht etwa auf optischer Täu- schung beruht, dem innersten Kerninhalte seinen Ursprung zu verdanken, während die periphere Masse desselben die mantel- artige Röhre bildet. Nach dieser Auffassung würde die oben gestellte Frage, in welcher Beziehung der Faden zu dem muthmasslichen Ringe des Kernfortsatzes stehe, folgendermassen zu beantworten sein: Nach- dem der Kern an einer Stelle durch Längenwachsthum seines centralen Inhalts einen sehr feinen, kurzen Faden ausgesandt hat, nimmt dessen Wandung zunächst an der dem Kerne nächstgele- genen, Stelle lokal bedeutend an Stärke zu, so dass in der Wan- dung des Fadens ein stark hervortretender Ring oder Wulst ent- steht, als dessen optischer Ausdruck jene glänzenden Körnchen auftreten. Diese diekere Zone nimmt weiterhin allmählich an Ausdehnung in der Länge des Fadens zu, wodurch der Anschein der Stäbehen entsteht; die diekste Stelle befindet sich immer am entferntesten vom Kopftheil und erst, wenn die Verdickung bis zum Ende des definitiven Mittelstückes vorgeschritten ist, findet eine vollständige Ausgleichung der Stärke dieses Absehnittes statt. Grössere Gewissheit hoffe ich bald durch Anwendung homo- gener Immersionslinsen zu bekommen. 2. Die Bildung der wurmförmigen Samenkörper. Wir haben früher gesehen, dass die ersten Entwicklungsvor- gänge beider Formen von Samenkörpern ganz gleichmässig ver- 464 Max v. Brunn: laufen, indem die Keimelemente bis zu einem gewissen Stadium ganz dieselben Erscheinungen zur Schau tragen. Später aber lassen die bisher scheinbar gleichartigen, nur in der Grösse ver- schiedenen Zellen erkennen. dass sie einem verschiedenen Schick- sale entgegengehen; die einen theilen sich nochmals und liefern erst dadurch die eigentlichen Samenzellen der haarförmigen Art, die anderen aber repräsentiren selbst schon die sich direet zu den wurmförmigen Samenkörpern umbildenden Elemente. Diese sind ansehnlich gross und besitzen einen ebenfalls grossen Kern; derselbe ist homogener Natur und scheint ein bis zwei Kernkör- perchen zu besitzen. Das Zellprotoplasma umhüllt ihn rings gleichmässig, ohne irgend einen anderen Körper zu enthalten. Eine Zellmembran liess sich auf keine Weise erkennen, doch ist aus dem Umstande, dass die Zellen stets gegenseitig scharf begrenzt sind, selbst unter ungünstigen Verhältnissen (bei dicht gedrängter Lage, Druck u. a. m.) nie zusammenfliessen, wohl auf eine dichtere, membranartige Grenzschicht zu schliessen. Am Kern dieser Zellen machen sich nun sehr eigenthümliche Veränderungen geltend (Fig. 8). Er bekommt zunächst ein runzliches Aussehen und beginnt darauf in Zerfall zu gerathen; er löst sich in eine beträchtliche Anzahl meist rundlicher Bruchstücke auf. Durch gute Färbung lässt sich diese Thatsache unschwer fest- stellen, doch darf man nicht erwarten, in jedem Präparate, selbst während der günstigen Jahreszeit, derartige Stadien zu treffen. — So enthalten also ältere Zellen anstatt des früheren einzigen Kernes eine mehr oder minder grosse Anzahl verschieden grosser Theilstücke. Allmählich lösen sich diese im Zellprotoplasma voll- ständig auf bis auf ein einziges von ansehnlicher Grösse, welches schliesslich als das einzige geformte Element im Innern der Zelle erhalten bleibt. Unmittelbar nach oder selbst schon vor der völligen Auflösung der übrigen Kerntheile tritt an der völlig run- den Zelle ein Büschel feinster Fäden auf, als deren Ausgangspunkt bei schärfster Beobachtung der erhalten gebliebene runde Kerntheil sich erkennen lässt. Dieser ist der Zellwand sehr nahe gerückt und entsendet nun jenen Cilienbüschel, der ausserhalb der Zelle sich lockert und ca. 8—12 Fäden von der dreifachen Länge des Zelldurchmessers zeigt. Ich wage nicht zu entscheiden, ob sie primär von dem Kerntheile aus entstehen oder erst sekundär da- mit in Verbindung treten, doch halte ich entschieden Ersteres für Untersuch. üb. die doppelte Form d. Samenkörper v. Paludina vivipara. 465 das Wahrscheinlichere. Es lässt sich aus den beobachteten Er- scheinungen (7°/,) mindestens nicht der geringste Grund dagegen beibringen, während Mancherlei dafür spricht. — Und dass der runde Körper, in dem sich die Cilien vereinigen, nicht etwa erst durch Verschmelzung ihrer äussersten Enden zu Stande kommt, sondern eben ein schon vorher anwesender Kerntheil ist, kann keinem Zweifel unterliegen; diese Thatsache wird durch Färbung zu augenfällig bewiesen. Es gelingt allerdings nicht gar häufig, ganz gelungene Färbungen dieser Zellen zu erzielen; denn da das Protoplasma, wie wir gesehen haben, reichlich mit der wahrschein- lieh weniger chemisch als mehr mechanisch gelösten Kernsubstanz angefüllt ist, so färbt es sich leicht ebenfalls ziemlich dunkel; doch in günstigen Fällen von Borax-Carminfärbung nimmt es nur eine rosa Farbe an, der die Cilien tragende Körper hingegen färbt sich ganz ebenso tief roth, wie vorher die einzelnen Kern- theile, die Cilien bleiben im Gegensatz dazu völlig farblos. — Eine Vergleichung der Cilien mit denen am Schwanzende des reifen wurmförmigen Samenkörpers ergiebt ohne Weiteres, dass beide identisch sind. Es haben jedoch die Cilien im Anfange der Umbildung der Samenzelle das doppelte Mass ihrer definitiven Länge, ein für die Auffassung des späteren Centralfadens wohl zu berücksichtigender Umstand. Ausserdem zeigen sie noch nicht ihre spätere ausserordentliche Beweglichkeit, führen aber doch schon von Anfang an, wenn auch schwächere, schlängelnde Bewe- gungen aus. — Der runde Kerntheil, in welchem sich die langen, sehr zarten Fäden vereinigen, wird in toto und mit nur geringer Gestaltveränderung zum definitiven Kopfe des Samenkörpers. —. Die weitere Bildung des letzteren verläuft folgendermassen: Der .Cilienbüschel wächst in die Länge und zwar nach der seiner Austrittsstelle entgegengesetzten Seite der Zelle zu. In gleichem Masse rückt natürlich der Kopf in gerader Riehtung nach dem Inneren derselben und berührt schliesslich die entgegengesetzte Zellwand. Er durchbrieht diese jedoch nicht; sie legt sich ihm vielmehr ganz dicht an und wird bei der in derselben Riehtung immer weiter fortschreitenden Verlängerung der Fäden mit vor- wärts gezogen und in die Länge gedehnt. Die ganze Zelle streekt sich bei diesem Wachsthum zuerst spindelförmig und wächst dann ihrerseits nach dem freien Ende des Cilienbüschels zu rings um diesen entlang, doch langsamer als das entgegengesetzte Längs- 466 Max v. Brunn: wachsthum der Fäden vor sich geht (Fig. 9). Letztere legen sich bei diesen Vorgängen eng an einander und bilden nun einen scheinbar einheitlichen Faden, ohne jedoch zu verschmelzen. Noch in schon ziemlich lang spindelförmigen Zellen kann man die ein- zelnen Cilien unterscheiden, besonders auch an frischen Elementen (Fig. 10, a—e). Der anfangs runde Kopf besitzt schon bei dem Berühren der Zellwand eine längliche Gestalt und wird weiterhin zu einem leicht gekrümmten Stäbchen oder Röhrchen, das sich stets intensiv färbt (Fig. 10). So wachsen nun sowohl Faden wie Zelle in der anfänglichen Richtung fort, indem ersterer immer länger, letztere aber immer dünner wird. Wenn endlich der Centralfaden nahezu seine definitive Länge erreicht hat, so hat die Zellsubstanz den Cilienbüschel bis an den scheinbaren Insertions- punkt der freien Wimpern am reifen Samenkörper umwachsen (Fig. 9). Das fertige Gebilde besteht also aus einem ÜCentralfaden von S—12 dicht an einander liegenden ganz feinen Fäden, der an dem einen Ende mit dem sehr kurzen Kopfe beginnt, an dem entgegengesetzten jedoch in einen Büschel isolirter Cilien sich auflöst; dieser ganze Faden inel. Kopf wird bis an die freien Wimpern von einem eng anliegenden membranartigen Mantel umhüllt. Die Frage muss ich jedoch unentschieden lassen, ob auch die Wimpern von einer dünnen Lage der Zellsubstanz über- zogen werden. Meiner Annahme gemäss, dass die Cilien von dem zum Kopfe werdenden Kerntheile aus entstehen, glaube ich aller- dings, dass sie eben so wenig wie jener die Zellwand dnrchbrechen, sondern, jede für sich, diese bei ihrer Bildung mit ausstülpen, so dass also jede Cilie gleichfalls aus einem Axenfaden und einem äusserst zarten Mantel besteht. Eine Beobachtung, welche hierfür zu sprechen scheint, theilte ich schon früher mit; ich bemerkte zuweilen bei Samenkörpern, die durch ungünstige Reagentien corrodirt waren, an einzelnen Wimpern ebenso wie am ganzen übrigen Gebilde einen freilich sehr unvollständigen Ueberzug von feinsten Körnchen, die eine Deutung im obigen Sinne nahe legten. Andererseits findet man aber sehr häufig Entwicklungsstadien und reife Körper, an denen der Zellleib, bezw. der aus demselben hervorgegangene Mantel ausserordentlich stark zerstört ist, während die Wimpern gänzlich unversehrt erscheinen. Sehr interessant war mir auch in dieser Beziehung der in Fig. 10, x abgebildete Fall: Untersuch. üb. die doppelte Form d. Samenkörper v. Paludina vivipara. 467 Der den späteren Kopf repräsentirende runde Kerntheil ist mit seinem Fadenbüschel durch einen günstigen Zufall isolirt; der runde Körper und die innig damit verbundenen Fäden sind voll- kommen unverletzt, der ganze Zellleib jedoch ist entfernt und nur wenige Körnchen haften dem früher von der Zelle um- schlossenen untersten Stücke des Büschels an. Danach scheint es allerdings kaum annehmbar, dass die feinen Enden der Wim- pern auch von einer dünnen Schicht der Zellsubstanz überzogen seien, doch halte ich es trotzdem für immerhin noch möglich. Dass der Kopf von dem membranartigen Mantel mit umschlossen wird, scheint mir nicht zweifelhaft; der ganze Gang der Entwick- lung beweist es mit grosser Sicherheit; ausserdem aber noch die Erscheinung, dass bei Einfluss gewisser Reagentien — ich fand es besonders nach Goldehlorid, welches ich angewendet hatte, um Duval’s Kern nach dessen eigener Methode zu beobachten — sich der Kopf ziemlich stark krümmt und dabei eine scharfe Linie sichtbar wird, welche stets auf der concaven Seite der Krümmung von der Spitze des Kopfes nach dem Beginn des Mittelstückes zu hinläuft (Fig. 13h). Diese Linie kann nur als der Ausdruck einer davon abgelösten äusserst zarten Membran betrachtet werden. Dass diese Ablösung nicht auch weiterhin eingetreten ist, wird leicht erklärlich, wenn man berücksichtigt, dass sie nur in Folge der Krümmung des Kopfes geschah, also an dem gestreckten Fa- den keine Veranlassung dazu vorlag. Aus vorstehender Darstellung wird ersichtlich, dass die wich- tigsten von Duval’s Angaben (9b) nicht richtig sind. Der Kern der Samenzelle bleibt nicht unbetheiligt an der Bildung des Samenkörpers, sondern nimmt hervorragenden Antheil daran; er liegt somit nicht neben dem im „Spermatoblasten“ sich bildenden Körper und geht nicht allmählich zu Grunde, so dass seine Reste noch in den letzten Bildungsphasen nachweisbar wären. Duvals Beobachtungen beruhen auf Täuschung, seine mit auffallender Bestimmtheit gezeichneten „Kerne‘“ sind Kunstproduete. Ich hatte anfänglich derartigen Erscheinungen keine Aufmerksamkeit ge- schenkt, fasste sie aber, nachdem ich durch Duval’s Auffassung überrascht worden war, ganz besonders ins Auge. Das Ergebniss sorgfältiger Untersuchung war das eben mitgetheilte. In Fig. 11 ist eine Reihe von Bildern als Beleg dafür zusammengestellt. So oft mir im Protoplasma sowohl der frühesten als auch irgend wel- 468 Max v. Brunn: cher späteren Stadien ein besonderes Gebilde auffiel, erkannte ich darin ein Kunstprodukt. Häufig sind es künstlich entstandene Hohlräume von verschiedener Gestalt und Grösse, die nicht selten in mehrfacher Anzahl auftreten; dann wiederum grössere oder kleinere, oft wie Körnchenballen aussehende Coagula, welche z.B. gern durch ungünstige Behandlung mit Ueberosmiumsäure entstehen; besonders häufig zeigen sich ein oder zwei stark glänzende Körn- chen in fast vollkommen reifen, sich auch wohl noch bewegenden Samenkörpern unmittelbar vor dem Beginn des Wimpernbüschels; auch blosse äusserliche Risse in dem Protoplasmamantel können leicht zu Irrthum führen. Aber fast stets: zeigen solche Samen- körper auch im übrigen deutliche Spuren der Entstellung. — In anderen auf dieselbe Weise behandelten Präparaten ist nicht die geringste Andeutung eines Körpers vorhanden (Fig. 12a, 13). Das von Duval angenommene, mit dem „Nebenkörper“ iden- tifieirte „corpuseule c&phalique“ besitzen die Samenzellen ebenfalls nicht; dies ist vielmehr der erhalten gebliebene Bruchtheil des Kernes. Eine eingehende Erörterung muss ich noch anknüpfen an meine Darstellung der Entwicklung der ersten Keimelemente. Nach meinen Beobachtungen bildet, wie oben ausgeführt, den Ausgangspunkt des ganzen Entwicklungseyelus in beiden Fällen ein Mutterkern, der in dem gemeinsamen Protoplasmawandbelag der Ampulle eingelagert ist. Von einer Mutterzelle zu sprechen halte ich nicht für angemessen, da eben irgend eine bestimmte Sonderung des Protoplasmas nicht zu erkennen ist, wenn es auch auf Schnitten zuweilen so scheint. Dieser Kern liefert durch Knospung eigentlich mehr Abschnürung einzelner Partien eine kleine Anzahl rundlicher Kerne, aus welchen durch die geschilderten Vorgänge die zahlreichen Samenkörper hervorgehen. — Der nach der Ab- schnürung der Tochterkerne übrig gebliebene Theil des Mutter- kernes wächst während der Weiterentwicklung seiner ringsum ge- lagerten Abkömmlinge langsam heran und wird später zum Aus- gangspunkte einer neuen Generation. Es knüpft also an diese Kerne die fortlaufende Regeneration an. Auf Schnitten sieht man dementsprechend an der Wand der mit Keimelementen der verschie- densten Art mehr oder weniger angefüllten Ampulle stets eine Anzahl von Mutterkernen, welche in sehr unregelmässigen Abstän- den und in sehr verschiedener Grösse der tun. propr. meistens Untersuch. üb. die doppelte Form d. Samenkörper v. Paludina vivipara. 469 dieht anliegen (Taf. XXID). Sie fallen sofort in die Augen, da sie sich stets besonders intensiv färben; ihre sehr variirende Gestalt und Grösse ist dem Umstande zuzuschreiben, dass der Inhalt einer Ampulle durchaus nicht auf gleicher Entwicklungsstufe steht, son- dern sich aus Keimelementgruppen der mannichfachsten Art zu- sammensetzt. Man findet in derselben Ampulle eines in voller Produetion stehenden Hodens wohl die meisten Stadien beider Samenkörperformen gleichzeitig vor und zwar neben und über einander gelagert, natürlich immer in Gruppen; eine bestimmte Anordnung der Entwicklungskreise lässt sich durchaus nicht er- kennen. Daher denn auch die Schnitte der Samenmutterkerne, zumal diese in ganz verschiedenem Niveau getroffen werden, in Gestalt und Grösse oft sehr ungleich sind. Eine ganz andere Ansicht über die Schicksale dieser sich auffällig dunkel färbenden Kerne hat Duval aufgestellt. Ich ver- weise auf den oben gegebenen Auszug seiner Arbeit. Nach Duval sollen diese Kerne (noyaux prineipaux) der ursprünglichen Mutter- zellen (cellules meres, ovules mäles), in deren Protoplasma die Kerne der „Spermatoblasten“ endogen entstanden sind, ohne Betheiligung hieran in der Basis der aus den Mutterzellen hervorgegangenen Spermatoblastentrauben liegen bleiben und nach der vollendeten Reife der Samenkörper allmählich, wahrscheinlich durch Resorption zu Grunde gehen. Wie sich Duval die Regeneration des Samens vorstellt, welche wohl den grössten Theil des Jahres hindurch anhält, wenn auch nicht stets mit gleicher Stärke, ist aus seiner Darstellung der Spermatogenese bei Pal. und Helix nicht zu ersehen; er hat diese Frage gänzlich ausser Acht gelassen. Und doch ist gerade die Berücksichtigung derselben von grösster Bedeutung für die richtige Auffassung der ausser den Samenzellen in der Ampulle enthaltenen Elemente. Ich habe daher die Regeneration immer besonders im Auge gehabt und bin so zu meiner oben dargetha- nen Ansicht gelangt. Dafür, dass die Mutterkerne nach einmali- ger Production von Samenkörpern, wie Duval meint, zu Grunde gehen, habe ich nicht den geringsten Anhaltspunkt gefunden; Alles spricht vielmehr dafür, dass sie wiederholt fungiren. Damit soll nicht gesagt sein, dass dieser Vorgang sich in infi- nitum fortsetze; es ist vielmehr wahrscheinlich, dass nach gerau- mer Zeit das Regenerationsvermögen nachlässt und an Stelle des ersten Mutterkernes sich aus einem seiner früheren Theilstücke 470 Max v. Brunn: ein neuer Keimherd bildet. Verödete oder in Rückbildung begrif- fene Ampullen habe ich nie gefunden, so sehr ich auch zu den verschiedensten Jahreszeiten danach gesucht habe. Ausser den Samenmutterkernen aber enthalten jene nur solche Elemente, Kerne und Zellen, die ihre directe Bestimmung und fortgeschrittene Um- bildung zu Samenkörpern deutlich erkennen lassen. Ich wüsste daher nicht, auf welche andere als die angegebene Weise die Re- generation stattfinden könnte. Aus vorstehenden und manchen anderen Gründen sehe ich mich auch genöthigt, der Blastophortheorie von Bloomfield entgegen- zutreten. Es würde zu weit führen, wollte ich hier diese Frage eingehend beleuchten, was allerdings meine Absicht war. Doch möchte ich es nicht unterlassen, die Resultate, zu welchen die gerade auch zu diesem Zwecke zahlreich und nach den verschie- densten Methoden angestellten Beobachtungen an Pulmonaten ge- führt, kurz zusammenzufassen. — Auch bei diesen muss, nach meiner Kenntniss der Verhältnisse, die Regeneration von dem von mir als Samenmutterkern bezeichneten, von Bloomfield (24a) Blastophoralcellnucleus genannten und für ein sehr vergängliches, nach Abstossung der Samenkörper dem Verfall anheimgegebenes Gebilde erklärten Kerne ausgehen. Ihn mit seiner protoplasma- tischen Hülle, der Blastophoralcell, als eine blosse Stütze, höchstens als ein ernährendes Element der Samenkörper anzusehen, halte ich für verfehlt. — In Bezug auf die Protoplasmaumhüllung der Köpfe der einzelnen Samenfädenbündel muss ich Folgendes bemer- ken: In Isolationspräparaten des frischen Zwitterdrüseninhaltes sind diese Bündel allerdings zumeist einer halbkugligen, körnigen Protoplasmamasse inserirt; diese enthält häufig einen Kern, zu- weilen auch zwei, jedoch vielleicht in der grösseren Anzahl von Fällen lässt sich ein solcher selbst durch die beste Färbung nicht nachweisen, ohne dass der geringste Grund vorhanden wäre, eine Verletzung und den dadurch erfolgten Verlust des Kernes anzu- nehmen. Wo er vorhanden, ist er auch keineswegs stets gleich- artig, vielmehr oft mit Anzeichen der bevorstehenden direeten Theilung. Ich spreche hier von Samenfädenbündeln jedes Alters. Zerzupft man in toto in Ueberosmiumsäure abgetödtete und gefärbte Ampullen, so fehlt einer grossen Anzahl von Bündeln die Proto- plasmakugel sammt Kern, offenbar weil diese in innigerer Be- ziehung zur Ampullenwand stehen als zu den Bündeln und durch Untersuch. üb. die doppelte Form d. Samenkörper v. Paludina vivipara. 471 das Erhärten in situ dieser Gegensatz noch verstärkt wird. An den meisten Bündeln befindet sich jedoch eine Protoplasmamasse ; diese ist aber nicht abgerundet und scharf begrenzt, sondern lässt deutlich erkennen, dass sie aus einer grösseren, zusammenhän- genden Schicht herausgerissen ist. Die Köpfe der Samenfäden sind daran nicht wie an einer Kugelfläche inserirt, sondern gleich- mässig nebeneinander, wie auf einer unebenen Fläche. Der Kern fehlt meist, oft liegt er excentrisch, sodass also die Köpfe sich nicht nach ihm concentrirt haben. — Dureh Sehnittbilder lasse man sich nicht täuschen, was leicht, besonders durch solche aus Zwitterdrüsen in später Jahreszeit, geschehen kann, zumal wenn die Regeneration, die hier periodischer als bei Pal. einzutreten scheint, noch nicht begonnen hat. — Auch frübere Beobachter, z. B.Kölliker (3), bestreiten nach genauer Untersuchung das re- gelmässige Vorhandensein eines solchen mehr oder weniger indif- ferenten Kernes. Bei Paludina findet man die schon etwas weiter in der Um- bildung fortgeschrittenen Gruppen nur ausnahmsweise einigermassen regelrecht auf einen Mutterkern concentrirt. Es ist dies immer nur zufällig, wenn dieser nämlich noch keinen Nachwuchs produ- eirt hat, und jene durch solchen also nicht zur Seite gedrängt worden sind. Irgend welche Beziehungen etwa als „Stütze“ oder „ernährendes Element‘ hat der Mutterkern zu seinen früheren Ab- kömmlingen nicht; sowohl Isolationspräparate (Taf. XXI Fig. 1, 4) als Schnitte (Taf. XXII) beweisen dies. Wenn Bloomfield den Blastophoraleellnucleus für „offen- bar Dasselbe“ erklärt wie Sempers Deckzellenkern bei Plagio- stomen und den durch v. la Valette St. George gefundenen sog. Cystenkern bei Amphibien, so lässt er sich dazu gewiss mehr durch die äusserliche Aehnlichkeit der Bilder bestimmen als durch tiefer liegende Gründe. Jedenfalls scheint es mir durchaus nicht unnöthig zu sein, die Identität dieser Kerne noch besonders nach- zuweisen!). So viele gemeinsame Züge sich auch in der Samen- bildung der Wirbelthiere und Wirbellosen nachweisen lassen, so beweisen doch andrerseits bedeutende Differenzen bei selbst ver- hältnissmässig nahe stehenden Gruppen, dass man es sich keines- I) (24b, S. 329) „It is needless to point out the identity of this basilar nucleus and its plasma with my blastophoral cell of Helix and the Frog.“ 472 Max v. Brunn: wegs so leicht machen darf. Die Aehnlichkeit des Deckzellen- kernes mit dem Cystenkern veranlasst zwar auch v. la Valette St. George, beide für identisch zu halten, doch weist er zu- gleich darauf hin, dass der Ursprung dieses nuclei basilaris noch nicht hinreichend klar sei. Es bleiben also noch weitere Untersuchungen über den Gegenstand abzuwarten, um so mehr als Nussbaum (30), der diese Verhältnisse eingehend untersucht hat, bei Knochenfischen „eine eigene Cystenhaut oder einen Cy- stenkern“ nieht beobachtete. Weit weniger Berechtigung aber hat offenbar Bloomfield’s Identificirung seines Blastophoral cellnucleus mit dem Cystenkern. Dieser gehört einer zweiten, innern, sekundären Hülle der Samenkörper an und fand sich bis- her nur in den Fällen, wo schon eine äussere Umhüllung, die Follikelhaut, vorhanden ist und auch da nicht allgemein; bei Helix aber existirt überhaupt keine Hülle der Samenzellengruppen oder Kerne in deren Umgrenzung. Schon hierin besteht ein bemerkens- werther Unterschied, der jedenfalls dazu auffordert, anscheinende Aehnliehkeiten in einzelnen Punkten nicht ohne Weiteres für volle Uebereinstimmung zu erklären. Am wenigsten aber sind die thatsächlichen Verhältnisse bei Pal. dazu angethan, für die Annahme Minot’s irgend welche Anhaltepunkte zu liefern, als werde bei der Samenbildung aus der als ursprünglich neutral oder geschlechtlich indifferent zu denkenden Keimzelle bei der Entwicklung männlicher Ge- schlechtsproducte das weibliche Element in Gestalt eines ge- formten Körpers ausgeschieden. Pol&jaeff (32) will diese Hy- pothese ebenfalls nieht gelten lassen, trotzdem die Differenzirung der männlichen Keimzelle von Sye. raph. in „Deckzelle“ und „Ur- samenzelle“ deutlicher als irgendwo anders dafür zu sprechen scheint. Pol6jaeff findet vielmehr eine rein physiologische Er- klärung in der Natur der Verhältnisse sehr begründet. Nussbaum erörtert in seiner Arbeit (30) die sekundären Hüllen der Samenzellen und sagt in Bezug auf die Mollusken, dass bei diesen nach den bekannten Arbeiten eine zellige Hülle nicht vorzukommen scheine. Eine solehe ist bei Pal. und den un- tersuchten, also wohl bei allen, Pulm. in der That nieht vorhanden. Die Gruppen der verschiedenartigen Keimelemente werden nur durch feinkörniges Protoplasma zusammengehalten; die Samen- zellen hängen mit einander und mit der Ampullenwand durch feine Untersuch. üb. die doppelte Form d. Samenkörper v. Paludina vivipara. 473 Protoplasmafäden zusammen, die Bündel der Samenkörper sind nur im Bereich ihrer Köpfe durch zartes Protoplasma verbunden. Auch in den jüngsten Stadien fehlt jede zellige Hülle. Zu einer kurzen Bemerkung fordert noch der Vergleich des von mir beobachteten Entwieklungsmodus mit dem von Grobben (19) bei den CUrustaceen eonstatirten heraus. Ich möchte aufmerk- sam machen auf die grosse Uebereinstimmung, die zwischen dem sog. „Ersatzkeim‘“ der letzteren und dem Samenmutterkern von Pal. zu bestehen scheint. Nach Grobben'’s Darstellung in Wort und Bild muss ich es für sehr wahrscheinlich halten, dass beide Elemente identisch sind. Die Beschaffenheit der Ersatzkeime und ihre Funktion bei der Regeneration ist in den wesentlichen Punkten geradezu auf- fallend übereinstimmend mit den von mir gefundenen Verhältnissen. Da ich nun fest überzeugt bin, mit der Deutung der Erscheinun- sen bei meinen Untersuchungsobjeeten wesentlich das Rechte ge- troffen zu haben, so halte ich auch Grobben’s Ansicht über die Ersatzkeime für richtig und bezweifle dementsprechend, dass Nuss- baum's Erklärung dieser Ersatzkeime als Follikelhautkerne zu- treffend sei. Dann würden die ersten Stadien der Spermatogenese und ebenso die Regeneration der männlichen Geschlechtsstoffe bei De- capoden und Mollusken in fast völlig übereinstimmender Weise erfolgen. Der Verlauf meiner Arbeit brachte es mit sich, dass ich in der Literatur nach analogen Fällen eines Dimorphismus der Sa- menkörper suchte. Es ergab sich, dass in der That bei einigen anderen Thieren das Vorkommen zweier Formen beobachtet wurde. nachdem v. Siebold durch seine Entdeekung die Aufmerksamkeit für diese Frage geweckthatte. Leydig’s Lehrbuch der Histologie führt ausser Pal. viv. noch an: Notommata Sieboldii und Asellus aquaticus (Oniscus mur. vermuthungsweise). In Bronn’s Klassen und Ordnungen des Thierreichs wird Cypris in dieser Beziehung erwähnt!). Diese Angaben sind jedoch zweifelsohne sämmtlich irrthümliche. In Bezug auf Asellus aquatieus, bei welchem Zen- ker „mit aller Bestimmtheit“ zwei Formen zu sehen glaubte), 1) (23) 5. 992. „Der Zweck dieser wunderbaren Einrichtung“ nämlich bei Pal., „die man auch bei Cypris unter den Krebsen wiederfindet, ist ganz unbekannt.“ 2) Archiv für Naturgeschichte 1854. 474 Max v. Brunn: ist die Täuschung schon nachgewiesen worden durch Sars!), welcher auch die entsprechenden Vermuthungen Zenker’s über Mysis widerlegte. Bei Onisecus mur. hat sich herausgestellt, dass die vermuthete zweite Form als rudimentäre Eier anzusehen ist (33). Ueber Notommata Sieboldii finde ich ausser Leydig's erster Be- obachtung?), in der es als zweifelhaft hingestellt ist, ob hier zwei Entwicklungsstadien oder verschiedene Formen, wie bei Pa- ludina vorliegen, keine weiteren Angaben. Auf welcher Beobachtung Keferstein’s Bemerkung über Cypris beruht, ist mir unbekannt geblieben; die einzigen Untersuchungen über Spermatogenese bei diesem Ostracoden, welche ich kenne, von Metschnikoff (18) und Zenker?), sagen darüber nichts. — v. Baer’s kurze Bemer- kung: „Ueber mehrfache Formen von Spermatozoön in demselben Thiere“*) erwähne ich nur der Vollständigkeit wegen; sie hat kein sachliches Interesse. In neuerer Zeit endlich hat Schenk bei Murex brand. zweierlei Samenkörper unterschieden (34). Obwohl es mir nun, aus später ersichtlichen Gründen, sehr wohl möglich erscheint, dass grade auch bei diesem Vorderkiemer die angegebenen Verhältnisse vor- liegen, muss ich doch gestehen, dass die Darstellungen Schenk’s wenig überzeugend sind. Sehr auffallend und von Paludina durch- aus verschieden ist es übrigens, dass Ende August, während wel- ches Monats Schenk seine Untersuchungen anstellte, unter 15 Exemplaren nur ein einziges die fragliche zweite Form aufwies. Nicht minder, dass diese zweite Form nur „ein gleichmässiges Stück Protoplasma“ darstellt, und dass sie so ganz andere, wunderliche Lebenserscheinungen zeigt, z. B. Abschnürung von selbständig be- weglichen Stücken. Mit Bezug auf letztere Erscheinung schliesst 1) Geo. Osc. Sars, Hist. nat. des Crust. d’eau douce de Norvöge, Chri- stiania 1867. 2) Zeitschrift f. wissensch. Zoologie VI. B. S. 32. 3) Monogr. d. Ostracoden, Archiv f. Naturgesch. XX. B. 1854. Zenker sagt dort im VII. Abschnitt nur, dass im Männchen von Cypris die Zoosper- mien der beiden Körperhälften nicht congruent, sondern symmetrisch, die einen rechts, die andern links gewunden seien; diese Verschiedenheit wäre aber kein Grund, darin zwei verschiedene Formen in dem Sinne, wie bei Pal., zu sehen. 4) Bull. de la classe phys.-math. de l’acad. des sciences de St. Peters- bourg, 1847; T. V. No. 15 p. 230. “Untersuch. üb. die doppelte Form d. Samenkörper v. Paludina vivipara. 475 Schenk seine Mittheilung mit folgendem Satze: „Diese Stücke konnte ich nicht weiter verfolgen, was dann ihr späteres Geschick im Samen wäre, ob sie zu den sogen. kleineren Spermatozoön um- gewandelt werden. Wäre das Letztere der Fall, dann würden wir es hier mit einer Art Spermatoblasten Ebner zu thun haben, die als herumschwimmende freie Spermatoblasten zu betrachten wären.“ Wie gesagt, die Darstellung leidet an unverkennbaren Mängeln, so dass man von der Richtigkeit der Thatsache nicht überzeugt sein kann. Da kein Wort die Entwicklung der einen oder der anderen Form berührt, so fehlt eines der Hauptkriterien für ihre Selbständigkeit. Dem Zweifel und der Vermuthung wird dadurch freie Bahn gegeben. Ich zweifle nun durchaus nicht, dass bei Murex möglicher Weise zwei Formen vorkommen, aber die mitge- theilten Angaben verpflichten mich weit mehr, die Vermuthung aus- zusprechen, dass die Beobachtungen unvollkommen, die dargestellten Gebilde vielleicht Entwiekelungsstadien seien, dass vielleicht auch parasitäre Körper irgendwelcher Art vorgelegen haben. Leider sind meine wiederholten Versuche, lebende Thiere von Murex zu erhalten, erfolglos geblieben, so dass ich eine Nachuntersuchung auf die nächste Zukunft verschieben musste. Gewisse Resultate veranlassten mich, das Spiritusmaterial der hiesigen Sammlung von Prosobranchien, so weit wie thunlich, auf die männlichen Geschlechtsstoffe zu untersuchen. Dabei gelangte ich zu dem glücklichen Ergebniss, einen neuen, unzweifelhaften Fall des Dimorphismus der Samenkörper aufzufinden, und zwar bei Ampullaria. Die beiden Formen gleichen in den charakteristi- schen Zügen vollkommen denen von Paludina. Die Isolirung der verschiedenen Elemente, zum Theil mit Anwendung von Kalilösung, gelang übrigens nur mangelhaft; besonders liessen sich die isolirten Entwicklungsstadien zum Studium der Einzelheiten nicht gebrauchen. Doch ist die völlige Uebereinstimmung in allen wesentlichen Punkten mit Paludina gewiss. Der einzige auffallende Unterschied besteht in den Grössenverhältnissen sowohl der ganzen Körper als ihrer einzelnen Abschnitte. — Ich gebe hier nur eine kurze Schilderung, indem ich die genaue Darstellung einer baldigen Untersuchung lebenden Materials, das ich bisher trotz vielfach angewandter Mühe nicht bekommen habe, vorbehalte. — Das un- tersuchte Exemplar stammte von der Insel Katapang bei Java, der Speciesname blieb mir unbekannt. 476 Max v. Brunn: Die beiden Samenkörperarten zeigen dieselbe typische Ver- schiedenheit des Baues, wie die der Paludina (Fig. 17); der haar- förmige Samenkörper besteht aus einem verhältnissmässig langen, wahrscheinlich ebenfalls bohrerförmigen, aber in weniger und da- für längeren Windungen gedrehten Kopfe (19 «), der sich in ein kurzes Mittelstück (15 «) und den daran anschliessenden, doppelt so langen, sehr zarten Schwanzfaden (31 «) fortsetzt. Bei der sehr gut gelungenen Färbung mit Haematoxylin färbte sich einzig und allein der Kopf und zwar sehr intensiv blau. Die angegebenen Masse dürften der vielfachen Verstümmelungen wegen nicht ganz genau sein. Die wenigen deutlich erkennbaren Entwicklungsstadien zeigten sich völlig gleich den entsprechenden von Paludina. — Die zweite Form, für die auch hier die Bezeichnung wurmförmig nicht unpassend ist, namentlich im Hinblick auf die grosse Ana- logie mit der ebenso genannten Art bei Paludina, besteht gleich- falls aus drei Theilen, was ich nicht anstehe zu behaupten, trotz- dem ich den Kopf, ungünstiger Conservirung wegen, nicht zur Anschauung bringen konnte. Jedenfalls ist dieser nur sehr klein, wie er ja auch bei Paludina nur an gut gefärbten Präparaten mit aller Schärfe nachgewiesen werden kann; es folgt auf ihn ein eylinderförmiges Stück, welches durch seine mannigfach verschie- denen wellenförmigen Biegungen auf eine wurmartige Bewegung der lebenden Elemente schliessen liess; dieser T’heil hat ungefähr die gleiche Länge wie der Kopf der haarförmigen Art, ein Ver- hältniss, das in auffallendem Gegensatze steht zu demjenigen bei Paludina, wo ja das Mittelstück des wurmförmigen ein bedeutendes Stück länger ist als der ganze haarförmige Samenkörper. Als dritter Abschnitt folgt dem Mittelstück ganz wie bei Paludina ein Büschel von ungefähr 10 feinen Cilien; diese sind relativ viel länger (31 u.) als bei letzterer, trotzdem aber erreicht auch mit ihnen der ganze Samenkörper noch nicht die volle Länge der haarförmigen Art. Entwicklungsformen konnte ich nicht befrie- digend isoliren; doch bedarf es deren im vorliegenden Falle nicht, um die Thatsache als zweifellos richtig anzuerkennen. Sie blieben gänzlich ungefärbt, wodurch namentlich in Schnitten die einzelnen Gruppen scharf abstechen gegen die der haarförmigen Art. Noch möchte ich auf die grossen mehr oder weniger runden oder ovalen Kerne hinweisen, welche der inneren Wand der Hoden- ampullen in unregelmässigen Abständen ziemlich zahlreich anliegen. Untersuch. üb. die doppelte Form d. Samenkörper v. Paludina vivipara. 477 Diese (Taf. XXIL, Fig. 18a) halte ich unbedingt für identisch mit den Samenmutterkernen bei Paludina. Sie sind gleichfalls wie dort ausser den in Umbildung zu Samenkörpern begriffenen Elementen im Innern der Ampulle die einzigen Gebilde, von denen der Ersatz ausgehen kann. Es zeigt sich auf diesen Schnitten deutlich, dass die Samenkörpergruppen sich nur zufällig, aber keineswegs regelmässig um solche Kerne concentriren, häufiger stehen sie in zuweilen langen, dichten Reihen, welche mitunter von Elementen anderer Stadien unterbrochen werden, ziemlich senkrecht auf der Ampullen- wand. Die Abbildung (Taf. XXII, Fig. 18) stellt durchaus typische Verhältnisse dar. Eine bestimmte Anordnung der Entwicklungs- kreise ist nicht erkennbar. Kurz, Alles stimmt auch in dieser Beziehung mit den von Paludina geschilderten Thatsachen überein. Nur einer dort nicht gemachten Beobachtung muss ich noch gedenken, die, wie mir scheint, eine Bestätigung meiner Ansicht über die Regeneration enthält. Ziemlich häufig nämlich sah ich in den Schnitten neben dem scharf begrenzten Samenmutterkerne einen matten, gelblichen, fettartig aussehenden Körper von wech- selnder Grösse und meist rundlicher Gestalt, der sich nicht färbte (a). Obgleich ich nun auch über die Natur dieses Körpers wegen der nachtheiligen Conservirung kein bestimmtes Urtheil fällen möchte, so halte ich es doch für sehr wahrscheinlich, dass er einem ausgedienten, fettiger Degeneration anheimgefallenen Mutterkerne entspricht, an dessen Stelle der regelmässig daneben, oft dicht an- liegende, scharf begrenzte Kern, als ein Nachkomme jenes, die Production neuer Keimzellen übernommen hat. Bei anderen Prosobranchien konnte ich keine zweite Samen- körperart erkennen; das conservirte Material erwies sich allerdings der Untersuchung sehr ungünstig. Natica hat nur eine faden- förmige Art mit kurzem, anscheinend stäbehenförmigem Kopfe. Bei Buceinum bin ich sehr in Zweifel geblieben; Einiges schien auf das Vorhandensein einer zweiten Form hinzudeuten. In Litto- rina litt. fand ich gegen meine, aus bestimmten Gründen gehegte Erwartung ebenfalls nur eine Art; ich untersuchte lebendes Material!) (Mitte November) und gut gefärbte Schnitte davon. Die Samen- 1) Herrn Dr. Geise in Kiel spreche ich hiermit für freundliche Ueber- sendung einer grossen Anzahl lebender Thiere meinen besten Dank aus. Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 23, 3l 478 Max v. Brunn: körper sind kurz (Taf. XXI, Fig. 18a), haarförmig und kommen in ihren Grössenverhältnissen der haarförmigen Art von Paludina nahe; der Kopf ist jedoch beinahe doppelt so lang (27 «) und vollkommen gerade gestreckt, das Mittelstück ist kurz (15 «), ebensolang der Scehwanzfaden; eigenthümlich ist es, dass sie sich nur lebhaft schlängelnd bewegen, nicht rotirend. — Von unseren einheimischen Vertretern der Ordnung besitzen die untersuchten Neritina, Bythinia und Cyclostoma nur eine Form. Die Samenkörper von Ner. fluv. (Juni) sind lang fadenförmig, äusserst fein, mit einem ziemlich langen, spitzen, stäbchenartigen Kopfe und langem Mittelstück (Fig. 18b); die von Byth. tent. (April) sind noch weit länger, ausserordentlich fein, besitzen einen sehr kurzen, pfriemenförmigen Kopf und ein ebenfalls nur kurzes, wenig hervortretendes Mittelstück (Fig. 18ec); ihr Habitus erinnert sehr an den der Samenkörper der Pulmonaten; Cyel. eleg. (October) endlich besitzt gleichfalls lang fadenförmige Samenkörper, die jedoch kürzer als jene sind und keinen hervorstechenden Kopf haben (Fig. 18d). — Färbungen konnte ich aus Zeitmangel nicht vornehmen. — Die Bewegung ist bei allen eine lebhaft schlängelnde und schnellende. Valvata pisein. konnte ich nicht untersuchen. Nach Ley- dig (22) sind ihre Samenkörper ebenso beschaffen wie die von Neritina. — Mit den Samenkörpern von Paludina haben die eben besprochenen demnach keine Aehnlichkeit, mit den haarförmigen nur insofern, als sie gleichfalls feine Fäden sind, dagegen unter- scheiden sie sich von jenen durch ihre vielfach überlegene Länge, die völlig verschiedene Gestalt des Kopfes u. A. m. III. Physiologischer Theil. Eine weitere, für die Lösung der mir gestellten Aufgabe höchst bedeutungsvolle Frage ist die nach dem physiologischen Werthe beider Samenkörperformen von Paludina. Welche Stellung nehmen sie zu den Vorgängen der Befruchtung ein? Sind sie beide daran betheiligt und liegt hier vielleicht ein im Gegensatz zu allen übrigen Erfahrungen dastehender Fali von doppelter Be- fruchtung vor? Oder sollte gar je nach der Befruchtung durch die eine oder die andere Form von Samenelementen der Keim sich zu einem weiblichen oder männlichen Thiere entwickeln? So son- derbar diese letzte, von einigen meiner Bekannten aufgeworfene Untersuch. üb. die doppelte Form d. Samenkörper v. Paludina vivipara. 479 Frage auch an und für sich klingen mag, so dürfte man ihr doch vielleieht nieht jede Berechtigung absprechen können. Es wäre ja immerhin denkbar, dass auch in den übrigen Thiergruppen ein specifischer Unterschied der Samenelemente obwalte, der unsrer Beobachtung bisher noch entgangen und von dem die Entwicklung der verschiedenen Geschlechter zum Theil abhängig wäre. Wenn man berücksichtigt, dass gerade nur bei den Prosobranchien dop- pelte Samenkörper bekannt sind, und dass gerade diese Gruppe sich durch getrenntes Geschlecht von allen ihren näheren Verwandten unterscheidet, so wird diese Frage einigermassen berechtigt er- scheinen, besonders da die primäre Ursache der geschlechtlichen Differenzirung noch in vollkommenes Dunkel gehüllt ist. Nach den bisherigen Beobachtungen über die Beziehungen der beiden Samenkörperarten zum Ei von Paludina konnte man sich allerdings wohl zu derartigen Vermuthungen veranlasst sehen. — Leydig, derEinzige, welcher die späteren Schicksale der Samen- körper bis zur Annäherung an das Ei verfolgt hat, fand, dass in dem die Dotterkugel umgebenden und von einer zarten Haut um- schlossenen Eiweiss beide Formen nicht selten „theils abgestorben, theils noch in lebhafter Bewegung“ vorhanden seien, und er nahm darauf, wie aus einer seiner Bemerkungen hervorgeht, eine durch beide gemeinschaftlich stattfindende Befruchtung an. Keferstein sagt in Folge dessen (23, S. 992): „Beide Formen von Zoospermien scheinen zur Befruchtung zu dienen, denn man findet nach Leydig beide in dem das Ei umgebenden Eiweiss.“ Dass die späteren Beobachter sich keine Mühe gaben, dem Verhalten der Samen- körper zur Befruchtung näher nachzuforschen, habe ich bei früherer Gelegenheit an den bezüglichen Stellen angeführt. Mein Augenmerk war nun von Anfang an gerade auf diese Frage gerichtet; ich machte sogar die meisten der in Vorstehendem niedergelegten Beobachtungen erst in Folge der Resultate, welche sich bei jenen ersten Untersuchungen ergeben hatten. Von Ley- dig’s Beobachtungen ausgehend suchte ich mir zunächst Gewissheit darüber zu verschaffen, ob denn in der That beide Samenkörper- formen in dem das Ei in grosser Menge umgebenden Eiweiss enthalten seien. Das Ergebniss war, dass dem nicht so ist! Bei Anwendung der peinlichsten Vorsichtsmassregeln gelingt es in jedem Falle, volle Gewissheit darüber zu erhalten, dass nur die haarförmige Art sich im Innern des Eies vorfindet. Leydig's 480 Max v. Brunn: entgegengesetzter Befund wird Jedem leicht verständlich, der die Möglichkeiten kennt, die bei den betreffenden Beobachtungen zu Täuschungen führen können. Sobald beim Oeffnen des mit ca. !/,; em grossen Eiern vollständig erfüllten Uterus und besonders des letzten Theiles desselben, des sog. Receptaculum seminis, die darin gleichfalls fast stets in grösserer Menge lagernde Samenmasse mit auseinander gerissen wird, so ist dadurch eine aussichtsvolle Untersuchung des Eiinhaltes sehr in Frage gestellt; dies ist also zu vermeiden. Ferner dürfen nur völlig unverletzte Eier zur Ent- scheidung der Frage benutzt werden, was allerdings auch Leydig wohl berücksichtigt hat. Ein weiteres, durchaus nothwendiges Erforderniss ist es, das Ei vor der Untersuchung sorgfältigst abzu- spülen, zunächst in dem mit besonderer Vorsicht gegen den Zu- tritt von Samenkörpern beim Oeffnen gewonnenen Blute des Mutterthieres, dann aber auch, um vollständig sicher zu gehen, in Wasser. Endlich hüte man sich vor Irrthümern der Art, dass man etwa nur äusserlicb der Eihaut anhaftende, oder über und unter dem Ei in der Untersuchungsflüssigkeit schwimmende Elemente in dessen Inneres hineinverlegt. Die Untersuchung kann einfach in Wasser geschehen, da die Eihaut dagegen ziemlich resistent ist, so dass der Inhalt derselben vor schädlichen Einflüssen lange genug gesichert ist. Unter Beobachtung dieser Vorsichtsmassregeln habe ich in keinem Falle auch nur einen einzigen wurmförmigen Samenkörper im Eie gesehen. Ein solcher wäre mir sicherlich nicht entgangen, da ich verschiedene Hilfsmittel, Compressorium u. a. benutzte. Ebenso hatte ich die Möglichkeit stets im Auge, dass Verände- rungen oder Tod die normale Form entstellt und schwer erkennbar gemacht haben könnten, und da ich derartige, unter den verschie- densten Bedingungen eintretende Erscheinungen an den wurm- förmigen Samenkörpern zur Genüge beobachtet hatte, so würde ich selbst die entstelltesten wiedererkannt haben. Wenn Leydig also im Eiweiss theils todte, theils lebhaft sich bewegende wurm- förmige Samenkörper gesehen haben will, so muss er sich getäuscht haben. Freilich sind auch mir Fälle vorgekommen, in denen ich einen solchen im Ei zu erkennen glaubte; eine gründlichere Beobach- tung überzeugte mich aber stets, dass derselbe nicht innen, sondern aussen auf der Eihaut lag. — Haarförmige Samenkörper hingegen sind allerdings in jedem Ei in grösserer oder geringerer Menge mit Untersuch. üb. die doppelte Form d. Samenkörper v. Paludina vivipara 481 eingeschlossen und für sie hat Leydig’s Angabe vollkommene Geltung. Zum Theil sind sie abgestorben, und zwar meist, wie sich an der Art der Veränderung erkennen lässt, auf normalem Wege, nicht! durch ungünstige Einflüsse, Wasser ete., zum Theil aber tummeln sie sich noch frisch und munter im Eiweiss herum. Sie befinden sich sowohl in der unmittelbarsten Nähe des Dotters bez. Embryos, als an der entferntesten Peripherie. — Ich unter- suchte aus jedem Uterus eine grössere Anzahl jüngerer und älterer Eier und zwar in verschiedenen Jahreszeiten; immer fanden sich dieselben Verhältnisse. Es bedarf eigentlich keiner weiteren Beweise für die Erkennt- niss, dass die Befruchtung der Eier nur durch die haarförmigen Samenkörper geschieht. Doch stehen mir noch einige weitere Beobachtungen zu Gebote, welche nicht nur eine vielleicht doch noch nöthig erscheinende Bekräftigung, sondern gleichzeitig auch eine befriedigende Erklärung der Thatsache enthalten, dass die wurmförmigen Samenkörper von der Befruchtung ausgeschlossen sind. Zu ihrer Darlegung erfordert es eines Hinblickes auf die Organisationsverhältnisse. Die weiblichen Geschlechtsorgane beginnen mit einer zapfen- förmigen, muskulösen Vagina, welche sich zu dem langen, schlauch- förmigen, an der Decke der Athemhöhle verlaufenden Uterus er- weitert, dessen letzter, nach unten umgeschlagener Theil die sog. Samentasche (Receptaculum, Bursa seminis) ist. In diese mündet der Oviduct auf einer kleinen, stark muskulösen Papille. Er stellt einen engen, von drüsigem Wimperepithel ausgekleideten, mit ziemlich dichten Wülsten und Ringleisten versehenen Kanal dar, welcher nach längerem Verlaufe in den äusseren erweiterten Theil einer voluminösen Eiweissdrüse eintritt und von da aus sich direet in das ebenfalls röhrenförmige, dünne Ovarium fortsetzt. Die in diesem: auffallend gering entwickelten Organe entstandenen, reich mit Dotter ausgerüsteten Eikeime treten also zunächst in die an der betreffenden Stelle etwas modifieirte Bi- weissdrüse ein und gelangen darauf in den Oviduct. Auf diesem Wege erhalten sie nun ihre definitive Ausstattung; sie werden theils schon in der Eiweissdrüse, theils wohl auch erst im Oviduct mit einer reichen Eiweisshülle versehen, welche schon im vordersten Theile des letzteren von einer dichten, strukturlosen Haut umschlossen wird. Diese macht den ferneren Zutritt körper- 482 Max v. Brunn: licher Elemente unmöglich, da eine Mikropyle oder andere ent- sprechende Einrichtnng daran nicht vorhanden ist. — In dieser Verfassung tritt das Ei nun erst durch die enge Mündung des Oviduet in das Receptaculum seminis und damit in den Uterus ein. Durch die sehr starke Ringmuskulatur der Papille wird die Eihaut, sobald die Hauptmasse des Eies ausgetreten ist, eng zu- sammengeschnürt, und ihr letztes Ende zieht sich zu einem langen, fest zusammengedrehten, dünnen Faden!) aus. Unter diesen that- sächlichen Verhältnissen muss nun der Zutritt der Samenkörper zum Ei vor dem Austritt desselben in das Receptaculum seminis geschehen, in diesem selbst ist er nicht mehr möglich. Nachdem dies festgestellt, musste ich, im Hinblick auf das entschiedene Fehlen der wurmförmigen Art im Ei, folgerichtig annehmen, dass sich im Oviduet nur die haarförmigen Samenkörper vorfinden würden. Die bezüglichen Untersuchungen ergaben denn auch die befriedigendste Bestätigung. In der Samenrinne des Uterus und besonders im Receptaculum seminis ist stets eine grössere oder geringere Masse von Samen enthalten; dieser besteht meist aus beiden Formen in wechselndem Verhältniss. Im Oviduct jedoch findet man niemals auch nur einen einzigen wurmförmigen, hin- gegen stets eine gewisse Menge haarförmiger Samenkörper! Es bedarf auch zu dieser Beobachtung der grössten Vorsicht, um sich vor Irrthümern zu schützen. Ich präparirte den Oviduet in seiner ganzen Länge so behutsam wie möglich heraus, um das dicht anliegende Receptaculum seminis nicht zu verletzen, pinselte und spülte ihn in Blut sorgfältig ab und untersuchte ihn dann in 1) Dieser fadenförmige Fortsatz der Eihaut, welchen Leydig den Cha- lazen des Vogeleies vergleicht und der, „ein spiralig gedrehter freier Theil der Eiweisshülle selbst“, nach Leydig durch eine drehende Bewegung des Eies auf seinem Wege zum Uterus gebildet werden soll, zeigt zuweilen eine eigenthümliche Beschaffenheit. Ich sah an ihm, besonders an seinem letzten, freien Ende, in mehreren Fällen einen dichten, pelzartigen Besatz von sehr feinen, starren Härchen (Taf. XXI, Fig 16). Wie diese Erscheinung zu erklären ist, weiss ich jetzt nicht zu sagen, da ich keine Zeit zu einer weiteren Un- tersuchung hatte. Uebrigens gingen die Härchen direct und mehr oder we- niger senkrecht von der Substanz des Fadens aus. — Ich glaube, dass die Eihaut vondem wimpernden Drüsenepithel des Oviducts geliefert wird, und dass dann die Härchen als die letzten, zwischen den Flimmerhaaren hervorgetre- tenen, rasch erstarrten Enden der zähen Sekretfäden anzusehen sind. Untersuch. üb. die doppelte Form d. Samenkörper v. Paludina vivipara. 483 Blut, welches ich vorher genau auf etwaiges Vorhandensein wurm- förmiger Samenkörper geprüft hatte. Unter solchen Umständen fand ich nun weder im Oviduct noch in der Eiweissdrüse je eine Spur dieser Form; haarförmige jedoch waren fast in allen Theilen dieser Organe enthalten und besonders zahlreich in den grösseren Erweiterungen desjenigen Theiles der Eiweissdrüse, durch welchen die Eier ihren Weg nehmen. Hier liegen sie zuweilen in zahl- reichen dichten Bündeln sehr regelmässig aneinandergefügt. Sehr deutlich zeigen dies auch gut gefärbte Schnitte. In solchen finden sich die durch die intensive Färbung (Haematoxylin) ihrer Köpfe sofort hervorstechenden haarförmigen Samenkörper selbst in sehr entfernten Follikeln der Eiweissdrüse. In frischen Zerzupfungs- präparaten erkennt man sie leicht an ihren lebhaften Bewegungen. Gerade hier kann man die rapideste Rotation an ihnen beobachten und es erscheint danach durchaus annehmbar, dass sie sich aus eigener Kraft in zarte Massen einbohren. Die geschilderten Thatsachen geben gewiss die befriedigendste Aufklärung darüber, dass im Eie niemals wurmförmige Samenkörper gefunden werden. Sie gelangen eben gar nicht an die Stelle, wo allein der Zutritt zu demselben möglich ist, bleiben vielmehr von der Ueberführung in den Oviduct, wahrscheinlich ihrer ungeeigneten Gestalt und Bewegung wegen, ausgeschlossen. Nur die haarför- migen können ihren Weg durch die enge Mündung des Oviduct fortsetzen und wandern, unterstützt durch die lebhafte Flimmerung dieses Organes, in grossen Mengen bis in die Eiweissdrüse hinein. Dort, an der Uebergangsstelle des Ovariums in den Oviduct treffen sie mit den Eiern zusammen und werden mit diesen von Eiweiss umhüillt. Ueber diese Frage der Befruchtung bei Paludina kann somit kein Zweifel bestehen; die wurmförmigen Samenkörper spielen dabei keine Rolle. Dieses Ergebniss, so befriedigend es auch für die Physiologie der Zeugung ist, stellt uns vor eine neue, schwierige Frage. Welche andere Bedeutung kommt dieser räthselhaften zweiten Form von Samenkörpern zu, wie ist ihr Auftreten zu erklären? Man wird vor Allem daran denken, dass sie irgend welche Nebenfunktion ausüben, etwa für das normale Leben der befruchtenden Elemente oder deren Uebertragung in die weiblichen Organe von Nutzen sein möchten. Sie könnten vielleicht, zu grösseren Lagen vereinigt, 484 Max v. Brunn: den Werth einer schützenden Hülle, einer Art Spermatophore, haben. Doch abgesehen davon, dass, bei der sicheren Art der directen Begattung und den für die Beförderung des Samens sehr günstigen anatomischen Verhältnissen der männlichen und weiblichen Geschleehtsorgane, das Bedürfniss einer solchen nicht einzusehen ist, so wäre es sicherlich gegen alle Erfahrung, dass zu dem an- gedeuteten Zwecke ein so ganz abnormes Mittel dienen sollte; denn die sonderbaren Gebilde sind thatsächlich Samenkörper, wenn sie auch ihren Beruf als solche verfehlen. Sie entstehen im Hoden in ganz analoger Weise wie die funktionirende Form, sie werden mit dieser gemeinsam in die weiblichen Geschlechtsorgane über- tragen, theilen die gleichen Schicksale, bis ihrem weiteren Vor- dringen mit jener durch rein anatomische Bedingungen ein Hin- derniss entgegengestellt wird. Sie bleiben an dieser Stelle zurück, sterben ab und ihre entstellten Reste werden wieder nach aussen befördert. Auf Letzteres bezüglich möchte ich noch einige Bemer- kungen beifügen. Der Samen wird in grossen dichten Mengen in den Uterus eingeführt und zwar in eine an der Spindelseite desselben hinlaufende, stark fimmernde Rinne?). Auf diesem Wege zum Recepta- 1) Der übrige Raum des oft mächtig erweiterten Uterus ist stets prall mit Eiern angefüllt. Diese stehen in der Regel auf sehr verschiedener Ent- wicklungsstufe, je eine gewisse, wechselnde Anzahl auf nahezu gleicher. So kann z. B. die vordere Hälfte der Eier fast ausgebildet, die hintere noch in den ersten Anfängen der Entwicklung sein; wiederum in einem anderen Falle fand ich, dass die ersten sieben Stück fast geburtsreife Embryonen mit schon dunkel gebänderten Schalen enthielten, die Embryonen der folgenden sechs sehr beträchtlich jünger, die der nächsten drei sehr jung waren und die letz- ten drei Eier endlich erst die Furchungsstadien zeigten. So enthält jeder Uterus mehrere Sätze von verschiedenem Alter. Die jüngsten Eier findet man häufig noch im Rec. sem.; an diesen kann man die allerersten Furchungen erkennen. — In einzelnen Fällen befinden sich mehrere Embryonen innerhalb einer gemeinsamen Hülle. So fand Leydig einmal zwei beisammen, ich be- obachtete dies öfters; ein Ei enthielt sogar drei auf gleicher Stufe stehende, schon sehr grosse Embryonen und, wenn ich nicht irre, kam mir selbst eines mit vier ganz jungen, in ihrem gemeinsamen Eiweiss umherschwimmenden Embryonen vor. Die Gesammtzahl der in einem Uterus enthaltenen Eier ist je nach der wechselnden Grösse der Mutterthiere höchst verschieden; ich fand meist zwischen 15 und 30. Eine beträchtliche Anzahl der Weibchen war übrigens zur Untersuchung unbrauchbar, da sowohl der Uterus als auch die übrigen Geschlechtsorgane mit erstaunlichen Massen von Cercarien und an- deren Bildungsformen von Distomeen dicht erfüllt waren. Untersuch. üb. die doppelte Form d. Samenkörper v. Paludina vivipara. 485 eulum seminis scheinen die wurmförmigen Samenkörper schon nicht in gleicher Masse vorwärts zu kommen wie die haarförmigen; wenig- stens besteht der im Receptaculum seminis fast stets ziemlich reichlich vorhandene Samen zum grösseren Theil aus letzterer Form. Doch fehlen die normal sich bewegenden wurmförmigen auch dort meist nicht; es kommen allerdings, und gar nicht so selten, Fälle vor, wo man keine findet, aber sie sind dann gewiss erst nachträglich von dort ausgeschieden worden. Sie werden that- sächlich, ebenso die oft sehr bedeutende Menge nicht zur Verwen- dung gelangter haarförmiger, wieder ausgeworfen; man findet zwischen den Embryonen oft grosse Ballen wirr durcheinander semengter todter, zuweilen auch noch lebender Samenkörper bei- derlei Form, die sich eben auf dem Rückwege nach aussen be- finden. Ich will übrigens nicht verschweigen, dass ich bei der Unter- suchung der langen Stränge eingeführten Samens, welche man leicht als Ganzes aus der Samenrinne herausheben kann, einige Male zu finden glaubte, dass die haarförmigen Samenkörper mehr die eentrale Masse bildeten, während die wurmförmigen vorzugs- weise in der Peripherie zu liegen schienen; doch wäre dieser Umstand, wenn es sich auch wirklich regelmässig so verhalten sollte, in Anbetracht aller übrigen Verhältnisse durchaus noch nicht als Beweis anzusehen, dass die wurmförmigen Gebilde etwa bestimmt seien, einen schützenden Mantel darzustellen. Die speeifische Art der Bewegung beider Formen würde auch diese Erscheinung leicht verständlich machen. Einenersichtlichen physiologischen Werth besitztdiezweite Form von Samenkörpern bei Paludina somit nicht! Wie aber lässt sich ihr Auftreten, ihre Entwicklung im Hoden erklären? — Folgende Betrachtungen dürften vielleicht geeignet sein, unsern Gedanken eine bestimmte Richtung zu geben: Aus verschiedenen Gruppen des Thierreichs sind Fälle bekannt, wo nicht alle Keimzellen des Hodens sich zu Samenkörpern ent- wickeln. Dann aber sehen wir, dass die Fortentwicklung solcher Elemente stets darin besteht, dass sie an Grösse zunehmen und bis zu einem gewissen Grade eine Ausbildung gewinnen, welche sie als Eier erscheinen lässt. So ist es bekannt, dass bei einzelnen Batrachiern sich an gewissen Stellen der männlichen Keimdrüse „eine entschieden 486 Max v. Brunn: weibliche Tendenz zeigt“ (35, S. 764), die sich bei Bufo einereus sogar constant auf einen ganzen Abschnitt des primitiven Hodens erstreckt und zur Ausbildung des sog. Hodeneierstockes führt. — Eine ganz analoge Erscheinung findet sich bei Amphipoden und Isopoden. Bei ersteren (Orchestia) entwickeln sich nach Nebeski die Keimzellen des vorderen Hodenabschnittes eonstant nurzu Eiern, die allerdings kein Dottermaterial erhalten und nicht nach aussen und zur Entwicklung gelangen. Die Landasseln zeigen das Gleiche in einem hinteren, scharf abgeschnürten Abschnitte des Hodens (33). — Gelegentlich findet man bekanntlich auch in anderen Gruppen ganz Aehnliches. So theilt Leuckart (35) einen Fall mit, wo in einem Männchen von Unio die vordere Hälfte der rechten Seite des Hodens ‚‚statt der Spermatozo@n Eier enthielt“. — Bei den Phalangiden ist ebenfalls die Thatsache sicher festge- stellt, dass sich zuweilen eine grössere Anzahl von Hodenkeimzellen zu charakteristischen Eiern entwickelt, wenn auch nicht in dem Masse und so allgemein, dass man in dieser abnormen Erscheinung einen rudimentären Hermaphroditismus erblicken könntet). Selbst _ bei Fischen wurden wiederholt ganz gleiche Verhältnisse vorge- funden. — Fälle, in welchen sich ausgesprochene Hodenkeimzellen in anderer Richtung entwickeln, sind mir nicht bekannt. Es scheint mir daher sehr nahe zu liegen, auch die wurmförmigen Samenkörper als unter der Einwirkung einer gewissen weiblichen Tendenz im Hoden von Paludina entstandene Gebilde aufzufassen. — Betrachtet man ausserdem die Stellung der Prosobranchien mitten unter einer durchweg hermaphroditischen Verwandtschaft, so wird es nichts Ueberraschendes an sich haben, wenn gerade bei ihnen sich ein Anklang an die zwittrige Natur in den Geschlechtsorganen vor- findet. — Ein Vergleich endlich der histologischen Verhältnisse des Hodens von Paludina mit denen der Zwitterdrüse unserer Pulmonaten wird die Vermuthung einer bestimmten Beziehung zwischen den wurmförmigen Samenkörpern und den Eiern in der Zwitterdrüse sicher sehr berechtigt erscheinen lassen. Freilich zeigen die Scehnittbilder beider Organe keine so vollkommene Uebereinstimmung, dass die obige Annahme ohne Weiteres bestätigt würde, aber in den allgemeinen Zügen lässt sich entschieden eine Analogie nicht verkennen. Das Charakteristische der Zwitter- 1) de Graaf: Over d. bouw d. Gesl.-org. b. d. Phalangiden; Leiden 1882. | Untersuch. üb. die doppelte Form d. Samenkörper v. Paludina vivipara. 487 drüse der Pulmonaten besteht doch darin, dass sich Samenkörper und Eier mehr oder weniger gleichzeitig regellos neben- und zwischeneinander entwickeln; das Gleiche ist der Fall bei den beiden Formen von Samenkörpern im Hoden von Paludina. Wie nun die haarförmigen Samenkörper beider Organe trotz mancher Verschiedenheit der Gestalt einander homolog sind, so entsprechen sich augenscheinlich die beiden anderen Formen von Keimprodukten ebenfalls, die wurmförmigen Gebilde im Hoden und die Eier in der Zwitterdrüse. — Fasst man die typischen Verhältnisse der ersten Anlage der Geschlechtsstoffe, der jüngsten Keimelemente, in’s Auge, so wird die Uebereinstimmung noch deutlicher. In beiden Organen liegen zwei Arten von Keimelemente zwischen einander. Sie unterscheiden sich in gleicher Weise durch etwas verschiedene Grösse. Eine schematische Darstellung würde für beide Organe das gleiche Bild liefern. Man wird sich dem gegen- über der Einsicht nicht verschliessen können, dass die Verhält- nisse in diesem Stadium vollkommen analog sind. Dagegen kann es nicht so sehr ins Gewicht fallen, wenn die spätere Entwicklung das typische Bild bedeutend stört, finden wir doch so häufig, dass mannigfach verschieden entwickelte Organe nichts desto weniger durehaus homolog sind. Diese und ähnliche Betrachtungen haben mich zu der Ueber- zeugung geführt, dass der Hoden von Paludina und die Zwitter- drüse der Pulmonaten in einem nahen phylogenetischen Verwandt- schaftsverhältnisse zu einander stehen. — Ich habe versucht, aus den biologischen und paläontologischen Verhältnissen beider Gruppen, der Prosobranchien und Pulmonaten, zu einander und zu den übri- sen Gastropoden eine bestimmte Vorstellung über ihre genealo- gischen Beziehungen zu gewinnen, doch ist es mir aus Mangel an Zeit zu den dazu erforderlichen, sehr umfassenden Studien bisher nicht möglich gewesen, befriedigende Resultate zu erzielen. — Vielfach ist man geneigt, den Pulmonaten eine nähere Verwandt- schaft mit den Opisthobranchien zuzuerkennen; eine Entscheidung dürfte nach dem gegenwärtigen Stande unsrer Kenntnisse wohl kaum hinreichend begründet werden können. Nach den so einge- henden Darstellungen in Bronn’s Klassen und Ordnungen des Thierreichs scheint es mir, dass zahlreichere und wichtigere Gründe für die Verwandtschaft mit den Prosobranchien sprechen: Der Hauptunterschied beider Gruppen besteht in den Geschlechts- 488 Max v. Brunn: verhältnissen. So wenig ich diesen nun unterschätze, so kann ich darin doch kein entscheidendes Hinderniss für ihre nahe genealogi- sche Verbindung sehen. Die Keimdrüsen sind gewiss bei beiden homologe Organe, und es liesse sich durch den Hinweis auf das Gesetz der Zweekmässigkeit die Annahme wohl unterstützen, dass sich bei der Anpassung an neue, für das Geschlechtsleben ungünstigere Lebensverhältnisse, der Diöeismus der Prosobranchien in den Hermaphroditismus verwandelt habe. — Die Pulmonaten haben sich aus marinen Gastropoden entwickelt, darüber kann kaum ein Zweifel bestehen. Nun sehen wir, dass die Opisthobranchien gegenwärtig nicht die geringste Neigung und Befähigung besitzen, sich an das Süsswasser, geschweige denn an das Landleben anzu- passen, und es liegt kein Grund vor, anzunehmen, dass dies in früheren Zeiten anders gewesen sei; die paläontologischen Befunde beweisen es. Für die Prosobranchien hingegen gilt gerade das Gegentheil. Die grosse Mehrzahl ist zwar auch gegenwärtig marin, doch sehon von diesen zieht sich eine ganze? Reihe in’s Brack- wasser, in die Flussmündungen und sogar in die Flüsse selbst hinein. Eine ansehnliche Zahl sind vollkommene Süsswasserbe- wohner geworden, von denen einige wiederum zeitweilig an’s Land gehen. So leben die Ampullarien „gleichmässig gut im Wasser und im Trocknen“, indem sie neben der Kiemenathmung durch Anpassung zur echten Lungenathmung befähigt sind. Tritt bei ihnen somit die Kieme schon zeitweilig gegen eine echte Lunge zurück, so hat diese endlich jene vollkommen verdrängt in der ganzen Gruppe der Neurobranchien. Diese Land-Prosobranchien zeugen demnach überraschend für die allmähliche Anpassung der Proso- branchien an das Landleben, aus diesen sind „Pulmonata opereulata“ geworden. Freilich auf die Organisation der Geschlechtsorgane hat in diesem Falle der Uebergang keinen erkennbaren Einfluss ausgeübt. Die näher bekannten Neurobranchien (es sind allerdings nur wenige davon untersucht) sind getrennt geschlechtlich und haben ebenso einfache Geschlechtsorgane wie die übrigen Proso- branchien; doch sei darauf hingewiesen, dass wir eine ganze Fa- milie hermaphroditischer Prosobranchien kennen, die Valvatiden, bei welchen unter Beibehaltung aller übrigen Charaktere der zwittrige Geschlechtsapparat zugleich wesentlich veränderte Organisations- verhältnisse aufweist. Es zeigt dies jedenfalls, dass auch in diesen Verhältnissen kein ganz durchgreifender Gegensatz zwischen den Untersuch. üb. die doppelte Form d. Samenkörper v. Paludina vivipara. 489 Pulmonaten und Prosobranchien zu sehen ist. — Im Allgemeinen sind unsere Kenntnisse noch viel zu mangelhaft und ungeordnet, um den dem Labyrinthe der sich so vielfach durchkreuzenden ÖOrganisationsverhältnisse der Gastropoden zu Grunde liegenden Entwieklungsplan zu erkennen. Falls aber thatsächlich im Laufe der Zeiten Prosobranchien zu Landthieren geworden sein sollten, so wäre es sehr begreiflich, dass sie sich zu Zwittern umgebildet hätten, da der sehr langsame Ortswechsel das Bedürfniss eines möglichst ergiebigen geschlechtlichen Verkehrs zweier Individuen, die sich unter den erschwerten Umständen glücklich gefunden hätten, mit grosser Wahrscheinlichkeit ergeben müsste. — Die Verhältnisse bei Paludina und Ampullaria scheinen mir nun einen Fingerzeig zu enthalten, wie diese Umwandlung in Bezug auf die Entstehung der Zwitterdrüse vor sich gegangen sein könne. Ich halte es, wie schon oben ausgesprochen, für die einzig mögliche Erklärung, dass die Bildung der zweiten Form von Samenkörpern dem Einflusse einer neben der männlichen Tendenz im Hoden sich geltend machenden weiblichen zuzuschreiben ist. In Folge dieses Einflusses hat ein Theil der Keimelemente die Fähigkeit verloren, sich ungehindert im männlichen Sinne zu entwickeln. Es ist eine Hemmung ihrer Entwicklung zu echten Samenkörpern eingetreten, welche dazu geführt hat, dass die Abkömmlinge der betreffenden Elemente nur den ersten, grösseren Theil der männ- lichen Entwicklung durchmachen, dann aber darin stehen bleiben und sich unter der Wirkung der ihnen so zu sagen noch verblie- benen männlichen Bildungskraft zu den noch in einzelnen Zügen den echten Samenkörpern ähnlichen wurmförmigen Gebilden aus- gebildet haben. Ich glaube sogar mit ziemlicher Gewissheit die Punkte angeben zu können, in denen sich die angedeutete Hemmung ausspricht. Zunächst erreichen die ersten Keimelemente der wurm- förmigen Samenkörper schon eine etwas bedeutendere Grösse als die anderen; dann vermehren sie sich in der normalen Weise durch direete Absehnürung einzelner Kerne; diese und ihre Ab- kömmlinge theilen sich weiter indireet, nehmen ebenfalls an Masse des zugehörigen Protoplasmas zu, machen aber keine wiederholte Theilung durch, sondern bleiben auf einer früheren Stufe als jene anderen stehen und bilden sich nun auf ihre Art — durch Grössenzu- nahme des Zellleibes, Zerfall des Kernes u. s. w. zu den wurmförmigen Körpern aus. — Denkt man sich im Hinblick auf 490 Max v. Brunn: diese Hemmung, dass mit allmählicher Erstarkung der weiblichen Ten- denz auch die früheren Kerntheilungen mehr und mehr unterblieben, so steht der Annahme nichts im Wege, dass schliesslich überhaupt keine Theilung des ursprünglichen Keimes mehr eintreten werde. So könnte im Laufe der Zeiten aus dem Hoden eine Zwitterdrüse entstehen, indem ein Theil der Keimzellen sich nach reger Theilung zu Samenkörpern, ein anderer jedoch durch blosse Grössenzunahme zu Eiern entwickelt. — Wäre nun aber in dieser Weise der Hoden zur Zwitterdrüse geworden, so würde es nur eine natürliche Folge davon sein, dass auch die übrigen Geschlechtsorgane, den neuen Anforderungen entsprechend, sich zu einem Zwitterapparate mit den erforderlichen sekundären Organen umbildeten. Die Weibehen würden durch diese Umgestaltungder Verhältnisse in Wegfallkommen. Mit dem Uebergange zum Landleben könnte eine Anpassung auch anderer Organsysteme verbunden sein, so dass die gesammte Organisation schliesslich wesentlich von der früheren abwiche. Im Vertrauen auf die Zuverlässigkeit meiner Untersuchungen habe ich die vorstehende Hypothese aufzustellen gewagt. Es wird mein Bestreben sein, durch weitere Studien thatsächliche Belege für oder wider aufzufinden. Welches das endliche Ergebniss aber auch sein möge, so wird die Entwicklung der sog. zweiten Form von Samenkörpern im Hoden von Paludina, Ampullaria und viel- leicht noch anderen Prosobranchien doch am wahrscheinlichsten in Verbindung zu bringen sein mit den Beziehungen dieser Gruppe zu ihren hermaphroditischen Verwandten!). Citirte Literatur. 1) v. Siebold, Fernere Beobachtungen über die Spermatozo@n der wirbellosen Thiere. 2. Die Spermatozoen der Paludina vivipara. Müllers Archiv f. Anat., Phys. und wissensch. Mediein. 1836. 2) Kölliker, Beiträge zur Kenntniss der Geschlechts-Verhältnisse und 1) Die vorläufige Mittheilung der Hauptresultate meiner Untersuchun- gen erhält der Zoolog. Anzeiger No. 132. 19. Februar 1883. Untersuch. üb. die doppelte Form d. Samenkörper v, Paludina vivipara. 491 der Samenflüssigkeit wirbelloser Thiere nebst einem Versuch über das Wesen und die Bedeutung der sog. Samenthiere. Berlin 1841. 3) Derselbe, Die Bildung der Samenfäden in Bläschen als allgem. Entwicklungsgesetz. Neue Denkschriften der allg. Schweizer Ges. f. d. ges. Naturwissenschaften B. VIII. Neuenburg 1847. 4) Paasch, Ueber das Geschlechtssystem und über die harnbereit. Organe einiger Zwitterschnecken. Wiegmann’s Archiv für Naturgeschichte B. I. 1843. 5) Gratiolet, Observat. sur les zoospermes des Helices. Journal de Conchyliologie Th. I. 1850 (p. 116—125. Tafelerklärung p. 236). 6) Leydig, Ueber Paludina vivipara. Ein Beitrag zur näh. Kenntniss d. Ths. in embr., anat. und histol. Beziehung. Zeitschr. f. wissensch. Zoologie B. I. 1850. 7) Speyer, Zootomie der Palud. vivip. Inaug.-Dissert. Marburg 1855. 8) Baudelot, Rech. sur l’app. gener. des Moll. Gaster. These pres. ä la Soc. des Sc. de Paris p. o. l. gr. d. Dr. d. Sc, nat. Paris 1863. 9) Duval, a) Rech. sur la spermatogenese £etud. chez quelques Ga- sterop. pulm. Rev. des Sciences nat. T. VII No. 3. dec. 1878. — Journal de Micrographie T. III. 1879. b) Etudes sur la spermatog. chez la Paludine vivipare, Rev. d. Se. nat. sept. 1879. — Journ. de Microgr. T. IV. No. 8—9, 10—11. 1880. 10) Schweigger-Seidel, Ueber die Samenkörperchen und ihre Entwicklung. Archiv f. mikr. Anatomie B. I. 1865. 11) v. la Valette St. George, Ueber die Genese der Samenkörper, II. Archiv f. mikr. Anat. B. III, 1867. 12) Derselbe, Ueber die Genese der Samenkörper, III, A. f. m. A. B. X. 1874. 13) Derselbe, Ueber die Genese der Samenkörper. V., A. f. m. A. DB XV. 1878. 14) Derselbe, De spermatos. evolutione in Plagiostomis. 1878. 15) Bütschli, Vorl. Mitth. über Bau und Entwicklung der Samen- fäden bei Insecten und Crustaceen. Zeitschr. f. wiss. Zool. B. XXI. 1871. 16) Derselbe, Nähere Mitth. über die Entw. und d. Bau der Samen- fäden der Insecten, ibid. 17) Balbiani, M&m. sur la generat. des Aphides. Ann. des Sc. nat. Zool. et Palaeont. ser V. T. XI, 1869. 18) Metschnikoff, Bericht der russ. Naturf.-Vers. zu St. Petersburg. Abth. f. Anat. und Physiol. 1868. 19) Grobben, Beitr. zur Kenntn. d. männl. Geschl.-Org. der Deca- poden ete. Wien 1878. 20) Schneider, Das Ei und seine Befruchtung. Breslau 1883. 21) Derselbe, Monographie der Nematoden. 1866. 22) Leydig, Untersuchungen zur Anat. und Histol. d. Thiere. 1883. 23) Bronn, Klassen und Ordnungen des Thierreichs B. II. 1862—66. 492 Max v. Brunn: 24a) Bloomfield, The development of the Spermatozoa. Part II. He- lix and Rana. Quarterly Journ. of. Microsc. Se. Vol. XXI. n. s. 1881. 24b) Derselbe, Recent researches on spermatogenesis. Quart. J. of Micer. Sc. n. s. No. XC. 1883. 25) A. v. Brunn, Beitr. z. Entwicklungsgesch. d. Samenkörper. A. f. m. A. XII. 1876. 26) Derselbe, Beitr. z. Kenntniss d. Samenk. und ihrer Entwicklung bei Säugethieren und Vögeln. A. f. m. A. XXIII. 1883. 27) Renson, De la Spermatogen&se chez les Mammiferes. Archive de Biologie T. III. 1882, 28) Langerhans, Zur Anatomie des Amph. lanceol. A. f. m. A. XI. 1876. | 29) Krause, Nachtr. z. alle. und mikrosk. Anat. 1881. 30) Nussbaum, Zur Differenzirung des Geschlechts im Thierreich. Ass. m.sAs XVEL,;,1880. 31) Rouzaud, Sur le devel. de l’app. reprod. des Moll. pulm. Comptes rendus T. XCVI, No. 4. janv. 1883. ® 32) Pol&ejaeff, Ueber d. Sperma und d. Spermatogenese bei Sycandra raph. Haeckel. LXXXVI. B. d. Sitzb. d. K. Akad. der Wissensch. zu Wien. I. Abth. Nov.-H. 1882. 33) Friedrich, Die Geschl.-Verhältn. der Onisciden. Inaug.-Diss. zu Leipzig. Halle 1883. 34) Schenk, Die Spermatozo@n v. Murex brand. LXX. B. d. Sitzb. d. K. Akad. d. Wissensch. zu Wien. II. Abth. Nov.-H. 1874. 35) Leuckart, Zeugung. Wagner’s Handwb. d. Physiol., B. IV. 1853. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XXI und XXI. Tafel XXI. Vergr. meist ca 700/1. Seibert, Oc. I -+ Obj. VII. (Imm.) Fig. 1. Frischer Hodeninhalt im Blute von Pal. beobachtet. a Samenmut- terkerne, b gelbe, fettartige Substanz, e Keimelemente der verschie- densten Art (ob Zellen?). Ausserdem Gruppen reifer haarförmiger reifer und unreifer wurmförmiger Samenkörper. Fig. 2. a haarförmiger b wurmförmiger f « Kopf, £ Mittelstück, y Schwanz. Samenkörper. Untersuch. üb. die doppelte Form d. Samenkörper v. Paludina vivipara. 493 rosa ie} Fig. 9. Fig. 10. Fig. 11, Fig. 14. Bildung der haarförmigen Art. « Keimzelle vor der letzten Theilung. & Samenzelle. y und d erste Bildungsstadien, Auftreten des Fadens und der glänzenden Körnchen. & der Faden in definitiver Länge, die Körnchen zu Stäbchen gewor- den (optischer Durchschnitt). a-m spätere Stadien. — Frisch über Osmiumsäure getödtet, mit Borax-Carm. gefärbt. — e, f, o, p un- gefärbt in Glycerin beobachtet. Gruppen fast reifer und reifer haarförmiger Samenkörper in natür- licher Lage, aus frischem Präparat. Durch natürliches Trocknen veränderte haarförmige Samenkörper. v. Siebold’s gestielte und in Zersplitterung begriffene „Bläschen“ (abgestorbene und verklebte haarförmige Samenkörper). Verschiedene, eigenartige Kernknäuel; eine in Theilung begriffene Keimzelle. Gruppe von Samenzellen der wurmförmigen Art in den ersten Um- bildungsstadien. Zerfall und Auflösung des Kernes; Auftreten des Wimpernbüschels. (Borax-Carmin). Weitere Bildung der wurmförmigen Samenkörper. Der Centralfaden deutlicher gezeichnet als in Wirklichkeit sichtbar. Einzelne Bildungsstadien frisch und gefärbt (Borax-Carmin). Die Wimperfäden verlaufen getrennt bis zu dem zum Kopfe werdenden, sich stark färbenden, übrig gebliebenen Kerntheile; bei x der Zell- leib zerstört. 12, 13. Durch verschiedenartige, schädliche Einflüsse mehr oder weniger stark entstellte unreife und reife wurmförmige Samenkörper. 11 und 12b aus mit Ueberosmiumsäure behandelten Präparaten. Die im Zellleibe bemerkbaren, hellen, oft scharf umrandeten Flecke und glänzenden Körper sind Kunstprodukte (von Duval für den Kern oder seine Reste gehalten). 12a, ce und 13e g durch sehr geringen Wassereinfluss verän- derte Körper. 13a— c Gegensatz zwischen Axenfaden und Mantel schön sichtbar; über Ueberosmiumsäure gedämpft. 13d aus in warmem Sublimat abget. und mit wässrigem Häma- toxylin gefärbter Samenmasse. Der Axenfaden sehr deutlich erhalten, der Mantel in Scheibchen zerfallen. 13f und h aus mit Goldchlorid behandelten Präparaten. In 13e und f die einzelnen Fäden des Axenfadens isolirt erkenn- bar; in h hat sich vom stark gekrümmten Kopfe der Mantel als fei- nes Häutchen abgehoben. Zur Veranschaulichung der Grundbewegung der wurmförmigen Sa- menkörper. a die Schläge des Kopfes am reifen Körper. Archiv f. mikrosk, Anatomie Bd, 23. 32 494 ig. 18. Fig. g. 19. Max v. Brunn: b die Schläge der zu einer Geissel vereinigten Wimperfäden an einer noch runden Samenzelle. . Blutkörperchen von Paludina. azu einem kleinen Ballen vereinigte. b einzelne in amöboider Bewe- gung. Das gefärbte zeigt sehr schön den Gegensatz zwischen Kern und Protoplasma. . Freies Ende des fadenförmigen Fortsatzes einer Eihaut, rings dicht mit sehr zarten, steifen Härchen besetzt. . Die beiden Samenkörperformen von Ampullaria mit einzelnen Bil- dungsformen. Samenkörper von einigen anderen Prosobranchien. a Littorina litt. b Neritina fluv. c Bythinia tentac. d Cyclostoma eleg. Bildung der Samenkörper von Helix pom. a Keimzelle in Theilung, b zwei Keimzellen in der letzten Thei- lung, ce Samenzelle. Kein Nebenkörper! — In der Fig. x hat sich der Faden beim Absterben um den Zellleib geschlungen. Die Fäden sind nicht in ganzer Länge gezeichnet (get. über Ueberosmiumsäure, gef. mit Borax-Carmin). . Bildung des Kopfes der Samenkörper von Locusta viridissima. a Samenzellen mit 1 und 2 sich nicht färbenden runden Körpern neben dem grossen Kern, b reife Samenzelle nach dem Verschwin- den jener; in den Zellen ce und ff. knospt vom Kern aus ein dichte- res, sich intensiv färbendes, mehr und mehr anwachsendes Bläschen, das sich zum gabel- oder ankerförmigen Theile des Kopfes umbil- det (getr. über Ueberosmiumsäure, gef. mit Borax-Carmin). Tafel XXI. Die verschiedene Dunkelheit des Tones entspricht genau den charakteristi- schen Unterschieden in der Intensität der Färbung. Vergr. ca. 700/1 (ausser Fig. 17 und 18). Fig. 1—9. Schnitte von Samenmutterkernen (Ende März). Sie zeigen sehr verschiedene Gestalt und Grösse, je nach ihrer Art, Entwicklung, Richtung des Schnitts. Die Gestalt ist nicht etwa durch die Be- handlung verursacht. An den meisten unregelmässige Auswüchse und Einschnürungen, welche zur Ablösung von Tochterkernen führen. la Mehrere Samenmutterkerne liegen beisammen. 1b ein ur- sprünglich einheitlicher Samenmutterkern in drei Tochterkerne zer- fallen. 3 Der eine Kern in deutlicher direeter (maulbeerförmiger) Thei- lung. 5 Ganzer Querschnitt des äussersten Endes einer Ampulle; darin nur die ersten Stadien der Vermehrung der Keimelemente durch directe Theilung. 7 Auffällig grosse Körper, die auch nur Untersuch. üb. die doppelte Form d. Samenkörper v. Paludina vivipara. 495 Fig. &. 10. If. 12, 14. 16. ausserordentlich breite, flache Samenmutterkerne sein können; sie nehmen die äussersten, blinden Enden der Ampullen ein. Querschnitt des Endes einer Ampulle; ein kleiner Matterkern mit einer grossen Anzahl von Tochterkernen. Querschnitt einer Ampulle. Die eine Hälfte erfüllt von grossen Kernknäueln, die andere von kleineren, körnigen Kernen. Der Wand liegen einige Samenmutterkerne (a) an. Bestimmte Zellgrenzen nir- gends zu erkennen. Eine kernhaltige tun. propr. umschliesst das Ganze und geht in das grossmaschige, netzartige Bindegewebe über. 13, 14 aus derselben Schnittserie. Der Hoden enthielt grosse Mengen reifer haarförmiger aber keine wurmförmigen Samenkörper. Von beiden Formen zeigen dieSchnitte die verschiedensten Entwicklungsstadien. 12 und 13 sind aus verschiedenen Schnitten zusammengestellt, geben die Ver- hältnisse aber durchaus typisch wieder. a Samenmutterkerne, in b und an. anderen Stellen in Tochterkerne zerfallen. Gruppen klei- ner und grösserer Kerne, deren jedesmaliger Charakter sich nicht bestimmt angeben lässt, liegen regellos neben und über einander; ebenso Gruppen von Kernknäueln (c), von Bildungsstadien besonders der haarförmigen Art (an äusserst intensiver Färbung ihrer Kerne bezw. Köpfe erkennbar), endlich von reifen haarförmigen Samen- körpern. 12° Samenzellen der wurmförmigen Art, deren Kerne sich in verschiedenen Stadien des Zerfalls und der Auflösung befinden. 12p einige schon spindelförmig gewordene Samenzellen dieser Art. Kleiner Theil einer Ampulle. Die grossen Mutterkerne (a) haben eine Anzahl neuer Tochterkerne (b) geliefert, wodurch die in die Knäuelmetamorphose (c) eingetretenen Kerne der vorhergehenden Generation nach der Seite und dem Innern zu verdrängt werden. Auch hier Zellgrenzen nicht zu erkennen, alle Kerne scheinen einem gemeinsamen Protoplasma eingelagert zu sein. zeigt, dass die Bündel der Samenkörper nicht auf je einen Samen- mutterkern (Blastophorai cell-nucleus) concentrirt sind. Sie sind nicht von einer Hülle umschlossen. Schnitt aus dem Hoden einer ganz jungen Palud. (Anf. April). Die Ampullen sind dicht erfüllt von verschiedenartigen Kernen und weiter entwickelten Elementen. An der Wand liegen kleine Samen- mutterkerne (a), die oft Einschnürungen zeigen. In A ist ein Stück des Ausführungsganges mitgezeichnet; seiner Wandung liegen zahl- reiche, ebenfalls dunkel gefärbte, einfach oder mehrfach eingeschnürte Kerne an, welche Homologa der Samenmutterkerne sind. — Die das Innere der Ampullen vollständig ausfüllenden Kerne verschiedener Grösse scheinen nicht in eigenen Zellen zu liegen; an vielen Stellen zeigen sich allerdings anscheinende Scheidewände, doch dürften die- selben eher als Erstarrungsprodukte des Protoplasma zu betrachten sein. As und A, enthalten ausser jenen Elementen schon weiter 496 Max v. Brunn: entwickelte, b weist nach längs und quer geschnittenen reifen haar- förmigen, ce nach solchen wurmförmigen Samenkörpern hin. Sie sind nur in geringen Mengen vorhanden und liegen mehr vereinzelt als zu Bündeln vereinigt im Innern der Ampulle, wo sie sich auch bildeten; d weist nach Samenzellen der wurmförmigen Art, deren Kerne in Auflösung begriffen sind. Die mit e bezeichneten sehr in- tensiv gefärbten Kerne stehen vor der letzten Theilung. Fig. 17. Längsschnitt einer Hodenampulle von einer Palud. gegen Ende April (ca. 500/1). Er zeigt besonders deutlich, wie auch die vorhergehen- den Figuren, dass die Entwicklung beider Formen regellos zwischen einander vor sich geht. An den Wänden ebenfalls Samenmutter- kerne, theils isolirt, theils von den verschiedensten Kerngruppen umgeben. In w bilden sich um Kerne die Samenzellen der wurm- förmigen Art; bei w; sind derartige Samenzellen, in welchen die Kernfäden an der Wand des Kernes liegen und so auf dem Quer- schnitte als dunkelgefärbte Punkte erscheinen; wa Gruppen von Bildungsstadien der wurmförmigen Samenkörper, in wz3 fast reife zufällig auf einen Samenmutterkern concentrirt. Die dem Entwick- lungskreise der haarförmigen Art angehörenden Elemente sind an ihrer intensiven Färbung kenntlich. Im Lumen der Ampulle liegen längs gelagerte Massen reifer wurmförmiger Samenkörper, von der Seite gesellen sich haarförmige hinzu; in x sind Bündel beider For- men quer geschnitten. Fig. 18. Schnitt durch Hodenampullen von Ampullaria (ca. 500/1). a Sa- menmutterkerne, einzelne davon zeigen Einschnürungen; a, gelbli- cher, fettartig aussehender Körper. h Gruppen haarförmiger, w wurmförmiger Samenkörper. Anfertigung der Schnitte: Die beste Methode, nach welcher ich Schnitte anfertigte, ist folgende: Ich begoss das seiner Schale durch Abbre- chen derselben beraubte Thier mit mässig heisser, concentrirter Sublimatlösung, liess es 1/,—1/, Stunde darin und legte es darauf !/, Stunde lang in Wasser. Nachdem es in Alkohol allmählich gehärtet, schnitt ich die gewünschten Theile heraus, wässerte sie ebenso allmählich aus und färbte sie ungefähr 3—4 Tage lang in wässrigem sog. Böhmer’schen Haematoxylin. Sehr wichtig ist das nun folgende Ausziehen des überflüssigen Farbstoffes mit 1/%/, Alaunlösung; es dauert je nach der Grösse bis zu 4 oder 5 Tagen bei häufigem Wechseln. Darauf wurden die Stücke in reinem Wasser abgespült, wieder gehärtet und vorsichtig in Paraffin eingebettet. Die Schnitte behandelte ich nach Gies- brecht’s Schellack-Methode. Untersuch. üb. die doppelte Form d. Samenkörper v. Paludina vivipara. 497 Nachtrag. I.a) Erst einige Zeit, nachdem ich vorstehende Arbeit bereits fertig aus den Händen gegeben, konnte ich Kenntniss nehmen von den letzten veröffentliehten Untersuchungen Nussbaum’s über Spermatogenese!). Diese enthalten Mehreres, was Beziehung zu meinen eigenen Darstellungen hat, und worauf ich deshalb hier noch hinweisen möchte. — Ich fand, dass bei Paludina die erste Theilung der Samenmutterkerne sich direct durch „maulbeerför- mige“ Einschnürung vollzieht, und sagte auf S. 447: „Diese Art der Vermehrung der ersten Keimelemente zeigt im Wesentlichen volle Uebereinstimmung mit den analogen Processen bei höheren Thieren“, indem ich auf die Untersuchungen v. la Valette St. George’s und Nussbaum’s hinwies. Dabei trat ich S. 448 der Ansicht Krause’s entgegen, der die Einsechnürung soleher Kerne als Auflösungserscheinung deutet. Nussbaum hat nun die Rich- tigkeit der „maulbeerförmigen Kerntheilung“ im Hoden von Neuem bestätigt gefunden bei Rana und Triton, und spricht diesbezüg- ‚lieh, ganz wie ich selbst für Palud., die feste Ueberzeugung aus S. 193, „dass die „maulbeerförmige“ Kerntheilung an den Anfang der Spermatogenese zu setzen ist.“ Ich halte es für nicht über- flüssig, auf diese Uebereinstimmung noch einmal besonders auf- merksam zu machen. b) In derselben Arbeit S. 206 und 207 giebt Nussbaum eine Darstellung der Entwicklung der Samenkörper von Helix po- matia. Das Hauptresultat seiner betreffenden Beobachtungen ist übereinstimmend mit den Ergebnissen meiner Untersuchungen bei demselben Thiere. Er erkannte ebenfalls, dass der Kopf des Sa- menfadens aus dem Kerne der Samenzelle entsteht und nicht, wie die früheren Beobachter fanden, aus einem „Nebenkerne“ „cor- puseule c&phalique“. Meine specielle Widerlegung der Darstellung Duval’s ist somit schon jetzt in willkommener Weise bekräftigt. 1) M. Nussbaum, Ueber die Veränderungen der Geschlechtsproducte bis zur Eifurchung; ein Beitrag zur Lehre der Vererbung. Archiv. f. mikr. Anat. Bd. XXII. 498 Max v. Brunn: Den Nebenkern, welchen Nussbaum auftreten, allmählich wie- der verblassen und schliesslich zu Grunde gehen sah, habe ich nicht beobachtet. II. Ich freue mich, in der Lage zu sein, gleich an dieser Stelle, wenn auch nur kurz, das bisherige Resultat meiner in der zoologischen Station fortgesetzten Beobachtungen über das Vor- kommen doppelter Formen von Samenkörpern bei Prosobranchien mittheilen zu können. — Zunächst suchte ich die Angaben von Schenk zu kontroiliren, was ich S. 475 in Aussicht gestellt habe. Schenk hat in der Hauptsache Recht: Auch Murex brand. besitzt zwei Formen von Samenkörpern. Doch sind seine Beobachtungen in der That „unvollkommen“, seine Darstellung der zweiten Form in Wort und Bild leidet sehr „an unverkennbaren Mängeln“ ; denn diese zweite Form stellt nicht nur nicht „ein gleichmässiges Stück Pro- toplasma“ dar, sondern ist in den Grundzügen ganz so gebaut, wie die wurmförmigen Samenkörper von Paludina. Sie besteht eben- falls aus einem, hier aber lockeren, Bündel ziemlich langer, feinster Fäden, die an dem einen Ende durch ein glänzendes Körperehen verbunden und von einem Protoplasmamantel umhüllt sind. Nichtsdestoweniger unterscheiden sich diese Gebilde recht wesentlich von dem entsprechenden reifen von Paludina; sie sind sehr viel kürzer, nicht wurm- sondern spindelförmig und besitzen im ausgebildeten Zustande keinen terminalen Wimpernbüschel; die vorbezeichneten Fäden sind vielmehr bis an ihr Ende von Proto- plasma umschlossen, das sich aber beim Absterben häufig zurück- zieht und nun ebenfalls einen kurzen Wimpernbüschel erkennen lässt; an normalen, lebenden Entwicklungsformen ist dieser letztere überall noch frei. Das umhüllende Protoplasma ist von zahlreichen, verschieden grossen Vacuolen durchsetzt. Die Bewegungen sind sehr schwach. Das Zahlenverhältniss beider Formen zu einander ist sehr viel anders als bei Palud., indem diese eben charakteri- sirte zweite Art nur in verhältnissmässig sehr geringen Mengen vorhanden ist. So erkannte ich die Verhältnisse Anfang April mit Winkel Oe. I. + Obj. 1/s,u (homog. Imm.) — Ausserordentlich viel deutlicher liegen die Dinge bei Murex trunculus.. Auch diese Species hat eine zweite Form von Samenkörpern; diese gleicht Untersuch. üb. die doppelte Form d. Samenkörper v. Paludina vivipara. 499 aber weit weniger derjenigen von Murex brand., als der entspre- chenden von Pal. Sie ist, wie diese, auffallend lang und gleichfalls durchaus wurmförmig gestreckt; ein freierer Schwanzwimpernbü- schel ist an den lebenden reifen Gebilden jedoch auch nicht vor- handen. Ihre feinere Struktur und Bewegung ist typisch dieselbe wie bei Paludina. Die Entwicklungsformen besitzen stets einen kurzen freien, aber, wie es mir schien, von Anfang an gleich lang bleibenden Wimpernbüschel. Diese zweite Form ist wie bei Pal. in grossen Massen vorhanden. Ferner fand ich analoge zweite Formen von Samenkörpern bisher bei Cerithium vulgatum, Nassa mutabilis und Fusus syra- cusanus. Besonders schön sind sie unter diesen bei Cerith. ent- wickelt; hier erinnern sie in ihrem Habitus sehr an die von Am- pullaria, da sie, wie diese, aus einem kurzen Körper und einem langen, sogar ausserordentlich langen, Wimpernbüschel bestehen. — Eine ausführliche Darstellung dieser Beobachtungen, mit deren Erweiterung und Vervollständigung, durch Schnitte ete., ich noch beschäftigt bin, hoffe ich in einiger Zeit liefern zu können. Neapel, 2. Mai 1884. 500 Pohl-Pincus: Ueber die Muskelfasern des Froschherzens. Ueber die Muskelfasern des Froschherzens, Von Dr. Pohl-Pincus in Berlin. Nachdem durch Schiff und Hyrtl gefunden worden war, dass das Herz des Frosches keine eigenen Blutgefässe besitze, sondern seine Nahrung unmittelbar aus dem Inhalt seines Cavum beziehe, hatte man gleichwohl die früheren Annahmen festgehalten, dass die gesammte Muskulatur des Froschherz-Ventrikels wie beim Herzen des Warmblüters ausschlieslich der Cirkulation im allge- meinen Gefäss-System diene. Bei dieser Annahme setzte man als selbstverständlich voraus, dass unter dem Druck, mit welchem das Blut während der Dia- stole des Ventrikels aus dem Vorhofe einströmt, sämmtliche Ge- fässspalten sich mit dem Nahrungssaft füllen und dass bei der Systole des Ventrikels der gesammte Nahrungssaft aus den Spal- ten sich wieder in das gemeinsame Cavum des Herzens ergiesse; da nun Frequenz und Umfang des Herzschlages auch beim Frosch erheblichem Wechsel unterworfen sind, musste man jener Voraus- setzung die weitere hinzufügen, dass (allgemein ausgedrückt:) Das Nahrungs-Bedürfniss der Muskulatur mit jenem Wechsel stets gleichsinnig sich verändere. Diese Voraussetzungen sind von denjenigen Beobachtern, welche sich mit dem Gegenstande näher beschäftigt haben, auch ausdrücklich gemacht worden (man nannte in diesem Sinne das Froschherz einen blutführenden Schwamm) und von diesen Voraus- setzungen aus sind auch die vielen Versuche gedeutet worden, welehe im Leipziger und dann im hiesigen physiologischen Labo- ratorium am Froschherz-Manometer angestellt worden sind. Auch ich habe die von mir unternommenen Versuche über den Einfluss septischer Substanzen auf das Froschherz in diesem Sinne gedeutet; allein in meinen späteren Versuchen über die tro- phische Wirkung verschiedener Herzreize!) wurde diese Voraus- 1) Verhdl. der Berl. physiol. Ges. 1882/83 p. 15. Ueber die Muskelfasern des Froschherzens. 501 setzung allmählich erschüttert. Es zeigte sich der Ventrikel diesen Voraussetzungen zuwider am Ende der Systole vielfach geröthet (also mit erweiterten Nährspalten) oder während der ganzen Dia- stole weiss (also mit kontrahirten Nährspalten); oder es breitete sich eine äusserst zarte Runzelung, gleich einem Hauch, über die ganze Herzoberfläche aus, d. h. kontrahirte und nichtkontrahirte Abschnitte des Ventrikels reihten sich dieht an einander; oder es trat auf umschriebene leise Berührung, ohne Erweiterung des Ventrikels, eine weithin ausstrahlende Röthung (Wallung) ein. Ferner: wenn bei Eröffnung des Thorax, nach bestimmten voraus- gegangenen Eingriffen die Nährspalten des Ventrikels am Ende der Systole abnormer Weise geöffnet waren oder am Ende der Distole abnormer Weise geschlossen, so blieb dieser abnorme Zustand oft viele Stunden lang bestehen, während das Herz im Uebrigen dem Anschein nach normale Systole und Diastole zeigte; und schliesslich war es mir möglich gewesen, Methoden anzugeben, um (mit derjenigen Sicherheit, welche bei solchen Versuchen über- haupt erwartet werden kann) das Herz eines Frosches für längere Zeit, oft bis zum Tode, in einen bestimmten Zustand nach Wahl des Beobach- ters zu versetzen, je nachdem das Thier vor oder nach der Blos- legung des Herzens hypnotisirt, oder enthirnt, oder in verschiedenen Stellen oberhalb der Medulla oblongata durchschnitten worden war. Aus diesen Versuchen hatte ich geschlossen: im Herzen des Frosehes müssten sich zwei Muskelsysteme befinden, zwar innig durchflochten, aber von verschiedenen Nervencentren dirigirt, auf dieselben Eingriffe oft verschieden reagirend und verschiedenen Zwecken dienend; das eine (ich hatte es der Kürze halber als Herzmantel bezeichnet) die gewöhnliche propulsatorische Maschine für die Blutgefässe des ganzen Körpers, das andere: eine reguli- rende Hülfsmaschine für die eigene Ernährung des Herzens. Die- ses letztere System hatte ich der Kürze halber als Gefässmus- kulatur des Froschherzens bezeichnet. Diese meine Anschauung stiess auf einen sehr entschiedenen Widerspruch und ich wurde bezüglich des Endgliedes meiner Sehluss- folgerungen darauf hingewiesen, dass schon allein die Funktions- art der quergestreiften Muskelfasern demselben entgegenstände. Wenngleich unsere Vorstellungen über die Funktionsart der quergestreiften Muskelfasern seit der Entdeckung und eingehenden Untersuchung der rothen Kaninchenmuskeln dureh Ranvier und 502 Pohl-Pineus: Kroneeker!) eine Umänderung erfahren hatten, so war dieser Widerspruch doch für mich Veranlassung zu dem Versuch, die Verhältnisse des Froschherzens auch mikroskopisch zu prüfen. Ein Theil dieser Untersuchungen ist in der mikroskopischen Abtheilung des hiesigen physiologischen Instituts gemacht worden und es ist mir die im Lauf des letzten Jahres daselbst ausgebil- dete Methode?), Serienschnitte vor der Färbung der Objekte auf dem Objektglas zu fixiren, sehr nützlich gewesen. In der Literatur über diesen Gegenstand?) findet sieh über- einstimmend die Angabe: die ganze Muskelsubstanz des Frosch- herzens besteht aus spindelförmigen Fasern mit eiförmigen Kernen. Wenn die von mir angenommenen beiden Muskelsysteme etwa auch anatomisch erkennbare Unterschiede zeigen sollten, so war meine Voraussetzung, dass den Nährspalten entsprechend, also überall dieht unter dem Endocardium, eine eigenthümlich gebaute Schicht zu suchen war. Diese Voraussetzung hat sich nur zum Theil bestätigt; es ergab sich vielmehr zum anderen Theil eine viel komplizirtere Ein- richtung. Dahingegen ist das Vorhandensein zweier völlig ver- schieden gebauter Muskelsysteme (oft in breiten, oft in sehr schma- len Schichten durch einander geflochten oder an einander gelagert) in so überzeugender Weise zu constatiren gewesen, dass es kaum begreiflich wäre, wie dies Verhältniss den früheren Beobachtern hat entgehen können, wenn ich nicht bei meinen eigenen physio- logischen Versuchen am Herzen die völlig gleiche Abhängigkeit unseres sinnlichen Auges von unserer Vormeinung erlebt hätte: ich habe fast ein Jahr gebraucht, um durch allmähliches Abthun von irrtümlichen Vormeinungen das sehen zu lernen, was ein un- befangenes Auge von vorn herein gesehen hätte: das verschieden- artige physiologische Verhalten der einzelnen Herzpartien.?) 1) Die Genesis des Tetanus. Arch. f. Anat. u. Physiol. 1878; physiol. Thl. p. 1. 2) Joh. Frenzel, Beitrag zur mikroskopischen Technik. Zoologischer Anzeiger 1883. No. 130. 3) Ausser den histologischen Werken von Kölliker und Ranvier cfr. Weissmann: Arch. f. Anat. und Physiol. von Reichert und Dubois Reymond 1861 p. 41. — Lehnert: Arch. f. mikroskop. Anat. Bd. IV 1868 p. 26 — Schweigger-Seidel in Strickers Handbuch. 4) Ueber die trophische Wirkung von Herzreizen. Verhdl. der Berl. physiol. Ges. 1832/83 Nr. 8. Ueber die Muskelfasern des Froschherzens. 503 Ich versuchte zunächst durch Lösungsmittel die Elemente des Froschherzens zu sondern; dann wurden Serienschnitte des ganzen Organs in folgender Weise gewonnen: dem Herzen (in situ oder frisch entnommen) wurden alle Abschlusswege bis auf einen un- terbunden, in diesen wurde eine Canüle geführt (am besten mit doppelten Wegen zur möglichsten Ausspülung des Blutes) und ab- soluter Alkohol mit mässigem Drucke (damit die sonst unausbleib- lichen Risse vermieden werden) eingespritzt; eine nachträgliche Unterbindung des Injektionsrohres hat sich als überflüssig erwie- sen. Das Organ wird dann für einen Tag in Alkohol von 95°, gelegt, einen anderen Tag in absoluten Alkohol, dann in Oleum Terebinthinae auf 10—24 Stunden bei mittlerer Temperatur (35—40°C.) und schliesslich in Paraffin auf 1—2 Tage (bei 50—55°C.) Alle Spalten des Organs sind dann gleichmässig von Paraffin durch- zogen; die Mikrotomschnitte werden auf dem Objektglas fixirt, das Paraffin wird durch warmen absoluten Alkohol ausgezogen, und dann das ganze Objekt in schwächeren Alkohol gebracht, so dass man schliesslich die Färbeflüssigkeit aufträufeln kann, ohne dass an den Präparaten neue Quellungen entstehen. Die Untersuchung der Serienschnitte zeigt: Das Frosch- herz enthält zweiverschiedene Arten von Muskelfasern; beide quergestreift: die eine hat Kerne gleich denen der Muskelfasern des Warmblüterherzens; die anderen Kerne gleich denen der Muskelfasern der kleinen Ar- terien. 1. Die eigentlichen Herzmuskelfasern: Die Kerne haben eine linsen- oder eiförmige Gestalt; die Breite des Kernes beträgt 4—7 u, die Länge 8—14—18 u; Verhältniss der Breite der Kerne zur Länge im grossen Ganzen wie 1:2 (Schweigger-Seidel fand beim Warmblüterherzen die Kerne der Fasern 7 u breit und 14 u lang). Auch diejenigen Fasern, welche dicht neben einander oder dieht hinter einander liegen, zeigen Kerne von ungleicher Länge und Breite; allein die Unterschiede bewegen sich stets innerhalb der angeführten Maasse. Es ist leicht zu erkennen, dass diese Ver- schiedenheiten mit der sich vorbereitenden Theilung der Kerne zu- sammenhängen; man findet bei den längsten Kernen diese Theilung in der Mitte oft völlig ausgesprochen oder wenigstens angedeutet. Aus dem Gesammtbild der schr wechselnden Grössenverhältnisse 504 Pohl-Pincus: der Kerne muss man schliessen, dass das Wachsthum der Muskel- fasern des Froschherzens ein reges ist. 2. Die Gefässmuskelfasern: Die Kerne sind stäbehen- förmig, 2/&—3Vs u breit, 25—43 u lang; Verhältniss der Breite der Kerne zu ihrer Länge im Ganzen wie 1:8 bis 1:16. Einen Anhalt für die Beurtheilung des verschieden gestalteten inneren Baues beider Muskelfasern gibt folgende Beobachtung: bei der oben angegebenen Behandlung des Herzens (Erfüllung dessel- ben mit absolutem Alkohol unmittelbar nach der Tödtung des Thieres) findet man an den eigentlichen Herzmuskelfasern die Querstreifung entweder in gewohnter Ordnung oder völlig ver- löscht; hingegen an den Gefässfasern findet man oft folgendes Verhältniss: die Faser zeigt zwar in ihrer ganzen Länge Quer- streifung, allein die Streifen erstrecken sich nicht über die ganze Breite der Faser, sondern lassen an beiden Seiten der- selben eine glatte Spindel frei, als läge ein quergestreifter Muskel- faden zwischen zwei glatten eingebettet. Die geringe Dicke der Muskelfasern, die grosse Anzahl der Muskelkerne, die kleinere aber immer noch erhebliche der Endo- thelkerne, endlich die unausbleibliche Trübung des Bildes durch die Blutkörperchen machen die Anwendung der besten Hülfsmittel erwünscht; man meidet alsdann die Gefahr, zwei Kerne von über- einander liegenden Fasern für einen Kern zu halten. Ueber das Einlagerungsverhältniss der beiden Muskelsysteme in einander habe ich bisher Folgendes ermittelt: an der linken Hälfte des Basis des Ventrikels ist die Zahl der Gefässfasern gering; an der rechten Hälfte erheblich grösser; von der Basis nach der Spitze hin nimmt die Zahl der Gefässfasern im Ganzen zu. In den Trabekeln wird die Zahl der Gefässfasern im Ver- hältniss zu den eigentlichen Herzfasern immer grösser, je dünner die Trabekeln werden. In den stärkeren Trabekeln sind Gefäss- und Herzfasern oft in abwechselnden Schichten von ein- ander gelagert: ich bin ausser Stande, über diesen Wechsel ein Gesetz anzugeben. Hingegen hat sich bei den feineren Trabe- keln regelmässig folgendes Verhältniss gefunden: Die peri- phere, dem Cavum eordis zugewendete Schicht besteht aus eigentlichen Herzfasern, die centrale aus Gefäss- fasern. Dieses Verhältniss an den feinen Trabekeln gestattet einen Einblick in den Grundplan des Baues: — Ueber die Muskelfasern des Froschherzens. 505 Während der Systole müssen in der Nörm die Trabekeln sich gleichfalls verkürzen, während der Diastole sich gleichfalls verlängern; wie diese für die Funktion wichtige rythmische Coin- cidenz in den auslösenden Herznervencentren basirt ist, weiss Niemand; die hier angeführten anatomischen Daten beweisen aber, dass die Natur diese Coineidenz zu siehern sucht, indem sie die- selbe wenigstens theilweise denjenigen Muskelfasern überträgt, welche diesen Nervencentren allein gehorchen: den eigentlichen Herzmuskelfasern; und man muss schliessen, dass diese Sicherung am besten erreicht schien durch Verlegung der bezüglichen Fasern an die Peripherie. Dies überrascht einigermassen: denn die Be- obachtung abnormer Zustände lehrt, wie leicht und wie schnell die dünne periphere Schicht sich dieser Aufgabe nicht gewachsen zeigt, sobald einmal die erheblich diekere Schicht der centralen Gefässfasern nicht mehr demselben Rythmus folgt. Es verdient darum noch bemerkt zu werden, dass die Trabekeln dort, wo sie an die periphere Herzwand anstossen, vielfach eine umhül- lende Schicht eigentlicher Herzmuskelfasern nicht be- sitzen, sondern nur aus Gefässfasern bestehen; an diesen Stellen ist der Einfluss des sich kontrahirenden oder sich ausdehnenden Herzmantels so energisch, dass die Trabekeln demselben nicht widerstreben können (so lange nicht Contracturen der Gefässmuskeln eingetreten sind); hier spart die Natur; und darum tritt auch andererseits daselbst am ehesten die zarte Run- zelung der Oberfläche des Herzens in die Erscheinung, sobald ein Contracturreiz für die Gefässfasern vorausgegangen ist. Die Vermuthung spricht dafür, dass auch bei den übrigen Thieren mit „gefässlosen* Herzen zwei verschiedene Muskelarten im Herzen vorhanden sind; indess habe ich die nothwendige Un- tersuchung nicht vorgenommen. Die ein Menschenalter hindurch gehegte Annahme: dass bei einem Wirbelthier die Aktion des Herzens möglich sei ohne eine besondere Regulirung der Blutfülle seiner Wandung, kann nach vorstehenden Angaben als aufzugeben betrachtet werden: das Herz des Frosches stebt in seinen Grundeinrichtungen dem des Warm- blüters wieder näher. 506 Lavdowsky: Myrtilius, ein neues Tinctionsmittel für thierische und pflanzliche Gewebe. Von Dr. M. Lavdowsky (St. Petersburg). Ungeachtet der täglich wachsenden Menge brauchbarer Fär- bungsmittel, möchte ich die Aufmerksamkeit der Fachgenossen auf den Saft frischer Heidelbeeren (oder Schwarzbeeren), Vac- einium myrtillus, lenken, in dem ich ein in vieler Beziehung werthvolles Färbemittel glaube gefunden zu haben. Das Mittel färbt sehr rasch und distinet namentlich die Kerne thierischer und pflanzlicher Zellen, sowie die Cellulosehäute der letzteren, hat den Vorzug grosser Billigkeit und leichter Handha- bung. Nur halten sich die damit gefärbten Objecte, frisch und in Glycerin aufbewahrt, nicht lange. Gut lassen sie sich dagegen in Lacken und Balsamen wenigstens für Monate conserviren. Für die Darstellung des Farbstoffes empfehle ich nachste- hendes: Frisch gepflückte Heidelbeeren werden in Wasser gut abge- waschen, dann der Saft ausgepresst und mit 2 Volumtheilen de- stillirtem Wasser, dem einige Cubikcentimeter 90°, Alkohol zuge- setzt sind, vermischt. Dann lässt man die Masse eine kurze Zeit aufkochen und filtrirt die noch warme Flüssigkeit. Sie filtrirt, namentlich wenn sie abgekühlt ist, etwas schwer, weil die unfil- trirte Masse beim Abkühlen eine gallerartige Consistenz annimmt. Das Filtrat stellt einen klaren, schön tiefrothen, leicht sauer reagirenden Saft dar, welcher in gut verkorkter Flasche an ei- nem nicht zu warmen Orte längere Zeit ohne Zersetzung aufbewahrt werden kann. Da dieser Saft noch immer etwas dickflüssig ist, so ist es gerathen, bei der Vornahme einer Färbung denselben noch in klei- nen Portionen, wie sie eben zur Verwendung kommen sollen, mit der 2—3fachen Menge destillirten Wassers zu verdünnen. Auch Myrtillus, ein neues Tinctionsmittel für thier. und pflanzl. Gewebe. 507 in dieser Verdünnung färbt derselbe noch distinet und scharf bin- nen wenigen Minuten, namentlich die Kerne aller Zellen und die Cellulosewände der pflanzlichen Zellen, ohne dass die geringste Schrumpfung eintritt. Man vermag nun mit der in Rede stehenden Flüssigkeit eine doppelte Färbung zu erzielen, einmal eine rothe, der Karminfarbe nahestehende und dann eine Lilafärbung, welche dem Hämatoxy- lintone verwandt ist. Der rothe Farbenton wird durch Färbung frischer, möglichst neutral reagirender Objeete mit der frischen, schwach sauren Myr- tillusflüssigkeit erreicht, während letztere in Lila tingirt, wenn die Säure durch Alkalien oder neutrale Salze abgestumpft ist. Sehr deutlich treten überall bei der Färbung mit der sauren Flüssigkeit die karyokinetischen Figuren hervor. Färbt man er- härtete Gewebe, so sollen diese vorher mit Chromsäure oder mit chromsauren Salzen behandelt gewesen sein; auf diese Weise er- giebt sich die beste Tinetion. Gewebe, die nur in Alkohol gehär- tet waren, nehmen den Farbstoff nur in geringem Maasse an. Waren die zu färbenden Objeete aber vorher in Chromsäure oder in Chromsalzen gewesen, so schadet ihnen, bezüglich der Färbung, eine nachträgliche Behandlung mit Alkohol nicht. Die rothe Tinction ist die wenigst haltbare; will man Dauer- präparate erzielen, so benutze man die Lilafärbung. Hierzu em- pfehle ich folgendes Verfahren: Man setze drei Uhrschälchen auf eine weisse Unterlage, bringe in die erste frische, rothe, saure, gut filtrirte Myrtillusflüssigkeit, in die zweite eine gleichfalls filtrirte 1 procentige Bleizuekerlösung, in die dritte destillirtes Wasser. Nunmehr bringe man die zu färbenden Objeete auf 1—2 Mi- nuten in die Myrtillusschale, schwenke sie leicht in dem Wasser- schälchen ab und lege sie dann in die Bleizuckerlösung, in der sie sehr rasch einen lilafarbigen Ton annehmen. Dann wasche man abermals in Wasser aus und schliesse in Glycerin, welches mit etwas Bleizuckerlösung versetzt ist, ein. Für längere Aufbewah- rung empfiehlt sich dann ein Einschluss in Damarlack oder in Canadabalsam, welcher nach dem allgemein üblichen Verfahren bewerkstelligt wird. Statt des Bleizuckers kann auch eine 2pe. Alaunlösung Ver- wendung finden. Die Färbung, obgleich prachtvoll klar und di- 508 M. Lavdowsky: Myrtillus, ein neues Tinctionsmittel etc. stinet werdend, hält sich nur nieht so gut. Bei Einschluss in Gly- cerin darf hier dasselbe nicht mit Alaun versetzt sein. Bei der Lilatinetion ist auch eine Doppelfärbung möglich, indem man nach der Myrtillus-Bleifärbung die Schnitte in eine alkoholische oder wässrige Lösung von Eosin bringt und sie in Bleizueker-Glycerin oder Lacke einschliesst. Für rasche und sichere Färbungen thierischer und pflanzli- cher Gewebe, namentlich für Kernfärbungen und Färbungen von Collulosemembranen, dürfte es kaum ein empfehlenswertheres Me- dium geben. Seine grosse Billigkeit dürfte ihm ebenfalls eine weitere Verbreitung, namentlich bei mikroskopisch-anatomischen Cursen, sichern. Neue Formen von Nervenendigungen in der Haut von Säugethieren. Von Dr. George Hoggan (London). Hierzu Tafel XXIII und XXIV. Verbesserte Methoden, Nervenendigungen mittelst Goldlösung zu untersuchen, haben uns schon lange zu Gebote gestanden, und so viele unermüdliche Forscher sind auf diesem Felde thätig ge- wesen, dass es überraschend erscheinen kann, wenn es gelingt, Formen zu entdecken, welche bis jetzt in der Haut von Säugethie- ren unerkannt geblieben sind. Dasjenige Thier, bei welchem ich bis jetzt diese neuen For- men von Nervenendigungen gefunden habe, ist der Waschbär, Pro- eyon lotor, der seinen Namen von der eigenthümlichen Gewohn- heit trägt, dass er jeden Bissen, den er verzehren will, zuvor ins Wasser taucht. Diese Gewohnheit sollte man stets bei ferneren Neue Formen von Nervenendigungen in der Haut von Säugethieren. 509 Untersuchungen, im Auge behalten, da man beinahe mit Bestimmt- heit darauf rechnen kann, sie auch bei anderen Thieren, die dem Waschbär verwandt sind, vorzufinden. Die von mir angewandte Präparirmethode vereinigt die Rathschläge verschiedener Forscher, und jeder Schritt bei derselben ist so viel als möglich variirt, um einige gelungene Präparate mit Sicherheit darzustellen. Stets habe ich die Gewebsstückchen (nach Ranvier’s Rathe) mit frisch ausgedrücktem Citronensafte ungefähr eine halbe Stunde lang behandelt; dann wurden sie eine Stunde lang in Goldlösung gelegt, und darauf eine Woche lang in mit Ac angesäuertes Wasser. Immer kommen bei solcher Behandlung unsichere Erfolge vor. Um daher möglichst sicher zu gehen, prä- parire ich eine sehr grosse Anzahl von Fragmenten, die ich eine bis zehn Stunden nach des Thieres Tode von demselben nehme, wende dabei sowohl reine Goldlösung an, als auch Combinationen derselben mit Sodium oder Kalium, für gewöhnlich !/, procentige Lösungen, variire dieselben jedoch in verschiedenem Grade, wie ich auch die Zeit der Imprägnation mit Gold von 20 Minuten bis drei Stunden wechsle; kurz, ich gestalte die Behandlungsweise so verschiedenartig wie möglich. Mir sind bis jetzt drei neue Formen von Nervenendigungen in der Haut vorgekommen; ob diese aber verschieden funetioniren- den Nerven entsprechen, vermag ich nicht anzugeben. Ueberhaupt meine ich, dass unsere Kenntniss noch nicht genügend ist, um ir- gend eine specielle Function irgend welchem Nervenendigungsor- gane beizulegen, die gabelförmigen Endigungen in den Haarfolli- keln vielleicht ausgenommen, welche möglicherweise Tast- organe sind. Kurz, wir haben kein Recht anzunehmen, dass die von den Physiologen spezialisirten Empfindungen, wie Tastgefühl, Gefühl von Temperatur, Feuchtigkeit, Gewicht ete. bei der anatomischen Gestaltung irgend welche aequivalente Repräsentanten haben. Be- dingungen der Umgebung, nicht physiologische Gründe, mögen zur Verschiedenheit der Form geführt haben, wie ich anderswo gezeigt habe. Sie mögen zur Bildung des sog. Tastwerkzeugs ‘oder Eimer’- schen Organes an der Schnauze des Maulwurfes, und zur Bildung der intraepidermalen Nervenfibrillen im Allgemeinen geführt haben. Indem ich allen diesen Umständen Rechnung trage, halte ich es, der Bequemlichkeit bei der Beschreibung halber, dennoch für nöthig, den drei Formen bestimmte Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 23. 3 510 George lloggan: Namen zu geben, die, während sie anatomisch keine bestimmte Bedeutung haben, doch andere Forscher verhindern werden, in jezug auf sie irgend welche irrige physiologische Benennung an- zuwenden. Die erste Form (Fig. 1 bis 7), nenne ich Browne-Körper- chen; die zweite (Fig. 14 bis 17) Hoggan-Körperchen, die dritte Form (Fig. 30 bis 32) Black well-Körperchen?). Diejenigen, welche die schon von mir über Nervenendigungen publizirten Aufsätze kennen, wie z. B. den im vergangenen Jahre im Journal der Linneischen Gesellschaft, London, Band XVI, Seite 546 veröffentlichten Artikel, oder den im Journal de l’Ana- tomie, Seite 377, werden begreifen, dass meine Beschreibung nicht darauf hin gerichtet sein wird, um zu beweisen, dass diese neuen Formen von den bekannten Formen total verschieden seien, sondern, um im Gegentheile darzuthun, dass sie denselben nahe verwandt sind. Da ich entschieden der Ansicht huldige, dass die verschiedenen Elemente durch Evolution von einer Grundform ent- standen sind, so suche ich nur fehlende Glieder der Kette anzu- reihen, welche, wenn sie vollendet sein wird, uns eine Idee von der Urform geben wird. Die schon bekannten Nervenendigungsformen, zwischen welchen ich einen passenden Platz für die drei neuen Formen finden müssen werde, können in Kurzem folgendermassen aufgestellt werden. 1. Marklose Nervenfasern (n Fig. 3, 5, 7), welche überall an der Peripherie des Nervensystems vorkommen, und in der Haut den subepidermalen Nervenplexus bilden, der die Blutge- fässe begleitet. Von diesem Plexus sind die intraepidermalen Ner- venfibrillen (Fig. 20 und 21, i) zufällige Abzweigungen, die durch mechanische Laesionen und Verschiebungen unter den Epidermal- zellen entstanden sind. 2. Die sogenannten Tastkörperchen oder Meissner’schen Kör- perchen (Fig. 10, 11 und 12) wie sie nur an der inneren Hand- fläche und den Fusssohlen beim Menschen, Affen und Beutelthie- ren vorkommen. Sie bestehen hauptsächlich aus in einem Haufen 1) Ich wähle diese Namen zu Ehren der Begründerin des Browne- Institutes, in welchem diese Arbeit entstanden ist, zu Ehren meiner Frau und treuen Mitarbeiterin, Mrs. Hoggan und unserer Freundin Dr. Elizabeth Blackwell, der ersten Engländerin, welche den medicinischen Doctorgrad - erhalten hat. Neue Formen von Nervenendigungen in der Haut von Säugethieren. 511 oder Ganglion vereinigten Nervenzellen (Fig. 12) und sind mit ein- ander durch marklose Nervenfibrillen, mit den grossen Nerven- centren durch markhaltige Nervenfasern verbunden. 3. Gabelförmige Nervenendigungen (Fig. 9), die an den Follikeln von gewöhnlichem Haar vorkommen und verhältnissmässig weniger häufig an sog. Tasthaaren oder Sinushaaren. 4. Die Paeini’schen Körperehen (P Fig. 13 und 18) die alle die verschieden benannten Körper, wie W. Krause sie an- giebt, in sich schliessen, und die alle dadurch charaecterisirt sind, dass sie eine in der Achse liegende Nervenfaser besitzen, die von einer grösseren oder kleineren Zahl Schichten oder Kapseln umgeben ist. 5. Die segregirten Nervenzellen (Fig. 13 und 20 ec), die in der unteren Schicht der Epidermalzellen liegen, und die gewöhn- lieh von einander durch eine oder mehrere Epidermalzellen, zwischen welehen sie als ein peripherisches Ganglion von Nervenzellen liegen, getrennt sind. Bemerkenswerthe Beispiele hiervon sind die Ner- venzellen, welche man an den Follikeln von Tasthaaren oder un- terhalb der Epidermis an sehr empfindlichen Stellen der Haut- oberfläche findet (Merkel’s Tastzellen). Man kann behaupten, dass diese fünf Formelemente Alles in sich schliessen, was bis jetzt über Hautnervenendigungen bei Säu- gethieren bekannt ist. Andere Formen sind allerdings noch von bewährten Naturforschern angegeben, besonders von solchen, die beim Präpariren die Goldmethode nicht angewandt haben, aber sie sind, wie ich später in andern Arbeiten beweisen werde, ein Re- sultat irriger Ansichten. Oft ist ein kleines Nervenbündel, was ungefähr ein halbes Dutzend Fasern enthält, grade an dem Punkte durehschnitten worden, wo eine der Fasern das Bündel im rechten Winkel verlässt. An der Stelle erblickt man dann ein rundes oder scheinbar sphärisches Körperchen, in welchem eine Faser zu en- digen scheint, und dies wird dann gleich als eine neue Nerven- endigungsform beschrieben. Solcher Irrthümer giebt es eine Menge. Ein typisches Beispiel hiervon giebt uns Longworth in seinem Artikel in diesem Archiv über die Nervenendigungen der Conjunctiva, wo das fragliche Object als ein Tastkörperchen dargestellt wird.!) 1) Ich sehe mich, da mein geschätzter Schüler und Freund, Dr. Long- worth, nicht mehr unter den Lebenden weilt — er starb vor wenigen Jahren als Professor der Anatomie in Cincinnati — zu der Bemerkung veranlasst, dass ich die ausgesprochene Meinung Dr. Hoggans nicht gelten lassen kann. 512 George Hoggan: In Merkel’s ausgezeichneter Monographie über Nervenendi- gungen finden wir auch irrige Formen, wie z. B. die Darstellung des Tastkörperchens beim Maulwurfe, wie es factisch gar nicht existirt, sondern das wirkliche Aequivalent eines Tastkörperchens beim Maulwurfe (Fig. 13) hat meines Erachtens nicht die geringste Aehnliehkeit mit dem falschen. Ich werde nun zunächst suchen eine vorläufige Vertheilung der neuen Formen unter die alten, wie sie mir festzustehen schei- nen, zu Stande zu bringen. Das Browne-Körperchen hält die Mitte zwischen den marklosen Nervenfasern, welche sich in näherer Ver- bindung mit einem markhaltigen Nerven befinden, und zwischen einer gabelförmigen Nervenendigung an einem gewöhnlichen Haar- follikel. Das Hoggan-Hörperchen hält die Mitte zwischen den ga- belförmigen Endigungen eines Haarfollikels (Fig. 9) und einem Paecinischen Körperchen (Fig. 18). Das Blackwell-Körperchen (Fig. 21, 22 und 23) hält die Mitte zwischen den segregirten Zellen des subepidermalen Nervenganglions (Fig. 20) und des Meissner’- schen Körperchen (Fig. 10) in seinem früheren Stadium (Fig. 12). Ein anderer Punkt von Interesse ist, herauszufinden, ob die Gewohnheiten des Thieres irgend welchen Einfluss auf die eigen- thümliche Bildung der Nervenendigungen gehabt haben, oder ob irgend ein anatomischer Grund diesen Gewohnheiten zu Grunde liegt. Wer je in einer Menagerie die Gewohnheiten des Wasch- bären beobachtet hat, muss bemerkt haben, dass die Tatzen des Thieres beständig nass sind, weil es fortwährend in dem Wasser, das man ihm giebt, herumplätschert. Auffallender Weise bin ich nicht im Stande gewesen, in irgend einem meiner Schnitte eine Schweiss- drüse aufzufinden. Dieses mag von keiner grossen Bedeutung sein, wenn man bedenkt, dass die von mir benutzten Gewebsfragmente nur den oberen Theil des mit der Epidermis verbundenen Coriums zeigen, wie es beim Präpariren mit Gold nicht anders möglich ist, und ausgedehntere Untersuchungen mögen später viele Schweissdrüsen aufweisen. Aber ich habe anderwärts beobachtet, dass bei vielen Thieren, besonders bei Nagethieren, die Nervenendigungen, die dem Browne- und Hoggan-Körperchen äquivalent sind, nur in unmittel- barer Nähe der Oeffnungen von Schweissdrüsen vorkommen, welche Ich kenne Longworths Präparate sehr genau und bin sicher, dass er einer derartigen Täuschung nicht verfallen ist. Ich füge hinzu, dass Fig. 6, Taf.. XLIV, Bd. 11 dieses Archivs von mir herrührt. Waldeyer. Neue Formen von Nervenendigungen in der Haut von Säugethieren. 513 man verhältnissmässig als enorm gross bezeichnen kann. Man kann nicht die geringsten Zweifel darüber hegen, dass die Nerven- endigungen in einem gewissen Zusammenhange mit diesen enormen Schweissdrüsen stehen, und die geringe Zahl, wenn nicht gänzliche Abwesenheit dieser Drüsen in der Nähe der Nervenendigungen beim Waschbären, giebt jedenfalls Grund zum Nachdenken. Es wird auch von Interesse sein, herauszufinden, in wie weit diese Endigungen oder deren Aequivalente im Thierreiche über- haupt vorkommen. Die Klasse unter den Fleischfressern, denen der Waschbär am nächsten verwandt ist, wie es sein Name be- zeugt, ist die der Bären. Ich habe kürzlich Gelegenheit gehabt, die Tatzen des Himalayabären (Ursus tibetanus) zu untersuchen, aber mit der Goldlösung ist es mir nicht gut genug gelungen, ganz bestimmten Bescheid über das Vorhandensein eines Aequivalents der Browne’schen Körperchen zu erlangen, obschon gewisse Anzei- chen zu Gunsten ihrer Anwesenheit sprachen. So viel aber steht fest, dass, obgleich die Mehrzahl der Paeinischen Körperchen, welche ich vorfand, (und die von gleicher Grösse und in gleicher Lage waren, wie beim Waschbär) nur eine einzige Achsennervenfaser besitzen, ich doch einige vorfand, welche zwei Fasern enthielten (Fig. 19). Rings um die letzteren herum schienen jedoch die kapselförmigen Umhüllungen eigenthümlich gestaltet, als ob zuerst jede Endfaser eine besondere Umhüllung gehabt hätte, dass aber später beide in dieselbe gemeinsame Umhüllung eingeschlossen seien. Diese Phase würde einen Zwischenzustand zwischen den gewöhnlichen Pacinischen Körperchen mit einer einzigen Achsenfaser, und dem beim Waschbären vorgefundenen Hoggan-Körperchen anzeigen. Von dem Typus des Blackwell-Körperchens habe ich nichts, wegen der dichten schwarzen Pigmentirung dieses Theils, sehen können, und dieser Umstand behinderte auch ein Nachforschen nach Browne- Körperchen. Wenn jedoch, was ich für sehr möglich halte, das Hoggan- Körperchen nur eine weitere Entwicklung des Browne-Körperehens ist, so würde das zeitweilige Vorkommen von dem, was factisch ein Hoggan-Körperchen beim Bären ist, gleichfalls dort auf die Existenz eines Browne-Körperchens schliessen lassen, und in mei- nen ferneren Untersuchungen werde ich auf solche Gebilde mein besonderes Augenmerk richten. Die nächste Verwandtschaft mit dem Waschbären hat viel- 514 George Hoggan: leicht das Coatithier (nasua rufa), und ich habe gleichfalls vor kurzem Gelegenheit gehabt, eins dieser Thiere zu untersuchen. Unter einer grossen Anzahl von Exemplaren Pacinischer Körper- chen, die eine gleiche Grösse und Lage wie bei dem Wasch- bären und Bären einnahmen (Fig. 18), ist mir kein einziges Exemplar vorgekommen, das mehr als eine Achsenfaser be- sessen hätte, so dass ich die Hoffnung aufgegeben habe, dass es mir bei diesem Thiere gelingen werde, je ein Aequivalent von einem Browne-Körperchen aufzufinden. In vielen Fällen hingegen habe ich zwei dieser Körperchen auf derselben Nervenfaser an- getroffen (Fig. 18), bei welchen die Theilung jenseits des Punktes stattgefunden hatte, wo die Markhülle aufgehört hatte, und nicht bei der Ranvier’schen Einschnürung. Wenn wir daher das Abbrechen eines Nerven von dem subepidermalen Plexus als das erste Stadium der Bildung eines Pacinischen oder Hoggan- Körperchens ansehen, so sollten wir sagen, dass dieses Körperchen beim Coati noch weiter als beim Bären von dem typischen Hoggan- Körperchen (wie wir es beim Waschbären finden), entfernt ist. Eine grosse Eigenthümlichkeit des beim Coatithiere gefunde- nen Körperchens besteht in der ausserordentlichen Grösse seiner Achsenfaser in der Nähe ihrer Endung innerhalb des Körperchens. Dies ist so charakteristisch, dass man mit Leichtigkeit unter einer Menge Präparate, die von verschiedenen Thieren herrühren, solche herauswählen kann, die einem Coati angehören. I. Die Browne-Körperchen. Verwandte Bildungen für diese Form von Nervenendigungen sind ziemlich schwer zu bezeichnen. Da man sie in oder nahe den Spitzen der Hautpapillen findet, so scheinen sie die Stellung der Meissner’schen Körperehen einzunehmen; hier aber scheint die Aehnlichkeit zu enden. Während letztere hauptsächlich aus Nervenzellen bestehen, welche in früher Lebenszeit sehr hervortreten (Fig. 12), so zeigte das Browne-Körperchen, wenigstens beim erwachsenen Thiere, das ich untersucht habe, keine solche Structur, obgleich es natürlich, wie jede andere Form von Nervenendigungen, seinen Ursprung in speciellen Zellen haben muss. Es scheint mir aber, als ob das Browne-Körperchen sich, wenn ich mich so ausdrücken darf, se- cundär aus dem Plexus markloser Nerven (Fig. 5, rn), die unmittel- Neue Formen von Nervenendigungen in der Haut von Säugethieren. 515 bar unter der Epidermis liegen, entwickelt hat, von welchen, wie ich schon vordem gezeigt habe, die intraepidermalen Nervenfibril- len (Fig. 20) nur rein mechanisch getrennte Auswüchse sind, die sich vielleicht durch denselben Process losgerissen haben, der zu der Bildung der Körperchen, die wir jetzt untersuchen, geführt hat. Als Thatsache habe ich schon anderswo gezeigt: 1) dass solche Rupturen des subepidermalen Plexus!) fortwährend stattfinden, und 2) dass selbst der grosse Achsencylinder, wenn er zerreisst?), sich stets in sich selbst zurückzieht, bedeutend dieker wird und die Tendenz zeigt, mehr oder minder spiralförmig zu werden. Bei solch einer Endigung haben wir einen markhaltigen Nerven, der seine Markhülle behält, bis er in die Papille einge- drungen ist, dann entsteht ein nackter Theil des Achseneylinders, der in einer doppelten oder dreifachen Verzweigung in der End- gabel endigt. Liegt diese Endgabel dicht bei der Papillenspitze, so finden wir die Zinken in rechten Winkeln zu der Hauptfaser (A Fig. 6) gebogen, ob durch Druck oder durch ihre ursprüngliche Lage zur Zeit der Losreissung, ist schwer zu entscheiden. In an- deren Fällen, wo sie den Basen der Papillen näher sind, gehen die Zinken vollkommen grade in der Längsachse der Hauptfaser; sie sind den gabelförmigen Endigungen an den Follikeln des ge- wöhnlichen Körperhaares ähnlich (A Fig. 1). Dies führt uns gleich zu einer interessanten Frage, und Diejenigen, welche durch die schon angeführten Artikel mit meinen ersten Ideen und späte- ren Bemühungen, Homologien zwischen den gabelförmigen Endi- gungen gewöhnlicher Haarfollikel und Paeinischen Körperchen, ja selbst Meissner’schen Körperchen festzustellen, bekannt sind, werden augenblicklich die Wichtigkeit des gegenwärtigen Factors in die- ser Frage begreifen. Im Einklange mit dem Vorhergehenden, wer- den sich auch Diejenigen, welche bei der letzten Versammlung der British Medical Association in Liverpool an den Sitzungen der anatomischen und physiologischen Section Theil nahmen, daran erinnern, dass ich unter dem Mikroskope solehe Gabelendigungen, wie sie im Laufe der Entwicklung an Haaren vorkommen, zeigte. Ich erklärte damals, dass sie in ihren ersten Formen Theile des 1) Journal de l’Anatomie, 1883. 2) De la Degeneration et de la Regeneration du Cylindre ete. Journal de l’Anatomie, 1882. 516 George Hoggan: subepidermalen Plexus markloser Nerven zu sein schienen, welche zerrissen und später zusammengezogen seien zu dem, was bei völlig entwickelten Gabelendigungen die peripherischen Enden der Zinken geworden wären. Dieser Schluss, zu dem ich von den Gabel- endigungen ganz unabhängig gekommen bin, erhält noch mehr Ge- wicht in Bezug auf das, was wahrscheinlich bei der Bildung der Browne-Körperchen vorgeht. In Fig. 5 sehen wir zwei benachbarte Papillen, wo bei der einen, B, der markhaltige Nerv sich im Zusammenhange mit den marklosen Nerven, die an Blutgefässen entlang führen, zeigt, wäh- rend bei der andern, A, die Ruptur vorgegangen zu sein scheint und ein sehr kleines Speeimen eines Browne-Körperchens sich ge- bildet hat. Bei Fig. 2 und 3 sehen wir auch, was augenschein- lich ein grosser Theil der Plexusfasern ist, die zusammengezogen und in Folge davon dicker geworden sind, jedoch ausnahmsweise diver- sirende Positionen angenommen haben, als ob ursprünglich die Ruptur vorgegangen wäre, während sie längs der Blutgefässe der Papille lagen. Es ist nöthig, dass ich grosses Gewicht auf das Factum lege, dass in solch frühen und typischen Formen von Browne-Körperchen, wie die Fig. 3, 5A, 6A und 7 sie zeigen, nicht die geringste Spur von irgend einer sie umgebenden Kapselzu finden ist, und dass die Endigungen nicht in eine granuläre Substanz eingehüllt zu sein scheinen. Es scheint mir, als ob dies die einzigen Merkmale seien durch die sie sich von der nächsten Form, die ich Hoggan-Kör- perchen genannt habe, unterscheiden, in Bezug auf welche ich die Browne-Körperchen, morphologisch wenigstens, nur als seine frühere Form ansehe. Es gibt so viele Uebergangsformen zwischen ihnen, bei denen es mir nicht gelungen ist, sie in die eine oder die an- dere Categorie zu rangiren. Diese Uebergangsformen (Fig. 4 A und 8) könnte man als deutliche Laminarkapseln entbehrende, aber in eine granuläre Substanz eingehüllte Browne-Körperchen einerseits, oder kapsellose Hoggan-Körperchen andrerseits, be- schreiben. In Verbindung hiermit habe ich jedoch kleine Gruppen bemerkt, die ihrem Aussehen nach den Zellen, welche die Kapseln der Hoggan-Körperchen bilden, identisch sind, und die dicht bei den typischen Browne-Körperehen (c Fig. 6) liegen, bei denen man deutlich sehen kann, dass sie jeder Hülle entbehren. Man Neue Formen von Nervenendigungen in der Haut von Säugethieren. 517 hat also Grund, die Frage aufzustellen, ob, angenommen, dass sie in einem gewissen Zusammenhange mit den Nervenendigungen stehen, sie nicht vielleicht von dem, was einstmals ein Hoggan- Körperchen war, abgestreift worden seien, anstatt ein solches durch Einhüllung des Browne-Körperchens in eine Kapsel zu bilden. Jede Analogie scheint jedoch gegen die erstere und zu Gunsten der letzteren Hypothese zu sein, denn ich habe anderswo, zuerst beim Maulwurfe, und nachher bei einer grossen Reihe von Thieren, bemerkt, dass, wenn die Paeinischen Körperchen dicht an der Epidermis liegen, sie oft keine einzige Kapsel aufweisen, und dass, je tiefer sie von der Epidermis fort bis in die Cutis oder Tela subeutanea hinein gelangen, die Anzahl der Laminar- hüllen zahlreicher und die Paecinischen Körperchen grösser wer- den. In dieser Hinsicht zeigen die Füsse des Maulwurfs und der Katze die höchst entwickeltste Stufe. Während jedoch, ihre Lage ausgenommen, wenig Analogie zwischen den Meissnerschen und den Browne-Körperchen vorhan- den zu sein scheint, sollte man nicht ausser Augen lassen, dass bei vorgeschrittenem Alter, wenn die Zellenstructur des Meissner- schen Körperchen nicht mehr erkennbar ist, wie z. B. beim Men- schen, Affen und Beutelthieren, und wenn Goldcehlorid die Fasern im Meissner’schen Körperchen nur als eine dunkle oder schwarze Verzweigung zeigt (Fig. 10 und 11), grosse Aehnlichkeit in dem Aussehen der beiden stattfindet. Dies ist leicht zu erkennen, wenn man das Browne-Körperchen in Fig. 8 mit dem Meissner’schen Körperchen bei einem 56jährigem Manne in Fig. 10 und dasselbe Körperchen bei einem alten Känguruh in Fig. 11 vergleicht. Bei den typischen Formen von Browne-Körperchen ist es nicht nur unmöglich weder eine Cellularkapsel, noch eine Granu- larsubstanz, die von dem gewöhnlichen gelatinösen Gewebe der Haut verschieden sei, zu finden, sondern die Form der Endigung selbst und die entgegengesetzte Richtung, in welcher die Fasern zu ein- ander liegen (Fig. 3 und B Fig. 2) schliesst die Existenz einer Kapsel aus. Dann wieder können wir zwei oder selbst mehr mark- haltige Nerven finden, die durch dasselbe Browne-Körperchen hin- durehgehen (Fig. 4 A), wo die gabelförmigen Endigungen oder Verzweigungen sich auf solche Weise verschlingen, dass sie das eine Körperchen grade so bilden, wie zwei oder mehr markhaltige Nerven zusammen bei ein und demselben Meissner’schen Körper- 518 George Hoggan: chen gefunden werden, wie man sie aber nie bei ein und demsel- ben Paeinischen Körperchen findet. Andrerseits zeigt eine genaue Betrachtung derselben Figur den Anfang einer cellulären Kapselbildung, so dass es mir schwer fällt, sie in die eine oder andere Form unterzubringen, und ich füge sie nur darum unter die Browne-Körperchen ein, weil es mir nie vorgekommen ist, dass zwei markhaltige Fasern in ein Körper- chen übergegangen wären, das den deutlichen Typus des Paeini- schen Körperchens im Allgemeinen oder des Hoggan-Körperchens im Besondern trägt. In Verbindung mit der Bildung des Browne-Körperchens möchte ich die Aufmerksamkeit auf die eigenthümliche variköse Erschei- nung der marklosen Nerven lenken, wie es bei » Fig.5 und 7 zu sehen ist. Diese Erscheinung, obgleich sie beinahe beständig in intraepidermalen Nervenfibrillen vorkommt und wahrscheinlich vom Druck der Epidermiszellen auf die Nervenfibrillen, die durch sie hindurch gehen, herrührt, zeigt sich selten bei solchen Fibrillen, die innerhalb der Cutis liegen. I. Die Hoggan-Körperchen. Der Hauptpunkt bei der Definition dieses Körperchens besteht darin, dass es zwei, drei oder noch mehr Fasern haben kann, die von einer Theilung des ursprünglichen Achseneylinders, unmittel- bar nach seinem Eintritte in eine kapselförmige Hülle, herrühren. In allen Formen der Vater’schen oder Paeinischen Körperehen, mit denen wir beiden Säugethieren bekannt sind, ist nur eine Achsenfaser vorhanden. Zwar zeigt W. Krause ein Beispiel bei einer Gans, wo die Faser sich unmittelbar nach ihrem Eintritte in die Kapseln in zwei Theile theilt, aber dieses Beispiel scheint nur ein Aus- nahmsfall zu sein. Key und Retzius führen auch in ihrer aus- gezeichneten Monographie über diesen Gegenstand eine Menge Bei- spiele von Pacinischen Körperchen an, welche an der peripheri- schen Extremität der einen Achsenfaser sich in eine Menge Zweige theilen; aber sie zeigen kein Beispiel, dass ein Nerv sich unmit- telbar, nachdem er in die Kapsel eingetreten ist, in zwei theilt. Ein Gleiches kann man von den Beobachtungen Merkel’s und An- derer behaupten. Kurz, man könnte sagen, dass wenigstens, 80 Neue Formen von Nervenendigungen in der Haut von Säugethieren. 519 weit meine Kenntniss reicht, nichts beobachtet ist, was den Nerven- endungen in den Hoggan-Körperchen völlig ähnlich wäre. Die Art und Weise, wie die Theilung in zwei vor sich geht, ist selten in zwei gegebenen Fällen eine gleiche. Einmal kann sie stattfinden unmittelbar nachdem der Nerv in die Kapsel ein- getreten ist, und veranlasst dann die Bildung von zwei ziemlich gleich grossen Fasern, welche mit einander parallel in der Cen- tralsubstanz des Hoggan-Körperchens laufen. Anstatt aber parallel zu laufen, können sie mit einander verschlungen sein, oder jede von ihnen kann in ihrem Laufe baumför- mige Verzweigungen bilden (Fig. 15). Eben so oft können wir auch zwei oder drei Fasern antreffen, die sich an verschiede- nen Stellen im Innern des Körperchens abtheilen, und dann, was man eine Hirschhornendigung nennen könnte, bilden (Fig. 14) und von denen ich selbst noch bessere Präparate gesehen habe, seitdem die beifolgenden Zeichnungen dem Drucke übergeben wa- ren. In andern Fällen zeigt sich allerdings nur eine Achsenfaser und bildet dies also ein verwandtes Glied der gewöhnlichen Form von Paeinischen Körperchen (Fig. 17). Man kann jedoch diese Form nicht als so entscheidend ansehen wie die anderen, denn man kann sich sehr gut vorstellen, dass, wenn eine zwei- oder dreifache gabelförmige Endigung in dem Körper von der Seite ge- sehen wird, sie wohl so zu erscheinen vermag, als wäre nur eine einzige Achsenfaser da, und dasselbe würde gelten, wenn ein Längsschnitt durch das Centrum des Hoggan-Körperchens gemacht würde, denn er würde wahrscheinlich eine oder zwei der Endver- zweigungen abschneiden, wie es sogar in Fig. 17 der Fall gewesen zu sein scheint, wo die Seeirnadel auch die Kapsel abgerissen und anderweitig beschädigt hat. Querschnitte wie Fig. 16 zeigen die Beziehungen der dop- pelten und dreifachen Fasern zu einander und zu der Achse des Hoggan-Körperchens noch deutlicher. Selten findet man diese Formen so hoch in der Papille wie das Browne-Körperchen; entweder sitzen sie in ihrem unteren Theile oder unter dem tiefsten Niveau der Epidermis, und je tiefer es in die Cutis hineinragt, desto zahlreicher sind, wie bemerkt, die kap- selförmigen Umhüllungen, die es umgeben. Gewöhnlich verliert der Nerv, auf welchem das Körperchen sitzt, sein,Mark, bevor er das Körperchen erreicht, und der markhaltige Nerv hat gewöhn- 520 George Hoggan: lich zwei, wenn nicht drei membranöse Scheiden, ringsherum an der Stelle, wo er das Körperchen erreicht. Obgleich in den meisten Fällen die Achse des Körperehens der des zu ihm führenden Nerven gleich ist, so findet man doch in gewissen Fällen, wenn es sich innerhalb der Papille befindet, dass die Längsache des Hoggan-Körperchens im rechten Winkel zu der des Nerven gebogen erscheint. In den meisten Fällen ist eine grosse Aehnlichkeit der Nervenendigungen mit den gabelför- migen Nervenendigungen bei den gewöhnlichen Haarfollikeln vor- handen. Ich bin der Ansicht, dass eine völlige Homologie und Analogie zwischen denselben existirt, und so glaube ich, mein vor- gestecktes Ziel erreicht zu haben, nämlich zu beweisen, dass die gabelförmigen Endigungen homolog mit den Pacinischen Körper- chen durch die Vermittlung der Hoggan-Körperchen sind. Es giebt einen grossen Unterschied zwischen dem markhalti- sen Nerven, der nach dem Browne-, und demjenigen, der nach dem Hoggan-Körperchen hinführt. Im ersten Falle verläuft der Nerv nackt in der Cutis; im zweiten Falle sieht man die Nerven von zwei oder drei Scheiden umgeben. Ist das Hoggan-Körperchen bloss als ein mit einer Kapsel versehenes Browne-Körperchen zu betrachten, so ist es leicht verständlich, dass Umhüllungen um den Nerven herum in der Nähe des eingekapselten Körperchens vor- kommen. III. Die Blackwell-Körperchen. Das Blackwell-Körperchen besteht aus einem Haufen zusam- mengedrängter Zellen, die ein sphärisches, an der unteren Fläche der Epidermis haftendes Gebilde darstellen. Jede Zellengruppe steht in direeter Verbindung mit einer grossen markhaltigen Ner- venfaser. Sieht man nur einige Beispiele dieses Körperchens, so fällt es schwer zu entscheiden, ob es in seiner Homologie den sub- epidermalen Nervenganglien oder dem Meissner’schen Körperchen näher verwandt sei; untersucht man jedoch eine grosse Anzahl, so überzeugt man sich, dass es mit den subepidermalen Ganglien in engster Verbindung steht. Fig. 22 bildet das erste Glied nach die- ser Richtung hin; Fig. 21 bildet das zweite Glied, wo es sich ausserdem zeigt, dass eine intraepidermale Nervenfibrille die pe- Neue Formen von Nervenendigungen in der Haut von Säugethieren. 521 ripherischen Enden zweier Nerven, während sie in der Epidermis liegen, verbindet, ein Kennzeichen, welches mich in seinen auf- fallenderen Formen in den Stand setzt, Merkel’s Theorie über separate Funktionen für die sogenannten Tastzellen und die intra- epidermalen Nervenfibrillen zu widerlegen. Ich zeigte, dass, obgleich kein Naturforscher es bis jetzt be- obachtet hat, die Zellen und Fibrillen oft mit einander zusammen- hängend gefunden werden (Fig. 20), daher demselben Systeme an- gehören und folglich daher keine separate und physiologische Funktionen, wie Tastsinn und Temperatur, wie Merkel es ange- geben hat, haben können. Die Anwesenheit des kleinen Zweiges (Fig. 21) verbindet daher das Blackwell-Körperchen mit den sub- epidermalen Ganglien, und natürlich gleichfalls mit den marklosen Fasern des subepidermalen Plexus. Auf der andern Seite kommt es äusserst selten vor, wenn man die Säugethiere im Auge hat, dass man markhaltige Nerven in Verbindung mit solehen Ganglien findet. Oft genug finde ich es beim Schweine, aber es ist äusserst selten beim Pferde, wo ausserdem einige marklose Fasern in centraler Richtung von den Ganglien ausgehen. Dies ist leicht verständlich, wo die Zellen sehr in der Epidermis zerstreut erscheinen, wie verschiedene Fi- guren es zeigen, die ich früher 1. e. veröffentlicht habe. Bei keinem einzigen Thiere habe ich bis jetzt die Nerven- zellen so zusammengedrängt gefunden, so dass sie einen so deut- lichen Körper bilden, wie es bei Fig. 21, 22 und 23 der Fall ist, und kein anderer Beobachter hat meines Wissens Aehnliches be- richtet. In ihren einfachsten Formen und bei sehr jungen Thieren, wo die Zellengruppen nachher einen complizirten Charakter an- nehmen können, erscheinen die Nervenzellen sehr zerstreut, wie es an der Nase eines jungen Kätzchens oder beim ausgewachsenen grossen Ameisenfresser der Fall ist. Bei fortschreitendem Wachs- thum, wenn die Papillen deutlicher werden, drängen sich die Ner- venzellen besonders an der Stelle der interpapillaren Vertiefungen der Epidermis zusammen, wie man es an der Nase einer alten Katze (Fig. 20) oder beim Schweine und Pferde sehen kann. An den Füssen des Maulwurfes werden die Nervenfasern (der Zahl nach zwei oder vier bei eben ausgewachsenen, aber mehr als ein Dutzend bei sehr alten Maulwürfen) in der Spitze der 1 . * 522 George Hoggan: interpapillaren Vertiefung der Epidermis eingeschlossen, aber, ob- gleich ich einige tausende Versuche angestellt habe, ist es mir bis jetzt nie gelungen, irgend einen markhaltigen Nerven in directer Verbindung mit diesen Zellen beim Maulwurfe zu finden, obgleich ein oder zwei kleine Pacinische Körperchen (P Fig. 13) bei diesen Zellengruppen vorkommen. Die ausserordentliche Grösse der mit dem Blackwell-Körper- chen in Verbindung stehenden Nerven und die grosse Anzahl zu- sammengedrängter Zellen, wo jede Zelle aus der Gruppe wieder augenscheinlich durch eine separate Fibrille mit dem Achseneylin- der des einen grossen markhaltigen Nerven verbunden ist, scheint der Theorie ein gewisses Gewicht zu verleihen, dass jeder Achsen- eylinder aus einer grossen Anzahl äusserst kleiner Fibrillen zusam- mengesetzt ist. Eine aufmerksame Beobachtung von einigen der produeirten Formen (Fig. 23) macht den Eindruck, dass diese Körperchen von der Epidermis halb losgelöst sind, dass sie, um es kurz zu fassen, in einem Entwicklungsstadium sind, welches im Laufe der Zeit dazu führen muss, dass sie ganz von der Epidermis abgetrennt werden, und dass man alsdann keinen Unterschied mehr zwischen ihnen und den einfacheren Formen der Meissner’schen Körperchen finden kann, wie sie z. B. bei den Beutelthieren vorkommen. Die vorhergehenden Betrachtungen schei- nen auch zu der Annahme zu berechtigen, dass die Blackwell- Körperehen in der Mitte zwischen den epidermalen Nervenganglien und den losgelösten Meissnerschen Körperehen stehen, und dadurch diese beiden Gebilde mit einander verbunden werden. Beschreibung der Figuren auf Tafel XXIII und XXIV. Die Zeichnungen sind mittelst der camera lucida mit der Oelimmersion- Linse von Zeiss 1/9 verfertigt und nachher durch Photographiren zu 1/goo reducirt. Die Figuren 1 bis 7 sind Browne-Körperchen, Figuren 14 bis 17 sind Hoggan-Körperchen, Figuren 21 bis 23 sind Blackwell-Körperchen. ae Neue Formen von Nervenendigungen in der Haut von Säugethieren. 523 In allen Figuren sind die folgenden Lettern stets gebraucht: e Zellen; d Cutis; e Epidermis; ce kapselartige Umhüllungen; f gabel- förmige Endigungen; h Scheide von Henle; i intraepidermale Nervenfibrillen; m markhaltige Nerven; n marklose Nerven; p Papillen. Fig. 1. tig. 4. Fig. 6. Fig. 7. Browne-Körperchen im Fusse vom Waschbären. Bei A liegen die drei Zinken, welche die Endigung bilden, ganz grade, und, ihr va- riköses Aussehen ausgenommen, sind sie in Jeder andern Hinsicht den ga- belförmigen Nervenendigungen bei Haarfollikeln, wie Fig. 9 sie zeigt, gleich. Bei B sind die Gabelendigungen viel complexer und verwickelter. Browne-Endigung. Bei B liegen die Gabelendigungen längs der Blutgefässe, als ob sie früher einen Theil des marklosen Nerven- plexus, der die Blutgefässe versorgt, gebildet hätten, und als ob sie sich nach der Ruptur des Plexus zu ihrer gegenwärtigen Form und Po- sition zusammengezogen hätten. Bei A scheint die Nervenendigung den Zustand eines Hoggan-Körperchens anzunehmen. Browne-Körperchen, das eine grosse Verschiedenheit in seinen Ter- minalzinken zeigt. Gleich B (Fig. 2) besitzt sie nicht nur keine Kapsel, sondern wegen ihrer divergirenden Zinken würde es schwer halten, dass man sie sich von kapselförmigen Hüllen umgeben vor- stellt. In dieser Figur sehen wir bei A einen markhaltigen Nerven, der sich in zwei markhaltige Fasern theilt, welche beide gabelförmig enden. Die Gabelendigungen beider sind so in einander verschlun- gen, dass sie eine doppelte Browne-Endigung bilden, um welche herum eine Kapsel sich zu bilden scheint, die sie dann in ein Hog- gan-Körperchen verwandeln würde. Bei B sieht man eine deutlich ausgeprägte dreizinkige Endigung innerhalb drei deutlich erkenn- barer Kapseln, die ein typisches Hoggan-Körperchen darstellen. illustrirt die Art und Weise, durch die, wie ich glaube, die Browne- Endigungen ans dem subepidermalen Plexus markloser Nerven auf den Blutgefässen entstanden sind. Bei B sieht man einen markhal- tigen Nerven, wie er mit dem Plexus vereinigt ist; während bei A die Ruptur vor Kurzem stattgefunden zu haben scheint, wie es die geringe Grösse der hier sichtbaren Browne-Endigungen zu bekunden scheint. Zwei sehr deutliche Browne-Körperchen und angrenzende Papillen Obgleich man bei diesem Präparat sehen kann, dass diese Körper keine Kapseln haben, so erscheinen die unter jedem von ihnen lie- genden Zellen e die Endigungen zu umhüllen. In dieser Figur befindet sich ein Browne-Körperchen, welches grosse Aehnlichkeit hat mit A (Fig. 6). Besondere Beachtung verdient der knotenförmige oder perlenähnliche Zustand der marklosen Ner- ven n bei Fig. 5 und 7. Fig. Fig. ‚10. Ale a2, 13. I: ‚8: AB 20. George Hoggan: Ein sehr complieirtes Browne-Körperchen, bei welchem sowohl ober- halb wie unterhalb der Endigung Zellen hervortreten. Drei gabelförmige Nervenendigungen vom Follikel eines gewöhnli- chen Haares von der Schnauze des Waschbären, zum Vergleich mit den Browne- und Hoggan-Körperchen, welche beide homolog mit den gabelförmigen Endigungen an den Haarfollikeln scheinen. Meissner’sches Körperchen von der Fusssohle eines 56 jährigen Man- nes, welches in Folge von continuirlichem Druck umgeändert ist. Man wolle es mit den Browne-Körperchen vergleichen. Im Alter wird die Zellenstructur des Meissner’schen Körperchens undeutlich, und die Goldlösung zeigt nur dunkel die Nervenfaser. Meissner’sches Körperchen vom Känguruh (Halmaturus Bennettii) zum Vergleich mit den Browne-Körperchen. ' Aeusserst dünner Querschnitt durch ein Meissner’sches Körperchen von der inneren Handfläche eines jungen Affen, der die Zellenbil- dung des Meissner’schen Körperchens in seinem frühen Bildungssta- dium zeigt, während welchem es dem Stadium der höchsten Ent- wicklung eines Blackwell-Körperchens gleicht. Vergleiche dies mit Fig. 10, einem Meissner’schen Körperchen von hohem Alter. Untere Ansicht einer Gruppe von Nervenzellen, welche in der Spitze einer Vertiefung der Epidermis an dem Fusse eines sehr alten Maulwurfs vereinigt erscheinen. Sie sind stets von zwei oder drei kleinen Pacinischen Körperchen begleitet, stehen aber selten, wenn überhaupt in Zusammenhang mit markhaltigen Nerven, wie es die Blackwell-Körperchen thun. . Hoggan-Körperchen mit drei Zinken und sehr deutlichen capsulären Umhüllungen. . Hoggan-Körperchen mit zwei Terminalfasern, welche beide in baum- artige Verzweigungen enden. . Hoggan-Körperchen im Querschnitte gesehen und zwei Centralfasern enthaltend. Schnitt durch ein Hoggan-Körperchen mit einer einzigen Achsen- faser, ein Typus, der die Hoggan-Körperchen mit dem Pacinischen Körperchen verbindet. Pacinische Zwillings-Körperchen der Fusssohle eines Coati, die im Zusammenhange mit den Verzweigungen einer einzigen Nervenfaser stehen. Nervenendigung in der Fussohle eines Bären (Ursus tibetanus), die die Mitte zwischen dem Pacinischen und dem Browne-Körperchen hält. Der kurze Nervenzweig scheint spevielle capsuläre Umhüllun- gen erhalten zu haben, eh er mit dem längeren Zweig zusammen in eine gemeinschaftliche Hülle aufgenommen wurde. Subepidermales Ganglion von Nervenzellen in einer interpapillären Vertiefung der Epidermis einer Katzennase. Es ist hier aufgenom- Neue Formen von Nervenendigungen in der Haut von Säugethieren. 525 men, um eine Homologie mit dem Blackwell-Körperchen nachzu- weisen, welchen es gleicht, ausgenommen darin, dass die Nerven- zellen von einander durch Epidermiszellen getrennt sind. Fig. 21. Blackwell-Körperchen, das aus einer grossen Zahl von Nervenzellen in der Epidermis besteht und mit einem sehr grossen markhaltigen Nerven verbunden ist. Dieses Exemplar gleicht einem subepider- malen Nervenganglion. Zwei der Zellen erscheinen peripherisch mit einander durch eine intraepidermale Nervenfibrille verbunden, während der dritte Zweig durch die Epidermis hindurchgeht. Fig. 22. Blackwell-Körperchen, bei welchem die Zellen enger zusammenge- drängt erscheinen, wie bei Fig. 21, und jetzt einen besonderen Körper bilden, da sie keine Beimischung von Epidermis- oder anderen Zellen zeigen. Fig. 23. Kugelförmiges Blackwell-Körperchen, das, obgleich es zum Theil mit der Epidermis zusammenhängt, einem Meissner’schen Körperchen in seinem frühen Bildungsstadium sehr ähnlich ist. Vergleiche dieses mit Fig. 12. Ueber die Beziehung der ersten Kiementasche zu der Anlage der Tuba Eustachii und des Cavum tympani. Von Dr. €. K. Hoffmann, Professor an der Reichsuniversität zu Leiden. Hierzu Tafel XXV. Fig. 1—4. Unsere Kenntniss über die Entwicklung der Tuba Eustachii und des Cavum tympani verdanken wir den Untersuchungen von Urbantschitsch (5), Hunt (2), besonders aber denen von Mol- denhauer (4) und Kölliker ®). Archiv f. mikrosk, Anatomie. Bd. 23. 34 526 C. K. Hoffmann: Nach Moldenhauer soll die Tubenmündung nicht als un- verschlossene, innere Mündung der ersten Kiemenspalte anzusehen sein, obsehon sie an der Stelle dieser ihre Lage habe, vielmehr entstehen nach ihm Tuba und Cavum tympani aus einer Furche der Rachenwand, welche er Suleus tubo-tympanieus nennt, die nach und nach zu einem besonderen Hohlraum sich erweitere und an der Verbindungsstelle mit dem Rachen sich verengere. Das Trom- melfell lässt er aus einem an die erste Kiemen grenzenden Ab- schnitt des ersten Kiemenbogens entwickeln, welche die Elemente aller drei Keimblätter in sich schliesst. Kölliker theilt mit, dass das mittlere und äussere Ohr sich in seinen Höhlungen unter wesentlicher Betheiligung der ersten Kiemenspalte entwickelt. Diese schliesst sich in ihrem ganzen vor- deren Abschnitte, erhält sich dagegen in ihrem hintersten Theile wegsam, mit Ausnahme einer kleinen, dicht an der äusseren Ober- fläche gelegenen Stelle, welche verwächst und zum Trommeltell sich gestaltet. Aus der an der Aussenfläche des Trommelfells ge- legenen Grube und ihren Wandungen entwickelt sich nach ihm der Meatus auditorius externus und das äussere Ohr, während der mediale Rest der Kiemenspalte die Paukenhöhle und die Tuba Eustachii liefert, welehe jedoch nieht ohne weiteres und unmittel- bar zu diesen Theilen sich umbildet, sondern in einen nach aussen, oben und hinten gerichteten Fortsatz auswächst, der wesentlich zur Paukenhöhle sich gestaltet und daher, nach Analogie einer von Moldenhauer angewandten Bezeichnung Suleus tubo-tym- panicus genannt werden kann. Ganz anders lauten die Mittheilungen von Urbantschitsch, nach welchem die erste Kiemenspalte mit der Bildung dieser Theile gar nicht zu thun hat. Nach ihm entsteht der äussere Gehörgang durch eine Einbuchtung der Haut hinter der ersten Kiemenspalte und die Tuba und die Paukenhöhle durch eine Auspüstung der Mundbucht, die er mit dem.Namen „Mund-, Nasen, Rachenhöhle* bezeichnet und welche nach ihm von Ektoderm überzogen ist. Die Arbeit von Hunt steht mir nicht zu Verfügung, ich finde aber bei Balfour (l) angegeben, dass der Inhalt derselben der Hauptsache nach mit dem von Urbantschitsch angegebenen übereinstimmt. Ich habe die Beziehung der Tuba Eustachii zu der ersten Kiemenspalte nochmals bei Reptilien-, Vögel- und Säugethier-Em- Die Beziehung der ersten Kiementasche z. d. Anlage d. Tuba Eustachii ete. 527 bryonen untersucht; die dabei erhaltenen Resultatestimmen vollständig mit denen von Kölliker überein. Von Reptilien standen mir Em- bryonen von Zacerta und Tropidonotus, von Vögeln die von Sterna und Larus, von Säugethieren Embryonen von Kaninchen zur Verfügung. Bei allen entwickelt sich die Tuba und die Paukenhöhle aus einem nach aussen, oben und vorn gerichteten Fortsatz der ersten Kie- mentasche, welche ich mit Kölliker im Anschluss an Molden- hauer „eanalis tubo-tympanicus nennen werde; nur eine kleine Differenz besteht zwischen Kölliker und mir; Kölliker giebt nämlich, wie schon erwähnt, an, dass der canalis tubo-tympanieus nach oben, aussen und hinten gerichtet ist, während ich denselben in die Richtung von oben, aussen und vorn entwickelt finde. Die- ser eanalis tubo-tympanieus entspricht vollkommen der Spritz- lochkieme bei den Selachiern und der embryonalen Spritzlochkieme bei den Knochenfischen, wie aus seiner Lage zwischen dem N. trigeminus und dem N. acustico-faeialis, die vollständig mit der der Fische übereinstimmt, deutlich hervorgeht. Für das Studium der in Rede stehenden Frage leisten Sagit- talsehnitte die besten Dienste. Fig 1 ist ein solcher Längsschnitt eines Embryo von Zropidonotus natriz, bei welchem die vier Kie- menspalten alle nach aussen durchbrochen sind; der abgebildete Schnitt hält ungefähr die Mitte zwischen der Achse und der Pe- ripherie. Aus demselben ergiebt sich, dass bei den Reptilien, we- nigstens bei den Schlangen, noch eine fünfte Kiementasche sich anlegt, welche sich aber von den vier davor gelegenen dadurch unter- scheidet, dass sie nicht nach aussen durchbrieht, ja selbst nicht einmal wie es scheint-bis zum Ektoderm sich fortsetzt, und nach kurzer Zeit wieder verschwindet; ein hinter dieser Kiementasche gelegener Kiemenbogen kommt nicht zur Ausbildung. Das Auf- treten einer fünften rudimentären Kiementasche bei den Reptilien ist ein neuer Beweis für die phylogenetische Verwandtschaft mit den Amphibien, bei welehen bekanntlich fünf gut ausgebildete Kiementaschen zur Entwicklung kommen. Ausser der Ohrblase hat dieser Schnitt die Nn. acustieo-facialis, glossopharyngeus und vagus getroffen. Bekanntlich entwickeln sich die Kiementaschen nicht alle gleichzeitig, sondern in der Art, dass erst die erste, dann die zweite entsteht u. s. w. In derselben Aufeinanderfolge, in welcher sie sich entwickeln, scheinen sie nachher auch wieder zu verschwinden, und zwar so, dass die Rückbildung wie die An- 528 ©. K. Hoffmann: lage von innen nach aussen fortschreitet. Bei dem in Rede ste- henden Embryo war der erste Kiemenbogen in seinem medialen Theil, wie die Abbildung zeigt, schon vollständig wieder mit dem zweiten verwachsen. Verfolgt man die Schnittserie nach der Pe- ripherie, so interessirt uns zuuächst der auf Fig. 2 abgebildete Schnitt; in demselben sieht man zuerst, dass der dritte Kiemen- bogen von dem N. glosso-pharyngeus innervirt wird, weiter bemerkt man die nach oben, aussen und vorn gerichtetejAusstülpung der ersten Kiementasche, die Anlage des zwischen dem N. trigeminus und dem N. acustico-faeialis gelagerten canalis tubo-tympanieus. In einem noch etwas mehr nach der Peripherie gelegenen Schnitt zweigen sich von dem Aecustico facialis-Stamm Fasern ab, welche nach dem hinter dem Canalis tubo-tympanieus gelegenen hyoidalen Bogen sich begeben, während der vor demselben gelegene man- dibuläre Bogen von dem N. trigeminus versorgt wird. Die Vögel verhalten sich vollkommen ähnlich, nur mit dem Unterschiede, dass bei ihnen eine fünfte Kiementasche sich nicht mehr anlegt. Fig. 3 ist ein Längsschnitt}; durch einen Embryo von Sterna hirundo. Der dritte Kiemenbogen wird, wie man sieht, durch den N. glosso-pharyngeus innervirt. Vor demselben liegt das Ohrbläschen, zwischen dem N. acustieo-facialis und dem N. trigeminus liegt der Canalis tubo-tympanieus. Verfolgt man die Schnittserie nach der Peripherie, so überzeugt man sich leicht, dass der Suleus tubo-tympanieus zwischen dem ersten vom N. tri- geminus versorgten und dem zweiten, von dem Facialisast des N. acustico-facialis innervirten Kiemenbogen in die Mundhöhle ein- mündet, mithin eine nach oben, aussen und,vorn gerichtete Ausstül- pung der ersten Kiementasche bildet. Die Säugethiere zeigen vollkommen dieselben Verhältnisse ; nur ist es hier viel schwieriger als bei den Reptilien und Vögeln, die Nervenstämme und die Ganglien aufzufinden. Fig. 4 ist ein Sagittalschnitt durch einen Kaninchenembryo, bei welchem die drei vordersten Kiemenspalten deutlich vorhanden, die vierte Kie- mentasche dagegen noch nicht nach aussen durchbrochen war. Der fünfte Kiemenbogen kommt bekanntlich bei den Säugethieren nicht oder nur spurweise zur Entwicklung. Der Canalis tubo- tympanicus zeigt sich auch hier wieder als eine nach aussen, oben und vorn gerichtete Ausstülpung der ersten Kiementasche; aus seiner Lage zwischen dem N. trigeminus und dem Acustieo-facialis Die Beziehung der ersten Kiementasche z. d. Anlage d. Tuba Eustachii ete. 529 folgt auch wieder, dass er mit der Spritzlochkieme der Selachier homolog ist. Ueber die Bildung des Trommelfells bin ich noch zu keinen befriedigenden Resultaten gelangt. Literaturangabe. 1) F.M. Balfour. A Treatise on comperative Embryology T. II. 1881. 2) Hunt. A comperative sketch of the developement of the ear and eye in the Pig; in: Transactions of the international Otological Congress. 1876. 3) A. von Kölliker. Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. 1879. j 4) W. Moldenhauer. Zur Entwicklung des mittleren und äusseren Ohres; in:3Morphol. Jahrb. Bd. II. 1877. ’ 5) V. Urbantschitsch. Ueber die erste Anlage des Mittelohres und des Trommelfelles; in: Mitiheilungen aus dem embryologischen Institut in Wien. Heft I. 1877. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XXV, Fig. 1—4. Fig. 1—2. Zwei Sagittalschnitte durch einen Embryo von Tropidonotus natrix. Vergr. %/,. Fig. 3. Sagittalschnitt durch einen Embryo von Sterno hirundo. Vergr. #0/,. Fig. 4. Sagittalschnitt durch einen Embryo des Kaninchens. Vergr. ?/,. Für alle Figuren gültige Bezeichnung. I. LI. Erster, zweiter Kiemenbogen u. s. w. a Auge. af N. acustico-facialis. bg Blutgefäss (Vena jugularis wahrscheinlich). gph N. glosso-pharyngeus. k d Kopfdarm. 530 C. K. Hoffmann: Ueber das Amnion des zweiblättrigen Keimes. 1kt, 2kt Erste, zweite Kiementasche. l Linse. m Mund. ohr b Ohrbläschen. trig N. trigeminus. v N. vagus. wh Wand der Hirnblase. Ueber das Amnion des zweiblättrigen Keimes. Von Dr. © K. Hoffmann, Professor an der Reichsuniversität zu Leiden. Hierzu Tafel XXV, Fig. 5 u. 6 und 4 Holzschnitte. Eines der demnächst erscheinenden Hefte der Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie wird einen kleinen Beitrag zur Entwick- lungsgeschichte der Reptilien von mir erhalten, unter anderm auch über die Anlage des Amnion bei dieser niedrigsten Amniota (Ei- dechsen und Schlangen). Die von Strahl (8) gemachte wichtige Entdeckung, dass bei den Reptilien das Kopfamnion anfangs nur aus Ektoderm und Entoderm besteht, habe ich vollständig bestäti- sen können. Das Kopfamnion legt sich hier nämlich schon an, noch bevor das Blastoderm drei- resp. vierblättrig geworden ist, die Folge davon ist, dass das Ampion aus den beiden primären Keimblättern besteht. Dieser so von einem Amnion umgebene Theil des Embryo wird sich nun dadurch kennzeichnen, dass die Keimblätter scheinbar umgekehrt liegen, das Ektoderm liegt innen, das Entoderm aussen; der Raum, in welchem dieser Abschnitt liegt, wird unten durch den Nahrungsdotter, oben durch das Bla- stoderm gebildet. ""Der eben genannte Zustand ist aber nur vor- übergehend, denn in spätern Stadien der Entwicklung zeigt das Ueber das Amnion des zweiblättrigen Keimes, 531 Amnion dieselben Verhältnisse wie bei den Vögeln und besteht aus dem Ektoderm und dem somatopleuren Mesoderm. Die Zu- sammensetzung des Amnion aus den beiden primären Keimblättern scheint mir aber der primäre Zustand zu sein; die höchst eigen- thimliehen Zwischenstufen, welche das Amnion bei seinem Ueber- gange aus diesem primären Zustande in den später erworbenen zeigt, sowie die Ursachen, welche dies bedingen, kann ich hier nicht in kurzen Worten wiedergeben, sondern muss auf die eben genannte Arbeit hinweisen; nur so viel kann ich sagen, dass die- selben mit der Anlage des Mesoderms in engem Zusammenhang stehen und durch die Coelomtheorie von Oscar und Richard Hertwig, wie mir scheint, vollständig erklärt werden. Denkt man sich den Fall, das Amnion entwickelesich bei einem Säugethierembryo bereits vollständig, wenn das Blastoderm noch zweiblättrig ist und stellt man sich einen Querschnitt vor, der gerade durch den Am- nionnabel geht, dann wird man ein Bild erhalten, wie dies die Holzsehnittfigur 1 zeigt. In dem Theil des Blastoderms, in wel- Schematischer Quersehnitt durch die früheste Anlage des Amnion des zweiblättrigen Kernes. ah Amnionhöhle. an Amnionnabel. blh Blastodermhöhle. ekt a Ektodermales Amnion. ent a Entodermales Amnion. ektb Ektoderm des Blastoderms. ent b Entoderm des Blastoderms. ent Entoderm. ekt Ektoderm. Fig. 1. chem später der Embryo sieh anlegen wird, liegen die Keimblätter scheinbar umgekehrt; das Entoderm liegt aussen, das Ektoderm liegt innen, bei einem solchen Embryo kann sich ein Dottersack nicht entwickeln. Denkt man sich nun ein späteres Stadium, in welchem sich das ektodermale Amnion schon vollständig geschlossen hat, das entodermale aber noch nicht, dass indessen Darm, Chorda, Medul- larfurche und Mesoderm sieh angelegt haben, dass das paarige Coelom entstanden ist und sich immer weiter und weiter ausbrei- tet, dann werden die Folge davon sein, dass das Entoderm immer 532 C. K. Hoffmann: mehr“und mehr nach unten zurückgedrängt wird und die Stelle einzunehmen anfängt, in welchem man es gewöhnlich kennt und wie dies die Holzschnittfigur 2 zeigt. Schematischer Querschnitt durch ein „enba frühzeitig angelegtes Amnion in einem „„ekt.b. spätern Stadium der Entwickelung. „ent.b, a.h ekt. b bl.h ent.b sag EEE on wıe in Fig. 1. ent a | c Coelom ch Chorda. d Darm. e Epidermis. m Mesoderm. mf Medullarfurche. Denkt man sich noch ein späteres Entwicklungsstadium, in wel- chem der Darm abgeschnürt ist und das Coelom der einen Seite dorsal- und ventralwärts in Begriff steht, mit dem der anderen Seite sich zu vereinigen, wie dies Holzschnittfigur 3 zeigt, und stellt man sich vor, dass diese Verwachsung schon stattgefunden hat, dann erhält man das Amnion, wie man es gewöhnlich kennt. Fig. 2. Schematischer Querschnitt durch ein frühzeitig angelegtes Amnion in einem noch späteren Stadium d. Entwickelung. a.h e bI.h ekt.a wie in den beiden C ekt. b vorhergehenden ch ent.b Figuren. d mk Medullarcanal. som. a Somatopleura des Amnion. som.b Somatopleura des Blastoderms. spl.b Splanchnopleura des Blastoderms, Den Fig. 3, Kann dieser primäre Zustand des Amnion auch die Erklärung der sog. Umkehrung der Keimblätter beim Meerschweinchen, Maus und anderen Nagern geben, wie uns dies aus den Untersuchungen von Reichert (2), Bischoff (1), Hensen (3, 6, 6°), Schäfer (4), Kupffer (5) und Selenka (7) bekannt ist? Ich glaube wohl. Die Einstülpungshöhle wäre dann einfach die Höhle des Amnion; Ueber das Amnion des zweiblättrigen Keimes. 533 die Einstülpungsöffnung, die Amnionöffnung in Begriff sich zu schliessen, der sogenannte Träger oder Zapfen, der Amnionnabel, welcher den Embryo mit dem Uterus verbindet, indem er sonst nach Schliessung der Amnionnaht vollständig frei innerhalb der Blastodermhöhle liegen würde. Vollständig erklärt wäre dann Hensen’s Mittheilung in seinen ausgezeichneten Untersuchungen über die Entwicklungsgeschichte des Kaninchens und Meerschwein- chens, dass beim letztgenannten Nager der Dottersack vollständig fehlt, denn er kann hier nicht zur Anlage kommen. Ich habe selbst noch keine Gelegenheit gehabt, die Entwicke- lung des Meerschweinchens oder der Maus zu studiren und wenn ich es dennoch wage, die sogenannte Umkehrung der Keimblätter auf den primären Zustand des Amnion zurückzuführen, dann ge- schieht dies einfach aus Analogie mit dem, was die Entwicklungs- geschichte der Reptilien mich gelehrt hat, wo das Amnion ähn- liche Zustände zeigt, und mit dem, was die Entwicklungsgeschichte des Kaninchens uns vors Auge führt, wo ebenfalls noch deutlich die Reste eines solchen primären Zustandes des Amnion vorhan- den sind. Hier aber sind die Verhältnisse etwas anders als beim Meerschweinchen, denn beim Kaninchen entsteht das Amnion viel später, wenn das Blastoderm fast überall schon, ausgenommen in seinem vorderen Theil, vierblätterig geworden ist; bei Embryonen mit 6 Urwirbeln schien es mir, als ob das Amnion im Begriffe stände, sich zu bilden, bei solchen mit 10 Urwirbeln, war es aber deutlich vorhanden, wenigstens gilt dies für das Kopfamnion. Auf die eigenthümlichen Verhältnisse des Mesoderms am Kopfende junger Embryonen hat schon Kölliker (Entwg. p. 270) hinge- wiesen. Auf Taf. XV, Fig 5 gebe ich einen Querschnitt durch die Gegend der Augenblasen eines Embryo des Kaninchens mit 10 Urwirbeln; dieser Theil ist, wie man sieht, von einem aus zwei Häuten gebildetem Amnion umgeben, von welchem das eine aus Ektoderm, das andere aus Entoderm besteht, erstgenanntes liegt innen, letztgenanntes aussen, die Keimblätter sind also scheinbar umgekehrt, aber hier fällt es gleich auf, dass diese scheinbare Umkehrung der Keimblätter einfach auf dem bis jetzt weniger be- kannteng Zustande beruht, bei welchem das Amnion nicht aus Ektoderm und splanehnopleurem Mesoderm, sondern aus Ektoderm und Entoderm besteht. Und dass dies wirklich so ist, geht aus 534 C. K. Hoffmann: zwei Gründen hervor: 1) aus der Lage des Blastoderms, 2) aus der Betrachtung der weiter nach hinten gelegenen Schnitte. Was die Lage des Blastoderms betrifft, so liegt es nämlich, wie die Fig. 5 zeigt, über dem Embryo, d. h. auf dessen dorsaler Seite. In der Achse ist dasselbe noch zweiblätterig, neben der Achse dagegen vierblätterig, den Spaltraum zwischen den beiden Mesodermblättern kann man das Blastodermeoelom nennen. Ein Paar Schnittemehr nach vorn hat sich das Blastodermeoelom der einen Seite mit dem der anderen vereinigt und es liegt demnach auch ein Coelom in der Achse des Blastoderms. Fig. 6 ist ein Schnitt mehr nach hinten genommen; er geht durch den vordersten Theil des Herzens. Das Amnion zeigt denselben Zustand wie in dem vorher beschriebenen Schnitt, mit dem Unterschiede, dass wohl das ektodermale Amnion vollständig fertig ist, das entodermale sich aber noch nicht geschlossen hat, das Blastodermeoelom der einen Seite ist von dem der andern Seite geschieden und steht auch noch ausser Zusammenhang mit dem Coelom des Embryo; ein paar Schnitte mehr nach hinten steht auch das ektodermale Amnion noch offen und geht das Blastodermeoelom ceontinuirlich in das Embryocoelom über und noch etwas mehr nach hinten ist von einem Amnion nichts mehr zu sehen; das Blastodermeoelom ist jederseits ein mächtiger Hohlbaum geworden, welcher das Ento- derm wieder in seine normale Lage zurückgedrängt hat und wenn das Amnion in einer etwas spätern Entwicklungsperiode sich hier anzulegen anfängt, wird es nichts Auffallendes zeigen, denn es wird aus Ektoderm und somatopleurem Mesoderm bestehen. Wer- fen wir noch einen Blick auf Fig. 5. Vorn, haben wir gesehen, hat das Blastodermeoelom der einen Seite sich mit dem der an- deren Seite vereinigt, diese Vereinigung wird bald mehr und mehr nach hinten sich ausbreiten und indem gleichzeitig das so unpaa- rig gewordene Blastodermeoelom nach allen Richtungen grösser wird, ist es klar, dass es bald das dorsalwärts gelagerte Entoderm nach der ventralen Seite zurückdrängen wird; dabei nimmt dann das Amnion die Gestalt an, in welchem wir es gewöhnlich kennen und kommt der Kopftheil des Embryo, der anfangs in einem Raum liegt, der ringsum durch das ganze Blastoderm — die Blastoderm- höhle — umschlossen ist, jetzt in einen Theil der allgemeinen Leibeshöhle — in das Blastodermeoelom zu liegen, wie das aus einem schematischen Längsschnitt — vergl. Holzschnitt Fig. 4 — Ueber das Amnion des zweiblättrigen Kernes. 535 vollkommen deutlich wird. In dieser Figur, ein idealer axialer Längsschnitt durch einen Kaninchenembryo mit 10 Urwirbeln, stellt das kleine Stückchen Mesoderm (m) das durch die Vereinigung ekt.b, ent.b. Schematischer Längs- BIP schnitt durch das Amnion eines Kaninchenembryo ah. mit 10 Urwirbeln. a.h ent.a ekt.b | d ekt.a ent.b e ent. mk | m Mesoderm mit Höhle. vorig. Fig. Wie in den Fig. 4. des ursprünglich paarigen, jetzt unpaarig gewordene Blastoderm- coelom vor. Denkt man sich einfach dasselbe nach allen Seiten stark ausgedehnt, dann kehren alle Verhältnisse wieder, wie man sie gewöhnlich für das Amnion kennt. Aus dem Mitgetheilten dürfte aber hervorgehen, dass bei allen Amniota, bei welcher das Amnion sich anlegt, wenn der Keim noch zweiblätterig ist, die Keimblätter scheinbar umgekehrt liegen müssen, was um so täuschender der Fall zu sein scheint, je früher sich das Amnion anlegt. Mir scheint, dass die von den verschie- denen genannten Autoren beschriebenen Fälle von sogenannter Umkehrung der Keimblätter einfach auf diesen primären Zustand des Amnion zurückzuführen sind. Leiden, 10. Dec. 1883. Literaturangabe. 1) Bischoff. Entwicklungsgeschichte des Meerschweinchens. Giessen. 1852. 2) Reichert. Beiträge zur Entwicklungsgeschichte des Meerschwein- chens. Berlin. 1862. 3) V. Hensen. Beobachtungen über die Befruchtung und Entwicke- lung des Kaninchens und Meerschweinchens; in: Zeitschrift f. Anat. und Entwicklungsgesch. Bd. I. 1876. 4) Schäfer. A contributation to the history of development of the guinea pig; in: Journ. of. Anat. and Phys. Vol. X and X1. 1876 and 1877. 5) C. Kupffer. Das Ei von Arvicola arvalis und die vermeintliche 536 C. K. Hoffmann: Ueber das Amnion des zweiblätterigen Keimes. Umkehr der Keimblätter an demselben; in: Sitzb. math.-phys. Klasse der Münchner Akademie. 1882. 6) V. Hensen. Vortrag über die Ableitung der Umkehr der Keim- blätter des Meerschweinchens; in: Verhandl. des physiol. Vereins in Kiel. 1882, 6a) Derselbe. Ein frühes Stadium des im Uterus des Meerschwein- chens festgewachsenen Eies (Ableitung der Umkehrung der Keimblätter; in: Archiv f. Anat. und Entwg. Anat. Abth. p. 61. 1883. 7) Selenka. Keimblätter und Gastrulaform der Maus; in: Biol. Cen- tralblatt II. 1882. — Studien über Entwickelungsgesch. der Thiere. Heft I. 1882. 8) Strahl. Beitrag zur Entwickelung der Reptilien; in: Archiv f. Anat. und Phys. Anat. Abth. 1883. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XXV, Fig. 5 und 6. Fig. 5, 6. Zwei Querschnitte durch den vorderen Theil eines Embryo des Kaninchens mit 10 Urwirbeln. Vergr. ®/. a.h Amnionhöhle. ch Chorda. bl. e Blastodermcoelom. d Darm. e Epidermis. ek. a Ektodermales Amnion. en. a Entodermales Amnion. ek.b Ektoderm des Blastoderms. en.b Entoderm des Blastoderms. h Herz, (Bulbusaorticus) end Endotheliale, myoc miocardiale Herzwand. m Mesoderm des Embryo. m‘ Mesoderm des Blastoderms. _ mf Medullarfurche. so Pericardiale Höhle. som Somatopleura des Embryo. spl Splanchnopleura des Embryo. som’ Somatopleura des Blastoderms. spl’ Splanchnopleura des Blastoderms. F. Decker: Ein neuer Schnittstrecker. 537 Ein neuer Schnittstrecker. Von Dr. F. Decker, Assistent am anatomischen Institut in Würzburg. Hierzu 2 Holzschnitte. Ohne Kenntniss zu haben von den in jüngster Zeit!) veröffent- lichten Apparaten, welche dazu dienen sollen, das Aufrollen mit dem Mikrotome hergestellter Schnitte zu vermeiden, habe ich im vorigen Sommer einen zu gleichem Zwecke bestimmten Apparat construirt, welcher nach mehrfachen Verbesserungen nunmehr in eine Form gebracht ist, in welcher er sich bei möglichster Ein- fachheit vollkommen bewährt hat. Es mag vielleicht überflüssig erscheinen, mit diesem Apparat, welcher dem von Andres, Giesbreeht und Mayer bekannt gemachten in manchen Theilen ähnlich ist, an die Oeffentlichkeit zu treten; da aber Idee und Durchführung auf selbständiger Grund- lage sich entwickelten, auch in der Verwendung einer drehbaren Walze eine Verbesserung erblickt werden kann gegenüber den bereits vorhandenen, erst später mir bekannt gewordenen Instru- menten, so nehme ich keinen Anstand, die erwähnte Vorrichtung bekannt zu geben, zumal sich auch bereits Andere durch eigene Versuche von der Brauchbarkeit des Apparates überzeugt haben. Mein erster Versuch, dem oft so lästig empfundenen Uebel- stande, dass sich mikroskopische Schnitte häufig in sehr engen Windungen aufrollen, zu begegnen, war ein sehr primitiver. Es wurde ein Pferdehaar an beiden Enden der Messerschneide mit 1) F. E. Schulze: „Ein Schnittstrecker.‘“ Zool. Anzeiger. 6. Jahr- gang. 1883. pag. 100. r A. Andres, W. Giesbrecht und P. Mayer: ‚‚Neuerungen in der Schneidetechnik.“ Mittheilungen aus der zool. Station zu Neapel. IV. Bd. pag. 429. 538 F. Decker: Terpentinwachs in möglichst geringer Entfernung von der Schneide und mit ihr parallel festgeklebt. Für Schnitte von kleiner Flächen- ausdehnung war damit schon etwas gewonnen, aber bei solchen von grösseren Dimensionen blieb der alte Uebelstand bestehen, indem die Schnitte sich um das Pferdehaar rollten, wenn auch weniger gekrümmt, als es sonst der Fall gewesen wäre. Bessere Resultate wurden erzielt, als ein System von mehreren Rosshaaren angewandt wurde, welche in geringen Abständen zu einander pa- rallel so befestigt waren, dass jedes folgende — in der Richtung von der Schneide zum Rücken des Messers gerechnet — etwas weiter von der oberen Klingenfläche abstand als das vorhergehende. Misslich blieb dabei immer das Herausnehmen der Schnitte aus dem keilförmigen Zwischenraum zwischen der Serie von parallel gespannten Haaren und dem Messer. Von der Ausführung des Gedankens, statt der in einer Fläche angeordneten Pferdehaare eine solide Platte anzuwenden, welche mit einer Längskante zur Schneide in geringer Entfernung, mit der anderen Längskante zur oberen Klingenfläche in grösserem Abstande als an der Schneide parallel hätte gestellt werden müssen, wurde abgesehen, weil das Gelingen tadelloser Schnitte für das Auge nicht mehr controllirbar das Entfernen der Schnitte aus dem keilförmigen Raume zwischen Messer und Streekplatte zeitraubend und einer Erhaltung der Prä- parate in unverletztem Zustande wenig dienlich, eine Vorrichtung aber zum Aufklappen der Streckplatte bei fortgesetztem Gebrauche ebenfalls zu umständlich und ohne Gefährdung der immerhin mit einiger Mühe zu erreichenden Justirung schwer durchführbar er- scheinen musste. Es war also eine solche Einrichtung erforderlich, welche einer- seits eine hinreichend grosse Fläche bot, um die Ausbreitung der Sehnitte zu bewerkstelligen, andrerseits aber ein leichtes Entfernen der Schnitte vom Messer möglich machte ohne gleichzeitige Schädigung der Einstellung. Diese beiden Bedingungen versprach nun eine um ihre Axe drehbar angebrachte Walze gleichzeitig zu erfüllen und in der That rechtfertigte der erste in diesem Sinne angestellte Versuch die gehegten Erwartungen und lieferte ein so befriedi- gendes Resultat, dass die Aufgabe als prineipiell gelöst betrachtet werden konnte. Es kam nur noch darauf an, die nöthigen Ver- feinerungen anzubringen, um einen für alle Fälle brauchbaren Apparat zu erhalten. Ein neuer Schnittstrecker. 539 Die primitive Form (Fig. 1) ist so einfach, dass man sich die Vorrichtung leicht selbst anfertigen kann. In dieser einfachen Gestalt ist sie anwendbar, wenn es sich nur um einzelne oder um eine grössere Zahl von Schnitten handelt, ohne dass die Anfer- tigung einer ununterbrochenen Serie gefordert wird. Ein vollkommen gerader und glatter Messingdraht b von 2mm Dicke und ca 7em Länge wurde dureh eine möglichst genau eylindrische Glasröhre a von 5 em Länge und einer Lichtung von wenig mehr als 2 mm gesteckt, so dass die Röhre, ohne zu schlottern, leicht um den Draht drehbar war. Vor und hinter der Röhre, deren Endflächen glatt geschliffen waren, wurde eine kleine Metallscheibe e angebracht, um das Abgleiten der Glasröhre in der Längsrichtung zu verhindern. Un- sefähr 1 em hinter der Röhre wurde das freie Ende des Messingdrahtes, dem stumpfen Winkel des Messers zwischen Griff und Klinge entspre- chend, abgebogen und auf das Ende eines Metallstreifens d von ca 1,5 cm Breite und mehreren Centime- tern Länge aufgelöthet. Sodann wurde der Metallstreif zugleich mit Fig. 1. dem Messergriff, dessen oberer Fläche aufliegend, auf den Messer- träger aufgeschraubt und so lange über die Fläche nach abwärts gebogen, bis die tiefste Seitenlinie des Mantels der Glaswalze zur Messerscheide in sehr geringer Entfernung parallel stand. Mit Hilfe dieser einfachen Vorrichtung liessen sieh ohne Mühe dünne Schnitte von ziemlich grossem Flächeninhalt — Querschnitte dureh die Hirnstiele des Menschen — vollkommen glatt und tadellos herstellen. So brauchbar auch diese ursprüngliche Form ist, wenn die 540 F. Decker: richtige Einstellung fortwährend beibehalten wird, so hat sie doch einige Unbequemlichkeiten im Gefolge. Für jede neue Stellung des Messers nämlich muss auch die Justirung der Walze theils durch Verschiebung, theils durch Biegen des Metallstreifens d neu vorgenommen werden, was selbstverständlich immer mit Zeitver- lust verbunden ist, ganz abgesehen von missglückenden Versuchen. “ Auch die Reinigung der Messerscheide wie der Glaswalze kann nicht gut ohne gänzliches Abnehmen der letzteren geschehen. Sogar stärkeres oder geringeres Anziehen der Schrauben, durch welche Messer und Schnittstrecker befestigt werden, kann unter Umständen die richtige Einstellung des letzteren alterieren. Aus diesen Gründen strebte ich darnach, den Streckapparat so am Messer anzubringen, dass eine schnellere und bequeme Einstellung der Walze zur Schneide möglich werde, unabhängig von der je- weiligen Richtung des Messers gegen das Objeet. Es hat sich nun folgende Construction (Fig. 2) bewährt: f ddl N EN Mm Fig. 2. Als Träger der Walze dient ein federnder Stahlbügel e, wel- cher vom freien Ende des Messers aus über dasselbe bis zur Um- biegungsstelle gegen den Griff geschoben wird. Durch Senken 5 der Schraube f, welche die Convexität des Bügels e durchsetzt, wird ein längliches Stahlplättchen g, annähernd von der Breite des Messerrückens, gegen letzteren gepresst, wodurch die Branche des Bügels gegen den Rücken gleitend weiter von einander sie entfernen und in Folge dessen durch Gegenwirkung das Mess immer kräftiger zwischen sich fassen. Nach wenigen Umdrehunge® Ein neuer Scehnittstrecker. 54l der Schraube f ist der Bügel hinreichend auf dem Messer festge- stell. Auf der oberen Branche ist ein Messingblock h mittelst Charnier so befestigt, dass dessen Axe der Längsrichtung des Messers parallel unter der Mitte des Blockes durchläuft. Der letz- tere trägt drei Bohrungen. Eine derselben geht in horizontaler Richtung senkrecht zur Längsrichtung des Messers und ist dazu bestimmt, den durch die Glaswalze a geführten Messingdraht b aufzunehmen, welch’ letzterer nunmehr rechtwinkelig in seinem hinteren Abschnitte umgebogen ist. Die Feststellung desselben geschieht durch die Druckschraube k. Die beiden anderen, den Messingblock h in gleichen Abständen von dessen Charnieraxe und senkrecht zur Messerfläche durchsetzenden Bohrungen dienen zwei Stellschrauben i und i‘ zur Führung, welche mit ihren unteren Enden die obere Branche des Stahlbügels e berühren. Gleichzei- tiges Heben der einen und Senken der anderen Stellschraube be- wirkt Senkung der einen und Hebung der anderen Hälfte des Blockes h und folglich Aerderung des Abstandes zwischen Glas- walze und Messerschneide. Die Parallelstellung der Cylinderkan- ten zur Schneide wird durch Drehung, die genaue Einstellung über der Schneide durch Längsverschiebung des hinteren Schenkels von b innerhalb des Blockes h und nachträgliche Fixirung durch die Schraube k vollzogen. Im Allgemeinen genügt für die Glaseylinder eine maximale Länge von 5em. Eine grössere Ausdehnung derselben wäre nur erforderlich, wenn Schnitte von sehr grosser Fläche von einer grösseren Strecke der unter sehr spitzem Winkel gestellten Messer- schneide hergestellt werden sollten, eine Bedingung, welche nur ausnahmsweise gestellt werden wird. Je nach dem Flächeninhalt der Schnitte erweist sich ein verschiedener Durchmesser der Walzen zweckmässig; doch wird man mit drei Einsätzen vollkommen aus- reichen, deren äussere Durchmesser bezüglich ca. 4, 6,9 mm betragen. Aus bis jetzt mir nicht klar gewordenen Gründen kommen die Schnitte entweder vollkommen eben der Messerklinge aufliegend oder der Walze angeschmiegt zum Vorschein. Im erstern Falle, worauf man jedoch a priori nicht rechnen kann, ist es auch mög- lich, Schnitte von grosser Fläche mit der dünnsten Walze anzu- fertigen; der Vortheil beruht in der leichteren Einstellung der dünnen Walzen. Sollte das Wegnehmen der Präparate dadurch erschwert sein, Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd, 23. 35 542 F. Decker: dass sich das Ende des Schnittes zwischen Messer und Walze ein- seklemmt hat, so wird geringes Drehen der Walze in dem durch den Pfeil in Fig. 2 angedeuteten Sinne diesen Mangel beseitigen. Die Befürchtung, dass die Schneide leicht verdorben werden könne, ist unbegründet, wenn man nur beim Aufsetzen des Appa- rates mit der zur Erhaltung einer guten Schneide überhaupt nöthi- gen Vorsicht zu Werke geht. Bei Verwendung einer gebogenen Nadel oder eines sonstigen Instrumentes zum Niederhalten der Schnitte hat man sicher viel öfter Gelegenheit, die Schneide un- liebsamen Berührungen auszusetzen. In jedem Falle ist es im In- teresse der Schonung des Messers, wenn die beiden kreisförmigen Grundlinien des Cylinders schräg abgeschliffen sind. Ueberflüssig erscheint es fast, darauf aufmerksam zu machen, dass neben richtiger Härte des Paraffins oder der sonst gebräuch- lichen Einbettungsmassen Reinheit der Schneide wie der Walze Grundbedingung für gutes Functioniren des Apparates ist. Paraffin- scheibehen lassen sich unter Drehung der Walze immer leicht mit einem weichen Pinsel entfernen. Stärkere, bröckelige Verunreini- gungen, welche immer auf eine ungeeignete Consistenz der Ein- bettungsmasse schliessen lassen, werden ohne Gefährdung der Ju- stirung von Messer und Glaseylinder entfernt, nachdem man bei unveränderter Stellung der Schrauben i’ und k die Stellschraube i zurückgeschraubt und hierauf die Walze ‘nach oben geklappt hat. Durch Zurückbringen der Walze nach vorgenommener Reinigung und Niederschrauben von i bis zur Berührung mit dem Bügel e ist die alte Einstellung wieder gewonnen. Man kann je- doch auch durch Lüften der Schraube k den ganzen Einsatz ent- fernen und nachdem derselbe sammt dem Messer gesäubert ist, wieder an Ort und Stelle zurückbringen; nur muss dann die Pa- rallelstellung der Walze sowohl als deren richtige Lage über der Schneide wieder neu gesucht werden, während die Einstellung für die Sehnittdieke unverändert bleibt. Der beschriebene Apparat ist für Messer verschiedener Mi- krotome anwendbar. Versuche wurden angestellt bei den Schneide- apparaten von Long, Zeiss, Schanze und Jung. Sollte der Bügel e, wie dies bei den älteren Long’schen Instrumenten der Fall ist, an der Mittelrippe beider Schlitten streifen, so kann derselbe auch weiter gegen das freie Ende des Messers hingeschoben und das Kniestück b nebst der Walze a um den hinteren Schenkel Ein neuer Schnittstrecker. 543 von b, 180° in sagittaler Richtung gedreht, eingesetzt werden. Nur bei ausnahmsweise grosser Dieke des Messerrückens müsste der Bügel eine bedeutendere Spannung erhalten, und es wäre in diesem Falle die Dieke des Messerrückens bei Bestellungen anzugeben. Die mit Hülfe des Schnittstreckers hergestellten Schnitte müssen bald in Terpentinöl oder dergl. behufs Entfernung des an- hängenden Paraffins gebracht werden; denn wenn man dieselben unaufgelöst längere Zeit aufbewahrt, so pflegt wahrscheinlich in Folge von Temperaturdifferenzen ein nachträgliches, wenn auch geringes Aufrollen einzutreten. Stellt man Messer und Streckapparat so, dass der fertige Schnitt an das vordere Ende der Walze — bei ce, Fig. 2 — zu liegen kommt, so kann man denselben hier liegen lassen und wei- ter schneiden, da die nächstfolgenden Schnitte ihre Vorgänger vor sich her schieben; die früheren Schnitte fallen dann von selbst vom Messer ab und in eine unter die Objeetklammer gestellte Schale mit Terpentinöl. Es lässt sich so in kürzester Zeit eine grosse Anzahl von Schnitten herstellen, da die linke Hand nur zum Einstellen des Objectes, die rechte nur zur Messerführung, keine derselben aber zum Abnehmen der Schnitte in Anspruch ge- nommen wird. Bei Mikrotomen mit vertikaler Mikrometerschraube am Öbjectschlitten, wie beim Körting-Zeiss’schen Instrument, kann man sich diese Vereinfachung leicht zu Nutzen machen. Bedingung für zuverlässiges Funktioniren dieses Schnitt- streckers ist, dass die zu den Walzen verwendeten Glasröhren mög- lichst genau eylindrisch sind, sowohl am äussern als am innern Umfang; es muss daher deren Auswahl mit aller Sorgfalt vorge- nommen werden. Versuche mit anderem Materiale, welches sich auf der Drehbank leicht verarbeiten lässt, hatten keinen besseren Erfolg, da sich der hohe Grad von Glätte der Oberfläche weder in gleichem Masse herstellen, noch auf die Dauer erhalten lässt. Die Ausführung des beschriebenen Apparates, dessen Haupt- vorzug ich in der drehbaren Walze erblicke, hat Herr Gustav Stöber dahier übernommen, welcher mich bei meinen Versuchen bereitwilligst unterstützte und welcher exact gearbeitete Exemplare mit drei Einsätzen in kürzester Zeit zu liefern im Stande ist, Würzburg, d. 1. April 1884. imd 153 , . J = * E AR . } Ir, 4 ' . ü f r ihr - i i ist # 4x # D 1 “ . ' “ * i ” „ » 4 34 3 Li de Universitäts-Buchäruckerei zen Carl Georgi in Bonn PT - au - in; ‚. | N } KIRE 3 Te | Ba $ s } rk En. Br ' Ye Ban - j as An “ j Iyzik äh j ER ‘ tu} ur H si Eh Ur; ? } Wnoe u Archin£ mikroskon. Inatomie = "io. ra FU Ew Al j i | Fig. 29. | j W ! ; wand Aha =, — ER . { NE sn | _— g B. i %“ Biö} Br Ks ——— 1 1.) men Pig.39. Pig.30. JbBach.Leipzig Lin in 0: Anatomie. Ba. XXI. 2 a: | A mg BR = es et mn U. 0 NO NLTOR 23 2017. 11220 u w a Krapf ad nat. del % i. J b} Archiv mikroskopAnatornie Bd.XM. Fy N... dıo > ] E HL en \ STE: N } % N r IV dwir) al n x Be | ARNDT TTenTeFTTTAEBTERTETRTTT Lith.Anstw.d.6.Bach, Leipzig. L; = - » “ . D “ 7 2 ’ * F} # » - s ’ » - Muster ” Archiv Fmikroskop. Anatomie Ba. XAU. i R Taf. V. et - er x Lieh,Anst v.J.6.Bach, Leipzig [2} Archiv Em ikroskop.Anatom ve Bd XNT. ch.n.o. ra.om)- x nude, Lith.Anst 2J.0 Bach. Leipgia ‘ D * ‘ . E + . “ Mr f nr “ . * E . 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Fig. IE. ce------ ee ri, a EDER d ie . * ze ” 7 34 Be} : * Irchiv £ mikroskop Anatomie. Bd. XX. , Taf. XXV. zur som „pl .K.Hoffmann del. 2 u EN I: AH [Pr BR B we 2} . De \ r EZ LEITETE SEN, A, “ EEE NER ESEL r en gR: % £ Syn vn * ER u OR x) . ’ rer } > f „> P» > BER BON Bo „h wer « fr de} Ay Pr u% Y W au va 4 A SEHR j AN en j & x 5 er u) Y ehe, 1,0 ‘ IRRE SP RR ) 2 GREEK NEN URN En, ee N, Ei ORT HL. Tr h by % 0