che S Re) ar ER IE: N er Sun . 2% } ! AR ER 2: EEE ö RR TNENE NEN S NEN x GR ee en Ser on Archiv Mikroskopische Anatomie herausgegeben von v. la Valette St. George in Bonn und W. Waldeyer in Strassburg. Fortsetzung von Max Schultze’s Archiv für mikroskopische Anatomie. Vierundzwanzisster Band. Mit 27 Tafeln. Bonn Verlag von Max Cohen & Sohn (Fr. Cohen) 1885. — » ’a IR IR Inhalt. Das Gehör- und Geruchsorgan der Spinnen. Von Friedr. Dahl in Neustadt i. H. Hierzu Tafel IA MEN Zur Kenntniss der Herznerven. Von Kasem- Brecht Ah dem Labo- ratorium von Prof. Joh. Dogiel in Kasan.) Hierzu Tafel IB Die postembryonale Entwicklung der Epidermis des Siredon pisciformis. Von Justus Carriere. Hierzu Tafel II und III MIR Studien über Regeneration der Gewebe. Von W. Flemming, Prof. der Anatomie in Kiel. I. Die Zellvermehrung in den Lymphdrüsen und verwandten en und ihr Einfluss auf deren Bau. Hierzu Tafel IV ee, Ta Ueber W oerketofildungen: im er renebe, Fr: In der Umgebung der Schwanzwirbelsäule einiger Saurier. II. Im Mesenterium des Men- schen. Von Prof. Jos. Schöbl in Prag. Hierzu Tafel V und VI Bemerkung zu dem Aufsatze des Herrn Schiefferdecker „Zur Kennt- niss des Baues der Schleimdrüsen“. Von Dr. Josef Paneth.. Ueber Zellen des Glaskörpers. Von Dr. Hans Virchow, II. Prosektor am anatomischen Institute zu Berlin. Hierzu Tafel VII, Fig. 1—5 Durchtreten von Granulosa-Zellen durch die Zona pellucida des Säuge- thiereies. Von Dr. Hans Virchow. Hierzu Taf. VII, Fig. 6—9 Ueber die Einwirkung des Lichtes auf Gemische von chromsauren Salzen - (resp. Chromsäure), Alkohol und extrahirten organischen Substanzen. Technische Mittheilung. Von Dr. Hans Virchow . Ueber die Haut des Axolotls. Von Dr. Paulicki, Oberstahsarat in Strassburg i. E. Hierzu Tafel VIII und IX . : Ueber den Bau der Magenschleimhaut. Von Nikolai Brimkler! «= krönte Preisschrift der Universität Charkow.) Hierzu Tafel X und XI Zur Kenntniss der Samenblasen beim Meerschweinchen. Von Charles Sedgwick Minot. (Aus dem Laboratory for Histology and Em- bryology of the Harward Medical School, Boston, Mass.). Hierzu Tafel XI . | - ß Beitrag zur Ban chlungsgesphichte des Gorkraelanrgalis bei Ka ninchen. Von Dr. Friedr.Hermann, Assistent am anatomischen Institute zu Erlangen. Hierzu Tafel XIII aan Beiträge zur Histiologie der Pteropoden und Hetaropoden. Yon Dr. Josef Paneth. (Aus dem Laboratorium der französischen zoologi- schen Station in Villefranche bei Nizza.) Hierzu Tafel XIV,XV, XVI Beiträge zur Kenntniss des Epitrichiums und der Bildung des Vogel- schnabels.. Von Edward G. Gardiner aus Boston, U. S. of A. Hierzu Tafel XVII und XVII Seite 19 50 92 98 99 113 117 120 174 211 230 289 IV Inhalt. Studien über Regeneration der Gewebe. (Fortsetzung.) (Aus dem ana- tomischen Institut in Kiel.) II. Zellvermehrung in der Tonsilla palatina beim Erwachsenen. Von Richard Drews, cand. med. Hierzu En 16 u auf Tafel XIX .. IV. Zellvermehrung in der Milz ee Rrsachsenen. Von Otto Möbius, Assistent am anatomischen Institut in Kiel. Hier- zu ie 18, Dar. XIX. ce Fe V. Zellvermehrung und ihre Bean, en in hyper- plastischen Lymphdrüsen und Tonsillen. Von Dr. E. Paul- sen, Privatdocent in Kiel. Mit Fig. 19 und 20, Taf. XIX VI. Zellvermehrung in der Thymusdrüse. Von Jos. Schedel, Assistent am chem. Univ.-Laboratorium in Kiel. Mit Fig. 21 und 22, Taf. XIX u. VII. Schlussbemerkungen über die eUkerrnehn ung ın den, lym- phoiden Drüsen. Von W. Flemming. . VIII. Ueber die Regeneration des Trachealepithels. Y on Dr Adolf Bockendahl in Kiel. Mit Fig. 23—26, Taf. XIX IX. Ueber die Regeneration verschiedener Epithelien durch mito- tische Zelltheilung. Von W. Flemmine. Mit Fig 27—37, Taf. XIX Ueber den Verdauungsapparat en Sinnen, Yin De: ei Denkken in Bonn. Hierzu Tafel XX und XXI. Zur Frage über den Bau der Retina bei Triton tale. on Prokesade Dr. Alexander Dogiel. (Aus dem histologischen Laboratorium der Universität zu Kasan.) Hierzu Tafel XXI Rp: Eine neue Verwendung des Hämatoxylin. Briefliche Mitheilung an W. Waldeyer. Von R. Heidenhain. (Aus dem physiologischen Institut zu Breslau.) . Si 5 LE RE Bee Der Westien’sche TE paselier. ch Dr. A. v. Brunn, Prof. in Rostock. Hierzu ein Holzschnitt B Partielle Furchung bei den Knochenfischen. Von Dr. 3% Taniokile, Par vatdocenten an der k. k. böhm. med. Fakultät in Prag Biologische Untersuchungen. I. Ueber den Einfluss der Schwere au das Froschei. Von Prosektor Prof. G. Born. (Aus dem anatomi- schen Institute zu Breslau.) Hierzu Tafel XXIII und XXIV Deber einige in Seethieren lebende Gregarinen. Von Dr. Johannes Frenzel in Berlin. Hierzu Tafel XXV und XXVI. Die Hämatozoen der Kaltblüter. Von Prof. B. Danilewsky aus Char- kow. Hierzu Tafel XXVIIA . VE ei. Araaaes Neozygites aphidis, eine neue Gregarinide. Von Dr. Emanuel Wit- laczil in Wien. Hierzu Tafel XXVIIB. Seite 338 342 37l 398 451 468 470 472 475 545 588 599 Das Gehör- und Geruchsorgan der Spinnen. S | : Von Friedr. Dahl in Neustadt i/H. Hierzu Tafel IA. Im vorigen Jahre machte ich im „Zoologischen Anzeiger‘‘t) eine kurze Mittheilung über eigenthümlich eingelenkte Haare bei - den Arachniden, die ich als Gehörorgan deutete. Ich habe seit- dem meine Untersuchungen über diesen Gegenstand, wie über- haupt über die Sinneswahrnehmungen der Spinnen fortgesetzt und erlaube mir, hier einige weitere Resultate zur Kenntniss zu bringen. Zunächst konstatirte ich, dass die Spinnen nicht nur Gehör-, sondern auch Geruchswahrnehmungen haben, und nach längerem Suchen gelang es mir, in den Maxillen ein höchst eigenthümliches Organ aufzufinden, das ich aus gleich zu erörternden Gründen als Geruchsorgan ansehen zu dürfen glaube. Bevor ich aber auf eine Beschreibung desselben eingehe, möchte ich noch einige Zusätze zur Darstellung des histologischen Baues sowohl als der systematischen Bedeutung der Hörhaare ge- ben und auch die schlechten Darstellungen der Holzschnitte durch bessere Zeichnungen ersetzen. Wie ich schon in jenem Aufsatz erwähnte, befinden sich die Hörhaare auf der Oberseite der Beine und Taster. Ich deutete auch schon an, dass man unsere einheimischen Spinnen mit Be- rüchsichtigung dieser Haare in zwei Gruppen eintheilen könne. Seit- dem habe ich fast alle Spinnen, die mir in geeigneten Exemplaren zur Verfügung standen, in Rücksicht darauf untersucht und kann nicht nur die dortige Behauptung aufrecht erhalten, sondern möchte 1) Zool. Anzeiger, Jahrg. 1883, p. 267 f. Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 24, 1 3 Friedr. Dahl: auch noch einige weitere Bemerkungen über die Eintheilung der Spinnen mit Benutzung dieses Merkmales machen. Ich eharakterisirte die erste Gruppe, die man schon nach andern Merkmalen von den übrigen Spinnen getrennt hat, folgen- dermaassen: I. Tibia mit zwei Reihen von Hörhaaren, Metatarsus mit nur einem Haar und der Tarsus mit einem Becher ohne Haar. Dazu ist zu bemerken, dass auf dem Metatarsus des vierten Beinpaares das Hörhaar fehlt!), und dass die eine Reihe auf den Sehienen mitunter nur aus einem einzigen Haar besteht, wie z. B. auf den Vorderschienen von Erigone pusilla Wid. Am eharakteri- stischsten scheint für diese Gruppe der rudimentäre Becher auf dem Tarsus zu sein, und ich glaube für die natürliche Gruppirung darauf einen besonderen Werth legen zu dürfen, weil der Becher als rudimentäres Organ für das Thier höchst wahrschein- lich gar keinen Zweck mehr hat und deshalb unmittelbar die Ver- wandtschaft andeutet. Der rudimentäre Becher kommt bei folgenden Familien vor: Epeiridae, Uloboridae, Theridiüdae und Pholeidae. — Von den Uloboridae habe ich leider nur Hyptiotes paradoxus OK. un- tersuchen können und auch davon nur ein abgeriebenes Exemplar, so dass ich die Zugehörigkeit zu dieser Gruppe nur an dem kleinen Becher nahe vor der Mitte des Tarsus erkannte. Die Stellung dieser Familie bei den Orbitelariae, die man nach der Form des Netzes schon früher gewählt hat, ist durch dieses neue Merkmal vollkommen gesichert. Ein so speeiell ausgebildeter Trieb, wie das Spinnen des eigenthümlichen Radnetzes, ist in der That ebenso wichtig als ein Organ, da es doch äusserst unwahrschein- lich ist, dass sich bei verschiedenen Thieren unabhängig von ein- ander ein so specieller Trieb entwickeln konnte. Infolge meiner Eintheilung in die zwei Gruppen sehe ich mich veranlasst, das von mir aufgestellte Genus P’hylloeca?) von den Agalenidae zu trennen und zu den Theridiidae zu stellen, ob- gleich mehrere andere Merkmale jene frühere Stellung zu recht- fertigen schienen. 1) Die einzige Ausnahme scheint die Gattung Zilla zu machen. 2) Schr. d. naturw. Ver. für Schlesw.-Holst. Bd. V, p. 61, und Analy- tische Bearbeitung der Spinnen Norddeutschlands. Kiel, 1883, p. 49. Das Gehör- und Geruchsorgan der Spinnen. 5 Bei Pachygnatha und Tetragnatha befinden sich auch auf den Schenkeln Hörhaare, und zwar habe ich sie bisher an dieser Stelle nur bei diesen beiden Gattungen gefunden. Sie stehen in zwei Reihen in der Nähe der Wurzel. Diese Thatsache bestätigt die schon von Bertkau!) aus andern Merkmalen gefolgerte Ver- wandtschaft der beiden Genera. Ich fasse sie deshalb nach seinem Vorgange als Pachygnathidae Bertkau in eine Familie zu- sammen und stelle diese zu den Orbitelariae.e Wie unter allen übrigen Gruppen hätten wir also auch unter den Radspinnen eine Gattung, die das Fangnetzspinnen gegen eine freie Lebensweise vertauscht hat. Pachygnatha nähert sich übrigens auch in der srössern Zahl der Hörhaare auf den Schienen den Zpeiridae. Es sind in einer Reihe vier vorhanden, während bei den Theridiidae gewöhnlich die Zahl drei nicht überschritten wird. Eine Ausnahme macht allerdings einerseits Steatoda und andererseits ist unter den Epeiridae die Zahl bei Singa und Cercidia- geringer. II. Der Tarsus nicht mit rudimentärem Hörhaarbe- cher, selten ganz ohne Hörhaar (Dysdera), gewöhnlich nebst Metatarsus und Schiene mit einer grösseren Zahl. Die Becher sind in dieser Gruppe weit weniger charakte- ristisch ausgebildet. Territelariae. Leider standen mir auch aus dieser Gruppe keine frischen Exemplare zur Verfügung und an Spiritusexempla- ren aus der zoologischen Sammlung in Kiel, welche Herr Professor Möbius mir gütigst zur Untersuchung überliess, waren die Hör- haare grösstentheils abgebrochen. Soviel schien mir indessen si- cher, dass hier eine grössere Zahl ziemlich regellos gestellter Haare auf den letzten Beingliedern vorhanden ist. Ist dies rich- tig, so steht die Abtheilung auch hierin allen übrigen Spinnen gegenüber. Die Dysderidae zeichnen sich durch die geringe Zahl der Hörhaare aus; es sind hier auf den Schienen nur 1—2 vorhanden, auf dem Metatarsus eins und auf dem Tarsus nur bei Segestria eins, während ein solches bei Dysdera und Harpactes ganz fehlt. Bei allen übrigen Familien findet sieh eine grössere Zahl von Hörhaaren auf allen drei Endgliedern der Beine. Je- 1) Bertkau, Versuch einer natürlichen Anordnung der Spinnen. In: Arch. f. Naturgeschichte. Berlin. 1878. 4 Friedr. Dahl: nachdem sich aber auf dem Tarsus eine oder zwei Reihen be- finden, kann man hier noch wieder zwei Gruppen unterscheiden: 1) Mit einer Reihe von Hörhaaren auf dem Tarsus. Amaurobidae, Agalenidae, Philodromidae, Thomisidae und Attidae. 3) Mit zwei Reihen von Hörhaaren auf dem Tarsus. Drassidae, Anyphaenidae und Lycosidae. Unter den Drassiden rücken indessen die Reihen theilweise sehr nahe zusammen (z. B. Prosthesima). Auch bei Argyroneta, wo sich die Hörhaare über- haupt weniger von andern unterscheiden, ist es schwer anzugeben, ob man eine oder zwei Reihen vor sich hat. Systematisch lässt sich die Stellung der Hörhaare nament- lich bei der ersten Gruppe zur Unterscheidung der Gattungen und Arten in einer noch weit ausgedehnteren Weise benutzen, doch kann ich darauf hier nicht näher eingehen. Wie schon erwähnt, ist die Ausbildung namentlich des Be- chers verschieden vollkommen. Die erste Gruppe zeichnet sich ausser durch das gegebene Merkmal zugleich durch eine sehr cha- rakteristische Form jenes Bechers aus; deshalb eignen sich Thiere dieser Gruppe besonders zur anatomischen Untersuchung. Sehr schön und gross ist der Becher bei Pachygnatha. Man findet ihn in Fig. 1 und 2 dargestellt. Zum Färben meiner Präparate benutzte ich die Grenacher’sche Hämatoxylinmischung, die hier wie bei den Insekten die beste Kernfärbung giebt. Die Haare stehen gewöhnlich nicht genau auf der Mitte der Dorsalseite, einerlei ob eine oder zwei Reihen vorhanden sind, weil längs der Mitte unmittelbar unter der Matrix eine Blutbahn (Fig. 1bl) hinläuft, in welcher das Blut dem Körper zuströmt. Man erkennt dieselbe im Präparat an ihrer feinkörnigen Beschaffen- heit. Unter dem Blutgefäss liegt der Hauptnervenstrang (n) des Beines, den man an seinen langen unregelmässig angeordneten Kernen ziemlich leicht in der dichten Masse der stark quergestreif- ten Muskeln erkennt. Von diesem Hauptstrange gehen Zweige an die einzelnen Hörhaare. Will man ein deutliches Bild von dem Verlauf der Nerven bekommen, so darf man nieht genau einen Sagittalschnitt führen, sondern der Schnitt muss mit der Sagittalebene einen spitzen Winkel bilden. Die zarten Nervenzweige, die an den Becher herantreten, sind meist von Pigmentkörnchen umgeben, und dadurch besonders wird ihr Verlauf leicht erkennbar. Das Pigment häuft sich 'na- Das Gehör- und Geruchsorgan der Spinnen. 5 mentlich unter der Chitinhülle und an der Stelle, wo der Nerv in den Hauptnervenstrang übertritt. Vor diesem Uebertritt ist der Nerv von drei bis vier helleren Ovalen umgeben, wie dies in der Figur dargestellt ist. Auch diese sind von Pigmentkörnchen um- grenzt. Der Becher, dessen Seitenwände durch das Chitinintegu- ment gebildet werden, ist verschieden geformt, bei den Chernetiden z. B. sehr flach, bei den Spinnen dagegen meist mehr oder weni- ger kugelig. Bei Pachygnatha Listeri Sund. ist er mit körnigen Längsrippen versehen. Am Grunde dieses Bechers findet sich ein zweiter kleiner Becher, der frei aus dem Boden des grossen her- vorragt. Derselbe ist mit einer feinkörnigen Substanz gefüllt, auf deren Oberfläche das Haar eingefügt ist, während an den unteren Theil der Nerv tritt. Die Hörhaare sind an der Spitze wohl nie ganz einfach, oft allerdings sehr kurz und undeutlich gefiedert, bisweilen aber, z. B. bei den Lycosiden und namentlich bei Se- gestria fast kammförmig. Wo mehrere vorhanden sind, zeigt sich stets ein allmähliches Wachsen nach aussen. Selten findet sich ein kleineres Haar gewissermassen accessorisch zwischen den re- gelmässig anwachsenden. Ist ein solches vorhanden, so ist es den benachbarten immer mehr genähert. Wo zwei Reihen nebeneinan- der vorhanden sind, nimmt die kürzere meist rascher an Länge zu, so dass die letzten Haare doch nicht allzustark in Länge differiren, und dieser Umstand ermöglicht es bisweilen, in zweifelhaften Fäl- len zu erkennen, ob man eine oder zwei Reihen vor sich hat, da die Haare dann abwechselnd grösser und kleiner sind. Die rudimentären Becher auf dem Tarsus haben gewöhnlich etwa die Form, wie sie die Fig. 3 darstellt. Der Zusammenhang mit dem Innenraum ist hier vollkommen aufgehoben. Bisweilen ist auch die Oberseite schon fast ganz geschlossen, so dass dann nur noch ein Bläschen im Integument zurückbleibt. Das Haar auf dem Metatarsus zeigt übrigens in vielen Fällen auch nur noch einen geringen Grad von Beweglichkeit, die weit hinter der der Schie- nenhaare zurücksteht. Vielleicht geht auch dieses Haar mit der Zeit demselben Schicksal entgegen als das Haar des Tarsus. Seit meiner Mittheilung im „Zool. Anzeiger“ war ich schon einmal zweifelhaft ob die Sehallwellen der einzige adäquate Reiz für die Hörhaare sei. Veranlassung zu diesem Zweifel gab die schon damals angedeutete Erwägung, dass die Haare auch geeig- net seien, einen Hauch zur Empfindung zu bringen. Bläst man 6 Friedr. Dahl: nämlich z. B. eine Lycoside, wenn sie langsam dahinläuft oder ruhig dasitzt, an, so zieht sie die Beine an den Leib. Da sie dies entschieden unwillkürlich thut und von einem wirklichen Er- schreeken bei den Spinnen wohl nicht die Rede sein kann, glaubte ich darin irgend eine instinetive Schutzeinrichtung erkennen zu müssen. Vielleicht mochte das Thier sich instinetiv festhalten und zugleich dem Winde eine möglichst geringe Oberfläche bieten. Blies ich aber nur so stark an, wie es beim Winde höchstens vorkommen wird, so bemerkte ich kaum ein Zusammenzucken. Es dürfte also der starke und plötzliche Windstoss wohl eine schmerzhafte Ueber- reizung des Organes sein und das Zusammenzucken ein Zeichen des Schmerzes. Aber wenn auch wirklich die Haare dazu dienen, einen Lufthauch wahrzunehmen, so muss man doch die andere Funktion der Tonwahrnehmung daneben anerkennen, da man ge- zwungen ist, anzunehmen, dass jede Bewegung, die unmittelbar an eine Nervenendigung übertragen wird, empfunden werde. Dass aber die Tonwellen die Haare in Bewegung setzen, kann man, wie schon früher erwähnt, direet beobachten. Das Organ, welches ich als Geruchsorgan bezeichne, habe ich in Fig. 4—6 dargestellt. Die Fig. 4 ist ein in der Längs- richtung des Körpers geführter Schnitt durch die Maxille. Es be- zeichnet darin md die durehschnittene Maxillardrüse !), m einen durehschnittenen Muskel, beides vom Bindegewebe eingeschlossen, go die glatte Vorderfläche, vor welcher sich die Mandibeln hin- und herbewegen. Dieses nicht behaarte, glatte Feld an der Vor- derseite der Maxillen findet man, bei starker Vergrösserung von der Oberfläche besehen, dieht mit feinen Löcherchen %über- säet. Im senkrechten Schnitt (Fig. 4g0) sieht man unter dem siebartig durchlöcherten Integument eine Schicht anein- ander liegender, langer Zapfen. Die Fig. 5 stellt dieselben stärker vergrössert dar. Wenn die Chitinhülle beim Schneiden etwas abgehoben wird (wie es die Fig. 5 zeigt), so ziehen sich die Zapfen am Ende etwas zusammen. Infolge dessen trennen sie sich von einander und geben dadurch sofort zu erkennen, dass sie keine zusammenhängende Masse bilden. Im Querschnitt zeigen sie eine fast regelmässige, polygonale Gestalt. — Die Fig. 6 zeigt bei o einen solchen Querschnitt der 1) Analytische Bearbeitung etc. p. 18 resp. 6. Das Gehör- und Geruchsorgan der Spinnen. 7 Zapfen mit dem darüber liegenden Integument. Man sieht hier zugleich, dass je drei bis vier Löcherchen einem Zapfen entspre- chen. Die Zapfen bestehen aus einer feinkörnigen Masse (welche an die sog. Riechzapfen der Copepoden etc. erinnert). Am Grunde enthält jeder einen scharfbegrenzten Kern, unter dem sich der Zapfen kurz absehnürt und in einen feinen Faden (Fig. 5n) über- zugehen scheint, der ihn mit einer häutigen Platte (pl) verbindet. Eingefasst sind die Zapfen von einer äusserst zarten Haut, welche kleine Spitzehen in die Poren des Integumentes entsendet. Die heutige Platte (pl) erstreckt sich über die ganze durchlöcherte Platte und setzt sich auch unter die umgebenden Theile fort, in- dem sie hier die Matrix von innen begrenzt. An die Platte tritt ein ziemlich starker Nerv, der sich vom Tasternerven abzweigt. Die feinen Fäden, die an die einzelnen Zapfen treten, werden also wohl als letzte Verzweigungen jenes Nerven aufzufassen sein. Fragen wir zunächst nach dem Ursprung des Organes, so kann es wohl kaum einem Zweifel unterliegen, dass die Riech- zapfen aus Matrixzellen entstanden sind. Denn es ist einerseits unter diesem Theil des Integumentes keine Spur einer weitern Matrix vorhanden, zweitens stossen die Riechzellen und Matrixzellen der Umgebung unmittelbar aneinander und drittens setzt sich die häutige Platte, wie schon erwähnt, unter die Matrix als innere Zellmembran fort. Die Verbreitung des Organes ist innerhalb der Reihe der Ara- neen eine allgemeine. Doch ist dasselbe keineswegs überall gleich vollkommen entwickelt. Am schönsten findet man es wohl bei Pachygnatha ausgebildet, und deshalb habe ich meine Zeichnungen nach Präparaten von dieser Spinne entworfen. Schliesslich dürfen wir uns wohl die Frage vorlegen, welche Funktion dieses eigenthümliche Organ habe. Wir könnten viel- leicht zunächst an Drüsenzellen denken, und, weil es sich in der Nähe der Mundöffnung befindet, Speicheldrüsen vermuthen, ob- gleich schon die allgemeine Form nicht allzusehr für diese An- nahme zu sprechen scheint. Ich fand aber bei frischen Thieren die Platte immer trocken. Einige habe ich sogar beim Aussaugen einer Fliege ergriffen und untersucht und konnte doch keine Spur einer Flüssigkeit auf der Platte bemerken. Wir sind also wohl genöthigt auf ein Sinnesorgan zu schliessen, und in diesem Schluss werden wir durch das Vorhandensein eines 8 Friedr. Dahl: stärkeren Nerven nur bestärkt. Gehen wir daher die Reihe un- serer Sinne dureh, und fragen uns, für welchen Sinn das Organ am meisten geeignet erscheint. Der Tastsinn ist von vorn herein ausgeschlossen, weil sich keine hervorragenden Theile finden und ausserdem das Ende der Maxillen reichlich mit Tasthaaren (Fig. 4t) versehen ist. — Für ein Gehörorgan scheint schon die Lage sehr wenig zu spre- chen, da die Fläche von den Mandibeln vollkommen verdeckt ist, während doch ein Gehörorgan möglichst frei an der Oberflä- che zu liegen pflegt. Uebrigens sahen wir uns auch schon genö- thigt, die oben beschriebenen Haare als Gehörorgan anzusprechen. — Der Annahme eines Geschmacksorganes scheint die Lage an den Mundtheilen günstig zu sein. Doch bleibt, wie schon oben erwähnt, die poröse Fläche beim Aussaugen von Insekten vollkom- men trocken. Als Geschmackszellen möchte man deshalb lieber eine Zellgruppe ansehen, welche an der Vorderseite der röhren- förmig verschliessbaren Saugrinne, also in der Oberlippe liegt. Auch an diese Zellen tritt ein Nerv, der aus dem obern Sechlund- ganglion entspringt und über den Oesophagus dahin läuft. Es bleibt für unser Organ nur noch die Deutung als Geruchsorgan übrig, wenn man nicht ohne Grund ein Sinnesorgan vermuthen will, das uns fehlt. Die Lage wäre in der That für ein Geruchs- organ sehr passend; da nämlich die Platte von den Mandibeln verdeckt wird, ist sie vor vollkommener Austrocknung geschützt. Der Bedingung also, dass die Membran der Riechzellen, mit denen die Theilchen in Berührung kommeu, feucht sein müsse, könnte hier genügt sein. Dass der Geruchssinn, wie für alle Athemthiere, so auch für die Spinnen wichtig ist, bedarf keiner Belege, ist doch die Haupt- aufgabe dieses Sinnes die, die Athemluft zu prüfen. Diese Haupt- aufgabe giebt auch ein leichtes Verfahren an die Hand, sich von dem Vorhandensein des Geruchssinnes zu überzeugen. Das Thier wird jeden stärkeren Geruch instinetiv meiden. Ich habe mit verschiedenen Arten experimentirt und in der That überall Ge- ruchswahrnehmung sicher festgestellt. Empfehlen möchte ich für derartige Versuche eine Erigone-Art (Erigone rufipes L.), die man, auch im Winter, hier überall von Tannen und solehen Sträuchern, die ihr trockenes Laub behalten haben, schütteln kann. Dieses Thier reagirt nicht nur am leichtesten, sondern eignet sich auch Das Gehör- und Geruchsorgan der Spinnen. 9 wegen seines Verhaltens besonders gut für die Versuche. Setzt man es in ein verdecktes Gefäss, so wird es bald ruhig, mit an den Leib gezogenen Füssen, an einer Wand dasitzen. In dieser Lage lässt es sich so leicht nicht stören. Nähert man sich aber mit einem in Terpentinöl oder Nelkenöl getauchten Pinsel auf etwa !/, cm, so läuft es nach wenigen Sekunden regelmässig davon. Ein verschiedenes Verhalten verschiedenen Gerüchen gegenüber habe ich allerdings nicht bemerken können, und ebenso wollte es mir nicht gelingen, aus ihrem Verhalten Schlüsse auf den Sitz des Geruchsorganes zu machen, weil unsere Thiere zu klein sind, um entsprechende Versuche anstellen zu können. So viel aber steht fest, dass die Spinnen Gerüche wahrnehmen, und da wir in der Nähe der Athemorgane kein entsprechendes Organ finden, dürfte der Schluss, dass das beschriebene Organ wirklich ein Geruchs- organ ist, nicht allzu gewagt erscheinen. Nach histologischen Analogien zu suchen, möchte von vorn herein als zwecklos erscheinen, da wir. bei andern Arthropoden noch ebensowenig Sicheres über das Geruchsorgan wissen, und mit dem entsprechenden Organ bei Wirbelthieren, die doch nach einem ganz andern Typus gebaut sind, ein Vergleich nicht gestat- tet erscheint. Um so mehr muss man sich wundern, wenn sich uns gleichsam eine Analogie mit der Bildung bei jenen Thieren aufdrängt. Die Riechzellen erinnern in der That sehr lebhaft an die sog. Epithelialzellen in der Riechschleimheit der Wirbelthiere. Allerdings würde hier gerade das fehlen, was man dort als Riech- zellen deutet. Diese Deutung ist aber auch wohl noch kaum als erwiesen anzusehen, zumal da die sog. Riechzellen theilweise Flim- werwimpern tragen und deshalb zugleich einem andern Zwecke dienen müssen. Der subepithelialen Schicht würde die häutige Platte entsprechen, die hier allerdings nicht aus Zellen zu bestehen scheint. An dieser Stelle darf ich vielleicht noch auf ein eigenthümliches Organ der Spinnen aufmerksammachen. Ich nenniees ein Organ wegen seines eigenthümlichen Baues und seinerallgemeinen Verbreitung, ob- gleich ich über die Funktion nichts zu sagen weiss. Es findet sich auf der Oberseite des Metatarsus aller Beine, nahe vor dessen Ende und besteht, wie es Fig. 7 darstellt, aus einigen Querfalten, die z. Th. punktförmige Erweiterungen zeigen. Bei einigen Teraphosiden ist die äusserste Falte an den Rändern sogar dicht und gleichmässig 10 Friedr. Dahl: Das Gehör- und Geruchsorgan der Spinnen. gezähnt. Im Längsschnitt zeigt sich unter diesen Falten (Fig. 8) eine eiförmige hellere Masse der Matrix eingelagert, die mit Pig- mentkörnehen umgeben ist und an eine Nervenendigung erinnern könnte. Doch habe ich bisher noch keine Nervenfaser herantre- ten sehen. Ob dieses Organ vielleicht auch bei der Herstellung des Gewebes dient? Gesehen habe ich allerdings niemals, dass es dabei zur Anwendung kam. Erklärung der Figuren auf Tafel TA. Fig. 1. Einlenkung eines Hörhaares bei Pachygnatha Listeri Sund., h Hör- haar (abgebrochen); b Becher; ch Chitinhülle;, m Matrix; bl Blut- bahn; n Hauptnervenstrang des Beines; m‘ eine Muskelfaser. Fig. 2. Ein Hörhaar mit Becher von demselben Thier, von oben gesehen. Fig. 3a. Ein rudimentärer Becher des Tarsus von demselben. b. Derselbe von oben gesehen. Fig. 4. Kin Längsschnitt durch eine Maxille, do.; m durchschnittener Muskel; md durchschnittene Maxillardrüse; t eine Tastborste; go das Ge- ruchsorgan. Fig. 5. Ein Theil des Geruchsorganes stärker vergrössert; ch durchlöcherte Chintinhülle; z Riechzapfen; n Nervenfasern; pl unter den Riech- zellen verlaufende häutige Platte. Fig. 6. Ein Theil des Geruchsorganes stärker vergrössert von oben; a zeigt die Poren der Chitinhülle und zugleich den Querschnitt der darun- ter liegenden Riechzellen. ig. 7. Organ auf dem Ende des Metatarsus von der Fläche gesehen. Fig. 8. Dasselbe im Längsschnitt; m Matrix; bl Blutgefäss. Kasem-Beck: Zur Kenntniss der Herznerven. 11 (Aus dem Laboratorium von Prof. Joh. Dogiel in Kasan.) Zur Kenntniss der Herznerven. Von Kasem-Beck. Hierzu Tafel IB. In unserem Artikel über den Bau und die Funktion des Her- zens bei Knochenfischen (erschienen in der Zeitschr. f. wiss. Zoo- logie. Bd. XXXVI, S. 247) haben wir schon mit Prof. J. Dogiel die Untersuchungen von Vignal kurz besprochen. In Anbetracht des bedeutenden Interesses, welches die von Vignal in Angriff genommene Frage für die Anatomie und Physiologie des Herzens bietet, forderte mich Prof. J. Dogiel auf, nochmals die Resultate dieses Forschers einer eingehenden Prüfung zu unterwerfen. Eine Controle ist um so mehr geboten, da uns gegenwärtig die ausführ- liche Abhandlung von Vignal!) vorliegt. In dieser Arbeit beschreibt Vignal die Vertheilung und Struetur der Nervenzellen im Herzen einer Anzahl Fische, Amphibien, Reptilien, Vögel, Säuger und des Menschen. Ausserdem geht Vignal auch auf die Physiologie des Herzens genannter Thiere ein. Seine Untersuchungsmethoden sind von Ranvier?) entlehnt. Sie bestehen hauptsächlich in der Bearbeitung des Herzens, resp. seiner Theile, mit Osmiumsäure, oder Goldehlorid, oder mit einer 1) Dr. Vignal. Recherches sur l’appareil ganglionnaire du coeur des vertebres. Laboratoire d’histologie «du College de France. Travaux de l’annee 1881, p. 186. 2) L. Ranvier. Lecons d’anat. gener. Appareils nerveux terminaux des muscles de la vie organique. Paris. 1880, p. 469. 12 Kasem-Beck: 40%, Aetzkalilösung im Verlauf von 12-50 Minuten, oder endlich in 48ständiger Maceration in Jodserum. Die erhaltenen Präparate wurden in Glycerin aufbewahrt. Seine Untersuchungen führten ihn zu folgenden Schlüssen. 1. Im Fischherzen kommen zwei Gruppen von Nervenzellen vor. Eine derselben gehört dem sympathischen, die andere dem Cerebrospinalsystem an. 2. Die Nervenzellen der ersten Gruppe besitzen zwei, die der zweiten Gruppe aber einen Kern. 3. Die dem Cerebrospinalsystem angehörenden Zellen finden sich im Ventrikel und sind bipolar: die Nervenzellen des sympathi- schen Systems kommen im Atrium vor. 4. Die sympathischen Nervenzellen des Herzens von Bufo vulgaris und anderen Thieren besitzen einen geraden und einen Spiralfortsatz („Comme chez les grenouilles les fibres spirales du erapaud appartiennent au syst&me sympathique, et les autres au systeme e6erebro-spinal“). Und doch konnte Vignal im Herzen von Tritonen und Salamandern keinen Spiralfortsatz finden. („Le chlorure d’or ne m’a jamais permis de deceler la moindre trace de l’existenee d’une fibre spirale sur aucune de ces cellules“.) 5. Im Herzen von Lacerta viridis sind sowohl die Nerven- zellen des Cerebrospinalsystems wie die des sympathischen nur unipolar („toutes les cellules ganglionnaires du coeur de ‚ces animaux, quelque soit le proc&d& employ& pour leur etude, ainsi que celles du systeme sympathique et des ganglions vertebraux, paraissent &tre des cellules unipolaires“). 6. Jede der beiden von Vignal unterschiedenen Nervenzellen- gruppen im Herzen hat eine besondere Function — exeitomori- sche oder hemmende. 7. Hemmende Nervenzellen sollen im Sinus und Atrium, ex- cimotorische aber im Ventrikel vorkommen. Die Angaben über die Localisation der verschiedenen Ner- venzellen von Vignal sind jedoch sehr unbestimmt. So sollen im Sinus und im Atrium des Schildkrötenherzens nach ihm ex- citomorische und hemmende Nervenzellen vorkommen. Bei Vögeln traf er im Ventrikel und im Atrium nur unipolore Nervenzellen an. („Les cellules nerveuses des ganglions des oreillettes et du ven- trieule, paraissent toutes &tre des cellules unipolaires .. . .“.) Bei Säugern (Kaninchen) fand er sympathische, doppelkernige Zur Kenntniss der Herznerven. 13 Nervenzellen im Atrium und cerebrospinale, einkernige im Ventri- kel. Im Herzen von Macaeus sinieus und vom Menschen konnte Vignal einen Unterschied zwischen den sympathischen und cere- brospinalen Nervenzellen nicht constatieren („on ne trouve que peu de differance entre les cellules des ganglions eer&brospinaux et celles des ganglions sympathiques. Cependant je pense que la majorit& des cellules ganglionnaires des oreillettes sont sympathi- ques, tandis que celles du systöme eer&brospinal dominent dans le ventrieule“). Kurz zusammengefasst ist also das Resultat der Vignal’schen Untersuchungen die Annahme, dass im Herzen vieler Thiere sowohl hinsichtlich der Structur wie der Function zwei Arten von Nerven- zellen vorkommen. Die einen besitzen zwei Kerne — sympathi- sche, die anderen einen — cerebrospinale. Bei den sympathi- schen Nervenzellen will er in einigen Fällen zwei Fortsätze, einen seraden und einen spiraligen, beobachtet haben. Würde ein Unterschied im Bau der Nervenzellen des Verte- bratenherzens wirklich existiren, so könnte man auch eine ver- schiedene Funetionen derselben zugeben. In solchem Falle wür- den die Beobachtungen und Erklärungen des Herzrythmus von Weber, Stannius u.A. eine Grundlage im Bau und in der Ver- theilung der Nervenelemente im Herzen der Thiere und des Men- schen erhalten. Wir wollen daher untersuchen, wie weit ein sol- cher Unterschied im Bau und in der Vertheilung der Herznerven wirklich vorhanden ist. Auf die Vertheilung der Nervenzellen und Fasern im Herzen der Knochenfische will ich hier weiter nicht eingehen, da sie von Prof. J. Dogiel und mir schon ziemlich aus- _führlich beschrieben ist!). Ueberflüssig wäre auch hier über die Vertheilung der Herznerven des Frosches, einiger Säuger und des Menschen zu sprechen, da hierüber schon eine Mittheilung von Prof. J. Dogiel?) vorliegt. Ueber die Nerven im Schildkröten- herzen werde ich besonders berichten. Vorliegende Abhandlung bringt eine Controle der Untersu- chungen von Vignal bezüglich des Baues der Nervenzellen im Herzen einiger Thiere und der Bedeutung dieser Structur bei den Erklärungen der Herzfunetionen. Krlac. 2) Arch. f. mikroskop. Anat. Bd. XIV, p. 470 und Bd. XXI, p. 21. 14 Kasem-Beck: Untersuehungsmethode. Bei meinen Untersuchungen erwies sich die Osmiumsäure als geeignetstes Mittel, um den Bau der Nervenzellen kennen zu lernen. Der Controle halber musste ich natürlich auch nach den von Vignal beschriebenen Methoden arbeiten. Gewöhnlich verfuhr ich folgendermaassen. Erst legte ich das ganze Herz oder Theile desselben auf eine halbe oder ganze Stunde in eine 1/,°/, Essigsäurelösung; dann kam es (resp. seine Theile) auf 2—3 Stunden in eine 1°/, Lösung von Osmium- säure und endlich behufs Isolation der Nervenzellen auf 24 Stun- den und länger in Wasser, welches mit Essigsäure angesäuert war. In einigen Fällen kamen die Präparate statt in angesäuertes Wasser in eine Trypsinlösuug (0,005 Trypsin in 1 cm Wasser). Letzteres Verfahren verdient dort, wo man die Hüllen der Nervenzellen ent- fernen will, den Vorzug. Das Trypsin greift das Bindegewebe, welches die Nervenzellengruppen und die Nerven vereinigt, und auch die Kapseln der Nervenzellen selbst an. Ich kam zu folgen- den Resultaten. Fische (Esox lueuis, Acipenser ruthenus). Die Ganglienzellen im Hechtherzen bestehen aus körnigem Protoplasma mit einem Kern und Kernkörperchen (Fig1 und 2). Jede dieser Zellen sendet aus ihrem Protoplasma einen Fortsatz aus (Fig. 1 und 2). Eine jede Zelle besitzt eine Kapsel. Die Grösse der Zellen ist verschieden. Kleine Nervenzel- len kommen sehr oft mit grossen verbunden vor (Fig. 2), weshalb man wohl erstere als Gebilde neueren Datums auffassen kann. Die Trypsinbehandlung lieferte Nervenzellen mit einem Kern und einem Fortsatz (Fig. 4). Bipolare, einkernige Nervenzellen kamen mir im Herzen der Fische nie zu Gesicht. Erbielt ich (sehr selten) nach Bearbeiten mit Trypsin bipolare Nervenzellen, so hatten diese jedoch zwei Kerne (Fig. 5). Letzteres Ergebniss spricht wohl mehr dafür, dass wir es hier mit einer Doppelzelle, mit einer in einem gewissen Theilungsstadium befindlichen Zelle, und nicht mit defi- nitiv fertigem, besonders functionirenden Gebilde zu thun haben. Urtheilt man nach den Abbildungen (Fig. la), so hat Vignal Aehnliches gesehen. Mit der Erklärung der 2. Fig. von Vignal’s Abbildungen kann man schwerlich übereinstimmen. Diese Figur soll beweisen, dass im Herzventrikel der Fische (Karpfen) bipolare Zellen vorkommen, während nicht eine der vier abgebil- deten Nervenzellen für bipolar erklärt werden kann. Unipolare Zur Kenntniss der Herznerven. 15 Nervenzellen mit einem geraden und einem Spiralfortsatz konnte ich im Hechtherzen nie finden. Frosch (Rana eseulenta et temporaria). Bei der Besprechung des Baues der Nervenzellen im Froschherzen eitirt Vignal die Beobachtungen von L. Ranvier, dessen Resultate er augenschein- lich bestätigt. L. Ranvier!) unterscheidet zwei Nervenzellengrup- pen im Froschherz: eine derselben befindet sich neben den Ner- ven, an denen die Zellen wie an Fäden hängen; die andere trifft man zwischen den Nervenfasern an. Eine solche Vertheilung beschreibt auch J. Dogiel?), wie aus seinen Abbildungen (Fig. 1) und folgenden Worten hervorgeht: „Alle Ganglienzellen des Frosch- herzens befinden sich entweder zwischen den Nervenfasern, oder liegen den Nervenstämmen einfach an.“ Ausserdem nimmt Ranvier an, dass einige Nervenzellen des Froschherzens zwei Fortsätze, einen geraden und einen spira- ligen, besitzen und dem sympathischen System angehören („Nous savons que l’on trouve partout, dans le systeme sympathique, des cellules ä& fibres spirales, et nous avons admis que toutes les cel- lules de ce systeme ont la m&me forme“). Und doch kann L. Ranvier in demselben Werk (p. 115) den Spiralfortsatz nicht für charakteristisch für Nervenzellen des sympathischen Systems erklä- ren („Quoi qu'il en soit, on n'est pas fonde, pour le moment, ä pretendre que la fibre spirale est caracteristique de la cellule ner- veuse sympathique“). Er ist vielmehr geneigt, die Spiralfortsätze für Verbindungswege der Nervenzellen untereinander anzusehen (p. 116), (je serais port a penser que les fibres spirales servent a mettre les differentes cellules nerveuses en communication les unes avec les autres“)., Nachdem Vignal an Nervenzellen im Herzen von Bufo vulgaris und B. calamita Spiralfortsätze gesehen hatte, fand er den Unterschied zwischen ceelebrospinalen und sym- pathischen Nervenzellen in Anwesenheit des Spiralfortsatzes und zweier Kerne in letzteren und eines Kernes und eines geraden Fortsatzes in ersteren. Ich konnte meine Untersuchungen nicht auf alle jene Batrachier und Reptilien, welehe’von Vignal unter- sucht worden sind, erstrecken, sondern musste mich auf Rana es- eulenta und temporaria verschiedenen Alters beschränken. Was ich 1) L. Ranvier. Lecons d’anatomie generale 1880. Paris. 2) Arch. f. mikrosk. Anat. Bd. XIV, p. 474, 16 Kasem-Beck: gesehen, lässt mich nicht der Meinung derjenigen Gelehrten bei- treten, welche im Froschherzen Nervenzellen mit geraden und spira- ligen Fortsätzen gefunden haben wollen. Ich muss vielmehr her- vorheben, dass im Froschherzen nur Nervenzellen mit einem gera- den Fortsatz, welcher aus einem ganzen Bündel feinster Fäser- chen besteht, vorkommen, wie es schon von J. Dogiel!) beschrie- ben ist. Stösst man auch zuweilen auf Nervenzellen, die ausser dem geraden noch einen Spiralfortsatz zu haben scheinen, so ist es nur Schein, weil hier Falten der Nervenhiülle Gebilde vortäuschen, welche mit dem Nerven nichts gemein haben. In diesem Sinne spricht sich auch B. Rawitz?) in Bezug auf den Spiralfortsatz von Beale und Arnold aus: „Auch die Abbildungen der Vertheidiger der Spiralfaser können mich von der Präexistenz derselben nicht überzeugen. Bidder’s und Arnold’s Bilder sind ein wenig sche- matischh Kollmann’s und Arnstein’s sind nicht ganz klar. Auch der Zeichnung, die W. Krause in seiner Anatomie giebt, dürfte wohl keine überzeugende Kraft zukommen.“ Weiter sagt Rawitz: „Die Arnold’sche Spiralfaser ist also ein optisches Phä- - nomen, hervorgerufen durch Faltenbildung der Scheide.“ An sei- nen mit Goldehlorid und Osmiumsäure behandelten Präparaten sah Th. v. Openchowsky°) meist nur unipolare Ganglienzellen. Es kamen ihm auch Zellen vor, die einen Spiralfortsatz noch zu be- sitzen schienen, doch konnte er sich von der nervösen Natur des- selben nicht überzeugen. Ich muss hier auf die Möglichkeit hinweisen, dass der ge- rade Fortsatz der Nervenzellen im Froschherzen in einiger Entfer- nung vom Zellprotoplasma sich theilen und einer von den Aesten bei der Isolation sich um den anderen aufwinden kann. Selbst- verständlich hat diese Spirale nichts mit der von Beale und Ar- nold gemein. Auch zweikernige Nervenzellen kommen im Frosch- herz vor; je mehr man auf solche stösst, desto jünger war das Thier. Im Kaulquappenherz fand ich Zellen mit 2—3 Kernen (Fig. 6 und 7). Diesen Zellen kommt gewiss keine besondere Funetion zu, sondern sie repräsentiren gewisse Theilungsstadien der Nervenzellen. Ile: 2) Bernh. Rawitz. Arch. f. mikrosk. Anat. Bd. XVIII, p. 271. 1880, 3) Arch. f. mikrosk. Anat. Bd. XXII, p. 414. 1883. Zur Kenntniss der Herznerven. 17 Schildkröte (testudo caspieca). Die Structur des Schild- krötenherzens (im Sinus, Atrium, oberen Ventrikelabschnitt) gleicht sehr dem, was wir über diesen Gegenstand vom Fisch- und Frosch- herz berichtet haben. Sehr selten stösst man hier auf Nervenzellen, deren Forsatz bald nach seinem Abgang vom Zellprotoplasma eine Verdiekung aufweist (Fig. 9), welche einen Kern zu beherbergen scheint. Meiner Meinung nach haben wir auch hier mit Theilungs- processen der Nervenzellen zu thun. Nervenzellen mit einem ge- raden und einem Spiralfortsatz habe ich im Schildkrötenherz nieht ‚gefunden. Auch Vignal hat von solehen Zellen bei der Schild- kröte nichts vermerkt. Kaninchen. In Kaninchenherzen traf ich bald ein-, bald zweikernige, meist ovale Nervenzellen an. Alle hatten nur einen Fortsatz. Einige der zweikernigen Nervenzellen hatten die in Fig. 10 wiedergegebene Form. Offenbar liegen auch hier Theilungs- phänomene vor. Affe und Mensch. Ueber die Nervenzellen im Herzen von Affen und Menschen habe ich keine Untersuchungen anstellen kön- nen. Da selber Vignal keinen Unterschied im Bau der cerebro- spinalen und sympathischen Nervenzellen im Herzen von Affen und Menschen constatiren konnte, so habe auch ich mich nicht besonders bemüht, um diese Untersuchungsobjeete zu erlangen. Vignal sagt‘ „On ne trouve que peu de difference entre les cellules des gang- lions eerebrospinaux et celles des ganglions sympathiques.“ Unge- achtet dessen nimmt er an, dass bei Affen und Menschen der Struetur nach der grösste Theil der Nervenzellen in den Atrien zum sympathischen System, in den Ventrikeln der an der Atrioventri- eulargrenze dem cerebrospinalen System angehören. Die von mir erhaltenen Resultate bei der Controle der Un- tersuchungen von Vignal sprechen also nicht für die Annahme, dass im Herzen der untersuchten Thiere und des Menschen zwei Gruppen von Nervenzellen: sympatische (zweikernige) und cerebro- spinale (einkernige) vorkommen. In Herzen der von mir unter- suchten Thiere fand ich keine unipolare Nervenzelllen, welche ausser einem geraden Fortsatz noch einen Spiralfortsatz besessen hätten, auch sah ich niemals eine Spiralfasern zur Communication der Nervenzellen untereinander dienen. So lange aber ein Unterschied in der Structur der Nervenzellen im Herzen sich nicht feststellen Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd, 24. 2 18 Kasem-Beck: lässt, kann man kaum von einer besonderen Function (exeitomo- rische und hemmende)' derselben sprechen. Ich muss mich vielmehr der Meinung von Joh. Dogiel (und theilweise auch von Bidder) anschliessen. Prof. J. Dogiel zählt alle Nervenzellen des Herzens ihrer Funetion nach zu den exeito- morischen. Der Rhythmus der Herzeontractionen muss nach diesem Forscher durch die Interferenz des Nervenstromes im Herzen er- klärt werden, worauf er schon wiederholt!) hingewiesen hat. Erklärung der Figuren auf Tafel IB. Fig. 1. Nervenzelle mit einem Fortsatz aus dem Astrium des Hechtherzens. Dieser Nervenzelle legt sich eine kleinere an. Hartn. Syn Ocul. 3 Fig. 2. Nervenzellen mit Fortsätzen aus dem Atrium des Hechtherzens. Syst. 7 Hartn.. . Ocul. 3 Fig. 3. Halb aus der Kapsel getretene Nervenzelle aus dem Atrium des 2 Syst. Hechtherzens, nach Trypsinbehandlung. Hartn. a. eul. 3 Fig. 4. Isolirte Nervenzelle aus dem Sinus des Hechtherzens nach Trypsin- Byat.1 7 Oeul. 3 Fig. 5. Nervenzelle mit zwei Kernen und zwei Fortsätzen, ohne Kapsel, behandlung. Hartn. nach Trypsinbehandlung, aus dem Sinus des Hechtherzens. Hartn. Syst. 7. Ocul. 8 Fig. 6. Zwei- und dreikernige Nervenzellen aus dem Atrium eines Kaul- 1) Joh. Dogiel. Neue Untersuchungen über die Innervation des Her- zens. Nachrichten der Kais. Gesellsch. von Freunden der Naturforschung. Anthropologie und Ethnographie. Moskau. 1880. Bd. XXVII. (Russisch). — Derselbe über das gleiche Thema in den Arbeiten der Acad. der Wiss. zu Krakau. Bd. VI. (Polnisch). ig. 10. Zur Kenntniss der Herznerven. 19 quappenherzens. Die Hinterextremitäten des Thieres waren schon Syst. 7 vorhanden. Hartn. Van Zweikernige Nervenzellen aus dem Atrium des Kaulquappenherzens. Ihnen liegt eine feinkörnige mit einem Kern versehene Masse an. Syst. 7 Ocul. 3° Nervenzellen mit einem Fortsatz aus dem Atrium des Schildkröten- Syst. 7 Ocul. 3° Nervenzelle mit einem Fortsatz, dessen Ende eine Verdickung zeigt, Hartn. herzens. Hartn. aus dem Atrium eines Schildkrötenherzens, nahe ‚an der Atrioven- Syst. 7 Oeul. 3 Zweikernige Nervenzellen aus dem Atrium eines Kaninchenherzens. Syst. 7 Ocul. 8° trikulargrenze. Hartn. Hartn. Die postembryonale Entwicklung der Epidermis des Siredon pisciformis. Von Justus Carriere. Hierzu Tafel II und III Bei den entwicklungsgeschiehtlichen Untersuchungen richtet sich die Aufmerksamkeit des Beobachters naturgemäss zunächst auf die Gestaltung der einzelnen Organe als solcher; dabei werden die Veränderungen, welche die Gewebe eines Organes erleiden, oft weniger berücksichtigt, und meist schliesst die Untersuchung mit der Geburt des Thieres ab, da die ausgeschlüpften Jungen entweder bald zu Grunde gehen oder — bei höheren Thieren — die Untersuehung zu kostspielig werden würde. Auch eignen sich 30 Justus Carriere: zu solchen histologischen Untersuchungen eigentlich nur Thiere mit sehr grossen Zellen. Die ersehnte Gelegenheit zu einer Bearbeitung der postem- bryonalen Entwicklung der Gewebe bot sich mir, als im Winter 1882—83 die Aufzucht einer Brut von Axolotln, dem hiesigen In- stitut gehörig, glückte und Professor Schmidt die Benutzung eines Theiles der jungen Thiere zu dem erwähnten Zwecke ge- stattete. Ich untersuchte nun eben ausgeschlüpfte Thiere, solche von 2,2em Länge mit entwickelten, wenn auch sehr schwachen vorderen Extremitäten, und ein sehr kräftiges von Sem Länge (ein halbes Jahr alt) im vorigen Frühjahr und Sommer; in diesem Winter reihte sich ein einjähriges Thier derselben Brut von 15 cm Länge an, dessen Bearbeitung Dr. Paulicki übernahm. Wir begannen mit der Haut. Wie zu erwarten war, zeigte ‚sich zunächst die Epidermis an verschiedenen Stellen des Körpers sehr abweichend gebaut, zu meinem Erstaunen allerdings auch schon bei dem eben ausgeschlüpften 'Thiere Stadium I (ich werde die Thiere verschiedenen Alters der Reihenfolge nach einfach mit I, II, III, IV bezeichnet eitiren). Viel auffallender aber ist noch die verschiedenartige Beschaffenheit gleichgelegener Theile der Epidermis und Cutis bei den vier Thieren, und zwar derart, dass der Höhepunkt der Epidermisentwicklung ungefähr bei dem Scm langen Thiere (III) erreicht scheint, worauf die Entwicklung der Cutis, die bis dahin sehr unbedeutend war, beginnt und bei dem 15cm langen Siredon (IV) eine ungemeine Mächtigkeit erlangt. Dem entsprechend sind bei III die Nervenhügel der Epidermis sehr zahlreich und gut ausgebildet, während nur kleine Anlagen auf die Entwicklung der bei IV so grossen Organe in der Cutis hindeuten, mit welcher hier die Rückbildung der Knospenorgane (oder eines Theiles derselben) gleichzeitig zu beginnen scheint. Die Hornbildungen (Hornschicht der Epidermis) dagegen feh- len I und auch noch Il, sind bei III schon deutlich vorhanden und bei IV erreicht die Epidermis an bestimmten Stellen ganz den Bau eines höheren Landthieres mit Malpighi’scher Schicht, einer ziemlich dicken Hornschicht und einer äussersten Schichte verhornter Zellen. Beginnen wir naclı diesem kurzen Ueberblick mit dem jün- sten Stadium (I). Die Epidermis des kürzlich ausgeschlüpften Thieres besteht Die postembryonale Entwicklung der Epidermis des Siredon pisciformis. 21 aus zwei Schichten von Zellen, deren obere an den Kiemen Cilien trägt, am übrigen Körper von einem verschieden breiten Saume (einer Cutieula) begrenzt wird, und die ich desshalb als Cutiecu- larsehieht bezeichnen will. Pfitzner benannte diese Sehicht der Larve ihres chemischen Verhaltens wegen Hornschicht (stra- tum eorneum), trotz ihres von einer solchen abweichenden Baues; ich kann die Benennung nicht annehmen, da, wie wir sehen wer- den, bei älteren Larven neben der Cutieularschieht an einzelnen Körperstellen ein typisches stratum corneum vorkommt, und so bei Gebrauch seiner Bezeichnung Verwechslungen kaum zu ver- meiden wären. Die unter der Cutieularschicht befindliche Zellen- lage, deren Zellen meist dicker sind, als die der oberen, bezeichne ich ihrem morphologischen Werth entsprechend als Malpighi’- sche Schicht. Das Verhältniss beider Lagen zu einander ist ein wechseln- des, verschieden an jedem Bezirke des Körpers; am weitesten weichen in dieser Beziehung die Epidermis der Flosse und der Schnauzenspitze von einander ab. An der Flosse bestehen, wie ein horizontaler Schnitt Fig. 1 Tafel II zeigt, beide Schichten aus grossen, breiten und sehr flachen Zellen, die ihren grössten Diekendurehmesser da be- sitzen, wo der Kern liegt; dieser ist breit scheibenförmig, in der Cutieularschicht im Allgemeinen auf beiden Seiten eben und nahezu um die Hälfte dünner als die linsenförmigen Kerne der Malpighi’- schen Schicht. Die Zellen der letzteren sind gleich ihren Kernen nach innen und aussen convex, die der äusseren Lage aussen eben, nur nach innen convex vorspringend. Dadurch, dass die Kerne beider Schichten nie untereinander, sondern immer miteinander abwechselnd stehen, bewahrt die Epidermis doch im Allgemeinen eine gleichmässige Dicke und wird nach Aussen zu von einer ebe- nen, nach Innen von einer leicht welligen Fläche begrenzt. In den Cutieularzellen liegen wenige Pigmentkörnchen, in einzelnen befinden sich Reste von Dotter; der Cutieularsaum ist so dünn, dass er auf der Zeichnung trotz der starken Vergrösse- rung nicht deutlich wiedergegeben werden konnte. Dass eine Strei- fung desselben weder hier noch an Stellen, wo er bedeutend dieker ist, wahrgenommen werden konnte, rührt vielleicht von grosser Empfindlichkeit desselben gegen Reagentien her. Die Kerne der Cutieularschicht färben sich nicht nur an dieser, son- 22 Justus Carri£ere: dern auch an den anderen Körperstellen dieses und der Stadien II und III stärker mit Karmin- und Hämatoxylin als die der Mal- pighi’schen Schicht. Zwischen der rechten und linken Epidermislamelle der Flosse befindet sich eine Lage von Mesodermzellen (Bindesubstanzzellen) in viel Zwischensubstanz verzweigt, deren Kerne, wenn sie quer stehen, die Epidermis nach beiden Seiten hin ausbuchten. — Die Epidermis des Rumpfes in der Höhe des Rückenmarkes ist am hinteren Körperende ähnlich so gebaut wie die der Schwanz- und Rückenflosse; in dem vorderen Theile, gegen den Kopf zu, sind die Zellen der Malpighischen Schicht etwas dicker, und ihre Kerne nicht mehr rein linsen- oder scheibenförmig, sondern unregelmässig polyedrisch. Ganz unregelmässig ist noch die Epidermis der Seite des Rum- pfes (Fig.2 Tafel II). Abgesehen davon, dass bald die Zellen der einen Schicht die der anderen an Grösse überwiegen, trifft man hier auch noch sehr viele dotterhaltige Zellen in der Epidermis. Die Dotterkörner finden sich in den Zellen beider Schichten, vorwiegend aber in denen der Cutieularschicht, und kommen darin theils vereinzelt, theils in grossen Mengen in einer Zelle vor, deren Gestalt und Grösse so- wie die Form des Kernes bedingend. Zwischen den Dotterkörnern und unter dem Cuticularsaum liegen vereinzelt Pigmentkörnchen. Die Epidermis der Bauchseite ist nach hinten zu ähnlich der der Seite, mit vielen Dotterkörnern und unregelmässigen Zellen; nach Brust und Hals zu findet sich ein regelmässigerer Bau, indem die Malpighi’sche Schicht mit ihren grossen, dicken Kernen be- deutend über die eine dünne Lage bildende Cuticularschicht vor- wiegt; auch hier enthalten noch einzelne Zellen Dotterkörner. Am Halse und der Unterseite des Kopfes finden sich fast keine Dotterkörner mehr, dagegen sind die Kerne beider Schichten fast gleich gross und nehmen fast die ganze Zelle ein (Fig. 3 und 4). Am Halse, dicht neben den Kiemen, ist die Epidermis stark verdünnt, ähnlich derjenigen der Flosse, doch liegen die Zellen dichter an einander und die der äusseren Schichte sind nach innen zu stärker convex. Die Epidermis an der Seite des Kopfes fällt ebenso durch die grosse Menge von Nervenhügeln auf als durch die dichtge- drängten Zellen der Malpighi'schen Schicht, welche kubisch sind mit sehr dicken Kernen; doch wiegt bei den letzteren die horizon- Die postembryonale Entwicklung der Epidermis des Siredon pisciformis. 23 tale Axe noch vor (Fig. 5). Die Cutieularschicht ist ziemlich dick. Gegen die Schnauzenspitze zu verändert sich die Epidermis der- art, dass die Zellen der Malpighi’schen Schicht ihre Höhe beibe- halten, während sie an Breite zunehmen; in gleicher Weise wach- sen ihre Kerne (Fig. 6a, 6b). Die Cuticularzellen dagegen ver- schmälern und verlängern sich von der Seite gegen die Spitze der Schnauze zu ziemlich schnell, aus linsenförmigen Zellen in solehe von lang-prismatischer Form übergehend. Ihre Kerne rücken dabei nahe an die Basis der Zelle, nehmen kugelförmige Gestalt an und färben sich sehr stark mit Karmin, viel stärker als die der unte- ren Schichte. So bildet an dieser Stelle die Epidermis nicht durch Vermehrung ihrer Schichten, sondern nur durch Verlängerung der Zellen der obersten Lage einen kleineren, ziemlich steil ansteigen- den Hügel. Es ist dies zugleich die einzige Stelle des Körpers, ausser der Cornea, an welcher die Cutis durch eine deutliche Lage von Zellen dargestellt wird, welche theils pigmentlos, theils pigmentirt sind. Bei der Cornea, die hier noch aus den beiden Schichten der Epidermis und einer Schicht Bindegewebszellen besteht, sind dieselben sehr viel kleiner als an der Schnauze und liegen der Epidermis dicht an (Fig. 7). An dem übrigen Umfange des Kör- pers sind es meist nur vereinzelte Chromatophoren, welche die Cutis darstellen. Was die Kiemen betrifft, so zeigt hier die Untersuchung des gehärteten Objectes weniger als die des frischen. An dem lebenden Thier sieht man die ganzen Kiemen von Cilien bedeckt, die sich lebhaft bewegen und auf der etwas vorgewölbten Ober- fläche der Cuticularzellen stehen. Sie sind sehr schwach licht- brechend, kaum stärker als das Wasser und erscheinen so lange sie leben und unversehrt sind, als kurze, feine, gerade Wimpern. Lässt man die Kieme unter dem Mikroskop allmählich absterben oder tödtetsie daselbst durch Zusatz von Säuren (z. B.schwache Chromsäure), so treten die Cilien in ihrer ganzen bedeutenden Länge hervor, aber nicht mehr gerade, sondern unregelmässig verbogen, und werden bei längerer Einwirkung der Reagentien fast ganz zerstört; in gleicher Weise verhalten sie sich auch bei älteren Thieren. Trotz mehrfa- cher Versuche mit Gemischen von Chrom- und Ueberosmiumsäure oder Ueberosmiumsäure allein gelang die Erhaltung der Cilien an Präparaten nicht; nur an einzelnen Stellen finden sich fast unkennt- 24 Justus Carriere: liche Reste derselben. Sie erscheinen also ebenso empfindlich wie die embryonalen Härchen des ganzen Körpers bei den Salaman- derlarven (Pfitzner). In Fig. S sind die Cilien an einer Zelle le- bend, an der nebenstehenden gleich nach dem Absterben in das Präparat eingezeichnet. Die Epidermis der Kiemenstämme wird gleich der des Körpers von zwei Zellenlagen gebildet; an der hin- teren Grenze von Kieme und Rumpf stehen die Kerne beider Schichten senkrecht zur Körperoberfläche (zwei Lagen von Cylin- derzellen übereinander), die Cutieularkuppen der obersten ragen halbkugelig vor. An der vorderen Grenze ist die Epidermis gleich- falls verdickt, ähnlich der des Kopfes; an den Kiemenstämmen ist sie ganz ähnlich der Epidermis der Flosse, die Kiemenfiederchen scheinen nur von einem einfachen Epithel bekleidet zu sein. Dies ist ziemlich deutlich an Querschnitten zu sehen (Fig. 8 oben), wo die tiefer liegenden Zellen mit helleren Kernen Mesodermzellen sind, theils zu den beiden Capillaren, theils zu dem mittleren Sep- tum gehörig. In dem Falle würde der histologische Bau des Kie- menfadens hier der gleiche sein wie bei den Fischen und den wirbellosen Thieren. Doch kann das auch Täuschung sein und daher rühren, dass die Kerne beider Epidermisschichten, wie die Abbildung der Flosse zeigt, abwechselnd stehen und die Zellen der unteren Lage von Kern zu Kern nur durch ein sehr dünnes Band von Zellkörper verbunden sind. Dieses könnte nun auf dem Querschnitt übersehen oder für eine Bindegewebsfibrille gehalten werden. Ich zweifle an der Einschichtigkeit der Epidermis hier desshalb, weil sie an Längsschnitten nicht auf grössere Strecken deutlich war. Von der Epidermis der Mundhöhle willich noch erwähnen, dass Unterseite der Zunge und der Boden der Mundhöhle mit einer Doppellage von Plattenzellen bekleidet sind, die Oberseite der Zunge und der Gaumen dagegen von zwei Schichten kubischer Zellen bedeekt wird (Fig. 9); welche noch sehr viel Dotter enthal- ten und deren oberste (Cutieularschicht) in geringer Anzahl Pig- mentkörnchen aufweist. Seitenorgane (Nervenhügel) und Augen werde ich mit denen der älteren Stadien zusammen besprechen. Il. Siredon piseiformis, 2,2cm lang. Der Hauptunterschied zwischen diesem und dem vorigen Stadium besteht weniger in einer Vermehrung der Zellschiehten — diese findet Die postembryonale Entwicklung der Epidermis des Siredon pisciformis. 25 nur an einzelnen Stellen statt — als in der Umwandlung eines Theiles der Zellen der Malpighi’schen Schicht in Netzzellen (Ley- dig’sche Zellen) und dem Auftreten einer deutlichen Lage fibrillären Bindegewebes unter der Epidermis. Die Leydig’schen Zellen sind durch Leydig selbst und durch die neueren Untersuchungen Pfitzner’s zur Genüge bekannt, ebenso die Veränderungen, wel- che ihre Kerne erleiden. Ich möchte nur gegenüber den Erscheinungen bei Salamander Larven betonen, dass ich bei dem II. und III. Stadium neben zackigen und eingeschnürten Kernen immer kugelige Kerne mit glatter Oberfläche fand, dass auch die Lage des Kernes keine so regelmässige, dem Alter der Larven entsprechende, Anordnung er- kennen lässt. Abgesehen von diesen unbedeutenden Ausnahmen und den Unterschieden in der Grösse gilt auch für Siredon was von Salamandra bekannt ist. Das Verhältniss von Cutieular- und Malpighi’scher Schicht, welche bei I nahezu gleichmässig entwickelt waren, hat sieh zu Gunsten der letzteren geändert. Auch wo Netzzellen fehlen, ist die aus kubischen oder prismatischen Zellen bestehende untere Schiehbt immer mächtiger als die obere, welche mit wenigen Aus- nahmen aus abgeplatteten Zellen besteht. Am grössten entwickelt sind die Netzzellen am Bauche, wo sie gleichzeitig derart vorherrschen, dass zwischen zwei Netzzellen immer nur der Kern einer unveränderten Zelle liegt (Fig. 10). Ziemlich plötzlich geht diese hohe Epidermis in die kaum !/; so hohe der Seite über; die Netzzellen sind hier durch eben so zahl- reiche, aber viel kleinere und abgeflachte Zellen mit ganz hellem Inhalte ersetzt (Fig. 11), in denen man vielleicht eine Vorstufe der ersteren annehmen darf. Auch die Cutieularschicht erleidet hier eine entsprechende Verdünnung. Aufwärts gegen die Rückenflosse zu werden die Zellen all- mählich dichter und kleiner, die Cutieularzellen grösser, bis an der Kante der Flosse die Epidermis nur von gleichartigen Zellen ge- bildet wird (Fig. 12). Aehnlich wie am Bauche ist die Epidermis der Oberseite des Kopfes, aber etwas niedriger und die Cutieularzellen sind schwach nach Aussen gewölbt. Bedeutend sind die Veränderungen von I zu II an dem Un- terkiefer und der Schnauze (Fig. 4, 6 und 15). Die Epidermis der 26 Justus Carriere: Unterseite des Unterkiefers wird jetzt von drei Zellschichten gebildet, deren oberste (Cutieularschicht) aus grossen Zellen mit kugeligen oder ovalen Kernen und breitem Saume besteht; darun- ter die Malpighi’sche Schicht mit einer oberen Lage von kugeligen und einer unteren von hohen eylindrischen Zellen. Verfolgt man die Haut des Unterkiefers nach der Mundhöhle zu (Fig. 13, 14, 15), so sieht man an der Kante die eylindrischen Zellen der Malpighi’- schen Schicht wieder in kubische mit kugeligen Kernen übergehen und an der Innenseite des Unterkiefers statt der zwei Lagen die- ser Schicht nur noch eine, zwischen deren Zellen sich die Cutis in steilen Papillen erhebt. Die Zellen der Cutieularschicht, deren Grenze, Stäbchen, Saum und Kerne an der Aussenseite der Unterlippe sehr deutlich zu er- kennen und stark gefärbt sind, bilden an der Kante eine Schichte ohne Saum mit verschwommenen Zellgrenzen, ähnlich dem stra- tum eorneum larvale Pfitzner’s, deren Kerne sich mit Pikrokar- min nicht roth, sondern nur schwach gelb färben — offenbar der Anfang der ächten Hornschicht, die später an dieser Stelle sich findet. An der Innenseite des Unterkiefers wird die Cutieular- schicht immer dünner, zeigt stellenweise unregelmässige Erhebun- sen (Fig. 15) und geht dann mit der gleichfalls abgeflachten Mal- pighi’schen Schicht in die aus linsenförmigen Zellen bestehende Epidermis der Unterseite der Zunge über; hier sind die Zellen der obersten Schieht so dünn und ihre Kerne so weit von einan- der entfernt, dass man stellenweise ein einfaches Plattenepithel zu erblicken glaubt (Fig. 16). An der Zungenspitze erhebt sich die Epidermis wieder zu srösserer Höhe und überzieht die Oberfläche der Zunge mit einer Lage von 2—3 Zellen (Fig. 17); die ziemlich grossen Qutiecular- zellen werden nach dem hinteren Ende der Zunge zu immer höher und schlanker, tragen am Anfange des Schlundes kurze, gerade Cilien und die Epidermis der Zunge geht so allmählich in das Flimmerepithel des Oesophagus über (Fig. 18). Die Epidermis des Gaumens ist der der Zunge sehr ähn- lich, mit kleinen Cutieularzellen. An der Schnauzenspitze ist eine Veränderung in sofern vor sich gegangen, als die Zellen der Cutieularschicht kürzer, die der Malpighi’schen dagegen eylindrisch wurden oder zwei Lagen kleinerer Zellen bildeten (Fig. 19). Die postembryonale Futwicklung der Epidermis des Siredon piscıformis. 27 Ein Organ, welches dem Stadium I noch fehlte, ist der Kie- mendeckel (Fig. 20); die Epidermis desselben, auf der Aussenseite der des Bauches ähnlich, und ziemlich hoch, wird nach der Kante hin immer niedriger, indem die Netzzellen kleiner werden. Auf der Innenseite des Kiemendeckels fehlen sie vollkommen; diese ist von der Kante an von einem Plattenepithel ausgekleidet, an dem nur stellenweise eine Zusammensetzung aus zwei Schichten erkennbar ist. Die Keme dieser Zellen sind fast alle stark ge- schrumpft und zackig. An Hand und Finger zeigt die Epidermis nichts Auffallendes, ausser dass sie auf der Beugeseite niedriger ist als auf der Streckseite. III. Siredon piseiformis, Scm lang. Die grösste Aehnlichkeit mit der Epidermis des Jüngeren Thieres besitzt noch die Flosse (Fig. 2la und b). Die absolute Dicke ist allerdings auch hier bedeutend grösser als dort, z. B. am Bauche. Im übrigen aber sind es dieselben Verhältnisse — es entspricht die Höhe der Epidermis der einer Lage Netzzellen + Cutieularschicht; zwischen den Netzzellen liegen die unveränderten Zellen der Malpighi’schen Schicht. Nach der Kante der Flosse zu ver- schwinden die Netzzellen, die Kante selbst besteht aus unveränderten Zellen der Malpighi’schen Schicht und der Cutieularschieht — von der gleichen Stelle bei II nur durch die etwas bedeutendere Grösse der Elemente unterschieden. Die Netzzellen sind, wie die Abbil- dungen 21, 22, 24 zeigen, viel grösser als bei Il, wie denn im Allgemeinen bei dem halbjährigen Siredon die Zellen und Zell- kerne nieht unbedeutend grösser sind als bei den jüngeren Stadien. Der Bau der Netzzellen, mit seinen vielen Vacuolen an die Struetur des Brotes erinnernd, lässt bei diesen grossen Exemplaren einige Einzelheiten deutlich werden, so zeigen viele Zellen einen grossen — zuweilen zwei kleinere — scharf umgrenzte Hohlräume, dann findet man in vielen Zellen in verschiedener Menge kleine, matte Körnchen (Fig. 21, 22). Bei der Behandlung mit Ueber- osmiumsäure ist meist die ganze Zelle so damit erfüllt, dass der Zellkörper verdeckt wird; es ist also wahrscheinlich, dass der in den Vaeuolen enthaltene Stoff durch Ueberosmiumsäure fixirt, dureh wässrige Flüssigkeiten ganz oder zum Theil gelöst wird. Stark lichtbrechend und glänzend treten dagegen an der Aussen- 98 Justus Carriere: wand der Zelle die schon von Langerhans und Pfitzner rich- tig beschriebenen Leisten hervor, auf meinen Präparaten meist nur im Querschnitt sichtbar, aber vollkommen deutlich (Fig. 21, 22). Hier wie an allen übrigen Körperzellen des Thieres ist eine Cutis vorhanden, aus einer — allerdings nach der Gegend sehr verschie- den dieken Lage von Lamellen elastischen Gewebes (Fasern?) be- stehend, die nach Aussen zu sehr scharf in alle Unebenheiten der Epidermis eingreifen, an ihrer inneren Grenze in leichten Wellen- linien verlaufen, und wie bei den übrigen Amphibien von binde- gewebigen Querstreifen durchzogen sind. Selten sieht man Kerne in dieser Schicht, welche sich mit Pikrokarmin immer sehr stark roth färbt; ihre wechselnde Dicke erhellt zur Genüge aus den Ab- bildungen (Fig. 21—30.) Auf diesen fallen auch die übrigen Be- standtheile der Cutis in die Augen, zunächst Chromatophoren, welche meist unter der obersten Schicht liegen, mit ihren Ver- zweigungen aber auch in dieselbe hineinragen können, dann reich verästelte farblose Mesodermzellen, welche mit ihren Ausläufern ein Netz feinster Fasern bilden. Diese Schicht ist besonders da deutlich, wo die oberste Cutisschicht nur wenig entwickelt ist, besitzt aber keine Grenze nach innen zu, sondern reicht bis zu den unter der Epidermis gelegenen Organen; in Folge dessen ist ihre Ausdehnung oft sehr gross, oft verschwindend klein, und es ist fraglich, ob wir sie streng genommen wirklich zur Cutis rechnen dürfen. Die Epidermis des Rumpfes und der Extremitäten ist der des Kiemendeckels ähnlich, und ich kann mich desshalb auf die Beschreibung und Abbildung der letzteren beschränken (Fig. 22). Der Vergleich mit Fig. 20a zeigt die Veränderung dieses Gewebes nach ungefähr 3 Monaten; aus der einfachen Lage von Netzzellen ist eine doppelte geworden, zugleich haben sich diese Zellen der- art vergrössert, dass die Epidermis dadurch um das Fünffache an Dicke zugenommen hat. Weniger auffallend, aber sehr eigenthümlich ist die Umwand- lung auf der Innenseite des Kiemendeckels (Fig. 23a und b). Hier finden wir an einzelnen Stellen die Zellen der Malpighi’schen Schicht breit und niedrig, hell mit zackigen (geschrumpften) Kernen, und darüber eine glatte Cutieularschicht, an anderen die Zellen der unteren Schicht hoch, eylindrisch, mit grossen Kernen, welche so wenig Chromatin enthalten, dass sie ganz hell einen wässrigen Die postembryonale Entwicklung der Epidermis des Siredon pisciformis. 29 oder bläschenförmigen Eindruck machen. Darüber liegen dann die Zellen der oberen Schicht, fast jede mit einer abgerundeten Cutieularkuppe über die Oberfläche hervorragend. Beide Epider- misformen gehen mehrfach in einander über; ob eine aus der an- deren unmittelbar hervorgeht — durch örtliche Contraetionen? — ist schwer zu behaupten, ich möchte aber die Möglichkeit nicht in Abrede stellen. An der Unterseite des Kopfes nimmt die Epidermis, ob- wohl noch der auf dem Kiemendeckel ähnlich, einen anderen Cha- rakter an, in dem die Zahl der Netzzellen sich vermindert und unveränderte Zellen deren Stelle einnehmen (Fig. 24). Gleichzei- tig werden die Cutieularzellen schmaler und höher, und ihr vor- her undeutlicher Saum wird dicker und lässt sich deutlich als Stäbehensaum erkennen; die sonst scheibenförmigen Kerne werden kugelig. Weiter nach vorne zu verschwinden die Netzzellen gänzlich (Fig. 25) und an der Unterseite und Vorderseite des Unterkiefers besteht die Epidermis aus ungefähr 5 Schichten grosser, polygo- naler Zellen, deren Zellkörper sich mit Pikrokarmin und Häma- toxylin ziemlich stark färbt und körnig erscheint. Hier und in der Fig. 26 abgebildeten Stelle sind auch die Interzellüberbrücken besonders deutlich. Die Kerne der untersten Schichte sind lang eylindrisch, die der übrigen Schichten unregelmässig kugelig. Ueber diesen 5 Lagen der Malpighi'schen Schicht zieht sich die Cutieularschicht hin, deren Zellen und Saum hier weniger hoch und deutlich sind. So ist die Epidermis bis gegen den vorderen, oberen Rand des Unterkiefers hin gebaut; an dem Rande selbst bildet sie dicht vor den Zähnen eine kleine Erhebung (Fig. 26) und diese besitzt die Eingangs erwähnte Hornschiecht. Die Zellen der tieferen Schichten sind unverändert wie auf Fig. 25, die der untersten ey- lindrisch, die der mittleren kugelig, die obersten aber sind lang- gestreckt und ihre Längsachse sowie die ihrer Kerne liegt parallel der Oberfläche. Nach aussen zu folgt auf diese Zellschicht, welehe als Horn- schicht, stratum corneum, zu bezeichnen ist, eine geschichtete Lage stark verhornter Zellen, in denen Kerne nicht mehr mit Deutlichkeit ‘wahrzunehmen sind. Die Hornbildung ist auf den Rand des Un- terkiefers beschränkt, und beiderseits nach innen und aussen zu 30 . Justus Carriere: beginnt unvermittelt die Cutieularschicht wieder. Das Bindege- webe, welches hier zwischen der Epidermis und dem Rande des Unterkieferknochens liegt, ist sehr dieht und ungemein reich an Kernen. Fig. 29, die Skizze eines sagittalen Schnittes durch den Un- terkiefer, lässt die Lage der verschiedenen hier und später er- wähnten Stellen erkennen. Die kurze Hautstreecke zwischen der Kante und den Zähnen zeichnet sich durch eine grosse Anzahl der hellen Zellen mit sichelförmigem Kern aus (wohl den hellen kugeligen Schleimzellen der Fische entsprechend) wie sie vereinzelt auch an anderen Stel- len vorkommen, z. B. Fig. 25; häufig ist in diesen Zellen auch noch ein kleiner Rest von Zellsubstanz zu erkennen. An der In- nenseite des Unterkiefers treten sogleich F. E. Sehulze’s Becher- zellen auf, in den verschiedensten Formen von der Kugelgestalt bis zu der langgestreekten in Fig. 27 wiedergegebenen Form. Die Abbildung ist einer Stelle entnommen, wo eine grössere Anzahl dieser längeren Zellen zusammenliegt, einem niedrigen Wulste, welcher sich an der Grenze von Mundboden und Unterkiefer er- hebt. Daneben kommen die kleinen kugeligen Schleimzellen vor, hier wie überall von den Becherzellen dadurch unterschieden, dass sich ihr Inhalt weder mit Karmin noch mit Hämatoxylin färbt. Zum Theil haben sie hier wie auch sonst unveränderte, kugelige Kerne, mehr nach hinten zu, jenseits des Wulstes findet sich ein Bezirk, auf welchem in einer grösseren Anzahl dieser Zellen mit Sichelkernen die Kerne nicht an der Basis, sondern an der Ober- bez. Aussenseite der Kerne liegen. In Fig. 27 ist eine Schleim- zelle mit unverändertem Kern abgebildet, deren Ausmündung deut- lich war; meist liegen sie aber in den tieferen Schichten der Epi- dermis. Weiter nach der Zunge zu wird das Epithel immer niedriger, Schleim- und Becherzellen verschwinden; nachdem letztere aus der langen in eine kürzere und breitere Form übergegangen sind, Fig. 25 wird das Epithel zweischichtig. So steigt es auch am Rande der Zunge empor und nimmt nach dem Schlunde zu schnell an Höhe wieder zu, Tafel III Fig. 1 und 2. Wie bekannt, besitzt die Epidermis der Zunge einen ungemeinen Reichthum an Becher- zellen, deren Gestalt in der Zungenspitze und dem Zungenrücken auf den Zeichnungen vollkommen treu wiedergegeben ist; man Die postembryonale Entwicklung der Epidermis des Siredon pisciformis. 31 sieht, wie gross die Aehnlichkeit mit F. E. Schulze’s Abbildun- sen der gleichen Zellen von Triton und Rana ist. In Fig. 27 sind diese Zellen nach starker Färbung mit Hämatoxylin dargestellt; der ganz dunkel gefärbte Schleim verbirgt den Zellkörper voll- kommen; in Fig. 2 Tafel III, bei schwacher Färbung, wird die netzförmige (blasige) Anordnung des Zellkörpers deutlich. Die Zellen der Cutieularschieht ragen mit ihrem dieken Saum unregel- mässig über die Oberfläche vor; doch konnte ich hier ebensowe- nig wie Leydig bei Proteus Cilien und auch keine grösseren Cutieularbildungen darauf nachweisen, obwohl ich an verschiedenen Stellen Schnitte in sagittaler Richtung durch die ganze Zunge legte. Ueber die Zunge und, um vorzugreifen, über den Gaumen sind Organe zerstreut (Fig. 1 und 3), welche von J. van der Hoe- ven und ©. K. Hoffmann mit den Nervenhügeln (Seitenorganen) der Epidermis verglichen, von F.E. Schulze aber und Bugnion von denselben unterschieden und als Knospenorgane bezeichnet werden. Der Hauptunterschied liegt in der Länge und Gestalt der Sinneszellen, welche bei den Knospenorganen das ganze Organ durehsetzen und darin, dass hier Stützzellen zwischen den Sinnes- zellen stehen. Für die Knospenorgane der Fische und für die Or- sane des Gaumens bei Siredon kann ich das bestätigen, und ich glaube auch für die Knospenorgane der Zunge, obschon dort (Fig. 1) Organe vorkommen, die durch die hohe Lage, welche die Kerne der Sinneszellen besitzen, äusserlich grosse Aehnlichkeit mit den Nervenhügeln gewinnen. Die längliche Gestalt der Kerne scheint aber auch hier auf eine langgestreckte Form der Zelle zu deuten. Im Ganzen sind sie den durch Merkel bekannten Knospen der Zunge von Salamandra ähnlich, Bei dem 2,2 cm langen T'hiere fand ich auf Zunge und Gaumen keine Knospenorgane. Die Epidermis des Kopfes ist ähnlich der des Rumpfes; nach der Schnauze zu (Fig. 20), verschwinden die Netzzellen und die Epidermis nimmt ähnliche Beschaffenheit an wie an der Un- terseite des Unterkiefers; nur die Cutieularschicht zeigt einen be- deutenden Unterschied, indem ihre Zellen sehr gross und lang werden, mit grossen kugeligen, nahe der Basis gelegenen Kernen. An der Schnauzenspitze selbst erreichen sie ihre höchste Höhe und fallen zugleich dadurch auf, dass ihre Kerne (nach Abtödtung in Ueberosmiumsäuredämpfen) an dieser Stelle sich nicht mehr mit Pikrokarmin färben, sondern von ganz gleicher Beschaffenheit er- 32 Justus Carriere: scheinen wie der Zellkörper, während sie oberhalb und unterhalb der Sehnauze mit diesem Farbstoffe sich ebenso stark färben wie die Kerne der tieferen Schichten. Gegen den Rand der Schnauze zu zeigen die Cutieularzellen statt der Längsstreifung des Saumes eine deutliche Querschiehtung des Zellkörpers, von der Oberfläche bis zum Kern hin. Unterhalb der Nasenöffnung zieht das Epithel in gleicher Weise mit allmählich wieder niedriger werdenden Cutieularzellen bis hinter die Kieferzähne hin. In der Gegend der Gaumenzähne erhebt sich die Epidermis durch Vermehrung ihrer Zellschichten’ zu einigen in die Mundhöhle vorspringenden Leisten, durch welche in gewissen Abständen die Gaumenzähne austreten. Die Kerne dieses „Zahnfleisches“ sind sehr gross, aber arm an Chromatin, das sich meist an einer Seite angesammelt hat und machen den Eindruck, wie wenn sie mit Flüssigkeit gefüllt wären. Doch sind serade hier indireete Theilungen nicht selten. — Ausser den un- veränderten Epidermiszellen, welche die Hauptmasse bilden, enthält die übrige Gaumen-Epidermis einzelne Netzzellen und Schleim- sowie Becherzellen in grosser Anzahl, Fig. 3a. Nach hinten zu sind die Schleimzellen (die hellen Zellen) spärlicher (Fig. 3b). Ausser breiten Knospenorganen gleich denen auf der Zunge, finden sich auch schmale, langgestreckte Knospen, ähnlich denen der Barteln von Cobitis fossilis. Aber weder hier noch an anderen Körperstellen stehen die Knospen auf Papillen, sondern sind von gleicher Höhe wie die Epidermis. Auf dem Oberarm ist die Epidermis hoch, äbnlich der des Kiemendeckels, wird am Unterarm niedriger und auf dem Hand- rücken wieder hoch. Es findet sich ein durchgängiger Unterschied zwischen der Beuge- und Streckseite, indem auf der ersteren die Epidermis um die Hälfte niedriger als auf der Streckseite nur zwei Lagen von Zellen ausser der Cutieularschicht besitzt, und bis zum Anfang der Finger eine gleichmässige Höhe bewahrt. Wie auch die Cutieularschieht an der Höhe der Epidermis theilnimmt, zeigt Fig. 4a und b; die höhere gehört der Streek-, die niedrigere der Beugeseite an. Abgesehen von diesem Hauptunterschiede ist die Epidermis auf der Streckseite (Aussenseite) in ihrer Höhe ziemlich wechselnd. Den Gelenken entsprechend ist die Epidermis immer verdünnt, besonders auffallend an den Fingergelenken (Fig. 5). Die postembryonale Entwicklung der Epidermis des Siredon piseiformis. 33 Die ohnehin wenig zahlreichen Netzzellen der Fingerepider- mis fehlen hier gänzlich, die eylindrischen Zellen gehen plötzlich in plattenförmige über und es entsteht so eine schon mit freiem Auge deutlich sichtbare schüsselförmige Einsenkung. Diese Platten- zellen bilden eine 2—3fache Lage unter der in ihrer Dieke nicht veränderten Cutieularschicht, ihre sehr stark sich färbenden Kerne liegen parallel mit der Oberfläche der Haut. — An dem letzten Fingergliede fehlen die Netzzellen gleichfalls; bis auf die geringere Höhe gleicht die Epidermis der des Unterkieferrandes und besitzt sleich dieser an der Fingerspitze eine ächte Hornschicht, die hier aber aus zwei Lagen der Oberfläche paralleler Zellen besteht; über der Hornschicht bilden dann noch die verhornten Zellen eine mehrfache Lage (Fig. 6). Die Verhornung der Zellen beginnt auf der Streekseite des Fingers nahe der Spitze, erlangt auf der Beuge- seite unter der Spitze ihre grösste Dicke und verliert sich wie- der gegen die Hälfte des vordersten Gliedes hin. Abgesehen von der anatomischen Bildung, welche hier wie am Unterkiefer genau die der Hornschicht höherer Thiere ist, zeigt auch die Färbung mit Pikrokarmin deutlich die verhornten Zel- len an, welche sich in diesem Farbstoff bekanntlich intensiv gelb färben. Das isolirte Auftreten einer Landthier-Epidermis bei den Larven eines Urodelen scheint mir sonst noch nicht beobachtet zu sein; bei erwachsenen Thieren dagegen, die ja überhaupt am ganzen Körper ein stratum corneum besitzen, kommen Verhor- nungen bekanntlich an Hand- und Fussballen und den Finger- spitzen vor und auch das Amblystoma hat deutlich fühlbare Krallen. Mit den Hornzähnen der Anurenlarven kann die Hornepider- mis der Siredonlarven wohl nicht in nähere Beziehung gebracht werden, denn die dünne und weiche Schicht verhornter Zellen (Epidermisschuppen) am Aussenrande des Unterkiefers wird ja niemals zum Kauen benutzt und ihre Entstehung kann desshalb nicht auf diese Weise erklärt werden. Die obersten verhornten Zellen sitzen ausserdem so lose auf, dass sie gleich unsern Epi- dermisschuppen bei jeder Berührung abgestreift werden, und er- innern, abgesehen von dem Grössenverhältniss, an die verhornten Zellen der menschlichen Zehe. Beobachtet man lebende Axolotl, so sieht man, dass die Un- terlippe der vorstehendste Theil ihres Kopfes ist und dass sie da- Archiv f. mikrosk, Anatomie Bd, 24. 3 54 Justus Carricre: mit in einem fort absichtlich und zufällig anstossen. Dadurch würde sich bei einem Landthier eine Schwiele bilden; die Epider- mis der Unterlippe des Axolotl nun ist eine richtige Schwiele; sie fällt uns aber besonders auf, da sie inselartig in der Cutieu- larschicht steht, welche die sonstige Epidermis bedeckt. Sollte sich nun der Besitz einer solehen Schwiele nicht als allgemeines Be- sitzthum der Urodelenlarven erweisen, dann müsste es eine beson- dere Erwerbung des Axolotl sein, oder — und das spräche sehr für Weismann’s Annahme — es wären die Hornsehwiele an der Unterlippe und den Zehen ein Erbtheil aus der Zeit des Landle- bens, welches sich an diesen Stellen, wo es von besonderem Nutzen war, erhielt, nachdem die Thiere sich wieder an das Wasserleben sewöhnt hatten. In Fig. 25 Tafel II, einem Schnitt durch die Epidermis des Unterkiefers, ist eine Anzahl von Zellen der untersten Schichten des stratum Malpighi auffallend, welche zu einem eiförmigen Knopf zusammen gelagert an der Basis der Epidermis liegen und etwas in die Cutis hinabreichen. Aus diesen und anderen Präparaten scheint hervorzugehen, dass diese Knöpfe nur aus den Zellen der untersten Schichte angelegt werden, und dass der erste Vorgang dabei der einer leichten Einsenkung einiger Zellen unter die Basis der Epidermis ist. Solche Knöpfe finden sich bei HI an den verschiedensten Stellen des Körpers, aber in nicht sehr grosser Anzahl, verschieden in Grösse und Zahl der Zellen; das abgebil- dete Präparat zeigt eine der grössten Bildungen dieser Art. Die Bedeutung dieser Gebilde wird erst klar bei der Untersuchung eines noch älteren Thieres, wie es Paulicki vorlag. Das Auge. Bei dem eben ausgeschlüpften Siredon ist das Auge noch sehr unvollkommen entwickelt (Fig. 7%). Die Abschnürung der Linse, die Einstülpung der Retina scheint erst vor kurzem statt- sefunden zu haben. Der Uebergang des äusseren in das innere Blatt ist noch ganz deutlich, die Ganglienschicht noch nicht scharf 1) Fig. 7 ist in einem kleineren Maassstabe gezeichnet, Fig. 8 und die folgenden in dem gleichen wie die übrigen auf Siredon bezüglichen Abbildungen beider Tafeln. Die postembryonale Entwicklung der Epidermis des Siredon pisciformis. 35 gesondert, die Stäbehen und Zapfen, sowie die Stützzellen sind dagegen schon ziemlich gross. Das Stadium, auf dem sich die Linse befindet, gibt Fig. 8 wieder; ein Rest der Höhlung der Lin- senblase hat sich noch als schmale Spalte zwischen dem Epithel der Linse und der Anlage der Linse erhalten; in letzterer sind mit Ausnahme des äusseren (distalen) Theiles die Kerne der Zel- len noch sehr deutlich, und da wo die Kerne weniger sichtbar sind, treten die Kernkörperehen auffallend scharf hervor. Der primitive Zustand des Auges und namentlich der Linse des kürz- lich ausgeschlüpften Thieres ist weniger überraschend, wenn man bedenkt, dass bei jungen Ammocoetes von ungefähr 4 em Länge, also viel älteren Thieren, die Retina, obgleich Stäbchen und Za- pfen schon sehr gut entwickelt sind, den Uebergang des äusseren in das innere Blatt noch deutlicher zeigt, als die des jungen Si- redon, dass die Linse dort noch eine Hohlkugel ist, deren Wan- dung nur von einer Schicht Zellen gebildet wird. Die Retina von II und III ist der von IV schon so ähnlich in Bezug auf die Grösse der histologischen Elemente, dass ich nur die des 15 em langen Thieres zu beschreiben brauche. Dabei kann ich mich, Dank der genauen Kenntniss, welche wir von der Retina der Amphibien haben, kurz fassen, indem ich mich auf die genaue Abbildung und Vergleichung mit den Angaben C. K. Hoffmann’s und Ranvier’s beschränke. Das Auge wurde nach Ranvier behandelt; da an einem Theil des Bulbus durch anliegende Reste der Muskulatur die Einwirkung der Osmiumdämpfe auf die Retina abgeschwächt war, liessen die Präparate die verschiedenen Stufen der Einwirkung des Reagens erkennen, und in Fig. 9 habe ich die eine Seite (2) nach schwä- cherer, die andere (1) nach starker Einwirkung der Säure gezeich- net. 1] zeigt ganz homogene Kerne, in denen kaum das Kernkör- perchen wahrzunehmen ist; die Aussenglieder der Stäbchen und Zapfen erscheinen gleichfalls homogen, nahezu schwarz mit ganz glatter Oberfläche, bei 2 ist die Längsstreifung der Aussenglieder sehr deutlich, an einzelnen Stellen der Retina auch die Spaltung in Querscheiben. In den Kernen ist mehr von der Struktur zu erkennen, und zwar zeigen hier die Kerne dieselbe Ansammlung des Chromatin’s nach einer Seite des Kernes hin, wie ich sie an den Kernen der Gaumenepidermis und namentlich an denen der Milz bei Siredon beobachtete. 56 Justus Carriere: Die Stäbchen und Zapfen besitzen wie die des Triton Schalt- und Nebenkörper, ersterer auf meiner Zeichnung in den Stäbehen um etwas zu schmal wiedergegeben, aber doch nicht so breit wie bei Triton; in den Zapfen ist er meist kugelig, zuweilen an der Unterseite abgeplattet; die Höhe der Zapfen ist sehr verschieden. Die Kerne der Sehzellen gleichen mehr denen des Frosches als des Triton; die Ganglienschicht ist noch einfacher gebaut als die des Triton, in dem inneren Theil (Schicht der unipolaren und bipolaren Zellen) der nur aus drei Lagen von Zellen besteht, konnte ich nach dem Aussehen der Kerne eine Trennung in zwei Schichten nicht erkennen. Theile von Tangentialschnitten der Retina habe ich in Fig. 9 a—d abgebildet, die Schnitte sind an einer Stelle starker Os- miumwirkung gemacht. a zeigt die Stäbehen dicht am Ende ge- troffen, in dem Pigment steckend; b tiefer gelegen, trifft ausser den Stäbehen, die nieht immer einen kreisrunden Querschnitt be- sitzen, auch viele einfache und einen Doppelzapfen in verschiede- ner Höhe; ce stellt 4 Kerne von Stäbehenzellen, d ausser einigen Kernen gleicher Art eine grössere Anzahl der schmaleren Kerne von einfachen und Doppelzapfen in dem Querschnitt dar. Das Corneaepithel des halbjährigen Thieres bestand aus zwei Lagen flacher Zellen unter der ebenfalls flachen Cuticular- schicht. Seitdem hat sich die Cornea noch bedeutend geändert und besteht bei dem einjährigen Thiere aus Zellen mit grossen Kernen und relativ viel Zellkörper (Fig. 10); an den in Dämpfen von Ueberosmiumsäure (mit dem ganzen Auge) fixirten und in Pikrokarmin gefärbten Präparaten erscheint durch die ganze Dicke des Epithels der Zellkörper gleichmässig homogen gelblich gefärbt. Sehr auffallend ist nun ihr Bau gegenüber dem von Salamandra. Bei Salamandra besitzt nach Pfitzner das Corneaepithel ganz junger Larven denselben Bau wie die übrige Epidermis ; sie be- steht bei der 8 Tage alten Larve aus einer Malpighi'schen Schicht srosskerniger Zellen und der Cutieularschicht darüber, also aus zwei Zellenlagen. Diese Beschaffenheit behält sie nicht nur wäh- rend des ganzen Larvenlebens bei, sondern auch das Corneaepithel des erwachsenen Thieres ist noch genau so gebaut, wie das der 8 Tage alten Larve, also zweischichtig mit deutlichem Stäbehensaum. Bei Siredon dagegen erfährt das Epithel der Cornea eine bedeutende Veränderung schon während des Larvenlebens, indem Die postembryonale Entwicklung der Epidermis des Siredon pisciformis. 37 sie bei dem einjährigen Thier (der Larve), abgesehen von der Cu- tieularschicht, noch aus drei Lagen von Zellen zusammengesetzt ist; die Kerne der Cuticeularschicht sind abgeplattet, die der dar- unter liegenden Schichten eiförmig oder kugelig. Die Intercellu- larbrücken!), an dem Augenlid sehr gross und deutlich, sind in 1) Ich hielt es nicht für nöthig, den Intercellularräumen einen beson- deren Abschnitt zu widmen, da diese und die Brücken zur Genüge durch Flemming, Pfitzner und Leydig untersucht und besprochen sind. Pfitz- ner konnte an lebenden jungen Larven direct beobachten, dass die Inter- cellularräume an der Oberfläche der Epidermis offen ausmündeten. Ich sah bei jüngeren und älteren Thieren die Intercellularbrücken zwischen den Zel- len der Cuticularschicht sehr deutlich, konnte dagegen nicht Gewissheit dar- über erlangen, ob auch zwischen den Säumen dieser Zellen solche Verbin- dungen beständen oder nicht. Meistens hatte ich den Eindruck, als ob diese Säume mit einander verkittet seien. Durch die jüngsten Untersuchungen von Nalepa (Sitzungsbericht der Kaiserl. Akad. der Wissenschaften in Wien, 1. Abth., Novemberheft 1883) werden diese Intercellularbrücken, durch Leydig (Untersuchungen zur Ana- tomie und Histologie der Thiere) von anderen wirbellosen Thieren beschrieben’ auch für die Gastropoden bestätigt. Doch scheinen gerade hier — und Nalepa’s schöne Untersuchung widerlegt es nicht — die Säume der Zellen mit einander verkittet zu sein, beziehungsweise ganz dicht aneinander zu stossen. Pfitzner beobachtete das Austreten von feihen, stark lichtbrechen- den Tropfen aus den Intercellularlücken bei jungen Larven, nicht das Gegen- theil, und ich möchte anführen, dass die mit pflanzlichen und thierischen Ge- weben angestellten Versuche bekanntlich bei Aufnahme von festen oder ge- lösten Stoffen durch die Epidermis oder das Epithel eine aktive Thätig- keit des Zellkörpers erkennen lassen, wobei der dieke homogene Cuti- eular- oder Stäbchensaum in keiner Weise hinderlich sind, und nichts dabei für die directe Einfahr durch die Intercellularräume spricht. Ich bin überzeugt, dass die Wasseraufnahme durch das Epithel einer Landschnecke (Limax, Helix) in derselben Weise erfolgt, wie die gleichfalls ungemein schnelle Wasseraufnahme durch das Darmepithel der Säugethiere vor sich geht — nämlich durch den Kör- per der Zellen und nicht durch Poren oder Lücken zwischen den Zellen. Kürzlich hatte ich Gelegenheit, die hellen Räume, welche Leydig zwischen den Epithelzellen von Cyclas beschreibt, am lebenden Thiere zu sehen, konnte sie aber nur bis in die Nähe des Cuticularsaumes verfolgen, wo sie zu endigen schienen. Wenn ich nun auch zugeben wollte, dass es röhrenförmige Spalten sind, die sich nach aussen öffnen, so würde mir durch dieselben zwar ein Austreten, aber nicht eine Aufnahme von Flüssigkeit mög- lich scheinen. Ich verweise übrigens in dieser Beziehung auf die interessan- ten Beobachtungen von Ray Lankester in No. 170 des Zoolog. Anzeigers Jahrgang VII 1884. 38 Justus Carriere: dem Corneaepithel kaum mit Seibert '/ wahrzunehmen, der Stäbehensaum nicht sichtbar. Der bindegewebige Theil der Cornea, bei I aus einer Lage von Zellen bestehend, wird jetzt von einer grossen Anzahl von Lamellen gebildet, die am Rande der Cornea, wo sie fest anein- ander liegen, fast so diek wie das Epithel sind, gegen die Mitte zu, wo sie lockerer liegen, dies Epithel an Dicke übertreffen. An den Lamellen sind die grossen aber sehr flachen Kerne deutlich zu unterscheiden. Eine sogenannte Membrana Descemetii existirt nicht; die innerste Lage der Bindegewebszellen bildet ein Endothel mit dicht stehenden, scheibenförmigen Kernen. Da mir augenblicklich kein Material von älteren, beziehungs- weise von umgewandelten Thieren zu Gebote steht, muss ich mich für jetzt darauf beschränken, diese so auffallende Abweichung im Bau des Corneaepithels zwischen Axolotl und Salamandra festzu- stellen, ohne näher darauf eingehen zu können. Ich hoffe aber bald Gelegenheit zur Fortsetzung dieser Studien zu erhalten, die dann vielleicht auch diesen Punkt aufklären werden. Vergleicht man die Epidermis der verschiedenen Alterstufen von Siredon mit der der Larven von Salamandra und Triton, so ist eine Aehnlichkeit im Ganzen und Grossen natürlich vorhanden, begründet in der Verwandtschaft. Daneben sind aber so bedeu- tende Verschiedenheiten siehtbar, dass man sie nicht allein aus dem Umstande erklären kann, dass der Siredon zu einer Zeit aus dem Ei schlüpft, zu welcher seine Epidermis noch lange nicht so entwickelt ist, wie die der Salamandralarve schon vor der Geburt es nach Pfitzner ist. Die weitgehenden Abweichungen sowohl von der Larve als von dem erwachsenen Salamander stehen viel- mehr sicherlich einerseits im Zusammenhang mit dem viel länger dauernden Larvenleben des Siredon im Wasser, anderseits schei- nen sie auf Weismann’s Hypothese über das Verhältniss des Siredon zum Amblystoma hinzuweisen und sie zu unterstützen. Nervenhügel von Amphibien und Fischen. Trotz der vorzüglichen Untersuchungen, durch welche Ley- dig, Malbrane, F. E. Schulze, Solger und Bodenstein uns die Nervenhügel und Knospenorgane kennen lehren, glaube ich doch eine — wenn auch sehr kleine — Lücke ausfüllen zu kön- Die postembryonale Entwicklung der Epidermis des Siredon pisciformis. 39 nen, indem ich bei dieser Gelegenheit ausser den Abbildungen dieser Organe vom Siredon einige Zeichnungen mittheile, welche ich nach günstigen Schnitt-Präparaten sehon zu Ostern 1883 anfertigen liess. Sie waren für eine umfassendere Abhandlung bestimmt und sollten — nicht im mindesten schematisirt und doch einfach und verständlich wie sie sind — die verschiedenen Formen cha- rakterisiren, in welchen die Organe auftreten. In der Hoffnung, dass sie dazu auch heute noch nicht zu spät kommen, füge ich sie hier bei. Bei den Fischen finden sich die jetzt Nervenhügel benannten Organe theils im Epithel, entweder über die Oberfläche hervor- ragend oder tiefer liegend, theils in den subeutan verlaufenden Röhren. Zu den schönsten Beispielen des ersteren Verhaltens ge- hören die Seitenorgane bei Cobitis, wo auf jedem Segment drei Ner- venhügel in einem Dreieck zusammenliegen. Fig. 11 Tafel III gibt einen Schnitt wieder, der zwei davon getroffen hat. Sie sind mit vollendeter Deutlichkeit an Stücken des Thieres zu sehen, welche man in einer ca Ys—!/5%/, Chromsäure-Lösung abgetödtet hat, verschwinden durch die Contraction der Haut und die massenbafte Schleimabsonderung, wenn man Alkohol als Mittel zur Conservi- rung anwendet. Die Epidermis ist um die Sinnesorgane herum bekanntlich frei von Schleim- und Kolbenzellen, und bei Cobitis an dieser Stelle ungefähr um die Hälfte verdünnt. Dass die Sin- nesorgane trotzdem über die Körperoberfläche hervorragen, wird durch grosse von verästelten Bindegewebszellen durchzogene Räume bewirkt, welche zwischen den Organen und der darunter befind- lichen Schuppe liegen, und wie ich glaube, schwellbar sind, so dass die Organe eingezogen und vorgestreckt werden könnten, oder welche den Nervenhügeln als nachgiebiges Polster bei solchen Bewegungen dienen. Mitten durch dies Polster steigt, von Binde- gewebe umgeben, das Nervenbündel zu dem Sinnesorgan in die Höhe. Schliesslich muss ich noch eines Gebildes erwähnen, welches ich bei der ersten Durchsicht meiner Präparate vor ungefähr zwei Jahren gesehen, das mir aber unklar blieb bis zu Solger’s Note im Zoologischen Anzeiger V. Jahrgang 1882 No. 127, und mir auch jetzt noch nicht ganz verständlich ist. Es sind Stränge, gebildet aus einem Cylinder von Zellen mit senkrecht zur Oberfläche und sehr dicht gestellten Kernen, die eine wechselnde Breite haben, von der Unterseite der Organe, seitlich des Nervenantrittes, aus- 40 Justus Carriere: gehen und die Sinnesorgane mit einander verbinden. Auf Schnit- ten, welehe in der Längsachse des Körpers gelegt sind, kann man häufig längere Stücke, auf Querschnitten wie Fig. 11 meist nur die Querschnitte davon sehen. Es scheint mir kein Zweifel, dass sie den Ketten entsprechen, welche nach Solger und Boden- stein die Sinneshügel der Seitenkanäle miteinander verbinden, und die bei Acerina cornua und Cottus gobio nervöser Natur sind (marklose Nervenfasern mit Schwann’scher Scheide). Nun lassen sich diese Gebilde bei Cobitis nicht als Stränge bezeichnen, son- dern nur als eylindrische, zuweilen etwas breitgedrückte Röhren, in deren Lumen ich nichts wahrnehmen kann, was dem Querschnitt von Nervenfasern gleicht, das mir im Gegentheil vollkommen leer erscheint. — Ich hoffe durch diese Mittheilung Solger zur Unter- suchung dieses sehr günstigen Objektes anzuregen, die ich nicht in der Lage bin fortzusetzen; es ist ja nicht unmöglich, dass in den Kanälen durch geeignete Färbung sich doch ein Inhalt nach- weisen liesse, obschon mir eine solche Anordnung von Kernen einer Nervenscheide neu wäre; die Scheide des zum Sinnesorgan ziehenden Seitennerven wenigstens zeigt mit dem Cylindermantel dieser Kettenkanäle keine Aehnlichkeit. Bei Tinca fluviatilis fmden sich ausser den Knospenorganen, welche, aufhohen, schmalen, säulenförmigen, massiven Cutispa- pillen stehend, die Oberfläche erreichen und massenhaft über die Körperoberfläche zerstreut sind, zwei Formen von Nervenhügeln, näm- lich, abgesehen von den Sinneshügeln in den subeutanen Röhren, Nervenhügel in der Epidermis. Diese zeigen bei sonst gleichem Bau des Organs Unterschiede in der Lage, indem sie entweder an der Oberfläche der Epidermis anstehen oder in der Tiefe der- selben sitzen. Im ersteren Fall stimmt der ganze Aufbau des Or- gans so mit dem von Cobitis überein, dass eine Zeichnung voll- kommen überflüssig erscheint. Wie dort ruht es auf einem sehr lockeren, bindegewebigen Polster. Auch der Bau und die Form des Sinnesorganes selbst ist dem von Cobitis gleich. Die einzigen Unterschiede, welche hervorzuheben sind, bestehen darin, dass die Organe von Tinca nicht über die Oberfläche hervorragen, sondern im gleichen Niveau stehen, und dann, was wichtiger, dass der dort so deutliche Kanal hier nicht zu finden war. Diejenigen Nervenhügel, deren Basis in gleicher Ebene mit der der Epidermis liegt (Fig. 12), weichen in ihrem Bau in sofern von den oben be- Die postembryonale Entwicklung der Epidermis des Siredon pisciformis. 41 sprochenen Organen ab, als die Gestalt jener einer geschälten Orange gleicht, diese aber weniger kugelförmig sind und dadurch grössere Aehnlichkeit mit den Sinneshügeln der Seitenkanäle (Fig. 14), besitzen. Sie sind von der Epidermis vollkommen überwölbt, welche nur über der Mitte des Organs von einem schmalen Ka- nal durchbrochen ist, durch welchen das Sinnesorgan mit der Oberfläche in Verbindung steht. — Die dritte Form, in welcher diese Sinnesorgane auftreten, ist bekanntlich die der Sinneshügel in den Seitenkanälen, welche in der Cutis tief unter dem Epithel hinziehen und in bestimmten Abständen durch nach aussen ab- zweigende, gekrümmte Kanäle mit der Oberfläche in Verbindung stehen. Der Sinneshügel liegt nicht gerade unter der Ausmün- dungsstelle, sondern etwas vor oder hinter derselben. In Folge dieser beiden Umstände zeigt ein Schnitt, der den Ausführungsgang bis zum Seitenkanal getroffen hat, nicht den Sinneshügel, ein Schnitt, welcher letzteren berührt, nicht den Ausführungsgang in Verbindung mit dem Seitenkanal (Fig. 13), wie bei Bodenstein ausführlicher dargestellt ist. In dem Schnitt durch den Sinnes- hügel (Fig. 14), welchen ich nur abbilde, um die Aehnlichkeit des- selben mit den tiefgelegenen Organen der Epidermis zu zeigen, ist die Cupula (Deckschicht) weggelassen. Es erhellt also aus dieser kurzen Betrachtung, dass wie bei Gobius und Gasterosteus freistehende Organe und Seitenkanäle, so bei der Schleihe alle drei vorkommenden Formen der Nerven- hügel — im Niveau der Oberfläche der Epidermis, in der Tiefe der Epidermis und in den Seitenkanälen — gleichzeitig vertreten sein können. Bei den Amphibien kommen die Seitenkanäle nicht mehr vor, und von den Sinneshügeln der Epidermis ist fast über den ganzen Körper die hochliegende Form verbreitet, deren Entwick- lung wir jetzt bei Siredon verfolgen wollen. Die Nervenhügel finden sich bekanntlich schon bei eben aus- geschlüpften Thieren. Wie Fig. 15 zeigt, stehen sie noch auf einer sehr einfachen Stufe. Etwas über die Oberfläche vorgewölbt, mit der Basis in gleicher Ebene mit der Grundfläche der Epidermis stehend, und zuweilen so dicht zusammengelagert, dass nur eine oder zwei Epidermiszellen zwischen zwei Organen stehen, fallen sie auf Querschnitten vorzüglich dadurch auf, dass die Kerne aller zugehörigen Zellen sich viel stärker färben als die der zwischen- 42 Justus Carriere: liegenden Zellen. Doch kann man schon höher stehende Zellen in der Mitte (Sinneszellen) und die grösseren Rand- oder Deck- zellen deutlich unterscheiden. Die feine Röhre, welche sich über dem Organ erhebt, konnte ich am lebenden Thiere gar nicht und am Präparate nur so undeutlich wahrnehmen, dass ich sie nicht mit abzubilden wagte. Bedeutend grösser und weiter entwickelt sind diese Organe bei dem 2,2cm langen Thiere (II). Fig. 16, welche eines der grösseren von der Oberfläche des Kopfes wiedergiebt, lässt auf dem gerade durch die Mitte gegangenen Sagittalschnitt so deutlich die mittleren Sinneszellen und die unteren und seitlichen Deckzel- len erkennen, dass eine weitere Erläuterung unnöthig erscheint. In dem gleichen Verhältnisse, wie die ganze Epidermis des 2,2 cm langen Thieres zu dem S cm langen, stehen auch die Ner- venhügel beider Stadien zueinander. Fig. 18, 19, 20 zeigen klei- nere Organe, Fig. 17 eines der grösseren, von der Oberfläche des Kopfes. Im Allgemeinen stehen die Organe über einer leichten Vertiefung der Cutis, mit ihrer Basis etwas unter die Epidermis hinabreichend; doch kommt auch häufig der Fall vor, dass sie auf einer ganz bedeutenden Erhebung der Cutis sitzen, die bis zu einem Drittel, ja bis zur halben Höhe der Epidermis in diese hineinreichen kann, uud gerade an der Aussenseite des Kiemendeckels ist dies bei den grössten wie bei den kleineren Nervenhügeln fast ausnahmslos der Fall. Die dichte, lamellöse Sehicht der Cutis erleidet dabei keine Veränderung; unter ihr, den Innenraum der Papille erfüllend, liegt lockeres Bindegewebe. Die Erhebung, auf welcher der Nervenhügel sitzt, ist somit wohl dem Pol- ster unter den hochstehenden Seitenorganen, nicht aber der massiven Papille unter den Knospenorganen der Fische zu vergleichen. Der grösseren Dieke der Epidermis entsprechend sind die Decekzellen jetzt von sehr bedeutender Länge; der Bau des Zell- körpers derselben ist ein deutlich faseriger, durch eine sehr aus- gesprochene Längsstreifung der Zellen bezeichnet. Die Sinnes- zellen, welche ja von Anfang an nicht bis zur Basis hinabreich- ten, sind nur um das doppelte länger, kaum dicker geworden. Jetzt sind auch Einzelheiten zu erkennen, die bei den jüngeren Exemplaren durch ihre Kleinheit entgingen oder durch die Präpa- rationsmethoden zerstört wurden. Dahin gehören zunächst die Cilien der Sinneszellen (Sinneshärchen), auf Fig. 20 mit voller Die postembryonale Entwicklung der Epidermis des Siredon pisciformis. 43 Deutlichkeit sichtbar. Dann die feine Röhre, welche von F. E. Schulze entdeckt und von verschiedenen Beobachtern bestätigt, mir jetzt auf einer Reihe von Präparaten handgreiflich vorliegt, nachdem ich mich in den letzten Jahren immer vergeblich be- müht hatte, sie zu Gesicht zu bekommen. Allerdings ist sie auf dem in Canadabalsam liegenden Präparate nicht mehr so, wie sie Schulze nach dem Leben gezeichnet hat, sondern immer mehr oder weniger verknittert. Trotzdem werden dadurch, dass sie sich mit Pikrokarmin roth färbt, verschiedene Einzelheiten daran sicht- bar. So sitzt die Röhre nieht mit ihrem ganzen Basalrande auf, sondern schwebt über dem Organ, getragen von kleinen Stützen, die auf den Deckzellen aufsitzen. Ferner scheint die sehr ver- schiedene Längsstreifung anzudeuten, dass sie aus einzelnen band- förmigen Streifen verschmolzen ist, deren jeder von einer Deekzelle entspringt und als eine Cutieularbildung derselben aufzufassen ist. Was schliesslich Grösse, Form und Lagerung dieser Organe betrifft, so zeigen erstere verschiedene Abweichungen und nach letzterer kann man die Organe in zwei Gruppen scheiden. Die Regel ist, dass die Organe etwas unter die Basis der Epidermis hinab- und beinahe bis zur Oberfläche derselben hinaufreichen, aber nicht über sie hervorragen (Fig. 17 und 19). An zwei Stellen des Körpers aber liegen sie in der Tiefe; sie sind dann relativ klein, erheben sich nur bis zur halben Höhe der Epidermis und stehen durch einen weiten, von den Zellen der Cutieularschicht ausge- kleideten Kanal mit der Oberfläche in Verbindung (Fig 20). Diese Art fand ich nur an der Spitze der Schnauze und an der Unter- seite des Unterkiefers, denjenigen Körpertheilen, welche sehr häufig und in sehr unsanfter Weise mit festen Gegenständen in Be- rührung kommen und in Folge dessen schon durch eine besonders derbe Epidermis geschützt sind. Es scheint natürlich, dass sich hier die Sinnesorgane von der Oberfläche in die Tiefe zurückziehen. Dass wir es dabei nicht mit einer zufälligen oder nur für Siredon eigenthümlichen, sondern mit einer weit verbreiteten und desshalb auch auf allgemeinere Einflüsse zurückzuführenden Ein- richtung zu thun haben, beweist das Vorkommen ganz derselben Anordnung in der Epidermis der Unterseite des Unterkiefers bei Proteus anguineus (Fig. 21). Strassburg im April 1884. 44 Justus Carriere: Literatur. Die Literatur für die Epidermis der Urodelen findet sich zusamme n- gestellt in der Abhandlung von Pfitzner: Die Epidermis der Amphibien. Morpholog. Jahrbuch VI, 1880. Diese Arbeit, welche meiner Untersuchung zwar nicht zu Grunde lag — ich lernte sie erst kennen als ich meine Unter- tersuchungen am Thiere vollendet hatte — war mir sehr willkommen durch die systematische und eingehende Behandlung des Gegenstandes und den da- oe, während man manchen der all- durch gebotenen Anhalt zur Vergleichung, gemeinen Betrachtungen und Sätze vom Standpunkte der vergleichenden Anatomie aus weniger zustimmen kann. Für die Seitenorgane und Nervenhügel ist auf die vergleichende Ana- tomie von Wiedersheim, Bd. I und die Zusammenstellung der Literatur daselbst Bd. IL, auf Hoffmann in Bronn, Klassen und Ordnungen Bd. VI, sowie auf Merkel, ‚Ueber die Endigungen der sensiblen Nerven in der Haut der Wirbelthiere‘, Rostock 1880 zu verweisen, speciell für die Seiten- organe der Fische auf die neueren Arbeiten von Solger, Archiv für mikros- kopische Anatomie Bd. XVII und XVIII, sowie Bodenstein, Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie Bd. 37, 1880. Der grundlegenden Untersuchungen von Leydig und F. E. Schulze habe ich schon oben gedacht. Erklärung der Abbildungen '!). Tafel 11. Für alle Figuren gültige Bezeichnungen: a=Üuticularschicht, m=Malpighi’sche Schicht, cu= Qutis. Figur 1-9 gehören dem kürzlich ausgeschlüpften Thiere an. Fig. 1. Theil eines Schnittes durch die Rücken- und Schwanzflosse. Der Schnitt ist parallel der Bauchfläche geführt. Fig. 2. Schnitt durch die Epidermis der Seite des Rumpfes; die Schnittrich- tung ist die gleiche wie bei 1. d dotterhaltige Zellen. 1) Die Abbildungen der 1. und 2. Tafel sind von mir jetzt gezeichnet mit Ausnahme von Figur 11—15 und 21, welche Herr Krapf in München unter meiner Leitung Ostern 1883 anfertigte. Die postembryonale Entwicklung der Epidermis des Siredon pisciformis. 45 e Sans Fig. 9. Sagittalschnitt durch die Epidermis des Bauches. Sagittalschnitt durch die Epidermis der Unterseite des Kopfes. Epidermis der Seite des Kopfes. Schnittrichtung wie bei 1. a seitlicher, b medianer Theil eines Schnittes durch die Epidermis der Schnauze, (b Spitze der Schnauze), ch Chromatophore, b farb- lose Bindegewebszelle. Querschnitt durch die Cornea, b die Zellen der Bindegewebslamelle. Querschnitt eines Kiemenfiederchens, ca Capillaren, umgeben von Bindegewebszellen, von denen 2 Dotterkörner enthalten. Von den Zellen des Epithels zeigt a die Cilien, wie man sie bei dem leben- den Thier sieht, b dieselben abgestorben. Querschnitt der Epidermis der Dorsalseite der Zunge; die Zellen enthalten noch sehr viele Dotterkörner. Figur 10—20, nach Präparaten von dem 2,2cm langen (ungefähr 3 Monate alten) Thiere. Fig. 10. KisSTT. Querschnitt der Haut des Bauches. In der Epidermis treten die Netzzellen N hervor. Die oberste Lage der Cutis, cu besteht aus parallelen Schichten von Bindegewebslamellen. Querschnitt der Haut der Seite des Rumpfes, der Zellkörper der grossen Zellen in der Malpighi’schen Schichte färbt sich nicht mit Carmin; sie entsprechen den Netzzellen oder sind jüngere Stadien derselben. . Querschnitt der Rückenflosse. An der Kante und nahe derselben finden sich nur unveränderte Epidermiszellen. . Sagittaler und medianer Längsschnitt durch die Haut des Unter- kiefers. . Schnitt durch die Haut des oberen Unterkieferrandes. Schnittrichtung der Präparate 14—20 wie 13. . Schnitt durch die Haut der Innenseite des Unterkiefers. . Längsschnitt durch die Epidermis der Unterseite der Zunge. Längsschnitt der Haut der Zungenoberfläche. . Längsschnitt der Epidermis und Cutis am Uebergang der Zungen- oberfläche zum Schlunde. Die Zellen der Cuticularschichte tragen hier kurze, dicke Cilien. . 1 Schnitt durch die Haut der Schnauzenspitze. Fig. 20. 2 Schnitte aus der Haut des Kiemendeckels; a von der Oberfläche, b von der Kante und der Innenseite. Figur 21—29 nach Präparaten von dem 8cm langen (ungefähr halb- jährigen Thiere). Fig. 21. Zwei Querschnitte der Haut der Flosse, a von der Seite, b von der Kante derselben. N, Netzzellen mit vielen, N, mit wenigen Körn- chen. An der Innenseite der Cutis liegen Verzweigungen von Chro- matophoren, 46 Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. 22. 23. ie. 24. ie. 25. . 26. 27. 28. 29. Justus Carriere: Längsschnitt der Haut des Kiemendeckels, und zwar der Aussen- seite desselben, mit zwei Lagen von Netzzellen übereinander, und sehr dicker Cutis. Längsschnitt der Haut der Innenseite des Kiemendeckels; a eine Stelle, an welcher die Zellen hoch sind, b die gewöhnliche flache Epidermis dieser Körpergegend. Medianer Längsschnitt durch die Haut der Unterseite des Kopfes (des Unterkiefers). Schnitt in gleicher Richtung durch die Haut der Vorderseite des Unterkiefers. S Schleimzellen mit sichelförmigem Kerne, x Einsen- kung (Knopf) von Epidermiszellen. Schnitt wie 24 durch die Haut der oberen Kante des Unterkiefers ; st ce stratum corneum, bezeichnet die eine Lage von Zellen, durch welche diese Schicht hier vertreten ist, h äusserste Schichten stark verhornter Zellen. Sagittaler Schnitt durch die Haut des Bodens der Mundhöhle an dem Wulste (siehe Fig. 29); B Becherzellen, S Schleimzelle. Schnitt in gleicher Richtung durch die Haut des Bodens der Mund- höhle, nahe der Zungenwurzel. B Becherzelle. Skizze eines sagittalen Schnittes durch den Unterkiefer, um die Stellen zu bezeichnen, denen Fig. 25—27 entnommen sind. Tafel II. Die Abbildungen 1—6 haben auf Stadium III (8cm lang) Bezug. Sl. Sagittaler Schnitt durch die Haut der Zunge, gerade an der Zungen- spitze, B Becherzellen, Kn Knospenorgan. Die Cutis der Zunge be- steht aus einer ganz dünnen Schicht lamellösen Bindegewebes, unter der ein sehr lockeres, die ganze Zunge ausfüllendes Netz von stark verzweigten Bindegewebszellen liegt. Die Becherzellen sind hier kurz und breit. Schnitt in gleicher Richtung durch die Haut der Zunge, weiter nach hinten zu. In den zahlreichen, nicht überfärbten Becherzellen tritt die netzförmige Anordnung des Zellkörpers deutlich hervor. 2 Schnitte durch die Haut des Gaumens, in sagittaler Richtung, a von dem vorderen, b von dem hinteren Theil desselben, kn Knos- penorgan. Unter dem Knospenorgan löst sich die dichte lamellöse Cutis in ein lockeres Gewebe auf und bildet so eine kleine Papille. a Cuticularschicht der Streckseite, b der Beugeseite des Oberarms. Sagittaler Schnitt der Haut über dem Gelenk des Fingers. Die Epider- mis des Fingers (rechts) verdünnt sich plötzlich, indem die Netzzellen auf- hören und die Zellen der Malpighi’schen Schicht sich sehr stark abplatten. Epidermis der Fingerspitze, sagittal geschnitten, m Malpighi’sche Die postembryonale Entwicklung der Epidermis des Siredon pisciformis. 47 Schicht, st e stratum corneum, Hornschicht, h äussere Schicht stark verhornter Zellen. Querschnitt des Auges eines kürzlich ausgeschlüpften Siredon. C Cornea, L Linse, R, innere, R, äussere Schicht der Retina’ (Retina- pigment). Die einzige der auf Siredon bezüglichen Abbildungen, wel- che nicht im gleichen Grössenverhältniss mit den übrigen steht. Vergleiche übrigens die Cornea Fig. 7 Tafel II und die Linse Fig. 8 Tafel II. Medianer Querschnitt durch die Linse des jüngsten Stadiums, a An- lage der Linse, b Epithel der Linse, e Rest der Linsenhöhlung. Querschnitt durch die Retina des emjährigen Thieres (14 cm lang). a Stäbchen, b Zapfen, e Doppelzapfen, d Aussenglied, e Schaltkör- per, f Nebenkörper, g Kern der Stäbehenzelle, h Kern der Zapfen- zelle, i Basalplexus, k und m Kerne der Zellen der Rinde des Gang- lion Retinae (äussere und innere Lage), 1 innere Faserschicht des Ganglion, n Schicht der Optieusfasern und limitans interna, o Stütz- zellen. Die linke Seite (1) ist nach starker, die rechte (2) nach schwäche- rer Wirkung der Ueberosmiumsäure-Dämpfe gezeichnet. 9a Querschnitt (Tangentialschnitt) durch die oberen Enden der Aussenglieder von Stäbehen und einem Zapfen; p Retinapigment. 9b Schnitt etwas tiefer; die Zapfen, darunter ein Doppelzapfen, sind in grösserer Anzahl getroffen. 9c Vier Kerne von Stäbchenzellen, 94 Kerne von Stäbchenzapfen- and Doppelzapfenzellen auf dem Querschnitt Die ganz kleinen dunklen Kreise sind vielleicht Querschnitte von Landolt’schen Keu- len, welche auf dem Längsschnitt (Querschnitt der Retina) nicht zu erkennen waren. . Querschnitt der Cornea des 14 cm langen Siredon. Abgesehen von der Cutieularschicht zählt man 2—-3 Lagen von Zellen des stratum Malpighi. . Zwei Seitenorgane von Cobitis fossilis auf dem Querschnitt, das eine (2) gerade durch die Mitte und den Antritt des Nerven, das andere (1) dicht neben der Mitte getroffen. Die Sinnes- und Deckzellen sind sehr deutlich durch kugelige und längliche Kerne unterschie- den. Bei 1 ist unter der Mitte des Organs der fragliche Kanal (Solger’s Kettenstrang entsprechend) im Querschnitte sichtbar, und ebenso an der Grenze des unter 1 liegenden Polsters rechts davon etwas weiter unten schräg angeschnitten. Fig. l1la zeigt den Kanal aus einem anderen Präparate, wo sein Querdurchmesser grösser ist. . Querschnitt eines tiefliegenden Nervenhügels der Epidermis von Tinca. . Querschnitt durch die Haut von Tinca, auf welchem der Seitenkanal a und die Mündung des von demselben zur Oberfläche gehenden 48 Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. 14. 16. If. 18 19. 20. Justus Carriere: Zweiges b getroffen sind. e Epidermis, ce Cutis, d Schuppen, welche die Kanäle theilweise umgeben. Querschnitt des Sinneshügels aus dem Seitenkanal, stärker vergrössert, um die Uebereinstimmung des feineren Baues der höheren und tie- feren Nervenhügel in der Epidermis von Fischen und Amphibien mit den Nervenhügeln der Seitenkänäle der Fische zu zeigen. Ver- gleiche Fig. 11, 12, 16 und 17. . Querschnitt der Epidermis des Kopfes eines kürzlich ausgeschlüpften Siredon mit zwei Nervenhügeln. Die Kerne der Cuticular- und der zu den Hügeln gehörigen Zellen haben sich viel stärker mit Karmin gefärbt als die der zwischenliegenden Zellen. Die Sinnes- und Deck- zellen der Nervenhügel sind deutlich durch die höhere und tiefere Lage, nicht durch die Form der Kerne unterschieden. Sagittalschnitt eines Nervenhügels vom Kopfe des 2,2 cm langen Siredon (II). Die Deck- und Sinneszellen sind sehr deutlich unter- schieden. Die Kerne der ersteren sind länglich, die der letzteren kugelig und mit Pikro-Karmin nur wenig färbbar. Skizze des Sagittalschnittes durch einen Nervenhügel des Kopfes vom 8 cm langen Siredon (Ill). Die Sinnes- und Deckzellen haben sich ungleich verändert; erstere sind nur relativ, letztere absolut be- deutend länger als bei dem jüngeren Thiere. e Epidermis. Ueber dem Organ erhebt sich die von F. E. Schulze entdeckte Röhre a, hier nach der mannigfachen Behandlung etwas verdrückt und ver- knittert, aber vollkommen deutlich. Sie steht, wie noch besser aus hervorgeht, welche nur den oberen (äusseren) Theil des Schnittes durch einen Nervenhügel darstellt, nicht mit ihrem ganzen Rande auf, sondern auf kleinen Vorsprüngen, welche von den Deckzellen ausgehen und sich über dem äusseren Ende derselben erheben. a Röhre, b Deckzellen, e Sinneszellen. Sagittalschnitt durch einen Nervenhügel des 8 cm langen Siredon (III), in der Epidermis etwas unterhalb der Schnauze; hier sind die Sin- neshärchen (Cilien) durch Dämpfe von Ueberosmiumsäure besonders gut erhalten. a der Umriss der Röhre. Epidermis der Schnauzenspitze von III mit einem tief liegenden Nervenhügel N auf einem Sagittalschnitte. Die Zellen der Cutiecu- larschichte ce sind an dieser Stelle ungemein lang; die nach oben (links in der Abbildung) gelegenen Zellen besitzen einen deutlichen Stäbchensaum, die nach unten (rechts in der Zeichnung) liegenden Zellen zeigen eine Querschichtung des ganzen Zellkörpers bis zum Kern hin. Die Intercellularbrücken sind hier sehr deutlich; links eine Chromatophore in den Intercellularräumen verzweigt. Eine Chromatophore erstreckt sich mit ihren Verästelungen häufig über einen relativ ungeheuren Raum. So finden sich an den hohen Stel- len der Epidermis mit zwei Lagen von Netzzellen Chromatophoren, “ Die postembryonale Entwicklung der Epidermis des Siredon piseiformis. 49 welche von der Basis ‚der Epidermis bis zur Cuticula reichend eine ganze Anzahl dieser grossen Netzzellen umspannen. Die Wandung des Kanals, durch welchen der Nervenhügel mit dem umgebenden Medium in Verbindung steht, wird von der Cuticularschicht gebildet. Fig. 21. Sagittalschnitt durch einen tiefgelegenen Nervenhügel vom Unterkiefer des Proteus anguineus. Auffallend ist die grosse Anzahl der Zellen, welche das Organ zusammensetzen im Vergleiche mit den Nerven- hügeln von Siredon und den Fischen, wo die Kerne der Sinneszellen meist nicht zahlreicher sind, als dass sie in einer Schicht nebenein- ander stehen können. Alle auf Siredon bezüglichen Abbildungen sind mit dem Oberhäuser- schen Zeichenapparat und Seibert Obj. V in der Höhe des Objekttisches ent- worfen, mit Seibert homog. Immersion 1/js ausgeführt, die übrigen Abbildun- gen in einem etwas kleineren Maassstabe gezeichnet. Auf die gleichen Kör- perstellen der drei Stadien beziehen sich die Figuren Stadium ] 1 2 3 4 6 g | 7 > 171919210718 7.1081913.1.719 17 14 15 20 — sn ee an" 20* 1*) 9* 25, 26197, 281123, 93. 10* wobei die Figuren der Tafel II. in der Tabelle mit einem Sternchen bezeichnet (20*) sind; ich suchte auf den Tafeln die einander entsprechenden Zeichnun- gen möglichst zusammenzustellen, musste diesen Vortheil aber durch kleine Unregelmässigkeiten in der Zahlenfolge erkaufen, Archiv f. mikrosk, Anatomie. Bd. 24. 4 50 W. Flemming: Studien über Regeneration der Gewebe. Studien über Regeneration der Gewebe. Von W. Flemming, Prof. der Anatomie in Kiel. Hierzu Tafel IV. In früheren Arbeiten habe ich die Verbreitung der mitotischen Zelltheilung in verschiedenen Geweben®) und bei verschiedenen Organismenformen®) verfolgt, wofür bald Untersuchungen anderer Forscher reichlich zu Hülfe kamen‘). Das Gesammtresultat ist der Nachweis gewesen, dass diese Vermehrungsart bei fast allen bisher darauf untersuchten Zellenarten @), beziehungsweise Geweben zu finden ist. Bei all diesen Arbeiten war meistens®) noch keine durchge- a) Dies gleichzeitig mit Peremeschko, und unter wesentlich überein- stimmenden Resultaten in Bezug auf die Verbreitung nach Geweben. b) Die Ergebnisse sind in dem Buch: Zellsubstanz, Kern und Zellthei- lung, 1882, Leipzig, Vogel, zusammengestellt. Wo hier nähere Literatureitate unterbleiben, ist auf die dortigen betr. Capitel und Literaturverzeichnisse ver- wiesen. c) Am eben cit. Ort, S. 286 u. f. d) Fraglich waren bis jetzt noch die Leukocyten (vergl. jedoch den Inhalt des folgenden I. Abschnittes). Ueber mehrere Gewebsformationen des Wirbelthierkörpers, bei denen das Vorkommen der Karyomitose bis jetzt noch nicht direet gezeigt worden ist, wird in den folgenden Abschnitten noch ge- handelt werden. e) Von einzelnen Forschern ist dies schon geschehen, so besonders von Pfitzner (Beob. üb. weiteres Vorkommen der Karyokinese, Arch. f. mikr. Anat. 1881 S. 127), der ausser Amphibienlarven, bei Embryonen und beim jungen Säugethier (Hund) auch speciell beim erwachsenen Salamander und Triton untersuchte und hier im Hautepithel, in Hautdrüsen, Darmdrüsen, im Bindegewebe, sowie beim Schwein in Leberzellen reichlich Theilungsfiguren fand. Er ist danach sogar zu dem Schluss gelangt (S. 132 a. a. OÖ.) „dass Studien über Regeneration der Gewebe. 51 hende und prineipielle Rücksicht darauf genommen worden, ob die betreffende Gewebe sich noch im Wachsthum befanden oder „aus- gewachsen“ waren, oder mitanderen Worten, ob es sich bei den Zell- theilungen um absolute Zellvermehrung, oder um Regeneration handelt. Ich habe mir von Anfang an gesagt, dass auch diese Frage alsbald genauer in Angriff zu nehmen war; denn es ist für viele pathologische und physiologische Gegenstände schon jetzt von augenfälligem praktischem Interesse, zu wissen, ob die Rege- neration der Gewebe durch mitotische Zelltheilung erfolgt oder nicht; und ich glaube, dass sich eine immer gesteigerte Vermeh- rung dieses Interesses in dem Grade voraussehen lässt, als man fortfährt, in die Biologie der Gewebe vorzudringen. Ich weiss wohl, dass dieser Gedanke auf einigen Seiten dem Einwand begegnen wird: „eine Feststellung solcher Art sei gar nicht mehr nöthig; nachdem sich einmal das Vorkommen der in- directen Theilung so verbreitet herausgestellt habe, sei ohne Wei- teres anzunehmen, dass sie allein überall bei der Gewebsregenera- tion der maassgebende Factor sei.“ Dass diese Argumentation bei heutigem Stand der Kenntnisse Wahrscheinlichkeit für sich hat, verkenne ich gewiss nicht; denn ich habe diese Wahrscheinlichkeit früher selbst zum Thema eines besonderen kleinen Aufsatzes über die Epithelregeneration ge- macht‘), dessen Schlussfolgerung kurzgefasst die folgende war: „Dass Gewebsersatz durch indireete Theilung vorkommt, ist er- wiesen; dass Gewebsersatz durch directe Theilung, oder durch freie Zellbildung, oder durch Zellabschnürung ohne Betheiligung des Kerns (nach Lott) vorkommt, ist bisher nicht erwiesen, sondern nur möglich. Folglich liegt die Annahme am nächsten, dass die Regeneration der Gewebe überhaupt auf ersterem Wege erfolgt; wer behaupten will, dass er auch auf einem der letzteren geschehe, hat dies erst darch Thatsachen zu beweisen“. die Möglichkeit des Vorkommens eines anderen Zellvermehrungsmodus, als durch Zelltheilung mit metamorphotischer Kerntheilung, überhaupt auszu- schliessen sei“. So weit kann ich jedoch nicht gehen, schon mit Rücksicht auf die Leukocyten nicht, die nach unsern jetzigen Kenntnissen (s. unten) einen doppelten Vermehrungsmodus haben, und weil auch sonst für einen sol- chen Satz nach meinem Erachten noch eine viel speciellere Durchforschung der Gewebsregeneration im erwachsenen Körper nöthig wäre, als sie bis jetzt vorliest. f) Arch. f. mikr. Anat. B. 18, S. 347. 52 W. Flemming: Demnach ist aber auch die Annahme eines normalen Ge- websersatzes durch mitotische Zelltheilung bis jetzt nicht mehr als ein Wahrscheinlichkeitssehluss, als welehen ich ihn da- mals auch ganz ausdrücklich bezeiehnete®). Ich würde es nicht für richtig ansehen, wenn man diese Wahrscheinlichkeit ohne Weiteres als Gewissheit setzen wollte; um so weniger, als von verschiedenen Seiten ganz gerechte Einsprüche gegen eine solche Schlussweise geschehen sind®), und als ich selbst die freie Zell- bildung oder anderweitige Formen der Zelltheilung niemals ge- leugnet, sondern nur ihre Betheiligung am Ersatz der Gewebe unbewiesen genannt habe, — und dies allerdings mit Grund. Grade die wichtige Frage, ob es eine freie Zellbildung und ob es noeh andere eigenthümliche Arten der Zellvermehrung ge- genüber den bis jetzt bekannten giebt, kann einstweilen kaum auf einem anderen Wege verfolgt werden, als dass man überall nach- sieht, wo die letzteren vorkommen und wo sie etwa fehlen, um dann in den letzteren Orten die geeigneten Fundstellen für die vielleicht existirenden, noch unbekannten Formen zu gewinnen. So fing ich nach und nach an, gerade in solchen Säugethier- seweben nach Zelltheilungen zu suchen, wo ihr Nachweis bis jetzt noch nicht, oder nur in spärlicher Weise geglückt ist. Dabei er- sab sich bald das Bedürfniss nach einem Verfahren, welches auch in kleinzelligen Geweben das Suchen nach Zelltheilungen leichter macht, als dies die bisherigen Methodeu leisten. Ein solches Ver- fahren habe ich mir herausprobirt‘), und war von seinem Erfolg &) Trotz dieser Vorsicht ist mir von verschiedenen . Seiten irriger Weise die Behauptung zugeschrieben worden, dass alle Zellenvermehrung mit- telst mitotischer Theilung erfolge. Zur Aufklärung darüber verweise ich auf die Capitel 21, 23 und Capithel 19, Anf. meines erw. Buches, nach deren Einsicht man mich wohl von solchen Deutungen freisprechen wird. h) Drasch (Regeneration des Trachealepithels, Wiener Sitz.-Ber. 1881, B. 85, Mai) trat für einen ganz anderen Neubildungsmodus im Epithel em (nach Lott, s. 0.) Durch Nussbaum’s neuere Arbeiten wird ferner die Frage gestellt, ob nicht Zelltheilung mit directer Kernfragmentation am pa- thologischen wie normalen Gewebswachsthum Antheil hat (Ueber Kern- und Zelltheilung. Sitzung der Niederrheinischen Gesellschaft für Natur- und Heil- kunde, Bonn, 13. Nov. 1882). i) Es wird in Behrens’ Archiv f. wiss. Mikroskopie, Juliheft 1884, näher beschrieben; es ist eine relativ geringe Modification meiner früheren Studien über Regeneration der Gewebe. 53 so überrascht und befriedigt, dass ich für's Erste von weiteren Vervollkommnungsversuchen absehen konnte. Diese Erleichterung der Arbeit forderte von selbst zu einer weitergehenden Ausnutzung auf, wie sie im Folgenden angetreten wird. Es giebt eine beträchtliche Zahl von Fragen in der Physio- logie und Morphologie der Gewebe und Organe, für die es nur des einfachen Nachweises bedarf: ob, wo und in wie grosser Reich- liehkeit die Zellen durch Theilung vermehrt werden, — um sie theils zu beantworten, theils ihrer Lösung erheblich näher zu bringen. Eine Reihe von solchen Fragen habe ich allmählich theils selbst, theils in Verbindung mit Anderen in Arbeit genommen, und bringe die Ergebnisse hier und in den nachfolgenden Abschnitten zur Mittheilung. I. Die Zellvermehrung in den Lymphdrüsen und verwandten Organen, und ihr Einfluss auf deren Bau. Die bisherige Lehre über die Regenerationsweise der Lymph- zellen und überhaupt der Leukoeyten besteht nur aus Vermuthun- Arbeitsmittel für das Studium der Kerntheilung: Fixirung des frischen Ge- webes (kleine Stücke) in stärkeren Osmiumgemischen, als ich sie früher an- wandte (Osmiumsäure v. 2 p. c. etwa2 Theile, Chromsäure v. 1 p. ce. 7 Theile, Eisessi@ 0,2—0,5 Theile); Auswaschen, kurze Alkoholnachhärtung, Schnitte, Färbung mit Safranin oder Gentiana, mit besonderem Vortheil suecessiv mit beiden; Ausziehen mit leicht durch Salzsäure angesäuertem Alkohol, dann Uebertragen in ahsoluten Alkohol, weiter in Nelkenöl und Damarlack. Der Erfolg der geringen Aenderung ist überraschend: intensiv gefärbt erscheinen alle chromatischen Kerntheilungsfiguren, ferner in allen Kernen die wahren Nucleolen, ausserdem noch die elastischen Fasern und verhornten Theile der inneren Wurzelscheide der Haare. Alle Gerüste in den ruhenden Kernen be- halten viel weniger Farbe. Das Suchen nach Mitosen ist dadurch so erleichtert, dass man sie auch beim Säugethier schon mit 150 —200 facher Vergrösserung bequem finden kann. Der richtige Ausziehungsgrad ist sehr leicht zu tref- fen und etwas langes Verweilen in dem sauren Alkohol schadet wenig. Bei zu geringer Ausziehung können auch rothe Blutkörperchen tingirt bleiben, bei stärkerer wird dies vermieden. 54 W. Flemming: gen. Dass bei den Thieren, welche Lymphdrüsen!) besitzen; diese daran als Lieferungsstätten betheiligt sind, wird wohl allgemein und mit gutem Grund angenommen, da die Lymphe, nachdem sie Drüsen passirt hat, bekanntlich zellenreicher ist als vordem. 1) Da in den Benennungen hinsichtlich der Iymphatischen Organe noch kein allgemeiner Einklang erzielt ist, scheint es mir gut hier vorweg zu sa- gen, was ich mit den hier gebrauchten Namen meine. Am liebsten würde ich das Wort „Lymphdrüsen‘“ aufgeben und, wie es z. B. auch in Toldt’s Lehrb. d. Gewebslehre 2. Aufl. geschehen ist, Lymph- knoten dafür setzen, was ich im Unterricht auch seit lange gethan habe. Man ist jetzt einmal meistens gewohnt, obwohl das Wort es nicht verlangt, mit „Drüse‘“ den Begriff eines Organs zu verbinden, dessen wesentliche Be- standtheile ektodermatisch oder entodermatisch sind, und das ein Secret ir- gend einer Art nach Aussen, oder in das Darmrohr abgiebt. Da beides für die Lymphknoten nicht zutrifft, wäre es zur Vermeidung falscher Begriffe nützlich, sie als solche scharf von Drüsen jener Art zu unterscheiden. Da aber dieser Gebrauch bis jetzt nicht sehr verbreitet ist, und da ich allgemein verstanden werden möchte, habe ich in diesem Aufsatz das Wort Lymphdrüsen einstweilen beibehalten. In den eigentlichen Lymphdrüsen benenne ich gegenüber den Lymph- bahnen die Portionen, die dichter mit Lymphzellen infiltrirt sind, kurz als Knoten und Stränge, entsprechend den Rindenknoten und Marksträn- gen der Autoren, welche Namen zur Bezeichnung der Topographie nebenbei auch in Anwendung kommen sollen. Eine stricte Unterscheidung zwischen Rinden- und Marksubstanz in den Lymphdrüsen ist ja lange und mit Recht als überflüssig erkannt. Das Wort „Follikel“ aber vermeide ich ganz, sowohl für die Knoten in den Lymphdrüsen, als für die Peyer’schen Knötchen des Darms und die der Mundschleimhaut, der Tonsillen u. A. — Wir sollten in der That nicht länger den ganz absurden und irreführenden Gebrauch fortüben, Dinge Folli- kel zu nennen, welche auch nicht den mindesten Vergleichspunkt mit „Folli- eulis“, d. h. doch mit Schläuchen, haben. Ich nenne seit lange alle diese Dinge Lymphknoten oder Lymphknötchen; wo in ihnen, d.h. in emer Iymphatisch infiltrirten retieulären Bindesubstanz, besondere markirte Heerde auftreten (w. z. B. in den Tonsillen, in den Mundlymphknötchen, und, wie weiter unten besprochen wird, auch in den eigentlichen Lymphdrüsen), werde ich diese als Sekundärknötchen bezeichnen. Mit Hinweis aber auf das Ergebniss dieser Arbeit, das für Brücke's Gedanken über die Function all dieser Organe durchaus bestätigend ist, möchte ich als eine sehr wünschenswerthe Abkürzung vorschlagen, die Rindenknoten und Markstränge in den Lymphdrüsen insgesammt als das, was sie sind, mit dem sehr glücklich gewählten Wort Brücke’s zu bezeichnen: „Keim- Studien über Regeneration der Gewebe. 55 Für die Art und Weise der Neulieferung von Leukoeyten in diesen Organen nun lassen sich, wenn man nicht an freie Zell- bildung denken will, a priori zwei Annahmen machen: entweder sie erfolgt dureh Theilungen der Zellen, die in den Maschen des Retieulums der Knoten und Stränge lagern; oder sie geschieht in der Art, dass aus den Blutgefässen dieser Knoten und Stränge fortdauernd oder schubweise Leukocyten auswandern, so dass also eine Art eontinuirlichen Kreislaufs dieser Elemente aus dem Blut in die Lymphe und mit dieser wieder in’s Blut stattfinden würde. leh habe es stets für richtig gehalten, in meinen histologischen Vorlesungen auf die Möglichkeit einer jeder dieser beiden Liefe- rungsarten hinzuweisen, aber auch darauf, dass keine von beiden bis jetzt erwiesen ist. Brücke hat zuerst consequent vertreten und nachgewiesen ?), dass die Lymphdrüsen und verwandten Organe die Orte sein müssen, wo die Neulieferung der Lymphzellen ihre wesentliche Stelle hat, und zwar suchte er diese Stelle mit völlig richtigem Griff in den Marksträn- gen und Rindenknoten; denn Brücke’s „Drüsenelemente der Rinden- substanz“ sind mit letzteren identisch. Dieser Schluss wurde wesentlich nur begründet durelı den Beweis, der dafür auch ausreicht, dass bei Thieren, die mit fettarmer Nahrung gefüttert sind, die den Mesen- terialdrüsen zuströmende Lymphe ganz klar ist, die aus ihnen ausfliiessende aber getrübt, und zwar dies lediglich durch unzäh- lige Lymphzellen. Ueber die Art, wie diese sich bilden, war beim da- maligen Stande der Forschungsmittel kein Aufschluss zu erhalten; Brücke wendete sich zwar gegen die damals noch verbreitete Meinung, dass die Lymphkörperchen im Lymphstrom durch Aggre- sation von Chylusmoleeülen entstehen sollten (am ersteitirten Orte S. 132); ob er selbst aber für die Keimlager der Lymphdrüsen und -Knötehen an eine Vermehrung durch Zelltheilung, oder durch eine Art freier Zellbildung gedacht hat, ist in seinen Worten nicht lager“. Und für die Seeundärknötchen, die in ihnen vorkommen, passt nach ihrer physiologischen Bedeutung, wie sich ergeben wird, am einfachsten der Name: „Keimcentren“. Diese Ausdrücke werde ich, wo sie nicht misszu- verstehen sind, auch schon hier benutzen. 2) Denkschriften der Wiener Akademie, M. N. Cl. B. 6, 1854, S. 99 ff.: Ueber die Chylusgefässe und die Resorption des Chylus, und ebenda B. 2: Ueber den Bau und die physiologische Bedeutung der Peyer’schen Drüsen. 56 W. Flemming: bestimmt ausgedrückt: er nennt die Elemente in den Marksträngen und Rindenknoten „Kytoblasten und Zellen, die in verschiedenen Entwicklungsstadien begriffen sind“, was man in dem einen wie dem andern Sinne deuten kann. Eine Zellenentstehungan diesen Ortennahm Brücke also je- denfalls an. Mit der Entdeckung der Auswanderung von Leuko- eyten aus den Blutgefässen aber konnte sie wieder in Frage ge- stellt scheinen. V. Reeklinghausen?) trat zwar gleichfalls für eine Bildung der Lymphzellen in den Lymphknoten und Iymphoiden Organen ein, hat aber aueh ausgeführt, dass diese nicht der alleinige Lie- ferungsweg der Leukoeyten sein könne, schon deshalb nicht, weil die Lymphe solehe schon vor der Passage der Knoten, und auch bei Thieren enthalte, welchen letztere fehlen; und hat dem- nach für die Herkunft dieser Zellen schon an Auswanderung aus den Blutgefässen in die Lymphwurzeln im Bereich des Bindege- webes gedacht (a. a. 0. 8. 247—249). Ebenso gut konnte man aber dann auch an solehe Auswan- derung in den Knoten und Strängen der Lymphdrüsen selbst den- ken, obwohl ieh in v. Recklinghausen’s Arbeit nichts finde, was darauf direet hinweist. Der Umstand, dass die genannten Theile der Lymphdrüsen srade die an Capillaren und kleinsten Venen reichsten sind, kann diese Idee ja besonders nahe legen. Ranvier (Traite, p. 669, 696), der entschieden an eine Vermehrung der Zellen innerhalb der Lymphdrüsen denkt, befürwortet die Meinung, dass in ihnen fortwährend Leukoeyten auf dem Wege der zuführenden Lymph- sefässe bis in die Follikel gelangen, um sich hier zu vermehren; dass solche Zellen aus der einströmenden Lymphe bis dorthin ge- yathen können, dafür giebt er den plausiblen Grund an, dass inner- halb der Verdauung fetttröpfehenhaltige Zellen auch im Innern der Follikel vorkommen. Doch es ist damit nicht entschieden, ob sich hier überhaupt Zellen vermehren oder neu sich bilden, und der Gedanke war bis heute nieht abzuweisen, dass eine solche Vermehrung überhaupt hier in loco nicht erforderlich ist und dass alle Zellen, die in den Vasa efferentia der Lymphdrüsen gegenüber 3) Stricker’s Handbuch d. Lehre v. d. Geweben, 1871, 8. 214: Das Lympheefässsystem. Studien über Regeneration der Gewebe. 97 den Vasa afferentia neu hinzugekommen sind, durch Auswande- rung aus den Blutgefässen gekommen sein könnten. Bestimmt ist dieser Gedanke kürzlich von Ph. Stöhr?) ausgesprochen worden, zwar nicht für die eigentlichen Lymphdrüsen, aber doch für die Tonsillen und „Balgdrüsen“. Stöhr hält es für wahrscheinlich, dass „die in diesen Organen befindlichen Leukoeyten nicht in „loco dureh fortwährende Theilung entstehen, sondern fortwährend „aus den Blutgefässen dieser Organe austreten.“ Stöhr bemerkt jedoch selbst mit der geeigneten Vorsicht, dass diese Annahme noch Hypothese sei; denn die Gründe, die ihn dazu bestimmen, sind keine positiven. Er führt als solche an: Die Beobachtung von Th. Schmidt, dass in sich entwiekelnden Tonsillen in der Nähe der Blutgefässe stets viele Lymphkörperehen zu finden seien; ferner die Angabe Toldt’s, dass im admoiden Gewebe die im Blutgefässe injieirte Flüssigkeit besonders leicht diffundire, was als Ausdruck einer hier vorhande- nen besonderen Permeabilität der Gefässwände gedeutet werden könnte; endlich und vor Allem den unläugbaren Sachverhalt, dass der Nachweis einer Bildung von Leukoeyten in den lymphatischen Organen bisher noch immer ausstand. Diesen Nachweis kann ich aber jetzt führen. Die Lymph- knoten und die „Darmfollikel* sind Brutstätten der Neu- bildung von Lymphzellen auf dem Wegeindirecter Thei- lung; und diese Theilungen erfolgen in einer Massenhattigkeit, die mich auf’s Höchste überraschen musste angesichts der Thatsache, dass ein so frequenter Vorgang hier bis heute noch ungesehen blieb. Es bewahrheitet sich dabei, was Max Schultze einmal ge- sagt hat: „es kommt Alles auf die Methode an.“ Mit dem anfangs erwähnten Verfahren habe ich bis jetzt un- tersucht: Mesenterialdrüsen von 4 Thieren, zwei völlig erwachsenen Schlachtochsen (drei verschiedene Mesenterialknoten, zwei an der Gekröswurzel dicht am Pankreas, einer nahe am Darm gelegen); von zwei Kaninchen, einem erwachsenen, einem halberwachsenen (von diesen die Glandula mesenterica magna s. Pankreas Asellii); ferner von letzteren Thieren die Peyer’schen Lymphknötchen („Follikel“) des Blinddarms; endlich von einer menschlichen Zunge, 4) Ueber Tonsillen bei Pyopneumothorax. Sitzungsber. der physikal. med. Gesellsch. m Würzburg, 1884. S. 8 des Separat-Abdr. 58 W. Flemmine: die ich 1 Stunde p. m. erhielt, die Lymphknötehen des Zungen- srundes. In diesen Organen wimmelt es von indirecten Theilungen °). Sie kommen in den Lymphdrüsen in besonderer Masse in den Rindenknoten vor, einzelner vertheilt in den Marksträngen, und auch hie und da in den Lymphbahnen. Was aber in den Rin- denknoten sofort besonders auffällt, ist ihre heerdweise Locali- sation. In den vorzüglichen Arbeiten von W. His‘) über die Lymph- drüsen und die verwandten Organe wurden in den Rindenknoten der ersteren, sowie in den Peyerschen Darmknötehen des Kanin- chens, unter der Bezeichnung „Vaeuolen“ eigenthümliche helle, rundliche Substanzportionen beschrieben (a. a. 0. 8. 69 u. A.) über deren Blutgefässversorgung His (S. S1) bemerkt, dass sie nur von Capillaren in weitmaschigen Netzwerken durchzogen wer- den. Mir scheint, dass es die gleichen Dinge sind, welche Brücke im Auge hatte mit den Worten (a. a. O. S. 131): „Man sieht bis- weilen in den Keimlagern (Rindenknoten), sowie noch öfter in den Peyer’schen Drüsen, einen trübweisslicheu centralen Fleck.“ Diese His’schen Vacuolen haben seitdem, so viel ich finde, nicht viel Aufmerksamkeit erweckt”). Ich kann nicht anders annehmen, als 5) Nur bei dem zweiten Kaninchen, sowie bei den menschlichen Lymph- knötchen sind die Theilungen bloss stellenweise reichlich: vergl. weiter im Text. 6) Beiträge zur Kenntniss der zum Lymphsystem gehörigen Drüsen. Zeitschr. f. wiss. Zool. B. 11, 1862, S. 65 (sowie daselbst S. 416: Ueber den Bau der Peyer’schen Drüsen und der Darmschleimhaut). 7) Frey (Handbuch der Histologie 1874 S. 421) erwähnt sie anmer- kungsweise mit folgenden Worten: „In den grossen folliculären Massen, wie sie die Rinde der Lymphknoten des Ochsen darbietet, scheinen Vereinigungen mehrerer Follikel durch eine engmaschigere Verbindungssubstanz vorzuliegen, so dass jene als hellere, durchsichtigere Körper hervorschimmern. „His hat sie „Vacuolen“ genannt.“ Frey betrachtet also hier offenbar die „Vacuolen‘“ oder Keimeentren als die eigentlichen „Follikel“, die umgebende dunklere Substanz als etwas, das nur bei diesen besonderen Formen von Lymphdrüsen vorhanden wäre. Das stimmt jedoch nicht mit der sonstigen Bezeichnungs- weise, die Frey selbst und alle Anderen gebrauchten; denn jene dunklere Substanz ist völlig identisch mit denjenigen Massen, die sie für gewöhnlich Rindenfollikel nennen, die His’schen Vacuolen aber sind besondere, helle Stellen in diesen Follikeln. In der gründlichen Arbeit G. Armauer-Hansen’s: „Bidrag til Lymph- Studien über Regeneration der Gewebe. 59 dass sie identisch sind mit den Bildungen, die ich jetzt besprechen und morphologisch als Seeundärknötchen, physiologisch als Keimcentren bezeichnen will®). Das verbreitete Vorkommen solcher kleiner heller Knötchen kjertlernes normale og pathologiske Anatomi‘ (Christiania, prisbelönnet Af- handling, 1871, H. J. Jensen) sind die His’schen Vacuolen nach Gebühr be- stätigt. (S. 10 a. a. O., wo auch die Centralgefässe der Vacuolen (s. u.) und ihr zusammenhängendes Capillarnetz constatirt werden). Armauer- Hansen giebt an (ebenda) „dass man in vielen Drüsen, besonders solchen ohne eigentliche Corticalis, keine Vacuolen finde.“ Dies entspricht ohne Zweifel richti- ger Beobachtung und verträgt sich mit meinen, unten geäusserten Anschau- ungen über die Secundärknötchen, wenn man annimmt, dass die Drüsen zeit- weise ruhen und also keine Vermehrungsheerde darbieten. Auch ich habe, wie unten beschrieben wird, vielfach grosse Rindenportionen der Drüsen ganz ohne Secundärknötchen getroffen. — Armauer-Hansen nennt die His’schen Vaeuolen (S. 43) „Orte, wo die Anhäufung Iymphatischer Zellen eine Atrophie des reticulären Gewebes verursacht, und dessen Maschen in der Peripherie comprimirt hat“. Letzteres — die dichtere schalenförmige Anordnung des Retieulums in ihrem Umfang — hat er völlig richtig ermittelt und ich kann es hier bestätigen (s. u). Auch dass er die Secundärknötchen durch Anhäu- fungen (Agglomeration) von Lymphzellen verursacht nennt, stimmt ja mit meinen Befunden. Nur hat er nicht die Zelltheilungen als Grund dieser An- häufung erkannt; er sagt: „mit der mikroskopischen Untersuchung des In- halts des Lymphdrüsen komme man, im Bezug auf die Frage nach der Ver- mehrung der Lymphzellen, nicht weiter“ (8. 19). Dies ist natürlich, weil damals die Methoden für den Nachweis von Theilungen noch fehlten. Toldt hat die fraglichen Dinge ebenfalls kurz berücksichtigt: er sagt in der eben erschienenen 2. Auflage seines Lehrbuches der Gewebelehre (1834): „An Durchschnitten gehärteter Drüsen bemerkt man sehr häufig, besonders bei gewissen Thieren, dass die centralen Partien der Lymphfollikel ein etwas helleres Aussehen zeigen als die peripheren. Es kommt dies hauptsächlich davon her, dass in dem ersteren Theile des Follikels das Reticulum zarter und weitmaschiger, die Iymphoiden Zellen geringer an Zahl, hingegen die ungeformte Zwischensubstanz verhältnissmässig reichlicher vertreten ist.“ Was Toldt hier beschreibt, ist offenbar identisch mit den Secundärknötchen; seine Erklärung der Ursachen ihres hellen Aussehens kann ich allerdings, wie meine folgende Beschreibung zeigt, nur theilweise annehmen. Eine formlose ver- kittende Zwischensubstanz im retieulären Gewebe scheint mir nicht demonstrirt. 8) Da der Name „Vacuolen“ von His nur als vorläufiger bezeichnet wurde, und die anatomischen und physiologischen Verhältnisse dieser Dinge nicht erläutert, so darf es wohl entschuldigt werden, dass ich ihn nicht wie- der einsetze. 60 W. Flemming: in den grösseren dunklen Rindenknoten (vergl. vorläufig die Fi- guren 1—5) ist bei verschiedenster Behandlung, besonders durch jede Kernfärbung, leicht zu constatiren und mir von verschiedenen Thieren (so auch Carnivoren) längst bekannt. Wo man an der Oberfläche, oder dem Durchschnitt einer Lymphdrüse mit blossem Auge die Rindenknoten in Gestalt von rundlichen „Körnern“ deut- lich hervortreten sieht, da kann man sicher sein, am Schnitt in- mitten eines jeden solehen Korns bei einer Kernfärbung ein helles Centrum hervortreten zu sehen, wie es die Abbildungen zeigen ?). Ebenso lange ist es mir aber auch klar, dass diese Dinge nach Bau und Wesen nichts Anderes sind, als die gleichfalls hellen Knötehen, die man in den Tonsillen und in den „Balgdrüsen‘ der Mundschleimhaut Follikel, in der Milz Malpighi’sche Follikel zu nennen pflegt. Im Bau des Reticulum, in der Vascularisation, und wie sich unten zeigen wird, auch im physiologischen Verhalten der ausfüllenden Zellenmassen, stehen sich alle diese Dinge gleich oder doch sehr nahe. Ich habe daher schon lange für diejenigen dieser Bildungen, die in den Lymphdrüsen, den Mundlymphknöt- chen und den Tonsillen vorkommen, den Ausdruck Seeundär- knötchen gebraucht, um zu bezeichnen, dass sie an diesen Orten als besonders gebaute Knötehen zweiter Ordnung in den grossen Hauptknoten vertheilt sind, während sie an anderen Stellen, wie in der Darmschleimhaut und in der Milz, auch ohne solche Um- lagerungsmasse auftreten können. Hiernach giebt es in der bisherigen Bezeichnungsart der lym- phatischen Organe eine lange bestehende Inconsequenz. Alle Au- toren verstehen bei den wahren grossen Lymphdrüsen unter „Fol- likeln“ etwas Anderes, als bei den kleinen einfacheren Formen. Bei ersteren reserviren sie diesen Namen den „Rindenknoten“ und den ähnlichen, hie und da auch im Innern auftretenden grösseren Ballen, und tragen den hellen Seeundärknötchen, die noch in ihnen vorkommen, keine nähere Rücksicht. Bei den Peyer’schen Knöt- chen und Milzknötchen dagegen, sowie bei den Tonsillen und der Mundschleimhaut, wird der Name „Follikel“ vielfach auf Dinge ange- 9) Man braucht dazu keineswegs die Vorbehandlung mit meinem Os- miumgemisch; an jedem Chromkalipräparat von Lymphdrüsen kann man mit- telst Hämatoxylinfärbung die Keimeentren scharf als helle Flecke darstellen (Fig. 4, von der Katze). Studien über Regeneration der Gewebe. 61 wendet, die eben mit diesen Sekundärknötchen, keineswegs aber mit den ganzen Rindenknoten und Marksträngen der Lymphdrüsen zu vergleichen sind !P). Ich gehe nun zur Beschreibung des speciellen Verhaltens dieser Seeundärknötehen über, wie es sich zunächst in Lymph- drüsen mit Hülfe meines Verfahrens zeigt. Die klarste Uebersicht hat man an einem Schnitt, am besten Flachschnitt, durch die Rindenknoten einer Lymphdrüse, dem eine reine scharfe Kerntinetion gegeben ist (Fig 1, 2, Lupenvergrösse- rung). Man sieht hier fast in jedem der grobabgegrenzten, dunk- ler gefärbter Rindenknoten einen viel helleren Kern (K.), in grösse- ren Rindenmassen auch mehrere. Diese Secundärknötchen sind hier beim Rind besonders scharf und auffällig durch eine schmale, sehr dunkel tingirte Zone (Z.) am Schnitt gegen die weitere Peri- pherie abgesetzt, die wieder heller gefärbt ist (p.) Schon ein mittelstarkes System zeigt, worauf diese Erschei- nung beruht (Fig. 5). In dem Centrum K liegen Zellen mit grösse- 10) Ueber das Unzutreffende des Namens Follikel für all diese Dinge, die doch nicht im Mindesten Schläuche sind, habe ich mich oben schon ge- äussert. Henle ist meines Wissens der einzige Anatom, der diesen Missbrauch gemieden hat; indem er das Gewebe all dieser Organe „conglobirte Drüsen- substanz“ nennt, ist er so consequent, nur solche Formen derselben als fol- liculäre zu bezeichnen, bei denen wirkliche Schleimhauteinstülpungen in sie hineinreichen, also wirkliche Schläuche existiren. (Eingeweidelehre, 1873 S. 61.) Dies trifft aber bekanntlich nur an den Tonsillen, den Mund- und Schlundknötchen zu, und auch da lange nicht an allen Knötchen. An den Namen „Balgdrüsen, Zungenbälge oder gar Schleimbälge (!)“ festzuhalten, sehe ich gleichfalls keinen Anlass: sie scheinen nur dazu ange- than, über den Bau und die Function dieser Dinge möglichst in die Irre zu führen. Sie sind zwar in sofern Taschen oder „Bälge*, als bei den meisten, wenn auch nicht bei allen, eine meist spaltförmige blinde Einsenkung in ihre Mitte hineinreicht; aber fast niemals ist diese Tasche irgend erheblich erwei- tert, so dass man von einer „Balghöhle“ reden könnte. Ferner hat man bei einem „Balg“ eine deutlich abgesetzte Wand dieser Tasche zu postuliren; bei den Lymphknötchen des Mundes und Schlundes wird aber solche Wand nur repräsentirt durch das ganze, nach Aussen nicht scharf begrenzte und oft weit ausgedehnte Iymphatische Gewebe. Endlich wird durch jene älteren Be- zeichnungen nur immer der Irrthum begünstigt, dass man es mit wahren Drü- sen zu thun hätte, die in einem Secretraum Schleim abscheiden ; wovon man sich im Unterricht und bei Prüfungen oft genug überzeugen kann. 62 W. Flemming: ren Kernen, aber auch relativ reich an Zellsubstanz, so dass da- durch die Kerne ziemlich auseinandergerückt stehen. Daher, bei der reinen Kerntinetion, die hellere Gesammtfärbung des Centrums. In der dunklen Schale, die dieses umschliesst, sind die Zellen und Kerne fast durchweg bedeutend kleiner (Fig. 5) und somit müssen die letzteren, dicht zusammengerückt, den Effeet der dunk- len Färbung geben. Nach Aussen davon sind sie zwar nicht er- heblich grösser als in jener Schale, liegen aber meist lockerer, so dass hier wieder ein hellerer Gesammtton auftritt; was übrigens nicht immer in dem Grade der Fall ist, wie in den gezeichneten Fig. 1 und 5. Das Gleiche, wenn auch minder scharf ausgesprochen, findet sich in den Lymphdrüsen des Kaninchens (Fig. 2). Auch hier hat jeder Knoten seinen helleren Kern, dieser eine etwas verdich- tete Schale; nur ist die äusserste Peripherie hier in der Farbe weniger scharf gegen die dunkle Schale abgesetzt. Bei beiden Thieren sind die hellen Centren untereinander von sehr verschiedener Grösse (vergl. die Bilder); manchmal nimmt eines nur etwa den 10. Flächenraumtheil des ganzen Knotenquer- schnittes ein, manchmal mehr als seine Hälfte. Man kommt schon danach unwillkürlich auf den Gedanken, dass es sich hier nicht um ständige, sondern um wechselnde Anordnungen handelt, dass die Centren von kleinen Anfängen aus anwachsen. Ein Schnitt durch menschliche Mundlymphknötchen des Zungengrundes zeigt durchaus Aehnliches (Fig. 3). Helle Se- eundärknötchen von sehr verschiedener Grösse liegen unregelmässig vertheilt in einer dunkleren, dichtkernigen Masse, bald so, dass ein einzelner rundlicher Ballen von letzterer ein bis mehrere helle Knötchen einschliesst, bald und zwar meistens so, dass letztere in grössere diffuse Massen des dunkleren Gewebes eingestreut sind. Durch die meisten Handbücher gehen seit lange einige Ab- bildungen von Durchschnitten durch Mundbalgdrüsen, nach älteren Bildern von Kölliker und Frey, in denen gleichgrosse runde „Follikel“ in schön regelmässiger Vertheilung um den Durchschnitt des Loches angeordnet stehen. Es wird heute den Untersuchern der menschlichen Zungenschleimhaut wohl bekannt sein, dass sich ein typisches Präparat für diese Bilder gewiss nur selten finden lässt, dass es vielfach bei den Iymphatischen Knötchen der Schleim- haut an einer Eintiefung (einer sogenannten „Balghöhle“) überhaupt Studien über Regeneration der Gewebe. e3 fehlt, und dass die hellen Secundärknötchen, die man hier Follikel nennt, sehr regellos und in ganz verschiedener Grösse in dem lym- phatisch infiltrirten Gewebe verstreut vorkommen, welches seiner- seits wieder nieht gleichmässig um die Löcher her angeordnet sein braucht. — Ich wollte dies bemerken, damit man nicht nach mei- ner Abbildung glaubt, es handelte sich dabei um einen Fall von besonderer Anordnung; nach vielfacher Untersuchung des Zungen- srundes beim Menschen kann ich vielmehr versichern, dass so re- gelmässige Verhältnisse, wie sie die Handbücher abbilden, jeden- falls seltene Ausnahmen vorstellen. Was nun bei meinem Untersuchungsverfahren in den Secun- därknötehen vor Allem auffällt, ist die Masse der indireeten Zell- theilungen. Sie sind wahre Heerde derselben, wie meine Abbil- dungen Fig. 5, 6, 7 und folgende dies ohne Weiteres zeigen. Zwar sind bei der Kleinheit der Zellen auch die Kerntheilungsfiguren nicht alle so deutlich wie anderswo — von den Ursachen, die dabei noch mitwirken, wird unten noch die Rede sein — aber die überwiegende Mehrzahl der Mitosen ist bei meinem Färbungsver- fahren ganz sicher als solche zu constatiren, meist schon mit einem Mittelsystem (Zeiss Oe. 1 System D, im Farbenbild), und vollends mit Hülfe von Oelimmersion, die oft noch eine zweifelhafte, etwas conglutinirte Fadenfigur deutlich als solche auflöst. — Da bei dem Verfahren auch noch andere Dinge, von denen unten die Rede sein wird, in ziemlich gleichem Grade tingirt sind wie die Mitosen, so muss man sich natürlich vor Verwechselungen mit solehen hü- ten; doch ist dies sehr leicht, wenn man nur einigermaassen im Beobachten der indirecten Kerntheilung geübt ist, und ich wollte hiermit nur einem etwaigen Verdacht vorbeugen, als ob mir solche Verwechselungen mit untergelaufen wären. Einiges Speeciellere über die Formen der Mitosen, und andererseits der Körnerbildun- gen und der Leukocytenkerne, wird unten noch seine besondere Stelle finden. Weiter ist es auffallend, dass, wo in den Rindenknoten pig- menthaltige Zellen auftreten — dies ist bekanntlich vielfach der Fall — die bevorzugten Stellen dafür ebenfalls die Sekundärknöt- chen sind. So ist es wenigstens an den Drüsen, die ich bisher untersucht habe; eins von vielen Beispielen ist in Fig. 8 gezeich- net, das Knötehen enthielt noch viele pigmenthaltige Zellen; das hellbraune Pigment in den zwei gezeichneten ist in dieser Figur 64 W. Flemming: schwarz angegeben. Ohne Prüfung eines grösseren Materials will ich aber nicht vertreten, dass diese Localisation der Pigmentirung allgemeingültig ist. Das Vorkommen der Zelltheilungen ist jedoch nieht auf die Sekundärknötehen beschränkt. Nurin den dunklen diechtzelligen Zonen (z Fig. 1) um diese Centren her fehlen sie meistens ganz, oder sind doch sehr selten; in der weiteren Peripherie der Rindenknoten dagegen findet man einige fast in jedem Schnitt, ebenso in den Mark- strängen, und, was ich besonders bemerke, auch in der Lymph- bahn sind sie nicht gerade selten. Ueber die Vertheilung an diesen Orten, wie ich sie gewöhnlich fand, giebt Fig. 2 einen Ueberblick ; zuweilen sind sie hier auch noch häufiger. Aber nie- mals ist ihre Menge an all diesen Stellen auch nur entfernt zu vergleichen mit ihrer Reichlichkeit in den Secundärknötchen, wo- dureh sich der Name Keimcentren für die letzteren von selbst motivirt. Die Zellen nun, die sich hier theilen, halte ich für freie Zel- len, die in den Maschen des Retieulum gelegen sind und deren Töchter allmählich in die Lymphbahnen hinausrücken. Es könnte dagegen der Einwand gemacht werden, dass es im Innern der Centren wie überall in den Lymphdrüsen ausserdem noch zweier- lei Arten von Zellen giebt: die fixen Zellen am Retieulum, und die Zellen in den Wänden der Bluteapillaren; es könnte gefragt werden, ob die vorhandenen Theilungen nicht bloss Wachsthums- vorgängen dieser Gewebstheile entsprechen. Ein ganz positiver anatomischer Entscheid darüber wäre zwar nur zu geben, wenn man mittelst der Pinsel- oder Schüttelmethode das Gerüst dieser Orte von seinem Inhalt befreite und nachsähe, ob auch die fixen und Gefässwandzellen Theilungen zeigen; und, wenn man die freien. Zellen herausschüttelte oder -schwemmte, und untersuchte, wie viel darunter in Theilung sind. Ersteres wäre mit dem von mir ge- brauchten, stark härtenden Verfahren nicht zu vereinigen, und Letzteres wäre sehr mühsam; aber Beides ist vollständig überflüssig. Denn ich erinnere daran, dass drei der untersuchten Thiere — zwei Rinder, ein Kaninchen — erwachsene waren und dass grade von diesen die Abbildungen entnommen sind; man kann schon a priori un- möglich glauben, dass bei solehen noch ein so erhebliches Wachsthum der fixen Gewebe im Gange sein sollte, wie es dieser frappiren- den Masse von Zelltheilungen entspräche. Uebrigens habe ich Studien über Regeneration der Gewebe. 65 auch öfters an dünnen Schnitten, Sehnitträndern und abgebroche- nen Stellen, sowie durch Zupfen von Schnitten, die Formen von isolirt liegenden in Theilung begriffenen Zellen untersucht und sie entweder rund, oder länglichrund, aber ohne Ausläufer gefunden. An feinen Schnitten bekommt man auch bei dem stark härtenden Osmiumverfahren hie und da des Reticulum auf ziemliche Strecken freigelegt (wie in Fig. 8); an solchen habe ich noeh nicht mit Sicher- heit in fixen, gestreckt oder verästelt geformten Zellkörpern in den Keimcentren Theilungsfiguren gefunden, obschon ich durchaus nicht behaupten will; dass solches nicht vorkäme; aber ich kann es dann nicht für häufig halten. In der Lymphbahn dagegen findet man hie und da eine Mitose deutlich in einer Bälkchenzelle gelegen ; ebenso kommen sie auch in den Trabekeln vor. Aber solche Fälle stehen in verschwindender Minderheit zu den Theilungen in den Keimeentren, und diese betreffen wie gesagt kleine, runde oder rundliche Zellkörper, wie in Fig. 14 und 15. Immerhin liesse sich noch die Ansicht hinstellen: es sind viel- leicht doch nicht freie Zellen, die sich theilen; sondern es können die Zellkörper des Reticulums sein, welche während der Theilung — wie dies ja bei Bindegewebszellen häufig geschieht — zu rundlichen Formen übergehen, deren Tochterzellen sich dann von den Bälkehen ablösen und zu den freiliegenden Zellen werden. Es könnte auf diese Weise also die fixe retieuläre Bindesubstanz der dauernde Mutterboden für die Neubildung der Lymphzellen sein, Eine solche Möglichkeit will ich nicht läugnen; man sieht aber für jetzt kaum, wie sich diese Ansicht beweisen lassen sollte. Jedenfalls würde sie insofern nicht sehr weit von meinem, oben ausgesprochenen Satz entfernt sein, als es dann doch eben auch freie Zellen sein würden, die aus den Theilungen hervorgehen und als neue Leukoeyten in den Lymphstrom hinausrücken; die Seeundärknoten würden also auch dann die Hauptkeimstätten bleiben. In den Peyer’schen Knötehen des Kaninchenblinddarms sind die Zelltheilungen wo möglich noch massenhafter, als am eben beschriebenen Orte. Kein Knötchen ohne solche; in den Durchsehnitten der meisten je viele Dutzende (Fig. 7). Hier ist eine eentrirte Anordnung, wie sie eben von den Rindenknoten der Lymphdrüsen beschrieben wurde, nicht ausgesprochen. Ich er- Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd, 24. 5 66 W. Flemming: ® wartete sie zu finden, weil His!!), nach der Anordnung des Blut- gefässsystems, diesen Knötchen ebenfalls im Innern gelegene „Va- euolen“ zugesprochen hat; ieh fand aber hier vielfach in der Zel- lenanordnung nichts, was den Secundärknötehen der Lymphdrüsen entspräche. Vielmehr ist hier nur nach der Basis des Knötchens, d. h. nach der Seite der Submucosa zu, die Häufung der Zellen fast durchweg dichter; grade in diesem dichtzelligeren, und des- halb dunkler tingirten Theil finden sich gewöhnlich reichlichere Mitosen!2) als weiter nach der Epithelseite zu, wo sie jedoch auch recht zahlreich sind. Die Menge der in Fig. 7 durch die dunklen Fleekchen notirten, an einem Schnitt, der etwa 3 Leukoeyten diek ist, wird in manchen Fällen noch bedeutend übertroffen. In der Diekdarmschleimhaut der Katze finde ich dagegen in je einem Peyer’schen Knoten an Kerntinetionspräparaten eine dunkle, dichtzellige Rinde, und einen hellen, die Theilungen ent- haltenden Kern darin, so dass sich der ganze Peyer’sche Knoten mit dem Rindenknoten einer Lymphdrüse, der helle Kern mit einem Keimeentrum darin vergleichen lässt. An dem einem menschlichen Zungengrund, den ich bis jetzt frisch genug mit der Methode behandeln konnte, und von dem einstweilen etwa 30 Schnitte untersucht wurden, habe ich bis- her 6 Durehschnitte von Secundärfollikeln gefunden, die Theilungs- figuren enthielten; in den meisten waren nur wenige zu constatiren. Aber die Färbung schlug hier auch weit schlechter an, wie in den Geweben von Rind und Kaninchen, wahrscheinlich wohl, weil die Zunge leider nach dem Herausschneiden stark mit Wasser abgespült war, ausserdem kam sie erst eine Stunde post mortem in meine Hände, und man muss annehmen, worauf ich früher hingewiesen habe?3), dass im absterbenden Gewebe noch begonnene Theilungen ablaufen, während bei mangelnder Blutzufuhr und unter dem Einflusse des Erkaltens keine neuen mehr eintreten; so kann man sich nieht wundern, unter solchen Umständen weniger zu finden !#). 11) Zeitschr. f. wiss. Zool. B. 11, 1862, S. 426. 12) In der Fig. 7 nur einigermassen ausgesprochen, meistens noch stär- ker. Die untere Seite in Fig. 7 war die der Submocosa. 13) Virchow’s Archıy B. 77.8.1. 14) Uebrigens weiss ich aus mehrfacher Erfahrung, dass sich Mitosen ganz wohl auch im Leichengewebe lange nach dem Tode finden lassen; es Studien über Regeneration der Gewebe. 67 Im aufliegenden Mundepithel über den Knötchen sind Thei- lungsfiguren hie und da vorhanden, aber auch nicht so zahlreich, wie ich sie bei mehreren untersuchten Zungen vom Kaninchen und Meerschwein fand. Da es sich nun ausserdem noch um einen an Krankheit Ver- storbenen handelt, bei dem vielleicht überhaupt die Gewebsneubil- dung überall cessirt haben kann; so glaube ich, es lässt sich trotz der Spärlichkeit dieses ersten Erfolgs beim Menschen wohl anneh- men, dass es sich in den menschlichen Mundknötehen im Wesent- lichen verhält wie in den Lymphdrüsen, dass also aueh hier die Lymphzellenvermehrung hauptsächlich von Keimeentren ausgeht und dass diese Centren die Seeundärknötehen sind. Es muss in den Keimcentren eine Art von langsamer, centri- fugaler Druckmechanik geben, auf der es beruht, dass die jungen Tochterzellen nach der Peripherie zusammengedrängt, und weiter durch die Lücken des Retieulums herausgetrieben werden. Die nächste Ursache hierfür kann man darin suchen, dass eben über- haupt dort im Centrum Zellen sich theilen und dass, wie es überall dabei geschieht, die Tochterzellen auch wachsen und zusammen mehr Masse gewinnen, als die Mutterzelle sie hatte. Dies muss schon an sich die Folge haben, dass die Zellenmasse sich ganz allmählich centrifugal gegen die Lymphbahn zu hinausdrängt, wo- bei allerdings die gleich zu besprechenden Verhältnisse eines stärkeren inneren Transsudationsdruckes, vielleicht auch Auswan- derungen von Leukocyten des Blutes im Innern des Knötchens mitspielen können. Die Frage nach der zweitnächsten Ursache wird schwerer zu beantworten sein. Was ist der Grund dafür, dass grade im Centrum eines Rindenknotens, oder überhaupt an einer besonderen Stelle, die Zelltheilungen local in so grosser Menge auftreten ? sind dies eben solche, die in flagranti zum Absterben gelangten. Aber aus den oben erwähnten Gründen wird oder kann ihre Zahl vermindert sein, und es wird sich also doch stets empfehlen, die Gewebe so frisch wie möglich zu fixiren, wenn man wirklich die Menge der Zelltheilungen schätzen will, die intra vitam am Orte vorlagen. 68 W. Flemming: Man wird zunächst an eine Besonderheit in der Transsudatzufuhr an diesen Stellen denken müssen, die dafür den Anlass bieten kann. Der Vergleich injieirter Lymphdrüsen zeigt, dass die Se- cundärknötehen ein Blutgefässnetz besitzen, das allerdings an Diehtigkeit dem der übrigen Rindenknoten weder erheblich über- legen ist, noch nachsteht 5). His hat jedoch schon bemerkt (a.a.0. S. 81), dass es immer nur Capillaren seien, die in seinen Vacuolen sich verbreiten; im Wesentlichen kann ich dies bestätigen, nur finde ich doch fast in jedem Durchschnitt eines Secundär- knötehens auch einen oder mehrere Schnitte von grösseren Stämm- chen (Fig. 5, rechts). Das Vorwiegen von Capillaren könnte hier eine stärkere locale Transsudation vermitteln; ferner ist daran zu denken, dass die Capillarwände hier in loco eine grössere Durch- lässigkeit besitzen können, wegen des schon oben berührten Um- standes, den Toldt erwähnt und Stöhr (a. a. ©.) in anderer Weise zu verwerthen gesucht hat, dass im Innern der Rindenknoten und Tonsillenfollikel besonders leicht Extravasate der Injectionsmasse vorkommen. Ich finde bei meinen eigenen Injectionen durchweg, dass grade die Secundärknötehen die bevorzugten Stellen für Extravasate sind. Somit könnte eine, auf Grund der localen Beschaffenheit der Blutgefässe gegebene stärkere Transsudation ganz wohl der Grund dafür sein, dass in den Keimcentren besonders reichlich Zellen zur Theilung disponirt werden. Wenn ich dies aber wahrscheinlich finde, meine ich deswegen nicht, dass ein jedes Keimcentrum eine ständige anatomische Ein- richtung in einem Lymphknoten sei, die stets in gleicher Grösse und Form persistire. Ich finde vielmehr die andere Anschauung viel näher gelegt und stelle sie als Hypothese hin: dass die Keim- centren fluetuirende Dinge sind, welche temporär auftreten, aus kleinen Anfängen anwachsen, und sich, nach verschieden langem 15) In den His’schen Abbildungen auf Taf. VIII a. a. O. sind zwar die Vacuolen theilweise ohne oder mit sehr wenig injieirten Gefässen darge- stellt, doch spricht His S. 81 ausdrücklich aus, dass die Capillarnetze auch in deren Inneres eindringen. Dies finde ich auch durchweg an meinen eige- nen Injectionspräparaten, und man kann es übrigens schon ohne Injection an jedem dünnen gefärbten Schnitte feststellen, wo sich reichliche Theile des Gefässnetzes, hie und da mit Blutscheiben gefüllt, erkennen lassen (Fig. 5, die Blutscheiben nicht mit gezeichnet). Studien über Regeneration der Gewebe. 69 Bestehen, wiederum verkleinern und verlieren können. Mit andern Worten: dass die Zelltheilung mit Vorliebe heerdweise und schub- weise in dem Iymphatisch infiltrirten Gewebe auftritt, wie es in den Rindenknoten der Lymphdrüsen und in der Gesammtmasse der Mundlymphknötchen vorliegt; und dass der Ausdruck solcher Theilungsheerde eben die Seeundärknötchen sind. Was hierfür ganz besonders spricht, ist die äusserst un- sleiche Grösse, und die vielfach ganz regellose Ver- theilung der Seeundärknötchen. Es finden sich oft so kleine, dass ihr Durchmesser im Schnitt nur etwa ein halbes Dutzend Zellen enthält; und andererseits solche, die fast ein Millimeter Durchmesser haben und die das blosse Auge sofort sieht, nebst allen möglichen Zwischenstufen. Hier will ich noch den Verdacht abwenden, als ob diese ungleiche Grösse vielleicht nur ein Schein- produet der Schnittmethode sein könnte: man könnte denken, dass die kleineren hellen Knötchendurchschnitte (s. Fig. 1, 2, 3, 4) nur periphere Abschnitte von grösseren Knötchen seien. Dies ist aber vollkommen abzuweisen, denn man findet sehr oft in den Lymph- drüsen Rindenknoten von gleicher Grösse, von denen der eine ein ganz kleines helles Centralknötchen enthalten kann, während der andere von einem grossen solchen fast ganz ausgefüllt wird. — Diese ungleiche Grösse der Keimcentren ist in den Mundlymph- knötehen (Fig. 3) ganz ebenso ausgesprochen wie in den Lymph- drüsen. Mit der Vertheilung aber verhält es sich so, dass man in den Lymphdrüsen sehr ausgedehnte Rindengebiete finden kann, in denen Secundärknötchen vollkommen fehlen; andere, wo man sie vereinzelt trifft; und wieder andere, wo das gleichmässig höckerige und körnige Ansehen schon die Sicherheit giebt, dass man am ge- färbten Schnitt Bilder finden wird wie in Fig. 1 und 2. Es bleibt zwar möglich, dass jene Orte, welehe an Secundärknötchen arın oder ganz ohne solche gefunden werden, überhaupt dauernd ohne solche sein können, und dass in ihnen, wie es in den Marksträngen der Lymphdrüsen offenbar der Fall ist, nur einzeln verstreute Zelltheilungen vorkommen mögen; aber mir scheint die Auffassung nach meiner obigen Hypothese schon deswegen mehr Wahrschein- lichkeit zu haben, weil sie ausser dieser Art der Vertheilung auch die ungleiche Grösse der Seeundärknötchen erklären kann. Ein Umstand, der mit dieser Hypothese in Widerspruch er- 70 W. Flemming: scheinen könnte, ist die Existenz und die besondere Anordnung des Blutgefässnetzes in den Keimcentren: nach dem Obigen besteht es fast ganz aus Capillaren und ist etwas anders disponirt, als das der Umgebung. Aber dieser Grund ist doch nicht ausschlag- gebend. Ein Capillargefässnetz in lebender Bindesubstanz ist nicht etwas ein für alle Male Feststehendes: wer das Wachsen und Schwinden der Capillarnetze des Fettgewebes im Wachsthum und in der Atrophie verfolgt hat, wie ich dies früher gethan habe!%), wird schon danach von der starken physiologischen Veränderlich- keit feinerer Gefässverzweigungen überzeugt sein, und ein Gleiches lehrt ja das rasche Wachsthum und die Rückbildung von Gefässen bei entzündlichen, überhaupt vielen pathalogischen Vorgängen. Es scheint mir die Annahme völlig zulässig, dass an der Stelle eines Lymphknotens, wo sich ein Keimeentrum bildet, die zugehörige Anordnung der Capillaren erst mit diesem entsteht, und dass sie eventuell mit ihm wieder untergehen kann. Ein ähnlicher Einwurf lässt sieh machen, lässt sich aber auch ähnlich zurückweisen, in Bezug auf die Anordnung des retieu- lären Stützgewebes an diesen Orten. An recht dünnen Schnitten, die nach Härtung mit dem Osmiumgemisch gemacht sind, kann man stellenweis das Retieulum dureh den Schnitt freigelegt er- halten (Fig. 8); nach solehen Stellen, unter Vergleich mit Schüttel- präparaten aus Pikrinsäure oder Kalibichromat, ergibt sich, dass das Retieulum im Bereich einer Kugelschale dichter und einiger- maassen concentrisch angeordnet ist (z Fig. 8), welche Schale dem Ort nach gerade der diehtkernigen, dunkeltingiblen Grenzzone des Keimeentrums (z Fig. 1) entspricht. Diese Anordnung ist, wie ich oben anmerkte (Anm. 7), bereits von Armauer-Hansen richtig beschrieben und in mehreren seiner Abhandlungen dargestellt wor- den. Es sind ähnliche Bilder, wie sie z. B. in der Abbildung Kölliker’s (Gewebelehre 1863, S. 481) von dem Grenzreticulum eines Malpighi’schen Milzknötcehens gegeben sind; nur dass hier in den Lymphdrüsen nach aussen von der verdichteten Schale das Netzwerk wieder ziemlich ebenso locker wird, wie im Innern. Selbstverständlich sind seine Lücken im Bereich der Schale nur verengert, nicht etwa geschlossen. — Man könnte nun vielleicht glauben, dass aus einer solchen Anordnung des Retieulums auf 16) Archiv f. mikr. Anat. B. 12, S. 492 ff. Studien über Regeneration der Gewebe. 71 eine dauernde Structur, also auf eine Stabilität der Seeundärknöt- chen geschlossen werden müsste. Dies wäre aber doch nicht be- rechtigt. Denn das retieuläre Gerüst ist ein so zartes Gewebe, dass ihm eine physiologische Plastieität gewiss nicht abgesprochen werden kann; wenn vom Keimcentrum durch die fortgesetzte Zellenvermehrung, und zugleich vielleicht durch hier vorhandene besondere Verhältnisse der Gefässtranssudation, ein centrifugaler Ueberdruck ausgeht, so lässt es sich ganz wohl denken, dass da- bei das Retienlum im Innern allmählich gedehnt, in der Peripherie aber, wo es durch die kleinen Tochterzellen stärker verstopft ge- halten wird, mehr zusammengedrängt wird; um einen groben Ver- gleich zu brauchen, in ähnlicher Art wie eine ins lockere Binde- gewebe gemachte Einstichinjeetion die Fibrillen und Gewebslamellen vor sich hertreibt, zu einem Filz verdichtet und sich so eine künst- liche Schale macht. Dieser Vergleich ist natürlich ein stark bildlicher; denn ich brauche wohl nicht zu sagen, dass ich mir die Wachsthumsvor- sänge in den Keimeentren nicht als rasch, sondern als äusserst allmählich geschehend vorstelle. Ich möchte die hier gegebene Hypothese auch nicht so verstanden wissen, als ob sie je einem Keimcentrum nur eine geringe Zeitdauer, etwa von wenigen Tagen, zugestände; sie können vielleicht sehr viel länger bei Bestand bleiben, auch will ich nichts dagegen einwenden, dass sie bald hier bald dort zu dauernden Institutionen im Gewebe werden mögen. Meine Ansicht besagt in der Hauptsache nur, dass sie kommen und schwinden können. Ich gebe ihr ausdrücklich nur die Geltung einer Hypothese, denn für einen vollen Beweis reicht das Angeführte offenbar noch nicht aus. Aber wer diese Hypothese ‚ablehnt und also annimmt, dass die Seeundärknötchen morpholo- gisch gegebene, entwicklungsgeschichtlich vorbestimmte Abtheilun- gen des Gewebes seien, befindet sich, wie mir scheint, vor einer grösseren Schwierigkeit. Er muss dann sagen: es giebt in dem Gewebe, das wir in den Lymphdrüsen Rindenmassen und Mark- stränge, oder anderswo Iymphatisch infiltrirtes Gewebe nennen, zweierlei verschiedene Gewebsformationen: die hellen Secundär- knötehen, und die übrige, weit grössere Masse; in der ersten For- mation sind Zelltheilungen weit reichlicher und gehäufter als in der letzteren. Und er würde dann erstens hierfür eine Erklärung zu suchen haben, zweitens aber dafür, dass in vielen Gegenden 72 W. Flemming: die erstere Formation ganz fehlt, in anderen sehr spärlich, in dritten äusserst häufig ist, und dass sie dabei in Lagern von allerver- schiedenster Grösse vorkommt. Ein Verständniss dafür scheint mir schwieriger, als die Annahme meiner Hypothese. In den Peyer’schen Darmknötchen habe ich bis jetzt, wie oben gesagt, eine Anordnung nach Keimcentren und umgebender Rindenmasse nicht ausgesprochen gefunden, und hätte hiernach am nächsten anzunehmen, dass solche Localisation hier nicht vorliegt, vielmehr das ganze Knötchen einem auf längere Zeit stabil ge- wordenen Keimeentrum entspricht. Meine Untersuchung der Peyer’schen Knötchen beschränkt sich aber in dieser Hinsicht noch auf das Kaninchen und ist auch hier noch nicht ausgedehnt; ich möchte also mit Hinblick auf die positiven Angaben von His (a. a. O.), der nach den Gefässverhältnissen in je einem Peyer’schen Knötehen zwei Vacuolen beschreibt, nichts präjudieiren, sondern zulassen, dass auch hier eine Sonderung von Keimcentren und Um- sebungsmasse vorkommen kann. ll. Ueber die Theilungsarten der Leukocyten, und über eigen- thümliche Anordnungen chromatischer Substanz in Zellen der Lymphdrüsen. Die Bezeichnung der Theilungen, um die es sich hier handelt, als „Leukocytentheilungen‘ geschieht zwar mit dem Vorbehalt, der oben auf 8. 65 gemacht wurde: die Möglichkeit ist nicht zu läugnen, dass es sich vielmehr um Theilungen fixer Retieulum- zellen handeln könnte, deren Abkömmlinge erst mit der Theilung frei werden. Ich finde dies aber nicht wahrscheinlich und glaube es hier nicht näher in Rechnung ziehen zu müssen, wozu mich, ausser den oben a. a. OÖ. erwähnten Gründen, besonders noch der andere be- stimmt: dass jetzt schon mehrfach indirecte Theilungen an freien Zellen nachgewiesen worden sind, die man guten Grund hat für Leukoeyten zu halten. Die ersten Beobachtungen dieser Art hat Peremeschko !”) 17) Bei Tritonlarven: Archiv f. mikr. Anatomie Bd. 17, 1880, S. 170— IZSDARSEL A: 2 Studien über Regeneration der Gewebe. 15 gemacht. Ich habe damals noch Zweifel gehabt und geäussert1®), ob die betreffenden Zellen sicher als wirklich freie Wanderzellen anzusprechen seien; habe diesen Zweifel aber aufgegeben, nach- dem ich bei Salamanderlarven mehrfach im Bindegewebe Gruppen von runden, ganz freiliegenden Zellen fand, von denen viele Mi- tosen zeigten); und da mir andererseits auch die directe Thei- lung von Leukoeyten erwiesen schien und scheint?®), bin ich schon damals zu der Ansicht gelangt, dass diese Zellenart sich sowohl ohne, als mit Kernmetamorphose zu theilen vermag. Es lässt sich in der That nicht einsehen, dass a priori etwas gegen eine solche Annahme spräche. Allerdings ist die Deutung, die Peremeschko und ich den erwähnten Fällen von freien Zellen mit Theilungsfiguren gegeben haben, kürzlich in Löwit’s sorgfältiger Arbeit: ‚Ueber die Bil- dung rother und weisser Blutkörperchen“ ?!) in Zweifel gezogen worden. Die Berechtigung dieser Zweifel erkenne ich an, kann dieselben aber nieht ausschlaggebend finden. Löwit nimmt an, dass man die bezüglichen Zellen auch als Vorstufen rother Blut- zellen betrachten könne, welche sich, wie jetzt hinreichend be - kannt??), mit Mitose vermehren: es könnten solche, noch hämo- 18) Ebenda Bd. 18, S. 166— 167. 19) Zellsubstanz, Kern und Zelltheilung S. 255—256, Fig. R. 20) S. die unten cit. Angaben von Bizzozero, Stricker, Klein, Ranvier. 21) Sitzungsber. d. Wiener Acad. d. Wiss, M. N. Cl. B. 88, 19. Juli 1883. Octoberheft, III. Abth. 22) Für Amphibien: Flemming, Arch. f. mikr. Anat. 1879, B. 16, 5. 3595 Taf. 17, und in späteren Arbeiten; Peremeschko, Centralbl. f. d. med. Wiss. 1879, Nr. 38, für Säugethiere: Bizzozero, Rindfleisch, Löwit, s. in: Zellsubstanz, Kern und Zelltheilung 8. 289--290, in Löwit’s eitirter und in Bizzozero’s neuester Arbeit in Virchow’s Archiv, 1884. Bei den ersteitirten Beobachtungen habe ich und Andere übrigens meist nur von Theilungen rother Blutzellen gesprochen und nicht specieller in Er- wägung gestellt, ob diese hämoglobinhaltigen Zellen mit Mitosen „fertige“ rothe Blutzellen, oder Vorstufen von solchen seien, doch wies ich auf letztere Möglichkeit hin. Löwit hebt jetzt, und gewiss mit Recht, hervor, dass zwi- schen Einem und dem Andern zu unterscheiden sei und erklärt sich für das Letztere. Ich will nicht die Ansicht vertreten, dass eine fertige, kernhaltige, rothe Blutzelle sich noch zu theilen vermag; die kernlosen Blutscheiben der Säugethiere können ja als ein Gegenbeleg angeführt werden. Der Beweis, 74 W. Flemming: slobinlose Vorstufen aus den Gefässen ins Bindegewebe gelangt sein, oder sich bei Larven auch selbst dort in loco befunden haben. Zwischen solchen Vorstufen rother Blutzellen aber und Leukocyten will Löwit scharf unterschieden wissen (a. a.O., 8.30). Letzteres ist nach seinen sonstigen Ergebnissen gewiss motivirt; aber da er selbst dafür hält, dass eine solehe Vorstufe ganz allmählich hämo- slobinhaltig wird, und dies während einer Theilung noch nicht, oder nur in sehr geringem Maasse zu sein braucht: so wird die Entscheidung sehr schwer, wo nicht unmöglich sein, ob eine freie Zelle, die man irgendwo in Theilung trifft, eine solche Vorstufe ist oder ein Leukoeyt. Seitdem hat Lavdowsky°°?) neue Belege dafür mitgetheilt, dass Leukocyten sich sowohl mit Mitose, als auch mit direeter Kernzerlegung theilen können; ich freue mich, darin eine weitere Stütze für meine gleiche Annahme zu erhalten**). Ganz erwiesen ist die letztere auch hiermit noch nicht zu nennen; denn da die Elemente, an denen Lavdowsky (Fig. 14, 16 seiner Tafel VII) indireete Theilung beobachtet hat, farblose Zellen aus dem Blut der Axolotl-Larve waren, so könnte man von Löwit’s Standpunkt immer noch behaupten, es seien dies keine richtigen Leukocyten, sondern noch hämoglobinlose Vorstufen rother Blutzellen. Da ich nun aber hier den Nachweis geben konnte, dass in den Lymphdrüsen Millionen und Milliarden von Zellen in die Lymphbahn geliefert werden, welche durch indirecte Thei- lung entstanden sind: so dürfte darin doch ein schwerwiegen- der Beleg dafür liegen, dass diese Zellen auch auf ihrer weiteren Cireulation in der Lymphe, im Blut und, wenn ausgewandert, in den Geweben, das Vermögen zu indirecter Theilung behalten und, wenn die Umstände danach sind, es bethätigen können. dass es bei kernhaltigen rothen Blutzellen des Erwachsenen nicht möglich sei, dürfte jedoch schwer zu geben sein. 23) Mikroskopische Untersuchungen einiger Lebensvorgänge des Blutes. Virchow’s Archiv 1884, B. 96 H. 1 (9. Folge B. 6 H. 1), S. 60—100, Taf. 4—7. 24) Es liegt wohl ein Missverständniss zu Grunde, wenn Lavdowsky S. 89 a. a. O. sagt: „Ranvier und Flemming hätten von der indireeten Kerntheilung der Leukoeyten nichts erwähnt“. Für Ranvier trifft dies zu, was aber mich angeht, so habe ich ja eigens, um die indireete Kerntheilung der Leukoeyten zu vertreten, die Figur R auf Seite 256 meines Buches ge- zeichnet und den zugehörigen Text geschrieben. Studien über Regeneration der Gewebe. 75 Ich stehe desshalb nicht an, Fälle wie die Fig. 14 und 16 Lavdowsky’s, ebenso wie er selbst, als mitotische Theilungen wahrer Leukoeyten aufzufassen. Dass aber diese Zellen ausser- dem, und vielleicht in viel reichlicherem Maasse, auch Theilungen mit direeter Kernzersehnürung eingehen können, wie dies die früheren Beobachtungen von Bizzozero®), Stricker), Klein?”) und Ranvier®) lehren, wird jetzt durch eine Reihe genauer Studien von Lavdowsky festgestellt und der interessante Nach- weis hinzugefügt, dass es noch ziemlich verschiedene Formen dieses 'Theilungsprocesses giebt, über deren Habitus besonders seine 8. 83—89 Auskunft geben. Dies wollte ich zunächst voranschieken, um festzustellen, dass und wesshalb ich jetzt überhaupt das Vorkommen von wahrer Karyomitose bei Leukocyten als eine Thatsache betrachte. Ich habe nun die Form dieses Prozesses, wie er in den Lymphdrüsen auftritt, noch etwas näher zu besprechen. Dies ist nahegelegt mit Hinblick auf die neuesten zwei Arbeiten J. Ar- nold’s, die sich mit der Zelltheilung im Knochenmark und in acut hyperplastischen Lymphdrüsen beschäftigt haben®®). Arnold hat hier Theilungen gefunden, die er theils den indireeten, theils den direeten zurecehnet; aber er fand sie, und zwar namentlich die ersteren, von einem Habitus, der von dem sonst allgemein be- kannten so vielfältig abweicht, dass er sich veranlasst sah, darauf hin eine neue Eintheilung der Kerntheilungs-Typen °®) aufzustellen. 25) Sul processo di cicatrizzazione dei tendini tagliati. Annali univers. di medieina, Sep.-Abd. p. 13. Vergl. Bizzozero, Virch. Archiv 1869 und ebenda, B. 95, 1884, Sep.-Abd. p. 33. 26) Vorlesungen über allgem. u. exp. Pathologie, S. 289. 27) Centralbl. f. d. med. Wiss. 1870 Nr. 2. 28) Trait& technique d’hist., p. 161. 29) I. Beobachtungen über Kerne und Kerntheilungen in den Zellen des Knochenmarks. Virchow’s Archiv B. 93, 1883. Taf. I, und II. Ueber Kern- und Zelltheilung bei acuter Hyperplasie der Lymph- drüsen und Milz. Ebenda B. 95, 1884. Taf. II, IH. 30) Am ersteitirten Ort $. 32: I. Segmentirung: Spaltung der Kerne im Aequator oder den Segmentalebenen in 2 oder mehrere nahezu gleiche 76 W. Flemming: Arnold hat zwar in den acut-hyperplastischen Lymphdrüsen und der Milz auch Kerntheilungen vom Typus der wahren Karyo- mitose gefunden?!); aber er sagt wiederholt (S. 3, S. 16), dass sie hier seltener sind und dass der Typus, den er „indireete Frag- mentirung“ nennt, ihnen gegenüber bedeutend vorherrscht. Die Abbildungen, die er von dieser giebt und erläutert, zeigen zwar zum Theil Anklänge an die Formen der typischen Kernmetamor- phose: so Arnold’s Fig. 6—14, die sich wohl als Knäuelformen auffassen liessen; Fig. 21 und 22 wenigstens in so fern, als sie ein achromatisches Fadenbündel und eine aequatoriale Gruppirung chromatischer Elemente zeigen, letztere freilich von sehr unregel- mässiger Form; Fig. 15 würde an eine Polaransicht denken lassen. Aber zum Theil schon bei den erwähnten und noch mehr bei den übrigen Figuren Arnold’s ist die Abweichung weit grösser, es ist hier die chromatische.Substanz theils in Gestalt von compacten Ringen, Bogenstücken oder S-Formen dargestellt, theils als isolirte kleinere, zahlreiche, sehr ungleich grosse und geformte Bröckchen, die unter sich vielfach durch blasse Stränge in Verbindung sind (Arnold’s Figuren bis 47). Noch besondere Formen sind Fig. 55—57, die Arnold als direete Segmentirung bezeichnet: es sind kleine Kernfiguren, in denen die chromatische Substanz zwei oder drei unter sich gleiche, durch zahlreiche zarte Stränge verbundene compacte Massen bildet. Es würde nicht berechtigt sein, wenn ich diese Befunde Ar- nold’s nach den meinigen zu deuten versuchen wollte. Denn er hat pathologische Organe untersucht, ich normale; und es ist voll- Theile. a) Directe Segmentirung: ohne Zunahme und veränderte Anordnung der chromatischen Kernsubstanz. b) Indirecte Segmentirung: mit Zunahme ete. (Diese Form entspricht nach Arnold der sonst bekannten Karyomitose). II. Fragmentirung: Abschnürung der Kerne an beliebigen Stellen in 2 oder mehrere gleiche, häufiger ungleiche Abschnitte, welche nicht durch re- gelmässige Theilungsflächen sich abgrenzen. a) Directe, b) Indirecte Fräg- mentirung (Definition wie oben bei Segmentirung). “ nach Arnold. Nach seiner Defini- 31) Also „indirecte Segmentirung‘ tion derselben (am ersteit. Sep.-Abd. 8. 33 Z. 9 v unten), sowie nach den Worten am zweiteit. Ort Sep. S. 16 Z. 4 von unten, habe ich wenigstens an- zunehmen, dass er solche ganz typische Fadenfiguren auch bei der acuten Hyperplasie, wie bei der chronischen, gefunden hat, obwohl keine Beispiele davon auf seinen Tafeln dargestellt sind Studien über Regeneration der Gewebe. 77 kommen denkbar, dass bei ersteren wirklich andere Formen der Zelltheilung auftreten können, wie bei letzteren. In den normalen Lymphdrüsen und -Knötehen finde ich aber nicht das Gleiche, was Arnold aus den erkrankten beschrieben hat und was ihm zur Auf- stellung der erwähnten besonderen Typen Anlass gab. Ich finde, um das Resultat kurz vorweg zu fassen: dass die Kerntheilungsart bei der normalen Lymphzellenregeneration nicht, oder doch nicht wesentlich abweicht von der gewöhnlichen, all- gemein verbreiteten Form der Karyomitose. Ausserdem aber finde ich in den Lymphdrüsen und zwar besonders in den Keimcentren, aber auch in andern Organen, eigenthümliche tingible Körper in Zellen eingelagert, welche nicht als Kernfragmentirungen betrachtet werden können, obschon einzelne davon diesen Schein erwecken mögen, und welche ich ihrem Wesen nach noch fraglich nennen muss. — Beides habe ich nun näher zu .beschreiben. Wie meine Abbildungen Fig. 5, 8, 14 und 15 ohne Weiteres zeigen, finden sich in den normalen Lymphdrüsen bei Anwendung meines Verfahrens reichlich Theilungsfiguren, welche deutlich alle wesentlichen Phasen der indireeten Kerntheilung repräsentiren. Sie sind zwar in demselben Verhältniss klein, wie es überhaupt die Zellen und Kerne hier sind, und desshalb, auch wo gut eon- servirt und auch mit besten Oellinsen, doch nicht so klar zu dureh- schauen wie grössere Kernfiguren. Man erwäge, dass der Durch- messer des ruhenden Kerns hier im Durchschnitt nieht über 10—12 1 beträgt. Zum Zeichnen der Fig. 14 und 15 (ausser IHabe, 151m) habe ich unter recht gut erhaltenen Figuren Auswahl ge- nommen®?), meistens kann man aueh mit Zeiss !/;s nieht mehr Detail der Fädenlagen ausmachen, als es die Mitosen in Fig. 8 und 9 zeigen. Aber das ist auch offenbar vollkommen hinreichend, um zu sagen, dass diese Theilungserscheinungen nicht wesentlich von der Phasenform und -Folge abweichen, die ich an günstigeren Objeeten festgestellt habe. Man findet Prophasen, Metaphasen und Anaphasen °°). 32) Bei einzelnen glaube ich mit Zeiss Yıg eben noch Längsspaltung der Kernfäden zu erkennen. 35) Nachdem auch für pflanzliche Zellen jetzt die Folge und umgekehrte Rückfolge der Figurenphasen anerkannt ist, die ich als Schema aufgestellt hatte (Arch. f. m. Anat. B. 18 S. 188, und im erw. Buch S. 269 u. 194 ff.; 78 W. Flemming: Solche Figuren, bei denen man mit Zeiss Y/ıs Oe. 1 und im vollen Farbenbild über die Phase nicht in Zweifel bleibt, bilden durchaus die Mehrheit von denen, die ich in den Lymphdrüsen und Peyer’schen Knötchen finde. Eine Minderzahl ist dureh die Behandlung verändert, und dies kann nicht Wunder nehmen. Ich habe an anderem Orte °*) besprochen, dass die chromatischen Fäden um so mehr der Conglutination durch die Reagentien ausgesetzt sein müssen, je näher sie in den Figuren an einander liegen, je kleiner also die Figuren sind. Bei diesen winzigen Mitosen der Lymphzellen muss man desshalb eine ziemliche Procentzahl von Verstümmelungen in den Kauf nehmen. Aber auch diese, von denen ich Beispiele in Fig. 14abe, 151m zeichne, lassen entweder sogar noch erkennen, welcher Phase sie entsprechen, oder sie zeigen we- nigstens durch ihre Grösse, Gesammtform und den Grad ihrer Tinetion an, dass sie wirklich wahre mitotische Kerntheilungen, und nur schlecht fixirt sind. Man trifft nicht gerade selten Fi- guren wie Fig. 151,m, 14b,e, welche an die Ring- oder Halbring- formen Arnold’s aus pathologischen Lymphdrüsen erinnern könn- ten, nur dass sie höckeriger erscheinen; oder rundliche, oder ab- geplattete, scheinbar compacte Figuren wie Fig. 14a, die aber mit Oelsystem und vollem Licht oft noeh Fadenbau erkennen lassen, und in der Kantenansicht (dieselbe Fig.) oft deutlich die achro- matische Fädenspindel zeigen, also flache Sternformen oder auch Metakinesen sind. Nur wenn man von der Karyomitose überhaupt nichts wüsste, könnte man diese Dinge als Naturformen sui generis betrachten; da ich früher gezeigt habe, dass auch an viel grösseren und deutlicheren Objeeten bei Veränderung durch die Reagentien ganz ähnliche Zerrformen durch Verbackung der Fäden entstehen, so wird man die hier vorliegenden für nichts Anderes zu halten haben. Die einzige Phase, die sich hier etwas schwieriger erkennen lässt als anderswo, ist die Knäuelform (Spirem) des Mutterkerns vergl. die neueren Arbeiten von Heuser und Strasburger, Bot. Centralbl. 13884 und Arch. f. m. Anat. 1884), hat Strasburger den sehr zweckmässi- sen Vorschlag gemacht, die Mutterkernformen bis in die Sternform als Pro- phasen, die Stadien, welche zur Umordnung oder Metakinese Bezug haben, als Metaphasen, die rückläufigen Formen der Tochterkerne als Anaphasen zu benennen, was sich als vielfach abkürzend empfiehlt. 34) Im oben eitirten Buch und den dort erwähnten früheren Arbeiten Studien über Regeneration der Gewebe. 79 (Fig. 15abe). Ich war anfangs überrascht, diese sonst so häufig zu findende, weil langdauernde Form der Kerntheilung hier seltener zu sehen, fand aber bald die Erklärung. Es scheint sich mit dieser Form hier bei den Leukoeyten ähnlich zu verhalten, wie bei den Spermakeimzellen im Hoden, bei denen ich anfangs die gleiche Enttäuschung erlebt hatte ®°). Es sind nämlich in beiden Fällen die Knäuelformen des Mutterkorns gleich sehr locker, zeigen grössere Liicken zwischen den Fäden, sind also nicht von der auf- fallenden zierlichen Regelmässigkeit, wie die Knäuel bei Epithel- zellen, Bindegewebszellen, Muskelzellen u. A. m.; jedoch Formen, wie ich sie bier in den eben eitirten Figuren zeichne, sind auch in den Lymphdrüsen reichlich vertreten und müssen ohne Zweifel für Spireme gehalten werden. Zuweilen finden sich auch chromatische Theilungsfiguren, welehe sonst als Sterne, oder platte Phasen, oder Knänel wohl charakterisirt sind, aber bedeutend kleiner als die Mehrzahl. Ihr Vorkommen ist leicht zu erklären, denn es können natürlich auch die Kerne von Tochterzellen aus einer Theilung hier und da wieder in Mitose treten, und diese Figuren müssen entsprechend kleiner sein. Sehr reiehlieh scheint dies nicht vorzukommen; natürlich kann man leicht einen Tochterstern oder -Knäuel, dessen Schwester- figur durch den Schnitt abgetragen worden ist, mit einer selbst- ständigen Mutterfigur verwechseln, und wird eine sehr kleine Mi- tose als letztere nur dann sicher diagnostieiren können, wenn der Sehnitt diek genug oder die Lage der Axe der Art ist, dass man das Vorhandensein einer Schwe sterfigur sicher ausschliessen kann. Dies kommt aber wirklich, wenn schon nicht sehr häufig vor. Formen, welche als direete Kerntheilungen oder -Zerschnürun- gen bei Leukoeyten gelten können, finde ich in den normalen Lymphdrüsen und -Knötchen nur sehr selten. In Fig. 9 ist eine solche Form bei 1 dargestellt. Der langgezogene Kern besteht fast ganz aus einer intensiv chromatischen Masse, hier in zwei un- gleiche Stücke getheilt und diese durch eine dünne Brücke ver- 35) Arch f. mikr. Anat. B. 18, 1880, S. 233 ff. — Die dort, Taf. 9 (3) in Fig. 48b, sowie Fig. 36, 38, 39 gezeichneten Knäuel sind noch ausgewählte besonders regelmässige Formen; so zierliche Exemplare, wie sie z. B. in der gleichen Arbeit Taf. 7 (1) Fig. 3 u. 4 gezeichnet sind und wie sie im Epi- thel und Bindegewebe vorherrschen, fand ich im Hoden niemals. 80 W. Flemming: bunden. Derartige Formen von Leukoecytenkernen (vergl. Fig. 10, 13) sind, wie bekannt sein dürfte, an Wanderzellen in den ver- schiedensten normalen Geweben recht häufig; Formen also, bei denen das Chromatin im Kern local in diehteren Klumpen ange- häuft, dabei meist in. mehrere Portionen getrennt ist. Obwohl die Kerne anscheinend ganz homogen gefärbt sind, lassen sie doch mit Zeiss 1/; im Earbenbild einen sehr engen Gerüstbau erkennen (vergl. die Figuren). Zellen mit solchen Kernen finden sich z. B. sehr reichlich als Eindringlinge in verschiedenen Epithelien, be- sonders in dem des Respirationstractus, aus dem sie auch kürzlich von Stöhr erwähnt worden sind. Ich fand sie fast in jeder Trachea von Säugethieren — also nicht bloss bei katarrhalisch affieirten — so massenhaft, dass oft in loco mehr solche Leuko- cytenkerne, als Epithelkerne vorliegen. Ich zeichne hier (in Fig. 10) eine solche Stelle?%), um gleich einen Hinweis darauf zu geben, wie misslich es ist, aus den Formen der Flimmerepithelzellen an diesem Ort Schlüsse über deren Wachsthumsmechanik und Rege- nerationsweise zu entnehmen (wie Drasch es gethan hat). Die Flimmerzellen müssen ja in ihren Formen erheblich dadurch beein- flusst werden, dass solche Massen von Wanderzellen sich zwischen ihnen herumdrängen. Während solehe Kernformen in den Keimecentren der nor- malen Lymphdrüsen, und überhaupt in den Knoten und Strängen hieselbst, nur vereinzelt vorkommen, finden sie sich meistens ganz massenhaft in dem Gewebe der Lymphdrüsenkapsel und in den Trabekeln (hier vielleicht auch theilweise in wirklichen Lymph- sefässen liegend), von wo ich in Fig. 13 einige Beispiele aus den vielen Tausenden zeiehne, die meine Präparate enthalten. Von den runden, ovalen, locker-gegitterten Kernen der Bindegewebs- und Muskelzellen an diesen Orten ?”) sind sie auf den ersten Blick zu unterscheiden. Diese Kernformen von Leukoeyten ähneln durchaus denen, welche Arnold in einem Theil seiner Figuren?) dargestellt und 36) Ein derartiger Kern wurde bereits in: Zellsubstanz, Kern und Zell- theilung, Taf. V Fig. 82 dargestellt. 37) Solche Kerne sehen ganz aus wie die, welche in Fig. 12 gezeich- net sind (vergl. deren Erkl.) 38) Taf. II Fig. 17, 20; Taf. III Fig. 26, 23, 30, 31 oben, 36, 38—47, in den oben eit. Arbeiten. Studien über Regeneration der Gewebe. 81 als Formen von Kerntheilungen aufgefasst hat. Es ist möglich, dass alle Leukocyten mit so beschaffenen Kernen sich in direeter Theilung befinden; dann müsste dieser Prozess auch in normalen Geweben sehr verbreitet sein. Ein bestimmter Beweis dafür scheint mir bis jetzt nicht vorzuliegen. Hier habe ieh nur zu constatiren, dass solche Kernbilder, wie schon gesagt, in der Norm, in den Rindenknoten und Marksträngen der Lymphdrüsen und speciell in den Keimeentren nicht häufig sind. Ich würde sie hier am ersten auf Kerne einzelner kriechen- der Leukoeyten beziehen, die hier wie anderswo vorkommen können, von denen es aber erklärlich ist, dass sie in diesem dicht vollgepfropften Gewebe nur selten in eigentlichen gestreckten Kriechformen erscheinen. Wenn sie aber, was ja möglich bleibt, direete Theilungen sind, so kommt dieser Modus an diesem Orte wegen ihrer geringen Zahl wenig in Betracht. Ich komme somit zu dem Schluss, dass ich in den normalen Lymphdrüsen und -Knötehen nur einen in Betracht kommenden Modus der Zellvermehrung finden kann: die wahre Karyomi- tose. Denn die Dinge, die ich jetzt beschreiben will, sind weder Formen dieses Processes, noch direete Theilungen. In jedem nach meiner Methode bereiteten Tinetionsschnitt fallen in den Keimeentren als scharf gefärbt, ausser den wahren Mi- tosen, in ziemlicher Anzahl Körper auf, wie ich sie in Fig. 15n, Fig. I1f sowie m Zellen abede dort darzustellen gesucht habe. In Ermangelung einer sicheren Erklärung ihrer Natur will ich sie hier einfach tingible Körper nennen. Manche davon, die grösse- ren, können auf den ersten Blick erscheinen wie direete Theilungen kleiner compacter Zellkerne. Aber dies ist nur Schein; denn erstens liegen diese Dinge entweder alle, oder jedenfalls grössten- theils in Zellen, die noch ausserdem einen wohl charakterisirten Kern haben (vergl. die eit. Fig.), zweitens finden sich diese tin- giblen Körper in den allerverschiedensten Grössen, oft in einer Zelle mehrere grössere und mehrere von nur wenigen Mikren Durchmesser (s. d. Fig.); drittens endlich haben sie offenbar For- men und Eigenschaften, die man nicht als die von Zellkernen gelten lassen kann. Sie sind compact, ohne erkennbare Structur, durch und durch gleichmässig gefärbt; ihre Färbung mit Safranin hat die gleiche Nuance wie die der Kerntheilungsfiguren, durch Safranin- Gentiana-Doppelfärbung kann man ihnen dagegen einen besonderen Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 4. 6 82 W. Flemming: helleren, mehr bräunlich-rothen Ton geben, während die Mitosen dabei violett sind. Die Formen dieser Körper sind häufig hohl- kugelartig, sodass die Mitte leer und hell erscheint; dabei die Wand der Hohlkugel meistens einseitig verdickt (Fig. 15n links) oder es ist nur eine einseitige Hohlkugelwand vorhanden, so dass das optische Durchschnittsbild sichelförmig wird; oder oft sind zwei oder mehr Wandstellen stark nach innen verdickt, so dass Bilder entstehen wie in Fig. 15n rechts und unten. Zuweilen findet man auch ganz compacte, runde oder längliche Körper (Fig. 11e), aber nicht eigentlich eckige oder rauhe Formen. Mit Rücksicht auf das Vorkommen ganz compacter Formen, wie Fig. Ile, ist es denkbar, dass die anderen, ausgehöhlten, schalenartigen und zerlegten Formen nur einer Veränderung, einer Art Vaeuolisirung durch die Reagentien entsprechen könnten. That- sache ist, dass diese letzteren Gestalten am häufigsten vorkommen. Die eben beschriebenen Bilder finden sich in ganz gleicher Form in den Lymphdrüsen beim Rind wie beim Kaninchen, und ebenso in den Peyer’schen Knötchen. Es wäre noch zu fragen, ob diese Körper etwa nur durch die hier angewandten Osmiumgemische solche Formen erhalten. Ich habe darauf hin Schnitte von Lymphdrüsen nach Chromkali- Aleoholhärtung und Carminfärbung verglichen, und finde auch da an den entsprechenden Stellen recht reichlich Körper von den Formen Fig. I1f, die wohl offenbar die gleichen Dinge sind; bei soleher Behandlung ist aber ihre Färbung sowohl als die Kern- färbung überhaupt so viel blasser und schlechter, dass man auch mit einer guten Oellinse sehr aufmerksam suchen muss, um sie zu sehen, und sie leicht mit kleinen geschrumpften Kernen verwech- seln könnte; so erklärt es sich wohl, dass sie früheren Untersuchern der Lymphdrüsen, welche nicht mit sehärfster Kerntinetion arbeite- ten, nicht aufgefallen sind. Dass nun diese Dinge in Zellen liegen, davon kann man sich vielfach ganz sicher überzeugen. Die m Fig. 11 und 9 bei pz gezeichneten Zellkörper lagen im Schnitt soweit frei und abgrenz- bar, wie ihr Umfang angegeben ist, die Zelle Fig. 1la sogar am Rande des Sehnittes ganz frei herausgerückt. Bei der Safranin- Gentianafärbung hat die Zellsubstanz emen gelblichen Ton, der sie auch im reinen Farbenbild gut erkennen lässt. Vielfach baben die Zellen, die solehe Körper enthalten, gestreekte Gestalt und Studien über Regeneration der Gewebe. 83 deutliche Ausläufer, so dass man sie den fixen Zellen des Reti- culum zurechnen kann. Ich dachte Anfangs, ob nicht alle die tin- giblen Körper vielleicht in Blutgefässen lägen; es ist in der That schwer, an einem Schnitt durch das Innere eines Keimcentrums dies durchweg auszuschliessen, da die Gefässwandzellen denselben Farbenton haben wie die Reticulumzellen, also ein Abschnitt einer collabirten Capillare nicht immer von einer fixen Zelle zu unter- scheiden ist. Aber Bilder von ganz frei abgrenzbaren Zellkörpern, wie die gezeichneten, zeigen jedenfalls, dass hier die tingiblen Körper mitten in Zellenleibern und nicht im Raum von Blutgefässen liegen; auch finde ich keine solche Körper in Durchschnitten von Gefässen, deren Lumen noch von rothen Blutscheiben gefüllt ist. Ob sie aber nieht auch in Wandzellen der Capillaren vorkommen können, will ich nieht entscheiden. Auch kann ich nicht behaupten, dass die Körper immer in Zellen liegen müssten; ob sie ausserdem auch frei vorkommen, würde erst durch eine complieirtere Untersuchung festzustellen sein. Jedenfalls habe ich sie bis jetzt nur intracellulär gefunden und darf dies also als Regel hinstellen. Die Zellen, in denen sie enthalten sind, beherbergen aber recht oft noch andere Dinge, nämlich Pigmentkörner (Fig.9pz, Fig. 1lab; diese Körner sind dort grau dargestellt). So kann man sie nennen, denn sie sind von gelber bis braungelber, aller- dings nie sehr dunkler Farbe, und die Zellen, in welchen sie vor- handen sind, stechen schon bei schwacher Vergrösserung als gelb- braune Fleckehen in den Keimcentren hervor®®). Die Körner sind von verschiedener Grösse und Reichlichkeit; in einzelnen, beson- ders den grösseren der bezüglichen Zellen, füllen sie den grössten Theil des Zellkörpers aus (Fig. 1la, 9pz). An ÖObjeeten, die mit Safranin-Gentiana doppeltgefärbt sind, können sie etwa den gleichen matt-olivenbraunen Ton bekommen, wie rothe Blutscheiben in Ge- fässen 0); aber an Safraninpräparaten, sowie an ungefärbten, stechen 39) Zellen mit ganz feinkörnigem und sehr dunklen Pigment, also sol- chem von der gewöhnlichen Art, fand ich bis jetzt in den Secundärknötchen der Lymphdrüsen nicht, ohne übrigens sein normales Vorkommen hier in Abrede zu nehmen. In den Peyerschen Knötchen des Darms beim Kaninchen kommen Zellen mit solchen dunklen Körnchen vor, aber nur recht einzeln. 40) Ich bemerke hier noch besonders, dass die vorher beschriebenen, tingiblen Körpers nicht etwa rothe Blutzellen sein können; weil ich es 84 W. Flemming: sie in der Farbe von diesen doch ab. Ich bemerke dies nur, da- mit man nicht bei künftigen Untersuchungen wegen jener Farben- ähnlichkeit schliessen möchte, die betreffenden Zellen seien etwa gleichartig mit den blutkörperhaltigen Zellen der Milz, und die Körner Reste von mechanisch aufgenommenen rothen Blutscheiben. Dies ist nieht anzunehmen; wenn das gelbe Pigment in ihnen ein Umsatzproduct des Blutfarbstoffs ist, so muss dieser in einer ge- lösten Modifieation von den Zellen aufgenommen sein; denn es finden sich hier in den Keimeentren ausserhalb der Gefässe keine freiliegenden rothen Blutscheiben, welche so aufgenommen werden könnten; und ausserdem sind die Zellen, welche das Pigment und ausserdem die tingiblen Körper enthalten, ihren Formen nach grossen- theils sicher so beschaffen, dass man sie eher für vergrösserte fixeZellen des Retieulums, als für amoeboide, fressende Zellen halten wird; freilich ist es nicht auszuschliessen, dass auch letztere sich vergrössern und durch ihre Lagerung zwischen den übrigen Elementen solche Formen annehmen könnten, wie sie Fig. l1la und b zeigt. Dass das intracelluläre Auftreten von Pigment übrigens hier, wie an anderen Orten, in einer Beziehung zur Bluttranssudatzufuhr steht, spricht sich darin aus, dass oftmals dicht an dem grösseren Cen- tralgefäss des Keimcentrums eine stärkere Ansammlung solcher pigmentirter Zellen vorliegt. Noch eine dritte Art von Körnerbildungen in Zellkörpern kommt hier vor, diese aber nicht vorwiegend in den Keimcentren, sondern auch anderwärts verbreitet. Dies sind feinere Körnchen, untereinander ziemlich gleich gross, meist in grösserer Zahl in einem Zellkörper enthalten (Fig. I1g h). Da dieselben sich mit Gentiana intensiv violettblau färben, kann man sie nach der Be- zeichnungsweise Ehrlich’s für die färbbaren Granula kurz „gen- tianophile Körnehen“ nennen; übrigens färben sie sich in geringe- rem Grade auch mit Safranin. In solchen Zellen finde ich keine für sehr möglich halte, dass diese Verwechselung noch einmal gemacht wer- den könnte. Denn bei ungenügender Ausziehung der Farbe können aller- dings rothe Blutzellen, die dann noch gefärbt sind, den grösseren Formen der tingiblen Körper sehr ähnlich sehen. Aber an all meinen Präparaten, die ich hier zu Grunde lege, sind die rothen Blutzellen überall ganz von Safranin oder Gentiana befreit und ganz blass graugelb; die unmittelbar daneben in den Schnitten vorkommenden tingiblen Körper sind tief tineirt. Studien über Regeneration der Gewebe. 85 der vorher beschriebenen, grösseren, eigenthümlich geformten tin- giblen Körper, so dass es nicht gestattet sein kann, letztere und die gentianophilen Körnchen ohne Weiteres für die gleiche Sub- stanz zu halten, wenn sie sich auch in ihrem Electionsvermögen für die Farbstoffe ziemlich gleich verhalten. Die physiologische Bedeutung der tingiblen Körper wie der gelben Pigmentkörner bleibt einstweilen räthselhaft; aus dem Be- schriebenen ergiebt sich soviel, dass man sie als Producte intra- cellulären Stoffwechsels auffassen kann. Ferner aber ergiebt sich aus der Localisation ihres Vorkommens, dass die Bedingungen, die zu ihrer Entstehung führen, in irgend einer Art local an die Keimeentren geknüpft sein müssen. Denn es ist ganz klar und schlagend, dass sich die tingiblen Körper, sowie die gelben Körner vorwiegend in Zellen finden, die im Bereich der Keimeen- tren liegen. Es mögen also die gleichen, noch unbekannten Ver- hältnisse sein, die hier einerseits das Auftreten reichlicher Zell- theilungen begünstigen, andererseits die Ausarbeitung dieser Arten von Körnerbildungen in anderen Zellen veranlassen. Für die gentianophilen Körnchen gilt nicht das Gleiche: Zel- len mit solchen finden sich, wie schon angedeutet, nicht bloss in den Keimcentren, sondern auch sonst verstreut in den Lymphdrü- sen, besonders in der Kapsel und den Trabekeln, und hier im Durchschnitt viel reichlicher als in den Keimcentren. Der Durch- schnitt der Kapsel sieht oft von ihnen ganz wie blau getigert aus. Ich muss es unentschieden lassen, ob diese Zellen Leukoeyten sind, oderfixe Zellen, oder ob Zellen beider Arten solche Körner bilden können. Auffallend war es mir in mehreren Präparaten von Rindslymphdrüsen, dass gentianophile Zellen in dichter Gruppe um das Centralgefäss eines Secundärknötchens gehäuft lagen, ähnlich wie dies vorher von den pigmenthaltigen Zellen erwähnt wurde; dadurch ist na- türlich nicht entschieden, ob sie etwa aus diesem Gefäss ausge- wandert waren. Meistens trifft man sie aber nieht in Gruppen, sondern einzeln vertheilt; manchmal haben sie Formen, die am Ersten an verästelte oder gestreckte fixe Zellen denken lassen (Fig. 11h), aber es könnten dies auch temporär angenommene, durch Eigenbewegung oder durch die Umgebung bedingte Kriech- formen sein. Ich habe die grösseren und kleineren tingiblen Körper und Körnchen hier deshalb so speciell beschrieben, damit man. nicht 36 W. Flemming: etwa bei flüchtiger Bekanntschaft mit Präparaten, wie es die mei- nigen sind, glauben möchte, dass Verwechselungen zwischen diesen Körpern und den indireeten Kerntheilungen vorkommen könnten; ferner insbesondere auch mit Rücksicht auf manche Bilder Ar- nold’s aus den hyperplastischen Organen®!), die von ihm als Kerntheilungen verschiedener anderer Formen #) aufgefasst werden. Bei oberflächlichem Vergleich dieser Bilder mit manchen der hier gezeichneten tingiblen Körper könnte man glauben, dass beiden das Gleiche zu Grunde läge. Arnold’s bezügliche Präparate sind allerdings nach etwas anderen Methoden gewonnen wie die meinigen, über die specielle Behandlung der einzelnen Objecte ist von ihm nichts angegeben, und es wäre also möglich, dass einige der Bilder, die er als Kern- theilungen betrachtet, Veränderungsformen der hier besprochenen tingiblen Körper wären. Doch darf ich mir darüber kein Urtheil erlauben, ohne eigene Kenntniss pathologisch-veränderter Lymph- drüsen zu haben und erkenne völlig an, dass in diesen solche Dinge vorkommen können, welche in den normalen Lymphzellenkeimstät- ten fehlen. In den letzteren fehlt es aber in der That, wie meine Be- schreibung zeigt, an Dingen, welche die besonderen Kerntheilungs- typen Arnold’s repräsentiren könnten. Es ist hier nichts zu fin- den, als gewöhnliche indireete Kerntheilung, und zwar diese so massenhaft, dass man keinen sonstigen Modus der Zellvermehrung zu postuliren braucht; und daneben, aber in ganz vereinzelten Exem- plaren, Kernformen wie bei l in Fig. 9 hier, welche möglicherweise direete Zelltheilungen sein können, es aber nicht zu sein brauchen. Hiernach möchte ich mich nicht entschliessen, für die phy- siologische Vermehrung der Lymphzellen und für die Zellvermeh- rung überhaupt die vier Typen der Theilung anzuerkennen, die Arnold aufgestellt hat*). Für mich giebt es einstweilen, wie bisher, zwei Haupttypen der Zelltheilung: einerseits die Theilung mit Karyomitose**) d. i. die wohlcharakterisirte, typische Zell- 41) Fig. 55—57; und etwa auch 16, 18, 23 und einige andere auf Taf. 1, SIT, 22.0: 42) Theils indirecte Fragmentirung, theils (die erstgenannten 3 Figuren) directe Segmentirung nach Arnold. 43) 8. o. Seite 75, Anm. 30. 44) Mitoschisis nach meinem Vorschlag a. a. O. Studien über Regeneration der Gewebe. 87 theilung mit Kernmetamorphose unter Bildung regelrechter Faden- figuren im Kern, mit regelrechter Phasenfolge; und andererseits eine direete Theilung®), d. i. eine Zellabschnürung, bei wel- cher der Kern olme erkennbare innere Metamorphose zerlegt wird. — Der Vorschlag Arnold’s, nach van Beneden den letz- teren Vorgang am Kern kurz als Fragmentirung zu bezeichnen, erscheint mir sehr zweckmässig und ich möchte ihn unterstützen. Auch denke ich natürlich nicht daran, die Treue von Ar- nold’s Beschreibung in Bezug auf seine Objecte, krankhaft ver- änderte Organe, in Zweifel zu stellen. Es ist, wie ich wiederho- len möchte, vollkommen denkbar, dass unter pathologischen Be- dingungen andere Formen der Zelltheilung Platz greifen können als unter normalen; und es wird gewiss von grossem Interesse sein, dieser Frage weiter nachzugehen. Die Ergebnisse lassen sich kurz wie folgt zusammenfassen; 1. Die physiologische Neubildung der Leukocyten der Lym- phe in den Lymphdrüsen und -Knötchen beruht auf mitotischen Theilungen der Zellen, welche in den Retieularlücken der Knoten und Stränge dieser Organe eingelagert sind. Diese Knoten und Stränge verdienen also den Namen Keimlager (Brücke). Ob daneben diese Zellen sich an diesen Orten auch noch mit direeter Kerntheilung (Fragmentirung) vermehren, lässt sich noch nicht entscheiden und ist als ganz möglich zuzugeben. Die mitotischen Theilungen sind aber so reichlich, dass sie wohl allein ausreichen könnten; und die Fragmentirung, wenn sie in der Norm vorkommt, ist dann jedenfalls selten. Ebenso soll hier ausdrücklich die Möglichkeit anerkannt werden, dass aus den Blutgefässen auswandernde Leukoeyten zur Vermehrung des Zellenmaterials in den Keimlagern, und somit auch zur Neulieferung von Lymphzellen beitragen können; ebenso wie eine physiologische Auswanderung von Leukocyten aus den Blutgefässen in die Saftspalten, und somit weiter in den Lymph- strom, gewiss auch an andern Orten im Bindegewebe vorkommen 45) Holoschisis. 88 W. Flemmine: kann und es vielleicht in reichlichem Maase thut. Es soll hier nur constatirt werden, dass kein Grund besteht, in einem solchen Zuwachs durch Auswanderung eine besonders grosse, oder gar die srösste Quelle für die Neulieferung der Lymphzellen zu erblicken; denn die Zelltheilungen in den Lymphdrüsen und Lymphknötchen sind so massenhaft, dass sie dafür sogar recht wohl allein genügen könnten. 2. Die Zelltheilungen in diesen Organen treten local ge- häuft auf; möglicherweise auch zeitlich gehäuft, also schubweise. Als der anatomische Ausdruck ihrer localen Häufung las- sen sich die hellen Seeundärknötchen oder Keimcentren („Vaeuolen“* von His) betrachten, die ich demnach nicht für con- stant-localisirte Formtheile der Iymphatischen Knoten, sondern für langsam fluetuirende Bildungen halte. Darin liegt eine Erklärung für die Ineonstanz, welche diese Seeundärknötchen in ihrer Häu- fiskeit und localen Vertheilung zeigen. 3. Dass auch bei den Leukocyten, ausser directer Theilung (Fragmentirung), Karyomitose mit den gleichen wesentlichen Charakteren und Theilungsphasen vorkommt, wie sie sich bei den meisten anderen Zellenarten findet (Peremeschko, Flemming, Lavdowsky), erhält durch meinen jetzigen Befund eine wohl ausreichende Stütze. Die Meinung, dass die Leukoeyten nur di- recter Theilung fähig wären, kann ich demnach nicht theilen. 4. Die eigenthümlichen Kerntheilungsbilder von Leukoeyten oder verwandten Zellen, die Arnold mitgetheilt und als bestimmte Typen der Kerntheilung aufgefasst hat, konnte ich für die phy- siologische Theilung der Zellen in den Lymphdrüsen nicht be- stätigen. Es ist möglich, dass ihre Kerntheilungsfiguren in eini- sem Wenigen von denen anderer Zellenarten abweichen, ich kann aber nicht annehmen, dass diese Verschiedenheiten so gross und so mannigfach sind, wie es Arnold von pathologischen Öb- jeeten beschrieben hat. Seine Befunde an diesen werden damit nicht angegriffen. 5. Es kommen in den Lymphdrüsen, und zwar ganz vorzugs- weise in den Keimeentren, sowie in den Peyer’schen Knötchen des Darns, eigenthümlich geformte, grosse, stark färbbare Körnerbil- dungen in Zellen vor, die ich oben als „tingible Körper“ bezeich- net habe, die von den anilinophilen Körnchen bekannter Art durch Grösse und Form verschieden sind, ebenso von Pigmentkörnern Studien über Regeneration der Gewebe. 89 ganz differiren, und deren physiologische Bedeutung noch fraglich ist. Sie liegen in Zellen mit ruhenden Kernen, und haben mit Kerntheilungen nichts gemein. Das örtliche Vorkommen dieser tingiblen Körper aber, sowie auch das Auftreten von grobkörnigem gelben Pigment, ist in auffälliger Weise an die Localitäten geknüpft, in welchen auch die Zelltheilungen gehäuft sind, nämlich an die Keimeentren. Ueber eine Bearbeitung der weiteren Iymphatischen Organe: Tonsille, Thymus, Milz, sowie verschiedener epithelialer Gewebe wird der nächste Theil dieser Studien berichten. Kiel, d. 20. Mai 1884. Erklärung der Abbildungen auf Tafel IV. Alle Figuren, mit Ausnahme von Fig. 4, f in Fig. 11, und Fig. 10, nach Präparaten, die mit dem neuen in der Einleitung angegebenen Ver- fahren hergestellt sind. — Alle Abbildungen sind nur einzelne Beispiele von äusserst zahlreichen gleichen Bildern, die mir vorlagen. Fig. 1. Schnitt aus der Rinde einer mesenterialen Lymphdrüse vom ausge- wachsenen Rind (Safranin-Gentianafärbung). r: dichtzellige Rinden- masse; die hellen Flecke k: Sekundärknötchen oder Keimcentren (His’sche Vacuolen); z: ihre dichtzellige Schale; p: peripherer Theil der Rindenknoten. Hell gelassen dazwischen: Trabekelgewebe mit engen Lymphbahnen. — Lupenvergrösserung. Fig. 2. Schnitt aus der Glandula mesenterica magna (Pancreas Asellii) von einem ausgewachsenen Kaninchen. Bezeichnungen wie in Fig. 1. — Sehr schwaches System. Die schwarzen Pünctchen, den Mitosen (Theilungsfiguren) entsprechend, sind nach Controle mit Zeiss D, Oc. I ihrer Vertheilung entsprechend eingezeichnet. Nach links: Mark- stränge. Fig. > Schnitt durch Zungengrund (hinter den Pap. vallatae) eines er- wachsenen Menschen, 1 St. p. m. mit dem Osmiumgemisch behan- delt. Ep.: Epithel (in dem stärkere Vergrösserung einzelne Zellthei- lungen zeigt), r: Gesammtmasse eines Lymphknötchens („Follikel, Balgdrüse“), darin die hellen Secundärknötchen k, 4 verschieden 90 Fig. 4. Fig. 5. Fig. 6. [u 6) Fig. W. Flemming: grosse sind durchschnitten; dr: Schleimdrüsen. (Vergl. Fig. 6). — Die dunkleren Strichelchen: Blutgefässe. Lupenbild. Schnitt durch einen Theil der Peripherie von der Gland. mesenterica magna der erwachsenen Katze, nach unten Markgegend; nach Injec- tion in Kalibichromat gehärtet, in Alcohol nachgehärtet, Schnitt, Hämatoxylinfärbung. Das gleiche Bild wie Fig. 1 oder 2. — Noch schwächere Lupenvergrösserung. Injic. Gefässe nicht berücksichtigt. Schnitt durch ein beliebiges Keimcentrum aus einer Lymphdrüse vom Ochsen, wie k in Fig. 1, stärker vergrössert. lb: angrenzende flach-spaltförmige Lymphbahn. z: dichtzellige Schale des Keim- centrums, wie z in Fig.1. b: Blutgefässabschnitte; der Hauptgefäss- querschnitt enthält rothe Blutscheiben (wie auch einige der anderen Capillarenabschnitte, bei denen diese nicht mit eingezeichnet, die Gefässe sind überhaupt hier schematisch dargestellt, doch bemerke ich besonders, dass sie sich mit Zeiss !/ı; im dieser Vertheilung auch ohne Injection sehr wohl erkennen lassen. — Die vorhandenen Mitosen sind der Zahl und Lage nach genau eingezeichnet. 2 Mi- tosen in der Lymphbahn (links oben). In der Peripherie des Keim- centrums p (vergl. p in Fig. 1) ist die Lage der Kerne resp. Zellen etwas weniger dicht angegeben, als es dem Präparat entspricht. — Von den Zellen sind überall nur die Kerne angegeben. — Zeiss D, Oeul. I, mit 1/;s Oelimmers. controlirt. Durchschnitt eines Secundärknötchens wie k in Fig. 3, aus einem Lymphknötchen des menschlichen Zungengrundes. Auch hier nur die Kerne und Kernfiguren angegeben; die erkennbaren Mitosen in der Vertheilung, wie sie vorliegen. Vergr. wie Fig. 5. Durchschnitteines Peyer’schen Knötcehensim BlinddarmeinesKaninchens, Zeiss B, Ocul.IIl. Die hellgelassenen Bahnen entsprechen hauptsächlich dem Blutgefässnetz, theilweise zugleich Theilen des Reticulums. Die Mitosen, wie in den vor. Figuren, unter Controle mit starkem System eingezeichnet. Dünner Schnitt, aus dem ein Theil der ausfüllenden Zellen heraus- gefallen ist, durch die dunklere Rinde (z in Fig. 1) eines Keim- centrum, Ochse, Mesenterialdrüse. Nach links: Keimcentrum; z: das zusammengedrängte Reticulum der Schale, dessen Gegend in Fig. 5 der dunklen dichtkernigen Zone z entspricht. Im Keimcentrum ei- nige Mitosen, und zwei Pigmentzellen p z, eine mit gröberen Körnern ; das hier schwarz angegebene Pigment entspricht den grauen zahlreichen Körnern in den Zellen a b der Fig. 11. — b: Blutge- fässe. Zeiss D, Oc. UI. Aus der Peripherie eines anderen Keimcentrums, eben daher. z: die dicht- und kleinkernige Schale, nach rechts: das Innere des Secun- därknötchens. Ausser den Mitosen: gegenüber 1 ein gestreckter Leukocytenkern; gegenüber tk ein „tingibler Körper“ (vergl. Fig. Fig. 10. Fig. 11. Fig. Fig. 12. e. 18. 14 Studien über Regeneration der Gewebe. 91 15n); bei pz eine Zelle mit reichlichen hellbraunen Pigmentkörnern wie Fig. 11a b, welche ausserdem einige tingible Körper enthält. — Zeiss Y/ıg Oc. I, eingeschobener Tubus. Querschnitt durch das Flimmerepithel der Trachea, erwachsener gesunder Hund; zwischen den blasseren Kernen der Epithelzellen, in denen nur Nucleolen und einzelne Chromatinkörner gefärbt, 5 Leukocyten mit vielgestaltigen sehr dunkel tingirten Kernen, wie sie überall sehr häufig vorkommen; 2 noch halb in der Bindege- gewebsgrenze steckend. Das Vorspringen von Chromatinkörnern über den Umfang einiger Kerne liegt an einem kleinen Fehler der Lithographie. Chromsäure-Hämatoxylin. Zeiss 1/;s mit Oc. III. Aus Keimcentren von Lymphdrüsen des Ochsen und Kaninchens. Zeiss Yıs, mit Oeular III angegeben, mit Oc. I genau gezeichnet. a b: Zellen mit Pigmentkörnern von braungelber Farbe (grau ge- zeichnet) und tingiblen Körpern (schwarz gezeichnet, intensiv tin- girt; ebenso wie die Nucleolen und Gerüsttheile in den Kernen die- ser Zellen); e: ebensolche Zelle ohne Pigment, mit 3 tingiblen Kör- pern, d: ebenso, hier war der zugehörige Kern nicht abzugrenzen; e: Zelle mit der runden Form tingibler Körper. f: aus einem Chromkali-Alkohol-Carminpräparat einer menschlichen Lymphdrüse. £h: Zellen mit feinen „gentianophilen“ Körnern, die tiefblau sind, nicht zu verwechseln mit den nicht-tingiblen Pigmentkörnern (Zellen a b, grau). Für dies und Folgendes vergl. im Schlusstheil der Arbeit. Aus der Peripherie eines Keimcentrums, dünne Schnittstelle, zwei rundliche grössere, zwei kleinere. ruhende Kerne, die Grenzen der Zellkörper nicht genau erkennbar; rechts eine Zelle des Reticulums. Einige Leukocyten aus der Kapsel einer Lymphdrüse, wie sie hier und auch in Trabekeln massenhaft vorkommen ; mehrkernig mit ähnlich irregulären Kernformen, wie in Fig. 10 (Trachealepithel). 15. Aus Keimcentren der Mesenterialdrüsen und Peyer’schen Knöt- chen, theils vom Rind, theils vom Kaninchen. Zeiss (wie obeninFig. 11). Fig. Sacbdefigkh, Fig. 14 fd g e entsprechen unge- fähr in der eben gegebenen Reihe dem regelmässigen Phasenverlauf. Sind nur einzelne Beispiele für viele Hunderte gut erhaltener Figu- ren, die controlirt wurden. Fig. 14 a b c, Fig. 15 1 m: mehr oder weniger entstellte, durch die Behandlung conglutinirte Figuren. Fig. 14 b e, Fig. 15 k lm fi ee: vom Pol oder schräg gegen die Theilungsaxe gesehen. Fig. 15 n: eine Zelle mit tingiblen Körpern; und zwei der letz- teren, bei denen die umgebende Zelle und der zugehörige Kern nicht herauszukennen war, für sich dargestellt. 92 Jos. Schöbl: Ueber Wundernetzbildungen im Fettgewebe. 1. In der Umgebung der Schwanzwirbelsäule einiger Saurier. II. Im Mesenterium des Menschen. Von Prof. Jos. Schöbl in Prag. Hierzu Tafel V und VI. I: Schon im Jahre 1856—58 habe ich im Fettgewebe, welches die Schwanzwirbelsäule einiger Saurier, welehe sich durch eine besondere Brüchigkeit dieses Körpertheiles auszeichnen, in höchst eigenthümlicher Weise umgiebt, mächtige, höchst interessante und prachtvolle Wundernetze entdeckt. Erst 10 Jahre später bei Gelegenheit des 50jährigen Doetor- Jubiläums unseres grossen Purkyn®& benutzte ich diese Entdeekung und publizirte sie in einer Gratulationsschrift unter dem Titel: „Retia mirabilia quorumdam Sauriorum, qui magna fragilate cau- dae praediti sunt. Descripsit et delineavit D. J. Schöbl.* Diese Gratulationsschrift wurde in böhmischer und lateinischer Sprache verfasst und auf Kosten des Vereins böhmischer Aerzte in einer sehr beschränkten, der Zahl der Mitglieder des Vereines nahezu gleichkommenden Anzahl von Exemplaren herausgegeben. Auf diese Weise geschah es, dass diese Schrift in der gan- zen wissenschaftlichen Welt nahezu gänzlich unberücksichtigt blieb. Ich selbst besitze von dieser Broschüre kein einziges Exemplar mehr, und es ist auch sonst nirgends eines zu haben. Nachdem ich nun auch an anderen Stellen, namentlich im Mesenterium des Menschen Wundernetzbildungen im Fettgewebe entdeckt habe, glaube ich nicht unrecht zu handeln, wenn ich im Zusammenhange hiermit das Wichtigste über die Wundernetze der Saurier mittheile und eine kleine Abbildung beifüge. Ich fand solche Wundernetzbildungen bei den beiden Gat- tungen Lacerta und Anguis; bei allen übrigen Sauriern, deren ich im frischen Zustande habhaft werden konnte, um sie für meine Ueber Wundernetzbildungen im Fettgewebe. 93 äusserst feine Injeetionsmethode zu verwenden, so Genera aus den Abtheilungen der Chaleidier, der Pachylglossen und Chamaeleoni- den fand ich keine Spur soleher Wundernetze. Es sind also nur jene Genera der Saurier mit diesen Wundernetzbildungen ver- sehen, welehe sich durch eine besondere Brüchigkeit und Rege- nerationsfähigkeit des Schwanzes auszeichnen und es liegt somit die Vermuthung nahe, diese Netze mit der oben erwähnten Rege- nerationsfähigkeit in causalen Nexus zu bringen. Die die Sehwanzwirbelsäule der beiden Gattungen Lacerta und Anguis umgebenden Wundernetze sind einfach und amphi- eentrisch. Sie entspringen von der Arteria vertebralis caudalis im gan- zen Verlaufe derselben von der regio sacralis beginnend bis zur Schwanzspitze, indem von Stelle zu Stelle von derselben zwischen je zwei Wirbeln zahlreiche Zweige ausgehen, welche sich in das betreffende Wundernetz auflösen. Dieses Wundernetz der Saurier ist nicht flach ausgebreitet wie die meisten bis jetzt beschriebenen Wundernetze, sondern es bildet einen soliden, mächtigen, sechskantigen Strang, in dessen Mitte die Schwanzwirbelsäule verläuft und welcher im Durehschnitt besonders in den mittleren Regionen des Schwanzes eine sechseckige Sternfigur zeigt. Es ist ungemein mächtig, und wenn man das Verhältniss zur Gesammtkörpergrösse des Thieres in Betracht zieht, das mächtig- ste Wundernetz, welches bis dato bekannt geworden ist. Die Maschen des ganzen Wundernetzes sind durchwegs von Fettgewebe ausgefüllt. Was die Form des Wundernetzes anbelangt, so ist dasselbe mehr weniger sechslappig. Die Lappen sind am Anfange des Wundernetzes in der Sacralgegend sehr schmal von einander iso- lirt und verlaufen radiär von der Wirbelsäule gegen die Haut. Im weiteren Verlaufe werden die Lappen mächtiger und mächtiger, fliessen schliesslich an der Basis zusammen, den musculus subver- tebralis umschliessend, um weiterhin noch mehr zu verschmelzen und die ganze Schwanzwirbelsäule ringförmig zu umgeben, sie bis zur Schwanzspitze begleitend. Alle Aeste der Arteria vertebralis eaudalis vom Ursprung der- selben in der Sacralgegend bis zu ihrem Ende an der Schwanz- spitze lösen sich in das besagte Wundernetz auf mit alleiniger 94 Jos. Schöbl: Ausnahme derjenigen Zweige, welche sie an die Medulla spinalis caudalis abgiebt und einiger weniger nutritiver Zweige, welche die Wirbelknochen erhalten. Alle übrigen Gebilde des Schwanzes erhalten ihr Blut aus Arterienstämmen, welche erst aus dem Wun- dernetze hervorgehen. Dies gilt vor allem anderen von den mus- eulo-eutanen Arterien. Die Arteriae musculo-cutaneae entspringen insgesammt aus den Lappen des Wundernetzes; sie versorgen die gesammte dor- sale und ventrale Muskulatur so wie die Haut. Die Venulae eutaneae bilden ein rete venosum-subeutaneum, aus welchem im Vereine mit den venulis muscularibus die mäch- tigen venae musculo-cutaneae hervorgehen, welche zwischen der Museulatur radiär vom rete venosum subeutaneum gegen die Schwanz- wirbelsäule zu verlaufen, wo sie die venae eireumflexae vertebrae caudalis bilden, welche in die vena vertebralis caudalis münden. Was die genauere Gestalt des Wundernetzes selbst anbelangt, so ist dasselbe an seinem Beginn in der regio postsacralis ungemein schmächtig und gleicht daselbst sechs schmalen Gefässgeflechten, welche dem Verlaufe der venae museulo-cutaneae folgend von der Wirbelsäule bis zur Haut verlaufen. Das oberste Lappenpaar ent- springt den processus obliqui, das mittlere vom oberen Rande des pro- eessus transversi, das unterstevom unteren Rande derselben Fortsätze. So geringfügig und unscheinbar ist der Anfang dieses in den mittleren Regionen des Schwanzes so überaus prachtvollen und mächtigen Wundernetzes, dass man dasselbe, wenn man nicht es weiter verfolgen würde. leicht für ein zufälliges Geflecht einzelner mit einander anastomosirender Arterien halten Könnte. Schreiten wir jedoch nur ein wenig weiter gegen die mittle- ren Regionen zu, so verändert sich das Wundernetz mehr und mehr. Die einzelnen Lappen desselben werden stets mächtiger und mächtiger und bilden im Durchsehnitt bereits einen pracht- vollen sechsstrahligen Stern. In den mittleren Regionen des Schwanzes erreicht das Wun- dernetz seine grösste Entwicklung und umgiebt daselbst die Schwanzwirbelsäule im Durchschnitte betrachtet in Form eines sechs- oder achtlappigen Kranzes von unvergleichlieher Pracht. Das oberste Lappenpaar ist nun fünfeckig von Gestalt (stets im Durchschnitt betrachtet) und füllt den Raum zwischen dem processus spinosi und den processus obliqui völlig aus. Ueber Wundernetzbildungen im Fettgewebe. 95 Die Mittellappen haben dieselbe Form und erstrecken sich von den processus obliqui zum Wirbelkörper. Die unteren Lappen sind die mächtigsten und erstrecken sich vom Wirbelkörper bis zum processus spinosus inferior. Sie selbst sind fast zweilappig und werden durch die sie penetrirenden mus- eulo-eutanen Venen (im Durchschnitt) in ein oberes grösseres Penta- gon und in ein unteres kleineres Trapez getheilt. Die Arteriae museulo-eutaneae entspringen in dieser Region zumeist aus den Kanten der Lappen des Wundernetzes. Von Venae museulo-cutaneae findet man in dieser Gegend auf Durchsehnitten gewöhnlich 6 Paare, von denen die 4 seitlichen die einzelnen Lappen des Wundernetzes durchbohren, das oberste und unterste Paar jedoch senkrecht längs der oberen und unteren processus spinosi verläuft. Die venae eircumflexae verlaufen in dieser Region nicht bo- gsenförmig um die Wirbelkörper, sondern formiren ein mehr weni- ger reguläres Hexagon. In den weiteren Regionen des Schwanzes gegen die Spitze zu werden die Lappen des Wundernetzes wieder schmächtiger und bilden an der äussersten Schwanzspitze ein unscheinbares eircum- vertebrales ringförmiges Gefässgeflecht. I: Mit Hülfe meiner äusserst vollkommenen plastischen Injeetions- methode ist es mir gelungen, ein ganzes System von zahllosen Wundernetzen, deren Maschenräume mit Fettgewebe gefüllt er- scheinen, im Mesenterium des Menschen nachzuweisen. Bei einer vollkommen gelungenen plastischen Injection, welche, nebenbei bemerkt, nicht eben leicht ist, erscheint das ganze Mesen- terium an seinen beiden Oberflächen mit diesen prachtvollen Ge- bilden geradezu übersät. Sie stehen entweder einzeln oder in Gruppen. Mitunter sind sie an den betreffenden Gefässstämmehen traubenförmig wie Bee- ren angeordnet, oder hängen wie Früchte an den Zweigen eines fruchtbeladenen Stammes. Ihre Gestalt ist zumeist rundlich kugelig oder oval länglich, aber auch spindelförmig und eylindrisch, mitunter ganz unregelmässig. Ihre Grösse variirt zwischen 0,10 mm bis 150mm und auch wohl darüber. 96 Jos. Schöbl: Im Mesenterium neugeborener Kinder, welche mir allein, wenn auch mit grossen Schwierigkeiten, zur Verfügung standen, weil man mir durch eine lange Reihe von Jahren die Benutzung jegli- chen Leichenmaterials in unliebvollster Weise geradezu unmöglich machte, fand ich im Durchschnitt auf je 1[_]mm Flächraum ein derartiges winziges Wundernetz, höchstens zweie, was jedoch, für das ganze Mesenterium berechnet, eine ungeheure Summe von Tausenden ausmachen würde. Die meisten dieser Wundernetze sind bipolar, viel seltener sind unipolare. Sie sind zumeist gedoppelt arteriell und venös zugleich, seltener einfach, und diese wieder bald arteriell bald venös. In den kleinsten Wundernetzen, namentlich in den einfachen sowohl arterieller als venöser Natur, scheinen die Maschenräume ganz leer zu sein, zumeist lässt sich jedoch ein Gewebe daselbst wahrnehmen, welches ich nicht recht zu deuten wusste, es schien mir am ähnlichsten adenoidem Gewebe zu stehen. Die überwie- sende Mehrzahl der betreffenden Wundernetze jedoch, und die grösseren insgesammt, sind ausnahmslos mit Fettgewebe angefüllt. Erklärung der Tafel V und VI. Tafel V. Zeigt einen Querschnitt durch die mittleren Parthien des Schwanzes von Lacerta viridus nach vorangegangener sehr gelungener Carmingelatine- injection. In der Mitte des Bildes erblicken wir den Durchschnitt eines caudalen Wirbels mit seinen Fortsätzen und im Wirbelkanal den Durschschnitt des Schwanzrückenmarkes mit seinen charakteristisch angeordneten Blutgefässen. Unterhalb des Wirbelkörpers im unteren Bogen erblicken wir die Durchschnitte der arteria vertebralis caudalis und dicht unter derselben der vena vertebra- lis caudalis. Das prachtvolle Wundernetz umgiebt den ganzen Wirbel in Form eines sechs- oder wenn man sagen will achtlappigen Kranzes. Innerhalb desselben, dicht um den Wirbelkörper geschlungen, sieht man die venae eircumflexae in Form eines Hexagons verlaufen, von denen aus 6 Paare musculo-cutane Venen radiär gegen die Peripherie verlaufen. Ueber Wundernetzbildungen im Fettgewebe. 9 Tafel VI. Ein rechteckiges Stückchen aus dem Mesenterium eines neugeborenen Kindes nach vorausgegangener, äusserst gelungener Injection mittelst meiner neuesten plastischen Methode mit äusserster Genauigkeit gezeichnet. Die grossen blassrosenrothen Stämme sind grössere Zweige der arteriae meseraicae, die blaugrünen grünspanfarbigen der venae meseraicae. Ueber diese hinweg zieht sich ein weitmaschiges Netz von feinen Ge- fässgeflechten, welche schon theilweise Wundernetzbildungen enthalten. In den Maschenräumen dieses Gefässgeflechtnetzes liegen die meisten Wunder- netze, sowohl doppelte als einfache. } Die zwei eiförmigen Gebilde etwas über der Stelle und in der linken Ecke sind kleine Lymphdrüsen. Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd, 24. 6° 98 Bemerkung zu dem Aufsatze des Herrn Schiefferdecker „Zur Kenntniss des Baues der Schleimdrüsen‘. Von Dr. Josef Paneth. In vorstehend aufgeführter Arbeit!) eitirt Herr Schieffer- deeker als den Entdecker der Thatsache, dass das Epithel der Harnblase im ausgedehnten und im contrahirten Zustand dieses Organs verschiedene Formen zeigt, Herrn London, dessen dies- bezügliche Abhandlung im Archiv für Anatomie und Physiologie, physiologische Abtheilung, 1881 erschienen ist. Ich habe aber in einer im Laboratorium des Herrn Hofrath v. Brücke ausgeführten und von diesem am 6. Juli 1876 der Academie der Wissenschaften vorgelegten Arbeit mich ausschliess- lich mit der Veränderlichkeit des Harnblasenepithels beschäftigt. Meine Arbeit ist unter dem Titel „Ueber das Epithel der Harn- blase“ im LXXIV. Bande der Sitzungsberichte der Wiener Aca- demie, Juli-Heft 1876 erschienen, also ungefähr 5 Jahre vor der des Herrn London. Ich darf mich übrigens umsoweniger wundern, dass meine Priorität Herrn S. entgangen ist, als meine Arbeit auch Herrn London unbekannt geblieben war. 1) Dieses Archiv XXIII pag. 382. H. Virchow: Ueber Zellen des Glaskörpers. 99 Ueber Zellen des Glaskörpers. Von Dr. Hans Virchow, II. Prosektor am anatomischen Institute zu Berlin. Hierzu Tafel VII, Fig. 1—5. Man macht sehr gewöhnlich die Erfahrung, dass Fragen, welehe bei ihrem ersten Entstehen mit wenigen Worten schienen abgemacht werden zu können, sich komplieiren, dass sie sich in eine Reihe von Fragen auflösen, die einzeln erledigt werden müssen, damit man am Ende zu einer in wenige Sätze oder wenige Worte zusammenzufassenden Gesammtantwort kommen könne. Durch diese höchst allgemein klingende Bemerkung möchte ich eine Reihe von Mittheilungen über Zellen des Glaskörpers ein- leiten, durch welche ich vielleicht im Stande sein werde, die Summe derjenigen Fragen zu entwickeln, welche sich an diese Zellen anknüpfen. 1. Mittheilung. Ueber fixe Glaskörperzellen der Plötze (Leueiscus erythrophthalmus). Es ist bekannt, dass man durch die Beobachtung der Gestalt- veränderung Iymphoider Zellen und des Wanderns solcher Zellen im Gewebe der Hornhaut, sowie durch die Beobachtung des Aus- tretens farbloser Blutkörper aus Gefässen dahin gelangte, an vielen Stellen Wanderzellen, farblose Blutzellen, zu sehen, an denen man bis dahin fixe Zellen oder die Abkömmlinge von solchen vor sich zu haben glaubte. Auch auf die Glaskörperfrage erstreckte sich diese Bewegung. Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 25. 7 100 H. Virchow: Iwanoff war es, der zuerst die Zellen aus dem Glaskörper von Hiühnerembryonen unter dem Mikroskope ihre Gestalt hat ändern sehen. Von diesem Augenblicke an war es nothwendig geworden, nach einer Differenzialdiagnose zwischen festen und wandernden Glaskörperzellen zu streben, damit nicht alle Fragen, die auf dieser Kenntniss Fuss fassen müssen, in der Luft hingen. Ich will nun an dieser Stelle Mittheilung machen über eine sehr gut charakterisirte Form fixer Zellen, welche sich an der Oberfläche des Glaskörpers bei der Plötze findet; sie weicht 'aller- dings von dem ab, was man als sternförmige Zelle in dem sich entwickelnden Glaskörper von Säugethierembryonen zu kennen glaubt. Es ist eine Platte mit einem flachen Kern und feinen verästelten Ausläufern, welche von dem Rande der Platte ausgehen. Die Platte muss ungemein dünn sein. Ich habe schon früher die Kerne dieser Zellen bei der Untersuchung vieler Augen von Cypri- noiden vor mir gehabt, ohne die Zellen selbst sehen zu können, und auch jetzt habe ich, nachdem ich sie gefunden und eine Methode, sie zu beobachten, angenommen hatte, sie doch nicht immer deutlich darzustellen vermocht. Was aber hier von den Glaskörperzellen der Plötze mitge- theilt wird, gilt nicht von allen Fischen. Manche Fische haben gar keine Glaskörperzellen ; diejenigen, welche eine gefässführende Leiste am Boden des Auges besitzen, zeigen neben dieser Leiste oft (vielleicht immer) Zellen, aber der ganze übrige Glaskörper ist frei davon, bei andern sind Zellen über die ganze Oberfläche verbreitet. Diese Zellen haben stets eigenartige Formen, man wird die Glaskörperzellen der Störe nicht bei andern Fischen wieder- finden, so wenig als die der Pleuronectiden, ja, diese Zellen sind so verschieden, dass ein genauer Kenner dieser Verhältnisse sicher die Gruppen und Familien und wahrscheinlich in manchen Fami- lien die Gattungen und Arten an diesen Zellen diagnostieiren würde. Man muss diesen Umstand betonen, da in der älteren Lite- ratur und in den Handbüchern die Angaben z. Th. so gehalten sind, als handle es sich um Dinge von allgemeiner Geltung. Die Oberfläche des Glaskörpers der Plötze ist von einem Gefässnetze überzogen und dadurch in Felder zerlegt. In diesen Feldern findet man die Zellen, von denen ich spreche. Die erste Ueber Zellen des Glaskörpers. 101 Figur (Taf. VII, Fig 1) gibt die Dichtigkeit ihrer Vertheilung an; sie dehnen sich von der Papille des Sehnerven bis zum Rande der Netzhaut in gleicher Weise aus, und eine solche Glaskörperhaut bietet, wenn Gefässe und Zellkerne gefärbt sind, bei schwacher Vergrösserung betrachtet, ein zierliches Bild, ver- gleichbar dem eines zarten mit Pünktchen und Bändern besetzten Schleiers. Es genügt, eines dieser Felder herauszugreifen, was man an ihm sieht, sieht man an allen, nur mit dem Unterschiede, dass an der Wand der grösseren Gefässe die Zellen dichter liegen als an der der Kapillaren, auch zu mehreren übereinander; desswegen lege ich meiner Beschreibung ein Feld zu Grunde, welches von Kapillaren umrahmt ist. In einem solehen Felde unterscheidet der Blick sofort die- jenigen Zellen, welche an die Gefässe angrenzen und diejenigen, welche frei liegen. Die ersteren bilden eine Adventitia capillaris (Fig. 4). Sie sind diesem Umstande zu Liebe modifieirt, aber es ist kein wesentlicher Unterschied zwischen ihnen und den übrigen; sie sind auf der freien Seite gerade so gestaltet wie diese; sie sind, wenn man es zuspitzen will, nach der einen Seite Adven- titia-, nach der andern freie Zellen. An den freiliegenden Zellen (Fig. 2 u. 3) bemerkt man den grossen blassen Kern der Endothelzellen und platten Bindegewebs- zellen, rund oder elliptisch oder an einem Ende verbreitert. Der Zellkörper ist eine Platte, an welche Ausläufer angefügt sind. Die Platte ist rund oder in die Länge gezogen, sehr häufig auch unre- gelmässiger gestaltet, indem der Rand eingebuchtet ist. Die Aus- läufer setzen entweder fadenförmig an die Platte an oder sie entstehen mit breiter Basis, in welchem Falle man sagen kann, die Platte gehe, sich verschmälernd, in Fortsätze über. Die Aus- läufer sind meist verästigt, oft mehrfach, werden dabei z. Th. so fein, dass sie nicht weiter verfolgt werden können, z. Th. gehen sie, ohne den letzten Grad der Feinheit zu erreichen, in die Aus- läufer benachbarter Zellen über. Es findet nämlich eine reichliche Verbindung der Zellenausläufer statt, obwohl nicht zu unterschei- den ist, ob alle Fortsätze auf die Fortsätze benachbarter Zellen treffen, oder ob ein Theil — was mir wahrscheinlich ist — frei endet. Die Platte, sowie die diekeren Fortsätze erscheinen gleich- 102 H. Virchow: mässig zart gekörnt, doch vermag ich nieht anzugeben, ob dieser Zustand durch die angewendeten Reagentien herbeigeführt oder den frischen Zellen eigen sei. Diejenigen Zellen, welche die Adventitia capillaris bilden (Fig. 4) sind, wie erwähnt, an der den Gefässen entgegengesetzten Seite gerade so gestaltet, wie die freien Zellen. Auf der Gefäss- seite dagegen hören sie mit einer geraden Linie auf, indem sie an die Gefässwand selbst, bei den Kapillaren also, auf welche ich die Beschreibung beschränke, an das Endothelrohr, anstossen. Diese Theile der Zellen bilden einen zusammenhängenden Belag an der Aussenseite des Kapillargefässes, in welchem ieh Grenzen der Zellen nieht habe unterscheiden können, obwohl ich damit nicht behaupten will, dass solche fehlen. Die Versilberungsmethode, die ich bei früherer Gelegenheit auf das Cyprinoidenauge anwendete, lieferte mir keine deutlichen Bilder. Zuweilen sieht man auch Zellen, deren Kern dem Gefässe ziemlich fern liegt, nur mit einem kleinen Theil ihres Körpers an die Gefässwand anstossen. Aber das gehört zu den Ausnahmen. In der Regel sind diese Adven- titia-Zellen, oder vielleicht richtiger ausgedrückt: die eigent- liehen Adventitia-Zellen sind immer an die Gefässe dieht ange- schlossen. Diese Zugehörigkeit kann man schon an der Form des Kernes erkennen. Letzterer ist nämlich gestreckt, spindel- oder stabförmig und sein längster Durchmesser der Gefässwand parallel. Wenn ich angebe, dass der Kern eylindrisch sei, nicht, dass er die Gestalt einer Scheibe habe, die ja von der Kante gesehen gleichfalls unter dem Bilde eines Cylinders erscheinen müsste, so thue ich das, weil nie die Form einer Scheibe bemerkt wird und weil überhaupt diese Glaskörperzellen mit allen ihren Theilen streng in einer Fläche liegen. Wenn man also diese Kerne ver- gleicht mit den Kernen solcher Adventitiae capillares oder En- dothelröhren (Lymphscheiden), welehe Kapillaren eireulär, allseitig umgeben, so weichen sie von ihnen darin ab, dass sie nicht in einer zum Gefäss tangentialen Richtung breit sind. Sie verdanken also etwas dem Umstande, dass sie in Zellen der Glaskörperober- fläche liegen, nämlich den kurzen Durchmesser rechtwinklig auf die letztere und etwas dem Umstande, dass sie Adventitia-Zellen sind, nämlich den kurzen Durchmesser rechtwinklig auf die Achse des Gefässes. Ueber Zellen des Glaskörpers. 103 Dies ist gewiss eine interessante Illustration derjenigen Mo- mente, denen Zellkerne ihre Form verdanken. Ebenso bemerkenswerth ist aber, dass die Adventitia-Zellen selber nur auf zwei Seiten der Kapillaren, eben in der Fläche der übrigen Zellen gelegen sind; wenigstens habe ieh nie eine Andeu- tung davon bemerkt, dass die Gefässe von diesen eigenthümlichen Zellen rings umgeben wären. Das Gesagte gilt jedoch in allen Einzelnheiten nur von den Kapillaren. An den Arterien dagegen bemerkt man eine kleinere Form von Zellen, welche von Iymphoiden Zellen mit ausgestreckten Fortsätzen schwerer zu unterscheiden sind, auch in mehrfacher Schicht liegen. Ich mache darauf specieli aufmerksam, weil man in der Nähe der Sehnervenpapille, also dem Theile des Glaskör- pers, der sich am bequemsten der Untersuchung darbietet, bei der Plötze nur Arterien und gar keine Kapillaren findet. Das Zusammenstossen der Zellen an der Gefässwand veran- lasst mich hinzuzufügen, dass auch unter den freiliegenden Zellen zuweilen solche beobachtet werden, deren Platten zusammenhängen oder — was noch zu entscheiden wäre — aneinanderstossen. Nach Analogien, speciell nach der Analogie mit Hornhautzellen dürfte man erwarten, dass zwei solcher aneinanderstossender Zellen durch eine Kittlinie getrennt sind. Weiter will ich darauf aufmerksam machen, dass in einer Platte öfters zwei oder auch drei Kerne gefunden werden, und zwar spreche ich dabei nicht von Kernen, die in ihrem Aussehen von den übrigen abweichen, wie ich solche sogleich berühren werde, sondern von solchen, die in Grösse, Gestalt und Licht- brechung den Kernen der einkernigen Platten durchaus gleichen. Letztere Verhältnisse, obwohl sie in anderm Zusammenhange von Bedeutung sind, habe ich weiter nicht verfolgt. Es wurde oben angegeben, dass diese Zellen über die ganze Glaskörperoberfläche verbreitet sind, und ich möchte noch einmal betonen, dass die grosse Gleichmässigkeit ihrer Vertheilung mit zu den Charakteren gerechnet werden muss, durch welche sie sich auszeichnen. Zuweilen steigert sich diese Regelmässigkeit zu einer streng alternirenden Stellung, an andern Stellen zu einer Anordnung in Reihen, und darauf haben erstens die Gefässe Ein- fluss, denen die Reihen parallel laufen, und dann die Papille, auf welche sie radiär hinführen. 104 H. Virchow: Wenn ich noch hinzufüge, dass die Kerne dieser Zellen durch Hämatoxylin bei kurzdauernder Einwirkung nur schwach und gerade so wie die Gefässendothelkerne gefärbt werden, so habe ich alles angegeben, was zu einer Diagnose nöthig ist, und diese führt dazu, die beschriebene Form von Wanderzellen zu trennen und denjenigen Zellen anzureihen, die in den letzten Jahren so vielfach besprochen worden sind, aus Sehnen, lockerem und reti- kulärem Bindegewebe, Neuroglia, Netzhaut u. s. w. Was die letzterwähnten Zellenformen anlangt, so sind sie, wie aus den Beschreibungen hervorgeht, verschieden, doch immer so gestaltet, dass sie sich dem Stützgewebe eng anschliessen. Das Formbestimmende ist dabei das Stützgewebe, welches seinerseits wieder bestimmt ist durch die mechanischen Aufgaben, denen es zu dienen hat, und daneben auch durch Bedingungen der Säfte- strömung und Osmose. Das gleiche Verhältniss besteht auch an der Glaskörperoberfläche der Cyprinoiden: die Haut oder festere Schicht (was richtiger ist, will ich hier nicht entscheiden), welche den Glaskörperraum umschliesst, die Gefässe hält und den Stütz- fasern der Netzhaut Gelegenheit zum Ansatze bietet, stellt die Fläche dar, in welcher oder auf welcher (auch dies lasse ich unent- schieden) die beschriebenen Zellen sich ausbreiten. Und desswegen, weil diese Zellen in einfacher Schicht liegen, über der durchsich- tigen Substanz des Glaskörpers, weil sie unter das Mikroskop gebracht werden können ohne Zerrung, ohne eingreifende Methoden, in ihren natürlichen Beziehungen zu den Gefässen und zu einander und gleich zu hunderten und tausenden in einem Präparat, ver- dient dieses Objekt: die Glaskörperoberfläehe der Cyprinoiden, als ein typisches Objekt der Aufmerksamkeit der Mikroskopiker empfohlen zu werden. Ueber den zweiten Punkt, den Vergleich dieser Zellen mit Wanderzellen würde ich ohne ein Wort hinweggehen, wenn mir meine Präparate nicht Veranlassung böten, hier eine Bemerkung anzuknüpfen. Wanderzellen, iymphoide Zellen findet man in jedem Präparat, welches von der Glaskörperoberfläche eines Cyprinoiden genommen ist; ihre Vertheilung ist denjenigen Unregelmässigkeiten unterwor- fen, die man auch sonst kennt: oft sind weite Strecken von ihnen frei, oft finden sie sich zu mehreren beisammen. Ihre Formen, die Beschaffenheit ihres Körpers und ihres Kernes machen sie den Ueber Zellen’ des Glaskörpers. 105 beschriebenen Zellen gegenüber genau kenntlich, auch wenn sie in Fortsätze ausgezogen sind. Auch an der Glaskörperoberfläche der Cyprinoiden also gibt es wie in der Hornhaut des Frosches und Kaninchens „fixe“ Zellen und Wanderzellen und es könnte Vieles, was über die Horn- haut gesagt worden ist, beim Glaskörper wiederholt werden. "Bekanntlich ist es die Lehre von der Entzündung, welcher wir die ersten ausführlichen und lebhaften Schilderungen von den Zellen der Hornhaut und von den Vorgängen in dieser verdanken. Und auch hierfür fand sich bei meinen Präparationen die Ana- logie. Bei einem Exemplare der Plötze, welches ich untersuchte, legte ich am frischen Auge den Glaskörper frei, um die Zellen desselben ohne Reagentien zu untersuchen. Da fanden sich in dem völlig durchsichtigen Augeninnern etwa 20 Exemplare einer Holo- stomum-Art, die meisten in lebhafter Bewegung. Das Präparat wäre gleich werthvoll für das Studium der Parasiten wie für die Frage nach der Natur des Glaskörpers gewesen, aber in unserem Zu- sammenhange kann es nur in Betracht kommen mit Rücksicht auf die Zellen der Glaskörperoberfläche. Wenn Cohnheim bei der Untersuchung der Hornhautentzündung diejenige Entzündung em- pfiehlt, die als Theilerscheinung einer Panophthalmitis auftritt, weil dabei eine Komplikation durch ein direktes Trauma der Hornhaut vermieden sei, so hat die durch die erwähnten Parasiten hervor- serufene Glaskörperentzündung noch einen doppelten Vorzug, erstens den, dass die fixen Zellen in einfacher Schicht liegen und zweitens den, dass die Entzündung in einer sehr milden Form erscheint. Ich traf die Parasiten noch in den Augen von drei oder vier andern Plötzen, fand jedoch das, was ich jetzt beschreiben werde, nur an demjenigen Auge, welches die Zeichen der Entzün- dung in ausgedehntester Weise zeigte, d. h. welches die meisten Eiterzellen enthielt. In diesem Auge fanden sich Wanderzellen in grosser Zahl, nicht auf die Oberfläche des Glaskörpers beschränkt, sondern bis zu einiger Tiefe in denselben eingedrungen. Die „fixen“ Zellen waren zum Theile völlig intakt, zum Theile dagegen verändert. Und zwar zunächst sah man an vielen derselben zwei Kerne, so häufig, dass ich kein Bedenken trage, diese Kernvermehrung mit der Entzündung in Verbindung zu bringen. Ferner kamen Zellen 106 H. Virchow: in grosser Zahl vor, in denen ausser dem blassen elliptischen Kerne ein kleiner, runder, glänzender Körper enthalten war, der bald hart an dem Kerne, bald von ihm entfernt, bald aussen an der Grenze der Zellplatte lag. Man hätte glauben können, den Kern einer in die fixe Zelle eingedrungenen Wanderzelle vor sich zu haben, aber es war von einem besondern Körper um diesen Kern nichts zu finden und ich hatte den Eindruck, dass es sich um ein in der Zelle gebildetes Produkt handle. Endlich fanden sich fixe Zellen, die aus zwei Abschnitten bestanden, von denen der eine sich bei der Färbung mit Hämatoxylin (unter dem Deck- glas) ebenso wie die normalen fixen Zellen färbte, während der andere ganz blass blieb. Wenn ich durch die letzten Bemerkungen die Aufmerksamkeit derjenigen, welche sich für Glaskörperentzündung interessiren, auf das Auge der Cyprinoiden zu lenken versucht habe, so glaube ich dadurch entschuldigt zu sein, dass ich vorher Zellen beschrieben habe, welche einen bestimmten Anhalt für die Beobachtung geben, so dass hier entschieden werden kann, wie weit bei einer Glas- körperentzündung Veränderungen an „fixen“ Zellen eine Rolle spielen. Herstellung der Präparate. Beim Studium der Gefässe und Zellen an der Glaskörperoberfläche der Cyprinoiden ist es nothwendig, ungefaltete Präparate und möglichst die äusserste Schicht allein, die „Grenzhaut‘ zu untersuchen. Solche Präparate vom frischen Auge herzustellen, ist etwas mühsam, da beim Einschneiden des Glaskörpers eine zähe Masse hervorquillt, welche sich zu fusslangen Fä- den — ganz anders als beim Glaskörper der Säugethiere — ausziehen lässt. Ich habe daher auch die Untersuchung des frischen Glaskörpers, welche übri- gens bis zu einer gewissen Grenze schon an dem durch Loslösen der Netz- haut freigelegten unverletzten Glaskörper geschehen kann, nur soweit getrie- ben, dass ich ein Urtheil über den Zustand der Theile erhielt, und habe dabei die feinen Zellausläufer nicht sehen können. Von Fixirungsflüssigkeiten bin ich durch meine Versuche veranlasst, dem Sublimat und dem doppelt-chromsauren Kalı den Vorzug vor andern zu geben, nämlich vor Chromsäure (0,1°/,), Pikrinsäure-Schwefelsäure, Ueber- osmiumsäure, Goldchlorid. Was das letztere anlangt, so will ich bei der bekannten Unsicherheit seiner Wirkungen kein abschliessendes Urtheil aus- sprechen. Vielleicht würde es erfahrenen Vergoldern gelingen, gute Bilder der fixen Glaskörperzellen herzustellen. Das Sublimat konnte ich nicht in konzentrirter Lösung verwenden, da es bedeutende Schrumpfungen der Kerne Ueber Zellen des Glaskörpers. 107 erzeugte, sondern ich blieb bei einer etwa 1°/, Lösung stehen, die auf etwa 300 erwärmt war. In diese kamen die von Sclera und Chorioidealdrüse befreiten Augen, während die Flüssigkeit erkaltete, und mussten darin etwa 7 Stunden bleiben, bis der Glaskörper die Konsistenz erlangte, dass die wei- tere Präparation bequem war. Auch bei der angegebenen Fixirung zeigten sich jedoch Schrumpfungen der Kerne und die 24 stündige Behandlung mit doppelt chromsaurem Kali entweder in 2°/, Lösung oder in Form der Müller’- scher Flüssigkeit, verdient hier den Vorzug, während sie dagegen das Objekt nicht so präparabel macht und die Klarheit der Färbung beeinträchtigt. Die erste günstige Wirkung der genannten beiden Agentien besteht darin, dass sie den Zusammenhang von Netzhaut und Glaskörper aufheben, aber ich betone, dass man sich bei der Präparation frischer Augen überzeugt, dass eine Ver- bindung zwischen beiden existirt. Auch ein Ergebniss der Behandlung mit Goldcehlorid verdient in diesem Zusammenhange Beachtung: wenn ein Cypri- noidenauge nach Ablösen der Selera und Chorioides und Abpinseln der „epi- thelialen“ Schichten der Netzhaut angesäuert, mit Goldehlorid durchtränkt und dann einen oder mehrere Tage mit 2°/, Essigsäure behandelt wird, so ist es nachher unmöglich — wenigstens war es mir unmöglich, — Glaskörper und Netzhautrest von einander zu trennen. Man kann dann zwar nach ein- ander Schichten vom Glaskörper von innen nach aussen, z. Th. in Form sehr feiner Blätter, ablösen, aber die letzte feine Schicht, welche die Gefässe trägt, die Grenzhaut selbst, ist aus ihrer Verbindung mit der Faserschicht der Netz- haut nicht zu befreien. Ich lege jedoch auf dieses Ergebniss einer eingrei- fenden Behandlung weniger Werth, wie auf das der Präparation am frischen Auge. Die festeste Verbindung von Netzhaut und Glaskörper scheint mir unter den fünf von mir neuerdings untersuchten Cyprinoiden-Arten beim Blei zu bestehen, und hier fielen auch nach 24 stündiger Behandlung mit doppelt chromsaurem Kali beide Theile nicht auseinander, wie das bei den andern Fischen der Fail war. Zur Färbung verwendete ich in den meisten Fällen Hämatoxylin und Eosin, nicht verbunden, sondern nach einander. Karmin gibt, wie ich aus vielen Erfahrungen schliesse, bei Glaskörpertheilen von Kaltblütern stets nur eine matte und verwaschene Färbung, dennoch hat mir gerade das einzige Prä- parat, welches ich davon aufbewahre, die Gelegenheit zur Herstellung der beigegebenen Zeichnungen (Taf. VII, Fig. 2—-4) geboten. Die Färbung durch Hämatoxylin ist sehr angenehm, weil sie sich beliebig steigern lässt und den Unterschied zwischen den Kernen der fixen und wandernden Zellen bei einem gewissen Grade der Tinktion deutlich hervorhebt. Allen Färbungen gemein- sam ist — und das gilt auch für die Behandlung des Glaskörpers andrer Kaltblüter, z. B. der Schlangen, dass die Färbungen sehr schwer angenommen werden. Ich bin daher dahin gelangt, das Hämatoxylin (allerdings in schwach färbender Lösung) 24 Stunden einwirken zu lassen und darauf stundenlang mit 1/50/, Alaunlösung zu waschen. Auch Eosin, in der von Ogatha ange- . 108 H. Virchow: gebenen Mischung (1 Th. auf 60 Th. Alkohol + 140 Th. Wasser)!) wirkte 12 Stunden und länger auf die Präparate ein, und darauf wurde mit absolu- tem Alkohol gewaschen. Die meisten der Präparate wurden vor der Färbung durch Alkohol völlig fixirt, aber ich bin am Schluss meiner Untersuchung zu der Bemerkung genöthigt, dass diese Behandlung eine unzweckmässige ist. Nur diejenigen Stücke, an welchen ich nach vorläufiger, oder wie es ausgedrückt werden kann — unvollkommener Fixirung durch Sublimat oder doppelt chromsaures Kali die Färbung unter dem Deckglase vornahm, wobei ich also die Zu- nahme der Färbung verfolgen, die letztere jederzeit steigern oder unterbrechen konnte, gaben mir sichere Aufschlüsse. Nach der Behandlung mit Alkohol fand ich immer die Kerne eckig und auf einen Theil des von ihnen eingenom- menen Raumes zurückgezogen; ausserdem wurde die zwischen Objektträger und Deckglas liegende Glaskörperschicht zu einem feinen Blättchen verdünnt; zwar nicht der Fläche nach, wohl aber der Dicke nach zusammengezogen, wodurch z. B. das Präparat des entzündeten Glaskörpers seinen Werth wesent- lich einbüsste. Noch mehr aber widerrathe ich den Einschluss in Lack, durch welchen die feinen Ausläufer zum grössten Theil unsichtbar werden. Man kann zwar an solchen Präparaten die Natur der geschilderten Zellen nachweisen, nach- dem man sie kennt, aber man würde sie nicht studiren können. Wenn man dagegen Uebersichtsbilder haben will, an denen die Vertheilung der Zellen und Gefässe scharf hervortreten soll, so sind diese klaren, homogenen Präpa- rate, die man beim Lackeinschluss erhält, am Platze. Will man solche herstellen, so verfahre man in folgender Weise: man trage von einem Auge, welches nach Ablösung der Sclera und Chorioideal- drüse 7 Stunden in Sublimatlösung war (s. oben), den hintern Theil ab, lege Glaskörper und Netzhaut auseinander, fasse mit einer Pincette die Glaskör- perhaut, mit der andern den übrigen Glaskörper, löse sie von einander und lege die Glaskörperhaut, welcher immer eine dünne Schicht anhaften bleibt, die Aussenseite nach abwärts, auf einen Objektträger; bedecke das Präparat mit einem Deckgläschen, drücke dieses leicht an und bringe den Objektträger mit, Präparat und Deckgläschen in eine Schale mit Alkohol. Nach einigen Stunden schiebe man vorsichtig das Deckgläschen, dem das Präparat anhaften bleibt, von dem Objektträger herunter und behandle mit färbenden Flüssig- keiten. Bei allem Färben, Auswaschen, Entwässern, Aufhellen bleibe das Präparat mit dem Deckgläschen in Verbindung. 1) Archiv f. Anat. u. Phys. 1883, phys. Abth. IV. u. V. Heft. p. 409. Ueber Zellen des Glaskörpers. 109 Figurenerklärung. Taf. VI, Fig. 1—4. Fig. 1. Ein Arterienast von der Glaskörperoberfläche von Leueiscus erythroph- thalmus, in zwei Zweige sich spaltend. Die Kerne der fixen Glas- körperzellen sind angegeben mit Ausnahme derer, die an die Gefüsse anstossen. — Leitz III, 1. Prisma. es! og ©) Zwei fixe Glaskörperzellen von Leuciscus. F in Fig. 3 Falte. Leitz VII, 1. Fig. 4. Stück eines capillaren Gefässes (c) mit zwei Adventitiazellen. Leitz Al K. c. Kerne des Endothelrohres. K. f. Kerne der fixen Zellen (Adventitia-Zellen). 2. Mittheilung. Ueber eine eigenthümliche, die Glaskörpergefässe be- gleitende Zellenform bei Labrus festivus. Bei früherer Gelegenheit habe ich kubische, neben den Ge- fässen des Glaskörpers liegende Zellen von Rhombus maximus beschrieben. Aehnliche, aber noch merkwürdigere Zellen hatte ich vorher bei Tautogolabrus adspersus gefunden, und ich bat daher, als ich vor zwei Jahren Fischaugen bei der zoologischen Station in Neapel bestellte, auch um Augen von Pharyngognathen. Als solche bekam ich Augen von Labrus festivus, welche genau das Gleiche zeigten, was mir bei Tautogolabrus bekannt geworden war, und da es sich hier um etwas aller Analogie Widersprechendes handelt, so glaube ich durch eine eigene Mittheilung die Aufmerk- samkeit darauf lenken zu sollen. Ich gehe von einem Kapillargefässe aus und schliesse mich an die beigegebene Abbildung an. Die kapillaren Gefässe selbst weichen in nichts von andern Kapillaren ab: man sieht an ihnen scharfe Begrenzungslinien und blasse, gestreckte Endothelkerne. Dagegen sind die neben ihnen liegenden Zellen von besonderer Bildung. Diese Zellen sind kubisch mit der Neigung sich abzurunden, 110 H. Virchow: d. h. während sie im Allgemeinen gegen einander platt gedrückt sind, wölben sich manche von ihnen gegen ihre Nachbarn vor, besonders aber sind sie convex begrenzt an den Stellen, wo sie keinen Druck zu erleiden haben, auf der von den Gefässen abge- wendeten und noch mehr auf der den Gefässen zugewendeten Seite. Zwischen ihnen und den Kapillaren nämlich trifft man einen Spalt, der durch das Vorspringen der Zellen oft sehr verengt, ja ganz zum Verschwinden gebracht wird, zwischen den Wölbungen aber eine grössere Weite besitzt (s. in Fig. 5). Weit auffallender jedoch sind zwei weitere Merkmale, von denen man daseine, nämlich die Form und Stellung der Kerne, bei dem ersten Blick auf das Präparat resp. die Zeichnung bemerkt, das zweite dagegen, einen Unterschied in dem Aussehen des innern und äussern Theiles einer jeden Zelle, selbst an den klarsten Stellen des von mir konservirten Präparates nur noch schwach angedeutet findet, wess- wegen ich davon Abstand nehme, esaufder Abbildung wiederzugeben. Ich schalte hier ein, dass die Augen erst nach monatelangem Aufenthalt in Müller’scher Flüssigkeit untersucht wurden, dass die Gefässe und Zellen des Glaskörpers die Hämatoxylinfärbung, welche ich ihnen zu geben versuchte, nur schwach annahmen und dass das Präparat nach der Aufhellung und Einschliessung in Lack von Anfang an sehr blass war. Indessen ist das Bild, wenn auch äusserst blass, doch auch jetzt noch von scharfer Zeichnung. Der Unterschied nun in dem Aussehen der Abschnitte einer Zelle besteht darin, dass der dem Gefässe zugewendete Theil blass, der von dem Gefäss abgewendete Theil dunkler ist; der letztere nimmt die Färbung mehr an. Die Grenze zwischen diesen optisch differenten Abschnitten wird durch den Kern gebildet. Im Zusammenhange damit gewinnt die Form des letzteren ein erhöhtes Interesse. Die Kerne sind mit ihrem langen Durch- messer der Achse des Gefässes parallel gerichtet, und wenn auch an dem abgebildeten Stück, welches ich desswegen wählte, weil noch die Grenzen aller Zellen deutlich sichtbar sind, mehrere runde Kerne in den quadratischen Zellen sich finden, so ist doch im Durchschnitt das Verhältniss nicht so zu ihren Gunsten, wie hier; vielmehr findet man beim Durchmustern des ganzen Präpa- rates die gestreekte Form der Kerne durchaus vorherrschend, und die Gesammtheit dieser Kerne bildet zu jeder Seite des Gefässes fast einen zusammenhängenden Streifen. Ueber Zellen des Glaskörpers. 111 Dieses zunächst rein morphologische Faktum erscheint sehr beachtenswerth, wenn man sich der Formen anderer Zellkerne erinnert. Wir sind gewöhnt, die Kerne rund zu finden nicht nur in runden Zellen, sondern auch sonst überall da, wo nicht die Zelle selbst in bestimmten Riehtungen verkürzt oder der Kern durch Einschlüsse der Zelle gedrückt ist. Eine Form der Kerne, wie sie hier beobachtet wird, darf also mit Sicherheit auf die Funktion der Zelle oder des Kernes bezogen werden. In füge dem Gesagten einige weitere Angaben bei. Man bemerkt auf der Zeichnung eine Anzahl von kleinen, runden Kernen zwischen der geschlossenen Zellenreihe und dem Gefäss (K. in Fig. 5). Auf der einen Seite der Abbildung, wo ich die kubischen Zellen nicht dargestellt habe, sind sie als freiliegend dargestellt. Diese Kerne sind etwas dunkler gefärbt als die übri- sen Kerne des Präparates, aber über ihre Natur bin ich im Dunkeln geblieben. Sie sind etwa von der Grösse der Kerne der farbigen Blutzellen und man würde am ersten vermuthen, dass sie farblo- sen, aus dem Kapillargefässe ausgetretenen Blutzellen angehören, aber dagegen möchte ich mich entschieden aussprechen, da sie auf weite Strecken in fast regelmässigen oder selbst gänzlich regel- mässigen Abständen auf einander folgen, und da man nie einen Zellenleib an ihnen wahrnimmt, welchen man für den einer Iym- phoiden Zelle halten könnte. Sie scheinen vielmehr in kleinen blassen Zellen zu liegen, welche noch in dem schmalen Raume unmittelbar an dem Blutgefässe Platz finden. Da ich an allen Gefässen des Glaskörpers von Labrus, auch der Hauptarterie, an dem mir vorliegenden Präparate keine Bestandtheile ausser dem durch scharfe Linien und Endothelkerne ausgezeichneten Rohre finde, so wäre im Auge zu behalten, ob nicht die dem Rohre aussen anliegenden Kerne zu Muskelzellen gehören, welche im optischen Querschnitt gesehen werden, aber ich finde nichts, was darüber einen sichern Aufschluss gäbe. Ob die Zellen, um derentwillen ich diese Mittheilung mache, wirklich kubisch oder ob sie flach und quadratisch seien, vermag ich, da mir Querschnitte nieht zu Gebote stehen, nicht zu entschei- den, das aber muss ich aus meinem Präparate entnehmen, dass sie nur in der Fläche der Glaskörperhaut vorhanden sind. Um die Hauptarterie, sowie die Anfangsstücke der davon abgehenden Zweige herum vermehrt sich ihre Zahl, indem an die von den 112 H. Virchow: Gefässen abgewendete Seite sich neue, gleichartige Zellen anschlies- sen, ja es kommt sogar um die Eintrittsstelle der Glaskörperarterie herum zu einer zusammenhängenden Ausbreitung solcher Zellen, die eine mosaikartige Zeichnung auf der Oberfläche des Glaskörpers darstellen. Uebrigens ist, wie man schon aus der Abbildung ersieht, die Anordnung nicht an allen Stellen ganz regelmässig, indem es ein- zelnen Zellen nicht gelingt, bis an die innere oder bis an die äussere Zellenreihe vorzudringen. Diese Beobachtung führt auf die Frage nach Theilungsvor- gängen resp. nach Bildern, aus denen man auf Theilungsvorgänge schliessen könnte, ja, wenn man sich von dem Wunsche, solche Bilder zu finden, fortreissen liesse, so möchte man vielleicht in der gestreekten Form der Kerne überhaupt nichts weiter als eine Vorbereitung zur Theilung erblicken. Darin könnte man bestärkt werden, indem man Bisquitformen und gebogene Formen der Kerne trifft, aber ich gebe zu bedenken, dass ich in mehreren Augen von Labrus und ganz übereinstimmend damit in denen von Tautogo- labrus die gestreckte Form der Kerne konstant gefunden habe und zwar in Verbindung mit den eigenthümlichen Differenzen im Zell- inhalt, woraus, wie ich wiederhole, zu schliessen ist, dass diese Form der Kerne einen funktionellen Grund habe. Endlich ist noch hinzuzufügen, dass die Kerne in der Regel gleich weit von beiden Enden der Zellen entfernt sind, dass jedoch auch Strecken vorkommen, an denen alle Kerne den von dem Gefässe abgewendeten Seiten der Zellen genähert und die dunk- leren Theile der Zellen verkleinert sind. Wenn ich nun zu einer Deutung dieser eigenthümlichen Zellen übergehen wollte, so liesse sich darüber sehr viel und sehr wenig sagen, sehr viel Unbestimmtes und sehr wenig Bestimmtes. Ein Gefäss; an das Gefäss anstossend ein Spalt und dann eine geschlos- sene Zellenreihe — wer dächte nicht zuerst an eine Lymphscheide? Aber die Form dieser Zellen! Und dann: Spalt und Zellen nur an zwei Seiten des Gefässes, nicht rings um dasselbe; ist es nicht geradezu die Parodie einer Lymphscheide ? Ebenso wenig wie dieser Gedanke etwas Befriedigendes und das Problem Lösendes hat, kann man die Frage durch Analogie anderer Bindegewebszellen beantworten. Ich beschränke mich daher darauf, aus dem Obenstehenden die eine Thatsache heraus- Durchtreten v. Granulosa-Zellen durch d. Zona pellueida d. Säugethiereies. 113 zugreifen, dass die beschriebenen Zellen an der Eintrittsstelle der Glaskörperarterie nicht auf die Begrenzung der Gefässe beschränkt sind, sondern ein zusammenhängendes Feld bedecken. Aehnlich trifft man bei Pleuronectiden quadratische Zellen nicht allein an der Gefässwand, sondern man findet einzelne Zellen oder Zellen- gruppen auch in den von Gefässen eingerahmten Feldern der Glas- körperoberfläche. Das Verhalten ist also dem von Leueiseus beschriebenen analog, wo auch diejenigen Zellen, die frei auf der Glaskörperoberfläche liegen, in wenig modifieirter Form die Gefässe begleiten. Figurenerklärung. Taf. VII, Fig. 5. G. Kleines (kapillares?) Gefäss. S. Spalt . e N a wune auf einer Seite angegeben. K. Kleine Kerne unbekannter Zugehörigkeit. Die Figur ist bei Leitz VII, Oe. 1 unter Hülfe eines Prisma gezeichnet. Durchtreten von Granulosa-Zellen durch die Zona pellucida des Säugethiereies. Von Dr. Hans Virchow, II. Prosektor am anatomischen Institute zu Berlin. Hierzu Taf. VII, Fig. 6—9. Die Lehre, dass Granulosa-Zellen in das Ei durch die Zona pellueida eindringen, erfreut sich wohl nur der Anerkennung von wenigen der Forscher, welche sich mit Entwicklungsgeschichte und Histologie beschäftigen, obwohl die Erscheinungen, auf welche sie begründet worden ist, in so anschaulicher und stellenweise sich völlig deekender Weise von Pflüger!) und Lindgren?) beschrie- ben worden sind. Aber man verhielt sich zweifelnd dieser Lehre gegenüber, nicht allein wegen der mancherlei Konsequenzen, die aus ihr entwickelt werden mussten oder konnten, sondern vielleicht 1) Pflüger. Eierstöcke der Säugethiere. 2) Lindgren. Ueber das Vorhandensein von wirklichen Porenkanäl- chen u. s. w. Arch. f. Anat. u. Phys. 1877. Anatom. Abth. S. 334. 114 H. Virchow: mehr noch in dem Gefühle, dass eine so auffallende Thatsache doch jedem, der im Laufe der Jahre stets von neuem Eierstocks- eier sah, hätte zu Gesicht kommen müssen. Es handelt sich hier offenbar um einen Vorgang, der nur unter bestimmten Bedingungen eintritt. Ob aber das Eindringen der Granulosa-Zellen das Absterben des Eies einleite, wie Pflüger meint, oder ob im Gegentheil die hinzukommenden Zellen zur „Ernährung des Eies“ dienen, wie Lindgren behauptet, vermag ich, der ich diese Bilder nur einmal beobachtete, nicht zu ent- scheiden. Jedenfalls aber liegt hier eine Sache vor, bei welcher eine neue Bestätigung allein schon von Werth ist. Das fragliche Ei kam zur Beobachtung, als im mikroskopi- schen Kurse Eierstockseier frisch untersucht wurden. Ich weiss nicht einmal gewiss, ob es von einem Schweine oder Kalbe stammte, obwohl ich nach den Resten des Eierstockes, die mir vorgelegt wurden, und der Grösse und Vertheilung der Dotterkörner es fast gewiss für ein Schweinsei hielt. Es lag ziemlich frei und man konnte auf den ersten Blick die in der Zona pellueida steckenden hantelförmigen Körper wahrnehmen. Die Zona war von gleich- mässiger Stärke, eoncentrische oder radiäre Streifung bemerkte ich an ihr nicht. Zwischen dem Dotter und der Zona war ein schma- ler Spalt, in welchem die innerhalb der Zona befindlichen Theile der hantelförmigen Körper sichtbar waren. Die aussen liegenden Theile der letzteren waren dunkel durch Körnchen, welche übrigens z. Th. der Oberfläche anzuhaften schienen. Der Stiel, durch wel- chen die beiden Kugeln einer Hantel verbunden waren, verlief gerade oder leicht gewunden radiär durch die Zona pellueida, von derselben eng umschlossen, so dass nicht zwischen ihm und Zona noch ein Spalt sichtbar wurde; der Stiel war etwas glänzend und das Ganze von einer so grossen Deutlichkeit, dass nichts daran zweifelhaft sein konnte. Ich werde sogleich noch einiges bei- fügen, theile aber zuvor mit, was weiter mit dem Ei geschah. Zehn Minuten nach der ersten Betrachtung sah ich das Ei wieder. Der Spalt zwischen Zona und Dotter hatte sich soweit vergrössert, dass sein Durchmesser der Dieke der Zona gleich kam. Die innere Theile der Hanteln waren jedoch dieht an der Zona geblieben und erschienen nun sehr deutlich in dem vergrösserten Spalt. Die Ursache dieser Veränderung war gewiss nichts anderes, als dass der Liquor follieuli, in dem das Ei von Anfang an unter- Durchtreten v. Granulosa-Zellen durch d. Zona pellucida d. Säugethiereies. 115 sucht wurde, durch Verdunstung an Menge ab und. an Concentra- tion zugenommen hatte und wasserentziehend auf das Ei, welches nieht weit vom Rande des Deckglases seinen Platz hatte, einwirkte. Das Nächste war, das 1%, Ueberosmiumsäure vom Rande her zu dem Präparat gelassen ‚wurde, welche schnell das Ei erreichte; bald war der Dotter, indem er sich zugleich zu bräunen begann, wieder bis an die Zona ausgedehnt und die inneren Theile der Hanteln wurden dadurch undeutlich gemacht. Nach zwei Stunden wurde an den Rand ein Tropfen Glycerin gesetzt, welcher schnell bis an das Ei vordrang und eine rapide Schrumpfung des Dotters hervorrief, so dass durch Wasserzusatz die Glycerinwirkung unter- brochen wurde, worauf dieselbe wieder theilweise zurückging. Wahrscheinlich wäre es möglich gewesen, durch weiteres Ver- drängen des Glycerins den Dotter ganz bis zur Zona auszudehnen, indessen die weitern Versuche wurden aufgegeben, damit das Objekt erhalten bliebe, zunächst um gezeichnet und dann um zu Demonstrationen verwendet werden zu können. In dem Zustande, in dem es sieh jetzt (etwa 3 Wochen später) befindet, ist es auf der Abbildung wiedergegeben. Es ist stark nachgedunkelt, der Dotter, der ursprünglich auf der einen Seite blass, frei von Dotter- körnchen war und hier ein normales Keimbläschen sehen liess, ist gleichmässig schwarz, die Zona in ihren innern Schichten dunkler als in den äussern, die in ihr steekenden Stiele so deutlich wie zu Anfang. Ich habe das mit einander wechselnde Schrumpfen und Quellen des Eies unter dem Einflusse der eindringenden Flüssigkeiten beschrieben, weil dadurch das Verhältniss der im Innern liegenden Theile der Granulosa-Zellen zu dem Ei vollkommen deutlich wurde. Es zeigte sich in denjenigen Phasen, wo der Eiinhalt von der Zona zurückgegangen war, dass keine Verbindung zwischen ihm und den fraglichen Körpern bestand. Wenn also wirklich diese Granulosa-Zellen dazu bestimmt sind, von dem Eiinhalt aufge- nommen zu werden, so hatte dieser Process im vorliegenden Falle noch nicht begonnen. Ich wurde jedoch an dem fixirten Präparate auf zwei Stellen aufmerksam, die ich in diesem Zusammenhange erwähnen muss. Ich fand nämlich an diesen an dem innern Ende eines Stieles nicht kuglige Körper, sondern breitere Massen, wel- che genau das körnige Aussehen von Granulosa-Zellen hatten (Fig. 7). Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 25. 8 116 H. Virchow: Eine wesentliche Lücke besteht darin, dass ich weder nach der Beobachtung des frischen, noch nach der des fixirten Präpa- rates etwas Sicheres über die Kerne aussagen kann; und wenn auch Lindgren die letzteren an Zellen, die bereits im Ei lagen (undeutlich) gesehen hat, so wäre doch wichtig zu wissen, in welcher Weise die Kerne den engen Durchgang passiren, vor allem, ob sie die Wanderung einleiten oder abschliessen. An einer Stelle ist, dem aussen liegenden Theil einer Hantel angehörig, ein heller Fleck an der von der Zona angewendeten Seite bemerkbar, worin vielleicht der Kern wahrzunehmen ist (Fig. 8). Die im Ei liegen- den Stücke der Hanteln sind zuweilen von gleicher Grösse wie die äussern, zuweilen bleiben sie hinter ihnen zurück. Zuweilen sieht man an dem innern Ende des Stieles nur eine kleine blasse An- schwellung (Fig. 9), in einem Falle fehlt auch diese (bei f in Fig. 6), so dass auch an meinem Präparate sich das nachweisen lässt, worauf Lindgren mit Recht Werth legt: verschiedene Formen, die als Phasen eines Vorganges angesehen werden dürfen. Die innen und aussen liegenden Stücke der Hanteln sind an meinem Präparate durchweg rund mit einer Ausnalıme, wo der aussen liegende Theil birnförmig in den Stiel übergeht (Fig. 9). Da indessen der Eierstock einem mehrere Stunden zuvor geschlach- teten T'hiere entnommen war, so darf man nicht für gewiss nehmen, dass diese kugligen Formen der Zellen und Zellenabschnitte auch schon während des Lebens bestanden hatten. Die Zahl der in der Zona pellucida steekenden hantelförmigen Körper war elf. Figurenerklärung. Taf. VII, Fig. 6—9. Fig. 6. Säugethierei aus dem Eierstock, durch Ueberosmiumsäure fixirt, in verdünntem Glycerin aufbewahrt. Leitz VII, 1. Prisma. Fig. 7—-9. Granulosazellen von demselben Präparate. Leitz VII, 1. Prisma. Z. Zona pellucida. D. Dotter. S. Spalt zwischen Zona und Dotter. f. Zelle, deren Stiel keine innere Anschwellung besitzt. i. Zelle, die ganz im Innern liegt. Ueber die Einwirkung des Lichtes. 117 Ueber die Einwirkung des Lichtes auf Gemische von chromsauren Salzen (resp. Chromsäure), Alkohol und extrahirten organischen Substanzen. Technische Mittheilung. Von Dr. Hans Virchow, II. Prosektor am anatomischen Institut zu Berlin. Wie bekannt werden in der Photographie und in den mit Hülfe der Photographie arbeitenden mechanischen Reproductions- verfahren die chromsauren Salze in ausgedehnter Weise verwendet. Es lag daher nahe zu beachten, ob nicht auch in Flüssigkei- ten, welche man erhält, wenn Thiere, Organe oder Gewebsstücke, die in Lösungen chromsaurer Salze einige Zeit waren, in Alkohol gebracht werden — ob nicht in solchen Flüssigkeiten gleichfalls durch die Einwirkung des Lichtes Niederschläge und zwar hier als störende Nebenprodukte entstehen. Es ist das in der That der Fall und zwar in sehr bemerkenswerther Weise. Jedenfalls ist aber dieser Umstand in der mikroskopischen Technik nicht allgemein beachtet, und ich möchte daher die Aufmerksamkeit darauf umsomehr lenken, als man durch konsequente Fernhaltung des Lichtes die unange- nehmen Niederschläge vollkommen vermeiden kann. Folgende Versuche, die ich mit Rücksicht auf den angeregten Punkt anstellte, mögen der Sache eine bestimmtere Form geben. Eine Partie von Rückenmarksstücken wurde so wie sie aus der Müller’schen Flüssigkeit kam, in Alkohol von 95%, gelegt und dann ins Dunkle gestellt. Nach mehreren Tagen wurde der dun- kelgelb gewordene klare Alkohol abgegossen und eine Probe davon im Dunkeln aufbewahrt, das Uebrige dem Lichte ausgesetzt. Durch die Liehtwirkung trat zunächst eine Bräunung, dann eine Trübung und dann allmählich eine Ausscheidung brauner Flocken ein, welche sich langsam zu Boden setzten. Auch nachdem die Flocken sich gesetzt hatten, blieb die Flüssigkeit trübe. Von Zeitangaben sehe ich hier völlig ab, da dieselben je nach der Helligkeit, die bei den mehr- fach angestellten Versuchen herrschte, verschieden laufen würden. Die Flüssigkeit wurde filtrirt, ging klar durch’s Filter und war gelb mit einem Stich in’s Grüne. Der Rückstand erschien in dünner Lage auf 118 H. Virchow: Glas rothbraun, im Filter dunkel chokoladefarben, bei der mikros- kopischen Betrachtung zeigte er sich zusammengesetzt aus gleich grossen, sehr feinen Körnchen. Aus der klar abgelaufenen gelben Flüssigkeit wurde durch erneuerte Lichtwirkung ein grauer flocki- ger Niederschlag ausgefällt, beim Filtriren lief eine klare hellgelbe Flüssigkeit ab. Durch erneuerte Lichtwirkung entstand ein schlammi- ger, fast weisser Niederschlag, nach dem Abfiltriren war die Flüs- sigkeit fast farblos. Auch aus dieser liess sich noch einmal durch Liehtwirkung ein unbedeutender Satz abscheiden, und es blieb sodann nach dem Filtriren eine wasserklare Flüssigkeit zurück. Von den vier Filtraten und von der Stammflüssigkeit wurden Proben wochenlang aufbewahrt, wobei sich allerdings leichte Trüb- ungen einstellten in Folge des schwachen Lichtes, welches in den öfters geöffneten Schrank einfiel. Die Stammflüssigkeit glich in der Farbenstärke einem Gemisch von 90 Th. Wasser mit 10 Th. Müller’seher Flüssigkeit, das erste Filtrat einem Gemisch von 99 Th. Wasser mit 1 Th. Müller’scher Flüssigkeit, das zweite einem Gemisch, in welchem 0,3%, Müller’scher Flüssigkeit ent- halten sind. Die fraktionirte, d. h. die wiederholte, durch Abfil- triren der Niederschläge unterbrochene Belichtung führt nach mei- ner Erfahrung weit schneller wie die ununterbrochene zu dem Endresultat einer farblosen, durch Liehtwirkung nieht mehr sich trübenden Flüssigkeit. Indessen ist diese „gereinigte“ Flüssigkeit kein reiner Alko- hol. Abgesehen von einer gewissen Menge von Aldehyd, welche dieselbe enthalten wird, hat sie gelöst Substanzen, die durch Wasser ausgefällt werden können und der durch Wasserzusatz entstehende feine weisse Schlamm geht durch’s Filter hindurch. Trotzdem eignet sich die gereinigte Flüssigkeit sehr gut, wovon ich mich überzeugt habe, zum Erhärten, ja es ist die Frage, ob es nieht zweekmässig wäre, zur Erhärtung des centralen Nervensyste- mes gerade solehen Alkohol zu verwenden, der schon Bestand- theile des Nervenmarkes in gewisser Menge gelöst enthält und demgemäss die zu erhärtenden Stücke weniger auslaugt. Das sind jedoch Betrachtungen, die der nächsten Absicht die- ser Mittheilung fern liegen. Dagegen bemerke ich, dass das Ergebniss des Versuches ganz entsprechend ausfällt, wenn man für Rückenmark irgend ein anderes Organ: Leber, Niere, Auge u. 8. w. und für Müller’sche Flüssigkeit Chromsäure setzt. Im Ueber die Einwirkung des Lichtes. 119 Einzelnen würde man natürlich bei derartigen Versuchen bedeu- tende Abweichungen finden, und ich beschränke mich daher darauf, als technischen Rath anzugeben, dass man Stücke, die in Müller’- scher Flüssigkeit oder Chromsäure vorbehandelt sind, während des Härtens in Alkohol im Dunkeln aufbewahre und zwar so lange, bis der (öfters erneute) Alkohol keine Färbung mehr annimmt. Ob man zwischen die Behandlung mit Müller’scher Flüssigkeit und die Härtung in Alkohol ein Auswässern einschiebt, ändert an der Vorschrift niehts. Vielleicht kann man aber, wenn man die hier angerathene Vorsicht anwendet, das Auswässern umgehen oder doch abkürzen, was oft sehr angenehm ist. Wie weit die Alkoholbehandlung im Dunkeln für die ver- schiedenen Organe von Nutzen ist, vermag ich nicht anzugeben. Bei Stücken eines Rückenmarkes jedoch, welches 6 bis 8 Wochen in Müller’scher Flüssigkeit gewesen war, zeigte sich nach der Alkoholbehandlung ohne vorhergehendes Auswässern eine schöne bräunliche Färbung der Schnittfläche und die Schnitte nahmen eine gute Karmintinktion (durch Weigert'sches Pikrokarmin) an. Uebrigens will ich hinzufügen, dass, wenn die Stücke erst entwässert sind, sie in absolutem Alkohol äuch am Lichte stehen können, und dass dann kein Niederschlag mehr eintritt, wenn auch der Alkohol noch Färbung annimmt. Der Vortheil der Erhärtung im Dunkeln besteht darin, dass sich weder im Alkohol die unangenehmen schlammigen Nieder- schläge bilden, noch — was wichtiger ist — in den vom Lichte getroffenen Oberflächen der Präparate die mikroskopisch feinen Ablagerungen, welche die Feinheit eines galvanoplastischen Nieder- schlages haben und gewiss die Diffusion zwischen dem Innern des Präparates und der umgebenden Flüssigkeit erschweren, so dass sich bei der weitern Konservirung manches im Innern des Gewebes niederschlagen muss, was sonst entfernt worden wäre. Wenn wirklich die Erhärtungs- und Färbetechnik in Chemie verwandelt werden soll, so dürfen auch physikalische Vorgänge, zumal wo es sich um so handgreifliche und exakt definirbare Effekte handelt, nicht unbeachtet bleiben. 120 Paulicki: Ueber die Haut des Axolotls. Von Dr. Paulicki, Oberstabsarzt in Strassburg i. E. Hierzu Tafel VIII und IX. Der Axolotl, an dem ich die im Nachstehenden mitgetheilten Beobachtungen angestellt habe, war ein etwa 1 Jahr altes Thier von l4em Länge und entstammte einer Zucht, die im Winter 1882/83 im hiesigen zoologischen Institut geglückt ist. Herr Dr. Carriöre hat frühere Entwieklungsstudien der gleichen Zucht untersucht und seine Beobachtungsresultate im Bd. 24 S.19 dieses Archiv’s mitgetheilt. Er untersuchte eben ausgeschlüpfte Thiere, dann solehe von 2,2em Länge und einen etwa halbjährigen Axo- lotl von Sem Länge (Stadium I, II, und II). Am 23. Oktober 1883 wurde der betreffende Axolotl (Stadium IV) getödtet. Die Eingeweide wurden im Zusammenhang herausgenom- men. Die Präparate blieben in !/,°/, Chromsäure 24 Stunden. Hier- auf wurden sie mit destillirtem Wasser abgewaschen und in 75pro- centigen Alkohol gelegt, der nach einigen Tagen durch 95 procentigen ersetzt wurde. Ich nahm zunächst die Untersuchung der Haut vor. Ich schnitt die Hautstücke aus den verschiedensten Körpergegenden unter möglichster Schonung der Epidermis im Zusammenhang mit den darunter liegenden Theilen heraus und färbte dieselben, bevor sie in Paraffin eingesehmolzen wurden, zum Theil erst durch Piero- carmin. Andere Stücke wurden ohne vorherige Färbung einge- Ueber die Haut des Axolotls. 121 schmolzen. Neben möglichst dünnen Schnitten, die wo möglich nur aus einer Zellenlage bestanden, stellte ich von jedem Präparat eine Anzahl diekerer Schnitte her. Die Schnitte wurden theils senkrecht zur Körperoberfläche, theils parallel mit derselben geführt. Von einigen Körperstellen wurden grössere Schnittserien hergestellt. Die noch ungefärbten Schnitte wurden dann durch die verschie- densten Färbemittel gefärbt. Die sämmtlichen Schnitte, deren Zahl sich auf einige Tausend belaufen mag, wurden in Canadabalsam eingeschlossen. In Betreff der von mir angewandten Färbemethoden habe ich zu betonen, dass ich besonders gute Resultate erzielt habe durch nachträgliche Färbung der in Pierocarmin tingirten Schnitte mit Methylenblau und nachherigem Auswaschen in 95°, Alkohol. Die dadurch erzielte schöne Doppeltinetion hat sich bis jetzt (6 Monate nach der Anfertigung) vorzüglich gehalten. Das Picrocarmin allein bewährte sich besonders für die Prä- parate solcher Körperstellen, wo die Epidermis ein echtes Stratum corneum besitzt. Hier stachen die Zellen des Stratum corneum durch ihre intensiv gelbe Farbe von den darunter gelegenen nicht verhornten Zellen, in denen das Protoplasma roth gefärbt war, ab. Vielfach habe ich das Hämatoxylin in Anwendung gezogen. Für Kerntheilungsfiguren leistete es mir mehr, als alle übrigen Färbesubstanzen. Das Fuchsin ergab sehr gute isolirte Kernfär- bungen. Weiterhin wurden als Färbemittel Osmiumsäure, Gold- chlorid, Methylengrün, Cochenilletinctur ete. in Anwendung gezogen. Bei dem Axolotl im Stadium IV kann man an der Haut im Allgemeinen 3 Abtheilungen unterscheiden: Die Epidermis, die Cutis und das subeutane Gewebe. Bis zu einem gewissen Grade ist die Entwicklung dieser 3 Abtheilungen der Haut einander pro- portional; sie zeigen sich aber an den verschiedenen Körperstellen sehr verschieden stark entwickelt. Ein subeutanes Gewebe ist nicht an allen Körperstellen vorhanden. 1223 Paulicki: a. Epidermis. Ein Bliek auf die Abbildungen zeigt, dass die Epidermis des Axolotl’s im Stadium IV aus sehr mannigfaltig geformten Elementen sich zusammensetzt. Wir wählen als Ausgangspunkt eine Körperstelle, wo die Epidermis einen möglichst einfachen Bau besitzt: vgl. Figur 10, welehe einen zur Körperoberfläche senkrecht geführten Schnitt durch die Rückenflosse, 2ecm weit von der Schwanzspitze entfernt, darstellt. Hier besteht die ganze Epidermis aus nahezu gleich- geformten kubischen oder mehr rundlichen Zellen, die in einer siebenfachen Lage übereinander geschichtet sind. Denken wir uns nun in ein ähnliches mehrfach geschichtetes Epithel einzelne bedeutend grössere Zellen eingelagert, so haben wir das Verhalten, wie es die Haut des Axolotl’s im IV. Stadium an dem weitaus grösseren Theil der gesammten Körperoberfläche darbietet. In Figur 1 sehen wir zwischen den gewöhnlichen Epi- thelzellen eigenthümliche grosse Zellen von grobkörnigem Aus- sehen, die die Grösse einer gewöhnlichen Epithelzelle wohl um das Vier- bis Sechsfache übertreffen, eingelagert. Es sind dies die von Leydig im Jahre 1853 beim Proteus und der Salaman- derlarve entdeckten. Zellen, die nach ihrem Entdecker Leydig'- sche Zellen heissen. Die gewöhnlichen Epithelzellen und die darin vertheilten Leydig’schen Zellen bilden bei Weitem die Hauptbestandtheile, aus denen sich die Epidermis des einjährigen Axolotls zusam- mensetzt. Im Vergleich zu diesen beiden Zellenarten ganz in den Hin- tergrund tritt eine 3. Zellenart, die ich nur an der inneren Fläche des Kiemendeckels gefunden habe. Es sind dies die sogenannten Becherzellen, s. Fig. 8. Ausser diesen beiden Zellenarten, den Leydig’schen Zellen und den Becherzellen, kommen nun aber noch anderweitige Diffe- renzirungen der Epithelzellen vor. In Figur 31 sehen wir mitten in das Epithellager eingebettet langgestreckte, kegelförmig zusammengruppirte Zellen mit langen, srundständigen Kernen. Die Basis des Kegels, der durch diese Zellen gebildet wird, ist nach der Cutis zu gerichtet, während die Ueber die Haut des Axolotls. 123 Spitze desselben nach der freien Oberfläche sieht. Es sind dies die Mantel-, Stütz- oder Deckzellen der sogenannten Nervenhügel, die von Leydig bei Fischen, von F. E. Schulze aber bei Amphi- bien entdeckt worden sind. Leydig bezeichnete sie als Organe eines sechsten Sinnes. Weiterhin finden sich zellige Elemente, die von der Gutis her in die Epidermis eingedrungen sind. Hierhin gehören zunächst die Chromatophoren, die man als verästelte schwarze Gebilde zwischen den Epidermiszellen in wechselnder Menge antrifft (Figur 11). Dann aber sah ich an einzelnen Stellen zwischen den grössern Epithelzellen, kleinere runde Zellen ganz von dem Aussehn der Lymphkörperechen. Da an mehreren Präparaten auch gleichzeitig eine Anhäufung von Rundzellen in der Cutis unmittelbar unter der Epidermis gefunden wurde, so lag es nahe anzunehmen, dass hier Wanderzellen von der Cutis her zwischen die Epidermiszellen ein- sedrungen waren. Die Frage, wie viele Schichten man in der Epidermis des einjährigen Axolotl’s unterscheiden soll, stösst auf einige Schwie- rigkeiten. An Körperstellen, wo die Epidermiszellen sämmtlich von gleicher Grösse und gleicher Form sind, wie an der Schwanzflosse, kann man so viel Schichten zählen, als Zellen an einer Stelle über einander gelagert sind. Nimmt man aber die Epidermis von einer Körperstelle, wo Leydig’sche Zellen zwischen den gewöhnlichen Epithelzellen zerstreut liegen, so geräth man in Verlegenheit, wenn man die Grenzen der einzelnen Schichten angeben soll. An Stellen, wo die Leydig’schen Zellen in zwei oder drei Reihen überein- ander liegen, könnte man dies Verhalten benutzen, um mehrere Schichten zu unterscheiden. Dies Verfahren muss jedoch etwas Willkürliches einschliessen und es ist daher wohl am richtigsten, auch beim einjährigen Axolotl nur zwei Schichten an der Epider- mis anzunehmen, wie dies Carriere auch für die jüngern Thiere gethan hat, nämlich eine Cutieularschicht, welche durch die die Haut nach aussen abgrenzende Zellenlage dargestellt wird, und eine Malpighi’sche oder Schleimschicht, zu welcher die gesammten übrigen Zellen der Epidermis gehören. 124 Paulicki: Die Cutieularschicht. Als Cutieularbildungen bezeichnet man die Umwandlung eines Theils des Zell-Protoplasma’s in eine feste, homogene Masse. Die Cuticularbildungen sind nicht als Ausschwitzungen oder Auflagerungen auf die freie Fläche der Zelle aufzufassen, sondern sie gehen aus dem Protoplasma durch chemische Umwandlung desselben hervor. Beim einjährigen Axolotl zeigen die die Körperoberfläche nach aussen zu begrenzenden Zellen mehr oder minder deutliche Cutieularbildungen. Bald erscheinen dieselben als dem freien Ende der Zellen aufsitzende, halbkugelförmige Käppchen, bald stellen sie einen nach aussen und nach innen geradlinig begrenzten Saum dar. Im erstern Fall sieht man dann jede einzelne Cutieularzelle in Form einer Halbkugel nach der freien Fläche zu vorspringen (Fig. 20). Im zweiten Fall erscheint die Cutieularbildung als ein doppelteonturirter, geradlinig verlaufender Saum, der sich über das freie Ende der Zellen hinzieht (Fig. 19). Die Form der Cutieularzellen ist an verschiedenen Körper- stellen eine verschiedene: eine eylindrische, kubische oder platte scheibenförmige. Langerhans (dieses Archiv Bd. IX S. 746) beschreibt eine besondere Art von Cutieularzellen aus der Haut der Salamander- larve. Diese Zellen sollen sich dadurch auszeichnen, dass sie in senkrechter Richtung bedeutend mehr entwickelt sind, als die umgebenden Zellen der Cutieularschicht, dass die freie Oberfläche dagegen bedeutend kleiner ist, als bei den Zellen der Umgebung, sowie dass der Kern weiter vom Cutieularsaum entfernt liegt. Sie sollen zugleich weniger pigmentirt sein, als die der Umgebung und die Figur der freien Fäche soll bald polygonal sein, bald an die Gestalt der Spaltöffnungen der Pflanzen erinnern. Das Ueberwiegen des senkrechten Durchmessers an einzelnen Cutieularzellen im Vergleich zu dem der benachbarten Cutieular- zellen habe ich wohl mitunter gesehen, Figur 11 d; im Uebrigen habe ich jedoch nichts finden können, was zur Annahme berech- tigte, dass beim Axolotl im Stadium IV in der Cutieularschicht eine scharf markirte, besondere Zellenart vorkomme, wie sie Lan- gerhans für die Larven von Salamandra maculosa beschrieben hat. Ueber die Haut des Axolotls 125 Die Kerne der Cutieularzellen sind bei den eylindrischen Zellen rundlich und liegen an dem der freien Fläche entgegenge- setzten Ende der Zellen (Fig. 4, ec.) Bei den platten Cutieular- zellen sind die Kerne bieconvex oder scheibenförmig (Fig. 9, g.) Während ich an ganz frisch abgetragenen Kiemenfieder- chen deutlich feine kurze Flimmerhaare, in lebhafter Bewegung begriffen, eonstatiren konnte (s. Fig. 21) und dieselben auch nach Aufhören der Bewegung noch schärfer hervortraten, konnte ich an keinem der durch Chromsäure gehärteten Präparate Cilien oder Rudimente derselben an den Epithelzellen der Kiemenfiederchen mehr wahrnehmen. Es ist daher anzunehmen, dass die Flimmer- haare auf dem Kiemenepithel durch Reagentien leicht zerstört werden. Ich habe mich bemüht, eine senkrechte Strichelung des Cuti- eularsaums, die nach Carriere (16, 26) bei den jüngeren Thieren vorkommt, auch beim einjährigen Axolotl nachzuweisen. Es ist mir jedoch nicht gelungen, eine Strichelung, die durch den ganzen Cutieularsaum hindurch geht, auch nur an einem Präparat mit voller Bestimmtheit zu erkennen. Das einzige, was ich gesehen habe, war eine leichte Zähnelung des freien Randes des Cuticular- saums (s. Fig. 19). Dieselbe ist vielleicht als ein Ueberbleibsel einer früheren deutlichen Strichelung, die den Cuticularsaum durch- setzt hat und die allmählich verschwunden ist, aufzufassen, An Längs- und Querschnitten des Fingers habe ich an dem Saum der Cutieularzellen mitunter eine horizontale Streifung, wohl von einer Spaltung herrührend, gesehen. An allen übrigen Kör- perstellen erschien der Cuticularsaum homogen oder es zeigten sich höchstens Andeutungen einer der freien Oberfläche parallelen Streifung. Häufig kamen mir Präparate zu Gesichte, wo die Cutieular- zellen eine glockenförmige Gestalt hatten (Fig, 18). Die Zellen sassen mit einem abgerundeten Leib, der den Kern einschloss, den darunter befindlichen Zellen auf. Der freie Rand verbreitete sich glockenförmig nach aussen und lief in eine feine Schneide aus, die mit einer ähnlich gestalteten Schneide der nächstfolgenden Cutieularzelle in Verbindung stand. Zwischen beiden Zellen war eine Lücke, die von den Fortsätzen der beiden angrenzenden Zellen überbrückt wurde. Diese Bilder sind so zu erklären, dass der verbreiterte Cuticularsaum mehrerer benachbarter Zellen einen 126 Paulicki: Raum unter sich frei lässt, der von einer der Cutieularschicht nicht mehr angehörigen Epithelzelle, vielleicht auch einer Wanderzelle angefüllt wird und dass diese Zellen durch die Präparation heraus- gefallen sind. In Figur 18 finden sich drei Lücken zwischen den sloekenförmigen Cutieularzellen; bei e ist die Zwischenzelle in ihrer Lage erhalten geblieben. Häufig kamen mir Präparate zu Gesichte, in denen die Cuti- eularzellen eine Anzahl schwarzer Pigmentkörnehen einschlossen; dieselben lagen dann immer zwischen Kern und Cutieularsaum. Dadurch, dass die Pigmentkörncehen in gleicher Menge und Ver- theilung in jeder einzelnen Cuticularzelle sich vorfinden, resultirt ein unter dem Cutiecularsaum herziehender schwarzer Streifen, besonders deutlich entwickelt an Querschnitten des letzten Finger- glieds (Fig. 4). Ich fand solehe Pigmentkörnchen sowohl in lang- gestreckten eylindrischen Cutieularzellen, als auch in solchen von mehr kubischer oder glockenförmiger Gestalt (Fig. 18 u. Fig. 11), während sie in den ganz platten Cutieularzellen entweder nicht oder nur in ganz geringer Menge beobachtet worden sind (Fig. 8 und 9). Die Grenzen zwischen den einzelnen Cutieularzellen waren an den meisten Präparaten deutlich zu erkennen. Nur auf einigen Schnitten waren dieselben nur undeutlich wahrzunehmen (Fig. 17). Kerntheilungsfiguren habe ich in der Cutieularschicht an keiner Stelle gesehen. Stratum ecorneum. Der weitaus grösste Theil der Körperoberfläche des Axolotl’s im Stadium IV wird gegen die Aussenwelt abgegrenzt durch eine Zellenlage, bei denen die einzelnen Zellen am freien Ende einen Cutieularsaum besitzen, der Zellenleib aber sich nicht wesentlich von dem der übrigen Epidermiszellen unterscheidet. Dieses Verhalten, das in Beziehung zu bringen ist mit der Natur des umgebenden Mediums, mit dem Wasser, finden wir auch für die ganze Dauer des Larvenzustandes bei Salamandra macu- losa wieder. Nun haben wir aber die höchst auffallende Thatsache zu constatiren, dass der einjährige Axolotl an einigen, allerdings nur Ueber die Haut des Axolotls. 127 vereinzelten und kleinen Körperstellen ein echtes Stratum corneum, wie es bei einem Landthier vorkommt, besitzt. Zunächst besitzen sämmtliche Fingerspitzen ein Stratum corneum; dann auch die Sehnauzenspitze. Figur 3 stellt einen Längsschnitt durch die Epidermis der Kuppe eines Fingers einer vordern Extremität dar. Hier platten sich die Epithelzellen der Epidermis nach der Ober- fläche zu ab und gehen allmählig in ganz verhornte, abgeflachte Gebilde über, bei denen man aber überall noch einen abgeplatteten Ueberrest des Kerns zu erkennen im Stande ist. Figur 2 stellt einen senkreehten Durchschnitt durch die Epidermis der Schnau- zenspitze dar. Hier findet kein allmähliger Uebergang statt, son- dern auf eine Lage kubischer Zellen mit grossen Kernen folgt unmittelbar eine Schicht, die aus ganz platten, verhornten Zellen besteht, in der man nur mit Mühe hie und da den Ueberrest eines Kerns erkennt. Pierocarmin färbt diese verhornten Zellen intensiv gelb. Bei den tiefer gelegenen Epithelzellen erschienen mitunter das Plasma roth, die Kerne aber gelb gefärbt, als Zeichen der beginnenden Verhornung. An der Schnauzenspitze sind mir wiederholt Präpa- rate zu Gesichte gekommen, an denen das Stratum corneum zum Theil in der Abstossung begriffen war. Die Präparate (Fig. 2) zeigen dies Verhalten deutlich. Für das Stratum corneum ist es daher wohl anzunehmen, dass ähnlich wie bei der Hornsehicht der Epidermis eines Landthiers, ein fortwährendes Abstossen der äusser- sten Schichten und eine Ergänzung der Hornschieht von unten her durch allmählige Verhornung der Epithelzellen stattfindet. Stratum mucosum. Die Schleimschicht oder Malpighi’sche Schieht wird durch sämmt- liche Zellen der Epidermis mit Ausnahme der obersten Lage, die wir als Stratum cutieulare abgesondert haben, dargestellt. Die Leydig’schen Zellen, die Becherzellen und die sechsten Sinnes- organe werden wir besonders besprechen. Die Epidermiszellen zeigen grosse Verschiedenheit in Beziehung auf ihre Gestalt. An Stellen, wo die Epidermis nur aus einfachen Epithelzellen besteht, wie an der Kante der Schwanzflosse, sind sämmtliche Zellen annä- hernd von gleicher Form (Fig. 10). An Stellen. aber, wo Leydig- sche Zellen vorhanden sind, ist dies nicht mehr der Fall. Die 128 Paulicki: Leydig’schen Zellen bewahren stets ihre typische Form und dies wird dadurch ermöglicht, dass sich die Epithelzellen den Leydig’- schen accommodiren. Eine ähnliche Aceommodirung der Epithelzellen findet auch in der Umgebung der Nervenhügel statt. Hier sehen wir, dass die den Hügel umgebenden Epidermiszellen stark abgeplattet sind (Fig. 17), während die Zellen zwischen den Leydig’schen Zellen sehr verschieden gestaltet, bald mit Fortsätzen versehn, bald zackig, bald kubisch oder rundlich, bald abgeplattet u. s. w. erscheinen (Fig. 5,7, 22). Eine bis zu einem gewissen Grade constante Form besitzen nur die Zellen der untersten, der Cutis unmittelbar auf- sitzenden Lage. Dieselben sind fast an der gesammten Körper- oberfläche prismatisch oder eylinderförmig (Fig. 12, 13, 7). Der Längendurchmesser steht alsdann senkrecht zur Cutisoberfläche. An einigen Stellen jedoch sind die untersten Epidermiszellen der Cutis in schräger Richtung aufgesetzt, so dass sie einen spitzen Winkel mit derselben bilden. Dies ist am Finger und an der Volarfläche des Vorderarms, sowie in der Epidermis auf dem Unterkiefer der Fall (Fig. 2 und 15). Das obere Ende dieser Zellen schiebt sich dann mit einer unregelmässig gestalteten Fläche zwischen die nächstfolgende Zellenlage ein. Die dicht unter der Cutieularschieht gelegenen Zellen sind häufig stark - abgeplattet. Die unteren Lagen der Epidermiszellen sind an manchen Stellen bedeutend kleiner, als die mittleren und oberen. Die Kerne der Epidermiszellen folgen im Allgemeinen der Form der Zellen. In den untersten, der Cutis unmittelbar auf- sitzenden Zellen sind daher die Kerne gewöhnlich länglich oder selbst stabförmig (Fig. 12 und 13), in den abgeplatteten Zellen unter der Cutieularschieht sind sie biconvex oder scheibenförmig (Fig. 7, 19). In andern Zellen sind sie rundlich oder zeigen ver- schieden geformte Vorsprünge (Fig. 4). Der Kern liegt stets in der Mitte der Zelle. Durch Färbemittel färben sich an dem grössern Theil der Körperoberfläche die Kerne der Epithelzellen dureh die ganze Epidermis hindurch gleich intensiv stark. An einigen Stellen jedoch, wo die untersten Lagen sich durch kleine Zellen und kleine Kerne von den mittleren Lagen unterscheiden, sind auch erstere stärker gefärbt als letztere (s. Fig. 2, Schnauzenspitze). Auf Längssehnitten des Fingers färbten sich in einiger Entfernung von der Kuppe durch Pierocarmin die der Cutis aufsitzenden Ueber die Haut des Axolotls. 199 Zellenlagen,; sowohl Protoplasma als Kern, gelb, während die obern Lagen roth gefärbt waren. Sehr häufig habe ich in den Epider- miszellen Kerntheilungsfiguren angetroffen. Sämmtliche Stadien sind mir zu Gesichte gekommen. Ich sah dieselben vorwiegend in der untersten oder zweituntersten Zellenschicht; jedoch kamen mir auch solche höher oben und selbst unmittelbar unterhalb der Cutieularschicht vor. In Figur 4e habe ich eine der Cutis unmit- telbar aufsitzende Epidermiszelle abgebildet, wo die Schlingen in Form eines Sterns angeordnet sind. Die Theilung der Epidermis- zellen geschieht vorwiegend in horizontaler oder schräger, selten in senkrechter Richtung. Bisweilen zeigt der Kern seichtere oder tiefere Einschnürungen oder Abkerbungen. Das Protoplasma der Epithelzellen ist leicht körnig und zeigt keine weiteren Strukturverhältnisse. Mitunter schliessen die Epi- thelzellen einzelne Pigmentkörnchen ein. An Querschnitten durch die Epidermis eines Kiemenstammes bin ich wiederholt auf Stellen gestossen, wo eine grössere Anzahl neben einander liegender Epidermiszellen mit einem schwarzen sichelförmigen Hof umgeben war (Fig. 11). Bei stärkerer Ver- grösserung erwies sich die schwarze, sichelförmige Figur aus Pig- mentkörnchen zusammengesetzt. Der grösste Theil des Pigments lag wohl ausserhalb der Zellen in den Intercellularräumen; aber es schien als ob ein Theil des Pigments auch innerhalb der Zellen gelegen sei. An Stellen, wo die Cutieularzellen Pigment einschlossen, zeigten sich oft auch die zunächst darunter gelegenen Epidermis- zellen pigmentirt. Eine Membran besitzen die Epidermiszellen nieht, sondern das, was man Membran nennt, stellt eine diehtere Modifieation des Protoplasmas dar, welche ohne scharfe Abgrenzung allmählich in das Protoplasma des Zellenleibs übergeht. Nach aussen finden sich an den Epidermiszellen die bekannten Protoplasmabrücken. Leydig’sche Zellen. Leydig beschreibt die von ihm entdeckten und nach ihm benannten Zellen aus der Haut des Proteus und der Salamander- larve. 130 Paulicki: In seinen 1353 erschienenen „anatomisch-histologischen Unter- suchungen über Fische und Reptilien‘ Seite 107 heisst es: „Beim Proteus z. B. misst die Oberhaut 0,05—0,072° in der Dieke und hat in den obern Lagen nur die gewöhnlichen, polygonalen, hellen Plattenzellen, in den tiefern Schichten aber liegen eingestreut grosse Zellen von denselben Characteren, wie ich dergleichen Elemente aus der Haut der Fische beschrieben und Schleimzellen genannt habe: sie stellen sich als 0,0120 — 0,024‘ im grössten Durchmesser haltende Blasen dar, die ein zweites mit körnig grümlicher Masse erfülltes Bläschen — ein Sekretbläschen einschliessen.‘ In Betreff des Namens der uns beschäftigenden Zellenart ist es, um Verwechslungen zu vermeiden, vielleicht das richtigste, wenn man für dieselben den Namen „Schleimzellen“ nicht in Anwendung bringt, sondern sie nach ihrem Entdecker als Leydig'sche Zellen oder nach ihrem Aussehen als „Netzzellen“ bezeichnet. Die an die Oberfläche tretenden nach aussen mündenden und schleimab- sondernden Zellen, wie solche auch in der Epidermis des Axolotls vorkommen, sind ebenfalls unter der Bezeichnung der Schleim- zellen beschrieben worden; es empfiehlt sich auch für diese Ge- bilde den Namen Schleimzellen nicht zu gebrauchen, sondern sie nach ihrer Form als becherförmige Zellen zu bezeichnen. Die Ansicht Peremeschko’s, dass die Leydig’schen Zellen je nach den äusseren Einflüssen entstehen und wieder vergehen, ist als eine irrige zu bezeichnen. Die Leydig’schen Zellen sind zunächst durch ihre auffallende Grösse characterisirt. Wie eine Betrachtung der Figuren 1,5 und 7 ergiebt, nehmen sie einen 4- bis 6mal so grossen Flächenraum ein, als die umgebenden Epidermis- zellen. Die Anwesenheit der Leydig’schen Zellen lässt sich daher bereits bei einer Vergrösserung von 30 bis 50 erkennen. Die Mög- lichkeit liegt daher vor, dass man die Leydig’schen Zellen auch beim lebenden Axolotl an durchsichtigen Stellen als solche er- kennen und studiren kann. Weiterhin fallen die Leydig’schen Zellen auf durch das grob- sranulirte Aussehen ihres Protoplasmas. Dasselbe ist bereits bei relativ schwachen Vergrösserungen zu erkennen, tritt aber deutlicher hervor bei stärkeren Vergrösserungen (Figur 7). Hervorgebracht wird dies Aussehen durch eine eigenthümliche Anordnung des Proto- plasmas. Dasselbe ist nämlich in Form eines schwammähnlichen Gerüstwerks zwischen Zellenmembran und Zellkern ausgespannt. Ueber die Haut des Axolotls. 131 Die Protoplasmastränge lassen Zwischenräume (Vaeuolen) zwischen sich, die beim lebenden Thier erfüllt sind mit einer klaren Flüs- sigkeit, welche in chemischer Hinsicht dem Schleim nahe steht. Wir müssen annehmen, dass bei dem Uebergang einer gewöhnlichen Epithelzelle in eine Leydig’sche Zelle von dem Protoplasma an zahlreichen Stellen eine Flüssigkeit in das Innere der Zelle aus- geschieden wird, welche allmählig an Menge zunimmt und das Protoplasma zwingt, sich in Form eines schwammähnlichen Gerüst- werks zwischen Membran und Kern anzuordnen. Gewöhnlich sind die Körner, mit der eine Leydig’sche Zelle angefüllt ist, nicht alle von gleicher Grösse. In der Nähe des Kerns sind die Körner meistentheils kleiner, während sie nach der Peripherie zu grösser werden und unmittelbar an der Zellenmembran am grössten sind (Figur 1). Es ist daraus zu schliessen, dass das Maschenwerk des Protoplasmas in den mittleren Theilen der Zelle am dichtesten ist und nach der Peripherie zu allmählig weiter wird. Jedoch habe ich auch oft Leydig’sche Zellen gesehen, bei welchen die einzelnen Körner durch die ganze Zelle hindurch in Betreff ihrer Grösse nicht wesentlich von einander verschieden waren (Figur 7). Die Anordnung des Protoplasmas in Form netzförmiger Stränge ist häufig deutlich erkennbar; nicht selten aber wird durch die Gerinnung der in den Vacuolen enthaltenen Flüssigkeit zu Körnern die ursprüngliche Structur verdeckt. Die Form der Leydig’schen Zellen ist eine rundliche oder bläschenförmige. Im Vergleich zur Mannigfaltigkeit der Form der dazwischen gelagerten Epithelzellen bieten die Leydig’schen Zellen eine einfachere Form dar. Die ursprüngliche Bläschenform ist auch in den langgestreckten Ley- dig’schen Zellen, die stets so gestellt sind, dass der längste Durch- messer der Zelle senkrecht zur Körperoberfläche steht (Figur 1 d), so wie in den unter der Cutireularschicht gelegenen, oft abge- platteten Zellen (Figur 1 e) noch zu erkennen. Die Kerne der Leydig’schen Zellen fielen in vielen Präpa- raten durch ihr zackiges Aussehen auf. Die Spitzen der Zacken des Kerns liegen stets zwischen zwei Körnern, von denen so eben die Rede war. Mitunter habe ich Kerne in Leydig’schen Zellen gesehen, die runde Conturen hatten und ein zweilappiges Aussehen darboten (Figur 9 ec). Es kamen mir aber auch Ley dig’sche Zellen mit vollkommen runden oder länglichen Kernen zu Gesichte (Figur 7 und 9). Es ist wohl anzunehmen, dass das zackige Aus- Archiv f. mikrosk, Anatomie Bd, 25. 1) 133 Paulicki: sehn des Kerns in den Leydig’schen Zellen Folge der Einwir- kung von Reagentien ist. Untersuchungen an durchsichtigen Stellen des lebenden Axolotl’s haben diese Annahme bestätigt. Die Kerne der Leydig’schen Zellen waren in den meisten Präparaten kleiner, als die Kerne der umgebenden Epithelzellen (Figur 5 und 1). An manchen Präparaten waren erstere kaum den 4. Theil so gross als letztere. Ich habe aber auch Präparate gesehen, wo eine wesent- liche Differenz in der Grösse zwischen den Kernen beider Zell- arten nicht konstatirt werden konnte (Figur 7 und 9). Die Lage des Kerns war in solchen Leydig’schen Zellen die eine rundliche Gestalt hatten, gewöhnlich die Mitte der Zelle. Bei Leydig’schen Zellen dagegen, die eine längliche Gestalt hatten, wie ich solche auf der äussern Fläche des Kiemendeckels gesehen habe, lagen die Kerne dem proximalen Rand der Zelle genähert (Figur 12). Die Grenzen des Kerns der Leydig’schen Zellen erschienen häufig undeutlich; es hatte das Aussehen, als ob die Zacken des Kerns mit dem Protoplasma in Verbindung getreten sei. Beson- ders war dies bei Präparaten der Fall, die durch Pierocarmin allein gefärbt worden waren. Bei den vorhin genannten Doppel- färbungen liessen sich jedoch überall ganz scharfe Grenzen zwischen Kern und Protoplasma erkennen. Der Zellenleib der Leydig’schen Zellen wird durch eine doppelteonturirte Hülle, für welche man die Bezeichnung „Mem- bran“ beibehalten kann, abgegrenzt. Diese Hülle stellt eine dich- tere Modification des Protoplasmas dar; eine scharfe Grenze zwi- schen Membran und Protoplasma existirt nicht, indem die Stränge des Protoplasmanetzwerks continuirlich mit der Membran in Zu- sammenhang stehen. Man kann dies Verhalten auch so ausdrücken, dass die Zellmembran der Leydig’schen Zellen an ihrer innern Oberfläche stellenweise mit leichten Hervorragungen besetzt ist, welche dem Protoplasmanetzwerk zur Anhaftung dienen. An ei- nigen Leydig’schen Zellen wurde ich auf kleine kreisförmige, glänzende, dunkelconturirte Figuren aufmerksam, die in ziemlich regelmässigen Abständen von einander entfernt der äussern Fläche der Zellmembran aufsassen (Fig. 9, d und 8,d). Es stellte sich nun alsbald heraus, dass dieser Befund bei allen Leydig’schen Zellen ein ganz eonstanter ist. Ueber die Deutung dieser Gebilde erhielt ich durch Zellen, wie deren mehrere in Figur 22 abgebildet sind, Aufsehluss. Hier fand sich ein doppelteonturirtes Gitterwerk, Ueber die Haut des Axolotls. 135 welches über die Protoplasmakörner hinwegging. Die Balken des Gitterwerks theilten sich öfters gabelförmig und waren bald dünner, bald dieker. Es ist nun anzunehmen, dass das Gitterwerk hervor- gebracht wird durch rippenartige, partielle Verdiekungen der Zellen- membran, und dass bei solchen Zellen, wo ein derartiges Gitter- werk zu sehen ist, der Schnitt die Zelle tangential getroffen hat, während bei den Zellen, die dieses Gitterwerk nicht zeigen, die dagegen in der Zellenmembran von Strecke zu Strecke kleine, glänzende Ringe besitzen, der Schnitt mitten durch die Zelle ge- gangen ist. Die kleinen Kreise, die der Zellenmembran aufsitzen, stellen die Querschnitte der rippenartigen Verdickungen der Mem- bran dar (Fig. 22, e). Die rippenartigen Verdiekungen der Zellen- membran zeigen sich durch sämmtliche Färbemittel ebenso gefärbt, wie das Protoplasma, wesshalb sie leicht übersehen werden können. Nur bei einigen Fuchsinpräparaten habe ich eine isolirte Färbung des der Membran aufsitzenden Balkenwerks gesehen. Hier setzte sich das Balkenwerk sehr deutlich und scharf gegen die Körner des Protoplasmas ab. Pfitzner nimmt an, dass diese rippenarti- sen Verdickungen der Zellenmembran den Intercellularbrücken zum Ansatz dienen. Ein eigenthümliches Verhalten des Gitterwerks, wie ich es in Figur 22 abgebildet habe, habe ich noch zu erwähnen. Ich sah, dass die Balken von einer Leydig’schen Zelle conti- nuirlich zusammenhingen mit den Balken benachbarter Leydig- scher Zellen, dass ein zusammenhängendes Balkenwerk sich über mehrere Leydig’sche Zellen ausdehnte. Ausserdem sah ich aber auch, dass ganz ähnlich gestaltete Balken sich auf die benachbarten Epithelzellen fortsetzten. Es war nicht zu erwarten, dass der einjährige Axolotl, der mir zur Untersuchung vorgelegen hat, über die Herkunft der Leydig’schen Zellen genügenden Aufschluss zu geben im Stande sei. Nach Carriere (16, 25) besitzt der Axolotl unmittelbar nach dem Ausschlüpfen noch keine Leydig’schen Zellen. Diese finden sich dagegen schon beim Thier von 2,2em Länge und gehen aus ge- wöhnlichen Epidermiszellen hervor, indem die Zellen heller wer- den und eine Vacuolisirung des Protoplasmas vor sich geht, wäh- rend gleichzeitig die Kerne kleiner werden. Beim Thier von 8cm Länge findet die Entstehung Leydig’scher Zellen aus Epithel- zellen nicht mehr statt, sondern die Leydig’schen Zellen vermeh- ren sich auf dem Weg der indireeten Kern- resp. Zellentheilung. 134 Paulicki: Beim einjährigen Axolotl habe ich Epidermiszellen gesehen, die sich durch ihr ganzes Aussehen wesentlich von den umgeben- den Epidermiszellen unterschieden. Die Zellen hatten ein wasser- helles, völlig homogenes Aussehen (Fig. 17,e). Der Kern lag mitten in der Zelle und hatte eine runde Form und die Grösse der Kerne der benachbarten Epithelzellen. An dem wasserhellen Protoplasma war keine Spur von einer Körnerbildung, wie sie die Leydig’schen Zellen eharakterisirt, zu sehen. Auch unterschieden sich die Zellen in Betreff ihrer Grösse nicht wesentlich von den benachbarten Zellen. Derartige Zellen, die bereits bei schwachen Vergrösserungen in die Augen fielen, sah ich in der Epidermis der Volarfläche des Vorderarms, der letzten Fingerphalanx, des Kiemenstammes und im Uebergangsepithel der Ober- und Unter- lippe zum Mundepithel. Kerntheilungsfiguren habe ich im Ganzen selten bei den Leydig’schen Zellen zu Gesichte bekommen; es steht fest, dass dieselben im Stadium IV des Axolotl’s nicht annähernd so häufig sefunden werden, als bei den Epithelzellen. In Figur 9, einem senkrechten Durchschnitt der Epidermis durch die Basis eines Kiemenstanmes, habe ich eine Leydig’sche Zelle abgebildet, wo sich an Stelle des Kerns ein einziger, langer, knäuelförmig aufge- wundener und in den verschiedensten Windungen auf- und ab- steigender Faden vorfand (e). Die Membran des Kerns war nicht mehr zu sehen. Die Knäuelfigur hatte eine zweilappige Gestalt und. hatte in ihrer Form Aehnlichkeit mit einem zweilappigen Kern einer benachbarten Leydig’schen Zelle. Die Knäuelfigur füllte wohl den 3. Theil der Zelle aus. Die Zelle war etwas kleiner als die benachbarten Leydig’schen Zellen. Dass es sich aber um eine Leydig’sche Zelle und nicht um eine Epithelzelle gehandelt hat, ging aus dem körnigen Aussehen des Protoplasmas hervor. In demselben Präparat fanden sieh noch mehrere Kern- theilungsfiguren in Leydig’schen Zellen, sämmtlich in einem früheren Stadium, als das oben beschriebene. Nicht selten sind mir Leydig’sche Zellen mit zwei Kernen zu Gesichte gekommen. Die Leydig’schen Zellen, in denen ein Kern nicht zu sehen war (Fig. 8,c), sind wohl alle so zu deuten, dass der Schnitt nur ein Segment des relativ grossen Zellenleibs zurückgelassen hat, in welchem der Kern nicht enthalten ist. Was nun die weitern Schieksale der Leydig’schen Zellen Ueber die Haut des Axolotls. 135 anbetrifit, so erscheint das Stadium 1V ebenfalls nicht als geeig- net, hierüber Aufschluss zu erhalten. Es müssen spätere Entwick- lungsstadien hierauf untersucht werden, es müsste vor Allem das fertige Thier, das Amblystoma, zur Vergleichung mit heran ge- zogen werden. Nach dem, was über die Leydig’schen Zellen bei der Larve von Salamandra maculosa bekannt ist, würden wir anzunehmen haben, dass die Leydig’schen Zellen gegen das Ende des Larvenlebens einer rückgängigen Metamorphose anheimfallen, indem sie sich allmählig wieder in gewöhnliche Epithelzellen ver- wandeln und dass sie bei dem Amblystoma vollständig verschwun- den sind. Die rückgängige Metamorphose der Ley dig’schen Zellen wird bei der Larve von Salamandra maculosa von Pfitzner so beschrieben, dass die Zellen allmählig kleiner werden, dass die Vacuolisirung des Protoplasmas allmählig rückgängig wird. indem die zwischen den Protoplasmasträngen vorhandene Flüssig- keit aufgesaugt wird, und dass die Kerne grösser werden, eine runde Form annehmen und wieder in die Mitte der Zellen rücken. Ob bereits im Stadium IV der Entwicklung des Axolotl’s eine ähnliche Rückbildung der Leydig’schen Zellen begonnen hat, wage ich nicht zu entscheiden. Es ist möglich, dass die abgeplatteten Leydig’schen Zellen, die unter der Cutieularschicht an verschie- denen Stellen zu finden waren (Fig. 1, e), sowie die weiter unten näher beschriebenen Leydig’schen Zellen an der Volarfläche des Vorderarms den ersten Anfang einer rückgängigen Metamorphose darstellen. Es ist wiederholt die Vermuthung ausgesprochen worden, dass die Leydig’schen Zellen ein Vorläuferstadium der Becherzellen darstellen, dass sie allmählig an die Oberfläche rücken und einen Ausführungsgang nach aussen erhalten (Leydig, Langerhans). Diese Vermuthung hat sich indess nicht bestätigt. Die Leydig- schen Zellen erreichen nie die Oberfläche und bleiben stets ge- schlossen. Was nun die Function der Leydig’schen Zellen anbetrifft, so besitzen wir darüber bis zur Stunde nur Vermuthungen. Aus der Thatsache, dass die Leydig’schen Zellen beim Salamander nur während des Wasseraufenthalts vorhanden sind und mit dem Beginn des Landaufenthalts verschwinden, hat man zu schliessen, dass sie speciell dem Wasserleben angepasste Organe darstellen. Pfitzner hat die Hypothese aufgestellt, dass die Leydig’schen 136 Paulicki: Zellen ein schleimiges Seeret für die Intercellularräume liefern, welches die Aufgabe hat, das Eindringen des Wassers zu verhüten oder zu verringern. Pfitzner giebt selbst zu, dass diese Hypo- these auf manche Schwierigkeiten stosse. Man kann gegen die- selbe geltend machen, dass beim Axolotl vielfach auf weite Streeken sehr ausgebildete Intercellularräume vorkommen, ohne dass Ley- dig’sche Zellen in der Nähe vorhanden sind, z. B. an der Schwanz- flosse. Die Leydig’schen Zellen finden sich über den grössten Theil der Epidermis des einjährigen Axolotl’s verbreitet. Die Vertheilung derselben zwischen den gewöhnlichen Epi- dermiszellen lässt sich besonders deutlich an Schnitten erkennen, die dem Rücken entnommen und die durch die Epidermis parallel der Körperoberfläche geführt sind. Hier sieht man über grosse Strecken hin eine sehr zierliche Anordnung der Leydig’schen Zellen, die Pfitzner sehr zutreffend mit dem Bilde vergleicht, das das Rohrgeflecht eines Stuhlsitzes giebt. Auch auf senkrecht zur Oberfläche durch die Epidermis des Rückens geführten Schnitten tritt diese Vertheilung der Leydig’schen Zellen zwischen die ge- wöhnlichen Epithelzellen in ähnlicher Weise hervor. Die Leydig'- schen Zellen erscheinen entweder in einer einfachen oder einer doppelten (Figur 1) oder selbst mehrfachen (bis achtfachen) Reihe (Figur 7) angeordnet. Niemals treten sie an die freie Oberfläche, sondern stets sind sie noch von einer bald grössern, bald gerin- sern Anzahl gewöhnlicher Epithelzellen bedeckt. Auch berühren die Leydig’schen Zellen, wie aus Figur 1, 5, 7, 12, 13, 14, 22 er- sichtlich ist, die Cutis nicht direet, sondern sind stets von derselben durch gewöhnliche Epithelzellen getrennt. An manchen Stellen ist eine Leydig’sche Zelle nur durch einen schmalen Fortsatz einer Epithelzelle von der Cutis getrennt. Die Leydig’schen Zellen finden sich jedoch nicht über die gesammte Epidermis verbreitet; es giebt einzelne Körperstellen, in denen sie vollständig fehlen. Hierher gehört zunächst der freie Rand oder die Kante der Flosse, sowohl auf der Bauch-, als auch auf der Rückenseite (Figur 10). In einiger Entfernung von der freien Kante sieht man dann zu- nächst einzelne, zersprengte Leydig’sche Zellen zwischen den gewöhnlichen Epithelzellen. Die Leydig’schen Zellen rücken dann immer näher zusammen, bis sie in der oben beschriebenen Anord- nung erscheinen und in einfacher und später mehrfachen Lagen Ueber die Haut des Axolotls. 107 über einander geschiehtet sind. Die Leydig’schen Zellen schneiden also an der Flosse nicht mit einer scharfen Linie gegen die Epi- dermisstrecke ab, die ganz frei von ihnen ist, sondern es findet ein allmählicher Uebergang statt. Ganz frei von Leydig’schen Zellen habe ich weiterhin die Spitzen der Finger gefunden (Fig. >). In geringer Entfernung von der Fingerspitze sieht man auf Längs- schnitten, die dureh die letzte Phalanx gelegt sind, bereits verein- zelte Leydig’sche Zellen auftreten. Dieselben rücken alsdann näher zusammen und sind am Vorderarm auf der Dorsalfläche reichlich vorhanden, während ich an der Volarfläche des Vorder- arms noch grössere Strecken von Epidermis ohne Leydig’sche Zellen angetroffen habe (Fig. 17 und 28). Weiterhin ist die Epi- thelialbedeckung, welche die Kiemenfiederehen überzieht, ganz ohne Leidig’sche Zellen (Fig. 20 und 21). Sehr bald treten aber, nachdem die Epidermisschieht an den Kiemenstämmchen mächtiger geworden ist, einzelne Leydig’sche Zellen auf, die allmählich näher zusammenrücken. Das Epithel der Mundhöhle ist frei von Ley- dig’schen Zellen, auch hier treten beim Uebergang auf die äussere Haut sowohl an der Oberlippe, wie an der Unterlippe zunächst vereinzelte, dann reichlichere Leydig’sche Zellen auf. Becherförmige Zellen. Diese Zellenart habe ich nur an einer einzigen Körperstelle, nämlich an der innern Fläche des Kiemendeckels gefunden. Die Epidermis ist hier im Allgemeinen sehr dünn; sie setzt sich nur aus wenigen Zellenlagen zusammen. Zwischen einzelnen Leydig’- schen Zellen fielen mir bei Doppelfärbungen mit Pierocarmin und Methylenblau einzelne Zellen auf, deren Protoplasma violett gefärbt war und die sich hierdurch von den rosa gefärbten Leydig’schen Zellen unterschieden. Die Zellen besassen ein völlig homogenes Protoplasma und verschmälerten sich nach der freien Oberfläche zu in einen dünnen Hals, der mit einer feinen Oeffnung zwischen zwei Cutieularzellen mündete (Fig. 8 e). Sehr charakteristisch war in sämmtlichen derartigen Zellen das Verhalten des Kerns, der besonders bei Doppelfärbungen mit Pierocarmin und Methylenblau deutlich hervortrat (Fig. 8 f). Der Kern hatte eine sichelförmige Gestalt und lag im Grunde der Zelle der Zellenmembran dicht an. 138 Paulicki: Er lag stets an der, der Oeffnung entgegengesetzten Stelle der Zelle. Einige dieser Zellen zeigten keine deutliche nach aussen führende Oeffnung, sondern erschienen geschlossen. An mehreren Stellen lagen dieselben zu 3 oder 4 nahe bei einander. Die Zahl derselben war überhaupt nur eine mässige; in einem Präparat wurden höchstens 6—8 Becherzellen gesehn. Ueber die Entstehung dieser Zellen konnte ich an den mir vorliegenden Präparaten keinen Aufschluss erhalten. Beobachtungen an jüngeren Thieren dürften wohl ergeben, dass sich diese Becherzellen durch allmähliche Diffe- renzirung aus gewöhnlichen Epithelialzellen entwickeln. Nach dem was wir über die weiteren Schicksale der Leydig’schen Zellen mitgetheilt haben, ist es nicht anzunehmen, dass sich dieselben in Becherzellen umwandeln. Die Funktion dieser Becherzellen besteht in der Absonderung von Schleim an die Oberfläche und es passt somit auf diese Gebilde die Bezeichnung Leydig’s als einzellige Drüsen. Verbindungen der Epidermiszellen. Intercellularstrueturen. Die Intercellularbrücken traf ich beim Axolotl im IV. Stadium seiner Entwicklung an mehreren Körperstellen von ganz vorzüg- licher Klarheit an. In erster Linie gehören hierher die grossen polygonalen Epi- dermiszellen mit grossen runden Kernen, die sich an der Finger- kuppe unter dem Stratum corneum befinden (Fig. 3). Hier sind sowohl an Picrocarmin- wie auch an Hämatoxylinpräparaten treppenartig von einer Zelle zur andern herübergehende Brücken zu sehen, die sich in sämmtlichen Dauerpräparaten sehr gut erhal- ten haben. Diesem Befund kaum nachstehend verhielten sich die untersten Zellenlagen der Epidermis an der Schnauzenspitze (Fig. 2). An vielen Körperstellen waren jedoch die Intercellularbrücken nicht annähernd so deutlich zu sehen. Man sah oft nur eine leichte Zähnelung des Randes (Fig. 12, 13); häufig war aber auch von Intercellularstrukturen überhaupt nichts zu sehen. Die Intercellularbrücken lassen zwischen sich Lücken, die ein zusammenhängendes, die Zellen allseitig umgebendes Kanal- Ueber die Haut des Axolotls. 139 system darstellen. Dieses Kanalsystem ist während des Lebens erfüllt mit einer Flüssigkeit, welche zur Ernährung der Zelle dient. Nach Pfitzner (2,495) sind bei der Larve von Salamandra macu- losa die intereellularen Hohlräume gegen die Oberfläche der Epi- dermis nicht abgeschlossen, sondern münden, wenigstens bei jüngern Larven, offen an der Oberfläche aus. Pfitzner theilt dann wei- terhin mit, dass sich die hierdurch geschaffene Möglichkeit einer freien Kommunikation zwischen der intercellularen Flüssigkeit und dem das Thier umgebenden Medium direkt unter dem Mikroskop beobachten lasse. Man soll aus den Oeffnungen der Intercellular- räume, wenn man eine geeignete Stelle längere Zeit betrachtet, gelegentlich kleine Tröpfchen einer Substanz herausquellen sehen, die stärker lichtbreehend ist als Wasser. Durch die zur Härtung benützten Reagentien gerinnt die intereellulare Flüssigkeit zu einer feinkörnigen Gerinnungsmasse, die man durch Abspülen im Wasser entfernen kann. Ein freies Ausmünden der Intereellularräume an die Oberfläche habe ich an keiner Stelle mit Sicherheit eonstatiren können. Es ist möglich, dass die Untersuchung am lebenden Thier auch beim Axolotl hier andere Resultate ergiebt. In den verhornten Zellen des Stratum corneum war weder an der Schnauzenspitze, noch an der Fingerkuppe eine Spur von Intercellularbrücken zu sehen (Fig. 2 und 3). An ersterer Stelle zeigten aber bereits die unmittelbar unter dem Stratum corneum liegenden kubischen Zellen leicht zackige Zellgrenzen und an der untersten Lage der Epidermis waren sehr gut entwickelte Inter- cellularbrücken zu sehen (Fig. 2). Auch an der Fingerspitze begannen sehr bald unter der Hornschicht die Epidermiszellen deut- liehe Intercellularbrücken zu zeigen. Die untersten, der Cutis unmittelbar aufsitzenden Zellen zeigten an beiden genannten Stellen ein sehr auffälliges Verhalten. Das der Cutis zugewandte Ende der Zellen zeigte sich mit langen, blassen, franzenförmigen, divergirenden Fortsätzen besetzt (Fig. 21); die Zellen waren meist schmal und in die Länge gestreckt. Durch Hämatoxilin färbten sich der Zellenkern und Zellenleib intensiv, während die blassen fingerförmigen Fortsätze völlig ungefärbt erschienen. Bei g fand sich eine Rundzelle; dieselbe war auf jeder Seite von einer halbmondförmig gekrümmten Zelle mit grundstän- digem Kern und gefranztem freiem Ende versehn. Nach beiden 140 Paulicki: Seiten zu von der Rundzelle ausgehend behielten alsdann die nächst- folgenden Zellen eine gleiche schiefe Richtung gegen die Cutis bei, so dass beide Zellenreihen convergirend zu einander gerichtet waren. Ganz ähnliche lange, blasse, franzenförmige Fortsätze habe ich an den untersten Zellen der Fingerspitze gesehen (beson- ders deutlich in Präparat Nr. 98). Dieselben waren hauptsächlich an den letzten Seitenpartien, weniger unmittelbar unter der Kuppe, entwickelt. Weiter unten am Finger, jedoch noch im Bereich der letzten Phalanx, zeigten die untersten Epidermiszellen mehr oder minder vorspringende stumpfe Zacken, die in die Cutis eingriffen. Chromatophoren. Verästelte Pigmentzellen habe ich häufig an allen möglichen Körperstellen mitten in der Epidermis angetroffen. Besonders zahlreich fand ich sie in der Epidermis des Kiemenstammes; reich- lich fand ich sie aber auch am Kopf, am Finger, am Vorderarm, während sie am Bauch, an der Seite und am Rücken relativ sel- tener gefunden wurden. Die Chromathophoren stellten sich als schwarze, verästelte Figuren dar, die mitten zwischen den Epithel- zellen lagen und die ihre Ausläufer zwischen die Epidermiszellen hinein oft auf weite Entfernungen verbreitet fortschickten (Fig. 11 u. 28). An vielen Stellen erschienen aber die Chromatophoren nicht als verästelte Figuren, sondern als ein rundlicher, schwarzer, völlig undurehsichtiger Klumpen. Mitunter sah ich im Innern einer wasserhellen Epidermiszelle einen runden, schwarzen Klum- pen (Fig. 28 e); einigemale liess ein derartiger Klumpen noch ein Segment eines Kerns erkennen (Fig. 28 f). Chromatophoren fand ich in der Epidermis in allen Schichten, sowohl dicht unter der Cutieularschieht (Fig. 11), als auch in der Mitte derselben (Fig. 28) und unmittelbar der untersten Zellenlage aufsitzend. Wanderzellen. Mehrere male trafich Epidermisstreeken an, wo die gesammte Epi- dermis durchsetzt war von reichlichen Rundzellen. Die Rundzellen sassen zwischen den Epidermiszellen und unterschieden sich von den- selben durch die Kleinheit ihrer Kerne. Die Vermuthung, dass es sich Ueber die Haut des Axolotls. 141 um eingewanderte, in den Intereellularräumen befindliche Zellen handle, wurde an verschiedenen Präparaten dadurch bestätigt, dass an derselben Stelle auch in der Cutis eine reichliche Rundzellen- ansammlung vorhanden war. Derartige Epidermisstrecken, die jedoch meist von geringer Ausdehnung waren, traf ich am Kie- menstamm (Präparat Nr. 29) und in der Haut des Rückens an. Die eingewanderten Zellen waren bis zur Cutieularschicht vorge- drungen und erschienen in ihrer Gestalt sehr verändert. Pfitzner (2,498) erwähnt eines ähnlichen Befundes von der Larve des gefleekten Salamanders. Organe eines sechsten Sinnes. Nervenhüsgel. Bei Schnitten, die ich senkrecht durch die Haut der Seite gemacht hatte, fielen mir kegelförmige Gebilde auf, die mit ihrer Basis der Cutis aufsassen, sich durch die Epidermis erstreckten und im Innern an der Spitze einen hellen Raum hatten, der durch eine Oeffnung an der Oberfläche der Epidermis ausmündete (Fig. 31 f). Die Gebilde schlossen, wie sich sofort deutlich heraus- stellte, zweierlei verschiedene Kerne ein. Zunächst fanden sich langgestreckte, der Cutis senkrecht aufsitzende, dicht bei einander gestellte Kerne, die sich durch Pierocarmin roth färbten und die im Grunde langgestreckter, bis an die obere Grenze der Epidermis reichender, bogenförmig gekrümmter Zellen mit fasrig gestreiftem Protoplasma sich befanden. Dann aber fanden sich runde, stark körnige Kerne, die sich dureh Pierocarmin gelb färbten, gruppen- weise beisammengelagert in dem mittleren Raum, den die lang- gestreckten Zellen zwischen sich frei liessen, vor. Aehnliche Bildungen sind zuerst von Leydig bei Fischen als nervöse End- apparate erkannt worden. Leydig hat sie Organe eines sechsten Sinnes genannt, mit welcher Bezeichnung eben gesagt ist, dass man über die Funetion derselben niehts Bestimmtes weiss. Auch ist für diese Gebilde die Bezeichnung Nervenhügel, indem sie einem Nerven hügelförmig aufsitzen (Fig. 30), in Vorschlag gebracht worden. Die äusseren langgestreckten Zellen werden als Mantel-, Stütz- oder Deckzellen bezeichnet (Fig. 31 d und 30d), während die im 142 Paulicki: Innern des Kegels gelegenen Zellen, welchen die runden Kerne angehören, Sinneszellen heissen (Fig. 31 e und 30 e). Mitunter sah ich an das Organ von der Cutis her ein strangartiges Gebilde mit langgestreckten grossen Kernen in seiner Wandung herantreten und sich der Mitte der Basis des Organs inseriren. Ich glaube dieselben als Nervenfasern beanspruchen zu dürfen, obwohl mark- haltige Fasern in denselben nicht nachgewiesen wurden. Zwischen zwei benachbarten Sinnesorganen fanden sich nur Epidermiszellen, keine Leydig’schen Zellen vor. Leydig’sche Zellen begannen erst in einiger Entfernung nach aussen von den Sinnesorganen (Fig. 31). Die den Sinnesorganen zunächst liegenden Epidermiszellen erschienen stark abgeplattet (Fig. 31, 30, 28, 17). Ich bemühte mich nun, über die Vertheilung dieser Organe in der Haut der Seite Aüfschlüsse zu bekommen und fertigte zu diesem Zwecke Schnitte an, die parallel der Oberfläche durch die Epider- mis in verschiedenen Höhen gelegt worden waren. Die Präparate waren zum Theil mit Goldehlorid behandelt worden und ergeben wenigstens über die gruppenweise Beisammenlagerung der Organe und die Form derselben einigen Aufschluss, wenn auch im Uebri- sen die von diesem Reagens erwarteten Erfolge sich nicht bestä- tigten. Es stellte sich heraus, dass die Organe an der Seite stets zu 6 bis 8 gruppenweise beisammen liegen und dass die Form derselben einen länglich gestreckten Kegel darstellt. Am reichlichsten habe ich sie an der Seite, sparsamer dage- gen am Rücken angetroffen. Am Bauch habe ich in den Präpa- raten, die mir vorgelegen haben, keine gefunden. An der Unter- kiefergegend und am Hals habe ich vereinzelte, nicht gruppenweise beisammen liegende Sinnesorgane gesehen. Am Kopf waren in den mir vorliegenden Präparaten keine vorhanden, dessgleichen an den Extremitäten. Ich gebe aber gern die Möglichkeit zu, dass die Sinnesorgane weiter verbreitet sind, als hier mitgetheilt wor- den ist. Die Präparate, die mir vorgelegen haben, waren nieht dazu geeignet, über das Verhalten der Sinneszellen Aufschlüsse zu erthei- len. Hierzu sind Untersuehungen am lebenden Thier nothwendig. Ich sah wohl öfters von den Sinneszellen nach der freien Ober- fläche zu haarähnliche Fortsätzen sich erstrecken (Fig. 30 i), jedoch ragten dieselben niemals aus der Mündung hervor. Auch fanden sich dieselben durchaus nicht bei allen Sinneszellen vor. Ueber die Haut des Axolotls. 143 Am Hals traf ich zahlreiche Nervenhügel an, die von einer mehr oder minder dieken Epidermisdecke überbrückt waren (Fig. 28). Die Schnitte waren sämmtlich in senkrechter Richtung zur Cutis geführt worden und es war der Einwand, dass es sich vielleicht um Präparate gehandelt habe, in denen die Nervenhügel in einem schiefen Winkel zur Cuftis durchschnitten worden seien, nicht begründet. Sämmtliche Nervenhügel, die mir an dieser Körpergegend zahlreich zu Gesichte kamen, zeigten sich von einer Epidermis- brücke überdeckt. An einzelnen Hügeln war die bedeckende Brücke nur dünn und bestand aus einer einfachen Lage von Epidermis- zellen. Bei andern war die Decke dieker; sie bestand aus einer 4 bis 5fachen Zellenlage (Fig. 28). Der Kegel, den das Organ bildete, war dementsprechend niedriger und flacher. Man konnte noch deutlich die reihenweise neben einander gestellten länglichen Kerne der Mantelzellen von den oberhalb derselben gelegenen run- den Kerne der Sinneszellen unterscheiden. Auch waren die Zellkör- per der Mantelzellen, die durch ihr streifiges Aussehen auffielen, noch deutlich zu erkennen. Neben diesen Präparaten kamen mir damn weiterhin solche zu Gesichte, wo die den Nervenhügel bedeckende Epidermisdecke fast die Dieke der umgebenden Epidermis hatte. Die Nervenhügel stellten flache, kaum bis zum 4. Theil der Epi- dermis sich erhebende Gebilde dar, die sich als solehe dureh die dieht neben einander gestellten langgestreckten Kerne zu erkennen gaben. Von Sinneszellen war nichts wahrzunehmen; auch war der Zellenleib der zurückgebildeten Mantelzellen sehr geschwunden. Ich lasse es dahin gestellt, ob folgender Befund, der mir öfters an der gleichen Körperstelle zu Gesichte gekommen ist, ebenfalls als ein zurückgebildeter Nervenhügel zu deuten ist (Fig. 17), oder ob es sich um eine beginnende Drüseneinstülpung gehandelt hat. Der Cutis, die an diesen Stellen etwas eingesunken erschien, sass ein Gebilde auf, das wie die übrigen Nervenhügel durch abge- plattete Epidermiszellen von der umgebenden Epidermis abgegrenzt wurde. Das Gebilde selbst zeigte zwei Reihen von Zellen, eine untere, der Cutis unmittelbar aufsitzende (Fig. 17 g), deren Kerne rund und intensiv gefärbt waren, im Uebrigen jedoch keine deut- liche Zellengrenzen erkennen liessen, und eine obere (Fig. 17 h). Letztere zeigte ebenfalls runde, aber blasser gefärbte Kerne, einen srössern Zellenleib und deutliche, zum Theil gekrümmte Zellgren- 144 Paulicki: zen. Die.Zellen der letzten Reihe umschlossen einen rundlichen Hohlraum, der nach oben zu ausgebuchtet und von Epidermiszellen überdeckt erschien. Es ist möglich, dass aus den Zellen der Sinnesorgane hier wieder gewöhnliche Epithelzellen geworden sind. b. Cutis. Die Grundlage der Cutis bildet Bindegewebe, welches in zwei verschiedenen Modificationen, einer festeren, dichteren und einer weicheren, lockeren vorkommt. Die erstere bildet wagerechte, der Körperoberfläche folgende Lagen, welche die Cutis nach aussen und innen abgrenzt und welche wir als äussere und innere Cutis- lamelle bezeichnen wollen. Die letztere Modification, das weiche lockere Bindegewebe, füllt den Raum zwischen beiden Cutislamellen, der bald breiter, bald schmäler ist, aus. Es bildet Züge, die in senkreehter Richtung sich von einer Lamelle zur andern erstrecken. Sowohl die äussere wie die innere Cutislamelle färben sich inten- siv roth durch Pierocarmin, während das zwischen beiden Lamellen befindliche oft in wellenförmigen Zügen verlaufende Bindegewebe nur eine schwache Färbung seiner Fibrillen zeigt. Die obere Cutis- lamelle erscheint an Picrocarminpräparaten meist nur als ein dünner rother Sauum, der der untern Grenze der Epidermis folgt (Fig. 5 g)- Von dieser äusseren Cutislamelle aus erheben sich zwischen den untersten Zellen der Epidermis, welche der Cutis unmittelbar auf- sitzen, Kleine Leistchen (Fig.7e und 30 f), die die untersten En- den der Epidermiszellen allseitig umfassen. An mehreren Stellen hat die obere Cutislamelle ein homogenes Aussehen, an andern Stellen erscheint sie aus einigen Fibrillen zusammengesetzt. Die untere Cutislamelle ist durchschnittlich viel stärker entwickelt als die obere. Auf eine mehr homogene, untere Schicht (Fig.5 e) fol- gen blattartig aufeinander gelegt horizontale Schichten, die von Strecke zu Strecke an einander angeheftet sind, während sich die dazwischen gelegenen Partien bogenförmig nach aussen erheben (Fig.5 h, 15 e). An manchen Körperstellen nähern sich die äusseren und die inneren Cutislamellen (Fig. 1) und fliessen schliesslich zu einer einzigen Lamelle zusammen, die sehr dünn werden kann. In dem lockeren Bindegewebe verlaufen Kapillargefässe. Dieselben bilden dieht unter der Epidermis Netze. Bei sehr vielen Präpa- Ueber die Haut des Axolotis. 145 raten waren einzelne Kapillargefässe auf dem Querschnitt getroffen. Man sah dieht unter der Epidermis kreisförmige Figuren, die ge- wöhnlich einige Blutkörperchen einschlossen (Fig. 28 f, 17 f,30 8). Nicht selten hatte der Schnitt das Gefäss in seiner Längsrichtung freigelegt. Man sah alsdann ebenfalls dicht unter der Epidermis hinziehend ein mit Blutkörperchen gefülltes Capillargefäss. Seltener als die unter der Epidermis liegenden Kapillarge- fässe traf ich solche an, die sich in senkrechter Richtung von der inneren Cutislamelle nach der äusseren erstreckten. Auch diese waren stets mit Blutkörperchen erfüllt. Lymphräume kommen in der Cutis nieht annähernd von der Entwicklung vor, wie sie sieh im subeutanen Gewebe vorfinden. Am meisten entwickelt traf ich sie in der Cutis des Halses. Hier stellten sie scharf begrenzte rund- liche, wasserhelle Räume dar (Fig. 14f). Sehr selten bekam ich Nervenstämme zu Gesichte, die die Cutis durehsetzten und sich an die untere Fläche der Sinnesorgane begaben (Fig. 30h). ‘In der Cutis sind weiterhin eingelagert die Drüsen, welche wir gleich den Chromatophoren gesondert besprechen wollen. Chromatophoren- Chromatophoren finden sich in der Cutis in sehr reichlicher Verbreitung vor (Fig. 1,5, 11, 12, 13, 14, 15, 22, 28, 29, 30). Sie stellen verästelte schwarze Figuren dar, an denen man einen mittleren Theil, den Zellenleib, und von demselben nach verschiedenen Rich- tungen hin sich erstreckende Fortsätze, die sich meist noch weiter- hin verästeln, unterscheiden kann. In Figur 16 habe ich eine Chro- matophore aus der Cutis der Kopfhaut bei starker Vergrösserung abgebildet. Das ganze Gebilde erweist sich als aus einer homo- genen Grundsubstanz bestehend, in welche äusserst reichliche, schwarze Pigmentkörnchen eingelagert sind. Je nachdem die Pigment- körnehen dichter bei einander gelagert sind oder weiter aus ein- ander gerückt sich befinden, erscheint der Theil der Pigmentzellen dunkler oder heller. An vielen Chromatophoren, die ich zu Ge- sichte bekam, war der mittlere Theil der Zelle dunkel oder selbst völlig undurchsichtig, während die Aeste heller waren und einzelne Körnchen erkennen liessen. Mitunter war aber auch das Gegen- theil der Fall. Die Aeste erschienen dunkler, während der mitt- 146 Paulicki: lere Theil der Zelle heller war. Einen Kern habe ich nur aus- nahmsweise in den Ohromatophoren der Cutis wahrgenommen. Selten sah man eine rundliche hellere Figur zwischen den undureh- sichtigen, schwarzen Massen, die als Kern gedeutet wurde (Fig. 11 und 23). Die Enden der Aeste verbreiterten sich häufig und liefen in mehrere, verschieden gestaltete Zacken aus (Fig. 16). Mitunter waren einige Aeste auffallend lang. Es waren dies besonders solche Aeste, die sich senkrecht zur Hautoberfläche erstreckten (Fig. 18). Die Chromatophoren fanden sich in der Cutis am reichlichsten dicht unter der Epidermis. Die Aeste der Chromatophoren bildeten an manchen Stellen, wie am Kopf, ein dichtes schwarzes Geflechtwerk, welches unter der Epidermis herzog. Meistentheils hatten die Chromatophoren ihre Aeste ausgestreckt und umklammerten hier- mit die obere Cutislamelle. Mitunter waren sie auch zu klumpigen Massen, ohne Fortsätze, zusammengeballt. Durch die ganze Cutis hindurch fanden sich an den verschiedensten Stellen vereinzelte Chromatophoren. Hatte die Cutis nur eine geringe Mächtigkeit, wie an der innern Fläche des Oberschenkels der hintern Extremi- tät, so erstreckten sich die Chromatophoren durch die ganze Cutis hindurch von der inneren Lamelle bis zur äusseren (Fig. 1). Mit- unter sah ich Capillargefässe in der Cutis, deren Wandungen von den Aesten einer oder mehrerer Chromatophoren umfasst waren. Auch traf ich nicht selten Drüsen an, deren Wand von den Aesten einer Chromatophore umklammert wurde (Fig. 23 und 24). Es machte den Eindruck, als ob die Chromatophoren durch die obere Cutislamelle oder durch die Drüsenwandung in ihrer aktiven Wan- derung aufgehalten worden sind. Zwischen den Drüsen und der Epidermis fanden sich häufig abgeplattete Chromatophoren (Fig. 22 und 23). Sehr häufig hatte der Schnitt nur einzelne Segmente von den Chromatophoren zurückgelassen. Dieselben erscheinen dann als kleinere schwarze Flecken oder als kleinere verästelte Figuren (Fig 5, 11, 15, 23). Drüsen. Die Cutis des Axolotls im Stadium IV seiner Entwicklung ist äusserst reich an drüsigen Gebilden, die unmittelbar unter der Epidermis sitzen, die aber alle den höchst auffallenden Befund ergeben, dass sie keinen Ausführungsgang durch die Epidermis Ueber die Haut des Axolotls. 147 nach aussen besitzen. An keiner einzigen Drüse und es sind deren viele hunderte gewesen, die mir von den verschiedensten Körper- stellen herstammend zu Gesichte gekommen sind, habe ich einen Ausführungsgang durch die Epidermis gesehen. Sämmtliche Drüsen waren geschlossen. Was zunächst die Grösse der Drüsen anbetrifft, so ist dieselbe ausserordentlich grossen Schwankungen unterworfen. Es giebt ganz grossexDrüsen, die man auf Durchschnitten bereits mit unbewaff- netem Auge deutlich erkennt (Figur 23 und 29) und die etwa lmm lange, neben einander gestellte, dicht unter der Epidermis befindliche Gebilde darstellen. Es giebt weiterhin aber auch ganz kleine nur mikroskopisch wahrnehmbare Formen (Fig. 1f). Zwischen diesen beiden Extremen kommen alle möglichen Uebergänge vor. Die Gestalt der Drüsen ist ebenfalls eine verschiedene: spin- delförmig (Fig. 23), eiförmig (Fig. 29 und Fig. 5 a), rund (Fig 14) abgeplattet (Fig. 15) und langgestreckt. Die Drüsen erstrecken sich entweder durch die ganze Dicke der Cutis (Fig. 29, 1, 14, 15) oder sie nehmen nur einen Theil der Cutis ein (Fig. 5). Erreichen die Drüsen die untere Cutislamelle, so erscheinen sie derselben oft nicht senkrecht, sondern schief aufgesetzt, was am Rücken häufig vorkommt. Auf einem excessiven Wachsthum beruht wohl die Abplattung der Kugelform (Fig. 15). Ich habe das Verhalten der Drüsen an zahlreichen Schnitten studirt, die sowohl in senk- rechter Richtung durch die Drüsen, als auch in horizontaler Rich- tung der Körperoberfläche parallel geführt worden sind. Bei senk- recht geführten Schnitten wurden die Drüsen bald in der Mitte getroffen, so dass sie im Zusammenhang mit der Epidermis er- schienen (Fig. 29), bald wurden sie in der Peripherie getroffen, so dass nur ein Segment der Drüse zurückgeblieben war, welches mitten in der Outis sass und nicht in Verbindung mit der Epider- mis stand (Fig. 27). Die horizontal, der Körperoberfläche parallel geführten Schnitte hatten die Drüsen in den verschiedensten Höhen getroffen (Fig. 24, 25, 26). Die Schnitte durch die Drüsen, die zum Theil als zusammenhängende Serien aufbewahrt worden sind, zeigten, dass man zunächst eine die Drüse nach aussen abgegrenzte Membran und eine der Innenfläche dieser Membran aufsitzende Epithelialbekleidung unterscheiden kann. Die Drüsenmembran ist an den grössern Drüsen deutlich doppelteonturirt und etwa von derselben Dicke wie die obere, an die Epidermis grenzende Cutis- Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 25. 10 148 Paulicki: lamelle; sie zeigt häufig ein längsgestreiftes Aussehen und schliesst ganz regelmässige Kerne ein. Die Kerne sind bei den grössern Drüsen platt gedrückt (Figur 29 und 23) und finden sich gewöhn- lich in grösserer Anzahl in einer Drüsenwand vor. Bei den kleinern Drüsen dagegen erscheinen die in der Wandung befindlichen Kerne mehr rundlich oder spindelförmig. Mitunter sieht man mehrere plattgedrückte Kerne in der Drüsenwand übereinander liegen, die sich dureh ihre Gestalt wensentlich von den Kernen der Drüsen- zellen unterscheiden. Die Kerne gehören glatten Muskelfasern an. Unter den Drüsen kann man nun weiterhin solche unterscheiden, die in ihrem Innern ein Lumen einschliessen (Fig. 5 al, 15, 26) und solehe die keine Lumen haben (Fig. 23, 29, 24, 25). Im All- gemeinen kommen die Drüsen mit Lumen nur bei den kleine- ren Formen vor, während zu den soliden Drüsen alle grössern gehören. Was die Form der Drüsenzellen anbetrifft, so stellen dieselben bei den grossen Drüsen grosse Polygone, mit geradlinigen oder leicht gekrümmten Grenzen dar (Fig. 23, 29, 24, 25, 27). Dies Verhältniss deutet darauf hin, dass die Drüsenzellen bei ihrem excessiven Wachthum sich gegenseitig abgeplattet haben. Bei den kleinern Drüsen, die ein Lumen haben, nähert sich die Gestalt der Drüsenzelle mehr der Form einer gewöhnlichen Epidermiszelle. Es sind kubische Zellen, die mit einer breiteren Fläche der Drüsen- wand aufsitzen, und eine schmälere Fläche dem Drüsenlumen zu- kehren (Fig. 5 a! und 26). Die Zahl der Zellen, aus welchen eine Drüse besteht, lässt sich aus den Längs- und Querschnitten durch die Drüse annährend berechnen. In Figur 23, einem Längsschnitt durch eine Drüse des Rückens, sind 9, in Figur 29, 15, in Figur 24, 9, in Figur 25 dagegen nur 4 Drüsenzellen durch den Schnitt blosgelest worden. Es ergiebt sich daraus, dass die einzelnen Drüsenzellen von ganz colossaler Grösse sein müssen. In Figur 25 nimmt eine einzige Drüsenzelle über die Hälfte der Peripherie der Drüse an dieser Stelle ein. Im Gegensatz zu diesen colossalen Drüsenzellen, wie sie in der Rückengegend vorkommen, finden wir die Drüsenzellen in Figur 1, einem Schnitt durch die Haut des Öberschenkels einer hintern Extremität. Hier finden wir die Drüse nur aus einem Haufen dicht bei einander gedrängter Kerne beste- hen (Fig. 1 f). Das zu dem Zellenkern gehörige Protoplasma ist daher an diesen Zellen jedenfalls sehr gering. Die Kerne der Ueber die Haut des Axolotls. 149 Drüsenzellen zeichnen sich an den grossen Drüsen durchschnittlich ebenfalls durch ihre colossale Grösse aus. Besonders erscheint der Kern der vordersten Drüsenzelle, welche unmittelbar an die Epidermis grenzt, häufig von ganz enormer Grösse; er kann die Kerne der Leydig’schen Zellen um das Vielfache übertreffen (Fig. 7 £f und 29 e). Die Kerne der übrigen Drüsenzellen sind gewöhnlich kleiner, als die der vordersten Zelle; nicht selten haben die der vordersten Zelle zunächst liegenden Drüsenzellen ebenfalls noch colossale Kerne; ja ich habe Drüsen gesehen, wo sämmtliche Drüsenkerne gleich gross und von sehr bedeutender Grösse waren. Was nun die Form der Drüsenkerne anbelangt, so zeigen dieselben sehr häufig die Gestalt einer Halbkugel (Fig. 29 e und 23 f). Diese halbkugelförmige Gestalt des Kernes findet sich aber nur dann vor, wenn die Kerne der Drüsenwandung unmittelbar auf- sitzen, Ist dies nicht der Fall, so haben in den grössern Drüsen die Drüsenkerne eine Kugelgestalt (Fig. 29d und 5a). Unter den kleinern Drüsen hat der Kern häufig eine abgeplattete Gestalt und erinnert dann in seinem ganzen Aussehen an die Kerne der unter- sten Epidermiszellen (Fig. 5 al). An kleinen runden Drüsen des Halses fand ich solche, die einen einzigen colossalen runden Drüsenkern und ausserdem nur noch einige abgeplattete kleine Drüsenkerne einschlossen. Die Lage des Drüsenkernes ist eine ganz constante. Der Kern liegt entweder der Drüsenwand unmittelbar an, oder er liegt in nächster Nähe derselben (Fig. 29, 24, 25). Die Drüsenkerne zeigen ein ausgesprochen granulirtes Aussehen. Man unterscheidet in denselben grössere und kleinere, das Licht verschieden stark brechende Körnchen. Kemtheilungsfiguren sind mir an den Kernen der Drüsen- zellen nur selten zur Beobachtung gekommen. Sehr häufig fand ich Drüsenzellen mit 2, meist aus einander gerückten Kernen (Fig. 29f, 27). Die Drüsenkerne nehmen durch die verschiedenen Färbe- mittel dieselbe Färbung an, wie die Kerne der Epidermis- und Leydig’schen Zellen und wie die Kerne der Mesodermzellen. Das Protoplasma der Drüsenzellen zeigte in den verschiedenen Drüsen ein verschiedenes Verhalten. In den ganz grossen Drüsen (Fig. 23,29, 24, 25) ist dasselbe von trübem, feinkörnigem Aussehen. Man sieht dicht bei einander gelagert grössere und kleinere Körnchen. 150 Paulicki: Mitunter sind einzelne Regionen der Drüsenzelle von hellerem, mehr durchscheinendem, andere von dunklerem Aussehen (Fig. 23). Im. Allgemeinen besitzen aber die Drüsenzellen ein durchweg gleichar- tiges Aussehen. In den grossen Drüsen findet sich nun fast regelmässig die vorderste Drüsenzelle von anderm Aussehn als die übrigen Drü- senzellen (Fig. 23 und 29). Die Zelle erscheint zunächst bedeu- tend heller und besitzt nicht das gleichmässige körnige Aussehen, sondern auf einer wasserhellen Grundfläche sieht man Figuren, die in ihrem Aussehen an Fetttropfen erinnern. Es macht den Ein- druck, als ob hier das Protoplasma der Zelle in eine fettige Secret- masse umgewandelt wäre. An vielen Drüsen zeigt nur die vor- derste Zelle diese Umwandlung ihres Protoplasmas. Es kamen mir aber auch Drüsen zu Gesichte, in denen auch eine oder selbst mehrere, entweder an die vorderste Zeile unmittelbar angrenzende oder doch benachbarte Zellen ein gleiches helles Aussehen dar- boten. Auf Längsschnitten ist oft ein helles Zellensegment (Fig.29h) von der vordersten Zelle durch eine granulirt aussehende Zellbrücke (Fig. 291) getrennt. Auf Querschnitten durch den obern Theil der Drüse begegnete ich oft Bildern, wie sie in Figur 25 dargestellt sind. Man sieht ein Segment einer Drüsenzelle mit umgewandeltem hellem Protoplasma zwischen Drüsenzellen mit dunklerem körnigem Protoplasma. Einigemale sind mir Drüsen begegnet (am Bauch), wo die Aufhellung des Protoplasmas der Drüsenzellen bis nahe an das untere Ende der Drüse ging. Ich habe jedoch keine Drüse gesehen, wo die Aufhellung bis an die unterste Spitze gereicht hätte. In den kleinern Drüsen hatten die Drüsenzellen ein helles, leichtkörniges Protoplasma (Fig. 15 und 5a). Besonders war dies bei sämmtlichen Drüsen der Fall, die im Innern ein Lumen ein- schlossen. Das Lumen erschien bei denselben häufig angefüllt mit einer Masse, die sich ähnlich verhielt, wie die Sekretmasse in den vordersten Drüsenzellen der grossen Drüsen (Fig. 26). Gegen Färbestoffe verhielt sich das Protoplasma der Drüsen- zellen genau so, wie das Protoplasma der Leydig’schen Zellen, woraus vielleicht auf eine Verwandtschaft in der Funktion beider Gebilde geschlossen werden kann. Goldehlorid färbte die Drüsen- zellen graublau; genau denselben Farbenton zeigten die Leydig’- schen Zellen, während die Epidermiszellen tief braunroth sich färbten. Pierocarmin färbte die Drüsenzellen gleich den Leydig- Ueber die Haut des Axolotls. 151 schen Zellen roth; niemals war an beiden Zellenarten bei Anwen- dung dieses Färbemittels eine Spur von Gelb zu sehen, was sich an den Epidermiszellen so oft vorfand. Fuchsin liess das Proto- plasma sowohl an den Drüsenzellen, als auch an den Leydig'- schen Zellen ungefärbt und färbte nur die Kerne. Hämatoxylin, Koechenilletinktur, Methylenblau ete. brachten bei längerer Einwir- kung an dem Protoplasma der Drüsenzellen denselben Färbeton hervor, wie an den Leydig’schen Zellen. An fast sämmtlichen, grössern Drüsen sah ich zwischen vor- derster Drüsenzelle und Epidermis eine Anzahl plattgedrückter Kerne (Fig. 29k, 23k, 5i, 7g). Die Kerne lagen dicht bei ein- ander gedrängt und waren der Hautoberfläche parallel gelagert. Mitunter fand sich daneben auch eine Chromatophore in diesem Raum vor (Fig. 23). Figur 22 zeigt eine Drüse, wo eine platt- gedrückte Chromatophore ohne sonstige Kerne in diesem Raum vorhanden ist. Zur Erklärung dieses Befundes giebt vielleicht Figur 5 Auf- schluss. Die Drüse a erscheint vollständig von der Epidermis abgeschnürt und es findet sich zwischen ihr und der Epidermis ein grösserer Zwischenraum vor, der erfüllt ist mit einer Anzahl von Rundzellen. Ob diese Rundzellen fixe Mesodermzellen sind oder ob es eingewanderte contractile Zellen sind, wage ich nicht zu entscheiden. Es ist nun möglich, dass die abgeschnürte Drüse bei ihrem weitern Wachsthum diese Zellen nach oben zu drängt und gegen die Epidermis ecomprimirt. Für diesen Vorgang spricht auch noch ein weiterer Befund. Ich sah von der untern Cutis- lamelle her häufig zwei Bindegewebsbündel mit eingeschlossenen Längskernen, mitunter in schiefer Richtung so an die Drüse herantreten, dass beide Bündel dieselbe von beiden Seiten umfassten. Es schien im ersten Augenblick, als ob diese Bündel als Blut- gefässe zu deuten wären; aber ich habe niemals Blutkörperchen in denselben gesehen, die sich sonst bei blossgelegten Capillaren in sämmtlichen Präparaten in reichlicher Menge vorfanden. Auch nach oben zu, an den Seiten der Drüsen vorbeigehend, setzten sich diese Bündel fort, bis sie sich an der obern Cutislamelle inserirten. Es wäre nicht undenkbar, dass hierdurch ein gleichsam abge- schlossener Raum geschaffen wird, aus dem die eingeschlossenen Zellen nicht entweichen können. Die untere Cutislamelle erhebt sich nicht selten an den Stellen, 152 Paulicki: wo eine Drüse sich vorfindet in Form einer flachen Papille (Fig. 29, 14, 13, 5, 1). Diese Papillen sind besonders an der Haut des Rückens ausgebildet. Ein constanter Befund ist dies jedoch nicht, indem ich auch vielfach Drüsen gesehen habe, wo die untere Cutis- lamelle sich nicht erhob (Fig. 15). Die Epidermis steigt da, wo Drüsen sind, an manchen Kör- perstellen zapfenartig in die Tiefe (Fig. 5). Man kann dies Ver- hältniss alsdann auch so ausdrücken, dass sich die obere Cutis- lamelle in Form eines stumpfen Kegels zwischen den Drüsen in die Epidermis hinein erhebt. In diesem Fall zeigt dann die Epidermis über den Drüsen eine bedeutend grössere Mächtigkeit, als zwischen den Drüsen (Fig. 5). ‘An andern Stellen dagegen senkt sich die Epidermis nur wenig gegen die Drüsen herab (Fig. 1, 29). Mitunter erscheint die Oberfläche der Epidermis oberhalb einer Drüse leicht eingesunken (Fig. 29). Anderemale geht sie aber ganz eben über die Drüsen hinweg (Fig. 5, 7). Einen Ausführungsgang durch die Epidermis habe ich, wie bemerkt, an keiner einzigen Drüse gesehen. An vielen Prä- paraten zeigte die Epidermis oberhalb der Drüsen genau dasselbe Verhalten, wie an andern Stellen (Fig. 29,5). Es kamen mir aber auch ziemlich viele Präparate zu Gesicht, in denen oberhalb der Drüsen eine kleinzellige Ansammlung vorhanden war; die Ley- dig’schen Zellen waren an diesen Stellen auseinander gerückt und die kleinen Zellen bildeten einen Kegel, der sich gegen die Ober- fläche der Epidermis erhob (Fig. 7). Man konnte daran denken, die kleinen Zellen zum Theil für eingewanderte contraktile, zwi- schen den Epidermiszellen sich vorfindende Elemente zu halten. Was nun die Entstehung der Drüsen anbelangt, so gehen die- selben aus Einsenkungen der untersten Epidermiszellenlage in die Cutis und allmähliche Abschnürung der eingesenkten Zellengruppe hervor. Ich bin im Stande eine Reihe aufeinanderfolgender Ent- wicklungsstadien dieses Vorgangs aufweisen zu können. Figur 12 stellt einen Querschnitt durch die Haut der vordern Fläche des Kiemendeckels dar. Hier sieht man eine Gruppe Epi- dermiszellen genau von demselben Aussehen, wie die umgebenden untersten Epidermiszellen, sich in Form einer halbkugelförmigen Vortreibung in die Tiefe senken und die obere Cutislamelle vor sich hertreiben. Ein weiteres Stadium stellt Figur 13 dar, von derselben Körperstelle herrührend. Die Abschnürung der eingesenk- Ueber die Haut des Axolotls. 153 ten Zellengruppe ist hier weiter fortgeschritten; es hat sich von der obern Cutislamelle her beiderseits ein leistenartiger Vorsprung zwischen den eingesenkten Zellen und den untersten Epidermis- zellen gebildet (Fig. 13a). Im mittleren Theil communieirt noch die eingesenkte Zellengruppe mit der Epidermis. Ein noch wei- teres Stadium stellt Figur 14, von demselben Präparat herrührend, dar. Hier haben sich die beiden Leisten in der Mitte mit einander vereinigt und die runde Drüse, deren Zellen bedeutend gewachsen sind, erscheint völlig gegen die Epidermis abgeschnürt. Ein glei- ches Verhalten bietet Figur 1 dar. Ein weiteres Entwicklungs- stadien zeigt vielleicht Figur 5a. Hier ist die abgeschnürte Drüse in die Tiefe der Cutis gerückt; sie hat sich von der Epidermis ziemlich weit entfernt. Die Frage, ob aus den kleinen Drüsen die grossen hervor- gehen, ist sicher für eine grosse Anzahl von Drüsen zu bejahen. Dann würden die Befunde, dass sich zwischen ganz grossen Drü- sen ab und zu ganz kleine finden, z. B. am Rücken (Präparat Nr. 14) einfach zu erklären sein. Aber es kamen mir eine Anzahl von Präparaten zu Gesicht, in denen es schien, als ob man überhaupt zweierlei Arten von Drüsen, die demnach auch eine verschiedene Funktion hätten, unterscheiden müsse. So fand ich verschiedene male zwischen den grossen Drüsen des Rückens, die entschieden in der Mehrzahl vorhanden waren, einige bedeutend kleinere; letztere hatten ein Lumen und färbten ihr Protoplasma bei Doppelfärbungen mit Pierocarmin und Methylenblau violett, während das Plasma der grossen Drüsen roth gefärbt war. ec. Subeutanes Gewebe. Das subeutane Gewebe wird dureh eine lockeres Bindegewebe gebildet, welches die Cutis an die darunter liegenden Theile an- heftet. Das Bindegewebe schliesst zahlreiche Bindegewebskerne ein. Besonders characteristisch aber sind die Lymphräume, die sich im subeutanen Gewebe vorfinden und die an einzelnen Körper- stellen eine sehr bedeutende Mächtigkeit erreichen. Man sieht scharf begrenzte helle Räume (Fig. 11;5 f), die eine rundliche oder längliche Gestalt haben. Eine Epithelialauskleidung 154 Paulicki: habe ich an denselben nicht constatiren können. In der Wandung finden sich mitunter einzelne Bindegewebskerne, die zuweilen knopf- förmig in das Lumen der Lymphräume vorspringen. Da wo die Lymphräume sehr mächtig entwickelt sind, wie am Oberschenkel, werden dieselben oft nur durch dünne Bindegewebsstränge, die ab und zu einen Kern einschliessen, von einander abgegrenzt. Chromatophoren fand ich im subeutanen Gewebe nicht so reichlich wie in der Cutis. Mitunter liegen sie dicht der Wand eines Lymphraumes an (Fig. 1 i). Mitunter traf ich Nervenstämme im Querschnitt an. Lymphdrüsen mit Segmentirung der Kerne in zahlreiche kleine Fragmente traf ich im subeutanen Gewebe der Seite an. Ich werde hierauf in einer anderen Arbeit zurückkommen. Ich lasse jetzt eine Beschreibung der Haut des Axolotl’s im IV. Sta- dium seiner Entwicklung von verschiedenen Körperstellen folgen. Finger: Längsschnitte durch die beiden letzten Phalangen. Hierzu gehört Figur 3. An Längsschnitten, die durch die Mitte der Fingerspitze geführt sind, erkennt man, dass die Epidermis aus einer 7- bis Sfachen Lage grosser, poly- gonaler Zellen mit sehr deutlich ausgebildeten Intercellularbrücken besteht. An mehr seitwärts gelegenen Längsschnitten erscheint die Epidermis bedeu- tend dicker, indem hier dieselbe nicht senkrecht, sondern in schräger Rich- tung zur Cutis getroffen worden ist. Einem solchen Präparat ist Fig. 5 entnommen. Im Allgemeinen überwiegt an den Zellen der mittleren Lage der Breitendurchmesser vor dem Höhendurchmesser. An sämmtlichen Präparaten ist ein deutliches der Epidermis aufsitzen- des Stratum corneum zu sehen. Die Kuppe zeigt eine vielfach ausgebuchtete Oberfläche, oder anders ausgedrückt: das Stratum corneum ist an seiner Oberfläche nicht geradlinig begrenzt, sondern hat eine wellenförmig gebogene, äussere Begrenzung, vielleicht sind an den vertieften Stellen verhornte Zellen herausgefallen. Auf der Dorsalseite erstreckt sich das Stratum corneum viel weiter als auf der Volarseite. An ersterer geht das Stratum corneum, all- mählich dünner werdend, bis über das letzte Phalangealgelenk hinaus, wäh- rend an der Volarseite schon ziemlich bald unter der Kuppe das Stratum corneum aufhört und einer Öuticularzellenschicht Platz macht, die anfangs aus niedrigen, alsbald aber aus höher werdenden, eylindrischen Zellen besteht. An der Kuppe sind die untersten Zellen der Epidermis in senkrechter Rich- tung aufgesetzt. Ziemlich bald unter der Kuppe aber setzen sie sich beson- Ueber die Haut des Axolotls. 155 ders an der Volarseite sehr schief an; beiderseits folgt dann eine Zone, in der bei Picrocarminpräparaten die der Cutis aufsitzenden Zellenlagen gelb, die höher oben gelegenen aber roth gefärbt sind. An den Seitentheilen in der Nähe der Kuppe senden die Zellen der untersten Lage franzenähnliche Fort- sätze in die Cutis, ähnlich wie dies in Figur 2 abgebildet ist. Hie und da finden sich schwarze undurchsichtige Piementklumpen in den Epidermiszellen ; einzelne, zerstreut stehende Zellen, besonders der untern Lagen fallen durch ein wasserhelles Protoplasma auf. Mitunter schliessen solche Zellen einen Kern ein, der durch Pigmentkörnchen verdeckt wird. Die Cuticularzellen enthalten in der Nähe der Fingerspitze keine Pigmentkörnchen; dieselben zeigen sich zuerst an der Volarseite. Hier schliesst jede Cuticularzelle zwi- schen Cuticularsaum und Kern einige Pigmentkörnchen ein, was an der ent- sprechenden Stelle der dorsalen Seite des Fingers nicht der Fall ist. Leydig’- sche Zellen finden sich nur in geringer Menge in der Epidermis der beiden letzten Phalangen. Knospenorgane wurden hier nicht gefunden. Die Cutis besteht aus einer einzigen schmalen Lamelle; sie erhebt sich in Längsfalten. Längsschnitte, die den Finger lateral durchschnitten haben, lassen daher an der Cutis zackenartige Fortsätze erkennen, die sich zwischen die Epidermis hineinschieben (Präparat 127). Das Unterhautbindegewebe zeigt reichliche, mitunter sehr in die Länge gestreckte Kerne, die sich durch Picro- carmin gelb färben (Wirkung der Chromsäure?). Im Bereich der letzten Phalanx findet sich durch das Unterhautbindegewebe zerstreut Pigment in Form grösserer oder kleinerer dunkler Klumpen oder schwarzer Streifen. Verästelte Chromatophoren treten erst hinter dem letzten Phalangealgelenk auf. Auch beginnen hier zuerst langgestreckte, schmale Lymphräume, von welchen im Bereich der vordern Phalanx nichts zu sehen ist. Unterhalb des letzten Phalangealgelenkes findet sich auf der Volar- seite des Fingers eine zapfenartige Einsenkung der Epidermis. Die Epider- mis besitzt hier eine Mächtigkeit von 16—18 Lagen. Die untern Zellenlagen zeichnen sich durch kleine und durch Hämatoxylin stark tingirte Zellen aus. 2. Finger. Querschnitte durch die Basis der ersten Phalanx. Hierzu Figur 4. Die Epidermis zeigt an der Dorsalfläche des Fingers sich überall so ziemlich von gleicher Mächtigkeit; sie besteht hier aus 7 bis 8 Zellenlagen. An der Volarfläche dagegen zeigt sie zwei seitlich gelegene Einsenkungen in die Tiefe. Hier erscheint sie mächtiger; die Zellen der tiefern Schichten sind stärker gefärbt, als die der obern Lagen. An der Dorsalfläche sind die Cuticularzellen lang und von cylindrischer Gestalt, sie besitzen einen grundständigen länglich runden, bis zur Mitte der Zelle reichenden Kern, in welchem man häufig zwei bis drei scharfeonturirten Körnchen mit hellem Centrum wahrnimmt. An der Volarfläche dagegen sind die Cutieularzellen viel niedriger und schliessen Kerne ein, die der Form der 156 Paulicki: Zelle folgen. Man sieht hier bald scheibenförmige, bald kugelige, bald drei- eckige Kerne und entsprechend gestaltete Zellen. Dieselben unterscheiden sich weiterhin sehr wesentlich von den Cuticularzellen der Dorsalseite, dass sie keine Pigmentkörnchen zwischen Cuticularsaum und Kern einschliessen, sowie dass die Kerne intensiver gefärbt sind, als die der darunter liegenden Zellenlagen. Die Pigmentkörnchen führenden Cuticularzellen der Dorsalseite, lassen sich auch noch eine Strecke weit auf die Volarfläche verfolgen; sie schneiden nicht plötzlich ab, sondern allmählich nimmt die Anzahl der Pig- mentkörnchen ab, während gleichzeitig die Cuticularzellen niedriger werden. An Stellen, wo die ceylindrischen Cuticularzellen der Dorsalfläche herausge- fallen sind, sieht man aus dem Grund des Substanzverlustes regelmässig gestellte, dreieckige Spitzen, den nächstfolgenden Zellenlagen angehörig her- vorragen. An einzelnen Stellen der Dorsalfläche sind die tiefer gelegenen Epithelzellen von einem sichelförmigen, am distalen Rand gelegene Pigment- saum umgeben. An Picrocarminpräparaten sind mitunter die Kerne einzelner Epithel- zellen bedeutend intensiver roth gefärbt, als die Kerne der Nachbarschaft. Nervenhügel sind in keinem Präparat nachgewiesen worden. Kerntheilungs- figuren fanden sich in einzelnen FEpidermiszellen in sämmtlichen Präparaten vor. Die Cutis besteht aus einer einzigen dünnen Lamelle, die der untern Grenze der Epidermis folgt, und die sich durch Picrocarmin intensiver färbt, als das subcutane Gewebe. Chromatophoren finden sich zerstreut durch das gesammte Bindegewebe. Am reichlichsten finden sie sich dicht unter der Cutislamelle. In keinem Präparat wurden Drüsen in der Haut gefunden. 3. Vorderarm. Dorsalfläche. Vom linken Vorderarm wurde !/,cm oberhalb des Handgelenks ein Haut- stück mit der darunter gelegenen Muskulatur herausgeschnitten. Dasselbe erstreckte sich über die ganze Dorsalfläche in querer Richtung und nahm auch beiderseits die Seitenflächen des Vorderarms mit. Das Hautstück wurde durch senkrecht zur Körperoberfläche und parallel mit dem Handgelenk geführte Schnitte zerlegt. Die Epidermis besitzt cylinderförmige Cuticularzellen mit grundstän- digem Kern und Pigmentansammlung zwischen Kern und Cuticularsaum. Zwischen den Epidermiszellen finden sich auf der ganzen Dorsalfläche reich- liche Leydig’sche Zellen von runder oder länglichrunder Form mit runden oder eckigen Kernen. An den meisten Stellen liegen zwei Leydig’sche Zellen übereinander, mitunter auch drei. An den Seitentheilen werden die Leydig’schen Zellen sparsamer. Nervenknospen wurden in keinem Präparat gesehen. In der Epidermis findet sich ziemlich reichliches Pigment in Form grösserer oder kleinerer Klumpen. Seltener werden verästelte Pigmentzellen zwischen den Epidermiszellen gefunden. Die Cutis bildet an der einen Seite Ueber die Haut des Axolotls. 157 r und an der grössern Hälfte der Rückenfläche eine einfache ziemlich breite Lamelle, die aus wellenförmig erscheinenden Fibrillen sich zusammensetzt, ziemlich viel Pigment in Form schwarzer, oft langgestreckter Streifen ein- sehliesst und sich an mehreren Stellen in Form stumpfer, grösserer oder klei- nerer Kegel gegen die Epidermis zu erhebt. Alsdann spaltet sich die bis dahin einfache Lamelle in eine stärkere untere und eine schwächere obere Lamelle, welche beide einen wellenförmigen Verlauf nehmen. Am Seitenrand nähern sie sich dann wieder und fliessen in eine einzige Lamelle wieder zusammen. An der Stelle, wo die beiden Cutislamellen aus einander gewichen sind, schickt die Epidermis mehrere beutelförmige Einstülpungen in die Tiefe, die mit dicht bei einander gelagerten länglich-rundlichen Kernen erfüllt sind und die sich ganz ähnlich verhalten, wie es in Figur 12 und 13 abgebildet worden ist. Bei einem Theil dieser Einsenkungen stehen noch die Zellen derselben in direeter Communication mit den untersten Epidermiszellen. Andere Einstülpungen erschienen ganz abgeschnürt. Dickfasrige Bindegewebszüge erstrecken sich von einer Lamelle zur andern und lassen ziemlich viele, kleine helle Räume, Lymphräume zwischen sich. Das Unterhautbindegewebe schliesst viele Lymphräume ein. Dieselben stellen länglich helle, scharf begrenzte, meist dicht unter der Cutis gelegene Räume dar, die bei stärkerer Entwicklung öfters die Form einer Halbkugel besitzen. 4. Vorderarm. Volarfläche. Von demselben Vorderarm wurde die an der Volarseite stehen geblie- bene Hautbrücke abgetragen und durch senkrecht zur Cutis geführte Schnitte, die in ihrer Richtung parallel dem Handgelenk verliefen, zerlegt. Die Epidermis besteht hier vorwiegend aus gewöhnlichen Epidermis- zellen, während die Leydig’schen Zellen in den Hintergrund treten. Die Cutieularzellen sind von langer, cylinderförmiger Gestalt. Sie zeigen an vielen Präparaten keine senkrecht zur Oberfläche verlaufende Grenzen, sondern dieselben bilden mit der Oberfläche einen schiefen, resp. stumpfen Winkel Häufig waren die Zellgrenzen der Cuticularzellen nur undeutlich. Die Outi- cularzellen der Randpartien schlossen ziemlich viel körniges Pigment ein während die den mittleren Partien angehörigen Cuticularzellen, frei von Pigment waren. Ein gut entwickelter Cuticularsaum war an den meisten Präparaten zu sehen. Das Protoplasma der Cuticularzellen erschien an Picrocarminpräparaten inten- siver gefärbt als das der darunter gelegenen Epidermiszellen. Die Kerne der Cuticularzellen standen stets im Grund der Zellen und hatten meist die Form einer Kugel; mitunter erschienen sie auch etwas abgeplattet oder sie hatten eine dreieckige Gestalt. Die Leydig’schen Zellen deuteten vielfach auf eine beginnende Rück- bildung. Während an den übrigen Körperstellen die Leydig’schen Zellen auf Kosten der umgebenden Epidermiszellen stets ihre rundlich-längliche Form 158 Paulicki: bewahren, indem letztere erstern sich accommodiren und den Raum einneh- men, der ihnen von ersteren übrig gelassen wird, erschien es hier, als ob die Leydig’schen Zellen vielfach von den umgebenden Epidermiszellen compri- mirt worden seien und Eindrücke erhalten hätten. 5. Oberschenkel. Hintere Extremität. Innere Seite. Von der innern Seite des Oberschenkels der linken hintern Extremität wurde ein Hautstück mit der darunter gelegenen Muskulatur herausgeschnitten und in Schnitte zerlegt. Die Epidermis schickt an den Stellen, wo Drüsen in der Cutis vorhan- den sind, zapfenartige Vortreibungen in die Tiefe, während die Oberfläche derselben glatt bleibt. Hierdurch entsteht ein gewölbeähnliches Aussehen der Epidermis. Die dickern Stellen gehen durch bogenförmige Linien in die dünnern über. Die Cuticularzellen sind kubisch; sie besitzen länglich rundliche Kerne, die horizontal gelagert sind. Der Cuticularsaum ist deutlich entwickelt und zeigt an manchen Stellen Andeutungen einer senkrechten Strichelung. Ley- dig’sche Zellen sind vorhanden; sie finden sich jedoch hier nicht so reichlich vor, wie am Rücken (Fig. 5). An Stellen, wo Drüsen vorhanden sind, ‚findet man meist drei Leydig’sche Zellen übereinander liegend. In den Präparaten dieser Körpergegend habe ich keine Nervenhügel in der Epidermis gesehen. Die Epidermis ist hier sehr arm an Pigment. Die Cutieularzellen schliessen keine Pigmentkörnchen ein und auch an den übrigen Stellen der Epidermis findet man nur ganz ausnahmsweise einige klumpige Pigmentmassen. Die Cutis ist von verschiedener Breite. Die Drüsen in der Cutis gehö- ren durchgängig den kleinern oder selbst kleinsten an. Die kleinsten Drüsen stellen runde Kernhaufen dar, die von einer bindegewebigen Hülle mit ein- gelagerten Kernen umgeben sind (Fig. 1); die grössern Drüsen erscheinen länglich rundlich. Häufig finden sich Drüsen mit einem Lumen im Innern (Fig. 5al). An die Drüsen treten gewöhnlich von der untern Cutislamelle sich nach oben erstreckend bindegewebige Stränge mit Kernen. Die Drüsen sind nicht so reichlich vorhanden, wie am Rücken und an der Seite. Durch die ganze Cutis zerstreut finden sich einzelne Chromatophoren. An einzelnen Präparaten waren reichliche Wanderzellen in der Cutis dicht unter der Epi- dermis angesammelt. Das subeutane Gewebe ist stark entwickelt und schliesst zahlreiche Lymphräume ein. 6. Bauch. Die Epidermis zeigt ein ähnliches Verhalten, wie an der eben beschrie- benen Körperstelle; sie schickt ebenfalls da, wo Drüsen sich vorfinden, Zapfen nach unten. Dieselben ragen jedoch hier weniger weit herab. Die Cuticu- Ueber die Haut des Axolotls. 159 larzellen sind kubisch, mit länglich-rundlichem Kern und deutlich entwickel- tem Cuticularsaum. Leydig’sche Zellen finden sich durch die ganze Epider- mis verbreitet; man zählt 2 oder 3 übereinander gestellt; die Epidermiszellen sind hier reichlich vorhanden. Unter der Cutieularschicht sieht man mitunter auf grössere Strecken hin mehrere Lagen von Epidermiszellen ohne einge- lagerte Leydig’sche Zellen. Die Cuticularzellen schliessen kein Pigment ein. Auch in der übrigen Epidermis wird kein oder nur spurweise Pigment gefunden. Nervenhügel habe ich in der Epidermis des Bauches nicht gefunden. Die Cutis ist von bedeutender Breite. Die horizontalen, vorhangähn- lichen Lagen der untern Cutislamelle sind sehr zahlreich vorhanden; sie gehen allmählich in das lockere Bindegewebe der Cutis über. Nirgends steigt die untere Lamelle in Form von Papillen in die Höhe. Die Drüsen sind bedeu- tend kleiner als am Rücken, sie stehen in Betreff ihrer Grösse etwa in der Mitte zwischen den Drüsen des Rückens und des Oberschenkels. Die Drüsen erreichen in den mir vorliegenden Präparaten nur selten die Mitte der Cutis; sie steigen nicht bis zur untern Cutislamelle herab. Die Drüsenzellen be- sitzen ein helles, feinkörniges Protoplasma und relativ kleine Kerne. Zerstreute Chromatophoren finden sich durch die ganze Cutis verbreitet vor. Das subceutane Gewebe schliesst an manchen Stellen sehr grosse Lymph- räume ein. 1... Seite. In die Epidermis dieser Körpergegend finden sich zahlreiche Nerven- hügel eingebettet, die gruppenweise zusammengestellt sind und nicht von Epithelbrücken überdeckt erscheinen, sondern eine Oeffnung haben, mit der sie an der Oberfläche ausmünden. In die Epidermis sind zahlreiche Leydig’- sche Zellen eingebettet, die hier dichter an einander gedrängt sind und weni- ger Epidermiszellen zwischen sich haben, als am Bauch. Die Leydig'schen Zellen finden sich häufig zu 3 oder 4 über einander gestellt. An Stellen, wo Sinnesorgane vorkommen, verschmälert sich die Epidermis. Da, wo Drüsen liegen, steigt die Epidermis bald mehr, bald weniger tief zapfenartig hinab. Der Cuticularsaum ist weniger deutlich entwickelt, als am Bauch. Oft schliessen die Outicularzellen Piementkörnchen ein. Klumpiges Pigment findet sich hier in der Epidermis viel häufiger als am Bauch. Die untere Cutis- lamelle ist weniger breit, als am Bauch. Sie steigt unter den Drüsen meisten- theils in Form einer flachen Papille in die Höhe. Die Drüsen sind grösser als am Bauch, stehen dicht bei einander gedrängt, reichen bis zur untern Cutislamelle, haben Drüsenzellen mit stark körnigem Protoplasma und grossem Kern und besitzen verschiedene Gestalten; die grossen Drüsen sind ohne Lumen; zerstreut liegen zwischen den grössern Drüsen einzelne kleinere, an denen man meist ein Lumen wahrnimmt. Durch die ganze Cutis zerstreut finden sich Chromatophoren, die sich besonders dicht unter der Epidermis anhäufen. An einzelnen Stellen ist die Epidermis durchsetzt von Wander- 160 Paulicki: zellen; dieselben finden sich dann auch reichlich vor in der darunter gelege- nen Cutis. Das subeutane Gewebe ist stellenweise nur sehr schmal; an andern ist es von stärkerer Entwicklung und schliesst dann stets grosse Lymph- räume ein. 8. Rücken. Im wesentlichen stimmt die Haut des Rückens mit der der Seite überein. 9. Schwanzflosse, Bauch und Rückenseite. An der freien Kante der Flosse besteht die Epidermis nur aus gewöhn- lichen Epithelzellen. Leydig’sche Zellen finden sich hier nicht vor. Die Epi- thelzellen sind an der Kante in einer 7fachen Lage übereinander geschichtet. Verfolgt man von der Kante ausgehend die Epidermis nach unten, so erkennt man, dass in einiger Entfernung von derselben (etwa 4mal so weit, wie die Epidermis der Zeichnung lang ist), zuerst einige zerstreute Leydie’sche Zellen auftreten, die dann näher zusammen rücken und sich übereinander schieben. Das erste Auftreten der Leydig’schen Zellen ist an der rechten und linken Körperhälfte gleich weit entfernt von der Flossenkante. Die Cuti- eularzellen sind an der Kante ceylinderförmig und tragen sämmtlich runde, grundständige Kerne. Der Cuticularsaum ist deutlich entwickelt. Pigment schliessen die Cuticularzellen an der Kante nicht oder nur in geringer Menge ein. In einiger Entfernung von der Kante flachen sich die Cuticularzellen ab und zeigen linsenförmige Kerne; auch schliessen sie jetzt Pigmentkörn- chen zwischen Kern und Cuticularsaum ein. Die übrigen Epidermiszellen an der Kante sind alle annähernd von gleicher Grösse und Form. Die Kerne derselben sind rund. Nur die untersten der Cutis unmittelbar aufsitzenden Zellen haben längliche Kerne. Ab und zu finden sich Kerntheilungsfiguren besonders in der untersten Zellenlage. Hie und da findet sich schwarzes, klumpiges Pigment zwischen den Epidermiszellen. Nervenhügel fand ich nicht. Die Cutis stellt eine einfache, gestreift erscheinende Lamelle dar, die sich durch Pienocarmin intensiv färbt. Der Zwischenraum zwischen der Haut der rechten und linken Körperseite ist durch fibrilläres Bindegewebe ausge- füllt, das zahlreiche spindel- und sternförmige Zellen mit grossen Kernen oder solche ohne umgebendes Protoplasma einschliesst. Ab und zu fanden sich einzelne Chromatophoren mitten in diesem Bindegewebe, dieselben finden sich aber sehr reichlich dicht unter der Epidermis und erscheinen hier als abgeplattete, schwarze, klumpige Massen. Drüsen, oder beginnende Einstül- pungen der Epidermis habe ich an keinem Präparat gesehen. 10. Kiemendeckel. Die Präparate enthielten sämmtlich die äussere und die innere Fläche des Kiemendeckels nebst der Uebergangsstelle der erstern zur letztern. Ueber die Haut des Axolotls. 161 Aeussere Fläche. Die Epidermis der äussern Fläche schliesst zahlreiche, dicht neben einander gestellte, zum Theil sehr in die Länge gezogene Leydig’sche Zellen, die mit ihrem Längendurchmesser senkrecht zur Oberfläche gestellt sind, ein. Die Leydig’schen Zellen finden sich zu 3 oder 4, an manchen Stellen selbst zu 5 übereinander gestellt. Die äussersten dicht unter der Cuticular- schicht befindlichen Leydig’schen Zellen sind bedeutend kleiner und dunkler tingirt, als die übrigen. Die Cuticularzellen sind abgeflacht und tragen lin- senförmige Kerne. An der Uebergangsstelle zur innern Fläche nimmt die Epidermis ziemlich plötzlich sehr an Mächtigkeit ab. Pigment habe ich in den Epidermiszellen nicht gefunden. Auch fand sich im keinem der mir vor- liegenden Präparate ein Nervenhügel. Die Cutis besteht an der äussern Fläche aus zwei Lamellen, einer stärkern innern und einer viel schwächern äussern. Beide verlaufen in wellenförmig gebogenen Linien bis zum freien Rand des Kiemendeckels und vereinigen sich zu einer einzigen Lamelle. Da wo die innere Lamelle von der äusseren noch weiter entfernt ist, finden sich Einstülpungen der Epidermis in die Outis, wie sie in Figur 12 und 13 abge- bildet sind. Auch völlig abgeschnürte Drüsen, wie ich sie in Figur 14 abge- bildet habe, kamen mir hier zu Gesicht. Dieselben sassen gewöhnlich einer papillenartigen Erhöhung der untern Cutislamelle auf. Die Cutis schloss vielfach kleine, helle, runde oder rundliche Räume ein, die als Lymphräume aufzufassen waren (Fig. 14 fl. In der Cutis fanden sich verästelte Chroma- tophoren in mässiger Menge. Innere Fläche. Die Epidermis der innern Fläche ist bedeutend dünner als die der äussern; sie nimmt etwa nur den 4. bis 5. Theil der letztern ein. Vorwie- gend besteht sie aus Zellen, zwischen denen hie und da eine Leydig’sche Zelle gelagert ist. Dieselben erstrecken sich stets durch die ganze Dicke der Epidermis; sie sind nur noch von Cuticularzellen überdeckt. Neben den Leydig’schen Zellen schliesst die Epidermis hier becher- förmige Zellen ein. Dieselben beginnen in einiger Entfernung vom freien Ende und werden in weiterer Entfernung zahlreicher. Die Cuticularzellen sind stark abgeflacht und haben lineare Kerne. Pigment findet sich weder in den Cuticularzellen, noch in den übrigen Epidermiszellen. Nervenhügel habe ich auch hier nirgends angetroffen. Die Cutis besteht aus einer einzigen sehr dünnen, stark geschlängelt verlaufenden Lamelle, die an der Uebergangsstelle zur äussern Fläche all- mählich dicker wird. Der Raum zwischen der Haut der äussern und der innern Fläche des Kiemendeckels schliesst die Durchschnitte mehrerer Muskeln ein, die der Länge nach getroffen sind. Dieselben erscheinen eingebettet in lockeres Bindegewebe, das mit reichlichen Kernen und Zellen versehen ist und von sparsamen Chromatophoren durchsetzt erscheint, 162 Paulicki: ll. Kiemen. Ich schnitt einen Kiemenstamm möglichst hoch oben ab und zerlegte denselben in Längsschnitte; einen andern Kiemenstamm zerlegte ich in Quer- schnitte. Sowohl die Längs- als die Querschnitte enthielten eine Anzahl Kiemenfiederchen. Die Haut der Längsschnitte hatte im Beginn ein ganz ähnliches Aussehen, wie an der Seite. Es war eine mächtige Cutis vorhanden, die rundliche Drüsen, ganz von der Grösse und dem Aussehen, wie es oben von der Seite beschrieben worden ist, enthielt. An der vorletzten Drüse begann plötzlich die äussere Cutislamelle steil nach abwärts zu steigen und näherte sich der innern Lamelle bis auf eine geringe Entfernung; dann ver- liefen beide Lamellen eine Strecke weit annähernd parallel neben einander her, worauf sich die äussere Lamelle wieder zu einem spitzen Kegel erhob, der weit in die Epidermis hineinragte und keine Drüsen einschloss. Auf der andern Seite des Kegels verschmolzen bald darauf beide Lamellen miteinander zu einer einzigen, anfangs breiteren, dann immer dünner werdenden Lamelle, die sich schliesslich in die Kiemenfiederchen hinein fortsetzte. Die Epidermis hatte oberhalb der Drüsen ganz das Aussehen der Epidermis an der Seite; sie hatte eine gleichmässige Dicke und schloss zwei bis drei über einander gelagerte Leydig’sche Zellen ein. Die Cuticularzellen waren abgeplattet. An der Stelle, wo sich die Cutis plötzlich sehr bedeutend verschmälerte, nahm die Epidermis eben so plötzlich an Mächtigkeit sehr erheblich zu, so dass sich an der tiefsten Stelle 6—-8 Leydig’sche Zellen übereinander gelagert vorfanden. Ueber dem eben erwähnten Kegel der Epidermis standen nur 4 Leydig’sche Zellen, während auf der andern Seite des Kegels wieder 7—8 Leydig’sche Zellen übereinander gelagert gezählt wurden. Durch gegen- seitige Ergänzung beider Hautschichten bewahrte daher die Haut an der Uebergangsstelle auf die Kiemen überall im Wesentlichen dieselbe Mächtig- keit. An der Stelle, wo die beiden Cutislamellen zu einer einzigen zusammen- geflossen waren, begann nun allmählich die Epidermis niedriger zu werden, bis sie eine sich gleich bleibende Mächtigkeit von 3Leydig’schen Zellen behielt. Zwischen den Epithelzellen fanden sich hier reichliche schwarze Pig- mentklumpen und verästelte Chromatophoren. Auch erschienen die Epider- miszellen häufig von einem sichelförmigen Pigmentkranz an ihrem distalen Rand umgeben (Fig. 11). An manchen Stellen war die Epidermis durchsetzt von reichlichen Wanderzellen. Querschnitte, die durch die tiefen Abschnitte eines Kiemen- stammes gelegt worden waren, ergaben, dass die Leydig’schen Zellen strecken- weise ganz in den Hintergrund treten (Fig. 11) und die Epidermis fast ausschliesslich aus Epidermiszellen zusammengesetzt ist. An der Uebergangsstelle auf die Kiemenfiederchen nahmen die bis dahin plattgedrückten und mit linsenförmigen Kernen versehenen Cuticularzellen an Flöhe allmählich zu und besassen an den Kiemenfiederchen selbst eine kubische Gestalt mit rundlichen Kernen (Fig. 20). An manchen Präparaten Ueber die Haut des Axolotls. 163 hatte sich die Epithelialbekleidung der Kiemenfederchen als zusammenhängende Schicht von dem bindegewebigen Grundstock der Fiederchen, der die in viel- fachen Windungen auf- und abziehenden Kapillargefässe und zahlreiche ver- ästelte Chromatophoren einschloss, abgelöst. Hier erkannte man, dass unter . den Cutieularzellen, die beim lebenden Thier Flimmerhaare tragen (Fig. 21) und deren freien Flächen kogenförmig nach aussen vorspringend erscheinen (Fig. 20), stets noch eine Zellenlage vorhanden ist, die aus platten, mitunter sehr in die Länge gezogenen und nach dem Ende zu sehr dünn werdenden Zellen mit linsenförmigen Kernen besteht, welche in entsprechende Vertiefun- gen des bindegewebigen Grundstocks der Fiederchen hinein passen. An dem Epithel der Kiemenfiederchen und der Kiemenstämme fand ich Kernfiguren in den verschiedensten Stadien so reichlich vor, wie an keiner anderen Körperstelle. 12. Kopf. Ein Stück Haut wurde aus der Mitte des Kopfes herausgeschnitten und durch senkrecht zur Oberfläche geführte Schnitte zerlegt. Die Epidermis hat das Aussehn, wie an der Seite, sie ist reichlich von verästelten Chromatophoren durchsetzt. An vielen Stellen findet sich körniges Pigment in der Umgebung der Epidermiszellen. Die Cuticularzellen sind abge- flacht und schliessen Pigment ein. Die Cutis ist weniger breit als am Rücken und schliesst äusserst reichliche verästelte Chromatophoren ein, die unter der Epidermis herziehend, sich vielfach mit ihren Verästlungen miteinander umschlingen. Die Drüsen sind sparsamer als am Rücken; sie sind von eiför- miger oder länglich rundlicher Gestalt und ragen zum Theil bis zur untern Cutislamelle. Zwischen den grössern Drüsen finden sich vielfach kleinere Formen. Die Cutis erhebt sich unter den Drüsen in Form flacher Papillen. 18. Elale. Die untersten Epidermiszellen waren vielfach der Cutis nicht senkrecht, sondern schief aufgesetzt (Fig. 15); mitunter liegen sie eine Strecke weit nahezu parallel mit derselben. Die Kerne dieser Lagen waren meist schmal und stäbchenförmig und durchschnittlich erheblich kleiner als die Kerne der Epidermiszellen der mittleren Lagen. Es fanden sich jedoch auch andere Stellen, wo die Zellen der Cutis senkrecht aufgesetzt waren und ihre Kerne grösser und von länglich runder Gestalt waren. Bei Doppelfärbungen (Picro- carmin mit Methylenblau) erschienen die Kerne der untern Lagen intensiver blau gefärbt, als die der mittleren Lagen. Die Anzahl der übereinander gelagerten Epidermiszellen betrug an Stellen, wo keine Leydig’sehen Zellen vorhanden waren, 7 bis 8. Nervenhügel fanden sich an dieser Körperstelle reichlich vor. In jedem Präparat kamen mir mehrere derartige Gebilde zu Gesicht. Mitunter standen zwei derselben nahe bei einander ; meistentheils Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 24. 11 164 ‚Paulicki: fanden sie sich jedoch isolirt vor. An sämmtlichen Nervenhügeln, die mir hier zu Gesicht gekommen sind, zeigte sich das überraschende Resultat, dass dieselben sich nicht bis zur Oberfläche erstreckten, sondern von einer Epithel- brücke überdeckt waren (Fig. 28). Bei Nervenhügeln, wo die überdeckende Epithelbrücke noch dünner war, konnte man noch die Sinneszellen als gelbe geschrumpfte, körnige Gebilde im Gegensatz zu den blau gefärbten Kernen der Mantelzellen erkennen (Präparat 8). Bei Nervenhügeln, wo die Epithel- brücke dicker war, war überhaupt von Sinneszellen nichts zu sehen (Präparat 26 u. 33). Zwischen den Epidermiszellen fanden sich häufig verästelte Chro- matophoren (Fig. 28, Präparat 33). Die Cutis besteht aus einer obern und einer untern Lamelle, die in gleicher Entfernung neben einander herlaufen. In dem Zwischenraum zwischen beiden Lamellen finden sich Drüsen, die eine runde oder abgeplattet runde Gestalt, ein helles Protoplasma der Drüsenzellen und häufig ein Lumen haben (Fig. 15). An den meisten Präparaten waren die Drüsen bereits völlig abge- schnürt von der Epidermis. Nur einigemale sah ich noch mit der Epidermis im Zusammenhang stehende Einsenkungen. In der Cutis finden sich sehr reichliche Chromatophoren und Durch- schnitte von Capillargefässen. Das subeutane Gewebe besitzt etwa die gleiche Mächtigkeit, wie die Cutis und schliesst einzelne rundliche Lymphräume ein. Die Chromatophoren sind sparsamer als in der Cutis und finden sich hauptsächlich den Wandungen der Gefässe und Lymphräume angelagert. Letztere sind nicht reichlich und von rundlicher Gestalt. 14. Unterlippe. Um festzustellen, wie das Verhalten der Haut beim Uebergang in die Mundhöhle sei, wurde ein Stück Unterkiefer exstirpirt, das die gesammten Weichtheile nach aussen sowohl als auch nach der Mundhöhle zu enthielt. Dieses Stück wurde durch senkrecht zum Knochen geführte Schnitte zerlegt. Verfolgen wir die Epidermis von aussen nach innen zu, so besteht sie bei sämmtlichen Präparaten im Beginn nur aus Epidermiszellen, die in einer 7fachen Lage übereinander geschichtet liegen. Die Epidermis hat hier ein ähnliches Aussehen wie an der Schwanzflosse (Fig. 10), nur sind die Zellen hier nicht von so gleichartigem Aussehen. Leydig’sche Zellen schliesst die Epidermis hier nicht ein. Kurz vor der Umbiegungsstelle zur Schnauzenspitze finden sich in der Epidermis einige schmale von einer Epidermisbrücke über- deckte Nervenhügel (Fig. 30 und Präparat 10 und 44). Unmittelbar an der Umbiegungsstelle finden sich in Präparat 4 eine beutelförmige, nicht abge- schnürte Einstülpung der Epidermis nach unten. In einiger Entfernung hiervon trägt die Epidermis das Stratum corneum, welches oben beschrieben und in Figur 2 noch Präparat 51 abgebildet worden ist. Die untern Zellen- lagen sind an dieser Stelle bedeutend kleiner, als die mittlern und durch Ueber die Haut des Axolotls. 165 Hämatoxylin sind die Kerne derselben stärker tingirt, als bei letzterer. Die untersten Zellen sind der Cutis schief aufgesetzt und schicken lange, franzen- ähnliche Fortsätze in dieselben hinein (Fig. 2). Bei Picrocarminpräparaten ist das Stratum corneum intensiv gelb, während die unmittelbar darunter sitzenden grossen kubischen Zellen mit runden Kernen ein roth gefärbtes Protoplasma zeigen, wie dies besonders schön in Präparat 4 zu sehen ist. An den untersten der Cutis aufsitzenden Lagen ist bei Picrocarmin- präparaten das Protoplasma wieder gelb gefärbt. Oberhalb des Stratum corneum zeigt sich dann die Epidermis durchbohrt von einem Zahn. Bis zu dem Zahn stellt die Cutis eine einfache Lamelle dar, die an einigen Stellen etwas aus einander weicht. Eine Strecke hinter dem Zahn bildet dann das Unterhautbindegewebe eine nach der Mundhöhle zu vorspringende Falte; an derselben erhebt sich das Unterhautbindegewebe in Form regelmässig gestell- ter zugespitzter Papillen, wie ich dies in Figur 6 abgebildet habe. Das Unterhautbindegewebe und die Papillen sind sehr reich an grossen Kernen. Den Papillen sitzt ein Epithellager auf, dessen unterste Zellen lang gestreckte Kerne haben und pallisadenähnlich nebeneinander gestellt sind. Die übrigen Epithelzellen haben eine rundliche oder kubische Gestalt. Oberhalb der Papillen sind die Kerne der Epithelzellen länglich. Die Cutieularzellen sind etwas abgeplattet und zeigen einen Cuticularsaum. Pigment schliessen die Epithelialzellen nicht ein. 15. Oberlippe. Von aussen nach innen gehend fanden sich im Beginn noch ziemlich viele Leydig’sche Zellen; dieselben wurden dann seltener und hörten eine ziemliche Strecke weit vor der Umbiegungsstelle ganz auf. Hier finden sich nur Epithelzellen, die in einer 6 bis 7fachen Lage übereinander geschichtet liegen. Ich bin hier bei derjenigen Körperstelie angelangt, wo ich demnächst meine Untersuchungen über die Histologie des Axolotls wieder aufzunehmen beabsichtige, bei dem Beginn des Verdauungsapparates. Eine Vergleichung der Haut des einjährigen Axolots mit der jün- gerer Entwicklungsstadien ergiebt, dass, wie dies bereits von Car- riere (16,20) hervorgehoben worden ist, der Höhepunkt der Epider- misentwicklung bei dem Thier von Sem Länge bereits erreicht ist. Die Epidermis zeigt hier sich von annähernd derselben Entwicklung wie beim einjährigen Thiere. Die Epidermis hat nur, dem allge- meinen Wachsthum entsprechend, an Flächenausdehnung zuge- nommen. 166 Paulicki: An zweien Organen der Epidermis, die ihrer Funktion nach dem Aufenthalt im Wasser angepasst sind, an den Nervenhügeln und den Leydig’schen Zellen hat im Gegentheil eine Rückbildung begonnen, die mit der Umwandlung derselben in gewöhnliche Epidermiszellen endigt und die somit die Haut für den Landaufent- halt vorbereitet. Die Cutis dagegen, die noch beim Axolotl von Sem Länge eine sehr unbedeutende Entwicklung hatte, hat bei dem einjährigen Thier+ ganz bedeutende Umänderungen erfahren. Sie hat eine ungemeine Mächtigkeit erlangt und es haben sich fast über die ganze Körperoberfläche verbreitet zahlreiche, zum Theil sehr grosse Drüsen entwickelt, von denen bei dem Thier von Sem Länge nur die ersten Anfänge zu sehen waren. Carriere (16, 34) fand bei demselben, an der Basis der Epider- mis liegend, eiförmige Knöpfe, die etwas in die Cutis hinabreichten. Dieselben fanden sich über den ganzen Körper verbreitet, aber in nicht sehr grosser Anzahl vor. Die Grösse und Zahl der sie zusammensetzenden Zellen war verschieden. Zwei Befunde sind es nun, die bei der Haut des einjährigen Axolotls besonders hervorgehoben zu werden verdienen. Zunächst der Befund, dass die Epidermis des Axolotls an manchen Stellen ein Stratum corneum und somit ganz den Bau der Haut eines höhern Landthiers besitzt, trotzdem dass der Axo- lotl im Wasser lebt. Diese Hornbildungen sind nach Carriere bereits bei dem Axolotl von S em Länge deutlich vorhanden, wäh- rend sie dem eben ausgeschlüpften und auch noch dem Thier von 2,02em Länge fehlten (16, 34). Sodann aber ist der Befund auf- fallend, dass keine einzige der in der Cutis befindlichen Drüsen beim einjährigen Axolotl einen Ausführungsgang hat, während die Larven von Salamandra und Triton ganz ähnlich gebaute Drüsen mit Ausführungsgängen besitzen. Dieses räthselhafte Vorkommen, sowie das späte Auftreten der Drüsen lässt sich vielleicht folgen- dermaassen erklären. Die Drüsen sind nicht Organe der wasser- bewohnenden Larven, sondern der ausgewachsenen Landthiere, entwickeln sich aber schon während des Larvenlebens. Wenn der Axolotl nicht zur rechten Zeit an das Land geht und sich somit nicht zum Amblystoma umbildet, so kommen die Drüsen nicht mehr zur vollkommnen Ausbildung, sie bleiben ohne Ausführungs- gänge. Das Ganze würde demnach als eine Entwicklungshemmung aufzufassen sein. Ueber die Haut des Axolotls. 167 Man kann aber auch den Versuch machen, beide Befunde für Weissmann’s Annahme geltend zu machen, dass der Axolotl in einer früheren Zeit ein Landthier war, das durch die äussern Verhältnisse gezwungen worden ist, sich wieder an das Wasser zu gewöhnen. Das Stratum corneum an den Zehen und an der Unterlippe würden alsdann ein Erbtheil aus der Zeit des Landlebens dar- stellen. Das Stratum corneum hat sich “gerade an denjenigen Stellen erhalten, wo es einst von besonderem Nutzen war. Die zahlreichen Drüsen in der Haut des Axolotls aber würden als ausser Thätigkeit gestellte Organe aufzufassen sein. Nachdem die Thiere sich wieder an das Wasser gewöhnt hatten, waren die Drüsen der Cutis ausser Funktion getreten. Die früher mit Aus- führungsgängen versehenen Drüsen schlossen sich, indem die Aus- führungsgänge obsoleseirten und an ihre Stelle ein continuirlicher Epithelialüberzug trat. Schliesslich erübrigt mir noch die angenehme Pflicht, Herrn Dr. Carriere für die Unterstützung, die er mir bei dieser Arbeit hat zu Theil werden lassen, sowie Herrn Professor Oskar Schmidt für die Erlaubniss, die hier mitgetheilten Untersuchungen im hie- sigen zoologischen Institut vornehmen zu dürfen, meinen besten Dank auszusprechen. Die Untersuchungen über die Haut des Axolotls sind hiermit nicht abgeschlossen. Ich hoffe, dass sich mir die Gelegenheit bieten wird, die Haut bei einem noch vorgerückteren Stadium des Axo- lotls und beim Amblystoma zu untersuchen. Verzeichniss der Literatur. 1) Wilhelm Pfitzner. Die Leydig’schen Schleimzellen in der Epi- dermis der Larve von Salamandra maculosa. Dissertation, Kiel 1879. 2) Derselbe. Die Epidermis der Amphibien. Morphologisches Jahr- buch von Karl Gegenbaur. V. Band 1880. Seite 469—526. Mit Tafel XXIV und XXV. 3) Peremeschko. Ueber die Theilung der thierischen Zelle. Archiv für mikroskopische Anatomie. Band XVI 1878 und XVII 1879. 168 Paulicki: 4) Bugnion. Recherches sur les organs sensitifs, qui se trouvent dans V’epidermis de Prote& et de l’Axolotl. 1873. 5) Franz Leydig. Ueber die allgemeinen Bedeckungen der Amphi- bien. Archiv für mikroskopische Anatomie. Band XII, Seite 119— 242. 6) Derselbe. Die anuren Batrachier der deutschen Fauna. Mit 9 Tafeln. Bonn 1877. 7) Derselbe. Anatomisch-histologische Untersuchungen über Fische und Reptilien. Mit 4 Kupfertafeln. Berlin 1853. 8) Derselbe. Ueber die Molche (Salamandrina) der württemberg’- schen Fauna. Archiv für Naturgeschichte von Troschel. 33. Jahrgang 1867; I. Band. Seite 163—282. Mit Tafel IV, V und VI. 9) Derselbe. Neue Beiträge zur anatomischen Kenntniss der Haut- decken und Hautsinnesorgane der Fische. Halle 1879. Mit 4 Tafeln. 10) Paul Fraisse. Beiträge zur Anatomie von Pleurodeles Waltii. Dissertation. Würzburg. 1 Tafel. 11) Wiedersheim. Die Anatomie der Gymnophionen. Jena 1879. Mit 9 Tafeln. 12) Emil Bodenstein. Der Seitenkanal von Cottus gobio. Zeit- schrift für wissenschaftliche Zoologie. 37. Band. Seite 171—145. Mit Tafel XX. 13) Franz Leydig. Ueber Organe eines sechsten Sinnes. Zugleich als Beitrag zur Kenntniss des feinern Baues der Haut bei Amphibien und Reptilien. Verhandlungen der Kaiserlichen Leopoldino-Carolinensis’schen deut- schen Akademie der Naturforscher. 34. Band. Dresden 1868. 14) Franz Eilhard Schulze. Epithel- und Drüsenzellen. Archiv für mikroskopische Anatomie. III. Band. Seite 137—203. Mit Tafel VI— XU. 1867. 15) Bronn’s Klassen und Ordnungen der Amphibien, wissenschaftlich dargestellt in Wort und Bild. Von C. K. Hoffmann. Leipzig und Heidel- berg 1878—1879. 16) Justus Carriere. Die postembryonale Entwicklung der Epi- dermis des Siredon pisciformis. Archiv f. mikroskopische Anatomie. Bd. 24. Ss. 19 —49. Erklärung der Abbildungen. Sammtliche Abbildungen sind nach Dauerpräparaten von mir vermittelst eines Prismas gezeichnet worden. Tafel VIIL Fig. 1. Senkrechter Durchschnitt durch die Haut vom Oberschenkel der linken hintern Extremität, innere Seite. Picrocarminfärbung. a. Cuti- Fig. 2. = os oa Fig. 6. Ueber die Haut des Axolotls. 169 eularschicht; b. Malpighi’sche oder Schleimschicht; ce. unterste, der Cutis unmittelbar aufsitzende, cylinderförmige Epithelzellen; d. langgestreckte Leydig’sche Zellen; e. plattgedrückte Leydig’- sche Zellen; f. zwei kleine runde Drüsen mit Kernanhäufungen im Innern; g. Chromatophoren der Cutis; h. subeutanes Gewebe; i. Lymph- raum mit einer der Wand desselben anliegenden Chromatophore. Senkrechter Durchschnitt durch die Haut der Schnauzenspitze (Unter- lippe). Picrocarminfärbung. Die Epidermis ist hier mit einem echten Stratum corneum (a) bedeckt. Im demselben erkennt man undeutliche Spuren von Kernen (b); c. ein in der Abstossung begriffe- ner Theil des Stratum corneum; d. unmittelbar unter dem Stratum corneum gelegene kubische Epithelzellen; e. unterste Zellenlagen der Epidermis mit kleinen Zellen, intensiv gefärbten Kernen und sehr deutlichen Intercellularbrücken; f. lange, fingerförmige, in die Cutis hineinragende Fortsätze der untersten Schicht der Epidermiszellen; g. Rundzelle daselbst; h. Bindegewebskern der Cutis. Senkrechter Durchschnitt durch die Epidermis einer Fingerspitze. Picrocarminfärbung. Senkrechter Durchschnitt (Querschnitt) durch die Haut der ersten Fingerphalanx. Hämatoxylinfärbung. a. Epidermiszellen mit grossen Kernen, die im Allgemeinen die Gestalt der Zellen haben; b. Cuti- cularzellen von ceylinderförmiger Gestalt, mit deutlich entwickeltem Cuticularsaum; c. runde, rundständige Kerne der Cuticularzellen; d. Pigmentanhäufung unter dem Cuticularsaum; e. eine der Cutis unmittelbar aufsitzende Epithelzelle mit Kerntheilungsfigur (Stern); f. Cutis. Senkrechter Durchschnitt durch die Haut des Oberschenkels der hintern, linken Extremität (innere Seite). Picrocarminfärbung. a. Epidermis, b. Cutis, c. subcutanes Gewebe. Die Cuticularzellen sind abgeplattet und besitzen scheibenförmige Kerne. Die der Cutis unmittelbar aufsitzenden Epithelzellen sind von cylindrischer Form. In der Epidermis unregelmässig zerstreut liegen Leydig’sche Zellen, deren Kerne bedeutend kleiner sind als die Kerne der Epithelzellen. An zwei Stellen ragt die Epidermis zapfenförmig nach unten in die Cutis hinein. Diesen Einsenkungen entsprechen zwei Drüsen (a, al), an die von der untern Cutislamelle her je zwei bindegewebige Stränge mit Kernen versehen herantreten; c. die Drüse a ist völlig abge- schnürt von der Epidermis und eine ziemliche Strecke weit nach unten gerückt. Zwischen Drüse und Epidermis findet sich eine Anzahl von Rundzellen b. (? Wanderzellen); d. Chromatophoren der Cutis; e. untere Cutislamelle, aus mehrfach geschichteten bindege- webigen Lagen bestehend; f. Lymphräume im subcutanen Binde- gewebe. Beide Drüsen besitzen keinen Ausführungsgang. Epithelialbekleidung der Mundhöhle von der Unterlippe oberhalb 170 Fig. 7. Ri. 14. Paulicki: der Zähne herstammend. Picrocarminfärbung. Die der Cutis ent- sprechende bindegewebige Grundlage erhebt sich in Form langer, zugespitzter Papillen. Die untersten Zellen des Epithels sitzen den Papillen palisadenähnlich auf. Die Epithelzellen sind kubisch, in zahlreichen Lagen aufeinander geschichtet und annähernd alle von gleicher Grösse. Die Papillen sind äusserst reich an dicht gedrängten, grossen Kernen. Epithelialbekleidung oberhalb einer Drüse aus der Haut des Rückens. Pierocarminfärbung. Ein Ausführungsgang durch die Epidermis ist nicht vorhanden. An der Stelle, wo der Ausführungsgang liegen sollte, findet sich eine Anhäufung gewöhnlicher Epithelzellen in Form eines Kegels. Die Leeydig’schen Zellen erscheinen hier ausein- ander gerückt. Epitbelialbedeckung von der hintern Fläche des Kiemendeckels. Doppelfärbung von Methylenblau und Picrocarmin. Die Epidermis besteht vorwiegend aus gewöhnlichen Epidermiszellen a, deren Kerne bei den untersten, der Cutis unmittelbar aufsitzenden, lang gestreckt sind b. In die Epidermiszellen eingelagert finden sich zwei Ley- dig’sche Zellen ec, die an der Aussenfläche ihrer Membran von Strecke zu Strecke knopfartige Vorsprünge, die Durchschnitte der rippenartigen Verdiekungen der Membran tragen; d. zwischen beiden Leydig’schen Zellen findet sich eine becherförmige Zelle vor. Die- selbe besitzt in ihrem Grund einen sichelförmigen, der Wand anlie- genden Kern f und mündet mit einer freien Oeffnung zwischen zwei Cuticularzellen an der Oberfläche aus. Die Cuticularzellen haben plattgedrückte Kerne (&) und einen leicht gezähnten Saum; h. Cutis- lamelle; i. quergettreifte Muskelfasern. Epithelialbedeckung eines Kiemenstammes. Fuchsinfärbung. Die Epidermis besteht vorwiegend aus Leydig’schen Zellen mit rund- lichen Kernen. Zwischen denselben sieht man die Kerne von Epi- thelzellen b; c. Cuticularzellen mit linsenförmigen Kernen; d. Quer- schnitte der rippenartigen Verdickungen der Membran der Ley- dig’schen Zellen; e. Leydig’sche Zelle mit Kerntheilungsfigur. f. Kern einer Leydig’schen Zelle von zweilappiger Gestalt. Zwischen den Leydig’schen Zellen finden”sich reichliche Pigmentkörnchen. Senkrechter Durchschnitt durch die Flossenkante. Die Epidermis wird hier gebildet von Epidermiszellen ohne Beimengung von Ley- dig’schen Zellen. Die Epidermiszellen haben rundliche Kerne. Die Cutieularzellen sind kubisch und tragen einen Cuticularsaum (d); a. Chromatophoren, die sich reichlich dicht unter der Cutislamelle vorfinden; b. Bindegewebszellen; ce. Cutislamelle. Senkrechter Schnitt durch die Epidermis eines Kiemenstammes. Hämatoxylinfärbung. Die Epidermis besteht grösstentheils aus gewöhnlichen Epidermiszellen mit rundlichen Kernen; a. Leydig’- Fig. 12. Fig. 13. Fig. 15. Ueber die Haut des Axolotls. 171 sche Zellen mit zackigen Kernen; b. verästelte Chromatophoren zwischen Epidermiszellen. Dieselben senden ihre Ausläufer weithin zwischen die Epidermiszellen aus; c. sichelförmige Pigmentanhäufung am distalen Rand mehrerer Epidermiszellen; d. Cutieularzellen mit abgeplatteten Kernen, deutlichem Cuticularsaum und Pigmentan- häufung zwischen Kern und Cuticularsaum; d!. Cuticularzelle, die sich weiter in die Tiefe erstreckt, als die übrigen; e. obere Cutis- lamelle. Dieselbe sendet feine Leistchen zwischen die untersten Epidermiszellen; f. Chromatophore in der Cutis. Tafel IX. Senkrechter Durchschnitt durch die Epidermis der vordern Fläche des Kiemendeckels. Pierocarminfärbung. Die Epidermis hat sich an einer Stelle in die Cutis hineingestülpt. Die Epidermiszellen der Einstülpung besitzen dasselbe Aussehen, wie die umgebenden Epidermiszellen. Oberhalb der Epidermiszellen sind 3 Leydig’sche Zellen mit dem proximalen Rand genäherten Kernen zu sehen. Die Cutis schliesst zahlreiche kleine, rundliche Lymphräume ein. Weiteres Entwicklungsstadium von demselben Präparat. Die einge- senkte Zellengruppe beginnt sich abzuschnüren, indem von der obern Cutislamelle sich eine Leiste (a) zwischen Einsenkung und untersten Epidermiszellen gebildet hat. Der mittlere Theil der Einschnürung steht noch direkt in Verbindung mit den Epidermiszellen. Die Drüse sitzt auf einer papillenartigen Erhöhung der untern Cutis- lamelle. In der Cutis finden sich Chromatophoren und Lymphräume. In der Epidermis sind 2 Leydig’sche Zellen zu sehen. . Noch weiter vorgerücktes Entwicklungsstadium von demselben Präparat. Die Epithelialeinsenkung ist jetzt vollständig abgeschnürt. Eine von der obern Cutislamelle ausgehende Leiste, in der einige platte Kerne zu sehen sind, hat die Drüse gegen die Epidermis hin abgegrenzt (a); b. grosse, runde Kerne der Drüsenzellen; c. Ley- dig’sche Zellen; d. Chromatophoren der Cutis; e. Bindegewebskerne; f. Lymphräume der Cutis. Die Drüse sitzt einer papillenartigen Erhebung der untern Cutislamelle auf. Senkrechter Durchschnitt durch die Haut des Halses. Doppelfärbung von Picrocarmin und Methylenblau. Die Epidermis besteht vorwie- gend aus Epidermiszellen. In derselben sind 3 Leydig’sche Zellen zum Theil sichtbar. Die untersten Zellen der Epidermis seitwärts der Drüse haben stäbchenförmige Kerne und setzen sich in schiefer Richtung auf die Outis. Die Drüse hat eine abgeplattet runde Form und ragt von der obern Cutislamelle bis zur untern. Letztere besteht aus einer Anzahl übereinander geschichteter, wellig gebogener Lagen (a). Dicht unter der obern Cutislamelle findet sich der Durch- schnitt eines Capillargefässes, daneben Chromatophoren. 172 Fig. 16. Kie)7. Fig. 18. Fig. 19. w D oO Fig. 23. Paulicki: Chromatophore aus der Cutis der Kopfhaut. Stark vergrössert. Präparat Nr. 13. Methylengrünfärbung. Senkrechter Durchschnitt durch die Haut der Volarfläche des Halses. Doppelfärbung von Picrocarmin und Methylenblau. Die Epidermis be- steht ausschliesslich aus Epidermiszellen ohne Beimengung Leydig’- scher Zellen. In der Mitte der Abbildung sieht man eine flache Einsen- kung der Epidermis in die Cutis. Die Einschnürung erscheint gegen die umgebende Epidermis durch stark abgeplattete Zellen abge- grenzt (a). Oberhalb der Einschnürung sieht man einen Hohlraum b; c. Cuticularzellen mit schiefgerichteten, undeutlichen Begrenzungs- linien; d. Epidermiszelle mit wasserhellem Protoplasma; e. grosser rundlicher Kern desselben ; f. Querschnitte von Capillargefässen mit mehreren Blutkörperchen, dicht unter der äussern OCutislamelle gele- gen; g. Kerne der untern Zellenlage der Einstülpung, stärker tingirt; h. Kerne der obern Zellenlage der Einstülpung, weniger stark tin- girt. Das Ganze ist vermuthlich als der Beginn einer Drüsenbildung aufzufassen. Möglicherweise stellt dasselbe aber auch einen zurück - gebildeten Nervenhügel dar. In der Cutis mehrere Chromato- phoren. Senkrechter Schnitt durch die Haut des Rückens. Färbung durch Gochenilletinktur. Die Cuticularzellen sind gelockert und haben eine glockenförmige Gestalt. Zwischen denselben finden sich Lücken, den herausgefallenen Zellen der nächstfolgenden Zellenlage (e) ent- sprechend. Senkrechter Durchschnitt durch die Haut des Rückens. Fuchsin- färbung. Die Cuticularzellen sind von kubischer Gestalt, haben plattgedrückte, scheibenförmige Kerne und einen deutlich entwickel- ten, an der freien Oberfläche fein gezähnelten Cuticularsaum. . Epithelialbekleidung eines Kiemenfiederchens. Picrocarminfärbung. Epithelialbekleidung eines Kiemenfiederchens, einem lebenden Axo- lotl entnommen. Die halbkugelförmig vorspringenden Epithelial- zellen tragen in ihren mittleren Theilen feine Häärchen. Die Rand- partien sind frei davon. . Senkrechter Schnitt durch die Haut des Rückens. Fuchsinfärbung. Die Leydig’schen Zellen zeigen rippenartige Verdiekungen. ihrer Membran, welche in Form eines Netzwerks die äussere Oberfläche der Zellen bedecken. Daneben sieht man die grobkörnige Zeichnung des Protoplasmas der Leydig’schen Zellen, von einer Vacuolisirung desselben herrührend. Das Netzwerk erstreckt sich von einer Ley- dig’schen zur andern und setzt sich auch zum Theil auf die darunter gelegenen Epidermiszellen fort. Senkrechter Durchschnitt durch die Haut des Rückens. Fuchsin- färbung. Grosse Drüse von spindelförmiger Gestalt. Die Drüsen- zellen stellen grosse Polygone dar mit grossen wandständigen, zum Fig. Fig. Fig. . 25. 20. 29. . 80. Ueber die Haut des Axolotls. 173 Theil halbkugelförmigen Kernen (f). Zum Vergleich der Grösse der Kerne der Drüsenzellen sind die Kerne einiger Epidermiszellen und einer Leydig’schen Zelle gezeichnet. In der Wandung der Drüsen sitzen langgestreckte Kerne. Der Drüsenwand lagert eine Chroma- tophore mit undeutlichem Kern an. . Querschnitt einer Drüse des Rückens. Picrocarminfärbung. Die Drüse besitzt kein Lumen. Die grossen, zum Theil halbkugelförmigen Kerne der Drüsenzellen sind der Wandung angelager. An der äussern Oberfläche der Drüse befinden sich zwei Chromatophoren. Querschnitt einer Drüse des Rückens. Picrocarminfärbung. Es sind 4 Drüsenzellen getroffen worden, von. denen eine sich durch ein helleres Aussehen ihres Protoplasmas vor den andern auszeichnet. Querschnitt einer kleinen Drüse von demselben Präparat. Die Drüse schliesst ein Lumen ein, welches mit Sekretmasse erfüllt ist. Der Wandung der Drüse angelagert finden sich zwei spindelförmige Kerne. . Drüsensegment einer Drüse der Seite. Picrocarminfärbung. Der senkrecht zur Hautoberfläche geführte Schnitt hat die Drüse lateral getroffen, so dass nur ein Segment der Drüse, welches mitten in der Cutis liegt, zurückgeblieben ist. Es sind 4 Drüsenzellen zum Theil zu sehen; zwei derselben besitzen zwei Kerne. Starke Vergrösserung. . Senkrechter Schnitt durch die Haut des Halses. Doppelfärbung von Picrocarmin und Methylenblau. Die Epidermis schliesst einen in der Rückbildung begriffenen Nervenhügel ein. Derselbe ist von einer Sfachen Epithellage überbrückt. Senkrechter Durchschnitt durch die Haut des Rückens. Fuchsin- färbung. Der Schnitt hat eine grosse Drüse von eiförmiger Gestalt medial getroffen. Zwischen oberster Drüsenzelle und Epidermis findet sich eine Anzahl platter Kerne. Die untere Cutislamelle erhebt sich unterhalb der Drüse zu einer flachen Papille. Im subcutanen Gewebe finden sich einige Lymphräume. Darunter sieht man die Querschnitte von Muskelfasern. Senkrechter Durchschnitt durch die Haut der Unterlippe. Picro- carminfärbung. In der Epidermis findet sich ein Nervenhügel, an welchen ein Nerv (h) von der Cutis her herantritt; e. Sinneszelle; i. fadenförmiger bis zur Oeffnung reichender Fortsatz derselben; d. Kern einer Mantelzelle; f. obere Cutislamelle; g. Querschnitt eines Capillargefässes, einige Blutkörperchen enthaltend. . Senkrechter Durchschnitt durch die Haut des Rückens. Pierocarmin- färbung. In der Epidermis finden sich zwei Nervenhügel, in wel- chen man die Kerne der Mantelzellen (d) und die der Sinnesorgane (e) unterscheidet. Die Nervenhügel zeigen eine freie Oeffnung an der Oberfläche (f). Zwischen beiden Nervenhügeln finden sich nur Epidermiszellen. Auswärts von beiden Nervenhügeln beginnen in einiger Entfernung die Leydig’schen Zellen. 174 Nikolai Trinkler: Ueber den Bau der Magenschleimhaut!), Von Nikolai Trinkler. (Gekrönte Preisschrift der Universität Charkow). Hierzu Tafel X und XI. Bei meinen Untersuchungen musste ich, da ich mich nicht bloss auf die Erforschung des Baues der Magenschleimhaut höherer Thiere (Hund, Katze, Kaninchen, Ratte, Maus, Igel) beschränkte, sondern auch soviel als möglich zur Vergleichung das Studium niederer Wirbelthiere (Emys europaea, Tropidonotus natrix, Rana temporaria, Triton, Cyprinus carpio, Cobitis fossilis, Esox lucius, Perca fluviatilis) heranzog, die gewöhnlichen Bearbeitungs- und Färbungsmethoden vielfach abändern. Der Magen wurde bei dem eben durch Stich oder Oeffnung der Carotis getödteten Thiere rasch ausgeschnitten, wobei ein Stück vom Oesophagus und vom Duodenum mitgenommen wurde und alsdann längs der grossen Curvatur geöffnet. Darauf wurde die Oberfläche der Schleimhaut, noch ehe sie vom Schleim und den Resten der Contenta gereinigt worden war, an verschiedenen Stellen mit Lakmuspapier geprüft, alsdann erst nach Verlauf einiger Zeit vermittelst eines Stromes destillirten Wassers abgewaschen. Die Schleimhaut wurde nun bei Thieren mit diekwandigem Magen von der äusseren Muskelschicht abpräparirt und in möglichst gleiche Stücke zerschnitten, von denen einige in erhärtende Flüssig- keiten gebracht wurden, andere dagegen in indifferente (Humor aquaeus, Jodserum, ClNa 0,4—0,6°/,) zur Untersuchung im frischen Zustande. 1) Eine sehr ausführliche literarhistorische Einleitung, welche Verf. gegeben hatte, ist nicht zum Abdrucke gekommen. Sollten also hie und da Literatur-Nachweise vermisst werden, so fällt dies dem Verfasser nicht zur Last. Waldeyer. Ueber den Bau der Magenschleimhaut. 175 Um bei diesen letzteren Fäulniss (die Untersuchungen wurden während der heissen Jahreszeit angestellt) zu vermeiden, wurden dieselben in einer Atmosphäre von Wasserdampf und Carbolsäure gehalten; endlich wurden häufig die Untersuchungen ohne jeglichen Zusatz irgend welcher Flüssigkeit vorgenommen. Grösstentheils benutzte ich zur Erhärtung die Müller’sche Flüssigkeit, welche, nach meiner Ansicht, bisweilen durch keine andere zu ersetzen ist; ausserdem brauchte ich Chromsäure (0,5—- 1°/,), Pierinsäure und Alkohol von verschiedener Stärke; es ist dabei zu bemerken, dass die Präparate niemals unmittelbar in Alko- hol gebracht wurden, sondern vorläufig auf ein bis zwei Tage in Müller’sche Flüssigkeit. Bei Erhärtung in Spiritus wurde zuerst schwacher genommen und erst später die Präparate allmählich in absoluten Alkohol übertragen. An diese Regel muss man sich streng halten bei zarten Präparaten, wie z.B. die Schleimhaut der Fische, bei welchen, wenn man die Präparate sogleich in absol. Alkohol bringt, eine allzustarke Schrumpfung aller Elemente eintritt. f Die Osmiumsäure benutzte ich in schwachen Lösungen von 0,1—0,5°%/,. Nach Bearbeitung mit derselben wurden die Präparate lange Zeit mit Wasser ausgewaschen, dann in eine gesättigte Lösung von essigsaurem Kali gebracht, und alsdann in Glycerin untersucht. Zur Maceration des Epithels und der Drüsenelemente wurde ebenfalls Müller’sche Flüssigkeit benutzt, allein oder im Gemisch mit Chlornatrium; alsdann Alkohol (!/,), Chloralhydrat (5°%/,), ehrom- saures Ammoniak, Kochsalzlösung (35°/,) und eine Mischung von 1 vol. Chromsäure Y/;o%/o, 1 vol. Chloralhydrat (5°/,) und einigen Tropfen Essigsäure. Diese Mischung, sowie Müll. Flüssigkeit mit schwacher Kochsalzlösung verdünnt (Prof. Kutschin’s Methode) gaben mir ausgezeichnete Resultate. Bei der Färbung nahm ich die von Heidenhain!) empfoh- lene Methode in Betracht. Ich habe immer die langsame Färbung mit schwachen Lösungen der raschen Färbung vorgezogen, aber die erstere Art ist nicht immer anwendbar und nicht selten erhielt ich 1) Heidenhain, R.: „Untersuchungen über den Bau der Labdrüsen‘“ Arch. f. mikr. Anatomie Bd. VI. p. 402, 176 Nikolai Trinkler: ganz andere Resultate, als Heidenhain, selbst wenn ich auf's Genaueste alle Vorsichtsmaassregeln inne hielt. Ausserdem benutzte ich bei meinen Untersuchungen Lakmus und Chlorophyll, wobei das erstere mir zugleich als mikroskopi- sches Reagens diente. Damit Lakmus aber sowohl als Färbungs- mittel als auch als mikrochemisches Reagens zugleich benutzt werden könne, ist es nothwendig, dass der Aufguss von bedeuten- der Concentration sei und nebenbei von unbedingt neutraler Reac- tion. Die zu schwachen Lösungen, die ich zu Anfang anwendete, gaben nicht die gewünschten Resultate. Chlorophyll als färbende Substanz erhielt ich auf folgende Weise: Die Blätter unserer gewöhnlichen Syringa vulgaris werden mit starkem Spiritus aufgesetzt und die ungefähr nach 24 Stunden erhaltene Flüssigkeit von dunkler Farbe wird filtrirt, das Filtrat dann auf dem Wasserbade eingedampft. Der geringe trockene Rückstand wird in einer geringen Menge destillirten Wassers gelöst und von Neuem filtrirt. Dieses Filtrat hat eine schöne dunkelgrüne Farbe mit einem Stich in’s Braune. Die weitere Behandlung der Präparate war die gewöhnliche. Da ich haupt- sächlich die Untersuchungen von Heidenhain und Rollett im Auge hatte, bemühte ich mich natürlich beim Studium des Baues der Magenschleimhaut verschiedener Thiere, die Drüsen in den verschiedenen funetionellen Zuständen zu erforschen, mit anderen Worten die Drüsen der Schleimhaut bei hungernden und gefütter- ten Thieren zu untersuchen. Ich war aber gezwungen, in Bezug auf gewisse Umstände bei Erklärung einiger Verhältnisse der Drüsen und der sie zusammensetzenden Elemente, die Schleim- haut auch nach Einwirkung stärkerer Reize zu untersuchen, als die, welche man durch die Fütterung allein erhält. Vom Standpunkte einiger Pathologen aus!) schien es mir vollkommen richtig, auch den Entzündungszustand und die mit demselben verbundenen Veränderungen in den mikroskopischen Bildern an verschiedenen Abtheilungen der Schleimhaut zu studiren. /u diesem Maximum von Reizung, das bis an pathologische Zu- stände reicht, gelangte ich dadurch, dass ich die Thiere mit gewissen Stoffen fütterte, welche jedenfalls die Drüsenelemente der 1) Ebstein: Virch. Archiv. 1872. LV. p. 469. (Ref. nach. Uhle u. Wagner, Handbuch der allgemeinen Pathologie. Russisch. 1874. p. 421.) Ueber den Bau der Magenschleimhaut. 177 Magenschleimhaut stärker functioniren machen, als die gewöhnliche Speise. Zu solehen Stoffen zählte ich Phosphor und Alcohol. Das Epithelium, welches die Oberfläche der Magenschleim- haut bedeckt, ist bei allen Thieren fast ohne Ausnahme von cylin- drischer oder conischer Form. Höhe und Grösse der Zellen schwanken innerhalb bestimmter Grenzen, nichts desto weniger erhält sich die Grundform überall. Bei Säugethieren zeigt das Epithel im vollkommen frischen Zustande in humor aquaeus oder Jodserum folgende Verhältnisse: Der obere, breitere Theil der Zellen erscheint fast homogen, von matter Farbe, aufgequollen und bisweilen gänzlich zerfliessend, ohne scharfe Contouren. Dieser homogene Theil der Zellen ist nichts anderes als der Ausdruck der Schleimmetamorphose des Protoplasma im oberen Theil der Zellen. In der Richtung zum unteren Theil hin verschmälern sich die Zellen etwas und werden seitlich eingefasst von einer deutlich hervortretenden Membran, welche bei seitlicher Ansicht in Form eines doppelt contourirten Streifens erscheint, welcher am freien Theil der Zellen aufhört. Nicht selten jedoch werden in diesem homogenen Theile einzelne glänzende Körnchen von grösserem oder geringerem Umfange angetroffen. Die homogene Abtheilung der Zelle (Prof. Bieder- mann’s) ist an ihrem untern Theil gewöhnlich scharf getrennt von der folgenden, etwas breiteren Abtheilung, welche einen Kern von etwas verlängerter Form einschliesst und ein stark körniges Protoplasma enthält. Diese Abtheilung der Zelle werde ich „Kör- per“ nennen; dieselbe setzt sich ohne merkbare Veränderung in der Form in den schmäleren, etwas verlängerten Fuss fort, oder zeigt sich im Niveau des Kerns leicht erweitert und stärker körnig (@iTaf. X, Fig. 2). Bei Einwirkung von Essigsäure erfolgt in dem schleimig- metamorphosirten Theile der Zelle eine starke Trübung, während zu gleicher Zeit der Körper, sowie der Fuss derselben stark sich aufhellen und weniger körnig werden; zugleich tritt der Kern deutlicher hervor, wird mehr rundlich und schwillt an. Eben solche Trübung des schleimig-metamorphosirten Theils tritt ein bei Ein- wirkung schwacher Mineralsäuren; bei Einwirkung eoneentrirter unorganischer Säuren erfolgt jedoch eine starke Aufhellung des metamorphosirten Theils des Protoplasma. Schwache Lösungen von Alkalien und selbst einfacher Zusatz 178 Nikolai Trinkler: von Wasser bewirkt starke Aufquellung. Aus diesen Reactionen lässt sich leicht erschliessen, dass der obere, scheinbar homogene Theil der Zelle nichts anderes, als eine schleimige Metamor- phose des Protoplasma darstellt. An Präparaten aus Müller’scher Flüssigkeit oder Alkohol prä- sentiren sich die Zellen in etwas anderer Weise. Ihr oberer meta- morphosirter Theil zeigt sich entweder stark angeschwollen (s. Tat. X, Fig. 1 und 3) oder fehlt gänzlich, so dass die Zellen wie leer erscheinen, jedoch fallen dabei die Seitencontouren der Zellen- membran, welche den oberen, schleimig metamorphosirten Theil umfassen, nicht zusammen, sondern bleiben in der Richtung zum freien Rande der Zellen hervorsteherd. Bei Färbung mit Anilin- blau oder Carmin nehmen der metamorphosirte Theil der Zellen und der Kern ziemlich stark den Farbstoff auf, während das Pro- toplasma sich bedeutend schwächer färbt, namentlich der Theil desselben, der in Art einer mehr compacten Schicht den Kern umgiebt. Zusammen mit den am freien Ende offenen Zellen, gelang es mir bei der Katze an in indifferenten Flüssigkeiten untersuch- ten Präparaten auch geschlossene Epithelzellen zu beobachten, die sich nach Form und Färbung durchaus nicht von den offenen unterschieden; der obere freie Rand dieser Zellen zeigte sich deut- lich doppelt contourirt. Besonders leicht konnte ich mich von letztgenanntem Umstand überzeugen, wenn ich dem Präparate einige Tropfen destillirten Wassers zusetzte, in Folge dessen der schleimig metamorphosirte Theil der Zelle schnell aufquoll und die Membran vor sich aufbuchtete, so dass die ganze Zelle die Form einer echten „Becherzelle“ annahm. Später jedoch fand ich solehe aufgequollene geschlossene Epithelzellen auch ohne jeg- liche vorläufige Bearbeitung (s. Taf. I, Fig. 2a). Ich glaube daher, dass diejenigen Forscher (F. E. Schulzet), Bleyer?), Biedermann?) u. a.), welche behaupten, dass die Epi- 1) Schulze, F.E.: „Epithel und Drüsenzellen.“ Arch. f. mikr. Anat. Bd. III. p. 174. 2) Bleyer, E.: „Magenepithel und Magendrüsen der Batrachier‘. Diss. Königsberg. 1874. (Ref.: Jahresber. über d. Fortschr. d. Anatomie und Phy- siologie, herausg. von Hoffmann und Schwalbe. 1875. p. 209.) 3) Biedermann, W.: „Untersuchungen über das Magenepithel. Wiener Sitzungsber. LXXI. 3. p. 377—398. Ueber den Bau der Magenschleimhaut. 179 thelzellen der Magenoberfläche an ihrem freien Ende immer offen seien, nicht ganz im Rechte sind. Es ist wahr, dass sich geschlos- sene Zellen weit seltener vorfinden als offene, und scheint mir die Ursache des Vorkommens dieser doppelten Art von Zellen entweder darin zu liegen, dass ein Unterschied des funetionellen Zustandes beider Arten vorliegt, oder was wahrscheinlicher ist, dass sich diese Zellen auf ungleicher Stufe der Entwicklung befinden, näm- lich dass die am freien Ende geschlossenen Zellen jünger sind, als die offenen. Die schleimige Metamorphose beginnt gewöhnlich unmittelbar unter der Zellmembran, im Allgemeinen vom freien Ende der Zelle her, und setzt sich gleichmässig in das Innere der Zelle fort bis zum Kerne, welcher in solchem Falle sich leicht verschoben und abgeplattet zeigt. Bei höheren Wirbelthieren habe ich selten solche Epithelien angetroffen, in denen die Anwesenheit des Kerns nicht zu constatiren gewesen wäre, so dass man schliessen könnte, dass einem vollständigen Untergange nur wenige von den Epithelzellen anheimfallen. Bei niederen Wirbelthieren ist die Schleimhautoberfläche bedeckt von einem Cylinderepithel, welches in Form und Charakter einigermaassen von dem eben beschriebenen abweicht. So finden sich beim Frosche zwischen den gewöhnlichen Cylinderepithelzellen mit schleimiger Metamorphose auch zerstreut sogenannte Becher- zellen vor, wenngleich in sehr geringer Anzahl; ausserdem fand ich häufig Flimmerzellen. Die Cylinderzellen (s. Taf. X, Fig. 3) erscheinen beim Frosch verhältnissmässig länger und etwas schlanker; ferner ist die Lage des Kerns verändert. In einigen Zellen ist der obere Theil, welcher den „Schleimpfropf“ in sich schliesst, scharf vom Körper der Zelle abgegrenzt durch eine geringe Einziehung, in Form eines Halses, unter welchem letzteren der Kern liegt. Die Menge von Protoplasma, die den Kern umgiebt, ist äusserst gering, so dass sie sich um den Kern in Form einer feinen, bisweilen kaum bemerkbaren Zone lagert. Der Fuss der Zellen ist dagegen verhältnissmässig sehr gross und erscheint fast wie gewunden. Mitten unter diesen Zellen kommen andere vor, in welchen der Kern viel höher gelagert ist, dicht unterhalb des „Schleimpfropfes*, so dass es nicht zu einer eigentlichen Einschnürung zwischen dem oberen Theil und dem Körper kommt. In Bezug auf die freie Oberfläche der Zellen, Archiv f. mikrosk, Anatomie. Bd, 24. 12 180 Nikolai Trinkler: beobachtete ich gleich häufig offene sowie geschlossene Zellen, sowohl solehe mit stark ausgesprochener schleimiger Metamorphose, als auch solche, bei welchen der obere Theil körnig war und einen scharf ausgeprägten protoplasmatischen Charakter darbot, ohne die geringste Spur von schleimiger Metamorphose (s. Taf. X, Fig. 3 und 7). Becherzellen finden sich im Magen in weit geringerer Anzahl als im Oesophagus, in welchem die Schleimhaut fast ausschliess- lich mit Becherzellen bekleidet ist. In der Form unterscheiden sich die Becherzellen des Magens von denen des Oesophagus, in welchen man, wie in Taf. X, Fig. 8 und 9 abgebildet ist, deutlich einen oberen Theil begrenzt von scharf contourirter Membran, mit homo- gsenem, leicht mattglänzenden Inhalt, welcher Theil etwa °/, der ganzen Zelle einnimmt und der „Theca“ (Schulze) entspricht, von dem unteren protoplasmatischen Theil der Zelle trennen kann. Dieser letztere ist stark körnig und enthält gewöhnlich den ovalen Kern, welcher senkrecht zur Längsachse gestellt ist. Nicht selten sind diese Zellen mit Einschnürungen im homogenen Theile ver- sehen, so dass letzterer birnförmig erscheint. Unter den Be- cherzellen der Magenschleimhaut trifft man solche Formen nicht an. Parallel mit diesen Zellen kann man auch jüngere Formen finden, d. h. solche, wo das obere Ende, welches bei alten einen homogenen Charakter zeigt, protoplasmatisch bleibt. Diese Zellen haben eine etwas keulenförmige Gestalt, entsprechen aber in Stru- etur des Kerns und in ihrer Länge vollkommen den eben beschrie- benen Becherzellen (s. Taf. X, Fig. 3f, g, e und Taf. X, Fig. 7.) Flimmerzellen wurden in der Epithelschicht der Magen- schleimhaut des Frosches äusserst selten angetroffen. In ihrer Form erinnern sie im Allgemeinen sehr an gewöhnliche Cylinder- zellen und sind sie in der Mehrzahl der Fälle wie diese mit einem ziemlich langen, leicht verengerten Fusse versehen, selten findet man solche mit diehotomisch getheilten, protoplasmatischen Fort- sätzen (s. Taf.X, Fig.6). Der Magen der Schildkröte ist ebenfalls von Cylinderepithelzellen ausgekleidet (s. Taf. X, Fig. 12a, b, ec, d,e), welche sehr lang und schmal sind, einen grossen, homogenen Kern führen und einen oberen, schleimig metamorphosirten Theil zeigen. Ausserdem finden sich zwischen diesen Zellen vollkommen geschlossene vor, ohne Schleimpfröpfe, welche sehr den „jungen“ Ueber den Bau der Magenschleimhaut. 181 Becherzellen gleichen, deren verschiedene Formen von mir beim Frosche eben berücksichtigt wurden. Bisweilen erscheinen die Zellen so dünn, dass sie den Eindruck von Fasern machen, die in der Mitte einen Kern einschliessen. Der obere Theil erscheint bei ihnen an seinem freien Ende entweder verdickt, abgerundet und von deutlicher Membran umgeben, oder rüsselförmig (s. Taf. X, Fig. 13c). Bei Tropidonotus natrix trifft man ausser dem gewöhn- liehen Epithel mit schleimiger Metamorphose, welches die ganze Oberfläche des Magens vom Oesophagus an bedeckt, im Pylorus- theil recht häufig auch Becherzellen an. In der Cardia und in der Fundusschleimhaut fehlen die letzteren vollständig (s. Taf. X, Fig. 14). Bei dem letztgenannten Thiere gehen die Flimmerepithelzellen, welche den Oesophagus seiner ganzen Länge nach bekleiden, nicht auf die Magenschleimhaut über. Bei der Untersuchung der Oeso- phagusschleimhaut von Tropidonotus natrix fand ich unter den Becherzellen, welche in den Zwischenräumen des Cylinderepithels wie eingezwängt stehen und mit ihrem etwas verengten offenen Mündungsende die freie Oberfläche erreichen, auch solche, welche sich nicht nur oben geschlossen zeigten, sondern auch einen gut erhaltenen Saum mit Flimmerhäärchen aufwiesen (8. Taf. X, Fig. 14a). Zu Gunsten dessen, dass man es hier mit keinem Kunstpro- duet zu thun hat, mit anderen Worten nicht mit dem Resultat der Aufquellung durch Wasser, spricht, dass man durch Zusatz von schwachen Essigsäurelösungen eine starke Trübung des aufge- quollenen Theils der Zelle hervorrufen kann und eben dadureh die Analogie mit dem Inhalt auderer Becherzellen constatirt wird. Ein besonderes Interesse erheischt das Epithel, welches die Magenschleimhaut bei Fischen bedeckt, sowohl seiner Form wegen, als auch desshalb, weil es in einzelnen Stücken abweicht vom Bau der Epithelzellen der Magenoberfläche bei höheren Thieren. Bei den Fischen, welche einen Magen besitzen (Perca fluvia- tilis, Esox lueius u. a.) wird das Flimmerepithel, welches in fast ununterbrochener Schicht den ganzen Oesophagus bekleidet, beim Uebergang auf die Magenschleimhaut durch gewöhnliches Cylinder- epithel mit schleimiger Metamorphose am freien Ende der Zellen ersetzt. Zwischen den Cylinderzelien treffen wir jedoch auch Flimmerzellen in grosser Anzahl an, ununterbrochen bis zum Pylorus 182 Nikolai Trinkler: reichend. Sowohl die eylindrischen Flimmerzellen, als auch die Zellen mit schleimiger Metamorphose zeigen sich ungewöhnlich hoch und schmal, enthalten einen grossen, ovalen oder runden Kern; mit ihrem unteren Theile setzen sie sich in einen sehr langen, fadenartigen Fortsatz fort, welcher in seinem weiteren Verlauf ein bis zwei varieöse Anschwellungen zeigt, in Form von glänzenden, slasartigen, stark lichtbrechenden Verdiekungen. Bisweilen gelingt es, in einer solchen variecösen Verdiekung etwas einem Kern ähn- liches zu entdeeken, gewöhnlich aber bringen die Verdiekungen eher den Eindruck eines stärker selerosirten Theil des Fortsatzes hervor (s. Taf. X, Fig. 5). Durch diese Fortsätze verflechten sich die Zellen unter ein- ander, so dass es zu guter Letzt fast unmöglich wird, die Richtung dieser Fortsätze zu bestimmen. Ungeachtet aller Bemühungen, diese Gebilde genauer zu studiren, welche im Verlauf der Zellen- ausläufer sich vorfinden, konnte ich zu keinem befriedigenden Resultate kommen. Fussend auf den Beobachtungen von Fr. E. Schulze, welcher geneigt ist, diesen Fortsätzen einen nervösen Charakter zuzuschrei- ben, versuchte ich dieselben mit Osmiumsäure zu färben und die Reaction von Schwefelsäure und Jod zu erproben, in der Hoffnung, vielleicht Spuren von Zerfall der Nervensubstanz zu finden, jedoch ohne Erfolg. Bei Färbung mit gewöhnlichen Farbstoffen (Carmin, Anilin, Eosin) färbten sich die Verdickungen selbst am wenigsten oder färbten sich überhaupt gar nicht. Resiimirt man alles über die Epithelzellen, welche die Ober- fläche der Magenschleimhaut bei verschiedenen Thieren bedecken, Gesagte, so kommt man zu dem Schluss, dass die Hauptbestimmung dieser Elemente die Schleimabsonderung ist, welche bei Säugern durch eine Art von Zellen bewirkt wird; bei anderen, mehr nie- deren Thieren theilt diese Function noch eine andere Art von Zellen, nämlich die Becherzellen. Stellt man indessen beide Arten von Zellen nebeneinander und vergleicht ihre verschiedenen Form- veränderungen, so überzeugt man sich leicht von der Existenz einer ganzen Reihe von Uebergangsformen von gewöhnlichen Cylinder- zellen mit geringfügiger schleimiger Metamorphose, wie dies bei den Säugern beobachtet wird, zu echten sogenannten „Becher- zellen“, welche sich bei niederen Thieren in grosser Anzahl in der Schleimhaut des Oesophagus vorfinden, aber auch in der Ma- Ueber den Bau der Magenschleimhaut. 183 senschleimhaut besagter Thiere nicht fehlen. Der ganze Unter- schied zwischen den einen und den anderen Zellen beschränkt sich darauf, dass bei einigen Thieren die schleimige Metamorphose nicht so intensiv ausgeprägt ist und nur einen geringen Theil des Zellprotoplasma ergreift, bei anderen Zellen dagegen weit stärker auftritt und zur Schleimbildung eine grössere Menge von Proto- plasma verbraucht, wie solches in den Becherzellen stattfindet. Der Befund von Flimmerzellen im Epithel der Magenschleimhaut kann, nach meiner Ansicht, benutzt werden zur Entscheidung eini- ger Streitpunkte betreffs der genetischen Verbindung und des gegenseitigen Verhältnisses der Elemente, welche die epitheliale Bedeckung der Magenschleimhaut und die Schleimhaut des übrigen Darmtractus zusammensetzen. Schon der Umstand allein, dass Flimmerzellen bei der Mehr- zahl von Thieren nur in äusserst geringer Anzahl vorkommen, erlaubt uns, den Flimmerzellen irgend welche wichtige Bedeutung für die Function der Magenschleimhaut abzusprechen und veranlasst uns, dieselben als residuale Gebildeder Embryonalperiode zu betrachten. Ferner bestätigt der Befund von Becherzellen mit Flimmer- häärchen gewissermaassen unsere Ansicht in Betreff der identischen Natur von Cylinderepithel und „Becherzellen“. Wie aus den jüngsten Arbeiten von Regeczy!), Braun?) und Blanchard?) bekannt ist, wurde häufig das Factum constatirt, dass in der Magenschleimhaut sich vereinzelt Flimmerepithelzellen vorfinden. Ohne den Angaben dieser Forscher widersprechen zu wollen, bemerke ich, dass, wenn die Auffindung von Flimmerepithel mit grossen Schwierigkeiten verbunden ist und zu verschiedenen Resultaten führt, dieses sich durch die Unbeständigkeit im Vor- handensein von Flimmerzellen in der Magenschleimhaut erklären lässt, oder zum wenigsten, dass sich Flimmerepithel in äusserst geringer Menge vorfindet. 1) v. Regeczy u. E. Nagy: ,„Ueber die Epithelzellen des Magens“. Arch. f. mikr. Anat. Bd. 18. Heft 4. 1880. p. 408. 2) Braun, M.: „Zum Vorkommen von Flimmerepithel im Magen“. Zool. Anzeiger 69. 1880, 3) Blanchard, R: „Sur la presence de l’epithelium vibratile dans Vintestin“. Zool. Anzeiger. 1880. 72. p. 67. 184 Nikolai Trinkler: Dieses seltene Vorkommen hat auch einen gewissen Grund darin, dass überhaupt, wie aus den Beobachtungen vieler Forscher (Klein!), Neumann?), Langerhans?) u. a.) hervorgeht, Flimmer- epithel an solchen Schleimhäuten angetroffen wird, welche ein neutrales oder alcalisches Secret liefern. Ich glaube, dass aller Wahrscheinlichkeit nach im vorliegenden Falle das saure Secret der Magenschleimhaut ein sehr ungünstiges Medium für die Existenz von Flimmerzellen abgiebt. Man darf sich nur an die unmittelbare Beobachtung erinnern, dass überhaupt Zusatz von Säuren (resp. sauren Magensaft) die Flimmerbewegung verlangsamt, noch häufiger dieselbe ganz aufhebt. Im Gegentheil ist in der Embryonalperiode, bei einigen Fischen und einigen anderen nie- deren Thieren, welche kein eigentlich saures Magensecret haben, der ganze Darmtractus ausschliesslich mit Flimmerepithel bekleidet. Anderseits erklärt die Anwesenheit von Flimmerepithel in der Magenschleimhaut bis zu einem gewissen Grade den Ursprung anderer Formen von Epithelzellen, welche die Schleimhaut des übrigen Theils von Darmtraetus bekleidet, ich meine im vorlie- genden Falle das Epithel der Darmzotten. Die Ansicht von Prof. Kutschin, welche er schon lange in seinen Vorlesungen über Histologie ausgesprochen hat, dass man die Stäbehen der Zottenepithelzellen als metamorphosirte Flimmerhäärchen zu betrachten habe, findet offenbar eine gute Stütze durch den Befund von Flimmerepithel in der Magenschleimhaut. Unmittelbar unter dem Epithel der Oberfläche oder zwischen dem unteren Ende seiner Zellen kann man in der Mehrzahl der Fälle besondere Gebilde beobachten, von rundlicher, ovaler oder etwas eckiger Form, welche nichts anderes darstellen, als junge Zellen von protoplasmatischem Charakter. Mit ihrem leicht zugeschärften Ende liegen sie (s. Taf.X, Fig. 11g und Fig. 15 a—b) gewöhnlich zwischen den Füssen zweier benachbarter Cylinder- zellen, werden von letzteren oft ganz umfasst und dann stellen sie 1) Klein: „On the ciliated epithelium of the oesophagus (Quart. Jour- nal of mikroskop. Science. Vol. XX. p. 476). 2) Neumann, E.: „Flimmerepithel im Oesophagus menschlicher Em- bryonen“. Arch. f. mikr. Anat. Bd. XI. p. 57. 3) Langerhans, P.: „Untersuch. über Petromyzon Planeri“. Ref. Schwalbe’s Jahresber. Bd. I. 1873. p. 19. Ueber den Bau der Magenschleimhaut. 185 sich nicht in Form von conischen Zellen dar, sondern haben eher eine rundliche Form. An Zupfpräparaten aus Müller’scher Flüssig- keit trifft man sehr häufig zwischen den unteren Enden der eylin- drischen Epithelzellen leere, rundliche Löcher (s. Taf. X, Fig. 15 b), die auf die Stellen, wo diese Zellen herausgefallen sind, hinweisen. Das Protoplasma dieser Zellen, welche schon von Todd, Bow- man, alsdann von Watney unter dem Namen von „epithelial buds“ beschrieben wurden und von Ebstein als „Ersatzzellen“ anerkannt worden sind, ist feinkörnig, bisweilen fast homogen und enthält einen grossen runden Kern. Bei Färbung durch Eosin erscheinen diese Zellen etwas blasser als die über ihnen gelagerten „ylinderzellen und unterscheiden sich daher ziemlich scharf von denselben. Besonders gut konnte ich die Ersatzzellen an der Magen- schleimhaut von Emys europaea studiren, bei welcher im ober- flächlichen Epithel die schleimige Metamorphose sehr deutlich aus- geprägt ist, und wo man sich dem Anscheine nach am klarsten von der Bestimmung dieser Zellen überzeugen kann (s. Taf.X, Fig. 13ab). Abgesehen davon, dass ich bei diesem Thiere die Ersatz- zellen in ansehnlicher Zahl fand, wiesen dieselben grösstentheils sehr charakteristische Umrisse auf; sie nehmen bisweilen eine spindelförmige Gestalt an, enthalten zwei deutlich doppelt-contou- rirte Kerne und werden häufig in Gruppen angetroffen. Ehe ich zur Beschreibung der auf das Epithel der Magenoberfläche folgenden Drüsenschicht und des Stroma der Schleimhaut übergehe, werde ich noch auf eine Entdeckung kurz eingehen, welche schon Debove!) beim Studium der Schleimhäute machte, welche jedoch von andern Forschern wie Forster?) und Tourneux®) nicht bestätigt wurde. Debove beschreibt eine besondere Lage, „subepitheliale‘“ von ihm genannt, welche unmittelbar dem oberflächlichen Epithel anliegt und welche aus grossen, kernlosen Zellen bestehen sollte. Was mich anbetrifft, so habe ich bei der Bearbeitungsme- thode, welche Debove empfiehlt (Versilberung !/,o arg. nitriei, Abspülen mit dem Pinsel und nochmalige Versilberung) ungeachtet mehrmaliger Ver- 1) Debove, M: ,„Memoire sur la couche endotheliale sousepitheliale des membranes muqueuses“ Arch. de physiol. p. 19—26. 2) Forster, M.: „On the term endothelium“. Quart. Journal of mi- erosc. science p. 219—223. 3) Tourneux, Fr.: „Recherches sur l’eEpithelium des sereuses“ Robin journ. de l’anat. etc. p. 66—83. Chap. XII, 11. 186 Nikolaı Trinkler: silberung, welche ich zu diesem Zwecke vornahm, an der Schleimhaut bei Ratte und Maus keine Bilder erlangen können, die mit seinen Angaben stimmten. Bei der Ratte trifft man nach „doppelter Versilberung“ und nachfol- sender Färbung durch Hämatoxylin allerdings einzelne Gruppen von Zellen, welche unmittelbar unter der oberflächlichen Epithelschicht liegen. Diese Zellen haben sehr grosse Aehnlichkeit mit endothelialen Plättchen, erscheinen platt, glasartig, unregelmässig eckig, sehr dünn mit deutlich hervorspringen- dem Kern, der von einer schmalen Zone von körnigem Protoplasma umgeben ist. Ein günstiges Objekt zur Untersuchung in dieser Beziehung bietet auch die Magenschleimhaut einiger Fische. In Isolationspräparaten (Bars) aus Müll. Flüssigkeit oder aus Lösungen von doppelchromsaurem Kali trifft man nach vorsichtigem Zerzupfen zwischen den Cylinder- und Becherzellen, Zellen an, welche entweder vereinzelt oder in Gruppen von 3—4—5 umherschwimmen, und welche einen vollkommen endothelialen Charakter tragen. Ihre Form ist gewöhnlich unregelmässig viereckig und sind sie mit einem deutlich fa- serigen Kern versehen; eine solche fasrige Structur zeigt auch das Protoplasma der Zellen. Feine Fädchen, die in nächster Nähe des Kernes scheinbar ihren Anfang nehmen, setzen sich fort bis zu den vorragendsten Winkeln der Zelle und nachdem sie an diesen Stellen sich umbiegen, laufen dieselben parallel den peripherischen Theilen der Zelle, um an den entgegengesetzten Winkeln, von neuem einige Windungen machend, sich wieder dem Kerne zu nähern. In Betreff des Fädchennetzes im Kerne sieht man, dass an vielen Stellen die Fädchen sich miteinander kreuzen, wobei sie unbedeutende Verdickungen oder Knötehen zu bilden scheinen, welche den Eindruck von glänzenden Körnchen machen (s. Taf. X, Fig. 16 u. 17). Bei anderen Thieren und hauptsächlich bei den höheren Säugern habe ich etwas dieser subepithelialen Schicht Achnliches beobachtet; ich halte es für wahrscheinlich, dass diese Schicht, welche Debove für eine besondere Lage hält, nichts anderes ist, als der mehr lockere junge Theil der Mem- brana propria der Drüsen, wo die Zellen noch nicht genügend dem Sclero- sirungsprocess unterworfen sind und noch keine homogene Lage bilden; sie bilden jedoch eine Art von durchlöcherter oder gefensterter Membran, die zwischen den Drüsentrichtern ausgespannt ist und welche in Verbindung mit den Elementen, welche die Propria der Drüsenröhrchen bilden, zu stehen scheint. Die Drüsen, welehe die Schleimhaut des Magens beherbergt, sind bei fast allen Thieren ohne Ausnahme nach dem Typus ein- facher Röhrendrüsen geformt und nur ein geringer Theil von Drü- sen in einigen Abtheilungen des Magens trägt einen mehr acinösen Charakter. Indem ich mich der Terminologie Heidenhain’s anschliesse, unterscheide ich an den Drüsen folgende drei Haupttheile, die bei Ueber den Bau der Magenschleimhaut. 187 den Drüsen fast aller Thiere genügend ausgeprägt sind: Ausgang, Hals und Körper. Der obere Theil ist der trichterförmig erweiterte Ausgang der Drüsenröhre, der sich wie eine gemeinsame Mündung für einige Drüsenröhrehen ausnimmt und an seinem unteren, etwas verengten Theile in den sogenannten Hals übergeht. Dieser letzt- genannte Theil des Drüsenröhrchens erscheint als der engste von allen Abtheilungen der Drüse. Der unterste und zugleich haupt- sächlichste Theil der Drüsen, ihr Körper, stösst oben unmittelbar an den Hals, nach unten erweitert er sich entweder allmählich oder schwillt kolbig an und endet blind. Sowohl die Länge, als auch der Durchmesser der einzelnen Theile ändert sich je nach der Thierspecies; aber auch an den verschiedenen Stellen der Schleimhaut; in dieser Beziehung zeigt die grössten Schwankungen der Ausgangstrichter und der Körper der Drüsenröhrchen, während der Hals derselben in allen Fällen den engsten Durchmesser bei- behält und von allen Theilen der Drüse am wenigsten Verän- derungen aufweist. Die Länge der Drüsen und ihre Lage in Bezug auf die Oberfläche der Schleimhaut, als auch in Bezug auf ihre gegenseitige Lage zu einander wird gleicher Weise bedingt nicht allein durch die verschiedene Stelle und durch die Verschiedenheit in der Structur der darunter liegenden Theile, von welchen auch die Configuration der Drüsen selbst abhängt, sondern auch von Verschiedenheiten, welche jeder einzelnen Thierspecies eigenthüm- lich sind und wahrscheinlich auch von einem gewissen Unterschiede in der Function. Den Ausgangstheil der Drüsen oder den Trichter, wie ich ihn nennen werde, kann man als eine einfache Ausstülpung von Seiten der Schleimhaut her betrachten. Das einschichtige, schleimig metamorphosirte ceylindrische Epithel der Oberfläche setzt sich unmittelbar und ohne sichtbare Veränderung auf den Trichter fort, wobei im oberen Theil desselben die Epithelzellen unregelmässig gebogen erscheinen und sich mit ihren verlängerten dünnen Fortsätzen eng verlöthen; dieselben zeigen längliche, etwas ausgezogene Kerne. | Gegen den Grund des Trichters hin werden die Zellen bedeu- tend kürzer, sind nicht mehr spitzwinklig gegen die Längsachse des Röhrchens gelagert, sondern stehen mehr oder weniger senk- recht zur membrana propria. Am Grunde des Trichters zeigen sich die Zellen vollkommen geschlossen, enthalten einen mehr run- den Kern, werden körniger und färben sich etwas intensiver, 188 Nikolai Trinkler: als die höher liegenden Cylinderzellen. Das ist eine in allgemeinen Umrissen gegebene Beschreibung der Elemente, welche den eigent- lichen Trichter auskleiden. Was den Drüsenhals anbetrifft, so erscheint er an Präpa- raten, welche mit Carmin oder Anilin gefärbt worden waren, bei geringer Vergrösserung betrachtet, von rundlichen, intensiv gefärb- ten Zellen erfüllt. Es ist zu bemerken, dass dieser Drüsentheil, sowie das obere Ende des Drüsenkörpers im Vergleich mit den übrigen Abtheilungen des Drüsenröhrchens, sich im Allgemeinen an den Präparaten immer am intensivsten gefärbt erweisen. Ein genaueres Studium der Elemente, sowohl an Längs- schnitten, als auch an aufeinander folgenden Querschnitten, zeigt jedoch, dass gerade dieser Theil der Drüse in seiner Structur fast der allercomplieirteste ist. In Bezug auf Schwierigkeit des Stu- diums der ihn zusammensetzenden Elemente gebührt ihm der erste Platz. Die Erforschung. wird theils erschwert durch die bisweilen geringe Ausdehnung des ebengenannten Theils, theils durch die schwach markirte Abgrenzung zwischen Drüsenhals einerseits und Drüsenkörper anderseits. Eine genauere Beschreibung wird jedoch am besten erst nach Besprechung des Drüsenkörpers gegeben. Bei allen höheren Wirbelthieren ist, wie das seit den Unter- suchungen Heidenhain’s und Rollett’s bekannt worden, der Körper aller Fundus- und Cardiadrüsen mit einer doppelten Art von Zellen ausgekleidet. Die einen von diesen Zellen (Beleg- oder delomorphe Zellen), von grösserem Umfang und stärker körnig, weisen eine unregelmässig winklige oder ovale Form auf und lie- gen in der ganzen Ausdehnung des Drüsenkörpers zwischen der Membrana propria und einer Schicht der anderen Art von Zellen (Haupt- oder adelomorphe Zellen), welche von geringer Grösse, von conischer oder cylindrischer Form sind und nach innen von den ersteren gelegen, in ununterbrochener Schicht das Lumen der Röhrchen auskleiden und begrenzen. Bei Hund und Katze erscheinen die frisch in humor aquaeus untersuchten Drüsen dem Ansehen nach als fast homogene fein- körnige Röhrchen von graulich-weisser oder leicht gelblieher Farbe. Trotzdem zeichnen sich die äusseren Contouren der Drüsen ziem- lich deutlich ab und dieselben erscheinen nicht selten etwas höcke- rig, wie wellenförmig begrenzt. Letztere Form des Contours entspricht der Lagerung der Belegzellen, welche, da sie überhaupt Ueber den Bau der Magenschleimhaut. 189 unmittelbar unter der Membrana propria liegen, letztere ausbuchten und den Eindruck von Erhöhungen hervorbringen, welche man am Contour der Drüsen bemerkt (s. Taf. X, Fig. 18). Die ganze Drüse erscheint stark körnig und die Grenzen zwi- schen den einzelnen Zellen treten nicht hervor, jedoch lassen sich die einzelnen Belegzellen in Form von mehr helleren Feldern erkennen; die Zwischenräume zwischen diesen Feldern, welche der Lage der Hauptzellen entsprechen, erscheinen dunkler; Zusatz einer geringen Menge von destillirtem Wasser ruft eine bedeutende Aufquellung der Belegzellen hervor. Die Contouren derselben werden deutlicher, das Protoplasma körniger und deshalb treten die Zellen schärfer hervor; die Aufhellung der Hauptzellen geht weit langsamer vor sich. Nach Verlauf einiger Zeit bei fortdau- ernder Einwirkung von Wasser nehmen die Drüsen ein ganz anderes Ansehen an: während an Stelle der früher undeutlich begrenzten helleren Felder jetzt scharf begrenzte, grobkörnige und kernhaltige Belegzellen auftreten, sind die Grenzen zwischen den einzelnen Hauptzellen noch nicht sichtbar, man findet dagegen nur eine mattglänzende, homogene, zartkörnige Masse, wo auch keine Kerne zu entdecken sind. Bei Einwirkung von Aetzalcalien in ziemlich concentrirten Lösungen (35°/,) werden die Grenzen zwischen den einzelnen Beleg- und Hauptzellen so scharf, dass sowohl die Form, als auch die Lage beider Zellenarten auf das Deutlichste sichtbar werden. Das Protoplasma sowohl der Beleg- als der Hauptzellen wird stark aufgehellt. Die Belegzellen springen an den Seiten der Drüse stark hervor. Die Kerne, welche bis dahin wegen der starken Körnelung des sie umgebenden Protoplasma schwach sichtbar waren, erhalten einen deutlichen Contour und nehmen, allmählich anschwellend, endlich ein bläschenartiges Ansehen an. Schwache Lösungen von Essigsäure (0,5—1°/,) wirken etwas verschieden auf Haupt- und Belegzellen ein. Letztere hellen sich stark auf, werden feinkörnig und erhalten wie einen verdick- ten peripherischen Contour; der Kern quillt stark auf und wird homogen. Obgleich nun auch die Contouren der Hauptzellen eben- falls schärfer werden, so bemerkt man im Protoplasma derselben eine Trübung, die Zellen scheinen etwas zu schrumpfen und sich zu runzeln, so dass der Kern unbemerkbar wird. Anwendung schwacher Lösungen von Mineralsäuren (bis 0,05°/,), 190 Nikolai Trinkler: nämlich von Saipeter- und Salzsäure, bewirkt starkes Aufquellen und Aufhellen der Belegzellen, deren Protoplasma sehr schwach- körnig wird; die Contouren treten dagegen wie auch bei Einwir- kung von Essigsäure, sehr scharf hervor. Die Kerne schwellen ebenfalls an, werden durchsichtig, glasartig, rundlich und erscheinen nicht selten doppelt contourirt. Was die Hauptzellen anbetrifft, so treten die Grenzen zwischen denselben ebenfalls ziemlich scharf hervor. Die Zellen erscheinen dunkler und schrumpfen schliesslich zusammen. Unter dem Einfluss stärkerer Lösungen von Mineral- säuren (0,5—1°/,) tritt bedeutendere Trübung und Schrumpfung beider Zellenarten ein. Dem Auge erscheint das Protoplasma, besonders in den Belegzellen, wie an einzelnen Stellen geronnen, die Zellencontouren zeigen sich gezackt, die Kerne runzeln sich und schrumpfen zusammen und heben sich an ihrer Peripherie nicht deutlich von der sie umgebenden Protoplasmazone ab. Concentrirte Salzlösungen (CINa) rufen in beiderlei Arten von _ Zellen eine starke Schrumpfung hervor. In den Belegzellen er- scheinen die Kerne, wie zur Peripherie verrückt, leicht gezackt, rosettenförmig und wie zerknittert. In Folge dieser Schrumpfung erscheinen die Belegzellen mehr von der Membrana propria abge- rückt. Nach allen oben angeführten Reactionen, welche an den Zellen beider Arten bemerkt werden, kann man an der eiweiss- artigen Natur dieser Zellen nicht zweifeln, nichts desto weniger ist die Vertheilung der Eiweisspartikel in den Haupt- und Beleg- zellen eine etwas andere. Dieser Unterschied tritt am Deutlichsten, wie wir oben gese- hen, bei Einwirkung von Essigsäure, aber auch bei schwachen Mineralsäuren auf, wo in den Belegzellen eine Art von Verflüssi- sung oder Aufhellung der Eiweissmoleeüle, welche das Zellpro- toplasma zusammensetzen, sich beobachten lässt, während zu glei- cher Zeit in den Hauptzellen eine gewisse Trübung eintritt. Diese letztere Erscheinung beruht augenscheinlich auf der Anwe- senheit einer gewissen Menge von Mucin im Protoplasma der Hauptzellen, oder eines mucinähnlichen Stoffes, welchen man als ein Derivat des Zellprotoplasma betrachten kann. Nach den Reac- tionen zu urtheilen, zeigt sich diese Substanz (Muein) ausschliess- lich in den Hauptzellen als höher differenzirten Zellen und folglich in höherem Grade geeigneten eine bedeu- tende Menge solcher Stoffe zu liefern, welche als Pro- Ueber den Bau der Magenschleimhaut. 191 ducte einer regressiven Metamorphose anzusehen wären. In den Belegzellen trägt das Protoplasma einen ausschliess- lich eiweissartigen Charakter. Die Belegzellen der höheren Wirbelthiere im isolirten Zustande und in möglichst indifferenten Medien (Humor aquaeus, Jodserum, CINa) untersucht, stellen Zellen von grosser, ovaler, unregelmässig eckiger Form dar, welche bisweilen eine viereckige und leicht oval abgerundete Gestalt annehmen. Sie haben einen vollkommen protoplasmatischen Charakter und erweisen sich ungeachtet ihres grossen Körnchenreichthums sehr durchscheinend. Der runde, doppelt contourirte Kern liegt meistens im Centrum und enthält ein oder zwei Kernkörperchen; doch trifft man auch Zellen mit etwas excentrischem Kern an. Der Theil des Zellkörpers im Gebiete des Kernes erscheint gewöhnlich etwas dieker. Wenn man die Zellen in den verschiedenen Flächenansichten betrachtet, kann man bemerken, dass viele von ihnen nach der Mitte zu wie leicht eingedrückt erscheinen, was den Zellen die Form von Dach- ziegeln verleiht. Ausser diesen Formen werden Zellen angetroffen, welehe noch einen mehr deutlich ausgesprochenen protoplasmatischen Charakter tragen. Eine häufig anzutreffende Zellform (Katze, Hund) ist die unregelmässig dreieckige. Solche Zellen zeigen sich an einem ihrer freien Ende in einen nicht grossen, bisweilen leicht zuge- schärften Fortsatz ausgezogen. An ihnen springt besonders in die Augen die ungleichmässige Vertheilung der Körnchen und eine gewisse Eigenthümliehkeit in der ungleichen Dieke des Körpers. Der breitere, halbovale Theil der Zelle, weleher den Kern ein- schliesst, erscheint stark körnig, dunkel, mit ziemlich scharfem äusseren Contour. In dem verengerten fortsatzförmigen Theile ist das Protoplasma bedeutend feinkörniger und hat sogar einen gleich- artigen, homogenen Charakter. Der Unterschied zwischen dem schmaleren und breiteren Theile tritt noch deutlicher hervor nach Einwirkung gewisser Reagentien, z. B. bei Einwirkung von aeid. acet. (0,6—1°/,). Nicht selten bei starker Aufhellung des körnigen Theils bleibt der verlängerte Theil der Zelle ohne jegliche Veränder- ung, grösstentheils beobachtet man aber, dass bei der Aufhellung und dem Aufquellen der Basis der mehr homogene Fortsatz wohl nicht aufquillt, jedoch dunkler, trüber und körniger wird. 192 Nikolai Trinkler: Bei einigen Nagern, besonders bei Maus und Ratte sind alle Belegzellen mit Fortsätzen versehen. Ihrer Form nach erscheinen diese Zellen sehr variabel, was deutlich aus den Abbildungen (8. Taf. XI, Fig. 2 u. 3) zu ersehen ist. Sie erscheinen stark körnig. Der runde Kern, von bedeutenden Dimensionen, liegt gewöhnlich im Centrum des Zellleibes. Das Studium der Hauptzellen in isolirtem Zustande, beson- ders frisch, ist mit vielen Schwierigkeiten verknüpft, was zum Theil davon abhängt, dass dieselben nur mit Mühe zu isoliren sind. An Präparaten aus Jodserum und solchen aus starken alkalischen Lösungen erscheinen dieselben von conischer, kegelartiger oder annähernd eylindrischer Form, mit abgesetzter Spitze nnd verhält- nissmässig breiter Basis. Der blasse, aber meistentheils deutlich doppelt contourirte Kern ist im breiten Theil der Zelle gelagert, hat häufig eine runde oder etwas verlängerte Form und liegt im letzten Falle quer zur Längsaxe der Zelle. Das Zellenprotoplasma erscheint sehr zartkörnig, fast homogen und ist bedeutend blasser als das Protoplasma der Belegzellen unter denselben Umständen. An Schnitten aus Alkoholpräparaten mit Carmin oder Anilin (Heidenhain’s Methode) tingirt, tritt der relative Unterschied zwischen Beleg- und Hauptzellen am deutlichsten hervor: während die Belegzellen dichter im oberen Theil des Drüsenkörpers ange- häuft, im unteren Theil desselben aber mehr zerstreut, sich intensiv gefärbt zeigen, haben die Hauptzellen ein blasses Aussehen und erscheinen ganz ungefärbt (s. Taf. XI, Fig. 5). Es versteht sich von selbst, dass die gegenseitigen Lagever- hältnisse der Beleg- und Hauptzellen zu einander, sowie zu den übrigen Theilen der Drüse, nämlich ihre Lage zur Membrana propria und zum Lumen derselben am Bequemsten an Querschnitten zu studiren sind. Ohne in eine zu genaue Beschreibung dieser Verhältnisse einzugehen, verweise ich den Leser auf die betreffen- den Abbildungen (s. Taf. XI, Fig. 10 u. 11). Ich bemerke nur, dass an feinen Schnittpräparaten die ver- schiedenen Formen von Belegzellen auch dadurch hervorgebracht werden, dass ein grösserer oder kleinerer Theil des Zelikörpers weggeschnitten ist. In solehem Falle erinnern die Belegzellen ihrer geringen Grösse und ihrer Lage nach an die sogenannten Giannu- zi’schen Halbmonde der Speicheldrüsen (s. Taf. XI, Fig. 7 e). Die häufigste Lage der Belegzellen ist diejenige, bei welcher Ueber den Bau der Magenschleimhaut. 193 sie in dreieckiger Form erscheinen, mit etwas zugeschärften fort- satzähnlichen Enden, welche nach dem Lumen der Drüse hin gerichtet sind. Der zugeschärfte Theil der Zellen erscheint unver- gleichliceh blasser und weniger körnig, ja, vollkommen homogen und glasartig, während der übrige Theil, welcher der Membrana propria anliegt oder zwischen derselben und den Basen der Haupt- zellen liegt, stark körnig ist. Es ist zu erwähnen, dass dieser hellere Theil der Zellen auch viel weniger färbbar ist, was schon Stöhr richtig bemerkt hat. Ob die Belegzellen an der Begrenzung des Drüsenlumens Antheil nehmen, ist noch eine nicht ganz entschiedene Frage. Man trifft nicht selten auf Belegzellen, die zwischen den eylindrischen Zellen hindurch bis zum Lumen dringen, aber dass alle Beleg- zellen das Lumen erreichen, wie das Stöhr!) und zum Theil auch Edinger?) meinen, davon konnte ich mich nicht genügend über- zeugen. An Präparaten jedoch, nach der Heidenhain’schen Methode gefärbt, erhält man doch nieht immer die gleichen Bilder: nicht in allen Fällen sind nur die Belegzellen blau oder roth gefärbt, sondern auch viele von den Hauptzellen haben den Farbstoff angenommen, anderseits sind auch Belegzellen zu finden, die blass erscheinen und nur sehr schwach tingirt sind (s. Taf. XI, Fig. 5). Da Zellen, welehe einen scharf ausgesprochenen albuminösen Charakter tragen und für solche muss man ohne Zweifel die Beleg- zellen halten, sich am intensivsten durch Anilinfarben und durch Carmin färben, so muss man glauben, dass auch intensiv gefärbte Hauptzellen sich von den übrigen durch den grösseren Reiehthum an Eiweissstoffen unterscheiden. Nicht selten habe ich auch solche Zellformen getroffen, die ihrer Form und Lage nach vollständig den Hauptzellen entsprachen, ihrer Färbung und Körnerreichthum nach an Belegzellen erinnerten (s. Taf. XI, Fig. 7a). Auf solche Weise kommen wir zu dem Schlusse, dass zwi- schen Haupt- und Belegzellen eine Reihe von Ueber- gangsstufen oder Uebergangsformen vorhanden sind. Solche Formen beobachtet man nicht nur an Anilin-, Carmin-, son- 1) Stöhr, Ph.: „Zur Kenntniss des feineren Baues der Magenschleim- haut. Arch. f. mikr. Anat. Bd. XX. p. 221—245. 1881. 2) Edinger: „Zur Kenntniss der Drüsenzellen des Magens, besonders beim Menschen“. Arch. f. mikr. Anat. Bd. XVII. pag. 193. 194 Nikolai Trinkler: dern auch an Eosin- und Hämatoxylin-Schnittpräparaten. Nicht weniger deutlich treten sie auch an in Osmiumsäure erhärteten Magensehleimhäuten verschiedener Säugethiere hervor. Somit wäre ich auch in Uebereinstimmung mit Orth!) und Edinger, die ebenfalls Uebergangsformen zwischen beiderlei Arten von Zellen der Magendrüsen annehmen, nur mit dem Unterschiede, dass meiner Meinung nach Hauptzellen aus Belegzellen entstehen, während die genannten Forscher umgekehrt einen Uebergang von Haupt- zu Belegzellen behaupten. Man vergleiche hierzu noch die Angaben von Stöhr I. ec. und Toldt?). Die von uns gegebene Darstellung der Drüsen und ihrer Form- elemente bezog sich auf hungernde Thiere. Während des Ver- dauungsaetes ändert sich das äussere Aussehen der Drüse sowohl, wie auch das der Haupt- und Belegzellen bedeutend. Diese Ver- änderungen lassen sich auf Folgendes zurückführen: Während die Drüsen hungernder Thiere sich wie zusammengefallen ausnehmen, sich schmal und lang zeigen, ohne wellenförmige Contouren, erwei- sen sich die der verdauenden Thiere verkürzt, aber dafür in ihrem Querdurchmesser vergrössert und mit unebenen, höckerigen Con- touren versehen (s. Taf. X, Fig. 13a—b). Die Hauptzellen, welche bisher blass erschienen und fast gar keine Farbstoffe aufnahmen, sind jetzt an Umfang vergrössert, mit weniger scharfen Contonren und zeigen nicht so winklige Umrisse. Ihr Protoplasma ist mit feinen und groben durch Anilin und Carmin sich färbenden Körnern durchsetzt, wodurch die Zellen dunkler und etwas intensiver gefärbt auftreten. Die Kerne nehmen an Grösse zu, färben sich intensiver und treten dadurch auch schärfer hervor. Eine solehe Aufquellung und Trübung der adelo- morphen Zelten ist am deutlichsten 4—8 Stunden nach Anfang der Verdauung ausgeprägt. Bei Mäusen und Ratten ist es mir niemals gelungen, deutliche mikros- kopische Unterschiede im Aussehen der ruhenden und thätigen Magendrüsen zu constatiren. Die Drüsen befinden sich in dem Zustande, welcher bei andern Thieren nur der Periode der Verdauung eigen ist. In den funktionirenden Drüsen zeigen die Belegzellen nicht 1) Orth, J.: Handbuch d. norm. Histologie. 1881. pag. 182. (russisch). 2) Toldt, Die Entwicklung und Ausbildung der Drüsen des Magens. Wiener akad. Sitzungsber. III. Abth. 32 Bd. Juli 1880. Ueber den Bau der Magenschleimhaut. 195 dieselben in ziemlich regelmässigen Längsreihen angeordnet liegen, liegen sie in thätigen Drüsen dicht und unregelmässig neben ein- ander, so dass die Hauptzellen von ihnen ganz verdeckt werden. Die Belegzellen stellen sich stark aufgequollen dar und von mehr runder Form, während in den ruhenden Drüsen dieselben mehr eckig und langgestreckt erscheinen. Das Protoplasma wird grob- und reichkörniger. Als bedeutendste und wichtigste Ver- änderung der Belegzellen der im thätigen Zustande sich befinden- den Magendrüsen müssen wir die Vermehrungserscheinungen derselben betrachten, die in den faserigen Metamorphosen ihrer Kerne sich äussern. Die sehr kleinen Belegzellen, welche man nicht selten an der Seite der viel grösseren antrifft, glaube ich berechtigt zu sein als junge eben durch Theilung ent- standene Formen aufzufassen (s. Taf. XI, Fig. 1n—I). Das Protoplasma der jungen Zellen erscheint stark körnig und die Zone desselben, welche um den Kern gelagert ist, enthält gröbere Körner. An Querschnitten kann man sich leicht davon überzeugen, dass die doppelkernigen Zellen durchaus nicht in so geringer Menge vorkommen, um denselben nicht eine wichtigere Bedeutung beizu- legen und mehr Aufmerksamkeit auf diesen Umstand zu wenden, als bis jetzt geschehen ist (s. Taf. XJ). Zieht man nun das Factum in Betracht, dass im Gegensatz zu den Belegzellen in den Hauptzellen ausser einer geringfügigen Anschwellung sich keine anderen Veränderungen bemerkbar machen, welche auf eine Vermehrung derselben hinweisen, so kommt man zu dem Schlusse, dass die Belegzellen sich während des Verdauungsaktes vermehren und die entstandenenjungen Zellformen allmählich gegen das Lumen der Drüse rücken, sich in Hauptzellen verwandeln und auf diese Weise zum Ersatze der zerstörten Hauptzellen dienen. Bei zahlreichen Untersuchungen des Mageninhalts theils von saugenden, theils von erwachsenen Thieren, ist es mir niemals gelungen, den Austritt von freien, unveränderten adelomorphen Zellen auf die freie Magenoberfläche zu sehen, dagegen habe ich (die Thiere wurden zu diesem Zwecke aussschliesslich mit Stärke- mehl gefüttert, um die Untersuchung nicht zu erschweren) im Speise- brei und im oberen Theil der Drüsen häufig in grosser Anzahl freie Kerne angetroffen, welche den Kernen der Hauptzellen sehr Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 24. 13 196 Nikolai Trinkler: ähnlich waren. Ausserdem kann man bei sehr sorgfältiger Beob- achtung in den unteren Theilen der Drüsen und im Lumen selbst eben solche Kerne auffinden, welche entweder vollkommen nackt sind oder von einer äusserst geringfügigen Zone von stark geschrumpftem und getrübtem Protoplasma umgeben sind. Daher kann man nicht zweifeln, dass ein Untergang von Hauptzellen stattfindet, dass dieselben aber dabei nicht nach aussen geführt werden, sondern in den Drüsen selbst durch irgend welche dege- nerative Processe untergehen und dass ihr mehr widerstandsfähiger Theil — der Kern — davon unberührt bleibt. Zu Gunsten dieser letzteren Ansicht sprechen auch die mikroskopischen Bilder, welche an den Drüsen von Hunden erhalten werden bei Fütterung der- selben mit Phosphor uud Alkohol. Auf diese Weise gelingt es, wie ich schon früher bemerkte, die funktionelle Thätigkeit der Drüsen bis zum Maximum zu steigern, so dass der Process der Vermehrung der Belegzellen und der Untergang von Hauptzellen in weiten Grenzen beobachtet werden kann. Beim Studium der Elemente in den Drüsen der Magenschleim- haut niederer Thiere, bei Fischen, wie auch bei einigen Amphi- bien und Reptilien, konnte ich bei denselben nur die Anwesen- heit einer Art von Zellen in den Drüsenröhrchen kon- statiren (hierher gehören die Fische: Esox lueius, Perca fluvia- tilis, von Amphibien und Reptilien: Rana, Triton, Tropidonotus natrix, Lacerta viridis, Emys europaea). Nach ihren chemischen Eigenschaften und nach ihrer Form sind die vollständig identisch mit den Belegzellen der höheren Thiere. Sie erscheinen entweder stark eckig oder von mehr runder Form mit zartkörnigem Proto- plasma, mit grossem bläschenförmigem Kern, der nicht selten ein bis zwei Kernkörperchen enthält. Auch hier habe ich ziemlich oft Zellen mit zwei Kernen beobachten können. Auf Taf. XI, Fig. 8, 9, 13, 14, 15 sind sowohl Zellen, als auch Drüsen von verschiedenen niederen Thieren dargestellt. Obgleich unserer Auffassung nach die Hauptzellen als höher differenzirte Belegzellen anzusehen wären, wäre man dennoch nicht genügend berechtigt, ihnen eine verschiedene Funktion abzu- sprechen, somit aber könnten wir auch nicht die allgemein bekannte Hypothese Heidenhain’s über die Funktion der Beleg- und Hauptzelle ohne Weiteres bei Seite lassen. Um sich davon zu überzeugen, ob die Belegzellen wirklich Ueber den Bau der Magenschleimhaut. 197 als Säurebildner betrachtet werden könnten, haben wir Versuche mit Tropäolin!) und Lakmus angestellt. Tropäolin hat sich als ein zuverlässiges mikrochemisches Reagens erwiesen, da es nach meinen Versuchen geringste Mengen von freier Mineralsäure entdecken lässt (0,01%,). Indem ich die isolirten Drüsen eines gut durchgewaschenen Hundemagens mit einer Tropäolinlösung unter das Mikroskop brachte, nahmen wie die Hauptzellen, so besonders auch die Belegzellen nur eine gelbe Färbung, die einer neutral reagirenden Tropäolinlösung eigen ist, an. Daraus könnten wir schliessen, dass frische (lebendige) Beleg- und Hauptzellen keine freie Säure enthalten. Zu eben solchen, in diesem Sinne negativen Resultaten gelangte ich auch mit der mikrochemischen Reaction von Lakmus. Da die Belegzellen bei einigen Präparationsmethoden in ganz frischem Zustande ‚sich leicht isoliren lassen, unternahm ich nach dem Vorschlage des Herrn Prof. ©. Z. Kutschin auch einige Versuche von künstlicher Verdauung mit solchen isolir- tenZellen, welchein schwacher CIH-Lösung(1proMille) vertheilt wurden. Stückchen von ganz frischem und gut ausgewaschenem Fibrin, zu feinsten Fäserchen zerzupft, wurden in das Präparat mit den Belegzellen hineingethan. Diese sammt der Säure befanden sich in der napfförmigen Vertiefung des hohl ausgeschliffenen Objekt- trägers. Nachdem ich einige mehr oder weniger geeignete Stellen im Präparate durch mikroskopische Untersuchung bestimmte, wurde der Objectträger mit einem Deckgläschen bedeckt und der Einwir- kung der Temperatur von 38° ausgesetzt. An einem Präparate, wel- ches nach einer halben Stunde herausgenommen und der mikrosko- pischen Betrachtung unterzogen wurde, zeigte sich, dass an den Fibrinfasern schon eine ziemlich bedeutende Lösung eingetreten war, vornehmlich an den Fasern, welche den Belegzellen am näch- sten gelegen waren. An den Belegzellen selbst bemerkte man ausser einer gewissen Aufhellung und Aufquellung noch keine besonderen Veränderungen. Nach Verlauf einer weiteren halben Stunde ungefähr, konnte 1) Von v. d. Velden zuerst als makroskopisches Reagens angeführt, s. „Ueber das Fehlen der freien Salzsäure im Magensaft“, Deutsches Archiv f. klinische Medicin. XXVII, p. 186. 198 Nikolai Trinkler: man am Präparate eine fast vollständige Lösung des Fibrins konsta- tiren. Die Belegzellen waren jetzt bis zur Unkenntlichkeit verändert. An ihrer Stelle (zwar nicht bei allen, jedoch den meisten derselben) fand ich Gebilde, welche wie einen feinkörnigen Zerfall derselben darstellten, mit einem mattglänzenden centralen Theile, welcher dem Kerne der Belegzellen entsprach; letzterer hatte jedoch, wenn auch dem Ansehen nach durch Aufquellung etwas verändert, dennoch seine früheren Umrisse behalten. Die äusseren Contouren der Belegzellen traten nur sehr undeutlich hervor und erschienen wie verwachsen. Bei noch längerem Digeriren zeigte das Präparat keine wei- teren deutlichen Veränderungen im mikroskopischen Ansehen, so dass ich mich mit dem bisherigen begnügte und bei den Resul- taten, die ich durch eine künstliche Verdauung von einer Stunde und zwanzig Minuten erhalten hatte, stehen blieb. Mit diesen Versuchen zugleich stellte ich in genau derselben Weise andere an, bei welchen das Blutfibrin durch das schwerer verdauliche geronnene Hühnerweiss ersetzt wurde; vom letzteren wurden feinste Schnitte entnommen und in Säure mit Belegzellen hineingebracht, alsdann der Einwirkung von Temp. 33° ausgesetzt. Parallel hiermit wurden Controlversuche mit künstlicher Verdauung angestellt, indem Fibrin und geronnenes Eiweiss in Berührung mit Säure allein gebracht wurden. Schliesslich schien es mir am sichersten und bequemsten, auf dieselbe Art und Weise mehr oder weniger genau auch die verdauende Fähigkeit der Formelemente der Drüsen von niederen Thieren, von Frosch und von Fischen zu bestimmen. Hier liegt die Sache einfacher auch in der Beziehung, dass wie früher erwähnt, bei diesen Thieren die Drüsen nur eine Art zelliger Elemente enthalten, so dass es nicht nöthig ist, die Versuche mit den besonderen Vorsichtsmaassregeln anzustellen, wie bei den höheren Thieren. In der folgenden Tabelle sind die Resultate der Versuche übersichtlich zusammengestellt. Wenn man in dieser Tabelle die Zeit vergleicht, welche zur Lösung von Fibrin und Eiweiss verbraucht wird, mit Betheili- gung der Belegzellen und ohne dieselben, so wird man sich leicht überzeugen, dass die Anwesenheit dieser Zellen Ueber den Bau der Magenschleimhaut. 199 Nr. | Temp. rar: des nach Thierart. Tr Da suchs. a sius. Katze. I. Fibrin + Belegzellen |37,50| Anfang der Lösung ungefähr + CIH (1 pro 1000). nach 1/5aStunde, nach ?/, Stunden fast vollständige, nach 1 Stunde 10 Minuten vollständige Lösung. dito. II. Fibrin + Belegzellen 380 Nach ungefähr ?/, Stunden + CIH (1 pro 1000). vollständige Lösung. dito. III. | Hühnereiweiss + Beleg- | 380 Anfang der Lösung bei zellen + CIH (1 pro 1000). 1 Stunde 20 Minuten, fast voll- ständig nach 1 Stunde 40 Minut. , IV: Fibrin + CIH. 380 | Zu Ende der dritten Stunde ® } Anfang der Lösung. 3 N Fibrin + CIH. 600 | Nach 2 Stunden 15 Minuten e noch nicht vollständige Lösung. = VI. Eiweiss + CIH. 350 | Nach 4 Stunden 20 Minuten 3 fast ohne Veränderung. o ; VI Eiweiss + CIH. 600 Nach 3 Stunden sehr unbe- deutende Lösungan den Rändern und Aufquellung. Frosch. | VIH. | Fibrin + Zellen + CIH. | 200 | Anfang der Lösung annähernd nach 1/,—?/, Stunden. Etwas füher als nach . 20 Minuten war an den 390 | Präparaten stellenweise Hecht. IX. | Fibrin + Zellen + CIH. 300 | dito. X. Eiweiss + Zellen + CIH. Lösung zu bemerken. die Lösung oder Verdauung bedeutend beschleunigt und zwar vollzieht sich diese alsdann zwei bis drei Mal so schnell. Bei kaltblütigen Thieren tritt die energischste Lösung bei einer etwas niedrigeren Temperatur als bei warmblütigen ein; eine Erhöhung der Temperatur beschleunigte nicht wie ich erwartet hatte, den Digestionsprocess, sondern verlangsamte im Gegentheil denselben. Ich habe daher in der Tabelle gerade die Temperaturen ausgewählt, bei welchen, wie es mir schien, die Verdauung am besten vor sich ging und bei welchen die Lösung energischer eintrat. 300 Nikolai Trinkler: Gestützt auf die oben angeführten Facta scheint es mir, dass es nicht möglich ist einen Antheil der Belegzellen an der Pepsin- bildung (gänzlich) zu leugnen. Es ist augenscheinlich, dass die Belegzellen ebenfalls eine Fermentsubstanz enthalten, welche, bei Gegenwart von freier Säure, mehr oder weniger energisch Fibrin und Eiweiss verdaut. Ob sich das Ferment, welches von den Belegzellen geliefert wird, von dem Ferment, welches durch die Hauptzellen secernirt wird, unterscheidet, kann ich natürlich nicht entscheiden. Es ist jedoch eben so augenscheinlich, dass das Ferment, welches von den drüsigen Elementen bei niederen Thieren abge- sondert wird, sich nach seinen chemischen Eigenschaften durchaus von dem Ferment unterscheidet, welches in den Belegzellen der höheren Thieren enthalten ist. Indem ich jetzt zur Beschreibung des Drüsenhalses übergehe, muss ich bemerken, dass weder obere, noch untere Grenze desselben deutlich genug sind. Jedenfalls ist die obere mehr ausgeprägt. Bei der Mehrzahl der Säugethiere fällt der Drüsenhals durch seine dunklere Färbung auf. An Querschnitten, die durch das Niveau des Halses gehen, kann man sich leicht davon überzeugen, dass dieser Drüsentheil beiderlei Arten von Zellen enthält, wobei jedoch die Belegzellen hier überwiegen. Die letzteren haben hier gewöhnlich eine ovale Form, öfters jedoch auch eine conische und erreichen mit ihrem verjüngten Ende bisweilen das Lumen selbst. Ungefähr im unteren Drittel des Halses verschwinden die Hauptzellen vollständig, so dass der obere Theil des Halslumens ausschliesslich mit Cylinderepithelzellen ausgekleidet ist. Vergleicht man diese Zellen mit denen, welche bei Embryonen Trichter und Hals auskleiden, so wird man zu dem Schlusse kommen, dass dieselben keine besondere Formen darstellen, sondern dass sie einfach als Cylinderepithelzellen zu betrach- ten seien, welche bei den erwachsenen Thieren den Embryonal- charakter beibehalten, da sie nach Färbung und Form vollständig an Embryonalepithelzellen erinnern. Ihr Hauptunterschied vom Epithel der Oberfläche besteht im Mangel einer schleimigen Meta- morphose. Hierbei ist zu bemerken, dass das Epithel der Ober- fläche beim Embryo ebenfalls auch am freien Ende keine Spur von schleimiger Metamorphose zeigt. Die Belegzellen erstrecken sich weit höher hinauf und man kann sie zwischen und unter den Ueber den Bau der Magenschleimhaut. 201 Cylinderepithelzellen antreffen, selbst nahe an den Drüsenöff- nungen. Ich kann nicht der Meinung Stöhr’s beipflichten, welcher behauptet, dass alle Belegzellen des Trichters unbedingt zwischen den Cylinderepithelzellen liegen und mit ihren verjüngten Enden bis zum Lumen vordringen (s. Taf. XI, Fig. 6). Die Pylorusdrüsen unterscheiden sich, wie schon seit den Angaben Heidenhain’s und den Arbeiten E bstein’s bekannt ist, ziemlich scharf von den Drüsen des Fundus und der Cardia, sowohl nach ihrer äusseren Form als auch durch die Elemente, welche die Drüsenröhrchen auskleiden und den Hauptzellen entsprechen. Bei den Pylorusdrüsen erscheinen die Trichter sehr breit und lang und sind mit Cylinderepithelzellen besetzt, welche schleimige Meta- morphose zeigen. Der Hals, der hier nur einen verhältnissmässig geringen Theil des ganzen Röhrchens ausmacht, ist nur mit kurz- eylindrischen Zellen ausgelegt, die sich in Folge ihres Körner- reichthums intensiver färben, als das Epithel der Oberfläche. Diese Zellen sind mit den Elementen im Halse der Cardia- und Fundus- drüsen identisch. Der eigentlich drüsige Theil des Röhrehens ist mit hellen Zellen ausgekleidet, von etwas conischer oder eylin- drischer Form, welchenachFärbungund mikrochemischen Reactionen den Hauptzellen in den Pepsindrüsen glei- chen. Ausser den Zellen, welche ich als mit den Hauptzellen iden- tisch betrachte, gelang es mir einige Male in den Pylorusdrüsen zwischen den hellen, eylindrischen Zellen besondere Gebilde zu beobachten, welche den Belegzellen sehr ähnlich sind. Diese Zellen finden sich in sehr geringer Anzahl vor und treffen sieh nicht an allen Querschnitten der Drüsenröhrehen an. Ihre Form ist eine keilförmig verlängerte, sie erscheinen etwas schmaler als die Beleg- zellen (s. Taf. XI, Fig. 12a) und dringen mit ihrem Ende fast immer bis zum Lumen vor. Mit diesen Zellen zugleich trifft man auch andere Formen von Zellen von grossem Umfange und nicht von keilförmiger, sondern mehr dreieckiger, bisweilen deutlich ovaler Form an, welche gleichsam Uebergangsformen zu echten Beleg- zellen bilden. Sie färben sich intensiv schwarz durch Osmiumsäure und bei Färbung durch Anilinfarben (Anilinblau in wässeriger Lösung) durch Eosin und Carmin heben sie sich durch ihre dunkle 202 Nikolai Trinkler: Farbe von den übrigen, benachbarten, hellen, nicht sich färbenden Hauptzellen deutlich ab!). An isolirten Drüsen erscheint die Membrana propria der Magendrüsen überhaupt im optischen Längsschnitte als homogener glasartig glänzender, sehr dünner, aber doch deutlich doppelteon- tourirte Streifen, welcher sich in der ganzen Ausdehnung der Drüse vom Trichter bis zum blinden Grunde erstreckt. Die Membran ist so innig mit dem Inhalte der Drüsen verbunden, dass es im frischen Zustande unmöglich zu sein pflegt, ihre Struetur zu studiren und dass man fast immer seine Zuflucht entweder zur mechanischen Zerstörung der Drüsenröhrehen oder zum Ausspülen mittelst des Pinsels oder auch zur Wirkung gewisser chemischer Reagentien nehmen muss. Unter Einwirkung schwacher Alkalilösungen auf frische Drüsenschläuche wird nach Zerstörung der in denselben enthaltenen Drüsenelemente die Membran völlig conservirt in ihrer ganzen Ausdehnung erhalten. Bei nachfolgender Färbung mit Hä- matoxylin hat sie das Aussehen eines zarten, hyalinartigen, mit zerstreuten Kernen durchsetzten Cylinders. An Präparaten, welche einige Zeit in Müller’scher Flüssigkeit lagen oder in Chloralhy- dratlösung macerirt wurden, trifft man nach sorgfältigem Zerzupfen Bruchstücke der Membrana propria an und zwar in solcher Weise, dass sie sich von der Oberfläche darstellen. Dabei gelingt es an derselben sternförmige Gebilde mit ovalem, rundlichem, ziemlich grossem Kern zu beobachten. Bei Hämatoxylintinetion treten die Kerne noch deutlicher hervor, während die Contouren der einzelnen Zellen nicht deutlicher werden. Unmittelbar unter der Oberfläche der Schleimhaut zeigt sich die Membrana propria schon nicht mehr als eine homo- gene gleichmässige Membrana, sondern erscheint dieselbe gleichsam durehlöchert und in den Zwischenräumen zwischen zwei Trichtern geht sie über oder bildet vielmehr jene subepitheliale Schicht, die schon früher von mir beschrieben worden ist. 1) Ich muss hier erwähnen, dass bei der Untersuchung der Pylorus- drüsen das Lumen derselben niemals von Kernen oder anderen, auf Zellen- reste deutenden Gebilden ausgefüllt angetroffen wird. Zu demselben Resul- tate gelangte in seinen Untersuchungen auch Prof. ©. Z. Kutschin, der meine Aufmerksamkeit besonders auf diesen Umstand lenkte. Wäre nicht auf diese Art die geringe Anzahl der anzutreffenden Belegzellen zu erklären? Ueber den Bau der Magenschleimhaut. 203 In Bezug auf ihre Dieke erleidet die Membrana propria wenig Veränderungen und zeigt sich bei fast allen Thieren ohne Ausnahme von derselben Mächtigkeit. Man muss jedoch hinzufügen, dass sie in den Drüsen von Embryonen bedeutend dicker erscheint, ein weniger festes Gefüge zeigt und sich nicht an allen Stellen gleich- artig erweist und bisweilen sogar den Eindruck hervorbringt, als ob sie geschichtet sei. Die bindegewebige Grundlage der Magenschleimhaut zeigt je nach den verschiedenen Stellen und auch je nach den Thierspecies bedeutendere Schwankungen, als die früher beschrie- benen Theile der Schleimhaut, sowohl in Bezug auf ihre Festig- keit, als auch auf den ungleichen Gehalt an verschiedenen Form- elementen. Man kann sie in zwei Abtheilungen trennen: eine, die die Gruppen von Drüsen oder einzelne derselben umgiebt, das wäre der interglanduläre Theil des bindegewebigen Gerüstes der Mucosa, und in einen subglandulären, der unter dem blinden Grunde der Drüsen gelegen ist und in enger Verbindung einerseits mit der Zwischendrüsenschicht, anderseits mit dem submucösen Bindegewebe steht. Bei den höheren Thieren (Katze, Hund) trägt der interglan- duläre Theil einen Uebergangscharakter von gewöhnlichem fibrillä- ren Bindegewebe zur areolären Form desselben. Seine Bestand- theile sind: Einzelne mehr oder weniger selerosirte Bindegewebs- fasern entweder einzeln verlaufend oder zu zarten, lockeren Bündeln vereinigt und sternförmige Bindegewebszellen. Die letzteren zeigen zwei bis drei Fortsätze, in deren Maschen alsdann in grösserer oder geringerer Zahl Iymphoide Elemente von verschiedener Grösse eingelagert sind. Viele von denselben enthalten je zwei Kerne oder weisen deutliche Anzeichen von Theilung auf. Glatte Muskelfasern treten am Grunde der Drüsen in die Zwischenräume zwischen denselben ein in Gestalt von ziemlich dieken Bündeln. Diese theilen sich aber bald in kurze, dünnere Bündelchen, welche man an ihrer mehr oder weniger intensiven Färbung mittelst Hämatoxylin erkennen kann, an ungefärbten Prä- paraten noch leichter an ihren stäbehenförmigen Kernen. Solche zarte Muskelzüge laufen mehr oder weniger vertical, folgen dabei gewöhnlich einem Blutgefässstämmchen, indem sie dasselbe an einer Seite begleiten oder es überkreuzen und sich allmählich der Wand des Drüsenröhrchens nähern. Sie erstrecken 204 Nikolai Trinkler: sich bis zu einer ziemlich bedeutenden Höhe, fast bis zur Epithel- schicht, wo sie besonders schwer zu erkennen sind. In ihrem Ver- lauf anastomosiren .. diese feinen Muskelzüge sowohl miteinander, oder auch mit grösseren die Blutgefässstämmchen begleitenden Bündeln. Hierbei ist zu bemerken, dass das Bindegewebe zwischen den Drüsen nicht gleichmässig vertheilt ist, sondern so, dass die- selben durch bedeutendere Septa in einzelne grössere oder kleinere Gruppen getheilt erscheinen. In diesen Septen liegen venöse Stämmchen, die die Dieke der Schleimhaut ersetzen, um in die Sub- mucosa zu gelangen. An Querschnitten, welche ausgepinselt und mit Hämatoxylin oder Eosin gefärbt sind, ist diese Vertheilung des Bindegewebe- serüstes am bequemsten zu studiren. Sowohl an Dieken- als Flächen- schnitten der Magenschleimhaut kann man sich leicht davon über- zeugen, dass die Mächtigkeit der Muskelbündel zu der Mächtigkeit der sie enthaltenden Bindegewebssepten parallel sich verhält. Am stärksten ist das interstitielle Gewebe in der Gegend des Halses der Drüsen entwickelt. Bei einigen niederen Wirbelthieren (z. B. Fisch, Frosch, Tropidonotus natrix) ist das bindegewebige Stroma in der ganzen Ausdehnung der Magenschleimhaut sehr stark entwickelt, wodurch das Isoliren der einzelnen Drüsen schwerfällt. Solche Entwicke- lung erreicht bei höheren Thieren das bindegewebige Stroma nur in der Pylorusgegend. Aus dem Bindegewebe der Submucosa dringen öfters einzelne Fasern und Faserbündelehen in die lamellöse Schicht des Binde- gewebegerüstes, wodurch sie demselben eine grössere Dichte und Festigkeit verleihen. In der Schleimhaut des Magens von Kaninchen und Katze zwischen Muscularis muscosae und der subglandulären Schicht finden wir eine lamellenartige Lage, welche, soviel mir bekannt, zuerst von Zeissl!) bei der Katze und erst kürzlich in der bindegewe- bigen Grundlage des Dünndarms bei Hunden von N. K. Kult- schitsky2) beschrieben worden ist. Diese Lage habe ich in der 1) Zeiss], M.: „Ueber eine eigenthümliche Schichte im Magen der Katze.“ Wien. Sitzb. Bd. LXXIM. Heft Iu. I. 1875. p. 8. 2) Kulschitsky, N.: „Zur Frage über den Bau der Dünndarmschleim- haut und den Mechanismus der Aufsaugung. Charkow. 1882. p. 4 (russisch). Ueber den Bau der Magenschleimhaut. 205 ganzen Ausdehnung von der Cardia bis zum Pylorus angetroffen. Sie hat ein homogenes, mattglänzendes Aussehen und an einigen Stellen einen stark gewellten Verlauf. Ihre Dicke bleibt sich fast in der ganzen Ausdehnung gleich, schwankt jedenfalls sehr wenig. Bei Färbung von Präparaten aus Alkohol mit verschiedenen Färb- stoffen (Carmin, Anilin, Hämatoxylin) bleibt die Substanz dieser Lage fast farblos oder färbt sich sehr schwach. Intensive Färbung mit Hämatoxylin macht in derselben einige Formelemente sichtbar, welche sich wie selerosirte Bindegewebskerne ausnehmen. Ausser diesen Gebilden glückt es an Präparaten aus Alkohol keine anderen geformten Bestandtheile in dieser Lage mehr zu bestimmen. Nach unten hin ist diese Lage scharf von der eireulären Mus- kelschicht geschieden, nach oben hin zeigt sich die Grenze nicht so scharf ausgeprägt, da dieselbe sich hier eng dem an Kernen reichen bindegewebigen Stroma anschliesst. Bisweilen wird diese Lage in der Riehtung von oben nach unten durchsetzt von verein- zelten Bindegewebsfasern, besonders interessant erscheinen solche Präparate in welchen Blutgefässe in Begleitung von Bündeln glatter Muskelfasern diese Lage durchsetzen (s. Taf. XI, Fig. 12). Es ist mir auch bei einigen Fischen (Esox) diese Lage zu beobachten gelungen und konnte ich hierbei dieselbe von ihrem Ursprunge an verfolgen, was mir einige Aufklärung in Betreff ihrer Structur gab. Im Oesophagus nämlich nicht weit von der Stelle, wo die Schleimhaut desselben in die des Magens übergeht, kann man bemerken, wie der tiefer gelegene Theil der bindegewebigen Grundlage allmählich sich verdickt, wie die einzelnen Bündel desselben dicker werden und zuletzt eine dicke Lage, aus 5-7 starken Binde- gewebsbündeln zusammengesetzt, bilden. Diese Bündel sind stark sclerosirt und dem Ansehen nach völlig homogen; sie sind in Bezug auf ihre äusseren Contouren, nach ihrem Verhalten zu Färbstoffen und endlich ihrer Lage nach der Zeissl’schen lamellenartigen Schicht in der bindegewebigen Grundlage der Magenschleimhaut der Katze sehr ähnlich. Mir scheint es, dass eben diese Zeissl’sche Schicht, in Analogie mit dieser Bildung bei Fischen, betrachtet werden muss als einfache Verdickung der tiefer gelegenen Abthei- lung der bindegewebigen Grundlage, welche stark sclerosirt ist und sich in Form einer solchen homogenen lamellenartigen Schicht darstellt. Ich muss hier noch, wenn auch in Kürze, der letzten Schicht, welche in die Zusammensetzung der Magenschleimhaut im engeren Sinne des Wortes, eingeht, gedenken, nämlich ihrer Muscularis mucosae. Sie erscheint als die Fortsetzung einer Muskelschicht, welche in der Oesophagusschleimhaut ihren Anfang nimmt und 206 Nikolai Trinkler: liegt als Grenzschichte zwischen der bindegewebigen Schieht der eigentlichen Schleimhaut und deren Submucosa. Diese Schicht besteht aus zwei scharf ausgeprägten Lagen von glatten Muskel- fasern, einer innern ringförmigen und einer äusseren der Länge nach verlaufenden, doch erhält sich diese Anordnung weitaus nicht in allen Theilen der Magenschleimhaut. Von der Cardia ange- fangen bis zum Pylorus kreuzen sich sowohl die Fasern der inneren, als der äusseren Lage in verschiedenen Richtungen mit einander, so dass einzelne Bündel der inneren Lage nach aussen gehen und die Richtung der Fasern annehmen, welche der äusseren Lage angehören und umgekehrt erheben sich Bündel aus der äusseren Lage zur inneren; letztere Bündel verlaufen eine Strecke lang in schräger Richtung, gehen aber später vollständig in die Richtung der Bündel der inneren, ringförmigen Lage über. Beide Lagen sind von eimander durch eine äusserst dünne, bisweilen kaum bemerkbare Zwischenschicht von fibrillärem, stellenweise recht lockeren Bindegewebe getrennt. Im Cardiatheil erscheint die Längslage gewöhnlich etwas dicker als die ringförmige. Ausser diesen zwei eben erwähnten Lagen, der ringförmigen und der der Länge nach verlaufenden, folgen auf diese letztere noch glatte Muskelfasern, welche ausserdem nicht in gleichen Abständen von einander liegen, von einander durch Zwischenbündel vom lockeren Bindegewebe abgegrenzt werden, welche eigentlich schon der Subumcosa angehören. Die Bündel dieser sozusagen dritten Lage verlaufen gewöhnlich fast schräg, oder mehr oder weniger eircular(s Tara Bier 12T, 8). Was diejenigen Muskelbündel anbetrifft, welche zwischen den Drüsenröhrchen aufsteigen, so ist über deren Verhalten schon früher verhandelt worden. In Bezug auf ihren Ursprung kann man bei- fügen, dass sie bald aus der inneren ringförmigen, bald, und sogar häufiger, aus der längsverlaufenden Lage aufsteigen (s. Taf. XI, Fig. 12e). Als Resultat meiner Untersuchungen glaube ich die nachfol- genden Sätze aufstellen zu können: 1) Das Epithel, welches die Oberfläche der Magen- schleimhaut bekleidet, trägt bei allen Wirbelthieren Ueber den Bau der Maeenschleimhaut. 207 den Charakter von Cylinderepithel, wobei in der Ma- genschleimhaut einiger namentlich niederer Thiere (Bars, Hecht, Frosch) auch Flimmerepithel angetroffen wird, dessen Zellen aber als Residuum der Embryonal- periode zu betrachten sind. Die Epithelzellen auf den Zotten der Dünndarm- schleimhaut nehmen ihren Ursprung aus Flimmerepi- thelzellen. 2) Eine subepitheliale Schicht in dem Sinne, wie sie Debove annimmt, existirt nicht. Unmittelbar unter dem Epithelium der Magenoberfläche jedoch findet sich eine Art von gefensterter Membran vor, welche aus sclerosirten Endothelial- plättehen besteht, die mit der Membrana propria der Drüsen, sowie mit den feinen Bindegewebsfasern des eigentlichen Stroma der Magenschleimhaut in Verbindung stehen. 3) Im Drüsenhalse finden sich Zellen von drei- facher Art vor: im oberen Theile wird ein leicht abgeplattetes Cylinderepithel ohne Schleimmetamorphose angetroffen, dessen Zellen nach Färbung und Form mit den Zellen der Embryonal- periode identisch sind; im unteren Theile ist das Lumen von Haupt- und Belegzellen begrenzt, wobei letztere an Zahl vor- wiegen. 4) Die Beleg- und Hauptzellen der höheren Wirbel- thiere sind nicht verschiedene Gebilde, sondern stellen nur verschiedene Stufen in der Differenzirung von Zel- lenelementen dar, wobei die Belegzellen einen deut- licher ausgesprochenen protoplasmatischen Character aufweisen und sich weniger differenzirt zeigen, als die Hauptzellen, in welche sie übergehen nach vermehrtem Verbrauch oder Untergang der letzteren. 5) Während der Zeit der erhöhten Function (wäh- rend der Verdauung, bei Fütterung mit Phosphor und Alcohol) geht eine bedeutende Vermehrung der Belegzellen vor sich. 6) Bei niederen Wirbelthieren (Esox, Perca fluviatilis, verschiedene Arten von Rana, Emys europaea, Tropidonotus natrix) konnte nur das Vorhandensein einer Art von Zellen constatirt werden, die vollkommen den Belegzellen der höheren entsprechen. 308 Nikolai Trinkler: 7) Aus Versuchen mit künstlicher Verdauung er- siebt sich, dass die Belegzellen der höheren Wirbel- thiere, ebenso aber auch die Drüsenzellen niederer Wirbelthiere (Hecht, Frosch) Pepsin bereiten, da bei ihrer Anwesenheit eine energische Verdauung von Fibrin und Eiweiss von Statten geht. 8) Mittelst Tropaeolin und Lakmus angestellte mi- krochemische Reactionen sprechen gegen die Auffas- sung der Belegzellen als Säurebildner. 9) Die Zellen der Pylorusdrüsen sind identisch mit den Hauptzellen in den Fundus- und Cardiadrüsen. Indem ich diese Arbeit der Oeffentlichkeit übergebe, halte ich mich verpflichtet, meinem hochverehrten Lehrer Heırn Professor C. Z. Kutsehin, in dessen Laboratorium ich meine Untersuchung anstellte und der mir allezeit mit Rath und That in freundlichster Weise entgegen kam, meinen Dank auszusprechen. Tafelerklärung. Tafel X. Fig. 1. Cylinderepithelzellen mit schleimiger Metamorphose vom Epithel der Magenoberfläche und der Trichter aus der Magenschleimhaut der Katze — a, b, c, d, e; Epithelzellen von der Oberfläche an — f; Präparat aus Müll. Flüssigkeit. Zeiss. Syst. E, Ocular 4. Fig. 2. Isolirte Epithelzellen von demselben Objekte, theils in indifferenten Flüssigkeiten untersucht, theils bei Zusatz von Wasser, a — aufge- quollene, schleimig metamorphosirte Zellen; b, c, d, e — Zellen, welche zum Theil geschlossen, zum Theil offen sind, in denen die schleimige Metamorphose weniger deutlich ausgeprägt ist. Zeiss. System E, Ocular 4. Fig. 3. Epithelium von der Magenschleimhaut des Frosches; a, b — Zellen mit deutlich ausgesprochener schleimiger Metamorphose; d — Becher- zelle; f, g,e — Cylinderepithelzellen mit characteristisch gelagerten Kernen, ohne schleimige Metamorphose; ce — junge, protoplasma- tische, keulenförmige Cylinderzelle. Präp. aus Müll. Flüss. Zeiss. Syst. E, Ocul. 4. Fig. 10. »L1. 12. . 13. . 14. ld. . 16 Ueber den Bau der Magenschleimhaut. 209 Epithel der Magenoberfläche von Tropidonotus natrix. Präp. aus Müll. Flüss. Zeiss. System E, Ocul. 2. Isolirte Epithelzellen aus d. Magenschleimhaut von Esox lucius. Präp. aus Müll. Flüss. Hartnack. Syst. 9, Ocular 3. Flimmerepithelzellen von d. Magenschleimhaut des Frosches. Jod- serum. Hartnack. Syst. 9, Ocul. 3. Keulenförmige Cylinderzellen von d. Magenschleimhaut des Frosches. Müll. Flüss. Zeiss. Syst. E, Ocular 4. Becherzellen aus dem Öesophagus des Frosches. Zeiss. Syst. 4, Ocul. 2. Verschiedene Uebergangsformen von Becherzellen zu Schleimzellen von demselben Thiere. Müll. Flüss.. Zeiss. Syst. E, Ocul. 4. Verschiedene Zellenformen von der Epitheldecke der Oesophagus- schleimhaut von Cobitis .fossilis. Müll. Flüss. Zeiss. Syst. E, Ocular 2. Isolirte Epithel- und Becherzellen von der Magenschleimhaut des Igels; a, b, ce — Epithelzellen; d, e, f — Becherzellen; g — zwei Epithelzellen mit einer zwischen den Fusstheilen derselben einge- schlossenen Ersatzzelle.e. Müll. Flüss. Zeiss. Syst. E, Ocular 2. Epithel der Magenschleimhaut von Emys europaea; a, c, Epithel- zellen geschlossen und ohne schleimige Metamorphose; b, e, d — schleimmetamorphosirte Epithelzellen. Müll. Flüss. Zeiss. Syst.E, Oeul. 2. Von demselben Thiere: a — einzelne Ersatzzellen; b — ein Aggre- gat derselben; e — Cylinderzelle mit langem Hals und rüsselförmig endender Spitze. Präparat aus Müll. Flüss. Zeiss. Syst. E, Oeul. 4. Becherzellen von verschiedener Form aus dem Oesophagus von Tro- pidonotus natrix: a — Becherzelle mit Flimmerhäärchen; b — Be- cherzelle mit deutlich ausgeprägtem protoplasmatischem Inhalt; c, d — Becherzellen mit stark schleimiger Metamorphose. Humor aquaeus. Syst. Zeiss. C. 4. Ebstein’s Ersatzzellen: a— von der Magenschleimhaut des Hechtes; b — von der Katze. Müll. Fiüss. Zeiss. E. 4. u. 17. Zellen von endothelialem Charakter aus der subepithelialen Lage Debove’s. Frisch untersucht. Hartnack. Syst. 9. Ocular. 3. Drüsen des Hundes, frisch a: von einem hungernden Thiere: b — von einem gefütterten. Zeiss. Syst. E, Ocular 2. Taf. XI. a — am meisten typische Formen von Belegzellen bei Säugethieren (Katze, Hund); b, c, d, e, f, g, h,h m — verschiedene Phasen von Theilung der Belegzellen; n, 1 — junge Belegzellen. Präparate theils frisch, theils aus Müll. Flüssigkeit. Hartnack. Syst. 9. Ocul. 3. 210 Fig. Fie. o° Fig. Fig. Fig. 10. 1% 12. . 13. . 14. uıh, Nikolai Trinkler: Ueber den Bau der Magenschleimhaut. Belegzellen aus d. Magenschleimhaut der Maus. Jodserum. Zeiss. Syst. E. Ocul. 2. Belegzellen aus d. Magenschleimhaut der Ratte. Jodserum. Zeiss. Syst. E. Ocul. 2. Isolirte Drüsenzellen, welche Uebergangsformen von Beleg- zu Hauptzellen darstellen. Aus dem Magen der Ratte. Müll. Flüss. Zeiss. Syst. E. Ocul. 2. Durchschnitt der Magenschleimhaut des Hundes. Vom Fundus. Färbung mit Anilinblau nach Heidenhain’s Methode. Präp. aus Müll. Flüss. und Alkohol: a — Trichter; b — Drüsenhals; ce — Drüsengrund; f — Belegzellen; g — Hauptzellen; i — schwach gefärbte Uebergangsstufen. Zeiss. Syst. E. Ocul. 2. Durchschnitt durch Trichter und Hals einer Drüse des Hundes. Präp. aus Alkohol. Färbung dyrch Carmin. Syst. Zeiss. E. 2. Durchschnitt durch den unteren Theil einer Drüse. Hund. Färbung mit Eosin und Hämatoxylin. a — Uebergangsformen; b — Beleg- zelle, die mit ihrem zugespitzten Ende das Lumen erreicht; ce — Belegzelle, wo der Kern nicht in den Schnitt gekommen ist. Zeiss. Syst. E. Ocul. 2. Isolirte Drüsenzellen aus d. Magenschleimhaut von Tropidonotus natrix. Frisch Zeiss. E. 4. Solche aus d. Magenschleimhaut von Emys europaea, id. Querschnittt durch eine Drüsengruppe aus d. Magenschleimhaut eines gefütterten Hundes; a — zweikernige Belegzelle; b — Uebergangs- formen; ec — Belegzelle, die das Drüsenlumen erreicht. Präp. aus Müll. Flüssigkeit und Alkohol. Färbung mit Carmin nach Hei- denhains Methode. Hartnack Syst. 9. Ocular 3, Querschnitt durch ein Drüsenröhrchen der Magenschleimhaut der Maus; a — zwei doppelkernige Zellen. Behandlung, wie in der vorigen Figur. Hartnack. Syst. 9. Ocul. 3. Präparat vom Pylorustheil der Magenschleimhaut von der Katze. Müll. Flüssigkeit und Alkohol. Färbung mit Carmin. a — Beleg- zellen; b — Hauptzellen; e — Zeissl’sche homogene Schicht; Iu. II— Musecularis mucosae: I — eirculäre Schicht; II — longitudinal ver- laufende Muskelfasern ; einzelne vertikal verlaufende Muskelfasern ; f — schräg verlaufende Muskelbündel. s, e — Zeiss. Syst. C. Ocul. 4. vgl. den Text. Querschnitt von Drüsen der Magenschleimhaut von Perea fluviatilis. Alkoholpräparat. Syst. Zeiss. ©. 2. Isolirtes Drüsenröhrchen aus der Magenschleimhaut von Esox lucius. Müll. Flüssigkeit. Zeiss. Syst. E. Ocul. 2. Präparat aus der Magenschleimhaut des Frosches. Müll. Flüssig- keit und Alkohol. Zeiss. Syst. E. Ocul 2. Charl. Sedgwiek Minot: Z. Kenntn. d. Samenblas. b. Meerschweinchen. 211 Zur Kenntniss der Samenblasen beim Meer- schweinchen. Von Charles Sedgwick Minot. (Aus dem Laboratory for Histology and Embryology of the Harward Medical School, Boston, Mass.) Hierzu Tafel XI. Die Samenblasen der Säugethiere überhaupt sind bis jetzt nur wenig auf ihren histologischen Bau untersucht worden, speciell über die des Meerschweinchens sind mir in der Literatur keine Angaben bekannt. Es würde gewiss sich sehr lohnen, eine ver- gleichende Untersuchung der betreffenden Organe auszuführen, doch bin ich von schon übernommenen Arbeiten so sehr in An- spruch genommen, dass ich darauf verzichten muss. Als einen Anfang solcher Untersuchungen möge man den nachfolgenden kleinen Beitrag ansehen. Die Samenblasen des Meerschweinchens stellen zwei sehr lange, sich allmählich verjüngende, stark gewundene Säcke dar, wie seit langem bekannt ist. Die Wandungen sind dünn und durchsichtig und haben einen perlenartigen Glanz. Die Blasen waren bei allen untersuchten Thieren mit einem Sekret strotzend gefüllt, das aus vielen Tausen- den von klebrigen mikroskopischen Ballen bestand. Diese Ballen sind unregelmässige Sphaeroide von verschiedener Grösse, die häufig mit einander zu grösseren Massen verbunden sind; die Oberfläche derselben ist von kleinen Erhebungen besetzt. Mit Alcohol übergossen, werden sie sofort bröckelig und zerfallen dann leicht in feine Körnchen, die sich mit Eosin und Hämatoxylin färben lassen. Das vom Samenleiter herunterkommende reine Sperma wird vor der Ejaeulation mit diesem Sekret gemischt, das nach stattgehabtem Coitus neben den Spermatozoen in den weib- 14 Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 24. 212 Charles Sedgwick Minot: lichen Genitalien angetroffen wird; es ist also wahrscheinlich, dass die Vesiculae während der Begattung sich zusammenziehen, um das Sekret hervorzupressen. Wo stammt nun der Blaseninhalt her? Es liegen zwei Wahrscheinlichkeiten vor: erstens, er wird von den Blasen selbst an Ort und Stelle geliefert, oder zweitens, er wird erst von den prostatischen Drüsen abgesondert und nachher von den Blasen aufgenommen. Die erstere Erklärung hat meiner Meinung nach am meisten für sich, doch habe ich mich nicht be- stimmt überzeugen können, dass die Vesieulae auch als Glandulae funktioniren; man vergleiche die gleich zu gebende Beschreibung des Epithels. Dass die Blasen als Spermareservoirs bei den Säugethieren überhaupt dienen ist sehr zu bezweifeln, denn in keinem Falle sind sie normaler Weise mit Samenfäden gefüllt — doch enthalten sie gelegentlich eine kleine Menge derselben; es ist also wahrscheinlich, dass sie einen wichtigen Nebentheil des fertigen Spermas aufspeichern, den ihre Musculatur im richtigen Moment hervortreibt. Durchsucht man die anatomische Literatur, so begegnet man oft der Behauptung, die Prostata sei die Quelle des grössten Theiles des fertigen Spermas, so weit es nicht vom Hoden herstammt, doch hütet man sich, eine Meinung über die Funktion der Vesieulae seminalis auszusprechen. In der That haben wir eine Tradition bewahrt, deren Grundlage, wenn eine solehe überhaupt besteht, gänzlich zweifelhaft ist. Von den we- nigen mir bekannten Forschungen über die Nebentheile des Ge- schlechtsapparats verdienen die von Langerhans!) besondere Be- achtung. Seine Beschreibung des Baues der Samenblasen ist unten berücksiehtigt worden, hier wollen wir von dem von Langerhans erbrachten definitiven Nachweis der bei der Geschlechtsreife erfol- senden Veränderung der Prostata Notiz nehmen, weil bis Lan- serhans die Beziehungen der betreffenden Drüse zum Sperma fast mehr durch Annahmen als durch Beobachtungen bekannt war. 18531 hat Fürbringer seine Arbeit über das Prostatasekret ver- öffentlicht, worin er darthut, dass die erwähnte Absonderung der lebenden Drüse nieht schleimig ist, sondern dünnflüssig, nicht klar und hell, sondern ausgesprochen milehig getrübt. Sieht man genauer zu, so bemerkt man in dem wasserreichen, milchigen 1) Langerhans, Paul: Ueber dieaccessorischen Drüsen der Geschlechts- organe. Virehow’s Arch. LXI. 208—228. Taf. IX. (1874). Zur Kenntniss der Samenblasen beim Meerschweinchen. 913 Saft kleine weisse Fetzen und häufig im Grunde des Schälchens die mehrfach erwähnten geschichteten Amyloide (loc. inf. eit. p. 299). Aus dieser Flüssigkeit scheiden sich leicht nach dem Tode die von Bötteher entdeckten „Spermakrystalle“ ab. Ob nun die Pro- stata bei den Thieren die gleiche Entwickelung und Thätig- keit wie beim Menschen hat, ist unsicher, jedoch wahrscheinlich. Nun hat beim Meerschweinchen der Inhalt der Samenblasen keine Aehnlichkeit mit dem menschlichen Prostatasaft, daher fehlt uns aller Grund, die Identität der beiderleien Sekrete anzunehmen. Da Fürbringer in seiner oben erwähnten Arbeit!) gezeigt hat, dass die Prostata beim Menschen die schleimigen Bestandtheile des ejaculirten Spermas nicht liefert, so ist nunmehr die Rolle der Prostata im Vergleich mit der ihr früher zugeschriebenen für eine sehr untergeordnete zu erklären. Die Kliniker werden besonders darauf ihre Aufmerksamkeit zu richten haben, dass der wirkliche Charakter des Prostatasekrets ein anderer als der bisher ange- nommene ist. Kehren wir nun zu unserem eigentlichen Thema zurück. Schneidet man die lange Samenblase des Meerschweinchens auf, so bemerkt man nach Abspülung des weisslichen Inhalts zahlreiche kleine unregelmässige Falten der Innenfläche. Die Faltungen ver- laufen im Allgemeinen quer und sind von einigen wenigen Längs- falten unterbrochen; die Abbildung, Taf. XII Fig. 4, stellt dieselben in Flächenansicht dar, wie sie bei einem mit Hämatoxylin tin- girten, in Balsam conservirten Präparat bei etwa l6facher Ver- srösserung aussehen. Aehnliche Falten findet man in der ganzen Ausdehnung des Rohres. Auf dem Querschnitt der Blase erkennt man die eigenthümliche Zusammensetzung der Falten. Die wesent- lichen Erhebungen des Epithels sind wie Fig. 1 darthut. Das Epithel schlägt sich plötzlich von der Fläche auf, steigt eine Strecke, biegt um und kehrt zur ursprünglichen Fläche zurück ; jede Falte besteht also aus zwei Epithellamina, die durch eine sehr dünne bindegewebige Wand von einander getrennt sind. Diese histologische Anordnung, also die enge Verbindung zweier 1) Fürbringer, P.: Untersuchungen über die Herkunft und klinische Bedeutung der sogen. Spermakrystalle. Zeitschr. f. klin. Med. 1881. Bd. II. 287-316. Taf. V. (Vorläufig mitgetheilt, Sitzgsber. Jena. Ges. Med. Naturw. 1881. 135—14 und 16—18.) 214 Charles Sedgwick Minot: Epithelblätter um eine freie Lamelle darzustellen, kommt im Ganzen recht selten vor; am häufigsten ist sie wohl bei den Coelenteraten gefunden worden, doch ist sie auch bei den höheren Thieren bekannt, so z. B. in den Magenblindsäcken der Heu- schrecken in schönster Weise entwickelt!), — soweit aber meine Kenntnisse reichen ist sie bisher bei Säugethieren noch nicht vor- gefunden worden. Die Verschiedenheit in Form und Grösse der Querschnitte der einfachen und sich verzweigenden Falten tritt in der Fig. 2 sehr deutlich hervor, die einen vollständigen Querschnitt aus dem unteren Theil einer Blase darstellt. Hin und wieder sieht man bei solehen Präparaten eine mit beiden Enden an der Blasenwand festsitzende Epithellamelle, — man vergleiche z. B. den obersten Theil der Fig. 2, — das seltsame Bild entspricht dem Schnitt einer gewölbten schräg emporsteigenden Falte. Das Epithel besteht aus dicht gedrängten eylindrischen Zellen, deren unterer Theil von den ovalen Kernen eingenommen wird, und deren oberer Theil ein 'körniges Aussehen hat, ganz nach Art mancher Drüsenelemente; die Höhe unserer Zellen übertrifft die Dicke derselben etwa viermal. Die Zellen sind alle gleich; in dieser Hinsicht verhält sich das Epithel anders wie beim Menschen, bei dem nach Langerhaus (I. e. S. 220) drei Zellenformen zu unterscheiden sind; — erstens die obere Hälfte gross und kern- haltig, untere Hälfte schlank; zweitens untere Hälfte gross und kernhaltig, obere Hälfte schlank, — daher sind zwei Kernschiechten auf Schnitten erkennbar; drittens vergrösserte Zellen mit grossen central gelagerten Kernen, wahrscheinlich aus den gewöhnlichen Cylinderzellen entwickelt. Beim Meerschweinchen dagegen habe ich nur eine Lage von Kernen und keine vergrösserte Zellen ge- sehen. Die übrige Wand besteht aus einer sehr dünnen Bindegewebs- schicht und einer gut entwickelten Museularis. Das Bindegewebe (Tuniea propria) ist in den Epithelfalten als dünne Scheidewand leicht, zwischen Epithel und Museularis sehr schwer zu erkennen; seine Kerne markiren sieh durch ihre runde Form, den länglichen 1) Minot, B. $.: Report on the Histology of the Locust and Cricket in Second Report U. S. Entomologieal Commission. 1880. p. 214—217. Plate V. Fig. 37 und 38. Zur Kenntniss der Samenblasen beim Meerschweinchen, 215 Kernen des Epithels und der Muskeln gegenüber sehr deutlich. Die Museularis besteht hauptsächlich aus Ringsfasern, in Fig. 1 sind nur solche vorhanden; an anderen Stellen aber sind nach Aussen schräge Längsfasern zu sehen, die bisweilen eine discrete Lage zu bilden scheinen. Es erübrigt noch, auf die zwischen Samenblase und Samen- leiter bestehende bauliche Aehnlichkeit aufmerksam zu machen. Das Vas deferens des Meerschweinchens besitzt ein niedriges Epithel, das dem der Blase im Aussehen sehr nahe gleicht; die propria ist kaum vorhanden; die Museularis ist viel mächtiger, hat aber eine innere Ringsfaser- und eine äussere Längsfaserschicht. Die Blase ist also auch dem histologischen Baue nach als ein Auswuchs des Leiters aufzufassen. Erklärung der Tafel XI. (Die Abbildungen sind ziemlich genau, doch sind die Einzelheiten nicht absolut wiedergegeben. Sie sind von Mr. Howard, einem Studenten der Harward Medical School gezeichnet worden). Fig. 1. Ein Theil von Fig. 2, vergrössert. Fig. 2. Querschnitt durch den unteren Theil der Samenblase, vergr. Fig. 3. Inhalt der Samenblase stark vergrössert; 5 B, derselbe gedrückt nach Behandlung mit Alkohol. Fig. 4. Ansicht der inneren Fläche der Samenblasenwand nach Färbung mit Blutholz und Conservirung in Balsam, 216 Friedr. Hermann: Beitrag zur Entwicklungsgeschichte des Geschmacks- organs beim Kaninchen. Von Dr. Friedr. Hermann, Assistent am anatomischen Institute zu Erlangen. Hierzu Tafel XIII. Während die Entwicklungsgeschichte der beiden sogenannten höheren Sinnesorgane, des Auges und Ohres, zahlreiche Bearbeiter gefunden hat, ist die Genese der im Jahre 1867 gleichzeitig von Loven und Schwalbe entdeckten Geschmacksbecher noch in voll- kommenes Dunkel gehüllt. Die an und für sich reiche Literatur über die Geschmacksbecher erstreckt sich einerseits blos auf den histologischen Bau derselben, andererseits auf den Nachweis gleich gebauter nervöser Endorgane bei den verschiedensten Arten der Säugethiere. Ich glaube es unterlassen zu dürfen, hier eine Auf- zählung der Autoren, die sich an diesen Untersuchungen betheiligt haben, und ihrer Arbeiten zu geben, da in dem Aufsatze Engel- mann’s in Stricker’s Lehrbuch der Histologie und in einem Referate Gottschau’s im Centralblatt für Biologie ein vollstän- diges Literaturverzeichniss über alle das Geschmacksorgan vom anatomischen sowohl wie physiologischen Standpunkte aus behan- delnden Untersuchungen gegeben ist. Die Angaben in der Literatur, die sich auf die Genese der Geschmacksorgane beziehen, sind sehr spärlich. In der Arbeit von H. v. Wyss, der bekanntlich zuerst die Aufmerksamkeit der Ana- tomen auf die Papilla foliata des Kaninchens und ihren enormen Reichthum an Geschmacksknospen gelenkt hat, findet sich eine kurze Bemerkung. Er sagt daselbst !), das neugeborene Kaninchen besitze bereits eine vollkommen angelegte Papilla foliata, auch die Geschmacksknospen seien leicht nachweisbar, nur seien dieselben 1) Archiv f. mikroskop. Anatomie. Bd. VI. 1870. pag. 254. Beitrag z. Entwicklungsgesch. d. Geschmacksorgans b. Kaninchen. 217 rundlicher und um die Hälfte kleiner als beim erwachsenen Kanin- chen und entwickelten sich erst in den ersten Lebenstagen zu ihrer vollkommenen Grösse. Eine weitere Angabe findet sich in einer Arbeit von Hoffmann; derselbe wies Geschmacksknospen bei 41/; und 6 Monate alten menschlichen Embryonen nach, die- selben seien jedoch etwas anders gestaltet, die peripheren Enden der Deckzellen nämlich seien merkwürdig lang ausgezogen, so dass die ganze Knospe mehr die Form eines Glaskolbens hätte. Weiter sagt er: „ist noch zu erwähnen, dass bei Embryonen und Neugeborenen die Geschmacksknospen an der freien Oberfläche der Papillen in grösserer Anzahl gefunden werden, als an den gleichen Stellen bei Erwachsenen“ und weiter unten: „Das häufigere Vor- kommen der Geschmacksknospen auf der freien Oberfläche der Papillen deutet offenbar auf eine theilweise Zerstörung dieser End- apparate und Ersatz derselben durch einfache Epithelwucherungen hin‘. Sämmtliche Angaben Hoffmann’s beziehen sich nur auf den Menschen. Im Laufe vorliegender Untersuchung werden wir auf die Bemerkungen beider Autoren zurückzukommen haben. Die Papilla foliata, die, obgleich in rudimentärer Entwicklung auch beim Menschen nachgewiesen wurde?), stellt beim Kaninchen eine ovale, 5—6 mm lange, 3mm breite, mit 12—15 unter sich parallel laufenden, nur unten etwas convergirenden Furchen ver- sehene flache Prominenz dar. Sie liegt an dem Seitenrande der Zunge, unmittelbar vor dem Arcus palatoglossus, ihre Längsaxe verläuft nicht horizontal, sondern von oben hinten nach vorne unten, zugleich liegt der hintere Abschnitt mehr medial als der vordere. Papillae vallatae besitzt das Kaninchen bekanntlich nur zwei und liegen dieselben am Zungengrunde zu beiden Seiten der Medianlinie. Sie zeigen beim erwachsenen Kaninchen eine knopf- förmige Gestalt mit eingeschnürter, halsartiger Basis, der Wall überdacht die Papille etwas, so dass man beim Betrachten einer Papilla vallata von oben, die grösste Circumferenz derselben nicht sehen kann. An der Stelle des eingeschnürten Halses liegt zu beiden Seiten des Wallgrabens der Gürtel von Geschmaeksknospen. Ausserdem sind noch auf den Papillae fungiformes Geschmacks- organe vorhanden. 1) cf. Historisches über die Papilla foliata bei Hönigschmid, Zeit- schrift für wissenschaftl. Zoologie. Bd. 23. 1373. 218 - Friedr. Hermann: Aus leicht begreiflichen Gründen zog ich nur die Papillae vallatae und foliatae in den Kreis meiner Untersuchung. Eine entwicklungsgeschichtliche Untersuchung des Geschmacks- organs wird sich einerseits dahin zu erstrecken haben, die Ent- wicklung der Papillen als solcher, der Träger der Geschmacks- endorgane, aufzudecken, andererseits die Genese dieser letzteren selber zu zeigen. Die erste Andeutung einer Papilla foliata fand ich bei einem Kaninchenfötus von 54mm Länge. Man sieht hier makroskopisch an dem Seitenrande der Zunge bereits eine ovale, minimal erha- bene Stelle, deren Längsaxe ziemlich horizontal verläuft. Bei schärferem Zusehen lassen sich auch schon die einzelnen Leistchen, wie sie an der ausgebildeten Papilla foliata so scharf hervortreten, unterscheiden; dieselben verlaufen senkrecht zur Horizontalebene. Die Länge der ganzen Papille in diesem Stadium beträgt 0,5— 0,6mm. Auch die Papillae vallatae sind makroskopisch als zwei neben der Mittellinie gelegene, flache Höckerchen wahrnehmbar Fertigt man durch eine Zunge aus diesem Entwicklungsstadium einen Schnitt und zwar wird sich, um die Papilla foliata in ihrer ganzen Länge zu treffen, hiezu am besten ein Horizontalschnitt eignen, so bekommt man folgendes Bild cf. Fig. I. Die Papillen sind durch einfache Einstülpungen des Epithels schon angedeutet, unterscheiden sich aber in ihrer Gestalt in nichts von den übrigen Schleimhautpapillen der Zunge, nur übertreffen sie letztere bedeu- tend an Grösse, indem sie fast doppelt so hoch sind. Die Breite der einzelnen Papillen beträgt 0,04—0,05mm. Sie sind übrigens noch nicht von einander differenzirt, das Epithel verbindet die einzelnen Papillen noch vollständig, nur an der Oberfläche deutet eine leichte Einkerbung bereits die Stelle an, wo späterhin die Differenzirung vor sich gehen wird. Was das Epithel anlangt, so haben wir es mit dem gewöhnlichen geschichteten Epithel zu thun, wie es auf der ganzen Zungenoberfläche vorkommt, die der Schleim- haut unmittelbar aufsitzende Zellenschicht, — Basalzellen — zeigen eine eubische Form, die übrigen Epithelzellen sind polyedrisch. Irgendwie differente Bildungen in der Epitheldecke, die für Ent- wicklungsstadien der Geschmacksknospen angesehen werden könn- ten, sind durchaus noch nieht vorhanden. Das zarte Schleimhautstroma der Papillen, deren jede eine Gefässschlinge in ihrem Inneren birgt, zeigt eine diesen Gefässen Beitrag z. Entwicklungsgesch. d. Geschmacksorgans b: Kaninchen. 219 parallel laufende Faserung. Die Papillen selbst stehen auf einer bis 0,05 mm starken, äusserst kernreichen und feinfaserigen, wie schwammigen Bindegewebsschichte, die sich sowohl dureh ihre Mächtigkeit, als auch ganz besonders durch ihren Kernreichthum und die Feinheit ihrer Textur auf den ersten Blick von der übrigen Zungenschleimhaut unterscheidet. Letztere besitzt nämlich nur eine Dieke von 0,02—0,03 mm, ist bedeutend kernärmer und lässt deutlich eine der Zungenoberfläche mehr oder minder parallele Faserung unterscheiden. Der Uebergang von dem beschriebenen Schleimhautgewebe der Papilla foliata in das der übrigen Zunge ist ein ganz plötzlicher und unmittelbarer, so dass die Papille gleichsam auf einem scharfbegrenzten, schwammartigen Kissen aufruht. Bei Föten aus späteren Stadien wird die Pap. foliata noch deutlicher sichtbar, zugleich läuft ihre Längsaxe nicht mebr ganz horizontal und nähert sich der hintere Theil mehr der Medianlinie. Diese Veränderung in der Lage der Papille erklärt sich aus dem Um- stande, dass der hintere Theil der Zunge sich stärker entwickelt und mehr hervorgewölbt hat, wodurch die Papille auch mehr nach oben, dem Zungenrücken zu gerückt wird. Wegen dieser Lageveränderung empfiehlt es sich, um die Papille in ihrer ganzen Ausdehnung in den Schnitt zu bekommen, diesen von hinten medial nach vorne lateral anzulegen. An einem solchen Schnitt lässt sich sehr schön die Genese der Papilla foliata studiren, ef. Fig. II und III. Die einzelnen Papillen sind breiter geworden, -— sie haben eine Breite von 0,05—0,06 mm, aber sie sind ebenfals noch nicht von einander isolirt. Wir sahen oben, dass die erste Anlage der Papilla foliata in einfachen Epitheleinstülpungen besteht; von diesen, — wir wollen sie die primären Epitheleinstülpungen nennen — sieht man beiderseits das Epithel in Form kleiner, stumpfer Her- vorragungen gegen das Schleimhautgewebe hineinwuchern, wodurch die ganze Epitheleinstülpung an einer cireumscripten Stelle, die ziemlich in ihrer halben Höhe liegt, stark verbreitert erscheint. Von nun an beginnt das Epithel nach zwei Richtungen zu wuchern, erstens an der eben bezeichneten Stelle und dann am Grunde der Papillen. Berücksichtigen wir zunächst erstere Stelle, so sehen wir, dass die oben erwähnten stumpfen Hervorragungen zapfen- förmig in das Stroma der Schleimhaut hinein wachsen. So ver- hält sich die Papilla foliata bei einem Fötus von 70mm Länge 220 Friedr. Hermann: und zwar ist sie in der Mitte am meisten entwickelt, während sich in der Peripherie noch die einfachen Epitheleinstülpungen befinden. Bei Föten von 95mm Länge, die also nur wenige Tage vor dem Ende des intrauterinen Lebens stehen, sind die erwähnten zapfen- förmigen Einstülpungen des Epithels — die secundären Epi- theleinstülpungen — länger geworden und haben die ursprüng- lich einfache Schleimhautpapille in drei Fächer abgetheilt, wodurch die von v. Wyss sogenannten primären und secundären Blätter des Schleimhautstroma’s entstehen!). Wie beim ausge- wachsenen Thiere ist auch hier das primäre Blatt das höchste und trägt in seiner Mitte eine Vene, die aber hier ausserordentlich weit ist und fast das ganze Schleimhautblatt ausfüll.e. In den secundären Blättern sieht man dicht unter dem Epithel direkt gegen die Spitze des secundären Blattes einen Streifen von Zellen hinziehen, die mehr oder minder lange Kerne besitzen und sich durch Osmiumsäure dunkler gefärbt haben als das übrige Gewebe der Schleimhaut. Dieser Zellenstrang wird wohl so zu deuten sein, dass man in ihm die sich bildenden markhaltigen Nerven- bündel vor sich hat, welche später zu den Geschmacksknospen hinziehen. Wenden wir uns nun zum Grunde der Papillen! Die primären Epitheleinstülpungen haben sich beträchtlich verlängert, in Form solider Stränge ist das Epithel in die Zunge hineinge- . wuchert, es hat das Schleimhautgewebe vollständig durchbrochen und endet kolbig verbreitert tief zwischen den Muskelfasern der Zunge. Was aus diesen Epithelsträngen sich bilden wird, ist leicht zu errathen; wir haben in ihnen das erste Entwicklungs- stadium jener Drüschen vor uns, dieEbner in seiner Arbeit über die acinösen Drüsen der Zunge als seröse bezeichnet hat und von denen er nachweist, dass ihr Vorhandensein stets streng an die Geschmacksorgane gebunden ist, sowie dass ihr Secret zum physiologischen Acte des Schmeckens in gewisser Beziehung steht). l) An der Bildung des secundären Blattes betheiligt sich übrigens ausser dem Epithel auch die Schleimhaut, indem sie an dieser Stelle spitz in das Epithel hineinwächst, wodurch die Spitze des sich bildenden secundären Blattes näher an die Oberfläche der Papille herangerückt wird. 2) v. Ebner: Die acinösen Drüsen der Zunge und ihre Beziehungen zu dem Geschmacksorgane. Graz 1873. ‚Beitrag z. Entwicklungsgesch. d. Geschmacksorgans b. Kaninchen. 221 Auch im Epithel haben sich nun Aenderungen vollzogen, es sind innerhalb desselben ef. Fig. III, differente Zellformen aufge- treten, in denen wir die ersten Entwicklungsstadien der Geschmacks- knospen vor uns haben. An der Spitze der secundären Schleim- hautblätter nämlich sieht man an Stelle der eubischen Basalzellen und jedenfalls aus diesen hervorgegangen, eigenthümliche, mehr spindelförmige Zellen mit längerem Kern und hellerem Protoplasma. Zuerst zeigen diese Zellen einen centralen, der Schleimhaut zuge- kehrten Fortsatz, bei dessen Betrachtung es fast den Anschein gewinnt, als stände er unmittelbar mit dem oben beschriebenen Zellstrang, der dieht unter dem Epithel zur Spitze des secundären Blattes läuft und den wir als die sich bildenden Nerven deuteten, in Verbindung. Später bekommen die Zellen auch nach der Peri- pherie einen Fortsatz und durchsetzen so, mit ihrer Längsaxe direct gegen die Oberfläche der Papille gerichtet, die tieferen Schichten des Epithels. Beim neugeborenen Kaninchen finden wir, was die Ausbildung der Papilla foliata betrifft, im Grossen und Ganzen dieselben Ver- hältnisse wie bei dem eben beschriebenen Fötus von 95 mm Länge. Die secundären Blätter sind länger geworden dadurch, dass die Schleimhaut stärker in das Epithel gegen die Oberfläche der Pa- pille vorgedrungen ist. In den Epithelsträngen, die wir vom Grunde der primären Epitheleinstülpung aus in die Tiefe zwischen die Zungenmuskulatur wuchern sahen und die das erste Entwickelungs- stadium der Ebner’schen serösen Drüsen darstellen, hat eine Ver- änderung stattgefunden; erstens treiben dieselben seitliche Sprossen — die künftigen Acini — und zweitens beginnt sich das Lumen des Ausführungsganges zu entwickeln. In den ursprünglich soliden Epithelsträngen bilden sich einzelne Hohlräume, die die Reste der central gelegenen Zellen des Stranges einschliessen; diese einzelnen Hohlräume confluiren mit einander und es lässt sich nun auf eine längere Strecke ein Ausführungsgang mit einer aus zweischiehtigem Epithel bestehenden Wand unterscheiden. Was nun die Ausbildung der Geschmacksknospen beim neu- geborenen Kaninchen betrifft, so kann ich mit dem Satze von v. Wyss, die Gesehmacksknospen seien beim neugeborenen Ka- ninchen mit Leichtigkeit zu finden, nicht ganz übereinstimmen, mindestens kann derselbe nicht so allgemein gelten. Eigentliche Epithelialknospen, wie sie beim erwachsenen Thiere vorkommen, 222 Friedr. Hermann: sind nämlich beim neugeborenen nur sehr vereinzelt zu finden; ihre Gestalt weicht von der bei erwachsenen Kaninchen etwas ab, indem sie im Verhältniss langgestreckter, mehr spindelförmig sind; sie werden in der Länge 0,03, in der Breite 0,01mm!). Auch in’ ihrer Lage im Epithel unterscheiden sie sich wesent- lich von den Knospen bei erwachsenen Kaninchen. Wir sahen, dass die oben beschriebenen spindelförmigen Zellen an der Spitze der secundären Schleimhautblätter, die wir als die ersten Entwick- lungsstadien der Geschmacksknospen bezeichneten, mit ihrer Längs- axe direet gegen die Oberfläche der Papille gerichtet waren; die- selbe Richtung halten nun auch die Knospen beim neugeborenen ein, ihre Spitzen durchsetzen die »oberflächliche Epithelschichte der Papille. Knospen von mehr kugeliger Gestalt als beim erwachse- nen Tiere, wie sie Wyss beim neugeborenen beschreibt, konnte ich nirgends finden, dagegen sieht man regelmässig an der Spitze jedes secundären Blattes die oben erwähnten spindelförmigen Zellen in grösserer oder geringerer Entwicklung. Diese Zellen trifft man nun auch an der Stelle der primären Epithelialeinstülpung, an welcher sich später die dem Wallgraben der Pap. vallata ent- sprechende Capillarspalte bildet, in die beim erwachsenen Kanin- chen die Geschmacksknospen mit ihren Spitzen hineinragen. Beim zwei Tage alten Kaninchen ist die Pap. foliata in ihrer allgemeinen Gestalt kaum weiter fortgeschritten als beim neuge- borenen. Nur die acinösen Drüsen haben sich nun mächtig ent- wiekelt und sind zwischen der Museulatur als weitverzweigte Drüsen- läppehen sichtbar. Was nun die nervösen Endorgane, und sie inter- essiren uns Ja am meisten, anlangt, so sind in diesem Stadium die an der Spitze der secundären Blätter sitzenden ausgebildeten Knospen weit zahlreicher geworden und man begegnet ziemlich häufig Stellen, wo dadurch, dass die Spitzen der Geschmacksbecher je zweier benachbarter seeundärer Blätter dicht aneinander liegen, das Bild einer Zwillingsknospe hervorgerufen wird. Auch in der Lage der Knospen ist nun gleichfalls eine Wandlung eingetreten; wir sahen oben ihre Längsaxe parallel mit der Wachsthumsrichtung der pri- mären Epithelialeinstülpung verlaufen, jetzt aber sind sie durch die 1) Ein Vergleich mit den Knospen bei erwachsenen Thieren, bei denen sie 0,04—0,6 mm in der Länge, 0,035—0,05 mm in der Breite messen, ergiebt also, dass sie beim neugeborenen bedeutend kleiner sind. Beitrag z. Entwicklungsgesch. d. Geschmacksorgans b. Kaninchen. 223 grössere Breitenentwicklung der einzelnen Papillen schon mehr an deren seitliche Wand gerückt, so dass sie mebr oder minder quer zur primären Epitheleinstülpung liegen. Der dritte Tag bringt nun insofern eine Aenderung, dass die Papilla foliata beginnt, sich in ihre einzelnen Blätter zu spalten. Schon beim Fötus von 50 mm Länge haben wir oben den Ort dieser Differenzirung durch eine leichte Einkerbung im Epithel markirt gefunden; diese nun hat sich bedeutend vertieft und dadurch die Theilung der Papilla foliata in ihre einzelnen Blätter zu Stande gebracht. Jedoch ist dieser Process der Differeneirung der Papilla foliata in ihre einzelnen Papillenblätter nicht in ihrem ganzen Um- fange gleich weit vorgeschritten, vielmehr sind in den central ge- legenen Partien die Capillarspalten zwischen den einzelnen Pa- pillenblättern schon weit mehr entwickelt als an der Peripherie. Macht man sich also ein Bild der Papilla foliata eines drei Tage alten Kaninchens, so besteht dieselbe aus 12—13 gegenseitig durch eine capillare Spalte getrennten Schleimhautblättern mit einer ein- zigen Reihe von Geschmacksknospen, welche ihren Sitz in der oberen Spitze der seeundären Blätter haben und mehr oder minder quer gegen die Capillarspalte gerichtet sind. Letztere nun wird in den folgenden Lebenstagen immer tiefer und bringt dadurch die Papille ihrer endlichen Gestalt beim er- wachsenen Thiere immer näher. Hand in Hand mit dieser Tiefen- zunahme der Capillarspalte findet eine Vermehrung der Geschmacks- knospen statt, so dass wir am vierten Tage 2, am fünften Tage 3, am sechsten Tage 4—5 Reihen von übereinander stehenden Ge- schmacksknospen haben. Es hat somit die Papilla foliata beim Kaninchen am sechsten Lebenstage ihre definitive Gestalt erlangt, immerhin zeigen aber die feineren Structurverhältnisse der Geschmacksknospen selbst noch manche Verschiedenheiten von denen des erwachsenen Thieres; es liegt jedoch ausser dem Rahmen vorliegender Untersuchung, die sich nur die Genese des Geschmackorganes im Grossen und Ganzen zur Aufgabe gestellt hat, auf diese näher einzugehen und begnüge ich mich an dieser Stelle darauf hinzuweisen, dass die Geschmacksknospen in ihren morphologischen Bestandtheilen am sechsten Tage noch nicht zu ihrer vollständigen Entwicklung ge- diehen sind. Wenden wir uns nun zur Entwicklungsgeschichte der Papilla 294 Friedr. Hermann: vallata. Die erste Andeutung einer solchen fand ich ebenfalls bei einem Fötus von 50mm Länge, und ist hier die Papille schon makroscopisch wahrnehmbar als eine kreisrunde, kleine, etwa 0,2 mm im Durchmesser haltende Erhabenheit am Grunde der Zunge lateral der Medianlinie.e Aehnlich wie wir die Papilla foliata sich aus einfachen Einstülpungen von Seite des Epithels entwickeln sahen, verhält es sich auch bei der Bildung der Papillae vallatae (ef. Fig. IV). Es wuchert das Epithel in die Schleimhaut in Form einfacher Einstülpungen hinein, die nach unten etwas con- vergiren und so der Papille schon in diesem Stadium die knopf- förmige Gestalt geben, die ihr im erwachsenen Zustande eigen ist. Ein Wallgraben hat sich noch nicht gebildet, das Epithel geht noch in einer Flucht glatt über die Papille hinweg, ebenso sind die Seeundärpapillen, die man beim erwachsenen Thiere auf der freien Papillenoberfläche wahrnimmt, noch nicht vorhanden. Hatten wir bei demselben Fötus im Epitbel der Papillae foliatae noch nirgends Spuren differenter Bildungen gefunden, so treffen wir hier schon auf die ersten Entwieklungsstadien der Knospen in Gestalt der spindelförmig verlängerten Basalzellen; auffallend ist jedoch, dass diese Zellengruppen nicht an der Stelle der Epithelein- stülpung, sondern auf der freien Oberfläche der Papille ihren Sitz haben. Die weitere Ausbildung der Papilla vallata vollzieht sich nun auf ähnliche Weise wie wir sie bei der Papilla foliata beobachtet haben (ef. Fig. V). Wie bei dieser, beginnt die Epitheleinstülpung an zwei Stellen weiter zu wuchern, einmal an ihrem Grunde und dann an einer eircumseripten Stelle, die ziemlich in ihrer halben Höhe gelegen ist. Hier zweigt sich in Form eines stumpfen Höckerchens eine secundäre Epitheleinstülpung lateral ab, aus welcher, dadurch dass die Schleimhaut spitz in sie hineinwächst, der Wall der Papilla vallata sich bildet. Am Grunde der primären Epitheleinstülpung sehen wir auch hier einen soliden Zellenstrang zwischen die Muskulatur hineinwachsen, aus welchem sich später die Ebner’schen aeinösen Drüsen entwickeln. Soweit haben wir also ganz conforme Verhältnisse, wie wir sie bei der Genese der Papilla foliata getroffen haben. Um so interessanter ist das Verhalten der Geschmacksknospen auf der Papilla vallata. Wie erwähnt, sind schon bei dem Fötus von 50 mm Länge, also zu einer Zeit, wo in der Epitheldecke der Beitrag z. Entwicklungsgesch. d. Geschmacksorgans b. Kaninchen. 225 Pap. foliata noch durchaus keine differenten Bildungen zu erkennen sind, an einzelnen Stellen die spindelförmig ausgezogenen Basal- zellen vorhanden. Betrachtet man nun einen Schnitt durch die Papilla vallata eines 70 mm langen Fötus (ef. Fig. V), so ist man erstaunt über den enormen Reichthum an Geschmacksknospen, der sich hier, und zwar auf der freien Oberfläche der Papille vor- findet; ich konnte an einem einzigen Schnitte deren neun zählen, die ganze Epithelialdecke ist mit dicht aneinander stehenden Knospen durchsetzt. Ich muss dabei ausdrücklich bemerken, dass an der Stelle der Epitheleinstülpung, also an dem Orte, wo beim erwachsenen Thiere die Geschmacksknospen ihren Sitz haben, von solehen oder Entwicklungsstadien derselben noch nichts zu sehen ist!). Erst bei dem Fötus von 95 mm Länge, also dem Stadium, in dem wir auch in der Papilla foliata die ersten Spuren von sich entwickelnden Knospen auftauchen sahen, werden sowohl an der Spitze des sich bildenden Walles sowie an der Seitenfläche der Papille die Gruppen spindelförmig ausgezogener Basalzellen sicht- bar. Die Spitzen je zwei solcher benachbarter Spindelzellengruppen convergiren und sind direct gegen die Oberfläche der Zunge ge- richtet. Was nun die auf der freien Oberfläche der Papille lie- genden ausgebildeten Knospen betrifft, so ist an ihnen eine Wand- lung vor sich gegangen; mit dem Auftreten der modifieirten Basal- zellen an der Stelle der Epitheleinstülpung hat sich nämlich die Zahl der ausgebildeten Knospen bedeutend verringert, so dass sich auf einem Sehnitte nur mehr 4—5 derselben vorfinden. Die spindel- förmigen Basalzellen haben sich nun beim Neugeborenen zu fertigen Knospen entwickelt (ef. Fig. VI) und haben wir nun sowohl an der Spitze des Walles als auch an der Seitenfläche der Papille je eine Reihe ausgebildeter Geschmacksknospen, die sich aber in ihrer Lage noch dadurch von dem Zustande beim erwachsenen Kanin- chen unterscheiden, dass sie noch nicht quer zur primären Epithel- einstülpung liegen, sondern mit ihrer Spitze noch gegen die Zungen- oberfläche gerichtet sind; die Zahl der auf der freien Oberfläche der Papille sitzenden Knospen ist noch mehr gesunken, so dass sie nun nur noch vereinzelt anzutreffen sind. Wie bei der Papilla foliata so entwickelt sich auch bei der 1) Nur einige wenige Basalzellen beginnen bereits etwas länger zu werden, cf. Fig. V. 226 Friedr. Hermann: Papilla vallata die capilläre Spalte zwischen Wall und Papille — der Wallgraben — am dritten Lebenstage. Zugleich beginnt sich die Papille mehr hervorzuwölben, so dass sie die kugelige, knopf- förmige Gestalt gewinnt, die ihr beim erwachsenen Thiere eigen ist. In den nächsten Tagen bilden sich nun die weiteren Reihen von Geschmacksknospen, doch geht die Entwicklung nicht mit der Regelmässigkeit vor sich, wie wir sie an der Papilla foliata ge- funden haben; es scheinen sich nämlich die an der Seitenfläche der Papilla liegenden Geschmacksknospen langsamer zu entwickeln als diejenigen des Walles, immerhin ist aber mit dem 5.—6. Tage die Entwieklung der Knospen zum Abschlusse gelangt. Dagegen hat die Papille in dieser Zeit noch nicht ihre definitive Gestalt erreicht; der Wall ist noch nicht soweit emporgewachsen, dass er wie beim ausgewachsenen Thiere die Papille zum Theile über- dachen könnte, es liegt dieselbe daher in ihrer ganzen Cireumferenz frei zu Tage. Leider erlaubte der Mangel an Untersuchungsmaterial es mir nicht, zu entscheiden, wann die Entwicklung der Papilla vallata vollständig beendigt ist. In Folgendem gebe ich zwei Tabellen, aus denen die Wachs- thumsverhältnisse sowohl der einzelnen Papillen der Papilla foliata, als auch der Papilla vallata ersehen werden können. In Bezug auf letztere möchte ich bemerken, dass die Maasszahlen sich auf die Papille mit dem Walle beziehen, was mir bei der engen Zu- sammengehörigkeit von Wall und Papille geeigneter erschien. Papilla foliata. Breite der einzelnen Papille: Kaninchenfötus von 54mm K. S. L. 0,04—0,05 mm. 791, h 0,05—0,06 „, ” 2? ” ” 35 ” ” 0,06—0,08 ” Neugeboren . . . . ..0,1 mm. Ba I il, OHR Bun. 0 RO ASTA U SU ORT Deka) u an) 20a, Ta. 0,148 „, Erwachsenes Kaninchen 0,2 Beitrag z. Entwicklungsgesch. d. Geschmacksorgans b. Kaninchen. 227 Papilla vallata. Kaninehenfötus von 54mm K.S.L. 0,21 mm. 2 ” 70 ” ” 0,39 ” „ zu 980%; % 0,46 „, Neugeboren. . . . . 0,49 mm. Da lauert; Ska Saysiloril0;6len) Bann 2m 068 Saas». ÜSZIIR Fasst man nun die Resultate vorliegender Untersuchung zu- sammen, so ergibt sich für’s erste, dass die Papilla foliata und vallata aus einfachen Epitheleinstülpungen sich entwickeln, welche dadurch, dass sie seitliche Fortsätze — secundäre Epitheleinstül- pungen — treiben, bei ersterer zur Bildung der seeundären Blätter, bei der Papilla vallata des Walles Anlass geben. Die primären Epitheleinstülpungen sind bei Kaninchenföten von 50 mnı Länge, also vom 23. Tage!) schon vorhanden, die Bildung der seeundären Blätter, resp. des Walles, beginnt jedoch erst bei Föten von 70 mm Länge, nach dem 24. Tage des intrauterinen Lebens und ist bei Neugeborenen noch nicht zum Abschluss gekommen. Es erfolgt vielmehr die hauptsächliehste Entwieklung, namentlich die Diffe- reneirung der einzelnen Papillen der Papilla foliata von einander, resp. die Trennung des Walles von der Papilla vallata, erst in den ersten Lebenstagen und ist auch, wenigstens was die Papilla val- lata betrifft, in der ersten Woche noch nicht als vollendet zu be- trachten. Ausser zur Bildung der Papillen stehen die primären Epitheleinstülpungen noch in Beziehung zur Genese der an die Geschmacksorgane eng gebundenen Ebner’schen aecinösen Drüsen, indem sie als anfangs solide Zellstränge in das Muskelgewebe hineinwuchern, durch Atrophie der central gelegenen Zellen sich zu blind und kolbig endenden Gängen aushöhlen, von denen sich seitliche Ausbuchtungen — die Acini — abzweigen. Dieser letztere Process findet ebenfalls erst beim neugeborenen Kaninchen statt. Man sieht demnach, dass die Entwicklung der Papilla vallata und foliata und ihre Adnexa relativ erst spät, erst in der letzten Zeit des intrauterinen Lebens und den ersten Lebenstagen stattfindet. 1) ef. Kölliker: Handbuch der Entwicklungsgeschichte, Bd. II. Archiv f. mikrosk, Anatomie, Bd, 24, 15 2238 Friedr. Hermann: Wie verhält es sich nun mit den Geschmacksknospen ? An den Stellen, wo sie beim erwachsenen Thiere ihren Sitz haben, erscheinen sie sehr spät; bei Föten von 95 mm Länge, die höchstens einige Tage vor der Geburt stehen, sehen wir in Gestalt der be- schriebenen Gruppen spindelförmig modifieirter Basallzellen an der Spitze der secundären Blätter resp. des Walles, die ersten Vorläufer der Geschmacksknospen auftauchen. Diese Spindelzellen durchsetzen sich verlängernd das Epithellager und so finden wir denn beim neu- geborenen Kaninchen, wenn auch sehr, sehr vereinzelt, die ersten aus- gebildeten Geschmacksknospen. Die hauptsächlichste Entwicklung derselben fällt jedoch in den zweiten und dritten Lebenstag und haben wir am Ende des letzteren die oberste Reihe von Knospen aus- gebildet. Nach und nach bilden sich in den folgenden Tagen die weiteren Reihen von Knospen, so dass wir am sechsten Tage die Entwieklung der definitiven Geschmacksorgane vollendet finden. Allein schon sehr früh, schon bei Föten von 50mm, also zu einer Zeit, in der sich die Papilla vallata und foliata eben erst zu entwickeln beginnen, finden wir auf der freien Oberfläche der Papilla vallata die ersten Stadien sich bildender Knospen, die sich bald vollständig entwickeln und numerisch beim Fötus von 70 mm Länge ihre höchste Entwicklung erreichen, um dann in gleichem Verhältnisse, als sich die definitiven Geschmacksknospen bilden, wieder zu Grunde zu gehen, so dass sie bei Kaninchen von 2—3 Lebenstagen nur mehr sehr vereinzelt zu Gesichte kommen. Wir hätten also darin gewissermassen nur ephemere, embryonale Bil- dungen vor uns, die mit der Entwicklung der bleibenden Ge- schmacksknospen zur Atrophie gelangen, und damit komme ich auf den schon oben angeführten Satz Hoffmann’s zurück, „die auf der freien Oberfläche bei jungen Individuen liegenden Geschmacks- knospen gingen durch Wucherung des gewöhnlichen Epithels zu Grunde“. Es liesse sich allerdings daran denken, das Verschwinden der Knospen von der freien Oberfläche anders zu erklären. Stellt man sich vor, dass die Wachsthumsrichtung in der Papilla vallata vom Centrum zur Peripherie stattfindet, dass die Papille sich ge- wissermassen aus dem Centrum heraus entfaltet, so könnte man sich wohl denken, dass dadurch die ursprünglich auf der freien Oberfläche liegenden Knospen an die Seitenwand der Papille ge- rückt würden. Dass dies in Wirklichkeit so stattfindet, dagegen spricht einmal der Umstand, dass zu gleicher Zeit, in der die Beitrag z. Entwicklungsgesch. d. Geschmacksorgans b. Kaninchen. 229 Knospen auf der freien Oberfläche ihre höchste Entfaltung erreicht haben, auch sehon die ersten Entwicklungsstadien der definitiven Geschmacksknospen auftreten, ferner müsste das Wachsthum der Papilla vallata, um diese Verschiebung zu Stande zu bringen, in den letzten Tagen des intrauterinen Lebens ein ganz kolossales sein, und endlich ist beim Fötus von 70 mm Länge die Zahl der Knospen auf der freien Oberfläche grösser als die der definitiven Geschmaeksknospen beim erwachsenen Thiere. So muss man sich also wohl der Ansieht Hoffmann’s anschliessen; freilich ist diese nur eine Hypothese, den strieten Beweis für ihre Richtigkeit muss ich leider schuldig bleiben, da es mir bis jetzt noch nieht gelungen ist, wenigstens mit Sicherheit Bilder dieser atrophirenden embryo- nalen Geschmacksknospen zu Gesicht zu bekommen. Zum Schlusse erfülle ich die angenehme Pflicht, meinen hochverehrten Lehrern, Herrn Prof. J. v. Gerlach und Herrn Prof. L. Gerlach für das Interesse, das sie an vorliegender Untersu- ehung genommen, meinen tiefgefühltesten Dank auszusprechen. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XII. Die Contouren sämmtlicher Figuren sind nach Seibert, Obj. III, oc. 1 mit dem Zeichenapparat entworfen, die Details nach Winkel, Obj. VI. oc. 2 eingezeichnet. Fig. 1. Schnitt durch die Papilla foliata eines Kaninchenfötus von 54mm RK. So: Fig. 2. Aus der Papilla foliata eines Kaninchenfötus von 70mm K. S. L. Fig. 3. Aus der Papilla foliata eines Kaninchenfötus von 95mm K. S. L. Fig. 4. Schnitt durch die Papilla vallata eines Kaninchenfötus von 54mm K..S.2 Schnitt durch die Papilla vallata eines Kaninchenfötus von 70mm RS: Fig. 6. Schnitt durch die Papilla vallata eines neugeborenen Kaninchens. (Sb 1 Fig. 2330 Josef Paneth: Beiträge zur Histiologie der Pteropoden und Heteropoden. Von Dr. Josef Paneth. Hierzu Tafel XIV, XV, XVI. Die durchsichtigen Mollusken in der pelagischen Fauna des Mittelmeeres aus den Familien der Pteropoden und Heteropoden bieten für die Untersuchung ihrer Gewebe grosse Vortheile, die von allen Beobachtern, die sich an der Küste mit ihnen beschäf- tigen konnten, gewürdigt worden sind. Der Eindruck, den diese „Normalobjekte anatomischer Forschung“, wie sich Ranke!) aus- drückt, auf denjenigen machen, der an ihnen ohne weitere Präpa- ration im frischen Zustand Beziehungen erkennt, die sonst zu ihrer Klarlegung mühsamer und umständlicher Methoden bedürfen, lässt sich mit dem genannten Forscher als „begeisterte Zuneigung“ bezeichnen. So haben diese Thiere während meines Aufenthalts in Villefranche bei Nizza, wo ich an der französischen zoologischen Station, die unter der Leitung des Herrn Doktor Barrois steht, arbeitete, auch meine Aufmerksamkeit und mein Interesse erregt, und ich habe mich bemüht, über einige histiologische Verhältnisse bei ihnen ins Klare zu kommen, umsomehr als seit der schönen und werthvollen Monographie Gegenbaurs, die aus dem Jahre 1855 stammt, nur einzelne Organe der Heteropoden untersucht worden sind; so das Auge von Hensen, das Ohr von Claus und Ranke. Material. Von Pteropoden kam Cymbulia Peronii überaus 1) Ranke, Das acustische Organ im Ohre der Pterotrachea. Arch. f. mikr. Anatomie XII, S. 564. Beiträge zur Histiologie der Pteropoden und Heteropoden. 231 häufig vor, Tidemannia in ihren beiden Species, chrysostieta und neapolitana, nur vereinzelt; während meines fünfmonatlichen Aufent- haltes in V. (November bis März) im Ganzen in etwa 10 Exem- plaren, von denen keines eine Schale hatte. Die kleinern Ptero- poden, aus den Genera Creseis, Cleodora, Hyalea waren gar nicht selten, wurden aber nur nebenbei untersucht, da sie die besondern Vortheile, die Tiedemannia und Cymbulia haben, nicht in so her- vorragendem Maasse darbieten. Pneumodermon und Clio kamen nicht zur Beobachtung. Von Heteropoden kam Carinaria sehr selten ins Laboratorium und durch einen unangenehmen Zufall meist dann, wenn ich nicht anwesend, oder anderweitig beschät- tigt war. Das Laboratorium in V. bietet an Reagentien und Glä- sern soviel man vernünftigerweise verlangen kann (Mikroskop, Mikrotom, sonstige Instrumente muss man mitbringen), ermangelt aber bis jetzt der Aquarien mit fliessendem Wasser, so dass es unmöglich ist, pelagische Thiere länger als 24 Stunden höchstens am Leben zu erhalten. So musste ich mich für die fortlaufende und systematische Untersuchung auf das verlegen, was täglich in beliebiger Menge vorhanden war — Pterotrachea, obzwar manche Dinge an Carinaria besser zu sehen sind. Pt. coronata kam täg- lich in zwei bis drei Individuen, Pt. mutica und hippocampus — ich folge der Nomenclatur Gegenbaurs!), — in ebensoviel Dutzen- den ins Laboratorium und zwar war in den Monaten November bis Januar Pt. hippocampus, im Februar und März Pt. mutica vorherrschend. Ausser diesen kam in ungefähr 12 Exemplaren eine Pt. vor, die nach Grösse und allgemeiner Körperform, sowie nach der Bildung der Augen am meisten der Pt. coronata glich, sich aber von dieser durch eine diffuse, schmutzig-violette Färbung, besonders massigen, wulstigen Körper und eine tiefere Bauchrinne unterschied. Sie kam nur in weiblichen Exemplaren vor, und ist mit derjenigen, die Gegenbaur einmal sah und (a. a. ©. S. 175 Anm.) beschrieb, identisch. Ob die angeführten Merkmale zur Begründung einer neuen Species ausreichen, weiss ich nicht, und begnüge mich, diese Sache erwähnt zu haben. Atlanta kam sehr selten, Firoloides gar nicht vor. Ich will hier eine Beobachtung anführen, die ich bezüglich l) Gegenbaur, Untersuchungen über Pteropoden und Heteropoden. Leipzig 1855. 332 Josef Paneth: des Vorkommens männlicher Geschlechtscharaktere bei den Weib- chen von Pterotrachea gemacht habe. Im den Lehrbüchern der Zoologie sowohl!) als auch in den Abhandlungen, die sich speciell mit Heieropoden beschäftigen?), findet sich die Angabe, dass der Saugnapf am Rande der Flosse bei Carinaria und Atlanta beiden Geschlechtern, bei Pterotrochea ausschliesslich dem Männchen zukomme. Leuckart will ihn unter Hunderten daraufhin unter- suchter Thiere kein einzigesmal beim Weibchen gefunden, beim Männchen vermisst haben. Da über die Function des Saugnapfs, die Rolle, die er etwa bei der Begattung zu spielen hat, gar nichts bekannt ist, so muss es dahingestellt bleiben, ob derselbe als seeundärer Geschlechtscharakter aufzufassen sei. Lässt man ihn dafür gelten, so bedarf die Angabe Darwins?), dass bei Mollus- ken nirgends secundäre Geschlechtscharactere vorkommen, einer kleinen Correktur. Wie dem auch sei, ich habe gar nicht selten einen Saugnapf, der ungefähr halb so gross, wie der eines Männ- chens, übrigens aber diesem ganz gleich gebaut war, bei Exem- plaren von Pterotrachea coronota beobachtet, die keinen Penis und wohl ausgebildete weibliche innere Genitalien hatten. Mehrere von diesen Thieren legten im Laboratorium Eier, bei zweien nahm ich die genaue Zergliederung des Nucleus vor und konnte keine Spur männlicher Elemente finden. Die Thiere erschienen übrigens ganz normal, sie gehörten sowohl der ungefärbten als auch der violetten Varietät an. Dreimal habe ich auch eine Beobachtung gemacht, die sich unmittelbar an die von Gegenbaur?) mitge- theilte anschliesst. Es fand sich nämlich an Thieren mit weiblichen innern. Genitalien ein wohlausgebildeter Penis und kein Saugnapf. Bei Pterotrachea mutica und hippocampus kam mir keine dieser Anomalien vor, bei diesen Species scheinen Penis und Saugnapf in der That immer zusammen vorzukommen und ausschliesslich dem Männchen anzugehören. In Folgendem habe ich zusammen- 1) Bronn und Keferstein, Klassen und Ordnungen des Thierreichs. II. S. 814. Claus, Lehrbuch der Zoologie III. Auflage, S. 803. 2) Leuckart, zoolog. Untersuchungen, III Theil. Giessen 1854. 8. 7. Gegenbaur, a. a. O. S. 156. 3) Darwin, Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl. Deutsch von Carus. Stuttgart 1871. I. S. 290. 4) a. a. O. S. 175. Anm. Beiträge zur Histiologie der Pteropoden und Heteropoden. 233 gestellt, wie viele von den in Bezug auf ihr Geschlecht untersuch- ten Thieren Männchen, Weibehen waren, wie viele äussern Herma- phroditismus zeigten. Denn als das ist es wohl zu bezeichnen, wenn der Penis sich auch bei Weibchen findet. Was den Saugnapf betrifft, so neige ich mich mehr zu der Ansicht, dass hier einer der nicht seltenen Fälle vorliege, wo se- eundäre Geschlechtscharaktere des einen Geschlechts gelegentlich auch auf das andere übertragen werden — womit sehr wohl stimmt, dass der Saugnapf bei den Weibchen kleiner war, als bei den Männchen. — Pterotrachea coronata, farblos. 18 Männchen, 13 Weib- chen, 6 Thiere mit Saugnapf ohne Penis (Weibchen), 2 Thiere mit Penis ohne Saugnapf (Weibchen). Pterotrachea coronata, gefärbt, 3 Weibchen, 3 Thiere mit Saugnapf ohne Penis (Weibchen), 1 Thier mit Penis ohne Saugnapf (Nucleus fehlend). Pterotrachea hippocampus, 15 Männchen, 52 Weibchen. Pterotrachea mutica, 23 Männchen, 20 Weibchen. Meine Untersuchungen, soweit dieselben jetzt mitgetheilt wer- den sollen, beziehen sich auf die histiologischen Elemente der Flossen und ihren Zusammenhang. Besonders waren mir die Flossen derjenigen Thiere werthvoll, bei denen sich muskelfreie, fensterartige Räume finden, in denen Nerven und Bindegewebs- körperchen frei liegen. Das ist bei Cymbulia, Tiedemannia und Pterotrachea der Fall. Die andern Pteropoden und Heteropoden wurden, da ihre Flossen massige, ununterbrochene Musculatur haben, nur gelegentlich und vergleichsweise untersucht. Zur Beob- achtung im überlebenden Zustand, die mir besonders wichtig war, bediente ich mich einer einfachen „feuchten Kammer“. Auf den Boden einer Glaszelle von 0,5—1 em Tiefe brachte ich einen Tropfen Wasser. Dann schnitt ich unter Meerwasser ein Stückchen aus der Flosse von Uymbulia oder Tiedemannia, oder die ganze Flosse einer kleinen Species von Pterotrachea ab, befestigte sie durch Adhäsion in einem Tropfen Meerwasser auf einem Deck- gläschen und brachte dies, natürlich mit dem Objeet nach unten, auf den Rand der Glaszelle, der vorher mit Vaseline bestrichen war. So war das Object vor Druck und Verdunstung vollkommen geschützt und lag in seiner ganzen Ausdehnung horizontal. Es ist der Untersuchung mit den stärksten Objectiven ohne Weiteres 334 Josef Paneth: zugänglich, soweit nicht die Objectdistanz dem Eindringen in die Tiefe Schranken setzt. Die Flimmerbewegung, die Bewegungen amöboider Zellen bleiben 24 Stunden in voller Lebhaftigkeit er- halten, die Gewebe verändern ihr Aussehen nur wenig, die post- mortale Gerinnung tritt äusserst langsam ein. Nach Ablauf dieser Zeit geht das Präparat in Folge einer massenhaften Entwiekelung von Baecterien zu Grunde?). Zur Conservirung und Färbung hat sich mir nur Osmium- säure in verschiedenen Concentrationen und Pikrokarmin brauch- bar erwiesen. Erstere wandte ich meist in Lösungen von 1 auf 1000 Meerwasser an, und habe mich überzeugt, dass das bei etwa einstündiger Einwirkung im Allgemeinen bessere Resultate giebt als andere Concentrationen oder Lösungen in gewöhnlichem Wasser, die zu bestimmten Zwecken auch in Anwendung gezogen wurden. Der Pikrokarmin war bereitet, indem zu einer schwach ammonia- kalischen Carminlösung so lange concentrirte Pikrinsäurelösung zugesetzt wurde, bis sich ein Niederschlag bildete, der abfiltrirt wurde. In dieser Lösung blieben die Präparate, nachdem sie in sewöhnlichem Wasser abgespült waren, 18--36 Stunden. Hierauf kamen sie in Wasser, dem etwas Essigsäure zugesetzt war. Hier- bei erwies es sich als nöthig, reichliche Mengen zu nehmen und die Präparate so lange darin zu lassen, bis sie keinen Farbstoff mehr abgaben. Sie wurden in Glycerin, dem etwas Ameisensäure zu- gesetzt war, aufbewahrt, und haben sich bis jetzt, also mehrere Monate lang, sehr gut gehalten. Nach der angegebenen Methode behandelt, sind die Objeete weder geschrumpft noch gequollen, nieht gebräunt und der Einwirkung des Farbstoffs sehr zugänglich; die Differentiation ist gut. Sie dunkeln auch nicht nach. Ihre werthvollste Eigenschaft bleibt so gut wie vollständig erhalten; sie sind im gehärteten und gefärbten Zustand immer noch so dureh- sichtig, dass man ganze Flossen unter das Mikroskop bringen kann. Verschiedene andere Methoden, die in einzelnen Fällen ange- wendet wurden, sollen am betreffenden Orte erwähnt werden. Al- kohol ist jedenfalls zu vermeiden. Wie immer man das Object 1) Anm. An den Muskeln von Pterotrachea habe ich häufig unter dem Einfluss dieser Bacterienentwicklung langandauernde fibrilläre Zuckungen gesehen, während die durch den Reiz der Präparation ausgelösten schon nach wenigen Minuten aufhören. Beiträge zur Histiologie der Pteropoden und Heteropoden. 235 vorher behandelt habe, wie vorsichtig und langsam man auch von verdünntem zu concentrirterem Weingeist fortgeschritten sei, immer ist, sobald man bei 95 %/, angelangt ist, das Resultat eine Schrum- pfung, die schon makroskopisch, noch mehr mikroskopisch Vieles entstellt und unkenntlich macht. Epithelien, Muskeln, überhaupt zellenreiche Gewebe sind ja auch auf diese Weise, wenn man zu- nächst Pikrinschwefelsäure, Chromessigsäure, Müller’sche Flüssig- keit anwendet und dann zum Alkohol übergeht, zu conserviren, und geben, mit den gebräuchlichen Tinetionsmitteln behandelt, ganz hübsche Bilder. Aber Alles, was dem Bindegewebe und dem Nervensystem angehört, ist unkenntlich und unscheinbar. Von der massenhaften „Gallerte“, die bei den Heteropoden den Haupt- bestandtheil des Körpers bildet, in der alle histiologischen Elemente eingebettet sind, die Alles auseinanderhält und gestattet, jede Fibrille zu ihrem Ursprung zu verfolgen, bleibt so gut wie Nichts übrig. Alles ist einander nahe gerückt, ähnlich geworden; es ist gerade so, als ob man das Bindegewebe eines Wirbelthieres auf Schnitten durch gehärtete Objecte studiren wollte. Diese gerade für meine Zwecke sehr ungünstige Beschaffenheit der Alkohol- präparate, andererseits der Umstand, dass es sich zumeist um einfache Lagerungsverhältnisse handelte und dass die Bestandtheile der Gewebe in toto am schönsten und instructivsten waren, sind Ursache, dass ich von der Anfertigung von Schnitten wenig Ge- brauch machte; meistens nur zur Bestätigung dessen, was mir schon auf andere Weise klar geworden war. Bau der Flossen im Allgemeinen. An den Kopfflossen der Pteropoden, die zum Propodium nach der Nomenelatur Huxley’s gehören, wie auch an der Bauchflosse der Heteropoden, die zum Mesopodium gerechnet werden, unter- scheiden wir die Basis oder den Ansatz und den freien Rand, in welchem die beiden Flächen der Flossen — eine dorsale und eine ventrale bei Pteropoden, eine rechte und eine linke bei Heteropoden — unter spitzem Winkel zusammenstossen. Eine diesen Winkel halbirende nennen wir die Hauptebene der Flosse; sie ist bei den Heteropoden mit der Sagittalebene, bei Pteropoden im ruhen- den Zustand mit der Frontalebene des Thieres identisch. Zum Verständnis des Baues der Flossen ist es vor Allem wichtig, sich 236 Josef Paneth: die Thatsache gegenwärtig zu halten, dass dieselben aus zwei identischen Lamellen bestehen. Dies wurde von Leuckart!) für die Heteropoden beschrieben, ebenso von Gegenbaur?), und ist dem entsprechend auch in die Darstellung in Bronn und Kefer- steins „Classen und Ordnungen“ übergegangen. Bei den Ptero- poden scheint man auf dieses Verhältniss noch nicht aufmerksam geworden zu sein. Die betreffende Angabe findet sich nicht bei Gegenbaur?), ebensowenig in den „Classen und Ordnungen“. Doch ist es bei Pteropoden ebenso wie bei Heteropoden leicht, an Flossen, die mit Osmiumsäure oder Goldehlorid und verdünnter Essigsäure behandelt sind, die beiden Lamellen mechanisch von einander zu trennen. Jede Flosse besteht bei Pt. und Het., von der einen Seite zur andern übergehend, aus: Epithel, einer dünnen Schichte „Gallerte‘‘, Muskulatur, Gallerte, welche die Hauptmasse der Flosse ausmacht (in dieser, welche die Mitte bildet, verlaufen die Hauptnerven, liegen Gefässe und die grossen Bindegewebszellen); dann wieder Muskulatur, eine dünne Schichte Gallerte, Epithel. Was die Anordnung der Muskulatur betrifft, so sind beide Lamellen vollständig identisch; sie lässt sich bei Pteropoden und Hetero- poden auf dasselbe einfache Schema zurückführen. Die einfachste Ausführung desselben ist bei Pterotrachea zu finden, wo dieselbe von Leuekart ausführlich, von Gegenbaur ziemlich kurz be- schrieben wird. Die Muskelhaut einer jeden Lamelle besteht (Fig. 1) an der Basis aus zwei Systemen von Muskelbündeln, die eng, ohne Zwischenräume aneinander liegen; die einen verlaufen radiär, die andern annähernd concentrisch zum Flossenrand. Wenn man sich diesem nähert, wird das Gewebe der Muskelbündel ge- wissermaassen fadenscheinig, indem sie, ohne übrigens ihre Rich- tung zu verändern, dünner werden, auseinander weichen und fensterartige Lücken zwischen sich lassen. Die radiären Bündel theilen sich vielfach dichotomisch und bilden am Rand ein Ge- flecht, indem sie mit denen der andern Lamelle sich vereinigen. Wo sie sich mit concentrischen Bündeln kreuzen, findet eine wirk- liche Durchflechtung statt. Je nach der Länge, in der diese letztern verlaufen, ehe sie frei endigen, je nach der Anzahl der Theilungen, 1a. 2.0. 8:09: 2) a. a. O. 8. 156. 3) a. a. 0.8. 48, 57. Beiträge zur Histiologie der Pteropoden und Heteropoden. 237 je nachdem zwischen den einzelnen Bündeln Anastomosen bestehen, wird diese Anordnung eine mehr oder weniger complieirte. Es scheint mir unnöthig, sie für die einzelnen Genera genauer zu be- schreiben!). Fig. I (Pterotrachea) und Fig. II (Cymbulia) zeigen, wie die Muskelbündel der einen Lamelle die der andern gleich- sam als ihre Schatten begleiten (in der Zeichnung durch verschie- denen Ton unterschieden). In der Mitte der Flosse verlaufen Nerven und bei den Pteropoden Gefässe, wie dies auch Gegen- baur für Tiedemannia erwähnt. Eines derselben von diesem Thiere, mit einem kleinen abgehenden Ast, ist in Fig. III abge- bildet, wie es sich nach Osmium-Pikrokarminbehandlung präsentirt. Man sieht daran eine feinkörnige, streifige Membran mit einge- lagerten runden Kernen — wohl als ein Endothel zu betrachten, welches ja auch von Eberth?) und Kollmann?) für einige Ace- phalen nachgewiesen worden ist. Bei Pterotrachea habe ich, ganz übereinstimmend mit Leuckart®), in den Flossen nie ein Gefäss, ebensowenig verzweigte lacunäre Räume gesehen. Man darf aber auch nicht etwa den Binnenraum der Flosse, die ja an der Basis nicht unbeträchtlich dick ist, in toto als eine Fortsetzung der Leibeshöhle auffassen — ein Irrthum, zu dem man durch Alkohol- präparate leicht verführt werden kann, wo sich daselbst ein Hohl- raum befindet, der mit einer geräumigen Höhlung zwischen Körper- wand und Darmkanal communieirt, so dass letzterer frei in der Axe des eylindrischen Körpers verläuft. Das rührt aber nur davon her, dass die „Gallerte“, die sonst alle diese Räume erfüllt, durch den l) Anm. Die Beschreibungen der Pteropodenflossen bei Gegenbaur scheinen mir die Sache viel complieirter darzustellen, als sie eigentlich ist, hauptsächlich wohl darum, weil G. nicht immer scharf genug Muskelbündel von Muskelfasern unterscheidet und wahrscheinlich Manches als musculös bezeichnet, was es nicht ist. Gegenbaur acceptirt zwar (a. a. O. S. 157 Anm.) die Ansicht Leuckarts, dass die Muskulatur der Heteropoden aus contractilen Faserzellen, die den glatten Muskelfasern der Wirbelthiere glei- chen, besteht; seine Beschreibungen sind aber, wie auch Boll hervorhebt, nicht immer in diesem Sinne abgefasst. 2) Eberth, Ueber den Bau und die Entwicklung von Blutcapillaren. Würzburger naturwissenschaftliche Zeitschrift VI, 1866. 3) Kollmann, Die Bindesubstanz der Acephalen. Arch. für mikr. Anatomie XIII, S. 558. 4) a. a. 0. S. 53 Anmerkung. 238 Josef Paneth: Alkohol sehr redueirt worden ist. Schneidet man den Rumpf einer lebenden Pterotrachea an, so fliessen nur wenige Tropfen Flüssig- keit aus und das Instrument trifft überall auf Widerstand, man bewegt sich damit in einer glashellen, eher spröden Masse, die mit Pikrokarmin sich blass röthlich färbt, wenn man nicht sorg- fältig auswäscht, und in der alles Andere eingebettet ist. Beiläufig bemerkt ist es eben diese Gallerte, die ein eigentliches Präpariren an Heteropoden fast unmöglich macht. Sie ist so wasserhell, ihr Brechungscoefficient von dem des Wassers so wenig verschieden, dass man sie kaum sieht; und Instrumente fassen nicht, sondern reissen durch. Zum Glück bedarf es im Allgemeinen keiner Prä- paration, um Alles zu sehen, was man nur wünschen kann. Einen Bau, der von dem der bisher beschriebenen Flossen abweicht und recht eigenthümlich ist, hat die kartenherzförmige, membranöse Ausbreitung, die sich am hinteren Leibesende von Pterotrachea unmittelbar vor dem Ansatz des Schwanzfadens, der Taenia, findet!). Ich kann mich bei der Beschreibung derselben um so kürzer fassen, als detaillirte und bis auf einen Punkt rich- tige Angaben darüber von Leuckart (a.a. 0. S. 14) gemacht sind. Die Spitze des Kartenherzens ist dem Kopfende zugewandt, in dem Ausschnitt desselben setzt sich die Taenia an. Der Rand ist zugeschärft, die Mitte ziemlich dick, zu einem Grate erhoben. Auch die Schwanzflosse besteht aus zwei identischen Lamellen. In jeder verlaufen, aus dem Körper kommend, zwei dicke, eylin- drische Muskelbündel, die sich dann unter einander, noch später mit dem Muskelbündel der andern Lamelle vereinigen und so die Axe der Taenia bilden. Diese mittleren Längsmuskeln werden rippenartig quer durchsetzt von dünnen, aus wenigen Fasern be- stehenden Bündeln, die entweder frei im Gewebe der Flosse enden oder bogenförmig in benachbarte übergehen. Sie erreichen nirgends den Rand der „Schwanzflosse“, sondern lassen einen verschieden breiten, ganz muskelfreien Raum, der die Schwanzflosse zu einem besonders günstigen Object des Studiums macht. Ausserdem ver- 1) Es scheint, dass man diesen zumeist nur verstümmelt zu sehen bekömmt. Der längste, der mir vorkam, mass 40cm und gehörte einer männlichen Pt. coron. an. Meistens war er allerdings viel kürzer, oder fehlte ganz. Beiträge zur Histiologie der Pteropoden und Heteropoden. 239 laufen in jeder Lamelle zu beiden Seiten des Längsmuskels je ein Nerv in flachem Bogen!?). Abweichend gebaut sind die Flossen der kleinen Pteropoden, die ich übrigens nicht näher untersucht habe. Das Epithel. Die allgemeine Körperbedeekung, sowie auch die der Flossen, besteht — von localen Ausnahmen vorerst abgesehen — aus einem einschichtigen Plattenepithel, wie ich übereinstimmend mit allen frü- hern Beobachtern gefunden habe. Dasselbe ist im vollkommen fri- schen Zustand ganz unsichtbar ; längeres Verweilen in der feuchten Kammer, rascher noch Eintrocknen, Zusatz von Essigsäure, alle Här- tungs- und Tinctionsmittel lassen Zellgrenzen und Kerne hervor- treten. Gibt man eine frisch abgeschnittene Flosse direet in Pikro- karmin und lässt sie 24 Stunden darin, so erhält man, indem die ganze Flosse quillt, die Elemente des Epithels getrennt (Fig. IVb). Die Zellen sind polygonal, fein granulirt, sie färben sich schwach, aber immer stärker als die Grenzen zwischen ihnen, die als lichtere Linien übrig bleiben und das Vorhandensein einer Kitt- substanz wahrscheinlich machen. Die Kerne sind gröber granulirt, im Allgemeinen rundlich, zeigen jedoch, wenn das erhärtende Reagens (Ösmiumsäure) verdünnt angewandt worden ist, allerhand nieren- und kipfelförmige Formen?). Manchmal, jedoch nicht ge- l) Anm. Der oben erwähnte Irrthum Leuckarts besteht darin, dass er ausser diesen Muskeln noch andere annimmt, die er als blasse, dünne homogene Fasern beschreibt, die sich nach allen Richtungen hin reich verzweigen, viel- fach theilen mit zellenartigen Anlagerungen an den Theilungsstellen; das Pro- toplasma ist auf einen kleinen Rest in der Nähe des Kerns reducirt, die Ausläufer verlaufen in vielfachen Zickzackbildungen zwischen den beiden La- mellen der Flosse; sie sind beträchtlich lang, verzweigen sich meist dichotomisch ; die ganze Zelle ist sternförmig. Sie erhalten sich noch, wenn nervöse Ele- mente an mangelbaft conservirten Präparaten bereits zu Grunde gegangen sind. Es wird sich später ergeben, was übrigens gleich einleuchtet, dass es sich um die Sternzellen der Gallerte handelt, also um bindegewebige Elemente. 2) Aehnliche Formen des Kernes nach Erhärtung in Osmiumsäure hat auch Edinger (die Endigung der Hautnerven bei Pterotrachea, Archiv für mikr. Anat. XV. 3. 172) gesehen und in Fig. XIV (in der Erklärung der Abbildungen heisst es irrthümlich Fig. XII, welche aber gar nicht erwähnt wird) abgebildet. Ebenso Boll (Beiträge zur vergleichenden Histologie des Molluskentypus. Arch. f. mikr. Anatomie, V.Supplement, 8.57 u. Taf. I, Fig. 29.) E. meint, daraus auf amöboide Beweglichkeit des Zellkerns schliessen zu dürfen. 240 Josef Paneth: rade häufig, liegen zwei Kerne in einer Zelle. Ein Kernkörperehen ist nicht vorhanden. Ich habe nie etwas gesehen, was der von Gegenbaurt) ge- gebenen Beschreibung des Epithels der Cymbuliaflosse entspräche, mit einer oberflächlichen Lage von Plattenepithelien, und darunter einer Lage von Zellen mit hakenförmigen Fortsätzen, an denen Muskelfasern angreifen. Ich habe an frischen und gehärteten Präparaten sowie an Schnitten vergebens nach etwas gesucht, was dieser Angabe entspräche. Die Maasse des Epithels auf den. Flossen sind: Bei Pterotrachea: Durchmesser der Zelle 0,013—0,019 mm (Fig. IV e) » des Kerns 0,008—0,0011 „, Bei Cymbulia (Fig. IVa, b, Fig. XIVa,b, e): Durchmesser der Zelle 0,048—0,060 2 des Kerns 0,012—0,016 „, Bei Tiedemannia: R der Zelle 0,060—0,080 ,, (Fig. XII) 4 des Kerns 0,012—0,016 ,, Bei Cymbulia erscheinen die Grenzen zwischen den einzelnen Epithelzellen manchmal nicht als einfache lichte Linien, sondern sehen, besonders bei schwächerer Vergrösserung, denen der Riff- und Stachelzellen in der Epidermis von Wirbelthieren ähnlich (Fig. IVa), namentlich wenn das Präparat eintroeknet oder mit sehr verdünnter Osmiumsäure behandelt worden ist. Aehnliches beschreibt und zeichnet auch Boll?) von der Epidermis der Hetero- poden und fasst es als wirkliche Riffzellenbildung auf. Edinger (a. a. O. Fig. 14) erwähnt nichts davon. Ich glaube es nicht da- für halten zu müssen. Denn in sehr vielen’ Fällen, an den best- conservirten Präparaten, ist die Grenze zwischen den Zellen eine ein- fache Linie, und wo das oben erwähnte Aussehen derselben auftritt, ist es nur ausnahmsweise so regelmässig wie in der Abbildung dargestellt; meist sieht es eher aus, als ob sich Bläschen in der Zwischensubstanz gebildet hätten. Völlig beweisend ist das Aus- sehen der durch Pikrokarmin-Maceration getrennten Zellen (Fig. IVb), die nie eine Spur von Riffen oder Stacheln zeigen und das Aussehen des Pigmentepithels bei Pterotrachea mutica. Die roth- braunen Flecken auf dem Körper dieses Thieres zeigen Platten- 1) a. a. 0. S. 43. 2) a. a. O. S. 57 und Taf. U, Fig. 29a,.b. Beiträge zur Histiologie der Pteropoden und Heteropoden. 241 epithel von ähnlicher Grösse und Form der Zellen, wie der übrige Körper, jedoch jede Zelle mehr oder weniger ausgefüllt mit kuge- ligen Pigmentkörnchen, welche einen rundlichen Kern und die Grenzen zwischen den Zelien frei lassen (Fig. IVe). Hier nun, wo Epithel und Zellgrenzen ohne Weiteres im überlebenden Zu- stand sichtbar sind, zeigen letztere sich als einfache lichtere Linien. Ich kann mich also mit der Angabe Bolls, dass sich bei Heteropoden Riff- und Stachzellen finden sollen, nicht einverstanden erklären. Dieser bei Cymbulia, Tiedemannia und Pterotrachea völlig identische (bis auf die Grösse der Zellen) Bau des Epithels erleidet verschiedene locale Unterbrechungen. Zunächst trägt bei diesen drei Genera der Rand der Flosse Flimmerepithel (ebenso nach Leuckart die Spitze des Rüssels und der Penis, worauf ich nicht weiter geachtet habe). Bei den Pteropoden ist dies noch durch verschiedene eingelagerte Gebilde complieirt, so dass ich zunächst den Flossenrand von Pterotrachea beschreibe, deren einzelne Spe- cies diesbezüglich keinen Unterschied darbieten. Der Rand der Bauch- ebenso wie der Schwanzflosse wird von einem Bande ziemlich dunkler granulirter Masse gebildet, indem man im vollkommen frischen Zustand weder Zellgrenzen noch Kerne sieht (Fig. V). Dieser Saum ist an der Schwanzflosse 0,015—0,015 mm breit, an der Bauchflosse etwas breiter. Nach aussen kommt eine schmale, homogene, etwas stärker lichtbrechende Cutieula, und darauf sitzen Flimmerhaare von ausserordentlicher Feinheit und Hinfälligkeit, die man sehr leicht übersehen kann; sie sind durch kein Reagens zu erhalten. Ihre Bewegung ist sehr rasch, ihre Länge beträgt ungefähr 0,010—0,016 mm. Sie stehen, wie man sich überzeugt, wenn man mit starken Objectiven und recht guter Beleuchtung arbeitet, nicht bloss auf dem äussersten Rande, sondern auf der ganzen Fläche des dunkeln Saums, soweit dieser reicht. Ausserdem finden sich von Strecke zu Strecke dickere, steifere, kürzere, unbewegliche „Borsten“, zu je zwei an- geordnet. Aber nur selten gelingt es, das den Rand bildende Epithel — denn um ein solches handelt es sich natürlich — so zu sehen, wie es hier geschildert ist, — nämlich nur dann, wenn man die Präparation der Flosse möglichst rasch und vorsichtig vorge- nommen hat. Zunächst fehlen meist die Flimmerhaare, dann sieht man in regelmässigen Abständen Kerne, als Anhäufungen stärker 242 Josef Panle then granulirter Masse (Fig. V). Dann sieht man Zelleontouren und Becherzellen, d. h. inhaltleere, grosse, wie geblähte Zellen (Fig. VIb). Letzteres besonders häufig nach Anwendung von Reagentien. Ich lege Nachdruck darauf, dass man um so weniger von allen diesen Dingen zu sehen bekömmt, je frischer und unversehrter das Präparat ist. Besonders das Auftreten von Becherzellen ist durch- aus inconstant und unregelmässig!) und ich muss sie für „Kunst- producte“ erklären. An gut gelungenen Osmium-Pikrokarmin- präparaten sieht man (Fig. VIa) das Epithel, welches fast immer seine Flimmerhaare verloren hat, als ein einfaches ‚‚kubisches‘ oder eylindrisches Epithel, dessen Protoplasma sich ziemlich stark bräunt und fein granulirt ist. Die Kerne sind gröber granulirt, dunkler, haben 0,012—0,019 mm Durchmesser und füllen die Zellen, welche kaum breiter sind, ziemlich aus. Es ist leicht, sowohl an der Bauchflosse als an der Schwanz- flosse zu sehen, dass Nervenstämmehen bis unmittelbar an die Basis dieser Zellen herantreten, so dass diese wie auf dem abge- schnittenen Ende des Nerven aufzusitzen scheinen — wie dies auch Edinger gesehen und abgebildet hat. Doch sah es manch- mal aus, als wenn ein Nervenstämmehen sich zwischen die Zellen hinein fortsetzte und frei endigte; ich bin aber über diesen Punct nieht zur völligen Sicherheit gekommen. Niemals habe ich einen Zusammenhang von Zellen und Nerven gesehen; das Epithel ist ganz gleichförmig und enthält keine besonders und abweichend seformten Elemente, die als Nervenendzellen zu deuten wären. Auf je eine Nervenendzelle kömmt ein Paar der vorerwähnten steifen Borsten, auf je 10—20, nach ungefährer Sehätzung, ein Endnerv. Meistens tritt dieser von einer Theilungsstelle eines srössern Nerven direct zum Epithel; manchmal verläuft ein dickeres 1) Anm. Edinger, der erwähnt, dass Becherzellen bei Pt. häufig und besonders schön am Flossenrand zu sehen seien und sie von dort abbildet (a. a. O. Fig. 11 und 8) scheint den Einfluss des Reagens nicht beachtet zu haben. Seine Abbildung zeigt in ganz unregelmässiger Anordnung „kubisches Epithel“ und „Becherzellen‘“, d. h. bauchige, von einer glashellen Masse aus- gefüllte Kugeln, an deren Grunde noch ein Rest des unveränderten Proto- plasma sich befindet. Meine Fig. VIb zeigt ganz dieselben Gebilde, wie seine Fig. 11. — Ich kann hier in den Becherzellen nur durch das Reagens geblähte und inhaltsleer gewordene Zellen von derselben ursprünglichen Beschaffenheit wie die übrigen, aber nicht Gebilde sui generis sehen, Beiträge zur Histiologie der Pteropoden und Heteropoden. 243 Stämmehen eine Streeke weit unter dem Bandepithel, mit dessen unterer Grenze parallel, und schickt von da aus kurze Endnerven an dieses (Fig. V). Beides kömmt wohl auf dasselbe hinaus. Das Ganze ist der untersten Lage des Cornealepithels bei Wirbelthieren nicht unähnlich !}). Der Uebergang von dem Plattenepithel der Fläche zum eylin- drischen oder kubischen Flimmerepithel des Randes der Flosse ist bei Pterotrachea ziemlich scharf, aber doch nicht ganz unvermittelt, indem die dem Rand zunächst liegenden Zellen kleiner sind und sich stärker tingiren, als die übrigen. Sie werden also dieker und protoplasmareicher. Im Ganzen wird man diesem Epithel des Flossenrandes die Bedeutung eines Sinnesorgans zuerkennen müssen. Ausser der reichlichen Versorgung mit Nerven, sprechen noch hierfür die grosse Hinfälligkeit der Zellen und besonders das Vorkommen jener kurzen steifen unbeweglichen Härchen, von denen wir durch Boll und besonders durch die schönen Untersuchungen Flemmings?) wissen, dass sie mit Nerven in Verbindung stehen und sich vor- wiegend dort finden, wo wir Sinnesorgane vermuthen dürfen. Aller- dings gibt Flemming an, dass er im Stande gewesen sei, derartige ‚ steife Borsten in allen Fällen in einen Pinsel von feinen Härchen auf- zulösen. Ich kann nur sagen, dass ich an meinem Objeete nie eine derartige Zusammensetzung vermuthen konnte. Mit Plattenepithel auf ihrer ganzen Fläche und mit einfachem flimmernden Cylinderepithel auf ihrem Rande sind auch die Flossen von Carinaria, Hyalea und Cleodora bekleidet. Bei allen diesen sind die Flimmerhaare viel stärker und länger als bei Pterotrachea. Zum Studium der Innervation sind diese Thiere wegen der Dieke und des Muskelreichthums ihrer Flossen nicht zu brauchen. Complieirter gebaut ist der Rand der Flosse von Oymbulia und Tiedemannia. Für erstere hat Gegenbaur angegeben’), dass derselbe ‚von langen, palisadenartigen, in einer Reihe stehen- den Zellen besetzt sei, die Cilien tragen“. Seine Beschreibung und Abbildung sind auch in Bronn und Keftersteins „Classen und 1) Rollett, in Strickers Handbuch der Lehre von den Geweben, 117 >. 1136. 2) Ich eitire nur Flemming, die haartragenden Sinneszellen in der Öberhaut der Mollusken. Arch. f. mikr. Anat. V. S. 415. 3), a. a. ©. S. 44 u. Taerar. Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 24, 16 244 Ä Josef Paneth: Ordnungen“ übergegangen. Troschel!) beschreibt den Rand der Flosse von Cymbulia folgendermaassen, derselbe sei von einer ein- fachen Reihe sehr zahlreicher Röhrehen umgeben, welche am freien Rande eine runde Oeffnung haben, am untern Ende, wo sie dem Flossenrand anhängen, geschlossen sind, und bildet ihn dem ent- sprechend ab (Taf. IX, Fig. 11). Indess erschöpft keine dieser Darstellungen alle Eigenthümlichkeiten des Objeectes. An den seitlichen und hintern Rändern der Kopfflosse von Cymbulia (nieht aber an ihrem vorderen Rande, der ein einfaches cylindrisches Flimmerepithel trägt) sowie auch am hinteren Rande der Schwanzflosse — des Metapodiums — findet sich das in Rede stehende Gebilde. Wenn man ein Präparat möglichst rasch und schonend von einem frisch eingefangenen Thier anfertigt und in die feuchte Kammer bringt, sieht man den Rand von einer Reihe Körper gebildet, die vollkommen hyalin und ungefärbt sind, das Licht ausserordentlich stark, fast so stark wie Fett, brechen, sich also mit dunkeln scharfen Contouren von einander abheben, und in der Mitte eine helle Brennlinie, eine wahre Catacaustica haben, wenn man nicht scharf auf dieselben einstellt, sondern etwas höher (Fig. IIr und Fig. VII). Dieselben sind 0,35—0,55 mm lang und 0,008—0,012mm breit. Nach unten verlieren sich dieselben in granulirter protoplasmaartiger Materie, nach oben enden sie zu- gespitzt, indem sich gleichfalls protoplasmaartige granulirte Masse darüber schiebt. Diese Körper sind also eylindrisch mit einem zu- gespitzten, kegelförmigen Ende gegen den freien Rand der Flosse. Dann kömmt ein dunkler Saum von 0,012—0,016 mm Breite, hier- auf Flimmerhaare in ausserordentlich rascher, lang anhaltender Bewegung, die oft 24 Stunden nach Anfertigung des Präparats ihre Lebhaftigkeit kaum vermindert. Ein derartiger flimmernder Rand findet sich an der ganzen Kopf- und Schwanzflosse; die Flimmer- haare sind dort, wo die erwähnten eylindrischen Gebilde sitzen, feiner als sonst, und ihre Bewegung ist so rasch, dass man sie erst sieht, wenn sich dieselbe verlangsamt hat. Zwischen den Flimmerhaaren sitzen in unregelmässigen Abständen kürzere, diekere Haare, die die Bewegung der Flimmerhaare nicht activ mitmachen, sondern nur von der Strömung des Wassers mitgenommen werden. l) Troschel, Beiträge zur Kenntniss der Pteropoden. Arch. f. Natur- geschichte XX. 1854. Beiträge zur Histiologie der Pteropoden und Heteropoden. 245 Es ist leicht sich zu überzeugen, dass die Flimmerhaare nicht bloss auf dem äussersten Rande sitzen, sondern so weit die erwähnte granulirte Masse reicht, etwa 0,040—0,060 mm weit, aber um so weniger dicht, je weiter entfernt vom Rande. An die eylin- drischen Körper treten Nerven und Muskeln heran (Fig. VlIm) und scheinen eine Art Basis za bilden, auf der die Oylinder auf- sitzen, wie dies auch Gegenbaur angiebt. Je frischer und un- versehrter das Präparat ist, desto geradliniger verlaufen die Grenzen zwischen den eylindrischen Körpern, desto regelmässiger ist die ganze Anordnung, desto besser sieht man, dass die Flimmerhaare nıcht auf den „Cylindern“ sitzen, sondern auf dem körnigen Rande und dem Protoplasma, das seine Fortsetzung bildet. Aber bald, besonders wenn das Präparat eintrocknet oder sonst mishandelt wird, beginnen Veränderungen, welche sich darauf zurückführen lassen, dass der Inhalt der Zellen in Tropfen durch den Randsaum durchtritt und dabei diesen durchbricht und zerstört. Dieses Aus- treten von Tropfen hat auch Gegenbaur beobachtet. Dabei rücken die Grenzen der eylindrischen Gebilde zusammen, werden unregelmässig, verlaufen vielfach gewunden und spiralig, und es bilden sich Falten, welche über die Oberfläche verschiedenartig hin- und herlaufen. Aber zur Klarheit über die Morphologie des ganzen Gebildes gelangt man erst durch Präparate, welche in Osmium gehärtet und mit Pikrokarmin gefärbt sind. Andere Härtungsmethoden haben sich als unbrauchbar erwiesen. Man sieht, dass das Epithel, welches die ganze Fläche der Flosse bedeckt, ein Plattenepithel, wie oben beschrieben, nicht etwa an der Basis der Cylinder auf- hört, sondern sich zunächst unverändert über und unter ihnen fort- setzt (Fig. VIlla bei k), ebenso wie auch Muskeln und Nerven darüber und darunter liegen, die in der Abbildung nicht dargestellt sind, um die Klarheit nicht zu beeinträchtigen. Man sieht, dass dies Epithel gegen den Rand zu allmählich seinen Character ändert, dass die Zellen desselben kleiner werden, sich aber stärker tin- giren, ebenso wie die Kerne (Fig. VIlla bei p), bis sie in die Zellen übergehen, welche den freien Rand bilden (Fig. VIlla bei r). Letztere sind kubisch bis kurz eylindrisch, bräunen sich intensiv durch Os und haben rundliche Kerne. Um diese letzteren sammt den Flimmerhaaren zu erhalten, ist es gut, rasch und energisch zu eoaguliren, indem man concentrirtere Osmiumsäure (1%/,—3%/0) 246 Josef Paneth: kurze Zeit (1—5 Minuten) einwirken lässt, weil sonst der, offenbar in starker Spannung befindliche, Inhalt der eylindrischen Zellen sich hindurchzwängt und die Anordnung des Epithels zerstört. So ist die Vermuthung bestätigt, die bereits die Betrachtung im frischen Zustand liefert, dass nämlich die eylindrischen Zellen nicht an und für sich den Rand bilden, sondern diesem blos eingelagert sind. Die Scheidewände zwischen diesen Zellen sind nach Aussen hin nieht geschlossen — insoweit ist die Angabe Troschels rich- tig; sie sind an der Basis am dicksten, verdünnen sieh allmählich gegen den freien Rand zu, färben sich ein wenig und brechen das Licht weit weniger stark, als der Inhalt der Zellen, der ganz un- tingirt bleibt; sie verlaufen oft regelmässig spiralig gewunden (Fig. VII b, Fig. IX) und man sieht Faltungen auf der Oberfläche. (Es erscheint natürlich en face als Falte, was im Profil sich als Biegung zeigt — wie bei einem Stiefelschaft.) Jener hyaline Inhalt reicht aber nicht bis zur Basis, sondern daselbst liegt Pro- toplasma, in welches derselbe hineingesteckt ist wie ein Ei in einen Eierbecher, sodass dasselbe im optischen Durchschnitt an den Seiten jedes Cylinders weiter hinaufreicht als in der Mitte, und gegen die Basis der Flosse in diekerer Schichte vorhanden ist, als weiter gegen den Rand zu. Es erstreckt sich überhaupt bis etwa Y/, oder !/; der Länge der Cylinder. Es ist grobgranulirt und zeigt viele Vaeuolen; an der Basis liegt, wie auch Gegen- baur angiebt, ein länglich-rundlicher Kern, der sich sehr stark mit Os bräunt; ob derselbe gröber oder feiner granulirt ist, hängt von der Behandlung ab; je eoncentrirter die Osmiumsäure, desto gröber granulirt ist er. Man sieht dann in ihm mehrere länglich- stäbehenförmige Körperehen und einen gleichfalls länglichen nu- cleolus. Diese Kerne sind 0,015—0,017 mm lang und 0,010 mm breit. Auf der Basis der eylindrischen, wir dürfen nun wohl sagen Zellen, liegen Muskeln, die daselbst eine zusammenhängende Faser- schichte bilden, sodass sich nicht mit völliger Sicherheit aussagen, nur vermuthen lässt, dass die Scheidewände — Zellmembranen — daselbst zusammenhängen und den Inhalt gegen die Basis hin voll- ständig abschliessen. Doch wird diese Ansicht dadurch bestätigt, dass man manchmal einen Kern und Protoplasma und hierauf den hyalinen Inhalt erst weiter gegen den freien Rand hin, ausserhalb der Reihe der übrigen liegen sieht (Fig. VIIIb, Fig. IX bei ]). Beiträge zur Histiologie der Pteropoden und Heteropoden. 247 Eine Scheidewand theilt sich und nimmtzwischen ihre beiden Schenkel wieder die erwähnten Gebilde auf. Das Ganze liegt auf einer fasrigen Schichte mit länglichen, denen der Muskeln ähnlichen Kernen, die nicht überall gleich dick ist, manchmal sich auch ein wenig von der Reihe der Kerne der Cylin- der entfernt, und von der Musculatur der Flosse stammt. (Fig. VIIIb, IX bei m.) An Präparaten, wo das Epithel des äussersten Randes verloren gegangen ist, sieht man die Scheidewände der eylin- drischen Zellen — ihre Zellmembranen — wie Palisaden frei hinausragen, sodass es keinem Zweifel unterliegt, dass der Ab- schluss derselben nur durch das so hinfällige Flimmerepithel ge- bildet wird. Troschel haben wohl derartige Bilder das Substrat zu seiner Beschreibung geliefert. Hieraus erklärt sich, dass der Inhalt derselben so leicht austritt. Dieser Inhalt färbt sich gar nicht mit Garmin, wird durch Osmium nicht gebräunt, durch Säuren nicht getrübt; er färbt sich mit Goldehlorid nach den verschiedensten Methoden diffus schön violett. Er ist also weder Fett, noch Myelin, noch Schleim, noch von der Beschaffenheit eines Eiweisskörpers, ich weiss aber nicht anzugeben, woraus er besteht. Schnitte durch Alkoholpräparate senkrecht auf den Flossen- rand zeigen deutlich den allmäligen Uebergang in das eubische Epithel des Randes und bestätigen die Vorstellung vom Bau dessel- ben, die wir uns aus der Flächenansicht gebildet haben (Fig. X). Bei Tiedemannia ist der Rand der Flosse ähnlich eonstruirt, auch hier liegen Cylinder von ganz ähnlicher Form und sonstiger Beschaffenheit wie bei Cymbulia, nur kürzer und breiter; auch hier flimmert das Epithel des Rands. Nur liegen hier auch noch Pigmentzellen über denselben, was es vollends klar macht, dass sie in die Substanz der Flosse eingebettet sind. Es tritt aber noch eine andere Einlagerung hinzu, nämlich in einer Breite von 0.58— 0.70 mm liegen hier über der Basis der Cylinder, sodass nur ein Theil von diesen frei bleibt, polygonale Zellen, deren Contouren schon im frischen Zustande deutlich sind. Sie sind mit grossen stark lichtbrechenden Tröpfehen erfüllt und bräunen sich stark mit Os. Ein Kern wird in ihnen auch durch Tinetionsmittel nicht sicht- bar. Der Durchmesser einer solchen Zelle ist 0,016—0,022 mm, der Durchmesser der Körnchen 0,0027—0,0038 mm. In Alkohol schrum- pfen sie und lassen freie Räume zwischen sich. 248 Josef Paneth: Sieht man von den Einlagerungen ab, so ist auch bei den Pteropoden ganz allgemein der Flossenrand mit Flimmerepithel bekleidet, in dem wir auch hier wegen des Vorkommens_ steifer Cilien ein Sinnesorgan vermuthen dürfen, obwohl es nicht möglich ist, die Nerven direct herantreten zu sehen. Jene cylindrischen Gebilde sind als Zellen aufzufassen, deren Protoplasma den hya- linen Inhalt absondert. Der Druck, unter dem derselbe offenbar steht, kann entweder als Secretionsdruck aufgefasst werden, oder derselbe rührt von der Blastieität der Zellenmembran her, welche, wie wir gesehen haben, grosse Neigung besitzt sich zu contrahiren. Diese Spannung des Inhalts gibt mir auch die einzige Handhabe zu einer Hypothese über die physiologische Bedeutung des Organs. Wären die eylindrischen Zellen nach allen Richtungen gleichmässig von einer Membran umschlossen, so würde die Spannung ihres Inhalts allseitig aufgehoben sein und könnte nichts weiter bewirken. Nachdem sie aber nur gegen die Basis von einer Membran um- kleidet sind, gegen den freien Rand zu aber blos das weiche nach- siebige Protoplasma der Flimmerzellen sie abschliesst, so bleibt eine Resultirende, die in radiärer Richtung gegen die Flosse centri- fugal wirkend, sehr wohl bewirken könnte, dass der substanzarme muskellose Rand ausgespannt bleibt: das Ganze hätte demnach die Bedeutung eines Schwell- und Stützorgans. Diese Hypothese wird dadurch wahrscheinlicher gemacht, dass sich diese cylin- drischen Zellen an denjenigen Stellen nicht finden, wo die Flosse ohnedies museulös und diek ist, nämlich am vorderen Rand der Cymbuliaflosse, und dass sie denjenigen Pteropoden gänzlich fehlt, deren Flossen klein und diek sind (Hyalea, Cleodora, Creseis). Ueber die morphologische Bedeutung derselben könnten nur em- bryologische Beobachtungen, zu deren Anstellung ich keine Gelegen- heit hatte, Auskunft geben. Bei Cymbulia und Tiedemannia finden sich auf den Flächen der Flossen Gebilde, von deren Aussehen nach Behandlung mit Ösmiumsäure und Pikrokarmin die Fig. XIII und XIV eine Vor- stellung geben mögen. Im frischen Zustand habe ich sie nicht auffinden können. Es sind 2—6 und mehr Zellen neben einander gelagert, die alle kleiner und dunkler gefärbt sind als die des Plattenepithels. Um sie bleibt manchmal noch ein kleiner leerer Raum, als ob sie sich durch die Einwirkung des Reagens zu- sammengezogen hätten. An der Peripherie liegen halbmondförmige Beiträge zur Histiologie der Pteropoden und Heteropoden. 249 Zellen, deren Kerne denen des umgebenden Plattenepithels voll- ständig gleichen. Der Durchmesser der ganzen Gebilde ist bei Cymbulia 0,020—0,032 mm, der einzelnen Zellen darin 0,010— 0,015 mm; sie liegen ziemlich regelmässig in Abständen von 0,7—1 mm. Bei Tiedemannia sind sie viel häufiger und grösser; die Distanz zwischen ihnen beträgt 0,32—0,54 mm, ihr Durchmesser 0,028—0,080 mm, der der sie zusammensetzenden Zellen 0,016 — 0,024 mm. Das Aussehen dieser letzteren ist sehr variabel; neben einander liegen solche, die von Os ganz geschwärzt sind und relativ sehr helle, grob granulirte und fast homogene, alles dies ohne jede Regel. Flimmerhaare sind nicht wahrzunehmen. Fast zu jedem derartigen Gebilde tritt ein kleiner Nerv, dessen Durchmesser un- sefähr 0,0009 mm betragen mag, dessen Natur aber immer durch seinen Zusammenhang mit einem grösseren Stamm festgestellt wer- den konnte. Einmal habe ich gesehen, dass dieser Nerv sich direct mit einer Zelle verband (Fig. XIVe). Diese Beziehung zu Nervenfasern könnte veranlassen, an Sinnesorgane zu denken; ich glaube aber wegen des so verschiedenartigen und inconstanten Aussehens der Zellen eher, dass es sich um kleine Hautdrüsen handelt!), deren einzelne Zellen sich in verschiedenen Secretions- zuständen befinden. Der Zusammenhang mit Nerven ist — abge- sehen von den Pflüger’schen Angaben über die Nerven der Speicheldrüsen, die nicht unbestritten geblieben sind — für Drüsen bei gewissen Inseeten und für die beutelförmigen Hautdrüsen bei Landpulmonaten von Leydig?) beschrieben worden ziemlich übereinstimmend mit dem, was ich gesehen habe. Indessen kann es sich bei mir nur um eine Hypothese handeln. Auf der Körperoberfläche von Pterotrachea finden sich weiss- liche runde Flecken, die das Niveau ihrer Umgebung etwas über- ragen; die grössten haben einen Durchmesser von etwa 2 mm. Sie sind am reichlichsten vorhanden und am grössten bei Ptero- trachea coronata, und hier wieder hauptsächlich in der Furche zu beiden Seiten des Flossenansatzes?), wo jederseits 15 —20 1) Ganz ähnliches Verhalten beschreibt Schiefferdecker von der Froschharnblase. Arch. für mikr. Anatomie XXII. S. 387. 2) Leydig, Bemerkungen über die Farben der Hautdecken und Nerven der Drüsen bei Insekten. Arch. f. mikr. Anatomie XI, S. 542. 3) Anm. Auf der Bauchfläche von Pterotrachea ist eine Rinne in die der Rüssel zurückgelegt werden kann. Diese theilt sich und umgreift so den Ursprung der Flosse. 2350 Josef Paneth: ganz diehtgedrängt und sich gegenseitig berührend stehen. Dann finder sie sich noch an den vorderen seitlichen Flächen des Thieres. Bei Pterotrachea mutica und hippocampus sind ihrer weniger und kleinere, übrigens aber von demselben Bau wie bei Pt. coronata. Leuekart!) hat sie gesehen und deutet sie als Epidermisinseln, in denen die Zellen von Fetttröpfehen erfüllt sind und in deren Umgebung das Plattenepithel verloren gegangen ist. Gegenbaur?) tritt dieser Annahme entgegen und giebt eine Beschreibung, die ich im Wesentlichen bestätigen kann. Bronn und Keferstein erwähnen sie ganz kurz, im Wesentlichen mit Gegenbaur über- einstimmend. Boll?), der irrigerweise Keferstein als den Ent- deeker dieser Gebilde anführt, hat ihre Zusammensetzung aus hin- fälligen Zellen und ihre Beziehung zu Nerven übereinstimmend mit Gegenbaur beschrieben, erwähnt aber nicht den fadenförmigen Fortsatz bei den grössten derselben. Die letzten Angaben über diesen Gegenstand rühren von Edinger her®), sie entsprechen aber den thatsächlichen Verhältnissen weniger als die von Gegenbaur in seiner ausgezeichneten, bei dem Studium der uns beschäftigen- den Thiere unentbehrlichen Monographie gegebenen, was sich daraus erklärt, dass ihm lebendes Material gar nicht und conservirtes nur in ganz ungenügender Quantität zu Gebote stand. Wenn man einen derartigen grossen „Hauthügel“, wie ich das Organ nennen will, ausschneidet und unter das Mikroscop bringt, so sieht man die Basis desselben mit Flimmerhaaren bedeckt, deren Bewegung in dem umgebenden Wasser sehr lebhafte Strömung hervorbringt und an verschiedenen Regionen in verschiedener Richtung vor sich geht. An dem kegel- oder fadenförmigen Fortsatz, der sich aus der Mitte des Scheibehens erhebt, befinden sich ebenfalls, aber stärkere Flimmerhaare, deren Bewegung oft den Eindruck hervor- bringt, als würde eine Schraube rasch gedreht. Dabei ist aber der Fortsatz im Ganzen fortwährend in rascher Bewegung, er windet sich, krümmt sich, kreist um seinen Ansatzpunkt u. s. f., sodass ich mich der Angabe Gegenbaurs, „derselbe hätte keine 1))a. 2.0.8: 10. 2) a. a. O. S. 155. 3) 2.2. O.NS. 8. 4) a. a. 0. Fig. 3, 4. — Es standen ihm ‚‚zwei in Osmiumsäure gehär- tete und in Glycerin wohl conservirte Exemplare“ zur Verfügung. ji Beiträge zur Histiologie der Pteropoden und Heteropoden. 251 eigene Bewegung“, nicht anschliessen kann. Allerdings ist es nicht möglich, sich am lebenden Thiere davon zu überzeugen, dass die kleinen Krümmungen und Schlängelungen des Fadens wirklich von demselben activ ausgeführt werden; denn es ist nicht auszu- schliessen, dass sie durch Strömungen in der umgebenden Flüssig- keit hervorgebracht werden. Aber woher die lebhafte, langan- dauernde Beweglichkeit des ausgeschnittenen Organs, wenn es nicht schon am Körper der Pterotrachea mobil ist? Im frischen Zustand gelingt es nicht, sich eine genügende Einsicht in den Bau dieser Hauthügel zu verschaffen. Man be- merkt -— übereinstimmend mit Boll und Gegenbaur — den Auf- bau derselben aus grossen körnigen Zellen mit grossen runden Kernen, die sehr hinfällig sind; von Becherzellen sieht man Nichts. Wohl aber sind diese, wenn man ein Präparat mit Osmiumsäure hergestellt hat, in verschiedener Menge zu sehen — und Bilder wie das von Edinger Fig. III gezeichnete habe ich oft genug er- halten. Ich glaube aber, dass dieselben nur auf Rechnung des Reagens zu schieben sind, ebenso wie die weitere Angabe E.'s, dass nur auf einem Theil der Zellen Flimmerhaare sitzen, gleich- falls darauf beruht, dass die übrigen sie verloren haben. Die Ent- scheidung liegt in dem, was Schnitte lehren. Eine Methode, die mir sonst nicht viel günstige Resultate geliefert hat, scheint gerade für dieses Organ gute Dienste zu leisten. Sie ist, wenn ich nicht irre, von Bütschli angegeben worden, und besteht darin, dass ein Stückehen Haut von Pterotrachea mit darauf sitzenden Hauthügeln ausgeschnitten und frisch in eine Mischung von 10 Tropfen 1%, Osmiumsäure auf 40 cem Alaunkarminlösung gethan wird). Nach 24 Stunden wird der Zusatz von Os wiederholt; nach weitern 24 Stunden wird das Object in viel gewöhnlichem Wasser ausge- waschen, bis es keinen Farbstoff mehr abgiebt, und hierauf in immer stärkern Alkohol, bis zum absoluten übertragen. Es wurde in Celloidin nach Schiefferdeeker eingebettet und mittelst Mi- krotoms geschnitten. Die Lagerungsverhältnisse sind durch die Härtung nicht vollständig erhalten, der Schnitt müsste so aussehen, wie es beistehende schematische Figur zeigt. 1) Carmin 1 Alaun 5 Gekocht, filtrirt. Wasser 100 2352 Josef Paneth: .. Figur XI zeigt den Schnitt durch die Basis und durch den fadenförmigen Fortsatz, bei mässiger Vergrösserung. Man bemerkt in letzterem kein Lumen, wie ich, im Gegensatze zu Gegenbaur, behaupten muss. Fig. XIla zeigt die Basis stärker vergrössert. Man sieht, dass in ihre Zusammensetzung zweierlei Zellen eingehen; erstens grosse, mehr violett gefärbte, die gegen den Körper zu sitzen. Sie sind grobgranulirt, ihre Länge beträgt 0,080—0,100 mm, ihre Breite 0,020 mm; die Kerne sind stark violett gefärbt, rund oder etwas länglich, liegen an der Basis der Zellen und haben 0,011—0,013 mm Durchmesser. Ein Kernkörperchen ist nicht wahrzunehmen. Die andern liegen gegen die Oberfläche zu; sie sind zwischen die ersteren wie Stifte oder kleine Nägel hineingesteckt; sie sind mehr bräunlich, kaum granulirt, ihr Kern hat einen Durchmesser von 0,007—0,008 mm. Der fadenförmige Fortsatz (Fig. XIIb) besteht nach aussen hin ausschliesslich aus Zellen, die sich in ihrem ganzen Habitus den Zellen zweiter Art an der Basis nähern, nur grösser sind als diese und cubische bis eylindrische Formen haben; ihre Kerne haben einen Durchmesser von 0,009—0,010 mm. Diese Zellen tragen eine homogene Outieula, auf der die Flimmerhaare sitzen; ich glaube mich überzeugt zu haben, dass auch an der Basis die Flimmerhaare ausschliesslich auf diesen Zellen sitzen. Im Innern des fadenförmigen Fortsatzes findet sich ein unregel- mässiges Faserwerk, in dem wohl auch muskulöse Elemente sind, wenn ich sie auch nicht direct nachweisen konnte; wie sich aus der Beweglichkeit desselben ergiebt. Besondere Nervenendzellen habe ich so wenig als ein früherer Beobachter gesehen; auch über den Verlauf des Nervenstämmchens, das an die Hauthügel heran- tritt, kann ich nur schon Bekanntes wiederholen, dass es sich näm- lich unter denselben mehrfach verzweigt. Ob es in den „faden- förmigen Fortsatz“ gelangt, weiss ich nicht. Beiträge zur Histiologie der Pteropoden und Heteropoden. 253 Andere Hauthügel sind kleiner und haben keinen fadenförmigen Fortsatz; auch zu ihnen tritt ein Nerv. Endlich kleine Gruppen von 5—10 stärker gefärbten, nicht flimmernden Zellen auf der Bauchflosse scheinen mir ebenso wie Edinger nur die Anfänge derselben Bildung zu sein, deren höchste Entwiekelung in den srossen Hauthügeln mit fadenförmigem Fortsatz vorliegt. Nicht als ob jemals auf der Flosse aus diesen Anfängen das entwickelte Organ würde : vielmehr ist der Ort, wo die vollständig ausgebil- deten Hauthügel sitzen, für jede Species ein bestimmter. Diese Lagerung — bei Pterotr. coronata hauptsächlich in der Fur- che zu beiden Seiten der Flosse — scheint mir eine Auffassung dieser Gebilde als Tastorgane unmöglich zu machen. Denn auf dem ganzen Körper des Thieres lässt sich kein Ort ausfindig machen, der weniger geeignet wäre, Tasteindrücke aufzunehmen, als gerade dieser, an dem die schönsten und grössten Hauthügel sich finden. Dagegen findet daselbst, wie an der ganzen Bauch- fläche des Thieres, ein fortwährender Wechsel von Wasser statt, angeregt durch die Bewegungen der Flosse, die nicht ruhen, auch wenn das Thier nicht schwimmt. So sind die Hauthügel — wenn sie, wofür ihre eclatante Beziehung zu Nerven spricht, überhaupt Sinnesorgane sind — vielleicht Apparate, dazu bestimmt, dem Thier über Beschaffenheit, Temperatur des Wassers Auskunft zu geben, analog den Seitenorganen der Fische, mit denen sie auch Edinger in Parallele stellt. Auf der Schwanzflosse von Pt. coronata — und nur bei dieser Species — finden sich jederseits in der Nähe des freien Randes, gruppenweise gestellt, etwa 20 Gebilde, die von den bisher be- schriebenen „Hauthügeln* abweichen, und mit den von Edinger so genannten „Endkegeln“ identisch zu sein scheinen. Ihre Basis hat einen Durchmesser von 0,08—0,09 mm, ihre Höhe beträgt 0,11—0,15 mm; sie sind schon mit freiem Auge als kleine weisse Pünktchen wahrzunehmen. Ihre Form ist abgerundet konisch, sie stehen senkrecht oder schief auf der Fläche der Flosse auf, welche an ihrer Basis wie in oberflächliche Falten gelegt ist. Man sieht sie schon im frischen Zustand, ebenso nach Härtung und Färbung von rundlichen Kernen erfüllt, die an der Spitze gedrängter als an der Basis stehen; in jedem dieser Endkegel mögen ihrer 20—30 sein. Der Durchmesser derselben beträgt 0,013 mm. Zell- grenzen habe ich nicht darstellen können, die Oberfläche flimmert 954 Josef Paneth: nicht. Ich habe nie einen Nerven zu ihnen verfolgen können, im Gegensatze zu Edinger, der (Fig. II) einen solchen Endkegel, mit dem dazu gehörigen Nerven abbildet. — Selbst das Wenige, was ich über diese Gebilde mittheilen kann, genügt um einzusehen, dass die Vermuthung Edingers, wonach die „fadenförmigen Fort- sätze“ der „Hauthügel“ nur eine entwickeltere Form von Endkegeln darstellen, gewiss nicht richtig ist, sondern dass es sich um ganz verschiedene Gebilde handelt. Es sind wahrscheinlich die „End- kegel“ locale Verdickungen der Epithellage; über ihre physiologische Bedeutung weiss ich Nichts auszusagen. Fasse ich nun meine Darstellung über die Haut zusammen, so ergiebt sich, dass die allgemeine Körperbedeckung bei Ptero- trachea, Oymbulia und Tiedemannia ein einschichtiges Platten- epithel ist, ausgenommen an den Rändern der Flossen und an einigen andern Stellen, wo sie von einem kubischen oder eylin- drischen Flimmerepithel gebildet wird, in dem ich nach der reichlichen Versorgung mit Nerven und nach dem Vorkommen von Tastborsten ein Sinnesorgan vermuthe. Die eylindrischen Zellen mit hyalinem Inhalt bei Cymbulia und Tiedemannia gehören nicht dem Epithel an, da dieses unverändert über dieselbe hinwegzieht; sie sind wahrscheinlich ein Stützorgan. Epithelialer Natur sind dagegen die „Hauthügel“ und die ‚‚Endkegel“ bei Pterotrachea, von denen die erstern wahrscheinlich ein Sinnesorgan sind, wäh- rend ich über die physiologische Bedeutung der letzteren keine Vermuthung habe. Das Gallertgewebe. Ueber die allgemeinen Eigenschaften desselben und sein Vor- kommen ist bereits oben das Nähere mitgetheilt worden. Für die Heteropoden schliesse ich mich in der Auffassung dieses Gewebes vollständig Gegenbaur!) an?), der es mit dem Schleimgewebe der Wirbelthiere in Parallele stellt und die sternförmig verästigten Zellen desselben als Bindegewebskörperehen auffasst. Ich kann 1) a@2. 0. 37 156 nu. 20% 2) Vgl. auch Leydig, Vom Bau des thierischen Körpers. Tübingen I 1864. I. S. 45. Beiträge zur Histiologie der Pteropoden und Heteropoden. 255 aber weder in der Beschreibung Leuckarts!), noch in der Be- schreibung und Abbildung Bolls?) das von mir gesehene wieder- erkennen. In der hellen, homogenen Grundsubstanz finden sich, wie ich ganz übereinstimmend mit Gegenbaur bemerke, sternförmige Zellen eingelagert, von sehr verschiedener Grösse, deren Gestalt von der Zahl und Anordnung der von ihnen entspringenden Aus- läufer abhängt; sie sind an verschiedenen Stellen des Körpers sehr verschieden häufig. Während z.B. wie auch Gegenbaur angiebt, man aus der Körpersubstanz von Carinaria oft zahlreiche Schnitte untersuchen kann, ohne eine zu Gesichte zu bekommen, liegen sie in härtern Theilen, z.B. im Rüssel von Pterotrachea, sowie am Rande der Bauch- und Schwanzflosse, gehäuft neben einander. Sie sind im frischen Zustand blassgelblich, wenig glänzend, schwach granulirt; die Ausläufer gehen nach allen Richtungen, verzweigen sich diehotomisch, wobei sie an den Theilungsstellen etwas ver- breitert sind, wohl auch daselbst noch etwas Protoplasma enthalten; sie lassen sich, wo sie geradlinig verlaufen, auf sehr weite Strecken verfolgen und verdünnen sich dabei fortwährend. Die Ausläufer einer derartigen Zelle sind nicht immer fadenförmig, sondern öfters auch flächenhaft entwickelt; eine Gruppe solcher Zellen findet sich an der Basis der Bauchflosse. Die schönsten, regelmässigsten und zum Studium am besten geeigneten sind die Sternzellen in der Mitte der Bauchflosse von Pterotrachea. Fig. XV zeigt eine derartige Zelle nach Behandlung mit Osmiumsäure und Pikrokarmin. Die Zellen liegen hier in der Gallerte zwischen den beiden Muskelhäuten ganz isolirt, in grossen Abständen und ziemlich regelmässiger Anordnung. Sie sind haupt- sächlich flächenhaft entwickelt und liegen parallel mit der Haupt- ebene der Flosse (an der Basis senkrecht darauf), sie sind mem- branlos. Ihre Ausläufer verlaufen gestreckt und nähern sich ganz allmählich der einen oder andern Oberfläche, so dass, was auch Schnitte bestätigen, jede Zelle eine Verbindung zwischen den l) a.a. 0.8.8,9. L. erkennt in dem Gallertgewebe eine einfache Form des Bindegewebes, mit zwei Arten rundlicher Zellen darin; so dass er gerade die charakteristischen sternförmigen Elemente nicht zum Binde- gewebe rechnet. 2) a. a. 0. S. 6 und Tafel I, Fig. 2, 256 Josef Paneth: beiden Flächen herstellt; sie endigen, wie ich mich wiederholt ganz sicher überzeugt habe, unmittelbar unter dem Epithel, zuletzt ganz verdünnt, ohne mit den Epithelzellen, oder unter einander, oder mit irgend einem der histiologischen Elemente, aus denen die Flosse besteht, eine Verbindung einzugehen. Es schienen überdies an Präparaten, die mit AuCl, und Essigsäure angefertigt waren, noch eine Menge feinster Fädchen in der ganzen Länge eines Ausläufers senkrecht gegen das Epithel zu verlaufen, so dass das Netz noch viel dichter wäre und die Unmöglichkeit, diese Zellen zu isoliren, die auch Gegenbaur hervorhebt, begreiflich würde. Osmiumsäure und Pikrokarmin macht in den Zellen einen Kern sichtbar, von dem im frischen Zustand nichts wahrzunehmen ist, derselbe ist gröber granulirt und stärker gefärbt als der Rest der Zelle und rundlich; er macht den Eindruck eines soliden Kör- pers. Dabei färben sich auch die Ausläufer. Essigsäure oder Kalilauge macht die Zellen und ihre Ausläufer deutlicher; Gold- chlorid färbt sie ziemlich intensiv. Diese Reactionen stimmen mit denen elastischer Fasern überein. Die Zellen sind im frischen Zustande überall, im gehärteten und gefärbten nur in den muskel- freien Räumen der Flosse gut zu sehen. Um sie an Osmium-Pi- krokarminpräparaten überall, z. B. auch an der Basis zu sehen, muss man die beiden Lamellen, aus denen die Flosse besteht, trennen, und die eine davon, mit der Innenseite nach oben unter das Mikroskop bringen. Die Grösse dieser Zellen, ihre regelmässige Anordnung, die weithin zu verfolgenden verästigten Ausläufer machen eine Ver- wechslung mit multipolaren Ganglienzellen in der That möglich. Sie ist Leuckart widerfahren a. a. O. S. 26, wo er in der Bauchflosse multipolare Ganglienzellen mit 6—8 verzweigten Aus- läufern und kleinern Ganglienkugeln an den Theilungsstellen beschreibt; doch sollen die Muskeln von Nerven innervirt werden, die nicht mit ihnen in Verbindung getreten sind. Auch Edinger hat diese Zellen für Ganglienzellen gehalten. Ich selbst habe lange Zeit, ohne von den Arbeiten meiner Vorgänger Kenntnis zu haben, diese Gebilde dafür gehalten und erst die Vergeblichkeit all’ meiner Bemühungen, eine Verbindung mit Nervenfasern, oder dieser Zellen untereinander zu einem wahren Netz, oder die peripherische Endi- gung der Ausläufer in Muskeln oder Sinnesorganen nachzuweisen, hat mich zu einer andern Meinung gebracht. Ich muss dem ent- Beiträge zur Histiologie der Pteropoden und Heteropoden. 257 sprechend auch die Angabe und Zeichnung Edingers!), wonach drei Ausläufer einer solehen verästigten Zelle drei Muskelfasern innerviren, mit aller Entschiedenheit für eine Täuschung erklären, der man vielleicht nur schwer ausweichen kann, wenn die Mus- kelbündel durch Os. stark gebräunt sind. Ich habe nach Derar- tigem lange und in der Hoffnung es zu finden und mit den ver- schiedensten Methoden gesucht und Nichts gefunden ; auch geschieht die Innervation der Muskulatur ganz anders, wie wir später sehen werden. Entscheidend sind für die bindegewebige, gegen die nervöse Natur dieser Zellen folgende Punkte. Im frischen Zustand ist an ihnen weder ein Kern noch ein Kernkörperchen zu sehen und auch nach Färbung und Härtung sieht der Kern nicht so aus, wie man sich den Kern einer Ganglienzelle gewöhnlich vorstellt: bläschenartig und mit deutlichem Kernkörperchen und wie auch die Kerne unzweifelhafter, dem Verlauf von Nerven eingeschalte- ter Ganglienzellen bei Heteropoden sich präsentiren (Fig. XXV, XXVI.) Endlich giebt es eine continuirliche Reihe von Ueber- gängen von derartigen grossen „Sternzellen“ mit regelmässigen und geradlinig verlaufenden Ausläufern zu kleinen Zellen mit 3 oder 4 kurzen, unregelmässig verlaufenden Ausläufern, wie sie sich am Rande der Bauchflosse in grosser Menge und dichtgedrängt finden — und in diesen letztern würde Jedermann auf den ersten Blick Bindegewebskörperchen erkennen. In der Schwanzflosse (Fig. XVI) liegen reichlich Zellen, die sich gegen Reagentien völlig wie die Sternzellen der Bauchflosse verhalten; nur sind ihre Ausläufer gewunden, im rechten Winkel abgebogen und es ist auf einer Ebene gar nicht möglich, von ihrem complieirten Verlauf eine Vorstellung zu geben. Denkt man sich aber diese Windungen alle ausgeglättet, so entsteht eine Zelle, ganz ähnlich den Sternzellen der Bauchflosse. Es ist nicht mög- lich, jedes Fäserchen, das nicht nervöser Natur ist, zu einer Zelle zu verfolgen; aber alle verhalten sich genau so wie die Ausläufer von sternförmigen Zellen. Möglich, dass diese letztern mit dem Alter des Thieres abnehmen und zuletzt ganz verschwinden. Diese Zellen hat Leuckart, wie oben bei der allgemeinen Beschreibung der Schwanzflosse auseinandergesetzt wurde, für Mukelfasern 1) a.a. OÖ. Fig. 10. — Eine Verbindung dieser Zellen mit Nerven- fasern zeichnet übrigens E. nirgends, obwohl im Texte davon die Rede ist, 258 Josef Paneth: schalten. Ich brauche dem entgegen nach allem Gesagten kaum noch anzuführen, dass ich nie eine Spur von Contraetion an ihnen gesehen habe. Ausser diesen Sternzellen sieht man ganz unregelmässig in der Gallerte zerstreut, bald in Haufen zusammenliegend, bald ein- zeln, amöboide Zellen von ungemein rascher und energischer Bewe- gung, die in dem anscheinend structurlosen Medium völlig so vor sich geht, als wenn sie keinen Wiederstand fände. Sie gleichen weissen Froschblutkörperchen auf geheiztem Objektträger sehr genau, bis auf den einen Punkt, dass ihre Fortsätze länger, spitzi- ger und mehr verzweigt sind. An gehärteten Präparaten erkenne ich in ihnen die Formen wieder, die Flemming!) für die weissen Blutkörperchen von Muscheln beschrieben und abgebildet hat. Ich stehe nicht an, diesen Zellen dieselbe Bedeutung zuzuschreiben, wie den Wanderzellen des Bindegewebes von Wirbelthieren. Ihre Beweglichkeit in der Gallerte steht auf einer Stufe mit der von Kölliker?) für ähnliche Zellen im Mantel einer Ascidie beschrie- benen. Ausser im beweglichen Zustand trifft man diese Zellen unter Umständen, die ich nicht näher präeisiren kann, auch ruhend an, wo sie dann als ziemlich stark lichtbrechende, gelbliche Tröpf- chen ohne Membran erscheinen; sie setzen sich öfters unter den Augen des Beobachters in Bewegung. Boll?) erwähnt in dem Gallertgewebe von Pterotrachea 3 Arten von Zellen, rundliche, die sich deutlich von der Umge- bung abheben, andere gleichfalls rundliche, die sich ganz allmäh- lich zu verlieren scheinen und längliche, mit ungemein vielen und reich verzweigten Ausläufern, an denen er amöboide Bewegung beobachtet hat, „wenn auch sehr langsam, wie bei einem so kalt- blütigen Thier nicht anders zu erwarten“. Wenn diese dritte Art Zellen ihre Ausläufer einzöge, so würden sie ganz den Zellen erster und zweiter Art gleichen; andererseits gebe es an andern Stellen des Körpers von Pterotrachea und bei Carinaria Zellen, die vollständig den Sternzellen der Wirbelthiere gleichen. Ich 1) Ueber die Blutzellen der Acephalen. Arch. für mikr. Anatomie XV. S. 244. 2) Kölliker, Untersuchungen zur vergleichenden Gewebelehre. Verh. der Würzburger medieinisch-physikalischen Gesellschaft, VII. S. 119, 3) u. a. 0. 8. 6 und Tafel I, Fig. 2, Beiträge zur Histiologie der Pteropoden und Heteropoden. 259 gestehe, dass ich nicht im Klaren bin, ob unter diesen Zellen die Sternzellen gemeint sind, die Gegenbaur und ich gesehen haben, und die das Gallertgewebe der Heteropoden dem Schleimgewebe der Wirbelthiere, dem Gewebe des Tunicatenmantels und der Me- dusenumbrella an die Seite stellen (Vgl. Gegenbaur a. a. 0. S. 206, Anm.) — oder ob Boll diese Sternzellen gar nicht gesehen hat und nur ruhende und mobile amöboide Zellen abbildet. Für erstere Annahme spricht der allmähliche Uebergang zu wirklichen Sternzellen, den Boll angiebt, für letztere die amöboide Beweg- lichkeit, die er an ihnen beobachtet haben will. Dagegen erkenne ich in diesen Sternzellen der Pteropoden die eine der drei Zellformen wieder, die neulich von Brock!) als ein Bestandtheil des Bindegewebes verschiedener Gastropoden nach- gewiesen worden sind. In dieser interessanten und wichtigen Arbeit beschreibt B. drei Zellformen, die in wechselnder relativer und absoluter Menge die bindegewebigen Häutchen zwischen den Eingeweiden der Gastropoden und die tunicae propriae verschie- dener Organe zusammensetzen. Die eine davon, die der eigentlichen Bindegewebszellen oder sternförmigen Zellen entspricht in Allem den sternförmigen Zellen der Pterotrachea, vgl. seine Fig. VII und Fig. IX auf Tafel II mit meiner Fig. XV. Alle Einzelheiten stimmen, die kleinen dreieckigen Anhäufungen von Protoplasma an den Theiluugsstellen der Ausläufer ebenso wie das Aussehen dieser, die manchmal wie mit feinen Pünktchen dicht besetzt und rau erscheinen — was auch ich an einigen Präparaten sehe (Edinger giebt es gleichfalls an) und mit Brock auf das Reagens zurückführe, ebenso wie die Isolirtheit dieser Zellen und ihrer Ausläufer, bei denen B. nur scheinbare Kreuzungen und Verbin- dungen sah. Die beiden andern Zellformen Brocks, die „fbrillä- ren“ und die „Plasmazellen“ habe ich bei Pterotrachea niemals gesehen. Es schien mir von Interesse, eine ehemische Untersuchung des Gallertgewebes der Heteropoden vornehmen zu lassen, umso- mehr als chemische Untersuchungen über Molluskengewebe nur 1) Brock, Untersuchungen über die interstitiellen Bindesubstanzen der Mollusken. Zeitschrift für wiss. Zoologie XXXIX, 8. 1. Archiv £. mikrosk, Anatomie. Bd. 24, 17 2360 Josef Paneth: sehr spärlich vorhanden sind‘). Auf meine Bitte hat Herr eand. med. Albert Hammersehlag im Laboratorium des Herrn Prof. E. Ludwig diese Untersuchung gemacht und ist zu folgen- dem Resultate gekommen. „Vier bis fünf Thiere wurden nach Entfernung des Kopfes und der Eingeweide mehrere Male mit destillirtem Wasser gewa- schen, um den Alkohol, in dem sie conservirt waren, zu entfernen, hierauf in einer Porzellanschale mit 30-40 cem dest. Wasser über- gossen und auf dem Wasserbade erwärmt. Nach einer halben Stunde wurde die klare Flüssigkeit abgegossen und durch frisches Wasser ersetzt. Die abgegossene Flüssigkeit zeigte keine Neigung in der Kälte zu gelatiniren. Es wurden mit derselben folgende Reactionen auf Leim gemacht. Mit KOH und Kupfervitriol (Biuret- reaction), Gerbsäure, Jodwismuthkalium nach dem Ansäuern mit HCl, und Phosphorwolframsäure. Alle ergaben ein negatives Re- sultat. Ebensowenig konnte nach 1—1Y/, stündigem Kochen Leim nachgewiesen werden. Die nach dem Abgiessen der Flüssigkeit zurückgebliebenen Reste wurden mit verdünnter KOH behandelt, wobei sich ein Theil löste. Unter dem Mikroskop zeigten sich zahlreiche Fasern, welche morphologisch den elastischen Fasern bei Säugethieren glichen. Aus dem ungelösten Rückstand wurde die KOH durch Auswaschen mit destillirtem Wasser entfernt und eine Verdauungsprobe mit Pepsin und 2 pro Mille HCl gemacht. Ein Theil löste sich hierbei und die Lösung ergab mit Eisessig und Schwefelsäure rothe Färbung; beim Kochen bildete sich ein Niederschlag, der sich beim Erkalten nieht löste, somit nicht He- mielastin war“. Es geht also vor Allem daraus hervor, dass sich bei Ptero- trachea kein leimgebendes Gewebe findet — ein Resultat, das die mikroskopische Untersuchung voraussehen liess. In den Flossen von Cymbulia und Tiedemannia liegen, an derselben Stelle, wo bei Pterotrachea die Sternzellen liegen, näm- lich zwischen den beiden Muskellamellen, aus denen die Flosse 1) Es existirt meines Wissens nur eine Angabe von Forster (Beiträge zur Kenntniss der Bindesubstanz bei Avertebraten. Arch. für mikr. Anat. XIV. S. 51) der aus verschiedenen Lamellibranchiern keinen Leim darstellen konnte. Dasselbe giebt auch Hoppe -Seyler an (Zoolog. Anzeiger Nr. 75. 1881). Beiträge zur Histiologie der Pteropoden und Heteropoden. 261 besteht, gleichfalls in Gallerte eingebettet, die aber hier viel spärlicher ist, Zellen, von deren Aussehen nach Osmium -Pikro- karminbehandlung Fig. XVIla eine Vorstellung geben mag. Bei Tiedemannia liegen sie ganz unregelmässig, öfters ihrer zwei knapp neben einander; die Ausläufer, deren von jeder Zelle 5—8 und mehr ausgehen, verlaufen manchmal in allen Richtungen gleich- mässig, manchmal vorwiegend in zwei entgegengesetzten, die einen gestreckt, die andern vielfach gewunden; sie theilen sich dicho- tomisch unter spitzen Winkeln, verdünnen sich dabei und endigen schliesslich, ohne irgend eine Verbindung unter einander oder mit andern Gebilden der Flosse einzugehen völlig frei, wobei sie oft ein förmliches Endbüscehel bilden. Die Zellen, deren Form auch hier von der Zahl und Anordnung der Ausläufer abhängt, besitzen ein lichtes, fein granulirtes Protoplasma, und einen, selten zwei rundliche oder längliche Kerne. Der Durchmesser der grössten Zellen beträgt 0,10—0,1lmm; die Kerne haben einen Durchmesser von 0,02mm, oder sind 0,03mm lang, 0,016mm breit; die Aus- läufer unmittelbar am Ursprung aus der Zelle sind 0,010 —0,012mm diek. Bei Cymbulia sind diese Zellen kleiner, die Ausläufer sind kürzer, stärker gewunden; sonst verhalten sie sich ganz wie bei Tiedemannia. Bei stärkerer Vergrösserung sieht man sehr deutlich im Innern dieser Ausläufer, wenigstens an den diekern Stellen, feinste Fibrillen verlaufen. An manchen Präparaten sind sie nicht gleichmässig gefärbt, sondern es wechseln hellere und dunklere Partien unregel- mässig mit einander ab; das ist zumeist der Fall an Präparaten, die mit verdünnter Osmiumsäure hergestellt sind. Es rührt davon her, dass die Fibrllen abgerissen sind und nun zwischen den Rissenden nur eine dünne Grenzschieht mit etwas körniger Sub- stanz, die man auch sonst wahrnimmt, verläuft, s. Fig. XVIIb. Eine weitere Structureigenthümlichkeit besteht darin, dass unmittel- bar an dem Ausläufer eine Schieht von etwas anderm Brechungs- vermögen als die übrige Gallerte sich befindet, die den Ausläufer seiner ganzen Länge nach einscheidet; ihre äussere Contour ist wellenförmig, ihre Breite ist verschieden, höchstens beträgt sie so viel als der Durchmesser des Ausläufers. In dem zuletzt beschriebenen Verhältnis möchte ich den Ausdruck dafür sehen, dass die Saftströmung hauptsächlich entlang diesen Zellen und ihren 262 Josef Paneth: Fortsätzen geht, wodurch die Eigenschaften der „Gallerte‘“ in ihrer unmittelbaren Nähe modificirt worden sind. Diese Zellen entsprechen in allen ihren Eigenschaften voll- kommen der zweiten Form der von Brock beschriebenen Zellen, den „fibrillär umgewandelten“. Das gleiche Verhalten der Aus- läufer, nämlich das Zerreissen des Inhalts hat auch er beschrieben, ebenso wie die fibrilläre Structur derselben. Seine FigurIb gleicht z. B. in allen Stücken meiner Fig. XVlla; sie rührt von Aplysia punctata her. Das Auseinanderweichen des Inhalts der Ausläufer führt B. auf eine durch das Reagens verursachte Quellung zurück, worin ich ihm beistimme, nachdem ich es vorwiegend nach der Einwirkung verdünnter Osmiumsäure beobachtet habe!). Plasma- zellen und Sternzellen habe ich bei Pteropoden nicht beobachtet, wohl aber amöboide Zellen, von ganz derselben Beschaffenheit, wie die bei Pterotrachea beschriebenen. Es finden sich also in den Flossen bei Heteropoden blos „Stern- zellen“, bei Pteropoden blos „fibrilläre“ Zellen; bei beiden ausser- dem noch amöboide Zellen. Ich glaube, dass man hiernach die beiden erstgenannten Zellen als unter einander und den Bindegewebszellen der Wirbelthiere homolog betrachten muss. Die Angabe Gegen- baurs2), dass sich bei Pteropoden kein Gallertgewebe findet, bedarf einer Ergänzung; denn die fibrillären Zellen dieser Thiere sind in eine Masse eingebettet, die sich in Nichts von der Gallerte der Heteropoden unterscheidet. Die Muskeln. Ihre makroskopische Anordnung in den Flossen ist bereits Eingangs beschrieben worden. Jedes Muskelbündel präsentirt sich im überlebenden Zustand, bei Uymbulia, Tiedemannia und Ptero- trachea übereinstimmend, als ein schwach gelbliches Band, das kaum weniger durchsichtig ist als der Rest der Flosse. Es ist fein längsstreifig, die Kerne sind ohne Weiters scharf contourirt wahrzunehmen als längliche, stäbchenförmige Körperchen, die parallel der Faserung des Muskelbündels stehen, oft reihenweise 1) Ich constatire mit Vergnügen meine Uebereinstimmung mit Brock, dessen Arbeit mir erst zukam, nachdem meine Untersuchungen abgeschlossen waren. 2) a. a. 0. 8. 216, Beiträge zur Histiologie der Pteropoden und Heteropoden. 263 angeordnet. Bei Cymbulia (Fig. XVIlla) zeigen sie feinste Aus- läufer nach allen Richtungen, so dass eine entfernte Aehnliehkeit mit Knochenkörperchen resultirt. Doch ist dieses Detail nur wahr- zunehmen, so lange das Präparat ganz frisch ist. Im Innern des Muskelbündels und speeiell in der Umgebung der Kerne, findet sich, von der später zu beschreibenden Nervenendigung abgesehen, nirgends Protoplasma; wohl aber verläuft bei den Pteropoden an den Rändern der Muskelbänder ein schmaler Protoplasmasaum mit unregelmässiger Contour, der sich aber nicht überall findet und dessen Beziehung zur Nervenendigung im Muskel später besprochen werden soll (Fig. XVIlla, p). Eine bindegewebige Scheide, ein Perimysium findet sich nirgends, vielmehr ist das Muskelbündel, von dem erwähnten Protoplasmasaum abgesehen, überall direct in die Gallerte eingebettet. Alle Reagentien weisen übereinstimmend nach, dass die Mus- keln der Pteropoden und Heteropoden auch dort noch, wo sie ganz dünn sind, z. B. unmittelbar am Flossenrand, aus Fasern bestehen, die in allem Wesentlichen mit den glatten Muskelfasern der Wir- belthiere übereinstimmen. In diesem Punkte schliesse ich mich den übereinstimmenden Angaben Leydigs!), Köllikers?), Bolls?), Leuckarts an. Damit entfallen viele Angaben Gegenbaurs über verästigte und verzweigte Muskelfasern. Ich selbst habe auf Ma- cerationspräparaten nie etwas anderes gesehen, als dass sich das Ende einer Muskelfaser eine kurze Strecke weit gablich theilte. Fig. XVUlc zeigt einige Muskelfasern von Cymbulia nach Behand- lung mit Chromsäure und Essigsäure nach Semper, Alkohol und Färbung mit Boraxcarmin. Das Aussehen ist genau das gleiche, wenn man statt der Chromessigsäure Kleinenberg’sche Lösung, oder Müller’sche Flüssigkeit oder concentrirte Lösung von Sub- limat in Meerwasser anwendet. Der Muskel besteht aus spindel- förmigen Zellen, deren jede von der andern durch einen schmalen hellen Zwischenraum getrennt ist und einen länglichen Kern ent- hält; der Inhalt der Muskelfasern ist vollkommen homogen, ziem- lich stark lichtbrechend, färbt sich mit Carmin. Der Kern ist sehr srob granulirt. In der Umgebung desselben findet sich kein Pro- 1) Vom Bau des thierischen Körpers. I. S. 70. 2) a. a. O. S. 109. sa. a. 0.8.21. 264 Josef Paneth: toplasma. Ganz ähnlich ist das Bild, das man durch Behandlung mit 1:1000 Osmiumsäure in Meerwasser und Pikrokarmin erhält (Fig.XX); nur ist der Durchmesser der Muskelspindeln etwas grösser, ebenso wie die Kerne, und der Inhalt ist gebräunt. Die Maasse sind für die Muskelfasern von Cymbulia nach Behandlung mit Osmium- säure: Länge des Kerns 0,019—0,022 mm Breite ,, h 0,0028 — 0,0038 mm nach Behandlung mit Chromessigsäure und Alkohol: Länge des Kerns 0,021—0,029mm Breite „ ,„. 0,0029—0,006mm. Behandelt man aber die Flosse mit sehr verdünnter Osmium- säure, indem man das Thier durch Zusatz von ein Paar Tropfen dieser Substanz zu dem Wasser, in dem es sich befindet, tödtet, und einige Stunden darin lässt, und färbt hierauf mit Pikrokarmin, so zeigen die Muskelbündel bei Tiedemannia und Cymbulia, nicht aber bei Pterotrachea, ein ganz sonderbares Aussehen. Bei schwacher Vergrösserung besteht der ganze Muskel abwechselnd aus hellen und dunkeln Partien, Flecken und Streifen, die in unregelmässiger Weise im Zickzack der Quere nach über ihn hin- weglaufen. Diese sind ganz irregulär begrenzt und laufen vielfach in einander. Bei stärkerer Vergrösserung (Fig. XIX) erkennt man die Ursache dieses Aussehens darin, dass in jeder einzelnen Mus- kelfaser, die gequollen ist, der mit Carmin sich tingirende Inhalt auf unregelmässig begrenzte, im Allgemeinen längliche Räume sich zurückgezogen hat. Bei Tiedemannia zeigt er ausserdem noch deutliche Querstreifung (Fig. XXI). In den ungefärbten Partien verlaufen die Grenzlinien zwischen den einzelnen Muskelfasern; woraus sich mit grosser Wahrscheinlichkeit ergiebt, dass dieselben eine Membran besitzen, oder durch eine eigene Kittsubstanz ver bunden sind. Indem der Inhalt sich in mehreren neben einander liegenden Muskelfasern an annähernd gleichen Stellen anhäuft, kommen die Bänder und Flecken zu Stande, die das Muskelbündel bei schwächerer Vergrösserung zeigt. An den Stellen, wo kein gefärbter Inhalt ist, sieht die Muskelfaser wie ein leerer Schlauch aus. Die Haufen tingirter Substanz sind von verschiedener Länge, und erfüllen meistens die ganze Breite einer Muskelfaser; sie sind spitzig oder stumpf begrenzt; in ihnen liegen die Kerne; ihr ganzes Aussehen entspricht völlig dem Aussehen des contraetilen Muskel- Beiträge zur Histiologie der Pteropoden und Heteropoden. 265 inhalts nach andern Methoden der Behandlung. Im Einzelnen scheint die Grösse der Körper, in die sich der contractile Inhalt zusammenballt, von der Behandlung abzuhängen. Macerirt man eine Flosse direet in Pikrokarmin, so bestehen die Muskeln aus einer grossen Menge rundlicher oder polyedrischer, stark gefärbter Körner, so dass der Zerfall vielleicht um so intensiver ist, je weni- ger rasch das Absterben vor sich geht. Ich finde also dasjenige Verhalten, welches Brock blos für die Ausläufer der „fibrillär metamorphosirten‘“ Zellen angegeben hat, sowohl bei diesen, als auch, und noch ausgeprägter, an ganz unzweifelhaften Muskelfasern; dort wo B. Ausläufer zeichnet, die auf srosse Strecken parallel und ohne sich zu verdünnen verlaufen, und wo Kerne, die denen der fibrillären Zellen gleichen, nicht in der Nähe sind, oder nur auf dem Bündel liegen und überhaupt nach B.s eigener Angabe schwer nachzuweisen sind, dort ist die Aehnlich- keit mit dem, was ich an Muskelbündeln gesehen habe, in der That so gross, dass ich der Vermuthung, es habe sich auch in manchen Fällen bei B. um Muskelfasern gehandelt, mich nicht erwehren kann. Allerdings habe ich nie gesehen, dass nach die- ser Behandlung der Inhalt der Muskelfasern fibrilläre Struetur zeigte, wie B. von den Gebilden, die er als Zell-Ausläufer auffasst, angiebt und zeichnet. Aber im allgemeinen ist ja ein fibrillärer Bau der Muskelfasern nach den Auseinandersetzungen Engel- mann’s!) recht wahrscheinlich. Um über das Verhalten der isolirten Muskelfasern eine Vor- stellung zu gewinnen, habe ich Macerationen in Glycerin und Sal- petersäure (zu gleichen Theilen oder 1 Salpetersäure auf 2 Gly- cerin) und in Salpetersäure und chlorsaurem Kali nach Kühne angewandt. Besonders erstere Methode möchte ich sehr empfehlen. Nach 24—48 Stunden ist Alles aufgelöst bis auf die Muskelbündel, die eine strohgelbe Färbung angenommen haben, und dieselben lassen sich nun in Wasser zerzupfen und zerfallen sehr leicht in einzelne Muskelfasern. Dieselben sind spindelförmig, von sehr ver- schiedener Länge; ein Kern ist auch nach Behandlung mit Tinc- tionsmitteln nicht sichtbar zu machen. An manchen Präparaten sind sie bloss körnig, an andern deutlich und regelmässig quer- 1) Engelmann, Ueber den fasrigen Bau der contractilen Substanz. Pflüger’s Archiv XXV. S. 538. 266 Josef Paneth: gestreift; helle und dunkle Streifen sind ungefähr gleich breit und jede Faser scheint aus einer Reihe derselben zusammengesetzt zu sein. Sie sind nach einer Prüfung, die Herr Prof. Exner anzu- stellen die Güte hatte, deutlich doppeltbrechend. Querstreifung sieht man an den im frischen Zustand und nach den meisten Reagentien ganz glatten Muskelfasern auch sonst wohl gelegentlich; so, wie bereits erwähnt, bei Tiedemannia nach Behandlung mit ÖOsmiumsäure und Pikrinsäure, ebenso bei Pterotrachea; besonders leicht an den Muskeln der Schwanzflosse. Diese bestehen übrigens ebenso wie die der Bauchflosse aus glatten Faserzellen; sie endigen mit Enden, die wie ausgefasert aussehen; ebenso erscheinen macerirte Muskeln aus der Kopfflosse, besonders von Tiedemannia, an den Rissstellen öfters fasrig. Andeutungen von Querstreifung an den Muskeln von Hetero- poden sind auch von Leuckart!), Gegenbaur (Schlundkopf- muskulatur von Carinaria, a. a. 0. S. 143) und Boll?) beschrieben worden, indessen zeigen die Abbildungen des Letztern nur eine regelmässige Anordnung von Körnchen, nie eine eigentliche Quer- streifung. Uebergänge zwischen glatten und quergestreiften Mus- keln sind gerade bei Mollusken vielfach beobachtet, so von Boll, von Leydig?), von Margo®), von Schwalbe°). Indessen scheint es sich in diesen Fällen doch nicht so verhalten zu haben, dass ein bestimmtes Reagens die Querstreifung deutlich machte. Denn dass es sie hervorgebracht habe, daran ist wohl nicht zu denken. Ich muss hier erwähnen, dass ich die von Gegenbaur®) beschriebenen und auf Taf. III, Fig. 2 abgebildeten verästigten Muskelfasern wederbei Cymbulia noch bei Tiedemanniahabeauffinden können. (In Fig. Ila und in Fig. Ib auf Tafel III der Gegenbaur’- schen Monographie erkenne ich übrigens Kernean den Verzweigungen der Nervenfasern, nicht Muskelkerne wie sich aus meiner weitern Darstellung ergeben wird.) Dagegen habe ich bei Pterotrachea 1), a.12., 028114: 2) a. a. O0. 8. 21 und Taf. II, Fig. 12. 3) 3.08. 10.18.79: 4) Margo, Ueber die Muskelfasern der Mollusken. Sitzungsber. der Wiener Academie der Wissenschaften. XXXIX. 8. 559. 1860. 5) Schwalbe, Ueber den feineren Bau der Muskelfasern wirbelloser Thiere. Arch. für mikr. Anatomie. V. S. 204. 6) a. a. 0.8. 43. Beiträge zur Histiologie der Pteropoden und Heteropoden. 267 Gebilde gesehen, die den von Gegenbaur beschriebenen ziemlich gut entsprechen. Ich würde über ihre Identität ein bestimmtes Ur- theil abgeben können, wenn Gegenbaur seiner Abbildung Grössen- angaben hinzugefügt hätte. Es finden sich nämlich bei Pterotrachea coronata nahe dem Ansatz der Flosse, zwischen diesem und dem Ganglion pedale, im Körper des Thieres Zellen von ganz colossaler Grösse, 0,35—0,38 mm lang, 0,032—0,035 mm breit, die man also im gefärbten Zustande (frisch habe ich sieleider nicht auffinden können) schon mit freiem Auge wahr- nehmen und bei 20facher Vergrösserung ihrer Form nach ganz gut unterscheiden kann. Fig. XXIlla zeigt eine Gruppe dieser Zellen, nachdem sie wiederholt mit Goldehlorid und Essigsäure, beide in sehr verdünnter Lösung in Meerwasser behandelt worden sind, in natürlicher Anordnung. Man sieht die fraglichen Zellen im Allge- meinen länglich und flächenhaft entwiekelt mit zahlreichen Aus- läufern, die zumeist an den beiden Enden des grössten Durch- messers entspringen, sich vielfach verzweigen und schliesslich in der umgebenden Gallerte verlieren, ohne dass es möglich wäre, eine Beziehung zu den reichlich in der Nähe befindlichen Muskel- bündeln aufzufinden. Wohl aber stehen manchmal zwei dieser Zellen durch einen feinen Ausläufer in Verbindung. Nervenfasern von beträchtlicher Dicke gehen in die Substanz dieser Zellen ein und stellen eine Verbindung zwischen ihnen her. Diese Nerven unterscheiden sich von den Ausläufern der Zellen durch ihre rundliche Form, durch ihre stärkere Tinetion, dadurch, dass sie unverzweigt und ohne an Volumen einzubüssen, verlaufen und dadurch, dass sie in ihrem Habitus den grössern Nervenstämmen des Thiers nach, derselben Behandlung gleichen. In einem Falle konnte der Nerv aus einer dieser Zellen bis zu einem dicken Stamm zurück verfolgt werden, der direet aus dem Ganglion pe- dale entsprang. Gleichviel, wie diese Zellen eonservirt und gefärbt sind, sieht man in ihnen einen Kern von etwa 0,020 mm Länge und 0,014 mm Breite von regelmässiger elliptischer Form. Der- selbe zeigt eine deutliche Membran und im Innern derselben eine grobkörnige Masse. In den Osmium-Pikrokarminpräparaten lässt sich der fibrilläre Bau der Zellen nur vermuthen, der an den mit Goldehlorid hergestellten mit aller Evidenz hervortritt (Fig. XXIII). Die einzelnen Ausläufer zeigen denselben kurz vor ihrem Eintritt in die Zelle; die einzelnen Fibrillen sind unmessbar dünn, man 2368 Josef Paneth: sieht sie in die Zellen eintreten, sich: dort kreuzen und durch- fleehten und meint sie auch wieder austreten zu sehen; sie ver- laufen alle annähernd parallel dem Längsdurchmesser der Zelle. Wo sie auseinander weichen, was besonders in der Nähe des Kerns der Fall ist, ist Protaplasma zwischen ihnen sichtbar und es macht auch sonst den Eindruck, als ob sie nur an der Oberfläche der Zelle verliefen. Uebrigens wird ein Blick auf Fig. XXIlla, b, ohne Weiteres Alles zeigen, was ich von diesen merkwürdigen Ge- bilden weiss. Was sind nun diese Zellen? Man kann an Bindegewebs-, Ganglien-, Muskelzellen denken. Die erstere Auffassung erwähne ich nur, um sie gleich von der Hand zu weisen. Sie haben mit den Sternzellen der Pterotrachea, in denen wir die Bindegewebs- zellen dieses Thieres erkannt haben, ebensowenig Aehnlichkeit als mit denen irgend eines andern Thieres; ihre beträchtliche Inner- vation macht diese Annahme unmöglich. Dass es ganz besonders grosse und merkwürdige Ganglienzellen sind, kann ich auch nicht recht glauben, denn ihr Aussehen sowohl als auch ihre Anordnung würde Allem widersprechen, was wir von Nervenzellen bei Mollus- ken bisher kennen gelernt haben!). Sie haben untereinander wenig Verbindung, ihre Beziehung zu den Nervenstämmen ist nicht der- art, dass man daran denken könnte, sie als Centren aufzufassen, ihre vorwiegend flächenhafte Ausbildung, die Kleinheit und das Aussehen des Kerns sprechen dagegen. So bleibt wohl nichts übrig als darin verästigte Muskelfasern zu sehen, wobei es aller- dings sehr auffallend bleiben muss, dass sie mit den andern Muskel- bündeln des Thieres in gar keiner Verbindung stehen. Ich wurde auf diese Zellen leider zu spät aufmerksam, um alle ihre Bezieh- ungen klar zu stellen und muss mich begnügen, auf sie hinge- wiesen zu haben. Sollte es sich durch Beobachtungen am leben- den Thier bestätigen, dass es Muskelfasern sind, so wäre die Art ihrer Innervation sehr interessant. Ein Nerv von dem Durch- messer, wie er in sie eintritt, versorgt sonst bei Pterotrachea ganz dicke Muskelbündel. Könnte man, was nach der Verlaufsriehtung nicht unwahrscheinlich aber von mir nicht direet beobachtet ist, 1) Cr. B. Buchholz, Studien über den histiologischen Bau des Centralnervensystems der Süsswassermollusken. Reichert u. Du Bois Ar- chiv. 1863. 8. 234. Beiträge zur Histiologie der Pteropoden und Heteropoden. 269 annehmen, dass der Nerv diese Zellen durchsetzt und von der einen zur andern zieht, dann würde ich in diesen Zellen Mutterzellen nicht einzelner Fasern, sondern ganzer Bündel sehen — eine Auf- fassung, deren Berechtigung vielleicht einleuchten wird, wenn wir die Innervation der Muskulatur näher betrachtet haben. Die Nerven. Meine Beobachtungen beschränken sich auf das peripherische Nervensystem; die das centrale zusammensetzenden Gebilde sind, wie ich mich an Schnitten überzeugte, so klein, dass ihr Studium zunächst keinen besondern Vortheil zu bieten scheint. Zur Beob- achtung der peripheren Nerven ist nun vor Allem die Behand- lung mit Osmium und Pikrokarmin, wie Eingangs erwähnt, und die feuchte Kammer unumgänglich nöthig. Die schönsten und klar- sten Bilder liefert die Beobachtung im überlebenden Zustand. Die grössern Nervenstämme — meine Beschreibung bezieht sich auf Cymbulia und Pterotrachea — wie sie sich in der Nähe der Ganglien oder in der Nähe der Basis der Flossen finden, zeigen einen ungemein feinen fibrillären Bau, der schon mit Hart- nack VI ganz deutlich ist; zwischen den Fibrillen, die nicht ganz gleich diek sind und ein wenig wellig verlaufen, etwas körnige Substanz. Es ist selbstverständlich dass ich die Annahme, es handle sich um blosse Faltungen, mit aller Sicherheit zurückweisen kann. Die Fibrillen sind unmessbar dünn, ich habe keine Möglich- keit gefunden, ihren Durchmesser auch nur zu schätzen. Die Ner- ven sind mässig lichtbrechend. An den stärksten Stämmen finden sich in regelmässigen Abständen längliche Kerne angelagert, die möglicherweise einem Neurileum angehören. Die mittelstarken und feinern sind direet in die Gallerte eingelagert. Die Leichenverän- derungen, die allmählieh auftreten, wenn das Präparat lange in der feuchten Kammer gelegen hat, viel rascher natürlich, wenn es ohne diese Cautel bleibt, bestehen in körnigen und fädigen Gerinnungen, die an den Schnittenden beginnen und unter Umständen einen grobfibrillären Bau vortäuschen können, der mit der feinen Strei- fung des lebensfrischen Nerven nicht zu verwechseln ist. Die dünnern Nerven sind homogen, zeigen aber bei Cymbulia stellen- weise, bei Theilungen, bei ihrem Eintritt in den Muskel, wieder ihre Zusammensetzungaus Fibrillen, worauf ich später noch zurückkomme. Meine Darstellung des Baus der Nerven stimmt vollständig 270 Josef Paneth: mit der von Leuckart!) und Gegenbaur?) gegebenen. Ein fibrillärer Bau, ganz so wie ich ihn geschildert habe, scheint nach Bo1l3), Hermann Schultze*), Waldeyer°), Brock®) allen Mol- lusken zuzukommen. Der ganz vereinzelte Widerspruch von Buch- holz”) scheint mir den übereinstimmenden Angaben so vieler aus- gezeichneter Beobachter gegenüber nicht in Betracht zu kommen. Für unser Objeet hat Leuckart nicht nur den fibrillären Bau der grössern Stämme, sondern auch die peripherisch abnehmende Deut- liehkeit desselben beschrieben. Ein fibrillärer Bau der Nerven- fasern des Flusskrebses, ganz ähnlich wie ich ihn bei Pteropoden und Heteropoden mühelos und unzweideutig gefunden, ist neulich von Freud$) beschrieben worden, woselbst auch die Literatur dieses Gegenstandes vollständig zusammengestellt ist. Ich erwähne hier beiläufig, dass die Extremitätennerven von Phronima seden- taria ein ausserordentlich günstiges Objeet bilden, um sich die fibrilläre Structur des Nerven bei Crustaceen deutlich zu machen. Man kann ein flaches Extremitätenglied in toto unter das Mikros- kop bringen. Darin liegen peripherische Muskelbündel von sehr feiner Querstreifung und in der Axe verläuft der Nerv des Glieds, auch hier fein fibrillär und dem von Cymbulia und Pterotrachea ausserordentlich ähnlich. Derselbe theilt sich und gibt an die Muskeln Zweige ab, die dort Endhügel bilden. Auch zum Studium dieser letztern wäre das Objeet unvergleichlich, wenn nicht ihre centrale Lage die Anwendung einigermaassen starker Objeetive unmöglich machte. Die fibrilläre Structur der Nervenfasern bei Wirbellosen scheint mir nach alledem heute eine feststehende Thatsache zu 11787 3..0. 8. 2. 2)’ a. 0. 8.154 u. 108. 3) a. a. O.:8. 19 und TafelE Fig. 2. 4) Schultze, Fibrilläre Structur des Axencylinders bei Wirbellosen. Arch. f. mikr. Anat. XV1. S. 61. | 5) Waldeyer, Untersuchungen über den Ursprung und Verlauf des Axeneylinders bei Wirbellosen und Wirbelthieren. Zeitschrift für rationelle Medicin. III. A. Bd. XX. S. 193. 1863. 6) a. a. 0.8. 16. His: 33. 7) a. a. 0. 8..280. 8) Freud, Ueber den Bau der Nervenfasern und Nervenzellen beim Flusskrebs. Sitzungsber. d. Wiener Academie. LXXV. II. Abth. Jänner 1882. Beiträge zur Histiologie der Pteropoden und Heteropoden. 271 sein, als welche sie schon von Leydig!) hingestellt wird. Meine Beobachtungen ebenso wie die früherer Autoren an Heteropoden und Pteropoden fügen lediglich die Nerven dieser Thiere in das allgemeine Schema ein. Man kann meines Erachtens bei dem uns beschäftigenden Objeete nicht von Theilungen eines Axencylinders sprechen; denn der Nerv, wie er bei Pterotrachea und Cymbulia aus den Gang- lien tritt, wo er jedenfalls einem ganzen Bündel spinaler Nerven eines Wirbelthieres homolog ist, zeigt keine Spur einer Abtheilung, keine Spur von isolirten Nerven, die man als Axeneylinder auf- fassen könnte. Er ist gerade so wie einer seiner Aeste, ein Bündel von „Axenfibrillen“(Waldeyer)oder „Primitivfibrillen‘“(MaxSchultze?). Wollte man, wie Boll thut, daran festhalten, den ganzen Nerven als einen Axencylinder aufzufassen, so würde die ganze Flosse einer Pterotrachea und Cymbulia, Epithel und Museulatur, von zwei Axencylindern versorgt, es müsste ein und derselbe Axen- eylinder mit einem Ast einen Muskel innerviren, mit dem andern zum Epithel gehen. Allen diesen Schwierigkeiten entgeht man, wenn man den Begriff „Axeneylinder“ für die in Rede stehenden Thiere ganz fallen lässt und nur von Nerven spricht, die aus Pri- mitivfibrillen bestehen, aus umsomehr, je dieker sie sind. Die Thei- lungen der Nerven sind dann einfach Vertheilungen von Primitiv- fibrillen. Ich schliesse mich also vollständig den Ausführungen Waldeyer’s an, und zwar gehören die Nervenfasern der Pteropo- den und Heteropoden dem ersten, morphologisch niedriger stehenden Typus an, wo aus dem Centrale ein einziges Fibrillenbündel ent- springt, das sich fortwährend theilt und seeundären, tertiären Fibrillenbündeln Ursprung gibt. Waldeyer polemisirt auch gegen Margo, der eine beliebige Nervenfaser eines Flusskrebses einen Axencylinder genannt hatte, gerade so wie ich gegen Boll. — Etwas was dem „Axencylinder“ der Wirbelthiere entspräche, giebt es bei Pteropoden und Heteropoden nicht. Reagentien zerstören den fibrillären Bau der Nervenfasern oder machen ihn sehr undeutlich. Spuren davon erhalten sich wohl, und an den oben erwähnten Stellen bei Cymbulia lässt sich 1) a. a. 0. S. 96. 2) M. Schultze, Allgemeines über die Structurelemente des Nerven- systems. In Stricker’s Handbuch der Lehre von den Geweben. I. S. 108, 2372 Josef Paneth: auch im gehärteten und gefärbten Zustande jederzeit demonstriren, wie der Nerv sich aufdröselt und in seine Fibrillen auseinander- fällt. Der Nerv als Ganzes verhält sich conform den Axeneylindern der Wirbelthiere, er wird durch Osmiumsäure mässig gebräunt und färbt sich intensiv mit Garmin. Für den weitern Verlauf der Nerven kann ich mich zunächst an die bekannte Beschreibung Leydigs!) anschliessen, die von allen spätern Beobachtern (Boll, Leuckart, Gegenbaur) be- stätigt wurde. „Die Nerven theilen sich, wobei sie fortwährend feiner und feiner werden und die Aeste scheinen schliesslich ein Endnetz zu bilden.“ (Die Zeichnung Tafel IX Fig. 5 zeigt jedoch kein Endnetz.) ‚Sie nehmen in ihrem weitern Verlauf zahlreiche Ganglienkugeln in sich auf, die entweder im Verlauf des Nerven eingeschaltet sind oder an Theilungsstellen liegen. Diese bestehen aus einem hellen Bläschen (Kern) mit einem Kernkörperehen und etwas körniger Masse um dasselbe herum. Ihre Grösse variirt je nach der Grösse des Nerven.“ Gegenbaur?) gab eine ziemlich sleichlautende Beschreibung für die Flossen von Cymbulia, wo die Nerven schliesslich ein Endnetz bilden (seine Abbildung Taf. III Fig. 3 zeigt thatsächlich ein solches) und Carinaria, wo jedoch die feinsten Endäste der Nerven frei in der Substanz der Flossen endigen sollten. Bolls Beschreibung und Abbildung für Carinaria (Taf. I Fig. 2) wiederholt lediglich die Gegenbaur’sche; auch hier endigt der Nerv frei in der Gallerte. Leuckart?) hat ebenfalls den Nerven in den muskelfreien Räumen der Flosse bei Pterotrachea besondere Aufmerksamkeit geschenkt; er unterscheidet die Gang- lienkugeln, die hier eingelagert sind, meist an den Theilungsstellen, von den einzelligen Ganglien im Verlauf grösserer Nervenstämme, die dem Nervenstamm seitlich aufliegen, zwischen ihm und der Scheide, ohne organischen Zusammenhang mit den übrigen Nerven. Edinger beschreibt ein doppeltes Netz; das erste von den Nerven zwischen der Museulatur und „Haut“ gebildet und ein zweites oberflächliches aus den Ausläufern einer grossen Anzahl multi- polarer Ganglienzellen gebildet. (Diese letztern sind die Stern- 1) Anatomische Bemerkungen über Carinaria, Firola und Amphicora. Zeitschr. für wiss. Zoologie. III. 8. 325. 2) a. a. O. 8.45 (Cymbulia) 143 (Carinaria). 3) a. a. O. (8. 26). Beiträge zur Histiologie der Pteropoden und Heteropoden. 273 zellen der Gallerte) In den Knotenpunkten des erstern Netzes, auch in den Verlauf der Nerven selbst eingeschaltet, liegen meist bipolare Ganglienzellen mit runden Kernen und mehreren Kern- körperchen. Meine Beobachtungen lassen sich folgendermassen zusammen- fassen. Characteristich ist sowohl für die Heteropoden als auch für die Pteropoden die Einlagerung von hüllenlosem Protoplasma und Kernen an den Theilungsstellen, sowie dort, wo sich zwei Nerven kreuzen; diese sind in der Körpersubstanz von Pterotrachea und Carinaria sehr leicht zu beobachten, ebenso wohl wie an den Flossen der Pteropoden. Von dem Aussehen derselben mag Fig. XXIV (Cymbulia) eine Vorstellung geben. Die Menge des ange- lagerten Protoplasma ist sehr variabel, seine Form hängt von der Richtung der abgehenden Nerven ab. Manchmal, wiewohl seitener, sieht man einen Nerven spindelartig angeschwollen. Die Nerven haben bei den Pteropoden viel mehr Kreuzungen — sie bilden ein wahres, sehr unregelmässiges Netz — als bei den Heteropoden, auch sind die Ansammlungen von Protoplasma viel häufiger zu sehen, viel beträchtlicher. Im Einzelnen bestehen gewisse Unterschiede, die für jede Species characteristisch sind. So sind die Kerne bei Cymbulia meist, aber nicht immer ohne Kernkörperchen; bei Tiedemannia ist ein solches, von einem kleinen lichten Hof umgeben, schon im frischen Zustand leicht zu beobachten. Ebenso bei Carinaria, nicht aber bei Pterotrachea, wo sich die Kerne an den Theilungs- stellen der Nerven überhaupt sehr viel spärlicher finden, als bei den übrigen von mir daraufhin untersuchten Thieren. Ein etwas anderes Aussehen zeigen diese Gebilde, wo sie sich an grössern Nervenstämmen finden (Fig. XXVI, Sehwanznerv von Pterotrachea mutiea; Fig. XXVa, aus der Körpersubstanz von Carinaria). Hier zieht nämlich die Hauptmasse der Fibrillen des Nerven durch das Protoplasma der rundlichen Ganglienzelle hindurch, ohne mit dem- selben eine Verbindung einzugehen. Nur ein Theil der Fibrillen und zwar derjenige, der zu einem an dieser Stelle abgehenden Nervenstämmechen gehört, tritt damit in Verbindung. Eine Gang- lienzelle von ausgesprochenem Character, die bloss dem Verlauf des Nerven eingeschaltet gewesen wäre, ohne den Abgang eines Zweiges, erinnere ich mich nicht gesehen zu haben. Diese Ganglienzellen haben eine rundliche Form, Kern und 274 Josef Paneth: Kernkörperchen sind sehr deutlich, ihre Grösse richtet sich unge- fähr nach der des angesammelten Protoplasma; wogegen die Kerne in den Protoplasmahäufehen an den Theilungsstellen der Nerven bei Pteropoden ziemlich constant 0,0097—0,011 mm Durchmesser haben. Die Kerne sehen nach der Behandlung mit Reagentien verschieden aus, die von Cymbulia machen, wie erwähnt, zumeist (aber nicht immer) den Eindruck solider Körper, d. h. sie sind dunkler als das sie umgebende fein granulirte Protoplasma und von gröberem Korn. Anders natürlich, wo der Kern bläschenartig ist d. h. liehter und weniger lichtbrechend als die Umgebung, nicht granulirt, und mit einem deutlichen Kernkörperchen. Für Gebilde, deren Grösse so sehr wechselt, haben Maassangaben wenig Sinn; nur beispielsweise erwähne ich als Maasse zweier derartiger Zellen bei Carinaria: Zelle Kern Kernkörperchen Länge 0,060 Länge 0,020 Durchmesser 0,040 0,006 0,004 Breite 0,030 Breite 0,008 0,0019 0,010 0,004. Die Körpersubstanz von Carinaria, die auf weite Strecken keine Bindegewebezelle enthält, ist wohl für diese Dinge das brauch- barste Objeet und ich bedaure sehr, dass die Eingangs erwähnten Umstände mich verhindert haben, dieses Thier zum Hauptgegen- stand meines Studiums zu machen. Die Körpersubstanz von Ptero- trachea zeigt, wie erwähnt, viel weniger Protoplasma an den grössern Nervenstämmen angehäuft; das Netz, welches die Nerven bei Cymbulia bilden, ist dagegen ausserordentlich reichlich damit versehen, fast an jeder Theilungsstelle eines Nerven liegt etwas Protoplasma mit einem rundlichen Kern. Man sieht, wenn auch der sich theilende Nerv schon anscheinend homogen ist, doch in der Nähe des Protoplasma denselben deutlich fibrillär werden, man sieht die Fibrillen sich kreuzen, durch das Protoplasma hindurch- treten und sich wieder zu einem anscheinend homogenen Stämm- chen vereinigen. Ob man in allen diesen Bildungen wirklich Ganglienzellen erblicken muss? Von derselben physiologischen Bedeutung wie die in den Centralorganen? Einen durchgreifenden morphologischen Unterschied wüsste ich nicht zu machen; weder die Grösse noch das Aussehen noch der Zusammenhang mit Nerven bilden einen Beiträge zur Histiologie der Pteropoden und Heteropoden. 275 solchen. Physiologisch wissen wir über die Bedeutung von Gang- lienzellen in Centralorganen so wenig Sicheres, und über diejenige der uns hier beschäftigenden Gebilde so gar Nichts, dass mir weitere Speeulationen müssig erscheinen. Aber diese Zellen im Verlaufe der Nerven bei Pteropoden und Heteropoden zeigen so wenig Constantes und Gesetzmässiges in ihrem Auftreten, sind bei Cymbulia so willkürlich und wie zufällig angebracht, dass ich mich nicht gut entschliessen kann, in ihnen wirklich Centren, wirk- lich Ursprungsstätten von Nervenfasern zu sehen. Ich möchte in ihnen Reste von Bildungsmaterial erblicken, die vielleicht mit der Ernährung des Nerven in Zusammenhang stehen. Wenn man also daran festhält, dass Ganglienzellen „Centren‘ sind, so kann ich die in Rede stehenden Gebilde nicht dafür erklären. Aber morphologisch fehlt ihnen, wie aus der Beschreibung und den Ab- bildungen hervorgeht, wenig oder nichts zu dieser Qualifieation. Zusammenfassend haben wir also bei den Pteropoden und Heteropoden deutlich fibrillären Bau der grössern, anscheinend homogene Beschaffenheit der feinern Nervenstämme, die aber ihre Zusammensetzung aus Fibrillen an verschiedenen Stellen noch er- kennen lässt; Anhäufungen von Protoplasma an den Theilungs- und Kreuzungsstellen, meist kernlos und in geringer Menge bei Pterotrachea, mit rundlichem, anscheinend solidem Kern bei Cym- bulia, mit bläschenartigem Kern und Kernkörperchen bei Tiede- mannia und Carinaria. Endigungen der Nerven. Diejenigen in den epithelialen Gebilden sind bereits mitgetheilt worden; hier sei nur noch er- wähnt, dass alle Nerven, die zu diesen Gebilden gehen, viel dicker sind als dass man sie für Primitivfibrillen halten könnte; sie müssen noch aus einer grossen Anzahl dieser Letzteren bestehen. Sie haben im Allgemeinen den Oharacter markloser Nervenfasern bei Wirbelthieren, als blasse, mattglänzende, homogene, mässig lichtbrechende Stränge. Das Endnetz der Nerven in der Kopfflosse von Cymbulia und Tiedemannia sieht man frisch im überlebenden Zustand, noch besser und deutlicher, wenn das Präparat einige Stunden in der feuchten Kammer verweilt hat. Es liegt unmittelbar unter dem einfachen Plattenepithel, welches, wie wir gesehen haben, die ganze Flosse überzieht, ein aus sehr feinen Fasern bestehendes, ziem- lich dichtes Netz, von dem etwa zwei Maschen auf eine Epithel- zelle kommen (Fig. XXI, XXVII bei Cymbulia). Die allerletzten Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 24. 15 276 Josef Paneth: und feinsten Fäserchen sind unmessbar dünn und gleichen ganz den Primitivfibrillen der Nervenfasern, sodass ich nicht anstehe sie dafür zu erklären. Bei der Transparenz des Präparats, bei dem Umstand, dass das Epithel im frischen Zustand unsichtbar ist, sieht man das ganze Netz schon bei mässiger Vergrösserung, z. B. mit einer Hartnack VI entsprechenden Linse; andererseits unter- scheidet man auch mit Hartnack X nicht viel mehr Details daran. Die Fasern, die zu „fibrillären“ Zellen gehören, unterscheiden sich dureh ihren vielfach gewundenen Verlauf, dureh ihr stärkeres Licht- brechungsvermögen, durch ihre grössere Dicke sehr präcis von den nervösen; letztere können überdies in allen Fällen zu dem Nerven, aus dem sie durch fortgesetzte Theilung und Verdünnung ent- springen, zurück verfolgt werden. Manche von den feinsten Fäser- chen sind mit kleinen hellen Pünktchen besetzt. Ob es sich um ein wirkliches Netz handelt, d.h. ob die letzten Fibrillen sich mit einander kreuzen oder nur neben einander liegen, vermag ich nicht mit Sicherheit zu sagen, vermuthe aber Ersteres. Freie Endigungen sieht man um so weniger, je stärkere Vergrösserungen man an- wendet; so dass ich, ebenso wie Gegenbaur, als letzte Endigung der Nerven bei den Pteropoden ein Netz beschreiben kann. Es ist mir aber zweifelhaft, ob Gegenbaur wirklich dieses Netz gesehen und Taf. III Fig. 3 abgebildet hat. — Ich habe nie bemerkt, dass von dem von mir beschriebenen Endnetz eine Faser an die Muskeln abgegangen wäre (was Gegenbaur angiebt), und muss überhanpt in ihm einen ausschliesslich dem Gallertgewebe angehörigen Plexus erkennen, der ausser mit Nerven mit keinem Gebilde der Flosse in Zusammenhang steht. Jede Flosse hat natürlich, entsprechend den zwei Lamellen, aus denen sie besteht, zwei solcher Netze. Bei dem Umstand, dass dieser Plexus ziemlich, wenn auch nicht mathematisch genau, in einer Ebene liegt und dass die Fäden aus denen er besteht, immerhin reeht dünn und schwach licht- brechend sind, mag es vielleicht für den Anfang eine kleine Schwierigkeit machen, es zu sehen. Man gelangt aber sicher dazu, am besten, wenn man in einem muskelfreien Zwischenraum, von einem grössern Nerven ausgehend, ihm bis in seine letzten Ver- zweigungen zu folgen sucht. Reagentien leisten sehr wenig. Bei Cymbulia habe ich nach Os-Pikrokarminbehandlung das Netz über- haupt nieht auffinden können; bei Tiedemannia ist es noch nach- zuweisen, aber wegen der Tinction des Epithels und weil sich auch Beiträge zur Histiologie der Pteropoden und Heteropoden. 277 die letzten Ausläufer der „fibrillären“ Zellen färben, weniger gut als im frischen Zustand. Goldbehandlungen leisteten mir Nichts. Bei Carinaria enthält jedes Stückehen der durchsichtigen Körpersubstanz, im überlebenden Zustand beobachtet, ein Netz feinster Fäserchen, an Durchmesser und sonstigem Aussehen den entsprechenden bei Pteropoden ganz ähnlich. Sie stehen im un- zweifelhaften Zusammenhang mit Nervenfasern und Ganglienzellen; auch hier sind häufig, wenn auch nicht immer, die Fäserchen mit klei- nen, stark lichtbrechenden Pünktchen besetzt (Fig. XXV a, b, bei v). Die Flosse von Carinaria ist für diese Untersuchung viel zu un- durchsichtig. Dagegen bilden die Bauch- und Schwanzflosse von Pterotrachea das beste Objeet zur Demonstration und zum Studium dieses Netzes (Fig. XXIXa,b, Fig. XV). Im überlebenden Zustand sieht man schon am ganz frischen Präparat und an frisch einge- fangenen Thieren, und mit mässigen Vergrösserungen, feinste Fäserchen, die an Dieke wiederum, so weit sich Derartiges beur- theilen lässt, den Primitivfibrillen der Nerven gleichkommen. Sie laufen in den verschiedensten Richtungen über und neben einander. Sie sind schwach lichtbrechend und verlaufen ganz geradlinig bis zu den Theilungen, die diehotomisch, meist unter annähernd rechten Winkeln vor sich gehen. In regelmässigen Abständen, bald dichter, bald weniger dicht, sind sie mit kleinen Anschwellungen besetzt, die vollkommen homogen sind und so aussehen, als beständen sie aus der gleichen Substanz wie das sie verbindende Fädchen. Sie sind meistens ganz kuglig, die grössern unter ihnen manchmal in der Richtung des Fäserchen etwas in die Länge gezogen; die grössten haben einen Durchmesser von ungefähr 0,002 mm, von da bis zu den kleinsten Pünktchen sind alle mögliehen Abstufungen vorhanden. Sie sind mattglänzend, ohne scharfen Contour, den man auf eineMembran beziehen könnte; in den grössten liegt mit- unter ein stärker lichtbrechendes Pünktchen (Fig. XXIXa). Die Anordnung dieser Pünktchen und Kügelchen in einer graden Linie ist das Erste, was man von dem ganzen Netz zu Gesichte bekömmt; erst später sieht man auch die verbindenden Fäserchen. Diese liegen in mehreren Lagen neben einander; sie steigen auf und ab; man kann 'aber doch in jeder Flosse zwei soleher Netze unter- scheiden, die den beiden Epithellagen nahe liegen. Uebrigens gilt von diesem Netz bei Pterotrachea was oben von der homologen Bildung bei Oymbulia gesagt wurde: es ist nicht ganz mit Sicher- heit auszumachen, dass es sich um ein Netz — diesen Ausdruck 278 Josef Paneth. streng genommen — handelt; und die Fäserchen desselben stehen weder mit den Muskeln, noch mit dem Epithel, noch mit den Stern- zellen der Gallerte in Verbindung. Besonders ihre Unabhängigkeit von letztern möchte ich betonen. Selbst wenn diese — was nie im frischen Zustand der Fall ist — mit kleinen Anschwellungen besetzt sind und granulirt aussehen, können sie mit den Fasern des varieösen Netzes in keiner Weise verwechselt werden. Denn bei ihnen liegen die Körnchen eng bei einander und sind nicht regelmässig rundlich; übrigens bestehen im Lichtbrechungsvermögen, im Verhalten gegen Färbmittel, im isolirten Verlauf der Ausläufer der Sternzellen, in der Dieke, solche Differenzen, dass eine Ver- wechslung der beiden Gattungen von Fasern ganz unmöglich ist. Vgl. Fig. XV. In den Verlauf des varieösen Plexus sind Kerne eingeschaltet von im Allgemeinen rundlieher Form und im Mittel 0,07 mm Durch- messer, fein granulirt. Dieselben unterscheiden sich von den amöboiden Zellen in der Gallerte erstens dureh ihre geringere Grösse, dann durch den vollständigen Mangel selbständiger Bewe- gung, wovon ich nie eine Spur daran habe sehen können, und durch den Zusammenhang mit den varieösen Fasern. Letztere ent- springen zu zwei oder drei aus diesen Kernen, sind am Ur- sprung etwas dicker (0,002 mm im Durchmesser) und verdünnen sich allmählieh (Fig. XXIXa). Sie sind am Ursprung ein wenig granulirt, als ob sie etwas Protoplasma mit sich genommen hätten. Von den erwähnten Kernen liegen manchmal, besonders häufig am Rande der Bauchflosse, zwei neben einander, so dass sie beide zu- sammen einer in der Mitte getheilten Spindel gleichen. Eine weitere Struetur sieht man weder frisch noch gefärbt in ihnen, vor Allem keine stärker gefärbte Partie, keinen Kern oder Kernkörperchen, sodass sie ganz den Eindruck „freier Kerne“ machen!). Osmium (1:1000 Meerwasser eine Stunde lang) oder Tödten des Thieres in verdünntern Lösungen und Färbung mit Pikrokarmin sind ein vor- zügliches Mittel um dieses Netz deutlich zu machen und zu conser- viren. Es tritt dann am schönsten hervor, wenn die übrigen Ge- bilde schon etwas überfärbt sind und wenn das Epithel verloren gegangen ist, sodass man in der durchsichtigen, farblosen Gallerte Nichts sieht als dieses varicöse Netz und die Ausläufer der Stern- 1) Möglicherweise entspricht die eine der drei von Boll in der Gallerte beschriebenen Zellformen diesen Kernen. Beiträge zur Histiologie der Pteropoden und Heteropoden. 279 zellen, die damit gar nicht zu verwechseln sind (Fig. XXIXa, b, Fig. XV). Dann erscheinen die Fasern ein wenig gefärbt, die Kerne stärker, aber viel liehter und feiner granulirt als die amö- boiden Zellen, von denen sie sich durch ihre regelmässige Form auf den ersten Blick unterscheiden. Die Anschwellungen der Fasern sehen ungefähr so aus wie im frischen Zustand, nur körnig und häufig bläschenartig. Goldehlorid leistet zur Darstellung dieses Netzes in den verschiedensten Anwendungen nichts; an Alkohol- präparaten ist es bei Heteropoden ebenso wie das nervöse Endnetz bei Pteropoden höchstens zu vermuthen, wenn man von seiner Existenz schon weiss. — Auch an gefärbten Präparaten erscheint das varicöse Netz bei Pterotrachea von den Sternzellen ganz un- abhängig (Fig. XV), es liegt in einem ganz andern Niveau als diese. Ich kann das mit um so grösserer Sicherheit behaupten, als ich eine Verbindung zwischen den beiden Gebilden eifrigst gesucht habe, so lange ich die Sternzellen noch für Ganglienzellen hielt. Damit entfällt jede Aehnlichkeit zwischen dem von mir ge- sehenen und dem — angeblich nervösen — Endnetz, welches Leuekart und Edinger, als aus den Ausläufern der Sternzellen gebildet, beschrieben haben. Trotzdem ich bei Pterotrachea den Zusammenhang dieses Endnetzes mit Nervenfasern nicht habe finden können, zweifle ich doch nicht, dass es das Analogon des unzweifelhaft nervösen End- netzes bei Carinaria und bei den Pteropoden darstellt. Lage, Con- figuration, Alles stimmt; besonders ausschlaggebend ist die Aehn- lichkeit mit dem Endnetz bei Carinaria. Somit bilden bei den Pteropoden und Heteropoden die Nerven schliesslich in der Gallerte, d. h. in demjenigen Gewebe, welches bei diesen Thieren das Bindegewebe höherer Thiere vertritt, ein diehtes Endnetz, dessen Fasern — an Dicke den Primitivfibrillen der Nerven gleichend — keinerlei Verbindung mit andern histio- logischen Elementen eingehen. Die Nervenendigung im Muskel. In der Bauchflosse von Pterotrachea sieht man den Nerven in das Muskelbündel eintreten, wobei seine Eintrittsstelle häufig durch eine kleine Anschwellung markirt ist. An Präparaten, die längere Zeit in der feuchten Kammer verweilt haben, sieht man auch wohl den Verlauf desselben innerhalb des Muskels als einen körnigen Strang, der breiter ist als der Nerv und in dem man eine netz- 280 Josef Paneth: förmige Structur vermuthen kann. Dann tritt der Nerv aus dem Muskelbündel heraus und erscheint wieder drehrund, bis er sich in einem benachbarten Muskel auf ähnliche Weise verliert. Das kann sich mehrmals wiederholen; schliesslich gehen die Nerven aus einem Muskelbündel heraus zum Epithel. Dass eine Trennung sensibler und motorischer Nervenstämme nicht besteht, giebt auch Leuekart an. Dabei sind die beiden Lamellen der Flosse ganz unabhängig von einander, nie tritt ein Nerv von der einen zur an- dern über. Die Nerven der Schwanzflosse verhalten sich ganz ähn- lich zu den rippenförmigen Muskeln; ein dünnes Aestchen versorgt 3—4 von diesen, indem es sich von einem zum andern begiebt. Reichere Ausbeute liefert das Studium der Nervenendigung im Muskel bei Pteropoden. Die Nerven einer Lamelle sind wieder von denen der andern ganz unabhängig; das Endnetz entspringt ausschliesslich aus Stämmehen, die schon ein oder mehrere Muskel- bündel versorgt haben. Die vielfachen Verbindungen und Kreu- zungen von Nerven bringen es mit sich, dass hier zunächst ein extramuseuläres Netz entsteht von sehr unregelmässiger Configu- ration, mit Protoplasma und Kernen an den Theilungs- und Kreu- zungsstellen. Die Muskelbündel sind in den Verlauf der Nerven eingeschaltet; es ist nämlieh zunächst sehon (Fig. XXI) an Prä- paraten, die einige Stunden in der feuchten Kammer verweilt haben, deutlich, dass der Nerv, wenn er in der gleich zu be- schreibenden Weise in das Muskelbündel eingetreten ist, nicht endigt, sieh aueh nieht einfach verliert, sondern in demselben als ein körniger, offenbar protoplasmatischer Strang seinen Lauf fort- setzt. Dieser Strang hat keine bestimmte Beziehung zur Längs- richtung der Muskelfasern. Er theilt sich im Innern des Muskel- bündels, tritt in ein dasselbe kreuzendes über. Er tritt aus dem- selben aus, sammelt sich wieder zu einem runden Nerven, geht an ein nächstes Muskelbündel, kreuzt sieh mit andern Nerven '!). Eintritt oder Austritt des Nerven — und nachdem der Nerv mög- licherweise beiderseits aus andern Muskeln kömmt, ist es durch- aus nicht immer möglich zu entscheiden, ob es sich um Eintritt oder Austritt handelt — sind meist, aber nieht immer durch eine hüllenlose protoplasmatische Anschwellung markirt, von unregel- 1) Man sieht hieraus, dass es möglich wäre, den zwischen zwei Muskel- bündeln verlaufenden Nerv als ein Muskelfäserchen besonderer Art aufzu- fassen. Wahrscheinlich ist dieser Irrtthum Gegenbaur widerfahren. Taf. III. Fig. Ila. Beiträge zur Histiologie der Pteropoden und Heteropoden. 281 mässiger Form, im Allgemeinen einem kleinen Hügelehen gleichend (Fig. XVIlla, Fig. XIX, Fig. XX, Fig. XXI bei d). Mancher Nerv bildet sowohl bei seinem Eintritt als auch bei seinem Austritt eine derartige Anschwellung mit einem Kern darin. Diese steht mit dem früher erwähnten protoplasmatischen Randsaum des Muskels in Verbindung (Fig. XVllIa bei p, Fig. XIX). Häufig kann man in dem protoplasmatischen Hügelchen schon im frischen Zustand eine gröber granulirte Basis und eine feiner granulirte Spitze unter- scheiden. Der Kern ist im frischen Zustand unsichtbar. Ferner sieht man häufig den Nerv, der vor seinem Eintritt in den Muskeln ganz homogen erschien, sich dort, wo sich das Protoplasma an- lagert, in seine Fibrillen auflösen und mitunter geht nicht der ganze Nerv in den körnigen Strang über, der von der Eintritts- stelle aus das Muskelbündel durchsetzt, sondern ein Theil der Fibrillen läuft geradlinig weiter und tritt dann wieder zu einem Nerven zusammen. Die Nerven, die in Muskeln eintreten, haben ihrer Dieke nach weder zu diesem, noch zu der protoplasmatischen Anschwellung an der Eintrittsstelle ein vollkommen constantes Ver- hältnis. Manchmal treten auch zwei Nervenstämmchen zur Bil- dung eines Hügelchens zusammen; manchmal liegt es eine kleine Strecke vom Eintritt des Nerven entfernt, und in das Muskelbündel tritt der Nerv von der protoplasmatischen Anschwellung aus ein, nachdem er eine kurze Strecke wieder als runder Strang verlaufen ist. Der Eintritt des Nerven geschieht meist, aber nicht immer, vom Rande her, sodass man ihn meist im Profil zu sehen be- kommt, nur ausnahmsweise en face (Fig. XX1d‘). Die Kerne, wie sie in der Anschwellung am Muskel durch Essigsäure oder Fär- bungen oder auch durch längeres Verweilen in der feuchten Kam- mer sichtbar werden, unterscheiden sich in Nichts von denjenigen die in den ganz ähnlichen, protoplasmatischen Anschwellungen an den Theilungs- und Kreuzungsstellen der Nerven liegen; ihre Grösse, ihr Verhalten gegen Tinetionsmittel sind die nämlichen. Ganz ähnliche Kerne und grössere Anhäufungen von Protoplasma finden sich auch in den körnigen Strang eingeschaltet, der als Fort- setzung des Nerven den Muskel durchzieht (Fig. XIXK‘). Eine Verwechslung mit Muskelkernen ist natürlich ganz unmöglich. In alledem herrscht durchaus keine Regelmässigkeit; man sieht oft ein Muskelbündel in sehr geringer Entfernung von zwei Nerven durchsetzt, dann wieder auf weite Strecken keinen Nerv. Im All- gemeinen sieht man die kömigen Stränge im Muskel nur dann 2382 Josef Paneth: deutlich, wenn sie einigermaassen dick sind; aber man bekömmt sowohl an ungefärbten, als auch an Präparaten, die nach sofort anzugebenden Methoden behandelt sind, die Vorstellung, dass diese Stränge eigentlich im Innern des Muskelbündels ein reichverzweigtes Netz bilden. ich habe mich es ziemlich viel Zeit und Mühe kosten lassen, Goldmethoden auf dieses Objeet anzuwenden. Obwohl ich auf sehr mannigfaltige Weise Versuche anstellte, an frischen und gehärteten Präparaten, im Finstern und im Lieht redueirte, mit verdünnten und mit coneentrirtern Lösungen, ist es mir doch nieht gelungen, zu eonstanten Resultaten zu gelangen. Indessen haben mir zwei Methoden wenigstens hier und da Brauchbares geliefert. Die eine ist von Ranvier!) angegeben und besteht bekanntlich darin, dass das Präparat frisch in filtrirten Citronensaft kömmt, worin es eine halbe Stunde bleibt. Dann kömmt es auf eben so lange Zeit in 1/,0/, Goldehloridlösung und wird in verdünnter Essigsäure im direeten Sonnenlicht redueirt; es wird in Glycerin aufbewahrt, dem etwas Ameisensäure zugesetzt ist und hat sich darin ziemlich gut gehalten. Die zweite Methode besteht darin, dass die Thiere durch Zusatz von etwas Goldchlorid zu dem Meerwasser, in dem sie sich befinden, getödtet werden und 18—24 Stunden darin bleiben. Die weitere Behandlung ist die gleiche wie zuvor. Sehr intensives Sonnenlicht scheint mir zum Gelingen der Operationen nöthig zu sein. Nach der ersten Methode sind die Nerven dunkelviolett bis schwarz, leider auch die Muskeln stark gefärbt, nach der zweiten bleibt Alles viel lichter. An gelungenen Präparaten, die nach einer der beiden Metho- den hergestellt sind, sieht man nun an Stelle des protoplasmatischen Stranges ein engmaschiges Netzwerk das Muskelbündel durch- setzen, aus sehr feinen Fibrillen gebildet. Die Maschen desselben haben einen Durchmesser von 0,005—0,015m, so dass in jeder einzelnen eine bis drei Muskelfasern stecken. Sie sind meist rund- lich-polygonal, seltener länglich. Wie viele von ihnen neben ein- ander liegen, hängt von der Dieke des Nerven ab, aus dem das Netz herhorgeht. Die Ebene, in der die Maschen liegen ist unter verschiedenem Winkel gegen die Ebene des Muskels geneigt, man sieht also die Maschen weder ganz en face, noch ganz im Profil, 1) Trait&e technique d’histologie. Deutsch von Nicati und Weiss, NS. 786. Beiträge zur Histiologie der Pteropoden und Heteropoden. 283 so dass die Angaben über ihren Durchmesser nicht sehr genau sein können. Neben und in ihnen liegt noch eine geringe Quan- tität körniger Substanz, wahrscheinlich das coagulirte Protoplasma; in grösserer Menge in der Umgebung der vorerwähnten Kerne. Die Fibrillen des Netzes sind sehr scharf gezeichnet und in verschie- dener Intensität roth, violett, bis schwarz gefärbt. Die Maschen scheinen alle geschlossen zu sein. Auch sieht man, wie bereits erwähnt, manchmal einen Theil der Fibrillen geradlinig durch den Muskel hindurehziehen; wenn dieser sehr dünn ist, besteht das Netz nur aus 3—4 Reihen Maschen neben einander. Am besten habe ich übrigens alle diese Verhältnisse an einem Präparat gesehen, von dem Fig. XIX entnommen ist. Es war dadurch erhalten, dass ich eine Cymbulia in einer Lösung von ÖOsmiumsäure in Meerwasser 2:10000 tödtete und 7 Stunden darin liess, hierauf mit Pikrokarmin färbte. Hier war mit den Muskel- fasern die früher besprochene Veränderung vor sich gegangen, der zufolge der gefärbte Inhalt sich an einzelnen Stellen ansammelt, die dazwischenliegenden ungefärbt erscheinen. Nun lag gerade an einer solchen Stelle der Eintritt des Nerven und das den Muskel durchsetzende Netz; und man konnte die einzelnen Fibrillen ver- folgen, die Beschaffenheit einer Theilungsstelle, das Vorhandensein von etwas protoplasmatischer Substanz sehr gut feststellen. Aber an diesem sehr klaren und starken Vergrösserungen zugänglichen Präparate ebensowenig wie an den mit Goldehlorid behandelten war ich im Stande zu sehen, dass eine Fibrille sich von dem Netze losgelöst hatte und in unmittelbarem Zusammen- hang mit einer Muskelfaser stand; vielmehr erschienen alle Maschen geschlossen. Hat man sich einmal dieses Netz bei Cymbulia gut zur An- sicht gebracht, so sieht man dasselbe — und überhaupt ganz ähn- liche Verhältnisse — in gleicher Beschaffenheit auch bei Tiede- mannia, an Präparaten, die mit Osmium und Pikrokarmin dar- gestellt sind. Am vortheilhaftesten sind jene Stellen, wo die ein- zelnen Muskelbündel sich aus der compacten Lamelle, die die Basis bildet, lösen. Endlich glaube ich, dass auch bei Pterotrachea der körnige Strang, der den Muskel durchsetzt, ein Netz von ähnlichem Cha- racter bedeutet, wie das bei Cymbulia. Ich kann es aber nur ver- muthen; der direete Nachweis ist mir nicht gelungen. Beschreibungen der Muskelinnervation bei Pteropoden und * 254 Josef Paneth: Heteropoden haben Leuckart und Gegenbaur in wenigen Worten gegeben. Ersterer (für Pterotrachea) giebt an!), dass die Nerven- fasern sich an eine Muskelzelle anlegen und mit derselben ver- schmelzen, indem die äusseren Hüllen beider Gebilde in einander übergehen (ohne Abbildung). Letzterer, für Pteropoden (ebenfalls ohne Abbildung), lässt?) feine Fäden des peripherischen Netzes an die verästigten Muskelfasern treten und mit ihnen verschmelzen. Die Angabe Edingers wurde bereits oben zurückgewiesen. Die characteristischen Eigenthümlichkeiten der Innervation der Mus- kulatur sind also bis jetzt nicht aufgefallen. Etwas ähnliches wie ich bei Heteropoden und Pteropoden scheint Quatrefages bei Eolidina poradoxa gefunden zu haben?). Seine Beschreibung lautet wie folgt: „On voit par mon dessin, que le nerf, arrive pres de son extremite augmente en diametre, de maniere A former un cöne dont la base se confond avec la sub- stance m&me du muscle.“ Seine Zeichnung (Pl. 11, Fig. 12) zeigt ein Bild, das ebensogut bei den Pteropoden vorkommen könnte; eine kernlose, etwas granulirte Anschwellung eines ziemlich dicken Nerven, dort wo er an denMuskel herantritt, an dem eine Längs- streifung angedeutet ist. Doch ist Quatrefages noch nicht zur Anschauung gelangt, dass der Muskel aus contractilen Faserzellen besteht und hat eine Fortsetzung des Nerven im Muskel selbst weder gesehen noch abgebildet. Greefft) bezweifelt die Richtig- keit der Beobachtung von Quatrefages und wollte dieselbe auf das Vorkommen verzweigter Muskelfasern zurückführen. Boll?) er- wähnt, bei einer Dorisart gefunden zu haben, dass ungefähr in der Mitte der einfachen Muskelfasern an denselben konische An- schwellungen auftreten (ohne Kern), zu denen ausserordentlich feine Fasern verlaufen; hierin erblickt er, trotzdem der Zusammen- hang mit Nerven nicht nachgewiesen wurde, die Nervenendigung bei diesem Thiere, und verwahrt sich dagegen, denselben Irrthum be- gangen zu haben wie angeblich Quatrefages, nachdem es bei 1).a. 8, 0.9.27. 2) 2.220. 3) Quatrefages, Note sur l’Eolidina paradoxa. Annales des sciences naturelles. 1843. I. p. 300. 4) Greeff, Zur Frage über die Endigung der Muskelnerven. Arch. f. mikr. Anatomie I. S. 436. 5) a. a. 0. S. 36 und Taf. II, Fig. 20. Beiträge zur Histiologie der Pteropoden und Heteropoden. 235 Doris an dieser Stelle keine verästigten Muskelfasern gibt. Seine Abbildung entspricht seiner Beschreibung und zeigt, dass er jeden- falls etwas anderes gesehen hat als Quatrefages oder ich. In der protoplasmatischen Anschwellung des Nerven bei seinem Eintritt in das Muskelbündel erkenne ich das Analogon des Doy&re’schen Hügels. Hierbei denke ich nieht sowohl an das Gebilde, das bei höhern Wirbelthieren und Arthropoden mit diesem Namen bezeichnet wird, als vielmehr an dasjenige, was Doye&re!) selbst mit folgenden Worten beschrieben hat: „An moment d’arriver sur le muscle, le nerf s’&panouit et prend l’aspect d’une matiere gluante, on visqueuse, qui serait coul&ee sur le muscle, l’envelop- perait dans certains cas, le plus souvent s’tendrait sur une de ses faces, de plus en plus mince. Cette substance chez un Tardigrade engourdi parait granulee ou ponctuee, comme les ganglions eux- mömes.‘‘ WUebereinstimmend damit in allen Puneten lauten Be- schreibung und Zeichnung Greeffs?). Ich bemerke noch, dass nach beiden Beschreibungen die Muskeln der Tardigraden in dem für die Untersuchung geeigneten Zustand des Thieres (Erstarrung durch Sauerstoff-Entziehung) structurlos und glatt erscheinen; die Nerven sind marklos. — Quatrefages analogisirt gleichfalls seine Beobachtung mit der von Doyere; Leuckart die seinige mit denen von Doy£re und Quatrefages. Für alles Weitere kömmt es nun darauf an, ob ich dem, was ich gesehen habe, mehr traue, oder den zahlreichen Analogieen, die dagegen sprechen. Ist das Netz im Muskel wirklich die Endi- gung des Nerven, oder treten letzte Fäserchen desselben mit ein- zelnen Muskelfasern in Verbindung? Alle neuern Untersuchungen über Nervenendigung in glatten Muskelfasern stimmen darin über- ein, dass Letzteres der Fall ist. Ich verweise nur auf die Zu- sammenstellung Ranviers?) und eine Arbeit Lustigs?). Freilich gehen die Ansichten noch über den speciellen Modus der Inner- vation auseinander, sind aber darüber einig, dass jede glatte 1) Doy&re, Memoire sur les Tardigrades. Annales des sciences natur- elles XIV, 2. 2) Greeff, Ueber das Nervensystem der Bärthierchen. Archiv f. mikr. Anat. 1. S. 101. 3): 2:.2:.0238.4156; 4) Ueber die Nervenendigung in den glatten Muskelfasern. Sitzungsber. Wiener Academie 1881. III. Heft. März. 286 Josef Paneth: Muskelfaser eine ihr zugehörige Nervenfaser erhält. Würde ich mich nun zu der Ansicht bekennen, dass das Gleiche auch für Pteropoden und Heteropoden gelte, so wäre das Netz, das der Nerv im Muskel bildet, ein intramuseuläres Nervennetz, das sich indess von anderen, in glatten Muskelfasern verlaufenden Netzen, wie sie beschrieben worden sind, vielfach unterscheidet; durch seine Ge- drängtheit, regelmässige Anordnung, seine Zusammensetzung aus gleich dieken Fibrillen u. s. f. Nehme ich hingegen durch meine ausschliesslich negativen Befunde als bewiesen an, dass es sich um ein Endnetz handelt, dann haben wir bei den Pteropoden, wahr- scheinlich auch bei den Heteropoden, eine Innervation des Muskels, die von dem, was darüber bei andern Thierklassen, vor Allem bei Wirbelthieren bekannt ist, in den wesentlichsten Punkten differirt. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XIV, XV, XV. Die meisten Contouren sind mit der Camera lucida aufgenommen. Die römische Ziffer bedeutet Objectiv, die arabische Ocular nach Hartnack- scher Bezeichnung. Die Zahlen bedeuten die Vergrösserung der Zeichnung. Die Messungen sind mittelst Ocularmikrometers gemacht. Fig. 1. Museulatur der Flosse von Pterotrachea mutica. Osmium-Pikro- karminpräparat. 10. r der freie Rand der Flosse. Ries I; Muskulatur der Flosse von Cymbulia. Osmium - Pikrokarmin- präparat. 10. r der freie Rand der Flosse, n ein Nerv, aus einem Muskelbündel kommend. Fig. II. Ein Gefäss aus der Flosse von Tiedemannia. Os. 1/,0/, 5 Minuten lang, Pikrokarmin. 2. VI. 140. Fig. IVa. Epithel der Flosse von Uymbulia. Os. 1:7000 Meerwasser 8 St. Pikrokarmin. 2. VIII. 280. Fig. IVb. Dasselbe nach 24stündiger Maceration in Pikrokarmin. 2. VI. 140. Fig. IVe. Epithel von dem pigmentirten Theil der Schwanzflosse von Pte- rotrachea mutica, überlebend. 2. VIII. ca. 250. ige. V: Rand der Schwanzflosse von Pterotrachea coronata, überlebend. 2. X. ca. 250. Fig. VIa. Dasselbe. Os. 1:1000 Meerwasser 30 Minuten, Pikrokarmin. 2. VI ca. 250. Fig. VIb. Dasselbe. Os. 1:500 gewöhnliches Wasser 5 St. Pikrokarmin. 2. VIII. ca. 250. Beiträge zur Histiologie der Pteropoden und Heteropoden. 287 Fig. VII. Fig. VIIIa. Fig. VIIIb. Fig. X. Fig. Xlla. Fig. XIlb. Fig. XI. Fig. XIVa. Fig. XIVb. Fig. XIVe. Fig. XV. Fig. XVI. Fig. XVlla. Fig. XVIIb. Fig.XVIlla. Rand der Flosse von Cymbulia, überlebend. 2. VI. 140. Aeusserster Rand der Kopfflosse von Cymbulia Os. 30/, 1 Minute. Pikrokarmin. 2. VI. 210. k die Kerne des Plattenepithels, das die ganze Flosse überzieht, r das Epithel, das den äussersten Rand bildet, p das Uebergangsepithel. Die Basis der grossen cylindrischen Zellen an der Kopfflosse von Cymbulia, Os. 1:1000 Meerwasser 1 St. Pikrokarmin. 2. VI. 210. m eine Muskelfaser, leine cylindrische Zelle, die über den andern liegt, s amöboide Zellen. Dasselbe, stärker vergrössert. 2. X. ca. 500. Bezeichnung die- selbe. Schnitt durch den Rand der Kopfflosse von Cymbulia. Os. 1:1000 Meerwasser 1 St. Pikrokarmin. Alkohol. 2. VIII. 640. Bezeich- nung dieselbe. Schnitt durch einen Hauthügel von Pterotrachea coronata. Alauncarminosmiumpräparat. 75. f der fadenförmige Fortsatz, g die Basis des Hügels. Eine Partie der Basis stärker vergrössert. ca. 250. s die grossen Zellen, t die eingeschobenen, Flimmerhaare tragenden Zellen. Eine Partie des fadenförmigen Fortsatzes. ca. 250. Alaunkar- minosmiumpräparat. Eine Hautdrüse von der Flosse von Tiedemannia Os. 1:200 5 Minuten. Pikrokarmin. 2. VI. 210. n Nervenstämmchen. Eine Hautdrüse auf der Kopfflosse von Cymbulia Os. 1/90/o 5 Minuten. Pikrokarmin. 2. VI. 210. Dasselbe Os. 3:10000 Meerwasser 10 Stunden. Pikrokarmin. 2. VIII. 390. Dasselbe. n Nerv in Verbindung mit einer Zelle. Sternzelle (s) und varicöses Netz mit einem Kern (v) aus der Bauchflosse von Pterotrachea, nahe dem Rande. 3.'VI. ca. 300. Os. 1:1000 Meerwasser 1 St. Pikrokarmin. Die Ausläufer der Sternzelle sind nicht so lang gezeichnet, als man sie verfol- gen kann. Sternzelle aus der Schwanzflosse von Pterotrachea coronata. Os. 1:1000 Meerwasser 1 St. Pikrokarmin. Eine „fibrilläre“ Zelle aus der Flosse von Tiedemannia. Os. 3:10000 Meerwasser 16 St. Pikrokarmin 2. VI. 140. Durch Trennung der beiden Lamellen der Flosse freigelegt. Die Aus- läufer der einen Zelle nicht ganz gezeichnet, dafür die Endstücke der Ausläufer zweier benachbarter. Ein Ausläufer stärker vergrössert. 2. X. ca. 450. Eine Stelle, wo der stärker gefärbte fibrilläre Inhalt aufhört und die Contour leer weiter zieht. Muskelbündel aus der Kopfflosse von Cymbulia, überlebend. 2. VII. 210. n Nerv mit seiner protoplasmatischen Anschwellung, Hr Fig. XVIIIb. Fig. XVII. Fig. XIX. Fig. XXII. Fie. XXIlla. Fig.XXIIb. Fig. XXIV. Fig. XXVa. Fig. XXVb. Fig. XXVI. Fig. XXVII. Eig. XXIXa. Fig.XXIXb. Josef Paneth: Beiträge zur Histiologie etc. p Protoplasmasaum entlang dem Muskelbündel, d Anschwellung des Nerven, wo er an das Muskelbündel tritt. Dasselbe, nach Maceration in Glycerin und Salpetersäure zu glei- chen Theilen. 2. VI. ca. 250. Dasselbe, nach Behandlung mit Chromessigsäure und Alkohol, Färbung mit Boraxcarmin. 2. VI. ca. 250. Dasselbe, ebenso behandelt, mit einer Nervenendigung. 2. VII. ca. 350. n Nerv, p Protoplasmasaum, d Anschwellung des Ner- ven, wo er ins Muskelbündel eintritt, k Muskelkern, k! kernhal- tige Protoplasmaansammlung in dem Nervennetz. Dasselbe. Os. 1:1000 Meerwasser 1 St. Pikrokarmin. n Nerv, d Anschwellung desselben beim Eintritt in den Muskel. Zwei sich kreuzende Muskelbündel. von Cymbulia nach 24stün- digem Aufenthalt in der feuchten Kammer. 2. VI. ca. 150. n Nerv, d Anschwellung desselben bei seinem Eintritt in das Muskelbündel im Profil, dag en face gesehen. Muskelbündel aus der Flosse von Tiedemannia. Os. 3:10000 Meer- wasser 16 St. Pikrokarmin. Muskelfasern (?) aus der Körpersubstanz von Pterotrachea coro- nata nahe dem Ansatz der Flosse nach wiederholter Behandlung mit Goldehlorid und Essigsäure in sehr verdünnten Lösungen in Meerwasser. 75. n Nerv. Eine Zelle aus der bei a dargestellten Gruppe. 220. Kerne und Protoplasma im Verlaufe von Nervenfasern aus der Flosse von Cymbulia. Os. 3:10000 24 St. Pikrokarmin. 2. VIII. 350. Ein grösserer Nervenstamm mit angelagerten Ganglienzellen aus der Körpersubstanz von Carinaria, überlebend. 2. VI. 180. Ein kleinerer Nerv von demselben Ort. 2. V1. 180. Bei v Ueber- gang in das varicöse Netz. Hauptnerv der Schwanzflosse von Pterotrachea mutica, mit ange- lagerten Ganglienzellen, überlebend. 2. VI. ca. 180. Das Endnetz der Nerven in der Kopfflosse von Cymbulia, feuchte Kammer, 3 Stunden nach Anfertigung des Präparats. 2. X. Das varieöse Endnetz der Nerven in der Schwanzflosse von Pte- rotrachea coronata, überlebend. 2. VII. ca. 350. Es ist nur soviel davon gezeichnet, als annähernd in einer Ebene zu lie- gen schien. Kerne des varicösen Netzes von demselben Orte. Os. 1:1000 Meerwasser 1 St. Pikrokarmin. 2. VIII. ca. 350. Beiträge z. Kenntniss d. Epitrichiums u. z. Bildung d. Vogelschnabels. 289 Beiträge zur Kenntniss des Epitrichiums und der Bildung des Vogelschnabels. Von Edward G. Gardiner aus Boston, U. S. of A. Hierzu Tafel XVII und XV. Die Bildung des Epitrichiums bei Hühnchen. Als ich unter der Leitung des Herrn Prof. Hyatt in Boston U. S. A. die Entwickelung des Hühnchens studirte, fiel mir die ausserordentliche Dicke des Epitrichiums, welches das Horn des Schnabels während des Embryonallebens umhüllt, auf, und seit ich unter der Leitung des Herrn Prof. Leuckart jene Untersuchungen fortsetzte, habe ich mich bemüht, nicht nur die Verhältnisse dieser Schicht bei verschiedenen Thieren zu studiren, sondern namentlich auch für die erste Entstehung derselben eine Erklärung zu ge- winnen. Obgleich diese Schicht bei den Säugethieren schon vor vielen Jahren beobachtet worden ist, war doch Kerbert (1) der erste, welcher die Anwesenheit eines eigentlichen Epitrichiums bei Vögeln und Reptilien erkannte. In Bezug auf die Deutung des Ursprungs dieser Schicht war er jedoch, wegen der damaligen unvollkommenen Beobachtungen über diesen Gegenstand, einigermassen im Irrthum. Er setzte voraus, dass im Anfang bei allen Wirbelthieren die Epidermis zweischichtig wäre und dass die äussere Schicht nicht der „Hornlage“ des ausgewachsenen Thieres, sondern dem Epi- triehium entspräche. Die untere Schicht, sagte er, sei zu gleicher Zeit Hornschicht und Rete Malpighii, da aus ihr die zukünftige Schleim- und Hornschicht entstände; mit anderen Worten, die äusserste Schicht könne nur als ein Ueberrest des primitiven Epi- Archiv f, mikrosk. Anatomie. Bd, 24. 19 290 Edward G. Gardiner: blasts und nicht als ein Product der Schleimschicht betrachtet werden. Bei der Beurtheilung dieser Angabe müssen wir uns erstens vor Augen halten, dass Kerbert’s Untersuchung gemacht wurde, ehe noch Balfour und neuere Forscher das Dunkel, das auf einem bis dahin durchaus nicht erforschten Feld herrschte, gelichtet hatten, und zweitens, dass Kerbert sich überhaupt nicht die Aufgabe gestellt hatte, die ersten Stadien der Hautentwieklung zu unter- suchen, er deshalb nur annehmen konnte, was die älteren For- scher darüber gesagt hatten, nämlich dass bei allen Wirbelthieren die Haut im Anfang zweischichtig sei. Jeffries (2) ist ausser Kerbert meines Wissens der einzige Beobachter, der diese Schieht von den Vögeln beschrieben, aber sehr wenig zu dem, was Kerbert darüber bekannt gemacht, hin- zugefügt hat. Von der früheren Entwickelung sagt er nur, dass ungefähr am zweiten Brütungstage das einzellige Epiblast in zwei Schichten zerfällt; nämlich in eine Sekleimschicht und in ein Epi- trichium. Am fünften Brütungstage fängt die Schleimschicht an, eine Hornschicht zu bilden, welehe während des Embryonallebens von dem Epitrichium bekleidet bleibt. Obgleich viele Forscher die späteren Perioden der Hautent- wiekelung bei verschiedenen Thieren geschildert haben, ist es mir, soweit ich im Stande war die vorhandene Literatur zu ergründen, nicht gelungen, eine vollständige Beschreibung des früheren Sta- diums bei Vögeln und Säugethieren zu finden. Balfour (3) sagt, dass bei allen Wirbelthieren (ausser den Anuren, Teleostiern und unter den Ganoiden Aecipenser und Lepi- dosteus) das Epiblast im Anfang blos aus einer einzigen Zellen- schicht besteht. An einer andern Stelle, wo er von derselben Sache spricht, bemerkt er: „Das Epiblast des Embryonallebens zerfällt, obgleich es mehrere Lagen mächtig ist, doch erst während des späteren Embryonallebens in zwei Schichten“. Mehr sagt er nicht darüber. Obgleich Kölliker (4) kein so umfassendes Gesetz aufstellt, hat auch er das Epiblast bei Vögeln und Säugethieren im Anfang als zweischichtig beschrieben. Ueber die Entwickelung der Hühn- chenepidermis sprieht er nicht, aber von der Epidermbildung der Säugethiere giebt er folgende Beschreibung. „Die Oberhaut beim Menschen besteht im ersten und im An- Beiträge z. Kenntniss d. Epitrichiums u. z. Bildung d. Vogelschnabels. 291 fange des zweiten Monats aus einer einfachen Lage sehr zierlicher, zart contourirter, polygonaler Zellen von 27—45u Durchmesser, mit runden Kernen von 9—13u und Kernkörperehen. Unter der- selben zeigen sich, in einfacher zusammenhängender Schicht, klei- nere Zellen von 6,35—9,0« mit runden Kernen von 3,0—4,5u als erste Andeutung der Schleimschicht“. Nach dieser Darstellung will es fast scheinen, als ob die äussere Schicht polygonaler Zellen nichts anderes als das primitive Epiblast wäre, welches während dieser zwei Monate sich sehr wenig verändert hatte. Ferner sagt er noch, „bei etwas älteren Embryonen (von 6—7 Wochen) sind zum Theil die Verhältnisse ganz die geschilderten, zum Theil ist die äussere Zellenschieht wie im Absterben begriffen, mehr einer homogenen Membran gleich mit verwischten Zellen- eontouren und undeutlichen Kernen, während allem Anscheine nach, unter ihr, eine neue ähnliche Schicht, nur mit kleineren Zellen sich heranbildet“. An derjenigen Stelle, an welcher er von der Vernix caseosa spricht, sagt er, dass die polygonalen Zellen, „die im zweiten bis vierten Monate in ein fast structurloses Häutchen sich umbilden‘“, sehr bald verschwinden — wahrscheinlich abgestossen werden. Wenn ich Kölliker richtig verstanden habe, so ist er der Meinung, dass die Schleimschieht nur als Abkömmling der primi- tiven Epiblastzellen zu betrachten sei, und dass sich, nachdem diese Schleimschicht sich gebildet hat, die primitiven Zellen eben so verhalten wie die embryonalen Hornschichtzellen, die sich später entwickeln. Ganz anders ist die Schilderung, welche Gref- burg (5) über die Epidermbildung gegeben hat. Obgleich die Aufgabe, die er sich stellte, nur die Haut- und Drüsenbildung bei Menschen betraf, so wurde derselbe doch aus Mangel an frühzei- tigen Embryonen gezwungen, die ersten Stadien der Hautentwicke- lung an Hühnchen zu studiren. Er sagt, dass bei Säugethieren das äussere Keimblatt im Anfange aus einer einzigen Zellenlage besteht, und dass, bis der Embryo eine Länge von 2cm erreicht hat, die Epidermis eine einzige Schicht von Cylinderzellen bleibt. Beim Hühnchen jedoch tritt die erste „Vermehrung“ der Zellen dieser Schicht ungefähr zur Zeit des vierten Brütungstages ein. Wenn der Embryo ungefähr dieses Alter erreicht hat, bildet 292 Edward @. Gardiner: sich auf der Oberfläche der Cylinderzellen eine aus platten „Schüpp- chen‘“ bestehende Zellenlage, worüber er folgendes bemerkt: „Die kleinen Schüppchen auf der Oberfläche können nur als Abkömm- linge von den Cylinderzellen betrachtet werden.“ Ferner sagte er: „Diese Schüppchen zeigen sich schon frühzeitig mehr oder weniger abgehoben und bilden im Verlaufe der Entwickelung einen integri- renden Bestandtheil der Vernix caseosa.“ „Es ist hier zu bemerken, dass der Abschuppungsprocess sehr frühzeitig beginnt.“ Hieraus würde sich, seiner Meinung nach, ergeben, dass die Cylinderzelllage ohne Zwischenstadium sich direet in Schleim- schicht verwandelt, und dass die ersten Zellen, welche abgestossen werden, von der Schleimschicht gebildet sind. Dieses ist gerade das Gegentheil von dem, was Kölliker bei Säugethieren beschrie- ben hat. Die auseinandergehende Meinung der beiden Beobachter veranlasste mich, nun auch meinerseits die erste Hautentwicklung bei Hühnchen zu studiren. Das Resultat meiner Untersuchung hindert mich, dem einen oder andern der beiden Forscher zuzustimmen, da, wie ich später zu beweisen hoffe, die primitiven Epiblastzellen weder eine oben- liegende Zelllage der Schleimschicht bilden, noch sich in die eigentliche Schleimschicht verwandeln, sondern sich so abtheilen, dass die Identität dieser Schicht vollkommen verloren geht. Nach Balfour (3) besteht zur Zeit, wo das Ei abgelegt wird, das Epiblast aus einer einzigen Oylinderzellenschicht. Während des ersten Brütungstages fängt diese Schicht nicht nur an, sieh auszubreiten, sondern zerfällt in eine zweizellige Schicht; weiter theilt er uns über diese Verhältnisse nichts mit. Meine Untersu- chung hat mir nun gezeigt, dass diese Veränderung auf folgende Art vor sich geht. In demjenigen Theile des Epiblasts, wo die Medularplatte sich bilden wird, tritt erst eine Zelltheilung ein, und von hier aus nach der Peripherie verbreitet sie sich ganz rasch. Die Zellen theilen sich so ab, dass aus den Cylinderzellen zwei Schichten spindelförmiger Zellen entstehen. Fig. 8 (eine schematische Abbildung) wird diese Veränderung deutlicher ver- anschaulichen. Die stärkeren Linien repräsentiren die primitiven Cylinder- zellen, und die feinen schrägen Linien stellen die Richtung dar, Beiträge z. Kenntniss d. Epitrichiums u. z. Bildung d. Vogelschnabels. 293 in welcher diese Theilung sich vollzieht. In diesem Stadium hat die Fläche des Epiblasts eine Breite von 6,0—8,0mm und eine Dicke von 0,03—0,02mm. In der Mitte, wo schon die Andeutung der zukünftigen Me- dularplatte zu erkennen ist, ist die Schicht am dieksten, aber von hier aus nach der Peripherie, wo am Anfang die Zellen mehr euboidisch als eylindrisch sind, verdünnt sich die Zelllage. So wie die Entwiekelung fortschreitet, wächst das Epiblast rasch, und dehnt sich über den Dottersack aus. Diese Ausdehnung äussert sich auch dureh die Dünne der Schicht, deren Zellen etwas abgeplattet erscheinen, wie Fig. 9 zeigt. In der Nähe der Peripherie wird diese Erscheinung noch deutlicher (Fig. 10), und an der Peripherie selbst wird die Schicht einzellig. Mit diesem Theil stehen die in der Mitte liegenden, zur Me- dularplatte bestimmten Zellen in grossem Kontrast. Sie sind spindelförmig, sehr eng an einander gepresst und liegen immer mit der längeren Axe senkrecht zur Schichtfläche. Hier müssen wir in der Schilderung inne halten, um unsere Aufmerksamkeit auf die vorher beschriebenen Eigenthümlichkeiten zu lenken, und soweit es möglich ist, dieselben zu erklären. Kollmann (6) kam zu dem Schluss (und meiner Meinung nach hat er auch dessen Richtigkeit vollständig bewiesen), dass in der Epidermis die Form der Zellen immer von dem Druck, resp. dem Zuge, dem dieselben unterworfen sind, hervorgebracht wird. Um seinen Schluss zu erläutern, führte er ein Beispiel der Wirkung des Druckes an, welches, da es Prinzipien enthält, auf die in dieser Arbeit sehr häufig Bezug genommen werden muss, ich mir wörtlich zu eitiren erlaube. „Das obere Keimblatt besteht zur Zeit und in der Gegend der Primitivstreifenbildung aus verlängerten, eng an einander gepressten, mit ihren Längsaxen senkrecht gestellten Pyramiden- zellen. Längs des in der Anlage begriffenen Primitivstreifens nun tritt ein von dem genannten Keimblatt ausgehender, das Gebiet der Primtivrinne einnehmender und sie überschreitenden Zellen- erguss in der Tiefe auf, welcher dem mittleren Keimblatt ganz oder vielleicht nur theilweise den Ursprung giebt. Es ist nun inter- essant, die Formen der unter raschen Theilungen aus dem Ver- band mit dem oberen Keimblatt gelösten, in ihrem gegenseitigen 294 Edward G. Gardiner: Zusammenhang gelockerten Elemente des Zellenergusses mit jenem des oberen Keimblattes zu vergleichen. Statt pyramidenförmiger Elemente begegnen wir nunmehr sehr verschiedenen Zellen- formen.“ „Dieselben sind spindelförmig, rundlich, multipolar u. s. w, weit entfernt davon, eine epitheliale Membran darzustellen, wie ihre Ursprungsstätte sie uns zeigt. Die Zellen des Ergusses treten erst später wieder, und nachdem sie sich über weite Strecken ausgebreitet haben, zur Bildung epitlielialer Membranen zu- sammen.“ „Nunmehr nehmen sie auch wieder Formen an, welche den Zellen ihrer Ursprungsstätte ähnlich sind. Mit andern Worten: Aus einem Verbande befreit, in welchem die einzelnen Zellen einem hauptsächlich in querer Richtung wirksamen Seitendruck unterworfen waren, nehmen sie, sich selbst überlassen, andere Formen an. Einem erneuerten, in derselben Richtung wirkenden Seitendruck ausgesetzt, tragen sie sofort die Spuren desselben an sich und kehren zu ähnlichen Formen zurück, von welchen sie ausgingen.“ Nun finden wir, dass in dem Epiblast ganz äbnlich die Wirkung eines solchen Druckes zu erkennen ist. Wenn wir einen Blick auf den Querschnitt werfen, welcher von dem zuletzt beschriebenen Stadium genommen ist, so finden wir, dass die in der Mitte liegenden Zellen starke Spuren eines Seitendruckes zeigen. An dieser Stelle sind die Zellen spindelförmig und liegen mit ihren längeren Axen immer senkrecht zur Oberfläche; aber von hier nach der Peripherie werden sie breiter und immer breiter, und endlich stehen die Längsaxen der Zellen mit der Schichtfläche parallel. Betrachtet man die Umstände näher, unter denen das Epiblast sich entwickelt hat, so erklärt sich die Ursache dieser Eigenthüm- lichkeiten. Hier an der Medianlinie, wo das zukünftige Medularrohr sich bilden wird, ist die Entwicklung weiter vorgeschritten, und die Activität der Zellen viel grösser, als in andern Theilen des Blasto- derms. An dieser Stelle vermehren sich die Zellen auch rascher. Demzufolge ist der Seitendruck, dem die Zellen unterworfen sind, natürlich auch grösser als anderswo. Je weiter man sich von der Medianlinie nach der Peripherie hin entfernt, desto weniger Activität zeigen die Zellen und desto weniger Seitendruck macht Beiträge z. Kenntniss d. Epitrichiums u. z. Bildung d. Vogelschnabels. 295 sich bemerkbar. Wie schon erwähnt worden ist, wächst das Epi- blast ganz rasch über den Dottersack hinweg. Obgleich es offen- bar ist, dass die der Peripherie näher liegenden Zellen von den- jenigen, die nicht soweit von der Medianlinie entfernt sind, durch Zellentheilung hinweggeschoben werden, so zeigen sie in ihrer Form doch keine Spur von Seitendruck; im Gegentheil sind sie in der Regel fast abgeplattet. Wenn irgend etwas die Zellen am Herausrücken nach der Peripherie hinderte, so würde sich ihre längliche Gestalt in eine euboidische verwandeln. Bald tritt ein neuer, bei der Erörterung dieses Gegenstandes zu berücksichtigender Factor ein, die Wuche- rung des Mesoderms nämlich. (Da der Gegenstand, den wir in diesem Theil der Arbeit behandeln wollen, nur die Bildung der Epidermis aus dem Epiblast betrifft, so werden wir uns mit anderen Verhältnissen des Embryos nur in soweit beschäftigen, wie diesel- ben einen direeten Einfluss auf die Epidermbildung ausüben.) Der Einfluss dieser Factoren lässt sich alsbald erkennen. Das Mesoderm, das sich zwischen dem Epiblast und Hypoblast ausbreitet, drückt erstens nach oben und dehnt sich um so mehr aus, je mehr dasselbe durch den Unterdruck gehoben wird. Mit anderen Worten, der Seitendruck wird von dem durch Wucherung des Mesoderms veranlassten Unterdruck aufgehoben. Bald erheben sich die Rückenwülste und das Medularrohr schliesst sich. Da der übrige Theil des Epiblasts, der nicht in das Me- dularrohr eingeschlossen wird, nur zur Epidermbildung bestimmt ist, so dürfen wir ihn von jetzt an Epiderm nennen, obgleich im eigentlichen Sinne des Wortes eine Epidermis nicht eher ent- wickelt ist, bis sich Schleim- und Hornschicht gebildet haben. In einem älteren Stadium, wenn sich die Urwirbel angelegt haben, hat die Epidermis eine sehr unregelmässige Dicke. Grade über dem Medularrohr ist dieselbe selten mehr als zweizellig, gewöhnlich findet man nur eine einzige Zellschicht. Die Zellen derselben sind immer eng aneinander gepresst, und in ihrer Gestalt den Hornzellen ähnlich; da sie jedoch immer einen protoplasmatischen Inhalt und sehr deutliche Kerne zeigen, darf man denselben im Gegensatz zu den späteren Hornzellen eine grössere Lebensfähigkeit vindieiren. Es ist offenbar, dass die Aehnlichkeit nur die Gestalt betrifft. 296 Edward G. Gardiner: Die Kerne sind entweder rund oder strecken sich in der Richtung der längeren Axe. Oft sind auch in einer Zelle zwei Kerne wahrnehmbar, die dann immer der Art gelagert sind, dass scheinbar damit eine Zell- theilung senkrecht zur Schichtfläche angedeutet wird. Es ist offen- bar, dass eine solche Theilung nicht die Dieke, sondern nur die Fläche der Epidermis vergrössern würde. ‚Der Theil dieser Schicht, der den Raum zwischen Urwirbel und Medularrohr bedeckt, contrastirt sehr scharf gegen den das Medullarrohr selbst bedeckenden Theil, indem derselbe oftmals drei bis fünf Zellen diek ist. Nicht selten sind die äussersten, ebensowohl wie die untersten Zellen etwas abgeplattet, aber zwischen ihnen sind die Zellen gewöhnlich rund; auch muss hinzugefügt werden, dass oftmals viel Zwischensubstanz vorhanden ist. Es ist höchst merkwürdig, dass diese Zellen hier viel grössere Kerne haben, als in dem das Medularrohr bedeekenden Theil der Epidermis, auch öfter erkennen lassen, dass sie im Begriff sind, sich zu theilen. Diese Zelltheilung aber vergrössert nicht nur die Epi- dermfläche, sondern auch die Dieke der Schicht; demnach theilen sich die Zellen nicht nur parallel der Epidermfläche, sondern auch senkrecht zu derselben. Der über dem Urwirbel gelegene Theil dieser Schicht besitzt eine Beschaffenheit, die dem Theile, welcher das Medularrohr bedeckt, einigermaassen ähnlich, in der Regel aber etwas dieker ist. Noch dieker wird die Sehieht in der Nähe der Peripherie; doch lassen sich die Zellen hier sowohl nach Ge- stalt als nach Lage ihrer Kerne mit denjenigen vergleichen, welche den Raum zwischen dem Mendularrohr und dem Urwirbel einnehmen. Von hier aus zu der Stelle auf dem Dottersack, wo die Epi- dermis nur aus einer einzigen Zelllage besteht, verdünnt sie sich allmäblich. Etwas näher nach dem Urwirbel hin, als wo der ein- zellige Theil der Epidermis liegt, besteht sie aus zwei abgeplat- teten, eng aneinander gepressten Zelllagen. Die meisten dieser Zellen theilen sich so ab, dass die Schichtfläche dadurch ver- srössert wird und die von dem Medularrohr entfernter liegenden Zellen immer weiter über den Dottersack hinweggeschoben werden. Es kommt sehr häufig vor, dass in der Gegend, wo die zwei zusammenhängenden Zelllagen sich zu einer einzelligen Schicht verdünnen, eine einzige Zelle sich so theilt, dass eine darunter- Beiträge z. Kenntniss d. Epitrichiums u. z. Bildung d. Vogelschnabels.. 297 liegende Zelle gebildet wird, wesshalb die Stelle, wo die Epider- mis anfängt einzellig zu werden, schwer mit Genauigkeit zu be- stimmen ist. Diese Erscheinung hat folgenden Grund: Wenn die vis inertiae der gesammten über dem Dottersack liegenden Zellen zu gross ist, um durch den die Zellentheilung veranlassten Druck überwunden zu werden, dann theilen sich die Zellen parallel mit der Schichtfläche anstatt senkrecht zu derselben. An dieser Stelle scheint es dann, als ob die untere Zellenlage sich von der oberen her bilde, genau wie Kölliker die Schleimschichtbildung beim Menschen beschrieben hat; doch entwickelt sich, wie wir schon kennen gelernt haben, die Epidermalschicht in der Nähe des Me- dularrohrs auf dem Rücken in einer ganz andern Weise. Wenn sich eine Zellschicht in zwei Zelllagen abspaltet, so ist es, meiner Meinung nach, fast unmöglich zu unterscheiden, ob die obere oder die untere Zelllage als Abkömmling betrachtet werden kann. In Wahrheit sind vielmehr beide Zelllagen nur als gleich- werthige Abkömmlinge der primitiven Schicht zu betrachten. Nicht selten kommt es vor, dass in der Epidermis Lücken- räume von ansehnlieher Grösse wahrzunehmen sind, die bloss von freien protoplasmischen Fäden überspannt sind, welche die gegen- über liegenden Zellenlagen verbinden. Da diese Erscheinung jedoch nur bisweilen auftritt, so darf sie nicht als eine normale Eigenthümlichkeit betrachtet werden, sondern als ein Kunstproduct, veranlasst durch Zerrung oder Zerstörung der Zellen während der Herstellung der Schnitte. Wenn durch Reagentien oder durch den Schneideprocess die Zellwände durchbrochen sind, dann erscheint es nicht auffallend, dass der Zellinhalt herausfällt und demzufolge dann die Zwischen- substanz und em Theil der Zellwände erkennbar bleiben. Die Ursache der ungleichen Dieke der Epidermis ist leicht zu begreifen; sie hängt von dem ungleichen Wachsthum der darunter- liegenden Organe ab. So wie sich das Medullarrohr vergrössert, drückt es gegen die darüberliegende Schicht. Dieser Druck ver- ursacht nicht nur das Abplatten der daselbst befindlichen Zellen, es ist auch möglich, dass diese dadurch verhindert werden so viel Nahrung zu erhalten als diejenigen, welche einer solchen Ver- änderung nicht unterworfen sind. Da der Theil der Mesoderms, welcher zwischen dem Medullarrohr und den Urwirbeln liegt, sich noch nicht zu bestimmten Organen entwickelt hat und überhaupt 298 Edward G. Gardiner: einstweilen wenig fortgeschritten ist, so veranlasst derselbe auch keine solche Druckwirkung. Die Urwirbel verhalten sich genau wie das Medularrohr, und in derselben Weise verursachen sie auch durch Pressung von unten die Dünne der darüberliegenden Epi- dermis. Von dem Urwirbel aus nach der Peripherie herrschen un- gefähr dieselben Zustände wie zwischen Urwirbel und Medularrohr, und deshalb ist die darüberliegende Epidermis ziemlich diek und zeigt keine Spur von Unterdruck. In einem etwas älteren Stadium kann man erkennen, dass in Folge der Entwicklung der zwischen dem Urwirbel und Medullarrohr liegenden Theile des Embryos diese Organe nicht mehr aus der Kontourlinie herausragen; dadurch ver- schwindet der ungleiche Druck auf die Epidermis und folglich er- hält dieselbe wieder ihre regelmässige Dicke. Bisher schien die Epidermis im Verhältniss zu dem Embryo sehr rasch zu wachsen, jetzt aber tritt das Gegentheil ein: sehr bald zwingt das Wachsthum innerhalb des Embryos die Epidermis, sich auszudehnen, bis sie an den meisten Theilen des Körpers zweizellig wird, ja oftmals nur zu einer einzelligen Schicht redu- eirt ist. Wie vorher erwähnt worden ist, zeigt das Epiblast während des ersten Brütungstages eine Dicke von 0,03—0,02 mm. Auf einem spätern Stadium hat es am Rücken eine Dicke von 0,05—0,093 mm erreicht, wird aber durch das rasche Wachsthum des Embryos bald auf 0,01 mm redueirt. Es ist zu bemerken, dass diese Beschreibung sich nieht auf den Theil bezieht, welcher sich über den Dotter- sack ausbreitet. An dieser Stelle besteht die Epidermis nur aus einer einzigen Zelllage. Nicht an allen Theilen des Embryos macht die Entwickelung der Epidermis gleiche Fortschritte, sondern sie bildet sich an den Theilen, wo die allgemeine Entwickelung am weitesten ist, rascher aus. Wenn sie z. B. an dem Rücken aus zwei Zellenlagen besteht, welche offenbar der Schleim- und Horn- schicht entsprechen, dann besteht sie auf der Bauchfläche nahe dem Dottersack nur aus einer einzigen Zelllage. An dieser Stelle zerfällt sie erst später, nachdem der Dotter- sack in die Bauchhöhle eingeschlossen ist, in zwei Zellenschichten. Auf dem Rücken, wo die Epidermis schon zwei Zellen mächtig ist, bestehen zuerst die beiden Zelllagen aus abgeplatteten Zellen, vielfach mit Andeutung ihrer Theilung. Bald jedoch vermehren sich die unteren Zellen rascher als der Embryo wächst, und in Beiträge z. Kenntniss d. Epitrichiums u. z. Bildung d. Vogelschnabels. 299 Folge dessen werden dieselben erst rund, später euboidisch. Wenn wir berücksichtigen, dass die Zellen der Hornlage in diesem Sta- dium sehr wenig von der Cutis entfernt sind und durch den Liquor Amnii immer feucht gehalten werden, dann erscheint es nicht eben auffallend, dass dieselbe beständig, wenn auch in geringerem Grad als die Schleimschicht, theilungsfähig bleibt. Da die Entwiekelung des Kopfes viel gleichmässiger vor sich geht als die Entwickelung des übrigen Körpers, so zeigt die Epi- dermis hier auch nirgends eine so ungleiche Dicke wie an dem Rumpf. Auf dem Kopf bestebt die Epidermis am zweiten oder dritten Brütungstage aus einer einzigen Schicht von etwas abgeplatteten oder runden Zellen. Während dieselbe wächst, vermehren sich allerdings auch die Epidermzellen, aber es bleibt eine längere Zeit hier auch nur eine einzige Zelllage. Später, wenn das Anfangs so rapide Wachsthum des Kopfes nachlässt, werden die Zellen enger aneinander gepresst und theilen sich der Art, dass die Schicht zwei Zelllagen mächtig wird. Diese Zelltheilung vollzieht sich aber so, dass es auch hier unmöglich ist zu bestimmen, ob die unteren Zellen als Abkömmlinge der oberen zu betrachten sind oder um- gekehrt. Da die Theile des Embryos, welche den Kopf, die Glieder u. s. w. bilden, gleich Anfangs vom Epiderm (oder Epiblast) be- kleidet sind, so ist es nieht auffallend, dass in diesen Theilen die Epidermbildung anders vor sich geht, als auf dem Dottersack, über welchen die Zellen hinweggeschoben werden. Es ist möglich, dass während der früheren Entwickelungs- stadien die äusserste Zelllage abgestossen wird, aber ich halte es für unwahrscheinlich, dass lebendige Zellen, die mit Protoplasma gefüllt sind, verloren gehen. Ich habe zwar nach dem Beweis einer solchen Abschuppung gesucht, ohne dass es mir indessen ge- lungen wäre, denselben zu finden. Am vierten oder fünften Brütungstage ist die Epidermis auf den meisten Theilen des Körpers schon zweischichtig geworden, und zu einer Dieke von ungefähr 0,01mm herangewachsen. Die untere Zelllage oder Schleimschicht besteht aus runden oder euboi- dischen, die Hornlage aber aus sehr kleinen, abgeplatteten Zellen. Nur auf den Kiefern verhält es sich anders; hier finden wir die Epidermis 0,03mm diek und mit einer Schleimschicht bedeckt, 300 Edward G. Gardiner: welehe aus eng aneinander gedrückten Cylinderzellen besteht. Nach aussen von diesen Cylinderzellen sehen wir zwei oder drei Reihen von kleinen runden Zellen, welche aus der Schleimschicht entstanden sind; sonst ist die ganze Schicht, wie auf den übrigen Theilen des Körpers, mit abgeplatteten Zellen bekleidet. Wenn wir diese Bildung mit der Epidermis auf dem Kopf, Rücken u. s. w. vergleichen, dann finden wir eine schöne Erläu- terung des Prineips, welches in der eylindrischen Form der Zellen sich ausspricht. Das Wachsthum des Körpers nämlich ist eben so gross, wie die Theilungsaetivität der Schleimschichtzellen. In dem Maasse wie die Fläche, die von Epidermis bekleidet werden soll, sich vergrössert, theilen sich auch die Sehleimschichtzellen auf der Oberfläche senkrecht, und dadurch vergrössert sich die Epiderm- fläche in demselben Verhältniss, wie die Cutisfläche. Auf den Kiefern aber übertrifft die Zelltheilungsaetivität das Wachsthum der Unterlagen, und deshalb finden wir die Zellen gerade hier nicht blos eng aneinander gepresst und eylindrisch oder gar spin- delförmig, sondern auch in mehrfachen Schiehten über einander gelagert. Nirgends habe ich eine mehrere Zelllagen mächtige Hornsehicht gefunden, ohne dass die Schleimschicht deutliche Spuren von Seitendruck gezeigt hätte. Ehe wir in unserer Beschreibung weiter gehen, müssen wir uns über den Namen verständigen, mit welchem die äusserste Schicht der Epidermis zu bezeichnen ist. Kerbert (1) machte einen Einwand gegen den Namen „Hornschicht‘“, welchen man ihr in diesem Sta- dium zu geben pflegt. Er behauptet, dass der Name „Hornschieht“, oder „Hornlage“ nur für diejenige Schieht benutzt werden könnte, welche zum eigentlichen Stratum corneum wird, und da jene äusserste Schieht nie verhornt, sondern entweder die Hornschicht Zeitlebens beklei- det oder abgestossen wird, so sollte man einen andern Namen für sie anwenden. In Bezug hierauf sagt er: „Da nun bei allen Wirbelthieren die Epidermis im Anfang zweischichtig ist, und die oberflächliche Schicht vor oder nach der Geburt abgestossen wird, entweder stellenweise und allmählich oder als eine zusammenhängende „Hülle“, so habe ich vorgeschlagen, sie als Epitrichialschicht zu Beiträge z. Kenntniss d. Epitrichium u. z. Bildung d. Vogelschnabels. 301 bezeichnen, weil sie vollständig homolog ist mit derjenigen Zellen- schicht, welehe von Weleker Epitriehium »genannt worden ist“. Kölliker (4) erkannte an, dass derjenige Theil der Epider- mis, welcher bei dem menschlichen Embryo abgeworfen wird, dem Epitrichium homolog sei. Er sagt, dass die „polygonalen Zellen“, die existiren, ehe die Schleimschicht gebildet worden ist, unge- fähr am Anfange des dritten Monats verloren gehen. Während des späteren Embryonallebens werden die äusseren Epidermalzellen mehr allmählich abgelöst, und im Laufe der Zeit bilden sie die sogenannte Vernix caseosa. Von früheren Beobachtern wurde diese Vernix caseosa für ein Product der Talgdrüsen gehalten, spätere chemische und mikroskopische Untersuchungen aber haben bewiesen, dass sie aus abgelösten Epidermalzellen besteht. In der späteren Ausgabe seines Werkes nimmt Kölliker an, dass es nicht nachgewiesen sei, dass zwischen der äussersten Schieht (Epitrichium) und den nächstfolgenden Hornschichtlagen ein grösserer Unterschied bestehe, und deshalb meinte er auch, dass kein Grund vorhanden sei, die primitive Hornschicht in einen Gegensatz zur späteren Hornschicht zu bringen. Denjenigen gegenüber, die die äusserste Schicht schlechtweg als ein beson- deres, von den darunter liegenden Zellen verschiedene Gebilde in Anspruch nehmen, hat Kölliker, meiner Meinung nach Recht, indessen hoffe ich zu beweisen, dass aus der Schleimschicht bei den Hühnchen und den Säugethierembryonen, an denjenigen Thei- len, die ein eigentliches Horn bilden, eine Zelllage sich entwickelt, welche das Stratum corneum bekleidet und eine ganz specifische Beschaffenheit besitzt. Bevor jedoch die histologische Differenz zwischen diesen äusseren Epidermalzellen (dem Epitrichium) und dem eigentlichen Horn auftritt, glaube ich den die ganze Schleim- schicht bedeekenden Theil der Epidermis als „Hornschicht“ bezeich- nen zu dürfen. Una (7) theilt uns mit, dass bei dem menschlichen Embryo der Nagel mit einer unverhornten Zellenschieht bedeckt ist. Da auf den übrigen Theilen des Körpers diese Schicht abgestossen ist, und nur auf dem Nagel eine „Horndecke“ bildet, schlug er vor, sie „Eponychium‘“, anstatt „Epitriehium“ zu nennen. Weil diese Schicht jedoch bei vielen Thieren das Horn umhüllt und weil sie auch zuerst unter dem Namen „Epitriehium“ beschrieben wurde, so halte ich den älteren Namen für den geeigneteren. Dass 302 Edward G. Gardiner: der Theil dieser Schicht, der den Nagel bedeckt, mit „Eponchium“ und der Theil, welcher das Haar umhüllt, mit „Epitrichium“ bezeich- net werden soll, scheint mir unpassend, und deshalb erlaube ich mir, den Namen Epitrichium für beide Schichtentheile beizube- halten. Kerbert definirte das Epitrichium mit fogenden Worten: „Ich verstehe also unter „Epitrichialschicht“ diejenige oberfläch- liche embryonale Schicht der Epidermis, welche entweder all- mählich und theilweise vor oder nach der Geburt des Thieres verloren geht (Säugethiere, Vögel), oder welche mit der eigent- lichen Hornsehicht verwächst und im Zusammenhang mit dieser Hornschieht nach der Geburt bei der ersten Häutung abgeworfen wird (Reptilien und Amphibien).“ In seiner Beschreibung ist er aber gar nicht klar. In dem Stadium, wo die Epidermis (bei Tropidonotus natrix) aus zwei Zelllagen besteht, bezeichnet er die äusserste aus abgeplatteten Zellen bestehende Schicht als Epitrichium und sagt, „sie (die Schieht) vergrössert sich zwar in demselben Verhältniss wie der Embryo, bleibt aber meistens eine einfache Zellenschieht“. Die nächstfolgende, direet auf dem Stratum corneum gelegene Schicht nennt er „Körnerschicht“ und obgleich er sagt, dass dieselbe (beim Hühnchen) im Zusammenhang mit dem Epitrichium abgestossen werde, so hat er diese „Körnerschicht‘“ doch niemals als einen Theil des Epitriehiums beschrieben. Es scheint, als ob er seine eigene Definition vergessen hätte, in welche er die ganze Embryo- nalschicht der Epidermis, „welche entweder allmählich und theil- weise vor oder nach der Geburt des Thieres verloren geht (Säuge- thiere, Vögel)“ einschliesst. Beim Studium der Reptilienschuppen entdeckte er, dass das, was man als „euticula‘“ zu betrachten pflegte, in der That aus zusammengepressten Zellen bestehe; zwischen diesen und der Horn- schicht beschrieb er eine Lage von Zellen, die sich durch einen fein- oder grobkörnigen Inhalt charakterisiren, dieselbe Schicht, welche schon Leydig (8) untersucht und als „Körnerschicht‘ bezeichnet hatte. Eine nähere Untersuchung zeigte ihm, dass die bei dem ausgewachsenen Thiere vor der Häutung unter der alten Haut liegende neue Hornschicht auch ein solches Epitrichium und eine Körnerschicht besitzt. Mit andern Worten, er fand, dass, wenn sich bei dem ausgewachsenen T'hiere eine neue Hornschicht Beiträge z. Kenntniss d. Epitrichiums u. z. Bildung d. Vogelschnabels. 308 bildet, diese immer von einem neuen Epitrichium und einer neuen Körnerschicht bekleidet ist, welche wie erstere direkt aus der Schleimschicht entstanden sind. Dabei scheint Kerbert freilich vergessen zu haben, dass seine Definition des Epitrichiums sich nur auf den Embryo bezieht, da er von dessenExistenz bei ausgewachsenen Thieren nichts erwähnt. Bei Untersuchung der Scehuppenentwicklung des Hühnchens erkannte er zwei über dem Stratum corneum liegende Zelllagen, die er als Homologa des Epitrichiums und der Körnerschicht bei Reptilien betrachtete. Obgleich ich keine Gelegenheit gehabt habe, die Schuppen- entwickelung bei Reptilien zu studiren, so habe ich doch diese Horngebilde bei Hühnchen untersucht und muss bekennen, dass ich keinen Grund zu einer derartigen Unterscheidung finden kann, da die Beschaffenheit des Epitrichiums und der Körnerschicht, wie wir später kennen lernen werden, fast identisch ist. Deshalb werde ich mir erlauben, den ganzen das Stratum Corneum be- deekenden Theil der Epidermis unter dem Namen Epitrichium zu beschreiben. Meiner Meinung nach ist zwischen meinem Epitriehium und Kerberts Körnerschicht kein anderer Unterschied, wie zwischen den alleräussersten Zellen der eigentlichen Hornschicht und den- jenigen, welche der Schleimschicht näher liegen. In Bezug auf das Wachsthum des Epitrichiums sagt Ker- bert, dass die Schicht sich in demselben Verhältniss vergrössere, wie der Embryo, dabei aber meistens eine einfache Zellenschicht bleibe. Ob die Schicht sich durch Zelltheilung vergrössert, oder ob die Zellen der Körnerschicht empor geschoben werden und sich mit dem Epitrichium vereinigen, hat er uns leider nicht mitgetheilt; da er aber nie auf die Zelltheilung hingewiesen hat, so scheint er anzunehmen, dass die Zellen der Körner- schicht sich an dem Aufbau des darüber liegenden Epitrichiums betheiligen. Jeffries (2) beschrieb das Epitriehium von der Haut des Hühnchens ebensowohl, wie von den Stellen, an denen sich später eigentliches Horn bildet. Er folgte darin Kerbert, und nannte nur die alleräussersten Zelllagen Epitrichium, dagegen betrachtete er die zwischen dem 304 Edward 6. Gardiner: Horn und dem Epitrichium liegenden Zellen als eine davon ver- schiedene Schicht, die er mit Kerbert Körnerschicht nannte und wie dieser, aus der Schleimschicht entstehen liess. In Bezug auf das Epitrichium theilt er uns mit: „In embryos it forms from the one layered epiblast in the first stages of growth, or both mucous and epitrichial layers are formed together. Balfour considered the first as the primitive method and with this opinion we must agree. Accordnigly the epitrichial layer is to be regarded as a layer transmitted from some of the early ancestors of the vertebrates and second only to the mucuus layer“. Er glaubte, dass die aus der Schleimschicht entstehenden Zellen nicht zu dem Aufbau dieser Schicht beitrugen, vermuthete vielmehr, dass sich die Schieht durch Zellentheilung vergrössere — aber immer einzellig bleibe. Für diese Theorie giebt er folgende Gründe an: „The cells of this layer sum to undergo division, though dividing cells have not been noted. „My reasons for supposing this are, first that at a later period of growth the cells form a compact layer; second, that two nu- cleoli are present“. Während des vierten oder fünften Brütungstages habe auch ich zwei Kernkörperehen, und oftmals sogar zwei Kerne in einer Zelle erblickt, ein Umstand, der es mir wahrscheinlich macht, dass das Epitrichium in diesem Stadium, in dem es direet auf der Schleimschicht liegt, sich genau in derselben Weise ernährt wie die Schleimschicht, so dass eine Zelltheilung nicht auffallend ist. Sobald die nächstfolgenden Schichten gebildet sind, werden diese Epitrichialzellen weit von der Schleimschicht weggeschoben, wes- halb denn auch die äussersten Zellen bei den älteren Embryonen nicht so lebendig aussehen, wie vorher, als sie tiefer lagen. Mir scheint es indessen höchst unwahrscheinlich, dass die Annahme einer Zelltheilung, die übrigens weder von Jeffries noch von Kerbert beobachtet ist, genügt, um die Vergrösserung dieser Schicht zu erklären. Wenn wir die Grösse des fünf Tage alten Embryo mit der Grösse desselben am zwanzigsten Brütungstage vergleichen, dann ist von vorn herein ersichtlich, dass entweder die Zelltheilung sehr häufig stattgefunden hat, oder dass die Zellen eine ungeheure Beiträge z. Kenntniss d. Epitrichiums u. z. Bildung d. Vogelschnabels. 305 Grösse erreicht haben müssen. Jeffries hat die Grösse der Zellen nicht direkt gemessen; allein er giebt Camera-Zeichnungen der verschiedenen Stadien und diese beweisen, dass am zwanzigsten Brütungstage die Epitrichialzellen ungefähr zweimal so gross sind als am fünften Tage, so wie weiter, dass die Räume zwischen den Zellen verschwunden sind. Da es nun sicher ist, dass sich die Epidermalfläche während dieser Zeit bedeutend mehr als zweimal vergrössert hat, so scheint mir, dass seine Erklärung nicht nur unvollkommen, sondern geradezu unrichtig ist. Meiner Meinung nach sind die äussersten abgeplatteten Zellen, die gebildet werden, wenn die primitiven Epiblastzellen in zwei Schichten zerfallen, den späteren aus der Schleimschicht entstandenen Zellen voll- ständig gleich, und es ist eben so wenig ein Unterschied zwischen diesen zwei Zelllagen, wie zwischen den aus der Schleimschicht entstandenen Zellen, die sich am fünften und zehnten Brütungs- tage gebildet haben. Durch meine Untersuchung bin ich zu dem Schluss gekommen, dass durch die Wucherung des Embryos die äussersten Zellen weit auseinander gedrängt sind, und dass die darunter liegenden, von der Schleimschicht gebildeten Zellen in die Zwischenräume eingeschoben werden. Wie ich später zu beweisen hoffe, ist das Epitrichium nichts anderes als ein Theil der Epidermis, der entstanden ist, ehe der Embryo reif genug ist, eine eigentliche Hornschicht zu bilden. Ja noch mehr, in einem bestimmten Entwickelungsstadium ist es geradezu unmöglich, zu unterscheiden, ob die aus der Schleim- schicht entstandenen Zellen sich in Hornzellen verwandeln, oder ob sie unverhornt bleiben und die Hornschicht bekleiden werden. Aus diesen Gründen halte ich es für unnöthig, den auf der Schleim- schicht liegenden Theil der Epidermis als Horn- und Epitrichial- schicht zu unterscheiden, ehe zwischen denselben eine deutliche Grenze zu erkennen ist. Deshalb erlaube ich mir, den ganzen die Schleimschicht bedeekenden Theil so lange als Hornschieht zu bezeichnen, bis ein histologischer Unterschied zwischen der eigentlichen Horn- schicht und dem Theil, welcher das Horn umhüllen wird, aufge- treten ist. Kehren wir jetzt zu der Betrachtung der Entwickelungs geschichte zurück. Archiv f. mikrosk, Anatomie. Bd. 24. 20 306 Edward G. Gardiner: Wie vorher beschrieben ist, sind auf den Kiefern die Schleim- schichtzellen weiter vorgeschritten als auf dem Rücken, Kopf u. 8. w., und haben auch eine dickere Hornschicht gebildet. Weiter finden wir, dass innerhalb der Mundhöhle die Epi- dermis dicker ist als auf dem Kopf, obgleich ihr die Stärke abgeht, welche sie auf der äusseren Seite der Kiefer hat. Wenn wir eine Erklärung für diese Erscheinung suchen wollen, so finden wir zwar Umstände, auf welche wir. dieselbe zurückführen können. Zunächst ist in dieser Beziehung zu bemer- ken, dass sich die Schleimschichtzellen beim Hühnchen auf den Theilen des Körpers, an denen sich ein eigentliches Horn bilden wird, rascher entwickeln und früher eine dicke Hornschicht bilden, als auf denjenigen Theilen, an denen das Stratum eorneum nie eine besondere Stärke erreichen wird. Dieselbe Erscheinung ist auch bei Anlage des Wiederkäuerhufes wahrzunehmen. Dazu kommt dann weiter, dass auch das Wachsthum der einzelnen Körper- theile auf die Entwicklung der Schleimschicht von Einfluss ist. Auf dem uns hier interessirenden Stadium hat der Kopf einiger- maassen schon seine zukünftige Gestalt erreicht, während die Kie- fer sich erst als kleine Erhebungen zeigen, die aus dem Kopf herausragen. Durch das raschere Wachsthum des Kopfes ist die Epidermis desselben ausgedehnt worden, aber auf den Kiefern wächst dieselbe im Verhältniss schneller als das darunterliegende Mesoderm, so dass sie sich verdickt. Ein ähnliches Verhältniss ist auch an dem Kopf bei Rinds- embryonen wahrnehmbar. Auf der Stirn und auch den Seiten des Kopfes besteht die Schleimschicht hier aus euboidischen Zellen, die einen Durchmesser von ungefähr 0,002mm haben. Dieser Theil der Schicht ist von einer Hornschicht bekleidet, welche ungefähr die gleiche Dicke zeigt. Anders aber auf dem vorderen Theile der Kiefern, an denen die Epidermis eine bedeutende Dicke erreicht hat. Auf der Spitze derselben ist die Schleimschicht 0,03mm dick und aus schönen eylindrischen oder spindelförmigen Zellen gebildet, während die Hornschicht die beträchtliche Dicke von 0,28mm erreicht hat. | Hier, wo die Folgen des Seitendruckes auf den ersten Blick zu erkennen sind, wird die Schleimschicht eingebogen. Es bildet sich die erste Andeutung der Lippenfurche; ein Vorgang, der Beiträge z. Kenntniss d. Epitrichiums u. z. Bildung d. Vogelschnabels. 307 genau wie bei dem Hühnchen durch die ungleiche Wucherung der darunter liegenden Theile bedingt ist. In diesem Stadium ist der Durchmesser des Kopfes im Ver- hältniss zu der Länge von ansehnlicher Grösse. Wenn man einen älteren Embryo untersucht, dann findet man, dass sich die Epi- dermis verdickt, sobald das Wachsthum des Kopfes zurückbleibt, wie sie andrerseits sich ausdehnt, sobald der Kopf sich ver- längert. Doch zurück zu den Entwiekelungserscheinungen beim Hühn- chen. Im Verlauf des fünften Brütungstages tritt auf der Fläche des Oberkiefers eine sehr bemerkenswerthe Eigenthümlichkeit auf. Ein Längsschnitt durch den Kiefer zeigt nämlich an der unteren Fläche der Epidermis vier oder fünf runde Anschwellungen (Fig. 11), die augenscheinlich durch die Thätigkeit einiger Scheimschicht- zellen hervorgerufen sind. Es ist mir freilich unmöglich, zu erklären, warum einige Zellen schneller wachsen, und mehr Activität zeigen, als andere, die genau von denselben Umständen abhängig zu sein scheinen, allein die Annahme einer solchen, local gesteigerten Zellenactivität, ist nothwendig, die Erscheinung zu erklären. Obgleich etwas grösser, sehen diese Anschwellungen den ersten Anlagen von Drü- sen ähnlich, und gerade wie diese drängen sie sich in die Cutis hinein. In diesem Stadium ist die Cutis überhaupt sehr wenig in ihrer Entwicklung fortgeschritten und wahrscheinlich viel weicher als die Hornschicht, so dass ein geringeres Kraftmaass genügt, die Cutis einzudrücken, als nöthig ist, die Last der Hornschicht zu überwinden und dieselbe zu heben. Eine sorgsame Untersuchung beweist, dass diese Vertiefungen runde eryptenähnliche Gebilde sind, die nicht in einer geraden durch die Längsaxe gezogenen Linie liegen, sondern unregel- mässig zerstreut sind. Allmählich aber gewinnen auch die andern Schleimschiehtzellen eine stärkere Activität, so dass später die ganze Schicht eine gleichmässige Dicke zeigt. Es ist übrigens zu bemerken, dass dieser Vorgang nur kurze Zeit in Anspruch nimmt. Obgleich ich viele Embryonen auf die- sem Stadium untersucht habe, ist es mir doch nur zwei oder drei Mal gelungen, diese Vertiefung zu beobachten. Während die Entwickelung fortschreitet, hat sich in der 308 Edward G. Gardiner: Hornschicht mehr oder weniger Zwischensubstanz gebildet. Ebenso entsteht im Laufe des sechsten oder siebenten Brütungstages in der Mitte der Hornschicht auf dem oberen Kiefer das erste eigent- liche Horn, so dass wir von nun an diese Schicht in Epitrichium und Hornschicht theilen müssen. In Fig. 16 ist ein Stück eines Längsschnittes durch den oberen Kiefer abgebildet. Die auf der Cutis liegende Schleimschicht (s) besteht aus Cylinderzellen. Die darüber liegenden Zellen sind rund mit deutlichen Kernen und erscheinen in einem mit Pierocarmin behandelten Schnitt roth gefärbt. Von hier aus nach dem eigentlichen Horn hin (h) werden die Zellen allmählich abgeplattet und der Art verändert, dass sich nur noch die Kerne roth färben, während die Zellenwände eine gelbe Farbe annehmen. Die Hornzellen sind eng an einander gedrückt ohne deutliche Kerne und schön gelb gefärbt. Obgleich das Horn in dem Embryo nie eine solche Festig- keit wie in dem ausgewachsenen Thiere erreicht, ist doch die Beschaffenheit im übrigen ungefähr dieselbe. Die Hornschicht grenzt sich scharf gegen das Epitrichium (e) ab, da die Zellen des letzteren rund, oder polygonal, und roth gefärbt sind. Sie zeigen auch einen granulirten Inhalt und das eben ist der Grund, weshalb Kerbert dieser Schieht den Namen „Körnerschicht“ bei- gelegt hat, da er glaubte, dass sie der Schicht entspräche, welche von Leydig (8) bei den Reptilien „Körnerschicht“ genannt wor- den ist. Hierbei mag bemerkt sein, dass Leydig, der diese Zellen untersuchte, die Körnchen für eine Fettsubstanz hielt. Kerbert suchte bei Reptilien ebensowohl als bei Hühnchen diese Fettsub- stanz nachzuweisen, aber ohne glücklichen Erfolg. Ich habe frische Hühnerembryonen mit Aether und Terpentin behandelt, aber es ist mir eben so wenig gelungen, Fett nachzuweisen. Es ist merkwürdig, dass die Zellen, die nicht weit von der Schleimschicht entfernt sind, nie diesen eigenthümlichen Inhalt zeigen, dass derselbe vielmehr erst auftritt, nachdem sich das Horn gebildet hat. Wenn wir dieses Epitrichium nach der Spitze des Schnabels hin verfolgen, dann finden wir, dass es dünner wird. Von den Stellen, an denen noch kein eigentliches Horn entwickelt ist, ist es unmöglich vorherzusagen, ob sich an ihnen die direct auf der Beiträge z. Kenntniss d. Epitrichiums u. z. Bildung d. Vogelschnabels. 309 Schleimschieht liegenden Zellen in Horn verwandeln, oder sich mit dem Epitriehium vereinigen werden. Obgleich die Grenze zwischen dem Epitrichium und Horn bei Hühnchen in der Regel sehr scharf markirt ist, ist das bei Embryonen von Milvus, Buteo, und Melopsittaeus nicht so, indem die Fläche der Hornschicht hier sehr oft uneben ist und Zellen aufweist, die über die Grenze in das Epitrichium hineinragen. ‘ewöhnlieh sind diese Zellen nur theilweise verhornt. Behan- delt man die Schnitte durch den Schnabel mit Pierocarmin, dann sieht man, dass solche Zellen sehr rothe Kerne haben, der übrige Theil der Zellen dagegen eine gelbe Farbe annimmt. Es kommt auch vor, dass sich einige Zellen, die sehr wenig oder gar nicht verhornt sind, von Hornzellen vollkommen umgeben, in der Hornschicht vorfinden. Dieselben sind in solchen Fällen immer abgeplattet und von gleicher Gestalt, wie die sie umgebenden Hornzellen, während sie betreffs ihrer Kerne und ihres Inhalts den Epitrichiumzellen ähn- lich sind. Bei den ziemlich reifen Embryonen von Melopsittacus und Buteo ist es auch nicht selten, dass in dem unteren Theil des Epitrichiums viele vollständig verhornte Zellen wahrgenommen werden. Diese Zellen bleiben immer rund und etwas kleiner wie die Epitrichiumzellen, zwischen welchen sie eingebettet sind. Hat man einen solehen Schnitt mit Kalilösung behandelt, dann äussert sich deren Wirkung folgendermaassen. Erst lösen sich die Zellen der Schleimschieht auf und darauf der äusserste Theil des Epitrichiums, sowie diejenigen Epitrichiumzellen, welche in der Hornschicht eingebettet sind; erst nach und nach aber lösen sich die verhornten Zellen in dem Epitrichium, und auch diese nicht vollständig. Es bleibt immer ein ungelöster Rest übrig. An Längsschnitten durch den Oberkiefer gewinnen wir die Ueberzeugung, dass das Epitrichium da am dieksten ist, wo die Hornschicht die grösste Stärke erlangt hat. Die einzige Ausnahme von dieser Regel ist auf der Spitze des Eizahnes zu finden, die augenscheinlicher Weise das Epitriehium durchbrochen hat, wie wir das später, wenn wir mit der Entwickelung dieses eigenthümlichen Organs näher bekannt werden, noch weiter hervorzuheben haben. Noch bevor übrigens das Horn eine beträchtliche Dicke ge- winnt, ist die Zwischensubstanz vollständig verschwunden, so dass 310 Edward G. Gardiner: wir fast vermuthen möchten, es habe dieselbe zur Nahrung der Zellen gedient. Sehr bald nachher werden die Kerne weniger erkennbar und oft durch den Zellinhalt verdeckt (Fig. 18), da dieser sich in kleine Granula zusammenzieht und aussieht, als wenn er geronnen wäre. Die Symptome der Zellenactivität haben aufgehört, allein trotzdem vergrössern sich die Zellen so lange, bis sie fast zweimal so gross sind als vor der Bildung des Hornes. Es scheint mir, dass diese Veränderung nicht durch Wucherung, sondern durch die physikalische Wirkung des Liquor Amnii ver- ursacht wird; d. h., dass sich die Zellen genau so verhalten wie eine mit Albumen gefüllte Blase, welche man ins Wasser gelegt hat. In solchen Fällen findet eine Endosmose statt und die Blase schwillt an. Nach der Quellung nehmen die Zellen eine ovale Form an, wobei die Längsachsen immer mit der Schichtfläche parallel liegen. Wenn wir die Grösse des Schnabels zur Zeit der ersten Horn- bildung mit dem Schnabel während der letzten Brütungstage ver- gleichen, so will es scheinen, als ob das Epitrichium trotz der Quellung der Zellen viel dünner wäre. Wir brauchen aber nur die Art und Weise zu studiren, in welcher die Hornbildung sich ver- breitet, um alsbald die wahre Ursache der gleichen Dicke des Epi- trichiums zu erkennen. Fig. 12 (ein Querschnitt durch den Schnabel eines zehn Tage alten Embryo) zeigt, dass die Verhornung nur auf einer Stelle an dem oberen Theil stattfindet. Eine Untersuchung der älteren Stadien beweist, dass sich die Hornbildung von hier aus über die Seiten des Schnabels verbreitet. Fig. 15, die den Randtheil der letztgenannten Figur bei stärkerer Vergrösserung darstellt, zeigt, dass es unmöglich ist, zu bestimmen, ob die Zellen der Mittellinie (ce, d) verhornen werden oder nur be- stimmt sind, das Horn zu bedecken. Weiter entnehmen wir daraus die Thatsache, dass die Epidermis an dieser Stelle bereits ziem- lich dick geworden ist, ehe die Hornbildung sich nach der Seite hin ausbreitet. Die äussersten Zellen (welehe Kerbert und Jef- fries Epitrichium benannt haben) sind einstweilen nur wenig ab- geplattet und zeigen keine histologische Differenz von den nächst- folgenden Zellen. Nahe dem mittleren Rande des Schnabels (a, Fig. 14) da, wo der Gaumen mit der ausserhalb der Mundhöhle liegenden Fläche einen Winkel bildet, ist zunächst und auch später, Beiträge z. Kenntniss d. Epitrichiums u. z. Bildung d. Vogelschnabels. 311 fast bis zur völligen Reife des Embryos, noch kein Horn gebildet. Da aber das Horn an dem obern Theil aus einem ziemlieh festen Gewebe besteht und keine Spur einer Verletzung zeigt, die durch das Wachsthum des darunterliegenden Gewebes verursacht sein könnte, dürfen wir annehmen, dass die Breitewucherung des Schnabels in der Nähe des Winkels und an dem unverhornten Gaumen stattfindet. In der That bleibt auch bei den meisten Vögeln der Gaumen fast bis zum Schluss des Embryonallebens unverhornt. Wäre dem nicht so, dann würde durch das Wachsthum des Gaumens die Hornfläche ausserhalb der Mundhöhle sich abflachen müssen. So aber wachsen zugleich die unverhornten Seiten, welche dem Winkel nahe liegen, und dadurch vergrössert sich der Schnabel auch in senkrechter Richtung, so dass die allgemeine Kontour nur wenig verändert wird. Es ist übrigens zu bemerken, dass sich bei Melopsittacus und bei der Taube die Hornschieht auf dem Gaumen früher bildet als beim Hühnchen. Dafür werden die äussersten Zellen später hier abgestossen und zwar unter Verhältnissen, die auf eine durch die Vergrösserung des darunterliegenden Theiles verursachte Verletzung zurückschliessen lassen. Die Verlängerung des Schnabels geht in ähnlicher Weise vor sich, d. h., die Wucherung findet nur in den unverhorten Theilen statt, in denen dabei aus der Schleimschicht Zellen entstehen, welche zu der Epitriehiumbildung beitragen und das Horn bekleiden werden. Damit stimmt auch die Thatsache, dass die Hornbildung nicht weit von der Spitze beginnt und sich von hier vornehmlich nach dem Kopf hin ausbreitet. Es geht das schon aus der Stellung des Eizahnes hervor, der mit zunehmender Entwicklung immer weiter von dem Kopfe sich entfernt. Da die obere Fläche des Schnabels eine konvexe Form hat, so ist es offenbar, dass in dem Maasse, in dem die Hornschicht dicker wird, auch die Ausdehnung der Fläche zunimmt, und dess- halb sehen wir die angeschwollenen Epitrichiumzellen immer mit der Schichtfläche parallel. Trotz dieser Dehnung zeigt übrigens sowohl das peripherisch gelegene Horn wie das darüberliegende Epitrichium kaum irgend welche auffallende Verletzung. Da die Horn- und Epitrichiumbildung am Unterkiefer sich sehr ähnlich verhält, so bedarf es hierfür keiner besonderen Be- schreibung. 312 Edward G. Gardiner: Auf dem Gaumen bildet sich die Hornschicht in derselben Weise wie auf den andern Theilen des Schnabels; d. h., es sind nicht die äussersten Zellen, die sich verhornen, sondern diejenigen, die ungefähr die mittlere Zone der Epidermis einnehmen, so dass diese auch den Gaumen mit einem dünnen Epitrichium bekleiden. Die Zunge wird gleichfalls von einem dünnen, aus abgeplat- teten Zellen bestehenden Epitrichium bedeckt. Wenn wir das Aussehen des Schnabels ein paar Tage vor dem Auskriechen des Küchleins (Fig. 22) mit dem des ausge- schlüpften Thieres vergleichen (Fig. 23), so finden wir, dass wäh- rend dieser letzten Tage ein merkliches Auswachsen desselben stattgefunden hat. In einem spätern Abschnitt werden wir diese Erscheinung näher besprechen, hier soll nur erwähnt werden, dass durch diese Wucherung das Epitrichium an der Spitze ausgedehnt und schliesslich zerrissen wird, woraus dann bei dem Auskriechen aus dem Ei die ganze Schicht durch Abscheuern an der Schale verloren geht. Bei Melopsittacus verschwindet sie etwas früher. Wie wir bereits kennen gelernt haben, sind bei diesen Vögeln in dem Epi- trichium viel zahlreichere hornige Zellen vorhanden als beim Hühn- chen, wesshalb ich denn glaube, dass die ganze Membran ihre Bieg- samkeit grösstentheils verloren hat. Das Epitrichium wird also demnach hier vermuthlich durch die Vergrösserung der Hornfläche, welche ihrerseits durch die Verdickung der Hornschicht verursacht ist, zerrissen. Ob bei Buteo und Milvus die Schicht bis zu dem Auskrie- chen aus dem Ei bleibt, oder ob sie, wie bei Melopsittacus, vor demselben verloren geht, weiss ich nicht, da ich keine Gelegenheit hatte, bei diesen Vögeln die letzten Stadien des Embryonallebens zu untersuchen. Da jedoch bei allen drei Vogelarten die in ihrer Zusammensetzung sehr ähnliche Schicht auch die gleichen Ver- änderungen erleidet, so können wir wohl erwarten, dass sie auch in Ähnlicher Weise verloren ginge. Auf den Krallen entwickelt sich diese Schicht genau so, wie auf dem Schnabel, weshalb ich auch hier von einer weiteren Dar- stellung abstehe. Da übrigens das Horn nirgends so dick ist, wie auf dem Schnabel, und da das Epitrichium immer dort dieker ist, wo auch Beiträge z. Kenntniss d. Epitrichiums u. z. Bildung des Vogelschnabels. 313 das Horn sich am stärksten bildet, so können wir auf den Krallen kein so auffallendes Epitrichium erwarten. Das Auswachsen der Krallen beginnt sehr zeitig, so dass das Epitriehium schon vor dem Auskriechen sich stark dehnt, und manchmal an der Spitze zerrissen wird. Ebenso verursacht die Wucherung der Schuppen eine starke Ausdehnung des Epitrichiums, welche Kerbert freilich ihrer wahren Bedeutung nach übersehen zu haben scheint, obwohl er sie in seiner Abbildung der Schuppen darstellt. Da, wo er die Entwickelungsgeschichte der Schuppen beschreibt, bleibt bis auf die Auffassung einer Körnerschicht nur wenig zu wünschen übrig. Indem er von dieser „Körnerschieht“ spricht, theilt er uns mit, dass unter derselben eine zweite Zellen- lage zu erkennen sei, welche sich mehr oder weniger scharf gegen die „Körnerschicht“ abgrenzt. Ebenso erwähnt er, dass die Zellen fein granulirt sind, deutliche Kerne zeigen, und mit sehr feinen Zähnchen in einander eingreifen. „Riffzellen“, setzt er hinzu, ‚im wahren Sinne des Wortes sind sie eigentlich nicht, weil die Sta- cheln sehr kurz sind“. Obgleich ich auf den Schuppen ebensowohl wie auf dem Schnabel mehrfach Zellen gefunden habe, auf welche diese Be- schreibung einigermaassen passt, halte ich dieselben doch für nichts anderes als die vorher beschriebenen theilweise verhornten Epitrichiumzellen. Eine genaue Untersuchung zeigt nämlich, dass das riffzellen- artige Aussehen erst eine secundäre Eigenschaft darstellt. Es kommt nämlich öfter vor, dass sich die Wände der durch Endosmose angeschwollenen Zellen in den letzten Stadien, nachdem die Zellen- activität aufgehört hat, sehr unregelmässig wellenförmig falten. In dem Epitrichium des Schweinshufes ist diese Eigenthümlich- keit sehr oft zu erkennen, doch habe ich hier nie so kleine Fal- tungen gesehen, wie bei Vögeln. Jeffries, der über diese -Zellen gesprochen hat, nahm an, dass die Zähnchen, die allem Anschein nach in einander eingreifen, von dem körnigen Inhalt gebildet würden, der sich den Zellen- wänden angelagert habe, und in der That wird auch jene den Zähnchen ähnliche Bildung durch diese Körnchen noch verstärkt. Er sagt: „These cells as forming a distinet layer are diffi- eult to find, and seem to be only the oldest horncells“. Ich gebe zu, dass sie keine besondere Zellenlage bilden, doch begreife ich 314 Edward G. Gardiner: nicht, warum Jeffries sie als die ältesten Hornzellen bezeichnet hat, da weder er selbst, noch Kerbert angiebt, dass sie verhornt sind. Im Gegentheil, Kerbert sagt, dass diese Zellen mit der Körnerschieht verwachsen und im Zusammenhang mit derselben abgestossen werden, aber nirgends ist erwähnt, dass sich Horn- zellen in dieser Art ablösen. Wenn wir von den ältesten Horn- zellen sprechen, müssen wir auf die äussersten Zellen der Horn- schicht verweisen. Kerbert theilt uns mit, dass sich am dreiundzwanzigsten Tage die Körnerschicht im Zusammenhang mit dem Epitrichium ablöst. Es scheint, als ob Jeffries sich hier verlesen hat, denn er sagt, Kerbert habe keine Beschreibung des Epitrichiums während der letzten Brütungstage gegeben, vielmehr habe er bemerkt, dass es vor dem Abstossen der Körnerschicht verloren gehe. Zum Schlusse noch einige Worte über das Epitrichium auf denjenigen Theilen des Körpers an denen sich kein eigentliches Horn bildet. Was zunächst das Hühnchen betrifft, so ist diese Schicht auf dem Rücken, Kopf u. s. w. nicht von den darunter liegenden Zellen zu unterscheiden. Die äussersten Epidermiszellen verhalten sich hier ganz wie bei dem ausgewachsenen Thiere, indem sie abgeplattete und nicht so lebenskräftig sind als die unteren. Wollten wir diese äussersten Zellen mit einem besonderen Namen bezeichnen, dann gewinnt es das Aussehen, als ob wir damit einen Unterschied andeuteten, der in Wahrheit nicht vor- handen ist. Bei dem ausgewachsenen Thiere werden die äusser- sten Zellen abgelöst, aber in dem Embryo, wo die Epidermis sich immer feucht erhält und nicht abgenutzt wird, bleiben die Zellen meistens intact bis auf jene, welche durch das Auswachsen der Federn, deren Bildung natürlich von der Scehleimschicht ausgeht, abgestossen werden. Nach dem Auskriechen aus dem Ei gehen die inzwischen ausgetrockneten äussersten Zellen ebenso verloren wie später die äusseren Epidermäszellen. Nur auf der Federnanlage ist ein förm- liches Epitrichium vorhanden, aber da die Federn eine hornige Structur haben, ist solches nicht auffallend. Die sogenannte Horn- Beiträge z. Kenntniss d. Epitrichiums u. z. Bildung d. Vogelschnabels. 315 scheide der Embryonaldunen ist theilweise verhornt und als ein Theil des Epitrichiums zu betrachten. Bei Melopsittaeus ist die Hautbildung etwas anders, als beim Hühnchen. Ehe sieh die Federn bilden, ist hier nämlich der ganze Körper mit einer dünnen Hornschieht bekleidet. Wenn diese Hornschieht zuerst auftritt, grenzt sie sich gegen die darunterlie- senden Zellen nieht scharf ab, aber in einem späteren Stadium kann man leicht unterscheiden, welche Zellen zu dem Epitriehium und welche zu der zukünftigen Epidermis gehören. In dem Maasse wie das Wachsthum des Embryo fortschreitet, werden die Horn- zellen auseinander gezerrt und allmählich abgelöst. Es ist bekannt, dass bei!) Fratereula Artieus eine Mauser des Schnabelhorns stattfindet, und dass in ähnlicher Weise die Krallen des Schneehuhns verloren gehen. Ebenso theilt Jeffries mit, er habe oftmals beobachten können, dass sich auch bei Ka- narienvögeln und Tauben die Hornschicht auf dem Tarsus und auf den Schuppen disquamire. Wie wir vorher erwähnt haben, behauptet Kerbert, dass die bei Reptilien vor der Häutung gebildete neue Hornschicht mit einem neuen Epitrichium bekleidet sei. Es würde interessant sein, zu untersuchen, ob sich auch bei Vögeln bei dieser Mauser ein solches Epitrichium bildet, wie Ker- bert bei Reptilien beschrieb; aber leider hat keiner von diesen Beobachtern die Anwesenheit desselben erwähnt. Das Epitrichium des Schweinshnufes. Ehe wir unsere Erörterungen über das Epitrichium schliessen, dürfte es nicht uninteressant sein, diese Schicht, welche wir von den Vögeln geschildert haben, mit derjenigen der Säugethiere zu vergleichen. Zu diesem Zweck habe ich das Epitrichium des Schweins- embryos und zwar hauptsächlich das des Hufes studirt. Ueber diesen Gegenstand hat die Literatur nur "eine einzige Angabe von Welcker (9) aufzuweisen. Er theilt uns mit, dass, 1) Bulletin of the Nuttal Orinthological Club April 1878. Auch Bull. soc. de france 1870. 316 Edward G. Gardiner: obwohl die Anwesenheit einer Hautschicht, welche die fast reifen Faulthier- und Schweinsembryonen umhüllt, schon vor vielen Jahren erkannt worden wäre, doch der Ursprung und die Bedeu- tung derselben lange Zeit unerklärt geblieben sei. Von einigen Beobachtern wurde dieselbe als eine Fortsetzung des Amnions, von andern als eine dem Eınbryo eigenthümliche Haut betrachtet, aber sie wurde nie für die Epidermis gehalten. Bischoff scheint (10) freilich schon die wirkliche Bedeutung dieser Schicht geahnt zu haben. Er sagte: „Vielleicht, dass die erwähnte Erscheinung bei Faulthier- und Schweinembryonen auch nichts anderes als eine solche Schicht der sich lösenden Epidermis ist, die hier nur vielleicht in grösseren Partien auf einmal abgeht, während sie in anderen Fällen ganz allmählich abgestossen wird“. Welcker aber war es, der durch eine systematische Unter- suchung des Gegenstandes die wahre Bedeutung dieser Schicht dargethan hat. Bei denjenigen Thieren, bei denen sie die grösste Entwicke- lung erreicht, fand er, dass dieselbe bis zur Geburt unzerrissen bleibt und eine vollkommene Umhüllung des behaarten Körpers bildet; weshalb er denn auch vorschlug, dieselbe als ‚„Epitrichium“ zu bezeichnen. Bei Bradypus, Choloepus, Myrmecophaga, Dicotyles, Sus, und wahrscheinlich auch beim Pferde ist der ganze Körper von einem solchen Epitrichium umhüllt. Bei Bra- dypus erreicht er eine Dicke von 1,0mm. Von anderen Säuge- thieren, nämlich Dasypus, Coelogenys, Dasyprocta, Hydro- chaerus, Cervus, Ovis, Bos, Didelphis, Ursus, Felis und vom Menschen beschrieb Weleker eine „epitrichoide Schicht“, die nie mehr als 0,005 mm diek wird, und während des Embryo- nallebens sich allmählich ablöst. Der einzige Unterschied, den er zwischen Epitrichium und epitrichoider Schicht anerkennt, liegt in der verschiedenen Dicke. Obgleich die Entwickelungsgeschichte des Hufes nicht zu der Aufgabe gehört, welche ich mir gestellt habe, hängt doch die Ent- wiekelung des Hornes so nahe mit dem Entstehen des Epitrichiums zusammen, dass die Erörterung des Einen ohne die des Anderen unvollkommen sein würde. Allerdings bin ich nicht im Stande gewesen, die Hufesentwickelung vollständig verfolgen zu können, und deshalb beschränke ich mich auf die Schilderung des Horn- gebildes, soweit es das Epitrichium betrifft. Beiträge z. Kenntniss d. Epitrichiums u. z. Bildung d. Vogelschnabels. 317 Wenn der Schweinsembryo eine Länge von 6—7cm erreicht hat, besteht die Schleimschicht auf dem Rücken, den Beinen u. s. w. aus ceuboidischen Zellen. die sehr grosse Kerne enthalten. Die darüberliegende Schicht jedoch ist aus drei oder vier einiger- maassen abgeplatteten Zelllagen mit schönen deutlichen Kernen gebildet. Die alleräussersten Zellen sind sehr stark abgeplattet und vermuthlich, da die Kerne oftmals ganz verschwunden sind, von nur geringer Activität. Die ganze Epidermis hat eine Dicke von 0,015—0,02mm. In diesem Stadium ist es unmöglich zu bestimmen, ob die äusseren Zellen ein Epitrichium bilden oder zu der eigentlichen Haut gehören; Hufe und Zehen aber haben schon jetzt ihre zukünftige Form erlangt, es ist ihre Epidermis sogar nicht weit von dem distalen Ende fünfmal so. diek wie auf den Beinen. Die Hornschichtzellen sind gewöhnlich rund. Sie haben einen Durchmesser von 0,015—0,02mm und zeigen sehr grosse, deutliche Kerne. Die alleräussersten Zellen sind stark abgeplattet und weichen nur wenig von den äussersten Zellen auf andern Theilen der Körper ab. Bald aber tritt in der Schleimschicht eine grosse Veränderung hervor, indem sich dieselbe nieht weit von dem Ende vielfach tief (Fig. 1) einfaltet. Diese Falten bezeichnen das erste Auftreten der Leisten und laufen der Länge nach durch die Hufwand. Auf der unteren Seite, welche der Sohle entspricht, sind keine sol- chen Falten vorhanden; hier finden wir im Gegentheil die Schleim- schicht ganz eben und aus langen eylinder- oder spindelförmigen Zellen zusammengesetzt. Kurz nachher erscheint gerade über den grössten Faltungen das erste Horn und zu derselben Zeit, in der sich die Falten nach den Seiten hin vermehren, breitet sich die Hornbildung immer weiter aus. Dabei sind übrigens dieselben Beziehungen zwischen Schleim- schicht und Hornbildung vorhanden, wie in dem Schnabel der Vögel, das heisst, das Horn wird auch am Hufe erst gebildet, wenn die Schleimschicht bereits ihre zukünftige Beschaffenheit einigermaassen hat. Je mehr das Reifen der Schleimschieht nach allen Richtungen hin fortschreitet, desto weiter geht auch die Ver- hornung des darüber liegenden Gewebes. Auf Längsschnitten finden wir die gleichen Verhältnisse zwischen der Schleimschicht und der Hornbildung: sobald die Fal- 318 Edward G. Gardiner: tungen sich nach oben verlängern, entsteht auch das Horn gerade über denselben. Bevor das Horn sich bildet, hat die Hornschicht eine Dieke von 0,10—0,15mm erreicht; die erste Verhornung aber tritt unge- fähr in der Mitte dieser Schicht auf. Wie am Schnabel ist es auch hier vor Beginn der Verhornung unmöglich vorherzusagen, ob die Zellen sich verhornen, oder in die Epitrichiumbildung ein- sehen werden. Wenn wir die Länge des Hufes mit der des Beines bei Em- bryonen von verschiedener Grösse vergleichen, dann gewinnen wir alsbald die Ueberzeugung, dass die relative Verlängerung des Hufes die der Beine beträchtlich übertrifft. Nun aber ist es offen- bar, dass die Hornzellen von einander gezogen und das Epitri- chium ausgedehnt werden muss, wenn die unter dem verhornten Theile liegende Fleisehwand wächst. Da jedoch Hornzellen und Epitrichium keine Spur einer solchen Zerrung zeigen, so müssen wir annehmen, dass nur die unverhornten Theile des Hufes wach- sen. Die Verlängerung des Hufes findet also zwischen dem ver- hornten Theil und dem Bein statt, und der Durchmesser vergrössert sich durch die Wucherung der unverhornten Hufwände und der Sohle. Die Verbreitung geschieht, wie wir gleich kennen lernen werden, erst kurz vor der Geburt, und dann vergrössert sich der Huf auf andere Weise. Kurz nach der ersten Verhornung besteht das Epitrichium aus runden oder ovalen Zellen von 0,015—0,023mm, die in eine protoplasmatische Zwischensubstanz eingebettet sind und immer grosse und deutliche Kerne besitzen. Es ist auffallend, dass in diesen Zellen niemals solche Körnchen vorhanden sind wie bei den Hühnchen und andern Vögeln; der Zelleninhalt bleibt vielmehr immer klar und durchsichtig. Die äussersten Zellen sind stets ab- geplattet, und zeigen dieselbe Beschaffenheit wie die äussersten Zellen auf andern Theilen des Körpers. Nirgends ist die Grenze zwischen Horn und Epitrichium scharf zu unterscheiden, zumal die äussersten Hornzellen sich theilweise roth, und die unteren Epi- trichiumzellen theilweise gelb färben, sobald das Präparat mit Pierocarmin behandelt wird. Dem Ursprung nach wie in seinem Verhältniss zu dem Horn ist das Epitrichium bei den Säugethieren übrigens genau dasselbe wie bei den Vögeln. Wenn es nun aber auch wahr ist, dass die Wucherung des Beiträge z. Kenntniss d. Epitrichiums u. z. Bildung d. Vogelschnabels. 319 Hufes keine Verletzung des Epitrichiums verursacht, so übt doch die Verdiekung des Hornes einen gewissen Einfluss auf das- selbe aus. Da die Gestalt des Hufes halbeylindrisch ist, so wird selbst- verständlich die Fiäche desselben um so grösser werden, je mehr die Dieke zunimmt. und dadurch wird natürlich auch das Epi- trichium gezwungen, sich auszudehnen. Diese Ausdehnung wird sich zuerst durch die Veränderung der Zellen kund thun. Die Zellen werden oval und stellen sich mit ihrer Längsaxe parallel zu der Schichtfläche. Bald nach dem ersten Auftreten des Hornes verändert sich auch die Gestalt des Hufes. Das Ende und die Seiten oder Ränder werden umgeschlagen, eine Erscheinung, die Fig. 4 von einem etwas älteren Stadium darstellt. Dieses Umschlagen der Ränder scheint durch ein grösseres Wachsthum der Sohle verursacht zu werden, in Folge dessen dann die äussersten abgeplatteten Zellen weit auseinander gezogen und die nächst darunterliegenden Zellen in die so entstehenden Zwischen- räume hineingeschoben werden. Auf den vorderen Hufwänden, wo die Epidermis eingebogen ist, werden die äussersten abge- platteten Zellen enger an einander gepresst und dadurch abge- stossen. Wie schon erwähnt wurde, waren die Epitrichiumzellen kurz nach der ersten Hornbildung oval und ungefähr 0,20 x 0,15 mm gross. Nach kurzer Zeit aber finden wir, dass sie sich bis zu 0,030x 0,025 mm vergrössert haben; in dem fast reifen Embryo stösst man nicht selten sogar auf Zellen von 0,065 x0,0155 mm. Diese Messungen lehren uns, dass in dem letzterwähnten Stadium die Zellen sehr stark abgeplattet sein müssen. Ob die alleräussersten Zellen, die zur Zeit der ersten Horn- bildung das Epitrichium bedeckten, abgestossen worden sind oder sich so vergrössert haben, dass sie von den andern Zellen des Epitrichiums nicht mehr zu unterscheiden sind, habe ich leider nicht bestimmen können. Da sie jedoch zuerst viel kleiner waren als die darunterliegenden Zellen, und die äussersten Zellen in den letzten Stadien aber am grössten sind, so halte ich es für wahr- scheinlicher, dass sie verloren gegangen sind. Dabei ist übrigens zu bemerken, dass nicht nur die Vergrösserung der Epitrichium- zellen im Verhältniss zu der Verdiekung des Hornes fortschreitet, 320 Edward G. Gardiner: sondern auch die Dieke der Epitrichiumschicht in älteren Stadien die der früheren weit übertrifft. Wenn aber erst das Horn auf den Seiten erkennbar geworden ist, hat das Epitrichium an dieser Stelle eine Dieke von 0,065 mm erreicht, aber an dem ziem- lich reifen Embryo finden wir an derselben Stelle ein Epitrichium von 0,092 mm. Die meisten Epitrichiumzellen haben einen durchsichtigen In- halt, der dureh Pierocarminbehandlung eine blasse, rothe Farbe annimmt. In der Mitte jeder Zelle erblickt man einen klaren Raum, welcher einen deutlichen und schönen Kern enthält. Bei älteren Embryonen sind diese Kerne oftmals gestreckt und der- art abgetheilt, dass zwei oder drei Kerne daraus entstehen (Fig. 6). In Bezug auf die Zelltheilung in dieser Schicht sagt Wel- cker, dass er in dem Epitrichium auf dem Rücken von Choloepus didactylus (wie an derselben Stelle auch bei anderen Thieren) Kern- theilung in überraschender Häufigkeit beobachtet habe; er schliesst daraus, dass die Zellen sich in dieser Weise vermehren. Nun fragt er sich aber: wenn wirklich Zelltheilung vorhanden ist, woher kommen die Nahrungsstoffe, deren Aufnahme die Zellenwucherung veranlasst? Da diese Zellen weit von der Schleimschicht entfernt und durch eine feste, dieke Hornlage von derselben getrennt sind, ist es ganz undenkbar, dass hinreichende Nahrungsstoffe aus der Tiefe zu ihnen gelangen könnten. Es müssten sich auch, wenn dem wirklich so wäre, die untersten Zellen theilen; allein diese zeigen nie die Spur eines solchen Vorganges. Andererseits habe ich aber auch vergebens nach einer Autorität gesucht, welche die Ansicht unterstützte, dass Nahrungsstoffe, wenn auch nur in geringem Maasse, von dem Liquor Amnii geliefert werden könnten; ich habe für eine solehe Annahme keinerlei bestätigende Angaben finden können. Fehling (11) und Prochownick (12) haben Analysen der Amnions-Flüssigkeit veröffentlicht. Obgleich in den verschiedenen Altersstufen einigermassen verschieden, enthält dieselbe doch in keinem Fall mehr als 2,50 °/, von fester Substanz und in dieser nur 0,30 %/, Eiweiss. Nach Kölliker!) hat auch Majewski das 1) S. 324. Beiträge z. Kenntniss d. Epitrichiums u. z. Bildung d. Vogelschnabels. 321 Fruchtwasser bei Herbivoren untersucht und gefunden, dass dasselbe hier in den späteren Stadien reicher an festen Bestand- theilen ist, als in den ersten Monaten, eine Thatsache, die im geraden Gegensatz zu den Verhältnissen steht, die vom Menschen bekannt sind. Da aber von der Zusammensetzung nichts erwähnt wird, ist es nicht wahrscheinlich, dass eine irgendwie auffallende, grössere Quantität von Eiweiss vorhanden ist. Aus allen diesen Bemer- kungen schliesse ich, dass das Fruchtwasser keine Nahrungsstoffe liefern kann oder wenigstens nicht genug, um die Zellwucherung zu veranlassen. Dass die Zwischensubstanz von den Zellen absorbirt wird und so zur Vergrösserung derselben beiträgt, scheint wahrschein- lich, doch ist es sicher, dass die Quantität von Nahrungsstoffen, welche diese Zwischensubstanz liefern könnte, keineswegs aus- reichen würde, um die Zellenvergrösserung und Kerntheilung allein zu erklären. In einem späteren Stadium finden wir die meisten Zellen ganz leer, oder nur mit einigen protoplasmatischen Fäden und Resten der Kerne. Sie zeigen unverkennbare Spuren davon, dass sie auf dem Wege sind, zu Grunde zu gehen, obschon sie sich noch vergrössern. Ich halte es für wahrscheinlich, dass die Zellen im eigentlichen Sinne nur selten wachsen, dass sie vielmehr lediglich auf physicalischem Wege, durch Wirkung der Flüssigkeit, d. h., durch Endosmose anschwellen, genau wie die Zellen der be- treffenden Schicht beim Hühnchen. Da in einem späteren Stadium alle Zellen ohne Inhalt sind, glaube ich annehmen zu dürfen, dass die Kerntheilung nur das erste Symptom der Zersetzung der Zellen ist. Fig. 2 zeigt einen Querschnitt durch den Huf, nachdem sich die Hornbildung ziemlich weit ausgebreitet hat. Was als Papillen (p) erscheint, sind die durchschnittenen Schleimschichtfalten; die darüberliegende weisse Schicht ist das Horn (h) und (e) das Epi- trichium, welches dasselbe bekleidet; der lange Ausläufer oder Arm ist der umgeschlagene Theil des Randes. Es ist offenbar, dass durch eine Verdiekung des Hornes die in dem Winkel A liegenden Epitrichiumzellen eng aneinander gepresst werden müssen. Fig. 3 zeigt diese Zellen bei starker Vergrösserung. Die Basis der unteren Zellen ist fest mit dem Horn verwachsen, die Zellen selbst sind lang gestreckt und zeigen wellenartige Zellen- Archiv f. mikrosk. Anatomie, Bd. 24. 21 399 Edward G. Gardiner: wände. Die äussersten dieser Zellen werden viel grösser, als die dar- unter liegenden und erreichen einen Durchmesser von 0,05-—0,045 mm. Das Epitrichium der Sohle besitzt niemals eine so bedeutende Dicke wie auf dem vorderen Theile des Hufes, was durch das rasche Wachsthum der Unterlage, die das Epitrichium dehnt, zur Genüge erklärt wird. Die im Laufe der Entwicklung eintretende Grössenzunahme der äusseren Zellen ist im Ganzen eben nicht bedeutend. Da übrigens das Horn der Sohle sich erst sehr spät bildet, bleibt die Grenze zwischen ihm und dem Epitriehium lange Zeit unbestimmbar. Dafür aber nehmen die Papillen der Sohlenfläche schon ziemlich zeitig ihren Ursprung. In Folge dessen wächst die Sohle so stark, dass sich die Ränder des vorderen Theiles immer mehr umschlagen. Auf der vorderen Seite dieses umgeschlagenen Theiles (Fig. 2) findet man eine dünne Hornschicht, welche mit einem dünnen Epitrichium bekleidet ist. Wenn wir diese Fig. 2 mit Fig. 1 vergleichen, dann gewinnen wir die Ueberzeugung, dass dieser umgeschlagene Theil nicht eher gebildet wird, bis die Epidermis auf der vorderen Wand ziemlich diek ist und die Verhornung der Zellen schon angefangen hat. Ein Querschnitt durch denselben Theil in einem älteren Stadium (Fig.5) beweist, dass mit der Veränderung der allgemeinen Gestalt des Hufes auch seine Epitrichiumzellen sich vergrössert haben und den andern Epitrichiumzellen nicht unähnlich geworden sind. Gleich- zeitig ersehen wir, dass ein Durchschnitt des Hufes schon die halb- kreisförmige Gestalt hat, welche denselben bei dem ausgewachsenen Thier eharaeterisirt. Diese Veränderung scheint durch das Wachsthum innerhalb des Hufes hervorgebracht zu sein. : Während der Knochen im Innern sich vergrössert, rückt der Winkel A (Fig. 2) der Spitze B näher, und so nimmt dann der Huf allmählich seine halbeylin- drische Form an. Um dieselbe Zeit schwellen die Zellen des darüberliegenden Epitrichiums so an, dass zwischen diesem und demjenigen Theil, welcher das erste Horn bekleidet, kein Unterschied zu erkennen ist. Es ist jedoch nicht blos die Wucherung innerhalb des Hufes, sondern auch die Fortbewegung der vorderen Hufwände, welche die regelmässige Form restaurirt. Es ist bekannt, dass in der Krone des Hufes Papillen vor- Beiträge z Kenntniss d. Epitrichiums u. z. Bildung d. Vogelschnabels. 323 handen sind, welche durch die Bildung neuer Hornzellen die ganze Hornscheibe fortschieben. Da aber diese Papillen sich erst spät im Embryonalleben bilden, bleibt die Hornschicht eine längere Zeit hindurch auf der Schleimschicht unverhornt liegen. Es ist etwa um die Zeit der ersten Haaranlagen, dass die zukünftige Grenze zwischen Huf und Bein sich bemerklich macht, und auch dann hat sich die Hornbildung noch nicht bis zu derselben ausge- breitet. Noch später erst entstehen die Papillen und damit fängt dann die Hornschicht an, sich fortzubewegen. Selbstverständlich ist es, dass das Horn sein mit ihm ver- wachsenes, es bedeckendes Epitrichium trägt. Bei einem neugeborenen Lamm, welches ich durch die Freund- lichkeit des Herrn Dr. Fraisse im Stande war, zu untersuchen, fand ich, dass nahe der Krone, auf einem 0,50cm langen Raum, kein Epitriehium vorhanden war. Auf dem vorderen Theil jedoch war diese Schicht fest mit dem Horn verwachsen. Bei diesem Geschöpf erstreckt sieh über den unteren Theil des Beines eine lange Fortsetzung des mit dem Huf verwachsenen Epitriehiums aus und bildet eine vollständige Bekleidung des Haares. An dieser Stelle sieht es genau so aus, wie das von Welcker beschriebene, das Haar bedeckende Epitrichium. Ob auch die anderen Theile des Körpers eine solche Bekleidung hatten, weiss ich nicht, da ieh nur Gelegenheit hatte, die Hufe und Beine zu untersuchen. Welcker sagt, dass bei Ovis kein Epitrichium vorhanden sei, sondern nur eine Epitrichoidschicht, welehe höchstens eine Dieke von 0,005 mm erreicht. Doch ist diese Schicht in jenem Lamme 0,065mm dick. Die Zellen derselben (Fig. 7) sind langgestreckt, mit wellenartigen Wänden und von sehr unregelmässiger Gestalt. Die meisten der- selben sind leer, oder enthalten nur einige Reste protoplasmatischen Inhalts und die Kerne. Mit Pierocarmin behandelt, färben sich die Zellwände ‚gewöhnlich gelb; in Kalilösung aber bleiben sie unverändert. Durch Herrn Geheimerath Leuekart wurde mir ausserdem Gelegenheit, das Epitrichium auf Huf und Bein bei einem nahezu ausgetragenen Embryo von Dieotyles zu untersuchen. Auf dem Bein hat dasselbe eine Dicke von 0,035 —0,04mın und auf dem Huf eine solehe von 0,065 -—- 0,070mm. Seine Zellen weichen in keinerlei Hinsieht von denjenigen des Lamm-Epitri- 394 Edward G. Gardiner: chiums ab. Eine Vergleichung mit den allerletzten Stadien des Schweinshufes habe ich leider nicht vornehmen können. Welcker sagt, dass der einzige Unterschied zwischen dem Epitrichium des Schweins und des Dicotyles einmal in der grösseren Dicke beruht, die es bei dem letztgenannten Thiere erreicht und weiter darin, dass es hier viel länger vorhanden ist. Auf dem Rücken bildet sich das Epitrichium in genau der- selben Weise wie auf dem Huf, insofern es auch bei diesem Kör- pertheil in den früheren Stadien unmöglich ist, vorherzusagen, ob seine Epidermiszellen die eigentliche Hornschicht oder das Epitri- chium zu bilden bestimmt sind. Leider hatte sich bei den mir zu Gebote stehenden älteren Embryonen die Epidermis durch Maceration so abgelöst, dass es unmöglich war, die Epitrichiumbildung mit derjenigen auf dem Hufe zu vergleichen. Doch giebt es keinen Grund anzunehmen, dass dieselbe in einer abweichenden Weise vor sich gehe. Welcker sagt, dass bei allen von ihm untersuchten Säuge- thieren die Grenze zwischen der Epidermis und dem Epitrichium sehr deutlich sei, und dass die letzt erwähnte Schicht bei keinem einzigen Säugethiere in die Bildung der eigentlichen Haut eingehe. „Das Epitriehium entspricht mithin nicht einer beliebigen Menge in der Fötalzeit durch Absehuppung verloren gehender, den zurück bleibenden sonst gleiehwerthigen Epidermiszellen, sondern einer ganz bestimmten, histologisch differenten Zellenlage“. Das durch das Absterben der Zellen ein histologischer Unterschied bedingt wird, habe ich oben beschrieben, aber ich habe auch hervorgehoben, dass bei Vögeln und Säugethieren in den früheren Stadien keine Grenze zwischen dem Epitrichium und der bleibenden Epidermis zu erkennen ist. Die Entwickelung des Epitrichium auf dem Nagel beim Men- schen geht ganz anders vor sich, als auf dem Huf. In seiner Be- schreibung der Entwickelung des Nagels sagt Una (7), dass die Andeutung des Nagelfalzes eintritt, ehe die Verhornung der Zellen zu erkennen ist. In dieser Einsenkung findet die erste Verhornung statt, die dann zur selben Zeit, in der die Einsenkung tiefer in die Cutis hineindringt, nach vorn sich verbreitert. Die über der Nagelwurzel liegende Falz bildet eine Zellenlage, welche nach vorn über den Nagel ‚hinwächst. In Bezug darauf sagt Una: „Wir finden am hinteren Nagelfalz zeitlebens ein Hornplättchen, welches Beiträge z. Kenntniss d. Epitrichiums u. z. Bildung d. Vogelschnabels. 325 vom Fingerrücken auf dem Nagel herniedersteigt, und wenn es fest mit diesem verklebt, zu Einrissen der Hornschicht des Finger- rückens Anlass giebt, weshalb man es fleissig vom Nagel abzulösen pflegt. Dieses ist der unscheinbare Rest des fötalen Eponychium“. Entwickelung des Schnabels. Bevor ich zu der Darstellung der Entwickelungsgeschichte des Schnabels übergehe, sei es mir gestattet, Herrn Dr. Fraisse meinen besten Dank für das reiche Material auszusprechen, welches er mir zur Verfügung gestellt hat. Durch seine Freigebigkeit bin ich im Stande gewesen, die Schnabelentwickelung bei Ente, Taube, Weihe, Bussard und Wellen- papagei mit derjenigen des Hühnchens zu vergleichen. Obgleich diese Embryonen manche verschiedene Stadien darstellen, bot doch vor allem das Hühnchen Gelegenheit zur Untersuchung einer voll- ständigen Entwicklungsreihe. Ich werde mir deshalb erlauben, hauptsächlich dieses letztere meiner Darstellung zu Grunde zu legen und die übrigen Arten nur dann zu erwähnen, wenn bei ihnen die betreffende Entwickelung von der beim Hühnchen wesentlich abweicht. Beim Hühnchen ragen die Kiefer am sechsten oder siebenten Brütungstage nur wenig aus dem Kopf hervor; sie haben noch keineswegs ihre zukünftige Gestalt erreicht, zeigen vielmehr im Verhältniss zur Länge eine ausserordentliche Breite. In diesem Stadium ist der Kopf in toto etwas durchschei- nend, nur die erste Hornsubstanz, welche dem vorderen Theil des Oberkiefers aufliegt, erscheint als eine opake kleine Erhebung. In Wirklichkeit ist diese Erhebung das erste Anzeichen des soge- nannten „Eizahnes“, eines Gebildes, dessen Structur viele Eigen- thümlichkeiten in sich schliesst. Bei mikroskopischer Untersuchung erkennt man darin zunächst eine Anzahl runder Zellen mit sehr srossen Kernen, die in einer Schicht zusammengruppirt sind, und sich gegen das darüberliegende Epitrichium scharf absetzen. Mit Pierocarmin behandelt, nehmen die Kerne eine schöne rothe Farbe an, während die Zellenwände sich gelb oder orange färben. Diese Zellen platten sich auch nicht ab, wenn sie von der Schleimschicht weiter abrücken, sondern werden oval oder birnen- 326 Edward G. Gardiner: förmig, indem sie meist senkrecht zur Oberfläche auswachsen (Fig. 15). Zu gleicher Zeit verdieken sich die Zellenwände bis zu solchem Grade, dass es scheint, als ob die Zellen selbst von einer sehr starken Zwischensubstanz umgeben wären. Bei Behandlung mit Kalilösung ergiebt sich jedoch, dass diese Erscheinung nur durch das Stärkerwerden der Zellwände verursacht wird, obwohl das Bild fast ganz den Eindruck einer hyalinen Knorpelsubstanz macht. Der Inhalt der Zellen trägt dazu bei, diese Aehnlichkeit noch zu erhöhen. Um die Kerne herum und in den Kernen selbst sind sehr viele lichtbrechende, glänzende Körnchen wahrnehmbar. Ueber die chemische Zusammensetzung des Eizahnes habe ich in der Literatur nirgends genaue Angabe gefunden; nur in einigen englischen Werken über Hühnerzucht wird derselbe als aus Kalk bestehend dargestellt. In der That habe ich auch bestätigt gefun- den, dass in einigen Fällen eine geringe Masse von Kalk darin vorhanden ist, doch wird meiner Meinung nach die Undurchsich- tigkeit nicht von diesen Kalkpartikeln verursacht. Die letztere ist eine allgemeine Eigenschaft des Eizahnes, aber ich habe viele Schnitte von jungen Embryonen unter dem Mikroskope mit Säure behandeln müssen, bevor es mir gelungen ist, eine chemische Wirkung zu beobachten. Wo eine solche ein- trifft, da sieht man auch immer nur eine geringe Anzahl von Gas- bläschen (Kohlensäure) sich abscheiden. Behandelt man bei einem zwölf Tage alten Embryo die durch den Eizahn geführten Schnitte in dieser Art, dann sieht man aller- dings bisweilen in den Zellen einige Körnchen sich auflösen und auch Luftbläschen austreten, aber die Lichtbreehung wird dadurch in keiner Weise geändert. Auch behält der Eizahn, den man in toto in Säure bringt, immer dasselbe weisse Aussehen. In der Regel sehen übrigens auch die einzelnen Zellen nach dieser Behandlung ganz wie früher aus. Aus alledem schliesse ich, dass das Liehtbreehungsvermögen der Zellen nicht durch die Anwesenheit von Kalk, sondern durch die unlösbaren Körnehen verursacht wird. Die wahre Natur dieser Körnchen ist mir frei- lich unbekannt geblieben, da auch die Anwendung von Aether an Schnitten wie an ganzen Eizäbnen keine Spur von Veränderung entdecken liess. Sehr bald werden die Anfangs so deutlichen Kerne dieser Zellen schwer zu erkennen und nach kurzer Zeit wachsen auch Beiträge z. Kenntniss d. Epitrichiums u. z. Bildung d. Vogelschnabels. 327 die Zellen selbst zusammen, oder werden doch so eng aneinander gedrückt, dass die Contouren derselben verschwinden. Wird der Schnitt mit Kalilösung behandelt, so zeigen die Zellen sehr unre- gelmässige Gestalten. Während diese Veränderung vor sich geht, entstehen aus der Schleimschicht neue Hornzellen, welche sich abplatten und nach Behandeln mit Reagentien sich genau so verhalten, wie gewöhn- liche Hornzellen. Durch die Bildung dieser neuen Zellen wird der Eizahn weiter nach oben geschoben, oftmals so weit, dass die Spitze durch das Epitrichium hindurchbricht. Schon jetzt hat diese Spitze ihre zukünftige Gestalt erreicht, so dass sie von da an unver- ändert bleibt. Da das Breitewachsthum der Hornplatte bereits vorher geschildert worden ist, so dürfte es überflüssig sein, darauf von Neuem hier zurückzukommen. Sehr bald nach der ersten Entstehung des Hornes zeigt sich nahe der Spitze des Schnabels eine deutliche Einsenkung der Epidermis, die beim Hühnchen und Melopsittacus als Rinne um den äussersten Rand herumläuft. Fig. 12, 13 und 14 zeigen Quer- schnitte durch den Schnabel eines 11 Tage alten Hühnchens. Fig. 12 stellt einen Schnitt dar, nicht weit von der vordern Spitze, Fig. 13 etwas weiter nach hinten, und Fig. 14 durch den Eizahn. In dem ersten dieser Schnitte sieht man, dass die Rinne auf der Seite des Schnabels ziemlich weit von dem Gaumen entfernt ist, viel weniger weit als in dem letzteren Schnitt. Nachdem der Durchmesser des Schnabels sieh durch das Wachsthum des Gau- mens und des unverhornten Theiles bedeutend vergrössert hat, findet man die Rinne noch weiter von dem Gaumen entfernt (Fig. 19). Es giebt beim Hühnchen auch eine Epidermaleinsenkung auf dem Gaumen (Fig. 14a). Diese Einsenkung erreicht aber nie eine bedeutende Grösse, und ist in einem späteren Stadium gänzlich verschwunden. Meines Wissens ist Jeffries der einzige Beob- achter, der die Anwesenheit dieser Rinne erwähnt hat, ohne sie aber näher zu beschreiben. Er meinte auch, zwischen dem Eizalın und dem Kopf eine ähnliche Rinne gesehen zu haben, die ich aber vergebens suchte. Durch die Verhornung der Epidermis vertieft sich beim Hühn- chen die Rinne, und ihre Ränder werden einander genähert (Fig. 20). Bald darauf beginnt eine neue Wachsthumsrichtung der gesammten 328 Edward G. Gardiner: Hornsehicht, welehe nicht nur die Beschaffenheit dieser Rinne wiederum, sondern auch die Umrisse des Schnabels umgestaltet. Während nämlich Anfangs die Hornschicht ganz unbeweglich auf der Schleimschieht auflag, wächst sie jetzt nach vorn. Im ganzen ist die Bewegung der Hornschicht freilich bis fast zur Zeit des Ausschlüpfens aus dem Ei nur unbedeutend, aber doch hinreichend, um die Rinne noch mehr zu verengen und ihr Lumen, das Anfangs nach oben gerichtet war, immer mehr zu neigen, bis es endlich voll- kommen verschwindet. Durch die Störung, welehe diese Bewegung verursacht, wer- den in der Regel auch die äussersten Hornzellen von den darunter liegenden Zellen abgelöst. Ungefähr zur Zeit des Auskriechens sind die Ränder der Rinne vollkommen mit einander verschmolzen, so dass die frühere Bildung nur noch durch die Anordnung der Hornzellen und die gekrümmte Grenzlinie zwischen Cutis und Epi- dermis zu erkennen. Diese krumme Linie verschwindet nicht, sondern bleibt zeit- lebens als eine Rinne in der Cutis (Fig. 17 und 21r) und spielt eine bedeutende Rolle in der späteren Wucherung des Schnabels. Obgleich ich bei den Embryonen aller Vogelarten, die ich untersuchen konnte, eine solche Rinne beobachtet habe, konnte ich dieselbe in ihren späteren Stadien doch nur beim Hühnchen und Wellenpapagei verfolgen, welch letzterer in dieser Hinsicht voll- ständig mit dem Hühnchen übereinstimmt. Eine, an dem Unterkiefer ausserhalb der Mundhöhle wahr- nehmbare ähnliche, aber viel kleinere Einsenkung der Epidermis verschwindet durch das Strecken der Epidermis, aber nicht durch das Zusammenschmelzen der Ränder. Was diese Rinnen eigentlich bedeuten, ist schwer zu entscheiden. Wenn dieselben der Ueber- rest einer Zahnfurche wären, dann dürfte man wohl auch Zahn- folikel darin zu finden erwarten, doch das stets negative Ergebniss meiner Untersuchungen hat mich überzeugt, dass solche nicht vorhanden sind. Mir scheint es unter solchen Umständen wahrscheinlicher, dass die Rinne der Lippenfurche zu vergleichen ist, doch gestehe ich dabei offen, dass meine Gründe nicht ausreichen, die Homo- logie ausser Zweifel zu stellen. Da die Bildung der Rinne der Abscheidung einer Hornschicht innerhalb der Mundhöhle vorausgeht, glaubte ich Anfangs, dass Beiträge z. Kenniniss d. Epitrichiums u. z. Bildung d. Vogelschnabels. 329 die Einsenkung nur eine Grenzlinie zwischen den Hornschichten innerhalb und ausserhalb der Mundhöhle darstelle, bis die Unter- suchung der älteren Stadien und der ausgewachsenen Thiere bewies, dass solches nicht der Fall sei. Bei Milvus und Buteo liegt die Rinne des Oberschnabels innerhalb der Mundhöhle. Trotzdem habe ich bier eben so wenig wie beim Hühnchen eine Spur von Zahnkeimen erblicken können. Leider aber fehlten mir die älteren Stadien, so dass ich es unge- wiss lassen muss, ob die Rinne verschwindet, oder ob sie bei der Hornbildung des Schnabels eine Rolle spielt. Ich glaube jedoch, dass das letztere der Fall ist. Es sei noch erwähnt, dass sich bei der Taube eine Einsenkung der Epidermis gerade an der Spitze des Schnabels befindet. Da das Aussehen dieser Einsenkung anders wie bei den übrigen von mir untersuchten Embryonen ist, so scheint es mir passend, eine Abbildung derselben zu geben (Fig. 27). Wenn die Hornschicht dann später nach vorn rückt, dann wird die Schleim- schicht (a) des oberen papillenähnlichen Gebildes näher an die Schleimsehieht der äusseren Hornwand (b) des Sechnabels gebracht und endlich verschmelzen die Schleimschichten. Wenden wir uns jetzt zu einem Gegenstand, welcher die Aufmerksamkeit der Forscher vielfach in Anspruch genommen hat, zu den Papillen nämlich, in denen man eine Zeit lang die Zahn- keime der Vögel gefunden zu haben glaubte. Blanchard (13) theilt mit, dass diese Papillen zuerst im Jahr 1820 von Etienne Geoffroy Saint Hilaire beobachtet wurden, der seinen Fund auch der Akademie der Wissenschaften in Paris mitgetheilt habe. Bei jungen Papageien, so zeigte er, sei in beiden Kiefern eine regelmässige Reihe von Papillen vorhan- den, die markige Knoten oder Kerne enthielten, welche von Blut- gefässen und Nerven durchsetzt wären und den Zahnkeimen der übrigen Wirbelthiere entsprächen. An diese Behauptung knüpfte Cuvier (14) sodann die Bemerkung, dass sich über diese Papillen die Hornschicht in derselben Weise ausbreite, wie der Schmelz über die Zähne, man darf also immerhin annehmen, dass die betreffende Bildung als ein Analogon der echten Zähne zu betrach- ten sei. Isidore Geoffroy Saint Hilaire fügte später hinzu, dass das Fehlen der Wurzeln und Alveolen nicht als Beweis gegen die 330 Edward G. Gardiner: Deutung seines Vaters aufgeführt werden könne, da dieselben ja auch bei vielen anderen bezahnten Wirbelthieren nicht vorhan- den seien. An diese geschichtliche Bemerkungen knüpft Blanchard nun das Resultat seiner eigenen Untersuchung. Er beschrieb den Zusammenhang der Papillen, die seiner Auffassung nach aus Den- tin bestehen, mit den Kiefern und vergleicht dieselben mit den Zähnen der Reptilien, insbesondere mit denen der Chamäleons. Kurz, er behauptete, dass diese Papillen bei jungen Vögeln echte Alveolen hätten und aus Dentin, der später resorbirt wurde, beständen. Die Bestätigung seiner Angabe sieht er darin, dass Prof. Meyer in Bonn „la presence de deux petites dents d’apparence eristalinees- situees A l’extremite de la mandibule superieure chez de jeunes poulets arrives presque au terme de l’ineubation“ erkannt habe. Anders Fraisse (15), der die Structur dieser Papillen bei einem Sperlingspapagei untersuchte und durchaus keine Spur Dentin in ihnen entdecken konnte, so dass er keinen Anstand nimmt, Blan- chards Zahntheorie vollständig zu verwerfen. Er sagt: „So sehen wir auf dem Knochen des Kiefers aufsitzend eine von vielen Blutgefässen durchzogene Papille, welche von einer Substanz über- zogen ist, die man im ersten Moment geneigt ist, für Dentin zu halten. Bei aufmerksamer Betrachtung erkennt man jedoch sofort die zellige Structur und wird nun keinen Augenblick mehr zwei- feln können, dass es sich um sehr merkwürdig umgewandelte Horn- zellen, nicht aber um Dentinkanälchen handelt.“ Gleichzeitig beschreibt er, dass die Papillen auf diese Unter- kiefer so mit den Knochen zusammenhängen, „dass sie anscheinend am Grunde ganz von demselben umfasst werden, — es sind also kleine Alveolen vorhanden, und deshalb sagt Blanchard nicht zu viel, wenn er von eingekeilten Papillen spricht.“ In keinem der von mir untersuchten Stadien von Melopsitta- cus, ist diese Eigenthümlichkeit mir aufgefallen, obgleich ich sonst Fraisse’s Beobachtungen bestätigen kann. In Fig. 25 habe ich Gaumen und Unterkiefer von Melopsittacus abgebildet, nicht nur mit Papillen aufden Rändern der Kiefer, sondern auch mit einigen kleinen Erhebungen auf dem Gaumen. An einem durch den Oberkiefer geführten Längsschnitt (Fig. 26) sieht man, dass die Cutis in diesen Erhebungen zwar ein festeres Beiträge z. Kenntniss d. Epitrichiums u. z. Bildung d. Vogelschnabels. 331 Gewebe bildet, wie anderswo aber nirgends eine Spur von Kno- chen aufweist. In einem späteren Stadium sind diese Erhebungen auch wieder verschwunden. Was sie eigentlich bedeuten, ist mir unmöglich zu sagen. Wenn zuerst auf dem Gaumen Hornsubstanz auftritt, hat der Schnabel die gekrümmte Form noch nicht angenommen, welche den Papageisehnabel charakterisirt. Später biegt sich der Schnabel nach unten und dadurch wird die Epidermis des Gaumens einge- faltet. Ich halte es für möglich, aber durchaus nicht für wahr- scheinlich, dass die Erhebungen auf dem Gaumen durch diese Formveränderung verursacht worden sind. Obgleich die Papillen auf den Rändern der Kiefer bei allen von mir untersuchten Vögeln vorkommen, ragen sie doch nur bei den Embryonen von Melopsittacus aus der Fläche des Kiefers heraus. In andern Fällen entstehen dieselben wie bei dem Hühn- chen, erst in einer späteren Zeit des Embryonallebens, so dass sie beständig unter einer Hornscheide verborgen liegen. Wenn die Hornschicht dann nach: vorn rückt, verlängern sich diese Papillen, bis sie schliesslich die darüber liegende Spitze des Schnabels bilden. Um die bedeutende Rolle, welche diese Papillen bei dem Wachsthum des Schnabels spielen, zu erkennen, muss man den letzteren bei dem erwachsenen Thiere zur Untersuchung bringen. Verfolgt man hier nun die Hornschicht rückwärts nach dem Kopf hin, so findet man, dass dieselbe allmählich dünner wird und schliesslich in einem solchen Grad, dass es meist unmöglich ist, die Stelle, wo das Horn aufhört und die Haut des Kopfes anfängt, genau zu bestimmen. In keinem Fall findet man einen Falz, wel- cher mit dem Nagelfalz zu vergleichen wäre. Die Cutis ist in dieser Gegend ganz eben und ohne solche Papillen, wie sie dem Kronenfalz des Hufes zukommen. Dafür aber findet man weiter nach der Spitze zu, wo die Hornschicht dicker ist, viele kleine Cutiserhebungen, welche quer über die Längsaxe des Schnabels laufen und mit den Leisten des Nagels oder Hufes zu vergleichen sind, obwohl sie niemals so regelmässig verlaufen, sondern viele kleine Ausläufer zeigen, die als Vergrösserungen der Oberfläche der Cutis wahrscheinlich dazu beitragen, die Ernährung der Horn- schicht zu erleiehtern. Betrachten wir dagegen die untere Fläche der Spitze, so finden wir hier eine Reihe von kleinen Lücken, die 332 Edward G. Gardiner: Ausmündungen der Röhrchen, in denen die Papillen (Fig. 17p) liegen. Obgleich diese Kanäle häufig Zellen enthalten, die keines- wegs verhornt sind, so sind sie doch ebenso oft auch leer. Es ist trotzdem möglich, dass in diesen Röhrchen immer unverhornte Zellen vorhanden sind, die aber unter Umständen so austrocknen und zusammenschrumpfen, dass ihre Anwesenheit nicht mehr zu erkennen ist. Ein Querschnitt durch ein Röhrehen zeigt uns die eoncentrische Ordnung der Hornzellen, die der Oberfläche der Papillen ihren Ursprung verdanken. Auf der Fläche der Schna- belrinne finden sich zahlreiche kleine Erhebungen oder Papillen, welche wohl Hornzellen bilden, aber keine Röhrchen. Wir sind jetzt im Stande, die Wucherung des Schnabels mit derjenigen des Hufes zu vergleichen, da meiner Meinung nach die Papillen auf den Rändern des Kiefers genau wie die Papillen in der Krone des Hufes funktioniren. Bei dem Huf wird durch die Bildung neuer Hornzellen aus den Papillen und den interpapillären Räumen die Hormnschicht nach vorn über die Fleischwand hinausgeschoben; auch beim Schnabel, an welchem der grösste Theil der Hornscheide hinter den Papillen liegt, bewirken sie die Bildung neuer Zellen, und schieben diese weiter nach vorn, während zugleich der dahinter liegende Theil des Hornes nachgezogen wird. Wenn wir einen wenig pigmentirten Hühnerschnabel betrach- ten, dann gewinnen wir gar leicht die Ueberzeugung, dass eine solche Fortbewegung der Hornscheide stattfindet. Oftmals sehen wir viele kleine Streifen, die immer in der Längsrichtung des Schnabels laufen, und nicht selten V-förmige Figuren bilden, die immer mit dem Winkel nach der Spitze zu liegen. Da der Durch- messer des freien Endes des Hufes grösser ist als der Durchmesser der Krone, so ist es natürlich, dass die Mündungen der Röhrchen hier weiter von einander liegen, als die Papillen, von denen sie gebildet werden. Bei dem Schnabel ist es umgekehrt: da die Spitze einen kleineren Durchmesser hat, als der Theil, an dem die Papillen angebracht sind, so werden die Ausmündungen der Röhrchen näher an einander gebracht. Ich habe auch bemerkt, dass die Röhrchen selbst in der Nähe der Ausmündungen kleiner sind, als die Papillen, und dass sie sich manchmal sogar vollständig schliessen. Beiträge z. Kenntniss d. Epitrichiums u. z. Bildung d. Vogelschnabels. 333 Bei Sperlingen habe ich erst nach Entfernung der äusseren Hornfläche die Ausmündungen entdecken können; aber schon bei Lupenvergrösserung sind mir dann die Oeffnungen deutlich zu Gesicht gekommen. Ravitsch (16) spricht sich über die Abwesenheit von Horn- zellen in den Röhrchen bei dem Hufe dahin aus, „dass der starke Blutdruck eine gesteigerte Transsudation von Blutplasma auf diesen Flächen hervorbringe, und dadurch die Verhornung ihrer Zellen verhindere“. Obgleich ich keine bessere Hypothese vorzubringen weiss, begreife ich doch nicht, warum an den Spitzen der Papillen ein stärkerer Blutdruck wie anderswo stattfinden soll, und warum dieser, selbst wenn seine Existenz bewiesen wäre, die Verhornung der Zellen verhindere. Bei dem eben ausgeschlüpften Hühnchen sind noch keine Aus- mündungen der Röhrchen zu erkennen. Sie treten erst hervor, nachdem die äussere Fläche abgenutzt worden ist. Der einzige Unterschied, welchen ich zwichen den Papillen bei Melopsittacus und dem Hühnchen fand, besteht darin, dass dieselben bei Melo- psittacus grösser sind und sich bilden, bevor dieser Theil des Schnabels mit Horn bedeckt ist, während sie bei den Hühnchen immer unter der Hornschicht verborgen sind. Bei der Ente sind auf beiden Kiefern Papillen zu sehen, die sich genau in derselben Weise verhalten, wie bei dem Huhn. Es ist wohl bekannt, dass sich bei diesen Vögeln auf dem Ende des Schnabels eine sehr starke Hornkappe vorfindet, während der hintere Theil dagegen verhältnissmässig nur wenig verhornt ist. Hier bildet sich auf der Spitze der Oberkiefer schon früh in dem Embryonalleben eine Hornschieht, deren Zellen in keiner Weise von den vorherbesprochenen Zellen des Eizahnes abweichen. Wie beim Hühnchen wird der Eizahn auch hier durch die Ent- stehung neuer Hornzellen emporgeschoben, bis er durch das Epitri- chium hindurch bricht. Zur selben Zeit entstehen auf dem Ende des Unterkiefers Hornzellen, die, obgleich sie eine ganz deutliche Erhebung (der Form des Eizahns ähnlich) bilden, doch nur die Beschaffenheit gewöhnlicher Hornzellen haben, und keinen Eizahn darstellen. Eine Rinne oder Einsenkung der Epidermis, wie sie bei andern Vögeln aufzufinden mir gelang, konnte ich bei der Ente nicht entdecken; indessen es ist immerhin möglich, dass sich eine sol- 334 Edward G. Gardiner: che in den von mir untersuchten Stadien noch nicht gebildet hatte. Da aber, auch in den spätesten Embryonaistadien und bei ausge- wachsenen Thieren keine Spur davon zu erblicken ist, so glaube ich doch mit grossem Recht annehmen zu dürfen, dass dieselbe bei den Enten überhaupt nie vorhanden ist. Die Lamellen des Entenschnabels entstehen erst später, wenn die Entwickelung fortschreitet, und zwar dadurch, dass die Epi- dermis sich einfaltet. Durch Mangel geeigneter Zwischenstadien bin ich jedoch verhindert, eine nähere Beschreibung der Lamellen- bildung zu geben. Gegen Ende des Embryonallebens fangen die Papillen an, auszusprossen und zur selben Zeit breitet sich auch die Hornbil- dung der Art aus, dass die Papillen dadurch verdeckt werden. Durch diese Ausbreitung wird auch die Fläche der Kappe auf dem Unterkiefer so vergrössert, dass die früher vorhandene Aehn- lichkeit mit einem Eizahn fast verloren geht. Wie beim Hühnchen, so bilden die Papillen und die inter- papillären Räume auch bei der Ente Hornzellen, durch deren Wucherung der dahinter liegende Theil der Hornkappe nachgezogen wird. Unter dieser Kappe gewahrt man eine mit vielen kleinen Erhebungen bedeckte Cutis, welche wie bei andern Vögeln die Hornschieht bildet, wogegen die Cutis des hinteren Schnabeltheiles keine solche Erhebungen zeigt, so dass ich keinen Grund habe anzunehmen, dass auch dieser Theil der Hornschicht nachgezogen werde. Auf dem Oberkiefer beobachtet man nur eine einzige Reihe von Papillen, während am Unterkiefer deren drei oder vier zu finden sind. Ehe wir unsere Erörterungen schliessen, möchte ich noch einige Worte über die den Eizahn betreffende Literatur hin- zufügen. Yarrell (17) war es, der meines Wissens im Jahre 1826 zuerst dieses Organ erwähnt hat. Er erkannte nieht nur den Zweck des Eizahnes, die Schaale zu durehbrechen, sondern vermuthete auch, dass bei denjenigen Vögeln, deren Eischaale ziemlich stark ist, der Eizahn viel schärfer und härter sei, als bei solchen, wel- che eine dünnere Eischale haben. Für diese Vermuthung habe ich keine Bestätigung gefunden: bei Melopsittacus, dessen Eischaale sehr dünn ist, hat der Eizahn die gleiche Schärfe und Härte, wie bei Hühnchen. Beiträge z. Kenntniss d. Epitrichiums u. z. Bildung d. Vogelschnabels. 335 Im Jahre 1841 fand Mayer (13) „zwei conische, an der Basis und Mitte rundliche, am Ende zugespitzte, hellgelbliche Krystalle oder Zähne, welche ganz nahe nebeneinander in Taschen der Schnabelhaut sitzen, aus welchen sie schief nach auswärts an bei- den Seiten hervorragen“. Es scheint mir fast, als ob Mayer einen anormalen Embryo untersucht und beschrieben hätte, da ich immer nur einen einzigen Eizahn gefunden habe, von einem Aussehen, wie ich es in Fig. 22 und 23 abgebildet habe. In demselben Jahre entdeckte Johannes Müller (19) bei einigen Schlangen und Eideehsen einen Zwischenkieferzahn, welcher um die Eihaut zu spalten aus der Mundhöhle herausragte. Auch die Crocodile und Schildkröten besitzen nach ihm einen Eizahn, aber einen sol- chen, der sich auf der Fläche des Oberkiefers erhebt und mit dem Vogeleizahn verglichen wird. Im Jahre 1857 bemerkt Weinland (20) bei Tringa pusilla die Anwesenheit von zwei Eizähnen, den einen auf dem Ober- und den anderen auf dem Unterkiefer. Er behauptete, dass der letztere, da der Unterkiefer viel kürzer wäre, und die bewaffnete Spitze nicht für das Durchbrechen der Schaale benützt werden könne, nur als eine Stütze des Oberkiefers funetionire. Alle diese Beobachter stimmen darin überein, dass kurz nach dem Auskriechen der Eizahn verloren geht, wie das in Wirklich- keit auch der Fall ist. Ob solches früher oder später geschieht, hängt davon ab, ob der Vogel ein Nestflüchter oder Nesthocker ist. Bei einer langen Reihe von Schlangen und Eidechsen beob- achtete Weinland auch einen Zwischenkieferzahn, demjenigen ähnlich, welcher zuerst von Müller beschrieben wurde. Er zeigte zugleich, dass ein solcher nicht nur bei den Reptilien, welche Eier legen, vorhanden sei, sondern auch bei Eideehsen, welche lebendige Junge gebären. Im Jahre 1853 veröffentlichte Horner (21) einige Beobach- tungen über die Art, wie das Hühnchen die Eischaale durehbricht, indem er zu beweisen suchte, dass das eigenthümliche Geräusch, welches während der drei letzten Tage zu hören ist, nicht dureh das Klopfen des Eizahnes an die Schaale, sondern auf andere Weise entstehe. Da er dieses Geräusch schon gehört hatte, bevor der Schnabel das Amnion durchschneidet, so glaubte er, schliessen zu dürfen, dass es das Atlımen des Thieres sei, welches das Geräusch erzeuge. 336 Edward G. Gardiner: Um seine Ansicht zu stützen hob er hervor, dass auch einige Physiologen (deren Namen er verschweigt) meinten, dass die Luft erst am neunzehnten Brütungstage in die Lunge eindringe, um dieselbe Zeit also, in der jenes Geräusch zuerst hörbar wird. Ich bezweifle jedoch, dass Horner mit seiner Erklärung das Richtige getroffen hat. Ich kann mich allerdings nicht erinnern, an welchem Tage ich das Geräusch zuerst gehört habe, aber dafür zählte ich (vierundzwanzig Stunden vor dem Auskriechen) bei Hühnchen nicht weniger als einhundertzweiunddreissig Schläge in der Minute, — ich sage „Schläge“, denn ich halte das Geräusch für das des Klopfens des Herzens und nicht für das des Athmens. Literatur. 1) Kerbert, Conrad: „Ueber die Haut der Reptilien und andere Wirbelthiere“. Archiv f. mikroskop. Anatomie. Bd. XIII. 2) Jeffries, J. Amory: „Ihe Epidermal System of Birds“. Proceed. of the Boston. Soc. of Natural History. Vol. XXII. Feb. 1883. 3) Balfour, F. M.: „Handbuch der vergleichenden Embryologie“. 4) Kölliker, Albert: „Entwickelungsgeschichte des Menschen“. 5) Grefburg, Wilh.: „Die Haut und deren Drüsen in ihrer Ent- wickelung“. Mittheilung aus dem embryologischen Institute der k. k. Uni- versität in Wien. II. Band, 3. Heft. 1883. 6) Kollmann, Arthur: „Der Tastapparat der Hand der menschlichen Rassen und der Affen in seiner Entwickelung und Gliederung“. 7) Una, Paul G.: „Handbuch der Hautkrankheiten“ von H. v. Ziemens. 8) Leydig: „Handbuch der Histologie“. 9) Weleker, Hermann: „Ueber die Entwickelung und den Bau der Haut und Haare bei Bradypus“. 10) Bischoff: ‚Entwickelungsgeschichte der Säugethiere und des Menschen“. 1l) Fehling: „Archiv für Gynäkologie‘. Bd. 14. 12) Prochownick: „Archiv für Gynäkologie“. Bd. 11. 13) Blanchard: Comptes Rendus. Vol. I. 1860. 14) Cuvier: Analyse des travaux de l’Acadömie des sciences, pendant P’annee 1821. 15) Fraisse, Paul: „Ueber Zähne bei Vögeln“. Vortrag, gehalten in der physicalisch-medicinischen Gesellschaft. Würzburg, Dez. 1879. Beiträge z. Kenntniss d. Epitrichiums u. z. Bildung d. Vogelschnabels. 337 16) Ravitsch, Joseph: „Ueber den feineren Bau und das Wachs- thum des Hufhorns. 1863. 17) Yarrell, William: „On the small horny appendage to the upper mandible in very young chickens“. Zoolog. Journ. 1826. 18) Mayer: Neue Notizen von Foriep, Bd. 20. 19) Müller: Müller’s Archiv. 1841. 20) Weinland: „On the armiture of the lower bill of Tringa pusilla“. Proc. Essex Institute. 1857. 21) Derselbe: „On the eggtooth of Snakes and Lizards“. Proc. Essex Institute 1856. (?) Würtemb. Jahreshefte des Vereins für deutschländische Naturkunde. 1859. 22) Horner, F. R.: Report of British Assoc. 1853. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XVH u. XVIMH. Fig. 1. Querschnitt durch den Schweinshuf zur Zeit der Entstehung des Hornes. E. Epitrichium, H. Horn, S. Schleimschicht. Fig 2. Querschnitt durch denselben in einem älteren Stadium. Fig. 3. Der zwischen a—a und b—b liegende Theil von Fig. 2 vergrössert. Fig. 4 Der Huf des 17cm langen Schweinsembryo. Fig. 5. Querschnitt durch denselben. Fig. 6. Epitrichiumzellen von demselben. Fig. 7. Epitrichiumzellen des Lammes zur Zeit der Geburt. Fig. 5,9u.10. Schematische Darstellungen der Epiblastzellen des Hühnchens. Fig. 11. Anschwellung der Epidermis auf dem Oberkiefer des Hühnchens. Fig. 12. Querschnitt durch den vorderen Theil des Schnabels eines 11 Tage alten Hühnehens. r. Rinne. Fig. 13. Ein ähnlicher Schnitt, nicht soweit nach vorn. Fig. 14. Ein ähnlicher Schnitt durch den Eizahn. ez. Eizahn; h. Horn; e. Epitrichium; r. Rinne; a. Einfaltung der Epidermis. Fig. 15. Der zwischen a—a und b—b liegende Theil von Figur 12 ver- grössert. Fig. 16. Ein Theil von einem Längsschnitt durch den Schnabel eines 14 Tage alten Hühnchens. Fig. 17. Der Hühnerschnabel nach dem Abziehen des Hornes. r. Rinne. p- Papillen. Fig. 138. Epitrichiumzellen des Hühnchens (ungefähr am 17. Brütungstage). Archiv f. mikrosk, Anatomie. Bd. 24. 99 338 = 02 = © ano = = = 00 Richard Drews: Längsschnitte durch den Hühnchenschnabel (ungefähr am 14. Brü- tungstage). r. Rinne. ez. Eizahn. . Die Rinne in einem etwas älteren Stadium. . Dieselbe an einem noch älteren Stadium (am 18. Brütungstage). . Eine Abbildung des Schnabels eines 18 Tage alten Hühnchens. . Schnabel zur Zeit des Auskriechens aus dem Ei. Längsschnitt durch den Schnabel von Milvus. p. Papille auf dem Unterkiefer. . Abbildung des Gaumens und Unterkiefers des Melopsittacus von unten gesehen. p. Papillen auf dem Unterkiefer. Längsschnitt durch den Oberkiefer desselben. p. Papillen auf dem Gaumen. . Längsschnitt durch den Taubenschnabel. “ Studien über Regeneration der Gewebe. (Fortsetzung). Aus dem anatomischen Institut in Kiel. Von Dr. A. Bockendahl, RB. Drews, O. Möbius, Dr. E. Paulsen, J. Schedel und W. Flemming. (Hierzu Tafel XIX). III. Zellvermehrung in der Tonsilla palatina beim Erwachsenen. Von Richard Drews, cand. med. (Hierzu Fig. 16 u. 17 auf Taf. XIX). Im Anschluss an die Ergebnisse über die Lymphdrüsen und Mundlymphknötchen, welcheFlemming im Eingange dieser Arbei- ten!) mitgetheilt hat, unternahm ich eine Untersuchung der Gau- mentonsillen, um zu entscheiden, ob hier gleiche Verhältnisse vorliegen wie bei jenen Drüsen. Dies konnte von vornherein 1) Arch. f. mikr. Anat. Bd. 24. 1884. S. 50. Zellvermehrung in der Tonsilla palatina. 339 wahrscheinlich gefunden werden. Es ist ja bekannt, dass in den Tonsillen in dem von Lymphzellen erfüllten Reticulärgewebe über- ali vertheilt runde oder rundliche Knötchen von verschiedener Grösse und meistens von hellerer Farbe vorkommen, welche mit dem schlecht passenden Namen „Follikel“ bezeichnet zu werden pfle- gen?) Ihr Verhalten in den normalen Mandeln ist nach Grösse, Gestalt und Vertheilung ganz ähnlich dem der hellen Knötchen (His’sche Vacuolen), welche in den Lymphdrüsen vorkommen und von Flemming dort als Heerde der Zelltheilung erkannt sind; derselbe hat danach schon auf diese Aehnlichkeit hingewiesen, und die Tonsillenfollikel mit jenen Knötchen in anderen Iymphatischen Organen als „Secundärknötchen‘ zusammengefasst ?). Es war nun zu untersuchen, ob diese Aehnliehkeit eine mehr als äusserliche, und ob auch das physiologische Verhaiten dieser Dinge in den Tonsillen das gleiche ist wie in den Lymphdrüsen: ob also auch in den „Tonsillenfollikeln“ locale Anhäufungen von Zelltheilungen, also „Keimcentren“ vorliegen, und ob die Verthei- lung und Grösse dieses Knötchens auch hier so ist, dass die Hy- pothese Flemming’s auf sie Anwendung finden kann, nach wel- cher diese Keimcentren nicht ständige Bildungen sind, sondern allmählich entstehen und wieder vergehen können. Beides kann ich nach den Ergebnissen meiner Arbeit bejahen. Ich untersuchte die Gaumentonsillen von 8 Thieren: 3 Meerschwein- chen, 2 Kaninchen (darunter die meisten ganz ausgewachsen), l erwachsenen Katze, 1 jungen Ziegenbock und 1 Schwein. Nur das letztere Thier lieferte keinen brauchbaren Befund, da die Ton- sillen erst nach dem Abbrühen erhalten werden konnten, welches die Gewebe für die erforderliche Behandlung unbrauchbar machte. Bei allen übrigen Thieren fand sich nach Behandlung mit dem von Flemming angegebenen Verfahren (s. oben) das Folgende: In dem dieht- und kleinzelligen Gewebe der Tonsillen sind Seeundärknötchen in unregelmässiger Vertheilung und von ver- schiedener Grösse eingestreut. Manche Abbildungen, so die von Schmidt (reprodueirt bei Frey) geben eine ganz gleichmässige Durchsetzung des Tonsillengewebes mit gleich grossen hellen Knöt- 2) Vergl. am eben eit. Orte, $.54, 60 und 61, Anm. 10. 3) S. ebenda S. 60. 340 Richard Drews: chen an: dies ist jedenfalls nicht das allgemeine Verhalten bei allen Thieren, vielleicht überhaupt etwas schematisirt, wenigstens habe ich bei den untersuchten Thieren solche Gleichmässigkeit in der Grösse und Vertheilung der Knötchen nicht gefunden. Das Gleiche giebt auch Flemming über die Secundärknötchen an, welche in den Mundlymphknötchen des Menschen vorkommen. — Die Secundärknötchen in den Tonsillen haben an Tinctionspräpa- raten theils hellere, theils aber auch etwas dunklere Gesammtfär- bung, als das umgebende Gewebe. Wo ersteres der Fall ist, zeigen sich in den Knötchen zahlreiche Mitosen, deren nähere Beschreibung ich ersparen kann, da es sich mit ihnen ganz verhält, wie mit den von Flemming aus den Lymphdrüsen beschriebenen. Am reich- lichsten fand ich die Theilungen beim Kaninchen und Meer- schweinchen, und wie ich besonders bemerke, gerade auch bei den erwachsenen Thieren, so dass sie nicht als blosse Wachsthums- erscheinungen angesehen werden können. Einzeln vertheilt und spärlich sind übrigens auch Mitosen ausserhalb der Knötehen im übrigen Tonsillengewebe zu finden. Wo die Seeundärknötchen eine etwas dunklere Gesammtfarbe haben, als die Umgebung, enthalten sie kleinere und dichter lie- gende Zellen als dort, wo sie hell aussehen, sind dann arm an Zelltheilungen oder auch ohne solche. Es wird dies darauf zu beziehen sein, dass es sich dabei theils um solche Knötchen handelt, in welchen die Zelltheilungen schon abgelaufen sind oder zeitweise ruhen, und also hauptsächlich kleine, dichtgelagerte Tochterzellen vorhanden sind; theils um Schnitte, in denen nur ein peripherischer Theil eines Knötehens abgetragen, das Centrum mit den Theilungen also nicht gefasst worden war®). Uebrigens findet man auch Knötehen mit helleren Centren, welche an Theilungsfiguren bedeu- tend ärmer sind als z. B. das in Fig. 17 gezeichnete Knötchen. Dies kann wohl nicht befremden, weil der Vermehrungsprocess ja nicht jederzeit gleich stark im Gange zu sein braucht. Die tingiblen Körper, welche Flemming (oben) aus den Lymphdrüsen beschrieben hat, kommen in den Secundärknötchen 4) Aehnliches kann man auch in den Lymphdrüsen und Mundknötchen finden, und ich schliesse mich dafür ganz der Erklärung an, welche Drews hier gegeben hat. Flemming. Zellvermehrung in der Tonsilla palatina. 341 der Tonsillen in ganz ähnlicher Weise vor und scheinen mir auch hier stets in Zellen zu liegen. Ob direete Theilungen oder besondere abweichende Vermeh- rungsarten von Zellen hier noch vorkommen mögen, kann ich nicht beurtheilen; jedenfalls habe ich keinerlei bestimmte Zeichen davon gefunden. Da die Mitosen so zahlreich sind, wird es wohl am Nächsten liegen, in der mitotischen Zelltheilung auch hier den wesentlichen Faetor für die geschehende Vermehrung von Leuko- eyten zu suchen. Vielfach habe ich die Angaben von Stöhr über die Durch- wanderung von Leukoeyten durch das Epithel bestätigt gesehen, und es kann gewiss kein Zweifel daran bestehen, dass die Ton- sillen für diesen Process besonders disponirte Stellen sind. Aber wie mir scheint, muss es noch die Frage bleiben, ob das hier neugebildete Zellenmaterial ganz oder auch nur grösstentheils für eine solehe Auswanderung bestimmt ist, oder ob nicht zugleich, und vielleicht in grossem Maassstabe, eine Fortschaffung desselben durch Lymphbahnen erfolgt. Die Abbildung Fig. 16, Taf. XIX zeigt schwach vergrössert einen Schnitt von der Ziegentonsille, nach Behandlung in der angegebenen Weise. Vorn ist geschichtetes Epithel und Schleimhaut, in der Tiefe sind zwei Gründe von Tonsillenbuchten schräg durchschnitten, mit einem sehr dünnen Epithel, dass nur durch einen dunklen Strich angedeutet ist; um jede Bucht liegt eine Schicht von Iymphatischem Gewebe, entsprechend dem Knoten- und Strang- gewebe der Lymphdrüsen; hierin liegen Secundärknötchen von verschiedener Grösse vertheilt, in denen sich bei stärkerer Vergrösserung reichliche Mito- sen finden. Fig. 17 entspricht einem Schnitt durch die Hälfte eines solchen Keim- centrums aus der Tonsille des erwachsenen Kaninchens, bei mittelstarker Vergrösserung. Die Kerntheilungsfiguren, welche mit Oelimmersion sicher als solche zu diagnostieiren waren, sind schwarz eingetragen, im Uebrigen sind nur die Zellkerne schematisch angedeutet. 342 Otto Möbius: IV. Zellvermehrung in der Milz beim Erwachsenen. Von Otto Möbius, Assistenten am anat. Institut in Kiel. (Hierzu Fig. 18, Taf. XIX). Auf Veranlassung und unter Leitung Prof. Flemming's habe ich Untersuchungen darüber angestellt ob eine Regeneration von Leucoceyten in der Milz in ähnlicher Weise vor sich gehe, wie sie von Flemming in den Lymphdrüsen nachgewiesen ist. Die Prä- parate (von Milzen ausgewachsener Kaninchen und Meerschwein- chen) wurden nach der, im Anfangstheil dieser Studien angegebenen Methode) hergestellt und ergaben im Wesentlichen Folgendes: In allen Präparaten, bei dem einen mehr, beim andern weni- ger, lassen sich Mitosen nachweisen; am zahlreichsten sind sie stets in den Malpighi’schen Knötchen vorhanden. Bei gelunge- nen Tinetionspräparaten zeigt jedes dieser Knötchen in der Mitte ein helleres Centrum, das von einem dunkleren, verschieden breiten Saume umgeben ist. In der hellen Mitte treten schon unter schwa- chen Vergrösserungen zahlreiche stärker gefärbte Pünktchen hervor, von denen sich die meisten, stärker vergrössert, mit Bestimmtheit als Karyomitosen erweisen. Der Vergleich eines jeden Knötchens mit je einem Secundärknötechen, wie sie Flemming in der Rinden- substanz der Lymphdrüsen beschreibt, liegt sehr nahe. Ebenso wie dort ist hier ein Kern grösserer Zellen, von denen eine grosse Zahl indireete Kerntheilungen zeigt, umgeben von einer Schale dieht liegender kleinerer Zellen. Jedes Malpighi'sche Knötchen dürfte demnach physiologisch je einem Flemming’schen Keim- centrum entsprechen; auch hier werden die, durch 'Theilung der grösseren und im Centrum gelegenen Zellen, entstandenen jungen Tochterzellen an der Peripherie zusammengedrängt und es liegt nahe anzunehmen, dass sie durch das Pulpagewebe von ihrer Bil- dungsstätte aus radiär weiter befördert werden. 5) Sowie auch mit anderen Färbungen (siehe am Schluss). Zellvermehrung in der Milz. 345 In jedem Malpighi’schen Knötchen ist stets nur ein Keim- eentrum vorhanden, und diese sind von wechselnder Grösse. Ent- sprechend der Hypothese, die Flemming für das Auftreten der Secundärknötehen in den Lymphdrüsen aufgestellt hat, bin ich geneigt, Folgendes anzunehmen: Die Malpighi’schen Knötchen sind fluetuirende, locale Ver- grösserungen der Arterienscheiden, welche dadurch zu Stande kommen, dass temporär an beliebigen Stellen Zellwucherungen auftreten, und die jungen Tochterzellen, nach allen Seiten fortge- schoben, das umgebende Pulpagewebe allmählich auseinander drän- gen; eine concentrische Anordnung des letzteren um die Knötchen herum lässt sieh an dünneren Schnitten fast überall erkennen. Bei der Methode, nach welcher die Präparate hergestellt wur- den, war es leider nicht leicht, auch noch das Verhalten der Zellen in den Arterienscheiden genau festzustellen; denn das Gewebe der letzteren ist bei dieser Behandlung und Tinetion nicht überall recht scharf kenntlich und abgegrenzt gegenüber der Pulpamasse. Hier und da findet sich aber auch in zweifellosen Durchschnitten von Arterienscheiden ein in Mitose begriffener Kern, doch stehen diese vereinzelten Theilungen im keinem Verhältniss zu dem zahlreichen Vorkommen derselben im Centrum der Malpighi’schen Knötchen. Man könnte die vereinzelten Theilungen vielleicht auch als den ersten Beginn eines sich bildenden Keimecentrums, also eines Mal- pighi’schen Knötchens, auffassen. Schliesslich glaube ich noch bemerken zu müssen, dass in meinen Präparaten die Theilungsfiguren nicht so schön erhalten sind, wie man sie in grosszelligen Geweben niederer Wirbelthiere und gewissen Pflanzengeweben sieht‘); doch lassen sich mit homo- gener Immersion fast alle Phasen der Karyomitose feststellen. In den Knötchen, gerade auch an Stellen regster Zellwucherung fanden sich zahlreich die von Flemming in den Keimcentren der Lymph- drüsen beschriebenen tingiblen Körperchen von kugliger oder hohlkugliger Gestalt. Auch in der Pulpa der Milz finden sich überall verstreut und recht reichlich Zelltheilungen vor, wenn auch nirgends so dicht local angehäuft, wie es im Innern der Malpighi’schen Knötchen vorkommt. Die Zellen, welche sich dort in der Pulpa theilen, 6) Das Gleiche gilt ja auch für die Lymphdrüsen, siehe oben. 344 Otto Möbius: Zellvermehrung in der Milz. sind jedenfalls grossentheils von etwa gleichen Grössen und glei- chen rundlichen Formen, wie die in den Knötchen. Da man ja nieht ohne Grund daran denkt, dass in der Milz nicht nur Rück- bildung, sondern auch Neulieferung von rothen Blutkörperchen stattfinden kann, so wäre es allerdings möglich, dass jene in der Pulpa sich vorfindenden Mitosen alle oder zum Theil der Vermeh- rung von Hämatoblasten entsprächen; Sicheres hierüber liess sich bei dem gebrauchten Präparationsverfahren einstweilen nicht aus- machen. Die Theilungen aber in den Malpighi’schen Knötchen lassen eine solche Deutung sehwerlich zu; denn es ist ja nach dem frischen Milzpräparat oder an untingirten Schnitten sicher zu entscheiden, dass die Zellen, welche das Reticulum der Knötchen und Arterienscheiden erfüllen, keine Spuren von Hämoglobinfär- bung zeigen und mit Nichts besser zu vergleichen sind, als mit dem Zellenmaterial in den Rindenknoten und Marksträngen der Lymphdrüsen. Desshalb liegt es am nächsten, den Theilungen dieser Zellen auch denselben physiologischen Endzweck beizu- messen und also anzunehmen, dass sie neues Material an Leuco- cyten für die Lymphe und für das Blut liefern. Die jungen Zellen werden an der Peripherie der Knötehen zunächst in die Maschen- räume der Pulpa gelangen; aus diesen würde ihnen, bei Annahme einer lacunären Blutbahn in der Milz, der direete Weg in die Venen offen stehen. Es bleibt aber auch annehmbar, dass die Pulparäume mit ausführenden Lymphgefässen. der Milz communi- eiren, durch welche zunächst ein Transport der neuen Zellen in die Hauptstämme des Lymphsystems gegeben sein würde. Die meisten Präparate wurden mit Safranin und Gentiana- violett gefärbt, ausserdem habe ich auch Rose de Naphtaline und Dahlia versucht und damit recht brauchbare Färbungen erhalten, welche nur etwas blasser ausfielen als mit jenen Mitteln. Dahlia ist bekanntlich, wie Ehrlich gefunden und näher beschrieben hat?), an Alkoholpräparaten ein specifisches Färbmittel für gewisse Arten von Körnerbildungen in Leueoeyten und in Zellen der Binde- substanz, und nach Flemming’s Befund®) gelingt diese scharfe Körnerfärbung mit Dahlia auch an Pikrinsäure- und Chromsäure- 7) Beiträge zur Kenntniss der Anilinfärbungen. Arch. f. mikr. Anat. Bd. 13, S. 263 und Zeitschr. f. klin. Medicin Bd. 1, H. 3. 8) Arch. f. mikr. Anat. Bd. 19, S. 325. E. Paulsen: Zellvermehrung in hyperplastischen Lymphdrüsen etc. 345 präparaten vorzüglich; bei der Vorbehandlung mit den Osmium- semischen dagegen, wie sie hier gebraucht wurden, ist dies nicht der Fall. Auch die gröberen „tingiblen Körper“, welche wie gesagt auch in Zellen der Milz reichlich vorkommen, werden durch Dahlia nicht besonders hervorgehoben, Safranin und besonders Gentiana wirkt dafür erheblich stärker. Die Fig.18, Taf. XIX giebt bei sehr schwacher Vergrösserung die Skizze des Durchschnittes von einem Malpig’hi’schen Milzknötchen (Kaninchen) nach Gentianafärbung, so wie sie sich meistens an meinen Präparaten zeigten; die vorhandenen Kerntheilungsfiguren in dem hellen Keimcentrum sind nach Controle mit einem starken System schwarz eingetragen. — Von der Abbil- dung einzelner Mitosen und tingibler Körper habe ich abgesehen, weil sie sich nicht anders ausnehmen als das, was auf der Flemming’schen Tafel in Fig. 8—9 und 14—15 gezeichnet ist. V. Zellvermehrung und ihre Begleitungserscheinungen in hyper- plastischen Lymphdrüsen und Tonsillen. Von Dr. E. Paulsen, Privatdocent in Kiel. Mit Fig. 19 und 20, Taf. XIX. Nachdem Flemming im I. Theil dieser Studien gezeigt hatte, dass die Neubildung der Leucocyten in normalen Lymphdrüsen und normalen anderen Iymphatischen Organen auf Zelltheilungen mit typischer Karyomitose beruht, welche vollständig denjenigen Theilungsvorgängen gleichen, die als physiologische Mitosen in allen übrigen gesunden Geweben sich finden; nachdem dort ferner gezeigt war, dass in diesen Organen die Zelltheilungen in einer örtlichen Häufung auftreten, welche sich anatomisch als helle, rundliche, in das Iymphatische Gewebe eingestreute Gebilde kund- 346 E. Paulsen: giebt, denen Flemming deshalb den Namen Secundärknötchen beilegte und sie wegen ihrer physiologischen Bedeutung als Keimeen- tren bezeichnete; nachdem dies festgestellt war, musste es von besonderem Interesse sein, zu erfahren, ob dieser selbe Vorgang auch in krankhaft veränderten derartigen Organen sich findet oder ob in solehen pathologischen Geweben eigenartige Typen von Kern- theilungen die Hauptmenge bilden, wie dies von Arnold für acut hyperplastische Lymphdrüsen augenommen worden ist. Für die Untersuchung, welche ich zur Erforschung dieser Verhältnisse unternahm, standen mir leider nur eine kleine Anzahl von pathologischen Objeeten aus der Gruppe der Iymphatischen Organe zur Verfügung. Es waren dies eine chron. hyperplastische Lymphdrüse aus einem Paket sogenannter rheumatischer Bubonen der Inguinalgegend eines 45jährigen Mannes, ferner Theile der hypertrophischen Rachentonsille eines 1Sjährigen jungen Mannes und die amputirten Stücke mehrerer hypertrophischer Gaumenton- sillen von 8 bis 1Sjähr. Individuen. Die Lymphdrüse konnte ich kaum '/, Stunde nach der Ex- stirpation, die Geschwülste unmittelbar nach der Entfernung in das von Flemming angegebene Osmiumgemisch legen. Sie wurden dann in der von ihm vorgeschriebenen Weise behandelt und die Sebnitte mit Safranin oder Gentiana gefärbt. Die Lymphdrüse, welche ungefähr die Grösse einer kleinen Wallnuss hatte, zeigte eine hochgradige Entartung. Als gut erhal- ten präsentirten sich nur unter der stark verbreiterten Kapsel ein- zelne Gruppen von Rindenknoten, näher dem Innern war die normale Structur nur an vereinzelten Stellen noch vorhanden, im Uebrigen war sie ersetzt durch theils kernreiches theils derbfasriges Binde- gewebe, in dem sich reichlich stark entwickelte Blutgefässe fanden. Ausserdem hatten ausgedehnte Blutlachen (durch die Manipulatio- nen bei der Exstirpation entstanden?), besonders in der Nähe der Peripherie das normale Gewebe zerrissen und abgesprengt. Bei der Durchmusterung von Schnitten der in solcher Weise pathologisch veränderten Lymphdrüse mittelst einer schwachen Vergrösserung fielen sofort in den gut erhaltenen Theilen zerstreut kleine helle Knötchen auf, in derjenigen Anzahl, dass ungefähr jeder zweite Schnitt ein oder zwei, selten mehrere derselben auf- wies. In der rundliehen Form, dem blassen Kerne, dem tief gefärbten, die helle Mitte umrahmenden Hofe gliehen sie durchaus Zellvermehrung in hyperplastischen Lymphdrüsen ete. 3547 den von Flemming als Secundärknötchen bezeichneten Gebilden: die Achnliehkeit mit denselben musste ohne Weiteres in die Augen fallen. In allen charaeteristischen Eigenschaften zeigten diese hellen Knötehen eine derartige Uebereinstimmung mit dem hellen Centrum der Seceundärknötchen, dass ich keinen Anstand nehmen konnte, sie für identisch mit den Keimcentren gesunder Lymph- drüsen anzusehen; dass sie in der That Heerde darstellen, in denen Kerntheilungsvorgänge in grösserer Zahl sich abspielten, zeigten denn auch starke Trockensysteme oder die Oelimmersion auf das deutlichste: in jedem derartigen hellen Knötchen fanden sich ganz unzweifelhafte, wenn auch vielfach geschrumpfte echte Kernthei- lungsfiguren in grösserer oder geringerer Zahl. Ausserhalb dieser Heerde waren solehe Mitosen in derseiben Deutlichkeit conservirt vereinzelt überall ausgestreut, wo Ilymphatisches Gewebe noch erhal- ten geblieben war. Mit derselben Sicherheit konnte ich in den hypertrophischen Tonsillen, sowohl in der Tonsille pharyngea als der Tonsilla pala- tina den unter physiologischen Verhältnissen in solchen Organen stattfindenden Vorgang der Zelltheilung constatiren. In den Gaumentonsillen, welche alle arg zerklüftet waren und die ich wegen ihrer ganz excessiven Grösse amputirt hatte, war die Zahl der Theilungsheerde eine ganz überraschende (Fig. 19). Die Grösse der Mehrzahl dieser Knötehen war eine so bedeutende, dass sie mit blossem Auge als grosse, helle, rundliche Gebilde, nahe an einander gelagert, fast in fortlaufenden Reihen unter dem Epithel zu erkennen waren. In solcher einigermassen regelmässigen Anordnung füllten sie den Raum aus, der zwischen den epithel- bekleideten Einsenkungen und tiefen Hohlgängen frei blieb, wel- che von der Oberfläche nach dem Innern sich erstreckten. Diese so gebildeten Zwischenräume wurden häufig in ihrer Längsrichtung von einem oft sehr breiten und an manchen Stellen sehr kern- reichen Faserzuge durchzogen, der unter das Epithel ausstrahlte und eine Art Scheidewand zwischen den Reihen der Seeundär- knötehen bildete, wenn ich die Gruppirung derselben so bezeichnen darf (s. Fig. 19). Die Knötchen selbst von rundlicher oder mehr gestreckter Form lagen zuweilen so dicht an einander gerückt, dass ihre dichtzelligen Umgebungshöfe sich berührten und in ein- ander übergingen. Die letzteren waren nicht so breit wie in der 348 E. Paulsen: Lymphdrüse und häufig nur an der einen oder anderen Seite schwach angedeutet oder fehlten zuweilen auch gänzlich. Die Theile der hypertrophischen Rachentonsille, welche ich untersuchen konnte, entstammten solchen Wucherungen dieses Organs, welche einen stark gelappten Bau zeigten und soweit in das cavum pharyng. nasale herabhingen, dass die Choanen in ihrer Totalität verdeckt gewesen waren. Einen Theil derselben hatte ich mit dem Galvanokauter zerstört, den Rest trug ich mit der kalten Drahtschlinge hart am Rachendach ab. Diese Stücke zeigten an der Abtragungsstelle eine Art von Stiel aus derbem Bindegewebe, der die Grundlage eines Ballens Iymphatischen Gewebes bildete, dessen Ueberzug von Flimmerepithel den Gruben und Einsenkungen des Läppchens folgte. Auch hier fanden sich die hellen Knötchen: spärlicher im Innern, zahlreicher in der Peripherie, und hielten in ihrer Grösse die Mitte zwischen den entsprechenden Bildungen der Lymphdrüse und der Tonsille palatina. Dass auch in diesen Organen, wie in der Tonsille des Gaumens die Sekundärknötchen in Wahrheit Heerde von Zelltheilungen darstellten, liess sich ohne Weiteres feststellen: die zahlreichen bei schwacher Vergrösserung in ihnen erkennbaren dunklen Punkte lösten sich auch hier mit Hülfe der Oellinse, ich untersuchte mit Seibert !/;, als echte Mi- tosen auf, untermischt mit grösseren mit scharf gefärbten rundlichen Körpern angefüllten Zellen. Die Zahl der in einem Keimcentrum angehäuften Theilungen der Leucocytenkerne war in den untersuchten Organen eine sehr verschiedene. In den kleinen Sekundärknötehen der Lymphdrüse konnte ich im Allgemeinen nur eine kleine Zahl derselben con- statiren. Doch in einem der Heerde von der gewöhnlichen Grösse, das bei Seibert !/; mit seiner verdichteten Peripherie nur ein Sehfeld einnahm, zählte ich siebenzehn Mitosen der verschiedenen Stadien. In den Theilungsheerden der Rachentonsille war diese Zahl keine Seltenheit, während sie in der Gaumentonsille weit, oft noch um mehr als das Doppelte übertroffen wurde. Dass diese von mir als echte Karyomitosen angesehenen Fi- guren in Wahrheit Zelltheilungen derselben Typen darstellen, wel- che im normalen Iymphatischen Gewebe sich finden, darüber kann nach ihrer Form, ihrer Grösse und ihrer Färbung ein Zweifel nicht herrschen. Natürlich war es nicht möglich, an jeder Figur die Phase, der sie angehörte, zu bestimmen, das wird bei der Kleinheit Zellvermehrung in hyperplastischen Lymphdrüsen ete. 349 der Zellen wohl überhaupt nieht möglich sein. Wie ich mich aber durch den Vergleich mit Präparaten, welche nach derselben Methode von gesunden lymphatischen Organen angefertigt waren, überzeu- gen konnte, war in meinen Objeeten die Conservirung dieser Zell- theilungsfiguren mindestens eben so gut gelungen, wie dort und ein wesentlicher Unterschied an den Bildern nicht zn constatiren. Ich habe desshalb geglaubt von der Beibringung eigener Zeich- nungen Abstand nehmen zu können und mich mit dem Hinweis auf die von Flemming in Fig. 14 und 15 gegebenen Beispiele begnügen zu dürfen, nachdem derselbe deren Uebereinstimmung mit den in meinen Präparaten befindlichen Zelltheilungen in allen wesentlichen Dingen constatirt hat. Andererseits habe ich weder in den Seeundärknötehen noch ausserhalb derselben irgend welche Theilungsfiguren finden können, welche auffallende Abweichungen von den in den Zeichnungen gegebenen Beispielen dargeboten hätten. Dass manche der letzteren eine gewisse Aehnlichkeit mit einzelnen Figuren nicht verkennen lassen, welche Arnold in seinen der Leiche entnommenen und nach anderen Methoden behandelten acut hyperplastischen Lymphdrüsen fand und als Zelltheilungen neuer eigenartiger Typen ansah, ist schon von Flemming her- vorgehoben. Es ist nicht unmöglich, dass dies echte Mitosen sind und dass die Entstehung derartiger, absonderlicher Formen auf Rechnung der Conservirungsmethode zu schieben ist. Von den zahlreichen anderen Arnold’schen Kerntheilungsfiguren sind mir aber keine weder in der Lymphdrüse noch in den Tonsillen auf- gestossen. Formen wie sie Arnold giebt (Virchow’s Archiv 95, Tafel II, Fig. 20 und 23 und Taf. III Fig. 34, 36 sowie Theile von 30, 31 und andere mehr) habe ich vielfach gesehen, sie aber als polymorphe Kerne von Leucocyten aufgefasst. Eine Verwechs- lung der Mitosen wäre allein möglich mit denjenigen Körpern, welche Flemming „tingible* nannte und welche mit Safranin oder Gentiana sich in gleicher oder doch sehr ähnlicher Weise wie die Kerntheilungsfiguren färben. Diese tingiblen Körper fand ich aus- schliesslich in den Keimcentren, in besonders grosser Zahl in der Tonsilla palatina, so dass es den Anschein hatte, als stände ihre Menge in einem gewissen Verhältniss zu der Häufung der Zell- theilungen. Sie waren meist in grosse langgestreckte, häufig mit fadenförmigen Fortsätzen versehene und mit deutlichem Kern aus- gestattete Zellen eingeschlossen, zuweilen schienen sie auch ver- 350 E. Paulsen: einzelt oder in kleinen Gruppen freizuliegen. Ihre Unterscheidung von rothen Blutkörperchen oder Zellkernen war überall ohne Schwierigkeit durchzuführen, auch dort, wo sie frei zu liegen schienen. Meist waren sie in grösserer Anzahl in der Zelle ein- geschlossen, die kleineren gleichmässig durchgefärbt, die grösseren mit hellen Partien in ihrer Mitte oder an einer Stelle der Peri- pherie, so dass halbmond- und hufeisenförmige Figuren entstanden oder auch solche, wie sie die Figur 15n bei Flemming wie- dergiebt. In der Tonsilla palatina fand ich endlich noch jene Zellen, welche die färbbaren, von Flemming gentianophile genannten Körnehen enthielten: in grosser Anzahl waren sie in den breiten Bindegewebszügen ausgestreut, welche die Reihen von Keimcentren trennten. Da ich vornehmlich mit Safranin gefärbt habe, konnte ich nur das Verhalten der feinen Körnchen gegen diese Farbe beobachten. Sie wurde von ihnen, die dicht gedrängt in den Zellen lagen, zuweilen auch noch in kleinen Häufchen sie umgaben, als wären sie aus ihnen herausgepresst, in demselben Grade auf- genommen, wie von dem Chromatin der Kerne. Es würde sich desshalb vielleicht empfehlen, sie nicht gentianophile sondern chromatophile zu nennen. Ausser ihnen beherbergten einzelne dieser Zellen noch ein grobkörnigeres schwarzes Pigment. In Bezug auf die Epithelauskleidung der Tonsillen kann ich noch bemerken, dass ich sowohl im Flimmerepithel der Rachen- tonsille als im Pflasterepithel der Gaumentonsille Theilungsfiguren antraf, im ersteren nicht so häufig als im letzteren. Es war jedoch bei der reichliehen Durchsetzung des Epithels mit Leucoeyten keineswegs, namentlich im Flimmerepithel. immer möglich zu sagen, welchen Zellen diese Kerntheilungen angehörten. An einzelnen Stellen nämlich, dort wo Sekundärknötehen in der Nähe lagen, waren die Leueocyten in dem Epithel in der Weise gehäuft, dass wahre Ströme dasselbe durchzogen und sich auf die Oberfläche ergossen. An der ausserordentlich dicken Bedeckung der freien Fläche der Tonsillen des Gaumens war diese Erscheinung seltener sichtbar als an der zarten Auskleidung ihrer Hohlgänge. Vereinzelt fand ich auch in solchen Ansammlungen auf der Oberfläche der Rachentonsille gut eonservirte Theilungen von Leucocytenkernen. Studien über Regeneration der Gewebe. 351 Die obige kleine Arbeit lag zum Druck bereit, als mir die neueste Arbeit Stöhr’s in Virchow’s Archiv Band 97 Heft 2 „Ueber Mandeln und Balgdrüsen* in die Hände kam. In dersel- ben giebt Stöhr einige Abbildungen von Theilungen der Leucoey- tenkerne. Die auf Tafel IX Fig. 5 u. 6 wiedergegebenen sind denen sehr ähnlich, von welchen ich auf S. 349 gesprochen und welche ich als polymorphe Leucocytenkerne aufgefasst habe. Von besonderem Interesse sind die drei Abbildungen, Tafel IX Fig.9 und Taf.X Fig. 12 u. 13, in denen Stöhr einen Quer- schnitt durch die Tonsille eines erwachsenen Kaninchens, einen senkreehten Sehnitt durch die Balgdrüse eines erwachsenen gesun- den Menschen und den Theil eines Querschnittes der Tonsille eines sesunden erwachsenen Menschen giebt. Diese Abbildungen zeigen in vortrefflicher Wiedergabe die von Stöhr als Follikel bezeich- neten Secundärknötehen und demonstriren sehr anschaulich die Leueoeytenströme, welche von ihnen ausgehend das Epithel durchsetzen und in die Hohlgänge sich ergiessen, wie ich es oben angegeben habe. Ausser in der Arbeit Armauer-Hansen’s (s. oben bei Flemming, S. 58) finden sich die Seeundärknötchen aus hyperplastischen Lymphdrüsen auch inSchüppel’s Buch: (Untersuchungen über Lymphdrüsen-Tuberkulose, Tübingen 1871) als häufige Erscheinungen beschrieben und gezeichnet, und mit den His’schen Vaeuolen verglichen. Nach seiner Darstellung scheint es, als ob er sie durchweg als Erscheinungen abnormer Hyperplasie betrachtet hat. Erklärung der Figuren. Fig. 19. Schnitt durch den amputirten Theil der hypertrophischen Gaumen- tonsille eines 14 jähr. Menschen mit tiefen Einsenkungen und Hohl- gängen. Die frei gelassenen Partien sind Defecte des Präparates. Die hellen Flecken: Sekundärknötchen der verschiedensten Grösse. Dazwischen die hellen Streifen der Faserzüge.e — Lupenvergrösse- rung. Fig. 20. Schnitt durch ein mit der kalten Drahtschlinge abgetragenes Läpp- chen der hypertrophischen Rachentonsille eines 18jähr. Menschen. Die dunklen Streifen sind derbe Bindegewebszüge, welche von der Abtragungsstelle aus gegen das Innere ausstrahlen. Die hellen Flecken: Die Secundärknötchen, welche besonders in der Nähe der Peripherie ausgestreut sind. — Lupenvergrösserung. 352 Jos. Schedel: VI. Zellvermehrung in der Thymusdrüse. Von Jos. Schedel, Assistenten am chem. Univ.-Laboratorium in Kiel. (Mit Fig. 21 u. 22 Taf. XIX). Auf Aufforderung und unter Leitung des Herrn Prof. W. Flemming untersuchte ich die Thymus einiger Säugethiere mit Bezug auf das Vorkommen und die örtliche Vertheilung von Zell- theilungen. Zur Conservirung der Drüsen resp. zum Hervortreten- lassen der Theilungsfiguren benutzte ich das Flemming'’sche, oben erwähnte Verfahren. Das betreffende Organ wurde sofort nach dem Tode des Thieres in das Chrom-Essig-Osmiumsäuregemisch gebracht, in welchem es drei bis vier Tage verblieb. Die Nachhärtung ge- schah in absolutem Alkohol. Die Schnitte wurden theils mit einem Schieferdecker’schen Handmikrotom, theils mit dem Sehlitten- mikrotom angefertigt. Gefärbt wurden dieselben in concentrirter Safraninlösung, in weleher sie 2—3mal 24 Stunden verblieben. Meine Untersuchungen beschränkten sich auf die Thymus der Katze, der Ziege und des Kalbes. Die Anatomie und Entwickelung der Thymus ist durch die Arbeiten von His®) und die Lehr- bücher genügend bekannt, ebenso die Histologie, diese namentlich durch Watney’s ausführliche Arbeit!%). Doch muss ich in Kurzem den feineren Bau des Organs, da derselbe für die nachfolgenden Beobachtungen von besonderem Belange, hier nochmals anführen. Das Organ zeigt einen durchaus lobulären Bau. Die Läpp- chen sind durch lockeres Bindegewebe an einander geheftet, stehen entweder dicht gedrängt, dachziegelartig übereinanderliegend, oder oft so locker, dass man auf grössere Strecken nur ganz schwache Parenchymbrücken findet. 9) Zeitschrift für wissenschaftl. Zoologie, Bd. X. 1860. 10) Herbert Watney: ‚Ihe minute anatomy of the thymus“ in „Philosophical transactions of the royal society.‘ part. IH. 1882. Zellvermehrung in der Thymusdrüse. 353 Die kleinsten Läppchen (Primärläppehen, Krause, Läppchen III. Ordnung His) sind wiederum aus kleineren Elementen zu- sammengesetzt, den sogenannten Drüsenkörnern, acini His, die von Klein und Jendrassik als „Follikel® bezeichnet werden, da sie in der Hauptsache ihres Baues mit den gleichbenannten Dingen in den Lymphdrüsen übereinstimmen; der Name passt jedoch hier so wenig wie dort, da sie weder Kapsel noch Höhle haben. An diesen Läppchen letzter Ordnung, die man vielleicht am Kür- zesten als „Grundläppchen“ bezeichnet, unterscheidet man 1) eine helle centrale (Mark-)Zone, die spärlich Gefässe und Iymphatische Zellen enthält; 2) eine dunklere, zell- und gefässreiche Peripherie (Rindenzone)!!). Als Gerüst der Grundläppcehen dient eine Auf- lösung der Gefässe in Capillaren. Die Grundlage des Gewebes wird von einem aus Zellen und ihren Ausläufern gebildeten Reti- culum geliefert, in dessen Maschenräumen kleine Lymphdrüsen- zellen dichtgedrängt liegen. Ausser den Lymphzellen enthalten die Grundläppchen besonders in dem centralen Theil grössere proto- plasmareiche, mit grossem Kern und Kernkörperchen versehene Zellen (Riesenzellen), und ferner die eigenthümlich geschichteten, bald einfachen, bald zusammengesetzten Körperchen: die sogenann- ten concentrischen Körper, die nach Amann’s Untersuchungen !2) bindegewebiger Natur sind und in Folge Wachsthumsverminderung im centralen Theil der Grundläppchen entstehen. Das Centrum derselben wird gebildet von 1—3, selten mehr Zellen, um die eine variable, mit dem Alter zunehmende Zahl anderer Zellen sich zwiebelschalenartig gruppirt (einfache eoncentrische Körper); wer- den mehrere solcher eoncentrischen Gebilde von gemeinsamen Zell- schichten umhüllt, so entstehen die sogenannten zusammengesetzten eoncentrischen Körper. 11) Nach Watney beruht dieser Unterschied des Gewebes auf folgen- den 2 Thatsachen: 1. „Dass die concentrischen Körper, die Riesenzellen und die körnigen (the granular cells) Zellen mit wenig Ausnahmen in dem Mark gefunden werden und es desshalb nothwendig viel weniger Lymphkörperchen in diesem Theil des Follikels geben muss.“ 2. „Dass das Netz sehr selten das Mark erreicht, während es nahezu jedes Lymphkörperchen der Rinde umgiebt.“ 12) Ad. Amann: Beiträge zur Anatomie der Thymusdrüse. Inaugu- raldissertation. Zürich 1882. Archiv f. mikrosk. Anatomie Bd. 24. 23 354 Jos. Schedel: Zellvermehrung in der Thymusdrüse. Den wichtigsten und wesentlichsten Theil der Thymusgrund- läppchen bildet die Rinde, in diesem Theile findet nämlich vorzüg- lich die Neubildung der Zellen statt. Nach Analogie der Neubildung der Zellen in den Lymph- drüsen hätte man annehmen sollen, dass auch in der Thymus, die ja in ihrem Bau sich jenen nahe anreiht, die Regeneration der Zellen in der Markzone (Vacuolen von His) stattfände. Dies ist jedoch nieht der Fall. Eigentliche Keimcentren, wie sie Flem- ming in den Lymphdrüsen, Möbius in den Malpighi'schen Knöt- chen der Milz, Drews in den Tonsillen gefunden, existiren bei diesem Organe nicht. Die Zelltheilung findet fast ausschliesslich in der Peripherie der Follikel statt. Der Theilungsheerd verläuft ringsum die Mark- zone und nur vereinzelte Zelltheilungen finden sich in letzterer selbst, dagegen treten sie häufig selbst noch in dem äussersten, der bindegewebigen Scheidewand dicht anliegenden Theil der Rinde auf. Am deutlichsten fand ich diese Verhältnisse an Schnit- ten der Thymus einer jungen Ziege. Die Theilungsfiguren sind jedoch sehr klein und selbst mit Oelimmersion grossentheils nur unvollkommen aufzulösen, immerhin lässt sich jedoch die überwie- gende Mehrzahl sicher als mitotische Kerntheilungen ansprechen. An Schnitten der Thymus der Katze und des Kalbes beobachtete ich die gleichen Verhältnisse, doch fanden sich hier Zelltheilungen auch in der Markzone häufiger, nie aber traf ich sie hier heerd- weise zusammen. „Tingible Körper“ von derselben Art, wie sie oben Flem- ming beschrieben hat, trifft man auch in der Thymus, und zwar sowohl inderRinde wie im Marktheil der Grundläppchen, reichlich an. Als Resultat meiner Untersuchungen glaube ich behaupten zu dürfen, dass die Neubildung der Zellen der Thymus dureh indireete Zelltheilung geschieht, deren Heerd hauptsächlich die Rinde der Grundläppchen ist. Erklärung der Figuren. Fig. 21. Zelltheilung in einem Grundläppchen der Thymus der Ziege. R. Rin- denzone, M. Markzone, Z. Zelltheilungen. Fig. 22. Querschnitt eines Thymuslappen der Katze. K. Kapsel, F. Fett- zellen, G. Grundläppchen, R. Rindenzone, M. Markzone, CK. Concen- trische Körper. W. Flemming: Schlussbemerkungen etc. 355 VII. Schlussbemerkungen über die Zellvermehrung in den Iymphoiden Drüsen. Von W. Flemming. Die vorstehenden Arbeiten zeigen zunächst, dass in den Tonsillen und Milzknötchen im normalen erwachsenen Thier- körper eine gleich rege Zellenvermehrung vor sich geht, wie ich sie weiter oben für die Darm- und Mundlymphknötchen nach- weisen konnte. Und nach den Gründen, welche bei der Behand- lung der eigentlichen Lymphdrüsen zur Sprache kamen»), wird wohl auch für alle diese Iymphoiden Organe der Schluss am nächsten liegen, dass die Zellen, die hier aus den Theilungen hervorgehen, freie Leucocyten sind. Wenn nun diese in den Lymphdrüsen, wie man das wohl schwerlich bezweifeln wird, in die Lymphbahnen ausrücken und das normale Regenerations- material für die Leucocyten der Lymphe und des Bluts abgeben: so ergiebt sich als ganz naheliegend der Gedanke, dass es sich bei all den übrigen Iymphoiden Organen ebenso verhält und dass also die Deutung als „periphere Lymphdrüsen‘“, welche Brücke den Lymphknötchen des Darms, der Mund- und Schlundschleim- haut und den Tonsillen gegeben hat, ganz berechtigt ist. Man kann dies annehmen, ohne doch die Wichtigkeit zu ver- kennen, welche den Befunden und Anschauungen Stöhr’s!*) über die Funetionen dieser Organe unstreitig zukommt. Stöhr erkennt denselben, insoweit sie unter Epithel liegen, die wesentliche Auf- gabe zu, eine Auswanderung von Lymphzellen durch das Epithel zu unterhalten. Dass eine solche als physiologischer Process dauernd vorkommt, ist durch die sorgfältigen Arbeiten Stöhr’s so gut gestützt, dass es keiner weiteren Belege dafür braucht; übrigens haben auch wir reichliche Bestätigungen dafür gefunden. 13) S. 64 oben. 14) Ueber die „peripheren Lymphdrüsen.“ Sitzungsb. d. phys. med. Gesellschaft in Würzburg. 19. Mai 1883. 356 W. Flemming: Aber unsere Befunde setzen auch einen neuen Factor ein, mit dem Stöhr noch nicht gerechnet hat, dessen anscheinende Abwesenheit er sogar geradezu für seine Deutung in Anschlag gebracht hat. Er sagt (a. a. 0. S. 8), dass eine Neubildung von Zellen in den Darmfollikeln, Tonsillen und Mundknötchen unbekannt sei, und nach dem dortigen Zusammenhang ist dies in dem Sinne gemeint, um damit eine Verschiedenartigkeit der Function dieser Organe gegenüber den Lymphdrüsen zu befürworten. Nachdem wir aber auch in den ersteren eine Massenhaftigkeit der Zelltheilungen fest- gestellt haben, welche der in den Lymphdrüsen herrschenden nicht nachsteht, wird man wohl sagen müssen, dass alle diese Organe Neubildungsstätten von Leucocyten sind oder doch sein können; man wird nicht von der Hand weisen können, dass auch in den Iymphoiden Organen, welche unter Epithel liegen, ein vielleicht srosser Theil der neugebildeten Zellen den Weg in die Lymph- bahnen finden kann. Dass ein anderer Theil seinen Weg durch das Epithel nimmt, ist, wie gesagt, eine durch Stöhr klar demon- strirte Thatsache, deren vielfältige Bedeutung für physiologische wie für pathologische Verhältnisse auf der Hand liegt. Während des Abschlusses dieser Arbeit geht mir das 2. Heft des Bd. 97 (9. Folge, Bd. 7, Heft 2) von Virchow’s Archiv zu, in dem eine neue Arbeit Stöhr’s: „Ueber Mandeln und Balg- drüsen“ (S. 211, 2 Tafeln) enthalten ist. Dieselbe datirt vom 11. April 1884, ist also schon vor der meinigen über die Lymph- drüsen, Mund- und Darmknötchen (20. Mai) abgeschlossen worden. ÖObenstehendes wurde geschrieben, noch ehe ich Stöhr’s neuen Aufsatz erhielt, welcher für die normale Durchwanderung von Leueocyten durch das Epithel aus den Mandeln und Mundknötchen erneuerte Belege bringt. Derjenige Punct, den wir in diesem unserem Studium be- sonders verfolgt und festgestellt haben: die Vermehrung der Leueoeyten durch Zelltheilung, deren heerdweises Auf- treten in diesen Organen und, als allgemeine Folge da- von, die Erscheinung der Seeundärknötchen — ist zwar von Stöhr auch jetzt nicht in’s Auge gefasst worden; er sieht die „Follikel‘ offenbar nieht als vorzügliche Neubildungsorte von Zellen an, und die von ihm gegebenen Bilder von Theilungen, die ich alsbald bespreche, gehören sämmtlich entweder Leucoeyten an, welche im Epithel liegen (Fig. 4, 5) oder solchen, die frei oder Schlussbemerkungen etc. 357 in Blutgefässen gefunden wurden (Fig. 6); während es ihm nach eigener Aussage ($. 220) nur äusserst selten gelang, solche in dem adenoiden Gewebe selbst nachzuweisen. Doch abgesehen hiervon finde ich in Stöhr’s Befunden nichts, was mit den unsrigen in Widerspruch träte; er giebt von den „Follikeln“ zahlreiche vor- treffliche Abbildungen, die durchaus dem Ansehen unserer Prä- parate entsprechen und in denen vielfach als Ergebniss der Tine- tion die helle Mitte, das Keimcentrum, und die dunkle Peripherie der Seeundärknötchen auf das Naturgetreueste wiedergegeben ist (Stöhr’s Fig. 9, 10, 12, 13). Es ist in seiner Fig. 9 (Kaninchen- tonsille) sehr anschaulich zu sehen, wie von der kleinzelligen, dunkelgefärbten Peripherie je eines Secundärknötehens ein förm- licher Strom von Leucoeyten gegen das Epithel sieh vorschiebt und in dasselbe eindringt; ähnliches haben wir an Drews’ und Paulsen’s Präparaten vielfach gesehen und es sind diese Bilder wohl beweisend genug dafür, dass ein sehr grosser Theil des neugebildeten Zellenmaterials hier nach Aussen seinen normalen Weg nimmt. Die Kernbilder von Leucocyten aus dem Epithel und aus einem Blutgefäss, welche Stöhr in seiner Fig. 4—6 giebt, fasst er als Fragmentirungen (oder vielleicht zum Theil „direete Seg- mentirungen“) im Sinne J. Arnold’s auf"). Es ist jedenfalls keine Figur darunter, die sich mit Sicherheit als eine wohlerhaltene oder etwas veränderte mitotische Kerntheilung deuten liesse. Die meisten machen mir ganz den Eindruck von „polymorphen“ Leucoeyten- Kernen, wie ich einige in Fig. 10 und 13, Taf. IV dieser Studien abbildete. Ich habe dort S. 80-81 dem Zweifel Ausdruck gegeben, ob man Leucoeyten mit solchen Kernformen als in Theilung stehend betrachten kann; ich kann es nicht wahrschein- lich finden, um so weniger, als ich seitdem an anderen Orten viel- fach auf Zellen mit solehen Kernformen geachtet, und sie an den verschiedensten Orten, im Bindegewebe und im Epithel, äusserst verbreitet gefunden habe. Sollten sie also Theilungserscheinungen sein, so müsste die Theilung von Leukocyten eine ganz stupende Frequenz und Verbreitung haben, und man würde ferner annehmen müssen, dass dieser Prozess in den Lymph- und Iymphoiden Drüsen nach dem Typus ächter Karyomitose verläuft, bei anderswo vor- 15) Vergl. oben in I, S. 75, Anm. 30. 358 W. Flemminse: kommenden Leukocyten dagegen mit directer Kerntheilung. Ob- schon dies nieht unmöglich ist (da ja in der That beide Typen der Theilung bei dieser Zellenart vorkommen), kann ich eine solehe Annahme doch für jetzt nicht hinreichend gestützt finden. Ueber die physiologische Bedeutung der Zelltheilungen in der Milz lässt sich dem, was Möbius am Schluss seines Aufsatzes darüber geäussert hat, für jetzt kaum vieles hinzusetzen. Es ist klar, dass besonders von den Iymphatischen Arterienscheiden, resp. von ihren Anschwellungen, den Malpishi’schen Knötchen aus, eine rege Neubildung von Leucoeyten stattfindet, und man muss wohl die Ausfuhr dieser Zellen auf dem Wege durch die Pulpa nach den Venen hin, oder nach den ausführenden Lymphbahnen hin, oder auf beiden Wegen zugleich suchen. Eine volle Sicherheit über die Anatomie dieser Frage fehlt, so lange die lacunäre Blut- bahn in der Milzpulpa, die ich allerdings mit Vielen äusserst wahr- scheinlich finden muss, noch nicht absolut bewiesen ist und von einigen Stimmen bestritten wird, und so lange die aus der Pulpa führenden Lymphbahnen nicht vollständig anatomisch demonstrirt sind. Aber mir scheint, dass gerade der hier geführte Nachweis einer massenhaften Vermehrung von Leucocyten in der Milz mit ins Gewicht fällt, um einen weiteren Wahrscheinlichkeits- srund für die Existenz einer lacunären Blutbahn der Pulpa abzu- geben. Die relative Zahlvermehrung der Leucocyten im Milzvenen- blut gegenüber den rothen Blutscheiben ist bekannt; und wenn noch Zweifel bestehen könnten, ob die Zahlvermehrung der farblosen Zellen auch eine absolute gegenüber dem Milzarterienblut sei, so können die Resultate von Möbius sehr zur Bejahung dieser Frage auffordern. Die Zellen, die in den Knötchen in soleher Menge durch Theilung neugeliefert werden, müssen doch irgendwo bleiben, und es bietet sich als nächstliegende Annahme, dass sie ins Milzvenenblut gelangen und eben seinen Leucocytenreichthum bedingen. Wenn dies aber der Fall ist, so müssen sie aus den Retieularräumen der Knötehen, und weiter aus denen der Pulpa, in Venenwurzeln gelangen; und wiederum, wenn dies der Fall ist, so muss es zwischen Retieularräumen und Venen offene Wege geben. Denn man wird doch schwerlich glauben wollen, dass grade hier in der Milz die Leucocyten die Tendenz haben sollten, von Aussen nach Innen durch Blutgefässwände zu wandern, wäh- rend das sonst in der Regel durchweg in umgekehrter Richtung Schlussbemerkungen ete. 359 geschieht. Dies Argument habe ich schon seit langer Zeit gegen eine geschlossene Blutbahn in der Milzpulpa angeführt!6); denn dass die Leucoeyten im Milzvenenblut der Menge nach vermehrt seien und dass dieser Zuwachs in der Milz geliefert werde, daran 16) Dieser Einwurf lässt sich in ähnlicher Weise gegen eine geschlossene Blutbahn im Knochenmark richten, welche ja ebenfalls noch von einigen Seiten angenommen wird. Hier ist er noch rigoröser, denn hier handelt es sich um die Vorstufen rotber Blutzellen, um Hämatoblasten, von denen sich nicht einmal behaupten lässt, dass sie ein gleiches Kriechvermögen besässen wie die Leucocyten. Dass aus dem Knochenmark neue rothe Blutscheiben in’s Blut geliefert werden, dürfte nach den neueren Arbeiten nicht nicht mehr zu bezweifeln sein. Wenn man ein völlig geschlossenes Blutgefässsystem im Knochenmark voraussetzt, bleiben dann nur zwei Annahmen: entweder, das junge Zellenmaterial für die Neubildung rother Blutkörperchen liegt ausserhalb der Gefässe in den Interstitien der Bindesubstanz, dann müssten die Hämatoblasten während ihrer Umbildung zu rothen Blutscheiben von Aussen nach Innen durch die Gefässwände kriechen, und einen so gewagten Schluss wird man wohl nicht machen können. Oder, das Zellenmaterial an Hämatoblasten läge überhaupt schon von vorn herein überall innerhalb von Gefässbahnen des Knochenmarks, und würde vielleicht nur durch beweg- liche Zellen recrutirt, welche aus den Räumen neben den Gefässbahnen durch deren Wände einwanderten. Die letztere Annahme wäre an sich nicht unmöglich; aber sie wird, wie mir scheint, unhaltbar durch eine andere Betrachtung, die sich zum Theil auf die Kenntniss der Zelltheilung stützt. Die Hämatoblasten vermehren sich im Knochenmark bekanntlich durch mitotische Theilung; solche Theilungen schon hämoglobinhaltiger Zellen sind nachgewiesen (Bizzozero, Rindfleisch, Löwit u. A.) und bei jungen Thieren leicht zu demonstriren. Die Tochterzellen aus einer solchen Theilung haben dann (falls sie sich nicht noch ferner theilen) stärker hämoglobinhaltig zu werden, ihre Kerne einzubüssen und Scheibenform anzunehmen, um zu fer- tigen rothen Blutscheiben zu werden. Nun stelle man sich vor, dass dies alles an ihnen geschehen solle, indem sie sich innerhalb geschlossener Blut- bahnen des Knochenmarks befänden! Eine Zelltheilung beim Säugethier, obwohl wir nichts Sicheres über ihre Dauer wissen, läuft doch nicht so rasch ab wie man früher dachte, und es ist unwahrscheinlich, dass sie nicht min- destens einige Minuten lang währen sollte. Dazu kommt aber noch die weitere Zeit, welche durch die folgenden Umbildungsprocesse zu fertigen rothen Blutscheiben in Anspruch genommen wird. Wenn nun alle diese Vorgänge in umwandeten Gefässen abliefen, so wäre zu erwarten, dass fortwährend eine Menge von Zellen mit dem Venenblut aus dem Knochen herausgetragen werden müssten, welche noch kernhaltig und hämoglobinhaltig sind. Solche 360 W. Flemming: hat man ja schon lange gedacht. Aber das Argument hatte eine Lücke, so lange man diese Vermehrung in der Milz nicht sicher sehen und demonstriren konnte; diese Lücke ist hiermit aus- gefüllt. Die Hypothese, die ich im I. Theil zunächst für die Lymph- drüsen, die Peyer’schen Darmknoten!”) und die Mundknoten auf- gestellt hatte!®), lässt sich nunmehr auf die sämmtlichen bisher hier besprochenen Iymphoiden Organe ausdehnen. Mit den Se- eundärknötchen oder Vacuolen der Lymphdrüsen gleichwerthig sind alle die Gebilde, die aus der Mundschleimhaut, den Gaumen- und Schlundtonsillen und der Darmschleimhaut als ‚Follikel‘‘ bekannt Zellen finden sich zwar im strömenden Blut ausserhalb der Knochen vor, wie die neueren Arbeiten zeigen, aber nur ganz vereinzelt und bei weitem nicht in der Menge, wie sie durch die obige Annahme postulirt sein würde. Als Ausweg bliebe nur noch die Voraussetzung einer derartigen Verlangsamung des Knochenmarkblutstroms, dass die betreffenden Theilungs- und Umbildungs- vorgänge der Hämotoblasten meistens noch innerhalb des Markgefässsystems verlaufen könnten. Das müsste aber eine Verlangsamung sein, die fast bis zu völliger Stagnation ginge, und ich sehe kein Recht, etwas Derartiges anzu- nehmen. Diese Erwägungen an sich würden mich schon bestimmen, ein geschlosse- nes Gefässsystem in Knochenmark zu bezweifeln, auch wenn nicht noch andere Gründe gegen ein solches sprächen. Mit der Annahme einer lacunären Blut- bahn sind alle jene Schwierigkeiten beseitigt. Dann stellt ein Theil der Gefässbahnen wandungslose Strassen in den Zellenmassen dar, welche die Lücken der sehr zarten Bindesubstanz ausgestopft hatten; an diesen Zellen vollziehen sich die Theilungen und die Umbildungen zu Hämatoblasten gröss- tentheils während sie noch in situ liegen, und die fertig gewordenen rothen Blutscheiben werden, wegen der erösseren Glätte ihrer Oberfläche, mehr geeignet sein sich abzulösen und mit dem vorbeispülenden Blutstrom fortzu- treiben, als die noch mehr leucocytenähnlichen, also klebrigen hämoglobin- haltigen Vorstufen; so wird es ohne Schwierigkeit verständlich, dass man die letzteren nur in so geringer Zahl im strömenden Blut findet. 17) Ich freue mich, nach seither erhaltener persönlicher Mittheilung meines verehrten Collegen W. His anführen zu können, dass auch er schon lange ganz ähnliche Gedanken über die Vacuolen der Lymphdrüsen und über die Peyer’schen Knötchen gehegt hat, wie ich sie a. a. O. aussprach. Eine Aeusserung von His in Zeitschr. f. wissensch. Zoologie Bd. 13, 1863 (S. 462 Anm. 1) deutet bereits darauf hin, dass das Auftreten der Iymphatischen Gewebsformationen dem Wechsel unterliegt. 18) S. 67—72 und S. 88 Satz 2. ee Adolf Bockendahl: Ueber die Regeneration des Trachealepithels. 361 sind, und ebenso die Malpighi’schen Knötchen der Milz. Sie alle sind nicht anatomisch-stabile Bildungen, sondern örtlich auf- tauchende und schwindende Erscheinungen; an allen Orten ist ein solehes Knötehen nichts anderes, als der Ausdruck eines Keimcentrums, d. h., einer localen Zellenwucherung im Iympha- tischen Gewebe. Die Thymus nimmt ihrem Baue nach unter den Iymphoiden Organen offenbar eine sehr eigene Stellung ein. Als Schedel an ihre Untersuchung ging, haben wir vorausgesetzt, dass wir ähnlicke anatomische Verhältnisse finden würden wie bei allen übrigen jener Organe, d. h. dass die hellen Centren der Thymus- srundläppehen mit den hellen Keimcentren der übrigen Organe identisch sein könnten, welche in den letzteren His’schen Vaeu- olen entsprechen. Aber grade das Gegentheil ist der Fall: die Zelltheilungen liegen hier massenhaft und niemals heerdweise gehäuft, in der Rinde des Grundläppchens, und fehlen in seinem hellen Kern oder sind hier doch spärlich. Die eigenthümliche Ent- wicklung der Thymus, die aus dem Typus einer wahren Drüse zur Lymphdrüse umgestaltet wird, kann hierfür zur Aufklärung ver- helfen. Abgesehen von diesem Unterschied wird nach der ganzen Physiologie des Organs kaum zu bezweifeln sein, dass es während der. Periode seiner vollen Ausbildung der Neulieferung von Lymph- zellen ebenso dient, wie später die wahren Lymphdrüsen und lymphoiden Organe. Ueber die Regeneration des Trachealepithels. Von Dr. Adolf Bockendahl. (Mit Fig. 23—26 Taf. XIX.) Von den Arbeiten, die den Zweck verfolgen, Aufschluss über die Regeneration der Epithelien zu erhalten unter Berücksichtigung der Karyokinese, beschäftigt sich meines Wissens nur eine beson- ders mit demjenigen Epithel, welches ich zum Gegenstande meiner 362 Adolf Bockendahl: Untersuchungen gemacht habe. Es ist dies die zweite der von Drasch!?) gelieferten Arbeiten über die Regeneration des Tra- chealepithels, in der er speciell Rücksicht nimmt auf das Vor- kommen der indireeten Kerntheilung. Während dieser Autor in seiner ersten Arbeit?") Methoden benutzte, die erfahrungsgemäss wenig geeignet sind zur Erhaltung von Kerntheilungsfiguren, unter- zog er in der erwähnten zweiten die Resultate der ersten einer Revision, veranlasst, wie er sagt, durch die mit apodietischer Ge- wissheit ausgesprochene Behauptung Flemming’s, man werde im Epithel der Trachea Kerntbeilungen finden, wenn man die von ihm empfohlenen Methoden anwende. „Es war mir klar, sagt er ferner, dass dann die Formveränderungen der Zellen nieht in der von mir beschriebenen Weise vor sich gehen könnten und ich mithin ent- weder in den directen Beobachtungen mich getäuscht, oder aber in den Schlüssen, die ich aus diesen gezogen, Fehler gemacht haben musste.“ Auch die zweite Untersuchung, bei der Drasch alle von Flemming beobachteten Cautelen berücksichtigte, führten ihn nicht zur Auffindung von karyokinetischen Figuren. Er untersuchte frisch die in Chromsäure eingelegte Rindstrachea und eine mensch- liche Trachea eines Hingerichteten, 1!/, Stunden p. m. eingelegt. Die Zahl der mit einer Tauchlinse durchmusterten Schnitte giebt er auf viele Hunderte, die der mit Hartn. 7 Oc. 3 durchsuchten auf 1/), Tausend an, es geht aber nicht aus seiner Publication her- vor, ob auch Tracheen anderer Thiere, ferner nicht, wie viele In- dividuen derselben Gattung untersucht sind. Ich erwähne diesen Umstand, weil er vielleicht geeignet ist, eine Erklärung abzugeben für die in folgendem mitzutheilenden Resultate beim Auffinden von Kerntheilungen, die von den Drasch’schen wesentlich abweichen. Drasch findet nämlich an seinen Schnitten keine einzige Kern- theilungsfigur und nur eine einzige an einem Zupfpräparat, und kommt, vorbehältlich der Reserve, ob die Zahl der untersuchten Präparate hinreiche, auf seinen früheren Ausspruch zurück, den er voll aufrecht erhält, dass sich keine Zelltheilung nach vorangegan- 19) LXXXIIN. Bd. d. Sitzungsberichte d. k. Akadem. d. Wissenschaft. III. Abth. Mai-Heft. Jahrgang 1881. 20) LXXX. Bd. d. Sitzungsber. d. k. Acad. d. Wissenschaft. III. Abth. Oct.-Heft. Jahrg. 1879. Ueber die Regeneration des Trachealepithels. 363 gener Karyokinese finde. Sein früheres Zugeständniss, dass aus- nahmsweise Karyokinese stattfinden könne, stellt er jetzt dahin richtig, dass in dem Falle, wo Karyokinese an einer Zelle vor sich gegangen war, diese Zelle selbst vielleicht niemals sich theilt und zeitlebens als eine Zelle mit zwei Kernen bestehen bleibt. Desshalb legt er auch dem Funde einer einzigen Kerntheilungs- figur, die einer Basalzelle angehörte, in einem Macerationspräparate kein Gewicht bei. Auf diesen Einwand komme ich später zurück, während ich die übrigen in der Arbeit gemachten Bedenken gegen die Bedeutung etwa im mehrschichtigen Flimmerepithel vorhandener Kerntheilungsfiguren um so mehr übergehen kann, als sie von Flemming im Folgenden noch Betrachtung erfahren werden. Eine Erklärung, wesshalb Drasch zu negativen Resultaten in Bezug auf indireete Kerntheilung gelangt ist, giebt Henle, der gelegentlich einer Arbeit: „Zur Entwicklungsgeschichte der Kry- stalllinse und zur Theilung des Zellkerns“ ?!), der Drasch’schen Arbeit Erwähnung thut. Er sagt: „dass Drasch sich nicht von der Kerntheilung durch Karyokinese überzeugen konnte, möchte ich nicht, wie Flemming, der unpassenden Conservirung, sondern der unpassenden Wahl des Objektes zuschreiben. Es steht durch- aus nicht fest, ist sogar trotz Drasch’s Versicherung unwahr- scheinlich, dass die Zellen des Flimmerepithels, gleich denen der geschichteten Pflasterepithelien, in beständiger Regeneration be- griffen seien; es ist darum auch gar nicht zu erwarten, dass man zwischen oder unter denselben beständig oder auch nur häufig irgend welche Proliferationsformen antreffen sollte. Und wenn Drasch in seiner neuesten Abhandlung eine karyokinetische Figur abbildet, die einzige, die er unter vielen Hunderten von Schnitten aus thierischen und menschlichen Luftröhren habe auffinden können, so ist daraus zu schliessen, nicht, dass im Flimmerepithel eine freie oder anderartige Neubildung von Zellen stattfinden müsste, sondern dass daselbst nur in seltenen Fällen neue Zellen gebildet werden.“ Henle hält also den Verlust an Flimmerepithelien für gering und glaubt, dass, um ihn zu decken, jeweilig nur eine geringe Neubildung nöthig sei — eine Anschauung, der ich mich, wie 21) Archiv f. mikroskop. Anatomie. Bd. 20. $. 413. 364 Adolf Bockendahl: aus Folgendem ersichtlich wird, für das Flimmerepithel der Luft- wege im Grossen und Ganzen anschliessen muss. . Meine Untersuchungen beziehen sich auf 8 Tracheen er- wachsener Hunde, 1 Trachea der Katze, 2 Tracheen von Meer- schweinehen, 1 Kaninchentrachea. Sämmtliche stammten von Thieren, deren Wachsthum als vollendet angesehen werden konnte und bei denen kein Grund vorlag, abnorme Verhältnisse ihres Trachealepithels anzunehmen. Ferner benutzte ich Stücke zweier menschlicher Tracheen von Erwachsenen, die eine Stunde p. m. zur Sektion und damit in meine Hände gelangten. Zum Vergleich untersuchte ich einige Tracheen junger, nicht ausgewachsener Thiere, nämlich 2 Tracheen von Katzen von 2 resp. 4 wöchent- lichem Alter und 1 Trachea eines 12 Tage alten Hündchens. Bei letzteren mussten selbstverständlich die gefundenen Kerntheilungen als Wachsthumserscheinungen beurtheilt werden. Sämmtliches Thiermaterial wurde sofort nach Tödtung der Thiere, die meist durch Nackenstich erfolgte, anfangs in Chromsäurelösung von 0,50/,, später, nachdem mir die von Flemming”) als besseres Mittel zum Suchen nach Mitosen herausprobirte Mischung bekannt geworden, in diese gelegt, in fliessendem Wasser sorgfältig ausge- waschen, in Alk. absol. nachgehärtet und schnittfähig gemacht. Zur Färbung benutzte ich Hämatoxylin und Safranin, letzteres in der von Flemming angegebenen Methode mit Entfernung des Farbstoffes durch angesäuerten Alkohol. Bei Anwendung von Hämatoxylin habe ich oft Durchfärbungen vorgenommen und, wo es mir auf Schnittserien ankam, die Stücke durehschmolzen und mit dem Mikrotom geschnitten. Für Safraninfärbung bediente ich mich der Sehnittfärbungen, nachdem die Stücke entweder in Cel- loidin eingebettet oder in Paraffin von möglichst geringem Wärme- grad eingeschlossen waren. Irgend welche Nachtheile in Bezug auf die Erhaltung von Kerntheilungsfiguren habe ich beim Durch- färbungs- und Einschmelzungsverfahren nicht gefunden, ich erhielt ebenso gute und ebenso zahlreiche Kerntheilungsfiguren im Epithel ein und derselben Trachea, wie beim Färben von Einzelpräparaten. Das Auffinden der Mitosen in diesem Epithel war mir bei guter Hämatoxylinfärbung nicht schwieriger, als bei der Safraninfärbung 22) Mittheilungen zur Färbetechnik, Zeitschrift f. wissensch. Mikros- kopie u. mikrosk. Technik. Bd. I, 1884 p. 349. en ee ET os Ueber die Regeneration des Trachealepithels. 365 nach Flemming’s jetzigem Verfahren, welches dieser nach Er- fahrungen an anderen Geweben für das Suchen nach Zelltheilungen besonders empfohlen hat. Es kommt hierbei vielleicht auch die Gewöhnung an das Hämatoxylin in Betracht, mit dem ich anfangs ausschliesslich arbeitete; doch scheint mir nach meiner jetzigen Erfahrung gerade am Trachealepitliel die Farbenhervorhebung der Mitosen und Nucleolen bei Flemming’s Verfahren nicht so leicht und günstig erzielbar zu sein, wie dies an den meisten anderen Geweben der Fall ist °?). Gleich in der ersten von mir untersuchten Trachea eines er- wachsenen Hundes fand ich in den ersten Schnitten einzelne in- direete Kerntheilungen, die mit Hartn. 8 oc. 2 deutlich als solche erkannt und an denen mit Oelimmersion Zeiss !/;; und Beleuch- tungsapparat das Stadium, in dem der sich theilende Kern sich befand, erkannt werden konnte. Um gleich hier beim ersten unter- suchten Individuum eine annähernde Angabe über die Zahl der gefundenen, in Theilung begriffenen Kerne zu machen, bemerke ich beispielsweise, dass ich an 12 Schnitten, die auf einem Object- träger vereint lagen, in jedem 3—5 Kerntheilungen der verschie- densten Phasen fand. Dies liess mich erwarten, bei weiterem Durchforschen derselben und anderer Tracheen ein gehäufteres Vorkommen von Kerntheilungen zu finden, indess wurde ich in dieser Erwartung getäuscht. Ich fand bald, dass ich bei demselben Individuum viele auf einander folgende Schnitte eines anderen Stückes der Trachea durchmustern konnte, ohne auf eine einzige Kerntheilung zu stossen. Hin und wieder fand ich an einem Sehnitt eine oder mehrere Theilungen, aber nie in grösserer Zahl. Dies Verhältniss blieb so, auch dann, als ich grössere Uebung er- hielt im Aufsuchen dieser immerhin recht kleinen Gebilde, und änderte sich auch dann nicht, als die Zahl der untersuchten Indi- viduen eine grössere wurde. Bei keiner der untersuchten Thier- tracheen vermisste ich die Theilungen ganz, obwohl ich oft viele Sehnitte aus den verschiedensten Theilen der Trachea entnomme- 23) Ich gestatte mir hier anzumerken, dass ich diese Erfahrung Bocken- dahl’s sowohl für das Trachealepithel, als für einige andere Gewebe (Leber, Nebenniere) bestätigen kann; während merkwürdiger Weise an einem anderen Flimmerepithel, dem des Eileiters, die Safraninfärbung nach dem neuen Ver- fahren vorzüglich anschlägt. Flemming, 366 Adolf Bockendahl: nen Stücken machen musste, ehe ich vereinzelte Theilungen sah. Nie sah ich ein lokal gehäuftes Vorkommen derselben in irgend einer Region der Trachea, nie habe ich aber ein Stück geschnitten, ohne hier und da in den Stücken vereinzelte Mitosen zu finden. Dies zerstreute und vereinzelte Vorkommen in dem ganzen Tra- chealrohr, welches ich durch Entnahme von Stücken aus den ver- schiedensten Regionen der vorderen und hinteren Wand festgestellt habe, fand ich wieder, als ich der Lage der Mitosen in den ver- schiedenen Schichten des Epithels meine Aufmerksamkeit zu- wandte. Bald lag eine Mitose zwischen Basalzellen, bald höher oben, endlich auch nahe dem freien Rande. Die Axe der Kern- figur lag meist schief zur Schleimhaut, zuweilen aber auch senk- recht und parallel der elastischen Faserschicht. Mehrere Male sah ich Tochterkerne mit deutlichem Zelleontour, ein Beweis, dass nach erfolgter Kerntheilung wirklich zwei neue Zellen entstehen. Bemerken muss ich für etwaige Nachuntersucher, dass das Auffinden der Mitosen anfangs, bei geringerer Uebung des Unter- suchers entschieden ersehwert wird durch das oft reichliche Vor- kommen von Leucoceyten, die in allen Schiehten des Epithels liegen. Die scharf tingirten polymorphen Kerne derselben täuschen oft Mitosen vor, zumal wenn sie sehr reichlich vorhanden sind. Ich fand ihre Zahl sehr wechselnd, gänzliche Abwesenheit aber in keiner der durehsuchten thierischen und menschlichen Tracheen — ein Befund, dessen Drasch nirgend erwähnt, auf den aber schon Stöhr?*) aufmerksam gemacht hat. Dasselbe Resultat wie an allen thierischen, erhielt ich auch bei den beiden menschlichen Tracheen. Auch hier war die abso- lute Zahl der Mitosen gering, sie waren in allen Schichten des Epithels vertheilt und die verschiedensten Stadien der Theilung erkennbar. Es hatte also die zwischen dem Tode und dem Ein- legen in die Conservirungsflüssigkeit verflosseue Stunde sich der Erhaltung der Kerntheilungsfiguren als nicht schädlich erwiesen, wobei freilich dahingestellt bleiben muss, ob bei ganz frischem Material nicht noch mehr Kerntheilungen gefunden worden wären, deren Ablauf in der dazwischenliegenden Zeit doch als wahr- scheinlich angenommen werden muss. 24) Ueber die peripheren Lymphdrüsen. Vortrag geh. in d. 4. Sitzg. d. phys.-med. Gesellschaft 19. Mai 1883. Sep.-Abdr. 8. 3. Ueber die Regeneration des Trachealepithels. 367 Erwähnen muss ich indess, dass ich von den menschlichen Tracheen nur je zwei kleine Stücke untersucht habe, wie ich denn überhaupt von keiner Trachea sagen kann, ich hätte sie ganz durchsucht. Ich kann eben nur sagen, dass die verschiedensten Theile einer und derselben Trachea von mir untersucht sind mit demselben Resultat: dem vereinzelten Vorkommen von Kern- theilungen in der ganzen Dicke des Flimmerepithels. Ganz dasselbe Resultat ergab die Durchsuchung der Tracheen Junger, nicht ausgewachsener Thiere, nur dass hier die Zahl der verstümmelten, dureh die Conservirung des Gewebes beeinflussten und deshalb nicht bestimmt erkennbaren Kernfiguren eine grössere ist. Oft musste ich viele Schnitte durchsuchen, ohne Theilungen zu finden und, wenn ieh welche fand, blieb ihre Zahl recht klein. Sie betrug z. B. in der Trachea der 4 Wochen alten Katze in 20 den ganzen Umfang des Trachealrohres umfassenden Schnitten (keinen Serien), an denen ich .Zählungen vornahm, pro Sehnitt 4—6 Theilungen. Bedenkt man indess, dass die Schnitte, um ein ganz sicheres Durchsuchen zu gestatten, wo möglich 10—15 u Feinheit haben müssen, so ergiebt sich, gleiche Verhältnisse in allen Theilen des Trachealepithels vorausgesetzt, wohl eine recht erheb- liche Anzahl. Dazu kommt, dass anderweitige Erfahrungen vor- liegen, nach denen wir ein schubweises, an bestimmte Zeiten gebundenes Auftreten von Theilungsvorgängen auch an diesem Epithel für wahrscheinlich halten können. Rücksichtlich der nur vereinzelt im Trachealepithel vorkommen- den Mitosen bei ausgewachsenen Thieren wird man sich wohl der Ansicht Henle’s anschliessen müssen, dass unter normalen Ver- hältnissen nur eine sehr geringe Abnutzung des Flimmerepithels stattfindet, somit der Ersatz auch nur ein geringer zu sein braucht — eine Anschauung, die, abgesehen von der relativ geringen Menge der von mir gefundenen Mitosen, eine Stütze findet in der Unter- suchung des in der Trachea unter normalen Verhältnissen abge- sonderten Schleimes. Diese ist meines Wissens zuerst von Ross- bach?) vorgenommen und beschrieben. Ich kann nur bestätigen, dass ich unter genauer Beobachtung der in der schönen Arbeit dieses Autors beschriebenen Versuchsanordnung mehrfach Tracheal- 25) Festschrift zur Feier des 300jähr. Jubil. d. Universität Würzburg. „Ueber die Schleimbildung in den Luftwegen.“ 368 Adolf Bockendahl: schleim untersucht und niemals auch nur eine einzige Flimmer- epithelzelle in demselben wahrgenommen habe. Dies gilt sowohl für ganz normale Verhältnisse, als auch dann, wenn durch eine Pilocarpininjection die Sekretion beträchtlich gesteigert war. In beiden Fällen fand ich in Uebereinstimmung mit Rossbach®) das Sekret frei von zelligen Elementen. Obwohl somit durch die directe Beobachtung wie indireet durch sorgtältige Prüfung des unter normalen Verhältnissen in der Trachea befindlichen Sekretes es mir bewiesen schien, dass eine Regeneration im Flimmerepithel jedenfalls unter Betheiligung der indireeten Kerntheilung zu Stande kommt, glaubte ich doch den Versuch machen zu sollen, das Epithel unter derartige Bedingungen zu bringen, die einen Ersatz nothwendig machten. Ich versuchte also das Flimmerepithel theilweise zu zerstören, um nach Verlauf von einiger Zeit die Neubildung derselben zu beobachten. Diesen Weg musste ich um so mehr einschlagen, als mir pathologisches Material bis jetzt nicht zur Verfügung stand, wenigstens kein sol- ches, welches nach dem Absterben frisch in meine Hände gelangte — eine Bedingung, an der man wohl festhalten muss, wenn man sicher sein will, wenigstens den grösseren Theil der gerade im Ablauf befindlichen Mitosen zu fixiren. Nachdem ich, dem Beispiele Simanowski’s folgend?”), der mit Erfolg das Epithel der Stimmbänder mechanisch reizte und so die der Zerstörung entgehenden Reste des Plattenepithels zur Pro- liferation zwang, die verschiedensten mechanischen Reize auf das Trachealepithel ohne Erfolg angewandt hatte, kam ich auf den Gedanken, reizende Dämpfe einwirken zu lassen. Dies wurde mir nahe gelegt durch den Misserfolg, den ich mit mechanischen Zer- störungen hatte und dessen Gründe ich bald einsah. Um nämlich andere Einwirkungen, wie die der Luft möglichst auszuschliessen, führte ich die Instrumente, mit denen ich streckenweise das Epithel abschabte oder die ätzenden Lösungen, die das Epithel strichweise wegätzten, durch eine kleine Trachealwunde ein, eben gross genug, um die Manipulationen zuzulassen. Dies Arbeiten im Dunklen hatte zur Folge, dass ich entweder zu wenig resp. nichts vom Epithel entfernte oder aber zu tief wirkte, d. h. die darunter lie- 26) 1. e. 8.23 d. Sep.-Abdr. 27) Arch. f. mikr. Anat. B. 22, 1883. 4. Heft. 710. Ueber die Regeneration des Trachealepithels. 369 gende Schleimhaut mit zerstörte. Dies musste jedenfalls im Inter- esse der Regeneration vermieden werden, da die Schleimhaut als ernährender Mutterboden der gefässlosen Epithelschiehten betrach- tet werden muss. Von den Dämpfen hingegen durfte ich hoffen, dass ihre Wirkung eine mehr die Oberfläche treffende, die Inten- sität der Wirkung eine verschiedenartige sein würde, je nach der Richtung, die ihnen beim Einblasen gegeben war. Durch eine enge, mit dem Galvanokauter durch einen der obersten Tracheal- ringe gebrannte Oeffnung wurden Osmiumdämpfe während einiger Sekunden eingeblasen. Der Hund bekam heftigen Hustenreiz, der in den nächsten Stunden fortdauerte, war im übrigen anscheinend normal und blieb fresslustig bis zur Tödtung, die im ersten Expe- riment 6 Stunden, im zweiten 12 Stunden nach dem Einblasen der Osmiumdämpfe vorgenommen wurde. Das Material wurde in oben beschriebener Weise conservirt. Die Wirkung des Osmiums zeigte sich naturgemäss auf der Stelle, die direct ausgeblasen war, am stärksten. Es war dies stets eine Parthie der vorderen Wand, die durch passende Krümmung des eingeführten Rohres leicht zu treffen ist und getroffen werden muss, da sich an der hinteren Wand bekanntlich durchweg geschichtetes Pflasterepithel findet. Makroskopisch war die betreffende Stelle leicht erkennbar durch dunkelschwarze Färbung, mikroskopisch durch stark geschrumpfte Zellreste, an denen die Kerne entweder stark geschrumpft oder überhaupt nicht erkennbar waren. Diese Reste des früheren Flimmerepithels waren eingebettet in einer die ganze Dicke des Epithels einnehmenden Membran, die aus feinkörnigem Detritus, freien Zellkernen und Eiterkörperchen bestand. In der Umgebung dieses Heerdes, an dem das Epithel ganz zerstört war, fand ich entsprechend der geringeren makroskopisch erkennbaren Schwär- zung wohlerhaltene Zellen der basalen Schicht, der elastischen Faserschicht anhaftend, während die Zellen der oberen Schichten theils ganz zerstört waren, theils starke Kernsehrumpfung zeigten; nach dem Lumen des Trachealrohres hin waren sie von den oben beschriebenen Detritusmassen bedeckt. Bei genauerem Durchsuchen dieser Schicht fand ich mehrere vereinzelt stehende Inselgruppen von 5—10 oder einigen mehr Zehen mit gut erhaltenen Kernen, von denen sich einzelne in Theilung befanden. Je mehr meine Schnitte sich dem makroskopisch normal ausschenden Gewebe näherten, fand ich unter einer feinen Membran, die nach erfolgter Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 24. 24 370 Adolf Bockendahl: Ueber die Regeneration des Trachealepithels. Nachhärtung in Alkohol sich in Fetzen abhob, mehrere Lagen von Epithel, die scheinbar normal waren, in Wirklichkeit aber deut- liche Unterschiede von dem normalen Verhalten boten. Einmal fehlte der Flimmerbesatz, Becherzellen, die man sonst fast überall, wenn auch bald in grösserer, bald in geringerer Menge findet, waren nicht zu finden und endlich waren die Zellen fast sämmtlich rundlich von annähernd gleicher Grösse; nur nach der Schleimhaut zu zeigten die Zellen einen in der Länge etwas grösseren Durch- messer, als in der Breite. An den durchaus wohlerhaltenen, keine Scehrumpfung zeigenden Kernen dieser Zellen waren Kerntheilungs- figurenTentschieden reichlicher und leichter auffindbar, als in der normalen Trachea. Das Verhältniss war nach einigen vorgenomme- nen Zählungen etwa so, dass bei gleicher Länge des Schnittes in der Norm etwa 3, jetzt an einzelnen Schnitten dieser Parthie etwa 8—10 Mitosen mit Hartn. 8 Oc. 2 gefunden wurden. Dasselbe Resultat ergab sich bei zwei Versuchen mit der gleichen Ver- suchsanordnung, nachdem einmal 18, das andere Mal 36 Stunden seit dem Einblasen der Osmiumdämpfe verflossen waren. Es ist mir sonach niemals gelungen, massenhafte Kernthei- lungsfiguren zu sehen, die absolute Zahl blieb vielmehr immer gering. Auch fand ich an Serien, die ich den Theilen entnahm, in denen die Osmiumdämpfe gering eingewirkt hatten, durchaus nicht in jedem Schnitt Mitosen, vielmehr viele ohne jede Theilungs- figur. Wenn man aber bedenkt, dass nicht alle an diesen Stellen befindliche Zellen neugebildete zu sein brauchen, vielmehr wohl ein unbekannt grosser Theil derselben erhaltene, alte Zellen sein werden, so glaube ich mich doch aus diesen wenigen Versuchen für berechtigt zu halten zur Annahme, dass die Neubildung des Flimmerepithels der Trachea zu Stande kommt unter Mitwirkung der indireeten Kerntheilung. Ausserdem ist es bei der recht grossen Zeit, die zwischen den einzelnen Untersuchungen der durch Os- miumdämpfe gereizten Tracheen — aus äusseren Gründen — lag, sehr wohl möglich, dass manche Theilungen vor der Tödtung der Thiere abgelaufen, nicht in flagranti ertappt worden sind. Möglich ist”es endlich, dass die Versuchsanordnung doch zu roh war, dass man unter Verhältnissen, die den in Wirklichkeit vorkommenden ähnlicher, wenn auch pathologisch sind, durch ein Auffinden zahlreicherer Mitosen einen noch besseren Beweis für die Betheiligung der indireeten Kerntheilung an der Regeneration des Trachealepithels wird liefern können. W. Flemming: Regeneration verschiedener Epithelien etc. 371 Erklärung der Figuren. Fig. 23. Aus der Trachea eines erwachsenen Hundes. Gez. mit Hartn. 8 Oe. 2. Hämatoxylinfärbung. Fig. 24. Aus einer menschlichen Trachea, Safraninfärbung. Gez. mit Hartn. 8. Oc. 2. Fig. 25. Aus der Trachea eines erwachsenen Hundes nach Einwirkung von Osmiumdämpfen. Stehen gebliebene Epithelzellengruppe mit 3 karyo- kinetischen Figuren (die über denselben befindlichen Detritusmassen sind in der Zeichnung fortgelassen). Hämatoxylinfärbung. Gez. mit Hartn. Immersion. 9 Oe. 2. Fig. 26. Aus der Trachea eines erwachsenen Hundes mit 2 Tochterkernen mit 2 deutlichen Zellkontouren, in Abschnürung begriffen. Gez. mit Hartn. 8. Oc. 2. Hämatoxylinfärbung. Ueber die Regeneration verschiedener Epithelien durch mitotische Zelltheilung. Von W. Flemming. (Mit Fig. 27-37, Taf. XIX.) In dem Aufsatz, auf den im Anfang dieser Studien Bezug genommen ist®), hatte ich mieh vor vier Jahren zu der Meinung bekannt, dass wir mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit die mitotische Zelltheilung als einzigen Factor bei der normalen Epithelregenera- tion ansehen können. Damals stützte sich dies nur auf den reich- lichen Nachweis von Mitosen in wenigen epithelialen Objecten: Epidermis von Amphibienlarven, von erwachsenen Amphibien, Hornhautepithel des Säugethieres und einigen anderen, die a.a.0. 8.357 angeführt sind; freilich unter der Mitberücksichtigung, dass auch in anderen thierischen Gewebsformen (Bindesubstanzen, Mus- keln u. a.), sowie für Pflanzengewebe, schon damals der gleiche Vermehrungsfaetor ermittelt war. Mein erwähnter Aufsatz war grossentheils veranlasst durch eine Arbeit Drasch’s”), in der für das Epithel der Luftröhre 28) Ueber Epithelregeneration und sogenannte freie Kernbildung. Dies Arch. 1880. 29) Die physiologische Regeneration des Flimmerepithels der Trachea. Sitzungsb. d. Wiener Acad. d. Wiss., m. n. Classe, B. 80, Abth. III, Jahrg. 1879, Heft 1—-5, S. 203. 372 W. Flemming: eine Zellenbildung eigener Art, ohne Betheiligung des Kerns, als wesentlicher Regenerationsmodus behauptet wurde, im Anschluss an die gleiehe Ansicht, die früher Lott?®) über den Ersatz des Hornhautepithels aufgestellt hatte. Von Drasch ist dann auch die einzige specielle Opposition ausgegangen, die sich gegen meinen eben erwähnten Satz wandte®!). Drasch gelangte in dieser seiner zweiten Arbeit, auf deren Inhalt ich alsbald näher einzugehen habe, zu dem Schluss (a. a. O. S. 364), dass die karyokinetische Zelltheilung bei der normalen Epithelregeneration in der Trachea keinerlei Rolle spielen könne. Er hat nach ihr mittelst Chrom- säure an der Trachea des Rindes und Menschen gesucht, aber nur eine einzige Theilungsfigur an einem Isolationspräparat gefunden. Die Entgegnung auf diese Abhandlung habe ich so lange anstehen lassen, bis die damals begonnenen Arbeiten von A. Bocken- dahl über die Regeneration des Trachealepithels jetzt zum Ab- schluss gelangt sind, und habe nur vorläufig angemerkt”), dass ich an den ersten eigenen Chromsäurepräparaten der Trachea des Hundes sofort einige Mitosen im Epithel fand, und dass solche alsbald von Boekendahl beim Kaninchen noch reichlicher beob- achtet wurden. — Inzwischen untersuchte ich selbstverschiedene andere Gewebs- und besonders Epithelformen auf das Vorkommen mitoti- scher Zelltheilung, theils noch mit den älteren Methoden, theils in diesem Jahr mit dem Verfahren, das Eingangs S.52 Anm. 9 besprochen ist. Hier folgt zunächst eine kurze Angabe der Ergebnisse. Geschichtete Plattenepithelien und Darmepithel des Säugethiers. Ueber den Befund von Mitosen im Malpighi’schen Stra- tum der normalen Haut beim Erwachsenen haben Unna°) und ich?) Angaben gemacht; die des Ersteren bezog sich auf mensch- 30) In: Untersuchungen aus d. Inst. f. Physiol. u. Histol. in Graz, herausg. v. A. Rollett, 3. Heft 1873. 31) Wiener Sitzungsberichte B. 83, Abth. III, Jg. 1881, H. 1-5, 19. Mai, S. 341: Zur Frage nach der Regeneration des Trachealepithels mit Rücksicht auf die Karyokinase und die Bedeutung der Becherzellen. 32) Zellsubstanz, Kern und Zelltheilung, 1882, S. 370, Anm. 1, Fig. 82 Taf. V daselbst. 33) Capitel: Entwicklungsgeschichte und Anatomie der Haut, in Ziems- sen’s Handbuch d. Pathol., 1883. 34) Archiv f. mikr. Anat. B. 23 H. 2 S. 148, 1884. Regeneration verschiedener Epithelien ete. 373 liehe Epidermis in der Nähe von condylomatös-affieirten Stellen, die meinige auf die normale Haut der Schweinsrüsselscheibe. — Mit meiner jetzigen Methode habe ich seitdem Haut verschiedener Körperstellen von ausgewachsenen Kaninchen, Meerschweinchen und Katzen vielfach untersucht®), und alsbald an den meisten Orten Theilungsfiguren im Malpighi’schen Stratum reichlich gefun- den. Das neue Verfahren giebt hier für das Suchen eine beson- ders erwünschte Erleiehterung, da bei der Kleinheit der Mal- pighi’schen Zellen allerdings eine recht scharfe Hervorhebung der Mitosen erforderlich ist, wenn man keine übersehen will; ich glaube nach den jetzigen Ergebnissen, dass letzteres mir früher, beim Suchen am gleichen Objekt mit anderen weniger günstigen Metho- den, recht oft passirt sein mag. Doch kann man auch wirklich hier vielfach vergeblich suchen, denn die Theilungen sind sowohl individuell, als örtlich verschieden reichlich vertheilt, nicht selten so zahlreich, dass jedes Sehfeld bei 300facher Vergrösserung meh- rere zeigt, doch an anderen Orten fehlen sie auch ganz, so dass ich meine frühere Vermuthung über ihr schubweises Auftreten und Cessiren ®) ganz aufrecht halten darf. Sie finden sich in den tiefen Lagen der Malpighischen Schicht, nicht allein auf die eine tiefste Zellenlage beschränkt. Die Theilungsaxen ?”) stehen meist schräg, zuweilen quer gegen die nächstbenachbarte Bindegewebsgrenze; ob auch rein senkrechte Axenlagen vorkommen, wage ich nicht zu entscheiden, da, wo es anscheinend so ist, doch eine leichte Schiefstellung in vertikaler Ebene vorliegen könnte, was sich am Schnitt schwer ausmachen lässt; denn bei der Unebenheit der 35) Selbstverständlich wurde die Haut noch lebenswarm in das ÖOsmiumgemisch gebracht. 36) Arch. f. mikr. Anat. Bd. 23, S. 151—152. 37) In der schönen Abhandlung von Arthur Kollmann: „Der Tast- apparat der Hand‘ (Hamburg u. Leipzig, L. Voss, 1883) sind die Lagen der Zelltheilungsebenen im Hautepithel wachsender Tritonenlarven genau contro- lirt, und interessante Gesetze für das Gesammtwachsthum des Epithels daraus gefolgert worden (a.a.O. S.7ff.) Obwohl beim erwachsenen Thier, wo keine absolute Zellvermehrung und keine räumliche Ausdehnung am Epithel mehr einzutreten hat, hierin etwas andere Bedingungen vorliegen, scheint es mir doch nicht unwichtig, auch hier auf die Lage der Theilungsaxen zu achten, was ich nach Möglichkeit überall gethan habe; dass dies für Beurtheilung mancher Fragen brauchbar werden kann, dafür wird sich am Schluss noch ein Beispiel ergeben. 374 W. Flemming: Bindegewebsoberfläche lässt sich natürlich nie sagen, ob man die- selbe an einem dünnen Schnitt genau senkrecht getroffen vor sich hat. Ueber den Befund massenhafter Zelltheilung in den Keim- schichten der Haare bei erwachsenen Säugethieren habe ich an anderem Orte?) näher berichtet. Im geschichteten Epithel der Mundhöhle (erwachsene Kaninchen und Meerschweine) wurden Theilungsfiguren zuerst hier von Herrn Fr. Severin mittelst Chromsäure gefunden, bei Gele- genheit anderer Arbeiten, über die er später Mittheilung machen wird. Wir haben diesen Befund dann mit der neuen Methode vielfach wiederholt; die Mitosen sind hier in den 2—3 tiefen Zellenlagen sehr häufig, im Ganzen recht viel reichlicher als an der Haut. Im ersten Theil dieser Arbeiten (S. 67) wurde schon angemerkt, dass ich sie auch im menschlichen Mundepithel des Zungenrückens gleich beim ersten Suchen gefunden habe; sie waren zwar hier nicht so zahlreich wie bei den Nagethieren, man fand stellenweise in einem Sehfeld bei 300facher Vergrösserung keine oder nur einzelne; dies kann aber mit daran liegen, dass die menschliche Zunge erst eine Stunde nach dem Tode zur Fixi- rung kam. Eine Prüfung des Epithels des Oesophagus habe ich erspart, da bereits eine frühere Angabe bei Eberth??) aussagt, dass dieses Epithel ein guter Fundort für Zellen mit Kerntheilungs- figuren sei. Ferner habe ich das Darmepithel bei erwachsenen Kanin- chen auf Zelltheilungen durchsucht. Sie fanden sich hier nicht so Ich erlaube mir hier, ein kleines literarisches Versehen in der eitirten Abhandlung A. Kollmann’s anzumerken (a. a. O. 5. 13), nach welchem es aussehen könnte, als ob ich mich in früheren Arbeiten nur um den Zellthei- lungsprocess bekümmert hätte und als ob seine Verbreitung in den Geweben erst durch Pfitzner verfolgt worden wäre. Im Arch. f. m. Anat. Bd. 16, 1878, S.394ff. ist zu ersehen, dass ich, und zu gleicher Zeit Peremeschko, gleich von Anfang die Verbreitung der Karyomitose im Epithel, Bindegewebe, Muskelgewebe, Knorpel und Blut verfolgt und constatirt haben, ehe mein Freund Pfitzner über diesen Gegenstand zu arbeiten begann. 38) Monatshefte für praktische Dermatologie, Il. Band 1884, Nr. 5. 39) Ueber Kern- und Zelltheilung. Virchow’s Arch. 1867, Bd. 67. Se Regeneration verschiedener Epithelien etc. 375 reichlich wie im Mund- und Hautepithel, wofür aber auch in Betracht zu ziehen ist, dass an letzteren Orten ja die zu regene- rirende Zellenmasse weit grösser ist, als an der einschichtigen Zellendecke des Darms. Doch sind auch im letzteren fast an jedem Schnitt von 0,5—lem Länge und 10—30 u Dicke einzelne Mitosen im Epithel zu finden. Am häufigsten trifft man sie zwischen den Basen von Zotten und Falten, um die Eingänge der Lieber- kühn’schen Drüsen her; im Epithel dieser Drüsen selbst sind sie noch häufiger. Flimmerepithel des Eileiters (Kaninchen. Taf. XIX, rechts). Ich untersuchte es bei 2 alten Thieren, die schon mehrfach geworfen hatten, und bei einem halbwüchsigen; ferner bei einer erwachsenen Katze. Bei all diesen Thieren sind hier die Mitosen recht zahlreich, meist in einem Totalquerschnitt der Tube von 15—30 u Dieke mindestens 10, oft viel mehr zu finden; und zwar sind sie gerade bei den beiden alten Thieren noch reichlicher, als bei dem jüngeren. Dieses Flimmerepithel ist ziemlich niedrig, nach der gewöhnlichen Ausdrucksweise „einschichtig“, das heisst, es besteht aus Zellen, die mit dem Fuss die Bindegewebsfläche und mit dem Vorderende die Oberfläche erreichen, und aus Basal- oder Fusszellen, deren Vorderenden höher oder tiefer zwischen den ersteren aufhören (Fig. 27—31)*%). Die Mitosen liegen keines- wegs nur ganz in der Tiefe, sondern ziemlich ebenso oft auch in der Mitte zwischen Bindegewebe und Wimperfläche, ja gar nicht selten auch näher an der Letzteren. Natürlich muss man für eine genaue Bestimmung dieser ihrer Lage Stellen benutzen, wo der Schnitt genau senkrecht gegen die Bindegewebsfläche gefallen ist; um dies zu controliren, sind am besten etwas diekere Schnitte zu 40) Im Grunde besteht das gleiche Verhalten ja auch bei solchen höheren Flimmer- und Cylinderepithelien, die man vielfach „mehrschichtig“ zu nennen pflegt; auch bei ihnen erreicht, wie Drasch es kürzlich besonders hervorgehoben hat (s. unten), eine jede Zelle mit dem Fuss das Bindege- webe; oder es kann dies doch angenommen werden, wenn es auch vielleicht nicht direct nachweisbar ist. Ob man ein solches Epithel einschichtig oder mehrschichtig nennen will, ist offenbar Geschmackssache und nicht sehr wesentlich; es ist einschichtig insofern, als jede Zelle auf der Unterlage steht, 376 W. Flemming: wählen, an denen man durch wechselnde Einstellung volle Sicher- heit hat, ob die Bindegewebsgrenze rein vertical steht. Die Thei- lungsaxen liegen auch hier meist schräg, oft auch parallel zur Bindegewebsfläche; ein Umstand, der im Folgenden noch zur Betrachtung kommt. Follikelepithel des Säugethierovariums. (Taf. XIX, Fig. 32—36). Hier war ein Suchen nach Zelltheilungen insofern nicht mehr nöthig, als solche dort schon von N.Harz*!) im vorigen Jahre in gros- ser Menge bei der Maus und anderen Thieren gefunden und beschrie- ben sind. Da ich aber Ovarien für andere Zwecke mit dem neuen Verfahren behandelte, erhielt ich als Nebenproduct eine reichliche Be- stätigung für Harz’s Befund (siehe Fig.32—34). An fünf Bierstöcken von Kaninchen (3 alte, 2 mittelgrosse) und einem von einer erwach- senen Katze ist fast kein Durchschnitt eines Follikels von mittlerer oder voller Reife, der nicht mindestens einige Zelltheilungen im Epithel zeigte, in den meisten aber sind sie so zahlreich, dass, wenn man nach den Schnitten eine sehr geringe Schätzung anstellt, auf einem mittelreifen Follikel in toto sehr vielfach mindestens 50 Theilungen, oft aber sehr viel mehr kommen würden, die zu gleicher Zeit im Gange sind. Man findet sie durch die ganzen Follikel ziemlich gleich vertheilt, nirgends auffallend dichter gruppirt. Eine locale Häufung ist nur in Bezug auf die ganzen Follikel oft ausgesprochen, in der Art, dass der eine Follikel sehr viel reichlichere Mitosen hat als andere: es muss also in solchem mehrschichtig insofern, als die Kerne und Hauptkörper der Zellen in unglei- cher Höhenlagen rangirt sind. Henle hat schon vor 11 Jahren die Annahme geschichteter Flimmer- und Cylinderepithelien bekämpft, in der richtigen Einsicht, dass die fertigen Epithelzellen alle vom Bindegewebe zur Fläche reichen, aber allerdings noch ohne die Kenntniss, dass es Basalzellen dazwi- schen giebt, welche zwischen den übrigen aufhören, ohne die Fläche zu erreichen (Henle’s Eingeweidelehre 1875, S. 49, Anmerkung). 41) Beiträge zur Histiologie des Ovariums der Säugethiere. Arch. f. mikr. Anat. 1882, Bd. 22, S. 374. In Behrens Arch. f. wissensch. Mikroskopie, Bd. I, Heft 3, S. 356, wo vom Follikelepithel die Rede ist, habe ich versehentlich die Arbeit und Priorität von Harz nicht berücksichtigt, was hiermit richtig gestellt wird. Regeneration verschiedener Epithelien etc. 377 Falle die Disposition zu Zelltheilungen in einem solchen Follikel besonders wirksam thätig sein, und muss durch ihn in toto hindurch gleichmässig herrschen. Die Theilungen finden sich aueh in ganz reifen Follikeln, und zwar hier sowohl in dem wandständigen Theil des Epithels (Fig. 32), als in dem Diseus, der das Ei umgiebt (ebenda, rechts unten), als auch in den Stielen, welche den Diseus mit dem Wand- epithel verbinden. Oft findet man Zellen des Discus in Theilung, welche der Zona des Eies unmittelbar anliegen. Die Mitosen waren bei zweien der alten Kaninchen und bei einem jungen Thier durchweg ausgesprochen reichlicher, als bei den zwei anderen Thieren und bei der Katze; woraus sich wohl schon abnehmen lässt, dass je nach dem physiologischen Zustande des Ovariums das Wachsthum der Follikel bald rascher vorwärts geht, bald träger wird oder auch vielleicht zeitweise pausiren kann. Mit Rücksicht auf die interessanten Angaben, die kürzlich von H. Fol, Balbiani, Roule, Sabatier und Anderen über die Entstehung des Follikelepithels bei Evertebraten gemacht sind, und auf eine ursprüngliche Erzeugung des Follikelepithels durch einen Zellbildungsprocess vom Ei aus hinauslaufen*?), wird es jedenfalls 42) Die Literatur ist grösstentheils angeführt bei Sabatier in: Re- cueil de Zoologie Suisse, Tom. 1, Nr.3, p. 457. Vergl. dafür auch die frühere Mittheilung von Schäfer (Proceedings Royal Society. Lond. 1880, Nr. 202); sowie die Arbeit von Harz (oben eitirt), welcher zu der Annahme kommt (S. 405 a. a. O.), dass die ersten Zellen des Follikelepithels „innerhalb des Eierstockstroma’s von den Ureiern gebildet werden.“ Die erwähnte Arbeit Schäfer's enthält die Beschreibung von Kernen, oder kleinen Zellkörpern, die in Follikeln von etwa den Reifestadien, wie meine Fig. 34 hier, zwischen Follikelepithel und Ei gelegen sind, so wie in Fig. 34 bei K. Für diese Kör- per wird nicht anzunehmen sein, dass sie von der Eizelle stammen; denn sie finden sich auch in Follikeln, wo, wie in Fig. 34, das Ei schon eine zarte Zona besitzt, und sie erklären sich ungezwungen, wenn man bedenkt, dass bei Zelltheilungen in dem jetzt einschichtigen Epithel, mit schrägliegender Axe (vergl. die 3 Theilungen in derselben Fig. 34), der eine Tochterkern doch näher an das Ei heranrücken muss, und dort sehr wohl auf eine Zeit lang in abgeflachter Lage verharren kann, wie in K. Ein anderer, wohl auch aus einer Theilung hervorgegangener, runder Kern liegt rechts in der Figur dicht an der Zona, während das übrige Epithel noch einschichtig ist. 378 W. Flemming: von Werth sein auch beim Säugethier festzustellen, in wie frühen Reifestadien von Follikeln sich Zelltheilungen im Epithel nach- weisen lassen. Von dem Zeitpunkt ab, wo dies der Fall ist, braucht offenbar kein anderer Vermehrungsmodus als dieser mehr für das Epithelwachsthum in Anspruch genommen zu werden, und es fehlen ja auch in mittelreifen und reiferen Eiern Erscheinungen, die hier noch auf Zellbildungsvorgänge solcher Art zu deuten wären. Die jüngsten Follikel, in denen ich bis jetzt Mitosen gefunden habe, sind solehe, in welchen die Epithelzellen noch einschichtig liegen, aber schon kurzprismatisch geformt sind (Fig. 34). An noch jüngeren mit plattzelligem Epithel habe ich bei Mammalien bis jetzt noch keine Mitose in letzterem constatiren können. Bei Amphibien dagegen (Siredon, Salamandra) habe ich in Schnitten der Ovarien an Follikeln mit jungen Eiern, die von wenigen platten Follikelepithelzellen umgeben waren, öfter eine dieser Zellen in Theilung gesehen. Auch wenn sich ein gleicher Befund auch an Primordialfollikeln des Säugethiers noch ergeben sollte, würde damit offenbar nicht ausgeschlossen sein, dass die allererste Bil- dung des Epithels auch hier vom Ei ausgehen könnte. Ielı will diese Frage, die für das Säugethier noch eine genaue Bearbeitung verlangt, hier nur kurz und vorläufig berührt haben. Man kann zunächst denken, und es war dies wohl bisher die allgemeine Annahme, dass das Epithel der wachsenden Graaf- schen Follikel sich eontinuirlich vermehrt, ohne dass irgend ein Verlust daran eintritt; wonach wir es also hier durchweg mit einer absoluten Vergrösserung der Zellenzahl, nicht aber mit einer Rege- neration zu thun hätten. Ich habe aber Befunde, die gegen solche Annahme Zweifel erwecken und dafür sprechen können, dass hier vielleicht doch ein dauernder intrafollieulärer Untergang von Epi- thelzellen stattfinden könnte, der eine Neubildung fordert. In allen untersuchten Ovarien nämlich, und zwar in allen solehen Follikeln, in deren Epithelmasse bereits die Bildung von Liquor im Gange ist oder sich anschickt zu beginnen, finden sich blasse Körper von kugliger oder länglich-runder Form, die im Follikelepithel ohne bestimmte Vertheilung eingesprengt liegen ???). 42a) Nachträglich finde ich einen Aufsatz von Call u. Exner (Wien. Sitz.-Ber. 1865. Bd. 71, 15. April, 8. 320), in dem aus dem Kaninchenovarium Dinge beschrieben sind, die ich mit den hier behandelten Vacuolen für iden- tisch halten muss. Die Verf. haben sie jedoch als Zellen angesehen, obgleich sie keine Kerne darin fanden. Regeneration verschiedener Epithelien etc. 379 Ich will sie Epithelvaeuolen nennen (Fig. 36). Ihr Dureh- messer beträgt von etwa 204u bis zum dreifachen dieses Maas- ses. Sie finden sich ebensowohl beim alten wie beim jungen Thier. In Follikeln, deren Epithel erst wenige Zellenschichten zählt, sind sie nur einzeln, in grösseren reichlicher; auch in fast reifen Follikeln, wo bereits ein grosser liquorhaltiger Hohl- raum besteht, sind sie im wandständigen Epithel und auch zwi- schen den Diseuszellen in verschiedener, oft sehr grosser Zahl zu finden (Fig. 32). Ich habe ihr Aussehen blass genannt, das heisst, sie sind schwächer lichtbrechend als das umgebende Epi- thel. Bei schwacher Vergrösserung erscheinen sie desshalb wie helle hyaline Tropfen (Fig. 32), aber schon mit einem Mittelsystem erkennt man in ihnen einen retieulirten, oder genauer fachwerk- artigen Bau, der mir auf der Gerinnung durch die Reagenswirkung zu beruhen scheint (Fig. b‘, d in Fig. 36); dieses Netz- oder Fach- werk hat an Safranin- oder Gentianapräparaten einigen, doch nur geringen Farbenton. Aber es ist auffallend und ganz durchgehend, dass in den einen dieser Vacuolen dies Netzgerinnsel gröber ist als in den anderen (vergl. Fig. 36a, ec mit d daselbst und Fig. 95): Vaeuolen wie die ersteren sehen noch mit Zeiss D feinkörnig, oder selbst homogen aus (Fig. 36 e, 8, h), und erst mit Oelimmer- sion Y/;; tritt der retieulirte Bau so deutlich hervor, wie ihn Fig. b giebt; einzelne Vacuolen bleiben auch mit dieser Linse noch schein- bar granulirt (Fig. 36h). Zwischen diesen feinen und groben Reti- eulirungen giebt es alle möglichen Abstufungen ; und man kann nieht annehmen, dass diese Ungleichheit der Gerinnung nur auf einer zufälligen Verschiedenheit der Reagentienwirkung beruht, denn es finden sich nebeneinander grob- und feinretieulirte Va- cuolen nicht nur in einem und demselben Ovarienschnitt, sondern sogar in einem und demselben Follikeldurehschnitt, wo doch wohl die Fixirwirkung des Osmiumgemisches überall die gleiche gewesen sein wird. Hieraus geht aber hervor, was für das Folgende von Bedeutung ist, dass der Inhalt verschiedener Vacuolen sich in ungleichem Zustande befunden haben muss, als er von dem Reagens betroffen wurde. — Im Ganzen zeigen besonders die kleinsten Vacuolen die feineren Formen der Retienlirung, doch ist dies nicht durchgehend. Ausserdem unterseheidet man aber in diesen Dingen vielfach noch eine andere Art von Bau: es sieht aus, als ob sie aus meh- 380 W. Flemming: reren, zart begrenzten Ballen beständen, deren Grenzwände gegen einander abgeplattet sind (Fig. 36a, b, ec), und sich mit der Schraube zuweilen durch die ganze Dicke einer Vacuole verfolgen lassen. In a, b ist zum Beispiel deutlich eine derartige Abtheilung in 4 soleher Portionen zu sehen, bei anderen, wie ec, ist eine grössere und nicht deutlich bestimmbare Zahl von solchen vor- handen. Bei den kleinsten Vacuolen aber, wie e, welche kaum grösser sind als eine Follikelepithelzelle, findet sich eine solche Abtheilung nicht vor. Zuweilen, doch nicht besonders häufig, findet man in der Vacuole einen oder mehrere unverkennbare, gut gefärbte Zell- kerne (Fig. 36e, g), nicht grösser als die der Epithelzellen, manch- mal etwas blass in der Tinetion (g), geschrumpft oder eingeschnürt, und zuweilen mit anhaftenden geringen Portionen von Zellsubstanz oder doch von einer dichteren Masse, als der übrige Vacuolen- inhalt ist. Beim Vergleich zahlreicher Schnittpräparate von Ovarien, die ich früher nach Kalibichromat- oder Osmiumhärtung angefertigt hatte, fand ich auch an diesen die fraglichen Vacuolen deutlich wieder; sie sind aber bei dieser Behandlung oft so blass und unschein- bar, dass sie mir, und ja auch Anderen, früher an solchen Objec- ten entgangen sind. Wo sehon grössere mit Liquor gefüllte Höhlen im Follikel- epithel existiren, zeigt dieser Liquor an den Osmiumgemisch-Prä- paraten zuweilen eine ähnliche gröber retieulirte Gerinnung, wie ein Theil der Vaeuolen; doch nicht in ganz gleicher Form und Schärfe; meistens ist der Liquor mehr feinkörnig geronnen, das Gerinnsel in seiner Höhle leicht geschrumpft (Fig. 33, 35a), und ein wenig tingirbar. Die kleineren Ansammlungen von Flüssigkeit, die sich vielfach an mittelgrossen und reiferen Follikeln in spalt- förmigen Lücken zwischen dem Epithel finden, verhalten sich hierin ganz wie die grösseren Liquormassen, die schon in einer geräu- migeren Höhle confluirt sind (in Fig.35b ist solche spaltförmige Ansammlung von Liquor dunkel dargestellt). Alles dies habe ich beschrieben, um daraus eine Entscheidung über die Frage zu suchen: sind die fraglichen Vacuolen blosse Tröpfehen von sich ansammelndem Liquor follieuli oder sind sie Producte einer Umwandlung von Zellen des Follikelepithels? Mir scheint, dass eher an die letztere Deutung zu denken ist, und zwar Regeneration verschiedener Epithelien etc. 381 zunächst mit Rücksicht auf die recht häufig vorkommenden Bilder, wie Fig. 36a, b,e. Hier sieht es ganz danach aus, als ob mehrere benachbarte Epithelzellen, deren Grenzen sich ja noch bemerklich machen, im Begriff stehen, einer verflüssigenden Degeneration zu verfallen und zu ceonfluiren. Die kleinsten Vacuolen sind, wie gesagt, überhaupt nur von solchen Dimensionen, dass sie je einer einzigen, aufgequollenen Epithelzelle entsprechen können (Fig. 36e). Es würde sich so auch die Anwesenheit von Zellkernen im Vacuo- leninhalt erklären, die oben notirt wurde (Fig. 36c, g); es könnten dies noch restirende Kerne der veränderten Zellen sein®). Ganz besonders spricht aber für eine celluläre Entstehung der Vacuolen und gegen ihre Deutung als blosse Flüssigkeitsansammlungen, dass ihr Inhalt anders reagirt, als der schon in grösseren Höhlen frei angesammelte Liquor (s. oben), und vor allem, dass die Vacuolen auch unter sich verschieden reagiren, indem sie bald feine, bald srobe Netzgerinnsel erhalten: dies wird am leichtesten verständlich unter der Annahme, dass ihr Inbalt verschiedene Umbildungszu- stände durchmacht. Sonach finde ich es am wahrscheinlichsten, dass die Epithel- vacuolen Umwandlungsproducte von je einer oder mehreren Folli- kelepithelzellen sind, welche aufquellen, sich nach und nach ver- flüssigen und später in dem Liquor follieuli aufgehen. Dieser wird dabei aber wohl noch eine andere Quelle haben, indem zugleich Transsudate aus den Blutgefässen der Theca diffus zwischen das Epithel ergossen werden. Denn man sieht ja an Schnitten von mittelreifen und reiferen Follikeln, wie schon angedeutet, vielfach die Epithelzellen stellenweise mit spaltförmig vertheilten Gerinnseln durchsetzt (Fig. 35b), welche ganz dieselbe Form und Tinktion zeigen, wie der Inhalt grösserer freier Hohlräume, die an anderen Stellen des gleichen Follikels schon aufgetreten sind (ebenda in a bei L. F., in b ist das Gerinnsel nur dunkler gezeichnet; während sich daneben auch Vaeuolen vorfinden und zwar mit abweichender Form der Gerinnung (s. ebenda in a, rechts, retieulirt geronnene Vacuole). 43) Diese Kerne sind freilich nicht ausschlaggebend, denn auch in dem Fall, dass die Vacuolen nur kleine Ansammlungen von Liquor wären, könnten benachbarte Zellen in diese zufällig hineingerückt und in ihnen zerfallen sein. 382 W. Flemming: Hiernach würde also der Liquor Follieuli theils aus Gefäss- transsudaten, theils aus den Untergangsproducten von Follikel- epithelzellen entstehen, welche einer verflüssigenden Metamorphose unterliegen. Es würde dann auf die bezüglichen Bildungen etwa der Name „Degenerationsvacuolen“ passen. Diese Ansicht will ich immerhin nur als Hypothese geäussert haben. Wenn sie richtig ist, so dienen die Zelltheilungen im Follikelepithel nicht sowohl für eine immer fortgehende Summirung dieses Epithels, als vielmehr grossentheils zum Ersatz für diejenigen Epithelzellen, die dureh die fortwährende Degeneration in Wegfall kommen. Und diese Annahme könnte in der That sehr willkommen sein, um eine auffallende Thatsache zu erklären: in reifen oder fast reifen Follikeln, in denen das Epithel eine schmale, wenige Zellen mächtige Wandschicht darstellt und der Liquor bei weitem den grösseren Raumtheil ausmacht, sind in diesem Wandepithel die Zelitheilungen dennoch vielfach nicht weniger reichlich als an den jüngeren Follikeln. Man kann beim Vergleich der Epithelmasse in diesen und in den ganz reifen Bläschen kaum annehmen, dass in letzteren diese Masse an absoluter Zellenzahl noch erheblich wachsen sollte; die gleichwohl vorhandene Menge der Zelltheilungen wird sieh aber völlig erklären unter der Annahme, dass auch in solchen alten Bläschen noch fortwährend Zellen für die Liquorbil- dung aufgebracht werden, die gerade in ihnen besonders stark zunimmt, und dass also für diese Zellen auch hier ein andauernder Ersatz zu schaffen bleibt. Auch Waldeyer (Eierstöck und Ei S. 38ff.) nimmt ja eine Mitwirkung von Epithelzerfall an der Bil- dung des Liquor an. Ausser von Call u. Exner (Anm 87a) habe ich die Dinge, von denen eben die Rede war, nicht erwähnt gefunden; doch ist mir ein patholo- gischer Befund bekannt geworden*#), der einige Vergleichspunkte damit zu bieten scheint). Auf S. 128 der eitirten Arbeit sagt Flaischlen: „Eine eigenthümliche Veränderung zeigt ferner das Plattenepithel unweit der Stelle des Ueberganges in Cylinderepithel. Mitten in ersterem finden wir nämlich kleinere und grössere cystische Räume, deren Entstehung 44) Ich wurde darauf durch einen gütigen Hinweis meines Collegen Prof. Werth aufmerksam gemacht. 45) N. Flaischlen: Ein Fall von combinirtem Dermoid des Ovariums. Arch. f. Geburtshülfe u. Gynäk. 1881, Bd. 6, 8.127. 2 Taf. Regeneration verschiedener Epithelien ete. 383 auf colloide Entartung einzelner benachbarter Zellen zurückzuführen ist. Letz- tere verschmelzen nach ihrer Entartung zu einer homogenen colloiden Masse und bilden so den Inhalt eines kleinen cystischen Raumes, der von normalem Plattenepithel begrenzt wird.“ Einen anderen Theil der Geschwulst bezeichnet Flaischlen (S. 129) als gleichartig mit embryonalem Eierstocksgewebe, nur dass darin Eizellen fehlten und stellenweise die Zellballen durch Colloidentartung der Zellen ver- ändert waren: „Wir sehen in mehreren Drüsenschläuchen einen Theil der im Centrum liegenden Zellen derart verändert, dass sie verhältnissmässig nur noch wenig Carmin aufnehmen, dass sie eigenthümlich hyalin gequollen aus- sehen; eine andere Zellenpartie nimmt gar keinen Farbstoff mehr auf und präsentirt sich als eine Gruppe von hyalinen Schollen, welche nur noch durch ihre rundliche Form ihren ehemaligen Charakter als Zellen verrathen. —- Wir stossen ferner auf einen Drüsenschlauch, in dem die hyalin veränderten Zellen zu einer Masse zusammengeschmolzen sind; nur einzelne in letzterer befindliche rundliche Gebilde lassen sich noch als Zellabkömmlinge erkennen. Es ist aus einem Drüsenschlauch eine Cyste geworden, deren Wand aus intacten Drüsenzellen besteht. — Diese intacten wandständigen Zellen nehmen häufig eine kurzcylindrische, nicht selten auch eine reincylindrische Form an.“ Die Abbildung Flaischlen’s Fig. 1 auf Taf. III illustrirt diese Verhältnisse. Ich kann zwar keine bestimmten Schlüsse darüber wagen, ob diese patholo- gischen Zustände mit den von mir hier beschriebenen normalen volle Homo- logie haben, beide zeigen aber so viel ähnliches, dass ich auf Flaischlen’s Beobachtung hier jedenfalls hinweisen wollte. Er zieht den Schluss, „dass die multiloculären Kystome des Eierstocks epithelialen Ursprungs sind“ (S. 132), indem er offenbar dievon ihm beschriebenen colloiden Veränderungen des Epithels als eine abnorme Entartung, und diese als das bedingende Mo- ment für die Oystenbildung betrachte. Wenn — was ich allerdings nicht behaupten will — die Vorgänge im Epithel in meinen normalen Övarien gleichartig mit den von ihm beschriebenen sein sollten, so würde es sich bei letzteren nicht sowohl um einen pathologischen Ausnahmezustand handeln, als um das Ueberhandnehmen eines Processes, welcher auch im normalen Follikelepithel allgemein Begleiter der Liquorbildung ist — Noch eine andere merkwürdige Erscheinung, die ich noch nicht erwähnt finde und mit deren näherer Verfolgung ich beschäf- tigt bin, will ich hier vorläufig kurz erwähnen: sie kommt in den Övarien aller von mir untersuchten erwachsenen Thiere vor und besteht darin, dass in einzelnen reifen oder fast reifen Follikeln die Zellen des Epithels massenhaft mit intensiv färbbaren Körnern und Bröckchen durchsetzt werden, deren Tinctionsverhalten ganz ähnlich ist, wie das der chromatischen Kernsubsanz; die Zellen verlieren dabei grossentheils ihre Kerne, werden blass und undeut- 384 W. Flemming: lich und lösen sich im Liquor follieuli auf, dessen Gerinnsel dem- zufolge dann an den Tinetionspräparaten eine dunklere Färbung zeigt, als in Bläschen, die diesem Process nicht unterlagen. Fast in jedem Schnitt der erwachsenen Kaninchenovarien finden sich Durchschnitte von so veränderten Follikeln, und gewähren bei scharfer Safranin- oder Gentianafärbung einen höchst eigenthüm- lichen und auffallenden Anblick. Ausser in den Epithelgeweben, die im Vorhergehenden bespro- chen sind, fand ich bei den erwachsenen Thieren auch. im Bindegewebe der Haut, der Mundschleimhaut, der Darm- wand, in der Mucosa des Eileiters und überall vertheilt im OÖvarialgewebe, auch in der glatten Muskulatur der letztgenann- ten Orte, recht vielfach Zelltheilungen; hier nirgends local gehäuft. Besonders reichlich sind sie im Ovarium und hier wiederum in den Thecae der Follikel, was damit leicht erklärlich ist, dass diese Thecae ja mit der Ausbildung der Follikel ein starkes Dicken- wachsthum erfahren. Das wenn auch vereinzelte Vorkommen von Zelltheilungen an jenen anderen Orten des Bindegewebes auch beim normalen erwachsenen Thier scheint mir jedenfalls des Ver- merkens werth; denn es zeigt, dass hier Neulieferung von Zellen vorkommt und gestattet also den Rückschluss, dass auch ein Aus- fall von Zellen stattfinden muss. Dies war bisher nicht ohne Weiteres selbstverständlich, obschon es wohl der gangbarsten Annahme entspricht. Wir wissen eigentlich nichts darüber, wie lange das Leben einer Bindesubstanzzelle dauert und ob diese Zellen im erwachsenen Körper wirklich einer physiologischen Rege- neration unterliegen brauchen; die Antwort darauf schien mir früher unmöglich. Durch den Nachweis der Theilungen bei Erwachsenen wird sie insofern gegeben, dass sich eine solche Regeneration wirklich annehmen lässt, wenn sie vielleicht auch in der Norm sehr allmählich vor sich gehen mag. Die mitgetheilten Befunde sprechen, wie ich denke, durchaus dafür, dass in den sämmtlichen hier besprochenen Epithelien das Studien über Regeneration der Gewebe. 385 neuzuschaffende Zellenmaterial auf dem Wege mitotischer Zellthei- lung entsteht, da diese vollkommen reichlich genug vorhanden ist, um dafür auszureichen. Die Annahme einer Regeneration durch Zelivermehrung mit freier Kernbildung (im Sinne von Lott und Drasch) erscheint also hier nirgendwo postulirt. Wollte man annehmen, dass solche Processe noch neben den mitotischen Thei- lungen vorkommen, so müsste doch irgend welche positive Beob- achtung dafür in’s Feld geführt werden, woran es aber bis jetzt fehlt. Schon hiernach würde es mir schwer scheinen, für die Rege- neration des Flimmerepithels der Luftwege die Meinung Drasch’s zu theilen, auch wenn man über dasselbe keine weitere Erfahrung hätte: es ist wohl kaum wahrscheinlich, dass gerade dieses eine Epithel sich nach einem ganz besonderen Modus er- neuern sollte, während das der Haut, der Haarkeimschichten, des Darms, der Eierstocksbläschen, und auch das Flimmerepithel des Eileiters, eins wie das andere durch gewöhnliche Zelltheilung regenerirt werden. Die obige Arbeit Boekendahl’s hat ja aber nun hinreichend gezeigt, dass die letztere auch im Flimmerepithel der Trachea reichlich vorkommt. Die Umstände, welche Drasch verhindert haben, mehr als ein einziges Exemplar davon zu finden, kann ich nicht beurtheilen. Drasch giebt nicht an, von wie vielen Rin- dern*) er Tracheen untersucht hat; vielleicht waren es nur wenige, und hat er dabei zufällig Thiere getroffen, bei denen die Regene- ration zeitweise oder stellenweise schwach war oder cessirte. Dass dies vorkommt, können Bockendahl und ich bezeugen; unsere Resultate zeigen aber auch, dass man bei consequenter Prüfung eines grösseren Materials den Erfolg nicht vermisst. Drasch hat zwar die eine Theilungsfigur, die er fand, dahin deuten wollen, dass sie nur zu einer Kerntheilung, nicht zur Mit- theilung des Zellkörpers geführt haben würde. Die vielen Thei- lungen aber, dieBockendahl und ich im Flimmerepithel gefunden haben, lassen eine solche Deutung unmöglich zu, denn man sieht an vielen dieser Exemplare deutlich die Abschnürung des Zell- 46) Seine Untersuchung an der menschlichen Trachea kann nicht mit in Rechnung kommen, da das Objeet erst längere Zeit post mortem einge- legt wurde. Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 24, 25 386 W. Flemming: körpers (z. B. Fig. 23, 31), ganz ebenso wie das in den übrigen, oben besprochenen Epithelien und anderen Geweben der Fall ist. Es ist also kein Zweifel, dass dieser Process hier wirklich der Epithelvermehrung dient, und es kann sich nurnoch um die Frage handeln: ob die Zelltheilungen im Flimmerepithel der Luftwege zahlreich genug sind, um allein für die nöthige Vermehrung aus- zureichen, oder ob daneben noch irgend welche andere Regenera- tionsart anzunehmen ist. Diese Frage abschliessend zu beantworten, scheint mir nun freilich vor der Hand ganz unmöglich. Denn man müsste dafür doch einigermassen die Verlustgrösse abschätzen können, die durch Abstossung gegeben ist und zu ersetzen bleibt. Nach Henle’s Vermuthung und nach Rossbach’s Untersuchungen — für Beides verweise ich auf die Arbeit Boekendahl’s — ist diese Verlust- grösse beim Epithel der Luftwege in der Norm als so gering anzunehmen, dass die gefundene Menge von Zelltheilungen zum Ersatz sehr wohl genügen könnte. Im Flimmerepithel des Eileiters, an dem die Mitosen bedeu- tend leichter zu überblicken sind als an dem der Trachea*®”), habe ich sie in einer grösseren Anzahl von Schnitten vom erwachsenen Kaninchen gezählt; ich bemerke noch besonders, dass sie bei die- sem Thier nicht etwa besonders viel zahlreicher waren, als bei den übrigen. Die Sehnitte, absichtlich nicht zu dünn gemacht, haben 15—35. Dicke; es finden sich in jedem Totaldurchschnitt des Ampullentheils®°) im Epithel mindestens 5, meist 10 bis 20 Mitosen. Ich will, um möglichst zu meinen Ungunsten zu rechnen, die min- deste Zahl5 als Durchsehnittszahl pro Schnitt annehmen; rechne ich dann die Schnittdieke gleich durchschnittlich 25u, die Länge des Ampullentheils (Kaninchen), so wie er ohne Ausgleichung der Windungen neben dem Ovarium liegt, gleich etwa lcm, wobei der 47) Aus dem Grunde, weil die an letzterem Orte so zahlreichen, stören- den Leucocyten mit ihren scharfgefärbten polymorphen Kernen (Taf. IV, Fig. 10) im Eileiter fast ganz fehlen. Ferner sind auch die Zellen dort recht gross. 48) Die Tuben wurden in ihrem natürlichen gewundenen Situs gehärtet und geschnitten, um für die Controle der Theilungsaxen alle unnatürlichen Dehnungen des Epithels zu vermeiden, wie sich solche bei künstlicher Streckung der Windungen ergeben könnten, Studien über Regeneration der Gewebe. 387 sehr viel längere gerade Theil noch gar nicht in Mitrechnung kommt: so erhalte ich als eine absichtlich sehr gering genommene Schätzung 4000 Zelltheilungen, welche gleichzeitig im Eileiter einer Seite beim erwachsenen Kaninchen im Gange sind. Ich sehe in der That nicht ein, warum eine derartige Frequenz nicht völlig genügen sollte, um den normalen Wiederersatz im Gange zu halten; denn es zwingt doch nichts zu der Annahme, dass für gewöhnlich in dem Zeitraum, in welchem diese Theilungen ablaufen, mehr als 4000 Flimmerzellen in derselben Tube abgestossen werden oder anderweitig untergehen sollten. — Wenn also hier die Regeneration durch Zelltheilung besorgt wird, will man dann annehmen, dass es beim Flimmerepithel der Luftwege ganz anders ist? Ich habe hierfür noch einige andere Einwände Drasch’s zu berücksichtigen, auf die von ihm besonderes Gewieht gelegt ist. Er ist in seinen Schlüssen über das Epithelwachsthum vornehm- lich von den Formen der Zellen ausgegangen, die er durch sorg- fältige Isolation, besonders mittelst Kalibichromat studirt hat. Er findet das tracheale Flimmerepithel danach eintheilbar in 3 typi- sche Hauptformen: fertige Flimmerzellen, Keilzellen und Basal- zellen; von letzteren aus entwickeln sich die beiden ersteren Formen und die Uebergangsglieder zwischen den Keilzellen und Flimmer- zellen werden nach Drasch durch die Gebilde dargestellt, die als Becherzellen dieses Epithels bekannt sind. Unter den Basalzellen finden sich nach Drasch als kleinste Formen sogenannte „Rudi- mentzellen“; die Regeneration des Epithels stellt er sich in der Art vor, dass jede Rudimentzelle zu einer Keilzelle und später zu einer Flimmerzelle wird®), indem ihr Vordertheil mit dem Kern zu solcher auswächst; während durch den seitlichen Druck der sie umgebenden jüngsten Rudimentzellen an ihrem Untertbeil kern- lose Fortsätze gebildet werden, abgeschnürt werden und so „Rudi- mente“ bilden, aus denen, durch interne freie Kernbildung, neue Rudimentzellen entstehen. Da Drasch besonders hervorhebt, dass diese Entwicklung nur ermittelt werden könne „durch ein ganz genaues vergleichendes Studium der isolirten Zellenformen* — „wenn Zelle für Zelle genau geprüft, ihre Formen und der gegenseitige Zusammenhang ängst- 49) Drasch’s erste Arbeit S. 243, und die zweite $. 70; vergl. beson- ders die Fig. VII in der letzteren, auch zahlreiche in der ersten, 388 W. Flemming: lich verglichen, jedes Zellindividuum der eingehendsten Untersu- chung unterworfen wird“ 0): — so möchte ich doch zunächst darauf hinweisen, dass auch dieser Weg unvollkommen und trügerisch sein kann, selbst wenn er, wie es Drasch ohne Zweifel gethan hat, mit grösster Sorgfalt und Beherrschung der Methode verfolgt wird. Denn ich sehe mich unter den von ihm beschriebenen Zellindividuen vergeblich nach den Wanderzellen um, die so massenhaft in diesem Epithel vorkommen°!). Dieser Befund (vergl. im ersten Abschnitt dieser Studien, 8. 80, Fig. 10, Taf. IV) ist mir lange bekannt, schon von Stöhr vermerkt und von Bocken- dahl (s. oben) an grossem Material betätigt. Bei fast allen von uns untersuchten Thieren (zusammen mehr als 12) sind diese Leu- coeyten recht reichlich, und fast bei der Hälfte derselben finden sich zahlreiche Schnitte, in denen ihre Menge so gross, oder selbst grösser ist als in meiner eitirten Fig. 10. Ich kann also kaum annehmen, dass sie in den von Drasch untersuchten Luftröhren gefehlt haben sollten, und eben so an denen, welche Waller und Björkman bearbeiteten, ohne dass sie Leucocyten gefunden haben 52). Aber ihr sicherer Nachweis ergiebt sich nur an Schnitten mit recht scharfer Kerntinetion, wo die charakteristischen polymor- 50) In der zweiten Arbeit $S. 342—343. 51) Vermuthungsweise möchte ich annehmen, dass die mit b bezeich- nete Stelle in Drasch’s Fig. IX in der zweiten Arbeit, vielleicht auch 6b in Fig. V daselbst, einer Wanderzelle entspricht, die mehrere kleine Kerne hat oder deren Kern in mehrere Theile abgeschnürt ist. Drasch deutet dieselben als Rudimentzellen. 52) G. Retzius, Biologische Untersuchungen, Nr. 2, Jahrg. 1882, 20. Decemb.: III Studien über den Bau der Trachealschleimhaut etc. 8.93. Die Verfasser geben aber auch nicht an, ob sie scharfe Kernfärbnngen benutzt haben. Man wird wohl nicht glauben können, dass die Durchsetzung des Luft- wegepithels mit Leucoeyten, wie wir sie fanden, stets eine krankhafte Er- scheinung, etwa auf Katarrhe zu beziehen sei; denn dann müssten gerade unsere sämmtlichen verschiedenartigen Thiere, sowie auch die Stöhr’s, mit Katarrh behaftet gewesen sein, während die von Drasch, Waller und Björkman untersuchten gerade alle gesund gewesen wären. Ich notire ausserdem hierfür, dass ich im Flimmerepithel des Eileiters stets nur ganz vereinzelte Leucocyten fand; es muss sich also wohl beim Respirationsepithel um eine besondere Disposition für ihre Einwanderung handeln. Studien über Regeneration der Gewebe. 389 phen Kerne dieser Zellen deutlich hervorgehoben sind; das Isola- tionsverfahren mit Kalichromat ist hierfür so ungünstig wie möglich, da dureh die bekannte Veränderung, welche das Chromsalz an den Kernen hervorbringt, das typische Ansehen der Leucoeytenkerne serade undeutlich gemacht wird. Man hat also keine Garantie darüber, wie viel von den Dingen, die Drasch als Rudimente oder Rudimentzellen aufgefasst hat, etwa Wanderzellen gewesen sein mögen; und man kann fragen, ob sich die Gesetze für die Gestal- tung der Epithelzellenformen wirklich so genau bloss aus dem Wachsthumsdruck ableiten lassen, wie Drasch es durchzuführen sucht, wenn sich zwischen diesen Zellen eine solche Masse von Eindringlingen herumbewegt, die doch ihrerseits auch Platz bean- spruchen und die Formen der Epithelzellen nothwendig beeinflussen werden 3). Doch dies hängt nicht näher zusammen mit dem Hauptargu- ment, welches Drasch gegen mich angeführt hat und das ich jetzt zurückzuweisen habe. Drasch giebt zwar zu, dass nebenbei mitotische Theilungen im trachealen Flimmerepithel vorkommen können, meint jedoch, dass sie nur zur Entstehung zweikerniger Zellen führen, und nimmt direkt in Abrede, dass eine Vermehrung der Epithelzellen aus ihnen resultiren könne; und zwar dies aus folgendem Grunde: Die sämmtlichen Zellen des Epithels erreichen, wie Drasch behauptet und ich nicht bestreiten will’*), mit ihren Füssen das Bindegewebe. Angenommen nun, dass eine kleine Basalzelle (Ru- dimentzelle Drasch’s), welche mit ihrem Vorderende nicht an die Flimmerfläche reicht, sich theilte, um eine der Tochterzellen zur Flimmerzelle werden zu lassen: so könnte, wie Drasch meint, die Axe dieser Theilung nur parallel der Fläche liegen®). Eine 53) Inseiner zweiten Arbeit hat Drasch auch Schnitte, und zwar zahl- reiche, untersucht und gefärbt. Dass ihm an diesen keine Leucocytenkerne aufgefallen sind, kann entweder den Grund haben, dass seine Tinctionen vielleicht nicht so scharf waren, um diese Kerne recht sichtlich hervorzuhe- ben; oder den, dass er vielleicht nur wenige Thiere nel, bei denen die Leucocyten gerade nicht zahlreich waren. 54) Obwohl Waller und Björkmann es zweifelhaft lassen, ob dies Verhalten bei allen Flimmerzellen durchgeht (a. a. ©. S. 85). 55) Oder wie Drasch es ausdrückt (S. 366): „Die Theilung der Zelle könnte nur in der Richtung von oben nach unten erfolgt sein. 390 W. Flemming: senkrechte Lage der Axe gegen die Fläche”) „müsse a priori ausgeschlossen bleiben, weil ja in solchem Falle die eine der Tochterzellen ausser Contact mit dem Bindegewebe’) kommen ‚würde, was den thatsächlichen Verhältnissen widerspricht.“ Soll nun aber die Axe parallel zur Fläche liegen, so müsste man, wie Drasch urtheilt, hie und da je zwei Basalzellen von ganz gleicher Grösse neben einander stehend finden, die aus solchen Theilungen hervorgegangen wären. Aber wie Drasch nachdrücklich ver- sichert, finde man solche gleiche Nachbarinnen unter den Basal- zellen niemals, sondern stets sei eine Zelle anders geformt als ihre Nachbarin. Also, schliesst Drasch, könne keine Vermehrung dieser Basalzellen durch mitotische Theilung stattgefunden haben. Dieser Schluss trifft nicht zu; weil seine Prämissen nicht richtig sind. Als ich Drasch’s Arbeit las, war es mir von anderen Objeeten — Amphibierhaut, menschliche Hornhaut — bereits lange bekannt, dass die Theilungsaxen im Epithel sehr gewöhnlich weder senkrecht noch rein parallel der Fläche stehen, sondern schräg. So ist es auch im Flimmerepithel, wie seitdem die Untersuchungen Bockendahl’s und meine eigenen zeigten (Fig. 23—26, 27—3]). Doch kommt hier auch häufig genug eine quere Stellung der Axen vor (Fig.28), während ich allerdings eine rein senkrechte noch nie sichergestellt habe. — Ferner ist es zwar richtig, dass bei einer mitotischen Zelltheilung die beiden Schwesterzellenkörper ganz oder nahezu gleich gross sind, aber sie brauchen keines- wegs, wie Drasch annimmt, gleich geformt zu sein. Besonders an Bindegewebszellen kann man in dieser Beziehung sehr hoch- gradige Ungleichförmigkeit finden; aber auch an Epithelzellen ist solche sehr häufig und, wie mir scheint, in geringerem Grade die Regel: indem die eine der Tochterzellen in der Tiefe liegen bleibt und runde oder länglichrunde Form behält, gestaltet die andere sich schief, verlängert sich beim Flimmer- oder Cylinderepithel gegen die Oberfläche zu und nimmt allmählich die langgestreckte 56) Nach Drasch: „Eine Theilung der Mutterzelle parallel zum elastischen Fasernetz“. 57) Nach Drasch: ‚Dem elastischen Fasernetz“. Ich sage lieber: Bindegewebe, weil die äussersten elastischen Fasern nicht direkt an die Epi- thelfüsse grenzen, sondern durch eine schmale Schicht collagener Substanz noch von ihnen getrennt sind. Studien über Regeneration der Gewebe. 391 Form an. Die Schemata in Fig. 37 mögen dies verdeutlichen. Während die Abschnürung des Zellkörpers noch nicht erfolgt ist, braucht übrigens noch keinerlei Ungleichförmigkeit der Tochter- hälften (wie in b daselbst) ausgesprochen zu sein, sondern diesel- ben können noch symmetrische Form haben (wie in 9). Dass dies auch im Flimmerepithel vorkommt, dafür haben Bockendahl und ich mehrfach Beispiele gesehen, an denen die Contoure der Tochterzellen deutlich erkennbar waren. Anf diesen Zustand folgt dann erst nach der Abschnürung, unter Vorwachsen der einen Tochterzelle, eine wirkliche Ungleichförmigkeit beider Zellen (y), während dieselbe bei schräger Axenlage (b, e) gleich von vorn herein gegeben ist. Dass Drasch den Zustand $ nie beobach- tete, ist erklärlich, da er ja überhaupt nur eine Theilung, und diese noch vor der Abschnürung gesehen hat. Aus der Betrachtung der Fig. 37 «a—y und a—d ergiebt sich hiernach wohl von selbst, dass sehr wohl Theilungen von Basalzellen mit queren und schrä- gen Axenlagen vorkommen können, ohne dass dabei in der Folge jemals eine der Schwesterzellen mit ihrem Fuss von der Bindege- websfläche getrennt zu werden braucht; und ohne dass dabei nach Ablauf der Theilung ganz gleichgeformte Basalzellen neben einander gefunden werden brauchen. Drasch findet (8.369) noch eine weitere Schwierigkeit in der Vorstellung, dass die eine der beiden Schwesterzellen zur Flimmer- zelle heranwachsen soll, während die andere als Basalzelle in der Tiefe liegen bleibt; er meint, es würde einen schwerverständlichen Gegensatz enthalten, dass „bei anderen Zellenarten beide Tochter- zellen gleichmässig fortwachsen, beim Flimmerepithel aber die eine Tochterzelle im Wachsthum zurückbleibe, während nur die andere weitere Phasen durchläuft.“ Aber ist es denn wahr, dass durch- weg „bei anderen Zellenarten beide Tochterzellen einer Theilung gleichmässig fortwachsen?“ Für viele Gewebe ist das vielmehr geradezu unmöglich. Nehmen wir als ein Beispiel für viele irgend ein anderes Epithel, etwa das geschichtete der Haut: wenn hier stets beide Töchter aus der Theilung einer Malpighi’schen Zelle gleichmässig fortwüchsen, gegen die Oberfläche aufrückten und zu Hornzellen würden, so könnte ja in der Keimschicht gar kein Zellenmaterial für eine fernere Regeneration übrig bleiben. Wenn man nicht zu der Annahme einer fortwährenden Generatio spontanea von Zellen in der Tiefe greifen will, so muss auch hier 392 W. Flemming: nothwendig angenommen werden, dass entweder immer, oder doch vielfach nur die eine der Schwesterzellen zur Verhornung auf- rückt, die andere aber liegen bleibt, um sich weiter zu theilen. Dies ist also nicht, wie Drasch findet „ein. unter allen Umständen sehr complieirtes Gesetz“, sondern es ist eine ganz klare Noth- wendigkeit. Ich möchte hier überhaupt darauf hinweisen, dass es mit der sogenannten Gleichheit der Tochterzellen einer Theilung, auch dort wo sie dem Anschein nach wirklich vorhanden ist, eine eigene Sache bleibt. Das inaequal furchende Ei hat ungleichwerthige Pole und ungleiche Tochterzellen; im Grunde ist es aber auch nicht anders bei aequal furchenden Eiern, denn schon die nächsten Pro- ducte ihrer Theilung können untereinander nicht gleich sein, weil sie wiederum ungleiche Producte aus sich hervorgehen lassen. Dieser Satz, den ich früher einmal in seinen Consequenzen näher entwickelt habe’®), ohne dafür damals noch viel Aufmerksamkeit zu finden, wird jetzt mehr und mehr ein Grundsatz der Entwick- lungsgeschichte und fängt an, auch schon einige Streiflichter bis in die Histogenese zu werfen. Es ist für die meisten Fälle viel besser verständlich, dass die zwei Schwesterzellen aus je einer Theilung untereinander ungleiche Dispositionen mitbekommen, als dass sie stets gleiche haben sollten; für diese Ungleichheit lässt sich in den Tochterzellen und auch schon in ihrer Mutter- zelle nach einem morphologischen Ausdruck suchen, und die Zeit ist vielleieht nicht mehr fern, wo man in der Anordnung der Kern- figuren Anhaltspunkte finden wird, um eine Ungleichwerthigkeit der Pole schon an der in Theilung begriffenen Zelle zu bestim- men 9), Für das Flimmerepithel der Trachea hat Drasch bestimmt behauptet, dass niemals eine fertige Flimmerzelle sich karyokine- tisch theilen könne, und er nimmt offenbar ein Gleiches für die nächst voraufgehenden Formen, die schon langgestreckten, aber 58) Studien in der Entwicklungsgeschichte der Najaden. Wiener Sitzungsberichte, Math. n. Cl. Bd. 71, III. Abth., Febr. 1875, S. 120. 59) Dieser Gedanke kann eine Stütze finden in einer schönen dem- nächst erscheinenden Arbeit von C. Rabl über Zelltheilung (Morpholog. Jahrbuch), deren Manuscript ich einsehen durfte; und in Manchem, was in Arnold Brass’s biologischen Studien, II. Heft, ausgesprochen ist. Studien über Regeneration der Gewebe. 393 noch flimmerlosen „Keilzellen“ an; denn er sagt S. 369 mit Bezug auf seine Fig. VII u. andere, in welchen Zusammenhänge langer Flimmerzellen mit kleinen pyramidenförmigen Basalzellen durch zarte Verbindungsbrücken dargestellt sind: „man könne sich unmög- lich vorstellen, dass bei einer hier vorgekommenen Zelltheilung die eine Tochterzelle, indem ihr Protoplasma sich zu einem Faden auszog, etwa in kugliger Form in die Tiefe gedrungen sei und nachträglich die vorliegende Pyramidenform angenommen hätte; und noch viel weniger, dass sie in der gegenwärtigen Form an das elastische Fasernetz gedrungen sei.“ — Auch hier beruht die angebliche Unmöglichkeit wieder auf einer Voraussetzung, die nicht zutrifft. Die kleine Zelle braucht nicht erst in die Tiefe „gedrun- gen“ zu sein; und die Schwesterzellen aus einer Theilung brauchen während der letzteren nicht die Formen gehabt zu haben, in denen man sie lange Zeit nachher finde. Am Flimmerepithel des Eilei- ters kommt thatsächlich das vor, was Drasch in der Trachea nach dem Obigen für unmöglich hält; ich finde in der Tube sehr häufig Fälle wie die, von denen meine Fig. 28 und 31 einige für viele Beispiele geben. Hier sind Zellen in Theilung, welche ganz unfraglich mit ihrem Vorderende frei an die Oberfläche des Epi- thels heranreichen, und mit ihrem Fusstheil an das Bindegewebe stossen. Die Form soleher Zellen ist immer leicht ausgewölbt, also etwa spindelförmig; die Theilungsaxen liegen schräg, oft nahezu quer (wie in28). Ich habe bisher noch keinen Fall gefun- den, wo das freie Ende einer solchen Zelle Wimpern getragen hätte, und kann also nicht befürworten, dass eine fertig ausgebil- dete Flimmerzelle noch theilungsfäbig ist, obwohl dies an sich nicht unmöglich scheint. Wohl aber sind hier Zellen theilungs- fähig, die durch die ganze Epitheldicke hindurch reichen. Also giebt es im Eileiterepithel keine lokal bestimmte, als Keimschicht anzusehende Basalzellenregion, und die hier vorliegenden Verhält- nisse sind ganz einfach folgendermassen aufzufassen: die Nach- wuchszellen, welche durch ihre Theilungen das Epithel regeneriren, treten bald schon in Theilung, wenn sie noch klein und kegelför- mig zwischen (den Füsssen der Nachbarinnen liegen (wie die kleine Zelle links in Fig.27), bald auch erst, nachdem sie sich zwischen diesen schon vorgedrängt haben, und zuweilen erst, wenn sie mit dem Vorderende die Oberfläche erreicht haben. Die Zelle nimmt dabei, wie es ja eine ganz allgemeine Erscheinung ist, während 394 W. Flemming: der Theilung eine mehr ausgerundete Form an, in Fällen wie Fig. 27, 28, die Form eines langgestreckten Ellipsoides. Dabei können dann sehr wohl beide Tochterzellen mit der Bindegewebsfläche durch Fussstiele in Verbindung bleiben (vergl. die Schemata Fig. 37) und die in diesem Schema rechte Zelle kann sich zur Flimmer- zelle ausbilden und ihr Fussstiel kann sich verdünnen, während die linke als Nachwuchszelle für weitere Theilungen übrig bleibt. Es wäre ja auch wohl möglich, dass auch einmal beide Schwe- stern zu Flimmerzellen werden könnten, nur kann dies nicht immer geschehen, da sonst, aus oben angeführtem Grunde, kein Material für weitere Vermehrung übrig bleiben würde. Dies bezieht sich zunächst auf das ziemlich niedrige Flimmer- epithel der Tube; aber auch für das mehr hochzellige der Trachea muss man wohl annehmen, dass ganz ebensowohl einmal Theilungen von Zellen geschehen können, die nicht mehr Basalzellen sind, sondern schon zwischen die Vordertheile der Wimperzellen hinauf- reichen. Denn Bockendahl hat ja in der Trachea die Mitosen nicht bloss in der Basalregion, sondern auch höher oben, ja zuwei- len nahe an der Flimmerfläche gefunden (s. oben, und Fig. 23, 24). Die Schwierigkeit, auch hier die Fusstheile der Schwesterzellen beide in Berührung mit dem Bindegewebe bleiben zu lassen, ist nicht so gross wie Drasch annahm; auch bei den Theilungen von glatten Muskelzellen, spindelförmigen Bindegewebszellen werden sehr dünne oder platte Zellkörper halbirt, indem sie sich während der Theilung etwas ausgewölbt haben und die Tochterzellen sich nachher wieder verschmälern; und die schmal ausgezogenen For- men der Zellenfüsse, wie man sie z. B. in Drasceh’s Fig. VI und anderen sieht, können erst später und allmählich unter dem Wachs- thumsdruck des umgebenden Epithels zu Stande gekommen sein. Wenn man nun fertige Flimmerzellen mit kleinen Basalzellen durch dünne Brücken in Verbindung findet (Fig. VII bei Drasch), so ist das nicht schwer verständlich. In den Keimschichten von Plattenepithelien stehen bekanntlich die Nachbarzellen im ganzen Umfang durch zarte Intercellularbrücken 6%) mit einander in Ver- bindung. Wo, wie im Flimmerepithel, die Zellen sich im Wachs- thum stark durcheinanderschieben und zwei Schwesterzellen durch 60) „Stacheln und Riffe“ der Autoren. Näheres darüber in: Zell- substanz, Kern und Zelltheilung, S. 52—58, Fig. B. S. 54, 19—21, Taf. Ila. Studien über Regeneration der Gewebe. 395 andere dazwischen drängende weit getrennt werden können, ist es erklärlich, dass zwischen ihnen auf längere oder kürzere Zeit Ver- bindungsbrücken ausgespannt bleiben, ganz wie es den von Drasch gezeichneten Verhältnissen entspricht. Den Schwerpunkt und den Hauptwerth der Arbeiten Drasch’s sehe ich in der genauen Durchforschung der Zellenformen im Flimmerepithel und in dem scharfsinnig von ihm durchgeführten Versuch, diese Formen aus einander abzuleiten und danach die im Epithel wirkenden Druckgesetze zu bestimmen. Das Prineip, auf dem dieser Versuch basirt, erkenne ich durchaus an; es ist der Satz, dass „die Formveränderung einer jeden Zelle eine Function der Formveränderung aller um jene gela erten jüngeren Zellen ist‘; dass mit anderen Worten, eine Zelle von zunehmender Wachs- thumsenergie eine benachbarte Zelle von abnehmender oder geringe- rer Energie in eine andere Form drängen wird; und dass, wenn bei den kleineren basalen Zellen die Wachsthumsenergie stär- ker ist, diese die grösseren Zellen von der Unterlage abdrängen und ihre Fusstheile zu den langen und unregelmässigen Formen ausdehnen werden, in denen wir sie finden. Dies, und die son- stigen Gesetze für die Zellengestaltung, die Drasch daraus ableitet und mit den wirklich zu findenden Formen in Einklang bringt, bleibt hier durchaus unbestritten®!); denn soviel ich sehen kann, ist es dafür ganz einerlei, ob die jungen neu einrückenden Flimmer- zellen auf dem hypothetischen Wege einer Zellbildung mit freier Kernbildung entstanden sein mögen, wie es Drasch annahm, oder ob sie aus Zelltheilungen hervorgegangen sind, wie es nach unsern Untersuchungen thatsächlich in reichlichem Maasse vorkommt. Die vorstehende Erörterung habe ich nur deshalb in solcher Ausführlichkeit gegeben, weil Drasch sie ausdrücklich von mir verlangte (a. a.O. 5.371); wozu er ja nach meiner ersten, wesent- lich nur theoretischen Kritik vollkommen berechtigt war. Die in seinen Schlussworten daselbst gestellte Forderung hinsichtlich des Nachweises von Kerntheilungen im Flimmerepithel ist hiermit 61) Nur mit der kleinen Einschränkung (vergl. oben), dass die Wan- derzellen doch wohl manche Unordnung in der Gesetzmässigkeit anrichten müssen, und vieles an den Epithelzellenformen direkt durch ihre active Ein- drängung bedingt, also von dem epithelialen Wachsthumsdruck unabhängig sein muss. 396 W. Flemming: hinreichend erfüllt, wofür ich ganz besonders der mühsamen und sorgfältigen Arbeit meines Freundes Bockendahl Dank schul- dig bin. Ein anderer Differenzpunkt mag hier nur nebenbei berührt werden, da er in die hier behandelte Frage nach der Regeneration wenig eingreift. Ich habe mich der Annahme Drasch’s, nach der die Becherzellen der Trachea Uebergangsformen zu Flimmerzellen darstellen, nicht angeschlossen, sondern gesagt, dass ich mit F. E. Schulze die Becherzellen überall, wo sie vorkommen, für eigenartige und besonders fungirende Epithelzellen halte (Ueber Epithelregeneration etc. a. a. O., 8.350). Drasch hat dieser kurzen Bemerkung gegenüber seine Ansicht sehr ausführlich aufrecht gehalten (zweite Arbeit, S. 345—360). Bei jetziger Lage der Kenntnisse verspricht eine Dis- cussion darüber kaum einen Erfolg. Ich gebe zu, dass Drasch’s Deutung sich einstweilen nicht widerlegen lässt, so wie ich andererseits keinen Beweis für sie sehe. Wenn man alles genau berücksichtigt, was Drasch und was ferner Waller und Björkman über Formen und Eigenschaften der Becher- zellen im Flimmerepithel angeben, so ergiebt sich, wie mir scheint, mindestens eben so viel Grund sie als Umwandlungsformen der Flimmerzellen anzusehen, als für die umgekehrte Annahme, dass diese aus ihnen entständen. Wie Drasch richtig annahm (8. 355), war mir die Literatur der Becherzellen näher bekannt, da ich mich speciell für sie interessirt habe; ich weiss also wohl, dass unter dem Namen vielfach recht verschiedene Dinge begriffen wor- den sind, und was speciell die Magenepithelien anbelangt, deren Besonderheit Drasch hervorhebt, so habe ich sie schon seit den Arbeiten Biedermann's (1874) niemals zu den eigentlichen Becherzellen gerechnet, schon weil der Inhalt ihrer Vordertheile ganz anders reagirt als z. B. der der Darmbecher. Auch in anderen Epithelien sind die Dinge, die man Becherzellen nennt, ja gewiss nicht alle von gleichen Eigenschaften und vielleicht zum Theil von recht differenter Function; jedenfalls reagiren sie verschieden. Aus längerer eigener Erfahrung gebe ich dafür nur einige Beispiele: Die Becher des Darmepithels zeigen bei Tinction frisch gemachter Osmiumpräparate in Hämatoxylin eine schöne starke Färbung des Becher- inhalts, die sie sehr hübsch hervorhebt. Dasselbe fand ich beim Epithel von Muscheln. Noch schärfer geschieht dies bei meiner hier verwendeten Methode (Osmiumgemische, Safranin oder Gentiana), wobei der Becherinhalt so scharf rothbraun, bezw. purpurn gefärbt wird, dass ich diese Tinction jetzt stets zur Demonstration der Becher des Darmepithels vorzüglich benutze. Diese Reac- tion tritt an den Becherzellen des Trachealepithels, wie Bockendahl fand, nur bei jungen Thieren ein; bei erwachsenen ist die Färbung eine nur wenig stärkere, als die der übrigen Epithelzellen. Die Leydig’schen Schleimzellen der Amphibienlarvenhaut reagiren in vielen Stücken wieder ganz anders. Die Becherzellen der Fischhaut habe ich mit Tinetionen noch nicht geprüft, sie zeigen aber in ihren Formverhältnissen, wie es Drasch a. a. O. hinrei- Studien über Regeneration der Gewebe. 397 chend ausführt, grosse Verschiedenheiten gegenüber den Bechern des Darms und Flimmerepitliels. Wie Fr. E. Schulze beschrieben hat, besitzen einige Fische (so Perca) Becher mit blau gefärbtem Inhalt. Bei zahlreichen Nudi- branchienarten habe ich früher das Hautepithel untersucht: es giebt dort Becherzellen mit blassem, und andere mit lebhaft gefärbtem Inhalt, eitronen- gelb und roth, so dass ein Theil der schönen Hautfärbungen dieser Mollusken geradezu durch die Becher bedingt wird. Schon dies wenigegenügt, um zu sagen, dass die „Becherzellen‘“ an verschie- denen Orten ungleiche Formen haben und auch ungleiche Functionen zu haben scheinen, und dass sie nicht überall „einzellige Drüsen“ zu nennen sind, was ich meinerseits nie behauptet habe. Aber darum können sie doch sehr wohl, wie ich mich unbefangen ausdrückte, überall „eigenartige und besonders fun- girende Epithelzellen“ sein. Die fraglichen Zellen im Flimmerepithel haben bei allen Abweichungen doch noch so viel Vergleichspunkte mit den ander- weitigen Becherzellen — ich verweise dafür auf die Beschreibungen von F.E. Schulze, von Drasch selbst und von Waller und Björkman -— dass man für die Behauptung, sie seien Uebergangsformen zu Flimmerzellen, doch noch ganz besondere Beweisgründe verlangen kann. Kiel, d. 10. Oktober 1884. Erklärung der Abbildungen. Fig. 27—37 auf Taf. XIX. (Alle Präparate mit Chrom-Essig-Osmiumsäure (stark) fixirt, mit Sa- franin oder Gentiana gefärbt). Fig. 27—32. Aus Schnitten durch das Flimmerepithel des Kanincheneileiters, Ampullentheil. Beispiele von Mitosen. Mit Zeiss 1/s Oc. III, Fig. 31 mit 0e-T. Fig. 32. Schnitt durch einen ziemlich reifen Graaf’schen Follikel des Kanin- chenovariums, erwachsenes Thier. Im Innern Durchschnitt der Ei- zelle. Die Mitosen im Epithel als dunkle Pünktchen eingetragen, mit !/ıs Oelimmersion controlirt. Die hellgelassenen Körper im Epi- thel: Vacuolen, vergl. Text, S. 378ff. Zeiss B. Fig. 33. Schnitt durch einen jüngeren Follikel ebendaher, mittelstark ver- grössert. Im Epithel zahlreiche Mitosen (eine auch rechts in der Theea); 3 grössere schon von Liquor gefüllte Hohlräume, der Liquor 398 Ph. Bertkau: geronnen und zackig geschrumpft (etwas dunkler gehalten); links im Epithel drei Vacuolen, mit fein reticulirter Gerinnung. Fig. 34. Schnitt durch jungen Follikel ebendaher, mit noch einschichtigem, aber schon kurz prismatischem Epithel. Die Zona des Eies schon als dünne Schale angelegt (entsprechend der Tinction dunkel gehal- ten). Im Epithel drei Mitosen. Oben bei k ein Schäfer’scher Kern (wahrscheinlich ist hier kürzlich eine Zelltheilung abgelaufen, und k ist der eine Tochterkern). th Thekakerne. Zeiss D Oe.3. Fig. 35a. Schnitt durch Wandepithel (Ep.) eines alten Follikels, Kaninchen, welches eine retieulirte Vacuole umschliesst; die Zellen sind zu der Vacuole, wie häufig, radiär gestellt. L. F.: Liquor follieuli, körnig und zwar ungleichmässig geronnen, so dass einzelne Streifen darin dunkler tingirt sind. Fig. 35b. Follikelepithel ebendaher, zwischen dessen Zellen schmale spaltför- mige Ansammlungen von (geronnenem) Liquor folliculi (dieser ist zur Verdeutlichung hier stark dunkel gehalten, verhielt sich übrigens wie in a derselben Figur. Fig. 36. Vacuolen mit nächstanliegenden Follikelepithelzellen, aus dem Folli- kelepithel des Kaninchens, aus reifen und mittelreifen Follikeln. Bei verschiedenen Ocularen theils mit Zeiss D, theils mit 1/;g gez.; b.: mit D, Oe. III, b! dieselbe Vacuole mit 1/jg Oc. I; e mit D, Oc. III; f dieselbe mit Y/g Oc. L; h mit 1/ıjg Oc. IL. Zur weiteren Erläuterung wird auf 8. 378ff. oben verwiesen. Fig. 37. Schema zur Verdeutlichung der Gestaltung der Zellenformen bei Theilungen von Zellen im Flimmerepithel. Vergl. dazu S. 391 u. 394 oben. Ueber den Verdauungsapparat der Spinnen. Von Dr. Ph. Bertkau ın Bonn. (Hierzu Taf. XX u. XXI.) In diesem Archiv (Bd. XXIII S. 214ff.) habe ich die Resul- tate meiner Untersuchungen über den Bau und die Funktion der Leber bei den Spinnen niedergelegt und unter anderem zu zeigen mich bemüht, dass die sog. Leber morphologisch und physiologisch Ueber den Verdauungsapparat der Spinnen. 399 einen Theil des Darmes darstellt, und zwar so, dass sie die Rolle des verdauenden und des resorbirenden Abschnittes in sich verei- nigt; dieses Sachverhältniss suchte ich durch die Bezeichnung „Chylusmagen“ statt der bisher gebräuchlichen „Leber“ zu einem kurzen Ausdruck zu bringen. Zweck der gegenwärtigen Zeilen ist es, den gesammten Verdauungsapparat der Spinnen nebst einigen nur unvollkommen bekannten Nebenorganen zu schildern. Der Beschreibung lege ich überall den Befund bei Atypus piceus, dem Vertreter der Vogelspinnen in Deutschland, zu Grunde. Ich löse damit theilweise ein früher (S.222) gegebenes Versprechen ein, habe aber ausserdem für die Wahl gerade dieser Art meine besonderen Gründe. Seit Wasmann sind Vogelspinnen mit Rück- sicht auf ihren Verdauungsapparat nicht mehr untersucht worden; die neueste Arbeit über diesen Gegenstand, Plateau’s „Recher- ches etc.“ beschäftigen sich nur mit „Araneides dipneumones“ oder sagen wir lieber Tristieta. Es enthielt aber Wasmann’s Beschreibung so manche Angaben, die Plateau an dem anderen Material nicht bestätigen konnte, dass eine Nachprüfung dringend erwünscht schien. — Die mir wichtig erscheinenden Abweichungen von Atypus, soweit ich solche bei Untersuchung eines ziemlich reichen Materials an einheimischen Arten gefunden, werde ich gehörigen Orts hervorheben. Die Mundöffnung ist eine nach unten gebogene Querspalte zwischen Unter- und Öberlippe und ist ziemlich verdeckt durch die Unterkiefer, z. Th. auch durch die Oberkiefer. Bei Atypus ist die Unterlippe die direkte, nicht durch eine Querfurche abgesetzte Verlängerung der Brustplatte; dasselbe ist bei einigen Gattungen der Tristieta, z. B. Dinopis, Pholeus, in gewissem Sinne auch bei Filistata, der Fall, ohne dass hierauf ein besonderes Gewicht für die verwandtschaftlichen Beziehungen zu legen wäre. Die Ober- lippe wurde früher vielfach als Zunge bezeichnet, bis Grube (Müller’s Archiv 1842, 8. 297) aus ihrer Lage oberhalb der Munaöffnung das Unzutreffende dieser Benennung nachwies. Die Oberlippe liegt in der Mittellinie unterhalb der sog. Oberkiefer und unter allen Umständen von denselben durch eine beträchtliche Entfernung getrennt. Schon hieraus ergeben sich triftige Gründe gegen eine Homologisirung der Spinnen-Oberkiefer mit denen der 400 Ph. Bertkau: Krebse oder Insekten, und das Gewicht dieser Gründe wird noch verstärkt durch solche Fälle, wo die Entfernung zwischen Insertion der Oberkiefer und der Mundöffnung grösser ist, als etwa zwischen letzterer und dem hintersten Beinpaar; solche Fälle sind in jüng- ster Zeit durch Cambridge und Simon bei einigen ausländischen Arten bekannt gemacht worden (vgl. Simon, Annali d. Museo Civico di Genova XX, S. 182ff.) Diese im Ruhezustande durch die aufeinander gepressten Lippenränder geschlossene Mundöffnung führt in eine sehr geräumige, schräg nach hinten und oben aufsteigende Mundhöhle (s. Fig. 1). Die Wandung derselben ist gebildet von zwei länglich-viereckigen, vorn verschmälert abgerundeten, hinten gerade abgestutzten, stark verhornten Platten, die an ihren Rändern mit einander und mit dem äusseren Theile der Lippen durch eine zarte Haut verbunden sind; ich will sie mit Wasmann obere (vordere) und untere (hin- tere) Gaumenplatte nennen. Beide sind der Quere nach gekrümmt, in gleichem Sinne, so dass bei der unteren die Konkavität, bei der oberen die Konvexität nach dem Hohlraum gewendet ist. Die obere Gaumenplatte ist der Länge nach von einer stark verhornten Doppelleiste durchzogen, die eine Furche zwischen sich aufnimmt. Ungefähr in der Mitte der Länge gabelt sich jeder Zweig der Doppelleiste; die inneren Gabeläste treten nahe zusammen und die Furche zwischen ihnen wird nach jeder Richtung hin geräumiger, auf diese Weise ein im Querschnitt fast kreisrundes Rohr bildend, das an seiner Unterseite durch einen Längsspalt mit der allge- meinen Mundhöhle kommunizirt. Die untere Gaumenplatte besitzt eine schwächere Längsleiste, die sich hinten, etwas jenseits der Mitte, in zwei bogenförmig auseinander weichende Aeste spaltet. Zwischen diesen beiden Schenkeln ist eine in zahlreiche Falten zusammengelegte zarte Haut sackartig ausgespannt, die hinten auch die Verbindung zwischen unterer und oberer Gaumenplatte herstellt und später in den unteren Theil des Schlundes sich fortsetzt. Die Skulptur der unteren Gaumenplatte besteht in einer Querstreifung, während die obere Gaumenplatte in dem mittleren Theile eine regelmässige sechseckige Felderung, hervorgerufen durch hervor- tretende Leisten, erkennen lässt; beide sind ausserdem mit nach vorn gerichteten Zähnchen oder Borsten dicht besetzt, die sich von den äusseren und auch von den später noch zu erwähnenden Kutikularan- hängen dadurch unterscheiden, dass sie nicht auf einem Porus ein- Ueber den Verdauungsapparat der Spinnen. 401 gelenkt, sondern einfache Erhebungen der Kutikula sind. Nach dem Aussenrande der Platte hin strecken sich die erwähnten Seehs- ecke mehr und mehr in die Quere, und endlich verbinden sich die (uerleisten nicht mehr mit einander, sondern theilen sich, schwä- cher und schwächer werdend, nur noch dichotomisch. In der seitlichen Verbindungshaut zwischen der unteren und oberen Gau- menplatte sind ebenfalls, theils rundliche, theils längliche, ring- förmig geschlossene Leisten angebracht, namentlich in der hinteren Hälfte der Mundhöhle, die also einen vertieften Hof umschliessen. Die länglichen sind gewöhnlich durch eine Querleiste getrennt, und können daher auch als zwei verschmolzene Höfe angesehen werden. Vielfach bemerkt man im Innern eines solchen Hofes einen feinen Porus, aus dem sich ein kurzes, blasses, stumpf endendes Häär- chen erhebt. Obwohl diese Haare grosse Aehnlichkeit mit den später zu beschreibenden und als Geschmacksorgane gedeuteten der Unterkiefer haben, nur dass die hier beschriebenen weit kürzer und zarter sind, und der Porus, in dem sie stehen, von einer deut- lichen Leiste umschlossen ist, — so gelang es mir doch nicht, durch den Nachweis von Nerven einer etwaigen Deutung dieser Höfe mit ihren Zapfen als Geschmacksorgane einen objektiven Halt zu verleihen. Ungefähr da, wo die rückwärts gerichtete Verlängerung des Unterrandes der gerade vorgestreckten Oberkiefer die Mundhöhle treffen würde, geht dieselbe in den Schlund über, wobei die obere Gaumenplatte wie quer abgeschnitten endet und nur die mittlere Furche in ihrer Fortsetzung den oberen Theil des Schlundrohres bildet. Das letztere hat in seinem Querschnitt annähernd die Gestalt einer langgezogenen Ellipse, die grosse Achse senkrecht. Die obere Hälfte des Schlundes besitzt eine ziemlich stark ver- hornte, hier und da mit Querwülsten und Falten versehene Wand und ist, wie vorhin bemerkt, die direkte Fortsetzung der Rinne der oberen Gaumenplatte. Der untere Theil wird dagegen von einer sehr zarten, vielfach in Falten zusammengelegten Membran gebildet, welche kontinuirlich in die zwischen den beiden Schen- keln der Mittelleiste der unteren Gaumenplatte ausgespannte Haut übergeht; letztere ist an der Uebergangsstelle der Mundhöhle in den Schlund naeh unten stark sackartig erweitert, ähnlich wie der Kehlsack des Pelekan. Dicht hinter der Mundhöhle besitzt die Wand des Schlundes Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 24. 26 402 Ph. Bertkau: an seinem höchsten Punkte zwei dicht neben einander entspringende, senkrecht nach oben gerichtete flügelförmige Fortsätze. Wasmann (Beiträge zur Anatomie der Spinnen in Abh. naturw. Verein Hamburg I, S. 130ff.) giebt S. 142 diese Zipfel bei den grossen Teraphosiden als hohl an; bei Atypus schienen sie mir solide zu sein. An den frei hervortretenden Theil dieser Fortsätze heftet sich ein kräftiges, plattes, dreieckiges Faserbündel an, während sich an den unteren Rand derselben, da, wo sie in die Wand des Schlundes übergehen, ebenfalls jederseits ein schwächeres Faserbündel ansetzt. Die oberen Faserbündel inseriren mit ihrem anderen Ende an der Rückenhaut des Cephalothorax, entsprechend der medianen Lage des Schlundes jederseits dicht neben der Mittel- linie, die vordersten Fasern steigen schräg nach vorn in die Höhe und enden hinter dem Augenfelde; die hintersten verlaufen fast wagerecht und heften sich an die vordere Wand jener bei Atypus wie bei den meisten Teraphosiden quergerichteten Einstülpung der Rückenhaut, die die beschreibende Terminologie „Rückengrube“ nennt und die bei den meisten Tristicta durch die „Mittelritze* vertreten ist. Die unteren Faserbündel sind weit schwächer und heften sich mit ihrem anderen Ende an die Unterlippe, beziehungs- weise den vorderen Theil der Brustplatte an. Die histiologische Beschaffenheit dieser Fasern macht es mir wahrscheinlich, dass sie nicht zur Form- oder Volumveränderung des Schlundes, sondern nur als Befestigungsapparat desselben dienen. Gleich hinter seinem Beginne steigt der Schlund unter einem spitzen Winkel gegen die Mundhöhle nach unten, durchbohrt das Centralnervensystem und wendet sich dann wieder schräg nach oben, so dass er fast einen Halbkreis beschreibt; auf diesem ganzen Verlaufe behält er sein enges Lumen und die verschiedene Be- schaffenheit der unteren und oberen Hälfte seiner Wand bei: Dicht vor der Rückengrube nun erweitert er sich zur Bildung eines sehr wiehtigen Abschnittes, den ich mit Wasmann Saugmagen nenne, indem ich dabei das Hauptgewicht auf den ersten Bestandtheil des Wortes lege; als Magen, als Aufbewahrungsort grösserer ‘Mengen aufgenommener Nahrung dient derselbe durchaus nicht; auch will ich hervorheben, dass er mit dem „Saugmagen“ saugen- der Insekten morphologisch und physiologisch nichts gemein hat. Die Gestalt dieses Saugmagens lässt sich vielleicht am besten einem lang viereekigen Kasten mit dicht bei einander stehenden Ueber den Verdauungsapparat der Spinnen. 403 hohen Seitenwänden vergleichen; die Bodenleisten desselben sind in ihrer Längsrichtung gebogen, etwa wie die Sehaukelleiste eines Schaukelstuhles, die des Deckels eben. Die Seitenwände, sowie Boden und Deckel sind nach innen gebogen und die vier Längskanten flügelartig ausgezogen und zwar die oberen stärker als die unteren; die Figuren 2 (Ansicht von oben) und 3 (Seiten- ansicht) werden in Verbindung mit den Querschnitten in Fig. 4—7 genügen, um eine Vorstellung von demselben zu geben. Der Quer- schnitt ist einigermassen JC-förmig, und da die Seitenwände im Ruhezustande einander fast berühren, so ist sein Lumen in diesem Falle ein sehr geringes. -— Der Saugmagen fügt sich unter einem scharfen Winkel mittels einer zarten Haut an den bisherigen Schlund an und liegt horizontal. Er ruht in der muldenförmigen Vertiefung, die das Ento- skelet an seiner Oberseite bildet. Da von dem Entoskelet von Wasmann (a. a. O. S. 134, Taf. XII Fig, 2, 3 und 4) und jüngst von Ray-Lankester (On the skeletotrophie Tissues and Coxal- Glands of Limulus, Scorpio and Mygale in Quart. Journal of Micro- scop. Seience (N.S.) Nr. XCIII S. 129ff. Pl. VI-XT) eine ausrei- chende Beschreibung und Abbildung gegeben ist, so will ich hier auf eine Schilderung desselben nur soweit eingehen, als zum Ver- ständniss der nachfolgenden Beschreibung nothwendig ist, zumal dieser Körpertheil dem eigentlichen Gegenstand gegenwärtiger Zeilen ferner steht. Das Entoskelet ist eine im Allgemeinen horizontale Platte im Cephalothorax, welche hinten schmal beginnend, sich nach vorn verbreitert und an ihrem vorderen Ende stark bogig ausgeschnitten ist. Die obere und die untere Fläche ist muldenförmig vertieft, die obere stärker als die untere und vorn stärker als hinten; ausserdem ist der Querdurchmesser der oberen Mulde grösser als der unteren. Die Seitenwände sind ebenfalls konkav, und in der Mitte der Höhlung erhebt sich eine Längsleiste, welche dieselbe in eine obere und untere Hälfte theilt. Den oberen Rand der oberen Mulde nenne ich den oberen Seitenflügel, die mittlere Leiste den mittleren und den Rand der unteren Mulde den unteren Sei- tenflügel. Die Seitenflügel sind von Zeit zu Zeit in Fortsätze aus- gezogen, an welche sich Faserbündel anheften. Die der oberen Seitenflügel sind platt und besitzen eine dreieckige Gestalt; mit ihrem distalen Ende heften sie sich schräg von hinten und innen 404 Ph. Bertkau: nach vorn und aussen an die Rückenwand des Cephalothorax an; die übrigen sind mehr eylindrisch; die der mittleren Seitenflügel sind an dem Seitenrand des Cephalothoraxrückens über den Hüften der Beinpaare, die der unteren Seitenflügel an der Brustplatte be- festigt, nahe an deren Rande, wo ihre Anheftungsstellen schon äusser- lich als vier Eindrücke bemerkbar sind. Auf diese Weise ist das Entoskelet oben und unten und in den Seiten durch (starre) Träger an das äussere Skelet befestigt und lässt, wenn überhaupt, nur ge- ringe Verschiebungen zu. Andererseits dient es aber auch selbst wieder zur Ansatzstelle von Muskeln, so für die kräftigen Muskeln der Oberkiefer und der Beine; für uns sind die am Saugmagen sich anheftenden die wichtigsten. In histiologischer Hinsicht be- steht es aus einer homogenen, gewöhnlich blassgelb gefärbten Zwischensubstanz, welche nach den verschiedenen Richtungen von einem System (mit einander kommunizirender?) Kanäle durchzogen ist. Die Kanäle erweiteren sich von Zeit zu Zeit ampullenartig und hier liegen dann Kerne gewöhnlich zahlreich und dicht zu- sammengedrängt. In ganz jungen Exemplaren besteht es aus getrennten Fasern, die zwischen sich Reste des Zellplasma und Kerne erkennen lassen. Wahrscheinlich entwickelt sich die spä- tere Form aus dieser embryonalen dadurch, dass die Fasern strecken- weise-mit einander verschmelzen; die Stellen, wo diese Verschmel- zung nicht eingetreten ist, würden dann die späteren Kanäle abgeben. — Ueber die ehemische Natur dieses Gewebes habe ich keine Studien gemacht. Ray-Lankester erklärt es nach den nicht sehr bestimmten Angaben von Schäfer, durch den er eine chemische Untersuchung des Entoskelets von Limulus vornehmen liess, für Chitin und schliesst daraus, dass „dieser Körper als ein Hauptbestandtheil der Gewebe des Mesoblast produzirt werden kann, ebenso charakteristisch wie vom Epiblast.“ Ich möchte aber hier darauf aufmerksam machen, dass eine erneute Unter- suchung nöthig ist, zumal da nach Schäfer die Gründe für Chi- tin eigentlich negativer Natur sind, d. h. andere bekannte or- ganische Stoffe ausgeschlossen sind (a. a. 0. 8. 133, 134 und 137). (Ich will hier einschalten, dass auch im Hinterleibe der Spinne dasselbe Gewebe vorkommt und ebenfalls eine Art von innerem Skelet bildet, das sogar rücksichtlich seiner Gestalt grosse Aehnlichkeit mit dem Entosternit hat. So fand ich z. B. bei Do- lomedes limbatus zu Anfang des Hinterleibes über der Geschlechts- Ueber den Verdauungsapparat der Spinnen. 405 öffnung und von dieser sich etwas nach vorn und hinten er- streckend eine flache Platte, die mittels zweier Füsse rechts und links hinter und auswärts der Geschlechtsöffnung auf der Bauch- haut ruht. Die Seiten steigen steil in die Höhe und bilden hier eine noch tiefere Mulde als das Entoskelet des Cephalothorax. Von der Aussenwand der Seitentheile gehen noch zwei Aeste aus, an die sich zu den Seiten des Hinterleibes verlaufende Muskel- bündel anheften, während die Seitentheile selbst oben ebenfalls Fasern aussenden, die sich an die Rückenwand ansetzen; an die Innenseite der Mulde inseriren sich jederseits zwei kräftige Bündel von Längsmuskeln, die nach vorne verlaufen; ohne Zweifel dienen dieselben zur Bewegung des Hinterleibes gegen den Cephalothorax). Wie oben erwähnt liegt der Saugmagen in der Mitte der oberen muldenförmigen Vertiefung des Entoskelets. An seine Seitenwände inseriren sich Bündel von Muskeln, welche den ganzen Raum zwischen ihm und dem Entoskelet ausfüllen und sich mit ihrem anderen Ende an die innere Wandung der Mulde anheften. Bei Atypus sind diese Muskeln verhältnissmässig dünne Bündel von wenigen Fibrillen. Ausser diesen im Grossen und Ganzen senk- recht auf den Seitenwänden des Saugmagens und auch des Ento- skelets stehenden Muskeln laufen um denselben in gewissen Ab- ständen (etwa 12) Ringmuskeln. Diese letzteren sind an den vier Längskanten des Saugmagens befestigt und stehen in ihrem ferneren Verlauf von den Wänden desselben bogig ab, und zwar ist die Krüm- mung des Bogens entgegengesetzt der der Wände des Saugmagens. Endlich heftet sich an die obere Wand des Saugmagens ein kräf- tiges Faserbündel an, das in seinem vorderen Theile an dem schnei- denden Rande der durch die Rückengrube quer eingestülpten Körperhaut, an seinem hinteren Theile dagegen an der hinteren Wand der Rückengrube endet. Auch an den Anfang des Scehlundes, ziemlich bald hinter den oben erwähnten flügelförmigen Fortsätzen, inserirt sich unten beiderseits ein kräftiges Faserbündel, das an- fangs steil nach oben steigt, hernach aber seitlich ausbiegt und mit dem vorderen Paar von Fortsätzen der oberen Seitenflügel des Entoskelets vereinigt sich an die Rückenhaut des Cephalo- thorax anheftet. Wahrscheinlich sind die Fasern dieser beiden zuletzt erwähnten Bündel gleich den früher schon erwähnten nur in geringem Grade kontraktil und dienen wesentlich nur zur Fixi- rung des Schlundes und des Saugmagens in medianer Lage. 406 Ph. Bertkau: Der ganze bisher beschriebene Theil des Darmkanals ist der Munddarm, durch Einstülpung der Körperhaut entstanden und wie diese bei jeder Häutung der Spinne mitgehäutet. Die von den Exuvien hergenommenen Präparate geben die besten und reinsten Bilder des Munddarmes, da hier alle störenden Nebenorgane fehlen; zu verwundern ist nur, wie der vielmal weitere Saug- magen durch den engen Schlund gezogen werden kann. Ent- sprechend seiner Entstehung ist auch die histiologische Zusammen- setzung seiner Wandung dieselbe wie die der äusseren Körperhaut: sie besteht aus zelligen Elementen, die als Matrix der nach innen abgeschiedenen Chitinhaut fungiren. Die letztere besitzt gleich der äusseren Körperhaut Poren, aber weit spärlicher; am häufigsten sind dieselben noch in dem oberen derben Theile des Schlundes und an gewissen Stellen der Mundhöhle. Zähne, Haare, Borsten, Leisten u. s. w., wie sie in dem Munddarm anderer Arthro- poden so allgemein verbreitet sind, fehlen bei den Spinnen gänz- lich mit Ausnahme der oben erwähnten Sculptur der Gaumenplatten. Die Matrix, die übrigens am Schlunde sehr flach und recht un- deutlich entwickelt ist, unterscheidet sich von der Hypodermis da- durch, dass sie meist ein deutliches Epithel hoher, schmaler Zellen bildet, während die Hypodermis, wie schon Leydig hervorhob, an den meisten (aber nicht allen!) Stellen nur eine zusammen- hängende Plasmaschicht mit eingestreuten Kernen, aber ohne deut- liche Zellengrenzen erkennen lässt. Am besten lässt sich das Epithel am Saugmagen wahrnehmen, und hier ist auch das ge- nauere Verhalten des Zusammenhanges zwischen den Muskelfasern und der Chitinhaut deutlich zu erkennen (Fig. 7). Gegen das obere Ende der Seitenwände hin und an dem Aussenende der oberen Wand fehlen die Muskeln; hier ist das zellige Epithel recht deut- lich. Die hohen Epithelzellen der Seitenwände werden aber tiefer nach unten flacher, und an der Stelle, wo sich die Muskelfasern anheften, sind von denselben nur die Kerne unverändert übrig geblieben, während das Zellplasma faserig geworden ist und in die Muskelfasern übergeht; doch macht sich meistens noch die Grenze zwischen dem Faserantheil der Epithelzelle und der Muskel- zelle bemerkbar; dasselbe ist an der oberen Wand nach der Mitte hin wahrzunehmen. — Auch Pigment findet sich in den Zellen der Matrix abgelagert, namentlich an den Gaumenplatten und am Saugmagen. Es sind kleine rundliche Körnchen von violetrother Ueber den Verdauungsapparat der Spinnen. 407 Farbe, die unter Umständen die Zellen dicht erfüllen, durch Aetz- kali oder Salpetersäure zerstört werden und dann das Pigment diffus zurücklassen. Bei den übrigen Spinnen sind im Allgemeinen die Verhält- nisse dieselben wie bei Atypus. Bei .den Tristicta, auch schon bei Segestria und Harpactes, sind die Mandibeln nicht vorgestreckt, sondern senkrecht nach unten gerichtet und verdecken in Verbin- dung mit den mehr oder weniger zusammenneigenden Unter- kiefern die Mundöffnung vollkommener als bei Atypus; Dysdera nimmt hinsichtlich seiner Mandibeln eine mittlere Stellung zwischen den Teraphosiden und Segestria, Harpactes etc. nebst den Tristieta ein. Die Oberlippe ist bei letzteren ferner schwächer entwickelt; eben- so die flügelartigen Fortsätze oben am Beginn des Schlundes oder es fehlen diese gänzlich. Das Entoskelet ist ebenfalls im einzelnen einigen Aenderungen unterworfen und im Allgemeinen schwächer ausgebildet. Ein fast allgemein durchgehender Unterschied ist der, dass bei den Tristieta, — und in dieser Hinsicht stimmen Dysdera und Segestria mit ihnen überein — die Rückengrube in der bei den Teraphosiden vorkommenden Form fehlt; mir ist als einziger Fall des Gegentheils das Männchen von La- saeola procax bekannt; vgl. Verhandl. des naturhist. Vereins d. preuss. Rheinlande und Westfalens XXXX (1883) S. 242, Taf. III, Fig. 4 Gewöhnlich ist dieselbe durch eine wie eine scharfe Schneide im hinteren Theile des Cephalothorax in das Innere hineinragende mediane Längseinstülpung vertreten, wobei sich aber die Wände der eingestülpten Körperhaut eng aneinander ge- legt haben; der einzige Rest des durch die Einstülpung entstehen- den Raumes ist hier die „Mittelritze.“ Bei anderen Arten fehlt aber diese mediane Doppelplatte und damit auch die Mittelritze ganz. Es haben diese Verhältnisse einigen Einfluss auf die Faserbündel, welche sich an die flügelförmigen Fortsätze an dem Schlunde und an die obere Wand des Saugmagens anheften; es sind hier drei verschiedene Fälle möglich. Als Vertreter einer Art mit querer Rückengrube ist Atypus geschildert. Bei den Arten mit „Mittel- ritze“ (und die Teraphosiden mit Längsgrube werden sich wohl ähnlich verhalten) setzt sich das platte dreieckige Faserbündel des Schlundes jederseits vorn an die Seiten der medianen Platte an, während von den Seitenwänden derselben jederseits ein Faser- bündel zur Rückenwand des Saugmagens geht; ausserdem greift 408 Ph. Bertkau: noch das Entoskelet mit einem inneren Arm jederseits zu dieser Platte hinüber (Fig. 6 Coelotes atropos). Während hier also das Ver- halten des vorderen Faserbündelpaares mit dem von Atypus einiger- massen übereinstimmt, ist dies bei den Arten ohne Mittelritze und Rückengrube mit dem des Saugmagens der Fall, insofern sich die Fasern hier in voller Breite an die Rückenhaut anheften (vgl. Fig 5 von Marptusa muscosa); die beiden Längsfaserbündel des Schlun- des werden ebenfalls von der unveränderten Rückenhaut gehalten. Hinter dem Saugmagen beginnt der bei den Arachniden durch seine Neigung zur Bildung von Blindschläuchen ausgezeich- nete Mitteldarm. Bei den Spinnen treten diese Blindschläuche in zwei verschiedenen Formen auf: im Gephalothorax sind es der Zahl und Lage nach fixirte Organe, die abgesehen von ihrem ge- meinsamen Ursprung (und einer etwaigen Anastomose) nicht weiter mit einander zusammenhängen, sondern durch die übrigen Organe, namentlich Theile des Entoskelet und Muskeln von einander ge- trennt sind; im Hinterleib bildet jeder wieder weitere Ausstül- pungen zweiter, dritter und noch höherer Ordnung, und alle diese werden durch ein nur hier vorkommendes Zwischengewebe zu einer kompakten Masse vereinigt, die ausserdem gegen die übrigen Organe noch durch eine besondere Haut abgegrenzt ist. Ein wei- terer Unterschied ist die Bildung und Ausscheidung von Pigmenten in einem Theil der Epithelzellen des Hinterleibes, welche Pig- mente allein die bisherige Bezeichnung „Leber“ rechtfertigen könnten; im Cephalothorax geht eine solehe Abscheidung von Pig- menten im Darm nieht vor sich. Bei Atypus nun sind im Cephalothorax drei soleher Blind- schlauchpaare vorhanden. Hinter dem Saugmagen zieht sich der Darm zunächst stark zusammen und sein Querschnitt, vorher IC-förmig, wird langgestreckt elliptisch oder fast einfach spalt- förmig. Dann erweitert er sich auf einmal, indem die Wände sich nach allen Seiten, auch zurück nach vorn, namentlich aber nach oben umschlagen, und bildet so einen geräumigen Vorhof, der sich zu dem folgenden Darmabschnitt etwa verhält, wie der Saugmagen zum Schlunde. Von diesem Vorhof gehen nun jederseits die drei Blindschläuche aus. Der stärkste wendet sich nach vorn und endet, oberhalb der Quermuskeln des Saugmagens und innerhalb der Mulde des Entoskelets verlaufend, etwa an der Stelle, wo der Oesophagus in den Saugmagen übergeht. Sein Ende ist etwas Ueber den Verdauungsapparat der Spinnen. 409 angeschwollen und zeigt bisweilen eine oder zwei Binkerbungen, als sollten dadurch Verzweigungen angedeutet werden. — Ein anderer nicht ganz so weiter aber längerer geht schräg nach hinten und reicht bis in das Hüftglied des letzten Beinpaares, ebenfalls ein wenig angesehwollen endend. Ein dritter, ganz kurzer und enger endlich läuft unterhalb des ersten und des Hauptdarmes nach vorn und endet zwischen dem Saugmagen und Entoskelet. Bei allen andern Arten, die ich untersucht habe, ist die Zahl der Blindschläuche grösser; das dritte kurze, untere Paar habe ich bei keiner Art vermisst. Die nach vorn gehenden Aeste (1. Paar) vereinigen sich vor dem Entoskelet, wobei in den meisten Fällen eine vollkommene Anastomose eintritt; sie bilden somit einen Ring, den ich z. B. bei Drassus lapidicola; Tegenaria domestica und pieta; Agalena labyrinthiea; Dolomedes fimbriatus und plan- tarius beobachtete; nach Plateau findet bei Argyroneta, Amau- robius, Clubiona, Epeira eine Anastomose nicht Statt; die Aeste enden entweder getrennt von einander wie bei Atypus, oder sie legen sich mit ibren Wänden aneinander, lassen aber keine Durch- breehung derselben eintreten. Der Ring nun oder die getrennt bleibenden Aeste entsenden seitlich (ausser jenem auch bei Atypus erwähnten Blindsack des vierten Beinpaares) je 3 Schläuche, welche nach den Hüftgliedern des 3., 2. und 1. Beinpaares streben, in dieselben mehr oder weniger weit eintreten und gewöhnlich mit einer keuligen Anschwellung enden. Vor ihrem Ende haben sie dann aber gewöhnlich auf der Unterseite noch einen mit dünnem Stiel beginnenden Fortsatz ausgeschickt, der wieder nach der Mittellinie strebt, aber auf der Unterseite des Entoskelet und noch unter dem Centralnervensystem, also zwischen diesem und der Brustplatte. Seltener verdünnt sich der in die Hüfte eintre- tende Schlauch, wendet sich nach unten und mündet dann in einen geräumigeren Sack, der sowohl nach aussen weiter in die Hüfte eindringt als auch sich rückwärts unter die Brust verlängert. Uebrigens hängt die Ausbildung und Gestalt gerade dieser Seiten- blindsäcke sehr von dem jeweiligen Ernährungszustande des Thieres ab. Auch kommen insofern häufiger Anomalien in der symmetrischen Ausbildung dieser als wie anderer Organe vor, als die rechte Seite gar nicht selten einen Blindsack mehr oder we- niger hat als die linke. — Das vordere Ende des Ringes hat ge- wöhnlich auch jederseits eine kürzere oder längere Ausstülpung 410 Ph. Bertkau: neben sich, die man als ein 5. Paar seiner Blindschläuche ansehen könnte, etwa den Tastern entsprechend. Sie reichen aber nie in dieselben hinein und nehmen überhaupt nicht die Riehtung nach ihnen hin, sondern sind gewöhnlich einander parallel gerade aus- gestreekt; in ihrer Länge überragen sie das eine Mal das zwischen ihnen liegende Ende des Ringes und bleiben das andere Mal hinter ihm zurück. Ein ganz vereinzeltes Vorkommen habe ich bei einer Ta- rentula-Art gefunden; da ich aber nur ein Exemplar dieser Gat- tung untersucht habe, so kann ich nicht sagen, ob hier nicht viel- leicht eine individuelle Abnormität vorliegt. Bei einem 2 von T. inquilina nämlich verlängerte sich jene Erweiterung des Darmes, die als der gemeinschaftliehe Ausgangspunkt der Blindschläuche anzusehen ist, auch nach hinten und bildete einen über dem eigent- lichen Darm, zwischen diesem und der vorderen Aorta verlaufen- den Blindsack ; andere Arten von Tarentula habe ich nicht untersucht. Ausser jener vorderen Anastomose der beiden Seitenfortsätze, durch welehe bei zahlreichen Arten eben die „Ringform* zu Stande kommt, findet eine Anastomose der übrigen Blindschläuche unter einander, oder eine Einmündung derselben in einen gemeinsamen mittleren, auf der Brustplatte liegenden Sack bei keiner der zahlreichen von mir untersuchten Arten Statt und ich kann in dieser Hinsicht Plateau’s Angabe (a. a. 0.8.30) vollauf bestä- tigen. — Wasmann beobachtete dagegen bei grossen Teraphosiden, wie die Blindschläuche, nachdem sie sich in den Hüftgliedern der Beine nach unten umgebogen haben „unter der Gehirnmasse sich verzweigen und, selbst die gegenseitigen, unter einander anasto- mosiren. Aus dem so gebildeten Netze gehen zwei längere blind- sackartige Fortsätze nach hinten bis zum Bauchstiele.“ Bezüglich des über und zum Theil zwischen diesen Anastomosen liegenden Sackes äussert sich Wasmann im Texte ausdrücklich dahin, dass er mit den Darmblindsehläuehen nicht kommunizire und sich über- all geschlossen zeige (a. a. 0. 8.143 £.) und nur in der Erklärung der Fig. 4 bezeichnet er ihn fraglich als zum Verdauungssystem gehörig, ohne aber hier über die ihm zukommende Rolle auch nur eine Vermuthung zu äussern. — Nach Plateau (a. a. O. S. 23 Anm.) lässt Blanchard die seitlichen 4 Blindschlauchpaare in eine ge- meinsame untere Tasche einmünden. Ich weiss nicht, ob dies eine blosse Interpretation von Blanchard’s Fig. 2 auf Pl. 14 ist, oder Ueber den Verdauungsapparat der Spinnen. 411 ob von Blanchard auch Angaben in Worten über diese Frage vorliegen. In dem hiesigen Exemplar von Blanchard’s grossem Bilderwerke (L’organisation du regne animal. Arachnides) ist der Text bei den Spinnen im Systeme museulaire unterbrochen, und alle auf 13 folgenden Tafeln (13 bis 36) haben nur die kurze Figurenerklärung. Eine auf die direkte Untersuchung gegründete bestimmte Angabe über die Einmündung dieser Blindschläuche in einen unteren Sack liegt mir somit nieht vor. Wollte man aber jene unbestimmte Angabe Wasmann’s oder die Fig. Blanchard’s zu Gunsten einer solehen Anschauung verwenden, so möchte ich auf einen Punkt aufmerksam machen, der leicht zu Irrthümern Veranlassung geben kann und Blanchard auch vielleicht irre geführt hat. In dem Cephalothorax der Spinnen ist ein von Plateau (a a.0.5S 28,29) dem Fettkörper der Insekten an die Seite ge- stelltes, von Ray-Lankester lakunäres Bindegewebe genanntes Gewebe entwickelt, das seine reichste Entfaltung auf der Brustplatte, zwischen dieser und dem unteren Theil des Centralnervensystems und dem Entoskelet erlangt Dasselbe besteht aus Fasern, die sich verästeln, mit einander vereinigen u. s. w., und auf diese Weise ein zierliches Gerüst bilden, für welches die Bezeichnung „netzartig“ nur insofern unzutreffend ist, als es nicht in einer Ebene, sondern körperlich entwickelt ist. An einzelnen Stellen der Fasern, ge- wöhnlich am Vereinigungspunkte mehrerer, bemerkt man kleine Kerne. Daneben sind dann aber wieder verhältnissmässig sehr grosse Zellen gewöhnlich von rundlicher oder ellipsoidischer Ge- stalt mit einem oder zwei Kernen. Diese Zellen haben ganz das Aussehen von Drüsenzellen: ihr Plasma ist mit kleineren und grösseren kugeligen Granulationen durchsät, die um den Kern herum gewöhnlich pigmentirt sind: gelblich, olivenfarbig oder grün. Dieses Gewebe ist nach meinen Erfahrungen auf den Cephalo- thorax mit seinen Gliedmassen beschränkt, hier aber überall zwischen den Organen entwickelt, wo nur eben ein Zwischenraum ist. Während sein Grundeharakter überall derselbe bleibt, mo- difizirt sich sein äusserliches Ansehen an verschiedenen Stellen: bisweilen fehlen die grossen Zellen ganz oder sind nur sehr spär- lich vertreten; an anderen Stellen wieder sind sie fast dieht an einander gelagert und verdecken die zwischen ihnen liegenden Fasern. Die letzteren werden hin und wieder stark lichtbrechend, 412 Ph. Bertkau: wie aufgequollen, werden dick und sehen dann bald einem Stück- chen Muskelfaser, bald dem chitinisirten Ausführungsgange einer Drüse mehr oder weniger täuschend ähnlich. In der Unterhälfte der Unterkiefer von Atypus ist das Gewebe sogar vorwiegend so ausgebildet; die dieken Fasern sind wie ein Balkenwerk aufge- schiehtet und umschliessen geräumige Höhlen. Wie diese Fasern, so können auch die grossen Zellen leicht zu Irrthümern Anlass seben, und wir werden später sehen, dass auf sie wahrscheinlich manche Angaben von (nieht existirenden) Drüsen zurückzuführen sind. Ich will übrigens noch hinzufügen, dass es mir manchınal geschienen hat, als ob die Fasern in eine äusserst feine Haut eingebettet wären, die sich zwischen ihnen ausspannt; in diesem Falle würden also die Hohlräume in diesem Gewebe mehr nach Art von umwandeten Röhren ausgebildet sein und die in sie ein- tretenden Blutgefässe, die ich bisweilen beobachtete, nichts weiter beweisen, als dass dieses Gewebe, in den Blutkreislauf einge- schaltet, etwa eine ähnliche Rolle zu spielen hat wie z.B. die Milz. Hier ist indessen nicht der Ort, um diese Frage weiter zu verfolgen, und ich kehre nach dieser, wie ich fürchte schon zu weiten Absehweifung, zu meinem Gegenstande zurück. In den zelligen Elementen dieses Gewebes lagern sich, na- mentlich bei älteren Exemplaren, spiess- oder nadelförmige Kry- stalle ab, die die Zelle gewöhnlich wie ein kugliges Strahlenbüschel erfüllen und sie bei auffallendem Lichte weiss erscheinen lassen. Um den zwischen Brustplatte und Nervensystem, resp. Entoskelet, befindlichen Theil ist sogar bisweilen eine feste Haut abge- schieden. So fand ich es, allerdings nur ein einziges Mal, bei einem alten Atypus-Weibcehen, wo der von der Haut umschlossene Sack sich von der Brustplatte leicht abheben liess, an seiner Ober- seite dagegen mit dem Nervensystem fester verwachsen war. Die Haut war in diesem Falle diek und spröde, fast glashell, auch mit einigen runden und dabei weiten Poren versehen; ich habe sie später nie wieder gefunden, und kann übef ihre Her- kunft und sonstige Beschaffenheit keine weitere Auskunft geben. Der Sack aber bestand in seinem Inneren ganz aus jenem mit Nadeln angefüllten Gewebe, wie sich nach Auflösung der Krystalle mit aller Deutlichkeit ergab. Ohne Zweifel kommt nun bei den grösseren Teraphosiden eine solehe Haut häufiger, vielleicht regelmässig vor, und es ent- Ueber den Verdauungsapparat der Spinnen. 415 steht auf diese Weise der von Wasmann (und Blanchard) er- wähnte Sack. Das beschriebene Gewebe ist nun aber auch um die Blinddärme herum entwickelt und umhüllt dieselben vollstän- dig. Sind nun in ihnen ebenfalls, wie gewöhnlich, die weissen Krystalle abgelagert, so erscheinen auch sie, gleich dem Sacke, weiss, und da sie an ihrem Ende mit der Wand desselben ver- klebt sind, oder vielmehr, da das sie umhiillende Gewebe konti- nuirlich mit dem des Sackes zusammenhängt, so kann man sich wohl vorstellen, dass ein Irrthum, als mündeten sie in den Sack, bei einiger Unaufmerksamkeit möglich ist; ich will aber nochmals hervorheben, dass Wasmann in diesen Irrthum nicht verfallen ist. Hinzugefügt sei noch, dass sich jene Krystalle auch in den Ober- kiefern, der Oberlippe, den Unterkiefern und in den Beinen, bis weit in dieselben hinein, abgelagert finden; in letzteren folgen sie dem Hauptnervenstrang. Was ihre chemische Natur angeht, so deutet schon ihre Löslichkeit in Salzsäure und konzentrirter Essig- säure ohne Aufbrausen, ihre Unlöslichkeit in Wasser, Alkohol und verdünnter Essigsäure auf ein phosphorsaures Salz, und eine von Kolleeen Klinger freundlichst vorgenommene Untersuchung eines Stückes des erwähnten Sackes mittels Ammoniummolybdat und Salpetersäure sowie mit Ammoniak und Magnesiatinktur machte die Anwesenheit von Phosphorsäure dureh die Bildung der „sargdeckelähnlichen“ Krystalle von phosphorsaurer Ammoniak- Magnesia unzweifelhaft; die Base wurde von demselben durch spektralanalytische Untersuchung der eingedampften salzsauren Lösung als Kalk bestimmt, sodass also hier phosphorsaurer Kalk vorliegt. Ueber die histiologische Beschaffenheit des im Cephalothorax liegenden Theiles des Mitteldarmes ist folgendes zu sagen: Auf der tunica propria sitzt ein hohes Epithel von kegelförmigen Zellen; aussen von der t. propria verlaufen Längs- und Querfasern, welche letztere unter Umständen dem Darm ein eingeschnürtes Aussehen verleihen können. Beiderlei Fasern behalten in ihrem Verlauf nicht immer ganz regelmässig die angegebene Richtung bei und treten auch durch Aeste miteinander in Verbindung; zwischen ihnen finden sich auch häufig Zellen jenes „Fettkörpers“. — Pla- teau behauptet die gänzliche Abwesenheit von Muskeln am Mitteldarm des Cephalothorax (a. a. ©. S. 32). Ich will nun nicht behaupten, dass die erwähnten Fasern Muskelfasern sind, glaube 414 Ph. Bertkau: vielmehr, dass sie dem Bindegewebe angehören; immerhin ist es aber auffallend, dass sie bisher unbekannt geblieben sind, da sie doch bei den grösseren Arten der Beobachtung leicht zugäng- lich sind. Ist schon in jenen zwischen den Fasern eingestreuten Zellen des Fettkörpers ein der „Serosa“ entsprechendes Element zu sehen, so kann dasselbe bei gewissen Arten und an gewissen Stellen eine solehe Ausbildung erfahren, dass geradezu eine kontinuirlich die Faserschicht umziehende Haut daraus resultirt. Dieser Vor- gang ist zugleich mit einem Kleinerwerden der einzelnen Elemente verbunden. Besonders schön sah ich diese „Serosa‘“ im vorderen Theile des Ringmagens von Dolomedes fimbriatus entwickelt (Fig. 8). Man sieht hier zu innerst die hohen Epithelzellen, ausserhalb der- selben die Querschnitte der Längsfasern und die Querfasern, und ausserhalb dieser Schicht wieder eine aus niedrigen, regelmässig angeordneten Zellen gebildete Haut. An der Aussenseite sind die Zellen derselben gewölbt, manchmal auch unregelmässig und in Fortsätze ausgezogen, die in den „Fettkörper“ übergehen. Die Blindschläuche haben im Allgemeinen dieselbe Struktur wie der Hauptstamm des Darmes; ihre Epithelzellen sind aber breiter und niedriger und haben mehr den Charakter von Drüsenzellen. Sie enthalten unter Umständen eine feinkörnige oder vielmehr staub- artige Masse, die ihnen ein graues Aussehen verleiht und bei wohlgenährten Exemplaren reichliche Fetttropfen in ihrem End- theile. Alles in Allem genommen gleichen sie sehr den „flaschen- förmigen“ Zellen aus dem Chylusmagen, von denen sie sich aber durch die Abwesenheit des jenen eigenthümlichen Pigmentes unter- scheiden. — Die Faserschicht ist auf den Blindschläuchen weit schwächer als auf dem centralen Theil entwickelt, und je näher dem Ende, um so schärfer sind die Unterschiede zwischen diesem und jenem ausgeprägt. Nachdem der Darm dureh den Hinterleibsstiel in den Hinterleib eingetreten ist, beginnt er zum zweiten Mal die Entwickelung von Blindsäcken, jetzt aber in viel ausgedehnterem Masse. In seinem Verlaufe folgt er, unter dem Rückengefäss liegend, Anfangs ganz regelmässig der Wölbung des Hinterleibes (vgl. Fig. 1). Unter gleichzeitiger Erweiterung seines Lumens bildet er zahlreiche kleinere und grössere Aussackungen, die sich weiter und weiter verästeln und durch ein Zwischengewebe zusammengehalten werden. Ueber den Verdauungsapparat der Spinnen. 415 Im Allgemeinen liegen hier die Verhältnisse ebenso, wie ich früher (dies. Archiv XXIIL, 8.217) für verschiedene Tristieta angegeben habe und wie ich sie bei allen von mir untersuchten Arten antraf. Ungefähr an der höchsten Stelle des Darmes, die zugleich den am stärksten erweiterten Theil enthält, gehen jederseits zwei Paar grössere Blindsäeke aus, die mit ihren Verzweigungen die Haupt- masse der „Leber“ der bisherigen Autoren, des „Chylusmagens“, wie ich diesen Theil des Verdauungsapparates genannt habe, aus- machen. Neben diesen 4 paarigen Blindsäcken ist bei Atypus ebenso wie bei den Tristieta ein fünfter unter dem Darm liegender srösserer Lappen vorhanden, der dicht hinter dem Hinterleibsstiel als eine aus der unteren Darmwand sich bildende Ausstülpung entspringt. Im Gegensatz zu den Tristieta ist er aber bei Atypus nur wenig entwickelt und erreicht in der Nähe der Geschlechts- öffnung sein Ende. Segestria zeigt auch hierin wieder die nahe Verwandtschaft mit den Teraphosiden, dass der mediane Lappen schwächer als bei den Tristieta ausgebildet ist. Ein weiterer Unterschied in dem gröberen anatomischen Verhalten des Chylus- magens besteht darin, dass seine Masse bei Atypus auf der Bauch- seite die Körperhaut nicht erreicht, sondern durch die Geschlechts- drüsen und Spinngefässe von derselben getrennt ist. In gewisser Beziehung stehen beide Unterschiede mit einander in Zusammen- hang, indem sich nämlich vielfach jener unpaare untere Lappen unter die Geschlechts- und Spinndrüsen schiebt; gewöhnlich greifen aber auch von der Rückenseite her die Seitenlappen bis zur Be- rührung auf der Mittellinie des Bauches hinüber. Bei Atypus hin- gegen ist die Gesammtmasse nahezu gleichmässig um den Darm konzentrirt; ein Vergleich der früheren Fig. 2 (Artanes) mit gegenwärtiger Fig. 1 macht diesen Unterschied klar. Hinter der die Aussackungen bildenden Erweiterung zieht er sich wieder zusammen und gleicht in allen Beziehungen dem im Cephalothorax liegenden Theil. Er macht einige schwache Krüm- mungen, die hier wie im ganzen bisherigen Verlauf in der Sagittal- ebene liegen und mündet dann, kurz vor dem After, in die über ihm liegende „Mastdarmtasche“ oder Kloake. Dieselbe ist auch bei Atypus keine einfache Erweiterung dieses Endabschnittes des Darmes, sondern eine durch rückwärts gerichtete Ausdehnung des gemeinsamen Abschnittes der beiden Hauptsammelgänge der Mal- pighi’schen Gefässe entstehende Tasche, in welche sich der Darm 416 Ph. Bertkau: nahe an ihrem hinteren Ende öffnet. Da aber einerseits der Darm in gerader Linie auf das spitze vordere Ende der Tasche zu läuft und erst hierauf nach unten umbiegt und ferner durch Bindege- webe und Muskelfasern mit der Tasche fest verpackt ist, so kann leicht ein Irrthum in dieser Hinsicht entstehen, so lange man sich die Sache nicht an Quer- oder Längsschnitten klar macht. Es ist wobl als sicher anzunehmen, dass bei „Cteniza caementaria“, die seit Duges gewöhnlich als Paradigma in den Handbüchern figurirt, die Verhältnisse dieselben wie bei Atypus sind. — Ich habe früher (Zool. Anz. 1881, 8.544) angegeben, dass bei Atypus affinis ein einziger Hauptgang die Produkte der Malpighi’schen Gefässe sammle und der Kloake zuführe; dieser Hauptgang sollte in das vordere Ende derselben einmünden. Ich habe seither noch mehrere Exemplare zu untersuchen Gelegenheit gehabt und hier immer wie bei Atyp. piceus zwei Hauptgänge gefunden, welche rechts und links am hinteren Ende der Kloake sich in dieselbe öffnen; ich muss daher annehmen, dass das damals untersuchte Exemplar ein abnormes war. Wie schon vorhin bemerkt hat der Darm im hinteren Theile des Hinterleibes dieselbe histiologische Beschaffenheit wie im Ce- phalothorax; die ihn umkleidenden Fasern sind aber hier deutlich Muskelfasern. Die spitz kegelförmigen Epithelzellen treten in dem unter der Kloake liegenden Theil zu Gruppen von höheren und niedrigeren zusammen, wodurch sein Lumen auf dem Querschnitt sternförmig erscheint; ich habe schon früher bemerkt, dass hier die Bildung der kleinen Kothballen vor sich geht. Bevor ich nun zur Beschreibung des Epithels des vorderen Abschnittes des Darmes im Hinterleibe und seiner drüsigen Aus- sackungen übergehe, will ich hervorheben, dass die Angaben, die ich früher (dies. Arch. XXIII, S. 222, 223) über Atypus gemacht habe, auf die Untersuchung von Exemplaren unmittelbar nach dem Eierlegen basirt waren, wo, wie ich später noch ausführlicher darlegen werde, bei allen Arten die Drüse mancherlei Verände- rungen erlitten hat. Die Beschreibung, die ich jetzt gebe, ist auf eine vom Winter bis in den Sommer hinein fortgesetzte Unter- suchung junger und erwachsener Exemplare gegründet und kann daher als eine Darstellung der normalen Verhältnisse gelten. Der Querschnitt eines Stückes aus dem mittleren Theile, nieht zu nahe an einem Hauptgange und auch nicht am blinden Ueber den Verdauungsapparat der Spinnen. 417 Ende, bietet folgenden Anblick: Zu äusserst ist eine tunica propria, in der man bei geeigneter Behandlung deutlich Kerne erkennt, dagegen fehlen Muskeln vollständig. Die t. propria ist mit Zellen von zweierlei Art ausgekleidet: eiförmigen, die mit breitem Fuss auf der t. propria sitzen, und längeren, keulenförmigen oder flaschen- förmigen, welche mit ganz schmalem Fuss sich zwischen jene ersten zwängen und, über dieselben hinweggreifend, allein an der Be- srenzung des Lumens Theil nehmen. Die Zellen der ersteren Art sind mit durchscheinenden, blassgelben Kugeln einer anscheinend festeren Substanz dicht erfüllt. Die Kugeln tingiren sich mit Farb- stoffen recht lebhaft und färben sich mit Jod-Jodkalium orangeroth bis rothbraun. Wenn letzterer Umstand für Glykogen spricht, wird die Möglichkeit dieses Stoffes wieder ausgeschlossen durch die Unlöslich- keit der Kugeln in Wasser. Der Inhalt der Zellen der zweiten Art ist weit mannigfaltiger. Am Fusse sind sie mit einer Menge feiner Körnchen oder Tröpfehen angefüllt, die diesen Theil bei auffallen- dem Lichte weiss, bei durchfallendem dunkel erscheinen lassen. Da jene ersteren Zellen zur Zeit lebhaften Stoffwechsels ziemlich dicht stehen und. an der Basis nur wenig Zwischenraum zwischen sich lassen, so erscheint durch jene Körnchen in den Zellen der zweiten Art der Durchschnitt eines solchen Blindschlauches fammen- artig gestreift. Weiterhin treten in der Zelle grössere Kugeln, oft zu mehreren in einer Blase eingeschlossen, auf; zwischen diesen sind endlich im Endtheile noch zahlreiche stark glänzende, gelb oder grün schimmernde Kügelchen eingestreut. Krystalle, welche ich früher bei zahlreichen anderen Arten aufgefunden hatte, sind mir bei Atypus nicht aufgestossen. Das Pigment in diesen Zellen ist lederbraun und wie gewöhnlich auf die Endhälfte be- schränkt. Der Inhalt der Zellen lässt übrigens zur Zeit weniger lebhafter Thätigkeit einen ziemlich breiten Sauın frei, das Plasma ist an dieser Stelle fast zu einer Kutikula erhärtet und löst sich bisweilen in deutlichen Schollen ab. Andererseits schnürt sich auch manchmal das stark pigmentirte und kleine Granula enthal- tende Endstück der Zelle ab; solche Stücke findet man unter dem Inhalt der Blindschläuche, und sie machen den Hauptbestandtheil der im Darm befindlichen Exeremente aus: Gegen die blinden Enden hin werden beide Zellarten höher und schmäler, und da- durch wird der Unterschied hinsichtlich der Gestalt zwischen beiden etwas geringer; dagegen bleibt die Verschiedenheit des Archiv f. mikrosk, Anatomie, Bd. 24. 97 418 Ph. Bertkau: Inhaltes beider vollauf bestehen. In den Hauptgängen anderer- seits und in dem Theile des Darmes, von dem dieselben ausgehen, sind die Zellen niedriger und haben fast in ihrer ganzen Länge dieselben Querdurehmesser (vgl. Fig. 9). Der Inhalt dieser Zellen lässt in ihnen die „flaschenförmigen*“ wieder erkennen, während Zellen der ersten Sorte hier fehlen. Dagegen will ich noch aus- drücklich anführen, dass in dem noch weiter nach vorn liegenden Theil des Darmes seine Auskleidung mit Zellen genau mit der irgend einer der Aussackungen zweiter oder höherer Ordnung übereinstimmt, und dass auch sein Lumen sich vor denselben nicht auszeichnet, so dass man auf einer Reihe von Querschnitten oft den Darm vergeblich sucht. Die Ausstülpungen des Darmes werden durch das von mir bereits früher beschriebene Zwischengewebe zusammengehalten, in welehem ausserdem noch die Malpighi’schen und ein Theil der Blutgefässe (Venen?) verlaufen. Dadurch wird die Gesammt- zahl der Aussackungen zu einer einheitlichen Masse zusammenge- packt, wozu noch kommt, dass eine feine Haut das Ganze umkleidet. Am leichtesten lässt sich diese Haut an dem unter dem Darm, oberhalb der Geschleehts- und Spinndrüsen gelegenen Theile, auch an einigen Stellen im vorderen Theile des Hinterleibes, wo die grossen Gefässe verlaufen, wahrnehmen. Das Zwischengewebe ist zur Zeit reichlicher Nahrungsaufnahme dicht mit kleinen Kugeln erfüllt, die sich mit Osmiumsäure rasch schwärzen. Der Zellkern, das Zellplasma und sonstiger Inhalt wird in diesem Zustande von ihnen vollkommen verdeckt. Wo dieses Zwischengewebe aber an die allgemeine Leibeshöhle grenzt, da umgiebt es die Darmaus- buchtungen nur in einfacher Schicht, und neben Zellkern und -plasma bilden gewöhnlich 1—2, seltener 3 stark glänzende Kon- kretionen den alleinigen Zellinhalt. Das Verhalten dieser letzteren gegen Reagentien spricht nicht dagegen, dass es phosphorsaurer Kalk ist, und da an anderen Stellen in diesem Zwischengewebe phos- phorsaurer Kalk in der aus dem Cephalothorax bekannten Form von Nadelbüscheln vorkommt, so mögen auch diese Konkretionen als solcher angesehen werden. Hat man aus dem übrigen Zwischen- gewebe jene anderen, die Zellen dicht erfüllenden Kugeln entfernt (am besten durch Einlegen in Wasser, wobei dieselben, ohne sich mit ihm zu mischen, in das Wasser übergehen, eine Emulsion bildend), Ueber den Verdauungsapparat der Spinnen. 419 so erkennt man, dass die für phosphorsauren Kalk erklärten Kon- kretionen im ganzen Zwischengewebe vorkommen. Vergleicht man nun mit dieser Darstellung von Atypus die- jenige, die ich früher von Amaurobius gegeben habe, so ist eine bis fast in alle Einzelheiten gehende Uebereinstimmung, sowohl was die Epithelzellen der Darmausstülpungen, als auch das Zwischen- gewebe anlangt, unverkennbar. Und ebenso kann ich diese Ueber- einstimmung für alle weiteren untersuchten einheimischen Arten angeben. Bei Atypus fehlt das Guanin in den Zellen des Zwischen- gewebes; ausser bei den früher angegebenen Arten fand ich es noch bei Hyptiotes, Dietyna, Coelotes, Dolomedes. Bei Mierom- mata ist es in den Zellen der Darmausstülpungen selbst, und zwar in den flaschenförmigen, abgelagert, aber nur in den die blinden Enden der Schläuche auskleidenden; da aber das untersuchte Exemplar ein dem Eierlegen und damit dem Ende seiner vegeta- tiven Thätigkeit nahes Weibchen war, so ist dieses Vorkommen vielleicht kein allgemeines. Ich habe schon wiederholt meine Angaben mit zeitlichen Ein- schränkungen versehen müssen, und in der That passen dieselben nur für die Zeit, wo die Nahrungsaufnahme die Hauptthätigkeit der Spinnen ausmacht; zur Zeit der Winterruhe, noch mehr aber zur Zeit der Fortpflanzung bietet der Chylusmagen und sein Zwischengewebe ein ganz anderes als das beschriebene Aussehen. Um zunächst nur Atypus zu berücksichtigen, so sind von den zwei Zellsorten jetzt nur noch die flaschenförmigen erhalten, oder viel- mehr der die elliptischen in so charakteristischer Weise erfüllende Inhalt ist geschwunden. Die Grenze zwischen den einzelnen Zellen selbst ist undeutlicher geworden und ist oft nur an dem freien Saum noch zu erkennen. Dagegen sind jetzt wegen des theil- weisen Schwundes des Inhaltes die Kerne an der Basis der Zellen viel deutlicher zu erkennen. Aehnliche Veränderungen haben im Zwischengewebe Platz gegriffen. Die einzelnen Zellen sind zusam- mengeschrumpft, das Plasma erscheint z. Th. zu Strängen verdickt und nicht mehr lebenskräftig, die früher erwähnten Kugeln sind gseschwunden. Neben den Konkretionen von phosphorsaurem Kalk sind aber die bereits früher von mir erwähnten Körperchen kon- stant vorhanden (dies. Arch. XXIII S. 224 Taf. XII Fig. 5), die, wie man an günstigen Objekten sehen kann, in einer Plasmatasche entstehen. Ausser ihrer intensiven Schwärzung mit Osmiumsäure 420 Ph. Bertkau: haben sie mit den früheren Kugeln keine Achnlichkeit. Sie sehen manchmal Leuzinkugeln vollkommen gleich, und Schindler hat ganz ähnliche Körper aus den Malpighi’schen Gefässen der Insek- ten fraglich für Leuzin erklärt; ihre völlige Unlöslichkeit in Wasser, Alkohol, Aether, Säuren und Alkalien lässt aber keinen Zweifel darüber, dass hier kein Leuzin vorliegt, lässt aber vorläufig auch noch keine positive Beantwortung der Frage nach ihrer chemischen Natur zu. I Aehnlich wie bei Atypus enthalten auch alle übrigen von mir untersuchten Arten zur Zeit der Fortpflanzung in ihren Darmaus- stülpungen nur die flaschenförmigen Zellen; das Zwischengewebe ist zusammengeschrumpft; die zuletzt bei Atypus erwähnten Kugeln kommen nicht allgemein vor; ich habe mir nur Amaurobius ange- merkt, wo sie ebenfalls vorhanden sind. Kurz lässt sich also die Veränderung als eine Degeneration des grössten Theiles dieses Organkomplexes charakterisiren. Bei den meisten unserer Arten wird der Zerfall der Zellen ein bleibender sein, da sie mit der einmaligen Fortpflanzung ihren Lebenszweck erfüllt haben; bei Atypus hingegen tritt eine Regeneration ein, wie ich an Winter- exemplaren beobachten konnte, die ich mit ihrer vorjährigen Jungen 3rut ausgrub. Und diese Erscheinung erklärt sich hier auch so, dass Atypus (wenigstens die Weibchen) sich mehrere Jahre hin- durch fortpflanzen können. Bei Exemplaren, in deren Röhren sieh die Reste der vorjährigen Eiersäckehen vorfanden, zeigte sich im Mai neben den alten Samentaschen die Anlage von neuen; die Eierstöcke waren mit fast reifen Eiern erfüllt. Ferner wiesen die im Juni gesammelten Exuvien zahlreicher Exemplare vollständig aus- gebildete Samentaschen auf. Auffallend ist hierbei, dass nicht eine Häutung der alten Samentaschen, sondern eine vollständige Neu- bildung von Matrix und Kutikula stattfindet, wobei die Matrix der alten Samentasche resorbirt wird. Zu meinem Bedauern kann ieh über die Bedeutung und che- mische Natur der geformten Inhaltsstoffe der Epithelzellen der Darmblindschläuche und des Zwischengewebes nichts Bestimmtes sagen. Doch glaube ich, dass aus der verschiedenen Beschaffen- heit zu den verschiedenen Lebensphasen folgendes zu schliessen ist: Die „flasehenförmigen“ Zellen liefern das früher nach- sewiesene Ferment, wie sie andererseits auch Pigmente abson- dern; die elliptischen Zellen mit ihrem Inhalte, sowie der Inhalt Ueber den Verdauungsapparat der Spinnen. 421 der Zellen des Zwischengewebes zum grössten Theile werden zur Bildung der Bier, resp. Spermatozoen verbraucht. Bezüglich der Wirkungsweise des von dem Chylusmagen produeirten Fermentes sei hier noch nachträglich angegeben, dass ich mich jetzt mit Sicherheit auch von der Anwesenheit eines diastatischen Fermentes überzeugt habe, und zwar auf die von Hoppe-Seyler (4. Aufl. S. 124, 125) bei Trommer’s Reaktion für den Fall angegebene Modifikation, dass andere Stoffe die Ab- scheidung des Kupferoxyduls verlangsamen oder verhindern. Träufelte ich in das nach Trommer’s Methode behandelte Gemisch nach dem Erkalten Salzsäure, so bildete sich auf der Grenze bei- der Flüssigkeiten ein zwar spärlicher, aber immerhin deutlich wahr- nehmbarer Niederschlag. Mit dem Verdauungsapparat seien hier noch einige Neben- organe behandelt: eine eigenthümliche Drüse in der Oberlippe, die Speicheldrüsen und ein Sinnesorgan in den Unterkiefern, und Blan- chard’s „glandes stomacales“, die Coxaldrüsen Ray-Lankester's. Die betreffende Drüse der Oberlippe ist noch wenig bekannt. Zuerst wurde auf dieselbe von Wasmann aufmerksam gemacht, der sie bei grossen tropischen Teraphosiden auffand (a. a. 0. S. 139ff.) Nach seiner Darstellung befindet sich auf der Spitze der Oberlippe, die einen beweglichen konischen Fortsatz bildet, eine glänzende knopfförmige Hervorragung, welche aus zwei seit- lichen Lappen besteht, deren untere Enden frei abstehen. Am Grunde derselben ist eine Querspalte, an welcher sich die äussere Bedeckung ins Innere des Organs umschlägt und hier zwei kleine Lippen bildet, deren jede an ihrem freien Rande von einem huf- eisenförmig gebogenen hornigen Leistchen begrenzt wird. Diese Leistehen liegen so dicht aneinander, dass sie beim ersten Anblick nur eins zu sein scheinen. Die Spalte führt in eine von einer zarten Membran ausgekleidete Höhlung. Dieselbe verengert sich nach unten und geht in einen engen Kanal über, der an der unteren Fläche des Organs bis zum Anfang der vorderen (oberen) Gaumenplatte zu verfolgen ist, wo er blind endet. Er grenzt hier nach oben an eine drüsige Masse, welche die konkave Fläche der vorderen Gaumenplatte ausfüllt. — Wasmann suchte lange Zeit in diesem Organ (der Oberlippe nämlich) einen Saugrüssel, indem er die „knopfförmige Spitze“ als Saugscheibe und die Spalte unter derselben als den wahren Mund des Thieres zu betrachten geneigt 422 Ph. Bertkau: war. Und obgleich er nirgendwo eine Oeffnung, die von diesem Organ in den Schlund führte, wahrnahm, „die bei der festen Struktur der Gaumenplatte doch so leicht bei einer genauen Unter- suchung nicht entgehen könnte“, so erwartete er doch noch von späteren Untersuchungen Aufklärung. v. Siebold rekapitulirte in seinem Lehrb. d. vergl. Anat. der wirbellosen Thiere S. 528f. Wasmann’s Beschreibung und vermuthet, dass die Drüsenmasse „einen Speichelsaft absondere, welcher während der Zubereitung eines Futterballens von der Spalte der Oberlippe ausfliesst und die auszusaugenden Futter- stoffe anfeuchtet.* Er fügt dann noch hinzu, dass er selbst diese Drüse an anderen, also wahrscheinlich einheimischen, Spinnen vor- gefunden habe. —Leydig, Zum feineren Bau der Arthropoden, in Müller’s Archiv 1855 S. 450f. erwähnt mit einigen Worten diese selbe Drüse, meint aber wohl den oben erwähnten „Fettkörper“ des Gephalothorax. Es heisst bei ihm: Bei den Araneen trifft man im vorderen Ende des Cephalothorax eine drüsige Masse an, eine Art Speicheldrüse; ich habe zwar wiederholt gesehen, dass sie aus grossen Zellen besteht, aber verabsäumt, den Zusammen- hang und den Ort ihrer Ausmündung zu bestimmen. Es ist zwei- felsohne derselbe Drüsenapparat, den Wasmann beschrie- ben hat und von Siebold auch bei anderen Spinnen fand. — Blanchard, der gleich Wasmann Gelegenheit hatte, grosse Teraphosiden zu untersuchen, und eine Art, „Mygale Blondii“, als Typus der Ordnung wählte, übergeht diese Frage ganz; er führt nur die Gründe an, die ihn veranlassen, in der Oberlippe, dem camerostome Latreille’s, das Homologon der verwachsenen Man- dibeln und Maxillen und vielleicht auch der Unterlippe der Insek- ten zu sehen (a. a. O. S. 210f.) — Plateau, der wieder nur Tristieta untersuchte, konnte bei diesen weder eine Spalte, noch eine Mündung auffinden und hält die Genauigkeit der Beobach- tungen Wasmann’s überdies für zweifelhaft, weil Blanchard nichts ähnliches erwähne. Zudem ist eine Abwesenheit einer äusseren Mündung aus dem Grunde anzunehmen, weil sie das Sekret an einen solchen Ort würde gelangen lassen, „dass man sich fragen müsste, wie es möglich wäre, dass es eine Wirkung auf die durch das Thier aufgesogenen Stoffe ausüben könnte“. Dagegen liegt nach Plateau in der Oberlippe, in der durch die obere Gaumen- platte gebildeten Mulde, eine birnförmige, von Längs- und Quer- Ueber den Verdauungsapparat der Spinnen. 423 muskeln umgebene kleine Drüse, deren Ausführungsgang im Grunde des „pharynx“ — so nennt Plateau den Theil, den ich Mund- höhle genannt habe, — nahe am Ursprunge des Schlundes aus- mündet; Plateau nennt die vermeintliche Drüse daher auch „glande pharyngienne“ (a. a. O. S. 13ff.). Diese Drüse ist mög- licher Weise eine Speicheldrüse, aber positive Beweise für diese Bezeichnung liegen nicht vor (5. 96f.) — Sehimkewitsch end- lich (Zool. Anz. 1881 S. 236) stellt die Existenz dieser Drüse bei Epeira in Abrede und nähert sich wieder mehr Wasmann, indem er angiebt: Sur le rostrum on observe une fente en forme de fer ä cheval; cette ... s’ouvre dans une depression chitineuse qui est tapissee par un £pithelium glandulaire. Indem ich nun dazu übergehe, die Resultate meiner auf dieses Organ gerichteten Untersuchungen mitzutheilen, will ich mit Atypus den Anfang machen, weil hier die Verhältnisse der von Wasmann gegebenen Darstellung am meisten entsprechen und überhaupt am übersichtlichsten sind (vgl. Fig. 1 und 10). Die Oberlippe ist vorn an der Spitze und von da an rückwärts an den Seiten mit langen, fuchsrothen Haaren dieht bekleidet, während die Höhe der Wöl- bung davon frei bleibt. An ihrem Grunde, in die zarte Verbin- dungshaut mit den Unterkiefern eingeschaltet, findet sich jederseits eine längliche, stark verhornte und stark muldenförmig vertiefte Platte mit netzartiger Skulptur ihrer Oberfläche; es sind dies wohl die Platten, deren Duplizität Blanchard veranlasste, in der gan- zen Öberlippe ein aus zwei seitlichen Hälften verschmolzenes Organ, das Homologon der Insektenmandibeln zu sehn. Jene Platten haben, wie ich hier sofort hinzufügen will, keine andere Bedeutung, als dass sie einem kräftigen Muskelbündel als Insertionspunkt dienen. An dem höchsten Punkt der Oberlippe befindet sich eine Einstülpung, welche bei Atypus einen einfach in die Quere gezo- genen Spalt vorstellt. Der obere Lippenwulst derselben ist nach vorn in einen finger- oder wurmförmigen, sich allmählich ver- Jüngenden Fortsatz verlängert, der auf dem Massiv der Oberlippe ruht und die eigentliche Spalte verdeckt. Letztere führt in einen Hohlraum, der von oben nach unten stark linsenförmig zusammen- gedrückt ist und vom Spalt aus nach den Seiten sich stark erwei- tert, somit fast einen kreisförmigen Umfang hat. Die Wand dieses Hohlraumes ist ungemein stark verhornt, namentlich am Rande, tief braun gefärbt, und lässt bei starker Vergrösserung eine Unzahl 424 Ph. Bertkau: feiner Streifen erkennen, die senkrecht zur Dicke der Wand ver- laufen. Diese Tasche ist von einer Drüsenmasse umgeben, die sowohl unter und zu beiden Seiten von ihr in der Oberlippe, als auch über ihr in dem wurmförmigen Fortsatz liegt. Die Drüsen- masse ist viellappig, indem von ihrem im Allgemeinen mit der Tasche konzentrischen Umkreise Septen nach der Tasche streben, ohne dieselbe indessen zu erreichen. Die Sekretionszellen sind sehr hoch und schmal kegelförmig, die Spitze des Kegels nach der Tasche gerichtet und an derselben endend. Sie besitzen in ihrer Basalhälfte ein zähes, körnchenreiches Plasma, in dem auch der Kern eingebettet ist; nach der Spitze hin ist ihr Inhalt klar, nur von einzelnen Fäden durchzogen. Die Tasche hat neben diesen Drüsenzellen keine besondere Matrix, und die letzteren müssen daher zur Zeit der Häutung auch die Abscheidung der Chitinku- tikula besorgen. Es ist vielleicht unpassend, dieses Organ eine (mehrzellige) Drüse zu nennen; man könnte ebensogut von einer Anhäufung einzelliger Hautdrüsen sprechen. Will man die erstere Anschauung beibehalten, so würde die Intima der Drüse, die Wandung der Tasche, die modifizirte Körperhaut sein; die sezer- nirenden Zellen sind modifizirte Hypodermiszellen, und die tunica propria der Drüse, auf der diese Zellen sitzen, nebst den Septen ist nichts anderes als die nach innen abgeschiedene Membran der Hypodermiszellen, die Basalmembran. Jedenfalls ist diese Drüse ein neuer und interessanter Beweis für die Vielgestaltigkeit, in der die Drüsen namentlich bei den Arthropoden auftreten. — Das von den Sekretzellen gelieferte Produkt füllt unter Umständen die Tasche in Gestalt fester, durchscheinender Konkremente an; auch Wasmann erwähnt, dass bei solehen Exemplaren, die er in Spi- ritus aufbewahrt aus ihrem Vaterland erhielt, die Höhlung mit festerem Gerinnsel angefüllt war. Man braucht aber nur einen Blick auf die Fig. 10 zu werfen, um sofort zu entnehmen, dass diese Konkremente in dieser Form nicht entleert sein können, da gröbere Kanäle in der Wand der Tasche durchaus fehlen; ich sehe die erwähnten feinen Streifen derselben als Andeutung eben so vieler feinster Kanälchen an, durch die das flüssige Sekret nach aussen geschafft wird, welches dann, vielleieht durch Verdun- sten, feste Bestandtheile zurücklässt. Der Vollständigkeit halber und um die Angaben der früheren Beobachter mit den meinigen besser vergleichen zu können, gebe Ueber den Verdauungsapparat der Spinnen. 425 ich noeh die übrige Anatomie der Oberlippe. Ausser dem oben erwähnten Quermuskel, der sich an die stark verhornten Platten ansetzt, und Muskeln, die von der oberen Gaumenplatte theils zur Seitenwand der Oberlippe, theils rückwärts verlaufen, ist der Raum zwischen Gaumenplatte und der äusseren Wand der Oberlippe wesentlich von jenem grosszelligen, von Fasern durchzogenen Ge- webe angefüllt, das ich für nichts anderes, als für eine Modifi- kation des „Fettkörpers“ des Oephalothorax halten kann. Die Fasern sind hier weniger zahlreich als im Cephalothorax, die Zellen kleiner, aber dichter gedrängt, so dass die von Ray-Lan- kester gewählte Bezeichnung „lacunar connective tissue“ hier nicht ganz passend erscheint: abgesehen aber von diesen doch immerhin geringfügigen Unterschieden ist der Grundcharakter der- selbe. — Der Muskel, den Wasmann an der oberen Decke, sich an der Mittellinie zwischen den beiden Seitenlappen der knopfför- migen Spitze befestigend erwähnt, der dieselbe zurückbiegen und so die darunter liegende Spalte öffnen soll, ist auch bei Atypus vorhanden, aber sehr schwach. Der übrige, nicht von der Drü- senmasse eingenommene Theil des fingerförmigen Fortsatzes ist ein Blutraum. Von den übrigen Tetrastieta habe ich Segestria und Dysdera untersucht und bei diesen Gattungen ähnliche Einrichtungen wie bei Atypus gefunden. Auch bei den Tristieta ist der Grundtypus genau derselbe. Soweit mir bekannt, ist bei allen Gattungen die- ser Unterordnung die Oberlippe nicht so hoch gewölbt wie bei den Teraphosiden und liegt fast in einer Ebene mit der Oberseite der Maxillen. Die Spalte ist hier stärker gebogen, übrigens durch die stärkere Behaarung schwerer wahrzunehmen. Der obere Rand der Spalte verlängert sich hier nicht in einen rundlichen Fort- satz, sondern in einen flachen Lappen, der entsprechend der Wöl- bung der Oberlippe gebogen ist. Von der vorderen Spitze der Oberlippe zieht sich ein nach hinten sich verschmälerndes Feld kurzer und locker stehender Häärchen bis an den eigentlichen Eingang in die Einstülpung, während zugleich auf der Höhe der Oberlippe, in einiger Entfernung hinter der Drüse beginnend und sich bis auf den erwähnten Lappen fortsetzend, längere Haare stehen, die weit über das vordere Ende des Lappens hinweg rei- chen. Diese Haare erschweren einigermassen den deutlichen Ein- blick in die sonst einfachen Verhältnisse; doch ist gewöhnlich das 436 Ph. Bertkau: vordere Ende des Lappens als eine feine, schwach geschweifte Querlinie ohne weitere Vorbereitung zu sehen; vgl. Fig. 11. Der Spalt führt durch einen kurzen horizontalen Gang in die nach unten umbiegende Tasche mit stark verhornten Wandungen. Bei Amaurobius hat dieselbe eine kolbenförmige Gestalt, bei Tegenaria und Dolomedes eine viereckig-gebogene. Bei Marptusa muscosa ist der über die Spalte vorgezogene Lappen sehr kurz, mehr als doppelt so breit als lang; die Spalte führt durch einen trichterartig sich verengernden Raum in die breit herzförmige Tasche. Bei Dietyna viridissima endlich ist der Lappen noch kürzer und breiter; auch hier verengert sich der Gang nach hinten, aber nicht so stark wie bei Marptusa und endet breit abgestutzt, ohne dass an dieser Stelle die Wand stärker chitinisirt oder durch die Farbe ausge- zeichnet wäre. Clubiona grisea ist ähnlich wie Tegenaria und Dolomedes. — Die Drüse ist bei allen den genannten Arten wie bei Atypus gebaut, nur weniger gelappt; die Porenkanäle in der Wand der Tasche sind weniger zahlreich aber gröber. Es ist für mich keinem Zweifel unterworfen, dass weder Wasmann noch von Siebold die eigentliche Drüse gekannt haben, sondern jenes srosszellige Bindegewebe für den Drüsenkörper angesehen haben. Dabei muss noch unbedingt hervorgehoben werden, dass der Kanal, durch den Wasmann aus dem Grunde der Spalte bis zum vorderen Ende der Oberlippe, auf den Anfang der oberen Gaumenplatte gelangen konnte, ein Kunstprodukt ist, indem die Nadel, mit der er den Spalt öffnete, zugleich die Wand durchstochen hatte. — Auch die glande pharyngienne Plateau’s ist dasselbe Bindege- webe wie im Cephalothorax, von dem Plateau selbst die Drüsen- ähnlichkeit, zugleich aber den Mangel jeglichen Ausführungsganges hervorhebt. Welche Bedeutung hat nun diese Oberlippendrüse, denn so müssen wir sie doch wohl nennen? Aus demselben Grunde, der Wasmann und von Siebold veranlasste, in der vermeintlichen Drüse eine Speicheldrüse zu sehen, könnte man der richtigen Drüse dieselbe Funktion zuschreiben. Das von Plateau oben geäusserte Bedenken, wie der durch die äusserlich gelegene Spalte austre- tende Speichel mit der Nahrung zusammenkomme, ist vorweg durch von Siebold beseitigt, und ich werde später zeigen, dass bei anderen unzweifelhaften Speicheldrüsen die Sache sieh wirklich so verhält, wie von Siebold vermuthete: nieht in der Mund- Ueber den Verdauungsapparat der Spinnen, 427 höhle oder in dem weiteren Verlauf des Verdauungskanales kommt der Speichel mit der Nahrung in Berührung, sondern ausserhalb des Mundes, und die aufzunehmende Nahrung wird erst durch die Einwirkung des Speichels überhaupt geschickt zur Aufnahme semacht. Dass ferner andere unzweifelhafte Speicheldrüsen vor- handen sind, kann nicht gegen die Deutung der Oberlippendrüse als Speichelapparat geltend gemacht werden, da ja bei den ver- schiedenen Thieren, und nicht zum wenigsten bei den Arthropoden, mehrere Speicheldrüsen vorkommen. Es scheint mir daher noch immer das nächstliegende zu sein, der Deutung Wasmann’s und von Siebold's zu folgen; bei der Kleinheit der Drüse wird man freilich darauf verzichten müssen, durch das Experiment die Be- rechtigung hierzu nachzuweisen; bei den grossen tropischen Arten wäre es schon eher möglich, mit der isolirten Drüsenmasse Ver- suche anzustellen. In einer vorläufigen Mittheilung über die hier ausführlicher behandelten Gegenstände (Correspondenzbl. d. naturh. Vereins d. preuss. Rheinl. u. Westf. 1884, I. S.66ff.) habe ich auf S. 75 auf die Möglichkeit hingewiesen, dass die Oberlippendrüse vielleicht auch ein rudimentäres Organ sei. Ich habe nämlich früher gezeigt (Sitzgsb. d. Niederrh. Gesellsch. 1881, S. 148), dass die von Gen& beobachtete und als Samenblase-gedeutete Blase, welche das Weib- chen von Ixodes beim Eierlegen aus einer Spalte am Kopfe her- vorstülpt, eine gelappte Drüse ist, deren Sekret noch einen Ueberzug über das Ei liefert, der es vor dem Austrocknen schützt. Diese Drüse hat nun einen ähnlichen Bau wie die Oberlippendrüse der Spinnen, nur ist sie weit stärker entwickelt, und ihre Intima ist nicht verhornt, sondern im Gegentheil sehr zart und schmiegsam, so dass sie mit Leichtigkeit ein Hervorstülpen ermöglicht. Indessen erheben sich doch hinsichtlich der Homologie beider Organe einige Bedenken, indem jene Drüse bei Ixodes über den Mandibeln liegt. Neben diesem als Speichelapparat immerhin etwas zweifel- haften Organ kommen bei den Spinnen auch unbestreitbare Spei- cheldrüsen vor. Dieselben sind, soviel ich sehe, zuerst von Graber, wenn auch nur flüchtig und dazu unrichtig, skizzirt. Graber erwähnt nämlich in seinen „Insekten“ I, S. 60 in einer Anmer- kung, dass nach seiner Entdeckung „die bisher vergeblich gesuchten Speicheldrüsen der Webespinnen auf einer winzigen Siebplatte der Maxillen ausmündeten und aus einer grösseren Anzahl an letzterer 428 Ph. Bertkau: zusammenlaufender, einzelliger, flaschenförmiger Schläuche bestän- den. — Nächstdem wurden sie von Maule Campbell zum zweiten Mal entdeckt (Journ. Linnean Soc. of London, Zool., XV S. 155 ff.) Genannter Autor beschreibt bei Tegenaria domestica Blackw. (also T. Gyonii Gu&rin) an der Oberseite der Unterkiefer eine mit jeder Häutung wachsende Anzahl von charakteristischen Kanälen, an die sich ein langer, am Ende kolbig angeschwollener Schlauch anfügt; bei Lycosa campestris ist dieser Schlauch an seinem An- fang chitinisirt. Bei Epeira similis Blackw. (=Zilla x-notata Clerck) sind die wenig zahlreichen Poren auf einer scharf umsehrie- benen, vertieften Platte angeordnet und dasselbe kommt bei manchen anderen „Epeiridae, Linyphiidae, Theridiidae und Saltieidae“ vor. Auf den Bau der eigentlichen Drüse geht Maule-Campbell nicht ein. Schimkewitsch endlich (Zool. Anz. 1881 S. 243ff.) giebt bei Epeira diese Drüse als aus einigen Acini bestehend an. Jeder derselben ist zusammengesetzt aus einer sich in den Ausführungs- sang verläugernden tunica propria und dem Cylinderepithel; eine gemeinsame Haut umhülit sie alle; bei Pholeus sind sie aus einer Anhäufung von Drüsenzellen gebildet, von denen jede ihren eigenen Ausführungsgang hat. So wenig zahlreich also auch die bisherigen Angaben über diese Drüsen sind, so wenig übereinstimmend sind dieselben auch, und schon desshalb war es erwünscht, dieselben von neuem zu untersuchen. Ausserdem werden hier Abbildungen derselben gege- ben, die bisher fehlten. Bei Atypıs liegen sie an der Innenseite, in der oberen Hälfte der Janggestreckten Unterkiefer, am reichlichsten und vollkommen- sten im Basaltheil entwickelt, in schwächeren Andeutungen aber auch bis fast zur Spitze reichend (Fig. 12). Diese Drüsen zeigen hier in Verbindung mit der Hypodermis in der deutlichsten Weise den Uebergang von einfachen Hautdrüsen zu den spezifischen Speicheldrüsen. Die Hypodermis ist an der Oberseite der Unter- kiefer aus hohen, schmalen Cylinderzellen von drüsigem Aussehen gebildet, welche auch an der Innenseite eine ziemlich derbe Mem- bran abgeschieden haben. Schon an der Spitze der Unterkiefer gruppiren sich einzelne dieser Zellen um eine gemeinsame Achse, die auf einen Hautporus zuläuft; indem sie um diese gemeinsame Achse auseinanderweichen und in den so gebildeten Hohlraum ihr Sekret eintreten lassen, das dann durch den Hautporus nach aussen Ueber den Verdauungsapparat der Spinnen. 429 befördert wird, ist die mehrzellige Drüse in ihrer einfachsten Ge- stalt fertig. An der Basis der Unterkiefer ist der Bau derselben ein vollkommenerer; es kommt hier zur Ausbildung einer, wenn auch schwach entwickelten Intima, die in ihrem Endstücke, wo sie als Ausführungsgang fungirt, sogar chitinisirt ist. Die sezer- nirenden Zellen sind hier ungemein lang; an ihrer Basis ist ihr Plasma zähflüssig, blassgelb und durch kleine Körnchen getrübt; nach dem Lumen der Drüse hin sind nur noch einzelne Plasma- stränge erhalten, welche, obwohl im allgemeinen nach dem Hohl- raum hinstrebend, doch etwas unregelmässig verlaufen, die Zell- grenzen undeutlich machen und ein Netzgewebe von Fäden herstellen, in dessen Mitte das elliptische Lumen der Drüse sich zeigt. Der Raum zwischen diesen Fäden im vorderen Theile einer sezerniren- den Zelle ist mit dem Sekret angefüllt. Letzteres gerinnt in absolutem Alkohol, löst sich aber in Glycerin auf. Es machen diese Zellen unverkennbar denselben Eindruck wie die Drüsen- zellen der Oberlippe. Die ganze Masse der Drüsen ist umgeben von einer strueturlosen Haut, die auch hier und da Septen zwischen den einzelnen Drüsen bildet und kontinuirlich in die innere Haut der Hypodermiszellen übergeht: offenbar die Basalmembran. (Der Vollständigkeit halber sei hier angeführt, dass die Hypo- dermis an der Unterseite der Maxillen von Atypus den Bau blasig- zelligen Bindegewebes hat, indem die Zelle mit ihrem wasserklaren Inhalt ein Gerüst von derben Fasern entwickelt, die netzartig zusammentreten; an diesen Fasern sind denn auch gewöhnlich die braunen Pigmentkörnchen aufgereiht, während der übrige Inhalt ganz ungefärbt ist. An einigen Stellen ragt dieses Gewebe über das gewöhnliche Niveau der Hypodermis in das Innere hinein, und hier sind dann wohl 2, seltener 3 Kerne über einander gelagert. An der Spitze der Unterkiefer wird das Netzwerk der Fäden klein- maschiger, die Kerne werden spärlicher und das Pigment schwin- det ganz; vgl. Fig. 12A.) Bei Atypus münden diese Drüsen unregelmässig zerstreut auf der Oberfläche der Unterkiefer, der Innenseite genähert, aber doch noch zum grössten Theile ausserhalb des Bartes rother Haare, der sich längs der ganzen Innenseite findet. Aeusserlich zeichnen sich die Mündungen nicht von den gewöhnlichen Hautporen aus, und da auch ihre Anordnung keine charakteristische ist, sie übrigens auch z. Th. durch die dichte Behaarung verdeckt sind, so ist es 430 Ph. Bertkau: einigermassen schwer, sie bei Atypus zur Anschauung zu bringen. Am bequemsten ist es noch, sie an Exuvien aufzusuchen, wo der an ihnen haftende Ausführungsgang leichter die Aufmerksamkeit auf sie hinlenkt. Der übrige Raum der Unterkiefer ist, ausser von Muskeln, wieder eingenommen von jenem grosszelligen Bindegewebe, sowie von Blutgefässen, die gerade dicht unter den Speicheldrüsen ver- laufen. Die vordere Spitze der Unterkiefer scheint ein grosser Blutraum zu sein, in welchem das Blut unmittelbar innerhalb der Hypodermis eireulirt, und in welehen nur wenige Fasern von jenem Bindegewebe hineinragen. Letztere zeigen hier die früher erwähnte Eigenthümliebkeit, dass sie stark verdiekt und lichtbrechend sind. Blutkörperchen kommen aber bis zu der Spitze nur wenige vor, während sie zwischen den Drüsen gar nicht selten zu beobach- ten sind. Bei den Tristieta, von denen sie bisher allein bekannt waren, sind diese Drüsen der Zahl nach verringert, die einzelne Drüse ist aber histiologiseh vollkommener entwickelt. Zunächst ist zu bemer- ken, dass ihre Ausführungsgänge vielfach auf einer eng und scharf umschriebenen Stelle ausmünden, welche Stelle somit die Gestalt einer siebartig durchbohrten Platte bietet und daher von Graber auch Siebplatte genannt wurde; sie ist meistens stärker verhornt als die Umgebung. Solche „Siebplatten“ fand ich z. B. bei Mi- crommata (mit 22 Poren), Amaurobius (vgl. Fig. 11), Drassus lapi- dieola (20), Tetragnatha (7-—8), Dietyna viridissima (7); bisweilen ist dieselbe vertieft, so bei Ocyale und Dolomedes, wo die Zahl der Drüsen ebenfalls etwa 20 beträgt. Am eigenthümlichsten fand ich sie bei einem Attiden, bei Philaeus chrysops (Fig. 15). Hier führt eine ohrähnliche Oeffnung in eine nach hinten sich vertiefende flache Tasche, deren Boden die Mündungen der Drüsen trägt; letzterer zählte ich hier 11. Bei Clubiona grisea liegen etwa eben so viele ziemlich weit nach vorn und auseinander, und bei Tegenaria atrica zählte ich über 70 Oeffnungen, die fast über die ganze Länge der Unterkiefer unregelmässig zerstreut waren, wenn auch im Allgemeinen einen schmalen Streifen an der Innenseite einnehmend. Die angegebenen Zahlen gelten für ausgewachsene Exemplare; Maule-Campbell hat durch Vergleichung der von demselben Exemplar abgestreiften Exuvien die starke Vermehrung dieser Drüsen mit wachsendem Alter bei Tegenaria Gyonii nach- Ueber den Verdauungsapparat der Spinnen. 431 gewiesen. — Auch bei denjenigen Arten unter den Tristicta, bei denen die Mündungen nicht auf eine kleine Flatte zusammengedrängt sind, lassen sich die Poren, die zu diesen Drüsen gehören, von den gewöhnlichen Hautporen leicht unterscheiden. Sie sind nämlich von einem an der hinteren Seite stärker erhobenen wulstförmigen Rande umgeben ; das von diesem Rande umschlossene, meist rundliche Feldehen ist stärker verhornt und durch die Farbe ausgezeichnet, sewöhnlich röthlieh. In seiner Mitte hat es ein winziges Löchelehen; selten kommt es vor, dass auf einem in diesem Falle in die Länge gezogenen Plättchen 2 Drüsen münden. Das erwähnte Löchelehen ist natürlich die Oeffnung des Ausführungsganges, der ein wenig über die umgebende Haut hervorragt. Die einzelne Drüse hat hier ganz den gewöhnlichen Bau einer birn- oder flaschenförmigen mehrzelligen Drüse. Eine Tunica pro- pria ist mit Epithelzellen ausgekleidet, die im Vergleich zu Atypus erheblich niedriger sind und sich auf dem Ausführungsgang noch mehr abplatten (Fig. 13 und 14 von Oeyale mirabilis 7). Die Intima ist hier deutlicher als bei Atypus ausgeprägt und auf dem Ausführungsgang stärker chitinisirt. Die Sekretzellen (Fig. 14 a) stimmen darin mit Atypus überein, dass sie in ihrem hinteren, der tun. propria aufsitzenden Theile einen zähflüssigen Inhalt mit zahl- reichen kleinen Körnchen enthalten, wogegen ihr Inhalt im vor- deren Theile mehr homogen zu sein scheint. Hat man dagegen das Sekret mit Glycerin extrahirt, so erkennt man auch hier noch feine Plasmafäden, die nach der Intima streben. Präformirte Oeff- nungen, durch welche das Sekret in das Drüsenlumen übertreten könnte, habe ich nicht wahrnehmen können, und ich nehme an, dass es einfach durch die dünne Zellwand hindurehfiltrirt. In Alkohol gerinnt dasselbe und man sieht bisweilen kurze weisse Fäden desselben aus den Poren der Siebplatte hervorragen. — Die Hypodermis ist auch hier zum grossen Theile von schmalen hohen Cylinderzellen mit faserigem Plasma gebildet; an verschiedenen Stellen kann man in derselben Körperchen sehen, die einer kugeli- gen Kapsel gleichen, deren Oberfläche gewöhnlich eingedrückt scheint. Aehnliche Körperchen fand ich auch an anderen Stellen, z. B. der Oberlippe und am Cephalothorax, immer da, wo auch die Hypodermis dieselbe Beschaffenheit hatte. Ich glaube, dass die- selben einfache Chitinabscheidungen sind, denen eine besondere Bedeutung nieht zukommt. — Die eingenthümliche Beschaffenheit 433 Ph. Bertkau: der Hypodermis hat Dahl veranlasst, hier ein Sinnes- und zwar ein Geruchsorgan zu suchen (dies. Archiv 24 S. 6ff.), wobei er noch darin eine Stütze für seine Ansicht fand, dass die Kutikula an dieser Stelle dünn und wie von feinen Kanälen durchbohrt zu sein schien. Es kehrt aber nicht nur, wie ich schon angeführt habe, dieselbe Beschaffenheit der Hypodermis an anderen Stellen wieder, sondern auch die Kutikula hat an der Unterseite der Unter- kiefer und der Oberkiefer dieselbe feine Streifung entsprechend der faserigen Struktur der Hypodermis. Ich halte mich daher vorläufig der Dahl’schen Deutung ablehnend gegenüber, zumal Dahl der Nachweis eines Zusammenhangs der als Sinneszellen in Anspruch genommenen Gebilde mit Nervenfasern nicht vollkommen gelungen ist. — Auch hier ist die Hypodermis von Zeit zu Zeit stärker entwickelt und von der Basalmembran ziehen sich von den hervor- ragenden Punkten Fasern nach dem Inneren, die mit dem früher schon oft erwähnten „Fettkörper“ oder lakunären Bindegewebe in Zusammenhang stehen. Umgeben sind die Drüsen reichlich von Blutgefässen, in denen die Blutkörperchen dicht gedrängt sind. Die Bedeutung dieser Drüsen kann, wie mir scheint, von vornherein nicht zweifelhaft sein. Sie liegen gerade an einer sol- chen Stelle der Maxillen, dass das aus ihnen austretende Sekret mit der Nahrung, die sich zwischen den Mundtheilen befindet, in Berührung kommen muss. Und dieser Umstand war auch wohl der Grund, wesshalb Graber und Maule-Campbell sie für Speicheldrüsen erklärten. Es lässt sich aber auch leicht ein Ver- such anstellen, der zeigt, dass sie in der That einen verändernden, sagen wir lieber einen auflösenden Einfluss auf die Nahrung aus- üben. Ich erinnere hierbei an das, was ich bereits früher (a.a. 0. S. 231) angeführt habe, dass die Spinnen nur flüssige Nahrungs- stoffe zu sich nehmen, dass sie aber die Fähigkeit besitzen, feste Fleischtheile, z. B. Muskeln, aufzulösen, zu verflüssigen, und dadurch erst zur Aufnahme geschickt zu machen. Da ich damals aus dem Cephalothorax ein wirksames Ferment nicht hatte ausziehen können, und da ferner das Sekret des Chylusmagens eine die Muskeln auf- lösende Kraft besitzt, so nahm ich früher an, dass jenes Sekret bis in den Mund und ausserhalb desselben gelange, obwohl mir diese Annahme schon damals nicht recht gefallen wollte. Ich habe mich aber nun aufs sicherste überzeugt, dass die Mundtheile allein )) einen Stoff liefern, der Muskeln u. s. w. auflöst; der Grund für Ueber den Verdauungsapparat der Spinnen. 433 das Misslingen der früheren Versuche ist wohl darin zu suchen, dass ich zu viel Wasser oder Glycerin genommen hatte, also einen zu dünnen Extrakt erhielt. Ich verfuhr jetzt z. B. auf folgende Weise. Die Unterkiefer von 2 Tarentula inquilina @ wurden mit einer geringen Menge destillirten Wassers übergossen und zer- quetscht. In diese Mischung legte ich die eine Hälfte des Thorax einer Schmeissfliege, deren andere Hälfte ich zur Kontrole in reines Wasser brachte. Nach 12 Stunden zeigten die Muskeln der ersten Hälfte Andeutungen von Zerfall, und nach weiteren 12 Stunden waren sie in eine zähe, breiige Masse verwandelt, während die der anderen Hälfte noch wohl erhalten waren. Denselben Versuch wiederholte ich mit den Unterkiefern anderer Arten und immer mit demselben Erfolg. — Man darf sich nieht wundern, dass hier die Wirkung eine so lange Zeit in Anspruch nimmt, während eine Spinne mit dem Aussaugen einer ganzen Fliege oft schon in weni- gen Stunden fertig ist. Denn einmal ist hier das Sekret noch konzentrirter und dann ist doch auch die mechanische Zerkleine- rung durch Quetschen und Zerreissen zwischen den Mandibeln und Maxillen nicht ausser Acht zu lassen, wodurch die Wirkung natür- lich sehr beschleunigt wird. Sonach glaube ich auch durch den Versuch die Berechtigung, die Unterkieferdrüsen als Speicheldrüsen in Anspruch zu nehmen, nachgewiesen zu haben. Verlangt man freilich von einer Speicheldrüse die Produktion eines diastati- schen Fermentes, so würde dieser Forderung in diesem Falle nicht Genüge geleistet werden: ich habe wiederholt den Extrakt einer grösseren Zahl von Unterkiefern mit Kleister längere Zeit zusammengebracht, konnte aber nie hernach Zucker nachweisen. Indessen scheint mir das auch eine zu enge Begriffsbestimmung einzuschliessen, und ich möchte hier dieselbe Frage wiederholen, die ich früher mit Rücksicht auf das Sekret des Chylusmagens aufwarf: was sollen wohl Thiere, die ausschliesslich von thierischer Nahrung leben, mit einem Ferment anfangen, das wesentlich auf Produkte des Pflanzenreiches wirkt? Aus dem Geschlechtsleben der Spinnen ist namentlich seit Menge bekannt, dass die Männchen vor und während der Begat- tung die Taster wiederholt durch den Mund ziehen und mit den Mandibeln und Maxillen an den Uebertragungsorganen ordnen, und Menge hat diesen Vorgang das Einspeicheln des Samens ge- nannt. Ich selbst habe (Versuch einer natürlichen Anordnung u.s.w. Archiv f. mikrosk. Anatomie, Bd. 24. 98 434 Ph. Bertkau: in Troschel’s Archiv XLIV, I, 8.272 f.) bei der Beschreibung der Begattung von Dysdera und Segestria eine wasserklare Flüssigkeit erwähnt, welehe aus dem Munde strömte und die ganze Gegend um die Genitalspalte benetzte. (Die traubenförmigen Drüsen, die ich damals mit der Lieferung dieser Flüssigkeit betraute, sind nichts anderes, als das schon mehrfach erwähnte grosszellige Ge- webe, das auch schon andere irre geführt hat.) Ob nun diese Flüssigkeit aus den „Speicheldrüsen‘‘ stammt, scheint mir jetzt, nach- dem wir deren Wirkung kennen, etwas zweifelhaft. Es ist wohlkaum anzunehmen, dass nicht diese Flüssigkeit auch mit den Spermato- zoen in Berührung kommt, und man kann sich dann schwer vorstellen, dass diese zartgebauten Körper dem auflösenden Einfluss des Spei- chels ohne Schaden für ihre Zukunft sollten widerstehen können. In den Unterkiefern findet sich noch ein eigenthümliches Organ, über das ich hier dasjenige mittheilen will, was ich da- rüber näher ermittelt habe. Ich habe es wiederholt, aber nicht immer, bei Amaurobius und einmal bei Micrommata gefunden. Um dasselbe zur Anschauung zu bringen, legte ich die Unterkiefer 1—2 Tage in eine dünne Lösung von doppeltehromsaurem Kali und zerzupfte sie dann. Hierbei kam es nun einige Male vor, dass ich dann an der Basis derselben, etwas vor und innerhalb der Stelle, an der die Speicheldrüsen münden, stark lichtbreehende Röhrchen auffand, die an ihrer etwas erweiterten Basis ein anderes, einer langgestreckten Glocke ähnliches Röhrehen umschlossen. Bei Untersuchung frischen Gewebes, wobei jene Röhrchen kaum erkennbar sind, sah ich nun auch, dass sie mit einer grossen ei- förmigen Zelle in Zusammenhang stehen, die ihrerseits wieder mit einer diekeren Faser zusammenhängt (Fig. 16). In dem sonst fast homogenen Inhalt der Zelle waren zwei Kugeln, eine kleinere an der Basis und eine grössere in der Endhälfte sichtbar. Ich fasse die Sache so auf, dass an einer Nervenfaser eine Ganglien- zelle sitzt, die sich in jenes Röhrchen fortsetzt, das seinerseits an einem der kleinen blassen Haare endet, die sich an der Basis der Unterkiefer finden. Ich gestehe bereitwillig zu, das es wünschens- werth wäre, an weiterem und vielleicht günstigerem Material diese Untersuchungen weiter auszudehnen, glaube aber einstweilen daran festhalten zu können, dass hier ein eigenthümliches Sinnesorgan ist, das seiner Lage nach nicht wohl etwas anderes als ein Ge- schmacksorgan sein könnte. Ueber den Verdauungsapparat der Spinnen. 435 Die bis jetzt behandelten Organe stehen in engerem Zusammen- hange mit dem Verdauungsapparat; der Drüsenkörper, zu dessen Beschreibung ich mich nun wende, wurde von älteren Anato- men auch mit demselben in Verbindung gebracht, obwohl eine solche im räumlichen Sinne nicht nachzuweisen war und auch nicht existirt: ich ‚meine die von Blanchard „glandes stomacales“ genannten Drüsen, die früher von Wasmann fraglich für Speichel- drüsen gehalten worden waren. In neuerer Zeit wurden sie von Ray-Lankester, der sogar glaubte, dass sie vorher nicht be- kannt gewesen seien, eingehender studirt und Coxaldrüsen ge- nannt, weil sie bei dea Scorpionen in der Nachbarschaft der Hüften der hinteren Beinpaare liegen; der von Ray-Lankester gewählte Name empfiehlt sich, wie weiter unten gezeigt wird, aus einem diesem selbst noch unbekannten Grunde. Was ich über diese Drüsen bisher in der Literatur gefunden habe — wobei ich mich im wesentlichen auf die echten Spinnen beschränke — ist folgendes. Wasmann erwähnt ihrer nur im Vorbeigehen, indem er die Angaben früherer Autoren über einen im Vorderleib vorkommenden Fettkörper auf die in Rede stehen- den Drüsen bezieht!). Sie liegen als eine von einer Hülle um- gebene Masse unterhalb der seitlichen Fortsätze des Ringmagens und sind mit fadenförmigen Fortsätzen an die Schienen der ersten Fussglieder befestigt. Ihr Inneres hat unter dem Mikroskop durch- aus keine Aehnlichkeit mit den Fettkörperdrüsen; es zeigt sich undeutlich zellig und körnig, ganz wie die vor der vorderen Gaumenplatte liegende Masse, und kann vielleicht wie diese Speicheldrüse sein. Doch konnte Wasmann einen Ausführungs- gang nicht auffinden (a. a. O. S. 151). — Blanchard stellt in den Abbildungen auf Pl. 14 ihre Lage in der seitlichen Aus- höhlung des Entoskelets und die sie an den Hüftgliedern der Beine befestigenden Fäden richtig dar; über ihre sonstige Be- schaffenheit erfahren wir von ihm aus der Figurenerklärung nur dies, dass er den beim Skorpion noch angewandten Namen „glandes salivaires‘“ durch gl. stomacales ersetzt hat, weil sie nicht in dieMund- höhle münden, und dass sie aus einem Canal enroul& bestehen; Plateau giebt nach Milne-Edwards’ Resume von Blanchard’s 1) Dies hat andererseits Plateau (a. a. O. S. 101) zu dem Irrthum veranlasst, die „glandes stomacales“ der Tetrapneumones seien bei den Di- pneumones durch seinen „Fettkörper‘“ vertreten, 436 Ph. Bertkau: Beschreibungen ihren Bau als den von tubes pelotonnes an (a.a.0. S. 23 Anm.). — Ray-Lankester glaubte diese Drüsen beim Skorpion (wo sie aber auch schon früher, zuerst vonMüller, dann von Blanchard gesehen und als Theil der gl. stomacales resp. salivaires gedeutet wurden) zuerst aufgefunden zu haben und er- klärte sie für das Homologon der von Packard bei Limulus be- schriebenen „brick-red ‚gland“; später fand er sie auch bei einer „Mygale“ (Proc. Roy. Soc. XXXIV S. 95 ff.). In einer späteren Arbeit (Quart. Journ. Mier. Sei. (N. 8.) Nr. XCIII S. 129 ff.) be- handelt er den feineren Bau dieser Drüse bei Limulus, den Skor- pionen und bei „Mygale“ genauer. Er fand sie auch bei „Mygale caementaria“, nicht dagegen bei Epeira diademata, und schliesst daraus, dass sie den kleinen Spinnen fehlen. Sie scheinen keinen Ausführungsgang zu besitzen, doch mögen weitere Studien einen solchen in einem früheren Lebensalter nachweisen. Zwischen den einzelnen Röhrengängen ist bei „Mygale‘ die „colloide Substanz“ ausgebreitet, die auch an einzelnen Stellen des Entoskelets vor- kommt, aber Blutgefässe fehlen zwischen denselben. Die Wan- dung des Rohres besteht aus einer äusseren Rindenschicht und Zellen mit riesigen Kernen. Ihre feinere Struktur macht es zweifellos, dass wir es in ihnen mit einem thätigen Exkretions- organ zu thun haben; die Stoffe, auf die das Drüsenepithel zu wirken hat, werden ihm durch Vermittlung des Zwischengewebes (also der „eolloid substance“ und des „lakunären Bindegewebes‘“) zugeführt und das Produkt der Sekretion ist im Lumen der Blind- schläuche angehäuft. Nachdem vor kurzem von einem Forscher wie Ray-Lan- kester eine so eingehende Darstellung dieses Drüsenapparates gegeben ist, könnte es überflüssig erscheinen, denselben nochmals näher zu schildern. Indessen hat Ray-Lankester bei seiner „Mygale‘“ von dem gröberen anatomischen Verhalten zu wenig gesagt, und meine Befunde bei Atypus weichen in einigen Punkten von seiner Schilderung ab; endlich vermisste ich die Drüse bei keiner unserer einheimischen Spinnen, bei der ich darnach suchte, fand aber hier einen von Atypus verschiedenen Bau. Aus diesen Gründen kann ich eine nochmalige genaue Beschreibung mir wohl gestatten, wobei ich mit Atypus den Anfang mache. Die beredten Drüsen liegen zu beiden Seiten des Entoskelets, und zwar in der Rinne, die von dem oberen und mittleren Seiten- Ueber den Verdauungsapparat der Spinnen. 437 flügel gebildet wird. Sie erstrecken sich von dem hinteren Ende des Cephalothorax bis auf die Höhe der Hüften des ersten Bein- paares. Ihr vorderes Ende ist ein wenig verjüngt; der übrige Theil hat überall dieselbe Dieke und entsendet drei kurze Seiten- arme nach den Hüften des 3., 2. und 1. Beinpaares. Das hintere Ende liegt gerade unter dem hinteren, in das Hüftglied des 4. Beinpaares hineinragenden Darmblindsack, diesem angeschmiegt und durch Bindegewebe mit ihm verbunden; eine Kommunikation der Lumina findet aber nieht Statt. Der ganze Drüsenkörper ist umgeben von Längs- und Ringfasern mit von Zeit zu Zeit einge- streuten Kernen; einen regelmässigen Verlauf haben diese Fasern hier aber ebensowenig wie auf dem Darme. Dieses umhüllende Gewebe tritt an den seitlichen Fortsätzen des Drüsenkörpers kelch- artig zusammen und setzt sich dann in dünne Fäden fort, die sich an die Verbindungshaut zwischen dem Rückenpanzer und den Hüften des betreffenden Beinpaares anheften. Einmal glaubte ich, in diesen Fäden die Ausführungsgänge der Drüsen sehen zu können, um so mehr, als die Stelle, an die sich der Faden an- heftet, vertieft und dunkel pigmentirt ist. Ich habe mich aber mit voller Sicherheit überzeugt, dass der in jene Kelche hineinragende Theil der Drüse geschlossen ist, und dass die Fäden selbst solide Stränge sind. Auch nach dem Darmkanal oder sonst wohin findet keine Ausmündung Statt. Die von dieser Hülle umgebene Drüse ist schlauchförmig, der lange Schlauch aber mehrere Male neben- und ineinander zu- sammengeknäuelt. An den breiteren Stellen trifft daher der Quer- schnitt 6—8 neben einander liegende und sich zwischen einander schiebende Lumina, an dem spitzen Ende sind dieselben bis auf 1—2 reduzirt. Bei Atypus ist es mir nie gelungen, den Schlauch zu entwirren und so den Beweis zu liefern, dass er wirklich nur aus einem Stück besteht; schon beim Versuch die Fasern abzu- präpapieren, wurde gewöhnlich auch die Wand des Drüsenschlauches verletzt und damit alle weiteren Bemühungen aussichtslos. Blan- chard ist beim Skorpion glücklicher gewesen, sagt aber selbst, dass die Entwirrung dieses Knäuels zu den schwierigsten Auf- gaben gehöre. Das Epithel der Drüse ist sehr eigenthümlich. Zu äusserst findet sich eine festere zusammenhängende Schicht von körniger, radiär gestreifter Substanz, an die sich nach innen eine an Flüssig- 438 Ph. Bertkau: keit reichere und nicht so deutlich gestreifte, ebenfalls körnige Schicht anschliesst, in der grosse, flache Kerne zerstreut sind. In gewissen aber nicht regelmässigen Abständen rücken letztere nach dem Lumen zu, werden rundlich oder elliptisch und um- geben sich auch auf der Innenseite mit reichlichem Plasma; an solchen Stellen ist das Plasma um einen Kern herum von den be- nachbarten deutlich geschieden, so dass man im wahren Sinne des Wortes von einer Epithelzelle reden kann. Die Kerne verdienen die von Ray-Lankester gewählte Bezeichnung: sie sind wahr- haft „riesig“, besitzen einen fein granulierten Inhalt und überall ein Kernkörperchen. Nach den blinden Enden der Drüse hin sind diese Kerne mit dem um sie abgegrenzten Plasma dichter gedrängt, und hier erscheint daher die Drüse mit einem regel- mässigen Epithel von blasenförmig in das Innere hineinragenden Zellen ausgekleidet. Der Inhalt des Drüsenlumens ist gewöhnlich eine klare, schwachgelbliche Flüssigkeit, in der man nur bisweilen kleine Granulationen entdecken kann. Ihr Verhalten gegen Lack- muspapier habe ich nicht geprüft, und kann daher über ihre saure, neutrale oder alkalische Reaktion nichts sagen. Blanchard fand beim Skorpion (a. a. 0.8. 62) eine stark saure Reaktion des von den „glandes stomacales“ gelieferten Sekretes. Hierbei ist aber zu beachten, dass er unsere Drüse noch nicht von den vorderen „utricules agglomeres“ trennte, welche letztere wieder nichts anders als die Darmausstülpungen des Cephalothorax sind. — Die klare Einsicht in den Bau dieser Drüse wird nicht wenig dadureh erschwert, dass sich die einzelnen Windungen oft schräg vor einan- der herschieben, sowie dadurch, dass die Wand oft faltenartig nach innen erhoben ist, so dass man dann in das Drüsenlumen hineinragende Balken oder Septen zu sehen glaubt. Von Farbe ist sie schwefel- bis dottergelb. Ich glaube das Verhältniss jener nur wenig über die Rindenschicht hervorragenden platten Kerne zu den rundlichen, in Zellen eingeschlossenen wohl richtig aufzu- fassen, wenn ich annehme, das erstere aus letzteren (dureh vor- übergehende? Degeneration?) hervorgegangen sind. Verglichen mit den grossen Teraphosiden nach Ray-Lan- kester's Schilderung zeigt also Atypus wesentlich folgende Ver- schiedenheiten: Zwischen den einzelnen Windungen fehlt die ‚„eol- loid substance‘“, vielmehr sind bei Atypus die Aussenwände in enger Berührung mit einander. Ich vermuthe, dass diese colloid Ueber den Verdauungsapparat der Spinnen. 439 substanece die von mir erwähnte faserige Hülle ist, die aber nur vom Rande her auf kurze Strecken zwischen die einzelnen Win- dungen eindringt. Man kann sieh den Unterschied etwa so vor- stellen, als ob bei den grossen Teraphosiden der ganze Schlauch von einer Hülle umgeben sei und dann erst zusammengeknäuelt würde, wogegen bei Atypus erst der zusammengerollte Schlauch von einer Hülle umsponnen wird. Ferner haben die grossen Te- raphosiden ein zusammenhängendes Epithel in der Drüse, wo- gegen bei Atypus Epithelzellen nur stellenweise auftreten; endlich entbehrt der Kern der ersteren des Kernkörperchens. Bei den übrigen einheimischen Arten, die ieh untersuchte, ist diese Drüse nur wenig entwickelt, am meisten noch bei Dysdera und Segestria, wo sie 2—3 Schleifen bildet, und wo auch der feinere Bau mit dem von Atypus übereinstimmt; bei Segestria vermisste ich in dem Kern das Kernkörperchen; statt dessen ent- hielt der Kern zahlreiche gröbere Granula, wie Ray-Lankester von seiner „Mygale“ zeichnet. Bei den Tristieta habe ich überall nur ein einfaches Lumen gefunden, selbst bei solchen Arten, welche Atypus an Grösse nur wenig oder gar nicht nachstehen, wie Do- lomedes, Tarentula inquilina, Tegenaria atrica. In vielen Fällen war das Drüsenlumen auf ein Minimum reduzirt und die Drüse als solche nur schwer zu erkennen; vermisst habe ich sie aber nirgends, und wenn man sich einmal mit ihrem Aussehen vertraut gemacht hat, so findet man sie auf Querschnitten immer leicht wieder, zumal bei ihrer ganz konstanten und leicht erkenn- baren Lage zwischen dem oberen und mittleren Seitenflügel des Entoskelets. Die Rindenschicht ist hier vielfach der einzige von der Drüse erhaltene Theil, an deren Oberfläche sich auch die flachen Kerne wiederfinden; zur Bildung einer Epithelzelle kommt es hier selten. Eine ganz eigenthümliche Modifikation begegnet uns in den wenigen Fällen, wo das Lumen der Drüse ein geräumiges ist, wie z. B. bei Gnaphosa lueifuga oder Dolomedes fimbriatus (Fig. 18 von Dolomedes). Hier enthält die Rindenschicht dicht gedrängt nebeneinander liegende helle, kleine Kerne und der ganze Hohlraum der Drüse ist eingenommen von einem zartwandigen Gewebe, dessen einzelne Zellen nur wenig von der Kugelform ab- weichen; ihr Inhalt ist wasserhell; bisweilen ist eine grössere Lücke in diesem Gewebe. Wie man sieht, passt dieser Bau 440 Ph. Bertkau: schlecht in das Schema einer Drüse, und ich glaube auch, dass man dieses kleinzellige Gewebe innerhalb der Rindenschicht als ein parasitisches bezeichnen kann, wenn dieser Ausdruck gestattet ist: die Rindenschicht ist das eigentliche und ursprüngliche Drüsen- epithel, neben welchem sich jenes andere später entwickelt. Zur Unterstützung der von Ray-Lankester geäusserten An- sicht, dass der Drüsenkörper einen thätigen Exkretionsapparat vorstelle, kann ich keine direkten Versuche anführen, mit Aus- nahme, dass eine Prüfung auf Harnsäure ein negatives Resultat ergab; doch will ich die nähere Umgebung desselben kurz skiz- ziren, die der Ray-Lankester’schen Meinung einigermassen günstig zu sein scheint (vgl. Fig. 4. Nur der innere obere Theil des Drüsenkörpers grenzt unmittelbar an das Entoskelet; unter ihm befindet sich ein geräumiges Blutgefäss, das bald unmittelbar auf dem mittleren Seitenflügel des Entoskelets ruht, bald durch die sich an denselben inserirenden Muskeln davon abgedrängt wird. An den übrigen Seiten befinden sich z. Th. auch Muskeln, z. Th. aber auch jenes schon mehrfach erwähnte grosszellige Bindegewebe, das lakunäre Bindegewebe Ray-Lankester's. Dasselbe stellt eine Verbindung zwischen den Darmblindsäcken, unserer Drüse und dem erwähnten Blutgefässe her, und es schien mir manchmal so- gar, als ob aus letzterem feine Zweige in jenes Gewebe hinüber- führten; auf diese Weise wäre dann der Weg, wie dem Drüsen- epithel die Stoffe, auf die es zu wirken hat, zugeführt werden, etwas genauer vorgezeichnet. Wie schon oben angeführt, gelang es mir nicht besser als Was- mann und Ray-Lankester einen Ausführungsgang dieser Drüse bei erwachsenen Exemplaren aufzufinden;; bei ganz jungen Thieren ist ein solcher aber vorhanden. Exemplare von Atypus piceus, die ich im Januar noch im Eiersack eingeschlossen und in der Wohnröhre von der Mutter bewacht ausgegraben hatte, wiesen einen Ausführungsgang auf, der nahe der Unterseite in der Verbindungshaut zwischen Brust- platte und dem Hüftglied des dritten Beinpaares, und zwar hinter demselben ausmündete (Fig. 19). Die Drüse zeigt hier bereits den geknäuelten ‚Verlauf und weist auf den mehr nach vorn gerückten Querschnitten 7—8 Lumina dicht neben einander auf (Fig. 20). Das Epithel ist bei diesen jungen Thieren ein regelmässiges Pflasterepithel, der Inhalt der Zellen fast klar, doch bemerkt man bereits an der Aussenseite eine Schicht von Granulationen, die Ueber den Verdauungsapparat der Spinnen. 441 sich später wohl zu der Rindenschieht vergrössert. In der Um- sebung der Drüse ist zellig-faseriges Bindegewebe entwickelt, das sowohl an der Rückenhaut des Cephalothorax als auch nach der oberen Seite der Hüfte hin eine Art von Aufhängeband bildet und im übrigen den Drüsenkörper in toto umhüllt. Ohne Zweifel gehen aus diesem Gewebe die ihn auch später noch umkleidenden Fa- sern hervor. Es ist auch unschwer zu erkennen, dass beim weiteren Wachsthum des Thieres die Drüse mitwächst, aber ohne dass ihre Zellen eine Vermehrung erfahren. In Folge dessen rücken sie aus einander, sie wachsen, die Zellgrenzen verwischen sich hier und da, und an der Aussenseite schreitet die Ablagerung der körnigen Sub- stanz fort, welche die Rindenschicht bildet; auf diese Weise gewinnt dann die Drüse das eigenthümliche Aussehen, das sie im späteren Alter zeigt. — Halbwüchsige Exemplare von Atypus Hessen mich den Ausführungsgang bereits vermissen, jüngere sind aber schwer auf- zufinden, und so kann ich denn nicht angeben, in welchem Alter der Ausführungsgang obliterirt. Auch darüber, ob in noch früherem Alter auch an den Hüften der übrigen Beinpaare solche Ausführungs- gänge vorhanden sind, und wie sich in dieser Hinsicht die Tri- stieta verhalten, kann ich keine Mittheilung machen. Dagegen will ich noch erwähnen, dass ich auch bei jungen, noch schneeweissen Exemplaren von Euscorpius italieus, die ich Anfangs September während eines kurzen Aufenthaltes in Tirol bei Ratzes auf ihrer Mutter sitzend sammelte, diese Drüse am Hüftglied des dritten Beinpaares ausmünden zu sehen glaubte; da aber die Exemplare während der Reise durch den zu schwachen Alkohol stark ge- litten hatten, so wage ich dies nicht mit Sicherheit zu behaupten. Ohne Zweifel haben wir es nach allem, was wir bis jetzt über diese Drüsen wissen, mit einem embryonalen Organ zu thun, und zwar mit einem solchen, das, da es sein Sekret einfach nach aussen schafft, als Exkretionsorgan (im weiteren Sinne des Wortes) zu bezeichnen ist. Vielleicht deuten auch die an den übrigen Hüften, namentlich des 2. und 1. Beinpaares sich wieder- holenden Ausbuchtungen eine segmental wiederkehrende Ausmiün- dungsstelle an, in welchem Falle die schon von Ray-Lankesterver- suchte Deutung dieser Drüse als Homologon der Segmentalorgane des Peripatus näher gelegt wäre. Freilich ergab eine Prüfung auf Harn- säure u.s. w. auch bei jungen Thieren ein negatives Resultat, dem aber bei der geringen Menge der untersuchten Substanz — der 442 Ph. Bertkau: ganze Cephalothorax eines Jungen Atypus ist kaum Imm lang — kein zu grosses Gewicht beizulegen ist. Man könnte sich denken, dass diess Drüse in ihrer Thätigkeit später durch die Malpighi’- schen Gefässes des Hinterleibes abgelöst werde, wofür spricht, dass die Organe des Cephalothorax viel früher angelegt werden und fertig sind, als der im Hinterleib gelegene Theil des Darm- kanals. Freilich ist dabei auch wieder zu bemerken, dass zu der Zeit, wo bei den Coxaldrüsen der Ausführungsgang noch vorhanden und geöffnet ist, die Malpighi’schen Gefässe bereits ihre exkretori- sche Thätigkeit begonnen haben. Ob unter diesen Umständen die Anschauung Ray-Lankester’s noch aufrecht zu halten ist, derzu- folge dieser Drüse auch bei erwachsenen Thieren noch eine Be- deutung für das Leben zukommt, könnten nur Versuche entscheiden, welche sich mit ihrem Inhalt zu beschäftigen hätten und bei grossen Arten am leichtesten anzustellen wären. Kehren wir jetzt wieder zum eigentlichen Verdauungsapparat zurück. Der Vorgang der Nahrungsaufnahme ist folgender: Die Spinne nimmt nur flüssige Nahrungsstoffe auf, indem sie mittels des Sekretes ihrer Drüsen die Muskeln u. s. w. ihrer Opfer auflöst. Hierbei kommen in erster Linie die Speicheldrüsen der Unterkie- fer in Betracht, von denen ich gezeigt habe, "dass ihr Sekret eine auflösende Wirkung auf Muskeln ausübt; vielleicht hat die Ober- lippendrüse eine ähnliche Wirkung. PBeschleunigt wird die Auf- lösung der festen Nahrungsstoffe durch die rein mechanische, quetschende und zerrende Thätigkeit der Mundtheile, Ober- und Unterkiefer. Durch diese Thätigkeit werden die von der Spinne sefangenen Insekten u. s. w. in eine breiige Masse verwandelt, welche aufgesogen wird, wobei nur die Chitintheile zurückbleiben. Beim Sauggeschäft wirkt als der wichtigste Theil der Saugmagen. Auch die Mundhöhle ist durch die Bewegung der Maxillen, durch die Kontraktion der an die Gaumenplatte sich inserirenden Mus- keln einer Volumveränderung fähig, welche beim Vorgang der Nahrungsaufnahme auch wohl zur Verwendung kommt. Auf die hierdurch und z. Th. auch nur durch die Kapillarität in die Mund- höhle aufgestiegene Flüssigkeit wirkt nun der Saugmagen während seiner Erweiterung als Saugpumpe. Am ausgiebigsten ist diese Erweiterung durch die Entfernung der Seitenwände von einander, welche Entfernung durch Kontrak- tion der sich an dieselben und an die Innenfläche des Entoskelets Ueber den Verdauungsapparat der Spinnen. 445 inserirenden Muskeln bewirkt wird. Man braucht nur einen Blick auf Fig.4 (von Atypus) oder 5 (von Marptusa muscosa) zu werfen, um die bedeutende Volumvergrösserung bei einer Kontraktion dieser Dilatatoren sich anschaulich zu machen; geringer ist dieselbe in den Fällen, wo, wie z. B. bei Coelotes, Fig. 6, die Seitenwände des Saugmagens schon im Ruhezustande einen bedeutenden Abstand haben. Wo die von der Rückenseite her sich an die Rickenwand des Saugmagens anheftenden Fasern kontraktil sind, da werden sie beim Sauggeschäft ebenfalls in Thätigkeit treten und den Hohl- raum des Saugmagens durch Heben der Rückenwand vergrössern. Aber auch wo sie sich nieht in aktiver Weise beim Saugen bethei- ligen, sind sie doch wesentlich, indem sie die Rückenwand fest- halten und ein weiteres Vordringen derselben nach unten verhin- dern. Auf die Erweiterung des Saugmagens folgt dann seine Ver- engerung, die beim Nachlassen der Muskeikontraktion schon in Folge der Elastizität seiner Wandung eintreteten muss. Ob die- selbe aber ausreichen würde, um den Inhalt mit der nöthigen Kraft in den Darm hineinzupressen, ist wohl sehr fraglich. Jedenfalls ist noch in weit wirksamerer Weise durch die Ringmuskeln vorgesehen, die bei ihrer Kontraktion das Volum des Saugmagens verringern und seinen Hohlraum fast auf Null reduziren werden. Hierbei ist es noch von Vortheil, dass der Saugmagen hinten über- haupt sehr eng äst und dass sich der Mitteldarm mit einer ampullen- _ artigen Erweiterung an ihn anfügt. Natürlich hat man sich sowohl den Vorgang der Kontraktion als auch des darauf folgenden Er- schlaffens der Seiten- und Ringmuskeln von vorn nach hinten fort- schreitend zu denken, wobei eine Kontraktionswelle nach der anderen den Saugmagen entlang läuft. Hierzu braucht die Spinne, wie man bei durchscheinenden Arten, Mierommata z. B., sehen kann, keine Sekunde, und diese rhythmischen Bewegungen wieder- holen sich namentlich beim Trinken in ununterbrochener Folge, so dass trotz der Enge des Schlundes selbst ein grösserer Tropfen innerhalb 2—3 Minuten aufgesogen ist. Die Bedeutung der als Dilatatoren bezeichneten Muskeln hat zuerst Wasmann (a. a.0.S. 143) richtig erkannt, während ihm die Kompressoren, die Ringmuskeln, noch unbekannt blieben; letztere werden zuerstvonSchimkewitsch erwähnt (a.a. 0. S.236). Sonder- barer Weise fasst Plateau, der die Ringmuskeln auch nicht gesehen hat, nur den an die Rückenwand des Saugmagens sich anheftenden 444 Ph. Bertkau: Muskel als Dilatator auf und schreibt den Seitenmuskeln die Rolle von Kompressoren zu (a. a. O. S.29). Veranlasst wurde er hierzu wahrscheinlich dadurch, dass er glaubte, dieselben setzten sich im Umkreis an die Unterseite der Rückenwand an und zögen dieselbe abwärts. Aber auch bei dieser thatsächlich irrigen Ansicht von dem Verlauf dieser Muskeln kann ich mich schwer in die Vor- stellung Plateau’s hineinversetzen und habe schon in meinem Refe- rat (Bericht über die Leistungen im Gebiete der Arthropoden i.J. 1877 und 1878 in Troschel's Archiv XLIV. Il. S.311 [93]) mein Bedenken durch ein Fragezeichen ausgedrückt. Ein Querschnitt durch eine beliebige Art genügt übrigens, um die Frage in ein- fachster Weise klar zu stellen und von der Richtigkeit meiner obigen Darstellung des Vorganges zu überzeugen. Zum Schluss möchte ieh noch auf einige Folgerungen auf- merksam machen, die sich aus den gewonnenen Resultaten für das natürliche System, zunächst der Spinnen und Arachniden, dann aber auch der Arthropoden im Allgemeinen ergeben. Ich habe mich schon vor mehreren Jahren (Versuch einer natürlichen Anordnung der Spinnen u. s. w. in Troschel’s Archiv XLIV. 1.8. 351ff.) gegen das namentlich bei den speziellen Araneo- logen zu Tage tretende Bestreben ausgesprochen, die früheren „Tetrapneumones“ als eine den „Unterordnungen“ der „Dipneu- ınones“, den Orbitelariae, Retitelariae u. s. w. gleiehwerthige syste- matische Abtheilung hinzustellen, indem ich auf die Verschieden- heiten in wichtigen Organen, namentlich den Geschlechts- und Atlımungsorganen, hinwies, die den ersteren gegenüber den letzteren gemeinsam sind. An diesen Verschiedenheiten nehmen aber, wie ich dann ferner zeigte, auch die bisher zu den „Di- pneumones“ gestellten Dysderiden Theil, die ich daher mit den Tetrapneumones vereinigte. Um den prinzipiell verschiedenen Umfang dieser neuen Gruppe gegenüber dem alten Stamme der Tetrapneumones auch durch den Namen zum Ausdruck zu bringen, liess ich die alte Bezeichnung fallen und ersetzte sie durch Tetrastieta, welche auch aus dem Grunde den Vorzug verdient, weil sie über die Beschaffenheit der Athmungsorgane, ob Fächertracheen (unpassend bisher als Lungen bezeichnet), ob Röh- rentracheen, nichts aussagt. Ihnen stellte ich die alten Dipneu- mones mit Ausschluss der Dysderiden als Tristieta gegenüber, wobei ich natürlich die durch weitere Eintheilung der letzteren Ueber den Verdauungsapparat der Spinnen. 445 gewonnenen Abtheilungen als systematische Kategorien niedereren Grades als einer Unterordnung erklären musste. Von den beiden einzigen Unterordnungen der Spinnen nun sah ich ferner die der Te- trastieta als die ursprünglichere, d. h. ältere an, und gab für diese Ansicht auch meine guten Gründe (S. 404). Das Verhalten der Coxaldrüse ist ein weiterer Beweis einmal für die Zusammen- gehörigkeit der Tetrastieta im obigen Sinne und dann für deren niedrigere Stellung im System. Denn da die Coxaldrüsen ein embryonales Organ und bei den Tristieta stärker rückgebildet sind als bei den Tetrastieta, so folgt daraus der ursprünglichere Zustand der letzteren. Es ist mit ihnen in dieser Hinsicht ähnlich wie mit den Geschleehtsorganen: Die in der Anlage unpaarigen Ge- schlechtsdrüsen werden bei den Tristieta durch fortschreitende Spaltung paarig, indem nur die Ausmündungsstelle mit dem kurzen Ende der Ausführungsgänge gemeinsam bleibt; bei den Tetrastieta bleibt der Vorgang der Spaltung früher stehen und damit die Ring- form der Drüsen wie bei niederen Arachniden erhalten. Unter den Arthropoden ist die systematische Stellung der Pa»topoden und Poecilopoden mit mehr oder weniger Lebhaftig- keit strittig gemacht worden, indem die einen Forscher die genann- ten Thiere zu den Arachniden, die anderen zu den Crustraceen zählten. Die Ansichten der beiden Zoologen, die sich in jüngster Zeit am eingehendsten mit der Anatomie und Entwickelungsge- schichte der Pantopoden beschäftigt haben, gehen sogar dahin, dass dieselben keiner der beiden genannten Klassen unterzuordnen seien, sondern eine den übrigen gleichwerthige Klasse der Arthro- poden bilden (Hoek) oder gar den Rang einer noch höheren syste- matischen Kategorie einnehmen (Dohrn), und bei der Begründung dieser Ansicht wird auch viel, wenn nicht das grösste Gewicht auf die Bildung der Mundwerkzeuge, namentlich den „Schnabel“ gelegt. Der Mund der Pantopoden ist indessen gar nicht so sehr von dem der Spinnen verschieden; der von mir als Mundhöhle bezeichnete Theil des Verdauungskanals ist das Homologon der inneren Höhle des Schnabels, und man kann sogar in der Bewaff- nung der Gaumenplatten eine Andeutung des „Reusenapparates“ sehen. Der dem Schnabel entsprechende Theil des Spinnenmundes würde ebenfalls frei hervorragen, wenn nicht das Basalglied des zweiten Extremitätenpaares, die sog. Maxillen, in den Dienst der Nahrungsaufnahme gezogen, mit den Gaumenplatten eine innigere 446 Ph. Bertkau: Verbindung eingegangen wäre. Man braucht sich übrigens nur vorzustellen, dass die Unter- und Oberlippe des Spinnenmundes sich noch etwas verlängere, und der Pyenogonidenschnabel mit seinen Muskeln u. s. w. ist fertig, — DBeiläufig möchte ich mich hier auch dagegen aussprechen, die Unterlippe der Arachniden als das Aequivalent eines Segmentes anzusehen und demnach den Arachniden im Allgemeinen 7 ausgebildete Segmente des Ce- phalothorax zuzuschreiben; es sind deren nur 6 anzunehmen. Ob der „Eierträger“ der Pantopoden wirklich als siebentes Extremi- tätenpaar auch ein selbständiges Segment beansprucht, mag hier unerörtert bleiben; aber selbst wenn man diese Frage bejahen müsste, so würde damit gegen die Arachnidennatur der Pantopoden noch nichts bewiesen. Aehnlich wie über die Pantopoden sind auch über die syste- matische Stellung der Poecilopoden getheilte Ansichten laut ge- worden. Während die früheren Forscher sich damit begnügten, auf die Arachnidenähnliehkeit der Gliedmassen bei diesen und den ihnen genäherten fossilen Eurypteriden hinzuweisen, wurde in neuerer Zeit von van Beneden und namentlich von Ray-Lan- kester Limulus geradezu für eine Arachnide erklärt. Soweit die Gliedmassen des Cephalothorax in Betracht kommen, ist die Uebereinstimmung mit Arachniden, namentlich solchen mit „Scheeren- mandibeln“ unverkennbar und auch wichtig genug, um für die Systematik verwerthet zu werden. Was aber sonst noch geltend gemacht ist, z. B. die Homologie der zusammengesetzten Augen des Limulus mit den Seitenaugen der Skorpione und der einfachen Augen der ersteren mit den Rückenaugen der letzteren, verdient nicht das Gewicht, das ihm von Ray-Lankester beigelegt ist, da die Entwickelung der Krebse ebenfalls mediane oder paarige einfache Augen neben zusammengesetzten seitlichen kennt. Man könnte sogar aus der Beschaffenheit der Augen einen Grund gegen die Zusammengehörigkeit von Limulus und Arachniden herleiten, wenn eben solchen in ihrer Ausbildun® so sehr schwankenden Organen ein entscheidender Werth bei der Beurtheilung funda- mentaler systematischer Fragen einzuräumen wäre. Bei Limulus sind nämlich die einfachen Augen fast verkümmert, die zusammen- gesetzten dagegen wohl ausgebildet; bei den Arachniden dagegen sind die ersteren entweder die einzigen, wie z. B. bei den Opilio- nen, oder doch vollkommener ausgebildet als die Seitenaugen, Ueber den Verdauungsapparat der Spinnen. 447 wie z. B. bei den Tetrasticta, den Skorpionen. — Auch die Coxal- drüse liefert in meinen Augen keinen vollgütigen Beweis für eine nähere Verwandtschaft des Limulus mit den Arachniden, sondern nur dafür, dass beide in dieser Hinsicht ein altes Erbtheil gemein- sam beibehalten haben;‘ wie es übrigens mit den Phyllopoden steht, bleibt noch zu untersuchen. Die Gliedmassen des Hinterleibes bei Limulus sprechen eben so beredt für eine Verwandtschaft mit den Crustaceen, wie die des Vorderleibes in ihrer speziellen Ausbildung auf die Arachni- den hinweisen. Nun hat zwar Ray-Lankester in den „Kämmen“ der Skorpione und ihren 4 Paaren von Fächertracheen die Homo- loga eben so vieler Beinpaare des Limulus gesucht, und Mae Leod hat sogar den Versuch gewagt, die Fächertracheen (und Tracheen überhaupt!) der Arachniden zu Kiemen zu machen (Archives de Biologie V); indessen erheben sich gegen eine Ho- mologisirung der inneren Fächertracheen der Arachniden mit den äusseren Körperanhängen der Crustaceen im Allgemeinen und gegen die Herleitung der ersteren von den Kiemen des Li- mulus im Besonderen so schwer wiegende Bedenken, dass ich diese Ansicht beim besten Willen nicht theilen kann. Indem ich eine ausführliche Beleuchtung der von Mac Leod vorgebrachten Anschauungen auf eine andere Gelegenheit ver- schiebe, will ich nur auf den Mangel einer zweiten Kutikula hin- weisen, die bei dem Hineinrücken der Kiemen in das Innere des Körpers vorhanden sein müsste; ferner auf die Schwierigkeit, die die Chernetiden, einige Opilionen u. s. w. mit ihren Spiracula cri- briformia bieten, die den entsprechenden Organen der Myriopoden ganz gleich gebildet sind, aber eine total verschiedene Entstehungs- weise haben sollen. Durch die schwankende Stellung des Limulus und der Panto- poden scheint mir nur das eine bewiesen zu werden, dass der Ab- stand zwischen Crustaceen und Arachniden geringer ist als zwi- schen diesen beiden und je einer anderen Klasse der Arthropoden; Limulus im Besonderen nähert sich dem, was man einen „synthe- tischen“ Typus genannt hat. Die Eintheilung der Arthropoden in Branchiaten (oder Caridina) und Tracheaten ist daher eine künst- liche; mit Rücksicht auf Bau und Gliederung sind vielmehr die Krebs- und Spinnenthiere einerseits und die Tausendfüsse und Insekten andererseits näher mit einander verwandt. 448 Ph. Bertkau: Nachschrift. Aus dem diesjährigen September-Heft der Annals a. Magazine of Nat. Hist. ersehe ich, dass Schimkewitsch eine weitere Ausführung seiner vorläufigen Mittheilung über die Anatomie von Epeira in den Annales des Seiences naturelles, Zool., (Ser. VI) tome X VIIhaterscheinen lassen. Die Schlussfolgerungen, zu denen der Verfasser auf Grund seiner Studien gelangt ist, stimmen nach der in den Ann. a. Mag. abgedruckten Zusammenfassung in manchen Beziehungen mit den meinigen überein; die Originalabhandlung habe ich noch nicht einsehen können. Bezüglich der Prioritäts- frage verweise ich auf meinen am 4. Juni vor der 41. General- versammlung des Naturh. Ver. d. preuss. Rheinlande und West- falens in Mülheim a. d. Ruhr gehaltenen und im Correspondenzblatt S. 66 ff. abgedruckten Vortrag. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XX u. XXI. Fig. 1. Sagittalschnitt von Atypus, linke Körperhälfte. Der Verdau- ungskanal ist ganz gezeichnet. Von den Muskel- resp. Faserbündeln, die sich an ihn anheften, ist das breitfächerförmige, sowie das schmale am Anfang des Schlundes gezeichnet; ferner das an die Rückenwand des Saugmagens sich anheftende. Im Hinterleibe ist der Darm nach allen Richtungen hin gleichmässig von seinen Aus- stülpungen (Chylusmagen) umgeben. Die unpaare vordere, gleich hinter dem Cephalothoraxstiel unten entspringende hat nur wenige Verzweigungen und erreicht in der Nähe der Genitalspalte ihr Ende. An der stark erweiterten höchsten Stelle des Darmes sieht man die beiden Oeffnungen zu dem linken Paar der Hauptausstülpungen, von denen zahlreiche Seitenzweige zweiter und höherer Ordnung durch den Schnitt getroffen sind. Am Ende des Darmes, vor dem After, liegt über ihm die geräumige Kloake, in die er an ihrer Unterseite einmündet. Unter der Masse der Darmausstülpungen, zwischen dieser und der Bauchhaut, liegen die Spinn- und Geschlechts- drüsen, welcher letzteren vereinigter Ausführungsgang sichtbar ist; noch unterhalb und ganz getrennt von diesem liegt der Eingang zu den Samentaschen, von denen zwei gezeichnet sind. Unter der Rücken- haut bemerkt man das Herz, dessen vordere Aorta noch ein Stück weit in den Cephalothorax zu verfolgen ist. Ueber dem Saugmagen u Fig. 2. Ueber den Verdauungsapparat der Spinnen. 449 gabelt sie sich in zwei Aeste, die innerhalb der vorderen Darmblind- säcke nach vorn verlaufen, sich am Gehirn senkrecht nach unten wenden und hier in einen geräumigeren Sinus einmünden, von dem aus ein Gefässpaar oberhalb des Bauchmarkes nach rückwärts, ein zweites, sich weiter verzweigendes nach vorne läuft. Von den Mittel- darmblindsäcken des Cephalothorax sind nur zwei gezeichnet; links von dem vorderen derselben sind die Coxaldrüsen angedeutet. In der Oberlippe die Oberlippendrüse, darunter der Querschnitt des Quermuskels und das eigenthümliche Bindegewebe. Oberhalb und unterhalb des Schlundes das durchschnittene Centralnervensystem, umgeben von dem Bindegewebe der Brust. — Vom Schlunde an ist der Schnitt im Cephalothorax nicht ganz in der Sagittalebene gedacht, sondern etwas seitlich, um die Blinddärme und die Coxaldrüsen zu ‘erhalten. Hinteres Stück des Oesophagus mit Saugmagen und An- fang des Mitteldarmes von Atypus, von oben gesehen. Mus- keln, Nervensystem u. s. w. sind beseitigt; rechterseits die Coxal- drüse mit ihren 3 Aufhängebändern. Saugmagen und Anfang des Mitteldarmes von Atypus, etwas schräg von der Seite gesehen. Die Blinddärme sind nicht gezeichnet. Querschnitt durch den Cephalothorax von Atypus in der Gegend der Rückengrube. In der Mitte das Entoskelet mit seinen 3 Paar von Fortsätzen. Oben in der Mulde der Saugmagen mit seinen Seiten- und Ringmuskeln und den an die Rückenwand sich anheftenden Fasern. Beiderseits oben die querdurchschnittenen vor- deren Blinddärme, ausserhalb dieser die Coxaldrüsen, unter denen ein grösseres Blutgefäss sichtbar ist. Unter dem Entoskelet der untere Theil des Centralnervensystems, von Bindegewebe umhüllt. Querschnitt durch den Cephalothorax von Marptusa mu- scosa; es sind ausser dem Saugmagen nur das Entoskelet und die Muskeln gezeichnet. Querschnitt durch den Cephalothorax von Coelotes Atro- pos, obere Hälfte. Beiderseits oben neben dem Saugmagen zunächst die Durchschnitte der beiden Aeste, in die sich die vordere Aorta oberhalb des Saugmagens spaltet, weiter ausserhalb der Ringmagen, der hier noch innerhalb der Seitenflügel des Entoskelets liegt, weiter nach vorn aber sich ausserhalb derselben begiebt. Zwischen dem oberen und mittleren Seitenflügel des Entoskelets, welches letztere sich hier noch mit einem besonderen Arm an die Rückenplatte anheftet, zu innerst die kleinen Coxaldrüsen über einem Blutgefäss; ausserhalb die Stücke eines Längsschnittes von einem zu den Beinen gehenden Darmblindsack. Unter dem Entoskelet jederseits ein Blutgefäss auf Archiv f. mikrosk, Anatomie. Bd. %, 29 450 Fig. 9. Fig. 10. Fig. 11. Fig. 13. Fig. 14. Ph. Bertkau: dem Bauchmark liegend; dasselbe kommt aus dem bei Atypus erwähn- ten Sinus. Stück des Saugmagens von Atypus im Querschnitt, um die Art des Zusammenhanges der Muskeln des ersteren mit den Hypo- dermiszellen zu zeigen; stärkere Vergrösserung. Vorderer Theil des „Ringmagens“ von Dolomedes fimbria- tus quer durchschnitten. Man sieht zu innerst die hohen Epithel- zellen, dann querdurchschnittene Längsfasern und Ringfasern; ausser- halb dieser doppelten Faserschicht eine der „Serosa* entsprechende Zellschicht, die mit dem lakunären Bindegewebe des Fettkörpers in Zusammenhang steht. Ein Stück des Chylusmagens von Atypus. Oben ein Haupt- gang mit breiten niederen Zellen, darunter zwei kleinere Gänge mit den höheren Zellen von beiderlei Art, eingehüllt in das Zwischen- gewebe; die Malpighi’schen Gefässe in letzterem sind nicht gezeich- net. — Die Zeichnung ist insofern schematisch, als die kleinen Gänge schon mehr den Charakter der der Aussenfläche genäherten blinden Enden tragen und als der Uebergang von dem mit den kleinen Kugeln erfüllten Zwischengewebe zu dem an Inhalt fast freien ein plötzlicher ist. Sagittalschnitt durch die Oberlippendrüse von Atypus; zu starke Vergrösserung. Öberlippeund Unterkiefer von Amaurobius ferox von oben gesehen. An der Oberlippe bemerkt man die von einem viereckigen Lappen bedeckte Einstülpung, welche zur Oberlippendrüse führt; die Behaarung ist nur theilweise gezeichnet. Der rechte Unterkiefer ist ein wenig zur Seite geschlagen und lässt an seiner Innenseite die „Siebplatte* mit etwa 20 Oeffnungen erkennen. . Längsschnitt durch den Unterkiefer von Atypus, nahe der Innenseite; schwache Vergrösserung. Die obere Seite ist fast ganz von Speicheldrüsen eingenommen, die z. Th. im Längsschnitt, z. Th. schief getroffen sind. Im vorderen Theile der Unterkiefer werden sie kleiner; die Hypodermis hat hier den Charakter eines hohen Cy- linderepithels; an der Unterseite ist sie mehr nach dem Schema des zellig-blasigen Gewebes entwickelt (Fig. 12a stärker vergrössert). Im vorderen Ende des Unterkiefers ist der grosse Blutraum; der übrige Raum ist neben einigen Muskeln von dem eigenthümlichen Bindegewebe eingenommen. Querschnitt durch die Unterkiefer von Ocyale mirabi- lis £‘ vor der letzten Häutung. Es sind 6Speicheldrüsen getroffen, umgeben von starken Blutgefässen. Die Hypodermis ist auch hier als hohes Cylinderepithel entwickelt und enthält die räthselhaften (Chitin-?) Kapseln. Eine der Drüsen stärker vergrössert. a isolirte Sekretzelle. Ueber den Verdauungsapparat der Spinnen. 451 Fig. 15. Ohrförmige Siebplatte von Philaeus chrysops ©. Fig. 16. Sinnesorgan aus dem Unterkiefer von Amaurobius ferox. Fig. 17. Stück der Coxaldrüsen von Atypus. Oben ist das Stück eines Schlauches von aussen gesehen, mit seinen Fasern an der Ober- fläche, die sich zuletzt zu einem Ligament vereinigen; unten sind 2 Windungen quer durchschnitten. Fig. 18. Querschnitt der Coxaldrüse von Dolomedes fimbriatus. Fig. 19. Querschnitt der Coxaldrüse eines ganz jungen Atypus mit Ausführungsgang hinter der Hüfte des dritten Beinpaares. Fig. 20. Eben solcher Querschnitt aus dem vorderen Theile des Cephalothorax. Zur Frage über den Bau der Retina bei Triton cristatus. Von Dr. med. Alexander Dogiel. (Aus d. histolog. Liaborat. der Universität zu Kasan.) Hierza Tafel XXII Bereits Landolt!) fand im Jahre 1871, als er den Bau der Retina bei den Salamandern und Tritonen untersuchte, dass als Be- standtheile der Stäbehenschicht (Schieht der Sehzellen W. Müller’s) bei den genannten Amphibien ausser den Stäbehen und Zapfen noch andere eigenthümliche Bildungen auftreten, die er „kolbenförmige Körper“ nannte. Die eben erwähnten Bildungen stehen nach Landolt in un- mittelbarem Zusammenhange mit dem Stützgewebe der Granulosa externa (äussere granulirte Schicht) und haben mit Nerven nichts gemein. Nach seiner Beschreibung erscheinen die kolbenförmigen Körper stets granulirt, enthalten nicht selten einen kleinen Kern 1) Archiv f. mikroskop. Anatomie Bd. VII. p. 88. 1871. 452 Alexander Doseiel: und erscheinen manchmal doppelt, d. bh. ein einzelnes Kölbehen weist in der Mitte eine Einsehnürung auf und hat demzufolge das An- sehen eines Doppelkolbens. Emery!) zeigte zuerst, dass die von Landolt beschriebenen kolbenförmigen Körper den nervösen Bildungen zuzurechnen sind. Er fand bei Untersuchung der Retina vom Salamander, Axolotl und von Tritonen, dass zweierlei Arten von Kernen als Bestand- theile der inneren Körnerschicht (Ganglion retinae — W. Müller’s) auftreten: die einen liegen der inneren granulirten Schicht an, kaben keinen peripherischen Fortsatz, sind nicht nervöser Natur und entsprechen den Elementen, welche nach Babuchin die Schicht des Neuro-Spongium bilden (Spongioblasten-Zellen W. Müller’s). Die übrigen Kerne der inneren Körnerschicht haben sämmtlich je zwei Fortsätze: einen dünnen centralen und einen mehr dieken pheripherischen Fortsatz, der mit dem kolbenförmigen Körper Landolt’s endet. Die kolbenförmigen Körper liegen zwi- schen den Kernen der äusseren Körnerschicht und reichen nahezu bis an die m. ]. externa. Hoffmann?) hält, ähnlich Emery, die kolbenförmigen Kör- per für nervöse Gebilde und nimmt an, dass nur diejenigen inne- ren Körner, welehe fast unmittelbar unter der äusseren granulirten Schicht liegen, in die kolbenförmigen Körper auslaufen. Letzterzeit rechnet auch Ranvier?) gleich den beiden letzt- genannten Forschern die kolbenförmigen Körper Landolt’s zu den nervösen Gebilden; er nahm zuerst wahr, dass an der Stelle, wo das innere Ende des Kolbens durch die äussere granulirte Schicht hindurchtritt (plexus basal), sich an demselben Unebenheiten (irr6gularites) finden, die, wie es scheint, Bestandtheile der äusseren granulirten Schicht bilden. Schwalbe*) hält die kolbenförmigen Körper Landolt’s nur 1) La terminazione del nervo ottico nella retina dei batracii urodeli. Estratti degli atti della societa Italiana dei seienze naturali. Vol. XVIH. p- 12 (Jahresberichte Bd. V. Literatur 1876). 2) Ueber den Bau der Retina bei Amphibien und Reptilien. 3) Traite technique d’Histiologie p. 959. 1882. 4) Lehrbuch der Anatomie der Sinnesorgane. Von Dr. G. Schwalbe. Erste Lieferung. p. 109. 1883. Zur Frage über den Bau der Retina bei Triton cristatus. 453 für Reste abgerissener Sehzellen, während Kuhnt dieselben für Uebergangsformen zwischen Stäbehen und Zapfen ansieht, die zur Regeneration dieser letzteren bestimmt sind. Angesichts der einander widersprechenden und unvollständigen Angaben, die wir betreffs der kolbenförmigen Körper Landolt’s in der Literatur finden, suchte ich sowohl die Natur der genannten Gebilde genauer zu studiren, als auch das Verhältniss derselben zu den Sehzellen und der Schicht der Nervenansätze klar zu stellen. Zum Studium dieses Gegenstandes forderte mich auch noch der Umstand auf, dass die Kolben, soviel dies nach der Beschreibung zu beurtheilen ist, den von mir!) in der Retina der Knorpelfische beschriebenen freien Endigungen des Sehnerven sehr nahe stehen. Die Hauptmasse der Schicht des Ganglion retinae (innere Körnerschicht) wird beim Triton, ähnlich wie auch bei anderen Thiergattungen, von den Nervenzellen gebildet, welche fast von allen Beobachtern „bipolare Nervenzellen‘ genannt werden. Diese Zellen haben eine längliche oder rundliche Form, eine bedeutende Grösse und bestehen aus einem grossen feingranulirten Kerne mit mehreren Kernkörperchen und einer mehr oder weniger bedeuten- den Masse heller, leicht granulirter Zellsubstanz, die sich vorzugs- weise an dem äusseren und inneren Pole der Zelle lagert (Fig. Ba bxe,d..) Ein Theil der Nervenzellen des Ganglion retinae liegt derart, dass der äussere Theil der Zelle, beiläufig '/, oder 1/, derselben, in die Schicht der Nervenansätze hineinragt und den kegelförmigen Anschwellungen fast dicht anliegt, in welche die Innenglieder oder Füsschen (falls sie vorhanden) der Stäbehen und Zapfen?) aus- laufen (Fig. 2a,c,d..., Fig. 13); ein anderer Theil der Nerven- 1) Die Retina d. Ganoiden. Arch. f. mikroskop. Anatomie Bd. XXI. 1883. 2) In der Retina von Triton gehen die inneren Enden der Sehzellen direct in die kegelförmigen Anschwellungen über, deren Basis der Aussen- fläche der Schicht der Nervenansätze anliegt. Nur in den centralen Theilen der Retina gehen die Innenglieder einiger Sehzellen in mehr oder weniger kurze, mit kegelförmigen Anschwellungen versehene Füsschen über. 454 Alexander Dogiel: zellen liegt unmittelbar unter der genannten Schicht (Fig. 2, d, Fig. 3, Fig. 4), während hingegen die übrigen Nervenzelien sich in verschiedener Entfernung von der Schicht der Nervenansätze befinden (Fig. la, b,..., Fig. 6, Figg. 7 und 3). Sämmtliche Nervenzellen des Ganglion retinae, sowohl die der Sehieht der Nervenansätze näher liegenden, als auch die weiter abliegenden, senden Fortsätze in zwei Richtungen: zum Centrum und zur Peripherie. Die centralen Fortsätze entspringen entweder am Innen- pole der Zelle oder an dem lateralen Theile derselben oder end- lich, wie wir dies weiter unten sehen werden, an der Basis des peripherischen Fortsatzes (Fig. 1 e, h, m, u, Fig. 3, Fig. 4). An Isolationspräparaten (die nach Behandlung der Retina mit 1/,—] /, Osmiumsäure-Lösung und Maceration in Wasser erhalten sind), erscheinen die-Fortsätze in Gestalt recht feiner, glänzender, manchmal mit varicösen Anschwellungen versehener Fäden. Die Länge der centralen Fortsätze ist verschieden und hängt von der Lage der Zelle ab: die längsten Fortsätze entspringen denjenigen Zellen, welche in die Schicht der Nervenansätze vorragen oder derselben fast dieht anliegen (Fig. 3). Abgesehen hiervon, sind in den peripherischen Regionen der Retina die centralen Fortsätze sämmtlicher Zellen des Ganglion retinae verhältnissmässig kürzer, da in den genannten Regionen die Entfernung zwischen der Schicht der Nervenansätze und dem Neurospongium eine verhältnissmässig geringere ist. Häufig traf ich Nervenzellen, deren centrale Fortsätze auf eine weite Strecke isolirt waren und eine Länge von 0,575 mım und mehr erreichten (Fig. 3, Fig. 4); sie verlaufen stets zur Schicht des Neurospongium, treten in dieselbe ein und können hier eine geringe Strecke verfolgt werden. An wohlgelungenen Isolations- präparaten erhielt ich nicht selten Zellen des Ganglion retinae aus dem äusseren Theile dieser Schicht (Fig. 3); mit der Zelle standen sowohl ein peripherischer als auch ein sehr langer centraler Fort- satz in Verbindung; der erstere lief in einen Landolt’schen Kol- ben aus, während der letztere in die Schicht des Neurospongium eindrang. Was die peripherischen Fortsätze anlangt, so entspringen dieselben stets der äusseren Peripherie der Nervenzellen; doch ist die Ursprungsweise der Fortsätze verschieden, was in gewissem Zur Frage über den Bau der Retina bei Triton cristatus. 455 Grade von der Lage der Zelle selbst abhängt. Gewöhnlich senden diejenigen Zellen, welche in die Schicht des Neurospongium hinein- ragen, mehrere recht dicke Fortsätze aus, die sämmtlich unmittel- bar von der äusseren Peripherie des Zellkörpers ihren Ursprung nehmen; einige derselben, in Zahl von 2—3, ziehen horizontal durch die genannte Schicht, ein anderer Fortsatz hingegen verläuft stets nach aussen; die ersteren kann man horizontale oder la- terale Fortsätze, die letzteren jedoch den äusseren Fortsatz nennen (Fig. 2a, b, d, f). Die horizontalen Fortsätze durchsetzen die Schicht der Nervenansätze in verschiedenen Richtungen und gelangen unmittel- bar unter die kegelförmigen Anschwellungen der Sehzellen. Wäh- rend seines Verlautes theilt sich ein jeder dieser Fortsätze in meh- rere feine Aestehen, die ein wenig nach aufwärts umbiegen und, wie wir dies bald sehen werden, mit den Stäbchen und Zapfen in Verbindung treten (Fig. 2f). Der äussere Fortsatz zieht stets nach aussen, durchsetzt die Schicht der Nervenansätze in gerader oder etwas schräger Richtung und gelangt darauf, zwischen den Innengliedern der Seh- zellen hindurchtretend, bis an die M. limit. externa. In seinem Verlaufe verdickt sich der äussere Fortsatz allmählich und läuft dicht unterhalb der M. limit. externa in einen Landolt’schen Kolben aus. Die Kolben färben sich durch Osmiumsäure leicht gelblich, erscheinen leieht granulirt und ziemlich stark glänzend; nach länger dauernder Einwirkung der Säure nehmen sie eine dunklere Fär- bung an. Die Form der Kolben ist verschieden: das äussere Ende derselben erscheint bald mehr, bald weniger verdickt. In der Mehrzahl der Fälle wird der äussere Fortsatz schon von seiner Ursprungsstelle an allmählich dieker und schliesst unter der M. limit. externa mit einem gerundeten Ende ab; indess trifft man häufig auch solche Nervenzellen, deren äussere Fortsätze ihrer ganzen Länge nach gleich dick erscheinen und erst unterhalb der M. limit. externa in eine abgerundete Verdiekung übergehen (Fig. la,b,c,d...,Fig. 2a, b). Die genannten Verdiekungen er- innern sehr an die knopfförmigen Endigungen, welche an den äusseren Fortsätzen der Nervenzellen in der Retina der Knorpel- fische!) anzutreffen sind. Mitunter besitzt der äussere Fortsatz MOle: 456 Alexander Dogiel: während seines Verlaufes, ehe er noeh in den Kolben übergeht, eine oder zwei leichte Anschwellungen, die Varicositäten ähnlich sind (Fig. 1t). Manchmal endet der äussere Fortsatz dicht unter der M. limit. externa nicht mit einem einzelnen, sondern vielmehr mit zwei Kolben, deren jeder dann von verhältnissmässig geringerer Grösse ist. Man trifft (obwohl sehr selten) auch solche Nervenzellen, deren äusserer Fortsatz in geringer Entfernung von seinem Ursprunge in zwei dünnere Ausläufer zerfällt; ein jeder derselben verdickt sieh allmählich und geht darauf in einen Kolben über. An dem Punkte, wo das verbreiterte Ende des kolbenförmigen Körpers dem Innengliede der Sehzellen anliegt, ist an dem letzteren eine seichte Vertiefung zu bemerken. Die in die Landolt’schen Kolben übergehenden äusseren Fortsätze sind nicht in allen Theilen der Retina gleich lang: in den eentralen Theilen sind sie bedeutend länger (Fig. 2 a,b), in den peripherischen dagegen viel kürzer (Fig 1z, Fig. 11). Es kommt dies daher, weil in den centralen Theilen der Retina die Sehzellen länger sind, als in den peripherischen, und mithin auch die Entfernung zwischen der Aussenfläche der Schicht der Nervenansätze und der M. limit. externa dort eine grössere ist als hier. Das verbreiterte äussere Ende des Landolt’schen Kolbens sendet stets einen Fortsatz in Gestalt eines feinen, kurzen Fadens ab, welcher ausserhalb der M. limit. externa liegt (Fig. la,d,e; Fig.2 undd,a; Fig.5, 6, 12). Die eben genannten Fäden erscheinen an Isolationspräparaten ge- wöhnlich recht kurz und jeder von ihnen ist rings von den feinen Nadeln umgeben, die von dem Rande der M. limit. externa als deren weitere Fortsetzung nach Aussen gehen. An Isolationsprä- paraten trifft man nicht selten einzelne, sowohl mit den äusseren als auch mit den horizontalen Fortsätzen versehene Nervenzellen, und hier sehen wir in aller Deutlichkeit sowohl die den Lan- dolt’sehen Kolben entstammenden Fäden, als auch im Zusammen- hange mit letzteren isolirte Theilchen der M. lim. externa sammt den Nadeln (Nadeln Krause’s) Fig. 4, 5 und 12. Die Fäden reissen bei der Präparation sehr leicht von den Kolben ab, besonders bei unvollständiger Maceration der Retina Zur Frage über den Bau der Retina bei Triton cristatus. 457 und desshalb scheinen die äusseren Enden der Kolben öfters ab- gerundet oder nur wenig ausgezogen. Ob die beschriebenen Fäden wirklich nur eine geringe Länge haben oder ob sie ursprünglich länger und erst bei der Präpara- tion abgerissen sind, konnte ich nicht ermitteln. Eines nur kann ich mit Gewissheit behaupten, dass jeder Landolt’sche Kol- ben, in den der äussere Fortsatz ausläuft, mit einem kurzen, ausserhalb der M. lim. externa liegenden Faden endet. Wo diese Fäden nicht zu sehen sind, sind sie bei der Präparation abgerissen. Ferner treffen wir an Isolationspräparaten recht häufig kleine Stiickehen der Schieht der Nervenansätze im Zusammenhange mit einer oder zwei der Aussenfläche des Ganglion retinae zugehörigen Nervenzellen. Aus dem peripherischen Theile einer solchen Zelle sieht man den äusseren Fortsatz hervorgehen; dieser letztere durch- zieht aufangs die genannte Schicht, um darauf in einen Landolt’- schen Kolben überzugehen (Fig. 2a). Desgleichen finden wir völlig isolirte Zellen mit einigen horizontalen und einem äusseren Fort- satze oder die Zelle ist nur zum Theile isolirt, theils aber hängt sie noch mit der Schicht der Nervenansätze zusammen (Fig. 2 c, d, e, f; Fig. 13b). Hier sei gelegentlich noch bemerkt, dass in der Retina vom Triton ausser den eben beschriebenen auch solche Nervenzellen vorkommen, welche in der Stäbchen- schicht (Schicht der Sehzellen — W. Müller), d. h. ausserhalb der Schicht der Nervenansätze liegen. Solchenfalls liegt gewöhnlich die Innenseite der Zelle der Aussenfläche der Schicht der Nervenansätze an, während die äussere Peripherie der Zelle in einen kurzen äusseren Fortsatz ausläuft, welcher nahe der M. limit. externa mit einem fadentragenden Kolben endet (Fig. 13 a). Die letztgenannten Zellen werden im Ganzen ziemlich selten angetroffen und sind mit den in der Retina der Ganoiden von mir beschriebenen subepithelialen Ner- venzellen vollkommen identisch. Der Unterschied besteht nur darin, dass bei den Knorpelfischen diese Zellen eine besondere, fast ununterbrochene Schicht bilden, während sie beim Triton nur vereinzelt, hie und da, in grösserer Entfernung von einander ange- troffen werden. Die fast unmittelbar unter der Schicht der Nervenansätze lie- genden Zellen betreffend, so senden sie je einen, mehr oder we- 458 Alexander Dogiel: niger dieken peripherischen Fortsatz ab, weleher die Innenfläche der Schicht der Nervenansätze erreicht, bisweilen etwas weiter in diese Schicht eindringt und darauf in mehrere (4—5) Aestchen (Fortsätze) zerfällt. Ein Theil dieser Fortsätze, etwa 2—4, ver- läuft stets in der Schicht der Nervenansätze, der Oberfläche der Retina parallel (horizontale Fortsätze), einer von ihnen aber be- giebt sich nach aussen (äusserer Fortsatz) in die Schicht der Seh- zellen und endet hier mit einem Landolt’schen Kolben (Fig. la, b,c,...; Fig. 2d; Fig. 5 und 8). An Isolationspräparaten trifft man häufig Nervenzellen, deren peripherische Fortsätze an ihrer Theilungsstelle sich bisweilen ein wenig, manchmal aber recht beträchtlich verdicken (Fig. 1d, f, n; Fig. 2. d). Die horizontalen Fortsätze verlaufen, wie bereits ge- sagt, der Oberfläche der Retina parallel, fast unmittelbar unter den kegelförmigen Anschwellungen der Sehzellen. Sie sind von ziem- lich beträchtlicher Länge und theilen sich in ihrem Verlaufe in mehrere feinere Aestchen, welche gleichfalls in horizontaler Rich- tung weiter ziehen (Fig. 1f, h, q, z). An Isolationspräparaten, die nach Behandlung der Retina mit Y—1°/, Osmiumsäurelösung und Maceration in Wasser erhalten waren, sah ich Nervenzellen, deren horizontale Fortsätze eine Länge von 0,0175 mm und mehr er- reichten; mitunter waren an einigen dieser Fortsätze kleine varicöse Anschwellungen zu bemerken. Nicht selten sah ich Präparate, an welchen die ganze Zelle isolirt war und nur durch einen ihrer horizontalen Fortsätze mit der Schicht der Nervenansätze zusam- menhing; dieser letztere trat direct an die Anschwellung eines Stäbchenfusses heran (Fig. 2 d; Fig. 5, 8 und 15). Mitunter fand ich Nervenzellen, deren äussere Peripherie je zwei, unmittelbar von der Zelle entspringende peripherische Fortsätze trug; der eine von ihnen zerfiel unweit seines Ursprunges in mehrere horizontale und einen äusseren Fortsatz, der andere dagegen war bei der Isolation abgerissen (Fig. 1b, g). Was die Dicke der beschriebenen Fort- sätze anlangt, so ist dieselbe verschieden: in der Mehrzahl der Fälle sind die Fortsätze sehr dünn und reissen bei der Isolation leicht ab; indessen kommen auch solche vor, die eine beträchtliche Dicke haben. Ferner traf ich nicht selten Nervenzellen, deren mehr weniger dicker peripherischer Fortsatz an seiner Basis noch einen langen, dünnen und stark glänzenden Ausläufer trug (Fig. 1m,u). Mithin Zur Frage über den Bau der Retina bei Triton cristatus. 459 findet man unterden Nervenzellen des Ganglion retinae auch unipolare d.h. solche Zellen, die nur einen ein- zelnen peripherischen Fortsatz besitzen, dieser letztere zerfällt nach kurzem Verlaufe in mehrere dünnere Aest- chen, welehein verschiedenen Richtungen weitergehen: der eine in centraler (centraler Fortsatz), mehrere der- selben in horizontaler Richtung (horizontale Fortsätze) und einer nach aussen (äusserer Fortsatz). Diese Thatsache scheint mir auch in Bezug auf die Nerven- zellen des Centralnervensystems einige Bedeutung zu haben, denn sie weist darauf hin, dass eine Nervenzelle unipolar sein und den- noch Fortsätze sowohl zum Centrum als zur Peripherie senden kann. Bisweilen ist es, bei gewisser Stellung der Nervenzelle, ziem- lich schwer, des in der beschriebenen Weise abgehenden centralen Fortsatzes ansichtig zu werden, da er der Oberfläche der Zelle entlang zieht und hier in Gestalt einer glänzenden, etwas hervor- stehenden feinen Linie erscheint (Fig. Ip). Indess, wenn man mit der Präparirnadel einen leichten Druck auf das Präparat aus- übt und dadurch die Zelle zum Umdrehen bringt, so kann man deutlich wahrnehmen, wie der lange centrale Fortsatz direct au der Basis des peripherischen seinen Ursprung nimmt. Ausserdem muss ich hier noch bemerken, dass an Isolations- präparaten nicht selten kleine Theilehen der Schicht der Nerven- ansätze im Zusammenhange mit einer oder mehreren Sehzellen angetroffen werden; an solehen Präparaten sieht man bisweilen, dass von der Innenfläche der Schicht der Nervenansätze einer oder zwei dünne glänzende Fäden abgehen, welche den centralen Fortsätzen der Nervenzellen sehr ähnlich sind (Fig. 14). Anfangs war es mir sehr schwer zu ermitteln, wohin die genannten Fäden gehörten, später indess überzeugte ich mich, dass dieselbeu nichts anderes sind, als die von den peripherischen Fortsätzen stammen- den centralen Ausläufer der unmittelbar unter der Schicht der Nervenansätze liegenden Nervenzellen. In der That, die periphe- rischen Fortsätze der obengenannten Zellen theilen sich, wie wir bereits gesehen haben, meist erst nach ihrem Eintritte in die Schicht der Nervenansätze; mithin wird der Anfang des centralen Fortsatzes, falls letzterer aus dem peripherischen hervorgeht, gleich- falls innerhalb der erwähnten Schicht liegen müssen. Setzen wir nun voraus, dass bei der Isolation der peripherische Fortsatz von 460 Alexander Dogiel: dem Zellkörper abgerissen wurde, so erhalten wir natürlich das oben beschriebene Bild. Das Verhältniss der horizontalen Fortsätze zu den Sehzellen (Stäbehen und Zapfen) betreffend, so sehen wir, wie dies z. Theil schon oben erwähnt ist, folgendes: der horizontale Fortsatz ver- läuft eine geringe Strecke, um sich unweit seiner Ursprungsstelle in mehrere feinere Aestchen zu theilen, welche ein wenig nach aufwärts umbiegen, direct an die Basis der kegelförmigen An- schwellungen der Sehzellen herantreten und hier wahrscheinlich in derselben Weise endigen, wie ich dies bereits von der Retina der Ganoiden!) und des Menschen ?) beschrieb, d. h. in ein helles granulirtes Klümpchen übergehen, welches in der etwas vertieften Basis der kegelförmigen Anschwellung der Sehzellen liegt (Fig. 2d, f; Fig. 5, 8, 9, 12 u. 15). Da indess die kegelförmigen An- schwellungen der Stäbehen- und Zapfen-Füsse in der Retina des Tritons durch Einwirkung der Osmiumsäure meist eine recht in- tensive schwarze Färbung annehmen, so treten hier die Klümpchen nicht so scharf hervor, wie bei dem Menschen und den Ganoiden: sie scheinen mehr hell und leicht granulirt. An Isolationspräparaten, die nach vorhergehender Maceration der Retina erhalten waren, trifft man Stäbchen und Zapfen im Zu- sammenhange mit Nervenzellen, und hier ist sehr deutlich zu sehen, wie an den peripherischen Fortsätzen solcher Zellen feine laterale Ausläufer entspringen; letztere treten an die kegelförmigen An- schwellungen der Stäbchen und Zapfen heran und gehen hier in körnige Klümpchen über (Fig. 8, 9, 12). Der Zusammenhang zwischen dem horizontalen Fortsatze und der Anschwellung des Sehzellenfusses ist in solehen Fällen ein so inniger, dass er bei Verschiebung des Präparates durch leichten Druck mit der Prä- parirnadel auf das Deckglas nicht aufgehoben wird. Ferner fand ich mehrmals einen völlig isolirten Zapfen in Verbindung mit dem peripherischen Fortsatze einer Nervenzelle des Ganglion retinae; der letztere (peripherischer Fortsatz) theilte sich unweit der Anschwellung des Zapfenfusses in drei horizontale und einen äusseren Fortsatz. Einer der horizontalen Fortsätze zer- Dyrl.ae 2) A. Dogiel. Ueber die Retina des Menschen. Internation. Monats- schr. f. Anatomie und Histiologie 1884. Bd. I. Heft 2 u. 3). Zur Frage über den Bau der Retina bei Triton ceristatus. 461 fiel seinerseits in zwei Aestchen, von denen eines direet an die Anschwellung eines Zapfenfusses herantrat und hier mit einem körnigen Klümpehen endete (Fig. 12); der äussere Fortsatz dagegen sing in einen Landolt'schen Kolben über, welcher nach aussen einen dünnen Faden sendete. Die äusseren Fortsätze der unmittelbar unter der Schicht der Nervenansätze liegenden Zellen zeigen in ihrer Form, Lage etc. keinen Unterschied von den entsprechenden Fortsätzen der in der genannten Schicht liegenden Nervenzellen. Sie enden ebenfalls sämmtlich mit Kolben von verschiedener Form, und der einzige Unterschied besteht darin, dass hier die Fortsätze nicht direct von dem Zellkörper selbst entspringen, sondern nur eine weitere Fortsetzung der peripherischen Ausläufer nach aussen bilden. Mitunter kann sich der äussere Fortsatz direct von einem der diekeren horizontalen Fortsätze abzweigen (Fig. 1b). Die darauffolgenden, mehrfachen Schichten von Nervenzellen unterscheiden sich von den eben beschriebenen hauptsächlich nur durch die Länge ihrer peripherischen Fortsätze, was von der Ent- fernung der Zelle von der Schieht der Nervenansätze direet ab- hängt: denn je weiter die Nervenzelle von der genannten Schicht absteht, desto länger ist gewöhnlich auch der ihr zugehörige Fort- satz, so dass die längsten Fortsätze denjenigen Zellen zukommen, welche der Schicht des Neurospongium am nächsten liegen. Grösstentheils haben die peripherischen Fortsätze ein ziem- lich starkes Kaliber und verlaufen stets geradlinig zur Schicht der Nervenansätze. Jeder peripherischer Fortsatz nimmt, je mehr er sich der Innenfläche der letztgenannten Schicht nähert, allmählich an Umfang zu und besitzt, unmittelbar unter der genannten Schicht angelangt, bereits eine ansehnliche Dicke (Fig. 1i, k, 1, o, r, Ss, t, x; Fig. 6; Fig. 7). Darauf dringt der peripherische Fortsatz in die Schicht der Nervenansätze ein und theilt sich hier, bald nach seinem Eintritte in die genannte Schicht, oder besser gesagt, er entsendet mehrere schmächtigere Ausläufer, in Zahl von 3—5; einige von ihnen (2—4) ziehen der Oberfläche der Retina parallel (horizontale Fortsätze) innerhalb der Schicht der Nervenansätze; ein anderer, und zwar grösstentheils derjenige, welcher gleichsam die weitere Fortsetzung des peripherischen Fortsatzes bildet, ver- läuft direet nach aussen (äusserer Fortsatz). Nicht selten dringt der peripherische Fortsatz in die Schieht der Nervenansätze hinein, 462 Alexander Dogiel: biegt darauf fast rechtwinklig um (Fig. Ik, t) und verläuft eine geringe Strecke innerhalb der genannten Schicht; an dem Punkte, wo der Fortsatz umbiegt, entsendet er nach verschiedenen Rich- tungen dünnere Aestehen — die horizontalen Fortsätze — und einen, mitunter recht dieken Fortsatz, welch letzterer mit einem Landolt’schen Kolben endigt. Ferner trifft man mitunter Nerven- zellen, deren peripherische Fortsätze sich unmittelbar unter der Schicht der Nervenansätze bedeutend verdicken, darauf in die ge- nannte Schicht dringen, hier mehrere laterale Fortsätze geben, danach merklich sich verschmächtigen, um schliesslich wiederum in einen mehr dicken Theil überzugehen. Aus diesem letzteren sehen mehrere horizontale und ein, nicht selten ziemlich dicker äusserer Fortsatz hervor (Fig. 1i, s). An manchen Isolations- präparaten lässt sich der Verlauf des peripherischen Fortsatzes von seinem Ursprunge an bis zu Ende recht gut verfolgen; man sieht hierbei, wie ein solcher Fortsatz unter der Schicht der Nervenansätze sich verdickt, darauf in die genannte Schicht ein- dringt und hieselbst mehrere horizontale und einen äusseren Fort- satz abgibt; letzteren sieht man mit einem kolbenförmigen Körper endigen, welcher in einen Faden ausläuft (Fig. 7). Gewöhnlich lässt sich an solehen Präparaten der Verlauf der lateralen (hori- zontalen) Fortsätze nicht auf eine weite Strecke verfolgen, da diese letzteren sich bald in der Schicht der Nervenansätze verlieren. Da die peripherischen Fortsätze mittelst der bereits beschrie- benen lateralen Ausläufer sehr innig mit der Schicht der Nerven- ansätze verbunden sind, so reissen dieselben bei der Isolation gerade an ihrer Eintrittsstelle in die Schicht der Nervenansätze sehr leicht ab. Falls indess der peripherische Fortsatz in toto isolirt ist, reissen grösstentheils die lateralen Fortsätze ab und an ihrer Ursprungsstelle sehen wir nur kurze Zähnchen oder Zapfen (irregularit&s — Ranvier) (Fig. le, s, x). Es ist eine sehr voll- ständige Maceration erforderlich, um Nervenzellen aus dem Gang- lion retinae im Zusammenhange mit den horizontalen Aestehen und dem äusseren Fortsatze zu isoliren; besonders gilt dies für die Zellen der innersten Schichten, deren peripherische Fortsätze sehr . lang sind. — So erklärt es sich wohl auch, wie Ranvier die borizontalen Ausläufer nieht gesehen hat, sondern nur Ueberreste derselben beschreibt, wie wir dies schon oben erwähnten. Soweit ich bemerken konnte, besitzen alle Nervenzellen Zur Frage über den Bau der Retina bei Triton cristatus. 465 des Ganglion retinae, in welcher Entfernung von der Sehieht der Nervenansätze sie auch liegen mögen, stets sowohl laterale als auch einen äusseren Fortsatz; letz- terer endet mit einem kolbenförmigen Körper, welcher einen feinen Faden trägt. Zu Gunsten dieser Annahme spricht auch der von mir eonstatirte Befund, dass die betreffenden Nerven- zellen mit peripheren Fortsätzen von verschiedenster Länge ver- sehen sind und ferner die überaus grosse Zahl der kolbenförmigen Körper, von denen öfters 4 bis 5 einen einzigen Zapfen oder ein einziges Stäbehen umgeben (Fig. 10). Die Schieht der Nervenansätze wird, wie dies schon aus dem Vorhergesagten klar ist, von den horizontalen Ausläufern gebildet, die den peripherischen Fortsätzen der Nervenzellen des Ganglion retinae entstammen. Die genannten Ausläufer dureh- setzen die Schicht der Nervenansätze in verschiedenen Richtungen und sind mit einander so innig verflochten, dass es nur an Mace- yationspräparaten möglich ist die Zusammensetzung der genannten Schicht aus einzelnen feinen, ziemlich stark glänzenden Fäden deutlich zu constatiren. In senkrechter Richtung wird die Schicht der Nervenansätze von den aus grösserer oder geringerer Entfer- nung herkommenden peripherischen Fortsätzen der Nervenzellen, sowie von den Radialfasern durchsetzt, die in dünne Plättchen zerfallen, welche sowohl die Sehzelle als auch die Landolt’schen Kolben rings umgeben. Zellige Elemente, welche den als Bestand- theile der Membrana fenestrata von Krause beschriebenen Zellen analog wären, Konnte ich in der Netzhaut des Tritons nicht con- statiren. Auf Grund des oben Dargelegten komme ich zu folgenden Schlussresultaten: 1) Als Bestandtheile der Sehieht des Ganglion retinae bei dem Triton finden wir, ausser den bipolaren, auch multipolare und unipolare Nervenzellen. 2) Die Nervenzellen, welche Bestandtheile des Ganglion retinae bilden, liegen nicht nur innerhalb der genannten Schicht, sondern auch weiter nach aussen — in der Schicht der Sehzellen (äussere Körnerschicht). 3) Die peripherischen Fortsätze sämmtlicher Nervenzellen des Ganglion retinae theilen sich stets, unabhängig von ihrer Form und Lage. Die Theilungsäste verlaufen in zwei Richtungen: die 464 Alexander Dogiel: einen, in Zahl von 2—4, verlaufen horizontal (horizontale oder laterale Fortsätze), einer jedoch (äusserer Fortsatz) begibt sich nach aussen, zur Schicht der Sehzellen. 4) Die horizontalen Fortsätze ziehen der Oberfläche der Re- tina parallel in der Sehieht der Nervenansätze und verbinden sich ausschliesslich mit den Sehzellen (Stäbehen und Zapfen). Der äussere Fortsatz dringt in die Schicht der Sehzellen hinein und endet unmittelbar unter der M. limit. externa mit einem Landolt’- schen Kolben. 5) Jeder Landolt’sche Kolben sendet stets feine Fäden, die ausserhalb der M. limit. externa liegen; mithin endigen die äusseren Fortsätze der Nervenzellen frei, in Gestalt feiner Fäden. 6) Die Schicht der Nervenansätze — plexus basal Ranvier — wird von den horizontalen Ausläufern der Nervenzellen des Gang- lion retinae gebildet. 7) In dem Baue der Retina des Tritons und der Knorpel- fische lässt sich eine fast vollständige Analogie erkennen. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XX11. Simmtliche Zeichnungen sind bei Syst. 9 Oc. 3 Hartnack, Isolations- päparaten entnommen, die nach der Behandlung der Retina mit 1/;—1%/y Osmiumsäurelösung und Maceration in Wasser erhalten wurden. Fig. 1. Nervenzellen aus der Schicht des Ganglion retinae. a, b, e, d, f, q, n, z. Nervenzellen, welche unmittelbar unter der Schicht der Ner- venansätze liegen, mit ibren peripherischen, horizontalen (lateralen) und dem äusseren Fortsatze ; diese letzteren laufen in kolbenförmige Körper aus, von denen einige (a, d, q) nach aussen Fäden abgeben. b. Nervenzelle, deren peripherischer Fortsatz sich m 2 horizontale Aestchen theilt; eines derselben gibt einen äusseren Fortsatz ab, der mit einem kolbenförmigen Körper endigt. e. Nervenzelle, deren centraler Fortsatz an dem lateralen Theile des Zellkörpers entspringt. Der peripherische Fortsatz sendet mehrere, bei der Präparation abgerissene horizontale Fortsätze und einen mit kolbenförmigem Körper nebst Faden versehenen äusseren Fortsatz. g. An einer Nervenzelle entspringen zwei peripherische Fortsätze; der eine der- selben ist abgerissen, der andere aber zerfällt in mehrere horizon- Fig- 2. Zur Frage über den Bau der Retina bei Triton cristatus. 465 tale und einen äusseren Fortsatz; dieser letztere endet mit einem kolbenförmigen Körper. i. Von dem peripherischen Fortsatze einer Nervenzelle gehen 4 horizontale Fortsätze ab; drei von ihnen theilen sich ihrerseits gabelförmig in noch dünnere Aestehen. m,nundp. Uni- polare Nervenzellen; aus der Basis der peripherischen Fortsätze dieser Zellen sehen wir lange centrale Ausläufer hervorgehen. p. Der centrale Fortsatz nimmt gleichfalls seinen Ursprung von der Basis des periperischen, doch ist bei gegebener Lage der Zelle der An- fangstheil des ersteren nicht zu sehen, da der Fortsatz der Oberfläche der Zelle selbst anliegt. 1, o,r, s, x. Nervenzellen, welche der Aussenfläche der Schicht des Neurospongium näher liegen; die Zellen senden lange peripherische Fortsätze, welche darauf in meh- rere horizontale und einen äusseren Fortsatz zerfallen; letzterer endigt mit einem Landolt’schen Kolben (die Zellen o, r, s, x sind den centralen Regionen der Retina entnommen). k und t. Nerven- zellen, deren peripherische Fortsätze (nachdem dieselben in die Schicht der Nervenansätze hineingedrungen sind) unter rechtem Winkel umbie- gen; an dem umgebogenen Theile des peripherischen Fortsatzes gehen die horizontalen, sowie der äussere Fortsatz ab. y. Der von einer Nervenzelle abgerissene peripherische Fortsatz, aus welchem ein langer lateraler Fortsatz hervorgeht. Nervenzellen, die mit dem äusseren Theile ihres Zellkörpers in die Schicht der Nervenansätze hineinragen. a. Nervenzelle, die im Zu- sammenhange mit einem Theile der Schicht der Nervenansätze isolirt ist; von der Zelle geht ein äusserer Fortsatz ab, welcher in einen Landolt’schen Kolben übergeht. b. Nervenzelle, aus deren peri- pherischem Theile zwei horizontale und ein äusserer Fortsatz her- vorgehen; letzterer endigt mit einem Landolt’schen Kolben. c. Stäb- chen und Zapfen nebst einem Theile der Schicht der Nervenansätze und einer Nervenzelle, die z. Th. isolirt ist, während ein anderer Theil derselben noch mit der genannten Schicht in Verbindung steht. d. Zapfen und Stäbchen, die zusammenhängend mit einem Theile der Schicht der Nervenansätze und mit zwei Nervenzellen (z und y) isolirt sind, die Zelle z dringt in die Schieht der Nervenansätze hinein. Der peripherische Fortsatz der Zelle y sendet zwei horizontale Aus- läufer; einer derselben ist isolirt, der andere steht noch mit der Schicht der Nervenansätze im Zusammenhange und man sieht dabei, wie der Ausläufer an die kegelförmige Anschwellung eines Stäbchen- fusses herantritt. e. Zelle aus der äussersten Schicht des Ganglion retinae mit zwei horizontalen und einem äusseren Fortsatze; der äussere Fortsatz geht in einen Landolt’schen Kolben über. f. Ner- venzelle, deren horizontaler Fortsatz in unmittelbarer Verbindung mit der kegelförmigen Anschwellung eines Zapfens steht. d,. Ein Stäbchen, daneben ein kolbenförmiger Körper nebst Faden. Archiv f. mikrosk, Anatomie. Bd. 24. 30 466 Fie. 4. er 0Q Ne} Alexander Dogiel: Nervenzelle aus dem Ganglion retinae mit zwei Fortsätzen: einem peripherischen und einem centralen; der erstere geht in einen kol- benförmigen Körper über, während der centrale in die Schicht des Neurospongium hineindringt, woselbst er sich verliert. Ein Stäbchen, das mit einer Nervenzelle des Ganglion retinae isolirt ist; der peripherische Fortsatz der Zelle geht in einen kolbenförmigen Körper über, welcher die M. limit. externa erreicht und hier in einen Faden übergeht, der centrale Fortsatz ist auf eine bedeutende Strecke isolirt. Mehrere Sehzellen, die mit den Nervenzellen des Ganglion retinae isolirt sind. Eine der Nervenzellen, welche fast unmittelbar unter der Schicht der Nervenansätze liegt, sendet einen horizontalen und einen äusseren Fortsatz; der erstere tritt direct an die kegelförmige Anschwellung eines Zapfens heran, der letztere dagegen endigt mit einem kolbenförmigen Körper nebst Faden. Im Zusammenhange mit dem kolbenförmigen Körper ist ein Theil der M. limit. externa nebst den Nadeln isolirt. Nervenzelle mit einem ziemlich dicken peripherischen Fortsatze, welcher sich fast unmittelbar unter der kegelförmigen Anschwellung eines Stäbchens bedeutend verdickt. Von dem verdickten Theile des peripherischen Fortsatzes gehen mehrere horizontale und ein äusseres Aestchen ab; letzteres biegt unter einem Winkel um und endet mit einem kolbenförmigen Körper. Die horizontalen Fortsätze sind bei der Präparation abgerissen, so dass nur die Ueberreste derselben zu sehen sind. Theil der Schicht der Nervenansätze, welcher im Zusammenhange mit zwei Sehzellen und zwei Nervenzellen aus dem Ganglion retinae isolirt ist. Von einer der Nervenzellen geht ein sehr langer peri- pherischer Fortsatz ab, welcher bis an die Innenfläche der Schicht der Nervenansätze gelangt, sich verdickt, in die genannte Schicht eintritt, woselbst er sowohl horizontale als auch einen äusseren Fortsatz abgibt. Die horizontalen Fortsätze verlieren sich in der Schicht der Nervenansätze, der äussere aber endigt mit einem kol- benförmigen Körper nebst Faden. Nervenzelle mit kurzem peripherischen Fortsatze; letzterer durchläuft eine geringe Strecke und zerfällt darauf in einen horizontalen und einen äusseren Fortsatz. Der horizontale Fortsatz tritt direct an die kegelförmige Anschwellung eines Stäbchens heran, während der äussere mit einem kolbenförmigen Körper endigt. Ein Zapfen, der zusammenhängend mit einem andern (Doppelzapfen) und mit dem peripherischen Fortsatze einer Nervenzelle isolirt ist. Der peripherische Fortsatz biegt ein wenig um und entsendet drei Fortsätze: zwei horizontale und einen äusseren; einer der horizon- talen Fortsätze tritt direct an die kegelförmige Anschwellung eines A. Dogiel: Zur Frage über den Bau der Retina bei Triton cristatus. 467 ke. 13. Fig. 14. Fig. 15. Zapfens heran, der äussere Fortsatz dagegen läuft in einen Lan- dolt’schen Kolben aus. Ein Zapfen mit einem Theile der Schicht der Nervenansätze und 5 Landolt’schen Kolben, von denen 4 rings um einen Zapfen gela- gert sind, der letzte dagegen abseits steht; die äusseren Enden der Kolben senden Fäden ab. Nervenzelle aus der peripherischen Region der Retina; die Zelle entsendet einen peripherischen Fortsatz, der in zwei horizontale und ein Äusseres Aestchen zerfällt, letzteres endet mit einem kolbenför- migen Körper. Ein Zapfen, der mit dem von einer Nervenzelle abgerissenen peri- pherischen Fortsatze isolirt ist. Der peripherische Fortsatz verdickt sich in der Nähe der kegelförmigen Anschwellung eines Zapfens und zerfällt darauf in 4 Aestchen: 3 horizontale (laterale Fortsätze) und 1 äusseres (äusserer Fortsatz). Einer der lateralen Fortsätze theilt sich seinerseits in 3 dünne Zweige: einer dieser letzteren biegt um und begiebt sich zur kegelförmigen Anschwellung eines Zapfens, um hier mit einem körnigen Klümpchen zu endigen. Der äussere Fort- satz geht in einen Kolben über, von dessen abgerundetem äusseren Ende ein ziemlich langer, dünner Faden abgeht (centraler Theil der Retina). Ein Stäbchen und ein Zapfen im Zusammenhange mit der Schicht der Nervenansätze (dem Centrum näher liegender Theil der Retina). Neben dem Stäbchen, in der Schicht der Sehzellen liegt eine Ner- venzelle (a) des Ganglion retinae; diese Zelle entspricht ihrer Lage nach den Nervenzellen aus der subepithelialen gangliösen Schicht der Ganoiden. Von dem peripherischen Theile der Zelle geht ein kurzer äusserer Fortsatz ab, der unmittelbar unter der M. limit. externa mit einem fadentragenden Landolt’schen Kolben endet. Der Innenfläche der Schicht der Nervenansätze liegt eine multipolare Nervenzelle des Ganglion retinae (b) an; die Zelle ist mit einem äusseren Fortsatze versehen, der in einen kolbenförmigen Körper ausläuft. Ein Stäbchen und ein Zapfen im Zusammenhange mit der Schicht der Nervenansätze. Von der Innenfläche dieser letzteren geht ein ziemlich langer, dünner Faden ab, der nichts anderes darstellt, als den abgerissenen centralen Fortsatz einer der unipolaren Nerven- zellen, wie dieselben von mir bereits im Texte beschrieben sind, Ein Zapfen in direetem Zusammenhange mit dem horizontalen Fort- satze einer Nervenzelle des Ganglion retinae. Der horizontale Fort- satz dringt in die Basis der kegelförmigen Anschwellung des Zapfens ein und endet hier mit einem körnigen Klümpchen. 468 R. Heidenhain; (Aus dem physiologischen Institut zu Breslau.) Eine neue Verwendung des Hämatoxylin. Briefliche Mittheilung an W. Waldeyer. Von R. Heidenhain. Wie bereits vor einigen Monaten Weigert erwähnt hat (Fort- schritte der Mediein, herausgegeben von ©. Friedländer, Bd. II, S. 190), lasse ich in meinem Institut seit längerer Zeit das Häma- toxylin in einer Weise verwenden, welche vollständig andre Bilder liefert, als die gebräuchliche Böhmer’sche Flüssigkeit oder eine der vielen Abänderungen derselben. Die Ingredientien der neuen Färbungsmethode sind eine halb- bis einprocentige wässerige Lösung von Hämatoxylin und eine halb- bis einprocentige Lösung von Kali bichromieum. In Al- kohol gut erhärtete Organstücke von geringem Volumen werden zuerst in 8—10 Cubikeentimeter der ersten Flüssigkeit gelegt und nach 8—10 Stunden auf ebenso lange Zeit in ein ungefähr gleiches Volumen der zweiten Lösung. Nachdem die Stücke in der letz- teren eine durch und durch schwarze Färbung angenommen haben, wird der Uebersehuss des doppelt chromsauren Kalis durch Wasser ausgezogen; dann folgt Entwässerung durch Alkohol, Einbettung in eine der gebräuchlichen Paraffin- oder Wallrathmischungen, Anfertigung möglichst dünner Schnitte mittelst des Microtoms, die auf bekannte Weise mit Terpenthinöl oder Xylol und Canadabalsam behandelt werden. Auf diese Weise färben sich die Kerne meist schwarz!), die einzelnen Gewebsbestandtheile in mehr oder weniger dunkelgrauer 1) Unter besonderen Umständen färbt sich an den Kernen nur der Grenzcontour und die geformten Inhaltsbestandtheile. Eine neue Verwendung des Hämatoxylin. 469 Nuance oder ebenfalls schwarz, aber so, dass differente Bestand- theile des Objeetes hinreichend verschiedene Töne des Grau an- nehmen, um mit Sicherheit von einander unterschieden werden zu können. Der grosse Vortheil der Methode vor allen jenen Fär- bungsweisen, welche nur die Kerne betreffen, besteht darin, dass jeder Gewebsbestandtheil in dem Bilde prägnant hervortritt, wie in einem mit künstlerischer Vollendung ausgeführten Holzschnitte, so dass also das Strukturbild der Organe, welches in den gewöhn- lichen Canadabalsampräparaten wegen der zu grossen Durchsich- tigkeit fast verloren geht, hier vollständig erhalten bleibt. Es würde zu weitläufig sein, die Zeichnungen, welche die verschie- denen Gewebe und Organe liefern, ausführlich zu schildern ; des- halb sei nur Einzelnes erwähnt. In allen Epithelien treten die Grenzen der Zellen mit äusser- ster Schärfe hervör. In der einzelnen Zelle färbt sich das Proto- plasma dunkler als die sonstigen Inhaltsbestandtheile (z. B. Mucin u. dgl.), so dass der Reichthum an Protoplasma in verschiedene Zellen und die Vertheilung desselben in der einzelnen Zelle vor- trefflich sichtbar gemacht werden kann. Deshalb zeichnen sich in der ruhenden gld. submaxillaris und sublingualis die Giannuzzischen Halbmonde scharf von den Schleimzellen ab; die Stäbchen der Speichelröhrenepithelien erscheinen tief dunkel. An den Darm- epithelien werden die Basalräume tiefer gefärbt, als die Zellen. Becherzellen erscheinen hell zwischen dem dunkeln Epithel der Zotten und Lieberkühn’schen Drüsen. Prächtige Bilder liefert das Pancreas: die helle Aussenzone der frischen Zelle ist tief schwarz, die dunkelkörnige Innenzone der frischen Zelle erscheint auf hellem Grunde dunkel granulirt. In den Fundusdrüsen des Magens treten bei nüchternen Thieren die Belegzellen als schwarze Gebilde neben den schwach granulirten Hauptzellen hervor ; während der Ver- dauung werden letztere stärker granulirt. Instructive Bilder liefert u.A. auch der Eierstock: Zona pellueida, Keimbläschen, Keimfleck, Zellen des Stratum granulosum, das Alles setzt sich elegant von einander ab. Die Zeichnung von Muskelprimitiv-Bündeln und Fibrillen wiederholt die natürlichen Helligkeitsverhältnisse der anisotropen und isotropen Substanz, aber die Helligkeitsunterschiede beider sind viel grösser, deshalb das Bild viel schärfer, als bei den frisch untersuchten contractilen Gebilden. 470 A. v. Brunn: Sehr eigenthümlich erscheint die markhaltige Nervenfaser: man sieht nur den Axencylinder als graues Band, umgeben von dem Kühne’schen Neurokeratingerüst in eleganter Zeichnung. So liefert die besprochene Methode überall, wo ich sie be- nutzte, sehr instructive Präparate; nur bei Leber und Nieren habe ich keine Vortheile derselben auffinden können. Wenn man die mit wässeriger Hämatoxylin-Lösung impräg- nirten Gewebsstücke, statt mit doppelt-chromsaurem Kali mit ein- procentiger Alaunlösung behandelt, erhält man statt der Schwarz- färbung schöne Blaufärbung. Schliesslich sei erwähnt, dass möglichste Dünne der schwarz- gefärbten Schnitte unerlässliche Bedingung für die Schönheit der Präparate ist. Der Westien’sche Universalloupenhalter. Von Dr. A. v. Brunn, Prof. in Rostock. (Hierzu ein Holzschnitt). Herr Heinr. Westien, Custos und Mechanicus am physiol. Institut hiesiger Universität, hat einen Universalloupenhalter con- struirt, der seiner Zweckmässigkeit halber allgemeine Verbreitung verdient und auf welehen ich an dieser Stelle die Fachgenossen aufmerksam machen möchte. Derselbe gestattet, eine Loupe nach sämmtlichen Riehtungen hin zu bewegen und an beliebiger Stelle mit nur einem Hand- griff absolut sicher zu fixiren. Seine Construction ist folgende: An der in schwerem Eisen- Der Westien’sche Universalloupenhalter. 471 oder Messungfuss steckenden Säule A ist die die Loupe L tra- gende Stange B mittelst der patentirten (D.-R.-P. Nro. 26909) An- schlussklemme Kl befestigt. Dieselbe ist zusammen mit der Stange B an der Säule A sowohl parallel der Axe der letzteren wie um dieselbe beweglich, gestattet ferner eine Bewegung der Stange B parallel ihrer Axe in der Richtung der Pfeile a, wie auch eine Be- wegung um die Axe der Anschlussklemme in der Richtung der Pfeile b. Die Fixation in sämmtlichen Riehtungen geschieht durch die an der Vorderseite der Klemme sichtbare Flügelschraube ver- mittelst einer Drehung und ist durchaus sicher. Die Loupe selbst wird an der Stange durch eine federnde Zange Z gehalten, welche an den Enden der Branchen einander zu- gewendete Spitzen trägt: diese greifen in kleine seichte Bohrlöcher an der Fassung der Loupe ein. Ein hoch anzuschlagender Vor- theil ist, dass man als Loupe ein jedes schwache Microscop-Objeetiv benutzen kann, indem die nöthigen Bohrlöcher an jedem solehen ohne Schaden angebracht werden können. 472 J. Janosik: Partielle Furchung bei den Knochenfischen. Von Dr. 3. Janosık, Privatdocenten an der k. k. böhm. med. Fakultät in Prag. Dureh die vorläufige Mittheilung Agassiz’s und Whitman’s (On the development of some pelagie fish eggs. Proc. of the amer. Academy of Arts and Se. Vol. XX.) sehe ich mich veranlasst, in einer kurzen Zusammenstellung meine Beobachtungen, welche ich zum Theil in den Sitzungsberichten der k. Akad. der Wissensch. in Wien (Beitrag zur Kenntniss des Keimwulstes bei den Vögeln. 1881), zum Theil in böhmischer Sprache in den Berichten der böhm. Gelehrtenges. in Prag im Januar 1883 veröffentlicht habe, im Auszuge in dieser Zeitschrift mitzutheilen. Bei den Knochen- fischen, und zwar Crenilabrus rostratus, Crenilabrus pavo und Tinca vulgaris, habe ich die ersten Anfänge der Entwickelung an leben- den, sieh entwickelnden Eiern beobachtet und diese Beobachtungen am conservirten Material controlirt. Das erste, was man nach der Befruchtung beobachten kann, ist das Austreten des Protoplasmas oder des Bildungsdotters aus dem genannten Eiinhalte.e Das Protoplasma schliesst anfangs von allen Seiten den Dotter ein und sammelt sich später an einem Pole. Hat sich das Protoplasma soweit retrahirt, das es schalen- föormig etwa ein Drittel des Dotters umfasst, so tritt die erste Furche auf. Einen Kern in diesem Protoplasma habe ich weder im lebenden, noch im conservirten Zustande entdecken können. Die zweite Furche tritt senkreeht zur ersten auf und etwas excentrisch. Die Furchen schneiden scharf in das Protoplasma ein und klaffen an der Oberfläche am weitesten. So ist es von mir am lebenden Eie beobachtet worden. Am conservirten Eie zeigen die Furchen in der Tiefe Buchten, welche untereinander Partielle Furchung bei den Knochenfischen. 475 eonfluiren und so eine Furchungshöhle bilden, welehe am leben- den Eie nicht zu sehen ist. Nachdem nun vier Furchungskugeln gebildet sind, geht die Furchung weiter so vor sich, dass fast zu derselben Zeit zwei neue Furchen entstehen parallel zu der ersten Furche. Nach diesem Stadium treten Furchen auf, welche parallel zur Oberfläche gerichtet sind. Es ist zu bemerken, dass, von diesem Stadium angefangen, die Furchung nieht mehr so gleichmässig, was die Zeit anbelangt, vor sich geht, sondern, dass die Zellen, welche im Innern gelegen sind, sich schneller theilen als die oberflächlichen und so die ellipsoide Form zu Stande kommt. Wenn nun die Furchung so weit gediehen ist, dass das Blastoderma eine ellipsoide Form angenommen hat, dann zeigt sich auch schon die Deckschicht ausgebildet. Sie besteht aus einer Lage cubischer Zellen, welche ein wenig den Rand des Blastoderma überschreiten. Betrachtet man den Rand dieser Schichte, so sieht man, dass sich im Zusammenhange mit derselben zwischen dem Dotter und dem Blastoderma eine neue Schicht von Zellen zu bilden anfängt und zwar von der Peripherie zum Centrum hin. Diese Zellen bilden schliesslich eine zusammenhängende Schicht. Frei im Dotter entstandene Zellen habe ich nie beob- achtet. Im Anfange der Furchung durchdringen die Furchen den Bildungsdotter nicht in seiner ganzen Dicke, es bleibt ein Theil des Protoplasma ungefurcht. Im Stadium, wo der Keim die Lin- senform angenommen hat, finde ich keinen Theil des Protoplasma mehr ungefurcht. Die Kerne der beiden ersten Furchungskugeln erscheinen, als wären sie aus einigen Bläschen zusammengesetzt, wie eine Rosette. Das Entoderma bildet sich durch Umschlag von den Rän- dern aus erst gleichmässig, später nimmt aber dieser Umschlag an einer Stelle an Mächtigkeit zu. Es ist das jene Stelle, von wel- cher die Bildung des Embryo ausgeht. Zu jener Zeit, wann der Umschlag der Ränder schon ziem- lich mächtig geworden ist, habe ich das erste Auftreten einer Archiv f. mikros';. Anatomie. Bd. 24, 30* 474 J. Janosik: Partielle Furchung bei den Knochenfischen. Höhle im Keime beobachten können und zwar am frischen, leben- den Objekte, so wie am conservirten. Zwischen jener Schicht von Zellen, welche dem Dotter an- liegt und dem eigentlichen Keime, befindet sich ebenfalls eine Höhle, welche weit früher zu beobachten ist, als jene im Keime. In einem Falle habe ich beobachtet, dass im Keime zwei Höhlen entstanden sind, welche miteinander eine Verbindung eingegangen waren. Die Entwickelung ging dann weiter regelmässig vor sich und ich habe an demselben Objekte die Entwickelung bis zur Ausbildung der secundären Augenblase und der Linse verfolgt. Die Höhle im Keime bestand nur eine ganz kurze Zeit iso- lirt, und es ist nicht leicht möglich dieselbe am conservirten Ma- terial zu Gesicht zu bekommen. Diese Höhle verdient, meiner Meinung nach, als die Furchungshöhle aufgefasst zu werden. Jene Höhle zwischen dem Keime und der Zellenlage am Dotter ver- dient eher die Deutung einer Keimhöhle analog den Verhältnissen bei Vögeln, obwohl auch dieses nicht ganz und gar passt. Noch bemerke ich, dass jene Höhle oder Höhlen, welche isolirt im Keime auftraten, sich später mit jener Höhle, welche allgemein als Furehungshöhle aufgefasst wird, verbindet. G. Born: Biologische Untersuchungen. 475 Biologische Untersuchungen. 18 Ueber den Einfluss der Schwere auf das Froschei. Von Prosektor Prof. @. Born. (Aus dem anatomischen Institute zu Breslau.) Hierzu Tafel XXIII und XXIV. Die im Nachfolgenden mitgetheilten Untersuchungsreihen wur- den durch die beiden im Jahre 1883 rasch hintereinander erschie- nenen Arbeiten von Prof. Pflüger in Bonn (Nro.1 und 2 des Literatur- verzeichnisses) angeregt. Es war die von Pflüger gegebene Erklä- rung der von ihm gefundenen Thatsachen, welche bei mir Zweifel erregte; — wie seitdem noch andere Autoren, konnte auch ich mich mit einer direkt differenzirenden Wirkung der Schwere nicht befreun- den. Alsich bald nach dem Erscheinen der Pflüger’schen Arbeiten selbst einen Erklärungsversuch für die von diesem Autor durch eine scharfsinnige Fragestellung und mittelst einer sinnreichen Methode entdeckten merkwürdigen Thatsachen veröffentlichte (Nr. 4), glaubte ich noch an die Voraussetzung, die der Pflüger’schen Auffassung zu Grunde liegt, dass bei den in abnormer Stellung festgehaltenen Frosch- oder Kröteneiern keine inneren Verschiebungen stattfänden; eigene Experimente, die ich Anfang März dieses Jahres anzustellen in der Lage war, lehrten mich aber bald, dass wenigstens für Rana fusca diese Voraussetzung nicht richtig ist. Ich habe über meine ersten Experimente eine vorläufige Mit- theilung nach einem am 4. April eurr. vor der medieinischen Sektion der schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur gehaltenen Vortrage veröffentlicht (5). Inzwischen sind die mehr oder weniger auf dasselbe Thema bezüglichen Arbeiten von Roux, Rauber, O.Hertwig und eine neue, kurze Mittheilung von Pflüger erschie- nen; meine eigenen Experimental-Untersuchungen habe ich bis zum Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 24 31 476 G. Born: Ende der Brunstzeit des Feldfrosches fortgesetzt und dann ähnliche Versuche an den Eiern von Pelobates fuscus, Hyla arborea und Rana esculenta ausgeführt. Die Schnittuntersuchung des conservir- ten Materials von Rana fusca war aber so mükselig und zeitraubend, dass ich im Folgenden im Wesentlichen nur meine an dieser Art gewonnenen Resultate mit Berücksichtigung der seither mir bekannt gewordenen Arbeiten auf unserem Gebiet vorlegen kann. Ein grosser Theil der Untersuchungen Pflüger’s bezieht sich auf Stadien, für die es mir bei Rana fusea vielfach an Material, wenigstens für die Schnittuntersuchung, fehlte, nämlich auf die Sta- dien nach der Ausbildung der ersten Furchen bis zum Auftreten des Central-Nervensystems; ich konnte daher auf viele der An- gaben, die in Pflüger’s Arbeiten niedergelegt sind, nicht genauer eingehen. — Die Capiteleintheilung der folgenden Darstellung ist so einfach, dass sie wohl keiner besonderen Erläuterung bedarf. Material und Methode der Experimente. Ich unterscheide am Ei von R. f. das helle und das dunkle Feld. Ich vermeide für das erstere den Ausdruck „weisses Feld“, weil dasselbe, wie gleich noch näher zu erörtern, diesen Namen in vielen Fällen durchaus nicht verdient. In der Mitte des hellen Feldes liegt der helle, in der Mitte des dunklen der dunkle Eipol; die diese beiden Pole verbindende Linie nenne ich, wie Pflüger, die primäre Eiaxe, darnach sind die Ausdrücke „primärer Aequa- tor, primärer Meridian“ wohl ohne Weiteres verständlich. Können die Hüllen des Eies vollkommen quellen, so bildet sich zwischen ihnen und dem Ei bekanntlich ein mit Flüssigkeit gefüllter Raum, in dem sich das Ei frei bewegen kann. Bei vollkommen freier Beweglichkeit stellt sich das befruchtete Ei sehr rasch so ein, dass die primäre Eiaxe lothrecht steht, dann wird der dunkle Pol zum primären oberen, der helle zum primären unteren. Auf die Ab- weichungen von dieser Stellung, wie sie sich nach Roux an den Eiern maneher Weibchen finden, gehe ich hier nicht weiter ein. Das unbefruchtete Ei stellt sich bei freier Beweglichkeit, wie Roux und ich gefunden haben, ebenso ein, wie das befruchtete, nur geschieht dies viel langsamer; ich komme darauf unten noch Biologische Untersuchungen. 477 einmal zurück, dort (p. 519) ist auch die diesbezügliche Stelle meiner vorläufigen Mittheilung in extenso wiedergegeben. Die Eier sind bei ein und demselben Weibehen von Rana fusca von sehr gleichmässiger Grösse. Auch zwischen den Eiern verschiede- ner Weibchen finden sich meistkeine erheblichen Grössenunterschiede. Ich habe bei 9 der benützten Weibchen je 5—10 Eier unter Wasser gemessen und die so gewonnenen Durchsehnittsmaasse verglichen; die mittlere Grösse des Durchmessers von allen zusammengenom- men betrug 1,94mm, das grösste Durchschnittsmaass stieg bis auf 2,12 mm, das kleinste sank bis zu 1,80 mm. Die Unterschiede sind also nieht sehr bedeutend. Doch weisen zwei Weibchen, deren Eier ich nieht gemessen habe, sowohl nach den darüber gemachten Anmerkungen, als auch nach den Dimensionen der Schnitte, auffallend kleinere Eidurchmesser auf; namentlich mache ich auf das 2 aufmerksam, das den Versuchen von °*/; gedient hat und dessen Eier sich noch durch einige andere Eigenthümlich- keiten auszeichneten. Das helle Feld ist bei den Eiern ein und des- selben Weibehens fast immer annähernd gleich gross, nur einmal habe ich unter den von mir gemessenen Eiern eins gefunden, das ein etwa um 1/, grösseres helles Feld besass, als die übrigen, die demselben Uterus entstammten. Dagegen zeigen sich sehr erheb- liche Grössenunterschiede, wenn man die hellen Felder der Eier verschiedener Weibchen vergleicht; der grösste Durchmesser des immer kreisförmigen hellen Feldes schwankt zwischen !/, bis Y/, der Peripherie eines grössten Kreises auf der Eikugel. Zu der Grösse der Eikugel steht die Grösse des hellen Feldes, wie es scheint, in keinem constanten Verhältniss. Dabei sind die Felder von geringem Durchmesser zugleich meist trübe, grauschwärzlich und undeutlich begrenzt, die von grossem Durchmesser meist weiss- gelb und scharf begrenzt. In der Mitte des hellen Feldes findet sich bei den Eiern mancher Weibehen noch ein dunkler Punkt. Man wird wohl nicht fehlgehen, wenn man die Eier mit kleinerem und trübem weissen Felde als die pigmentreicheren bezeichnet. Für meine Versuche war es zweckmässig, sich Eier mit grossem, scharf weissgelben, hellen Felde auszusuchen. Pflüger hat eine Methode ersonnen, um Froscheier künstlich in einer von der normalen Stellung mit lothrechter primärer Eiaxe, die die Eier bei freier Beweglichkeit von selbst annehmen, ab- weichenden Lage zu fixiren, ohne dass dabei die Befruchtung und 478 G. Born: die Weiterentwiekelung wesentlich behindert sind. Das Verfahren besteht darin, dass er den Eiern zwar Wasser, resp. Samenflüssig- keit zusetzt, aber so wenig, dass die Gallerthüllen nur unvollkom- men quellen. Die quellende Gallerthülle fixirt dann das ganze Gebilde aussen an der Unterlage, drückt aber ausserdem auch nach innen auf das Ei und hält dasselbe in der Stellung, die es mit oder ohne Absicht des Experimentators im Augenblicke des Flüssig- keitszusatzes hatte, fest. Ich werde diese festgestellten Eier als Eier in Zwangslage bezeichnen. Dieselben entwickeln sich, wie Pflüger gezeigt hat, zumeist ganz vortrefflich und man kann, wenn man dieselben vor dem Austrocknen schützt, vollkommene Larven aus denselben ausschlüpfen sehen. Ueber mein eigenes Verfahren bei den hier zu besprechen- den Versuchen, sowie über die dazu benützten Thiere sei Folgen- des bemerkt. Die erste R. f. in Brunst, die ich zu den Versuchen verwenden konnte, erhielt ich am 2. März aus Heidelberg, die ersten hiesigen am 14. März; in den ersten Tagen des April war die Brunstperiode der Art bei uns vollkommen abgelaufen. Die Thiere wurden nach den von Pflüger für solche Versuche gegebenen Vorschriften ver- wahrt. Zur Aufstellung der Eier dienten flache runde Glas- schalen verschiedener Grösse mit plattem Boden, die durch eine aufgelegte Glasscheibe so verschlossen wurden, dass zwar der Luftwechsel nicht verhindert, die Verdunstung der darin ent- haltenen Flüssigkeit aber doch sehr verlangsamt war. Die Eier kamen nicht auf den planen Boden des Gefässes selbst, sondern auf eine etwas kleinere, runde Glasplatte, die in das Gefäss ein- gelegt wurde; auf der Glasplatte war in einem Durchmesser ein Pfeil eingeätzt; gewöhnlich setzte ich auf jede Seite des Pfeiles etwa 4-5 Bier auf und merkte deren Stellung auf einem beige- zeichneten Schema an. Für jedes Ei wurden ausserdem noch 2 schematische Zeiehnungen auf zwei Blättern angefertigt, die die Ober- und Unteransicht desselben im Augenblicke der Aufstellung fixirten. Dazu dienten nach Pflüger’s Vorgang Kreise von 1—2 cm mittlerem Durchmesser, die Orientirung wurde so gewonnen, dass der Längsrand des viereckigen Blattes oder ein demselben paralle- ler mittlerer Bruch dem Pfeile auf der Glastafel parallel ange- nommen wurde. Beim Zeichnen brachte ich eine dieser Linien in die direkte Verlängerung des Pfeiles auf der Glasplatte und Biologische Untersuchungen. 479 trug dann z. B. die Stellung des hellen Feldes nach dem Augen- maass möglichst genau ein; dazu erhielt noch jedes Ei eine Num- mer, Zeitbestimmungen u. s.w. Dann wurde die Glasplatte mit den Eiern nach unten auf die Oeffnung einer etwas kleineren Glas- schale aufgelegt und mit denselben Maassregeln die Abbildungen der Unterseite in die Kreisschemata des zweiten Blattes eingetragen. In dieselben Kreisschemata kamen dann Einzeichnungen über die nach Ablauf einer bestimmten Zeit an der Eioberfläche sichtbaren Farbenveränderungen, Furchen u. s. w., wobei immer wieder die Parallelität oder das Zusammenfallen der Orientirungslinien herge- stellt wurde; diese späteren Notizen wurden durch Schraffirung oder durch die Farbe von der ersten unterschieden. Bei den Ab- bildungen der Unterseite wurde die Einzeichnung sogleich in Be- zug auf rechts und links umgekehrt. Wenn man in die Schale, auf der die Ränder der Glasplatte dabei aufruhen, etwas Wasser gethan hat, hat man keine Eintroeknung zu fürchten und braucht nicht zu sehr zu eilen. Die von Pflüger vorgeschlagene Spiegel- methode habe ich nicht für praktisch befunden, besonders weil ich, wie gleich zu erörtern, die Glasplatte, auf der die Eier rub- ten, mittelst eines Sprays mit feinem Wasserstaub überdeckte; in einigen Fällen habe ich sämmtliche Abbildungen bei ganz schwa- cher Mikroskop-Vergrösserung mit der Camera lucida abgenommen, dies ermüdet aber, namentlich wegen der geringen Lichtmenge, die die stark pigmentirten Eier zurückwerfen, aufs Aeusserste, trotzdem ist diese Methode als die einzig sichere anzusprechen, bei der der Fehler der subjektiven Schätzung beim Zeichnen so gut wie eliminirt ist; ich werde desshalb auf dieselbe, wenn ich nächstes Jahr, wie ich hoffe, diese Versuche weiter führen kann, mit entsprechenden Abänderungen, namentlich mit Vermeidung des Mikroskops, das für solche Dinge nicht geeignet ist, und mit zweck- mässiger Beleuchtung, zurückgreifen. Eine Aenderung der. Me- thode war dieses Jahr bei der Kürze der Zeit, in der die Versuche möglich waren, und bei den vielen anderen Schwierigkeiten, die dieselben boten, nicht auszuführen. Das Aufsetzen der Eier ge- schah ganz nach Pflüger’s Vorschriften, doch ist dasselbe jeden- falls bei R. f. viel leichter, als nach Pflüger's Schilderung bei dem von ihm hauptsächlich verwendeten Bomb. ign., auch sind die Eier des Feldfrosches offenbar viel weniger leicht verletzlich. Die Befruchtung geschah mit einem Pinsel, mit dem ich einen Tropfen 480 G. Born: der Samenflüssigkeit auf das auf die trockene Glasplatte aufge- setzte Ei fallen liess; die Grösse des Tropfens wurde nach einer Schätzung bei der Zeichnung bemerkt. Bei einer Wiederholung und Weiterführung der Experimente werde ich versuchen, mit einer abgemessenen Capillare zu jedem Ei das gleiche Flüssig- keitsquantum zuzusetzen. War, wie ich aus der Quellung ersah, zu viel Samenflüssigkeit zugesetzt, so wurde der Ueberschuss mit einem Streifen Löschpapier weggesaugt. Die Eier der ersten Ver- suche gingen mir durch Eintrocknung grösstentheils verloren, ob- gleich ich den Zwischenraum zwischen dem Rand der Glasplatte und der Wand des Gefässes mit Wasser gefüllt hatte, bald lernte ich aber, dass man zu vorzüglichen Resultaten kommt, wenn man die Glasplatte, die die Eier trägt, mittelst eines Handspray’s mit einem feinen Wasserstaub bedeckt. Wenn man dieselbe zum Zeich- nen etwaiger Oberflächenveränderungen herauszunehmen genöthigt ist, muss der Spray von Neuem in Anwendung kommen. War die Glasplatte eingesetzt und das Gefäss zugedeckt, so konnte, da das Gefäss gleichmässig hoch und der Boden desselben, ebenso wie die angewandten Glasplatten, gleichmässig dick waren, mittelst einer auf den Deckel aufgestellten Libelle für annähernde Ho- rizontalstellung der die Eier tragenden Fläche gesorgt werden. Beim Beginn des Versuches wurden immer eine Menge Eier zur Probe frei in die Samenflüssigkeit geschüttet und der voll- kommenen Quellung überlassen. Die Aufstellung der Eier war meist nur in soweit beabsichtigt, als ich das helle Feld nach oben einstellte, nur in einigen Fällen (bei Eiern von R. ese.) habe ich gesucht, alle Eier mit ihrer Axe nach derselben Richtung und um denselben Winkel geneigt einzustellen. Ueber die Resultate werde ich weiter unten beriehten. Mitunter habe ich während der ganzen Dauer des Versuches die Glasplatte umgekehrt — mit den Eiern nach unten — auf ein etwas kleineres zum Theil mit Wasser gefülltes Gefäss aufgesetzt gelassen, wie dies sonst nur zum Abzeichnen der Unterseite geschah. Schon in der vorläufigen Mittheilung habe ich berichtet, dass diese Versuchsanordnung genau dieselben Resultate ergiebt. Ich werde solche Eier kuzweg als „hängende“ bezeichnen. Dreht man hängende Eier später, etwa nach dem Auf- treten der ersten Furche, nochmals um, ohne dass Wasserzusatz oder erhebliche Verdunstung stattfinden, so erhält man je nach der Zeit der Umdrehung verschiedene Resultate, auf die ich später zurückzukommen hoffe. Biologische Untersuchungen. 481 Aeussere Besichtigung der Eier. Hatte ich befruchtete Eier von R. f. in Zwangslage so auf- gestellt, dass das helle Feld grade oder auch etwas schräg nach oben sah, war also der helle Pol um annähernd 180° gedreht, so beobachtete ich ausnahmslos, dass, wenn überhaupt Entwicklung eintrat, das helle Feid seine ursprüngliche Stellung nicht beibe- hielt, sondern sich soweit verschob, dass es ganz oder zum grössern oder kleinern Theile unter den Aequator hinabgetaucht war, wenn die erste Furche erschien (bei Zimmertemperatur von 20° C. nach 23/, Stunden)!). Ich habe an einigen Tagen von einer natürlich nur beschränkten Anzahl so in Zwangslage fixirter Eier in etwa lstündigen Zwischenräumen, Zeichnungen mit dem Prisma bei ganz schwacher Vergrösserung entworfen und so die einzelnen Etappen der Verschiebung des hellen Fleckes mir klar gelest. Da bei diesen Versuchen immer die Zeit drängt, weil man nie be- urtheilen kann, ob man am folgenden Tage noch im Besitze von brauchbarem Materiale ist, während der zu lösenden Autgaben sehr viele sind, so habe ich mir nie die Zeit genommen, ein Ei ganz continuirlich zu beobachten, dasselbe etwa fest unter dem Zeichen- prisma stehen zu lassen und alle 15 Minuten eine Zeichnung anzu- fertigen. Ich hatte immer mehrere Eier hintereinander aufgesetzt und musste, wenn ich eins gezeichnet hatte, die andern erledigen, ehe ich zu dem ersten zurückkehren konnte. So besitze ich Prisma- Zeichnungen, die gleich nach dem Aufsetzen und solche, die 40—45 Minuten später abgenommen sind, aber keine aus der ersten halben Stunde, ich kann mich daher nieht mit Bestimmtheit dar- über äussern, ob die Verschiebung des hellen Feldes bei den be- fruchteten Eiern schon sogleich nach dem Aufsetzen beginnt; für das blosse Auge war in dieser Zeit die Verschiebung kaum merk- lich. Nach 40—45 Minuten ist die Verschiebung meist schon ziemlich deutlich, rascher wird dieselbe aber erst in den zweiten ?/, Stunden. Ich habe an 5 gezeichneten Eiern die Maasse, die die Zeichnung für den Durchmesser des grössten meridionalen Durchschnittes durch das helle Feld geliefert hatte, auf die entsprechende Kreisperipherie 1) Vergleiche hierzu und zu dem Folgenden die 6 Figuren mit ® bei- gefügten, verkleinerten schematischen Bilder der oberen Eikugelbhälfte. 482 G. Born: übertragen und die Verschiebungen des hellen Feldes durch die Cen- triwinkel gemessen, welche gebildet wurden, wenn ich die in den verschiedenen Stellungen hintersten (siehe unten!) Punkte des hellen Feldes mit dem Mittelpunkte verband; es ergab sich, dass in ungefähr 3/,Stunden, die bis zur Anfertigung der zweiten Zeichnung vergangen waren, das helle Feld sich um 7—18° verschoben hatte, in den darauf folgenden 50—60 Minuten um 30°, 43° (in 3 Fällen) und 85° Für das Auge war in der ersten halben Stunde, wie gesagt, keine Verschiebung des hellen Feldes wahrnehmbar, dieselbe be- ginnt wahrscheinlich erst nach Ablauf dieser Zeit und zwar anfänglich (die erste Viertelstunde darauf) langsam, um später bedeu- tend rascher zu werden; — dem entspricht, dass die in Folge der Verschiebung auftretenden Farbenveränderungen an der Eioberfläche auch erst nach Ablauf der ersten halben Stunde merklich werden. Das Herabsinken des hellen Feldes geschieht bei irgendwie aus- geprägter excentrischer Anfangslage desselben fast immer auf dem kürzesten Wege. Es liegen mir jetzt einige mit Zeichnungen be- legte Fälle vor, wo das helle Feld anfangs ganz wenig nach der einen Seite excentrisch eingestellt war, dann sich im Laufe der ersten Stunde centrisch einstellte, um schliesslich an einer anderen Seite herabzusinken ; ich glaube, beweisen kann ich es nicht, dass in diesen Fällen die erste Verschiebung auf einer geringen Drehung des ganzen Eies (mit den Hüllen!) in Folge der ungleiechen Quel- lung der Gallerthülle beruht. — Ueber die Veränderungen des hellen Feldes in den spätern Stadien der Furchung kann ich erst weiter- hin sprechen. Diese Wanderung des hellen Feldes über den Aequator herab nach unten beruht bei den in Zwangslage mit dem hellen Pol nach oben aufgestellten Eiern von R. f., wie ich schon in meiner vorläufigen Mittheilung sagte, zum geringsten Theile auf einer wirklichen Drehung des ganzen Eies innerhalb seiner Hüllen, ja jetzt, wo mir eine grössere Zahl von Schnittserien vorliegt und ich die Schnittbilder mit den Protokollzeiehnungen der eben auf- gestellten Eier vergleichen kann, sehe ich, dass eine solche Dre- hung des ganzen Eies in den meisten Fällen ganz fehlt. Das Fehlen oder Eintreten derselben richtet sich ganz nach der Was- sermenge, die man zu den Eiern zugesetzt hat; ich bin, wie die Resultate zeigten, selten soweit gegangen, dass eine wirkliche Rotation des ganzen Eies stattgefunden hat; über das hierzu nöthige Was- serquantum, kann ich, wie obeu erwähnt, leider nichts bestimmtes Biologische Untersuchungen. 483 aussagen. Pflüger hat bekanntlich für seine Eier eine wirkliche Rotation beschrieben, doch gehörten die Eier andern Arten, R. esc. und Bomb. ign. an; für die erstere Art kann auch ich das leichtere Eintreten der Gesammtrotation bestätigen. Bei der Verschiebung des hellen Feldes nach unten sielıt man an den Eiern von R.f. an der Stelle, die dasselbe eben noch eingenommen hatte, nicht die schwarze Rinde, sondern entsprechend der vollen Ausdehnung dieser Stelle oder beinahe derselben ent- sprechend einen grauen Fleck von bald mehr grauweisslicher, bald mehr grauschwärzlicher Farbe erscheinen (siehe die schraffirten Stellen in Fig. 2?, 5°, 8%, 11°, 18°). Je längere Zeit seit der Be- fruchtung verflossen ist, um so breiter wird dieses graue Feld, das, wenn man sparsam im Zusatz der Samenflüssigkeit gewesen ist, einerseits in voller Ausdehnung die ursprüngliche Stelle des hellen Feldes einnimmt, andererseits sich eontinuirlich bis zum höchsten Rande des hellen Feldes in seiner neuen Stellung erstreckt. Hat man mehr Samenflüssigkeit zugesetzt, sodass eine geringe Rotation des ganzen Eies hinzukommt, so reicht der höchste Rand des grauen Feldes nicht so weit, wie ursprünglich das helle Feld (z. B. in Fig. 11°). Da es sich bei dieser Erscheinung, wie ich schon in meiner vorläufigen Mittheilung, der die vorangehende Schilde- rung beinahe wörtlich entnommen ist, gesagt habe, um eine Art Strömung im Innern des Eies handelt, wird es nothwendig sein, neue Bezeichnungen zur kurzen und raschen Orientirnng an dem so veränderten Ei einzuführen. Die höchste Stelle des in Zwangs- lage fixirten Eies, mag dieselbe, wie kurz nach der Aufstellung in das helle Feld, oder wie später in den grauen Fleck oder in die Nähe desselben fallen, nenne ich den oberen sekundären Pol, die entgegengesetzte tiefste den unteren sekundären Pol des Eies. Ich mache ausdrücklich darauf aufmerksam, dass Pflüger unter der Bezeichnung .‚sekundäre Axe“ denjenigen Durchmesser versteht, in dem sich die beiden ersten Furchungsebenen schneiden; dieselbe steht freilich in den meisten Fällen auch annähernd senkrecht, so dass dann die Endpunkte derselben bei unveränderter Stellung des ganzen Eies bis zum Eintritt der Furchung mit meinem oberen und unteren sekundären Pol zusammenfallen. Die Stelle, wo der die Strömungsrichtung bezeiehnende sekundäre Meridian in der Bewegungsrichtung den sekundären Aequator schneidet, nenne ich den vordersten Theil — die Stelle, wo derselbe ent- 484 G. Born: segen der Bewegungsrichtung den Aequator schneidet, den hin- tersten Theil des Eies. Die Stellen sind in den meisten Figuren durch v. und h. bezeichnet, der Strömungsmeridian selbst an den mit ® zugesetzten Kreisschemata durch einen Pfeil. Die auf dem Strömungsmeridian senkrechten Richtungen treffen die Seiten des Eies. Der sekundäre Meridian, der die Strömungsrichtung des Dotters bezeichnet, und derjenige, welcher durch die Mitte des hellen Feldes in seiner ursprünglichen Stellung geht, fallen nach dem oben Gesagten fast immer zusammen. Die soeben auseinandergesetzte Bezeichnungsweise, welche davon ausgeht, dass man sich selbst in den Strom des Eiinhaltes versetzt denkt, mit dem Gesicht nach der Stromrichtung gewandt, ist für die Beschreibung sehr bequem; man darf aber nicht vergessen, dass mit derselben durchaus nichts über Vorn und Hinten am zu- künftigen Embryo ausgesagt sein soll; ja wir werden sehen, dass diese Richtungen am Embryo grade umgekehrt sind, als die welche hier die Bewegung des Dotters bezeichnen. — Je intensiver weiss und je ausgedehnter der helle Pol von vornherein war, um so auf- fallender ist die Erscheinung des grauen Fleckes. Häufig nimmt derselbe nicht den ganzen ehemaligen Bezirk des hellen Fel- des ein, sondern erstreckt sich vom hinteren Rande des weissen Feldes in seiner sekundären Stellung aus als eine mehr oder weniger zugespitzte Zunge gegen den sekundären Pol des Eies in die Höhe. Es sind dies, wie gesagt, nach den Schnitten die Fälle, in denen sich zu der Bewegung des Dotters im Eiinnern eine ge- ringe Drehung des ganzen Eies in derselben Richtung hinzugesellt. Ebenso oft aber breitet der graue Fleck sich weiter aus, als das helle Feld dies ursprünglich an der oberen Seite des Eies that. Man sieht dann die ganze vordere Hälfte der oberen Seite des Eies oder noch mehr von einer breiten grauen Zone eingenommen, die nach vorn an einen schmalen Halbmond des weissen Feldes, der den Aequator überragt, angrenzt. Es ist schwer, die Grösse des sekundär halb an der vorderen, halb an der unteren Seite des Eies befindlichen hellen Feldes an dem auf der Glasplatte fixirten Eie genau zu bestimmen, doch ergiebt die Schätzung sowohl, als der Vergleich mit den Schnitten, dass dasselbe sich häufig ver- kleinert. Trotzdem umfassen, am Strömungsmeridian gemessen, der graue Fleck und das weisse Feld zusammen häufig die Hälfte des Eiumfanges und mehr. Die Form des abgesunkenen hellen Feldes Biologische Untersuchungen. 485 bleibt in dem gewöhnlichen Falle (auf der Höhe der Brunstzeit) annähernd kreisförmig, nach dem Ende der Brunstperiode dagegen, wenn man mit lange in der Gefangenschaft gehaltenen und von ihren Mäunchen getrennten Weibehen operiren muss, findet man häufig Abweichungen von der regulären kreisförmigen Figur, in meinen beiden letzten diesjährigen Versuchsreihen am 7. und 8. April war dies besonders häufig der Fall. Zugleich erschien das helle Feld in seiner sekundären Stellung meist sehr bedeutend verkleinert. Bei einer Anzahl Eiern derselben Versuche zeigte auch die Configuration des grauen Fleckes erhebliche Abweichungen. Derselbe hing mitunter nicht in seiner ganzen Breite, sondern nur durch eine schmale Zunge mit dem abgesunkenen hellen Felde zu- sammen. Oder die Grenzlinie zwischen dem hellen Felde und dem grauen Fleck verlief nieht quer von einer Seite des Eies zur an- dern, wie im regulären Falle, sondern schräg oder in gebrochener Linie. Mitunter fehlte das helle Feld ganz und ich fand nur einen unregelmässig begrenzten, excentrisch gelegenen grauen Fleck an der Oberseite. Endlich trifft man einzelne Eier, bei denen das helle Feld, statt an einer Seite abzusinken, sich beinahe über die ganze obere Seite des Eies verbreitet oder wo nach einer ähnlichen Ausbreitung nur ein Absinken auf einer schmalen Zone stattfindet. In dem allseitig ausgebreiteten hellen Felde findet sich in recht typischen Fällen in der Mitte ein dunklerer grauer Fleck (vergl. Fig. 14°), bei andern ist ein ganzer Kreisausschnitt grau. Es sind dies regelmässig Eier, bei denen Anfangs das weisse Feld recht genau central um den obern Pol eingestellt war, ohne dass damit gesagt sein soll, dass bei dieser Einstellung die Erscheinung regel- mässig eintritt. Sie ist vielmehr, wie die Schuittserien ergeben, an eine bestimmte Art des Eindringens der Spermatozoe gebunden (siehe weiter unten!). Die erste Furche erscheint an der Oberfläche des normalen Eies, sobald sie etwas tiefer geworden ist, bekanntlich nicht als eine Linie, sondern als eine an der Oberfläche ziemlich breite, gegen die Tiefe zugeschärfte Spalte; die Wände derselben legen sich in Fältchen, die zur Längsaxe derselben senkrecht ge- stellt sind, eine Erscheinung, die ältere Beobachter viel beschäf- tigt hat. Wie sich an Schnitten leicht nachweisen lässt, wird dabei das dunkle Rindenpigment eine Strecke weit in die Furche hineingezogen. Dies erklärt sich am besten durch die Annahme, 486 G. Born: dass die festere Eirinde der Contraction des Eiprotoplasmas um die beiden neuen Öentren (Tochterkerne) nicht sogleich oder nicht rasch genug folgt, wodurch die Einfaltung und die Fältchen der Rinde hervorgerufen werden. Da die neuen Centren, um die das Eiprotoplasma sich contrahirt, excentrisch über der Mitte der Ei- höhe liegen, und da ausserdem alle Erscheinungen der Furehung an der oberen Eihälfte rascher ablaufen als an der unteren, muss die erste Furche zuerst an der oberen Seite des Eies erscheinen. Auch an den in Zwangslage in abnormer Stellung festgehal- tenen Eiern tritt die erste Furche, wie Pflüger nachgewiesen hat und ich bestätigen kann, zuerst meist an der höchsten Stelle dieser Eier, am sekundären oberen Pole, auf; die Ebene derselben steht in der Regel senkrecht. Doch geschieht beides nicht aus- nahmslos; mitunter schneidet die erste Furche an einer tieferen Stelle der Oberseite hindurch und gar nicht selten weicht die Ebene derselben, wie man sich durch Betrachtung der unteren Ei- hälfte überzeugen kann, von der senkrechten Stellung mehr oder minder erhehlich ab, namentlich geringe Abweichungen sind ziem- lich häufig. Pflüger hat nach seinen Beobachtungen den Satz aufgestellt, dass bei Eiern in Zwangslage die Ebene der ersten Furche mit der primären Eiaxe alle möglichen Winkel bilden kann. Ich kann meine Ergebnisse mit denen Pflüger's in Bezug auf diesen Punkt nicht ohne Weiteres vergleichen, denn es scheint mir nur so lange richtig, eine bis zum Eintritt der ersten Furche feste primäre Axe (zwischen hellem und dunklem Pol) anzunehmen, so lange man voraussetzen kann, dass im Innern des Eies während dieser Zeit keine erheblichen Verschiebungen stattgefunden haben. Ein Blick auf Figur 2, 7, 8, 11, 12 (zwischen oP und uP), in denen die Anfangsstellung der primären Axe ungefähr richtig eingezeich- net ist, zeigt aber ohne Weiteres, dass die innern Verschiebungen so grossartige sind, dass man auf die Feststellung der Lage der primären Axe schon eine Stunde nach der Befruchtung verzichten muss. Pflüger glaubte, das helle Feld sinke durch eine Drehung des ganzen Eies nach unten ab. Wie oben schon angedeutet und wie unten noch näher auszuführen, ist dies nicht oder nur in sehr geringem Grade der Fall; was späterhin äusserlich als helles Feld imponirt, sind erst unter Verdrängung der Pigmentrinde sekundär an die Oberfläche gelangte Theile des weissen Dotters; wollte man Biologische Untersuchungen. 487 zur Feststellung der primären Axe in der neuen Lage die Mitte dieses hellen Feldes mit dem Mittelpunkt der Eikugel verbinden, und diese Linie dann durch das Ei hindurch verlängern, so würde man eine Axe erhalten, die in Bezug auf die Vertheilung der ver- schiedenen Dottersubstanzen zu derselben — und darauf kommt es doch hier in erster Linie an — durchaus nicht mit der primären Eiaxe vergleichbar wäre. — Ich sehe mich also ausser Stande, nach meinem Materjal diesen Pflüger’schen Satz zu prüfen. Ich finde jetzt eine andere Beziehung, die mir, wie unten näher auszuführen, einige Berücksichtigung zu verdienen scheint. Vergleicht man näm- lich den Strömungsmeridian, der in praxi etwa dasselbe ist, wie Pflüger’s „Vertikalebene der Eiaxe“, mit der Ebene der ersten Furche an den in Zwangslage mit dem hellen Pol nach oben auf- gestellten Eiern, so fällt bald auf, dass dieselben in gut beobach- teten Fällen zumeist nur in zweierlei Beziehung zu einander stehen. In etwas über 100 Fällen, die ich aus meinen Protokollen ausge- zogen habe, fielen in genau einem Drittel Strömungsmeridian und Furchungsebene ungefähr zusammen, in beinahe dem ganzen zweiten Drittel stand die erste Furchungsebene ungefähr senkrecht auf dem Strömungsmeridian, die zweite Furche also fiel in denselben; in neun Fällen war ausgeprägte Winkelstellung beider Ebenen zu ein- ander vorhanden, die übrigen Eier des letzten Drittels waren zur Hälfte abgestorben, zur anderen Hälfte waren die Zeichnungen so unvollkommen, dass sich nichts Bestimmtes herauslesen liess. Doch beanspruchen diese Zahlen nur einen annähernden Werth, weil die zu Grunde liegenden Daten, wie oben beschrieben, Zeichnungen entnommen sind, die nach dem Augenmaass ziemlich rasch ange- fertigt werden mussten; — ich werde versuchen, dieselben später mit exakteren Hülfsmitteln nachzuprüfen. Pflüger hat ferner die wichtige Thatsache gefunden, dass durch die Stellung, die man den Eiern in Zwangslage bei der Be- fruchtung giebt, die Medianebene des zukünftigen Embryo’'s be- stimmt wird; dieselbe liegt nämlich in demjenigen sekundären resp. tertiären Meridian, welcher die primäre Eiaxe enthält. In meiner vorläufigen Mittheilung ersetzte ich diese Ausdrucksweise durch die, wie sich aus meiner Darstellung ergiebt, bei R. f. gleich- sinnige, „die Medianebene des Embryo’s geht durch denjenigen se- kundären Meridian, welcher die höchste Erhebung des weissen Kreises (hellen Feldes) in seiner späteren Stellung trifft“. Gleich- 488 G. Born: sinnig war dieser Ausdruck desswegen, weil das Absinken des hellen Feldes fast immer auf dem kürzesten Wege, also in dem vertikalen sekundären Meridian, der die höchste Erhebung und die Mitte des hellen Feldes enthält, erfolgt. Jedenfalls ist der Ausdruck „primäre Axe* schon eine Stunde nach der Befruch- tung unzulässig. Jetzt möchte ich dafür folgenden gleichsin- nigen Ausdruck, der aber meiner Auffassung nach das Wesentliche der Erscheinung am schärften wiedergiebt, wählen „die Median- ebene des Embryo’s fällt bei den in abnormer Stellung in Zwangs- lage festgehaltenen Eiern in den Strömungsmeridian“. Ich konnte diese Angabe Pflüger’s nach dem mir vorliegenden Material be- stätigen. Da ich aber oben auseinander gesetzt habe, dass die Strömungs- ebene und die erste Furche nicht jeden beliebigen Winkel mitein- ander bilden, sondern in der hei Weitem grössern Mehrzahl der gut beobachteten Fälle entweder zusammenfallen oder senkrecht zu einander stehen, so muss ich die Zustimmung zurücknehmen, die ich dem Pflüger’schen Satze, dass erste Furche und Medianebene bei den in Zwangslage befindlichen Eiern jeden beliebigen Winkel mit einander bilden können, gewährt habe!). Die Medianebene steht nach dem oben Gesagten zu der Ebene der ersten Furche zumeist entweder beinahe senkrecht oder beinahe parallel. Es bleibt freilich, abgesehen von den widersprechenden, zahlreichen Beobach- tungen Pflüger’s, ein Rest von Fällen auch bei mir, in denen Strömungsebene und erste Furche sicher schräg zu einander stan- den, es sind dies aber bei mir fast lauter solche, in denen ich die Eier über die erste Furche hinaus nicht beobachtet habe. Nach dem Eintritt der ersten Furche bemerkt man an Eiern, die ursprünglich ein grosses, scharf weisses, helles Feld besassen und in Folge dessen einen ausgedehnten grauen Fleck zeigen, mitunter eine eigenthümliche Veränderung des letzteren. Derselbe theilt sich in zwei oblonge Felder, die mit ihren längeren Seiten in der Furche aneinander stossen, oder, mit anderen Worten, der graue Fleck erleidet in der Richtung der ersten Furche an jeder Seite eine tiefe Einschnürung (vgl. Fig. 18%). Im weiteren Verlaufe 1) An der betreffenden Stelle der vorläufigen Mittheilung p. 11 unten heisst es „die Richtung der ersten Furche und der ersten Medianebene“; das „„ersten“ vor Medianebene ist natürlich überflüssig. Biologische Untersuchungen. 489 der Furchung wird der graue Fleck immer schmäler und unschein- barer, aber selbst im Stadium der Sandsteinformation sind noch Spuren desselben zu bemerken. Methode der Schnittuntersuchung. Eier, die bei normaler Quellung ihrer Hüllen befruchtet waren, wurden nach Hertwig in Wasser von 90° Celsius abgetödtet, dann mit der Scheere von ihrer Hülle befreit und in allmählich ver- stärktem Alkohol gehärtet; dieselben bieten für die Anfertigung von Schnittserien keine besondern Schwierigkeiten. Anders stand dies mit den in Zwangslage aufgestellten Eiern. Diese galt es so zu härten, dass dieselben sich in ihren Hüllen nicht verschoben, gleichzeitig aber an ihnen deutliche Marken so anzubringen, dass dieselben auch nach dem Härten, Einschmelzen u. s. f. gut sichtbar blieben und eine Zerschneidung in bestimmten Richtun- gen erlaubten. Die Richtung, die mir für das Schneiden von vornherein am zweckmässigsten erschien, war die des sekundären Meridians, der die Bewegung des hellen Feldes, die, wie ich unten beschrie- ben habe, bei fast allen entwieklungsfähigen Eiern eintrat, be- zeichnete, also die Richtung des Strömungsmeridians. Ich benützte zur Markirung derselben eine scharf rothe und eine scharf grüne Leimfarbe, die etwas erwärmt flüssig wurden; davon setzte ich mit einem feinen Haarpinsel ein feines Tröpfehen auf den sekun- dären Pol des Eies und ein zweites gleich- oder andersfarbiges auf die Stelle der Hülle, die der Mitte des noch sichtbaren Theiles des hellen Feldes entsprach und eventuell noch ein drittes auf die entgegengesetzte Seite des Fies; dann übergoss ich die Eier auf ihrer Platte in der Schale vorsichtig mit Alkohol, durch den die Farben so fixirt wurden, dass sie selbst nach allen spä- teren Proceduren, die Imbibition mit Paraffin eingeschlossen, deut- lich sichtbar blieben. Mit denselben Farben wurden an den ent- sprechenden Stellen der Kreisschemata gleichfarbige Punkte gemacht. Da durch die bei der Härtung erfolgende Abplattung der Eier der Punkt, der auf dem hellen Pol sass, ohne Weiteres kenntlich blieb, so genügten die zwischen 2 und 3 Farbenpunkten möglichen Com- binationen, um, auch wenn alle 10 Eier einer Platte in einem 490 G. Born: Gefäss aufbewahrt wurden, jedes Ei nach seinen Farbenpunkten mit Hilfe der Zeichnungen, die dieselben Farben trugen, zu diag- nosticiren. Meine ersten Versuchsserien verlor ich für die Schnitt- untersuchung vollkommen, weil ich, um die Eier abzutödten und zu fixiren, sie sogleich mit Alcoh. absol. übergoss. Die Eier waren dann so bröcklich, dass trotz aller angewandten Hilfsmittel die Schnitte fast durchweg zerfielen; bei denen, die etwa noch übrig blieben. war die Abplattung so stark, dass die Bilder allzusehr verändert erschienen. Ich will nicht alle Fehler aufzählen, die ich noch gemacht, sondern kurz das Verfahren beschreiben, das ich jetzt für das zweckmässigste halte. Man bringt die Platte mit den Eiern in eine reine Glasschale und übergiesst sie mit Oel, das auf dem Wasserbade bis auf einige 90°C. erhitzt ist. Wenn man sicher ist, dass die Eier durch die Hitze getödtet sind, wird die Platte berausgenommen und in einer andern Schale mit 75grädi- gem Alkohol übergossen. Darauf folgt nach einigen Stunden 80- grädiger Alkohol; in diesem oder in 90grädigem werden die Eier mit einem flach an die Glasplatte angedrückten Messer vor- sichtig abgelöst und in Alkohol von derselben Stärke aufbewahrt. Die Ablösung kaun auch schon im schwächeren Alkohol geschehen. Ich habe die etwas umständliche Uebergiessung mit erhitztem Oel nur einige Male angewandt, die Unterlassung derselben war aber, wie ich jetzt glaube, zum Schaden meiner Versuche. Ich übergoss nämlich die Eier, um sie sicher abzutödten, meist sogleich mit SOgrädigem Alkohol; das Resultat war dann zwar der sofortige Tod der Eier, aber auch eine ziemlich erhebliche Abplattung der unteren Seite derselben am Glase; nun ist zwar sicher, dass die in Zwangslage befindlichen Eier, d. h. die Eier mit unvollkommen sequollener Gallerthülle auch in vivo durch den Druck der Gallerthülle sich an der unnachgiebigen Glasplatte etwas ab- platten, doch war diese Abplattung jedenfalls geringer als die durch den starken Alkohol, der sogleich eine Schrumpfung der äussersten Hüllenschichten bewirkte. Setzt man ohne vorher- gehende Erhitzung, sofort schwächeren Alkohol, etwa 75grädigen oder gar 70 grädigen hinzu, so tritt keine Schrumpfung, im Gegen- theil bei 70 grädigen eine in die Augen fallende Aufquellung der Gallerthülle ein, dabei wird dieselbe etwas trübe, aber doch nicht so sehr, als dass man nicht constatiren könnte, dass bei der Quellung keine Verschiebung des Eies stattfindet. Es ist sehr NN Biologische Untersuchungen. 491 merkwürdig, wie wenig Grade Unterschied in der Stärke des Alkohols Quellung oder Schrumpfung der Gallerthülle bewirken. Der von mir benutzte 70grädige Alkohol war vielleicht einige Male durch längeres Stehen etwas schwächer geworden, denn» die Eier zweier Platten hatten sich, wie die Schnitte ergaben, in dem Alkohol eine ganze Zeit lang weiter entwickelt; obgleich die Ueber- giessung mit Alkohol in einem Falle 1Y/, Stunde nach der Be- fruchtung erfolgt war, zeigten sich die Eier in der Bildung der ersten Furche begriffen, vgl. Fig. 22 und 23, ein Stadium, das sie sonst erst nach drei Stunden erreicht haben; ich rathe also nach den angedeuteten Erfahrungen, die Eier zuerst dureh Hitze ab- zutödten und dann mit 75grädigem Alkohol zu übergiessen. Zum Schneiden wurden die Eier nach bekannten Methoden mit Paraffin imbibirt; ich kann nicht genug hervorheben, dass mir die An- fertigung von Schnittserien genau dureh die vermittelst der Marken an der Eihülle bestimmte Richtung unmöglich gewesen wäre, wenn ich nicht das von ınir in meinem Aufsatze über die Plattenmodel- lirmethode (Arch. für mikr. Anat. Band XXI pg. 591) angegebene Verfahren benutzt hätte. Nach der Imbibition hob ich die Eier mit einem heissen, siebartig durchlöcherten Löffelehen aus der Masse heraus, saugte durch Aufsetzen des Siebs auf ein Stück- chen Fliesspapier die überflüssige Masse fort und hob das imbi- birte, aber ganz von Masse befreite Ei durch Anlegen des Fingers von dem Löffelehen ab. Die so imbibirten und isolirten Eier liessen sich in verkorkten Gläschen beliebig lange aufbewahren. Das Aufschmelzen derselben geschah nun mit Hülfe des von mir a.a. 0. beschriebenen Instramentchens. Da die Methode noch wenig Eingang gefunden zu haben scheint, will ich dieselbe in der An- wendung auf die vorliegenden Objekte noch einmal kurz beschrei- ben. Mit dem für diese Schnittserie definitiv festgestellten Messer wird an dem eingespannten Paraffinblock eine Fläche geschnitten, dann erhitze ich das kleine Instrument, für dessen Verbreitung mir vielleicht nur der griechische Name fehlt, über der Weingeistflamme. — Dasselbe besteht aus zwei gleichgrossen quadratischen Platten, die im rechten Flächenwinkel aneinander stossen; auf die Aussen- seiten beider Platten sind den Seiten derselben parallel in glei- chen Abständen je 2 sich rechtwinklig überkreuzende Systeme seschwärzter Linien eingeritzt; das ganze Ding ist aus einem Stück dünnen Messingblech gebogen. — Das erhitzte Instrument Archiv f. mikrosk, Anatomie Bd. 24. 393 492 G. Born: wird auf die Kante irgend eines Kästchens gelegt, ein Tropfen heisses Paraffin auf die vorliegende horizontale Seite gebracht und nun das Ei, das mit seiner abgeflachten Fläche leicht auf- ruht, so darauf aufgestellt, dass die Linie, die die Marken des Eies verbindet, mit einer der graden zusammenfällt, die der Schei- tellinie des rechten Winkels parallel laufen; dann wartet man, bis das Paraffin auf der horizontal liegenden Platte festgeworden ist und das Ei fixirt hat, setzt das Instrument mit der freien quadra- tischen Platte auf die an dem Paraffinblock angeschnittene Fläche, tropft soviel Paraffin an die nun auf der Fläche senkrecht stehende Seite des Instrumentes, dass das Ei umhüllt und mit der Fläche verbunden ist, löst das Instrument durch Erwärmen von der Seite der Oeffnung des Winkels her ab und vollendet die Umtropfung; dann ist man sicher, dass, wenn man die Stellung des Messers nicht verändert, jeder Schnitt genau parallel der durch die Marken am Ei bezeichneten Richtung durch dasselbe hindurchgeht. Natür- lich lässt sich ebenso jede andere Schnittrichtung auswählen. Die ganze Procedur ist in wenigen Minuten beendet. Beim Schneiden selbst ergab sich, dass auch nach der vorsichtigen Behandlung mit allmählich stärkerem Alkohol die in den Hüllen gehärteten Eier meist zu bröcklich waren, um gute Serien zu ergeben. Ich hebe nochmals hervor, dass im Uebrigen ganz ebenso behandelte, aber aus ihren Hüllen befreite Eier ohne Weiteres vorzügliche Serien ergaben. Nach einigem Herumprobiren kam ich auf fol- genden Kunstgriff, den ich schon früher gelegentlich angewendet habe und der vielleicht auch schon von Anderen in Gebrauch gezogen worden ist. Nach jedem Schnitt setzte ich mit dem erhitzten Ende eines kleinen Spatels ein Tröpfehen Masse auf die Schnittfläche, einiges Anblasen genügte, um desselben erstarren zu machen; sobald das geschehen war, wurde geschnitten und der durch die darüber liegende Paraffinmasse festgehaltene Schnitt auf den vorher mit einer dünnen Eiweissglycerinschicht (nach Meyer) überzogenen Objektträger übertragen. Ist die neben dem Ei anstehende Paraffinschieht gross genug, so braucht man keinen frischen Tropfen aufzusetzen, sondern kann durch einen raschen Zug mit dem erhitzten Spatel die Schnittfläche des Eies von dem umliegenden Paraffin aus überziehen. Dies Verfahren verdreifacht mindestens die zur Anfertigung einer Serie nöthige Zeit; ich kenne aber keine andere Methode, die bei diesem diffieilen Material mit Biologische Untersuchungen. 493 gleicher Sieherheit gute Erfolge gewährleistet. Ueberzieht man die Sehnittfläche (nach Mason) mit einem Collodiumhäutchen, so bleiben die Schnitte zwar ganz, rollen sich aber häufig in unlös- barer Weise zusammen. Alles Uebrige darf ich als bekannt voraus- setzen. 30—40 Schnitte auf dem Millim. zu machen ist das Zweck- mässigste. Färbung der Schnitte bietet eher Nachtheile als Vortheile, indem sie die Unterschiede der Pigmentirung undeutlicher macht. Das Schnittbild normaler Eier. AnSchnitten dureh dieprimäre Axe von Eiern, die entweder unbe- fruchtet waren oder in regulärer Weise bei genügendem Wasserzusatz befruchtet wurden, kann man Folgendes unterscheiden (vergl.Fig.1): 1. Die periphere dunkle Pigmentrinde (Pgr). Diese bildet eine nur im Bereich des hellen Feldes unterbrochene, sonst vollkommen zusammenhängende Schale um das Ei, welche am dunklen Pole am dieksten ist und sich gegen das helle Feld hin allmählich und allseitig gleichmässig zuschärft, bis sie unmerklich wird. Mitunter zeigt sich aber auch im Bereich des hellen Feldes, selbst wenn dasselbe für die äussere Betrachtung scharf hellgelb erschien, in einem freilich ganz schmalen Saume die äusserste Dotterlage mit feinen, verstreuten Pigmentkörnchen durchsetzt, die in den darunter liegenden Schichten fehlen. Die Dieke der Pigmentrinde steigt am dunklen Pole bis 30--40u. An dem dunklen Pole selbst ist die Pigmentrinde über der Mitte des hellen Innenflecks wieder etwas dünner. Trotz der starken Pigmentirung, die so intensiv ist, dass die Pigmentrinde selbst an feinen Schnitten noch schwarz erscheint, ist der Uebergang derselben in die dar- unter liegenden Dotterschichten kein unvermittelter, sondern ein durch eine freilich sehr schmale Uebergangszone verwischter. 2. Im Innern des Eies unterscheidet man leicht zwei Zonen. a) eine bräunlich pigmentirte, b) eine fast pigmentlose weisse, die ich fortan kurzweg als braunen und weissen Dotter (bD und wD Fig. 1 und folgende) bezeichnen will. Der erstere füllt unter der Pigmentrinde einen Kugelabschnitt, dessen grösste Höhe neben der primären Axe weniger als die Hälfte des Durchmessers beträgt. Die Begrenzungsfläche des braunen Dotters gegen den weissen Dotter wäre eine concave, wenn sich nicht aus der Mitte 494 G. Born: desselben ein Zapfen mit etwas kugelförmig verbreitertem Ende er- höbe und gegen den weissen Pol hin gerichtet bis auf ?/, der Ei- länge vordränge. Dadurch wird der Kugelabschnitt, der für den weissen Dotter übrig bleibt in der Mitte stark ausgehöhlt, so dass derselbe die Form einer tiefen Schale besitzt; auf mittleren axialen Schnitten erscheint er als ein mit den Enden stark zusammen ge- krümmtes C. Der braune Dotter ist ganz unter der Pigmentrinde verborgen, der weisse liegt in dem hellen Felde an der Oberfläche blos. An ihren Grenzen gehen weisser und brauner Dotter mit ziemlich breiter Uebergangszone unmerklich ineinander über. 3. Ausser diesen grossen. Dotterzonen findet sich unter dem dunklen Pole zwischen Pigmentrinde und braunem Dotter ein Fleck, der bedeutend heller ist, wie dieser letztere!). Ich werde den- selben als hellen Innenfleck (Bambecke’s fovea germinative) und späterhin an den durch die Schwere veränderten Eiern nach seiner neuen Form das helle Innenband nennen. An regulären Eiern lagert die Substanz desselben als eine nach den Seiten zugeschärfte Masse (iFl), wie gesagt, in der Umgebung des dunklen Poles zwischen Pigmentrinde und braunem Dotter, ohne aber die seitlichen Grenzen des letzteren zu erreichen. Aus ihr erhebt sich häufig ein mitt- lerer rasch zugespitzter Fortsatz, der in die Wurzel des braunen Dotterzapfens eine Strecke weit eindringt. Die Ausbildung des hellen Innenflecks ist individuell sehr verschieden. Die beschriebenen durch die Pigmentirung ceharakterisirten Bestandtheile des Eies unterscheiden sich ausserdem noch durch verschiedenartige Granulation, und zwar in folgender Weise: grob granulirt, d. h. mit groben weissen Körnern er- scheint nur der weisse Dotter, alles Uebrige, die Sub- stanz des braunen Dotters, der Pigmentrinde und des hellen Innenflecks erscheint fein granulirt. Die geschilderte Configuration erhält sich im normalen Ei bis zum Eintritt der ersten Furchung. In Bezug auf das Ein- dringen der befurchtenden Spermatzoe, die Ausbildung der Pigment- strasse derselben u. s. f., kurz in Bezug auf alle Vorgänge der eigentlichen Befruchtung muss ich mieh ©. Hertwig so vollkommen 1) Ich muss demnach den Widerspruch, den ich auf p. 3 meiner vor- läufigen Mittheilung gegen Bambecke’s diesbezügliche Angabe (12 u. 18) erhoben habe, zurücknehmen. Biologische Untersuchungen. 495 anschliessen, dass ein Hinweis auf die von diesem Autor gegebene Beschreibung (10) genügt. Einige Einzelheiten kommen unten bei Besprechung derselben Verhältnisse an dem in Zwangslage gehaltenen Ei zur Sprache. Hier sei nur besonders hervorge- hoben, dass ich an normal befruchteten Froscheiern immer nur eine Pigmentstrasse auffinden konnte, als Zeichen, dass zur nor- malen Befruchtung auch nur eine Spermatzoe gehört. Schnittbilder der in Zwangslage gehaltenen Eier. 3/, Stunden nach der Befruchtung. Wie oben erwähnt, sind an den mit dem hellen Pol nach oben in Zwangslage aufgesetzten befruchteten Eiern nach °/, Stun- den die äusserlich sichtbaren Veränderungen noch in den ersten Anfängen, ja mitunter kaum merklich; das helle Feld hat sich nur ganz wenig nach abwärts nach der Seite verschoben, zu der es beim Aufsetzen geneigt stand (nach der vorderen Seite des Eies); entweder ist an seinem hinteren Rande eine nur schmale, halb- mondförmige graue Sichel aufgetreten (vergl. Fig. 2°), oder dieselbe fehlt noch ganz. Im Eiinnern dagegen zeigen sich an mittleren Schnitten schon recht in die Augen fallende Veränderungen (vergl. Fig. 2). Die oben beschriebene regelmässige Configuration des weissen und braunen Dotters hat sich erheblich verschoben. Der erstere bildete auf den Durchschnitten, wie gesagt, ein stark zusammengekrümmtes C. Da unsere Eier fast niemals ganz genau mit dem hellen Pol nach oben aufgestellt waren, so kann man an dem mittleren Durchschnitt eines eben aufgestellten Eies einen oberen und unteren Schenkel des © unterscheiden. Das Ende des obern Schenkels des C hat sich nun nach ?/, Stunden zu einem dünnen an der Oberfläche gelegenen Substanzstreifen verschmälert (Pl Fig. 2). Die Grenzlinie zwischen dieser «dünnen, peripheren weissen Substanzplatte gegen den darunter gelagerten braunen Dotter ist jetzt eine scharfe geworden; diese scharfe Grenzlinie, welche im Bereich der weissen periph. Substanzplatte der Eiober- fläche parallel läuft, setzt sich am Uebergang der letzteren in die Hauptmasse des weissen Dotters im beinahe rechten bis stumpfen Winkel abgeknickt ebenso scharf zwischen braunem und weissem Dotter gegen die Eimitte fort; erst jenseits der Eimitte wird die 496 G. Born: Grenze zischen beiden Substanzen allmählicher und es zeigen sich Reste der ursprüngliehen Configuration, indem der weisse Dotter in der Form eines zugespitzten Halbmondendes in die untere Hälfte des braunen Dotters eintritt. Der Zapfen, der aus dem braunen Dotter in der Axe des Eies hervortrat, ist jetzt bis auf Spuren verschwunden. Der obere Theil des braunen Dotters erscheint nun in den Winkel, den die Grenzlinie desselben gegen den weissen Dotter beschreibt, eingedrungen; es geschieht dies in deutlichen Zügen, die den Schenkeln dieses Winkels parallel stratifieirt sind. An der Grenzlinie selbst ist die Pigmentirung des braunen Dotters am stärksten. In der unteren Hälfte desEies ist der Uebergangdes braunen Dotters in den weissen noch ein allmählicher. Innerhalb des braunen Dotters findet man ein helles Band, das an der hinteren Seite des Eies dieht an der Pigmentrinde beginnt und dem Zuge des braunen Dotters folgend bis in die Oeffnung des Winkels verläuft, den die Grenzlinie des letzteren beschreibt (iB Fig.2). Dort endet das helle Innenband verbreitert, zugleich werden die bis dahin scharfen Gren- zen desselben etwas verwischt. Der Verlauf des hellen Innen- bandes bildet demgemäss mit der Eiperipherie anfangs einen sehr spitzen Winkel und ahmt die Krümmung derselben einigermassen nach; es erhellt ohne Weiteres, dass dasselbe durch die Substanz des hellen Innenfleckes gebildet wird, die sich freilich in ihrer Form erheblich verändert und auch im Ganzen verschoben hat; denn es ist leieht ersichtlich, dass die periphere Basis des hellen Innenbandes nieht mehr dem früheren dunklen Pol des Eies (uP Fig. 2), sondern einer etwas höher gelegenen Stelle an der hinteren Seite des Eies entspricht. Die Ausdehnung des dunklen Rinden- pigmentes auf der Eioberfläche, d. h. der Theil der Eiperipherie, der überhaupt von dunklem Rindenpigment überzogen ist, hat sich bisher nicht verändert, dagegen zeigen die Diekenverhältnisse des- selben in die Augen fallende Abweichungen. Die Dicke desselben nimmt vom dunklen Pol aus nicht mehr symmetrisch nach beiden Seiten hin ab, sondern das Pigment hat sich an einer Stelle stärker angehäuft, um die periphere Basis des hellen Innenbandes herum; auf den Schnitten sieht man es natürlich nur an der oberen und unteren Seite desselben. In der Umgebung dieser Stelle zieht sich die schwarze Substanz der Pigmentrinde in kleinen zugespitzten Streifen in den angrenzenden braunen Dotter hinein. Namentlich unter das Ende der weissen Dotterplatte erstreckt sich fast regel- u E Biologische Untersuchungen. 497 mässig ein soleher Pigmentstrich. Von dem noch zu beschreibenden Pigmentstreif, den die eindringende Spermatozoe mit sich zieht, sind diese Streifen desswegen leicht zu unterscheiden, weil sie viel kürzer, zugespitzter und namentlich viel weniger dicht pigmentirt sind und die helle Erweiterung am Ende derselben fehlt. Der Pigmentstreif der eindringenden Spermatozve, wie er von Bam- beeke, Hertwig u.A. beschrieben worden ist, erreicht erst nach Ablauf der ersten Stunde nach der Befruchtung grössere Länge; bei den Eiern, die der vorstehenden Beschreibung zu Grunde lie- sen, ist derselbe nur wenig deutlich; bei zweien derselben sah ich einen zugespitzten Pigmentstreif, der in die Basis des hellen Innen- bandes, wie Fig. 2 Pg.S zeigt, eine kurze Strecke weit eindrang; bei einem anderen war ein etwas längerer vorhanden, der von einer tieferen Stelle der Eiperipherie seinen Ursprung nahm. Ich komme auf diese Erscheinungen in späteren Stadien, wo dieselben deutlicher ausgebildet sind, ausführlicher zurück. Die mehr seit- wärts gelegenen Schnitte schliessen sich den mittleren an, zeigen aber natürlich gewisse Abweichungen, die ich aber als für den hier sich abspielenden Vorgang unwesentlich nicht näher be- schreiben will. Diesen Vorgang selbst muss ich jetzt schon in seinen Haupt- zügen kurz charakterisiren, weil ich denselben im Folgenden als bekannt voraussetzen muss, um bei der Beschreibnng der späteren Bilder die auf den Vorgang bezüglichen Bezeichnungen brauchen zu können; ohnedem würde die Schilderung allzu umständlich und lang werden: Bei den in Zwangslage aufgestellten, um annähernd 180° gedrehten, entwicklungsfähigen Eiern bewirkt die Schwerkratt, dass die specifisch schwereren Eitheile sich nach unten senken, die leichteren aufsteigen. Die schwereren sind hier offenbar der weisse grobkörnige Dotter, die leichteren der braune mit dem hellen Innenflecke. Für die Bewegung dieser Substanzen kommt aber nicht nur ihre Schwere, sondern auch ihre Dichtigkeit in Frage. Die Oberfläche des Froscheies ist nun aber, wie längst bekannt und durch neue Versuche, über die College Roux berichten wird, noch eklatanter bewiesen wird, bedeutend fester, als das mehr halbflüssige Innere. In Folge dessen bleibt die periphere Schicht des weissen Dotters an ihrer Stelle und bildet eine dünne, ober- flächliche, weisse Substanzplatte, die die Stelle des früheren hellen Feides einnimmt, während die tieferen Lagen des weissen Dotters 498 G. Born: auf dem kürzesten Wege nach unten absinken. In den dadurch frei werdenden Raum steigt der leichtere braune Dotter auf. Es erfolgt dabei aber keine Mischung des weissen und braunen Dot- ters, sondern der erstere sinkt der Eioberfläche parallel an der einen (vorderen) Seite des Eies mit Ausnahme seiner periphersten Schicht allmählich ab, während der braune Dotter ebenso der Ei- oberfläche parallel an der andern Seite unter der stehen geblie- benen peripheren Schicht weissen Dotters aufsteigt. Bei diesen Verschiebungen verliert natürlich der braune Dotter seine beschrie- bene charakteristische Gestalt; an der Grenze beider Substanzen bildet sich eine scharfe Grenzlinie aus. Mit dem braunen Dotter steigt die Substanz des hellen Innenfleckes ebenfalls auf und wird bei diesem Aufsteigen zu dem hellen Innenbande ausgezogen. Die- selbe verschiebt sich aber auch vielleicht (siehe p. 516) als Ganzes in dem sie umgebenden braunen Dotter, denn ihre Basis wird jetzt schon höher gefunden, als früher. Die Pigmentrinde erleidet bis jetzt noch keine Orts-, wohl aber eine Diekenveränderung. Man kann sich von der Bewegung des weissen Dotters eine Vorstellung machen, wenn man einen Tropfen zähflüssigen Kanada- balsam auf eine Glasplatte setzt, wartet, bis die oberflächlichen Schiehten fest geworden sind und nun die Platte neigt, indem man gleichzeitig die nach unten gewendete Seite des Tropfens ansticht. 3/, bis 2 Stunden nach der Befruchtung. Der im vorigen Stadium eingeleitete Vorgang der Verschie- bung des pigmentirten feinkörnigen und des weissen grobkörnigen Dotters durch die Einwirkung der Schwere erreicht innerhalb dieser Zeit so ziemlich seinen Höhepunkt. Der braune Dotter zieht sich jetzt so weit unter einer dünnen Rinde weissen Dotters, der weissen Substanzplatte, die ihren Platz an der oberen Seite des Bies be- hauptet, hin, dass er die knappe obere Hälfte des Eies einnimmt, immer vorausgesetzt, dass das Ei mit dem hellen Pole ungefähr nach oben eingestellt war. Die anfänglich aufsteigende Bewegung des hellbraunen Dotters wandelt sich natürlich, je weiter der Pro- cess fortschreitet, in eine mehr und mehr horizontale um. Der ganze Weg, den der braune Dotter zurückgelegt hat, ist durch eine eigen- thümliche streifige Sehiehtung desselben angedeutet. Parallel mit dieser Verschiebung der braunen Dottermasse sinkt an der ent- Biologische Untersuchungen. 499 gegengesetzten (vörderen) Seite des Eies der weisse Dotter immer mehr von der oberen Hemisphäre auf die untere herab. Die Grenze, an der sich beide Dotterabschnitte verschieben, ist immer eine scharfe, sie besitzt jetzt etwa die Form einer mit den beiden Schen- keln annähernd horizontal gelagerten Parabel (vergl. Fig. 3—10). Der obere längere Schenkel dieser parabolischen Grenzlinie zieht unter der weissen Substanzplatte hin, der untere reicht bei ver- schiedenen Eiern verschieden weit ins Innere hinein, bei manchen ist er kaum angedeutet, bei anderen mit Leichtigkeit bis in die Mitte des Eies zu verfolgen (vergl. Fig. 3 und 5); die Richtung dieses unteren Schenkels wird durch die je nach der Concentration des zum Härten angewandten Alkohols verschieden ausfallende Ab- plattung des ganzen Eies stark beeinflusst. Die Hauptmasse des weissen Dotters findet sich jetzt in der unteren Hälfte des Eies, soweit nicht der untere Schenkel der scharfen parabolischen Grenz- linie reicht, nach oben allmählich in den braunen Dotter über- gehend. Diese Hauptmasse des weissen Dotters bildet den freilich in die Breite gezogenen Kopf der Retorte, mit deren Form ich in der vorläufigen Mittheilung die Gestalt des weissen Dotters in die- sem Stadium verglich. Der Kopf der Retorte verschmälert sich dann nach oben an der vorderen Seite des Eies, um in den langen Hals überzugehen, der durch die stehen gebliebene weisse Sub- stanzplatte dargestellt wird. Der nun in der unteren Hälfte des Eies ausgebreitete weisse Dotter steigt aber in manchen Fällen sogar an der hinteren Seite wieder etwas in die Höhe; — immer in ganz allmählichem Uebergang in den braunen Dotter (vgl. Fig. 8, 15 und andere), indem er den Raum einnimmt, der durch das Ausweichen des braunen Dotters nach oben frei wird. Am intensivsten pigmentirt von dem braunen Dotter ist die parabolische Grenzlinie, doch war ieh im Irrthum, als ich in der vorläufigen Mittheilung schrieb, es ziehe sich regelmässig zunächst unter der stehen bleibenden Platte weisser Substanz eine dünne Sehieht des dunklen Rindenpigments hin; das ist meist nur am Ende der Platte der Fall, im Uebrigen ist die Stelle eben nur durch besondere Intensität des braunen Pigments ausgezeichnet, erreicht aber selten in Bezug auf Dunkelkeit und Charakter der Fär- bung die Rindenschicht. Doch ist dies in einzelnen Eiern (z.B. Fig. 18) wirklich der Fall und dann ist in der That nieht zu entscheiden, ob eine Unterschiebung des Rindenpigments oder eine besonders 500 G. Born: starke Verdichtung der braunen Substanz vorliegt. Die Dicke der Platte weisser Substanz, die an der Oberfläche der oberen Seite des Eies liegen bleibt, schwankt meist zwischen 1/,,—?/s, mm. Während sie im Uebrigen ziemlich gleichmässig diek ist und direet an der Oberfläche liegt, zeigt das freie Ende in diesen beiden Be- ziehungen erhebliche Abweichungen. Einmal ist das freie Ende regelmässig eine Strecke weit (etwa Y/,—!/, der ganzen Länge der Platte) von einer sich zuschärfenden Lage Rindenpigment überzogen. Zweitens ist das äusserste freie Ende der weissen Platte (Bandes auf den Querschnitten) häufig kolbig verdiekt und nach unten gegen das Eiinnere zu abgebogen. Mitunter findet sich statt der kolben- förmigen Verdickung ein mehr gleichmässig breites aber ganz scharf hakenförmig umgebogenes Ende (Kb und Hk in Fig. 6—10, 14 u. s. w.). Auf die Erklärung dieser Erscheinung und auf die Abweichungen in späteren Stadien gehe ich noch weiterhin ein. Der Raum zwischen dem etwas nach unten abgebogenen kolben- förmigen Ende der weissen Platte und der Eioberfläche wird, wie gleich noch näher zu besprechen, von einer starken Anhäufung des dunklen Rindenpigments ausgefüllt. Wie verhält sieh nun im Ganzen dieses dunkle Rindenpig- ment? Auch dieses erleidet eine erhebliche Veränderung. Das- selbe bleibt grösstentheils an der Oberfläche des Eies, schiebt sich aber gegen die Seite des Eies zusammen, an der der braune Dotter aufsteigt. Die stärkste Ansammlung desselben findet sich schliesslich gewöhnlich an dem freien Ende der stehen geblie- benen Platte weissen Dotters oder mehr unterhalb derselben. Unter das freie kolbenförmig verbreiterte oder hakenförmig umgebogene Ende der letzteren schiebt sich das dunkle Rindenpigment spitz ausgezogen eine kleine Strecke weit hinunter, wie oben schon er- wähnt. An der entgegengesetzten vorderen Seite des Eies, an der der weisse Dotter herabgesunken ist, wird das dunkle Rindenpig- ment eine grosse Strecke weit ganz verdrängt oder auf eine kaum merkliehe Schieht verdünnt (bei WD! in Fig. 3—9, 10, 11, 13, 18 — 20). Man findet den zugeschärften Anfang desselben in Folge dessen erst an der Unterseite des Eies; an dieser nimmt nach hin- ten die Dicke der Pigmentschicht allmählich, an der hinteren Seite selbst aber sehr rasch zu. Pflüger hat, wie, glaube ich, aus seinen Bemerkungen (2. p: 5 unten) hervorgeht, an den von ihm untersuchten Unkeneiern Biologische Untersuchungen. 501 die Verdrängung der Pigmentrinde gesehen, er meint aber, es unter- liege keinem Zweifel, „dass das Pigment selbständig von der un- teren Hemisphäre nach der oberen — und zwar zunächst nach dem dunkeln Theile“ aufsteigt. Dass an dieser Verschiebung der dunk- len Pigmentrinde die Bewegung des weissen und des braunen Dotters einen erheblichen Antheil hat, ersieht man daraus, dass an der Grenze beider kein gleichmässiger, mehr oder weniger allmäh- licher Uebergang stattfindet, sondern dass die innere Oberfläche der Pigmentrinde gegen den braunen Dotter noch mehr als gegen den weissen vielfach in schräg gestellte Zacken und Zipfel aus- gezogen erscheint. Weitere Besonderheiten der dunklen Pigment- rinde sollen sogleich im Zusammenhange mit dem Folgenden ab- gehandelt werden. Die Verschiebung der Basis des hellen Innenbandes nach oben ist jetzt sehr deutlich (vergl. Fig. 5, 6, 7, 9 u. s. f. iB mit oP); die übrigens häufig spitz ausgezogene Basis wird in der Nähe des freien Endes der weissen Platte gefunden. Von dieser Stelle aus ist die Substanz des hellen Innenflecks der Bewegung des braunen Dotters folgend zu einem langen Bande ausgezogen. Dasselbe steigt dieser Richtung gemäss zuerst schräg aufwärts, bald mehr gestreckt, bald mit nach oben und aussen gewendeter Concavität im Bogen um das knopfförmige Ende der peripheren weissen Dotterplatte herum (vergl. iB Fig. 6), um dann mitunter deutlich geknickt, häufig ausgerundet in einen mehr horizontalen der oberen Fläche des Eies folgenden Endtheil umzubiegen. Es reicht häufig bis in dieNähe des von der parabolischen Linie begrenzten Endes des braunen Dotters, bleibt aber immer von einer Schicht des- selben umhüllt. Die Basis des Bandes wird von einer dicken, mehr oder weniger rasch verdünnten Schicht dunklen Rindenpig- ments umhüllt; gegen das Ende des Bandes ist es kaum noch zu unterscheiden, ob die helle Substanz desselben von einer diehteren Schieht braunen Dotters oder von einer verdünnten Fortsetzung des dunklen Rindenpigments umgeben ist. Um die Basis des hellen Bandes ist die dunkle Pigmentrinde übrigens meist noch stärker aufgestaut, als höher aufwärts zum freien Ende der weissen peri- pheren Platte hin. Die nach der Oberfläche des Eies gewandte Seite der Basis des hellen Innenbandes ist von einer etwas dünneren Pigment- schicht überzogen. Uebrigens scheint das helle Innenband mit- 502 G. Born: unter auch eine geringe seitliche Verschiebung zu erleiden, wenig- stens weist der Umstand darauf hin, dass das helle Innenband in manchen Schnittserien in den seitlichen Schnitten gefunden wird. Der Deutlichkeit wegen will ich nochmals hervorheben, dass das helle Innenband seiner Länge nach immer ziemlich genau mit der Schnittriehtung, also auch der Strömungsrichtung, zusammen- fällt, jedenfalls bildet es mit derselben niemals einen grösseren oder gar einen rechten Winkel. Die Dicke des hellen Innenbandes auf den Schnitten schwankt zwischen 0,04—0,06 mm. 1!/, Stunden nach der Befruchtung ist die Pigmentstrasse, die von der eindringenden Spermatozoe herrührt, vollkommen aus- gebildet (vergl. Fig. 4, 8, 11 Pgs.). Meine Erfahrungen über die- selbe lassen sich in folgenden Sätzen zusammenfassen. Bei den in Zwangslage befindlichen Eiern findet sich, wie regulär, nur eine Pigmentstrasse mit den gleich zu besprechen- den charakteristischen Eigenthümlichkeiten, es dringt also auch nur eine Spermatozoe ein. Die Pigmentstrasse beginnt immer von einem mit Pigmentrinde umgebenen Theil der Eiperipherie, ihre Basis ist breit und besteht aus einer so dichten schwarzen Masse wie die Pigmentrinde selbst; gegen das Eiinnere spitzt sie sich rasch zu und wird bald zu einem gleichmässig dünnen Faden, dessen Pigmentirung viel weni- ger intensiv ist, so dass man an und für sich nieht unterscheiden kann, ob an dieser Stelle noch ein verdünnter Mantel von Rinden- pigment vorhanden ist, der mit in das Eiinnere vordrang, oder ob es sich um eine Verdichtung des umgebenden braunen Dotters handelt. An dünnen Schnitten kann man übrigens mit Sicherheit constatiren, dass die Pigmentstrasse kein solider Faden, sondern eine Pigmentröhre mit hellerem, weniger pigmentirten Inhalt ist. An dem ganz fein zugespitzten, oft kaum mehr differenzirbaren Ende der Pigmentstrasse findet sich eine grössere, spindelförmige Ansammlung von Pigment, die einen hellen, entsprechend gestal- teten Fleck einschliesst; die Längsaxe der Spindel steht entweder in der direkten Verlängerung der Pigmentstrasse oder bildet einen stumpfen Winkel mit derselben. Die umgebenden Pigmentkörn- chen sind häufig deutlich strahlenförmig angeordnet; im Innern des hellen Flecks unterscheidet man an günstigen Präparaten ein rundes bis ovales kernähnliches Gebilde, den männlichen Vorkern. u u a o Biologische Untersuchungen. 505 In einigen Fällen fanden sich entweder zusammen in dem hellen Fleck, oder dureh eine dünne Pigmentscheidewand von einander getrennt zwei solehe Kerne nahe bei einander; es handelte sich um Eier, die 1?/,—2 Stunden nach der Befruchtung . abgetödtet waren (vergl. Fig. 4, 12, 13, 15m+f). Ich, stimme hier in der Deutung wieder mit O.Hertwig überein: Man hat in diesen Fällen die beiden pronuelei, den männlichen und den weiblichen kurz vor oder in der Conjugation vor sich. Nie habe ich einen solchen spindelförmigen Fleck mit einem oder zwei Kernen gesehen, ohne dass sich eine Pigmentstrasse von ihm zu der Pigmentrinde verfolgen liess. Obige Beschreibung der Pigmentstrasse gilt nur für die häu- figeren Fälle, in denen dieselbe isolirt verläuft, wir werden sehen, dass dieselbe aber mitunter mit den in das Eiinnere eindringenden Pigmentmassen, die das helle Innenband umgeben, streckenweise zusammenfällt. Die Basis der Pigmentstrasse findet sich zumeist an der hinteren Seite des Eies, sehr oft dicht unter dem freien Rande der weissen Dotterplatte (Fig. 8), an der Stelle, wo die Pigmentrinde jetzt sehr verdickt ist, häufig aber auch an der hin- teren Seite des Eies tiefer unten, neben oder unter der pigment- umgebenen Basis des hellen Innenbandes (Fig. 3 u. 11), seltener findet sich die Eintrittsstelle an der unteren Seite des Eies; ich komme auf diese letzteren Fälle, die immer Besonderheiten dar- bieten, sogleich noch im Zusammenhange zurück. Der Verlauf der Pigmentstrasse ist nun bei den Eiern in Zwangslage fast immer ein sehr eigenthümlicher und charakteristi- scher. Man findet nämlich die ganze Pigmentstrasse entweder in einem Schnitt enthalten, oder kann dieselbe aus wenigen, auf- einander folgenden Schnitten zusammensetzen; sie fällt also im Wesentlichen in die Schnittriehtung. Die Schnittrichtung ist aber, wie oben ausführlich besprochen, so gewählt, dass sie der Strö- mungsrichtung des Dotters entspricht, es bewegt sich also in der Regel der männliche Vorkern an unsern Eiern in der Strömungsrichtung des Dotters. Sehr selten fand ich Eier, in denen die Pigmentstrasse mit der Schnittrichtung einen grösseren Winkel bildete. Ob in solehen Fällen auch Schnittrich- tung und Strömungsrichtung von einander abwichen, vermag ich nicht zu entscheiden. Wenn, wie gewöhnlich, die Basis der Pig- mentstrasse höher oder tiefer an der hinteren Seite des Eies beginnt, 504 G. Born: so steht ihr breiteres, kurzes Anfangsstück senkrecht auf der Ei- oberfläche, dann biegt dieselbe geknickt oder im Bogen in die Strömung des braunen Dotters um und läuft schliesslich in dem- selben mehr oder weniger parallel der oberen Eioberfläche aus; sie liegt auf diesem ganzen Wege im braunen Dotter, mitunter aber nahe an der unteren Grenze desselben. Die Fälle, in denen die Spermatozoe von unten her, also im Bereich des abgesunkenen weissen Dotters eindringt, bieten, wie gesagt, noch zu besprechende Besonderheiten. Auch kommt es nicht selten vor, dass die Pigmentstrasse der Spermatozoe eine Strecke weit mit der Pigmentumhüllung des hellen Innenbandes zusammenfällt und dann erst weiterhin dasselbe überkreuzt, um dicht neben derselben zu endigen; dann findet sich an der Kreu- zungsstelle regelmässig eine eigenthümliche Einknickung des hellen Innenbandes, deren Scheitel nach dem Innern des Eies, also nach dem Ende der Pigmentstrasse der Spermatozoe gerichtet ist (vergl. Fig. 13 und 15iB). Dringt die Spermatozoe von der unteren Seite des Eies ein, so handelt es sich immer um Eier, bei denen das helle Feld beinahe central nach oben eingestellt war, bei denen dann dasselbe sich auf der oberen Seite mehr oder weniger ausgebreitet hatte, um schliesslich entweder doch unter Verdrängung der Pigmentrinde nach einer Seite abzufliessen oder für die Oberflächenbetrachtung unter mehr weniger deutlicher grauer Verfärbung an der oberen Seite des Eies ausgebreitet zu bleiben, ohne die Pigmentrinde einseitig zu verdrängen. Zwischen beiden Fällen giebt es eine Reihe von nicht näher zu beschreibenden Uebergängen. Im ersteren Falle, wenn ein einseitiges Absinken der weissen Dotter- masse auch äusserlich sichtbar stattgefunden hat, findet man, dass die von unten her eindringende Pigmentstrasse doch von braunem Dotter umgeben ist; es ist nämlich eine Art senkreehter brauner Scheidewand der Strömungsrichtung parallel in der unteren Hälfte des Eies stehen geblieben, die die Pigmentstrasse nahe ihrem vor- deren Rande enthält und zu deren Seiten, gewissermassen wie durch ein Wehr in zwei Ströme getheilt, der weisse Dotter bis zur hin- teren Seite des Eies fortgeflossen ist. Da die Schnittrichtung nur selten ganz genau mit der Strömungsrichtung zusammenfällt, so ist in der hierher gehörigen Figur 14 die braune Scheidewand nicht in ihrer ganzen Ausdehnung getroffen, sondern an der hinteren Seite Biologische Untersuchungen. 505 des Eies kommt neben derselben eiu Stück der an ihr vorbeige- flossenen weissen Dottermasse angeschnitten zum Vorschein. Der Haupttheil des braunen Dotters aber und mit ihm das helle Innen- band sind, wie gewöhnlich, nach oben aufgestiegen; der erstere hängt jedoch nach unten mit dem oberen Rande der braunen Scheidewand zusammen. Es ist bemerkenswerth, dass in einem der hierher gehörigen Fälle (Fig. 14) das Ende der Pigmentstrasse doch noch das helle Innenband erreicht und dann an demselben eine eigen- thümliche Einkniekung, die freilich ganz anders gerichtet ist, wie sonst, hervorgebracht hat. Im zweiten Falle, in dem sich das helle Feld nur auf der oberen Seite des Eies ausbreitet, ohne unter einseitiger Verdrängung der Pigmentrinde äusserlich siehtbar nach unten abzusinken, findet man sehr merkwürdige Sehnittbilder, die Fig. 22 und 23 zeigen. Der weisse Dotter ist in der That bis auf eine sehr dünne Platte, die an der oberen Seite stehen bleibt, dieht unter der schwarzen Pig- mentrinde nach allen Seiten gleichmässig abgeflossen und hat sich in einer entsprechenden Sehalenform an der unteren Seite des Eies angesammelt und so den braunen Dotter, der ebenso gleichmässig von allen Seiten unter die an der oberen Fläche stehen bleibende, dünne, weisse Dotterplatte aufgestiegen ist, überall von der Berüh- rung mit der schwarzen Pigmentrinde abgetrennt. Durch das Bild wird die Art der Verschiebung, glaube ich, genügend erläutert und auch die Stellen, wo in Folge dessen die Grenzen zwischen weissem und braunem Dotter scharf geworden sind, ohne Weiteres klar gelegt. Die Substanz des hellen Innenflecks ist in diesem Falle zwar auch dem braunen Dotter gefolgt, hat sich aber vom dunklen Eipole nicht entfernt, sondern ist von diesem grade nach unten gerichteten dunklen Eipole aus, umgeben von einem dieken Mantel intensiv schwarzen Rindenpigments, grade aufwärts gestiegen und hat sich so zu einem langen schwarz umhüllten hellen Bande ausgezogen, das vom unteren Pole des Eies bis nahe an die obersten Schichten des braunen Dotters reicht; dieses oberste Ende des hellen Innen- bandes ist nicht mehr von der Pigmenthülle umgeben und leicht gekrümmt. Die Basis desselben ist von dem nach unten abge- flossenen weissen Dotter umringt. Der braune Dotter und das grade aufwärts steigende helle Innenband mit seiner Pigmenthülle, das den ersteren zu tragen scheint, geben in der Schnittfigur etwa das Bild des aufsteigenden Stammes einer Trauerweide mit den vom 506 G. Born: oberen Ende desselben allseitig gleichmässig abgesenkten Zweigen. Die Pigmentstrasse der Spermatozoe fällt hier immer mit dem Pigmentmantel des hellen Innenbandes zusammen. Es sei noch- mals hervorgehoben, dass solche Fälle immerhin recht selten sind. Einer Eigenthümlichkeit muss ich noch erwähnen, die an den Schnittbildern sehr vieler Eier, mögen dieselben abgeplattet sein oder nicht, in die Augen fällt, es ist das eine flachere oder tiefere Einsenkung der Eicontur an der Stelle, die etwa über dem gekrümmten Theil der scharfen Grenzlinie des braunen Dotters liegt, also nach meiner Nomenclatur am vorderen Ende der weissen Dotterplatte (x in vielen Abbildungen), hier muss also die Eisub- stanz durch das Härtungsmittel sich stärker zusammengezogen haben, als an anderen Stellen. Es ist charakteristisch, dass in dem letztbesprochenen Falle, wo der weisse Dotter nicht nach einer Seite, sondern allseitig abgeflossen ist, sich die entsprechende Ein- ziehung auch an beiden Seiten der Schnittfigur, wenn auch nicht in gleicher Tiefe, findet (xx, Fig. 22 u. 23). Die Eier des Weibcehens, das zu dem Versuche am 22. März 1884 gedient hat, zeichnen sich durch eine Reihe von Eigenthüm- lichkeiten aus, die eine besondere Besprechung derselben nöthig machen. Wie schon die hieher gehörigen Bilder zeigen (Fig. 11 und 12) sind dieselben auffallend klein, das helle Feld derselben ist als nur mässig gross und etwas trübe angemerkt; ausserdem aber müssen dieselben besonders leicht in ihren Hüllen beweglich gewesen sein, denn obgleich der Wasserzusatz zu den Eiern dieses Tages keineswegs ein anderer gewesen ist resp. in denselben Grenzen geschwankt hat, wie sonst, haben sie sich doch alle mehr oder weniger gedreht; es erhellt dies sowohl aus den Flächen- wie aus den Schnittbildern, ja bei einzelnen ging die Drehung so weit, dass die obere Seite ganz schwarz aussah. Aber selbst in diesen Fällen, noch mehr in denen von geringerer Drehung des ganzen Eies, war die Verschiebung der verschieden pigmentirten Substanzen im Innern ganz deutlich und vollkommen charakteristisch, nur er- schien dieselbe viel weniger weit gediehen, als sonst im gleichen Zeitraum nach der Befruchtung. Dieser quantitative Unterschied war aber so auffällig und erschien gerade,in einzelnen Eiern der hierher gehörigen Serien, bei denen die Drehung des ganzen Eies ausgeblieben war, so hochgradig (Fig. 12), dass man zu der An- Biologische Untersuchungen. 507 nahme gezwungen ist, bei Eiern dieses Versuches sei das Innere besonders zäh- und schwerflüssig gewesen. Wie ein Vergleich der mitgetheilten Figuren beweist, muss diese Eigenthümlichkeit bei einzelnen Ei-Individuen besonders ausge- prägt aufgetreten sein, denn in Fig. 12 ist die Verschiebung im Ei- innern, trotzdem seit der Befruchtung 2 Stunden verflossen sind und das Ei sicherlich befruchtet war, da es eine Pigmentstrasse und am Ende derselben die beiden Pronuclei zeigte, noch in den allerersten Anfängen. Dabei ist zu bemerken, dass das helle Feld in diesem Falle zwar nicht central nach oben sah, aber doch voll- kommen an der oberen Hemisphäre lag. Andere Eier, die aus den Versuchen am Ende der Brunst- periode herrühren, namentlich vom 7. April 1884, zeigen, während sie sonst die gewöhnlichen Verhältnisse aufweisen, häufig in einer bestimmten Beziehung in verschiedenem Grade ausgebildet eine merkwürdige Abweichung. Bei allen andern Eiern wurde, wie oben beschrieben, durch den an einer Seite absinkenden weissen Dotter die Pigmentrinde an der vordern und untern Seite des Eies in ver- schieden grosser Ausdehnung verdrängt; bei diesen Eiern war das fast gar nicht der Fall. Es zeigte sich dies, wie erwähnt, bei der äusseren Besichtigung schon dadurch, dass zwar an Stelle des hellen Feldes der graue Fleck sehr deutlich ausgeprägt auftrat, sich auch wohl an einer Seite ein wenig herabzog, dass aber an der unteren Seite des Eies der weisse Dotter gar nicht oder nur ganz schmal sichtbar blieb; — bei einzelnen sah man sogar an der Oberseite nur einen eircumseripten grauen Fleck, der sich über den Bereich des hellen Feldes gar nicht ausgedehnt hatte, im Uebrigen blieben die Eier ganz schwarz, ähnlich wie dies sonst nur bei unbefruchteten Eiern der Fall ist. Bei den meisten Eiern sah man auf den Schnittbildern als einfache Abweichung von dem sonst Beobachteten, dass sich die schwarze Pigmentrinde bis nahe an die weisse Dotterplatte hinaufzog, sodass die abgesunkene Haupt- masse des weissen Dotters fast ganz von Pigmentrinde bedeckt blieb (vergl. Fig. 15). In dem zu zweit besprochenen Falle er- scheint die Abweichung stärker; hier hat nicht nur die Pigment- rinde ihren Platz behauptet, sondern es ist auch ein Theil des braunen Dotters an derselben haften geblieben, der weisse Dotter aber hat sich seinen Weg nach abwärts nicht wie sonst an der Oberfläche des Eies, sondern durch den braunen Dotter hindurch Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 24. 33 508 G. Born: gebahnt, wie dies Fig. 16 zeigt; die Grenzen des Weges sind scharf. Es handelte sich hier offenbar um eine abnorme Festigkeit der äussersten Schichten der Pigmentrinde, die entweder als indivi- duelle Eigenschaft des betreffenden Weibchens, oder als Folge des späten Befruchtungstermines aufgefasst werden muss. Doch "darf man desswegen nicht glauben, dass in diesen Fällen die Pigment- rinde sich gar nicht verändert; — die asymmetrische Anhäufung derselben am freien Rande der weissen Platte findet sogar in sehr ausgeprägter Weise statt; es sind also nur die peripherischen Schich- ten derselben, die ungewöhnlich consistent sind. 2—3 Stunden nach der Befruchtung. Die Veränderungen, die in den letzten ?/, Stunden vor dem Er- scheinen der ersten Furche stattfinden, beziehen sich wesentlich auf den Kern, der durch die Conjugation der beiden Pronuclei entstanden ist. Der helle, von Pigment umgebene Hof zieht sich spindelförmig aus, die Längsaxe der Spindel stellt sich, wenn dies nicht schon vorher der Fall war, zumeist annähernd horizontal, selten bildet dieselbe einen grösseren Winkel mit dem Horizont. Es war nicht zu erwarten, dass man bei dem an und für sich höchst ungünstigen Objecte und der durch die andern Interessen der Versuche diktirten, höchst ungeeigneten Methode der Härtung u. s. w. Strukturfeinheiten bei der nun folgenden Kerntheilung wahrnehmen konnte;— man sieht nur Folgendes. Der spindelförmige Pigmenthof zieht sich zu einem langen Streifen aus; in zwei Erweiterungen desselben finden sich helle Flecke und darin die Tochterkerne; die Pigmentstrasse, die von der Oberfläche bisher zu dem Kerngebilde führte, ist mitunter bei der Theilung des Kerns noch wahrnehmbar, häufiger schon verschwunden. Wenn die zuerst an der oberen Seite des Eies ein- schneidende Furche den die Tochterkerne verbindenden Pigment- streif erreicht, erscheint sie häufig an diesem in eigenthümlicher Weise gebrochen. Die Lage des Pigmentsreifs, der die Tochter- kerne enthält, ist wie im normalen Falle so, dass man sie etwa an der unteren Grenze des oberen Drittels der Eiaxe findet. Ehe noch die erste Furche fertig ist, beginnen an den Kernen schon die Vorbereitungen zur nächsten Theilung. An den in Zwangs- lage aufgestellten Eiern erscheint die erste Furche nicht, wie an frei beweglichen, klaffend, sondern als eine feine Linie, die nament- lich auf dem schwarzen Pigment oft nur schwierig wahrzunehmen Biologische Untersuchungen. 509 ist; es ist das eine Abweichung, die offenbar als eine Folge des Drucks aufgefasst werden muss, der auf das Bi durch die nur unvollkommen gequollene Gallerthülle ausgeübt wird. Bei dem Einschneiden nimmt die Furche, wie im normalen Falle, Oberflächentheile mit in die Tiefe; es ist das ein Umstand, der, wie oben gesagt, verständlich wird, wenn man annimmt, dass die festere Eirinde der Contraktion der unter ihr liegenden Schichten um zwei in deren Innern liegende Punkte nicht sogleich oder nicht rasch genug folgt und sich daher in der neutralen Linie (Furchungslinie) einfalte. Da bei den mit dem hellen Felde nach oben eingestellten Eiern die an der obern Seite stehen bleibende weisse Dotterplatte fast regel- mässig von der ersten Furche durchschnitten wird, so ist es auch meistens diese weisse Dotterplatte, die in äusserst charakteristischer Weise in die erste Furche eingefaltet wird, wie dies Fig. 17, 19, 20 zeigen. Wenn der von der Furche getroffene Theil der weissen Dotterplatte noch einen dünnen Ueberzug von Pigmentrinde hat, so tritt auch diese als Ueberzug der ersteren" mit in die Furche ein, selbst an der unter der weissen Dotterplatte folgenden, ver- dichteten Schicht braunen Pigments sieht man noch häufig die Ein- faltung. Im Innern der Eier zeigen sich nur geringe Veränderungen. Fällt die erste Furche in die Strömungsrichtung, so konnte ich das helle Innenband häufig nicht mehr nachweisen, sonst war es meist noch in und sogar nach der ersten Furchung sichtbar (vergl. Fig. 21). Wie oben erwähnt, findet sich namentlich bei ursprüng- lich ziemlich centraler Einstellung des hellen Feldes nach oben nach 1!/, Stunden häufig am freien Rande der weissen Dotterplatte eine haken- oder kolbenförmige Ansammlung weissen Dotters, gegen die das schwarze Rindenpigment am höchsten aufgestaut ist (vgl. Fig. 8); statt dessen findet man jetzt nach 3 Stunden häufig ein vom freien Ende der weissen Dotterplatte ausgehendes, schmal ausgezogenes und tief in das Eiinnere eingesenktes Band derselben Substanz, das hakenförmig nach vorn umgebogen erscheint; an der eonvexen hinteren Seite des Hakens stösst man wieder auf die stärkste Ansammlung des Rindenpigments (vgl. Fig. 19 und 20 Hk). 510 G. Born: Zusammenfassung und Besprechung der Resultate. Um bei der Beschreibung der Bilder Längen zu vermeiden, habe ich oben die Deutung der sich hier abspielenden Vorgänge kurz vorweggenommen. Jetzt müssen wir etwas ausführlichen dar- auf eingehen. Bei den Eiern, die mit unvollkommen gequollener Gallerthülle aufgestellt sind, wie dies in unsern Versuchen nach Pflüger’s Vorgang der Fall war, hält die ebenso nach innen wie nach aussen sich ausdehnende Hülle das Ei von R. f. in der Lage, die ihm beim Aufstellen gegeben war, fest. War diese Lage wie bei unsern Versuchen so, dass das helle Feld nach oben sah, so bewirkt die verschiedene specifische Schwere der ver- schiedenen Eisubstanzen, dass dieselben sich verschieben und so lagern, dass die specifisch sehwereren nach unten, die speeci- fisch leichteren nach oben kommen. Die bekannte Thatsache nun, dass Eier mit vellkommen gequollener Gallerthülle, bei denen sich ein mit Flüssigkeit gefüllter Zwischenraum zwischen der Hülle und der Eioberfläche ausgebildet hat, aus ihrer Lage gebracht sich immer so drehen, dass das helle Feld derselben grade nach unten sieht, weist schon darauf hin, dass der das helle Feld ent- haltende Eitheil speeifisch schwerer ist, als die entgegengesetzte Hälfte des Eies. Die Schnittuntersuchung normaler Eier ergiebt, dass die Eikugelhältte, welche das helle Feld umschliesst, wesentlich von weissem, grobkörnigen Dotter gebildet wird, während die andere Kugelhältte die Hauptmasse des Rindenpigments, des braunen Dotters und den hellen Innenfleck enthält. Es war sehon danach zu schliessen, dass der weisse Dotter specifisch schwerer sein müsse, als die andern ebengenannten, mehr oder minder pigmentirten Substanzen!). 1) Es ist eine besonders zu behandelnde Frage, warum innerhalb des frei beweglichen Eies, das sich normal orientiren kann, die nachweislich schwe- reren weissen Dottermassen sich nicht ganz unter den leichteren braunen Dotter lagern. In die Eiaxe dringt, wie oben beschrieben, ein Zapfen braunen, feinkörnigen Dotters so tief in den weissen, grobkörnigen Dotter von oben ein, dass der letztere zu einer tiefen Schale ausgehöhlt wird (vergl. Fig. 1). Warum sinken die Ränder dieser doch aus schwererer Substanz bestehenden Schale nicht gegen die Mitte zusammen und verdrängen die dort befindlichen leichteren braunen Massen? Es ist kaum anzunehmen, dass die braune fein- körnige Substanz des beschriebenen Zapfens etwa schwerer sei, als die ganz Biologische Untersuchungen. 511 Das Ergebniss unserer Versuche stimmt damit vollkommen über- ein, bei den in Zwangslage mit dem hellen Feld nach oben auf- gestellten Eiern, die sich im Ganzen nicht drehen können, sinkt der weisse grobkörnige Dotter nach unten, alle übrigen mehr oder minder pigmentirten und zugleich feinkörnigeren Dottersubstanzen steigen auf. Doch werden die dabei sich abspielenden Vorgänge durch einige andere Eigenthümlichkeiten der Organisation der Eier eomplieirt. Einmal sind, wie schon bekannt ist und durch Versuche des Collegen Roux noch weiter in ausgezeichneter Weise erläutert wird, die oberflächlichen Eischichten fester als das halb- flüssige Innere. Zweitens ist auch dieses flüssigere Innere immer noch ziemlich zäh; es handelt sich ja hier um eine emulsionsartige Aufschwemmung von mehr oder weniger festen, feinen Partikelchen in zähflüssigen Eiweisssubstanzen ; diese zeigen in Folge dessen, wenn sie durch die Einwirkung der Schwere zu Verschiebungen im Eiinnern veranlasst werden, keine Neigung sich miteinander zu vermischen, sondern fliessen aneinander vorüber; dabei bilden sich an den Stellen, an der verschiedenartige Substanzen anein- ander vorüberfliessen oder wo eine in Bewegung gerathene Schicht sich an einer ruhenden vorbeibewegt, scharfe Grenzen aus, während normal die verschiedenen Substanzen des Eies ganz allmählich in einander übergehen. Endlich kommt als Drittes bestimmendes Moment hinzu, dass die ganze Eikugel sich unter dem Drucke der unvollkommen gequollenen Gallerthülle befindet. Im Speciellen gestalten sich nun die Erscheinungen darnach folgendermassen. War das helle Feld nicht genau centrirt nach oben eingestellt, so beginnen nach einem noch zu besprechenden und zu charakteri- gleich aussehenden, darüber liegenden Schichten braunen Dotters. Man muss, glaube ich, hier die Ursache herbeiziehen, die OÖ. Hertwig (Nr.9) als die wichtigste zur Aufrechterhaltung einer Configuration im Ei, die der Schwere- wirkung widerspricht, ansieht, es ist dies die ordnende Wirkung des Eikerns. Sehr mächtig kann diese Wirkung aber nicht sein, denn bei unseren Versuchen genügt eine irgend erhebliche Verschiebnng der fixirten Eier aus der normalen Stellung heraus, um die verschiedene specifische Schwere der Dottersubstanzen zum Ueberwiegen zu bringen und entsprechende Bewegungen im Eiinnern zu veranlassen. Warum am unbefruchteten Ei eine rasche, der Schwere ent- sprechende Verschiebung im Eiinnern nicht zu erwarten ist, darauf komme ich unten zurück. 512 G. Born: sirenden Zeitraume die tieferen Schichten des schwereren weissen Dotters nach der Seite hin abzusinken, nach der das helle Feld von Anfang an geneigt war, die festeren oberflächlichen Schichten dagegen bleiben in einer Dicke, die bei den Eiern eines Weibehens ziemlich dieselbe ist, von einem Weibehen zum andern aber sehr erheblich wechselt, an der obern Seite des Eies stehen. Da die verschiedenen Eisubstanzen sich nicht vermischen können, so sinkt der weisse Dotter nicht grade in den braunen hinein nach ab- wärts, sondern ist gezwungen, an der Oberfläche des Eies bleibend auf dem so kürzesten Wege nach abwärts zu gleiten, wobei er den sich entgegenstellenden braunen Dotter aus seiner Stellung verdrängt, worauf dieser in den durch das Absinken des weissen Dotters frei werdenden Raum aufsteigt; bei diesem Absinken des weissen Dotters wird die reguläre, oben beschriebene, eigenthümliche Configuration des braunen Dotters zerstört, namentlich der eigenthümliche zapfen- artige Vorsprung, den derselbe bis zu zwei Drittel der Länge des Eies in den weissen Dotter hineinsendet, wird zum Verschwinden gebracht, indem die Substanz desselben offenbar mit zuerst zum Ausfüllen des an der oberen Seite des Eies frei werdenden Raumes verbraucht wird. Dabei zeigt sich die Eigenthümlichkeit, dass der absinkende weisse Dotter die schwarze Pigmentrinde beim Absinken verdrängt, wodurch für die äussere Betrachtung der Anschein erweckt wird, als wandere das helle Feld allmählich un- verändert von der oberen auf die untere Seite des Eies. Dass ein einfaches Wandern desselben in Wirklichkeit nicht statt hat, ergiebt sich aus dem Vorhergesagten. Man muss also an- nehmen, dass die festeren, oberflächlichen Schichten, soweit die- selben von Rindenpigment und darunter gelagertem braunen Dotter gebildet werden, doch nicht consistent genug sind, um dem An- drängen des absinkenden weissen Dotters Widerstand zu leisten; dabei lehrt aber ein Blick auf die beigegebenen Bilder, dass der braune Dotter sehr viel leichter von dem weissen vor sich her ge- schoben wird, als die Pigmentrinde, so dass sich zwischen der Stelle, bis zu der an der unteren Seite des Eies der braune Dotter verschoben ist, und der Stelle, bis zu der die Pigmentrinde sich vollkommen verdrängt findet, sehr bald eine breite Zone ausbildet, in der der abgesunkene weisse Dotter nur von einer verdünnten Pigmentrinde überzogen erscheint. Ferner ist ersichtlich, dass der weisse Dotter, soweit er unter Verdrängung der Pigmentrinde an Biologische Untersuchungen. 513 die Oberfläche gelangt, mehr und mehr erstarren muss, denn, be- fand sich bei der ursprünglichen Einstellung des hellen Feldes dasselbe ganz über dem Aequator, so wird schliesslich ein Theil des weissen Dotters (zwischen dem untersten Punkte des hellen Feldes in der ursprünglichen Einstellung und dem Aequator) vom braunen Dotter unterlagert, der erst beim Absinken des weissen Dotters an die Oberfläche gelangt ist. Da diese erst sekundär an die Oberfläche gelangten Schichten des weissen Dotters nicht der Sehwere folgend nach unten absinken, sondern an der Ober- fläche stehen bleiben und sich vom braunen Dotter unterlagern lassen, so müssen sie eben bei dem Erreichen der Oberfläche fester geworden, erstarrt sein; ganz dasselbe findet statt, wenn, wie gleich noch zu besprechen, der weisse Dotter unter Verdrängung der Pigmentrinde auch nach andern Seiten absinkt, als nach vorn. Gegen Ende der Brunstzeit (siehe oben p. 507 und Figur 15 und 16) kamen Fälle vor, in denen die Pigmentrinde dem absin- kenden Dotter ungewöhnlichen Widerstand leistete, es kam dann nur zu einer minimalen oder gar keiner Verdrängung derselben, für die äussere Besichtigung verschwand das helle Feld beinahe oder vollkommen; ja mitunter war nicht nur die Pigmentrinde, sondern auch darunter liegende Schichten des braunen Dotters abnorm fest, so dass der weisse Dotter nicht an der Oberfläche absinken Konnte, sondern sich einen andern Weg bahnen musste (vgl. Figur 16). Wenn man die Gesammtmasse des weissen Dotters bei einem nicht ganz um 180° gedrehten Ei ins Auge fasst, so ist klar, dass der kürzeste Weg, um an der Oberfläche abzusinken, nicht für alle Theile desselben derjenige ist, der durch die Neigung des weissen Dotters als Ganzes bezeichnet wird; je nach der primären Einstellung werden die Verhältnisse verschieden sein; in der That ergiebt sich auch, dass bei Anfangsstellungen des hellen Feldes, die der centralen nahe kommen, ein Absinken des weissen Dotters mit Verdrängung der Pigmentrinde nicht nur nach der Seite stait- findet, nach der das ganze helle Feld geneigt war, sondern auch in den darauf senkrechten und den dazwischen liegenden Rich- tungen. Auch nach diesen Seiten sinken Theile des weissen Dotters unter Verdrängung der Pigmentrinde ab. Auch die dadurch oberflächlich gewordenen Schichten erstarren und werden später, so weit sie über dem Aequator liegen, von braunem Dotter unter- 514 G. Born: lagert. Durch diese Unterlagerung einer dünnen Schicht weissen Dotters durch braunen wird für die äussere Betrachtung das Auf- treten eines grauen Fleckes, wie noch weiter zu besprechen, be- dingt. Es erklärt sich aus dem eben Gesagten, dass in vielen Fällen dieser graue Fleck sich nicht nur in dem früheren Bereich des hellen Feldes mit einer Verlängerung in der Strömungsrichtung des weissen Dotters (nach vorn) bis zum Aequator hin ausbildet, sondern auch nach den Seiten des Eies senkrecht auf die Strömungs- richtung, d.h. die ursprüngliche Neigungsrichtung des hellen Feldes hin auftritt. Nun ist aber weiter klar, dass bei nahezu centraler Einstellung des hellen Feldes die Theile des weissen Dotters, welche in der Richtung liegen, die der Neigungsrichtung des ganzen hellen Feldes entgegengesetzt ist, wenn sie auf kürzestem Wege absinken wollten, sich in entgegengesetzter Richtung wie die Hauptmasse des weissen Dotters, bewegen müssten; sie müssten, wenn ich zu meiner Nomenclatur zurückkehre, die die Richtung, nach der die Hauptmasse des weissen Dotters absinkt, d. h. die Richtung nach der das weisse Feld von Anfang an geneigt war, als die Richtung nach vorn bezeichnet, nach hinten absinken; dies verhindert aber zumeist die Cohäsion der weissen Dottermasse, wirksam ist ausser- dem dabei, wie noch zu besprechende besondere Fälle zeigen, der Widerstand des durch die Hauptmasse des weissen Dotters ver- drängten, an der hinteren Seite aufsteigenden braunen Dotters. Die fraglichen, an der hinteren Seite des oberen sekundären Pols ge- legenen weissen Dotterschichten müssen demgemäss ihren Weg unter der nach vorn geneigten Hauptmasse des weissen Dotters, im Innern des Eis nehmen. Dies geschieht aber nicht mit allen Theilen dieser gewissermassen nach hinten überhängenden Dottermasse, son- dern bei den am meisteu überhängenden und zugleich oberflächlich- sten und darum consistentesten istdie Neigungnach hinten abzusinken so stark, dass dieselben sich dem aufsteigenden braunen Dotter gegen- über gewissermassen aufstauen und so die Verdiekung bilden, die sich, wie die Figuren lehren, am Rande der an der oberen Seite stehen bleibenden weissen Dotterplatte ziemlich häufig findet; die hakenförmige Configuration derselben, wie sie manche Figuren zeigen, erklärt sich aus einer sekundären Verschiebung durch den darunter hinwegziehenden Strom des braunen Dotters. Wie Fig. 17 zeigt, kommt es aber mitunter, namentlich an den Seiten des Eies, doch dazu, dass eine geringe Menge weissen Dotters nach hinten Biologische Untersuchungen. 515 absinkt. Endlich giebt es noch Fälle, bei denen in der That eine grössere Ausbreitung der weissen Dottermasse auf der oberen Seite des Eies in der Riehtung nach hinten stattfindet, ja sogar solche, bei denen der weisse Dotter nach allen Seiten ganz gleichmässig abfliesst. Es sind dies immer Eier, die mit dem hellen Felde fast central nach oben eingestellt waren und bei denen die be- fruchtende Spermatozoe von der unteren Seite her eindrang, Wel- ches hier das primäre Moment ist, wage ich nieht mit Sicherheit zu entscheiden; jedenfalls tritt die Erscheinung nicht bei allen cen- tral eingestellten Eiern auf. Die zuerst an der vorderen Seite des Eies in die untere Hälfte desselben abgeflossenen weissen Dottermassen behalten die dadurch gewonnene Stellung nicht, sondern werden immer in der unteren Eihälfte von der nachfolgenden absinkenden weiter nach hinten verschoben, ja können schliesslich, wie es scheint, dem aufsteigen- den braunen Dotter folgend, an der hinteren Seite des Eies wieder etwas aufsteigen. Die zuletzt beschriebene horizontale Verschiebung der abgesunkenen weissen Dottermassen geschieht aber so, dass: sich dabei keine so scharfen Grenzen gegen die darüber liegenden Schichten ausbilden. Ganz conform dem Absinken des weissen Dotters an der Vorderseite steigt der braune Dotter an der hinteren Seite des Eies in den dadurch frei werdenden Raum auf und lagert sich unter die an der Oberfläche stehen gebliebene weisse Dotterplatte. Je mehr weisser Dotter absinkt, um so weiter schreitet die Ausbreitung des braunen Dotters in horizontaler Richtung in der oberen Hälfte des Eies fort, wobei die Grenzen der sich aneinander verschieben- den, in sich offenbar eohärirenden Dottermassen ganz scharfe werden. Der braune Dotter erhält bei dieser Verschiebung eine Art von der Verschiebungsrichtung paralleler Streifung. Der helle Innen- fleck folgt im Ganzen der nach oben strebenden Bewegung des ihn umgebenden braunen Dotters, seine ursprünglich flach unter der Pigmentrinde ausgebreitete Substanz wird dabei zusammen- geschoben, so dass er nur mehr mit schmaler Basis der Pigment- rinde anhaftet; zugleich wird derselbe zu einem in der Strömungs- richtung ausgedehnten langen Bande ausgezogen; das Merkwürdige dabei ist, dass die Substanz des hellen Innenflecks doch einerseits immer, wenn auch mit noch so verschmälerter Basis, an der Pig- mentrinde haften bleibt, — ich habe nie einen Fall gesehen, 516 G. Born: wo die Pigmentrinde von der letzteren vollständig losgelöst war — andererseits sich aber doch an der Pigmentrinde hin nach oben zu ver- schieben scheint. Wenn man die Stelle, an der sich späterhin die Basis des hellen Innenbandes findet, mit der Mitte des hellen Innenfleckes in normaler Stellung vergleicht, so erscheint die erstere regelmässig stark an der hinteren Seite nach oben verschoben. Man wird sich die Erscheinung am besten durch die Annahme erklären können, dass die Hauptmasse des hellen Innenflecks die Pigmentrinde verlässt, nach oben zu sich aufstaut und dann mit dem braunen Dotter zu- sammen aufsteigt und lang ausgezogen wird, während der oberste Rand des hellen Innenflecks, der wegen seiner hohen Lage im Ei kein besonderes Aufstreben besitzt, an Ort und Stelle an der Pig- mentrinde verbleibt; dann würde die Basis des hellen Innenbandes nicht der Mitte des früheren hellen Innenflecks, sondern der höch- sten Stelle der Ausbreitung desselben entsprechen. Bilder wie Fig. 12, die den Process im Anfang zeigen, sind dieser Auffassung ziemlich günstig. Auch spricht für die obige Erklärung die aus ‚allen Bildern zu entnehmende Thatsache, dass das helle Innenband als Ganzes immer nahe der oberen Grenze des braunen Dotters gefunden wird und nicht in dessen Mitte. Doch scheint dem wieder Fig. 22 und 23 zu widersprechen. Hier liegt der seltene Fall vor, dass der weisse Dotter ganz gleichmässig nach allen Seiten abge- flossen ist, ohne einseitige Verdrängung der Pigmentrinde, der braune dagegen hat sich in der Mitte des Eies grade in die Höhe begeben. Der helle Innenfleck ist zu einem senkrecht nach oben ausgestreckten Bande ausgezogen, auch hier ist die Basis des- selben in Verbindung mit der schwarzen Pigmentrinde geblieben, die Stelle ist aber jedenfalls die Mitte der früheren Ausbreitung des hellen Innenflecks, es ist nämlich der primäre dunkle Pol des Eies. Doch ist der Widerspruch in der That nur ein scheinbarer; denn es handelt sich hier in dem Ausnahmefall um eine nach allen Seiten gleichmässige Verschiebung der weissen Dottermasse, wodurch auch die Substanz des hellen Innenflecks ausnahmsweise gleichmässig nach ihrer Mitte und nicht wie sonst nach ihrem oberen Rande zusammengeschoben sein mag. Auf die durch die Spermatozoe bewirkten Veränderungen des hellen Innenbandes komme ich noch unten des Weiteren zurück. So weit sich der aufsteigende braune Dotter unter die an der Ober- fläche stehen gebliebene, weisse Dotterplatte lagert, erscheint für Biologische Untersuchungen. 517 die äussere Besichtigung am Fi ein grauer Fleck von bald mehr grauweisslicher, bald mehr grauschwärzlicher Färbung; je inten- siver weiss und je ausgedehnter die Färbung des hellen Feldes war, um so auffälliger wird die Erscheinung des grauen Flecks; über die Ausdehnung desselben habe ich oben schon gesprochen. Die an den scharfen Grenzen gegen andersartige bewegte oder ruhende Dotterschiehten gelegenen Flächen des braunen Dotters erscheinen besonders intensiv pigmentirt, als wenn hier eine Verdich- tung des braunen Dotters stattgefunden hätte. So weit die schwarze Pigmentrinde nicht, wie oben besprochen, durch den absinkenden weissen Dotter direkt verdrängt wird, be- deckt sie auch weiterhin dieselben Theile der Eioberfläche, wie normal, doch verändert sie sich sehr erheblich in der Dicke, die tieferen Schichten derselben werden von der unteren Seite des Eies gegen die hintere zusammengeschoben und von dort aus mit dem Strome des braunen Dotters, namentlich in der Umgebung des hellen Innenbandes, mit in’s Ei hineingenommen; zum deutlichen Beweise dafür, dass ich mit meiner Annahme oben Recht hatte, dass die vom schwarzen Pigment überzogene Eirinde zwar consi- stenter sein mag wie das Eiinnere, aber doch nicht so fest und so tief hinein fest, wie die weisse Dotterrinde. Oben habe ich schon p. 506 erwähnt, dass die Eier eines Weibehens zwar alle beschriebenen charakteristischen Verschie- bungen, die an den Eiern durch die Schwere bewirkt werden, zeigten, aber im gleichen Zeitraum viel weniger ausgeprägt als es sonst der Fall war (Fig. 11 und 12), so dass ich eine besonders starke Consistenz der Dottersubstanzen in diesem Falle anzunehmen gezwungen war, obgleich dieselben Eier sich in ihren Hüllen leichter beweglich zeigten, wie die Eier in andern, von mir angestellten Ver- suchen. Für die grössere Consistenz der verschiedenen Dottersub- stanzen im Innern dieser Eier spricht auch die Thatsache, dass die scharfen Grenzen, die sonst zwischen den sich aneinander ver- schiebenden Massen gefunden werden, wie unsere Abbildungen lehren, hier meist fehlen. Wann beginnen nun die beschriebenen und auf die Schwere bezogenen Erscheinungen an den in Zwangslage mit hellem Pol nach oben aufgestellten, befruchteten Eiern von R. f.? Soweit die äussere Untersuchung zu schliessen erlaubt, sind die Veränderungen bis zu Ablauf der ersten °/, Stunden nach der Befruchtung sehr 518 G. Born: geringfügig und nehmen erst innerhalb der 2. Stunde ein rascheres Tempo an; Sehnittbilder aus der Zeit vor Ablauf der ersten '3/, Stunden stehen mir leider nicht zur Verfügung. Hier müssen nun zwei andere Beobachtungsreihen eingeschaltet werden, die viel- leicht auf die Ursache der Beschleunigung der Veränderungen ein helles Licht zu werfen geeignet sind: einmal das Verhalten unbefruchteter Eier, die in Zwangslage mit dem hellen Pol nach oben aufgestellt sind. An diesen bemerkt man, wie ich schon in meiner vorläufigen Mittheilung ausgeführt habe, sehr lange keine Veränderung, erst nach 5—6 Stunden wird allmählich das helle Feld grau und zwar geschieht dies in ganz unregelmässiger Weise. Von dem im günstigen Falle scharf begrenzten, gelbweissen Kreise bleibt z. B. nur ein Halbmond unverändert, der Rest des- selben erscheint blaugrau. Dabei findet keine Veränderung der Grenzen und Stellung des Kreises statt. Leider konnte ich das Versprechen, diese Eier zu schneiden, nicht einlösen, weil dieselben zu den durch den unmittelbaren Zusatz des absoluten Alkohols für das Schneiden verdorbenen gehörten. Es ist mir wahrschein- lich, dass die Erscheinungen im Innern ähnliche waren, wie sie abnormer Weise auch bei befruchteten auftreten und wie sie in Fig. 16 abgebildet sind; doch interessirt das hier weniger als die sichere Thatsache, dass die unbefruchteten Eier überhaupt stundenlang unverändert blieben?). Schon daraus erhellt, dass die Befruchtung die Verschiebung der verschieden pigmentirten und verschieden specifisch schweren Dotterbestandtheile beschleunigt. Die Wirkung der Befruchtung kann wohl aber erst eintreten, wenn die Spermatozoe die Dotter- oberfläche mindestens berührt, obgleich nieht an die merkwürdigen Beobachtungen Kupffer’s über eine Art Fernwirkung der Sp. zu I) Essind die unbefruchteten Eier dabei wohl zu unterscheiden von den schon beim Aufsetzen abgestorbenen, wie sie häufig genug bei den Versuchen mit befruchteten Eiern mitten unter letzteren sich fanden; diese letzteren bleiben für die äussere Besichtigung auch stundenlang unverändert; auf Schnitten zeigen sie die reguläre Vertheilung der Dottersubstanz, doch erwies sich bei genauerem Zusehen, dass der braune Dotter in ein feinfadiges, dunkler pigmentirtes Netzwerk mit weiten, ziemlich gleichmässig grossen, von hellerer Substanz angefüllten Maschen umgewandelt war. Unbefruchtete, entwicklungs- fähige Eier zeigten diese Veränderung niemals. | Biologische Untersuchungen. 519 vergessen ist. Dass jedenfalls die Veränderungen vor dem Ein- dringen der Spermatozoe in das Ei noch nicht sehr weit gediehen sind, dafür sprechen auch die oben geschilderten Erscheinungen, welche man findet, wenn die Spermatozoe von der unteren Seite des Eies her eindringt; dann sieht man nämlich, wie oben beschrieben und in Fig. 14 abgebildet, in der unteren Eihälfte eine Art senkrechter Scheidewand braunen Dotters, die die Pigmentstrasse der Sperma- tozoe einschliesst und zu deren Seiten der abgesunkene weisse Dotter sich ausgebreitet hat. Da nun kaum anzunehmen ist, dass einmal aufgestiegener brauner Dotter durch die eindringende Spermatozoe wieder in die untere Hälfte des Eies herabgezogen wird, so bleibt nur die Annahme übrig, dass der braune Dotter, wenn die Sper- matozoe eindringt, die untere Hälfte des Eies noch nicht verlassen hat und dass er dann von der Pigmentstrasse der Spermatozoe in Form der oben erwähnten Scheidewand in der unteren Hälfte des Eies festgehalten wird. Vielleicht schützt die Pigmentstrasse die hinter ihr gelegenen braunen Theile, wie eine Art Wehr vor dem Strome des weissen Dotters; doch sei dem wie ihm wolle, jeden- falls ist bis zum Eindringen der Spermatozoe die Veränderung durch die Schwere an den Eiern eine sehr geringe und bleibt bei mangelnder Befruchtung stundenlang ganz aus. Wie ist nun die Beschleunigung der Veränderung durch das Eindringen der Sper- matozoe aufzufassen, wie wirkt letztere auf das Ei? Wie ich und College Roux unabhängig von einander nach- gewiesen haben, sind die speeifischen Gewichtsunterschiede der dunklen und hellen Eihälfte, wenn dieser Ausdruck erlaubt ist, oder die des weissen grobkörnigen und des mehr weniger pigmentirten feinkörnigen Dotters schon am unbefruchteten Ei vorhanden, denn wir kamen beide zu dem Resultate, dass auch unbefruchtete Eier in Wasser geworfen, so dass die Hüllen genügend quellen konnten, den schwarzen Pol nach oben richten, nur geschieht diese Drehung viel langsamer, als bei den befruchteten. Während diese verlagert nur wenige Minuten brauchen, um den Pol nach oben zu richten, dauert es, bis alle unbefruchteten Eier in einer Schale mit Wasser sich vollkommen gedreht haben, oft 5—6 Stunden. College Roux hat dann weiterhin in der im Anhang zu meinem Vortrage abge- druckten Diskussion noch weitere Versuche mitgetheilt. Er brachte Froscheier mit ihrer Hülle in eine Flüssigkeit von geeignet hohem spec. Gewicht, um sie schwimmend zu erhalten. Es zeigte sich, 520 G. Born: dass jetzt befruchtete und unbefruchtete sich beide innerhalb weni- ser Sekunden drehten und fest einstellten; es schien, dass die befruchteten Eier dabei noch ein wenig rascher, im Mittel etwa in sechs, die unbefruchteten im Mittel in zehn Sekunden ihre feste Einstellung nach grösster Entfernung von der Gleichgewichtslage erreichten“. Es ist, wenn diese Versuche sich bestätigen, weniger anzunehmen, dass die von vornherein verhandenen spec. Gewichts- unterschiede der verschiedenartigen Eibestandtheile durch die Be- fruchtung vergrössert werden und dass dadurch die Beschleunigung der Veränderung durch die Schwere, wie sie jedenfalls nach dem Eindringen der Spermatozoe statt hat, zu erklären ist, vielmehr müsste man daran denken, dass durch die eindringende Sperma- tozoe eine Consistenzveränderung der Substanzen des Eiinnern hervorgebracht wird in dem Sinne, dass dieselben nunmehr leicht- flüssiger würden und dass in Folge dessen sich die durch die Schwere bewirkten Veränderungen rascher vollzögen!). Man braucht sich dabei nicht daran zu stossen, dass die Pig- mentstrasse der Spermatozoe nach Hertwig nach einer Stunde noch ziemlich kurz ist. Die besprochene Einwirkung auf das Eiproto- plasma kann vielleicht mit der ersten Berührung der Eioberfläche zusammenfallen; jedenfalls sind andere weitgehende Veränderungen am Ei durch diese erste Berührung von andern Forschern an günstigeren Objekten direkt constatirt, z. B. auch Consistenzver- änderungen: Contraktionen des ganzen Eies mit Bildung einer äusseren festen Haut?). 1) College Roux hat gezeigt, dass die Unterschiede im specifischen Gewicht der Substanzen in der Gegend des hellen und dunklen Poles schon im Uterus, in der Bauchhöhle, ja sogar im Ovarium vorhanden sind. Wenn nicht vor der Befruchtung eine grössere Zähigkeit der Eisubstanzen vorhan- den wäre, so ist kaum einzusehen, warum die verschieden schweren Theile der Eier nicht schon in diesen Organen, wo die Eier längere Zeit nach allen möglichen Richtungen durcheimander gelagert verharren, durcheinander fliessen. Nach Hertwig hier eine ordnende Kraft der Kerngebilde anzunehmen, hat das Missliche, dass man den Kerngebilden des befruchteten Eies eine viel geringere ordnende Wirksamkeit zutrauen müsste. 2) Es ist mir sogar aus gewissen Gründen nicht unwahrscheinlich, dass etwas Derartiges auch am Froschei statt hat und es würde sich dann die viel raschere Drehung des befruchteten Eies in der gequollenen Gallert- hülle nicht etwa auf eine Vermehrung der Unterschiede des spec. Biologische Untersuchungen. 521 Uebrigens habe ich an Eiern, die °/, Stunden befruchtet waren, die Pigmentstrasse der Spermatozoe bedeutend länger gesehen als sie Hertwig beschrieben hat. Nachdem wir so den Einfluss der Befruchtung auf die durch die Schwere an unsern Riern bewirkten Veränderungen besprochen und die dabei mitspielenden Verhältnisse, so weit, als vorläufig möglich, aufzuklären versucht haben, betrachten wir nun die Schick- sale der eindringenden Spermatozoe selbst. Sie liefert nach der Anschauung, der ich mich anschliesse, den sogenannten männlichen Vorkern; derselbe entsteht an der Eioberfläche und dringt von hier aus in die Tiefe. Dass ich keine besondere Mikropyle am Froschei annehmen kann, geht schon aus dem oben Gesagten hervor. Die Pflüger'sche Beobachtung, dass Eier, die mit dem hellen Pole gerade nach oben aufgesetzt sind und die diese Stellung unver- ändert beibehalten, sieh nieht furchen, braucht nicht, zu Gunsten eine Mikropyle, die dann durch die Anlagerung des schwarzen Pols an das Glas verdeckt wäre, sodass die Spermatozoen am Ein- dringen behindert würden, gedeutet zu werden; denn Eier, die man mit dem schwarzen Pol gerade nach oben in Zwangslage an einer Glasplatte aufhängt, entwickeln sich ganz vortrefflich!). Aber auch bei Eiern, die nicht aufgehängt, sondern auf die Glasplatten aufgesetzt waren, sind oben einzelne Fälle beschrieben Gewichts der Eibestandtheiledurch die Befruchtung, sondern, wieich schon in mei- ner vorl. Mittheilung vermuthete, darauf zu beziehen sein, dass der Zwischenraum zwischen Gallerthülle und Ei, in dem das Ei sich bewegt, hier rascher auftritt, als beim unbefruchteten Ei. Es wird dieses Kapitel jedenfalls durch College Roux noch weitere Bereicherungen und Aufklärungen erhalten. 1) Pflüger hat gesehen, dass mit dem hellen Pole nach oben aufgesetzte Eier, die sich nach 2 Stunden nicht entwickelt hatten, während gleichzeitig befruchtete andere Eier schon die erste Furche zeigten, bei nachträglichem Zusatz von Wasser, der ihnen die Drehung erlaubte, sich nach abermals 2 Stunden doch noch furchten, gerade als ob die Benetzung mit Samen erst im Augenblicke des Wasserzusatzes geschehen sei. Ich habe als durchgehende Regel beobachtet, dass Eier in Zwangslage, die die abnorme Stellung ihres hellen Feldes gar nicht änderten, sich ohne Weiteres auch niemals entwickel- ten. Ich nehme demgemäss an, dass hier immer ungenügender Wasserzusatz Schuld ist, der dazu führt, dass die Spermatozeen nur in die oberflächlichsten Schichten der Gallerthülle eindringen, dort aber, wie der interessante P.’sche - Versuch beweist, noch lange lebend bleiben. 5223 G. Born: (vgl. Fig. 22 und 23) wo bei rein centraler Anfangsstellung des hellen Feldes die Spermatozoe gerade von unten, vom primären dunklen Pol her, eindrang und in der Pigmentumhüllung des hellen Innenbandes aufstieg. Die andern Eigenthümlichkeiten dieser Eier sind schon genugsam gewürdigtworden. Esgiebt also keine besondere Mikropyle am Froschei, doch kann die Spermatozoe nicht von jeder beliebigen Stelle der Eioberfläche aus, son- dern nur von einer mit Pigmentrinde bedeckten eintre- ten. Stellen, an denen, sei es primär, sei es sekundär durch Ver- drängung der Pigmentrinde der weisse Dotter an der Oberfläche ansteht, dienen meiner Erfahrung nach niemals als Eintrittsstelle. Es liegt nahe, dabei an die oben constatirte Festigkeit der weissen Dotterrinde zu denken. Ich befinde mich hier im Widerspruch mit Bambeke’s Angaben (12 u. 13), der aber auch meist mehrere Spermatozoen in ein Ei eindringen sah, was ich nicht als normales Geschehen anerkennen kann. Von der schwarzen Pigmentrinde her begleitet den männlichen Pronucleus die oben genauer beschrie- bene Pigmentstrasse; z. Th. muss man bei der Entstehung der- selben an ein mechanisches Adhäriren der zähen Pigmenttheile an das Kerngebilde denken, da auch andere von der Pigmentrinde aus in’s Ei eindringende Substanzen, wie die des hellen Innenflecks, hüllenartige Schichten des schwarzen Pigments mit sich ausziehn. Andererseits ist aber eine besondere Attraktionskraft der Kerne für die Pigmenttheilchen in späteren Stadien der Furchung so evi- dent, dass viel dafür spricht, dass ein Theil des dem männlichen Vorkern folgenden Pigments direkt von demselben angezogen ist. Die Richtung der Pigmentstrasse nun ist eine äusserst charak- teristische; sie fällt nämlich mit seltenen Ausnahmen zusammen mit der Hauptströmungsrichtung des braunen Dotters, mag dabei die Eintrittsstelle in das Ei höher oder tiefer liegen und die ganze Pigmentstrasse demnach eine leicht absteigende, eine beinahe hori- zontale oder endlich eine aufsteigende Richtung haben. Fälle von starker Abweichung der Pigmentstrasse aus der Strömungsebene sind so selten, dass ich die Vermuthung aussprechen darf, es handle sich in diesen vielleicht um einen Fehler bei der Schnitt- führung, die nicht mit der Strömungsrichtung zusammenfiel. Bei normalen Eiern ist die Richtung der Pigmentstrasse gemäss der Stellung derselben immer eine absteigende; dass sich aber der Biologische Untersuchungen. 523 männliche Vorkern auch der Schwere entgegen im Ei aufwärts bewegen kann, dafür legen viele meiner Figuren Zeugniss ab. Es ist kaum zu bezweifeln, dass der männliche Vorkern eine eigenthümliche Penetrationskraft besitzt, mag als Ursache derselben eine Eigenbewegung des Vorkerns, eine Anziehung der beiden Vorkerne unter einander oder eine Einwirkung des Protoplasmas angesehen werden. An unsern Eiern kann man ziemlich häufig eine direkte Einwirkung der Bewegung des Vorkerns daran sehen, dass das helle Innenband, wenn es von der Pigmentstrasse des- selben überkreuzt wird, der Richtung der Bewegung gemäss eine Einkniekung erleidet, gerade als ob dasselbe der Fortbewegung resp. dem Eindringen des Vorkerns einen gewissen Widerstand leistete und in Folge dessen von dem vordringenden Vorkern eingebogen würde. Ob durch die Strömung des Dotters vielleicht auch die Ebene, in der die Conjugation der Vorkerne stattfindet und die Richtung der Kernspindel, die aus dem ersten Furchungskern hervorgeht, beein- flusst wird, ist nach dem mir vorliegenden Materiale nicht mit Sicher- heit zu entscheiden, doch will ich nochmals hervorheben, dass in der Mehrzahl der mit einiger Sicherheit untersuchten Fälle, die erste Furche bestimmte Beziehungen zur Strömungsrichtung des Dotters zeigt, indem sie entweder mit derselben zusammenfällt oder auf ihr senkrecht steht. Es bleibt noch eine merkwürdige Erscheinung zu erklären, die gerade Pflüger mit in erster Linie beschäftigt und ihn zu seinen Theorien über den direkt differenzirenden Einfluss der Schwere veranlasst hat, nämlich die, dass die erste und zweite Furchungsebene beim normalen Ei regelmässig, bei den durch die Schwere veränderten Eiern zumeist senkrecht stehen ; — dass bei den letzteren Ausnahmen nicht selten sind, habe ich schon früher erwähnt; halten wir uns aber vorläufig an die Regel. Wie ich schon in meinen ersten Bemerkungen zu unserem Thema (4) aus- gesprochen habe, muss man davon ausgehen, dass die Theilungs- ebene des Eies immer mit der Theilungsebene des Eikerns zusam- menfällt; diese wiederum steht senkrecht auf der Längsaxe der Spindel, zu der sich der in Theilung begriffene Kern auszieht; es muss demnach als primäre Thatsache beim normalen Froschei betrachtet werden, dass die Kernspindel erster Ordnung sich in dem oberen Theile der Axe des Eies in die Horizontale einstellt und muss die Ursache dieser regelmässigen Einstellung untersucht werden. Archiv £. mikrosk. Anatomie. Bd. 24, 34 524 G. Born: Ferner muss untersucht werden, warum die beiden Kern- spindeln zweiter Ordnung sich wieder horizontal im oberen Theil der ersten beiden Theilstücke und zwar parallel der ersten Fur- chungsebene so einstellen, dass ihre Theilungsebene die Theilstücke erster Ordnung halbirt, endlich warum die vier Kernspindeln dritter Ordnung sich in derselben Höhe senkrecht stellen. Die Einstellun- gen der Kernspindeln späterer Ordnung will ich hier nieht weiter verfolgen und nur erwähnen, dass sich dieselben nach der gleich zu erörternden Theorie ebenfalls ungezwungen erklären lassen. Da nun Pfüger nachgewiesen hat, dass auch an dem in anomaler Stellung fixirten Froschei die Ebenen der beiden ersten Furchen senkrecht zu einander und zur Horizontalen stehen, muss auch für diesen Fall angenommen werden, dass die Kern- spindeln I. und II. Ordnung sich horizontal einstellen und müssen die Gründe für diese analoge Einstellung nachgewiesen werden. Als ich in meiner Bastardirungsarbeit meine ersten Bemer- kungen zu dem vorliegenden Thema machte, hatte ich noch keine eigenen Beobachtungen über in anomaler Stellung fixirte Eier an- gestellt und schenkte daher der Annahme Pflüger’s, dass im Ei selbst keine wesentlichen Verschiebungen stattfänden, Glauben. Ich gelangte daher zu der Anschauung, dass die dunkle Hälfte des Eies ihr erwiesenermassen geringeres specifisches Gewicht dem Kern verdanke, der in derselben gelagert ist und glaubte nun weiter- hin schliessen zu können, dass bei den in anomaler Stellung fixir- ten Eiern wesentlich nur der Kern gemäss seinem supponirten, ge- ringeren speeifischen Gewicht seine Lage verändere und wieder in die obere Hälfte des Eies aufsteige. Damit wäre nun freilich erst die Thatsache erklärt, dass bei den in anomaler Stellung fixirten Eiern die ersten beiden Furchen zuerst an der oberen Seite des Eies erscheinen, es hätte aber weiterhin erst gezeigt werden müssen, warum der Kern sich auch in seiner neuen Lage horizontal stellt. Die eigenen Untersuchungen aber, die ich in meiner vorläufigen Mittheilung kurz dargestellt habe, lehrten mich, dass die Voraus- setzung, dass das Eiprotoplasma in Ruhe bleibe, falsch sei; sehr bald erfuhr ich durch die Experimente des Collegen Roux, dass auch an Eiern, die der richtenden Wirkung der Schwere ganz ent- zogen waren, die ersten beiden Furchen ganz in der normalen Weise und am normalen Orte sich bildeten. Es war danach klar, dass jedenfalls die Schwere nicht dazu nöthig ist, dass die erste Biologische Untersuchungen. 525 Kernspindel sich in der richtigen Höhe der Eiaxe horizontal stellt und es mussten die Ursachen dieser Einstellung im Ei selbst ge- sucht werden. Noch in meiner vorläufigen Mittheilung hatte ich dureh die Beeinflussung, welche die Pigmentstrasse der Spermatozoe dureh die Strömung des Dotters erfahren hatte, getäuscht, mich zu der Annahme geneigt, es steige der Kern durch sein geringeres specifisches Gewicht zu seiner Stelle auf. Nach Kenntniss von Roux’s Resultaten bin ich zu folgendem Erklärungsversuch ge- langt. Man kann die Höheneinstellung und die Horizontalstellung der Kernspindel in der Axe des normalen Eies dadurch herleiten, dass man eine richtende Wirkung der Protoplasmatheile des Eies auf dieselbe verschieden je nach deren Beschaffenheit und Entfernung an- nimmt. Nur bei horizontaler Einstellung der Spindelin der Axe wird die Entfernung je zweier symmetrischer Punkte der Spindelhälften von allen sich symmetrisch entsprechenden, gleichgearteten Punkten der beiden zugehörigen Kugelhälften die gleiche sein; damit ist dann auch eine gleich starke richtende Einwirkung aller dieser Punkte auf jede Spindelhälfte gesichert. Weicht die Spindel aus der hori- zontalen Stellung heraus, so werden die symmetrisch gelegenen Punkte der beiden Kugelhälften nicht mehr gleichartig sein und damit auch ungleich auf die Hälften der Kernspindel richtend ein- wirken und die Kernspindel wird sich von selbst so einstellen, dass die auf beide Hälften richtend wirkenden Kräfte sich im Gleichgewicht halten, sie wird die horizontale Stellung in der Axe suchen. Ich habe dabei vorläufig vorausgesetzt, dass das normale Froschei sich durch jede beliebige axiale Ebene symmetrisch theilen lasse; nach einigen Beobachtungen von Roux aber ist das nicht immer der Fall, es ergiebt sich dann eine Einschränkung der letzten Deduktion, die nicht auf die Nothwendigkeit der horizontalen Ein- stellung der Kernspindel in der Axe, wohl aber auf die besondere Stellung derselben in der Horizontalebene von Einfluss ist. Es lässt sich auf dieselbe Weise folgern, warum die beiden Kern- spindeln zweiter Ordnung sich wieder horizontal stellen müssen und zwar senkreeht zu den ersten. Die Hälften der Kernspindeln zweiter Ordnung werden sich so zu stellen suchen, dass jede von ihnen in einer symmetrischen Hälfte der Eihalbkugel zu stehen kommt, das wird erreicht durch die Einstellung der Kernspindel horizontal und parallel der ersten Furchungsebene mit ihrer Mitte in der senk- rechten Halbirungsebene der ersten beiden Theilstücke. Für die vier 526 G. Born: Kernspindeln dritter Ordnung endlich giebt es gar keine Stellung mehr, in der die Theilungsebene derselben die zugehörigen Kugel- abschnitte in zwei wirklich symmetrische Hälften trennen könnte. Diese Kernspindeln dritter Ordnung stellen sich bekanntlich senk- recht; es kommt dabei wohl in Betracht, dass bei der ungleichen Vertheilung des braunen Dotters in der obern und untern Eihälfte der in seiner Eigenschaft als reinerer Bildungsdotter wohl als das vorzüglichst auf den Kern wirksame Element anzusehen ist, eine senkrechte Stellung der Kernspindeln über der Mitte der Höhe der Theilstücke, die bei der dritten Furchung zerfällt werden sollen, eine Theilung derselben setzt, bei der wenigstens dieser hauptsäch- lich wirksame Bestandtheil, der braune Dotter in Bezug auf Masse und Entfernung oberhalb und unterhalb der Kernspindel ungefähr gleich wirkungsvoll ausgetheilt ist. Auf die stärkere Einwirkung des braunen Dotters muss auch die Thatsache bezogen werden, dass der Kern sich bei den ersten beiden Furchen in der Axe ziemlich hoch über der Mitte des Eies, also näher dem Wirkungs- bereich des braunen, als dem des weissen Dotters seinen Ort sucht. Man sieht, ich bin jetzt ungefähr zu derselben Erklärung ge- kommen, wie sie für dieselben Thatsachen auf breiter vergleichen- der Basis neuerdings von O. Hertwig (9) entwickelt worden ist, der nun auch gezeigt hat, dass bei Eiern mit geringem und gleich- mässig vertheiltem Nahrungsdotter der Kern eine centrale Stelle in der Eikugel aufsucht, dass aber dann die erste Furche durch- aus nicht senkrecht steht, sondern jeden beliebigen Winkel mit der Schwerkraft machen kann. Wie weit hält nun diese Erklärung, wenn man dieselbe für die Stellungen der Kernspindeln bei den ersten drei Furchungen im normalen Ei acceptirt, auch bei den veränderten Verhältnissen, wie sie sich in den durch die Schwere beeinflussten Eiern finden, Stand? Ich glaube, dass dieselbe sich auch hier ziemlich gut be- währt, wenn man wieder, wie bei der Erklärung der Stellung der Kernspindeln dritter Ordnung im normalen Falle, nicht streng symmetrische Anordnung aller Dottermaterialien an beiden Seiten der Theilungsebene der Kernspindel fordert, sondern als hauptsäch- lich wirkenden Theil nur den braunen (Bildungs-) Dotter berück- sichtigt. Das Resultat der Umlagerung des braunen Dotters durch die Schwere ist nun, wie die Schnitte lehren, dass derselbe schliesslich wieder eine zu der sekundären senkrechten Axe des Eies, Biologische Untersuchungen. 527 freilich nur annähernd nach allen Seiten symmetrische Configura- tion besitzt, so dass, wenn derselbe die hauptsächlich richtende Kraft auf die Kernspindel ausübt, in der That auch hier eine an- nähernd horizontale Stellung derselben in der sekundären Eiaxe bei der ersten und darnach auch bei der zweiten Furchung erreicht würde. Da die Configuration des braunen Dotters aber von der streng um die senkrechte Axe allseitig symmetrischen vielfach ab- weicht und da alle übrigen Dotterbestandtheile in diesen Eiern gar nicht allseitig symmetrisch um die senkrechte Axe liegen, so braucht man sich nicht zu wundern, dass die ersten beiden Fur- chen mitunter von der senkrechten Stellung abweichen; kleinere Abweichungen finden sich sehr oft (vergl. die Figuren). Streng symmetrisch lassen sich die Dotterbestandtheile des durch die Schwere veränderten Bies nur durch diejenige sekundäre Meridian- ebene halbiren, welche ich oben als Strömungsebene bezeichnet habe. In der That fällt in einem Drittel der gut untersuchten Fälle die erste Furchungsebene mit dieser zusammen, in dem zweiten Drittel aber steht die letztere grade senkrecht auf der ersteren; wie dies vielleicht mit Hülfe gewisser Annahmen, die vom Collegen Roux herrühren, erklärlich wird, daraufkomme ich unten noch einmal zurück. Es bedarf noch einer besonderen Untersuchung mit den oben p. 479 aufgeführten strengeren Hülfsmitteln, um zu constatiren, ob sich auch übereinstimmend mit der gegebenen Er- klärungsweise bei starken Abweichungen in der Configuration des braunen Bildungsdotters von der um die senkrechte symmetrischen Form auch regelmässig bestimmte Abweichungen der ersten Fur- chungsebene aus der senkrechten mit oder ohne Verschiebung der- selben vorfinden. Eine Art umgekehrten Beweises für die Annahme, dass die Stellung der Riehtungsspindel auf der Austheilung des Dottermateriales (namentlich des braunen) beruht, lässt sich viel- leicht dadurch führen, dass man die mit dem hellen Pol nach auf- wärts in Zwangslage aufgestellten Eier etwa nach 1!/, Stunden mit ihrer Unterlage, z. B. um 90° dreht und so eine neue Strömung des kaum zur Ruhe gekommenen Dottermaterials veranlasst, durch die dann vielleicht eine entsprechende, von der horizontalen ab- weichende Stellung der Kernspindel erreicht würde; natürlich wären diese Experimente methodisch in Bezug auf ursprüngliche Neigung des hellen Feldes, auf Grösse, Richtung und Zeit der nachträg- lichen Drehung zu variiren, um zu in jedem Fall constanten Re- % 528 G. Born: sultaten zu gelangen, die zusammengenommen weitere Schlüsse ge- statten würden. Pflüger hat dieses Hülfsmittel schon angewendet, hat aber, soviel ich weiss, nur immer um 180° gedreht. Die in seiner Ab- handlung (pag. 22 ff.) niedergelegten Resultate sind nach der oben von mir acceptirten Anschauung nur theilweise verständlich. Hatte er Eier eine Stunde «nach der Befruchtung um 180° gedreht, so ist die zweite Furche durch diese Drehung beeinflusst und ge- schieht, sowie sie der letzten Lage des Eies entspricht. D. h. wenn ich den Autor recht verstehe, beginnt die erste Furche am hellen, die zweite am dunklen Pole des Eies, während ich a priori vermuthet hätte, dass die nach einer Stunde gesetzte Verlagerung des Dottermateriales nach Drehung um 180° innerhalb der zweiten schon soweit redressirt würde, dass die erste Furche, wenn auch schräg, in der Nähe des schwarzen Pols beginnen müsste; es bleibt zur Lösung des Widerspruchs nichts übrig, als die Versuche zu wiederholen und nach der vorgeschlagenen Methode zu agiren, da- bei aber die möglichst exakt gezeichneten Eier vermittelst der Schnitte auf ihre innere Beschaffenheit zu untersuchen?). In seiner neuesten, diesjährigen Veröffentlichung (3)°) hat Pflüger wieder neues und interessantes Material zu der hier uns beschäftigenden Frage geliefert. Er kommt jetzt auch darauf zu sprechen: „Welche Lageverschiebungen in dem Inhalte eines Ries durch die Schwere bewirkt werden, wenn die Richtung der Eiaxe dauernd geändert wird.“ Er stellt sich dieselben folgendermassen vor: „Die sehr zahlreichen geformten Körner von grosser speeifischer 1) Ich habe eine Reihe ganz ähnlicher Versuche mit Eiern von R. escul. gemacht, indem ich die Glasplatten mit den in Zwangslage mit dem hellen Pol nach oben eingestellten Eiern eine Stunde nach der Befruchtung um 180° drehte. Die Resultate stimmen nicht ganz mit den Pflüger’schen überein. Soviel ich sehen kann, tritt auch die erste Furche an der dem Glase zuge- wandten dunklen Seite der Eier, die also anfangs nach unten sah und durch die Umdrehung 1 Stunde nach der Befruchtung nach oben kam, auf; — sie erscheint jedoch nicht zuerst am Pole, sondern näher dem Aequator an der braunen Hemisphäre, und verläuft häufig auch excentrisch. Das genauere darüber wird in einer zweiten Abhandlung folgen. 2) Dieselbe ist mir in der letzten Woche, als diese Arbeit fertig geschrie- ben war, durch gütige Vermittlung von Herrn Geheimrath Heidenhain zugänglich geworden. Biologische Untersuchungen. 529 Schwere, welehe in dem Dotter suspendirt sind, sinken allmählich zu Boden: es bildet sich eine obere dünnflüssige und eine untere steifere Schicht, gleichsam ein Satz, der vielleicht bis in die obere Hälfte des Eies reicht.“ Man wird, glaube ich, aus der von mir gegebenen Darstellung des thatsächlichen Vorganges und aus meinen Bildern entnehmen können, dass diese Vorstellung nicht richtig ist. Die verschiedenen Dottersubstanzen strömen nach der Wir- kung der Schwere, ohne dass die in ihnen enthaltenen Körner sich nach unten setzen und bleiben so ziemlich in sich im Zusam- menhang. — Dann ist Pflüger zu der von mir zuerst aufgestellten Ansicht gekommen: ‚Der Kern steigt offenbar wegen seines geringen specifischen Gewichtes immer nach den oberen Schichten des Ei- inhaltes empor“. Ich habe diese Anschauung verlassen, weil meiner Ansicht nach die Roux’schen Versuche beweisen, dass die Kernspindel auch wenn die richtende Kraft der Schwere ganz ausgeschaltet ist, ihre normale Stellung in dem oberen Theile der primären Eiaxe mit ihrer Länge parallel einer durch den oberen primären Eipol gelegt gedachten tangentialen Ebene, mit vollkommener Sicherheit findet. Ich kann mir nicht denken, wie z.B. auf ein Ei, welches frei in einem Gefässe kollert, das sich auf einem Rade dreht, die Schwere noch irgend welche richtende Fähigkeit aus- üben kann. Für die Roux’schen Versuche muss man also annehmen, dass die Stellung der Kernspindel nur durch Kräfte, die im Ei selbst enthalten sind, bestimmt wird. Nun haben noch die Hert- wig’schen Untersuchungen gezeigt, dass bei centraler Kernstellung und gleichmässiger Dottervertheilung um die Mitte der Eikugel die Schwere die Stellung der Kernspindel gar nicht beeinflusst. Wenn also bei den durch die Schwere veränderten Froscheiern die Kernspindel in der Regel dieselbe Horizontalstellung in der oberen Hälfte der sekundären senkrechten Äxe des Eies, wie im normalen Falle annimmt, so liegt, wenn man alles Erwähnte be- rücksichtigt, wie mir scheint, die von mir oben entwickelte Erklä- rung am nächsten, dass sich die auf die Horizontalstellung der Kernspindel wirksamen Theile des Dotters in ähnlicher Lagerung zur sekundären senkrechten Eiaxe finden wie im normalen Ei, zur primären Eiaxe und dass in Folge dessen auch die analoge Eistellung der Kernspindel erfolgt. — Pflüger hat aber nun neues Material beigebracht, indem er Frosch- und Kröteneier in einem senkrecht gestellten, keilförmigen, engen Raume zwischen zwei 530 G. Born: Glasplatten einlegte, die Gallerthülle durch einen Tropfen Samen- flüssigkeit zur unvollkommenen Quellung brachte und so die Eier bei beliebiger Stellung der primären Eiaxe nicht bloss in Zwangslage feststellte sondern auch von zwei Seiten her mehr minder stark comprimirte. An diesen Eiern trat die erste Furche in 80—90%, aller Fälle senkrecht auf die Ebene der pressenden Platten und zugleich lothrecht auf, in den übrigen Fällen verlief die Furche zwar senkrecht gegen die vertikal gestellten Glasplatten, machte aber jeden beliebigen Winkel mit der Schwerkraft. Anstatt der ein- fachen zweiten Furche erscheinen in seltenen Fällen eigenthümlicher Weise an jeder Seite der ersten zwei ihr parallele Furchen. „Die Regel bei der zweiten Furchung des in gedachter Art comprimirten Eies ist, dass sie annähernd horizontal verläuft.“ „Bemerkenswerth ist, dass die zweite Furchung sehr oft auch schief ist, ja sogar gebogen und in der einen Eihälfte in nicht gleichem Niveau mit der zweiten Furchung in der andern Eihälfte liegt.“ So interessant mir die aufgeführten neuen Thatsachen erscheinen, so wenig kann ich mich mit der zur Erklärung derselben aufgestellten Theorie, die sogar zu der Versuchsanordnung geführt hat, befreunden. Die Annahme, dass die Kernspindel sich im normalen Falle horizontal stelle, weil sie bei ihrer Streckung in anderer Stellung mit ihrem unteren Ende in die consistenten unteren Schichten des Eies ein- dringen müsse und daher dort grösseren Widerstand fände, dass sich also die Streckung der Kernspindel „in der Richtung vollzieht, welche ihr den kleinsten Widerstand bietet,‘ lässt schon bei den Furchungen dritter Ordnung im Stich. Aber selbst, wenn man davon absieht und den Satz, dass die Streckung der Kernspindel sich in der Richtung vollzieht, welche ihr den kleinsten Widerstand bietet, ohne Weiteres acceptirt, so ist doch schwer einzusehen, wieso die erste Kernspindel in dem Ei, dass zwischen zwei Platten seitlich zusammengepresst ist, bei der Streekung in der Richtung parallel den pressenden Platten, weniger Widerstand finden soll, als bei der Streckung senkrecht auf dieselben. Die Kernspindel schwebt doch als ein relativ sehr kleiner Körper frei in der Dotter- flüssigkeit. Wenn diese letztere unter stärkeren Druck gesetzt wird, muss sich derselbe doch in der Flüssigkeit gleichmässig nach allen Riehtungen fortpflanzen und auf allen Theilen der Oberfläche eines in ihr suspendirten Körpers ganz gleichmässig wirken. Nimmt man nun aber auch an, dass die Druckveränderungen sich 22 dur en Zi Biologische Untersuchungen. 531 in einer zähen Flüssigkeit, wie der Eidotter ist, nur sehr langsam ausgleichen, was, wie mir Herr Professor Meyer freundlichst mit theilt, in der That durch optische Hülfsmittel nachgewiesen ist, so ist zu erwidern, dass das Ei eine sehr kleine Kugel von kaum 2mm Durehmesser ist und dass mindestens noch 11/; Stunden nach der Quellung der Gallerthülle vergehen, ehe der Eikern sich zu strecken beginnt; es ist kaum anzunehmen, dass in einer so kleinen Menge einer zähen Flüssigkeit der Druck nach 1!/, Stunden noch nicht zum Ausgleich gekommen ist; — wenigstens wäre der directe Nachweis nöthig, dass das Ei sich in der zweiten Stunde nach der Befruchtung ceteris paribus noch in den Durchmessern parallel der pressenden Platten vergrössert. — Die Annahme einer stärkeren Consistenz des Dotters senkrecht auf die pressenden Platten ist aber nur so lange zulässig, als man eben annimmt, dass der Druck im Innern sich nicht ausgeglichen hat. Ich glaube aber, dass die Pflüger’schen Beobachtungen an comprimirten Eiern sich der oben entwickelten, von OÖ. Hertwig und mir vertretenen Theorie ganz gut einfügen. Zuerst muss man davon ausgehen, dass die Platten, zwischen denen die Eier bei verschiedensten Stellungen ihrer primären Axe eingeklemmt waren, senkrecht standen; die Schwere wird darnach an ihnen alle die Veränderungen herbeiführen, die oben beschrieben sind und deren Endresultat das ist, dass der braune Dotter sich unter der jeweilig oberen Seite des Eies lagert. Die Kernspindel wird sich dann so einstellen, dass jede ihrer Hälften in symmetrischer Weise möglichst nahe der grössten Ansammlung braunen Dotters gelagert ist, es wird dies dadurch erreicht, dass die Spindel sich mit ihrer Länge parallel den pressenden Platten stellt. Für die Kernspindeln zweiter Ordnung ist eine verschiedene Stellung möglich, je nachdem die grösste Ausdehnung des braunen Dotters in der senkrechten oder horizontalen oder in schräger Richtung in den ersten Theilungshälften liegt, es wird sieh dies nach zufälligen Verhältnissen in den einzelnen Eiern verschieden gestallten. Jedenfalls muss man Pflüger für die neue Bereicherung der Methodik dankbar sein; es liegt nahe anstatt eines flächen- haften Druckes mit einem linearen oder auf einem Punkt wir- kenden Druck und noch in andern Combinationen zu experimen- tiren; einige derartige Versuche sind, glaube ich, schon von Rauber angestellt worden. 532 G. Born: Ich habe oben die Einwirkung der Schwere auf die in Zwangslage mit hellem Pol nach oben eingestellten Eiern mög- lichst im Detail beschrieben, einmal weil mir dies für das Verständniss der Vorgänge unerlässlich erschien, dann aber auch, weil ich durch die genaue Illustration der kolossalen Um- wälzungen im Eiprotoplasma folgenden wichtigen Schluss er- leichtern wollte. Pflüger hat schon mit Verwunderung ge- funden, dass auch aus Eiern, die in Zwangslage mit hellem Pol nach oben eingestellt waren, und die sich bis zum Eintritt der Furchung so wenig gedreht hatten, dass mitunter noch die Hälfte des oberen Eiabschnittes vom weissen Felde gebildet war — frei- lich bei R. esc. und Bomb. ign., bei denen Jas letztere sehr aus- gedehnt ist — trotz der dadurch gesetzten ganz abnormen Vertheilung der verschiedenen Dottermaterialien, ganz normale Quappen- ausschlüpften. Ich habe nun dureh Untersuchung des Eiinnern mittelst der Schnittserienmethode gefunden, dass es sich in diesen Fällen nicht darum handelt, dass sich z.B. der Rücken der Quappe im Wesent- lichen aus dem Material der unteren Eihälfte abnormer Weise auf- baut, sondern dass die Schwere eine totale Umlagerung des ge- sammten Dottermaterials bewirkt. Diese besteht nicht nur darin, dass an der Peripherie des Eies oben eine Schicht weissen Dotters stehen bleibt, dass die Pigmentrinde an der einen Seite ganz ver- drängt, an der anderen besonders aufgehäuft und ins Innere des Eies hineingezogen wird, dass die Substanz des hellen Innenflecks zu einem langen ins Innere des Eies sich erstreckenden Bande aus- gezogen wird, welches nur mit schmaler Basis an einer abnormen Stelle der Pigmentrinde anhaftet, dass zwischen den verschieden- artigen Substanzen scharfe Grenzen auftreten, die sonst durchaus fehlen, dass die Hauptmassen des braunen und des weissen Dotters weitgehende Lageverschiebungen zu einander und zur Pigmentrinde und Formveränderungen erleiden, sondern vor Allem in der durch meine Beschreibung wohl genügend klar gelegten Thatsache, dass schliesslich auch in den cohärirenden Hauptdottermassen kein Theil- chen mehr seine normalen Lagebeziehungen und seine ursprünglich gegebene Nachbarschaft behalten hat. Trotzdem entwickeln sich, wie ich Pflüger durchaus bestätigen muss, aus diesen im Dotter so tief veränderten Eiern ganz normaleQuappen. Inwieweit dies auch für einige Speecialfälle, z. B. für das in Fig. 22 und 23 abgebildete Ei, der Biologische Untersuchungen. 533 Fall ist, kann ich freilich nicht bestimmt behaupten, sicher ist dies aber für die von mir als Regel beschriebenen Formen. Nun muss jede Theorie der Vererbung, selbst wenn ınan von der individuellen Vererbung absieht, doch davon ausgehen, dass innerhalb des be- fruchteten Eies sieh irgend eine specifische Struetur vorfindet, die durch die Verbindung des weiblichen und männlichen Zeugungsstoffes entsteht und in der potentia die Eigenthümlichkeiten der betreffen- den Art enthalten sind. Ich glaube nicht, dass heut zu Tage Jemand zu der Ansicht neigt, dass die Vererbung eines einzelnen, also für jede Art verschiedenen chemischen Stoffes das Wesen der Vererbung erklären könne, zumal die individuelle Vererbung, die doch sicher besteht und dadurch dass das Material über dieselbe mehr in all- täglichen als speciellen wissenschaftlichen Erfahrungen gesammelt ist, nichts an Wunderbarem verliert, doch gewiss ein Process der- selben Art sein muss, wie die Vererbung der Species-Eigenschaften. Wenn man aber die chemische Theorie der Vererbung ablehnen muss, so bleibt meiner Ansicht nach nichts übrig als anzunehmen, dass bestimmt angeordnete Massentheilchen von bestimmten che- mischen und physikalischen Qualitäten von den Eltern auf die Zeugungsprodukte übertragen werden, die auf die ganzen im Wesentlichen in Zelltheilung und Zelldifferenzirung bestehenden weiteren Vorgänge im Ei so einwirken, dass das schliessliche Re- sultat, wie es eben das Wesen der Vererbung erfordert, ein Pro- dukt ist, das bis auf geringe Mass- und Lagerungsvariationen der Erscheinung der Erzeuger durchaus gleicht. Da nun die Thatsachen der Bastardirung beweisen, dass die specifische vererbte Struktur in beiden Zeugungsbestandthei- len im Ei und in der Spermatozoe enthalten sein muss, so lässt sich, wenigstens für den einen grösseren, das Ei, die Frage auf- werfen, ob die Struktur etwa auf das ganze Ei vertheilt oder an bestimmte Bestandtheile desselben, etwa nur an das Protoplasma oder nur an den Kern, gebunden ist. Meine Versuche nun, glaube ich, zeigen mit einiger Sicherheit, dass das Letztere der Fall ist, dass nämlich die vererbte speeifische Struktur im Wesentlichen eine Eigenthümlichkeit des Kerns und nicht des Eiprotoplasmas sein muss, denn wie ich eben nochmals hervorgehoben habe, trotz der vollkom- mensten Umwälzung des Eiprotoplasmas, wie sie durch die Schwere hervorgebracht wird, die so gross ist, dass fast kein Partikelchen desselben mehr seine normale Lage und Nachbarschaft besitzt, ent- 534 G. Born: wickeln sich aus den so veränderten Eiern ganz normale Quappen. Es ist unmöglich zu denken, dass bei einer solchen Umwälzung im Eiprotoplasma die präsumirte feine Vererbungsstruktur, wenn sie an dasselbe gebunden wäre, nicht Schaden leiden müsste. Es bleibt also nichts übrig, als anzunehmen, dass die spe- cifische zu vererbende Struktur nur dem Kern, der durch die Schwere keine sichtbaren Veränderungen er- leidet, angehört. Diese Anschauung findet ihre Bestätigung einmal darin, dass, wie die individuelle Vererbung und die Bastar- dirung beweisen, alle Eigenschaften des männlichen Erzeugers sich durch die Spermatozoe hindurch übertragen lassen. Die Sperma- tozoe nun besteht doch ihrem Haupt- und wichtigsten Theile nach aus einem Kerngebilde und man wird darnach die specifische Struktur, die der Vererbung von Seiten des Männchens zu Grunde liegt, wohl auch hier auf den Kerntheil der Spermatozoe übertragen müssen, namentlich da das aus der Spermatozoe sich entwickelnde Kerngebilde, der männliche Vorkern, mit dem weiblichen Kern- gebilde nach der neueren Forschung unter den eigenthümlichen Er- scheinungen der Karyokinese verbindet, die hier nur den Sinn haben können, für eine geordnete und gleichmässige Vermischung der Kernqualitäten zu sorgen, wenn die Roux’sche Anschauung richtig ist, dass sie bei der Kermtheilung für eine geordnete und gleichmässige Sonderung derselben eingerichtet sind. Noch wich- tiger aber ist die Bestätigung des ausgesprochenen Satzes durch eine Reihe von Experimenten, über die College Roux in einer Sitzung der „Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur“ berichtet hat und über die wohl auch nächstens der gedruckte Bericht vorliegen wird. Ich will noch ansdrücklich hervorheben, dass wir Jeder von unserem Material aus ganz unabhängig von ein- ander zu ähnlichen Folgerungen gelangt sind. Wenn ich demgemäss annehmen muss, dass die specifische zu vererbende Struktur nicht im Eiprotoplasma, sondern im Eikern enthalten ist, so will ich damit keineswegs jede Einwirkung des Eiprotoplasmas auf den letzteren leugnen. Ich habe schon oben ausführlich erörtert, wie man die horizontale Stellung der Kern- spindeln erster und zweiter Ordnung, sowie die senkrechte der dritten sich am besten durch einen richtenden Einfluss der Proto- plasmatheile auf dieselbe erklären lasse; dies berührt natürlich die ausschliessliche Angehörigkeit der specifischen Vererbungsstruktur Biologische Untersuchungen. 535 zu dem Kern durchaus nieht, grade unsere durch die Schwere ver- änderten Eier, bei denen in Folge dessen der riehtende Einfluss des Protoplasmas häufig genug zu einer abnormen Stellung der ersten Kernspindeln führt, während sich trotzdem normale Quappen aus den Eiern entwickeln, beweist dies. Auch will ich nicht bestrei- ten, dass die schliessliche Aehnlichkeit der durch die Schwere gesetzten Umordnung mit der normalen Configuration des Dotters vielleicht für die Entwieklung normaler Larven wesentlich ist. Es stellt sich nun nochmals die Frage, ob die bestimmte Um- ordnung des Dottermaterials, wie sie durch die Schwere gewöhnlich gesetzt wird, auch eine bestimmte Stellung der ersten Kern- spindel in der Horizontalen verursacht. Es finden sich, wie oben schon mehrfach erwähnt, an unsern Eiern vorzüglich zwei Rich- tungen der ersten Furche und zwar ziemlich gleich häufig; entweder verläuft dieselbe in dem sekundären Meridian, der die Strömungs- richtung des Dotters bezeichnet, oder senkrecht zu demselben; der erstere Fall würde, wie ebenfalls schon erwähnt, der sein, dass die beiden ersten Kernspindelhälften in zwei wirklich streng symmetri- schen Eihälften stehen, die Kernspindelbälften zweiter Ordnung dage- gen müssen in zwei möglichst asymmetrischen Hälften der betreffen- den Eisegmente eingestellt sein. Im andern Falle dagegen ständen die horizontalen Kernspindelhälften erster Ordnung in möglichst asym- metrischen Kugelhälften, die der zweiten dagegen in symmetrischen. Grade aber die Erscheinung, dass diese beiden entgegengesetzten Fälle bei unsern Eiern, die sich bestimmt nur durch eine Ebene, nämlich die Strömungsebene streng symmetrisch theilen lassen, bei Weitem am häufigsten vorfinden, lässt sich recht gut mit einer Theorie vereinigen, die, wie ich ausdrücklich hervorheben will, nicht mir, sondern Collegen Roux angehört. Derselbe hat bekannt- lich mit Pflüger zu ungefähr gleicher Zeit eonstatirt, dass beim normalen Froschei die Ebene der ersten Furche die Meridianebene des zukünftigen Embryo’s bestimmt; wenn einmal, wie nicht selten, die erste Furche senkrecht zur späteren Meridianebene steht, so ist dies, wie Roux entgegen Rauber (7) betont, nur eine zeitliche Verschiebung, indem abnormer Weise die sonst zweite Furche, welche vorn und hinten abschneidet, zuerst auftritt. Roux fasst nun, wenn ich ihn recht verstehe, den Zusammenhang zwischen erster (oder ausnahmsweise zweiter) Furche und der Meridianebene als einen tieferen, causalen auf, indem er annimmt, dass sich in 536 G. Born: jeder Kernspindelhälfte das strukturbestimmende Material für je eine symmetrische Körperhälfte des Wirbelthierleibes befinde und bei dem Auseinanderrücken der Tochterkerne definitiv getrennt würde. In der That lehrt die direete Schnittuntersuchung, dass bei der weiteren Furchung kaum Kernmaterial von einer Seite der Ebene der ersten Furche auf die andere gebracht wird, dass also die durch diese gesetzte Scheidung eine definitive ist. Es ist also demnach bei dieser Theilung in der That in den Kernspindelhälften gleichartiges Material symmetrisch angeordnet, und wenn man, nach der oben von mir in Uebereinstimmung mit O. Hertwig ent- wickelten Anschauung annimmt, dass die Richtung der Kernspindel durch die Protoplasmatheile des Eies bestimmt wird, wird für eine solene Kernspindel die Ruhelage die sein, in der sie auch in streng symmetrischen Eihälften gelagert ist, d. h. bei unsern durch die Schwere veränderten Eiern, bei denen die Strömungsebene die ein- zige Symmetrieebene ist, wird sich die Kernspindel senkrecht zu derselben stellen müssen. Theilt sich dagegen das in der ersten Kernspindel vorhandene, strukturbestimmende Material so, dass in der einen Hälfte derselben das Material für die vordere, in der an- dern für die hintere Körperhälfte enthalten ist, wobei aber in jeder Kernspindelhälfte wieder eine symmetrische Anordnung zu einer die Kernspindelhälfte halbirenden senkrechten Ebene vorausgesetzt werden muss, so wird sich die so geschaffene erste Kernspindel mit ihren ganz ungleichen Hälften auch in möglichst asymmetrische Eikugelhälften einstellen, d. h. bei unsern Eiern mit einer Symmetrie- ebene wird die Kernspindel mit ihrer Längsaxe eben in diese fallen; die zweite Furchung wird dann wieder symmetrisches Kernmaterial in symmetrische Eihälften bringen. Eine direkte Folgerung dieser Theorie ist die, dass bei un- sern Eiern zwar nicht immer Meridianebene und erste Furche, wohl aber immer Meridianebene und Strömungsebene zusammenfallen müssen. Soweit meine bisherigen Beobachtungen reichen, ist, wie oben und in meiner vorläufigen Mittheilung schon erwähnt, dies in der That der Fall. Ob Eier mit schräger Lage der ersten Furche (weder parallel noch senkrecht zur Strömungsebene), bei denen also nach Bildung der ersten vier Furchungskerne nach der obigen Theorie weder das formbestimmende Kernmaterial für Rechts und Links noch für Vorn und Hinten rein geschieden ist, überhaupt entwicklungs- fähig sind, bleibt dahingestellt und bedarf weiterer Untersuchungen. Biologische Untersuchungen. 537 Ein Sehnittbild von einem 16theiligen Ei, auf das die Schwere nach Aufstellung mit dem hellen Pol nach oben eingewirkt hatte, giebt Fig. 24; man sieht, dass in den Theilstücken die Spuren der oben beschriebenen, durch die Einwirkung der Schwere hervorge- brachten Configuration der Dottermaterialien noch sehr deutlich sind. Die Eier von R. f. aus späteren Stadien sind mir leider durch die Behandlung mit absol. Alkohol verdorben, so dass ich nur sehr unvollkommene Schnitte von denselben erhalten konnte, diese zeigen aber schon sehr interessante Verhältnisse. Ich behalte mir vor, diese Verhältnisse an neuem Material nächstes Jahr weiter zu untersuchen und werde dann auch Gelegenheit nehmen, auf die pag.11 meiner vorläufigen Mittheilung angedeutete Hypothese über die Bildung des Rusconi'schen Afters zurückzukommen. Ich will nur hervorheben, dass der methodische Werth der durch die Schwere veränderten Eier vielleicht darin zu suchen ist, dass dieselben eine am normalen Ei nur schwach angedeutete und darum den Mitteln unserer Untersuchung schwer zugängliche Eigenschaft im höchsten Masse ausgebildet und darum leicht verfolgbar darbieten, d. i. die Anordnung des Eimaterials symmetrisch zu nur einer Symmetrie- ebene, die für die Bestimmung der Riehtung der Axe des Embryo’s vielleicht von grösster Wichtigkeit ist. In der Einleitung habe ich schon bemerkt, dass ich zwar eine ganze Reihe von Versuchen mit Eiern von Pelobates fuscus, Hyla arborea und Rana esculenta angestellt habe, dass aber bis jetzt, wo ich diese Untersuchungen für eine Zeitlang abzuschliessen ge- nöthigt bin, die Schnittuntersuchung dieses Materials noch so weit zurück ist, dass ich hier nur ganz weniges vorläufig mittheilen kann. Die Eier der hierorts ziemlich häufigen Knoblauchkröte schienen für diese Untersuchung a priori sehr geeignet, weil sie ein sehr scharf umschriebenes helles Feld auf dem sonst äusserst dunkel pigmentirten Ei zeigen. Dabei sind dieselben nicht allzuschwer zu isoliren. In den beiden Versuchsreihen aber, die ich mit den- selben anstellen konnte, trat eine eigenthümliche Schwierigkeit her- vor, deren ich nicht Herr zu werden vermochte, obgleich ich durch die Experimente mit den Eiern von Rana fusea schon einen ziem- lichen Grad von Uebung besass. Mochte ich den Wasserzusatz noch so vorsichtig abmessen, entweder behielten die Eier streng ihre Anfangsstellung bei, veränderten sich nicht, entwiekelten sieh 538 G. Born: aber auch nicht, oder das Ei drehte sich als Ganzes so vollständig, dass es bis zum Eintritt der ersten Furche beinahe oder ganz die normale Stellung erreicht hatte. Ich habe einiges Material davon aufgehoben, aber noch nicht geschnitten. Die Eier von Hyla arborea sind wegen ihrer Kleinheit nicht zu empfehlen, weichen aber im Uebrigen nicht von den gleich zu besprechenden Eiern der Rana esculenta ab. Diese letzteren zeigen zumeist auch schon äusserlich Veränderungen, die sich denen von kana fusca durchaus anschliessen, so dass ich behaupten darf, es handle sich bei beiden Arten im Prineip um die ganz gleichen Er- scheinungen. Das helle Feld nimmt bei R.esc. bekanntlich unge- fähr die Hälfte der Eikugel ein, das dunkle Feld erscheint braun (nicht schwarz) in wechselnder Intensität. Waren die Eier in Zwangslage so aufgestellt, dass von oben her nur ein schmaler Halbmond des dunklen Feldes sichtbar war, so zeigte es sich, dass, wenn überhaupt Entwicklung erfolgte, auch immer eine Drehung des Eies als Ganzes eingetreten war, so dass die jetzt verbreiterte und, wie Pflüger schon beschrieben hat, stärker gefärbte Sichel des dunklen Feldes an der Oberseite bis in die Nähe des oberen sekundären Poles reichte. Der nun noch an der oberen Seite sicht- bare Theil des hellen Feldes aber war zumeist in charakteristischer Weise verändert. Anstatt der hellgelben Färbung, die der helle Pol des befruchteten Eies von R. ese. sonst zeigt, sah man an den günstigsten Fällen ein deutliches, helles Blaugrau, in anderen ein Grau oder Grauweiss und schliesslich alle Uebergänge zu der gelb- lichen Färbung der Unterseite. Die wenig zahlreichen Schnitte, die ich bisher anfertigen konnte, lehrten mich doch schon, wodurch diese Farbenveränderung veranlasst wurde. Auch bei den Eiern von R. ese. war der nach oben gewandte, grobkörnige weisse Dotter an der einen Seite des Eies abgesunken, nur eine dünne Platte des- selben war an der Peripherie oberhalb des Aequators stehen ge- blieben und unter diese hatte sich der aufgestiegene, bräunliche, feinkörnige Dotter gelagert. Die Färbung des letzteren ist aber hier so gering, dass man doppelt und dreifach so dieker Schnitte wie bei R. f. bedarf, um den Farbenunterschied deutlich wahrzunehmen. Nach der individuell wechselnden Intensität der Färbung des fein- körnigen Dotters richtet es sich, ob man äusserlich von der Ver- lagerung der inneren Schichten mehr oder weniger wahrzunehmen im Stande ist. Aber selbst wenn die Färbungsunterschiede sehr Biologische Untersuchungen. 539 gering sind und man äusserlich wenig sieht, kann man an den Sehnitten die Veränderung durch das verschiedene Korn der Sub- stanzen mit Leichtigkeit eonstatiren, doch scheinen bei RR. esc. häu- figer, wie bei R.f., Eier vorzukommen, bei denen sich abweichende Verhältnisse finden, vielleicht verbunden mit Besonderheiten in Be- zug auf den Eintritt der Spermatozoe. Ich kann darauf erst später des Genaueren eingehen!). Das Verhältniss der ersten Furche zum Strömungsmeridian ist genau dasselbe wie bei Rana fusca; in der grossen Mehrzahl der gut untersuchten Fälle stehen dieselben auf einander senkrecht oder fallen zusammen. Die Rückenfurche liegt, wie ich zur Be- stätigung des gleichsinnigen Pflüger’schen Satzes auch hier hervor- heben will, in der Ebene des Strömungsmeridians. Der Rusconi’- sche After beginnt dieht unter dem Aequator, wo derselbe vom Strömungsmeridian durchsehnitten wird. Ueber die von mir ange- stellten Drehungsversuche werde ich später berichten. Ich habe auf die Lücken meiner Untersuchungsreihe, glaube ich, offen genug aufmerksam gemacht; wer aber das Material kennt, das denselben zu Grunde liegt, wird sich darüber nicht wundern. Die Brunstzeit der R. f. geht bei aller Vorsicht doch in so wenigen Wochen vorüber, ihr Eintritt ist so wenig sicher voraus- zuberechnen, dass man häufig experimentiren muss, wenn man am wenigsten vorbereitet ist, dass jeder Tag durch ermüdende Reihen von Experimenten ausgefüllt ist. Wenn man dann dazu kommt, am Mikrotom und Mikroskop die Unzweckmässigkeit einzelner Massnahmen zu constatiren, so ist die Gelegenheit zu Correkturen wegen Ablauf der Brunstzeit für ein ganzes Jahr vorüber, eben dieser Umstand aber, dass man erst nach Jahresfrist die Experi- ınente wieder aufzunehmen im Stande ist, veranlasst mich, das ge- 1) Während bei den übrigen in dieser Arbeit genannten Anurenarten die Grösse der Eier eines Weibchens sehr gleichmässig ist, finden sich bei Rana fusca recht häufig sehr erhebliche Abweichungen. Das Gros der Eier eines Weibchens zeigt auch hier gleichmässige Grösse; sehr selten finden sich einzelne darunter, die ganz bedeutend kleiner sind, viel häufiger dagegen solche, die den zweifachen Durchmesser und noch mehr, wie die Majorität der Eier besitzen, also wahre Riesenexemplare, ihr Cubikinhalt steigt demnach auf das S—12fache der gewöhnlichen Eier; einzelne dieser Rieseneier haben ein unverhältnissmässig kleines dunkles Feld, das wie eine kleine braune Kappe der grossen gelben Kugel aufsitzt. Archiv f. mikrosk, Anatomie. Bd. 24. 35 540 G. Born: wonnene Material und die daraus entwickelten Anschauungen zu veröffentlichen; erst die ausführliche Bearbeitung zeigt, wo und wie weitere Untersuchungen anzugreifen haben. Breslau, den 1. November 1884. Figuren-Erklärung zu Tafel XXIII u. XXIV. Die mit den laufenden Nummern bis 24 bezeichneten Figuren sind Abbildungen von Schnitten durch Eier der Rana fusca in 25—27facher Ver- grösserung; die einzelnen Nummern mit a hinzugefügten, lem im Durch- messer betragenden Kreise gehören zu diesen Schnittbildern und stellen verkleinert die Zeichnung dar, die ich mir während des Versuches von der oberen Seite des betr. Froscheies gemacht hatte. An diesen schematischen Öberflächen-Zeichnungen bedeuten die Buchstaben v und h die vordere und hintere Seite des Eies (siehe über die Bedeutung dieser Ausdrücke im Text pg. 484). Diese Bildchen sind jedesmal so orientirt, dass die Buchstaben v und h denselben Buchstaben der zugehörigen Schnittzeichnung entsprechen und dass man nur eine dem unteren Tafelrande parallele Linie je nach der Angabe, die sich in der speciellen Figurenerklärung findet, durch die Mitte oder mehr excentrisch durch den Kreis zu ziehen braucht, um die Richtung zu erhalten, in der der abgebildete Schnitt durch das Ei hindurchgelegt ist. Dabei führt die Linie von 1 zu einem Oval, welches die Anfangsstellung des hellen Feldes wiedergiebt; die Contur innerhalb des Kreises, welche von der von 2 ausgehenden Linie berührt wird, begrenzt den noch an der oberen Seite sichtbaren Theil des hellen Feldes zu der Zeit, wo das Ei abgetödtet wurde; das schraffirte Feld stellt die Ausdehnung des grauen Fleckes dar. Die Richtung des Strömungsmeridians ist durch den Pfeil angedeutet. Zu den Schnittbildern ist noch Folgendes zu bemerken. Die denselben zu Grunde liegenden Schnitte waren, wenn es nicht anders angemerkt ist, parallel der Strömungsrichtung senkrecht durch die Eier geführt, also, um mich auf die eben besprochenen Oberflächen-Schemata zu beziehen, in oder parallel dem Pfeil, dessen Enden neben denselben sichtbar sind. Die Bilder sind so gestellt, dass der Durchschnitt der horizontalen Unterlage, auf der die Eier aufgesetzt waren, dem unteren Rande der Tafel parallel laufen würde. Die grobe Körnung des weissen Dotters ist nicht ausgeführt, dagegen Biologische Untersuchungen. 541 ist die feine Granulation der heller pigmentirten Substanzen einigermassen durch das Korn des Papieres herausgekommen. Der primäre obere und untere Pol in ihrer Lage beim Aufstellen der Eier sind nur mit annähernder Richtigkeit nachträglich in einige Zeichnungen eingetragen. v. vordere h k Ehe | Seite des Eies (siehe Text p. 484). oP. oberer uP. unterer x. Einziehung der Schnittcontur, die sich an der im Text p. 506 bezeich- neten Stelle an vielen Eiern findet. I, IIF. Erste, zweite Furche. wD. Weisser grobkörniger Dotter. wD!. Gegend der Peripherie, an der die schwarze Pig- \ primärer Pol. mentrinde durch abgesunkenen weissen Dotter verdrängt ist. Pl. Dünne Platte desselben Dotters, die an der oberen Seite der Eier stehen geblieben ist. Hk. hakenförmige Kb. kolbenförmige bD. Brauner Dotter. iFl. Substanz des hellen Innenfleckes. iB. Helles Innen- band, das aus iFl. entsteht. Pgr. Pigmentrinde. PgS. Pigmentstrasse der Spermatozoe. m. bedeutet unterschiedslos: den männlichen Vorkern oder, wo dieser im Schnitt nicht sichtbar war, den (grösseren) hellen, von einem Pig- menthof umgebenen Raum, in welchem derselbe gelegen ist. m+f. männlicher und weiblicher Vorkern in der Conjugation begriffen, resp. wie bei m, die hellen Räume, in welchen dieselben gelegen sind. k. Furchungskern oder der Pigmentstreif, welcher denselben enthält. ' Verdickung am Ende dieser Platte. Fig. 1. Etwas schematisirte Zeichnung nach einem axialen Schnitt durch ein normales Ei, das 2 Stunden 35 Minuten nach der Befruchtung durch heisses Wasser (90° Celsius) abgetödtet war, von seinen Hüllen befreit und dann in üblicher Weise für das Schneiden vorbereitet war. Es waren schon 2 Tochterkerne vorhanden, von denen aber nur der eine in den Schnitt fiel. Um den Vergleich mit den andern Figuren zu erleichtern, ist das Bild mit dem hellen Pol nach oben aufgestellt. Fig. 2. Die Eier des Versuches vom 22. 3. 84, zu denen dasjenige gehört, dem der vorliegende Schnitt entnommen ist, zeichneten sich durch auffällige Kleinheit aus (siehe im Text p. 506). Das Ei war, ehe es abgetödtet wurde, reichlich 3/, Stunden in Zwangslage aufgestellt gewesen, das helle Feld grenzte bei der Aufstellung nach der bei- gefügten Oberflächenzeichnung Fig. 2a Oval 1 gerade an den oberen sekundären Pol, nach der angegebenen Zeit war nur eine geringe Verschiebung desselben nach unten eingetreten bis zu Con- tur2. Zwischen 1 und 2 ein schmaler, sichelförmiger grauer Fleck Fig. 3 u. 4. Das Ei gehörte dem zweiten im Text erwähnten Weibchen an, dessen Eier sich durch auffällige Kleinheit auszeichneten. Der Mittelpunkt des hellen Feldes in der Anfangsstellung kam dem 542 Fig. 4. Kiayb} G. Born: sekundären oberen Pol ziemlich nahe. Der graue Fleck nahm, als 1!/, Stunden später das Ei abgetödtet wurde, beinahe den ganzen Bezirk des hellen Feldes ein, war aber nicht seitlich verbreitert; zur selben Zeit überragte der obere Rand des hellen Feldes nur noch wenig den sekundären Aequator. Der Schnitt von Fig. 3, der i.B. bis auf sein etwas abwärts gekrümmtes Ende enthält, geht ziemlich durch die Mitte des Eies. ist um 14 Schnitte weiter seitwärts, das Bild ist aus zwei aufein- anderfolgenden Schnitten combinirt. Wie das beigegebene schematische Flächenbild der oberen’ Eikugel- hälfte zeigt (Fig. 5a), hatte sich, bis das Ei 1 St. 38 Min. nach der Befruchtung getödtet wurde, der graue Fleck etwas über den ursprünglichen Bezirk des hellen Feldes seitlich verbreitert. Auf dem abgebildeten mittleren Schnitt ist das helle Innenband seiner ganzen Länge nach getroffen, die Pg.S. fand sich 7 Schnitte davon seitwärts. Fig. 6. u. 7. Das ursprünglich mehr central, wie in Fig. 5a, eingestellte helle Feld dieses Eies war beim Abtödten (1 St. 38 Min. nach der Befruchtung von derselben Glasplatte wie in Fig. 5) soweit herab- gesunken, dass die kleinere Hälfte desselben von unten her sichtbar war; der graue Fleck über dem ganzen, durch das Absinken frei gewordenen Bezirk des hellen Feldes und noch etwas seitlich aus- gebreitet. Die beiden abgebildeten Schnitte sind mittlere und um 6 Schnitte von einander entfernt. Sie enthalten (6) den Anfang nnd (7) das Ende des hellen Innenbandes, so dass die Gesammtformation desselben aus beiden Figuren leicht zu combiniren ist. Fig. 8, 9, 10 stellen Schnitte von einem Ei aus derselben Serie und mit Fig. 12. derselben Lebensdauer, wie die vorigen, dar. giebt das zugehörige Flächenbild der oberen Seite des Eies. Mittlerer Schnitt, der die Pg.S. in voller Länge enthält. 11 Schnitte seitwärts zeigt das helle Innenband bis auf das vordere Ende. Noch 6 Schnitte weiter nach derselben Seite zeigt die ihrer Fläche nach angeschnittene Pigmenthülle des hellen Innenbandes. Ei desselben Weibchens wie Fig. 2, aber 1?/, Stunden nach der Befruchtung abgetödtet. Der graue Fleck nimmt, wie Fig. 11a zeigt, nicht den ganzen ursprünglichen Bezirk des hellen Feldes ein, sondern steigt in Form einer verschmälerten Zunge bis zum oberen sekundären Pol auf, während das helle Feld denselben merklich nach hinten (h) überschritt; es hat sich also das Ei als Ganzes etwas gedreht. Näheres über die Eigenthümlichkeiten dieser Eier siehe im Text. Die Pg.S. ist aus zwei aufeinanderfolgenden Schnitten combinirt. Ei derselben Serie wie Fig. 11. Die Pigmentstrasse, die zu den in Fig. 13, Fig. 14. ip. 15. Be. 17, Biologische Untersuchungen. 543 Conjugation begriffenen Vorkernen führt, aus drei Schnitten zusammen- gesetzt. Das Nähere ist wieder im Text nachzusehen. 14. Schnitte durch zwei Eier von demselben Weibchen, wie Fig. 5—10, doch waren beide Eier 1%/, Stunden lang in Zwangslage auf- gestellt, ehe sie abgetödtet wurden. Bei dem Ei, dem der Schnitt von Fig. 13 entnommen war, erreichte das helle Feld in der Anfangsstellung noch nicht den oberen sekundären Pol, beim Abtödten war die kleinere Hälfte des- selben noch von oben sichtbar. Der graue Fleck nahm den frei- gewordenen Bezirk des hellen Feldes ein. Die Figur zeigt die Ueber- kreuzung und Einknickung des i.B. durch die Pg.S., die zu den hier deutlich sichtbaren, in Conjugation begriffenen Vorkernen führt. Das helle Feld, wie Fig. 14a zeigt, beinahe central nach oben auf- gestellt; dasselbe hatte sich nach ?/, Stunden etwa soweit wie Con- tur 2 andeutet, auf der oberen Seite des Eies ausgebreitet, hatte aber nur nach einer Seite zungenförmig den Aequator erreicht (nach vorn, v). Von unten war nichts von demselben sichtbar. Auf dem zugehörigen abgebildeten mittleren Schnitt zeigt sich Pl. ganz unge- wöhnlich dick. Die Pg.S. dringt von der unteren Seite des Eies herein, dabei die im Text p. 504 erwähnten Besonderheiten zeigend. 16. Beides Eier aus dem Versuch vom 7./4., daher bei beiden die im Text p. 507 besprochene Eigenthümlichkeit, dass durch den absinkenden w.D. die Pigmentrinde gar nicht oder fast gar nicht verdrängt ist. Beide Eier waren 1°/, Stunden nach der Befruch- tung abgetödtet. Mittlerer Schnitt. Ueberkreuzung und Einknickung des i.B. durch die Pg.S., die zu den beiden hellen Flecken führt, welche die beiden in Conjugation begriffenen Vorkerne enthalten. . Das an diesem Ei besonders kleine helle Feld war an der obern Seite des Eies beinahe central eingestellt; nach 1%/, Stunden fand sich ein etwas excentrisch gestellter grauer Fleck an der oberen Seite, der ein wenig grösser erschien als das helle Feld; von dem letzteren weder an der oberen noch an der unteren Seite irgend etwas zu sehen. Die Erklärung dafür giebt das vorliegende Bild eines mittleren Schnittes, welches zeigt, dass der weisse Dotter bis auf eine dünne peripheriche Schicht nicht wie sonst an der Ober- fläche des Eies, sondern durch den braunen Dotter durchbrechend in tieferen Schichten abgesunken ist. Uebrigens hatte sich das Ei dabei ein wenig im Ganzen gedreht. 18. Die beiden Eier, von denen die diesen Figuren zu Grunde lie- genden Schnitte entnommen sind, wurden 31/, Stunden nach der Be- fruchtung mit Alkokol übergossen. Das eine hatte die Zweitheilung vollendet, das andere die Viertheilung eben begonnen; beide zeigen die in Fig. 18a dargestellte, eigenthümliche Veränderung des grauen 544 Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. : 17 18. G. Born: Biologische Untersuchungen. Flecks. Bei dem Ei von Fig. 17 erschien, wie auch das Schnittbild zeigt, das helle Feld tiefer herabgesunken. Beide Eier sind durch- schnitten parallel der ersten Furche, die in den Meridian der Strö- mungsrichtung fiel. zeigt die beginnende zweite Furche quer durchschnitten, der weisse Dotter ist auch etwas an der hinteren Seite des Eies abgeflossen. Der Schnitt geht so dicht an der ersten Furche vorbei, dass in demselben ein Theil des in die Furche eingefalteten Rindenpigments angeschnitten erscheint. 19, 20, 21. Sind einem Ei entnommen, das 3 Stunden 15 Min. nach der Befruchtung abgetödtet wurde. Die erste Furche hat noch nicht durchgeschnitten, erstreckt sich aber um das ganze Ei herum. Die- selbe erschien an der oberen Seite des Eies etwas excentrisch, an der unteren Seite dagegen ging sie durch den Mittelpunkt der unteren Eikugelhälfte. Die Ebene der ersten Furche stand mithin etwas schräg. Ausserdem gehört das Ei zu den selteneren Fällen, bei denen die erste Furche weder senkrecht auf der Strömungsrichtung steht, noch mit derselben zusammenfällt. Das helle Feld stand ursprünglich ziemlich central an der oberen Seite der Eier. Der graue Fleck nahm fast den ganzen Bezirk des hellen Feldes ein, der durch das Absinken desselhen frei geworden war. Beim Abtödten war nur noch ein kleiner Theil des hellen Feldes über dem Aequator sichtbar. . Mittlerer Schnitt. Der obere Theil der Furche klafft durch Zerrung beim Schneiden. . Ebenso, vom vorigen 6 Schnitte entfernt. . Von Fig. 19 nach der andern Seite 7 Schnitte entfernt. 23 gehören einem Ei an, das 1!/, Stunde nach der Befruchtung mit zu schwachem Alkohol übergossen worden war und sich in Folge dessen bis zum Eintritt der ersten Furche weiter entwickelt hatte. Das Nähere über diese beiden Bilder siehe im Text; diesel- ben sind 12 Schnitte von einander entfernt. In Fig. 23 war die Furche nicht deutlich zu sehen. . Ei am Ende der Brunstzeit (Versuch vom 7./4. 84) 51/, Stunde nach der Befruchtung abgetödtet. Dasselbe war im Beginn der Bildung der Furchen 4. Ordnung. Grauer Fleck auf der Oberseite noch deutlich. Litteraturverzeichniss. 1) E. Pflüger, Ueber den Einfluss der Schwerkraft auf die Theilung der Zellen. Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. XXXI. 1883. 2) Derselbe, Ueber den Einfluss der Schwerkraft auf die Theilung Johannes Frenzel: Ueber einige in Seethieren lebende Gregarinen. 545 der Zellen und auf die Entwicklung des Embryos. Zweite Abhandlung. Archiv f. d. ges. Physiol. Bd. XXXII. 1883. 79 Seiten m. 2 Tafeln. 3) Derselbe, Ueber die Einwirkung der Schwerkraft und anderer Bedingungen auf die Richtung der Zelltheilung. 3. Abhandlung, ausgegeben am 4. August 1884. Dasselbe Arch. Bd. XXXIV. 4) G. Born, Beiträge zur Bastardirung zwischen den einheimischen Anurenarten. Arch. f. d. ges. Physiologie Bd. XXXU. 5) Derselbe, Ueber den Einfluss der Schwere auf das Froschei. Ver- handl. der med. Sect. der schles. Gesellschaft f. vaterl. Cult. Sitzung vom 4./4. 1884. Separat-Abdruck aus der Bresl. ärztl. Zeitschr. vom 26./4. 1884. 6) W. Roux, Ueber die Entwicklung der Froscheier bei Aufhebung der richtenden Wirkung der Schwere. Separat-Abdruck aus der Breslauer ärztl. Zeitschrift. Nr. 6, 1884. Vortrag vor der med. Sect. der. schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 7) A. Rauber, Schwerkraftversuche von Forelleneiern. Berichte der naturforschenden Gesellsch. zu Leipzig 12. Febr. 1884. 8) Derselbe, Furchung und Achsenbildung bei Wirbelthieren. Zool. Anz. 1883. Nr. 147. 9) 0. Hertwig, Welchen Einfluss übt die Schwerkraft auf die Thei- lung der Zellen. Jenaische Zeitschrift 1884. 10) Derselbe, Beiträge zur Kenntniss der Bildung, Befruchtung und Theilung des thierischen Eies, zweiter Theil. Morpholog. Lehrb. Bd. II. 11) W. Roux, Ueber die Zeit der Bestimmung der Hauptrichtungen des Froschembryo. Leipzig 1883. 12) Ch. von Bambeke, Sur les trous vitellins que prö&sentent les oeufs fecondes des Amphibiens.. Bull. de l’Acad. royale de Belgique 2te Serie, t. XXX. Nr. 7. 1870. 13) Derselbe, Recherches sur l’embryologie des Batraciens, ebendaselbst BSLXT..Nr. 1. Ueber einige in Seethieren lebende Gregarinen. Von Dr. Johannes Frenzel in Berlin. Mit Tafel XXV und XXVI. Bisher sind nur diejenigen Gregarinen, welche in Süsswasser- oder Landthieren hausen, in eingehenderer Weise untersucht wor- den. Zwar ist auch in Seethieren eine Anzahl von Gregari- nen aufgefunden und beschrieben, doch sind dieselben meist 546 Johannes Frenzel: nur nebenbei abgehandelt und nicht zum Objekt eines genaueren Studiums gemacht worden. Auch ich Konnte mich mit diesen in vieler Hinsicht so interessanten Thierformen nicht so ausführlich beschäftigen, wie ich es gewünscht hätte, und wie es wohl zur Er- langung einer tieferen Erkenntniss nöthig gewesen wäre; doch war ich wenigstens Dank eines längeren Aufenthalts in der zoologischen Station zu Neapel in den Stand gesetzt, eine gewisse Anzahl von vorher unbekannten Gregarinen zusammenzufassen und mit ein- ander zu vergleichen, welche sämmtlich das gemeinsam haben, dass sie in Seethieren ihren Wohnsitz führen. Sie bilden demnach für sich eine abgeschlossene Fauna und stehen in mehr als einer Hin- sicht in scharfem Gegensatz zu den anderen Gregarinen. Zwar ist die Anzahl dieser Formen nur eine geringe zu nennen, und ihre Kenntniss ist noch eine überaus lückenhafte; aber sie bieten so viel Abweichendes und Bemerkenswerthes dar, dass ich es schon jetzt für angezeigt erachte, die Resultate dieser kleinen Untersuchung zusammenzustellen, um so mehr, als sich mir vor- läufig keine Aussicht bietet, dieselbe wieder aufzunehmen und weiter fortzuführen. Im Nachfolgenden sollen zunächst mehrere neue Arten von Gregarinen beschrieben werden, welche ich zum Theil zufällig im Darm von Crustaceen und an anderen Orten aufgefunden habe. Neue Gattungsnamen sind nur da aufgestellt worden, wo die Summe der Merkmale eine wirklich genügende erschien. Alle übrigen, seien es Monocystideen, seien es Polyceystideen, habe ich, nur um sie überhaupt zu bezeichnen, nach Bütschli’s!) Vorgang in der Sammelgruppe Gregarina vereinigt. Auch in der Darstellungsweise habe ich mich möglichst eng an diejenige Bütschli’s in seinen „Protozoen“ angeschlossen. I. Ordn. Monoeystidae s. str.) l) Callyntrochlamys nov. gen. Cuticula mit dicht gedrängt stehenden wimperar- tigen Härchen besetzt. 1) Bronn’s Klassen und Ordnungen des Thierreichs ete. Bd. ]. Protozoa 1882. 2) Bronn, 1. c. p. 576ff. Ueber einige in Seethieren lebende Gregarinen. 547 Callyntroehlamys Phronimae. nov. sp. Fig. 1—16 einschl. Halbkugelig bis länglich eiförmig gestreckt. — Querschnitt kreisrund. Geringe Differenzirung von Eeto- und Entosark. — Der Kern von einer Körnchen- sphäre umhüllt. — Vorkommen: ImMagendarm von Phro- nima, meist conjugirt; Golf von Neapel. Die Gestalt dieser Gregarine ist eine sehr einfache; doch kann man bei den ausgewachsenen Thieren zwei verschiedene Formen auseinanderhalten. Dies wird durch das Conjugirtsein von meist zwei Individuen bedingt, wovon das eine in der Regel im Darmgewebe des Wirththieres festsitzt. Die Form dieses Indivi- duums ist eine halbkugelige (Fig. 1) bis glockenförmige (Fig. 6, 12, 13, 15), das andere auf jenem Individuum sitzende ist kugelig oder meist länglieh eiförmig. Die freischwimmenden oder jungen Thiere haben ebenfalls stets letztere länglich eiförmige Gestalt; und zwar erscheinen sie um so schmäler und gestreckter, je jünger und kleiner sie sind. Sitzt ferner ein Individuum auf einem im Darm testgehefteten auf, so ist es zuerst länglich gestreckt (Fig. 2, 6,12); es flacht sich aber allmählich ab und wird schliess- lich fast kugelig (Fig. 1). — Dasselbe zeigte sich in einem Falle, wo mehr als zwei Individuen der Länge nach aneinandergereiht waren. Sie waren nämlich alle annähernd kugelig, ja sogar ziem- lich platt gedrückt mit verkürzter Längsachse (Fig. 3). — Der senkrecht zur Längsachse gerichtete Querschnitt aller dieser For- men ist ein kreisförmiger. Obwohl diese Gregarine ohne Zweifel nur aus einem einzigen Körperabschnitt besteht, so scheint doch häufig ein besonderer Kopftheil, ein Protomerit abgegrenzt zu sein. Diese Erscheinung (Fig. 11) rührt jedoch nur von einer Einschnürung her, deren Ur- sache nicht immer ersichtlich ist. Jedenfalls ist aber keine innere Scheidewand vorhanden. In den meisten Fällen mag wohl diese Einschnürung dadurch bewirkt sein, dass das Thier im conju- girten Zustande in ein anderes eingestülpt ist, wobei an der Be- grenzungslinie eine Ringfurche entsteht (Fig. 4, 7). Die Grösse dieser Gregarine ist eine recht beträchtliche zu nennen, denn dieselbe ist meist schon mit blossem Auge sichtbar. Besonders grosse Exemplare werden sogar bis zu lmm lang. In Fig. 3 ist der Durchmesser des Querschnitts (die Breite) = 0,5mm, die Länge des einzelnen Thiers = 0,17mm. Sonst ist in der Regel 548 Johannes Frenzel: der Durchmesser eines festsitzenden grossen Individuums = 0,17 mm. Die Höhe (Länge) des letzteren ist ungefähr dieselbe, doch bald etwas geringer, bald etwas grösser, zwischen 0,15 bis 0,25 mm schwankend. Die Umhüllung der Callyntrochlamys besteht aus zwei Thei- len, einer Cutieula im gewöhnlichen Sinne und einem letztere umkleidenden Härchensaum. Die Cutieula ist deutlich doppelt eonturirt; jedoch ist sie nicht so derb, wie sie bei den später zu besprechenden Polyeystideen zu sein pflegt. Sie ist — wie auch in anderen Fällen — glashell, stark lichtbreehend und ungefärbt. Völlig unlöslich ist sie in Eisessig, sowie in halbverdünnter und starkverdünnter Essigsäure. Ebenso widerstehend verhält sie sich gegen verschieden starke Kalilauge. Sie platzt zwar in diesem Falle in Folge einer plötzlichen Quellung des Zellinhalts, doch wird sie nicht weiter angegriffen. Es tritt hier sogar eine rippen- artige Längsstreifung auf der Cutieula deutlicher hervor (Fig. 8), welche zwar am Jebenden Thiere auch schon vorhanden, aber schwer zu erkennen ist. Diese Längsstreifung scheint ganz derjenigen zu entsprechen, welche von Bütschli!) und Anderen 'bei mehreren Gregarinen beobachtet worden ist. Auch bei Behandlung mit alko- holischer Sublimatlösung wird dieselbe deutlicher, was aber viel- leicht als Schrumpfungserscheinung zu deuten ist. Hervorzuheben ist ferner, dass sich die Cutieula mit saurer alkoholischer Carminlösung intensiv roth färbt. Eine besondere Eigenthümlichkeit der Callyntrochlamys ist der haarartige Saum, mit welchem die Cutieula überzogen ist. Derselbe besteht wahrscheinlich ebenso, wie ich es am Mitteldarm- Epithel der Insekten?) und am Epithel der Mitteldarmdrüse der Crustaceen?) gezeigt habe und am Epithel der gleichen Drüse der Mollusken demnächst nachweisen will, aus kurzen, ca. 0,008 mm langen, eng gedrängt stehenden borstenartigen, bewegungslosen Härchen, welche ganz wie in den andern soeben erwähnten Fällen 1) Bronn, 1. ce. p. 509. 2) Ueber Bau und Thätigkeit des Verdauungskanals der Larve des Tenebrio molitor ete. — Berlin. Entomol. Zeitschrift 1882. 26. Bd. 3) Ueber die Mitteldarmdrüse der Crustaceen. Mittheil. aus d. zoolog. ‚Station zu Neapel. V. Bd. 1. Heft. Ueber einige in Seethieren lebende Gregarinen. 549 den Eindruck einer mit Poren versehenen Cutieula hervorrufen (Fig. 1 bis 7; 9, 10). Schon die kleinsten Gregarinen, welche über- haupt aufzufinden sind, sind im Besitze eines solchen Saumes, welcher hier schon ebenso entwickelt ist und schon genau dieselbe Höhe hat, wie bei den grössten Individuen (Fig.2). Häufig zeigen die Härchen an dem freien Ende eine kleine kugelförmige An- schwellung (Fig. 1), während ein besonders entwickeltes Fussstück nicht zu erkennen ist. Der Saum überzieht im Allgemeinen die ganze freie Ober- fläche der Gregarine; er fehlt demnach nur an der breiten Fläche, welche dem Substrat aufliegt, sowie an der Vereinigungsstelle, dem eingestülpten Theile zweier conjugirter Individuen (Fig. 1, 2, 4, 6, 7). Bei jüngeren Exemplaren fehlt er ferner auch an dem freien Pole, indem er hier einen kleinen kreisförmigen Raum frei- lässt, so dass eine Art Trichter gebildet wird (Fig. 2, 6). Viel- leicht dient diese Stelle zur späteren Aufnahme eines anderen Individuums bei der Conjugation. Auch an freischwimmenden Thieren fehlt dieser Härchensaum an dem einen, dem kopfförmigen Pole (Fig.7, 11), ein Umstand, der sich dadurch erklärt, dass dieser freie Theil entweder schon in einer anderen Gregarine gesteckt hatte oder zum Festheften im Darmgewebe des Wirthtbieres bestimmt ist. Gegen Reagentien verhält sich der Härchensaum ähnlich wie derjenige, welcher oben genannten Epithelzellen aufsitzt. Durch cone. Essigsäure wird er langsam gelöst, während etwas verdünnte ihn schneller angreift. Bei Anwendung von schwacher Essigsäure bilden sich an seiner Stelle erst kleine Bläschen (Fig. 9b), welche bald verschwinden und einen feinkörnigen Rückstand lassen; ein Vorgang, welcher in sehr verdünnter Essigsäure noch deutlicher zu beobachten ist. Zugleich wird auf der Oberfläche der Cuticula eine ganz feine Längs- und Querstrichelung sichtbar, welche wahrschein- lich den Fusspunkten der Härchen entspricht (Fig. 10) und nicht mit der schon erwähnten Längsstreifung der Cuticula zu verwech- seln ist. — In Alkalien, z. B. in concentrirter oder verdünnter Kalilauge oder in Ammoniak wird der Saum sofort zerstört. — Bei Behandlung mit alkoholischer Sublimatlösung wird er wie durch Essigsäure blasig verändert. Gegen direktes Einwirken von See- wasser ist er sehr widerstandsfähig, während er durch Alkohol homogen oder äusserst feinkörnig wird (Fig. 13). 550 Johannes Frenzel: In Betreff der Entstehung dieses Haarkleides könnte man die Vermuthung hegen, dass dasselbe auf ähnliche Weise sich bildet, wie bei Monoeystis agilis im Regenwurmhoden, wo es nach Sehmidt und Lieberkühn von verkümmerten Spermatozoen!) herstammen soll; und da das Magenepithel von Phronima, wie ich früher ge- zeigt?), ebenfalls einen Härchensaum besitzt, so erschien diese Vermuthung schon gerechtfertigt. Man könnte sich also denken, dass bei der Zerstörung der Epitheizellen der Saum um den Gre- garinenleib gezogen wird, indem er durch die darunter liegende Gregarine von den Zellen gewissermassen abgehoben wird. — Diese Entstehungsweise muss jedoch als recht fraglich und unwahrschein- lich bezeichnet werden, da sowohl im Aussehen wie auch im che- mischen Bau gewisse Unterschiede zwischen beiderlei Gebilden zu Tage treten. | Zunächst sind die Härchen der Gregarinen viel kürzer als die der Magendarmzellen des Wirththiers; ferner sind sie dort dicker und mehr borstenförmig, während sie im Wirththier feiner und wimperartig sind. Ausserdem sei hervorgehoben, dass der Gre- garinensaum gegen Reagentien viel empfindlicher ist, als der des Epithels. Dies zeigt sich z.B. bei der Conservirung mit Sublimat und der weiteren Behandlung mit saurer Carminlösung u. s. w., wobei der Härchensaum des Epithels noch wohl erhalten bleibt, während er bei den Gregarinen nicht mehr zu sehen ist (Fig. 15). Schliesslich sei noch darauf hingewiesen, dass bei Monoeystis agilis das Haarkleid nicht regelmässig vorhanden ist; auch geht es hier im Alter des Thieres meist zu Grunde, was bei Callyntro- chlamys Phronimae nicht zu bemerken ist. Auch wird bei der Gre- garine des Regenwurmhodens dieses Haarkleid nicht von eigent- lichen Härchen gebildet, sondern es sind aus den Spermatoblasten hervorgegangene wirkliche Spermatozoen, also selbständige Gebilde, welche den Gregarinenleib in radiärer Anordnung überziehen?). Unsere Gregarine hingegen zeigt selbst in der frühesten Jugend (Fig. 2,7) nur den Härchensaum, und es ist von ehemaligen Epi- thelzellen der Darmwand keine Spur aufzufinden. In dem Plasma der Callyntrochlamys Phronimae lässt sich 1) Bronn,l. ep. 510. 2) Mitteldarmdrüse der Crustaceen, 1. ec. p. 96. Taf. V. Fig. 42, 43. 3) Bronn, 1. c. Taf. XXXII, Fig. 3a— g&. {=} Ueber einige in Seethieren lebende Gregarinen. 551 eine Cortiealschicht (Eetoplasma) von einem Entoplasma wohl unter scheiden, während ein fibrilläres Sarcocyt!) nicht nachweisbar ist. Doch sind die beiden Inhaltsmassen nicht so scharf geschieden, wie es bei vielen anderen Gregarinen häufig zu sein pflegt; namentlich bei jüngeren Exemplaren kann man gar keine Abgren- zung zweier Inhalte wahrnehmen (Fig. 2,7, 11). Auch scheint hier der ganze Unterschied nur darauf zu beruhen, dass das Entoplasma eine diehtere Anhäufung der granulösen Körner aufweist. Ferner zeigen sich bei der Behandlung mit gewissen Reagentien, bei der Abtödtung und Härtung, wo die Körner häufig vernichtet werden, beide Plasmazonen ganz gleichwerthig (Fig. 15). Die Körnchen, mit denen das Plasma mehr oder weniger dicht erfüllt ist, weisen in ihrem Aussehen nichts ungewöhnliches auf. Sie sind von mässiger Grösse, wenig dicht angehäuft, so dass der helle Kern meist hindurchschimmern kann, und haben keine eigene Bewegung. — Sie sind unlöslich in Essigsäure?) von jeder Concentration, ebenso in Ammoniakflüssigkeit, wobei jedoch ein starkes Aufquellen des Plasmas selbst stattfindet, ferner un- löslich in stark verdünnter bis Sprozentiger Kalilauge), in Gly- zerin, Alkohol, Aether ete. — Löslich sind sie in stärkeren anor- ganischen Säuren, sowie vielleicht auch in sehr starker Kalilauge; doch ist letzteres nicht sicher beobachtet. — Mit Jodlösungen färben sie sich immer und ganz entschieden gelbbraun?); die Cutieula und das flüssige Plasma nehmen hierbei einen helleren Ton an. — Mit Jod und Schwefelsäure behandelt, bleiben sie braun, d.h. ihre Färbung wird nicht in eine bläuliche oder violette verwandelt. Diese Körner sind in ein netzförmiges Plasma eingelagert?), welches man beim Conservirungsverfahren erkennt unter Anwen- dung von alkoholischer Sublimatlösung und schwacher Salzsäure, worin sich die abgetödteten Körner zu lösen scheinen. Es bleibt ein feines, sich mit saurem Carmin roth färbendes Netzwerk zurück, in dessen Maschen die Körner jedenfalls eingelagert waren (Fig. 15). — Das Plasma enthält ausserdem auch Fett, wie später zu besprechen sein wird (Fig. 13). DeBronn, Ice pr a2! 2) In Betreff dieser Reaktionen verweise ich auf den allgemeinen Theil. 9) Bronn, |. c. p. 517. b52 Johannes Frenzel: In einem Falle liess sich bei beiden Individuen eines Gre- garinenpaars, das aus einer ganz frisch gefangenen Phronima (April) entnommen war, eine Anzahl von grossen hellen, vakuolenartigen Räumen nachweisen (Fig. 12), welche von einer etwas trüben schwachbrechenden Flüssigkeit gefüllt zu sein schienen. Eine solche Vaecuolisirung dürfte bei dieser Gregarine eben so selten wie bei anderen vorkommen!), und ist vielleicht als eine pathologische Erscheinung aufzufassen, denn in dem gleichen Falle fehlte merk- würdiger Weise auch der Härchensaum, und auch der Kern des vorderen Individuums war in das hintere übergewandert. Eine ganz besondere Eigenthümlichkeit unserer Gregarine ist die Körnchensphäre, welche den Kern umlagert. Sie besteht aus radiärstrahlig um den Kern angeordneten, dicht gedrängt lie- genden Körnchen, welche kleiner als die anderen Inhaltskörner sind und im Leben auch heller erscheinen (Fig. 3, 4, 13). Sie finden sich nur bei älteren Exemplaren und mangeln den jüngeren völlig, wo ja auch die anderen Körner sich nur in geringer Menge zeigen (Fig. 7). — Oft lassen sie sich nur schwer erkennen, da sie, besonders bei reiferen Gregarinen, von den grösseren und dunkler erscheinenden Granulis ganz verdeckt werden. Im Gegensatz zu diesen letzteren bleiben sie bei oben genanntem Conservirungsver- fahren wohl erhalten und nehmen den Farbstoff, Carmin oder Häma- toxylin begierig auf (Fig. 15). Sie sind also von den übrigen In- haltskörnern chemisch unterschieden. Schliesslich sei noch in Betreff des Zellinhalts erwähnt, dass bei einem Individuum im Endtheil (Fig. 5) zahlreiche dunkel aus- sehende (bei durchfallendem Lichte!) kugelige Klümpehen lagen, deren Bedeutung und Natur ebenfalls unklar geblieben ist. Etwas dem Aehnliches ist übrigens, wie später zu sehen sein wird, auch bei anderen Gregarinen vorhanden. Unsere Gregarine besitzt einen grossen kugeligen Kern, dessen Lage im Entoplasma eine verschiedene ist, ohne dass sich jedoch besondere Bewegungserscheinungen an ihm auffinden lassen, wie es wo anders zuweilen der Fall ist. Er erscheint im Leben als helles Bläschen mit deutlicher Membran (Fig. 6, 7, 11, 12, 16); sein Inhalt sieht hyalin und völlig homogen aus und enthält nur mehrere grosse, stark lichtbrechende Körperchen, die Nucleoli, 1) Bronn, I. e. pls: Ueber einige in Seethieren lebende Gregarinen. 553 welche auch schon bei ganz jungen Individuen auftreten. Eine Gestaltsveränderung lässt sich an diesen Nucleolis nicht beobachten. — Beim Abtödtungs- und Färbeverfahren entstehen jedoch im Kern als Gerinnungsprodukte ganz feine Granulationen (Fig. 16), welche sich mit saurem Carmin und Hämatoxylin nur ganz schwach färben. Stärker färbt sich hierbei die Kernmembran, welche dann eigen- thümlich zackig erscheint, sowie die Nucleoli. Doch scheinen auch diese eine sich stärker färbende Aussenschicht zu besitzen. Im Ganzen fanden sich nur zwei Fälle, wo ein Individuum zwei Kerne enthielt. Der eine Fall war die oben erwähnte Sycy- gie, welche zahlreiche Vacuolen enthielt (Fig. 12), und es war hier offenbar der Kern aus dem vorderen kleinen in das hintere grosse Exemplar durch ein präformirtes Loch gewandert. Die Callyntrochlamys Phronimae lebt fast nur in conjugirtem Zu- stande. Einzelthiere kommenhöchst seltenvor und sind dann stets frei; meist sind es sehr jugendliche Formen. Die häufigste Erscheinung, welche demnach wohl als die regelmässige angesehen werden darf. ist, dass ein grosses glockenförmiges Individuum, welches im Epithel des Wirththieres mit breiter Basis sitzt, mit einem meist kleineren mehr eiförmigen oder kugeligen in der Weise gepaart ist, dass dieses letztere in die Spitze des ersteren eingesenkt ist (Fig. 1, 4, 6, 12, 13). Die eingesenkte Spitze des kleineren Thieres besitzt meist ein kreisförmiges Loch, etwa von dem Durchmesser des Nucleus (Fig. 6, 12). Von einem Falle war oben gesagt worden, wie der Nucleus dureh dieses Loch hindurch gewandert ist; es ist daher die Möglichkeit vorhanden, dass die Oeffnung eigens zu die- sem Zwecke vorhanden ist und dass, wenn das Ganze nicht eben etwas Pathologisches bedeutet, der Uebergang des Kerns mit der weiteren Fortpflanzung in Verbindung steht. Auffällig genug ist die Durehbohrung der Membran immerhin. Die Conjugation findet in vielen Fällen wahrscheinlich in der Weise statt, dass sich an ein festsitzendes Individuum ein anderes sehr junges anhängt, welches dann so lange wächst, bis es seine normale Grösse erreicht hat: Solche Formen sind sehr häufig zu sehen. — Vielfach aber trifft man eine grosse glockenförmige Gre- garine an, welche mit mehreren, meist mit zwei, drei oder auch vier kleinen Individuen besetzt ist (Fig. 2). Diese angehängten sind unter sich entweder von derselben oder aber auch von verschiedener Grösse, immer aber sehr klein und jung (Fig. 2). 554 Johannes Frenzel: Niemals sah ich mehrere grosse Gregarinen in dieser Weise con- jugirt. Es ist daher der Schluss berechtigt, dass von den ange- hängten kleinen Individuen nur eins weiter wächst und hängen bleibt, während die anderen entweder zu Grunde gehen oder ab- geworfen werden, so dass schliesslich nur zwei grosse Gregarinen mit einander conjugirt sind. Eine andere Syceygienbildung findet häufig in der Art statt, dass sich zwei freie noch jugendliche Formen mit einander so ver- einigen, dass das eine Exemplar in das andere gleich grosse ein- gesenkt ist (Fig. 7). Man kann sich nun das Weitere so denken, dass das nicht eingesenkte Individum sich mit seinem freien här- chenlosen Pol im Magendarm der Phronima festsetzt und dass beide dann die gewöhnliche Form annehmen. — Die allgemeine Regel über das Auftreten und Conjugiren dieser Gregarinen ist demnach so zu erschliessen, dass im Darm des Wirththieres zu alten schon vorhandenen Individuen sich junge, unreife gesellen, welche sich entweder untereinander oder mit ersteren in oben be- schriebener Weise vereinigen. Eine nur einmal, aber ganz sicher beobachtete Ausnahms- erscheinung sei hier noch besprochen. — Es gilt bekanntlich als Regel bei den Gregarinen, dass sich nur zwei Individuen in einer Reihe aneinanderhängen, und nur ein einziges Mal ist von v. Sie- bold ein Zusammenreihen von drei Exemplaren gesehen worden). Diese Beobachtung scheint bis jetzt vereinzelt dagestanden zu haben; es findet sich aber etwas Aehnliches nicht nur bei der Callyntroch- lamys Phronimae, sondern sogar als etwas ganz Regelmässiges auch bei einer andern, später zu behandelnden Gregarine aus dem Darm von Portunus und Oareinus. — Bei unserer Gregarine waren sechs Individuen kettenförmig aneinander gefügt (Fig. 3), und zwar in der Weise, dass sie in ihrer Längsaxe erheblich verkürzt erschienen, während sie im übrigen von normaler Beschaffenheit und unter sich auch von gleicher Grösse waren. Jedes von ihnen liess den Kern deutlich durchschimmern, und auch die Kernsphäre war an einigen Exemplaren der Kette wahrzunehmen. Ueber das weitere Schicksal der Syeygien und über die Fort- pflanzung konnte nichts ermittelt werden, denn es liess sich nie- mals in diesem Darmabsehnitt der Phronima eine Eneystirung oder 1) Bronn, 1. c. p. 530. Ueber einige in Seethieren lebende Gregarinen. 555 dergl. beobachten. — Es stehen daher drei Möglichkeiten offen. Die erste, unwahrscheinlichere, ist die, dass die Gregarine sich von der Darmwand ablöst und aus dem Darm in das offene Meer auswandert, um sich irgendwo weiter zu entwickeln. Die zweite, um vieles wahrscheinlichere Möglichkeit ist die, dass das Wirth- thier von einem anderen Seethiere gefressen wird, und dass in diesem die Weiterentwickelung der Gregarine erfolgt. — Doch auch eine dritte Möglichkeit hat viel für sich. Das Wirththier, die Phro- nima, wird bei der Oberflächenfischerei im sog. Auftriebe gefangen; mit vielen anderen Auftriebthieren fehlt es daher in der heissesten Zeit, etwa von Mitte Mai bis Mitte September. So wurde das erste Exemplar, welches ich nach dem Sommer wieder zu Gesicht be- kam, am 18. September 1883 im Golf von Neapel in Folge eines starken Seiroccosturmes (laut Protocoll) gefangen. Während der sanzen Herbstzeit, während des Winters und Frühjahrs bis in den Mai hinein ist der Auftrieb ziemlich constant, und noch am 2. Mai fanden sich Phronimaexemplare mit Gregarinen in reichlicher Menge, worauf keine Phronima in dem täglich gefischten Auftrieb mehr zu entdecken war. — Es konnte also in der Zeit vom Mai bis Mitte September keine Callyntrochlamys beobachtet werden, und es ist wohl möglich, dass gerade in diese Zeit ihre Encystirung und Fort- pflanzung fällt. Darauf könnte vielleicht der Umstand hindeuten, dass in einem der letzten Frühjahrsexemplare, welche ich erhielt, sich die mit zahlreichen Vacuolen erfüllte Syeygie befand (Fig. 12), deren schon früher gedacht worden ist. — Dazu kommt, dass sich ganz junge Exemplare von Gregarinen gleich in den ersten Auf- triebskrebschen des September fanden, während sich im Winter und im Frühjahr meist nur grosse Syeygien im Darm zeigten. Es kom- men allerdings in dieserZeit auchSyeygien vor, welche aus grossen und darauf sitzenden kleinen Individuen zusammengesetzt werden (Fig. 2), welch’ letzteren sich also erst während der kälteren Jahres- zeit gebildet haben müssten; doch ist es nicht unmöglich, dass sich die Phronima nicht nur im Auftriebe, sondern auch in grösseren Seetiefen aufhält und allmählich an die Oberfläche steigt. Ihr gänzliches Verschwinden während der Sommermonate lässt — wie auch bei anderen Auftriebthieren — die Vermuthung entstehen, dass sie in dieser Jahreszeit nur in der Tiefe des Meeres lebt. Der Wohnort dieser Callyntrochlamys ist, wie schon mehrfach Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 24, 36 556 Johannes Frenzel: erwähnt, der Magendarm!) von Phronima sedentaria, worin sie sich in nieht unerheblicher Anzahl mit etwa 10 oder mehr Paaren findet. Vielleicht lebt sie nur in den Phronimiden des Golfs von Neapel, denn es ist auffallend, dass Claus in seiner eitirten Abhandlung ihrer mit keinem Worte Erwähnung thut; gedenkt er doch einer anderen, ebenfalls in den Phronimiden schmarotzenden Gregarine! Claus muss sie also nie gesehen haben, woraus wohl zu entneh- men ist, dass sie in den Triestiner Phronimiden gar nicht existirt. Zum Schluss sei noch darauf hingewiesen, dass in Amphi- poden noch wenig Moneoeystideen gefunden worden sind (Bütsehli?) führt nur einen Fall an), während Poloeystideen dort häufiger sind. Auch aus diesem Grunde verdient die Callyntrochlamys Phronimae eine gewisse Beachtung. 2. Gregarina Portuni. nov. sp. Fig. 17. Die Gestalt dieser Gregarine ist eine birn- oder rübenförmige. — Die Cutieula ist diek, von gleichmässiger Stärke und doppelt conturirt. Im Leben lässt sich eine Struktur derselben nicht er- kennen, eine solche tritt jedoch bei Behandlung mit 5-procentiger Kalilauge in Gestalt von schräg verlaufenden Querstreifen auf. Doch ist es nieht sicher, ob diese Streifen auch wirklich der Cutieula angehören oder nicht etwa unter ihr liegen. — Ausser in Lauge ist diese Cuticula ferner unlöslich in cone. Essigsäure. Das Plasma ist von ziemlich grossen eng gedrängt liegen- den Körnern dicht erfüllt. — Eine schwache Differenzirung von Ento- und Eetosark ist vorhanden. Das Plasma selbst quillt stark in Kalilauge (verdünnter bis 5-procentiger). Die starkbrechenden Inhaltsgranula werden, auf dem Objektträger mit solcher von 1!/, bis 5 Procent behandelt, nicht gelöst und zeigen sich noch nach längerer Einwirkung unverändert. Höchstens scheint hierbei ihre Liehtbreehungskraft und Färbung eine etwas andere zu werden, denn sie erhalten nun einen bräunlichen Ton und sehen wie ge- ronnen oder getrübt aus. Der grosse kugelige Kern ist hell und strukturlos. Doch ist er mit mehreren grossen und kleineren starklichtbreehenden Granulis erfüllt. 1) C. Claus. Der Organismus der Phronimiden. Wien 1879. 2) Brenn, 1. ce. p. 582. Ueber einige in Seethieren lebende Gregarinen. 557 Die Conjugation geschieht in der Weise, dass sich zwei Individuen mit ihrem breiten gleichnamigen Ende aneinanderheften. Einzelthiere waren nie zu sehen. — Weiteres über die Entwick- lung u. s. w. ist nieht beobachtet, da das Auftreten dieser Gregarine ein recht seltenes zu sein scheint. Das Thier lebt im Mitteldarm und vorderen Theile des End- darmes von Portunus areuatus. Es scheint dies der erste Fall zu sein, dass eine Monoeystidee in einem Decapoden schmarotzt)). 3. Gregarina Cionae. nov. sp. (?) Fig. 18 bis 23. Die Form dieser Gregarine ist eine durch leichte Beweglich- keit in gewissem Grade veränderliche (Fig. 13 und 19). Die Länge von grösseren Exemplaren ist etwa = 0,125mm. Jugendliche maassen 0,041mm. Sie sind ungefähr doppelt so lang als breit, die Spitze ist oft kolbig geschwollen (Fig. 19) oder kegelförmig verjüngt (Fig. 18) mit allen möglichen Zwischenstadien (Figur 23). An der Mitte des Körpers ist meist die stärkste Ausbauchung (Fig. 18) dann verschmälert sich der Körper nach hinten zu einem eylin- drischen Schwanze mit abgerundetem Ende (Fig. 18, 19, 25). Im Querschnitte ist die Gregarine immer kreisförmig. Die Cuticula ist wenig dick; doch kann man noch zwei Con- turen deutlich erkennen. Sie ist am ganzen Körper von gleich- mässiger Stärke. — Gegen Essigsäure jeden Grades verhält sie sich völlig resistent; auch in Sublimat sowie in cone. Salzsäure blieb sie ungelöst. — Eine Seulpturirung der Cuticula lässt sich auch mit Hülfe-von Reagenzien nicht wahrnehmen. Am reiferen Thier ist eine Scheidung von Ento- und Eetoplasma wohl vorhanden; doch zeigt sie sich nur an den Vorder- und Hinterenden, welche völlig frei von den Körnern des Entoplasmas sind (Fig. 18, 23). Als Uebergang zu letzterem findet sich dann meist noch eine mit wenig Körnehen erfüllte Zone am Vorderende (Fig. 18). Ein fibrilläres Sarcoeyt ist nicht vorhanden. Das Entoplasma ist dieht mit feinen Körnchen erfüllt, so dass das Thier bei auffallendem Lichte schneeweiss, bei durchfallendem dagegen schwarz erscheint (Fig. 18, 20). Diese kleinen Körnchen sind unlöslich in Essigsäure, während das Plasma durch dieses 1) Bronn, |. c. p. 582. 558 Johannes Frenzel: Reagens zum starken Quellen gebracht wird. In Sublimatflüs- sigkeit!) wurden dieselben entweder gelöst oder doch unsichtbar gemacht; denn sie verschwanden sofort dem Auge, und es liess sich an ihrer Stelle eine deutliche netzartige Fadenstruktur nach- weisen (Fig. 19), welche auch Knotenpunkte sichtbar werden liess. — Fett konnte ich nur in jungen Gregarinen auffinden (Fig. 23) wo die Granula meist nicht jenen Körnchen identisch sind, sondern sich als kleine Fettkügelchen bezeichen lassen. Sie lösen sich nämlich in Alcohol absol. und färben sich mit alcoholischer Alcan- nalösung roth, welche Färbung gegen schwache Säuren resistent bleibt 2). Zu erwähnen bleibt noch, dass sich bei ausgewachsenen Thieren häufig schwachlichtbrechende vakuolenartige Räume, etwa 8 bis 12 Stück im vorderen Körpertheil eingelagert finden, ähnlich wie es bei der Collyntrochlamys Phronimae der Fall war. Die Beweglichkeit der Gregarina Cionae ist eine sehr leb- hafte und fast amöboid zu nennen. Namentlich das Vordertheil des Körpers ist in stetem Wechsel der Gestalt begriffen. Der Kern ist gross und deutlich, wenn auch häufig durch die Granula verdeckt. Seine Form ist annähernd kugelig, wird aber leicht durch die Gestaltsveränderungen der Gregarine beein- flusst. Er ist hell, besitzt eine deutliche Membran und entbält eine homogen erscheinende flüssige Masse. Ich sah stets nur einen einzigen Nucleolus darin, welcher aber auch niemals fehlte. Derselbe ist gross, brieht das Licht stark, und hat eine eckige Gestalt. Die Fortpflanzung dieser Gregarine beginnt mit einer Con- jugation zweier Individuen in der Weise, dass sie sich mit ihrem sich breit drückenden Vordertheil aneinanderheften. Es gelang mir nie, freie Syeygien aufzufinden, sondern stets nur solche, welche sich in der Darmwand der Ciona schon festgesetzt hatten. Wahr- scheinlich findet die Conjugation wohl kurz vorher oder erst in der Darmwand selbst statt. — An der Stelle, wo sich beide Indivi- duen aneinanderheften, platten sie sich nun mehr und mehr ab, so dass sich ihre gemeinsame Form der einer Kugel nähert (Fig 20). 1) Sublimatlösungen in Alcohol oder Wasser reagiren meist sauer. 2) Genaueres darüber siehe weiter unten. Ueber einige in Seethieren lebende Gregarinen. 559 Hierauf beginnt die Syeygie zu rotiren, ähnlich, wie es schon von Giard!) und Bütschli?) bei andern Mono- und Polyceystideen beobachtet worden ist. Doch kreisen sie nicht um einen Punkt ausserhalb ihres Körpers, wie dies etwa bei Clepsidrina Blattarum geschieht, sondern um ihren gemeinsamen Mittelpunkt, wobei sie lebhafte Bewegungen mit dem schon verkürzten Schwanze ausführen. Zu einer vollen Umdrehung gebrauchten sie in einem Falle 2 Mi- nuten. — Schliesslich findet man die Sycygien eneystirt und in Ruhe, indem sich eine starke glashelle Kapsel um sie gebildet hat (Fig. 21). Jetzt stellen die beiden Individuen gemeinschaftlich eine Kugel vor, in welcher der Kern sowie die Granula und die Cuti- cula noch unverändert sind. Eine weitere Entwicklung dieser Gregarine konnte ich nicht ermitteln, da sie in eingekapseltem Zustande keine weitere Verän- derung mehr zeigte. Dagegen fanden sich mit reifen Formen ver- gesellschaftet auch ganz junge im Ascidiendarm vor (Fig. 22), deren Gestalt mehr eiförmig war. Ihre Länge betrug im Mittel 0,022 mm, also etwa fünfmal so wenig wie bei den erwachsenen. Diese jungen Gregarinen waren mit nur wenigen Körnern erfüllt, welche mehr nach dem Vordertheil zu lagen. Dieses war fast immer etwas ein- seschnürt, jedoch niemals durch eine Scheidewand abgegrenzt. Der grosse Kern enthielt einen Nucleolus. Vorkommen. Im Darm von Ciona intestinalis in grosser Menge. — Neapel. 4. Gregarina Bonelliae, nov. sp. Fig. 24 und 25. Diese Gregarine hat eine langgestreckte schlangenförmige Gestalt. Ihre Länge ist etwa 0,1l5mm, und zwar ist sie etwa 15 1) Archives de Zoologie experimentale. tome li 1572. Leider war mir der betreffende Band dieser Zeitschrift in Berlin nicht zugänglich. Zwar besitzt ihn die Königl. Bibliothek; doch war er auf längere Zeit an eine mir unbekannte Persönlichkeit verliehen, so dass ich auf eine Kenntnissnahme der Untersuchungen Giard’s verzichten musste. Trotz meiner Bemühungen gelang es mir nicht, die Zeitschrift an einer anderen Stelle einzusehen, da dieselbe nur in einem einzigen Exemplar in Berlin vorhanden zu sein scheint. (!) — Von früher her glaube ich mich übrigens entsinnen zu können, dass G. nur einige kurze Bemerkungen über jene Gregarine macht, so dass ein genaueres Eingehen hier nicht überflüssig erscheint. 2) Bronn, |. c. p. 533. 560 Johannes Frenzel: bis 20 mal so lang als breit. Das Kopfende ist fast cylindrisch, der Schwanz kegelförmig zugespitzt. Die Cutieula ist stark und erscheint doppelt conturirt. Am vorderen Körperende ist sie bedeutend verdiekt (Fig. 25). Eine Seulpturirung ist an ihr nicht nachweisbar. — In Essigsäure ist sie völlig unlöslich. Das Plasma dieser Gregarine ist hell, mit zahlreichen sehr klein und punktförmig erscheinenden Granulis gleichmässig erfüllt. Die beiden Körperenden sind noch heller und fast frei von diesen Granulis. Oft hat der körnige Inhalt ein schwach grünliches Aus- sehen, etwa wie ein grünes Flaschenglas. Der Kern hat die Gestalt eines länglichen Ellipsoids und ist meist mit einem grossen, starkbrechenden Nucleolus versehen. Bei den Bewegungen des Thierchens ändert ersterer diesen entspre- chend seine Form. Eine weitere Struktur lässt er nicht erkennen. Die Gregarina Bonelliae führt lebhaft schlängelnde Bewe- gungen aus, wobei die Körnchen und der Kern starke Verschie- bungen erleiden. Conjugations- und Fortpflanzungserscheinungen konnten nicht beobachtet werden. Die Gregarine lebt im Darmkanal der Bonellia viridis, Golf von Neapel. IN. Ordn. Polyeystidea. 1. Aggregata nov. gen. Mehr als zwei Individuen in einer Reihe conjugirt und eneystirt. Die sichelförmigen Keime entstehen direkt in der Cyste ohne vorhergehendes Sporensta- dium. Aggregata Portunidarum, nov. sp. Fig. 26 bis 34 einschl. Cylindrisch gestreekt mit!kleinem kugeligen Pro- tomerit. Deutomerit mit fibrillärem Sarcocyt. — Drei oder vier Individuen conjugirt. Lebt im Darm von Portunus areuatus und Careinus maenas; Neapel. Die Aggregata Portunidarum erreicht eine nicht unbeträcht- liche Grösse; es giebt. Individuen, welche bis 0,4mm lang und Ueber einige in Seethieren lebende Gregarinen. 561 0,08mm diek werden. Durchschnittlich begegnet man jedoch klei- neren Exemplaren. Die Form ist eine streng cylindrische mit kreisförmigem Querschnitt, und an allen Stellen des Körpers von annähernd gleicher Dicke. Die Länge übertrifft die Breite um ein mehrfaches. Das Protomerit ist klein und oft etwas schmäler als das Deutomerit (Fig. 27, 28). Die Cutieula ist kräftig entwickelt und von bedeutender Dicke. Nur nach dem vorderen Theile des Protomerits hin ver- dünnt sie sich etwas, während sie den übrigen Theil der Körpers in gleichmässiger Stärke überzieht. Bei geeigneter Einstellung des Mikroskops lässt sich an ihr eine feine Seulpturirung wahr- nehmen, welche unter Anwendung von Conservirungsflüssigkeiten noch schärfer hervortritt. Dieselbe besteht aus einem System sehr feiner etwas unregelmässig wellig-längslaufender Leistehen (Fig. 27, 29). Das Protomerit lässt ausserdem noch eine ebenso erschei- nende Querstreifung der Cutieula erkennen (Fig. 27). — Durch starke Essigsäure wird die Cutieula nicht gelöst. Das Ectosark besitzt hier die bei den Gregarinen sich findende höchste Differenzirung. Es lässt sich durch seinen geringen Körnerreichthum und durch seine Helligkeit scharf vom centralen Entosark unterscheiden (Fig. 28).. Nach dem Protomerit hin ist es durch eine kugelförmige Fläche in markirter Weise ebenfalls abgegrenzt. Zwischen diesem schwachkörnigen Eetoplasma und der Cuti- cula liegt ferner ein sehr schmaler, völlig homogen aussehender Mantel, das Sarcocyt, welches von ersterem durch eine deutliche Linie getrennt ist. Es enthält kräftige, genau ringförmig verlau- fende stark lichtbrechende Fibrillen, welche ebenfalls, auch noch bei 650facher Linearvergrösserung ganz homogen erscheinen (Fig. 28). Diese Fibrillen, wie auch das ganze Sarcocyt, sind auf das Deu- tomerit beschränkt, beginnen aber hart an der Scheidewand beider Körperabschnitte und setzen sich in regelmässigen Abständen bis zum Körperende hin fort. Durch Zusatz von starker Essigsäure wird die Fibrillen(Myophan-)schieht, besonders aber die Myophan- punktreihe deutlicher gemacht. Die Scheidewand zwischen den beiden Körperabschnitten ist eine einfache, ziemlich dünne Haut, welche sich an die Cutieula anheftet (Fig.27, 28). In der Regel ist sie nach hinten zu in der 562 Johannes Frenzel: Weise ausgebuchtet, dass die Form des ganzen Protomerits einer plattgedrückten Kugel gleicht. Das Entoplasma des Deutomerits ist mit mässig grossen Granulis dicht gefüllt, so dass man den Kern oftkaum hindurehschimmern sieht. In Betreff des Inhalts zeigt das Protomerit eine völlig andere Beschaffenheit als der hintere Körpertheil. Ihm fehlt die Myo- phanschicht, und auch eine Theilung von Eeto- und Entosark ist nicht vorhanden. In der Regel ist der grösste Theil des Kopfes mit wenigen, grossen, unregelmässig geformten Körnern durchsetzt (Fig. 28), welche nur wenig stark das Licht brechen, so dass er daher sehr hell erscheint. Nur am vordersten Theile findet sich eine klumpenartige compakte Anhäufung von kleineren stark licht; brechenden Granulis, welche denen des Entoplasmas im Deuto- merit im Aussehen durchaus gleichen. Sie verhalten sich in che- mischer Hinsicht jedoch sehr different; denn behandelt man zwecks der Conservirung die Gregarinen mit Sublimat, Alkohol, ätherischen Oelen u. s. w., so verschwinden dem Auge sämmtliche Körner des Deutomerits und die grossen Granulationen des Protomerits, wäh- rend die anderen Granula völlig intakt bleiben. Zuweilen findet sieh ein in sofern abweichendes Verhalten, als die Anordnung der beiden Körnergruppen im Protomerit eine gerade entgegengesetzte ist. Jedes Individuum enthält einen grossen, deutlichen Kern. welcher einen grossen oder mehrere kleinere stark liehtbrechende Nucleoli einschliesst. Das Erstere scheint jedoch häufiger zu sein. Wie schon erwähnt, zeichnet sich die Aggregata Portunidarum ganz besonders durch die Art und Weise ihrer Conjugirung aus, indem sich in den bei weitem meisten Fällen Ketten von drei oder vier aneinandergereihten Individuen finden. Es findet dieses An- einanderreihen schon in früher Jugend statt (Fig. 26), wo die Länge der Einzelthiere eine noch ganz geringe ist, und dauert das ganze Leben hindurch fort, um schliesslich noch nach begonnener Eney- stirung weiter zu bestehen. Die Anheftung geschieht einfach in der Weise, dass sich das zweite Individuum mit seinem Protome- rit an den Schwanz des vorhergehenden schiebt, wobei dann dieses Protomerit ganz flach gedrückt wird und die Form einer Scheibe annimmt (Fig. 29). Die nächstfolgenden Individuen zeigen dieselbe Erscheinung (Fig. 26, 30). — So bewegen sich die Ketten ent- weder in gerader Linie vorwärts, oder in Curven und Windungen; Ueber einige in Seethieren lebende Gregarinen. 563 doch scheinen Bewegungen und Massenverschiebungen des Inhalts hierbei nicht weiter stattzufinden. — Jedes der conjugirten Indivi- duen behält seinen Kern bis nach der Eneystirung bei. Behufs der lezteren wiekelt sich nun eine solche Gregarinen- kette zu einem Knäuel dicht zusammen (Fig. 30), so dass das Ganze allmählich völlige Kugelgestalt annimmt. Der Durchmesser einer solehen Kugel ist etwa = 0,355mm, also ungefähr gleich der mitt- leren Länge eines Individuums. — Nun beginnt die Abscheidung einer glashellen Cyste, welche nichts Bemerkenswerthes darbietet, ausser dass sie die beträchtliche Dicke von 0,06mm hat (Fig. 31, 32). Bald darauf scheint schon die Umwandlung des körnigen Inhalts vor sieh zu gehen, indem die Körner in der Weise ver- schwinden, dass nur noch gleichmässig in der Cyste vertheilt kleine Gruppen derselben übrig bleiben (Fig. 31). An ihrer Stelle bil- den sich sofort dicht gedrängt liegende sichelförmige Körperchen, die Keime (Fig. 31,32). Zugleich werden die Kerne undeutlich, trübe und matt aussehend (Fig. 31), worauf sie in späteren Stadien nicht mehr aufzufinden sind. Auch die Cuticula der ursprünglichen Gregarinen wird, wahrscheinlich wohl durch Lösung und Resorp- tion langsam zum Verschwinden gebracht (Fig. 32), so dass man oft nur noch schwache Reste davon wahrnehmen kann. Die Menge der kleinen Körnerhaufen nimmt dabei mehr und mehr ab, die Anzahl der Sicheln nimmt zu, und schliesslich besteht der ganze Cysteninhalt nur noch aus letzteren. — Es wird also das gesammte Körnermaterial bei dieser Umwandlung aufgebraucht, im Gegen- satz zu zahlreichen Gregarinen, wo „die Hauptmasse der Körner bei der Fortpflanzung ganz unverbraucht“ zurückgelassen wird). Zwar wurde der soeben geschilderte Vorgang, die Verwand- lung des Gregarineninhalts in sichelförmige Keime, nicht unmittel- bar unter dem Mikroskop beobachtet; aber es konnte vom ersten bis zum letzten Stadium aus der Darmwand der Wirththiere eine fortlaufende Reihe von Encystirungen zusammengestellt werden, aus welchen sich der ganze Verlauf leicht eonstruiren liess. Die Sicheln sind von sehr geringer Grösse; ihre Länge beträgt nur 0,017 bis 0,019mm. Sie liegen in der Cyste so dieht gedrängt bei einander, dass kein Zwischenraum zwischen ihnen frei bleibt. Beim Herausquetschen hängen sie oft zu zweien . oder mehreren 0) Brionns Alt etprsrz 564 Johannes Frenzel: fest zusammen und zeigen keine Bewegungserscheinungen. Bei starker Vergrösserung (Homogen-Immersion !/s, Winkel) erkennt man an dem einen Ende einen kugeligen, stark lichtbrechenden Körper, welcher jedenfalls als Kern anzusehen ist, wie ja auch die Sicheln anderer Gregarinen, z. B. derer des Regenwurmhodens einen Nucleus besitzen!). Das Uebrige ist von ganz feinen punktför- migen Granulis erfüllt, und häufig finden sich an dem dem Kerne entgegengesetzten Ende einige Kiigelehen, welche noch kleiner und weniger stark brechend sind als jener (Fig. 33). Ueber das weitere Schicksal dieser sichelförmigen Keime ist mir nichts Näheres bekannt geworden. Es finden sich bei Unter- suchung des Krebsdarmes zwar häufig freie Sicheln, doch ist es sehr wahrscheinlich, dass dieselben durch mechanische Verletzung der Kapsel ausgepresst worden sind. — Sie sind auch in diesem Falle meist unbeweglich. Mehrmals fanden sich jedoch auch freie Keime, deren Form schon verändert war, indem sie schon wie junge Gregarinen aussahen (Fig. 34). Dies zeigte sich namentlich in der Zeit von Mitte Mai bis Anfang Juni, wo keine freien Gre- garinen mehr, sondern nur noch Cysten im Darme zu entdecken waren. Auch diese veränderten Keime waren zum Theil ohne Be- wegung, zum Theil aber etwas amöboid schlängelnd (ohne Pseudo- podienbildung) und sich ruckweise vorwärts bewegend, und zwar so, dass das Ganze den Eindruck einer selbständigen, freiwilligen und vom Einfluss äusserer Umstände, wie Diffusionsströmungen u.s. w. unabhängigen Ortsveränderung machte. Eine Weiterentwickelung der Keime konnte nicht beobachtet werden ; doch ist es nicht unwahrscheinlich, dass aus ihnen durch einfaches Auswachsen die späteren Gregarinen entstehen. Das Vorkommen dieser Gregarine konnte nur im Mitteldarm und vorderen Theile des Enddarms von Portunus arcuatus und Careinus maenas im Golf von Neapel nachgewiesen werden. Die freien Individuen waren im April und Mai in grösserer Menge zu treffen, in den meisten Krebsexemplaren etwa 3-—6 Gregarinen- ketten. Einzelthiere wurden niemals gesehen. Im Mai waren dann die Cysten sehr häufig in Gemeinschaft mit den freien Thierchen. Ende Mai und Anfang Juni waren nur noch Cysten sowie freie Keime mit oben erwähnter veränderter Form aufzu- 1). Bronn,. 1.’e0,952 Ueber einige in Seethieren lebende Gregarinen. 565 finden. Später im Laufe des ganzen Sommers waren im Darm- kanal einer grösseren Anzahl daraufhin untersuchter Portuniden weder diese Gregarinen noch deren Cysten, kurz keine Spur der- selben wahrnehmbar. Wie das Verhalten im Herbste und Winter ist, kann ich nieht mit Bestimmtheit sagen, doch glaube ich zu dieser Zeit hin und wieder die Aggregata gesehen zu haben. Für die Fortpflanzung sind demnach 2 Fälle wahrscheinlich. Entweder die Sicheln werden noch innerhalb des Darmes der ersten Wirththiere frei und wandern dann aus, um sich an einem anderen Orte weiter fortzubilden; oder — und dies scheint mir eher an- nehmbar — die Cysten selbst werden bei der Häutung des Darmes ausgestossen und finden anderswo ihre Weiterentwiekelung. Wo dies geschieht oder geschehen soll, ist ganz ungewiss; man kann aber auch vermuthen, dass diese Weiterentwiekelung in denjenigen Thieren vor sich geht, für welehe die Portuniden als Nahrung dienen, also vielleicht in den Cephalopoden. 2. Gregarina Salpae nov. sp. (Fig. 35 bis einschl. 46). Grosse langgestreckte Polyeystidee im Darm von Salpa afriecana. Die Cuticula mit hohen längslaufenden Cuticularleisten versehen. Diese Gregarine ist von solcher Grösse, dass man sie mit freiem Auge deutlich wahrnehmen kann. Ausgewachsene Exemplare werden bis Imm lang und 0,125 mm breit. Häufig vorkommende Jüngere Exemplare messen 0,55 mm in der Länge und 0,035 mm in der Breite; sie sind also etwa S—10mal so lang als breit. Die Gestalt ist eylindrisch, der Querschnitt kreisförmig. Das Proto- merit setzt sich wenig vom Deutomerit ab und endet abgestumpft konisch. Es ist etwa doppelt so lang als breit (Fig. 35). Die Cutieula ist sehr deutlich sichtbar und erscheint im optischen Längsschnitt des Thierchens ausserordentlich diek (Fig. 36, 40, 41, 42). Sie hat ein starkes Liehtbrechungsvermögen und in durchfallendem Lichte ein durch ersteres verursachtes bläuliches Aus- sehen. Bei gewöhnlicher Lage der Gregarine (Fig. 35) erscheint sie am vordersten Theile des Protomerits sehr dünn, verdiekt sich dann plötz- lich und überzieht den ganzen Leib in gleiehmässiger Stärke, um nur am Ende wieder etwas dünner auszusehen. — Dreht man jedoch die Gregarine um ihre Längsaxe, so entschwindet diese Cuticula plötz- lich auf der einen oder auf beiden Seiten dem Blick, um dann bei 566 Johannes Frenzel: weiterer Drehung wieder sichtbar zu werden. Diese auffallende Erscheinung hat darin ihren Grund, dass die Cutieula nicht eine ein- fache, glatte Membran ist, sondern dass sie mit hohen längslaufendeu Leisten versehen oder längsgefaltet ist. Man erkennt diese Leisten am besten am Querschnitt, welcher von einer in Sublimat getödteten und in Paraffin geschnittenen Gregarine hergestellt ist!). Hier steht in radiärer Anordnung ganz dieht eine Leiste neben der ande- ren. Jede einzelne ist etwa so diek wie die eigentliche Membran selbst und lässt einen etwa eben so breiten Zwischenraum zwischen sich und der benachbarten. Ihre Höhe ist eine viel bedeutendere, denn sie erreicht ungefähr den 15. bis 12. Theil des Durchmessers der Gregarine. An ihrem freien Rande, im Querschnitt an ihrer Spitze, scheinen die Leisten etwas verdickt zu sein. Schon am lebenden Thiere kann man diese Cutieularleisten als feine Jängslaufende Linien entweder bei sehr hoher oder sehr tiefer Einstellung des Mikroskops erkennen (Fig. 36, 39), und zwar besonders am Protomerit und am Ende des Deutomerits. Lässt man ferner die Gregarinen eintrocknen oder wendet man schrum- pfenmachende Mittel, wie Alkohol u. s. w. an, so erhalten die Leisten von oben gesehen ein wellenförmiges Ansehen (Fig. 37) in Folge der Contraktion. Wie schon erwähnt, nimmt der vordere Abschnitt des Proto- merits an dieser Cutieularseulpturirung nicht Theil; doch ist auch hier die Cutieula nicht völlig glatt, sondern mit einer feinen Striche- 1) Um auf bequeme Weise Schnittpräparate von dieser Gregarine zu erhalten, tödtete ich eine grössere Anzahl derselben in alkoholischer Sublimat- lösung plus etwas Essigsäure, wusch auf einem Uhrschälchen erst in schwä- cherem, schliesslich in absolutem Alkohol aus, verdrängte diesen durch Chlo- roform, und versetzte dieses mit Paraffın. Das Ganze brachte ich in ein kleines unten zugeschmolzenes Glasrohr und verdampfte bei mässiger Tempe- ratur das Chloroform. Nach dem Festwerden des Paraffins wurde das Glas zerbrochen, und das Präparat war zum Schneiden fertig. — So entstanden zahlreiche Schnitte durch die Gregarinen in jeder Richtung, unter anderen auch solche, welche genau senkrecht zur Längsaxe (Fig. 38) gefallen waren. Auch genau durch die Mitte der Thierchen gehende Längsschnitte liessen sich so erhalten. Die Schnitte befestigte ich auf dem Objektglase mit Gutta- perchalösung nach dem schon mehrfach angegebenen Verfahren (s. zoolog. Anzeiger 1853, Nr. 130, 140 und 145, sowie: Mitteldarmdrüse der Orustaceen 12°C. PDA). Ueber einige in Seethieren lebende Gregarinen. 567 lung versehen, welche ganz vorne (in der Mittellinie) mit Längs- streifen beginnt und nach den Seiten und nach hinten zu in eine Querstreifung übergeht, um sich bis zu dem von den Anfangspunkten der Leisten gebildeten Ringe fortzusetzen (Fig. 36). Zuweilen schien auch am übrigen Theile des Gregarinenleibes eine Querstreifung vorhanden zu sein. Doch muss dieselbe wohl auf Contraktions- und Krümmungsbewegungen zurückgeführt werden, denn erstens ist sie nicht immer vorhanden und zweitens ist sie bei Krümmungen nur an der concaven Seite des Thieres sichtbar’ rührt also dort von einer Faltung der Cuticula her. Ganz vorne am Protomerit besitzt die Cuticula schliesslich noch einen kleinen kappenförmigen Aufsatz (Fig. 35, 36, 40), wel- cher sich in seinem optischen und chemischen Verhalten deutlich von der Cutieula unterscheidet. Bei sehr starker Vergrösserung (Winkel, Homogen Imm. !/s9) erscheint auch dieser längsgestreift. Gegen chemische Reagentien verhält sich die Cuticula wie folgt. Bei Anwendung von eone. Salzsäure wird sie durch starkes Aufquellen des Zellinhalts gesprengt und dann gelöst. In verdünntem Zustande wirkt diese Säure langsamer. — Ebenso wirkt starke und verdünnte Schwefelsäure — In cone. Oxalsäure tritt keine Lösung ein; nur der kappenartige Aufsatz am Protomerit verschwindet. — ÖOsmiumsäure ruft weder Lösung noch Schwarzfärbung hervor. — Gegen Essigsäure verhält sich die Cutieula völlig resistent, sowohl gegen Eisessig, als auch gegen halb- und stark verdünnte (0,2 %/,) Säure, während die Kappe sofort gelöst wird. In verdünnter Ammoniakflüssigkeit quillt sie mit dem Plasma auf, platzt und wird gelöst. Ist dieses Reagens concentrirter, so scheint die Wirkung eine langsamere zu sein; und wenn man sie vor der Behandlung mit Ammoniak durch Sublimatlösung härtet, so ist ihre Löslichkeit eine noch geringere, indem sie längere Zeit hindurch im gequollenen Zustande verharrt. Nur die Kappe ver- schwindet sofort. — Fünfprocentige Kalilauge scheint dieselbe Wirkung hervorzurufen; doch konnte nach erfolgter Quellung die Auflösung der Cutieula nicht mit Sicherheit festgestellt werden. Durch sauren Alkohol-Carmin nimmt die Cutieula schliesslich eine intensiv rothe Färbung an. Das Plasma des Gregarinenleibes lässt in beiden Körper- abschnitten eine Scheidung von Ecto- und Entoplasma zu. — Erste- 568 Johannes Frenzel: res bildet im Deutomerit eine sehr schmale und häufig ganz fehlende Schicht dieht unter der Cuticula. Ihm mangelt jegliche Differen- zirung eines fibrillären Sareoeyts, und es zeichnet sich nur durch einen geringeren Körnerreichthum vor dem Entoplasma aus, um ohne scharfe Grenze in dieses überzugehen. Bei Anwendung schrumpfenmachender Chemikalien bleibt es an der Cuticula haften, während sich der übrige körnige Zellinhalt zurückzieht und nur noch mittelst feiner Fäden mit dem Eetoplasma und der Haut zu- sammenhängt. Das Protomerit besteht aus zwei durch eine zarte Grenz- scheide getrennten Theilen, einem vorderen und einem umfang- reicheren hinteren, welcher sich in ersteren mit kugeliger Fläche vorwölbt (Fig. 35, 39, 40—43). Beide sind heller und enthalten weniger Körnchen als das Deutomerit. Der hintere Abschnitt des Kopfes besitzt ein breites schwach gekörntes Eetoplasma, welches auch sein kugeliges Ende einnimmt (Fig. 40). Der innere Eeto- plasmakern ist oft nur von geringerem Umfang. — Der vordere Theil des Protomerits ist stets hell, sehr feinkörnig und enthält nur einzelne grosse Körner (Fig. 40). Die Grenzwand im Proto- merit ist im Leben kaum zu erkennen; bei der Conservirung da- gegen wird sie dentlicher, indem sie sich mit Carmin ziemlich kräftig färbt. Ob sie demnach wirklich präformirt ist oder nur als Gerinnungsprodukt zu betrachten ist, lässt sich nicht beurtheilen. Die Scheidewand hingegen zwischen Kopf und Deutomerit ist stets gut sichtbar. In der Regel ist sie schwach gewölbt, und zwar meist nach hinten zu (Fig. 35, 39—43). Sie färbt sich wie die Cutieula stark mit Carmin, schliesst sich auch an diese dieht an und ist demnach wohl ihr zugehörig und von gleicher chemischer Zusammensetzung. Das Entosark ist erfüllt von runden, grösseren Körnehen und feinen punktartigen Granulis. Bei erwachsenen Exemplaren liegen die Körnchen dicht gedrängt und lassen oft in diesem Zu- stande eine bräunliche Farbe wahrnehmen. Diejenigen des hin- teren Kopftheiles und des Deutomerits gleichen sich völlig in ihrem Aussehen; auch in ehemischer Hinsicht dürften sie wohl identische Gebilde sein, und nur die Grundsubstanz beider Körperabschnitte weist Verschiedenheiten auf, so dass bei Anwendung von Reagen- zien z. Th. andere Bilder sich dem Auge darstellen. Bei Behandlung mit cone. Salzsäure quellen die Körnchen stark Ueber einige in Seethieren lebende Gregarinen. 569 auf und sehen dann fast wie Fettkügelchen aus, da sie ihre starke Liehtbrechbarkeit beibehalten. Gegen ihre Fettnatur spricht jedoch, dass sie sieh mit Aleanna nicht roth färben. — Schwache (1 °/,) Säure übt diese Wirkung nicht mehr aus, jedoch eone. Schwefelsäure, welche sich ganz wie HCl verhält (Fig. 43). In starker wie in schwacher Essigsäure bleiben die Körnchen ganz unverändert; ebenso sind sie unlöslieh in schwachem Ammoniak, und wie es scheint, auch in einer starken Solution desselben. Sicher unlöslich sind sie sowohl in ganz verdünnter sowie fünfprozentiger und stärkerer Ka- lilauge. — Durch Jod, gelöst in Jodkalium, werden sie gelbbraun gefärbt; von einem röthlichen, violetten oder blauen Farbenton ist also keine Spur vorhanden. Bei Zusatz von starker Schwefelsäure bleibt diese gelbbraune Färbung bestehen, bis schliesslich ein Auf- quellen und Verblassen der Körner eintritt. Werden die Gregarinen schliesslich zum Zweck der Conservirung mit Sublimat, Alkohol und Chloroform behandelt, so verschwinden diese Körnchen, sei es dass sie wirklich gelöst werden oder -— dies ist wahrscheinlicher — dass ihr Lichtbreehungsvermögen dem der umgebenden Flüssigkeit (Canadabalsam) gleich wird. Es bleibt im Deutomerit eine fast homogen aussehende oder äusserst fein gekörnte Masse übrig, welche sich mit Carmin nur schwach färben lässt (Fig. 38, 42). Im hinteren Abschnitt des Protomerits verschwinden die Körnchen zwar auch, aber es bleibt ein feines, sich stärker färbendes Maschen- werk übrig (Fig. 42), während der vordere Abschnitt dasselbe Aus- sehen wie das Deutomerit annimmt. Ausser jenen gröberen Körnchen enthalten diese Gregarinen noch in jedem Körpertheil feine punktartige Granulationen, welche sich von jenen auch chemisch unterscheiden. Bei oben genanntem Conservirungsverfahren bleiben sie erhalten und nach dem Einlegen in Canadabalsam noch sichtbar. Schliesslich besitzt diese Gregarine einen nicht unbedeutenden Gehalt an Fett, welches wahrscheinlich im Plasma fein vertheilt ist. Besonders reich daran ist der hintere Theil des Protomerits, wäh- rend der vordere Theil frei davon ist. — Behandelt man nämlich die Thbierehen unter dem Mikroskop mit verdünnter Essigsäure, so bleiben die Körnchen, wie oben schon besprochen, unverändert. Es treten aber, namentlich am Rande, zahlreiche grössere Kügel- chen auf, welche stark brechend sind und sich mit Ueberosmium- 570 Johannes Frenzel: säure bräunen, indem sie dabei schrumpfen!). Wenn die Kügel- chen hierbei noch wenig gebräunt sind, so lösen sie sich in Chloro- form; nach starker Schwärzung jedoch scheinen sie darin unlöslich zu werden?). Durch die Essigsäure wird eine mässig starke Quel- lung des ganzen Thieres hervorgerufen, wobei die Fettkugeln jedoch nicht zusammenfliessen. — Nimmt man nun anstatt der verdünnten Essigsäure eine concentrirtere, so pflegt das Auftreten von Fett- kugeln nicht ohne weiteres stattzufinden, sondern erst, wenn man schwachen Alkohol oder Sublimat oder Jodjodkalium ete. hinzufügt. Man erreicht dasselbe jedoch schon ohne Essigsäure mit Sublimat, wobei ein nachträglicher Zusatz von (cone.) Ammoniak ein Ver- schwinden der Inhaltskörnehen und ein Entweichen der Fettkugeln aus dem Deutomerit veranlasst. Nur diejenigen im Protomerit bleiben eingeschlossen, vielleicht weil die festere netzartige Grund- substanz sie am Austritt verhindert (Fig. 41). Auch bei Anwen- dung von cone. Salzsäure oder von Oxalsäure bilden sich grosse Fett- tropfen, welche sich am Rande zusammenfliessend anhäufen, wobei sich das Plasma nach innen zurückzieht und nur noch mittelst einiger Fäden mit der Aussenschicht in Zusammenhang bleibt (ähnlich wie in Fig. 13 bei der Callyntrochlamys). Aehnliches tritt bei Behand- lung mit verdünnter Schwefelsäure ein (40 Tropfen in 100 gr Aqua), während mit conecentrirter Säure eine Lösung des Plasmas ete. vor sich geht, so dass sämmtliche Fetttröpfehen sich zu einem grossen Tropfen vereinigen, welcher sich mit Alcanna-Alkohol in- . tensiv roth färbt. — Letztere Farbstofflösung allein für sich an- gewendet, bewirkt oft keine Fetttropfenbildung, hinterlässt jedoch auch nach dem Auswaschen mit salzsaurem Alkohol (HCl 1°/,) eine schwache, gleichmässig röthliche Färbung des Plasmas, worauf man schliessen kann, dass das Fett etwa in Form einer Emulsion darin vertheilt ist. Meist läuft jedoch ebenfalls bei diesem Zusatz des salzsauren Alkohols das Fett in Tröpfehen zusammen. Erwähnt möge noch werden, dass bei Behandlung der Gre- garine mit Ammoniak jeden Grades, mit Kalilauge, ferner mit cone. Salz- und cone. Schwefelsäure eine mehr oder weniger starke Quel- lung des Plasmas stattfindet. 1) P. Mayer. Die Caprelliden des Golfs von Neapel ete. Leipzig 1882, und Joh. Frenzel, Mitteldarmdrüse der Crustaceen 1. c. p. 63 etc. 2) Ebenda P. Mayer p. 152; Joh. Frenzel p. 89. Ueber einige in Seethieren lebende Gregarinen. 571 Der Kern liegt ungefähr in der Mitte des Deutomerits; er ist kugelig, auch mehr oder weniger ellipsoidisch. Da er von dem körnigen Leibesinhalt sehr verdeckt wird, so ist er nicht immer deutlich zu erkennen. Ein rundliches Kernkörperchen ist oft in ihm enthalten. Im Leben erscheint er strukturlos; nach dem Conserviren jedoch sieht man in ihm ein schönes Netzwerk, be- sonders bei grossen Individuen, welches aus zahlreichen, sich stark tingirenden Granulis besteht, die durch feine Stränge mit ein- ander und mit dem Nucleolus verbunden sind (Fig. 38). Bei jünge- ren Individuen ist das Netzwerk weniger markirt, wofür sich je- doch mehr Kernkörperchen erkennen lassen, welche oft eine sehr regelmässige, im Schnitte z. B. kranzförmige Lagerung einnehmen (Fig. 44b). Der übrige Theil des Kernes ist beim conservirten Thiere feinkörnig und färbt sich kräftiger als das Zellplasma. — Zu be- merken ist noch, dass der Kern von einem schmalen Kernhof umgeben ist, welcher im Leben nicht bemerkbar in den Schnitten von conservirten Gregarinen deutlich hervortritt. Eine besondere Struktur ist an diesem Hofe nicht zu sehen, jedoch ist er stärker färbbar als das übrige Plasma (Fig. 38). Zuweilen scheint er übrigens zu fehlen, auch abgesehen von jungen Individuen, wo er nie vorhanden ist. Die Bewegung dieser Gregarine findet durch langsames Vorwärtsgleiten statt. Bei conjugirten Paaren ist das erste von beiden an seinem Deutomerit oft wulst- oder ringförmig einge- schnürt, während das hintere sich ganz normal verhält, also an der Ortsbewegung aktiv nicht Theil zu nehmen scheint. — Be- sonders beweglich ist das Protomerit des vorderen Individuums, indem es hin- und hergebogen, ausgestreckt und wieder etwas eingezogen werden kann. — Eine Formveränderung des Kerns und der Nucleoli war nicht zu bemerken. Im Zustande der Conjugation trifft man meist zwei gleichgrosse Individuen aneinandergeheftet. Der Kopftheil des hinteren ist dabei am Vorderende stark verkürzt und plattgedrückt, ohne dass eine Einstülpung in das vorangehende Individuum oder ein Abwerfen des vorderen Abschnitts des Protomerits stattfindet. Dieser Ab- schnitt ist daher nicht als gesondertes Epimerit anzusehen, wie er ja überhaupt von dem hinteren Abschnitte des Protomerits weder äusserlich noch innerlich scharf geschieden ist. — Auch er Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 24. 37 672 Johannes Frenzel: drei Exemplare sind zuweilen miteinander conjugirt; dann sind jedoch die beiden hinteren an das Hinterende des vorderen ange- heftet und bedeutend kleiner als dieses, Wahrscheinlich geht eins von diesen beiden kleineren Individuen im Laufe der Ent- wieklung verloren, so dass nur noch das andere hängen bleibt, welches allmählich die volle Grösse erreicht. Wie die Eneystirung und die weitere Fortentwicklung vor sich geht, konnte auch von dieser Gregarine nicht festgestellt werden. Es waren jedenfalls zu verschiedenen Jahreszeiten im Darm des Wirththieres, der Salpa africana, niemals Kapseln, Sporen oder sichelförmige Keime aufzufinden. Wahrscheinlich spielen sich demnach alle weiteren Vorgänge ausserhalb des Salpendarmes ab. — Junge Individuen dieser Gregarine waren jedoch häufig anzutreffen. Dieselben zeichneten sich besonders dadurch aus, dass das Protomerit von erstaunlicher Länge war, und fast die des Deutomerits erreichte (Fig. 45). Fett konnte in diesen Formen noch nicht nachgewiesen werden. In ihrem Wirththier (Salpa africana) pflegt diese Gregarine in grosser Anzahl vergesellschaftet zu leben. Schon beim Oeffnen des Darmes erkennt man sie an ihrer Grösse und schneeweissen Farbe. Besonders reichlich waren die Gregarinen in den Herbst- monaten anzutreffen. Schliesslich sei noch hervorgehoben, dass dies die erste Polyeystidee ist, von der mit Sicherheit feststeht, dass sie in einer Tunicate schmarotzt; denn die Stellung der von Ecker in der Phallusia mammillaris gefundenen Gregarine scheint nach Bütschli eine recht zweifelhafte zu sein!). 3. Gregarina Dromiae. nov. sp. Fig. 46—56. In ihrer äusseren Gestaltung schliesst sich diese Gregarine nahe an die Aggregata Protunidarum an (Fig. 46). Sie ist länglich eylindrisch, etwa 4 bis 5mal so lang als breit. Sehr grosse Exem- plare werden bis Imm lang und 0,25mm breit; die kleinsten In- dividuen, welche beobachtet werden konnten, maassen 0,17mm in der Länge. Das Protomerit (Fig. 46 bis 49) ist mehr oder weniger kugelig 1) Bronn, 1. c. p. 581 und Troschels Archiv f. Naturgeschichte 1860; 26. Jahrg. II. Bd. Leuckart, Bericht über die Leistungen etc. p. 263. — L. hat im Darmkanal von Salpen Gregarinen angetrotten. Ueber einige in Seethieren lebende Gregarinen. 573 und hat etwa denselben Durchmesser wie das Deutomerit. Der Quer- schnitt beider Körperabscebnitte ist kreisförmig. Die Cutieula ist sehr kräftig und erscheint doppelt eonturirt (Fig. 56). Sie überzieht den Körper in ziemlich gleichmässiger Stärke und nur am vordersten Theile des Protomerits ist sie be- deutend dünner. Hier bildet sie nämlich eine Art von Epimerit, indem diesem Körperabsehnitt eine halbkugelförmige Kappe knopf- artig aufsitzt, welche eingezogen (Fig. 48) und wieder ausgestreckt. werden kann (Fig. 47). Auch dureh quellenmachende Mittel z. B. Essigsäure kann sie hervorgestülpt werden. — Vielleicht dient diese Kappe, indem sie in eine Cuticeularfalte des vorangehenden Individuums eingesenkt wird, zur Befestigung an diesem (Fig. 46, 50). Wie bei den meisten anderen, so ist auch bei dieser Grega- rine eine feine Seulpturirung der Cuticula in Form einer Längs- streifung sichtbar (Fig. 56); auch das Protomerit mitsammt der Kappe trägt diese Längsstreifen, welche vorne und hinten in einen Punkt zusammenlaufend sich vereinigen. — Bei Behandlung mit Eisessig sowohl wie auch mit etwa 20 procentiger Essigsäure bleibt diese Cutieula selbst nach mehrstündiger Einwirkung un- gelöst. Das Zellplasma quillt hierbei stark auf, wobei sich die Outicula entsprechend dehnt, ohne zu platzen. Wird die Essigsäure nun durch Alkohol ersetzt, so tritt wieder Schrumpfung des Inhalts ein, wobei sich die Cutieula bestrebt, wieder ihre frühere Form und Ausdehnung anzunehmen. Sie besitzt demnach eine beträchtliche Rlastieität. Der Körperinhalt dieser Gregarine ist in ein Eeto- und Entosark äusserst scharf geschieden (Fig. 46 bis 49,56); das erstere ist ganz hell, völlig körnchenfrei und gegen das körnige Ento- plasma mit deutlichem Contur abgegrenzt. Am Fussende ist es stärker angehäuft und springt oft dellenartig in das Entoplasma ein (Fig. 56). Es kann vielleicht wegen des gänzlichen Mangels an Körnchen als Myophanschicht angesehen werden; doch besitzt es keine besonders entwickelten Sarcocytfibrillen. Bei Behandlung mit Essigsäure quillt übrigens das Entoplasma so stark, dass die Körner desselben auch in das Eetoplasma eindringen, wobei mög- licherweise eine Lösung des letzteren eintritt. Im Protomerit fehlt die Differenzirung zweier gesonderter Schichten; es ist vielmehr gleichmässig von grossen stark licht- brechenden Granulis erfüllt (Fig. 47, 48), während die ausstülpbare 074 Johannes Frenzel: Kappe frei von jedweder körniger Einlagerung erscheint (Fig. 47). Die grossen Protomeritkörnchen haben grösstentheils fettartige Be- schaffenheit; denn sie bräunen sich erstens sehr rasch mit Ueber- osmiumsäure (1°%/,), während die Granula des Deutomerits dies nicht thun. Ferner nehmen sie bei Behandlung mit einer alkoholischen Alcannalösung eine intensiv rothe Farbe an, welche beim Aus- waschen mit angesäuertem Alkohol nicht verschwindet. Schliesslich sind sie in Chloroform nach Entfernung der wässrigen Flüssigkeit mittelst Alkohol leicht löslich, auch wenn sie vorher sich schon mit Osmiumsäure gebräunt hatten‘). Ausser diesen Fettkügelchen scheinen andere granulöse Einschlüsse im Protomerit zu fehlen, so dass dieses also abgesehen vom flüssigen Plasma nur Fett enthält, ein bis jetzt einzig dastehendes Vorkommen bei den Gregarinen. Das Entoplasma des Deutomerits besteht aus sehr feinen Granulis, und da diese nicht eng gedrängt aneinanderliegen, sieht es bei durchfallendem Lichte hell und durchscheinend aus. Daher tritt der Kern auch besonders deutlich hervor. — Auch bei dieser Gregarine sind die Granula in Essigsäure unveränderlich, wäh- rend ihr Substrat, das Plasma, stark quillt. Bei der Alcannaprobe sieht man, dass hier nur wenig Fett im Gegensatz zum Protomerit vorhanden ist. In mehreren Fällen, sowohl bei dem grossen wie bei dem mit ihm conjugirten kleineren Individuum, zeigte sich insofern eine Abweichung, als das feinkörnige Entoplasma gleichmässig mit grossen, wenig stark lichtbrechenden Klümpehen durchsetzt war (Fig. 51). Der Kern liegt meist im hinteren Theile des Deutomerits. Er scheint in steter Gestaltsveränderung begriffen zu sein, denn seine Form ist bei den verschiedenen Individuen eine wechselnde (Fig. 52 bis 55). Auch passt er sich leicht den Bewegungen des Gregarinenkörpers selbst an. Sein Längendurchmesser ist ca. —=0,06mm. Er ist von einer homogen aussehenden Flüssigkeit ausgefüllt und enhält ferner eine verschieden grosse Anzahl von grossen Nucleolis. Einige davon können noch besondere Ein- schlüsse — Nucleolloli — in sich tragen (Fig. 55), welche ein ganz besonders starkes Lichtbrechungsvermögen besitzen. Bei den Bewegungen, welche diese Gregarine ausführt, ist 1) S. p. 570 Anm. Ueber einige in Seethieren lebende Gregarinen. 575 das Entoplasma selbst in lebhaften Strömungen begriffen, an wel- chen sich, wie schon oben erwähnt, auch der Kern betheiligt. Meist begegnet man der Gregarina Dromiae im conjugirten Zustande (Fig. 46, 50), doch kommt sie auch als Einzelthier vor (Fig. 49). Niemals sah ich aber zwei gleich grosse Individuen mit einander vereinigt, sondern stets waren einem grossen ein oder zwei Junge angehängt. — Dieses Anhängen geschieht in der Weise, dass sich am Schwanzende des vorderen Individuums eine Haut- falte oder einfache Einbuchtung bildet (Fig. 50), in welche der kappenartige Kopfaufsatz des oder der andern beiden Exemplare hineinragt. Weiteres über die Fortpflanzung konnte ich nicht ermitteln; doch sei noch bemerkt, dass sich häufig ganz junge Individuen, welche etwa 0,17mm messen, mit völlig ausgewachsenen in dem- selben Wirththier zu derselben Zeit vergesellschaftet finden. Diese Gregarine lebt in mässiger Anzahl im vorderen Ab- schnitte des Enddarms und im Mitteldarm von Dromia vulgaris, gefangen im Golf von Neapel. Im Frühjahr schienen die Schma- rotzer am häufigsten zu sein, und auch Mitte Juni waren sie noch vorhanden. Ausgangs dieses Monats verschwanden sie jedoch völlig und fehlten während des Juli, August und September, obgleich in dieser Zeit stets Dromien wie sonst an denselben Orten aufzufinden waren. Dann erschienen die Gregarinen wieder Anfangs October und waren den ganzen Herbst hindurch nachzuweisen. Auffallend war, dass die ersten Gregarinenexemplare, welche nebenbei gesagt am 5. October 1883 in einer sehr jungen weiblichen Dromia angetroffen wurden, schon völlig ausgewachsen waren. — Diese Gregarinen verschwinden also gerade so während des heissen Sommers, wie die Callyntrochlamys Phronimae und die Aggregata Portunidarum, ohne dass sich irgendwie angeben lässt, was in dieser Zeit aus ihnen wird. 4. Gregarina Clausii. nov. sp. Fig. 57 bis 60. Diese Gregarine ist schon von Claus!) im Darm der Phro- nima gesehen und kurz beschrieben worden. Ich fand in Ptero- tracheen eine ganz ähnliche Form, welche mit jener in jeder 1) C. Claus, Der Organismus der Phronimiden. Wien 1879. 576 Johannes Frenzel: Beziehung so übereinstimmt, dass ich glaube, sie beide für identisch halten zu können. Nach ihrem Entdecker nenne ich sie Gregarina Clausii und füge noch Einiges seinen kurzen Worten zu. Die Gestalt der Gregarine ist ei- oder tönnchenförmig, indem sich das Protomerit äusserlich wenig vom Deutomerit abgrenzt. Jener Körperabschnitt ist vorne kugelig abgerundet, dieser hinten etwas zugespitzt. — Die Länge beträgt etwa 0,07 bis höchstens 0,lmm. — Die Cutieula ist kräftig, und von gleichmässiger Dicke; eine Seulpturirung derselben ist im allgemeinen nicht wahrnehmbar. Nur bei encystirten Formen zeigt der Kopf eine grobe Längsstrei- fung, welche wahrscheinlich jedoch nur eine Faltungserscheinung ist (Fig. 58). Im Plasma des Deutomerits ist ein Ento- und ein Eetosark vorhanden. Letzteres, die Rindenschicht, ist fast frei von Körnern und daher sehr hell (Fig. 57, 58, 59). Ersteres enthält zahlreiche äusserst feine Körnchen und darin zerstreut wenige grössere Gra- nula. ' Die Oberfläche des Entoplasmas ist eigenthümlich kannel- lirt oder wulstig; was man am besten am optischen Querschnitt erkennt, d.h. wenn die Gregarine auf dem Schwanzende oder dem Kopfe aufrecht stehend von oben gesehen wird. In dieser Lage des Thierchens erscheint das Entoplasma nach aussen hin von einer Wellenlinie begrenzt (Fig. 59). Das Protomerit besitzt nur einen gleichmässigen mehr ecto- plasmatichen Inhalt, welcher mit einigen grösseren stark lichtbre- chenden Granulis durchsetzt ist (Fig. 57). Der Kern ist kugelig und liegt bei freien Exemplaren unge- fähr in der Mitte des Körpers. Sein Inhalt erscheint durchaus hyalin, und selbst ein Nucleolus ist bei nicht eneystirten Gre- garinen nicht zu sehen. Die Gregarina Clausii lebt durchaus solitär, und auch die Eneystirung erfolgt immer einzeln. Zum Behufe derselben begiebt sich das Thierchen aus dem Lumen des Wirthdarmes, in dem es lebt, in dessen Wandung, so bei Phronima, oder es wandert, so bei Pterotrachea, ganz aus dem Bereich des Darmes aus und ist später z.B.in der Flosse eneystirt anzutreffen. Wenn Claus also angiebt, dass diese Gregarine am Magendarm lebt, so ist dies dahin zu präeisiren, dass sie innerhalb des Darmes lebt und sich in seiner Wandung oder auch ausserhalb derselben eneystirt. — Wie die Ausdrucksweise von Claus „am“ Magendarm zu ver- Ueber einige in Seethieren lebende Gregarinen. 577 stehen ist (nämlich: ob innen, ob aussen), weiss ich eben so wenig wie Bütschli!) zu deuten; Thatsache ist es aber, dass sie auch ausserhalb des Darmes in der Leibeshöhle wenigstens eines Wirth- thieres, der Pterotrachea, vorkommt und daher von allen anderen Polyeystideen eine bemerkenswerthe Ausnahme macht. Man begegnet verhältnissmässig selten freilebenden Individuen, sondern meist solehen, welche schon eine Kapsel gebildet haben (Fig. 58). Die Kapsel ist hyalin, sehr stark lichtbrechend und sehr dick. Um diese Kapsel bildet sich, wahrscheinlich als patho- logische Gewebswucherung in Folge des Reizes, den die Gregarine auf das sie umgebende Gewebe ausübt, eine Hülle von grosser Dicke, welche unregelmässig eingestreute Granula, vielleicht Zell- reste, einschliesst. Mir scheint dies keine „Gallerthülle“ zu sein, wie sie in gleichem Falle bei anderen Polyeystideen beschrieben wird ?2), denn sie besitzt eine nicht unbedeutende Consistenz und erinnert in ihrem Gesammthabitus mehr an degenerirtes Binde- gewebe. — Diese äussere Hülle bildet sich erst, wenn die Cyste schon fertig ist, so dass man oft Exemplaren begegnet, welche nur die letztere besitzen. Bei der Eneystirung verkürzt sich meist der Längendurch- messer der Gregarine etwas, so dass sich die Form derselben mehr einer Kugel nähert. Das Protomerit zeigt dann oft die oben er- wähnte Längsstreifung, und häufig schnürt sich vorne noch ein kappenförmiger Ansatz ab. Ferner bildet sich fast stets am Ende des Deutomerits eine trichterförmige Einbuchtung der Cuticula (Fig. 58), wobei dieselbe vielleicht durchlöchert wird. — Während dieser Vorgänge scheint der Körnerinhalt allmählich zu schwinden, ‚und zugleich rückt der Kern ganz zum Protomerit hin, um sich an die beide Körperabschnitte trennende Scheidewand fest anzu- legen, wobei er sich in der Regel abplattet. Er besitzt jetzt oft, aber nicht immer, einen oder zwei Nucleoli. Was aus diesen eingekapselten Gregarinen entsteht, ist mir nicht bekannt. Vielleicht bleiben sie so lange in ihren Cysten, bis das Wirththier von einem anderen Thiere gefressen wird oder bis es überhaupt stirbt, um dann auszuwandern. Ich sah allerdings unter dem Mikroskop öfters ein Auskriechen einer Gregarine aus 1) Bronn, l. c. p. 586. 2) Bronn, 1. c. p. 536. 578 Johannes Frenzel: der Kapsel (Fig. 60) beim Präpariren des Darms, doch schien dieses Ausschlüpfen nur durch eine äussere Verletzung der Cystenhaut oder durch Druck und dergl. veranlasst worden zu sein. 5. Gregarina Nicaeae nov. sp. (Fig. 61 und 62). In ihrer äusseren Form erinnert diese Gregarine sehr an die oben besprochene Gregarina Clausii; nur ist sie im Stande, will- kürlich erscheinende Gestaltsveränderungen vorzunehmen (Fig. 61), wodurch sie oft ein anderes Aussehen erhält. — Die Länge des ausgewachsenen Thierchens beträgt etwa 0,06 mm. Die Cutieula ist doppelt konturirt, ohne wahrnehmbare Seulptur. Der Deutomeritinhalt ist hell, durchsichtig und fein gra- nulirt, ohne dass eine Unterscheidung von Eeto- und Entosark vor- genommen werden kann. Das Protomerit ist noch heller. Der grosse Kern ist kugelig und hat einen Durchmesser von etwa 0,015 mm. Auch er lässt keine Structur erkennen, und Nucleoli sind ebensowenig nachweisbar. Diese Gregarine findet sich in grösserer Menge im Darm von Nicaea Nilsonii des Golfs von Neapel, theils solitär, theils zu zweien hintereinander conjugirt. Sie führt lebhafte Bewegungen aus (Fig. 61) unter Kniekungen und Biegungen des Körpers, wobei der Kern mitwandert. Bei der Conjugation heftet sich das zweite Exemplar an das Hinterende des ersten, so dass sein Protomerit dabei flach angedrückt wird. 6. Gregarina Caprellae nov. sp. (Fig. 63 und 64). Gefunden wurde diese Gregarine im Darm von Caprella spee., Golf von Neapel. Sie hat eine lange walzenförmige Form und ein sehr kleines Protomerit, welch’ letzteres meist am oberen Ende einen kragenartigen Cuticularsaum erkennen lässt (Fig. 64). Die Länge eines grossen Individuums kann bis 0,lmm erreichen. Der Körncheninhalt ist hell und besteht aus feiner Gra- nulirung. Die Gregarine lebt als Einzelthier oder zu mehreren conjugirt. Man trifft sowohl 2 Individuen in einer Reihe aneinander geheftet, oder ein grosses, dem 2 kleine angefügt sind. Ueber einige in Seethieren lebende Gregarinen. 679 7. Gregarina conformis Dies. (Fig. 65 und 66). Zum Schluss sei noch der Gregarina conformis gedacht, der ersten Gregarina, welche überhaupt gesehen und beschrieben wor- den ist. Sie wurde von Cavolini!) in den seitlichen Anhangs- schläuchen des Magens von Cancer depressus, jetzt Pachygrapsus marmoratus, gefunden. Ihre Form ist walzenförmig, das Deutomerit vorn meist an- geschwollen, das Protomerit klein. Die Länge des Thierchens ist etwa 0,4—0,5 mm, so dass es also noch mit freiem Auge sicht- bar ist. Die Cutieula ist kräftig; eine Seulpturirung ist nicht zu er- kennen. Vorn am Kopf zeigt sich oft eine tiefe halbkugelige Ein- buchtung (Fig. 66), welche vielleicht zum Festhaften dient. Die Cutieula selbst ist unlöslich in Essigsäure. Das Protomerit ist hell, enthält zahlreiche äusserst feine Körnchen, sowie eine Anzahl grösserer Körner oder Klumpen (Fig. 66). Das Deutomerit enthält ein Ecto- und ein Entosark, welche beiden Schichten jedoch ohne scharfe Grenze in einander übergehen. Ein fibrilläres Sarcocyt ist nicht vorhanden. Das Eetoplasma ist hell feinkörnig, das Entoplasma dagegen dichtkörnig. Die Körnchen sind unlöslich in Kalilauge und Essigsäure. Ferner enthält diese Gregarine wechselnde Mengen von Fettkügelchen, welche sich durch Alcannafärbung nachweisen lassen. Sie liegen meist im Endtheil des Körpers. Der kugelige Kern ist sehr verdeckt; doch hat ihn Cavo- lini schon gesehen, wenngleich dem damaligen Stande der Wissen- schaft entsprechend nicht richtig erkannt. Er enthält meist einen oder mehrere das Licht stark brechende Nucleoli. Diese Gregarine ist fast immer zu zweien conjugirt anzu- treffen, wie schon Cavolini angiebt. Das vordere Individuum sitzt mit seinem etwas zugespitzten Ende im Protomerit des hinteren eingesenkt. — Weiteres über die Fortpflanzung konnte ich leider nicht beobachten. 1) Cavolini. Memoria sulla generazione dei Pesci e dei Granchi. Napoli 1787. 580 Johannes Frenzel: Obgleich die im Vorhergehenden besprochenen Gregarinen zum Theil nur ganz oberflächlich, zum Theil nur in einigen Puak- ten genauer erforscht worden sind, so lassen sich doch schon aus der geringen Zahl der angestellten Beobachtungen einige allge- meinere Schlüsse ziehen, welche nicht nur für die hier in Frage stehenden Spezien, sondern überhaupt für die ganze Gruppe der Gregarinen von Belang sind. 1) Die äussere Gestaltung ist zwar bei den meisten Gre- garinen eine sehr einfache; doch treten sowohl bei Polyeystideen wie auch bei Monocystideen mannichfaltige Complikationen auf, welche bei ersteren meist darin bestehen, dass das Protomerit noch mit einem besonderen, mit Häckehen u. dergl. ausgestatteten An- hang, dem Epimerit, versehen ist. — Aus obigen Beschreibungen seht nun hervor, dass keine einzige der hier behandelten Seegre- garinen ein solches Epimerit besitzt. Eine Andeutung eines vom Protomerit gesonderten Körperabschnitts fand sich höchstens bei der Gregarina Salpae und G. Dromiae; doch können diese Ab- schnitte schon deswegen nicht als echte Epimeritbildungen betrachtet werden, weil sie bei der Conjugation nicht abgeworfen werden (Fig. 39 und 46). — Im Uebrigen zeigten sämmtliche Gregarinen die denk- bar einfachste Gestaltung, was namentlich hervortritt, wenn man sie mit den so vielgestalteten Species aus Süsswasser- und Landthieren vergleicht. — Man kann daher behaupten, dass sich die in See- thieren schmarotzenden Gregarinen im Allgemeinen vor anderen durch die Einfachheit ihrer Form auszeichnen. Eine Ausnahme von dieser Regel macht allerdings Conorhynehus Eehiuri, von Greeff im Darm des Echiurus Pallacii gefunden. 2) Die Cutieula unserer Gregarinen steht in soforn in Ueber- einstimmung mit der Norm, als sie sich überall glashell, stark licht- breehend und ungefärbt zeigte. Auch liess sie meist die gewöhn- liche Seulpturirung erkennen, welche nur bei der Gregarina Salpae dadurch etwas besonders Bemerkenswerthes aufwies, als die Cuti- cula hier mit auffallend entwickelten Leisten besetzt ist. — Dagegen ist ihr Verhalten gegen gewisse chemische Reagenzien ein durch- aus abweichendes und steht in geradem Widerspruch zu den Be- hauptungen anderer Autoren. So fand, wie auch Bütschli!) kurz 1) Bronn, 1. c. p. 508. Ueber einige in Seethieren lebende Gregarinen. 581 anführt, Kölliker!), dass bei der Gregarina Heerii die Leibeshülle „ganz bestimmt“, jedoch nieht bei allen Exemplaren von Essigsäure gelöst wird, während ihm bei der Gregarina Enchy- traei das Gegentheil, die Unlöslichkeit, wahrscheinlicher dünkt (p. 171. e.). Sehliesslich (l. e. p. 18) behauptet er doch, dass im Allgemeinen die Membran der Gregarinen in Essigsäure löslich sei. — Hieran schliessen sich die Beobachtungen Schneiders?) (Gre- garines des Invert@bres), weleher sich wie folgt äussert: „l’&pieyte ... est rapidement soluble, par exemple, dans l’acide acetique et dans l’ammoniaque (p. 503 1. e.) Schon oben wurde an den entsprechenden Stellen das Ver- halten der Cutieula gegen die Einwirkung der Essigsäure hervor- gehoben. Um jeden Irrthum auszuschliessen, benutzte ich Essigsäure von verschiedener Concentration, so Eisessig, ferner 20-, 6-, Iprocentige und noch schwächere Essigsäure; die Ver- suche machte ieh bei Callyntrochlamys Phronimae, Gre- sarina Portuni, G. Cionae, G. Bonelliae, Aggregata Portunidarum, G. Salpae, G. Dromiae und G. conformis Dies. — Ueberall war es evident, dass selbst bei längerer Ein- wirkung der Säure keine Lösung und keine sonstwie sichtbare Veränderung der Cutieula eintrat. Da nun noch die Möglichkeit vorhanden war, dass sich unsere Gregarinen in dieser Beziehung von anderen abweichend verhielten, so wurden zum Vergleich noch die Clepsidrina Blattarum und C. polymorpha, letztere aus dem Darm des Mehlwurms, herangezogen, in beiden Fällen jedoch mit demselben Erfolg wie bei jenen Gregarinen. — Die Angaben Köllikers und Schneiders müssen demnach wohl auf einem Irrthum beruhen, welcher sich zum Theil wahrscheinlich so erklärt, dass durch das Hinzufügen von Essigsäure die Lichtbrechungsver- hältnisse des Präparats derartig geändert wurden, dass die an und für sich schon wegen ihrer Durchsichtigkeit wenig scharf hervor- tretende Cuticula noch undeutlicher wurde. 3) Auch in Betreff der Körnehen, welche den Gregarinen- leib erfüllen, erhielten wir von anderen Beobachtungen so ab- weichende Resultate, dass hier noch einmal näher darauf einge- 1) A. Kölliker, Beiträge zur Kenntniss niederer Thiere. Zeitschr. f. wissenschaftl. Zoolog. 1849. p. Lff. 2) Archives de Zoologie Experimentale tome IV. 1875. p. 493 ff. 582 Johannes Frenzel: gangen werden muss. — Von Henle!) für Kalkkörperchen, von Anderen für Fettkügelehen!) gehalten, wurden sie schliesslich von Bütschli?) für eine dem Amyloid zunächst verwandte Substanz erklärt, weil sie durch Jodtinktur „braunroth und braunviolett“ (Leidy!) und durch Jod mit Schwefelsäure „weinroth bis veilchen- blau“ (Kloss!) gefärbt werden sollen. Ferner wird angegeben, dass sie unlöslich seien in eone. Essigsäure, in schwachen Mineral- säuren, in Alcohol und Aether; „dagegen werden sie von verdünn- tem Kali und concentrirten Mineralsäuren rasch gelöst“3). Wenn nun Bütschli aus diesem Verhalten der Körnchen den Schluss zog, dass sie verwandt seien mit der amyloiden Substanz, welche sich in Organen und Conerementen bei Wirbelthieren als pathologische Erzeugnisse finden, so lässt sich hiergegen dreierlei einwenden, Es ist erstens nieht reeht einzusehen, welche Rolle das Amyloid im Organismus der Gregarinen spielen soll. Im Thierkörper, wo sich dasselbe sonst befindet, ist es gewissermassen unbrauchbar gewordenes Material, welches etwa wie der oxalsaure Kalk bei den Pflanzen in fester Form aufgesammelt wird; und es ist doch nach allen Befunden höchst wahrscheinlich, dass es beim Stoffwechsel selbst nicht mehr in Thätigkeit tritt. Nun machen aber die hier in Frage stehenden Körnchen einen ganz bedeutenden Bestandtheil des Gregarinenleibes aus, woraus man schon mit grossem Rechte schliessen kann, dass sie bei dem Stoffwechsel der Gregarinen von grosser Bedeutung seien, was sich auch schon darin äussert, dass sie wie bei der Aggregata Portunidarum zur Bildung der sichel- förmigen Keime völlig aufgebraucht werden; und wenn Bütschli anführt, dass dies bei der Entstehung der Sporen nicht immer der Fall sei, sondern dass ein Theil der Körnehen hierbei unverwendet zurückbleibe, so dürfen dieselben immer noch nieht als unbrauch- bares, sondern nur als unverbrauchtes Material angesprochen werden. Zweitens erscheint es mir nach meinen Beobachtungen sehr zweifelhaft, dass die von Bütsehli und anderen Autoren an- gegebenen Reaktionen auch dem thatsächlichen Verhalten der Kör- ner entsprechen. So erhielt ich mit Jod immer eine gelb- bis dunkel- braune Färbung derselben, z. B. bei Callyntrochlamys Phronimae, 1), Broan, lIeap3dlT: 2) Bütschli, Arch. f. Anatomie und Physiologie 1871. p. 362. 3) Bronn, l."e. p. 5. Ueber einige in Seethieren lebende Gregarinen. 688 Gregarina Salpae, Clepsidrina Blattarum und C. polymorpha (dunkel- braun). Bei Behandlung mit Jod plusSchwefelsäure blieb diese Färbung fast unverändert bei allen daraufhin untersuchten Exemplaren; schliesslich, um jedem Irrthum vorzubeugen, wurden diese Versuche mehrmals wiederholt und in verschiedener Weise angestellt. So benutzte ich einmal Jodtinktur in verschiedener Concentration, ein andermal eine Jod-jodkaliumlösung; auch die Schwefelsäure wurde in ganz wasserfreiem Zustande sowie in verschiedenen Mischungen mit Wasser benutzt.. Zum Theil verfuhr ich bei diesen Proben so, dass ich die Gregarinen erst mit Jod behandelte, dieses ein wenig auswusch und dann unter dem Deckglas die Säure hinzutreten liess. Etwas Cellulose, welche ich zur Controlle in demselben Präparat beobachtete, wurde blau; die Procedur war also eine richtige. Ich bemerkte aber, wenn ieh starke Jodlösung und starke Schwefel- säure verwendete, dass durch die Säure das Jod aus seinen Lösungen ausgeschieden und nun in Form ganz kleiner Kry- stalle theils im Gregarinenleibe, theils ausserhalb desselben nieder- geschlagen wurde. — Mir scheint demnach, dass durch diesen Vorgang bei früheren Beobachtern eine Täuschung hervorgerufen wurde, da diese Kryställchen ungefähr ebenso gross wie die Grega- rinenkörner aussehen, ferner je nach ihrer Grösse eine intensiv veilchen- oder röthlichblaue Farbe zeigen. Wahrscheinlich wurden also die Jodkrystalle mit diesen Körnern verwechselt und letztere mit den Eigenschaften der ersteren belegt. Auch unter Anwendung von Alcalien erhielt ich bei den Seegregarinen abweichende Resultate. So sind bei diesen die Körner in ganz schwacher bis 5Sprocentiger Kalilauge unlöslich z. B. bei Callyntrochlamys, Gregarina Protuni [1!/, bis 5%], G. Salpae und G. conformis. Bei den letzteren beiden werden sie auch von starkem und schwachem Ammoniak nicht gelöst. Auch bei C. poly- morpha wurden die Granula durchaus nicht von Kalilauge angegriffen. Dagegen zeigte sich, dass Bütschli für Clepsidrina Blattarum Recht behält, denn hier lösen sich dieselben mit grösster Leich- tigkeit auf; woraus man ersieht, dass sie sich nicht überall in gleicher Weise verhalten und demnach wahrscheinlich auch nicht denselben chemischen Bau besitzen, wenngleich sie auch eine gewisse Uebereinstimmung überall zeigen, so betreffs ihrer Un- löslichkeit in Essigsäure, in Wasser, Alcohol u. s. w. Auch in 10pro- centiger Kochsalzsolution dürften die Körner überall löslich sein, 584 Johannes Frenzel: obschon die Lösung sehr langsam eintritt. Bei Stylorhynchus und Clepsidrina verlieren sie bei Zusatz des Salzes sofort ihr starkes Lichtbrechungsvermögen, ohne dabei zu quellen oder zu schrumpfen. Bei scharfer Einstellung kann man ihre Umrisse gerade noch er- kennen. Wäscht man nun sofort mit Wasser wieder aus, so er- scheinen sie wieder in ihrer alten Beschaffenheit. Nur sind die Körner vielleicht dabei etwas trübe oder granulös geworden. Lässt man dagegen die Gregarinen in der Salzlösung längere Zeit liegen, etwa 18 Stunden, so verschwinden die Körner völlig. Sie sind dann bei nachträglichem Auswaschen mit Wasser nicht mehr zu sehen und nur einige starkbrechende Granula bleiben bestehen (Fig. 69), welche sich wegen ihrer Löslichkeit in starkem Alcohol oder Aether als Fettkügelchen erweisen. Als dritter Grund, dass die Inhaltkörner der Gregarinen kein Amyloid seien, ist noch anzuführen, dass sie sich gegen Anilin- farbstoffel) abweichend von diesem verhalten. Amyloid muss nämlich sich mit Methylviolett rosenroth und mit Safranin orange färben. Behandelte ich jedoch in mehreren Versuchen Gregarinen aus dem Mehlwurm theils mit concentrirten theils mit schwächeren Lösungen dieser Farbstoffe, so fand ich, dass sich diese Thierchen über- haupt, besonders aber die Granula sehr schwer färbten, dann nahmen sie bei Methylviolett eine rein blaue und nicht die verlangte rothe Färbung an. Es geht aus allen diesen Beobachtungen demnach nur hervor, dass die Inhaltskörner aus einer eiweissartigen Substanz bestehen (Löslichkeit in NaCl 10°/,, Bräunung durch Jod), dass sie jedoch mit dem thierischen Amyloid nichts gemein haben. 4. Die Fortpflanzung der Gregarinen hat immer ein be- sonderes Interesse in Anspruch genommen; um so mehr bedauere ich es daher, dass ich über diesen Punkt so wenig ermittelt habe. In der Mehrzahl der Fälle konnte eine Eneystirung und Weiter- entwicklung im Wirththier gar nicht beobachtet werden; bei nur zwei Gregarinen (G. Clausii aus dem Darm von Phronima und aus Pterotrachea, und G. Cionae aus dem Darm von Ciona) war es möglich die Cyste aufzufinden, und auch nur bei einer einzigen anderen gelang es, den grössten Theil der Entwicklung zu ver- folgen (bei Aggregata Portunidarum), von der Eneystirung bis 1) Vergl. u. a. Friedländer, Mikroskopische Technik p. 48. Ueber einige in Seethieren lebende Gregarinen. 585 zur Bildung der sichelförmigen Keime mit Auslassung des Sporen- stadiums. Die Entwieklung aller andern oben besprochenen Gre- garinen musste unerforseht bleiben, hauptsächlich desshalb, weil der Ort, an welchem dieselbe stattfindet nicht festzustellen war; und nur eins lässt sich mit Wahrscheinlichkeit behaupten, dass sie nieht in dem Wirthe des reifen Thieres vor sich geht. 5. Die meisten Gregarinen sind schmarotzend im Darm- kanale anderer Thiere gefunden worden, die Polycystideen fast nur im Darm von Arthropoden, wo die Monocystideen hingegen sehr selten sind!). Diesen letzteren reihen sich daher die Callyn- trochlamys Phronimae und Gregarina Portuni, beide im Darm von Crustaceen in bemerkenswerther Weise an. — Von den hier auf- gezählten Polyeystideen macht nur die Gregarina Salpae eine Aus- nahme von deren Beschränktsein auf Artbropoden, indem sie im Darme einer Tunicate lebt. Vorliegende Untersuchung wurde in der Zoologischen Station zu Neapel im Frühjahr 1883 begonnen und im Herbste desselben Jahres weiter geführt. Zuerst war dem Verf. von Seiten des preus- sischen Ministeriums der geistlichen, Unterrichts- und Medieinalan- gelegenheiten, und später von Seiten der Königl. Akademie der Wissenschaften zu Berlin ein Arbeitsplatz in der Station zur Be- nutzung überwiesen worden. Verf. gestattet sich, an dieser Stelle öffentlich seinen Dank für die ihm gewährte Begünstigung auszu- sprechen. Berlin, October 1884. Erklärung der Abbildungen auf Taf. XXV u. XXVI. Fig. 1 bis 16. Callyntrochlamys Phronimae. Fig. 1. Zwei ausgewachsene Gregarinen conjugirt; Fig. 2. Eine ausgewachsene mit drei jungen conjugirt. 3. Kette von sechs Gregarinen. 1) Bronnyl./cp 38% 586 Johannes Frenzel: Fig. 4. Einstülpung bei der Conjugation, stärker vergrössert. Fig. 5. Hinterende mit klumpigem Inhalte. Fig. 6. Conjugation zweier junger Individuen, mit wenig Körnern gefüllt. Das eingestülpte Hinterende des vorderen ist durchbohrt. Fig. 7. Zwei freie Jugendformen conjugirt. Fig. 8. Streifung der Cuticula. Fig. 9a. Härchensaum auf der Cutieula. Fig. 9b. Blasigwerden des Härchensaums bei Behandlung mit Essigsäure. Fig. 10. Der Härchensaum von oben gesehen. Fig. 11. Freischwimmendes Exemplar. Der Härchensaum fehlt an dem einen Ende. Fig. 12. Zwei Gregarinen mit vacuolenartigen Hohlräumen. Der eine Kern ist übergewandert. Fig. 13. Ansammlung von Fettkugeln bei Behandlung mit alkoholischer Al- cannalösung. Die Kernsphäre wird sichtbar. Fig. 14. Quellung durch Essigsäure bewirkt. Fig. 15. In Sublimat gehärteter Magendarm von Phronima; in Paraffın geschnitten und mit saurem Carmin gefärbt. Cuticula sowie Kern- sphäre sind intensiv gefärbt; ebenso die Membran der Nucleoli. Fig. 16. Der Kern von demselben Präparat, stärker vergrössert. Fig. 17. Gregarina Portuni, conjugirt. Fig. 18—23. Gregarina Cionae. Fig. 18. Grosses Einzelthier. Fig. 19. Dasselbe nach Entfernung des körnigen Inhalts. Fig. 20. Conjugirung zweier Individuen kurz vor der Eneystirung. Fig. 21. Enceystirung in der Kapsel. Fig. 22. Frühes Jugendstadium. Fig. 23. Aelteres Jugendstadium. Fig. 24 und 25. Gregarina Bonelliae. Fig. 25. Das Vorderende stärker vergrössert. Fig. 26—34. Aggregata Portunidarum. Fig. 26. Kette von 4 Individuen. Fig. 27. Cuticularstreifung am Vordertheil. Fig. 28. Vordertheil, stark vergrössert. Das Protomerit mit grossen, zer- streutliegenden Granulis und einem Körnerhaufen. Das Deutomerit zeigt die Sarcocytfibrillen. Das helle Ectoplasma und das dichtkör- nige Entoplasma. Fig. 29. Hinterende und Vordertheil zweier Individuen. Das Protomerit des letzteren ist flach gedrückt. Fig. 30. Zusammenrollen von vier Individuen zur Eneystirung. Fig. 31. Die Einkapselung ist vollendet. Die Körner beginnen zu verschwin- den, und sichelförmige Keime treten an ihre Stelle. Fig. 32. Weiteres Auftreten dieser Keime. 3. Zwei zusammenhängende Sicheln, stärker vergrössert. Ueber einige in Seethieren lebende Gregarinen. 587 Fig. 34. Formveränderungen der sichelförmigen Keime. Fig. 35—45. Gregarina Salpae. Fig. 35. Einzelthier. Fig. 36. Cutieularstruktur (Rippung) am Vordertheil, stark vergrössert. Fig. 57. Schrumpfung der Cuticula. Fig. 58. Querschnitt durch eine in Sublimat gehärtete, in Paraffin geschnittene und mit Carmin gefärbte Gregarine; zeigt die zahnradartige Anord- nung der Rippen, die Kernstruktur, sowie die Kernsphäre. Fig. 39. Hinterende und Vordertheil bei der Conjugation. Fig. 40. Protomerit stark vergrössert. Fig. 41. Eben solches Protomerit bei Behandlung mit Sublimat; Auftreten von grossen Fettkugeln. Fig. 42. Längsschnitt durch ein in Sublimat gehärtetes und wie oben behan- deltes Exemplar. Feines Maschenwerk im Protomerit. Fig. 43. Quellung des körnigen Inhalts, hervorgerufen durch concent. Schwe- felsäure. Fig. 44. Kernstruktur nach Sublimathärtung. Fig. 45. Jugendform; das Protomerit ist lang gestreckt. Fig. 45-56. Gregarina Dromiae. Fig. 46. Conjugationszustand. Fig. 47. Vordertheil, stärker vergrössert, mit ausgestülpter Kappe. Proto- merit mit Fettkugeln. Fig. 48. Dasselbe, mit eingezogener Kappe. Fig. 49. Einzelthier. Fig. 50. Anheftung zweier Jugendstadien an ein grosses Individuum. Fig. 51. Klumpiger Inhalt des Hintertheils. Fig. 52—55. Gestaltsveränderungen des Kerns. Fig. 56. Hintertheil einer Gregarine, stark vergrössert; Cuticularstreifung und Differenzirung von Ecto- und Entoplasma. Fig. 57-60. Gregarina Clausii. Fig. 57. Freies Einzelthier. Fig. 55. Encystirung. Die Cyste liegt in einer Hülle; Der Kern liegt der Scheidewand des Protomerits dicht an. Fig. 59. Optischer Querschnitt; wulstige Oberfläche des Entoplasmas. Fig. 60. Austritt aus der Cyste. Fig. 61 und 62. Gregarina Nicaeae. Fig. 61. Einzelthier in Gestaltsveränderung begriffen. Fig. 62. Conjugation. Fig. 63 und 64. Gregarina Caprellae. Fig. 63. Conjugation. Fig. 64. Vordertheil mit Cuticularkragen. Fig. 65 und 66. Gregarina conformis Dies. Fig. 65. Conjugation. Fig. 66. Vordertheil; stärker vergrössert. Archiv f. mikrosk. Anatomie, Bd. 24. 38 588 B. Danilewsky: Fig. 67—69. Körnerinhalt von Clepsidrina. Fig. 67. Normales Aussehen der Körnchen. Fig. 68. Optische Veränderung der Körnchen bei Behandlung mit Kochsalz- lösung (10°/,). Fig. 69. Lösung der Körnchen bei längerer Einwirkung dieses Reagens. — Einige Fettkügelchen bleiben bestehen. Anmerk. Die Fig. auf Taf, XXV und XXVI sind nicht sämmtlich bei gleicher Vergrösserung gezeichnet. Dieselbe ist vielmehr für jeden ein- zelnen Fall so gewählt, dass die Darstellung eine genügend klare wird. — Ueber die absolute Grösse der Objekte giebt der Text Aufschluss. Die Hämstozoön der Kaltblüter?). Von Prof. B. Danilewsky aus Charkow. Hierzu Tafel XXVILA. Das Leben der Blutschmarotzer bietet uns offenbar eines von den wichtigsten und interessanten Beispielen des Parasitismus, als einer Art der Symbiose, welche vom Standpunct des Nutzens eines solchen Zusammenlebens allerdings als eine einseitige betrachtet werden muss. In physikalisch-chemischer Beziehung findet der Parasit im Blute solche Existenzbedingungen, welche er nirgends anderswo aussuchen könnte. Ein grosser Vorrath an Sauerstoff, an verschiedenen gelösten Eiweissstoffen und anderen organischen Substanzen, sowie auch an Mineralsalzen, weiter: gewisse pas- sende Bedingungen für Diffusionserscheinungen, daraus: äusserst reger Stoffwechsel u. s. w. — alles das stellt sich dar als eine l) Aus einer Mittheilung in der Naturforscher-Gesellschaft zu Charkow. October 1884. Die Hämatozo@en der Kaltblüter. 589 höchst günstige Vereinigung der äusseren biologischen Verhältnisse. Diese Umstände sollen ja unbestreitbar eine tiefere Einwirkung auf die morphologisch-physiologischen Eigenschaften eines selbst- ständigen Organismus ausüben, welcher von aussen auf irgend eine Weise eventuell auf relativ längeren Zeitraum in das Blut!) des „Wirthes“ gelangt war. Die in diesem Sinne aufgestellten Pro- bleme, welche hiermit eine allgemeine biologische Bedeutung bie- ten, finden jetzt in der Wissenschaft zu wenig Beobachtung. Man bestreitet ja selbst die Deutung dieser Blutschmarotzer (Trypano- soma Gruby, Drepanidium Ray-Lankester) als selbstständige Organismen auf Grund von Beobachtungen, welche für sich so werthvoll und — wie ich später nachweisen werde — in vollem Eirklange mit der Annahme eines echten Parasitismus zu deu- ten sind. Bevor man die physiologische Seite jener Probleme zu erfor- schen versucht, ist es nothwendig, vorerst die Morphologie — die zoologische Individualität — jener Hämatozoön sicher zu stellen. Die folgenden Zeilen mögen als ein Beitrag zur Lösung dieser Frage dienen. Von allen bis jetzt untersuchten Haematozo&@n bieten uns Trypanosoma und Drepanidium („Blutwürmehen“ von Gaule) unzweifelhaft das höchste Interesse. In diesem Beitrage handelt es sich nur um Drepanidium ranarum und sein Analogon Haemo- gregarina (cistudinis) Stepanowi, ein neues Haematozoon, welches ich im Blute der Schildkröte (Emmys Jutaria) aufgefunden habe). Im Jahre 1871 hat Ray-Lankester ganz kurz berichtet, dass im Froschblut sehr kleine spindelförmige Gebilde ihm zu 1) Vielleicht auf mehrere Generationen. 2) Obgleich meine theilweise gemeinschaftlich mit Herrn A.Schalasch- nikow ausgeführten Untersuchungen des Trypanosoma sanguinis (ranarum et piscium) ziemlich abgeschlossen sind, so beabsichtige ich doch, sie in einem späteren Aufsatze besonders mitzutheilen. Hier mag nur das Ergebniss erwähnt werden, dass Trypanosoma unzweifelhaft ein selbstständiger Organismus (Un- dulo-flagellata) ist, welcher im Blute der Fische und Batrachier in verschie- denen Varietäten (ein Haematozoon polymorphum!) auftritt und welcher ein Amoeboid-Stadium seiner Metamorphose durchläuft (merkwürdig ist dabei eine ausserordentliche Verlängerung der Geissel auf Kosten der verschwinden- den undulirenden Membran und schliesslich Abwerfen derselben). 590 B. Danilewsky: Gesicht gekommen waren, welche theils an Blutkörperchen hafte- ten, theils frei umherschwammen. Sie waren den Pseudonavizellen gewisser Gregariniden (aus Tubifex rivulorum) sehr ähnlich?). Im Jahre 18850 und 1881 erschienen die Abhandlungen?) von J. Gaule über ähnliche Gebilde (beim Frosche), welche von ihm ihrer Form nach „Blutwürmehen“ genannt und sehr eingehend untersucht wurden. Er hat ihre Entstehung aus der Substanz der rothen (und weissen) Blutkörperchen resp. aus ihren Kernen und „Nebenkernen“3), ihre Bewegungen, Beziehungen zur Wärme, ihre Auflösung in Blutplasma u. s. w. sehr ausführlich beschrieben. Weiter findet man bei ihm Nachweise über die Periodieität des Auftretens der „Blutwürmehen“, über die Einflüsse der Ernährung, der Grösse des Thieres, der Jahreszeiten ete. — Das Hauptergeb- niss des genannten Forschers besteht darin, dass das „Blutwürm- chen“ kein Parasit, kein selbstständiger Organismus sei: es ist ein Produet einer — so zu sagen — bioplastischen Metamorphose (regressiver!) des Blutkörperchens. „Blutwürmehen“ bilden sich resp. werden sichtbar erst beim langsameren Absterben der Blut- körperchen, z. B. unter der Wirkung von NaCl-Lösung (3%). Im normalen Körperehen präexistirt es nicht. — Im Anschluss an die Benennung „Spermatozoa“, nennt J.Gaule sie „Blutwürmchen“ — „Cytozoa“. In einem ganz frischen Froschbluttröpfehen trifft man nur ausnahmsweise schon gebildete, sich frei bewegende „Blutwürmchen“ (1. e.298). Sie entstehen „aus einem Theil der absterbenden Zelle“ (des Blutes, der Milz, Leber, Knochenmark) und zwar aus mit ihnen gleichwerthigen „Nebenkernen“, welche Gaule auch in lebenden Geweben durch rascheste Fixation (HgCl,, NO,H — 3%,) und nachfolgende Färbung nachgewiesen hatte (bei Rana esc. und’ tempor. sowie auch bei Triton taeniatus und cristatus). Unter diesen Umständen, welche einen raschen Tod der Zellsubstanz 1) Quart.-Journ. of mierosc. sc. 1871. S. 387. 2) Archiv für Physiologie (und Anatomie) 1880 $.57, und 1881 8. 297; Centralbl. f. medie. Wiss. 1881. Nr. 31. 3) „Nebenkerne“ von J. Gaule muss man nicht verwechseln mit „noyau accessoire* (Nebenkern) oder „endoplastide“ bei Protozo@en (s. C. Vogt et Em.Jung, Anatomie comparee 8.54) und mit Nebenkernen in Pancreaszellen (Ogata, s. Arch. f. Anat. u. Phys. physiol. Abtheilung 1883, 4 und 5). Die Hämatozoen der Kaltblüter. 591 bewirken, sieht man nur Protoplasma und Kerngebilde; stirbt die Zelle langsam (besonders bei 30— 32°C. in Gegenwart von NaCl) ab, so differenzirt sich ihre Substanz in: Kern, Protoplasma und Cytozoon. Was die Bildungsstätte betrifft, so äusserte sich Gaule dahin, dass in der Milz (beim Frosch) die Blutkörperchen, welche hier die Cytozo@ön besonders leicht entwickeln, diese Eigenschaft be- kommen (l. e. 307). 1882 hat Ray-Lankester über denselben Gegenstand eine zweite Abhandlung publieirt, wo er das „Blutwürmchen‘“ als Dre- panidium ranarum bezeichnet und aus mehreren Gründen nach- zuweisen sucht, dass das „Blutwürmcehen“ kein Produkt der „Heterogonie“ der Blutkörperchen im Sinne von Gaule, sondern ein intracellularer Parasit sei und zwar die jüngere Form eines Sporozoon. Drepanidium soll den sichelförmigen Körpern oder Pseudonavicellen irgend einer Gregarinide (Coceidium oder Mono- cystis) sehr nahe stehen. Dieser Forscher beobachtete freie beweg- liche Drepanidia in ganz frischem Bluttröpfehen vom Frosche. Er erklärt das Sichtbarwerden des Drepranidium erst bei einer „des- integration“ der Blutzellen durch schärfere optische Abgrenzung des schon präexistirenden Parasiten. Was nun die Structur des Drepanidium betrifft, so erweist sich die Anwesenheit von meistens zwei Körnchen (refractive gra- nules) in seiner Substanz fast symmetrisch näher zu beiden Enden des spindelförmigen Körpers gelegen, ähnlich wie bei den corpus- eula faleiformia von Sarcocystis als bemerkenswerth. Diese Körn- chen (Flecken) sieht man auch an den Abbildungen von Gaule. Ein Nucleus fehlt beim „Blutwürmehen“, was auch für manche Pseudonavicellen (z. B. Coceidium der Hausmaus) gilt. Diese Aehn- lichkeit zwischen Drepanidium und sichelförmigen Körpern (von Sarcocystis Miescheri und Coceidium Eimeri) betont Ray-Lan- kester nachdrücklich. Bekanntlich hat man schon längst die verwandte Sporozoa- form beim Frosche als Schmarotzer gefunden und zwar Coceidium Eimeri im Darmcanal und Monocystis Lieberkühnii in der Niere. Weiter führt derselbe Forscher in seiner Beweisführung den Um- stand an, dass die Gregariniden besonders als Parasiten und oft als intracellulare Schmarotzer („Cytozoa“ im Sinne dieses Gelehr- ten) sich auszeichnen. Man hat solehe Organismen (sogen. Pso- 592 B. Danilewsky: rospermien, Coceidienformen, Pseudonavicellen u. s. w.) in Binde- gewebe, im Parenchym der Darmzotten, in den Epithelialzellen der Gallengänge, des Darmes, der Samengänge (bei Lumbriecus) u. s. f. gefunden. Alle diese Angaben verleihen der Meinung von Ray-Lan- kester über die parasitäre (Sporozoon-) Natur des „Blutwürmcehens“ jedenfalls eine grosse Wahrscheinlichkeit. Während meiner Studien über Trypanosoma hatte ich mehrere Male Gelegenheit auch „Blutwürmehen“ genau zu beobachten. Ich fand sie auch als frei bewegliche, ziemlich rege Gebilde in frischen Bluttröpfehen ohne Zusatz von Kochsalzlösung; meistens aber merkt man sie als „auskriechend“ aus rothen Blutkörperchen bei Erwär- mung (30—35 °C.) oder spontan nach einigen Stunden, wenn bereits das Auflösen des Hämoglobins im Plasma beginnt. Nun aber habe ich mich überzeugt, dass die Kerne der absterbenden, theils schon entfärbten Blutkörperchen, aus welchen „Blutwürmehen“ sich entwickeln, durch ihre histologischen Eigenschaften deutlich von sanz normalen Kernen sich unterscheiden, d.h. von denen, welche während mehrerer Stunden (bis 24—36) keinen Antheil an Drepa- nidiumbildung nahmen. Eine starke Lichtbrechung und relativ sehr geringe Färbbarkeit zeichnen die ersteren Kerne vor letz- teren aus. Selbst in einem und demselben Nucleus sieht man mitunter einen Theil gefärbt und einen anderen (meistens ringför- migen, halbmondförmigen oder gebogen sichelförmigen) ungefärbt z. B. mit Anilinblau, Gentianaviolett. Es kam mir stets so vor, als ob in diesen Kernen irgend ein fremdes Gebilde schon prä- existirte; diese unfärbbaren glänzenden Kerntheile verwandelten sich später in „Blutwürmchen‘“, was bereits Gaule ganz genau beobachtete). Weiter kann ich nicht umhin zu erwähnen, dass die frisch freibeweglich gefundenen „Blutwürmechen“ und ad oculos aus Blut- körperchen (Kern oder aus Stroma) auskriechenden mitunter einen ziemlich deutlichen Unterschied zeigten: die ersteren spindelför- migen waren mehr länglich, die zweiten viel kürzer und oft mit einem abgerundeten Ende. 1) S. die Abbildungen von Gaule |. c. (1881) nämlich 49, 51, 53 und and. Die Hämatozoen der Kaltblüter. 593 Niemals konnte ich irgend eine Art von Geissel wahrnehmen!). Was die Natur der „Blutwürmehen“ betrifft, so gibt es zwei Umstände, welche ihre Verwandtschaft mit Sporozoa — und hier- mit auch ihre zoologische Selbstständigkeit — bestätigen: erstens oft ganz deutlich wahrnehmbare Differenzirung des Körpers (s. oben) und die Gleichförmigkeit dieser Differenzirung in gewissen Grenzen, zweitens — das Auftreten von queren Einschnürungen bei krie- chenden Blutwürmehen („ihr Leib ist in eine Reihe hintereinander- liegender Wülste abgeschnürt“ Gaule I. e. Cbl. med. Wiss. 1881 3.563), was bei gewissen Gregariniden gar nicht selten zur Beob- achtung kommt. Ausser diesem Bewegungsmodus kann Drepani- dium auch obne irgend welche sichtbare Aenderung der Contouren seines Körpers gerade in der Richtung der Körperaxe vorrücken, was allerdings am häufigsten geschieht. Diese wegen ihres Me- chanismus räthselhafte Bewegungsart wurde mehrfach speciell an Gregariniden (Mono- und Polycystiden) beobachtet. Zu Gunsten der Meinung über die parasitäre Natur der „Blut- würmehen“ des Frosches mögen auch folgende Beobachtungen dienen, welche auf die von mir gefundene Thatsache des Vorkommens eines würmebenähnlichen unstreitigen Pa- rasiten in rothen Blutkörperchen der Schildkröte (Emys lutaria) sich beziehen. Alle (8) Thiere waren aus der Umgebung von Charkow bezo- gen. Untersucht man jedes Bluttröpfehen ganz frisch ohne jede Beimischung, so findet man rothe Blutzellen, welche im Innern ein Blutwürmehen mit scharf abgegrenzten Contouren beherbergen. Niemals fand ich es zu zwei oder noch mehr. Im Blute einiger Schildkröten findet man in jedem Gesichtsfeld des Microskopes (Hartnack Syst. 8, Ocul. 3) 3, 4 soleher Blutkörperchen, bei anderen kommen sie viel seltener zum Vorschein. Ausser diesen intracellulären Parasiten gelingt es manchmal gleichzeitig in dem- selben Blutpräparate auch ganz frei zwischen Blutzellen sich bewe- gende ziemlich rege „Blutwürmchen“ aufzufinden. Die Zahl dieser 1) In einem Blutpräparate (ohne Zusatz) von einem sehr grossen Cy- prinus Carpio habe ich längliche Gebilde in absterbenden Blutzellen mit 1 oder 2 Körnchen gesehen, welche dem Drepanidium äusserst ähnlich sahen (nur etwas grösser). 594 B. Danilewsky: freien, aus Blutzellen schon herausgeschlüpften Parasiten ist im Vergleich mit der Zahl der noch intracellularen äusserst gering. Die rothen Blutkörperchen, welche den Parasiten in ihrer Substanz enthalten, unterscheiden sich von anderen normalen durch ihre Struktur oder Form noch durch sonstige physikalische Eigen- schaften so gut wie gar nicht; manchmal merkt man nur geringere Dimensionen der ersteren. Ist aber der Parasit schon grössc* und in seinen ausgebildeten Zustand getreten, so nimmt die Dieke des Blutkörperchens merklich zu. Die ungefärbte Substanz des „Blutwürmchens“ hebt sich von der des Blutkörperchens scharf durch grössere Durchsichtigkeit und hellgraues Aussehen ab. Der Kern des letzteren ist excen- trisch auf die Seite oder ganz zur Peripherie der Blutzelle ver- schoben, je nach der Grösse des „Blutwürmehens“. Was die Dimensionen des letzteren betrifft, so variiren sie in weiten Grenzen: ganz junge Formen sind von der Länge des Kernes der Blutkör- perchen oder noch kleiner, zuweilen von kaum deutlich wahrnehm- baren Contouren; sie liegen am Ende des Körperchens oder an der Seite des Kerns schräg oder in der Richtung der Axe dessel- ben. Die grössten „Blutwürmehen‘, welche zweimal so lang wie rothe Blutzellen und noch etwas mehr — also eirca 0,03mm sind, liegen mitten inne in axialer Richtung krumm umgebogen; dabei wird der Kern meistens nicht zu einem Ende, sondern zum seit- lichen Rande des elliptischen Blutkörperchens geschoben. — Zwischen diesen Extremen trifft man verschiedene Uebergangsformen und -Lagen je nach der Grösse, d. h. nach dem Alter des Parasiten (Fig. 1—6, 10). Durch vorsichtige Compression des Deckgläschens kann man das betreffende Blutkörperchen zum Platzen bringen; dann wird auch der regungslose Parasit befreit, ohne aber seine schlingenför- mig umgebogene Form geändert zu haben. Man ist nicht im Stande selbst bei starken Vergrösserungen irgend eine Membran oder Hülle an solchen Parasiten wahrzunehmen. Das Wachsen des „Blutwürmehens‘“ geschieht allerdings auf Kosten der Substanz des rothen Blutkörperehens, welche, dazu verbraucht, stets abnimmt, so dass im Falle der Reife des Para- siten vom ganzen Blutkörperchen nur eine dünne peripherische Schicht übrig bleibt, welche um das Würmcehen herum eine Art fast ganz farbloser Hülle oder Kapsel bildet. [In diesem Falle Yo. Aa Ze u Die Hämatozoön der Kaltblüter. 595 tritt der Kern des Blutkörperchens selbst ohne jede Färbung ganz deutlich hervor.] Manchmal brauchte ich ziemlich starke Vergrösserungen (800—900 mal) um mich von der Anwesenheit solch einer Kapsel zu überzeugen. Erreicht der Parasit seinen vollen Wuchs, d. h. wird er reif, so zerreisst er seine Zellhülle, befreit sich und, bis dahin regungs- los, faugt er jetzt an im Plasma herumzuschwimmen. Von den bewohnt gewesenen Blutkörperchen finden sich daneben Ueber- bleibsel in Form in Falten liegender etwas gelblich gefärbter ganz feiner Säckchen, deren eines Ende durchgerissen ist. Der Kern liegt noch darin oder daneben (Fig. 7 und 8). Die Strucetur der Würmcehen ist äusserst einfach. Der länglich eylindrische Körper mit vorn etwas abgerundetem und hinten zugespitztem Ende besteht aus einer fast homogenen hell-grauen Masse (Sarcocyte Schneiders), welche bei excapsulirten reifen Formen stärker lichtbrechend und weniger durchsichtig ist. Bei starken Vergrös- serungen (Hartnack Immers. X, Ocul. 3, 4) sind feine Körnchen und zuweilen ganz kleine Vacuolen sichtbar. Bei jüngeren kleine- ren Parasiten (intracellularen) bemerkt man in der mehr durchsich- tigen Substanz kleinere dunklere Körnchen (Syst. 8, Ocul. 3) und mitunter in nicht unbeträchtlicher Menge. Im mittleren Theile des Körpers findet sich ein elliptisches mit homogen klarer Flüssigkeit ausgefülltes Gebilde (Nucleus), welches in sich einen dunkleren Nucleolus einschliesst. Niemals habe ich mehr als einen Kern beim „Blutwürmehen“ gesehen. Bearbeitet man das Blutpräparat (mit freien Parasiten) mit Ueberosmiumsäure und Carmin, so wer- den Nucleus und Nucleolus roth gefärbt, während andere Theile des Körpers — bei mässiger Einwirkung des Pigments — ganz ungefärbt bleiben. Manchmal sieht man an den Enden noch 1—2 Körnchen, der Grösse nach dem Nucleolus gleich, welche auch Carmin fixiren. Die oberflächliche Schicht des Körpers besteht aus einer sehr dünnen Cuticula. Was die Vaeuolenbildung betrifft, so fand ich sie hauptsäch- lich bei schon unbeweglichen anscheinend absterbenden freien „Blutwürmehen“, bei welchen auch viele kleine Körnchen gleich- zeitig zum Vorschein kommen. Während der ganzen Zeit seines intracellularen Lebens bleibt das Würmehen vollkommen regungslos, abgesehen natürlich von den durch Wachsthum bedingten Versetzungen im Innern des 596 B. Danilewsky: Blutkörperchens. Während mehrerer Stunden erwärmte ich diese intracellularen Parasiten (30—35°C.), konnte aber keine Bewegun- sen wahrnehmen. — Sie fangen an sich zu bewegen erst nach ihrer Befreiung aus der Zellkapsel. Die ziemlich regen Bewe- gungen geschehen nach drei Arten: 1) der Parasit bewegt sich bogen- förmig, seltener geradlinig ohne seine Configuration zu ändern; manchmal pflegt er auch schraubenförmig vorzurücken; 2) er krümmt sich hin und her und streckt sich wieder; 3) die dritte Art seiner Bewegungen ist sehr bemerkenswerth; so viel ich weiss, war sie bislang nur bei einigen Gregariniden (Monocystis magna) genau beobachtet!). — Am vorderen Ende des Körpers erscheint eine tiefe ringförmige lineare Einschnürung, welche den Körper anscheinend in zwei Theile zerlegt. Durch diese stark und scharf zusammengezogene Stelle strömt nun das Endoplasma von hinten nach vorne lebhaft?); der vordere angeblich abgeschnürte Theil nimmt zu und auf diese Weise durch Verlängerung des Vorder- theils wird das Würmehen langsam vorwärts geschoben. In diesem Theile — also in dem vor der ersten Einschnürung — bildet sieh nun eine zweite, mitunter dritte, unter stetiger Durchströmung des Endoplasma. Es ist also dem Anscheine nach, als ob diese queren Einschnürungen sich von vorn nach hinten durch den Körper des „Blutwürmehens“ hinziehen. Zuweilen nach dem Aufhören dieser Bewegungen beobachtete ich, dass die Contouren des Parasiten keine geraden oder Bogenlinien, sondern etwas undulatorische waren. Was die Bewegungen überhaupt betrifft, so verlaufen sie sehr unregelmässig; ich war nicht im Stande irgend eine Gesetzmässig- keit resp. eine gesetzmässige Abhängigkeit von äusseren Bedin- gungen wahrzunehmen. Besonders auffallend und unregelmässig waren die Veränderungen des Bewegungstypus während weniger Minuten, sowie auch die Reihenfolge der Pausen und Bewegungen. Die Geschwindigkeit der Bewegungen, besonders des 1. Typus ist 1) S. oben dasselbe über „Blutwürmchen“ Gaule. 2) Beim raschen Durchgehen des elastischen bläschenartigen Kernes von hinten nach vorn (in der Masse der Endoplasma) durch die enge Einschnü- rung ändert er leicht seine elliptische Form, um weiter sofort die ursprüng- liche wieder zu bekommen. Die Hämatozoen der Kaltblüter. 597 keine unbedeutende. Eine Erwärmung bis 30—535° C. wirkt stark befördernd. In Betreff der weiteren Metamorphose der „Blutwürmehen‘“, ihrer Vermehrung und Gestaltänderungen, sowie auch ihrer Ver- breitung in verschiedenen Organen und Säften der Schildkröte sind die Beobachtungen noch nicht abgeschlossen !!). Jetzt drängt sich die Frage auf — was ist eigentlich das „Blutwürmehen“ von Emys? Es kann unzweifelhaft nur ein intracellular schmarotzender selbstständiger Organis- mus sein. Was nun aber seine Stellung im zoologischen Systeme ‚ so wird das keine leichte Aufgabe wegen des Mangels an Kenntnissen über die wichtigsten biologischen Eigenschaften des- selben, z. B. Fortpflanzungserscheinungen sein. Berücksichtigt man aber die Eigenschaften des „Blutwürmehens‘ als eines intrac ellu- lar schmarotzenden Organismus, seine einfache monocelluläre Structur, die histologische Beschaffenheit seiner Körpersubstanz, die Anwesenheit eines einzigen bläschenförmigen Kerns mit Nu- eleolus und schliesslich die charakteristischen Bewegungsvorgänge, so darf man offenbar das „Blutwürmehen“ zu den Gregariniden — Sporozoa Leuckart’s zählen. Die Berechtigung dieser Fol- gerung wird durch die Beobachtungen von Lieberkühn, Eimer, A. Schneider, Klebs, Eberth, Ray-Lankester u. A. bekräf- tigt, nach welchen die Sporozoa besonders als intracellulare Para- siten (cellparasite = Cytozoa nach Ray-Lankester) auftreten. Die oben erwähnten Eigenschaften des ‚„Blutwürmehens“ lassen uns allerdings diesen Parasiten zu den Monoeystiden (Stein) stellen, welche bekanntlich besonders bei Lumbricus terrestris als Schma- rotzer aufgefunden wurden. Da aber unser „Blutwürmehen‘“ von bekannten Monocystisformen sehr abzuweichen scheint, so halte ich es für zulässig, es als eine Form der Sporozoa zu betrachten, welche anbelangt ich — zu Ehren meines hochgeehrten Freundes Paul Stepanow, Professor der Zoologie (in Charkow), — mit dem Namen Haemo- gregarina (cistudinis) Stepanowi belege. Da die Haemogregarina Stepanowi alle Entwickelungs- stadien von der kaum sichtbaren Keimanlage?) (Spore) bis zum 1) Bei ganz jungen Schildkröten (5—6cm Länge) konnte ich keine „Blutwürmchen“ auffinden. 2) Diese primitive Form wurde von mir bis jetzt noch nicht genau 598 B. Danilewsky: Die Hämatozoen der Kaltblüter. vollkommen reifen Wuchs (s. oben) im Innern des Blutkörperchens durchmacht, so dürfen wir keineswegs sie für einen sichelförmigen (Pseudonavicelle) halten; sie ist eine reif entwickelte Form der Sporozoa, worauf schon ihre Bewegungen sicher hindeuten. Was nun die mikroskopischen Dimensionen der freien Haemogre- garinaStep. betrifft, so kennen wir schon manche Monoeystideen, z.B. Adelea (Schneider), welche im erwachsenen Zustande auch so klein, wenn nicht noch kleiner sind (0,010—0,020 mm). Erklärung der Abbildungen auf Taf. XXVIIA. Fig. 1—6 und 10. Verschiedene Formen, Fintwickelungsstadien und Lagen der Haemogregarina Step. in rothen Blutkörperchen nebst den Kernen der letzteren. Fig. 7—8. Herausschlüpfen des Parasiten aus zerrissenen Zellhüllen. Fig. 9 und 16. Ein lebender Parasit. Fig. 11-14. Die Vorwärtsbewegung mit Einschnürungen des Körpers. Fig. 15 und 17. Todte Haemogregarinen. Fig. 18 und 19. Kurze stäbchenförmige Gebilde an den Kernen der Blut- körperchen. Fig. 20. Ein Parasit aus der Zellhülle befreit (regungslos, noch unreif!) In Fig. 7, 8 und 9 sind die Kerne mit Carmin gefärbt. sichergestellt. Ich habe bei (und auch bei sehr jungen) Schildkröten in vielen rothen Blutkörperchen kurze längliche Gebilde (1 bis 3!) und zwar neben oder dicht an den Kernen beobachtet, welche gewiss als corpora aliena und höchst wahrscheinlich als Keime der Haemogregarina Step. betrachtet werden müssen (s. Fig. 18 und 19). In dieser Beziehung soll die Frage noch weiter untersucht werden, sowie auch bezüglich der Herkunft dieser Keime des Pa- rasiten. > * Emanuel Witlaczil: Neozygites aphidis, eine neue Gregarinide. 599 Neozygites aphidis, eine neue Gregarinide. Von Dr. Emanuel Witlaczil in Wien. Hierzu Tafel XXVIIB. Anlässlich meiner Untersuehungen über die Aphiden fand ich schon im Herbste 1883 in Aphis (Hyalopterus) arundinis Fabr., der einzigen von Phragmites communis beschriebenen Aphi- denart, einen Organismus, welchen man wohl mit ziemlicher Sicherheit als Gregarinide ansprechen kann. Da ich damals anderweitig beschäftigt war, entwarf ich nur nebenbei einige Zeichnungen, eine eingehende Untersuchung für später aufschie- bend. Zu diesem Zwecke zerzupfte ich im Laufe der ganzen Vegetationsperiode der Jahre 1884 in nicht zu grossen Zeitinter- vallen vom Frühjahr bis zum Herbst eine grosse Anzahl von Exem- plaren der erwähnten Aphidenart von demselben Fundorte (Heu- stadelwasser im Prater), leider ohne das gesuchte Thier darin zu finden. Da ich die Publizirung meiner vielleicht nicht ganz uninteressanten Beobachtungen aber nicht länger hinausschieben will, so schreibe ich vorläufig dieses nieder. Bei einigen männlichen Larven der erwähnten Aphidenart, die ich in Intervallen von einigen Tagen untersuchte, fand ich Leibeshöhle und Fettkörper ganz angefüllt mit Körperchen, wie ich sie auf der Tafel abgebildet habe. Die in Fig. 1 dargestellten kugligen Körperchen fanden sich seltener, während die Ueber- gangsstadien namentlich aber das ausgebildete Copulationsstadium (alle Einzelindividuen scheinen sich zu ecopuliren) häufiger zu finden waren. Ich konnte diese Gebilde nur an den erwähnten Orten, nicht aber im Darme finden, wo ich auch danach suchte. Auch stiessen mir diese Organismen in den zahlreichen andern von mir untersuchten Aphidenarten nicht auf. Die Einzelindividuen unserer Art (1) sind kuglig, von unbe- 600 Emanuel Witlaczil: deutender Grösse, und haben eine grauliche Färbung, wie die meisten thierischen Protoplasmagebilde. Sie besitzen eine dünne, einfach contourirte, struktur- und skulpturlose Cuticula und ein ziemlich körniges Endoplasma, während unter der Cuticula eine feinkörnigere Exoplasmaschicht kaum bemerkbar wird. Die Körn- chen im Endoplasma zeigen eine gelbliche Färbung. In diesem befindet sich ausserdem eine verschiedene Anzahl, meist meh- rere, helle kuglige kernähnliche Körperchen, in welchen ich aber keine Kernkörperchen konstatiren konnte. Bewegungserscheinungen habe ich an den beschriebenen Individuen keine wahrgenommen. Die Copulation erfolgt in einer bisher bei Gregariniden nicht beobachteten Art, indem zwei Individuen sich wohl in bestimmter Weise an einander legen und an einem Punkte, den ich als den vorderen Pol bezeichnen will, nach Resorption der äusseren Cuti- cula den Inhalt langsam hervortreten lassen. Die beiden Inhalts- massen vereinigen sich sogleich zu einem langsam grösser werden- den eiförmigen bis ellipsoidischen Schlauche, während in den beiden sich copulirenden Individuen wegen des Austrittes ihres Inhalts Hohlräume entstehen (2—5). Dabei scheinen die kleinen gelben Körnchen resorbirt zu werden, indem der sich neu bildende Schlauch meist ein homogenes ganz feinkörniges Aussehen zeigt. Auch zeichnet sich schon am halbausgebildeten Schlauch die peri- pherische Schicht durch ihre grössere Helligkeit aus. Durch Be- handlung mit verdünnter Salzsäure konnte ich in einzelnen ausge- bildeten Syzygien helle Bläschen zum Vorschein bringen, welche zum Theil schwer von den Kernen zu unterscheiden waren, wäh- rend andere Syzygien bei derselben Behandlung ihr Aussehen kaum veränderten (11). Die Syzygien scheinen sehr rasch eine struktur- lose helle gelbliche Cuticula auszuscheiden. Die kernähnlichen Körperchen bleiben merkwürdiger Weise grösstentheils in den beiden sich eopulirenden Individuen zurück. Während sie früher als hellere Bläschen im Endoplasma zu erkennen waren, erscheinen sie nach erfolgter Ausleerung der zwei Indivi- duen als etwas dunklere der leeren hellen Cutieula anliegende Körperehen in der Zahl von einem bis zu mehreren, dann oft kleineren (5, 6, 13). Im den Syzygien fand ich aber in manchen Fällen ein, wie es scheint in Theilung begriffenes (11), oder zwei mehr oder weniger von einander entfernte kernäbnliche Körperchen (die Produkte jener Theilung? 8—10). In einigen Syzygien und Neozygites aphidis, eine neue Gregarinide. 601 das auch schon in frisch gebildeten (5—7) fand ich mehrere solche Körperchen vor, während bei andern älteren Stadien dieselben nicht bemerkbar waren (15, 16). Es scheinen ja bei den Gregariniden ziemlich allgemein nach der Eneystirung die Kerne undeutlich zu werden. Wenn jene Körperchen thatsächlich Kerne sind, so mag der ganze Vorgang dieser sein, dass einige, indem sie in den sich copulirenden Individuen zurückbleiben, zu Grunde gehen, während andere, in das Syzygium eintretend, ein Verhalten beobachten mögen, ähnlich demjenigen der Kerne bei der Copu- lation der Infusorien und bei der Befruchtung des thierischen Eies. Später condensirt sich der Inhalt des Syzygiums und indem er sich dabei eontrahirt, hebt er sich von der alten Cuticula ab und bringt auf seiner Oberfläche eine neue zur Ausbildung. Bei noch weiterer Contraktion (13, 16) nimmt er eine mehr kuglige Form an und scheidet noch eine dritte Cuticula aus. Zwischen diesen gelblichen, ziemlich dieken und scharf hervortretenden Cu- tieulis sind nieht unansehnliche Zwischenräume vorhanden. End- lich fand ich noch einige Stadien, welche der Länge nach eine Spalte zeigten (14—16), die anfangs als einfache, später als doppelte Linie hervortrat. Vielleicht hängt dies mit der Sporulation zusam- men, welche ich leider nicht beobachten konnte, da ich die betreffenden Stadien nicht erhielt. Ganz kleine ellipsoidische Körperehen, welche ich im Blute von Aphis arundinis wie von andern Aphidenarten fand, dürften Pilzsporen sein und nichts mit unserem Organismus zu thun haben. — Es bedarf noch der Er- wähnung, dass die Ueberreste der sich copulirenden Einzelindivi- duen später zu Grunde gehen. Der Untersuchung bedürftig erscheinen neben vielem andern auch die Lebensverhältnisse unseres Organismus. Ich fand den- selben nur in einigen männlichen Larven, aber in keiner der zugleich darauf untersuchten Larven von Weibchen derselben Aphi- den-Colonie. Dies war wohl nur Zufall. Es fragt sich aber, wie Neozygites aus einem Wirthe in den andern gelangt und ob er in den Wintereiern der erwähnten Aphidenart überwintert, oder ob vielleicht ein Wechsel des Wohnthieres stattfindet, indem die Syr- phuslarven, welche fast in jeder Blattlauscolonie vorhanden sind, mit den Aphiden zugleich ihre Gregariniden fressen, und diese in ihnen zur Entwicklung kommen? Neozygites lässt sich kaum bei den Pilzen oder Algen 602 Emanuel Witlaezil: einreihen, obwohl von diesen die Conjugaten ganz ähnliche Conjugationserscheinungen aufweisen. Wenn ich von den hieher gehörigen, mit verästeltem Thallus versehenen Mucorineen, wie Syzygites, und von den aus Zellfäden bestehenden Zygnemeen und Mesocarpeen absehe, so findet sich auch unter den einzelligen Desmidiaceen z. B. bei Closterium ein ganz ähnlicher Vorgang, indem zwei Individuen sich an einander legen, Copulationsfortsätze treiben und der Inhalt beider Zellen sich in der anschwellenden Copulationsbrücke ansammelt, so ein neues Gebilde erzeugend, während die zwei ursprünglichen Zellen abfallen oder verwesen. Der Körper des parasitischen Neozygites unterscheidet sich aber ganz wesentlich von den in der Mitte eingeschnürten und Chloro- phyll enthaltenden Desmidiaceenzellen. Unter den Pilzen giebt es zwar auch einzellige Formen ohne Mycelium bei den Chytridiaceen, auf welche mich Herr Professor H. W. Reichardt, dem ich auch für seine Hilfe bei Bildung des Namens unseres Organismus zu Danke verpflichtet bin, aufmerksam machte, dieselben weisen jedoch keine Copulation auf, wenn man schon von den andern Unterschieden absehen wollte. Neozygites stimmt in den meisten Merkmalen recht gut mit den Gregariniden überein, zu welchen ich ihn daher gestellt habe. Speeiell mit den Monoeystiden findet sich die grösste Ueberein- stimmung, unter welchen mit den Coceidien manche Aehnlichkeit vorhanden ist. Uebrigens stimmen mit den von mir gezeichneten späteren Stadien am besten die über die Sporulation von Myxidium Lieberkühni bekannt gemachten Zeichnungen überein. Durch die srosse Zahl der vermuthlichen Zellkerne, ein Merkmal, welches bisher bei den Gregariniden vermisst wurde, erinnert aber unsere Art an die andern Gruppen der Protozoön. Den Namen Neozygites habe ich wegen der merkwürdigen Conjugationsweise gewählt, welche wohl das hervorstechendste und unser Thier am besten von den andern Gregariniden unterschei- dende Merkmal ist. Er stammt von veog in der Bedeutung von neu, ungewöhnlich und Levyrouı in der Bedeutung von zusammen- jochen, vereinigen. Der Artname ergab sich durch den Wirth dieses Parasiten. Schliesslich sei noch erwähnt, dass ich mich über den Stand unserer Kenntnisse bezüglich der Gregariniden hauptsächlich aus O. Bütschlis vorzüglicher Darstellung in .der neuen Auflage von Neozygites aphidis, eine neue Gregarinide. 603 Bronn’s „Klassen und Ordnungen des Thierreichs“ I. Protozoa, 1832 informirte, unter anderem aber auch die letzten zoologischen Jahresberichte zu Rathe zog. Wien, im Dezember 1884. Tafelerklärung (XXVIIB). Die Zeichnungen sind mit der stärksten mir zur Verfügung stehenden Vergrösserung von 600 (= Ocular IV, Objektiv 8 von Hartnack) angefertigt. Sie sind fast um die Hälfte kleiner, als sie mit der Camera erscheinen. Die Objekte sind in Salzlösung untersucht, 11 und 12 ausserdem mit verdünnter Salzsäure behandelt. Fig. 1. Einzelindividuen von Neozygites aphidis. Fig. 2—5. Verschiedene Individuen in aufeinanderfolgenden Copulationsstadien. Fig. 6—12. Syzygien mit verschiedener Anzahl von kernähnlichen Körperchen. Fig. 13. Syzygium mit drei über einander liegenden Cuticulis. Fig. 14—16. Spätere Stadien, welche eine Längsspalte aufweisen. Universitäts-Buchdruckerei von Carl Georgi in Bonn, BEN Ang Ai Be TR ine Ba ’ Ar aut Fi Zt Ha | Ma 2 v LIU h AR Fr UpR\ iR uf un” ü | Bun“ u N I Mu Archiv £ mikroskon. Anatomie. Bd IA. 8; £ Aiyl Archiv Emikroskop Anatomie Bd.XNIT. ee Fig. 4a. STE m ca Fig. 2b. N ee => Fig.23.a. 2 Lirh. Anst.v.J.G Bach, Leipzig. Archiv Ermikroskop. Anatomie, Da, XXI YA FIOOR AS 7, OS \\ oz ) ars? Zaacl Aoe 00 Nm. | 5 Sn = on Jg =>\ Tee Gez.w.W. Flemming u M.Rehder Lith Anstv.J.6&Bach, Leipzig. Arehiv P mikroskop Analomıe Bd IA ee ———— 1 DESchöbl,del. Taf V Ye a y , {i T 7 N #7 N L bi) 1) M Fu ' | \ ! f \ / \ Hr Jar BEL t N } 1 J } j Archiv f.mikroskop. Anatomie Bad.XXIV. | % ren ıo .mıkroshop. ANdLomıe Da Taf. Yr. mg 3 m _ Secundum net. del. DT Schobl Lith.Anst.v. J.6.Bach, Leipzig. Archiv fmikroskop Anatomie Bd._IMV. Taf VI, ! = , 7 E77 Re] I | | | Fig. ER Fig. /. | 2 Fig. 7. [£ 2 Ef Fig. 3. g 7. RC: ER | Er | 2 Fig. FE | Fig. 6. Sr. © =. G. = a Se Au: Fig. I, Archür £ mikroskop. Anatomie. 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Hermann, del. leipzig. hr Lith Anstv.J6.Bach, Fig. 23a Aut.del. Fig. 8. INUNDN Pig.29r: Bo 4 OS Th 920 1 Eu; R} CRSHIN: Fig. 14. wi ı 2% ZEN, (al 99G8 © SE (EIER, (7 ® & “ & [2 X 2 Lith,. Anst.v. JG E17 8 s Ur w 1% A ER E MEER v ? h y he Kg! i D . f } - \ j i . f war { “ & r j u x k ö jn | 4 hr sy Rn, » „ » ' j j r | i f u) N h Tr ’ i ’ - y - f \ e “ ‚ S 7 ‘ 2 5 } > Ir s ’ ' - — N h | er. } L { Ur ‘ 1} R - ‚ fi es ä MT Ri LG 4 4 1% ’ - Bee, j au f ’ # , / ae, \ f | f f { k IE j . 2 l t L . ni) \ i in e ' e f rr 3 si 7 Archiv £mikroskop, Anatomie. BaXX Fig. 22. Fig. 23. ‚Archiv Emikroskop. Anatomie Bd . ; f ee a Eee Fig. 16 ge S N Sn gez. J. Schedel gez. A. Bockendahl Tect! AI. Fig 28. —s5® z ö og5o0P 082008, 35 ED FR genen IR Fig. 35 IF Fig: 37 Flemming. gez. W. di I RL 2 br ud - Jrehio Emikroskop. Anatomie Ba XMW ea SETTING . - > 4 Zr u * 3 Archiv Fmikroskop Anatomie BAUT. Archiv Fmikroskop Anatomie Bd.XXIV. up Fig. Ha: =D. ©) 7.200 uP\ 3 ; Fig. M. \ PAR Lith. Anst. v. 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