a ee: Dh EZ , Ne gie) “ - er ER DE I Fa EN Ser er es A e 3 ia - x b - N I _ a ER Sg N . Kr a ER BER > ARE, Yes Zchei ee ET, - Dat np ner, u) Se” w. a . Me; ur ERETENIATEE le DER ET N Re ERTL, an mn ED u Ne En ee DL EN N a BE TEENTED u” | N fh RER RZ TI IEENT SUR En un; EEE EEE RR “> x DA Be er RE en Truhe al, KBRTTTNZ 5 ren Sr N ER re PS r en ar ae ug > Ir ET IE } rd, en ug an Be 3, BREITER En rer N DE in <; FD . Se . - a I Er D EN) chen t > “ ae eh ee San Fu N N > ‘ ni Tu N en DR Te Da RI eh et i . >. E d ” rn nee a a 2 - EEE - . - h . Te ern ET N - a re ne RL, IE ER ELLE A ee a A rt, NG nn ee N ung" Ba a a EDEL ESTER RR ee A Ran RE ne ee EL he SE EEE EEE EEE EEE EEE NE RUE EIS TERRET N N Fa in a BEI nm ” ee Ir a ER = N en EEE TE dat I Sr N x N In “ Rd - r7 u en a De wu a DT ee Pe N 2 Kae ee EB ee The a en EN ER >. Pa ö EN EN u N ee Nee Een EEE TER ER ie a an re a Den Pi Se ERDE SER ER TERES ee AT N ne er ach eo ü I > y Ne © ® EN ’ ne 2 Pie ut et Kat a5 ’ . . - u ET ur Pe ee De a A Dan u De ER RE A N ee EN ee, RD Se Dan AT Ne X re PN Fe re, . ee DE a N De a a a EIER De De ENTE NIE Ze u een ER a BG EEE a a EN NET el Yo DD ee N a Be RR RAT Se en a DER ET “ Dr er a EN Te Km ang) en BT Te eh ER To Wan ERIC — N 1 er Da Se 2 . e N £ a) 4 m r y% R N a ER LELELELEETTERELT ETW TEN \ 3 RT REEL RE N a ee a a a ei ann . ER, N ET Be . N DO a nk See N \ F 3 . “ EA BRETT EEE le eher ET ne A ar EEE I BE EHE, ER Bu FR re RN‘ x; ns >. EG u a BE ERET An nn a EEE EEE ee SEE ne a N ee x Be ER ee Te EN LEDDERL LED N BE BE a Te a Pr EEE ER a SE ERSTE EI Da A, SR NN u Pe a ne a a ER ee Be ER ea En N en ET Te A ED er ß ee ee Dr RE ae ee ne a ae LEER N \ a DEIN Te RL Om EN Teac Te en Aa ee De Ye a CR PN re Pi | EEE a rien ET eu EN ÄETEERNE RE le pet N Zi rl ne DEN De a ‘x u Ka ne EEE a ie Ne u en an TU ee Vie a me nA AS er & NE Var re TS EEE u u LEE a Beta a ü a a N en ee N N ee A nn ne its x. a Fe DT ö “ 2 e Nu le BON WS Ne nn 5 N a ee a a ee en er REN, De Zen A a ee De u DE ne am N FE N UN a ee EN ee N u N re a N ee Er a EN Br re. N ee Eh 2 ee el a a NO Pi N We ee SE NE en At - ee ee a a a. NE Du De . hart Zee ie - u es . . ..n Be a se Aa mad 5 a Aue w. un nn N x Da N u un or ee rt APNEN “ Bl ET a En nn EEE NETT ET Te en er en EEE EN Er Re a A Eee ten IE Noel N Pine AN ap u ee es Ep EN a en a > a RE N un Sen OR ER DM EEE a ee ee EEE nn re Nee Rare a an et IE Zn, N en a u a re te en ng, Pa en u en ne N Te Te a TR re NE ee a a en NEE er Na rn Im se ET EEE as ED De me en Ge EN N E Raki x a den u ER N rn er a ET 5 En OT ka ee ee NEN re en ee n Ba SR Pe er DE DEE nn ET RE RETTEN SERIE DE En N a RE Te en Te a EEE EEE N ae Eee ee B u m Zur ir Rnse > ei en Te Ar TI rem EN u SEE ee NER N en 5 a Aa Seruftienge DT . ver ee; EEE en nen. ER EN LEER Se ee LEST ENK ERIC re Ka = r 2 ” £ r & n . S R = er br v. Ku N , - \ u -; ne Ha Rn .. re ir De R > - \ u n b N 7 ZH ET, ER er EEE SE SER . > Yo en a 2 s ee N Nie - > nn U er x ee N Ri Be Archiv Mikroskopische Anatomie herausgegeben von v. 1a Valette St. George in Bonn und W. Waldeyer in Strassburg. Fortsetzung von Max Schultze’s Archiv für mikroskopische Anatomie. Sechsundzwanzigster Band. Mit 31 Tafeln und 1 Holzschnitt. Bonn Verlag von Max Cohen & Sohn (Fr. Cohen) 1886. ] BISAHM, 4 £ “uhr { Y . } x hi u . ih 2 ch ds }, uB Lvys % 1; ’# u er 1) [j a iR Ran asian ar Het satte see u ıP h - n i ‚- 7 ie y ve 1 7 ° \ Er Ye x L wu genden ki RETTET urY hat a ce «no ‚nal simotssa oddeigodagz gito® ni 081009 ‚A ojisiaV al W ‚bus 1niegiatawsbanadsea: are ar ynM ao ' Fr 3 Au h Wi SU gr f ey Aue ’ RE TH Inhalt. Seite 2 Henle. Nachruf.? Von'W. Waldeyer. et. 00. Je. I—-XXXH Die Eihüllen von Phocaena communis Cuv. Von Hermann Klaatsch. Eierzuskafelalsund IL... arsstalk Walsh ee: 1 Ueber die Drüsen der Regio olfactoria. Von Dr. Alexander Dogiel aus Kasan. (Aus dem physiologischen Institut zu Breslau.) Hierzu BRRTE IR BETA RR a RR N 2 a EA ER ER NE er DU) Ueber die Entwickelung des sympathischen Nervensystems. Von Dr. A. »: Önodi, I. Assistensten am anat. und embryol. Institute zu Buda- pest. Vorgelegt der Ungarischen Akademie in der Sitzung vom 15. Juni 1885 von G. v. Mihalkovics. Hierzu Tafel IV’ .... 61 Untersuchungen über das Mundepithel bei Säugethieren, mit Bezug auf Verhornung, Regeneration und Art der Nervenendigung. Von Dr. Severin. (Aus dem anatomischen Institute zu Kiel.) Hierzu Tafel V. 81 Ueber die sogenannten Grenzscheiden des Knochencanalsystems nebst Bemerkungen über die Keratinsubstanzen. Von Dr. G. Broesike, Custos am Kgl. anatomischen Institut zu Berlin. . . 2.2... 88 Richtigstellung der Behauptung des Herrn Dr. Dahl. Von H. Dewitz. 125 Die Stützsubstanz des Centralnervensystems. Von Dr. Hans Gierke. I. -Kheil-, Hierzus Ratel VI ARA THE ARE NR RR, 129 Einiges über den Mitteldarm der Insekten sowie über Epithelregeneration. Von Johannes Frenzel. (Aus dem zoologischen Institut in Berlin.). Erszur late VIl, VI und IX 000 .000.0% 00 Bere, uk 2,229 Ueber die Drüsen der Nasenschleimhaut, besonders die Bowman’schen Drüsen. Von Dr. Ed. Paulsen, Privatdocent in Kiel. (Aus dem anatomischen Institut in Kiel.) Hierzu Tafel X und XI..... 307 Dottertropfen in der intracapsulären Flüssigkeit von Fischeiern. Von Bernh. Solger, Prosector und ao. Professor in Halle. (Aus dem anatomischen Institut zu Halle a. S.) Hierzu Tafel XI ..... 321 Ueber Ungleichheiten der Hoden beider Körperhäliten bei einigen Vögeln. Von Bernh. Solger, Prosector und ao. Professor in Halle. (Aus Dem lanatomischan Inskitutsau/Hale.) . lim 2a 2 0.2 20m. 334 IV Inhalt. Ueber das Verhalten der Kerne in den Milchdrüsenzellen bei der Ab- sonderung. Von Franz Nissen, stud. med. Hierzu Tafel XII. (Aus dem physiologischen Institut zu Breslau.) Ueber die Entstehung des Nebenkerns und seine Beziehung zur Kern- theilung. Von Gustav Platner. Hierzu Tafel XIV. Untersuchungen über die Spinalganglien des Frosches. Von Michael von Lenhossek in Budapest. Hierzu Tafel XV und XVI Ueber eine eigenthümliche Veränderung der Pankreaszellen warmblütiger Thiere bei starker Absonderungsthätigkeit der Drüse. Von Dr. S. W. Lewaschew, Dozenten an der medicinischen Akademie zu St. Petersburg. Hierzu Tafel XVII. (Aus dem physiologischen In- stitut zu Breslau.) fe are Ueber die Theilbarkeit der lebendigen Materie. I. Mittheilung. Die spontane und künstliche Theilung der Infusorien. Von Dr. Moritz Nussbaum, a.o. Professor und Prosector am anatomischen Institut in Bonn. Hierzu Tafel XVHI—XXI. Ein Entwässerungsapparat. Von Franz Eilhard Schulze. Mit einem Joseph Heinrich List in Graz. Hierzu Tafel XXI Ueber die Entwickelung des sympathischen Nervensystems. Zweiter Theil. Von Dr. A. D. Onodi. Hierzu Tafel XXIII—XXVI. Ueber den Bau der Grandry’schen Körperchen. Von Dr. med. A. Do- stoiewsky aus St. Petersburg. Hierzu Tafel XXVIII, Fig. 1—12. Ueber den Bau der Vorderlappen des Hirnanhanges. Von Dr. med. A. Dostoiewsky aus St. Petersburg. Hierzu Tafel XXVIII, des lern, El Zur Bildung der Geschlechtsprodukte bei den Pulmonaten. Von Gustav Platner. Hierzu Tafel XXIX und AXR IV. BET. 2er SER Die Kerntheilungsfiguren im Medullarrohr der Wirbelthiere. I. Ba- trachier. Von A. Rauber. Hierzu Tafel XXXI .. Seite 453 591 592 J. HENLE. Nachruf. Von W. Waldeyer. Am 13. Mai dieses Jahres ist J. Henle aus dem Leben ge- schieden, mit ihm der bedeutendste Anatom unserer Zeit. Noch vor kurzer Zeit hat der Entschlafene seinem Freunde Theodor Schwann in dieser Zeitschrift einen Nekrolog gewidmet: heute müssen wir ihm selbst das „Have“ nachrufen. Friedrich Gustav Jakob Henle wurde, als Sohn eines Kauf- manns, am 19. Juli 1809 zu Fürth in Franken geboren. Seine Eltern siedelten später nach Mainz und dann nach Koblenz über, in welchen beiden Orten Henle seinen hauptsächlichen Schul- unterricht erhielt. Schon in Koblenz knüpften sich durch Familien- bekanntschaft Beziehungen zu dem damals in Bonn wirkenden Jo- hannes Müller an, dessen hervorragendster Schüler Henle später werden sollte. Die Universitätsstudien machte Henle in Bonn und Heidel- berg 1827—1832. Seine Lehrer in der menschlichen Anatomie waren in Bonn: F. J. C. Mayer und M. J. Weber, in Heidelberg: Tie- demann und Fr. Arnold. Bei Joh. Miller hörte er: Einleitung in das Studium der Mediein, vergleichende Anatomie, Physiologie, allgemeine Pathologie und pathologische Anatomie; die Kliniken besuchte er in Bonn: beiNasse, Walther und Kilian, in Hei- delberg: bei Puchelt, Chelius und Naegele!). Das Examen 1) Die vorstehenden Angaben über die von Henle gehörten Vorlesungen sind der Mittheilung von K. Bardeleben entlehnt. Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 26. a ee. rigorosum bestand Henle zu Bonn am 16. Aug. 1831, während er erst — inzwischen mit der Abfassung seiner Inauguralschrift: „De membrana pupillari, aliisque oculi membranis pellucentibus observationes anatomicae“ beschäftigt — am 4. April 1832 pro- movirte. Auch fallen in diesen Winter 1831/32 vergleichend ana- tomische Studien mit Joh. Müller, den er auf einer wissen- schaftlichen Reise nach Paris begleitete. Bei aller eifriger Arbeit war Henle ein flotter Student im besten Sinne des Wortes, der mit Jugendlust und Jugendmuth dem Leben gab, was des Lebens war, und, wie nur Wenige es bei so tüchtiger Berufsarbeit ver- mögen, seine Universitätszeit auch zur Erweiterung und Vertiefung seiner Kenntnisse auf fast allen wissenschaftlichen Gebieten, na- mentlich in der Philosophie und Kunstgeschichte verwendete. In nicht gewöhnlieher Weise für die Musik begabt, pflegte er mit feinem Verständniss aufs eifrigste diese edle Kunst; sie blieb ihm für’s ganze Leben die schönste Erquickung. Zur Ableistung seiner Staatsprüfung musste sich Henle, den damals bestehenden Verordnungen gemäss, nach Berlin begeben. Etwa ein halbes Jahr später (1833) folgte ihm sein Lehrer und Freund Joh. Müller nach, der die Professur der Anatomie in Berlin, als Nachfolger K. A. Rudolphi’s, übernommen hatte. Henle trat auch alsbald wieder in nahe Beziehungen zu dem da- mals schon hochberühmten Manne, indem er 1834 bei ihm Pro- sektor ward. Schon 1835 wurden mit Henle Verhandlungen zur Uebernahme einer Professur in Dorpat angeknüpft; doch traf ihn im Sommer desselben Jahres das Geschick, wegen Theilnahme an der deutschen Burschenschaft, der er während seiner Bonner Stu- dienzeit beigetreten war, verhaftet und in der bekannten Berliner Hausvoigtei eingesperrt zu werden. Nach 6wöchentlicher Haft wurde er indessen — auf Verwendung Alexander von Humboldt’s — entlassen; doch hatte dieser Zwischenfall die weitere Folge, dass Henle’s Habilitation sich verzögerte. Er konnte die letztere erst 1837 mit seiner berühmten Abhandlung: Symbolae ad ana- tomiam villorum intestinalium, imprimis eorum epithelii et vaso- rum lacteorum, Berolini, IV. 1837. A. Hirschwald, bewerkstelligen. Vorher noch hatte er eine zweite wissenschaftliche Reise mit Joh. Müller nach England unternommen, wesentlich zum Stu- dium der Fische und insbesondere der Plagiostomen; als Frucht derselben erschien das in Gemeinschaft mit Joh. Müller heraus- Ser gegebene grosse grundlegende Werk: „Systematische Beschreibung der Plagiostomen, Berlin 1841.“ Als Docent war Henle nur 2 Jahre in Berlin thätig, 1835—1S40; er las über Gewebelehre und allgemeine Pathologie und hielt mikroskopisch-anatomische Curse, welehe wahrscheinlich, neben den von Purkyne in Breslau mit den bescheidensten Hülfsmitteln angestellten, die ersten ihrer Art gewesen sein mögen. Seine vorzügliche Lehrbegabung trat gleich von Anfang an hervor und verschaffte ihm, im Verein mit der hohen Anerkennung, die er sich bereits durch zahlreiche bedeu- tende Arbeiten erworben hatte, bereits im Jahre 1840 einen Ruf nach Zürich an Fr. Arnold’s Stelle als Professor der Anatomie und Director der dortigen anatomischen Anstalt. Das Sexennium seines Berliner Aufenthalts war für Henle der Schwerpunkt seiner Entwicklung, eine schöne, anregende, frucht- bare Zeit. Der stete Verkehr mit dem in frischester Kraft wir- kenden, ihm persönlich befreundeten Johannes Müller, der freund- schaftliche Umgang mit Th. Schwann, mit dem er an gemein- samen Problemen arbeitete, die Hülfsmittel der immerhin bedeuten- den anatomischen Anstalt — deren Aussenseite freilich wenig ein- ladend war — und der grossen Stadt, der gewaltige Umschwung, der sich gerade in diesen Jahren, 1834—1840, in der Lehre von den Elementartheilen der Organismen vollzog, und an dem Henle in erster Linie berufen war mitzuwirken: alles dies musste selbst minder Begabte wecken und anfachen, wie viel mehr eine Kraft von Henle’s Art! Man lese, wie er selbst in dem Eingangs er- wähnten Nachrufe an Theodor Schwann!) in lebendigen Farben und freudiger Rückerinnerung diese Zeit schildert. In Zürich lehrte Henle ausser der Anatomie noch die Phy- siologie und, wie in Berlin an Johannes Müller, so gewann er dort an dem geistreichen Kliniker Karl Pfeufer einen Freund und Mitarbeiter fürs Leben. Die Verbindung beider lenkte Henle für eine Zeitlang besonders auf allgemein pathologische Studien, die allerdings in Berlin bereits mit erheblichem Erfolge begonnen worden waren, und führte zur Herausgabe der „Zeitschrift für ratio- nelle Mediein*“, die bis zum Tode Pfeufers fortbestand und 25 Jahre hindurch (1844—1869) neben J. Müller’s, später Rei- ehert's und Du Bois Reymond’s Archiv, und Virchow’s 1) Dieses Archiv, Bd. 21, p. 1 ff. BERN: » Archiv zu den angesehensten Veröffentlichungen ihrer Art gehörte. Als weiterer und wohl glänzendster Markstein der Züricher Epoche Henle’s muss sein weltberühmtes Werk die „Allgemeine Anatomie“, Leipzig, 1841, genannt werden, welches weiter unten einer ein- gehenderen Besprechung unterzogen werden soll. In Zürich weilte Henle nicht lange. Bereits 1844 erhielt er eine Berufung als zweiter Professor der Anatomie für Heidelberg, wo er neben Tiedemann, seinem früheren Lehrer, zu wirken hatte. Er las dort ebenfalls über Anatomie, Physiologie und auch Anthropologie. 1849, als Tiedemann seine Emeritirung nachsuchte, erhielt Henle die Direetion der anatomisch-physiologischen Anstalt. Ein gün- stiges Geschick wollte, dass fast gleichzeitig auch Pfeufer als Director der medicinischen Klinik nach Heidelberg berufen wurde die beiden Freunde also zusammen blieben. Im Jahre 1852 siedelte Henle, als des älteren Langen beck Nachfolger auf dem Lehrstuhle der Anatomie, nach Göttingen über und blieb dieser Hochschule, die in einem Albrecht v. Haller, Zinn!), Wrisberg und Langenbeck ihm würdige Vorfahren gegeben hatte, treu bis zum Ende seiner Tage. 1858, nach Joh. Müller’s Tode, wurde er zu dessen Nachfolger ausersehen, lehnte jedoch den Ruf ab. Reiche, wohlverdiente Ehren und Anerken- nungen der badischen, hannoverschen, braunschweigischen und preussischen Regierung, der Universitäten, so wie Seitens der Studirenden wurden ihm zu Theil. Nach Wöhlers Ableben (1882) wurde Henle ständiger Secretär der Kgl. Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen. Kaum eine gelehrte Gesellschaft war, die es sich nicht zur Ehre angerechnet hätte, ihn zum Mit- gliede zu haben. Die Universität Breslau ertheilte ihm die philo- sophische, Edinburg die juristische Doetorwürde. Wie hoch geschätzt und angesehen Henle bei seinen Fach- genossen und Collegen, so wie auch in weiteren Kreisen war, gab sich in unzweideutiger Weise bei der am 4. April 1882 in Göt- tingen veranstalteten Feier seines 50 jährigen Doctor-Jnbiläums 1) J. Gottfr. Zinn, Schüler A. v. Haller’s, geb. 1727, war zwar in Göttingen nicht Professor der Anatomie, — er starb bereits 1759 — doch dürfen wir ihn wohl zu den Anatomen rechnen, da er selbst in der Vorrede zu seinem berühmten Werke sagt, dass die Anatomie das Hauptstudium seines Lebens gewesen sei. I LE kund. Jedem der das Glück hatte, diesem wahrhaft schönen Feste beizuwohnen, wird es in unvergesslicher Erinnerung bleiben. Man sah es den Festgenossen an, dass ein Mann gefeiert wurde, den sie alle ohne Ausnahme als ihren Meister willig anerkannten, und den sie nicht nur als Heroen der Wissenschaft, sondern auch als Menschen, Lehrer und Freund achteten, verehrten und liebten. Diese Stimmung bildete den Grundton der erhebenden Feier, die um so schöner ausfiel, als der Jubilar im Kreise seiner gesammten Familie in voller geistiger und körperlicher Kraft dieselbe begehen konnte. Diejenigen seiner Schüler, welche zur Zeit des Festes in akademischen Stellungen sich befanden, widmeten ihm eine Festschrift: „Beiträge zur Anatomie und Embryologie“, Bonn 1882, 4. 222 S. 24 Taff. und eine kunstvoll ausgestattete Adresse. Ich glaube kaum besser zu einer Würdigung der Bedeutung und der Verdienste Henle’s, auf die ich nun etwas näher eingehen möchte, überleiten zu können, als mit dem Wortlaut der von Kölliker verfassten Adresse, den ich zunächst folgen lasse. Auch die Namen der Unterzeichner — Schüler Henle’s, welche ihm als Medieiner und Naturforscher im akademischen Berufe gefolgt sind — mögen hier Platz finden; sie zeigen besser als viele Worte, wie weit- reichend sein Einfluss als Lehrer für die Fortentwickelung der Wissenschaft geworden ist. „Sie feiern, so lautet die Adresse, heute den Tag, an wel- chem Sie vor fünfzig Jahren mit Ihrer berühmten Abhandlung: „de membrana pupillari“ den medieinischen Doctorgrad sich er- warben. Dieser Tag ist nicht nur ein Ehrentag für Sie, sondern ein Tag hoher Freude für Alle, welche Ihnen je im Leben näher traten, und so gestatten Sie denn auch uns, Ihren ehemaligen Schülern und jetzigen Berufsgenossen, Ihnen heute unsere auf- richtige Verehrung zu zollen und unsern Dank darzubringen. Ein würdiger Schüler und Freund Johannes Müller folgten Sie demselben zunächst auf das Gebiet der vergleichenden Ana- tomie, um jedoch bald Ihre eigenen Wege zu gehen. In der richtigen Erkenntniss, dass vor Allem Bichats Werk auf dem von Schleiden und Schwann gewonnenen Boden neu aufgebaut werden müsse, schufen Sie Ihre „Allgemeine Anatomie“, eine wissenschaftliche That höchster Bedeutung, die in Wahrheit die Signatur Ihres ganzen ferneren Wirkens geworden ist. Gleich a ausgezeichnet durch die Fülle neuer Thatsachen und Gedanken, durch die meisterhafte Erörterung der physiologischen Leistungen der Gewebe auf Grund ihrer anatomischen Structur, durch die sorgsame und gerechte Würdigung der voraufgegangenen Arbeiten, wird dieses Werk ein Muster für alle Zeiten bleiben. Mit vollem Verständniss erkannten Sie ferner schon damals, dass die Physiologie der Gewebe die Grundlage der Pathologie sei, und setzten sich auch in diesem Gebiete durch Ihre: „Patho- logischen Untersuchungen“, in denen Sie mit so grossem Scharf- blicke die neuesten Errungenschaften der Seuchenlehre voraus- sagten, und durch Ihre „Rationelle Pathologie“ ein unvergängliches Denkmal. Glänzende Zeugnisse für Ihre rege und fruchtbare Thätigkeit im Gesammtgebiete unserer Wissenschaft liefern ausserdem Ihre „Anthropologischen Vorträge“ sowie die mit Pfeufer gegründete, mehr als zwei Decennien umfassende „Zeitschrift für rationelle Mediein“ und Ihre „Jahresberichte“. Allen diesen grossartigen Leistungen setzten Sie durch Ihre Untersuchungen im Gebiete der menschlichen Anatomie die Krone auf und feierte Ihr hervorragendes Talent im Beobachten und in der klaren Wiedergabe des Erkannten durch Wort und Bild hier seinen grössten Triumph. In der That steht Ihr „Handbuch der systematischen Anatomie“ nach Aller Urtheil einzig in seiner Art da und hat die älteste und von Manchen für abgeschlossen erklärte Disciplin der anatomischen Wissenschaften auf eine bisher nicht erreichte Stufe der Vollkommenheit gehoben, auf die Jeder sich wird zu stellen haben, der mit Erfolg darin weiter arbeiten will. Das Bild Ihrer Leistungen bliebe nun aber, obgleich reich ausgestattet und glanzvoll, doch unvollkommen, wenn wir nicht noch Ihrer Wirksamkeit als akademischer Lehrer gedächten, und auf diesem Gebiete sind wir, Ihre Schüler und Berufsgenossen, vor Allen zu einem Urtkeile berechtigt. Beredter im Vortrage, klarer in der Darstellung, tiefer in Gedanken und überzeugende hat kein Anderer je zu uns gesprochen; Sie werden uns darin stets ein unerreichtes Muster bleiben. So nehmen Sie denn, vielgeliebter und hochverehrter Meister, für Alles, was Sie der Wissenschaft, was Sie uns gewesen sind, den innigsten Dank! Empfangen Sie unsere besten Glückwünsche ° zu dem ruhmvollen Tage, den Sie heute feiern und lassen Sie — VI — uns die Hoffnung aussprechen, dass Ihnen noch viele Jahre reinen Glückes und segensreichen Wirkens vergönnt sein mögen.“ Ch. Aeby. H. Aubert. A. Bardeleben. W. Berlin. J. Bocken- dahl. E. du Bois-Reymond. E. Brücke A. v. Brunn. R. Deutsch- mann. Th. v. Dusch. E. Ehlers. H. Emminghaus. W. Flemming. R. Förster. N. Friedreich. A. Froriep. C. Hasse. C. v. Hecker. W. Heinecke. W. Henke. 0. v. Heusinger. C. K. Hoffmann. E. Jolly. A. Kölliker. W. Kühne. A. Kussmaul. Th. Langhans. Hj. Lindgren. F. Merkel. J. Meyer. J. Moleschott. S. Moos. W. Müller. J. Rosenbach. N. Rüdinger. H. Schildbach. R. Schir- mer. H. Stilling. J. Stilling. L. Teichmann. J. Uffelmann. C. Völkers. W. Waldeyer. A. Weismann. C. Westphal. F. Zenker. Wie es im Vorstehenden in kurzen Zügen hingestellt ist, müssen wir zu einereingehenden Würdigung der Bedeutung Henle’s seine Wirksamkeit als Forscher, Verfasser von Lehrbüchern und seine Thätigkeit als Lehrer ex Cathedra und in der Arena des Anatomen bei der Heranbildung von Schülern ins Auge fassen. Als Forscher hat sich Henle über ein sehr umfangreiches Gebiet der Gesammtmediein verbreitet: die allgemeine Anatomie, die deseriptive makroskopische und mikroskopische Anatomie, die vergleichende Anatomie und Zoologie, die Physiologie und alige- meine Pathologie sind die Zweige unserer Diseiplin, die er selbst- thätig pflegen half; ja, einzelne dieser Zweige sind geradezu durch seine Bemühungen zu stattlichen Aesten entwickelt worden. Schon die Inaugural-Abhandlung zeigt uns den scharfsinnigen Beobachter und selten gewandten Darsteller, der sich auch unter der fremden Sprache nicht verhüllt. Henle führt darin den Nach- weis, dass die seit 1738 durch Wachendorff bekannt gewordene Pupillarmembran mit der an der hinteren Linsenwand vorfindlichen sefässhaltigen Kapsel zusammenhängt; das den Zusammenhang vermittelnde Stück der Membran nannte er: „membrana capsulo- pupillaris*. Es standen ihm übrigens hierbei Erfahrungen und Präparate Joh. Müllers zur Seite. Gleich mit seiner Uebersiedelung nach Berlin begann eine umfassende Thätigkeit vorzugsweise auf dem Gebiete mikrosko- pischer Forschung, der sich, wesentlich durch Joh. Müller beein- flusst, vergleichend anatomische und zootomische Arbeiten anschlos- sen. Dass Henle in letzterer Richtung vorzugsweise durch J. Müller angeregt wurde, zeigt der Umstand, dass er seit seinem — VOII — Weggange von Berlin kaum mehr auf diesem Gebiete thätig ge- wesen ist. Ihn fesselten vor allem die Beziehungen der Anatomie zur Physiologie und Pathologie, in welch’ letzterer er in völlig richtiger Weise auch nur eine Physiologie, und zwar die eines in Folge äusserer Einflüsse abnorm fungirenden Organismus sah. Grade Henle hat wesentlich dazu beigetragen, dass diese Auf- fassung der Krankheitserscheinungen die allgemein anerkannte geworden ist. Bei den hierher zu reehnenden Arbeiten müssen, ausser seiner vorhin eitirten Habilitationsschrift, gezählt werden:. der Artikel: „Galle“ im eneykiopädischen Wörterbuch der medieinischen Wissen- schaften T. XIII, Berlin 1835, in welchem zum ersten Male das „Cylinderepithel“, und zwar das der Gallenblase, beschrieben wird, welches Henle dann in seiner Habilitationsschrift als normalen Ueberzug der gesammten Darmschleimhaut richtig erkannte und feststellte, so wie den Zusammenhang dieses Epithels mit dem „Pflasterepithel“ (alle diese Bezeichnungen rühren von Henle her) des Oesophagus und der Mundhöhle, weiterhin der äusseren Haut. Ferner bewies er (Habilitationsschrift), dass die kurz zuvor von Purkyüe und Valentin entdeckten Flimmerhärchen eylindrischen Zellen implantirt seien (freilich nannte er sie damals, 1837, noch nicht „Zellen“, sondern „eylindros*, während die Elemente des geschichteten Plattenepithels der äusseren Haut, der Mundhöhle, der Conjunetiva, des Oesophagus u. a. als „cellulae* oder auch „eellulae nucleatae* bezeichnet werden). So legte in diesen Ab- handlungen und in einer ferneren: „Ueber die Ausbreitung des Epithelium im menschlichen Körper“, Müller’s Archiv 1838, Henle die Grundlage unserer heutigen Kenntnisse über das Epithelgewebe. Man kann, ohne zu viel zu behaupten, diese Publicationen als eine wesentliche Vorarbeit für Schwann’s unsterbliches Werk betrach- ten, wie Letzterer dann selbst in seiner bescheidenen unparteiischen Weise ihnen dies Zeugniss ausstellt?). Die Henle’sche Habilitationsschrift beschäftigt sich ferner mit den centralen Chylusgefässen der Darmzotten, über welche noch manche Controversen herrschten, ob z. B. dieselben offen in das 1) Mikroskopische Untersuchungen über die Uebereinstimmung in der Structur und dem Wachsthum der Thiere und Pflanzen. Berlin, 1839. Vor- rede, S. VI. — IH DR. Darmlumen mündeten u. a.; Henle stellte ihre Existenz unzweifel- haft fest, widerlegte jene supponirten Mündungen und lieferte auch für diesen wiehtigen Gegenstand die Grundlage unserer heutigen Anschauungen. Weiterhin fallen in die Berliner Zeit seine Arbeiten über den Bau der Haare, deren innere Wurzelscheide, speciell die nach ihm benannte Schicht derselben er entdeckte, so wie der gleich- zeitig mit Purkyne geführte Nachweis der Leberzellen. Die das pathologische Gebiet betreffenden Arbeiten sollen später im Zusammenhange besprochen werden. Was die vergleichend-anatomischen und zootomischen Unter- suchungen anlangt, so ist des grossen, im Verein mit Joh. Müller herausgegebenen Werkes über die Plagiostomen bereits gedacht worden. Henle selbst stellte eine neue Rochenart, das genus „Nareine“ fest und beschrieb dieselbe in Müller’s Archiv. Ferner muss er mit Berger als Entdecker des „Acarus follieulorum“, den er in den Haarbälgen des äusseren Ohres auffand, bezeichnet werden!). Auch das im Wirbelkanale von Rana?) schmarotzende von Henle so genannte „Diplostomum rhachiaeum“ und die später so vielfach untersuchte interessante Annelidenspecies „Enchytraeus“ sind von ihm entdeckt und genau beschrieben worden. Eingehen- der, und vergleichend-anatomisch bearbeitete Henle das Genus „Branchiobdella“ und die Geschlechtsorgane der Anneliden und Schnecken, sowie den Kehlkopf. Seine vergleichende Anatomie des letzteren bildet eine seiner verdienstvollsten Leistungen. Sie hat ihm später noch zur Aufstellung seines musculus Thyreo-ary- epiglotticus verholfen, in welchem er einen Theil des bei den höheren Geschöpfen in mehrere Muskeln zerlegten M. sphineter laryngis der Amphibien und Reptilien, den er zuerst genau be- schrieb und richtig deutete, erblickt. So hervorragend alle diese Arbeiten waren, so wurden sie doch weit noch überholt durch eine der glänzendsten Veröffent- 1) S. darüber: L. Landois, De Macrogastere hominis. Diss. inaug. Gryphiae 1861. 2) Von Diesing, Systema helminthum, als ‚„Tylodelphys rhachidis“ bezeichnet. Nach Diesing findet es sich bereits bei Caldani 1794 und Rudolphi erwähnt. N er lichungen Henle’s, welche zugleich eine Epoche in der Entwick- lung unserer anatomischen Wissenschaften einleitete und Henle’s kuf für alle Zeiten sicherte, ich meine seine „Allgemeine Anato- mie.“ Die „Allgemeine Anatomie“ bildet zwar einen Theil der zweiten Bearbeitung des grossen Sömmerrin g’schen Lehrbuches der Anatomie, die von R. Wagner, Huschke, Theile, Valen- tin, Bischoff und Henle unternommen wurde; sie ist aber ein vollkommen selbstständiges Werk. In ihm hat Henle die Grund- lagen der Disciplin, welche wir heute „allgemeine Anatomie“ nennen, und welche nach Schleiden und Schwann in Vielem anders gestaltet werden musste, als zu Bichat’s Tagen, mit festen Zügen für lange Zeiten gezeichnet. Noch heute ist das fast vor einem halben Jahrhundert geschriebene Werk nicht veraltet und wird auch nicht veralten. Hiermit soll weder Bichat’s unsterb- liches Verdienst — Henle selbst nennt ihn den Begründer der „allgemeinen Anatomie“ — irgendwie geschmälert werden, noch wollen wir damit über die Unvollkommenheiten hinwegsehen, die dem Henle’schen Werke anhaften. Letztere liegen zum grossen Theile in der Eintheilung, welche er für die Elementartheile und Gewebe aufstell. So kommt mitten zwischen die Besprechung der Nägel und der Haare das „körnige Pigment“, wobei nun pigmen- tirtes Epithel und pigmentirte Bindesubstanz nicht auseinander gehalten werden. Ferner wird die Grundlage der Hornhaut noch als ein eigenes Gewebe angesehen und das Gewebe der Krystall- linse steht mit dem des Glaskörpers noch in einem und demselben Kapitel zusammen. Bekanntlich wurde die Gruppe der „Bindesubstanzgewebe“ erst vier Jahre später durch Reichert aufgestellt. Henle trennt noch das Bindegewebe vom Fettgewebe und elastischem Gewebe, obgleich er sie unmittelbar auf einander folgen lässt, dann aber wieder die Capitel über die Säfte und Gefässe des Körpers nebst der Betrachtung des Muskel- und Nervengewebes zwischen schiebt und nun erst das Knorpelgewebe, das Knochengewebe und das Ge- webe der Zähne folgen lässt. Dabei ist jedoch nicht zu übersehen, dass die verwandtschaftlichen Beziehungen zwischen Bindegewebe, Fettgewebe und elastischem Gewebe zum Theil schon richtig er- kannt sind. Auch Befunde an den Knorpelbezügen des Kiefer- selenkes | veranlassen Henle Zwischenstufen von Knorpel und Bindegewebe zuzulassen, wenngleich er das Wesentliche der’ Zusam- mengehörigkeit nicht erkennt. Interessant ist es zu sehen — was beiläufig bemerkt werden mag, — dass ein so feiner Beobachter, wie Henle, die richtige Natur der Fasern im sogenannten ela- stischen oder Netzknorpel nicht erfasste. Es wird in der „Allge- meinen Anatomie” folgendes System aufgestellt: I. Thieriseche Elementartheile im Allgemeinen. a) Elementarzellen, b) Weitere Entwicklung und Metamorphose der Elementar- zellen, c) Intercellularsubstanz. Hier wird dann eine Betrachtung des „Organismus“ einge- schoben. II. Die Gewebe. a) Oberhaut, b) Nägel, c) körniges Pigment, d) Haare, e) Hornhaut, f) Krystalllinse, Glaskörper und dazugehörige Häute, $) Bindegewebe, h) Fettgewebe, i) Elastisches Gewebe, k) Nahrungssaft und Nahrungssaft führende Gefässe, ]) Muskelgewebe, m) Nervengewebe, n) Knorpelgewebe, 0) Knochengewebe, p) Zähne, q) Gehörsteine, r) Drüsen, 1. Haut- und Schleimdrüsen, 2. Blutgefässdrüsen, s) Häute. Vergleicht man aber diese gewiss sehr unvollkommene Ein- theilung des Stoffes mit einer wenige Jahre früher von einem der bedeutendsten Anatomen vorgenommenen, so wird doeh der enorme Fortschritt, den Henle that, in die Augen springen. - E. H. Weber bringt 1833 in der vierten Auflage von Hildebrandts Anatomie, >, — XI — die er namentlich im ersten Theile vollständig neu bearbeitet hat, folgendes System: l) Materien des Körpers, welehe in den Gefässen, in geschlossenen Höhlen und in der Substanz der Organe selbst vor- kommen. (Hierunter werden diechemischen Bestandtheile verstanden). 2) Die flüssigen und die festen Substanzen des Kör- pers. (Letztere werden eingetheilt in leimgebende und nicht leim- gebende). 3) Kleinste durch das Mikroskop sichtbare Theile. (Formlose halbflüssige Materie, Körnchen, Materie von zelligem Ge- füge, Fasern, Röhrchen, Blättchen.) 4) Gewebe. a) einfache (nicht zusammengesetzte), biezu werden gerechnet: «) Horngewebe (Epithelien, Nägel, Haare). #) Zahngewebe (Schmelz, Zahnbein, oder Knochensubstanz der Zähne). y) Gewebe, von denen es streitig ist, ob sie zu den ein- fachen Geweben zu rechnen sind oder nicht (Krystall- linse, Hornhaut, innere Haut der serösen Höhlen und der Blutgefässe). b) Zusammensetzende Gewebe. a) Zellgewebe, P) Gewebe der allgemeinen Gefässhaut, y) Gewebe der Nervensubstanz. c) Zusammengesetzte Gewebe (Gewebe, die keine deut- lieh sichtbare Nerven und weniger diehte und kleine Haargefässe haben.) «) Knorpelgewebe, P) Knochengewebe, y) Sehniges Gewebe, d) Elastisches Gewebe, e) Gewebe der serösen Säcke. d) Gewebe, welche deutlich sichtbare Nerven und zahlreichere und diehtere Netze blutführender Canäle enthalten. «) Muskelgewebe, ) Gewebe der Lederhaut, y) Gewebe der Schleimhaut, — XI — 0) Gewebe der Drüsen, &) Erectiles Gewebe, £) Theile, welehe zu Lebensbewegungen fähig sind, und in denen dennoch keine deutlichen Muskelfasern sicht- bar sind. (Hierher wird z. B. das Gewebe des Uterus, das der Iris, der Tunica dartos u. a. gezogen.) Wie viel weiter, allerdings auf den Schultern von Schwann stehend, aber in Vielem auch durch gleichzeitige und nachfolgende eigene Arbeit Henle gekommen war, bedarf keiner weiteren Er- läuterung. Und, wollen wir bei den grossen Mängeln, welche des Letzteren System 1841 noch zeigt, nicht vergessen, dass wir auch heute noch nicht zu einem viel besseren Standpunkte vorgedrungen sind. Grade in der neueren Zeit sind die Bestrebungen nach einer allgemein annehmbaren Klassifieation der Elementartheile und Ge- webe wieder in den Vordergrund getreten und haben unter Ande- renRollett, Kölliker, His, OÖ. Hertwig, Rauber, Kollmann und besonders E. Haeckel sich daran versucht; wir werden aber gestehen müssen, dass sich bei jedem solchen Unternehmen noch die erhebliehsten Schwierigkeiten in den Weg stellen und wohl von jedem der vorgeschlagenen Systeme nur Einer befriedigt ist — der Autor selbst — und vielleicht nieht einmal dieser! Henle hat später — in seinen Jahresberichten und Vorle- sungen — sein System vereinfacht, ist jedoch bis zuletzt einem rein morphologischen Eintheilungsprineipe treu geblieben, ohne sich etwa um physiologische oder genetische Verhältnisse zu kümmern. Er theilte uns beispielsweise im Jahre 1858, in seiner Vorlesung über allgemeine Anatomie, das Gebiet folgendermassen ein!): I. Elementartheile, Allgemeine Histologie. (In diesem Abschnitt wurde die Zellenlehre abgehandelt). I. Gewebe. A. Einfache Gewebe. l) Gewebe mit kugligen Elementen. a) in flüssigem Blastem (Blut, Lymphe, Chylus, Schleim und Eiter, Milch und Colostrum, Samen). 1) Dieselbe Eintheilung hat Henle noch in seiner letzten Vorlesung über Allgem. Anatomie im Sommer 1884 festgehalten. (Briefl. Mitth. von Fr. Merkel.) — XV — b) in festem Blastem (Epithelium, Fettgewebe, Pig- mentgewebe). 2) Gewebe mit fasrigen Elementartheilen (Binde- sewebe, elastisches Gewebe, Linsengewebe, Glattes Mus- kelgewebe, Gestreiftes Muskelgewebe, Nervengewebe). 3) Compacte Gewebe (Knorpelgewebe, Knochengewebe, Zahngewebe). B. Zusammengesetzte Gewebe. 1) Gefässe, 2) Drüsen, 3) Häute, 4) Haare. Der Unvollkommenheiten dieses Systems war sich Henle genau bewusst; er erkennt sie bereits im ersten Bande seines Jah- resberichtes (1856) an und im letzten (1871), als er sich den Vor- würfen Rolletts gegenüber zu vertheidigen hat, gibt er auch offen den Grund an, warum er dieser Eintheilung nicht entsagt. „Rollett*, schreibt Henle a.a.O., „tadelt die Eintheilung der Ge- webe, die ich diesen Berichten zu Grunde zu legen pflege. Ich bin um so weniger im Stande, dieselbe zu vertheidigen, da seine Einwürfe grossentheils mit denen zusammentreffen, die ich mir (I. Bd. des Berichtes) gemacht habe. Ich darf nur sagen, dass ich, so lange ich mich dieser Eintheilung bediene, niemals Schwierig- keiten gefunden habe, das thatsächliche Material in die gegebenen Rubriken einzuordnen. Und darauf müssen sich, meiner Meinung nach, die Ansprüche an ein histologisches System beschränken, bis wir im Stande sind, ein solches wirklich synthetisch, d. h. mit Rücksicht auf das Verhältniss der vollendeten Elementartheile zu den primitiven Zellen zu begründen.“ Die einzelnen Abschnitte seiner „allgemeinen Anatomie“ hat Henle alle: gleichmässig und in vorzüglicher klarer Darstellung bearbeitet; überall hat er die durch Schleiden und Schwann geschaffene neue Basis zu Grunde gelegt und — man möge sich vergegenwärtigen, was es besagen will, eine ganze Diseiplin in kaum zweijähriger Frist völlig umzugestalten — die von ihm sich vor- gesetzte Aufgabe: die Histologie auf die Zellenlehre zurückzuführen, zum grössten Theile glücklich gelöst. Ebenso, wie in der Auf- stellung des Systems, gewahrt man den bedeutenden Fortschritt am besten, wenn man Henle’s Einzeldarstellungen mit denen ver- gleicht, die noch wenige Jahre zuvor von Anderen geliefert worden 0 waren. Dass dabei an manchen Orten Unvollkommenheiten und Unrichtigkeiten bestehen blieben, kann bei der Mangelhaftigkeit der damaligen Hülfsmittel und bei dem grossen Umfange des Ge- bietes nicht Wunder nehmen. Ich verweise z. B. auf die Dar- stellung der Drüsen, in der Henle wohl am wenigsten glücklich gewesen ist, ungeachtet die Bearbeitung dieses Capitels vieles In- teressante bietet. Die Worte, mit denen Henle diesen Abschnitt seines Buches einleitet, zeigen auch klar an, wie er sich der grossen Schwierigkeiten einer alles umfassenden Adenologie vollauf be- wusst war. „Die Classe der Drüsen, heisst es da, p. 389, ist eine derjenigen, welche eine Wissenschaft in ihrer ersten Jugend leicht- sinnig schafft und welche zu begrenzen und zu rechtfertigen ihr in Zeiten der Reife grosse Sorgen und Mühe kostet.“ — Und wir haben jetzt noch genugsam damit zu thun! Das ganze umfangreiche Werk zeigt auf jeder Seite die eigene gewissenhafte Arbeit des Verfassers, und es ist das überhaupt von allen Lehrbüchern Henle’s zu sagen: sie sind in jeder Zeile sein eigenstes Werk! — Nicht unerwähnt soll die äusserst sorg- fältige, gewissenhafte und kritische Bearbeitung der Geschichte und Literatur bei den einzelnen Kapiteln sein, ebenso die überall hervorgehobenen Beziehungen zur Physiologie: Beides kann für alle Zeiten in der That als Muster dienen. Dass bei so strenger eigener Prüfung und Bearbeitung der Dinge eine grosse Menge neuer Funde beigebracht wurde, ist wohl selbstverständlich; ich möchte nur an die Darstellung der Hornhaut und an die der Blutgefässe, deren glatte Museulatur hier zuerst genau beschrieben wird, erinnern. In Zürich gründete Henle mit seinem Freunde Pfeufer 18441) die „Zeitschrift für rationelle Mediein.“ Ihre Bedeutung, in welcher sie sich ein Vierteljahrhundert zu behaupten wusste, ist schon vorhin kurz gewürdigt worden. Hier sei noch angefügt, dass Henle der alleinige Redacteur war und sein Einfluss in ihr offenbar überwog; in der letzten Hälfte ihres Bestehens brachte sie in der Mehrzahl Artikel aus dem Gebiete der Anatomie und Physiologie und aus Göttinger Kreisen. In dieser Zeitschrift und früher bereits einige Jahre in Joh. Müller’s Archiv und im Canstatt’schen Jahresberichte erscheint 1) Der erste fertige Band trägt die Jahreszahl 1844; begonnen wurde sie schon früher. — XVI — Henle nun in einer andern nicht minder bedeutungsvollen Thätig- keit, als kritischer Berichterstatter, und man muss sagen, dass er wohl auf diesem Felde sowohl intensiv wie extensiv eine ganz hervorragende Arbeitsleistung entfaltet hat. Seine Berichte verbinden mit der Treue in der Wiedergabe der Faeta doch auch eine Verarbeitung des Berichteten; sie sind nieht nur eine farblose Aneinanderreihung von Sätzen, die aus dem Zusammenhange der Arbeiten herausgelöst und vom Referen- ten als die Quintessenz des Gelesenen aufgetischt werden, nein, Henle weiss in knapper Form und in eigenem Gedankenausdruck das Wesentliche der zu referirenden Aufsätze wiederzugeben, und verbindet damit, wo er es für nöthig erachtet, namentlich bei wich- tigen grade auf der Tagesordnung stehenden Fragen, eine lebens- volle, oft scharfe, aber immer anregende und geistvolle Kritik. Und dabei schreibt er ein gutes Deutsch in seinen Referaten, was man von einer grossen Zahl seiner Nachfolger in unserer referi- renden und after-referirenden Zeit nicht gerade zu sagen vermag. Man kann darüber streiten, in wie weit der Kritik bei einem Jahresbericht Platz einzuräumen sei; immerhin soll aber das Re- ferat in gewissem Sinne als eigene Arbeit des Referenten er- scheinen, wenigstens bei allen wichtigen Dingen. Henle’s Kritik verwickelte ihn hie und da in scharfen Streit. Berühmt ist die grosse Discussion geworden, welche er mit Vir- chow, Kölliker und Reichert, namentlich aber mit dem Er- steren, über das Bindegewebe geführt hat. Es handelte sieh vor Allem um die Zellen des Bindegewebes. Virchow hatte bekannt- lich behauptet, dass in allen Bindesubstanzen, besonders auch im gewöhnlichen Bindegewebe und Sehnengewebe, dauernd wohl aus- gebildete Zellen mit allen .Attributen von solchen vorkämen; er hatte diese Zellen als spindelförmige und sternförmige Körperchen beschrieben, auf ihr Vorkommen hauptsächlich, fortbauend auf Reichert’s Lehre, die Zusammengehörigkeit der einzelnen Glieder der Bindesubstanzreihe, wie wir sie heute noch annehmen, gestützt und vor Allem, — das war das Wichtigste, — diese Zellen als die Mut- terzellen für die bei Entzündungen und Eiterungen im Bindegewebe, ferner auch bei Geschwulstbildungen in letzterem neu auftretenden zel- ligen Elemente in Anspruch genommen. Henle griff hauptsächlich zwei Punkte dieser Darstellung an. Einmal wollte er nicht zugeben, dass im reifen Bindegewebe noch vollständige Zellen enthalten seien; es seien nur Kerne, oder höchstens geschrumpfte Zellen, „die ihre — XVII — Rolle ausgespielt hätten“, dann legte er eine Lanze für die generatio aequivoca der Eiterkörperehen ein. In diesen beiden Punkten hatHenle bekanntlich unterliegen müssen; aber in man- chen andern bei dieser Gelegenheit zur Sprache gebracht@n Dingen, wo sich sein kritischer Blick in glänzendster Weise, ebenso wie seine gewandte Dialektik, zeigt, hat er Recht behalten. Man kann nur mit dem grössten Interesse den betreffenden Abschnitt aus seinem Jahresberichte, Zeitschrift für rationelle Mediein 1858, p. 36 ff., lesen, wo er erklärt, dass nach den Quer- und Längs- schnittbildern der Sehnen bei den Bindegewebszellen, falls solche vorhanden seien, an Zellen mit scharfkantigen Cannelirungen ge- dacht werden müsste, wo er von platten, schuppenähnlichen Kör- pern spricht, die er im Bindegewebe gefunden habe, wo er die Mängel und Lücken hervorhebt, die in der Beweisführung für die Entstehung der Eiterzellen aus Bindegewebszellen, d. h. denjenigen Zellen, die wir jetzt die „fixen“ Bindegewebszellen nennen, oder aus Epithelzellen, noch vorhanden seien. Nachdem wir jetzt durch Kühne, Ranvier u. A. die wahre Form der Bindegewebszellen kennen gelernt haben, nachdem Waller und Cohnheim den An- theil auswandernder Leukocyten bei der Eiterbildung festgestellt haben, muss man, obwohl Henle weder die richtige Gestalt und Bedeutung der Bindegewebskörperchen vollauf erkannt hat, noch in seiner Erklärung der Eiterbildung glücklich gewesen ist, den scharfen Blick des geschulten Forschers und Kritikers vollauf anerkennen und bekennen, dass beide gewaltigen Kämpfer, auf die sich da- mals die Blicke der ganzen medieinischen Welt und noch weiterer Kreise richteten, in Ehren aus dem harten Strausse hervorgegangen sind. So wirkten denn auch Henle’s Jahresberichte sicherlich nach vielen Seiten anregend, fördernd, klärend. Wir wollen gleich hier auch des grossen und neuerdings wieder mehr und mehr anerkannten Einflusses gedenken, den Henle auf die wissenschaftliche Entwicklung der Pathologie genommen hat. Ausser mehreren kleineren Aufsätzen in Hufeland’s Journal und in der Zeitschrift für rationelle Mediein, sowie an anderen Orten — vgl. das hier beigegebene Verzeichniss der Henle’schen Sehriften — sind es besonders die beiden grossen Werke: „Patho- logische Untersuchungen“, Berlin, Hirschwald 1840, und vor Allem sein grosses,Handbuch der rationellen Pathologie, 2 Bände, Braunschweig, 1846 —1853, welche mächtig in die Bewegung ein- Archiv f. mikrosk, Anatomie. Bd. 26. b — XV — griffen, die in der Mediein um diese Zeit sich geltend machte und welche als die natürliche Folge des rasch geförderten Einbrechens der mikroskopischen, chemischen und physiologischen Studien, so- wie des Aufschwunges der pathologischen Anatomie zu erachten ist. Henle’s universeller Geist suchte die in überwältigender Fülle vorgeführten neuen Thatsachen auf allen diesen Gebieten zu verknüpfen und für die theoretische Erkenntnriss solcher Vorgänge, wie Entzündung und Fieber, für die Aetiologie und Symptomato- logie der Krankheitsprocesse, zu verwerthen. Es ist diese Ver- knüpfung anatomischer Forschung mit physiologischer und patho- logischer Betrachtung ein Grundzug der Henle’schen Arbeitsweise, der überall, selbst bei seinen kleinsten Veröffentlichungsn hervor- tritt. Man kann nur anerkennen, dass die „rationelle Mediein® wie er und Pfeufer die von ihnen verfochtene Auffassung der medi- cinischen Wissenschaft nannten, ihre guten Früchte getragen hat, wenn sie auch oft der Empirie zu weit vorausgeeilt ist, und so zu Irrthümern führen musste. In den genannten Werken, sowie in der „Zeitschrift für rationelle Mediein“ vertraten Beide mit Energie ihren Standpunkt, den Henle selbst in dem einleitenden Artikel des ersten Bandes der Zeitschrift in folgender Weise charakterisirt : „Neben den beiden Methoden, der philosophischen und empi- rischen, tritt jetzt wieder eine dritte auf, die gewissermassen Zwi- schen beiden in der Mitte steht und bald einen bedeutenden Wir- kungskreis erlangen wird, wenn sie sich zu mässigen weiss und nicht sogleich Alles zu beherrschen verlangt. Ich will diese Methode die rationelle nennen, weil sie die Absicht hat, sich sowohl von den Ursachen der Phänomene, als der Wirkungsweise der Mittel Rechenschaft zu geben. Sie bemüht sich, die Symptome in ihrer Abhängigkeit von einander und in ihrem Zusammenhange mit inneren organischen Veränderungen aufzufassen und diese Ver- änderungen zu begreifen als Folgen abnormer äusserer Einwir- kungen auf die mit eigenthümlichen Kräften begabte organische Materie. Aufschlüsse hierüber erwirkt sie auf doppeltem Wege, mittelst der pathologischen Anatomie una des Experimentes.“ Da Henle es unternahm, in seiner „rationellen Pathologie“ ein bereits fertiges Lehrgebäude der gesammten Mediein von dem skizzirten Standpunkte aus hinzustellen, und das zu einer Zeit, wo sehr viele der sogenannten neuen Thatsachen noch sehr der wei- teren Stütze bedurften, so konnte es nicht fehlen, dass er vielfach — XRN — auf Widerspriche stiess und bekannt ist namentlich die Polemik, die mit scharfen Waffen zwischen ihm und Virchow auch auf diesem Felde geführt wurde. Auch dieser Streit zwischen den beiden ebenbürtigen Gegnern hat, ebenso wie Henle’s Durchfüh- rung seines Systems, befruchtend und anregend gewirkt, und als mit dem Eingehen der Zeitschrift für rationelle Mediein, nach Pfeufer’s Tode, ein für beide Theile ehrenvoller Waffenstillstand geschlossen wurde, konnte Henle im Schlussworte zu der genann- ten Zeitschrift mit Recht sagen: „Wenn unsere Erfolge fördernd, unsere Missgriffe warnend beigetragen haben, der Hypothese ihre richtige Stelle anzuweisen, so hat die Fahne der rationellen Me- diein nicht umsonst geweht.“ Um noch einiges Thatsächliche aus der hochbedeutenden Wirksamkeit Henle’s auch auf pathologischem Gebiete anzu- führen, so sei namentlich der Schrift über „Schleim- und Eiter- bildung“ gedacht (Berlin 1838), in welcher der Zusammenhang der Catarrhe mit Exanthemen und beider wieder mit dem Entzün- dungsprocesse dargelegt wird; weiterhin der berühmten Abhand- lung in den „Pathologischen Untersuchungen“: „Ueber Miasmen und Contagien und miasmatisch contaginöse Krankheiten“, in welcher in äusserst scharfsinniger und consequenter Weise der Be- weis für die parasitäre Natur der genannten Krankheiten ange- treten wird. Bekannt sind ferner die Folgerungen, welche Henle aus anatomischen Daten für die Erklärung gewisser pathologischer Erscheinungen zog; so führt er (mit Andern) (Rat. Pathologie Ila p. 426) die vorwiegende Häufigkeit der linksseitigen Varicocele auf das für den Blutstrom ungünstige rechtwinklige Einmünden der vena spermatica sinistra in die vena renalis, die grössere Häufigkeit linksseitiger Intercostal-Neuralgien auf die ungünstigeren Verhältnisse der Vena hemiazygos zurück, welche ihr Blut erst auf dem Umwege der :Vena azygos in’s Herz ablassen könne. (Vgl. Rat. Patholog. Bd. IIb. p. 136. — Zeitschr. f. rat. Med. Bd. IV, p. 434.) Henle legte grosses Gewicht auf solche Erklärungen patho- logischer Erscheinungen aus einfachen physiologischen und anatomi- schen Thatsachen und, wer wollte es läugnen, Jedermann wird eine gewisse Befriedigung verspüren, wenn solche Erklärungen be- stätigt werden. Ich kann es mir nicht versagen, hier an dieser Stelle, zur Bestätigung des eben Gesagten, aus der ansehnlichen FTIR DE Zahl der Briefe, die ich das Glück habe von Henle’s Hand zu besitzen, gerade den letzten auszuwählen und einen Passus daraus mitzutheilen. Er charakterisirt ausserdem in wenigen Worten den Mann, wie er war: ungeachtet arger Leiden nicht zu beugen, thätig bis zum Ende, mit launigem Humor sich über das Schwere hinwegsetzend, seinen einmal gefassten Ideen ungern entsagend, dabei in der Form und Diection ganz seinen Autor wieder- spiegend — von ihm traf Buffons bekanntes Wort durch- aus zu. „Beifolgendes Kind meiner alternden Lenden“, so schreibt mir Henle unterm 29. December 1884 bei der Uebersendung seiner letzten Publikation, „macht mir auch deshalb Vergnügen, weil es mir Gelegenheit gibt, unsere eingeschlafene Correspondenz wieder anzuknüpfen und von Ihrem Befinden Nachricht zu er- halten. Von dem meinigen habe ich nicht viel zu melden. Ich plage mich seit Anfang dieses Semesters mit einer linksseitigen Interceostalneuralgie, die ich mit Morphium so weit bändige, als nöthig ist, um meine Vorlesungen halten zu können und die mir ausser den körperlichen Schmerzen noch den Kummer bereitet, dass sie zu meiner schönen, auf den Verlauf der V. hemiazygos gegründeten Theorie gar nicht stimmen will, da die Exacerbationen offenbar von venösen Stockungen ganz unabhängig sind. Unter diesen Umständen fliesst unser äusseres Dasein in Stille und Ein- förmigkeit dahin“ Warum diesmal die Theorie nicht stimmen wollte, das hat leider nur zu bald die Todtenschau ergeben. — Mit seiner Uebersiedelung nach Göttingen im Jahre 1852 wandte sich Henle ganz und gar der Pflege der menschlichen Anatomie zu, welche er in allen ihren Theilen bis zu seinem Lebensende vertrat. Nur hat er praktisch mikroskopische Curse für Anfänger in Göttingen nicht gegeben, obwohl einzelne Geübtere unter seiner Anleitung mit histologischen, mikroskopisch-anatomi- schen und descriptiven Arbeiten sich beschäftigt haben. Es sei hier nur an die Publikationen von dem jetzt uns inzwischen auch schon entrissenen Aeby über die Symphysis ossium pubis, von Langhans über die Cornea und S. Lessing über Bindegewebsknochen, von Meyerstein über dieBowman’schen Kapseln und über die Eileiter, von Harling über die glatte Muskulatur des Sehorgans, von Walkhoff über den Duetus arteriosus Botalli, von C. Hasse — XXI — über die Retina, von Lindgren über die Niere, von H. Stilling über das Gehirn, von Niemann (Dissert. inauguralis 1882) über den Processus vaginalis peritonei beim Weibe und an die Schriften Merkels aus seiner ersten Göttinger Zeit erinnert, welche Ar- beiten fast sämmtlich in der Zeitschrift f. rat. Med. veröffentlicht worden sind. Als ich in Göttingen studirte (1856—1858) wurden die Uebungen in der mikroskopischen Anatomie vom damaligen Proseetor L. Teichmann gegeben, und sind auch wohl später bei der Prosectur verblieben. Dagegen las Henle die Osteologie und Syndesmologie, die deseriptive und topographische Anatomie so wie die allgemeine Anatomie, abgesehen von seiner Thätigkeit auf dem Präparirsaale. Im Jahre 1855 erschien dann die erste Lieferung seines Hauptwerkes: „Handbuch der systematischen Anatomie des Men- schen in 3 Bänden; Braunschweig, Vieweg u. Sohn.“ Die erste Lieferung umfasste die Knochenlehre, 1857 folgten die Bänder- lehre, 1858 die Muskellehre; die Eingeweidelehre, den zweiten Band bildend, wurde erst 1866 vollendet; 1868 folgte dann die Gefässlehre und der Schluss des Werkes, die Nervenlehre um- fassend, gelangte erst 1371 zur Ausgabe. — Die Knochenlehre ist in dritter Auflage erschienen; die übrigen Theile haben je zwei Auflagen erlebt; die zweite Auflage der Nervenlehre erschien 1579. Die 16jährige unausgesetzte Arbeit, die Henle auf dieses klassische Werk verwendete, ist aber auch aus jeder Zeile heraus- zuerkennen. Es ist mit unbedeutenden Ausnahmen, hauptsächlich das Lymphgefässsystem und einzelne Capitel der peripheren Ner- ven betreffend, durch und durch Original in Text und Abbildun- gen. Aber auch die wenigen Capitel, in denen der Natur der Sache nach weniger eigene Arbeit einzusetzen war, sind durch- aus in selbstständiger vollständig eigener Darstellung gegeben. Fast auf jedem Gebiete der deseriptiven Anatomie sehen wir noch neue Funde von dem schon so "vielfach bewährten Forscher gethan. Ausserordentlich reich an solchen ist namentlich die Bänder- lehre; man lese z. B. die Capitel: Bänder der Wirbelsäule, Hand- und Fussgelenke u. A. nach. Bezüglich der Muskellehre seien der durchgängige Nachweis von Sehnenbögen, welche die Gefässe überbrücken, die sorgfältigen Angaben über Innervation der Muskeln und die Stellen, an denen der Nerv eintritt, erwähnt, ferner die — XXI — _ Darstellung der Rückenmuskeln, die MM. Rotatores longi, der An- satz des M. coracobrachialis, die Constanz der tiefen Portion des M. pectoralis major, die Zugehörigkeit des M. triangularis sterni zum Transversus abdominis, der M. Quadratus labii superioris, der Opponens digiti quinti und Weiteres. Auch die Knochenlehre wurde durch neue Thatsachen bereichert, so gehören hierher: Die Beschreibung der Tuberositas vertebralis, des Limbus sphenoidalis, der Spinae tympanicae, des Suleus malleolaris, die genaue Schil- derung des Canalis nasolacrymalis und infraorbitalis, die Linea intercondyloidea des Femur und manches Andere. Aus den zahlreichen Entdeckungen in der Eingeweidelehre seien hervorgehoben: der M. thyreoaryepiglotticus als theilweises Homologon des Sphincter laryngis niederer Vertebraten, (s. das vorhin hierüber Gesagte), der Hinweis auf das allgemeine Vorkommen von Iymphatischen Zellen in den Schleimhäuten, die Streifung der Epi- thelzellen in den Drüsenausführungsgängen, der Nachweis der Becherzellen als normaler Vorkommnisse, der Sternzellen in den Labdrüsen, der Tastkörper in den Lippen, der glandulae molares, das Verhalten der vena mesenterica superior zum Pankreaskopfe, der Nachweis von zweierlei Kernformen in den Samenkanälchen, der lamellöse Bau der Wandungen dieser Kanälchen, die museuli pubovesicales, der musc. Cremaster internus, die Darstellung der Perinealmuskeln, vor allem die des M. transversus perinei profun- dus, die Ampulle des Oviducts, die fimbria ovarica, die Lymph- follikel der Vagina, die Iymphatische Beschaffenheit der mucosa uteri, die characteristische Reaction der Chromsäure auf die Marksubstanz der Nebenniere u. A. Aus der Angiologie führe ich an: Die Unterscheidung des „erectilen“ und „compressiblen“ Gewebes, die Eintheilung der Venen nach ihrem Baue, die termi- nalen Anastomosen der Arteriae spinales anteriores und posteriores. — Die Anatomie des Nervensystems und der Sinnesorgane wurde nebst vielem Andern von ihm bereichert mit: der Trennung der musivischen und gangliösen Schicht der Retina und der Entdeckung der Querstreifen an den Elementen der äusseren Körnerschicht dieser Membran, mit der genauern Schilderung der Suprachorioidea, dem Septum orbitale, den nach ihm genannten Conjunetivaldrüsen, der genaueren Beschreibung der verschiedenen Zähnelungen und Fortsätze der Linsenfasern, der exacten Schilderung der innersten Pia-Schieht und der Reste der Deckplatte des vierten Ventrikels, — XXIII — des Baues der corpora geniculata, der Entdeckung der Taenia pontis und der Nebenpyramide. Abgesehen aber von diesen Funden, die übrigens nur einen Theil dessen umfassen, was wir ihm an neuen Thatsachen ver- danken — denn man kann kaum ein Organ unseres Körpers nam- haft machen, welches nicht in der heute üblichen Beschreibung viel- fache Spuren Henle’scher Arbeit an sich trüge — ist nun aber die Gesammtdarstellung, welche er der descriptiven Anatomie ge- geben hat, eine wahrhaft umgestaltende zu nennen. Ebenso wie die Henle’sche „Allgemeine Anatomie“ bildet auch die „Systematische Anatomie“ einen Markstein in der Litera- turgeschichte der Mediein. Sie ist allerdings nicht für das Tages- bedürfniss und nicht in usum Delphini geschrieben; sie ist vielmehr die eingehendste Darlegung unserer deseriptiv anatomischen Kennt- nisse in der höchsten wissenschaftlichen Form, wie sie zur Zeit erreichbar war. Mit getreuer und genau ins Einzelne gehender Darstellung der Thatsachen verbindet sich überall die geistvollste, den gewaltigen Stoff völlig beherrschende und ordnende Auffassung. Wir besitzen ja vortreffliche Hand- und Lehrbücher der systema- tischen Anatomie aus früherer und jetziger Zeit in England, Frank- reich und Deutschland; keines aber zeigt so viel eigene Arbeit, keines eine so gleichmässige eingehende Behandlung des gesamm- ten Materiales, keines eine so glückliche Verknüpfung der makro- skopischen und mikroskopischen Untersuchungsweise wie das Henle’sche Werk. Man dürfte aber auch wohl wenige Anatomen finden, die sich eine so allseitige und gründliche allgemein medi- einische und naturwissenschaftliche Bildung angeeignet hätten, wie Henle sie besass, und grade deshalb mochte er wohl vorzugs- weise befähigt sein, seine grossen literarischen Untersuchungen in der vollendeten Weise zu Ende zu führen, wie es von ihm ge- schehen ist. Ueberall finden wir, wie bereits hervorgehoben, bei seinen Darstellungen die Beziehungen zur Physiologie und zur Pathologie gleichsam eingewoben und verschmolzen, und wenige anatomische Werke haben so anregend in dieser Beziehung und so allseitig befruchtend auf den ganzen medicinischen Umkreis gewirkt, wie die Henle’sche „Allgemeine“ und „Descriptive Ana- tomie“. Und es ist auch nicht gering anzuschlagen, dass er in der reinen Form der Beschreibung, wie z. B. in der Nomenclatur der Axen und Ebenen des Körpers, sowie in vielen Andern, vor- — XXV — theilhaft reformirend aufgetreten ist; viele seiner diesbezüglichen Vorschläge sind bereits von allen gebildeten Nationen acceptirt worden. Der Abschnitt des Henle’schen grossen Werkes, welcher seinem Verfasser am wenigsten gut gelungen sein dürfte, ist wohl das Centralnervensystem. Er hat auch dieses von Anfang bis zu Ende selbstständig durchgearbeitet; aber es fehlt der Darstellung hie und da an Uebersichtlichkeit und Abrundung. So z. B. dürfte es nicht leicht sein die Ursprungsverhältnisse der Hirnnerven in der Medulla oblongata und den Bau der letzteren selbst, oder die Hirnwindungen aus dem Henle’schen Werke kennen zu lernen. Die zweite Auflage zeigt hier zwar schon erhebliche Fortschritte gegen die erste; aber der an sich schon schwierige, spröde und vielfach noch unsichere Stoff, bei dem die Anatomie so ausser- ordentlich viel von der Physiologie und Pathologie zu entlehnen hat, wächst so rasch an, dass man, am Ende der Bearbeitung an- gelangt, bereits die ersten Kapitel wieder umgiessen müsste. Dazu vermied Henle völlig jede schematische Zeichnung, und diese ist, falls die Darstellung gewisser Dinge leicht fasslich sein und nicht schwerfällig werden soll, bei manchen Kapiteln des Centralnerven- systems wohl an ihrem Platze. Wäre es Henle vergönnt gewesen, noch eine dritte Auflage dieses Abschnittes seines Werkes bear- beiten zu können, er hätte wohl sicherlich auch die berührten Mängel ausgemerzt, da er sich derselben wohl bewusst war. Wir haben bis dahin nur die grösseren Werke Henle’s aus dem Gebiete der Anatomie und Pathologie besprochen; er ver- öffentlichte indessen ausserdem noch zahlreiche kleinere und srössere Aufsätze und Monographieen. Von den letzteren mögen hier noch hervorgehoben werden: die mit Kölliker veröffent- lichte Untersuchung über die Paeinischen Körperchen, seine Ab- handlung über den Bau der Nieren, über die Kıystalllinse und sein letztes, kaum ein halbes Jahr vor seinem Tode erschienenes Werk über den Bau des Nagels und des Pferdehufes. Bezüglich der genaueren Titel und der kleineren Abhandlungen wolle man das angeführte Verzeichniss der Schriften Henle’s vergleichen. Auch in diesen Einzel-Abhandlungen, kleineren wie grösseren, lehrt uns Henle eine Reihe der wichtigsten neuen Thatsachen kennen, von denen hier noch einige aufgeführt sein mögen: Es gehören hierher der Nachweis der „umspinnenden Fasern* der RI — Bindegewebsbündel, der inneren zelligen Auskleidung der grösse- ren Blutgefässe (ihres „Endothels“), der nach ihm (Henle’sche Schleife) benannten schleifenförmigen Umbiegung der Nieren- kanälchen, des ausschliesslichen Vorkommens von Zapfen in der fovea centralis der Netzhaut, der Nachweis des Hautpigments in den eylindrischen Zellen des rete Malpighii, der basalen Schicht an den Cylinderzellen des Darmkanals u. a. m. Sollen wir Henle als Forscher und Darsteller noch kurz im Ganzen charaeterisiren, so müssen wir vor allem die strenge Kritik hervorheben, die er bei allen seinen Untersuchungen und Behaup- tungen sich selbst und Andern gegenüber walten liess. Dies war aber auch die Ursache, dass er das, was er einmal als richtig er- kannt zu haben meinte, sehr fest hielt und seine Positionen so lange mit Energie und Scharfsinn vertheidigte, wie sie nur irgend haltbar waren. Ein starres eigensinniges Festhalten aber, nur um nicht nachgeben zu müssen, lag ihm fern; seine allgemeine Ana- tomie unter anderm bietet genug Beispiele einer offenen Anerken- nung eines begangenen Irrthums. In seinen Methoden der Unter- suchung liebte er die einfachen Wege, ungeachtet er sich . den neueren Errungenschaften der Technik nicht verschloss. Seine ungewöhnlich tüchtige philosophische und physiologische Bildung erlaubte ihm weit auszuschauen und die gefundenen Thatsachen mit andern zu verknüpfen, im Einzelnen des Ganzen nicht zu ver- gessen ohne Gefahr zu laufen in phantastischen Speculationen sich zu verlieren. Er verstand es ebenso wohl die einfachsten Dinge der deseriptiven Anatomie mit minutiöser Genauigkeit zu beschreiben, ohne dabei je platt und kahl zu werden, als sich in die höchsten Probleme zu vertiefen, ohne den Boden der That- sachen und strengen Logik unter den Füssen zu verlieren. Ueberall ist die Form seiner Darstellung dem behandelten Gegenstande in vortrefflicher Weise angepasst. Auch die populäre Form in der Behandlung wissenschaftlicher Gegenstände handhabte er in edelster und meisterhafter Art, wie seine „Anthropologischen Vorträge“ dar- thun. In diesen spricht auch Henle sein Glaubensbekenntniss bezüglich mancher philosophischen Fragen und bezüglich des Dar- winismus aus. Mit letzterem hat er- sich nicht befreunden können. Vielleicht hätte er sich minder ablehnend verhalten, wenn er der „Entwicklungsgeschichte“ näher getreten wäre, als es der Fall war. Von allen morphologischen Diseiplinen hat er sich am we- — XXV — nigsten mit dieser beschäftigt. Sie war ihm nicht fremd; aber er hat wohl kaum entwicklungsgeschichtliche Probleme jemals in eigenen Untersuchungen bearbeitet. — Was Henle indessen in dem sehr beachtenswerthen Aufsatze seiner anthropologischen Vor- träge: „Teleologie und Darwinismus“ an Einwänden gegen die monistische Anschauung vorbringt, hat in vielen Stücken seine volle Berechtigung und es würde der Sache mehr genützt, wenn man sich der noch zu beseitigenden Schwächen einer so weit eingrei- fenden Lehre stets bewusst bliebe, und sie nicht wie eine Art Dogma an die Fahne heftete. Wie als Forscher so steht auch als Lehrer Henle weit vor- ragend da. Jeder, der den Vorzug hatte, ihn zu hören, wird zu- stimmen, dass er unter die vorzüglichsten Docenten zu stellen sei, die Deutschland aufzuweisen hat. Klarheit und Präeision des Ausdrucks verband sich mit hoher -Formvollendung und Feinheit des Satzbaues. Auch fehlte das attische Salz nicht, wo es am Platze war. Nimmt man dazu die passende, nie im Ueberfluss an- sewendete Geste, die geschickte Hand, welche in leichter, ge- fälliger Weise das gesprochene Wort mit der Zeichnung zu be- gleiten verstand, den gewinnenden Ton der Sprache, das geistvolle blitzende Auge, welches das ganze Auditorium umfasste, so wird man verstehen, dass er auch in der „Knochen- und Bänderlehre“ seine Zuhörer zu fesseln wusste und Manchen angeregt hat, ihm auf das so meisterhaft beherrschte Gebiet zu eigenen Versuchen zu folgen.‘ In seltener Weise verstand er es in seinen Vorträgen Mass zu halten, sowohl in dem, was er in einer jeden Stunde gab, als in dem, was er im Semester zu bieten hatte. Kein Sprung, kein übermässiges Verweilen bei irgend einem Lieblingsthema, keine überflüssige persönliche Polemik; aber wohl, wo es am Platze war, eine Besprechung der Tages- und Streitfragen mit be- scheidener Betonung der eigenen Meinung, so dass auch das all- seitige Interesse an dem Fortschritte der Wissenschaft bei den Zu- hörern geweckt wurde. So kam es, dass Henle stets seine Vor- lesung ganz zum Abschlusse brachte, ohne gegen das Ende des Semesters Stunden einschieben, oder in jene galoppirende Vor- tragsweise verfallen zu müssen, die manchen Docenten, nicht zum Vortheile ihrer Hörer, mit dem Herannahen der Ferien eigenthüm- lieh wird. Man sah und merkte es überall, Henle beherrschte vollkommen und in jeder Beziehung das von ihm erkorene wissen- schaftliche Gebiet. — XXVI. — So der Forscher und Lehrer, so der Mann, wie er der Wissen- schaft angehört. Alle aber, die jemals mit dem Hingeschiedenen in nähere Berührung gekommen sind, werden sicher über dem so hochbedeu- tenden Forscher und Gelehrten des Menschen nicht vergessen. Zwar gehörte Henle nicht zu denen, welche leichthin ihre Freund- schaft, ja auch nur ihr Wohlwollen verschenken; er prüfte genau und wählte nicht schnell. Dabei zählte er zu den entschiedenen Characteren, welche ihr Missfallen nicht verstecken und stets offen ihre Meinung vertreten, sowohl im Privatleben wie in öffentlichen Dingen und in wissenschatftlichen Ueberzeugungen. Den Gegnern trat er frank und frei entgegen, den Freunden war er der treueste Freund. Wie sehr dieser sein offener und entschiedener Character geschätzt wurde, ein wie treuer Freund er war, beweisen die Tage seiner Jubiläumsfeier und die innigen, nur mit dem Tode gelösten Bündnisse mit Männern wie Joh. Müller, v. Pfeufer und Jolly. Ein anderer schöner Zug seines Wesens war sein ausge- sprochener Familiensinn. Wer jemals Gelegenheit hatte ihn im Kreise der Seinen zu sehen, wird es nie vergessen, wie glücklich er sich darin fühlte und wie glücklich er wiederum die Seinen zu machen verstand. Da kam sein warmes feinfühliges Herz, sein frischer Humor ganz zur Geltung. So fand ich ihn im Frühjahr 1882, wo er mir die Freude bereitete, nach den officiellen Feier- tagen seines Jubiläums mich zu einem Feste im engsten Kreise seiner Familie heranzuziehen, so ein Jahr später in Herrenalb, wo er mit den Seinigen während der Ferien weilte und ich ihn auf einer Fusswanderung im Schwarzwalde besuchte. Diese Tage werden mir unvergesslich bleiben. Wie er war, so hielt er sich ungebeugt bis zu seinem Ende. Ich erwähnte bereits, dass er noch im Winter 1884/85, etwa ein halbes Jahr vor seinem Tode, eine grössere Abhandlung über den Bau des Nagels und des Pferde- hufes vollendete. Aus den vorhin mitgetheilten Zeilen seines letzten Briefes an mich geht hervor, wie er in dieser Zeit, schon schwer leidend, noch immer den anstrengenden Berufspflichten gerecht zu werden strebte. Mit derselben Energie hatte er wenige Jahre zuvor eine schwere Leicheninfection, bei der mehrfache Operationen nöthig wurden, ertragen. Gegen Ende des Wintersemesters 1834/55 musste — XXVIOI — er aber seiner Thätigkeit entsagen. Er hoffte noch Wiedergenesung von einem Aufenthalte in Baden-Baden, doch sein Leiden — ein Nieren-Sarkom, mit metastatischen Heerden in der Wirbelsäule — war unheilbar und ihm ist er dann bald erlegen. Alle Diejenigen, welche dem Dahingeschiedenen näher standen, werden ihm bis zu ihrem Lebensende das Gefühl treuer Liebe und dankbarer Hingebung bewahren, wie es edlen Men- schen iiber das Grab hinaus folgt; dem Manne der Wissenschaft aber ist sein Platz unter den ersten Meistern für alle Zeit ge- sichert ! Vergl. an biographischem Material: 1) Vossische Zeitung 1835 Nr. 224. 2) Beilage zur „Allgemeinen Zeitung“ 1885 Nr. 147 (F. M.) 3) J. Henle von K. Bardeleben, Deutsche medicinische Wo- chenschrift, herausgeg. von Dr. P. Boerner, 1885 Nr. 27 u. 28. 4) W. Flemming: Jakob Henle. Biologisches Centralblatt. V. Bd. Nro. 10, 15. Juli 1885. 5) Rühle im Tageblatte der Naturforscher-Versammlung zu Strass- burg, Els. 1385. September. 6) Waldeyer, Artikel: Henle, Biographisches Lexikon der her- vorragenden Aerzte aller Zeiten und Völker, von E. Gurlt und Aug. Hirsch,.Bd. III, p. 151. 1885. Ausserdem haben eine Anzahl Collegen und Freunde mich mit verschiedenen Mittheilungen unterstützt. Insbesondere hatte Pro- fessor Fr. Merkel in Göttingen die Freundlichkeit das Manuseript mit Bezug auf die Richtigkeit der darin enthaltenen thatsächlichen Angaben einer Durchsicht zu unterziehen. Ihnen allen meinen aufrichtigsten Dank! — XXX — Verzeichniss der Schriften Henle’s. Ich habe mich bemüht, das nachfolgende Verzeichniss der Veröffentliehungen Henle’s möglichst vollständig zu geben. Die Bedeutung und umfassende Thätigkeit des Mannes wird in Kürze hierdurch ins Licht gestellt und dürfte eine solehe Aufzählung auch aus anderen Gründen Manchem willkommen sein. I. Grössere Abhandlungen, Lehrbücher, Monogra- phien, Zeitschriften. 1) Ueber Narcine, eine neue Gattung electrischer Rochen, nebst einer Synopsis der electrischen Rochen. Berlin, 1834. 4. 4 Tafeln. 2) Vergleicehend anatomische Beschreibung des Kehlkopfs mit besonderer Berücksichtigung des Kehlkopfs der Reptilien; Leipzig, 1839. 3) Pathologische Untersuchungen, Berlin, 1840. Hirschwald. 4) Allgemeine Anatomie, Leipzig, 1841. 8. Voss. 5) Systematische Beschreibung der Plagiostomen (mit Joh. Müller), Berlin, 1841. , 6) Ueber die Pacinischen Körperchen, Zürich, 1344. 4. (Mit A. Kölliker.) 7) Handbuch der rationellen Pathologie. 2 Bde. Braunschweig, 1844—1853. 8) Handbuch der systematischen Anatomie des Menschen, Braun- schweig 1855—1879. 3 Bde. I, 1 in 3 Auflagen, alles übrige in 2 Auflagen. 9) Zur Anatomie der Niere. Abhdl. der Ges. d. Wissenschaften zu Göttingen, 1863. Quart. 10) Zur Anatomie der Crystalllinse. Ibid. Bd. 23. Fol. 1878. 11) Das Wachsthum des menschlichen Nagels und des Pferdehufs. Ibid. Bd. 31. 1884. Quart. 12) Grundriss der Anatomie des Menschen mit Atlas. Braunschweig, Vieweg. — 2 Auflagen (2. Auflage 1883). 13) Zeitschrift für rationelle Mediein (zusammen mit Pfeufer). Der erste Band erschien 1844 in Zürich bei Schulthess, vom 3. Bande bis zum Schlusse (1869) verlegte sie die Winter’- sche Buchhandlung in Leipzig und Heidelberg. 14) Jahresberichte: a) 1533 und 1839 in Müller’s Archiv über Pathologie. jean 7 | SEI — SZ 2) 3) 4) 9) — XXX — b) in Cannstatt’s Jahresbericht bis 1856 über allgemeine Anatomie und Histologie. c) Ueber Pathologie von 1839—1842 in der Zeitschrift f. ra- tionelle Mediein, fast deren ganzen 2. Band füllend, so wie einen Theil des 3. und 4. Bandes. d) Ueber die gesammte Anatomie in: Henle’s und Meiss- ner’s Jahresberichten von 1856—1871. Anthropologische Vorträge, 2 Hefte, Braunschweig, 1876 und 1880. Dissertation, Habilitationsschrift, kleinere Abhand- lungen in Zeitschriften. De membrana pupillari, aliisque oculi membranis pellucenti- bus observationes anatomicae. Bonnae 1832. IV. Dissertatio inaug. Ueber die Gefässe einiger Theile des Auges. Frorieps No- tizen, 1833. p. 51. Ueber Diplostomum rhachiaeum, einen Eingeweidewurm der Wirbelhöhle. Ibid. 38. Bd. 1833. p. 19. Artikel: „Eiweiss“, „Elaine“ (Bd. X), „Epidermis“, „Epithel“, „Eructatio“, „Exeremente“, „Fäulniss“ (Bd. XI), „Falx cere- bri et cerebelli“, „Faserstoff“, „Fauces“, „Fett“, „Fettgewebe“, „Fetthaut“, „fibröses Gewebe“ (Bd. XID), „Galle“, „Gähnen“, „Gänsehaut“ (Bd. XIII), „Gefässdrüsen“, „Gehörsinn“ (Bd.XIV), „Haut“, „Hallueinationen* (Bd. XV) des „Encyklopädischen Wörterbuches der medieinischen Wissenschaften, herausgege- ben von der medieinischen Facultät in Berlin.“ Ueber die Gattung Branchiobdella und über die Deutung der inneren Geschlechtstheile bei den Anneliden und hermaphro- ditischen Schnecken. Arch. f. Anat. und Physiol. von Joh. Müller. 1835. p. 514. Ueber Enchytraeus, eine neue Annelidengattung. Ibid.: 1837 p. 74. Ueber den museulus spinalis cervieis des Menschen. Ibid. 1837 p- 297. Symbolae ad anatomiam villorum intestinalium inprimis eorum epithelii et vasorum laeteorum. Berolini 1837. A. Hirschwald. IV. (Habilitationsschrift.) Beiträge zur Anatomie der Darmzotten. Frorieps Neue No- tizen, 1838. V. p. 165. 10) 13) 14) 15) 23) 24) 25) ZURERE — Ueber die mikroskopischen Bestandtheile der Milch. Ibid. XI. Nr. 223. p. 34. (Henle benennt hier die von Donn& ge- fundenen Gebilde mit dem Namen „Colostrumkörperchen“.) Ueber die Ausbreitung des Epitheliums im menschlichen Kör- per. Arch. für Anat. u. Physiol. von Joh. Müller 1838. p. 103. Ueber Schleim- und Eiterbildung und ihr Verhältniss zur Oberhaut. Hufeland’s Journal der prakt. Heilkunde, Mai 1838. 86. Bd. V. Stück, p. 3. (Auch als Sonderabdruck er- schienen.) — S. a. Frorieps Neue Not. VII. Nro. 133. 1838. p- 269. Bemerkungen zur Anatomie der Retina. Arch. f. Anat. u. Phy- siol. von Joh. Müller 1839. p. 170 u. p. 385 (Anmerkungen zu 2 Aufsätzen von R. Remak u. F. Bidder). Ueber das Gedächtniss in den Sinnen. Casper’s Wochen- schrift 1839. Nr. 18. Ueber das Verhältniss von Theorie zur Praxis. Froriep’s Neue Notizen. 1839. XII. Nr. 249. p. 110. Ueber die Structur und Bildung der menschlichen Haare. Ibid. 1840. Ba. XIV. Nr. 294. p. 113. Ueber die Contractilität der Gefässe. Ibid. 1840. Bd. XIV. Nro. 307. p. 33. Ueber Wassersucht. Ibid. 1840. XVI. Nr. 346. p. 249. s. a. Hufelands Journal, 90. Bd. V. Stück, p. 3. 1840. (Ueber die Haarsackmilbe). Der Beobachter aus der östlichen Schweiz. December 18411). Ueber Hypertrophie und Geschwülste durch gehemmte Resorp- tion. Frorieps Neue Not. XXIV. Nr. 525. p. 295. 1842. s.a. Zeitschrift f. rationelle Mediein Bd. I. p. 72. Medicinische Wissenschaft und Empirie. Zeitschrift f. rat. Med. Bd. 1. p. 1 1844. Ueber Tonus, Krampf und Lähmung der Bronchien und über Expectoration. Ibid. p. 249. Röhrengeschwulst (Siphonoma), eine neue Ari pathologischer Geschwülste. Ibid. Bd. 3. p. 130. Ueber Siphonoma. Ibid. p. 319. Ueber Blutanalysen. Ibid. Bd. 7. 1849. p. 404. 1) Ein genaueres Citat von diesem Artikel war mir nicht möglich zu erlangen. — XXXI — ' 26) Ueber Hassalls eoncentrische Körperchen des Blutes. Ibid. p. 411. 27) Versuche und Beobachtungen an einem Enthaupteten. Ibid. Neue Folge, Bd. 2. p. 299. 1852. 28) Ein Fall von Trichina spiralis. Ibid. Bd. 6. 1855. p. 247. 29) Ein Fail von angeborener Spalte der Klitoris. Ibid. p. 343. 30) Notiz, den Muse. coracobrachialis des Menschen betreffend, Ibid. Bd. VIII. 1857. p. 223. 31) Zur Anatomie der geschlossenen (lentieulären) Drüsen oder Fol- likel und der Lymphdrüsen. Ibid. III. Reihe, Bd. 8. 1860. p. 201. 32) Zur Anatomie der Nieren, Göttinger Nachrichten, 1862. Nr. 1 WANT 33) Ueber den Mechanismus der Ereetion. Zeitschr. f. rat. Mediein, 3 Reihe. 18. Bd. 1863. p. 1. 34) Ueber das cavernöse Gewebe, Göttinger Nachrichten 1363. NT.:9. 35) Ueber die Cowper’schen Drüsen. Ibid. Nr. 15. 36) Ueber den Bau und die Funetionen des menschlichen Oviducts. Ibid. Nr. 19. 37) Ueber die äussere Körnerschichte der Retina. Ibid. 1864. Nr. 7. 35) Weitere Beiträge zur Anatomie der Retina. Ibid. Nr. 15. 39) Zur Anatomie der Thränenwege und zur Physiologie der Thrä- nenleitung. Zeitschr. f. rationelle Mediein. III. Reihe, 1865. 23 Bd. p. 264. 40) Ueber das Gewebe der Nebenniere und der Hypophyse. Ibid. 1865. 24. Bd. p. 148. 41) Ueber die sogenannte Bindesubstanz der Centralorgane des Nervensystems (zusammen mit Fr. Merkel). Ibid. 1869. I. Reihe, 34. Bd. p. 49. 42) Ueber die Linsenfasern. Göttinger Nachrichten 1875, Nr. 21. p- 559. 3) Zur vergleichenden Anatomie der Krystalllinse. Ibid. 1878. Nr. 6. p. 213. 44) Zur Entwicklung der Krystalllinse und zur Theilung des Zell- kerns. Archiv für mikroskopische Anatomie. Bd. 20, 1882. p- 413. 45) Theodor Scehwann, Nachruf. Ibid. Bd. 21. p. 1. (Einige kleinere Artikel polemischen Inhalts in Frorieps Notizen sind hier nicht mit aufgeführt worden.) Die Eihüllen von Phocaena communis Cuv. Von Hermann Klaatsch. Hierzu Tafel I und II. Im Mai d. J. wurde aus Colberg der Uterus einer graviden Phocaena eommunis Cuvier mit einem fast ausgetragenen Foetus der hiesigen gynaekologischen Klinik übersandt. Das interessante Objeet wurde in der Klinik demonstrirt und dann auf das anato- mische Institut gebracht. Auf meinen Wunsch und auf die Ver- wendung des Herrn Geheimrath Waldeyer hin hat der Director der hiesigen kgl. Frauenklinik, Herr Geheimrath Professor Dr. Schroeder die Güte gehabt, mir die Bearbeitung des Objeets zu überlassen. Ich spreche demselben dafür hiermit meinen Dank aus. Als ich die Theile erhielt, lagen sie in einem mässig starken Spiritus. Das junge Thier sammt Nabelstrang und foetalen Ei- häuten lag neben dem Uterus, aus dessen linken, graviden Horn es durch einen ce. 35 em langen Eröffnungssehnitt, der unregel- mässig über die vordere Fläche hinlief, entfernt worden war. Der Amnionsack war durch einen in der Medianlinie verlaufenden Schnitt (in der natürlichen Lagerung der Theile, dem inneren Muttermund gegenüber) geöffnet worden, so dass die foetale Pla- centa fast völlig in eine reehte und eine linke Hälfte getrennt worden war. Der Foetus trug alle Charaktere einer erwachsenen Phocaena communis an sich. Seine Länge betrug 60 em, das Geschlecht war weiblich. Ich übertrug die Theile in einen 95%, Alkohol, nachdem ich das junge Thier geöffnet und die Geschlechtsorgane herausgenommen hatte. Bei der mikroskopischen Untersuchung fand ich den Conservirungszustand auch für feinere histologische Zwecke durchaus gut. Freilich hatte das Epithel der freien Flächen, so vor allem des Chorions und der Uterinschleimhaut ge- litten und war zum grossen Theile verloren gegangen. Einige Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 26, 1 2 Hermann Klaatsch: Stücke härtete ich in einer 1/; /, Chromsäure nach, konnte je- doch gar keinen Vortheil darin finden; die Färbungen gelangen bei ihnen nicht besser als bei den einfach in einem wenn auch wenig guten Alkohol aufbewahrten Theilen. Auf die Vornahme von Injeetionen verzichtete ich von vornherein. Wie ich gleich anfangs vermuthete, sahı ich bald ein, dass die Aufgabe, die ich übernommen, keine ganz leichte sei; wenn ich, wie ich mir vorgenommen, das Objeet in allen seinen Theilen so eingehend verwerthen wollte, als der Conservirungszustand des- selben, wie meine Zeit und Kräfte es gestatteten, so war damit an die letzteren keine geringe Anforderung gestellt. Die Schwierig- keiten lagen nicht sowohl darin, dass die Literatur eine weit ver- zweigte und zum Theil in schwerer zugänglichen Werken, Reise- berichten u. dgl. niedergelegt ist, als besonders in der grossen Mannigfaltigkeit der Fragen, die seit langer Zeit sich an die Pla- centarverhältnisse der Cetaceen knüpfen. Ich erinnere nur an die Capitel der Uterindrüsen, der Caruncula amnii, für die fast eine eigene Literatur entstanden ist. Wenn bei irgend einem Thema, so kann beim Studium der Placentarbildung die Vergleichung nicht entbehrt werden, und so complieirt sich die Aufgabe auch in die- ser Riehtung; freilich gibt gerade hierin die Leetüre von Tur- ner’s klassischen Schriften eine vortreffliche Basis. Auf dieser weiterzubauen, womöglich in vergleichend-histologischer Beziehung weiter vorzudringen, war mein Ziel; um diesem näher zu kom- men, um etwas annähernd Abgeschlossenes und Ganzes zu liefern, und um Andern einen Ueberblick über ein Gebiet geben zu kön- nen, das von Deutschen sehr wenig, vorwiegend von Engländern und Franzosen bearbeitet ist, war es nöthig alle Theile zu berück- siehtigen. Ich that es mit möglichster Genauigkeit, aber ich bin mir wohl bewusst, wie weit das Geleistete hinter dem Gewollten zurückbleibt. Ich zog zur Untersuchung folgende Theile, in dieser Rei- henfolge: 1) Nabelstrang und Amnion, 2) Foetale Placenta (Chorion, Allantoissack), 3) Uterinschleimhaut, 4) Mütterliche Genitalien, sowie dieselben nebst Milch- drüsen des Foetus. Nach der makroskopischen und mikroskopisch-histologischen Die Eihüllen von Phocaena eommunis Cuv. 3 Schilderung jedes Theiles lasse ich eine Uebersicht über die be- treffende Literatur und Bespreehung der gelösten und noch nicht gelösten Fragen folgen. Zunächst werde ieh eine kurze Uebersicht über die Geschichte der Erkenntniss der Cetaceenplacenta geben: Die Angaben der Naturforscher des Alterthums und Mittel- alters über Fortpflanzung der Cetaceen, insbesondere der Delphine zu prüfen, würde gewiss eine interessante Aufgabe sein !); sie liegt mir fern, doch möchte ich nicht unerwähnt lassen, dass schon aus dem ersten Theil des 16. Jahrhunderts ziemlich genaue An- gaben und auch Abbildungen von Cetaceen-Eihüllen sammt Foetus existiren, und zwar von dem französischen Naturforseher Pierre Belon. Auf seine im J. 1531 über die Delphine erschienene Sehrift hat L. Cri& (1) die Aufmerksamkeit gelenkt. Aus dem vorigen Jahrhundert und dem Anfange dieses sind bei Rapp in seinem bekannten Cetaceen-Buche eine Anzahl Autoren eitirt; so hat Stel- ler bei seiner Rhytina die Geschlechtsorgane beschrieben (N. Com- ment. acad. Petropol. 1751); Pallas, Langbye, Fabrieius, Beale, Camper, Klein haben Angaben gemacht über die Zeit des Tragens, die Grösse der neugeborenen Thiere und das Säugen derselben. — Diese letztere hat die früheren Naturforscher beson- ders viel beschäftigt (vgl. Rapp, Meckel’s Archiv 1850, Geoffroy St. Hilaire, Fragmens sur la structure et les usages des glandes mammaires des Cötaedes, Paris 1834, Rudolphi, Abhandl. d. kgl. Acad. d. Wissensch. zu Berlin 1831). In seiner Cetaceen-Monographie berichtet Rapp (2): „Ueber die Foetushüllen der Cetaeeen fehlt es an Beobachtungen“; er hat beim Braunfisch im Nabelstrang 2 Arterien und 2 Venen, beim Du- sang 2 Arterien und 1 Vene, die sich in der Nähe des Foetus in 2 theilte, gefunden. Die ersten genaueren Angaben machte Karl Ernst von Baer (3) und dann gleichzeitig Eschricht (4). Er untersuchte gravide Delphine und gab eine Beschreibung von Chorion und der Uterinschleimhaut. — Es folgen nun Hunter (5), Owen (6), Meigs (7) und Rolleston (8) mit mannigfachen Mittheilungen über die Placentarverhältnisse der Cetaeeen; keiner jedoch gab bei 1) Aristoteles macht im VI. Buch seiner Naturgeschichte der Thiere daraufbezügliche Angaben. 4 Hermann Klaatsch: einer Form eine Schilderung, durch die auch nur die Anordnung der Eihäute völlig klar gestellt wurde. Eine neue Epoche brach daher an mit Turner’s (9) erster Arbeit über den Gegenstand im J. 1869. Er beschrieb die gesammte Anatomie eines graviden Exemplares des Great Finner Whale, d. i. Belaenoptera Sibbaldii mit besonderer Berücksichtigung der Placentarbildung. Es folgte dann die classische Arbeit über Orca gladiator (10), die als Grundlage für jedes weitere Studium der Cetaceenplacenta als solcher und der Vergleichung derselben mit der Placenta anderer Mammalia zu betrachten ist. Ich werde oft auf diese Arbeit zurückkommen. In keiner der späteren Mittheilungen anderer Autoren herrscht eine solche Klarheit, eine solche Präeision der sich in den Vordergrund drän- genden Fragen, ein solch scharfer Blick in der Ausübung der ver- gleichenden Methode, so dass trotz der ausführlichen Angaben in späteren Werken (z. B. bei Anderson) doch die Turner’schen Schriften eine ganz eigenartige Stellung einnehmen, und auch mir zum Ausgangspunct in der Deutung und Vergleichung dienen werden. Gleichzeitig wurde die Aufmerksamkeit auf die Uterindrüsen gelenkt durch die Schriften Ercolani’s, deren erste 18681) er- schien, und die von nun bis auf die Gegenwart eine der ersten Stellen in der Literatur über die Placenta einnahmen. Sie kom- men für meine Arbeit nur in so weit in Betracht, als sie auch für die Uterindrüsen der Cetaceen von Bedeutung sind. Abgesehen von den allgemeiner gehaltenen Schriften Turner’s über die vergleichende Anatomie der Placenta (11, 12), erschien von demselben im J. 1876 ein weiterer Beitrag zur Placentarbildung der Cetaceen (13). Diesmal war es die Placenta des Narwhal (Monodon Monoceros), die er beschrieb und mit der von Orca verglich. Zeigt schon dieser Vergleich, dass trotz der weitgehenden Aehn- lichkeiten, gewisse Differenzen in der Placentarbildung der Ceta- ceen sich geltend machen, so wird dies noch deutlicher dureh die Mittheilungen Anderson’s (14). Dieselben sind veröffentlieht in dem grossen Prachtwerke, das die zoologischen Ergebnisse zweier Reisen nach Ostindien schildert. Anderson hat dort die Monographie zweier sonst wenig 1) M&moire sur les glandes utrieulaires de Y’uterus et sur !’organ golan- dulaire de neofermation ete. Bologne 1868. Die Eihüllen von Phocaena communis Cuv. 5 untersuchter Cetaceenformen gegeben: von Orcella brevirostris und Platanista gangetica. Beide steigen hoch in die indischen Flüsse hinauf. Anderson macht sehr werthvolle Angaben über die Placenta dieser Thiere; ich werde dieselben zum Vergleich heranziehen, zumal die Verhältnisse vielfach wesentlich andere als bei unseren Delphinen sind. Turner hatte freilich schon manche mikroskopische Unter- suchungen über den Bau des Chorions, der Uterinkrypten u. a. mitgetheilt, aber erst bei Anderson finden sich feinere histolo- gische Beobachtungen in ausgedehnterem Maasse, so z. B. über die Lymphbahnen des Nabelstranges. Im J. 1881 erschien eine Arbeit über die Uterusschleimhaut bei Thieren mit diffuser Placenta, insbesondere bei der Stute, von H. Planteau (15). Dem Verfasser standen auch einige Objecte, die Cetaceen entnommen waren, zu Gebote; er berücksichtigt die betreffenden Fragen so eingehend und ausserdem besteht eine so ausgesprochene Aehnlichkeit zwischen der Uterinschleimhaut der sraviden Stute und- derjenigen bei manchen Cetaceen in der Schwangerschaft — wie Turner gezeigt hat —, dass die Arbeit Planteau’s hier herangezogen werden muss. Die nächsten Beobachtungen über Eihäute der Cetaceen stam- men von Boulart und Beauregard (16). Ihre Arbeit, die in gewissenhafter aber rein deseriptiver Weise die Geschlechtsorgane einiger Balaenidenformen schildert, erspart mir die Mühe, die ähn- lichen makroskopischen Verhältnisse beim Delphin eingehend zu beschreiben. Sie hatten ein Stück Chorion von Belaenoptera Sib- baldii vor sich. 1882 findet sich eine kurze Mittheilung über die Geburt beim „Marsouin commun.“, d. i. Phocaena communis in den Compt. rend. von Jourdain (17). Er erhielt ein schwangeres Exemplar. Als er es öffnen wollte, schoss aus dem Genitalkanal ein Foetus her- vor und zwar wunderbarer Weise ohne Eihüllen. Die Gedanken, die dieses Ereigniss bei dem Beobachter anregte, möge man im Original nachsehen; jedenfalls sind wohl seine Besorgnisse: „La parturition du Marsouin doit done presenter des conditions ex- ceptionnelles“ durch einfachere Erklärungsgründe zu beseitigen. Die letzte Beschreibung und zwar der Eihüllen von Ponto- poria Blainvillei, die ich habe auffinden können, rührt her von P. Gervais (18) im J. 1883. Sie enthält eine ganz kurze Schil- 6 Hermann Klaatsch: derung der Verhältnisse; auch in diesem Falle lag der Foetus im linken Uterushorn. Aus der Literatur des letzten Jahres sind es besonders die Schriften Flower’s (19) !) gewesen, auf die sich meine Aufmerk- samkeit richtete. Ich habe dann noch vereinzelt in den Berichten ausländischer Gesellschaften Notizen gefunden, die mich vermuthen lassen, es möchte in den betreffenden Mittheilungen etwas über die hier ge- schilderten Dinge stehen, doch war mir eine Vergewisserung in jedem einzelnen Falle nicht möglich (20). Ich hoffe nichts Wesentliches übersehen zu haben, es ist mir jedoch sehr wahrscheinlich, dass in neueren Reiseberichten u. dgl. manches steht, das hier der Erwähnung werth wäre; für jede der- artige Mittheilung oder Berichtigung werde ich dankbar sein. Zum Zwecke leichterer Orientirung und einer schnellen Ein- führung in den Gegenstand gebe ich eine kurze Schilderung der wesentlichen Resultate, die die bisherigen Forschungen über die Cetaceenplacenta geliefert haben, an der Hand eines Holzschnittes, der schematisch Lage und Anordnung der Eihüllen zeigt, wie ich sie bei meinem Delphin mir reconstruirt habe. Wie bisher in allen Fällen bei Cetaceen lag auch in meinem der Foetus im linken Uterushorn. An jedem Uterushorn, sowie dem entsprechenden Eihauttheile unterscheidet man eine grosse und eine kleine Curvatur, deren erste dorsal, die zweite ventra vom Foetus liegt. Ob er sich in Schnabel- oder Schwanzlage befand, kann ich nicht entscheiden, neige jedoch nach den An- gaben Gervais', Turner’s und Jourdain’s dahin, dass erstere als das häufigere anzunehmen. Das Chorion (Ch.) reicht in beide Hörner; somit gehört die Placenta des Delphin dem diffusen Typus an. Das Fehlen einer Decidua und somit der Mangel einer eigent- lichen Placenta lässt Köllieker?) diese Form als die choriate 1) Es sind in denselben keine Angaben über Placentarbildung der Ce- taceen enthalten; die betreffenden Arbeiten sind für die Phylogenie der Ce- taceen, sowie für die Systematik der Delphiniden von der grössten Bedeutung. 2) Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. Leipzig 1881. Die Eihüllen von Phocaena communis Cuv. Ut. Uteruswandung. Oh. Chorion. Am. Amnion. Al. Allantoissack. 4Am.h. Amnionhöhle. D. Dottergang. S. Septum uteri. 0.U.t. 08 uteri int. r. E. rechter Eipol. l. E. linker Eipol. EEE 2 U; NEISSE rn “, Schematische Darstellung der Eihüllen von Phocaena. 8 Hermann Klaatsch: bezeichnen, doch muss dagegen geltend gemacht werden, dass anatomisch ja durchaus dieselben Bestandtheile sich bei der deei- duaten wie indeeiduaten Form wiederfinden, so dass die Ausdeh- nung des Chorions ein viel wesentlicheres Characteristicum darstellt als die Loslösung der Uterinschleimhaut. Diese geht beim Del- phin bedeutende Aenderungen ein, die in Gestalt mächtiger Wul- stungen namentlich auf der ventralen Seite des Fötus in beiden Hörnern in der Nähe des Tubenabgangs auftreten, das Chorion ist dem entsprechend hier auch am stärksten zottig. Der Amnionsack (Am.h.) ist beim Delphin sehr weit; das Amnion (Am.) ist überall mit dem Chorion verwachsen bis auf einen Bezirk an der Ventralseite des Embryo, wo es mit dem Allantoissack (Al.) in Beziehung tritt. Dieser persistirt bei allen Cetaceen als ein Gebilde von beträchtlicher Ausdehnung, obwohl kleiner als bei den Ruminantien. Der Stiel der Allantois, der Urachus persistirt ebenfalls durchweg. Von Dottergang (D.) und Dotterblase persistirt der erstere beim Delphin; bei einem andern Cetaceen ist er bisher nicht nach- gewiesen worden. Ein Septum uteri (S.) sondert die Placenta in einen linken und einen rechten Theil. Nabelstrang und Amnion. Der Nabelstrang ist von den früheren Autoren auf seine all- gemeinen Verhältnisse, d. h. auf die Persistenz des Urachus und das Vorhandensein zweier Arterien und zweier Venen hin untersucht worden. Turner(10) sagt vom Gewebe des Nebelstrangs nur, dass der Urachus in ein „areolated connectiv tissue‘ eingebettet sei; Anderson (14) beachtet besonders die vasculösen Räume im Strange und ihre Zugehörigkeit zum Lymphgefässsystem. Eingehende Untersuchung wurde immer den Amnionkörpern am Nabelstrang zu theil; die Autoren heben alle die bedeutende Zunahme dieser Gebilde am Allantoissack hervor. Turner be- schreibt auch ähnliche Allantoiskörper (10). Ein Theil der Am- nionkörper gleicht nach Turner denen der Kuh (13). Vergebens haben die Autoren nach einem Rest von Dotter- Die Eihüllen von Phocaena communis Ouv. 9 gang oder Dotterblase gesucht; weder bei Orca, noch bei Monodor, noch Pontoperia ete. wurde etwas derartiges gefunden. Ich gebe zuerst meine eigene Beobachtungen, dann komme ich auf diese Fragen zurück. Die Bauchhaut des Embryo ist glatt. Sie besitzt eine gelb- liche Färbung, die durch bläuliche, unregelmässig vertheilte Par- tieen ein leicht geflecktes Aussehen erhält; die letzteren sind in der Richtung der Körperachse angeordnet und gehen eranial von den Flossen in die strahlenförmig zu den Lippen ziehenden dunk- len Streifen über. Auch eaudalwärts gewinnen die bläulichen Partieen, nament- lich in der Gegend der äusseren Genitalien an Deutlichkeit. Die Nabelschnur entspringt ziemlich in der Mitte zwischen dem zu- nächst liegenden Punkte der Vulva und der Verbindungslinie bei- der Flossen mit einander. (Abstand derselben von einander 8 cm, ihrer Verbindungslinie von der Vulva 18!/, cm, vom Nabelstrang- mittelpunkte 10'/, em.) Ausser gröberen Falten zeigt die Bauch- haut bei geeigneter Haltung gegen das auffallende Licht feinste, senkrecht zur Körperachse angeordnete aponeurotisch schimmernde Fasern; auch eine ähnliche Längsstreifung wird weiter cranial- wärts mit der Lupe sichtbar. Die Querstreifung ist besonders deutlich in der Medianlinie, eranial vom Nabelstrangursprunge, da wo eine seichte rinnenförmige, der Palpation eben noch als solche wahrnehmbare Vertiefung beginnt. Die Rinne theilt sich am Na- belstrange in zwei Arme, die kreisförmig die Ursprungsstelle um- fassen. 2 cm rechts und caudal von dieser Stelle befindet sich eine 1 cm lange Wunde mit zerrissenen Rändern. Weiter caudal ist die Medianlinie nicht mehr irgendwie ausgeprägt. Eine Haut- falte, die mit der erwähnten zarten Rinne nichts gemein hat, um- zieht den Nabelstrang, einen Kreis von 1.6cm Durchmesser dar- stellend. Hier kann man den Nabelstrang vor- und zurückschieben. Derselbe entspringt in der Dicke eines Mittelfingers. Zunächst bildet er einen scheibenförmigen Theil, der caudal tiefer in die Bauchwand einsinkt als eranial. Dies rührt daher, dass von vorn- herein eine Richtung des Nabelstrangs caudalwärts und ein wenig nach links sich geltend macht. Die Haut geht eontinuirlich auf den Strang über, ist jedoch an dem Anfangstheil etwas brüchig und leicht in Schollen ablösbar!). Auf den scheibenförmigen Theil 1) Nach Turner(13) geht bei Monodon die Bauchhaut „purplish-grey“) 3 bis 4° am Strange hinauf. 10 Hermann Klaatsch: folgt ein Abschnitt des Nabelstrangs, der voluminös allseitig vor- springt, namentlich caudal — wie ein Bulbus; als solehen werde ich ihn künftig bezeichnen. Hier ist die Haut bereits sehr dünn, als zarte Lamelle abzuheben, und hat somit den Charakter des Amnions angenommen. Cranial wie caudal läuft eine Vertiefung am Strange hin. Der Bulbus verjüngt sich allmählich; 3 cm vom Bauch des Fötus entfernt, nimmt der Strang den Habitus an, den er bis zum Uebergange in die Eihäute beibehält. Bis zu der Stelle gerechnet, wo die Umbilical-Gefässe divergiren, beträgt die Länge des Stranges 27 em. Der Strang macht Torsionen, im Sinne des Uhrzeigers distalwärts, aber dieselben sind sehr lang gedehnt und gering an Zahl. Man fühlt die Gefässe durch; Riefen marquiren ihre Lage an der Oberfläche, knotenförmige Auftreibungen kommen nur am distalen Ende spärlich vor. Der Nabelstrang ist überall mit kleinen Körpern dicht be- setzt — den corpuseulis oder carunceulis amnii!). Ein Theil derselben zeichnet sich durch bräunliche Färbung aus. Sie sind ohne bestimmte Anordnung über den ganzen Strang vertheilt, doch stehen sie bisweilen in Gruppen zusammen und treten am distalen Ende zahlreicher auf. Die Grösse variirt von kaum '/,, mn bis zu 11/, mm und 2 mm im Durchmesser. Sie erscheinen als War- zen, sind flach linsenförmig. Die grösseren von ihnen hängen durch einen schmalen nicht gefärbten Stiel mit dem Amnion zu- sammen. Einige der kleineren dunkelen Körper sitzen den weissen Carunkeln auf?). Diese treten im Gegensatz zu den braunen am proximalen Ende vorwiegend auf, doch finden sie sich vereinzelt noch jenseits der Bifurcationsstelle. Diese sind theils flach, theils mehr rundlich, manche etwas länglich, andere tragen auf ihrer Spitze noch ein weisses Körperchen. Der Strang ist im ganzen Verlauf etwas abgeflacht, seine Durchmesser sind 10 und5 mm. Die Abflachung nimmt zu nach der Bifurcationsstelle hin. Durch- schneidet man den Strang in seinem mittleren Theile, so sind die 1) Man vergleiche die Schriften 9—14, 18, für die gleichen Gebilde bei anderen Ordnungen Turner’s Schriften, für den Menschen: Anna Hetz, Das Epithel des Amnion. In.-Diss. Bern 1878. 2) Solche sind bei Orcella brevirostris von Anderson ausdrücklich erwähnt. Die Eihüllen von Phocaena communis Cuv. 11 Gebilde, die ihn constituiren auf der ovalen Schnittfläche so an- geordnet!) (Fig. 1): Der Strang enthält eine weite mehrfach ausgebuchtete Höhle — das Lumen des Uraehus (Ur.). Auf der einen Seite‘ bilden seine Wand und das Ammien (und zwar das Bindegewebsblatt des- selben) mit einander, festverbunden die Wandung(Am.) des Stranges, auf der anderen Seite schieben sich die anderen Gebilde dazwi- schen. Es sind das zunächst 2 Venen (V.) und 2 Arterien (A). Die Wandung der Venen ist etwas dunkler als das umgebende Gewebe; ihr Durchmesser beträgt 3 mm. Ihr Lumen ist nicht so- weit wie bei anderen Venen von gleichem Caliber, es ist rund. Die beiden Arterien haben einen etwas geringeren Durch- messer, ihre Wandung ist heller, ihr Lumen zackig, sie sind ge- meinsam von Gewebe umschlossen. Zwischen Venen und Arterien sehen die Urachusbuchten hinein. In dem Gewebe, das die Ar- terien umhüllt und durch diese selbst von Urachus getrennt, findet sich in der Medianlinie des Stranges ein kleines Lumen. Es hat einen Durchmesser von noch nicht einem Millimeter. Es fand sich an verschiedenen Stellen mit gleicher Deutlichkeit wieder. Es kann kein Zweifel darüber sein, dass dies Lumen dem Dotter- gange (D) entspricht. Nach der Bauchhaut des Fötus hin ändern sich diese Verhältnisse (Fig. 2). Ein Querschnitt durch den „Bulbus“ zeigt eine Grössenzunahme des Stranges. Seine Umgrenzung ist eine fast kreisförmige ge- worden, sein Durchmesser beträgt 1,3 em. Die Urachushöhle (Ur.) ist weit; ein in der Medianlinie gelegenes, erst in der Bulbus- anschwellung beginnendes Septum (S. u.) theilt das Urachuslumen in zwei gleiche Abschnitte, die weiter unten wieder zu einem Lumen verschmelzen. Wie und wo weiter proximal das Septum aufhört, konnte ich nicht verfolgen; in der Bauehhöhle ist nur ein Urachuslumen vorhanden. Die Urachusbuchten (Ub.) haben im Bulbus die Venen (V) seitlich verdrängt, so dass sie jetzt einander gegenüber der Wan- dung anliegen. Die Arterien haben ihr Verhalten sich bewahrt; in ihrer Nähe findet sich an der entsprechenden Stelle wie oben angegeben wurde, das Lumen des Dotterganges. Das Gewebe sieht, namentlich am Septum schon mikroskopisch spongiös aus, und ist an manchen 1) Anderson bildet einen Querschnitt bei Orcella ab. 12 Hermann Klaatsch: Stellen mit Blut gleichsam infiltrirt. Ein Längsschnitt durch den Bulbus lässt interessante Verhältnisse zu Tage treten. Die Ur- sprungsstelle des Nabelstranges und sein unterster Abschnitt, den ich oben als scheibenförmig bezeichnete, werden eingenommen durch eine mächtige halbkugelige Erweiterung der Vena hepato- umbiliealis. Der Durchmesser dieser sonderbaren Gefässbildung beträgt lem. Die im Innern der Bauchhöhle schlaffe Wand der Vene ist an der Stelle der Erweiterung hart und steif in Folge einer eigen- thümlichen wohl postmortalen, dem Blute ihren Ursprung verdan- kenden dunkelbraunen Auflagerung, die eine Art Kapsel darstellt. In dem „Sinus“ — ich nenne ihn so, um der Kürze der Bezeich- nungsweise willen — münden die beiden venae umbilicales. Auf der Sehnittfläche ist die eine derselben sichtbar, wie sie ganz all- mählich sich erweiternd sich mit dem Sinus vereinigt. Der Ura- chus wendet sich von beiden Arterien eingeschlossen caudalwärts und bildet die Harnblase, die in diesem Falle recht typisch eine einfache schlauch- und spindelförmige Erweiterung des Allantois- ganges repräsentirt. Das Schicksal des Dotterganges in der Bauchhöhle habe ich nicht verfolgt. Das Stratum Malpighii der Bauchhaut geht, sich allmählich verdünnend ins Amnion über. Es folgt hier eine genauere Betrachtung dieser Umwandlung und eine Darstellung der histiologischen Verhältnisse des Nabel- stranges, soweit die Beschaffenheit meines Objectes ihr Studium gestattete. An der Bauchhaut des Embryo bildet die Epidermis eine Schicht, die auf dem Durchschnitt der ca. 21/, em dieken Bauch- wand als 1 mm dicker Streifen erscheint. Man erkennt mit blossem Auge einen äusseren hellen und einen inneren sehr schmalen dunklen Theil. Bei schwacher Vergrösserung werden die Papillen deutlich, bedeckt von einer Cylinderzellenschicht, auf die nach aussen ein Rete mit grossen Klementen und ein wenig entwickeltes Stratum corneum folgt. Der dunkle Streifen löst sich auf in dunkle Zapfen, die von der Epidermis aus in die Tiefe gehen. Die Zellen des Stratum corneum haben bis zur obersten Schicht hin fast durch- weg Kerne. Der Uebergang ins Rete Malpighii vollzieht sich ganz allmählich. Die Begrenzungen seiner Zellen sind keine einfachen Linien, vielmehr erscheint zwischen den Zellen eine Reihe feiner Die Eihüllen von Phocaena communis Cuv. 13 Streifen, die das Bild von Intereellularbrücken hervorrufen. Die Elemente der Cylinderzellenschicht sind kleiner als die höheren, nach der Papille zu ist eineBasalmembran sehr deutlich ausgeprägt. Die dunklen Zapfen erweisen sich auf dünnen Schnitten als Fort- setzungen der Epidermis in die Tiefe, die meist in schräger Rich- tung sich in die Cutis senken. Die Grösse der Retezellen nimmt nach diesen hin ab; die Zellen sind auf den gleichen Raum daher zahlreicher; ihre Kerne färben sich mit Hämatoxylin stärker und ausserdem tritt ein feinkörniges Pigment auf. Dasselbe hat seinen Sitz vorzugsweise in der Cylinderzellenschicht; auch sie geht mit in die Tiefe und zeigt namentlich an den, von der Basalmembran abgewandten Theile der Zellen die Pigmentanhäufungen. Verfolgt man das Epithel nach dem Nabelstrang, so tritt an dessen Basis als erste Aenderung eine Richtungsverschiedenheit der pigmen- tirten Epithelzapfen auf; dieselben steigen nun immer zwischen 2 Papillen senkrecht zur Oberfläche in die Tiefe (Fig. 3), aber zugleich insofern modifieirt, als sie Ausbuchtungen (L.) zeigen und gleichsam eine Art Lappenbildung eingegangen sind. Das Pig- ment (P.) ist stark ausgeprägt und scharf auf die Randzellen (C.) loealisirt. Die Retenzellen (R) sind gross, die Kerne haben ein blasiges Aussehen, sie gehen auch hier bis an die Oberfläche heran; vielleicht rührt es daher, dass eine oberflächliche Schicht vom Stratum corneum sich abgelöst hat, wie das am Nabelstrang mit dem Epithel fast durchweg der Fall ist. An manchen Stellen des Bulbustheils und auch noch weiter distal liegen noch Retezellen auf, dieselben zeigen eine Ablagerung von Pigment, das grobkör- niger ist als dasjenige in den tiefen Schichten. Weiter aufwärts am Nabelstrang werden die Epithellagen niedriger, die Papillen mehr rundlich. Ganz allmählich verstreichen dann die Papillen ganz, doch tauchen noch hie und da ähnliche Bildungen auf, die zu Anhäufungen von Epithelzellen führen. Dieselben behalten den Charakter der Retezellen bei: abgeplattete Elemente sind ihnen aufgelagert. So ist die Epidermis zu dem aus wenigen Lagen be- stehenden Amnionepithel geworden. Leider hat sich, wie erwähnt, dasselbe fast am ganzen Nabelstrang abgelöst. Doch zeigt es sich weiter distal an manchen besonders differenzirten Stellen. So wer- den häufig Partieen gefunden, an denen unter der Oberfläche sich Epithelanhäufungen zeigen (Fig. 4). Die äussersten Elemente in diesen Zellhaufen (Ep.) sind abgeflacht, die mehr eentral gelegenen sind schöne grosse Gebilde. 14 Hermann Klaatsch: Sodann spielen die Epithelzellen eine Rolle bei der Bildung der Carunkeln, von denen man auf den Schnitten verschiedene Formen trifft. Die Scheidung nach der makroskopischen Betrach- tung lässt auch bei der miskroskopischen Untersuchung sich durehführen. Die weissen Carunkeln zeigen einen anderen Bau als die braunen Körperchen. Während bei diesen letzteren die Bindegewebeschicht das Amnion einen wesentlichen Factor aus- macht, sind die weissen Carunkeln epithelialen Ursprungs. "Turner erwähnt, dass sie am proximalen Theil des Nabel- stranges kettenförmig angeordnet sind und ich kann dies bestätigen. Die eigentlichen epithelialen Absehnürungen, die ich eben beschrieb, leiten hin zu den weissen Carunkeln. Man findet dieselben auf Querschnitten der Nabelstranghülle eingebettet in das Gewebe desselben. Sie verdanken allein der Epithellage des Amnion ihren Ursprung; bei starker Vergrösserung erkennt man in ihnen grosse epitheliale Kerne (Fig. 5); die Zell- grenzen sind nicht deutlich. Die Aehnlichkeit mit den epithelialen unter der Oberfläche gelegenen Abschnürungen besteht fort, sie erscheinen als sackartige Gebilde, in ähnlicher Weise wie sie Anderson für Orcella beschreibt. Neben den grossen Kernen (N.) werden sehr zahlreiche körnige Gebilde (k.) angetroffen. Sie fär- ben sich intensiv mit Hämatoxylin; dies sowie das makroskopische Verhalten der Carunkeln sprechen gegen ihre Natur als Pigment, was sie jedoch darstellen, kann ich nicht entscheiden. Die braunen Carunkula (Fig. 6) sind weit einfacher gebaut. Sie werden in ihrer Hauptmasse gebildet von Bindegewebsantheil des Amnion (Am.). Das- selbe steigt in Zügen zur Oberfläche auf, und bildet warzenartige flache Erhebungen, die von einer Epithelschicht bedeckt sind. Das Epithel (Ep.) trägt den Charakter der Uebergangsregion von der Epidermis des Foetus zum Amnion. Es findet sich deutlich eine eylindrische Zelllage (C.) ausgeprägt; ihr sitzt eine Schicht grosser Retezellen auf und auf diese folgt ein Stratum corneum, das dicht mit kleinen Pigmentkörnern erfüllt ist. Während es bei der foetalen Epidermis die tiefste Zellschieht ist, die das Pigment trägt, so ist bei den braunen Carunkeln die am meisten oberflächliche; auch ist im letzteren Falle dasselbe viel grobkörniger. Weiter distal, wo sich die Amnion-Körperehen in grösserer Zahl vorfinden, sind es vielfach Bildungen, die fast nur aus verhornten Zellen mit Pigmenteinlagerung bestehen. Diesen Charakter haben sie an dem Die Eihüllen von Phocaena eommunis Cuv. 15 Amniontheil der dem Allantoissack anliegt. Ich werde zugleich die übrigen Verhältnisse des Amnions hier erledigen. Die Bindegewebslage des Amnion unterscheidet sich vom Nabelstranggewebe durch das Vorhandensein grösserer mehr rund- licher Kerne; dieselben finden sich auch an den anderen Theilen des Amnion wieder neben zahlreichen schmalen und länglichen Gebilden. Sie lagern Fibrillen an, die reichlich vertreten sind. Es finden sich ausserdem im Amnionbindegewebe noch besonders differenzirte Zellen (Fig. 7), die auch an anderen Theilen meines Objeetes und in den betreffenden anderer Thiere mir mit einer gewissen Regelmässigkeit begegnet sind. Im Ammnion sind es grosse rundliche granulirte Gebilde (Gr.), die bei Präparaten, welche mit Hämatoxylin intensitv gefärbt und mit salzsaurem Alkohol entfärbt wurden, einen gelblichen Ton angenommen haben, indess ihre Kerne tiefblau wurden. Diese glichen den Bindegewebs- kernen an Grösse; die Zellen selbst übertrafen die Epithelzellen an Umfang, ihr Plasma war leicht gekörnt, ihre Gestalt scheiben- förmig!); an manchen Stellen lagen sie in grösserer Anzahl bei einander. Da Ansehen und Ort des Vorkommens mir keine An- haltspunkte gaben, und ich den Ausdruck „Leueoeyten“ vermeiden möchte, der, wie ich glaube, nicht auf sie angewandt werden kann, so werde ich sie um der Kürze des Ausdrucks willen, „blass sranulirte Zellen“ nennen. Das Epithel des Amnion ist auf dem Querschnitt an vielen Stellen einschiehtig. Bisweilen erscheinen dann seine Elemente platt, bisweilen mehr kubisch, und nach der freien Oberfläche vergewulstet, vom unterliegenden Gewebe nicht scharf geschieden. Zum Nabelstrange zurückkehrend wende ich mich dem eigent- lichen Gewebe desselben zu. Dasselbe ist vom Bindegewebsblatt des Amnion keineswegs scharf geschieden und nur das Auftreten der erwähnten grossen Kerne in diesem lässt einen Unterschied wahr- nehmen. Das Nabelstranggewebe ist bei Phocaena ein lockeres Binde- sewebe, aber keineswegs ein „Schleimgewebe“ (Fig. 8). Unter- sucht man es im mittleren Theile des Stranges bei starker Ver- grösserung, so findet man lange schmale, zum Theil geschwänzte Bindegewebskerne (Bg), die in den verschiedensten Richtungen zur 1) Auf. Fie. 7 ist bei x eine Zelle auf die hohe Kante gestellt. 16 Hermann Klaatsch: Achse des Stranges gestellt sind, sowie auf einem Querschnitt die Bindegewebsfibrillen zum Theil längs, zum Theil quer getroffen sind (F). In letzteren Falle erscheinen sie wie kleine helle Körn- chen; das Gewebe ist bald dichter, bald mehr locker, aber sein Charakter ist immer der gleiche. Es finden sich auch elastische Fasern, wenigstens Gebilde, die solchen morphologisch vollständig gleichen. Ausserdem sind im Nabelstranggewebe vereinzelt die „blass granulirten Zellen“ vorhanden, ganz so, wie ich sie gele- gentlich des Amnions beschrieb. Wie vom Amnion so ist es auch vom Nabelschnurgewebe nicht ohne Interesse, sein Entstehen aus dem Unterhautbindegewebe des Foetus zu verfolgen. Ich erwähne daher die Schichten an der Bauchhaut desselben. - Der Papillar- körper ist sehr schön und regelmässig mit einer beträchtlich gros- sen Zahl von Papillen entwickelt. In diesen lassen der Verlauf und Anordnung von Endothelkernen auf Gefässschlingen schlies- sen; sensorische Endorgane konnte ich nicht auffinden. Unterhalb der pigmentirten Epithelschläuche ist das Bindegewebe eigenthüm- lich ausgezeichnet durch den Reichthum an Fibrillenbündeln, die in zwei auf einander senkrechten Richtungen und zugleich zur Ober- fläche im Winkel von 45° angeordnet sind. Die bereits hier, ob- wohl spärlich auftretenden Fettzellen, bilden etwas tiefer den Hauptbestandtheil des Bauchhautgewebes. Kern und Plasmarest in sämmtlichen Zellen desselben sind deutlich; eine besondere Eigenthümlichkeit besteht in Faserbündeln, die ähnlieh wie die erwähnten Bindegewebsfibrillen in zwei aufeinander senkrechten Richtungen angeordnet sind; auch hier möchte ich sie für das- selbe halten, obwohl die sehr schmalen langen Kerne, die Aehn- lichkeit in der Färbung mit der nah gelegenen Wandung kleiner Gefässe, das Aussehen auf dem Querschnitt, an das Bild glatter Muskelfasern erinnern. Am Nabelstrangursprung verschmälert sich die fibrilläre Schicht sehr bald, bereits im Bulbus hört sie ganz auf. Auch die Fett- schieht versehmälert sich allmählich, im Strange fehlt jede Spur von Fettanhäufung; aueh zur Annahme einer Homologie jener Fettzellen mit den Nabelstrangzellen halte ich mich nieht für berechtigt, da ein anderer Gewebstheil hier noch zunächst in Frage kommt: Das Bindegewebe der Adventitia der Vena hepatoumbilicalis; seine Züge gehen an der Erweiterung des Gefässes in mächtigen Zügen distalwärts und lassen sich in die eigentliche Masse des Stranggewebes verfolgen. Die Eihüllen von Phocaena communis Cuv. 17 Das Stranggewebe sieht im Bulbustheil, schon makroscopisch mehr spongiös aus; das zeigt sich auch mikroseopisch deutlich, das Gewebe ist mehr gelockert, es treten Maschenräume (sp) auf, wie beim „Schleimgewebe“ des menschlichen Nabelstranges; diese Safträume sind namentlich deutlich im Septum urachi. Es bestehen hier in der That Gebilde, die man als Lymphräume ansprechen muss. Ein soleher ist auf Fig. 9 wiedergegeben. An manchen Stellen ist ein Endothel deutlich nachweisbar (En). Das Lumen ist erfüllt von Detritus und rundlichen Gebilden (d). Der Raum ist umgeben von ähnlichen kleineren Gebilden derselben Art. Das Gewebe zwischen Arterien und Venen (Fig. 2) enthält mehrere grössere Lymphräume. Das gesammte Gewebe stellt sich somit keineswegs als ein überall gleiches und einfaches heraus, so wenig es mit dem anderer Mammalia ganz über- einstimmt. Ausser in den verschiedenen Abschnitten des Stran- ges ist das Gewebe noch differenzirt mit ‚Bezug auf die von ihm umschlossenen Gebilde, die Gefässe, den Urachus und den Dottergang. Ueberall auf dem Nabelstrangquerschnitt zerstreut finden sich eigenthümlicher Weise zahlreiche kleine Gefässe. Von den eigentlichen Umbilicalgefässen (vgl. Fig. 1 u.2) haben die Arterien ein sternförmig gezacktes Lumen mit losgelösten Intima- zellen erfüllt, eine sehr schöne elastische Lamelle, eine Wandschicht von I mm Dicke, die von einer aus diehten Bündeln bestehenden Media gebildet wird; in den peripheren Theilen lockert sich diese Schicht. Das Nabelstranggewebe sendet Züge zwischen die Muskel- bündel; so kommt eine, natürlich nieht scharf ausgeprägte Adven- titia zu Stande. Die Vene dagegen hat ein weites rundes, mit Blut erfülltes Lumen; obwohl ihre Wand an Dicke der Arterie gleicht, so ist doch die media von geringerer Ausbildung; schon 0,3 mm vom Lumen entfernt lockert sich die Schicht auf, so dass hier der Uebergang von Arterienwand in Nabelstranggewebe ein noch weit mehr allmählich sich vollziehender und unbestimmter ist als bei der Arterie (Fig. 1). Die beiden Venen sind einander nicht an Grösse gleich, die Differenz tritt am Bulbustheil deutlich hervor, hier ist die eranial gelegene die grössere und von diehterer Gewebsmasse umgeben ins Urachuslumen prominirende (Fig. 2). Die eine der Venen konnte ich in die gemeinsame Erweiterung verfolgen: Mit Zunahme des Lumens verringert sich die Stärke der Muskulatur, an dem „Sinus“ Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 26. 2 18 Hermann Klaatsch: selbst ist nur eine ganz dünne Schicht glatter Muskelfasern vor- handen. Im Ganzen überwiegt die Längsrichtung in der Musku- latur, auch liegen die Längsfasern überwiegend central, aber eine Scheidung von den Ringfasern existirt nicht, sie verflechten sich untereinander zu einem Netzwerke; das ist besonders an den Rand- partieen deutlich. Gerade an diesen wird das Bild compliciert dureh noch andere Gebilde, die in das Netzwerk eingehen. Viele kleine Gefässe verlaufen hier, kleine Arterien und Venen. Im Bulbustheil (Fig. 2) beobachtete ich den Abgang eines kleinen Gefässes von einer Vene (g). Ausser Blutgefässen treten noch andere Gebilde auf; in verschiedenen Richtungen zur Gefässaxe, so auch besonders radiär ziehen Haufen langer endothelarti- ger Kerne, die bei Haematoxylinfärbung auch nach Behandlung mit Pierinsäure eine intensiv blaue Farbe haben, und sich so von den mehr grauen Kernen der glatten Muskelfasern abheben. Diese Kernhaufen lassen sich weit hinein verfolgen ins Gewebe, ihr end- liches Schicksal wie ihre Bedeutung erkannte ich nicht mit voller Entschiedenheit, aber Aussehen und differenzielle Diagnose wiesen mich auf sie als auf Lymphbahnen hin. Im Bulbustheil waren die Gebilde häufig ; die Nabelstrangzellen liegen in der Nähe der Venen stellenweise eingebettet in eine mehr homogene, maschig angeord- nete Grundmasse. Die glatte Muskulatur ist bisweilen noch in ge- wissem Abstand von der Gefässwand in zersprengten Haufen anzu- treffen. Die Media wird auf den Längsschnitt dureh bindegewebige Septa in concentrisch um das Lumen angeordnete Lagen geschie- den; in dies interstitielle Gewebe schieben sich in der Nähe der Bauchwand Fettzellen ein; die gleiche Anordnung besteht auch in der Bauchhöhle fort. Die Vene hat, wo sie sich zur Leber wendet, eine innere Längsfaserschicht und mehrere äussere theils ring- förmig theils längs verlaufende Lagen: Intimazellen findet man zahlreich im Lumen; dasjenige der kleineren Vene ist reichlich mit Elementen erfüllt, die Intimazellen ähnlich sind; das Lumen der anderen Vene zeigt ausserordentlich zahlreiche, relativ kleine rothe Blutkörperchen, vereinzelte geschwänzte Endothelien, weisse Blutkörperchen mit grösseren Kernen und dünnem Plasmasaum und auch hier wiederum werden die „blass granulirten Zellen“ (G r.) angetroffen (Fig. 10). Sie liegen in grösserer Zahl mitten im Lumen. Ihr Durchmesser ist etwa 10 mal grösser als der eines rothen Körpercehen, ihr Kern gleicht dem eines weissen, Die Eihüllen von Phocaena communis Cuv. 19 ihr Plasmaleib ist viel, ce. 3—4 mal grösser als der eines Leu- koecyten. Die Arterien sind so wenig wie die Venen einander an Grösse gleich, der grösseren Vene liegt die grössere Arterie benachbart. Die weniger aufgelockerte schmale Randschicht ist radiär durch- zogen in grösserer Zahl als die der Venen von jenen Gebilden mit den langen schmalen Kernen (Fig. 1). Bei schwachem Objeetiv treten diese „Bahnen“ klar als etwas besonderes hervor. In der Media überwiegt die Ringmuskulatur, die schön entwickelte elasti- sche Lamelle ist gewulstet, gefaltet; das Lumen enthält in den Ecken und Falten Endothelzellen. Höchst eigenthümlich ist das Vorkommen zahlreicher kleinerer Gefässe im Strange; auf einem Querschnitt in der Mitte desselben werden etwa 12 solcher Gebilde im Durchschnitt gesehen, mehr proximal sind sie noch zahlreicher. Eine bestimmte Anordnung ist nieht wahrzunehmen, auch keine bestimmte Verlaufsriehtung; den Abgang eines solchen Gefässes von einer Vene, die Kapil- laren an den grossen Gefässen erwähnte ich. Andere sind als kleine Arterien kenntlich. Das Gewebe um sie herum ist ein wenig verdichtet. Das Urachuslumen (Fig. 1 u. Fig. 2 Ur.) ist in der Mitte des Stranges asynımetrisch; die eine Vene, und zwar die kleinere, wird von seinen Buchten so umfasst, dass sie nur durch eine schmale Gewebsbrücke mit der Gesammtmasse des Gewebes zu- sammenhängt. Nach dem Auftreten des Septum urachi sind die beiden Lumina einander wenig entsprechend. Das Epithel des Allantoisganges war an meinem Object nicht gut erhalten, meist bildete das etwas dichtere subepithelische Binde- sewebe die Begrenzung des Lumens; wo ich Epithelreste traf, zeigten sie den Charakter von hohen schmalen Zellen, z. Th. eylin- drisch, z. Th. mehr einer Spindelform sich annähernd. Lage und Grösse des Dotterganges (Fig. 11) habe ich be- zeichnet. Das umliegende Gewebe bildet keine besondere binde- gewebige Wandung für denselben; das Epithel (ep) war noch an vielen Stellen erhalten; es besteht aus platten Elementen mit gros- sen Kernen. Es ist somit verschieden von dem des Urachus. Das Lumen des Dotterganges (D.) wird von wulstigen Vorragungen begrenzt, an Grösse nimmt es proximal zu. Zwischen dem Dottergange und den beiden Arterien finden 20 Hermann Klaatsch: sich Gewebsbestandtheile, die der Beachtung durchaus werth sind (Fig. 11 M.). Man sieht auf dem Querschnitt eine Anzahl quergetrof- fener Bündel, die durch Züge des Nabelstranggewebes von einander getrennt sind und von diesen sich durch viel intensivere Aufnahme von Farbstoffen unterscheiden. Sie sehen aus wie Theile der glatten Muskulatur von Gefässwandungen. Eine eingehende Untersuchung konnte an dieser Ansicht nichts ändern; die Gleichheit der beiden Gebilde, sowie die Natur der betreffenden Gewebsbündel als Züge glatter Muskulatur wurde bei Anwendung starker Vergrösserungen nur noch evidenter. In der Mitte des Stranges liegen etwa 20 solcher kleinen Bündel neben einander; sie stellen einen abge- schlossenen Bestandtheil des Nabelstranges dar, obwohl sich ver- einzelt zwischen ihnen und der Arterienwand abgezweigte Muskel- bündel der letzteren vorfinden. Die meisten der fraglichen Gebilde laufen in der Richtung der Strangachse, bei ihnen sieht man die Querschnittsbilder glatter Muskelfasern und desgl. diejenigen der typischen Kerne; einige verlaufen schräg, ja z. Th. senkrecht zur Strangachse, bei ihnen sind die Verhältnisse noch weniger zu ver- kennen (Fig. 11). Auch auf dem Querschnitt des Bulbus (Fig. 2) sind die glatten. Muskelfasern vorhanden und zwar in grösserer Mächtigkeit. Sie haben ihre Lagebeziehung zum Dottergange (D.) beibehalten. Auch hier besteht die morphologische und chemische Aehnlichkeit mit den Elementen der Gefässwand. Einige der mitgetheilten Thatsachen erfordern eme kurze Be- trachtung. Die Persistenz des Dottergangs bis kurz vor die Zeit der Geburt ist, soweit ich es in Erfahrung gebracht habe, bei den Cetaceen früher nicht bekannt gewesen !). Einen Einwand gegen die Natur des erwähnten Lumeus als Dottergang wüsste ich in der That nicht zu finden. Mit dem Urachuslumen besteht kein Zusammenhang; das Epithel in beiden ist verschieden, im Urachus höher, mehr eylindrisch. Ich habe zum Vergleich auf Fig. 12 einen Durchschnitt durch den Nabelstrang eines 12 em langen Schweineembryos abgebildet. 1) Anderson erwähnt ausser dem Urachus eine tubular cavity auf dem Nabelstrangquerschnitte, die möglicherweise den Dottergang darstellt. Er sagt von dieser Möglichkeit nichts. Die Eihüllen von Phocaena communis Cuv. 21 Es findet sieh dort nur eine Vene; in gleicher Lagerung zu den beiden Arterien wie bei Phocaena persistirt noch der Dottergang. Von der Dotterblase habe ich bei meinem Objecte nichts ge- funden. Im Anschluss an den Dottergang ist der glatten Muskulatur in seiner Nähe zu gedenken. An dem Thatbestande ist keine andere Deutung möglich, als die gegebene. Es fragt sich, wie man den eigenthümlichen Befund erklären kann. Es scheint mir nun sehr naheliegend, an Reste der Muskulatur von Dotterganggefässen zu denken. Zum Vergleich verweise ich auf den Zustand beim Schwein auf Fig. 12. Dort besteht noch bei d. g. ein kleines Dotterganggefäss. Der Urachus persistirt wie die Allantois bei allen darauf untersuchten Cetaceen; bei Platanista wird sein Lumen von An- derson enger abgebildet, als es bei Phocaena sich zeigt. Von einem Septum wird bei den Autoren nichts erwähnt. Weniger auffallend als diese letztere Bildung ist die Erwei- terung der V. hepatoumbilicalis. Sie hat Analogien in Verhältnissen, wie sie bei Orcella und Platanista, auch bei andern Säugern ausser den Cetaceen am Nabelstrang bekannt wurden. Von Communica- tionen zwischen Arterien und Venen (vgl. Anderson) habe ich nichts entdeckt. Gegenüber dem Zustande, wo nur eine Vene vorhanden ist, möchte ich den mit zweien als den primitiveren . auffassen. Die Schichten der Bauchhaut werden von den Autoren in übereinstimmender Weise geschildert. Die Epithelausläufer, die ich auf Fig. 3 abgebildet habe, sind recht interessant bei Formen, die sonst so wenig andere Derivate der Epidermis besitzen; von den Carunkeln habe ich gesagt, dass sie stets das Interesse der Untersucher auf sich gezogen haben. Sie kommen bei sehr vielen Thieren vor, bei allen Cetaceen, bei Sus, bei den Ruminantien, bei manchen Edentaten. Beim Menschen sind sie seit H. Müller bekannt und stellen ein durch- aus constantes Vorkommniss dar an der Uebergangsstelle des Nabelstrangs in die Placenta. Ihr Bau ist ein so mannigfacher, dass man kaum eine einheitliche Auffassung für sie finden kann. Es wird dieses u.a. dadurch sehr einleuchtend, dass die Zellen, welche die Carunkeln constituiren, so grosse Differenzen zeigen. Als Beispiel führe ich die weissen Carunkeln der Kuh an. Sie 22 | Hermann Klaatsch: bestehen aus Haufen blasiger Elemente, von eigenthümlichem Ver- halten. Auf Fig. 13 sind einige davon wiedergegeben. In grossen Zellen, die eine überaus deutliche Membran haben, finden sich auffallend kleine Kerne. Durchaus “ähnliche Gebilde, wie die sack- förmigen, von deren Wandung ich ein Stück auf Fig. 5 dargestellt habe, werden von Anderson bei Orcella beschrieben. Dort finden sie sich auch (vgl. Turner über Orca) am Allantoissack. Anderson stellt eine Ansicht auf, die etwas Licht auf die räthselhaften Gebilde zu werfen scheint: er bringt sie mit dem Lymphgefässsystem in Verbindung. Das letztere erreicht bei seinen Formen im Nabelstrang eine ungewöhnlich hohe Ausbildung, er konnte präparatorisch den Zusammenhang jener Körperchen mit Lymphbahnen constatiren. Er findet auch noch andere sackartige Erweiterungen der Lymphgefässe an der Bifurcationsstelle des Nabelstrangs. Ich bin der Meinung, dass die Frage nach den Lymphbahnen des Nabelstrangs durch diese Befunde eine wesent- liche Förderung erfährt. An der Richtigkeit der Anderson’schen Angaben kann ich um so weniger zweifeln, als es mir auch gelang, Lymphbahnen, wenn auch nicht in gleicher Ausdehnung wie dort, bei Phocaena zu finden. Ich bildete den Durchschnitt einer solchen auf Fig. 9 ab und erwähnte, dass sich im Bulbustheil solche Gebilde in grosser Zahl und bedeutender Ausbildung nachweisen lassen (vgl. auch Fig. 2). Es leitet dies über zu den kleineren Räumen, die kein Endothel mehr haben .und die wohl als den Köster’schen Saftlicken homolog zu erachten sind. Meine Schilderung vom Nabelstranggewebe hat gezeigt, dass histiologisch keine Gleichheit zwischen den Verhältnissen bei Phocaena und beim Menschen besteht. Auch bei .anderen Thieren, die ich daraufhin prüfte, ergaben sich wieder andere Zustände, die eingehender zu betrach- ten, hier zu weit führen würde. Ich will nur darauf hinweisen, dass man bei der histiologischen Untersuchung des Nabelstrangs keines- wegs überall gleichartig die „Wharton’sche Salze“ findet. Von einem Schleimgewebe kann bei Phocaena, auch beim Schwein nicht (vgl. Fig. 12) die Rede sein. Die blassgranulirten Zellen finden sich ausser im Nabelstrang auch noch in andern Theilen der Eihüllen (s. u.!). Ich dachte bei ihrer Untersuchung an Gebilde im menschlichen Nabelstrang, die eine gewisse Aehnlichkeit damit zeigen. Ich meine die sogenann- Die Eihüllen von Phocaena communis Cuv. 23 ten amöboiden Zellen Kölliker’s, deren ich einige auf Fig. 14 abgebildet babe. Die hauptsächlichste Differenz besteht in den Fortsätzen dieser Elemente. Chorion und Allantois. Die Untersuchung des Chorions ist von grossem Interesse für die Frage, ob die Cetaceenplacenta dem diffusen Typus an- gehört, und in wie weit Abweichungen von diesem Typus Annähe- rungen an die Verhältnisse der polykotyledonaren und zonaren Placenta bezeichnen. Als Turner bei Orca (10) auf dem sonst überall zottigen Chorion durch ihre Lage bemerkenswerthe glatte Bezirke entdeckt hatte (man vergleiche den auf Fig. 15 dargestellten), wies er auf die durchaus ähnlichen Zustände der diffusen Placenta der Stute hin, und legte dem Befunde bei Orca eine allgemeinere Bedeutung für die Cetaceen zu. Er selbst hatte vorher bei Balaenoptera Sibbaldii einen dieser Flecke nicht gefunden, oder, wie er später meinte, nicht beachtet; bei Monodon (13) fand er nur 2 derselben wieder. Bei Orcella und Platarista (14) liegen die Verhältnisse wieder anders und bei Pontoporia (18) endlich ist nur der dem os uteri internum gegenüberliegende „bare spot* vorhanden, indess die Pole der Eihüllen durchaus zottig sind. Es leuchtet ein, dass eine genauere Kenntniss des Chorions von Phocaena für diese Frage von Wertlı ist. | Ferner beschäftigen sich die Autoren mit der Richtung der Streifen, in denen die Zotten angeordnet sind und mit der Ver- theilung der grossen und kleinen Zotten. Boulart und Beaure- gart (16) meinen, in einem Wulste des Chorions, der sich in ein entsprechendes Thal der Mucosa uteri einsenkt, etwas den Coty- ledonen Aehnliches erbliecken zu sollen. Für die Histologie des Chorions kommen besonders Turners Angaben, der eine besondere subepitheliale Lage des Bindegewebes beschreibt, und Andersons Aussagen in Betracht. Bei beiden finden sich die von mir soge- nannten „blassgranulirten“ Elemente als „sphaeroidale Zellen“ resp. granulirte Körperchen beschrieben. Die Umbilicalgefässe theilen sich in 2 Stränge, die sich den 24 Hermann Klaatsch: beiden Placentartheilen — man könnte wohl auch von einem rechten und linken Placentarhorn sprechen — zuwenden. Man fühlt die Gefässe durch und erkennt, wie sie sich in mehrfachen Torsionen umeinander winden. Noch bevor sie das Chorion erreicht haben, geben sie ganz feine Aeste ab, die durchs Anınion durchschimmern. Es ist interessant, dass eine Kette kleinster brauner Carunkeln !) dem Verlauf dieser Gefässe folgt; einige derselben sind weit auf die Placenta hin zu verfolgen. Die Allantoiswand kann man leicht in ihre Componenten zer- legen; es bleibt dabei eine bindegewebige Haut zwischen beiden bestehen, die ich mit Anderson (14) als membrana intermedia bezeichne. Wo Chorion und Allantoissack -zusammentreffen, sind ihre Lagen ebenfalls mit einander verwachsen, doch so, dass man sie leicht von einander trennen kann. Der Allantoissack reicht am linken graviden Horn bis 45 etm. von der äussersten Spitze des- selben hinauf, am rechten Horn bleibt er 6 etm. vom freien Ende entfernt. Macroskopisch lässt sich durchaus kein Unterschied zwischen dem mit dem Allantoissack und dem mit dem Amnion in Bezie- hung stehenden Choriontheile finden. Beide Abschnitte geben bei Betrachtung von der foetalen Seite her folgendes Bild. Für die Untersuchung mit der Lupe benutzte ich das nicht gravide Placen- tarhorn, das sich bequem umstülpen und mit der Amnionseite nach aussen ausbreiten lässt. So betrachtet stellt es ein mützenförmiges Gebilde dar, dessen grösste Längenausdehnung ca. 24 etm. beträgt; der hierauf senkrechte Durchmesser nimmt nach dem freien Ende hin von 18 bis 7 etm. ab. Die Amnionfläche der Placenta ist bei meinem Object von mattgrauer, stellenweise bläulicher, auf weisser Unterlage gelblich durehschimmernder Färbung. Man kann die gesammte Placenta nicht ausbreiten, ohne dass Falten, namentlich am freien Ende bestehen bleiben. Der über die Fläche hingleitende Finger fühlt Unebenheiten, die theils von den Zotten des Chorions, theils von den Gefässen herrühren. Der Gefässverlauf ist leicht zu verfolgen. Einer der Haupt- 1) Dass dieselben am Allantoissack am zahlreichsten auftreten, ist eine bereits erwähnte, für die Cetaceen allgemein gültige Erscheinung. Die Eihüllen von Phocaena communis Öuv. 25 stämme tritt nach der Bifureation an die kleine Curvatur und entsendet in senkrechter Richtung eine Anzahl Aeste nach der grossen Curvatur, ein anderer tritt an der Insertionsstelle über das erste fort und läuft jenem ziemlich parallel, seine Zweige in ähnlicher Richtung abgebend. Dieser zweite Stamm wird von den Aesten des ersten überbrückt sowie auch die einzelnen Zweige viel- fach einander überdecken. Die Vertheilung der Zweige ist der- artig, dass aus jedem Stamm je einer ein bestimmtes Gebiet oceu- pirt. Anastomosen zwischen kleinen Aesten aus einem gemeinsamen Hauptstamm sind häufig. Nach Turner kommen solche auch zwischen kleinen Venen und Arterien vor. Die Untersuchung mit Lupe zeigt die Gefässe als platte, bandartige Streifen, einige jedoch als mehr weissliche und mehr erhabene Stränge. Die Stellen zwischen den Gefässen sind leicht gefleckt, oft sieht man Chorion- zotten durchschimmern. An jedem Gefässe verlaufen feine Fasern, in ihrer Dieke mit dem Gefässdurchmesser correspondirend. An einigen Sellen gehen von diesen feine Streifen in schiefer oder senkrechte: Richtung ab, die untereinander sich verbinden. In den Punkten, wi sie zusammentreffen, finden sich kleine Ansehwellungen. Ich kann dies nur als Thatsache referiren ohne eine Deutung zu geben. In dem Mittelstück zwischen beiden Placentarhörnern sind die Gefässe stellenveise ganz mit Blut erfüllt und sehen wie künstlich injieirt aus. Auch hier sind eigenthümliche zarte Fasern zu erwäh- nen, die ohne eine Beziehung zum Gefässverlauf quer über die Fläche hinziehen. Das Amnion des graviden Horns entspricht durch- weg dem des nicht graviden. Das linke Horn ist so lang ausge- zogen, dass ein Umstülpen nicht möglich ist. Breitet man die Placenta aus mit der Chorionseite nach aussen, so wird es deutlich, dass der dem graviden Horn des Uterus entsprechende Placentartheil in 2 Abschnitte zerfällt. Der erste davon gleicht in allem dem rechten Placentarhorn. Der zweite stellt einen ea. 40 etm. langen Fortsatz dar, der der Spitze des ersten Theiles entspringt, also an der Stelle abgeht, die in ursprüng- licher Lagerung der Abgangsstelle der Tuba vom Uterushorn ent- sprach. — An der entsprechenden Partie des nicht graviden Hornes sitzt dem Placentartheil ein kleiner zapfenartiger Vorsprung auf. Das Chorion ist von bräunlicher Farbe; auf den ersten Blick sieht man seine Oberfläche dicht übersät mit Zotten und Zöttchen, 26 Hermann Klaatsch: in mannigfachster Gestalt und mit keineswegs überall gleicher Mächtigkeit der Entwickelung. Das Studium dieser Zottenverbält- nisse besonders gerade macroscopisch und in übersichtlicher Weise ist nun von grösster Bedeutung für die morphologische Beurtheilung der Cetaceenplacenta und der Stellung der Placenta von Phocaena insbesondere. Als Eipole werden im Folgenden die freien Enden beider Placentarhörner bezeichnet, und zwar beim graviden die Stelle, wo der secundäre Fortsatz des Chorions abgeht. Es ist nun zuerst die Frage zu entscheiden: Giebt es auf der foetalen Placenta bei Phocaena glatte, zotfen- freie Flecken? Es wurden oben bereits die 3 Stellen, auf die es besenders bei dieser Frage ankomnit, genannt: die beiden Eipole wnd die Stelle dem os uteri int. gegenüber. An der letzteren sind allerdings hie und da Bezirke, die sehr zottenarm sind, aber eine ganz glatte Partie ist nicht zu finden. Allerdings ist die ganze Umgebung der Stelle sehr zottenarm; es reicht solcher relativ gla‘ter Bezirk eine Strecke weit ins gravide, weiter noch ‘ins rechte Horn hinauf; hier nimmt er einen grossen Theil der ventralen Fläche‘ (vom mütterlichen Tbiere aus ventral) ein, und zieht sich nach der grossen Curvatur hinauf; dieses Gebiet kann aber loch nicht mehr mit dem inneren Muttermund in Beziehung gesetzi werden. Nun besteht noch ein Bedenken; die Placenta wurde ja der Medianlinie aufgeschnitten, bevor sie in meine Hände kam, die Schnittränder sind unregelmässig, es könnte also gerade das Stück fehlen, das dem inneren Muttermunde gegenüber lag und den glatten Fleck, den Turner bei seinen Formen fand, trug; doch ist das keineswegs wahrscheinlich. Ich habe auf’s Gründlichste gesucht, verschiedene Stellen in der betreffenden Gegend, die etwas zottenarm waren, im Verdacht gehabt, gelange jedoch zu dem Resultat: An meinem Ob- ject ist dem os uteri int. gegenüber kein „glatter Fleck“ vorhanden. Am linken Eipol sind die Wülste und Zotten mäch- tig entwickelt. Die eingehendste, oft wiederholte Untersuchung liess mich auch hier keinen entsprechenden Bezirk entdecken, die Turner’schen Flecken sind ja keineswegs kleine Gebilde, die sich der Aufmerksamkeit leicht entzögen; sie könnten höchstens sich zwischen den starken Wülsten verbergen. Wirklich zottenfreie Partieen existiren am linken Eipol nicht. Die Eihüllen von Phocaena communis Cuv. 27 Den dritten gesuchten Fleck fand ich: er befand sich an der Stelle, die dem rechten Eipol, doch nicht dem freien Ende des rechten Placentarhorns entspricht (Fig. 15). Die grossen Um- bilicalgefässe gehen quer hinüber zu dem secundären Horn und kreuzen die Stelle des glatten Flecks; man sieht sie hier durch- schimmern. (U. g.) Die Zotten sind hier in senkrecht zur Achse des Hornes ver- laufenden Streifen angeordnet (Ch.). Dieselben weichen auseinander und lassen den glatten Fleck entstehen. Derselbe ist daher von ovaler Gestalt ca. 3 ctm. lang und 1 etm. breit. Er ist in seiner Mitte in der That völlig glatt, nur die Lupe lässt auch hier noch winzige Unebenheiten wahrnehmen. Die Zottenreihen der Umgebung sind nicht sehr stark entwickelt und gehen in allmählichen Ab- stufungen in den Fleck über. (Fig. 15 bei z die letzten mit blossem Auge sichtbaren Zottenreihen.) Für die Anordnung der Zotten im Allgemeinen kann man sagen, dass sich eine gewisse, mit der Vertheilung der Gefässe Hand in Hand gehende Regelmässigkeit insofern zeigt, als die grossen Curvaturen ärmer an Zotten sind als die kleinen; die am stärksten zottigen Abschnitte sind die Eipole und insbesondere der dem linken Horn aufsitzende Fortsatz. Am linken Horn ist ein Ausstrahlen von Zottenreihen von der kleinen zur grösseren Curvatur deutlich; ausserdem ist der Inser- tionsstelle des Nabelstranges gegenüber das Chorion streifig in der Richtung der Körperachse des mütterlichen Thieres angeordnet. Die übersichtliche Prüfung des Chorions hat also zu einem interessanten Resultat geführt: Es gibt bei Phocaena nur am linken Eipole einen glatten Fleck. Der Vergleich mit Turners Resultaten bei Orca und Monodon und den Angaben, die über Orcella, Platanista, Pontoporia u. s. w. existiren, verleiht diesem Befunde eine weitergehende Bedeutung, worauf ich weiter unten zurückkomme. Für das genauere Studium eignet sich gut das nieht gravide Horn. Mit blossem Auge sieht man in der Zone der dichtesten Zotten eine Anordnung derselben in kurze Wülste oder Wälle, zwischen denen sich bald rundliche, bald mehr längliche oder glatte, mit ganz niedrigen und spärlichen Zöttchen besetzte Thäler hinziehen. Diese Gebilde rufen das Gesammtbild einer Streifung 28 Hermann Klaatsch: hervor, weil die Richtung der kleinen Wülste dem Gefässlaufe entspricht. Die Grenze zwischen gross- und kleinzottigem Theile ist schr deutlich; namentlich aus einiger Entfernung gesehen er- scheint sie als eine gut markirte Grenzlinie, die ungefähr der kleinen Curvatur parallel läuft und am Eipol weiter eranialwärts reicht. Die Zottenentwickelung am accessorischen Horn erreicht eine ganz ausserordentliche Höhe. Der letzte Zipfel desselben be- steht aus fimbrienartigen Ausläufern. Mit der Lupe betrachtet geben diese Theile ein äusserst zierliches und mannigfaltiges Ober- flächenrelief. Der Bau der Wülste ist ein durchaus papillärer; einer grösseren Erhebung sitzen zahlreiche kleine rundliche Ge- bilde auf. In den dazwischen liegenden glatteren Bezirken sitzen kleine unverzweigte Zotten !). Obwohl das accessorische Horn wie mit einem dichten Zotten- mantel bekleidet ist, so fehlen doch auch hier glattere Stellen nicht in den Thälern zwischen den Falten. Am kleinzottigen Theile des Chorions ist das Verhalten ver- allgemeinert, das sich bei den glatteren Flecken der grosszottigen Zone vorfand. Auch hier noch wechseln Partieen grösserer und kleinerer, dicht und spärlich angeordneter Zöttehen ab. | Mit den grossen glatten Flecken haben nichts zu thun kleine wohl umschriebene Felder, die zottenfrei und in ziemlich grosser Zahl, namentlich ventral vom Embryo sich vorfinden. Sie sind rund und messen im Maximum 2 mm im Durchmesser. Sie ent- sprechen gewissen Areolen an der Uterinschleimhaut und sind des- halb von Wichtigkeit. Ein Schnitt distal von der Bifureationsstelle durch einen der Aeste des Nabelstranges zeigt dieselben Bestandtheile wie die früher beschriebenen Querschnittsbilder (Fig. 16). In Folge des Auseinanderweichens der Gefässe und der Abnahme des sie um- hüllenden Gewebes an Ausdehnung haben Urachusepithel und Amnionepithel sich so genähert, dass nur noch eine geringe Menge Bindegewebe zwischen ihnen bleibt. Die Gefässe verlaufen genau 1) Eschricht sagt, dass die Zotten nec formam plicarum, ut in suibus nec conorum plumosorum ut in vaceis habent, sed potius florum Crassicae botrytis, petiolis scilicet angustis insidentes coronam multifarie ramificatam et globosam gerentes. Die Eihüllen von Phocaena communis Ouv. 29 in dem zwischen Amnion, Allantois und Chorion liegenden Ge- webe (der membrana intermedia). Man bekommt daher auf Schnit- ten dureh diese Partie Bilder, welehe den Abgang der Wand des Allantoissackes (Al.h.) zeigen. Bevor die Gefässe das Chorion selbst erreicht haben, liegen sie für eine kurze Strecke nur zwi- schen Amnion und Allantois, die sie umfassend sie gleichsam bandartig mit dem Chorion in Verbindung setzen. (Auf Fig. 16 ist bei x der Ansatz dieses „Bandes“.) An einer beliebigen solchen Stelle finde ich 3 grössere Gefässe, von denen 2 makroskopisch als Venen kenntlieh sind; mikroskopisch (V.) sind die Unterschiede von der Arterie (A) wenig hervortretend; letztere zeigt eine schwach ausgebildete elastische Lamelle. Ausserdem finden sich noch Ge- fässe kleinen und kleinsten Calibers (G.). Das umgebende Gewebe, das die direkte Fortsetzung des Nabelstranggewebes repräsentirt, entspringt in seinem Verhalten den Theilen jenes mit einem lockeren maschigen Habitus. Das Gewebe bildet auch die Haupt- masse der Wand des Allantoissackes; hier verlaufen die Binde- gewebszüge in verschiedenen Richtungen, in der Weise, dass in der Mitte der Wandungen (der membrana intermedia entsprechend) (M. i.) vorwiegend eireulär den Allantoissack umziehende Fasern und entsprechend gestellte lange, schmale Zellen und Kerne ange- troffen werden. Das Allantoisepithel (All. e.) ist nur stellenweise erhalten; es gleicht dem Urachusepithel und erscheint als eine aus hohen Cylin- derzellen bestehende Lage. (Fig. 17). Wo die drei verschiedenen Membranen, Amnion, Allantoiswand und Chorion zusammengetroffen sind, bildet der Amnionsack eine Ausbuchtung, indem er gleichsam ein Divertikel zwischen die beiden anderen Häute einschiebt (A. d.). Zugleich treten Faltungen des gesammten Amnions auf, Erhebungen der Bindegewebslage, die mit einem mehrschichtigen Epithel bedeckt sind (A. z.); im Bindegewebe finden sich zahlreiche spindelförmige Kerne und stark lichtbreehende Fibrillen. Diese legen sich an einer Stelle in grösserer Zahl an einander, und stellen eine gewun- dene bandartige, starkglänzende Fibrillenmasse dar. Die Betrachtung der Fig. 17 ist von Wichtigkeit für das Ver- ständniss des Allantoissackes. Bei A. z. befindet sich die erwähnte Zottenbildung des Amnion; diese eigenthümliche Erscheinung geht einher mit einer besonderen Gestaltung der Allantois. Es geht 30 Hermann Klaatsch: nämlich unter dem Amniondivertikel (A. d.) ein gleiches der Al- lantois hin, und bildet unter den Anmionzotten eine grössere Aus- buchtung. Es lässt sich auch noch weiterhin verfolgen. Diese Ausdehnung der Allantois ist morphologisch nicht ohne Interesse. Bekamntlich bildet sie bei den Wiederkäuern, indem sie eine viel mächtigere Entwicklung bis zur Geburt beibehält, jederseits am Ei mächtige „divertieula“, wie es die alten Autoren (v. Baer) nannten. In diesen kleinen Divertikeln bei Phocaena sehe ich eine homologe Erscheinung. Die Zottenbildung des Amnions habe ich bei Phocaena nur an dieser Stelle angetroffen. Am Chorion bereitet das Studium des Epithels einige Schwierigkeiten. Bei schwacher Vergrösserung sieht man an den Zotten die bindegewebige Achse überkleidet mit einer Schieht, in der dunkle ziemlich kleine Kerne in einer Reihe angeordnet sind; daneben liegen vielfach losgelöste grössere Elemente, mit grossen Kernen, in denen sich ein Kernkörperchen und eine Art Fadengerüst zeigen; die letzteren Zellen sind wohl zweifellos epithelialer Natur; demnach wäre das Epithel an den meisten Stellen verloren gegangen. Die anderen Zellen, die man auf den ersten Blick für ein Epithel halten könnte, sind Elemente von kubischer Gestalt, kleinem Kern, granulirtem Zellleib; sie haben eine gewisse Aehnlichkeit mit den blassgranulirten Zellen. Es lag mir natürlich der Gedanke nahe, in. ihnen die subepitheliale Zelllage Turners zu suchen; ich überzeugte mich jedoch, dass an Stellen, wo ein Epithel ganz zweifellos erhalten war, nichts von einer besonderen einschichtigen Zelllage darunter zu finden sei. Ich habe eine solche Stelle auf Fig. 13 gezeichnet. An andern Stellen stiess ich wieder auf die erwähnten Elemente, die bisweilen auch in einer Reihe angeordnet waren, während an den meisten Partieen, die von Epithel entblösst waren, das Capillarnetz mit seinen Endothellagen an die Oberfläche kam. (Vgl. Fig. 19.) Das Bindegewebe enthält Gefässdurehschnitte mannigfaltiger Art und verschiedene Zellformen. Die Gefässe sind erfüllt mit dieht gedrängten gut erhaltenen rothen Blutkörperchen; an vielen Stellen sind die Endothelzellen gut zu sehen, vielfach sind auch an den kleinsten Gefässen sehr zierliche Bilder der Museularis-Kerne vorhanden. In den grossen Zotten findet sieh meist axial ein Gefässdurehschnitt von ansehn- lieher Grösse, bis in die feinsten Zottenverzweigungen hinein gehen Die Eihüllen von Phocaena communis Cuv. 31 Gefässe vom Charakter der Capillaren !). — Zwischen den Zotten liegen kleinere Venen. — Die Hauptmasse des Bindegewebes wird von Elementen gebildet, um deren längliche Kerne man einen spindelförmigen mit Haematoxylin sich tingirenden Zellleib wahr- nimmt. Es finden sich sodann ohne bestimmte Localisation, grosse ovale, blasse mit feinkörniger Zeichnung versehene Kerne. Um einige derselben ist ein Zellleib von entsprechender Ausdehnung zu eonstatiren (Fig. 21 Bg.). Ausserdem finden sich noch eigenthümliche Zellen, die zum Theil an die im Nabelstrang und Amnion angetroffenen erinnern, und die ich damals blass granulirte Zellen nannte (Fig. 21 Gr.). Um einen meist rundlichen kleinen, sich mit Hämatoxylin intensiv färbenden Kern befindet sich eine Plasmamasse von sehr wechseln- der Ausdehnung. Hierin aber finden sich bedeutende Differenzen bei Elementen, die im Uebrigen durchaus einander gleichartig sind. Das Bemerkenswerthe ist, dass sie im Chorion sich in sehr grosser Zahl finden und ferner, dass sie local in diehten Haufen, an andern Stellen kettenförmig angeordnet vorkommen. Fig. 20 giebt das Gesammtbild eines Chorionwulstes auf dem Querschnitt wieder. Ein central verlaufendes Gefäss ist bei V. getroffen. Die bindegewebige Achse und ihre Ausläufer sind be- deckt mit Gewebe (Ca.), das einerseits die Capillaren, andererseits die Reste des Epithels und die andern erwähnten Elemente enthält. Fig. 21 giebt ein Bild der reichhaltigen histiologischen Ver- hältnisse im Chorionbindegewebe. Vor allem fällt die Verschie- denheit in der Grösse der Bindegewebszellen auf; bei Bg. ist eine solehe von sehr bedeutender Entwicklung dargestellt; es liegen dieselben an manchen Stellen zu dichten Haufen beieinander. Bei den bisher genau untersuchten Cetaceen stellen sich die Verhältnisse in Bezug auf die glatten Stellen des Chorions folgen- dermassen heraus: Orea: 3, eine gegenüber d. os ut. inter, 2 und 3 an den Ei- polen, Menodon: 2, 1. wie bei Orca, 2. am rechten Pol, 1) Der Reiehthum der Zotten an Capillaren tritt auch ohne Injeetioneu sehr deutlich hervor; man findet den freien Rand besetzt mit den Durch- schnitten derselben (Fig. 19. Ca.) 39 Hermann Klaatsch: Orcella: 3, 1. wie bei Orca, 2. am linken Pol, 3. am Septum im linken Horn. Pontoperia: 1, wie bei Orca. Phocaena: 1, am linken Pol. Dabei ist zu bemerken, dass bei Orcella (auch bei Platanista) der dem os uter int. gegenüberliegende Fleck eine sehr eigenthüm- liche langgestreckte Gestalt hat. Es ergiebt sieh, dass nur bei Phocaena kein glatter „Bezirk“ sich dem os uteri int. gegenüber findet, während bei den anderen dieser noch der ceonstanteste von allen ist; die Eipole zeigen ein sehr unregelmässiges Verhalten. Hat nun dieses Stadium der „glatten Flecke“ eine morphologische Bedeutung? Turner legt ihr eine solehe in hohem Maasse zu, denn er sagt ausdrücklich, dass er die glatten Stellen an den Eipolen als homolog den zottenfreien Partieen bei der ringförmigen Placenta betrachtet. Die glatten Flecken sind nur in beschränktem Sinne wirklich völlig zottenfrei, mit der Lupe sieht man auch im Centrum niedrige zottenartige Erhebungen, die ganz allmählich in die mit blossem Auge sicht- baren übergehen. Wenn also auch bei Phocaena der Fleck am inneren Muttermunde fehlt, so lässt doch die geringe Höhe der Zotten in dem ganzen dortigen Bezirk ein dem Besitz eines glatten Fleckes sich näherndes Verhalten erkennen. Auf der anderen Seite lässt sich bei Phocaena im völligen Fehlen des glatten Flecks am rechten Eipol sowie in der sehr gleichmässigen Ausbildung der Zotten ein im Verhältniss zu anderen Cetaceen primitiver Zustand erkennen. Mehr aber als alles andere spricht das durchaus Schwankende im Verhalten der Cetaceenplacenta dafür, dass es sich hier um einen Zustand der Indifferenz handelt. Turner sagt in den „Some general observations ete. (12): Presumably the Cetacea and Lemurs have preserved the simple diffused placenta througt all these ages“ (die geologischen Perioden). Ich bin also der Meinung, dass man unter der diffusen Placenta der Cetaceen in der That ein dem Sinne dieses Wortes ganz ent- sprechendes Verhalten verstehen muss, das bei einzelnen Vertre- tern besonders differenzirt, in diesen Fällen allerdings zu verwand- ten Placentarformen hinüberleiten kann. Ausser der Gestalt der Zotten, die Turner (12) ais mikro- Die Eihüllen von Phocaena communis Öuv. 35 scopische Cotyledonen bezeichnet, spricht nach meiner Ansicht auch die Anordnung des Chorion in Wülsten, die dem Gefässverlaufe entsprechen, für eine Annäherung an die Ruminantien. Die „subepitheliale Lage“ hält Turner für gebildet von den sphäroidalen Zellen, die er als Iymphoide Elemente anspricht. Es sind das dieselben, die Anderson granulirte Körperchen nennt, und die ich gelegentlich des Nabelstranges eingehender bespro- chen habe. Die Menge, in der sie auftreten, die Anordnung, die sie an manchen Stellen eingehen, sprechen für eine gewisse Bedeutung der Elemente. Für die Gefässverhältnisse des Chorions verweise ich auf Turners Schilderungen und Abbildungen (10). Von dem „beau- tiful extravillons layer of capillaries“ fand ich auf Verticalschnit- ten die Durchschnittsbilder. Von den hydatidenartigen Bildungen, die Turner und Ander- son erwähnen, fand ich bei meinem Exemplar nichts. Die Dotter- blase persistirt nicht. Schnitte, die in der Höhe der Bifurcation durch den Nabelstrang gelegt sind, zeigen kein Dotterganglumen mehr. fi Uterinschleimhant. Die Mucosa uteri und die ihr zugehörigen Bildungen (Uterin- Drüsen) gehen bei den Cetaceen in der Schwangerschaft so mäch- tige Veränderungen ein, dass die Autoren mit Recht in ihr eine Placenta materna sehen und sie (vgl. Turner (10)) als solche bezeichnen. Die einander ergänzenden Verhältnisse des Chorions und der Uterin-Schleimhaut bedingen, dass die dort angeführten Angaben aus der Literatur auch hier wieder in Frage kommen. Den glatten Flecken des Chorions entsprechen häufig (durceh- aus nicht immer) solche an der Uteruswandung; Anderson be- schreibt die nächste Umgebung des os ut. int. bei Orcella als glatt, desgleichen findet er an der Abgangsstelle der Tuben glatte Par- tieen. Dieselben gehören jedoch mehr der Schleimhaut dieser als der des Uterushorns zu. _ Bei Monodon spriehbt Turner nicht ausdrücklich von glat- ten Flecken an der Uterinschleimhant. Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 26. 3 34 Hermann Klaatsch: Gervais äussert sich gar nicht über diese Verhältnisse. Ausser den grossen glatten Partieen haben sich bei den un- tersuchten Cetaceen zweierlei Bildungen an der Schleimhaut ge- funden, die stets die Aufmerksamkeit der Untersucher auf sich zogen, weil sie in einem Zusammenhange mit den Uterindrüsen stehen. Es sind das die triehterförmigen Crypts (funnel-shaped erypts) und die eingedrückten, glatten Flecke (smooth depressed spots) Turner'’s. Er gebrauchte diese Namen zuerst bei Orca. Offenbar iden- tisch mit den smooth depressed spots sind dievon Eschricht(4) bei Phocaena beschriebenen areolae. In sehr grosser Zahl fanden sich diese letzteren Bildungen bei Monodon. Turner vergleicht sie dort mit den ähnlichen Gebilden bei der graviden Sau. Anderson fand beide Formen von Schleimhautgruben, und wies auf die Möglichkeit hin, dass es nur verschiedene Aus- bildungsgrade vom tubulären Recessus seien. Die Autoren sind einig darüber, dass beide Gebilde den Uterindrüsen zur Ausmündung dienen. Dass dies für die „areolae“ nicht durchweg der Fall ist, zeigte Turner bei Monodon. Auf die Uterindrüsen concentrirt sich das Interesse sämmt- licher Untersucher, die sich mit der Uterinschleimhaut der diffusen Placentarform befassten. Die Ereolani’schen Arbeiten und seine Theorie, dass die interglandulaeren Gruben ein neugebildetes drüsiges Organ seien, erhöhte nicht wenig das Interesse. Ich habe nieht die Absicht, die Ercolani’schen Schriften hier herbeizuziehen und sehe auch keine Nöthigung dazu, da ich mich rein an die anatomischen Thatsachen halten will. Speciell in der bezeichneten Richtung hat Planteau (15) die Uterinschleimhaut der Stute, die ja so weitgehende Aehn- lichkeiten mit der der Cetaceen aufzuweisen hat, untersucht. Er wen- det sich darin gegen die Annahme, dass die Uterindrüsen ein für die Ernährung des Foetus bestimmtes Sekret liefern. Wiehtig ist vor allem für mich, dass Planteau die Uterin- schleimhaut einer nicht graviden Phocaena untersuchte. Dort ver- laufen die Uterindrüsen senkrecht zur Schleimhautoberfläche. Ihre Mündungen sind daher leicht auf Schnitten zu treffen. Die Uterinschleimhaut ist von bräunlicher Färbung, an ein- zelnen Stellen heller, an anderen dunkler. Sie zeigt eine sehr Die Eihüllen von Phocaena communis Cuv. 35 stark ausgeprägte Faltenbildung und ist überall mit feinsten Oeff- nungen bedeckt. Die Wülste oder Falten entsprechen den Ver- tiefungen im Chorion; den Zotten des Chorion entsprechen die kleinen Oeffnungen, die Gruben. (Man vgl. Fig. 20 u. 26 mitein- ander.) Die Wülste sind am höchsten im nicht graviden Horn, hier strahlen sie von der Stelle des Tubenabgangs aus; Querwülste stellen zwischen denselben Verbindungen her und sind besonders an der mesometralen Befestigungsstelle des Uterus vorhanden. Im graviden Horn ist zwar auch das Ausstrahlen von der dem Eipol entsprechenden Stelle aus deutlich, aber die Querwülste treten hier stärker auf und überwiegen gegen das Corpus uteri hin ganz. Am Chorion wurde eine Stelle mit ausgesprochener der Median- linie paralleler Streifung erwähnt. Ihr entspricht am Corpus uteri ein Bezirk mit vollkommen gleicher lamellenartiger Anordnung der Wülste. Von beiden Seiten her steigen die Schleimhautfalten in die Höhle des Corpus hinab, niedriger werdend und sich allmäh- lich fast ganz verlierend. Auch nach dem Septum uteri hin nehmen sie an Höhe ab. In der Höhle des Corpus entstehen 1 cm vom innern Mutter- munde neue Falten anderer Art. (Fig. 22 stellt den innern Mut- termund von der Uterinfläche aus gesehen dar; der Cervicalcanal war bis dahin aufgeschnitten.) Es sind kammartige Gebilde (k); wenn man sie aufrichtet, haben sie eine Höhe von !/, em; ihr Rand ist ausgefranzt, sie setzen sich direkt und unverändert in den obersten Abschnitt des Cerviecalcanals fort. Die Wülste fehlen an gewissen Partieen. Einmal ist das der Fall im eorpus uteri in der ganzen Umgebung des inneren Mut- termundes (Fig. 22), dann im graviden Horn am Septum und be- sonders endlich an der ganzen Gegend der grossen Curvatur. Auf sie passt in der That der Ausdruck „glatt“; nur als relativ glatt ist ein kleinerer Bezirk zu bezeichnen, der sich am Abgange der linken Tube befindet, und ohne Zweifel dem am Chorion be- schriebenen glatten Fleck entspricht (Fig. 15). Besondere Beachtung verdient die Gegend des rechten Eipols. Hier ist so wenig wie am Chorion irgend eine wulstlose Partie zu entdecken (Fig. 23, Abgang der Tube). Vielmehr erreichen hier die Schleimhautmassen ihre allerhöchste Ausbildung, es 36 Hermann Klaatsch: sind sehr mächtige Wülste (W.) von bis lcm Höhe, die die Tube umstehen, und die sich sehr verkleinert in diese fortsetzen (X.) Der Uebergang der Uterinschleimhaut in die Tubenschleim- häut, die lang gestreift und hell ist, geschieht mit einer scharfen Grenze. Die Prüfung eines Schleimhautstückes lässt besonders mit Lupe jenes zierliche Bild feinster Gruben und Grübchen erkennen (Fig. 24), das schon von Eschricht bei Phocaena und von allen späteren Beobachtern bei Orca, Platanista ete. mit Ausführlichkeit und Vollständigkeit beschrieben ist. Namentlich die Wülste des nicht graviden Horns haben ein durchaus spongiöses Aussehen (vgl. Fig. 23), andere Stellen sehen mehr bienenwabenartig aus; je schärfere optische Hilfsmittel man anwendet, desto zahlreichere und entsprechend zartere Balken und Bälkchen werden gefunden (s. Fig. 26). Auch an den glatten Partieen fehlen die Schleimhaut- gruben nicht. Die Gruben sind an den glatteren Partieen wohl kleiner, dem Blick weniger auffällig, aber der Unterschied beruht immer nur im Besitz oder Fehlen von Wülsten. Man findet allenthalben auf der Schleimhaut zerstreut kleine Gruben von grösserer Deutlichkeit und kraterförmigem Aussehen (Fig. 24 f. s). Turner hat dieselben „funnel-shaped“ genannt. Diese trichterförmigen Crypten fehlen nirgends, ihre Vertheilung ist eine regelmässige, es kommen ca. 4—5 auf den Quadratcenti- meter. Sie sind sehr leicht zu sehen am Septum und im cor- pus uteri. Hier, in der Nähe des os uteri internum treten noch andere Bildungen auf (Fig. 25). Es sind kleine, helle, bis zu 1 mm Durchmesser haltende Flecke (s.). Turner nennt sie „smooth spots“. Bei Monodon sind sie sehr häufig. Esehricht hat sie schon als „areolae“ beschrieben und ge- funden, dass die Uterindrüsen auf ihnen ausmünden. Man sieht in der That auf vielen derselben mit Lupe eine kleine Oeffnung. Auf einem senkrechten Schnitt durch die Uteruswandung (Fig. 26) trifft man eine Anzahl von Schichten, die sich unter ge- wissen Modificationen an allen Stellen wiederfinden: l. Serosa, 2. Museularis, 3. Glandularis, 4. Supraglandularis. Die Museularis nimmt die Hälfte der durchsehnittlichen Wan- Die Eihüllen von Phocaena communis Cuv. 31T dungsdicke ein und ist sehr deutlich in eine äussere Längs- (2a) und eine innere Ringfaserschicht (2b) gesondert, sowohl am Corpus uteri wie an den Hörnern. (Der Schnitt auf Fig. 26 ist senkrecht zur Achse des nicht graviden Hornes geführt.) Die Stärke der Museularis wechselt je nach der Dicke der Wandung, ist z. B. be- deutender im corpus uteri als in den Hörnern. Die beiden Lagen sind durch eine dünne Bindegewebsschicht von einander getrennt; die Züge glatter Musceulatur nehmen in bei- den einen durchaus welligen Verlauf. In jeder der Lagen findet wieder eine innige Durchflechtung einander kreuzender Züge statt; das intermusculäre Bindegewebe hängt innig zusammen mit dem interglandulären. Gefässdurchschnitte verschiedenen Kalibers liegen zwischen Serosa und Muscularis, wie zwischen den Muskelschichten selbst; oberhalb der letzteren sind auf dem Querschnitte Drüsenschläuche (gl.) in den mannigfachsten Verlaufsrichtungen getroffen. Auch wo bedeutendere Wulste sich erheben ist die ganze Schicht zwischen Museularis und Crypten von Drüsendurchschnitten eingenommen. Bei Betrachtung mit schwacher Vergrösserung fällt an den Drüsen- querschnitten sofort ein Umstand auf: Die der Schleimhaut am nächsten liegenden Durchschnitte sind am grössten, nach der Se- rosa hin werden die Drüsen in ihrem Kaliber immer kleiner (vgl. Fig. 26). Es ist das eine Erscheinung, die sich an allen Theilen in gleichmässiger Weise constatiren lässt. Am grössten sind die Durchschnitte an den Schläuchen, die ins Bindegewebe starker Wulste etwa an der Tuba im nicht graviden Horn einge- bettet sind. Die Zahl der Drüsendurchsehnitte wechselt nach Dicke der Wandung und Wulstung der Schleimhaut. Auf dem Vertical- schnitte findet man fast nur Quer- und Schiefschnitte. Die Zellen der Drüsen (Fig. 27) sind eylindrische, sehr schmale, nach dem Lumen hin sich leicht verjüngende Elemente; an manchen Stellen färben sie sich mit Hämatoxylin durchaus gleichmässig, an andern Stellen wird der Basaltheil stärker tingirt; der runde Kern liegt basal, auf dem Querschnitt sind die Zell- leiber polygonal gestaltet. Die Zellen zeigen eine zarte Längs- streifung, wie Elemente der Speicheldrüsen. Die Grössenabnahme bei Entfernung von der Schleimhautoberfläche erstreckt sieh nicht nur auf die Schläuche im Ganzen, sondern auch auf die einzelnen Elemente selbst. Eine Basalmembran (b.) ist vorhanden, doch we- 38 Hermann Klaatsch: nig deutlich ausgeprägt. Im Lumen der Drüsen findet sich an manchen Stellen eine körnige Masse. Die Schläuche werden durch reichliche Bindegewebsmassen von einander geschieden, in denen sehr zahlreiche Gefässe ver- laufen: grössere in den Wulsten und nahe der Muskelschicht, klei- nere, vom Charakter der Capillaren, in den oberflächlichen Par- tieen. Hier führt das Bindegewebe zur Entstehung des Crypten, indem es ein ausserordentlich zartes Balkennetz ins Lumen des Uterus entsendet (Fig. 26). Die Abgangsstellen der Balken liegen alle in einer Ebene, sie haben die wechselndsten Formen von Wulsten, Pfeilern, dann wieder von kurzen, dieht aneinander gereihten Ausläufern; alle diese sind unter einander durch Querbalken verbunden; so entsteht das zierliche Bild des Maschenwerks. Als ein besonderer Charakter dieser Bindegewebsausläufer muss im Gegensatz zu anderen Cetaceenformen (Orca gladiator) betont werden, dass sie alle im Verhältniss zur Dieke der Uterus- wand sehr lang sind. Das Bindegewebe ist um die Drüsen nicht besonders diffe- renzirt (dasselbe findet Planteau (l. e.) bei den Drüsen der Stute); es finden sich wieder mannigfache Elemente, doch nicht in gleicher Weise wie beim Chorion; wenigstens konnte ich keine blassgranulirten Zellen finden. Das Epithel ist an den meisten Stellen verloren gegangen, wo es noch besteht, zeigt es den Charakter eines eubischen Epi- thels, das sämmtliche Niveaudifferenzen in einschichtiger Lage überzieht. Die Zellgrenzen sind deutlich. Auf Fig. 23 habe ich bei a, einen Bindegewebsläufer von Phocaena und bei b einen gleichen von einer graviden Sau (Embr. 12 cm) dargestellt. Es fällt zunächst die verschiedene Länge auf; was nun die Oberflächenbegrenzung betrifft, so konnte ich bei der Sau leicht die Epithelschicht finden (b. ep.). Auch bei Phocaena (ep.) fanden sich Reste derselben; der übrige Theil der Zotten wurde durch die bindegewebige Achse (Bg.) gebildet. Darüber liegt eine Schicht, die im Wesentlichen von Capillaren (ca) eingenommen wird, deren Endothelkerne man in grosser Zahl antrifft. Ausserdem finden sich noch einige Elemente anderen Charakters (x.), doch konnte ich mich von der Existenz einer besonderen subepithelialen Lage nicht über- zeugen. Die Eihüllen von Phocaena communis Cuv. 39 Die Drüsenschläuche verlaufen alle fast parallel zur Ober- fläche. Breitet man ein gefärbtes und aufgehelltes Stück Schleim- haut aus, so kann man mit Lupe und schwachen Objeetiven den Gang der Drüsenschläuche gut verfolgen. Es sind typische tubu- löse Drüsen, deren freie Enden sich vielfach dichotomisch verzwei- gen. Die Drüsen liegen in Paqueten zusammen, deren jedes je eine Ausmündung besitzt. Nach diesen Punkten hin convergiren jedes- mal etwa 5 bis 6 Drüsenschläuche resp. Drüsenschlauchgruppen. Es ist nicht leicht, auf Schnitten die Drüsenmündungen zu finden; ich habe trotz sehr zahlreicher Schnitte nicht gerade die Mündung getroffen, doeh genügte die Orientirung am Flächenbilde vollstän- dig, um zu constatiren, dass die Drüsenmündungen in regelmässiger Weise über die Fläche vertheilt sind. Zieht man Turner’s Angaben über Orca und Monodon her- bei, so kann kein Zweifel darüber bestehen, dass die Ausmündungs- stellen die triehterförmigen Crypten sind. Auch nach den Centren der spots sah ich die Drüsenschläuche convergiren und zweifle nicht, dass auch diese zur Ausmündung dienen; Turner hat bei Monodon manche derselben vergeblich daraufhin geprüft. Das Re- sultat ist: Die Uterindrüsen münden in regelmässigen Abständen von einander aus in trichterförmigen Crypten und auf Areolen; eine deutliche Grenze zwischen diesen Gebilden kann ich nicht mit Sicherheit aufstellen, vielmehr finde ich Uebergangsformen von den einen zu den anderen (vgl. Fig. 25 s. und f. s.) Die Schleimhaut des foetalen Uterus weicht in interessanter Weise von dem geschilderten Verhalten ab (Fig. 29); makrosko- pisch ist die Uterinschleimhaut des Foetus im Ganzen glatt, nur gegen den Cervicalcanal hin gefaltet. Auf dem senkrechten Schnitt findet man Folgendes: Die Museularis (2) ist stark entwickelt, die Scheidung in Längs- (2a) und Ringfaserschicht (2b) sehr deutlich; der Verlauf der Züge ist wellig, so dass die Muskelschicht gleichsam papillär ins submucöse Bindegewebe vorspringt. Dieses sowie die am ober- flächlichsten gelegene (nach Verlust des Epithels!) Zone ist vollständig durchsetzt mit runden Kernen, neben denen spindel- förmige vermisst werden; bei schwacher Vergrösserung sieht der Schnitt wie gekörnt aus; Fibrillen sind deutlich, zahlreiche Blut- gefässe in verschiedenen Richtungen durchziehen das Gewebe. Von Uterindrüsen ist keine Spur vorhanden. 40 Hermann Klaatsch: Den mitgetheilten Thatsachen habe ich nicht viel erläuternde Bemerkungen hinzuzufügen. Die Verhältnisse liegen durchweg klar zu Tage und sind bei den untersuchten Cetaceen einander gleichartig. Die Schnitte, die Turner von der Uterinschleimhaut von Orca abbildet, gleichen weit mehr dem gleichen Objeet von einer graviden Sau (Embryonen 12 ctm.) als den Verhältnissen bei Pho- caena. Wie bei Orea sind bei der Sau die Uterindrüsen sehr schmal und stark geschlängelt, die Bindegewebebalken kurz (s. Fig. 28.), selten ein Netzwerk bildend. Bei Phocaena sind die Drüsen, wenn ich so sagen darf, viel weniger gracil, mehr massiv, die Bindegewebs- balken viel höher und das Cryptensystem viel complicirter. Ich gab schon der Ansicht Ausdruck, dass die funnel shaped erypts und die smooth depressed spots keine verschiedene Gebilde seien; es ist in der That schwer, bei der unendlichen Menge von Gruben und Grübchen, die die verschiedensten Grade der Vertie- fung zeigen, genau die funnel shaped erypts den anderen gegen- über zu definiren; wie gesagt, sind auch zwischen diesen und den „spots* Abstufungen und Uebergänge vorhanden. Weibliche Genitalien und Milchdrüse. Der Bau der weiblichen Genitalien ist bei den Cetaceen ein sehr gleichartiger; sie sind von den früheren Autoren im nicht sraviden Zustande (vgl. Rapp 2.) genau studirt worden. Ich ge- dachte in der Einleitung der Schrift von Boulart und Beau- regard. (16.) Ihre an Balaeniden angestellten Untersuchungen (Balaenoptera Sibbaldii) stimmen mit meinen Befunden fast dureh- weg überein; ich habe mich daher kurz gefasst. Turner (9—12) und Anderson (14) beschrieben auch ziem- lich genau die graviden Uteri ihrer Objecte; auch finden sich bei ihnen Angaben über das Ovarium. Die äusseren Genitalien waren beim erwachsenen Thier nicht vollständig erhalten, sowie leider auch die Milehdrüsen sich nieht an dem Objeet befanden. Der Vaginalspalt (5"/, etm. lang) besass eine schiefe Riehtung hinsichtlich der Ausmündung der Urethra Die Eihüllen von Phocaena communis Cuv. 41 und des anus. (Vgl. Anderson über Platanista, wo ähnliche Ver- hältnisse vorliegen.) Beim Foetus befand sich die Vulva 20 etm. von der Schwanzspitze entfernt, als ein 21/, etm. langer von wulstigen gefurchten Rändern eingefasster Spalt, dessen Längs- richtung unbedeutend von der Medianlinie abwich. Das Perinaeum ist gut ausgebildet, 1/s etm. breit. (Hierin finden sich Differenzen bei den einzelnen Formen, bei Platanista fehlt ein Perinaeum fast ganz.) Aus dem Grunde der Vagina herauf steigt an der eranialen Seite eine Clitoris, auf der etwas rechts von der Medianlinie die Urethra ausmündet; seitlich fassen 2 labienartige Praepurtialfalten die Clitoris ein. Die beiden Milehdrüsen liegen in der gewöhn- lichen Weise, je 1 etm. seitlich von der Vagina; die Zitzen befinden sich am Grunde von Taschen, deren Oeffnung einen Längsspalt darstellt. Vagina, Cervix und Uterus sind beim Foetus Gebilde, die von aussen betrachtet sehr wenig von einander geschieden sind; die Länge des so entstehenden kegelförmigen Körpers be- trägt 7!/, etm. In der Medianlinie ist der Organencomplex etwas eingekerbt, da wo die Hörner als bandartige, ca. 3 etm. lange Ge- bilde abgehen. Das l. Horn ist einige mm. länger als das rechte. Die Tuben stellen gewundene Kanäle dar. Das alle diese Theile überkleidende Peritonäum bildet ventral eine seichte Excavatio vesico-uterina. Dorsal steigt es tief an der Vagina hinab, umhüllt den untersten Darmtheil und bildet ein Mesorectum. Besondere Bandapparate treten sonst noch nicht deut- lich hervor. Die Wandungen des Genitalkanals weichen ab von der Median- linie, der Cervix springt weit nach rechts vor, indess der Darm- kanal ganz auf der linken Seite liegt. Furchen auf der Dorsal- fläche deuten die Sonderung der einzelnen Abschnitte an, Uterus plus Cervix sind im Verhältniss zur Vagina etwas ventral flectirt. Beim mütterlichen Thbier sind die Wandungen des Geburtsweges im Vergleich zum Uterus ausserordentlich derb; der Cervix springt gegen die 7!/, etm. lange, spaltförmige Vagina stark dorsalwärts vor, eine Ventralflexion des ganzen Genitalkanals andeutend. Dor- sal wie ventral besitzt der Cervix mehrere Furchen, deren letzte ihn von dem schlaffen Uterus trennt. Seine Länge beträgt 9 etm., die Länge des Uterus in der Medianlinie 20 etm. Das rechte Horn ist ca. 25 etm. lang, das linke besitzt mehr als doppelt so grosse Maasse wie jenes, über seine ventrale Fläche geht der ca. 35 etm. lange Eröffnungsschnitt. 42 Hermann Klaatsch: Die Tuben sind sewunden. Das Peritonäum ist zu bestimmten Bandapparaten differenzirt. Seine Faserzüge strahlen aus von der Abgangsstelle der Tuben; es findet sich ausser dem Lig. latum namentlich ein Lig. rotundum ausgeprägt auch gehn stärkere Band- massen quer von einer Tube über das Corpus fort zur anderen. Auf der dorsalen Fläche sind zahlreiche Verzweigungen der von hier aus herantretenden Uteringefässe sichtbar. Der Genitalkanal des Foetus, von hinten eröffnet, zeigt eine gefurehte Schleimhaut und eine Anzahl Wulste, die im Cervixtheil in das Lumen vorspringen. Der erste derselben bezeichnet die Stelle des äusseren Muttermundes als einer dorsal-ventral compri- mirten spaltförmigen Oeffnung. Es folgen dann noch zwei Wulste, deren letzter sich spiralig zum Uterus hinzieht und continuirlich in den ringförmigen Vor- sprung übergeht, der die runde Oeffnung des os uteri internum umzieht. Der Cervix ist 21/, etm. lang, der Uterus nur 1 ctm. Derselbe sitzt wie eine Kuppe dem Cervix auf, seine Wandung (1 mm.) ist halb so dick wie die jenes, sein Lumen sehr klein; es erscheint in dieser primitiven Gestalt einfach als ein Communi- cationsraum der sich hier vereinigenden Müller’schen Gänge, resp. der Hörner, zumal da das diesen gemeinsam angehörige Septum (!/, etm. lang) die Uterinhöhle in 2 seitliche Abschnitte sondert. (Fig. 29, Durchschnitt der Uterinwand.) Die Vaginalschleimhaut ist im unteren Abschnitt längs im oberen quer gefurcht, die Querwulste sind wieder längs gerieft; im Cervix verhält es sich anfangs gleich, in der Nähe des inneren Muttermundes jedoch überwiegt wieder eine Längsstreifung, in Gestalt feinster lJamellöser Anordnung der Schleimhautfalten. Diese setzt sich eine Strecke weit in den Uteruskörper fort, seine Schleim- haut ist im übrigen Theil ganz glatt (Fig. 29), die der Tuben ist längs gefaltet. Das Stratum Malpighii besteht an der Vaginalschleimhaut an den oberflächlichen Partieen nur aus wenig, in den Furchen aus einer grössern Zahl von Lagen, in den letzteren sind die Kerne der obersten Zellen kleiner als die der tiefer gelegenen. Vielfach haben sich hier Elemente mit kleinen Kernen losgelöst, liegen zu Klumpen geballt, oder haften eben noch an der Schleimhaut. Bei Haematoxylinfärbung sieht die Schleimhaut gerade an diesen Stellen bei schwacher Vergrösserung wie mit blauen Körnchen Die Eihüllen von Phocaena communis Cuv. 43 übersehüttet aus; ich suchte den Grund dafür und fand bei starker Vergrösserung (Zeiss, Imm. 1) um und in den Zellen kleine sich mit Ehrlichs Haematoxylin und nachfolgender Entfärbung in salzsaurem Alcohol blau tingirender Gebilde, die an einigen Stellen zu Klumpen geballt bei einander lagen, an andern wie in Ketten- form angeordnet waren. Viele waren deutlich stäbchenförmig. Ohne eine weitere Untersuchung kann ich nichts über die Bedeutung dieser Gebilde äussern, auffallend war eben nur, dass sie sich gerade an den Stellen fanden, wo die Epithelzellen verändert waren. Das Bindegewebe steigt in Papillenform ins Epithel hinauf, zahlreiche Blutgefässe werden angetroffen. Die Kerne des Binde- gewebes sind nicht wie bei der Uterinwandung überwiegend rund, sondern nähern sich den Formen beim erwachsenen Thier, bald oval, bald schmal und länglich erscheinend. Die glatte Museula- tur tritt erst in vereinzelten Lagen, dann als zusammenhängende Masse auf. Da das Stratum Malpighii im Cervicalkanal stellenweise ver- loren gegangen ist, dann wieder bis in die Gegend des inneren Muttermundes hinauf in vereinzelten Schollen angetroffen wird, so lässt sich nicht angeben, wo es seinen Charakter ändert, auch wo das Epithel fehlt, ist eine Art Randschicht durch eine besonders zellenreiche Zone des Bindegewebes gebildet. Die Wulste kommen durch eine gleichmässige Verbuchtung sämmtlicher Wandschichten zu Stande. Das subseroese Binde- sewebe nebst Zügen glatter Museulatur bildet die Achse des Wulstes; die Züge dieser Masse strahlen gegen das Lumen hin aus, bedeckt von der deutlich ausgeprägten Ringfaserschicht und dem submu- coesen Bindegewebe. Die Verhältnisse im Geburtswege des erwachsenen Thieres sind im Ganzen denen des Foetus gleich, auch hier ist der äussere Muttermund durch einen Querspalt (in Bezug auf die Körperachse) zwischen einem dorsalen und einem ventralen Wulst dargestellt. Ein Divertikel des Genitalkanals dorsal von dem Wulste kann man wohl als ein „dorsales Scheidengewölbe“ be- zeichnen. Weiterhin wird das Lumen durch die anderen Wülste so ein- geengt, dass im Ganzen der Verlauf des Geburtsweges einer spi- ralig gewundenen Linie entspricht. Eine genauere Beschreibung der Wülste hat wenig Interesse, 44 Hermann Klaatsch: Genaueres über die ähnlichen Verhältnisse bei Balaeniden geben Boulart und Beauregart. Die Vaginalschleimhaut ist anfangs in unregelmässiger Weise mit Streifen und Eindrücken, Furchen versehen, bei denen eine Längsrichtung vorherrscht, weiterhin ist sie, sowie der Cervical- canal von starken Querfurchen durchzogen, die durch schmale Balken vielfach überbrückt werden. Unterhalb des inneren Mutter- mundes tritt ähnlich wie beim Foetus eine lamellöse Längsstrei- fung auf, die auch am inneren Muttermund besteht. Hier ist die Anknüpfung an die Beschreibung der Uterinschleimhaut gegeben. Die dort erwähnten Kämme durchziehen den Muttermund, indem ihr freier Rand gleichsam ausgefranzt ist. In der Nähe des Introitus vaginae, an einer Stelle etwa in der Grösse eines Kleinenfingernagels, findet sich ein Schleimhaut- defect. Die mikroskopische Untersuchung der Schleimhaut weist an den intacten Partieen ein niedriges Rete Malpighii nach, dessen Zellen Kerne sehr verschiedener Grösse zeigen. Von Drüsen ist nichts vorhanden (bei Platanista finden sich solche). Die Haupt- masse der so sehr derben Wandung besteht aus Bindegewebe, mit sehr dichten und zum Theil starken Fibrillen. Zu äusserst liegt eine Schicht Musculatur mit Ring- und Querfaserlage. Im Cervix ist das Verhalten der Schleimhaut recht interes- sant. Es tritt eine Aenderung zunächst insofern ein, als die Mus- ceulatur ganz bedeutend zunimmt. Dabei bleibt die Wandung gleich dick wie früher, indem das Bindegewebe einen geringeren Raum einnimmt. Das letztere bildet schon in der Vagina kleine Vor- sprünge, Ausläufer und Balken, die mit Epithel ausgekleidete Ver- tiefungen entstehen lassen. Mit der Lupe kann man die Grübchen schon auf der Fläche erkennen. Im Cervicaltheil nehmen die bindegewebigen Erhebungen bedeutend zu, es entstehen erypten- artige Vertiefungen, die mit Epithelzellen ganz ausgefüllt sind. Weiterhin ist das Epithel zum grössten Theile verloren gegangen; die Oberfläche wird gebildet von zarten Bindegewebszapfen, die wieder auf grösseren Wulsten aufsitzen, so dass eine Annäherung an die Verhältnisse der Uterinschleimhaut bemerkbar wird. Die Länge der Bindegewebsausläufer ist zwar geringer als im Ute- rus, aber an Grösse solcher aus dem Uteius einer graviden Sau (Embryonen ca. 12 cm) gleich, mit denen ich sie vergleichen Die Eihüllen von Phocaena communis Cuv. 45 konnte. Ausserdem werden auf dem senkrechten Schnitt in der Nähe des inneren Muttermundes Drüsendurchschnitte gefunden; sie sind nicht sehr zahlreich, ihr Durchmesser übertrifft den der Uterindrüsen, mit denen sie sonst eine grosse Aehnlichkeit be- sitzen. Es handelt sich dabei nicht um einfache Epithelabschnü- rungen, wie man das häufig auf ähnlichen Schnitten aus dem Cervix sieht, noch um die quergetroffenen tiefsten Partieen von Schleimhauterypten; vielmehr werden die ovalen Drüsenquerschnitte bis an die Musculatur hin angetroffen, und es finden sich Stellen, wo man geschlängelte, mit einschichtigem Epithel ausgekleidete Drüsenschläuche eine Strecke weit verfolgen kann. Die Elemente sind eylindrisch, aber niedriger als die der Uterindrüsen. Neben den Drüsen sind sehr zahlreiche Gefässe vorhanden. An wenigen Stellen fand ich die Schläuche an oder in der Nähe ihrer Aus- mündung getroffen, die sich in der Tiefe einer Schleimhautbucht befand. Im Uebrigen suchte ich umsonst nach Stellen, wo die letzte Strecke deutlich zu verfolgen gewesen wäre, es spricht das für den sehr schrägen, zur Oberfläche nahezu parallel gerichteten Ver- lauf der Drüsen. Sehnitte durch den Wulst des inneren Muttermundes lassen den Unterschied, der makroskopisch hier im Verhalten der Schleim- haut besteht, ganz zurücktreten. Ich kann nur aussagen, dass die Bindegewebserhebungen im Cervix zart und sehr niedrig werden, im Uebrigen ist gar kein Unterschied zu constatiren. Die Drüsenschicht passirt die Stelle ohne Aenderung, auch in der Musculatur ist nicht unmittelbar eine Modification zu erkennen. Im Wulste des os uteri internum befindet sich eine kleinere, sehr dünnwandige Vene. Auf dem Querschnitt durch die Tuba des mütterlichen Thieres sieht man die Falten, ea. 6 an Zahl, ins Lumen vorspringen. Dieses ist ausgekleidet mit einem Cylinderepithel. Die Muskel- schicht ist relativ stark ausgeprägt, da ?/, der Wandungsdicke auf sie kommt. Das Ovarium stellt beim Foetus einen abgeflachten nieren- förmigen Körper dar, dessen Durchmesser 2 em, 5 mm, 11/, mm betragen. Es liegt in einem Peritonealsack, an dessen Innenfläche etwas lateral vom Hilus des Ovarium in einer sichelförmigen Falte die Tuba sich öffnet. 46 Hermann Klaatsch: Mit Lupe erkennt man an der Oberfläche des Ovariums sehr zahlreiche kleine Gruben. Auf dem Durchschnitt wird eine Scheidung in mehr com- paete Innenmasse und eine wie punetirt erscheinende darüber liegende Schicht deutlich. Es ist dies die Zone der Primärfollikel. Dieselben zeigen sich bei der mikroskopischen Untersuchung in ganz ausserordentlich grosser Zahl. Auf eine genauere mikroskopische Beschreibung des Ovariums kann’ ich an dieser Stelle mieht nicht einlassen. Der Ovarialsack ist beim erwachsenen Thiere sehr schön ausgebildet, auch die Fimbrien, die als ein Netzwerk von Wülsten auf seiner Innenfläche sieh zeigen, sind sehr deutlich; das rechte Ova- rium ist ein Körper mit den Durchmessern: 3, 1,5, 0,5 em. Im linken Ovarium befindet sich ein mächtiges corpus luteum. Mikroskopisch werden ziemlich zahlreiche Primärfollikel an- getroffen, ferner Follikel, die in Rückbildung begriffen sind. Epithelreste der Wolff’schen Gänge sind an mehreren Stellen zu constatiren. — Von einem neben dem Ovarium gelegenen Körper, wie ihn Turner bei Örca fand (Parovarium?) besteht bei Phocaena nichts. Bei Betrachtung der Wülste im Cervicaleanal der Cetaceen wird man erinnert an ähnliche Zustände bei den Wiederkäuern und bei der Sau. Gerade bei der letztern zeigt der Geburtsweg auch einen gewundenen Verlauf, die Höcker sind klein und geben in einem gemilderten Habitus den Zustand der Cetaceen wieder. — Zum Sehluss verdient noch die Milchdrüse des Foetus Er- wähnung. Aeltere makroskopische Beschreibungen sind in grosser Zahl vorhanden; genauere Studien wurden dann von Turner an Balaenoptera Sibbaldii und am gleichen Object von Boulart und Beauregard angestellt. Ich habe früher die Zitzenbildung bei Delphinus globieeps (Embryo !/; m lang) untersucht und abgebil- det!). Bei Phocaena sind die Verhältnisse sehr ähnlich wie dort. Der einzige weite Ausführungsgang ist etwas eranial in seinem Verlauf gerichtet. Er ist in den oberen Abschnitten mit einer mehrsehichtigen Epithellage ausgekleidet. Die Drüsen münden so- 1) Klaatsch, Zur Morphologie der Säugethierzitzen. Morphol. Jahrb. IX. p. 310, Fig. 23. Die Eihüllen von Phocaena communis Cuv. 47 wohl in den Gang, als in den untersten, wie ein Reservoir erwei- terten Abschnitt desselben ein (Fig. 30). Muskelzüge, die sich über den Drüsenceomplex hinziehn (m) konnte ich nur auf einer Seite finden. In der „Cisterne“ findet sich eine detritusartige Masse. Ich spreche Herrn Geheimrath Dr. Waldeyer für das Inter- esse, das er meiner Arbeit bewiesen hat, hiermit meinen Dank aus. Die makroskopischen und mikroskopischen Präparate zu der- selben werden auf dem anatomischen Institut zu Berlin aufbewahrt. Berlin, den 5. August 1885. Literatur, soweit sie sich speciell auf die Placentarbildung der Cetaceen bezieht. 1) L. Criö, Pierre Belon et l’histoire naturelle du dauphin. Revue scienti- fique 1885. 2) W. Rapp, Die Cetaceen, zoologisch-anatomisch dargestellt. Stuttgart u. Tübingen 1837. 3) K. E. von Baer, Ueber Entwicklungsgeschichte der Thiere. II. Theil. Königsberg 1837. 4) D. F. Esehricht, De organis quae respirationi et nutritioni foetus mammalium inserviunt. Hafniae 1837. 5) John Hunter, Colleeted works, Palmers Edition 1837. 6) Owen, Comparative Anatomy of Vertebrates. 7) Meigs, Journ. Acad. Natur. Science. of Philad. 1879, vol. I. 8) Rolleston, Trans. Zool. Soc. 1866. 9) W. Turner, An account of the Great Finner Whale (Balaenoptera Siebbaldii) stranded at Longuidery. Proc. Roy. Soe. Edinb. XXVI. 10) — On the gravid Uterus and on the Arrangement of the foetal Mem- branes in the Cetacea (Orca gladiator.. Proc. Roy. Soc. Edinb. XXVI 1871. 11) — Lectures on the comparative Anatomy of the Placenta. Edinb. 1876. 12) — Some generale observations on the Placenta with especial reference to the theory of evolution. Journ. of Anat. and Physiologie Vol. XI. 13) — A Further Contribuation to the Placentation of the Cetacea (Mono- don Monoceros). Proceed. of the Roy. Soe. of Edinb. Session 1875—76. 48 Hermann Klaatsch: 14) J. Anderson, Anatomical and zoological researches, comprising an ac- count of the zoological results of the two expeditions to Western Yunnan in 1868 and 1875, and a Monograph of the two Cetacean genera Platanista and Orcella. London 1878. 15) H. Planteau, Recherches sur la muqueuse uterine de quelques animaux ä placenta diffus. Journ. de l’Anatomie et de la Physiologie. 1881. 16) H. Beauregart et Boulart, Recherches sur les appareils genito-uri- naires des Balaenides. Journ. de l’Anat. et de la Physiol. 1882. 17) M. S. Jourdain, Sur la parturition du Marsouin commun (Phocaena communis). Compt. rend. 90. p. 138. 18) H. P. Gervais, Sur un uterus gravide de Pontoporia Blainvillei. Compt. rend. 97. 19) H. W. Flower, On Whales, post and present, and their probable. Origin Nature, vol. XXVII, p. 199. — Evolution of the Cetacea. Nature vol. XXIX, p. 170. — Proceed. zool. Soc. London. Il, IV. 20) A. W. Malm, Kongl. Vet. o Vitt. Sanh. i Göteberg Hand. 1873. War mir nicht zugänglich. Turner referirt darüber: „M. communicates some zoological observations which certain notices of Delphinus phocaena, with a figure of a gravid specimen.“ Erklärung der Tafeln I und 1. Die Figuren beziehen sich auf Phocaena comm. Cuv., wenn nicht aus- drücklich etwas anderes bemerkt ist. Allgemein geltende Bezeichnungen. Ur = Urachus D = Dottergang Am = Amnion Be = fixe Bindegewebszelle V = Vene Ep = Epithel A = Arterie Gr = blassgranulirte Zellen. Fig. 1. Querschnitt durch den Nabelstrang im mittleren Theil. Ale. Ehr- lich’s Haematoxylin, salzs. Ale. K. Karunkel. D. Dottergang, da- neben Züge glatter Muskulatur. 4:1. Fig. 2. Querschnitt durch den Bulbustheil des Nabelstranges. Behandlung wie 1. S.u. Septum urachi, g. Abgehendes Gefäss, l. Lymphraum. u. b. Urachusbucht. 4:1. Fig. 3. Vertiealschnitt durch die Haut des Foetus in der Uebergangsregion zum Amnion. Beh. wie 1. R. Retezellen. C. Cylinderzellenschicht mit Pigment P. L. Ausläufer der Epidermis. 270:1. Fig. Fig. Fig. 20. 10: ig. 11. a 115% ig. 16. 18. 19. . Embryo vom Schwein, 12 cm lang. Nabelstrang, Querschnitt. d.g Die Eihüllen von Phocaena communis Cuv. 49 Querschnitt, Nabelstrang. Ep. Epidermisinsel. N.B. Nabelstrang- Bindegewebe. Alc. Haemat. Safranin, 60:1. Wand eines Carunkels. N. Epithelkerne, k. Körnerhaufen. Hämat- oxylin. Hartnack 7. Querschnitt, Nabelstrang. Braunes Carunkel. P. Pigment, in den oberen Schichten der Epidermis Ep. C. Cylinderzellenlage. Hämat- oxylin, Safranin. 48:1. Verticalschnitt, Amnion; die blassgranulirten Zellen Gr; bei x eine auf die hohe Kante gestellt; Be. fixe Bindegewebszellen. Hämat. Hartn. 7. Querschnitt. Nabelstrangbindegewebe. Bg. fixe Bindegewebszellen. F. Fibrillen. Hartn. 7. Querschnitt. Bulbustheil. Maschen im Gewebe. sp. Lymphraum. d. Inhalt desselben. En. Endothel. Haemat. 40:1. Querschnitt. Nabelstrang. Aus dem Inhalt einer Vene r. B. rothe, w. B. weisse Blutkörperchen. Gr. blassgranulirte Zellen. Hämat. Saffranin. Hartn. 7. Querschnitt. Nabelstrang. Dottergang D. Glatte Muskulatur M. ep. Epithelreste im Dottergang. A. Arterie mit den im Text näher beschriebenen kleinen Gefässbahnen. Hämat. 40:1. g. Dottergefäss.. Hämatox. 24:1. Kuh. Carunkel vom Amnion. Zellen daraus. Hämatox. Hartn. 7. . Mensch. Nabelstrang. Verschiedene Formen der „amöboiden Zellen“ Kölliker’s. Müller’sche Lösung; Schnitt mit Gefriermjerotom. Hämatox. (Ehrlich’s), verdünnte Salpetersäure. Glye. Hartn. 7. Glatter Fleck des Chorions am linken Eipol. Ch. Zotten. U.e. Umbilikalgefässe durchschimmernd. S. h. Beginn des secundären Horns. z. kleine Zotten. Natürl. Grösse. Amnion plus Allantois, Querschnitt jenseits der Bifuration des Nabelstrangs. All. e. Allantoisepithel. Al. h. Allantoissack. M.i. Mem- brana intermedia. x. Bandartiger Fortsatz zum Chorion hin. g. kleines Gefäss.. Hämatox. 10:1. . Amnion plus Allantois plus Chorion. Querschnitt. K. braunes Üa- runkel. A. z. Amnionzotten. A. d. Amniondivertikel, Al.d. Allantois- divertikel, dem bei den Ruminentien homolog. M.i. Membrana in- termedia. Ch. Chorion. Hämatox. 10:1. Chorion. Verticalschnitt. EpithelEp. End. Endothelkerne der Ca- pillaren. Hämatox. Hartn. 7. Letzte Ausläufer der Chorionzotten. Verticalschnitt. Ca. Capillaren. Hämat. Hartn. 4. Chorion. Verticalschnitt. Blumenkohlförmige Zotte. Ca. Capillaren plus Bindegewebe und Epithel. V. Vene in der Achse des Wulstes. A. Amnionepithel. Picerocarmin. 5:1. Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 26, 4 50 Fig. Alexander Dogiel: 21. Chorion. Verticalschnitt. Gewebe der Bindegewebsachse, links Ge- fässdurchschnitt g. mit Adventitialzellen. Gr. blassgranulirte Zellen. Verschiedene Formen von Bindegewebszellen. Hämatox. Hartn. 7. . 22. Os uteri internum, von der Uterinfläche. K. 'Schleimhautkämme ; der Cervicalkanal ist aufgeschnitten. Natürl. Grösse. . 23. Abgang der rechten Tuba. W. mächtige Schleimhautwülste, bei x. in die Falten der Tubaschleimhaut übergehend. Natürl. Grösse. . 24. Mucosa uteri; nicht gravides Horn. Turners funnel - shaped erypt- f. s.; Lupenbild. . 25. Mucosa uteri, unweit des os uteri internum. Eschrichts areola s. daneben eine grössere Grube, f. s. Lupenbild. . 26. Mucosa uteri. Vertiealschnitt; nicht gravides Horn (senkrecht zu ‘ dessen Längsachse!). 1. Serosa. 2a Längs-, 2c Ringmusculatur. 3. Stratum glandulare. 4. Stratum supraglandulare. gl. Uterindrüsen. V kleine Vene. Cr. Crypte. Hämat. 5:1. .„27. Mucosa uteri. Verticalschnitt. Querschnitt einer Uterindrüse. b. Basalmembran. Alc.; Chroms. 1/30/,. Hämat. Hartn. 7. -. 28a. Mucosa uteri von Phocaena; letzter Ausläufer. Hartn. 4. . 28b. desgl. von einer graviden San., Bg. Bindegewebsachse; ep. Epithel. ca. Capillaren. x. runde Bindegewebszellen (subepitheliale Zellen Turners?) Hämat. Hartn. 4. . 29. Mucosa uteri des Foetus. Verticalschnitt. 1. Serosa. 2a, 2b Längs- Ringmuskelschicht. 3. Bindegewebe der Mucosa, von runden Kernen durchsetzt. Keine Uterindrüsen! Hämatox. 20:1]. . 30. Zitze und Milchdrüse des Fötus. Tasche S. A. Ausführungsgang, sich zur Cisterne ei erweiternd. gl. Drüsen. Alauncarmin. 5:1. (Aus dem physiologischen Institut zu Breslau.) Ueber die Drüsen der Regio olfactoria. Von Dr. Alexander Dogiel aus Kasan. Hierzu Tafel II. Die Drüsen der Regio olfactoria wurden zuerst entdeckt und beschrieben von Bowman(l), weshalb Kölliker auch dieselben als die Bowman’schen Drüsen bezeichnete. Kölliker (2), Ecker (5) Ueber die Drüsen der Regio olfactoria. 51 und Max Schultze(4), übereinstimmend mit Bowman, beschrie- ben diese Drüsen in der Form einfacher, in gerader Richtung ge - hender und am Ende manchmal gekrümmter Röhrchen, oder als Längssäckehen, deren Länge von der Dicke der Schleimhaut ab- hängig ist. Von den Drüsen gehen viele Seiten - Ausbuchtungen aus, welche beweisen, dass sie eine Uebergangsform zwischen schlauchförmigen und acinösen Drüsen darstellen. Die Drüsen- körper bestehen aus grossen Zellen von runder und vieleckiger Form, in welchen eine kleinere oder grössere Anzahl von Pigment- körnehen zu finden ist. Die Ausführungsgänge bestehen nach Max Schultze in ihrem unteren Theil aus polyedrischen, im oberen Theil aber aus längsgestreckten Zellen. Was die Art der Verbreitung der Bowman’schen Drüsen anbelangt, so sind, nach den Beobachtungen der oben eitirten Forscher, dieselben in grosser Anzahl überall da zu finden, wo die Schleimhaut vom Riechepithel bedeckt ist, d. h. in der ganzen Regio olfactoria. Diese letztere ist characterisirt durch ihre gelbe Farbe, so dass nach Schwalbe(6) die gelbe Farbe und die Verbreitung des N. olfactorius bei Säuge- thieren die nämlichen Grenzen haben. Was die Function der Drüsen der Regio olfactoria anbelangt, so sind alle Forscher dar- über einverstanden, dass sie zu den Schleimdrüsen gezählt werden müssen. Die späteren Beobachtungen über den Bau der Bowman’schen Drüsen vonExner(6), theils auch von Toldt(7), haben wenig Neues beigebracht. S. Exner beschreibt die Bowman’schen Drüsen in Form von gekrümmten, sich verzweigenden Röhrchen, bedeckt, ähnlich den anderen Schleimdrüsen, von cylindrischem Epithel, und handschuhfingerförmig endigend. Der Canal dieser Drüsen stellt sich im unteren Theil als ganz eng dar, im oberen Theil aber bedeutend erweitert, so dass der Durchmesser des Canals der Höhe einer Drüsenzelle gleich ist. Auf der Grenze zwischen dem Bindegewebe und dem Epithel verengt sich das Lumen der Drüsen bedeutend und geht in einen engen drehrunden Canal über, wel- cher aus 7—8 ausgezogenen Zellen besteht. Toldt, in seinem Lehrbuche der Histologie, sagt nur wenige Worte über den Bau der Bowman’schen Drüsen und gibt zu, dass bei der Mehrzahl der Thiere dieselben die Form von einfachen Röhrchen mit etwas erweitertem Ende haben, nur bei dem Menschen sind dieselben keine einfachen, sondern verzweigte Röhrchen. Aus dem Gesag- 52 Alexander Dosiel: ten geht hervor, dass wir nur wenig von dem Bau der Bowman’- schen Drüsen wissen, und ich habe mich deshalb bemüht, den Bau und die Function dieser Drüsen zu studiren. Zur Untersuchnung habe ich die Schleimhaut der Regio ol- faetoria von Hunden, Katzen und Kaninchen benützt. Bevor ich zur Beschreibung des Baues der Drüsen übergehe, halte ich es für nöthig, einige Worte über ihre Verbreitung zu sagen, besonders deshalb, weil in dieser Richtung keine genaueren Angaben existiren. Bowman, Kölliker, Max Schultze u. A.. wie ich schon gesagt habe, haben schon längst auf die intensiv gelbe Farbe der Theile der Schleimhaut der Nase, in welchen sich das Riechepithel und die Bowman’schen Drüsen befinden, die Aufmerksamkeit gelenkt. In der That sehen wir schon mit unbe- waffnetem Auge, dass bei den Hunden, Katzen und Kaninchen die Schleimhant, welche die eonvexe Fläche der Muscheln an ihrem hintern ungefalteten Theile bedeckt, eine intensiv gelbe Farbe hat. Eine ähnliche Färbung hat auch die Schleimhaut des Nasendaches und die der Nasenscheidewand. Gewöhnlich fängt die Färbung der Schleimhaut der Nasenscheidewand an dem mittleren Theil derselben an, entsprechend dem vorderen Ende der Muschel, geht anfangs als ein Längsstrich vom oberen Rande aus und wird immer breiter in der Richtung nach hinten, wo sie in die Schleimhaut des hinteren Theiles der unteren Muschel übergeht. In der Scheide- wand der Nase sehen wir schon mit unbewaffnetem Auge, dass der gefärbte Theil der Schleimhaut bedeutend dicker ist, als der ungefärbte und sich von letzterem durch seinen erhöhten Rand scharf abgrenzt. Was die Muscheln und das Nasendach anbelangt, so geht dort der gefärbte Theil in den ungefärbten unbemerkbar über. Auf Querschnitten sehen wir, dass die Dicke der Schleim- haut der Regio olfaetoria nicht überall gleich ist. Die Dicke der- jenigen Theile, welche die convexe Seite der hintern ungefalteten Abschnitte der Muscheln bedecken, vermindert sich allmählich in der Richtung nach vorn. Gewöhnlich zeigt sie sich an dem vor- deren Ende der Muschel schon so fein, wie die Schleimhaut der vorderen gefalteten Theile. Ein ähnliches Verhältniss finden wir auch in der Schleimhaut des Nasendaches, der feinste Theil ent- spricht dem vorderen Theil der Muschel. Was die Nasenscheide- wand betrifft, so finden wir hier meistens auf der Grenze zwischen den gefärbten und ungefärbten Theilen der Schleimhaut eine rasche Ueber die Drüsen der Regio olfactoria. 53 Verdünnung derselben von dem ersten Theile zum zweiten. Aus- ser der Verdünnung in der Richtung nach vorn verdünnt sich die die convexe Fläche der Muscheln bedeckende Schleimhaut auch in der Richtung nach dem oberen und unteren Rande, und am Ueber- gang in die concave Fläche stellt sie nur ein dünnes Häutchen dar. Die Veränderungen in der Dicke der Schleimhaut sind ab- hängig einerseits von der Dicke der Epithelschicht, andererseits von dem darunter befindlichen eigentlichen Schleimhautgewebe. Gewöhnlich befindet sich die stärkere Schicht des Riechepithels im hinteren Theil der Muschel, dann verdünnt sich dieselbe in der Richtung nach vorn und einige mm vor dem vorderen Rande geht sie in gewöhnliches Flinmerepithel über. Eine ähnliche allmähliche Verdünnung der Schleimhaut findet man auch beim Uebergang dersel- ben von der convexen Seite der Muscheln in die concave Fläche. Inder Nasenscheidewand geht die ziemlich dieke Schicht des Riechepi- tlıels plötzlich in eine dünne Schicht von Flimmerepithel über, deshalb bildet sich auch an der Uebergangsstelle ein schon mit unbewaffnetem Auge sichtbarer Rand, welcher die Grenze zwischen dem Riechepithel und Flimmerepithel anzeigt. Die Dicke des Schleimhaut-Gewebes verkleinert sich gleichzeitig mit der Ver- dünnung des Riechepithels. Die Schleimhaut der concaven Muschel- fläche, der vordere Rand der Muscheln und der vordere Theil des Nasendaches sind nur von Flimmerepithel bedeckt, in welchem sich viele Becherzellen befinden. Ausserdem bildet noch das Flim- merepithel, welches die obengenannten Theile und auch den ge- wundenen Theil der Muscheln und die Nasenscheidewand bedeckt, viele Einstülpungen in das submucose Gewebe. Einige Ausbuch- tungen sind kolbenförmig und vertiefen sich nur unbedeutend in das unterliegende Gewebe, so dass nur der Grund des Kolbens in diesem sich befindet, der andere Theil des Kolbens liegt in der Epithelschicht (Fig. 1 u. 2). Die Zellen, die diese Ausbuchtungen bedecken, bestehen in den verengten Theilen oder Kolben meistens aus kurzen, breiten Cylindern, welche auf dem Grunde der Aus- buchtungen länger und schmäler werden. Meistens erleiden viele von den Zellen, die im Grunde der Kolben sich befinden, eine Schleimmetamorphose und verwandeln sich in Becherzellen. Nicht selten finden sich in einem und demselben Präparat sehr viele Ausbuchtungen des Flimmerepithels, wobei in dem einen Kolben gar keine Schleimzellen vorhanden sind, in den andern nur wenige, 54 Alexander Dogiel: und schliesslich solche, wo fast alle Zellen in Schleimzellen über- gegangen sind. Die Ausführungsgänge der Drüsen öffnen sich oft in dem Grunde der Kolben. Ausser den Ausbuchtungen des Flim- merepithels, welche kolbenförmig sind, finden wir noch ziemlich viele, welche tief in das submucose Gewebe hineinragen und eine eylindrische Form haben (Fig. 3). Das Fimmerepithel, welches diese letzteren Ausbuchtungen bekleidet, besteht aus Zellen von eylindrischer Form, die entweder kurz und breit, oder laug und schmäler sind. Die ersteren gehen unbemerkbar in die Zellen der Ausführungsgänge der Drüsen über, welche in den Ausbuchtungen ihre Oeffnungen haben. Die anderen werden allmählich kürzer, verlieren ihre Flimmerhaare und gu in die Zellen der Aus- führungsgänge der Drüsen über. Die Böwman’schen Drüsen be- finden sich nicht nur in den Theilen der Schleimhaut, welche vom Riechepithel bedeckt sind, sondern gehen etwas weiter in die Theile, die vom Flimmerepithel bedeckt sind. In der Schleim- haut der Muscheln verbreiten sich diese Drüsen bis zu ihrem ver- dünnten vorderen Ende. In dem gefalteten vorderen Theil der Muscheln (Hund, Katze) sind sie schon nicht zu finden. Ausser- dem liegen die Bowman’schen Drüsen an der Uebergangsstelle der convexen in die concave Seite der Muscheln, wobei einzelne Drü- sen auch in der Schleimhaut der letzteren selbst zu finden sind. Was die Schleimhaut, welche das Nasendach bedeckt, anbe- trifft, so verbreiten sich hier die Bowman’schen Drüsen bis zu der Stelle, welche der Lage nach dem vorderen Theil der Muscheln entspricht. Der ganze vordere Theil der Nasenscheidewand, der untere Theil derselben und der Grund der Nasenhöhle haben keine Bow- man’schen Drüsen. Selten nur finden wir dieselben in der Nasen- scheidewand, übergehend über den Rand, der den gefärbten Theil der Schleimhaut vom ungefärbten trennt. An den eben genannten Stellen begegnen wir anfangs Drü- sen, welche eine Uebergangsstufe zwischen schlauchförmigen und acinösen Drüsen darstellen. Sie haben die Form von breiten Sehläuchen oder Säckchen, von welchen einige ähnliche Ausbuch- tungen ausgehen; die Zellen, welche die Wände dieser Drüsen bedeeken, haben die Form von engen Cylindern oder Kegeln, deren Grösse geringer ist, als die der Bowman’schen Drüsen, wo- bei die Kerne gewöhnlich nieht in der Mitte liegen, sondern Ueber die Drüsen der Regio olfactoria. 55 o- an der äusseren Fläche. Der Drüsenkörper unterscheidet sich, der Form der Zellen nach, nicht vom unteren Theil derselben. Weiter nach vorn nehmen schon die acinösen Drüsen ihre Stelle ein. Ausserdem finden wir hier viele einzelne Follikel. Der Bau der Bowman’schen Drüsen. Die Drüsen der Regio olfactoria haben die Form von ver- zweigten Schläuchen von verschiedener Länge und Breite, in wel- chen ihrer Lage nach zwei Theile zu unterscheiden sind: der erste längere, der im Bindegewebe liegt, der zweite kürzere, der im Epi- thel liegt (Fig. 4). Der erste Theil der Drüsen durchdringt die sanze Dicke der Schleimhaut, weshalb seine Länge vollständig von der Dieke der Schleimhaut abhängig ist; die grösste Länge haben dieselben in der Schleimhaut, welche den hinteren Theil der Muscheln und die Nasenscheidewand bedeckt, am kürzesten sind dieselben in dem vorderen Theil der Muscheln, in dem Nasen- dach und am Uebergang der Schleimhaut von der convexen zur con- caven Fläche der Muscheln. Die Form und die Richtung der Schläuche, wie auch ihre Länge, hängt einerseits von der Dicke der Schleimhaut, andererseits von der Anzahl der Nerven ab. Auf den Quer- und Längsschnitten ist es leicht zu bemerken, dass die grösste Anzahl von Nerven die Schleimhaut der Muscheln, haupt- sächlich ihrer hinteren und mittleren Theile, enthält (Hund, Katze). Die grösseren der Nervenstämmehen liegen in grosser Anzahl im unteren Theil der Schleimhaut, eng nebeneinander verlaufend, während die kleineren Stämmchen in den oberen Theilen der Schleimhaut verlaufen. Eine verhältnissmässig geringe Anzahl von Nerven ist in der Nasenscheidewand und dem Nasendache ent- halten. Bei Kaninchen, soviel ich es bemerken konnte, ist die Schleimhaut ärmer an Nerven, als beim Hunde und bei der Katze. In den eben genannten Abtheilungen der Schleimhaut, wo sie stär- ker und reich an Nerven ist, haben die Bowman’schen Drüsen sewöhnlich die Form von engen Schläuchen, welche anfangs in grader oder schiefer Richtung verlaufen, und sich dann, indem sie Nervenstämmehen begegnen und dieselben umfassen, verkrümmen. Einige von den Drüsen endigen rund oder etwas breit ausserhalb der grösseren Nervenstämme, andere durchdringen dieselben, wes- 56 Alexander Dogiel: halb sie sich bedeutend verdünnen, und endigen nach innen, zwi- schen den Nervenstämmen und dem Periost verlaufend (Fig. 4). Manchmal ist der obere Theil der Drüse breiter, verwandelt sich aber bald wieder in einen engeren Schlauch. In den dünnern und nervenärmeren Theilen der Schleimhaut nehmen die Bow- man’schen Drüsen die Form von breiteren und kürzeren Schläuchen an, welche grade oder schief bis zu Ende verlaufen. Die Breite mancher Schläuche wird bisweilen so gross, dass sie die Form von Längssäckchen bekommen. Bei dem Kaninchen haben alle Bowman’schen Drüsen eine viel breitere Form, als bei Hunden und Katzen. Bei allen genannten Thieren theilen sich manche Drüsen mehr oder weniger spitzwinkelig in einige (2—4) Schläuche, an- dere dagegen bleiben im ganzen Verlaufe ungetheilt. Die Thei- lung entsteht entweder unmittelbar unter dem Epithel oder in der Nähe desselben. Die Zahi der Drüsen steigt sehr hoch, so dass fast die ganze Dieke der Schleimhaut, besonders aber ihr mittlerer unterer Theil, nur aus Drüsen und Nervenstämmen besteht. Durch ihren Reichthum an Drüsen erinnert die Schleimhaut der Regio olfactoria an die Schleimhaut des Magens. In den vom Flimmer- epithel bedeckten Theilen der Schleimhaut nimmt die Anzahl der Drüsen allmählich ab, und endlich verschwinden sie gänzlich, ihre Stelle anfangs den gewundenen sackförmigen, später den acinösen Drüsen überlassend. Was den Bau der Bowman’schen Drüsen betrifft, so müssen wir in dem Theile derselben, welcher unterhalb des Epithels liegt, noch zwei andere Theile, den oberen Theil, oder den Körper, und den unteren Theil, oder den Grund der Drüse, unterscheiden (Fig. 4 bu.c). Der Körper der Drüse besteht aus ziemlich gros- sen, meistens kegelförmig oder eylindrischen Zellen, deren Ränder oft schief sind. Die Zellen liegen eng aneinander; mit der breiten Basis nach aussen und dem schmalen Theile enge nach innen. Auf diese Weise bilden sie einen engen und runden Canal. Der Diameter desselben verändert sich je nach der Zahl der auskleiden- den Zellen, so dass, wie es auf Querschnitten zu sehen ist, er aus 6—5 und mehr Zellen gebildet wird. Aber nicht überall haben die Zellen der Drüse die nämliche Form. Dort, wo die Drüsen zwischen den Nervenstämmen verlaufen und sich bedeutend ver- engern, werden die Zellen flacher und länger (Fig. 4). Die Grösse der beschriebenen Zellen ist bei Kaninchen etwas bedeutender als Ueber die Drüsen der Regio olfactoria. 57 bei Hunden und Katzen. In der Mitte einer jeden Zelle befindet sich ein grosser runder Kern, mit einem oder mehreren Körnchen. Die Kernsubstanz ist entweder feinkörnig oder man bemerkt darin ein Fadennetz. Dort, wo die Zellen länger werden, haben ihre Kerne auch eine längliche Form. Die Zellensubstanz, die nach Prof. Heidenhain mit Hämatoxylin und Kali biehromieum schwarz ge- färbt worden ist, besteht aus zwei Theilen, einem peripherischen und einem centralen. Der peripherische Theil erscheint entweder srobkörnig oder homogen und färbt sich intensiv dunkel, der cen- trale Theil erscheint heller und grobkörnig. Die Kerne befinden sich zwischen dem dunkeln und hellen Theile der Zelle. Bei schmalen Zellen ist diese Theilung der Zellensubstanz nicht so deutlich oder gar nicht sichtbar. Gewöhnlich findet man in der Zellensubstanz eine kleinere oder grössere Anzahl von Pigment- körnchen, welche immer um den Zellenkern gruppirt sind. Bei der Färbung der Drüsen mit Pierocarmin nehmen die beschriebenen Zellen eine gelbe Farbe an, die Kerne aber färben sich roth. Hämatoxylin-Alaun und Alauncarmin färben gewöhnlich nur die Kerne, die Zellensubstanz aber nicht. Ueberhaupt tritt bei der Färbung der Drüsen mit den genannten Mitteln alles nicht so deutlich hervor, wie bei Färbung mit Hämatoxylin und Kali bichromiecum, so dass diese Methode der Färbung jedenfalls die beste ist. Der Grund der Bowman’schen Drüsen unterscheidet sich scharf vom Körper, der Form, dem Inhalte und dem Bau seiner Zellen nach, so auch nach dem Verhältniss dieser letzteren zu den Farbestoffen. Die Form der Zellen ist gewöhnlich eine unregel- mässig vieleckige oder eine conische und die Grösse ist geringer als die der Zellen des Körpers. Der Unterschied in der Grösse der Zellen beider Abtheilungen ist besonders scharf bei Kaninchen zu sehen (Fig. 5 b, e, d). Im Centrum einer jeden Zelle befindet sich ein grosser runder Kern mit einigen grossen Körnchen und Fadennetz. Die Zellensubstanz erscheint regelmässig kleinkörnig und der peripherische Theil unterscheidet sich nieht vom centra- len. In gut erhärteten und gefärbten Präparaten ist es leicht zu bemerken, dass die kleinkörnige Masse in Längsstreifen angeordnet ist (Fig. 5 a,b, c, d). Die Längsstreifen sind gewöhnlich ziem- lich diek und erinnern an die Längsstreifung der Zellen der Aus- führungsgänge der Speicheldrüsen. Die Längsstreifung tritt be- 58 Alexander Dogiel: sonders scharf hervor bei Kaninchen; bei Hunden und Katzen weniger scharf. Ausserdem enthält die Zellensubstanz gar keine Pigmentkörnchen, wodurch sie sich noch besonders vor den Zellen des Körpers auszeichnet. Bei der Färbung der Präparate nach Heidenhain bleiben die Zellen immer schwach gefärbt oder nehmen eine kaum bemerkbare violette Färbung an. Auch die Kerne bleiben ungefärbt, stark gefärbt sind nur die Körnchen und das Fadennetz. Bei den durch Carmin oder durch Hämatoxylin mit Alaun gefärbten Präparaten nehmen die Zellensubstanz und die Zellenkerne eine rothe oder blaue Färbung an. Durch Pierocarmin färben sich die Kerne intensiv roth, während die Zellensubstanz wenig röthlich wird. Die beschriebenen Zellen bilden, wie ich schon gesagt habe, den unteren Theil der Drüse, aber manchmal, besonders bei Kaninchen, steigen sie etwas höher in den mittleren Theil, so dass man auf Flächendurchschnitten neben einer oder zwei Zellen der Drüsen einige kleinere helle Zellen vom unteren Theil derselben sehen kann (Fig. 5 b, ec, d). Selten, besonders in den Drüsen, welche in der Schleimhaut mit Flimmerepithel ent- halten sind, findet man neben den oben beschriebenen Zellen noch einige Schleimzellen. Die folgende Abtheilung der Bowman’schen Drüsen befindet sich im Riechepithel. In derselben kann man zwei Theile unter- scheiden, den unteren, der ?/, der ganzen Dicke des Epithels ein- nimmt, und den oberen kleineren Theil (Fig. 6.7.8.9 b, a). Der untere Theil unterscheidet sich dem Bau nach garnicht vom Kör- per der Drüsen. Gewöhnlich dort, wo die Drüsen die Form von breiten Schläuchen oder Säckchen haben, verengen sie sich am unteren Rande der Epithelschieht, dringen in dieselbe ein und er- weitern sich dann entweder wieder oder bleiben etwas enger. Um- gekehrt ist überall da, wo die Drüsen die Form von engen Schläu- chen haben, der Uebergang derselben in das Riechepithel nicht scharf markirt. Der ganze Theil der beschriebenen Abtheilung der Drüsen besteht aus 3—4 Reihen von Zellen, die auf einander gelagert sind, eine längsrundliche Form haben und etwas kleiner sind. Der folgende Theil besteht aus nur einer Reihe von Längs- zellen, deren oberes Ende die Oberfläche des Epithels erreicht (Fig. 7.8.9 a,b). Die Längszellen haben eine bedeutende Dicke und bestehen aus einer körnigen Substanz, in welcher ein grosser ovaler Kern und einige Körnchen sich befinden. Die Zellen sind Ueber die Drüsen der Regio olfactoria. 59 scharf abgegrenzt von dem sie umgebenden Epithel und müssen als eine Modification der Drüsenzellen betrachtet werden. Diesen Theil der Drüse, d.h. den aus Längszellen bestehenden, betrachte ich als den Ausführungsgang derselben, während der andere Theil die Fortsetzung des Körpers der Drüse in das Epithel darstellt. Was den Canal selbst, der von den Zellen gebildet wird, anbelangt, so hat derselbe eine runde Form und im unteren Theile unterscheidet er sich gar nicht vom Kanal des Körpers der Drüse, nur dieser Theil desselben, welcher von Längszellen begrenzt wird, verengt sich allmählich in der Richtung nach der freien Ober- fläche der Epithelialschicht und endet dann trichterförmig (Fig. 7. 8). Die Richtung des Schlauches ist meistens perpendieulär zur Ober- fläche der Epithelialschicht, nur selten macht er einige unbedeu- tende Windungen. Was das Verhalten der Bowman’schen Drüsen zu den chemischen Reagentien anbelangt, so färben sie sich durch starke Salpertersäure, ähnlich den Nervenstämmehen und der Epi- thelialschicht, intensiv gelb. Durch eoncentrirte Essigsäure werden anfangs die Zellen wenig heller und die Kerne schärfer, aber nach einigen Minuten werden sie ganz hell und homogen. Aehnliche Veränderungen erleidet auch die ganze Epithelialschicht. Auf Grund des Baues der Bowman’schen Drüsen und ihrer microchemischen Reactionen müssen dieselben nicht zu dem Schleim-, sondern zu den Eiweissdrüsen gezählt werden. Versuche, die Drüsen zu intensiver Thätigkeit anzuregen (Piloearpin, Einathmen von Ammoniak), um ihre etwaigen Ver- änderungen zu beobachten, habe ich zwar begonnen, aber wegen meiner Abreise von Breslau nicht beenden können. Ich werde bei späterer Gelegenheit darauf zurückkommen. Literatur. l) Todd-Bowman, The physiological Anatomy and Physiology of Man. 1856. Vol. II p. 1—13. 2) Kölliker, Handbuch der Gewebelehre des Menschen. 1863. p. 721. 3) A. Ecker, Ueber die Geruchsschleimhaut des Menschen. Zeitschr. f, wissensch. Zool. vol. 8. 1856. 60 Alexander Dogiel: Ueber die Drüsen der Regio olfactoria. A. Ecker, Icones physiologicae Taf. VII. 4) Max Schultze, Untersuchungen über den Bau der Nasenschleimhaut bei dem Menschen und den Wiırbelthieren. 1862. 5) G@. Schwalbe, Lehrbuch der Anatomie der Sinnesorgane. 1833. p. 47—74. 6) S. Exner, Weitere Studien über die Structur der Riechschleimhaut bei Wirbelthieren. (Sitzungsber. d. Kgl. Acad. d. Wiss. vol. LXV. III. Abth. Jänner-Heft 1872. p. 27—31.) e 7) €. Toldt, Lehrbuch der Gewebelehre. 1884. p. 659. Erklärung der Abbildungen auf Tafel III Alle Zeichnungen sind mit der Camera lucida gemacht worden, bei Syst. 9. Oc. 3 von Hartnack von Präparaten, die durch Hämatoxylin nach Prof. Heidenhain gefärbt worden waren. Die Colorirung der Zeich- nungenentspricht genau der Färbung der Präparate durch Hä- matoxylin und Kali bichromicum. Fig. 1. Schleimhaut der Nasenscheidewand des Hundes. Kolbenförmige Ein- senkung (Einstülpung) des Flimmerepithels. Fig. 2. Schleimhaut der Nasenscheidewand der Katze. Kolbenförmige Ein- senkung des Flimmerepithels in das Bindegewebe. Fig. 5. Schleimhaut der Nasenscheidewand der Katze. Cylindrische Ein- stülpung des Flimmerepithels. Uebergang von Flimmerepithel in Epithel des Drüsenausführungsganges. Fig. 4. Querdurchschnitt der Schleimhaut der unteren Muschel der Katze. Bowman’sche Drüse: a) innerhalb des Epithels gelegene Partie; b) Körper der Drüse; c) Drüsenfundus; d) Nervenstämmchen. Fig. 5 a, b, c, d. Quergetroffene Bowman’schs Drüse aus der Schleimhaut der anteren und mittleren Muschel des Kaninchens. Drüsenzellen des Körpers und des Fundus, letztere radiär gestreift. Fig. 6. Mittlere Muschelschleimhaut des Kaninchens. Im Epithel liegender Theil der Bowman’schen Drüse. Fig. 7. >Schleimhautdurchschnitt der oberen Muschel des Kaninchens. Intra- epithelialer Theil der Bowman’schen Drüse, woran eine untere (a) und eine obere (b) Abtheilung zu unterscheiden ist. Fig. 8 u. 9. Dasselbe vom Hunde. ’ A.D.Onodi: Ueber die Entwickelung des sympathischen Nervensystems. 61 Ueber die Entwickelung des sympathischen Nerven- systems '). Von Dr. A.D. Onodi, I. Assistenten am anat. und embryol. Institute zu Budapest. Vorgelest der Ungarischen Akademie in der Sitzung vom 15. Juni 1885 v. 0. M. 6. v. Mihalkovics. Hierzu Tafel IV. L. Einleitung. Bevor noch die Frage über die Entstehung des sympathischen Nervensystems überhaupt untersucht worden wäre, hatte sich eine grosse Zahl der Untersucher im vorigen und anfangs dieses Jahr- hunderts mit Vorliebe mit den makroskopischen Verhältnissen des Sympathieus befasst. Nachdem Bichat die Lebenserscheinungen in einen vegetativen und einen animalen Kreis theilte, war die abweichende Erscheinung des Sympathieus sehr günstig zur Auf- stellung des Unterschiedes zwischen dem cerebrospinalen und sym- pathischen Nervensystem, welcher für so wichtig betrachtet wurde, dass alle anatomischen wie auch histologischen Daten zur Bestär- kung dieses Unterschiedes eifrig benützt wurden. Als die makro- skopischen Verhältnisse gestützt durch die histologischen Befunde die bezeichneten Nervensysteme so ziemlich scharf gegenüber- stellten, war die natürliche Folge der in dieser Richtung verfolg- ten Untersuchungen die Aufstellung des Satzes: das sympathische 1) Zu meinen Untersuchungen trug einestheils die Ungarische Aka- demie durch ihre materielle Unterstützung bei, wie auch Herr Prof. Dr. G. v. Mihalkovics, der so gütig war, zahlreiche Serienschnitte mir zur Ver- fügung zu stellen und mir auch mit Rath beistand, wofür ich sowohl der Akademie wie auch meinem hochverehrten Lehrer meinen tief gefühlten Dank ausspreche. 62 IA) Onbiaik Nervensystem ist ganz selbstständig und unabhängig vom cere- brospinalen Nervensystem. In dieser Riehtung wurden lange Jahre die Untersuchungen durchgeführt, bis wir die ersten bestimmteren Beiträge zur Ent- wieklung dieses Systems in Remak’s Werken auffinden. In seinem Werket), wo er die Urwirbel als Bildungsstätte des peripherischen Nervensystems erklärt und daher für das Letztere einen mesoder- malen Ursprung annimmt, beschreibt er die Entstehung des sym- pathischen Grenzstranges durch kurze faserige Schenkel, welche sich untereinander zu Bogen verbinden. „Der Darmkanal hat eben- falls sein eigenes ursprünglich gesondertes Nervensystem, dessen Anlage in den Wolff’schen laminae abdominales gegeben ist. Nach der Schliessung des Darmrohres schnürt sich in dessen gan- zer Länge bis zum Magen hin von den Darmnervenplatten auf Kosten der Dieke der Letzteren ein unpaarer, faseriger, später gangliöser Nervenstrang ab, welcher sich allmählich von dem Darmrohr entfernend mit demselben durch Nervenzweige in Ver- bindung bleibt und zu den grossen Mesenterialnervenbogen des erwachsenen Thieres wird.“ Vier Jahre später erschien die grosse Abhandlung Remak’s ?), welehe über vorgeschrittene Entwickelungsstadien Beiträge liefert. Es bildet sich beim Hühnchen am vierten Tage der Grenzstrang aus. Er beschreibt den schon vorerwähnten Darmnerv bei Em- bryonen aus dem sechsten Brüttage ausführlicher. Der während des siebenten und achten Tages fortwachsende Darmnerv erstreckt sieh nicht über die Einmündungsstelle der Pancreas- und Leber- sänge und zeigt keine Verbindung mit dem Magenast des Vagus. Am neunten Tage der Bebrütung beginnt sich der Darmnerv vom . Darmrohr zu entfernen und treten einige Fäden als erste Spuren der Darmnervenzweige auf. Zwischen dem sechsten und achten Brüttage zeigt sich die erste Anlage eines isolirten Nervenge- flechtes, welches Remak als Geschlechtsnervensystem bezeichnet und welches erst in der letzten Brütwoche Verbindungen mit dem Grenzstrange zeigt. Die den Darmnerven mit den übrigen Nerven- 1) Ueber die Entwickelung des Hühnchens im Ei. Müller’s Archiv 1843. 478, 480 8. 2) Ueber ein selbstständiges Darmnervensystem. Berlin 1847. $$ 18, 19, 20, 21, 44, 45, 46, 47, 48, 49. Ueber die Entwiekelung des sympathischen Nervensystems. 63 systemen verbindenden Mittelnerven treten um die Mitte oder am Ende der zweiten Brütwoche auf. Remak unterscheidet folgende Systeme: 1. das System der Spinalnerven, 2. das System der Grenznerven, 3. das Geschlechtsnervensystem, 4. das System der Darmnerven, 5. das System der Mittelnerven. Remak’s Verdienste sicherten auf lange Zeit seine Ansicht, dass das peripherische Nervensystem eine mesodermale Abstam- mung hat. Die Spinalganglien betreffend äussern sich in demsel- ben Sinne auch Bidder und Kupffer!). Sie betrachten jedoch die vorderen Wurzeln als feine aus dem Medullarrohre hervor- wachsende Fasern. Ebenso spricht sich auch Kölliker?) aus. Indem dadurch die Entwiekelung des peripherischen Nervensystems im Gegensatze mit Remak’s Ansichten auf zwei Keimblätter zu- rückgeführt wurde, war auch der Weg gebahnt und die Aufmerk- samkeit auf jene Frage gerichtet, ob es nieht möglich wäre, den Ursprung des peripherischen Nervensystems aus einem und zwar aus dem äusseren Keimblatte nachzuweisen. Das erste Zeichen dieses Strebens finden wir bei Hensen?), wenn er auch seine Behauptung mit positiven Daten nicht zu be- weisen vermag. Er sagt: „Von allen Gebilden, die aus den Ur- _ wirbeln entstehen, möchte ich mindestens die Ganglienzellen und die Muskeln der aus der Rinnenwand stammenden Zellen vindi- eiren.... Ich gehe sogar weiter, da die Sinnesapparate ja auch aus den Zellen des Hornblattes hervorgehen, halte ich es, soweit meine Kenntniss der embryonalen Verhältnisse geht, für durehaus glaubhaft, dass alle Ganglienzellen des Körpers, wo immer sie liegen, ursprünglich demselben Blatte angehört haben.“ Es folgten bald darauf His’ Untersuchungen, nach welchen er die Spinalganglien aus dem äusseren Keimblatte und zwar von ihm Zwischenstrang benannten Gebilde ableitet. Das Entstehen der vorderen Wurzeln erklärt er auch im Sinne Bidder’s und 1) Untersuchungen über die Textur des Rückenmarks und die Ent- wickelung seiner Formelemente 1857. S. 100, 101, 108, 116. 2) Gewebelehre des Menschen. 1867. S. 335—336. 3) Zur Entwickelung des Nervensystems. Virchow’s Archiv. Bd. XXX. 1864. S. 180. 4) Untersuchungen über die erste Anlage des Wirbelthierleibes. Die erste Entwickelung des Hühnchens im Ei. 1868. S. 78, 87, 117, 119, 170, 64 AD: Onadk Kupffer’s, das sympathische System betreffend schliesst er sich Remak’s Ansicht an: „dagegen sind die Ganglien des Sympa- thieus zunächst diejenigen des Grenzstranges, weiterhin aber auch diejenigen der visceralen Geflechte auf die Kerne der Urwirbel zurückzuführen.‘ An Querschnitten von fünf Tage bebrüteten Hühnerembryonen befinden sich unter dem Nervenstamme die An- lagen der Grenzstrangganglien. Bald erscheinen auch die Rr. com- municantes als aus feinen Fasern zusammengesetzte Stränge, deren Verlaufsverhältnisse S—10 Tage bebrütete Hühnerembryonen schön zeigen: bei welchen dieselben seitens der Spinalganglien und vor- deren Wurzeln zu den sympathischen Ganglien ziehen. Die Zellen der Grenzstrangganglien leitet er von den Urwirbelkernen ab, wie auch jene Ganglien, welche die visceralen Geflechte bilden. Es ist His’ Verdienst als Erster die Spinalganglien direct vom äusseren Keimblatte abgeleitet und daher Remak gegenüber einen scharfen Unterschied aufgestellt zu haben, wenn auch seine Untersuchungen wesentlich nur zum Theile bestätigt wurden. Dureh Götte’s!) Unsersuchungen wurden die Remak’schen Ansichten kräftig, wenn auch nur für kurze Zeit unterstützt. Er lässt die Spinalganglien aus dem medialen Theil des Urwirbels, das sympathische Nervensystem aus dem mittleren Keimblatte, und zwar selbstständig entstehen, welch letzteres erst später mit den Cerebrospinalnerven sich verbindet. Im Remak’schen Sinne erklären auch Foster und Bal- four?) die Abstammung der spinalen und sympathischen Ganglien. Das Jahr 1876 ist bedeutungsvoll, indem einerseits mehrere Forscher entsprechend ihren an verschiedenen Thieren durchge- führten Untersuchungen einen bestimmten Standpunkt Remak gegenüber einnehmen konnten, andererseits sie zu solchen Resul- taten gelangten, welche die wahre Entwickelungsweise, abgesehen Details, feststellten. Balfour?) fand bei den Selachiern, dass die Spinalganglien aus dem dorsalen Theil des Medullarrohres als Nervenleiste zum Vorschein kommen, welch letzteres Gebilde seit- 1) Die Entwickelungsgeschichte der Unke. 1872. S. 485, 489, 534. 2) Grundzüge der Entwickelungsgeschichte der 'Thiere. 1876. S. 150, 151,. 197. 3) The development of nerves in Elasmobranch fisches. Philosophie. Transact. 1876. S. 175—192, Ueber die Entwickelung des sympathischen Nervensystems. 65 wärts wachsend, sich einschnürt und sich dann vom Medullarrohre loslöst. Obwohl Balfour dem dorsalen Theil der doppelseitigen Ganglienkette eine andere Bedeutung beilegt, wurden seine An- gaben noch in demselben Jahre von Schenk und Hensen bestä- tigt. Schenk!) überzeugt sich über die Richtigkeitg Balfour’s Untersuchungen bei Bufo einereus und Torpedo marmorata, Hen- sen?) wieder beim Kaninchen. Die sympathischen Ganglien be- treffend finden wir. bei ihnen gar keine bestimmteren Angaben. Nur bei Schenk (I. e. p. 23—24) begegnen wir der ersten Ver- muthung über die Entwickelung der peripheren Ganglien. Er nimmt an, dass das Ganglion Gasseri neben seinen eigenen Ele- menten auch diejenigen enthält, welche zu den Trigeminuszweigen gehören: „Sie werden durch nicht hinreichend gekannte Wachs- thumsverhältnisse von der ursprünglichen Masse getrennt und an ihren bezüglichen Standort gebracht.“ Schenk vermag sich auf keine objective Befunde zu stützen. Im darauffolgenden Jahre erschien Marshall’s Arbeit ?), in welcher er Balfour's Angaben beim Hühnchen bestätigt, — so- wie auch Balfour’s Monographie ®), in welcher er auch ein kurzes Capitel dem sympathischen Nervensystem widmet. Er erkennt die ersten Spuren des sympathischen Nervensystems in jenen unregel- mässigen Zellenhaufen, die hinter der Vena cardinalis liegen und mit von den Spinalnerven kommenden kurzen Zweigen in Ver- bindung stehen. Wir finden bei ihm die erste bestimmtere, ob- wohl kurze und auf nicht zahlreiche Beobachtungen sich stützende Beschreibung, welche das sympathische Nervensystem als zum veripherischen Nervensystem gehörig indireet vom Medullarrohre ableitet. Aber selbst Balfour ist in seiner Behauptung zurück- haltend, denn er schliesst eine andere Entwicklungsweise keines- wegs aus: „lt is clear howewer that my investigations, though’ 1) Die Entwickelungsgeschichte der Ganglien und des Lobus electricus. -Sitzungsberichte d. K. Akademie Wien. Math.-naturw. Classe Bd. 74. 1870. 5. 19, 21, 28, 24, 27: 2) Beobachtungen über die Befruchtung u. Entwickel. des Kaninchens und Meerschweinchens. Zeitschrift f. Anat. u. Entw. Bd. I. 1876. 5. 372—3758. 3) On the early stages of developments of the nervs in birds. Journal of anatom. and physiol. Vol. XI. 1877. 8. 491—515. x 4) The development of Elasmobranch fishes. Journal of Anat. ‚and Physiol. Vol. XI. Part. III. 1877. 8. 438—439, / Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 26. 5 66 A ID) Dear: they may naturally be interpreted in this way, do not definitely exelude a completely different method of development for the sym- pathetie system.“ Ueber die Entwickelung des Sympathicus liegt noch eine Arbeit von Sehenk und Birdsall!) vor uns, welche sich auf Menschen-, Kaninchen- und Hühnerembryonen bezieht. Sie behan- delt die Frage nicht mit eingehender Präeision und die beigelegten Abbildungen sind auch keineswegs überzeugender Art. Wir be- halten uns vor, unsere diesbezüglichen Bemerkungen an einem anderen Orte eingehender zu machen, hier fassen wir nur in Kürze die Resultate benannter Arbeit in Folgendem zusammen: „Unsere Resultate nach den bisherigen Untersuchungen über die Entwicke- lung der Ganglien im Gebiete des Sympathicus ergaben, dass der- selbe kein isolirtes Geflecht ist, sondern nach seiner Entwieke- lungsweise mit dem übrigen Nervensystem in Verbindung steht. Ferner, dass die Ganglien des Sympathieus als vorgeschobene Massen aus dem Centralnervensystem zu betrachten sind, welche zwar nieht direet aus dem Nervensystem stammen, sondern aus den Ganglien in den übrigen Stammesnerven kommen, die ja er- wiesenermaassen aus vorgeschobenen Stücken des Centralnerven- systems gebildet sind.‘ Kölliker?) bestätigt in seinem Lehrbuche, die Spinalgang- lien betreffend, die Angaben Hensen’s und Marshall’s, spricht sich auch in eben erwähnter Richtung über die Abstammung der sympathischen Ganglien aus, ohne jedoch diese Ansicht mit ob- jeetiven Beobachtungen stützen zu können. In demselben Jahre erschien auch His’?) Abhandlung, in der er seine früheren An- gaben, die Spinalganglien und die vorderen Wurzeln betreffend, bekräftigt, ohne die wichtige Frage der Entwickelung des Sym- pathieus zu berühren. In einer späteren Abhandlung befasst er sich auch nicht mit dieser Frage, zieht jedoch seine frühere Be- 1) Die Entwickelung des Sympathieus.. Mitth. aus d. embryol. Institut in Wien. Bd. I. 1879. S. 214—226. 2) Entwickelungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. 2. Aufl. Th. II. 1879. S. 604—614, 614—618. 3) Ueber die Anfänge des peripherischen Nervensystems. Archiv f. Anat. u. Entw. 1879. S. 455 —480. 4) Die Lehre vom Bindesubstanzkeim (Parablast). Archiv f. Anat. u. Entw. 1882. $. 104, 105. - Ueber die Entwickelung des sympathischen Nervensystems. 67 hauptung zurück: „Die Geschichte der Sympathieusganglien ist noch zweifelhaft. Einige Neuere betrachten sie als abgelöste Stücke der Spinalganglienanlagen, ich selbst hatte früher geglaubt sie aus den Urwirbelkernen d. h. durch Vermittlung des Axenstranges aus dem Ektoderm ableiten zu können.“ In meinen diesbezüglichen Arbeiten!) habe ich meinerseits schon den Satz aufgestellt, dass das sympathische Nervensystem vom cerebrospinalen resp. von den Spinalganglien herstammt. Die kurzgefasste Einleitung erlaubt einen Einblick in die ausgebreitete und auf viele Jahre sich erstreckende literarische Thätigkeit. Im Allgemeinen, abgesehen von den mitterweile auf- setauchten Gegenmeinungen, können wir zwei Zeiträume unter- scheiden: im ersten, welcher bis zum Jahre 1876 dauerte, war die Remak’sche Ansicht, d. h. die Ableitung des peripheren Nerven- systems aus dem mittleren Keimblatte dominirend; im zweiten Zeitraume wurde dasselbe auf das äussere Keimblatt zurückge- führt. Die Aufmerksamkeit der Forscher war hauptsächlich auf die Entwickelung der Spinalganglien und Nervenwurzeln gerichtet so dass wir fast ausschliesslich nur bei Balfour, Schenk und Birdsall über die Entwickelung des Sympathieus Angaben finden. Aber selbst die Arbeiten der Letztgenannten waren wegen ihrer kleinen Ausbreitung und der geringen Zahl der Beobachtungen nieht im Stande, die Abstammung der sympathischen Ganglien aus den Spinalganglien zu allgemeiner Gültigkeit zu verhelfen, so dass noch in den neueren Lehrbüchern, wie in Schwalbe’s Neu- rologie die sympathischen Ganglien entwickelungsgeschichtlich den Spinalen gegenübergestellt sind, den ersteren eine directe meso- dermale Entstehung beigelegt wird. In dem Folgenden fasse ich die Resultate meiner Unter- suchungen über die Entwickelung des sympathischen Nervensystems zusammen. Die Untersuchungen erstrecken sich auf alle fünf Classen der Vertebraten. Von den Fischen stand mir Pristiurus melanostomus, Seyllium canicula, Seymnus, Torpedo, Mustelus laevis und Salmo IDrA.D: Önodi, Ueber das Verhältniss der cerebrospinalen Faser- bündel zum sympathischen Grenzstrange. Archiv f. Anat. u. Entw. 1884. — Derselbe, Ueber die Entwickelung der Spinalganglien und der Nerven- wurzeln. Internationale Monatsschrift f. Anat. u. Hist. 1884. Bd. I Heft 3 u. 4, 68 No aan fario, — von den Amphibien Triton eristatus, Salamandra maculata und Frösche, — von den Reptilien Lacerta agilis und muralis, Coluber ceaspius und Tropidonotus natrix, — von den Vögeln das Hühnchen, — von den Säugethieren Mensch, Kaninchen, Meer- schweinchen, Schwein, Katze, Hund, Kalb und Lamm zur Verfügung. II. Fische. An Selachierembryonen ausgeführte Untersuchungen!) über- zeugten uns daven, dass die erste Erscheinungsform des Inter- vertebralganglions die Ganglienleiste oder -Platte aus den an der dorsalen Seite des Medullarrohres sich befindlichen Zellen sich ent- wickelt und dass der vollständigen Abtrennung der bilateral nach vorne wachsenden Ganglienkette eine segmentale Einschnürung vorangeht. Bei einem 15 mm langen Embryo von Seyllium eani- eula schnürt sich die bilaterale Ganglienkette in der Höhe des distalen Mastdarmteiles ein und löst sich bald vom Medullarrohr ab; dem proximalen Theile des Embryos uns nähernd, finden wir überall an beiden Seiten des Medullarrohrs die alternirend auf- tretenden Intervertebralganglien mit einem stärkeren, mittleren und einem schmächtigeren dorsalen und ventralen Theil. Am proximalen Theile des Embryostammes zeigt unter der Chorda dorsalis das ventrale schmächtige Ende des Intervertebralgang- lions in Folge beginnender Zellenproliferation eine dreiseitige Verdiekung. Diese Zellenproliferation, in welcher wir das erste Stadium der Entwickelung des sympathischen Nervensystems erkennen, tritt segmental auf, die daraus resultirende Zellen- masse hängt innig mit dem Intervertebralganglion zusammen. Diese Zellensäule, welche in dieser Gestalt (Fig. 1 Gs.) das Interverte- bral- und das sympathische Ganglion in sich vereinigt, besitzt ansehnliche Dimensionen: ihr dorsoventraler Durchmesser beträgt 0,32 mm, ihr verdickter ventraler in der Höhe der unteren Wand des Unterleibsgefässes gelegener Theil hat einen von 0,08 mm. Die ganze Zellensäule ist stärker tingirt, mit scharfen Contouren, die 64—96 u grossen rundlichen Ganglienzellen sind dicht anein- ander gereiht und differiren klar von den blassen runden parachor- ‘ 1) A.D.Onodi, Ueber die Entwickelung der Spinalganglien und Nerven- wurzeln. Internationale Monatsschrift Bd. I Heft 3—4. 1884. Ueber die Entwickelung des sympathischen Nervensystems. 69 dalen und den gestreckten mesodermalen Zellen; auch zeigen sie vorzugsweise in der ventralen Anschwellung eine sehr lebhafte Theilung. Die einzelnen Elemente dieser Parthie umgeben die Wand des Unterleibsgefässes, ja erstrecken sich der ventralen Wand des Gefässes entlang bis an die Wurzel des Mesenteriums. Gleichen Schritt haltend mit der ersten Entwickelung des sym- pathischen Nervensystems trat bei demselben Embryo die Bildung und Abschnürung der Segmentalröhren auf. An Serienschnitten älterer, 135 mm langer Seylliumembryonen (Fig. 2, 3, 4) tritt das Product der an der unteren Seite des Inter- vertebralganglions auftretenden distalen Zellenproliferation am dis- talen Theile des Embroys ebenfalls segmental auf. Das Medullar- rohr ist von einem Saume weisser Substanz umgeben, zeigt deutlich den Austritt der hinteren Wurzeln und das Intervertebralganglion von durchziehenden Fasern herrührende Streifung. Die Entwicke- lung der Segmentalröhren ist lebhaft. Diese Embryonen zeigen das erste Abschnürungsstadium des sympathischen Ganglions. Die Länge der Gangliensäule beträgt 0,4 mm, die Zellen ihres unteren verbreiterten Theiles streben in der Höhe des unteren Randes der Chorda dorsalis theils in der Richtung des Unterleibsgefässes der Medianlinie zu, theils lateralwärts. Dadurch bildet der untere Theil der Zellensäule einen mit seiner Concavität ventralwärts gerichteten Bogen, an dessen äusserer Seite in diesem Stadium die Zellen- proliferation lebhafter vor sich geht, weshalb die Zellen hier ge- drängter aneinander gereiht sind. In proximaler Richtung wird die Abschnürung dieser lateralen Zellengruppe und ihre Entfer- nung von der Zellensäule immer ausgeprägter. Die fortschreitende Abschnürung lässt sich sehr gut verfolgen, — an einzelnen Schnitten verbindet noch eine doppelte Zellenreihe die schon scharf um- schriebene runde Ganglienmasse. Im proximalen Theile des Embryo- stammes finden wir die erste Erscheinung des sympathischen Gan- glions in Gestalt einer vollständig abgetrennten Ganglienmasse an der medialen Seite des faserigen Nervenstammes. Der Durchmesser des sympathischen Ganglions schwankt bis zum Zeitraume der voll- ständigen Abschnürung zwischen 0,032—0,0544—0,064 mm, seine dicht gelagerten Zellen sind 0,0064—0,008 mm gross. Ueberzeugend stellt sich uns das Bild der Entstehung des sympathischen Ganglions an der vollständigen Querschnittserie eines älteren 20 mm langen Scylliumembryos dar (Fig. 8). Am distalen 70 MD Onagn Theile des Embryos zeigt das Intervertebralganglion segmental die Verdickung ihrer unteren Seite in der Höhe der Chorda und des Unterleibsgefässes. Die Länge der Ganglienzellenkette beträgt im distalen Theile 0,368 mm, ihre Zellen sind stark tingirt und dicht nebeneinander gereiht, wodurch die ganze Zellensäule in ihrer segmentalen Erscheinung scharf hervortritt; die Zellen des Spinal- ganglions sind 64—96—112 u, die des unteren verbreiterten Theiles 48—64—96 u gross. Entsprechend der Richtung der Zellenpro- liferation bildet der untere Theil der Ganglienzellensäule ein mit seiner Basis ventralwärts gerichtetes Dreieck, an dessen medialer Seite die Anordnung der Zellen in der Richtung des Unterleibs- gefässes, an der lateralen Seite in der Richtung des faserig ver- laufenden Nervenstammes vor sich geht. In proximaler Richtung fortschreitend nimmt die Zellenproliferation am lateralen Theil des Endes der Ganglienzellensäule immer stärkere Dimensionen an, ihr Produkt beginnt an der medialen Seite des Nervenstammes durch das entsprechende Wachsthum des umgebenden mesoder- malen Gewebes einen immer ausgeprägteren in Folge dessen selbst- ständigeren Charakter anzunehmen. Die ventrale Breite der Gan- glienzellensäule beträgt in der Höhe des unteren Chordarandes 0,08 mm und das mit demselben lateralwärts durch Zellen noch verbundene umschriebene Zellenbündel oder sympathische Ganglion hat einen Durchmesser von 0,48 mm. An den folgenden Quer- schnitten können wir die Abschnürung des sympathischen Gan- glions auf das schönste verfolgen, das selbstständige sympathische Ganglion tritt segmental mit einem Durchmesser von 0,046— 0,048 mm auf, 0,096 vom Wolff’schen Canal und 0,32 mm vom dorsalen Ende des Segmentalrohres entfernt. An mehr proximalen Sehnitten ver- grössert sich das differenzirte sympathische Ganglion in medialer Rich- tung und gelangt einestheils ganz unter das ventrale Ende der Gang- lienzellensäule, andererseits zwischen Gefäss- und Segmentalrohre. Das sympathische Ganglion erscheint in dieser Gestalt als scharf umschriebenes segmental auftretendes diehtgefügtes Zellen- bündel, dessen Zellen 0,0048—0,0064 mm gross sind. Ein 25 mm langer Scyllumembryo zeigt schon vorgeschrittenere Verhältnisse, im proximalen Theile des Embryostammes beginnt die Entwickelung des sympathischen Grenzstranges. An der Herz- region entsprechenden Querschnitten ist in Folge convergenten Wachsthums der abgeschnürten sympathischen Ganglien der Grenz- u ee Ueber die Entwickelung des sympathischen Nervensystems. 71 strang des Sympathicus schon aufgebaut. Die Durchschnitte des Grenzstranges haben einen Querdurchmesser von 0,125—0,08 mm, einen dorsoventralen von 0,048—0,0214 mm, liegen hinter dem Oesophagus, ihre dichtgedrängten Zellen sind 32—48—64 u gross. An der ventralen und medialen Seite der Ganglien erscheinen durch- schnittene Nervenfasern, einzelne an der medialen Seite gelegene mit horizontalem Verlauf, und verlaufen in ventraler Richtung. Die Kette des bilateralen Grenzstranges erscheint in distaler Rich- tung eine Strecke hindurch ununterbrochen, ihre durchsehnittenen Ganglienbündel liegen der ventrolateralen Wand des Unterleibs- gefässes sehr nahe, ja liegen demselben fast auf, ihre convergenten unteren Enden sind dem Darmmesenterium gegenübergelegen. Das Ganglienbündel erscheint in variabler Grösse bald an der einen, bald an der anderen Seite. Zur Zeit des Auftretens der Vena cardinalis finden wir das Ganglienbündel zwischen beide Gefässe gelagert, ja in mehr distaler Richtung ganz an der dorsalen Wand der‘ Vena cardinalis gelegen. In der Höhe des distalen Theiles der Vena cardinalis hört der sympathische Grenzstrang auf, eine continuirliche Ganglienkette zu bilden, und wir begegnen nochmals isolirten segmental auftretenden sympathischen Ganglien mit einem Durchmesser von 0,32 mm, deren Zellen 48, 64, 80 u gross sind. Die sympathischen Ganglien, die im distalen Theile des Embryos stellenweise auf einer Seite den Intervertebralganglien entsprechend auch fehlen, sitzen der dorsalen Spitze der Segmentalröhren unmittel- bar auf und treten in der Nähe der Analmündung schon in sehr unregelmässigen Zwischenräumen auf. Im distalen Theile des Embryostammes tritt zwischen den Unterleibsgefässen ein stark tingirtes, dichtgefügtes, scharf umschriebenes Zellenbündel auf, wel- ches bis zur Analmündung eine continuirliche Kette bildet; wir können in demselben die unpaare Nebenniere erkennen. Am jüngsten der uns zur Verfügung gestandenen Mustelus laevis-embryonen, von einer Länge von 18 mm, konnten wir das erste Auftreten der sympathischen Ganglien nicht mehr beobachten; am proximalen Theile in der Gegend des Herzens treten die Grenz- ganglien schon isolirt mit einem Durchmesser von 0,064 mm auf, ihre Zellen sind 0,0064 mm, einzelne 0,008 mm gross. Tiefer in der proximalen Gegend der Venae cardinales sitzen sie der dorsalen Wand der letzteren auf, 0,064 mm vom Nervenstamm entfernt. Stellenweise (Fig.7 S) sitzt das sympathische Ganglion mit einem 2 AD; Omoda: kleinen Stiele oberhalb der Vena cardinalis unmittelbar dem Nervenstamme auf. In der Lebergegend und auch in etwas. mehr distaler Riehtung haben die isolirten Grenzganglien die bilaterale Ganglionkette, deren Dicke stellenweise verschieden ist, schon auf- gebaut. Mit dem Aufhören des sympathischen Grenzstranges treten die isolirten sympathischen Ganglien am dorsalen Theile der Vena cardinalis und des abgeschnürten Segmentalrohres auf. An zwei Sagitallschnittserien von Mustelus laevis erscheinen die sympa- thischen Grenzganglien isolirt in der Linie der Spinalganglien, „wischen dem dorsalen Theile der Segmentalröhrengruppen. Die Länge des das Intervertebralganglion mit dem sympathischen Ganglion gleichsam verbindenden schwachen Nervenstammes be- trägt 0,16 mm. Stellenweise erstrecken sich die Elemente des Spinalganglions in Gestalt eines schmalen Streifens bis in die Mitte des Nervenstammes. Das dem Nervenstanme aufsitzende Ganglion hat einen Durchmesser von 0,048 mm, die Ganglienzellen sind 0,0064 mm gross, rund und intensiver tingirt. An Frontal- schnitten eines Mustelus laevis treten die sympathischen Ganglien sleichfalls segmental auf. An Querschnitten 30 und 35 mm langer Mustelus laevis-embryonen tritt mit stellenweise verschiedenem Durchmesser bis zum distalen Theile der Leber und noch etwas weiter abwärts der aus den isolirten sympathischen Ganglien ent- standene continuirliche bilaterale Grenzstrang in schon ausgepräg- terer Gestalt auf. Am proximalen Theil hat der Grenzstrang einen Durchmesser von 0,1344—0,2240 mm. und finden sich in geringer Anzahl .durchschnittene Nervenfasern in demselben. An Querschnitten eines 30 mm langen Seymnusembryos be- gegnen wir dem gut ausgeprägten proximalen Theile des sym- pathischen Grenzstranges. Die continuirliche Ganglienkette nimmt in distaler Richtung variabel in ihrem Umfang ab, abwechselnd wiederholt sich stellenweise die mangelhafte Ausbildung des sym- pathischen Grenzstranges d. h. dessen Continuitätstrennung an einzelnen Stellen und von sympathischen Elementen ist keine Spur vorhanden. In keinem der untersuchten Torpedoembryonen konnten wir die erste Entwickelungsform der sympathischen Ganglien auffinden, nur an einzelnen Stellen konnten wir als unbezweifelbare Beweise ihrer Abstammung eine gut ausgeprägte gangliöse Verbindung zwischen Spinal- und Sympathicusganglion beobachten. Im pro- Ueber die Entwickelung des sympathischen Nervensystems. 73 ximalen Theile des Stammes eines 15 nım langen Torpedoembryos finden wir den bilateralen sympathischen Grenzstrang schon auf- gebaut, dessen durchschnittene Ganglienbündel treten continuirlich in verschiedener Grösse auf. Am proximalen Theil hat der Grenz- strang einen Durchmesser von 0,048—0,064 mm, seine Zellen sind 0,0064 mm gross, rund, scharf umschrieben und stark gefärbt. Und während die Durchschnitte des proximalen Grenzstranges mit wenn auch verschiedenem Durchmesser eine mehr rundliche Ge- stalt aufweisen und nur hier und da der untere ventrale Theil sich ein wenig hervorwölbt, so verändert sich in distaler Richtung die Lage und Gestalt der Ganglienbündel immer mehr, erst streckt sich dasselbe in schräger Richtung zur Längsaxe des Embryos, die beiden Ganglienbündel convergiren, dann nehmen dieselben eine mehr horizontale Lage ein mit ihrer grösseren Partie die dorsale Wand der Vena cardinalis deckend. Das Ganglienbündel ist in dieser Gestalt 0,0480 mm dick und 0,1280 mm breit, — der Um- fang kann jedoch dem verschiedenartigen Auftreten entsprechend auch grösser oder kleiner sein. Stellenweise sieht man sehr schön das Ganglienbündel an seiner medialen Seite sich stärker ver- diekend (0,064 mm) mittelst eines 0,0224 mm dicken Zellenstiels dem faserigen 0,0128 mm breiten Nervenstamme vollständig auf- sitzen. Das Ganglienbündel ist in dieser Gestalt 0,16 mm breit; an einzelnen Stellen steht das sympathische Ganglion seinem Ur- sprunge entsprechend an der medialen Seite des faserigen Nerven- stammes mit dem distalen Theile des Intervertebralganglions durch eine gut ausgeprägte Ganglienzellenkette in Verbindung (Fig. 6). Wir begegnen auch einem vorgeschritteneren Grade der Entwicke- lung, indem sich das Ganglienbündel stellenweise in der Richtung des Darmrohres verlängert und der Ganglienzellenfortsatz stellen- weise einzelne Nervenfasern entbält. Am distalen Theile hört der bilaterale Grenzstrang auf ein eontinuirliches Gebilde zu sein, die isolirten sympathischen Ganglien finden sich in der Höhe der ven- tralen Wand des Unterleibsgefässes mit verschiedenem Durchmesser, in transversaler Richtung verbreitert, wieder vor. Quersehnittserien älterer, 20 mm langer Torpedoembryonen zeigen die im vorigen erwähnten Bilder in ausgeprägterer Form; — der gangliöse bilaterale Grenzstrang ist im distalen Theile des Rumpfes auch schon besser aufgebaut, am segmentalen Ursprungs- orte des sympathischen Ganglions sind die Durchschnitte des Gan- 74 A.D. Onodi: slienbündels grösser, in querer Richtung gestreckt, hängen mittels eines schlanken (0,015 mm) Ganglienzellenstiels mit dem Nerven- stamme zusammen, stehen auch stellenweise mit dem Spinalganglion in Igangliöser Verbindung (Fig. 6). An einzelnen Schnitten fehlt der sympathische Grenzstrang, derselbe kann jedoch hier im Laufe der weiteren Entwickelung noch durch einen regelmässig seitens der isolirten sympathischen Ganglien vor sich gehenden Zellen- proliferationsvorgang ersetzt werden. Am distalen Theile bilden die abdominalen Ganglien in Folge Vermehrung ihrer Zellen an mehreren Orten in der Mittellinie einen gangliösen Bogen, aus welchem einzelne Zellenfortsätze und Nervenfasern zwischen den Venen in der Richtung des Mesenteriums vorwärts streben. Stellen- weise unterbleibt die Bildung des Bogens, das sympathische Gan- slion wächst auf einer oder beiden Seiten an der medialen Wand der entsprechenden Vena cardinalis nach vorne, dieselbe bis zu ihrer ventralen Seite eng umschliessend (Fig. 6 x). Stellenweise tritt in dem an der ventraien Wand der Vena cardinalis endigen- den Ganglienfortsatze eine Proliferation auf und die so entstandene Verdiekung — eigentlich das peripherische Ganglion — bildet neuerdings die Ursprungsstätte anderweitiger peripherischer Fort- sätze und Ganglien. Am distalen Theile eines noch älteren Torpedoembryos ist der bilaterale Grenzstrang schon in der Gegend der unpaaren Nebenniere vollständig, seine Durchschnitte weisen grossentheils Ganglienzellen, in kleinerer Anzahl Nervenfasern auf, ja sie ent- halten einzelne mit eingestreuten Ganglienzellen versehene Nerven- faserbündel, die zur ventralen Seite ziehen. Die Durchschnitte des bis zum Kopfe des Embryos gut ausgeprägt sich erstreckenden gangliösen Grenzstranges haben. einen sehr verschiedenen Durch- messer, oftmals hat der Grenzstrang der einen Seite einen anderen Durchmesser als der der anderen Seite, — in der Nähe der unpaaren Nebenniere ist der Grenzstrang stärker als in dem folgenden, bis an das distale Ende der Leber sich erstreekenden Theile; in der Gegend der Leber wird er wieder stärker und erreicht in der Höhe des proximalen Endes derselben eine beträchtliche Grösse. Die zelligen Elemente der Intervertebralganglien schreiten in ihrem Wachsthum vorwärts, während die der sympathischen Ganglien sich wenn auch vermehrend, doch im Wachsthum zurückbleibend, einen bemerkbaren Gegensatz zu den Elementen des Spinalganglions bilden. Ueber die Entwickelung des sympathischen Nervensystems. 75 Bei Fischen berührte bisher nur Balfour die Entwickelung des Sympathieus. In einer älteren Abhandlung!) sucht er das erste Auftreten des sympathischen Nervensystems in jenen unregel- mässig geformten Zellenhaufen, welche unmittelbar hinter der Vena cardinalis gelagert mit kurzen, den spinalen Nerven entstammenden Aesten zusammenhängen, und obwohl er auf Grund seiner Beob- achtungen die sympathischen Ganglien sowohl als das peripherische Nervensystem mittelbar aus dem Medullarrohr ableitet, ist er doch zurückhaltend und schliesst die Möglichkeit der Existenz eines anderen Entwiekelungsmodus durchaus nicht aus. In seinem später erschienenen grossen Werke ?) kennzeichnet er schon bestimmter, wenn auch nur in Kürze seinen Standpunkt und betrachtet die erste Form der sympathischen Ganglien als eine Verdickung des Nervenstammes, die sich von letzterem immer mehr entfernt, mit demselben durch einen kurzen Ast jedoch in Verbindung bleibt; in den Längseommissuren sieht er secundäre Produkte. Balfour behandelt die Entwickelung des sympathischen Nervensystems nur sehr kurz, er machte keine detaillirte Beobachtungen und stellte die Entwieklung der sympathischen Ganglien, indem er den Satz von grosser Tragweite, das peripherische Nervensystem sei das Produkt des Medullarrohrs, hinzufügte, im Allgemeinen fest. Auf Grund unserer Untersachungen konnten wir uns bei den Selachiern von der Entwickelung des sympathischen Nervensystems ein vollständiges Bild verschaffen, wir konnten den ersten Moment der Entwickelung und konnten dieselbe bis zum Aufbau und der Bildung des sympathischen Grenzstranges und der grösseren peri- pherischen sympathischen Ganglien und,Aeste verfolgen. In meiner die Entwickelung der spinalen Ganglien betreffenden Arbeit be- zeichnete ich schon den ersten Moment der Entwickelung des sympathischen Ganglions, welcher in dem am distalen Ende des Intervertebralganglions auftretenden Zellenvermehrungsvorgang sich manifestirt. Diesem Zellenproliferationsvorgang verdankt das sym- pathische Ganglion seine Entstehung und wir müssen in demselben ein mittelbares Produkt des Medullarrohrs, ein seitens des letzteren vorgeschobenes Gebilde erkennen. Die Gangliensäule besitzt in dieser Gestalt eine spindelförmige dorsale Verdiekung, einen schlan- 1) 1. c. $. 438-439. 2) 1. c. 8. 415-417. 76 AD Oo ken Mitteltheil und eine dreieckige ventrale Verdiekung; in dieser segmental auftretenden ventralen Verdickung äussert sich die nächste Anregung zur Entwickelung in jenem Zellenvermehrungs- vorgang, welcher von medialer Seite ausgehend die Ganglienele- mente in die Richtung des Unterleibsgefässes gelangen lassen will. Sogleich tritt derselbe Vorgang an der lateralen Seite der ventralen Verdiekung auf, dadurch zeigt die Gangliensäule an ihrem ven- tralen Ende eine in medialer und lateraler Richtung gestreckte Con- cavität. Während die neuen Ganglienelemente an der medialen Seite um das Unterleibsgefäss herum zwischen den Elementen des Mesoderma alsbala verwachsen, nimmt das Produkt der lateralen Seite eine ausgeprägtere Gestalt an, die Zellen legen sich dichter an einander an und der Brennpunkt des lebhaften Vorganges wird auf diesen Punkt verlegt. Im ferneren Verlaufe schnürt sich die an der lateralen Seite der ventralen Anschwellung durch Zellen- vermehrung vergrösserte Zellengruppe allmäblich ab, und im ab- geschnürten Ganglientheil tritt in seiner Selbstständigkeit das sympathische Ganglion auf. Durch das Wachsthum der zwischen dem abgeschnürten Theil und dem Intervertebralganglion gelegenen Mesodermazellen entfernt sich das sympathische Ganglion immer mehr von seinem Ursprungsorte und steht mit dem Nervenstamme, stellenweise auch mit dem Intervertebralganglion in zelliger Ver- bindung. Die segmental angeordneten isolirten sympathischen Ganglien sind, wie wir sahen, im Körper des Embryos dem Ver- laufe des ständigen sympathischen Grenzstranges entsprechend verschieden situirt. Sowohl die Entwickelung und Abschnürung der sympathischen Ganglien als auch die Bildung des sympathischen Grenzstranges geht im proximalen Theile des Rumpfes des Embryos schneller vor sich. Die Elemente der abgetrennten sympathischen Ganglien treten nämlich in Folge eines lebhaften Zellenproliferationsvor- ganges in sagittaler Richtung mit einander in Berührung und werden so durch Längscommissuren mit einander verbunden. Der sympathische Grenzstrang ist also eine secundäre Bildung, das Produkt einer Zellenvermehrung in den abgelösten sympathischen Ganglien. Aus dem sympathischen Grenzstrang wie auch noch vor der Bildung desselben aus den sympathischen Ganglien ent- wickeln sich anfangs gangliöse, später faserige peripherische Aeste, aus denen durch Absehnürung grössere peripherische Ganglien sich entwickeln. - Ueber die Entwickelung des sympathischen Nervensystems. a Bei den Selachiern entwickelt sich das sympatlische Nerven- system in der obenerwähnten Weise nur dem Rumpfe des Embryos entsprechend, am Kopftheile bestehen complieirte, schwierige Ver- hältnisse, deren Klarstellung wir uns für eine spätere Gelegenheit vorbehalten, jetzt wollen wir nur kurz mit einigen Worten den Kopftheil des Sympathicus berühren. Nur im vordersten Theil begegnen wir weiter vorgeschobenen peripherischen Ganglien, so dem Ganglion eiliare, hinsichtlich dessen morphologischer Bedeu- tung die Ansichten noch getheilt und unentschieden sind; — dieser Gegenstand war uns Stoff für eine andere Studie, anderen Orts werden wir denselben näher beleuchten. Das können wir jedoch schon hier bemerken, dass entsprechend unseren Untersuchungen und unserem daraus resultirenden Standpunkte wir allen im Gebiete des Rumpfes vorkommenden grösseren peripherischen Ganglien einen durchaus sympathischen Charakter beilegen, daher wir auch das Ganglion eiliare den peripherischen sympathischen Ganglien einreihen müssen. Wie gesagt, behalten wir das Nähere über diesen Gegenstand einer späteren Arbeit vor. Abgesehen vom Ganglion eiliare begegnen wir am Kopftheile nur den Kopfspinalganglien; da dieselben in den früher erwähnten Vorgang nicht mit einbezogen werden, entfällt auch naturgemäss die Entwickelung sympathischer Ganglien und eines Grenzstranges des Kopfes. Da wir uns in einer späteren Arbeit auch mit den spinalen Nerven des Kopfes eingehender befassen werden, wollen wir hier nur kurz unseren, die Auffassung der spinalen Ganglien des Kopfes betreffenden Standpunkt bezeichnen. Gegenbaur!) war der Erste, der die einzelnen zu den Kiemen ziehenden Aeste ‚des Nervus vagus selbst als einen aus dem Zusammenfluss meh- rerer spinaler Nerven entstandenen zusammengesetzten Nerven an- sah. Dieser Satz wurde im Allgemeinen bestätigt, die Details der Vagusgruppe sind jedoch zur Zeit noch nicht ins Reine gebracht. Uns gelang es nur an Mustelus laevis und Myliobatis aquila die zu den Kiemen ziehenden Aeste vollkommen zu isoliren und hatten dabei Gelegenheit uns zu überzeugen, dass jeder Kiemenast mit einer scharf umschriebenen spindelförmigen, grauen Anschwellung 1) Ueber die Kopfnerven von Hexauchus und ihr Verhältniss zur Wir- beltheorie des Schädels. Jena’sche Zeitschr. f. Med. und Naturw. VI. Bd. 1871. S. 517—534. 78 DE Doods versehen war, die bei anatomischer und histologischer Untersuchung sich als Ganglion erwies. Diese Thatsache, indem sie einerseits die Selbständigkeit der Kiemenäste und die angenommene Homo- logie bekräftigt, zieht andererseits eine andere unserem Stand- punkte entsprechende Auffassung der Ganglien nach sich. Da, wie wir gesehen, die sympathischen Ganglien aus dem distalen Theil der Spinalganglien sich entwickeln und dieser Process bei den Selachiern nur auf das Gebiet des Rumpfes beschränkt ist, so er- siebt es sich uns als natürliche Consequenz, dass wir in den iso- lirten Ganglien der den spinalen Nerven homologen Kiemenäste, nicht nur spinale Ganglien, sondern die Summe der spinalen und der denselben entsprechenden sympathischen Ganglien erkennen müssen. Von diesen Verhältnissen das Weitere später. Die Entwickelung des sympathischen Nervensystems betreffend lieferten bisher nur Balfour, Schenk und Birdsall kurze An- gaben. Balfour gebührt das Verdienst, den oben eitirten Satz aufgestellt und mit seinen einzelnen Beobachtungen der Ableitung des sympathischen Nervensystems eine ganz neue Grundlage ge- geben zu haben; es war ihm jedoch nieht möglich, die Frage mit der kurzen Berührung desselben dergestalt zu lösen, dass dieselbe allgemeine Verbreitung gefunden hätte; so gab er über die von uns ausführlich beschriebenen frühesten Stadien der Entwiekelung der sympathischen Ganglien keine Aufklärung, er liess auch andere wichtige Fragen, wie die Entstehung peripherischer Ganglien und Geflechte in den Eingeweiden und Visceralhöhlen unberührt. Schenk und Birdsall fassten ihre an Vogel- und Menschenembryonen ge- machten Beobachtungen in einer sehr lückenhaften Arbeit zusam- men, auf welche wir später in den die Vögel und Säugethiere betreffenden Capiteln ausführlicher zurückkommen werden. Wir haben hier zu bemerken, dass in einer früheren Arbeit Schenk ’s!) die erste Vermuthung über die Entwickelung der peripherischen Ganglien zu finden ist; er nimmt an, wie wir schon in der Ein- leitung erwähnt haben, dass im Ganglion Gasseri auch die Ele- mente der Trigeminuszweigen entsprechenden peripheren Ganglien enthalten sind. Wir haben erwähnt, dass seine Behauptung auf 1) Die Entwickelungsgeschichte der Ganglien und des Lobus electricus Sitzungsberichte d. Kais. Akad. Wien. Math.-naturw. Classe. Bd. 74. 1376. S. 23, 24. Ueber die Entwickelung des sympathischen Nervensystems. 19 gar keine objeetive Befunde sich stützt, und eigenthümlich erscheint uns jene Erklärung, in welcher er die in der nächsten Nachbar- schaft des Ganglion Gasseri gelegenen I—2 Ganglienzellen als ein in Entwiekelung begriffenes und in der Orbita liegendes Ganglion betrachtet. In der Einleitung haben wir die älteren Ansichten über die Entwiekelung der sympathischen Ganglien angeführt, wir wollen dieselben hier nicht wiederholen, unsere bisher schon bekannt ge- machten und auch auf Vogel- und Säugethierembryonen sich er- streekenden Untersuchungen haben jeden Zweifel ausschliessend die direete Abstammung der sympathischen Ganglien, des Grenz- stranges, der peripheren Ganglien und Geflechte der Eingeweide- höhle von den Intervertebralganglien und daher deren indirecte Abstammung vom Meduliarrohre resp. vom äusseren Keimblatte festgestellt. Im Schlusscapitel werden wir die schon festgestellten und bisher noch immer dunklen Verhältnisse des sympathischen Nervensystems berühren. Wir können aus den bekannten Pro- cessen die ausgebildeten Verhältnisse des Sympathieus, das partielle oder totale Fehlen einiger Theile, das so innige und nahe Ver- hältniss der sympathischen Ganglien und des Grenzstranges zum cerebrospinalen Nervensystem vollständig erklären. Beim Ampbio- xus konnte die Existenz der Spinalganglien nicht nachgewiesen werden, dem entsprechend fehlen auch die sympathischen Ganglien ‘und der Grenzstrang. Der sympathische Grenzstrang tritt beim Petromyzon auch nicht auf. Freud’s!) diesbezügliche Unter- suchungen enthalten sehr beachtenswerthe Angaben. Seinen Unter- suchungen gemäss existiren im Spinalganglion ausser den ventralen und dorsalen Ganglienzellen auch solehe, welche mit einem Ner- venzweige im Zusammenhange stehen, welcher mit dem Gefässe in innigerem Verhältniss steht, dasselbe begleitet und mit in seiner Bahn eingestreuten Ganglienzellen versehen ist. Diesen Nerven- zweig betrachtet er als sympathischen. Auf Grund unseres Stand- punktes müssen wir beim Petromyzon einen solchen embryonalen Zustand erkennen, wo in dem Spinalganglion auch noch das sym- pathische enthalten ist, dessen selbstständige Erscheinung erst bei höher differenzirten Fischen eintreten wird, daher beim Petromyzon 1) Ueber Spinalganglien und Rückenmark des Petromyzon. Sitzungs- berichte d. math.-naturw. Cl. d. Akad. Wien. Bd. 78. 1878. S. 119. 80 4, 0), aa in den bezeichneten Ganglienzellen des Intervertebralganglions die allererste Spur des sympathischen Ganglions zu suchen und natür- licherweise ein aus den abgesonderten sympathischen Ganglien sich entwickelnder Grenzstrang nicht zu beobachten ist. Bei den Knochenfischen kommt schon der Kopftheil des sym- pathischen Nervensystems zum Vorschein. Sehr oft beobachtet man makroskopische Verhältnisse, welche nur aut Grund der be- schriebenen Entwickelungsweise zu erklären sind, z. B. das Inter- vertebralganglion steht im direeten Zusammenhang mit dem sym- pathischen Ganglion und die beiden Ganglien sind nur durch einen schmalen Ganglienstiel getrennt. Beim Frosch ist die segmentale Anordnung des Sympathicus in sehr bemerkbarer Weise aufrecht- erhalten. Das vorderste sympathische Ganglion des Rumpfes und der vorderste Grenzstrangtheil setzen sich direet in das Ganglion des Vagus fort, um weiter zum Ganglion Gasseri zu ziehen. Dieses Verhältniss betreffend können wir unsere schon bei den Vagus- ganglien des Mustelus ausgesprochene Meinung nur wiederholen und auch beim Frosch das Vagusganglion als ein vereinigt geblie- benes Spinal- und Sympathieusganglion ansehen. Die Anomalien, welche sich im mangelhaften Auftreten des syinpathischen Grenzstranges äussern, werden auf Grund der oben erwähnten Angaben leicht erklärt. Wir haben gesehen, dass sich in einzelnen Fällen das sympathische Ganglion von dem spinalen nieht abschnürt, dass in den abgesonderten sympathischen Ganglien der Zellenvermehrungsvorgang ausbleibt, daher ist es leicht zu verstehen, dass der sympathische Grenzstrang, wie die Beobach- tung es bei Schlangen und Menschen gezeigt hat, hie und da in kleinerer oder grösserer Ausbreitung fehlt. Erklärung der Abbildungen auf Tafel IV. Fig. 1. Querschnitt des proximalen Theiles eines 15 mm langen Scyllium- embryos. Vgr. Hartnack S;0,. E Aeusseres Keimblatt, M Medul- larrohr, V Unterleibsgefäss, G abgeschnürtes Spinalganglion, an seinem distalen Ende das im Entstehen begriffene sympathische Ganglion. Ueber die Entwickelung des sympathischen Nervensystems. 81 Figg. 2, 3, 4. Querschnitte aus dem proxinalen Theile eines 18 mm langen Seylliumembryos. Ver. Hartnack S,0O,. M Medullarrohr, Ch Chorda dorsalis, Sp Spinalganglion, an seinem ventralen Ende mit x be- zeichnete Zellenpoliferation. S das abgelöste sympathische Ganglion. Querschnitt eines 15 mm langen Torpedoembryos. Vgr. Reichert S,0;. Ch Chorda dorsalis, mes Mesenterium, V Gefässe, S Symp. Gel. Querschnitt eines 30 mm langen Torpedoembryos. Vgr. Reichert S;0;. Ch Chorda dorsalis, M Medullarrohr, Sp Spinalganglion, n Nervenstamm, S sympathisches Ganglion, mit x bezeichnete peri- phere Ganglienfortsätze, mes Mesenterium. Querschnitt eines 18 mm langen Mustelus laevis. Vgr. Reichert S;03. Vv Gefässe, N Nervenstamm, S Sympathisches Ganglion. Querschnitt eines 20 mm langen Scylliumembryos. Vgr. Reichert S;053. M Medullarrohr, Ch Chorda, Sp Spinalganglion, mit x be- zeichnete Zellenproliferation, S das selbstständig werdende sympa- thische Ganglion. Vv Gefässe. mes Mesenterium. (Aus dem anatomischen Institute zu Kiel.) Untersuchungen über das Mundepithel bei Säuge- thieren, mit Bezug auf Verhornung, Regeneration und Art der Nervenendigung. Von Dr. Severin. Hierzu Tafel V. Nachdem ich die Resultate dieser Arbeit!) in meiner Disser- tation veröffentlicht habe, möchte ich sie in dieser Zeitschrift kurz zu einer allgemeinern Kenntniss bringen. Nach dem jetzigen Stande unserer Kenntnisse von der Epithel- verhornung schien sich mir für meine Arbeit folgende Fragestellung 1) Dieselbe ist als Preisaufgabe der Schassischen Stiftung auf der Uni- versität Kiel gestellt und ihr am 5. März 1885 der Preis verliehen. Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 26 6 \ 82 Severin: zu ergeben: Sind die histologischen Erscheinungen am Mundepithel, welche mit der Verhornung zusammenhängen, dieselben oder doch ähnliche, wie am Epithel der äussern Haut? Findet sich insbe- sondere auch hier ein Stratum granulosum und zeigt es dieselben Reaktionen, wie an der Epidermis? Lassen sich die oberfläch- lichen Zellschiehten überall, auch wo dasselbe dünner ist, nach ihren Reactionen als wirklich keratinisirt ansehen oder nicht? Kommt im Mundepithel ein Homologon des Stratum lueidum vor? Die granulirten Zellen unter dem Stratum lueidum entdeckte zuerst Aufhammer (1) in der Epidermis der Hohlhand. Dann zeigte Langerhans (2), dass sie constant in der ganzen Epider- mis vorkämen. Er vermuthete, dass es die Keimzellen der Horn- schicht seien. Unna (5) brachte sie hingegen bestimmt in Ver- bindung mit der Verhornung und wies nach, dass sie die Ueber- sangsschieht sind von noch nicht verhornten in verhornte Zellen. Seitdem sind die fraglichen Körner in verschiedenen Geweben nachgewiesen, auch in dem Epithel der Katzenzunge sind sie von. Renaut (4) beobachtet. Die letzte Arbeit ist die von Waldeyer (7), der sie als ein „Degenerationsproduet der Epidermiszellen“ betrachtet, das nur als eine Begleiterscheinung der Verhornung auftritt. In Anschluss an diese Befunde kann ich berichten, dass ich das Keratohyalin auch in der Schleimhaut der Zunge und des harten Gaumens verschiedener Säugethiere beobachtet habe. Ich begann meine Untersuchungen mit der Katzenzunge und wandte zuerst die Methode von Aufhammer (1) an. In diesen Präparaten sieht man je nach dem Grade der Verhornung mehr oder weniger Keratohyalinkörner. Sie sind verschieden gross, meist dicht zu- sammengedrängt und glänzend dunkelroth gefärbt. Sie liegen nicht, wie bei der Epidermis, in einer Ebene, sondern werden durch die Unebenheiten der Zungenoberfläche, die durch die Papillae filiformes bedingt werden, in eine unregelmässige Lage gebracht. In Folge der ungleichen Verhornung auf den Papillen und zwischen den- selben finden sich auch die Körner bald in einer grössern, bald nur in einer geringern Anzahl. Durch die Färbung mit Pikrocarmin erhielt ich dieselben Resultate. Dann wandte ich noch Hämatoxylin an, welches die Körnerschicht, entsprechend den Angaben früherer Untersucher, dunkelblau färbt. Untersuch. üb. d. Mundepithel bei Säugethieren,mit Bezug auf Verhornung ete. 83 Ich untersuchte noch die Zungenschleimhaut vom Menschen, Rinde, Schwein, Kaninchen, Meerschweinchen, Maulwurf, Hunde und von der Ratte. Bei allen diesen zeigte sich die Körnerschicht je nach dem Verhornungsgrade geringer oder stärker ausgesprochen, am reichliehsten in der Hundezunge. Auch die andern Schichten der äussern Haut mit Ausnahme des Stratum lueidum finden sich beim Zungenepithel im wesent- lichen wieder. Man sieht auf das subepitheliale Gewebe zuerst die Schicht Zellen folgen, die eylinderförmig, rund oder kubisch sind, dann kommt die mittlere Schicht, in der die Zellen sich parallel zur Oberfläche abgeplattet haben’und die Kerne geschrumpft sind. Es folgt nun die Körnerschicht. Während aber an vielen Orten der äusseren Haut das Stratum lucidum vorkomnit, fehlt dieses in dem Zungenepithel meiner Objecte; doch mache ich auf einen Fund Ranvier’s (3) aufmerksam. Schliesslich folgt die Horn- schicht, in der die Körner wieder verschwunden sind. Bekanntlich werden an der Zunge des Menschen keine absolut verhornte, kern- lose Zellen gefunden; ebenso behalten die Zungenepithelien der meisten von mir untersuchten Thiere ihren Kern, nur die Papillen der Zungen der Katze und des Hundes, vielleicht auch noch an- derer Thiere haben in ihrem Stratum corneum vollkommen ver- hornte Zellen, wie sie die Epidermis aufweist. Eine Doppelfärbung der Schnitte zuerst mit Pikrocarmin, dann nach Auswaschen in Wasser mit Hämatoxylin, die ich ver- suchte, ergab im gesammten Präparate nur eine dunklere Schat- tirung der rothen Farbe, als man sie durch Pikrocarmin allein erhält. Bei der Zunge vom Sehwein und Kaninchen wandte ich noch die Härtung mit 1°, Osmiumsäure an. Das Stratum corneum der Epidermis wird durch diese Säure, wie bekannt, nicht durch und durch schwarz gefärbt, sondern es bleibt in der Mitte eine weisse Zone, die von zwei tiefschwarzen Streifen, unten und oben, be- srenzt wird. (Näheres darüber s. bei Unna.) Ein solches Verhal- ten der Hornschicht kann man bei dem Zungenepithel nicht wahr- nehmen. Die Keratohyalinkörner sind hellbraun, die Hornschicht aber gleiehmässig dunkelbraun gefärbt. Ausser den Zungen der aufgezählten Thiere habe ieh noch den harten Gaumen der Katze, des Hundes, Kaninchens und Meersehweinchens auf Verhornung untersucht. Derselbe bietet 84 Severin: durch das Fehlen der Papillae filiformes bedeutend einfachere Ver- hältnisse als die Zunge und nähert sich in seiner Struetur mehr der Epidermis. Auch hier sieht man die Keratohyalinkörner den Uebergang bilden vom Stratum germinativum zum Stratum cor- neum. Letzteres zeigt bei dem Gaumen der Katze und des Hun- des einen stärkern Verhornungsgrad als beim Schwein und Ka- ninchen, doch ist die Dieke desselben und der Verhornungsgrad auf der Höhe der Leisten des Gaumens, auf den Abhängen und in den Thälern im ganzen eine gleich starke. Die von Waldeyer (7) angestellten Reactionen zur Prüfung der Keratohyalinkörner habe ich aus Mangel an Zeit nicht ver- suchen können. Doch beweist die Affinität der Körnchen zu Farb- stoffen, ihre Lage zwischen dem Stratum germinativum und cor- neum und ihre Gestalt hinreichend ihre Identität mit dem -Kera- tohyalin Waldeyer's. Hinsichtlich der Regeneration des Zungenepithels der Säuge- thiere handelt es sich um die Frage: Werden die Zellen durch indirecte Theilung erneuert, oder findet der Ersatz durch freie Zell- oder Kernbildung oder mit direeter Kerntheilung statt? Dann könnte man noch eine Combination der indireeten Kerntheilung mit der einen oder andern Zellbildung vermuthen. Nach den neueren Erfahrungen an andern Geweben lag die Vermuthung nahe, dass das Erstere der Fall sein würde. Zur Entscheidung behandelte ich frische Zungenstücke ausgewachsener Säugethiere nach den Methoden, wie sie damals zum Nachweise von Mitosen im Ge- brauch waren und fing mit der Schweinszunge meine Untersuchun- gen an. Hier fand ich bei zwei Zungen in allen Präparaten zahl- reiche Karyomitosen aller Phasen. Weiter fand ich bei der Zunge von drei Kaninchen sehr viele Kernfiguren, in dem Gaumenepithel aber weit weniger. Da ich diesen Unterschied in der Zahl der Theilungsfiguren zwischen dem Zungen- und Gaumenepithel auch bei den anderen Thieren fand, so kann man annehmen, dass die Zunge eine stärkere Ab- nutzung erleidet, als der harte Gaumen, und dass sie deshalb auch durch eine grössere Regenerationskraft der Zellen sich er- halten muss. Ebenso ist die Productivität der Zellen an der Ober- fläche der Zunge grösser als an der Unterfläche. Ich untersuchte noch die Zungen- und Gaumenschleimhaut von zwei Katzen und einem Hunde, bei denen sich gleichfalls viele direete Kerntheilungen fanden. Untersuch. üb.d. MundepithelbeiSäugethieren, mit Bezug auf Verhornungete 89 Einen unerwarteten Befund erhielt ich beim Meerschweinchen, bei drei verschiedenen Thieren in gleicher Weise. Neben zall- reichen Mitosen sah man eine Menge zweikemiger Zellen, die sich von der tiefsten Reihe hinauf bis zur Hornschicht erstreckten. An einzelnen Stellen waren fast lauter zweikernige Zellen, während sie an anderen wiederum spärlicher auftraten, doch waren sie in den tiefsten Zellenlagen durchweg selten. Immer sah ich nur zweikernige Zellen, niemals eine, die drei oder noch mehr Kerne gehabt hätte. Mehrkernige Zellen kommen bekanntlich in ver- schiedenen Geweben vor, und man hat früher (Nussbaum) wieder- holt die mehrkernigen Zellen als Repräsentantinnen einer direeten Zelltbeilung nach dem Schema von Remak aufgeführt. Dies ist allerdings nicht erwiesen, andererseits ist von Flemming (1) be- reits gezeigt, dass zweikernige Zellen entsteben können, indem eine Karyomitose eintritt und den Kern zerlegt, während der Zellkörper sieh nicht mit theilt, und dass auch in bereits mehrkernigen Zellen eine weitere Multiplication der Kerne durch Mitose erfolgen kann, während der Zellkörper in Ruhe bleibt. Ich hatte bereits die Untersuchungen mit den erwähnten Här- tungs- und Färbungsmethoden abgeschlossen, als mich Flemming mit seinem neuen Härtungsmittel, dem Chrom-Essig-Osmiumsäure- gemisch bekannt machte, wodurch das Auffinden der Kerntheilungs- figuren ausserordentlich erleichtert wird. Die Präparate, die ich nach diesem neuen Verfahren herstellte, bestätigen meine Befunde vollkommen. Abgesehen von den zweikernigen Zellen der drei Meer- schweinchen, habe ich bei meinen Untersuchungen nichts gefunden, was auf eine andere Regeneration der Zellen hindeuten könnte, als solehe durch indirecte Theilung. Bei der starken Abnutzung der Zunge ist die Zahl der Mitosen eine so excessive, und die Kernfiguren sind so klar sichtbar, dass eine Verwechselung aus- geschlossen ist. Meine Untersuchungen auf Nervenendigungen in der Schleim- haut des Mundes bei Säugethieren erstrecken sich hauptsächlich auf die Tastzellen und freien intraepithelialen Nervenendigungen. Am harten Gaumen vom Hunde, Schwein, Schaf und Kalb hat bereits Merkel (3) zahlreiche Tastzellen nachgewiesen. Während meiner Untersuchungen nach Theilungsfiguren in der Schweine- zunge sah ich in den Präparaten, die mit !/,°/,-iger Chromsäure 86 Severin: gehärtet und mit Hämatoxylin gefärbt waren, häufig Tastzellen neben den gesuchten Mitosen. Deutlicher beobachtete ich sie dann in Präparaten, die nach der Methode von Grenacher gefärbt sind. Man sieht sie sowohl einzeln als auch zu kleinern Gruppen vereinigt vornehmlich im Grunde der interpapillären Epithelzapfen, doch nicht selten auch höher an den Seiten der Papillen liegen. Eine Verwechselung derselben etwa mit Mitosen, wie sie W. Krause (l) für möglich hielt, ist ausgeschlossen. Von den übrigen Säugethieren untersuchte ich noch die Zun- genschleimhaut der Katze, des Maulwurfs und Kaninchens auf Tast- zellen, bei denen ich dasselbe Resultat erhielt. Zur Auffindung der intraepidermoidalen Nervenendigungen in der Mundschleimhaut wandte ich zunächst die von Ranvier (4) empfohlene Vergoldungsmethode an, die wohl zur Färbung von Nervenendigungen im Epithel die geeignetste ist. Das Löwit’sche Verfahren lieferte mir an diesem Objecte keine günstigen Resul- tate. Besser erging es mir mit der Cohnheim’schen Methode. Ich untersuchte zuerst die Zunge und den Gaumen vom Kaninchen, in denen, sowie in den Lippen desselben bereits Krohn (1) durch Gold gefärbte Faserausläufer gefunden hat. Dasselbe Verhalten fand ich in meinen Präparaten. Die dunkel gefärbien Nerven- fasern steigen zu dieken Stämmen vereinigt in den Papillae fili- formes auf, und von hier winden sich die Nervenfibrillen zwischen den Epithelzellen in die Höhe. Die Vergoldung ist auch in meinen Präparaten eine unvollkommene, indem nur an einzelnen Stellen die Nerven gefärbt werden, während an andern keine dargestellt sind, oder man sieht statt der eontinuirlichen Nervenfasern die be- kannten schwarzen Körner. Ueber das Stratum Malpighii hinaus ist keine Faser mehr sichtbar, sie enden alle innerhalb dieser Schicht. Ausser beim Kaninchen fand ich noch beim Schwein und Meerschweinchen in der Zunge und beim Pferde im harten Gau- men intraepitheliale Nerven, die ganz dasselbe Verhalten darboten, wie beim Kaninchen. Untersucht habe ich ausserdem noch die Zunge der Katze und Ratte, konnte aber dort keine freien Nerven- endigungen darstellen. Untersuch. üb. d. Mundepithel bei Säugethieren, mit Bezugauf Verhornung ete. 87 1» Literatur über die Verhornung geschichteter Epithelien. Aufhammer, Kritische Bemerkungen u. s. w. Verhandlung der phy- sikalisch-medicin. Gesellschaft in Würzburg. Neue Folge. Bd. I. 1869. Langerhans, Ueber mehrschichtige Epithelien. Virchow’s Archiv für patholog. Anatomie 55. Bd. Ranvier, Technisches Lehrbuch der Histologie. p. 867. Renaut, Sur les gämes interne et externe des poils rend lebdom des seanc de l’Acad. des Sciences. Paris 1880. Unna, Beiträge zur Histologie u. Entwiekelungsgeschichte der Haut und ihrer Anhangsgebilde. Archiv für mikr. Anatomie. XII. Bd. Unna, Entwickelungsgeschichte u. Anatomie der Haut in: Handbuch der Hautkrankheiten, Ziemssen’s specielle Pathologie u. Therapie. Waldeyer, Untersuchungen über die Histogenese der Horngebilde, ins- besondere der Haare u. Federn. Festgabe Henle’s. Bonn 1882. Max Cohen & Sohn. Literatur über die Verhornung geschichteter Epithelien. Flemming. 1) Ueber das Verhalten des Kerns bei der Zelltheilung und über die Bedeutung mehrkerniger Zellen. Archiv für patholog. Anatomie, Physiologie u. Klin. Mediein. Bd. 77. — 2) (Nach Schluss meiner Arbeiten erschienen): Studien über Regeneration der Ge- webe, Arch. f. mikr. Anat. Bd. 24, S. 371, IX. Regeneration ver- schiedener Epithelien durch mitotische Zelltheilung, von W. Flem- ming. Literatur über die Nervenendigungen im geschichteten Epithel. w Krause, Allgemeine und mikroskopische Anatomie. Hannover 1876. Krohn, Om fölenervenes forlöbi mangelags pladeepithelierne. Afhandle for doktorsgraden in Med. Kjöbenhavn 1875. Merkel, Ueber die Endigungen der sensiblen Nerven in der Haut der Wirbelthiere. Rostock 1880. Ranvier, Technisches Lehrbuch der Histologie. p. 752. 38 G. Broesike: Erklärung der Figuren auf Tafel V. Fig. 1. Epithel einer Hundezunge mit Alkohol gehärtet und Picrocarmin gefärbt. 1) Stratum subepitheliale, 2) Str. germinativum, 5) Str granulosum, 4) Str. corneum. Fig. 2. Epithel einer Meerschweinchenzunge in Flemming’s Osmiumgemisch gehärtet und mit Safranin gefärbt. In den untern Epithelschiehten Kerntheilungsfiguren, in den höheren Schichten zweikernige Zellen. > Se (2) [d% Epithel einer Kaninchenzunge. Die Nerven nach der Methode von Ranvier vergoldet. Ueber die sogenannten Grenzscheiden des Knochen- canalsystems nebst Bemerkungen über die Keratin- substanzen. Von Dr. &. Broesike, Custos am Kg]. anatomischen Institut zu Berlin. In meiner Arbeit „Ueber die feinere Struetur des normalen Knochengewebes“!) habe ich mittelst verschiedener neuer Metho- den den Nachweis zu führen gesucht, dass in den älteren Knochen- schichten des Menschen und verschiedener Thiere fast überall das Canalsystem des Knochens, d. h. die Haversischen Canäle, die Kno- chenlücken (Knochenkörperchen) und ihre Ausläufer durch eine eigenthümlich charakterisirte zarte Schicht begrenzt wird, welche im günstigsten Falle ein continuirliches System von Canälen und Canälchen durch die ganze Dicke des Knochens hindurch darstellt und welche ich als die „Grenzscheiden?) des Knochencanalsystems“ bezeichnet habe. Bei der Prüfung der chemischen Natur dieser l) Archiv f. mikroskop. Anatomie Bd. XXI p. 69. 2) Die „Grenzscheiden* der „Knochenkörperchen“ sind identisch mit den „Knochenkapseln“ von Rouget und E. Neumann. Ueber die sogenannten Grenzscheiden des Knochencanalsystems etc. 89 Grenzscheiden fand ich, dass dieselben nicht, wie E. Neumann glaubte, eine verdichtete Schicht der Intereeilularsubstanz repräsen- tiren, sondern eine von der Knochensubstanz differente chemische Beschaffenheit zeigen. Von allen bisher genauer bekannten orga- nischen Stoffen zeigten die Grenzscheiden nach meinen Unter- suchungen unzweifelhaft die grösste Aehnlichkeit mit den Kera- tinsubstanzen und ich habe deshalb keinen Anstand genommen, die Grenzscheiden auch als Keratinscheiden zu bezeichnen. Dem gegenüber hat Dr. Herbert Smith!) eine Arbeit aus dem Heidelberger physiologischen Institute veröffentlicht, in welcher er sich gegen meine soeben präcisirten Behauptungen wendet und in welcher er unter anderem sagt: „Der Schluss auf die chemische Natur der Grenzscheiden beruht auf Aehnlichkeiten, welche Broe- sike in dem Verhalten der Scheiden und des Keratins gegen ätzende Alkalien und gegen Verdauungsflüssigkeiten bemerkt zu haben glaubte.“ Seinerseits sucht er dann weiter den Nachweis zu führen, dass in dieser Beziehung zwischen beiden Substanzen nicht nur keine Aehnlichkeiten, sondern im Gegentheil chemische Verschiedenheiten existiren, welche ihn zu dem Schluss führen, dass die Scheiden nicht aus Keratin beständen, ohne dass er sich übrigens auch nur vermuthungsweise darüber äussert, woraus die letzteren denn nun eigentlich seiner Ansicht nach wirklich gebildet wären. Wenn ich so lange Zeit darüber verfliessen liess, bis ich auf die Smith’sche Arbeit eine Antwort gebe, so war daran die grosse Sicherheit schuld, mit der Smith auftrat und mich zunächst völlig an meiner eigenen Ueberzeugung unsicher machte. Angesichts dessen blieb mir natürlich nichts anderes übrig, als noch einmal mit möglichster Objeetivität und möglichst zahlreichen Versuchen an die Frage heranzugehen und mich dann zu entscheiden. Ich kann schon jetzt sagen, dass von allem Thatsächlichen, was ich in meiner ersten Arbeit behauptete, ich nicht in der Lage bin, das Geringste zurückzunehmen. Ich muss aber auch betonen, dass ich meine Schlüsse nicht ganz in der Weise gezogen habe, wie man dies aus der Smith’schen Arbeit fälschlieh folgern muss. Allerdings habe ich die Uebereinstimmung in dem Verhalten der Grenzscheiden und des Keratins gegen Alkalien besonders betont. 1) Zeitschrift f. Biologie IX. S. 469. 90 G. Broesike: Weit weniger Gewicht habe ich auf die Möglichkeit gelegt, die Grenzscheiden durch künstliche Verdauungsflüssigkeiten zu iso- liren, indem ich (8. 725) sogar noch besonders hervorhob, dass diese Isolationsmöglichkeit sehr wohl auch auf eine grössere Dichtigkeit der Scheiden gegenüber der übrigen Intercellularsub- stanz zurückgeführt werden könne. Dagegen habe ich ausser Al- kalien und Verdauungsflüssigkeiten noch eine Menge der aller- verschiedensten chemischen Substanzen und auch Färbemittel in ihrem Verhalten gegen die Grenzscheiden einerseits und das Ke- ratin andererseits geprüft, von denen ich mir nur irgendwie eine Wirkung auf dieselben vorstellen konnte und welche ich wenigstens zum Theil nicht umhin kann, hier noch einmal anzuführen. Es waren dies die Salz-, Salpeter-, Essig-, Oxal-, Schwefel- und Os- miumsäure in den verschiedensten Concentrationen, das Kochen in Wasser, ferner Eau de Javelle, Ammoniak, Aether, Alkohol, Kali und Natron carbonieum, endlich den allerdings chemisch nicht näher zu definirenden Process der Maceration. Nirgends konnte ich nennenswerthe Verschiedenheiten zwischen dem Verhalten der Grenzscheiden und den Epidermiszellen des Fingernagels entdecken, welchen ich mit denselben Reagentien der Controlle wegen be- handelte. Bevor ich des Näheren auf die mir von Smith gemachten Einwände eingehe, ist es vielleicht nothwendig, dass wir uns zu- erst darüber verständigen, was man denn eigentlich unter „Kera- tin“ versteht. Mir selbst galten bei meinen Untersuchungen über die chemische Beschaffenheit der Grenzscheiden die beiden Hand- bücher von Hoppe-Seyler!) als autoritative Quellen. In dem ersteren derselben äussert sich der Verfasser über die Hornstoffe in folgender Weise. Unter der Rubrik „Hornstoffe* subsumirt er zunächst zwei (grossgedruckte) Gruppen, das Elastin und das Keratin; an den letzteren Stoff reiht er (kleingedruckt) eine An- zahl von anderen Hornstoffen, nämlich das Neurokeratin von Ewald und Kühne, das Fibroin, das Seriein, Spongin und Conchiolin. Im Speciellen äussert er sich (Seite 111 Hdbeh. d. chem. Analyse) über das Keratin in folgenden Worten, die ich auch in meiner 1) Physiologische Chemie, Berlin 1881. Handbuch der physiologisch- und pathologisch-chemischen Analyse. Berlin 1883. Ueber die sogenannten Grenzscheiden des Knochencanalsystems etc. 91 ersten Arbeit wörtlich eitirt habe: „Aus Haaren, Nägeln, Horn, Federn, Epidermis und Epithelien erhält man durch Auskochen mit Aether, Alkohol, Wasser und verdünnten Säuren gereinigt Körper als Rückstände, welche die Form dieser Gewebe bedingen und die man, obwohl ihre Analysen nicht völlige Uebereinstim- mung ergeben haben, unter diesem gemeinsamen Namen Keratin zusammenfasst. Es ist sehr wahrscheinlich, dass diese Gewebs- theile auch nach der angegebenen Reinigung noch aus einem Ge- menge mehrerer Stoffe bestehen, deren Trennung noch nicht ge- lungen ist.“ .. . .. „Durch anhaltendes Kochen mit Wasser bei 150° C. zerlegen sie sich theilweise ..... In Essigsäure quellen diese Stoffe mehr auf als in Wasser, ohne dabei ihre Structur wesentlich zu ändern, in ceoncentrirter Essigsäure lösen sie sich meist beim Kochen. Mit verdünnter Schwefelsäure gekocht geben sie Leuein ete.“, d. h. also sie zersetzen sich. ‚In Aetzkalilauge oder schwieriger in Lösungen kohlensaurer Alkalien quellen sie und lösen sich besonders beim Erhitzen schwerer oder leichter.“ Hoppe-Seyler erwähnt noch einige andere Zersetzungsproducete der Keratinsubstanzen, die aber bei einem Vergleich mit den Grenz- scheiden ignorirt werden können, weil zu ihrer Darstellung stets grössere Mengen von Substanz erforderlich und diese Stoffe nicht mikroskopisch charakterisirt sind. Die Unverdaulichkeit des Ke- ratins ist selbst in der neuesten Auflage des Hoppe-Seyler’schen Buches weder als Charakteristieum noch als Mittel zur Darstellung irgendwie erwähnt. Sollte man bei einem trefflichen, gut durch- gearbeiteten Handbuche hier an ein absichtsloses Vergessen glau- ben? Oder geben über dies Fehlen vielleicht die Worte der Ein- leitung Aufschluss, in welcher es heisst: „Es ist in dieser Anlei- tung das ganze Augenmerk darauf gerichtet, schnell ausführbare Methoden zu geben, wo sich"solche bis jetzt geboten haben, doch musste dabei auch der Sicherheit der zu erwartenden Resultate genügend Rechnung getragen werden; eine Methode, welche, wenn auch schnell ausführbar, nicht unzweifelhaft sichere Resultate liefert, ist gänzlich zu verwerfen.“ Erheblich anders wird von W. Kühne oder wenigstens von seinen Schülern der Begriff des Keratins definirt. Nach diesen Autoren genügt es im wesentlichen irgend einen Körper oder eine Substanz mit verdauenden Flüssigkeiten zu behandeln. Was nach der Verdauung übrig bleibt, — wie lange dieselbe dauern muss, 92 -@. Broesike: ist nirgends bestimmt angegeben — ist Keratin oder Nuclein. Das Nuclein lässt sich aber leicht mittelst 1°/,-iger Natron- oder Kali- lauge entfernen. Den weitgehendsten Ausdruck findet diese An- _ schauung in der Arbeit von Smith, wenn derselbe sagt: „Um mich vorerst mit dem Verhalten des Keratins bekannt zu machen, habe ich dasselbe aus zwei Objecten, nämlich aus den Haaren weisser Kaninchen und aus menschlicher Oberhaut möglichst rein dargestellt.“ Man sollte nun denken, dass Smith sich für diese „reine“ Darstellung des Keratins der oben erwähnten Methode von Hoppe-Seyler bediente und die als Rückstand erhaltenen Kera- tinmassen alsdann auf ihre Unverdaulichkeit geprüft haben würde. Indessen weit gefehlt! Was er beweisen will, ist ihm schon Dogma. Er fährt fort: „Da die Reinigung vorwiegend in dem Fortschaffen von Eiweissstoffen zu bestehen hatte, wozu die Verdauung mit proteolytischen Enzymen das wenigst eingreifende Mittel bot, hatte ich sogleich Gelegenheit, die Resistenz des Keratins gegen diese Einwirkungen kennen zu lernen.“ Also das Keratin, welches er auf sein Verhalten gegen Verdauungsflüssigkeiten erst prüfen will, stellt er sich vorher durch dieselben Flüssigkeiten „rein“ dar! Wie dem auch sei, ob es richtiger ist, sich an das Handbuch von Hoppe-Seyler oder an die Ansichten der Schüler von W. Kühne zu halten, ich möchte, ohne entscheidendes Urtheil über diese schwierige Materie, doch zunächst betonen, dass, soviel ich weiss, der exacte Beweis dafür noch von keiner Seite geliefert worden ist, dass die bisher sogenannten Keratinstoffe sämmtlich und absolut unverdaulich sind, d. h. dass durch die Verdauungs- flüssigkeiten von denselben keinerlei Theile aufgelöst werden. Was Niemand, ich selbst am allerwenigsten, bezweifeln wird, ist, dass bei der Verdauung von verhornten Körpern eine grosse Menge von Substanz als Rest bleibt, welche tage-, ja wochenlang der Verdau- ung widersteht, so dass man hier füglich von Unverdaulichkeit sprechen könnte. Ob aber von sämmtlichen nach der Hoppe- Seyler’schen Angabe dargestellten und wenigstens bisher so be- zeichneten Keratinstoffen während der Verdauung gar nichts mehr abgelöst oder zerstört wird, ist keineswegs mit Sicherheit festgestellt. Im Gegentheil könnte man gerade wieder aus den Verdauungsversuchen von Smith selbst den Schluss ziehen, dass nicht alle Keratinsubstanzen der Verdauung auf die Dauer zu widerstehen im Stande sind. Smith erhält nämlich (ef. 1.e. p. 472) nach langer und intensiver Verdauung von weissen Kaninchen- Ueber die sogenannten Grenzscheiden des Knochencanalsystems etc. 93 haaren einen Rückstand, von dem er Folgendes sagt: „Ich habe dieses höchst saubere Präparat, in dem man mikroskopisch nichts als die zierlichsten dachziegel- und spindelförmigen flachen Zellen, richtiger gesagt, Zellmembranen, sah, wiederholt vorübergehend gekocht“ ete. Dies kann man füglich nicht anders verstehen, als dass Smith als Rückstand seiner Verdauungsversuche Zellmem- branen erhalten hat, während das verhornte Protoplasma derselben bei der Verdauung in Lösung gegangen ist. Oder sind nach seiner Ansicht in der Epidermis, in den Haaren etc. nur die Membranen der Zellen verhornt, nicht aber ihr Protoplasma? Letztere Ansicht würde allerdings den bisherigen Vorstellungen über den Verhor- nungsprocess gänzlich widersprechen. Die Wirkung der künstlichen Verdauung auf Haare und Epi- dermiszellen schildert Smith im übrigen so, dass schon im Be- ginn derselben „sich die anfänglich zu Boden sinkenden Haare mehr und mehr verfilzten, so dass sie gleichmässiger suspendirt blieben.“ Das Endresultat waren dann die erwähnten „Zellmem- branen“, über deren Bedeutung man eben aus der Smith’schen Schilderung nicht recht ins Klare kommt. Jedenfalls geht aus der- selben jedoch hervor, dass verhornte Körper sich gegen jene Ver- dauungsflüssigkeiten nicht gänzlich indifferent verhalten, wenn- gleich als Rückstand ein unverdaulicher Rest bleibt. Bei eigenen Versuchen, die ich an dem von der Oberfläche des Nagels abziehbaren Häutchen anstellte, fand ich Folgendes. Ich sah nach mehrtägiger Verdauung das hineingelegte Häutchen viel schlaffer und leichter zerreisslich werden, und die einzelnen Zellen nahmen ein blasseres, zarteres Aussehen an, ohne im übrigen sich sonst in Bezug auf Form und Volumen nachweislich zu än- dern. In gewöhnlichem Wasser blieben sie dagegen bis auf eine leichte Quellung unverändert. Ich glaube nun gern, dass, wenn man die künstliche Verdauung so lange wie Smith fortsetzt, die Zellen noch viel blasser und schlaffer erscheinen, so dass man Bil- der erhält, welehe durchaus den Eindruck von Zellmembranen machen mögen. Ich möchte also jedenfalls auch nach eigenen Untersuchungen die von Smith zwar geschilderte, aber im übrigen durchaus nicht bei seinen Schlüssen verwerthete Thatsache her- vorheben, dass die verhornten Körper sich gegen die Verdauungs- flüssigkeiten wenigstens in physikalischer Beziehung keineswegs indifferent verhalten, wenngleich eine ehemische Auflösung der- selben möglicherweise nicht erfolgt und in der That vielleicht 94 G. Broesike: sämmtliche Keratinstoffe selbst für die längste und intensivste Verdauung als unauflöslich zu betrachten sind. Der Beweis für die absolute Unverdaulichkeit der Keratin- substanzen müsste allerdings in exacterer Weise als von Smith erbracht werden. Die verhornte, zur Untersuchung gebrauchte Substanz müsste zunächst fein gepulvert werden — mindestens so fein, dass die einzelnen verhornten Zellen nicht mehr als com- paete Schollen existirten, sondern zerrissen wären; denn es scheint ja auch nach Smith’s Untersuchungen beinahe, als ob die Mem- branen verhornter Zellen noch eine ganz besondere Resistenz gegen verschiedene chemische Einwirkungen besässen. Aus diesem feinen Pulver müsste dann in der von Hoppe-Seyler angegebenen Weise das Keratin dargestellt werden; der erhaltene Rückstand müsste endlich mit Verdauungsflüssigkeiten behandelt und darauf hin geprüft werden, ob er sich unter dem Einfluss der letzteren irgendwie vermindert. Da die chemische Analyse der Keratinsub- stanzen bei Stoffen verschiedenen Herkommens sehr erhebliche Differenzen in der chemischen Zusammensetzung ergeben hat (ganz besonders in Bezug auf den Schwefelgehalt), so müssten alle bis jetzt bekannten verhornten Körper in den Bereich dieser Unter- suchung gezogen werden. Die Ausführung dieser Untersuchungen kann jedoch nicht Sache des Anatomen, sondern nur eines ge- übten Chemikers sein. Endlich muss man doch auch berücksichtigen, dass in thie- rischen Organismen ausser dem Keratin, Nuclein und Neurokeratin eine ganze Anzahl von anderen Stoffen existirt, welche für ebenso unverdaulich gelten. Ich nenne hier (ef. Hoppe-Seyler, chem. Analyse p. 234 bis 235) das Chitin, Spongin, Conchiolin und die amyloide Substanz. Es erscheint mir durchaus nicht ausgeschlossen, dass sich die Zahl dieser Stoffe noch vergrössert, wenn weitere Versuche insbesondere auch mit pathologischen Objecten angestellt werden. Natürlich bin ich mit Smith ganz einer Ansicht darüber, dass man hier, d. h. für die mikrochemische Gewebsanalyse un- möglich die vonMorochowetz!) gefundene Thatsache verwerthen kann, dass gekochte Eiweisssubstanz nach dem Trocknen bei 115° C. 1) St. Petersburger‘ med. Wochenschrift (1873), Jahrg. 3. 8. 3. Ueber die sogenannten Grenzscheiden des Knochencanalsystems etc. 5 in einen weder durch Pepsin noch Trypsin verdaulichen Körper verwandelt wird. Diese Thatsache, deren Nutzanwendung bei meinen Schlüssen Herr Smith mir zuschreibt, war mir vor dem Erscheinen seiner Arbeit gar nicht bekannt, da ich die Moro- chowetz’sche Arbeit gar nicht im Original hatte bekommen können und in der That auch für meine Untersuchungen daraus wenig zu entnehmen hatte; um so mehr frappirt war ich, bei Smith (l. e. pag. 473) folgenden Passus zu finden. „Auch die zweite Nutzan- wendung, welche Broesike wiederum gegen seine eigene Argu- mentation aus Beobachtungen von Morochowetz zieht, muss ich zurückweisen. Ich meine damit die interessante Umwandlung durch Siedehitze coagulirten Albumins nach dem Trocknen bei 115° C. in einen weder durch Pepsin noch durch Trypsin ver- daulichen Körper.“ Nachdem Smith dann im wesentlichen die Angaben von M. bestätigt hat, schliesst er mit den Worten: „So würde doch dieses glückliche Experiment am wenigsten gegen die Erkennung des Keratins an dessen Unverdaulichkeit anzu- führen sein, da es niemandem einfallen wird, Objecte der Ge- websanalyse bei 115° C. zu backen.‘ Smith lässt also keinen Zweifel darüber, wie thöricht diese Art der Argumentation wäre, deren er mich schmeichelhafter Weise für fähig hält. In Bezug auf die Unhaltbarkeit obiger Ar- gumente bin ich übrigens ganz seiner Ansicht, aber Smith würde mich sehr verbinden, wenn er mir den Nachweis liefern wollte, an welcher Stelle. meiner Arbeit ich etwas Aehnliches von mir gegeben habe. Ich würde aus diesem Nachweise mit einer ge- wissen Dankbarkeit die ernste Lehre ziehen müssen, künftig beim Niederschreiben meiner Arbeiten mit grösserer Sorgfalt zu Werke zu gehen. Nun habe ich aber den Namen von Morochowetz nur einmal beiläufig in der Anmerkung (l. e. pag. 717) erwähnt, auf welche Smith auch Bezug nimmt, und dort heisst es wörtlich: „Nimmt man hinzu, dass nach Morochowetz auch Keratin nicht einmal unverdaulich, sondern durch längere und intensivere Ver- dauung zerstörbar ist und dass nach Hoppe-Seyler das sogenannte Keratin wahrscheinlich aus mehreren chemisch verschiedenen Stoffen besteht, so hat man wie ich glaube, Grund genug, dieser Untersuchungsmethode eine grössere Reserve entgegen zu bringen, als dies bisher geschehen ist.“ Wo steht nun hier etwas von gebackenem Eiweiss? Wo ist eine zweite Nutzanwendung, welche 96 G. Broesike: ich gegen meine eigene Argumentation ziehe? Ich erwarte mit Spannung den Nachweis: da Smith denselben aber auf keinen Fall wird liefern können, so darf ich vielleieht die Hoffnung aus- sprechen, dass er in Zukunft die Arbeiten seiner wissenschaftlichen Gegner mit etwas mehr Aufmerksamkeit lesen wird. Mit den vorangegangenen Auseinandersetzungen beabsichtige ich übrigens keineswegs den Werth der künstlichen Verdauungs- methode als treffliches Hülfsmittel zur Darstellung verschiedener mikroskopischer Structurverhältnisse herabzusetzen. Im Gegen- theil muss ich sagen, dass, je mehr ich im Laufe meiner jetzigen Untersuehungen diese Methode angewandt und geprüft, um so mehr ich dieselbe auch schätzen gelernt habe. Gerade für die Darstellung und Beurtheilung der chemischen Natur der Grenzscheiden ist die künstliche Verdauung eine treffliche Methode, und ich freue mich bei genauerer Untersuchung mittelst derselben (allerdings im Gegensatz zu Smith) alles das bestätigt zu sehen, was ich in meiner ersten Arbeit ohne die exactere Anwendung der künstlichen Verdauung bereits festgestellt hatte. Indessen einen Vorwurf kann ich dieser Methode nicht ersparen, dass es nämlich nach den bisher darüber gemachten Angaben nicht möglich ist, eine in ihrer Wirkung einigermassen constante Verdauungsflüssigkeit darzustellen, obschon die meisten Untersucher dieselbe nach den Vorschriften von W. Kühne oder seinen Schülern angefertigt haben. Theoretisch sollte man meinen zu einer constanten Verdauungs- flüssigkeit gelangen zu können, indem man chemisch reines käuf- liches Pepsin !) mit Salzsäure oder einer anderen Säure in ganz bestimmten Procentgehalten mischt. So that ich in meiner ersten Arbeit und musste infolge dessen von Smith den Vorwurf er- leben, ich hätte mit einer unzuverlässigen Verdauungsflüssigkeit gearbeitet, obschon ich das Pepsin aus der als zuverlässig be- kannten Schering’schen Fabrik bezogen und die Flüssigkeit ganz nach der Kühne’schen Vorschrift zubereitet hatte. Ich gestehe nun gerne zu, dass eine nach den neuesten Angaben von Smith (l. ec. pag. 471) bereitete Verdauungsflüssigkeit nach meinen Ver- suchen zu dem Wirksamsten gehört, was ich auf diesem Gebiete zu prüfen Gelegenheit hatte. Indessen wenn man die Smith’sche Flüssigkeit auch immer ganz genau in derselben Weise bereitete, I) Leider scheinen alle käuflichen Pepsinpräparate unrein zu sein. Ueber die sogenannten Grenzscheiden des Knochencanalsystems ete. 97 genau dieselbe Quantität Schweinemagen nahm und dieselbe genau sechs Stunden bei 40° digeriren liess, so schwankte doch die Zeit, in welcher eine erbsgrosse Flocke von rohem Fihrin aufgelöst wurde, zwischen einer Minute und etwa einer halben Stunde, d.h. ich brauchte zur Verdauung in dem letzteren Falle die dreissig- fache Zeit wie in dem ersteren, ohne dass ich im Stande gewesen wäre, diese Differenz durch das eingeschlagene Verfahren irgendwie zu erklären. Würde man dieses Resultat auf schwerer verdauliche Körper übertragen, so würde die Auflösung derselben, wenn sie im günstigsten Falle drei Stunden in Anspruch genommen hätte, demzufolge im ungünstigsten Falle neunzig Stunden, d. h. vier Tage betragen. Immerhin will ich erwähnen, dass es mir in den meisten Fällen gelang, mittelst der Smith’schen Verdauungs- flüssigkeit die Fibrinflocke in wenigen Minuten aufzulösen. Indessen kamen von dieser Regel eben nicht seltene Ausnahmen vor, während man nach Smith (l. e. pag. 471) glauben könnte, dass die Wirkung bei seinem Verfahren eine völlig constante ist. In Bezug auf die Schnelligkeit des Verdauungseffectes schliesst sich an die Smith’sche Flüssigkeit die nach den Angaben von Hoppe- Seyler (Chemische Analyse p. 305) durch kalte Digestion der Schleimhaut eines Magens gewonnene Verdauungsflüssigkeit an, ohne sie jedoch zu erreichen. Erst in dritter Linie kommen nach meinen Erfahrungen diejenigen künstlichen Verdauungsflüssigkeiten, welche man sich — auch nach den Kühne’schen Angaben — zu- bereitet, indem man käufliches Pepsin in Salz- oder Oxalsäure auflöst. Hier ist die Wirkung im allgemeinen eine ziemlich ge- ringe. So kommt es nun, dass man bei den verschiedenen Unter- suchern, welche künstliche Verdauungsexperimente angestellt haben, so differente Angaben findet, dass man fast an der ganzen Me- thode irre wird. So fand z. B. Bikfalvi!) intacte Leberzellen noch nach zweitägiger Verdauung mittelst einer „kräftigen Ver- dauungsflüssigkeit“ vor; so ist es zu erklären, dass es Burg?) überhaupt nicht gelang, Knochensubstanz durch die Pepsinverdau- ung aufzulösen, obschon man an der verdauenden Kraft der von ihm angewandten Flüssigkeit nach seinen sonstigen Schilderungen 1) Bikfalvi, Centralblatt f. d. med. Wissensch. 1883. Nr. 46. 2) Burg, Veränd. einiger Gewebe und Seerete durch den Magensaft. Inaug.-Diss. Greifswald 1876. Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 26. x‘ 7 98 G. Broesike: nicht zweifeln kann; so findet man endlich bei einer Musterung der einschlägigen Literatur, dass von den unabhängigen Unter- suchern einzelne wie z. B. Pfeuffer!) betonen, dass sie nicht so intensiv wirkende Flüssigkeiten wie Kühne und seine Schule er- zielen konnten. Mit Recht zieht deshalb Hoppe-Seyler die Grenzen für die Beurtheilung der verdauenden Kraft einer Flüssig- keit ziemlich weit, indem er (l. e. p. 461) sagt, dass, erst wenn in zwölf Stunden keine Einwirkung der Verdauungsflüssigkeit auf das Fibrin zu erkennen oder Fäulnissgeruch aufgetreten ist, das Resultat als negativ anzusehen sei. Es ist also wohl kein Grund für Smith vorhanden, die weniger intensiv verdauenden Flüssigkeiten — wie auch z. B. die in meiner Arbeit angewandte — einfach mit der Bezeichnung „unzuverlässig“ abzuthun. Im Gegentheil wird möglicherweise eine langsame weniger intensive Verdauung für ausserordentlich viele Zwecke den Vortheil bieten, dass hierbei eine Anzahl von histo- logischen Details zur Erscheinung kommen, die bei schneller kräf- tiger Wirkung völlig verloren gehen. Sehr wünschenswerth er- scheint es aber angesichts dessen, wenn es gelänge, ein Pepsin- präparat von constanter Wirkung herzustellen. Das letztere könnte mit irgend einer Säure in bestimmten Procentgehalten ge- mischt werden und es müsste dann wohl endlich möglich sein, ziemlich genau die Zeit zu bestimmen, in welcher Eiweisskörper, Intercellularsubstanzen, elastische Fasern und andere chemische und histologische Elemente durch die Flüssigkeit aufgelöst werden. Kühne, der das grosse Verdienst hat, die von Andrejewiez und Stirling zuerst in die histologische Forschung eingeführte künst- liche Verdauungsmethode gründlich ausgebildet zu haben, wird sich vielleicht auch das weitere Verdienst erwerben, ein käufliches, haltbares und zu gleicher Zeit constant und genügend intensiv wirkendes Pepsin zu empfehlen. Es werden dann auch vielleicht endlich die Differenzen in den Angaben von Untersuchern auf- hören, welche mit dieser Methode arbeiten 2). 1) Pfeuffer, Arch. f. mikr. Anatomie XVI. S. 17. 2) Herr Prof. Salkowski macht mich auf das Pepsinpräparat von H. Finzelberg aus Andernach a. Rh. aufmerksam, welches allen Anforde- rungen in dieser Richtung genügen soll, welches ich aber leider nicht zu prüfen Gelegenheit und Zeit hatte. Allerdings ist dasselbe nicht chemisch rein zu nennen. Ueber die sogenannten Grenzscheiden des Knochencanalsystems etc. 99 Für die Trypsinverdauung gilt im wesentlichen dasselbe, was ich soeben für die Pepsinverdauung erörtert habe. Wenngleich Smith (l. e. p. 471) nicht begreift, welche Schwierigkeiten andere Beobachter, wie z. B. Waldstein und Weber!) fanden, derartig wirksame Lösungen wie er selbst zu erzielen, so bleibt doch darum die Thatsache bestehen, dass auch hier die Wirkung keineswegs eine so constante ist, wie man nach der Smith’schen Darstellung glauben müsste; Smith wird wohl auch nur die günstigsten Re- sultate benutzt und die ungünstigen als unzuverlässig eliminirt haben. Im übrigen hoffe ich mit den voranstehenden Erläuterungen einen genügend ausführlichen Commentar zu jener kurzen Anmer- kung in meiner ersten Arbeit (p. 717) gegeben zu haben, die in der That in ihrer Kürze missverstanden werden könnte. Ich werde nun des weiteren zu erörtern haben, ob sich die Grenzscheiden des Knochencanalsystems (wie Smith will) gegen Verdauungs- flüssigkeiten und Alkalien wirklich so wesentlich anders als die Keratinstoffe verhalten und ob man nach diesem Verhalten ge- zwungen ist, eine chemische Verschiedenheit beider Substanzen anzunehmen. Denn dass eine grosse chemische Uebereinstimmung zwischen den Grenzscheiden und dem Keratin in Bezug auf eine srosse Anzahl von sonstigen Reagentien thatsächlich existirt, wird von Smith wenigstens nicht geleugnet — wenngleich derselbe meine hierauf bezüglichen Behauptungen auch nicht direct bestätigt. _ Verhalten der 6renzscheiden des Knochencanalsystems gegen Verdauungsflüssigkeiten. In Bezug auf diesen Punkt habe ich in meiner ersten Arbeit die Behauptung aufgestellt, dass die Grenzscheiden ebensowohl gegen Pepsin-Oxalsäure wie gegen Trypsin ganz oder nahezu un- verdaulich sind. Ich glaubte mich zu dieser Behauptung berech- tigt, weil ich nach lange fortgesetzter Verdauung (mehrere Wo- ehen) und nach vollständiger Zerstörung der Intercellularsubstanz die Scheiden wohl isolirt vorfand und dieselben sich auch bei fortgesetzter Verdauung nicht wesentlich veränderten. PBetreffs der 1) Arch. de physiol. norm. et path., t. H, 2° Serie. 100 G. Broesike: Trypsinverdauung stimmten meine Resultate mit denen von de Burgh-Birch!) überein, welchem auch mittelst dieser Methoden die Isolation der Grenzscheiden gut gelang. Im Gegensatz dazu behauptet Smith (l. e. p. 477), dass bei der Pepsinverdauung, von welcher ich zunächst sprechen will, „die sanze eigentliche Knochensubstanz in Lösung gehe und dass wohl der Inhalt, aber nicht die Umgebung, d. h. Scheiden oder Membranen der Hohlräume unverdaulich zurückbleiben. Als an- fänglieher Rückstand, vor vollendeter Verdauung findet sich eine flockige, sehr langsam theils zu Boden gehende, theils nach oben steigende Masse, bestehend aus vielen Fetttropfen, sehr kleinen geschrumpften Kernen, Körnchen und Krystallen von Fett oder Fettsäuren, nebst zahlreichen isolirten oder verfilzten Haver- sischen Canälen, gefüllt mit fettglänzenden Massen oder mit den unverdaulichen, durch Hämatin gefärbten Resten von Blutkörper- chen. Hier und da gibt es in diesem Verdauungsstadium wohl auch isolirte Bildungen, die auf Kerne mit anhängenden Fragmenten der Zellsubstanz der Knochenkörperchen oder selbst auf deren „Grenzscheiden“ zu beziehen sind. Verdaut man aber diesen Rück- stand noch einmal, so ist von den an Knochenkörperchen erinnern- den Figuren nichts mehr zu sehen und statt der Haversischen Ca- näle mit Membranen findet sich nur deren Inhalt in Gestalt von mem- branlosen Ausgüssen verschiedenartigen Aussehens. Bis zur Un- kenntlichkeit zerbröckelt erscheinen die letzteren jedoch, wenn die Verdauung durch kräftiges Schütteln und Rühren unterstützt wurde. Ausserdem enthielt der Rückstand erkennbare Kerne der Knochen- körperchen.“ Man kann diese Worte kaum anders deuten, als dass Smith zunächst die Möglichkeit bestreitet, die Grenzscheiden überhaupt durch die künstliche Verdauung zu isoliren. Im günstigsten Falle sieht er diese Gebilde in undeutlichen Spuren. Indessen verschwin- den dieselben nach seiner Ansicht bei noch einmal wiederholter Verdauung vollständig, besonders wenn man letzteren Process „durch kräftiges Schütteln und Rühren unterstützt.‘ Merkwürdiger Weise bleiben nach so intensiver Verdauung ausser dem Nuclein der Kerne noch „membranlose Ausgüsse‘‘der Haversischen Canäle von „verschiedenartigem Aussehen“ zurück, über deren Deutung ich um 1) Centralblatt für die med. Wiss. 1879 S. 945. Ueber die sogenannten Grenzscheiden des Knochencanalsystems etc. 101 so mehr in Verlegenheit bin, daSmith eine Erklärung dafür nicht gibt und geronnenes Blut doch eigentlich verdaut sein müsste. Es gelingt ihm nicht einmal vollständig, diese „Ausgüsse“ durch kräftiges Schütteln und Rühren zu beseitigen: denn er findet sie selbst nach dieser Procedur nicht etwa aufgelöst, sondern nur „bis zur Unkenntlichkeit zerbröckelt“ vor. Er muss schliesslich immer zu Alkalien greifen, um diesen Rest ganz zum Verschwinden zu bringen. Die Differenz in unseren Resultaten erklärt Smith da- durch, dass ich mit „unzuverlässigen“ Verdauungsflüssigkeiten ge- arbeitet hätte. | Was zunächst den letzteren Punkt anbetrifft, so betone ich noch einmal, dass der Ausdruck „unzuverlässig‘ wohl kein ganz zutreffender ist, da es sich auch bei meinen ersten Versuchen um eine entschiedene Verdauungswirkung gehandelt hat. Es gelang mir doch immerhin in einigen Wochen, die Intercellularsubstanz eines entkalkten Knochenstückchens von !/, ebem Dicke vollständig aufzulösen und dadurch die Grenzscheiden zu isoliren, während man ein solches Knochenstückehen in einfacher Salzsäure von dem- selben Procentgehalt monatelang ohne nachweisbare Veränderung liegen lassen kann. Um aber auch dem Einwand zu begegnen, als hätte ich damals mit einer nicht genügend intensiven Flüssig- keit gearbeitet, so wandte ich bei den nachfolgenden Verdauungs- versuchen nur die von Smith selbst (l. e. p. 471) angegebene Me- tbode an, von welcher ich nach mannigfachen Vergleichen mit anderen Verdauungsflüssigkeiten nochmals gern anerkenne, dass sie in der That von allen am schnellsten und kräftigsten wirkt. Ich will schon hier vorausschicken, dass es mir selbst mittelst dieser intensivsten aller Verdauungsflüssigkeiten nicht nur gelang, die Grenzscheiden deutlich zu isoliren, sondern dass dieselben auch der Isolation einer fortgesetzten Pepsinverdauung wochenlang wider- standen. Eine Erklärung über die Differenz zwischen den Smith- schen und meinen Anschauungen werde ich zu geben versuchen, nachdem ich ausführlich geschildert habe, was vorgeht, wenn man den entkalkten Knochen in der von ihm angegebenen Weise verdaut. Bevor ich dies jedoch thue, kann ich nieht umhin, die In- sinuation von Smith (l. e. p. 476 unten) zurückzuweisen, als hätte ich irgendwo in meiner Arbeit behauptet, dass der unentkalkte Knochen überhaupt unverdaulich sei. Von dem letzteren habe ich 102 G. Broesike: zunächst überhaupt nicht gesprochen. Im Uebrigen hatte ich doch nur gesagt (p. 717), dass in der Literatur bisher, d. h. als ich meine Arbeit schrieb, anscheinend keinerlei Pepsin-Verdauungsversuche erwähnt waren, mittelst deren es „gelungen wäre, weder den ent- kalkten Knochen zu zerstören, noch ‚die Grenzscheiden zu iso- liren.“ Es ist also doch wohl nicht ganz correct von Smith, die Sache so darzustellen, als ob ich die Unverdaulichkeit, sei es des kalkhaltigen, sei es des unentkalkten Knochens behauptet hätte, während ich doch selber am eben eitirten Orte erwähne, dass es mir gelungen wäre, durch die künstliche Verdauung die Grenz- scheiden zu isoliren. Wenn man einen möglichst dünnen, für die mikroskopische Untersuchung geeigneten Rasirmesserschnitt in etwa 200 cbem der Smith’schen Verdauungsflüssigkeit hineinlegt und die letztere bei etwa 40° C. wirken lässt, so zeigen sich in dem Schnitt schon nach einer bis zu mehreren Stunden mit blossem Auge deutlich siehtbare Löcher und Lücken, welche darauf zurückzuführen sind, dass die Knochensubstanz zuerst um die Haversischen Canäle herum verdaut wird. Der unverdaute Rest des Schnittes behält zunächst vollständig seine Consistenz und sonstige Beschaffenheit, wie es überhaupt eine Eigenthümlichkeit der Verdauungsmethode ist, dass nicht etwa eine gleichmässige Erweichung und Auflösung des hineingelegten Knochenstückchens stattfindet, sondern dass an allen peripherischen Angriffspunkten von dem letzteren Stück für Stück wie von einem Zahne abgefressen wird, während der unverdaute Rest keine Veränderung zeigt. Man wartet nun, bis die Lücken so gross geworden sind, dass sich nur noch geringe Reste des Scehnittes in Gestalt einer Art von festem Balkenwerk von Kno- chensubstanz vorfinden und bringt alsdann den theilweise verdauten Schnitt auf den Objeetträger. Dieser Act, die Herausnahme und Ueberführung des Schnittes auf den letzteren, muss sehr langsam vund orsiehtig geschehen: Man darf eben nicht vergessen, dass die Grenzscheiden des Knocheneanalsystems ein Netzwerk von ausserordentlicher Feinheit und demzufolge nicht unbedeutender Zerreisslichkeit darstellen — wovon man sich leicht mittelst an- derer Isolationsmethoden überzeugen kann. Manchmal sind sie kräftiger entwickelt, und dann ist natürlich bei dem Herausfischen des theilweise verdauten Schnittes keine so grosse Vorsicht zu beobachten. Verfährt man jedoch bei diesem Act brüsk, so kann Ueber die sogenannten Grenzscheiden des Knochencanalsystems etc. 103 es passiren, dass sämmtliche Fäden des isolirten ‚Netzwerkes ab- reissen, und man kann den Eindruck gewinnen, als wären die Grenz- _ scheiden überhaupt der künstlichen Verdauung unterlegen, durch die letztere aufgelöst. Ich konnte die Zerreisslichkeit derselben mehrere Male in eclatanter Weise beobachten, wenn ich es versuchte, ein solches Präparat von einem Objectträger auf den anderen umzu- betten. Bei der ersten mikroskopischen Musterung sah ich das Netzwerk noch sehr deutlich; bei der zweiten war nichts mehr da- von zu erblicken. Indessen ist es nicht schwer, sich an vorsichtig mittelst eines platten Häkchens herausgefischten Objeeten zu über- zeugen, dass sich zwischen den Resten wohl erhaltener und unver- dauter Knochensubstanz ein feines Netzwerk von genau derselben Anordnung wie die Knochencanälchen befindet. Die charakteristi- schen Formen der Knochenkörperchen sind in dem Gewirr von feinen Fäden meistens nicht deutlich zu erkennen; man muss eben nicht vergessen, dass dieselben sowohl auf Quer- wie auf Längs- schnitten von Röhrenknochen stets im kleinsten Durchmesser ge- troffen werden. Am, besten treten sie dann hervor, wenn die Knochenzelle verfettet war und ihre Lage somit durch das unver- daute Fett markirt wird. In den Verdauungslücken um die Ha- versischen Canäle fanden sich jedoch vielfach gar keine Grenz- scheiden, was einfach darauf zurückzuführen ist, dass die Knochen- zellen in der Nähe der Canäle, wie ich schon in meiner früheren Arbeit hervorgehoben habe, wahrscheinlich infolge der besseren Ernährungsverhältnisse noch protoplasmatisch und sternförmig sind und in diesem Stadium noch gar keine Grenzscheiden zeigen. In letzterem, recht hänfig vorkommenden Falle fehlen natürlich auch die Haversischen Canalscheiden. Hierzu muss ich jedoch die Bemerkung fügen, dass man zu- nächst nicht erwarten darf, das isolirte Netzwerk der Grenzschei- den genau in derselben Schärfe und Deutlichkeit zu erblicken, wie wenn man dasselbe z. B. mittelst des von mir angegebenen Essigsäure-Glyceringemisches dargestellt hat. Denn wenngleich die Grenzscheiden durch den Verdauungsprocess nicht aufgelöst werden, so werden sie doch optisch in gleicher Weise verändert, wie ich dies vorhin für die Zellen des Nagels angegeben habe, d. h. sie werden blasser, zarter, schlaffer und anscheinend auch zerreisslicher, ohne im übrigen an Volumen zu verlieren. Dass sie trotz dieser optischen Veränderungen noch existiren, kann man leicht 104 G. Broesike: klarstellen, wenn man einem solchen Präparate etwas starken, etwa 95 °/o-igen Alkohol zusetzt. Alsdann tritt das Netzwerk so- fort um vieles deutlicher und schärfer zu Tage; allerdings bilden sich um dasselbe herum kleine Niederschläge, Körnchen ete., die es theilweise verdecken können. Noch überzeugendere Bilder er- hielt ich jedoch, als ich nach dem Vorschlage Prof. Waldeyer’s versuchte, dasselbe zu färben. Von verschiedenen Färbemitteln fand ich das essigsaure Carmin am zweckmässigsten. Verdaute Schnitte mit dem isolirten Netzwerk wurden auf 24 Stunden in eine Lösung davon gelegt und konnten dann in Glycerin conser- virt werden. An solchen Präparaten sieht man nach der Tinction die unverdauten Knochenreste dunkelroth gefärbt. Zwischen den letzteren ist das Netzwerk der Grenzscheiden blassroth, aber sehr deutlich siehtbar geworden. In den Scheiden der Knochenkörper- chen sieht man die dunkler gefärbten unverdauten Kerne stecken; mit Ausnahme der letzteren und etwaiger verfetteter Knochenzellen finden sich zwischen den isolirten Grenzscheiden keinerlei Reste von Intercellularsubstanz mehr vor — sie erscheinen so scharf wie mit dem Meissel aus der Knochensubstanz herausgearbeitet. Es ist dies die von mir hervorgehobene Eigenthümlichkeit der künst- lichen Verdauung gegenüber anderen Isolationsmethoden, bei wel- chen man um die isolirten Scheiden meistens noch anhängende Reste der zerstörten Knochensubstanz vorfindet. Die mittelst der Carminfärbung dargestellten Bilder sind so überzeugend, dass, wer sie einmal gesehen hat, jedenfalls nicht die Möglichkeit bestreiten kann, die Scheiden durch die künstliche Verdauung zu isoliren; da ist keineswegs von undeutlichen Spuren die Rede, wie Smith will, sondern man erhält das zusammenhängende Canalsystem des Knochens durch die isolirten Gebilde deutlich repräsentirt. Ich habe dergleichen Präparate Professor Waldeyer vorgelegt und sprach derselbe die Ansicht aus, dass er das isolirte Netzwerk nur auf die Grenzscheiden zu beziehen im Stande sei. Eine Ver- wechslung derselben mit den elastischen Fasern des Knochens oder mit Pilzfäden wäre vielleicht möglich, könnte aber nur dem Anfänger passiren, überhaupt fand ich — wenigstens an den von mir untersuchten Verdauungspräparaten — niemals elastische Fa- sern vor und möchte daher glauben, dass dieselben schon vor der Isolation der Grenzscheiden durch den Verdauungsprocess aufge- löst werden. * Ueber die sogenannten Grenzscheiden des Knochencanalsystems ete. 105 Wenn im Gegensatz zu Smith es also durchaus keine Schwie- rigkeit macht, die von mir schon in meiner ersten Arbeit be- hauptete Möglichkeit der Isolation der Scheiden, und zwar nach vollendeter Verdauung der zwischen ihnen gelegenen Knochen- substanz, nachzuweisen, so wäre allerdings noch der weitere Be- weis zu erbringen, dass die Scheiden der künstlichen Verdauung auch noch längere Zeit nach der Isolation, d. h. mindestens mehrere Tage widerstehen. Dieser Beweis bietet mancherlei Schwierig- keiten. Wenn man nämlich sehr dünne mikroskopische Knochen- schnitte so lange verdaut hat, bis ausser den Grenzscheiden jede Spur von Intercellularsubstanz aufgelöst ist, was mit der Smith’- schen Flüssigkeit in 24 Stunden sicher gelingt, so macht es natür- lich grosse Schwierigkeiten, den unverdauten Rest des Schnittes, d. h. das feine blasse zarte Netzwerk der Scheiden in der Ver- dauungsflüssigkeit überhaupt wahrzunehmen. Wer kein weiteres Interesse an der Sache hat und flüchtig zusieht, nimmt schon nach der angegebenen Zeit von dem hineingelegten Object anscheinend gar nichts mehr wahr und kann sich dann mit der Vorstellung tragen, dasselbe wäre, abgesehen von einigen Fetttröpfehen und Kernen vollständig verschwunden und aufgelöst. Das ist aber nicht der Fall. Bei genauerem Zusehen bemerkt man stets an irgend einer Stelle der Flüssigkeit eine blasse Flocke, ähnlich wie ein Pilzhäufchen liegen; fischt man dieselbe vorsichtig heraus und färbt sie in Carmin, so sieht man genau dasselbe Netzwerk, wie an den halbverdauten Schnitten — nur (dass jetzt jede Spur von intervaginaler, d. h. zwischen den Scheiden befindlicher Knochen- substanz verschwunden ist. Ich habe dergleichen Präparate auf- gehoben, welche sich in Glycerin bis jetzt gut gehalten haben und welche sehr klare, schöne und überzeugende: Isolationsbilder der Grenzscheiden geben. Hiermit ist zunächst bewiesen, dass auch nach Auflösung der übrigen Intercellularsubstanz, d. h. nach vollständig vollendeter Verdauung in dem Sinne von Smith die Grenzscheiden unver- ändert zurückbleiben. Dieselben sind zwar etwas aufgehellt und schlaffer als nach der Isolation mit dem Essigsäure-Glyceringemisch, aber im Uebrigen völlig erhalten. Mit diesem Resultat könnte ich eigentlich die Frage für abgeschlossen ansehen, da Ewald und W. Kühne bei der Darstellung des Horngerüstes der Nervenfaser das letztere noch nicht einmal so lange Zeit der Verdauung unter- warfen und es trotzdem zu den Keratinsubstanzen rechneten. 106 G. Broesike: Will man sich jedoch überzeugen, ob die Grenzscheiden der Pepsinverdauung auch noch weiteren Widerstand leisten, so ist natürlich die erste Bedingung die, dass man die Verdauungsflüs- sigkeit, mit der man das Object behandelt, täglich mindestens einmal erneuert und sich vor der Erneuerung mittelst der Fibrin- flocke darüber orientirt, ob die Flüssigkeit überhaupt die nöthige verdauende Kraft besitzt. Dies geschah stets bei den nachfolgen- den Versuchen, bei welchen ich wiederum die kräftigste, die von Smith selber angegebene Verdauungsflüssigkeit benutzte. Da mir zunächst für die längere Verdauung von dünnen Schnitten die Kühne’sche Verdauungsvorrichtung für mikrosko- pische Zwecke nicht zu Gebote stand, und andererseits bei der oft wiederholten Erneuerung der Verdauungsflüssigkeit oder dem Umbetten der zarten Flocke von isolirten Grenzscheiden die letz- teren sich häufig verfilzten oder zerrissen, so suchte ich mir da- durch zu helfen, dass ich einen Objectträger benutzte, in dessen Mitte eine Höhlung zur Aufnahme des Schnittes ausgeschliffen war. Der Objeetträger wurde in eine flache Schale mit Verdauungs- flüssigkeit gelegt und der zu verdauende Schnitt in die ausge- schliffene Höhlung gebracht. Nach 24 Stunden sah man an der Stelle des letzteren wieder einen feinen Belag liegen, welcher stets die Form und den Umfang des hineingelegten Schnittes hatte und sich bei mikroskopischer Untersuchung aus dem oben beschriebenen Netzwerk der Grenzscheiden bestehend zeigte. Um dies zu con- statiren, deekte ich von oben her ein grosses Deckglas über die ausgeschliffene Höhlung, nahm hierauf den ganzen Objectträger mit dem darauf liegenden Deckglas heraus und brachte das Prä- parat unter das Mikroskop. Nachdem jetzt die Verdauungsflüssig- keit erneuert war, wurde der Objectträger mit dem Deckgläschen wieder in das Gefäss gebracht und endlich das Deckgläschen von oben her hinweggeschoben, so dass die neue Verdauungsflüssig- keit hinzu treten konnte. Diese Manipulation wurde 5 Tage wie- derholt, ohne dass das isolirte Netzwerk der Grenzscheiden irgend eine Veränderung, insbesondere keine Auflösung zeigte. Das Ein- zige, was geschah, war, dass das letztere sich platter an den Bo- den des Objectträgers anlegte, so zu sagen mehr festklebte, so dass schliesslich beim Herausnehmen desselben nicht mehr so srosse Vorsicht erforderlich war. Von einer Einschmelzung oder einer Auflösung der isolirten Scheiden liess sich auch nach dieser längeren Verdauung nichts wahrnehmen. Ueber die sosenannten Grenzscheiden des Knochencanalsystems ete. 107 oO Ich versuchte schliesslich nieht nur Schnitte, sondern auch entkalkte Knochenstücke von etwa Y, bis 1cbem Stärke einer längeren Verdauung mittelst der Smith'schen Flüssigkeit zu unter- werfen. Solehe Knochenstücke zeigten spätestens nach 24 Stunden an Stelle der Gefässkanäle grössere Lücken, aus denen die Grund- substanz verdaut war. Ausserdem war die Peripherie des Kno- chenstückchens wie umsponnen von ausserordentlich feinen Spinnen- fäden, welche bei Bewegungen in der Flüssigkeit hin und her flottirten. Der unverdaute Rest war in nichts von normalem Kno- chenknorpel zu unterscheiden. Untersuchte man Stückchen von diesem feinflockigen spinnwebenartigen Material mikroskopisch, so zeigte sich, dass dasselbe aus einem Netzwerk von feinen Fä- den, den Scheiden der Knochenkanälchen, sowie hin und wieder aus zusammengefalteten Haversischen Canalscheiden bestand; die sternförmigen Knochenkörperechen waren nur sehr selten an dün- neren Stellen deutlich zu sehen. Dies konnte seinen Grund darin haben, dass sie meist von dem zusammengebackenen Gewirr von Scheiden der Knochencanälchen verdeckt waren oder dass sie viel- leicht die Sternform mehr oder weniger eingebüsst hatten. Ich habe ja schon erwähnt, dass die Grenzscheiden durch die künst- liche Pepsinverdauung nicht allein blasser werden, sondern auch eine schlaffere Consistenz annehmen. Sie verhalten sich in dieser Beziehung genau ebenso, wie verhornte Zellen, welche längere Zeit der Pepsinverdauung ausgesetzt waren. Während aber eine solche Zelle wegen ihres grösseren Volumens noch im Wesentlichen ihre Form beibehält, falten sich die feinen Grenzscheiden zusammen, verfilzen sich und man sieht in Folge dessen schliesslich vielfach nicht mehr die charakteristische Form der Knochenkörperchen, sondern nur ein dichtes Gewirr von Fäden, in dem bier und da ein stern- förmiges Gebilde oder eine zusammengefaltete Haversische Canal- scheide undeutlich hervortritt. Wie leicht die isolirten Grenzschei- den zusammenbacken, davon kann man sich überzeugen, wenn man ein solches halbverdautes, wie mit Spinnweben überzogenes Kno- chenstückchen aus der Verdauungsflüssigkeit herausnimmt. Sofort legen sich die feinen Fäden an die unverdauten Reste an, und wenn man jetzt das Stückchen wieder in die Flüssigkeit hinein: legt, flottiren sie nicht mehr so deutlich, wie vorhin. Sie sind dann verfilzt und die eharakteristischen Formen der Grenzscheiden sind in diesem verfilzten Material nicht mehr in derselben Deut- 108 G. Broesike: lichkeit zu erblicken. Ich betone hier noch einmal, dass Smith selber (l. e. p. 472) bei der Verdauung von weissen Kaninchen- haaren findet, dass die letzteren sich sehr bald ‚verfilzten“ und „gleichmässiger suspendirt blieben.“ Ich stelle mir den Einfluss der Pepsinverdauung auf die Grenzscheiden ähnlich vor, wie wenn man ein Stück Papier von einer bestimmten Form, sagen wir etwa eine Papierdüte, in Wasser legt. Das hineingelegte Stück wird schlaff und ändert seine Form, ohne darum chemisch alterirt zu werden. Verdaut man nun ein solches Knochenstückchen weiter, bis die Intercellularsubstanz zwischen den Scheiden gänzlich aufgelöst ist, so erhält man als Rückstand wieder eine feine Flocke, welche stets die Form des hineingelegten Knochenstückchens repräsentirt. War das letztere länglich, so hat auch die Flocke diese Form, war es ringförmig, so stellt auch die Flocke einen continuirlichen Ring dar. Die Flocke besteht natürlich aus nichts anderem, als dem Netzwerk der Grenzscheiden und nicht etwa aus lose zusam- menhängendem Material, denn sie lässt sich bei einiger Vorsicht in continuo herausfischen und in ein anderes Gefäss mit Verdau- ungsflüssigkeit übertragen, sie zerreisst nur dann, wenn man sie brüsk behandelt, was wohl schliesslich nicht Wunder nehmen kann, da sie doch nur aus einem feinen Fadenwerk zusammengesetzt ist. Ein Zerreissen in lauter kleine, einzeln nicht mehr sichtbare Fetzen findet natürlich immer statt, wenn man, wie Smith „den Verdau- ungsprocess durch kräftiges Schütteln und Rühren unterstützt.“ Schon beim unvorsichtigen Erneuern der Verdauungsflüssigkeit kann die Flocke in eine Anzahl von Fetzen zerreissen. Ich kann übrigens nicht umhin, mir die Frage zu erlauben, ob denn bei Verdauungsversuchen an peripherischen Nerven zum Zweck der Darstellung des Kühne’schen Horngerüstes nicht auch in ähnlich _ vorsichtiger Weise verfahren werden muss, oder ob man nach kräftigem Schütteln und Rühren noch erwarten darf, die charakte- ristischen Formen des letzteren zu finden? Ich habe nun solche als Verdauungsrückstand gebliebene Flocken von isolirten Grenzscheiden 14 Tage lang derselben inten- siven Verdauung unterworfen, ohne die geringste Auflösung oder Volumsveränderung an denselben wahrzunehmen. Jeden Tag wurde die Flocke aus der alten Verdauungsflüssigkeit herausgefischt und in ein Gefäss mit neuer wirksamer Flüssigkeit gebracht: indessen Ueber die sogenannten Grenzscheiden des Knochencanalsystems ete. 109 die Flocke wollte nicht verschwinden. Die einzige Veränderung welche mit ihr vorging, war wieder die, dass sie im Laufe der Zeit mehr und mehr zusammenbackte. Nach 14tägiger Verdau- ung konnte ich dieselbe, noch in toto erhalten, in essigsaures Car- min übertragen und mich dann beim Zerzupfen davon überzeugen, dass sie wirklich noch aus demselben wirren Fadenwerk bestand, wie ich es schon vorher constatirt hatte. Ich will noch einmal hervorheben, dass eine Verwechslung mit einer Pilzflocke völlig ausgeschlossen ist. Wohl siedeln sich Pilze mitunter in der Verdauungsflüssigkeit an und können darin munter wuchern; es kann auch vorkommen, dass sich dieselben zwischen den isolirten Grenzscheiden festsetzen und Sprossen treiben. Wer indessen an halbverdauten Schnitten die isolirten Grenz- scheiden gesehen hat, wird wohl nicht in die Gefahr kommen, sie für Pilzbildungen zu halten oder damit zu verwechseln. Noch ein- facher ist es, die Scheiden von etwaigen elastischen Fasern zu unterscheiden. Wenn man übrigens der Sache doch nicht recht traut, braucht man nur eine mehrprocentige Lösung von Kali- oder Natronlauge zuzusetzen; sofort hellen sich die Scheiden bis zur Unsichtbarkeit auf, während Pilze und elastische Fasern bekanntlich ihr Aussehen nicht wesentlich ändern. Wer jedoch alle Uebergääge vom Beginne bis zu vollendeter Verdauung ver- folgt und sich davon überzeugt hat, dass die Grundsubstanz zwi- schen den Scheiden in allen Fällen glatt und ohne Reste aufge- löst wird, wird auch ohne diese umständlichen Manipulationen bald genug zu dem Resultat kommen, dass der einzige Verdauungs- rückstand ausser den Kernen der Knochenzellen und etwaigen Fetten nur aus dem Netzwerk der isolirten Grenzscheiden besteht. Ich bin also heute ebenso wie in meiner ersten Arbeit im Recht, wenn ich jetzt wieder zunächst für die Pepsinverdauung die Be- hauptung aufstelle, „die Grenzscheiden wären ganz oder nahezu unverdaulich.“ Ob sie einer noch längeren, ich will einmal sagen monatelangen Verdauung nicht doch unterliegen, weiss ich natür- lich nicht, — indessen scheint mir dies auch ziemlich gleichgültig zu sein. Dass es übrigens Stellen im Knochen oder ganze Knochen gibt, an welchen die Grenzscheiden entweder nicht genügend deutlich entwickelt oder vielleicht auch in einem weniger ent- wiekelten Zustande durch die Verdauung zerstört sind, ist gewiss; doch sehe ich an Kühne’schen Präparaten über das Neurokeratin- 110 G. Broesike: gerüst der Nervenfaser, dass sogar im Verlaufe ein und derselben Nervenfaser Stellen mit einander wechseln, an welchen das Gerüst deutlich ausgeprägt und an welchen keine Spur davon vor- handen ist. Was die Trypsinverdauung anbetrifft, so findet Smith nach derselben ähnliche Reste wie nach der Pepsinverdauung vor. Neue Versuche hierüber habe ich nicht angestellt, da ich neben meinen eignen früheren Beobachtungen noch diejenigen von de Burgh- Birch!) ins Feld führen kann. Ob die Scheiden einer tage- und wochenlangen Verdauung widerstehen — dies zu untersuchen glaubte ich mir um so eher ersparen zu können, als Kühne?) selber sich zur Darstellung des Neurokeratins mit einer dreissig- stündigen Typsinverdauung begnügt. Wenn man nun fragt, wie es möglich ist, dass bei ganz gleichen Untersuchungsmethoden die Resultate von mir und von Smith so sehr differiren, so kann der Grund davon offenbar nur darin gesucht werden, dass Smith erwartet hat, nach der künst- lichen Verdauung die isolirten Grenzscheiden in derselben Schärfe, Klarheit und Deutlichkeit vor sich zu sehen, wie sie z. B. nach der von mir angegebenen Behandlung mit dem Essigsäure - Gly- 'ceringemisch zur Erscheinung kommen. Das letztere ist aber nicht der Fall, weil die isolirten Grenzscheiden ebenso wie verhornte Körper in der Verdauungsflüssigkeit blasser, schlaffer und weicher werden, ohne sich im Uebrigen irgendwie nachweisbar aufzulösen oder einzuschmelzen, Zu erkennen sind sie auch in diesem Zustande an allen dünneren Stellen des Präparates; nur sind sie nicht mit den, nach dem eigenen Urtheil von Smith, einen überaus „präch- tigen“ und „schönen“ Anblick gewährenden Bildern zu vergleichen, welche mittelst meines Verfahrens, im Gegensatz zu den ältern Isolationsmethoden, erzielt werden können. Wo das Netzwerk der Scheiden in stärkerer Lage vorhanden ist, verfilzt dasselbe während der Verdauung mehr und mehr, sodass man glauben könnte, einen amorphen Rückstand vor sich zu haben, wenn nicht der ganze Rückstand continuirlich zusammenhinge. Will man sich in diesem hückstand die Grenzscheiden wieder deutlicher erkennbar machen, so muss man allerdings entweder zu starkem Alkohol, oder zu 1) Centralblatt für d. med. W. (1879) S. 945. 2) cf. Hoppe-Seyler, Chem. Analyse p. 312. Ueber die sogenannten Grenzscheiden des Knochencanalsystems ete. 111 der oben angegebenen Färbemethode greifen. Dass sich aber auch verschiedene Keratinstoffe gegenüber den Verdauungsflüssigkeiten ähnlich wie die Grenzscheiden verhalten, diese Thatsache hat Smith merkwürdiger Weise garnicht in Betracht gezogen, obschon seine eignen Schilderungen keinen Zweifel darüber lassen, dass er dieselbe beobachtet hat. Endlich hat Smith auch nicht mit dem Umstande gerechnet, dass die Grenzscheiden doch Objecte sind, welehe vielfach an der Grenze mikroskopischer Sichtbarkeit stehen. Wird ein solches Object in geringem Grade aufgehellt, so kann es schon für eine oberflächliche Betrachtung scheinbar verschwinden, oder wenigstens sehr undeutlich werden, während eine aufgehellte Epidermiszelle schon wegen ihres grösseren Volu- mens immerhin erkennbar sein wird. Einen nicht minder eclatanten Beweis für die Richtigkeit der von mir aufgestellten Behauptungen fand ich bei .Verdauungsver- suchen am embryonalen Knochen. Ich habe schon in meiner frü- heren Arbeit behauptet, dass die Grenzscheiden an demselben fehlen, wie überall da, wo sich die protoplasmatische Sternform (das jüngste Entwicklungsstadium) der Knochenkörperchen vor- findet. In der That bleibt bei einer Verdauung selbst ganzer embryonaler Knochen von den letzteren nur ein körniger Detritus übrig, der sich nicht im Zusammenhang aus der Flüssigkeit her- ausheben lässt und nur aus Fettpartikelehen und Kernen zu be- stehen scheint. Von dem Netzwerk der Grenzscheiden ist hier keine Spur zu sehen, und ich hatte somit die Genugthuung, auch für den embryonalen Knochen mittelst der Verdauungsmethode genau das bestätigt zu finden, was ich in meiner ersten Arbeit mittelst anderer Methoden aufgefunden hatte. Wer übrigens an der Hand der von mir eben ausgeführten Erörterungen die Smith’sche Arbeit noch einmal aufmerksam durchliest, wird immer mehr zu der Ueberzeugung kommen, dass Smith ganz ebenso wie ich, selbst nach intensivster Verdauung die Grenzscheiden als Rückstand erhalten hat. Nach einer jeden „vollendeten“ Verdauung erhält er nämlich zunächst immerhin einen Rückstand, welcher sich durch die Verdauung nicht besei- tigen liess und zu dessen Auflösung er immer gezwungen ist, zu einer 1, bis lprocentigen Kali- oder Natronlauge zu greifen. Nun wird aber die Intercellularsubstanz des Knochens zwischen den Scheiden ganz glatt und scharfrandig, durchaus ohne Bröckel, 113 G. Broesike: J Fetzen oder sonstige Reste aufgelöst und um der Kerne der Knochenkörperchen willen hatte Smith wohl nieht die Anwendung der Alkalien nöthig, denn dieselben sind eben so leicht wie Fett- partikelehen zu erkennen. Was kann also wohl der mittelst Kali- und Natronlauge beseitigte Rückstand anderes gewesen sein, als die von Smith entweder nicht erkannten oder nicht anerkannten Grenzscheiden? An einer Stelle (Seite 478, Zeile 11—20) kann man dies eigentlich ziemlich deutlich zwischen den Zeilen lesen, wenn er mittheilt, dass er „dünne Knochenschnitte theils im Pro- birröhrehen oder im Uhrgläschen, theils auf dem Objeetträger in der Kühne’schen Verdauungsvorrichtung für histologische Zwecke verdaute und den ganzen Rückstand unter dem Mikroskope mit Natron von Y/, Proc. behandelte. Ausser dem Fette löste sich dann Alles auf, die Kerne der Knochenkörperchen nach starker Quellung und auch durch eoncentrirtes NaCl oder durch Neutralisation durch Essigsäure kam nichts Geformtes wieder zum Vorschein“. Also ist doch wohl vor der Behandlung mit Natron in dem Ver- dauungsrückstande etwas Geformtes dagewesen, weswegen Smith sich noch die Mühe machte, nachträglich NaCl und Essig- säure zuzusetzen. Was diese geformten Elemente, auf deren Wiederhervortreten Smith gerechnet hat, eigentlich gewesen sind, sagt er freilich nicht: da er aber jedenfalls nicht die Absicht ge- gehabt haben kann, sich die Kerne auf diese Weise zu restituiren, so darf ich jetzt wohl diese kleine Lücke in seiner Schilderung dahin ausfüllen, dass es eben die geformten Grenzscheiden ge- wesen sind, welche Smith nicht der Erwähnung für werth ge- halten hat, da sie ja „nach blosser Alkalibehandlung‘ verschwanden. Warum das Letztere zu geschehen scheint und über das Ver- halten der Scheiden gegen Alkalien im Allgemeinen, werde ich mich weiterhin genauer auslassen, vorher muss ich jedoch noch einmal das Verhalten des Keratins gegen Alkälien einer genaueren Besprechung unterziehen, da auch meine hierauf bezüglichen Be- hauptungen von Smith angegriffen worden sind. Ueber das Verhalten von Keratinstoffen gegen Kali- und Natronlauge. In Bezug auf diesen Punkt habe ich in meiner ersten Arbeit behauptet, dass der menschliche Fingernagel „sich nach 24 stün- Ueber die sogenannten Grenzscheiden des Knochencanalsystems ete. 113 diger Einwirkung von gesättigter!), 40%, 30%, 15% oder 5% enthaltender Kalilauge so vollständig gequollen und erweicht zeigt, dass seine Consistenz höchstens noch der des Glaskörpers gleicht. Ganz denselben Effeet erzielt man schon im Laufe von 24 Stun- den mit verdünnter Natronlauge bis etwa zu 15°, bis 25 °/, hinauf, während dagegen durch stärkere Natronlösungen der Nagel immer weniger angegriffen wird und sich beispielsweise mit einer gesät- tigten Solution dieser Substanz nach 24 Stunden überhaupt nicht mehr nachweisbar verändert zeigt. Erst durch tagelange Einwir- kung von starken Natronlösungen entstehen ähnliche Wirkungen, wie sie verdünnte Lauge schon in 12—24 Stunden zu Stande bringt. In gesättigter Natronlösung fand ich beispielsweise noch nach 8 Tagen ein hineingelegtes Nagelstückchen der Form und Consistenz nach völlig erhalten vor.“ Sonstige verhornte Körper habe ich nicht nach dieser Richtung hin untersucht, weil es mir genügte und noch genügt, die Uebereinstimmung zwischen einer _ einzigen, notorisch keratinhaltigen Substanz und den Grenzscheiden nachgewiesen zu hahen. Als selbstverständlich nahm ich an, dass man bei noch stärker verdünnten, weniger als 5°/, haltenden Lösungen von Alkalien schliesslich an irgend einen Punkt kommen musste, wo die zer- störende Wirkung der Alkalien auf die Keratinsubstanz wenn auch vielleicht nicht ganz aufhört, so doch wenigstens nicht mehr wahr- nehmbar wird. Völlig gleichgültig schien es mir, näher zu be- stimmen, ob dieser Indifferenzpunkt in dem Verhalten der Alkalien gegen das Keratin schon bei 2°/, oder 1°/, oder bei noch schwä- cheren Lösungen gelegen ist — da die aus verschiedenen verhorn- ten Körpern dargestellten Keratinstoffe sich den Alkalien gegen- über ausserordentlich verschieden verhalten. Ich hielt mich hierbei an die von Hoppe-Seyler gegebene, schon er- wähnte Characteristik der Keratinstoffe, über welche dieser For- scher sagt: „in Aetzkalilauge und in Lösungen kohlensaurer Al- kalien quellen sie und lösen sich besonders beim Erhitzen schwerer oder leichter“, d. h. also, die Wirkung der Alkalien gegen die Keratinstoffe ist nicht immer die gleiche und der Indifferenzpunkt 1) Der Ausdruck „gesättigt“ ist eigentlich nicht ganz correct. Ich ver- stehe hierunter die diekflüssigen Lösungen über 40%/,, welche schwer durch das Filter gehen. Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 26. 8 114 G. Broesike: dieser Wirkung wird bald höher, bald tiefer liegen. Von der Natronlauge spricht Hoppe-Seyler hier zunächst gar nicht, wahrscheinlich deshalb, weil sie als Lösungsmittel für die Ke- ratinstoffe nicht in allen Concentrationen dienen kann. Ueberhaupt kann ich aus meinen eigenen Erfahrungen die Hoppe-Seyler’schen Worte gerade in dieser allgemeinen Fassung nur bestätigen. Dem gegenüber stellt Smith (p. 475) es zunächst als eine allgemeine und characteristische Eigenschaft aller bekannten Ke- ratinstoffe hin, ‚‚durch Aetzalkalien von 1/,—1°/, in der bei solehen Reactionen üblichen Beobachtungszeit nicht erkennbar verändert zu werden.“ Smith gründet dies Urtheil auf die Behandlung „von kleinen Mengen der durch die Verdauung gereinigten Hornsub- stanzen“ mittelst der eben genannten Lösungen. Dass dieser Satz in der von Smith angegebenen Fassung nicht aufrecht erhalten werden kann, davon kann man sich leicht überzeugen. Man bringe ein Epidermisschüppehen in einem Tropfen 1°/,-iger Kalilauge und ein anderes in gewöhnlichem Wasser unter das Mikroskop: vergleicht man die beiden Präparate miteinander, so findet man an dem mit 1°/,-iger Kalilösung behandelten schon nach wenigen Minuten die Epidermiszellen deutlich aufgehellt und wohl auch etwas aufgequollen, während das in Wasser liegende das ge- wöhnliche, stärker liehtbrechende, granulirte Aussehen - ver- hornter Epidermiszellen zeigt. Der Unterschied ist am deutlich- sten an isolirten Zellen, auf welche die 1°/,-ige Kalilauge am besten einwirken kann. 1°/,-ige Natronlauge wirkt ähnlich, nur etwas schwächer wie die Kalilauge. Die Aufhellung der Epider- miszellen kann man auch sehr exact beobachten, wenn man ein in Wasser liegendes Schüppchen in der Weise behandelt, dass man das Wasser mit Fliesspapier wegsaugt und von der anderen Seite 1°%/,-ige Kalilauge allmählich zufliessen lässt. Wenn man natür- lich wie Smith, die 1°/,-ige Kalilauge auf verhornte Zellen wir- ken lässt, die, wie Smith sagt, durch die Verdauung gereinigt sind, die also durch die Verdauung bereits aufgehellt sind, wird die Wirkung der Kalilauge nicht so deutlich zur Erscheinung kommen. Uebrigens giebt auch Smith für seine Objecte wenig- stens nach 3 Tagen eine bei Haaren geringere, bei Epidermis- zellen deutlichere Quellung zu. Man hat zu beachten, dass bei dickeren Stücken verhornter Substanz sich die Aufhellung zunächst immer nur auf die obersten Schichten beschränkt. Ueber die sogenannten Grenzscheiden des Knochencanalsystems ete. 115 An andern Stellen seiner Arbeit spricht Smith nur von der Unlösbarkeit der Keratinstoffe in 1°/, Alkalien; es ist aber doch offenbar ein Unterschied zwischen ‚keiner bemerkbaren Verände- rung“ an diesen Stoffen und ihrer „Unlöslichkeit“ in Alkalien. Eine Veränderung geht unzweifelhaft mit ihnen durch die Auf- hellung und geringe Quellung vor sich. Dagegen scheinen sich die solehergestalt veränderten Zellen allerdings zunächst nicht auf- zulösen, sondern längere Zeit in diesem Zustande zu verharren. Was die Wirkung stärkerer Lösungen von Kali- und Natron- lauge anbetrifft, so kommt Smith ebenfalls an vorher durch die Verdauung behandelten Keratinstoffen zu dem Resultate, dass zu- nächst in dieser Beziehung die Alkalien auf verhorntes Gewebe verschiedenen Herkommens nicht völlig übereinstimmend wirken. Die Natronlauge wirkt im Allgemeinen merklich schwächer, als die Kalilauge; bei 40°, wirken beide Alkalien schwächer, als bei mittlerer Concentration. In diesen Punkten stimmen meine jetzigen Erfahrungen mit denen Smith’s völlig überein und ich möchte noch ganz besonders hervorheben, dass die Differenzen in dem Verhalten der Alkalien gegen Keratinstoffe verschiedenen Her- kommens nach den eigenen Mittheilungen von Smith mitunter recht bedeutende sind (l. e. p. 474). Dagegen kann Smith meine Behauptung nicht bestätigen, dass starkes gesättigtes Aetznatron — ich verstehe hierunter Lö- sungen über 40%, — den menschlichen Nagel nicht, oder kaum bemerkbar verändere. Smith giebt zwar zu, dass 40°%/,-ige Na- tronlauge „auf Epidermis besonders schwach wirke“, kann indess für den Nagel schon nach 24 Stunden bei beiden Alkalien starke Quellung und später völlige Auflösung constatiren. Ich habe also wieder einige Dutzend Versuche hierüber an- gestellt und muss sagen, dass ich bei denselben genau das vor- fand, was ich in meiner ersten Arbeit behauptet habe. Wer sich davon überzeugen will, dass Natronlauge über 40%, den Nagel oder verhornte Epidermis für lange Zeit entweder gar nicht oder nicht nachweisbar verändert, braucht nur folgenden Versuch zu machen, der so einfach und überzeugend ist, dass man ihn in histo- logischen Cursen ausführen lassen kann. Man bringe zwei Epi- dermisschüppehen auf zwei Objectträger, das eine in einem Tropfen 50/,-iger Natronlauge, das andere in 40°), desselben Reagens. Schon nach wenigen Minuten kann man sich bei mikroskopischer Untersuchung überzeugen, dass die Zellen des in 5°%/,-iger Lauge 116 G. Broesike: gelegenen Schüppchens stark gequollen, aufgehellt und aufge- bläht sind, während das in 40%, Na befindliche ganz unverändert bleibt — genau so, als wenn es in gewöhnlichem Wasser läge. Mustert man beide Präparate nach einigen Stunden, so steht die Sachlage noch genau ebenso. Schützt man die Präparate vor dem Eintrocknen und betrachtet sie 24 Stunden später, so hat sich das Schüppeher in der 40°/,-igen Natronlauge noch immer nicht im Mindesten verändert, während die Epidermiszellen in der 5%/,-igen Lauge eher noch stärker gequollen und zum Theil schon aufge- löst sind. Smith findet bei Behandlung von 40°/,-iger Natron- lauge seine „durch die Verdauung gereinigten“ Zellen der Epi- dermis „selbst in zwei Tagen nur gequollen, nicht gelöst.“ Eine Quellung der Epidermiszellen in der 40°/,-igen Natronlauge konnte ich im Gegentheil niemals constatiren. Wenn weiterhin mit ihnen etwas vorgeht, so ist es höchstens, dass sie bröcklicher werden und beim Druck leichter zerfallen. Die Differenz zwischen mir und Smith mag vielleicht darin seinen Grund finden, dass er eben an Horngebilden untersucht hat, die, wie er sagt, durch die Verdau- ung gereinigt waren, die, wie ich hinzufügen möchte, auf diese Weise stark wasserhaltig waren, und auf welche die concentrirte Natronlösung bei ihrem Eindringen ganz ähnlich wie eine schwä- chere Solution gewirkt hat. Ich habe endlich auch meine früheren Versuche an ganzen Stücken des Fingernagels wiederholt und so von neuem meine frühere Behauptung betreffs der 40 %,-igen Natronlauge zu bestä- tigen gesucht. Die betreffenden etwa !/,[_Jem grossen Nagelstück- chen zeigten nach 24stündigem Liegen in verschiedenen Lö- sungen der beiden Alkalien folgendes Verhalten: 1°/, Na. 1°/, Ka. Das Nagelstückchen ist in den Das gleiche Verhalten wie bei peripherischen Schichten etwas 1°, Na. weicher wie normal ; ausser einer gelblichen Färbung ist eine wei- tere Veränderung nicht mit Si- cherheit zu constatiren. 50/, Na. 5°%/, Ka. Das Stückehen ist erheblich Das gleiche Verhalten wie bei stärker als vorhin gequollen und 5°, Na, nur noch stärkere Quel- so weich, dass eine Stahlnadel "lung. leicht hindurchfährt. Ueber die sogenannten Grenzscheiden des Knochencanalsystems etc. 117 10%, Na. 10%, Ka. Das Stückchen ist stark ge- Das gleiche Verhalten wie bei quollen, theilweise zerstört und 10°, Na. höchstens von glaskörperähn- licher Consistenz. 20 %/, Na. 20°, Ka. Wie vorhin. Wie vorhin. 80%, Na. 30°%/, Ka. Wie vorhin. Wie vorhin. 40°/, Na. 40°/, Ka. Das Nagelstückchen ist etwas Das gleiche Verhalten wie weicher wie normal, Form un- vorhin, nur etwas geringere verändert. Keine Quellung. Quellung. 50°/, Na. 50°/, Ka. Das Nagelstückchen ist weder Wie bei Kali 40°/,. dem Volumen noch der Consi- stenz oder Form nach irgendwie verändert. Lässt man nun das betreffende Nagelstückchen in der 400/,- bis 50 °/,-igen Natronlauge noch länger liegen, so bröckeln nach etwa 3 Tagen bei der Berührung von der Oberfläche leicht Theile ab. Eine Quellung tritt auch nach dieser Zeit nicht ein, weder für die makroskopische, noch für die mikroskopische Untersuchung. Wie es möglich ist, dass Smith bei der gleichen Behandlung des Nagels mit 40°, Na eine starke Quellung constatiren konnte, da- für fehlte mir lange jede Erklärung, bis ich endlich zufälliger Weise fand, dass er „durch Waschen gereinigte‘‘ Nägel zu seinen Versuchen benutzt hat. Natürlich hat der von ihm benutzte Nagel bei dieser Procedur eine grosse Quantität Wasser aufgenommen, da ja überhaupt Keratinstoffe sehr hygroskopisch sind. Die eindrin- gende 40°%/,-ige Natronlauge wird also wohl in dem Object genug Wasser vorgefunden haben, um in ähnlicher Weise wie eine schwä- chere Lösung zu wirken. Wenn ich nun zum Schluss über die Wirkungsweise der Kali- und Natronlauge auf die von mir untersuchten Keratinsubstanzen ein kurzes Resume gebe, so würde dies zunächst im Einklange mit Smith dahin lauten, dass beide Alkalien sich in ihrer Wir- kung gegen das Keratin verschieden verhalten, je nachdem das- selbe aus verschiedenen verhornten Körpern gewonnen oder in ihnen enthalten ist. In den schwächsten Lösungen bis 1°/, oder 118 G. Broesike: etwas mehr tritt weniger die quellende als die aufhellende Wir- kung beider Substanzen in den Vordergrund. Die Natronlauge wirkt im übrigen in den schwachen und mittleren Concentrationen wohl im Ganzen schwächer als die Kalilauge. Im Gegensatz zu Smith finde ich jedoch, dass bei Lösungen von ungefähr 40%, an die quellende Wirkung der Natronlauge gänzlich aufhört, wäh- rend Kalilauge in derselben Stärke diese Wirkung immer noch deutlich zeigt. Diese Resultate stimmen gut überein mit der oben erwähnten von Hoppe-Seyler gegebenen allgemeinen Characte- ristik der Keratinstoffe, weleher nur sagt, dass die letzteren sich in Aetzkalilauge oder in Lösungen von kohleusauren Alkalien schwieriger oder leichter lösen. Die Natronlauge erwähnt dieser Autor gar nicht — wahrscheinlich deshalb, weil ihr eben nicht in allen Concentrationen die Lösungsfähigkeit für das Keratin zukommt. Verhalten der 6renzscheiden gegen Kali- und Natronlauge. Betreffs dieses Punktes hatte ich in meiner früheren Arbeit behauptet, dass die Kalilauge in allen Concentrationen die Grenz- scheiden des Knochencanalsystems zerstört, während die Natron- lauge dies nur in den schwächeren und mittelstarken Lösungen thut. Durch die stärkeren Lösungen der Natronlauge werden die Scheiden nicht nur nicht zerstört, sondern sogar in sehr deutlicher Weise isolirt und für längere Zeit erhalten. Lösungen von 1% und darunter habe ich in ihrer Wirksamkeit auf die Scheiden nicht geprüft, weil es mir schon damals ziemlich gleichgültig schien, ob die Löslichkeit der Scheiden bei !/,°/, oder 1%, oder erst bei 3%/, aufhöre. Denn die Keratinstoffe, so sagte ich mir, zeigen ja nach Hoppe-Seyler ebenfalls in Bezug auf ihre Löslichkeit in Kalilauge durchaus kein übereinstimmendes Verhalten. Die eben erwähnten Resultate meiner Untersuchungen sind von Smith nicht angegriffen worden. Wie man ohne Weiteres sieht, stimmen die- selben mit der von mir vorhin gegebenen Characteristik der Kera- tinstoffe recht auffallend überein. Dagegen behauptet nun Smith die schnelle Löslichkeit der Grenzscheiden in 1°%/,-iger Kali- oder Natronlauge, während nach seiner Ansicht (ef. p. 482) „jede be- kannte verhornte Substanz“ entweder in diesen Lösungen für lange Zeit unlöslich bleibt oder sogar (cf. p. 475) „in der bei solchen Reactionen üblichen Beobachtungszeit nicht erkennbar verändert wird.“ Indessen sind auch diese Behauptungen von Smith durch- aus irrige, insofern als die Grenzscheiden in den eben genannten ( Ueber die sogenannten Grenzscheiden des Knochencanalsystems ete. 119 Lösungen beider Alkalien zwar sehr blass und schwer sichtbar werden, aber selbst für mehrere Tage durchaus nicht verschwinden. Um mich von der Wirkungsweise, zunächst der stärkerwirken- den 1°/,-igen Kalilauge zu überzeugen, stellte ich folgende drei Versuche an: Der erste Versuch wurde an Grenzscheiden angestellt, welche dureh die künstliche Verdauung isolirt waren. Ein kleines Kno- chenstückehen von I—2 mm Dicke wird in der vorhin angegebenen Weise der Pepsinverdauung unterworfen. Nach 24 Stunden findet man anstatt desselben als Verdauungsrückstand eine feine Flocke vor, welche aus dem Netzwerk der Grenzscheiden ohne Spur von sonstiger Intercellularsubstanz besteht. Diese Flocke kann man mittelst eines stumpfen Häkchens unzerrissen herausfischen und als- dann in toto in überschüssige 1%/,-ige Kalilauge übertragen. Gleich beim Hineinlegen hellt sich die Flocke noch mehr auf, wird glasig durchscheinend und scheint sich auch etwas durch Quellung zu vergrössern. Dennoch löst sie sich durchaus nicht auf, sondern persistirt in diesem aufgehellten Zustande. Untersucht man die Flocke nach 24—28 Stunden, so findet man sie noch immer in derselben Beschaffenheit vor. Selbst einige Tage später ist sie nicht aufgelöst, sondern höchstens etwas zerreisslicher geworden und lässt sich in Folge dessen schwerer herausfischen. Bei mikro- skopischer Untersuchung derselben kann man jetzt das Netzwerk der Grenzscheiden nur noch äusserst undeutlich wahrnehmen. Bringt man dagegen die aufgelöste Flocke in eine Lösung von Carmin, so sieht man nach der Färbung das Netzwerk an allen dünneren, nicht verfilzten Stellen mit derselben Deutlichkeit, als wenn die Floeke nicht in 1%/,-iger Kalilauge gelegen hätte. Hieraus folgt schon aufs Deutlichste, dass der aus den Grenzscheiden bestehende Ver- dauungsrückstand in der 1°/o-igen Lösung wohl aufgehellt, aber zunächst nicht aufgelöst wird. Nach längerem Verweilen daselbst mag natürlich eine solche Auflösung wohl eintreten. Dem gegenüber findet Smith (cf. p. 478), dass der von ihm erhaltene Verdauungsrückstand „spurlos verschwindet, wenn man ihn in H,O suspendirt, nach dem Zusatze einiger Tropfen Alkohol und Aether zur Entfernung des Fettes ausschüttelt und auf "/,- bis 1°%/,-iges Aetznatron oder Aetzkali bringt.“ Dies mag in gewisser Beziehung riehtig sein. Wenn man die zarte, als Verdauungs- rückstand erhaltene Flocke ordentlich schüttelt, so zerreisst sie in eine Anzahl von feinen Partikelchen, welche man einzeln nur mit 120 G. Broesike: Schwierigkeit sehen kann. Hellt man die letzteren durch 1%/,-ige Kalilauge noch mehr auf, so mögen sie scheinbar ganz unsichtbar werden. Wo man eine blasse, zarte Flocke nicht ohne Schwierig- keit wahrnehmen kann, wird man natürlich ein kleines Partikel- chen der Letzteren gar nicht bemerken. Ich muss übrigens auch erwähnen, dass ich ein heftiges Schütteln und Rühren mit allerlei Reagentien für kein grade sehr empfehlenswerthes Verfahren gegen- über so zarten Objecten halten kann, wenn man hinterher die Letzteren noch einer mikroskopischen Untersuchung unterziehen will. Eine zweite Anzahl von Versuchen betreffs der Wirkungs- weise der 1°/,-igen Kalilauge auf die Scheiden stellte ieh in fol- sender Weise an. Ein entkalktes Knochenstück wurde von mir behufs Isolation der Grenzscheiden in dem Essigsäure-Glycerin- gemisch gekocht, bis seine Consistenz gallertig wurde und sich von seiner Oberfläche kleinere Fetzen abzulösen begannen. Ich legte alsdann das gallertige Knochenstückchen zur Entfernung der Säure in eine überschüssige Menge Wassers und liess es in dem- selben eine Zeit lang liegen. Hierauf brachte ich von der Peri- pherie der gallertigen Masse etwas unter das Mikroskop und stellte mir die gut entwickelte, scharf sichtbare Grenzscheide eines Kno- chenkörperchens in die Mitte des Gesichtsfeldes ein. Nachdem ich darauf den Objectträger in dieser Lage fixirt hatte, liess ich von einer Seite 1°/,-ige Kalilauge zufliessen, während ich die unter dem Deckglas befindliche Flüssigkeit von der anderen Seite durch Filtrirpapier wieder aufsog. Sowie die Kalilauge an das einge- stellte Knochenkörperchen herantrat, hellte sich das Letztere zu- sehends auf und schien nach mehrstündiger Einwirkung derselben unter dem Deckglase für die oberflächliche Betrachtung völlig ver- schwunden. Bei gutem Licht, richtiger Abblendung und scharfer Einstellung des Mikroskops war es jedoch auch dann noch mög- lich, den blassen Contour der Grenzscheide der Knochenkörper- chen zu constatiren. Dieser Contour war ebenso blass geworden wie die Contouren der rothen Blutkörperchen, wenn man sie mittelst Wasser tüchtig ausgelaugt hat. Trotzdem wäre es genau ebenso irrig, von der Auflösung der Letzteren durch das Wasser zu spre- chen, wie von einer Auflösung der Grenzscheiden durch die 1%/,-ige Kalilauge. Wie man aber die entfärbten Blutkörperchen durch Zusatz von Jod wieder sichtbar machen kann, so gelingt es auch den scheinbar verschwundenen Contour des eingestellten Knochen- körperehens dadurch wieder scharf hervortreten zu lassen, dass Ueber die sogenannten Grenzscheiden des Knochencanalsystems etc. 121 man unter dem Deckglas 95°/,-igen Alkohol zufliessen lässt. Ist der letztere bis zu dem beobachteten Object vorgedrungen, so er- scheint das Knochenkörperchen mit den etwa vorhandenen Aus- läufern sofort; nur ist es, wenn auch schärfer sichtbar, so doch kleiner als vorhin, was offenbar auf eine Schrumpfung durch den Alkohol zurückzuführen ist. Smith hat übrigens ebenfalls ver- sucht, die nach seiner Ansicht durch die Kalilauge zerstörten Grenzscheiden durch Zusatz von Kochsalz oder Säuren wieder sichtbar zu machen. Dass ihm das letztere auf diese Weise nicht gelungen ist, darf nicht Wunder nehmen. Theoretisch sollte man z. B. glauben, dass auch ein anderes, ebenfalls optisch sehr dif- fieiles Objeet, nämlich die von Ebner’schen Knochenfibrillen durch Kalilauge wieder sichtbar zu machen sein müssten, wenn sie vorher durch Säuren aufgehellt waren. Indessen sind die- selben in letzterem Falle nur durch die Kochsalzbehandlung wie- der zu restituiren. Umgekehrt kann man die durch entkalkende Säuren unsichtbar gewordenen Fibrillen wieder durch Behandlung mit einer anderen Säure, nämlich Ueberosmiumsäure deutlich machen. Man kann eben über das optische Verhalten von feinen histologischen Objeeten in verschiedenen Flüssigkeiten zur Zeit keine allgemeinen aprioristischen Regeln aufstellen. Um sich jedoch bis zur Evidenz davon zu überzeugen, dass die 1°/,-ige Kalilauge die Grenzscheiden nicht zerstört, muss man folgenden Weg einschlagen. Ein entkalktes Knochenstückchen wird zur Entfernung der Säure mehrere Tage in überschüssigem Wasser ausgewässert. Hierauf kann dasselbe entweder getrocknet oder auch gleich direet für mehrere Tage in eine grosse Menge von 1°/,-iger Kalilauge gelegt werden. Um die Kalilauge zu ent- fernen, wird es wieder für einige Tage in eine grosse Menge von täglich erneuertem Wasser gethan und endlich für 24 Stunden in in 1°%/, Osmiumsäure gelegt. Das in der Osmiumsäure gefärbte Knochenstückehen wird nun in der von mir in meiner vorigen Arbeit angegebenen Weise in dem Essigsäure-Glyceringemisch gekocht, bis es sich aufzulösen beginnt. In den herausgefischten Gallertflöckchen findet man alsdann die Grenzscheiden der Kno- chenkörperchen, Knochencanälchen und Haversischen Canäle ganz ebenso deutlich isolirt vor, als wenn dies Knochenstückchen vor- her nicht in Kali gelegen hätte. Die durch die Kalilauge aufge- hellten Grenzscheiden sind also dureh die Einwirkung der Os- 122 G. Broesike: miumsäure wieder optisch restituirt und hierauf durch das Dean säure-Glyceringemisch isolirt worden. Aus allen diesen Versuchen geht aufs Klarste hervor, dass die Grenzscheiden des Knochencanalsystems selbst durch mehr- tägige Einwirkung der 1°/,-igen Kalilauge wohl aufgehellt, aber nicht zerstört werden. Ihr Verschwinden ist also nur ein schein- bares, eine Folge der Aufhellung oder vielleicht auch einer ge- ringen Quellung. Während aber eine Epidermiszelle selbst nach beträchtlicher Aufhellung und Quellung noch immer sichtbar bleibt, so wird der zarte Contour einer Grenzscheide, der ja überhaupt häufig genug nur mit Schwierigkeit wahrzunehmen ist, schon bei einer geringen Aufhellung scheinbar ganz verschwinden. Etwas ähnliches kann man z. B. auch sehen, wenn man isolirte Grenz- scheiden in starkes Glycerin bringt, was sie ebenfalls bis zum Verschwinden aufhellt. Durch Färbemittel, starken Alkohol, be- sonders aber durch Ueberosmiumsäure können die aufgehellten Grenzscheiden wieder auf den status quo ante zurückgeführt wer- den und kommen alsdann deutlich zur Erscheinung. Betreffs der 1°/,-igen Natronlauge gilt im wesentlichen das- selbe wie betreffs der Kalilauge. Nur ist die Wirkung derselben auf die Grenzscheiden eine noch schwächere und es ist somit noch viel leichter, aus dem mit dieser Lösung behandelten Knochen die Scheiden zu isoliren. Das letztere gelingt beispielsweise schon beim direeten Kochen vom entkalkten und alsdann von der Säure befreiten Knochen in 1°/,-iger Natronlauge. Resultate. Die Gesammtergebnisse dieser Untersuchungen können in fol- gender Weise zusammengefasst werden. Die Grenzscheiden des Knochencanalsystems widerstehen ebenso wohl der Pepsin- wie der Trypsinverdauung so lange Zeit, dass man dieselben füglich als unverdaulich bezeichnen kann. Sie lösen sich in den künst- lichen Verdauungsflüssigkeiten weder auf, noch zerfallen sie in Stücke, dagegen werden sie blasser. schlaffer und etwas zerreiss- licher. Infolge dessen zeigen sie die Neigung, sich leicht zu ver- filzen und zusammenzubacken. Was die Wirkung der Kali- und Natronlauge anbetrifft, so ist dieselbe in den schwächsten Lö- sungen (etwa um 1°/, herum) keineswegs eine zerstörende, sondern zunächst eine aufhellende, vielleicht ein wenig quellende, so dass die zarten Objeete scheinbar verschwinden. Es gelingt jedoch die- Ueber die sogenannten Grenzscheiden des Knochencanalsystems etc. 123 selben durch weitere besondere Behandlungsmethoden wieder sicht- bar zu machen. In mittleren Lösungen wirken sowohl die Kali- wie die Natronlauge auf die Scheiden zerstörend, stark quellend und auflösend ein. In stärkeren Lösungen endlich zeigt sich eine deutliche Differenz zwischen der Kali- und Natronlauge, indem die Natronlauge sich dem Scheiden gegenüber ganz indifferent ver- hält, so dass man die Scheiden dadurch leicht isoliren und con- serviren kann, während die Kalilauge dieselben auch in diesem Falle zerstört. Vergleicht man hiermit das Verhalten der von mir unter- suchten Keratinsubstanzen, wie z. B. der Epidermis und des Nagels, so erhellt auf den ersten Blick, dass das Ebengesagte in seiner allgemeinen Fassung wörtlich auch für die letzteren gelten kann; ob sich alle übrigen Keratinsubstanzen ebenso verhalten, wäre je- doch noch weiterhin festzustellen. Auch die Keratinsubstanzen werden zwar durch die künstliche Verdauung anscheinend nicht aufgelöst, doch erleiden sie eine zweifellose physikalische Aende- rung, indem sie schlaffer, blasser und zerreisslicher werden. Ihr Verhalten gegen Kali- und Natronlauge in schwächsten, mittleren und starken Lösungen stimmt vollständig mit dem soeben geschil- derten Verhalten der Grenzscheiden gegen diese Substanzen über- ein: doch ist im Einklang mit Smith hervorzuheben, dass die Wirkungsweise dieser Alkalien auf Keratinstoffe verschiedenen Herkommens durchaus nicht die gleiche ist. Aus diesem Grunde ist es ebenso wenig hier wie bei den Grenzscheiden möglich, be- stimmte Procentgehalte dieser Alkalien in ihrer Wirkungsweise gegen die Hornsubstanzen genau zu definiren. Zu dieser chemi- schen Uebereinstimmung zwischen Grenzscheiden und Keratinsub- stanzen in Bezug auf Alkalien und Verdauungsflüssigkeiten kommt nun noch die Gleichheit des Verhaltens gegen alle übrigen zur Zeit bekannten Reagentien, denen eine Wirkung auf dieselben zu- zuschreiben ist. Die Differenzen zwischen dem Keratin und den Scheiden, wo sie irgend vorkommen, sind nicht grössere als die Differenzen zwischen den einzelnen Keratinstoffen untereinander, je nachdem sie aus verschiedenen verhornten Substanzen gewonnen sind. Ausserdem zeigen die dureh Säuren isolirten Scheiden sich von ebenso fester Beschaffenheit wie verhornte Elemente: sie sind keineswegs schlaff, sondern repräsentiren stets die Form der Räume, welche sie auskleiden. Es fragt sich nun, ob ich nicht unter diesen Umständen heute 124 G. Broesike: ebenso wie in meiner früheren Arbeit noch ein Recht habe, die Grenzscheiden kurzweg als Keratinscheiden zu bezeichnen. Ich glaube diese Frage bejahen zu können, wenngleich ich mir wohl bewusst bin, dass in meiner Beweisführung noch eine Lücke existirt. Diese Lücke steht nämlich zu dem Schwefelgehalt in Beziehung, welehen man bekanntlich bis jetzt bei den Keratinstoffen stets constatiren konnte. Allerdings schwankt dieser Schwefelgehalt bei denselben in sehr weiten Grenzen (zwischen 0,7—8°/,) und man müsste sich demgemäss bei den Grenzscheiden auch mit dem Nachweis eines sehr geringen Procentgehaltes von Schwefel zu- frieden geben. Wenn sich aber auch wirklich wider meine Annahme die Scheiden schwefelfrei erweisen oder sich vielleicht in Bezug auf andere zur Zeit nicht geprüfte Reagentien chemische Differenzen zwischen denselben und dem Keratin herausstellen sollten, so wäre die durch mich nachgewiesene Uebereinstimmung immerhin gross genug, um es zu rechtfertigen, wenn man die Substanz der Schei- den zu den Hornstoffen im Sinne von Hoppe-Seyler rechnen würde. In diesem Falle wäre diese Substanz eben sowohl von Elastin wie von den anderen Stoffen dieser Kategorie von vorn herein zu unterscheiden, und man wäre gezwungen, derselben einen neuen Namen zu geben, der vielleicht nicht mit Unrecht Osseo- keratin lauten könnte. Hiergegen dürfte wohl auch von W. Kühne kaum ein Einwand erhoben werden, da sich das von ihm soge- nannte Neurokeratin doch von den übrigen Keratinstoffen recht erheblich unterscheidet. Die letztere Substanz ist z.B. (ef. Hoppe- Seyler, Physiol. Chemie p. 679) gegen Alkalien und verschie- dene andere Lösungsmittel sehr resistent und nur in heisser, con- ceutrirter Kalilauge oder Schwefelsäure löslich. Wenn also die Grenzscheiden wirklich, wie dies Smith irriger Weise behauptet, verdaulich und schon durch 1/,-ige Kalilauge aufzulösen wären, so wären die chemischen Differenzen zwischen den Grenzscheiden und den Keratinstoffen keineswegs grössere, als sie es zur Zeit zwischen dem Neurokeratin und den übrigen Keratinstoffen sind. In jedem Falle würden aber die Scheiden zu den Hornsubstanzen zu rechnen sein, man würde aber höchstens anstatt „Keratinscheiden“ den Ausdruck „Hornscheiden“ (im Sinne von Hoppe-Seyler) einführen müssen. Zu letzterer Concession bin ich schon jetzt be- reit, wenn es mir gelingen sollte, um diesen Preis meine Dif- ferenzen mit Smith beizulegen. Mir kam es hauptsächlich Ueber die sogenannten Grenzscheiden des Knochencanalsystems ete. 125 darauf an, zu zeigen, dass die Grenzscheiden nicht aus verdichteter Knochensubstanz bestehen, sondern aus einer anders gearteten chemischen Substanz, die sich vom Ossein wesentlich unterscheidet. Dass diese Substanz von allen bisher bekannten Substanzen die auffallendste Uebereinstimmung in ihrem chemischen Verhalten mit den Keratinstoffen zeigt, wird vielleicht jetzt auch Smith zu- geben, um so mehr als er selbst trotz seiner energischen Wider- legung meiner Ansichten keinerlei Vermuthungen darüber ausge- sprochen hat, zu welcher Kategorie von chemischen Körpern denn die Scheiden nach seiner Ansicht eigentlich zu rechnen wären. Richtigstellung der Behauptungen des Herrn Dr. Dahl. Von H. Dewitz. So unangenehm und ermüdend es ist, ein und dasselbe Thema Jahre hindurch wiederzukäuen, so enthält die neueste Arbeit Dahl ’st) derartige Unrichtigkeiten, dass ich gezwungen bin, wenigstens die Hauptpunkte zu beleuchten. Dahl beginnt mit folgenden einlei- tenden Bemerkungen: „Nachdem noch bis vor Kurzem eine interessante Frage der Zoologie, wie es den Inseeten möglich sei, an glatten Flächen emporzuklimmen, bei deutschen Forschern fast unberücksichtigt geblieben war, empfanden in den beiden verflossenen Jahren gleich- zeitig Mehrere diesen Mangel und suchten ihn gleichzeitig und unabhängig von einander durch eingehende Untersuchungen zu be- seitigen.“ Ferner heisst es?): „Der erste, der von den neueren Autoren einige vorläufige Mittheilungen machte, war Dewitz?). Seine Angaben enthielten aber soviel Verkehrtes, dass ich mich nicht veranlasst sah, meine 1) Die Fussdrüsen der Insekten. Archiv f. mikrosk. Anat. XXV. p- 236—263. t. XII und XII. 2) Arch. f. mikrosk. Anat. 1. c. p. 236. 3) Sitzungsber. d. Gesellsch. nat. Freunde zu Berlin. 1882. p. 5 und 109 vom 17. Jan. und 18. Juli. 126 H. Dewitz: Untersuchungen aufzugeben. In einer neueren ausführlichen Ar- beit!) stimmen die Ansichten von Dewitz allerdings in vielen Punkten mit den meinigen überein, welche ich zuerst in einer vorläufigen Mittheilung?) und dann in einer eingehenden Arbeit?) veröffentlichte.“ Jetzt will ieh den Vorgang schildern. Wie mir Herr Pro- fessor Möbius mittheilte, erzählte ihm im October 1882 Herr Dahl, dass er beobachtet habe, dass Fliegen und andere Inseeten feine Flüssigkeeit absonderten, wenn sie an Glas liefen. Eine längst bekannte Thatsache. Herr Professor Möbius machte ihn auf meine Publicaionen *) aufmerksam. Es erschien dann am 21. Jan. 18845) Dahl’s erste Mitthei- lung, welche, soweit sie unser Thema berührt, eine Nachunter- suchung meiner Beobachtungen‘) an denselben Thieren (Orthopte- ren und Telephorus) ist. Und das nennt Dahl eine unabhängige, gleichzeitige Unter- suchung, die aufzugeben nach Erscheinen meiner vorläufigen, viel Verkehrtes enthaltenden Mittheilung er nicht gesonnen war! Wieso er von „Mehreren“ redet, ist unerfindlich, denn weder von Rombouts noch von Simmermacher ist behauptet, dass sie nicht durch meine Publication zu ihren Beobachtungen ange- regt wurden. Hat Dahl auch nur den Versuch gemacht, seine Behauptung, dass die Ansichten in meiner ausführlichen Arbeit mit den in seinen Publicationen geäusserten in vielen Punkten übereinstimmen, zu be- weisen ??) Ieh werde dagegen beweisen, dass er in seiner neuesten Ar- 1) Ueber die Fortbewegung d. Thiere an glatten senkrechten Flächen vermittelst eines Secretes. Pflüger’s Archiv XXXIII. 1884. p. 440—481. t. VI—IX. 2) Ueber den Bau und die Functionen des Insektenbeines. Zool. Anz. Nr. 158. 21. Jan. 1884. 3) Beiträge zur Kenntniss des Baues und der Function der Insekten- beine, Arch f. Nat. L. 1884. 4) Sitzungsber. 1. c. 5) Zoologischer Anzeiger 1. c. 6) Sitzungsberichte 1. c. 7) Das Munuseript meiner Arbeit schiekte ich laut Postschein am 6. Oktober 1883 an Herrn Professor Pflüger, Dahl’s erste Mittheilung erschien am 21. Jan. 1884. Richtigstellung der Behauptungen des Herrn Dr. Dahl. 127 _ beit!) in den Hauptpunkten, auf die es ankommt, meine Anschau- ungen vollkommen acceptirt hat. Er verkannte nämlich die Drü- sen an den Tarsalgliedern, konnte in Folge dessen kein Sekret annehmen und musste zu seiner Bluttheorie greifen. Das Blut sollte nämlich durch das Chitin der Sohle und der Hafthaare siekern, um dann als Haftflüssigkeit zu dienen). Und jetzt in seiner neuesten Arbeit??) Betrachtet er nicht ebenso, wie ich von Anbeginn, diese in Frage kommenden Gewebe als Drüsen und die Flüssigkeit als ihr Sekret? Also bin nicht ich zu seinen, sondern er ist zu meinen Hauptresultaten gelangt, welche ich in meiner ersten Mittheilung genau so dargestellt habe, wie in meiner ausführlicheren Arbeit. Die Art und Weise, wie Dahl jetzt seine Bluttheorie zu be- schönigen sucht, ist jedenfalls nicht zu billigen: - „Da nun aus den Hafthaaren ein leicht erkennbares Sekret ausgeschieden wird, welches, wie ich schon in meiner früheren Arbeit gezeigt habe (Arch. f. Naturg. 50. p. 167. Dissert. p. 22) nieht mit der Blutflüssigkeit übereinstimmt, so werde ich die Zellen ohne Weiteres Drüsen nennen“ ®). Und was lesen wir auf dieser citirten Seite? „ieh glaube, dass wir alles damit erklären können, wenn wir annehmen, dass die Sohle von der Blutflüssigkeit durchtränkt wird. Allerdings ist das Blut mit Wasser mischbar, während es die ausgeschiedene Flüssigkeit nicht ist. In der äusserst dünnen Schieht ist aber jedenfalls leicht das Wasser verdunstet, während die übrigen Bestandtheile des Blutes zurückbleiben.“ Natürlich wird dagegen eingewandt werden, die Sätze seien aus dem Zusammenhange gerissen. Nun dann mag man den Zu- sammenhang prüfen und mir sagen, ob der Sinn ein anderer wird. Ich habe weder Zeit noch Lust, die neueste Arbeit Dahl’s Punkt für Punkt durchzugehen. Nur einen Fehler will ich besprechen, in welchen bei Nachuntersuchungen auch andere leicht verfallen könnten. 1) Arch. f. mikrosk. Anat. |. c. 2) cf. zool. Anzeiger 1884. Nr. 158. p. 40, dritter Absatz und Beiträge zur Kenntniss des Baues und der Function der Insectenbeine. Archiv f. Nat. 1884. p. 167. 3) Arch. f. mikrosk. Anat. 1. e. 4) Arch. f. mikrosk. Anat. 1. e. p. 245. 128 H. Dewitz: Richtigstellung der Behauptungen des Herrn Dr. Dahl. Dahl behauptet auch jetzt noch, dass die Sohle der Loeu- stiden nicht aus Röhren, sondern aus Stäbehen bestehe und dass die das Seeret ableitenden Haare andrer Insekten zwar eine Höh- lung im Innern, jedoch keine Ausmündung an der Spitze besitzen. Das Sekret gelange in Folge einer „Durchsehwitzung“ durch das Chitin hindurch nach aussen!). Ich habe meine Präparate Herrn Dr. Karl Brandt und Dr. Joh. Frenzel vorgelegt und beide gelangten zu der Ueberzeugung, dass die Gebilde bei den Locustiden Röhren seien, als auch, dass die Tarsalhaare an der Spitze eine Oeffnung besitzen. Selbst- redend muss der Schnitt von der Heuschreckensohle äusserst dünn sein. Die Oeffnungen an der Spitze der Tarsalhaare nahm ich ausser bei den genannten grossen Rüsselkäfern, Entimus und Eupholus, auch bei unserm Chlorophanus viridis L. wahr. Es finden sich bei ihnen zwei Arten von Hafthaaren, die einen sind hufförmig gestaltet und tragen die Oeffnung seitlich dicht unter der Spitze?), die andern dagegen haben die Gestalt einer Keule und tragen die Oeffnung genau an der Spitze. Während es bei den ersteren schwierig ist, die Oeffnung zu finden, gelingt es bei letztern leichter. Oft kann man Hunderte von Haaren ansehen, ohne eine Oeff- nung zu entdecken. Jedenfalls legen sich die Ränder derselben dieht aneinander und werden nur vom durchtretenden Sekret aus- einander gebogen, weswegen wir in den allermeisten Fällen die Oeffnung geschlossen finden und in Folge dessen sehr schwer wahr- nehmen können. Es ist, wie gesagt, die Auffindung der Oeffnung mit viel Mühe verknüpft, so dass ich es Dahl nicht weiter zum Vorwurf machen will, dass er sie nieht erkannte, nieht zu ver- zeihen ist es ihm jedoch, dass er die klar daliegenden längst be- kannten Drüsen des Telephorus?) nicht wieder erkannte und in Folge dessen zu einer Theorie, wie seine Bluttheorie greifen musste. 1) Arch. f. mikrosk. Anat. 1. c. p. 257. a) Phluger's Arch..1..c. t. VH.oL. 12177. 3) Von Leydig bereits 1859 auf’s deutlichste abgebildet und be- schrieben. Hans Gierke: Die Stützsubstanz des Centralnervensystems. 129 Die Stützsubstanz des Centralnervensystems. Von Dr. Hans Gierke. IT. Theil. Hierzu Tafel VI. Anordnung der Stützsubstanz in den einzelnen Theilen des Centralnervensystems. Eine specielle Beschreibung der Verhältnisse der Stützsub- stanz des centralen Nervensystems wird ausserordentlich durch die grossen Verschiedenheiten derselben bei den verschiedenen Ge- schöpfen ersehwert. Selbst, wenn man sich auf eine Thiergattung, 7. B. die Schafe beschränkt, wird man in Hinsiebt auf einige wesentliche und viele unwichtige Punkte Abweichungen in den von verschiedenen 'Thieren gewonnenen Präparaten finden. Es wird dies.aus dem früher Gesagten hinreichend klar sein, wenn man an die auffallenden Veränderungen denkt, welche die Glia- elemente beim Verhornungsprocess eingehen können. Die Alters- verschiedenheiten, von denen ich früher sprach, stellen sich offen- bar mit der grössten Unregelmässigkeit ein. Soweit meine Be- obachtungen nach dieser Richtung hin massgebend sind, scheint bei keiner Thiergattung einem bestimmten Lebensalter der Indi- viduen ein bestimmter regelmässig eintretender Zustand der Ele- mente des centralen Stützgewebes zu entsprechen. Vielmehr muss ich nach allen meinen Untersuchungen annehmen, dass die Um- wandlung des Protoplasmas und der Kernsubstanz in Keratin bald früher, bald später und mit verschiedener Energie eintritt und dass die durch diesen Vorgang hervorgernfenen Erscheinungen ebenso Archiv f. mikrosk, Anatomie. Bd. 26. 9 130 Hans Gierke: wie andere allmählich auftretenden Veränderungen einer deutlich nachweisbaren Regelmässigkeit vollkommen entbehren. Zum Theil lassen sich auch durch diese Thatsache die grossen Widersprüche in den Darstellungen der verschiedenen Autoren, welche über unser Thema geschrieben haben, erklären. Auch ist das Aussehen der Glia ganz ausserordentlich abhängig von der Behandlung, beson- ders von der Tinction der Präparate; mehr noch als man es bei den andern Gewebsarten beobachtet. Lange Jahre hindurch habe ich trotz meines fortgesetzten Studiums des Centralnervensystems die Stützsubstanz desselben ganz falsch und durchaus anders ge- sehen als jetzt. Und vergleiche ich eine Reihe mit dem gleichen Farbstoff, z. B. mit Ammoniak-Carmin gefärbter Präparate, so er- staune ich immer wieder über die grosse Verschiedenheit in der Erscheinung der Stützsubstanz in ihnen, besonders in quantitativer Hinsicht. In einigen sieht man von ihr fast gar nichts, in andern stellt sie sich in einer solehen Reichhaltigkeit und in einer so hohen Entwicklung dar, dass man sich gar nicht vorstellen kann, dass in den ersteren noch ein so dicht geflochtenes Netzwerk ver- borgen sein soll. Und doch ist dies mit Sicherheit anzunehmen. Konnte ich nun auch alle durch die Präparation geschaffenen Ver- schiedenheiten durch die ausserordentliche Menge meiner gelun- genen Präparate unschädlich machen, so stellten doch die indivi- duellen Differenzen der Stützsubstanz ihrer Erforschung grosse Hindernisse entgegen. Ich habe sehr viel Zeit und unendlich viel Mühe verwenden müssen, ehe ich mich den Widersprüchen ent- ziehen konnte, in welche mich die zahlreichen Abweichungen der unter gleichen Bedingungen stehenden Präparate stürzten. Eine genaue, auf die Einzelheiten eingehende Schilderung der Stütz- substanz der einzelnen Theile der Centralorgane würde daher nur in der umständlichen Weise möglich sein, dass alle häufiger zu findenden Formen. der Gestaltung hervorgehoben würden. Dies scheint mir aber um so weniger nothwendig, als doch das Wesent- liehe in der Verwendung und in der Anordnung der weiter oben besprochenen Glia-Elemente fest steht und immer gleich bleibt. Die Unterschiede sind, von den früher ausführlich geschilderten Abweichungen, welche durch die Formen der Gliazellen bedingt werden, abgesehen, hauptsächlich quantitativer Art, indem das Mengeverhältniss der verwendeten Stützelemente vielfach wechselt, und zwar häufig, ohne dass der Grund für das Mehr oder Weniger Die Stützsubstanz des Centralnervensystems. 131 klar wäre. Dies gilt ganz besonders für die Gliahülle aller Theile des Gehirns und des Rückenmarks. Die folgende möglichst kurze Schilderung ist daher so allgemein gehalten, dass sie, sofern nicht specielle Angaben, z. B. für den Menschen, nöthig erschienen, für ihn und für alle höheren Säugethiere passt. Es wurde bereits oben ‚viel von der innern Glia-Ausklei- dung des Centralkanals im Rückenmark gesprochen: beson- ders wurden auch die embryonalen Entwicklungsverhältnisse be- rücksiehtigt. Dem Gesagten ist nur noch wenig hinzuzufügen. Die Stützsubstanz um den Centralkanal herum ist quantitativ in den verschiedenen Abschnitten des Rückenmarkes sehr verschieden ent- wickelt, kann aber überall als sehr mächtig bezeichnet werden. Bekanntlich zerfällt sie in zwei Schichten, das Epithel und die dasselbe umgebende substantia gelatinosa centralis. Die schönen eylindrischen Epithelzellen, deren Flimmerbesatz im Tode unge- mein schnell macerirt, stehen in einer Schichte und ungefähr in der Zahl von 100 kranzförmig neben einander. Zwischen ihren sich verjüngenden peripherischen Enden liegen, wie gleichfalls schon hervorgehoben wurde, die alle Uebergänge von der runden zur eylindrischen Zelle zeigenden Ersatzzellen, von denen die län- geren bereits peripherische Fortsätze entwickelt haben. Diese von den Epithelzellen nach aussen laufenden Fortsätze ziehen im All- gemeinen radiär und setzen die Richtung des Zellleibes weiter fort. Nur vorn und hinten, dem Commissurentheil des Markes ent- sprechend, drängen sich dieselben mehr zusammen, bilden je ein Bündel, das quantitativ nach den Individuen und dann besonders auch nach der Gegend des Rückenmarks sehr verschieden diek ist). Die Fäden suchen sich zwischen den Nervenfasern der Commissurentheile durchzudrängen und liegen daher bald dicht nebeneinander, bald sind sie mit jenen mehr oder weniger stark durehflochten. Neben den wirkliehen Fortsätzen der Epithelzellen kommen nun aber in diesen Bündeln ungemein langgestreekte spin- delförmige Zellen vor, deren Pole sich in Fäden ausziehen, welehe mit jenen ersteren zusammen verlaufen. Der Zellkörper kann ausserordentlich dünn, ja so schmal werden, dass man ihn nur noch mit grosser Mühe von der Faser unterscheiden kann, und 1) Siehe auch die Schilderung der embryonalen Entwicklung dieser Verhältnisse. 132 Hans Gierke: enthält doch Kern und Kernkörperchen. Genauere Untersuchungen ergeben, dass diese Fadenzellen aus denselben embryonalen Zellen entstehen wie die Epithelzellen. Es kommen Bilder vor, welche darauf hinweisen, dass das peripherische Ende des Fortsatzes einer Epithelzelle mit dem nach innen gerichteten Ende einer solehen Faser verschmilzt, so dass dadurch ein längerer Faden entsteht. Andererseits gehen offenbar die Zellleiber auch hier — wie wir das an andern Gliazellen beobachten — in der Bildung ihrer Fortsätze vielfach vollkommen auf, auch die Kerne schwin- den dann und es entstehen Fasern von gleichmässiger Stärke, welche grösstentheils eine sehr bedeutende Länge besitzen; viel- leicht aueh durch Verschmelzung mit andern sich verlängern. Alle sind verhornt. Dieses Faserbündel beschränkt sich nun aber nicht auf die Commissuren, sondern tritt durch sie hindurch in die vor- dere, respective hintere Longitudinalfissur, um in ikr bis zur Pia mater oder wenigstens bis in die Nähe derselben zu verlaufen. Von dieser letzteren geht dann andererseits ein aus Bindegewebs- fibrillen bestehender Fortsatz aus, läuft dem Bündel der Gliafasern entgegen und vermischt sich mit ihnen. So ist es sowohl in der vorderen wie in der hinteren Fissur und zwar in der ganzen Länge des Rückenmarks. Das quantitative Verhältniss zwischen beiden Elementen ist ungemein verschieden und offenbar sehr unregelmässig. Wenigstens gelang es mir nicht, eine Regel zu er- kennen. Sicher aber ist und durch verschiedene Untersuchungs- methoden nachzuweisen, dass die in den beiden Fissuren befind- lichen Faserstränge zum grossen, wenn nicht zum grössten Theil, aus verhornten Fäden, aus Gliaelementen bestehen. Die zahl- reichen aus der Pia herkommenden Blutgefässe, welche in diesen Spalten in horizontaler Richtung verlaufen und mehrfache Zweige nach rechts und links abgebend bis zu den Commissurentheilen des Marks vordringen, sind stets von einer Hülle aus fibrillärem Binde- gewebe umgeben; ja diese tritt mit ihnen in die Marksubstanz ein. Grossen Gefässen entspricht daher eine stärkere Anhäufung von Bindegewebe und damit eine Verringerung der Gliafasern. Das erstere tritt übrigens nur in dieser Eigenschaft d. h. als secun- däre Adventitia der Gefässe in die Substanz des Markes ein; ohne dem nirgends, auch nicht, wie so vielfach angegeben wird, in den Commissurentheil. Es ist wohl kaum nöthig, noch hinzuzufügen, dass die Fortsätze der Epithelzellen sieh nicht mit Bindegewebs- Die Stützsubstanz des Centralnervensystems. 133 fibrillen verbinden oder sich in sie fortsetzen können, wie das ebenfalls geglaubt und behauptet wird. Die nach seitwärts hin verlaufenden Fortsätze der Epithelien verästeln sich zuweilen sofort in einer schmalen, allein aus Grundsubstanz gebildeten Schicht, welche zwischen diesen und der substantia gelatinosa liegt. Die Aeste bilden dann sich unter einander verbindend einen weitläu- figen Plexus in der Grundsubstanz. Diese Anordnung ist aber nieht sehr häufig, wenigstens bildet die so entstehende Schicht im Rückenmark selten einen vollständigen, den Centralcanal umschlies- senden und nur von den oben erwähnten Bündeln unterbrochenen Kreis. Eigentlich kommt dies nur im Halstheil vor, wo das Rückenmark in die medulla oblongata übergeht. Das Epithel näm- lich des vierten Ventrikels steht auf einer gleichen Lage. Die meisten Ausläufer der Epithelien verästeln sich irgendwo in der centralen substantia gelatinosa oder verbinden sich auch wohl ohne Theilung direct mit einer Faser des Glianetzes derselben. Die substantia gelatinosa centralis nun besteht allein aus Grundsubstanz und Gliazellen mit sehr langen Ausläufern. Spar- same Capillaren sind in den äusseren Parthieen zu finden, doch reichen dieselben selten bis zu den Spitzen der Epithelien; der innere Theil der substantia gelatinosa ist meistens gefässfrei. Auch fand ich eine sehr geringe Entwicklung der feinsten Lymphecanäle, die in der grauen Substanz so zahlreich sind. Nirgends scheint — ich habe hierauf grosse Aufmerksamkeit verwandt — eine Ein- mündung derselben in den Centralcanal stattzufinden. Gliazellen sind in sehr grosser Menge vorhanden, aber sie sind schwer zu erkennen. Ungefärbt werden sie selbst bei stärksten Vergrösse- rungen in der Grundsubstanz kaum sichtbar, und sie gut zu färben ist schwer. An gelungenen Präparaten kommen sie in sehr grosser Zahl zum Vorschein. Es sind mittelgrosse, zum Theil auch kleinere Gebilde mit reichlich entwiekeltem Zellleib. Ihre Kerne sind bald etwas grösser, bald etwas kleiner, doch selten derartig, dass der umhüllende Körper ihnen gegenüber verschwindet. Eigentliche Kernzellen fehlen gänzlich oder sind wenigstens sehr selten und höchstens in den äussersten Parthieen zu finden, ganz kernlose Zellen dagegen sind ziemlich häufig. Je nach ihrer Lage und nach der Verwendung ihrer Fortsätze sind sie unregelmässig stern- förmig oder länglich gestaltet. Die letzteren sind wohl bei Weitem die häufigsten und zwar kommen ganz schmale spindelförmige mit 134 Hans Gierke: einem verkrüppelten Kern versehene Gebilde vor, welehe sich an beiden Polen in ungemein langen Fortsätzen verlängern. Ueber- haupt sind die Ausläufer dieser gestreckten Zellen im Allgemeinen sehr lang. Meistens verlaufen sie in der Richtung der Längsaxe der Zelle weiter; diese ist in der Mehrzahl der Fälle eine hori- zontale und im Verhältniss zum Centralcanal eireuläre. Besonders in der inneren Parthie, dieht um den Epithelienkranz oder, wenn eine solche vorhanden, um die vorher erwähnte helle Schicht herum ist ein mächtiges Bündel solcher aus Zellen und ihren Ausläufern bestehenden, den Centraleanal in horizontaler Lage umkreisender Stützfasern zu finden. So dicht drängen sie sich vielfach anein- ander, dass man die zwischen gelagerte Grundsubstanz und die zwischen ihnen sich durehdrängenden in anderer Richtung ver- laufenden Fasern kaum erkennt. Und doch sind diese vorlanden. Abgesehen von den von innen kommenden Ausläufern der Epi- thelien sieht man besonders die Durchschnitte von solchen Fasern resp. Zellen, welche parallel mit dem Centralcanal, also der Länge nach verlaufen. Nach aussen lockert sich der diehte Kranz der Kreisfasern ein wenig. Sie lassen Lücken zwischen sich, in denen ebenfalls horizontale, aber quere oder schräge Fasern verlaufen. Auch die längsgestellten Zellen mit ebenso gerichteten Ausläufern mehren sich. Die Gliazellen sind hier nicht mehr so lang wie in dem inneren cireulären Bündel und besitzen mehrere Ausläufer neben denen, welche in der Richtung der Längsaxe des Zellkör- pers weiter laufen. Und während diese letzteren fast immer unge- theilt verlaufen, verästeln sich die seitlichen Fortsätze, bilden zwischen den eireulären und longitudinalen Fasern einen Plexus und verbinden die verschiedenen Zellen untereinander. Je weiter nach aussen desto mehr verändern sich die Verhältnisse in dieser Weise. Natürlich wird auch in den gefärbten Präparaten die sub- stantia gelatinosa nach aussen hin viel heller, da zwischen den aus- einander tretenden Fasern mehr Grundsubstanz gelagert ist, die sich hier eben so wenig färbt wie anderswo. Zu äusserst sieht die substantia gelatinosa ganz dem gewöhnlichen Stützgewebe der srauen Substanz gleich, da sie aus einem nach allen Richtungen hin in gleicher Weise ausgebildeten Netzwerk von Gliazellen und deren Ausläufern besteht, in dessen Lücken die Grundsubstanz eingelagert ist. In der That wird nach den Seiten hin der Ueber- sang zur grauen Substanz dadurch bewerkstelligt, dass sich die [eb i Die Stützsubstanz des Centralnervensystems. 15 nervösen Elemente, an der Grenze zunächst besonders die feinen Nervenfibrillen, in die Lücken jenes Netzwerkes eindrängen. Wer eine Eintheilung in Schichten sehr liebt, kann also den ganzen Auskleidungsmantel des Centralcanals in drei überall vorhandene Sehichten sondern: 1) Das Epithel. 2) Das Bündel dichtgedrängter eireulärer Zellen und Fasern. 3) Die Schicht der nach dem ge- wöhnlichen Prineip aufgebauten Stützsubstanz. Zwischen der zwei- ten und dritten Schicht ist aber nirgends eine Grenze zu ziehen der Uebergang ist ganz allmählich. Die graue Substanz des Rückenmarkes flpegt man nach ihrem Stützgewebe in die spongiöse und in die gelatinöse einzutheilen. Die letztere entsprieht der substantia gelatinosa Rolandi. Der prineipielle Unterschied aber, welcher dureh diese Bezeichnungen angedeutet werden soll, existirt in Wirklichkeit nicht. Die ganze graue Substanz mit Einschluss der „gelatinösen“ Massen besitzt als Grundlage das früher geschilderte Stützgewebe. Nur quanti- tative Unterschiede machen sich bemerkbar. In dem grössten Theil der grauen Substanz ist das aus den Gliazellen und ihren Ausläufern gebildete Netzwerk weitläufig, in den grossen Maschen liegt die sich nicht tingirende Grundsubstanz und die nervösen Elemente. Von diesen letzteren färbt sich das Mark der überall vorhandenen, stellenweise sogar in grossen Mengen auftretenden markhaltigen Nervenfasern auch nicht mit Carmin. In der sub- stantia gelatinosa Rolandi dagegen finden wir dichtgedrängte Glia- zellen, welche ein sehr engmaschiges Netzwerk herstellen. In den Lücken dieses ist wenig Grundsubstanz und, abgesehen von den die Substanz durchbrechenden hintern Wurzelbündeln, fast gar kein Nervenmark zu finden. Kleine Nervenzellen und sehr zarte nervöse Fibrillen füllen die Maschen des Glianetzes. Kein Wun- der daher, dass diese substantia gelatinosa Rolandi sich mit Car- min hochroth färbt, da sowohl die Gliazellen wie die nervöse Inhaltsmasse den Farbstoff energisch aufnehmen; während die übrige graue Substanz bei Weitem heller bleiben muss, da die an ihrer Zusammensetzung so wesentlich Antheil nehmenden Sub- stanzen: Nervenmark und Grundsubstanz zu ihm keine Verwandt- schaft haben und ganz farblos bleiben. Der Unterschied im Aussehen der beiden Substanzen im frischen Zustande wird wohl dadurch bewirkt, dass in der eigent- lich grauen die nervösen Elemente die Farbe mit bedingen, wäh- 136 Hans Gierke: rend die zahlreichen und diehtgedrängten, dabei schön ausgebildeten Gliazellen der substantia gelatinosa quantitativ wohl die Haupt- masse bilden. Uebrigens scheinen die hier vorkommenden ungemein zarten Nervenzellen auch viel durchsichtiger zu sein als die der- beren in der übrigen grauen Substanz. Bei einer genaueren Betrachtung der Stützsubstanz in den Vorderhörnern fällt vor allen Dingen die Anwesenheit der beiden extremen Formen der Gliazellen auf. Ueberall dicht nebeneinander sieht man die besten Kernzellen, an denen von einem Zellleib gar nicht mehr die Rede ist, und vollständig kernlose Gliagebilde ver- wandt. Dazwischen kann man manche Uebergangsformen finden. Nirgends sonst bei der Untersuchung des Stützgewebes habe ich mich so sehr quälen müssen als hier bei der Lösung der Frage, ob diesen beiden so verschieden aussehenden Elementen desselben Gewebes hier eine verschiedenartige Bedeutung zukäme. Die Widersprüche, welche sich mir bei der Untersuchung eines reich- haltigen, sehr verschiedenen Geschöpfen entnommenen Materials ergaben, waren derart, dass ich lange nicht aus der Dunkelheit herausfand. Endlich glaubte ich zu einem sichern und allgemein gültigen Resultat gelangt zu sein. Ich nahm an, dass zwei durch- einander geflochtene Netzwerke existiren. Das eine aus den kernarmen grösseren und gröberen Elementen gebildete stellt ein Grundgeflecht für alles Uebrige, das in seinen Lücken eingelagert ist, her. Die nervösen Elemente liegen aber nicht ohne Weiteres so in ihnen, dass sie von den genannten Gliaelementen direet um- hüllt werden, vielmehr werden für sie aus den Kernzellen und deren so ausserordentlich zarten Fortsätzen die umhüllenden Schei- den gewebt. In der That ist dies Verhältniss im Grossen und Ganzen richtig und lässt sich bei den verschiedenen Säugethieren erkennen. Aber die Unregelmässigkeiten sind zu zahlreich, die Fälle, in denen man die Gliazellen in anderer Weise angeordnet findet, kommen zu häufig vor, als dass man von einem wirklichen, feststehenden Gesetz sprechen könnte. Es zeigt sich eben grade hier in der grauen Substanz des Rückenmarkes ganz besonders klar, was ich schon mehrmals lebhaft betont habe, dass ein prin- eipieller histologischer Unterschied zwischen den beiden Formen der Gliazellen nicht existirt, dass wir es vielmehr in ihnen mit verschiedenen Gestaltungen der zugleich mit der Verhornung auch die Gestalt verändernden ursprünglich gleichartigen Elementen zu Die Stützsubstanz des Centralnervensystems. 137 tbun haben. Je nach der Aufgabe, welche sie als Theilchen des Stützgerüstes zu lösen haben, nehmen sie mehr diese oder. jene Form an. Wie ich schon früher betonte und wie ein Blick auf die Figuren 1, 2 und 3 leicht zeigen wird, sind die Ausläufer der Kernzellen im Allgemeinen viel feiner als diejenigen der kern- armen Gliazellen, und Fädchen so zart wie die Fortsätze von la, 1b und le kommen bei den letzteren kaum als letzte Endreiser der verzweigten Ausläufer vor. Dass nun die Hüllen für die fei- neren marklosen Nervenfasern nur aus solchen allerzartesten Fäden sewebt werden können, ist wohl ohne Weiteres klar. Man kann also ein überall in ziemlich gleicher Weise vor- handenes Netzwerk von kernarmen Zellen als das Haupt-Stütz- geflecht der grauen Substanz betrachten. Mittelgrosse, kaum hier und da einmal kleine sternförmige, verhornte Gliazellen senden nach allen Richtungen hin ihre kräftigen Ausläufer aus und ver- binden sich durch diese zu dem genannten Geflecht. Dabei aber laufen nicht etwa die Fortsätze zu den nächstgelegenen Nachbar- zellen, um sieh mit diesen zu vereinen, sondern sie theilen sich, geben an die Nachbarn Verbindungsäste ab, ziehen aber selber noch eine weite Strecke hindurch, um sieh endlich mit den Aus- läufern weit entlegener Zellen zu verbinden. Da sie nun oft eine ausserordentliche Länge besitzen — man sieht Fortsätze durch das Gesichtsfeld eine Strecke hindurch ziehen, welche dem zwölf- bis seehszehnfachen Durchmesser ihrer Zellkörper entspricht —, so verbindet sich eine jede Gliazelle mit einer ungebeuer grossen Zahl anderer gleicher Zellen. Diese Einrichtung hat wohl ihren Vortheil für die Festigkeit des ganzen Stützgerüstes. Ich rechnete die Zellen dieses Geflechtes zu den kernarmen Zellen. Und m der That! So ausserordentlich auch grade in dieser Beziehung die Verschiedenheiten je nach den Thiergattungen, ja nach den Individuen sind, eine besonders schöne Entwicklung der Kerne ist bei ihnen selten zu finden. Sehr häufig sieht man ganz kernlose Zellen, die Mehrzahl aber wird wohl von solchen gebildet, die einen wenig hervortretenden, im Verhältniss zum Zellkörper nur kleinen Kern besitzen. Darin jedoch treten dem Auge des ge- nauen Untersuchers auch häufig genug die schönsten Kernzellen in einer derartigen Lage und in solehen Verbindungen entgegen, dass man sie durchaus als ein Element des Grund-Stütznetzes an- sehen muss. Ich habe mich daher zuletzt, da sich solche Fälle 138 Hans Gierke: immer wieder ereigneten, gezwungen gesehen, von der Aufstellung einer Regel, wie ich sie oben andeutete, abzustehen. Ausserdem ist die Schwierigkeit, die Gliazellen je nach ihrer Aufgabe: das Grund-Stütznetz bilden zu helfen, oder die einzelnen nervösen Elemente zu umscheiden und voneinander zu isoliren, zu erkennen und auseinander zu halten, so ungemein schwierig, dass es mir vielfach unmöglich erschien, eine klare Entscheidung herbeizu- führen. Es ist wohl selbsverständlich, dass auch dieser Umstand die Formulirung eines Gesetzes nicht zulässt, ja sogar vor allzu bestimmt hingestellten Aussprüchen warnen muss. Dennoch kann kein Zweifel bestehen, dass ein solches Grund-Netzwerk das all- gemeine und hauptsächliche Stützgerüst der grauen Substanz bildet und dass es bei weitem der gewaltigen Mehrzahl der Elemente nach aus der derberen Sorte der Gliazellen zusammengesetzt wird. Den Kern der Einlagerungen bilden die nervösen Elemente, die Nervenzellen mit ihren vielen Fortsätzen und die Nervenfasern, theils markhaltige, theils marklose in den verschiedensten Stärken. Es wurde aber bereits oben hervorgehoben, dass diese Gewebs- theilchen durchaus nicht die Lücken des geschilderten Netzes direkt ausfüllen. Vielmehr muss man sich diese zunächst mit der quantitativ sehr bedeutenden Grundsubstanz ausgefüllt denken. In ihr sind gewissermassen die Hohlräume für die nervösen Ele- mente und deren Scheiden ausgegraben. So sind also die Lücken des Netzwerkes hinsichtlich der Grösse nicht den einzelnen ner- vösen Gewebselementen entsprechend, selbst nicht den grösseren Zellen, sondern sie übertreffen sie bedeutend, um ausser ihnen noch anderen Elementen, hauptsächlich der Grundsubstanz und den Capillaren Platz zu gewähren. Irgend eme Regelmässigkeit in der Grösse der Maschen des Grund-Netzwerkes ist nicht zu con- statiren, sie sind bald grösser bald kleiner, bieten hier Raum für ein einziges nervöses Element, dort für eine grössere Zahl der- selben dar. Diese nervösen Gewebstheilchen nun, mögen sie Zellen oder Fasern sein, sind voneinander durch die Stützsubstanz ge- trennt. Um die grösseren, wie um die Zellen und die stärkeren Fasern sind korbartige Geflechte herumgewebt, wie ich dies schon früher in dem allgemeinen Theil geschildert habe. Die Elemente dieser Geflechte sind, soweit es die Nervenzellen angeht, zumeist die zarten durch ihren grossen Kern ausgezeichneten Glia- zellen, Grade hier findet man die schönsten Kernzellen. Die Die Stützsubstanz des Centralnervensystems. 139 ziemlich zahlreichen aber sehr feinen Fortsätze scheinen fast un- mittelbar aus einem grossen, schönen, runden, von prächtigen Balkennetzen durchzogenen Kern auszugehen. Die Ausläufer dieser Gebilde, zu denen auch sehr häufig Fortsätze der benachbarten Zellen des Grundgeflechtes kommen, stellen durch zahlreiche Thei- lungen und gegenseitige Verbindungen ein Flechtwerk mit ziemlich engen Maschen her, das sich dann auch auf die von der Nerven- zelle ausgehenden Fortsätze ausdehnt und sie begleitet. Die Lücken dieser netzartigen Zellscheide sind nun zum Theil durch die Capil- laren, welche ja in bedeutender Menge die grösseren Nervenzellen umlagern, im Uebrigen aber durch Grundsubstanz ausgefüllt. Denkt man sich die Verhältnisse, wie sie olıne Zweifel im unverletzten Organ bestehen, wie wir sie aber niemals sehen, da wir sie ganz allein in feinen Schnitten zu studiren vermögen, so liegt also die Nervenzelle in einer Höhle. Die Wandung derselben wird zum grösseren Theil von der Grundsubstanz, zum kleineren von den Kernen und Fasern des Gliageflechtes und den Capillaren gebildet. Gewiss kommt es nicht selten vor, dass auch die Begrenzungsfläche eines Stückes des Grund-Stützgeflechtes an der Bildung dieser Wandung betheiligt ist, so dass sich also an einer Stelle keine Grundsubstanz zwischen die Zelle oder die Faser jenes Geflechtes und die Nervenzelle drängt. Doch scheint eine derartige Anord- nung immerhin noch als Ausnahme angesehen werden zu müssen. Die Regel ist die erwähnte. Stellt man sich die Umgebung einer grösseren Nervenzelle ohne Grundsubstanz vor, denken wir uns diese Masse gänzlich fehlend, so würden wir also rings um den Zellleib ein feines Netzwerk haben, in dessen Knotenpunkten einige Zellen oder vielmehr Kerne liegen. Mit diesem Netz durch- flochten ist ein zweites viel gröberes und mit verhältnissmässig sehr grossen Maschen, das der Capillaren. Diese so zusammen- ‚gesetzte korbartige Scheide der Ganglienzelle ist nun in einer Lücke des Grund-Stützgeflechtes eingelagert und auch innig mit ihnen verbunden, da fortwährend, wie schon erwähnt wurde, Forisätze der Gliazellen der letzteren an der Bildung der ersteren Theil nehmen. Andererseits scheinen auch — mit Sicherheit konnte ich das nicht constatiren — hier und da Ausläufer der die Umhüllungen der Nervenzellen bildenden Kernzellen sich an der Herstellung des Grund-Stützgeflechtes zu betheiligen. Das eben geschilderte schwammartige und complieirte Geflecht ist nun in 140 Hans Gierke: Wirklichkeit dadurch zu einer soliden Masse gemacht, dass seine sehr bedeutenden Lücken mit Grundsubstanz ausgefüllt sind. - Und so ist die Wandung der Räume, in denen die Ganglienzellen lagern, nicht geflechtartig und vielfach unterbrochen, sondern eine glatte, zusammenhängende aber aus den vorher genannten Elementen zu- sammengesetzte Substanz. In dem für die Untersuchung vorbe- reiteten Material füllen die Nervenzellen diese ihre Wohnräume selten ganz aus; sie sind gewöhnlich kleiner als diese. Rings um die Zelle bleibt ein mehr oder minder beträchtlicher Raum frei. Dieser Spalt ist unzweifelhaft zum grösseren Theil nach dem Tode entstanden, indem die Nervenzelle beim Geriunen des Protoplasmas schrumpfte, sich zusammenzog. Wir haben es also mit sogenannten Retractionslücken zu thun. So feststehend dies aber für mich ist, eben so fest bin ich davon überzeugt, dass auch im Leben ein spaltförmiger Raum die Nervenzelle umgibt, dass die geschilderte Wandung sich nicht der Oberfläche des nervösen Gebildes dicht anschmiegt, sondern beide durch die Iymphartige Flüssigkeit ge- trennt sind, welche den Spalt ausfüllt. Dieser ändert nun, wie ich aus manchen Beobachtungen annehmen muss, seine Grösse im Leben fortwährend, da die in ihm liegende Nervenzelle je nach dem Functionszustand, in dem sie sich befindet, ihr Volumen ändert. Es ist hier nicht der Ort, auf diese Angelegenheit näher einzu- sehen, wir müssen uns hier mit der Annahme begnügen, dass die Ganglienzellen bald ihren Wohnraum fast ganz ausfüllen, bald aber, sich ein wenig verkleinernd, einen feinen Spalt zwischen ihrer Oberfläche und der Wandung jenes übrig lassen. Dieser pericelluläre Raum, über dessen Existenz oder Nichtexistenz schon viel gestritten worden ist, muss mit der gemachten Einschränkung für alle Nervenzellen der Centralorgane angenommen werden. Ich komme auf ihn als auf einen Anfang der Lymphspalten der grauen Substanz noch einmal zurück. Ebenso nun wie die Zellkörper umhüllt sind, müssen wir uns auch ihre Protoplasmafortsätze umgeben denken. Es gilt für sie dasselbe, was für die Zellkörper gesagt wurde. Von den übrigen nervösen Elementen der grauen Substanz zeichnen sich noch be- sonders die markhaltigen Nervenfasern aus. Dieselben sind be- kanntlich in manchen Gegenden sehr zahlreich, so dass man bei einer mikroskopischen Durchmusterung der grauen Substanz mit starken Systemen Parthieen auffindet, deren Aussehen die Meinung Die Stützsubstanz des Centralnervensystems. 141 hervorruft: Man habe sich verirrt und sei in die Seiten- oder Hin- terstränge geratken. Die stärkeren markhaltigen Nervenfasern sind nun in der grauen Substanz genau ebenso umscheidet wie in der weissen. Handelt es sich um ganze Bündel derselben, wie in den Nervenwurzeln oder in den starken Anhäufungen von Fasern in dem vordern Theil der Hinterhörner, vor der substantia gelati- nosa Rolandi, so ist die Anordnung in der That vollkommen gleich mit der in der weissen Substanz. Auch im äusseren Aussehen ist keine Differenz zu bemerken. Bei der Scheidenbildung aber der einzeln verlaufenden markhaltigen Nervenfasern ist ein Unter- schied dadurch gegeben, dass die Grundsubstanz mit zur Bildung der Umhüllung herangezogen ist. Im Uebrigen wird das die Scheide herstellende Netzwerk in der früher genauer geschilderten Weise durch kernarme Gliazellen und deren Fortsätze gebildet. Zum Theil sind es einfach Ausläufer der Zellen des Grund-Stütznetzes, zum grossen Theil aber sind eigene Zellen vorhanden, die in ihrer Form ganz den früher geschilderten in der weissen Substanz gieichen (z. B. den Zellen e u. e, in Fig. 11). Sie sechmiegen sich wie dort einer oder mehreren Nervenfasern innig an und haben daher con- eave Flächen, welche den eonvexen jener entsprechen. Die Zahl dieser eignen, für die Umscheidung einzelner markhaltiger Nerven- fasern verwendeten Gliazellen muss in der That sehr gross sein, da man doch sicher in der Mehrzahl der Querschnitte derselben ihnen solehe dreieckige Gliazellen angeschmiegt findet. Die Fort- sätze dieser letzteren gehen nun selten ganz in der Bildung der einen Scheide für die angelagerte Nervenfaser auf, verlassen die- selbe vielmehr und nehmen Theil an der Bildung einer andern derartigen Scheide, oder aber sie verbinden sich mit den Fasern des Grund-Stütznetzwerkes. So ist auch hier ein zweifacher Zu- sammenhang der Scheiden der markhaltigen Nervenfasern wie der- jenigen der Nervenzellen mit dem Grundgeflecht, indem einmal Fasern dieses an der Bildung der Scheiden Theil nehmen, anderer- seits aber auch Fortsätze der eignen, nur für die Scheidenbildung angelegten Gliazellen sich mit den Zellen oder Fasern des Grund- geflechtes verbinden. Nur die stärkeren markhaltigen Nervenfasern besitzen in der grauen Substanz solche eignen Scheiden. Die feineren und feinsten sowie die marklosen Nervenfasern entbehren so vollkommen ge- webter Scheiden. Für sie ist die Grundsubstanz als umhüllende 142 Hans Gierke: und isolirende Masse viel wichtiger, als die geformten Stützele- mente, und je feiner die Nervenfibrillen, desto geringer wird der Antheil der Gliafasern an ihrer Isolirung, desto grösser aber der- jenige der Grundsubstanz. Des Genauern ist die Anordnung die, (dass die Lücken des Grundgeflechtes zunächst von der ungeform- ten Stützsubstanz eingenommen werden. In ihr sind die nach allen Richtungen verlaufenden Nervenfibrillen versehiedenen Calibers und viele Gliazellen der kernhaltigen Form eingebettet. Von diesen letzteren erkennt man für gewöhnlich nichts weiter als den grossen runden oder ovalen Kern, dessen scharfgezogene und sehr deut- liche Umgrenzungscontour vollkommen frei und nackt zu sein scheint. Ganz genaue Untersuchungen ergeben aber, dass er ent- weder doch noch von kleinen und vollkommen durchsichtigen, un- gefärbten Resten eines Zellkörpers umhüllt ist, von dem dann Aus- läufer abgehen, oder dass diese sich direet an den Kern anlegen. Besonders im letzteren Fall ist es ungemein schwer, die zarten Fäden im Zusammenhang mit den Kernen zu erkennen. Sehr häufig ist die Zahl der zu einem Kern gehörigen Fortsätze auch ausserordentlich gering (wie z. B. in Fig. 1b u. ec). Diese feinen Gliafäden nun verästeln sich nach längerem oder kürzerem Ver- lauf sehr reichhaltig und die so entstehenden allerzartesten Theilfasern ziehen überall zwischen den feinen nervösen Elemen- ten dahin, sie von den gleiehartigen, benachbarten Gebilden trennend. Dabei verbinden sie sieh mit andern entgegen kommenden Glia- fäden, indem sie einfach ineinander übergehen oder auch indem sich im Winkel aneinander legend miteinander verschmelzen (siehe Fig. la bei a). So bilden sich ausserordentlich feine Netze, deren Maschen die noch etwas ansehnlicheren nervösen Fasergebilde umschliessen. Denken wir uns solche Maschen sich fortwährend in ganz geringen Abständen der Länge der Nervenfaser gemäss wiederholend, so müssen wir auch ihr eine eigne aus Ringen be- stehende Scheide zugestehen. Ein eingehendes Studium dieser Verhältnisse überzeugte mich, dass im Allgemeinen diese Scheiden der feineren markhaltigen und marklosen Nervenfasern um so ddiehter und um so vollständiger gewebt sind, je stärker das Cali- ber der eingescheideten Faser ist. Offenbar kommen sogar häufig Uebergänge zu den früher geschilderten Verhältnissen in der weissen Substanz vor, indem die erwähnten Ringe durch andere feine Glia- fasern, welehe in einem rechten oder in spitzen Winkeln zu ihnen Die Stützsubstanz des Oentralnervensystems. 143 verlaufen, verbunden werden. Die Kerne dieser Gliazellen selber können natürlich nieht an der Bildung der Scheiden theilnehmen, da sie die hierher gehörigen Fasern ganz ungemein an Durch- messer übertreffen. Je feiner nun die Nervenfasern werden, desto unvollständiger werden auch ihre Scheiden, desto mehr wird es der Grundsubstanz allein überlassen, jene voneinander zu isoliren. Bei der ungeheuer grossen Zahl der feinsten Nervenfibrillen kann von einer Gliascheide, auch der primitivsten Art gar nicht mehr die Rede sein, da diese ungemein viel feiner sind als die zartesten Fasern der Stützsubstanz. Sie sind daher ganz einfach in der Grundsubstanz eingebettet und durch diese voneinander getrennt. So fein sie aber auch immer sein und so dieht nebeneinander sie auch häufig zu liegen scheinen, stets sind sie von der Grundsub- stanz umhüllt und durch sie gegen alle übrigen nervösen Elemente isolirt. Da sie ebenso wenig wie die geformten Theile der Stütz- substanz die Fähigkeit, den nervösen Strom aufzunehmen und fort- zupflanzen, besitzt, stellen alle die feinen Nervenfibrillen, wie dieht aneinander gedrängt sie auch liegen mögen, isolirte Leitungs- bahnen für den Nervenstrom dar. Diese Aufgabe der Grundsub- stanz wird nun aber doch wohl unterstützt durch die vielen feinen Gliafäden, welche sie nach allen Richtungen zwischen den Nerven- fibrillen durchziehen, ohne zu diesen in nähere Beziehungen zu treten. In der geschilderten Weise ist die Stützsubstanz überall in der grauen Substanz aufgebaut. Etwaige Unterschiede im Aussehen werden durch quantitative Verschiedenheiten hervorgerufen. So zeichnen sich z.B. die sogenannten Clarke'schen Säulen, d.h. jene durch das ganze Dorsalmark sich hinziehenden und zur Seite des Oentralcanals liegenden Parthien, welehe mittelgrosse Nerven- zellen enthalten, durch ihren Reiehthum an Grundsubstanz aus. Sie grenzen sich dadureh schon im frischen Zustand durch einen Farbenunterschied gegen die übrige graue Substanz ab, und in den mit Carmin gefärbten Präparaten sind sie sehr viel heller als jene, da sich ja die Grundsubstanz nicht tingirt. Wichtiger ist der Unterschied in der Anordnung der Elemente der sogenannten „substantia gelatinosa Rolandi“. Diese ist bisher nicht in richtiger Weise erkannt worden. Die Ansichten der Forscher, soweit sie im Einzelnen auch auseinander gingen, stimmten doch darin überein, dass die gelatinöse Substanz des 144 Hans Ber Hinterhorns nur aus Stützsubstanz bestehe und der nervösen Ele- mente so gut wie ganz entbehre. Abgesehen von den durchtre- tenden Nervenwurzeln sollten nur einzelne zerstreute Nervenzellen vorkommen. Ich muss gestehen, dass ich selbst dieser Ansicht lange Zeit gehuldigt habe, und dass ein oftmaliges Studium der einschlägigen Verhältnisse mich nur in derselben bestärkte. Wie erstaunt war ich daher, als ich neuerdings an besonders guten Präparaten grade das Gegentheil fand, und nun nachdem ich ein- mal das Richtige erkannt hatte, es überall in allen Präparaten, welehem Thier dieselben auch entnommen waren, leicht wieder sah. Die substantia gelatinosa Rolandi ist nämlich ungemein reich an nervösen Elementen und enthält verhältnissmässig unendlich viel mehr Nervenzellen als die übrigen Theile der grauen Sub- stanz. Es kann hier, wo ich von der Stützsubstanz reden will, nicht meine Aufgabe sein, diese Zellen näher zu besprechen; ich werde vielmehr in einer andern Arbeit auf sie speciell eingehen und ihre Verhältnisse genauer behandeln. Hier will ich mich be- snügen, mitzutheilen, dass sie ziemlich kleine und sehr zarte zellige Gebilde sind, welche viel Aehnlichkeit mit den kleinen Nerven- zellen in der molekulären Schicht des Kleinhirns, oder auch wohl mit denen der Körnerschicht eben da haben. Sie besitzen einen verhältnissmässig grossen, schön ausgebildeten Kern, der ganz das charakteristische Aussehen hat, welches die Kerne der Ganglien- zellen kennzeichnet und sie z. B. leicht von denen der Gliazellen unterscheiden lässt. Ein ungemein zartes, sehr leicht zerstörbares, feinkörniges Protoplasma umgiebt ihn als eine nicht sehr breite Hohlkugel. Im Verhältniss zur Grösse des Kerns muss der Zell- leib spärlich und klein genannt werden. Er färbt sich mit Carmin, aber nicht so intensiv wie der Kern. Meist jedoch schrumpft er beim Erhärten des Rückenmarkes sehr stark; dabei zerfällt er leicht in eine detritusartige Masse. Dadurch gehen auch die Fort- sätze, von denen mehrere vorhanden sind, zu Grunde. Diese der gelatinösen Substanz eigenthümlichen, für sie durchaus charak- teristischen Nervenzellen liegen in Hohlräumen, welehe die dicht- gedrängten Gliazellen ihnen gewähren. Ich kenne keine andere Gegend des Centralnervensystems, in der die Gliazellen sich so dieht aneinander schmiegten wie hier. Wenn Sehwalbe sagt, dass die Masse dieser gelatinösen Substanz durch Verschmelzung der embryonalen Stützzellen entstanden sei, so könnte ihr mikrosko- Die Stützsubstanz des Centralnervensystems. 145 pisches Aussehen ihm oft genug Recht geben. Wenigstens scheint es als ob häufig einige der Gliazellen, drei bis sechs zu kleinen Ballen oder Klumpen verschmolzen wären. Eine genaue Unter- suchung günstiger Schnittpräparate zeigt aber doch deutlich die Grenzen der einzelnen Zellen, die sich ja dann auch ohne Wei- teres durch Zerzupfen isoliren lassen. Es sind mittelgrosse und kleine, kernarme, häufig genug kernlose Gliazellen, die durchaus in der gewöhnlichen Weise sich mittelst ihrer Ausläufer verbinden and Maschen herstellen, in denen die oben geschilderten Nerven- zellen lagern. Der Unterschied in der Anordnung, der übrigen srauen Substanz gegenüber, liegt nur darin, dass hier überall nur wenig und stellenweise ausserordentlich wenig Grundsubstanz zwi- schen den Gliazellen eingeschaltet ist, dass also der Raum zwischen den Nervenzellen fast allein von den Gliazellen eingenommen ist. Auffallend muss uns nun erscheinen, dass trotz dieser engen La- gerung grade hier die Stützzellen sehr schöne, ungemein lange Fortsätze besitzen. Fig. 7 ist ein charakteristisches Beispiel dieser Gebilde. Die bei weitem grösste Zahl derselben scheint ähnlich lange, zum Theil sogar noch längere Ausläufer zu haben. Im Sehnittpräparat, selbst im günstigsten, sieht man von diesen langen und sehr zahlreich vorhandenen Zellausläufern verhältnissmässig sehr wenig. Sie schmiegen sich nämlich ebenso wie die Zellkörper sich ganz dicht und bis zur Verwischung der Grenzen aneinander legen, an benachbarte Zellen an, verbinden sich aber erst mit weit entfernt gelegenen. Die Contouren dieser Fortsätze werden aber nur dann in den Schnittpräparaten deutlich, wenn sie von Grund- substanz umgeben sind. So wie gewöhnlich die Verhältnisse liegen, grenzen sich die Gliafasern von den Zellkörpern, denen sie anlie- gen, gar nicht oder wenigstens undeutlich ab. Sie theilen sich weniger als andere Gliatortsätze, was wohl darin seinen Grund hat, dass keine feineren Netze für die feinsten Nervenfibrillen an- gelegt sind. Die Grundsubstanz ist spärlich vertreten, aber sie ist vorhanden. Zwischen den einzelnen Gliazellen befindet sich zu- weilen, wie schon hervorgehoben wurde, gar keine oder wenigstens keine erkennbare Grundsubstanz, so dass an diesen Stellen in der That nichts weiter sichtbar wird als ungemein zahlreiche Nerven- zellen und diese umgebende und trennende Balken, welche aus dicht aneinander geschmiegten Gliazellen und deren Fortsätzen zusammengesetzt sind. An andern Stellen aber ist Platz für schmale Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 26. 10 146 Hans Gierke: Streifen oder auch für grössere Partieen der ungeformten Stütz- substanz gelassen. In ihnen erkennt man wohl unter sehr gün- stigen Verhältnissen ein feines Netzwerk von allerzartesten, kaum noch siehtbaren Nervenfibrillen, den Endästen der Ausläufer jener oben beschriebenen Nervenzellen. Ferner kommen hier und da regellos zerstreut feine und feinste markhaltige Nervenfasern vor. An manchen Stellen sind sie sogar ausserordentlich zahlreich und geben der ganzen Masse ein charakteristisches Aussehen. Theil- weise scheinen sie einfach und ohne jede weitere Vermittelung zwischen den Körpern der erwähnten Gliazellen zu verlaufen, theil- weise und besonders da, wo sie in grösserer Menge vorkommen sind sie der Grundsubstanz eingebettet. Auf den Zusammenhang der nervösen Elemente kann ich hier natürlich nicht eingehen. Ich bemerke nur noch, dass von den hintern Wurzelfasern ein ganz beträchtlicher Theil in der substantia gelatinosa verbleibt und dort also sein Ende findet, dass also die gewöhnliche Angabe, die hin- tern Wurzeln liefen durch diese Gegend nur hindurch, ohne Fasern an sie abzugeben, falsch ist. Eigenthümlich ist die bisher wenig beachtete Thatsache, dass von dem hintern Horn eine Art Fortsatz von Stützgewebe bis zum Rand des Markes sich erstreckt. Von welchem Geschöpf wir das Material auch immer nehmen, und in welcher Gegend des Rückenmarkes wir den Querschnitt auch immer anlegen mögen, stets finden wir zwischen dem hintern Rand des Hinterhorns und der hinteren Peripherie des Markes eine Anhäufung von Gliage- webe, welche sich besonders an den mit Carmin tingirten Präpa- raten durch die dunklere Farbe von der umgebenden weissen Sub- stanz unterscheidet. Ihre quantitativen und ihre Form-Verhältnisse sind je nach der Gegend und je nach dem Geschöpf so verschie- den, dass es keinen Werth hat, auf sie näher einzugehen. Einiger- massen entspricht die Form den einzelnen Theilen des Markes und ist besonders abhängig von der Ausdehnung der weissen Substanz zwischen dem Hinterhorn und dem hintern Rand des Markes. Bei näherer Prüfung findet man, dass die in Rede stehende Partie durchaus nicht graue Substanz genannt werden darf, da an ner- vösen Elementen nur markhaltige Nervenfasern vorhanden sind. Das characteristische Aussehen wird durch die sehr auffällige Ver- mehrung der Gliaelemente bewirkt. Zwischen den Nervenfasern sind sehr diehte Netze kermarmer Gliazellen mit starken Fort- Die Stützsubstanz des Centralnervensystems. ART sätzen. Ausserdem, und hierin liegt die Bedeutung dieser beson- deren Anordnung der Gewebselemente, sind sehr zahlreiche Lymph- lücken- vorhanden. Auf diesen Punkt komme ich noch zurück. Man findet vielfach in den Schnittpräparaten neben den gewöhn- lichen Maschen des Glianetzes zur Aufnahme der Nervenfasern andere längliche, deren längster Durchmesser von vorn nach hinten gerichtet ist. Sie sind im Präparat mit geronnener Lymphe ge- füllt oder leere Lücken, aus denen diese herausgefallen ist. Von der Gliahülle kommt nun dieser Substanz ein mächtiger Fortsatz entgegen. Freilich sind auch in Hinsicht seiner viele Unregelmässig- keiten in Bezug auf Grösse und Form zu beobachten. Ja dieser Fort- satz der Gliahülle kann sich sogar — wie es in Fig. 16 bei e ge- zeichnet ist — bis zur grauen Substanz erstrecken — so dass eine andere Verdichtung des Gliagewebes ohne Grundsubstanz gar nicht vorhanden ist. Denn nur durch den Besitz von Grundsubstanz unter- scheidet sich eben die Gliahülle und ihr Fortsatz von der Gliaan- häufung, die ich eben besprach. In der so verdickten Gliahülle sind nun auch, eingegraben in der Grundsubstanz , zahlreiche Lymphlücken vorhanden, welche dann endlich alle miteinander communieirend in den gleich näher zu besprechenden perimedul- lären Sammel-Lymphraum einmünden. Und in dieser Anordnung der Lymphlücken kann ich auch allein die Bedeutung dieser Glia- anhäufung zwischen Hinterhorn und hinterem Rand des Markes erkennen. Ich sehe in ihr eine Einrichtung, um der gewiss mas- senhaft vorhandenen Lymphe der substantia gelatinosa Rolandi einen genügenden Abfluss nach einem stets offenen Sammelraum hin zu verschaffen. Es liegt in meiner Absicht, die Lymphbabnen des Central- nervensystems und ihre Verhältnisse zu den Blutgefässen und den Gewebselementen in einer besonderen Darstellung im Zusammen- hang und in ausführlicher Weise abzuhandeln, da eine eingehende Besprechung derselben die vorliegende Arbeit in ungebührlicher Weise anschwellen würde. Es sollen daher hier nur die Haupt- sachen angeführt werden, die durchaus nothwendig sind, um ein vollständiges Bild von der Stützsubstanz zu geben. An dieser Stelle zunächst muss ich hervorheben, dass die Lymphräume in der grauen Substanz ungemein zahlreich sind und in manchen Partieen ihr Aussehen sehr beeinflussen. Ich komme später darauf zurück, dass sie vielfach beim Menschen und den Säuge- 148 Hans Gierke: thieren nach dem Tode ihren Inhalt zurückbehalten und dass nun diese geronnene, charakteristisch glänzende Lymphe überall in der grauen Substanz zu finden ist. Es scheint übrigens, dass Dif- ferenzen in der Concentration vorkommen und dass von ihnen die Verschiedenheit in der Färbefähigkeit dieser erstarrten Lymphe abhängig ist. An einigen Stellen nämlich tingirt sie sich mit Car- min ziemlich intensiv, während sie im Allgemeinen ungefärbt bleibt oder wenigstens nur einen ganz blassen rothen Schein annimmt. Ihr eigenthümliches, glänzend klares Aussehen, der Umstand, dass sie frei von jeder Einlagerung ist, unterscheidet sie leicht von der umgebenden Grundsubstanz. Es ist wohl einleuchtend, dass diese Inhaltsmassen der Lymphräume in den feinen Schnitten leicht aus ihnen herausfallen können nnd dann also leere Lücken entstehen. Die Lymphbahnen sind in der Grundsubstanz eingegrabene Canäle; ihre Wandung besteht daher aus dieser. Doch legen sich sehr häufig Gliazellen mit ihren Körpern oder wenigstens mit einem Theil ihrer Fortsätze um solchen Canal herum und bilden also an einer Stelle die Wandung desselben. Die Zellen können in diesem Fall platt und endothelartig sein, dabei schmiegen sie sich dem Canal so an, dass sie ihn in der Hälfte seines Umfangs und noch mehr umziehen können. Die Ausläufer einer solchen Zelle können vielleicht ebenfalls noch für die Wandbildung der Lymphräume verwandt werden, oder aber sie nehmen Theil an dem Aufbau des Grund-Stützgeflechtes. Diese Zellen haben gewöhnlich nur gering entwickelte Kerne. Andererseits können auch Gliafasern, die von irgend welchen andern in der Nachbarschaft liegenden Stützzellen abstammen, die Lymphcanäle so umziehen, dass sie einen Theil ihrer Wandung ausmachen. Irgend welche Regelmässigkeit in dieser Theilnahme der geformten Gliaelemente an der Bildung der Canalwände scheint nicht zu herrschen. Der Hauptsache nach sind sie aber auf jeden Fall nur aus der Grundsubstanz gebildet. Frei- lich findet man auch noch in der grauen Substanz feine Canäle, die ich zum Lymphgefässsystem rechnen muss, und deren Wan- dung zunächst von einem echten Endothel gebildet wird. Die Grundsubstanz ist von ungemein feinen, ganz platten Zellen, die nur an der Stelle, wo der Kern liegt, etwas dicker sind, umzogen. Im Verhältniss zu den wandungslosen Lymphspalten sind aber diese Lymphgefässe höchst selten und haben hier für uns keine weitere Bedeutung. Die ersteren kommen in verschiedener Grösse Die Stützsubstanz des Centralnervensystems. 149 vor; der Durchmesser einer mittelstarken markhaltigen Nerven- faser entspricht wohl der Dicke der stärksten Canäle. Als haupt- sächlichste Anfänge dieses Canalsystems müssen die pericellulären Ränme angesehen werden, sie allerdings nicht, wie sie sich im Prä- parat präsentiren, sondern wie man sie sich im lebenden Mark zu denken hat, d. h. als stets sehr schmale aber veränderlich grosse spaltförmige Zwischenräume zwischen der Oberfläche der Nerven- zellen und der diese umgebenden Stützsubstanz. Diese letztere, also die äussere Wand des pericellulären Raumes ist durchaus unveränderlich und weicht auch im erstarrenden Mark nicht zurück. Das Volumen der Nervenzelle aber verändert sich, wie wir schon sahen, in den verschiedenen Functionszuständen und so ändert sich auch die Grösse des spaltförmigen Raumes. Die Wandung desselben ist nun an einigen Stellen von verhältnissmässig ziem- lich grossen Oeffnungen durchbohrt, welche die Anfänge der Lymph- canäle sind. Zahl und Grösse dieser Ausflussöffnungen entsprechen im Allgemeinen der Grösse der Nervenzellen, sind aber im Beson- dern selir unregelmässig. Die äusseren Wandungen der pericellu- lären Räume sind hier und da noch mit geronnener Lymphe be- deckt und sieht man auch wie diese sich in die mit ihnen zusammenhängenden Lymphspalten hineindrängen. Manchmal findet man auch die Oberfläche der geschrumpften Nervenzelle mit ge- ronnener Lymphe bedeckt; ja, diese kann beim Erstarren eigen- thümliche netzartige Figuren auf der Zelle bilden, welche wohl geeignet sind, zu allerlei Irrthümern Veranlassung zu geben. Als Sammelpunkte stehen diesen Lymphanfängen die perivaseulären Räume gegenüber, und zwar einmal die benachbarten der weissen Substanz, dann auch die weniger zahlreichen der grauen. Diese letztere ist ja etwas weniger reich an starken Gefässen als die erstere, dennoch enthält sie überall einige von ihnen und sehr viel feine, welche noch von einem Lymphraum umgeben sind. Die Ca- pillaren und die Uebergänge zu den Gefässen mit zusammenge- setzter Wandung sind nicht von solchen Substanzlücken umschlossen. Die perivasceulären Räume in der grauen Substanz des Rücken- markes gleichen in der Anordnung der Gliaelemente denjenigen im Gehirn vollständig; sie sind aber in ersterer Gegend viel schwe- rer zu studiren als in den verschiedenen Gehirnparthien und auch als in der medulla oblongata. Es sind eben im Rückenmark über- all Abflüsse nach der weissen Substanz hin und kommt es daher 150 Hans Gierke: weniger zur Bildung grösserer Räume in der grauen. Der Unter- schied gegen die früher beschriebenen Räume dieser Art in der weissen Substanz liegt darin, dass hier die äussere Wandung nicht durch eine Anhäufung von geformten Stützelementen, durch Glia- balken gebildet wird, sondern einfach durch die umgebende Grund- substanz, oder, wo es sich so trifft, durch die Elemente des Grund- Stützgeflechtes. Diese letzteren durchziehen dann auch noch den perivasceulären Raum und setzen sich, sei es in der Form von Aus- läufern oder der Zellkörper selber an die äussere Endothel-Adven- titia an, welche auch hier die Gefässe dicht umschliesst. Ich muss aus bestimmten Gründen weiter unten bei der Besprechung der Gliaverhältnisse im Grosshirn auf diese Einrichtungen etwas ge- nauer eingehen und begnüge mich hier mit dem Gesagten. Die Figur 23 stellt einen solchen perivasculären Raum des Gehirnes mit seinem Gefäss dar und zeigt in hinreichender Klarheit die Verhältnisse. Die Wandung dieser Lymph-Sammelbahnen, d. h. die Grundsubstanz ist nun häufig von feineren und gröberen Oeff- nungen durchbohrt. Die ersteren entsprechen gewöhnlich den Gliafasern, welche in den Raum eintreten, die letzteren sind unre- gelmässig. In der Umgebung der stärkeren Sammelräume häufen sich die in der Grundsubstanz eingegrabenen Lymphspalten; oft sind sie sogar von so vielen umschlossen, dass das Bild eines cavernösen Gewebes entsteht. Freilich ist im Rückenmark selber, wie schon erwähnt wurde, ein solches Zusammendrängen der Aus- mündungen seltener als in andern Gegenden der Centralorgane. Am meisten kann man derartiges noch in dem Halstheil beobach- ten, da, wie wir bald genauer sehen werden, die Lymphe des vor- deren (oder obern) Rückenmarkabschnittes zum grossen Theil seineu Abfluss in der Gegend des vierten Ventrikels findet und sich zu diesem Zweck in bestimmten Bahnen ansammelt. Die stärksten Sammelräume sind ohne Frage diejenigen, welche die grossen (ge- wöhnlich eine Arterie und zwei Venen auf jeder Seite) neben und etwas hinter dem Centraleanal gelegenen Gefässe umgeben. Diese sind schon in den hinteren (unteren) Theilen des Rückenmarkes vorhanden, werden aber um so stärker, je näher sie der medulla oblongata rücken, da sie sich dort in die bedeutenden Sammel- räume in der Nähe des vierten Ventrikels ergiessen. Uebrigens stehen sie auch wohl in verschiedenen Höhen durch Communiea- tionen mit Lymphräumen in Verbindung, welche ausserhalb der a a Die Stützsubstanz des Centralnervensystems. 151 Substanz des Markes in dem starken, dreieckigen Piafortsatz, dem Anfang der oben beschriebenen bindegewebigen Ausfüllungs- masse der fissura longitudinalis posterior, liegen. Es geht nicht an, auf alle diese Verhältnisse hier näher einzugehen. bemerkt sei an dieser Stelle nur noch, dass in der Umgebung der substan- tia gelatinosa centralis, besonders nach hinten hin, auffallend zahl- reiche Lymphcanäle zu beobachten sind, und zwar um so mehr, je näher wir den Schnitt nach dem verlängerten Mark hin anlegen. Der grösste Theil derselben umdrängt die geschilderten Sammel- räume und eommunieirt mit ihnen, ein anderer Theil findet seine Verbindung mit ähnlichen Sammellücken, welche sich nur in der Uebergangspartie des Rückenmarkes zu der medulla oblongata befinden und endlich in die grossen Sammelräume neben dem vierten Ventrikels einmünden. Endlich mache ich noch einmal darauf aufmerksam, dass überall in der Peripherie der grauen Substanz ein Afluss der Lymphe nach der weissen Substanz und ihren zahlreichen perivasculären Räumen und durch sie nach dem Hauptsammelraum, dem perimedullären hin gewährt ist. Von den perivasculären Räumen der weissen Substanz haben einige ihre Lymphquellen schon in dem Gebiet der grauen Sub- stanz. Sie erhalten dann im weiteren Verlauf vielfach neuen Zu- fluss. Nebenströme in Form kleinerer perivasculärer Räume treten aus allen Richtungen zu den radiär verlaufenden, welche die Hauptströme darstellen. Direet münden kleine Quellen ein, welche ohne längeren Verlauf ihn erreichen. Sie stammen aus Lacunen oder Saftlicken zwischen den Nervenfasern. In ganz unregel- mässiger Weise scheinen solche wandungslose Lymphspalten zwi- schen den markhaltigen Nervenfasern und den sie umscheidenden Gliaelementen zu existiren. Sie sind aber unendlich viel seltener als in der grauen Substanz. Von ihnen führen, wenn sie den peri- vaseulären Räumen benachbart sind, kurze, directe spaltförmige Lücken zu diesen. Sie umgeben, wie es scheint, gewöhnlich starke Fortsätze von Gliazellen, welche zu jenen hinstreben und entweder in ihrer Nähe durch irgend eine Verbindung enden oder in sie eintretend sich an die Endothel-Adventitia ansetzen. Wenigstens habe ich vielfach in Schnittpräparaten Gliafasern von besonders ansehnlicher Stärke grade so angeordnet gefunden, dass sie nur “für diesen Zweck vorhanden zu sein schienen. In ihren beiden Seiten waren dann deutlich schmale, aber nach dem Gefäss hin 152 Hans Gierke: sich etwas verbreiternde Streifen geronnener Lymphe. Ich ver- muthe, dass im lebenden Mark die Faser ringsum von der Lymph- spalte umgeben ist. Solche Bilder wiederholten sich häufig genug, um mir die absolute Gewissheit zu verschaffen, dass die geschil- derte Einrichtung der Wirklichkeit entspricht. Weniger klare Bilder geben für die weisse Substanz künstliche Injectionen, ich konnte mit ihnen nur diffuse Ueberschwemmungen oder ungenü- gende Füllung der zugänglichsten Bahnen allein erzielen. Wer ein grosser Freund von Namen ist, kann die letzterwähnten Lymph- spalten „perifibrilläre Räume“ nennen. Ein wenig stärkere und längere Lymphbäche werden den perivasculären Strömen aus den durchflossenen Gebieten noch in anderer Weise übermittelt, indem mehrere Gliazellen sich zu diesem Zweck netzartig verbinden und sich derartig anordnen, dass die Lücken zwischen ihnen commu- nieirende Räume bilden, welche zuletzt einen Zusammenhang mit den Sammelcanälen um die Gefässe herum haben. Zu diesem Lückensystem führen dann fortwährend in der vorher gebildeten Weise kleinere und feinere Lymphspalten. Die perivasculären Räume münden in den Haupt-Sammel- raum der Lymphe, in den perimedullären!), Das ganze Centralnervensystem ist an seiner Oberfläche von einem Lymph- raum umgeben, der gewiss eine sehr wichtige functionelle Be- deutung hat. Indem ich die genaue Schilderung seiner Verhält- nisse auf eine eigene Darstellung des Lymphgefässsystems der Centralorgane verspare, begnüge ich mich hier der Kürze halber nur mit einigen allgemein gültigen Angaben. Zwischen der Gliahülle und der Innenfläche der Pia, genauer gesagt, der diese bekleidenden Endothelmembran existirt überall ein spaltförmiger Zwischenraum, der am Rückenmark sehr schmal ist und an der medulla oblongata sich erweitert. So weit das Mark von der Gliahülle bedeckt ist, so weit erstreckt sich auch dieser Raum. Der Pia liegt nach innen hin eine ungemein feine durch- sichtige Membran fest an; es ist die Endothelmembran. Sie sieht vollkommen homogen aus, und gelang es mir nicht recht, ihre Zu- 1) His (Zeitschrift für wissensch. Zoologie XV, 1864) beschrieb diesen perimedullären Lymphraum bereits. Später aber hat man ihn, soviel man auch den epicerebralen Raum discutirte, sehr wenig beachtet. EEE Die Stützsubstanz des Centralnervensystems. 153 sammensetzung aus platten Zellen nachzuweisen, während dies bei ‚der gleichen Bildung an der Oberfläche des grossen Gehirns gar nicht schwer ist. An der Endothelmembran der spinalen Pia er- hielt ich nur hier und da einmal mit Höllenstein unregelmässige zackige Linien, die etwa Zellgrenzen vorstellen konnten. Ihnen fehlte aber die beweiskräftige Deutlichkeit und Regelmässigkeit. Noch weniger gelang es mir, Kerne durch irgend eine Tinction sichtbar su machen. Ich glaube aber, dass dies negative Resultat nur durch die Beschaffenheit des Materials, besonders dessen Vor- bereitung verschuldet wurde, und dass die Annahme berechtigt ist, die Endothelmembran ist hier wie überall aus platten Zellen zu- sammengefügt. Diese äussere Wandung des perimedullären Raumes ist nun eine absolut geschlossene, nirgends lässt sich eine Oeff- nung nachwelsen (auch nicht durch künstliche Injeetionen). Die Blutgefässe, welche aus der Pia abgehend und den Spalt durch- setzend in das Mark eintreten, durchbohren doch die Membran nicht, sondern stülpen sie nur derartig ein, dass sie sich aus ihr eine scheidenartige Hülle herstellen, welche sie nun in der Mark- substanz weiter begleitet. Die innere Wandung des Lymphraumes wird also durch die Gliahülle des Markes gebildet. Sie ist von. einzelnen grösseren und unendlich viel kleinen Oeffnungen durch- bohrt. Ausserdem ist sie so uneben und so unregelmässig wie möglich gestaltet. Während nämlich die Endothelhaut ganz glatt und eben ist, erheben sich aus der Gliahülle unendlich viele feine und stärkere borstenartige Fäden, die Fortsätze der Gliazellen. Die Gliahülle des Rückenmarks ist aus mittelgrossen und kleinen Stützzellen aufgebaut, dieselben gehören zur kernarmen oder kern- losen Form und besitzen schöne lange Ausläufer. Die meisten dieser letzteren laufen parallel mit der Oberfläche, bleiben also in der Gliahülle. In ihr schlagen sie aber verschiedene Riehtungen ein, einige laufen horizontal, andere longitudinal, noch andere in irgend einer schrägen Richtung. In vielen Gegenden, ganz beson- ders nach der medulla oblongata hin, lässt sich ein entschiedenes Vorwiegen der horizontalen oder eireulären Fasern constatiren. Auch nach innen in die weisse Substanz hinein laufen Fortsätze, um an der Bildung der Gliascheiden der Nervenfasern Theil zu nehmen. Ebenso nun also sind Ausläufer nach aussen gerichtet, treten in den spaltförmigen Raum ein, durchziehen ihn in grader oder schräger Riehtung und legen sich endlich an die Endothel- 154 Hans Gierke: membran an. Theilweise setzen sie sich mit einer kleinen Ver- dickung an, theilweise aber und besonders wenn sie in schräger Richtung an sie herantraten, laufen sie an ihr eine kleine Strecke entlang, bis sie in ihr aufgehen und die eigene Contour verlieren. In beiden Fällen scheint die Verbindung eine sehr innige zu sein und eine Art Verschmelzung vorzustellen. Die Zahl dieser Fort- sätze ist verschieden gross. An manchen Stellen sind sie verein- zelt, an andern stehen sie dichter, ja zuweilen bilden sie so dichte Massen, dass nur geringe Zwischenräume zwischen den einzelnen Fasern bleiben. Ihre Länge richtet sich natürlich ganz nach der Breite des spaltförmigen Raumes. Uebrigens stammen manche dieser Fasern von Gliazellen ab, welche noch jenseits der Glia- hülle in der weissen Substanz liegen. Sie treten also durch die erstere hindurch und sind ausserhalb ihrer nicht mehr von jenen Fortsätzen zu unterscheiden, welche ihren Ursprung in ihren eignen Zellen haben. Wir werden sehen, dass auch der oberflächliche Lymphraum der anderen Partieen des Centralnervensystems von solchen borstenartigen Fortsätzen der betreffenden Gliahülle durch- zogen ist, ja dass regelmässig die quantative Entwicklung der- selben von der Weite des Raumes abhängt. Sie müssen also als eine charakteristische und nothwendige Einrichtung dieser Lymph- sammelräume angesehen werden. Und fragen wir uns nach ihrem Zweck, so können wir kaum an etwas anderes denken, als dass sie dazu bestimmt sind, den Raum offen zu halten und ihn beson- ders gegen den von aussen her wirkenden Druck zu schützen. Nur so kann ja die Fortbewegung des flüssigen Inhalts, die z. B. in dem perimedullären Raum des Menschen an und für sich unter schwierigen Verhältnissen Statt findet, ohne Störung vor sich gehen. Ich vermeide jedoch auf diese Dinge hier ausführlicher einzu- sehen. Ich erwähnte schon, dass der perimedulläre Raum des Rücken- markes im Ganzen nur gering entwickelt sei. Besonders in den unteren oder (bei Thieren) hinteren Theilen stellt er häufig nur einen ganz engen Spalt vor, den man leicht übersehen kann. Hier sind dann auch die ihn durchziehenden Gliafortsätze sehr zart und ziemlich weitläufig gestellt. Beim Erhärten legt sich dann die Pia mater dieht an die Gliahülle an und man erkennt in den Schnitten niehts mehr von dem Raum. In dem Uebergangstheil zur medulla oblongata bekommt er erst rings um das ganze Mark e a ee Die Stützsubstanz des Öentralnervensystems. 155 herum eine grössere Weite. Aber auch in den weiter abwärts gelegenen Partieen giebt es Stellen, an denen ihm eine bessere Entwicklung zukommt, so z. B. der vorher besprochenen Gliaan- häufung hinter dem Hinterhorn entsprechend. Auch an den vor- deren Nervenwurzeln sind oft derartige Erweiterungen zu bemer- ken, dann hier und da in unregelmässiger Weise. Am schönsten ist er in seinen natürlichen Verhältnissen zu studiren, wenn er mit geronnener Lymphe gefüllt ist. Ich komme sogleich auf dieses Vorkommniss zurück. Wir hatten oben die perivasculären Räume des Rückenmarkes bis zu ihrer Mündung in den oberflächlichen Sammelraum ver- folgt. Sie erweitern sich trichterförmig nach aussen, indem die Gliahülle dem eintretenden Blutgefäss eine weite Eintrittsöffnung gewährt und es erst innerhalb der weissen Substanz mit ihrem Fortsatz, dem Gliabalken, enger umschliesst! Ausser diesen grossen Lymphgefässen sind nun aber noch unzählige kleine vorhanden, indem die Gliahülle fortwährend von kleinen Lymphgängen durch- bohrt wird. Die Oberfläche des Markes ist siebartig durchlöchert. Genau betrachtet ist die Bildung dieser Lymphräume in der Glia- hülle nicht überall gleich; denn hier sieht man direet einen kurzen Canal die ganze Dicke derselben durchbohren und den Ausfluss bilden für kleine Lymphräume, welche innen von der Gliahülle in der weissen Substanz liegen; dort sind in jener selber unregel- mässige untereinander communieirende Lymphräume, welche sich an dieser oder jener Stelle nach aussen öffnen. Bei etwas stär- kerer Entwicklung können einzelne Partieen der Gliahülle und be- sonders der weissen Substanz unmittelbar nach innen von ihr einem cavernösen Gewebe gleichen, so dicht schliesst sich Hohlraum an Hohlraum. In der Gliahülle sind nun diese Räume in der Grund- substanz eingegraben und besitzen diese als Wandung. In der weissen Substanz befinden sie sich eigentlich zwischen den Glia- scheiden der Nervenfasern, doch sieht man in der nächsten Nach- barschaft der Gliahülle auch etwas Grundsubstanz um die geform- ten Stützelemente herum, so dass sie in beschränkter Ausdehnung auch in diesen Parthien der weissen Substanz die Wandung der Lymphräume theilweise oder ganz bildet. Alle diese geschilderten Lymphräume können in günstigen Präparaten mit geronnener Lymphe gefüllt sein. Die kleineren sind es wohl stets; nur kommt es vor, dass die Inhaltsmasse aus 156 Hans Gierke: sehr feinen Schnitten herausfällt. In alten Spirituspräparaten oder in Rückenmarksstücken, welche nach der Erhärtung in einem Chromsalz zu lange Zeit in Alkohol gelegen hatten, scheint sich das im günstigen Zustand so charakteristische Aussehen der ge- ronnenen Lymphe derartig zu ändern, dass sie nun mit der Grund- substanz verwechselt werden kann, und dass man nicht leicht auf sie aufmerksam wird. In den perivaseulären Räumen ist die ge- ronnene Inhaltsmasse sehr häufig bis zur Einmündung in den peri- medullären Raum zu finden: in diesem erhält sie sich viel schwie- riger. Einigemale jedoch habe ich auch am gehärteten Mark den ganzen perimedullären Raum gefüllt gesehen. Ein anderes Mal war nicht die ganze flüssige Lymphmenge in dem Sammelraum geblieben, ein Theil war abgeflossen. Der übrig gebliebene be- deckte im gehärteten Organ die äussere Fläche der Gliahülle. Recht interessant sind solche Gerinnungsbildungen, die uns die Stromesrichtung der Lymphe klar machen. Man sieht nämlich zu- weilen bei sonst leerem Sammelraum die erstarrte Lymphe die Aus- flussöffnungen füllen und aus ihnen sich buckelförmig in jenen hineinwölben. Die Flüssigkeit war also in dem Augenblick er- starıt als sie ausfliessen wollte. Eine Bestätigung dieser Befunde erhielt ich durch die Resultate der künstlichen Injeetion, soweit mir dieselben überhaupt gelangen. Verschiedene Umstände machen gerade für diese Gegend diese Untersuchungsmethode ein wenig schwierig. Auch werden grade Partieen wie die geschilderten, die ich als cavernös aussehend beschrieb, dureh die künstlich eingespritzte iu allzu grossen Mengen sich ansammelnde Farbe un- klar. Ausserdem muss ich auch vor einer gar zu freien Benutzung der Injectionsbilder warnen. Mehr noch als in den inneren Par- tieen des Centralorgans ist, in diesen Randpartien die Bildung künstlicher d. h. falscher Wege zu fürchten. So z. B. ist die Tren- nung verschiedener Schichten der Rückenmarkshäute durch Injec- tion ziemlich leicht. Aber, wie gesagt, so weit die Bilder zu be- nutzen waren und soweit ich mich vor Fälschungen sichern konnte, erhielt ich durch diese Methode nur eine Bestätigung der obigen Darstellung. Der Vollständigkeit wegen mache ich hier noch einmal auf die Verhältnisse der Blutgefässe zur Stützsubstanz und den Lymph- räumen aufmerksam. Sehr zahlreiche mittelstarke, feine und feinste Gefässe treten fortwährend aus der Pia in die weisse Substanz Die Stützsubstanz des Centralnervensystems. 157 des Markes ein. Sie werden von einer ihrer ‘Stärke entsprechen- den Menge von Bindegewebe, welches eine lockere Adventitia für sie bildet, begleitet. Gefäss und bindegewebige Hülle stülpen nun, wie schon erwähnt, die Endotheimembran ein und bilden sich eine neue äusserste Hülle aus ihr. Im perimedullären Raum pflegt diese der bindegewebigen Adventitia noch locker anzuliegen, ja es bleibt oft zwischen beiden ein grösserer trichterförmiger Zwischenraum, der sich nach dem Mark hin dadurch verengert, dass die feine Endothelhaut sich von allen Seiten dem Gefäss nähert. Die Glia- hülle bildet für den Eintritt desselben eine verhältnissmässig grosse Lücke, die sich nach innen allmählich verengert, so dass auch hier ein trichterförmiger Raum entsteht. Nach der weissen Substanz hinein ist die Gliahülle dem Gefäss entsprechend verdickt (Fig. 16). Dreieckige Hügel erheben sich aus ihr, und diese bilden durch allmähliche Verjüngung die Gliabalken, welche wir früher be- schrieben haben. Auf diese und auf die perivasculären Räume brauche ich ja nicht wieder einzugehen. Ich mache nur an dieser Stelle noch einmal darauf aufmerksam, wie das fibrilläre Binde- sewebe im Mark’ durch die Endothelmembran stets und immer eingeschlossen und auf die Umhüllung des Gefässes beschränkt ist. Es nimmt niemals Theil an dem Bau des Gerüstes der weissen Substanz. In dem verlängerten Mark spielt die Stützsubstanz im Grossen und Ganzen dieselbe Rolle wie im Rückenmark. Die zahlreichen kleinen Besonderheiten in der Anordnung der Elemente zu berich- ten, kann nicht Aufgabe dieser Arbeit sein. Und um so eher kann ich diese Verhältnisse übergehen, als ich bei Vergleichung der Be- funde bei verschiedenen Geschöpfen eine sehr grosse Verschiedenheit derselben fand. Hauptsächlich werden die Abweichungen in dem Auf- bau der Stützsubstanz dem Rückenmark gegenüber durch zwei Um- stände hervorgerufen: Einmal durch die Zerreissung der grauen Sub- stanz in viele kleine Heerde oder Kerne und die Durchmischung der weissen und grauen Substanz, dann durch die eigenthümlichen Ver- änderungen, welche mit der Eröffnung des Centraleanals in den vier- ten Ventrikel eintreten. Die ersteren angehend, so handelt es sich im Wesentlichen darum, dass die versehiedenartige Verwendung der beiden Formen der Stützzellen in der eigentlichen grauen Substanz mehr und mehr verschwindet. In den nach der bisher üblichen Beschreibung noch zu der grauen Substanz gerechneten Gliaan- 158 Hans Gierke: häufungen am Boden des vierten Ventrikels sind fast nur kern- arme Gliazellen zu finden, aber in den durch die Anwesenheit von nervösen Elementen als wirkliche graue Substanz charakteri- sirten Partieen sind beide Formen zu sehen, ohne dass sich ein ganz prineipieller Unterschied in ihrer Verwendung erkennen liesse. Allerdings ist in dieser wie in jeder andern Hinsicht eine Grenze zwischen Rückenmark und verlängertem Mark nicht zu ziehen. Die Partieen, welche noch Rückenmarksstructur aufweisen, haben auch dieselben Verhältnisse der Stützsubstanz. Aber in den scharf umgrenzten grauen Kernen ändern sich die letzteren. Diese Aen- derung entspricht der Anordnung der nervösen Elemente, welche dem Rückenmark gegenüber besonders dureh die ungemein dichte Lagerung der Nervenzellen charakterisirt wird. Vor allen Dingen in den Ursprungskernen einiger Hirnnerven wie im Hypoglossus- kern liegen diese so dieht nebeneinander, dass wir im Rückenmark nichts Achnliches, selbst nicht in der substantia gelatinosa Rolandi beobachten. Hier ist daher nicht die Gelegenheit zur Ausbildung eines doppelten Glianetzwerkes gegeben; man kann durchaus nicht ein Grundstützgeflecht von den Zellennetzen unterscheiden, welche die Hüllen der nervösen Elemente ausmachen. Wir finden viel- mehr ein allgemeines Grundgeflecht, dessen Elemente zu gleicher Zeit mit Hülfe der formlosen Grundsubstanz die bekannten Schei- den der nervösen Elemente bilden. Dabei sehen wir im Allge- meinen die überall im Rückenmark constatirte Regel festgehalten, dass die Gliazellen mit den grossen, schönen Kernen und den feinen und noch dazu sehr häufig sich verästelnden Fortsätzen dort verwandt werden, wo eben sehr feines Netzwerk nothwendig ist. Auch hier theilen sich die derberen Ausläufer der kernarmen Zellen nicht so reichlich, dass Fasern entstehen, die z. B. fein genug wären, um die zarteren Nervenfibrillen voneinander zu trennen. So sieht man in diesen Kernen grauer Substanz beide Formen von Gliazellen neben einander und sieht ihre Ausläufer sich oft genug untereinander verbinden. Aus ihnen durch irgend eine Sonderung zwei ineinander geschachtelte Geflechte zu eon- struiren, gelingt in keiner Weise. Recht interessant waren mir die vollkommen zerrissenen und in der weissen Substanz zerstreuten Partieen der grauen Sub- stanz, wie sie ja in dem verlängerten Mark so reichlich vorkom- men. So findet man in dem Uebergangstheil die Vorderhörner Die Stützsubstanz des Centralnervensystems. 159 sich auflösen, indem grosse Mengen longitudinaler oder auch wohl horizontaler Nerverfasern sie in kleine Inseln und Streifen aus- einandersprengen. Ueberall dann in der sogenannten formatio reticularis, den grossen mittleren und seitlichen Feldern des Quer- sehnittes der medulla oblongata, finden wir einzelne zerstreute Nervenzellen mit ihren Ausläufern, die eben so viele Fragmente grauer Substanz vorstellen. Interessant finde ich diese Anordnung nun, weil wir an ihr erkennen können, wie die Grundsubstanz funetionell durchaus für die Nervenzellen und für alle nieht von Mark umgebenen faserigen Nervenelemente dieselbe Aufgabe zu lösen hat, wie eben dies letztere für die markhaltigen Fasern, d. h. sie bietet den umschlossenen Elementen Schutz, Isolirung gegen die Nachbargewebe und Vermittelung der Nährsäfte. Denn überall wo wir Nervenzellen, nackte Axencylinder, Protoplasmafortsätze und die aus ihnen sich dureh Theilung entwickelnden marklosen Nervenfibrillen einzeln zwischen den markhaltigen Nervenfasern sehen, finden wir sie von Grundsubstanz eingehüllt. In den feinen Schnittpräparaten zeigen sich zu beiden Seiten der genannten fase- rigen Nervenelemente stets und immer Grundsubstanzstreifen, welche in Hinsicht auf die Mächtigkeit den eingeschlossenen Fasern ent- sprechen. Diese Streifen sind natürlich nur die Durebschnitte einer aus Grundsubstanz bestehenden Röhre, deren Lumen von der Ner- venfaser ausgefüllt ist. Um dieser aus homogener, formloser und zähweicher Masse gebildeten Hülle der nervösen Elemente einen besseren Halt zu geben und die letzteren mehr zu sichern, sind ihr Netze aus den verhornten, sehr widerstandsfähigen und unge- mein elastischen, geformten Glialementen ein- und umgewoben. Von den Stützzellen der weissen Substanz oder von eigens für diesen Zweck vorhandenen Zellen gehen Fasern ab, die mit Unter- stützung der Zellkörper (respective der Zellkerne) in bekannter Weise diese Geflechte bilden. Auf irgend welche Einzelheiten hinsichtlich der Stützsub- stanz im Innern der medulla oblongata will ich also nicht ein- gehen. Die Unterbrechung in der oberflächlichen Gliabedeckung des Markes an einzelnen Stellen wurde schon erwähnt. Irgend eine wesentliche Aenderung der Verhältnisse wird hierdurch nicht hervorgerufen. Die horizontal und bogenförmig das Mark umzie- henden markhaltigen Nervenfasern, welche das sogenannte stratum zonale Arnoldi zusammensetzen, sprengen die Gliahülle und drängen 160 Hans Gierke: sie vielfach von der Oberfläche ab. Wenigstens bleiben nur sehr wenige Gliazellen, vielleicht nur diejenigen, welche die Scheide der äussersten Nervenfasern bilden, ausserhalb dieser liegen. Im Uebrigen sind überall zwischen den Nervenfaserbündeln kleine In- seln von Stützsubstanz aus Zellnetzen und Grundsubstanz bestehend zu finden. Es sind dies eben die Fragmente der zersprengten Glia- hülle. Von diesen und von allen möglichen zwischen den Nerven- fasern liegenden, sie umscheidenden Gliazellen gehen lange Fort- sätze zur Peripherie, bilden hier einmal eine stärkere Umhüllung der äussersten Nervenfasern und treten besonders zwischen ihnen heraus in den perimedullären Raum, um hier die vorher ausführ- lich beschriebenen radiären Balken zu bilden und sich endlich an der Endothelhaut festzusetzen. Wir kommen nun noch zu den Verhältnissen der Stützsub- stanz, welche mit der Eröffnung des Centralcanals in den vierten Ventrikel zusammenhängen. 3ekannt ist, wie sich im Uebergähgsthail des Rückenmarks die Längsfissuren schliessen. Vorn verlegt die Pyramidenkreuzung sie zuletzt gänzlich. Es bleibt nur eine flache Einsenkung, die als Andeutung der Rückenmarksspalte bis zum Gehirn herauf besteht. Hier hat die Pia mater stets einen besonders festen Anheftungs- punkt, welcher dem entsprechenden im Rückenmark im histologi- schen Detail sehr ähnlich ist. Scheinbar nämlich gehen starke Bindegewebsmassen aus der Pia in das Mark und ziehen in der Mittellinie desselben, in der Raphe weit nach hinten. In Wirk- lichkeit aber gehört nur ein Theil und zwar meistens der kleinere Theil der Fasermassen dem fibrillären Bindegewebe an, die übrigen sind Fortsätze von Gliazellen, welche in und neben der Raphe in Menge liegen. Diese zum Theil langen, zum Theil kurzen Fasern bilden starke Bündel, welehe die Marksubstanz verlassend zur Ge- hirnhaut treten, um an ihr zu enden. Ihnen entgegen also drängt sich der Faserfortsatz der Pia. Beide Elemente vermischen sich und es ist im Mark ungemein schwer sie auseinanderzuhalten. Trotz der Verwendung aller mir zu Gebot stehenden Methoden der Untersuchung konnte ich nicht feststellen, wie weit die Bindege- websfibrillen eindringen, und, was interessanter ist, wie sie end- lich enden. Enthält die Fasermasse Gefässe, so schliessen sie sich gern diesen als Adventitia an. Es ziehen aber auch ohne Frage unabhängig von ihnen hier Bindegewebsfasern in das Mark. Eine u 2 Die Stützsubstanz des Centralnervensystems. 161 Verbindung derselben mit Gliafasern habe ich niemals constatiren können. Diese starke fasrige Masse füllt nicht nur die mediane kurze Markspalte aus, sondern nimmt auch noch neben ihr einen srösseren und kleineren Raum ein und theilt also als mächtige und undurehdringlicheZwischenwandung den perimedullären Lymph- raum in zwei symmetrische Hälften ein. Der Centralecanal schlägt in seinem obern schon in dem Anfangstheil der medulla oblongata liegenden Partie eine Rich- tung nach hinten ein; so dass er beim Aufsteigen zu gleicher Zeit der hintern Oberfläche sich nähert. Die ihn umhüllende Stütz- masse, die substantia gelatinosa centralis ändert dabei ihre Strue- tur im Wesentlichen nicht, nur durch das Verhältniss zur Raphe ist eine gewisse Aenderung bedingt. Diese bildet ja, wie bekannt, die Mittellinie des Markes nach vollendeter Pyramidenkreuzung und erstreckt sich zunächst so lange der Centraleanal noch exi- stirt, von diesem bis zu der flachen vordern Medianfissur. Der früher geschlossene Ring, welchen die eireulär verlaufenden Glia- elemente bildeten, erleidet nun hier eine Unterbrechung, indem die letzteren zum grössten Theil, bald sogar alle, vorn in die Raphe einbiegen, um in ihr vorwärts zu verlaufen: eine Anordnung, die von nun an beständig zu finden ist. Die so von rechts und links her in die Raphe eintretenden Fortsätze von Gliazellen bilden die Hauptmasse ihrer Fasern in diesem hintersten Abschnitt. Es kom- men-aber noch andere Gliaelemente hinzu. Unmittelbar vor dem Centraleanal liegt nämlich von jetzt ab stets eine kleine Gruppe von Stützzellen, ‘deren Fortsätze hauptsächlich in die Raphe ein- treten und deren mittlere Fasern bilden. In dieser hintern Partie ist diese ganz oder fast ganz frei von Nervenfasern, erst etwas weiter vorn treten solche von den umliegenden grauen Massen her in sie ein. Die Färbung des nur aus Stützelementen bestehenden Theils ist in Carminpräparaten ungemein viel dunkler als die vor- deren gemischten Partieen. Eine gewisse Strecke unterhalb der Eröffnung des Central- canals in den Ventrikel findet auch eine sehr wesentliche Aende- rung der Stützsubstanz in der um den hintern Abschnitt des er- steren gelegenen Gegend statt. Hier nämlich ordnen sich in der grauen Substanz eine Reihe von Gliazellen in regelmässiger Weise derart, dass ihre Ausläufer horizontal und parallel miteinander auf den Centraleanal los laufen. Sobald sie so zahlreich sind, dass Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 26. j 11 162 Hans Gierke: sie eine erkennbare, (mit Carmin) stark gefärbte Lage bilden, ver- drängen sie die regelmässige, früher genau geschilderte Gliaaus- kleidung des Ventrikels. Selbst das eylindrische Epithel fehlt hier und anstatt dessen liegt eine Schicht sehr weicher, nieht ver- hornter sternförmiger Zellen den Enden der quer gestellten Glia- fasern auf. Genau betrachtet bilden sehr zarte Fortsätze dieser Zellen, welche einen verhältnissmässig grossen Kern und ein hin- fälliges fein granulirtes Protoplasma besitzen, ein Netzwerk zwi- schen ihnen, welches sich mit den Endästen der Gliafortsätze ver- bindet. Trotz ihres sehr verschiedenen Aussehens und Verhaltens muss man diese dichtgelagerten Zeilen wohl mit den Epithelzellen des Centralcanals vergleichen. In der That sind in verschiedenen Abschnitten der Hirnventrikel ganz ähnliche Epithelmassen zu fin- den. Die quer und horizontal verlaufende Fasermasse nimmt nach hinten schnell an Ausdehnung zu, verdrängt die graue und weisse Substanz vollkommen und reicht bald bis zur Pia. Die nun also den Centralcanal hinten allein bedeckende Brücke wird allgemein als Obex oder Riegel beschrieben. Henle!) lässt sie aus mark- haltigen, quer verlaufenden Nervenfasern zusammengesetzt sein, weil er nur die Fortsätze, nicht die dazu gehörigen Gliazellen er- kennen konnte, und so die ringsum von ungefärbter Grundsubstanz umgebenen rothen Fasern für markhaltige Nervenfasern ansah. Abgesehen vielleicht von einigen verirrten Nervenelementen wird der Obex nur durch Stützsubstanz gebildet. Anscheinend ist er fast ganz aus Fasern zusammengesetzt. Doch werden nur die tliazellen, deren Ausläufer diese stets sind, durch sie so verdeckt, dass sie schwer zu erkennen sind. Auch färbt sich ein Theil von ihnen viel schwerer als die Fasern, welche besonders mit Carmin sehr intensiv tingirt werden. Andere Zellen wieder sind deshalb schlecht zu erkennen, weil sie ungemein gestreckte, lange und schlanke Körper sind, welche nur eine geringe Anschwellung der Fasern darstellen. Länglich, mit wenig Ausläufern versehen, sind überhaupt die meisten Obexzellen. Nur nach den Seiten, gegen die benachbarte graue Substanz hin, nehmen sie wieder die ge- wöhnliche Gestalt der Gliazellen an, um dureh ihre Ausläufer die Verflechtung des Obex mit dem Stützgeflecht jener zu bewerkstel- ligen. Der ungeheuren Mehrzahl nach verlaufen die Fasern pa- 1) Handbuch der Nervenlehre p. 205. ee Die Stützsubstanz des Centralnervensystems. 163 rallel miteinander, dabei quer oder horizontal. Häufig sind sanfte Wellenlinien in ihrem Verlauf bemerkbar. Eine etwas stärkere wellenartige Biegung, die sehr oft in der Mittellinie zu beobachten ist, hat wohl Henle veranlasst, eine spitzwinklige Kreuzung seiner Obexfasern anzunehmen. In Wirklichkeit kommt eine solehe nicht vor, oder müsste wenigstens eine Ausnahmsbildung sein. Wäh- rend nun aber hinter dem Centraleanal die Fasern die Mitte über- schreiten, treffen sie natürlich weiter vorn auf die Höhlung jenes. In seiner grössten Ausdehnung bildet der Obex etwa das hintere Drittel der Wandung des Centralcanals in der Richtung von hinten nach vorn gerechnet. Der Abschluss gegen die Höhlung wird stets dureh die vorher geschilderte Zelllage gebildet. ' Dieselbe erreicht eine ziemliche Dicke, die Elemente behalten aber immer ihr zartes Aussehen und sind in der That auch sehr wenig widerstandsfähig. Sie fallen schon nach dem Tode dureh Maceration leicht ab oder lösen sich von ihrer Unterlage, mit der sie doch durch ihre Fort- sätze geflechtartig verbunden sind, bei der Erhärtung. Auch schrumpft die ganze Zellschicht in Alkohol stark zusammen. Man scheint daher auf dieselbe nicht aufmerksam geworden zu sein. Freilich ist ja die ganze Stützsubstanz des sich öffnenden Central- canals und des Calamus seriptorius trotz ihrer quantitativ so ausser- ordentlichen Entwicklung sehr wenig auf ihre feinere Structur hin untersucht worden. Ich bemerke hier noch, was ich oben schon andeutete, dass zwischen den mächtigen queren Fasermassen des Obex überall Grundsubstanz in kleiner Quantität vorkommt. In dieser sind feine Fasernetze, welche die engen Lücken zwischen den Hauptfasern benutzen und sich überall zwischen diesen durch- drängen. Wenn nämlich auch ein grosser Theil der Gliazellen des Obex bipolar zu sein scheint, so sind doch auch wiederum viele da, welche ausser den starken queren noch sehr feine Fort- sätze abgeben, die nach allen Richtungen verlaufend und sich untereinander verbindend, jene Geflechte bilden. Nach seitwärts werden diese mächtiger, bis sie zuletzt die queren Fasern voll- kommen verdrängen, so dass hier der Uebergang zur grauen Sub- stanz nur durch das Eindringen nervöser Elemente bewerkstelligt wird. Der Durchbruch des Obex und die Eröffnung des Central- eanals wird nun dadurch bewirkt, dass die unmittelbar hinter dem letzteren liegenden Fasern kürzer werden, so dass die von beiden 164 Hans Gierke: Seiten kommenden die Mitte nieht mehr erreichen. So wird die Brücke, welche hinten über den Centralecanal gespannt ist, dünner. Der Schwund des Obex schreitet sehr schnell nach hinten hin fort; immer weniger Fasern erreichen noch die Mitte; zuletzt bricht auch die letzte schmale Brücke durch und der Oentraleanal ist offen, ist zum Ventrikel geworden. Der obere Rand des Obex wird also sehr schnell dünner und besteht zuletzt nur aus einer ganz schmalen Lage von Fasern und Zellen. Die Reste des Obex oder besser gesagt seine Fortsetzungen sind weit hinauf in den vierten Ventrikel zu verfolgen. Zuerst bilden sie noch starke quere Fasermassen ganz in dem früheren Charakter an der Grenze des- jenigen Theiles des Calamus sceriptorius, welcher dem Centralea- nal entspricht, zwischen ihm und der neu hinzukommenden Partie des Ventrikelboden der ala einerea. Der von ihnen gebildete Vor- sprung ragt frei in den Ventrikel hinein. Sie sind auch hier nicht von dem gewöhnlichen Epithel, sondern von ähnlichen Zellen, wie sie oben erwähnt wurden, bedeckt. Diese Verhältnisse sind nicht sehr regelmässig. Häufig aber fand ich recht interessante Endi- gungen der langen Gliafasern, indem ihr frei in den Ventrikel ragendes Ende eine kerntragende Anschwellung besitzt. Der grosse Kern ist oval und nur von wenig Substanz umgeben. Man kann wohl annehmen, dass hier eine Verschmelzung des Gliafortsatzes mit dieser epithelartigen Zelle stattgefunden hat. Die Deckzellen sind überhaupt viel weniger rundlich als weiter unten, sondern mehr länglich. Sie schieben sich gern reihenweise zwischen die Enden der Fasern und die äussersten von ihnen verschmelzen dann mit jenen. Wenn die ala cinerea weiter oben verschwindet, rückt der immer noch aus quergestellten, nun aber sehr kurzen und wenig zahlreichen Gliazellen und deren Ausläufern bestehende Wulst weiter nach seitwärts und hinten zur Anheftungsstelle der pia mater. Er bildet von nun an dauernd ein Polster für den Uebergang jener in die tela choroidea. Ja er sendet gewöhnlich einen Fortsatz aus, welcher, von einer Fortsetzung des Ventrikel- Epithels bedeckt, die Innenfläche der tela eine kleinere oder grössere Strecke weit bekleidet. Wulst und Fortsatz sind als Pontieulus (auch als Ligula oder Taenia) beschrieben worden. Henle lässt auch in ihn irrthümlicher Weise Nervenfasern ein- treten. Seine weiteren Verhältnisse bieten uns kein Interesse mehr dar, sie sind auch bei den versehiedenen Geschöpfen, ja individuell Die Stützsubstanz des Centralnervensystems. 165 sehr verschieden. Wir können daher von einer weiteren Betrach- tung derselben absehen. Den Obex aber und seine Verhältnisse zum Centralcanal und Ventrikel hatte ich ausführlicher besprechen zu müssen geglaubt. Einmal da die histologischen Verhältnisse dieser Gegend entweder unbekannt waren oder falsch aufgefasst wurden. Dann auch weil mir die geschilderte Verwendung der Neuroglia für ihr allgemeines Verständniss von Wichtigkeit zu sein schien !). Ebenso möchte ich auch die Stützsubstanz am Boden des vierten Ventrikels, besonders im untern Theil desselben, näher be- sprechen. Dieselbe ist bisher so gut wie gar nicht beachtet worden und hat man offenbar ganz falsche Vorstellungen von ihr. Beson- ders glaube ich, wird den wenigsten Kennern des Centralnerven- systems ihre ausserordentlich grosse quantitative Entwicklung be- kannt geworden sein. Dies rührt daher, dass einmal die meisten Zellen und Fasern dieser Gegend, welche ächteste Elemente der Neuroglia sind, dem nervösen Gewebe zugerechnet werden. Dann aber ist es auch ungemein schwer, diese Gliaauskleidung des Ventrikels in vollkommen guter Weise zu erhalten und zu färben. In den allermeisten Sammlungspräparaten, davon bin ich überzeugt, kommt sie nicht zu ihrem Recht. Sie schrumpft vor allen Dingen durch langes Liegen des Markes in Alcohol (auch noch nach der Erhärtung in Chromsalzen) so sehr, dass aus der ursprünglich stattlichen Lage ein schmaler Streif wird. Dann scheint für die gute Färbung der Gliaauskleidung ein ganz besonders schönes Material nothwendig zu sein. Färben sich die Elemente aber nicht sehr gut, so erkennt man von ihnen fast gar nichts. Ich habe daher die folgende Schilderung der Stützsubstanz am Boden des Ventri- 1) Ich habe den Bau des Obex nach sehr gelungenen Präparaten vom Schaf geschildert. Einmal sind bei den pflanzenfressenden Thieren die Glia- verhältnisse, wie das schon erwähnt wurde, deutlicher als beim Menschen, dann aber kommt es gerade für diese Gegend auf ein möglichst frisch ein- gelegtes Material an, um die histologischen Elemente, besonders die epithel- artigen Zellen zu erhalten. Die behaupteten grossen Unregelmässigkeiten im Vorkommen des Obex sind vielleicht auch nur auf schlechte Behandlung des Materials zu schieben. Reisst er doch mit der Pia zusammen ungemein leicht ab. Soweit ich mich durch meine vergleichenden Untersuchungen überzeugen konnte, sind beim Menschen die histologischen Details den geschilderten gleich oder wenigstens ungemein ähnlich. 166 Hans Gierke: kels nach einigen Schnittserien des Schafmarkes vorgenommen, die die Verhältnisse ganz besonders gut zeigten. Die Stützsubstanz am Boden des Ventrikels zeigte sogar eine solche Entwicklung, dass ich zuerst stutzig wurde und eine ausnahmsweise und anor- male Ausbildung für möglich hielt. Doch überzeugten mich ein- gehende Untersuchungen und viele Vergleiche, dass bei der rich- tigen Behandlung des Materials stets und bei allen Thieren (auch beim Menschen) die Stützsubstanz dieser Gegend sich in gleich schöner Ausbildung darstellt. Ich muss daher hier noch mehr als sonst betonen, dass meine Angaben nur für ein Material passen, welches die Neuroglia in einem möglichst den Verhältnissen im Leben entsprechenden Zustand darstellt, und welches daneben auch das Gelingen der durchaus nothwendigen vollkommen guten Fär- bungen (besonders Carmin-Färbungen) erlaubt. Im ganzen vierten Ventrikel lässt sich dieselbe Gliaausklei- dung, welche auch eine Fortsetzung der substantia gelatinosa cen- tralis ist, verfolgen. Wir haben überall dieselben Schichten und das gleiche histologische Detail. Doch wechselt die quantitative Entwicklung der ganzen Lage sehr bedeutend an den verschiede- nen Stellen. Auf einer grauen Unterlage ist im Allgemeinen eine viel stärker entwickelte Stützsubstanz zu finden, als wenn diese unmittelbar den markhaltigen Nervenfasern aufliegt. Die schönste Ausbildung zeigt sie im untern !) Winkel des Ventrikels des soge- nannten calamus scriptorius, wo sie beim Schaf die durchsehnitt- liche Breite von 1 mm besitzt (beim Menschen ungefähr eben so viel). Der Boden des ealamus seriptorius, wenigstens des untern Theiles desselben, lässt sich in zwei wesentlich verschiedene Par- tieen sondern, deren Grenze durch die Fortsetzung des Obea (Pontieulus) gebildet wird. Der mediane Theil ist die direete Fortsetzung der substantia gelatinosa centralis, der laterale die ala cinerea. Unmittelbar lateralwärts von dieser setzt sich die pia mater, welche die ganze Oberfläche des Markes bis zu dieser Stelle in der gewöhnlichen Weise bekleidet, mit starken Wurzeln fest. In dem Winkel zwischen ala cinerea und der hinter ihr 1) Die Richtungsbezeichnungen behalte ich der Gleichmässigkeit wegen so bei, wie sie für den aufrecht stehenden Menschen passen, obgleich ich bei der obigen Beschreibung zunächst an die Verhältnisse beim Schaf denke. Die Stützsubstanz des Centralnervensystems. 167 (oder lateralwärts von ihr) gelegenen Substanz befindet sich eine grubenartige Vertiefung, die gewöhnlich eine dreieckige Form be- sitzt. Ich werde der Kürze halber diese Vertiefung, auf die ich mehrfach zurückkommen muss, als die dreiekige Grube be- zeichnen. Die Pia bildet eine starke Verdieknng, um den grösseren Theil ihres Raumes auszufüllen und sendet starke Fortsätze in das Mark, zumal in die ala cinerea, durch welche sie sich hier in sehr energischer Weise befestigt. Von dieser Anheftungsstelle, die also die laterale Grenze des Ventrikels vorstellt, schlägt sie sich dann brückenartig über den Ventrikel hinweg. Doch sind die eomplieirten Verhältnisse der bindegewebigen Gefässhaut in dieser Gegend für uns hier von keinem weitern Interesse, da sie keinen Bezug zur Neuroglia haben. Der mediane Winkel des Ventrikels zwischen den beiderseiti- gen alae eineriae ist also als Fortsetzung des Centralcanals, seine Gliaauskleidung als eine solche der substantia gelatinosa centralis zu betrachten. Auch in der Structur gleicht die erstere der letz- teren vollkommen. Wir haben unter dem schönen Cylinderepithel, das in den Präparaten ganz zusammenschrumpfen kann, eine Lage von Grundsubstanz, in der sich ein weitmaschiges Netzwerk von zart aussehenden, unregelmässig gestalteten Gliazellen und deren sehr feinen Ausläufern eingebettet befindet. Mit diesem Netzwerk verbinden sich die sich verästelnden Fortsätze der eylindrischen Epithelzellen. Es folgt eine Schicht, in der die Gliaelemente un- gemein dicht gelagert sind und hauptsächlich ein Bündel von pa- rallel mit der Oberfläche und horizontal verlaufenden Fasern bilden. Diese Lage entspricht jener der eirculären Fasern der substantia gelatinosa centralis. Wie in dieser haben wir auch hier längliche, zum Theil ganz lange Gliazellen, von denen wenige, oft nur zwei sehr lange Fortsätze ausgehen. Vielfach findet man starke Fasern, welche an einer Stelle eine kerntragende Verdiekung tragen, also Gliazellen, die fast ganz in der Bildung ihrer Ausläufer aufgegan- gen sind. Die Mehrzahl der Zellfortsätze nun läuft parallel mit einander und mit der Oberfläche nach der Mitte hin, hier biegen sie in die Raphe ein und laufen in dieser nach vom. Die von beiden Seiten kommenden Faserbündel bilden die Seitentheile die- ser hintern Raphepartie. Die Mitte aber wird — ganz wie beim obern Ende des Centraleanals — von grossen multipolaren Glia- zellen und deren Ausläufern eingenommen. Unmittelbar am Rande 168 Hans Gierke: des Ventrikels, ja zuweilen die Epithelzellen auseinander drängend, liegt eine starke Gruppe solcher Stützzellen, deren Ausläufer sich dann zu einem medianen Bündel sammeln, um zwischen den bei- den erwähnten seitlichen nach vorn zu verlaufen. In diesem hin- tern Theil ist die Raphe ganz allein aus Neurogliaelementen zu- sammengesetzt. Erst weiter vorn treten aus den seitlich von ihr liegenden grauen Massen Nervenfasern in sie hinein. Zwischen den parallel mit der Oberfläche verlaufenden horizontalen oder queren Fasern befinden sich in wechselnder Menge longitudinale Fortsätze der Gliazellen. Sie drängen sich überall zwischen den dichtgelagerten queren durch. Auf horizontalen Schnitten des Markes sind sie natürlich auch nur im Querschnitt zu sehen. Sie sind als glänzende, stark lichtbrechende Punkte in der spärlichen Grundsubstanz zwischen den Hauptfasern zu finden. Ist ihre Zahl sehr gross, so können sie der Substanz zwischen den letzteren wohl ein granulirtes Aussehen verleihen. Ausserdem sind noch feinere Ausläufer der Gliazellen vorhanden, welche zwischen den starken Fasern ein weitläufiges, zartes Netzwerk bilden. Die sehr geringen Lücken zwischen diesen geformten Gliaelementen sind mit Grundsubstanz ausgefüllt. Nach innen (oder nach vorn) wer- den diese Lücken grösser, die Gliazellen und ihre Ausläufer lagern sich nieht mehr so ungemein dicht aneinander. Ausserdem schla- gen die letzteren nicht mehr eine so bestimmte Richtung ein, son- dern laufen mehr nach allen Seiten hin auseinander, um durch gegenseitige Verbindung Netze zu bilden. So findet der Uebergang statt zu der gewöhnlichen Anordnung der Stützsubstanz und zu einer gelatinösen Schicht, welche dann ohne jede Grenze in die grauen Nervenkerne übergeht. Zwischen den eben beschriebenen dichtgedrängten Gliaelementen und dem Hyppoglossuskern pflegt eine ziemlich diehte Lage soleher gelatinösen Substanz zu liegen, ebenso schiebt sich ein starker aus ihr bestehender Fortsatz zwi- schen Hypoglossus- und Vaguskern. Freilich muss noch einmal betont werden, dass von einer Grenze zwischen der rein gelatinö- sen Substanz und der eigentlichen grauen nicht die Rede ..sein kann, da die Stützsubstanz der letzteren genau mit der ersteren übereinstimmt und der Unterschied nur durch die Einlagerung der nervösen Elemente gegeben ist. Diese drängen sich aber zunächst in geringer Menge in Form feiner kaum erkennbarer Nervenfibril- len in die gelatinöse Substanz ein, ihr Aussehen nicht verändernd. Die Stützsubstanz des Centralnervensystems. 169 Erst wenn sie sich allmählich vermehren und sich dichter und dichter lagern, wird das characteristische Aussehen der eigentlichen grauen Substanz hergestellt. In der Figur 17, welehe ein Ueber- sichtsbild geben soll, besitzt die Glia-Auskleidung, und besonders die innere Schieht, scheinbar eine ausserordentliche Breite, weil bei der geringen Vergrösserung die graue Substanz als solche erst erkennbar wird, wenn in ihr Nervenzellen auftreten. Eine nicht unbedeutende äussere Partie, svelche reichliche Netze von Nerven- fibrillen enthält, unterscheidet sich bei dieser Vergrösserung von der rein gelatinösen Substanz nicht. Uebrigens sind in dieser letzteren, der ja auch im Rückenmark eine analoge Uebergangs- partie der gelatinösen und der grauen Substanz entspricht, die schönsten kernarmen Spinnenzellen, welche ich überhaupt kennen gelernt habe, zu finden. Sie sind wahre Muster dieser Form (Fig. 5 u. Fig. 6 stellen Zellen aus dieser Gegend dar). Die Kerne sind im Verhältniss zum grossen Zellkörper klein, ja verkrüppelt und färben sich nur mit energischen Kernfärbemitteln. In vielen Zellen sind überhaupt gar keine Kerne mehr nachzuweisen. Weiter oben im Ventrikel, wenn die alae cinereae verschwun- den sind, breitet sich diese Gliaauskleidung über seinen ganzen Boden hinaus, so dass auch hier die Anheftungsstelle der Pia oder der Pontieulus ihre Grenze bildet. Im Grossen und Ganzen bleibt die Structur dieselbe. Nur ist in der Mitte eine bedeutende Abnahme der Dicke der ganzen Schicht zu constatiren, und zwar wird diese Abnahme ganz besonders durch das Fehlen der gela- tinösen Uebergangssubstanz bedingt. Die Gliaauskleidung liegt hier meistens weisser Substanz auf und schneidet gegen sie scharf ab. Seitlich jedoch, sobald ihre Unterlage graue Substanz ist, ordnen sich die Elemente genau in der vorher geschilderten Weise an. Fig. 17b stellt diese Gliaauskleidung des Ventrikels in einer Ebne unmittelbar. oberhalb der alae einereae und der Hypoglossus- kerne dar, und ist die oben geschilderte Anordnung der Gliaele- mente leicht zu bestätigen. Unter dem Epithel a ist die durch ihren Reichthum an Grundsubslanz helle subepitheliale Schicht gelegen. Es folgt die sehr mächtige Schicht b mit den dichtge- drängten hauptsächlich parallel verlaufenden Elementen. Und endlich seitwärts gegen die graue Substanz d hin eine Ueber- gangsschicht. Die Raphe R besteht in der gezeichneten Ausdeh- nung nur aus Gliaelementen. 170 Hans Gierke: Die meisten Autoren scheinen — wenn ich aus den Abbil- dungen und aus gelegentlichen Andeutungen schliessen darf — nur die subepitheliale Schiebt und vielleicht die Uebergangspartie zwischen ihr und der mächtigen Lage dicht gedrängter Gliaele- mente, wenn eine solche überhaupt durch eine etwas mehr lockere Anordnung der Zellen und Fasern gegeben ist, zu ihrem Ventrikel- Ependym zu rechnen. Henle!) hat die Fasern der dritten Sehieht, die sich ja häufig sehr schlecht färben, ganz richtig ge- sehen und in seiner Figur 137 (nach einem in Brönner’schem Fleck- wasser aufgehellten Präparat gezeichnet) abgebildet. Auch in seiner Figur 129 sind sie abgebildet. Aber da dieser ausgezeichnete For- scher die Zellen, deren Ausläufer er sah, nicht erkannte, hielt er die letzteren für selbständige Fasern, und zwar, da er in der sie umgebenden Grundsubstanz Nervenmark sah, für markhaltige Ner- venfasern. Ich bemerke hier noch, dass in dem obern Theil des Ventri- kels (oberhalb der alae einereae) der seitlich-hintere Theil der Gliaauskleidung dieker ist als der mediane, der Raphe benach- barte. Am stärksten ist die am meisten lateral, also unmittelbar innen von der Piaanheftung gelegene Partie entwickelt. Einmal ist hier der sonst so schmale subepitheliale helle Streif gut aus- gebildet, ohne seine Structur oder sein Aussehen im Geringsten zu ändern. Er bildet kleine Hügel oder Buckel, so dass diesen entsprechend das Cylinderepithel hier Einsenkungen oder Falten aufweist. Auch die innere Schicht ist hier an der äussern Grenze des Ventrikels sehr mächtig, ist aus kleineren sehr dicht gedräng- ten Elementen zusammengesetzt und ist Träger vieler grosser Blut- gefässe und ihnen entsprechender perivaseulärer Lymphräume. Ich komme noch einmal auf diese zurück. Die Schicht parallel ver- laufender Gliaelemente geht vor dem Ponticulus und der Piaan- heftung in die gewöhnliche Gliahülle über, welche hier ihren An- fang nimmt. Wir müssen nun noch einmal auf den untern Theil des Ven- trikels, auf den untern Winkel der ealamus seriptorius, zurückgehen. Wir hatten bisher nur den medianen Theil seiner Bodensubstanz betrachtet. Der laterale Hügeltheil, die ala cinerea (Fig, 17 Ac u. Fig. 17a), bietet genügendes Interesse dar, um ebenfalls genauer Dale pr 206. Die Stützsubstanz des Centralnervensystems. 171 besprochen zu werden; besonders auch deshalb, weil er offenbar bisher niemals genauer angeschaut wurde, wenigstens nicht in guten Präparaten. Der graue Flügel wird allgemein als Vaguskern bezeichnet. Obgleich nun allerdings makroskopisch und in un- durehsichtigen Schnitten auch bei schwacher Vergrösserung ala cinerea und Vaguskern ein zusammenhängendes Ganze zu bilden scheinen, so ist doch der in den Ventrikel hineinragende Theil, der doch wohl zur Bildung jener Bezeichnung Veranlassung gab, ganz anders gebaut als der darunter liegende Vaguskern. Keine Nervenfaser läuft aus dem ersteren in die graue Masse des Kerns oder zu den Vaguswurzeln. Auch sonst lässt sich ein histologischer Zusammenhang nirgends nachweisen. In dem eigentlichen Hügel ist nach innen fast stets durch starke Gefässe und bindegewebige Stränge eine scharfe Grenze gegeben (siehe Fig. 17). Dann folgt noch eine Schicht reiner Stützsubstanz, die nach innen endlich in die eigentliche graue Substanz des Vagus übergeht. Die ala cinerea unterscheidet sich in ihrem feineren Bau ganz ausserordentlich von allen übrigen Theilen des Markes. Ich glaubte zuerst, als ich aufmerksam auf die Eigenthümliehkeit die- ser Partie wurde, es mit einem aus Stützsubstanz und Bindege- webe zusammengesetzten Organ zu thun zu haben, dem die Aufgabe zukäme, die Lymphe aus dem verlängerten Mark zu sammeln und abzuführen. Und obschon ich noch heute an dieser Ansicht fest- halte, bin ich doch durch die Auffindung ungemein zarter zelliger Elemente, die ich kaum für etwas anderes als Nervenzellen halten kann, stutzig in der Deutung dieser Gegend geworden, indem ich ihr neben der angedeuteten Aufgabe noch einen nervösen Werth zuschreiben muss. So klar mir aber auch die Anordnung der Neurogliaelemente in ihr geworden ist, so wenig ist mir bisher ein Verständniss des Zusammenhanges der nervösen Elemente ge- worden. Ich konnte bisher keine Nervenfasern, weder feinste Fibrillen, noch stärkere Fasern, weder marklose noch mit Mark bekleidete derartige Elemente auffinden, trotz der Anwendung der verschiedensten neueren Methoden. Ausserdem ist mir auch die Bedeutung der ausserordentlich grossen Menge fibrillären Binde- gewebes und der zahlreichen Blutgefässe noch nicht klar gewor- den. Ich muss aber hinzusetzen, dass ich selbst erst vor einigen Monaten auf die eigenthümliche vom übrigen Mark so gänzlich abweichende Struetur der ala einerea aufmerksam wurde, und dass 172 Hans Gierke: ich daher noch nicht die genügende Zeit, vor allen Dingen aber nicht das genügende Material zur Verfügung hatte, um diese inter- essante Partie in möglichst erschöpfender Weise, besonders durch Vergleichung der Verhältnisse bei den verschiedenen Thieren zu erforschen. Dennoch glaubte ich diese Arbeit über die Stützsub- stanz nicht publieren zu dürfen, ohne auf sie, in der doch dieses (Gewebe eine so sehr grosse Rolle spielt, aufmerksam zu machen. Hoffentlich werde ich bald in der Lage sein, eine vollkommen ge- nügende und erschöpfende Darstellung der Verhältnisse und der Bedeutung dieses quantitativ ja nur sehr geringen Markiheiles folgen zu lassen. Ich führte schon oben an, dass die Gefässhaut, welche die ganze vordere und seitliche Oberfläche des Markes in gewöhnlicher Weise mit Bildung des perimedullären Raumes bekleidet, hier in dem Winkel zwischen der ala und dem seitlich davon gelegenen Vorsprung des Markes, der sogenannten „elava“, sich sehr ener- gisch anheftet. Sie sendet starke bindegewebige Fortsätze nach innen. Einige von diesen, es sind die stärksten und stets Träger starker Blutgefässe, bilden eine ziemlich dichte, fast continuirliche Längsreihe, so dass in dem grösseren Theil der Schnitte einer Serie eins von ihnen oder sein perivaseulärer Raum getroffen wird. Andere mehr unregelmässige Balken laufen schräg oder fast hori- zontal medianwärts in die Substanz der ala einerea hinein. Von ihnen — ihre Zahl ist sehr verschieden, zwei bis fünf — scheint ein Theil gar keine Gefässe zu umhüllen; wenigstens gelang es mir oft beim eifrigsten Suchen nicht, dieselben zu constatiren. Existiren hier wirklich Balken aus fibrillärem Bindegewebe, welche sich, ohne in dem Verhältniss von Hüllen zu Blutgefässen zu stehen, in der Substanz des Markes ausbreiten und einen wesentlichen Theil seiner Elemente bilden, — eine Anordnung, an der ich durchaus nieht zweifeln kann — so hätten wir hier den einzigen Fall eines solchen Vorkommens in dem ganzen Centralnervensystem. Meistens zieht einer dieser Fortsätze an der Grenze der eigentbüm- lich gebauten Substanz gegen die gewöhnliche gelatinöse (siehe Fig. 17), schneidet also den eigentlichen Hügeltheil, den wir als echte ala einerea betrachten, von der darunter liegenden rein grauen und der die Vermittelung mit dieser bildenden gewöhnli- chen gelatinösen Schicht ab. Den „dreieckigen Raum“, d. h. die ziemlich tiefe und breite Rinne zwischen ala einerea und clava a u Fi Die Stützsubstanz des Centralnervensystems. 173 füllt eine Verdiekung der Pia zum Theil aus. Doch bleibt stets ein nicht unbedeutender Theil derselben frei und wird zum Sammel- Lymphraum. Er hat ganz die Einrichtung des perimedullären Raumes, von dem er ja eigentlich auch nur ein Abschnitt ist. Im Besondern ist er wie jener von zahlreichen borstenartigen Fort- sätzen der Gliazellen durchzogen (Fig. 17a bei a). Natürlich lau- fen auch die erwähnten starken bindegewebigen Balken, welche als Fortsätze der Pia in die ala einerea eintreten, dureh ihn hin- durch. Die Pia selber schlägt sich brückenartig über den Raum hinweg und bekleidet auch die Oberfläche der ala einerea. Dabei aber verfeinert sie sich derartig, dass sie zu einer ungemein zarten Membran wird, welche im Querschnitt kaum zu erkennen ist. Nach- dem sie etwa den am weitesten in den Ventrikel hineinragenden Theil der ala einerea erreicht hat, legt sie sich der Oberfläche derselben ganz dicht an, während sie bis dahin durch einen schnell sich verengernden Spalt, die Fortsetzung des eben beschriebenen Lymphraumes und ihm entsprechend eingerichtet, von derselben getrennt wurde. Zuletzt nach der medianen Grenze der ala cinerea, also nach dem Ponticulus hin, verfeinert sich diese Deekmembran derart, dass man kaum im Stande ist, sie wirklich bis zu den queren Fasern des letztgenannten Wulstes bin zu verfolgen. Da aber von ihr weder Gefässe noch sonst irgend welche Fortsätze in die Substanz der ala einerea eintreten, so lässt sie sich trotz ihrer Feinheit leicht im Zusammenhang von derselben ablösen. Ausdrücklich hebe ich noch hervor, dass die Oberfläche des „grauen Flügels“ niemals eine Epithelbedeckung trägt. Das bekannte Ven- trikel-Epithel beginnt erst medianwärts vom Ponticulus, und zwar zunächst mit ganz niedrigen, sehr kleinen Zellen, welche bald an Höhe zunehmend, die gewöhnliche Grösse erreichen. Die von der Pia her sich fortsetzende Deckmembran der ala einerea besteht aus einer Lage sehr platter kerntragender und miteinander verschmol- zener Zellen und einiger aus der Pia ausstrahlenden Bindegewebs- zügen. Die Zellhaut schliesst also die ala cinerea nach dem Ven- trikel hin ab. Das eigentliche Grundgewebe der ala einerea ist die Neuro- glia. Sie baut sich in gewöhnlicher und schon mehrfach geschil- derter Weise auf. Die Gliazellen, welehe das Netzwerk bilden, sind sehr grosse, schön ausgebildete Zellen der kernarmen Form. Wirklieh gut entwickelte Kernzellen, womöglich ohne Spuren eines 174 Hans Gierke: Zellleibes, habe ich in dieser Gegend nicht gefunden. Dagegen zahlreiche Zeilen, in deren grossem, sehr durchsichtigem Zellkör- per ein Kern auch durch die besten Kernfärbemittel nicht mehr nachgewiesen werden konnte. Die grossen, sehr langen Ausläufer schlagen keine bestimmte Richtung ein, sondern laufen gleich- mässig nach allen Seiten, um ein sehr weitmaschiges Netzwerk herzustellen. Die Lücken desselben sind zum Theil durch die gleich näher zu besprechenden zarten nervösen Zellen, zum Theil durch Grundsubstanz ausgefüllt. Ein grosser Theil aber von ihnen bleibt leer und bildet Lymphräume. Man findet überall zahlreiche, nur von den Gliazellen und deren Ausläufern begrenzte Lücken, welche geronnene Lymphe enthalten. Grade durch diesen Gegen- satz der grossen, sehr derben verhornten, mit Carmin sich dunkel- rotlı tingirenden Gliazellen und den erwähnten ganz blassen, gar nicht oder kaum sich färbenden durchsichtigen Substanzen, wird hier das Netzwerk so ungemein deutlich. In feinen und gut ge- färbten Schnitten kann man die einzelnen Elemente desselben auf das Schärfste verfolgen und hat daher hier die beste Gelegenheit, die Art und Weise zu studiren, wie sich ein solches Gliageflecht bildet und besonders, wie sich die Zellen untereinander durch ihre Fortsätze verbinden. Nach innen hin geht dies Geflecht, so weit nieht ein binde- gewebiger Fortsatz der Pia eine scharfe Grenze zwischen der eigentlichen ala einerea und der darunter liegenden grauen Sub- stanz bildet, in das gewöhnliche Glianetzwerk der grauen Sub- stanz des Vaguskernes über. Eine Schicht gelatinöser Substanz ohne Einlagerung nervöser Elemente bildet meistens die Vermitte- lung. Nach aussen, d. h. nach dem Ventrikel hin, verdichtet sich das Netzwerk allmählich mit gleichzeitiger Grössenverringerung der Elemente. Die Gliazellen werden kleiner, ihre Ausläufer feiner; die Lücken sind nur noch mit Grundsubstanz gefüllt; die erwähn- ten zarten nervösen Zellen sind in dem engmaschigen Randgeflecht nicht mehr zu finden. Auch die Lymphräume nehmen nach dem Ventrikel hin sehr schnell an Zahl und Grösse ab. In den äus- sersten Lagen ändern die Gliazellen auch ihre Form, sie platten sich ab und zwar so, dass sie ihre Flächen nach aussen (dem Ven- trikel zu) und innen (dem Vaguskern zu) richten, und von den Kanten die Fortsätze ausgehen, welche nun auch im Wesentlichen parallel mit der Oberfläche verlaufen und dem entsprechende Ge- Die Stützsubstanz des Centralnervensystems. 175 flechte bilden. Der Abschluss wird endlich dureh ganz lang ge- streekte spindelförmige und bipolare Zellen gebildel, deren Aus- läufer kurze, aber ziemlich starke Fasern bilden. Durch diehte Aneinanderlagerung scheinen diese Faserzellen eine zusammen- hängende Schicht herzustellen, der dann die vorher erwähnte, mit der Pia zusammenhängende Membran direct aufliegt. Während die grossen Gliazellen der ala einerea allgemein zur kernarmen Form gehöreu, ja hier mehr kernlose Zellen zu finden sind als anderswo, besitzen die Faserzellen der Oberfläche stets einen sehr srossen ovalen Kern. Ja, die Anschwellung der Faser besteht hauptsächlich aus dem Kern, dem nur ein schmaler Saum Proto- plasma herumgelagert ist, von welchem dann die Fortsätze ausge- hen. Und so sehr das Aussehen, die Art der Tinetion u. s. w. dafür spricht, dass die Stützzellen der ala ecinerea vollkommen ver- hornt sind, so wenig wahrscheinlich ist dies für die äussern Spin- delzellen. Obgleich ich für diese Partie die Verdauungsmethode nicht angewandt habe, lässt doch das Aussehen dieser Zellen und ihrer Ausläufer, besonders im Gegensatz zu den mehr innen gele- genen, und ebenso auch ihr Verhalten gegen Reagentia darauf schliessen, dass sie ein weiches, unverhorntes Protoplasma besitzen. In letzterer Hinsicht führe ich nur an, dass sie bei der Maceration in den gewöhnlich verwendeten Macerationsflüssigkeiten sehr leicht zu Grunde gehen, nachdem sie sich zuvor stark getrübt hatten, und dass sie ebenso gegen Säuren und Alkalien viel geringere Widerstandskraft zeigen, als die benachbarten Stützzellen. Ihnen scheint also in dieser Beziehung der Character der in Epithelien umgewandelten Gliazellen zuzukommen. Uebrigens scheinen sie sich untereinander nur durch sparsame Fortsätze zu verbinden. Irgend ein innigerer Zusammenhang mit der bedecekenden zarten Haut war nicht zu constatiren. In dieser Neuroglia, in kleinen nestartigen Hohlräumen, welehe die starken Gliaelemente zwischen sich bilden, sind die weiter oben erwähnten fremdartigen Zellen eingelagert. Sie haben noch am Ersten eine gewisse Aehnlichkeit mit den früher beschriebenen Nervenzellen der substantia gelatinosa Rolandi oder den kleinen nervösen Zellen in der äussersten Schicht der Rinde des kleinen Gehirns. Ein grosser runder Kern, der das eharacteristische Aus- schen eines Ganglienzellenkerns besitzt und um ihn herum eine kleine Quantität eines hinfälligen, sehr zarten und ungemein fein or 176 Hans Gierke: sranulirten Protoplasmas. Fortsätze konnte ich, wie schon oben erwähnt wurde, nicht entdecken. Es ist aber immerhin möglich, dass sehr zarte, weiche Protoplasmafortsätze beim Erhärten des Markes, bei dem der Zellleib ziemlich bedeutend schrumpft, ab- reissen und keine Spuren zurücklassen. Nervenfibrillen oder mark- haltige Nervenfasern konnte ich durchaus nicht auffinden, so dass die erwähnten Zellen recht unverständlich erscheinen. Dennoch kann ich sie vorläufig kaum für etwas Anderes als für nervöse Elemente halten. Uebrigens sind sie in ihrer Umgebung, in den sie einschliessenden Gliazellen so schwer sichtbar, dass sie lange gänzlich entgehen konnten. Sie sind kleiner als die sie umgeben- den Gliazellen. Daher schliesst wohl eine einzige dieser letzteren, indem ihr Leib sich etwas krümmt, eine kleine Nervenzelle ein, oder es vereinigen sich zwei Zellkörper, um einen dieken Kranz um dieselbe zu bilden. In diesem sehr dieken, stark gefärbten und in jeder Beziehung auffälligen Ring kommt die zarte. blasse nervöse Zelle nicht zur Geltung. Ausser der Neuroglia nimmt nun aber noch ein anderes histo- logisches Element an der Bildung der eigentlichen ala einera Theil; ich meine das fibrilläre Bindegewebe. Ich betonte bisher sehr entschieden, dass dies nur in der Eigenschaft einer Adventitia der Blutgefässe Platz im Centralnervensystem fände, dass es aber nir- sends Theil an dem feineren Aufbau unseres Organs nehme. Ob es nun hier in dieser eigenthümlichen Partie sich anders verhält, ist nicht leicht zu entscheiden. Scheinbar ziehen aus der Pia Bal- ken, welche keine Gefässe führen in das Innere der ala einera, theilen sich hier, so dass zahlreiche Züge fibrillären Bindegewebes diese durchziehen, ohne dass man einen Zusammenhang mit Blut- gefässen nachweisen könnte. Andererseits sind aber hier die Blut- sefässe in solcher Menge vorhanden, sie theilen sich so ungemein häufig.im Innern der ala einera und durchziehen diese in so gros- ser Zahl, dass man wohl auf den Gedanken kommen kann: Zu jedem Bindegewebszug gehöre auch ein Gefäss, nur,dass in den Sehnittpräparaten solche Züge häufig von den zugehörigen Gefäs- sen durch den Schnitt getrennt worden seien. Wie dem auch im- mer sei, fest steht, dass eine derartige quantitative Entwicklung der beiden genannten Elemente in keinem andern Theil des Cen- tralnervensystems beobachtet werden kann. Stärkere und feinere Blutgefässe ziehen, nachdem sich die aus der Pia kommenden oo - Die Stützsubstanz des Centralnervensystems. 177 Hauptgefässe getheilt haben, nach allen Richtungen und bilden be- sonders gern auch Windungen (siehe Fig. 17a), ja es kommen ordent- liche Spiralwindungen vor. Ebenso massenhaft, scheinbar sogar, wie erwähnt, noch massenhafter ist das Vorkommen der bindgewebigen Züge. Starke Balken pflegen an der Grenze der eigenthümlichen Substanz gegen den Vaguskern, also schräge von aussen hinten nach innen und vorn zu ziehen. Grade in diesen mächtigen Zügen, die, obschon sie kein zusammenhängendes Septum bilden, doch in der Länge des Markes sehr dicht aufeinander folgen, habe ich vielfach die Anwesenheit eines entsprechenden Blutgefässes ver- misst. Etliche starke Züge laufen medianwärts über die eigentliche Substanz der ala einera hinaus, um sich an der Bildung des gleich näher zu beschreibenden Kerns des grossen Lymph-Sammelraumes zu betheiligen. Ihnen entsprechen auch gewöhnlich Blutgefässe, auf die ich gleich zurickommen werde. Die Gefässe in der ala einera sind nur zum Theil von perivaseulären Lymphräumen um- geben. Und zwar hauptsächlich die direet nach aussen ziehenden. Im Uebrigen aber ist die Entwicklung der Lymphspalten in dieser Substanz eine so ausserordentliche, dass kleinere perivasculäre Räume gar nicht nothwendig sind. Ueberall ausgegraben in der Grundsubstanz, aber auch, wie ich schon oben zeigte, zum Theil nur von den geformten Gliaelementen umgeben, sind solche Lymph- räume zu finden. Nach dem Ventrikel hin werden sie spärlicher, nach dem „dreieckigen Raum“ hin zahlreicher und zahlreicher. Sie communieiren untereinander und mit den perivasculären Räu- men. Entweder durch Vermittelung dieser oder durch directe Ein- mündung lassen sie ihren Inhalt zuletzt in den genannten Raum oder in dessen mediane Ausbuchtung einfliessen. Grosse perivas- euläre Lymphsammelräume befinden sich auch medianwärts von der Masse der ala einera, in der Gegend, die der seitlichen, hintern Anheftung des Obex oder später seinem Fortsatz dem Ponticulus ent- spricht. In der Länge der ala einera pflegt hier aber ausserdem noch eine andere Einrichtung zu existiren, die ich sonst im ganzen Central- nervensystem nicht wieder gefunden. Es handelt sich um einen grossen Lymphraum, der einen starken aus Bindegewebe, Neuroglia und Ge- fässen zusammengesetzten Kern umgiebt. Diese Anordnung, welche wenigstens bei einer Reihe von Säugethieren constant vorzukommen scheint, beginnt an der untern Spitze der eigentlichen ala cinera- Substanz. In Querschnitten, welehe in dieser Ebne angelegt sind, Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 26. 12 178 Hans Gierke: sieht man medialwärts dicht neben jener Substanz aber noch in der benachbarten grauen eine Ansammlung von Lymphräumen, die sich aufwärts sehr schnell vergrössert. Die kleineren Räume vereinigen sich zu grösseren, welche durch starke Gliamassen, Zel- len und Grundsubstanz, voneinander getrennt werden. So bildet sich bald ein dicht zusammenliegendes System von unregelmässig gestalteten Hohlräumen und diese von einander trennenden Septen heraus. In diese letzteren treten nun von medianwärts her aus der ala einerea Bindegewebszüge und Blutgefässe ein; welche sie sanz bedeutend verstärken. Sie beginnen sich nun zusammen zu drängen und die Lymphräume mehr in die Peripherie zu drängen. Bald entsteht ein solider Balken, der sich durch neue Aufnahme von Bindegewebszügen und Gefässen schnell verdiekt, und ein Lymphraum um ihn herum (Fig. 17a bis ec). Diese Entwicklung ist eine äusserst rapide. Die geschilderten Vorgänge sind in einer gar nicht sehr grossen Reihe von Querschnitten zu beobachten. Beim Schaf drängen sie sich auf eine Strecke von vielleicht 1 bis 1!/, Millimeter in der Länge zusammen. Bis zum obern Ende der ala einerea pflegt dann der so entstandene eigenthümliche Lymph- raum ziemlich unverändert fort zu bestehen. Nur nimmt er von medialwärts her fortwährend Balken auf, welche Gefässe enthalten und sich der mittleren Kernmasse des Raumes anschliessen, den letzteren dabei quer durchziehend. Er kann sich theilen, so dass streekenweise zwei oder mehrere solcher gleichartigen Räume nebeneinander bestehen. Die Anordnung der Elemente ist im Speeciellen folgende: Die starke balkenartige Kernmasse im Innern besteht hauptsächlich aus fibrillärem Bindegewebe, das in der ge- schilderten Weise von der Pia herstammt, aus ebendaher kom- menden Blutgefässen und aus Gliazellen, welche besonders die Peripherie der Balkensubstanz einnehmen. Hier nämlich ist die- selbe nicht von einer scharfen Contour umgeben, sondern das Ge- webe lockert sich etwas auf, die Gliazellen ragen mit ihren Kör- pern oder wenigstens mit ihren Fortsätzen in den Lymphraum hin- ein, um sich mit den von aussen kommenden Fasern zu verbinden. Zuweilen sind hier in der Peripherie des Balkens lockere Netze von Gliazellen, welche zwischen sich kleine miteinander und mit dem grossen Sammelraum communieirende Lymphräume bilden. Der Sammelraum besitzt eine ziemlich bedeutende Breite, wird aber, abgesehen von den vorher erwähnten bindegewebigen Zügen, Die Stützsubstanz des Centralnervensystems. 179 von dieht gedrängten stachel- oder borstenartigen Fasern dureh- zogen. Dieselben haben in Ansehen und Anordnung die grösste Aehnlichkeit mit jenen Fasern, welche den perimedullären Lymph- raum in seiner besten Entwicklung und ganz besonders den „drei- eckigen Raum durchziehen, und wie dort sind sie auch hier ein- zelne oder aus mehreren einzelnen zusammengeschmolzene Fort- sätze von Gliazellen. Die letzteren liegen dichtgedrängt in der Umgebung des Raumes und senden die Mehrzahl ihrer Ausläufer in diesen hinein und durch ihn hindurch zu der centralen Balken- anlage. Hier verbinden sie sich mit den erwähnten, die Peripherie derselben bildenden Gliazellen oder deren Ausläufern. Im Quer- schnitt des Markes finden wir also eine grosse Insel, die von einem breiten Graben rings umgeben ist. Von der Umgebung aber ziehen einmal einige wenige unregelmässige Brücken (die gefäss- führenden Bindegewebszüge) und dann unendlich viele feine Ver- bindungen durch den Graben zur Insel hinüber. In der Umge- bung sind zahlreiche kleine Lymphräume in dem Gewebe, so dass an manchen Stellen in der unmittelbaren Umgebung des Sammel- raums das Bild des cavernösen Gewebes entstehen kann. Sie eommunieiren alle mit dem Sammelraum. Besonders führen aus der ala einerea sehr zahlreiche Lymphspalten zu ihm. Auch mün- den aus der ganzen Umgebung kommende perivasenläre Räume in ihn ein. Andererseits sieht man in Begleitung der beschriebe- nen aus der Pia stammenden Blutgefässen perivaseuläre Räume sich von diesem Sammelraum an direet bis zu dem „dreieckigen Raum“ erstrecken. Besonders wichtige Communiecationen mit die- sem sind am obern Ende der ala einerea, wo dann unser Lymph- raum sein Ende findet, indem die ihn durchziehenden Gliaelemente so dicht werden, dass sie zuletzt keinen Raum mehr zwischen sich lassen. Und, sobald die Sonderung der inneren Substanz durch einen grabenartigen Hohlraum aufhört, verschwindet auch ihre eigenthümliche Zusammensetzung, verschwindet vor allen Dingen das fibrilläre Bindegewebe und die ungewöhnliche Menge der Blutge- fässe. Die früher geschilderte aus dichtgedrängten Elementen be- stehende Gliaanhäufung dieser Gegend setzt sich an ihre Stelle. In ihr, also in der Nähe des Pontieulus und der Umschlagstelle der Pia in die tela choroidea sind nun weiter aufwärts durch den ganzen Ventrikel hinauf beständig mehrere sehr grosse perivaseu- läre Räume, welche in vielfacher Communication mit dem „drei- 180 Hans Gierke: eckigen Raum“ stehen. In diesen münden andererseits ausser kleineren Lymphbahnen noch ganz besonders die sehr grossen peri- vasculären Räume der starken Gefässe, welche in beinahe grader Richtung oder etwas schräg von innen und medianwärts aus der Marksubstanz nach dem „dreieckigen Raum“ ziehen, um in die demselben entsprechende Verdickung der Pia einzutreten. Diese Gefässe liegen in der Höhe des Markes ziemlich dieht übereinan- der und bilden durch die ganze Länge derselben eine fortlaufende ziemlich regelmässige Reihe. Die ihnen entsprechenden und also auch parallel übereinander angeordneten, perivaseulären Räume sind sehr schön entwickelt. Sie führen die Lymphe aus dem Vaguskern und allen andern benachbarten grauen Massen nach dem dreiecki- sen Sammelraum hin. Ihre Umgebung, besonders nach der Ein- mündungsstelle hin, gleicht vielfach einem cavernösen Gewebe. Lymphraum schliesst sich an Lymphraum. Und im weiteren Um- kreise des Gefässes sind nur solche Lymphspalten mit der sie umgebenden und bildenden Neuroglia zu finden. Endlich mündet in den „dreieckigen Raum‘ auch von der Seite her der perimedul- läre Lymphraum des Markes, der eine sehr schöne Entwicklung, im Uebrigen aber die Einrichtung besitzt, die ich für den gleichen Raum am Rückenmark genau geschildert habe, so dass ihn hier noch weiter zu besprechen unnöthig ist. Man sieht also, dass hier in dem „dreieckigen Raum“ ein ausserordentlich starker Zusam- menfluss verschiedener Lymphströme statt hat. Auf die Frage: Wohin fliesst nun die Lymphe aus dem dreieckigen Raum‘ gehe ich hier nieht ein, da sie ausserhalb des von mir an dieser Stelle ab- sehandelten Themas liegt. Ich werde aber in einer zusammenhängen- den Besprechung der Lymphverhältnisse des Centralnervensystems diesen sehr interessanten Punkt ausführlicher zu behandeln haben. Uebrigens sind alle die beschriebenen Lymphräume, die kleinen wie die grossen, unter Umständen mit geronnener Lymphe gefüllt. Die grossen Sammelräume sind kaum jemals ganz gefüllt zu fin- den. Es fliesst wohl die beim Tode des Geschöpfes in ihnen be- findliche Flüssigkeit aus, ehe sie zum Gerinnen kommt. Aber aus den Einmündungsstellen der Wandung drängt sich die geronnene Lymphe, mehr oder minder dieselbe ganz bedeckend, her- vor. So ist es ganz besonders auch bei dem geschilderten, an der medianen Kante der ala einerea gelegenen Sammelraum. Auf die speciellen Verhältnisse der Stützsubstanz in den höher Die Stützsubstanz des Centralnervensystems. 181 gelegenen Theilen der medulla oblongata, in den Vierhügeln, Pons u. s. w. brauche ich nich® näher einzugehen, da irgend welche prineipielle Aenderungen in der Anordnung nicht eintreten. Ueberall finden wir die centrale Gliaauskleidung der Ventrikel und die peripherische Gliahülle. Die feinere Anordnung der Elemente ent- spricht vollkommen den von mir geschilderten Verhältnissen des Markes. Hinsichtlich der Neuroglia der weissen Substanz in den einzelnen Theilen des Gehirns ist dem im allgemeinen Theil Ge- sagten gar nichts mehr hinzuzusetzen und von den grauen Massen bieten nur die Rinde des grossen und kleinen Gehirns und die des bulbus olfactorius eigenthümliche, des Beschreibens werthe Verhältnisse dar. Recht interessant und bisher zum grössten Theil noch sehr unbekannt sind die Verhältnisse der Stützsubstanz im Klein- hirn. In der weissen Substanz haben wir überall dasselbe Ver- halten der Neuroglia, wie es aus dem Rückenmark genauer be- schrieben wurde. Nur fehlen irgend welche Anhäufungen der- selben; aus Stützzellen aufgebaute Balken kommen nicht vor. Ein gleichmässiges recht dichtes Geflecht bildet die bekannten Schei- den für die Nervenfasern. Nach aussen hängen die Fasern dieses Flechtwerks continuirlich mit den Glianetzen der grauen Substanz zusammen. Diese umgiebt bekanntlich in 3 Schichten als Rinde den weissen Kern. Von innen nach aussen gerechnet sind diese Lagen 1) die sogenannte Körnerschichte, 2) die Schiehte der Pur- kinje'schen Zellen und 3) die sogenannte moleeuläre Schichte. Während die erste und die dritte so ungefähr gleiche und nicht unbeträchtliche Dieke besitzen, besteht die mittlere nur aus einer einzigen Lage allerdings sehr grosser Zellen. Nach aussen wird die Rinde durch eine eigenthümliche für das Kleinhirn charakte- ristische Gliahülle abgeschlossen, dieselbe steht im Zusammenhang mit der die Oberfläche überziehenden Pia und nach innen durch starke Fortsätze mit dem Stützgeflecht der inneren Schichten. Dies Geflecht ist nun in der äusseren, der sogenannten moleeulären Sehicht von grösster Feinheit, die Zellen klein, die Fortsätze kurz. Einzelne wenige hinsichtlich ihres Vorkommens und in Bezug auf die Verhältnisse ihrer Verbindungen sehr unregelmässige, grössere und derbere Zellen mit langen Ausläufern sind ihm in ganz zerstreuter Weise eingefügt. Die Schicht der Purkinje’schen Zellen ist durch ein starkes Geflecht der Stützsubstanz ausgezeichnet. Einmal näm- 182 Hans Gierke: lich ist jedes einzelne dieser grossen nervösen Zellgebilde von einigen Gliazellen und ihren Ausläufetn umsponnen und einge- scheidet, dann sind auch weitere Geflechte für die hier zahlreichen Blutgefässe und für den Plexus von Nervenfasern, die hier hori- zontal, d. h. parallel mit der Oberfläche in ziemlich grosser An- zahl verlaufen, angelegt. Mit ihnen endlich steht ein sehr festes aus derben Elementen zusammengesetztes Stützgeflecht in Verbin- dung, welches die sogenannten Körner, d. h. zarte Nervenzellen mit deutlich sich abhebendeu runden Kernen, umschliesst. Die srossen unregelmässig gestalteten Zellen dieses Netzes gehören mit zu den auffallendsten Elementen der Neuroglia. Sie sind stark verhornt und lassen entweder gar keinen oder nur einen sehr un- deutlichen kleinen Kern erkennen. Ihre Ausläufer verbinden sich dann wieder mit dem Stützgeflecht der weissen Substanz. Wir müssen diese Verhältnisse ein wenig genauer anschauen. Die Gliahülle!) besteht hier zunächst aus einer einzigen, nicht einmal zusammenhängenden Lage von pyramidenförmig ge- stalteten, ziemlich grossen, derben und stark verhornten Zellen, in denen ein Kern kaum jemals zu erkennen ist. Häufig sind sie sehr niedrige, zuweilen aber schöne allmählich sich verjüngende Pyramiden. Ihre Spitze, welche stets nach innen gerichtet ist, verlängert sich in einen kräftigen Fortsatz, der in die graue Sub- stanz eindringend sich in der moleeulären Schicht verästeln und dort mit derberen Gliazellen der Stützsubstanz verbinden kann, oder auch bis zur Schicht der Purkinje’schen Zellen vordringend sich nach sehr geringer Verästelung mit dem dortigen Fleehtwerk der Glia vereinigt. Von den Kanten der Basis der Pyramiden- zellen gehen ebenfalls Ausläufer aus, welche hauptsächlich in hori- zontaler Richtung verlaufend die verschiedenen Zellen dieser Art untereinander verbinden und so die Lücken zwischen ihnen durch einen parallel mit der Oberfläche angeordneten Plexus von Glia- fasern ausfüllen. Diese Fasermasse bildet aber nicht eine dichte zusammenhängende Lage, sondern ist ein Geflecht mit kleinen 1) Die Gliahülle ist, wie das schon hervorgehoben wurde, im Allge- meinen sehr unregelmässig gestaltet. Am grössten scheinen aber die indi- viduellen Abweichungen in den Verhältnissen der Gliahülle des kleinen Ge- hirns zu sein. Dieser Umstand erklärt es auch, dass die Beschreibungen der Oberfläche dieses Hirntheils so ungemein verschiedenartig lauten. o Die Stützsubstanz des Centralnervensystems. 185 Oeffnungen, welche die Verbindung der inneren Lymphspalten der Gehirnrinde mit dem gleich zu beschreibenden Lymphraum zwi- schen Gliahülle und Pia darstellen. Unmittelbar unter der Ober- fläche und zwischen den sich verjüngenden Körpern der Pyrami- denzellen lagern sich hänfig in sehr unregelmässiger und sehr verschiedener Weise rundliche Gliazellen mit wenigen und zarten Ausläufern. Diese bilden manchmal und zwar nicht allein, wie einige Autoren meinen, bei Kindern, sondern auch bei älteren Ge- schöpfen (wenigstens bei älteren Säugethieren!)) zusammenhängende Sehichten, meistens sind sie aber nur in einzelnen kleineren und grösseren Haufen angeordnet. Sie sind von Boll und Anderen als richtige fortsatzlose Körner bezeichnet und als Ueberreste em- bryonaler Bildungszellen gedeutet worden. Sie sollten somit den in der moleculären Schicht zerstreuten runden „Körnern“ jener Autoren gleichartig sein. Wir sahen aber schon früher und es wird sogleich wieder davon die Rede sein, dass dies richtige kleine Nervenzellen sind. Die an der Oberfläche unter und zwischen den Pyramidenzellen liegenden Gliazellen müssen noch als zur Gliahülle gehörig betrachtet werden und kann uns so ihre un- gleichmässige quantitative Entwicklung (manchmal sind sie in sehr geringer Zahl vorhanden) nicht verwundern, da diese äussere Glia- Bedeckung der Centralorgane überall durch ihre Ungleichmässig- keit in quantitativer Hinsicht ausgezeichnet ist. Ich glaube nicht, dass fortsatzlose runde Gebilde hier in irgend bemerkenswerther Zahl vorkommen. Es ist hier wie überali. Je besser die Präpa- rate gefärbt sind, desto weniger „Körner“ sind vorhanden. Die Pia mater liegt der Substanz des kleinen Gehirns nicht ganz unmittelbar an, wenigstens in grossen Strecken nicht. Es scheinen da einige Verschiedenheiten zu herrschen; einigermassen mag der Befund auch von dem Füllungszustand abhängen, in dem sich die Lymphräume des kleinen Gehirns beim Absterben des betreffenden Geschöpfes befunden haben. Jedenfalls sind in der Tiefe der Furchen fast immer solche spaltförmige Lymphräume, die epicerebralen Räume — während auf der Höhe der Win- dungen die Pia der Oberfläche der Substanz dicht anzuliegen pflegt. 1) F. E. Schulze, Ueber den feineren Bau der Rinde des kleinen Ge- hirns. Dissert. Rost. 1863, und Obersteiner, Untersuchungen über die Rinde des kleinen Gehirns. Sitzungsberichte d. Wien. Akad. Bd. 60. 1870. 154 Hans Gierke: Diese epicerebralen Räume des kleinen Gehirns sind echte Lymph- sammelräume und gleichen den früher beschriebenen perimedul- lären in Bezug auf die prineipielle Anordnung der Elemente voll- kommen. Auch sie sind von Zellen und Fasern vielfach durch- zogen; und zwar wenden sich einmal einige Basalfortsätze der pyramidenförmigen Randzellen aus der horizontalen Richtung, ziehen durch den spaltförmigen Raum und‘ setzen sich an der auch hier die Innenfläche der Pia bekleidenden Endothelmembran fest. Es senden auch wohl hier und da einige von den Gliazellen, welche in den äussersten Lagen der Rinde innerhalb von den pyra- midenförmigen Zellen liegen, Ausläufer nach aussen zur Pia hin. Endlich aber und ganz besonders sind in dem spaltförmigen, engen Raum durchsichtige, verhornte und sternförmig gestaltete Glia- zellen gelegen, welche in unregelmässigen Zwischenräumen ange- ordnet eine einfache Lage bilden. Sie verbinden sich mittelst ihrer Ausläufer einmal untereinander, dann senden sie Fortsätze nach innen durch die Lage der pyramidenförmigen Fasern hin- durch in die Hirnsubstanz, um Verbindungen mit dem Gliageflecht derselben zu bilden. Und ebenso verbinden sie sich mit den Aus- läufern der Pyramidenzellen selber und mit der Endothelmembran. So laufen diese Fortsätze nach allen Richtungen durch den Lymph- raum und bilden in ihm ein ziemlich dichtes Faserwerk. Doch wiederhole ich, dass diese Verhältnisse sehr unregelmässig sind und bei verschiedenen Thieren sich sehr verschieden verhalten. Obige Beschreibung passt am besten auf den Befund beim Men- schen, doch sind auch bei ihm individuelle Abweichungen zu con- statiren, abgesehen von dem sehr verschiedenen Aussehen, das die Vorbereitung des Materials und Präparation desselben bewirken kann. Leicht einzusehen ist es, dass die Oberfläche des kleinen Ge- hirns keine absolut glatte und ebene nach der Entfernung der pia mater sein kann. Zieht man diese ab, so bleiben die Stützzellen des spaltförmigen Zwischenraums — wenn sie überhaupt vorhan- den sind — zum Theil an ihr, zum Theil an der Hirnsubstanz hängen. Ebenso kann auch ein grosser Theil der pyramidenför- migen Zellen der Gliahülle, welche, wie wir sahen, sich ebenfalls häufig durch Ausläufer an der Pia anheften, mit dieser entfernt und aus der Rinde herausgezogen werden. Die durch die Verbin- dung der horizontalen Fortsätze dieser Zellen entstehende äussere Die Stützsubstanz des Centralnervensystems. 185 Membran der Gliahülle wird dabei natürlich zerrissen und in un- ebner und ganz unregelmässiger Weise stehen diejenigen Zellen, welche in der Rinde haften blieben, aus ihr hervor. Es ereignet sich auch wohl, dass grössere Partieen dieser Zellen im Zusam- menhang etwas aus der grauen Substanz herausgezogen werden, ohne abzureissen. So entstehen dann Bilder, wie sie schon F. E. Schulze?!) und andere abbilden. Ein gutes Bild z. B. solcher etwas herausgezogenen und dabei zum Theil zerrissenen Pyrami- denzellen ist in dem Atlas von Key und Retzius?) zu finden (Tab. XVII Fig. 15). Diese Gebilde sind ja überhaupt schon lange bekannt und viel beschrieben worden. Sie werden gewöhn- lich als die „Bergmann’schen?) Fasern“ oder als die Stiftfa- sern bezeichnet. Ich kann hier nicht auf alle bisherigen Be- schreibungen und Deutungen derselben eingehen. Ein rechtes Verständniss derselben als Gliazellen eigner Form fehlte bisher durchaus, obgleich dieselben natürlich als Stützfasern angesehen und den Müller’schen Fasern der Retina gleichwerthig betrachtet wurden. Das Gliageflecht der grauen Randzone des kleinen Ge- hirns (der „feinkörnigen“ oder „moleceulären“ Schicht) ist ein ungemein dichtes Keratingerüst, das zwar aus den gewöhnli- chen Elementen gebildet wird, sich aber vor der Stützsubstanz anderer Gegenden durch die ausserordentlich geringe Grösse seiner Zellen auszeichnet. Beim Embryo finden wir hier die gleichen Zellen wie anderswo. Später aber gehen dieselben so sehr in der Bildung der zahlreichen Fortsätze auf, dass sie mehr und mehr schwinden und beim ausgewachsenen Geschöpf nur noch unregel- mässig eekige, meist kernlose Körper vorstellen, welche die Kno- tenpunkte des von ihren Ausläufern hergestellten Netzes bilden. Abgesehen von gleich näher zu betrachtenden localen Verschieden- heiten in der Entwicklung dieses Netzes und seiner Elemente ist zu bemerken, dass einzelne der embryonalen Stützzellen an der Die. Big. 3 n. fi. 2) Studien in der Anatomie des Nervensystems und des Bindegewebes. Stockholm 1575. 3) Bergmann, Notiz über einige Structurverhältnisse des Cerebellums und Rückenmarks. Zeitschr. f. rationelle Mediein. Herausg. v. Henle und Pfeufer. Neue Folge. 8. Bd. 1857. p. 360. 186 Hans Gierke: geschilderten Verkleinerung nicht Theil nehmen, sondern als ver- hältnissmässig grosse Gebilde zur Verhornung kommen. Sie liegen in ungemein verschiedener, stets aber sehr geringer Zahl zerstreut in der „moleculären“ Schieht, und sind eigentlich nur in der Rand- zone unmittelbar unter den pyramidenförmigen Deckzellen etwas häufiger zu finden. Da, wo sie in etwas grösserer Zahl vorhan- den sind, verbinden sie sich gern durch lange Fortsätze unterein- ander und mit den radiären Ausläufern der Pyramidenzellen. Uebri- gens ist ihre quantitative Entwicklung so ungemein verschieden, dass ich in vielen Gehirnen keine Spur von ihnen auffinden konnte, während sie wieder in andern der gleichen Thierart entstammen- den Gehirnen, wenigstens in der äussersten Randzone, ziemlich zahlreich sind. Diese derberen kernarmen Gliazellen der äussern grauen Rindenschicht des kleinen Gehirns dürfen nicht mit den viel zahlreicheren dieser Gegend angehörigen kleinen Nervenzellen verwechselt werden. Ich wies schon im ersten Theil!) dieser Ab- handlung darauf hin, dass dies sehr häufig geschähe. Die zelligen Gebilde, welehe einem Jeden bei der mikroskopischen Betrachtung unserer Gegend sogleich auffallen, sind nervöser Natur. Es sind zarte Zellen, mit einem grossen, runden Kern, der von wenig Pro- toplasma umhüllt ist; von den letzteren gehen einige ungemein feine Ausläufer aus, welehe sich an der Bildung des Nervenfibril- lennetzes betheiligen. Mit andern Worten: Diese zarten Nerven- zellen sind dem aus den Protoplasmafortsätzen der Purkinje’schen Zellen hervorgehenden Fibrillennetz eingefügt. In der diesen letzt- genannten zelligen Gebilden benachbarten Partie sind sie viel zahl- reicher und grösser als in der äussern; sie sind hier auch vielfach oval und ihre stärkeren Ausläufer schlagen bestimmte Richtungen ein. Doch darf ieh ja auf diese Zellen hier nicht näher eingehen. Sie interessiren uns im Augenblick nur deshalb, weil sie so häufig für die Gliazellen dieser Gegend gehalten wurden. Für denjeni- gen, welcher die Neuroglia genauer studirt hat, sollte ein solcher Irrthum geradezu unmöglich sein, da sie durchaus das characteri- stische Aussehen der Nervenzellen besitzen, abgesehen davon, dass man oft genug die Verbindung ihrer Fortsätze mit dem nervösen Fibrillennetz constatiren kann. Das stark verhornte Gliageflecht der „moleeulären“ Schicht, 1) Siehe Theil I. dieses Archiv Bd. 25. p. 455. ae eu Die Stützsubstanz des Centralnervensystems. 187 also ihr Keratingerüst, ist im Allgemeinen ungemein dieht zusan- mengefügt. Nur kleine Lücken bleiben zwischen seinen Elementen übrig. Die Ausläufer der erwähnten kleinen Zellen verbinden diese ungemein innig miteinander und gehen, indem sie mit den entgegenkommenden der benachbarten Zellen verschmelzen, der- artig ineinander über, dass es in Schnittpräparaten nicht mehr möglich ist, die Grenzen der einzelnen Zellen zu erkennen; und eben so wenig gelingt es in Isolirungspräparaten, noch einzelne zellige Gebilde zu isoliren; man erhält stets nur kleine Fragmente des Geflechtes. Ich führte oben schon an, dass die meisten ver- krüppelten, kleinen Zellen desselben eines Kernes ganz entbehren. In andern, besonders den etwas grösseren, ist doch ein mehr oder minder deutlicher, stets verhältnissmässig kleiner Kern nachgewie- sen. Ich bemerkte schon oben, dass das Gliageflecht nieht überall durch die ganze Dicke der grauen Randschicht des kleinen Gehirns dieselbe quantitative Ausbildung zeige. Es versteht sich dies für denjenigen, welcher die Verhältnisse der nervösen Elemente dieser Gegend näher kennt, eigentlich von selber. Diese sind nämlich in den innern, den Purkinje'schen Zellen benachbarten Partieen sross und stark und verfeinern sich um so mehr, je weiter sie sich der Oberfläche des Gehirns nähern. Die erwähnten Zellen bilden ja eigentlich keine zusammenhängende Schicht, da die Zell- körper durch bedeutende Zwischenräume voneinander geschieden sind und ihre Fortsätze nach aussen oder nach innen ziehen, olıne sich zwischen ihnen zu verästeln. Die so zwischen ihnen vorhan- denen Räume sind zum Theil noch von der Körnerschicht ausge- füllt, zum Theil aber von der äusseren grauen Rindenschicht. Beide gehen hier ohne scharfe Grenze ineinander über. In dieser Gegend befindet sich ferner bald in der Körner-, bald in der Rin- denschicht ein Gefässplexus zwischen den grossen Purkinje’schen Zellen. Endlich verlaufen in den innersten Partieen der grauen Rindenschicht, dem Anfang der grossen Protoplasmafortsätze jener Zellen entsprechend, ziemlich zahlreiche horizontale (also parallel der Oberfläche), markhaltige Nervenfasern. Dieselben sind ganz besonders stark beim Menschen entwickelt. Für die verschiedenen nervösen Elemente nun dieser Gegend und für die Blutgefässe ist ein derbes, kräftiges Stützgeflecht aus mittelgrossen, theilweise auch etwas kleineren Zellen und starken nicht zu langen Ausläu- fern gebildet. Zunächst werden für die Körper der grossen Pur- 188 Hans Gierke: kinje’schen Zellen netzförmige Scheiden hergestellt. Jede ein- zelne derselben liegt in einem korbartigen, sehr dicken und kräf- tigen Geflecht, das durehschnittlich von 4 bis 6 Gliazellen und den Ausläufern dieser und benachbarter Stützzellen gebildet wird!). Ich betonte ja schon früher, dass jede centrale Nervenzelle, wo sie auch innner liegen mag, in einer solchen aus Zellen und Fortsatz- Fasern gewebten Scheide eingeschlossen und durch sie von den benachbarten Elementen isolirt ist. Nirgends aber finden wir in den Centralorganen so deutlich zu erkennende, so dichtgewebte und so kräftige Gliahüllen um die Nervenzellen, wie hier um die Purkinje’schen. Wie von dem Stützgeflecht der Nachbarschaft Fasern abgehen, um an dem Aufbau dieser Zellkörbe Theil zu nehmen, so betheiligen sich natürlieh auch eine Anzahl der Aus- läufer der Gliazellen dieser an der Bildung des benachbarten Stütz- geflechtes, so dass die netzartigen Scheiden der Purkinje’schen Zellen in innigem Zusammenhang mit dem umherliegenden Glia- sewebe sich befinden. Wie überall werden auch hier die reichli- chen Capillarnetze, welche jene nervösen Netze umspinnen, von diesen Gliahüllen getragen. Aber nur die Körper derselben liegen in solchen eignen korbartigen Scheiden; die starken Anfänge der Protoplasmafortsätze nicht mehr. Sie vielmehr werden von dem allgemeinen Gliagerüst ihrer Nachbarschaft umhüllt. In den Zwi- schenräumen zwischen den Körpern der Purkinje’schen Zellen und den ersten Anfängen ihrer Protoplasmafortsätze ist dies aus mittelgrossen, meist kernlosen Gliazellen und ihren Fortsätzen aufgebaut. Es ist den verhältnissmässig groben Gewebstheilen, welche ihm eingelagert sind, entsprechend ziemlich weitmaschig). Je weiter nun aber nach aussen, desto enger wird das Stützgerüst. Die Zellen werden kleiner und kleiner, rücken näher aneinander und die kurzen, aber zahlreichen Ausläufer bilden ein engmaschi- l) In dem Präparat, nach dem die Fig. 21 gezeichnet worden ist, be- fanden sich zufällig drei Scheiden von Purkinje’schen Zellen nebeneinander, welche in gleicher Weise durch den Schnitt getroffen waren, dass gewisser- massen der Boden des Korbes dem Präparat zukam. Bei dem bedeutenden Umfang dieser Zellen kann man gewiss vier bis sechs feine Schnitte durch eine einzige anlegen. Die Gliascheide wird natürlich sehr oft auch so ge- troffen, dass im Präparat nur ein etwas verdickter Rand die Zelle oder die Lücke, aus der diese herausgefallen ist, umschliesst. 2) Fig. 21 bei a. Die Stützsubstanz des Centralnervensystems. 189 ges Netzwerk, den nach aussen immer mehr sieh verästelnden und verfeinernden Protoplasmafortsätzen der Nervenzellen entsprechend. Die starken radiären Fortsätze der die Gliahülle bildenden Pyramiden- zellen laufen, wie oben schon erwähnt wurde, sehr häufig in grader Riehtung durch diese ganze Schicht hindurch bis zu den grösseren ' Gliaelementen in der Gegend der Purkinje’schen Nervenzellen, um sich hier zu theilen und mit dem Stütznetzwerk zu verbinden. Auf dem Wege gehen sie gewöhnlich gar keine Verbindungen mit den Ausläu- fern der Gliazellen ein. Doch finden einige dieser starken radiären Fortsätze ein weit früheres Ende, indem sie sich schon am Rande verästeln, um sich mit den dort gelegenen zerstreuten grösseren Gliazellen zu verbinden. Seltener ist eine Verbindung dieser Fort- sätze mit dem engmaschigen Stütznetz der äusseren Partieen der „moleceulären‘“ Schicht. Mit diesen radiären Stützfasern sind sehr leicht gleich verlaufende feine und feinste Blutgefässe zu verwech- seln, welche aus der Pia durch den spaltförmigen Lymphraum in die graue Hirnrinde eintreten und in dieser mit Abgabe zahlrei- cher feinster Aeste für sie bis in die Gegend der Purkinje’schen Zellen gelangen, wo sie sich endlich in ein reiches Capillarnetz auflösen. Diese Gefässe sind von perivasculären Lymphräumen umgeben, welche die Lymphe dieser Partieen in den epicerebralen Sammelraum führen. Die feineren Verhältnisse dieser Räume stimmen vollkommen mit denen des Grosshirns überein, so dass ich hier über sie hinweggehen kann. Die Licken dieses Stütz- geflechtes nun sind mit einer geringen Quantität Gruudsubstanz und den nervösen Elementen gefüllt. Sieht man von den runden Nervenzellen ab, so kann man wohl behaupten, dass das Gliage- flecht mindestens denselben Raum in Anspruch nimmt, wie die ihm eingelagerte Grundsubstanz mit den Nervenfibrillen. So un- gemein eng sind die Zwischenräume derselben, so nahe vor allen Dingen liegen die kleinen verkrüppelten Gliazellen einander. Und doch sieht man von diesem Gerüst gewöhnlich in den Präparaten, in welcher Weise sie auch angefertigt sein mögen, nichts. Nur die Durchschnitte der Fasern oder die Knotenpunkte des Netz- werkes, also die verkümmerten Gliazellen treten in den Schnitt- präparaten als glänzende, dichtgesäte Punkte deutlich hervor. Sie haben dieser ganzen Schicht die Bezeichnung „feinkörmige“ oder „moleeuläre“ verschafft. Man nahm auch hier allgemein die An- wesenheit kleiner selbständiger nervöser Gebilde, der Molekeln, 190 Hans Gierke: an. Das Stützgerüst scheint bisher noch Niemand gesehen zu haben, wenigstens ist es nirgends beschrieben worden. In der That ist es ungemein schwer, es im Zusammenhang deutlich zu machen. Und ich muss gestehen, dass ich im kleinen Gehirn des Menschen bisher auch nur Fragmente desselben besonders in den innern Partieen, wo es ja ein so viel derberes und deutlicheres Gefüge hat, wirklich gesehen habe. Doch kann ich aus dem Ver- gleich dessen, das ich gut erkenne, mit den Bildern, welche die Präparate mancher Säugethiere darbieten, mit Sicherheit schliessen, dass die Gliaverhältnisse dieser grauen Randzone des Kleinhirns beim Menschen sich ebenso verhalten, wie bei den Säugethieren. Nur ist es wahrscheinlich, dass bei dem ersteren der mächtigeren Ausbildung der nervösen Elemente eine minder starke Entwiek- lung des Stützgerüstes entspricht. Die schönsten und deutlichsten Präparate habe ich aus dem kleinen Gehirn des Igels und der Katze erhalten !). Ein ganz anderes Aussehen als in der grauen Randzone zeigt nun das Gliagerüst in der Körnerschicht. War es in jener den zarten nervösen Elementen, dem Fibrillennetz entsprechend, engmaschig und aus feinen Fasern gewebt, so ist es nun hier, wo es hauptsächlich Nervenzellen zu umschliessen hat, weitläufiger, dabei derb und kräftig. Es ist grade so gestaltet wie in den übrigen sogenannten Körnerschichten des Gehirns, z. B. im Ammons- horn und in dem Bulbus olfactorius. Inder Fig. 21 bei e ist es aus einem Kleinhirnpräparat, in Fig. 20 aus dem Ammonshorn bei etwas geringerer Vergrösserung abgebildet (vom Igelgehirn). In dem ersteren sind wohl einige der Gliazellen ungefärbt und deshalb für den Zeichner unsichtbar geblieben, wenigstens sind sie in andern hinsichtlich der Färbung vorzüglichen Präparaten viel zahl- reicher und liegen viel dichter aneinander. So z. B. schätze ich die Zahl dieser Stützzellen in der gleichen Zone des Kleinhirns bei sehr guten Präparaten von der Katze auf etwa dreimal so sross?). In den Lücken dieses Netzes liegen vor allen Dingen 1) Für die Tinetion dieses Glianetzes rathe ich ausser Ammoniak-Car- min, das nur nach einer bestimmten Vorbereitung des Materials gute Resul- tate giebt, besonders die Heidenhain’sche Hämatoxylinfärbung an. 2) Es ist freilich hierbei zu bedenken, dass die Zahl der in einem Schnittpräparat sichtbar werdenden Gliazellen ganz besonders von der Dicke desselben abhängen muss. Je dieker der Schnitt, desto zahlreicher auch die Zellen. Die Stützsubstanz des Centralnervensystems. 191 die kleinen, rundlich erscheinenden, zarten Nervenzellen, welche dieser und ähnlichen Zonen des Gehirns das characteristische Aus- sehen verleihen und unter dem Namen Körner allgemein bekannt sind. Sie sind ja eigentlich in den meisten Präparaten neben einigen zarten nervösen Fasern das einzig Sichtbare. Das Glia- gerüst und speciell die grossen zelligen Gebilde desselben sind als absolut durchsichtige glashelle und sehr schwer Farbstoff auf- nehmende, stark verhornte Elemente meistens unsichtbar. Helle Flecke um die rundlichen Nervenzellen herum sind anstatt ihrer zu sehen. Uebrigens färben sieh auch von diesen nervösen Zel- len nur die runden Kerne. Sie daher sind allein deutlich und wurden fast immer als fortsatzlose „Körner“ beschrieben. Was ich aber weiter oben von den kleinen Nervenzellen der grauen Rindenzone sagte, kann auch von diesen behauptet werden. Diese runden „Körner“ sind die unverhältnissmässig grossen Kerne sehr zarter Nervenzellen. Ein ungemein heller, sehr gering entwickel- ter Protoplasmaleib umgiebt dieselben, vielfach nur eine schmale Schiehte um sie bildend. Aus diesem zarten Protoplasmaleib ent- wickeln sich mehrere 4 bis 6 und vielleicht noch mehr sehr feine Fibrillen, so dass die Zellen in Wirklichkeit nieht rund, son- dern unregelmässig sternförmig gestaltet sind. Dicht um sie her- um bilden die Fibrillen einen sehr feinen und nicht mehr zu er- kennenden Faserplexus. Diese nervösen Elemente werden nun also von derben, unregelmässig eckigen, ziemlich grossen Gliazel- len und deren Ausläufern umscheidet. Man sieht in den Sehnitt- präparaten jede Nervenzelle von den Körpern der Stützzellen oder ihren Fortsätzen umlagert, nirgends stossen jene direct anein- ander. Man wird daher annehmen können, dass auch hier, wie überall, Korbartig geflochtene Netze die einzelnen Zellen umgeben. Doch sind hier die Fäden des Geflechts besonders stark und da- für auch in geringer Zahl vorhanden. In manchen Präparaten kommt es vor, dass zwei, drei und gar vier Gliazellen, oder wenig- stens Theile ihrer Körper eine Nervenzelle umlagern, ähnlieh wie ich es oben von den Scheiden der markhaltigen Nervenfasern des Rückenmarks beschrieb. So könnte es wohl vorkommen, dass Nervenzellen dieser Zone in einem Hohlraum eingeschlossen sind, weleher nur oder wenigstens fast nur von den Körpern der Glia- zellen gebildet wird. Die Ausläufer derselben sind vielfach sehr kurz, da die von einem Zellkörper ausgehenden sich möglichst 192 Hans Gierke: bald mit den benachbarten verbinden und nicht, wie wir es im Rückenmark und in der medulla oblongata so gewöhnlich sehen, an den Nachbarzellen vorüber ziehen, um erst in grosser Entfer- nung eine Verbindung zu finden. Sie verschmälern sich daher hier auch wenig oder gar nicht, sind ziemlich stark und gehen sehr selten Theilungen ein. Sie verschmelzen stets mit andern Fasern, wie die Präparate deutlich beweisen und auch die Zeich- nung (Fig. 21 ce) zeigt. Isolationspräparate sind daher sehr schwierig anzufertigen und es gelingt immer nur Zellkörper mit Fragmenten von Ausläufern zu isoliren. Beide d.h. Zellen und Fortsätze sind glashell, durchsichtig ohne Körnchen, glänzend, stark verhornt und fest elastisch. Die Kerne der Zellen sind bei erwachsenen Ge- schöpfen meistens etwas verkümmert oder fehlen auch ganz. Schöne grosse vollkommene Kerne sind sehr selten. Mit Ammoniak- Carmin färben sich die stark atrophischen Kerne. wenig oder gar nicht. In dem gezeichneten Präparat z. B., das mit obigem Farb- stoff tingirt war, traten die Kerne gar nicht hervor, obgleich sie offenbar vorhanden waren. Dem Zeichner erschien die dem Kern entsprechende centrale Partie der Zelle heller als die Peripherie). Die feineren nervösen Elemente, die Fibrillen liegen in Grund- substanz eingebettet; für sie existirt kein besonderes Gliagerüst. Das Stützgeflecht dieser und der ähnlichen Körnerregionen ist da- her das derbste und weitmaschigste des ganzen Üentralnervensy- stems. Dass es sowohl nach innen wie nach aussen ohne Unter- brechung in das Netzwerk der Nachbarschaft übergeht, wurde schon oben bemerkt und ist auch den allgemeinen Regeln der An- ordnung der Stützsabstanz der Centralorgane entsprechend. Die Verhältnisse der Stützsubstanz der grauen Rinde des grossen Gehirns sind ebenfalls interessant genug, um hier etwas genauer betrachtet zu werden. Auch hier verdichtet sich das Stützgeflecht an der Oberfläche und bildet eine Gliahülle, die zugleich die Innenwandung des die ganze äussere Fläche des Gehirns überziehenden Lymph-Sammelraumes darstellt. Be- trachten wir die Einrichtung dieser Partie ein wenig genauer bei verschiedenen Geschöpfen, so finden wir noch weit grössere Unter- 1) Diese hellere Zöne in den Zellkörpern ist viel zu auffallend ge- zeichnet und im Präparat weniger ausgeprägt, auch fehlt sie dort vielen Zellen ganz. Be Die Stützsubstanz des Centralnervensystems. 193 schiede als bei der Gliahülle der übrigen Theile des Centralner- vensystems. Es lässt sich leicht constatiren, dass im grossen Ge- birn des Menschen Gliahülle und Lymphraum (Epicerebralraum) ausserordentlich viel besser entwickelt sind als bei den Säuge- thieren. Aber auch hier sind wiederum grosse Verschiedenheiten zu finden, besonders was den letzteren angeht. Ich will hier nicht näher auf eine Topographie desselben eingehen, bemerke nur, dass er im Allgemeinen, wie es ja auch im Kleinhirn der Fall ist, in den Furchen schöner ausgebildet ist als auf dem Gipfel der Windungen. Doch fehlt er nirgends ganz. Besonders gut entwickelt ist er in vielen der flachsten, ganz unregelmässigen Furchen auf dem Rücken breiterer Windungen, nicht immer, denn manche derselben sind fast ganz von Arachnoidalräumen ausge- füllt. Auf den medialen Flächen der Hemisphären oberhalb des Balkens scheinen sie im Allgemeinen besser entwickelt zu sein als oben und seitlich. Es wird das Beste sein, wenn wir uns zunächst den Lymph- raum und die Gliahülle in ihrer schönsten Entwicklung beim Men- schen genauer ansehen. Die einfacheren Verhältnisse bei geringerer Ausbildung dieser Partie sind dann sehr leicht zu verstehen, Bis- her ist diese interessante Einrichtung nicht ordentlich erkannt worden. His!) hat zwar den Raum zwischen Pia und Gehirn- oberfläche durch Injection dargestellt und in ihm einen Lymph- raum gesehen. Die feineren Verhältnisse sind ihm aber gänzlich unbekannt geblieben. Er weiss vor allen Dingen nichts von der Gliahülle und den Stützzellen und Fäden, welche dem Spalt sein eigenthümliches Aussehen geben. Nach ihm ist der epicerebrale Raum einfach ein enger Zwischenraum zwischen Pia und Gehirn- oberfläche, dureh den die Blutgefässe ziehen und in den die peri- vasculären Räume einmünden. Auch ist ihm die Endothelmembran, welche die äussere Wandung des Raumes bildet, ebenso unbekannt geblieben, wie deren auf die Gefässe sich als eine Art Adventitia überschlagende Fortzetzung. Daher findet er überall um die Ge- fässe herum offne Verbindungen des epicerebralen Raumes mit den Lücken der Arachnoidea. Diese fast allein auf den trügeri- 1) Zeitschrift f. wissenschaftl. Zool. Bd. XV p. 127 ff. Tab. 1]. His hatte übrigens auch die perimedullären oder, wie er sie nennt, epimedullären Räume durch Injeetion dargestellt. “ Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 26, 13 194 Hans Gierke: schen Resultaten der künstlichen Injection basirenden Angaben sind vielfach und zwar von sehr competenten Forschern bekämpft worden. So haben vor allen Dingen Boll und Key und Retzius sich gegen dieselben erklärt und leugnen derartige Lymphräume durehaus. Eine an die wirklichen Verhältnisse erinnernde Zeich- nung finde ich nur bei Henlet), der auch hier wieder die Haupt- sache richtig sah, aber die Dinge falsch deuten musste, da er die Neuroglia nicht richtig erkannte. Der Grund dafür, dass so wichtige und in gut gelungenen Präparaten so deutlich sich darstellende Verhältnisse unbekannt geblieben sind, ist wohl in dem Umstand zu suchen, dass eben die zur Untersuchung kommenden Präparate nicht gelangen, dann auch darin, dass man sich zu sehr auf die Injectionsmethode ver- liess. Dieser letzteren sollte man hinsichtlich der Lymphwege im Gehirn und Rückenmark nur eine beschränkte Beweiskraft zuer- kennen. Meiner Meinung nach sind alle Resultate, welche durch eine Injeetion bei einem gewissen Druck, mag derselbe auch sehr niedrig sein, erhalten sind mit grösster Vorsicht zu verwerthen. Ganz anders freilich verhält es sich mit der Füllung von Lücken und Spalten dureh Aufsaugen der Farbflüssigkeit ohne Druck, und bei noch lebendem Gewebe. Die so erhaltenen Präparate sind für das Studium der Lymphwege von ausserordentlichem Werth, ge- lingen aber auch im Grosshirn recht schwer, obschon die Resultate hier jedenfalls besser als im Rückenmark sind. Auf die natürliche Injeetion mit geronnener Lymphe scheint man im Gehirn niemals geachtet zu haben, obgleich sie ziemlich häufig höchst gelungene Präparate liefert. Ebenso wie beim Rückenmark zerbrechen offen- bar die verhornten Fäden im epicerebralen Raume, wenn die Ober- fläche des Gehirns grob behandelt wird; auch reisst die Pia leicht ab. Dann färben sich die Elemente der Gliahülle, ganz besonders die Zellen ungemein schwer. Man erkennt daher in den meisten Präparaten an der Oberfläche des Gehirns nur eine wirre, undeut- liche Fasermasse (die Gliafortsätze). Es kann daher nicht Wunder nehmen, dass eine Anzahl unserer ersten histologischen Forscher sie für markhaltige Nervenfasern halten und von dem horizontalen unmittelbar unter der Pia gelegenen Plexus markhaltiger Fasern sprechen. Es kommt endlich hinzu, dass Gliahülle und Lymph- 1) 1. c. p. 274 u. 325, Fig. 201. Die Stützsubstanz des Centralnervensystems. 195 y ‘raum, wie schon erwähnt, nicht überall eine meiner Zeichnung (Fig. 19) entsprechende, sondern vielfach eine weit geringere Ent- wicklung besitzen. Zeigen aber Schnittpräparate die Verhältnisse so wie sie in Figur 19 getreu nach der Natur gezeichnet sind; findet man ausserdem, wie es in dem als Vorlage der Zeichnung dienenden Präparat der Fall war, die uns interessirenden Spalten und Lücken mit geronnener Lymphe gefüllt, so wird man schwer- lich von Zweifeln hinsichtlich der Deutung gequält werden. Die äussere Wandung des epicerebralen Raumes ist eine En- dothelmembran, welche sich der hier sehr dünnen Pia von innen her anlegt, ohne mit ihr verkittet oder verschmolzen zu sein, so dass sie sich leicht von ihr ablösen kann. Sie hat eine sehr ver- schiedene Dieke, ja man findet sie an dieht nebeneinander lie- senden Stellen von ganz verschiedenartiger quantitativer Entwick- lung. Zum Theil scheint dieselbe von der Stärke der Gefässe abhängig zu sein, welche unmittelbar aussen von ihr in grosser Menge verlaufen. In der Membran befinden sich in unregelmässigen Abständen voneinander ovale oder runde Kerne. Zellgrenzen lassen sich bei dem frischen Gewebe durch Höllensteinbehandlung nachweisen. In den Schnittpräparaten aber sieht man von ihnen nichts. Hier vielmehr hat die Membran ein homogenes dem Milch- glas ähnliches Aussehen. Sie färbt sich mit keinem Tinetions- mittel. Besonders auffallend sind nun aber starke pyramidenför- mige oder dreieckige Verdiekungen, die sich nach der Gehirn- oberfläche hin zu faserartigen ziemlich starken Fortsätzen verjüngen (Fig. 19 bei a)U. Diese durchziehen den Lymphraum in grader oder schräger Richtung und können sich mit den Zellen der Glia- hülle oder deren Ausläufern verbinden, oftmals indem sie sich vorher theilen. Andere dringen durch die Gliahülle durch, um sich erst mit den innerhalb derselben gelegenen Stützzellen zu verbinden. Die dreieckige Basis dieser eigenthümlichen Fortsätze enthält ganz regelmässig einen runden Kern. Dieser Besitz und ihr ganzes Aussehen drängten mich wieder und wieder zu der Annahme, dass diese Bildungen eigne, den Stiftzellen des kleinen Gehirns ähnliche Zellen seien, welehe der Endothelmembran ange- klebt sind. Aus verschiedenen Gründen jedoch, und ganz beson- 1) Diese Fortsätze der Endothelmembran sind an vielen Stellen lange nicht so zahlreich wie an der gezeichneten. 196 Hans Gierke: ders, weil niemals eine Spur einer Grenze zwischen dem dreiecki- sen Gebilde und der Membran zu constatiren ist, muss diese Annahme abgewiesen werden. Es zeigt sich auch in dem Aus- sehen der Substanz kein Unterschied zwischen beiden. Endlich ist offenbar dieser Fortsatz in vielen Fällen ein Septum, das den Lymphraum für eine gewisse Strecke durchzieht und das nur im Querschnitt das Bild einer pyramidenförmigen Stiftzelle darbietet. Die Endothelmembran schlägt sich auf die sehr zahlreichen Blut- gefässe über, welche von der Pia her in den Lymphraum eintreten und dureh ihn hindurch zur Hirnrinde ziehen, um sich in dieselbe einzusenken. Das Verhältniss der Membran zum Gefäss ist hier genau so wie im Rückenmark. Es kommt zur Bildung eines Pial- trichters von sehr verschiedener Weite und Länge (siehe auch Fig. 19). Gewöhnlich schliesst sich derselbe erst innerhalb der Ge- hirnsubstanz, indem sich die Endothelmembran der Gefässwandung innig anlegt. Es ist klar, dass diese Fortsätze der Endothelmem- bran den spaltförmigen Lymphraum nach aussen hin vollkommen abschliessen — was hier His gegenüber noch einmal betont wer- den muss. Die Gliahülle ist bei einer so grossen Breite des Lymphrau- mes auch sehr stark entwickelt. Sie bildet eine mächtige Rand- schicht, welche nach innen keine scharfe Grenze besitzt. Zusam- mengesetzt ist diese Lage hier wie überall aus Stützzellen mit ihren Ausläufern und aus Grundsubstanz. Die Form und die An- ordnung der Zellen ist aber eine besprechenswerthe. Es kommen sehr verschieden gestaltete Gebilde vor (siehe Fig. 19). Die am häufigsten zu findenden sternförmigen Zellen mit rundem, kleinem aber deutlichen Kern und sehr grossem, gut entwickeltem Körper, der stets abgeplattet zu sein scheint, ohne dass man jedoch eine bestimmte Richtung der Abplattung nachweisen könnte. Von der Peripherie gehen nach allen Riehtungen ziemlich viele starke Fort- sätze ab, von denen die horizontalen sehr lang, die senkreeht zur Oberfläche verlaufenden kürzer sind. Die eigenthümlich stern- förmige Gesalt, welche sehr viele dieser platten Körper im Schnitt- präparat darbieten, kann leichter durch die Figur als durch eine Beschreibung deutlicher gemacht werden. Die Aehnlichkeit mit gewissen Ordenssternen wird wohl einem Jeden auffallen. So schön und deutlich nun übrigens diese Zellen in gut gefärbten Präpa- raten erscheinen, so schwierig ist es, sie bei mangelhafter Tinetion 9 Die Stützsubstanz des Centralnervensystems. 197 zu entdecken. Die sehr stark verhornten platten Zellkörper sind ungemein blass und vollkommen durchsichtig; sie nehmen die meisten der gewöhnlichen Tinctionsmittel sehr schwer auf, während ihre Kerne sich leiehter färben. Sehr viel deutlicher als die Zell- körper sind nun ihre Fortsätze. Sie, wenigstens die horizontalen und senkrecht nach innen ziehenden, sind ja auch vielfach gesehen worden, nur wurden sie falsch gedeutet, indem man sie für Ner- venfasern hielt. Die grösste Zahl der Fortsätze läuft nun parallel mit der Oberfläche, also in horizontaler Richtung. Zuerst halten sie sich auch parallel mit den Flächen des platten Zellkörpers, bald aber biegt ein Theil von ihnen in andere Richtung um, so dass sie nach allen Seiten hin ziehen können. Da ja die Zellen selbst die verschiedensten Stellungen einnehmen, entsteht aus diesen horizontalen Fortsätzen eine mächtige Faserschicht, deren Ele- mente nach allen Riehtungen hin verlaufen. Da diejenigen Fasern. welehe im Präparat eine längere Strecke hindurch zu finden sind, die schräg und quer durchschnittenen etwas verdecken und immer viel mehr hervortreten als sie, so erscheint es stets, als ob gerade in der Richtung des Schnittes die meisten Fortsätze verliefen. In Wirklichkeit werden sie wohl in ziemlich gleichmässiger Weise nach allen Seiten hin verlaufen. Zum Theil verbinden sich die Zellen mittelst ihrer miteinander, zum Theil aber laufen, wie es mir scheint, die Fortsätze in der horizontalen Lage mit einem zu- gespitzten Ende frei aus. Andere Ausläufer gehen von den ober- flächliehen Gliazellen nach innen, dabei nach allen möglichen Riehtungen ausstrahlend. Nach längerem oder kürzerem Verlauf, nach vorhergehender Theilung oder ohne eine solche gehen sie Verbindungen mit den Gliazellen der Rindensubstanz ein. Einige derselben besitzen eine ausserordentliche Länge — sie sind dabei gewöhnlieh auch sehr stark —, und lassen sich weit hinein bis die inneren Schichten der Rinde verfolgen. Drittens senden die Zellen ihre Fortsätze nach aussen in den Epicerebralraum hinein. Einige von ihnen enden in demselben; sie bilden kurze, schnell sich zu- spitzende Stacheln, welehe mehr oder minder weit in den Spalt hineinragen. Die meisten aber erreichen die Endothelmembran und setzen sich an ihr in derselben Weise fest, wie ich es früher bei der Betrachtung des perimedullären spinalen Lymphraumes schilderte. Einige enden nämlich mit einer kleinen dreieckigen Anschwellung, die sich von der pyramidenförmigen Verdiekung. 198 Hans Gierke: der Endothelmembran in verschiedenen Beziehungen sehr deutlich unterscheidet. Andere Fortsätze aber — es scheint bei weitem die Mehrzahl zu sein — biegen, wenn sie die Endothelmembran erreicht haben, um und laufen an ihr horizontal weiter. Dabei verschmelzen sie vollkommen mit ihr. Diese Ausläufer der ober- flächlichen Stützzellen wurden nur der Kürze wegen, und um sie zusammen zu fassen, als senkrechte bezeichnet. In Wirklichkeit laufen .nur einige von ihnen grade aus, die grosse Mehrzahl aber zieht schräg und weicht mehr oder minder stark von der senk- rechten Richtung ab. Ihre Stärke schwankt sehr, doch sind sie fast immer dünner als die starken eignen Stützbalken der Endothel- membran. Es ist noch hinzuzufügen, dass sehr häufig innen von der Gliahülle in der Rindensubstanz liegende Stützzellen, die dann gewöhnlich kräftiger entwickelt als ihre Nachbarn sind, Fortsätze durch die Gliahülle hindurch in den Lymphraum senden (Fig. 19). Andererseits ist zu erinnern, dass auch einige, von den Fortsätzen der Endothelhaut durch die Gliahülle hindurch bis in die Rinden- substanz ziehen. Ausser diesen grossen eigenthümlichen und für die Gliahülle des grossen Gehirns charakteristischen Zellen sind in ihr noch andere kleinere, verschieden gestaltete in sehr zer- streuter Weise zu finden. Besonders kommen noch kernlose, ganz vollkommen durchsichtige und deshalb sehr undeutliche zellige Gebilde vor. Vielfach findet man dreieckige oder auch wohl vier- eekige Blättchen, von deren Ecken Fortsätze ausgehen. Von sol- chen kleineren Zellen drängen sich sehr gern einige über die Glia- hülle hinaus und liegen mit einem Theil ihres Körpers oder auch wohl ganz in dem Lymphraum. Mit etlichen ihrer nicht zahlreichen Ausläufer wurzeln sie dann in der Gliahülle, andere laufen in dem Raum nach verschiedenen Richtungen hin. Bei sehr guter Ent- wicklung des Lymphraumes und der ihn bildenden Elemente kom- men auch noch andere Elemente in ihm vor. Besonders findet man noch spindelförmige mit einem grossen länglichen Kern ver- sehene. Die beiden Ausläufer dieses zelligen Gebildes, welche ziemlich diek sind, laufen durch den epicerebralen Raum und senken sich in die Gliahülle ein. Häufig sind sie so gelegen, dass ihr länglieher Körper sich der Endothelmembran anschmiegt und ihre beiden Ansläufer von hier aus nach verschiedenen Richtungen bogenförmig den Spaltraum durchziehen. Ganz besonders gern ‚werden gerade diese Zellen mit ihren oft ausserordentlich langen Die Stützsubstanz des Centralnervensystems. 199 Fortsätzen verwendet, um den aus der Pia in die Rinde ziehenden Blutgefässen noch eine gewisse Stütze zu verschaffen. Sie legen sich zu diesem Zweck natürlich aussen an die von der Endothel- membran herstammende weite Hülle der Gefässe an und bilden für diese eine ganz unregelmässige und fast niemals zusammen- hängende Faserscheide. Ich betone aber noch ausdrücklich, dass sie sich in grösserer Zahl nur bei ganz schöner Entwicklung der Verhältnisse nachweisen lassen — sonst sind sie einzeln und zer- streut. Viel häufiger aber auch nichts weniger als regelmässig sind sehr ähnliche längliche Faserzellen in der Umgebung der Gefässe nach ihrem Eintritt in die Rinde. Die Gliahülle nämlich bildet für die ausserordentlich zahlreich eintretenden Gefässe weite Oeffnungen, die sich nach der Rinde hinein in bald sich verengende Kanäle fortsetzen. Mit anderen Worten: Die perivasculären Räume münden hier wie im Mark mit trichterförmigen Oeffnungen. Die Endothel-Adventitia schliesst sich den Gefässen bald innig an. Der zuerst weite, bald sich verengende Zwischenraum zwischen ihr und der Gliahülle oder der Rindensubstanz ist der Ausgang des perivasculären Raumes. Um ihn nun herum, eine mehr oder minder dichte Wandung desselben bildend, ziehen die erwähnten Faser- zellen, welche zum Theil noch aus dem epicerebralen Raum stam- mend Fortsetzungen der eben beschriebenen sind, zum grösseren Theil aber aus der Gliahülle kommend, sich aus der horizontalen in die senkrechte Richtung umbiegend das Gefäss begleiten !). Eine kurze Strecke hindurch besteht diese den Gliabalken der Gefässe im Rückenmark entsprechende Scheide, und den aus dem epicere- bralen Raum und der Gliahülle kommenden Zellen lagern sich andere gleichgestaltete an, um sie zu verstärken und nach innen hin fortzusetzen. Früher oder später aber und immer noch ziem- lich nahe der Oberfläche hört diese Scheide des perivasculären Raumes auf. Im Innern der Hirnsubstanz ist eine solche Bildung Ausnahme. Die Fortsätze übrigens dieser länglichen Zellen gehen zum Theil in gleiche Ausläufer benachbarter ähnlicher Zellen über, so dass längere Fasern mit zwei Kernen entstehen können. Dann 1) In der Fig. 19 bei e ist eine solche Faserscheide der Mündung des perivasculären Raumes d angedeutet. Diese Verhältnisse waren an dieser Stelle nicht besonders schön entwickelt. Bei vielen Gefässen sind sie ausser- ordentlich viel stärker und deutlicher ausgebildet. 200 Hans Gierke: verbinden sie sich auch, nachdem sie sich etwas verästelt haben, mit anderen sternförmigen Stützzellen des benachbarten Glia- geflechtes. Der epicerebrale Raum mit seinen Wandungen erweist sich, wie wir sehen, bei einem nähern Studium als eine complieirte und viel Bemerkenswerthes darbietende Einrichtung. Die Neuroglia zeigt hier ihren proteus-artigen Character, indem sie in so sehr verschiedenen Formen auftritt. Denn das sei hier noch ausdrück- lieh betont: Mit Ausnahme der Endothelmembran und ihrer Fort- setzungen sind die beschriebenen Zellen und Zellausläufer alle der Neuroglia zugehörig. Sie erweisen sich auch ausnahmslos als stark verhornt. Die Lücken nun zwischen den geformten Elementen der Gliahülle sind hier wie überall mit Grundsubstanz ausgefüllt, soweit sie nieht als Lymphräume in Anspruch genommen sind. Diese letzteren entsprechen in ihrer quantitativen Entwicklung an der Oberfläche des Gehirnes der Ausdehnung des epicerebralen Spaltraumes, sind aber allerdings daneben auch durch den ander- weitigen Abfluss der Lymphe in den perivaseulären Räumen be- dingt. An manchen Stellen befinden sich zwischen den beschrie- benen Zellen und Fasern der Gliahülle so viele in den Präparaten meist mit geronnener Lymphe gefüllte Lücken, dass diese dadurch ein ganz eignes Aussehen bekommt. Besonders zahlreiche rund- liche Räume befinden sich an der Grenze zwischen der Gliahülle und der benachbarten Rindensubstanz, so dass die erstere zuweilen auf kurze Strecken mit ihrer Unterlage d. h. der Hirnmasse nur durch eine reichliche Menge von Fasern zusammenhängt und im Uebrigen von ihr durch die erwähnten miteinander communiei- renden Lücken getrennt ist. Auch noch in der Nachbarschaft sind diese Lymphräume in grosser Zahl vorhanden, so dass sie erst allmählich nach innen hin spärlieher werden. An manchen Stellen, so z. B. im Grunde der Hirnfurchen ist die Entwicklung dieser Lücken eine derartige, dass die Gliahülle und die äussere Rinden- schicht in ganz beträchtlicher Tiefe vollkommen einem cavernösen Gewebe gleichen. Die Lücken haben meistens eine rundliche Form, nur die als Ausflussöffnungen in den epicerebralen Raum hineinmün- denden sind länglich und zwar mit senkrecht zur Oberfläche gestellter Längsaxe. Gewöhnlich oder wenigstens sehr häufig sind diese Lücken in den Präparaten alle mit geronnener Lymphe gefüllt. Auch die perivaseulären Räume zeigen sich im Innern der Hirn- Die Stützsubstauz des Centralnervensystems. 201 substanz meistens gefüllt. Die Mündungen sind zuweilen, aber durchaus nicht immer leer. Der epicerebrale Raum zeigt sich sehr häufig ganz, zuweilen aber nur theilweise mit Lymphe gefüllt. Da man an demselben Gehirn in geringer Entfernung den Raum voll und leer antrifft, kann man hieraus wohl schliessen, dass er von Septen (Fortsätze der Endothelhaut) durchzogen wird. Recht hübsch wird das Bild, wenn der Sammelraum im Ganzen leer ist und die geronnene Lymphe aus den Einmündungsstellen der Gliahülle keulen- förmig in jenen hineinragt. Von der so ausführlich geschilderten, weil bisher gänzlich unbekannten Formation des epicerebralen Raumes und seiner Wandungen weichen nun die Verhältnisse an andern Stellen sehr stark ab. Die Verschiedenheiten sind aber stets und immer quan- titativer Art. Der Grundplan und die verwandten Elemente sind genau dieselben, alle Verschiedenheiten kommen auf die Verringe- rung der Breite des Spaltraumes und der dieser entsprechenden Abnahme der ihn begrenzenden Gewebstheilchen hinaus. Aber nicht nur die Anzahl der aufgeführten Elemente vermindert sich, sondern es fehlen viele derselben ganz, so dass sich die Structur sehr vereinfachen kann. So, um im Gegensatz zu den geschil- derten complieirten Verhältnissen die gegenüberstehende einfachste Einrichtung zu kennzeichnen, kann die Gliahülle allein aus läng- lichen mit grossen Kernen versehenen Zellen und deren sehr langen Fortsätzen mit Dazwischenfügung von Grundsubstanz gebildet wer- den. Da die Ausläufer zum grossen Theil parallel verlaufen und die quer durchschnittenen weniger bemerkbar sind als die in der Ebene des Schnittes dahinziehenden, stellt sich die Gliahülle als eine oberflächliche Lage von horizontal und untereinander sowie mit der Oberfläche parallel verlaufenden Fasern dar, der von Zeit zu Zeit Kerne eingestreut sind. Und da nun diese Fasern durch eine hellere Zwischenmasse von einander getrennt sind, erhält man in der That ein Bild, das wohl zur Annahme einer oberflächlichen Lage von markhaltigen Nervenfasern verleiten kann. Erst ein ge- naueres Studium der Verhältnisse macht den Irrthum deutlich. Man erkennt, dass keine einzige Nervenfaser sich in dieser Gliahülle befindet. Von den erwähnten länglichen Zellen der letz- teren oder noch häufiger von den Stützzellen innerhalb von der Glia- hülle gehen einige Ausläufer aus, welche den schmalen, oft auf einen ganz minimalen Spalt redueirten epicerebralen Raum durch- 202 Hans Gierke: laufen, um sich in bekannter Weise in der Endothelmembran zu befestigen. Es ist nicht nöthig, auf die Zwischenstufen dieser Extreme einzugehen. Sie sind ohne Weiteres verständlich. Ver- gleichen wir aber die Einrichtungen des epicerebralen Raumes an verschiedenen Stellen der Hirnoberfläche und in den verschie- denen Stadien seiner Entwicklung, so kommen wir sicher zu dem Sehluss, dass die Stacheln, Fäden und Balken, welehe ihn durch- ziehen, und welche sich zwischen seinen beiden Wandungen aus- spannen, hier ebenso wie in dem gleichen Raume des Markes die Aufgabe haben, ihn offen zu halten und vor dem von aussen oder von innen kommenden Druck wenigstens in gewisser Weise zu schützen. Auf die weiteren Schicksale jedoch des Inhalts des epi- cerebralen Raumes und auf seine Verbindungen will ich hier nicht näher eingehen. Der epicerebrale Raum und die Gliahülle sind bei allen Säuge- thieren zu finden, aber bei keinem in der geschilderten schönen Entwieklung, selbst bei den Affen nicht. Bei allen Gehirmnen, welche tiefere Furchen besitzen sind grosse örtliche Unterschiede in der Breite desselben zu constatiren. Der Grundplan der Ein- richtung bleibt bei allen Säugethieren stets der gleiche. Hinsicht- lich der speciellen Anordnung der Elemente findet man viele Verschiedenheiten, die jedoch eine geringe Bedeutung haben. Ge- wöhnlieh entsprechen die Verhältnisse den so eben vom mensch- lichen Gehirn bei geringer Ausbildung des Lymphraumes geschil- derten mehr oder minder. Die Gliahülle setzt sich aus verschieden- artig geformten Stützzellen und deren Fortsätzen zusammen; mit Ausfüllung der Zwischenräume zwischen den geformten Elementen durch Grundsubstanz. Die Fortsätze laufen parallel der Oberfläche nach innen und nach aussen. Je nachdem die ersteren, die hori- zontalen, welche eine beträchtliche Länge besitzen können, vor- wiegend nach einer Richtung oder gänzlich unregelmässig nach allen Seiten hin verlaufen, ändert sich das Aussehen der Hirnoberfläche ganz bedeutend. Der epicerebrale Raum ist stets und ohne jede Ausnahme von Gliaelementen durchzogen, die sich zum grössten Theil an der ebenfalls immer vorhandenen Endothelmembran ansetzen. Die grössere Zahl dieser Elemente sind Fortsätze der in der Glia- hülle oder auch der innen von dieser in den benachbarten Lagen der Rindensubstanz liegenden Stützzellen. Dann aber sind sehr gewöhnlich auch eigne Gliazellen dem Lymphraume eingelagert, Die Stützsubstanz des Centralnervensystems. 205 M deren Fortsätze nach allen Riehtungen hin verlaufen. Ja diese Zellen des epieerebralen Raumes sind nach meinen Beobachtungen bei den Thieren, besonders bei den niedern Säugethieren zahl- reicher als beim Menschen. Es kann, wie es vom kleinen Gehirn beschrieben wurde, eine regelmässige zusammenhängende Lage sternförmiger Gliazellen vorhanden sein (Fig. 18 bei a. Freilich sind hier die Verhältnisse etwas schematisch gezeichnet). Er- wähnenswerth ist noch das Vorkommen von pyramidenförmigen Stiftzellen in der Gliahülle vieler besonderes niederer Säugethiere, welche den gleichen Gebilden des kleinen Gehirns (Bergmann’sche Fasern) in Form und Verwendung ganz entsprechen. Es sind sehr stark verhornte, ganz durchsichtige und homogene, kernlose, drei- eckig gestaltete Gebilde, welche einen starken Spitzenfortsatz in die Substanz der Hirnrinde zur Verbindung mit den dortigen Glia- zellen entsenden und mittelst einiger horizontalen von der Basis ausgehenden Ausläufern einen oberflächlichen Plexus bilden. Viel- fach ragen sie auch mit ihrer Basis aus der Oberfläche des Ge- hirns etwas hervor und in den Epicerebralraum binein. Die Endothel- membran legt sich in diesem Fall den Basalflächen dieser Zellen auf, verbindet sich auch wohl innig mit ihnen, so dass sie beim Abziehen der Pia ganz aus dem Gehirn herausgezogen werden können. Unter Umständen bilden solche Stiftzellen in dem Lymph- raum förmlich zusammenhängende Membranen!). Eine andere Art der Verwendung dieser zelligen Gebilde wird durch die Figur 18 a präsentirt. Das in ihr dargestellte Präparat war der Basalfläche des Igelgehirnes entnommen. Ich habe aber ähnliche Anordnungen auch in Gehirnen anderer Thiere gefunden. Hier sind nun die pyramidenförmigen Zellen durch sehr kurze Basalfortsätze mit einander verbunden und bilden eine von grossen Lücken durch- setzte Gliahülle. Die Spitzenfortsätze sind theils nach dem Innern des Gehirnes gerichtet und laufen in ihm als sehr starke Fasern eine weite Strecke hindurch, um sich dann früher oder später zu verästeln und mit dem Gliagerüst jener Gegenden zu verbinden. Theilweise aber sind die Zellen so gestellt, dass ihre Spitzen- fortsätze nach dem Epicerebralraum hinein und durch ihn hindurch zur Endothelmembran ziehen, um mit ihr zu verschmelzen. Viele 1) Bei Kaninchen und Meerschweinchen fand ich eine derartige An- ordnung besonders häufig. 304 Hans Gierke: Zellen übrigens stehen auch derartig schräg, dass einer der Basal- fortsätze in schräger Richtung nach aussen zieht, um sieh an jene Membran anzusetzen. Ueberhaupt kommen durch die Verbindungen der Zellen untereinander manche Abweichungen von der geschil- derten Anordnung vor. Man erkennt bei dem Vergleich mit den Capillaren (b in der Figur), welche Grösse diese Zellen und welche Stärke ihre Fortsälze besitzen. Niemand, der diese aus Pyramidenzellen gebildete Gliahülle näher angesehen und der dann mit ihr die vorher erwähnten ein- facheren Verhältnisse anderer Gehirne, wo nur eine Reihe solcher Zellen die Hirnrinde gegen den epicerebralen Raum hin abschliesst, verglichen hat, kann zweifeln, dass hier genau dieselben Bildungen gegeben sind, wie an der Oberfläche des kleinen Gehirns. Man vergleiche meine Fig. 18a mit den Figg. 14 und 15 auf der Tafel 18 des grossen Werkes von Key und Retzius!) und man wird ohne Zweifel zu der Anschauung kommen, dassıder dortige „Wald von Bergmann’schen Fasern“ mit meinen pyramidenförmigen Zellen und ihren Ausläufern identisch ist. Und findet man ferner bei einem sorgsamen vergleichenden Studium dieser Verhältnisse in derselben Anordnung und für die gleichen Zwecke verwandt alle möglichen Uebergänge von unsern kernlosen pyramidenförmigen Gebilden zu den schönsten Zellen, so bedarf man gar nicht mehr der entwicklungsgeschichtlichen Untersuchung, um zu der Ueber- zeugung zu gelangen, dass wir auch in den ersteren Gliazellen zu sehen haben, welche bei dem stark vorgeschrittenen Process der Verhornung ihr charakteristisches Aussehen erlangt haben. Die Entwieklungsgeschichte bestärkt dann diese Ueberzeugung noch, da sich die Pyramidenzellen an der Oberfläche des grossen und kleinen Gehirns aus den gleichen embryonalen Zellen herausbil- den wie die übrigen Stützzellen der Gliahülle. Das Stützgerüst der grauen Substanz der Hirnrinde ist ganz nach den allgemeinen von mir aufgestellten Prineipien aufgebaut. Doch werden dureh die quantitativen Unterschiede der eingelagerten nervösen Elemente in den einzelnen Sehichten ziem- lich bedeutende Verschiedenheiten bedingt; dann auch haben die l) Studien in der Anatomie des Nervensystems und des Bindegewebes Bd. Die Stützsubstanz des Centralnervensystenis. 205 Gliazellen bei der Verhornung hier eine für die Grosshirnrinde charakteristische Gestalt angenommen. Die Rinde des grossen Gehirns wird bekanntlich in eine An- zahl von Schichten eingetheilt, die von den verschiedenen Autoren in verschiedener Zahl angenommen und in sehr verschiedener Weise abgegrenzt werden. Diese Uneinigkeit kann uns nicht ver- wundern, da die Eintheilung eine durchaus künstliche ist und wirk- liche natürliche Grenzen nur in geringer Zahl vorkommen. Alle Autoren aber, wie sie auch immer die inneren Partieen eintheilen mögen, setzen eine äussere, an Nervenelementen ärmere Schicht — sie heisst gewöhnlich die zellarme Schicht —— den inneren ner- vösen Lagen gegenüber. Bei genauerer Untersuchung ergiebt sich nun noch wieder eine bedeutende Differenz zwischen der ober- flächlichsten, also der Gliahülle benachbarten und der inneren Partie, welche dann in die an Nervenzellen reiche Schicht übergeht. Die letztere nämlich enthält in den Lücken ihres Glianetzes, eingebettet in der reichlich entwickelten Grundsubstanz ein dichtes Netzwerk von Nervenfibrillen, welche aus den Protoplasma- (besonders den Spitzen-) Fortsätzen der Nervenzellen der folgenden Schicht hervorgegangen sind. In die äussere Lage dagegen dringen diese marklosen, nackten Nervenfasern nicht mehr vor; dafür aber ent- halten sie, und zwar ganz besonders beim Menschen, ein Geflecht sehr feiner markhaltiger Nervenfasern, deren Zusammenhang und Bedeutung bisher noch unbekannt ist. Scheinbar enthält die äussere Lage gar keine nervösen Fasern, denn bei den meisten Unter- suchungsmethoden können dieselben nicht erkannt oder wenigstens von den Gliafasern nicht unterschieden werden. Sie sind nämlich zu fein, um eigne Scheiden aus geformten Gliaelementen zu be- sitzen, sie sind vielmehr einfach in der Grundsubstanz eingebettet. Von dieser lässt sich das Nervenmark ungemein schwer abgrenzen, da es dasselbe Lichtbreehungsvermögen hat und mit den meisten Tinetionsmitteln sich eben so wenig färbt wie jene. Und anderer- seits muss man sich schon einen ganz speciellen mikroskopischen Scharfblick grade für diese Gewebselemente erworben haben, wenn man die sehr feinen Axeneylinder ohne Weiteres von Gliafasern unterscheiden will; und zwar gilt dies für die ungefärbten wie für die meisten Tinetionspräparate. Wenn nun aber diese Unter- scheidung den Forschern "bisher keine Schwierigkeiten bereitet hat, so hat dies darin seinen Grund, dass sie überhaupt nur an 206 Hans Gierke: das eine Gewebe, an das nervöse gedacht und Gliafasern der Art, wie sie in grosser Zahl vorkommen, dort nicht vermuthet haben. Wie sollten jene Untersucher, welche in der Gliahülle einen ober-. flächlichen Plexus von Nervenfasern sehen, die zahlreichen von ihr in das Innere ziehenden Nervenfasern für etwas Anderes halten! Nur Henlet) hat die Anwesenheit feiner Nervenfasern in dieser Gegend geleugnet, indem er die faserigen Elemente derselben für Bindegewebsfibrillen, die von der Pia her eindringen, erklärt. Er, der ja die Gliazellen und deren Ausläufer gar nicht kennt, sieht hier ein dichtes Bindegewebsnetz mit eingelagerten kleinen stern- förmigen Bindegewebszellen. Er spricht von einer „bindegewebigen Invasion“ von der Pia her. Bei der Anwendung von Osmium- säure konnte man unter sehr günstigen Umständen wohl die feinen markhaltigen Nervenfasern der äusseren Rindenschicht den Glia- fasern gegenüber differenziren. Jmmer aber blieben die Bilder undeutlich und ohne grosse Beweiskraft, da sieh die verhornten Gliafasern häufig auch sehr schön mit Osmium schwärzen. Erst die für diesen Zweck ganz ausgezeichneten Methoden von Wei- sert?) liefern den unumstösslichen Beweis, dass beim Menschen markhaltige Nervenfasern aus der tieferen Lage in diese Schicht eintreten, grade oder schräg nach aussen laufen und in geringer Entfernung von der Gliahülle einen horizontalen mit jener und der Oberfläche parallelen Plexus bilden. Die Masse der Nerven- fasern ist ziemlich gering, so dass sie eben in der stark entwickel- ten Grundsubstanz quantitativ nicht recht zur Geltung kommen. Beim Menschen befindet sich also ein schmaler Streifen reiner Stützsubstanz ohne jede nervöse Einlagerung zwischen der Glia- hülle und dem Plexus markhaltiger Fasern; derselbe ist an ver- schiedenen Stellen, dann auch besonders in verschiedenen Ge- hirnen sehr verschieden entwickelt, fehlt aber nirgends ganz. Es soll hier noch einmal ganz ausdrücklich den bisherigen Angaben gegenüber betont werden, dass alle an der Oberfläche liegenden bisher als Nervenfasern beschriebenen Elemente zur Stützsubstanz gehören und dass für die nervösen Fasern jener Plexus die äusserste Dalzerp: 273 u. Fig. 201. 2) Die complieirten Tinetionen mit Säure-Fuchsin und mit Hämatoxylin. Centralblatt für medie. Wissensch. 1882. Nr. 42 u. 43, und: Fortschritte der Medicin, Bd. II, p. 190, Bd. III Nr. 8, Die Stützsubstanz des Centralnervensystems. 207 Grenze darstellt, welcher erst durch die Weigert’schen Tinetions- methoden sichtbar gemacht werden kann. Bei den Thieren ist die der Nervenelemente entbehrende Sehicht ausserordentlich viel breiter als beim Menschen. Und zwar kann man sehr deutlich eonstatiren, dass je niedriger die Säugethiere hinsichtlieh ihrer Intelligenz stehen, desto breiter die oberflächliche Lage der unvermischten Stützsubstanz ist. Ich will überhaupt an dieser Stelle bemerken, dass das quantitative Ver- hältniss der letzteren zu der nervösen Substanz in der ganzen Rinde in sehr auffälliger und sehr deutlicher Weise der allge- meinen Entwicklung des Gehirns und damit der Intelligenz der Geschöpfe entspricht. Ich machte schon früher in dieser Hinsicht auf die quantitative Entwieklung der Grundsubstanz aufmerksam, wir können aber auch für das Gliagerüst dasselbe beobachten, da seine Elemente um so grösser und gröber sind, je niedriger das Thier steht. Der Unterschied z. B. zwischen Igel und Mensch ist in dieser Hinsicht ein sehr bedeutender. Bei dem ersteren sind einmal überhaupt sehr wenige markhaltige Nervenfasern in der äusseren Partie der sogenannten „zellarmen“ Schicht, die ich aber mit Henle zweckmässiger als „netzförmige Schicht!) be- zeichnen will, und dann bleibt stets ein recht bedeutender der Gliahülle benachbarter Streif ganz frei von ihnen. Wenn auch in dieser Beziehung viele locale Schwankungen zu constatiren sind, so kann man doch behaupten, dass etwa das äussere Drittel der netzförmigen Schicht ganz allein aus Stützsubstanz besteht). Die 1) „Netzförmig“ nennt Henle sie, weil sie nach seiner Meinung aus Bindegewebsnetzen besteht. Das stärker als in andern Partieen hervor- tretende Glianetzwerk, das nicht durch .die Einlagerung umfangreicher ner- vöser Elemente, wie Nervenzellen oder starke markhaltige Nervenfasern ge- stört wird, verschafft dieser Gegend ein Aussehen, das durch jenen Namen gut bezeichnet wird. „Zellarm“ ist sie nur in Hinsicht auf Nervenzellen. 2) Im menschlichen Gehirn beträgt die Dicke der ganzen netzförmigen Schicht durchschnittlich 0,214 mm. Auf den nur markhaltige, feine Nerven- fasern, keine nackten Fibrillen enthaltenden Theil kommt etwa die Dicke von 0,088 mm. Die Gliahülle in guter Entwicklung hat eine Dicke von 0,034 mm; der epicerebrale Raum zwischen Pia und Gliahülle erreicht eine Höhe von 0,025 bis 0,035 mm, ist aber auf dem convexen Theil der Gyri meistens viel niedriger. Das Verhältniss der Dicke der netzförmigen Schicht zu derjenigen der ganzen grauen Substanz ist im Gehirn des Menschen durch- schnittlich 15—20 : 160; im Gehirn des Igels dagegen 50 : 150. 208 Hans Gierke: Fig. 18 giebt die Breite der einzelnen Schichten im Gehirn des Igels, wie sie sich im Durchschnitt darstellen: 3 ist die innere Partie der netzförmigen Schicht, welche in grosser Menge feine Nervenfibrillen enthält, 2 die äussere Partie derselben, welche in dem mit Carmin gefärbten Präparat gar keine nervösen Elemente erkennen liess, in Wirklichkeit aber (wie die nach Weigert’scher Methode tingirten Präparate beweisen) einige feine markhaltige Nervenfasern in der Nachbarschaft der Schicht 3 enthält. Es scheint, dass die Lage reiner unvermischter Stützsubstanz eine Art Verstärkung der Gliahülle und eine Vergrösserung der Schutz- deeke der wichtigsten Partieen des ganzen Öentralnervensystems bildet. Zum Theil ist sie auch nothwendig für die an einzelnen Stellen der Oberfläche so ungemein reich entwickelten Saftlücken So wird besonders im menschlichen Gehirn der schmale Streif zwischen Gliahülle und horizontalem Plexus markhaltiger Nerven- fasern vielfach fast ganz von solchen Lymphräumen eingenommen. Die Gliazellen des Stützgerüstes sind in der ganzen Rinde ziemlich gleichmässig gestaltet. Doch sind sie einmal in der netz- förmigen Schicht viel grösser als in den Partieen, in welchen sie ein Netzwerk zwischen den diehtgedrängten Nervenzellen bilden ; und dann sind für die Scheiden der grösseren unter diesen noch eigne Gliazellen da, welche sich von denen des allgemeinen Ge- rlistes etwas unterscheiden. Eine genaue Beschreibung der Zellen des Stützgerüstes ist sehr schwer, weil sie in den verschiedenen Gehirnen recht verschieden aussehen. Die Unterschiede sind je- doch keine prineipiellen, sondern beruhen nur auf einer mehr und minder stark vorgeschrittenen Metamorphose bei der Verhornung. Die früher erwähnten Untersuchungsmethoden zeigen, dass das ganze Gerüst, Zellen und deren Fortsätze, schon in ziemlich früher Lebenszeit zu verhornen beginnt. Wahrscheinlich schreitet aber der Process sehr langsam vor, und die Keratinumwandlung nimmt allmählich mehr und mehr zu. Dabei verlieren einige Zellen, wie wir das schon so oft gesehen haben, ihren Kern in so fern, als er sich nieht mehr von dem ihn einschliessenden Zelleib unterscheidet. Da dies sehr langsam und bei den verschiedenen Zellen zu unge- mein verschiedenen Zeiten geschieht, kann man alle möglichen Studien des Zellsehwundes beobachten. Der Zellleib verliert bei der Bildung der Fortsätze vielfach sehr stark an Umfang, so dass, wie wir es noch viel stärker ausgesprochen in der äusseren Schicht Die Stützsubstanz des Centralnervensystems. 209 der Kleinhirnrinde fanden, die von den Zellen gebildeten Kno- tenpunkte des Stütznetzes nur kleine Körper sein können. Es ist diese Atrophie in den inneren an Nervenelementen reichen Partieen viel stärker als in der netzförmigen Schicht, wo die Gliazellen grade sehr häufig eine beträchtliche Grüsse besitzen. Uebrigens sind in dieser Hinsicht die Verschiedenheiten ganz un- gemein gross, und weichen nicht allein verschiedene Gehirne etwa gleich alter Menschen (ebenso ist es auch bei den Thieren) hierin voneinander ab, sondern es lassen sich auch in ein und demsel- ben Gehirn sehr viele locale Unterschiede dieser Art constatiren. Und dient nebeneinander sind ziemlich umfangreiche und ganz zurückgegangene kaum noch als solche zu erkennende Gliazellen zu finden. Sie haben eben bei der Entwicklung diejenige Grösse angenommen, welche grade für die betreffende Stelle in Hinsicht auf die Verhältnisse der Nervenelemente oder auch auf diejenigen der benachbarten Stützzellen nothwendig ist. Die Gliazellen der Hirnrinde, besonders die grösseren, sind vielfach nach irgend einer Richtung abgeplattet, doch ist diese Abplattung eine ganz un- regelmässige und keineswegs vollkommene. Die Zellen bilden schon deshalb keine flache Scheiben, weil von den Begrenzungs- flächen eben so sehr wie von den Kanten Fortsätze ausgehen. Die Flächen nehmen auch nirgends eine bestimmte Richtung ein, sondern liegen bald der Oberfläche des Gehirns parallel, bald senk- recht zu ihr, bald schräg. Interessant ist, dass die Gliazellen des allgemeinen Stütznetzes der Rinde stets — und bei allen Säuge- thieren in gleicher Weise — bei der Keratin-Umwandlung ein fein sranulirtes Aussehen bekommen. Ich machte hierauf schon im allgemeinen Theil dieser Arbeit aufmerksam. Diese Eigenthüm- lichkeit setzt ja die in Rede stehenden zelligen Gebilde den übri- gen Gliazellen gegenüber, da dieselben im Allgemeinen bei der Verhornung ein homogenes, klares und durchsichtiges Aussehen bekommen. Die feinen Granula in den Stützellen der Hirnrinde haben für uns noch nach einer andern Richtung hin Interesse. Ich habe schon früher darauf aufmerksam gemacht, dass sie ohne Zweifel mit Grund zur Annahme der Molekel der Hirnrinde ge- geben habe. Grade in der netzförmigen Schicht ist zu dieser Täuschung reichliche Gelegenheit gegeben, da die Gliazellen an Masse die eingelagerte Grundsubstanz bedeutend übertreffen und die Forscher bisher die letztere von den Zellkörpern gar nicht ab- Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 26. 14 210 Hans Gierke: grenzten. In Schnitten, welehe nieht die allergrösste Feinheit be- sitzen, liegen gewiss stets mehrere von den platten Zellkörpern iibereinander und verdeeken dann die ganz durchsichtige und schwer erkennbare Grundsubstanz vollkommen, so dass scheinbar um die Kerne herum eine granulirte ungeformte Substanz gelagert ist, in der nur von Zeit zu Zeit faserige Gebilde zu erkennen sind. Es kommt hinzu, dass in manchen älteren Menschen entnommenen Gehirnen in der That häufig die Grenze der Gliazellen in der netzförmigen Schicht etwas undeutlich werden und sieh auch in gefärbten Präparaten nicht scharf markiren. So kann es kommen, dass in Schnittpräparaten, welche nicht die allergrösste Feinheit besitzen, besonders solchen vom menschlichen Gehirn angefertig- ten, die Zellen des Stütznetzes sich nicht ganz klar darstellen. Die Figur 19 liefert hierfür ein Beispiel. Der Zeichner sah zwar im Allgemeinen die Gliazellen ganz richtig, konnte aber ihre Gren- zen nicht ganz scharf erkennen. Sehr viel deutlicher sind die Zellen der netzförmigen Schicht bei niederen Säugethieren z.B. beim Igel.!) Hier wird auch das Flechtwerk schon dadurch klarer und die Zellen gienzen sich besser ab, weil weit mehr Grundsub- stanz vorhanden ist als beim Menschen. Dem entsprechend sind auch natürlich die Lücken grösser. An denjenigen Stellen freilich des Gehirns vom Igel und anderer niederer Säugethiere, an denen die Gliahülle wenig entwickelt ist, verdichtet sich das Netzwerk nach der Oberfläche hin sehr bedeutend nnd bildet einen scharf sich abgrenzenden Streif. Die wirkliche Gestalt der Gliazellen in der netzförmigen Schicht bei den höheren Säugethieren und beim Menschen, sowie ihr Verhältniss untereinander ist aus der Figur 19a zu erkennen. In ihr ist eine kleine Gruppe solcher Zellen aus der äusseren Partie der netzförmigen Schicht des Schafge- hirnes bei sehr starker Vergrösserung (ungefähr 600 facher) dar- gestellt, und zwar aus einem Schnitt, welcher die höchste Feinheit, welche sich überhaupt erreichen lässt, besass. Die Verhältnisse beim Menschen sind ganz ähnlich, und würde ein von der gleichen Stelle und in gleicher Weise angefertigtes Präparat im Wesent- 1) Die Fig. 18 ist jedoch etwas schematisch gehalten. Die Verhält- nisse, im Allgemeinen durchaus der Wirklichkeit entsprechend, sind zu regel- mässig gezeichnet. Die Stützsubstanz des Centralnervensysems. 211 lichen genau eben so aussehen. Vergleichen wir diese Gliazellen mit andern aus solchen Partieen des Öentralnervensystems, welche auch nur aus Stützsubstanz bestehen, wie z. B. die Gliaanhäufung am Boden des vierten Ventrikels und um den Centraleanal herum, oder die Gliahülle im Rückenmark, oder selbst in nächster Nach- barschaft, so fällt uns vor allen Dingen ihr zartes Aussehen, ihre feine bei den verhornten Zellen ungewohnte Körnelung und ihre zackige unregelmässige Gestalt auf. Wir haben nicht wie sonst einen centralen Zellkörper, von dem schlanke Fortsätze ausgehen, sondern einen tief eingeschnittenen zackigen Zellleib, dessen Za- cken die Fortsätze bilden. Diese sind daher von dem Zellkörper durchaus nicht abzugrenzen und in der That kommt es selten zur Entwicklung längerer faserartiger Fortsätze, vielmehr verbinden die kurzen Zacken die Zellen untereinander. Verhältnissmässig kleine runde Kerne sind in vielen derselben gut zu sehen, in an- dern sind sie noch erkennbar aber nur undeutlich, in noch andern ist von ihnen gar nichts mehr zu entdecken. Alle die früher be- sprochenen Zwischenstufen des Kernschwundes lassen sich auffin- den. Die Lücken in der gezeichneten Zellgruppe sind nur mit Grundsubstanz gefüllt zu denken. Lymphräume sind grade an dieser Stelle nicht erkennbar und ebenso wenig sind in der be- treffenden Gegend markhaltige Nervenfasern zu finden. In un-, regelmässiger Weise kommen einzelne zerstreute Stützzellen von ganz anderm Character in der netzförmigen Schicht vor, grade wie wir es in der äusseren grauen Randzone des kleinen Gehirns fanden, so ist es auch hier. Derb und sehr widerstandsfähig, da- bei homogen aussehende Gliazellen liegen hier und da, beson- ders in der äussern Partie. Sie gleichen ganz den Stützzellen, die wir aus den Gliaanhäufungen am Boden des vierten Ventrikels beschrieben haben, sind fast immer kernlos und senden einige starke und sehr lange Ausläufer aus. Diese können auf sehr weite Strecken hin die oberflächlichen Hirnschichten durchziehen und mit ihnen verbinden sich ganz besonders gern die Ausläufer der Zellen der Gliahülle. Auch unter einander verbinden sich diese einzelnen Stützzellen mittelst ihrer Fortsätze trotz der meistens sehr grossen Entfernungen. Der grössere Theil der Ausläufer endet in dem benachbarten Stützgeflecht. Nach den Gefässen hin werden solche Gliazellen etwas häufiger; die Enden ihrer Ausläu- fer setzen sieh dann wohl an deren Adventitia fest, oder laufen auch 912 Hans Gierke: eine Strecke parallel mit ihnen, ohne sich aber je in ihrer Nach- barschaft derartig anzuhäufen, wie wir es oben für ihre Mündun- gen und früher für die Gefässe in der weissen Substanz des Rücken- markes beschrieben. Die einzelnen auffallenden Gliafasern, welehe so zur Verbindung dieser zerstreuten Stützzellen durch die ober- flächlichen Hirnschichten ziehen, sind vielfach gesehen aber meis- tens für Nervenfasern gehalten worden. In den nervenreichen Schichten der Hirnrinde verändert sich, wie schon erwähnt wurde, das Stütznetz besonders in quantitativer Weise: die Zellen werden zum grössten Theil kleiner, ja viele werden so klein, dass ihre Zellnatur auf den ersten Blick hin nicht gleich deutlich wird. Doch ist die Verkleinerung der Stütz- zellen im Grossbirn bei Weitem nicht so auffallend wie in der grauen Randzone des kleinen Gehirns. Es sind überall recht grosse Gliazellen zu finden, welche den beschriebenen der netzförmi- gen Zone vollkommen gleichen und dann alle möglichen Stufen des Schwundes von einer kaum merkbaren Verkleinerung der Zellen an bis hinab zu den platten oder länglichen, kernlosen, kleinen Gebilden, an denen man den Zelleharacter erst durch die Betrachtung der Uebergangsstufen erkennt. Dabei ist freilich zu bedenken, dass in einem solchen Netzwerk auch verdickte Knoten- punkte durch das Aufeinandertreffen und die Verschmelzung mehrerer Gliafasern entstehen müssen. Sie sind von den erwähnten atrophi- schen Zellkörpern schwer zu unterscheiden. Bemerkenswerth ist aber, dass diese Gliazellen alle die charaeteristische Eigenschaft der Körnchen -Einlagerung aufweisen. Die grossen eben so gut wie die ganz kleinen zeigen eine feine Granulation. Die Ausläufer sind natürlich hier länger und schlanker als in den oberflächlichen Schichten, weil hier viel grössere Zwischenräume für die eingela- gerten nervösen Elemente gebildet werden müssen. Von diesen haben die Zellen stets, mögen sie auch ganz klein sein, eigne scheidenartige Hüllen. Dieselben werden aber zumeist einfach von den umgebenden Elementen des allgemeinen Stützgeflechtes gewo- ben. Nur für die grösseren und grössten Nervenzellen sind eigne Gliazellen gegeben, welche theils sich untereinander theils mit den benachbarten Gliaelementen verbindend ein ziemlich engmaschiges, korbartiges Geflecht bilden. Die feineren Verhältnisse entsprechen im Prineip der Schilderung, welche ich von den Scheiden der Nervenzellen des Rückenmarks gegeben habe, und kann ich auf Die Stützsubstanz des Centralnervensystems. 213 sie verweisen. Die eignen Zellen dieser Gliascheiden sind ge- wöhnlich derb, durchsichtig, homogen und ohne Kern oder nur mit einem kleinen Kern versehen. Sie sind meistens stark abge- plattet und schmiegen sich der gewölbten Oberfläche der Nerven- zellen derartig an, dass sie ihnen eine concave, dagegen nach aus- sen eine convexe Oberfläche zukehren. Zeigt sich nun der auch hier vorhandene perivasculäre Raum im Präparat — und gewöhn- lich ist er durch Schrumpfung der Zelle sehr vergrössert —, so bil- den diese gewölbten Zellplatten einen Theil der Wandung dieses Raumes. In den Schnittpräparaten präsentiren sie sich als ein schmaler Halbmond. In der Scheide der grösseren Rindenzellen sind sie jedenfalls (beim Menschen) ziemlich häufig, da doch ge- wöhnlich ein oder zwei dieser Halbmonde den feinen Durch- schnitt derselben begrenzen. Man hat sie vielfach sehr falsch als Endothelzellen des pericellulären Raumes beschrieben. Auch die Protoplasmafortsätze und besonders die Spitzenfortsätze, die Ja bekamntlich bei den grösseren pyramidenförmigen Nervenzellen einen bedeutenden Durchmesser besitzen, haben ihre eignen schei- denartigen Hüllen, ohne das aber eigne Gliazellen für deren Bil- dung gegeben sind. Die feineren Ausläufer und ebenso die unge- heure Masse feiner markloser und markhaltiger Nervenfasern sind nicht von eignen Scheiden eingehüllt, sondern sind nur der Grund- substanz, welche die feineren Lücken des Stützgeflechtes ausfüllt, eingelagert. Das Stützgeflecht der grauen Rindensubstanz wandelt sich ganz allmählig in dasjenige der weissen Substanz um, wie es den bekannten Verhältnissen der nervösen Elemente entspricht. Ueber die Neuroglia der weissen Substanz des grossen Gehirns ist dem früher Gesagten durchaus nichts weiter hinzuzusetzen. Dass ein Gerüst, aus Neuroglia oder aus Bindegewebe gebildet, in der grauen Rinde vorhanden ist und den nervösen Elementen einen Halt giebt, wurde wohl von fast allen Forschern angenom- men. Doch scheinen die Meisten eine recht falsche Vorstellung von ihm gehabt zu haben. Jedenfalls hat Niemand versucht, eine ordentliche Darstellung desselben in Worten oder im Bilde zu ge- ben. Die kleine Abbildung z. B., welche Golgi!) giebt, um die Verhältnisse der Glia in der Hirnrinde zu erklären, ist nicht nur 1) 1. ce. Fig. 2. 214 Hans Gierke: vollkommen nichtssagend, sondern auch falsch. Vier pyramiden- förmige Nervenzellen und sechs sternförmige, mit zahlreichen Aus- läufern versehene Gliazellen liegen freundschaftlich nebeneinander. In welehem Verhältniss sie zueinander stehen, wird nicht klar. Die Fortsätze beider Zellsorten verlaufen ins Weite. Wohin? Das sieht man nicht. Von der Bildung eines Gerüstes oder von Hüllen für die Nervenzellen keine Spur. Boll giebt eine wenigstens nicht unrichtige Abbildung und Beschreibung des Stützgerüstes des Am- monshornes (siehe unten). Hier aber haben wir besondere Ver- lıältnisse, denen in der Körnerschicht des kleinen Gehirns zu ver- gleichen. Das so characteristische Geflecht der grauen Rinde beschreibt auch er nieht. Nur einige ganz naturgetreue und vor- zügliche Abbildungen sind mir bekannt geworden!). Es sind die von Strieker und Unger in den Sitzungsberichten der Wiener Akademie gebrachten Zeichnungen zu den „Untersuchungen über den Bau der Grosshirnrinde“ ?). Hier ist das Stützgerüst ganz vorzüglich abgebildet und hätte ich bei meiner Beschreibung gra- dezu auf diese Abbildungen verweisen können, soweit es sich um das allgemeine Stützgerüst der innern an Nervenzellen reichen Partieen handelt. Anders allerdings steht es mit den Gliascheiden der Nervenzellen, welche die Verfasser gar nicht kennen. Sie lassen die Fasern des Stütznetzes ebenso aus dem Protoplasma der Nervenzellen und deren Fortsätzen hervorgehen, wie die Ner- venfasern. Daher giebt es für sie natürlich überhaupt gar kein Stütznetz. Alles ist nervös. Ich fühle kein Bedürfniss, jene auch von andern Autoren merkwürdiger Weise noch immer festgehaltene Ansicht zu bekämpfen. Schon die eine einzige in dieser Arbeit oft besprochene Thatsache, dass das Stützgerüst verhornt, macht dieselbe einfach unmöglich. ‚Alle jene in den Stricker-Unger’- 1) Natürlich will ich hiermit durchaus nicht hehaupten, dass es keine andere naturgetreue Abbildung giebt. In den mir zugänglichen Hand- und Lehrbüchern geht man stets über das Capitel des Stützgerüstes der Rinde flüchtig mit einigen wenigen unbestimmten Worten hinweg, obgleich doch diese Verhältnisse nicht nur ein histologisches Interesse besitzen, sondern auch für die Pathologie von höchster Wichtigkeit sind. 2) Wiener Sitzb. d. k. Akad. d. Wissensch. 1879. Dieselben Abbil- dungen auch in: Unger, Histologische Untersuchung der traumatischen Hirn- entzündung. Sitzungsberichte 1880. Die Stützsubstanz des Centralnervensystems. 215 schen Abbildungen gezeichneten Uebergänge der Substanz der Nervenzelle oder ihrer Ausläufer in das Glianetzwerk sind sub- jeetive, der vorgefassten Meinung entsprechende Täuschungen, denen nichts Wirkliches zu Grunde liegt. Von andern Formen des Stützgerüstes im grossen Gehirn hebe ich noch das zierliehe und regelmässige Gliageflecht in den Körnerschiehten des Ammonshorns und die Verhältnisse der Neu- roglia in dem bulbus olfactorius hervor. Das erstere erwähne ich hier deshalb, weil es das deutlichste und schönste Stütznetz der grauen Substanz ist und sich in einer Weise durch Tinetion darstellen lässt, wie es an anderen Stellen, z. B. in den ähnlichen Körnerschichten des kleinen Gehirns, nur sehr schwer und eigent- lich mehr zufällig gelingt. Es kann auch gradezu als Typus des Gliagerüstes solcher Körnerlagen, d. h. von Schichten, welche sehr zahlreiche und dicht gedrängte, sehr gleichmässig gestaltete, zarte, kleine Nervenzellen mit grossem Kern enthalten, angesehen werden. Boll hat zwar bereits, wie schon oben erwähnt wurde, in seiner mehrfach angeführten Arbeit zwei Abbildungen dieses Geflechtes, und zwar von demselben Thier wie ich, vom Igel, gegeben. Doch wird mir ein Jeder, welcher Boll’s Figuren 13 und 14 mit meiner Figur 20 vergleicht, Recht geben, wenn ich eins meiner offenbar viel deutlieheren Präparate zeichnen liess. Man könnte bei einem solchen Vergleich meine Abbildung für etwas schematisirt und zu regelmässig gezeichnet halten. Doch ist dies durchaus nicht der Fall. Sie entspricht genau den wirklichen Verhältnissen. In den Boll’schen Präparaten scheint sich das Gliagerüst von den ner- vösen Elementen nieht scharf geschieden zu haben, so dass es sich in undeutlicher, unregelmässiger und unvollkommener Weise dar- stellte. Ich habe meiner Abbildung wenig hinzuzusetzen. Der schmale Streif B besteht aus sehr feinen Nervenfasern und den zugehörigen Gliaelementen. Die mit dem von diesen gebildeten zarten Netzwerk innig zusammenhängenden derben Geflechte sind die Stütznetze der körnerartigen Nervenzellen. Jeder Masche ent- spricht eine der letzteren; doch füllt sie dieselbe nicht ganz aus. Es bleibt noch Platz für die Grundsubstanz und für die dieser eingelagerten Nervenfibrillen. Die Verhältnisse der Stützsubstanz des bulbus olfaetorius bie- ten deshalb für uns Interesse dar, weil die Zellen derselben wie- derum eine besondere characteristische Gestalt annehmen, ihre 216 Hans Gierke: ganze Einrichtung aber, trotz des eigenartigen Aussehens, dem allgemeinen Prineip entspricht. Auch führt ein klarer Einblick in die Verhältnisse des Stützgerüstes ein Verständniss der bisher so wenig erkannten Glomeruli und der ihnen benachbarten Lagen des bulbus olfactorius herbei. Ich habe diese Verhältnisse ganz besonders beim Igel untersucht, weil bei ihm, von andern früher erwähnten Vortheilen abgesehen, die bulbi olfactorii ganz ausser- ordentlich entwickelt sind. Der Igel, bekanntlich im hohen Grade ein Geruchsthier, d. h. ein Geschöpf, bei dem der Geruchssinn sehr auf Kosten der andern Sinnesorgane, besonders der Augen, ent- wickelt ist, hat verhältnissmässig ausserordentlich grosse bulbi olfaetorii. Sie betragen vielleicht den fünften oder sechsten Theil des ganzen Grosshirns und sind dem Vordertheil der Hemisphären kappenförmig aufgestülpt. Der Grössenentwieklung des Organs entspricht auch die sehr schöne Ausbildung der histologischen Elemente. Uebrigens habe ich auch die betreffenden Verhältnisse in den bulbi olfactorii der Gehirne anderer Säugethiere hinläng- lich studirt, um sagen zu können, dass die folgende Schilderung allgemeine Gültigkeit für alle Säugethiere hat. Die eigenthümlichsten und bisher am wenigsten richtig be- schriebenen Elemente der bulbi olfaetorii sind die sogenannten glomeruli, kleine, im frischen Zustand gelatinös aussehende Klümp- chen, welche die untere der lamina eribrosa aufliegende Seite und ebenso die vordere und die beiden seitlichen in einer einzigen etwas unregelmässigen Schieht überziehen. Diese glomeruli bilden die ersten Endpunkte der marklosen Olfactoriusfasern. Kleine Bündel derselben treten in sie ein und lösen sich in ihnen auf. Jedem glome- rulus entspricht ein Bündel aus 10 bis 20 oder 40 Nervenfasern, an dem er wie an einem Stiel sitzt. Ihre Grösse ist beim Igel etwas verschieden, schwankt etwa zwischen 0,15 bis 0,25mm. Zusammengehalten werden sie zum Theil durch die sie überziehende Pia, zum Theil durch eine Zwischensubstanz, welche der Hauptmasse nach aus Glia besteht. Die kugelförmigen oder etwas oval gestalteten Glomeruli sind nun viel einfacher gebaut als es gewöhnlich angenommen wird, es ist aber freilich schwer, die Verhältnisse gut zu erkennen, da nur die allerfeinsten und sehr gut gefärbten Schnitte?) einen Einblick ge- 1) Die Fig. 22 wurde nach einem ungemein feinen Durchschnitt der drei Glomeruli a. a. a. gezeichnet. Die Stützsubstanz des Centralnervensystems. 217 währen. Soleh ein glomerulus besteht nämlich zunächst, wie alle Theile des Centralnervensystems aus einem Gliagerüst. Ziemlich kleine, im Durchschnitt des Glomerulus dreieckig oder viereckig gestaltete stark durchsichtige Zellen mit kleinen, vielfach nieht mehr nachzuweisenden Kernen verbinden sich vermittelst kurzer Fortsätze zu einem schwammartigen Gerüst von der Form des slomerulus. Die Lücken desselben aber, die Zwischenräume zwi- schen den Gliazellen sind im Leben hauptsächlich durch kleine und sehr zarte nervöse Zellen, dann durch deren feine Fortsätze, die ein Netzwerk bilden, und durch stärkere Nervenfasern ausge- füllt. Was noch an Raum übrig bleibt wird von der structurlosen Grundsubstanz eingenommen. Beiläufig mag hier erwähnt werden, obgleich es ja nicht zu meinem Thema gehört, dass die eintreten- den Olfactoriusfasern sich mit den Nervenzellen verbinden. Von diesen gehen dann Fortsätze ab, welche sich zu einem dichten Fibrillennetz vereinen. Aus diesem Faserwerk endlich bilden sich durch Zusammentreten vieler feiner Fibrillen wieder diekere Ner- venfasern, welche den glomerulus verlassen und in die nächst- innere Schicht des Bulbus eintreten, zum Theil sogar durch diese hindurch direct bis zu den grossen Nervenzellen an der Grenze zwischen dieser und der sogenannten Körnerschicht ziehen, um als ein starker peripherischer Fortsatz mit ihnen sich zu verbin- den. Die kleinen nervösen Zellen des glomerulus sind offenbar sehr weich und zart, da sie in den gehärteten Präparaten stark schrumpfen, wie die Figur 22 zeigt, und beim Zerzupfen stets zerfallen, so dass man nur ihre Kerne erhält. Zwischen den glomeruli, dann auch zwischen ihnen und der folgenden Schicht des bulbus olfactorius befindet sich ein sehr weitläufiges und aus grossen, schönen Gliazellen bestehendes Stütz- netz. Es übertrifft hinsichtlich der Klarheit und scharfen Begren- zung der Gliaelemente noch das oben erwähnte Stütznetz der Kör- nerschicht des Ammonshorns. Die Zellen sind in Bezug auf die Form denjenigen, welche das Geflecht der glomeruli selber bilden, sehr ähnlich, aber viel grösser, gewiss vier- bis sechsmal so gross. In den Schnitten erscheinen sie also auch (Fig. 22) als dreieckige oder viereckige Platten und so sind sie auch in Wirklichkeit be- schaffen, da sie stark abgeplattet sind und nur selten eine etwas bedeutendere Dicke besitzen. Von den Ecken gehen verhältniss- mässig feine Fortsätze ab, welche sie untereinander verbinden 218 Hans Gierke: und miteinander verschmelzen. Sehr durchsichtig, ohne Körnchen- einlagerungen und stark verhornt zeigen die Zellen meistens nur noch verkümmerte Reste der Kerne. In vielen sind dieselben auch mit den besten Kernfärbemitteln nicht mehr nachzuweisen. Dies weitläufige Netzwerk von Gliazellen ist Träger der Enden der Olfaetoriusbündel, ehe sie in die glomeruli treten; ferner auch besonders von Blutgefässen (dieselben sind der Deutlichkeit wegen in der Abbildung fortgelassen). Die glomeruli werden von einem reichen und dichten Netzwerk von Capillaren umsponnen. Sie und die etwas stärkeren Blutgefässe lagern in dem beschriebenen Stütz- netz. Ausserdem befinden sich in den Lücken desselben viele Nervenfasern und auch weiche, zarte Nervenzellen. Die letzteren schrumpfen beim Härten des Präparates so, dass sie zu kleinen runden Kugeln werden, wie die Zeichnung in Figur 20 sie dar- stellt. Mit dem Stütznetz der glomeruli hängt das der Zwischen- räume innig zusammen; doch ist die Grenze der beiden eine ganz scharfe. Auf. diese Glomerulischicht folgt im Bulbus bekanntlich eine Rindenschicht, welche der äusseren Lage der Kleinhirnrinde ver- slichen werden kann. Sie ist unter dem Namen der „gelatinösen Schicht“ bekannt. Besser könnte sie vielleicht als die Schicht der Nervenfibrillen bezeichnet werden, da sie ein ungemein dichtes Geflecht feinster Nervenfibrillen enthält. Nach innen hin ist sie durch die schon erwähnte Lage grosser Nervenzellen abgeschlossen; auf diese folgt die Körnerschicht (stratum granulosum), und endlich um den Ventrikel herum die Lage der markhaltigen Nervenfasern. Die Neuroglia dieser verschiedenen Schichten bietet nichts Neues den Verhältnissen anderer Partieen gegenüber dar. In der Rand- zone ist ein sehr schönes und gut entwickeltes Stütznetz, welches durchaus demjenigen der äussersten Schicht der Grossbirnrinde gleicht. Doch sind hier die Elemente grösser und deutlicher als dort. Um den Ventrikel herum lagert sich eine starke Anhäufung von Stützsubstanz. Dieselbe ist hier im bulbus olfactorius nach. denselben Prineipien angeordnet wie um die andern Ventrikel des Igelhirns herum. Auch bei den andern Säugethieren und beim Menschen sind diese Verhältnisse im Grossen und Ganzen gleich. Starke Lagen von verhornten Gliazellen, welche sich geflechtartig mit einander verbinden, tragen als Abschluss gegen den Hohlraum Die Stützsubstanz des Centralnervensystems. 219 eine einzige Schicht nieht verhornter und in vielen Fällen Flimmer- härchen besitzender Epithelzellen. Nach aussen, gegen die Sub- stanzen des Gehirns hin werden die Glianetze lockerer und gehen zuletzt in die Stützgeflechte der benachbarten Nervenschichten ohne Grenze über. Eine Bildung aber ist hier im bulbus olfacto- rius des Igels besonders schön entwickelt und so auffallend, dass man erst hier auf sie aufmerksam wird, obgleich sie in ge- ringerer Ausbildung auch bei anderen Säugethieren, ja auch beim Menschen beobachtet werden kann. Aus den eben beschriebenen Glia- anhäufungen um die Ventrikel herum laufen nämlich starke Zelltort- sätze in die benachbarten Schichten, um sich früher oder später zu theilen und sich mit dem Stützgerüst derselben zu verbinden. Etliche solcher Fortsätze jedoch, die einen parallelen Verlauf haben, legen sich aneinander und verbinden sich zu einem ein- zigen starken Balken, welcher radiär nach aussen in die Hirn- substanz ausläuft, um sich nach einer kürzeren oder längeren Strecke wieder in einzelne Fasern aufzulösen. Diese strahlen aus- einander und verbinden sich mit dem Gliagerüst jener Partieen. In dem bulbus olfactorius des Igels sind diese zusammengesetzten Balken, wie erwähnt, besonders zahlreich, lang und diek. Ich habe ihre Verhältnisse hier eingehend studieren können. Fünf bis zehn Fortsätze von Gliazellen treten zueinander und legen sich so innig an- einander, dass man nur einen homogenen starken Balken erkennt. Ob sie nun wirklich miteinander verschmelzen oder wenigstens durch Kittmasse miteinander verbunden sind, oder ob sie nur sich so innig aneinander schmiegen, dass man durchaus keine Grenzen erkennt, habe ich nieht entscheiden können. Jedenfalls gelang es mir niemals, und zwar trotz sorgfältigster Arbeit und sehr grosser Mühe, durch Zerzupfen mit feinsten Nadeln die Balken in ihre Längselemente zu zerlegen. Dies und das homogene Aussehen lassen mich glau- ben, dass die Fortsätze auf eine gewisse Strecke hin wirklich mit- einander verschmelzen. Ob die Zahl der aus einem solchen Balken sich herausbildenden Fasern der Anzahl der ihn zusammensetzen- den Fortsätze genau entspricht, kann schon deshalb nicht ent- schieden werden, weil die Theilfasern sich häufig sogleich wieder weiter verästeln. Dass diese Balken dazu dienen, um den Schichten, die sie durchziehen (im bulbus olfactorius des Igels gehen sie durch die weisse Substanz bis in die Körnerschichten hinein), eine grössere 220 Hans Gierke: Festigkeit zu geben, kann nicht zweifelhaft sein. Ihre Anlage, ihre Anordnung und ihr Zweck erinnern sehr an die ähnlichen Einrichtungen niederer Wirbelthiere, besonders der Fische. Be- trachtet man z. B. gefärbte Querschnitte von Selachier-Gehirnen — welehe die Elemente der Stützsubstanz am schönsten von allen Fischen zeigen —, so fallen die zahlreichen, regelmässigen starken Fasern auf, welche das Gehirn seiner ganzen Dicke nach radiär durchziehen. Eine genauere Untersuchung zeigt, dass sie die Fortsätze der schön ausgebildeten Epithelzellen der Ventrikel sind, welche zum grössten Theil durch die Gehirnsubstanz bis zur Glia- hülle der Oberfläche verlaufen, um sich mit den Fortsätzen der Zellen dieser zu verbinden. Zwischen diesen starken radiären Stützfasern oder Balken ist dann noch ein zarteres Stützgerüst ausgebildet. Ich bin bei der Betrachtung der Stützsubstanz des grossen Gehirns nicht auf deren Verhältniss zu den Blutgefässen einge- gangen, weil wir im Allgemeinen sehr ähnliche Verhältnisse finden wie diejenigen, welche ich für das Rückenmark beschrieb. Ich möchte hier aber am Schluss doch noch Folgendes hinzufügen Die Blutgefässe sind stets — von den Capillaren abgesehen — von perivasceulären Räumen umgeben. Die früher erwähnte Ad- ventitia, eine Fortsetzung der Endothelmembran des epicerebralen Raumes, umgiebt die Gefässe und bildet so die innere Wandung des perivaseulären Raumes. Hier werden die Gefässe nicht, wie das im Mark Regel ist, von fibrillärem Bindegewebe begleitet. Daher ver- bindet sich die erwähnte scheidenartige Membran sehr innig mit der Aussenfläche der Gefässwandung. Es geschieht dies nicht gleich an der Oberfläche, wie schon oben besprochen wurde. Zu- nächst nämlich bildet die Endothelfortsetzung eine weite, triehter- artig nach innen sich verengende Hülle; eine verhältnissmässig weite Oeffnung der Gliahülle gewährt genügenden Platz für drei ineinander geschachtelte Räume. Innen ist das Lumen des Ge- fässes; es ist umgeben von dem Piatrichter, dessen Wandungen innen das Gefäss, aussen die Endothelmembran bildet; er wiederum ist von der Mündung des perivasceulären Raumes rings umgeben. Derselbe hat hier die Gehirnsubstanz und theilweise eine aus eignen Gliazellen hergestellte sehr unvollständige Scheide als äussere Wandung. Aus der früheren Sehilderung der Verhältnisse dieser Partieen muss Jedem klar sein, dass der Piatrichter ausser- Die Stützsubstanz des Centralnervensystems. 221 halb des Epicerebralarumes in die Arachnoidalräume münden muss; er hat mit dem ersteren ganz und gar keine Verbindung. Nach dem Innern des Gehirns hin endet er, wenn auch in verschiedener Entfernung von der Oberfläche, doch stets sehr bald; und zwar dadurch, dass die Fortsetzung der Endothelmembran, die ich im Folgenden der Kürze wegen als secundäre Adventitia bezeichnen will, sich der Gefässwandung innig anschmiegt. Ja, es findet offenbar eine Verklebung statt, so dass man im frischen Zustande beide nicht von einander trennen kann. Es gelingt gewöhnlich nicht, die Gefässe aus dieser Scheide einfach herauszuziehen, son- dern man reisst sie mit ihr heraus und zwar indem man die zahl- reichen Verbindungen derselben mit den Stützzellen zerstört!). Die Substanz also, welche das Gefäss mit seiner secundären Ad- ventitia verklebt, hält diese kräftiger zusammen als die vielen Gliafäden und Gliazellen diese letztere mit der Hirnsubstanz. Man wird sich erinnern, dass für die weisse Substanz des Rückenmarks die Verhältnisse anders geschildert wurden. Dort ist nämlich noch ein Element mehr: das fibrilläre Bindegewebe, welches die Gefässe von der Pia aus begleitet. Dies verhindert die feste Verbindung der Endothelmembran mit dem Gefäss. Die Gefässe also können nach dem Tode sich zusammenziehen oder nach der Entleerung zusammenklappen, ihre Wandung wird nicht festgehalten. Die Endothelmembran bleibt an ihren Glia-Anheftungen befestigt, und ein klaffender Spalt entsteht zwischen ihr und der Gefässwandung, der in den Schnittpräparaten meistens sehr auffällig ist. Erst ausserhalb dieses Spaltes und von ihm durch die Endothelmembran getrennt liegt dann in jenen der perivasculäre Raum. Ganz anders ist natürlich das Bild in der Hirnsubstanz. Hier kann das Gefäss nicht zusammenfallen, da die mit ihm fest verbundene secundäre Adventitia durch die Gliabetestigungen in ihrer Lage gehalten wird. Diese feine mit unregelmässig zerstreuten Kernen versehene Mem- 1) Es entstehen so, da ein Theil der Gliaelemente an den Gefässen haften bleibt, die von verschiedenen Autoren gegebenen Bilder: mit unregel- mässigen Stacheln und Borsten besetzte Gefässe. Man vergleiche z. B. die Figg. 4 und 5 auf der Tafel 18 des grossen Werkes von Key und Retzius. Auch alle die Balken, Fasern und die andern merkwürdigen Gebilde, welche Ludwig Löwe („Zur Kenntniss der Bindesubstanz im Centralnervensystem der Säugethiere‘“ im Archiv für Psychiatrie Bd. VII p. 1 ff.) für die Gehirn- gefässe beschrieben hat, gehören hierher. 222 Hans Gierke: bran ist also die innere Wandung des perivasceulären Raumes. Die äussere Wand desselben ist einfach die Hirnsubstanz. Während die innere absolut geschlossen ist und keinerlei Oeffnungen ent- hält, ist die letztere, die äussere, siebförmig durchlöchert. Von allen Seiten münden die Lymphspalten der Hirnsubstanz in sie ein. Diese sind nun sowohl in der weissen wie in der grauen Substanz ganz nach den früher für das Rückenmark aufgestellten Prineipien angeordnet, so dass ich hier nicht näher auf sie einzugehen brauche. Ich betone nur noch einmal, was ich oben schon angab: Die peri- cellulären Räume besitzen kein Endothel. Die dafür gehaltenen Zellen sind Elemente ihrer Gliascheiden. Die Mündungen der Saft- lücken halten sich gern an die Gliazellen oder deren Ausläufer, welche aus der Hirnsubstanz in die perivasculären Räume ein- treten, um dureh sie hindurch zur secundären Adventitia zu laufen. Mit dieser verbinden sie sich in festester Weise; wahrscheinlich durch einen ähnlichen Kitt wie mit der Gefässhaut. Beide lösen sich wenigstens bei der Maceration des Gewebes auf. Die Anordnung dieser die Gefässe tragenden Gliaelemente ist in den einzelnen Fällen ziemlich verschieden. Bald kommen von weither kräftige Ausläufer von Gliazellen, um zur secundären Gefässadven- titia zu laufen; bald sind es feinere Ausläufer ganz benachbarter Zellen; bald auch legen sich die Zelien selber mit einer Fläche ihres Körpers an sie an und werden mit ihr verkittet. Ja es legen sich die Zellkörper mitten in den Raum und senden nach allen Richtungen Ausläufer, zum Gefäss, zur Hirnsubstanz und zu den benachbarten Gliaelementen des Lymphraumes, um mit ihnen netz- förmige Verbindungen einzugehen. Die Fasern setzen sich ge- wöhnlich mit einer kleinen dreieckigen Verdiekung an die Endo- thelmembran an. Fig. 23 giebt eine ganz naturgetreue Abbildung des Querschnittes eines Gefässes und seines Lymphraumes aus dem Gehirn des Igels. [ch kann hier durchaus nicht auf die Einwände der Gegner der perivaseulären Räume eingehen. Ich hoffe, sie werden sich alle bekehren, wenn sie aufhören allein den Weg der Injection zu betreten und anstatt dessen mehr gefärbte feine Schnitte studiren. Die erstere darf als Untersuchungsmethode nicht vernachlässigt werden, aber wie ich schon früher betonte, sie muss als sehr zu Täuschungen geeignet scharf controllirt werden. Die meisten Gegner der His’schen Räume nehmen auch einen Lymplhraum an, Die Stützsubstanz des Centralnervensystems. 223 aber nicht ausserhalb der secundären Gefäss-Adventitia, sondern zwischen dieser und der eigentlichen Gefässwandung. Ein Haupt- grund hierfür ist, dass es gelingt, von den Arachnoidalräumen aus die Piatriechter mit Injeetionsmasse zu füllen. Es kann uns dies natürlich nicht überraschen, im Gegentheil, bei der oben geschilderten Einrichtung muss es so kommen. Die Injectionsmasse dringt immer nur eine kleine Strecke in der Gehirnsubstanz vor; vielleicht ge- lingt es auch, bei stärkerem Druck die secundäre Adventitia von dem Gefäss noch ein klein wenig weiter zu trennen. Doch scheint sich im Allgemeinen das Eindringen der Masse auf die eigent- lichen Trichter zu beschränken. Die mir bekannten Abbildungen wie die von Key und Retzius Taf. IX Fig. 2, 3 u. 4, sprechen hierfür ebenso wie meine eignen Versuche. Ganz vorsichtige Ein- spritzungen dagegen (ohne eigentlichen Druck) eines sehr flüssigen Richardson’schen Blau’s in die Gehirnsubstanz füllt — wenn die Präparate überhaupt gelingen — stets die His’schen Räume von den Saftlücken aus. Man sieht in schönen Präparaten die In- jeetionsmasse sich überall aus den Einmündungsstellen der Saft- lücken in den perivasculären Raum hineindrängen. Noch bewei- sender sind die zahlreichen Präparate, in denen die natürliche Injeetion aller Lymphwege durch die geronnene Lymphe sehr deut- lich ist. Sie müssen jeden Zweifel an der Richtigkeit der Ver- hältnisse, wie sie hier geschildert wurden, tödten. Ich habe die Hauptpunkte dieser Arbeit mehrfach hervor- gehoben, so dass ich es nicht für nöthig erachte, sie hier am Schluss noch einmal zu wiederholen. Ich weise nur im Folgen- den noch einmal in ganz kurzen Sätzen auf die wichtigsten Princi- pien im Bau und in der Verwendung der Stützsubstanz hin: Die Stützsubstanz des Centralnervensystems darf nicht als Bindegewebe bezeichnet werden, da sie sich embryologisch und histologisch sehr stark von ihm unterscheidet. Sie bildet sich aus dem Ectoderm und zwar aus den gleichen Bildungszellen, aus denen auch die Nervenzellen hervorgehen. Sie besteht aus zwei sehr verschiedenen Elementen, aus der Grundsubstanz und aus den Zellen mit ihren Ausläufern. Die erstere ist homogen, structur- los und von weicher aber fester Consistenz. Die ihr gewöhnlich zugeschriebenen Einlagerungen, die Molekel, existiren nicht. Ihre Entstehungsart ist noch unbekannt. Vielleicht bildet sie sich an 224 Hans Gierke: einigen Stellen durch Abscheidung aus den Stützzellen, an andern durch Umwandlung derselben. Die Stützzellen selber, oder die Neurogliazellen entstehen ursprünglich alle in gleicher Weise aus rundlichen Bildungszellen des Ectoderms. Bei der weiteren Ent- wieklung nehmen sie sehr verschiedene ihrer Verwendung ent- sprechende Formen an. Ein Theil von ihnen bildet die weichen und ursprünglich stets Flimmern tragenden Zellen, welche in ein- schiehtiger Lage die Hirnventrikel und den Centralkanal des Markes auskleiden und welche dieser Verwendung und ihrer Ge- stalt wegen als Epithelien mit Recht bezeichnet werden. Die Mehr- zahl der Stützzellen aber ist bei der Weiterentwicklung einem Ver- hornungsprozess unterworfen. Das Protoplasma des Zellleibes, die Fortsätze und vielfach, vielleicht immer, die Kerne wandeln sich in eine charakteristische Hornsubstanz, das Neurokeratin, um. Dieser Prozess aber tritt bei den verschiedenen Gliazellen in ver- schiedener Weise in Hinsicht auf das Lebensalter und auf die In- tensität ein. Auch bei der Bildung der Ausläufer entstehen sehr wesentliche Unterschiede in der Gestaltung der Gliazellen, indem ihre Körper sich bei derselben sehr verkleinern oder umgekehrt noch an Umfang zunehmen können. Andererseits aber können auch die Kerne in den gross bleibenden Zelleibern mehr oder minder atrophiren, so dass sie häufig sehr unscheinbar werden. Dann auch können die Kerne bei der Keratinumwandlung den sie umgebenden Zellkörpern in Hinsicht auf die chemische Zusammen- setzung so gleichwerthig werden, dass sie sich in ihnen schwer oder auch gar nicht mehr differenziren, selbst die besten Kern- färbemittel machen in vielen dieser Gliazellen keine Spur eines Kernes mehr deutlich. So wurde ich dahin geführt, zwei Haupt- formen der Gliazellen aufzustellen, die Kernzellen und die kern- armen Zellen. Die extremsten Formen sehen ganz ausserordent- lich verschiedenartig aus, doch sind zwischen ihnen alle möglichen Uebergänge zu finden. Ausser dieser geformten und ungeformten Stützsubstanz kom- men im Centralnervensystem nur noch die nervösen Elemente und die Blutgefässe vor. Irgend welche andere Gewebe aber, wie solche häufig als an dem Bau des Gerüstes desselben theilnehmend beschrieben wurden, existiren nicht. Ebenso gleichartig wie im ganzen Centralnervensystem die Elemente der Stützsubstanz hinsichtlich ihrer feineren histologi- Die Stützsubstanz des Centralnervensystems. 225 schen und genetischen Verhältnisse sind, ist auch die Art und Weise, wie aus denselben das schützende und stützende Gerüst für die zarten nervösen Elemente ‚aufgebaut wird. Sie vor äusserem und innerem (durch das in den mit dehnbaren Wan- dungen versehenen Gefässen eirceulirende Blut) Druck zu schützen und sie, ob gross oder fein, alle derartig voneinander zu trennen und gegeneinander zu isoliren, dass sie nie und nir- sends sich berühren und den in ihnen dahin ziehenden Ner- venströmen eine absolut isolirte Bahn gewähren, ist ihre Haupt- aufgabe. So viele Unterschiede nun auch im Einzelnen im Aufbau dieses Gerüstes zu finden sind, das Prineip desselben ist stets das gleiche. Ueberall wird ein allgemeines Grundgerüst aufgeführt, das sowohl innen nach den Hohlräumen hin, wie aussen an der Oberfläche besonders stark ist und keine nervösen Elemente ent- hält. Zwischen dieser Ventrikelauskleidung und der ober- flächlichen Gliahülle ist ein Geflecht von Gliazellen ausgespannt, dessen Lücken die Nervenelemente enthalten: zum Theil allein (weisse Substanz), zum Theil zusammen mit der Grundsubstanz (graue Substanz). Die kleineren Nervenzellen und feineren Ner- venfasern sind einfach den Maschen dieses allgemeinen Stützge- rüstes eingelagert und theils durch die Zellen und Fasern desselben hinreichend eingehüllt und isolirt (z. B. die zarten kleinen Nerven- zellen der Körnerschichten des kleinen und grossen Gehirns); theils dient zu diesem Zweck die Grundsubstanz, welche in diesem Fall die Lücken des Gliageflechtes ausfüllt, und in welcher die feinen Nervenelemente, besonders die feineren Nervenfasern ohne Weiteres eingebettet sind. Die grösseren Nervenelemente sind alle von eigenen Scheiden umhüllt; eine jede stärkere Nervenfaser und jede grössere Nervenzelle liegt eingeschlossen in einem engeren oder weiteren, aus Gliazellen und deren Fortsätzen gewebten Ge- flecht. In der weissen Substanz bilden diese Scheiden zusammen das Hauptgerüst, indem sich die sie aufbauenden Elemente innig miteinander verbinden. In der grauen Substanz aber lässt sich ein Grund- oder Hauptgerüst von den eignen Scheiden der Nerven- elemente unterscheiden. Freilich hängen beide innig miteinander zusammen und gehen so vielfach ineinander über, dass es oft nicht möglich ist, sie zu unterscheiden. Alle Gliazellen, welche über- haupt in den Centralorganen vorkommen, nehmen an der Bil- dung dieser Geflechte Theil. Es giebt keine einzelne unver- Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 26. 15 226 Hans Gierke: bundene Elemente dieser Art; ja es giebt auch keine — ganz seltene Ausnahmen vielleicht abgerechnet — fortsatzlose runde Kerne oder Körner. Die als solehe beschriebenen Gebilde sind durch unvollkommene Präparationen hervorgebrachte Täuschun- gen. Andererseits sind die Geflechte innig miteinander verbun- den. Es giebt keine isolirten Glianetze, welche inselartig ab- geschlossen wären. Man kann gradezu sagen: Eine jede Glia- zelle ist mit jeder andern Gliazelle der Centralorgane ver- bunden. Die Stützsubstanz des Centralnervensystems hat noch eine weitere wichtige Aufgabe zu erfüllen. Sie bildet die Saftbahnen oder Lymphwege für die aus den Nervenelementen, besonders aus den Nervenzellen bei ihrer Thätigkeit so ungemein reichlich aus- geschiedene Lymphe. Sie betheiligtsich auch bei der Bildung der Sammelräume für diese abfliessende Flüssigkeit. Die Lymphlücken sind zum Theil einfache Hohlräume der Grundsubstanz, zum Theil werden ihre Wandungen von den Gliazellen selbst gebildet. Ihre An- fänge sind von den betreffenden nervösen Elementen und von der Stützsubstanz begrenzt. Die wichtigsten dieser Anfänge sind die peri- cellulären Räume. Diese Lymphwege, welche übrigens niemals Endothelauskleidung besitzen, münden zuletzt in den perivas- culären Räume oder direct in den oberflächlichen Sammelraum zwischen Gliahülle und pia mater. In den letzteren münden auch die perivasculären Räume. Sie sowohl wie der oberflächliche haben einerseits die Substanz des Centralnervensystems oder Glia- anhäufungen andererseits eine Endothelmembran als Wandungen. Ein perivasculärer Raum zwischen dieser Membran und der Ge- fässwandung existirt nirgends. Auf die vielen wichtigen Einzel- heiten in der Einrichtung dieser Sammelräume gehe ich nicht noch einmal ein. Besonders interessant ist die Anordnung der Glia- elemente in ihnen. Ein bisher nicht bekannt gewordener mäch- tiger Zusammenfluss der Lymphräume des Rückenmarkes und der medulla oblongata findet in dem „dreieckigen Raum“ Statt, welcher sich zur Seite und hinter (beim Menschen) dem vierten Ventrikel an der Anheftungsstelle der Pia befindet. Eine eigen- thümliche Rolle hierbei kommt der Kuppe der ala einerea zu, welche durchaus nicht Vaguskern ist. Die vielen Einzelheiten, welche ich den bisherigen Ansichten gegenüber als neu bezeichnen darf, wie z. B. die Angaben hinsicht- lich der subtantia gelatinosa Rolandi, der Hirnrinden, des bulbus olfaetorius u. s. w., will ich nicht noch einmal hervorheben. Die Stützsubstanz des Centralnervensystems. 227 Erklärung der Abbildungen auf Tafel VI. Fig. 17. Querschnitt des verlängerten Markes vom Schaf, dicht vor der Oeff- nung des Centralcanals in den 4. Ventrikel. R Raphe. Vıvy 4. Ven- trikel (calamus scriptorius-Theil). P Pia mater mit Pl Plexus cho- chorideus. a Stelle, an der sich die Pia in den Plexus umschlägt und in der Substanz des Markes besonders befestigt ist. (Dreieckiger Lymphraum.) Ac Ala cinerea. b Epithel und Gliaauskleidung des 4. Ventrikels. Gl Gliahülle. Lupenvergrösserung. Genau 4 x. Fig. 17a. Ala cinerea (die Parthie zwischen 1 und 1 in Fig. 17). P Pia mater. a Vergrösserter perimedullärer Lymphraum an der Stelle, wo die Pia sich durch Fortsätze an dem Mark festheftet. P, Binde- gewebige Fortsätze der Pia. b Eine Mündung der Lymphräume der ala cinerea in den Ventrikel. c Querschnitt’eines aus Neuroglia und Gefässen bestehenden Balkens in Mitten eines Lymphraumes. d Epithel des Ventrikels. I/c. Zeiss. 110 x. Fig. 17b. Die mittlere Partie der Ventrikelauskleidung der Fig. 17, der Gegend zwischen 2 u. 2 entsprechend. R Raphe. a Epithel. b Glia- auskleidung des Ventrikels, sich in die Raphe fortsetzend. d Ner- venzellen des Vagus-Kernes. e Aeusserste (oberste) Nervenfasern der weissen Substanz im Querschnitt. c Querschnitte von Blut- gefässen. I/c. Zeiss 110 x. Fig. 18. Querschnitt der äusseren Partie der grauen Hirnrinde vom Igel (Erinaceus europaeus). Etwas schematisch gehalten; besonders sind die Gliageflechte viel zu regelmässig. Die Diekenverhältnisse der einzelnen Schichten sind genau der Natur entsprechend. P Pia mater. a Epicerebraler Lymphraum. 1. Gliahülle. 2. Aeussere Gliaschichte der Hirnrinde, ohne Nervenelemente. 3. Schicht der feinsten Nervenfibrillen-Geflechte, ohne Nervenzellen, 2 und 3 bilden die „Zellarme Schicht“ der Autoren. 4. Aeusserste Partie der äusseren Nervenzellenschicht. Die kleinen stark geschrumpften Ner- venzellen stellen sich als rundlich ovale Körper dar. b Blutgefässe von dem perivasculären Lymphraum umgeben. c Stärkere, kernlose Gliazellen mit gewaltigen Ausläufern, von denen einer sich mit einer Zelle der Gliahülle, ein anderer mit einer ähnlichen kernlosen Zelle verbindet. Il/6 Hartn. 180 x. Fig. 18a. Stück der Oberfläche der Grosshirnrinde ohne Pia mater (Igel). 1. Gliahülle, welche hier von sehr schönen, regelmässigen Pyrami- denzellen gebildet wird. Dieselben sind meistens kernlos. Die bor- stenartigen Zellfortsätze bei d sind von der Endothelbekleidung der 228 Hans Gierke: Die Stützsubstanz des Centralnervensystems. Fig. 19. Fig. 19a. Fig. 20. Fig. 21. Fig. 23. Pia abgerissen, die Fortsätze ee verbinden sich mit weiter innen gelegenen Gliazellen. Die folgende Schichte 2 ist nur angedeutet. k Capillaren. II/8 Hartn. 300 x. Randpartie der Oberfläche des grossen Gehirns vom Menschen im Querschnitt. P Pia mater mit dem Endothel a und den von ihr ausgehenden Gefässen bb. c Epicerebraler Raum, durchzogen von den Fortsätzen der Gliahülle 1. 2. Aeusserste Lage der Gehirn- substanz ohne Nervenelemente. d Perivasculärer Raum. e Beson- ders starke Wandung desselben aus Gliazellen, die nur hier an der Mündung in den epicerebralen 'Raum angelegt ist. I/ Homogene Immers. 1/g. Zeiss 260 X. Kleine Partie aus dem Querschnitt der äussersten Lage der Gross- hirnrinde des Schafes bei sehr starker Vergrösserung. Gliazellen und Grundsubstanz. Die ersteren zeigen die verschiedenen Stadien des Kernschwundes. I/ Homogene Immers. 1/; Zeiss. 605 x. Eine Partie der Stützsubstanz im Ammonshorn des Igels AA Körnerschichten, in denen die Nervenzellen, welche im Präparat etwas geschrumpft waren, fortgelassen sind. B weisse Substanz. 1l/6 Hartn. 180 x. Aus der Stützsubstanz des kleinen Gehirns. Alle nervösen Elemente sind fortgelassen und nur das Netzwerk der Gliaelemente gezeichnet. a Innerste, den Purkinje’schen Zellen am nächsten gelegene Partie der sogenannten „moleculären Schicht“. b 5 Durchschnitte durch korbartige Geflechte, welche ebenso viele Purkinje’sche Zellen um- schlossen. ce Neurogliageflecht der Körnerschicht. Die Lücken waren durch zarte Nervenzellen und Nervenfasern ausgefüllt. d Blutge- fässe. 11/6 Hartn. 180 x. . Stützsubstanz der Glomeruli des bulbus olfactorius des Igels und ihrer nächsten Umgebung. aaa Ein ganzer Glomerulus und zwei Bruchstücke von solchen. Das Gliageflecht lag in dem Präparat in mehreren Schichten übereinander. Die Nervenzellen, welche die Lücken des Netzes hauptsächlich ausfüllten, waren sehr stark ge- schrumpft und zum grössten Theil herausgefallen, die zurückgeblie- benen bilden die rundlichen Körper. ce ce Bündel von Olfactorius- fasern, welche in die Glomeruli hineinlaufen, um in ihnen zu enden. Um die Glomeruli herum liegt ein durch grössere Elemente gebil- detes und mit weiteren Maschen versehenes Glianetz b. Die Blut- gefässe, welche in ihm reichlich vorkommen, wurden fortgelassen, die sehr geschrumpften Nervenzellen waren ausgefallen oder bilden die runden Körper. II/7 Hartn. 240 x. Durchschnitt durch eine Hirnarterie (aus der grauen Snbstanz) des [gels, mit dem umgebenden Lymphraum (perivasculärer Raum). 11/8 Hartn. 300 x. Johannes Frenzel: Einiges über den Mitteldarm der Insekten etc. 229 (Aus dem zoologischen Institut in Berlin.) Einiges über den Mitteldarm der Insekten sowie über Epithelregeneration. Von Johannes Frenzel. Hierzu Tafel VII, VIII und IX. Anknüpfend an die Schlussworte einer kleinen Untersuchung, welche ich vor einigen Monaten über einen ähnlichen Gegenstand in diesem Archiv!) mitgetheilt habe, glaube ich schon jetzt die hauptsächlichsten Ergebnisse einer soeben erst vorläufig beendeten anderen Untersuchung veröffentlichen zu müssen. Einerseits fühle ich mich verpflichtet, der dort aufgestellten Behauptung einer direkten Kerntheilung in Epithelzellen weitere Beweise als Stütze hinzuzufügen; andererseits aber sehe ich den eigentlichen Abschluss dieser Arbeiten, die ich aus mehrfachen äusseren Gründen jetzt habe abbrechen müssen, in eine so weite Ferne gerückt, dass ein längeres Zögern zwecklos erscheinen würde, um so mehr noch, als manche in neuerer Zeit verfochtene Ansicht über die Regeneration von Epithelzellen eine baldige Antwort erheischt. Beide Themata, welche hier zur Besprechung kommen sollen, haben eigentlich nur ein äusserliches, loses Verknüpfungsband und stehen nicht gerade in unmittelbarer Beziehung zueinander. Der Mitteldarm der Insekten ist aber so sehr dazu geeignet, mehr Licht in die Frage der Kern- und Zelltheilung fallen zu lassen, dass ich ihn nicht unberücksichtigt lassen durfte. Unsere fast noch völlige Unkenntniss seines Baues und seiner specielleren Thätigkeit 1) Ueber den Darmkanal der Crustaceen nebst Bemerkungen zur Epi- thelregeneration. Dieses Archiv Bd. 25 p. 137 ff. 230 Johannes Frenzel: verlangte jedoch nothgedrungen eine vorangehende Klarlegung dieser beiden Punkte, um jene Aufgabe ihrem Ziele näher zu bringen, und somit sei der Titel und der Inhalt der nachfolgenden Zeilen gerechtfertigt! Geschichtliches. Es kann hier nicht der Ort sein, alle diejenigen Schriften namhaft zu machen, welche den Darmkanal der Insekten als besonderen Untersuchungsgegenstand behandeln oder ihn nur von einem anderen Gesichtspunkte aus berühren. Schon bei anderer Gelegenheit!) ist der hauptsächlichste Theil der älteren Literatur zusammengestellt worden, und die Zahl der neueren Untersuchungen, welche uns angehen, ist nur eine geringe. Den älteren sind als solche von grosser Bedeutung noch diejenigen Aug. Weismann’s?) hinzuzufügen. Von neueren sind zu nennen: die durch ihre Sorgfalt sich auszeichnende Abhandlung von Paulus Schiemenz°), welcher nachweist, dass der Futtersaft der Bienen nicht aus dem Darmkanal herrührt, und welcher zugleich eine anatomische und histologische Darstelluug des letzteren voran- schickt, die von grosser Klarheit ist, wenngleich sie in mehreren Punkten von der hier nachfolgenden nicht unerheblich abweicht. Die zwar in neuerer Zeit entstandenen, aber bereits a. a. O. eitir- ten Publicationen Graber’s, Simroth’s, wie auch die Th. W. van Lidth de Jeude’s®) mögen hier vorläufig ausser Acht blei- ben, während diejenigen Fr. Leydig’s schon deshalb angeführt werden müssen, weil eine Richtigstellung der in ihnen enthaltenen Irrthimer kaum zu umgehen ist. So schwer es mir wird, so muss ich doch dem Altmeister der vergleichenden Gewebelehre, dessen Schriften ich so viel Anregung und Belehrung verdanke, mehr als 1) Ueber Bau und Thätigkeit des Verdauungskanals der Larve des Te- nebrio molitor etc. Berliner entomolog. Zeitschrift 1882. Bd. 26. 2) a) Die nachembryologische Entwickelung der Musciden ete. Zeitschr. f. wissenschaftl. Zoologie XIV. 1864. p. 187 ff. — b) Die Metamorphose der Corethra plumicornis. — Ebenda XVI. 1866. p. 45. 3) Ueber das Herkommen des Futtersaftes und die Speicheldrüsen der Biene etc. Zeitschr. f. wissenschaftl. Zoologie XXXVII 1883. p. 71 ff. 4) De Spysverteringsorganen der phytephagen Lamellicornierlarven. Utrecht 1882. Einiges über den Mitteldarm der Insekten sowie über Epithelregeneration. 231 einmal entgegentreten, wie ich ihm auch den schon von anderer Seite erhobenen Vorwurf entgegenhalten muss, dass ihn die Verachtung der heute gebräuchlichen Methoden grösstentheils zu seinen Irr- thümern verleitet. Dagegen ist es Leydig’s unbestreitbares Ver- dienst, dass er andererseits treu den alten Untersuchungsmitteln, so weit sie noch brauchbar sind, anähngt, was sich leider nicht von jedem modernen Histologen behaupten lässt. Seit der Entdeekung der Zelle als morphologische Grundlage alles Lebenden ist vielleicht keine andere Entdeekung von so weit- tragender Bedeutung in der Biologie geworden, als diejenige der Zellvermehrung vermittels der Karyolyse. Durch die klassischen Arbeiten W. Flemming’s ist sie in der gesammten thierischen Zelllehre zur interessantesten Tlagesfrage erhoben, gefördert durch eine Reihe namhafter Autoren, wie Retzius, Carl Rabl u. s. w. Bald wurden ‘hier zwei verschiedene Wege verfolgt, indem die einen, unter denen wieder W. Flemming voransteht, diejenigen Orte festzustellen suchten, an denen diese Erscheinung Platz hat, während Andere, von denen neben Flemming unter Anderen be- sonders C. Rabl zu nennen ist, in die feinsten Einzelheiten des karyolytischen Vorgangs einzudringen verstanden. — Es hat nicht an Gegnern dieser Lehre gefehlt, namentlich was ihre zwar nicht von Allen behauptete, in erster Reihe aber von W.Flemming!) selbst vermuthete Allgemeinheit betrifft. Ueber dieses vorsichtig ge- steckte Ziel ist W. Pfitzner?) sogar gewaltig weit hinausge- schossen, indem er jene Kerntheilung als die einzig und allein vorkommende ansieht und jede andere ausge- schlossen haben will. — In Folgendem soll gezeigt werden, wie irrig diese Meinung ist, und wie die direkte, auch von An- deren, wie Nussbaum?) und F. Bloehmann*) beobachtete Kern- 1) Von Flemming’s neueren diesbezüglichen Arbeiten seien nur ge- nannt: a) „Zellsubstanz, Kern und Zelltheilung‘“. Leipzig 1882. — b) Stu- dien über Regeneration der Gewebe. Dieses Arch. XXIV. p. 50 ff. 2) Zur morphologischen Bedeutung des Zellkerns. Morpholog. Jahr- buch. XI. 1. Heft. 1885. p. 54 ff. 3) Sitzung der Niederrheinisch. Gesellschaft für Natur- und Heikunde. Bonn 1882. S. auch Lavdowsky, Virchow’s Archiv Bd. 96. p. 60. 4) Ueber directe Kerntheilung in der Embryonalhülle der Scorpione, Morphologisch. Jahrbuch. 1885. Bd. X p. 480 ff. 232 Johannes Frenzel: theilung nicht nur thatsächlich besteht, sondern auch von grösserer Verbreitung ist, als man vermuthen sollte, und als ihr wohl selbst W. Flemming zugestehen möchte. Methoden der Untersuchung. Mit der Zweitheiligkeit der uns vorliegenden Aufgabe geht auch eine Verschiedenartigkeit der in Anwendung gekommenen Methoden Hand und Hand, indem die Feststellung des Theilungs- modus die Untersuchung der gehärteten Objecte erforderte, wäh- rend im Uebrigen zum grössten Theil das frische, möglichst intakte Gewebe unmittelbar unter das Mikroskop kam. Hier wie dort be- nutzte ich theils die gebräuchlichen Hilfsmittel, theils verfuhr ich in schon a. a. OÖ. mitgetheilter Weise. — Nur über die Härtung der Gewebsstücke ist noch einiges zu sagen. Mit Chromsäure und deren gewöhnlichen Mischungen habe ich bei Arthropoden nie viel Glück gehabt, abgesehen von der durch Perenyi empfohlenen Flüssigkeit. Doch für den Darmkanal der Insekten erwies auch diese sich als unzweckmässig, so dass ich schliesslich nach verschie- denen Versuchen mit Pierinsäure u. s. w. bei einem Gemisch von alkoholischer Sublimatlösung und Salpetersäure stehen blieb, welches in fast allen Fällen befriedigende, in einigen sogar vorzügliche Resultate lieferte. Die Stärke des Alkohols und der Gehalt der Lösung an Sublimat scheint von keinem wesent- lichen Einfluss zu sein. Mir genügte SOprocentiger Alkohol, mit Sublimat halb gesättigt. Auch beim Zusatz der Säure ist keine allzugrosse Vorsicht nöthig, da ein Tropfen zu viel oder zu wenig nicht schadet. Man nehme etwa auf jeden oder auf je zwei Cubik- centimeter obiger Lösung einen Tropfen cone. Salpetersäure. Dass Sublimat und Alkohol beide für sich gute Conservirungsmittel sind, ist bekannt; und da auch verdünnte Salpetersäure flüssiges Ei- weiss koagulirt, so unterstützt sie erstens jene beiden Medien, be- fördert ferner ein schnelles Eindringen derselben und drittens ver- hindert sie das Zustandekommen von in Wasser u. s. w. unlöslichen Quecksilberverbindungen, wie solche sehr leicht bei Gegenwart von Alkalien (z. B. Ammoniak) im Gewebe sich niederschlagen, feinere Elemente durch ihre Grösse zerreissen und überhaupt das Bild verschlechtern. Je saurer die Lösung und je kleiner das Einiges über den Mitteldarm der Insekten sowie über Epithelregeneration. 233 Gewebsstück, um so kürzere Zeit lässt man es in der Flüssigkeit; für etwa erbsengrosse Stücke reichen 5 bis 10 Minuten hin, worauf ein nachträgliches Härten in Sublimatalkohol recht vortheilhaft ist. Das Auswaschen geschieht in etwa 90 %, Alkohol, in welchem das Gewebe schliesslich belassen wird. Gegenstand der Untersuchung. Wie bekannt, ist die Zahl der Genera und Species, in welche die Classe der Insekten zerfällt, eine ausserordentlich grosse. Es muss daher die Auswahl, welche für vorliegenden Zweck unter ihnen getroffen ist, als eine recht winzige erscheinen. Da es sich aber vor der Hand nur darum handelte, eine vorläufige Uebersicht über die Eigenschaften ihres mittleren Darmabschnittes zu gewinnen, so begnügte ich mich mit etwa 60 verschiedenen Arten, und da das Untersuchungsmaterial nicht immer nach Wunsch zu erreichen war, so kommt es, dass manche derselben viel weniger eingehend be- rücksichtigt wurden, als es wohl angemessen erschien. Andere zeigten wieder eine solche Vielgestaltigkeit, und eine solche Menge interessanter Erscheinungen, dass sie dadurch die Aufmerksamkeit von denen abzuziehen im Stande waren, bei welchen eine gewisse Eintönigkeit vorherrschte. So schob sich vor Allem das Raupen- und Verpuppungsstadium der Schmetterlinge in den Vordergrund, während die Laufkäfer z. B. nur wenig Bemerkenswerthes darboten. Dennoch aber ist keine der sechs Insektenordnungen ganz un- berücksichtigt geblieben, von den Käfern und Schmetterlingen auch keine der Hauptunterordnungen und Familien. Im Nach- folgenden sollen nur die hier genannten eingehender betrachtet werden: l Coleopteren: Carabus glabratus, Calosoma sycophanta, Dytiseus marginalis, Acilius suleatusf, Hydrophilus 'piceusf, Dermestes lardariusf, Melolontha vulgaris, Ce- tonia marmorata, Tenebrio molitorf, Coceinella speec., Larve und Imago. Lepidopteren: Pieris hrassicae, Larve und Imago, Janira spec., Melithaea Athalia, Zygaena spec., Hibernia defoliariaf, Mamestra brassicae, Dianthoeeia capsincola, Tortrix viridana Lve., Ephestia Kühniellaf Lve, Leucoma salicis Lve., 234 Johannes Frenzel: Porthesia chrysorrhoeaf, Lve.,, Ppe. und Imago, Bombyx neustriaf Lve. und Ppe., B. (Oeneria) dispar Lve. und Ppe., Arctia caja Lve, Sphinx Euphorbiae Lve. Hymenopteren: Apis mellifieay Lve., Ppe. und Ar- beiter; mehrere Species von Bombusf, Vespa vulgaris Ppe., Tenthredo salieis Lve., Cimbex spec.f Lve. Von Dipteren, Orthopteren, Neuropteren und He- mipteren: Tachina spec. Lve. (in der Bärenraupe schma- rotzend), Blatta orientalisf, Gryllotalpa campestris, No- tonecta glaucaj, Naucoris cimicoides und Hydrometra spec. — Wo nichts Besonderes bemerkt worden, ist nur das Imago- stadium bezeichnet, die im Druck Hervorgehobenen sind ausführ- licher behandelt, und die mit einem Kreuz (f) versehenen sind mit einer Abbildung auf die Tateln gesetzt. Topographisches. Haben zwar schon ältere Anatomen, wie Cuvier, Dufour ete. die äussere Gestaltung des Darmtraktus der Insekten und die Lage der einzelnen Darmtheile zu einander festgestellt, so hat doch erst in späterer Zeit eine präeise Eintheilung des ganzen Traktus in die drei Hauptabschnitte eines Vorder-, Mittel- und- Enddarms stattgefunden, wie bereits an anderer Stelle!) dargelegt worden ist. Ein Vorderdarm ist allen Insekten eigen, welche Nah- rung durch den Mund aufnehmen, da er dem Hauptzwecke dient, diese Nahrung in die verdauende und in die resorbirende Höhle zu befördern. Daneben kann er dann auch noch andere Thätig- keiten ausüben, wozu er durch eine verschiedenartige anatomische Gestaltung befähigt wird. So bildet er oft Aussackungen, in denen eine Art von Vorverdauung Platz greift, oder er wird durch starke Chitinbewaffnung dafür geeignet, feste Stoffe zu zerkleinern oder wohl auch vom zarthäutigen hinteren Darmabschnitt abzuhalten. Dieser nächstfolgende Abschnitt, der ganz allgemein einer Chitin- intima entbehrt, ist drüsiger Natur und hat die Aufgabe, die zur Verdauung nöthigen Sekrete zu liefern. Noch einer zweiten, eben so wichtigen Funktion, nämlich der Resorption, soll er nach der 1) Ueber Bau und Thätigkeit der Larve des Tenebrio molitor ete. 1. c. Einiges über den Mitteldarm der Insekten sowie über Epithelregeneration. 235 Meinung Vieler!) dienen. Allein im Folgenden wird sich zeigen, dass so viel gegen diese Annahme spricht, welche mir bisher auch als eine nicht unwahrscheinliche gegolten hatte, dass sie kaum noch von allgemeiner Gültigkeit bleiben kann. In fast allen mir bekannt gewordenen Fällen ist zwar der Mitteldarm von bedeu- tender Länge und Ausdehnung; jedoch macht Gryllotalpa hiervon eine ganz merkwürdige und gegen die Resorptionstheorie sprechende Ausnahme, da bier ein Mitteldarm als solcher überhaupt kaum vorhanden ist, sondern nur in der Form von 2 paarigen, nicht allzugrossen Säcken besteht, welche sich seitlich am Ende des Vorderdarms ausstülpen, worauf sich sofort der chitinöse End- darm ansetzt, der von ausserordentlicher Länge und Diekenent- wieklung ist. Ueber dieses merkwürdige Verhalten geben zunächst Sehnittbilder Aufschluss. Behandelt man ferner noch zur Sicher- heit den ganzen Darmtraktus mit Kalilauge, so sieht man, wie binnen Kurzem die beiden seitlichen Säckehen verschwinden, wäh- rend der ganze Schlauch in seinem Zusammenhang bestehen bleibt, also innen vollständig chitinös ist. Beim Zerren reisst er höchstens an der Uebergangsstelle von Vorder- und Enddarm auseinander. Der Darm besteht bei Gryllotalpa demnach aus fol- genden Theilen: 1) Vorderdarm, welcher als dünne Speiseröhre beginnend sich zuerst zu einer unpaarigen sackartigen Ausstülpung erweitert. Von hier aus setzt er sich als dünner Schlauch bis zu dem sogenannten Kaumagen fort, welcher mit Hartgebilden aus- gerüstet von besonderem Umfang ist. 2) Dicht an seinem kurzen Endtheil heften sich links und rechts die beiden Säckchen des Mitteldarms an, und nach hinten zu ist noch ein winziger gefie- derter Anhang bemerklich, der gleichfalls diesem Darmabschnitt angehört, der aber wegen seiner so geringen Grössenentwicklung bei der Resorptionsfrage nicht in Betracht kommen kann. 3) An der breiten Ansatzstelle jener beiden Säckchen beginnt nun sofort der Enddarm als gradlinige Fortsetzung des Traktus sich nach hinten zu beträchtlich erweiternd, welcher Theil fälschlich als „Chylus- magen“ angesehen worden ist. Wenn er gefüllt ist, so stellt er wohl in Länge und Dicke den hervorragendsten Theil des ganzen Darm- kanals dar, während sein vorderer Theil, der mit einer kleinern 1) Vergl. Paulus Schiemenz |. c., welcher diese Meinung mit Rud. Leuckart theilt. 236 Johannes Frenzel: Anschwellung beginnt, viel schmächtiger ist. Dies gilt auch von dem eigentlichen Endtheil des Darmes, welcher an der Einmün- dung der Malpighi’schen Gefässe seinen Ursprung nehmend, als dünner Schlauch zum After zieht. Die Malpighi’schen Gefässe münden also nicht am Anfang, sondern etwa in der Mitte des End- darmes ein. Sieht man von der grösseren Complieirtheit der einzelnen Darmabschnitte ab, so kann man erkennen, dass der Darmkanal der Gryllotalpa mit dem der Decapoden eine ungemein grosse Aehn- lichkeit hat, da auch bei diesen (mit Ausnahme der Paguriden) der Mitteldarm nur als kurzes Verbindungsstück zwischen dem vorderen und hinteren Abschnitt besteht, wie bei früherer Gelegenheit!) dargelegt worden. Bei Gryllotalpa sowohl wie bei den Decapoden findet sieh ferner ein Paar seitlicher Ausstülpungen, welche bei letzteren freilich, als sog. Leber, von viel grösserem Rauminbhalt sind. Wie bei Gryllotalpa, so ist auch bei vielen anderen Insekten der dritte Darmabsehnitt, der Enddarm, sehr kräftig entwickelt. Er ist in der Regel dünn, lang und in eine Schleife gelegt, so dass er bei geringem Rauminhalt eine grosse Oberfläche besitzt. Bei vielen Insekten ist diese. Entwicklung jedoch eine geringe und tritt namentlich gegen die des Mitteldarms sehr in den Hintergrund. Man hat daher diese Momente ins Auge fassend dem letzten Darm- abschnitt nur die sehr untergeordnete Funktion zuerkennen wollen, die ausgenutzten Speisereste und die Excrete (Malpigh. Gefässe) aus dem Körper herauszuleiten. Und da man den Bienenlarven z. B. einen ausleitenden Enddarm ganz abspricht, so meinte man, derselbe könnte keinesfalls bei der Resorption der verdauten Nah- rung irgend eine Rolle spielen. Wiewohl in Nachfolgenden vom anatomischen Gesichtspunkt aus nur der Mitteldarm behandelt werden soll, so werden wir doch im Stande sein können, auch zu obiger Frage eine bestimmtere Stellung einzunehmen. Am einfachsten ist der Mitteldarm, um uns nun diesem im besonderen zuzuwenden, in seiner äusseren Gestaltung bei den Larven der Insekten mit vollkommener Verwandluug, so bei den Sehmetterlingsraupen, vielen Käferlarven (Mehlwurm), den Fliegen-, Bienen- und Wespenlarven. Er stellt hier einen ein- 1) 1. c dies. Arch XXV p. 144. Einiges über den Mitteldarm der Insekten sowie über Epithelregeneration. 237 fachen eylindrischen grade verlaufenden Schlauch von grosser Länge und beträchtlichem Durchmesser dar, so dass man ihn als das umfangreichste Organ der Larve bezeichnen kann, die als da; eigentliche Fress- und Nährthier des späteren Insektes anzusehen ist. Aehnlich ist er auch noch bei der Cimbexlarve gebaut; nur ist er hier mit regelmässig vertheilten kleinen kugelartigen Aus- sackungen besetzt, wie sich solche auch bei manchen Käfern, z. B. Hydrophilus und in gewissem Sinne auch bei Melolontha und Geotrupes finden. Bei diesen, ferner auch bei den anderen Käfern und bei der Mehrzahl der übrigen Insekten jedoch ist sein Aeusseres insofern ein ganz anderes, als er im Verhältniss zu seinem Durch- messer um ein Mehrfaches länger ist, dabei ist er, wie bei den Carabiden oft schlingenförmig aufgewickelt und in mancherlei Weise differenzirt. Ein ganz dünner einfacher Schlauch ohne Aus- stülpungen stellt bei den Schmetterlingen den Mitteldarm vor, und ähnlich erscheint er auch bei den Bienen, Wespen und Hummeln, wo er jedoch eine solche Länge hat, dass er zusam- mengeschlungen ist, um im Abdomen Platz zu haben. Auch bei Blatta ist er noch verhältnissmässig einfach, besitzt aber an seinem vorderen Ende mehrere längere fingerförmige Anhangsschläuche, und schliesslich sind ähnliche Anhänge, jedoch in grösserer Zahl und über einen grossen Theil des Mitteldarms oder über seine ganze Ausdehnung ausgebreitetet vielen Coleopteren eigen, wie etwa den Dytisciden und den Carabiden, bei welchen sie dicht- gedrängt in radiärer Anordnung von der ganzen Breite des Mittel- darmes ausstrahlen. Mit dieser Gestaltung der äusseren Oberfläche stimmt je- doch diejenige der inneren!) durchaus nicht immer überein, wie sich im folgenden Abschnitt ergeben wird. Der histologische Bau des Mitteldarms. Es ist hier nicht der Ort, auf die verschiedenen Gewebe, welche den Mitteldarm der Insekten zusammensetzen, im Einzelnen einzugehen. Vielmehr soll hier nur ihre Formation und ihre Lage 1) Da der Darmkanal hier als einheitliches Organ ohne Rücksicht auf andere Organsysteme und auf seine Entwicklung betraehtet wird, so sei als innere Oberfläche die seinem Lumen zugekehrte, die andere jedoch als äussere bezeichnet. | 338 Johannes Frenzel: zu einander eine kurze Besprechung erfahren, theils um Wieder- holungen von schon an anderer Stelle Mitgetheiltem zu ersparen, (efr. Darmkanal der Crustaceen), theils um schneller zu dem Haupt- sewebe, zum Epithel, übergehen zu können. Dieses bildet die innerste Lage; es folgt dann nach aussen mehr oder weniger kräftiges Bindegewebe und schliesslich als letzte Schicht die Ring- und Längsmuskulatur, über welche sich aber häufig noch ein dem ersteren ähnliches Bindegewebe zieht. Das Epithel zeigt in seiner Anordnung eine verschiedenartige Gestaltung. Er ist im einfachsten Falle von gleichmässiger Höhe ohne Wulst- oder Zottenbildung, so im Larven- und frühen Pup- penstadium der Bienen (Fig. 24, 25), Wespen und Verwandten, was mit der äusseren Gestaltung des Darmes wohl übereinstimmt. Die Zellen sind hier meist von beträchtlicher Grösse und annähernd kubischer Form. Aehnliche Verhältnisse walten ferner auch bei den Schmetterlingsraupen ob: auch hier ist, die innere wie die äussere Oberfläche des Darmes meist glatt (Fig. 13). Doch kann die erstere sehon etwas wellig werden, wenngleich bestimmt geformte Zotten oder dergl. noch nieht vorhanden sind. Von den Cimbexlarven kann ferner dasselbe Gesetz gelten, dass die Be- erenzungsflächen des Epithels denen des Gesammtdarmes parallel hinziehen (Fig. 17). Es geht also das Epithel des Darmrohres selbst in das der obengenannten Aussackungen in annähernd der- selben Höhe kontinuirlich über, eine Erscheinung, welche auch oft da statthat, wo die Aussackungen mehr die Form von längeren Zotten annehmen, wie etwa bei den Dytisciden. Doch kann bei diesen und auch bei Hydrophilus (Fig. 26), Melolontha, Geotrupes ete. das Darmrohrepithel selbst in ähnlicher Weise wellig oder gar zottig erscheinen wie bei den Raupen. Dort, wo keine äusseren Aussackungen längs des Darmrohres ausgehen, kann wie gesagt das Epithel von gleichmässiger Höhe sein. Oft ist es aber trotz der einfachen äusseren Gestaltung des Darmes so angeordnet, dass eine reichliche und regelmässig angeordnete innere Zotten- oder Wulstbildung auftritt, die erstere bei der Biene und der Schabe, die letztere bei den Schmet- terlingen. Beide Formationen sind aber, so ähnlich sie auf den ersten Bliek hin in den Schnittbildern aussehen mögen, grundver- schieden, wie sich später zeigen wird. Der Querschnitt durch den Schmetterlingsdarm (Janira) ähnelt sehr dem durch den Krebsdarm Einiges über den Mitteldarm der Insekten sowie über Epithelregeneration. 239 gelegten, so dass ich auf letzteren) verweisen kann. Nur sind die Zotten beim Schmetterling höher, massiger und daher auch weniger zahlreich als beim Flusskrebs. — Die nächste, das Epithel aussen überziehende Gewebsschicht ist bindegewebiger Natur, von zweierlei Form und wechselnd in ihrer Ausbildung. Nicht selten ist sie so zart, dass man sie kaum zu erkennen vermöchte, und sie mag wohl hier und da ganz feh- len, wie z. B. im Raupendarm (Fig. 18). Sonst ist sie, grade so wie im Mitteldarm der Decapoden, entweder als kräftige, stark- lichtbreehende, geschlossene Membran vorhanden, an der eine zellige Struktur nicht zu erkennen ist, z. B. beim Mehlwurm?) und den Bienenlarven (Fig. 24). Oder das Bindegewebe ist faserig- maschiger Natur, in welchem Falle es demjenigen an die Seite zu stellen ist, welehes in den Enddarmwülsten der Decapoden?) und an anderen ‚Orten vorzukommen pflegt. — Während die obenge- nannte Membran recht wohl die Benennung als tunica propria ver- dient, so weiss ich nicht, ob dieses lockere Bindegewebe gleich- falls als eine solehe anzusprechen ist, und man kann vor der Hand nur sagen, dass es ihre Stelle einnimmt und dieselbe vertritt, da ich beide Gewebsformen zwischen Epithel und Muskulatur bisher niemals zusammen angetroffen habe. Bei den Decapoden kommen sie ja auch nur dann enge aneinandergelagert vor, wenn die eigent- lich dazwischen gehörige Museularis nicht vorhanden ist, wie an den dorsalen Ausstülpungen des Mitteldarmes*). Mir scheint so- gar, als wenn hier bei den Insekten die eine Bindegewebsform die andere völlig ausschliesst; wenigstens habe ich dort, wo eine geschlossene tunica propria vorhanden ist, kein lockeres Bindegewebe als Ueberzug der Muscularis gefunden. Das lockere Bindegewebe lässt zellige Elemente nicht mehr erkennen, sondern es besteht nur noch aus einem Netzwerk von Faserbündeln, in welches dieKerne eingelagert sind (Fig. 19, 22, 26). Die Fasern sind lockig und ähneln völlig denen im Krebsdarm ; die Kerne haben jedoch eine etwas andere Beschaffen- 1) 1. c. dieses Archiv XXV, Taf. VIII, Fig. 12; Taf. IX, Fig. 14 und 30. 2) l. ce. Berl. entom. Zeitschr., Holzschnitt Fig. I und I. 3) l. c. dieses Archiv XXV, Taf. VIII, Fig. 1, 8, 10 und 11; sowie p2 157 11. 4) ebenda Taf. VII, Fig. 12; IX, Fig. 30. 240 Johannes Frenzel: heit. In ihrer Form eine Kugel anstrebend erscheinen sie bläschen- artig mit sehr feiner Membran. Von Hämatoxylin oder Carmin werden sie durchaus nicht gefärbt. Jedoch enthalten sie stets, wenn die gehärteten Präparate nicht etwa ein Kunstprodukt liefern, einige wenige, etwa 2, 3 oder 4, grosse, völlig kugelige, sich sehr scharf tingirende Körperchen, zwischen die sich ein weitmaschiges feinfädiges und beim Färben blassbleibendes Netz ausspannt (Fig. 22, 26). Es möge dahingestellt bleiben, ob diese Körperchen als speeifische Nucleolen oder als Knoten des Netzes zu deuten sind; doch glaube ich, dass das erstere viel wahrscheinlicher ist, erstens weil sie als Knotenpunkte nicht von solcher Grösse sein könnten, zweitens weil sie einen sehr scharfen Kontur haben, und daher wohl nicht gut als zusammengeflossene chromatophile Sub- stanz anzusehen sind, und drittens weil sie auch bei verschieden- artiger Härtungsmethode doch stets dieselbe Form haben und so- mit präformirt erscheinen. Nicht selten begegnet man übrigens unter diesen Kernen kleineren, von denen je zwei dicht aneinander gelagert sind (Fig. 26), und jeder von diesem Paar enthält nur je einen solchen nucleolenartigen Körper. Es ist mir nicht unwahrscheinlich, dass hier eine direkte Theilung eines Bindegewebskernes in zwei gleiche Hälften stattgefunden hat, von denen jeder einen solehen Nucleolus bei der Theilung erhalten hat. Wenn sich das Bindegewebe als eine echte tuniea pro- pria darbietet (Mehlwurm), so verdient es in vollem Maasse die Bezeichnung als „basement membran*“, als welche es nur zur Stütze für die Epithelzellen zu dienen scheint. — In seiner faserig-maschi- gen Form jedoch hat es mehr den Zweck, als Ausfüllung der Räume zu dienen, welche sich zwischen dem Epithel und der Muskulatur oder zwischen den einzelnen Zotten des Epithels hin- ziehen. So ereignet sich das Erstere z. B. bei Hydrophilus (Fig. 26), das Letztere bei Blatta in den Darmanhängen (Fig. 19), und beides findet bei der Hummel statt (Fig. 22). Bei denjenigen Insekten, für deren Typus Hydrophilus hier gelten soll, scheint das Binde- gewebe sogar die kräftige Ringmuskulatur zu durchflechten, um sieh in gleicher Formation auch ausserhalb derselben zwischen den kugeligen Darmsäcken, diese unter sich verbindend, auszu- breiten und sich bis zu den äusseren Längsmuskeln zu erstrecken. Zwischen den Ringmuskeln verstreut sieht man nämlich dieselben -- Einiges über den Mitteldarm der Insekten sowie über Epithelregeneration. 241 rundlichen Kerne, die jener Bindesubstanz angehören, wenngleich es mir allerdings nicht gelang, die zu den Kernen gehörigen Binde- gewebsfasern zwischen den Muskelbündeln mit Sicherheit aufzu- finden (Fig. 26). Die stark lichtbrechende tunica propria pflegt den Hämatoxylin- oder Carminfarbstoff nicht aufzunehmen. Auch die faserige Binde- substanz färbt sich wenig mit Hämatoxylin, etwas kräftiger mit Carmin. Sehr begierig nach diesen Farben sind, wie schon er- wähnt, nur die nucleolenartigen Körper in den Kernen. Die nächste weiter nach aussen liegende Gewebsschicht des Mitteldarms ist die Muscularis, die meist aus einer inneren Lage von Ringmuskeln und einer äusseren von längslaufenden Stämmen gebildet wird. Bald überwiegt die eine, bald die andere der bei- den Lagen, bald sind sie beide von etwa gleicher Mächtigkeit: Doch kann es als allgemeinere Regel gelten, dass die Ringmusku- latur mehr eine zusammenhängende, geschlossene Haut bildet, wäh- rend die Längsmuskulatur in einzelne mehr oder minder kräftige Stämme aufgelöst ist, welche sich bald miteinander vereinigend, dann sich wieder in einzelne Zweige vergabelnd, den Darmschlauch wie mit einem Netze umstricken, so aber, dass die Verästelungen meist unter einem spitzen Winkel stattfinden, damit die Kraft- wirkung dieser Muskeln mit der Längsrichtung des Darmes zusammenfällt. Bei ihrer Contraction wird also der Hauptsache nach der Darm verkürzt, wobei als Nebenwirkung dieser Mus- kulatur auch noch eine Verengerung seines Lumens statt hat. Die Hauptmasse beider Muskellagen gehört dem Darm- schlauche selbst an; seine Ausstülpungen als Papillen, Zotten, Säcke u. s. w. entbehren dagegen der Muskeln völlig, oder müssen sich mit einigen Ausläufern derselben begnügen. Dies sieht man 2. B. bei der Cimbexlarve, wo die Papillen nur einige schmächtige, sie umspinnende Ranken aufweisen (Fig. 17 bei m). Die beiden Mitteldarmsäcke der Gryllotalpa, ferner auch die Darmanhänge der Blatta scheinen ganz frei von Muskeln zu sein. Bei den Bienenlarven hat sogar der ganze Mitteldarm eine so spärliche Muskulatur, dass man sie nur mit einiger Mühe auffinden kann, ein Zustand, welcher mir damit in Verbindung zu stehen scheint, dass diese Larven während der gesammten Fressperiode ein Heraus- befördern von Koth aus dem After nicht zu bewerkstelligen haben, Archiv f, mikrosk, Anatomie. Bd. 26. 16 242 Johannes Frenzel: zu welchem Zweck ja hauptsächlich die Muskulatur des Dar- mes dient. Da die Ringmuskeln eng aneinander gereiht eine Art von Membran bilden, die Längsmuskeln hingegen in einzelne oft weit voneinander getrennte Stämme aufgelöst sind, so kommt es, wenn die letzteren eine genügende Zugkraft haben sollen, dass ihr Bau ein sehr kräftiger ist, während die Ringmuskeln auch in dünner Schicht schon eine hinreichende Kraft entfalten können. So er- klärt sich das Bild, welches die Querschnitte vom Mitteldarm der Raupen (Fig. 18), der Cimbexlarven (Fig. 17) und der Hummeln (Fig. 22) darstellen. Hier besteht, namentlich bei den Raupen, die Ringmuskulatur aus dünnen Fasern, während die andere aus dieken compacten Cylindern besteht, die aus zahlreichen Faser- bündeln zusammengesetzt sind. Wenn ich mieh nieht sehr irre, sind bei der Hummel diese Cylinder, deren Menge hier eine auf- fallend grosse ist, abweichender Weise als innere Schicht ange- legt, indem die Ringmuskulatur sie aussen umgibt. Sie füllen hier, umgeben von dem lockeren Bindegewebe, die Spalträume innerhalb der ringwulstartigen Erhebungen des Epithels aus (Fig. 22). Auch bei der Cimbexlarve umziehen sie vornehmlich die Basis der papillenartigen Ausstülpungen, wobei sie sich, wie schon gesagt, nach deren Kuppen hin verlieren, was auch in gewissem Sinne von denjenigen Strecken des Darmschlauches gilt, die in der Mitte von jenen Papillen liegen. Während bei den meisten Larven die Ringmuskulatur von geringer Mächtigkeit ist, so wird bei deren Imagines wohl immer das Gegentheil eintreten, so bei Apis, Bombus u. s. w. Nur die Schmetterlinge, wo die Nahrungsaufnahme ja eine so geringfügige ist, machen eine Ausnahme hiervon. Die Käfer haben in der Regel sehr kräftige Ringmuskeln, so vor Allen Hydrophilus, bei dem sie in mehreren deutlich voneineinder gesonderten mächtigen Schichten den Darm umgürten (Fig. 26), dort, wo sich der enge, flaschen- artige Hals der in gedrängten Reihen stehenden kugeligen Aus- sackungen in die letzteren öffnet. — Dieser Käfer bietet überhaupt eine Menge höchst interessanter Befunde dar, und wird im Fol- senden noch des Oefteren zu nennen sein. Auch in Betreff der Längsmuskulatur zeigt er eine merkwürdige Eigenthümlichkeit. Während sie nämlich nach dem allgemeinen Schema der inneren Muskelschicht dicht aufliegt, wie etwa in Fig. 18, ist sie hier weit davon nach aussen gerückt, mit dem übrigen Gewebe nur durch ne Einiges über den Mitteldarm der Insekten sowie über Epithelregeneration. 243 Bindesubstanz verbunden. Es verlaufen, wie ein Blick auf Fig. 26 zeigt, die Längsmuskelstämme ganz aussen am Darm, eingeschoben zwischen die äusseren Zwickel, welche die Aussackungen mitein- ander bilden. Mehrere Stämme vereinigt, bilden hier einen kräf- tigen Strang. Wie zu erwarten, ist die Muskulatur eine quergestreifte. Die Längsmuskeln namentlich bestehen aus cylindrischen Stäm- men, die ihrerseits wieder aus einer grösseren Anzahl von kräftigen Fasern zusammengesetzt sind. Das Auffallende dabei ist, dass diese Cylinder von Strecke zu Strecke einen Hohlraum umschliessen, in dessen Mitte ein länglicher Kern liegt (Fig. 17 bei Im, 18 bei lm, und 26), der in seinem Querschnitt kreisrund erscheint. So fand ich es bei den verschiedenartigsten Insekten, und es dürfte dies ein ganz typisches Verhalten sein. Mittels Hämatoxylin färbt sich die Muskelmasse nur wenig, etwas mehr mit Carmin. Die Kerne sind bläschenartig mit meh- reren Körperchen, die sich kräftig färben, wie auch der ganze Kern sich diffus mitfärbt (Cimbex). Ausserhalb der Muscularis ist eine besondere Membran, eine Serosa, wie Leydig der Analogie wegen sie benannte, am Mitteldarm der Insekten nieht vorhanden, wie auch P. Schie- menz bei der Biene gefunden. Trotzdem sind oft die äusseren Muskelbündel, namentlich wenn sie recht kräftig sind, durch die schon oben beschriebene faserig-maschige Bindesubstanz unter sich verbunden oder an die Darmwandung angeheftet. So fand ich es überall, wo überhaupt eine äussere Längsmuskulatur vorhanden ist, z. B. bei Cimbexlarven (Fig. 17), Raupen (Fig. 15) und Käfern (Fig. 26). Da dieses Bindegewebe völlig dem zwischen Darm und Muskulatur sich erstreckenden gleicht, und mit diesem wahrschein- lieh sogar aufs innigste zusammenhängt, so möchte ich es nicht als eine für sich bestehende und zu benennende Membran aner- kennen, um so weniger, als es stets fehlt, wenn es nicht zum Be- festigen einer äusseren Muskulatur nothwendig ist, wie bei Apis (P. Schiemenz) und Bombus. 244 Johannes Frenzel: Das Epithel des Mitteldarms. 1) Die Anordnung der Epithelzellen. Nachdem nun die Gesammtheit des Mitteldarms in seine ein- zelnen Gewebsschichten aufgelöst ist, wird es eher möglich sein, die Formation des Epithels von einem einheitlichen Gesichtspunkte aufzufassen. Als einfachste Form bleibt noch der Darmschlauch der Bienen- und Tenthredolarve bestehen, der innen und aussen von glatter Oberfläche ist; ihm reiht sich, noch in geringer Complieirtheit ver- harrend, derjenige der Raupen an. Die übrigen aber, die Käfer, die Schmetterlinge, die Schaben, die Larven von Cimbex u. s. w. können nun zu einer Gruppe zu- sammengefasst werden, deren Eigenthümlichkeit darin besteht, dass das Darmepithel in irgend einer Weise gefaltet, gewulstet oder gezottet ist. Sind diese Epithelerhebungen und -vertiefungen an ihrer äusseren Peripherie frei, so dass sie sich oft schon dem blossen Auge als deutliche Aussaekungen kundgeben; oder sind sie von beträchtlicher Grösse und nur lose miteinander verknüpft, so sind sie als Epithelvertiefungen in speciellerem Sinne zu bezeichnen und geben der äusseren Oberfläche des Darmes ein zottiges oder papillöses Aussehen, so bei den Carabiden, Dytisci- den, Hydrophilus, Melolontha, Geotrupes, Cimbexlarven ete. Sind sie jedoch an ihrer äusseren Peripherie enge miteinander durch Bindesubstanz verbunden, in welche sich auch noch Mus- keln einlagern können, so erscheint der Darmschlauch aussen glatt und ohne Aussackungen, während dieselben an seiner In- nenfläche als Epithelerhebungen bestehen bleiben, so bei den Schmetterlingen, bei den Hymenopteren, bei Blatta u.s.w. Man gewinnt demnach für die Struktur des Mitteldarms der Insekten zwei Schemata, in die sich alle Formen werden einreihen lassen, nämlich das Schema des glatten Epithels und das des zottig oder ähnlich differenzirten. Das erstere braucht zwar nicht nothwen- dig aus Zellen von gleicher Höhe zu bestehen; doch sind seine etwa vorhandenen Erhebungen und Vertiefungen nur flache und vor Allem unregelmässig in der Form und in der Anordnung, während diese beiden Faktoren für die andere Epithelart durchaus charakteristisch sind. u Einiges über den Mitteldarm der Insekten sowie über Epithelregeneration. 245 Es ist mir noch nicht ganz klar geworden, ob die Differen- zirung dieses letzteren Epithels in allen Fällen eine gleichwer- thige ist. Dort zwar, wo schon äusserlich erkennbare Aussackungen vorhanden sind, sollte man sofort an eine Zusammengehörigkeit denken. Als Ausgangspunkt wähle man z. B. die Cimbexlarve: der Darmschlauch erscheint fast noch glatt und ist nur in grösseren Entfernungen mit mässig grossen und wenig hervor- springenden knopfförmigen Säckchen besetzt. Denkt man sich diese wohl ebenso gestaltet aber enger zusammengedrückt, oder in grösserer Menge auftretend, so findet ein Uebergang zu der- jenigen Gestaltung statt, wo sie wie bei Hydrophilus (Fig. 26) dicht gedrängt stehen. Wenn man dagegen noch ihre Spär- lichkeit als die Constante festhält, ihre Form dagegen sich in der Weise verändern lässt, dass sie zu einer sich in die Länge ziehenden, schlauehförmigen wird, so werden Verhältnisse ein- geleitet, welche bei vielen Käfern Platz greifen. Und wenn man sowohl ihre Anzahl wie auch ihre Länge wachsen lässt, so ge- langen wir zum extremsten dieser Fälle, wie er bei den Carabiden, z. B. bei Carabus, Calosoma sycophanta u. s. w. auffällt, wo ja, wie schon früher besprochen, der Mitteldarm wenigstens eine Strecke weit mit dicht gedrängt stehenden langen Zotten um- geben ist. Dieser Auffassung kann man nun noch eine etwas andere Wendung geben, wodurch sie auch in ungezwungener Weise auf andere Epithelformen anwendbar bleibt. Man betrachte jetzt das Epithel von der inneren Fläche aus und gehe von dem oben zu- letzt genannten Falle aus. Die enge gedrängt stehenden län- geren Zotten wie auch die kurzen Säckehen erscheinen nun als Vertiefungen, das übrige Epithel jedoch als als ein erhabener angenähert kreisförmiger Ringwulst (Fig. 26 rw), dessen äussere Peripherie in diesen Stadien noch von geringem Durch- messer ist. Treten aber die Aussackungen weiter auseinander, so wächst damit die äussere Peripherie dieses Ringes mit. — Stellt man nun bei anderen Insekten, z. B. bei Blatta, dieselbe Betrachtung an, so sieht man auch hier von der Fläche aus Vertiefungen auslaufen, während sich das übrige Epithel hier gleichfalls zu einem Ringwulst um dieselben gestaltet (Fig. 19 rw). Der einzige Unterschied, welcher zwischen jenem und diesem Verhältniss mass- gebend wird, ist, um mich so auszudrücken, nicht qualitativer, 246 Johannes Frenzel: sondern nur quantitativer Natur. Bei Blatta, der Biene, der Hummel u.s. w. stehen nämlich immer die Wülste stets sehr enge beiein- ander, oder genauer ausgedrückt: ihre äussere Peripherie hat im- mer einen geringen Umfang, und die zwischen ihnen sich ein- senkenden Vertiefungen sind schmal und eylindrisch. Man könnte bei Betrachtung eines einzelnen Querschnitts leicht dazu verführt werden, die Hervorragungen des Epithels als einzelne, nach innen zu frei endigende Papillen oder Zotten anzu- sprechen (Fig. 19). Richtig ausgeführte Flächenschnitte sowie Serien von Querschnitten thun jedoch die oben auseinandergesetzte Bildung dar. Nur über das Epithel der Schmetterlinge bin ich noch zu keinem sicheren Schlusse gelangt und halte die Anord- nung desselben zu kleinen Zotten oder Papillen für recht wohl möglich. So leicht sich nun die Formation des Mitteldarmepithels sche- matisiren und als eine einheitliche dahin stellen lässt, so soll da- mit doch noch nicht gesagt sein, dass auch seine zelligen Elemente in allen den verschiedenen Fällen von gleichem Werthe sind. Die Beschränktheit des Raumes erlaubt mir hier nur eine beschränkte Anzahl von Schnittpräparaten wiederzugeben, aber dieselben lassen schon unschwer eine gewisse Verschiedenheit erkennen. Bei der Cimbexlarve, ferner bei den Dytiseiden und Cara- biden scheint das Epithel des Darmschlauches selbst, sowie auch das der Aussackungen ein ganz gleichförmiges zu sein (Fig. 17), wie es ebenso bei der Larve von Apis nnd Tenthredo, beim primä- ren Puppenstadium von Apis (Fig. 25), bei den Schmetterlingen und unter Umständen bei deren Raupen durchaus gleichartig ist. Dagegen sieht man in den Aussackungen von Hydrophilus, Melo- lontha, Geotrupes, schliesslich auch an entsprechender Stelle von Apis, Bombus und Blatta einen drüsenartigen Complex von Zellen, den Basch!) schon vor langen Jahren bei der Schabe entdeekt und in nicht unpassender Weise als Kryptenbildung bezeichnet hatte. Wie weit sich der Inhalt dieser Drüsenzellen von dem der übrigen Epithelzellen unterscheidet, vermag ich vorläufig noch nicht genauer anzugeben, doch scheinen beide Zellarten nicht unwesentliche 1) Untersuchungen über das chylopoötische und uropoetische System der Blatta orientalis. Sitzungsberichte der Acad. d. Wissenschaften zu Wien. Math.-Naturh. Klasse XXX1l. Einiges über den Mitteldarm der Insekten sowie über Epithelregeneration. 247 Verschiedenartigkeiten zu besitzen. Bei Blatta, Bombus u. s. w. kann es kaum zweifelhaft sein, dass nur die „Krypten“ selbst je eine Drüse bilden (Fig. 19, 22). Dort aber, wo grössere Aus- saekungen vorhanden sind, weiss ich nicht sicher, ob sie in ihrem ganzen Umfang einer solchen Drüse gleichwerthig sind, oder ob diese nur auf den untern, den Kuppentheil, des Sackes beschränkt bleibt, wie es fast den Anschein hat (Fig. 26). Es würde dann das übrige Epithel dem des Schlauches selbst (rw) gleichwerthig sein. Andere später noch zu nennende Befunde dürften aber wohl dagegen sprechen. Auch sehen in den Schnittpräparaten von Hydrophilus z. B. die Sackzellen etwas anders als die übrigen aus. Während diese sich nur mässig stark mit Hämatoxylin tingiren, so geben jene ein dunkleres Bild, ähnlich wie die eigentlichen’ Kryptenzellen. Sie sind namentlich an ihrem oberen (dem Lumen zu- gewendeten) Ende und auch oft an der Basis kräftig gefärbt, indem um den Kern herum der Zellinhalt lockerer vorhanden ist und hell bleibt. Abgesehen davon, dass die Zellen des eigentlichen Darmschlauches viel höher sind, so haben sie im Gegensatze zu jenen Zellen meist eine hellere Basis und oberhalb des Kernes ebenfalls einen hellen vakuolenartigen Raum, in welchem wahr- scheinlich das Sekret lag, während sich um die Kerne herum stärker gefärbtes längsstreifiges Protoplasma anhäuft. Dort freilich, wo derartige kryptenartige Drüsenkomplexe nicht angetroffen werden, z. B. bei der Cimbexlarve, bei Dytiscus u. Ss. w., ist ein erheblicher Unterschied zwischen den verschieden gelagerten Zellen nicht aufzufinden, wie auch hier das wichtige für die Krypten charakteristische Moment fehlt, nämlich die Ver- mehrung ihrer Zellen durch indirekte Kerntheilung im Sinne W. Flemming’s. Die Zellen der Drüsenkrypten dagegen unter- scheiden sich wenigstens in den Schnittpräparaten leicht von den eigentlichen Epithelzellen. Bei Blatta, Bombus u. A. bilden die Krypten im Schnitt einen spitzbogigen, mit seiner Spitze dem 'Darmlumen zugekehrten Klumpen (Fig. 19, 22), in welchem man eigentlich nur enggedrängt liegende, übereinandergeschichtete und etwas plattgedrückte Zellkerne erblickt. Die so gestaltete Drüse wird in der Regel von den Epithelzellen überwölbt; doch kann man recht wohl einen feinen Ausführungsgang erkennen, der von der Spitze der Drüse nach dem Darmlumen und zwar nach dem tiefsten Theile der Einsenkung hin sich erstreckt. Auch P. Schie- 248 Johannes Frenzel: menz (l. ce.) hat bereits die doppelte Gestaltung des Epithels bei der Biene erkannt, schreibt beiden Zellarten sogar eine wesent- lich verschiedene Funktion zu. Sehr bezeichnend nennt er die Anordnung des Epithels „eine Summe von becherförmigen Grup- pen“, deren Basiszellen eine kugelförmige, deren Randzellen eine keulen- oder birnförmige Gestalt besitzen sollen. Dieses letztere ist, wie gezeigt worden, nicht ganz richtig, da Schiemenz jene Krypten nicht als gesonderte Complexe aufgefasst hat. Auch findet er, dass zwischen beiden Zellformen die dazwischen liegenden einen allmählichen Uebergang bilden, was in der That nicht in diesem Sinne statthat. Da sogar der Inhalt der Zellen eine auffällige Verschiedenheit zeigen soll, so wird dieser Uebergang - doch noch unwahrscheinlicher gemacht, um so mehr, als mit dieser Verschiedenheit des Inhalts auch eine Verschiedenheit der Funk- tion wahrscheinlich gemacht werden soll. Sind so die beiden Zellarten, die im Mitteldarm vorhanden sind, räumlich von einander getrennt zu Drüsen- und eigent- lichen Epithelzellen angeordnet, so findet man dort, wo bisher mit die einfachsten Verhältnisse festgestellt worden waren, bei den Schmetterlingsraupen, eine höchst interessante Complieirtheit da- durch erreicht, dass das scheinbar so gleichförmige Epithel aus zweierlei verschiedenen Zellarten zusammengesetzt wird, welche vermischt nebeneinander bestehen. Die einen mögen im Folgenden als Cylinderzellen, die anderen als Schleimzellen der Raupen aufgeführt werden. — Schon Ley- dig!) hat uns einen Blick in diese Verhältnisse thun lassen, ohne dass es ihm aber gelungen ist, ein völlig richtiges Bild der- selben zu entwerfen. Nach Leydig besteht im „Magen“ der Rau- pen von Bombyx neustria?) das Epithel aus schönen grossen Zellen und einzelligen Drüsen. Die ersteren, die von Würfelgestalt, seien in senkrechter Richtung streifig. Dies sind unsere Cylinderzellen. „In den einzelligen ins Epithel eingestreuten Drüsen“, so etwa fährt der Autor fort, „folgt bei Ansicht von der Seite über dem im Grunde des flaschenförmigen Drüsensäckehens liegenden Kern eine dicke Lage der Zellsubstanz, die an den Wänden herauf sich verdünnend nach innen mit einer Linie abschliesst, welche man 1) Untersuch. zur Anatomie u. Histolog. der Thiere. Bonn 1883. p. 51 ff. 2) 1. c. Fig. 66. Einiges über den Mitteldarm der Insekten sowie über Epithelregeneration. 249 als leisen Anfang einer Cutieula bezeichnen könnte. In der über dem Kern sich wölbenden diekeren Lage des Protoplasmas_ tritt uns wieder in greller Weise die Zerlegung in Streifen entgegen.“ — Diese Darstellung ist, wie auch ein Blick auf unsere Fig. 1, 2, 3 und 18 lehrt, im Allgemeinen eine treffende. Dagegen muss die bildliche Darstellung, welche Leydig von dem Darmdurchschnitt gibt, als eine ungenaue, seine Auffassung aber als eine irrige zurückgewiesen werden, ganz abgesehen von anderen später noch heranzuziehenden Punkten. In so kubischer Form, wie er die „Epithelzellen“ zeichnet, habe ich sie niemals angetroffen; doch ‘mag sich vielleicht hin und wieder etwas Derartiges ereignen. Junge aufsteigende Ersatzzellen kennt Leydig nicht, und der Kern ist, seiner einmal vorgefassten Meinung von der diesem eigenthümlichen Netzstruktur zu Liebe, ganz falsch dargestellt. — Dass die anderen Zellen, seine „einzelligen Drüsen,“ wirklich diese im Verhältniss zu den „Epithelzellen“ so enorme Grösse hätten, möchte ich ebenfalls bezweifeln, wie auch, dass sie sich durch die ganze Höhe des Epithels erstrecken sollten. Ferner kann ich sie durchaus nicht als „einzellige Drüsen“ ansprechen, es sei denn, dass man diesen Begriff auch auf jede andere sekretorische Epithelzelle überhaupt ausdehnen wollte, was erstens zu einer un- nützen Begriffsverschiebung führen würde, und zweitens von Ley- dig selbst auch gar nicht angestrebt wird, da er ja selbst die anderen Zellen als „Epithelzellen“ aufführt. Zum Begriff der ein- zelligen Drüse gehört ihre Beständigkeit. Eine solche ist aber hier weder bewiesen, noch wahrscheinlich gemacht, noch überhaupt in Betracht gezogen, und schliesslich wird sie durch die hier fol- genden Befunde geradezu widerlegt. Obwohl es nun nicht direkt ausgesprochen wird, so geht doch aus der Leydig’schen Darstel- lung hervor, dass er den inneren Raum dieser Zellen als nicht zu diesen gehörig ansieht, vielmehr darin eine Art Ausführungs- gang erblickt, der von einem „leisen Anfang einer Cutieula“ be- grenzt werde. — Später soll noch gezeigt werden, dass auch diese Deutung nicht Stich halten kann. 2) Die Formbestandtheile der Epithelzellen. Obwohl in vielen Fällen für das Aussehen und den sekreto- rischen Inhalt der Epithelzellen des Mitteldarms die Verwandt- schaftsverhältnisse maassgebend sind, welehe unter den Insekten 250 Johannes Frenzel: obwalten, so tritt doch nicht so gar selten die auffällige Erschei- nung von derartigen Ausnahmen ein, dass ganz verschiedenartige und weit von einander entfernt stehende Species, die noch dazu Vertreter von den verschiedensten Ordnungen und Familien sind, hinsiehtlich ihrer Mitteldarmzellen ganz auffallende Uebereinstim- mungen und Aehnlichkeiten zeigen, ohne dass diese doch durch die Lebensweise und die Nahrung der Thiere oder durch sonstige physiologische Momente begreiflich oder sogar nothwendig ge- macht würden. So wird es, um unnütze Wiederholungen und Weitläufigkeiten zu vermeiden, zweckmässig sein, die hier in Be- tracht kommenden Insekten auf diese Merkmale hin in gewisse Gruppen zusammenzufassen und daraufhin abzuhandeln. a) Die erste Gruppe möge die einfachsten Formen umfassen, welche sich bei den Larven der Hymeropteren finden und auf den engsten Kreis beschränkt sind. Hier ist das etwa vorhandene Se- kret weder in seiner Färbung noch in seiner Form scharf cha- rakterisirt. b) Die zweite Gruppe umschliesst die Schmetterlinge, die Dytisciden, die Hemipteren, die Hymenopteren, die Raupe von Ephestia, und zahlreiche andere hier nicht weiter zu erwähnende Thiere. Das Sekret ist jetzt noch farblos, aber ganz bestimmt ge- formt und durch sonstige Eigenschaften (Glanz) gekennzeichnet. Es ist von grosser Einförmigkeit. ec) Die dritte Gruppe vereinigt die meisten Schmetterlings- raupen, denen von Käfern noch Dermestes, Coceinella u. s. w., von anderen Inseeten wohl auch «die Tenthredo-Larve, manche Fliegen- larven, sowie Blatta, Gryllotalpa anzureihen sind. Das Sekret ist hier mehr oder minder lebhaft, meist aber gelb, in einzelnen Thei- len auch roth, braun oder grünlich gefärbt. Es ist zwar bestimmt geformt, wechselt aber sehr in seiner Gestaltung als Krümel, Tropfen, Körner und krystallartige Stäbe und zeigt eine charak- teristische Anordnung innerhalb der Zellen. Ausserdem haben, wie schon besprochen, die Schmetterlingsraupen wie auch Der- mestes noch eine zweite Zellart, die der Schleimzellen. Es finden jedoch, wie ausdrücklich bemerkt werden soll, nicht nur von dieser zu jener Form unverkennbare Uebergänge statt, sondern eine und dieselbe Zellart kann auch von verschie- dener Beschaffenheit sein, wie etwa bei Blatta, Porthesia chrysor- rlıoea (Rpe.) u. s. w., so dass diese ja an und für sich nur künstliche Gruppirung hier und dort durchbrochen werden muss. # Einiges über den Mitteldarm der Insekten sowie über Epithelregeneration. 251 a) Die Bienenlarven. Wie überhaupt die Biene, das einzige wahre Hausthier des Menschen aus dem grossen Kreise der Wirbellosen, durch ihre so merkwürdige Lebensweise von jeher die Aufmerksamkeit von Züch- tern und Forschern auf sich gelenkt hat, so ist sie auch besonders durch die eigenthümliche Weise, wie bei ihren Larven die Er- nährungs- und Verdauungsvorgänge sich abspielen, in mehr als einer Hinsicht vor den übrigen Insekten, wenn nicht gar vor allen übrigen Wirbellosen ausgezeichnet. Die ersteren, diejenigen Vor- gänge, die sich auf die Nahrungsaufnahme beziehen, können wohl als bekannt vorausgesetzt werden, die anderen aber, die sich auf den Complex der Verdauung und Resorption erstrecken, sind noch so wenig studirt worden, dass ein Eingehen auf die- selben zur dringendsten Nothwendigkeit wird. In Folgendem kön- nen freilich nur die ersten Spuren dieser Vorgänge blossgelegt werden, deren weitere Wege noch recht dunkel sind und nur hier und da gemuthmasst werden können. Wie überall, so muss aber auch hier an dem Grundsatze festgehalten werden, dass sich eine physiologische Erkenntniss nur auf dem festen Boden der Anatomie aufbauen kann. Der Mitteldarm der Bienenlarve, schon von Jugend auf durch seine enorme Ausdehnung in Länge und Dicke charakterisirt, ist stets prall erfüllt mit einer Speise, die als geformte Bestand- theile zahllose Pollenkörner besitzt, welehe durch die Wandung des Darmes durchscheinend diesem ein gelbes oder orangefarbenes Aussehen verleihen. Die oft enorm grossen Epithelzellen sind von einfachster Form. Dadurch, dass das Epithel in seiner Gesammtheit keine compli- eirten Gestaltungen in Wülste, Zotten u. dergl. eingeht, wird diese Einfachheit begreiflich. Wenngleich nun die jungen sich aufwärts- schiebenden Zellen im Stande sind, kleine Deformationen zu Stande zu bringen, und die besonders grossen und reifen Zellen durch seitlichen Druck getrieben in das Darmlumen hinein proliferiren können, so ist doch im Grunde genommen eine Zelle wie die an- deren gebaut. Zwar noch dem Cylinderepithel angehörend, sind sie dennoch oft von verhältnissmässig so geringer Höhe oder von so rie- sigem Durchmesser, dass sie sich der isodiametralen Form nähern, wie auch ihre Höhe, selten das Doppelte des Durchmessers erreichend, 252 Johannes Frenzel: stets eine niedere bleibt (Fig. 24). Ein Schnitt durch die Zelle gleicht einem Rechteck, denn senkrecht steht sie auf ihrem Sub- strat, und Basis und Oberfläche sind von gleichem Umfang. Letz- tere bildet, von der Fläche gesehen, ein regelmässiges Sechseck, meist freilich mehr oder minder verschoben; im Schnitt zeigt sie in der Regel eine flache, bei sehr grossen Zellen auch eine halb- kugelig oder ähnlich werdende Wölbung. — Es möge hier gleich- zeitig erwähnt werden, dass auch bei anderen Hymenopterenlarven die Zellen von ganz ähnlicher Gestaltung sind, so bei Tenthredo, Ichneumon, und sogar auch bei Cimbexlarven. Zwar sind bei letzteren die den Darmschlauch bekleidenden Zellen höher cylin- drisch, die der kugeligen Aussackungen dagegen flacher und mehr kubisch. Doch findet an der Ausstülpungsstelle selbst ein fort- laufender Uebergang von diesen zu jenen Zellen statt, und da sie sämmtlich das Bestreben haben, senkrecht von ihrem Substrat aufzusteigen, so sind die Randzellen namentlich an der Basis stark zusammengepresst, die Funduszellen des Sackes jedoch an dieser Stelle zu grösserer Raumentfaltung befähigt (Fig. 17). — Die Puppen der Bienen, Schlupfwespen und anderer Wespen, wenn nicht überhaupt aller Hymenopteren, haben in ihren frühe- sten Stadien, wie noch zu zeigen sein wird, ein ihnen eigen- thümliches Epithel im Mitteldarm (Fig. 25). Auch dieses besteht aus regelmässig mosaikartig aneinandergereihten Zellen, die aber fast völlig isodiametrisch sind. Durch das wahrscheinliche Fehlen von aufsteigenden Zellen bedingt ist ihre Gestalt eine so gleiche, dass sie von der Fläche gesehen ganz regelmässigen Sechs- ecken, und von der Seite gesehen ebensolchen Quadraten ähneln (Fig. 14 und 25). Unter allen daraufhin von mir betrachteten Insekten führen die Larven der Hymenopteren in Gemeinschaft mit denen der Dipteren die grössten Epithelzellen im Mitteldarm. Bei einer grossen Bienenmade betrug der Durchmesser einer Zelle etwa 120 u, bei einer andern 60... Im der Höhe maassen diese Zellen (ohne den Saum) ca. 75u, und denkt man sie sich der Einfachheit halber als senkrechte Cylinder mit kreisförmigem Durchschnitt, so beträgt das Volumen einer solchen Zelle (r? h) gegen 0,0021 cemm. Bei der Cimbexlarve hatten die hohen Zellen 50 « Höhe und 20 u Breite; die Zellhöhe betrug bei der Larve von Tenthredo salieis sogar bis 120 « und der Durchmesser 80 1, und bei einer nicht näher bestimmten Blattwespenlarve maassen die Zellen sogar 150 u im Durchmesser (als Kugeln)! Einiges über den Mitteldarm der Insekten sowie über Epithelregeneration. 253 Die kubischen Zellen des Puppendarmes sind jedoch ausser- ordentlich viel kleiner (Fig. 14 und 25). Bei der Biene hatten sie etwa nur 19 bis 20 «u an Höhe und an Breite noch etwas we- niger, nämlich nur 16 bis 18 u. Der Inhalt der Epithelzellen besteht bei den Bienenlarven aus der protoplasmatischen oder Zellsubstanz, ferner aus einer geform- ten, wohl als Sekret anzusehenden Materie, dann aus häufig auf- tretenden Fettkugeln und dem Kern. Bei schwächerer Vergrösserung erscheint der Zellinhalt im frischen Zustande oft ganz homogen. Mit Hülfe der Oelimmersion 1/,4‘ aber sieht man im Protoplasma feine staubartige Granulatio- nen von mattem Aussehen (Fig. 10), die sich als die Knotenpunkte eines feinen Netzwerkes auflösen lassen, das im gehärteten Zustande an Deutlichkeit oft gewinnt(Fig. 24 rechts). Meist ist diese Substanz an der Basis der Zelle angehäuft, doch erstreckt sie sich durch den ganzen Raum der letzteren hindurch, ohne dass es zur Bil- dung eines gesonderten Sekretbehälters kommt. Um den Kern herum pflegt das protoplasmatische Netzwerk lockerer und weit- maschiger zu sein, so dass dort ein hellerer hofartiger Raum entsteht, ganz ähnlich wie ihn Leydig!) oft bei anderen Arthro- poden in verschiedenartigen Zellen gefunden hat. Dieser Zellbe- standtheil tingirt sich mit Hämatoxylin nur mässig stark und bleibt mehr graublau, so namentlich bei der Cimbexlarve, wo man eine so beschaffene Basalschicht sehr deutlich von der höher liegenden Sekretschicht unterscheiden kann. Diese letztere ist nicht immer gleichmässig angeordnet; doch kann es als Regel gelten, dass sie sich auf den oberhalb des Zellkerns befindlichen Raum beschränkt (Fig. 17, 24), was man namentlich bei der Cimbexlarve sehr schön sicht. Von da aus zieht sie sich in möglichst grosser Entfernung vom Kern nach unten, um sich in immer schwächer werdender Anhäufung nach der Zellbasis hin zu verlieren. Wenn das in Al- kohol fixirte und gehärtete Präparat von der Cimbexlarve, wie es in Fig. 17 dargestellt ist, nicht vielleicht ein Kunstprodukt liefert, so tritt hier noch die eigenthümliche Erscheinung zu Tage, dass innerhalb der Darınsäckchen die starktingirten Massen nicht nur nach dem Lumen des Säckehens hin, sondern vielmehr nach dem Darmlumen hin gelagert sind. Die Masse ist also so zu sagen 1) Untersuchungen zur Anatomie u. Histol. der Thiere. Bonn 1883. 254 Johannes Frenzel: schief geschoben und unsymmetrisch in der Zelle vertheilt, indem der am meisten vom Darmlumen abgewendete Zelltheil frei davon bleibt. Ferner sehen die früher schon als Randzellen bezeichneten Ele- mente hier sehr hellfarbig und durchscheinend aus; sie dürften also des Sekrets so ziemlich entbehren, was vielleicht daher rührt, dass sie in Folge ihrer enggedrängten Lage nicht zu einer völligen Ent- wicklung gelangen können und daher reduzirt bleiben. Ebenso findet man innerhalb des übrigen Epithels hier und dort solche blassen Zellen, die meist von geringerer Grösse als noch unreife zu deuten sein würden. Im Gegensatz hierzu treten stellenweise in anderer Art abweichende Zellen auf, deren gesammter Inhalt mit Ausnahme der Kernzone kräftig blau tingirt wird, so dass auch ihr Fusstheil daran theilnimmt, oder der letztere kann in ganz hervorragender Weise diese Eigenschaften besitzen (Fig. 24a—b). Die im Obigen als das Sekret bezeichnete Masse besteht zum Theil wenigstens aus geformten Elementen, nämlich aus im frischen Zustand feinen staubartigen Granulationen. Doch scheinen es nieht runde Körnehen, sondern vielmehr sehr kleine Kkrystall- oder stäbehenförmige Körperchen zu sein, deren Grösse eine kaum messbare ist. Wie aus Obigem hervorgeht, liegen sie meist in dem über dem Kerne befindlichen Zellraum gleichmässig vertheilt im Protoplasma, d.h. nicht irgend wie zusammengeballt und vom Uebrigen abgeschlossen. Sie sind wohl ein wenig grösser als die Knöteben des Netzwerkes, unterscheiden sich von diesen aber be- sonders dureh ihr stärkeres Lichtbrechungsvermögen, das sie bald arfblitzen, bald gelblich erscheinen macht. Ein anderer Unter- schied besteht, wie bereits vorweg genommen, in ihrer Färbbar- keit, und im gehärteten Präparat markiren sie sich scharf als dicht gedrängte, tief violettblaue Kritzelchen, deren Masse in der Regel nach dem Kern zu stetig abnimmt und der graublauen Platz macht. Zu diesen Zelibestandtheilen treten nun noch häufig, aber nicht immer, Fetttropfen hinzu. In den meisten der mir unter die Augen gekommenen Zellen fehlten sie gänzlich; sind sie aber ein- mal vorhanden, so entbehrt ihrer kaum eine Epithelzelle im ganzen Mitteldarm. Dann ist auch ihre Masse sofort eine bedeutende. In- ihrer Grösse höchst verschieden können sie riesig anwachsend einen Durchmesser von 15 «. und darüber erreichen, bleiben jedoch gewöhnlich auf einen solchen von 10 u beschränkt. Aus einer flüssigen, farblosen, fettartigen Substanz bestehend, sind sie Einiges über den Mitteldarm der Insekten sowie über Epithelregeneration. 255 kugelig. An Zahl nicht spärlich, können sie einen Theil des oberen Zellraumes, auf den sie, wie es scheint, allein angewiesen sind, erfüllen (Fig. 24). — Nur selten habe ich sie bei der Bienen- larve gefunden; die Cimbexlarve besass sie nicht. Der Zellkern bei Bienenlarven, welcher noch in einem fol- senden Abschnitt besprochen werden soll, liegt annähernd in der Mitte der Zelle, von weitläufig- maschigem Zell-Protoplasma um- geben. Von oft erstaunlicher Grösse ist er bläschenartig und ent- hält gewöhnlich sowohl Granulationen wie auch nukleolenartige Einschlüsse (Fig. 9, 10, 24). Ganz ähnlich sieht er noch im Epi- thel der jungen Puppen aus (Fig. 25), während er beim ausge- wachsenen Insekt von anderer Beschaffenheit ist (Fig. 22) und sich dem der Cimbexlarve nähert. Er entbehrt dann der Granulationen, besitzt aber ein deutliches Netzwerk (Fig. 17, 22). Die Mitteldarmzellen der Bienenlarven sind von einem sehr deutlichen hohen Härchensaum wie gewöhnlich gegen das Darmlumen abgegrenzt, was noch im Besonderen an anderer Stelle gezeigt werden soll. Noch viel länger sind die Härchen bei der Cimbexlarve (Fig. 17). Die nachembryonale Entwicklung der Insekten, die mor- phologisch und histologisch so durchgreifende Umformung ganzer Organkomplexe während des Puppenstadiums stellt eine Summe der merkwürdigsten Vorgänge dar, deren Verlauf grösstentheils noch in ein undurchdringliches Dunkel gehüllt ist, und obwohl Aug. Weissmann (l. e.) vor einer Reihe von Jahren als einer der Ersten diese Fragen einer eingehenden Betrachtung unterzogen hat, so sind ihm doch nur wenig Nachfolger geworden, welche seine Arbeit fortgesetzt und erweitert hätten. Wenn man die ausser- ordentliche Wichtigkeit eines derartigen Verfalles und Wiederauf- baues von Organen und Geweben erwägt, so möchte diese geringe Beachtung auffallend erscheinen. Es dünkt mich aber, dass die grossen technischen Schwierigkeiten, welche sich gerade hier dem Beobachter entgegenstellen, schon allein genügen, diesen Umstand zu erklären, wozu dann als weiteres Moment noch kommt, dass die eigentliche Grundlage zu derartigen Untersuchungen noch fehlte, nämlich die genauere Kenntniss der Gewebe der Insekten. Dies trifft namentlich auch für den Darmkanal zu. Wiewohl ich 256 Johannes Frenzel: ! es nun nicht zu meiner Aufgabe machen wollte, zugleich die Ent- wicklung dieses Organes mit seiner Anatomie an dieser Stelle weiter zu verfolgen, so gelang es mir doch hier und dort, so bei den Hymenopteren und Lepidopteren, einigen Aufschluss über erstere zu erlangen, deren kurze Besprechung an geeigneter Stelle erfolgen möge. Wenn die Bienenlarve ihre Fressperiode beendigt hat, so ent- leert sie den Darm von allen Speiseresten. Dies geschieht, indem sie zunächst ihre Lage verändert und das Afterende nach der Oeffnung der Wabenzelle hin verlegt. Es treten dann an dieser Körperstelle, wie ich deutlich beobachtet habe, kleine, ziem- lich harte Kothballen von dunkelgelber oder bräunlicher Färbung heraus. Dieselben bestehen gewöhnlich aus einer derart gefärbten schmierigen Materie, welche zahlreiche mehr oder minder durch die Verdauung zerstörte Pollenkörner enthält. Man sieht diese stecknadelgrossen Kothballen zu mehreren längere Zeit am Körper- ende haften, von wo sie wahrscheinlich wohl durch die Arbeits- bienen entfernt werden. Bei einer ausgewachsenen Larve, die ich 8 Tage lang hungern liess, ohne dass eine Eindeckelung erfolgte, sah ich etwa 30 bis 40 Kothklümpchen ausscheiden, welche zum Theil an den äusseren Rand der Wabenzelle abgesetzt wurden. Da dieselben nur aus dem After entleert werden, so muss jetzt ein vollständiger Enddarm vorhanden sein, welcher die Verbindung der Afteröffnung mit dem Mitteldarm be- werkstelligt. Erst wenn so der Darm völlig entleert wor- den, verändert die Larve ihre Lage nochmals, indem sie sich ganz umwendet und nun mit dem spitzen Kopfende an die Oeff- nung ihrer Zelle zu liegen kommt. — Schon in diesem Zustande lässt sich nun eine merkwürdige Veränderung des Mitteldarmepithels wahr- nehmen. Die durch ihre Grösse hervorragenden Larvenzellen sind verschwunden, undanihrer Stelle finden sich sonst sehr ähnlich aussehende, aber um vieles kleinere. Einmal be- merkte ich auch eine Veränderung des Kerninhalts der grossen Zellen, indem die Granulationen verschwanden (Fig. 10) und die nucleolenartigen Körper sich diffus im Kern vertheilten. Dement- sprechend besassen die Kerne der neugebildeten kleinen Zelle nur zwei oder drei solcher Nucleolen, jedoch keine Granulationen (Fig. 14), während sonst in der Regel beide Kernbestandtheile vor- handen waren (Fig. 25). | Einiges über den Mitteldarm der Insekten sowie über Epithelregeneration. 257 Dieses ausgebildete Epithel sieht man auch im Darm der neugebildeten Puppen und zwar etwa so lange, als sie noch völlig weiss und wenig entwickelt sind. Die einzelnen Zellen sind, wie schon oben angeführt, von grosser Regelmässigkeit (Fig. 14, 25); ihr Inhalt unterscheidet sich kaum von dem der Larvenzellen. Jedoch habe ich niemals die staubartige Sekretmasse darin ge- funden, was ja auch sehr begreiflich erscheint, da die Puppe keine erst noch zu verdauende Nahrung zu sich nimmt. Ebenso waren niemals Fetttropfen in diesen Zellen nachzuweisen. Die Lage des Kerns entspricht der in den Larvenzellen, ebenso sein Grössenverhältniss zu dem der Zelle. Der Härchensaum ist trotz der Kleinheit der Zellen eben so hoch wie bei den Larven. Untersucht man reifere Puppen von Bienen, Wespen oder Schlupfwespen (Ichneumon), so findet man den Mitteldarm durch- aus nicht leer oder nur mit einer Flüssigkeit erfüllt, wie man wohl erwarten sollte. Sondern sowohl beim Zerzupfen des frischen Darmstückes von einer solchen Puppe, wie auch bei Betrachtung eines entsprechenden Schnittpräparates gewahrt man darin längliche, farblose oder gelbliche granuläre Körper, deren Form und Grösse lebhaft an Epithelzellen erinnert. Bei einer etwas jüngeren frisch untersuchten Bienenlarve sah man sogar, dass diese Körper deut- liche Zellrudimente darstellten, an denen sowohl der Kern, wie auch der körnige Inhalt und sogar der Härchensaum recht gut erhalten waren. Daraus ergiebt sich also, dass die Epithelzellen im Mitteldarm der Hymenopterenpuppen abgestossen werden, worauf, wie es scheint, zuerst wieder ganz ähnliche Zellen entstehen, ehe sich schliesslich das Epithel völlig ändert. Diese Aenderung tritt in der späteren Puppenperiode ein und führt endlich zum Epithel des ausge- bildeten Insektes über, welches an anderer Stelle zu besprechen sein wird. Bei der frisch ausgeschlüpften Biene ist übrigens der Darm reichlich mit oben genannten Zellrudimenten gefüllt. Die Beobachtung dieses Inhaltes gab früher zu dem Irrthum Veran- lassung, als ob derselbe noch von der Larvenspeise herrühre. Diese wird aber überall, wie auch bei den Schmetterlingen, vor der Verpuppung völlig aus dem Darm entfernt. Bei diesen letzteren sind überhaupt, wie man sehen wird, die bei der Verpuppung sich, abspielenden Vorgänge ähnlich, nur noch eomplicirter als die soeben beschriebenen. Archiv f. mikrosk, Anatomie. Bd. 26. 17 258 Johannes Frenzel: b) Epithelzellen mit farblosem, geformtem Sekret. Im Anschluss an die bei den Hymenopterenlarven statthaben- den Verhältnisse müssen gewissermaassen als Uebergangsformen eine Reihe von Insekten betrachtet werden, welche in erster Reihe den Coleopteren angehören. Als Beispiel diene der Mehlkäfer, Tenebrio molitor, über dessen Larve schon vor einiger Zeit vom Verf. (1. e.) einiges mitgetheilt worden ist, so dass darauf verwiesen werden kann. Wiewohl die Formation und Anordnung des Epithels eine wesentlich verschiedene ist, so sind doch bei Larve und Imago ‘von Tenebrio die Mitteldarmzellen von grosser Aehnlichkeit. Bei der Larve ist das Epithel ganz gleichartig, ohne Ausstülpungen zu bilden und entweder glatt oder nur unregelmässig gezottet. Bei dem Käfer jedoch ist der Darmscehlauch aussen mit kleinen Aus- sackungen bedeckt, welche den Drüsenkrypten von Apis, Bombus und Blatta entsprechen dürften. Hier wie dort besitzen die Epi- thelzellen einen blass-granulären Inhalt, in welchem sich nur ver- einzelte sehr kleine, farblose und stark lichtbrechende Kügelchen zerstreut finden (Fig. 13). Zwar weiss ich nicht, ob sie den Sekret- kugeln der später zu nennenden Formen gleich zu achten sind; doch sind sie ihnen, abgesehen von ihrer bedeutend geringeren Grösse und ihrer Spärlichkeit sehr ähnlich. — Von der Fläche betrachtet sind die Zellen fünf- oder sechseckig; der kugelige Kern liegt in ihrer Mitte. Er wird von einem weitläufigen Netzwerk durchzogen und umschliesst sowohl beiLarve wie auch bei Imago einen erystallartigen Körper, auf den schon einmal an an- derer Stelle eingegangen worden ist!). Stellt man sich vor, dass jene oben genannten stark licht- breehenden Kugeln grösser uud zahlreicher werden, so gewinnt man sofort das Schema der Zellen der hier zu vereini- senden Insektengruppen. Als der einfachste Fall sei zuerst das Mitteldarmepithel einer Raupe, nämlich der von Ephestia Kühniella angeführt. Es verhält sich merkwürdiger Weise ganz abweichend von dem der übrigen Schmetterlingsraupen, was vielleicht in der veränderten Lebens- weise seinen Grund findet. Denn während die grosse Mehrzahl o Einiges über den Mitteldarm der Insekten sowie über Epithelregeneration. 259 dieser Thiere sich von Pflanzenblättern u. s. w. ernährt, frisst jene Ephestiaraupe mit Vorliebe mehlartige Stoffe, also Kohlen- hydrate. Die Epithelzellen sind hier mässig hoch eylindrisch. Beim Freiwerden gehen sie leicht in Kugelform über oder nehmen eine Uebergangsform an (Fig. 8). Der Kugeldurchmesser beträgt etwa 30 u, ist also bedeutend geringer als bei den Bienenlarven und den meisten anderen Raupen. Der protoplasmatische Inhalt der Zellen lässt sich mit dem des Mehlwurms vergleichen. Doch ist er oft noch dichter mit ganz feinen Pünktchen erfüllt, welche nicht alle als Netzknoten anzusehen sein dürften, so dass die Zellen unter dem Mikroskop auffallend dunkel und undurehsichtig sind. Ungleichmässig durch die ganze Zelle vertheilt sieht man nun die stark lichtbrechenden Sekretkugeln. In der Färbung stets übereinstimmend sind sie je nach dem Individuum mehr oder weniger gelb; zuweilen allerdings auch ganz farblos. Ferner sind sie auch abweichend vom sonsti- gen Verhalten von verschiedener Grösse, bleiben aber dabei immer klein (ca. 2 bis 3 «), worin sie den Dytiseiden u. A. gleichen. Ihre Anzahl mag im optischen Schnitt 25 bis 40 betragen, so dass also die Zelle nur mässig von ihnen erfüllt ist, was im Vergleich mit den folgenden Formen besonders auffällt. Die Kugeln färben sich mittels Osmiumsäure nicht braun, sind demnach nicht Fett, wie solches überhaupt in diesen Zellen nicht anzutreffen ist. Der Zellkern ist nur undeutlich zu erkennen. Er liegt in der Mitte der Zelle, jedoch oft etwas nach oben gerückt. Ein unter dem Härchensaum liegender Raum im oberen Zelltheile ist von dem übrigen etwas abgesondert; er ist heller, homogener und ent- behrt der Sekretkugeln. Ganz ebenso wie im Mitteldarm der Larve von Ephestia sehen die Epithelzellen auch bei Puppe und Imago aus. Es findet hier also, wie es scheint, bei der Verpuppung eine Veränderung der Epithelzellen selbst nicht statt. — Geschieht jetzt eine Gestaltung des Zellinhalts in der Weise, dass die Sekretkörner, um sie der Kürze halber so zu nennen, alle von gleicher Grösse sind und dichte, gedrängt als bei Ephestia liegen, so erhalten wir die Mitteldarmzellen der Hy- menopteren, wie ich ‚sie bei der Biene, den Hummeln und vielen Wespen fand. 260 Johannes Frenzel: Das Epithel besteht hier, wie schon mehrfach erwähnt, aus gestreckten Cylinderzellen, welche sich beim Freiwerden leicht voneinander lösen und kugelig werden (Fig. 20). Oft sind die Sekretkugeln darin so dicht angehäuft, dass für den protoplasma- tischen Inhalt kaum noch Raum übrig bleibt. Oft sind sie aber auch spärlicher anzutreffen. Sie sind äusserst stark lichtbrechend, farblos oder ein wenig gelblich, etwa 3 u gross und völlig kugel- rund. Man könnte sie daher für Fetttropfen halten. Doch werden sie durch Osmiumsäure nicht gebräunt, gehen vielmehr darinin Lösung, während sie dem Alkohol abs. und Terpentinöl wider- stehen, wie sie auch von 5- und 35procentiger Kalilauge nicht an- gegriffen werden. Leichter werden sie durch Säuren zerstört, so dass man ihrer im Schnittpräparat nicht ansichtig wird. In diesem sieht man nur ein schönes protoplasmatisches Netzwerk, in dessen Hohlräumen jedenfalls die Kugeln gelegen haben (Fig. 22). Bei der dichten Anhäufung der Sekretkugeln ist der Kern kaum zu erkennen. Deutlicher wird er im Schnittpräparat als in der Mitte der Zelle liegender kugel- oder eiförmiger Körper mit gut ausgeprägtem Netzwerk und einem oder zwei nucleolenartigen Körperehen. — Der Härchensaum ist von bedeutender Höhe. — Fetttropfen habe ich in diesen Zellen nieht gefunden. — Während also in den Mitteldarmzellen der Bienen die so be- schaffenen Sekretkugeln nicht immer gedrängt zu liegen pflegen, so giebt es andererseits Insekten, wo dies Letztere die Regel aus- macht; z. B. haben manche Raupen, die Puppen und wohl auch die Imagines von Bombyx neustria („Imaginalzellen“), Bombyx dispar, Tortrix viridana, Janira, Zygaena, Melithaea Athalia, Hibernia de- foliaria ete. im fertigen Zustand nur solche Zellen, daher ich sie „Imaginalzellen“‘ nennen will, indem ich vermuthe, dass sie überhaupt allen Schmetterlingen eigen sind. Auch gewisse Raupen, sowie die Puppe und Imago von Porthesia chrysorrhoea haben ähnliche Zellen, nur dass die Form der Sekretkörner abweicht, und auch bei der Schabe findet sich oft etwas Aehnliches (Fig. 4, 6, 12, 15 und 23). Bei den meisten Schmetterlingen sind die Mitteldarmzellen von zahllosen, gleich grossen, genau kugeligen Körpern diehterfüllt (Fig. 15 und 23). Diese ähneln denen von der Biene beschriebenen völlig, sind namentlich farblos und nicht fettartiger Natur. Von einem protoplasmatischen Inhalte ist in diesem Falle nichts wahr- zunehmen; jedoch tritt der Kern meist deutlich hervor. Einiges über den Mitteldarm der Insekten sowie über Epithelregeneration. 261 Ebenso und ganz übereinstimmend sind die Zellen in den Schmetterlingspuppen beschaffen, wie weiter unten noch zu zeigen sein wird, und nur bei Porthesia chrysorrhoea ist die Form der Sekretkörner eine bohnenförmige (Fig. 12). Da es zweekmässiger erscheint, diese Zellformen in Verbin- dung mit dem normalen Raupenepithel zu betrachten, so möge jetzt zum Darmepithel der Dytiseiden und Carabiden übergegangen werden. Auch hier sind ganz allgemein solche Sekretkugeln vor- handen; doch sind sie spärlicher und mit grossen Fetttropfen untermischt. Die dem Darmschlauch angehörenden Zellen sind mehr ge- streckt eylindrisch, die in den Ausstülpungen mehr eubisch. Bei Dytiscus wenigstens habe ich zwischen beiderlei Zellarten, was ihren Inhalt betrifft, keinen wesentlichen Unterschied aufgefunden. In ihrer Grösse stehen hier die Zellen hinter denen der Rau- pen und Bienenlarven zurück. Bei Dytiscus beträgt ihr Durch- messer etwa 27 bis 36 u. Im oberen Theil der Zellen sieht man bei Dytiscus und Acilius in der Regel einige grosse starklichtbrechende Tropfen, welche von verschiedener Grösse einen Durchmesser von 12 bis 15 u erreichen können, also den der Sekretkugeln bedeutend über- wiegen. Unter Schrumpfen bräunen sie sich durch Osmiumsäure und lösen sieh ferner in Xylol, woraus sich ergiebt, dass sie fett- artiger Natur sind. Die Sekretkugeln hingegen sind mehr gleichmässig in der Zelle vertheilt, doch so, dass sie deren Basis meist freilassen. Im optischen Schnitt zählt man ihrer etwa 30 oder auch mehr; nie ist jedoch die Zelle völlig von ihnen ausgefüllt. Von den Fett- kugeln unterscheiden sie sich kaum durch ihr Aeusseres abge- sehen von dem beträchtlichen Grössenunterschiede. Da sie aber die Osmiumsäure nicht zu reduziren vermögen, sich darin sogar lösen, was anderseits in Xylol nicht statthat, so sieht man, dass sie von Fett wesentlich verschieden sind und den Sekret- kugeln der Hymenopteren, Schmetterlinge u. s. w. durchaus gleich- zustellen sind. Der übrige Zellinhalt besteht aus protoplasmatischer Substanz, in welcher feine Körnchen eingestreut erscheinen. — Der blasen- artige Kern ist bei Dytiscus gross, im frischen Zustand homogen und mit einem starklichtbrechenden Nucleolus versehen. — Der Härchensaum ist hier niedrig. 262 Johannes Frenzel: Bei Carabus, Feronia u. s. w. bieten sich die Zellen im Allge- meinen sehr ähnlich dar. Doch liegen die Sekretkugeln mehr in der oberen Zellhälfte und Fettkugeln fehlen grösstentheils, wenn nicht immer. | Der letzte hier aufzuzählende Fall betrifft den Mitteldarm der Hemipteren, speciell den der Wasserwanzen (Hydrometra, Notonecta und Naueoris). Die an und für sich eylindrischen Zel- len lösen sich leicht los und werden meist kugelig. Ihre Grösse stimmt mit denjenigen von Dytiscus überein. Bei Notoneeta u. A. trifft man gleichfalls im oberen Zelltheil mehrere verschieden grosse Fetttropfen an (Fig. 21), welche aber oft eitronengelb gefärbt sind. — Der ganze übrige Zellraum mit Aus- nahme des Kerns ist gedrängt voll von sehr kleinen äusserst starklichtbreehenden eng aneinanderliegenden Sekret- kugeln, so dass die Zelle bei durchfallendem Licht fast schwarz aussieht. Diese Kügelchen sind höchstens 0,5 « gross, wodurch sie sich von allen bisher genannten Sekretkugeln unterscheiden. Der Zellkern ist unter diesen Umständen nicht deutlich wahr- zunehmen. Doch kann man seine Lage in der Basis der Zelle wie auch seinen Nucleolus erkennen. — Der Härchensaum ist wie bei Dytiscus niedrig. c) Epithelzellen mit geformtem, farbigem Sekret. In den ersten beiden Gruppen sind wir mit den einfachsten und mit den noch wenig komplizirten Verhältnissen, wie sie in den Epithelzellen des Mitteldarms auftreten, bekannt geworden. Liess sich im ersten Falle der sekretorische Inhalt der Zellen nur schwierig definiren, so war er auch noch im zweiten Falle von übereinstimmend einfacher Beschaffenheit, bestehend aus dem stereometrisch einfachsten Körper, der Kugel, und ohne irgend welche Färbung. Einzig und allein war an ihm sein Vermögen, das Licht stark zu brechen, in die Augen fallend. In der demnächst zu besprechenden Gruppe hingegen ist das Aussehen und Verhalten des Sekretes ein ganz anderes, viel kom- plizirteres. Von unbestimmterer, aber immerhin charakteristischer Form ist es stets deutlich gefärbt, seine Liehtbrechungskraft ist eine nur mässige. Eigentliche Uebergänge zu den ersten beiden Gruppen erscheinen demnach ausgeschlossen; doch kann man, Einiges über den Mitteldarm der Insekten sowie über Epithelregeneration. 263 wenn man die Zelle als Ganzes nimmt, immerhin Formen finden, welche sowohl zur ersten als zur zweiten Gruppe hinüberleiten. So ist als Uebergang zur ersten Gruppe, zu der der Bienen- larven eine andere Hymenopterenlarve, nämlich die von Tenthredo salicis anzusehen, insofern als die Sekretkrümel nur recht schwach gefärbt sind. Einen Uebergang zur zweiten Gruppe schliesslich bilden gewisse Schmetterlingslarven und Blatta, und zwar deshalb, weil sie beiderlei, gefärbte und ungefärbte Sekrete unter Umständen enthalten können. Die Mitteldarmzellen in der Tenthredolarve sind von ganz beträchtlicher Grösse, schliessen sich also in dieser Eigenschaft enge an die der Bienenlarve an. Die Zellhöhe kann bis 150 u, die Zellbreite bis 95 «u ausmachen, und selbst der Härchensaum wird etwa 42 u hoch. Schon an der frischen Zelle sieht man, dass die protoplas- matische Substanz in feinen Längsstreifen angeordnet ist, die unter sieh durch ein enges, noch feineres Gitterwerk verbunden sind, dessen Knotenpünktchen auf jenen Streifen liegend, ihnen ein feingewelltes oder gezacktes Aussehen verleihen, ähnlich wie Fr. Leydig es an anderen Orten gefunden. — Oberhalb des etwa in der Mitte der Zellmasse schwebenden Kernes sind nun in jene Substanz eine Anzahl von Sekretkörpern eingestreut. Ihre Menge ist nie so bedeutend, dass sie sich enggedrängt häufen, sondern mehr oder minder breite Zwischenräume halten sie von einander getrennt. Ihrer Gestalt nach möchte ich sie als Krümel bezeich- nen, analog ganz ebenso geformten Gebilden in den keulenförmi- gen Fermentzellen mancher Mollusken!) (Aplysia, Helix, Oetopusete.). In ihrer Grösse zwar variirend wird ihr Durchmesser kaum mehr als 2 bis 4«. Sie sind sämmtlich in gleicher Weise, nämlich ganz hellschwefelgelb gefärbt, wodurch sie sich allein deut- licher markiren, da sie nur einen sehr geringen Glanz haben; kurz sie sind in ihrem gesammten Habitus jenen Krümeln in der Mitteldarmdrüse derMollusken völligähnlich, aus welchem Umstande schon allein man sie mit grossem Recht als das enzymatische Sekret ihrer Zellen und mithin des Mitteldarms an- 1) Vergl. 1) Ueber die Mitteldarmdrüse (Leber) der Mollusken. Dies Arehiv XXV, p. 65 ff. — 2) Mikrographie der Mitteldarmdrüse (Leber) der Mollusken. I. Theil. 264 Johannes Frenzel: sehen kann. Doch sind sie nicht der einzige geformte und ge- färbte Inhalt derselben. Denn während sie, wie man dies auch von vorneherein zu erwarten geneigt ist, stets nach dem Darm- lumen hin gelagert sind, so findet sich ausserdem im unteren Zelltheil dessen ganze Breite einnehmend eine gleich- falls genau ebenso hellgelb gefärbte Masse. Diese besteht aus um vieles kleineren Körnehen oder Granulis, welche perl- schnurartig aneinandergereiht insenkrechten dicht aneinander- geschobenen Zügen nach dem Kerne zu aufsteigen, in dessen Nähe sie sich von unten herauf immer kleiner und blasser werdend verlieren. Abgesehen von ihrer Lage und Grösse unter- scheiden sie sich von obigen Krümeln erstens durch fast genau kugelige oder doch isodiametrische Form sowie durch ihr etwas stärkeres Lichtbreehungsvermögen. Ihr Durchmesser mag etwa 0,5 u betragen; im optischen Schnitt kann man etwa 40 solcher Längsreihen zählen, und jede Längsreihe mag aus 50 Körnchen aufgebaut sein, so dass sich deren Gesammtzahl in einer Zelle auf mindestens 70000 belaufen mag, während von den Krümeln günstigen Falles nur 100 bis 150 (im optischen Schnitt) mithin in Summa 1000 bis 2000 zu zählen sind. Trotz der so beträchtlichen Grössendifferenz kann man doch behaupten, dass diese letzteren an Masse jenen Körnchen oft nachstehen, namentlich wenn man ähnliche Verhältnisse bei manchen Raupen u. s. w. berücksichtigt. Viel mehr als die bisher genannten Zellbestandtheile, deren Färbung nicht selten eine äusserst blasse ist, machen sich hier bei der Tenthredolarve grosse kräftig schwefelgelbe Fettkugeln bemerk- lich. Zwar sind sie nur in geringer Zahl vorhanden (3 bis 6 Stück im Schnitt), doch können sie bis zu der bedeutenden Grösse von 8 bis 9 u heranwachsen. Sie können aber auch gänzlich fehlen, ohne dass sich sonst im Aussehen der Zellen eine weitere Veränderung bemerklich macht. Meist liegen sie in der Nähe des Kerns oder auch unter demselben weit von einander entfernt. Dem Volumen der Zelle entsprechend ist auch das des Kerns ein riesiges. Er befindet sich etwa in ihrer Mitte, ist seltener kugelig, meist vielmehr bohnen- oder auch nierenförmig. Im Uebrigen gleicht er dem der Bienenlarven. Kaum irgendwo anders ist der Zellsaum so gut wie hier zu erkennen, da er aus erstaunlich langen Härchen zusammen- gesetzt wird. Die von ihm bedeckte Oberfläche der Zelle führt eine membranartige Kappe. Einiges über den Mitteldarm der Insekten sowie über Epithelregeneration. 265 Sehr ähnlich wie bei der Tenthredolarve sind die Epithel- zellen in den beiden Mitteldarmsäcken von Gryllotalpa gebaut. Auch hier ist die Färbung eine sehr blasse; die unter dem Zell- saum mehr zusammengedrängten und kleineren Krümel können sogar ganz farblos sein, während man an den basalen Körner- reihen stets die gelbe Farbe noch erkennen kann. Der Kern be- sitzt hier ein deutliches Netzwerk und einen grossen Nucleolus. Der Härchensaum ist niedrig. Diese so beschaffenen Epithelzellen von der Tenthredolarve und von Gryllotalpa führen die zwei uns am häufigsten begegnen- den Produkte, nämlich die Körnerreihen und die Krümel. Man kann sie daher zweckmässigerweise als Ausgangspunkte für die Betrachtung der nun folgenden Zellformen annehmen. Lässt man nämlich die ersteren, die Körnerreihen, verschwinden, und die letzteren, die Krümel, sich mehr entwickeln, so kommen die- jenigen Stadien zum Vorschein, welche bei den Raupen von Por- thesia chrysorrhoea, von Bombyx neustria u. A. vorherrschen. Es sei aber gleichzeitig bemerkt, dass ein strenger Unterschied zwischen den beiden Formen nicht besteht und dass sich die man- nigfachsten Uebergänge zwischen ihnen nachweisen lassen. Die eylindrischen Epithelzellen!) von jener Bombyxraupe lassen sich gut von einander isoliren, ohne ihre Gestalt stark zu verändern. Höchstens die grösseren werden etwas bauchig (Fig. 7). Im Schnitt- präparat (Fig. 18) fand ich sie im Gegensatz zu der schon ein- mal erwähnten Darstellung Fr. Leydig’s als schmale, langge- zogene Rechtecke, deren Höhe bis 30 oder sogar 90 «u betragen kann, während ihre Breite nur etwa 15 bis 20 « ist. In das deut- lich längsgestreifte Protoplasma sind die gelben Krümel meist oberhalb des Kerns als eine breite Schicht eingebettet. Doch können sie auch den Kern umlagern, vermeiden aber stets den Fusstheil der Zelle. In ihrer Form mit denen von der Tenthredo- larve übereinstimmend, sind sie kleiner, nämlich etwa 1,5 bis 3 u gross, aber sehr lebhaft chromgelb gefärbt und namentlich oben unter dem Zellsaum dicht angesammelt, aber niemals zusammengeballt, sondern stets noch durch kleine Zwischenräume voneinander ge- schieden (Fig. 7 und Fig. 1). Nach unten zu nehmen sie an 1) Die übrigen Epithelelemente, die Schleimzellen nämlich, bleiben hier noch ausser Acht. 266 Johannes Frenzel: Grösse ab, um immer vereinzelter zu werden und ganz zu ver- schwinden. Von jedem dieser Krümel scheint aber regelmässig ein protoplasmatischer Streifen basalwärts auszugehen, der sich eine Strecke weit verfolgen lässt. Bei der Raupe dieser Bombyxspezies habe ich zwar in keinem einzigen Falle ausser diesen Krümeln noch die gelben Körner- reihen gesehen, doch soll deren Vorkommen hier nicht unbedingt ausgeschlossen werden. Auch Fettkugeln waren hier niemals an- zutreffen, dagegen zuweilen zwischen den Krümeln kleine rothe krystallartige Stäbchen, über welche weiter unten noch Einiges folgt. Der kugelige oder eirunde grosse Zellkern liegt in der Mitte der Zelle. Er enthält nur einen Haufen von Granulis. Der Här- chensaum ist mässig hoch. Die eylindrischen Mitteldarmzellen der Leucoma salieis-Raupe sind den soeben besprochenen nicht unähnlich. Jedoch sind die ebenso kräftig gelben Krümel nur vereinzelt anzutreffen. Dafür ist aber die ganze Zelle diffus hellgelb gefärbt, scheint also an- statt fester Körper eine Flüssigkeit zu enthalten, welche in dem schön längsstreifigen Protoplasma gleichmässig vertheilt ist. In dieser Flüssigkeit können aber auch, wie ich es in einer Raupe fand, zahlreichere Krümmel liegen, deren Färbung in einer und derselben Zelle von Gelb, durch Orange zu Roth und Rothbraun wechselt. Hier gruppirten sich ferner diese sehr kleinen Krümel um den Kern herum und namentlich auch unter demselben, vermischt mit braunrothen Krystallstäbehen, welehe den oben schon erwähnten glichen. Basale Körnerreihen und Fetttropfen fehlen diesen Zellen jedoch stets. Schliesslich sei hier noch hinzugefügt, dass Form und Grösse dieser Zellen, ferner ihr Kern, Härchensaum u. s. w. sich wie bei Bombyx neustria-Larve verhält. In ähnlicher Weise kann man diese Cylinderzellen auch bei anderen Schmetterlingsraupen sehen. So enthalten sie bei der Raupe von Sphinx Euphorbiae nur wenige helle, bei der von Hi- bernia defoliaria mehr gelbbraune Krümel u. s. w. Einen ganz anderen Charakter können die gelben Sekret- krümel annehmen, wenn sie sich beträchtlich vergrössern. Dabei ändert sich aber gleichzeitig der Charakter der Cylinderzellen so sehr, dass sie mit den letztgenannten nur noch geringe Ueberein- stimmungen behalten. Viel näher in ihrem ganzen Habitus stehen Einiges über den Mitteldarm der Insekten sowie über Epithelregeneration. 267 diesen Zellen aber diejenigen, denen_zwar die Krümel fehlen, da- gegen die Basalkörner-Reihen eigenthümlieh sind. Es ist be- merkenswerth, dass sich beiderlei Gebilde nicht häufig zusammen- finden; doch können die Krümel auch durch andere, ähnlich ge- färbte, aber mehr tropfenartig-flüssige Massen ersetzt werden, während etwas dem Aehnliches für die Körnerreihen nicht statt- hat. Ein vereinigtes Auftreten von gelbgrünen Krümeln und blass- gelben Körnern sah ich einmal bei einer Raupe von Pieris bras- sicae und von Arctia caja. Bei der Raupe von Bombyx (Ocneria) dispar, der wir uns zunächst zuwenden, wird ähnlich wie bei der von Leucoma salieis der ganze Zellleib von einer gelblichen Flüssigkeit durchtränkt. An der Zellbasis steigen dicht gedrängt etwa 40 bis 50 (im Schnitt!) Kör- nerreihen auf, deren Farbe eine intensiv goldgelbe ist, so aber, dass die untersten, welche zugleich die grössten sind, den meisten Farbstoff enthalten und nach oben hin allmählich in blassere über- gehen, um in der Nähe des Kernes ganz aufzuhören. Die Anzahl dieser gelben Körnchen ist hier womöglich eine noch grössere als bei der Tenthredolarve. Der hoch hinaufgerückte Zellkern ist in der Regel nur von jener gelblichen Flüssigkeit umgeben, welche von senkrecht aufsteigenden Protoplasmafäden durchzogen wird. Oberhalb des Kernes jedoch wird fast immer die ganze Zellbreite von zwei oder drei Lagen tropfenartiger Kugeln eingenommen. In ihrer Grösse den Krümeln entsprechend (2 bis 4 «) sind sie wie diese gelb, und zwar hellschwefelig, gefärbt und haben im Gegensatz zu den Körnerreihen gar keinen Glanz. In grösseren Abständen vertheilt sind sie nicht zahlreich, betragen im optischen Sehnitt kaum 20 bis 30 Stück, daher sie in ihrer Gesammtmasse weit hinter den Basalkörnehen zurückstehen. An sie angelagert sind fast immer die hier mehr kupferrothen krystallartigen Stäb- chen anzutreffen, welche nadelartig dünn etwa 4 oder 5 « lang sind. — Die gelben Tropfen und die Stäbe werden durch starke Essigsäure oder zweipromillige Salzsäure selbst innerhalb 24 Stun- den kaum verändert, was auch von Ammoniak und verschieden concentrirter Kalilauge gilt. Während hier die basalen Körnerreihen in dieser oder jener Raupe gänzlich fehlen können, so sind, wie es scheint, die hellen Tropfen immer vorhanden und können sich sogar hin und wieder weit massiger als oben angegeben anhäufen. Man kann aber an 268 Johannes Frenzel: der Regel festhalten, dass die Cylinderzellen eines und desselben Individuums gleich gebaut sind und nur in nebensächlichen Punkten von einander abweichen. Es können dann ausser jenen Zellprodukten noch Fettkugeln von orangegelber bis rothbrauner Farbe auftreten, welche, stets nur spärlich, in der Nähe des Kernes eingelagert sind. Bemerkenswerth ist schliesslich noch der Kern dieser Zellen von der Bombyx dispar-Raupe, insofern nämlich, als der wie ge- wöhnlich aussehende Haufen von Granulis einen grossen stark glänzenden Nucleolus umgiebt, inmitten dessen innerhalb eines vacuolenartigen Raumes ein kleines ebenfalls rundes Körperchen, ein Nucleollolus, schwebt. Dieser so beschaffenen Zellform wären nun noch ähnliche, z.B. von der Raupe der Dianthoecia capsincola u. s. w. anzureihen, auf die hier aber nicht weiter einzugehen ist. Es kommen jetzt daher diejenigen in Betracht, wo die gelben Körnerstränge allein maassgebend sind. Als Beispiel hierfür diene die Larve von einigen Coceinellaspecies, und zwar schon deswegen, weil sie der einzige Vertreter der Coleopteren in unserer dritten Gruppe ist, womit aber nicht wahrscheinlich gemacht werden soll, als wenn bei dieser Insektenordnung an keiner anderen Stelle noch ähnlich gebaute und gefärbte Sekretmassen anzutreffen wären. Denn wiewohl die in der zweiten Gruppe bereits erledigten farblosen glänzenden Sekretkugeln bei den Käfern vorzuherrschen scheinen, so fand ich doch an mehreremOrten, so bei Melolontha vulgaris, Geotrupes und Telephorus grosse gelbe oder braune Sekretmassen in den Mitteldarmzellen. Hier, bei der Coceinellalarve bieten sich verschiedene aber typisch zusammengehörige Bilder dar. Zuerst kann eine ausserordentliche Aehnlichkeit mit den gleichen Zellen der Bombyx dispar-Raupe zu bemerken sein, welche sich darin äussert, dass die basalen Körner- reihen ebenso oder noch viel mächtiger als dort entwickelt sind und in ihrer Färbung jenen gleichen, oder auch noch kräftiger gelb- braun und lebhaft glänzend erscheinen. In einer von der Zellbasis wie gewöhnlich senkrecht aufsteigenden Längsreihe, welche den sehr hoch gelagerten Zellkern theilweise überragt, können bis zu 50 der genannten Körnchen zu zählen sein, so dass fast drei Vier- theile des ganzen Zellleibes von ihnen eingenommen werden. Der obere Zelltheil enthält dagegen nur farbloses Protoplasma, in dem Einiges über den Mitteldarm der Insekten sowie über Epithelregeneration. 269 zuweilen blasse Flüssigkeitsvakuolen, ferner kleine Coneremente von fettartig aussehenden sehr winzigen Körnchen und ausserdem noch mehrere grosse goldgelbe bis braune öltropfenartige Kugeln schwimmen. Der Kern endlich ist hier kugelig, gross und mehr nach oben gerückt. Bezüglich seines Inhalts ist er frei von den Körnchenhaufen, enthält aber einige wenige, gewöhnlich 2, Nukleoli. Bei einer anderen Larve dieses Käfers waren die Körn- chenreihen in der Zelle von gleicher Entwicklung hinsichtlich ihrer Masse. Doch besassen sie sämmtlich nur einen sehr hellen, blassgelben Farbstoff, und dementsprechend waren die grossen über ihnen liegenden Fettkugeln ganz farblos. Ihre Zahl und Grösse hatte aber so zugenommen, dass sie enge zusammengedrängt die sanze obere Zellhälfte ausfüllten. Waren schon in diesen letzten Fällen die basalen Körnerreihen mächtig entwickelt, so können sie doch noch einen höheren Grund an Massenhaftigkeit wie an Farbenpracht erlangen, so in den Cylinderzellen einer auf der Birke lebenden Wicklerraupe. Die glänzenden Körnchen haben hier eine äusserst lebhafte rothbraune Farbe, welche nach oben hin nur wenig abnimmt. Dabei sind die Körnchenreihen sehr lang gestreckt und können etwa drei Viertheile der Zellhöhe erfüllen, indem jede aus etwa 75 einzelnen Körnchen besteht, die auch hier in der Nähe des hoch oben liegen - den Kernes verschwinden. Zugleich findet in diesen Zellen eine ausserordentlich reichliche Ansammlung von den schon genannten rothbraunen krystallähnlichen Sekretstäbehen statt, welche oft zu stern- oder rosettenförmigen Aggregaten gruppirt dem oberen Zell- theil eine ebenso lebhaft rothbraune Färbung verleihen wie die dicht an sie angrenzenden Körnchenreihen dem unteren, so dass einzig und allein die Gegend des Kernes heller aussieht. Und damit ist der Reichthum dieser Zellen an gefärbten Elementen nicht erschöpft, denn zwischen den rothbraunen Stäbchen leuchten noch hier und da goldgelbe oder gleichfalls braunrothe grosse öl- tropfenartige Kugeln in mehr oder minder grosser Menge auf. Weniger leicht als die bisher aufgeführten eylindrischen Mittel- darmzellen lassen sich einige andere Formen klassifiziren. Da aber ihre Verwandtschaft mit jenen ganz offenbar ist, so mögen sie hier folgen. Im Imagostadium der Coceinella ähneln die Zellen sehr denen 270 Johannes Frenzel: des Raupenstadiums. Doch habe ich bisher nicht wie bei diesen auch Körnerreihen angetroffen, dagegen die schon erwähnten öl- tropfenartigen Kugeln von brauner Farbe, deren Grösse und An- zahl so beträchtlich wird, dass sie fast die Hälfte des gesammten Zellinhaltes darstellen. Sie sind in eine wie bei der Raupe von Leucoma’ salieis hellgelbliche, das Protoplasma homogen durch- setzende Flüssigkeit eingelagert, in welcher ausserdem noch in grösserer Menge, aber zerstreut, sehr kleine krümelartige braune Körncehen zu sehen sind. Der Kern gleicht übrigens dem der Larve. Recht verschieden und total abweichend sehen’ bei einer auf “ der Eiche lebenden Larve die Mitteldarmzellen aus. Sie sind von immenser Grösse und fast kubischer Gestalt. Das Protoplasma ist, namentlich im basalen Theil, deutlich längsgestreift. In den oberen drei Viertheilen des Zellleibes liegen nun als gefärbte Sekretmassen grosse schwefelgelbe, wenig glänzende kugelige Tropfen in erheblicher Menge und in geringer Entfernung von ein- ander. Nach oben zu werden sie immer grösser und lebhafter in der Färbung, während mehr unterhalb des Kernes kleinere und blassere Tröpfehen mehr von einander getrennt wahrzunehmen sind. Dieses Sekret ist also grade wie das krümelige der Raupen nach der Zelloberfläche hin angehäuft. — Auch der Kern dieser Zellen ist ganz anders als gewöhnlich konstruirt, indem er die von Leydig u. A. beschriebenen in anderen Geweben der Insekten an- zutreffenden geldrollenartigen Schnüre (Würste) enthält (Fig. 16). Um nun zu den hier zuletzt aufzuzählenden Zellformen zu ge- langen, muss ein noch grösserer Sprung gemacht werden. Die- selben enthalten nun gar keine Körnerreihen mehr, sondern, wie die Cylinderzellen von der Bombyx neustria-Raupe, bloss gelbe Krümel. Doch sind diese erstens von viel grösserem Umfang, und zweitens bilden sie, da ihrer mehrere unter einander verklebt sind, klum- penartige Ballen (Fig. 4, 5 und 6). Dafür giebt es zwei charakte- ristische Beispiele, nämlich Blatta orientalis und die Raupe von Porthesia ehrysorrhoea. Zugleich findet hier, wie schon angedeutet, ein Uebergang zu den Zellen der zweiten Gruppe statt; und ob- wohl sich ein solcher auch bei anderen Raupenzellen zu erkennen gibt, so ist er doch gerade hier ganz besonders häufig. Abgesehen von den Drüsenzellen der Krypten, über die ich noch nichts Positives mittheilen kann, besteht das Mitteldarmepi- Einiges über den Mitteldarm der Insekten sowie über Epithelregeneration. 271 thel von Blatta aus einer einzigen Zellart, welche aber in verschie- denen Zuständen auftritt, zwischen denen stufenweise ineinander übergehende Verbindungsglieder nachweisbar sind. Im einfachsten Falle enthält die bald kugelig oder doch eirund werdende Zelle einige wenige grosse Krümel in das farblose und wenig granulirte Protoplasma eingelagert, welche schwefelgelb sind, etwas glänzen und wolkenartige Trübungen enthalten. Sie können aber wohl einen mehr flüssigen, tropfenartigen Zustand annehmen, wobei sie dann in der Regel noch grosse, stark lichtbrechende, braune Kugeln einschliessen. Jedoch auch bei Blatta ist wieder die Bemerkung zu machen, dass die Mitteldarmzellen je eines Individuums stets nach demselben Typus gebaut sind, so dass man gemein- hin derartige Verschiedenheiten nur beim Vergleich mehrerer In- dividuen antrifft, dann aber ganz unabhängig von Geschlecht, Alter und Ernährungszustand, im Mitteldarm selbst wie in seinen Anhängen. Oft machen diese gelben Körper den einzigen, als sekretorisch zu bezeichnenden Inhalt der Zellen aus. Sucht man aber weiter nach, so findet man gar bald ein anderes Thier, wo derselbe nun noch durch den zweiten Bestandtheil, nämlich durch gleichmässig grosse, farblose und stark glänzende Kügelchen bereichert wird, welche völlig mit denen an gleicher Stelle statuirten Gebilden bei den Wasserkäfern u. s. w. übereinstimmen. Der einzige, freilich ganz unwesentliche Unterschied möchte darin bestehen, dass sie bei Blatta und weiterhin auch bei der Goldafterraupe zu einem, wie es scheint, von einer bläschenartigen Hülle umschlossenen, kugeligen Klumpen zusammengeballt sind. Bald erscheinen diese wie Fett aussehenden Kügelchen in geringer Menge, nur eine oder zwei solcher Blasen ausfüllend und an Masse gegen die gelben Krümel zurückstehend. Bald aber können sie so zahlreich werden, dass sie dicht zusammenschliessend den ganzen Zelltheil ausfüllen und nur für Krümel und Kern noch den nöthigen Raum freilassen, wie Fig. 6 zeigt. Und endlich kann man gar nicht so selten Blattaindividuen begegnen, deren Mitteldarmzellen einzig und allein nur noch solche Sekretmassen besitzen, genau so wie wir es noch bei den Schmetterlingen sehen werden (Fig. 15). Ganz analoge Verhältnisse bietet nun auch die Goldafter- (Porthesia chrysorrhoea) Raupe dar, und hiermit erhalten wir, nicht nur construetiv, sondern auch der Wirklichkeit entsprechend, 272 Johannes Frenzel: die Uebergangsform zur zweiten Gruppe der Mitteldarmzellen. In allerdings seltneren Fällen sieht hier gleichfalls eine solehe Zelle ge- rade so wie die von der Blatta zuerst geschilderte aus. Von ursprüng- lich eylindrischer Gestalt rundet sie sich beim Freiwerden meist ab. Das Protoplasma möchte man für fein granulirt halten, da es eine Netz- oder Streifenstruktur nicht zu erkennen gibt. In der oberen Zelihälfte hängen die zum Theil zusammengeballten stets glänzend chromgelben Krümel (Fig. 5). Eine Tropfenform wie bei Blatta ist hier ganz ausgeschlossen. Diese Krümel sind schwer löslich in cone. Säuren, in Salpeter- und Essigsäure sogar beständig. Osmiumsäure verändert sie gar nicht. In Ammoniak und starker Kalilauge sieht man sie nur heller werden. — Der grosse meist basalwärts gelagerte Kern ähnelt dem anderer Raupen. Mit Ausschluss von erst wenige Tage alten Raupen, welche eine eigene Gruppe für sich präsentiren, kann man derartigen Zellen bei jungen wie bei alten, bei normal genährten wie bei hungernden Raupen, sowie auch bei solchen begegnen, deren Nah- rung eine verschiedene ist, hier aus Weissdorn-, dort aus Weiden- oder Rosenblättern u. s. w. bestehend. Ganz unabhängig aber auch von irgendwie zu erkennenden Umständen oder Einflüssen ver- ändert sich das Epithel in ganz auffälliger Weise. Wenn ich aus meinen etwa an 30 Raupen gemachten Befunden einen Schluss ziehen kann, so ist sogar die nun zu besprechende Epithelform, die in die imaginale übergeht, die häufigere, denn von 16 genau daraufhin untersuchten Raupen, welche mir alle von derselben Nährpflanze herstammend innerhalb weniger Tage in den letzten Wochen des Junimonats vorlagen, hatten fast die Hälfte, nämlich 7 Stück rein imaginales, 4 Stück gemischtes, und nur 5 Stück das oben besprochene Raupenepithel. — Das gemischte kann beide Zell- formen getrennt in ihrer reinsten und der Grenze am nächsten stehen- den Eigenschaft, wie auch nur eine in der Mitte hin und her schwankende Form darbieten. So beschaffen findet sie ihr Ana- logon im Mitteldarm von Blatta, indem sie sowohl gelbe Krümel wie auch Blasen mit ungefärbtem Inhalt führt, welch letzterer hier aber ganz abweichend und nirgends wieder antreffbar aus boh- nenförmigen Körpern besteht (Fig. 4). Wenn diese noch nicht allzu zahlreich sind, so sieht man sie deutlich in grösserer Menge zu gleich grossen von einer Membran umspannten blasenartigen Klumpen so kunstvoll zusammengepackt, dass sie sich ohne Zwi- Einiges über den Mitteldarm der Insekten sowie über Epithelregeneration. 273 schenraum allseitig berühren. Sie sind sämmtlich von genau glei- cher Grösse und genau gleicher Gestalt, die man am passendsten als einen drehrunden Cylinder bezeichnen kann, dessen beide Enden durch Halbkugeln abgeschlossen werden und dessen Längsaxe dann in einer Ebene ein wenig kreisbogenförmig gezogen ist. Im übrigen aber, was ihre Farblosigkeit, ihren starken Glanz und ihre glasartige Klarheit betrifft, stimmen diese Körper mit den ihnen noch sonst entsprechenden kugelförmigen durchaus überein. In eone. kalter oder warmer Essigsäure unlöslich, verschwinden sie schnell in eone. Schwefelsäure, langsamer in Salzsäure, ertragen sogar solche von 2 pro mille mehrere Stunden lang, auch beim Erwärmen. Merkwürdiger Weise wurden sie von starker Salpeter- säure gerade wie die gelben Krümel gleichfalls nicht angegriffen, was ferner bei ihrer Behandlung mit Ammoniak oder Kalilauge statt hat. In Alkohol und Fettlösungsmitteln sind sie beständig. Ihre Länge beträgt, um auch dies hier zu erledigen, etwa 8 u, ihre Dieke etwa 21/, «u, der Durchmesser einer Blase 12 u. Denkt man sich nun schliesslich die Anzahl der solehe Boh- nen einschliessenden Blasen immer grösser werdend, während die Krümel ganz verschwinden, so erhält man eine wie Fig. 12 aus- sehende vollgepfropfte Zelle, als welche sie bei der Raupe manchmal, bei der Imago von Porthesia chrysorrhoea aber immer und ohne Aus- nahme erscheint. Dann sind die Bohnen so zahlreich, dass jede Zelle mindestens an 1000 Stück davon in sich birgt, und da dieselbe sehr leicht auseinanderplatzt, so ist bei nicht sehr sorgfältiger Präpara- tion das ganze Gesichtsfeld des Mikroskops von diesen hin und her wimmelnden Körperchen erfüllt. Während die so beschaffenen eylindrischen Epithelzellen in kei- nem ihrer verschiedenen Zustände Oel- oder Fetttropfen sehen lassen, so kann man solche doch bei ganz jungen Goldafterraupen antreffen. Sind dieselben nämlich erst einige Tage alt und 1!/, bis 2 mm lang, so ist ihr Mitteldarmepithel noch kein völlig entwickeltes, obgleich sie aber schon pflanzliche Nahrung aufgenommen haben; und ab- gesehen von den Schleimzellen, welche von Anfang an ganz nor- mal auftreten, macht es eine Umformung durch. Bei den jüngsten Raupen fand ich die Oylinderzellen ohne jeden gefärbten sekreto- rischen Inhalt und ohne die Bohnenkörper, sondern nur mit einer Anzahl kleinerer und grösserer Fettkügelchen, die sieh als solche durch die Osmiumreaktion und durch Lösliehkeit in Chloroform Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 26 18 274 Johannes Frenzel: zu erkennen gaben. Bei ein wenig grösseren Räupchen war auch die- ses Fett verschwunden, an dessen Stelle nun kleinere, aber gleich- mässig grosse sonst ebenso aussehende Kügelchen erschienen, die sich mit Osmiumsäure nicht bräunten, und erst in denjenigen In- dividuen, die 3 mm Länge maassen, stellten sich daneben die ersten noch kleinen gelben Krümelchen ein, während die bohnen- förmigen Gebilde ganz fehlten, was von jetzt au auch von den Fetttropfen gilt. Leider konnte ich nicht mehr feststellen, wie sich die Weiterentwicklung vollzieht, doch sah ich schon bei einer etwa 12 mm langen Raupe die ersten Bohnen auftreten. Ausser der Raupe von Porthesia chrysorrhoea giebt es auch noch andere Schmetterlingsraupen, bei denen das Mitteldarmepithel in ähnlicher Weise variiren kann; doch geschieht dies nirgends in so auftälliger Weise wie dort und ist bei vielen andern sogar ganz zu vermissen. Bei der Raupe von Bombyx dispar beispiels- weise habe ich stets nur die oben besprochenen Cylinderzellen mit dem gelbgefärbten Inhalt angetroffen, während bei den der nahe verwandten B. neustria in einigen Fällen einzig und allein das imaginale Epithel zum Vorschein kam. So hatten hier von neun Individuen sieben normales Raupenepithel, während ein einziges rein imaginales und ein anderes gemischtes besass. Letzteres war dergestalt angeordnet, dass das eine Darmende nur aus Imaginal- zellen, das andere aber sowohl aus gelben Zellen wie aus Schleim- zellen bestand, ohne dass sich auch hier für alle diese Erschei- nungen ein hinreichender Grund namhaft machen liess. — Die Imaginalzellen (Fig. 23) sind breiter als die anderen, indem ihre Breite (= Durchmesser ihrer Oberfläche) beiläufig eirca 33 u misst. Sie formiren ein sehr regelmässiges Epithel, wie ein solches theil- weise in seinen Umrissen in Fig. 23 genau wiedergegeben ist. Ihr Inhalt besteht durchgängig aus gleichmässig grossen, etwa 3 bis 4 u messenden, stark glänzenden und farblosen Sekretkugeln, welche dicht zusammengeschoben die Zelle ganz ausfüllen. Schon wiederholt ist darauf Bezug genommen worden, dass diese letzteren Zellen stets den Imagines der Lepidopteren eigen- thümlich sind. Bei der Goldafterraupe haben wir ferner gesehen, wie dieselben aus den normalen Cylinderzellen durch einfachen Ersatz des Inhalts entstehen können. Dennoch ist dies aber nicht der gewöhnliche Weg, wie er bei der Verpuppung, bei dem Uebergang der Larve in das volkommene In- Einiges über den Mitteldarm der Insekten sowie über Epithelregeneration. 275 sekt, eingeschlagen wird. Dieser ist vielmehr ein viel compli- eirterer, ja sogar ein höchst überraschender und im Prineip und Zweck unerklärlicher. Da eraber bei allen mir bekannt gewor- denen Formen seinem Wesen nach übereinstimmt, so wird man ihn wohl für einen weitverbreiteten und allgemeineren ansehen müssen, und wiewohl ich diesen Vorgang nur bei einigen Raupen, nämlich bei denen von Porthesia chrysorrhoea, Hibernia defoliaria, Sphinx Euphorbiae und Bombyx neustria weiter verfolgt habe, so scheint er mir doch nach Allem, was ich gesehen, bei den übrigen ebenso zu verlaufen. Oeffnet man eine solche Raupe, wenn sie sich zur Verpup- pung anschickt, so findet man den Mitteldarm ganz intensiv roth gefärbt, während er sonst wegen der Farbe der Cylinder- zellen gelb oder wegen der Nahrung grün aussieht. In diesem letzteren Falle ist er stets prall gefüllt allseitig dicht an die Leibes- wand angelagert, im ersteren Falle jedoch nur als ein dünner Strang rings von dem jetzt sich ausserordentlich entwickelnden Fettkörper umgeben; und schneidet man ihn auf, so findet man ihn eollabirt, leer und ohne Speisereste. Grade wie die Bienen- larve giebt also auch die Schmetterlingsraupe vor ihrer Verpup- pung dieselben von sich. Man kann übrigens auch künstlich diesen Zustand herbeiführen, indem man die Raupen, auch wenn sie noch nicht ganz ausgewachsen sind, fasten lässt, worauf sie gleichfalls allmählich alles Genossene per anum ent- leeren und das Darmepithel verändern, sich also augenscheinlich durch den Mangel an Nahrung veranlasst zur Verpuppung vorbe- reiten. — Die erste Wandlung im Epithel macht sich nun da- durch bemerklich, dass die mit den Cylinderzellen gepaarten Schleim- zellen auf immerdar verschwinden, und dass die ersteren stets den normalen gelben Inhalt erhalten, was namentlich auch für die Gold- afterraupe gilt, wo jetzt sonderbarerweise die bohnenför- migen Körper durchaus fehlen. Im weiteren Verlaufe werden nun die gelben Krümmel orangefarbig oder braunroth (P. chry- sorrhoea, H. defol.), und dann treten an ihrer Stelle gleichfalls ge- färbte grosse kugelige Tropfen auf, welche, wie es scheint, aus einer Verflüssigung der Krümel hervorgehen. Sie sind entweder ebenso wie jene gefärbt (P. ehrys.) oder blassrosa (H. defol.) oder auch intensiv blutroth mit einer Reihe von Farbenübergängen (P. chrys., B. neustria; Sp. Euphorb.). Stets haben sie einen öl- 276 Johannes Frenzel: tropfenartigen Glanz, ohne aber aus einem derartigen Stoff zu be- stehen, da sie sich in Chloroform ete. weder lösen, noch in Os- miumsäure bräunen. Ein fettiger Verfall der Zellen, wie A. Weis- mann (l. e.) ihn für die Museidenlarven annehmen wollte, ist hier also nieht zu erkennen. Sie sind ferner entweder völlig homogen oder enthalten, zumal wenn sie im Ganzen hellroth oder orange- farbig sind, einen oder mehrere sonst ebenso beschaffene leuchtend rubinrothe Tropfen (H. defol.). Bei der Goldafter- und Wolfs- milehraupe sind in der Regel auch in obigen Kugeln prachtvolle Aggregate von rubinrothen Krystallen anzutreffen, während die blassen Kugeln von Hib. defol. oft je eine grosse schwach neutraltintige Krystallplatte enthalten, die nicht selten stabartig werdend weit aus dem Tropfen herausragt. Die”so gekennzeichneten kugeligen Tropfen nehmen einen grossen Theil des Zellleibes ein. Der übrige Theil nun ist immer, auch bei P. ehrysorrhoea, von starkglänzenden farblosen und gleich- grossen Kugeln erfüllt, welche zuweilen wohl einzig und allein in dieser oder jener Zelle angetroffen werden. Auch sie sind nicht fettartiger Natur, womit aber das Vorhandensein von Fett- kügelehen in diesen Zellen nicht bestritten werden soll. Bei der Wolfsmilchraupe sind jene übrigens sehr klein in riesiger Menge geschaart, während sie sonst grösser und spärlicher sind. Während die Cylinderzellen auf diese Weise ihren Inhalt umwandeln, werden sie abgestossen und, wie es fast scheint, in der ganzen Puppenperiode immer wieder durch neu sich bil- dende ersetzt, denn am Ende derselben findet man den Mittel- darm von einer blutrothen, solche Kugeln und Zelltrümmer bergenden Flüssigkeit ganz prallerfüllt, welehe unver- ändert in das ausschlüpfende Insekt übergeht. Kurz nach dem Ausschlüpfen wird zugleich mit dem ganz massig angesam- melten Sekret der Malpighischen Gefässe ein Theil jenes Darmeon- tentums entleert, ein Vorgang, welcher sich kurz darauf nochmals wiederholen kann. So erklärt sich wenigstens histologisch und ent- wicklungsgeschichtlich, um dies nebenbei anzudeuten, jenes merk- würdige, zu wiederholten Malen beobachtete Phänomen des Blut- regens, deralso wahrscheinlich aus unzähligen rothen Exerementen von massenhaft ausgeschlüpften Insekten, vielleicht Pieris bras- sicae, besteht. Noch in diesem Jahre sind ja an mehreren Orten, so auch bei Berlin, ganze Schwärme dieser Schmetterlinge gesehen worden, deren Zahl auf viele Hunderttausende geschätzt wurde. Einiges über den Mitteldarm der Insekten sowie über Epithelregeneration. 277 — Wenn wir aber nach dem eigentlichen Zweck dieses rothen Darminhalts fragen, so bin ich leider nicht im Stande, eine irgend wie befriedigende Antwort darauf zu geben. Mein erster Gedanke war, dass hier etwa eine Art von Reservenahrung für das ausschlüpfende Insekt aufgestapelt werde; aber, obwohl ich ihn noch nicht fallen lassen möchte, so kann ich doch keinen correc- ten Beweis hierfür herbeischaffen, da mir meine darauf hinange- stellten Experimente bisher nicht geglückt sind. Wenn die Schmetterlingspuppe dem Ausschlüpfen nahe ist, so erhält der Mitteldarm sein endgültiges imaginales Epithel, welches nun überall nur aus den wie Fett aussehenden farblosen Körperchen besteht, die bei P. chrys. bohnenförmig, sonst aber durchweg kugelförmig sind (Fig. 12 und 15). Ein besonderes Merkmal für sie ist, dass sie den ganzen Zellleib in zahlloser Menge erfüllen, ohne dass vom eigentlichen Protoplasma auch nur die Spur zu sehen ist. Die Schleimzellen. Zum Schlusse dieses Abschnittes erübrigt es noch, den als „Schleimzellen“ bezeichneten Epithelbestandtheilen unsere Auf- merksamkeit zuzuwenden. Fast ganz auf die Raupen beschränkt findet man sie stets mit den normalen Cylinderzellen vereinigt, während sie im imaginalen Epithel der Raupen entweder ganz fehlen oder nur in Ueberresten oder auch in ganz jungen Formen anzutreffen sind. Mit alleiniger Ausnahme eines Käfers, nämlich des Dermestes lardarius scheinen sie den übrigen Insekten abzu- gehen, wie sie auch, um es nochmals zu wiederholen, den ausge- bildeten Schmetterlingen durchaus mangeln. Wenn sie normal entwickelt sind, ist ihre Anzahl eine ganz beträchtliche; da sie aber kleiner als die langgestreckten Cylinder- zellen sind, so stehen sie diesen in ihrer Gesammtmasse wohl stets nach (Fig. 18), wovon jedoch die Bärenraupe eine Ausnahme machen dürfte, wo ich sie am grössten fand. Hier erreicht näm- lich der grosse Durchmesser etwa 50 «u, der kleine etwa 35 u. Sonst pflegen sie aber eine solehe Grösse nicht zu erreichen, son- dern nur etwa 30 « lang und 18 « breit zu werden, während in dem gleichen Falle, bei der Raupe von B. neustria, die Cylinder- zellen etwa 85 «u hoch (lang) sind. Dann sind die!Schleimzellen nicht viel grösser als die Kerne der letzteren. Ihre Gestalt ist eine durchaus konstante und überall eine gleiche. Die reiferen, im Epi- 278 Johannes Frenzel; thel aufsteigenden oder an dessen Oberfläche angelangten besitzen eine fast genau ellipsoidische Theca oder Sekretblase, an welche nach unten zu je nach dem Zustande der Zelle der lang- stielförmige Protoplasmaleib wie ein Strick hängt, indem er am unteren Ende den auffällig kleinen Kern enthält. Ganz junge, noch der Basis des Epithels anhaftende Zellen pflegen kugelig zu sein. Auch sie besitzen schon eine nach dem Darmlumen, also nach oben, hin gerichtete Theca, welche der Form des Ganzen angepasst nach unten zu glockenartig ausgehöhlt den meist kuge- ligen und schon völlig ausgewachsenen, also verhältnissmässig grossen Kern umschliesst. Bei ihrem Wachsthum streekt sich die junge Zelle in die Länge, wobei aber Protoplasmamasse und Kern in immer grösser werdendem Abstand von der Theca zurückbleiben. Diese, stets den ganzen an Masse überwiegenden oberen Zelltheil einnehmend, vollzieht allein eine Formveränderung, indem sie sich keilförmig zuspitzt, um sich nach dem Darmlumen hin vorzuschie- ben. Je höher sie dann gelangt, um so mehr rundet sie sich oben wieder ab, und, indem sie ihr Basalende nach sich zieht, wird sie völlig zu einem eiförmigen Körper, wie er in der Regel von der halben Höhe des Epithels ab bis zum Lumen hin getroffen wird. Je weiter diese Theca aber vorwärts drängt, um so mehr lässt sie die stets äusserst geringe Protoplasmasubstanz mit dem ganz basalgelagerten Kern hinter sich, auf welche Weise also die langgezogene Strangform der letzteren zu Stande kommt. Es ist sogar möglich, dass bei völlig eintretender Reife der Protoplasma- faden mit sammt dem Kern ganz abreisst, da man an den ober- flächlich liegenden Theken diese Bestandtheile im Schnitt oft ver- misst; doch kann hier auch sehr leicht eine Täuschung zu Stande kommen, weil man ja nicht gewiss ist, jede Zelle beim Schneiden genau in ihrer Längsaxe. getroffen zu haben. Indem über die Entstehung dieser eigenthümlichen Zellformen auf das Spätere verwiesen wird, sei hier nur kurz auf die grosse Aehnlichkeit hingezeigt, welche dieser Vorgang mit dem zuerst von Fr. Eilhard Schulze in präziser Weise festgestellten in der Oberhaut von Fischen und Amphibien ete.t) hat, wo ja auch von der Basis des Epithels aus junge Schleimzellen fort und fort sich bildend nach oben hin aufsteigen, um durch Entleerung ihres 1) Epithel und Drüsenzellen. Dies. Arch. Bd. III. p. 137 ff. Einiges über den Mitteldarm der Insekten sowie über Epithelregeneration. 279 Inhalts die. Oberfläche der Haut schleimig zu erhalten. Zum Theil aus diesem Grunde habe ich den entsprechenden Zellen aus dem Raupendarm auch den Namen als „Schleimzellen* beigelegt, ohne natürlich damit ausdrücken zu wollen, dass sie jenen funk- tionell gleiehständen. Von ganz besonderem Interesse für uns wird ihr Sekret- raum, den ich gleichfalls der Uebereinstimmung halber als „Theca“ bezeichnen will. Ihre Struktur ist von Fr. Leydig, wie schon erwähnt, zum Theil richtig beschrieben, aber falsch gedeutet wor- den. — Von Jugend auf ist die Theca dem Zellprotoplasma gegen- über von einem solchen Umfang, dass dasselbe fast dagegen verschwindet. Sie besteht aus einer in frühester Jugend ganz dieken Rindenschicht, welche nur einen sehr kleinen spaltarti- sen Raum in der Mitte freilässt. Wächst jetzt die Theca, so ver- grössert sich dieser Raum mehr und mehr (Fig. 3), indem die Rindenschieht an dem Dickenwachsthum nieht Theil nimmt. Wie Leydig richtig darstellt, ist dieselbe, namentlich in früher Jugend, radiär feingestreift (Fig. 2 und 3), an ihrer Innen- fläche jedoch gewulstet oder, wenn man will, mit mehr oder min- der tiefen Einschnitten versehen. Ihre Farbe ist stets eine gelb- liche, aber blasse. In seltnen Fällen, so bei Dermestes lardarius kann sie ausserdem an ihrer Peripherie anliegend eine Anzahl kleiner stärker gelb gefärbter matt glänzender Kugeln enthalten. Der beim Wachsthum im Innern der Theca sich bildende Hohl- raum enthält meist nur eine ganz schwach gelbliche, etwas trübe aber sonst homogene Flüssigkeit, welche jedoch bei der Bärenraupe eine kräftigere neutraltintenartige Farbe annimmt, wobei sie sich noch mehr trübt. In anderen Fällen, beispielsweise bei der Raupe von Vanessa urticae, treten in dieser Flüssigkeit einige kleinere oder grössere braungrüne Körper von Krümelform auf, und bei der Raupe von B. neustria finden sich an deren Stelle entweder einzeln oder zu grösseren Aggregaten vereinigt, prächtig gelb- grün leuchtende Krystalle Nicht selten liegen diese zu je einem in der Theca und sind dann von genau würfelförmiger Ge- stalt, oder was sich noch häufiger ereignet, sie bilden anscheinend eine grosse Tafel von rhombischer Form, deren beide spitze je 60° messende Winkel mehr oder weniger abgestutzt sind, so dass eine längliche sechseckige Figur zu Stande kommt, deren jeder Winkel 120° misst. In diesen Krystallen ist oft eine den Oberflächen parallele Schiehtung wahrzunehmen. 280 Johannes Frenzel: Lässt man nun die eirund werdende Theca weiter wachsen, so sieht man die Rindenschicht sich in feine Körnchen auflösen und mehr und mehr verschwinden, so dass schliesslich nur noch eine von jenerhomogenen Flüssigkeit erfüllte Blase übrig bleibt, in welcher dann dieser oder jener der aufgezählten Bestandtheile schwimmen kann, und in dieser Form geht die Zelle dann secernirend zu Grunde. Fr. Leydig hat also nur ein gewisses mittleres Stadium derselben gesehen und darnach seine flaschenförmigen einzelligen Drüsen Konstruirt, die als solche also gar nieht bestehen und am allerwenigsten im Innern einen als Ausführungsgang dienenden Hohlraum besitzen. Auch ist die Rindenschicht der Theca nicht als gestreiftes Protoplasma mit Leydig anzusehen, da ein solches ausserhalb und unter ihr liegt, sondern sie wandelt sich wahrscheinlich im Laufe der Ent- wickelung in das flüssige Sekret um. Ueber das Protoplasma dieser Schleimzellen lässt sich nur wenig aussagen, da es so spärlich vorhanden ist. Es erscheint meist feinkörnig, nach der Härtung aber längsstreifig und färbt sich nicht allzuschwach mittels Hämatoxylin. — Der Zellkern gleicht, abgesehen von seinem bedeutend geringeren Umfange, was seinen Inhalt betrifft, ganz dem der übrigen Epithelzellen(Fig.2, 18). Wiewohl sich noeh manche merkwürdige Eigenschaften der Mitteldarmzellen namhaft machen liessen, so möge ihre Dar- stellung hiermit ihr Ende finden. Einige besondere Punkte be- dürfen aber noch einer eingehenderen Besprechung, nämlich die beiden allen diesen Zellen zukommenden Bestandtheile, der Zell- saum und der Kern, woran sich noch eine Darstellung der Ent- stehung der Epithelzellen, sowie eine Betrachtung über ihre phy- siologische Bedeutung und Thätigkeit anzuschliessen hat. Der Zellsaum. Indem ich an einige schon veröffentlichte'), zum Theil aber erst noch in Aussicht stehende aber bereits vor längerer Zeit niedergeschriebene?) Bemerkungen anknüpfe, möchte ich noch 1) a) Darmtraktus der Tenebriomolitorlarve 1. e. — b) Mitteldarmdrüse der Crustaceen. Mittheil. aus der Zoolog. Station in Neapel p. 58, 70, 89 ete. — c) Darmkanal der Crustaceen |]. c. p. 172. 2) Mikrographie der Mitteldarmdrüse (Leber) der Mollusken. I. Theil. Nova Acta d.Ksl. Leop.-Carol. Deutschen Akademie d. Naturforsch. Bd. XLVIHI N. 2. p. 166 ff. Einiges über den Mitteldarm der Insekten sowie über Epithelregeneration. 281 einmal auf diesen Zellbestandtheil eingehen, da er im Mitteldarm der Insekten wegen seiner ausserordentlich schönen Entwieklung wohl geeignet erscheint, jeden Zweifel an seiner von mir ver- theidigten und wie ich glaube einzig vertretenen härchenför- migen Struktur schwinden zu lassen. Als ich meine Erstlings- arbeit, welche sich mit dem Darmkanal des Mehlwurms be- fasste, zu Stande brachte, hatte ich schon, durch Herrn Prof. E. Ehlers in Göttingen darauf hingeleitet, auf den Mitteldarmzellen einer Anzahl von Insekten, feine, ziemlich steife und völlig be- wegungslose Härchen oder Borsten gesehen. Darauf begegnete mir eine ähnliche Erscheinung bei den Zellen der sog. Crustaceen- leber, ferner bei denen des gleichen Organs der Mollusken und noch an anderen Orten. Sogar bei einer Gregarine, die deswegen Callyntrochlamys!) genannt wurde, liess sich solch ein Härchen- saum feststellen. Während sie aber an vielen Orten im Leben kaum zu erkennen sind oder wegen ihrer geringen Grössenverhältnisse einer Untersuchung grosse Schwierigkeit darbieten, sind die Här- chen, mit Ausnahme der Epithelzellen aus der Mitteldarmdrüse der Cephalopoden, gerade im Darm der Insekten wegen ihrer oft ausserordentlichen Länge und wegen ihrer Beständigkeit befähigt, ein deutliches Bild ihrer Organisation entwerfen zu lassen. Und namentlich im Mitteldarm der Schmetterlingsraupen und der Hyme- nopteren ist diese letztere eine so klare, dass es uns Wunder nehmen muss, wenn die Härchen fast allseitig unrichtig erkannt werden. Fr. Leydig hatte, vielleicht als der Erste, bei der Raupe von Noctua aceris?) diesen Zellsaum gesehen, ihn aber als eine mit Poren versehene Cutieula gedeutet, worin ihm, wie es scheint, Jedermann gefolgt ist. Ganz neuerdings?) hat nun dieser Autor seine Deutung etwas modifizirt, wodurch sie zwar der hier auf- gestellten näher kommt, sich aber doch noch sehr wesentlich davon entfernt. Die Intima im Nahrungskanal der Insekten soll sich nämlich unter Umständen in Stäbchen zerspalten; und solche l) Ueber einige in Seethieren lebenden Gregarinen. Dieses Archiv Bd, XXIV. p. 546. 2) Lehrbuch der Histologie des Menschen und der Thiere. Frankfurt 1857. p. 335. 3) Untersuchungen zur Anatomie und Histologie der Thiere. Bonn 1883, p. 81 ff. 282 Johannes Frenzel: Fädcehen sollen vergleichbar den Wimperhaaren den Anlass zur Ent- stehung der Poren in den Öutieularschichten liefern, ja es soll sich sogar überzeugend sehen lassen, dass haarförmige Fortsätze des Protoplasmas bei der Strichelung der homogenen Intima im Spiel sind. Aus dieser Fassung, die hier annähernd wörtlich wiedergegeben ist, geht freilich die jetzige Anschauung Leydigs nicht ganz klar hervor, doch dürfte man dieselbe wohl so zu ver- stehen haben, dass die Zellen stets eine homogene Intima (Cuticula) besitzen, welche von Härchen senkrecht durchsetzt ist; ob diese nun aber den compakten Theilen oder etwa den Poren entsprechen sollen, vermag ich nach jenen Worten nicht zu entscheiden. Denn da die Intima homogen sein soll, so meint Leydig doch möglicherweise die Abwesenheit von Poren, welche erst dadurch vorgespiegelt würden, dass sich jene Här- chen in die Cutieularmasse einschieben. Würde der Autor aber im anderen Falle die Cuticula aus den haarförmigen Fortsätzen des Protoplasmas bestehen lassen, so könnte er dann doch unmög- lich noch von einer homogenen Intima sprechen. Wie dem aber auch sei, richtig ist keine dieser beiden Anschauungen. Von den sonstigen Meinungen muss uns die von P. Schie- menz (l. ec.) aufgestellte am meisten interessiren. Auch dieser lässt die Epithezellen des Mitteldarms von einer mit Poren versehenen Intima bedekt sein, der nun noch eine ganz bestimmte Rolle zu- geschrieben wird. Es sollen nämlich die Nahrungstoffe mit den Zellen nicht in direkte Berührung kommen, da zwischen bei- den eine Membran liege. Man kann schliessen, so fährt Schiemenz fort, dass diese Haut die oberste Sehicht der Intima vorstellt, und wenn man die von ihm gegebene Abbildung mit diesen Worten vergleicht, so unterliegt es keinem Zweifel, dass diese innerste Schicht nach seiner Ansicht eontinuirlich oder von Zeit zu Zeit abgestossen werden soll, um in Hautform als Schutz- für die Zellen gegen die harten und scharfkantigen Speisestoffe (Pollenkörner) zu dienen. Schiemenz hat nämlich in seinen Schnittpräparaten solche im mehrfacher Schichtung längs des Epithels verlaufenden etwas geknitterten Häute gesehen, die er ihrer Ab- stammung und Funktion nach in dieser Weise deutet. Es ist aber zunächst hierbei auffalleud, dass dieselben als solehe frei von Po- ren sind, die sie doch als Intima besessen haben sollen. Wenn aber bei der Ablösung dieser letzteren ihre Poren verschwinden Einiges über den Mitteldarm der Insekten sowie über Epithelregeneration. 283 sollten, so müsste doch irgend ein Uebergangsstadium vor- handen sein, ja man müsste doch einmal eine solche Ablösung wenn auch nicht gerade selbst sehen, so doch gewissermaassen mittels der Härtung in flagranti ertappen und so zur Anschauung bringen. Dies ist Schiemenz aber, da er dessen gar nicht ge- denkt, jedenfalls auch nicht geglückt, wie er überhaupt sich diesen Einwand wohl gar nicht vorgelegt hat. Es lässt sich aber noch ein weiterer, schwerer wiegender erbeben. Derartige wie durchschnit- tene Häutehen aussehende geknitterte Züge kann man nämlich in Sehnittbildern in der That leieht zu Gesicht bekommen. So "habe ich sie auch stets im Enddarm (!) der Decapoden in grosser Ausdehnung angetroffen und zwar genau so wie Schiemenz sie abbildet. Wie sollen sie aber hier durch Ablösung vom Mittel- darmepithel entstanden sein, wo ein solches ja nur so zu sagen rudimentär existirt?!) Wie sollen sie hier so weit in den End- darm vorgeschoben sein, der, von einer chitinösen Cutieula ausge- kleidet, selbst eine derartige Häutehenbildung nicht bewirken kann? Und wenn man solche Gebilde nun sogar in den Tubulis der sog. Leber wiederfindet, so muss man sich doch sagen, dass sie hier absolut nicht zum Schutz dienen können, da Nahrungsbestandtheile mit diesem Epithel gar nicht in Berührung kommen! Mir scheint aber, dass sich diese Befunde ganz einfach als Gerinnungser- scheinungen einer eiweissartigen Masse erklären lassen, welche entweder das Verdauungssekret selbst ist oder von der Nahrung, vielleicht als Pepton, herrührt, so dass man also die von Schiemenz aufgestellte Hypothese ganz über- flüssig finden muss. Es ist sogar die Substanz dieser hautartigen Züge von der des Zellsaums chemisch verschieden, da sie bei- spielsweise in gewissen Conservirungsmitteln sich löst, während letzterer intakt bleibt. — Wenn schon fast bei allen Insekten der Härchensaum der Mitteldarmzellen deutlich zu erkennen ist, so giebt es doch einige, wo er eine ganz bevorzugte Stellung einnimmt. Dies sind vor allen die Larven und Imagines der Hymenopteren und die Rau- pen der Schmetterlinge, wo er überall aus zwar feinen aber sehr langen Härchen oder Borstehen zusammengesetzt ist. Bei der Larve von Tenthredo kann ihre Länge sogar bis 45 u betragen, 1) Vergl. Darmkanal der Crustaceen |]. c. 284 Johannes Frenzel: Auch bei der Larve von Cimbex sind sie so entwickelt, dass sie die Höhe der Zellen übertreffen können (Fig. 77) und in den ku- geligen Darmsäckchen fast das ganze Lumen ausfüllen. Werden sie nun bei den Schmetterlingsraupen schon niedriger, namentlich im Verhältuiss zu der langgestreckten Gestalt der Zelle selbst, so können sie doch noch recht ansehnlich, nämlich 20 bis 25 « lang sein. Andere Insekten, wie etwa Blatta haben auch noch wohl entwickelte Härchen, bei den Coleopteren, Wanzen u. A. sind die- selben aber gemeinhin nur kurz (Fig. 11). "Ist man so glücklich, eine Strecke des noch zusammenhängen- den Epithels im intakten Zustande und in seitlicher Ansicht beob- achten zu können, was am leichtesten bei den Raupen gelingt, oder kann man durch Zerzupfen die einzelnen Zellen voneinander tren- nen, ohne dass eine beträchtliche Deformation derselben vor sich geht, wozu sich wieder die Raupen am besten eignen, so findet man leicht, dass der Zellsaum ein ganz gleichförmiger ist, indem jedes Härchen fast gradlinig und senkrecht aufstrebend neben dem andern liegt. In Folge des gewaltsamen Eingriffs können aber kleine Verschiebungen eintreten, welche sich als wellige oder ge- streifte Abweichungen von der graden Linie kundgebend möglicher- weise schon präformirt sind (Fig. 7). Denn da die Härchen ge- rade hier bei den Raupen sehr dünn und zart sind, so mögen sie dies schon bei noch ganz normalen Verhältnissen durch die Darm- kontente zu erleiden haben. Sie sind überhaupt gegen einander leicht verschiebbar, und wenn man beispielsweise unter dem Deck- glas eine Strömung der Flüssigkeit hervorruft, so kann man sehen wie der ganze Zellsaum hin- und herfluthend bewegt wird, etwa so wie ein elastischer Haarpinsel, den man in einem Glase Wasser hin- und herführt. Dies scheint mir auch ein ganz augen- scheinlicher Beweis für die Härchennatur dieser Gebilde zu sein, denn wie sollte eine noch so zarte Cutieula eine solche leichte Verschiebbarkeit aller ihrer Theile besitzen! Als ein solcher sämmtliche Zellen gleichmässig bedeckender Saum ist derselbe überall und ohne Ausnahme gestaltet (Fig. 18, 19, 22, 24, 25). Wenn aber, was leider zu oft eintritt, die Epithelzellen bei der Präparation sich schnell von einander trennend eine Kugelform annehmen (Fig. 11, 20), so wird der Härchensaum namentlich dort, wo er hoch ist, wie bei der Biene, auseinander gerissen, so dass man dann die einzelnen Härchen Einiges über den Mitteldarm der Insekten sowie über Epithelregenerätion. 285 frei nach allen Seiten herausragen (Fig. 20) oder sie in Zwischen- stufen noch in Bündeln vereinigt sieht (Fig. 8). Ob die Härchen überall aus der gleichen Substanz bestehen, lässt sich nicht so leicht entscheiden. Es ist jedoch eine Thatsache, dass sie nicht selten bei genau der gleichen Behandlungsweise in einem und demselben Präparate zum Theil wie in natura erhalten bleiben, zum Theil eine merkwürdige, aber, wie sich zeigen wird, höchst wichtige Veränderung erfahren oder schliesslich auch ganz zu Grunde gehen. Eine vorsichtige Behandlung mit reinem Alkohol oder mit Sublimat scheinen sie noch am besten vertragen zu kön- nen. Bei den Raupen mag wohl, auch an anderen Orten, eine Art von Quellung an ihrer Substanz stattfinden, so dass dann der Saum etwas undeutlicher gestrichelt aussieht (Fig. 18). Herr Dr. W. Weltner in Berlin hatte an Cimbexlarven sehr schöne Resultate mit einfacher Alkoholhärtung erzielt. In den Sehnittpräparaten findet man aber den Saum eigenthümlich ver- ändert, indem nicht immer regelmässige Gruppen von Härchen zu Bündeln verklebt sind (Fig. 17). An sehr vielen, wenn nicht an den meisten Orten, lässt der Zellsaum noch ein anderes Bild erkennen, so z. B. bei der Hummel (Fig. 22), Blatta (Fig. 19) und Larve und Puppe von Apis (Fig. 24, 25). Man glaubt nämlich hier einen Saum vor sich zu sehen, der aus sehr dieken Stäbehen in gleichmässiger Anordnung besteht, die dann meist am oberen Ende eine kugelige Anschwellung tragen. Vergleicht man nun dieses Aussehen mit dem des frischen, lebenden Zell- saumes, so muss man den Schluss ziehen, dass bei der Härtung kleine Bündel von einer Anzahl von Härchen zusammengetreten sind und nun ein solches Stäbehen vortäuschen, wobei gleichzeitig ihr freies Ende wahrscheinlich wohl durch chemische Einwirkung zu einer Kugel gewissermaassen zusammengeflossen ist. Genau die gleiche Erscheinung war mir schon am Mitteldarmepithel von Maja!) aufgefallen, doch konnte ich dort einen Vergleich des intakten Gewebes mit dem gehärteten nicht mehr anstellen, so dass mir damals die Umformung der Härchen in den Stäbehen entgangen ist. Zieht man aber die Auffassungen und graphischen Wiedergaben Leydig’s, Schiemenz’, ©. Claus’ 1) Darmkanal der Crustaceen ete. Dieses Archiv Bd. XXV, p. 172; ParerX, Ric. 29, 286 Johannes Frenzel: und zahlreieher Anderer in Betracht, so muss man erkennen, dass dieselbe eine ganz weit verbreitete ist. Ich bin sogar. der Ansicht, dass sie in sehr vielen, um nicht zu sagen in allen Fällen, da statthaben wird, wo man entweder eine durchbohrte Cuticula oder einen Stäbehensaum anzunehmen geneigt war, also auch am Epithel des Dünndarms der Wirbelthiere („Deckelzellen“). Wenn ich mich nicht irre, hat A. von Brunn vor einigen Jahren über diesen letzteren Punkt Untersuchungen angestellt, von denen ich aber leider nicht mehr erfahren kann, ob und wo sie veröffentlicht sind. Einer mir damals aber persön- lich von Herrn Prof. E. Ehler’s gemachten Mittheilung zufolge gelang es Herrn Prof. von Brunn durch Injection des frischen Darms mittels absoluten Alkohols eine Auflösung der Stäbchen in feine Härchen oder richtiger ein Bestehenbleiben der letzteren zu erzielen. Hiermit wäre diese an ihrem freien Ende einen Härchensaum tragende Art von Zellen eine weit verbreitete Erscheinung in der gesammten Histologie und es würde wohl angezeigt sein, ihr neben den schon bekannten und genau präcisirten Formen von Epi- thelzellen einen passenden Platz einzuräumen, so etwa, dass man sie mit den Flimmerzellen zu einer gemeinsamen Gruppe der Wim- perzellen zusammenfasst. Obwohl allerdings in der Etymologie des Wortes „Wimper, Wimperung“ eine Beweglichkeit oder Bewegungsfähigkeit begründet liegen mag, so schiene dieser Name für die Härchen nicht völlig zu passen. Dem herrschenden Sprachgebrauche gemäss braucht eine „Wimper‘“ aber doch keine Eigenbewegung zu haben, wobei man nur an die „Augenwim- pern“ zu denken hat; eine Bewegungsfähigkeit ist aber bei unseren Härchen nicht nur nicht ausgeschlossen, sondern sogar charakteristisch vorhanden, und ich möchte darauf gerade gegenüber der Cutieular- wie auch der Stäbehentheorie ein Haupt- gewicht legen. Die Wimperzellen könnte man dann zweck- mässig in Flimmerzellen und Härehen- (Härchensaum-) Zellen eintheilen. Zum Sehlusse sei hier noch hinzugefügt, dass dieser Härchen- saum im Leben immer dasselbe Aussehen behält. Dafür, dass er continuirlich abgestossen werde, um einem sich neu bildenden Platz zu machen, wie P. Schiemenz annehmen möchte, spricht absolut nichts. Auch lässt er irgend eine aktive Thätigkeit nicht erken- Einiges über den Mitteldarm der Insekten sowie über Epithelregeneration. 287 nen; die einzelnen Härchen dienen nicht etwa wie Pseudopodien zum Erfassen der Nahrung und natürlich noch viel weniger wie Flimmern zum Weiterbefördern derselben. Vielmehr muss darin ihre Hauptaufgabe gesucht werden, dass sie wie ein Schutzdeckel, physiologisch also wie eine Cuti- eula, für die Zellen dienen, damit letztere nicht mit den oft harten und scharfkantigen Speisebestandtheilen in un- mittelbare, sie leicht beschädigende Berührung kommen. Dort aber, wo eine solche Gefahr ausgeschlossen ist, wo die Zellen überhaupt gar nicht mit dem Speisebrei in Berührung kommen können, wie etwa in den drüsigen Anhängen des Mitteldarms (Deca- poden, Isopoden, Amphipoden, Mollusken) mag dieser Schutz auch ein mehr chemischer sein, da das Sekret der einen Zellart dem der anderen schädlich sein könnte, wie etwa in jener Drüse der Mollusken. So ist es vielleicht möglich, dass sie ganz allge- mein eine ausserordentlich wichtige Rolle spielen, in- dem sie einer sich etwa einstellenden Selbstverdauung hindernd in den Weg treten, eine Vermuthung, die aller- . dings noch durch keinen Beweis eine Stütze erhält, welche aber einen rationelleren Ersatz für die bis jetzt geltenden, an sich jedoch ganz unhaltbaren Theorien abgeben würde, welche in Betreff der im Leben nicht stattfindenden Selbstverdauung aufgestellt worden sind. Doch es würde zu weit führen, hierauf näher ein- zugehen, so dass ich es vorziehe, dies bis auf eine passendere Ge- legenheit aufzusparen. Der Kern im Mitteldarmepithel der Insekten. Lässt man etwa die Protozoen ausser Acht, welche ja an und für sich eine so überaus zweifelhafte und unbestimmte Stellung einnehmen, so wird man im ganzen Thierreich kaum irgendwo so ungemein mannichfachen und interessanten Kernformen begeg- nen als wie bei den Insekten, und es ist in erster Reihe Fr. Ley- dig’s als desjenigen rühmend zu gedenken, welcher uns bereits vier Decennien lang deren Wesen und Eigenthümlichkeiten vor Augen geführt hat. Leider ist ihm allerdings hier und da mancher Irrthum unterlaufen, so dass wir nieht umhin können werden, diese oder jene Berichtigung eintreten zu lassen. 288 Johannes Frenzel: Durch W. Flemming’s eingehende Arbeiten andererseits ist die Netzstruktur einer den Zellkern durchsetzenden Substanz fast zum Dogma erhoben worden. Obgleich sie aber immer als Grund- typus desselben wird bestehen bleiben, so sei doch hier besondere Gelegenheit genommen, den Blick auch auf andere zum Theil noch nicht bekannt gewordene Kernstrukturen hinzulenken, was schon darum einigermaassen nothwendig erscheint, als dieselben bei der Frage nach dem Kerntheilungsvorgang hervorragende Berück- siehtigung erheischen. Die oben als typisch bezeichnete Kernform ist auch im Mittel- darm der Insekten aufzufinden und sogar weit verbreitet, z. B. in den Epithelzellen bei der Cimbexlarve, und an gleicher Stelle wie auch in den Drüsen (Krypten) der Käfer (Hydrophilus ete.), der Scehabe, Hummel u. s.w. Ist nun zwar der als der einfachste an- zusprechende Fall auch nicht ausgeschlossen, nämlich der, wo sich im Kern nur ein trajektorisches Netzwerk mit dazugehöri- sen Knotenpunkten ausspannt, so ist doch ein eomplieirterer häufiger, wo dann daneben noch nucleolenartige Körperchen auf- treten. Ihre Anzahl ist entweder in geringen Grenzen, nämlich zwischen 1 bis etwa zu 4 Stück, variabel, wie bei der Cimbex- larve (Fig. 17). Dann sind sie auch kräftig tingirbar. Oder aber, sie sind gemeinhin nur in der Einzahl vorhanden, wie bei Hydro- philus, bei der Hummel und an anderen Orten. Sie sind dann von beträchtlicher Grösse und liegen fast in der Mitte des Kernes, doch färben sie sich mit Hämatoxylin viel weniger intensiv als die Knoten des Netzwerkes. Da der Begriff der „Nucleolen‘ oder „Kernkörperchen“ überhaupt noch kein so streng abgegrenzter ist, so weiss ich nicht, ob man die hier vorliegenden Gebilde als solche betrachten darf, um so weniger, als sie ein wichtiges Charakte- ristieum, nämlich einen stärkeren Glanz nicht besitzen. Sie er- scheinen auch nicht scharf abgerundet, sondern eher wie ein Klümp- chen inmitten des Netzwerkes; und weil sie sich auch sonst noch darbieten werden, so mögen sie der Kürze halber als „Kern- flecken“ aufgeführt werden, falls nicht das naheliegende „Nu- cleolid“ besser gefällt. Die sie beherbergenden Kerne zeigen im fixirten Zustande einen eigenthümlichen Bau. Rings an der Peripherie anliegend ist nämlich die chromatophile Substanz in Form von grossen sich intensiv färbenden Körnern in nahezu gleichmässigen Abständen von einander angeordnet, die miteinan- Einiges über den Mitteldarm der Insekten sowie über Epithelregeneration. 289 der und auch mit mehr im Innern liegenden Körnern, den Knoten- punkten, durch feine Fäden verbunden sind, so dass der central hängende Kernfleck allseitig umsponnen wird (Fig. 22, 26). Her- vorgehoben möge hier noch werden, dass die Kerne der doch als different zu betrachtenden Kryptenzellen mit denen der eigent- lichen Epithelzellen sehr übereinstimmen, ausser dass sie mehr plattgedrückt sind und mehr chromatophile Substanz aufgehäuft zu haben scheinen, so dass sie im gefärbten Präparat dunkler aussehen. Ein gleichfalls ganz regelrechtes Netzwerk lassen die Zell- kerne im Mitteldarm von Tenebrio, Larve und Imago, erkennen, weniger aber schon im Leben als erst nach der Härtung. Dass diesen Kernen noch ein anderer Bestandtheil, nämlich ein krystall- artiger Körper angehört, ist schon bei früherer Gelegenheit!) aus- führlicher dargethan worden. Es sei daher an dieser Stelle nur darauf hingewiesen, dass eine derartige Erscheinung immer noch ganz einzig im Thierreich dasteht, mit Ausnahme eines dem Verfasser privatim bekannt gegebenen Falles, über den der Entdecker desselben, Herr cand. A. Hennike, wohl selbst in Bälde eine Darstellung geben wird. Wir können nun zu denjenigen Kernformen übergehen, denen solch ein typisches Netzwerk entweder völlig mangelt oder doch nur in sehr bescheidenem Maasse angehört. Das erstere ist dort der Fall, wo dasselbe durch jene von Fr. Leydig, W. Flem- ming u. A. beschriebenen geldrollenartigen Stränge (Würste) ersetzt wird, ein Vorkommen, das im Mitteldarm bis jetzt noch auf die Muscidenlarven beschränkt bleibt, für die es aber cha- rakteristisch sein dürfte. Bei der Larve von Tachina spec. sieht man in dem durch seine Grösse auffallenden genau kugeligen Kern — er misst 40 bis 50 «u — eine gleichfalls grosse Einlage- rung, die wohl als echter Nucleolus anzusehen ist. Derselbe ist länglich, aber nicht von ganz regelmässiger Form, sondern mit kurzen zackigen Ausläufern besetzt (Fig. 16). In seinem Innern umschliesst er fast stets wenigstens einen, in der Regel aber meh- rere, etwa 6 bis 12, kugelige sehr matt aussehende Gebilde, welche nicht gerade den Eindruck von festeren Körpern, sondern vielmehr von Vacuolen machen. !) Ueber Bau und Thätigkeit des Darmkanals des tenebrio molitor ete. 1. c- Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 26. 19 290 Johannes Frenzel: In diesen dergestalt beschaffenen Kernen kann man weder, wenn sie leben, noch wenn sie fixirt sind, ein echtes Netz- oder Gerüstwerk entdecken. Doch gibt es bei den Insekten vielfach Kerne, welche im ersteren Zustand nichts als ein homogenes Bläschen darstellen, in dem allenfalls ein oder zwei Nucleolen auf- treten, z. B. bei Dytiscus (Fig. 11). Durch die Behandlung mit ge- eigneten Flüssigkeiten wird dann aber vielfach das unzweifelhaft schon präformirte chromatophile Gerüst zur Wahrnehmung ge- bracht. Aehnliches geschieht ferner bei der nun zu besprechenden Kernform, die meines Wissens bisher noch nicht bekannt geworden ist. — In den Cylinder-, wie auch in den sog. Schleimzellen der Raupen, ferner in den Epithelzellen der Larven von Apis, Ten- thredo und wohl noch von Cimbex, Ichneumon, Vespa etc., mithin wohl aller Hymenopteren, macht nämlich der Kern den Ein- druck eines Bläschens, das von einer homogenen Flüssigkeit er- füllt ist, in welehe sowohl echte Nucleolen, wie auch nucleolen- artige Körper (,„Kernflecken‘“ oder „Nucleolide“) einerseits und andererseits zahlreiche verschieden angeordnete sehr kleine aber stets gleich grosse Körnchen eingelagert sind, die hier „Kern- granula‘ oder ‚-granulationen“ heissen mögen. Bei der Bienenlarve können mehrere Zustände stattfinden. Wie es scheint, enthält in der Mehrzahl der Fälle der riesige Kern in der Gegend seines Mittelpunktes einen grossen kom- pakten Klumpen (Fig. 9), den man schwer in seine einzelnen Bestandtheile aufzulösen vermöchte. Was aber unsere optische Kraft kaum zu Stande bringt, das liefert uns die Natur selbst, in- dem nämlich anscheinend ebenfalls normale Zellkerne eine diffuse Vertheilung ihres Inhalts darbieten (Fig. 24), aber immer noch so, dass doch ein äusserer Ring im Kern davon frei bleibt. Im frischen Gewebsstück sieht man dann zunächst eine be- trächtliche Anzahl von etwa 3 u grossen, nur wenig glänzenden Körpern, die zwar annähernd kugelig sind, aber doch mehrere sehr feine Ausläufer gegeneinander hin aussenden, so dass dadurch eine Art von Netzwerk entsteht, wenn wirklich eine Vereinigung derselben stattfindet, was mir aber durchaus nicht klar geworden ist (Fig. 10); denn oft, und namentlich im Schnittpräparat, ist von solchen Ausläufern mit Sicherheit nichts zu erkennen. In ihrem ganzen optischen und chemischen Verhalten müssen diese Kör- per aber den schon oben genannten von Hydrophilus, Bombus ete. Einiges über den Mitteldarm der Insekten sowie über Epithelregeneration. 291 entsprechen, daher sie gleichfalls als „Kernflecken‘“ oder ‚„Nucleo- lide“ aufzuzäblen sind. Nur ist ihr Massenverhältniss ein ausser- ordentlich verschiedenes, denn während an jener Stelle nur ein, zwei, allenfalls drei Stück zu zählen sind, enthält bei der Bienen- larve der Querschnitt allein 30 bis 90 Stück. Doch ist dieser Punkt deshalb von gar keiner Bedeutung, weil sich zwischen beide Ex- treme unverkennbare Zwischenstadien einschieben, wie etwa die Larve von Tenthredo, wo im optischen Schnitt 8, 10 oder 12 sol- cher Nucleolide zu zählen sind. Auch haben sie überall das Gemein- same, dass sie sich mittels Hämatoxylin nur schwach bläulich färben. — Wenn diese Körper diffus vertheilt sind, so geschieht dies auch mit dem anderen Kernbestandtheil, mit den Granulationen (Fig. 24). Diese sind von viel geringerem Umfang als jene; so- weit es sich aber mit Homogen-Immersion 1/s," erkennen lässt sind sie genau kugelig, ohne Fortsätze oder dergl. zu besitzen. Im frischen Zustand sehen sie aber gleichfalls matt aus, wie ganz kleine Bläschen; bei der Tinetion jedoch nehmen sie den Hämato- xylin-Farbstoff sehr begierig auf, so dass sie im Stande sind, die viel grösseren Nucleolide ganz zu verdecken, wie ich dies im jungen Puppenepithel der Biene sah (Fig. 25). Ihre Menge kann nämlich im reifen Kern eine ausserordentlich grosse, eine geradezu un- zählbare werden (Fig. 9, 18, 24, 25). Es scheint so, als wenn diese Granulationen nicht frei schwimmen, sondern an ganz feinen, un- sichtbaren Fädehen aufgereiht sind, da sie nämlich nicht selten so etwas wie eine perlschnurartige Anordnung nachweisen lassen. — Ausser den Nucleoliden und den Granulationen lässt der lebende Kern keine andere geformte Materie bemerken. Dagegen geschieht dies, wenn auch nur in sehr beschränktem Maasse, nach der Härtung, in- dem nämlich im freien peripherischen Raume des Kernes Spuren eines blassen und lockeren Maschenwerkes nicht zu ver- kennen sind (Fig. 18, 24). Eine kleine Abweichung von dieser Kernstruktur war nur ein- mal bei einer sich zur Verpuppung anschickenden Bienenlarve zu sehen, indem hier nämlich die Nucleolide den Kern ganz gleich- mässig durchsetzten, während die Granulationen verschwunden waren (Fig. 10). Auch bei einer jungen Puppe sah ich einmal nur erstere Körper und zwar in der geringen Anzahl von 2 oder 3 Stück (Fig. 14), während sonst die Kerne in diesem Stadium äusserst zahlreiche Granulationen enthalten, so dass von den Nucleoliden 2392 Juhannes Frenzel: schlechterdiugs nichts festzustellen bleibt (Fig. 24). Doch ist es sehr wahrscheinlich, dass dieselben hier ebenso wie bei der Larve beschaffen sind, und da der Kern bei dieser Puppe ja so unendlich viel kleiner ist, so kann man folgern, dass er auch nur einige wenige, 2 oder 3 solcher Nucleolide, besitzt. Wie sich nun diese Kerne weiter umgestalten und zu denen der Imago werden, ist noch ein dunkler Punkt; doch scheinen die Nucleolide als solehe bestehen zu bleiben, während die Granulationen vielleicht in die Knotenpunkte des späteren Netzwerkes übergehen (Fig. 22). Bei der Tentbredolarve treten uns nicht unähnliche Verhält- nisse entgegen; doch sind bei ihr die Kernflecken von etwas ver- schiedener Grösse und, wie schon gesagt, in bedeutend geringerer Anzahl auftretend. Auch die Kerne der Raupen bieten noch wenig Bemerkenswerthes dar. Abgesehen von ihrer mehr eiförmigen Ge- stalt gleichen die von Bombyx neustria denen der Bienenlarve; nur scheint die klumpige Anhäufung beider Kernbestandtheile die Regel auszumachen (Fig. 7). Ein schwaches Netzwerk lässt sich auch hier nach der Härtung nachweisen (Fig. 18). Bei der Dis- par-Raupe jedoch waren zwar Granulationen aber keine Nucleo- lide aufzufinden; vielmehr umgaben die ersteren in massiger dicht gedrängter Gruppirung einen einzigen grösseren stark glänzenden Nucleolus, in dessen anscheinend hohler Mitte ein ebenfalls stark glänzender runder Körper, ein Nucleollolus, schwebte. Auch in der Goldafterraupe sah man im Kern der Cylinderzellen nur einen einzigen, aber schwach glänzenden Körper, also ein Nucleolid, um den sich entweder die Kerngranula centripetal dicht häuften, oder centrifugal der Kernperipherie zustrebten (Fig. 28). Zum Schluss dieses Kapitels möge auch noch darauf hinge- gezeigt werden, dass die Kerne der Schleimzellen bei den Raupen in ihrem Bau ganz mit dem der Cylinderzellen übereinstimmen, nur dass sie stets klein bleiben, während die der letzteren von derselben Grösse beginnend um ein Bedeutendes wachsen (Fig. 18). 3) Die Regeneration der Mitteldarmzellen. Es hat eines weiten Weges bedurft, um zum zweiten Theile unseres Themas zu gelangen; um so schneller wird er sich nun aber erledigen lassen, da ihm das bisher Gebrachte als Grundlage zu dienen hat. Wie weiter unten noch in Ueberlegung gezogen werden soll, Einiges über den Mitteldarm der Insekten sowie über Epithelregeneration. 293 haben die Mitteldarmzellen die Aufgabe zu erfüllen, die Verdau- ungssekrete zu liefern, und es soll wahrscheinlich gemacht werden, dass wenigstens ein Theil derselben, nämlich die eigentlichen Epithelzellen, bei den Raupen die Oylinder- wie die Schleimzellen hierbei stetig zu Grunde gehen. Dass dann für einen ebenso ste- tigen Ersatz Sorge getragen werden muss, leuchtet ein; und in der That begegnet man auch in den Schnittpräparaten, besonders in denen der Hymenopteren- und Schmetterlingslarven, einer Anzahl kleinerer basal im Epithel sitzender oder allmäh- lich in die Höhe rückender Zellen, die man sofort als Jugend- formen ansehen wird. Woher diese Zellen kommen und wie sie entstehen, soll hier nun weiter untersucht werden, im An- schluss im besonderen an das, was in diesem Archiv vom Verf. über die Epithelregeneration im Darm der Crustaceen ausgesagt worden ist (l.c.). Es wird sich zeigen, dass man folgenden Satz aufstellen kann: Die eigentlichen Epithelzellen im Mittel- darm der Insekten, gleichgültigob siedem Darmschlauch selbstoderauchdessenAusstülpungen angehören, gleich- gültig ferner ob sie dem Typus der langgestreckten Cy- linderzellen oder dem der rundlichen Schleimzellen zu- zuzählen sind, pflanzen sich auf dem Wege der direkten (amitotischen) Kerntheilung (Holoschisis)!) fort, während die spezifischen Drüsenzellen der Krypten sich auf dem Wege der indirekten (mitotischen) Kerntheilung (Karyolyse) vermehren. — Von dem ersteren Theil dieses Satzes ist mir eine sicherstehende Ausnahme noch nicht be- gegnet, denn die einzige, an welche zu denken wäre, betrifft den Mehlwurm. Sie ist mir aber trotz der darauf verwendeten Auf- merksamkeit ebenso zweifelhaft geblieben, wie ich es bereits vor Kurzem schon betont habe?). Ja es scheint mir sogar, als wenn man die dort genannten beiden allerdings so verführerischen pa- rallelen Balken als zwei senkrecht stehende Kernkrystalle zu betrachten haben wird, so dass sich also auch diese scheinbare Ausnahme auf diese Weise aus dem Wege räumen liesse. Da- gegen ist es vorläufig wohl möglich, dass der zweite Theil des 1) Zellsubstanz, Kern und Zelltheilung von W. Flemming. Leipzig 1882. — p. 343 ff 2) Darmkanal der Crustaceen 1. c. p. 173 ff. 294 Johannes Frenzel: aufgestellten Satzes Ausnahmen zulässt, so dass dann auch in den drüsigen Krypten direkte Kerntheilungen zulässig wären. Betrachtet man Schnitte durch den Mitteldarm von Hydro- philus (Fig. 26), Melolontha, Geotrupes und anderen Käfern, oder von Blatta (Fig. 19) u. s. w., so kann man fast in jeder ein- zelnen Krypte eine oder auch zwei karyolytische Figuren erkennen. Selbst bei einer durchaus nicht sorgfältigen Behandlung des Gewebsstückes sind dieselben in hohem Grade scharf ausgeprägt und ganz unbezweifelbar. Man kann sogar mehrere der Theilungsstadien, wie die Knäuelform (Fig. 19 bei a), die Aequatorialplatte (Fig. 26 bei a), das Auseinanderweichen der- selben (Fig. 26 bei b und c) und schliesslich die beiden Tochter- kerne wahrnehmen. Diese Theilungsfiguren liegen stets möglichst nach dem geschlossenen Ende, der Basis, der Drüse hin, wo sich wohl eine Art von Keimlager aufhält, von dem aus die Kryp- tenzellen auf diese Weise ihren Ursprung nehmen. Während in obigen Fällen die karyolytischen Figuren mit grosser Leichtigkeit aufzufinden sind, ist mir dies bis jetzt in den Mitteldarmdrüsen der Hymenopteren, Apis und Bombus, nicht geglückt, so viel Schnitte ich auch durchgemustert habe. Aus diesem negativen Befunde darf man nun aber noch nicht unbedingt schliessen wollen, dass hier der Kerntheilungsvorgang ein anderer sei. Denn es ist immerhin noch möglich, dass bei Apis und Bom- bus die Zellregeneration eine nur schwache ist, so dass Karyo- lysen nur vereinzelter vorkommen und ein langes Suchen erforder- lich machen. Es sei nur an die im Mitteldarm von Phronima stattfindenden Erscheinungen erinnert, wo man z. B. in Flächen- bildern solcher Figuren!) mit grosser Schnelligkeit ansichtig wird, während sie wenigstens mir in Längs- und Querschnitten nur sehr selten und dann auch kaum hinreichend deutlich ent- gegengetreten sind. Obgleich aber in unserem Falle andererseits eine direkte Kernabschnürung durchaus auch nicht sicher festzu- stellen gewesen ist, so scheinen doch vielleicht einige leider nicht genügend klare Bilder auf diesen Modus hinzuweisen. Eine Ent- scheidung kann aber vor der Hand noch nicht getroffen werden. Anders verhält es sich mit den jetzt heranzuziehenden Er- 1) Darmkanal der Crustaceen 1. c. Taf. IX, Fig. 31. Einiges über den Mitteldarm der Insekten sowie über Epithelregeneration. 295 scheinungen, wiewohl auch hier noch ein Theil derselben mehr vermuthet als bestimmt behauptet werden darf. Als dem Verfasser zum ersten Male an einer physiolo- gisch so ungünstigen Stelle, nämlich in dem kaum hervor- vagend thätigen Mitteldarmcomplex der Decapoden innerhalb der Keimzellen des Epithels direkte Kernabschnürungen ent- gegentraten, musste er nothwendigerweise eine grössere Verbrei- tung dieses Vorganges erwarten und denselben dort suchen, wo sich ein physiologisch günstigeres Substrat dafür erwarteu liesse. Ein solches wurde zwar im Mitteldarm der Insekten gefun- den, erwies sich aber vom anatomischen Standpunkt aus deswegen weniger leicht erforschbar, weil hier eine so ausserordentlich be- queme Einrichtung fehlt, nämlich der helle Kernhof, welcher den Kern gleichsam wie auf einem Präsentirteller dem Beschauer ent- gegenträgt. Immerhin bieten auch bei den Insekten einige Punkte recht gute Beobachtungsfelder dar, so namentlich der Mitteldarm der Larven, z.B. der von Cimbex, Apis und von den Schmetterlingen. In den Präparaten, welche von Cimbex vorliegen, sind zu- nächst fast in jeder Darmaussackung, sowie weiter auch zerstreut im Darmepithel selbst an dessen basaler d. h. dem Darm- lumen abgewendeter Seite sehr kleine kugelige Kerne zu sehen, deren Durchmesser kaum den dritten oder vierten Theil, deren Volumen also etwa nur den dreissigsten bis sechzigsten Theil des normalen Zellkerns beträgt. In der Regel ist auch ein helle- rer oder dunklerer hofartiger Raum um einen solchen kleinen Kern wahrzunehmen. Dies sind die Mutter- oder Keimzellen des Epithels. Denn man findet beim weiteren Suchen, wenn auch ziemlich spärlich!), kleine Zellen mit einem sich einschnüren- den Kern, oder was häufiger zu sehen war, mit zwei noch zu- sammenhängenden (Fig. 17 bei al. Auch scheint die Theilung hiermit noch nieht abgeschlossen zu sein, da in mehreren solcher Zellen vier kleine aber gleich grosse Kerne lagen (Fig. 27). Die Abschnürung kann vermuthlich nach jeder Richtung hin ge- schehen, im Schnitt also sowohl nach oben (Fig. 27), nach links oder rechts, oder schliesslich nach vorn oder hinten. Die jungen Zellchen bei der Cimbexlarve färben sich weniger intensiv als 1) Die Larven waren ausgewachsen und zur Verpuppung reif, so dass sich diese Spärlichkeit vielleicht dadurch erklären lässt. 296 Johannes Frenzel: die übrigen, woher man sie leicht erst als mehr isodiametrische, später als spitze keilförmige Gebilde deutlich erkennen kann. Ihr In- halt sieht dem entsprechend nur ein wenig granulirt aus. Der Kern enthält immer ein fast zentral liegendes Kernkörperchen, das sich mit Hämatoxylin kräftig färbt, sowie ein feines Netzwerk mit Knotenpunkten. — Gerade wie an entsprechender Stelle bei den Decapoden wächst die Zelle immer weiter nach oben und der Kern nimmt dabei beständig an Grösse zu, bis beide ihr Maass erreicht haben. In ganz ähnlicher Weise verläuft der Theilungsvorgang bei der Bienenlarve, nur dass hier die Anzahl der Mutter- wie auch der heranwachsenden Tochterzellen eine viel grössere ist. Meist liegen diese eingekeilt zwischen zwei grosse Epithelzellen (Fig. 24 bei a). Der anfangs isodiametrische Zellleib ist hell und färbt sich nur schwach, ein Umstand, der deswegen erklärlich wird, weil ihm noch das sich so stark mit Hämatoxylin sättigende Sekret fehlt. Die jungen Kerne sind schon genau so wie die ausgewachsenen beschaffen, d.h. sie sind bläschenartig, enthalten eine Anzahl ebenso geformter, sich dunkelblau färbender Kerngranula und einige, aber noch wenige Nucleolide. Ein Kerngerüst habe ich auch nicht einmal in Spuren gesehen. Im Verhältniss zu den reifen Kernen sind diese jungen aber nur ganz winzige zu nennen, da ihr Durchmesser nicht mehr als etwa den 6. bis 9., ihr Volumen daher den 200. bis 700. Theil jener beträgt. Sie haben also, wie man sieht, ein kolossales Wachsthum durchzu- machen, um zu ihrer endgültigen Grösse zu gelangen. Wegen ihres geringen Umfanges sind Theilungsbilder schwer mit voller Schärfe aufzufinden, doch sind sie recht wohl vorhanden. Wenn dies aber auch nicht der Fall wäre, so könnte man hier schon deshalb die Karyolyse Flemming’s ausschliessen, weil ja nie- mals in den Kernen ein derartiges Kerngerüst vorhan- den ist, welches solche Umformungen durchmachen könnte. Es müsste denn hier ein ganz anderer karyolytischer Modus stattfinden, wovon freilich ebenfalls nichts zu sehen ist. Nachdem die Halbirung des Kerns stattgefunden, rückt der eine der beiden neuentstandenen nach oben hin, von dem ebenso entstandenen neuen Zellchen umgeben, das sich wie sonst spitz zwischen die grossen Zellen eingekeilt (Fig. 24 bei b und e) und allmählich weiter wächst (24 bei d). N ee Einiges über den Mitteldarm der Insekten sowie über Epithelregeneration. 297 An die Bienenlarve reihen sich die Schmetterlingsraupen an, von denen sich genau das Gleiche aussagen lässt. Da hier aber zweierlei Epithelzellarten vorhanden sind, so muss es auch zweierlei Arten von Mutterzellen geben. Es scheint jedoch als wenn die Schleimzellen sieh viel rascher regenerirten, als die anderen, da man ihre Jugendformen in viel grösserer Menge antrifft. Wie nun die Kerne beider Zellarten in ihrem Bau übereinstimmen, so geschieht dies ebenso bei den noch jugendlichen Zellen. Ja, diese Uebereinstim- mung geht noch einen Schritt weiter, indem nämlich in letzterem Falle auch ihre Grösse eine und dieselbe ist (Fig. 18). Während aber die Kerne der Cylinderzellen fort und fort wachsen, so nehmen im Gegen- satz hierzu die der Schleimzellen kaum bemerkenswerth an Umfang zu. Wie bei der Bienenlarve mangelt ferner auch hier den Jugend- kernen jegliches Netzwerk, und sie enthalten schon von vorn herein so- wohl ihre Granulationen wie ihre Nueleolide. EineKaryo- lyse gehörtalso imMitteldarmepithelderhRaupen eben- falls zu den Unmögliehkeiten. Vielmehr trifft man genug Kernhalbirungen, um zu sehen, dass hier die direkte Kerntheilung, die Holoschisis, zum Gesetz wird. Die Weiterentwicklung der Schleimzellen ist schon oben verfolgt worden. Die der Cylinder- zellen bietet nichts Abweichendes dar und verläuft nach dem Schema. Weniger leicht ersichtlich als in den bisher genannten Fällen ist die direkte Kerntheilung im Mitteldarm anderer Insekten. Es sprechen aber so viele Umstände für sie, dass sie angenommen werden muss, ohne doch ganz so evident wie oben zu sein. — Im Epithel der Käfer (Hydrophilus), der Blatta, der Hymenopteren, kurz überall sieht man kleinere basal liegende Kerne (Fig. 19 und 26), welche sich zuspitzenden Zellen angehören. Ihre Anzahl ist eine so namhafte, dass man auf eine recht lebhafte Zellver- mehrung schliessen darf. Zieht man diesen Umstand mit in Erwägung, bedenkt man ferner, dass doch in demselben Schnitt- präparat an anderer Stelle, nämlich in den Drüsenkrypten, die karyolytischen Figuren sehr deutlich sind, so müsste man die- selben nach meiner Meinung auch hier ebenso gut erwarten können, wenn sie überhaupt vorhanden wären; und da sie nir- gsends zu sehen sind, so wird man vollauf zu dem Schlusse berechtigt sein, dass hier gar keine Karyolyse vorkommt, womit dann die direkte Kerntheilung schon nahezu bewiesen wäre. Wegen 298 Johannes Frenzel: der verwickelten Anordnung der Epithelzellen und ferner wegen der grösseren Kleinheit der Kerne ist mir es aber bis jetzt nicht gelungen, vollkommen klare Theilungsbilder zu erhalten, wobei aber nicht zu vergessen ist, dass hier und da nur noch ein geringer Zweifel an einer wirklichen einfachen Abschnürung be- stehen bleiben kann. Ist somit die direkte Kerntheilung zwar noch nicht für das Mitteldarmepithel aller Insekten sichergestellt, für das einer Anzahl jedoch nicht mehr zu bezweifeln, so wird jetzt doch die Ansicht immer festeren Boden fassen können, nämlich, dass dieser Kerntheilungsmodus nicht nur bei Epithelien überhaupt statthaben kann, sondern dass er bei den wir- bellosen Thieren so weit ausgebreitet ist, dass man vor- läufig sagen kann, er überwiege den karyolytischen hier bei weitem. Da allerdings auf diesem so grossen Gebiete in der Hinsicht noch wenig geforscht ist, so kann zwar diese Ansicht leicht noch eine sie umgestaltende Modifieation erhalten. Doch bleibt es immerhin recht auffällig, wenn man bedenkt, an wie we- nigen Stellen unter den Wirbellosen bis jetzt die Karyolyse auf- gefunden worden ist, trotzdem doch gewiss manch Einer in den letzten Jahren seine gespannte Aufmerksamkeit daraufhin gerichtet hat. Lassen wir das Reich der Protozoen hier ausser Acht, so treffen wir sie mit Sicherheit nur bei der sich furchenden Eizelle und vielleicht ebenso allgemein in den Entwicklungszellen der Spermatozoen durch das ganze Thierreich hindurch. Unter den Cölenteraten hat neuerdings W. Weltner bei Spongilla mito- tische Figuren aufgefunden!), ein bis jetzt wohl vereinzelt da- stehender Fall e Von den Echinodermen ist noch nichts bekannt, doch dürfte in ihrem Darmkanal dasselbe wie bei den Insekten, nämlich direkte Kerntheilung, statthaben, was auch nach dem, was ich bis jetzt gesehen, an gleicher Stelle vieler Ringelwürmer der Fall sein wird. — In der Mitteldarmdrüse der Mollusken hatte ich keine mitotischen Figuren gefunden, und wiewohl dies bisher auch in Betreff der Holoschisis gelten musste, so bin ich in neuerer Zeit doch zu anderen, diese letztere bestätigenden Re- sultaten gelangt, was in gleicher Weise auch von derselben Drüse der Crustaceen auszusagen ist, in deren Mitteldarm sie ja zuerst festgestellt worden ist. 1) Noch nicht publieirt, sondern privater Mittheilung entnommen. Einiges über den Mitteldarm der Insekten sowie über Epithelregeneration. 299 So sieht man schon eine ganze Reihe von Orten vereinigt, wo die Zelltheilung auf dem Wege der direkten Kerntheilung vor sich gehen wird. In wie weit hierzu noch der von Fr. Bloch- mann!) angegebene Fall zu rechnen ist, bleibt wohl etwas zweifel- haft, da dieser Autor stets nur von einer Kerntheilung spricht, ohne an eine Zelltheilung, die schliesslich doch die Haupt- sache ist, mit irgend einem Worte zu erinnern. Vorläufig aber möge nur als das erste sichere Resultat angesehen werden, dass entgegen der Vermuthung W. Flemming’s und der so eilfertig dahin- gestellten Behauptung W. Pfitzner’s eine direkte Kerntheilung auch in Epithelien besteht, von ihrer noch hypothetischen Verbreitung vor der Hand ganz abgesehen. Es ist geradezu un- erklärlich, wie W. Pfitzner eine direkte Kerntheilung im Sinne W. Flemming’s geradezu ganz zu leugnen sich bestreben kann, wo doch eine solche nicht nur von Flemming, sondern auch noch von andern Forschern klar und deutlich bewiesen worden ist. Nur gänzliche Verblendung konnte Pfitzner verleiten, beide Modi, wie er sich ausdrückt, nämlich die direkte und die indirekte Theilung, Flemming’s für im Grunde genommen dasselbe auszugeben, und die Karyokinese überhaupt als den „Kerntheilungsmodus xar’ 2£oynv“ zu bezeichnen (l. e. p. 70); denn seine Vermuthung, dass sich innerhalb des Kerns der Leucocyten während der Zer- schnürung eine verdeckte Mitokinese des Chromatins abspiele (l. e. p. 75), bedarf wohl kaum noch einer ernstlichen Widerlegung. 4) Die physiologische Bedeutung der Mitteldarmzellen. Im Allgemeinen ist der Darmtraktus der Insekten nach dem dreitheiligen Schema in die Complexe des Vorder-, des Mittel- und des Enddarms gegliedert. Der erstere Abschnitt, als dessen Appen- dix das System der Speicheldrüsen gerechnet wird, ist bald nur von geringer Längen- und Diekenentwieklung und von einfachstem Bau, bald ganz im Gegentheil hochorganisirt und in mehrere Theile differenzirt. Der Mitteldarm ist, wie wir gesehen, mit wenigen Ausnahmen (Gryllotalpa) von mehr gleichmässiger und bevorzugter Ausbildung. Der letzte Abschnitt, der Enddarm, kann wie der 1) Ueber directe Kerntheilung in der Embryonalhülle der Scorpione, Morpholog. Jahrbuch. Bd. X 1885. p. 480 ff. 300 Johannes Frenzel: Vorderdarm eine reiche Gestaltung besitzen (Gryllotalpa, manche Käferlarven), bleibt aber doch darin meist hinter dem Mittel- darm zurück, wird sogar in gewissem Sinne an einzelnen Stellen vermisst. — Wie bekannt, nehmen die Insekten ihre Nahrung durch den Mund auf und lassen dieselbe durch den Vorderdarm in den Mitteldarm gelangen. Da diese Nahrung der Regel nach aus mehr oder minder festen noch zu verdauenden Stoffen besteht, so müssen Organe vorhanden sein, welche die nöthigen Verdauungs- sekrete liefern. Sind nun zwar die Speicheldrüsen an einigen Orten, so bei Blatta, bei der Biene!) und bei den Raupen mächtig entwickelt, so können sie doch andererseits wieder rudimentär werden oder sogar ganz verschwinden. Sie werden daher wohl im Stande sein, bei der Verdauung eine grosse Rolle zu spielen, dürfen aber folgerichtig nicht als das einzige Ferment secernirende Organ angesehen werden, um so weniger, als ihre speeifische Wirkung doch nur eine saccharificirende sein dürfte. In wie weit nun der Vorderdarm, namentlich dort, wo er in Kropf, Vormagen, Kaumagen u. s. w. gegliedert ist, dazu geeignet ist, einen Verdauungssaft zu liefern, lässt sich noch gar nicht trotz der sorgfältigen aber doch einseitigen Untersuchungen F. Plateau’s?) übersehen. Bedenkt man aber, wie er in so vielen Fällen ganz augenscheinlich nur als ein Verbindungsrohr des Mundes zum Mittel- darm zu dienen hat (Mehlwurm, Bienenlarve, Raupen u. s. w.), SO wird man eingestehen müssen, dass diesem letztern Darmabschnitt in erster Linie jene Fähigkeit wird zugesprochen werden müssen, und man sieht sich dementsprechend gezwungen, die sein Lumen auskleidenden Zellen als Ursprungsstätte seines Sekretes anzuer- kennen. Diese Zellen sind mit einem oft sehr hohen, physiologisch wie eine Outicula wirkenden Saume bedeckt, welcher, wie es wahr- scheinlich geworden, die Nahrungsbestandtheile von ihnen fern hält; ausserdem sen.en sie, wie wir uns haben sagen müssen, keine pseudopodienartig sich bewegenden Fortsätze aus, so dass sie also nicht im Stande sind, eine intracelluläre Verdauung zu bewirken. Sie müssen demnach, wenn sie ihren Zweck erfüllen sollen, die I) Ueber das Herkommen des Futtersaftes und die Speicheldrüsen der Biene, von Dr. P, Schiemenz. |. c. 2) Die zahlreichen einschlägigen Publikationen sind bereits in meiner Dissertation eitirt. Einiges über den Mitteldarm der Insekten sowie über Epithelregeneration. 301 von ihnen gebildeten und zur Verdauung nöthigen Stoffe ausscheiden. Wie dies nun geschieht, mag nicht in allen Fällen gleich‘ sein. Wo aber mehr oder minder grosse, geformte und feste Sekretmassen sich angehäuft haben, was ja, wie wir gesehen haben, am häufigsten der Fall ist, können diese nicht anders frei werden als indem sie den vor ihnen liegenden Theil der Zelle zerstören; und da nicht selten der ganze Zellleib dieht von ihnen angefüllt wird, wie bei vieien Käfern, Hymenopteren, Raupen u. Ss. w., so muss man zu dem Schlusse gelangen, dass die ganze Zelle bei dieser Sekretionzu Grunde gehe. Der exakteste Beweis hierfür, nämlich die Beobachtung dieses Vorganges selbst, ist leider freilich nicht zu erbringen, da sich das Mitteldarmepithel der Insekten im Leben nicht gut untersuchen lässt, von einigen wenigen Fällen (Corethra plumicornis-Larve) abgesehen. Doch giebt es ge- nug Hinweise auf die Richtigkeit dieses Schlusses. So sah ich bei den Larven von Cimbex und Tenthredo an mehreren Stellen über die Höhe des Epithels hervorragende Protuberanzen, welche völlig wie soeben heraustretende Zellen aussahen (Fig. 17). Ferner muss doch auch das lebhafte Nachrücken von zahlreichen jungen Zellen auf einen regen Zellverbrauch hindeuten; und da, wie gezeigt worden, das Sekret räumlich nicht vom Zellprotoplasma geschieden ist, dieses aber sogar in vielen Zellen gar nieht mehr aufzufinden ist — derart sind sie mit ihrem Sekret vollgepfropft — so kann ich mir gar nicht vorstellen, wie ein Ausstossen des Se- krets allein möglich wäre, ohne dass dabei die Zelle in ihrer Gesammtheit ausgestossen würde. In zahlreichen Fällen könnte ja nichts als der Kern zurückbleiben, und wie sollte man diesem die Fähigkeit zusprechen wollen, gleichsam aus sich heraus die Zelle wieder zu regeneriren? Schliesslich aber ist der erstere Modus doch der einfachste, den man sich überhaupt denken könnte, aus welchem Grunde allein er schon von Vorzug ist. Den- noch aber wird man dort, wo das Sekret nicht in fester, geformter Gestalt auftritt, vielleicht noch die Möglichkeit zugeben müssen, dass dasselbe in einzelnen Theilen ausgeschieden und wieder er- setzt wird, ohne dass die Zelle selbst dabei Sebaden leidet, wie weiter unten noch besprochen werden soll. Schon oben sind die geformten Inhaltsbestandtheile der Epi- thelzellen als das Sekret derselben vorweg bezeichnet worden. Jetzt muss aber noch diese Bezeichnung auf ihre Bereehtigung hin 302 Johannes Frenzel: geprüft werden. In den Epithelzellen der ersten Gruppe, bei der Bienenlarve u. s. w., sind freilich nur staubartige Partikelchen in seringerer Massenanhäufung anzutreffen, so dass deren Bedeu- tung als sekretorische Absonderung wenig evident und eigentlich mehr der Analogie wegen zu erschliessen ist. Die Epithelzellen der zweiten Gruppe aber sind nicht selten so von den starkglänzen- den Kugeln (oder Bohnen) erfüllt, dass abgesehen von etwaigen Fettkugeln gar nichts anderes übrig bleibt, was etwa als das Sekret gedeutet werden könnte (Fig. 11, 12, 15, 20). Dies ist nun zwar bei den Epithelzellen der dritten Gruppe nicht überall ganz so stark ausgebildet, da die Menge der gelben Basalkörner- reihen die der gelben Krümel oder Tröpfehen, der Krystallstäbe u. Ss. w., meist nicht so sehr überwiegt; doch käme man auch wohl, wie ein Blick auf die Fig. 5 und 7 lehrt, in Verlegenheit, wenn man einen anderen Zellbestandtheil als den sekretorischen bezeichnen wollte. Allerdings darf aber nun nicht vergessen werden, dass dort, wo Drüsenkrypten eingelagert sind (Blatta) oder noch andere Epithelzellen auftreten, nämlich die Schleimzellen der Raupen, auch diesen Elementen ein gewisser, zum Theil jedenfalls bedeuten- der Antheil an der Bildung der Fermente zuerkannt werden muss. Es könnte aber nun noch ein ganz anderer Einwand erhoben werden, der sich auf die allgemein verbreitete Ansicht zurück- führen lässt, dass der Mitteldarm auch zugleich den resorbirenden Darmabschnitt vorstelle, und dementsprechend könnte die Meinung auftauchen, dass die geformten Zellinhaltsbestandtheile der Cylinder- zellen die resorbirte Nahrung selbst seien oder doch von dieser her- zuleiten seien. Dies klingt zwar recht absurd, ist aber doch in gewis- sem Grade behauptet worden, insofern nämlich als man die stark- glänzenden Inhaltskugeln der zweiten Gruppe einzig und allein wegen ihres Aussehens für Fett hielt, welches dann ja nur aus dem Darm- lumen hergenommen sein konnte! Mit der Zurückweisung jener Prämisse muss aber dann diese Folgerung hinfällig werden, um so eher, als man diesen Zellmassen doch eine bestimmte Festigkeit zuschreiben muss. Diese letztere Eigenschaft aber wider- spricht geradezu der ganzen Verdauungs- und Resorp- tionstheorie. Denn „Verdauung“ heisst doch im Grunde nichts anderes als „Verflüssigung“ von festen Nahrungsstoffen behufs Aufnahme in die Körpersäfte, welch letztere auf irgend eine Weise bewirkt wird, die wir „Resorption“ nennen.. Hier aber müssten die Einiges über den Mitteldarm der Insekten sowie über Epithelregeneration. 303 verdauten Stoffe in fester, also nieht zu resorbirender Form in den Zellen niedergeschlagen werden, eine contradietio in ad- jecto, wie Jedem einleuchten muss; und somit sei auch dieser Ein- wand gegen die fermentativ-sekretorische Natur der geformten Zellbestandtheile zurückgewiesen. Eine grosse Schwierigkeit entsteht nun, wie wir die ein- - zelnen Formen des Sekretes zu deuten haben werden, eine Schwie- rigkeit, die noch als ganz unüberwindbar angesehen werden muss. Dass es einen Nutzen haben wird, es in festerer, also wasser- ärmerer Form aufzuspeichern, mag eher einleuchten, da auf diese Weise jede einzelne Zelle mehr davon wird produciren können. Nach- her brauchen ja dann nur die festen Sekretmassen im Darmlumen gelöst zu werden, um den Verdauungssaft zu liefern, ganz so wie es auch an anderen Orten, z. B. in der Mitteldarmdrüse der Mol- lusken der Fall ist. — Warum aber nun der sekretorische Zell- bestandtheil so oft wechselt, wie dies ja am krassesten bei einigen Raupen (Goldafterraupe) zur Wirklichkeit wird, bleibt vorläufig noch ganz räthselhaft und unerklärlich. Für nicht minder räthselhaft muss nun aber auch der ganze Vorgang der Resorption beurtheilt werden, um so mehr, als sich nicht einmal der Ort bezeichnen lässt, wo derselbe vor sich geht. Als solcher ist der Mitteldarm angesehen worden, und that- sächlich wird beim bedingten Mangel eines Enddarmes und bei gerin- ger Entwicklung eines Vorderdarms gar kein anderer Ausweg übrig bleiben. Sieht man im entgegengesetzten Falle aber wieder den Mitteldarm schwinden, ein Verhältniss, das bei den Decapoden (mit Ausnahme der Paguriden) zuerst festgestellt, sich bei Gryllo- talpa wiederholt und auch auf diese nicht beschränkt bleibt, so muss man doch logischerweise einen Ersatz dafür suchen, den man nur im Enddarm finden kann. Bei Gryllotalpa, bei den Enger- lingen von Melontha, Oryctes nasicornis u. 8. w. ist derselbe ja auch so ausserordentlich entwickelt, von so mächtigem Umfang und solcher Gliederung, dass man ihn schlechterdings nicht nur als Ausführungsgang für die Kothmassen und für die Sekrete der Malpighischen Gefässe betrachten darf. Wie aber derselbe Vorgang in zwei so verschieden gebauten Organcom- plexen, im Mitteldarm einerseits und im Enddarm andererseits, stattfinden soll, wie diese beiden trotz dieser Verschiedenartigkeit theilweise dieselbe Funetion ausüben sollen, ist und bleibt 304 Johannes Frenzel: noch unerklärlich. - Man kann freilich diese oder jene Erklärungs- weise dafür aufstellen, doch mögen sie an dieser Stelle besser unterdrückt werden, und ich sehe mich genöthigt, mit den schon einmal gebrauchten Worten zu schliessen, nämlich, dass wir vor- läufig noch allzusehr im Dunkeln herumtappen. Zum Schluss muss aber noch eine andere Frage wieder kurz berührt werden, und zwar die nach dem Vorhandensein eines leberartigen, galleabsondernden Organes bei den Insekten. Hier dürften wir schneller ins Klare gelangen. Es kann wohl jetzt als ausgemacht betrachtet werden, dass bei keinem Wirbellosen echte Gallenfarbstoffe und echte Gallen- säuren aufgefunden sind. Die ebenso grosse Nothwendigkeit dieses letzteren Bestandtheils aber ganz ausser Acht lassend, haben nun einige Autoren, wie Max Weber und Barfurth das Haupt- gewicht auf die Farbstoffe selbst gelegt, die ausgeschieden werden, ganz einerlei, welcher Artsiesind, ganzeinerlei, ob sie sich wie echte Gallenpigmente verhalten!). Es kann nun an diesem Orte eine Widerlegung dieser Ansicht nicht vorgenommen werden, doch möge ihre Anwendbarkeit auf die In- sekten geprüft werden. Abgesehen von den Speicheldrüsen vorne und den Malpighi’schen Drüsen hinten besitzen diese keine be- stimmt differenzirten Anhangsdrüsen des Darmtractus, denn die zottigen, sackartigen und sonstwie beschaffenen sind eben nichts als einfache Ausstülpungen der Darmwandung und tragen ein mit dieser ganz übereinstimmendes Epi- thel. Ein Leberorgan kann also nur im gesammten Darmepithel enthalten sein, eine Meinung, die ja auch ihre Vertreter gefunden hat. Dann aber muss dieses in allen Fällen, zu allen Zeiten und überall ohne Ausnahme ein gefärbtes Sekret, jene exkretorischen Farbstoffe ausscheiden, und das ist, wie wir oben gesehen, absolut nicht in dieser Weise der Fall. Wo ist dann das Gallenorgan der Hymenopteren, ihrer Larven wie ihrer Imagines, wo das der Schmetterlinge, der Dytisciden, der Dipteren, der Hemipteren u. s. w.? Oder sollten nur einzig und allein die Schmetterlingsraupen, einige Käfer, die Schaben und wenige andere Insekten so glücklich sein, eine Galle auszuschei- 1) Genaueres darüber findet sich in der „Mikrographie der Mittel- darnidrüse (Leber) der Mollusken“ 1. e. Einiges über den Mitteldarm der Insekten sowie über Epithelregeneration. 305 den, während alle die unzähligen übrigen dessen nicht für würdig befunden worden sind? Dies wird doch Niemand für wahrschein- lich halten wollen, und man wird in den Schlusssatz einstimmen müssen: Ceterum ceenseo, die Insekten haben weder ein leberähnliches Organ, noch ein gallenähnliches Exeret. Triest, im September 1885. Nachschrift. Erst nachträglich bin ich mit einer kleinen Schrift von Ad. Targioni Tozzetti („Note anatomiche intorno agli Insetti. — Sopra una forma di cellule epiteliali nel ventricolo delle larve delle api“, im Bullet. Societ. Entomol. Ital. t. IV, 1872 (?)) bekannt geworden, in welcher schon das Mitteldarmepithel der Bienenlarven beschrieben wird. Trotz einiger Unrichtigkeiten ist die Darstellung eine treffende, wenn auch eine sehr knappe. Ich behalte mir vor, darauf noch einmal zurückzukommen. Erklärung der Abbildungen auf Tafel VII, VII und IX. Tafel VM. DieFiguren stellen die Epithelzellen des Mitteldarmes im frischen Zustande dar. Fig. 1. Epithel des Mitteldarmes von Bombyx neustria (Larve) in der Flächenansicht. Vergr. 1:650. Jüngere Schleimzelle von Porthesia chrysorrhoea (Larve) in seitlicher Ansicht. Vergr. 1: 1000. Fig. 3. Ebensolche Zelle von Dermestes lardarius, von oben gesehen. Vergr. 1: 1000. Fig. 4. Uebergangszelle aus der Raupe von Porthesia chrys. Vergr. 1: 800. Fig. 5. Cylindrische Zelle von demselben Individuum mit gelben Krümeln. Vergr. 1: 800. Fig. 6. Epithelzelle von Blatta orientalis. Fig. 7. Cylinderzelle von Bombyx neustria, mit gelben Krümeln. Vergr. 1: 650. Fig. 8. Epithelzelle von Ephestia Kühniella. Vergr. 1: 650. Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd, 26. 20 ke] =) [&) 306 Johannes Frenzel: Einiges über den Mitteldarm der Insekten etc. Tafel VII. Frische Epithelelemente und Schnitte durch den Mitteldarm. Fig. 9. Zellkern aus dem Epithel einer Bienenlarve. Vergr. 1: 650. Fig. 10. Stück einer Mitteldarmzelle mit Kern, von einer grossen Bienen- larve. Vergr. 1: 650. Fig. 11. Epithelzelle von Acilius sulcatus mit grossen Fetttropfen. Fig. 12. Imaginale Mitteldarmzelle von der Goldafterraupe. Fig. 13. Oberflächenansicht des Epithels von Tenebrio molitor. Fig. 14. Oberflächenansicht des Epithels von der Bienenpuppe (erstes Sta- dium) nach Abstossung der grossen Zellen. Vergr. 1: 650. Fig. 15. Imaginalzelle von der Raupe der Hibernia defoliaria. Vergr. 1: 700. Fig. 16. Kern aus dem Mitteldarmepithel der Larve von Tachina (spee.) mit einem grossen Nucleollolus. Vergr. 1: 600. Fig. 17. Querschnitt durch den Mitteldarm einer Cimbexlarve. Vergr. 1: 350. Fig: 18. Querschnitt durch den Mitteldarm der Raupe von Bombyx neustria. Conservirung: Sublimat + Salpetersäure. Vergr. 1:650. Fig. 19. Ein gleicher Schnitt von Blatta orientalis. Vergr. 1:350. Fig. 20. Frische Mitteldarmzelle von Apis mellif. mit dem Härchensaum. Fig. 21. Ebensolche Zelle von Notonecta glauca. Vergr. 1: 650. Fig. 22. Schnitt durch den Mitteldarm von Bombus spec. Z‘. — Cons. in Sublimat/Salpeters. Vergr. 1: 700. Fig. 23. Imaginalzellen in Oberflächenansicht von der Bombyx neustria-Raupe ohne gelbe Krümel. Vergr. 1: 650. Tafel IX. Schnitte durch den Mitteldarm. Fig. 24. Querschnitt durch den Mitteldarm einer Bienenlarve nach Behand- lung mit Sublimat/Salpeters. Vergr. 1:625. Die Härchen sind zu dickeren Stäbchen vereinigt. Fig. 25. Ebensolcher Schnitt von der Bienenpuppe, erstes Stadium; die- selbe Vergrösserung (vergl.. Fig. 14). Fig. 26. Querschnitt durch den Mitteldarm des Hydrophilus piceus nach Be- handlung mit Sublimat/Salpetersäure. | Fig. 27. Junge Zellen von der Cimbexlarve mit Kerntheilungen. Vergr. 1: 1000. Fig. 28. Kern von der Goldafterraupe; frisch. Sämmtliche Figuren sind mit Hülfe des Immersionssystems B von R. Winkel gezeichnet; einige auch (Fig. 24, 25 etc.) mit dessen Oelimmer- sion 1/94”. Der Deutlichkeit halber sind wie angegeben die Zeichnungen mehr oder minder vergrössert, oder, um Raum zu ersparen, verkleinert dargestellt. Ed. Paulsen: Ueber die Drüsen der Nasenschleimhaut ete. 307 (Aus dem anatomischen Institut in Kiel.) Ueber die Drüsen der Nasenschleimhaut, besonders die Bowman’schen Drüsen. Von Dr. Ed. Paulsen, Privatdocent in Kiel. Hierzu Tafel X und XI. Seitdem Anton Heidenhain durch seine vielgenannte Dis- sertation eine Umwälzung in den bisherigen Anschauungen über die Quellen der Nasensekrete hervorbrachte, hat die Frage, ob nur die helle, leicht flüssige und nicht fadenziehende, in reichlicher Menge abgesonderte Flüssigkeit von den drüsigen Organen der Nasenschleimhaut produecirt werde oder ob dagegen auch das muein- haltige Secret derselben derartigen Gebilde entstamme oder nur von den Becherzellen geliefert werde, eine besondere Bedeutung erlangt. Hatte man bisher stillschweigend angenommen, dass die in grosser Zahl vorhandenen Nasendrüsen schleimbereitende seien, so musste hierin eine Wandlung eintreten, als A. Heidenhain durch anatomische und physiologische Untersuchungen nachwies oder ‘doch nachgewiesen haben wollte, dass die Auskleidung der Nasenhöhle überhaupt keine eigentlichen Schleimdrüsen besässe, sondern nur solche Drüsen, welche ein wässriges Secret liefern und denen er demgemäss die Bezeichnung gland. serosae beilegte. Die Schleimbereitung dagegen soll nach seiner Meinung nur durch eine schleimige Metamorphose des Epithels vor sich gehen. Aber schon Heidenhain selbst hat hierin eine Einschränkung ein- treten lassen, indem er am Ende seiner Arbeit sagt, er glaube be- haupten zu können, dass das Kalb keine gland. serosae, sondern nur gland. mucosae besässe. Neuerdings hat dann Klein!) dem respiratorischen Theile der Nasenschleimhaut beide Drüsenarten, sowohl seröse als mucöse, zuerkannt. Welcher Klasse von Drüsen aber speciell die im Ausbreitungsgebiet des N. olfactorius vor- 1) Klein, Atlas of Histology. 308 Ed. Paulsen: kommenden, sogenannten Bowman’schen Drüsen zuzuzählen sind, das erfahren wir weder von ihm noch von Heidenhain. Letz- terer giebt von ihnen nur eine kurze Beschreibung, indem er sich auf Max Schultze’s eingehende Untersuchungen beruft. Er nennt sie kurze, dünne Schläuche, deren Querschnitt ein kleines Lumen zeige, welches von vier bis sechs polygonalen, rundlichen, mit einem grossen, meist central liegenden Kern versehenen Zel- len umstanden wird. Auch Klein, der sie (l. e.) ausführlich be- handelt, äussert sich nieht über ihre functionelle Bedeutung. Er beschreibt ihr Drüsenepithel als einschichtig, als „granular-looking“, und sagt, jede Zelle führe einen rundlichen Kern. In den tieferen Theilen der Drüse seien die Zellen eylindrisch, in den oberfläch- lieberen Theilen polyedrisch. Ihre Substanz sei ein dichtes Netz- werk, welches sehr deutlich sei, wenn die Drüse in der Absonde- rung begriffen wäre, da die Zellen dann viel grösser seien. Welcher Art das Secret dieser Drüsen sei, darüber spricht er eine Ansicht nicht aus: doch bezeichnet er die Drüsen des Jacobson’- schen Organs als seröse Drüsen. Dass nun auch die Drüsen des- jenigen Theiles der Nasenhöhle, in welchem der Riechnerv seine eigentliche Ausbreitung findet, seröse Drüsen seien, dies anzu- nehmen könnten uns sowohl theoretische Erwägungen als die ob- waltenden Verhältnisse an einem verwandten Sinnesnerven geneigt machen. Denn man könnte A. Heidenhain wohl Recht geben, wenn er meint, dass ein schleimiges Secret, welches durch den in der Nase fortwährend bestehenden Luftzug seinen Wassergehalt verliert und so zu Borken verhärten kann, die Perceptionsfähigkeit unseres Geruchsorgans oft beeinträchtigen müsse, während da- gegen ein wässriges Sekret, wie es die Eiweissdrüsen liefern, keine Borken bilde und geeignet sein werde die Geruchsschleim- haut fortwährend feucht zu erhalten. Auch die eigenartige An- ordnung der Drüsen in der Umgebung der Endorgane des Geschmacksnerven, könnte uns zu derartigen Betrachtungen ge- neigt machen. Denn es fehlen bekanntlich in der nächsten Um- gebung der Geschmacksknospen die Schleimdrüsen und nur Ei- weissdrüsen entsenden ihre Ausführungsgänge in die Gruben der umwallten und blättrigen Papillen, der Hauptstandorte der Ge- schmacksknospen. Eine Analogie hierzu in der regio olfactoria zu mutbmaassen liegt nicht ganz fern bei der nahen Verwandt- schaft zwischen den specifischen Eigenschaften des Geruchs- und Geschmacksnerven, zwischen Riechepithel und Geschmacksknospen. Ueb. d. Drüsen d. Nasenschleimhaut, besonders d. Bowman’schen Drüsen. 309 Weitere histologische Untersuchungen aber, welche für die vor- liegende Beurtheilung der secernirenden Organe der Riechschleim- haut objeetive Befunde liefern, liegen ausser den Mittheilungen L. Löwe’s!) nicht vor. Wenigstens habe ich in der mir zugänglichen Literatur nichts hierauf Bezügliches finden können. Aber das Re- sultat der Löwe’schen Untersuchung am zweimonatlichen Kanin- chen ist ein höchst interessantes und beachtenswerthes, wenn auch die von Löwe benutzte Methode nicht eine empfehlenswerthe ist. Nach seiner Angabe hat er nämlich den Kopf eines ca. zwei Monate alten Kaninchens in eimer concentrirten Lösung von doppeltchrom- saurem Kali ungefähr ein Jahr lang liegen lassen. Gefärbt wurde der Kopf dann in toto in 1°%/,-iger alkalischer Karminlösung, zu welchem Zwecke derselbe mehrere Monate lang in der Farbe ge- lassen wurde. Von den Drüsen der Nasenschleimhaut nun sagt Löwe, es „hat A. Heidenhain zuerst nachgewiesen, dass in der Nasenschleimhaut der Säugethiere zweierlei Arten von Drüsen vor- handen sind 1) eine Art mit acinösem Bau, die kein Mucin ab- sondert und die Heidenhain desshalb seröse Drüsen nennt, sie sind auf einen gewissen Abschnitt der regio respiratoria beschränkt, und 2) eine Art von Schleimdrüsen, die in der reg. olfactoria liegen.“ Dass A. Heidenhain die Drüsen der Nasenschleim- haut in dieser Weise eintheilen will, das habe ich aus seiner Dissertation nicht herauslesen können. Aber die Beschreibung, die Löwe von seinen eigenen Befunden giebt, berechtigt ihn aller- dings zu der Annahme, dass die Bowman’schen Drüsen eine eigene Art von Drüsen seien. Sie bestehen nach ihm aus bald rundlichen, bald länglichen Gruppen kernhaltiger, polygonaler blasser Schüppehen oder Prismen (eine membrana propria kann er bei ihnen nicht nachweisen), welche folgenden eigenthümlichen Färbungsunterschied erkennen lassen. „Der innere, einen grossen Kern führende, gegen das Lumen der Drüse gerichtete Abschnitt färbt sich in Karmin tiefroth; die äussere Zellhälfte dagegen bleibt blassgelb und hellglänzend nach Art des Glanzes, den amyloide Substanz unter dem Mikroskop darbietet. Beide Theile der Zelle setzen sich ziemlich schroff gegeneinander ab. Manche Zellen sind kernlos und vollständig gelb. In anderen färbt sich nur der Kern und eine schmale verwaschene Zone um denselben. Die 1) L. Löwe, Beiträge zur Anatomie der Nasenhöhle und Mundhöhle. Berlin 1883. 310 Ed. Paulsen: Gelbfärbung der ganzen Zelle oder der äusseren Zellhälfte findet sich in der Regel nur am mittleren Abschnitt des Drüsenschlauches. Der Ausführungsgang der Drüse und der Fundus derselben zeigen ersterer ausnahmslos, letzterer fast regelmässig eine uniforme Fär- bung ihrer Elemente.“ Diese Angaben Löwe’s mussten mich allerdings darauf ge- fasst machen, andere und complieirtere Verhältnisse vorzufinden als die üblichen Beschreibungen der Bowman’schen Drüsen er- warten lassen und als ferner die sind, welche wir an den Drüsen des Zungengrundes kennen. Meine Erwartungen sind denn auch nieht getäuscht worden. Ehe ich mich nun an die Untersuchung der Bowman’schen Drüsen machte, habe ich das Verhalten der in der Umgebung der Pap. vallatae gelegenen kleinen Schleim- drüsen und Eiweissdrüsen des neugeborenen Kalbes gegen verschie- dene Fixirungsmittel untersucht. Ich wählte hierzu Flemming's Osmiumgemisch und 1 °/,-ige Osmiumsäure, mit 2- bis 3 tägiger Nach- härtung in Alkohol, ausserdem behandelte ich in Alkohol gehärtete Stücke nach der neuen Heidenhain’schen Methode !). Jede dieser Methoden bringt die charakteristischen Unterschiede zwischen beiden Drüsenarten auf das anschaulichste zur Erscheinung : die grossen Epi- thelzellen der Schleimzellen mit ihrem winzigen Kern, ihrem weitma- schigen Netzwerk und der glashellen Zwischensubstanz differenziren sich lebhaft von den kleinen Zellen der Eiweissdrüsen mit ihrem grossen Kern und ihrem engmaschigen Netzwerk. Zur Tinction dieser Drüsen habe ich auf Flemming’s Rath Hämatoxylin benützt, welches derselbe, wie er mir mittheilte, schon seit ea. 15 Jahren zur Demonstration der Schleimdrüsen anwendet ohne es jedoch bisher publieirt zu haben. Später hat es dann bekanntlich Klein zu diesem Zwecke empfohlen, deres durch Watney kennen lernte. Klein selbst unterscheidet in Bezug auf die Färbbarkeit zwischen Mueigen und Muein und sagt?): die interfibrilläre oder interstitielle Substanz d. h. die Substanz, welche innerhalb des Netzwerkes sich befindet, sei in einigen Alveolen eine klare homogene Sub- stanz — Mueigen, in anderen werde sie durch Hämatoxylin tief gefärbt — Muein. Auch Ebner, der -die Zungenschleimdrüsen mit Blauholzextract färbte, sagt, dass sich die Zellen derselben dadurch in toto lebhaft violett färben, die Kerne jedoch noch in- 1) s. dieses Archiv Bd. 24. Hft. 3. 1884. S. 468. 2) The Quarterly Journal of Microscopical Science. vol. XIX. New Ser. S. 154. Ueb. d. Drüsen d Nasen schleimhaut, besonders d. Bowman’schen Drüsen. 311 tensiver als die Zellen. Anders verhielten sich die von mir in genannter Weise behandelten Zungenschleimdrüsen bei Tinction mit der nach de la Field bereiteten Hämatoxylinlösung: ausser den Kernen zeigte nämlich nur das Netzwerk eine in- tensiv blauviolette Farbe, dagegen war die homogene Zwischensubstanz immer glashell und ungefärbt geblie- ben. Die überraschend schöne Färbbarkeit des durch Osmiumsäure fixirten Maschenwerks dieser Schleimdrüsen veranlasste mich, noch eine der grossen Schleim-Speicheldrüsen daraufhin zu prüfen: auch an der Submaxillaris des Kalbes hatte ich denselben Erfolg. An den Eiweissdrüsen wurden selbstverständlich immer nur die Kerne ge- färbt. In Bezug auf meine Art zu färben will ich noch hinzufügen, dass ich hier sowohl wie bei den Bowman’schen Drüsen ausschliess- lich progressive Färbung anwendete, regressive dagegen um Täu- schungen zu entgehen gänzlich vermied. Meist habe ich langsam mit Lösungen der gebräuchlichen Verdünnung gefärbt, so dass die Schnitte mindestens zwölf Stunden in der Farbe blieben. Schnell- färbung habe ich nur probeweise verwendet. — Mit Hülfe dieser Methoden untersuchte ich die Drüsen der Riechgegend am Pferd, Kalb, Schwein, Hund, Meerschweinchen und der Ziege. Als vor- züglich geeignet für meine Zwecke erwies sich die Osmiumsäure. Schon die ungefärbten Osmiumpräparate (und ebenso die Heiden- hain’schen Präparate) des Pferdes ergaben mir Aufschlüsse über die Natur der Bowman’schen Drüsen und liessen charak- teristische Eigenschaften an ihrem Epithel erkennen. Es prä- sentirte sich nämlich folgendermaassen: in der Nähe der Epithel- grenze waren die Drüsenschläuche besetzt mit dunklen, abge- stutzt pyramidenförmigen oder mehr cylindrischen, mit einem grossen rundlichen Kern versehenen Zellen, zwischen denen ein- zelne helle ausgebauschte Zellen (ähnlich dem becherförmigen Theile der Becherzellen) eingestreut waren, deren abgeplatteter Kern gegen die Basis gepresst lag. Am Mittelstück der Tubuli bestand das Epithel fast nur aus diesen hellen Zellen und gegen den Fundus der Schläuche bildeten die dunklen Zellen dann wie- der die grössere Zahl. Nach diesem Aussehen der Zellen erschien es mir in hohem Grade wahrscheinlich, dass es sich hier um ein gemischtes Epithei handele d.h. dass sich hier innerhalb desselben Drüsenschlauches die beiden Epithelien finden, welche als charakte- ristisch für Schleimdrüsen und Eiweissdrüsen gelten. Diese Ver- muthung wurde durch die Betrachtung der mit Hämatoxylin ge- 312 Ed. Paulsen: färbten Präparate bestätigt und es ergab sich ausserdem noch eine weitere auffallende Beschaffenheit einer Anzahl der Zellen. Ich konnte demnach dreierlei Formen des Drüsenepithels unterscheiden: ein Theil derselben zeigte alle Charaktere der secer- nirenden Elemente der Sehleimzellen, nämlich einen in- tensiv gefärbten, abgeplatteten, gegen die Basis gedrängten, zu- weilen fest an die Membrana propria gepressten Kern; ein weit- maschiges veilchenblau gefärbtes Netzwerk und eine ungefärbte, glashelle und klare Zwischensubstanz. Ein anderer Theil glich den Zellen der Eiweissdrüsen: das Maschwerk ist sehr eng, ist untingirt geblieben und zeigt eine gelb-bräunliche Farbe, ein grosser rundlicher, blaugefärbter Kern zuweilen mit deutlichen Kernkörperchen lagert in der Mitte oder im äusseren Drittel der Zelle. Ein dritter Theil endlich vereinigt diese beiden Charaktere in sieh. Es ist nämlich der an das Lumen des Drüsenschlauches grenzende Theil des Netzwerks weit- maschig, blaugefärbt und innerhalb desselben die glashelle, unge- färbte Zwischensubstanz; der übrige Theil aber ist engmaschig, ungefärbt und bräunlich. Beide Theile sind scharf voneinander abgegrenzt. Zuweilen ist der erstere Theil nur auf einen schma- len Saum beschränkt und es ist dann in den grösseren ungefärbten Theil ein grosser, rundlieher Kern eingebettet; oder das weit- maschige, gefärbte Netzwerk ist angewachsen und dehnt sich auf einen beliebig grossen Raum der Zelle aus, kann diese sogar ganz einnehmen bis auf einen kleinen um den Kern gelegenen Raum, wobei der erstere dann abgeplattet und an die Basis gedrängt ist. So finden sich also alle Uebergänge von der einen Zellenart zur anderen. Diese drei Formen des Epithels finden sich im Drüsen- schlauche in der Weise unregelmässig angeordnet, dass sich Tu- buli im Quersehnitte oder Schrägschnitte entweder ganz als Schleim- drüsen oder ganz als Eiweissdrüsen präsentiren können oder auch als Drüsen mit einem gemischten Epithel, oder endlich es finden sich ausserdem noch daneben die beschriebenen Uebergangsformen, wie ich sie in Ermanglung eines besseren Namens nennen will. Die Vertheilung dieser Zellen über die ganze Länge des Schlauches zeigt aber in der Weise eine gewisse Regelmässigkeit, dass die flachzellige Auskleidung des innerhalb des Epithels gelegenen Aus- führungsganges nur aus dunklen, ungefärbten Zellen mit grossem, rundlichem Kern besteht. In dem hieran grenzenden, meist mehr gestreckten Theile des Schlauches sind die Zellen noch vielfach Ueb. d. Drüsen d. Nasenschleimhaut, besonders d. Bowman’schen Drüsen. 313 niedrig und flach, so dass ihre Breite grösser sein kann als ihre Höhe, namentlich findet sich dies an den kurzen Schläuchen: diese Zellen sind meist schleimfrei, nur vereinzelt erscheinen die Schleim- zellen. Weiterhin treten sie dann so zahlreich auf, dass der mitt- lere Theil der hier mehr gewundenen Schläuche nicht selten ganz das Aussehen von Schleimdrüsen darbieten: an solchen Stellen hatte das sonst meist enge Lumen zuweilen eine starke Erweite- rung erfahren und war mit blaugefärbter Masse erfüllt. Gegen den Fundus der Schläuche überwiegen dann meist minder schleim- freie Zellen. Wie beim Pferde, so habe ich beim Hunde, Schweine und älterem, (10 wöchentlichen) Kalbe dureh Osmiumsäure und Hämat- oxylin dieses Verhalten der Bowman’schen Drüsen feststellen können. Doch gelang es mir nicht an neugeborenen (ein- und anderthalbtägi- sen) Kälbern und am halbausgewachsenen Meerschwein: hier zeigten die Osmiumpräparate an den Drüsen der Riechgegend immer nur dunkle, einen grossen rundlichen Kern führende Zellen, an denen ich nur bei den Kälbern einen schmalen Saum blaufärben konnte. Ich habe nicht in Erfahrung bringen können, worin dieser negative Erfolg begründet war. Dagegen erhielt ich durch Behandlung von Alkoholpräparaten derselben Thiere nach der Heidenhain’schen Methode bessere Resultate. Beim Meerschweine wurden aber auch dann durch Hämatoxylin nur wenige Zellen in toto und an einer grösseren Anzahl eine Zone des Netzwerks gefärbt, bei den neugebo- renen Kälbern zeigten sich beide in grösserer Menge, wenn auch die ungefärbten, grosskernigen Zellen ganz erheblich überwogen. Bei der Ziege, von der mir nur Alkoholpräparate zur Verfügung standen, erhielt ich durch die genannte Behandlung ähnliche Resultate, wie beim jungen Kalbe. Beim Pferde aber ergab die Hämatoxylinfärbung Heidenhain scher Präparate ähnliche, wenn auch weniger scharfe und deutliche Bilder, wie die der Osmiumpräparate. Das Osmiumge- misch habe ich für diese Zwecke nicht brauchbar gefunden. Nur am Pferde konnte ich an solchen Präparaten den mittleren Theil der Drüsenschläuche färben. Durch jede der 3 Methoden blau ge- färbte, mehr oder weniger netzig aussehende Schleimmassen füllten übrigens häufig die Lumina der Tubuli und weit ausgebuchteten Theile der Ausführungsgänge, auch war die freie Fläche des Epi- thels oft mit ebenso gefärbtem Schleim überzogen. Was nun die Ausbreitung dieser Drüsen der Riechschleim- haut betrifft, so habe ich mich am Pferd und Kalb überzeugen 314 Ed. Paulsen: können, dass sie keineswegs zugleich mit dem Riechepithel auf- hören, sondern sich noch eine Strecke lang unter dem Flimmer- epithel fortsetzen. An ihren letzten Ausläufern trat dann oft darin eine Modification auf, dass der Ausführungsgang sich nicht auf die epitheliale Schicht allein beschränkte, sondern schon in der Tiefe der Mucosa begann. Er ist mit einer Lage flacher oder eylindrischer, einen grossen Kern führender Zellen ausgekleidet, zwischen denen einzelne Schleimzellen ausgestreut sind. Ausser diesem kann ich noch Einiges über die Drüsen der Riechgegend des neugeborenen Kindes nach älteren ungefärbten Ösmiumpräparaten berichten. An denselben ist, da ich die Nasen- muscheln erst ungefähr einen halben Tag nach dem Tode habe einlegen können, die Erhaltung der Drüsen keine genügende um bestimmte Entscheidungen treffen zu können, doch meine ich zu sehen, dass sich hier nicht unähnliche Verhältnisse wie bei den Bowman’schen Drüsen der Säugethiere vorfinden. Das Epithel erscheint einschichtig, bestehend aus dunklen mit grossem rund- lichen Kern versehenen Zellen, zwischen denen einzelne helle Zellen eingestreut sind. Die Drüsen selbst sind kleine gestreckte, meist einfache Schläuche mit einem oft sehr breiten Lumen. Sie nehmen nur die Innenfläche, d. h. dem Septum zugewandie Fläche der oberen Muschel ein; in der Nähe ihres unteren Endes hören sie auf und machen Drüsen Platz, welche in ihrem Bau denen der mittleren Muschel entsprechen (s. u.). Leider war die Epitheldecke zu defeet um entscheiden zu können, ob der Uebergang des Riech- epithels in Flimmerepithel an derselben Stelle stattfindet. Bekannt- lich vergleicht Max Schultze die Drüsen der regio olfactoria des Neugeborenen mit den Meibom’schen Drüsen. Die Abbildungen, welche er von ihnen giebt, haben mit den Drüsen, wie ich sie hier in der Riechgegend sehe, keine Aehnlichkeit, ähneln dagegen den an der äusseren Fläche der oberen Muschel befindlichen Drüsen. Angaben über das Vorkommen von zweierlei Zellenarten in demselben Drüsenschlauche sind von verschiedenen Seiten gemacht. Klein beschreibt (l. ec.) das Epithel der Drüsen des Pharynx, Oesophagus, Larynx, der Trachea und von mucösen Drüsen der regio respiratoria der Nasenschleimhaut als ein derartiges; es wären ihre Schläuche besetzt mit eylindrischen Zellen, welche in Folge der engen Maschen des intercellulären Netzwerks körnig erscheinen und welche einen rundlichen Kern in ihrem äusseren Theile be- sässen; oder es wären zweitens die Tubuli besetzt mit Schleimzellen Ueb. d. Drüsen d. Nasenschleimhaut, besonders d. Bowman’schen Drüsen. 315 der gewöhnlichen Art und drittens fänden sich Drüsen, bei denen einige Alveolen zu gleicher Zeit mit neben einander gereihten, körnig aussehenden und mit Schleimzellen besetzt sind. Schiefferdeeker!) hat bei seinen Untersuchungen über den Bau der zusammengesetzten Schleimdrüsen der Mundhöhle der Säugethiere durch seine Methode (Färbung von Alkoholpräparaten mit Eosin und Anilingrün) wie ich das Netzwerk stark gefärbt, während bei ihm sich auch das Maschenwerk schwächer färbte. Die Abbildungen, welehe er Fig. VII, 1—4 von der Sublingualis des Menschen giebt, zeigen manche Aehnlichkeit mit meinen Präpa- raten. Er sieht in ihnen die Uebergänge von dem relativen Ruhe- zustande zu dem Zustande relativ stärkster Thätigkeit, letztere er- kennbar an der Bildung eines mit Anilingrün sich stark färbenden Netzwerks, einer sich schwächer färbenden Zwischensubstanz und an Veränderungen der Lage, Form und Färbung des Kerns. In der Abbildung des Durchschnittes eines Drüsenschlauches, die Sch. in Fig. VII, 2 giebt, zeigt das Epithel einige Aehnlichkeit mit dem Zustande, den ich häufig an dem Epithel der Bowman’schen Drüsen finde. Seh. betrachtet es als zweischichtig: peripher liegende, mehr weniger protoplasmatische („mit verschiedenen Uebergängen bis zu einem ziemlich hohen Grade der dunklen Körnung“), gross- kernige, von ihm als Halbmonde betrachtete Zellen bilden einen völligen Kreis und schliessen centrale Zellen ein, welche einen abgeplatteten, an der Zellwand liegenden Kern und ein weitmaschiges, intensiv gefärbtes Netzwerk zeigen. Meine ähnliche Bilder zeigen- den Präparate unterscheiden sich aber wesentlich dadurch, dass ich an reinen Quer- und Längsschnitten der Tubuli niemals in dem weitmaschigen, intensiv gefärbten Netzwerk des centralen Theils der Zellen einen Kern habe auffinden können. Ich habe auf das sorgfältigste mit Zeiss 1/;, eine grosse Anzahl von Präparaten vom Pferd, Hund, Kalb und Schwein hierauf untersucht und bin zu der Ueberzeugung gelangt, dass ich das Vorhandensein von Rand- zellen ausschliessen und dies Epithel als ein einschichtiges an- sehen muss. Herr Prof. Flemming, der die Güte hatte, meine Präparate durchzusehen und mit Zeiss Y/;; zu eontroliren, hat mir erklärt, dass auch er dieses Epithel als einschichtiges und die betreffenden Zellen als aus zwei Zonen bestehend ansieht, wie ich 1) P. Schiefferdecker, Zur Kenntniss des Baues der Schleimdrüsen. Dieses Archiv. 23. Band. 3. Heft. 1884. 316 Ed. Paulsen: es beschrieben und gezeichnet habe. Es liegt auch mir nahe, aus (diesen verschiedenen Zuständen des Maschenwerks, Mascheninhalts - und Kerns auf verschiedene Secretionszustände zu schliessen, doch glaube ich, dass sich manches dagegen sagen lässt. An der Sub- maxillaris und den Zungenschleimdrüsen des Kalbes z. B. konnte ich durch dieselben Methoden niemals diese verschiedenen Zu- stände der Zellen zum Vorschein bringen: hier bestand das Epithel immer ausschliesslich aus Schleimzellen, bei der Submaxillaris mit Randzellen, bei den Zungenschleimdrüsen ohne dieselben. Nach neueren Untersuchungen von Prof. Möbius!) hierselbst, zeigt zu gewissen Zeiten auch das Nierenepithel des männlichen grossen Seestichlings zwei Zellenarten. Er fand nämlich, dass bei diesem Fische während der Zeit des Nestbaues in grossen Partien der Nierencanäle ein helles Epithel sich findet, welches dem der mueösen Drüsen der Säugethiere vergleichbar ist, neben dem dunklen, gleichartigen Flimmereylinderepithel, das zu anderen Zeiten allein die Auskleidung der Nierencanäle bildet. Prof. Möbius demonstrirte dies an Alkoholpräparaten, die mit Karmin gefärbt waren. An meinen damals schon fertigen Osmiumpräparaten vom Pferd konnte ich Prof. Möbius ausser jenen beiden Zellarten noch die dritte mit Schleimzone zeigen. Wie ich jetzt aus der im vorletzten Hefte dieses Archivs erschienenen Möbius’schen Arbeit („Ueber die Eigensch. u. d. Ursprung d. Schleim- fäden d. Seestichlingnestes“) ersehe, hat Prof. M. später durch An- wendung der Osmiumsänre auch noch an einzelnen Epithelien seines Objectes eine ähnliche Schleimzone eonstatiren können. Er sieht die Schleimzellen als durch Umwandlung der gewöhnlichen Epi- thelzellen entstanden an und beschreibt seinen Befund folgender- massen: die Kerne werden flach und rücken an die Basis der Zelle. In den Hohlräumen des schwärzlich gefärbten Wabenge- rüstes entstehe zunächst eine Substanz, die durch Hämatoxylin nicht gefärbt werde (Mucigen) ; diese gehe über in eine durch Hä- matoxylin intensiv blau werdende körmige Substanz, welche sich endlich in einen körnchenfreien hyalinen Schleim verwandle, den Hämatoxylin nicht färbe, den aber Osmiumsäure schwärze. 1) Nach einem im hiesigen physiologischen Verein am 26. Jan. 1885 gehaltenen Vortrage. Ueb. d. Drüsen d. Nasenschleimhaut, besonders d. Bowman’schen Drüsen. 317 Von der regio respiratoria des Menschen und der genannten Säugethiere habe ich einzelne Stellen untersucht und kann über die Drüsen dieser Gegend folgende kurze Mittheilungen machen. Die Drüsen der regio respiratoria hat Klein bekanntlich in mucöse und seröse eingetheilt. Erstere beschreibt er in derselben Weise wie die Drüsen des Pharynx und des Larynx, letztere sollen den anderen serösen Drüsen vollständig analog sein. An beiden unterscheidet er einen Zustand der Ruhe und der Secretion, kenntlich an der geringeren und grösseren Transparenz der Zellen, der Weite des Maschenwerks und der Lagerung des Kerns. Bei einem er- wachsenen Manne fand ich in der mittleren Muschel aus- schliesslich Drüsen, wie Klein sie als mueöse beschreibt. Die Muschel hatte ich sofort nach der Exstirpation (um dem Eiter aus der Stirnhöhle und den Siebbeinzellen Abfluss zu verschaffen) in Alkohol gelegt und erbielt durch Behandlung derselben nach der Heiden hain’schen Methode und Nachfärbung mit Hämatoxylin vortreffliche Bilder der Drüsen. Ihre zahlreichen Windungen bildeten grössere und kleinere Ballen, in denen einzelne Tubuli ausschliesslich mit Schleimzellen, deren weites Maschenwerk sich sehr schön blau-violett färbte, andere nur mit grosskernigen, engmaschigen, ungefärbten Zellen und noch andere endlich mit Zellen beider Arten besetzt waren. Vielfach liessen die schleimfreien Zellen einen bläuliehen Schimmer erkennen, besonders lebhaft in der Nähe des Lumen der Tubuli, das Maschenwerk war dann auch weniger eng und der Kern etwas abgeplattet und gegen die Basis geschoben. An solchen Stellen, wo Schleimzellen allein die Auskleidung des Drüsenschlauches bildeten, war das Lumen’ desselben breit und nicht mit blauge- färbten Schleimmassen gefüllt. Randzellen fehlten vollständig und ‚Zellen mit einer Schleimzone habe ich mit Sicherheit nicht naclı- weisen können. Ausser diesen Drüsen waren in den von mir untersuchten Theilen, sie waren der Mitte der Muschel entnommen, andere nicht vorhanden: besondere seröse Drüsen habe ich nicht gefunden. An der mittleren Muschel des Neugeborenen konnte ich an meinen älteren, ungefärbten Osmiumpräparaten erkennen, dass die Drüsenschläuche in der grösseren Mehrzahl den Schleimdrüsen der Karnivoren glichen, dazwischen eingestreut fanden sich aber auch Tubuli mit dunklen, grosskernigen Zellen besetzt. Am Pferd fand ich in der Mitte des Septum und am äusser- 318 Ed. Paulsen: sten. Ende der unteren Muschel die Drüsen sehr zahlreich, deren Windungen grosse, um die Ausführungsgänge gelagerte Ballen bilde- ten. Sie ähneln den Eiweissdrüsen. Am Septum liessen sie viel- fach einen bläulichen Schimmer erkennen, manche ihrer Zellen zeigten auch eine schmutzig blaue Farbe entweder in ihrer ganzen Ausdehnung oder nur in einem Theile ihres Leibes. Auch an der Spitze der oberen Muschel der Ziege haben die Drüsen das Aus- sehen von Eiweissdrüsen, ohne solchen vollständig zu gleichen. Denn es zeigte meist ein dem Lumen der Drüse zugewandter Theil der Zellen eine schmutzig blaue Körnung. Auch vereinzelte, wohl charakterisirte Schleimzellen liessen sich hier auffinden. Am Kalbe glieben an der Spitze der mittleren Muschel die Drüsen ganz den an der Grenze des Riechepithels befindlichen, mit einem in der Tiefe der Mucosa beginnenden Ausführungsgang. Auch am Schwein waren am Septum in der Nähe der regio alfactoria die Drüsenschläuche mit beiden Zellenarten in der beschriebenen Weise besetzt. In Bezug auf einige Eigenschaften des Epithels der Nasen- schleimhaut mögen hier noch einige Bemerkungen Platz finden. Im Riechepithel fallen die Nucleolen durch ganz besondere Grösse auf. Eine besondere Beachtung scheint dies nicht gefunden zu haben, nur Max Schultze bildet sie grösser ab, als es sonst geschieht. Durch Osmiumgemisch werden sie vorzüglich zur An- schauung gebracht: ein, zwei, zuweilen auch drei grössere Nucleolen sind deutlich zu erkennen. Ferner fiel mir im Riechepithel an Osmiumpräparaten des Pferdes, Schweines und Meersehweines auf, dass an einzelnen Stellen die Elemente“ desselben derartig ange- ordnet sind, dass knospenförmige Gebilde entstehen. Ob diese Knospen zu den Geruchsknospen, welche Blaue als Endapparate des Geruchsnerven bei einer Anzahl von Fischen und Amphibien auffand, in irgend welcher Beziehung stehen, kann ich nicht ent- scheiden, und will nur auf derartige in die Augen fallende An- ordnung des Riechepithels bei Säugethieren hingewiesen haben. In den mit Flimmerepithel überzogenen Theilen der Nasen- schleimhaut sind Becherzellen ausserordentlich zahlreich. Dass Hämatoxylin sehr geeignet ist, den Inhalt der Becherzellen zu färben, ist bekannt. Flemming und Klein haben es zu diesem Zwecke besonders empfoblen. Auch hat ersterer schon darauf auf- merksam gemacht, dass bei Tinetion frisch gemachter Osmium- Ueb. d. Drüsen d. Nasenschleimhaut, besonders d. Bowman’schen Drüsen. 319 präparate mit Hämatoxylin der Becherinhalt eine besonders schöne starke Farbe erhält und dass sein Osmiumgemisch hierfür noch geeigneter ist. Auch die Hämatoxylinfärbung der nach der Hei- denhain’schen Methode behandelten Präparate gab mir sehr schöne Bilder der Becherzellen: das Netzwerk ist intensiv, die Zwischensubstanz weniger stark blauviolett gefärbt in einer von der Farbe der Schleimzellen sich lebhaft unterscheidenden Nüance. Die Menge des von den Becherzellen produeirten Schleims muss eine sehr grosse sein können: an der unteren Muschel des Pferdes, wo die Becherzellen sehr dicht standen, vereinigten sich die aus ihrem Netzwerk heraustretenden Fäden streckenweise zu einer zusammen- hängenden Schicht und an der oberen Muschel der Ziege, wo fast jede der langgestreckten Flimmereylinderzellen in eine Becherzelle umgewandelt war, überzog eine breite Schicht gefärbten Schleims die Oberfläche des Epithels. In dem während der Correctur dieser Blätter herausgegebenen letzten Hefte dieses Archivs befindet sich eine Arbeit über diesen selben Gegenstand von Dr. Dogiel (aus dem physiologischen In- stitut zu Breslau). Der Verfasser ist zu dem Ergebniss gelangt, dass die Drüsen der regio olfactoria zu den Eiweissdrüsen zu rechnen sind. Derselbe hat durch blosse Färbung von Alkohol- präparaten mit Hämatoxylin oder Picroearmin und durch Behand- lung derselben nach Heidenhain’s Methode keine Schleimzellen in den Bowman’schen Drüsen finden können. Durch Anwendung soleher Methoden, welche Eiweissdrüsen und Schleimdrüsen diffe- renziren oder durch nachträgliche Färbung der Heidenhain'- schen Präparate mit Hämatoxylin wäre ihm dies gewiss gelungen. Meine ungefärbten Heidenhain’schen Präparate von der Riech- gegend des Pferdes zeigen übrigens schon deutlich die beiden Zellarten. Erklärung der Abbildungen auf Taf. X und XI. Tafel X. Fig. 1. Schnitt von der Schleimhaut der oberen Muschel eines Pferdes: reg. olfactoria und respiratoria. 1°/,-ige Osmiumsäure. Hämatoxylin. Zeiss. AA. Oc. 4. Die schlauchförmigen Drüsen der Riechgegend finden sich unverändert noch in der angrenzenden mit Flimmer- epithel bekleideten Schleimhaut. Der in der Tiefe beginnende Aus- führungsgang der letzten Drüse ist im Querschnitt getroffen. Das Fie. Fig. 2a. 17a: Ed. Paulsen: Epithel der Drüsenschläuche lässt blaugefärbte Schleimzellen und ungefärbte, dunkle, grosskernige Zellen erkennen. — Im Flimmer- epithel einzelne Becherzellen. Schnitt von der Grenze der Riechschleimhaut des septum narium eines anderen Pferdes. 1°/,-ige Osmiumsäure. Hämatoxylin. Zeiss AA Oc. 4. Das Epithel der Drüsenschläuche zeigt blaugefärbte Schleimzellen, groskernige, dunkle, ungefärbte Zellen und solche mit einer gefärbten centralen Zone. Fig. b, c, d, e geben bei Zeiss Y/js Oc. 2 einzelne Durchschnitte von Tubuli desselben Schnittes mit den drei Zellarten: solchen mit blaugefärbtem, weitmaschigen Netzwerk und an die Basis gerücktem abgeplatteten Kern; solchen mit ungefärbtem, engem (nicht ausgeführtem) Netzwerk und grossem randlichen Kern und endlich Zellen mit einer dem ersteren T'ypus folgenden centralen Zone. Schnitt von der Riechschleimhaut eines Pferdes. Osmiumgemisch. Hämatoxylin. Zeiss AA Oc. 2. Nur der mittlere Theil der Drü- senschläuche ist tingirt. In einem der Ausführungsgänge ein grosser blaugefärbter Schleimpropf. Schnitt von der Riechschleimhaut des Septum einer Ziege. Alko- hol. Heidenhain’sche Methode. Hämat. Zeiss AA Oc.2. Gefärbt sind an dem Drüsenepithel nur centrale Zonen. Im Riechepithel ein querdurchschnittener, erweiterter Ausführungsgang mit grossem blaugefärbten Schleimpropfe. Zahlreiche Nervendurchschnitte. Schnitt von der Riechschleimhaut der oberen Muschel eines Neuge- borenen. Osmiumsäure.. Nichtgefärbt. Zeiss AA 4. Schlauchför- mige Drüsen mit weitem Lumen. Schnitt von der mittleren Muschel eines Neugeborenen. Osmium- säure, Nicht gefärbt. Zeiss AA Oec. 4. Tafel XI. Schnitt von der mittleren Muschel eines erwachsenen Mannes. Al- kohol. Heidenhain’sche Methode. Hämatoxylin. Die Drüsenepi- thelien zeigen zwei Zellenarten. Fig. 7b giebt einzelne Durchschnitte von Tubuli dieses Schnittes bei Zeiss DD Oec. 4, bei denen beide Zel- lenarten sich an der Bildung des Epithels betheiligen. . Schnitt von der Riechschleimhaut des Septum eines ®/‚jährigen Hun- des. 1°/y„ige Osmiumsäure. Hämatoxylin. Zeiss AA. Oc. 4. Das Drüsenepithel zeigt gefärbte Schleimzellen; ungefärbte grosskernige Zellen und Zellen mit centraler Schleimzone. Fig. b, c, d geben bei Zeiss 1/5 Oc. 2 einzelne Durchschnitte von Drüsenschläuchen dieses Schnittes mit den dreierlei Zellformen. Schnitt von der Schleimhaut des Septum eines 11/atägigen Kalbes: Riech- und Flimmerepithel. Rechts Riechepithel mit Drüsen, deren Epithel aus den dreierlei Zellformen besteht. Links Flimmerepithel mit Drüsen, welche einen längeren Ausführungsgang besitzen. In dem Epithel eines der Ausführungsgänge zwei Schleimzellen; in dem Ueb.d. Drüsen d. Nasenschleimhaut, besonders d. Bowman’schen Drüsen. 321 Lumen desselben ein Schleimpfropf. Das Epithel der hierunter be- findlichen Drüsendurchschnitte besteht nur aus Schleimzellen. Zeiss AA Oc. 4. Alkohol. Heidenhain’sche Methode. Hämatox. Fig. 10. Epithel von der reg. respirat. der oberen Muschel einer Ziege. Al- kohol. Heidenhain’sche Methode. Hämatox. Zeiss DD Oe. 2. Die Epithelien sind fast sämmtlich in Becherzellen umgewandelt. Ihre Oberfläche ist von einer breiten Schicht gleichgefärbten Schleims überzogen. Fig. 11. Epithel von der unteren Muschel eines Pferdes, mit Becherzellen. Dieselbe Behandlung. Zeiss DD Oec. 4. In dem blau-violettge- färbten Becherinhalte finden sich zahlreiche dunkler gefärbte Fä- den. Derartige aus den Zellen ausgetretene Fäden fliessen auf der Oberfläche der Flimmerhärchen zusammen. (Aus dem anatomischen Institut zu Halle a./S.) Dottertropfen in der intracapsulären Flüssigkeit von Fischeiern. Von Bernh., Soilger, Prosector und ao. Professor in Halle. Hierzu Tafel XII. Unter der Bezeichnung Dotter wird „bald das gesammte Ei- protoplasma mit den Körnern von Nährmaterial“ verstanden, bald sind letztere Substanzen allein damit gemeint. Um Missverständ- nissen vorzubeugen, hat daher Flemming!) vorgeschlagen, das Protoplasma der Eizelle nebst Dottereinschlüssen als „Eikörper“ zu bezeichnen. In diesem Sinne ist das Wort auch in diesem Auf- satz gebraucht. Was die Umhüllung des Eikörpers der Knochenfische betrifft, so zeigt sich derselbe bei seiner Anlage gewöhnlich nur mit einer von Porenkanälchen durchsetzten Kapsel umgeben, die mit sehr 1) W. Flemming, Beiträge zur Kenntniss der Zelle und ihrer Lebens- erscheinungen, im Arch. f. mikroskop. Anat., Bd. XX, S. 11, Anmerkung. Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd, 26 2l 322 Bernh. Solger: mannichfaltigen Bezeichnungen belegt wird. Sie heisst Zona (H. Ludwig)!), Zona radiata (Balfour)®), Chorion (Rathke), Dotterhaut (Waldeyer)?), Eischale (Oellacher)®). Ueber das Vorkommen einer zweiten, nach innen) von jener gelegenen Hülle, der zarten, structurlosen Dottermembran oder Dotterhaut, wie sie auch genannt wird, sind die Meinungen zur Zeit noch getheilt; ihre Existenz wird von einer Reihe namhafter Untersucher (K. E. v. Baer, Vogt, Lereboullet, Ransom, Aubert u.A.) eben- so entschieden behauptet, als von den Gegnern (Waldeyer, His) geleugnet. Dieser Zwiespalt der Meinungen lässt sich durch die einfache Annahme, dass diese Membran manchen Teleostierformen zukommen, andern dagegen fehlen möchte, nicht beseitigen; denn er tritt auch in den Angaben verschiedener Forscher über ein und dasselbe Object zu Tage. So steht z. B. bezüglich des Eies von Esox lueius Behauptung gegen Behauptung®). Nach Lereboullet kann man sich an dem zuletzt genannten Object, nachdem man das Ei zur Gerinnung gebracht hat („quand on a coagule l’oeuf“) mit völliger Sicherheit von dem Vorhanden- sein einer Dotterhaut (membrane vitelline) überzeugen. Ihr Be- stehen ist aber nach Lereboullet’s Meinung schon aus phy- siologischen Gründen anzunehmen. Denn gesetzt, sie fehlte, dann müsste, so argumentirt er, das durch die poröse Kapsel eingedrungene Wasser den Eikörper wenigstens an seiner Ober- fläche undurchsichtig machen, was aber nicht der Fall ist. Diesen Ausführungen gegenüber stellt His?) eine Dotterhaut im Sinne Lereboullet’s durchaus in Abrede. „Eine structurlose Membran würde auch,“ lesen wir bei ihm, „nach Allem, was wir über die physikalischen Eigenschaften solcher Bildungen wissen, zur Ab- haltung des Wassers vom Eiinhalt wenig geeignet erscheinen. Da- 1) H. Ludwig, Ueber die Eibildung im Thierreich. Würzburg 1874. p. 147. 2) F. Balfour, Handbuch der vergl. Embryologie, Bd. II, p. 61. 3) W. Waldeyer, Eierstock und Ei, p. 80. 4) Oellacher, in Zeitschr. f. wissensch. Zoologie, Band XXI, p. 1. 5) Von der nach aussen gelegenen „Eiweisshülle* und der „Klebe- schicht“, die nicht selten vorkommen, wird weiter unten die Rede sein. 6) Vergl. His, Untersuchungen über das Ei und die Eientwicklung bei Knochenfischen. Leipzig 1873. p. 9. Anmerkung 1 und 2, ep. di Dottertropfen in der intracapsulären Flüssigkeit von Fischeiern. 323 gegen erfolgt der Schutz des Eidotters durch die oben!) beschrie- bene Rindenschicht. So lange die Rindenschicht intact ist, bleibt das Ei durehsiehtig und entwieklungsfähig; sowie die leichteste Verletzung der Rinde erfolgt, tritt Trübung ein und das Ei stirbt ab.“ Mag nun die freie Fläche des Keims und des Rindenproto- plasmas, mit andern Worten: die periphere Zone des Eikörpers der porösen Kapsel unmittelbar anliegen oder vielmehr durch eine umhüllende Dottermembran von der Kapsel getrennt werden, auf jeden Fall dringt, nachdem das reife Teleostierei in das Wasser gelangt ist, ein gewisses Volum Wasser durch die Porenkapsel hindurch, und so finden wir denn alsbald die Kapsel durch einen schmäleren oder breiteren Zwischenraum (breathing-chambre, Ran- som)von dem Eikörper getrennt, von demselben abgehoben. Bei manchen Formen ist die Quantität des eingedrungenen Wassers eine sehr reichliche, bei andern hinwiederum, bei dem Lachsei z. B., hält sie sich innerhalb sehr mässiger Grenzen, und in gleicher Weise be- steht auch bei der Forelle nur ein enger, intracapsulärer Raum (Rau- ber). Die nach der Wasseraufnahme zu beobachtende Zunahme des Dürchmessers beträgt nach His beim Lachsei im Mittel 1/, mm, der intracapsuläre Raum besitzt demnach einen Durchmesser von 0,25 mm; im Ei der Aesche (Thymallus vulgaris) und des Hechtes (Esox lueius) ist die Breite des „wasserhaltigen Raums zwischen Kapsel und dem Dotter“ von His für ersteres auf 0,5—0,6 mm, für letzteres auf 0,1—0,2 mm bestimmt worden?). Nach der Darstellung von His und ebenso nach der von Beneke?) erscheint die Wasseraufnahme seitens der Eier als das Primäre und als deren einzige Folge die Spannung und Ab- hebung der Kapsel. Von Balfour (Handb. d. vergl. Embryol., Band II, p. 61) dagegen wird die Sache so dargestellt, als wäre a 2) H. A. Meyer betrachtet es als eine feststehende Thatsache, dass Eier des Ostseeherings, „welche während der Entwicklung durch Wasserauf- nahme am bedeutendsten an Volumen zunehmen, auch die grössten Em- bryonen beherbergen.“ (Vergl. H. A. Meyer, Beob. üb. d. Wachsen d. Herings im nordw. Th. d. Ostsee, in Jahrb. d. Commiss. z. wiss. Unters. d. deutsch. Meere, 4.—6. Jahrgang, 1878, p. 241.) 3) Beneke, Fische, Fischerei und Fischzucht in Ost- und Westpreussen, 1881, p. 39. 324 Bernh. Solger: die Wasseraufnahme ein secundärer Vorgang, und zwar eine Folge der Zusammenziehung des „Oosperms“ (Balfour), d. h. des mit Sperma imprägnirten Eikörpers, also in letzter Instanz eine Folge der Befruchtung). Die oben angeführte Stelle lautet: „Die Be- fruchtung erfolgt äusserlich und gleichzeitig findet eine Zusammen- ziehung des Dotters statt, so dass zwischen dem Dotter und der Zona radiata ein Zwischenraum entsteht, der sich mit Flüssigkeit erfüllt“. In dieser allgemeinen Fassung ist der Satz unmöglich aufrecht zu halten, wenn auch, wie wir gleich sehen werden, einige Erfahrungen dafür zu sprechen scheinen. So erfolgt am Ei des Stichlings (Ransom) und des Herings (Kupffer) die Wasserauf- nahme in der That nur bei gleichzeitiger Anwesenheit lebender Samenfäden im Wasser. Ja bei der Nase (Chondrostoma nasus) scheint behufs erfolgreicher Befruchtung die Imprägnation der Eier mit Sperma der Berührung mit Wasser vorausgehen zu müssen. So verstehe ich wenigstens die Angabe von Beneke?). Derartige Erfahrungen liessen sich, wie gesagt, für Balfour’s Aufstellung geltend machen. Auf der andern Seite sprechen eine ganze Anzahl von Beobachtungen gegen jenen Satz. Bei einer Reihe von Formen (beim Hecht [Reichert], bei den Salmoniden) erfolgt die Wasser- aufnahme ohne Weiteres sofort nach der Ablage der Eier. Wir gelangen also zu dem Ergebniss: Die Wasseraufnahme durch die poröse Kapselist als ein von der Befruchtung un- abhängiger Vorgang zu betrachten, welcher zeitlich mit ihr zusammenfallen, ihr folgen oder vorausgehen kann, und zur prallen Spannung der vorher meist schlaffen und faltigen Kapsel führt. Bei diesem Erhärtungsprocess der Eier °) scheinen neben dem Wasser die in demselben befindlichen Gase 1) Earll (United States commission of fish and fisheries, Report of the commissioner, 1878, p. VI) scheint, wie Hensen mittheilt, geradezu an- zunehmen, dass die Eier in Folge der Befruchtung erhärten. 2) „Bei der Nase scheint die Befruchtung der Eier nicht anders er- folgen zu können, als wenn sie zuerst ausserhalb des Wassers mit der Milch in Berührung kommen.“ Beneke,].c. p. 38. 3) Befruchtete Dorscheier werden nach Hensen (Vierter Bericht d. Commiss. ete. Jahrg. VII—XI. 1. Abth. (1882) p. 303) in Salzwasser „nach einiger Zeit so hart, dass man sie unter dem Finger rollen kann und sich von ihrer Anwesenheit zwischen Quallen und sonstigem Auftrieb ganz gut durch den tastenden Finger überzeugen kann.“ Dottertropfen in der intracapsulären Flüssigkeit von Fischeiern. 325 thätig zu sein, „was auch bezüglich des auf vielen Eiern vor- handenen erhärtenden Ueberzugs unzweifelhaft ist“ (Hensen). Nach diesen einleitenden Bemerkungen lasse ich den Bericht über die von mir an Plötzen-Biern angestellten Untersuchungen folgen, die dazu führten, den Inhalt des intracapsulären Raumes genauer ins Auge zu fassen. Ich hatte mir aus der Fischzucht- anstalt des Herrn Rittergutsbesitzers Eckardt in Lübbinchen bei Guben im Laufe dieses Frühlings eine grössere Anzahl befruchteter Eier von Leueiseus rutilus verschafft, die mir zunächst das Material zur Fortsetzung meiner Untersuchungen über die Entwickelung des Coeloms und Coelomepithels !) liefern sollten. Aber gerade zur Bearbeitung dieser Frage ist das Object, wie ich alsbald gewahr wurde und hier einflechten möchte, nicht geeignet, weil die Ent- wicklungsvorgänge, auf die es ankommt, an demselben zu rasch ablaufen. Versagte somit auf der einen Seite das Material die Antwort auf die gestellte Frage, so gab es auf der andern Seite nicht uninteressante Aufschlüsse über den Inhalt des intracapsu- lären Raumes an die Hand. Etwa 30 Stunden nach der Befruchtung erschien die Kapsel prall gespannt und verblieb auch bis kurz vor dem Ausschlüpfen des Embryo in diesem Zustand; dabei bestand während dieser ganzen Zeit ein intracapsulärer Raum von beträchtlicher Grösse, wie in Fig. 1, welche eim vor drei Tagen befruchtetes Ei ver- grössert wiedergiebt, zu ersehen ist. Wer das Ei der Plötze aus eigener Anschauung kennt, wird gewiss darüber Aufklärung ver- langen, wie bei dem geringen Grad von Durchsichtigkeit der Ei- kapsel, von deren Bau ich weiter unten handeln werde, eine Zeichnung mit so scharfen Conturen des Embryo gewonnen werden konnte. In Wirklichkeit erkennt man in der That zu dieser Zeit den Embryo sammt seinem Dottersack als rundliche, kaum durch- scheinende Masse, allein die periphere Begrenzung dieser Gebilde trat doch noch scharf genug hervor, um sie mit Hülfe des Zeichen- apparates mit provisorischen Punkten in die Umrisse der porösen Kapsel eintragen zu können. Nachdem dies geschehen war, wurde mit scharfen Nadeln die Hülle gesprengt; dabei wurde Bedacht darauf genommen, den Embryo nicht zu verletzen, was bei einiger Sorgfalt leicht gelingt. Letzterer wird nun unmittelbar nach seiner 1) Vergl. Morph. Jahrb. Bd. X, p. 494—528, 326 Bernh. Solger: Befreiung mit dem Zeichenapparat genau aufgenommen und das erhaltene Bild nun definitiv in das mit Punkten umschriebene Feld eingezeichnet. Die beigegebene Figur stellt, wie ersichtlich, ein verhältnissmässig‘ vorgeschrittenes Entwicklungsstadium dar; ich möchte daher ausdrücklich hinzufügen, dass ich auch an jüngeren Eiern gleichfalls einen so beträchtlichen intracapsulären Raum angetroffen habe. Man wird daher das Ei der Plötze den- jenigenanzureihen haben, bei denen eine beträchtliche Wasseraufnahme stattfindet. In welchem zeitlichen Verhält- nisse Befruchtung und Wasseraufnahme zu einander stehen, muss ich aus Mangel an eigenen Beobachtungen einstweilen dahin ge- stellt lassen. Der weite Zwischenraum, der durch die ganze Ent- wicklungszeit bis kurz vor der spontan erfolgenden Sprengung der Kapsel sich erhält, kommt uns natürlich bei der künstlichen Be- fruchtung des Embryo, den wir vollkommen unverletzt zu erhalten wünschen, ausserordentlich zu Statten. Dass diese Operation nicht überall gleich gut gelingt, geht u. A. aus den Angaben von Ku pffer (Arch. f. wier. Anat., Bd. II p. 475 ff.) hervor. Das Isoliren von Embryonen von Gasterosteus aculeatus gelang ihm wegen der bedeutenden Schwierigkeiten, die das Verhalten der Eikapsel bereitete, erst an 5 Tage alten Em- bryonen. Dagegen kann die Befreiung der Embryonen von Gobius minutus schon um die Mitte des zweiten Tages nach der Befruch- tung bequem vorgenommen werden. Was enthält nun der intracap- suläre Raum? — Von den Angaben über den Inhalt desselben bei wirbellosen Thieren mögen hier die von Grenacher und A. Schneider Platz finden. Ersterer (Z. f. wissensch. Zool., Bd. 24) beobachtete, dass das Ei einer pelagischen Decapodenlarve inner- halb einer structurlosen Membran „in farblosem Eiweiss flottirte“. Schneider (das Ei und seine Befruchtung, Breslau 1883) giebt an, dass nach Eintritt des Spermatozoon in das Ei von Ascaris megalocephala die Dotterkugel (Eikörper) sich zusammenzieht und zwischen ihr und der Eihaut eine Schicht wasserreicher Substanz, das Perivitellin, auftritt. Uebrigens findet sich letzteres keines- wegs bei allen Nematoden; bei Cucullanus elegans z. B. bleibt die Abscheidung desselben aus. — Wenden wir uns nun zur Be- trachtung des Teleostier-Eies. His (l. ec.) scheint anzunehmen, dass die Rindenschicht desselben während der ganzen Entwicklung ebenso von unverändertem Wasser umspült werde, wie die Aussen- Dottertropfen in der intraeapsulären Flüssigkeit von Fischeiern. 327 fläche der porösen Kapsel, durch die es eindrang. Wenigstens finde ich es bei diesem Autor nicht ausgesprochen, dass mit dem intracapsulären Wasser eine von dem Eikörper gelieferte Substanz sich menge. Balfour (l. e. Bd. IL, p. 61) spricht vorsichtig nur von einer „Flüssigkeit“, welche den „Raum zwischen dem Dotter und der Zona radiata“ erfülle.. Auch Beneke (l. ce. p. 39) äussert sich nur mit Zurückhaltung über eine etwaige Mischung des ein- sedrungenen Wassers mit Eibestandtheilen. Er spricht von der bei der Furehung erfolgenden Contraction des Dotters, ‚wobei gleichzeitig etwas von seiner Substanz in dem Wasser des Ei- raumes gelöst werden mag, da sich diese Flüssigkeit nachmals von reinem Wasser unterscheidet.“ — Mit voller Bestimmtheit spricht sich dagegen auf Grund von Erfahrungen am Herings-Ei Kupffer!) aus: „Ein der Quantität nach nicht bestimmbarer Theil des Dotters geht bei diesem Vorgang (der Wasseraufnahme) in Lösung über, denn die Flüssigkeit des Wasserraums ist nicht reines Wasser, sondern zeigt nach Zusatz von Salpetersäure ein feinkörniges Gerinnsel, wie bereits Reichert?) in seiner trefflichen Arbeit über das Hechtei beobachtet hat. Ob hierauf allein die Grössenabnahme der Dotterkugel zu beziehen ist, oder ob dabei auch eine active Contraetion des Dotters oder eine passive Ver- diehtung der Masse entsprechen, das zu entscheiden, liegen zu wenig Anhaltspunkte vor.“ Bei Leueiseus rutilus kann man sich nun mit grösster Sieherheit überzeugen, dass das intracapsuläre Fluidum gegen Wasser äusserst empfindlich ist. Ich habe durch vorsichtiges Anstechen der Porenkapsel die betreffende Flüssigkeit aus Eiern der verschiedensten Entwicklungstadien, vom 2.—9. Tage nach der Befruchtung entleert und stets sofort nach der Berührung mit Wasser eine starke, weissliche Trübung der ursprünglich farb- losen, in dünner Schicht vollkommen durchsichtigen, dünnflüssigen Substanz auftreten sehen. Je älter übrigens die Eier wurden, je mehr Zeit verflossen war seit der Befruchtung, desto weniger intensiv war die Trübung?), wie denn auch schon im älteren, un- 1) Kupffer, Die Entwicklung des Herings im Ei, in Jahresber. d. Comm. z. wissensch. Untersuchung d. deutsch. Meere, 4.—6. Jahrg., p. 185. 2) Müller’s Archiv 1856. 3) Vergl. unten die Angaben von Ryder. 328 Bernh. Solger: verletzten Ei das Fluidum heller erschien, als früher, so dass die Umrisse des Embryo deutlicher erkennbar waren. Die am 12. Tage nach der Befruchtung, also kurz vor dem Ende der intracapsulären Entwicklung untersuchten Eier gaben diese Reaction (Trübung) nicht mehr. Da mir von den jüngsten Entwicklungsstadien kein Material zu Gebote stand, so kann ich einstweilen nur soviel aus- sagen: „Die vom 2.—9. Tage reichlich vorhandene intra- capsuläre Flüssigkeit des Plötzen-Eies reagirt während dieser Zeit durch Trübung.energisch gegen Wasser, ver- hält sich also in dieser Beziehung ebenso, wie das von Rindenprotoplasma nicht mehr geschützte Dottermate- rial des Eikörpers. Nachdem dies feststand, stellte ich mir weiterhin die Aufgabe, nach etwa in dem Fluidum schwebenden geformten Gebilden zu forschen. Zu diesem Zweck nahm ich das Anstechen der Kapsel nicht in einem mit Wasser gefüllten Uhrschälchen vor, sondern auf dem trocknen Objectträger. Ein Theil des entleerten Inhalts wurde alsdann mit einem kleinen Tropfen 1%,iger Osmiumsäure zusammengebracht und hierauf mit einem gestützten Deckglase be- deckt. An so behandelten Präparaten tritt keine Trübung ein. In der Zusatzflüssigkeit ist die Stelle, wo das farblose, dem Biraum entstammende Fluidum sich befindet, bei auffallendem Licht ohne Schwierigkeit. an dem spiegelnden Lichtreflex zu erkennen. In allenso gewonnenen Präparaten zeigensich, allerdings in wechselnderMenge, geformte Elemente, nämlich kleinere und grössere (bis 0,0175 mm im Durchmesser haltende), stark lichtbrechende Kugeln von homogenem Aussehen (Fig. 2a), ausser- dem kugelige Gebilde sehr verschiedener Dimension, entweder mit fein granulirtem Inhalt oder mit grösseren, körnchenähnlichen Ein- lagerungen (Fig. 2b), hie und da auch mit einer oder mehreren das Licht blass röthlich brechenden Vacuolen versehen, endlich freie Körnchen von dem Aussehen, wie sie innerhalb der Gebilde selbst vorkommen (Fig. 2c). Die Vergleichung mit Dottermaterial aus dem gesprengten Dottersack der Embryonen, das derselben Be- handlung unterzogen wurde, ergab mehrfache Uebereinstimmung (Fig. 35). Die stark lichtbrechenden, homogenen Kugeln ent- sprechen — mit Ausnahme der Grössenverhältnisse — den bei a (Fig. 2) wiedergegebenen Gebilden aus dem intracapsulären Raum. Auch vacuolisirte, sonst aber homogene Körper kommen vor, da- Dottertropfen in der intracapsulären Flüssigkeit von Fischeiern. 329 gegen wurden fein granulirte Gebilde, wie sie bei b (Fig. 2) ab- gebildet sind, von mir nicht bemerkt. Das den intracapsu- lären Zwischenraum erfüllende Fluidum zeigt also auch inseinem microscopischen Verhalten grosse Ueber- einstimmung mit frei gewordenen Dottertropfen; dabei istaber im Auge zu behalten, dass die Elemente derzwischen dem Eikörper und der Kapsel ein- seschlossenenFlüssigkeit deutliche Zeichen des Zerfalls (feine Granulirung, freie Körnehen) erkennen lassen, welche aufeine allmähliche Lösung der Gebilde hinweisen. Dass die in Fig. 2 wiedergegebenen kugeligen Körper nicht etwa erst, wie ich mir anfänglich selbst einwandte, in Folge einer Verletzung der Dottersackwandung frei geworden sind, kann ich zuversichtlich behaupten. Es wurde nur solches Material zur Untersuchung von mir für tauglich befunden, dessen wiederholte Prüfung die völlige Unversehrtheit des Embryo zweifellos festgestellt hatte. Als untrügliche Probe kann auch für den Embryo die Unter- suchung in Wasser (Brunnenwasser oder Aq. destill.) gelten. Denn die geringste Verletzung desselben, namentlich im Bereich des Dotter- sacks verräth sich sofort durch Ausfliessen von Gewebssaft oder Dottermaterial und durch Trübung der verletzten Partie und deren Umgebung. Mit den Riehtungskörperchen die in der Flüssigkeit des Eiraumes suspendirten körperlichen Elemente in Zusammnhang zu bringen, geht schon wegen der numerischen Differenz der betreffenden Gebilde nicht an. Ueberdies hat van Bambeke (1876) am befruchteten Ei derselben Species derartige Bildungen vermisst. Ich habe weiterhin auch nicht den geringsten Anhalt dafür, dass vielleicht die Eier gelit- ten hatten, dass es sich also um eine Begleiterscheinung des Abster- bens derselben handeln möchte. Beziehen sich somit meine Beobach- tungen auf normale Verhältnisse, so werden hinsichtlich der Herkunft jener kugeligen Gebilde nur zwei Möglichkeiten in Frage kommen können: entweder stammen dieselben von aussen und haben dann vielleicht, wenn wir den Anschauungen von His folgen dürfen, denselben Ursprung !) wie die Dotterkugeln überhaupt, die der 1) Man hätte dann vollständig eingewanderte (Dotterzellen, His) und unvollständig eingewanderte Granulosazellen (Kugeln des intracapsulären Raumes) zu unterscheiden. 330 Bernh. Solger: genannte Autor von den Granulosazellen ableitet, oder sie haben sich, was mir ungleich wahrscheinlicher vorkommt, von dem Dotter, der selbst ein Product der Eizelle ist, vor der völligen Umwach- sung desselben abgespalten. Für letzteren Entstehungsmodus spre- chen u. A. auch die Erfahrungen Kupffer’s (l. e. p. 183) am He- rings-Bi, der während des Auftretens des intracapsulären Raumes eine deutliche „Volum-Abnahme des Dotters‘“ konstatiren konnte. Zur völligen Klarlegung der Verhältnisse sind direete Beobach- tungen am reifenden und frisch befruchteten Ei nieht zu umgehen. Derartige Untersuchungen würden vielleicht aueh dazu führen, über die Entstehung der Zöttchen, welehe über die Aussenfläche der porösen Kapsel bei Leueiseus rutilus und manchen anderen Teleostiern hervorragen, endgültige Aufklärung zu verbreiten. — Bekanntlich besteht bei einer beträchtlichen Anzahl von Knochen- fischen neben der Porenkapsel und der strittigen Dotterhaut noch eine weitere Umhüllung, die sog. „Eiweisshülle“ (Leydig, Lehrb. d. Histologie, p. 513). Sie wird von den Autoren als eine voll- kommen durchsichtige homogene Schicht beschrieben, die, nach aussen von der Porenkapsel gelegen, von den Kanälchen derselben entweder durchsetzt wird (Leuckart) oder, wie beim Hering von ihnen frei bleibt (Kupffer)). So wird ferner angegeben, dass dieselbe, wie zuerst Joh. Müller erkannte, bei manchen Cyprinoiden eine eigenthümliche Sculptur erkennen lasse. Es ragen nämlich, am ausgeprägtesten am Ei von Leueiseus erythrophthalmus und rutilus, ferner von Chondrostoma nasus, auch an einigen Stellen des Eies von Tinca vulgaris „eylindrische Stäbchen dicht gedrängt‘‘ über die poröse Kapsel hervor, die dem Ei eine sammtartige Ober- fläche verschaffen. Am Ei des Gobio 2) fluviatilis „ordnen“ sich die Stäbehen, „indem sie sich mit den freien Spitzen zusammenneigen, in lauter einzelne, einer gefelderten Zeichnung entsprechende Gruppen ab, lösen sich leicht von der Eischale weg, brechen das Licht stark und, in Kalilauge erblassend, zeigen sie das eine Ende schärfer gerandet“. An den noch unreifen Eiern der Plötze, also desselben Objectes, auf welches die diesem Aufsatz beigegebenen Figuren sich beziehen, konnte sich Reichert überzeugen, „dass 1) Nach aussen von dieser Hülle findet sich am Heringsei noch eine von ihr differente Schicht eines Klebestoffs (Kupffer, 1. c. p. 175). 2) Im Original steht offenbar in Folge eines Druckfehlers Gobius. Dottertropfen in der intracapsulären Flüssigkeit von Fischeiern. 331 die Stäbehen mit ihrer Basis in eine homogene glashelle Schicht eintauchten und nur mit dem abgerundeten Ende frei hervorragten‘“. Nach Reichert gehören also die Zöttehen zur zweiten Eihülle (der sog. Eiweisshülle). Kölliker ist anderer Ansicht; die Er- hebungen repräsentiren nach ihm eine „äussere Lamelle“ der po- rösen Kapsel. Eimer!), dessen Arbeit ich die zuletzt aufgeführte Notiz entnehme, erklärt sich gegen beide Anschauungen. Nach seiner Ueberzeugung sind die Zöttchen „nichts anders, als Dotter- masse, welche durch die Poren der Eihülle hindurch aus dem Ei ausgetreten ist“. Er erinnert daran, dass auch „aus dem Rep- tilienei Dotter nach aussen durch die Eihüllen und selbst die Granu- losa hindurchtritt“ (l.e. p. 422). Diese Zöttehen am Ei der Cypri- noiden mögen vielleicht mit den Eihüllen nach und nach eine härtere Beschaffenheit annehmen, anfangs sind sie jedoch „einfach weiche Dottertropfen, welche an frischen jüngeren Eiern ganz das Aussehen von körnerlosem Dotter haben“. Eimer konnte ferner beobachten, wie die Zöttehen sich bildeten und wieder verschwan- den und hebt als beweisend für die Richtigkeit seiner Anschauung hervor, man treffe immer „in Beziehung auf Form und Grösse alle Stufen neben einander, welche hervorgequollene Tropfen zeigen müssten.“ Die physiologische Bedeutung der Zotten sieht er darin, dass sie die Poren der Kapsel von einer gewissen Zeit an „ver- stopfen, wohl um den Eintritt des Wassers in die Eier zu verhindern, nachdem dieselben abgelegt sind“. Ein „wechsel- weises Abfallen“ der Zöttchen könnte, wie er hinzufügt, zugleich die Respiration erleichtern. — Dass die Zöttehen nicht überall gleich lang und nicht durchweg von derselben Form sind, kann ich bestätigen. An der Anheftungsstelle — die Eier der Plötze gehören ebenso wie die von Petromyzon, Perca, Gobius, Clupea, Ösmerus und andern Fischen zu den anklebenden — sind sie dünner, aber viel länger als an der übrigen Fläche und erscheinen wie umgelegt. Mag nun Eimer mit der von ihm vertretenen Ableitung der Zotten von ausgetretenem Dottermaterial im Rechte sein oder nicht, so wird ihm doch das Verdienst bleiben, nachdrücklich be- tont zu haben, dass von einem bestimmten Zeitpunkt ab eine Ein- 1) Th. Eimer, Untersuch. über die Eier der Reptilien. Arch. f. mikrosk. Anat., Bd. VIII (1872) p. 401 ff. 332 Bernh. Solger: richtung besteht, welche den weiteren Eintritt von Wasser in den intracapsulären Raum hindert. Die oben von mir mitgetheilten Beobachtungen über die Trübung des Inhalts desselben nach Sprengung der Kapsel und Berührung mit Wasser stehen hiermit vollkommen in Einklang. Auch an das Zeugniss von Reichert und Kupffer, welche beide nach Zusatz von Salpetersäure ein feinkörniges Gerinnsel innerhalb des intracapsulären Raums des Hechteies und des Heringseies auftreten sahen, sei hier nochmals erinnert. Uebrigens liegen auch schon einzelne Angaben über das Vor- kommen geformter Elemente innerhalb des Eiraumes vor, und zwar für Petromyzon Planeri und Amiurus albidus. — In seiner Arbeit: „Ueber den Befruchtungsvorgang beim Ei von Petromyzon Planeri“!) schildert Calberla das betreffende Verhalten folgender- massen: Die Eihaut, deren äussere Fläche von einer klebrigen Substanz überzogen zu sein scheint, besteht aus zwei Schichten, einer äusseren rauhen Rindenschicht und einer inneren, durch- scheinenden, weit schmaleren Innenschicht. Beide sind übrigens als Abscheidungen der Rindenschicht des Dotters zu betrachten, die nur durch ihr Alter sich voneinander unterscheiden. Beide Schiehten sind in ihrer ganzen Dieke von Porenkanälen durch- zogen. Am Rande ihrer distalen Mündung befindet sich stets eine Zacke oder Erhebung der äusseren Oberfläche. In Berührung mit Wasser quellen die zackigen Vorsprünge auf der äusseren Ober- fläche der Eihaut rasch auf. Die Frage nach ihrer Herkunft wird nicht erörtert. — Durch die äussere Mieropyle dringt ein einziges Spermatozoon in den Raum zwischen Eidotter und Eihaut ein; es kommt zu einer Contraction des ganzen Dotters und dadurch zur Lösung der körnchenfreien Schicht (Protoplasmaschicht) des Dotters von der Eihaut in der Umgebung der Micropyle. Diese partielle Trennung der Eihaut vom Eidotter ermöglicht jetzt, in- dem die früher mit Protoplasma verklebten Poren der Eihaut ge- öffnet werden, das Einströmen von Wasser in den sich bildenden intracapsulären Raum. Durch das eindringende Wasser wird die körnchenfreie Zone in Protoplasmafäden ausgezogen, indem Theile dieser Zone noch eine Zeit lang der Eihaut fest adhäriren. Wo die Protoplasmamasse von grösserer Mächtigkeit ist, an der Miero- 1) Zeitschrift f. wiss. Zool., Bd. XXX, p. 437—486. Dottertropfen in der intracapsulären Flüssigkeit von Fischeiern. 333 pyle nämlich, wird dieselbe zu einem diekeren Strang, dem Leit- band, ausgezogen. Schliesslich reissen die Mittelstücke durch und die peripheren Abschnitte der Fäden sowohl, wie des Leitbandes hängen der Innenfläche der Eihaut als kugelige T'ropfen an. Bei Petromyzon sind es also nach Calberla Protoplasmatropfen, denen man unmittelbar nach der Befruchtung in dem intracapsu- lären Raum begegnet. Was aus ihnen wird, ist noch nicht er- mittelt. Eine Beobachtung J. A. Ryder’s!) an dem Ei-eines zu den Siluroiden gehörigen Knochenfisches, Amiurus albidus, deren Kennt- niss ich meinem Freunde und Collegen G. Born zu danken habe, schliesst sich viel enger als der Befund bei Petromyzon, an die von mir mitgetheilten Beobachtungen an. Die Eier dieses Fisches sind gleichfalls von einer anklebenden, aber nicht schleimigen Hülle überzogen. Auch hier ist der intracapsuläre Raum (water- space) von beträchtlicher Ausdehnung (large); derselbe ist von Anbeginn der Entwicklung mit unzähligen freien, stark lichtbre- chenden Körperchen erfüllt, so dass es sehr schwer hält, die ersten Entwieklungsstadien des Embryo zu verfolgen. Auch bei Amiurus scheinen die Körperchen gegen das Ende der intracapsulären Ent- wicklung an Zahl abzunehmen. Es wird Sache der weiteren Untersuchung sein, die Ver- breitung des „Perivitellin’s“, um Schneider’s Bezeichnung zu adoptiren, bei den Fischen und den Wirbelthieren überhaupt fest- zustellen und die Formen kennen zu lernen, denen es fehlt. So- viel steht jetzt schon fest, dass auch bei den Anamnia ein vom Ei- körper geliefertes Fruchtwasser vorkommen kann. Halle, im October 1885. 1) John A. Ryder, Preliminary notice of the development and breeding habits of the Potomac catfısh, Amiurus albidus (Lesueur) Gill., in „Bulletin of the United States fish commission“ vol. III, for 1883, Washing- „ ton 1883. p. 225—230. 334 B. Solger: Erklärung der Figuren auf Tafel XI. Sämmtliche Figuren beziehen sich auf Leueiscus rutilus. Fig. 1. Embryo innerhalb der Porenkapsel, um den weiten intracapsulären Raum zu zeigen; mit der Camera aufgenommen, etwa 20fach ver- grössert. Das Ei hat einen Durchmesser von etwa 2 mm. Fig. 2. Dotterkugeln aus dem intracapsulären Raum mehrere Tage nach der Befruchtung, aus Osmiumsäure (1°/,). Camera-Zeichnung, mit Schieck Obj. VII, Oec. 0, Abstand des Objecttisches, — v Vaecuole, Fig. 3. Dotterkapseln aus dem gesprengten Dottersack. Behandlung und Aufnahme wie bei Fig. 2. vv Vacuolen. (Aus dem anatomischen Institut zu Halle.) Ueber Ungleichheiten der Hoden beider Körper- hälften bei einigen Vögeln. Von B. Solger. Ablagerungen von Farbstoff im Bereiche der männlichen Ge- schlechtsdrüse sind durch Leydig innerhalb verschiedener Abthei- lungen der Wirbelthiere bekannt geworden. So bezeichnet er die Pigmentirung des Hodens der Batrachier (Frösche, Kröten) in seinem „Lehrbuch der Histologie“ (p. 494) als ein häufigeres Vorkommniss, doch unterliege der Grad derselben nach den Individuen und selbst nach den beiden Hoden eines und desselben Thieres „grossen Schwankungen“. Besteht also sehon bei den Amphibien zwischen den Geschlechtsdrüsen beider Körperhälften eine gewisse Ungleich- heit, so erscheint eine solche bei manchen Vögeln auf das schärfste ausgeprägt. Einstweilen liegen allerdings nur wenige Angaben vor. Leydig (l. ec. p. 494) sah ‚,‚bei der Bachstelze (Motaeilla alba) und dem Gimpel (Pyrrhula) den einen Hoden farblos, während bei dem anderen die gewundenen Samenkanälchen rings herum Ueber Ungleichheiten der Hoden beider Körperhälften bei einigen Vögeln. 8335 schwarz gefärbt waren“. Welcher Körperseite der pigmentirte Hode angehörte, findet sich an der bezeichneten Stelle nicht an- gegeben. Was meine eigenen Beobachtungen anlangt, so kann ich zwei weitere Formen namhaft machen, die gleichfalls durch einseitige Pigmentirung der männlichen Geschlechtsdrüse sich auszeichnen: nämlich die Thurmschwalbe (Cypselus apus) und den unter dem Namen Broncemännchen ‘oder Broncemövchen gegenwärtig in Deutschland vielfach gehaltenen Zimmervogel. Bei Cypselus war es der linke Hode, der durch seine schwarzgraue Färbung auffallend von dem der andern Seite sich unterschied. Der rechte Hode entbehrte nämlich des Farbstoffs vollständig, während in dem der andern Körperhälfte im Bereiche des interstiti- ellen Gewebes, das die Samenkanälchen zusammenhält, zahlreiche sternförmig verästelte Zellen vorhanden waren, deren Leib mit den bekannten melanotischen Pigmentkörnchen erfüllt war. — Bei den Broncemännnchen war dagegen der linke Hode gänzlich unpig- mentirt. Die Färbung des rechten Hodens war hier besonders auf der dorsalen Hälfte des Organes ausgesprochen und griff nur am Rande auf die freie ventrale Fläche über. Das mieroseopische Verhalten der pigmentirten Partien war das nämliche wie oben. Derselbe Hode war ausserdem — und dieser Umstand weist auf neue Beziehungen zu der Ablagerung von Farbstoff hin — sehr viel weniger voluminös als der linke. Die Durchmesser in sagittaler, frontaler und horizontaler Richtung erreichten nicht einmal die Hälfte der entsprechenden Werthe des Organes der linken Seite. Derartige Ungleichheiten in demVerhalten der männ- lichen Gescehlechtsdrüse der Vögel sind nun in erster Linie deshalb von interesse, weil sie an längst bekannte Asymmetrien der weiblichen Genitalien dieser Klasse sich anknüpfen lassen. Die Verkümmerung des einen Ovariums (meist des rechtsseitigen) und des zugehörigen Eileiters ist ja unter den Vögeln sehr weit verbreitet, und wo das betreffende Ovarium besteht, wie bei den Tagraubvögeln, gelangen ‚seine Eier nie zur Reife“ (Wiedersheim, Lehrb. d. vergl. Anat. II, p. 812, Anmerk.). Die ersten Anfänge dieses asymmetrischen Verhaltens der Ge- schlechtsdrüsen der Vögel lassen sich übrigens in der phylogene- tischen Reihe zurück bis zu den Reptilien verfolgen. Bezüglich der Körperseite besteht allerdings keine Uebereinstimmung. Denn bei den Schlangen enthält in der Regel „der rechte Eierstock viel 336 B. Solger: Ueb. Ungleichheiten d. Hoden beider Körperhälften etc. mehr Eier als der linke, welcher ganz rudimentär werden kann. Ebenso wird der rechte Hoden nicht selten umfänglicher angetroffen als der linke“ (Wiedersheim, I. e. p. 811). Zunächst würde also die Verbreitung der Pigmentirung des Hodens, sowie der Unterschied des Volumens der Organe beider Körperhälften inner- halb der Klasse der Vögel festzustellen sein. Zu diesem Behufe dürfte das Spiritus-Material, wie es in den Vorräthen der Museen so mancher europäischen Grossstädte sich vorfindet, vollkommen ausreichend eonservirt sein. Die Untersuchung der fraglichen Ver- hältnisse scheint mir ein passendes Thema für eine zootomische Erstlingsarbeit abzugeben, die freilich noch besonders dadurch gewinnen würde, dass die Frage nach dem feineren Bau der Samenkanälchen und dem Functioniren der beiderseitigen Drüsen da- bei erörtert würde. Das Bestreben, zu einer derartigen Unter- suchung anzuregen, mag wohl die Veröffentlichung obigen Frag- ments einigermassen entschuldigen. s Franz Nissen: Ueb.d. Verhalten der Kerne in den Milchdrüsenzellen ete. 337 (Aus dem physiologischen Institut zu Breslau.) Ueber das Verhalten der Kerne in den Milchdrüsen- zellen bei der Absonderung. Von Franz Nissen, stud. med. Hierzu Tafel XIII. Aus der Thatsache, dass das Milcheasein bei der Pepsinver- dauung einen unverdaulichen, organischen, phosphorhaltigen Be- standtheil zurücklässt, der in seinen Eigenschaften dem zuerst von Miescher aus den Eiterzellen dargestellten Nuclein gleicht, schloss Lubavin!) dass das Casein kein gewöhnliches Albuminat sei, sondern die Verbindung eines Eiweissstoffes mit einem, wie er sagt, andern Stoffe, der nicht zu den Eiweisssubstanzen gehört. Das giebt zugleich, so folgert er weiter, eine Beantwortung der Frage über die Identität von Casein und Natronalbuminat, aus an- deren Eiweissstoffen hergestellt. Wenn man nämlich in Erwägung nimmt, dass eine phosphorhaltige Substanz im Casein enthalten ist und dass Natronalbuminat auch aus solchen Proteinstoffen, die, wie Eiweiss gar keinen Phosphor enthalten, dargestellt werden können, so sieht man, dass eine Identität nicht existirt. Wenn also schon durch Lubavin das Casein als Nncleoalbumin erkannt wurde, so erhielt diese Erkenntniss i re vollkommene Stütze durch die Untersuchungen Hammarsten’s?). Trotz der Arbeit Luba- vin’s identifieirte man weiterhin Casein mit Alkalialbuminat und fasste das Nuclein nur als eine Verunreinigung des Caseins, nicht aber als ein ihm constant in bestimmtem Quantitätsverhältniss zu- 1) Lubavin, Ueber die künstliche Pepsinverdauung des Caseins u. s. w. Hoppe-Seyler, Medicinisch-chemische Untersuchungen. 1871. 2) Hammarsten, Zur Frage, ob das Casein ein einheitlicher Stoff sei. Hoppe-Seyler, Zeitschrift für physiolog. Chemie. Bd. VI. Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 26, 22 338 Franz Nissen: kommenden Bestandtheil auf. Hammarsten controlirte nun auf das allergenaueste den Phosphorgehalt des aus der Milch auf ver- schiedene Methoden hergestellten Caseins und fand, dass der Ge- halt an Phosphor in den verschiedenen Caseinpräparaten derselbe war; daraus geht unmittelbar hervor, dass der Phosphor wirklich in dem Caseinmolekul enthalten ist. Da nun also das Casein nach Hammarsten ein Nucleo- albumin ist, der Nucleinbestandtheil der Gewebe, soweit wir wissen, nur in den Kernen seinen Sitz hat, so lag es nahe zu untersuchen, welehe Rolle etwa die Kerne bei der Absonderung der Milch spielen. Mit dieser Untersuchung wurde ieh durch Herrn Geheim- rath Heidenhain betraut. Als Material zur Untersuchung dienten mir die Drüsen säu- gender Hunde, Kaninchen und Katzen. Die Thiere wurden durch einen Halsschnitt getödtet, die Drüse schnell herauspräparirt, in kleine Stückchen geschnitten und ein Theil derselben in eine con- centrirte, auf eirca 40°C. erwärmte Sublimatlösung, der andere in das von Flemming zur Erhaltung der Kernstructur empfohlene Chrom-Osmium-Essigsäure-Gemisch (in dem auf 20 Theile Flüssig- keit 15 Th. 1°/,-ige Chromsäure, 4 Th. 2%,-ige Osmiumsäure und 1 Th. Eisessig kommen) gethan. Die Sublimatstücke kamen nach 12 Std. in einen fortwährend von Wasserleitungswasser durch- flossenen Spülapparat, in dem sie 24 Std. blieben, und wurden dann mit Alcohol absolut. gehärtet. Nach genügender Härtung kamen sie auf 24 Std. in eine 1°/,-ige wässerige Hämatoxylinlösung und darauf auf wiederum 24 Std. in eine 1°%,-ige Alaunlösung, die innerhalb dieser Zeit 5—6mal gewechselt wurde. Um eine ganz reine Kernfärbung, also nur Färbung des Kernnetzes und der Kernkörperchen, zu erzielen, muss man mit der Alaunlösung so lange die Farbe extrahiren, bis nur noch ganz wenig Farbe an die Extractionsflüssigkeit abgegeben wird. Hat man erst einmal den richtigen Grad der Extraetion der Farbe herausprobirt, so liefert diese Methode sehr hübsche Bilder. Das Protoplasma ist fast gar nicht gefärbt oder hat höchstens einen schwach bläulichen Schimmer, vom Kern ist bloss das Chromatin gefärbt, das Binde- gewebe bleibt ungefärbt, es färben sich aber die Lymphkörperchen sehr intensiv, so dass sie schon durch den Grad der Färbung von den Kernen der Alveolarepithelien leicht zu unterscheiden sind. Die gefärbten Stücke wurden mit Alcohol absolut. entwässert, mit Ueb. d. Verhalten d. Kerne in den Milchdrüsenzellen bei der Absonderung. 339 Terpentinöl durchtränkt, in Paraffin eingeschmolzen und mit dem Mikrotom geschnitten. Die in Flemming’scher Flüssigkeit conservirten Stücke wur- den nach 2—3 Tagen 24 Std. lang in dem Spülapparat ausge- waschen, mit Alec. abs. nachgehärtet und ungefärbt in Paraffin ein- geschmolzen. Die Schnitte wurden durch Terpentin von dem Pa- raffın befreit, das Terpentin durch Alkohol entfernt; darauf wur- den sie nach einer von Gram angegebenen Methode gefärbt. Die Färbeflüssigkeit ist eine Lösung von 3 gr Anilinöl und 1 gr Gentian- violett in 15 gr Alcohol absolut. mit einem Zusatz von, 100 gr destillirtem Wasser. Die aus dem Alkohol herausgenommenen Schnitte kommen 3—5 Minuten in diese Lösung, werden alsdann ‚einige Sekunden in Alcohol absolut. ausgewaschen (was die nach- tolgende Entfärbung abkürzt), hierauf werden sie in eine Jod- lösung (1 Th. Jod, 2 Th. Jodkalium, 300 Th. Wasser) gelegt; end- lich werden sie in Alcohol absolut. entfärbt, mit Nelkenöl aufge- hellt und in Canadabalsam eingeschlossen. Diese Methode liefert eine ganz reine Chromatinfärbung. Nach den vonHeidenhain und Partsch angestellten Unter- suchungen über die Absonderung der Milch geht die Sekretion so vor sich, dass der in das Lumen der Alveole hineinragende Theil der Zellen, die.in der Ruhepause hoch angewachsen sind, zerfällt und als Sekretbestandtheil ins Lumen entleert wird. Diese An- schauung geht aus der Combination der verschiedenen Zustände hervor, in denen man die Alveolen einer lebhaft secernirenden Drüse findet. In dem einem Theil der Aveolen sind die Zellen sehr hoch, in einem anderen sind die Zellen niedriger, das Lumen aber mit Sekret gefüllt, in einem dritten sind die Zellen ganz flach, in einem vierten Theil sind die Zellen schon wieder höher. Entsprechend dem Verhalten der ganzen Epithelzellen lassen sich an den Kernen speciell folgende Zustände, wie die Zeichnun- gen zeigen, Konstatiren. Fig. I zeigt eine Aveole der Milchdrüse einer Hündin, die bei reichlicher Ernährung 5 Junge säugte und 5 Tage nach dem Wurf getödtet wurde. Die Zellen sind deutlich gegeneinander ab- gegrenzt, sehr koch und ragen thurmähnlich in das Lumen der Alveole hinein. Die Zahl der Kerne in jeder Zelle beträgt 1, oft 2 und 3. In Zellen anderer Alveolen desselben Zustandes finden sich mitunter noch mehr Kerne. 340 Franz Nissen: Fig. V zeigt die Zelle einer anderen Alveole unter stärkerer Vergrösserung. Die Zelle hat zwei Kerne; der eine nach der Wand der Alveole hinliegende Kern hat ein deutliches Kernnetz und mehrere Kernkörperchen, der andere nach dem Lumen hin- liegende weist einerseits was seine eigene Structur, andererseits was das ihn umgebende Protoplasma anbetrifft, ein eigenthüm- liches Verhalten auf. In dem Kern ist nichts von einem Kernnetz und von Kernkörperchen zu sehen, sondern die chromatische Sub- stanz hat sich an die Peripherie zurückgezogen und sich dort in mehrere bogenförmige Segmente zerlegt. Die Mitte des Kerns ist hell. Um diesen Kern herum befindet sich eine kugelförmige Pro- toplasmaportion, die durch eine feine bogenförmige Linie von dem übrigen Protoplasma getrennt ist. Fig. IV. Man sieht, wie sich der obere Theil der Zelle ab- schnürt und nur noch durch eine dünne Protoplasmabrücke mit dem basalen Theil der Zelle verbunden ist. Der sich absehnürende Theil hat zwei Kerne, von denen der nach der Basis hin liegende sanz normal ist, der andere aber ebenfalls eine ganz eigenthüm- liche Anordnung des Chromatins zeigt. An der Peripherie des Kernes liegen zwei Chromatinsegmente, aber auch in dem Proto- plasma sind einzelne Chromatinstückehen versprengt. Ein Proto- plasmaring um den Kern lässt sich nicht deutlich erkennen. Im Allgemeinen findet man derartig veränderte Kerne in den Zellen selbst nicht so häufig als in dem Lumen der Alveole. Fig. II. Die Zellen dieser Alveole, welche derselben Drüse an- gehört, wie die Alevolen Fig. I sind flach; die Zellgrenzen sind nicht mehr deutlich sichtbar, in jeder Zelle ist nur ein Kern vorhanden. Das Lumen der Alveole ist mit Gerinnsel ausgefüllt, in dem sich einzelne Kerne mit und ohne Protoplasmaring befinden. Der Kern a zeigt Ansammlungen von Chromatin an der Peripherie. Ferner sind mitten in dem Gerinnsel einzelne Kernfragmente zu sehen. Fig. VI lu. 2 zeigen unter stärkerer Vergrösserung zwei Kerne mit der oben ‚beschriebenen eigenthümlichen Chromatinan- ordnung. Die kreisrunden hellen Flecke, die in den Protoplasmaringen der abgestossenen Kerne sichtbar sind, rühren von den durch die Terpentinbehandlung gelösten Fetttröpfehen her. Fig. III. Die Zellen sind ganz flach, Zellgrenzen sind nicht Ueb. d. Verhalten d. Kerne in den Milchdrüsenzellen bei der Absonderung. 341 zu erkennen, der Kernreichthum der Alveole ist gering, in dem Lumen befindet sich ein gleichmässiges Gerinnsel. — Dieselben Verhältnisse liessen sich ausser bei der Drüse dieser Hündin auch noch bei der Drüse eines Kaninchens, das 6 Junge nährte und 10 Tage nach dem Wurf getödtet wurde, und bei der Drüse einer Katze, die 3 Junge säugte und 12 Tage nach dem Wurf getödtet wurde, feststellen. Aus der Combination unserer Bilder geht also hervor: Es vermehren sich innerhalb der Milchzellen die Kerne. Mitosen habe ich in Hunderten von Präparaten nicht auffinden können, trotzdem dass Vermehrung der Kerne ein überaus häufiges Ereigniss ist. Vielleicht also findet hier direete Kerntheilung statt. Wie dem auch sei, die an dem Innenende der Zelle liegenden Kerne lösen sich, umgeben von einer Portion Protoplasma, von den Epithelzellen los. Die Kerne gehen schon in den Zellen selbst — was das seltenere ist — oder im Lumen der Alveolen einen eigenthümlichen Zerfallsprocess ein, der darin besteht, dass die normale Kernstructur verloren geht, das Chromatin sich in einzelnen Segmenten an die Peripherie anlagert, die Segmente auseinander- fallen und im Gerinnsel sich auflösen. Es findet also bei der Milchsekretion eine Zerstörung von Kernen statt. Durch diesen Zerfall der Kerne kommi das Nuclein in das Sekret, wo es dann wohl zur Bildung des Caseins verwendet wird. Vergleicht man eine Colostrumdrüse, die gar kein oder nur sehr wenig Casein absondert, mit einer viel Casein absondernden Drüse, so findet man, dass die Alveolen der Colostrumdrüse bei weitem nicht den Kernreichthum aufweisen, wie Drüsen, die auf der Höhe der Lactationsperiode stehen. Auch konnte in der Co- lostrumdrüse nicht Kernzerfal] konstatirt werden. Einen ähnlichen Kernzerfall bemerkte ich ganz zufällig bei den Granulosazellen des Eies in dem Ovarium eines Kaninchens. Die Frage, wie die Bildung des Caseins vor sich geht, lässt sich nach unsern Kenntnissen über die Chemie des Caseins und des Zellkerns noch nicht beantworten. Da das Protoplasma der Milchzellen einen ziemlichen Eiweissreichthum zeigt, so lässt sich wohl annehmen, dass es bei der Caseinbildung irgend welche Rolle spielt — vielleicht liefert es den Eiweissbestandtheil des Caseins, während der Kern nur den Nucleinbestandtheil abgiebt. Die Verbindung beider Factoren könnte möglicherweise durch ein 342 Franz Nissen: Ueb.d. Verhalten d. Kerne in den Milchdrüsenzellen ete. Ferment bewirkt werden; wie beim Zerfall der weissen Blut- körperchen ein faserstoffbildendes, so könnte hier beim Zerfall der Kerne ein caseinbildendes Ferment in Wirkung treten. Wie dem auch sei, so geben die von mir beobachteten Erscheinungen an den Kernen einen Fingerzeig zur Beurtheilung der Frage, aus welchen histologischen Bestandtheilen die Componenten des als Casein bezeichneten Nucleoalbumins ihren Ursprung nehmen. Der Ort der Caseinbildung ist nach unserer Anschauung hauptsächlich im Lumen der Alveolen, mitunter auch in dem sich ablösenden Theile der Epithelzellen selbst zu suchen. Nachträglicher Zusatz. Kurz nachdem ich meine Untersuchung über den Kernzerfall in der Milehdrüse abgeschlossen hatte, erschien in dem am 20. Juli ausgegebenen III. und IV. Heft (Anatomische Abthei- lung) des Archivs für Anatomie und Physiologie ein Aufsatz von Flemming „Ueber die Bildung von Richtungsfiguren in Säuge- thiereiern beim Untergang Graaf’scher Follikel“, in dem ich zu meiner grossen Freude den an den Granulosazellen gefundenen Kernzerfall bestätigt fand. Flemming hat für diesen Zerfall der Kerne den recht gut passenden Namen „Chromatolyse“ gewählt. Die von ihm abgebildeten chromatolytischen Figuren haben eine sehr grosse Aehnlichkeit mit zerfallenden Kernen in der Milch- drüse. Bemerkung zu den Abbildungen auf Tafel XII. Die Zeichnungen sind mit der Camera lucida aufgenommen. Fig. I, II, III mit Hartnack, Obj. 8 und eingeschobenem Tubus, Projeetion auf den Tisch. Fig. IV, V, VI mit Seibert Obj. VII (Wasserimmersion) und Oc. I. Die Erklärung der Figuren s. im Text. Gustav Platner: Ueber die Entstehung des Nebenkerns ete, 343 Ueber die Entstehung des Nebenkerns und seine Beziehung zur Kerntheilung. Von Gustav Platner. Hierzu Tafel XIV. Der in dem Protoplasma vieler Zellen sich findende soge- nannte Nebenkern hat in neuerer Zeit durch die Untersuchungen von Nussbaum, Gaule, Masanori Ogata und Anderen ein immer grösseres Interesse erregt. Zuerst wurde er in den Sper- matocyten von v. la Valette St. George entdeckt; in den Sper- matogonien wurde er von Grobben, Nussbaum, W. Voigt und mir näher beschrieben. Da dieses Element in den samenbildenden Zellen in Zwitter- drüsen der Pulmonaten in ausgezeichneter Vollkommenheit sich findet, und zugleich, wegen der bei der Spermatogenese stattfin- denden regen Zellproliferation, sich zahlreiche schöne Mitosen hier präsentiren, so unternahm ich es an diesem Objekt über die Ent- stehung des Nebenkerns und die Rolle, welche er bei der Kernthei- lung spielt, eingehende Untersuchungen anzustellen, deren Resul- tate hier beschrieben werden sollen. Die Hauptschwierigkeit bietet die richtige Fixirung des Neben- kerns, wie auch schon Gaule hervorhebt. Daher soll zunächst die Präparationsmethode, welche gut und sicher zum Ziele führt, kurz angegeben werden. Frisch gefangene lebende Exemplare der Weinbergsehnecke (Helix pomatia) und zwar in den verschieden- sten Entwicklungsstadien von den kleinsten bis zu völlig ausge- wachsenen Thieren, werden mit der Pincette ihres Gehäuses be- raubt. Die Zwitterdrüse wird aus der Leber herausgeschält und in Chrom-Osmium-Essigsäure, nach der Angabe Flemmings be- reitet, gebracht. Rasches Verfahren ist hierbei angezeigt. In der Säure bleiben die Drüsen mindestens 30 Minuten lang, denn mög- 344 Gustav Platner: lichst lange und intensive Einwirkung derselben ist unbedingtes Erforderniss. Zu diesem Zwecke wird oft umgeschüttelt, damit neue Partieen der Flüssigkeit mit dem Präparate in Berührung kommen. Nachdem in destillirttem Wasser ausgewaschen ist, wird in Alkohol nachgehärtet, wodurch die Objekte zugleich für die Aufnahme in Celloidinlösung vorbereitet werden. Durch diese Art der Einbettung wird einmal der für die richtige Beurtheilung wich- tige Zusammenhang der Zellen möglichst erhalten, und sodann die durch die Säurewirkung leicht etwas beeinträchtigte Schnittfähig- keit der Präparate wesentlich verbessert. Die angefertigten dünnen Schnitte — ein ganzer Theilstrich des Schanz’schen Microtoms genügt — werden theils in Hämatoxylin, theils in Safranin ge- färbt. Diese beiden Tinetionen sind völlig ausreichend. Ich ver- suchte ausserdem noch Eosin, Carmin und Indigocarmin, ohne einen erheblichen Vortheil damit zu erreichen. Nach Aufhellung durch Origanumöl werden die Präparate in Canadabalsam einge- schlossen. Ihrer Untersuchung fügt man zur steten Controlle noch die der frischen, in der Körperflüssigkeit der Thiere zerzupften Drüsen hinzu, und zwar diese am besten unter Anwendung von homogener Immersion. Bei diesem Vergleiche wird man bemerken, dass durch das erwähnte Verfahren die Strukturen in einem dem lebenden sehr nahe kommenden Zustande conservirt werden. Ich will nicht unerwähnt lassen, dass es ganz unthunlich ist, sefangengehaltene Thiere zu verwenden, denn in der Gefangen- schaft tritt bald ein mehr oder weniger ausgesprochener atrophischer Process in dem Genitalsystem auf. Hierüber sowie über das Ver- hältniss der samenbildenden Zellen zu den Eiern werde ich ge- legentlich mehr berichten, für den vorliegenden Zweck interessiren nur die Veränderungen der Zellen an sich. In den kleinsten Zwitterdrüsen von Helix pomatia — Quer- durchmesser 0,3 mm und weniger — trifft man noch Sexualzellen in ihrem ursprünglichen Zustand in grösserer oder geringerer An- zahl. In den Maschen eines faserigen Stützgewebes liegen dicht gedrängt meist runde, zuweilen mehr ovale oder unregelmässig verzogene Kerne. Dieselben sind völlig homogen und färben sich intensiv, am Rande noch mehr als in der Mitte. Ein sie umgeben- des zugehöriges Protoplasma ist nicht zu erkennen (Fig. 1). In ihnen treten bald helle runde, später durch Zusammenfliessen Ueber die Entstehung des Nebenkerns u. seine Beziehung zur Kerntheilung. 345 unregelmässig buchtige Hohlräume und Spalten in wachsender Menge auf, wodurch der Inhalt zu Körnehen segmentirt wird. Dieser Process beginnt im Centrum und schreitet von dort aus nach der Peripherie fort. Die Kerne werden dabei zugleich grösser und wegen der gegenseitigen Raumbeschränkung meist mehr oval. Schliesslich sind dieselben in der angegebenen Weise völlig zu Chromatinkörnchen zerfallen, zwischen denen aber noch ein ge- wisser Zusammenhang durch Verbindungsfäden, aus einer schwächer gefärbten Substanz bestehend, erhalten bleibt. Der die Zwischen- räume erfüllende Kernsaft erscheint homogen und farblos. Allmählich grenzt sicb um den Kern auch ein schmaler Saum fein granulirten Protoptasmas ab. Derselbe ist an einer Stelle etwas breiter, halbmondförmig den Kern umfassend. Hier ent- wickelt sich aus dem Kern ein eigenthümliches, an frischen Prä- paraten glänzendes, durch dunkleres Aussehen und homogene Be- schaffenheit von dem umgebenden Protoplasma sich unterscheiden- des Element. Es ist der Nebenkern in seiner ersten Anlage (Fig. 2). Er erscheint als eine rundliche Vorwölbung des Kerns, in welchen hinein er sich bei den einzelnen Präparaten deutlich verfolgen lässt. Seine Continuität mit demselben lässt sich am besten an mit Hämatoxylin gefärbten Schnitten erkennen. Dieser Farbstofi hat die Eigenschaft, dem Nebenkern ein tief dunkles Colorit zu ertheilen, vorausgesetzt, dass dieses Element genügend fixirt ist. Nur von der richtigen Härtung hängt es ab, ob man nach Hämat- oxylintinetion den Nebenkern stark violett gefärbt und in seiner Form, wie solche frische Präparate zeigen, wohl erhalten sieht, oder ob man nichts davon erkennen kann. Auch an Safranin- präparaten tritt er, obwohl er sich nicht färbt, als homogenes, gewundenes Element deutlich hervor. Er erscheint im Anfang als einfache Schleife, deren Schenkel direkt in den Kern übergehen. Ich konnte sie eine kurze Strecke weit darin verfolgen und allmählich verschwinden sehen. Die früher beschriebenen unregelmässigen Spalten, welche zu Beginn in dem Kern auftreten, zeigten zuweilen Bilder, welche den Glau- ben erwecken konnten, es sei der Nebenkern darin präformirt und wandre nachher nur aus. Doch vermochte ich keine be- stimmten Anhaltspunkte hierfür zu gewinnen. Indem die aus dem Kern hervorgesprosste Schleife sich verlängert, kommen immer mehr Verschlingungen und Windungen zu Stande, welche sich zum 346 Gustav Platner: Theil übereinander lagern und eine eomplieirte Figur bilden. Der Nebenkern kann so bis zur halben Grösse des Kerns heranwachsen. Endlich löst er sich los und liegt als in sich geschlossener Knänel, wenigstens kann man kein freies Ende daran erkennen, in ausge- bildeten Zellen durch einen deutlichen Zwischenraum vom Kern getrennt, im Protoplasma. In Kern sind ebenfalls weitere Veränderungen vor sich ge- gangen. Indem die Alveolen der Drüse sich erweitert haben und die Zellen mehr das Innere derselben erfüllen, nehmen sie und ihre Bestandtheile beträchtlich an Grösse zu. Der Kern zeigt eine völlig runde Contour. Die Chromatinkörnchen haben sich an- scheinend nicht vermehrt und indem sie bei der Kernvergrösserung weiter auseinander rücken, wird zwischen ihnen das Fasergerüst mit grosser Deutlichkeit sichtbar. Sie finden sich namentlich in der Peripherie, der Wand dicht anliegend an zahlreichen Punkten in stärkern, unregelmässigen Anhäufungen. Das; vermehrte Proto- plasma hat eine fein granulirte Beschaffenheit; ein Netzwerk feiner Fäden durchzieht es. Eine schmale homogenere, stärker färbbare Sehieht desselben bildet eine Hülle um den Kern; ob letzterer selbst sich an ihrem Aufbau betheiligt, lässt sich nicht entscheiden. Diese verdichtete Lage des Protoplasmas setzt sich gegen dieses selbst nicht ganz scharf ab, sondern geht mehr allmählich darin über. Die Zellen selbst haben keine Membran. Wo sie aneinander stossen erscheinen sie durch eine dünne Schicht blasser homogener Kittsubstanz miteinander verbunden. In ihrem Protoplasma liegt der jetzt zur vollendeten Form gelangte Nebenkern. So malt sich das Bild der Spermatogonien in ihrem Ruhe- zustand, wie sie Drüsen von etwa lmm Querdurchmesser in zahl- reichen Exemplaren enthalten (Fig. 3). Sie bestehen also, um es kurz zusammen zu fassen, aus dem Kern mit Chromatinkörnchen, Fasergerüst und Kernsaft, umhüllt von einer protoplasmatischen Verdichtungsschicht sowie aus dem Protoplasma mit feinem Netz- werk und Nebenkern, ohne Membran. Ihrer amöboiden Bewegungen in frischen Präparaten wurde früher Erwähnung gethan. Die Thei- lungen derselben beginnen schon in den kleinsten Zwitterdrüsen. Solche von 2—3 mm Querdurchmesser enthalten zahlreiche Mitosen und eignen sich vortrefflich zum Studium derselben. Der Prozess der ‚Karyokinese wird eingeleitet durch den Schwund des Fasergerüsts im Kern. Seine Chromatinkörnchen Ueber die Entstehung des Nebenkerns u. seine Beziehung zur Kerntheilung. 347 verschmelzen zu einer Anzahl grösserer runder oder ovaler Körner. Ein grosser Theil derselben liegt in der Peripherie. Sie variiren nur wenig an Grösse und stehen in keinem Zusammenhang mit- einander, liegen also frei im Kernsaft (Fig. %. An ihnen treten regelmässige Theilungen auf, indem sie sich mehrfach durch- schnüren (Fig. 5). Zwischen den sich voneinander entfernenden gleichgrossen Segmenten bleiben eine Zeit lang noch Verbindungs- fäden bestehen und gewähren das Bild eines unregelmässigen Netz- werks, doch liegen sie entschieden an den Kreuzungsstellen nur übereinander (Fig. 6). Schliesslich besteht der Kerninhalt aus einer grossen Anzahl gleichmässig vertheilter kleiner runder Körn- chen, zwischen denen kein Zusammenhang mehr existirt. Sie stimmen in ihren Dimensionen und sonstigem Verhalten wie ge- ringer Färbungsfähigkeit völlig untereinander überein. Diese Körn- chen sind die Mikrosomen. Ausser ihnen sind aber noch vom Be- sinn der Theilung her ein oder mehrere, doch selten über vier srosse runde Körner, von denen meist einer durch stärkere Ausbildung die andern übertrifft, bestehen geblieben. Sie sind als Nucleoli respective als Nucleolus zu bezeichnen und sind dureh intensive Färbung charakterisirt. An den Mikrosomen tritt in der Folge eine eigenthümliche Erscheinung auf. Man bemerkt nämlich, wie sie sich mehr und mehr zu gebogenen Linien an- einander ordnen. Die einfachen Reihen, welche sie hierbei bilden, zeigen einen ganz bestimmten Verlauf, indem sie alle von einem am Rand des Kernes gelegenen Punkte ausstrahlen, um nach einer kürzeren oder längeren Streeke umzubiegen und nach dem Aus- gangsort zurückzukehren. Die Lage dieses Pols wird durch den Nebenkern bestimmt, welcher jetzt ganz nahe an den Kern heran- gerückt ist und dort direkt mit ihm in Verbindung tritt (Fig. 7). Die Hülle des Kerns verschwindet mehr und mehr, und die Grenze desselben gegen das Protoplasma wird undeutlicher. Die Schleifen des immer prägnanter hervortretenden Kern- knäuels eontrahiren sich nach dem Pol hin zu einer halbmond- förmigen Figur, deren Concavität nach der erweiterten, ausserdem nur noch den Kernsaft und die sich auflösenden Kernkörperchen enthaltenden Kernhöhle gerichtet ist. Die letztere markirt sich gegenüber dem Protoplasma immer noch durch Farblosigkeit und homogene Beschaffenheit. Die Mikrosomen, zwischen denen eine deutliche Verbindung durch blässere, homogene, schmälere Zwischen- 348 Gustav Platner: glieder aufgetreten ist, erscheinen vergrössert, stärker tingirt. Die Nucleoli und der Nebenkern nehmen in demselben Maasse ab, in welchem dieser Prozess weiter fortschreitet. Die Intensität, mit welcher beide Elemente das Hämatoxylin aufnehmen, gestattet ein genaues Verfolgen dieses Vorgangs (Fig. 8). Endlich sind sie beide verschwunden. Es ist augenscheinlich, dass sie bei der Bildung des Knäuels mit verbraucht worden sind. Dieser ist halb- mondförmig, stark gefärbt und liegt excentrisch der Wand der Kernhöhle immer noch dicht an. Seine Schleifen sind immer noch polar gerichtet (Fig. 9). Weiterhin wird er unregelmässig rund, indem der Grund für seine bisherige Anordnung, der Nebenkern, weg gefallen ist und rückt in die Mitte der noch deutlich ausge- prägten Kernhöhle. Für die Beurtheilung der soeben beschriebenen wie der jetzt folgenden Veränderungen ist die Thatsache von ungemeiner Wieh- tigkeit, dass alle zu einem grössern einheitlichen Ganzen verbun- denen Spermatogonien, was sich dadurch markirt, dass eine Basal- zelle unter ihnen sich ausbildet, dieselben oder sehr nahe liegende Stadien der Entwicklung und der Kerntheilung zeigen. Dieses streng durchgeführte Gesetz verleiht der Deutung der in den Prä- paraten vorliegenden Bilder eine Sicherheit, wie sie nur noch durch unmittelbare Beobachtung der Uebergänge am lebenden Ob- jekt übertroffen werden kann. Die seitherige Darstellung beruht hauptsächlich auf der Unter- suchung von Hämatoxylinpräparaten, womit freilich immer auch Safraninpräparate und frische verglichen wurden. Für das Stu- dium der folgenden Phasen, wo der Nebenkern fehlt, ist die Fär- bung mit Safranin vorzuziehen, da sie klarere Bilder liefert. Die Schleifen des abgerundeten, in der Kernhöhe liegenden Knäuels verlieren an der Peripherie ihre Continuität. Die Seg- mente weichen auseinander und es präsentirt sich ein vielstrah- liger Stern (Fig. 10). Eine diesem Stadium vorausgehende ausge- prägte Kranzform fand ich nicht; doch bemerkte ich in verschie- denen Präparaten Andeutungen derselben, indem der vorher halb- mondförmige Knäuel mehr und mehr in der Peripherie der Kern- höhle sich herum erstreckt hatte, so dass er unter Freilassen des Centrums dieselbe fast ganz einnahm. Sicher konnte ich consta- tiren, dass in der Mitte des Sterns Strahlen umbogen, um unter einem geringen Winkei wieder auszutreten. Indem die freien Ueber die Entstehung des Nebenkerns u. seine Beziehung zur Kerntheilung. 349 Sehleifenenden sich mehr und mehr nach dem Aequator hin eon- trahiren, verschmelzen die Mikrosomen zu grösseren Körnern. Gleichzeitig treten an zwei in der senkrechten Achse gleichweit von der sich ausbildenden Aequatorialplatte gelegenen Punkten, den Polen, je eine Strahlenfigur auf (Fig. 11). Von hier aus ziehen die Spindelfasern einmal nach dem Aequator hin, sodann aber ent- wickeln sie sich ohne Unterbrechung ihres Verlaufs nach der ent- gegengesetzten Richtung über die Pole hinaus in das sie umge- bende Protoplasma hinein. Sie bilden hier eine büschelförmige Figur, deren Fasern, wenn man sie genauer verfolgt, neben der Spindel weiter ziehen, sich mehr und mehr verästeln und schliess- lich in dem feinen Protoplasmanetz enden, mit welchem sie also direkt zusammenhängen (Fig. 12). Am schönsten kann man dies beobachten, wenn man einen Pol von oben zu Gesicht bekommt (Fig. 14). Ich habe in der beigefügten Figur dieses zierliche Bild zu fixiren gesucht, fürchte aber, dass dieselbe immer noch etwas zu grob ausgefallen ist. Ich will hiermit durchaus nicht sagen, dass diese Ausstrah- lung in das Protoplasma durch Kernsubstanz gebildet wird, wie man solches für die eigentliche Spindel annehmen muss, dagegen spricht schon ihr späteres Auftreten, wohl aber muss ich an dem eontinuirlichen Uebergang der Spindelfasern in dieselbe festhalten. Ich freue mich hier eine Beobachtung des Herrn Professor Nuss- baum zu bestätigen. Derselbe hatte mir bereits schon früher im Ovarium von Aulostomum bei Ausbildung der Richtungsspindel das gleiche schöne Bild gezeigt, nur trat es hier fast noch präg- nanter hervor. Seine Mittheilungen hierüber werden bald er- scheinen. Auch Pfitzner (1) hat bei Anfertigung seiner Fig. 29 wahr- scheinlich ein ganz ähnliches Bild vor sich gehabt. Er selbst spricht sich über die Deutung derselben nicht weiter aus. Diese eigenthümliche Anordnung des Polsterns besteht längere Zeit hindurch, wird aber gegen das Ende der Zelltheilung immer undeutlicher, so dass nach Ausbildung der Polplatten, wie sie gleich näher beschrieben werden soll, kaum noch Spuren davon vorhanden sind. In der Aequatorialplatte hat sich inzwischen, während die Spindel immer deutlicher hervortriti, die chromophile Substanz zu einer Anzahl grosser runder oder schwach ovaler, in einer 350 Gustav Platner: Ebene liegender Körner koncentrirt (Fig. 12). Dieselben sind völlig homogen, stark gefärbt und zeigen in ihren Dimensionen eine grosse Uebereinstimmung miteinander. Auf dem Querschnitt erkennt man, dass sie in ihrer Anordnung ziemlich genau den äussern Contouren der Zelle folgen (Fig. 13). Ihre Anzahl schwankt etwas über oder unter 20 Stück. Neben ihnen bemerkt man die von den Polen ausgehende eigenthümliche Strahlung im Proto- plasma. Sie gehen weiterbin eine Theilung ein und zwar in der Art, dass es zu einer Spaltung, deren Ebene in die Richtung der Spindelachse fällt, kommt. Die Tochtersegmente sind gleich gross und zeigen selbst wieder eine Sonderung in zwei übereinander- liegende, unter sich verbundene Körnchen (Fig. 15). Indem die Produkte der Längstheilung nach den Polen hin sich voneinander entfernen, wobei sie der Richtung der Spindelfasern folgen, machen sie zugleich eine Drehung um die Querachse (Fig. 16). Es ist mir um so angenehmer, meine frühern Angaben hier vervollständigen zu können, als damit auch diese Art der Theilung genau in den Rahmen des allgemeinen Schemas wie es Flemming (2) und Strasburger (3) aufgestellt haben, hineinpasst. Es sind in dem vorliegenden Falle nur die Schleifenschenkel je bis auf ein Chromatinkörnchen redueirt. Auch die Drehung entspricht dem allgemeinen Typus, obgleich grade sie dazu beitragen kann, eine Täuschung hervorzurufen, indem die früher übereinander liegenden Körnchen durch dieselbe jetzt nebeneinander erscheinen. Letztere haben dabei also einen viertel Kreis beschrieben. Sie verschmel- zen miteinander je mehr sie sich den Polen nähern und zeigen dadurch eine bohnenförmige oder stumpf herzförmige Gestalt, wo- bei die Einkerbung nach dem Aequator hinsieht. Sie scheinen demnach auch eine gewisse Lageveränderung eingegangen zu sein (Fig. 17). Die auf diese Weise entstandenen neuen Elemente treten nun auch unter sich wieder in Verbindung und fliessen zu zwei runden Platten, den Polplatten zusammen, zwischen denen die Spindelfasern schwach nach aussen convex ausgespannt sind. Das Bild gewinnt dadurch eine schöne Tonnenform (Fig. 18). An den Polplatten kann man in der Seitenansicht ihre Ent- stehung aus Körnern an der unregelmässigen Begrenzung sowie an dem Wechsel zwischen dunklern und bellern Partieen noch un- deutlich erkennen. Ebenso zeigt eine Polansicht in diesem Stadium die zwar schon verschmolzenen, aber mit verwaschenen dunklern Ueber die Entstehung des Nebenkerns u. seine Beziehung zur Kerntheilung. 351 Contouren sich noch markirenden Körner; auch die Peripherie ist von einer welligen Linie umsäumt (Fig. 19). Die Spindelfasern strecken sich je mehr die Polplatten aus einander weichen, und das Protoplasma der Zelle beginnt im Aequator eine ringsherumgehende Einsehnürung zu zeigen, welche sich hier als dunkle Linie markirt. Zu beiden Seiten grenzt an diese, wie man an Hämatoxylinpräparaten sieht, eine hellere Zone, auf welche nach den Polen hin wieder eine dunklere folgt. Das ganze Kerngebilde gleicht jetzt einem regulären Cylinder (Fig. 20). Indem die Einschnürung des Protoplasmas weiter fortschreitet, werden auch die Spindelfasern mit hereingezogen, wodurch die Form einer Sanduhr bei denselben hergestellt wird (Fig. 21). Nach erfolgter völliger Trennung erscheint der von den jetzt retrahirten Spindelfasern früher eingenommene Raum zu einer weiten Kernhöhle umgewandelt, welche keinerlei Zeichnung oder Färbung erkennen lässt. In ihr liegt excentrisch an der Wand die jetzt halbmondförmige Ansammlung der chromophilen Substanz, also die frühere Polplatte. An ihrer Concavität, welche nach der Kernhöble sieht, springen unregelmässige, bucklige Erhabenheiten vor. Auch auf der Fläche erscheinen ineinander übergehende dunklere und hellere Partieen in unregelmässiger Anordnung. An ihrer Convexität erscheinen die Contouren ziemlich glatt, hier grenzt sie direkt an das Protoplasma. Dieses erscheint daselbst stärker angehäuft und bildet so einen Menisceus (Fig. 22). Aus der halb- mondförmigen Kernmasse geht, indem ihre Hervorragungen nach der Kernhöhle an Grösse zunehmen und sie sich mit ihren Seiten- theilen mehr von der Wand loslöst, ein runder Körper mit höcke- riger Oberfläche hervor, welcher an einer Stelle immer in engem Connex mit dem Protoplasma bleibt. In der folgenden Entwick- lungsphase erscheinen an ihm zu gebogenen Reihen verbundene Mikrosomen immer deutlicher, und man bemerkt wie die vorge- wölbten Partieen sich zu Schleifen entwickeln. Unter beträcht- licher Vergrösserung aller Dimensionen kommt schliesslich ein regulärer Knäuel zu Stande, dessen Fadenschlingen alle von dem einen Punkt, wo er der Wand der Kernhöhle dicht anliegt, aus- gehen. Hier sieht man jetzt auch, wie in das benachbarte Proto- plasma hinein ein rasch sich vergrössernder Nebenkern als ge- wundenes Element wieder hervorsprosst (Fig. 23). Derselbe liegt also vom Anfang seines Auftretens an ausserhalb der Kernhöhle, 352 Gustav Platner: Je weiter seine Ausbildung fortschreitet, um so deutlicher wird ein Zerfall des Knäuels, welcher inzwischen den ganzen Kernraum ausgefüllt hatte (Fig. 24). Während der Nebenkern seine Vollendung erreicht hat, ist ein Fasergerüst mit Chromatinkörnchen aus dem Knäuel entstanden. Eine verdichtete Protoplasmaschicht liefert eine Membran darum, und die junge Spermatogonie ist fertig (Fig. 25). Ihre Dimensionen sind freilich im Verhältniss zu ausgebildeten Zellen dieser Art noch gering. Besonders ist der Nebenkern noch klein, und das Protoplasma noch spärlich vorhanden. Der Kern- durchmesser verhält sich zu dem gleichen erwachsener Exemplare wie 2 zu 3, oder selbst nur wie 1 zu 2. Man trifft diese kleinen Zellen oft in grossen Mengen, traubig um eine Basalzelle gruppirt, in Zwitterdrüsen von etwa 3 mm Querdurchmesser an. Nach Auftreten einer Basalzelle müssen die Spermatogonien freilich als Spermatoeyten bezeichnet werden. Ein anderer Unterschied aber als der durch diese allgemeine Anordnung bedingte existirt zwischen beiden Zellgattungen nicht. In Folge der jetzt eintretenden raschern Entwicklung der Zwitterdrüse tritt eine immer regere Zellproliferation auf, so dass man bei einem Vergleich der im Ruhezustand befindlichen Zellen mit den in Theilung begriffenen fast zu dem Glauben veranlasst werden könnte, es kämen aufeinander folgende wiederholte Zell- theilungen vor, ohne dass dazwischen ein eigentliches Ruhestadium eingeschaltet würde. Es lässt sich aber kein irgendwie sicherer Beweis hierfür erbringen. Dagegen ist es klar, dass man in dieser Phase die Nebenkerne seltener zu Gesicht bekommt, da sie ja in gewissen Theilungsstadien fehlen. Durch diesen Umstand sowie ungenügende Präparationsmethoden — ich verwandte meist 0,2%, Chromsäure zur Härtung — wurde ich früher zu der Annahme veranlasst, es sei in den Spermatoeyten überhaupt kein Nebenkern vorhanden. Hat ihn doch M. v. Brunn (4) gar nicht gesehen. Meine frühern Angaben müssen natürlich entsprechend den jetzigen durch exakte Methoden und genaues Studium gewonnenen Resul- taten verbessert werden. Die Nebenkerne liegen in den Sperma- tocyten mit grosser Regelmässigkeit in dem der Basalzelle zuge- kehrten Theil des Protoplasmas. Durch rasche Vergrösserung, welche besonders auch das Protoplasma und den Nebenkern trifft, Ueber die Entstehung des Nebenkerns u. seine Beziehung zur Kerntheilung. 353 wachsen die Spermatocyten nach der Theilung bald wieder zur ursprünglichen Grösse heran. Es bleibt noch übrig zu betrachten, wie aus ihnen die Sper- matiden, das heisst diejenigen Zellen, welche direkt zu Samen- körpern sich umwandeln, entstehen. Da dieser Process sich direkt an die letzte Theilung der Spermatocyten anschliesst, und die hierbei gebildete Spermatide also weiter kein Wachsthum, sondern nur noch Umbildung erfährt, so muss ihr von vorn herein das nöthige Materiai hierzu geliefert werden. Die Spermatocyten zeichnen sich demgemäss bei ihrer letzten Theilung durch be- sondere Entwicklung, vor allem des Protoplasmas aus. Zwitter- drüsen von etwa 4 mm Querdurchmesser zeigen vielfach dieses Stadium. Der Prozess der Karyokinese selbst verläuft in der bereits geschilderten Weise bis auf die letzten Vorgänge. Nachdem es nämlich zur Trennung der Tochterzellen in der Aequatorialebene gekommen ist, verlässt der aus der halbmondförmigen Kernmasse in ihnen sich ausbildende Knäuel die Wand der Kernhöhle, und erst innerhalb derselben sprosst dann der Nebenkern als Schleife hervor (Fig. 26). Das Protoplasma dringt nach und füllt den leer sebliebenen Theil der Kernhöhle mehr und mehr aus. Der Neben- kern nimmt ausserdem in diesem letzteren Falle viel grössere Dimensionen an. Es geht also weit mehr von dem Material des Kerns in ihn über, so dass er nach seiner Trennung von diesem ebenso gross oder noch grösser als der übrig gebliebene Rest des- selben ist. Sein Kaliber ist gleichfalls ein viel stärkeres etwa doppelt so gross wie in ausgebildeten Spermatogonien. Einige Zeit lang hängt er mit dem Kern noch durch eine doppelte Ver- bindungsbrücke zusammen (Fig. 27). Dann erfolgt seine Trennung, und er stellt ein unregelmässig polygonales Gebilde dar, etwa wie ein von verschiedenen Seiten her zusammengedrückter Ring. Der Rest des Knäuels zerfällt und wandelt sich in einen runden oder schwach ovalen Kern mit Chromatinkörnchen und Fasergerüst um. Die Ausdehnung desselben ist entsprechend der Einbusse, die er bei Ausbildung des Nebenkerns erlitten hat, eine so geringe, dass er im Querdurchmesser von dem Kern ausge- bildeter Spermatogonien fast um das Dreifache übertroffen wird (Fig. 28). Das Fasergerüst und die Chromatinkörnchen desselben werden mehr und mehr undeutlich und lösen sich auf, während Archiv f. mikrosk, Anatomie, Bd. 26. 23 — 354 Gustav Platner: die Zwischensubstanz an Tinktionsfähigkeit gewinnt. Zu gleicher Zeit bemerkt man, wie an einer Stelle ein runder heller Fleck auftritt, über welchem der Kern sich halbkugelig wölbt (Fig. 29). Schliesslich ist jede Zeichnung in ihm verschwunden. Er erscheint homogen und gleichmässig dunkel gefärbt bis auf den erwähnten Fleck, welchen ich schon früher, als auf einem Eindringen von Protopiasma in den sich einstülpenden Kern beruhend, gedeutet habe (Fig. 30). Verfolgt man das Schieksal des Nebenkerns noch weiter, so sieht man, wie er in dem rings um den primären Samenfaden — dieser wird dadurch zum Axenfaden — sich herab erstreckenden Rest der Spermatide längere Zeit in veränderter Form erhalten bleibt. Er nimmt dabei aber sichtlich ab und zerfällt endlich ganz. Nachdem ich jetzt gefunden habe, dass er vom Kern abstammt, dass er bei der Kerntheilung eine bedeutende Rolle spielt und dass endlich besonders in den Spermatiden ein grosser Theil der Kern- substanz in ihn übergeht, kann ich an meiner frühern Ansicht (5), dass er ein unwichtiges Element sei, nicht mehr festhalten. Da er ferner auch nicht spurlos verschwinden kann, so bleibt keine andere Deutung seines Verhaltens übrig, als dass er sich an der Bildung der spiraligen Hülle, mit welcher-der Axenfaden umkleidet wird, betheiligt. Für meine Auffassung spricht aber noch eine andere That- sache. Die Untersuchungen W. Voigts (6) haben ergeben, dass bei Branchiobdella dem verhältnissmässig kleinen Kopf des Sper- matosoms vorn ein längerer spiralig gewundener Fortsatz aufsitzt. Derselbe diente anfangs als Verbindungsglied zwischen Kopf und Nebenkern. Letzterer verschwindet aber allmählich indem seine Substanz sich in den gewundenen Fortsatz hinein ergiesst. Dem Schwanz des Spermatosoms selbst fehlt jede Andeutung eines Spiralfadens. Es scheint mir nun im hohen Grade wahrscheinlich, dass das spiralig gewundene Element bei der Bewegung der Spermatosomen, wenn nicht allein, so doch hauptsächlich aktiv betheiligt ist. Wo es seinen Sitz hat, ob vorn vor dem Kopf, oder hinter ihm als Umhüllung des Axenfadens, kann hierfür gleichgültig sein. In welcher Weise die Fortbewegung durch dasselbe bewirkt wird, dafür giebt der Wimpersaum, der sich an den Spermatosomen der Tritonen findet, das anschaulichste Bild. Ueber die Entstehung des Nebenkerns u. seine Beziehung zur Kerntheilung. 355 Bei den meisten Samenfäden dürfte nun die Drehung um die Längsachse der vorwiegende Modus der Bewegung sein, wie auch Eimer (7) annimmt. Aber auch wo diese fehlt könnte immer noch der Spiralfaden nach Art einer Schiffsschraube durch Ver- änderung seiner Drehung wirken, indem er sich rasch zusammen- dreht und langsam wieder nachlässt. Die Geiselschwingungen des Schwanzes wären dann erst sekundäre Erscheinungen. Es stehen somit keine unwiderleglichen Gründe der Annahme entgegen, die Spiralfäden, da wo sie sich finden, als das bewegende Element an- zusprechen. Da man aber dem Nebenkern an ihrer Bildung eine Be- theiligung zugestehen muss, so fragt es sich, was trägt er dazu bei. Diese ganze Frage wäre inhaltlos, wenn der Nebenkern nicht immer die angegebene Funktion hätte. Dass er mit dem Bildungs- körperchen der Kopfkappe, welches sich in den Spermatiden der Säugethiere findet, nicht identisch ist, hat schon W. Voigt (6) betont und ich speziell für das Kaninchen früher zu beweisen ge- sucht. Zudem ist es unbedingt nothwendig, wenn man einen Körper als Nebenkern ansprechen will, zu beweisen, dass er auch ein Anrecht auf diesen Namen hat, das heisst, dass er vom Kern abstammt. So lange dieser Nachweis für ihn nicht erbracht ist, kann auch kein Grund vorhanden sein, ihn bei der Diskussion als solchen zu berücksichtigen. Dass der Nebenkern im allgemeinen eine verschiedene Rolle spielt, dafür spricht schon sein Vorkommen in den verschiedensten Arten von Zellen des Organismus. Dass er aber in den Spermatiden bei Ausbildung des Spermatosoms einmal diese, das andere Mal jene Funktion haben soll, das ist mehr als unwahrscheinlich. Vielleicht bringen fernere genaue Untersuchungen eine exaktere Begründung für das, was ich hier nur auf wenige Beobachtungen gestützt ausgesprochen habe. Ich komme zu einem weitern Punkt, der von einer andern Seite her hierauf einiges Lieht zu werfen versprach. Als Gaule (8) im Jahre 1880 seine Mittheilung : „Ueber Würmchen, welche aus den Froschblutkörperchen auswandern“, machte, erregte er damit berechtigtes Aufsehen. Er fand in dem mit 0,6%, Kochsalzlösung versetzten und durch Schütteln mit Quecksilber defibrinirten Blut, welches er auf dem erwärmten Objeettisch (30—32 °) untersuchte, eigenthümliche Körper. Sie entstanden endogen, seitlich vom Kern als stäbehenförmige Gebilde. Dieselben wurden beweglich 356 Gustav Platner: und wanderten aus der Zelle aus. Ihr Leib, von der halben Länge der Blutkörperchen, war an beiden Enden zugespitzt, von grün- lichem oder bläulichem Glanze und durch ein oder zwei helle Querstreifen in zwei oder drei gleiche Abtheilungen getheilt. Die Querstreifen wurden jeder durch einen kugelförmigen, in den Leib des Würmcehens eingelagerten Körper verursacht, welcher bei Be- wegungen des Würmchens hin und her schoss. Nachdem dieses das Blutkörperchen verlassen hatte, bewegte es sich lebhaft in spielender Weise umher, um nach unbestimmter Zeit zu zerfallen und sich aufzulösen. Auch die Blutkörperchen, aus welchen sie ausgetreten sind, gehen binnen wenigen Minuten zu Grunde, wäh- rend diejenigen, welche keine Würmcehen gezeigt hatten, hierzu Stunden erforderten. Er verwahrt sich gegen die parasitäre Natur der beobachteten Gebilde, indem er sagt: „lch habe mich jedoch seitdem auf das Bestimmteste überzeugt, dass die Würmehen nichts derart sind, sondern aus der Substanz der rothen Blutkörperchen hervorgehn, und zwar aus dem Theil derselben, den wir seither als Protoplasma bezeichneten“. In einer weitern Abhandlung (9) führt er ihr Erscheinen auf die eigenthümliche Art des Absterbens der Zellen zurück. Er fand, dass ihr Vorkommen an gewisse Perioden geknüpft war, und zwar fällt das Maximum ihres Auftretens bei grossen Fröschen in den Herbst, bei kleinen in das Frühjahr. Er tritt für ihre Kernnatur ein und kommt zu dem Schluss, „dass in der Mehrzahl der Zellen das Cytozoon als ein präformirtes Gebilde existirt, das von ähnlicher Form wie der Kern, tingirbar wie dieser und viel- fach mit ähnlichen Eigenschaften begabt wie dieser, wohl den Namen eines Nebenkern verdiente“. Ausser in den Blutkörperchen finden sie sich auch noch in den Zellen der Milz, des Knochen- marks und des Leberüberzugs von Rana esculenta. Auch hier wandern sie wie bei den Blutkörperchen aus den Zellen aus, um sich kürzere oder längere Zelt lebhaft zu bewegen, in andere Zellen einzubohren und sie wieder zu verlassen u. s. f. Eigen- thümlich ist, dass auch hier die Gebilde nicht von vorn herein vorhanden sind. Gaule sagt hierüber (l. e. pag. 307): „In dem Bild, welches uns die zerzupfte Milz darbietet, fallen viel mehr die Cytozoen auf, die in den Milzzellen sich befinden, als diejenigen in den Blutkörperchen, denn die letztern werden erst sichtbar un- mittelbar bevor sie hervorkommen, in den Milzzellen aber treten Ueber die Entstehung des Nebenkerns u. seine Beziehung zur Kerntheilung. 357 schon naclı einigen Augenblicken überall die Würmehen auf und liegen vorerst regungslos, zusammengerollt in der Zelle.“ In einer Sitzung der niederrheinischen Gesellschaft für Natur- und Heilkunde hielt Nussbaum (10) am 18. Juli 1881 einen Vor- trag, in welchem er über einen von ihm in Drüsenzellen gefundenen Nebenkern berichtete. - Dasselbe Thema erörterte er auf dem inter- nationalen Congress zu London (11). Er hatte in den Zellen von Salamandra maeulata in den Oesophagealdrüsen von Rana esculanta, im Hepatopankreas von Asta-, eus ein Gebilde gefunden, welches er mit dem von v. Wittich (12) gefundenen Dotterkern und mit dem von v. la Valette St. George (13) entdeckten Nebenkern der Spermatiden auf eine Stufe stellte. Bald darauf erfolgte eine weitere Mittheilung von Ga ule (14). Es war ihm gelungen durch Anwendung von 3°, Salpetersäure oder eoncentrirter Sublimatlösung in den verschiedensten Organen die Cytozoen, wie er sie benannt hatte, zu fixiren und zur An- schauung zu bringen. So fand er sie in den Epithelien der Cornea, des Magens, des Darms, in den Bindesubstanzen der verschieden- sten Organe, in den meisten der grossen Drüsen und in der Retina von Rana esceulenta. Auch noch bei andern Batrachiern glückte ihm ihr Nachweis, so bei Rana temporaria, Triton eristatus und taeniatus. Ueber die Form des gefundenen Gebildes spricht er sich dabin aus, dass es meist kleiner als der Kern und von sehr wechselnder unregelmässiger Gestalt sei. „Es ist dem Kern nicht ebenbürtig, aber es ist doch von ver- wandter Natur, wie seine Färbung und eine oft in seinem Innern sichtbare kerpähnliche Zeichnung beweisen. Ich will es als Neben- kern bezeiehnen. Während nun an vielen der Nebenkerne das musternde Auge keinen Anhalt für eine Interpretation dieses Ge- bildes findet, erkennt es an einigen die Form des Würmchens, und schliesslich heben ganz klare Bilder jeden Zweifel. Trotz aller Sorgfalt aber bleiben viele der Nebenkerne unentziffert. Entweder reichen die vorhandenen Methoden nicht aus, um alle Cytozoen vor Verzerrung zu schützen, oder, was mir wahrschein- lieher ist, diese Form von Nebenkernen gehört einem andern Formenkreis an, von dem ich am überlebenden Präparat auch schon Andeutungen gesehen, den ich aber noch nieht näher studirt habe.“ So lautet mit unwesentlichen Auslassungen seine Angabe. 358 Gustav Platner: Die genauere Beschreibung Nussbaum’s (15) entspricht dem wenig. Er schildert das Vorkommen des Nebenkerns und seine Beschaffenheit wie folgt: „Der Nebenkern ist entweder solitär oder multipel, solidoval oder spiralig gedreht, oft auch lockig gewunden, der solitäre Nebenkern ist grösser als viele gleichzeitig in einer Zelle vorhandenen einzeln genommen. Im frischen unter Zusatz von Jodserum oder humor aqueus bereiteten Zerzupfungspräparat, oder nach Maceration in verdünnter Chromsäure kann er isolirt werden und nimmt Farbstoffe in sich auf. Man findet ihn in Zellen, deren Kerne mono- oder polynukleolär oder auch ganz regressiv sind. Am 4—5. Tage nach einer Fütterung ist er fast in einer jeden Zelle des Pankreas vorhanden. In der ersten Zeit nach der Fütterung wird man ihn schwer oder vielleicht gar nicht finden. In der Drüse längere Zeit hungernder Thiere ist er selten.“ Der Nebenkern findet sich nach Nussbaum stets in dem mit Sekre- tionsmaterial nicht erfüllten Theil der Zelle zwischen Kern und membrana propria. Letztere Beobachtung kann ich für Anguis fragilis, wo ich ihn im Pankreas als ganz konstantes Element fand, bestätigen. Nussbaum fand den Nebenkern auch noch in den ihres Sekrets beraubten Drüsen von Argulus, sowie im Pankreas des Triton. Er sagt von demselben: „Es wird darauf ankommen am lebenden durchsichtigen Objekt die Abkunft des Nebenkerns zu studiren; die einzelligen Drüsen der Copepoden dürften hierfür - geeignet sein. Ob der Nebenkern ein integrirender Bestandtheil aller gewebebildenden Zellen sei, müssen weitere Untersuchungen lehren.‘ Ich bin mit diesbezüglichen Untersuchungen eifrig beschäftigt und werde zur Zeit hierüber berichten. Das verbreitete Vor- kommen des Nebenkerns erscheint mir sehr wahrscheinlich. Die Veröffentlichungen Gaule’s wurden von Ray Lancaster (16) einer eingehendern Kritik unterzogen, wobei er zu dem Resul- tate kommt, dass viele der von Gaule mitgetheilten Erscheinun- gen für die parasitäre Natur der gefundenen Gebilde sprächen. Er identifieirt dieses Entozoon mit dem bereits 1871 von ihm ent- deckten, welches er Drepanidium ranarum nennt. Er weist darauf hin, dass es durchaus nicht befremdlich sei, wenn Drepanidien ebenso wie andere Organismen periodenweise unbeweglich seien Ueber die Entstehung des Nebenkerns u. seine Beziehung zur Kerntheilung. 359 und dass es eine aktive Periode gäbe, welche durch günstige Temperaturerhöhung zum frühern Eintritt veranlasst werden möchte. Er bezieht sich auf eine Mittheilung Lieberkühn’s (17), welcher in den Nieren Cysten mit Körnchen, Psorospermien und freien amöbenartigen und gregarinenartigen Körnchen fand, daneben aber auch freie sichelförmige Gebilde. Letztere deutet Ray Lancaster als wahrscheinlich Drepanidien und diese selbst als ein Entwick- lungsstadium der von Leuckart (18) Sporozoen genannten Orga- nismen. Auch Eimer (19), Aim& Schneider (20) und Kloss (21) beschrieben schon früher ähnliche Formen von Entozoen. Arndt (22) will die Cytozoen mit den Spirochaeten auf eine Stufe gestellt wissen. Wallerstein (23) kommt durch seine Untersuchungen zu vielfach von den Angaben Gaule’s abweichenden Resultaten und spricht sich in dem Sinne Ray Lancaster’s aus. Erwähnen möchte ich noch, dass Bütschli (24) schon 1876 in den rothen Blutkörperchen des Frosches einen eigenthümlichen Körper beschrieben hat, welcher im Protoplasma neben dem Kern lag. Die Abbildungen, welche er davon giebt (l. e. Taf V, Fig. 2 und 3) berechtigen zu der Annahme, dass er die von Gaule Cy- tozoen genannten Gebilde vor sich gehabt hat. Nach einer genauen Prüfung des vorliegenden Materials muss ich meine Ansicht dahin aussprechen, dass Gaule wahrschein- lich zweierlei gefunden hat, nämlich einmal Parasiten und sodann wirkliche Nebenkerne. Ich habe in den samenbildenden Zellen der Schnecken in frischen Präparaten die Nebenkerne in unzäh- ligen Exemplaren beobachtet, habe an den Zellen selbst schöne amöboide Bewegungen gesehen, bei den eben sich entwickelnden Samenfäden schon geiselnde Schwingungen erbliekt, aber nie an den Nebenkernen auch nur eine Spur von den Bewegungen, wie sie Gaule beschreibt, wahrgenommen. Ich habe ferner den Nebenkern als ein mit Ausnahme gewisser Theilungsstadien ganz eonstantes Element erkannt. Der Beweis der Identität der früher in Blut, Milz, Knochenmark und Leberüberzug gefundenen Cyto- zoen mit den später entdeckten wirklichen Nebenkernen, wird von Gaule in einer keineswegs befriedigenden Weise erbracht. Das rasche Absterben der Blutkörperchen nach der Auswanderung der Cytozoen spricht für die parasitäre Natur letzterer. Ebenso ihr vereinzeltes oder an Perioden geknüpftes Vorkommen. In Betreff 360 Gustav Platner: der weiter hierfür anzuführenden Gründe schliesse ich mich ganz den ausführlichen Auseinandersetzungen Ray Lancaster’s an. Angeregt durch die Beobachtungen Gaules hat Masanori Ogata(25) gestützt auf eine Reihe von Untersuchungen dem Neben- kern bei der Sekretion der Drüsen eine wichtige Rolle zuertheilt. Er gewann seine Resultate vorwiegend am Pankreas von Rana eseulenta. Er conservirte die Drüsen entweder in concentrirter Sublimatlösung allein, oder unter Zusatz von 0,5—1,0% Ueber- osmiumsäure. Der Nebenkern tritt nach ihm als präformirtes Ge- bilde im Kern auf, wo er ihn Plasmosoma nennt und unterscheidet sich von den Kernkörperchen durch seine leichte Färbung mit Eosin. Nach seiner Auswanderung aus dem Kern bezeichnet er ihn mit seinem eigentlichen Namen. In ruhenden Drüsen sind wenige Nebenkerne. Nach längerer Fütterung sowie nach Reizung der Drüse durch Stichelung der Medulla oblongata, oder durch Behand- lung mit dem elektrischen Strom sowie nach Einführung von Pilo- carpin in die Lymphsäcke, tritt eine bedeutende Vermehrung der- selben auf. Ogata lässt nun nach Ausstossung der Sekrete, der Zymogenkörnchen, den Kern der Drüsenzelle zu Grunde gehn unter gleichzeitiger Entwicklung des aus demselben ausgewanderten Nebenkerns zu einer neuen Zelle. Der Nebenkern im Protoplasma und das Plasmosoma im Kern liefern die Zymogenkörnchen, welche sich gleichfalls mit Eosin färben. Die ganze Darstellung leidet an dem Mangel des Beweises, dass die in den gehärteten Drüsen erhaltenen Bilder auch in frischen Präparaten sich finden. Ogata kommt bei der Untersuchung von lebenden Exemplaren von Triton taeniatus, dessen Mesenterium er mit Kochsalz befeuchtet unter das Mikroskop brachte, um an versprengten Läppchen des Pankreas den Vorgang der Sekretion intra vitam zu verfolgen, wenig weiter als Kühne und Lea(26), indem er wie diese die Körnchen von der Gegend des Kerns nach dem Lumen hinrücken sah. „Ich kann das dahin erweitern, sagt er, dass auch Körnchen wirklich aus dem Kern heraustreten und in das Innere der Zelle weiter rücken.“ Es fehlt eine jede Angabe, ob er dabei überhaupt einen Neben- kern gesehen und wie dieser sich verhalten habe, dabei. Er nennt den von ihm beschriebenen Vorgang Zellerneuerung gegenüber der Zelltheilung. Ueber den Nebenkern in den samenbildenden Zellen liegt eine ausgedehnte Literatur vor. Ich erwähne daher nur dasjenige Ueber die Entstehung des Nebenkerns u. seine Beziehung zur Kerntheilung. 361 daraus, was zu den Resultaten meiner Untersuchungen in direkter Beziehung steht. Walter Voigt (6) beschreibt in den Spermatoeyten ein rundes Element neben dem Kern, welches er Nebenkörperchen nennt. Auch in den Spermatogonien fand er es, nur gelang es ihm nicht mit absoluter Gewissheit zu erkennen, dass das einem Kernkörperchen gleichende Gebilde neben und nicht im Kern lag. In den Sper- matocyten theilt es sich vor dem Kern dureh Abschnürung, indem es Bisquitform annimmt. Der sich abschnürende Theil ist etwas kleiner. In Fig. 54 bildet Voigt einen Kernknäuel ab, neben welchem aber nur ein Nebenkörperchen liegt. Er vermuthet aber, dass das andere durch die dunkle Kernfigur verdeckt gewesen sei. In den Figuren 53 und 55 ist es nieht vorhanden. Dieselben stellen die weiter vorgerückten Stadien der Kerntheilung dar. Auch hier meint Voigt es deshalb nicht gesehen zu haben, weil es sich zu wenig von dem etwas körnigen und stark lichtbrechenden Proto- plasma abgehoben habe. Er sagt weiterhin: „Es ist mir nicht wahrscheinlich, dass das Nebenkörperchen während der Kern- theilung verschwindet, um sich später wieder neuzubilden ; denn ich glaube es bei den mit Picrocarmin gefärbten Kernen nie ver- misst zu haben.“ Wie leicht man sich aber durch ungenaue Bil- der zu Täuschungen verleiten lassen kann, habe ich selbst zu meinem eigenen Nachtheil erfahren. So hatten mich zum Beispiel frische Präparate, wo ich oft in demselben Protoplasma zwei Kerne und dieht daneben zwei Nebenkerne sah, welche ganz nahe bei- einander und zum Theil selbst aufeinander lagen, was bei der ge- wundenen Struktur nicht gut erkannt werden kann, zu dem Glau- ben veranlasst, es theile sich der Nebenkern nach dem Kerne. Erst später als ich es lernte, die fraglichen Gebilde gut zu fixiren und zu färben, sah ich meinen Irrthum ein. Auch im Protoplasma trifft man zuweilen eigenthümliche Zeiehnungen an, die man leicht mit dem Nebenkern verwechseln kann, so lange man nicht im Stande ist ihn scharf von diesem zu differeneiren. Auf jeden Fall ist von Voigt der exakte Beweis dafür, dass er den Nebenkern neben der Spindel des Kerns erblickt hat, nicht erbracht worden. Grobben (27) giebt ganz bestimmt an, dass der Nebenkern bei Ausbildung der Kernspindel verschwindet. Auch was später Nussbaum (28) gefunden, stimmt damit völlig überein (ef. Fig. 53—57 362 Gustav Platner: l. e.). Erst nach der Theilung tritt der Nebenkern in den Sper- matocyten wieder auf. Wie genau Grobben beobachtet hat, geht aus folgender An- gabe desselben über den Nebenkern hervor: „Doch möchte ich die Vermuthung aussprechen, dass er ein Theil des Kerns des Spermatoblasten — Spermatoblast deckt sich mit Spermatogonie v. la Valette St. George’s — sei, der vor der Theilung oder nach erlangter Reife der Hodenzellen ausgestossen wird. Wenigstens hatte ich Bilder vor Augen, wo dieser Körper einmal nahe am Kern gelegen war, ein andermal weit von demselben entfernt in der Nähe der Zellgrenze lag. Auch sah ich bei Homarus Sper- matoblasten, neben deren Kernen ein ähnlicher — wie bei Asta- cus beschriebener — Nebenkörper lag, welcher durch Fäden mit dem Kern zusammenzuhängen schien.“ Er fand den Nebenkern in den grossen Zellen des Hodens von Astacus neben dem strahlig von seiner Substanz durchzogenen Kern, als einen halbkugeligen Körper von mattem Glanz, auf Essigsäurezusatz gerinnbar. Denselben fand er in den Spermato- blasten von Eupagurus Prideauxii und Eriphia spinifrons. Dass der in dem Dotter vieler Eier sich findende, zuerst von v. Wittich im Spinnenei entdeckte Dotterkern und die von Ley- dig (29) in der Haut von Pelobateslarven beobachteten Gebilde mit dem Nebenkern in eine Kategorie gehören, wie Nussbaum meint, ist möglich, doch bedarf es dazu noch des genaueren Nach- weises der Genese dieser Gebilde. Auch das von Strassburger (3) gefundene Sekretkörper- chen steht in naher. Beziehung, da es wie der Nebenkern bei der Karyokinese eine Rolle spielt. Als Resultat meiner vorliegenden Untersuchungen möchte ich folgende Sätze aufstellen. Der in den Spermatogonien und Spermatocyten sich findende Nebenkern wird von dem Kern der Sexualzellen abgeschieden. Derselbe wird bei der Karoykinese von dem Kern wieder aufgenommen und mit zur Bildung des Kernknäuels verwandt. Nach erfolgter Theilung tritt er aus dem Kern der Tochterzellen in gleicher Weise wieder aus. In den .Spermatiden, wo ein viel grösserer Theil des Kerns in ihn übergegangen ist bei der letzten Theilung der Spermato- cyten, wird er mit zur Bildung der spiraligen Hülle des Axen- Ueber die Entstehung des Nebenkerns u. seine Beziehung zur Kerntheilung. 363 fadens verwandt, indem er sich in dem Protoplasma, woraus diese hervorgeht, allmählich auflöst. Der nunmehr erbrachte Nachweis von der Rolle, welche er bei der Zelltheilung spielt, macht es wahrscheinlich, dass er sich in noch mehr Zellen, die sich durch indirekte Theilung vermehren, in dieser oder jener Form findet. Für die freundliche Unterstützung mit Literatur bin ich Herrn Professor v. la Valette St. George, sowie Herrn Professor Nussbaum zu grossem Dank verpflichtet. Bonn, zu Anfang Oktober 1885. | Dr. Gustav Platner. Nachtrag. Nach Abschluss meiner Arbeit bekam ich den Bericht über die letzte Naturforscher-Versammlung zu Strassburg in die Hände. Gaule hielt dort einen Vortrag: „Ueber die Bedeutung der Cy- tozoen für die Bedeutung der thierischen Zellen“. Ich entnehme demselben folgende Angaben. Die Struktur der Cytozoen wird beschrieben wie folgt: ‚Sie besitzen vor allem einen Kern, der sich mit allen Kernfärbemitteln färbt und ihr Protoplasma besteht aus zwei Substanzen, wovon diejenige, welche ich die nigrosinophile nennen will, die beiden Spitzen der Cytozoen erfüllt, während die andere, die eosinophile Substanz in Gestalt zweier Körner in einem hellen Saum zu beiden Seiten des Kernes liegt.“ Auch die seither als Hämatoblasten oder Blutplättehen bezeichneten Gebilde im Blut des Menschen sind undeutlich erkannte Cytozoen. ” Beim Frosch verlassen in der Milz die Cytozoen die Blutkörperchen und bohren sich in eine gewisse Art protoplasmareicher Zellen, welche in Gruppen zusammenliegen und als Ammenzellen bezeichnet werden, ein. Das nigrosinophile Protoplasma dieser Zellen füllt sich mit Pigmentkörnchen von der Farbe des Blutfarbstoffs, und Jin den Ammenzellen bilden sich junge Blutkörperchen. Diejenigen Blut- körperchen, aus denen die Cytozoen ausgewandert, sind, gehen in Milz und Leber zu Grunde. Dieser Prozess beginnt im Herbst, und im Frühjahr beginnt nach normalem Winterschlaf des Frosches die Ausscheidung der neugebildeten Blutkörperchen. Daher, ist 364 Gustav Platner: die Blutmenge im Winter beim Frosch vermindert. Doch kann man künstlich durch Pilokarpin, Unterbrechung des Winterschlafs und Veränderungen der Lebensbedingungen, wie Trockenheit, Wärme, Licht das Austreten der Blutkörperchen aus den Ammen- zellen veranlassen. Auch weisse Blutkörperchen können aus den Cytozoen in den Ammenzellen entstehen. Die Cytozoen stehen ferner in Beziehungen zu den geschlechtlichen Funktionen, indem während des Winters die Reifung der Geschlechtsprodukte erfolgt. Auch Miescher lässt beim hungernden Lachs Muskelsubstanz aufgenommen und zur Bildung der Geschlechtsprodukte verwerthet werden. Das Gleiche gilt für den Frosch; nur geschieht hier die Uebertragung auf einem Umwege durch die Leber mittelst Cyto- zoenbildung. Da das Blut überall hinkommt, „so würde das Cy- tozovn ein Individuum sein, welches die Gesammtheit der Gewebe des Organismus, welches auch beide Geschlechter in sich vereinigt.“ Die Cytozoen können in ihre einzelnen Bestandtheile, zu Einzel- wesen zerfallen. Diese unvollkommenen Cytozoen, Karyozoen und Plasmozoen spielen die grösste Rolle bei allen Gewebsbildungen. „Die Zellen der einzelnen Gewebe entstehen durch Combination der aus dem Zerfall der Cytozoen entstandenen Einzelwesen. Wo die Bestandtheile der verschiedenen Gewebe wieder in einer Zelle zusammentreffen, da entsteht wieder das Urwesen.“ Die Cytozoen sind den Geschlechsthieren der Fadenpilze gleich zu setzen u. s. w. Ich kann mich auf eine eingehende Kritik der Hypothesen Gaule’s, welche unsere Ansicht vom Bau der Zelle, wie sie von Schwann, Virchow und Flemming aufgestellt und durch die mühsame Arbeit vieler Forscher fest begründet ist, völlig über den Haufen zu werfen drohen, so lange jedes Beweismaterial fehlt, nicht näher einlassen. Doch sehe ich mich veranlasst, hier eine vor- läufige Mittheilung über die Entstehung des Nebenkerns, wie ich sie im Pankreas von Anguis fragilis schön beobachten konnte, folgen zu lassen, da sich vieles daraus erklären lässt. Die erwähnte Drüse zeigte nach Härtung in Flemming’scher Säuremischung folgendes Bild. Die länglichen, um das centrale Lumen geordneten Zellen enthalten einen schönen runden Kern, mit grossem durch Satranin stark sich färbendem Kernkörperchen. Diesem Kern sitzt meist ein halbmondförmiges, durch Hämatoxylin schön blau färbbares Element auf, der Nebenkern. Ist er solitär vorhanden, so liegt er zwischen Kern und membrana propria, sind Ueber die Entstehung des Nebenkerns u. seine Beziehung zur Kerntheilung. 365 zwei vorhanden, so liegt der andere meist nach dem centralen Lumen des Acinus; auch noch mehr sind in seltenen Fällen zu sehen. Die Form eines Halbmondes ist zwar die gewöhnliche, doch kommen auch zahlreiche Differenzen vor. Der Nebenkern kann keulenförmig, halbkugelig, zuckerhutförmig u. s. w. sein. Er kann mehr oder weniger sich vom Kern lostrennen. Er zeigt häufig einen mehr oder weniger vorgeschrittenen Zerfall zu Körn- chen, die vielleicht mit den Zymogenkörnchen identisch sind. Er entsteht auf folgende Weise. Das grosse runde Kern- körperchen wird länglich und rückt mehr nach der Peripherie des Kerns, oft bis dieht daran, selbst die Kernhülle oft vorbuchtend. Es liegt mit seiner Längsrichtung in einem Radius des Kerns. Es zeigt weiterhin eine Einschnürung, und an seinem peripheren Ende trennt sich ein in der grössten Mehrzahl der Fälle kleinerer Theil ab. Nachdem dies geschehen, bildet sich in dem Kern eine gradlinige homogene Zwischenwand, wodurch er in eine grosse Hälfte, welche den Rest des ursprünglichen, wieder in die Mitte gerückten Kernkörperchens enthält — den Haupt- oder Stamm- kern — und in eine kleinere Hälfte mit dem abgesehnürten Theil des Kernkörperchens — den Nebenkern — geschieden wird. Der Hauptkern bekommt bald wieder seine ursprüngliche Grösse und rundet sich ab, wodurch der Nebenkern halbmondförmig wird, aber immer noch dicht anliegt. Ausser seinem Kernkörperchen enthält der Nebenkern hänfig noch zwei kleinere glänzende Körnchen, die dann in der Längs- richtung zu beiden Seiten des Nucleolus liegen. Die Beschreibung Gaule’s passt hierauf ganz genau, nur hat das mittlere grosse Element nicht den Charakter eines Kernes, sondern eines Nucleolus. Weiterhin verschwindet «diese Zeiehnung im Nebenkern mehr und mehr. Er wird homogen und löst sieh vom Kern ab, indem er gleichzeitig zu Körnchen zerfällt. In dieser Weise lösen sich schalenförmig die Nebenkerne bei der Sekretion vom Stammkern ab. Es findet also eine Art von direkter Kerntheilung statt, aber nicht zum Zweck der Vermehrung, sondern des Zerfalls der ab- getrennten Theile. Eingehende Untersuchungen des Pankreas von Rana escu- lenta sowohl im Hungerzustand, als nach längerer Fütterung zeigten in frischen unter Zusatz indifferenter Flüssigkeiten hergestellten Zerzupfungspräparaten und in Schnitten des gehärteten Organs, 366 Gustav Platner: dass der Modus der Entstehung des Nebenkerns hier ganz der gleiche ist, wie ich ihn bei Anguis soeben beschrieben habe. Nie konnte ich im frischen Präparat an den vielen freien Nebenkernen, die man hier erblickt, auch nur eine Spur von Bewegung sehen, Doch muss man die Vorsicht gebrauchen, den Pankreas, ehe man ihn zerzupft, durch Abspülen von Blut, welches ihm anhaftet, zu befreien, sonst kann es geschehen, dass man durch dieses in vereinzelten Fällen eine Beimischung von Parasiten erhält, die aber auch dann nicht leicht zu einer Täuschung führen, da sie sich von den Nebenkernen des Pankreas doch noch wesentlich unterscheiden. Uebrigens eignet sich Anguis viel besser für das Studium der Nebenkerne, da die Strukturen hier weit klarer her- vortreten. Literaturangabe, 1) Pfitzner, Beiträge zur Lehre vom Bau des Zellkerns und seinen Thei- lungserscheinungen. Arch. f. mikrosk. Anatomie Bd. XXII. 1883. p. 618—688. 2) Flemming, Zellsubstanz, Kern und Zelltheilung. Leipzig 1882. 3) Strasburger, Die Controversen der indirekten Kerntheilung. Arch. f. mikrosk. Anat. Bd. XXIII. 1884. p. 246—304. 4) M. v. Brunn, Untersuchungen über die doppelte Form der Samenkörper bei Paludina vivipara. Arch. f. mikrosk. Anat. Bd. XXIII. 1884, 5) G. Platner, Ueber die Spermatogenese bei den Pulmonaten, Arch. f. mikrosk. Anat. Bd. XXV. 1885. p. 564—581. 6) W. Voigt, Ueber Ei- und Samenbildung bei Branchiobdella. Arb. aus dem zool.-zoot. Institut zu Würzburg. 1885. p. 300—368. 7) Eimer, Untersuchungen über den Bau und die Entwicklung der Samen- fäden. Verh. der physik.-med. Gesellschaft zu Würzburg. N. FE. Bd. VI. 1874. 8) Gaule, Ueber Würmchen, welche aus den Froschblutkörperchen aus- wandern. Arch. f. Physiologie. 1850. p. 57—64. 9) Gaule, Die Beziehungen der Cytozoen (Würmchen) zu den Zellkernen. Arch. f. Anat. und Physiologie. 1881. Phys. Abth. p. 297—316. 10) Nussbaum, Sitzungsberichte der niederrh. Gesellschaft für Natur- und Heilkunde. 1881. p. 183. Ueber die Entstehung des Nebenkerns u. seine Beziehung zur Kerntheilung. 367 11) Nussbaum, Ueber den Bau und die Thätigkeit der Drüsenzellen. Inter- national Medical Congress. London 1881. 12) v. Wittich, ÖObservationes quaedam de aranearum ex ovo evolutione, Diss. inaug. Halis Sax. 1845. 13) v. la Valette St. George, Ueber die Genese der Samenkörper II. Arch. f. mikrosk. Anat. Bd. Il. 14) Gaule, Kerne, Nebenkerne und Cytozoen. Centralblatt f. d. medie, Wissenschaften. 1881. Nr. 31. 15) Nussbaum, Ueber den Bau und die Thätigkeit der Drüsen. Arch. f. mikrosk. Anat. Bd. XXI, p. 343. 16) Ray Lancaster, Quaterly Journal of mierosc. sc. January 1882. New Ser. Nr. LXXXV, p. 53—65. 17) Lieberkühn, Müller’s Archiv f. Anat. und Physiol. 1854. p. 1—24 (Rats Fu. MM). 18) Leuckart, Die Parasiten des Menschen und die von ihnen herrühren- den Krankheiten. Leipzig und Heidelberg 1879. Bd. I, p. 241. 19) Eimer, Ueber die ei- oder kugelförmigen sogenannten Psorospermien der Wirbelthiere. 1871. 20) Aim& Schneider, Archives de Zool. experiment. et gener. Paris 1881. Nr. 3. p. 389—304. 21) Kloss, Ueber Parasiten in der Niere von Helix. Abh. der Senkenberg. naturf. Ges. 1854—55. Bd. I, p. 189 ff. (Taf. XV und XV]). 22) Arndt, Virchow’s Arch. f. path. Anat. u. Physiol. 1881. Bd. 83. 8. Folge. p- 36 ff. 23) Wallerstein, Ueber Drepanidium ranarum Ray Lancaster. Inaugural- Diss. Bonn 1882. 24) Bütschli, Studien über die ersten Eintwicklungsvorgänge der Eizelle, die Zelltheilung und die Conjugation der Infusorien. Frankfurt. a. M. 1876. p. 49. 25) Masanori Ogata, Die Veränderungen der Pankreaszellen bei der Sekre- tion. Arch. f. Anat. u. Physiol. 1883. Phys. Abth. p. 405—437. 26) Kühne und Lea, Verh. der naturhist.-med. Vers. zu Heidelberg. 27) Grobben, Beiträge zur Kenntniss der männlichen Geschlechtsorgane der Decapoden. Arb. aus dem zool. Inst. der Univ. Wien. Bd. I. 1878. 28) Nussbaum, Ueber die Veränderungen der Geschlechtsprodukte bis zur Eifurchung. Arch. f. mikr. Anat. Bd. XXIIM. 29) Leydig, Neue Beiträge zur anatomischen Kenntniss der Hautdecke und Hautsinnesorgane der Fische. Halle 1879. 368 D' 0 [1 1 [0 0} Gustav Platner: Erklärung der Abbildungen auf Tafel XIV. {2} . 1-3. Entwicklung der Spermatogonie aus der Sexualzelle. Kl. 2 Kern der Sexualzelle, homogen. Körniger Zerfall desselben; Hervorsprossen des Nebenkerns aus ihm; Abgrenzung des Protoplasmas. Entwickelte Spermatogonie; Kern mit Fasergerüst und Chromatin- körnchen. Nebenkern ausgebildet. Ruhezustand der Zelle. Fig. 4—22 Theilung der Spermatogonie. Schwund des Fasergerüsts und Sammlung der Chromatinsubstanz zu mehreren grossen Körnern. Reguläre Theilung der Chromatinkörner durch Abschnürung. Die Theilung der Chromatinkörner ist vollendet, doch bestehen noch Verbindungsfäden; mehrere stark gefärbte Nucleoli treten hervor. Auch die Verbindungsfäden sind geschwunden; der Kern enthält ausser dem homogenen Kernsaft nur die Nucleoli und die freien Mikrosomen, letztere bereits zu Reihen angeordnet, welche nach dem jetzt dieht an den Kern herangetretenen Nebenkern hin verlaufen. Ausbildung der Zwischenglieder zwischen den stärker gefärbten Mikrosomen, gleichzeitige Abnahme der Nucleoli und des Neben- kerns; Knäuel excentrisch halbmondförmig contrahirt in der Kern- höhle; Schlingen desselben von dem Nebenkern ausgehend. Kernknäuel halbmondförmig, völlig ausgebildet; Nucleoli und Neben- kern verschwunden. Knäuel nach der Mitte der Kernhöhle gerückt zu einem Stern zer- fallen. . Bildung der Aequatorialplatte; Ausbildung der Spindel. Die Aequatorialplatte aus grossen Körnern bestehend; Spindelfasern von den Polen aus in das Protoplasma sich verzweigend. Querschnitt durch die Aequatorialplatte desselben Stadiums. . Polansicht desselben Stadiums. . Längstheilung der Körner im Aequator, die Theile aus zwei über- einander liegenden Körnchen bestehend. Entfernung der Segmente voneinander unter gleichzeitiger Drehung um die Querachse. . Segmente, nach den Polen auseinander rückend; die sie constitui- renden beiden Körnchen unter sich verschmolzen. . Polplatten ausgebildet; Fassform der Spindelfasern. 19: Polansicht desselben Stadiums. Cylinderform der Spindelfasern; beginnende Einschnürung des Proto- plasmas am Aequator, Ueber die Entstehung des Nebenkerns u. seine Beziehung zur Kerntheilung. 369 Fig. 21. ID Sanduhrform der Spindelfasern, indem die Einschnürung auch auf diese sich erstreckt. Vollendete Theilung in zwei Tochterzellen, Spindelfasern retrahirt. Kernsubstanz halbmondförmig excentrisch in der weiten Kernhöhle. . 23—25. Entwicklung der Tochterzellen zu jungen Sperma- . 23. . 24. . 25. togonien; Wiederauftreten des Nebenkerns. Umbildung der Kernmasse zu einem Knäuel, dessen Schlingen nach dem wieder hervorsprossenden Nebenkern gerichtet sind. Letzterer im Protoplasma ausserhalb der Kernhöble liegend, Zerfall des Knäuels unter Ausfüllung der Kernhöhle. Junge Spermatogonie. Kern mit Chromatinkörnchen und Faser- gerüst. , Nebenkern noch klein; Protoplasma spärlich. . 26-30. Entwicklung der Spermatide nach der letzten Thei- .. 26. ar. 28. 29. lung der Spermatocyten. Entwicklung des Nebenkerns aus dem Knäuel; innerhalb der Kern- höhle. Letztere durch Eindringen von Protoplasma undeutlich. Knäuel rund von der Wand der Kernhöhle losgelöst. Safraninprä- parat, daher Nebenkern hell. An Hämatoxylinpräparaton nur schwer sichtbar. Abschnürung des Nebenkerns. Dieser gross, nur noch durch eine aus zwei Fäden bestehende Verbindungsbrücke mit dem kleinen Kernrest verbunden. Nebenkern vom Kern getrennt; beide fast gleich gross. Kern das Fasergerüst und die Chromatinkörnchen zeigend. Schwund der Kernzeichnung; Auftreten eines hellen Flecks — Ein- stülpung. Fig. 30. Kern völlig homogen bis auf diesen Fleck. NB. Sämmtliche Figuren wurden bei der Vergrösserung von Zeiss, Ob- Jeetiv F, Ocular 2 aufgenommen und beim Zeichnen stark vergrössert ; doch sind die relativen Grössenverhältnisse völlig gewahrt. Archiv f. mikrosk, Anatomie. Bd, 26. 94 370 Michael von Lenhosseök: Untersuchungen über die Spinalganglien des Frosches. Von Michael von Lenhossek in Budapest. Hierzu Tafel XV und XVI. Die Zahl jener Abhandlungen, welche sich mit dem histolo- sischen Baue der Spinalganglien, namentlich aber ihrer Nerven- zellen befassen, hat sich im Laufe der vergangenen Jahrzehnte in geradezu imponirendem Maasse vermehrt. Ich würde mir meine Arbeit unnöthigerweise bedeutend erschweren, wollte ich alle jene Mittheilungen einer eingehenden Besprechung unterziehen, oder selbst nur kurz anführen. Es ist hierzu in der That kein hin- reichender Grund vorhanden, da einerseits ein Theil derselben in Folge der angewandten unzulänglichen oder verfehlten Unter- suchungsmethoden, nur in geringem Maasse unsere Kenntnisse zu fördern vermochte, andererseits aber bereits die ganze einschlägige Literatur eine vollständige Zusammenstellung und ausführliche Würdigung in Henle’s Neurologie !, in dem Prachtwerke von Key und Retzius „Studien in der Anatomie des Nervensystems und des Bindegewebes“ ?°) und schliesslich in den kleineren Abhandlungen von Freud?) und Ravitz*) fand. Indess halte ich es dennoch für zweckmässig, zum besseren Verständniss dessen, was ich mitzutheilen habe, vorerst in gedrängter Kürze 1) J. Henle, Handbuch der Nervenlehre. Braunschweig 1871. 2) A. Key und G@. Retzius, Studien in der Anatomie des Nerven- systems und des Bindegewebes. Zweite Hälfte, erste Abtheilung. Stock- holm, 1876. 3) S. Freud, Ueber Spinalganglien und Rückenmark des Petromyzon. Wiener akad. Sitzungsber., 1878. Bd. 78, Abth. 3, 8. 81. 4) B. Ravitz, Ueber den Bau der Spinalganglien. Archiv f. mikr. Anatomie, 1880. Bd. 18, S. 283. 4 Untersuchungen über die Spinalganglien des Frosches. 371 auf jene bedeutenden Fortschritte hinzuweisen, durch welche unser Wissen auf diesem Gebiete in neuester Zeit bereichert wurde. Unter diesen muss in erster Reihe die Feststellung jener Thatsache hervorgehoben werden, dass zwischen den Fischen und den übrigen Wirbelthierelassen, hinsichtlich der Structur ihrer Wurzelganglien, constant ein für den ersten Blick tiefgreifend er- scheinender Unterschied obwaltet. Während nämlich bei den ersteren die Nervenzellen dieser Gebilde durchweg oder in vor- berrschender Anzahl bipolar, d. h. mit zwei Fortsätzen versehen sind, besitzen sie bei den Amphibien, Reptilien, Vögeln und Säuge- thieren stets bloss einen Ausläufer, — sind also unipolar. Wie bekannt, wurde die Bipolarität dieser Nervenkörper bei den Fischen von drei Forschern, Robin), R. Wagner?) und Bidder?) im Jahre 1847 beinahe gleichzeitig und unabhängig von einander ent- deckt, und wurde die interessante Entdeckung, die die Physiologie recht gut verwerthen konnte, bald nach ihrer Veröffentlichung von vielen Seiten constatirt und allgemein anerkannt. Weitaus ver- wickelter gestaltet sich die Geschichte der unipolaren Ganglien- zellen der höheren Wirbelthiere und kann keineswegs in so kurzen Worten zusammengefasst werden. Zwar hatte schon Kölliker), einer der allerersten Untersucher auf diesem Gebiete, mit scharfem Auge die Unipolarität derselben richtig und sicher erkannt, allein kaum hatte er seine zutreffende Beobachtung veröffentlicht, als sie auch schon von Seiten vieler Histologen auf einen ebenso uner- warteten, wie kategorischen Widerspruch stiess. Und in der That können wir uns diesen ungünstigen Empfang leicht erklären, wenn wir bedenken, dass man im Sinne dieser neuen Beobachtung einen — dureh andere Erfahrungen nicht bekräftigten — physiologischen Unterschied zwischen den Cerebrospinalknoten der Fische und der übrigen Wirbelthiere anzunehmen genöthigt war, andererseits aber die Entdeekung selbst auf keine Weise mit der Idee, die man sich von der Funetion dieser Gebilde gemacht hatte, mit den 1) Ch. Robin, L’Institut, 1847. Nr. 687, 699. 2) R. Wagner, Neue Untersuchungen über den Bau und die Endi- gung der Nerven und die Structur der Ganglien. Leipzig 1847. 3) F. Bidder, Zur Lehre von dem Verhältniss der Ganglienkörper zu den Nervenfasern. Leipzig, 1847. 4) A. Kölliker, Die Selbstständigkeit und Unabhängigkeit des sym- pathischen Nervensystems. Zürich, 1844, $. 21. 379 Michael von Lenhossek: gangbaren physiologischen Theorien, in Einklang gebracht werden konnte. Seit der ersten und zugleich grundlegenden Beobachtung Kölliker’s bildete nun die Zahl der Ausläufer der in Rede stehen- den Nervenkörper viele Jahre hindurch einen steten Controvers- punkt für jene Forscher, die sich mit dieser Frage befassten. So- wohl die uni-, wie die bi- und multipolaren Zellen fanden ab- wechselnd ihre Verfechter und Bezweifler. Indess sollte uns der wahre Thatbestand nicht für immer verhüllt oder zweifelhaft bleiben, sondern hob sich allmählich aus dieser — wahrhaftig mit den widersprechendsten Angaben und Ansichten überfüllten — Fehde sieghaft hervor, und so können wir uns heutzutage schon aus der aufmerksamen Durchmusterung der neueren einschlägigen Literatur die Gewissheit verschaffen, dass die fraglichen Zellen bei allen Wirbelthieren, mit Ausnahme der Fische, thatsächlich bloss einen Fortsatz besitzen. Zu dieser Ansicht bekennen sich offen die meisten der neueren Forscher, und unter diesen Mikro- logen wie Schwalbe), Ranvier?), Key und Retzius°), deren Stimmen in ähnlichen wissenschaftlichen Fragen wohl zu den ge- wichtigsten gehören. Namentlich ist es das: Verdienst der beiden letzteren Gelehrten, durch ihre gemeinsam ausgeführten, breit an- gelegten und eine Fülle von Beobachtungen darbietenden Unter- suchungen der Sache der Unipolarzellen zum endgültigen Siege verholfen zu haben. Diese Frage hatte bereits auf jeden Zweifel ausschliessende Weise ihre Lösung gefunden, als im Jahre 1875 die Entwickelung unserer Kenntnisse in Betreff der Wurzelganglien durch eine inter- essante Entdeekung Ranvier’s*) einen mächtigen Aufschwung erhielt. Mit Hülfe einer geschiekten Präparationsmethode gelang es diesem nicht weniger glücklichen als genialen Forscher beim 1) G. Schwalbe, Ueber den Bau der Spinalganglien nebst Bemer- kungen über die sympathischen Ganglienzellen. Archiv f. mikrosk. Anatomie, 1868. Bd. 4, S. 45. — Derselbe, Handbuch der Neurologie. Erlangen, 1831. S. 802. 2) L. Ranvier, Des tubes nerveux en T et de leurs relations avec les cellules ganglionnaires. Comptes rendus de ’Academie des sciences. 1875, Tome 81, S. 1274. 3) Key und Retzius, a. a. O. 4) Ranvier, a. a. O, Untersuchungen über die Spinalganglien des Frosches. 373 Kaninchen nachzuweisen, dass der Ausläufer der unipolaren Nerven- zellen in den Spinalganglien dieses Thieres weder geraden Weges centralwärts, noch aber zur Peripherie verläuft, wie es die An- hänger der Unipolarität bis dahin nothwendigerweise annehmen mussten, sondern dass er sich, wenigstens in der Mehrzahl der Fälle, nach kürzerem oder längerem Verlaufe in eine Nervenfaser der sensitiven Wurzel senkt. Ranvier beschreibt seine Entdeckung folgendermaassen: „In der That gelang es mir einmal mit Hülfe der soeben geschilderten Methode eine schwache Nervenfaser auf- zufinden, an deren einem Ende eine Ganglienzelle hing, und die an der anderen Seite bis zu einer Nervenfaser zu verfolgen war, mit welcher sie in innigen Zusammenhang trat. Die entsprechende sensitive Faser zeigte hierbei folgendes Verhalten: sie nahm die von der Zelle kommende Faser bei einer Einschnürung auf, ohne ihre Richtung zu ändern, und behielt ganz einfach ihren geradlinigen Verlauf auch nach der Verbindungsstelle. Die Verschmelzung der Nervenfasern war bei dieser Einschnürung, welche drei interannu- lären Segmenten gemeinsam angehörte, eine vollkommene, zugleich kam an dieser Stelle eine dem Buchstaben T ähnliche Figur zu Stande (Tubes en T)“. Nachträglich, nachdem schon Ranvier’s Mittheilung allent- halben bekannt wurde, stellte es sich heraus, dass das Recht der Priorität nicht ganz diesem Forscher zukomme. Schon vor Jahren hatten nämlich einzelne, insbesondere deutsche Anatomen ähnliche Beobachtungen gemacht und die von Ranvier geschilderte „Ver- bindung“ unter dem Namen der „Nerventheilungen‘“ sowohl in den Spinalganglien, als theilweise auch in den Ganglien des Sympa- thieus beschrieben. Freud, der auf diesen Umstand zuerst auf- merksam machte, sammelte für seine Abandlung !) mit lobens- werthem Eifer alle jene Belegstellen aus Arbeiten älterer Autoren, welche sich auf den in Rede stehenden Punkt beziehen, und in der That gelang es ihm auch, eine stattliche Reihe von Citaten zu- sammenzustellen, in welchen allen ähnliche, allerdings aber höchst unzureichende Beobachtungen enthalten sind. Es sei mir erlaubt, von den hier angeführten Gewährsmännern als solche, die, wie es scheint, die Nerventheilung am schärfsten gesehen haben, bloss Stannius, R. Wagner, Küttner, namentlich aber Schramm KrEreud, aa. 0: 374 Michael von Lenhossek: zu erwähnen, welch’ letzterer weiter ging, als alle seine Vorgänger, ja sogar als Ranvier, indem er in seiner Abhandlung!) schon die Behauptung aufstellte, dass „sich mit wenigen Ausnahmen alle Fortsätze nach kürzerem oder längerem Verlauf theilen“. Ich über- lasse es dem Gerechtigkeitsgefühle des Lesers, zu entscheiden, ob all’ dies das Verdienst Ranvier’s zu schmälern berufen sei? "Meiner Ansicht nach müssen wir vor allem in Betracht ziehen, dass der französische Histolog keine Kenntniss von den diesbe- züglichen Angaben seiner Vorgänger hatte; andererseits aber wäre uns diese wichtige Thatsache ohne seine Mittheilung, wenigstens vorläufig, ganz und gar unbekannt geblieben, — keiner der ge- nannten Autoren vermochte nämlich seine, diesen Punkt betreffen- den Untersuchungen auf so sicherer Grundlage anzustellen, und in so glaubwürdiger und überzeugender Weise vorzutragen, dass die faktisch bestehende Nerventheilung jener Beachtung theilhaftig geworden wäre, welche sie in so hohem Maasse verdient. Ich denke, es ist nicht mehr als recht und billig, wenn sich die Entdeckung auch fürderhin an Ranvier’s Namen knüpft. Der erste, der die Angaben des französischen Forschers con- statiren konnte, war Retzius, und zwar that er dies zunächst nur für das Kaninchen, in seinem, in Gemeinschaft mit Key verfassten grösseren Werke 2), dann aber für eine grössere Reihe von Thieren in einer bald darauf erschienenen, selbstständig und mit grosser Sorgfalt ausgearbeiteten Abhandlung °). Als wesentlichste von den Resultaten, welche die letztere Arbeit in Betreff der Ranvier’schen Tubes en T aufweist, sollen hier folgende Angaben hervorgehoben werden: erstens, komme diese „Verbindung“, welche von ihrem Entdecker bloss für das Kaninchen nachgewiesen wurde, nicht nur bei diesem Thiere vor, sondern sei constant in allen Classen der Vertebraten — mit Ausnahme der Fische — anzutreffen, und zwar sowohl in den Spinalknoten, als auch in gewissen Ganglien der Gehirnnerven; zweitens, lassen die Axencylinder der an dieser 1) Schramm, Neue Untersuchungen über den Bau der Spinalganglien Würzburg 1864. S. 11. 2) Key und Retzius, a. a. O. 3) G. Retzius, Untersuchungen über die Nervenzellen der cerebrospi- nalen Ganglien und der übrigen peripherischen Kopfganglien, mit besonderer Rücksicht auf die Zellenausläufer. Archiv f. Anatomie und Physiologie. Anat. Abtheilung. 1880, S. 369. Untersuchungen über die Spinalganglien des Frosches. 375 Verbindung theilnehmenden Fasern in vielen Fällen ein derartiges Verhalten erkennen, dass man nicht so sehr von einer „Ver- einigung“, als vielmehr, wie es bereits die älteren Forscher gethan hatten, von einer wirklichen „Theilung des Zellenausläufers‘“ reden könne. Manche andere Behauptungen geringerer Wichtigkeit, die noch in dieser gediegenen Arbeit enthalten sind, sollen noch im Laufe meiner Abhandlung Erwähnung und Würdigung finden. Ravitz!), der sich bei seinen Untersuchungen anderer Methoden bediente, als Ranvier und Retzius, konnte wohl Theilungen auch auffinden, jedoch in sehr seltenen Fällen, so dass er der An- sicht ist, dass dieselben überhaupt in höchst geringer Anzahl vor- kommen und allenfalls eine untergeordnete Bedeutung haben. Die nächstfolgende Arbeit sollte wieder einen nicht unbe- deutenden Fortschritt in der Kenntniss der Spinalganglien bedeuten. Ich meine Freud’s interessante Abhandlung), welche uns eine ganze Reihe von neuen Thatsachen vorführte und gestützt auf dieselben auf geistreiche Weise neue Gesichtspunkte eröffnete. Eigentlich be- ziehen sich die in dieser Mittheilung niedergelegten Untersuchungs- resultate bloss auf den Petromyzon, indess können die wichtigsten derselben auch für die ganze Wirbelthierreihe verwerthet werden. Die Hauptergebnisse der Abhandlung lassen sich in Folgendem zusammenfassen: Freud fand, dass die Nervenzellen der Wurzel- sanglien des Petromyzon nicht, wie es bis dahin ausnahmlos für alle Fische angenommen wurde, ausschliesslich bipolar sind, sondern dass neben solchen hin und wieder auch unipolare zur Beobachtung gelangen. Der Fortsatz dieser selten vorkommenden Unipolar- zellen geht stets genau in der, von Ranvier für das Kaninchen geschilderten Weise in je eine Faser der hinteren Wurzel über, d. h. er theilt sich. Die ‚„dichotomische Theilung“ erfolgt nun nach kürzerer oder längerer Verlaufsstrecke; zuweilen findet man, dass sich der Fortsatz schon unmittelbar, nachdem er aus der Zelle hervorgetreten ist, spaltet; solehe Fälle kann man nach Freud als Uebergangsformen zu den Bipolarzellen betrachten. Bekräftigt wird diese Annahme durch jene Beobachtung, dass auch die ge- wöhnliehen, mit zwei Fortsätzen ausgestatteten Zellen nicht alle oppositopolar sind, wie es von den meisten Forschern geschildert 1) Ravitz, a. a. O., S. 290. 2), BE reud;.a.12.10, 376 Michael von Lenhossek: wurde, d. h. dass ihre Ausläufer nicht immer an zwei diametral entgegengesetzten Punkten ihrer Peripherie entspringen, sondern ziemlich oft an derselben Seite, ja in manchen Fällen sogar hart nebeneinander. Vereinigt man nun diese beiden Beobachtungs- reihen, so lassen sich — wie es Freud überzeugend dargestellt hat — leicht alle Uebergangsformen von den oppositopol-bipolaren zu jenen Unipolarzellen zusammenstellen, deren Fortsatz erst nach verhältnissmässig langem Verlaufe eine Theilung zeigt. Als Con- sequenz all’ dieser Thatsachen und zugleich als Hauptergebniss seiner Forschungen stellt nun Freud jene Behauptung hin, dass zwischen den unipolaren und bipolaren Spinalganglienzellen der Fische und der höheren Wirbelthiere kein prineipieller Unter- schied bestehe. Leider wurden die so wichtigen Angaben Freud’s in Betreff des Petromyzon bis jetzt noch durch Niemanden constatirt. Retzius!) suchte umsonst bei einem anderen Repräsentanten der Monorrhina, bei Myxine glutinosa, sowohl mittelst der durch Freud benützten, als auch mit anderen Methoden nach den von diesem Forscher beschriebenen Unipolarzellen, er „will jedoch die Möglichkeit des Vorkommens solcher Zellen bei Myxine glutinosa gar nicht ver- neinen, obwohl sie ihm bis jetzt entgangen sind.“ Es erübrigt nunmehr die letzte Abhandlung von Belang an- zuführen, welche meines Wissens in Bezug auf die Structur der Spinalganglien erschienen ist. Es ist dies abermals eine kurze Mittheilung Ranvier’s?), der sich aber in dieser Arbeit nur mit einigen feineren Detailverhältnissen von geringerer Wichtigkeit befasst, so dass ich von der ausführlichen Besprechung derselben füglich absehen kann. Es mag hier nur das Eine hervorgehoben werden, dass sich Ranvier in dieser Abhandlung, seine früheren Angaben verbessernd, geneigt zeigt, in der von ihm beschriebenen Vereinigung eine wirkliche Theilung des Ausläufers zu erblicken. Bei dem geschilderten Stande unserer Kenntnisse schien es mir in jeder Hinsicht der Mühe werth, die Spinalganglien einer eingehenden Untersuchung zu unterziehen. Ich gestehe, dass die Frage, deren Lösung mir als Hauptzweck meiner Bemühungen vor Weietzius, a... 0. S. 377. 2) L. Ranvier, Sur les ganglions cerebro-spinaux. Comptes rendus de l’Academie des sciences, 1882. S. 1167. Untersuchungen über die Spinalganglien des Frosches. 377 Augen schwebte, dieselbe war, welche Freud zu seinen Unter- suchungen angeeifert hatte: ob nämlich auf anatomischer Grund- lage jener scheinbar schroffe Unterschied, den die in Rede stehen- den Nervenzellen der Fische und der übrigen Wirbelthiere zeigen, sich redueiren oder erklären liesse, ob die schon a priori höchst wahrscheinliche Analogie zwischen den Ganglien dieser Thiere durch direete histologische Beobachtung nachgewiesen werden könne? Ravitz!) ist der Meinung, dass diese Frage am ehesten durch die auf diesen Punkt gerichtete Durchforschung vieler, auf verschiedenster Stufe der phylogenetischen Stufenleiter stehenden Thierspecies gelöst werden könne. Allein, da die angeführten Untersuehungen von Retzius, welche, trotzdem dass sie an zahl- reichen Thiergattungen angestellt wurden, in dieser Beziehung kein fassbares Resultat lieferten, ein unverkennbares Zeugniss da- von ablegten, dass diese Hoffnung eine grundlose, diese Annahme eine irrige war, — hielt ich es für weitaus zweckmässiger, gerade im Gegentheile die Spinalknoten einer einzigen Species zum Gegen- stande einer sorgfältigen Untersuchung zu machen, und zugleich die daselbst gefundenen Verhältnisse möglichst systematisch, in derselben Weise, wie es bisher nur für den Petromyzon durch Freud gethan wurde, darzustellen. Als Untersuchungsobjeet wählte ich mir unser gewöhnlichstes histologisches Hausthier, den Frosch (und zwar benutzte ich stets Rana eseulenta). Dieses Thier bietet für unsere Zwecke, abgesehen davon, dass es dem Forscher zu allen Zeiten zur Verfügung steht, mannigfache Vorzüge, welche die Ueberwindung der, eben auf diesem Gebiete der Forschung in grosser Anzahl sich anhäufenden technischen Schwierigkeiten nicht unbedeutend erleichtern. Ausserdem zeigte mir schon eine ober- flächliche Durchmusterung der einschlägigen Literatur, dass hin- sichtlich der von mir in erster Reihe bezweckten Frage, die hier ermittelten Resultate auch betreffs der übrigen höheren Wirbel- thiere für maassgebend gehalten werden dürfen; ja andere — ich gestehe, ziemlich oberflächliche — Untersuchungen, die ich schon früher an den Spinalganglien des Kaninchens und der Katze an- gestellt hatte, verschafften mir die Ueberzeugung, dass die Ver- hältnisse auch in manchen anderen Punkten bei diesen Thieren und beim Frosche annähernd dieselben sein dürften. Indess will ich die 1) Ravitz, a. a. O. S. 301. 378 Michael von Lenhossek: Verantwortung für das, was ich behaupte, zunächst nur bezüglich des Frosches auf mich nehmen. Die Studien, deren Ergebnisse ich im Nachstehenden mit- theile, habe ich im physiologischen Institute der Budapester Uni- versität gemacht. Ich ergreife mit Freuden die Gelegenheit, dem hochverehrten Leiter dieser Musteranstalt, Herrn Prof. Eugen von Jendrässik meinen innigsten Dank für die überaus gütige Be- reitwilligkeit auszusprechen, mit welcher er mir alle technischen und zum Theile auch die literarischen Hülfsmittel, die ich zur Be- werkstelligung meiner Untersuchungen nöthig hatte, zur Verfügung stellte. Die meisten jener Forscher, die sich mit dem Bau der Wur- zelganglien befassen, beginnen ihre Abhandlungen mit der Be- merkung, die bei manchen zugleich als Entschuldigung für die Dürftigkeit des Gebotenen dienen soll, dass die Forschung bei diesem Theile der Histologie auf bedenkliche Schwierigkeiten stosse. Und in der That kann sich der Nachuntersucher bald Gewissheit _ von der zweifellosen Wahrheit dieses Satzes verschaffen. Ich führe das an, um mich zu rechtfertigen, wenn ich die von mir befolgten technischen Methoden etwas weitläufiger beschreibe, als es in ähnlichen histologischen Arbeiten in der Regel der Fall zu sein pflegt. Gleich zu Beginn meiner Untersuchungen wurde es mir klar, dass es hauptsächlich ein Reagens ist, mit Hülfe dessen wir am leichtesten zu einem richtigen Verständnisse des Gefüges der Ganglien gelangen dürften, und das ist die Ueberosmiumsäure. Vorzüge sowohl wie Wirkungsweise dieses Hülfsmittels sind hin- länglich bekannt; trotzdem will ich, auf die Gefahr hin, oft Be- schriebenes zu wiederholen, die Wirkung desselben speciell auf die Ganglien mit einigen Worten schildern. Diese besteht darin, dass einmal die in den letzteren enthaltenen Nerven- und Binde- sewebselemente eine bedeutende Resistenz erhalten, zweitens aber gleichzeitig scharf differenzirt gefärbt werden, indem die Myelin- scheide der Nervenfasern eine dunkelbraune bis intensiv schwarze, der Axeneylinder derselben, ebenso wie der Körper der Ganglien- zellen und das Interstitiellgewebe eine hellere, gelbbraune Färbung annimmt. Einige Autoren lassen den Zellenleib der Ganglien- körper bei Anwendung dieses Mittels total zusammenschrumpfen oder gar in Stücke zerfallen; meinen eigenen Beobachtungen ge- Untersuchungen über die Spinalganglien des Frosches. 379 mäss kann ich diese Behauptung als eine irrthümliche bezeichnen und muss hervorheben, dass es mir im Gegentheile bloss mit Hülfe dieser Präparationsflüssigkeit gelang, die Zellen in ihrer wahren Gestalt zu fixiren und zugleich einzelne ihrer feineren Verhältnisse zu eruiren. Ranvier und Retzius wandten bei ihren erfolgreichen Untersuchungen ausschliesslich dieses Reagens an; auch ich musste, nachdem ich schon eine Anzahl anderer Här- tungs- und Färbungsflüssigkeiten versucht hatte, zur Ueberosmium- säure zurückkehren, deren ich mieh auch im Laufe meiner For- schungen in erster Reihe bediente. Nebst dem fand ich es zweck- mässig, in manchen Fällen die Goldehloridfärbung zu gebrauchen, vornehmlich zur Ermittelung gewisser feineren Eigenschaften der Nervenzellen. Von den Spinalganglien des Frosches empfehle ich als vor- theilhafteste Untersuchungsobjeete das siebente, achte und neunte Ganglion, deren Nerven in Gemeinschaft mit dem unbedeutenden zehnten den mächtigen Nervus ischiadieus bilden. Die Vorzüge dieser Knoten liegen darin, dass sie nicht zu klein und eben des- _ halb, sowie schon in Folge ihrer Lage am leichtesten herauszu- präpariren sind, und schliesslich dass die ihnen zugehörigen Wur- zeln und Rückenmarksnerven eine grössere Länge haben, was auch einigen, in der Praxis, bald zu erkennenden Vortheil gewährt. Ich glaube, es ist nicht ganz überflüssig, wenn ich, um die Arbeit demjenigen zu erleichtern, der sich von der Stichhaltigkeit des in vorliegender Abhandlung Enthaltenen selbst überzeugen will, die Art und Weise mittheile, wie die Ganglien am einfachsten heraus- genommen werden können. Das Verfahren besteht in Folgendem; man tödtet den Frosch durch Durehschneidung seines Rückenmarks an hoher Stelle, öffnet dann die Bauchhöhle und entfernt ihren Inhalt, sowie die zarte vordere Wand des grossen Panizza’schen Lymphsackes, die sogenannte Membrana retroperitonealis. Jetzt, da die Wirbelsäule entblösst vor dem Beobachter liegt, wird jene schwache Schichte hyalinen Knorpels, welche den 9. Wirbel mit dem Steissbein verbindet, mittelst Scheere quer durehsehnitten, wo- durch ermöglicht wird, dass man, nachdem das Os coceygis etwas nach hinten gedrängt und so die Wirbelsäule an der unteren Durch- schnittsstelle gekniekt wurde, auf leichte Weise mit der Scheere in den Vertebralcanal gelangen kann. Dieser letztere wird sodann seiner ganzen Länge nach eröffnet und zwar einfach durch Entfernung 380 Michael von Lenhossek: ‘ der Wirbelkörper, die seine vordere Wand bilden. Nach all’ dem erübrigt nunmehr, dass man die, mitsammt ihren Wurzeln und Nerven sichtbar und zugänglich gemachten Ganglien, welche meis- tens durch straffes Bindegewebe an die Peripherie der Interver- tebrallöcher geheftet erscheinen, von ihrer Unterlage frei heraus- präparire und sie dann mit je einem Stücke der entsprechenden Wurzeln und Nerven hervorhebe. Es ist zweckmässiger, die los- gelösten Knoten nur oberflächlich von ihren fibrösen Kapseln und den ihnen anhaftenden Kalkorganen zu reinigen, da man bei einer gründlichen oder weniger behutsamen Entfernung derselben in den meisten Fällen der Eventualität ausgesetzt ist, dass auch die ober- - flächlichsten Ganglienzellenschichten mitgerissen werden. Nun kommen die Ganglien in toto in Ueberosmiumsäure. Mit Vorliebe bediente ich mich bei meinen Untersuchungen einer 1—1,5°/,-igen Lösung dieses Metalls und liess die Ganglien bis zu ®/, Stunden in derselben liegen. Es ist dies gewiss eine nichts weniger als zarte Behandlungsweise, allein ich konnte mich über- zeugen, dass sich dieses Verfahren in vielen Beziehungen als vor- theilhaft darbietet. Man erreicht bloss auf diese Weise, dass das Osmium die kleinen aber compacten Gebilde ganz durchdringt und dass sich so ihre erwünschte Wirkung nicht nur in den periphe- rischen, sondern auch in den mehr axial gelegenen Theilen der- selben geltend macht, andererseits aber ist eine solche Concentra- tion und Einwirkungsdauer der zur Anwendung kommenden Ueber- osmiumsäure nöthig, auf dass die in den Ganglien enthaltenen Ele- mente mit jener Intensität gefärbt werden, welche eine deutliche Beobachtung des Verlaufes und der Theilungen der Nervenfasern, sowie des Verhältnisses derselben zu den Ganglienzellen ermöglicht. Die auf diese Weise behandelten Ganglien können nun zwei verschiedenen Präparationsverfahren unterworfen werden. Ent- weder man zerlegt sie in eine Reihe von in beliebiger Richtung angelegten Schnitten, um ihre Elemente — freilich zumeist nur die Bruchstücke derselben — in ihrer natürlichen gegenseitigen Lage zu untersuchen, oder aber man bedient sich der Zerzupfungs- methode, bei welcher die Isolirung der histologischen Bestandtheile der Knoten auf mechanische Weise, durch Nadeln angestrebt wird. Was die erstere Methode betrifft, so muss ich nachdrücklich be- merken, dass ihr Werth für die Erforschung der fraglichen Gang- lien bedeutend unterschätzt wurde. Trotzdem, dass diese Methode Untersuchungen über die Spinalganglien des Frosches. 381 bei einigen der neueren Autoren, so namentlich bei Ravitz und Freud einer durchaus abfälligen Kritik begegnete, liess ich es mir dennoch angelegen sein, dieselbe zunächst nur versuchsweise anzuwenden. Hierbei fand ich nun, dass wir in der Anfertigung von Schnitten aus bereits mit Osmium passend behandelten Gang- lien eine ausgezeichnete Methode besitzen, mit Hülfe deren es uns ein Leichtes wird, nicht nur über manche, die Architeetur dieser Organe auf's Innigste berührende Punkte, sondern auch über Fragen, deren Lösung man bisher bloss durch Zupfpräparate zu erlangen hoffte, — in’s Reine zu kommen. Die grösste Sorgfalt muss hier darauf verwendet werden, dass die gezogenen Schnitte exact Längs- oder Querschnitte seien, da schief angelegte Segmente, wie ich es aus eigener Erfahrung versichern kann, leicht die Quelle verschie- dener Irrthümer werden können. Zweckentsprechende Schnittprä- parate lassen sich — meiner Erfahrung gemäss — nur dadurch herstellen, dass man die schon genügend gehärteten Knoten (doppelt- chromsaures Kali, später Alkohol) in eine durchsichtige oder zumindest durchscheinende Einbettungsmasse giebt, wodurch es ermöglicht wird, die Richtung der Schnittführung genau zu con- troliren. Eine solche Masse bot sich mir in Flemming’s Trans- parentseife, aber noch mehr zufriedenstellend in dem, neuestens von Schiefferdecker!) empfohlenen, ausgezeichneten Oelloidin. Mit Hülfe dieser Masse, sowie eines Reichert’schen Schlittenmikro- tomes, dessen Objecthälter — wie bei allen ähnlichen Schneide- apparaten — in jeder beliebigen Richtung bewegbar und in je- der Lage einstellbar ist, gelang es mir nicht weniger instructive als hübsche Präparate herzustellen. Die Schnitte habe ich zumeist gleich nach ihrer Anfertigung in Glycerin untersucht und nur einige- male gefärbt, wobei ich sie lege artis mit absolutem Alkohol und Oleum Origani behandelte. Durch Zerzupfung von Ganglien, die nur einfach der Ein- wirkung der Ueberosmiumsäure ausgesetzt worden sind, vermochte ich in keinem Falle selbst nur halbwegs genügende Resultate zu erzielen. Namentlich konnte ich bei dieser Präparationsweise die Nervenzellen nie mit einem längeren Stücke ihres Ausläufers iso- 1) P. Schiefferdecker, Ueber die Verwendung des Celloidins in der anatomischen Technik. Arch. f. Anatomie und Physiologie. Anat. Abtheilung, 1882. S. 198. 382 Michael von Lenhosseck: liren, und ieh muss gestehen, dass es mir einigermaassen uner- klärlich ist, wie sich Retzius mit diesem unzulänglichen Ver- fahren begnügen konnte. Indess gelang es mir, sehr befriedigende lsolationspräparate zu erhalten, wenn ich die bereits mit Ueber- osmiumsäure behandelten Knoten nachträglich noch in eine gleiche Mischung von concentrirter Essigsäure und Glycerin legte. Die erstere, — deren Wirkung hier hauptsächlich in Betracht kommt — unterscheidet sich von den meisten in der Histologie zu ähn- lichen Zwecken zur Anwendung kommenden Säuren darin, dass sie das Osmium aus den mit demselben imprägnirten Objecten kaum 'herauszieht, wobei sie aber in hohem Maasse jene, in unserem Falle höchst vortheilhafte Wirkung hat, dass sie das Interstitiell- gewebe der Organe bedeutend lockert. So finden wir bei dieser Behandlungsweise die Verbindung der Nervenfasern und Ganglien- zellen der Spinalknoten untereinander schon nach 3—4 Tagen, zu- mal, wenn wir die Wirkung der Essigsäure noch dadurch erhöht und beschleunigt haben, dass wir die Flüssigkeit mitsammt den Ganglien einen Tag hindurch einer gleichmässigen Temperatur von 35—40° C. aussetzten, dermaassen aufgelockert, dass schon leichte Zerzupfung, häufig sogar ein mässiger, auf das Deckgläs- chen ausgeübter Druck genügt, um Präparate herzustellen, wie man sie besser nicht wünschen kann. Soviel über jenes Präparationsverfahren, welchem ich die im Nachstehenden mitzutheilenden Ergebnisse verdanke. Wie bei allen Wirbelthieren, entspringen auch beim Frosche die Spinalnerven mit zwei Wurzeln, einer vorderen und einer hin- teren, oder um jene Bezeichnungen zu gebrauchen, welche auf die physiologischen Charaktere derselben hinweisen, mit einer motori- schen und einer sensitiven. Diese beiden Wurzeln treten nun nach kürzerem oder längerem Verlaufe aneinander, verschmelzen und bilden durch ihre Vereinigung einen gemeinschaftlichen Nerven- stamm: den gemischten Rückenmarksnerven. Die hintere derselben lässt auch hier, ebenso wie constant bei allen Vertebraten, eine mässig starke, ovale, gelbliche Anschwellung erkennen; es ist dies jenes Gebilde, welches abwechselnd Spinal-, Intervertebral-, oder auch Wurzelganglion genannt wird, und mit welchem wir uns nun Untersuchungen über die Spinalganglien des Frosches. 385 eingehender befassen wollen. Gleich an dieser Stelle muss ich eine Beobachtung einschalten, die ich nirgends angeführt finde: dass nämlich beim Frosche der Knoten nicht nur auf den, am meisten distal, d. h. am entferntesten vom Rückenmarke liegenden Theil der sensitiven Wurzel zu liegen kommt, sondern theilweise — und zwar fast immer mit der distalen Hälfte — sich auch auf den gemeinschaftlichen Nerv erstreckt. Um nicht in Zweifel dar- über zu bleiben, ob es sich hier wirklich schon um den gemein- schaftlichen Stamm handle, oder ob hier nicht etwa die beiden noch selbstständigen Wurzeln einfach durch Bindegewebe anein- ander geheftet seien, empfiehlt es sich, die Sache an Längsschnitten zu untersuchen. An solchen Präparaten überzeugt man sich, dass jenes Nervenstück, welchem die distale Hälfte des Ganglion anzu- sehören scheint, den Namen des Spinalnerven in der That schon verdient, da das Verschmelzen der Wurzeln an dieser Stelle sich als ein vollkommenes zeigt, d. h. jene lamellenartige Fortsetzung der Nervenscheiden, welche eine ganz kurze Strecke hindurch eine Scheidewand zwischen den beiden, bereits fest zusammenhängen- den Wurzeln bildet, hierselbst schon verschwunden ist. Allein bei dieser mikroskopischen Untersuchung ergiebt sich zugleich, dass die in den Wurzeln enthaltenen Nervenfasern nicht gleich, nach- dem sie zusammentrafen, ein Geflecht bilden, sondern dass sie eine Weile, ohne ihre Richtung zu ändern, nebeneinander weiter ver- laufen, und so lässt es sich auf das Leichteste und mit voller Sieherheit ermitteln, dass die Ganglienzellen bloss zu jenen Fasern in Beziehung stehen, welche als Fortsetzung der hinteren Wurzel in den Spinalnerv treten, — mithin also auch hier die Verhältnisse diesbezüglich ganz dieselben sind, wie bei den übrigen Verte- braten. Die Ganglien sind mit einer starken, fibrösen Kapsel ver- sehen, welche die Fortsetzung der Rückenmarkshüllen bildet, zu- gleich aber als eine verdiekte Perineuralscheide angesehen werden kann. Das mikroskopische Bild dieser Kapsel lässt in Bezug auf ihre Structur Folgendes feststellen: sie besteht aus parallel und wellig verlaufenden Fibrillen und enthält eine ziemlich grosse An- zahl fixer Bindegewebszellen, sowie hie und da dunkelbraunes Pigment, welehes sowohl in feinen Körnern zerstreut, als auch in der Form von derben Schollen und unregelmässig verzweigten Körpern erscheint. Die stärkste Entwickelung und zugleich die 384 Michael von Lenhossek: am meisten faserige Beschaffenheit lässt dieselbe bei dem grossen 2. Ganglion (Nervus brachialis) erkennen, woselbst ihre Dicke oft 0,15 mm misst. Nicht überall liegt die Kapsel den Knoten fest an, indem sich zwischen die beiden, entsprechend dem proximalen Theile der Ganglien, ein drüsenartiges Organ hineinschiebt, um eine Partie der letzteren zu umfassen. Diese kleinen Gebilde sind unter dem Namen der „Kalksäckchen‘“ längst bekannt und sollen später ausführlich behandelt werden. Wenn wir uns nun der Structur der Ganglien selbst zuwen- den, so müssen wir vor Allem die Thatsache hervorheben, dass dieselben, ihr interstitielles Bindegewebe sowie ihre spärlichen Blut- gefässe abgerechnet, aus Nervenfasern und Ganglienzellen bestehen. Diese letzteren sind es hauptsächlich, deren Stärke, Anzahl und Anordnung die Grösse und Gestalt der Knoten bestimmt. Es scheint mir nicht überflüssig, das, was sich über die Lage, über die topographischen Verhältnisse der Zellen ermitteln liess, in kurzer Schilderung zusammenzufassen, umso mehr, da eben dieser Punkt von den über Spinalganglien handelnden Autoren wenig berücksichtigt wurde. So viel ich weiss, ist Schwalbe!) bis jetzt der Einzige, der sich die Mühe nahm, diese Verhältnisse nieht nur bei höheren Wirbelthieren, sondern auch beim Frosche einer eingehenden Untersuchung und Beschreibung theilhaftig wer- den zu lassen. Die Ganglienzellen können mit Rücksicht auf ihre Anord- nung in zwei Gruppen getheilt werden; ein ungleich geringerer Theil derselben liegt nämlich zerstreut zwischen den durch das Ganglion hindurchlaufenden sensitiven Fasern, während der bei Wei- tem grössere Theil dieser Zellen der hinteren Wurzel nur als eine starke Schichte anliegt und um dieselbe gleichsam einen geschlos- senen Mantel oder Ring bildet. Das numerische Verhältniss zwischen den Elementen beider Gruppen ist ein derartiges, dass wir in der That kaum übertreiben, wenn wir behaupten, es werde eigentlich das ganze Ganglion durch die zweite Zellengruppe gebildet, wäh- rend den in den Verlauf der Wurzel eingelagerten Nervenkörpern wegen ihrer verschwindend kleinen Anzahl keine Bedeutung zu- komme. Sehen wir zunächst nach der den Mantel darstellenden stär- 1) Schwalbe, a. a. O, Untersuchungen über die Spinalganglien des Frosches. 385 keren Zellengruppe. Schwalbe!) berichtet über dieselbe Folgen- des: „Beim Frosche liegt die Ganglienmasse, obwohl mit der sen- sitivren Wurzel auch fest verbunden, doch nur dem hinteren Theile derselben an, während nach der Seite der motorischen Wurzel zu die Nervenfasern während ihres ganzen Verlaufes frei bleiben.“ Diese Darstellung stimmt also nicht ganz mit dem überein, was ich gefunden habe; ich konnte mich nämlich, wie ich es schon angedeutet habe, auf das Sicherste überzeugen, dass diese äussere Zellenmasse die hintere Wurzel allseitig in Gestalt eines geschlos- senen Mantels umgiebt, indess muss ich zugeben, dass dieselbe an der hinteren Seite der Wurzel eine bedeutend stärkere Entwicke- lung zeigt, als an der vorderen, der motorischen Wurzel zunächst liegenden, auf welche sie sich als eine ungleich schwächere, all- mählich sich verdünnende Lage fortsetzt. Dieser vordere Theil der Zellmasse wurde von Schwalbe, wie es aus seinen soeben eitirten Worten ersichtlich ist, — offenbar in Folge ihrer geringen Dieke — ganz übersehen. Werfen wir einen Blick auf den sagit- talen Längsschnitt eines Ganglion, wie ihn Fig. 1 darstellt. Hier zeigt sich der aus Zellen bestehende Mantel in zwei, zu beiden Seiten der Wurzel gelegene Segmente getheilt. Das vordere derselben erscheint höchst unbedeutend, besteht aus nicht mehr, denn 1—2 über einander liegenden Zellreihen und ist zugleich um die Hälfte kürzer, als das ihm gegenüber befindliche starke hintere Segment, indem es bloss von der proximalen Grenze des Ganglion an bis zu jenem Punkte reicht, wo sich die motorische Wurzel der sensi- tiven anlegt, wo demnach der gemischte Spinalnerv seinen Anfang nimmt. Das hintere Segment hingegen bildet an solchen Präpa- raten einen kräftigen Hügel, der sich, wie es bereits aus dem oben Beschriebenen folgt, mit einer Hälfte auf den gemeinschaftlichen Stamm erstreckt, und im Ganzen und Grossen die Form eines mehr weniger symmetrisch gestalteten Halbmondes besitzt, welche Form dadureh zu Stande kommt, dass die Basis des Hügels durch eine bogenförmig verlaufende, nach hinten mässig convexe Linie dar- gestellt wird. Von besonderem Interesse ist die Thatsache, dass die Gestalt dieses Halbmondes bei den verschiedenen Knoten nicht ganz dieselbe ist. Während nämlich bei den oberen Ganglien (am besten zu sehen bei dem 2.) der höchstgelegene Punkt des Hügels 1) Schwalbe a. a. O. S. 48. Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 26, 25 386 Michael von Lenhosse&k: sehr nahe zu dem proximalen Ende desselben zu liegen kommt und dem entsprechend der Hügel centralwärts von der hinteren Wurzel scharf abgesetzt erscheint und mit einer ziemlich steilen Linie beginnt, nach aussen aber sich allmählich verflacht, — er- halten wir bei den unteren Nervenknoten ein gerade entgegenge- setztes Bild; hier fällt der Punkt der grössten Erhöhung eben auf den distalen Theil des Hügels, und natürlich ist auch der dem Rückenmarke zugekehrte Abhang des letzteren dermaassen sanft, dass es schwer hält, mit freiem Auge den Anfang des Gan- glion pünktlich zu bestimmen, in peripherer Richtung dagegen endigt hier der Hügel mit einer jähen Linie, welche beinahe senkrecht auf die Längsaxe des Nerven gerichtet ist. Die den Uebergang zwischen diesen beiden Formationen vermittelnde Gestalt, wo die hintere Zellenmasse auf dem Längsschnitt durch eine annähernd regelmässige Halbmondfigur repräsentirt wird, kommt bei den schwachen 5., 6. und 7. Knoten vor. Wenn wir also den hier ge- fundenen Unterschied kurz und treffend schildern wollen, so kann es am besten mit folgenden Worten geschehen: während bei den oberen Ganglien die Nervenzellen in grösster Anzahl im proximalen Abschnitt derselben angehäuft sind, finden sie sich bei den unteren gerade im distalen Theile in grösster Menge. Die Bilder, welche wir an Querschnitten erhalten, lassen hin- sichtlich der Anordnung der Nervenzellen, wie es schon aus dem Mitgetheilten hervorgeht, je nach der Schnittstelle sowie nach den Ganglien, aus welchen sie angefertigt wurden, Verschiedenheiten erkennen. Zerlegen wir die Knoten von der Rückenmarksseite her, d. h. von innen nach aussen in eine continuirliche Schnitt- reihe, so finden wir auf den ersten Schnitten die hintere Wurzel von einem vollständigen Ringe umgeben, welcher an einer Seite — und zwar nach hinten — von beträchtlicher Dicke ist, nach vorn aber sich allmählich verschmälert. Kaum sind wir indess über die Mitte des Ganglion gekommen, als sich auch schon das Bild plötzlich ändert; an Stelle des aus Zellen zusammengesetzten Ringes erscheint nun eine halbmondförmige Figur, die Ganglienzellen be- schränken sich bloss auf die hintere Seite der Wurzel, während die vordere Seite derselben ganz frei bleibt. Es zeigt sich hier demnach jenes Verhalten, welches Schwalbe für das ganze Frosch- ganglion für charakteristisch hielt. Ich glaube, es bedarf nach all’ dem, was ich bereits oben mitgetheilt habe, keiner besonderen Untersuchungen über die Spinalganglien des Frosches. 387 Erklärung, weshalb von jenen Präparaten, welche aus den oberen Ganglien in der bezeichneten Reihenfolge hergestellt wurden, stets die ersten die meisten Ganglienzellen enthalten, bei den den un- teren Ganglien entnommenen hingegen das Verhältniss ein entgegen- gesetztes ist, d. h. die letzten Schnitte die reichste Ansammlung von Ganglienkörpern erkennen lassen. Eine nicht uninteressante und ziemlich häufig vorkommende Varietät besteht darin, dass sich einige Zellen (2—3, mitunter mehr) vom Zellenhügel an seiner am meisten convexen Stelle gleichsam herablösen und isolirt zwischen den wellig verlaufenden Fasern der bindegewebigen Kapsel, seltener zwischen den Schläuchen der zu beschreibenden Kalkdrüse angetroffen werden. So zeigte auch jener Längsschnitt, welcher der bereits erwähnten Fig. 1 als Vor- lage diente, zwei solche freistehende Zellen. Schon den ersten Forschern, die sich mit der Histologie der Spinalganglien befassten, war es bekannt, dass die Zellen der- selben nieht von gleicher Grösse seien. In verschiedenen Rich- tungen geführte Schnitte liefern übereinstimmend den Nachweis, dass hier die verschieden starken Nervenkörper nicht willkürlich in buntem Durcheinander beisammen liegen, sondern dass die- jenigen, welche gleich gross sind, regelmässige Lagen miteinander bilden und stets in bestimmten Theilen der Ganglien vorkommen. Ja es zeigt sich in diesem Verhalten sogar eine solche Gesetz- mässigkeit, dass es keineswegs gewagt erscheinen würde, den Zellenmantel mit Rücksicht auf die Grösse seiner Elemente in ge- wisse Schichten zu theilen. Meine Untersuchungen ergeben in dieser Beziehung folgende Resultate. Die grössten Zellen kommen beständig in der mittleren Zone des Mantels vor; der Durchmesser derselben beträgt bei den unteren Ganglien 90 « im Mittel, bei den oberen, deren Zellen im Allgemeinen etwas kleiner sind, bloss 80 u. Diese Schiehte ist es, in welcher man hin und wieder jene auffallend mächtigen Zellen trifft, deren Längsdurchmesser oft 0,1 mm und darüber misst, und die überhaupt zu den grössten Zellen des Frosehorganismus gehören. Freilich muss ich hinzu- setzen, dass hierselbst stellenweise neben den gewöhnlichen starken Zellen auch kleinere vorkommen, ich kann jedoch versichern, dass die Zahl derselben eine verhältnissmässig so geringe ist, dass sie keineswegs den in Obigem geschilderten Gesammteindruck zu be- einträchtigen vermögen. Die am meisten oberflächlich gelegenen 388 Michael von Lenhossek: Ganglienzellen sind durchschnittlich um etwas kleiner, als jene der mittleren Sehiehte, ihre Länge beträgt zumeist 70—75 u, zugleich finden wir, dass sie sich auch durch ihre Gestalt einigermaassen von den letzteren unterscheiden; sie sind nämlich — abweichend von den mehr rundlichen Nebenkörpern der mittleren Zone — von einer der elliptischen sich nähernden Form, wobei ihr Längs- durchmesser stets der Oberfläche und der Längsaxe der Knoten parallel verläuft. Der Grössenunterschied zwischen den äussersten und den etwas tiefer gelegenen Zellen des Mantels kann also, wenn derselbe auch constant nachweisbar ist, allenfalls nur ein unbedeutender genannt werden. Von beiden Zellenarten unter- scheiden sich aber scharf, hinsichtlich ihrer Grösse, jene Zellen, welche die allertiefste Lage des Mantels bilden, d. h. schen un- mittelbar mit den Fasern der hinteren Wurzel in Berührung stehen. Diese sind nämlich ganz besouders klein, sie erreichen in der Mehrzahl der Fälle kaum die Länge von 30—35 u, ja es kommen sogar manche unter ihnen vor, die bloss 10 u gross, oder noch um einige ıı kleiner sind. Wie gesagt; bilden diese Zellen die Grenz- schichte zwischen Zellenmantel und Nervenfasern; einige von ihnen drängen sich gruppenweise zwischen die äusserst gelegenen sensi- tiven Fasern, so dass es sich bei näherer Betrachtung ergiebt, dass die innere Grenzlinie des Mantels eigentlich nieht so scharf ist, wie es bei Anwendung schwacher Linsen den Anschein hat. Ich will noch hervorheben, dass diese winzig kleinen Nervenzellen ohne eontinuirliche Uebergangsformen neben den grossen Nerven- körpern der benachbarten mittleren Zone liegen. Schliesslich er- wähne ich, dass auch die beiden Endtheile der Ganglien, oder wenn wir den Längsschnitt vor Augen halten, die proximale und distale Spitze des Halbmondes durch solche kleine Zellen gebildet wird; an der vorderen, der motorischen Wurzel zugekehrten Fläche der Ganglien fehlen sie indess vollständig, wo die in spärlicher Zahl vorhandenen Zellen alle zu den mittelgrossen gehören. Was nun die zweite Gruppe der Zellen, nämlich die zwischen den sensitivenFasern gelagerten anlangt, so muss ich noch- mals bemerken, dass sie sich beim Frosche sowohl hinsichtlich ihrer Zahl wie ihrer Grösse als sehr schwach vertreten darstellen, im Gegensatze zu den’höheren Wirbelthieren, wo sie auch relativ in viel grösserer Anzahl angetroffen werden und die bereits von Untersuchungen über die Spinalganglien des Frosches. 389 Kölliker!) beschriebenen „Zellennester“ bilden. Bei unserem Thiere ist ihre Anordnung sehr einfach: sie liegen bald einzeln, bald in Längsreihen gestellt, welche aber höchstens aus 5 Zellen bestehen. Als einen Punkt von besonderem Interesse muss ich die Thatsache hervorheben, dass während bei den oberen Ganglien diese Zellen bloss in jenem Stücke der sensitiven Wurzel vor- kommen, welches von dem oben abgehandelten Zellenmantel um- schlossen wird, mithin also einen Theil des Ganglion bildet, treten sie bei den unteren (7—10)_Knoten schon in einer gewissen Ent- fernung vor den Ganglien auf. Diese Entfernung beträgt in der Regel nicht mehr als 0,5—0,3 mm, indess gelang es mir in einem Falle — es betraf den 7. Nerven — einige solche, gewissermaassen die Nachzügler der übrigen repräsentirenden Zellen schon 1,3 mm vor der proximalen Grenze des Ganglion zwischen den sensitiven Fasern vorzufinden. Es ist mir etwas zweifelhaft geblieben, ob diese unmittelbar vor den Nervenknoten anzutreffenden Zellen mit jenen Nervenkörpern identisch seien, welche neuestens von Rat- tone?) in den hinteren Spinalwurzeln des Menschen als constant vorhanden beschrieben wurden. Nach all’ dem, was ich gesehen habe, möchte ich mich eher gegen diese Auffassung erklären; es kommen nämlich beim Frosche die fraglichen Zellen, welche ich zum Unterschiede von den im Niveau der Ganglien vorhandenen „hohe Wurzelzellen“ nennen will, wie erwähnt, ausschliesslich nur in den hinteren Wurzeln der unteren Nerven vor, — dann sind sie hier auch nicht gleichmässig auf den ganzen Verlauf der Wurzel vertheilt, sondern beschränken sich bloss auf eine kurze Strecke, deren Länge in den extremsten Fällen kaum anderthalb Millimeter beträgt. Und wenn wir auch nach der Beobachtung eines einzigen mikroskopischen Durchschnittsbildes geneigt wären, der Auffassung Raum zu geben, es gehören diese Zellen thatsächlich der sensi- tiven Wurzel und nicht dem eigentlichen Ganglion an, so zeigt wieder die successive Untersuchung der nacheinander folgenden Ganglien die Art und Weise, wie sich diese Zellen — wenn wir 1) A. Kölliker, Handbuch der Gewebelehre des Menschen. 3. Auflage. Leipzig 1859. S. 329. 2) G. Rattone, Sur l’existencee de cellules ganglionaires dans les racines posterieures des nerfs rachidiens de ’homme. Internationale Monats- schrift f. Anatomie u. Histologie. 1884. S. 53. 390 Michael von Lenhosse&k: von oben nach unten gehen — allmählich von der proximalen Grenze der Ganglien entfernen, wodurch wir den endgültigen Ein- druck gewinnen, dass sie, trotz ihrer Lage, eigentlich von den letzteren durch irgendwelche Einflüsse losgelöste Elemente dar- stellen, mithin also Bestandtheile derselben bilden. Da ich nun auf eigene Beobachtungen gestützt behaupten kann, dass in den sensitiven Wurzeln des Frosches ausser den soeben geschilderten keine anderen Ganglienkörper vorkommen, so muss, falls man, was mir so ziemlich gerechtfertigt erscheint, diese nicht als Ana- _ loga der Rattone’schen Zellen gelten lassen will, angenommen werden, dass beim Frosche den letzteren entsprechende Zellen überhaupt nicht vorhanden sind. Die Grösse der eingelagerten Zellen ist verschieden; einige derselben, besonders jene, welche ungefähr in der Mitte der Gan- glien zu liegen kommen, gehören zu den grössten der in diesen Organen zur Beobachtung gelangenden Nervenzellen, etwa eben- soviel zu den mittelgrossen, — die übrigen lassen sich alle als zu den kleinsten gehörig erkennen. Im Allgemeinen kann man behaupten, dass je entfernter ihre Lage von dem Mittelpunkte des Knotens ist, desto kleiner, unscheinbarer werden sie; zugleich findet man, dass während sie in den Ganglien selbst zumeist kugelförmig sind, nehmen sie, indem sie sich von diesen entfernen, allmählich eine längliche Gestalt an. Natürlich eulminiren diese Grössen- und Formveränderungen bei jenen Zellen, welche am entferntesten von den Ganglien liegen; diese sind bereits so klein und dabei so länglich schmal, dass sie zwischen den sensitiven Fasern, deren Verlaufe ihre Lage parallel ist, nur mit Mühe wahr- genommen werden können. So viel über die Anordnung und Grösse der Zellen. An- schliessend an diesen Punkt will ich hier auch Einiges über die Lage der Nervenfasern mittheilen, vorläufig nur so viel, als sich eben an Längsschnitten ermitteln lässt. Die Nervenfasern der Ganglien sind bekanntlich zweifachen Ursprunges: zum Theil ent- stammen sie dem Rückenmarke, d. h. sind mit den sensitiven Fa- sern identisch, zum Theil entspringen sie aber in den Knoten selbst, um — wie wir es im voraus andeuten wollen — daselbst zu endigen; die letzteren sind die Fortsätze der Nervenzellen. Die hintere Wurzel durchsetzt das Ganglion, olıne seine Beschaffen- heit und seinen Charakter als compacter Nerv aufzugeben. Die Untersuchungen über die Spinalganglien des Frosches. 391 einzige Veränderung, die sich an ihr nachweisen lässt, besteht darin, dass sie sich spindelförmig erweitert, derart, dass ihre Dicke ungefähr um ein Drittel zunimmt. Es ist evident, dass diese Erweiterung ebenfalls etwas zur Bildung der gangliösen An- schwellung beitragen muss. Wenn wir nun nachforschen, wodurch die Diekenzunahme bedingt sei, so finden wir mehrere Umstände, welche sich als Ursachen derselben nebeneinander stellen lassen. In erster Reihe ist die bereits beschriebene Thatsache zu erwähnen, dass sich zwischen ihre Fasern die bereits geschilderten „Wurzel- zellen“ lagern, wodurch ihr Gefüge nicht unerheblich gelockert wird. Gefördert wird diese Lockerung noch dadurch, dass die Nervenfasern, trotzdem dass sie im Ganzen und Grossen ihre ge- rade Richtung behaupten, innerhalb der Ganglien doch gewisse kleinere Unregelmässigkeiten, namentlich wellige Biegungen in ihrem Verlaufe darbieten, so dass es selten gelingt, sie auf Längs- schnitten grössere Strecken hindurch zu verfolgen. Wenn wir nun nach der Erwägung alles dessen noch den Umstand in Betracht ziehen, dass sich auch noch die Zellenausläufer von allen Seiten zwischen diese Fasern drängen, so haben wir, wie ich glaube, die ohnedies schwache Auflockerung der hinteren Wurzel auf ihre Ursachen zurückgeführt. Ausser diesen der sensitiven Wurzel angehörigen Fasern er- scheinen noch an Längsschnitten der Ganglien andere, welche sich von diesen durch ihre abweichende Richtung sowie ihren durchaus eigenthümlichen Verlauf scharf abheben und sich als in eine ganz andere Gruppe gehörig erkennen lassen. Diese Fasern entsprechen nun, wie bereits erwähnt, den Fortsätzen der Nervenzellen. Der Beweis, dass hier thatsächlich Zellenausläufer vorliegen, wird mit absoluter Sicherheit durch den Umstand dargebracht, dass sich bei einigen solchen Fasern ihr Ursprung, d. h. ihr Zusammenhang mit den Nervenzellen sehr schön beobachten lässt. Im Laufe dieser Abhandlung werde ich noch Gelegenheit haben, auf die Schilderung derselben ausführlicher einzugehen, hier will ich bloss soviel erwähnen, was sich auf ihre Lage in den Ganglien bezieht. An gelungenen, in passender Richtung ausgeführten Längsschnitten gelingt es stets, eine grosse Anzahl solcher Ausläufer zu Gesicht zu bekommen, und zwar sind sie vornehmlich in jenem Zellenhügel gelegen, der sich an der hinteren Seite der Wurzel befindet. Diese Ganglienmasse wird nämlich durch zahlreiche, im Ganzen parallel 392 Michael von Lenhossek: verlaufende, sehr regelmässig und in ungefähr gleich grossen Abständen angeordnete Fasern durchzogen, welche einerseits oft bis zu den oberflächlichsten Zellenschicehten, andererseits aber bis zwischen die sensitiven Fasern verfolgt werden können, woselbst sie auch endigen. Ich möchte nicht missverstanden werden und muss ebendeshalb bemerken, dass es gar nie gelingt, selbst auf den besten Längsschnitten nicht, einen und denselben Zellfortsatz in unversehrtem Zustände von seinem Anfange bis zu seiner En- digung auf dem Schnittpräparate anzutreffen, sondern dass es nur verschieden lange Bruchstücke der Fortsätze sind, an die wir bei unseren Beobachtungen angewiesen sind; aber aus diesen einzelnen Bruchstücken, die sich durch ihre gleichmässige Lage, durch ihren eigenartigen Verlauf von den sensitiven Fasern, wie gesagt, scharf abheben, lässt sich ihr Verlauf mit soleher Sicherheit zu- sammenstellen, dass ein Irrthum schlechterdings ausgeschlossen er- scheint. Zum besseren Verständnisse genügt ein Blick auf Fig. 1. Aber dasjenige, was für uns hinsichtlich des Verlaufes dieser den Zellen entstammenden Nervenfasern das meiste Interesse dar- bietet, ist der Umstand, dass zwischen den oberen und den un- teren Ganglien auch in dieser Beziehung sich gewisse Differenzen geltend machen. Bei den ersteren ist der Verlauf der fraglichen Fasern ein derartiger, dass sie nahezu einen rechten Winkel mit der Längsaxe der hinteren Wurzel bilden, zwischen deren Fasern sie sich also von allex Seiten her in gerader Richtung hineindrängen. Während nun hier das der Fall ist, bieten die Längsschnitte der unteren Ganglien ein abweichendes Bild; auf den ersten Blick fällt es hier in die Augen, dass hier die Zellenausläufer in schiefer und noch dazu nicht in peripherer, wie es von vornherein zu denken wäre, sondern im Ganzen in centraler Richtung verlaufen. Am schärfsten finden wir dieses Verhalten bei!jenen Ausläufern ausgeprägt, welche aus den proximalsten Elementen des Zellen- mantels entspringen; diese biegen. sich in solchem Maase gegen das Rückenmark um, dass sie eine gute Strecke’hindurch, beinahe parallel mit den sensitiven Fasern verlaufen. Meine Beobachtungen ergaben also in dieser Beziehung gegenüber den Befunden von Schwalbe!) ein gerade entgegengesetztes Verhalten. Dieser For- 1) Schwalbe a. a. O. S. 51. Untersuchungen über die Spinalganglien des Frosches. 393 scher sagt nämlich, ebenfalls mit Bezug auf den Frosch: „es strahlen sämmtliche Nerven in peripherischer Richtung aus und schliessen sich einfach in ihrem weiteren Verlaufe dem aus- tretenden Stamme an.“ Ich konnte mich dagegen, wie gesagt, überzeugen, dass sich die Zellenausläufer bei den oberen Knoten unter rechtem Winkel zwischen die sensitiven Fasern senken, bei den unteren aber in eentraler Richtung ausstrahlen. Freilich hat dieses Verhalten viel Ueberraschendes an sich und fand ich es in der ersten Zeit, nachdem ich diese Beobachtung gemacht hatte, höchst auffallend, dass sieh solehe Fasern, die, wenigstens nach dem jetzigen Stande der Kenntnisse und der Ansichten, ihre Ele- mente ausschliesslich, oder einer anderen Auffassung zufolge zum Theil nach der Peripherie senden, einen centripetalen Verlauf zeigen. Indess sollte mir die Sache nicht lange rätbselhaft bleiben; nach eingehender Untersuchung einer Reihe von Längsschnitten wurde es mir klar, dass die Ausläufer die centrale Richtung nicht bis zuletzt beibehalten, sondern dass sie am Ende ihres Verlaufes nahe zur Ranvier’schen Theilung plötzlich ihre Richtung ändern, einen mit der Convexität dem Rückenmarke zugekehrten Bogen beschreiben und nun die sensitiven Fasern, mit welchen sie in Ver- bindung zu treten haben, ganz so, wie es bei den oberen Ganglien der Fall ist, zumeist unter rechtem Winkel erreichen. Schliess- lich sei noch erwähnt, dass die am meisten proximal gelegenen Zellenausläufer der unteren Ganglien, deren Richtung sich der centralen am meisten nähert und die dabei oft ziemlich lang sind, zuweilen nicht mehr in den Ganglien selbst endigen, sondern eine Strecke in der hinteren Wurzel centralwärts hinaufsteigen, um erst in einer geringen Entfernung vor den Ganglien mit den sen- sitiven Fasern zu verschmelzen und so ihr Ende zu finden. Hiermit glaube ich nun das Wesentlichste, was sich über die Anordnung der Elemente in den Spinalganglien des Frosches sagen lässt, angeführt zu haben. Bevor ich nun diesen topographischen Theil meiner Arbeit verlasse, um mich zu den feineren histologi- schen Details und Fragen zu wenden, will ich noch die Beant- wortung jener Frage versuchen, worin die Ursache jener mehr- fachen und constant anzutreffenden Unterschiede zu suchen sei, welche die oberen und unteren Ganglien in Betreff einiger Struc- turverhältnisse darbieten? Ich habe nicht die Absicht, dieselben hier ausführlich zu wiederholen, sondern beschränke mich darauf, 394 Michael von Lenhossäk: einfach anzudeuten, dass sie sich auf die Anordnung der Ganglien- zellen, auf die Stelle des Vorkommens der zwischen den sensitiven Fasern versprengten Ganglienkörper und schliesslich auf die Rich- tung der Zellenausläufer beziehen. Offenbar ist diesen Differenzen keine tiefere morphologische oder physiologische Bedeutung zuzu- messen. Ich möchte die Entstehung derselben auf gewisse mecha- nische Einwirkungen zurückführen, denen beim Frosche die unteren Ganglien in einem vorgeschrittenen Stadium der Evolution ausgesetzt sind, die aber nicht im Stande sind, tiefgreifendere, die Function beein- - trächtigende Veränderungen an denselben hervorzurufen. Ich glaube mich mit der Auffasssung, welche ich in Nachfolgendem wieder- geben will, wenigstens nicht stark geirrt zu haben. Im Allgemeinen bieten die bei den oberen Knoten constatirbaren Verhältnisse ein geregelteres Bild, als die, welche auf Präparaten der unteren Kno- ten zur Betrachtung kommen, woselbst die einfache und natur- gemässe Anordnung der das Ganglion constituirenden Bestand- theile einigermaassen gestört erscheint, so dass kein Zweifel dar- über bestehen kann, dass sich der ursprüngliche Grundtypus bei den oberen Ganglien offenbart. Durch diese Betrachtung wird uns nun die Annahme nahe gebracht, dass die Ursache der in Rede stehenden Differenzen in Momenten zu suchen sei, deren Wirkung sich auf die unteren Ganglien geltend macht. Auf die Frage, worin nun dieser Eingriff bestehen kann, lässt sich folgender- weise antworten. Es ist nachgewiesen, dass beim Frosche, ebenso wie bei den höheren Wirbelthieren, die Entwickelung des Rücken- markes in den späteren Phasen der Entwiekelung nicht ganz Schritt hält mit dem bedeutend rascheren Wachsthum der knö- chernen Hülle desselben, d. i. mit der der Wirbelsäule, so dass die entsprechenden Metameren beider namentlich im unteren Theile gegeneinander verschoben werden und dadurch die letzten Spinal- wurzeln, welche die entsprechenden Intervertebrallöcher zu passiren haben, einen sehr spitzen Winkel mit dem Rückenmarke bilden müssen, wie wir dies auch beim ausgewachsenen Frosche beobach- ten können. Die unmittelbare Folge dieses Vorganges ist nun: dass die Spinalganglien, die bei unserem Thiere in diesem Sta- dium schon durch straffes Bindegewebe an der Peripherie der Zwischenwirbellöcher befestigt sind und demzufolge ihren Platz trotz aller Einwirkungen nicht verlassen können, mitsammt den verlängerten und ausgespannten Wurzeln einer ziemlieh starken Untersuchungen über die Spinalganglien des Frosches. 395 Zerrung ausgesetzt werden. Darin finden wir nun das gewünschte Moment, welches uns die Entstehung jener Structureigenthümlich- keiten, welche sich bei den unteren (Granglien nachweisen lassen, erklärt. Der durch das Rückenmark ausgeübte Zug, den hier die sensitiven Fasern und selbstredend auch die mit denselben zusam- menhängenden Zellenausläufer zu erleiden haben, resultirt, dass die letzteren einen schiefen, dem Rückenmarke zugeneigten Ver- lauf annehmen, d. h., um alle Fortsätze als ein Ganzes aufzufassen, der Stiel der Nervenzellen sich centralwärts umbiegt. Allein im Zusammenhange mit dieser Thatsache muss auch die Anordnung der Ganglienkörper eine mässige Umänderung erfahren, und als auf diese Weise entstanden kann jene Form gedacht werden, welche die hintere Zellenmasse bei den unteren Knoten charakte- risirtt. Und schliesslich glaube ich das schon vor den Ganglien erfolgte Auftreten der „Wurzelzellen“ in den sensitiven Wurzeln der unteren Rückenmarksnerven ebenfalls aus dem erwähnten Um- stande und zwar so erklären zu dürfen, dass dieselben, da sie ver- sprengt und einzeln, also gewissermaassen frei zwischen den Fa- sern der Wurzel gelegen sind, dem vom Rückenmarke her erfolg- ten Zuge weniger Widerstand zu leisten vermögen, derart, dass sie genöthigt sind, ihre Lage einigermaassen zu verändern, wobei sie die ihnen eigenthümliche längliche Form annehmen. Wenn wir nun für die eigenartige Lage dieser, in dem Verlauf der hinteren Wurzeln des Frosches eingestreuten Zellen eine andere Erklärung finden, als Onodi!) für das Vorkommen der Rattone’schen Zellen, so ist das ein Beweis mehr, dass diese Ganglienkörper mit den von Rattone beschriebenen keineswegs identisch seien, welch’ letzteren entsprechende Gebilde unserem Thiere, wie es scheint, überhaupt nicht eigen sind. Um nun ein kurzes Resume dessen, was ich soeben ausgeführt habe, zu geben, will ich hervorheben, dass ich jene histologischen Eigenschaften, durch die sich die un- teren Spinalknoten von den oberen unterscheiden, als Consequenz einer mässigen Verschiebung zwischen dem ursprünglich im Niveau des Ganglion gelegenen Stücke der sensitiven Wurzel und dem 1),A.D. Onodi, Ueber die Gangliengruppen der hinteren und vor- deren Nervenwurzeln. Centralblatt f. die medieinischen Wissenschaften. 1885. Nr. 16 und 17. 396 Michael von Lenhossek: das eigentliche Ganglion repräsentirenden Zellenmantel, sowie als Folge gewisser entwickelungsgeschichtlicher Momente hinzustellen versucht habe. Ich will mich nun zu einem anderen Theile meiner Aufgabe wenden und im Folgenden die feineren histologischen Eigenschaften in’s Auge fassen, welche die Nervenzellen und ihre Fortsätze dar- bieten. Hierbei muss ich nun vor Allem hervorheben, dass ich mich auf’s Sicherste überzeugen konnte: die Zellen in den Spinal- ganglien des Frosches seien ausschliesslich unipolar. Ist es uns einmal gelungen, mit Zuhülfenahme gewisser, für diesen Punkt vortheilhafter Methoden Bilder zu erhalten, durch welche diese Thatsache scharf und deutlich zur Anschauung gebracht wird, so haben wir unseren Blick für diese Verhältnisse bereits derart ge- schärft, dass es uns nunmehr ein Leichtes wird, selbst an den einfachsten Präparaten, z. B. an in Blutserum oder Humor aqueus zerzupften frischen Knoten die Unipolarität fast bei einer jeden Zelle zu erkennen. Was zunächst die vielfach verfochtenen multipolaren Zellen anlangt, so kann ich versichern, dass sich in der bedeu- tenden Anzahl von Ganglienkörpern, welche ich im Laufe meiner Untersuchungen zu beobachten Gelegenheit hatte, in der That keine einzige fand, welche ein derartiges Aussehen darbot, dass ich ernst- lich daran hätte denken können, es liege hier eine mehrstrahlige Zelle vor. Um nun gleich einem vielfach hervorgetretenen Ein- wande zu begegnen, es konnten nämlich andere, eventuell noch vorhandene Ausläufer der Zellen während der Präparation abge- rissen werden, muss ich nochmals auf das von mir angewendete, bereits ausführlich geschilderte Isolationsverfahren hinweisen, welches — um schon Gesagtes zu wiederholen — darin bestand, dass ich die auf gewisse Weise behandelten Ganglien, oder viel- mehr nur Bruchstücke derselben, fast ausschliesslich durch einen leichten, auf das Deckgläschen ausgeübten Druck in seine Ele- mente zerlegte und welches demzufolge mit Recht das Verdienst für sich in Anspruch nehmen kann, derart schonend zu sein, dass ein ähnlicher Einwand hier keine Berechtigung hat. Ungleich schwieriger gestaltet es sich, in Betreff jener Frage zu einem ab- schliessenden Urtheile zu gelangen, ob fortsatzlose Zellen, wie seit Untersuchungen über die Spinalganglien des Frosches. 397 Kölliker bis zu Ravitz, einem der neuesten Autoren auf diesem Gebiete, von einer ganzen Reihe von Forschern beschrieben oder angenommen wurden, in den Spinalganglien thatsächlich existiren ? Allein auch hinsichtlich dieser Zellen, deren Bedeutung und Rolle ohnedies ganz räthselhaft wäre, obwohl man wiederholt versucht hatte, mehr minder foreirte und unwahrscheinliche Erklärungen für dieselben zu finden, erlangte ich allmählich die Ueberzeugung, dass sie intra vitam nicht vorhanden sind, und dass jene fortsatz- losen Elemente, welche allerdings in den meisten Isolationspräpa- raten zur Beobachtung gelangen, factisch nichts als Kunstproducte repräsentiren. Den kräftigsten Beweis für diese meine Ansicht fand ich in folgender Beobachtung: mit je mehr Sorgfalt und Scho- nung ich bei der Herstellung meiner Präparate verfuhr, in desto geringerer Anzahl waren jene „Apolarzellen“ vertreten, — ja ich kann sogar behaupten, dass es mir mitunter gelang, Präparate zu erhalten, in welchen, mit verschwindend kleinen Ausnahmen, eine jede Nervenzelle ihren Ausläufer hatte. Auch Retzius und Schwalbe erklären sich neuestens gegen die Existenz dieser fort- satzlosen Zellen, und ich kann mich auf Grund der soeben er- wähnten Thatsachen mit voller Ueberzeugung diesen Forschern an- schliessen. Die Gebilde, welche wir gemeiniglich.,Ganglienzellen“ nennen, stellen thatsächlich schon kleine, jedoch complieirte Apparate dar, an denen wir einen funetionirenden, protoplasmatischen Theil, d. i. die eigentliche Nervenzelle und gewisse, dieselbe umgebende, theilweise zum Schutze derselben dienende accessorische Bestand- theile unterscheiden können. Man muss zugeben, dass die Gan- glienkörper der Spinalknoten hinsichtlich dieses complieirten Baues unter allen Zellarten des thierischen Organismus allein dastehen. Betrachten wir dieselben mitsammt ihren accessorischen Gebilden, so zeigen sie in der Regel eine Birnform, welche vornehmlich bei den grösseren Zellen scharf ausgesprochen erscheint; sie besitzen eine kolbenartige, diekere Hälfte, welche dem abgehenden Fort- satze gegenüber liegt und einen allmählich sich verjüngenden Hals, der ohne scharfe Grenze in ihren schmalen, verlängerten Stiel, den Ausläufer fortläuft. Stets sind sie mit einer bindegewebigen Kapsel versehen, welche sie allseitig umschliesst und von der schon die er- sten Forscher auf diesem Gebiet recht gut wussten, dass sie nichts mit einer Zellmembran gemein habe. Diese Hülle und nicht die eigent- 398 Michael von Lenhossek: liche, rundlich geformte Ganglienzelle selbst, von deren Gestalt weiter unten ausführlich die Rede sein wird, ist es, welche die erwähnte Birnform bedingt, indem sie sich trichterförmig von der Zelle auf den Ausläufer hinüberzieht, denselben erst schlaffer, dann allmäh- lich enger umschliessend. Da der Fortsatz stets durch eine Ner- venfaser repräsentirt wird, sei es durch eine blasse oder eine myelin- haltige, so fragt es sich, welcher speciellen Nervenscheide die Zellenkapsel entspricht? Nach der geläufigen Ansicht soll sie die Fortsetzung der Schwann’schen Scheide des Ausläufers bilden. Im Gegensatze zu dieser Annahme glaube ich mich über- zeugt zu haben, dass sie mit dieser letzteren nichts zu thun habe, sondern eine sackförmige, blind endi- gende Erweiterung der von Ranvier!) sogenannten Henle’schen Scheide darstelle Es gelang mir nämlich in vielen Fällen, namentlich bei grösseren Nervenkörpern, einer- seits einen mit überraschender Deutlichkeit erkennbaren direeten Zusammenhang zwischen dieser Scheide und der pericellulären Kapsel wahrzunehmen, andererseits aber die Schwann’sche Scheide, in welehe sich nach der gangbaren Ansicht die Kapsel fortsetzen soll, schon innerhalb der trichterförmigen Partie der letzteren bis hart an die Zellsubstanz zu verfolgen. Einen guten Be- weis für die Stichhaltigkeit dieser meiner Behauptung liefern übrigens auch einige von den vortrefflichen Abbildungen, welche Retzius seiner Abhandlung beigab, so z. B. Fig. 2, Taf. XVII und Fig. 2, Taf. XVII; auf diesen Zeichnungen wird dieses Ver- halten mit solcher Schärfe zur Anschauung gebracht, dass es mir schlechterdings unerklärlich ist, wie dasselbe uer Aufmerksam- keit dieses ausgezeichneten Beobachters entgangen sei? Was nun die Structur der Kapsel betrifft, so ergiebt sich, dass sich dieselbe beim Frosche sehr stark entwickelt zeigt, auf Sehnittpräparaten mit stärkeren Vergrösserungen betrachtet deut- lich erkennbare Doppelteontouren aufweist und von ziemlich resi- stenter Beschaffenheit ist, was aus dem Umstande hervorgeht, dass sie bei der Nadelpräparation, selbst wenn wir es uns nicht ange- legen sein liessen, mit besonderer Schonung zu verfahren, sehr oft ganz unversehrt bleibt. Schwalbe?) nimmt noch zur Erklärung 1) L. Ranvier, Lecons sur l’histologie du systeme nerveux. Paris 1878. al, >. 100, 2) Schwalbe a. a. O. 8. 57, Untersuchungen über die Spinalganglien des Frosches. 399 dieser letzteren Thatsache mit Recht an, es sei beim Frosche auch der Zusammenhang der Zellhülle mit dem anstossenden Bindege- webe ein nicht so inniger, wie bei höheren Wirbelthieren, wo sie in der Regel der Zerzupfungsprocedur theilweise oder ganz zum Opfer fällt. Die Widerstandsfähigkeit derselben wird durch die Anwendung der Ueberosmiumsäure, welche ihr schon an und für sich einen nicht unerheblichen Grad von Stärke verleiht, derart erhöht, dass man an mit diesem Mittel behandelten Präparaten nicht selten einzelne, von ihrem Inhalte befreite Kapseln zu iso- liren vermag, welche sich, abgesehen von der kleinen Rissstelle wo sie ihrer Zelle verlustig wurden, dem Beobachter ganz und unversehrt darbieten. Solehe Bilder sind nun insbesondere ge- eignet, uns über die histologischen Eigenschaften der Pericellular- hülle zu belehren; es ergiebt sich hierbei, dass dieselbe durch eine durchsiehtige, wasserhelle Membran gebildet werde, welche höchstens stellenweise eine zarte Längsstreifung erkennen lässt wohl nichts anderes, als den Ausdruck feiner Falten, welche die früher prall gefüllte, jetzt aber lockere Kapsel bildet. Indess zeigt sie nicht bei allen Methoden die gleiche hyaline Beschaffenheit; so lassen sich mit Hülfe der bekannten Silberbehandlung endotheliale Zellengrenzen an ihr nachweisen. Allerdings ist es nicht leicht, dieselben darzustellen, ja in den meisten Fällen bleibt die Impräg- nation total erfolglos; allein nach vielen vergeblichen Bemühungen bekommt man endlich dennoch gelungene Präparate, welche dann zureichen, den Beobachter von der Existenz einer endothelialen Auskleidung mit genügender Sicherheit zu überzeugen. Fig. 2 ist nach einer grösseren Ganglienzelle eines solchen Präparates ange- fertigt. Diese Abbildung giebt, wie ich glaube, die Verhältnisse ziemlich treu und deutlich wieder und zeigt, dass die Endothel- zellen der Kapsel verhältnissmässig gross und ebendeshalb in ge- ringer Zahl vorhanden sind und dass sie dabei keine so gleichmässig angeordnete, elegante Zellenlage darstellen, als wie es für die höheren Vertebraten geschildert und abgebildet wird, sondern dass sie je nach ihrer Lage stellenweise von verschiedener Grösse und Form sind. So finden wir, dass die am Halse, am trichterför- migen Theile der Kapsel belegenen Zellen mehr länglich und durchwegs etwas kleiner sind als diejenigen, welche der Convexität derselben zukommen, welch’ letztere von rundlicher Gestalt sind und stets um ein Beträchtliches grösser erscheinen. Allenfalls 400 Michael von Lenhossek: steht das Eine fest, dass, wenngleich dieses Endothel, mit dem entsprechenden der höheren Wirbelthiere verglichen, gewisser- maassen eine etwas redueirte Entwickelung zeigt, überzieht das- selbe die innere Fläche der Kapsel dennoch als eine vollständige, überall zusammenhängende Auskleidung. Beiläufig will ich noch bemerken, dass die Existenz desselben stark für die Richtigkeit jener Auffassung spricht, dass die Zellenhülle eine Fortsetzung der gleichfalls endothelialen Henle’schen und nicht der ganz strue- turlosen, nirgends ein Endothel zeigenden Schwann’schen Scheide bildet. Die Betrachtung von Imprägnationspräparaten, welche nach- träglicb noch einer Färbung unterzogen wurden, lässt keinen Zweifel darüber, dass jene Kerne, welche an der inneren Fläche der Zellenhülle zur Beobachtung kommen, in der That die Kerne dieser Endothelzellen repräsentiren. Diese Kerne sind schon von Remak!) und unmittelbar nach ihm von einigen anderen Histo- logen beobachtet worden, allein die erste zutreffende und ein- gehende Schilderung derselben verdanken wir Fraentzel?); dieser Beobachter war es, der zuerst den Nachweis führte, dass dieselben epithelartigen Zellen angehören, welche er in ihrer Gesammtheit mit einer unklaren, leicht eine irrige Vorstellung erweckenden Be- zeichnung „das Epithel der Ganglienzellen“ nannte. Die wahre Natur dieser Elemente blieb diesem Forscher durchaus unbekannt, was bei dem damaligen Stande der histologischen Kenntnisse (es war noch vor der Entdeekung des Endothels) Niemanden Wunder nehmen kann. Erst bei Schwalbe?) finden wir eine richtige Auffassung derselben; es ist das Verdienst dieses ausgezeichneten Gelehrten, diese Zellen als Endothelplättchen und die Kapselkerne als Kerne derselben erkannt zu haben. „Wir haben es hier also — sagt Schwalbe -—- mit wesentlich endothelialen Bildungen zu thun. Die Scheide der Ganglienkugel besteht lediglich nur aus endothelialen Plättchen.*“ Wenn ich auch jener Behauptung, dass die Kapsel bloss aus diesen Zellen zusammengesetzt sei, nicht bei- 1) R. Remak, Ueber multipolare Ganglienzellen. Monatsberichte der Berliner Akademie. 1854. S. 29. 2) Fraentzel, Beitrag zur Kenntniss von der Structur der spinalen und sympathischen Ganglienzellen. Virchow’s Archiv, Bd. 38, 3) Schwalbe a. a. O. S. 57. Untersuchungen über die Spinalganglien des Frosches. 401 pflichten möchte, vielmehr der Ansicht bin, dass dieselben die innere Fläche der von einer bindegewebigen Membran gebildeten Hülle nur gleiehsam austapeziren, so muss ich dennoch hervor- beben, dass Schwalbe’s Entdeckung einen nicht unbedeutenden Fortschritt in der Kenntniss der in Rede stehenden Gebilde dar- stellte. Was nun die Eigenschaften der Kerne angeht, so können sie nach meiner Erfahrung am schönsten durch Goldfärbung sicht- bar gemacht werden, wobei sich sowohl ihre Körperchen, als auch ihr Netz fein differenzirt färbt, aber auch starke Osmiumbehand- lung lässt sie scharf hervortreten; sie sind beinahe immer von länglicher, selten von runder Form und messen in der Regel 5—9 u. Natürlich, dass sie beim Frosche — entsprechend der geringen Zahl der Endothelzellen, deren Kerne sie bilden — ungleich spärlicher vorhanden sind, als bei den höheren Vertebraten; hier- bei sind sie nieht, wie bei diesen, gleichmässig auf die ganze Zellen- hülle vertheilt, sondern sind vornehmlich an der den abgehenden Ausläufer umhülleuden Partie derselben anzutreffen, also dort, wo auch die durch die Höllensteinlösung nachweisbaren Endothel- zellen kleiner und deshalb in grösserer Anzahl vorhanden sind, während die Convexität der Kapsel zumeist ganz kernlos ist oder höchstens —- was übrigens auch zu den Seltenheiten gehört, — 1--2 Kerne besitzt. Jene Fortsetzung der Kapsel, welche die An- fangsstrecke des hervortretenden Fortsatzes, bei den myelinhaltigen das erste Segmeut desselben umgiebt, ist ebenfalls ziemlich kern- reich, und zwar folgt hier die Längsaxe der Kerne der Longitudi- nalrichtung des Ausläufers, während diejenigen, welche am polaren Theile der Kapsel gelegen sind, häufig quergestellt erscheinen, was durch die gleiche Lage der daselbst befindlichen Endothel- . zellen bedingt ist.. Ich muss indess bemerken, dass Alles, was ich bisjetzt betreff dieser Kerne angeführt habe, nur für die grösseren Ganglienkörper gilt, da die Pericellularhülle der kleineren ganz kernlos oder mit nicht mehr als 1—2 Kernen ausgestattet ist. Schliesslich sei noch erwähnt, dass es an den unbeschädigten Ner- venzellen gewöhnlich schwer hält, diese Kerne von den sogenann- ten Courvoisier’schen Polarkernen zu unterscheiden, die noch weiter unten ausführlich zur Sprache kommen sollen. Wenn wir nun auf die eigentliche Nervenzelle übergehen, so müssen wir zunächst ihre Lage in der im Vorstehenden abgehan- delten Hülle schildern. Viele der in der Histologie in Gebrauch Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd, 26. 26 409 Michael von Lenhossek: stehenden Mitteln und Verfahren sind von derart contrahirender Wirkung auf dieselbe, dass sie bei Anwendung derselben mehr minder zusammenschrumpft und sich von der sie umschliessen- den Kapsel in verschiedenem Maasse zurückzieht. Unter den auf solche Weise zu Stande kommenden Kunstprodueten ist eines von besonderem Interesse, nicht nur weil es eigenthümlicher Weise in einigen Büchern (so z. B. in Ranvier’s Traite technique!) und in Landois’ Physiologie ?)) treue Reproduction fand, sondern auch deshalb, weil ihre Entstehung meines Erachtens mit gewissen, bisher unbekannten, präformirten Structureigenthümlichkeiten des Nervenzellenleibes in innerem Connexe sein muss. Dieses Kunst- product besteht darin, dass bei der Retraetion der Zellenoberfläche von der Kapsel gewisse, in gleichen Abständen voneinander ste- hende Punkte der ersteren an der inneren Fläche der Kapsel haften bleiben, derart, dass der Zeilkörper eine bisweilen überraschend regelmässige ordensternförmige, gezackte Form annimmt. Natür- lieh sind ähnliche, wie überhaupt mit den meisten Methoden ge- wonnene Bilder nichts weniger als geeignet, ein richtiges Ver- ständniss über den in Rede stehenden Punkt zu ermöglichen. Aber auch frische Zerzupfungspräparate liefern diesbezüglich in Folge der Unklarheit der erhaltenen Bilder keine sicheren Resultate. Zum Glücke besitzen wir in der Ueberosmiumsäure ein Mittel, welches willkommenerweise die Zellen genau in ihrer natürlichen Gestalt, Grösse und Lage erhärtet. Präparate, bei deren Anter- tigung dieses Reagens benützt wurde, lassen nun in Bezug auf das räumliche Verhältniss der Zelle zu ihrer Kapsel in überzeugender Weise erkennen, dass sich in dieser Hinsicht zwischen den klei- ‚neren und grösseren Ganglienkörpern ein ziemlich constanter, wenn auch unbedeutender Unterschied geltend. macht. Derselbe besteht darin, dass während bei den ersteren der von der Kapsel umschlossene Hohlraum von dem Zellenleib vollständig ausgefüllt wird, so dass die Contouren dieser beiden meistens zusammen- fallen, ist bei den letzteren zwischen Kapsel und Zellenoberfläche stets ein ungemein feiner, capillärer Spaltraum bemerkbar, dessen Breite nie mehr als 2—3 u beträgt. Da es nun seit den Ent- 1) L. Ranvier, Trait& technique d’histologie. Paris, 1878. S. 841. 2) L. Landois, Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Dritte Auf- lage. Wien und Leipzig, 1883. S. 642. Untersuchungen über die Spinalganglien des Frosches. 403 deckungen Key’s und Retzius’, sowie Ranvier’s als ausge- macht gelten kann, dass die durch die Perineurallamellen gebil- deten, mithin also auch die von den Henle’schen Scheiden um- schlossenen Räume Lymphgänge sind und wir dabei, wie ich es oben nachzuweisen versucht habe, die Zellenhülle für die Fort- setzung dieser letzteren Scheide zu halten haben, so steht der Annahme wohl nichts im Wege, dass dieser pericelluläreZwischenraum ebenfalls einenLymphraum darstelle. Und thatsächlich ge- lingt es uns mit Hülfe dieser Auffassung in verführerischer Weise, eine Vorstellung über den Ernährungsmodus der Nervenzellen zu bilden; wir müssen uns nur vergegenwärtigen, dass selbe dieser Ansicht zufolge stets von einer, allerdings nur in minimaler Quan- tität vorhandenen Lymphflüssigkeit umspült werden, welche einer- seits die zu ihrer Lebensthätigkeit erforderlichen Stoffe ihnen zu- führt, andererseits aber die von ihnen gelieferten Zersetzungs- producte entfernt. Hiermit würde also die Kapsel nicht nur ein zum Schutze der Ganglienkörper dienendes, sondern zu- gleich die Ernährung desselben kräftig beförderndes Gebilde repräsentiren. An dieser Stelle will ich jener, seit langer Zeit bekannten 2—3 Fetttröpfehen Erwähnung thun, welehe beinahe constant im pericellulären Raume der grösseren Zellen anzutreffen und stets entsprechend dem Polartheile derselben gelagert sind. Es ist von Interesse, dass dieses Fett je nach den einzelnen Fröschen und, wie es scheint, auch nach der Jahreszeit, in welcher selbe zur Untersuchung verwendet wurden, eine verschiedene Entwickelung zeigt. Mitunter ist es in so bedeutender Quantität vorhanden, dass es nicht nur die Austrittstelle des Fortsatzes und dessen unmittel- bare Umgebung völlig verdeckt, sondern sich auch in Gestalt kleiner zahlreicher Körnchen eine Strecke weit auf den Anfangs- theil desselben fortsetzt. In Bezug auf die Gestalt der Zellen muss ich erwähnen, dass ich nach jenen mannigfaltigen, oft bizarren Formen, welche nach den Angaben einiger Autoren hin und wieder vorkommen sollen, durchaus umsonst suchte und geneigt bin, dieselben einfach für Kunstproduete zu halten. Die in der Kapsel liegende Zelle ist nach meinen Befunden gewöhnlich kugelförmig, häufig schwach elliptisch und lässt durchgehends eine ziemlich regelmässige Ge- stalt erkennen. Allein ich muss gleich betonen, dass bei dieser 404 Michael von Lenhossek: Schilderung auch jenes, ein Segment der Kugel oder Ellipse dar- stellende, dem polaren Abschnitte der Zelle anliegende Gebilde hinzugerechnet ist, welches, wie es später ausführlich dargelegt werden soll, eigentlich nicht mehr zu den letzteren gehört. Die einzige Gestalt, welche gewissermaassen den Namen einer eigen- artigen verdient, ist jenen kleinen Zellen eigen, welche zwischen den Fasern der unteren sensitiven Wurzeln in einiger Entfernung vor den Knoten auftreten; diese sind nämlich von auffallend lang- gestreckter Form und haben zugleich die Eigenthümlichkeit, dass sie überall ungefähr gleich breit sind, so dass sie mit Recht stäb- chenförmig genannt werden, können. Fig. 3 stellt eine solche Zelle vor; die Maasse derselben sind: Längsdurchmesser 48 u, Querdurchmesser 16 u. Die Entstehung dieser Form lässt sich, wie ich glaube, mit Leichtigkeit aus jenem allseitigen und gleich- mässigen Drucke erklären, den die fraglichen Zellen im Laufe der Entwickelung von Seiten der stark tendirten sensitiven Ner- venfasern erleiden. Ich verweise in dieser Beziehung auf das von mir bereits Seite 395 Erwähnte. Auch die allerkleinsten Ganglien- körper weichen zumeist etwas von dem ab, was ich oben für die Gestalt der Zellen als Norm aufzustellen versucht habe, indem sie ziemlich häufig von eckiger, keilförmiger Gestalt sind, zuweilen an ein gleichschenkeliges Dreieck erinnern. Ich will den Körper der Ganglienzellen nicht verlassen, ohne einige Beobachtungen über einen vielfach besprochenen Punkt, nämlich die fibrilläre Struetur derselben mitzutheilen. — Wenn wir die frischen Spinalganglien nach einfacher Zerzupfung uuter- suchen, so zeigen ihre Zellen zumeist eine opake, durchweg ho- mogene Beschaffenheit, oder lassen höchstens undeutliche Körner erkennen. Unterzieht man aber die Knoten gewissen Behand- lungsweisen, so nehmen einige der sie zusammensetzenden Zellen eine ausgesprochene concentrische Schichtung an, deren Mittelpunkt meistens, aber nicht immer von dem Zellkern gebildet wird und welche in manchen Fällen, vornehmlich wenn die Präparate einen stärkeren Druck von Seiten des mit der Nadelspitze niederge- drückten Deckgläschens erleiden mussten, so deutlich ist, dass die Zellen gleichsam in concentrische, nicht eben feine, faserige Ringe zerlegt erscheinen. Obwohl ich auch die grossen motorischen Zellen der vorderen Rickenmarkshörner, an denen die fibrilläre Untersuchungen über die Spinalganglien des Frosches. 405 Struetur von Schultze!) und Deiters?) zuerst beschrieben wurde, sowohl an Isolations- als auch an Schnittpräparaten vielfach unter- sucht habe und die ihnen eigenthümliche fibrilläre Beschaffenheit aus eigener Anschauung kenne, kann ich trotzdem nicht mit Be- stimmtheit sagen, ob die an den Nervenzellen der Spinalganglien wahrnehmbare concentrische Schiehtung mit dieser eigentlichen fibrillären Structur vollkommen identisch sei. Ist das der Fall, so steht es fest, dass die Spinalganglienzellen des Frosches ebenso gute Speeimina zum Nachweise dieses eigenartigen Baues abgeben, als die erwähnten motorischen Zellen; zu bemerken ist bloss, dass hier die Anordnung der Fasern, wie es aus der mitgetheilten Schilderung ersichtlich ist, eine ungleich einfachere ist, als bei diesen letzteren und dass hier die concentrische Striehelung, ab- weichend von den Befunden an anderen Nervenzellen, nicht in den peripherischen Theilen, sondern vielmehr in der mittleren, unmit- telbar um den Kern gelegenen Zone der Zellen am schärfsten zur Anschauung kommt. Als zweckentsprechende Methoden, durch welche diese Verhältnisse am leichtesten sichtbar gemacht werden können, kann ich die Härtung der Ganglien in Chromsäure und deren Salzen, die Osmiumbehandlung und in erster Linie die schwache Goldfärbung empfehlen mit dem Bemerken, dass es zu diesem Zwecke vortheilhafter ist, die Ganglien in Schnitte zu zer- legen, als die Sache an Isolationspräparaten zu studiren. — Un- erklärt bleibt es mir, weshalb man die concentrische Schichtung nicht an einer jeden Zelle eines und desselben Präparates, sondern stets nur an einzelnen, zerstreut zwischen den übrigen liegenden, zumeist grösseren Ganglienkörpern wahrzunehmen vermag. Der Kern der Zelle stellt eine geschlossene Blase von denk- bar regelmässigster Form dar. Nicht ganz ohne Interesse ist die mit ziemlicher Gesetzmässigkeit nachweisbare Thatsache, dass je kleiner eine Zelle ist, desto grösser ist verhältnissmässig ihr Kern. So betrug der Durchmesser des letzteren bei einer 90 u langen Nervenzelle 25 u, einer 41 u langen 19 « und einer 25 u langen 154; — man sieht also, dass im ersten Falle der Durch- 1) M. Schultze, Vorrede zu Deiters’ Untersuchungen über Gehirn und Rückenmark. Braunschweig 1865. S. XV. 2) 0. Deiters, Untersuchungen über Gehirn und Rückenmark. Braun- schweig 1865. 406 Michael von Lenhossek: messer der Zelle 3,6 mal, im zweiten schon nur 2 mal und im dritten bloss 1,6 mal so gross war als der des entsprechenden Kerns. Bei den allerkleinsten Zellen zeigt der Kern in der Regel eine relativ so starke Entwiekelung, dass der ganze Zellen- leib nur auf einen schwachen, diesen umgebenden Saum redueirt erscheint. Was die Lage des Kerns in der Zelle betrifft, so zeigen sich, so viel ich gesehen habe, gewisse Schwankungen, aber jedenfalls in der Mehrzahl der Fälle sitzt derselbe genau in der Mitte der letzteren, und ebendeshalb halte ich es nieht für richtig, im Allgemeinen an den Nervenzellen der Spinalganglien einen „Nervenpol“ und dem gegenüber liegend einen „Kernpol“ zu unter- scheiden, wie es Ravitz!) will; nur in der Minderzahl der Fälle, namentlich bei den schon wiederholt erwähnten, zuweilen lang- gestreckten „Wurzelzellen“ findet man, dass der Kern in den dem Fortsatze gegenüberliegenden Winkel der Zelle gedrängt ist. Zwei- oder mehrkernige Zellen, wie sie von einigen Autoren ge- schildert und als Beweise der Zelltheilungen hingestellt wurden, konnte ich trotz der grössten, auf diesen Punkt gerichteten Auf- merksamkeit und der minutiösesten Durchprüfung meiner Präpa- rate nie beobachten und glaube ich behaupten zu dürfen, dass solehe in den Ganglien des Frosches überkaupt nicht vorkommen. In den über Spinalganglien handelnden Arbeiten wird des Oefteren von Theilungen der Nervenzellen Erwähnung gethan. So finden wir schon in der II. Auflage von Kölliker’s Histologie?) die Behauptung, dass solche Theilungen „unzweifelhaft vorkom- men“; unter den neueren Autoren sind insbesondere Arndt?) und Thanhoffer*) für die Existenz derselben eingetreten und haben ähnliche Wahrnehmungen des Ausführlichsten geschildert. Wenn man nun diese Beschreibungen durchliest, so erfährt man, dass auch hier, ebenso wie in den meisten Fällen, wo bis vor einigen Jahren von Zelltheilungen gesprochen wurde, eingeschnürte, wie 1) Ravitz a. a. O. S. 289. 2) A. Kölliker, Handbuch der Gewebelehre des Menschen. 3. Auf- lage. Leipzig 1859. S. 330. 3) R. Arndt, Untersuchungen über die Ganglienkörper der Spinal- ganglien. Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. IX. 1875. 4) Thanhoffer L., A cesigolyaközti düczsejtek szerkezetehez. Erte- kezesek a termöszettudomanyok köreböl. Kiadja a m. t. Akademia. 6. kötet 1877, Untersuchungen über die Spinalganglien des Frosches. 407 aus zwei Theilen bestehende Zellen mit Kernen, welche wohl ebenfalls eine Einschnürung, nie aber Structurveränderungen in ihrem Inneren darboten, — zur Beobachtung gelangten und die Grundlage jener Angaben bildeten. Bekanntlich sind wir aber in der Auffassung ähnlicher Formen seit den grundlegenden und ihren Hauptpunkten nach schon vielfach constatirten Untersuchungen Flemming’s und Strasburger’s wesentlich vorsichtiger geworden. Diese Forscher haben es auf’s Sicherste dargelegt, dass eine solche Zelltheilung, bei welcher die Theilung des Kerns durch einfache Durchschnürung ohne vorhergehende Structurverände- rungen erfolgt, nicht jener Modus ist, nach welchem die Vermeh- rung der Zellen gemeiniglich sich vollzieht, ja der erstere dieser beiden Beobachter ist sogar sehr geneigt, die Existenz einer sol- chen „Zelltheilung mit direeter Kerntheilung‘ ganz in Abrede zu stellen. Wenn schon durch diese Erwägung hinsichtlich der Rich- tigkeit der angeführten Beobachtungen Bedenken in mir hervor- serufen wurden, se wurden dieselben noch durch folgende That- sachen bestätigt. Als ich, nachdem ich meine Aufmerksamkeit diesem interessanten Punkte zugewendet hatte, die Ganglien mit einigen der von Flemming empfohlenen Methoden speciell auf ihre Kerne untersuchte, konnte ich mir zunächst die Gewissheit verschaffen, dass ähnliche Kernfiguren, wie sie für die Theilung charakteristisch sind und ohne welche — nach dem heutigen Stande unserer Kenntnisse — vielleicht keine Zelltheilung zu denken wäre, in den Spinalganglien des Frosches gar nie vorkommen; was aber andererseits die von Arndt und anderen geschilderten Zellenformen angeht, so bemühte ich mich vergebens, dieselben vermittelst der verlässlichen Ueberosmiumsäurebehandlung bei un- serem Thiere nachzuweisen; bediente ich mich indess derartiger Präparationsverfahren, welche den Zellen nicht genügende Resi- stenz verleihen, wie z.B. der Zerzupfung der frischen Knoten in physiologischer Salzlösung, so gelang es mir bisweilen unter den mannigfaltigen, oft eigenthümlich verzerrten Gestalten, welche bei Betrachtung der Präparate das Sehfeld passirten, auch solche wahrzunehmen, welche der Arndt’schen Schilderung recht gut entsprachen. Der Schluss, den wir aus all’ dem mit vollem Rechte ziehen können, entspricht jener Ueberzeugung, welche sich in mir schon früher bei Durchlesung der in der Lite- ratur enthaltenen Beschreibungen a priori befestigt hatte, dass 408 Michael von Lenhossek: nämlich diese scheinbaren Theilungsformen, diese bisquitförmigen Zellen und Kerne Kunstproduete von reinstem Wasser darstellen, hervorgerufen durch die mit Nadeln bewerkstelligte Präparation. Ich halte es für ausgemacht, dass die Fähigkeit, sich zu vermeh- ren, den Nervenzellen überhaupt nur im embryonalen Zustande zukommt und trage keine Bedenken, mich zur Ansicht zu be- kennen, dass das Leben derselben ebenso lange dauert, wie das- jenige des Individuums selbst, dem sie angehören. Anknüpfend an diesen Punkt will ich hier einige Bemerkungen hinsichtlich der von mir bereits des Oefteren erwähnten ganz kleinen Zellen unterbringen, deren Längsdurchmesser mitunter kaum 5—7 u beträgt, so dass sie in solchen Fällen nicht einmal die Grösse der rothen Blutkörperchen des Menschen erreichen. Es bietet wahrhaftig ein ganz eigenthümliches Bild, wenn man in Zerzupfungspräparaten hie und da hart an der Seite einer SI 1 grossen, mächtigen Nervenzelle eine zwerghaft kleine erblickt, welche aber, wie es zuweilen der Fall ist, sonderbarer Weise die Form der anderen mit photographischer Treue en miniature nach- ahmt. Die Eigenschaften dieser kleinen Gebilde kann man in Folgendem zusammenfassen: sie sind oft von eckiger Gestalt, ihr protoplasmatischer Körper beschränkt sich bloss auf einen schwa- chen, ihren verhältnissmässig starken Kern umgebenden Ring; ihre pericelluläre Kapsel ist ausserordentlich fein, zumeist ganz kern- los, oder höchstens mit einem einzigen Kern versehen, der dann immer an dem triehterförmigen Theile der letzteren seinen Sitz hat, und schliesslich ist es stets eine schmale, marklose Faser, mit der diese Elemente in Verbindung stehen. Was ist nun die Be- deutung dieser kleinen Zellen? Ravitz!) betrachtet sie als Junge, in Entwickelung begriffene Ganglienkörper und hält sie, wie es scheint, für unmittelbare Resultate der offenbar auch von ihm anerkannten Zelltheilungen. Als Beleg für diese seine Behauptung führt er an, dass sie .‚verschwindend selten bei erwachsenen Thieren vorkommen — beim Frosche habe er sie gar nicht gefunden — dagegen relativ häufig bei jugendlichen“. Ich will zunächst dieser letzteren Angabe, mit welcher Ravitz die Richtigkeit seiner Auf- fassung beweisen will, auf Grundlage eigener Beobachtungen ent- gegentreten. Thatsache ist, dass diese Zellen bei jugendlichen 1) Ravitz a. a. O. S. 295. Untersuchungen über die Spinalganglien des Frosches. 409 Individuen häufiger angetroffen werden, als bei vollkommen aus- gebildeten, allein ich kann versichern, dass sie nieht nur bei Em- bryonen oder jungen Thieren, sondern auch in den Knoten aus- gewachsener Exemplare und namentlich ausgebildeter Frösche in überaus grosser Anzahl vorhanden sind. Aber ausserdem kennen wir noch andere Thatsaehen, auf Basis derer wir uns der Ravitz- schen Auffassung nieht anschliessen können. Wenn wir einmal die Existenz von Zelltheilungen in den Spinalganglien erwachsener Thiere ausgeschlossen haben, so können wir von „jugendlichen“ Zellen nicht mehr sprechen. Ferner liegen diese kleinen Elemente, wie geschildert, nicht zerstreut in der Zellenmasse der Ganglien, was nach der Ravitz’schen Auffassung natürlich wäre, sondern bilden stets regelmässige Schichten; sodann müsste man, wenn man der Ansicht huldigte, es seien dies jugendliche Zellen, folgerichtig auch annehmen, dass die aus denselben entspringenden Ausläufer, welche, wie erwähnt, Remak’schen Fasern entsprechen, später — wieder im entwickelten Zustande des Individuums — zu myelin- haltigen Nervenfasern werden, welche Auffassung aber, da ihr viele Thatsachen widersprechen, vornehmlich, weil hierfür spre- chende Uebergangsformen umsonst gesucht werden, durchaus un- haltbar ist. Ich meine, dass man das Vorhandensein dieser kleinen Zellen durch folgende Annahme viel zutreffender zu erklären ver- mag: während im Laufe der embryonalen Entwickelung die Mehr- zahl der Ganglienzellen sich sehr stark vergrössert, bleibt ein Theil derselben, ebenso wie die mit ihnen zusammenhängenden Nerven- fasern, auf niedriger Entwickelungsstufe stehen; solche unentwickelte Nervenkörper repräsentiren die in Rede stehenden kleineren Elemente. Nach dieser Darstellung würden also die fraglichen Nervenzellen nicht jugendliche, mithin also entwiekelungsfähige, sondern auf primi- tiver Stufe der Evolution endgültig stehengebliebene Ganglienkörper repräsentiren. Wenden wir uns nun zu dem Fortsatze. Derselbe wird, wie erwähnt, stets durch eine regelrechte Nervenfaser dargestellt, ob durch eine markhaltige oder marklose, das hängt von der Grösse der ihm zum Ursprunge dienenden Zelle ab. In dieser Hinsicht lässt sich, wie ich fand, mit ziemlicher Gesetzmässigkeit nach- weisen, dass jene Ganglienzellen, deren Durchmesser weniger als 35—40 u beträgt, durchgehends mit blassem, während die grösseren stets mit myelinhaltigem Ausläufer versehen sind; ein einziges Mal konnte ich eine Ausnahme von dieser Regel beobachten, in- 410 Michael von Lenhosse&k: dem in einem mir vorliegenden Falle ein 53 « haltender Ganglien- körper noch mit einer marklosen Faser zusammenhing. Was zunächst die ungleich schwächeren blassen Ausläufer anbelangt, so bieten sie immer das bekannte Bild der Remak’schen Fasern, sind stellenweise, ebenso wie wir es bei den letzteren finden, von länglichen Kernen ausgezeichnet und färben sich ver- mittelst Osmium in gelblicher Nuance. Was in ihrem weiteren Verlaufe mit ihnen geschieht, auf welche Weise sie endigen, dar- über kann ich leider keine positiven Angaben mittheilen, da sie an meinen Präparaten stets nach kurzer Verlaufsstrecke abgerissen erschienen. Es war mir also in dieser Beziehung nicht jenes Glück beschieden, dessen Retzius!) theilhaftig wurde; diesem Forscher gelang es nämlich einmal, die Theilung eines solehen Fortsatzes zu beobachten. „Einmal sah ich — schreibt er — einen solehen blassen Ausläufer sich in zwei theilen, indem er einen schmäleren Zweig absandte, welcher unter spitzem Winkel von dem breiteren abging.“ Betreffs der Bedeutung einer solchen Theilung meint Retzius, dass „es nicht unwahrscheinlich sei, dass sie möglicher Weise derjenigen der myelinhaltigen Ausläufer homolog sei.‘ Wenn nun der schwedische Forscher, der eine solche Theilung positiv vor sich hatte, einer so vorsichtigen Aus- drucksweise sich bedient, so trage ich, trotzdem dass mir keine diesbezüglichen Beobachtungen zu Gebote stehen, kein Bedenken, diese Homologie für ausgemacht zu halten; ich sehe keinen Grund, in der histologisch ganz gleichartigen Theilung der markhaltigen und marklosen Fasern etwas Verschiedenes zu erblicken. Die Mehrzahl der Nervenzellen besitzt myelinhaltige Fort- sätze.. Hinsichtlich dieser war es mir schon ein Leichtes, mittelst zweckmässiger Methoden in vielen Fällen mich auf's Sicherste zu überzeugen, dass sie in derselben Weise, wie es von Ranvier für das Kaninchen geschildert wurde, sich nach kürzerem oder längerem Verlaufe theilen. Die Länge derselben ist verschieden und schwankt, nach Messungen, die ich an Fortsätzen angestellt hatte, welche sich im Zusammenhange mit ihrer Nervenzelle einer- seits, sowie mit ihrer Theilung andererseits isoliren liessen, zwi- schen 0,35 mm und 0,09 mm, beträgt aber am häufigsten etwa 0,25 mm. In Betreff ihrer Verlaufsrichtung habe ich schon vorhin angegeben, dass sich diesbezüglich gewisse Differenzen je nach l) Retzius a. a. O. S. 380, Untersuchungen über die Spinalganglien des Frosches. 411 den einzelnen Ganglien nachweisen lassen. Hinsichtlich ihrer Structur gleichen sie ganz den gewöhnlichen doppelteontourirten Nervenfasern, als einziger Unterschied liesse sich höchstens der Umstand anführen, dass ihre Binschnürungen sehr viel näher zu einander gelegen sind, als es bei letzteren der Fall ist. Die Zahl dieser Einschnürungen wächst natürlicherweise mit der Länge des Ausläufers, wenngleich dieser Zusammenhang nicht überall mit gleicher Gesetzmässigkeit durchgeführt erscheint. Die Thei- lung erfolgt, so viel ich gesehen habe, zumeist bei der dritten Einsehnürung;; hierbei findet man stets, dass das letzte, unmittelbar vor der Theilung befindliche interannuläre Segment unter allen dreien das bei Weitem längste ist, ja oft länger ist, als die beiden anderen zusammengenommen. Ein anderesmal besteht der Aus- läufer nur aus zwei Segmenten, in welchem Falle die diese beiden von einander abgrenzende Einschnürung stets um ein Bedeutendes näher zur Zelle als zur Theilung angetroffen wird. Schliesslich kommen auch, obzwar etwas selten, Fälle zur Beobachtung, wo sich der Fortsatz nach kurzem Verlaufe schon bei der ersten Ein- schnürung theilt. Einem jeden Segment entsprechend erkennt man an der Innenseite der Schwann’schen Scheide den bekannten ovalen Nervenkern, nur liegt derselbe hier sehr häufig nicht genau in der Mitte des Segmentes, sondern nähert sich etwas dem Zellenende desselben. Bemerkenswerth finde ich, dass die Breite des Aus- läufers von der Theilung nach der Zelle zu allmählich abnimmt, derart, dass wenn sie beispielsweise in dem der Theilung an- gsrenzenden Segment 6,5 u betrug, sinkt sie im Folgenden bereits auf 5 «; in anderen Fällen ergiebt sich, dass die drei Segmente eines und desselben Fortsatzes in folgender Abstufung sich ver- schmälern: 8—6—5 u oder 7—5,3—5 u. Ranvier, der diese Thatsache schon in seiner ersten Mittheilung!) kurz schilderte, machte den Versuch, dieselbe durch eine etwas gewagte Hypo- these zu erklären. Er nahm nämlich an, dass diese progressive Verschmälerung darauf hinweise, dass jene Faser, welche eine Theilung zeigt, aus der successiven Verschmelzung mehrerer Fort- sätze entstehe. Diese Auffassung steht aber mit einer Reihe von positiven Beobachtungen in Widerspruch, wird dabei von keiner einzigen Thatsache gestützt, so dass sie durchaus unhaltbar ist. Es ist auch selbstverständlich, dass ein so scharfsinniger For- 1) L. Ranvier, Comptes rendus, 1875, S. 1275. 412 Michael von Lenhosseck: scher, wie Ranvier, nach einiger eingehenderer Prüfung die Un- richtigkeit derselben erkennen musste; schon in seiner nächstfol- genden Mittheilung gab er sie auch mit den Worten: „en presence des faits mieux &tudies aujour-d’hui, elle doit &tre compl&tement abandonnede“ vollständig auf. Bei aufmerksamer Betrachtung und Anwendung stärkerer Linsen lässt sich die Ursache dieser allmäh- lichen Verjüngung leicht auffinden; man erkennt nämlich, dass dieselbe bloss durch eine fortschreitende Abschwächung der Mye- linscheide des Zellenfortsatzes nach der Zelle verursacht werde, während der wesentlichste Theil des Fortsatzes, der Axeneylinder von der Theilungsstelle an bis zu dem Punkte, wo er sich in die Zellsubstanz senkt, durchaus gleich breit bleibe. Der Fortsatz erhält seine Markscheide in verschiedener Ent- fernung von der Zelle. In seltenen Fällen erfolgt dies bereits un- mittelbar, nachdem derselbe aus letzterer hervorgetreten ist, so dass sein markloser Theil verschwindend gering, vielleicht einige u lang gefunden wird. Dieses Verhalten kommt indess nur bei den allermächtigsten Ganglienkörpern vor und gehört im Ganzen zu den Seltenheiten. In der Regel tritt die Myelinscheide nicht dicht bis an die Zellsubstanz heran, sondern hört in einiger Ent- fernung vor derselben plötzlich, wie abgeschnitten, auf. Diese Entfernung beträgt, wie ich nach der Beobachtung vieler mit Ueberosmiumsäure in zweekentsprechender Weise behandelten und mitsammt ihren Fortsätzen isolirter Zellen angeben kann, in der Mehrzahl der Fälle 30—40 u, so dass mithin ein Drittel des ersten Ausläufersegmentes — dessen Länge nach meinen Ermittelungen zumeist 100—120 u beträgt — blass verbleibt, während zwei Drittel desselben bereits mit Markscheide ausgestattet sind. Von ver- schiedenen Forschern wird bezüglich mehrerer Species angeführt, dass das Nervenmark mitunter nicht nur bis an die Zelle heran- reiche, sondern sich selbst auf dieselbe fortsetze, um sie als eine geschlossene feine Schichte zu umschliessen, oder, wie es Andere behaupten, in die Zellsubstanz hineindringe, um sein Ende im Kerne zu erreichen. Etwas Derartiges konnte ich nun beim Frosche nie beobachten und halte ich auch ein ähnliches Verhalten, nach allen Erfahrungen, die ich auf vorliegendem Gebiet der Histologie gemacht habe, im Allgemeinen für höchst unwahrscheinlich. Es ist nicht unmöglich, dass diese Angaben, welche meiner Ansicht nach irrig sind, ihre Entstehung der Missdeutung jener vorhin er- Untersuchungen über die Spinalganglien des Frosches. 413 wähnten Fetttropfen verdanken, welche eben an jener Stelle ihre Lage haben, wo der Ausläufer aus der Zelle hervortritt. Ich glaube, dass betreffs dieses Punktes nur jene Angaben als unbe- dingt maassgebend betrachtet werden dürfen, welche an Ueberos- miumsäurepräparaten gewonnen worden sind, da keine mit anderen Behandlungsweisen hervorgebrachten Bilder die Verbältnisse der Markscheide mit zufriedenstellender Klarheit und Sicherheit zur Anschauung zu bringen vermögen. Retzius trat neuerdings in seiner bereits des Oefteren an- geführten Abhandlung!) für jene Auffassung in die -Schranken, der zu Folge ‚durch jene Nervenzellen, bei welchen die Myelin- scheide des Ausläufers nicht in der Nähe der Nervenzelle, sondern erst in etwas weiterer Entfernung davon auftritt, der Uebergang zu den kleineren und kleinsten Zellen gebildet werde“. Ich kann nun dieser Betrachtungsweise, so naheliegend sie auch scheinbar sei, keineswegs beipflichten, und zwar aus dem Grunde nicht, weil es mir beim Frosche — und auf dasselbe Thier bezieht sich gleichfalls die Retzius’sche Angabe — nicht gelang, alle successiven Uebergangsformen zwischen den beiden Ausläuferarten — mark- haltig und: marklos — aufzufinden. Wäre ein soleher eontinuir- licher Uebergang thatsächlich vorhanden, so müssten unter anderen auch solche Fortsätze zur Anschauung gelangen, die nur an ihrem Endtheile, unmittelbar vor der Theilung eine Myelinscheide be- sitzen, ja sogar solche, welche bloss eine schwache Andeutung einer solchen zeigen. Dies ist aber gar nie der Fall. Die ex- tremsten zur Beobachtung kommenden Fälle werden, so weit ich sehen konnte, dureh jene Ausläufer dargestellt, bei welchen das ganze erste Segment, bis zur ersten Einschnürung, marklos bleibt; der übrige Theil des Fortsatzes ist auch hier bereits markhaltig. Es fehlen also den weiteren Uebergang vermittelnde Formen, die Stufenleiter ist nieht vollständig. Aber abgesehen davon unter- scheidet sich auch der blasse Theil des Ausläufers, wie ich es so- gleich darstellen werde, in einem Punkte durch seine Struetur von den marklosen Fortsätzen, so dass wir die unvermittelte, histolo- sisch scharf abgegrenzte Stellung beider Arten von Fortsätzen einstweilen aufrecht erhalten müssen. Bisher wurde stets angenommen, dass der Axencylinder des 1) Retzius a. a. O. S. 380, 414 Michael von Lenhossek: Fortsatzes, bevor er noch von Markscheide umschlossen werde, ganz nackt innerhalb der sich trichterförmig ausziehenden Kapsel verlaufe. Im Widerspruche mit dieser Angabe fand ich an Prä- paraten, die ich mit starker Osmiumbehandlung oder Goldfärbung angefertigt hatte, dass sich um denselben innerhalb der Pericellu- larkapsel noch eine andere, bedeutend engere, gleichmässig breite, ziemlich starkwandige Hülle nachweisen lässt, welche sich leicht als direete Fortsetzung der Schwann’schen Scheide zu erkennen giebt. Diese Hülle begleitet den Axencylinder bis hart an die Zellsubstanz, um sich hier in später zu beschreibender Weise der Betrachtung zu entziehen; bemerkenswerth ist, dass sie dem Axen- eylinder nicht so genau anliegt, wie es bei den gewöhnlichen blassen Fasern der Fall ist, sondern für denselben trotz ihrer Enge dennoch eine etwas weitere Röhre bildet, so dass zwischen ihrer inneren Fläche und dem Axencylinder, entsprechend jenem Raume, in welehem im weiteren Verlaufe des Fortsatzes die Mye- linscheide zu liegen kommt, ein, den letzteren allseitig umgeben- der, feiner Spaltraum. vorhanden ist, der sich selbst mit den schärfsten Objectiven als leer darstellt d. h. von irgend einem Netze oder etwas ähnlichem keine Andeutung zeigt. Diese Thatsache, durch die sich der marklose Theil des Ausläufers von den Re- mak’schen Fasern unterscheidet, giebt zugleich die Erklärung dafür, weshalb diese, um einen Bestandtheil ärmere Strecke des Fortsatzes kaum schmäler ist, als der unmittelbar nachfolgende, myelinhaltige Theil desselben. Was den in dieser Hülle einge- schlossenen Axencylinder angeht, so schreitet er stets geraden Weges zur Zelle, ohne erst solche Spiraltouren zu beschreiben, wie sie hinsichtlich anderer Thiere vielfach geschildert werden, nimmt mit Osmiumsäure eine gelbliche, mit Goldchlorid eine intensiv rothe Färbung an und lässt zumeist scharfe, gerade Ränder erkennen, nur zuweilen zeigt er, zweifelsohne als Product des Präparations- verfahrens und der zur Anwendung gebrachten Lösungen, stellen- weise Verdickungen und wellenförmige Contouren. Ob es richtig ist, jene feine, undeutliche Längsstrichelung, welche derselbe vor- zugsweise genau vor der Zelle darbietet, auf die fibrilläre Structur zurückzuführen, oder ob es zulässiger ist, hierin den Ausdruck irgendwelcher feiner Faltenbildungen zu erblicken, das muss ich in Mangel eingehender Untersuchungen dahingestellt lassen. So viel Mühe ich mir auch gegeben habe, irgendetwas an den Untersuchungen über die Spinalganglien des Frosches. 415 Spinalganglienzellen des Frosches vorzufinden, was als „Spiral- faser“ hätte gedeutet werden können, so waren meine Bemühungen in dieser Beziehung dennoch ganz erfolglos. Es ist bekannt, dass die sonderbare Art von Fortsätzen von ihren Entdeckern, Beale!) und Arnold?) beinahe in gleicher Zeit für die Nervenzellen des Froschsympathieus beschrieben worden sind und dass sich auch die Angaben der Nachuntersucher, die sich diesmal in besonders grosser Anzahl einstellten, auf dasselbe Object beziehen. Indess begnügten sich einige Forscher nicht mit der Behauptung, es seien bloss die sympathischen Zellen mit solchen Spiralfasern ausge- stattet, sondern wollten solche auch bei den Ganglienkörpern der Spinalknoten beobachten; einige, wie Bidder?) und Arnold), theilten diese ihre Ueberzeugung ganz offen und deutlich mit, während andere diese Annahme gewissermassen als eine selbstver- ständliche Voraussetzung, stillschweigend annahmen, oder anlässlich ihrer Schilderungen hier und da Worte fallen liessen, aus welchen ersichtlich ist, dass dasjenige, was sie hinsichtlich der spiralen Fort- sätze über die Zellen des Sympathieus behaupten, auch für die cerebrospinalen Zellen gemeint ist. Allein, wenn ich dies anführe, so kann es bloss ein historisches Interesse beanspruchen, denn nach den lichtvollen, die Existenz eines solehen Gebildes einfach ausschliessenden Schilderungen , die man bei den neueren über Wurzelganglien handelnden Autoren findet, sowie nach der be- rechtigten, durchaus verwerfenden Kritik, welche die Spiralfaser der Spinalganglienzellen neuerdings durch Ravitz’)erfuhr, nach all’ dem scheint es mir ganz überflüssig, Worte über diesen Gegenstand zu ver- lieren. DieExistenz einerSpiralfaser bei den Nervenzellen der Spinalknoten istheutzutage, soviel ich glaube, be- reits überall aufgegeben und es kann bloss darüber discutirt werden, was zur Annahme einer solchen geführt habe? Möglich, dass, 1) L. Beale, Philosophical Transactions 1863. Vol. CLIU, P.II, S. 544. Derselbe: Quarterly Journal of microsc. Society, Vol. 8, 1863, S. 302. 2) J. Arnold, Ueber die feineren histologischen Verhältnisse der Gan- glienzellen in dem Sympathicus des Frosches. Virchow’s Archiv, Bd. 32. 3) F. Bidder, Arch. f. Anatomie u. Physiologie, Anat. Abth. 1869. S. 472, 4) J. Arnold, Arch. f. Anatomie u. Physiologie, Anat. Abth., B. 41, S. 178. 5) Ravitz a. a. 0. S. 297. 416 Michael von Lenhossek: wie Ravitz meint, die Beobachter durch jene Falten einen ähnlichen falschen Eindruck erhielten, welche der auf den Fortsatz sich hin- überziehende Theil der Zellenhülle erkennen lässt, ich meiner- seits halte es für wahrscheinlicher, dass es die zu beiden Seiten des marklosen Stückes des Ausläufers gelegenen C ontourlinien der Schwann’schen Scheide waren, welche ähnliche Fortsätze vortäusch- ten. In der That bekommt man bei der Betrachtung der mit- sammt ihren Ausläufern isolirten Zellen oft in frappanter Weise den Eindruck, als ob längs des sich in die Zellsubstanz senkenden Axencylinders zwei ebenso gefärbte, nur ungleich schwächere Fasern verliefen; diese scheinbaren Fasern, welche auch an den meisten der abgebildeten Zellen wiedergegeben sind, entsprechen nun den Contourlinien der Schwann’schen Scheide. Hinsichtlich der Art und Weise der Verbindung des Axen- eylinders mit der Nervenzelle, sowie der Structur des „p 0- laren Theiles“ dieser letzteren bin ich auf einige neue Resultate sekommen, welche geeignet sind, einerseits die bisherigen Beobach- tungen zu ergänzen, andererseits das, was bis jetzt an denselben unerklärlich war, in leichter Weise erklärlich zu machen. Sehen wir vor der Hand, wie sich die Schilderungen der verschiedenen Forscher mit Bezug auf diesen Punkt gestalten. Einige haften noch heute an jener, seit den vierziger Jahren vielfach verfochtenen Ansicht, nach welcher der Axeneylinder des Ausläufers mit dem Kern der Nervenzelle in Zusammenhang trete. Indess ist die Zahl der Anhänger diese Theorie sehr gering, was auch natürlich ist, denn es lässt sich ohne Anmassung oder Uebertreibung sagen, dass wer je Gelegenheit hatte, mit guter Methode behandelte Ganglienzellen zu beobachten, keinen Augenblick daran zweifeln wird, dass der Kern ein durchaus selbstständiges Gebilde, eine geschlossene Blase darstelle, welche zu dem Fortsatze in keiner Be- ziehung stehe. Es ist meiner Ansicht nach nur zu wundern, dass diese, bekanntlich von Harless!) aufgestellte Annahme so lange Anklang finden, ja, bei einzelnen Forschern bis auf den heutigen Tag sich autrecht erhalten konnte. Schwalbe?) fand, dass „der Axeneylinder direet in die Substanz der Zelle übergeht. Der bisher gleiehmässig dieke Axen- 1) Harless, Müller’s Archiv. 1846. S. 387. 2) Schwalbe a. a. O. S. 67, Untersuchungen über die Spinalganglien des Frosches. 417 eylinder verbreitert sich plötzlich beim Uebergang in die Zellen- substanz kegelförmig und dieser Kegel geht direct in die fein- granulirte Masse der Ganglienzelle über. Man sieht dabei die feine Strichelung des Axeneylinders im Kegel divergirend in die Striche- lung der Zelle ausstrahlen.“ Retzius!) beschreibt den Zusammenhang des Axencylinders mit derZelle bezüglich des Frosches in einigermaassen abweichen- der Weise. „In der Regel — sagt er — findet man an einer Seite der Zellen eine Ansammlung von Kernen, die von feinkörnigem, oft mit grossen Pigmentkörnern versehenem Protoplasma umgeben sind. An dieser Stelle, wo die Protoplasmamasse der Nervenzellen selbst etwas abgeplattet ist, entspringt der Ausläufer, dringt, oft unter etwas spiraligem Verlauf, durch das eben erwähnte fein- körnige Protoplasma und zwischen dessen Kerne, worunter ein Theil von ihnen sich gewissermaassen mit dem Ausläufer beraus- stülpen, indem letzterer den mehr oder weniger kugeligen Zellen- körper verlässt, um den eigentlichen freien Ausläufer oder die ab- gehende Nervenfaser zu bilden.“ Ravitz theilt wohl betreff des in Rede stehenden Punktes keine positiven Angaben mit, doch tritt er an einer Stelle seiner Abhandlung ?) mit solcher Bestimmtheit der Annahme entgegen, als nehme der Axencylinder aus dem Kerne seinen Ursprung, wobei er vornehmlich mit Arnold, der ebenfalls dieser Ansicht huldigte, polemisirt, dass es schon aus dieser Passage, ebenso wie aus anderen, hingeworfenen Bemerkungen seiner Arbeit er- sichtlich ist, dass er für einen einfachen Zusammenhang zwischen Zelle und Fortsatz ist. Ich will nun gleich bemerken, dass ich gleichfalls einen ähnlichen, unmittelbaren Zusammenhang constatiren konnte, nur lassen meine Befunde die Umstände, unter welchen derselbe erfolgt, nicht so einfach erscheinen, .wie es diese Forscher schildern. Wenn wir die Ravitz’sche Arbeit durchmustern, so finden wir eine, von Rechtswegen nicht auf den fraglichen Punkt sich beziehende Be- merkung, welche indess unseren Ausführungen als geeigneter Aus- gangspunkt dienen kann; derselbe sagt nämlich an einer Stelle ?): 1) Retzius a. a. O. 378. 2) Ravitz a. a. O. S. 298. 8) Ravitza.a. O. S. 288. Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 26, 27 418 Micha’el von Lenhossek: „die Substanz der Ganglienzellen lässt zwei Schichten erkennen, welche sich ziemlich scharf gegeneinander absetzen. Die eine hellere und feiner granulirte liegt an dem Pole der Zelle, von dem aus der Nerv ausgeht, ist gegen die zweite halbkreisförmig be- grenzt und enthält eine Menge von unregelmässig angeordneten hellen, ovalen Kernen, die Courvoisier Polarkerne genannt hat. Im dunkleren, gröber granulirten Theile liegt der Zellkern.“ Betrachten wir nun den Polartheil des Zellenleibes, den Ra- vitz als „hellere Schichte“ kennzeichnet und welchen wir bei un- seren Schilderungen bisher wissentlich ausser Acht liessen, näher. Wenn wir die Ganglienzellen ohne Anwendung irgend eines Farb- stoffes nach einfacher Zerzupfung untersuchen, so zeigen sie stets in allen ihren Theilen eine durchwegs gleichmässige Be- schaffenheit, namentlich unterscheidet sich jene Partie ihres Kör- pers, welche dem abgehenden Ausläufer zugekehrt ist, durch nichts von ihren übrigen Theilen. Unterwerfen wir indess ein kleines Bruchstück eines Ganglion der Färbung in Haematoxylin oder Alauncarmin und dissociiren wir dasselbe sodann auf schonende Weise in Glycerin, so finden wir, dass die fragliche polare Ab- theilung den Farbstoffen gegenüber ein wesentlich verschiedenes Verhalten erkennen lässt, als der übrige Theil der Zellen, indem derselbe beinahe ungefärbt bleibt, während der letztere die ent- sprechenden Farben stets mit ziemlich grosser, je nach der Ein- wirkungsdauer verschiedenen Intensität aufnimmt. Einen ähnli- chen tinetionellen Unterschied beobachtet man auch bei der Ueberosmiumsäurebehandlung, besonders wenn das Ganglion län- gere Zeit in der Lösung verblieb, indem dieses Reagens der po- laren Schichte gleichfalls eine etwas hellere Farbennuance ver- leiht, als dem zumeist hellbraun gefärbten eigentlichen Zellenleib. Allein all’ diese Mittel gewähren keinen richtigen Einblick in die fraglichen Verhältnisse; bloss im Goldehlorid bietet sich uns ein passendes Mittel, um diese Structureigenthümlichkeiten mit zu- friedenstellender Klarheit zur Anschauung zu bringen. Das von mir benützte Verfahren stimmt in Allem mit der seit Jahren am meisten üblichen Goldmethode überein und besteht kurz in Fol- gendem: man giebt die Ganglien auf die Dauer von etwa 20 Mi- nuten in eine 1 %/,-ige Lösung dieses Metalls und setzt sie sodann in der bekannten Bastian-Pritchard’schen Flüssigkeit, oder noch besser, in einer 1/,-igen Ameisensäurelösung S—10 Stunden hin- Untersuchungen über die Spinalganglien des Frosches. 419 durch der Wirkung des direeten Sonnenlichtes aus. An trüben Tagen geht die Reduction des Goldes zumeist nicht mit genügender Intensität vor sich, so dass es Einem an solchen Tagen selten ge- lingt, gute Präparate zu erhalten. Bei Anwendung dieser Methode erscheint nun das Gros der Zelle dunkelbraun, mitunter tiefblau eolorirt und stets so überfärbt, dass man von der feineren Structur derselben schleehterdings nichts zu erkennen vermag, der Kern und noch mehr der in Rede stehende Polartheil hingegen bleiben um Vieles heller, welch’ letzterer blass rosafarbig gefärbt erscheint und dabei der Untersuchung bis in die tiefsten Detailverhältnisse zugänglich ist. Das erste, was man an solchen Präparaten bei nur einiger- maassen geübtem histologischem Blicke erkennen muss, ist die That- sache, dass derbei der Tinetion ungefärbt oder zumindest heller verbleibende Abschnitt eigentlich nicht mehr zur Zellegehört, wieesRavitz angiebt, sondernein selbstän- diges, dieser einfach nur anliegendes Gebilde darstellt. Vor Allem wollen wir diesem neuermittelten Gebilde einen Namen ge- ben und es fortan mit Rücksicht aufseine Lage und Gestalt „P olar- platte“ nennen. Wenn die Selbständigkeit dieser Platte schon durch ihre tinetionelle Eigenart, durch gewisse, sogleich zu schildernde Structureigenthümlichkeiten, sowie in erster Reihe durch jene uhge- mein scharfe und regelmässige Linie, durch welche dieselbe sich gegen die Zelle abgrenzt, eine feste Grundlage gewinnt, so wird sie durch folgende Beobachtung vollkommen sichergestellt: zuweilen -trifft es sich, namentlich an Präparaten, wo die Nervenzellen stärkeren mechanischen Insulten ausgesetzt worden sind, dass diese „hellere Partie“, oder nunmehr richtiger Polarplatte, sich von der Zelle schön herablöst und zwar seltener vollständig, so dass dieselbe frei isolirt vorliegt, viel häufiger nur derart, dass sie an einem Punkte ihrer Peripherie noch mit dem Zellenleib fest zusammen- hängt. Wenn wir nun solche Bilder aufmerksam untersuchen, so ergiebt sich einerseits, dass die Zellen, welche hier von der von Rechtswegen ihren Bestandtheil nicht bildenden Platte zum Theile oder ganz befreit liegen, eigentlich nicht jene regelmässige runde oder elliptische Gestalt besitzen, wie wir es vorhin — freilich mit einem gewissen Vorbehalte — geschildert haben, sondern dass dieselben diese Form bloss durch das Hinzutreten der scheinbar mit ibnen ein einheitliches Gebilde darstellenden Polarplatte er- 420 Michael von Lenhossek: halten; ihr Körper ist nämlich an ihrer der Nervenfaser zuge- kehrten Seite gleichsam abgeschnitten, so dass sie hier eine schwach ausgehöhlte Grundfläche darbieten, welche mit ihrer äusseren, gewölbten Fläche ungefähr unter rechtem Winkel zusammentrifft. Es ist eine leicht erklärliche Erscheinung, dass diese Basalfläche, welche nicht unbedeckt zu Tage liegt und da- her auch der Einwirkung der Reagentien nicht so unmittelbar aus- gesetzt ist, sich in etwas blässerer Farbennuance färbt, als die übrige, freiliegende Oberfläche der Zelle. In Betreff der Polar- platte andererseits finden wir, dass dieselbe ziemlich resistent er- scheint, und oft, wenngleich die entsprechende Zelle durch die Prä- paration arg mitgenommen wurde, ganz unverletzt und vollkommen bleibt, dass sie ferner stets von sehr regelmässiger, gewöhnlich elliptischer, seltener kreisförmiger Gestalt ist und ungemein scharfe und gerade Ränder besitzt; was ihre Grösse betrifft, so lässt sich zwischen derselben und den Dimensionen der Zelle ein constanter Zusammenhang nachweisen, derart, dass ihr Längsdurchmesser zu- meist um ein Geringes mehr als zwei Drittel der Breite der letz- teren ausmacht. Indess zeigt die Platte nicht nur eine Flächen- ausdehnung, sondern besitzt auch eine gewisse Dicke, was schon aus dem Umstande ersichtlich ist, dass die Zelle, welche, wie er- wälmt, an der ihr entsprechenden Fläche eine wenn auch seichte Concavität zeigt, durch sie zu einer regelmässigen Kugel oder Ellipse ergänzt wird. Allein wie gross die Maasse ihrer Dicke seien, darüber gaben meine Untersuchungen keinen sicheren Auf- schluss. Unterzieht man nun die in passender Weise behandelten Nervenzellen stärkeren Vergrösserungen, so gelangt man in Betreff der feineren Structur der Polarplatte in den Besitz folgender That- sachen: vor Allem findet man, dass dieselbe je nach der verschie- denen Einstellung des Mikroskopes zwei verschiedene Contouren erkennen lässt. Einer dieser Contouren — und zwar derjenige, welcher in etwas höherer Ebene zu liegen kommt — ist scharf, deutlich und regelmässig; derselbe ist uns bereits bekannt, indem er der Grenzlinie der Platte selbst entspricht. Der tiefer gelegene hingegen ist häufig undeutlich, verwischt, mitunter nur schwer er- kennbar, liegt innerhalb der ersteren Contourlinie und umgrenzt im Ganzen ein zwei- oder dreilappig geformtes Gebiet, wobei nur die höchsten Theile der von ihm beschriebenen Convexitäten mit Untersuchungen über die Spinalganglien des Frosches. 421 dem äusseren Contour zusammenfallen. Durch die Einziehungen dieser inneren Linie kommen nun zwischen ihr und der äusseren zwei bis drei zumeist keilförmige oder dreieckige Partien zu Stande, deren Beschaffenheit eine wesentlich andere ist, als die der grossen, inneren Abtheilung. Am deutlichsten ausgeprägt zeigt sich dieser Unterschied bei solehen Platten, welche sich von der Zelle losge- löst haben ; bei denen findet man nämlich, dass während jene kleinen äusseren Theile homogen und glasartig erscheinen, ist die innere Partie des Gebildes trüber, etwas stärker tingirt, dabei leicht granulirt und besitzt einige scharf und dunkel gefärbte Kerne. Mit Hinblick auf diese Beobachtungen scheint es mir statthaft, anzunehmen, dass die ganze Platte durch zwei Bestandtheile ge- bildet werde, nämlich zunächst durch ein feineres, durchscheinendes Gebilde, vielleicht eine tellerförmige Membran, in ihrer Hauptmasse aber durch eine mit lappigen Rändern versehene abgeplattete Protoplasmaschichte, welch’ letztere zwischen der ersteren und der Basalfläche der Zelle gelagert ist. Was nun den ersten Bestand- theil, die Membran, anlangt, so muss ich bemerken, dass ich die Existenz derselben bloss vermuthe und, da die Feststellung dieser Verhältnisse grossen Schwierigkeiten unterliegt, sie keineswegs als etwas Sicheres hinzustellen mir getraue. Von dem Vorhanden- sein des zweiten Bestandtheiles, der protoplasmatischen Schichte hingegen glaube ich mich mit absoluter Sicherheit überzeugt zu haben. Dieselbe war bereits, wie es aus der oben mitgetheilten Schilderung Retzius’ ersichtlich ist, diesem Forscher bekannt; nach seiner leider etwas unklaren Beschreibung soll sie eine diffuse, gleichsam zusammenfliessende Masse darstellen, welche die ab- gehende Nervenfaser unregelmässig umgebe. Meine Befunde er- gaben nun ein wesentlich abweichendes Verhalten; an gelungenen Goldpräparaten gelang es mir nämlich, innerhalb dieser Substanz scharfe, deutliche und höchst regelmässige Zellengrenzen wahr- zunehmen. Die geschilderten Einsenkungen des — dem Rande der Protoplasmamasse entsprechenden — inneren Contour werden durch scharfe Linien mit einander verbunden, so dass die ganze Schichte in regelmässige Abtheilungen geschieden erscheint, welche, wie sich auf den ersten Bliek ergiebt, nichts anderes, als selbst- ständige, neben einander gereihte Zellen repräsentiren. Es unter- liegtdemnach keinem Zweifel, dass der Hauptbestand- theil jenes Gebildes, welches die polare Aushöhlung 422 Michael von Lenhossek: des Nervenkörpers ausfüllt, von eigenthümlichen fla- chen Zellen gebildet wird. Die Zahl dieser „Polarzellen“ ist bei den allergrössten und mittelgrossen Ganglienkörpern zwei, selten drei, die Gestalt derselben ist kreisförmig oder länglich, ja man findet mitunter auch solche von exquisit elliptischer Form. Bei den kleinsten Nervenzellen sucht man indess vergebeus nach Zel- lengrenzen in der Platte, so dass man annehmen muss, sie werde bei diesen bloss durch eine einzige Polarzelle dargestellt. Für die selbständige Zellennatur der Abtheilungen des Platten- protoplasmas spricht gewiss auch der Umstand, dass eine jede solche Abtheilung ihren eigenen Kern, oder zuweilen zwei solche besitzt. In diesen Kernen, welche sich, wie erwähnt, bei allen Tinetionsmethoden scharf von ihrer Umgebung abheben, erkennt man die seit längerer Zeit bekannten ‚„Polarkerne“, deren erste Beschreibung Courvoisier!) zu verdanken ist und welche dess- halb auch mit Fug und Recht häufig nach diesem Forscher be- nannt werden. Die Eigenthümlichkeiten dieser Kerne sind aus den zahlreichen Schilderungen, welehe man bezüglich derselben bei den Autoren findet, hinlänglich bekannt, und so will ich hier nur so viel erwähnen, was sich auf ihre neue Eigenschaft als Kerne der „Polarzellen“ bezieht, und zwar, dass sie zumeist in, der Mitte derselben liegen und dabei, da sie bekanntermassen in der Regel von elliptischer Form sind, parallel dem Längsdurchmesser derselben gelagert erscheinen. Man muss diese ihre Lage gut kennen und dieselbe dann besonders vor Augen halten, um sie an intaeten Ganglienkörpern von den, genau in derselben Weise ge- färbten und sonst auch ganz gleichen Kapselkernen unterscheiden zu können. Diese grosse Aehnlichkeit, auf welche ich schon bei der Besprechung der letzteren hingewiesen habe, die Leichtigkeit einer Verwechslung scheint es verursacht zu haben, dass Ravitz?) neuerdings die Existenz der Courvoisier’schen Kerne ganz in Ab- rede zu stellen und zugleich den Beweis zu führen versuchte, dass dieselben mit den Kernen der Zellenhülle vollkommen identisch seien und bloss zufolge ihrer Lage einen derartigen falschen Ein- druck machen, als ob sie der Nervenzelle angehörten. Um diese 1) L. G. Courvoisier, Ueber die Zellen der Spinalganglien sowie des Sympathicus beim Frosch. Archiv f. mikrosk. Anatomie, Bd. IV, 1868. 2) Ravitz a. a. O. S. 300. Untersuchungen über die Spinalganglien des Frosches. 423 Behauptung zu widerlegen und zugleich die Existenz dieser Kerne ausser allen Zweifel zu setzen, wird es, wie ich glaube, genügen, wenn ich anführe, dass ich dieselben sowohl an herabgerissenen, isolirten Polarplatten, als auch an während der Präparation ihrer Hülle vollständig verlustig gewordenen, jedoch mit ihrer Platte noch versehenen Ganglienzellen deutlich beobachten konnte. Bei- läufig willich bemerken, dass diese skeptische Aeusserung Ravitz’ einigermaassen in Widerspruch steht mit dem, was er 8.288 seiner Abhandlung hinsichtlich der „helleren Schichte“ der Nervenzellen angiebt, dass nämlich dieselbe „eine Menge von unregelmässig an- geordneten ovalen Kernen enthalte, die Courvoisier Polarkerne genannt hat“. | Wenn ich oben behauptet habe, dass meine Befunde einiges, was an den bisherigen Beobachtungen fremdartig erschien, leicht begreiflich zu machen im Stande sind, so muss ich nun bekennen, dass ich hierbei speciell einerseits die Erklärung des bis jetzt un- verständlicher „helleren Theiles der Zelle“ als selbständiges Ge- bilde, andererseits aber die von mir ermittelte wahre Natur der Courvoisier’schen Polarkerne vor Augen hatte. Das Vorhandensein der letzteren wurde bekanntlich von vielen Seiten bestätigt, doch nirgends wurde bis jetzt die Frage aufgeworfen, noch weniger be- antwortet, was die Bedeutung derselben sei? Man begnügte sich stets — im Falle, dass man sie nicht rundweg läugnete — mit einer einfachen Erwähnung derselben, ohne wenigstens hervorzuheben, dass es höchst eigenthümlich sei, dass, wie es bislang gemeint wurde, die Nervenzellen der Spinalganglien, abweichend von allen bekannten Zellengebilden der thierischen Organismen, ausser ihrem sewöhnlichen, grossen, typischen Kern in einem Theile ihres Kör- pers noch eine Anhäufung von kleinen, gedrängt liegenden Kernen besitzen. Mir ist es nachgerade unerklärlich, wie so schon die Fremdartigkeit dieses Befundes die Beobachter nicht auf die rich- tige Fährte hingelenkt, oder wenigstens zur eingehenderen Prüfung jenes mit Kernen ausgestatteten Polartheiles aufgerufen habe. Ich glaube, man hätte schon durch einiges Nachdenken auf den Ge- danken kommen müssen, dass dieses Segment nicht mehr zur Ganglienzelle gerechnet werden darf, sondern ein darchaus selbst- ständiges, aus mehreren Zellen zusammengesetztes Gebilde dar- stellt. Mit Hülfe dieser, durch meine Beobachtungen festgestellten Thatsache lässt sich nun die Existenz und Bedeutung dieser Kerne auf leichte Weise erklären. 424 Michael von Lenhosse&k: Der Ausläufer zeigt, indem er unmittelbar an die Nerven- zelle herantritt, folgendes Verhalten: er tritt mit der Polarplatte in Verbindung, und zwar erfolgt dies zumeist an einem peripherischen Punkte, häufig am Rande derselben, durchsetzt sie hierbei derart, dass er sich zwischen den dieselbe constituirenden Zellen hindurch- drängt und geht sodann ohne Weiteres in die Substanz des Gang- lienkörpers über, ohne irgendwelche kegelförmige Erweiterung oder dergleichen zu bilden. Man begegnet hier also wesentlich demselben Verhalten, wie bei den grossen motorischen Zellen des Rückenmarkes, wo der Austritt des Axeneylinderfortsatzes bekannt- lich gleichfalls in solch’ einfacher Weise erfolgt. Der etwas seit- liche Ursprung des Fortsatzes bei unseren Zellen giebt die Er- klärung dafür, wesshalb man an Zerzupfungspräparaten häufig Ganglienzellen findet, bei welchen sich die Polarplatte nur in un- vollkommener Weise von der Zellsubstanz losgelöst hat, indem sie an einem Punkte ihres Randes mit derselben noch in festem Zusam- menhang bleibt. Dieser Punkt entspricht nämlich der Ursprungsstelle des Ausläufers, der sich bei der Präparation von der Zelle nicht losreissen liess und die Platte, mit welcher er hierselbst zusam- menhängt, an dieser Stelle an letztere befestigt. Was ge- schieht aber mit jener feinen Hülle, welche wir längs des Axen- eylinders bis zur Zellsubstanz verfolgen konnten und in welcher wir die Fortsetzung der Schwann’schen Scheide erkannt haben? In dieser Beziehung verräth das Mikroskop nur so viel, dass selbe bei der Platte angelangt, eine sehr schwache trichterförmige Er- weiterung zeigt und dann, allmählich feiner werdend, spurlos ver- schwindet. Was hier mit ihr geschieht, das lässt sich freilich nicht sicher ermitteln, allein man bekommt bei Betrachtung ent- sprechender Bilder den Eindruck, es gehe diese Hülle direet in die Substanz der Platte über. Versuchen wir nun, nachdem wir Alles, was hinsichtlich des Ursprunges des Fortsatzes sowie der Structur der Polarplatte eruirt werden konnte, angeführt haben, auf Grund der mitgetheilten Beobachtungen zu bestimmen, welche morphologische Bedeutung den Bestandtheilen der letzteren beizulegen sei? Da man be- kanntlich in den Bestandtheilen der Nervenzellen mit Ausnahme des der Zelle durchaus ‘eigenthümlichen Kerns die einzelnen con- stituirenden Elemente der Nervenfasern wiederzuerkennen vermag, so kann man die Frage auch so aufstellen: welchen Bestandtheilen Untersuchungen über die Spinalganglien des Frosches. 425 der Nervenfaser entsprechen die die Platte zusammensetzenden Ge- bilde? Wir haben hier zunächst einer Membran Erwähnung ge- than, deren Vorhandensein wir indess nicht sicher festzustellen vermochten. Wenn eine solehe nun thatsächlich vorhanden ist, und hierfür spricht auch, was ich vorhin anzuführen vergass, die erwähnte ziemlich grosse Consistenz der Platte, sowie der Um- stand, dass ihre Zellen selbst bei der stärksten Dissoeiation zu- meist miteinander in Zusammenhang bleiben; wenn nun eine der- artige Membran vorhanden ist, so kann man dieselbe bloss als eine tellerförmige Ausbreitung der hier bereits ungemein verfei- nerten Schwann’schen Scheide des Ausläufers betrachten, von der wir soeben erwähnt haben, dass sie sich gewissermaassen in die Platte fortzusetzen scheint; natürlich müsste man sich da denken, dass diese Ausbreitung entsprechend der Grenze der Polarplatte mit einem scharfen Rande aufhöre. Wofür werden aber jene rund- lichen ‚„Polarzellen“, welche sich in der Aushöhlung des Nerven- zellenleibes befinden, zu gelten haben? Meines Erachtens ist nur eine Möglichkeit vorhanden, dieselben zu erklären und das ist: anzunehmen, dass sie Homologa der bekannten Nervenkerne dar- stellen. Es ist vorzugsweise ihre Lage, welche diese Annahme gerechtfertigt erscheinen lässt, indem sie in analoger Weise, wie diese letzteren, zwischen einer muthmasslichen Fortsetzung der Schwann’schen Scheide (membranartiger Theil der Platte) und des Axeneylinders (Ganglienzellenleib) gelegen sind. Allerdings ist es unläugbar, dass sie, was ihre äussere Erscheinung angeht, kei- neswegs die Charactere dieser Kerne, oder besser gesagt, Zellen tragen; ihre Form ist eine durchaus verschiedene und auch durch die verhältnissmässig starke Entwiekelung ihres protoplasmatischen Körpers weichen sie stark von diesen, einen ad minimum redueirten Zellkörper darbietenden Kernen ab; indess wenn man weiss, wie auch der Leib der Nervenzelle, welcher mit Recht als Fortsetzung des Ausläuferaxeneylinders gedeutet wird, diesem gegenüber ein durchaus verschiedenes Aussehen erkennen lässt, so wird man auch zugestehen müssen, dass der angeführte Einwand keine ernst- liche Hindernisse in den Weg der mitgetheilten Auffassung zu stellen vermag. Der nunmehr noch übrige Theil meiner Beobachtungen be- zieht sich auf das Vorkommen und die histologischen Eigenschaften derRanvier’schen Theilung. Zunächst will ich nun in Ergänzung 426 Michael von Lenhossek: des in der Einleitung Gesagten eine kurze Schilderung der Metho- den vorausschicken, mittelst welcher dieser Punkt der Erforschung am besten zugänglich gemacht werden kann. Es genügt zwar stets, um eine ziemlich grosse Anzahl solcher Nerventheilungen zu Gesicht zu bekommen, die mit Ueberosmiumsäure in der ange- gebenen Weise behandelten Ganglien einfach in Glycerin zu zer- zupfen und gleich unter das Mikroskop zu bringen; allein an sol- chen Präparaten findet man constant die an der Theilung parti- eipirenden Nervenfasern in geringer Entfernung von derselben abgerissen, so dass es sich nöthig erweist, sich nach einem Ver- fahren umzuschauen, bei welchem die Isolation der Theilungsarme und der sich spaltenden Faser längere Strecken hindurch ermög- licht wird. Dies wird erreicht, wenn man die Knoten nach vor- hergehender Osmiumfärbung nachträglich noch der dissociirenden Wirkung der Essigsäure aussetzt (s. S. 382) und sie hernach nicht so sehr durch Nadeln, als vielmehr durch einen schwachen Druck in ihre Elemente zu zerlegen trachte. Ich kann versichern, dass es einem mit Hülfe dieser Methode, natürlich erst nachdem man die richtige Einwirkungsdauer, sowie gewisse hierbei er- forderliche Handgriffe ermittelt hat, gelingt, fast auf jedem der Präparate zumindestens eine Theilung wahrzunehmen, bei wel- cher sich eine der an derselben theilnehmenden Nervenfasern bis zu. einer Ganglienzelle verfolgen lässt, mit der sie sich dann in Zusammenhang setzt. Schliesslich, um über gewisse, bei dieser Behandlungsweise nicht eruirbare Verhältnisse Aufschluss zu erhalten, sowie für einige Annahmen eine sichere Grundlage zu gewinnen, ist es vortheilhaft, auch Schnittpräparate und na- mentlich Längsschnitte auf diesen Punkt zu durchprüfen, wobei dann die Provenienz der Theilungsarme, der Winkel, den sie mit einander bilden, sowie ihre Verlaufsrichtung, mit einem Worte ihre topographischen Verhältnisse deutlich zur Anschauung kommen. Die aufmerksame Durchprüfung der vermittelst der letzteren Methode gewonnenen Bilder setzte mich in den Stand, eine für das Verständniss der Spinalganglien überaus wichtige Frage, mit welcher ich in erster Linie in’s Reine kommen zu müssen glaubte, in sicherer Weise erledigen zu können, d.i., wohin die zwei Thei- lungsarme verlaufen? Sehr bald konnte ich mir auf Grundlage von Schnittbildern die Ueberzeugung verschaffen, dass sich die Sache so verhält, wie es bereits von Ranvier in seiner ersten Untersuchungen über die Spinalganglien des Frosches. 427 Mittheilung angegeben wurde, dassnämlich einer derselben zum Rückenmarke, der andere nach der Peripherie seht. Freilich leitete den französischen Gelehrten bei dieser seiner Angabe mehr der instinetive Scharfblick des vielerfahrenen Forschers, als beweiskräftige, positive Beobachtungen. Die Methode der Zer- zupfung, welcher derselbe sich bei seinen Untersuchungen aus- schliesslich bedient hatte, kann, so sicher es auch ist, dass wir die meisten der auf diesem Gebiete ermittelten Thatsachen ihr zu verdanken haben, speciell in Betreff dieser Frage keines- falls für verlässlich gehalten werden, und ebendeshalb konnte Retzius!) mit vollem Rechte der Ranvier’schen Angabe gegen- über in vorsichtiger Weise bemerken, dass „wie schön oder wahr- scheinlich eine solche Annahme auch erscheinen möchte, lässt sie sich, wenigstens mit den bei höheren Thieren bis jetzt angewandten Untersuchungsmethoden, gar nicht mit Sicherheit nachweisen“. Ich glaube nun behaupten zu dürfen, dass es mir gelungen sei, die noch fehlende, verlässliche Methode in der Herstellung von Schnitten aufzufinden; haben wir bei der Anfertigung derselben unser Augen- merk hauptsächlich darauf gerichtet, dass sie genau in der Längs- richtung der Ganglien angelegt seien, so können wir sicher darauf rechnen, fast auf einem jeden Präparate S—10 Theilungen zu Ge- sicht zu bekommen, wo oft längere Strecken - der Theilungsäste — selbstverständlich in ihrer natürlichen Lage — zur Beobachtung gelangen, so dass ihre Verlaufsrichtung leicht eruirt werden kann. Ich muss hierbei von Neuem auf Fig. 1 verweisen, auf welchem Bilde ersichtlich ist, wie sich die Theilungen auf Längsschnitten darstellen. Es kann nunmehr kein Zweifel über die Richtigkeit der erwähnten Thatsache bestehen, und mit ruhigem Gewissen kann man nun jene etwas zu kategorisch vorgetragene Behauptung Ravitz’, derzufolge Ranvier’s Annahme rundweg von der Hand zu weisen sei, indem die Theilungsarme parallel zur Peripherie verlaufen, — für durchaus irrthümlich halten?). Ich will fortan be- 1) Retzius a. a. ©. S. 396. 1) In der Ravitz’schen Abhandlung begegnet man zugleich der auf- fallenden Angabe, dass die Ranvier’schen Theilungen zu den grössten Selten- heiten gehören, so dass man, um drei oder vier solche anzutreffen, viele Hundert Präparate durchprüfen muss. Nach dem, was ich beim Frosche ge- sehen habe, ist es mir geradezu unbegreiflich, wie so was behauptet werden kann: Allerdings ist die von Ravitz ausschliesslich angewandte Goldmethode 428 Michael von Lenhossek: hufs grösserer Kürze die drei Theilungsfasern einzeln als Zellen- fortsatz, centrale und peripherische Faser unterscheiden. Sehen wir nun, unter welchem Winkel diese drei Fasern zu- sammentreffen. Ich denke, man wird mir nichts einwenden können, wenn ich behaupte, dass auch in Betreff dieser Frage nur jene Resultate von unanfechtbarem Werth sein können, welche an Längsschnitten gewonnen worden sind, denn es liegt wohl auf der Hand, dass bei der mit Nadeln bewerkstelligten Zerlegung die gegenseitige Lage der zarten Nervenfasern stets einigermassen be- einträchtigt werden muss; sicherlich giebt es bei dieser Methode, wie umsichtig man auch umgegangen sei, keine Garantie, dass das Bild, welches man vor sich hat, dem thatsächlichen Verhalten ent- spricht. Bei sorgfältig und unter der erwähnten Cautele ausge- führten Schnitten hingegen kann man in dieser Beziehung voll- kommen sicher sein und ist hier ein ähnlicher Einwand ausge- schlossen. Die Unzuverlässigkeit des bisherigen Präparations- verfahrens erklärt zugleich, wesshalb sich die Angaben der beiden Autoren, die sich bislang über diesen Punkt mit Bezug auf die höheren Wirbelthiere ausgesprochen haben, nicht ganz decken. Ranvier!) hielt in seiner ersten Mittheilung die regelmässige T-Figur für die Norm, in Folge dessen er auch, wie bekannt, die Theilung als ‚Tubes en T“ bezeichnete; doch verbesserte er neuer- dings diese Angabe, indem er ohne nähere Ausführungen einfach zugab, dass die Theilungsarme mitunter auch andere, als rechte Winkel mit dem Zellenausläufer bilden. Retzius?) behandek diesen Punkt etwas ausführlicher und sagt hierüber Folgendes: „Die Theilungsarme gehen bald mit stumpfem, bald mit rechtem, bald mit spitzem Winkel von einander ab; bald verlaufen sie eine nichts weniger als geeignet zur Färbung und Isolirbarmachung der Thei- lungen, indess gelang es mir selbst an mit diesem Mittel hergestellten Prä- paraten in unzähligen Fällen solche anzutreffen. Haben wir aber die Ganglien vor der Nadelpräparation in der angeführten Weise mit Osmium behandelt und insbesondere noch nachträglich in Essigsäure gelegt, so erscheinen die Theilungen in so grosser Anzahl unter dem Mikroskope, dass oft auf einem und demselben Präparate — wenn dasselbe auch aus einem geringen Bruch- stücke eines Knotens angefertigt wurde — mehr als 30—40 zur Beobachtung kommen. 2) Ranvier a. a. O. S. 1275. 3) Retzius a. a. O. S. 396. Untersuchungen über die Spinalganglien des Frosches. 429 Strecke parallel, dieht neben einander, um sich später zu trennen und nach verschiedenen Richtungen zu gehen.“ Meine Befunde ergaben nun, dass sich die Verhältnisse keines- wegs so einfach gestalten, wie sie Ranvier in seiner ersten Ab- handlung geschildert hatte, dass aber auch die von Retzius an- gegebene Mannichfaltigkeit der Formen der Sachlage nicht voll- kommen entspricht. So viel ich fand, erfolgt in einer geringen Zahl der Fälle die Vereinigung der Nervenfasern thatsächlich unter der einfachen Ranvier'schen T-Form, jedoch gehört dies zu den Seltenheiten. Zumeist beobachtet man folgendes Verhalten: was zunächst die centrale Faser betrifft, so verläuft sie in gerader Richtung, parallel mit der Längsaxe der sensitiven Wurzel bis zur Theilungsstelle, oder biegt sich bisweilen, nahe zu dieser, etwas seitwärts um, derart, dass sie sich der, der hinteren Seite des Ganglienstückes der Wurzel anliegenden Nervenzellenanhäufung, aus der die meisten Zellenfortsätze entspringen, um ein Geringes nähert. Die periphere Faser hingegen verfolgt nicht weiter diesen Verlauf, sondern bildet sogleich einen mit der Convexität dem Rückenmarke zugekehrten mässigen Bogen und nimmt erst später eine gerade Richtung an. Schliesslich in Betreff des Zellenaus- läufers findet man, dass die Art und Weise, wie derselbe an die beiden anderen Fasern herantritt, je nach den einzelnen Ganglien gewisse Verschiedenheiten erkennen lässt, indem derselbe bei den oberen im Ganzen unter rechtem Winkel die centrale Faser er- reicht, während er bei den unteren einen schiefen, centralwärts gerichteten Verlauf zeigt und bloss unmittelbar vor der Theilungs- stelle eine sanfte Biegung beschreibt, welche in den von der peri- pheren Faser gebildeteu Bogen glatt übergeht und mit demselben einen nicht ganz vollständigen Halbkreis bildet. Die am häufig- sten zur Beobachtung kommende Form ist demnach nicht die des Buchstaben T, sondern die des Y. Am passendsten lässt sie sich mit der an der Bissstelle des Blutegels sichtbaren Figur (Retzius) vergleichen. In ähnlicher Weise werden die Verhältnisse von Freud!) für den Petromyzon geschildert. Ziemlich constant ist das Verhältniss, in welchem die Durch- messer der Theilungsarme zu einander und zu dem des Fortsatzes stehen. Am häufigsten, ja mit einer Frequenz, mit Hinblick auf l) Freud a. a. O. S. 113, 430 Michael von Lenhosse&k: welche man geneigt wäre, die Bezeichnung „normal“ anzuwenden, überzeugt man sich, dass eine der drei Fasern ungleich schwächer ist als die beiden anderen und zwar durchschnittlich halb so dick, als die breitere derselben; in — allerdings selten zur Beobach- tung gelangenden — extremen Fällen zieht sie sogar bloss als ein verhältnissmässig zarter Faden zur Theilungsstelle hin. Es ist dies, wie es scheint, schon Retzius aufgefallen, indem sich in seiner Abhandlung bezüglich der Theilungsarme die Angabe findet, es seien „bald beide, oder auch nur einer schmäler.“ Es fragt sich nun, welcher Provenienz diese dünnere Faser ist? An- fangs, so lange mir nur solche Präparate vorlagen, wo alle drei Theilungsfasern stets nach kurzer Strecke abgerissen erschienen, war ich der irrthümlichen Meinung, sie sei mit dem Zellenfort- satze identisch, zu welcher Auffassung mich vornehmlich jener Um- stand hinleitete, dass in Ranvier’s Mittheilung, welche mir noch vor der Bewerkstelligung meiner Untersuchungen in die Hände kam, eben dieser als „fibre mince“ bezeichnet wird. Indess sehr bald stellte sich diese meine Deutung als irrig heraus, indem es mir mit vollkommener Sicherheit gelang, in der fraglichen Faser die von dem Centrum kommende zu erkennen. Was ferner die beiden anderen Nervenfasern, den zweiten Theilungsarm und den Ausläufer angeht, so stellen sie sich gar nicht selten als gleich stark dar, in der überwiegenden Zahl der Fälle lässt sich jedoch zwischen ihnen ein, wenn auch geringer Breitenunterschied nach- weisen, wobei die breitere, mithin also von allen dreien die stärkste Faser durch den zur Peripherie ziehenden Theilungsarm repräsen- tirt wird. Allein wir würden mit der Wahrheit etwas leichtfertig um- gehen, wenn wir behaupten wollten, es gelte das, was wir soeben angeführt haben, ausnahmslos für alle Fälle. Unzweifelhaft kom- men auch Theilungen vor, bei welchen die participirenden Ner- venfasern bezüglich ihres Breitenverhältnisses ein von dem Mitge- theilten abweichendes Verhalten erkennen lassen, so ist beispiels- weise mitunter die centrale Faser nieht minder stark, als die bei- den übrigen, ein anderesmal übertrifft der Durchmesser des Zellen- ausläufers den der peripherischen Faser um ein Geringes, indess muss es ausdrücklich hervorgehoben werden, dass ähnliche Vor- kommnisse in der grossen Zahl der auf den Präparaten ersicht- lichen Theilungen allenfalls nur Ausnahmen von der Norm bilden. Untersuchungen über die Spinalganglien des Frosches. 431 Die in der nachstehenden Reihe enthaltenen Maasse stellen die Breitendurchmesser etlicher Theilungsfasern dar und zwar un- weit von der Theilungsstelle gemessen, jedoch noch an Punkten, wo dieselben ihrer Markscheide noch nicht verlustig geworden sind. Ich muss hierbei bemerken, dass dieselben an einem Zupfpräpa- rate gesammelt wurden und zwar ohne Auswahl, d.h.in der Reihen- folge, wie die entsprechenden Nerventheilungen beim Bewegen des ÖObjectglases in das Sehfeld traten. Die Provenienz der einzelnen Fasern wurde durch die sogleich zu schildernden histologischen Charaktere derselben festgestellt. Die in einer Reihe stehenden Maasse stammen von einer Theilung. Ausläufer. | Centrale Faser. | PeriphereFaser. u u u g 5,5 | 13 8 3,5 9 6,5 4 8,6 6,4 | 4 6,4 2, 3,3 8 6,5 3,5 | 8 7 4 8 6,6 4,6 | 8 14,5 12 | 16 6,5 4,1 8,8 11,8 6,5 13,5 13 7 14 6,5 5,9 8,2 ı I Wir haben bis jetzt stets von einer Theilung der Zellen- ausläufer gesprochen und die centrale und peripherische Faser immer als Theilungsarme bezeichnet, sind aber den Nachweis schuldig geblieben, dass diese Bezeichnungen dem wahren Sach- verhalte gemäss gewählt seien. Diesen zu liefern ist aber um so mehr nöthig, da von den beiden Histologen, die bisher über diesen 432 Michael von Lenhossek: Punkt eingehende Untersuchungen angestellt haben, der eine, Ranvier, eine von dieser durchwegs verschiedene Auffassung kundgiebt, der andere aber, Retzius, sich in diesem Sinne nicht mit Bestimmtheit auszusprechen wagt. Der französische Forscher macht nämlich in seiner berühmten Notiz, wie ich bereits in der dieser Abhandlung vorangestellten gedrängten historischen Ein- leitung mitgetheilt habe, nirgends von einer Theilung Erwähnung, sondern spricht eonsequent von einer „Vereinigung der Nervenfasern‘ und zwar soll nach seiner klaren Darstellung!) dieselbe so er- folgen, dass sich der Axencylinder des Zellfortsatzes ohne weiteres in den der ungestört weiterverlaufenden sensitiven Faser senke. Bei Retzius?) begegnen wir wohl schon der Angabe, es stelle diese „Vereinigung“ eher eine dichotomische Spaltung des Aus- läufers dar, allein dieser Forscher drückt sich über diesen Punkt mit so viel Zurückhaltung aus, dass es uns klar wird, er getraue sich nicht, seine Beobachtung zu verallgemeinern und dieselbe als eine gesetzmässige, für alle Ranvier’sche „Vereinigungsstellen* gül- tige Thatsache hinzustellen. Wenn ich nun auf das Bestimmteste behaupte, dass alle in denSpinalganglien vorkommenden „Verbindungsstellen‘ wirklichen Theilungen und zwar ausnahmslos Thei- lungen des Zellausläufers entsprechen, — so kann ich trotzdem nicht die geringsten Prioritätsrechte für mich in An- spruch nehmen; Schwalbe hat nämlich neuerdings in seiner Nervenlehre), gestützt hauptsächlich auf Freud’s Untersuchungs- ergebnisse sowie die neueren Faserzählungsresultate an der hinteren Wurzel, die Verhältnisse in ähnlicher Weise geschildert. Sehen wir nun, welche direete Beobachtungen uns zu dieser Annahme berech- tigen. Auf das Breitenverhältniss der drei Theilungsfasern werden wir uns hierbei offenbar nicht berufen können, ja in Anbetracht der That- sache, dass die periphere Faser in der Mehrzahl der Fälle die beiden anderen an Stärke übertrifft, wäre es sogar scheinbar nahe- liegend, anzunehmen, es komme diese durch ein Zusammenschmelzen der beiden anderen zu Stande. Wäre das richtig, so müsste wohl meines Erachtens mit Hinblick auf diese einzige histologische Be- 1) Ranviera. a. O. S.'1274. 2) Retzius a. a. O. S. 396. 3) @. Schwalbe, Lehrbuch der Neurologie. Erlangen 1881. S. 802. Untersuchungen über die Spinalganglien des Frosches. 435 obachtung, unsere ganze bisherige Auffassung über das Wesen der Spinalganglien aufgegeben werden oder zum mindesten eine be- deutende Umänderung erfahren; man müsste da folgerichtig die letzteren als physiologisch durchaus selbstständige Organe, als au- tomatische Centren betrachten, da doch der Fortsatz der Nerven- zellen sich in diesem Falle ausschliesslich zur Peripherie wenden würde. Glücklicherweise sind wir nicht genöthigt, eine ähnliche durehgreifende Reform unserer Anschauungen in diesem Sinne durchzuführen. Man darf sich nämlich die Nervenfaser nicht als ein Ganzes, etwa als ein Elementargebilde vorstellen, sondern stets vor Augen halten, dass die Breite derselben nicht immer durch eine gleichmässig starke Entwickelung aller der sie zusammensetzen- den Bestandtheile bedingt sein muss, sondern auch die Folge des stärkeren Auftretens einer ihrer Elementartheile z. B. ihrer Mark- scheide sein kann. Ein ähnliches Verhalten kommt auch hier vor. Die mikroskopische Analyse der in peripherischer Richtung fortlaufenden starken Faser ergiebt ohne weiteres, dass der allein wesentliche Bestandtheil derselben, ihr Axencylinder, immer schmäler ist, als der des Zellenfortsatzes, und dass ihre auffallende Breite bloss das Resultat einer stark entwickelten Markscheide darstellt. Wenn wir nun mit dieser Thatsache im Reinen sind, so werden wir in der, für den ersten Blick, allerdings etwas paradox erschei- nenden Beopachtung nichts Befremdendes mehr finden, dass hier in der Regel durch die Verschmelzung einer breiten Nervenfaser mit einer dünnen eine mittelbreite entsteht, oder, was auf eins aus- geht, dass sich eine mittelbreite Faser in eine dünnere und eine andere, die dieker ist, als die sich theilende, auflöst. Es ist hauptsächlich die eingehende Untersuchung der Thei- lungsstelle selbst, welche als wesentlichstes Ergebniss die ange- führte Thatsache liefert. Wenn man nämlich hierbei seine Auf- merksamkeit besonders auf das Verhalten des Zellenausläufers richtet, so findet man Folgendes: Die Endigung desselben erfolgt, wie erwähnt, stets bei einer Einschnürung. Beiläufig will ich be- merken, dass hierbei die, wie gesagt, im Ganzen relativ schwache Myelinscheide desselben in etwas eigenartiger Weise wie abge- schnitten, ohne sich zu verschmälern, plötzlich aufhört. In manchen Fällen treten nun aus der letzteren Scheide bereits zwei getrennte Axencylinder hervor, indess kommt ein solches Verhalten ziemlich selten zur Beobachtung, in der weitaus grösseren Zahl der Fälle Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd, 26. 25 454 Michael von Lenhossek: ergiebt sich, dass der Axenceylinder das Nervenmark noch als ein compacter Strang verlässt, jedoch nicht ungetheilt weitergeht, son- dern sogleich, nachdem er frei geworden, sich in zwei Aeste spaltet. Diese Spaltung ist nun so deutlich ausgesprochen, dass wer je ein solches Bild einer aufmerksameren Betrachtung unterzog, nicht mehr zweifeln kann, dass hiereine wirkliche Theilung des Axen- eylinders vorliegt. Es sind hier alle Kennzeichen einer wahren Zweitheilung vorhanden, so beobachtet man z. B. mitunter, dass die beiden durch die Spaltung entstandenen Axencylinder eine minimale Strecke hindurch nur durch eine scharfe, deutlich er- kennbare, feine Linie, getrennt, einander noch eng anliegen, um aber alsbald schön auseinander zu weichen. In überzeugendster Weise spricht aber für eine wahre Theilung der Umstand, dass die Axenceylinder der Theilungsarme stets zusammen- genommen so breit sind, als der des Ausläufers allein. Damit ist nun gewiss das Wichtigste mitgetheilt, was die Theilungsstelle dem Beoachter darbietet. Indess sollen bei dieser Schilderung auch die beiden zu Stande gekommenen Axencylinder berücksichtigt werden; sehen wir nun, welche Charaktere dieselben an dieser Stelle erkennen lassen. Zunächst überzeugt ıman sich, dass sie sich hinsichtlich ihrer Dicke sehr stark von einander unter- scheiden ; der eine derselben zeichnet sich nämlich durch eine solehe Breite aus, dass derselbe nachgerade die direete Fortsetzung des Ausläuferaxencylinders zu bilden scheint, während der andere in der Regel nur den Eindruck eines sich ablösenden, schwachen Seitenastes macht. Nach dem vorhin Angeführten ist es selbst- verständlich, dass hierbei die erstere der peripherischen, die letztere der centralen Faser angehört. Was jetzt speciell die weiteren Eigenschaften zunächst des zur Peripherie ziehenden Axen- cylinders anlangt, so erhält derselbe schon nach kurzer markloser Strecke — welche aber immerhin um ein Geringes länger ist, als das entsprechende marklose Stück der gewöhnlichen Ranvier’schen Einschnürungen — eine Myelinscheide, und zwar mit jener schlanken, trichterförmigen, eleganten Erweiterung, welche die Einschnürungs- stellen der gewöhnlichen dunkelrandigen Nervenfasern so zierlich erscheinen lässt. Der centrale Axeneylinder hingegen, der, wie gesagt, sehr viel dünner ist, verlässt den Zellenfortsatz mit einer. charakteristischen bogenförmigen Biegung, bleibt eine verhältniss- mässig grössere Strecke hindurch marklos und belegt sich erst Untersuchungen über die Spinalganglien des Frosches. 435 allmählich mit Nervenmark, so dass es bei dieser Faser selbst bei der passendsten Methode kaum gelingt, den Anfangspunkt dieser Scheide ganz präcis zu bestimmen. Die Kenntniss all’ dieser subtilen histologischen Kennzeichen giebt uns den Schlüssel in die Hand,,.'mit Hülfe dessen wir die Provenienz der einzelnen Fasern selbst an von der Zelle abge- rissenen, isolirten Theilungen mit genügender Sicherheit festzu- stellen vermögen, derart, dass dieselben gewissermaassen diagno- stische Merkmale darstellen. Jene Nervenfaser, deren Myelinscheide plötzlich wie abgeschnitten endigt, deren entblösster Axeneylinder sich sogleich dichotomisch theilt, wird sich leicht als der Zellen- ausläufer erkennen lassen; bei den Theilungsarmen wird man bei der Entscheidung ihrer Provenienz auf ihren fast constanten Breitenunterschied, auf die Art und Weise, wie ihre Markscheide anfängt, auf die verschiedene Länge ihrer marklosen Stücke und schliesslich auf die dem Axencylinder der centralen Faser eigen- thümliche Biegung sehen müssen. In der Figur 17, in welcher ich das gewöhnlichste Bild einer Ranvier’schen Theilung wiedergab, sind die soeben angeführten Formeigenthümlichkeiten, wie ich glaube, mit zufriedenstellender Treue und Deutlichkeit zur An- schauung gebracht. Nicht uninteressant sind die Resultate, die man erhält, wenn man die einzelnen centralen Fasern eine Strecke weit nach dem Rückenmarke zu verfolgt. Dieselben charakterisiren sich an der Thei- lungsstelle, wie wiederholt erwähnt, zumeist durch ihre auffallende Dünne, doch von vornherein lässt sich erwarten, dass sie nicht in ihrem ganzen Verlaufe gleich schwach bleiben, in welchem Falle das nach dem Ganglion liegende Stück der hinteren Wurzel das vor demselben liegende an Breite ungefähr um das Doppelte übertreffen müsste, was nicht der Fall ist, sondern, dass sie sich unweit von dem Knoten um einiges verbreitern. In einem Theile der Fälle sucht man nun an diesen Fasern, wenn man sie auch so weit als nur möglich centralwärts verfolgt, umsonst nach einer merklichen Aenderung ihres Durchmessers, so dass man allen Grund hat, anzunehmen, sie behalten in solehen Fällen ihre geringe Breite bis zu ihrem centralen Ursprunge bei. Sehr oft überzeugt man sich aber, dass sich die Sache thatsächlich so verhält, wie man es sich a priori vorstellen muss, indem nämlich ihr, von der Theilung gerechnet, zweites Segment das erste schon um ein Beträchtliches 436 Michael von Lenhossek: an Breite übertrifft, derart, dass sich beispielsweise ihr Durchmesser, welcher im ersten Segmente 6,5 « betrug, hierselbst auf 11,8 er- hebt. Diese Diekenzunahme. ist nachweisbar lediglich eine Folge der Verstärkung der Myelinscheide und hängt mit irgend einer Aufloekerung des Axencylinders oder dergleichen nicht zusammen. Manchmal erfolgt die Verdickung stufenweise durch mehrere Seg- mente; so betrug in einem hierher gehörigen Falle die Breite des ersten Segmentes 7 u, des zweiten 8,8, des dritten bereits 11 «, ob sich die Verbreiterung auch weiter fortgesetzt habe, das kann ich nieht sagen, da die Nervenfaser hierselbst abgerissen war. Ich will aber bemerken, dass die centralen Fasern trotz ihrer Ver- breiterung, bezüglich ihrer Dicke immerhin um etwas hinter den peripherisch verlaufenden zurückbleiben. Aehnlich wie der Durchmesser, erhebt sich auch die Länge der Segmente dieser Fasern centralwärts von der Theilung oft nur allmählich auf das normale Maass. Unmittelbar neben der letzteren kommen mitunter eigenthümlich kurze Segmente zur Beobachtung, wie sie bisher, so viel ich weiss, nirgends beschrieben wurden ; Segmente, deren Länge bisweilen kaum 20 u beträgt und welche, da sie, wenn sie noch so klein sind stets mehr weniger genau in ihrer Mitte einen normal grossen, mit schwachem Protoplasmasaum umgebenen Nervenkern aufweisen, ein überaus nettes Bild dar- bieten. Fig. 23 und 29 veranschaulichen zwei solche Miniatur- segmente. Dass hier ein inniger Zusammenhang zwischen der Breite der Myelinscheide und der Länge der interannulären Seg- mente bestehen muss, erhellt nicht nur aus dem Umstande, dass solche in Rede stehende kurze Segmente stets auch schmäler sind, als die folgenden längeren, sondern auch aus der Beobachtung, dass in jenen Fällen, wo die Verbreiterung der Nervenfaser nur allmählich durch Segmente erfolgt, auch die Länge der entsprechen- den Segmente nur stufenweise zunimmt. Als Beispiel möge hier eine centrale Faser angeführt sein, wo die Länge des ersten 6 u breiten Segmentes 55 «4, des zweiten, 8,7 u breiten 72 u betrug, und erst das dritte, 11,5 «4 breite Segment die Segmentlänge der gleichdieken gewöhnlichen markhaltigen Nervenfasern besass. Wenden wir unsere Aufmerksamkeit schliesslich noch einigen für das Verständniss der Spinalganglien bedeutungsvolleren Fragen zu, welche uns noch bei dem Studium dieser Organe entgegen- treten. Zunächst fragt es sich: kann auf Grund der bisher er- Untersuchungen über die Spinalganglien des Frosches. 437 mittelten Thatsachen jene Möglichkeit ausgeschlossen werden, dass etwa ein Theil jener Theilungen, welche zur Beobachtung kommen, diehotomischen Spaltungen der sensitiven Fasern, wie sie Freud!) in neuester Zeit für den Petromyzon schilderte, mit parallelem, peripherem Verlauf der Theilungsarme entspricht? Schon Retzius?) gedachte dieser Möglichkeit, liess aber die von ihm selbst auf- geworfene Frage völlig unentschieden, „es ist nicht möglich — sagt er — sicher zu bestimmen, ob neben den Theilungen der Nerven- zellenausläufer auch eine Theilung der aus den Centralorganen stammenden „durchziehenden“ Nervenfasern vorkommt.“ Nach all’ dem, was ich gesehen habe, stehe ich nun nicht an, die Existenz soleber Theilungen beim Frosche zu verneinen. Da nun diese meine Ansicht schon in jener vorhin gemachten Aussage, nach welcher ausnahmslos alle vorhandenen Theilungsstellen that- sächlich Theilungen der Fortsätze darstellen, enthalten ist, so ist es bloss eine Ergänzung des bereits früher Gesagten, wenn ich jetzt die Belege anführe, welchen diese Angabe ihre Beweiskraft entnimmt. Diese sind folgende: 1. Alle Theilungen, die ich auf Schnittpräparaten zu beobachten Gelegenheit hatte, zeigten, wie ich es bereits des Ausführlichsten besprochen habe, stets in zweifel- loser Weise, dass eine ihrer Fasern, und zwar die sich eigent- lich theilende, aus der Richtung des aus Ganglienzellen zusammen- gesetzten Mantels kam, mithin also einem Zellenfortsatz entsprach ; nie gewann ich ein Bild, das für eine Theilung der sensitiven Fasern und einen peripheren Verlauf der Theilungsäste sprach. 2. An mittelst Zerzupfung hergestellten Präparaten gelang es mir des Oefteren, zwei von den Theilungsfasern durch längere Strecken (bisweilen 2 mm) zu verfolgen, während die dritte, welche stets die oben geschilderten histologischen Charaktere des Ausläufers bot, immer nach kurzem Verlaufe abgerissen erschien oder, im Falle sie einen etwas längeren Verlauf zeigte, mit einer Nervenzelle in Zu- sammenhang trat. Diese beiden Beweise haben zwar den Vorzug, auf zweifellose direete Beobachtungen gegründet zu sein, sind aber nur negativer Natur. Versuchen wir nun einen etwas positiveren, wenn auch nieht eigenen Beobachtungen entnommenen Beweis für die Richtigkeit unserer Behauptung zu erbringen. 3. Wenn ähnliche 1) Freud a. a. O. S. 116. 2) Retzius a. a.'0. S. 379. 438 Michael von Lenhossek: Theilungen, wie sie von Freud für sein Untersuchungsthier nach- gewiesen worden sind, auch beim Frosche vorkämen, so müsste man wohl die Anzahl der aus dem Ganglion austretenden Nerven- fasern gegenüber der der eintretenden vermehrt finden. Wir wissen aber heutzutage bereits, dass das nicht der Fall ist; Holl!) und Stienon?) unterzogen die Fasern des prä- und postgangliären Abschnittes der hinteren Wurzel beim Frosche pünktlichen Zäh- lungen und fanden in übereinstimmender Weise, dass die Zahl derselben ungefähr gleich sei®). Somit ist nun das Vorhan- densein von Theilungen der sensitiven Fasern so gut wie ausgeschlossen. Ich meine, die letztere als Beleg angeführte Thatsache genüge schon an und für sich, eine bereits mitgetheilte Ansicht Ravitz’ zu widerlegen. Dieser Forscher behauptet nämlich, dass die bei- den durch die Ranvier'sche Theilung entstandenen Nervenfasern stets parallel zur Peripherie sich begeben. Vor Allem muss ich bemerken, dass es aus einem jeden seiner Worte klar hervorgeht, er habe überhaupt kaum ein einzigesmal eine Theilung so richtig mit genügender Schärfe gesehen, dass es ihm also an allen, im Sinne der exaeten Wissenschaft erforderlichen Grundlagen mangelt, betreff dieses Punktes dergleichen Behauptungen aufzustellen ; dessenungeachtet trägt er die genannte Angabe und zwar in durch- aus kategorischer Weise vor. Hierbei kann sich der genannte Forscher, was seine eigenen Ermittelungen betrifft, bloss auf jene einzige Beobachtung berufen, dass in den spärlichen ihm vorliegen- den Fällen die Theilungsäste nicht in derartigem Winkel zu ein- 1) M. Holl, Ueber den Bau der Spinalganglien. Wiener akad. Sitzungsber. 1875. Bd. 74, Abth. 3. 2) Stiönon, Recherches sur la structure des ganglions spinaux chez les vertebr&s superieurs. Annales de l’universit& de Bruxelles. 1880. 3) Der erstere dieser beiden Forscher benützte die von ihm ermittelte numerische Congruenz zur Stützung einer irrigen, jetzt bereits aufgegebenen Annahme, indem er es nachgerade als ein Postulat des gesunden Menschen- verstandes hinstellte, es seien die Zellen der Ganglien beim Frosche aus- schliesslich bipolar. Das Apodiktische dieser Darstellung wird gewiss Nie- manden Wunder nehmen, wenn man bedenkt, dass Holl damals noch an die Möglichkeit einer Theilung desZellenausläufers, welche jetzt gleichsam in erfinderischer Weise die Holl-Stienon’schen Zählungsresultate mit der Uni- polarität der Nervenzellen in Einklang bringt, — nicht denken konnte. Untersuchungen über die Spinalganglien des Frosches. 439 ander standen, als es der Fall gewesen wäre, wenn sie einen ent- gegengesetzten Verlauf besitzen würden. Die Erwägung dessen lässt er freilich ganz ausser Betracht, dass die mittelst Nadelprä- paration hergestellten Bilder bei der Zerrung, welcher hierbei die histologischen Elemente der Ganglien stets mehr weniger ausge- setzt sind, bei Weitem nicht zureichen, um auf Basis derselben eine so wichtige Frage leichthin zu erledigen. Ein anderer Be- weis, Jen er zu Gunsten seiner Ansicht anführt, ist jene bekannte Beobachtung Schwalbe’s!), wonach die Durchschnittsfläche des aus dem Ganglion austretenden Stammes namentlich bei den Ei- deehsen sich grösser zeigt, als die des eintretenden. Es kömmt mir nicht bei, die objeetive Wahrheit dieser Angabe zu bezweifeln, umso weniger, da ich beim Frosche ein ähnliches Verhalten beob- achten konnte, allein nach dem heutigen Stande der diesbezüg- lichen Kenntnisse unterliegt es keinem Zweifel, dass diese post- gangliäre Verdickung der hinteren Wurzel keineswegs das Resultat einer innerhalb der Ganglien vor sich gegangenen Vermehrung der Nervenfasern sein kann, in welchem Sinne sie von Ravitz geltend gemacht worden ist, indem eine solche Annahme mit den, von diesem Forscher wohl einmal erwähnten, im weiteren Laufe seiner Darstellungen aber absichtlich ignorirten Holl-Stienon’schen Zählungsergebnissen in ‘offenem Widerspruche stehen würde. So- weit ich gesehen habe, lässt sich diese Diekenzunahme vielmehr mit einer Verstärkung der sensitiven Fasern in Zusammenhang bringen; vorhin habe ich schon erwähnt, dass die centralen Thei- lungsarme trotz ihrer häufigen progressiven Verbreiterung nach dem Rückenmarke, fast nie jene Breite erreichen, welche die peri- pheren Theilungsarme innehaben. Die Folge dieses Umstandes ist: dass das prä- und postgangliäre Stück der Wurzel — da die accessorischen Bestandtheile, das Bindegewebe, die Blutgefässe bei beiden in gleicher Masse vorhanden sind — einen Unterschied im Durchmesser erkennen lassen, der auch bei unserem Thiere nicht unbedeutend genannt werden kann. Ich muss noch. be- merken, dass, da beim Frosche die hintere Wurzel ein freistehen- des postgangliäres Stück eigentlieb gar nicht besitzt, indem, - wie ich es Eingangs dargelegt habe, der Ganglienmantel sich selbst auf den gemeinsamen Stamm erstreckt, so musste ich zur Er- 1) Schwalbe a. a. O. S. 51. 449 Michael von Lenhossek: reichung dieses Resultats die Durchschnittsgrösse dieses letzteren mit der Summe der Durchschnittsgrössen der beiden Wurzeln ver- gleichen. Abgesehen indess von der Haltlosigkeit der Ravitz’schen „Beweise“ sind wir noch im Besitze mehrerer positiven Belege, welche das zuerst von Ranvier erkannte Factum des central- peripheren Verlaufs der Theilungsarme ausser allen Zweifel setzen. Als solcher steht obenan jene Thatsache, dass bei allen auf Längs- schnitten zur Beobachtung kommenden Theilungen die Arme aus- nahmslos einen solchen Verlauf zeigen; nie findet man Nerven- theilungen mit peripherisch ziehenden Aesten. Wie könnte man des Weiteren die Rävitz’sche Annahme mit den genannten Zäh- lungsergebnissen in Einklang bringen, da doch in diesem Falle die Zahl der austretenden Fasern offenbar vermehrt gefunden wer- den müsste, und schliesslieh — um bei unseren Ausführungen last not least auch die Physiologie in’s Feld zu führen —: wie würde man jener, zuerst von Waller nachgewiesenen, seitdem aber schon vielfach und in neuester Zeit von Bechterew und Rosenbach!) constatirten Thatsache gegenüberstehen, derzufolge als eine der wesentlichsten funetionellen Eigenschaften der Spinalganglien jener tropische Einfluss zu betrachten sei, den dieselben auf die Nerven- zellen des Rückenmarkes — also centralwärts — ausüben? Sicher- lich ist es nichts weniger als zulässig, an der Hand irgend einer phy- siologischen Thatsache oder gar Theorie den Bau eines Organes bloss mit den unsicheren Behelfen der Phantasie nach Belieben zusam- menzustellen oder sich dureh eine solehe bei anatomischen Unter- suchungen stark beeinflussen und so in der Regel irreleiten zu lassen; indess halte ich es für einen allzu schroffen Standpunkt, wenn man die Erwägung physiologischer Verhältnisse, die Berück- sichtigung der Function eines Organes bei der Feststellung der Structur desselben, ganz aus dem Bereiche der anatomischen For- schung bannen will. So meine ich, darf der Physiologie auch hier, bei der Widerlegung einer histologisch ohnedies nicht im Min- desten bewiesenen und schon von vornherein durchaus unwahr- scheinlich und fremdartig erscheinenden Behauptung ein Recht eingeräumt werden. 1) W. Bochterew und P. Rosenbach, Ueber die Bedeutung der Intervertebralganglien. Neurologisches Centralblatt, 1884. Nr. 12, Untersuchungen über die Spinalganglien des Frosches. 441 Was nun eine andere Frage betrifft, so habe ich die Ueber- zeugung gewonnen, dass es keine einzige Nervenzelle in den Spinalganglien des Frosches giebt, ob klein oder gross, deren Fortsatz sich nach kürzerem oder länge- rem Verlauf nicht theilt. Auch Ranvier äussert sich in ähnlicher Weise, indem er Folgendes sagt: „Es ist wohl unmög- lich, sicher zu bestimmen, ob eine jede aus einer Nervenzelle stam- mende Faser an der Bildung einer solchen T-förmigen Verbindung theilnimmt; allein wenn wir das, das Ganglion durchlaufende Stück der hinteren Wurzel zerzupfen, so bekommen wir so viele solcher Verbindungen zu Gesicht, dass die Annahme durchaus gerechtfer- tigt erscheint, dass die meisten, wenn nicht alle Zellenausläufer mit je einer sensitiven Faser in Zusammenhang treten.“ Es ist wieder vornehmlich die Holl-Stiönon’sche Angabe, welche ich als Hauptstütze dieser meiner Ansicht anführen kann. Auch hier sehen wir, dass die Kenntniss dieser Zelleneongruenz auf das Verständniss der in Rede stehenden Gebilde von einer Wichtigkeit ist, die nieht hoch genug veranschlagt werden kann. Es liegt wohl auf der Hand, dass wenn in den Knoten neben den sich spaltenden auch einfach ungetheilt weiterverlaufende Nerven- zellenfortsätze vorhanden wären, sich die Zahl der austreten- den Fasern gegenüber der der eintretenden je nach der peripheren oder centralen Verlaufsrichtung dieser Ausläufer als vermehrt oder vermindert herausstellen müsste, was nun nicht der Fall ist. Es wäre nur eine Annahme denkbar, bei welcher die Zahlen- congruenz mit dem ungetheilten Verlauf einiger Fortsätze nicht in Widerspruch stünde, das wäre, wenn man annehmen könnte, dass die. ungetheilten Ausläufer theilweise zur Peripherie, theilweise aber zum Rückenmarke ziehen, und zwar derart, dass sie sich hierbei numerisch das Gleichgewicht halten. Allein diese Möglichkeit kann mit Hinblick auf die Gleichartigkeit, die die Ausläufer in ihrer Lage, ihrer Richtung und ihrem Verlaufe auf Längsschnitten stets erkennen lassen, mit ruhigem Gewissen und vollkommener Sicherheit ausgeschlossen werden. Auch aus physiologischem Stand- punkte kann die Idee eines solehen prineipiellen Unterschiedes zwischen einzelnen Nervenzellen und Ausläufern eines und des- selben Ganglion, wie er dieser Annahme gemäss aufgestellt werden müsste, nachgerade absurd genannt werden. Es bleibt also nichts anderes übrig, als jene einfachste Ansicht für die zutreffende zu 442 Michael von Lenhossek: halten, dass kein einziger Zellenfortsatz eine Ausnahme von der allgemeingültigen Regel macht, d. h. dass sich ausnahmslos alle in gleicher Weise theilen. Trachten wir nun in Betreff einer anderen Frage Stellung zu gewinnen. Freud wies es in seiner des Oefteren eitirten Ab- handlung!) nach, dass beim Petromyzon ein Theil (?/,—#/,) der aus der Wurzel kommenden Nervenfasern ohne Verbindung mit den Nervenzellen durch das Ganglion hindurchtrete. Die Schilde- rung Freud’s ist so klar und überzeugend und die Methode, mit- telst welcher er die fraglichen Verhältnisse der Erforschung zu- gänglich machte, ist, soweit es aus seiner Darstellung ersichtlich ist, so zuverlässig, dass man keinen Grund hat, über die Richtig- keit seiner diesbezüglichen Angabe zu zweifeln. Auf problemati- schere Weise versuchten schon früher andere Forscher (namentlich Kölliker und Schwalbe) die Existenz solcher „durchtretenden Nervenfasern“ für die höheren Wirbelthiere festzustellen. In der That ist die sichere Erledigung dieser Frage selbst bei dem Frosche, wo sich die Verhältnisse noch bei Weitem einfacher, un- complieirter darstellen als bei den letzteren, mit sehr grossen Schwierigkeiten verbunden, ja es lässt sich diesbezüglich ein ge- sichertes Urtheil bis jetzt durchaus nicht abgeben. Indess finden wir in den uns zur Verfügung stehenden Thatsachen dennoch einige Anhaltspunkte, welche gestatten, uns hierüber eine Meinung zu bilden. Das Factum, das. hier hauptsächlich in die Wagschale fällt, ist, dass die Anzahl der das Ganglion constituirenden Nerven- zellen ungemein gross, ja gewiss nicht geringer ist, als die Zahl der in dasselbe tretenden hinteren Wurzelfasern. Wenn man nun in Betracht zieht, was wir soeben zu beweisen versucht haben, dass nämlich die Fortsätze der durchweg unipolaren Ganglienzellen sich alle theilen, oder um uns der Ranvier’schen Ausdrucksweise zu bedienen, dass ein jeder derselben mit je einer sensitiven Faser in Zusammenhang tritt, so wird es einem wahrscheinlich, dass es in den Knoten des Frosches einfach durchtretende Fa- sern überhaupt nicht giebt, oder wenn solche auch vorhanden sind, so ist ihre Zahl eine verschwindend kleine. | | Hält man diesen Satz für richtig, so wird man jene bekannt- 1) Freud a. a. 0. 8. 118. Untersuchungen über die Spinalganglien des Frosches. 443 lich zuerst von R. Wagner!) vertretene Ansicht, dass „die Inter- polation durch eine Nervenzelle“, oder wie wir uns heutzutage ausdrücken würden, der Zusammenhang mit einer solchen in den Spinalganglien ein für die sensitive Faser charakteristisches Merk- mal darstellt, nicht so leicht verwerfen können, nur darf hierdurch nicht zugleich verstanden werden, dass auch die physiologische Rolle derselben mit diesem Umstande etwa in causalem Con- nexe sei. Wenn wir nun, am Ende unserer Ausführungen angelangt, einen Rückblick auf die ermittelten Resultate werfen, so müssen wir als das wichtigste Ergebniss die Kenntniss jener, allerdings zum Theil schon von früheren Forschern, so z.B. von Schramm mitgetheilten, jedoch nicht beweiskräftig dargelegten Thatsache bezeichnen, dass die diehotomische Theilung mit central-periphe- rem Verlauf der Theilungsarme allen Nervenzellenfortsätzen der Spinalganglien gemein sei, und dass man hier stets mit wirklichen Spaltungen des Ausläuferaxeneylinders zu thun habe. Die Wich- tigkeit dieser Beobachtung liegt hauptsächlich darin, dass man, gestützt auf selbe jene Frage, deren Lösung ich mir als Hauptauf- gabe meiner Untersuchungen gestellt habe, ob nämlich zwischen den bipolaren Spinalganglienzellen der Fische und den unipolaren der höheren Wirbelthiere ein wesentlicher Unterschied bestehe, mit genügender Sicherheit erledigen kann. Man muss diese Frage ganz entschieden, ebenso wie es bereits Freud andeu- tungsweisethat, verneinen. Die Nervenzellen der Wur- zelknoten höherer Wirbelthiere sind nur anatomisch unipolar, physiologisch kann man dieselben ebenfalls als bipolare, im Verlauf der sensitiven Fasern einge- schaltete Zellen betrachten. Man kann sich die Sache so vorstellen, dass das unmittelbar vor und nach dem Gang- lienkörper liegende Stück einer jeden hinteren Wurzelfaser zu je einem gemeinsamen Stiele, dem Fortsatze der Zelle, zu- sammengefasst ist, in welchem aber die Vereinigung der beiden Axeneylinder eine so innige ist, dass man nicht die geringste An- deutung des Zusammengesetztseins aus zwei Axenfäden an dem- selben wahrzunehmen vermag, obgleich diese beiden scheinbar ganz 1) R. Wagner, Neue Untersuchungen über den Bau und die Endi- gung der Nerven und die Structur der Ganglien. Leipzig 1847. 444 Michael von Lenhossek: verschmolzenen Theile die Erregung offenbar gerade in entge- gsengesetzter Richtung, nämlich von und zu der Zelle leiten. Nachdrücklich sei es erwähnt, dass man einer durchaus irr- thümlichen Auffassung Raum geben würde, wenn man für die physiologisch als bipolar erkannten Ganglienzellen der Spinal- knoten höherer Vertebraten annähme, sie seien, so wie esSchultze!t) für alle;Nervenzellen, mit Ausnabme der Ganglienkörper der Ge- hirnrinde, behauptet hatte, nichts, als Durchgangsorgane der Nervenfasern, in welchen die Elemente des eintretenden Axen- eylinders einfach hindurchtreten, um sich in die des austretenden Ausläufers unverändert und unvermehrt fortzusetzen. So weit man aus anatomischen Thatsachen auf physiologische Verhältnisse schliessen darf, repräsentiren die fraglichen Zellen — neben ihrer Eigenschaft als Durehgangsorgane — gewissermassen auch noch selbständige Centren. Die histologische Beobachtung, welche dies als glaubwürdig erscheinen lässt, findet man in jener bereits wie- derholt erwähnten Thatsache, dass von den Axeneylindern der beiden Theilungsarme jener des peripherisch abziehenden sich fast immer um ein gutes Theil breiter darstellt, als der des cen- tralen, woraus meiner Ansicht nach positiv der Schluss gefolgert werden kann, dass die, den peripherisch empfangenen Reiz gegen die Centralorgane zu leitenden Nervenfasern durch die?Zellen der Spinalganglien nieht nur unterbrochen werden, sondern dass auch ein Theil ihrer Substanz oder ihrer Elemente in die- sen letzteren seine Endstation findet. Natürlicherweise fällt diese Frage mehr in das Gebiet der physiologischen Forschung. Zum Sechlusse erlaube ich mir noch, obwohl nicht ganz im Einklang mit dem Titel dieser Arbeit, eine möglichst gedrängte Sehilderung jener schon den älteren Forschern bekannten, ihrem Wesen nach jedoch bis jetzt ziemlich räthselhaften kleinen Organe hinzuzufügen, welche den Spinalganglien des Frosches constant anhaften und in den Büchern gemeiniglich unter dem Namen der 1) M. Schultze, Vorrede zu Deiters’ „Untersuchungen über Gehirn und Rückenmark.“ Braunschweig 1865. S. XV. Untersuchungen über die Spinalganglien des Frosches. 445 „Kalksäckchen“ erwähnt werden. Ich hielt es nicht für nöthig, diesen kleinen Gebilden eine besondere Mittheilung zu widmen, und offen gesagt, hätte ich auch dies bei der Unzulänglichkeit meiner bisherigen, diesen Punkt betreffenden Untersuchungen nicht in angemessener Weise bewerkstelligen können, da mir be- züglich der Verbreitung dieser Gebilde im Thierreiche, ihrer Ent- wiekelung und mancher ihrer makroskopischen Verhältnisse nicht genügende Beobachtungen zu Gebote stehen, während von einer selbständigen Abhandlung wit Recht eine gewisse Ausführlichkeit und Vollständigkeit erwartet wird. Indess was die mikrosko- pische Structur derselben angeht, glaube ich sie ziemlich eingehend untersucht und ihren Bau mit genügender Sicherheit erkannt zu haben. Ist mir das letztere gelungen, so kann ich das bloss der von mir angewandten, für ihre Erforschung sehr günstigen Me- thode verdanken. Die geeigneteste Methode, den wahren Bau dieser Organe zur Anschauung zu bringen und so einen Ein- bliek in das Gefüge derselben zu gewinnen, besteht darin, sie genau in derselben Weise, wie ich es oben für die Spinalganglien anzugeben Gelegenheit hatte, mit Ueberosmiumsäure zu behandeln und dann durch längeres Liegenlassen in doppelt-chromsaurem Kali schnittfähig zu machen. Das erstere Mittel hat den grossen Vorzug, dass es ihre Elemente nicht nur passend erhärtet und in ihrer natürlichen Gestalt und Lage fixirt, sondern dieselben gleich- zeitig auch scharf differenzirt färbt; unterwirft man hingegen die „Kalksäckchen‘‘ — sowie es offenbar bislang ausschliesslich ge- schah — einfach einer Alkoholhärtung, so schrumpfen sie der- massen zusammen und büssen ihre Zellen, welche, wie es scheint, zu den zartesten Gebilden gehören, ihre Integrität in solchem Maasse ein, dass es schlechterdings unmöglich wird, über ihre mor- phologischen Verhältnisse irgendwelche Aufschlüsse zu erhalten. Was nun zunächst die Lage dieser Gebilde betrifft, will ich hier Folgendes erwähnen: sie haben im Ganzen, wie es scheint, eine kappenförmige Gestalt und umfassen das unmittelbar vor dem Ganglion befindliche Stück der hinteren Wurzel, setzen sich aber auch auf den Hals, auf das proximale Drittel, häufig auf die Hälfte des Knotens fort. Sie sind in einer gemeinschaftlichen Kapsel mit den Ganglien gelegen, deren fibröse Scheide, wie ich es bereits bei der Schilderung dieser erwähnt habe, sich über sie hinwegschlägt; indess lässt sich dennoch eine schwache, lamellen- 446 Michael von Lenhosse&k: artige Fortsetzung dieser Kapsel zwischen der Oberfläche der Ganglien und den in Rede stehenden Organen nachweisen. An Längsschnitten — und an solchen lassen sie sich unzweifelhaft am besten erforschen — erscheinen sie meistens in zwei, zu beiden Seiten des Ganglion gelegene, ungefähr gleich grosse Segmente getheilt. Ein solches Segment stellt Figur 20 vor. Hinsichtlich des feineren Baues dieser Organe durchmusterte ich vergebens die mir zur Verfügung stehenden Werke und Zeit- schriften; der einzige Autor, der meines Wissens Einiges über diesen Punkt mittheilt, ist Ecker, allein auch das von ihm Ge- botene beschränkt sich bloss auf einige Worte. Das Ganze näm- lich, was dieser Forscher in seiner bekannten, vortrefflichen Mono- graphie!) hierüber sagt, ist Folgendes: ‚Die Oberfläche dieser Säckchen erscheint uneben, wie in Läppchen getheilt, und es scheint dies dadurch bedingt, dass die Membran, welche die Säck- chen bildet, nach der Höhle dieser Fortsätze abschickt, wodurch diese unvollkommen in Abtheilungen geschieden wird. Den Inhalt bildet eine milchige Flüssigkeit, welche zahlreiche Krystalle ent- hält.“ c Meine Befunde weichen nun wesentlich von dem ab, was in dieser knapp gefassten Beschreibung gesagt wird und stellen, wie ich glaube, diese Gebilde in ein durchaus neues Licht. Auf Grund meiner Beobachtungsresultate kann ich nämlich mit Bestimmtheit behaupten, dass die bisher übliche Bezeichnung als „Kalksäck- chen“ keineswegs auf dieselben passt und auf einer irrigen Vor- stellung vom Baue derselben beruht, indem wir es hier, wie ich mich auf den ersten Blick überzeugen konnte, entschieden mit soge- nannten „Drüsen ohne Ausführungsgang“ zuthun haben, wie z.B. dieSchilddrüse, die Zirbel ete. eine ist. Ich be- schränke mich nicht darauf, die Organe einfach als drüsenartig gebaut zu bezeichnen, sondern will es nochmals und ausdrücklich hervor- heben, dass wenn die Thyreoidea z. B. eine Drüse genannt wird, so darf dieser Name mit vollem Rechte auch auf die fraglichen Gebilde angewendet werden. Sie gehören in die Kategorie der zusammen- gesetzten tubulösen Drüsen, indem sie thatsächlich aus ziem- lich gerade verlaufenden, charakteristisch aussehenden Schläuchen 1) A. Ecker, Die Anatomie des Frosches. Zweite Abth. Braunschweig 1881. 8. 34. Untersuchungen über die Spinalganglien des Frosches. 447 bestehen, welehe sowohl miteinander, als auch mit der Längsaxe der Ganglien parallel liegen und zufolge dieser Lage an gelun- genen Längsschnitten mitunter in ihrer ganzen Ausdehnung ange- troffen werden. Ob die einzelnen Tubuli miteinander zusammen- hängen oder ob sie am proximalen und distalen Rande der Drüse blind geschlossen endigen, liess sich nicht genau ausmachen. Diese Schläuche liegen höchstens in 3—4 Schichten über- einander und sind mit einem höchst regelmässigen, einschichtigen Epithel ausgekleidet, dessen Zellen auf Schnittpräparaten zumeist annähernd quadratisch sind und ungefähr 14—15 u messen. Neben den so gestalteten Zellen finden sich indess stellenweise auch solche, welche eine ausgeprägt eylindrische Form besitzen, oder im Gegentheile sehr verflacht erscheinen. Ich möchte diese letz- teren Differenzen einfach auf jenen Umstand zurückführen, dass die Drüsenschläuche auf einem und demselben Präparate nicht in gleichem Ausdehnungszustande sich befinden, sondern an einigen Stellen mehr zusammengeschrumpft, an anderen hingegen erweitert sind, wodurch offenbar auch die Form der Epithelzellen, welche ihre Auskleidung bilden, beeinflusst werden muss. In der That lässt sieh schon durch direete mikroskopische Beobachtungen ein | ähnlicher Zusammenhang nachweisen. Ist diese Auffassung richtig, somuss zugleich folgerichtig angenommen werden, dass das Epithel dieser Drüsen, welche in intactem Zustand prall gefüllt und aus- gedehnt sind, während des Lebens im Allgemeinen etwas nie- driger ist, als es an Schnittpräparaten den Anschein hat. Was nun die feinere Structur dieser Zellen anlangt, will ich nur so viel erwähnen, dass sie jederseits durch ungemein scharfe Ränder begrenzt sind, von oben betrachtet polygonale Grenzlinien erkennen lassen, einen aus feinkörnigem Protoplasma bestehenden Zellenleib besitzen und schliesslich stets mit einem elliptischen, in ihrer Mitte gelegenen sehr intensiv sich färbenden Kern ausgestattet sind. Während sich nun all’ diese Verhältnisse mit Hülfe der an- geführten Methode leicht eruiren lassen, bereitet eine andere Frage ungleich mehr Schwierigkeiten, diejenige nämlich, ob den Zellen- schläuchen auch eine umhüllende Membrana propria zukomme. Trotzdem dass ich mir bezüglich dieser Frage, welche wohl zu den schwierigsten Aufgaben der Histologie gehört, alle denkbare Mühe genommen habe, wollte es mir dennoch nicht gelingen, ein sicheres Resultat zu erhalten. Nichtsdestoweniger halte ich die 448 Michael von Lenhossek: Existenz einer solehen für höchst wahrscheinlich, und zwar finde ich die Berechtigung zu dieser Annahme in jener Beobachtung, dass an Schnittpräparaten die äussere Begrenzung der Epithel- schläuche stets durch eine ebenso scharfe wie glänzende Linie ge- bildet wird, was meines Erachtens wohl kaum der Fall sein könnte, wenn die Tubuli ausschliesslich aus nebeneinander gereihten Zellen bestünden. Es kommt häufig vor, dass einzelne Schläuche den Drüsenkörper selbst verlassen, derart, dass sie mit demselben nur an einer Stelle zusammenhängen und isolirt in dem umgebenden Bindegewebe liegen; solche aberrante Schläuche sind es insbe- sondere, an welchen die erwähnten scharfen Contourlinien sich am deutlichsten zeigen. Die Schläuche lassen an Schnitten mehr minder weite Lu- mina erkennen, deren Inhalt durch eine für das unbewaffnete Auge in der That milchartig erscheinende Flüssigkeit gebildet wird. Unter dem Mikroskope stellt sich die letztere als eine feingranu- lirte Masse dar, die gewisse Farbstoffe (z. B. Haematoxylin, Safranin) äusserst gierig aufnimmt, so dass sie sich beispielsweise mit mittel- starkem Haematoxylin binnen einigen Minuten intensiv dunkel färbt. In dieser Grundsubstanz sind nun unzählige, deutlich er- kennbare, zumeist winzige Krystalle eingestreut, unter denen aber einige durch ihre Grösse auffallen. Diese Krystalle sind es, denen die Drüse sowohl ihre Farbe, als auch ihren Namen verdankt, da dieselben einerseits in grösserer Menge eine helle weisse Farbe geben, andererseits aber höchst wahrscheinlich aus Kalksalzen be- stehen, worauf auch der Umstand hinweist, dass sie, wie es Ecker ganz richtig angiebt, auf Zusatz eines Tropfens Salzsäure sogleich verschwinden. Es’ kann kein Zweifel darüber bestehen, dass diese die Tubuli ausfüllende Substanz durch eine eigenthümliche, ihrem Hergang nach unbekannte Metamorphose des einstens produeirten Secretes der Drüsenzellen entstanden sei. Endlich muss ich noch erwähnen, dass die Schläuche durch schmale bindegewebige Scheidewände von einander geschieden werden, weiche sich als Fortsetzungen der die Organe umhüllenden fibrösen Kapsel erkennen lassen. An vielen Stellen findet man in denselben feine, in der Längsriebtung der Ganglien verlaufende Blutcapillaren, die sich, wenn sie auch nicht injieirt worden sind, durch die sie erfüllenden rothen Blutkörperchen, welche sich mit der Ueberosmiumsäure sehr stark färben, scharf und hell mar- Untersuchungen über die Spinalganglien des Frosches. 449 kiren. Im Allgemeinen lässt sich sagen, dass die Organe ziemlich gefässreich sind. Es erübrigt nunmehr nichts, als der Frage nahe zu treten, welche Bedeutung, welche Function diesen Gebilden zukomme. Leider sind wir aber genöthigt, eben von der Beantwortung dieser wichtigen Fragen einstweilen Abstaud zu nehmen, da all’ das, was hinsichtlich des Baues derselben ermittelt werden konnte, keine fassbaren und sicheren Hinweise auf die Rolle derselben im leben- den und funetionirenden Organismus enthält. Ich für meinen Theil halte es für besser, mich zunächst mit der mitgetheilten einfachen Beschreibung zu begnügen, als irgend eine Ilypothese aufzustellen, welche vielleicht im Anfang Aufmerksamkeit finden, würde, um nach einiger Zeit das dunkle Schicksal anderer zu tbeilen. Das Eine steht fest, dass diese Organe viel Aehnlichkeit mit der Thy- reoidea und vielleicht noch mehr mit den Anhangsgebilden des Gehirns, so z. B. mit der Glandula pinealis, mit dem sogenannten Saceus vasculosus einiger Knochenfische u. s.w. darbieten, und dass sie überhaupt in die Gruppe jener Gebilde gewiesen werden können, für welche man bis jetzt keinen besseren Namen gefunden hat, als „Drüsen ohne Ausführungsgang“. Allenfalls ist die über- kommene Bezeichnung der in Rede stehenden kleinen Organe als „Däckchen“ ganz unpassend, und desshalb glaube ich den even- tuellen Vorwurf der Unbescheidenheit nicht zu verdienen, wenn ch vorschlage, dieselben fortan mit Rücksicht auf ihre Lage und Structur „periganglionäre Kalkdrüsen“ zu nennen. Ueberblick der Resultate. 1) Beim Frosche umgeben die das Ganglion zusammen- setzenden Nervenzellen zum Theil die hintere Wurzel in Form eines geschlossenen Mantels; zum Theil sind sie unregelmässig zwischen die Fasern der letzteren gebettet. Der Zellenmantel lässt bei den oberen und wnteren Ganglien zufolge der verschiedenen Anordnung seiner Elemente eine etwas abweichende Form erkennen. Je nach der Grösse der den Mantel constituirenden Zellen kann mau in demselben constante und regelmässige Schichten unter- Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 26. 29 450 Michael von Lenhossek: scheiden. Die in spärlicher Zahl vorhandenen, zwischen den sen- sitiven Fasern zerstreuten Zellen sind in den hinteren Wurzeln der unteren Rückenmarksnerven (8&—10) schon in einer gewissen Entfernung vor den Ganglien vorzufinden. 2) Die Nervenzellen der Spinalganglien sind durebweg uni- polar; bipolare, multipolare oder mit „Spiralfaser“ versehene Zellen kommen hier nicht vor; die auf Zupfpräparaten allerdings häufig zur Beobaehtung kommenden „Apolarzellen“ sind Kunstproducte. Jene seit Janger Zeit bekannte endotheliale Hülle, welche als eine feste Kapsel die Zellen umschliesst, lässt sich in allen Fällen, wo die feineren Strueturverhältnisse deutlich zur Anschauung gelangen, als Fortsetzung der Henle’schen, und nieht, wie man dies bislang annahm, der Schwann’schen Scheide des Ausläufers erkennen. Am polaren, d. h. dem abgehenden Fortsatze zugekehrten Theile der Nervenzellen befindet sich eonstant eine seichte, aber breite, durch scharfe Ränder begrenzte, tellerförmige Vertiefung, welche durch 2—3 rundliche, bisher unbekannte Zellen beinahe vollständig ausgefüllt wird. Diese „Polarzellen“, deren Kerne mit den be- kannten Courvoisier’schen „Polarkernen‘‘ identisch sind und welche in ihrer Gesammtheit ein plattenförmiges Gebilde, die „Polar- platte“, darstellen, werden wahrscheinlich nach aussen noch durch eine feine Membran, vielleicht eine Ausbreitung der Schwann’schen Scheide des Fortsatzes bedeckt. Zweikernige oder in Theilung begriffene Elemente lassen sich in den Spinalknoten ausge- wachsener Frösche nicht nachweisen. Jene in grosser Anzahl vor- handenen, auffallend kleinen Ganglienkörper, welche von Ravitz als jugendliche, in der Entwickelung begriffene Nervenzellen ge- kennzeichnet wurden, stellen in der That schon in frühzeitlieher Periode auf niedriger Entwicklungsstufe endgültig stehengebliebene Zellen dar. 3) Der Axeneylinder des Fortsatzes verlässt die Zellsubstanz — deren direete Fortsetzung er bildet — am Rande der erwähnten Vertiefung und umschliesst sich bald mit Nervenmark, bald ver- bleibt er bis zuletzt marklos, was mit ziemlicher Gesetzmässigkeit von der Grösse der Zelle abhängt. Die Verlaufsrichtung des Aus- läufers ist bei den einzelnen Ganglien verschieden, indem derselbe bei den oberen in gerader Richtung, senkrecht auf die Längsaxe des Ganglion verläuft, bei den unteren hingegen sich mehr schief, centralwärts wendet. Alle Fortsätze zeigen noch innerhalb der Untersuchungen über die Spinalganglien des Frosches. 451 Knoten nach kürzerem oder längerem Verlaufe eine dichotomische Theilung mit wahrer Spaltung ihres Axencylinders, wobei von den beiden zu Stande gekommenen Theilungsarmen der schwächere centralwärts abzieht, der stärkere hingegen nach der Peripherie läuft. Durchtretende, d. h. solche Fasern, die durch das Ganglion hindurchziehen, ohne sich mit den Nervenzellen in Verbindung zu setzen, giebt es beim Frosche wahrscheinlich überhaupt nicht; im Falle ihres Vorkommens ist ihre Zahl sehr gering. In Anbetracht der constanten Theilung des Ausläufers hat man allen Grund an- zunehmen: es bestehe zwischen den bipolaren Zellen der Fische und den unipolaren des Frosches (mithin auch der höheren Wirbel- thiere) kein prineipieller Unterschied. Wesentlich kann man auch die letzteren als im Verlauf der sensitiven Fasern eingeschaltete Elemente betrachten; ihre Unipolarität ist bloss dadurch bedingt, dass die unmittelbar vor und nach denselben gelegenen Stücke dieser Fasern stets zu einem gemeinsamen Stiele — dem Zellen- ausläufer — zusammengefasst sind. 4) Jene kleinen, weisslichen, seit Alters her bekannten Or- gane, welche constant den Spinalganglien des Frosches anhaften und bisher den Namen „Kalksäckchen“ führten, sind in der That nicht einfache, fibröse Kapseln, sondern wahre tubulöse „Drüsen ohne Ausführungsgang“, welche wesentlich aus länglichen, gerade und parallel verlaufenden, als Auskleidung ein schönes einschich- tiges Epithel besitzenden Schläuchen bestehen. Mit Rücksicht auf diese ihre Structur können die — ihrer Function nach unbekannten — Organe am passendsten als „periganglionäre Kalkdrüsen‘ be- nannt werden. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XV und XV. Die Figuren sind mit Ausnahme von Fig. 1 und 20 mit der Anwen- dung von Seibert’s Ocular III und Objectiv VII gezeichnet. Fig. 1. Längsschnitt durch das 9, Spinalganglion des Frosches. Die Fort- sätze der Nervenzellen sind deutlich zu erkennen und lassen sich stellenweise bis zu ihrer dichotomischen Theilung verfolgen. Die Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. DD Michael von Lenhossek: auf dem als Vorlage dienenden Präparate in der Mehrzahl der Zellen vorhandenen, durch die Behandlungsweise intensiv schwarz gefärbten Fettkörnchen sind in dieser Abbildung behufs grösserer Deutlichkeit weggelassen. Ueberosmiumsäure,, doppeltchromsaures Kali, Glycerin. Grosse Nervenzelle, an deren Kapsel die Grenzen der Endothel- zellen durch Silberbehandlung zur Anschauung gebracht wurden. Der Zellkörper ist nicht deutlich sichtbar. Glycerin: Kleine, stäbchenförmige Nervenzelle aus dem unmittelbar vor dem 8. Spinalknoten liegenden Abschnitt der entsprechenden hinteren Wurzel. Goldchlorid, Glycerin. 4 und 5. Zwei kleine, mit blassem Fortsatze versehene Nervenzellen. g. 10. el: 12. 13. Goldchlorid, Glycerin. Grössere Nervenzelle, mitsammt einem Stücke des Ausläufers, welcher nur in einiger Entfernung von derselben eine Markscheide erhält. Die Schwann’sche Scheide des Ausläufers lässt sich bis zur Zellsub- stanz verfolgen. Die Polarplatte setzt sich scharf von der Zelle ab, ihre Zellengrenzen und Kerne sind jedoch nur schwach markirt. ÖOsmium, Essigsäure, Glycerin. Grössere Ganglienzelle mit myelinhaltigem Fortsatze. Die Polar- platte ist mitsammt ihren Zellencontouren und Kernen deutlich zur Anschauung gebracht. Osmium, Essigsäure, Glycerin. Mittelgrosse Ganglienzelle, deren Ausläufer sich erst nach etwas längerer Strecke, aber noch vor der ersten Einschnürung, mit Ner- venmark belegt. Osmium, Essigsäure, Glycerin. Grössere Nervenzelle, deren Fortsatz sich schon bei der ersten Ein- schnürung theilt. Die Myelinscheide des letzteren tritt bereits nahe zur Zelle auf. Osmium, Essigsäure, Glycerin. Mittelgrosse Nervenzelle, deren Ausläufer bis zur ersten Einschnü- rung marklos verbleibt, hier eine Myelinscheide erhält und sich bei der nächstfolgenden Einschnürung in zwei theilt. Osmium, Essig- säure, Glycerin. Grössere Zelle sammt dem Ausläufer. Die Theilung des letzteren erfolgt erst bei der dritten Einschnürung. Osmium, Essigsäure, Glycerin. Mittelgrosse Nervenzelle. Die Polarzellen treten mitsammt ihren Kernen scharf hervor. Goldchlorid, Glycerin. Grössere Nervenzelle, von der sich die Polarplatte während der Prä- paration zum Theil herabgelöst hat. Zufolge der schwachen Fär- bung sind weder die Grenzen der Polarzellen, noch die Kerne der- selben sichtbar. Osmium, Essigsäure, Glycerin. 15 und 16. Drei grössere Ganglienkörper. an denen sowohl die feineren Verhältnisse der Polarzellen und ihrer Kerne, als auch der Zusammenhang des Fortsatzes mit der Zellsubstanz und jener der Hi. ‚17. Fig. 18. Fig. 19. Fig. 20. Untersuchungen über die Spinalganglien des Frosches. 453 Schwann’schen Scheide mit der Polarplatte deutlich zur Anschauung kommen. Goldchlorid, Glycerin. Das gewöhnlichste Bild der Ranvier’schen Theilung. Osmium, Essig- säure, Glycerin. Ranvier’sche Theilung. Die Henle’sche Scheide lässt entsprechend der Theilungsstelle einen ovalen Kern erkennen. Das erste Segment des schwächeren Theilungsarmes (centrale Faser) ist auffallend kurz und zugleich um etwas schmäler als das nächstfolgende Segment. ÖOsmium, Essigsäure, Glycerin. Ranvier’sche Theilung, welche ungefähr dieselben Verhältnisse er- kennen lässt. Osmium, Essigsäure, Glycerin. Längsschnitt durch die dem zweiten Spinalknoten anhaftende Kalk- drüse. In der Abbildung ist auch ein Stück des Knotens und der hinteren Wurzel wiedergegeben. Osmium, doppeltchromsaures Kali Glycerin. (Aus dem physiologischen Institut zu Breslau.) Ueber eine eigenthümliche Veränderung der Pan- kreaszellen warmblütiger Thiere bei starker Abson- derungsthätigkeit der Drüse. Von Dr. S. W. Lewaschew, Docenten an der medicinischen Akademie zu St. Petersburg. Hierzu Tafel XVII. Beim Beginn meiner Untersuchungen über die Bildung von Fermenten in dem Pankreas!) schlug mir Prof. Heidenhain vor, neben diesen noch parallele mikroskopische Untersuchungen der Structur dieser Drüse vorzunehmen und empfahl mir dabei, meine Aufmerksamkeit vorzugsweise auf diejenigen ganz besonderen, in 1) Vgl. Pflüger’s Archiv, Bd. 37, S. 32. 454 S. W. Lewaschew: der ein Jahr vordem erschienenen Arbeit von Masanori Ogata?) beschriebenen Processe zu lenken, welche sich im Pankreas in dessen thätigem Zustande entwickeln und von dem genannten Autor an Fröschen beobachtet wurden. Ich unternahm diese Unter- suchungen und beabsichtigte zu gleicher Zeit, als ich sie an Fröschen wiederholte, auch das Pankreas einiger warmblütiger Thiere in dieser Richtung zu studiren in Betracht dessen, dass erstlich an letzteren solehe Untersuchungen noch gar nicht ausgeführt worden waren (Ogata beschäftigte sieh bei seinen Versuchen ausschliess- lich mit Fröschen) und aus diesem Grunde leichter irgend welche neue ergänzende Thatsachen erhalten werden könnten; dass zwei- tens die bei warmblütigen Thieren vorgehenden Processe zu den im menschlichen Organismus statthabenden Erscheinungen in viel näherer Beziehung stehen müssen und dass schliesslich drit- tens bei solehen Thieren, wie Hund, Katze u. s. w. die Einfüh- rung von Speise und Trank, sowie die von uns künstlich hervor- gerufenen Veränderungen der Drüsenfunetion offenbar viel genauer regulirt werden können, als an Fröschen. Die schon gleich im Anfang dieser meiner Untersuchungen beobachteten Thatsachen waren so interessant, dass sie mich bewogen, meine ganze Auf- merksamkeit hauptsächlich dem Pankreas warmblütiger Thiere zu schenken und, da zu einer vollständigen Aufklärung dieser That- sachen eine ganze Reihe von Untersuchungen nothwendig wurde, die von Ogata an Fröschen beobachteten Erscheinungen ganz bei Seite zu lassen. Schon bei Betrachtung der ersten von mir genommenen Pankreasdrüsen von Hunden traf ich an sehr vielen Präparaten in ihrer Structur von den gewöhnlichen Pankreaszellen prägnant sich unterscheidende Gebilde, welche schon ziemlich lange be- kannt sind, deren Bedeutung aber bisher noch vollkommen dunkel blieb, welche indessen nach einer Aeusserung Prof. Heidenhain’s in der Physiologie des Pankreas wahrscheinlich noch ein beson- deres Kapitel bilden werden. Sodann frappirten mich bei der Untersuchung der mir zu Gebote stehenden Pankreasdrüsen von bei den verschiedenartigsten Bedingungen getödteten Thieren die, wie es schien, vollkommen regelmässigen Schwankungen der Quan- 1) Die Veränderungen der Pankreaszellen bei der Secretion. Arch. f. Anatom. und Physiologie. Physiol. Abtheil. 1883. Ueber eine eigenthümliche Veränderung der Pankreaszellen etc. 455 tität dieser Gebilde in einzelnen Drüsen, indem diese bei gewissen Bedingungen scheinbar beständig in sehr grosser Anzahl vor- kamen, bei anderen dagegen gewöhnlich nur mit Mühe aufgefunden wurden. Zudem erschienen diese Zellen neben den von früheren Forsehern schon beschriebenen Formen noch in verschiedenen an- deren und zeigten überhaupt eine grosse Mannigfaltigkeit, wobei auch ihr äusseres Aussehen zu den oben erwähnten Bedingungen in gewisser Beziehung zu stehen schien. Dieses Alles stand mit den bisher über diese Gebilde bekannten Thatsachen ausser Zu- sammenhang und musste, wie es uns schien, auf ihr Wesen ein ganz neues Licht werfen. In Folge dessen machte ich es mir zum Hauptziel meiner Untersuchungen, deren Resultate ich kurz in gegenwärtiger Arbeit vorführen will, die Art und Weise der Ent- stehung genannter Gebilde, ihre Bedeutung und endlich die ihr Auftreten und Verschwinden bestimmenden Bedingungen zu eruiren. Bevor wir aber zu diesen Untersuchungen übergehen, müssen wir vorber kennen lernen, was für Resultate die bisher über die uns interessirende Frage unternommenen Forschungen ergeben haben. P. Langerhans!) ist, wie es scheint, der erste gewesen, welcher bei der Untersuchung der feineren Struetur des Pankreas unter den bekannten Bestandtheilen desselben besondere, ihrem äusseren Aussehen nach von den übrigen prägnant sich unterschei- dende Gebilde bemerkt hat. Diese von ihm „Häuflein oder Gruppen“ genannte Bildungen erschienen ihm in Form von Haufen kleiner, unregelmässiger polygonaler Zellen. Der Inhalt letzterer war voll- kommen gleichartig, glänzend und obne die Spur irgend welcher Körnchen. Jede dieser Zellen hatte einen hellen, runden Kern mitt- lerer Grösse. Solche Zellen vereinigten sich gewöhnlich längs der ganzen Drüse zu Gruppen, die in regelmässiger Entfernung von einander gelagert waren, verschiedene Grössen hatten und bei schwacher Vergrösserung an Drüsen, die 2—3 Tage in Miüller’scher Flüssigkeit gelegen hatten, in Form runder, intensiv gelb gefärbter Flecken erschienen. Abbildungen der von ihm erhaltenen ent- sprechenden Präparate hat Langerhans seiner Arbeit nicht bei- gefügt. Was die Bedeutung dieser „Häuflein“ anbetrifft, so „muss er“, wie er in seiner erwähnten Dissertation sagt, „aufrichtig ge- 1) Beiträge zur mikroskopischen Anatomie der Bauchspeicheldrüse. Inaugur.-Diss. Berlin 1869. S. 25 u. 26. 456 Ss. W. Lewaschew: stehen, dass ihm jede Möglichkeit sie zu erklären fehle“. Langer- hans weist dabei nur darauf hin, dass durch sie nicht selten ein Stämmchen blasser Nerven durchgeht, welches sich aber mit ihnen nicht verbindet; ebenso oft geschieht es, dass sie unmittelbar bei einem Ganglion gelegen sind. In zweien der von ihm gesehenen Fälle nahmen Gruppen der beschriebenen Zellen oder wenigstens diesen höchst ähnliche Gebilde in einem kleinen Ganglion die Stelle einer oder mehrerer Nervenzellen ein. Auf diese Thatsachen fussend, spricht er die Vorausseizung aus, dass vielleicht ein Zu- sammenhang zwischen diesen Bildungen und dem Nervenapparate existire. Bald nach der Dissertation von Langerhans erschien eine Abhandlung über das Pankreas von Giovanni Saviotti!), in welcher letzterer mittheilt, dass er ebenso wie Langerhans im Pankreas nach einer 24—48-stündigen Behandlung mit Müller’scher Flüssigkeit ähnliche Zellen gesehen, sich aber dabei überzeugt habe, dass sie dieselben Eigenschaften besässen, wie die Ueber- sangsepithelien der feineren Ausführungsgänge. Daher kommt Sa- viotte zu dem Schlusse, dass wenigstens ein Theil dieser Zellen, wenn nicht alle, nichts anderes seien, als epitheliale Gänge zweiter Ordnung, um so mehr, da er sie in Halb- oder sogar ganze Kanäle verbunden angetroffen hatte. Sodann haben Kihne und Lea?) bei ihren Untersuchungen über das Pankreas des Kaninchens ebenfalls beobachtet, dass sich in denjenigen Stellen der Drüse, welche dem unbewaffneten Auge in Form kleiner weisser Flecken erscheinen und sich von den übrigen Theilen durch grösseren Reichthum an Blutgefässen unter- scheiden, gewöhnlich Anhäufungen von Zellen befinden, die den von Langerhans, dessen Präparate Kühne früher bekannt waren), sehr ähnlich sind. An Schnitten aus mit Alkohol behan- deltem Pankreas sind diese Stellen gegen das eigentliche Drüsen- gewebe scharf abgegrenzt und besteben aus dicht zusammenge- 1) Untersuchungen über den feineren Bau des Pankreas. Arch. f. mikrosk. Anatomie, Bd. V. 1869. 2) Ueber die Absonderung des Pankreas. Verhandlungen des Natur- hist.-Med. Vereins zu Heidelberg. Bd. I, Heft V, 1876. Beobachtungen über die Absonderung des Pankreas. Untersuchungen aus d. Physiolog. Institute d. Universität Heidelberg, herausgeg. v. Kühne. Bd. II, Heft IV. 1882. 3) Ueb. die Absonderung d. Pankreas 1. c. Separ.-Abar. S. 7. Ueber eine eigenthümliche Veränderung der Pankreaszellen etc. 457 häuften und grösstentheils polyedrisch gegen einander plattgedrück- ten, mit grossen Kernen und einer schmalen protoplasmatischen Schale versehenen Zellen, welehe viel kleiner sind, als die Drüsenzellen. Ihre Kerne sind oft nicht kugelförmig, sondern oval, und färbt sich der sie umgebende Zellenleib immer viel schwächer, als bei den pankreatischen Zellen. Dazwischen treten hier und da spin- delförmige, sich durch Karmin färbende Figuren auf, ohne Zweifel Kerne der Bälkchen des lockeren Bindegewebes, welche in den Zellenanhäufungen Gerüste und Abtheilungen bilden. Bei den Ka- ninchen erreichen diese Zellengruppen manchmal 1—2 mm im Durchmesser; die grössten jedoch kamen bei Affen, nämlich dem Macaecus eynomolgus vor. Bei den verschiedensten Injeetionen in die Ausführungsgänge blieben die beschriebenen Gruppen, selbst wenn sie sich sogar unmittelbar neben einem gut injieirten Drüsen- läppehen befanden, von der eingespritzten Farbe vollkommen frei, was ihre Angehörigkeit zu dem Drüsenapparate des Pankreas noch weniger wahrscheinlich macht. Auf Grund aller von ihnen be- obachteten Thatsachen schlagen Kühne und Lea für diese Bil- dungen, deren Abbildungen sie ihrer zweiten Arbeit beifügen, den Namen „intertubulärer Zellenhaufen“ vor und sind geneigt anzu- nehmen, dass sie am wahrscheinlichsten feinsten Iymphatischen Drüschen entsprechen. Ausserdem beobachteten Kühne und Lea dabei die von ihnen unter Nr. 31) erwähnten, makroskopisch in Form von Körnern erscheinenden Anhäufungen sehr scharf berandeter, wenig saftiger, slänzender Zellen, welche ihrer Meinung nach pathologische Be- deutung haben. Fast gleichzeitig mit Kühne und Lea studirte den Bau des Pankreas J. Renaut?) und bemerkte dabei, dass bei den Vögeln und Säugethieren stellenweise beständig rundliche Gebilde vor- kommen, welche seiner Meinung nach von Niemanden beschrieben worden sind und welche er „points follieulaires“ nennt. Diese Inselchen haben die Grösse eines Iymphatischen Follikels und er- scheinen an Durchschnitten als ein heller Kreis. Sie bestehen 1) Beobachtungen über die Absonderung des Pankreas 1. c. Separat- Abdruck S. 464. 2) Sur les organes Iympho-glandulaires et les paner&es des vertebres Comptes rendus de l’acad. des sciences. 1879. Tome LXXXIX. 458 S. W. Lewaschew: seiner Meinung nach aus einem netzartigen Gewebe mit breiten Schlingen, aus Gefässen, welche charakteristische Kränze (cou- ronnes) und Sehlingen bilden, und aus Drüsenzellen, welche die Zwischenräume zwischen den Gefässen ausfüllen. Die Zellen — eylindrische, schmale — sind wie Blätter über einander gelagert (superposdes comme des feuillets) und bestehen aus hellem, leicht gestreiften (strie6) Protoplasma.. Da Renaut keine Abbildungen seiner Präparate bietet und die von ihm angewandten Behand- lungsmethoden ebenfalls nicht anführt, so ist es sehr schwer zu entscheiden, was er bei der eben angeführten kurzen Beschreibung seiner „points follieulaires“ im Auge gehabt hat, obgleich es per exelusionem am wahrscheinlichsten erscheint, dass letztere nichts anderes sind, als die „Häufehen“ von Langerhans. Im Jahre 1882 erschien eine Arbeit von W. Podwyssotzky!) über den histologischen Bau des Pankreas, in welcher er ebenfalls die von ihm zwischen den Drüsenläppehen in bedeutender Quantität angetroffenen eigenartigen, unregelmässig polygonalen, rundlichen, vollkommen homogenen, grosskernigen Zellen erwähnt. Seiner Meinung nach kann man diese Zellenhaufen durchaus nicht für Iymphatische Follikel halten, obwohl sie diesen ihrem äusseren Aussehen nach im höchsten Grade ähneln, und sei es am natür- lichsten, sie Pseudofollikel zu nennen. Diese Benennung soll den bis jetzt meist negativen Daten, welche wir über diese räthsel- haften Bildungen besitzen und welche keine Möglichkeit geben, sich irgend eine bestimmte Vorstellung über die Bedeutung der- selben zu machen, am meisten entsprechen. Der Arbeit ist eine Abbildung einer solchen Zellengruppe beigefügt, welche, soweit man überhaupt danach urtheilen kann?), den Abbildungen Kühne und Lea’s ziemlich ähnlich ist?). 1) Beiträge zur Kenntniss des feineren Baues der Bauchspeicheldrüse. Vorläuf. Mittheilung. Arch. f. mikrosk. Anatomie, Bd. XXI. 1882; und Neue Ergebnisse über den feineren Bau der Bauchspeicheldrüse mit historischem Abrisse der Lehre über die anatomische Structur derselben. Abdruck aus Universitäts.Nachrichten. Kiew 1882 (russisch). 2) Diese Abbildung (Fig. 12) ist im Druck besonders misslungen und grob herausgekommen. 3) Dabei schreibt Podwyssotzkij Heidenhain zu, dass letzterer statt homogener Zellen ohne Körnchen, Zellen mit bedeutender Quantität Körnchen im Protoplasma für Zellen der intertubulären Anhäufungen ansehe. Ueber eine eigenthümliche Veränderung der Pankreaszellen etc. 459 Sodann beschäftigte sich im folgenden Jahre cand. med. Bade im hiesigen Institute mit dem vergleichenden Studium verschiedener Färbungsmethoden des Pankreas und beobachtete dabei nach schrift- lichen Aufzeichnungen, welche er hier hinterlassen, ebenfalls nicht selten den „Häuflein“ von Langerhans und den ‚„intertubulären Zellenhaufen“ von Kühne ähnliche Zellengruppen. Diese wurden durch die von ihm angewandten Farbstoffe gewöhnlich nicht oder im äussersten Falle höchst schwach gefärbt, bei Kaninchen kamen stellenweise in ihrer Mitte leere Räume vor, wobei die einzelnen Zellen von einander oft durch feine weisse Linien abgegrenzt wur- den. Bei Hunden konnten die Grenzlinien zwischen den einzelnen Zellen nicht constant wahrgenommen werden und erschienen die Gruppen selbst überhaupt höchst undeutlich. Die beste Färbung wurde gewöhnlich bei Anwendung von Hämatoxylin und Kali- bichromieum erhalten !). Prof. Heidenhain?) selbst hatte ebenfalls mehr als einmal Gelegenheit gehabt, solche Gebilde in Form homogener, unregel- mässiger Zellen, welche sich in grössere oder kleinere Gruppen verbanden und an mit Alauncarmin gefärbten Präparaten als fast farblose Inseln scharf hervortraten, zu beobachten. Was ihre Be- deutung anbetrifit, fügt er hinzu, dass ihm darüber jede Muth- massung fehle. So sehen wir denn, dass, obgleich seit Langerhans viele Forscher diese scheinbar ihrem äusseren Aussehen nach so stark von den übrigen pankreatischen Zellen abweichenden Gebilde ge- funden und studirt haben, die Bedeutung der letzteren dennoch Dieses ist aber nur ein Irrthum, welcher davon abhängt, dass Podwyssotzkij die entsprechende Stelle in der Arbeit Heidenhain’e, welcher hier nicht von intertubulären Gruppen spricht, sondern von den gewöhnlichen Pankreas- zellen, welche sich manchmal bei der Inanition so sehr mit Körnchen über- füllen, dass ihre äussere homogene Schicht vollständig verschwindet und sie makroskopisch in Form ebensolcher weisslicher Körner erscheinen, welche Kühne als nur aus intertubulären Anhäufungen bestehende beschreibt, nicht ganz richtig verstanden hat. I) Diese Untersuchungen sind nicht abgedruckt worden und führe ich sie in Kürze nach der von Bode für Prof. Heidenhain gemachten schrift- lichen Mittheilung nach an. 2) Die Bauchspeicheldrüse, II. Abschnitt, in Hermann’s Handb. der Physiologie, Bd. V, Th. I. 1883. 8. 177. 460 S. W. Lewaschew: vollkommen dunkel geblieben ist. Einzelne Autoren äusserten Muth- massungen und versuchten diese oder jene Hypothese auszusprechen, wobei sie ungeachtet dessen, dass sie in der Beschreibung dieser Ge- bilde unter einander mehr weniger in Einklang stehen, über ihr Wesen zu diametral entgegengesetzten Ansichten kommen. Während es Langerhans am wahrscheinlichsten vorkam, dass solche Gebilde in irgend einem grossen Zusammenhange mit dem Nervensystem stehen, halten sie Andere, wie z. B. Kühne und Renaut, für Iymphatische Drüsen; Andere wieder, wie Saviotti und Pod- wyssotzkij halten diese letztere Annahme für ganz unmöglich !) und sind geneigt anzunehmen, dass diese Zellenhaufen Gebilde epi- thelialen Characters seien, wobei Saviotti geradezu behauptet, dass, wenn nicht alle, so wenigstens ein Theil derselben nichts anderes vorstellen, als Ausführungsgänge zweiter Ordnung. Ge- wöhnlich aber beschränken sich die meisten Autoren in Betracht des Nichtvorhandenseins irgend welcher positiven Daten für die Lösung dieser Frage, wie es, wie wir gesehen, auch Prof. Hei- denhain thut?), mit der Bemerkung, dass über die Bedeutung dieser Gebilde bisher jede Muthmassung fehle. In dieser Lage befand sich die Frage über die von uns be- trachteten Gebilde, als es mir bei Untersuchung der Bauchspeichel- drüsen von bei meinen Versuchen über die Bildung der pankrea- tischen Fermente unter den verschiedenartigsten Bedingungen ge- tödteten Thieren, wie schon oben erwähnt, in die Augen fiel, dass das Auftreten genannter Gebilde in grösserer oder in geringerer Quantität in jedem einzelnen Falle in direettem Zusammenhange stand mit den Bedingungen, unter welchen das Thier vor dem Tode gelebt hatte. Diese Wahrnehmung stand in Widerspruch mit den Annahmen der früheren Autoren, nach welchen es sich um bei der Absonderung unbetheiligte, indifferente Gebilde handeln solle, und liess hoffen, dass sich die Möglichkeit bieten würde, die Frage über die Bedeutung der uns interessirenden Bildungen zu lösen. Dafür sprach auch bis zu einem gewissen Grade die Verschieden- artigkeit jener Zellengruppen unter verschiedenen Bedingungen, welche einen Weg zur Ermittelung ihrer Bedeutung zu weisen 1) Podwyssotzkij, Neue Ergebnisse über den feineren Bau der Bauchspeicheldrüse u. s. w., 1. ec. S. 9-91. 2) Hermann’s Handbuch der Physiologie 1. c. S. 177. Ueber eine eigenthümliche Veränderung der Pankreaszellen ete. 461 schien. Auf Grund alles dessen beschloss ich, meine Untersuchungen ausschliesslich diesen Bildungen zu widmen und erstens zu ent- scheiden, ob wirklich ein Zusammenhang existire zwischen den Bedingungen, unter welchen sich die Thiere befinden, und der Quantität der genannten Bildungen in der Bauchspeicheldrüse, und wenn er vorhanden, worin er bestehe, zweitens aber zugleich den Ursprung und die Art und Weise ihrer Entwickelung klarzulegen, so dass auf diese Art auch ihre Bedeutung eruirt werden würde. Bevor wir zur Beschreibung der bei diesen Untersuchungen erhaltenen Resultate übergehen, müssen wir noch zuerst die von uns angewandten Methoden der Behandlung der Bauchspeichel- drüsen in Kürze erwähnen. Um postmortalen Veränderungen vorzubeugen, wurde das Pankreas sogleich nach Tödtung des Thieres aus der Bauchhöhle _ herausgenommen, von dem es umgebenden Bindegewebe rasch ge- reinigt, in kleine Stücke zerschnitten und in die eine oder andere erhärtende Flüssigkeit getaucht. Von verschiedenen, gewöhnlich zum Zweck der Erhärtung gebräuchlichen Flüssigkeiten erwiesen sich mir am passendsten der Alkohol und die gesättigte Lösung von Sublimat. Die während der nothwendigen Zeit in absolutem Alkohol allein erhärteten Drüsen boten gute Objeete für die Her- stellung prachtvoller Präparate von allen warmblütigen Thieren; da man aber befürchten konnte, dass sich unter dem Einfluss des Alkohols die eine oder andere Veränderungen in den Zellen des Pankreas entwickeln oder sogar zartere Bestandtheile desselben vernichtet werden könnten, wurde zugleich ein Theil der Pankreas in sehr vielen Fällen mit Sublimat behandelt. Die letzteren Stücke wurden mit Wasser ausgewaschen und erst danach in Weingeist gebracht. Die Alkohol- und die Sublimatpräparate. lieferten die- selben Bilder, mit dem blossen Unterschiede, dass bei Anwendung des Sublimats es in Folge mir näher unbekannt gebliebener Ur- sachen viel schwerer war, feine. und gleiehmässige Schnitte zu erhalten. Nach genügender Erhärtung und Entwässerung des Gewebes in absolutem Alkohol wurde es in Terpentin- oder Bergamottöl gebracht und nachdem es von letzterem vollkommen imbibirt worden, auf gewöhnliche Art in Paraffin eingeschmolzen. Zuweilen aber wurde das Gewebe vorher noch im Stück der einen oder anderen Färbung unterworfen. Grösstentheils jedoch wurden die 462 Ss. W. Lewaschew: Präparate theils in Betracht dessen, dass man die combinirte Färbung mit mehreren Farben anwenden musste, theils der grösse- ren Bequemlichkeit wegen in Schnitten auf dem Objectträger ge- färbt. Von den verschiedenen Methoden der Tinetion der Schnitte bediente ich mich der von H. Schällibaum!) vorgeschlagenen Methode (Aufkleben mit einer Mischung von Collodium und Nel- kenöl), welehe mir bessere und sicherere Resultate ergab, als das Ankleben mittelst Weingeistes oder Eiweisses. Zur Färbung benutzte ich alle gewöhnlich gebräuchlichen Farben: das Hämatoxylin, nach Böhmer’s und Heidenhain’s?) Methode, das Alaunkarmin, welches ebenfalls gute Bilder ergab, das Pikrokarmin, Bismarckbraun, Gentianaviolett u. s. w. Doch be- sonders für meine Untersuchung passend erwies sich die saure Hämatoxylin-Lösung nach Erlich, welche in der Hinsicht beson- _ dere Vorzüge bot, dass bei Anwendung derselben gewöhnlich die Grenzen zwischen den einzelnen Zellen unserer Bildungen besonders stark ausgeprägt waren. Ausserdem bediente ich mich beständig auch der von Ogata vorgeschlagenen combinirten Tinetion mit mehreren Farben — Hämatoxylin, Eosin u. s. w.?). Bei Beschreibung der von uns erhaltenen Resultate, zu welcher wir jetzt übergehen müssen, werden wir der Bequemlich- keit und der Kürze wegen uns nicht an den Plan halten, welchem wir bei unseren Untersuchungen folgten, sondern jetzt zuerst alle, in allen von uns untersuchten Fällen bemerkten verschiedenen Formen der sich von den normalen Drüsenzellen mehr weniger prägnant unterscheidenden Gebilde kennen lernen. Schon diese Kenntniss allein wird uns, wie wir weiter sehen werden, zu ge- wissen Folgerungen über die Entstehung dieser Bildungen führen. Wie wir schon früher erwähnt, erwiesen sich solche Gebilde bei dem vergleichenden Studium der Präparate von einer grossen An- zahl unter den verschiedensten Bedingungen getödteter Thiere höchst mannichfaltig und beschränkten sich nicht auf diejenigen Anhäufungen von Zellen, welche zuerst von Langerhans bemerkt 1) Ueber ein Verfahren, mikroskopische Schnitte auf dem Objectträger zu fixiren und daselbst zu färben. Arch. f. mikroskop. Anat. 1883. Bd. XXII. 2) Eine neue Verwendung des Hämatoxylins. Arch. f. mikrosk. Ana- tomie. 1885. Bd. XXIV. 3) 1. ce. S. 409. Ueber eine eigenthümliche Veränderung der Pankreaszellen ete. 463 und dann von den nachfolgenden Forschern unter verschiedenen Benennungen beschrieben worden waren. Im Gegentheil, neben Zellengruppen, welche ihrem Aussehen, ihrer Grösse, Zusammen- setzung, gegenseitigen Lagerung, Verhalten zu den anderen Be- standtheilen des Pankreas u. s. w.. den „Häuflein“ Langerhans’ mehr weniger entsprechen, kamen Bildungen vor, welche sich von letzteren und von einander in ausgeprägter Weise unterschieden. Um sich in dieser Mannigfaltigkeit zu orientiren, werden wir alle von uns beobachteten Formen iu Gruppen theilen und jede der- selben für sich beschreiben, wobei es freilich am natürlichsten wäre, mit den am häufigsten vorkommenden Formen zu beginnen und sodann zu den selteneren überzugehen. Das ist uns aber nicht möglich, da in den einzelnen Fällen bald die einen, bald die anderen Formen überwiegen, je nach den Bedingungen, unter welchen das T'hier getödtet wurde; daher werden wir bei der nachfolgenden Auseinandersetzung zuerst die einfacheren be- schreiben und dann nach und nach zu complieirteren Formen übergehen. An einigen Pankreasdrüsen beobachtet man neben den ge- wöhnlichen secretorischen Zellen grosse, ihrer Grösse und Form nach diesen gleiche, scharf begrenzte Zellen, in der Art, wie sie auf Fig. 1 und 2 bei „a“ gebildet sind. Sie sind mit grossen Kernen versehen und unterscheiden sich von den secretorischen, pankrea- tischen Zellen dadurch, dass sie die zur Färbung dieser letzteren gebräuchlichen Farbstoffe gar nicht oder nur sehr schwach auf- nehmen und einen homogenen, hellen, etwas glänzenden, gar keine Körner enthaltenden Zellenleib besitzen. Sie sind entweder in den gewöhnlichen Läppchen zwischen vollkommen normalen Drüsenzellen gelagert oder bilden abgesonderte, mehr weniger bedeutende Gruppen, welche ihren äusseren Contouren und der Disposition der Zellen nach wie ganz normale Läppchen er- scheinen. Neben den beschriebenen Gebilden kommen gewöhnlich Grup- pen vor, welche aus eben solchen polyedrischen Zellen bestehen, nur sieht man unter diesen in grösserer oder geringerer Anzahl kleinere Zellen, welche sich von ihnen nur durch ihre Dimensionen unterscheiden. Es besteht also eine solecbe Gruppe aus einer grösseren oder geringeren Anzahl der beschriebenen grossen, ihrer Grösse nach den secretorischen gleichen Zellen und aus kleineren, 464 S, W. Lewaschew: ausser ihren Dimensionen in allen anderern Beziehungen den ersten gleichen Zellen, wie es z. B. an den auf Fig. 3 und 5 bei „a“ abgebildeten Präparaten zu ersehen ist. Wenn dabei grosse Zellen noch in genügender Anzahl vorhanden sind, so behält die ganze Gruppe noch die Confignration eines Drüsenläppehens wie man es z. B. an Fig. 3 sehen kann; wenn sie aber in geringer Anzahl vorhanden sind und die übrigen Zellen ein sehr kleines Volumen haben, besonders aber, wenn eine solche Veränderung überhaupt an einer bedeutenden Anzahl von Zellen vorgegangen ist, so beobachtet man neben den eben beschriebenen Gruppen, welche mehr oder weniger vollkommen das Bild eines Drüsen- läppehens darstellen, Bildungen, welche dieses Aussehen verloren haben und einfach als Anhäufungen mehr weniger verkleinerter, polygonaler, homogener, glänzender Zellen erscheinen, unter welchen hier und da noch eine grössere oder geringere Anzahl von Zellen vorkommen. Nicht selten endlich verschwinden diese gänzlich, alle Zellen erscheinen ungefähr in gleichem Grade verkleinert und dann entspricht eine solche Gruppe vollkommen den zuerst von Langerhans und dann von anderen Forschern besprochenen Bildungen. Bisher haben wir Gruppen aus polygonalen, homogenen, gar keine Körner enthaltenden hellen Zellen verschiedener Grösse kennen gelernt, welche von einander immer scharf dureh mehr weniger dieke Linien abgegrenzt waren. Das wird aber weitaus nicht immer beobachtet. Oft kommen neben den beschriebenen solehe Gruppen vor, die nur zum Theil aus mehr weniger scharf begrenzten Zellen bestehen, während aber in ihrem anderen Theile die Grenzen zwischen den einzelnen Zellen verschwinden, so dass man nur mehr weniger eng zusammengedrängte Kerne sieht, zwischen welchen sich eine homogene glänzende Masse ohne irgend welche Spur einer Vertheilung in einzelne Zellen befindet. Eine solehe Gruppe ist auf Fig. 4 abgebildet, wo wir eine Anhäufung der uns interessirenden Gebilde sehen, welche mit den sie um- gebenden Theilen verglichen und in Betracht ihrer eigenen Eigen- schaften einem Drüsenläppchen entspricht, wobei in einem Theile derselben bei „a“ noch die die einzelnen Zellen begrenzenden Linien deutlich zu sehen sind, auf der anderen Seite des Häuf- chens werden diese aber immer undeutlicher und verschwinden bei „b“ gänzlich, sodass dieser Theil der betrachteten Gruppe nur aus Ueber eine eigenthümliche Veränderung der Pankreaszellen ete. 465 formlosem Protoplasma besteht, in welchem Kerne in ziemlich bedeutender Anzahl gelegen sind. Rund herum befinden sich voll- kommen normale pankreatische Drüsenläppchen, bei ,e“ werden zwei körnige Zellen bemerkt, welche dasselbe Aussehen und die- selbe Färbung angenommen haben, wie die Zellen der normalen Läppchen, indess aber offenbar zu einem veränderten Drüsen- läppehen gehören. An anderen Präparaten, wie man es z. B. Fig. 2, 3 und 5 bei „ec“ sieht. wird beobachtet, dass in einigen oder in der Mehr- zahl der Anhäufungen schon eine verhältnissmässig kleine Zahl von Zellen oder sogar nur einzelne Zellen ihre Grenzlinien bewahrt haben, während in den übrigen Theilen der Gebilde die Grenz- linien zwischen den einzelnen Zellen durch kein Behandlungs- oder Färbungsverfahren bemerkbar gemacht werden können. Endlich kommen nicht selten auch solehe Gebilde vor, welche nur aus Kernen und homogenem hellen Protoplasma bestehen, wobei ebenso wie bei den vorigen Formen, dem entsprechend, dass, wie wir gesehen haben, diese Häuflein aus Zellen höchst verschiedener Grössen bestehen können, die Zwischenräume zwi- schen den einzelnen Kernen sehr verschieden gross sind. Solcher Art Gebilde sind z. B. auf Fig. 5 bei ‚e“ dargestellt. . In allen beschriebenen Formen der uns interessirenden Bil- dungen traten die Kerne immer sehr deutlich hervor, färbten sich ebenso, wie in den normalen Drüsenzellen, höchst intensiv und beobachteten wir nie etwas, was darauf hinweisen könnte, dass sie zu Grunde gehen, wie z. B. Ogata an dem Pankreas von Fröschen beobachtet hat!). Obwohl zuweilen in einigen Zellen oder in einigen Theilen der homogenen Gebilde keine Kerne an- getroffen wurden, muss dennoch dieser Umstand in Betracht dessen, dass er nur höchst selten zur Beobachtung kam, dass auch in solchen Fällen keine Anzeichen des Zerfalls der Kerne vorhanden ‘waren und endlich in Betracht dessen, dass auch in einigen voll- kommen normalen Drüsenzellen an sehr vielen Präparaten ebenso keine Kerne vorhanden sind — einfach dadurch erklärt werden, dass bei der sehr geringen Dicke der Schnitte die Kerne nicht in der Schnittebene lagen. Die Grösse der Kerne variirte ebenso, wie in den normalen 1) 1. ce. 8. 418. Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 26. 30 466 | S. W. Lewaschew: Drüsenzellen, ziemlich bedeutend. Meistentheils waren die Kerne ziemlich gross, wie in der Mehrzahl der normalen Läppchen, doch manchmal kamen auch kleinere vor. Ihre Form war grösstentheils oval, seltener ganz rund und noch seltener zogen sie sich in mehr weniger lange Stäbchen aus. Zuweilen lagen zwei, gewöhnlich nicht grosse Kerne dicht neben einander, wobei sie beide von ganz gleicher Grösse waren; zugleich traf ich einige Mal etwas ausgezogene Kerne, welche in ihrer Mitte eine mehr weniger tiefe Einschnürung hatten und so die Form einer 38 oder einer Semmel erhielten. Im Innern der Kerne wurden bei Anwendung der combinirten Tinetion der Präparate mit mehreren Farben gewöhnlich Bilder in der Art der von Ogata beschriebenen erhalten, d. h. Kern- körperchen von verschiedener Grösse, doch beobachtete ich kein einziges Mal das Heraustreten von Gebilden aus den Kernen, welche er „Plasmosoma“ nennt und die Entwickelung derselben zu Neben- kernen, und sodann zu ganzen Drüsenzellen. Im Centrum vieler der beschriebenen Bildungen, sogar der zuletzt beschriebenen und wenn sie einen bedeutenden Raum ein- nahmen, selbst an vielen Stellen derselben wurden nicht selten leere Zwischenräume beobachtet, welche ihrem Aussehen nach sehr stark an das Lumen der gewöhnlichen secretorischen Läppchen der Pankreas erinnerten. In allen Häuflein lagerten sich die Zellen immer unmittel- bar an einander ohne jegliche Zwischensubstanz. Nie wurde zwischen den einzelnen Zellen irgend ein Bindegewebsstroma be- merkt, aber es kamen stellenweise, ähnlich wie zwischen den einzelnen Läppchen der Drüse, zwischen einzelnen Gruppen von Zellen Bündel von Bindegewebsfasern mit spindelförmigen Fi- guren vor, welche die ganze Bildung in einige mehr oder weni- ger grosse Abschnitte theilten. Innerhalb dieser Gruppen aber berühren sich zwei nebeneinander gelegene Zellen unmittelbar mit- ihren Bändern, was besonders gut an Präparaten zu sehen war, an welchen ein grösserer oder geringerer Theil der Zellen ab- sichtlich oder zufällig entfernt worden war. Aehnliches wird theilweise auf Fig. 5 bei ‚a‘ bemerkt, wo ein Theil der Zellen herausgefallen und deutlich zu sehen ist, dass diese von den nach- gebliebenen durch keine Zwischensubstanz abgetheilt waren. Was das Verhalten der betrachteten Bildungen zu den nor- Ueber eine eigenthümliche Veränderung der Pankreaszellen ete. 467 malen pankreatischen Zellen anbetrifit, so war es, wie wir schon gesehen haben, ebenfalls sehr verschieden. Nicht selten kamen jene einzeln, paarweise u. s. w., d. h. überhaupt in unbedeutender ‚Quantität unter diesen vor; nicht selten traf man ganze Gruppen, in welchen beide ungefähr in gleicher Quantität, oder umgekehrt die veränderten Zellen in überwiegender Anzahl vorhanden waren und in diesem letzteren Falle nur hier und da normale bemerkt wurden; noch häufiger endlich bemerkten wir, dass die ersteren einzelne Häufchen bildeten, welche dann von den normalen Läpp- chen der Drüse scharf abgegrenzt waren, wobei sie in manchen Fällen die äussere Form dieser noch beibebielten, in anderen Fällen aber bei den oben erwähnten Bedingungen auch diese verloren. Dieses sind die verschiedenartigen Formen der von uns be- obachteten besonderen Gebilde in der pankreatischen Drüse, welche von den normalen secretorischen Zellen mehr weniger prägnant abweichen und scheinbar in allen Theilen der Drüse, sowohl den peripherischen, als auch den centralen, sowohl in der Nähe als auch weit entfernt von den Hauptausführungsgängen gleich oft vorkamen. Was ihr Vorkommen bei verschiedenen Thieren an- betrifft, so wurden sie bei allen von mir untersuchten warmblütigen Thieren, d. h. bei Hunden, Katzen und Kaninchen beobachtet; bei kaltblütigen Thieren dagegen habe ich sie bisher kein einziges Mal gesehen. Nachdem wir die Formen der uns interessirenden Bildungen kennen gelernt haben, müssen wir jetzt zur Frage über ihre Be- deutung und die Art ihrer Entwiekelung übergehen. Dabei ent- steht zu allererst die Frage, wo sie in der Drüse gelagert sind, d. h. befinden sie sich innerhalb des tubulären Apparates der Drüse zusammen mit den normalen seeretorischen Zellen oder ausserhalb desselben — in den Zwischenräumen zwischen den ein- zelnen Verzweigungen dieses Apparates. Einige dieser Bildungen können, wie wir gesehen, in dieser Hinsicht gar keinen Zweifel erregen, indem sie unmittelbar neben und unter normalen secretorischen Zellen, aus welchen sich die Läppchen zusammensetzen, vorkommen. Wenn man also in diesem Falle annehmen wollte, dass diese Bildungen intertubuläre seien, 468 S. W. Lewaschew: so müsste man zulassen, dass auch die sie umgebenden in anderen Hinsiehten vollkommen normalen secretorischen Zellen ausserhalb des tubulären Apparates sich befinden. Etwas anders stellt sich dieselbe Frage hinsichtlich der- jenigen grossen Anhäufungen, welche keine zweifellose secreto- rische Zellen enthalten, und nur aus Zellen bestehen, welche sich von den normalen bedeutend unterscheiden und gegen die nor- malen Läppchen mehr weniger scharf abgrenzen. Einige derselben behalten, wie wir wissen, nach der Form und Grösse der sie bildenden Zellen und der Lagerung derselben noch die Form normaler Läppehen; im anderen, welche diese schon verloren haben, werden leere Zwischenräume beobachtet, welche an das Lumen der gewöhnlichen Drüsenläppchen erinnern; etliche unter ihnen bestehen aus ganz eben solchen Zeilen, welche wir in nor- malen Läppchen zwischen absolut unveränderten gewöhnlichen secretorischen Zellen getroffen haben. Alles dessen ungeachtet könnte man jedoch denken, dass diese Aehnlichkeit nur eine äussere sei, dass aber alle jetzt betrachteten Bildungen oder wenigstens einige derselben dennoch ausserhalb des tubulären Drüsenapparates, in den Zwischenräumen zwischen dessen Zweigen befinden. Das erschien um so mehr möglich da einige Forscher, wie z.B. Kühne und Lea, welche Injectionen des Pankreas durch die Ausführungsgänge unternahmen, ihre „intertubulären Zellen- haufen“ von der eingeführten Farbe immer ganz frei fanden ?), woher sie zu dem Schlusse kommen, dass diese mit dem Drüsen- apparate in keinem Zusammenhange stehen und daher für inter- tubulär gehalten werden müssen. In Folge dessen musste ich ebenfalls eine Reihe von Versuchen mit Injeetionen der Ausführungs- sänge des Pankreas unternehmen. Für solche Injectionen verwandte ich, wie die Mehrzahl der früheren Forscher, das in Wasser lösliche Berlinerblau. Die in- jieirten Pankreastheile wurden in Weingeist, welchem etwas Essig- säure beigefügt war, erhärtet und sodann in Paraffin eingeschmolzen. Die Schnitte wurden mit Alaunkarmin gefärbt, damit die mit der blauen Masse injieirten Theile schärfer hervortreten. Dabei stiess ich auf alle diejenigen Schwierigkeiten, welche sich entgegenstellen, wenn man eine irgend gleichmässige Injection 1) Beob. über d. Absonderung ües Pankreas 1. c. S. 465, Ueber eine eigenthümliche Veränderung der Pankreaszellen etc. 469 der Ausführungsgänge des Pankreas erhalten will und über welche alle sich damit beschäftigenden Autoren klagen!). In unseren Ver- suchen vermehrten sie sich noch dadurch, dass die injieirte Masse auf die von uns studirten Bildungen sehr stark einwirkten, da sie scheinbar höchst zart sind und überhaupt höchst leicht zerfallen, unter dem Einfluss der blauen Injectionsflüssigkeit aber beim Ka- ninchen z.B. selbst die stabileren normalen seeretorischen Zellen des Pankreas sehr bedeutend verändert werden. Ausserdem wer- den in den von unseren Bildungen besetzten Theilen der Drüse, scheinbar noch leichter als in anderen Theilen Extravasate?) er- halten, was übrigens vollkommen begreiflich ist, da die injieirte Masse hier auf viel geringeren Widerstand stösst, als an einer be- liebigen anderen Stelle des Pankreas. Nichtsdestoweniger konnte man an sehr vielen Präparaten, besonders von Hundedrüsen, deren Struetur unter Einfluss der Injectionen überhaupt weniger be- schädigt wird, bemerken, dass sich in einigen der uns interessi- renden Bildungen zwischen den einzelnen Zellen zweifellos die in- jieirte Masse in mehr weniger bedeutender Quantität befand. Da- bei ist noch zu erwähnen, dass solches weitaus nicht immer in Anhäufungen beobachtet wurde, welche sich neben gut injieirten normalen Läppchen befanden. Im Gegentheil, wie in Folge der erwähnten gewöhnlich ungleichmässigen Injeetion des Pankreas neben letzteren sehr oft solche Läppchen vorkamen, in welche die injieirte Flüssigkeit gar nicht eingedrungen war, blieben neben gut injieirten Läppcehen unsere Gebilde oft frei von der eingeführten Farbe und wurde diese umgekehrt nicht selten in solchen Bil- dungen gesehen, welche von gar nicht injieirten Läppchen umringt waren. Ueberhaupt aber konnte man sich, eine grosse Zahl von Präparaten aufmerksam betrachtend, vollständig überzeugen, dass die in die Gänge injieirte Masse in allen von uns oben beschrie- benen Formen der Bildungen beobachtet wurde, selbst in solchen, welche das Aussehen der gewöhnlichen seeretorischen Läppchen vollkommen verloren hatten und nur aus einer Ansammlung von Kernen bestanden. Dabei wurde durchaus nicht selten beobachtet, dass die eine solche Anhäufung umringenden Theile, wie schon er- 1) Vergl. z. B. Podwyssotzkij l: c. S. 50. 2) Die häufige Bildung von Extravasaten in diesen Bildungen erwähnen Kühne und Lea und Podwyssotzkij. 470 S. W. Lewaschew: wähnt, gar keine Farbe enthielten und dass diese Anhäufung die Farbe in ganz derselben gewöhnlich, mit Ausnahme der oben er- wähnten Extravasate, unbedeutenden Quantität und in derselben Form enthielt, wie auch die normalen pankreatischen Läppchen, woher man nothwendig annehmen musste, dass die injieirte Masse auch in die von uns studirten Bildungen auf dieselbe Art eindrang, wie in die gewöhnlichen Läppehen, d. h. durch natürliche Wege. Auf Fig. 6 sind einige solcher Bildungen dargestellt, in welchen bei „ec“, „e“, „e* eine mehr oder weniger bedeutende Quantität der in den Duetus panereatius eingeführten Masse bemerkbar ist, bei „d“ ein gut injieirter sehr feiner Ausführungsgang sichtbar ist, welcher zu einem der Gebilde ebenso herantritt, wie zu den um sie herum gelegenen normalen pankreatischen Läppchen. Aus allem Mitgetheilten ergiebt sich, dass alle von uns oben beschriebenen Bildungen mit dem tubulären Drüsenapparate des Pankreas in Zusammenhang stehen müssen und sich folglich nieht ausserhalb, sondern innerhalb der Drüsenläppchen befinden. Sodann entsteht die Frage, in was für einer Beziehung stehen alle verschiedenartigen Formen der von uns beobachteten ganz be- sonderen Gebilde, welche, wie wir eben erfahren haben, immer in ein und denselben das Pankreas zusammensetzenden Theilen vor- kommen, zu einander. Sind sie alle vollkommen verschiedene Formen, welche mit einander in gar keinem Zusammenhange stehen und sowohl von einander unabhängig auftreten und die ganze Zeit ebenso selbständig existiren, oder bezeichnen sie nichts an- deres, als verschiedene Stadien der Veränderung derselben Zellen, wie man es schon bei der oberflächlichsten Kenntniss aller ihrer Eigenschaften denken könnte. Zur Lösung dieser Frage müssen wir vor Allem in Betracht siehen, dass in jedem einzelnen Falle bei weitem nicht dieselbe Anzahl aller verschiedenen Formen der Bildungen beobachtet wird, sondern im Gegentheil in einigen Fällen diese, in anderen jene Formen überwiegen und dass dieses Ueberwiegen irgend einer Form in jedem einzelnen Falle, wie wir noch weiter unten sehen werden, von den Bedingungen abhängt, welchen das Thier vor seinem Ende unterworfen worden oder der Zeit, während welcher es nach Einwirkung eines gewissen Momentes am Leben geblieben war. Setzt man eine Reihe von Thieren einem für alle gleichen Eingriff aus (Pilocarpin, Fütterung ete.) und tödtet die einen eine Ueber eine eigenthümliche Veränderung der Pankreaszellen etc. 471 kurze Zeit nachher, andere aber nach Verlauf einer gewissen mehr oder weniger langen Zeit, so trifft man bei jenen hauptsächlich die einen Formen, während die anderen in verhältnissmässig ge- ringer Anzahl vorhanden sind; bei den letzteren Thieren treten dagegen bei geringerer Anzahl der bei ersteren in überwiegender Anzahl vorkommenden Formen dementsprechend andere hervor u. s. w. Schon dieses allein spricht für die grössere Wahrschein- lichkeit der letzteren der früher vorgeführten Möglichkeiten. Wenn wir nun noch einmal die Gesammtheit der, verschiedenen Formen unserer Gebilde betrachten und unser Augenmerk auf die in die Augen springende strenge Aufeinanderfolge richten, so dass jede Form sich an die vorigen unmittelbar anschliesst und sie alle eine ununterbrochene Reihe von Veränderungen bilden, und endlich in Betracht zieht, dass sich fast;beständig zugleich zwei oder einige derselben zusammen, oft ganz und gar neben einander in ein und demselben Läppchen befinden, so kann ikaum ein Zweifel mehr existiren, dass sie wirklich nur Uebergangsstufen von Verände- rungen ein und derselben Zellen sein können, wobei auch die Reihenfolge dieser Veränderungen vollkommen klar ist. Es ist klar, dass die ersten Stadien grosse polygonale Zellen bieten müssen, welche sehr oft neben ganz normalen seeretorischen Ele- menten des Pankreas getroffen werden und diesen ihrer Grösse, Form und Lagerung nach vollkommen ähnlich sind und nur von letzteren dadurch abweichen, dass sie vollkommen homogen sind und sich ganz und gar nicht oder höchst schwach färben. Sodann fangen einige von ihnen, zuweilen die Mehrzahl oder sogar alle, in Folge des Verschwindens eines grösseren oder geringeren Theiles ihres Protoplasmas sehr rasch an, sich in ihrem Volumen zu vermindern. Wenn dieser Veränderung eine bedeutende Zahl von Zellen des Läppchens unterliegt, so fällt das Läppchen bei, einem gewissen Grade der Verminderung, wahrscheinlich unter Einfluss des’Druckes seitens der umgebenden Theile zusammen, verliert seine gewöhn- liche Form, selbst wenn es noch einige ebenso grosse oder sogar vollkommen normale körnige Zellen enthält und erscheint dann natürlich scharf begrenzt und von den umgebenden unveränderten Läppchen deutlich unterscheidbar. Wenn aber diese Veränderungen zugleich in mehreren Läppchen stattfinden, so wird eine grosse Ansammlung mehr oder weniger bedeutend veränderter Zellen er- halten, welche den gewöhnlichen Läppchen gar: nicht ähnelt und in 472 S. W. Lewaschew: welchen nur die dasselbe in Abtheilungen theilenden Bindegewebs- bündel an die frühere Theilung in mehrere Schläuche erinnern. Neben der erwähnten ausgeprägten Veränderung der Zellen wird auch das allmähliche Verschwinden ihrer Grenzen beobachtet, welches zuerst nur an unbedeutenden Abschnitten auftritt, sodann aber immer grössere und grössere Räume einnimmt, so dass ganze, sehr bedeutende Gruppen nur aus dicht zusammengedrängten Kernen und zwischen ihnen befindlichem homogenem glänzendem Proto- plasma bestehen, in welchem es nicht gelingt, irgend welche ein- zelnen Zellen entsprechende Theilungen wahrzunehmen. Auf solehe Weise entstehen eine aus der anderen alle For- men der von uns beobachteten Bildungen; es bleibt nur bisher ganz unbestimmt, wie sich diejenigen Zellen bilden, welche wir als erstes Stadium aller Veränderungen betrachtet haben. Sind es besondere histologische Elemente, welche in dem Pankreas schon während dessen Entwiekelung entstehen und sich dann wäh- rend der ganzen Lebensdauer des Thieres nie mehr formiren, wie z. B. die Solitärfollikel in der Schleimhaut des Darmkanals, oder entstehen sie auf die eine oder andere Art, dem ähnlich, wie sich aus ihnen die folgenden Formen bilden, aus irgend welchen nor- malen Bestandtheilen der Drüse? Dabei spricht die fast absolute Abwesenheit dieser Zellen in den Drüsen von Thieren bei gewissen Bedingungen und ihr Auftreten in mehr oder weniger bedeutenden Quantitäten bei anderen, so dass wir ihre Zahl in jedem gege- benen Falle nach Wunsch reguliren können, ganz entschieden gegen die erste und für die zweite Voraussetzung. Was nun den Umstand anbetrifft, welchen normalen Bestand- theilen des Drüsenläppchens diese Bildungen ihr Entstehen ver- danken könnten, so sehen wir, wenn wir uns die hinsichtlich ersterer in der Wissenschaft bekannten Daten in Erinnerung bringen und sie mit den von uns beobachteten Eigenschaften und der Lage letzterer in dem Läppchen zusammenstellen, dass sie nur aus den Drüsenzellen selbst entstehen können. In der That ähneln sie diesen in hohem Grade ihrer Lage, Grösse und Form nach und unterscheiden sich von innen nur durch besonderes Aussehen ihres Protoplasma, durch dessen Unfähigkeit sich zu färben und die Abwesenheit von Körnehen in ihm. Ferner trifft man, wie wir gesehen haben, bei gewissen Bedingungen sehr oft Läppchen, welche zum Theil aus ganz normalen secretorischen Zellen, zum Ueber eine eigenthümliche Veränderung der Pankreaszellen etc. 478 Theil aus den von uns studirten Bildungen bestehen, welche in den verschiedensten Verhältnissen miteinander vermischt sind — bald so, dass fast das ganze Läppchen aus gewöhnlichen Zellen besteht und nur eine, zwei oder überhaupt nur eine sehr geringe Anzahl veränderter enthält, bald beide in fast gleicher Anzahl vor- kommen, bald endlich die grösste Anzahl durch veränderte Zellen gebildet wird und zwischen diesen nur einzelne, hier und da ge- legene normale Zellen gesehen werden. Dieses Alles stellt ausser allem Zweifel, dass einzig und allein diese letzteren als Ausgangs- punkt der von uns beobachteten Bildungen dienen können. Indem sie unter Einfluss irgend welcher Ursachen sich verändern, ver- lieren sie ihre Körnchen sowie ihr sich durch gewisse Farben tin- sirendes Protoplasma, welches durch eine homogene, klare, bei Anwendung von Farben ungefärbt verbleibende glänzende Masse ersetzt wird und erscheinen auf solche Weise in Form der oben beschriebenen polygonalen blassen Zellen, welche sodann weitere uns schon bekannte Veränderungen eingehen können. Auf solche Weise entstehen offenbar alle von uns beobachteten Bildungen und stellen nichts anderes als verschiedene Uebergangsstufen verän- derter secretorischer Zellen dar. Wie wir schon bei der Beschreibung aller von uns gefundenen Formen unserer Gebilde gesehen haben, entsprechen fast alle von früheren Autoren unter verschiedenen Benennungen beschriebenen Ansammlungen von Zellen einer der von uns beobachteten Formen und müssen daher ebenfalls die eben gezeigte Bedeutung haben !). Was die Bildungen anbetrifft, welche Kühne unter dem Namen 1) Der von einigen Autoren, z. B. von Podwyssotzkij erwähnte Reichthum der diese Bildungen enthaltenden Drüsentheile an Gefässen, welcher besonders bei der Injection hervortritt, hängt von Nichts anderem ab als nur von dem Umstande, dass die injicirte Masse bei diesen Injectionen in solchen Läppchen seitens der sie umgebenden Theile auf einen viel geringeren Wider- stand stösst als in anderen Theilen,: in Folge dessen sie die hier verlaufen- den Gefässe viel mehr erweitern muss und diese daher im Vergleich mit den Gefässen der übrigen Theile bedeutend gross erscheinen. Ausserdem muss man dabei in Betrachtung ziehen, dass in Folge des Zusammenfallens der einzelnen Läppchen, welche jetzt einen kleineren Raum einnehmen, als in normalem Zustand, die Zwischenräume zwischen den voneinander durch Läppchen getheilten Gefässen vermindert werden und daher das Gefässnetz viel dichter erscheint. 474 S. W. Lewaschew: intertubuläre Zellenhaufen erwähnt und welche seiner Meinung nach am wahrscheinlichsten feinste Iymphatische Drüschen vor- stellen, so kommen sie, wie es scheint, an Hunden und Katzen, an denen ich vorzugsweise meine Untersuchungen ausführte, sehr selten vor (nach Kühne trifft man sie in besonders grosser Zahl bei Affen, nämlich beim Macaceus Cynamolyus), da es mir kein einziges Mal gelang, sie zu beobachten und alle Zellen, welche sich auf die eine oder die andere Art ihrer Structur nach von den nor- malen Bestandtheilen des Pankreas unterschieden, immer die oben beschriebenen Eigenschaften zeigten, welche uns gezwungen haben, sie für veränderte Drüsenzellen anzusehen. Jedenfalls ähneln einige der von Kühne beobachteten Gebilde — nämlich die von ihm unter dem Namen „Drittes“!) deschriebenen, vielleicht aber auch ein grösserer oder geringerer Theil der übrigen — den einen oder anderen der von uns studirten Formen und müssen daher ebenfalls für verschiedene Uebergangsstadien veränderter secreto- rischer Zellen des Pankreas angesehen werden. Uns bleibt noch übrig die Frage zu entscheiden, durch welche Ursachen die von uns studirten Veränderungen in den Drüsen- zellen des Pankreas bewirkt werden und welche Bedeutung diese Veränderungen überhaupt haben müssen. Einige von uns be- obachtete Thatsachen, welche sich auf die Bedingungen beziehen, bei welchen diese Veränderungen in besonders bedeutenden Quan- titäten auftreten und sich entwickeln, sowie auf diejenigen, bei welchen sie nur in unbedeutender Anzahl vorkommen, geben ge- nügende Grundlagen zur Lösung dieser Frage. Wir haben schon mehrmals erwähnt, dass beim Studium einer srossen Anzahl von Drüsen von bei den verschiedensten Bedin- sungen getödteten Thieren schon bei Beginn dieser Untersuchungen uns in die Augen fiel, dass die Quantität der auf beschriebene Weise veränderten Drüsenzellen in verschiedenen Fällen weitaus nicht gleich war, sondern dass sie bei gewissen Bedingungen schein- bar immer in grosser Anzahl auftraten, bei anderen dagegen ver- hältnissmässig nur selten vorkamen. Weitere Beobachtungen haben 1) Beobachtungen über die Absond. d. Pankreas. 1. c. S. 464. Ueber eine eigenthümliche Veränderung der Pankreaszellen ete. 475 eine solehe Ungleichmässigkeit in der Vertheilung der von uns studirten Bildungen, welche immer mehr oder weniger prägnant hervortrat, vollkommen bestätigt und die Bedingungen klar gelegt, welche diese Veränderungen in grösseren Quantitäten erscheinen oder mehr oder weniger vollständig aus dem Drüsengewebe ver- schwinden lassen. Bei Untersuchung von Drüsen von Thieren, welche vor ihrem Ende während einer längeren Zeitdauer weder Speise noch Trank erhielten, wurden auf obige Art veränderte Zellen in sehr unbe- deutender Quantität vorgefunden, was besonders prägnant bei Katzen ausgeprägt war, bei welchen ich bei diesen Bedingungen mit grosser Mühe in sehr geringer Anzahl nur einzelne, in der oder jener Phase der Veränderung befindliche Bildungen wahr- nehmen konnte, welche unter ganz normalen Drüsenzeilen vorkamen. Bei Hunden schwankte theils wahrscheinlich in Folge der über- haupt grösseren Unregelmässigkeit ihrer Ernährung, theils aber auch in Folge dessen, dass bei ihnen sogar bei längerer Nahrungs- entziehung der Magendarmkanal sehr selten ganz leer ist, viel- mehr grösstentheils die verschiedensten Stoffe, wie Stroh, Haare u. Ss. w. enthält, welche natürlich ebenso verschiedene Verände- rungen in den Functionen der Verdauungsapparate hervorrufen können, die Zahl der veränderten Zellen viel mehr; im Allge- meinen aber wurden diese bei der Nahrungsentziehung in verhält- nissmässig unbedeutender Quantität beobachtet. Bei Untersuchung der Drüsen von satt gefütterten oder pilo- karpinisirten Thieren erschienen gewöhnlich sehr viele Läppchen in ihrer ganzen Ausdehnung oder ein grösserer oder geringerer Theil derselben verändert. Dieser Unterschied tritt besonders eclatant hervor, wenn man zwei möglichst gleiche und bis dahin in ungefähr identischen Be- dingungen befindliche Thiere nimmt, sie längerem Hungern unter- wirft, gegen das Ende dieser eines von ihnen wiederholt stark pilokarpinisirt und sodann beide gleichzeitig tödtet. Vergleicht man dann die Drüsen von beiden Thieren untereinander, so wird gewöhnlich ein stark ausgeprägter Unterschied in der Quantität der in ihrem Pankreas vorkommenden veränderten Zellen beobachtet. Ueberhaupt vorhanden sind die letzteren bei dem Thiere, das ge- hungert hatte und dem Einflusse des Pilocarpins nicht/unterworfen worden war, nur in sehr beschränkter Anzahl, bei dem pilokarpi- 476 S. W. Lewaschew: nisirten Thiere dagegen treten sie in mehr oder weniger bedeuten- den Massen auf. Um eine grosse Vermehrung der Zahl der veränderten Drü- senzellen resp. Läppchen zu erhalten, genügt eine einmalige wenn auch maximale Steigerung der Thätigkeit der Drüse nicht. Unter- sucht man die Structur des Pankreas in diesem Falle, so beobachtet man dabei nur die gewöhnlichen, von Prof. Heidenhain!) be- schriebenen Veränderungen, welche darin bestehen, dass ihr Vo- lumen mehr oder weniger bedeutend vermindert wird und die in- nere bei Tinetion ungefärbt bleibende Körnchenzone auf ein Mini- mum redueirt, die äussere sich gewöhnlich stark färbende Zone vergrössert wird u. A. m., während die Zahl der auf von uns be- schriebene Weise veränderten Zellen meistentheils noch nicht be- merkbar vergrössert ist. Nur bei mehrmaliger starker Pilokar- pinisirung?), welche während längerer Zeit genügend oft wieder- holt wird, tritt neben jenen auch schon eine zweifellose Vermeh- rung der Quantität letzterer hervor und das um so prägnanter, je dauernder und intensiver die Pilokarpinisirung gewesen war. Ebenso gelingt es auch bei der Fütterung, diese Erscheinungen nur bei Aufnahme sehr grosser Massen von Nahrung zu. erzielen. Diese Daten zeigen uns, dass die von uns beobachteten Ver- änderungen der Drüsenzellen, wenn sie auch durch die secreto- rische Thätigkeit dieser bedingt werden, dennoch mit letzterer nicht in einem so direeten unmittelbaren Zusammenhange stehen, wie in solchen Drüsen, in welchen die Ausarbeitung des Secretes direet auf Kosten der Zelle selbst vor sich geht, welche dabei so sehr verändert wird, dass ihre weitere Existenz unmöglich wird und sie ganz und gar zerfällt und durch eine neugebildete ersetzt wird. In dem Pankreas dient, wie wir sehen, als Material zur Bildung des Secretes nicht der ganze Zellenkörper, sondern nur ein gewisser Theil desselben, weleher aus dem übrigen hauptsäch- lich während des ruhenden Zustandes der Drüse ausgearbeitet und bei der Secretion mehr oder weniger verbraucht wird, wobei je- 1) Beiträge zur Kenntniss d. Pankreas. Pflüger’s Arch. 1878. Bd. X. 2) Ueber das von mir benutzte Pilokarpinisirungsverfahren vergl. meine Abhandlung „Ueber die Bildung des Trypsin im Pankreas und üb. die Bedeutung der Bernard’schen Körnchen in seinen Zellen.“ Pflüger’s Archiv. 1885. Bd. XXXVI. Ueber eine eigenthümliche Veränderung der Pankreaszellen ete. 477 doch die Vitalität der Zelle gewöhnlich auf bemerkbare Weise nicht gestört wird und letztere beim Eintreten der Ruhe die ver- brauchten Theile von Neuem ansammelt und auf solche Weise ihre normale Zusammensetzung wiederherstellt. Nur bei wieder- holt und sehr stark gesteigerter Thätigkeit wird die Zelle so sehr verändert, dass ihre Ernährung gänzlich gestört und in ihr nicht nur der eben erwähnte körnige Theil verbraucht, sondern auch der übrige Theil in der von uns beobachteten Form zu Grunde geht. Was nun die Frage anbetrifft, bis zu welchem Grade die Thätigkeit der Zelle überhaupt gesteigert werden muss, um die von uns erwähnten Veränderungen hervorzurufen, so muss selbst- verständlich dieser für jede einzelne Drüse und sogar für jede einzelne Zelle verschieden sein. Bei unseren hier beschriebenen Versuchen beobachteten wir immer, dass die Injection ein und dieselbe Quantität Pilokarpin, welches an zwei vollkommen gleichen Thieren und bei ganz denselben Nebenbedingungen unternommen wurde, doch einen ungleichen Einfluss auf die Drüsen beider er- weist. Bei dem einen Thiere können die Veränderungen viel grösser sein als bei dem anderen. Sodann bemerken wir auch in jeder einzelnen Drüse ausser einer gewissen ungleichmässigen Theil- nahme der einzelnen Zellen an der Secretion gewöhnlich, dass neben Zellen, welche die einen oder anderen der von uns be- schriebenen Veränderungen zeigen, immer auch absolut normale vorkommen, obwohl sie, ihrem äusseren Aussehen nach zu urtheilen, ebenfalls sehr wirksam an der Secretion theilgenommen haben mussten. Es ist also offenbar, dass in Bezug auf die Empfänglich- keit für die Pilokarpinreizung der Anfangszustand der Zellen eine grosse Bedeutung haben muss. Nicht nur müssen alte Zellen und solche, welehe vordem mehr funtionirt hatten, leichter untergehen, sondern ganz dieselbe Bedeutung müssen auch verschiedene andere die Ernährung der Zellen schädlich beeinflussende Bedingungen haben. So beobachtete ich z. B. bei einem Hunde das Auftreten veränderter Zellen in sehr grosser Anzahl einzig und allein unter Einfluss eines Fiebers, an welchem er während einiger Tage vor dem Tode gelitten hatte, ohne jegliche Verstärkung die Function der Drüse. Jedenfalls genügt, wie es die fast beständige Anwesen- heit dieser Bildungen in grösserer oder geringerer Quantität bei der Mehrzahl der Thiere zeigt, gewöhnlich schon die normale secretorische Function der Drüse für einen, immerhin sehr 478 S. W. Lewaschew: kleinen, Theil der Zellen, um in ihnen diese Veränderungen her- vorzurufen. Endlich bleibt uns noch übrig die Frage über das weitere Schicksal der auf beschriebene Art veränderten Zellen zu lösen. Gehen sie, wie die meisten seceretorischen Zellen anderer Drüsen, gänzlich zu Grunde und werden durch neue ersetzt, oder bleiben sie in der cinen oder anderen Form, z. B. in Form von Gruppen kleinster polygonaler Zellen oder Ansammlungen von Kernen ohne jegliche Vertheilung des sie umgebenden Protoplasma in einzelne Zellen ohne Veränderung auf die ganze übrige Lebensdauer des Thieres bestehen oder nehmen sie endlich, nachdem sie bis zu einem gewissen der beschriebenen Veränderungsstadien gelangt, wie es gewöhnlich bei normalen Bedingungen an den pankreati- schen Zellen beobachtet wird, von Neuem die verlorenen Bestand- theile in sich auf und stellen allmählich ihre frühere normale Form wieder her ? Zur Lösung dieser Frage unternahm ich eine Reihe von Untersuchungen der Drüsen von Thieren, welche nach Verlauf einer immmer längeren und längeren Zeit, nachdem sie einem gewissen Einflusse, welcher die studirten Veränderungen der pan- kreatischen Zellen hervorrufen sollte, getödtet wurden. Ich be- diente mich hauptsächlich der starken Pilokarpinisirung, als einer Methode, mit deren Hülfe man die gewünschten Veränderungen mit der grössten: Sicherheit hervorrufen und deren Wirkung man, sowohl in Bezug auf die Intensität, als auch in Bezug auf die Dauer, am genauesten reguliren können. Bei Untersuchung der Drüsen von Tbieren, welche einen oder zwei Tage nach der Pilokarpinisirung !) getödtet waren, kamen neben normalen Drüsenzellen, welche das ihnen gewöhnlich nach starker Secretion eigene Aussehen annahmen, d. h. sich grössten- theils mehr weniger bedeutend verkleinert zeigten, die Körnchen- schicht nur in unbedeutender Quantität oder garnicht enthielten, sondern hauptsächlich oder ganz und gar nur an einer sich gut färbenden homogenen Suestanz bestanden, gewöhnlich in grosser Anzahl auch veränderte Zellen vor, welche einen grösseren oder geringeren Theil der normalen Läppchen einnahmen oder voll- 1) Während dieser Zeit wurden die Thiere, um die Einmischung jedes anderen Einflusses auf das Pankreas zu vermeiden, ohne Nahrung gelassen. Ueber eine eigenthümliche Veränderung der Pankreaszellen ete. 479 kommen veränderte Läppchen zusammensetzen. Wenn dabei die Intoxication mit Pilokarpin nicht sehr intensiv und dauernd ge- wesen war, waren die veränderten Zellen verhältnissmässig noch wenig in ihrem Volumen verkleinert und bewahrten noch ihre ausgeprägten Conturen. Bei stärkerer Pilokarpinisirung bemerkte man neben solchen schon in grösserer Anzahl Gruppen, welche zum Theil aus verkleinerten Zellen, zum Theil aber nur aus Kernen, oder endlich solche, welche einfach aus Ansammlun- gen mehr oder weniger dicht an einander gedrängter Kerne be- standen. Beim Studium der Drüsen von Thieren, welche drei, vier Tage nach der Pilokarpininjection gelebt hatten, erschien die Zahl der veränderten Läppchen immer noch höchst bedeutend, wobei sich diese in allen Fällen grösstentheils in Form der eben er- wähnten Gruppen und Ansammlungen von Kernen zeigten. In normalen Läppehben wurde zu dieser Zeit gewöhnlich bemerkt, dass sie zu ihrer gewöhnlichen Form während des Ruhezustandes der Drüse zurückkehrten. Die Zellen wurden in allen Durch- messern von Neuem vergrössert, im Innern derselben bildete sich eine grosse innere Körnchenschieht, die äussere sich färbende wurde dagegen kleiner u. s. w. In Drüsen von Thieren, welche fünf, sechs Tage nach der Pilokarpininjeetion getödtet wurden, zuweilen, obwohl sehr selten, auch bei Thieren, die kürzere Zeit — nämlich z. B. vier Tage nach der Pilokarpinisation gelebt hatten, erschien die Zahl der veränderten Zellen gewöhnlich im Vergleich mit den Fällen, in welchen die Thiere auf dieselbe Weise mit Pilokarpin vergiftet waren, aber während der ersten drei — vier Tage getödtet waren, schon deutlich vermindert. Dabei war ausserdem in den ver- änderten Läppchen gewönlich eine bedeutende Zahl von scharf eontourirten Zellen bemerkbar, welche ihre früheren grösseren Dimensionen von Neuem erhalten hatten, obwohl auch noch ein- fache Ansammlungen von Kernen vorkamen. Zugleich wurden sehr oft Läppchen beobachtet, in welchen ein Theil der Zellen vollkommen normal erschien, die übrigen aber sich in einem der von uns beschriebenen Stadium der Veränderung befanden. ' Soleher Art ist das allgemeine Bild der von uns nach Ver- lauf verschiedener Zeiträume — von einem bis sechs Tage — nach den Pilokarpininjectionen beobachteten Erscheinungen. Die Drüsen 480 S. W. Lewaschew: nach noch längerer Zeit zu untersuchen, gelang uns leider nicht, da eine längere Nahrungsentziehung nicht möglich war, die Fütte- rung aber die Resultate bedeutend verändern konnte. Doch schon aus den erhaltenen Daten ist es vor Allem ersichtlich, dass die von uns studirten Veränderungen der Zelle für die fernere Lebens- dauer des Thieres nicht bestehen bleiben, sondern allmählich ver- schwinden, wie es die ausser Zweifel stehende Verminderung ihrer Zahl nach Verlauf eines kürzeren oder längeren Zeitraumes nach der Pilokarpinisation zeigt, sodann — dass sie aber überhaupt ziemlich lange bestehen und sehr allmählich verschwinden, da sie sehr lange — nach 5—6 Tagen noch in verhältnissmässig bedeu- tender Quantität vorkommen. Was für Prozesse in ihnen dabei vor sich gehen, d.h. auf welehe Weise die veränderten Zellen vergehen — ob sie gänzlich zerfallen und zu Grunde gehen oder, bis zu einem gewissen Stadium angelangt, sich von Neuem wiederher- stellen — das zu entscheiden ist auf Grund nur des mikroskopi- schen Bildes sehr sehwierig. Wie wir gesehen haben, wird dabei beständig eine so grosse Mannigfaltigkeit der Veränderungen einzelner Zellen beobachtet und treffen wir in allen Perioden die verschiedensten Bilder, haben dabei aber kein einziges Kennzeichen um zu unterscheiden, welche von letzteren zu Bildungen gehören, in welehen noch die repressiven Prozesse fortwähren, und welche auf Zellen bezogen werden müssen, die sich noch wiederher- stellen oder als Ersatz der verschwundenen alten neugebildet sind. Hätten wir die Mögliehkeit, alle Veränderungen jeder einzelnen Zelle Schritt für Schritt zu verfolgen, so könnten wir freilich alle hier gestellten Fragen direet ohne jede Schwierigkeit lösen, leider können wir aber, wie es sich aus allem Gesagten von selbst ver- steht, den Zustand der einzelnen Zellen nur in einem gewissen Momente ihrer Metamorphosen beobachten. Nichtsdestoweniger besitzen wir aber einige indireete Daten, auf Grund derer wir mit sehr grosser Wahrscheinliehkeit eine Voraussetzung über das end- liche Schicksal der veränderten Zellen aussprechen können. Wie wir schon weiter oben erwähnt, treten in allen Gebilden die Kerne immer höchst prägnant hervor und nie fanden wir et- was ähnliches, was auf den Zerfall oder die Zerstörung letzterer hinweisen könnte, sodass wir eigentlich gar keine Daten hatten, welche bewiesen, dass hierbei die ganze Zelle zerstört werde. Ferner unterliegt es keinem Zweifel, dass, wenn die veränderten Ueber eine eigenthümliche Veränderung der Pankreaszellen etc. 481 Zellen überhaupt gänzlich zerstört werden, sie jedenfalls durch neugebildete ersetzt werden mussten, da ja sonst im Verlauf der Zeit die ganze Drüse verschwinden müsste und ausserdem haben wir direct beobachtet, dass einige Tage nach der Pilokarpininjec- tion von Neuem in grosser Quantität Zellen vorkommen, welche sich von den normalen Drüsenzellen sehr wenig unterscheiden und von uns als erstes Stadium der Veränderungen beschrieben worden sind, deren nochmaliges Auftreten zu dieser Zeit (zuerst treten sie unmittelbar nach der Pilokarpinisirung auf) durch Nichts anderes erklärt werden kann, als durch die in der Drüse auf irgend eine Weise vor sich gehende Regeneration. Wenn nun aber die Regenera- tion mittelst Ersatzes der alten veränderten und gänzlich zerstörten Zellen durch neue vermittelt würde, so müsste offenbar in dem Falle, wenn jene in grosser Anzahl erschienen, auch eine ver- stärkte Bildung dieser stattfinden. Indessen, obwohl überhaupt in dem Pankreas in jüngster Zeit von Dr. J. Gaule!) die Theilung der Kerne in etlichen secretorischen Zellen constatirt worden ist, konnte dennoch Dr. Nicolaides?), welcher später das Studium des Zusammenhanges dieses Prozesses mit der Secre- tion unternahm, keine Abhängigkeit des Auftretens der karyo- kinetischen Figuren von den Secretionsprozessen nachweisen. Zu einem solehen Schlusse kam, wie er mir selbst mitgetheilt, auch Prof. Heidenhain, weleher ebenfalls nicht selten karyokinetische Figuren in den Kernen der Drüsenzellen des Pankreas getroffen hat. Endlich habe auch ich bei meinen Untersuchungen nie, selbst bei sehr reicher Fütterung der Thiere oder bei sehr inten- siver Pilokarpinisirung, welche oft bis zu maximalen, nur über- haupt möglichen Graden gesteigert wurde, eine Vergrösserung der Zahl der karyokinetischen Figuren beobachtet, wobei ich, wie wir 1) Kerntheilungen im Pankreas d. Hundes. Arch. f. Anat. u. Physiol. Anatom. Abtheil. 1882. 2) Ogata, Die Veränderungen der Pankreaszellen bei der Secretion l. c. S. 405 u. 406. — Was die von Ogata gemachte Hinweisung auf die unter Leitung von Prof.Heidenhain ausgeführte Dissertation von C.Schmidt „Ueber Kernveränderungen in den Secretionszellen“ Breslau 1882, betrifft, in welcher dieser ebenfalls erwähnen soll, dass er die karyokinetischen Figuren bei Tritonen im Pankreas unabhängig von der Secretion bald gefunden, bald vermisst habe, so beruht dieses auf einem Irrthume, da C. Schmidt gar keine Beobachtungen an dem Pankreas ausgeführt hat. Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 26. 3l 4823 S. W. Lewaschew: sehon gesehen haben, auch keine Neubildung von Zellen auf die von Ogata beschriebene, von ihm an Fröschen beobachtete Weise bemerken konnte. Es erscheint also auf Grund alles Gesagten am wahrschein- lichsten, dass die Zellen in den meisten Fällen nicht gänzlich zer- stört werden, sondern bis zu einem gewissen Grad der Verän- derung angelangt, anfangen, sich allmählich wiederherzustellen. Was nun die Frage anbetrifft, wie hier diese Regeneration vor- geht, so geschieht sie auf Grund der von uns weiter oben be- schriebenen, nach Verlauf gewisser Zeiträume nach der Pilokar- pinisirung erhaltenen Bilder scheinbar so, dass zu allererst die Quantität des Protoplasma um jeden einzelnen Kern herum sich allmählich zu vermehren anfängt, bis die Zellen ungefähr die frühere Grösse erhalten, wobei zu gleicher Zeit auch die Grenzen zwischen diesen letzteren allmählich von Neuem ganz deutlich werden; sodann erhält das Protoplasma seine gewöhnlichen Eigen- schaften wieder, in ihm bildet sich die innere sich nicht färbende Körnehenschicht und kehren die Zellen nach einer mehr weniger langen Zeit zu ihrer normalen Form zurück. Nur bei einem sol- chen Verlaufe der regenerativen Processe kann es vollkommen be- greiflich sein, woher nach Verlauf eines mehr weniger bedeutenden Zeitraumes in einer, der in der ersten Hälfte der Entwicklung der Veränderungen entgegengesetzten Reihenfolge von Neuem die er- sten Formen der von uns studirten Bildungen auftreten, sich im Verlauf der Zeit allmählich immer mehr und mehr in ihrer Zahl vergrössern und sodann die übrigen an Zahl übertreffen, wobei zu gleichet Zeit die allgemeine Quantität der veränderten Zellen mehr oder weniger bedeutend vermindert wird. Die mitgetheilten Beobachtungen lehren eine bisher unbe- achtete Art der Veränderung der Pankreaszellen bei der Absonderung kennen, welche unter besondern Umständen eintritt. Bei der ge- wöhnlichen normalen Seeretion tritt diese Veränderung nur ganz vereinzelt auf. Die ausserordentliche Mehrzahl der Zellen zeigt während derselben nur die schon lange bekannten Veränderungen, welche Heidenhain beschrieb: Schwinden der körnigen Innen- zone bei Vergrösserung der homogenen Aussenzone, — eine Verän- derung, welehe während der Ruhe schnell wieder rückgängig wird. Ueber eine eigenthümliche Veränderung der Pankreaszellen ete. 483 Wenn aber die seeretorische Thätigkeit der Zelle während einer langen Zeit mittelst eines gewissen beeinflussenden Momentes bis zu einem maximalen Grade gesteigert war oder wenn ihre Vitali- tät in Folge irgend welcher Ursachen schon vordem gesunken war, wird ihre Ernährung dabei so sehr gestört, dass sie einer ganzen ‚Reihe weiterer regressiver Processe anheimfällt, welche oben aus- führlich geschildert wird. Dabei verliert die Zelle nicht nur, wie es gewöhnlich der Fall ist, ihre innere Körnchenschicht, sondern auch ihr übriger Theil wird auf ganz besondere Weise verändert, sie nimmt ein charakteristisches homogenes, glänzendes Aussehen an und verliert die Fähigkeit, Farbstoffe, durch welche sie früher intensiv gefärbt wurde, in sich aufzunehmen. Die äusseren Con- touren und das Verhalten der Zelle zu den übrigen Theilen bleiben die erste Zeit noch die früheren. Dann aber wird die Menge des Protoplasmas der Zelle mehr weniger rasch vermindert, in Folge dessen unter dem Einflusse nachbarlicehen Druckes neben den Veränderungen in der Form der Zellen auch ihre charakteristische Anordnung in den Läppchen gestört, welche zusammenfallen und auf solche Weise als Anhäufungen mehr weniger verminderter polygonaler blasser Zellen erscheinen, welche dem äusseren Aus- sehen nach schon gar keine Aehnlichkeit mit den gewöhnlichen Drüsenläppchen haben, sondern, auf den ersten Blick, als ganz be- sondere Gebilde erscheinen, welche seit Langerhans von ver- schiedenen Forschern unter den verschiedensten Namen beschrieben wurden. In einigen dieser Gruppen wird neben den eben beschrie- benen Veränderungen noch bemerkt, dass die Grenzen zwischen einzelnen Zellen undeutlich geworden sind und dann allmählich gänzlich verwischt werden, so dass Anhäufungen gebildet werden, welche zum Theil oder in ihrer ganzen Ausdehnung aus eng zu- sammengedrängten Kernen bestehen, zwischen denen sich ein ho- mogenes, helles, sich nicht färbendes, besonders glänzendes Proto- plasma befindet, in welchem keine Linien wahrzunehmen sind, welche es in einzelne Zellen theilen. Da diese Veränderungen in jeder einzelnen Zelle nicht gleichzeitig Statt finden, so wird gewöhnlich ein sehr gemischtes Bild erhalten und kann man grössten Theils an ein und derselben Drüse alle erwähnten Stadien der Veränderungen beobachten. Dabei kommen sogleich nach der Pilokarpinisation oder nach irgend einem anderen ähnlichen Mo- mente in überwiegender Anzahl die ersten Stadien vor, nach 484 S. W. Lewaschew: Verlauf einer gewissen Zeit die folgenden, sodann erhalten, zu- gleich mit allmählicher Verminderung der Zahl aller Formen der veränderten Zellen, allmählich wieder die ersten das Uebergewicht — eine Erscheinung, welehe nur bei der Annahme erklärt werden kann, dass hier eine Regeneration der Zellen stattfinde. Was nun die Frage anbetrifft, wie letztere vor sich geht, d. h. ob die ver- änderten Zellen dabei vollkommen zerstört und durch neugebildete ersetzt werden, oder bis zu einem gewissen Stadium der Verän- derung angelangt, wiederhergestellt werden, so erscheint in Be- tracht dessen, dass Bilder einer vollständigen Zerstörung der Zellen mit dem Zerfallen ihrer Kerne fehlen, letztere im Gegentheil immer vollkommen deutlich siehtbar bleiben und bei Tinetion sich, wie auch in absolut normalen Drüsentheilen, höchst intensiv färben, sowie in Betracht der Abwesenheit jeglicher Anzeichen einer ver- stärkten Neubildung von Zellen, welche durchaus Statt finden müsste, wenn die erstere der erwähnten Arten der Regeneration hier vor sich ginge, für die Mehrzahl der Fälle die zweite An- nahme als die wahrscheinlichste. Wenn auch vielleicht ein ge- wisser Theil der Zellen gänzlich zu Grunde geht, so bewahrt dennoch, wie es scheint, die bei weitem grösste Mehrzahl der- selben, dem nach der normalen secretorischen Thätigkeit der Drüse Beobachteten ähnlich, ihre Fähigkeit zur weiteren Existenz, nimmt die verlorenen Substanzen wieder in sich auf und kehrt allmählich zu ihrem normalen Aussehen zurück. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XVM. Fig. 1. a,a,a grosse, polygonale, helle, sich gar nicht färbende, homogene Zellen, welche unter normalen secretorischen Zellen (b. b, b) ge- lagert sind. Fig. 2. a und b haben dieselbe Bedeutung wie m Fig. 1. Bei „e“ Gruppen ebenso veränderter Zellen wie bei „a“, aber es sind zwischen den Kernen nur stellenweise die die einzelnen Zellen begrenzenden Linien zu bemerken. Fig. 3. Die Buchstaben haben dieselbe Bedeutung wie in der vorigen Ab- bildung. Ueber eine eigenthümliche Veränderung der Pankreaszellen ete. 485 Fig. 4. Verändertes Läppchen, von absolut normalen (d, d, d) umgeben. Im Innern desselben sind bei „a“ noch deutliche Linien zu ersehen. welche polygonale, homogene, blasse Zellen mittlerer Grösse be- grenzen; bei „b“ sind die Grenzen der einzelnen Zellen vollständig verschwunden, so dass nur eine Gruppe scharf contourirter und intensiv gefärbter Kerne sichtbar ist, zwischen welchen sich ein blasses, homogenes, ungefärbt gebliebenes Protoplasma befindet. Bei „ec“ zu demselben Läppchen gehörige Zellen von gleicher Grösse und Form wie die übrigen, welche aber stark gefärbt sind und eine grosse Quantität Körnchen enthalten. a,b, c, — dieselbe Bedeutung, wie in Fig. 1, 2 und 3. Bei „d“ Anhäufungen von Kernen ohne jede Spur einer Vertheilung in ein- zelne Zellen. Ein Präparat aus der Drüse eines Hundes mit mit Berlinerblau in- Jieirten Ausführungsgängen. a,a,a normale, b,b,b veränderte Drüsenläppchen, c, c, c im Innern letzteres zwischen die einzelnen Zellen in mehr weniger bedeutender Quantität eingedrungene In- jeetionsflüssigkeit, d, d, d injicieirte feinste Ausführungsgänge. Ueber die Theilbarkeit der lebendigen Materie. I. Mittheilung. Die spontane und künstliche Theilung der Infusorien. Von Dr. Moritz Nussbaum, a. 0. Professor und Prosector am anatomischen Institut in Bonn. Hierzu Tafel XVII— XXI. Als ich vor mehreren Jahren!) an der Hand der Bildungs- geschichte der Generationsorgane der damals noch ziemlich allge- mein gültigen Lehre von der Pangenesis eine andere Theorie gegen- überstellte, um die Erscheinungen der Vererbung im Prineip ver- 1) Dieses Archiv. Bd. 18. 1880. 486 Moritz Nussbaum: ständlicher zu machen, glaubte ich kaum auf ein so schnell er- folgendes vielseitiges Eingehen auf den Gegenstand rechnen zu können, als es sich in der That gezeigt hat. Ich weiss sehr wohl, dass die allgemeine Verbreitung, welche die Theorie nunmehr ge- funden hat, nicht ausschliesslich meiner eigenen Arbeit zu ver- danken ist; da vorzugsweise Weismann!) durch eine Reihe grösserer und kleinerer Abhandlungen und Vorträge denselben Grundgedanken, wenn auch in abweichender Form, seit dem Jahre 1883 ausgesprochen und ihm Eingang verschafft hat. In einer dem- nächst erscheinenden zweiten Mittheilung wird auf die Ausfüh- rungen Weismann’s und die neueren Theorien der Vererbung überhaupt näher eingegangen werden. Nicht unerwähnt soll blei- ben, dass Jaeger?), wie Weismann?) neuerdings aufgefunden hat, schon vor mir „der Lehre von der Discontinuität des Lebens und der von der Pangenesis die Lehre von der Continuität des Keimprotoplasmas durch alle Generationen hindurch“ gegen- überstellte. Da die Grundlage meiner Theorie in den Vorstellungen ge- geben ist, jede Eigenschaft sei an ein materielles Substrat ge- knüpft, und die Theilung der Funetionen falle zusammen mit einer an die Zelltheilung sich anschliessenden Sonderung der für die einzelnen Functionen bestimmten Gruppen der lebendigen Materie, so versuchte ich auf experimentellem Wege Beweismaterial für die Theorie von der Continuität des Keimplasma’s zu gewinnen. Die Theorie verlangt, dass bei den Protozoen von allen Punkten des Körpers aus das Ganze restituirt werden könne; dass bei den nie- deren Metazoen — natürlich unter den geeigneten Bedingungen — eine Reconstruction des Ganzen nur unter Betheiligung aller Leibes- schichten möglich sei; dass bei den höheren Metazoen nach Ent- fernung der Generationsorgane die Fortpflanzungsfähigkeit schwinde. In der vorliegenden Mittheilung finden sich die Versuche an In- fusorien, denen eine Beschreibung der Versuchsobjeete voraufge- stellt ist. 1) Weismann, Die Entstehung der Sexualzellen bei den Hydro- medusen. Jena 1883. — Ueber die Vererbung. Jena 1883. — Die Con- tinuität des Keimplasmas. Jena 1885. ' 2) G. Jaeger, Lehrbuch der allgemeinen Zoologie. II. Abth. p. 196. 1878. 3) Die Continuität des Keimplasmas. Jena 1885. Ueber die Theilbarkeit der lebendigen Materie. 487 I. Opalina ranarum. Beschreibung der Form und Lebenserscheinungen. Opalina ranarum lebt nach Engelmann!) und Zeller), in der Kloake des braunen Landfrosches, Rana fusca, und seiner Larven. In erwachsenen Fröschen vermehren sich die vielkernigen Opa- linen durch Theilung; während der Laichperiode ohne darauffolgen - des Wachsthum, so dass um diese Zeit schliesslich vier- bis mehrker- nige Theilstücke gebildet werden. Diese encystiren sich, wie Zeller nachgewiesen hat; werden mit den Excerementen der Frösche in’s Wasser abgesetzt und hier mit der Nahrung von den heranwach- senden Quappen der Rana fusca aufgenommen. Im Darmecanal der Froschlarven sprengen die jungen Opalinen ihre Hülle, wach- sen und vermehren sich später wieder durch Theilung. Conjugationserscheinungen sind noch nicht beobachtet wor- den, so dass möglicherweise die Fortpflanzungsverhältnisse dieser Thiere noch nicht völlig erkannt sind. Denn es hat etwas Un- wahrscheinliches, dass eine Form sich continuirlich durch einfache Theilung erhalten sollte. Zum Studium der Lebenserscheinungen entnimmt man die ÖOpalinen am besten von der Darmwand, an der Stelle der Kloake, wo sich der Dünndarm in sie einsenkt. Oft genug ist es mög- lich, namentlich wenn die Kothsäule fest ist, hier eine grosse Zahl der Thiere ganz ohne Beimischung des sonstigen Kloakeninhaltes zu gewinnen, was besonders dann von Vortheil ist, wenn man die Thiere längere Zeit isolirt am Leben erhalten will. In einem Falle ist es mir gelungen, Opalinen in Humor aqueus ihres Frosch- wirthes 4 Tage lebend zu conserviren. Die geringste sichtbare Menge Koth bringt die Opalinen des Präparates bald zum Ab- sterben. Wasserzusatz treibt helle Kugeln an den Rändern des Leibes hervor, eine Erscheinung, die auch anderwärts bei Ver- wässerung des Protoplasmas beobachtet wird. Gegen das Wasser sind nur die Cysten resistent und es schien mir, dass zur Zeit 1) Morphologisches Jahrbuch, Bd. I. p. 574. 2) Zeitschrift f. wissensch. Zoologie, Bd. 29, p. 352. 488 Moritz Nussbaum: der Cystenbildung Wasserzusatz diesen Process beschleunige. Die Opalina ranarum kann bis 0,5 mm lang werden. Das vordere Leibesende ist zugespitzt, das hintere breit; der Leib platt ge- drückt mit diekerem Centrum und zugeschärften Rändern. Dabei ist das Thier so elastisch biegsam, dass es sich der Form eines jeden Hindernisses anschmiegt, das ihm beim Schwimmen in den Weg kommt. Die Vorwärtsbewegungen und Drehungen des Thieres erfolgen durch das Schlagen der von vorn nach hinten bewegten Wimpern. Die Cilien stehen in schräg geordneten Curvenzügen, die an der hinteren Rücken- und Bauchfläche sich bei vielen Exem- plaren kreuzen. An dem vorderen spitzen Ende gehen die Linien in grader Richtung von der einen auf die andere Fläche über; hier stehen sie auch bedeutend näher als an den Rändern. Ven den Rändern her gelangen nur wenige der Cilienzeiler zur Spitze hin; sie biegen vielmehr früher von der Bauch- zur Rückenfläche über. Man hat die Interstitien zwischen den Cilienzügen auch Muskelfasern genannt; vielleicht nicht mit Unrecht. Denn am lebenden Thier sieht man von vorn nach hinten, während des Schlagens der Wimpern, schraubenförmige Wellen über den Leib hinlaufen. Fixirt man durch schnelles Abtödten in Ueberosmium- säure, so findet man senkrecht zur jedesmaligen Richtung der „Muskelfasern“ Wellenberge und Thäler in bestimmten Abständen miteinander abwechseln. Neben der Wimperbewegung und der in Form von Wellen über den Leib hinziehenden Contractionen kommt namentlich zur Zeit der Theilung eine Form der Contrac- tilität vor, die das Thier wie einen weichen Filzlappen von einer zerknitterten Form in die andere umgiesst. Die Oberfläche ist höckerig, eingebuchtet auf der Fläche, wie wenn eine unkundige Hand einem Thonklumpen Form zu geben sich bemüht. Die Wimpern sind in disereten Punkten der vorher be- schriebenen Zeilen eingesetzt und bestehen aus einem biegsamen Faden und dem zugehörigen Protoplasma. Verklebungen mehrerer Cilien zu einem Büschel kommen äusserst selten vor. Ich sah sie an einem Exemplar während der Theilung. Betrachtet man die Opalinen mit schwachen Vergrösserungen während des Lebens, so erkennt man die von Leydig!) zuerst nachgewiesenen Kerne als helle Kreise in dem matten Centrum, 1) Leydig, Histologie. Frankfurt 1857. p. 16, Ueber die Theilbarkeit der lebendigen Materie. 489 das von einem helleren Rande eingerahmt wird. Man kann, wenn man für jede Erscheinung ein besonderes Fremdwort einzuführen geneigt ist, die Aussenschieht das Ecetoplasma, die Innenschicht das Endoplasma nennen. Die Aussenschicht ist für gewöhnlich auch bei stärkeren Ver- grösserungen homogen; es können aber auch feine Körnchen ein- gelagert sein. Die Innenschicht weist in allen Stadien, auch bei eneystirten Thieren neben diesen Körnchen, die in Essigsäure ihren natür- lichen Glanz bewahren und sich in Ueberosmiumsäure tief bräunen, noch glänzende scheibenförmige Körperchen neben den Kernen auf. Diese grösseren Körper werden matt bei Essigsäurezusatz. Auf Einwirkung von Osmiumsäuredampf werden sie kleiner aber stark glänzend. Essigsäurezusatz füllt ein opalinenhaltiges Präparat mit zahlreichen Luftblasen. Genauere Untersuchung auf das Vorhan- densein eines kohlensauren Salzes habe ich nicht gemacht. Barfurth!) wies das Vorkommen von Glycogen in dem Leibesinhalt der Opalina nach. Mund, After und contractile Blase fehlen. Zeller hat die Kerne am lebenden Thier und nach Zusatz von Essigsäure oder Chromsäure untersucht und dieselben aus einer doppelt eontourirten Wandung, einer völlig klaren Flüssig- keit und einem excentrisch gelagerten, kugeligen, winzig kleinen Kernkörperehen zusammengesetzt gefunden. Diese Beschreibung trifft jedoch nicht für alle Fälle zu; da die Kerne der Opalina in allen Zuständen getroffen werden, wie sie für die Kerne in den Zellen höherer Thiere bekannt sind. Es gibt Kerne mit einem, mit zwei Kernkörperchen; Kerne mit feinkörnigem und fadenför- migem Inhalt. Zur Zeit der Theilung, die das ganze Jahr an- dauert, werden einige Kerne spindelförmig, verlieren ihre Hülle und theilen sich mitotisch. Man könnte versucht sein unter den runden Kernen die- jenigen, in denen zwei bis vier färbbare wandständige Streifen auftreten, für die Querschnittsbilder von Spindeln zu halten. Wenn man jedoch durch Reiben mit dem Deckglas die Kerne isolirt und wälzt, so erkennt man, dass beide Formen unabhängig von ein- ander sind und vielmehr durch Zwischenstufen in einander über- 1) Dieses Archiv, Bd. 25, p. 316. 490 Moritz Nussbaum: gehen. Der kuglige Kern streckt sich ein wenig, wird an den Polen spitz, im Innern streifig; es entsteht die Spindel mit der äquatorial gelagerten färbbaren Substanz, die sich nachher in zwei Hälften sondert. Beim Vorrücken dieser Hälfte gegen die Pole wird die Spindel an den Polen abgestumpft und dadurch zur Sand- uhrform umgestaltet. Die Trennung der Hälften geschieht durch fadenförmiges Ausziehen der mittleren Partie, so dass die birn- förmigen Tochterkerne eine Zeitlang noch durch einen unmessbar feinen, eentralen Faden verbunden sind. Schliesslich reisst der Faden, und die Theilstücke des Kernes werden wieder rund. Wie schon oben erwähnt geht die Theilung der Opalinen das ganze Jahr vor sich. Während des Winterschlafes der Frösche scheint sie zu ruhen. Wenigstens habe ich in den Exemplaren, die ich mit einer Glasröhre aus der Kioake im Winterschlaf be- findlicher Frösche entnommen hatte, keine Theilungen gefunden. Bringt man aber frisch eingefangene Winterfrösche in das gseheizte Zimmer, wie Zeller dies gethan, oder füttert sie gar, so beginnt alsbald die Theilung, die nun bis zu den kleinen en- cystirungsfäbigen Theilstücken mit je vier oder mehr Kernen vor- schreitet. Von anderer Seite!) ist darauf hingewiesen worden, dass die Theilung der Opalinen als ein Vorgang sui generis zu betrachten sei, als eine Zerklüftung, bei der die einzelnen Theile, wie Köl- liker hervorhebt, nicht wieder zur Grösse des Mutterthieres heran- wachsen. Ich glaube, dass diese Unterscheidung nicht zutreffe. Bei der Theilung der Opalinen handelt es sich um dieselben Vor- gänge wie bei jeder Zellentheilung: Der Theilung des Leibes geht immer indirecte Kerntheilung vorauf. Nur verschmilzt die Kern- substanz nicht zu einer einheitlichen Masse; auch ist die Intensi- tät der Theilung zu verschiedenen Jahreszeiten verschieden. Aus- schliesslich im Frühjahr werden die kleinsten Formen erzielt, die, nach einem kurzen Ruhestadium in den Cysten, wieder zu wachsen beginnen. Die Spermatogenese zeigt ähnliches Verhalten, indem auch hier aus den Geschlechtszellen zuvörderst Spermatogonien entstehen und aus diesen erst durch immer fortschreitende Thei- lung die einzelnen Samenzellen. Die Tochterzelle wächst nicht 1) A. Gruber, Biolog. Centralblatt, IV. Bd., p. 721, Anmerkung. — A. Kölliker, Zeitschr. f. wissensch. Zoologie, XL. Bd., p. 23. Ueber die Theilbarkeit der lebendigen Materie. 491 immer nach der Theilung zur Grösse der Mutterzelle heran; das Ei zerfällt durch die Furchung in stets kleinere Zellen, von denen späterhin nur einige die Grösse der Eizelle wieder er- langen. Da die Angelegenheit nicht unwichtig zu sein scheint, so sei es erlaubt, den Theilungsvorgang bei Opalina ranarum eingehen- der zu beschreiben. Man beobachtet die Theilung am bequemsten während des Winters. Ein dem Freien entnommener Frosch wird gefüttert und bei Zimmertemperatur einen Tag lang gehalten. Am folgenden Tage schon, sicher am zweiten nach der Fütterung, ist die Thei- lung der im Mastdarm befindlichen Opalinen bis zur eneystirungs- fähigen und encystirten Form vorgeschritten. Man findet alle Stadien nebeneinander und kann durch Erhärtung der in einem Frosch vorkommenden Opalinen den ganzen Vorgang, soweit er die Kerne und die aus der Theilung hervorgehenden Formen betrifft, bequem studiren. Zeller hat eine genäue Succession der Theilungsebenen an- gegeben. Schon dieses würde sehr für die Zusammengehörigkeit des Vorganges mit der Zelltheilung sprechen, die nicht gestört wird, wenn ich hinzufüge, dass nach meinen Beobachtungen die Theilstücke nicht immer gleich sind, und dass hin und wieder auch eine Dreitheilung erfolgt. Die Vorrichtung für die Untersuchung ist einfach die, dass einige Opalinen ohne anhaftenden Schmutz in einen Tropfen Hu- mor aqueus ihres einstigen Wirthes gebracht und dann luftdicht verschlossen werden. Man wird alsdann die Theilung unter dem Mikroskop ver- folgen können. Was man am lebenden Thier beobachten kann, ist, soweit meine Erfahrungen reichen, Folgendes. Die Opalinen fälteln ihren Leib und machen den Eindruck eines weichen zusammengedrückten Filzlappens. Alsbald erscheint an zwei Seiten, bei den keilförmigen aber meist nur an der Basis eine Furche, die immer weiter einschneidet, oft auch von dem schon durchtrennten Leib wieder überbrückt wird, bis schliesslich nur noch ein dünner Faden die Theile zusammenhält. Die Wim- perung hatte fortbestanden, das Thier jedoch meist unbeweglich an derselben Stelle verharrt. Nunmehr erfolgt eine Drehung des 492 Moritz Nussbaum: einen Theilstückes im Sinne der Wimperrichtung um das andere Theilstück, bis der verbindende Faden wie abgeschmolzen sich trennt, und die beiden Thiere mit dem fadenförmigen Anhang nach entgegengesetzten Richtungen auseinanderschwimmen. ° Bei Zimmertemperatur dauerte die Theilung 40—45 Minuten. Eine Wanderung von Kernen hatte während der Theilung nicht statt- sefunden, und wie die Untersuchung gehärteter und gefärbter Präparate lehrt, während des Theilungsactes selbst auch keine Theilung der Kerne. Dagegen finden sich mitotische Kernthei- lungen in allen Opalinen von der verschiedensten Grösse, sobald sie nieht in Theilung begriffen sind. Die Richtung der Spindeln ist jedoch so verschieden, dass man aus ihnen nicht die Thei- lungsebene des Leibes wie bei anderen Zellen vorausbestimmen kann. Es geht somit auch bei Opalina der Theilung der Zell- substanz die Theilung der Kerne vorauf. Der wichtige Unter- schied zwischen dieser Theilung und der gewöhnlichen Zellthei- iung ist die isolirte T'heilung der einzelnen Kerne auf dem Wege der Mitose. Während bei anderen Zellen die Kernsubstanz ver- einigt ist und demgemäss einen einheitlichen Entwieklungsprocess durehmacht, der zur Theilung führt, ist bei Opalina die Kernsub- stanz auf viele discrete Centren vertheilt, die sich nicht gleichzeitig in demselben Zustande befinden. Wenn sich die Angaben Zeller’s über die Succession der Thei- lungsebenen bestätigen, ist trotz des eigenartigen Verhaltens der Kerne die Theilung der Opalina eine so gesetzmässige, dass von einem Zerfall, wie Gruber meint, wohl nicht geredet werden darf. Auch bei der gewöhnlichen Zelltheilung kommen ungleich grosse Theilstücke und Dreitheilungen vor. Doch ist die vor Schluss der Theilung auf- tretende Drehbewegung eines der Theilstücke von Opalina eine Er- scheinung, die sonst bei der Zelltheilung nicht auftritt und wohl als eine Willensäusserung des Thieres gedeutet werden muss. Interes- sant ist es zu sehen, wie analog dem Verbindungsstrang zweier aus einer Theilung hervorgehenden Opalinen auch ein feiner Faden die .beiden Kernhältten am Ende einer Theilung noch zusammenhält. Dieser Faden geht schliesslich ein, und die Kernstücke sind dann völlig voneinander getrennt. Meine Untersuchungen über den Eneystirungsprocess -habe ich noch nicht zum Abschluss bringen können, da ich den mit Opalineneysten durchsetzten Froschkoth nicht lange genug vor der Ueber die Theilbarkeit der lebendigen Materie. 493 Verfütterung im Wasser hatte liegen lassen. In Uebereinstimmung mit Zeller’s Angaben!) krochen in den gefütterten Quappen der Rana fusca vielkernige Opalinen aus, neben einkernigen. Da auf diese Weise eine sichere Entscheidung, auf welche Weise die viel- kernigen jungen Opalinen in die einkernigen übergehen, unmög- lich ist, so muss ich einer erneuten Untersuchung die definitive Lösung überlassen. Immerhin erlaube ich mir, die Ansicht auszusprechen, dass die Verringerung der Kerne in den Cysten nicht, wie Zeller meint, auf einem Verschwinden der vier bis fünfzehn Kerne und einer darauffolgenden Neubildung eines solitären Kernes beruhe, sondern dass eine Kernverschmelzung vorliege. Mit Bestimmtheit kann ich aus meinen Beobachtungen mit- theilen, dass die Kernvermehrung in den jungen Opalinen der Kaulquappen eine Mitose ist. Nach Zeller finden sich schon im August und September Theilungsstadien der grossen Opalinen. Im Frühjahr gehen nicht alle Thiere durch fortgesetzte Theilung in den encystirungsfähigen Zustand über: Beobachtungen, die ich durchweg bestätigen kann. Versuche über künstliche Theilbarkeit. Bei einer so enormen Theilungsfähigkeit, die unter geeigneten Bedingungen in ganz kurzer Zeit zu einer zahlreichen Vermehrung l) Zeller gibt an, dass die Opalinen nur im Mastdarm der Larven auskriechen. Das ist nicht richtig. Füttert man selbstgezogene, opalinen- freie Quappen mit Opalinenceysten durchsetztem Kloakeninhalt von Rana fusca, so findet man nach zwei Stunden freie Opalinen und Cysten im Dünndarm, nach drei Stunden im Rectum; nach vierundzwanzig Stunden ist der Dünn- darm von Cysten und Opalinen frei. Im Rectum, kann man bei Ausschluss jeden weiteren als eine Stunde lang dauernden Imports noch nach sieben Tagen unaufgesprengte mehrkernige Cysten auffinden. Die ausgeschlüpften ÖOpalinen siedeln sich im Rectum an. Im Allgemeinen können also die Opa- linen ihre Cysten nur im Darm der Quappen sprengen. Im Wasser thun sie es gewiss nicht, wie schon Engelmann nachgewiesen hatte. In Humor aqueus des Frosches dagegen habe ich öfters direct unter dem Mikroskop die Sprengung der Cyste unter beständigen Rotationen des lebhaft wimpern- den Inhalts verfolgen können. Die Cyste platzt an einer Seite; das Thier stülpt sich vor und schleppt eine Zeit lang die Cyste am hinteren schrauben- förmig gedrehten Leibesende mit sich fort, um sie schliesslich abzustreifen, Ay4 Moritz Nussbaum: führt, hätte man auf einen günstigen Erfolg bei künstlicher Thei- lung wohl reehnen dürfen. Allein die Erfahrung entsprach der Hoffnung nicht. Wie Engelmann schon gefunden hatte, kann man die Opa- lina nur schwer ausserhalb ihres Wirthes am Leben erhalten. Wenn es mir auch gelang in Humor aqueus des Frosches die Opalinen vor Verdunstung geschützt zwei Tage fortleben zu sehen, so gehen bei künstlicher Theilung die einzelnen Stücke selbst im Humor aqueus nach zwei Stunden zu Grunde. Die Versuche sind gemacht worden, als die natürliche Thei- lung im Gange war. Es gelang aber nicht die Bedingungen auf- zufinden, unter denen die operirten Thiere hätten am Leben er- halten werden können. II. Gastrostyla vorax. Beschreibung der Form und Lebenserscheinungen. Zur Zeit der Niederschrift meines Vortrages in der Nieder- rheinischen Gesellschaft über diesen Gegenstand hatte ich nach den mir zugänglichen grösseren Werken über Infusionsthiere die vorliegende Species noch nicht genau bestimmen können und muss mich auch jetzt noch entschliessen, ihr einen besonderen Namen zu geben, wenn ich inzwischen auch erkannt habe, dass sie zu dem von Engelmann!) zuerst entdeckten und beschriebenen Genus Gastrostyla gehöre. Der früher von mir der Kürze halber gebrauchte Namen Oxytriche sollte: nur bezeichnen, dass das be- nutzte Infusorium eine Oxytrichine sei. Die von mir beobachtete Oxytrichine könnte wohl mit der von Engelmann im sogen. Diebesgraben in Leipzig entdeckten und in der Zeitschr. f. wissenschaftl. Zool. Bd. XI, pag. 383; Taf. 31, Fig. 8 beschriebenen und abgebildeten Gastrostyla Steinii identisch sein. Da ich jedoch einen Vergleich nur an Abbildungen anstellen konnte, so ziehe ich wegen der immerhin erheblichen Abweichun- gen es vor, einen neuen Speciesnamen einzuführen, auf die Gefahr hin, die jedenfalls überhäufte Zahl von Synonymen noch zu ver- 1) Zeitschrift für wissensch. Zoologie Bd. 11. Ueber die Theilbarkeit der lebendigen Materie. 495 mehren, sobald die angekündigte Beschreibung Sterki’s dreier Arten von Gastrostyla erschienen sein wird. Nennen wir deshalb die neue Species Gastrostyla vorax. Das Infusorium habe ich ganz zufällig gefunden. In der Absicht an Paramaecien Theilungsversuche anzustellen und die Vorgänge bei der Conjugation zu studiren, infundirte ich verschiedene Heu- sorten und fand in einer muffig riechenden Portion die Cysten der vorliegenden Oxytrichine und nach einer mehr oder weniger langen Zeit der Infundirung das ausgebildete Thier. Das zur Infusion verwandte Heu stammt von einer neu an- gelegten Rasenfläche vor dem anatomischen Institut. Der Platz war, nachdem der Grassamen eben ausgesäet, mit einer dünnen Erdschicht bedeckt worden, die einem alten durch Bauabfall seit 15 Jahren verschütteten Teiche in der Nähe des Instituts ent- stammte. Da es mir nun nur in dem Heu aus dem ersten Jahre gelang die Cysten aufzufinden, so ist es nicht unwahrscheinlich, dass zur Zeit der in jenem ersten Jahre durch anhaltende Regen- güsse in die Länge gezogenen Heubereitung aus dem aufge- streuten alten Teichschlamm die Gastrostylen und die mit ihnen gesellig lebenden Vorticellen sich zeitweilig aus ihren Cysten befreiten, und als das gemähte Gras zu trocknen begann, sich wieder encystirten. Nach der ersten Heuernte wurde von Neuem eine Schicht Ackererde über die Grasfläche gedeckt; auch ist der alte Teich ganz entleert worden, so dass meine Bemühungen, von der betreffenden Erde zu erhalten, vergeblich waren. Es ist hinlänglich bekannt, wie leicht die Infusionsthiere durch Vermittlung des Windes verbreitet werden. Hier glaube ich aber an der oben ausgesprochenen Vermuthung festhalten zu sollen; da die eneystirten Infusorien recht langlebig sind 1). Es fehlen freilich Beobachtungen, wie lange sich Infusorieneysten im Erd- boden lebensfähig erhalten können; ich habe diesbezügliche Ver- suche begonnen. Da die Gastrostylen nur an der Stelle und in dem Jahre erschienen, wo der alte Teichschlamm aufgeschüttet wor- den war; im folgenden Jahre aber, als dieser alte Schlamm bedeckt war, nicht wieder erschienen; da sie in dem ersten Jahre auf 1) Seit zwei Jahren bewahre ich eingetrocknete Infusorieneysten auf, die von ihrer Lebensfähigkeit noch nichts eingebüsst haben. 496 Moritz Nussbaum: anderen dieht benachbarten Grasflächen nicht gefunden wurden: so wird der Wind sie höchst wahrscheinlich nicht an meine Fund- stelle geführt haben. Für die Beschreibung dürfte es sich empfehlen, von der Cyste an zu beginnen und der Entwickelung bis zur wiedereintretenden Eneystirung des Thieres zu foigen. Die Cysten haben verschiedene Grösse je nach dem Grade der Austrocknung. Wenn das Heu, an dem sie kleben, einmal lufttrocken geworden ist, so widerstehen sie der grössten Sommerhitze. Eine Infusion vom 29. Februar 1884 war trocken dem directen Sonnenlicht bis zum 20. October desselben Jahres ausgesetzt worden. Von Neuem infundirt, trocknete sie nach Verlauf eines Monats wieder vollständig aus. Dieselbe Infusion wurde bis zum Mai 1885 noch öfter wieder aufgeweicht und dann während der Sommermonate dieses Jahres wiederum trocken dem directen Sonnenlicht ausgesetzt. Die Lebensfähigkeit der encystirten Thiere ist unverändert dieselbe geblieben; nur bedurften sie nach der jedesmaligen, langen sommerlichen Pause drei Tage, um durch Wasser aus den Cysten befreit zu werden. Sind die Cysten noch nicht lange getrocknet, so kann man schon nach vier Stunden durch Wasserzusatz die Thiere zum Auskriechen bringen. Ganz trockene Cysten messen 0,04 mm. Die Hülle ist stark gefältelt; der Inhalt körnig. Nucleus und Nucleolus erkennt man an gefärbten Präparaten. Wasserzusatz macht die Cysten schwellen. Nucleus und Nucleolus theilen sich; auf der Oberfläche des Leibes entstehen Cilien noch in der Cyste, die dann durchbrochen und als leere Hülle abgestreift wird. Das freilebende 'I'hier erreicht eine ansehnliche Grösse, in- dem es bis zu 0,3 mm Länge und 0,13 mm Breite heranwachsen kann. Die Gefrässigkeit der Gastrostyla ist enorm. Diatomeen, Vorticellen und auch die Cysten der eigenen Art dienen als Nah- rung. Auch während der Theilung ist der Leib selten frei von verschlungener Beute. Gelegentlich der zahlreich angestellten Versuche, in Aufgüssen Infusorien zu züchten, machte ich die Beobachtung, dass manche Arten allmählich aus der Infusion durch andere verdrängt wurden. Sehr häufig war das Auftreten von Paramaeeium und Colpoda, die sich aus den am Heu befindlichen Cysten entwickelten. Nach einiger Zeit verschwanden jedoch diese Arten und wurden durch das im Ueber die Theilbarkeit der lebendigen Materie. 497 anatomischen Institut zu Bonn in allen faulenden Infusionen vor- handene Glaucoma seintillans ersetzt. Glaucoma seintillans muss also in einer Dauerform in der Luft sehr weit verbreitet sein und erst dann die Bedingungen zu seiner Entwickelung finden, wenn die Infusion anfängt faulig zu werden. Die Infusion, welche mir die Gastrostyla geliefert hat, ist nun niemals von Glaucoma seintillans bevölkert worden. Das Wasser der Gastrostyleninfusion bleibt beständig klar und geruchlos. Die mit der Gastrostyla zusammenlebenden Vorticellen fressen wie viele andere Infusorien Bacterien. Die Vorticellen werden aber im freien und encystirten Zustande von den Gastrostylen verzehrt. Dass diese Erscheinung in dem grossen Kreislauf des Stoff- wechsels der Natur von einschneidender Bedeutung sein muss, liegt bei der zahllosen Menge von Infusorien auf der Hand. Grade aber diejenigen, wie Paramaecium und Colpoda, welche in später faulenden Infusionen lebeu, nehmen Bacterien als Nahrung auf und es ist nicht unwahrscheinlich, dass auf diese Weise die grossen Abfälle des Pflanzenreichs, deren Cellulose wie bekannt durch Baec- terien verdaut werden kann, den Infusorien zu Gute kommen. Es ist also wie bei den grösseren Thieren auch bei den Infusorien eine Gruppe zur Aufnahme und Verarbeitung von Pflanzennahrung bestimmt, hier freilich durch Dazwischenkunft von Pilzen, um dann wieder der zweiten grossen Gruppe als Futter zu dienen. Die Nahrungsaufnahme habe ich bei Gastrostyla nieht beob- achtet, da das Thier geschickt und schnell schwimmt und ebenso an den Heuhalmen einer Infusion heruinkletternd sich sehr bald der Beobachtung entzieht. Die Leibesgestalt der Gastrostyla ist länglich, einem Hut mit breiter Krämpe vergleichbar. Die grösste Breite liegt in der Mitte. Das vordere Ende ist schmäler als das hintere. Der Rücken ist hoch gewölbt, die Bauchseite in der Mitte etwas vorgetrieben und nach vorn und hinten abschüssig. Die beiden Längsseiten verhalten sich an der Bauchfläche ebenfalls verschieden, indem die linke Seite gegen die rechte bedeutend zurücktritt, eingezogen erscheint. Beim ausgebildeten Thier, wenn es sich nicht in Theilung befindet, sind vier bis sechs Kerne vorhanden und ebensoviele oder mehr kleine glänzende Nucleoli. Vom Rücken aus werden sie am Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 26 323 498 Moritz Nussbaum: besten gesehen. Der Bau der Kerne ist zu verschiedenen Zeiten ver- schieden, wovon unten gelegentlich der Beschreibung der Thei- lungsvorgänge im Zusammenhang gehandelt werden soll. Die Leibesgestalt ist wenig veränderlich, wenn das Thier auch selbst recht biegsam ist. Manche Thiere sind durch die aufgenommene Nahrung ganz unförmlich aufgetrieben. Von einer Pauzerung des Körpers kann nicht geredet werden, da das Thier sehr zerfliesslich ist und keine die Form begrenzende Cuticula wie bei den Vorticellen zurückbleibt. Muskelstreifen oder Wimper- zeilen sind nicht vorhanden. Die Bewimperung ist der den Oxytrichinen im Allgemeinen zukommenden conform. Man kann nach Stein Randwimpern, Stirn-, Bauch-, After- und Schwanzwimpern unterscheiden; dazu kommt die Bewimperung des Mundes und Schlundes. Dorsale Wimpern, wie sie Lieberkühn!) bei anderen Infusorien zuerst nachgewiesen hat, sind hier nicht vorhanden. Von den Wimpern im Allgemeinen ist zu sagen, dass sie über die äussere Begrenzung nicht in die Leibesmasse hinein zu ver- folgen sind, wie es sich wohl anderwärts findet, und wie ich dies zuerst in überzeugender Weise für die en von Anodonta dargethan habe ?). Die äussere Form der wimpernden Anhänge ist bei Gastro- styla wie bei den anderen Repräsentanten der Gruppe recht ver- schieden; aber allen gemeinsam ist der Aufbau aus einer grösseren Zahl feiner: biegsamer Fäden, die mit einer durchsichtigen Proto- plasmamasse verkittet sind und durch diese gleichzeitig in Be- wegung versetzt werden. Clapar&de, Lachmann und Lieberkühn kennen die fibrilläre Structur (structure fibreuse) der Cirrhen in der Familie der Oxytrichinen; auch Maupas beschreibt sie. Mit homogener 1) Vergleiche Claparede et Lachmann, Etudes sur les Infusoires p- 20. 2) Archiv f. mikrosk. Anatomie Bd. XIV. An dieser Stelle habe ich zuerst für alle Wimpern auch den Satz ausgesprochen, dass sie durch das zugehörige Protoplasma bewegt werden und wie eine Notiz bei Gaule im Archiv für Anatomie und Physiologie 1881, Physiol. Abth. p- 158 zeigt, auch | für Andere verständlich die Zusammensetzung aus zwei verschieden licht- brechenden Hälften nachgewiesen, von denen ich die eine für protoplasmatisch, also activ bewegend, die andere als elastisch, also passiv bewegt, erklärte. Ueber die Theilbarkeit der lebendigen Materie. 499 Immersion kann man stets die einzeinen Fäden in den sonst homogen erscheinenden diekeren wimpernden Anhängen erkennen. Für schwächere Vergrösserungen bringt man die Fäden am leich- testen zur Ansicht, wenn man ein Infusor mit 1%, Ueberosmium- säure schnell abtödtet‘ und den Tropfen des Reagens sofort durch Wasser ersetzt. Dann fahren die einzelnen Fäden der Cirrhen, Randwimpern, und wie sie sonst genannt werden, an der Spitze pinselartig auseinander, und sind nur noch an der Basis, der In- sertionstelle, zusammengehalten. Zuweilen sieht die Bauchfläche dadurch wie mit Pelz besetzt aus und von der früheren regel- mässigen Anordnung ist Nichts mehr zu erkennen. Die Erschei- nung ist also dieselbe wie bei der Isolation der beiden Schwanz- fäden der Krötenspermatosomen (Bufo einereus), deren verbindende und die Bewegung vermittelnde protoplasmatische Platte ebenfalls durch geeignete Reagentien gesprengt werden kann. (Vergl. von la Valette St. George d. Arch. Bd. XII, Tafel 35, Figg. 62—66.) Die gröbere Anordnung der Cilien anlangend, klagen alle Autoren mehr oder weniger über dje Schwierigkeiten, die Zahl und Lage der wimpernden Anhänge namentlich auf der Bauch- fläche zu bestimmen. Ich selbst habe ebenfalls recht viele Zeit auf diesen Punkt verwenden müssen. Am lebenden Thier ist so gut wie Nichts zu sehen. Comprimirt man stark, indem man den Tropfen sehr klein macht und dann zudeckt, so kann man Schlund- und Peristomwimpern gut erkennen und studiren. Die übrigen Wimpern der Bauchfläche brachte ich am besten zur Anschauung, indem ich die Thiere in 1°/, Osmiumsäure abtödtete und einen Tropfen Pierocarminlösung zusetzte.e Die Osmiumsäure muss stark sein, weil sonst die Fäden in den Cirrhen auseinander- fahren. Bei Gastrostyla ist die Vertheilung der Wimpern nun eine solche, dass vom linken Seitenrande, wo die Cilien des Peristom denselben erreichen, eine Reihe von Randwimpern ausgeht, die rechts um die halbe Länge des Peristom weiter nach vorn ragen, nachdem sie in regelmässigen Abständen, ohne Unterbrechung, von links über das’ hintere Leibesende hinweg nach rechts überge- treten waren. Diese Wimpern schlagen bald nach vorn, bald nach hinten. Die Bewimperung des vorderen Körperendes ist kräftiger als die an den Seiten und am hinteren Leibesrande. Sie ist von 500 Moritz Nussbaum: rechts beginnend durch eine kleine Bucht gegen die Randwimpern abgesetzt und zieht über die hintere Fläche der Oberlippe einzeilig bis zum linken Rande der Mundöffnung, dem Peristom hin, in dessen Wimpern sie übergeht. Die Randwimpern bestehen somit bei Gastrostyla aus zwei getrennten Systemen, das eine vorn gelegen und bis in das Peri- stom zu verfolgen; das andere die Seiten und das hintere Ende besetzend und sowohl rechts als links vorn ohne Continuität mit den vorderen Randwimpern. Wenn wir der von Stein eingeführten Bezeichnung folgen, sind ausser diesen Wimpern auf der rechten Bauchfläche noch 10 Stirnwimpern zu unterscheiden, von denen drei grosse, mächtige an dem vorderen Rand, eine starke nahe dem reehten Peristom- ausschnitt sich finden, und die übrigen kleineren in einem Bogen auf die ersten drei zurückführen !). Dann folgen je fünf in drei Gruppen gestellte Bauchwimpern, von denen eine vorn dicht unter dem linken Peristomrande in der linken Körperhälfte inserirt ist. Den binteren Leibesrand überragen fünf Afterwimpern; ganz rechts stehen zwei dicht beisammen, in der Körpermitte und etwas nach links übergreifend die drei anderen. Die Insertionspunkte liegen in einer von rechts nach links aufsteigenden Bogenlinie. Auf der Rückenfläche des hinteren Leibesendes sind drei Schwanzwimpern eingelenkt. ; Wie schon oben hervorgehoben, habe ich mich vergeblich bemüht, andere dorsale Wimpern aufzufinden, was bei Stylonychia ?) unschwer gelingt. Ä Die contractile Blase liegt, wie Stein dies für alle Oxytri- chinen festgestellt hat, links nicht weit unterhalb des Peristom- randes; sie ist nur während des Lebens sichtbar und verschwindet 1) Die Stirnwimpern sind somit wie bei Stylonychia im Kreise ge- stellt; die Kreislinie ist jedoch nicht immer correet und wird namentlich oft von vorn nach hinten zu gestreckt. Man wird deshalb stets Abweichungen in der Curve, auf der die Stirnwimpern geordnet sind, auffinden. Die Ver- schiedenheiten sind durch die natürliche Verschiedenheit der Form der Thiere bedingt, aber auch durch den Grad des Druckes, den das Deckglas ausübt. 2) Bei Stylonychia histrio sind die dorsalen Wimpern in fünf bis sechs Curvenzügen, die nach dem Schwanzende convergiren, in regelmässigen kleinen Abständen angeordnet. Stylonychia histrio hat dagegen, wie Stein schon mit- heilt. keine Schwanzwimpern. Ueber die Theilbarkeit der lebendigen Materie. 501 am getödteten Thier. Das Peristom führt in den wimpernden Mund und von da in den nach rechts gelagerten Schlund. Das Stoma selbst ist wegen der vorn rechts stark ausgebil- deten Bewimperung nach links gedrängt und stellt eine mässige Spalte dar, deren rechter Rand vorn zwischen dritter und vierter !) Stirnwimper endet. Der linke Rand geht in die vorderen Rand- wimpern über. Während nun rechts die Spalte von längsgestellten wimper- besetzten Membranen begrenzt wird, ist das Peristom links aus einer Reihe parallel geordneter Kämme gebildet, die auf ihrer sanzen Breite mit Cilien bestanden sind und von der Fläche be- trachtet sich wie ein Haarbesen ausnehmen. Die Mundspalte ist somit ein vorn offener, nach hinten geschlossener Rahmen, dessen rechte Seite in Längslinien, dessen linke Seite in Querlinien ge- ordnete Wimpern trägt. Die äussere rechts gelegene wimpernde Membran umzieht mit einem sich allmählich verschmälernden Rande den unteren Winkel der Mundöffnung und zuweilen will es scheinen, als ob der letzte Zipfel dieses Randes links vorn an der Stelle aufhöre, wo das System der hinteren Randwimpern beginnt. Die innere Wimpermembran rechts ragt nicht so weit nach links und nicht nach vorn vor als die äussere; sie geht unter dem oben erwähnten Rande der äusseren Wimpermembran her und bildet die rechts im Schlunde gelegenen Wimpern. Ebenso gehen die auf Querleisten links an der Mundöffnung befindlichen Wimpern unter dem Rande der rechten äusseren Wimpermembran in die linken Schlundwimpern über. Auf dem Boden der Mundöffnung finden sich ebenfalls Wimpern, die bis in den Schlund zu verfolgen sind ?). Den Zwischenraum zwischen innerer und äusserer rechten Wimpermembran möchte ich der Peristomrinne ?) mancher Infusorien vergleichen. Das vordere Körperende der Gastrostyla und der Oxytrichinen überhaupt ist somit in eigenartiger Weise gebaut; es erscheint in 1) Hierbei sind die Stirnwimpern so gezählt, dass mit der grossen vor- deren rechts begonnen und dann der Kreislinie nach links zu gefolgt ist. 2) Man möge über diesen Punkt Sterki’s Aufsatz in Zeitschr. f. wissensch. Zoologie Bd. 31, p. 37 vergleichen. 3) z. B. Bursaria truncatella bei Stein: Imfusorien Bd. II, Taf. 13, Fig. 1 und 2. 502 Moritz Nussbaum: einer Form, als wenn das linke vordere Ende in einen Schlitz hineingesteckt, oder als wenn die bei den Vorticellen end- ständige Mundöffnung so gedreht wäre, dass sie zum guten Theil noch auf die Bauchfläche fiele.e. Man würde, um diesen letzteren Vergleich durchzuführen, genau auf die eigenartige Absetzung der Randwimpern rechts und links vorn achten müssen und durch Drehung zuerst die vorderen Enden dieser Randwimpern in gleiche Höhe bringen, dann das Peristom ein wenig nach hinten umklappen. Von der Leibessubstanz der Gastrostyla kann ich nur her- vorheben, was schon Kölliker !) vor Jahren behauptete, sie zeige ein balkenartiges Gefüge. Ausser den Nahrungsballen sind glän- zende Kugeln von verschiedener Grösse eingelagert, die bei auf- fallendem Lieht das Thier silberweiss erscheinen lassen. Vorn an der Mundöffnung ist die glänzende Substanz seltener und hier ist der Leib denn auch ganz durchsichtig. Die chemische Natur der glänzenden Körper habe ich noch nicht festgestellt, sie lösen sich nieht in Säuren und bräunen sich nicht in Ueberosmiumsäure. Die Kernsubstanz des Thieres ist in vier Kernen und gewöhnlich ebensovielen Nucleolen angeordnet. Doch scheint mir das, was man bis jetzt mit Nucleolus bezeichnet hat, eher den Namen des Kernes zu verdienen als der sogenannte Kern. Bei der Theilung nämlich verhält sich nur der Nucleolus wie ein ächter Kern; das von den Autoren Kern benannte Gebilde theilt sich nicht auf dem Wege der Mitose ?). Sobald Gastrostyla die Cyste verlassen hat, sind die vier Kerne und Nebenkerne von einander gesondert und hängen auch nicht, wie dies von anderen Infusorien beobachtet wurde, durch schmale Brücken zusammen. Da man die Kerne beim Zerfliessen des Thieres bequem isoliren, sie auch mit der Nadel herauspräpariren kann, so ist es nicht schwer, sich von diesem Verhalten zu über- zeugen. Die Kerne sind meist fein granulirt, zuweilen mit der bald in der Mitte, bald mehr peripher gelegenen homogenen Zone durchsetzt. Oft aber färben sich auch gröbere Granula oder gar dicke Stäbe im Kerne, wie ich dies meist ein bis zwei Tage nach dem Auskriechen der Infusorien aus den Cysten beobachtet habe. 1) Kölliker, Icones histiologicae p. 13. 2) Hierauf hat schon Fol aufmerksam gemacht, wie ich nachträglich aus Strasburger, Zellbildung und Zelltheilung, III. Aufl. p. 308 ersehe. Den Nebenkern oder Nucleolus hat Siebold an Paramaecium bursaria entdeckt. Ueber die Theilbarkeit der lebendigen Materie. 505 Die Vermehrung geschieht durch Theilung. Conjugation habe ich in der untersuchten Colonie bis jetzt noch nicht aufgefunden. Zwischendurch eneystiren sich die Thiere aber auch wieder, so dass der Dauerzustand nicht ausschliesslich beim Eintrocknen an- genommen wird. Man findet Cysten, wenn das Heu noch hoch mit Wasser bedeckt ist und Theilungen, wenn nur noch eine Spur von Feuchtigkeit den Halmen anhaftet. Vor der Eneystirung rollen sich die Thiere ein und die Kerne wie die Nucleoli verschmelzen mit einander und werden um so com- pacter, je weiter die Ausbildung der Cyste fortschreitet. Man kann das Verschmelzen der Kerne und Nucleolen Schritt für Schritt verfol- gen. In der Cyste gehen nach und nach auch die Cilien verloren. Die Theilung der Infusorien ist oft genug beobachtet und be- schrieben worden. Nach Ehrenberg’s Angaben beobachtete Köhler in Dresden 1781 suerst. die Quertheilung einer Stylonychia. Die Dauer der Theilung bis zum völligen Auswachsen der Theile wird auf ?/, Stunden angegeben. Stein schildert auf Seite 151 bis 154 des I. Bandes seines grossen Infusorienwerkes die Vorgänge während der Theilung an Stylonychia mytilus. Die Form der Darstellung ist eine meister- hafte und zeugt von einer Vertiefung in den Gegenstand und einer Hingebung an denselben, wie Beides wohl selten gefunden werden mag. Die Veränderungen der Kerne und der Nucleoli sind jedoch nicht, so scheint es, continuirlich verfolgt. Dies wird nicht Wunder nehmen, weil man zur Zeit der von Stein angestellten Unter- suchungen auf die Theilungsvorgänge am. Kern noch nicht die Auf- merksamkeit in der Weise richtete, wie heutzutage. Auch datiren ja die feineren Untersuchungsmethoden aus einer neueren Zeit. Es kann aber nicht genug hervorgehoben werden, wie viel Beobachtungsmaterial in diesem Werke niedergelegt ist. Es fällt nicht schwer bei einem aufmerksamen Studium des Textes und der Tafeln sich eine Reihenfolge der Erscheinungen zu construiren, wie sie die directe continuirliche Beobachtung bestätigt. In Stein’s Tafeln ist weit mehr enthalten, als man zu Stein’s Zeiten daraus zu lesen im Stande war. Und das ist allein möglich bei einer so grossen Kunst der Beobachtung und einem so grossen Vertrauen auf die Gesetzmässigkeit in der Natur, dass die rückhaltlose 504 Moritz Nussbaum: Wiedergabe des sorgfältig Beobachteten jeder Speculation vorge- zogen wird. Wären Stein’s Tafeln nieht so haturgetreue Bilder des Gesehenen, man würde nur das darin wiederfinden können, was dem damaligen Beobachter zur Construction seiner Theorie aus der Fülle der Erscheinungen am meisten betont zu werden verdiente. Wie das Werk uns heute vorliegt, kann es wiederum zur Fundgrube neuer Entdeckungen werden; wenn wir uns auch der Theorie Stein’s nicht anschliessen wollen. Zu meinem grössten Leidwesen habe ich mir bis jetzt über die Frage keinen endgültigen Aufschluss verschaffen können, ob die ersten Veränderungen an den Kernen oder an der Leibessub- stanz zu Beginn der Theilung vor sich gehen. Dagegen hat Everts schon im Jahre 1873 an Vorticella ne- bulifera mit voller Gewissheit behauptet, dass die Veränderungen an der Leibessubstanz jeder sichtbaren Veränderung des Kernes voraufgehen. „Wimperscheibe, Wimperorgan und Peristom sind“ — vor der Theilung — „total verschwunden und scheinen mit dem Plasma verschmolzen zu sein, ebenso konnte ich von dem Nah- rungsschlauch niehts mehr bemerken. — Der Nucleus hat keine Veränderung erlitten.“ (Zeitschr. f. wissensch. Zool. 23. Bd., p. 601.) Ebenso sprieht sich Jiekeli (Zool. Anz. 1884 p. 491) dahin aus, dass bei der Theilung und Sprossung der Infusorien die ersten Veränderungen an der Leibessubstanz vor sich gehen, und dann der Reihe nach die Metamorphosen an Nucleolus und Nucleus auftreten. Bei dem heftigen Aufeinanderprallen der Meinungen über das active Element bei der Zelltheiluug, ob Kern oder Protoplasma, halte ich es nicht für unwiehtig, auf diese Verhältnisse bei Infuso- rien die Aufmerksamkeit zu lenken und mich mit Entschiedenheit auf die Seite Strasburger's zu stellen, der dem Zellplasma die active Rolle bei der Zelltheilung zuspricht. Ich kann hierfür sogar einen positiven Beweis erbringen. Es ist bekannt, dass die soge- nannte Sonnenfigur und ihre Strahlen vor der Vereinigung von Ei und Spermakern auftreten; in Zellen, die sich theilen wollen, bevor noch die Kernmembran geschwunden ist. Bei Aulostomum gulo habe ich nun das spongiöse Protoplas- manetz des Eies, das ich früher auch bei Ascasis megalocephala beschrieben habe, in Verbindung mit den Strahlen der beiden polaren Sonnen der Richtungsspindel gesehen und die Fasern der Ueber die Theilbarkeit der lebendigen Materie. 505 Spindel in continuo in die Fasern der Sonnenfigur verfolgen können. Man wird sich demgemäss in weiterer Ausbildung der Auffassung Strasburger’s den Vorgang der indirecten Kerntheilung so vor- zustellen haben, dass dureh Ordnung und Verschmelzung des Pro- toplasmanetzwerkes an zwei Polen des Kernes die Sonnenstrahlen entstehen und dass diese entweder in primärer oder secundärer Verbindung mit den unfärbbaren Spindelfasern durch Zug und Gegenzug sowohl die ganze Kerntheilungsfigur drehen und ver- lagern können, als auch schliesslich die färbbare Substanz in die beiden Tochterkerne dirigiren. Mit dieser Angabe über den Bau der Kernspindel und der Sonnenfiguren lassen sich zwar die früheren Angaben über diesen Gegenstand nicht in Uebereinstimmung bringen. Herr Dr. Platner hat jedoch meinen Fund bereits an anderen Objecten bestätigt und es ist nieht unwahrscheinlich, dass auch die früheren Beobach- tungen in ähnlicher Weise gedeutet werden können. Es kommt nämlich sehr genau auf die Lagerung des Objectes an, um den Zusammenhang der Fasern zu erkennen. Bei den meisten Ein- stellungen sieht man in der That einen hellen Hof an den Spindel- polen und von da aus erst die Sonnenstrahlen scheinbar ausgehen. Um zu den Theilungserscheinungen bei Gastrostyla und ver- wandten Infusorien zurückzukehren, so habe ich anzuführen, dass das früheste von mir gesehene Stadium nahezu mit dem von Stein auf Tafel VI, Fig. 3 des I. Bandes abgebildeten übereinstimmt. Der Schilderung sollen die Vorgänge bei Stylonychia histrio zu Grunde gelegt werden, die vor denen bei Gastrostyla das vor- aus haben, dass die Veränderungen der Nucleoli besser verfolgt werden können. Die beiden Kerne der Stylonychia histrio werden zu Beginn der Theilung offenbar amoeboid; sie gleichen dünnen Wolken mit unbestimmten Contouren und diekkörnigen Einlagerungen, die Farbstoff begierig aufnehmen. Es kommt alsbald zur Verschmelzung der vorhandenen Kerne und an der Anordnung der feinen färbbaren Stäbe in dem Verschmelzungsproduct der Kerne ist noch die statt- gehabte Vereinigung der einzelnen Stücke zu erkennen !). Darauf 1) Stein hält die Verschmelzung der Kerne nicht für gesetzmässig, Balbiani zeigte zuerst auf die Regelmässigkeit dieses Vorgangs bei der Thei- lung hin, 506 Moritz Nussbaum: streckt sich der Kern und theilt sich durch Einschnürung in der Mitte in zwei Stücke, wovon eines in den vorderen Theilspröss- ling, das andere in den hinteren Sprössling verlagert wird. Bevor die Leiber der neugebildeten Individuen sich trennen, ist wiederum jeder Kern mit fadenförmigem Inhalt in zwei Stücke zerfallen, so dass jedes neue Thier wie das alte zwei Kerne besitzt !). Vor den Kernen aber treten in den Nucleoli wichtige Ver- änderungen auf. Es ist sogar möglich, dass in ihnen die ersten sichtbaren Zeichen der beginnenden Theilung gefunden werden. Bevor nämlich noch die Kerne zusammenfliessen hat sich in dem vorderen Nucleolus eine Mitose ausgebildet und der zuerst glänzende, anscheinend homogene hintere Nucleolus zeigt färbbare Körnehen und Fäden in seinem Inneren. Nun theilt sich der vordere Nucleolus, zur Zeit, wenn die Kerne verschmolzen sind, in zwei Stücke, wie dies bei Stein auf Taf. VI, Fig. 9 naturgetreu dargestellt ist. Auffallend grosse Mitosen am Nueleolus hat schon vor vielen Jahren, als noch die Theorie der sexuellen Differenzirung von Nucleus und Nucleolus die Infusorienforscher gefangen hielt, Bal- biani?) von Amphileptus anas gezeichnet. Nach der Theilung des vorderen Nucleolus theilt sich auch der hintere Nucleolus. Jedes der aus der Thheilung hervorgehen- den Thiere erhält zwei. Eine Verlagerung scheint nicht vorzu- kommen; es hat vielmehr den Anschein, als wenn der vordere Nucleolus in zwei Theile getheilt in das vordere, und ebenso der hintere getheilte Nucleolus in das hintere neue Individuum über- ginge. Soviel ich aus eignen Beobachtungen und Vergleichen mit fremden Abbildungen weiss, liegen die Nucleoli stets orientirt, und bei den Oxytrichinen meist, wenn nieht immer links, von den Kernen. Ob vor der ersten Theilung der Nucleoli noch eine Ver- schmelzung derselben wie bei den Kernen voraufgehe, habe ich nicht feststellen können. 1) Der Verlauf der Theilung markirt sich an den Kernen der Gastro- styla in gleicher Weise. Die vier bis sechs Kerne verschmelzen und theilen sich dann durch Einschnürung so oft, dass jedes junge Thier vier oder sechs Kerne erhält. 2) Journal de la physiologie par Brown Sequard, 1861. Pl. IX, fig. 16. Ueber die Theilbarkeit der lebendigen Materie. 507 Fast sollte man dies vermuthen, da bei der Eneystirung ganz gewiss eine Verschmelzung auch der Nucleoli vorkommt. Die Verschmelzung vor der Theilung ist selbstverständlich nur schwer nachzuweisen, da sie recht früh auftreten muss und vielleicht von keinem anderen besser siehtbaren Phänomen in der Leibessub- stanz begleitet ist. Für die Wahrscheinlichkeit dieser Vermuthung selbst habe ich nur eine einzige Beobachtung als Stütze beizubringen. Lange Zeit hatte ich bei Gastrostyla in vielen Phasen der Theilung ver- geblich nach Nucleolen gesucht. Sie sind im unverletzten Thier nämlich nur dann durch Färbung sichtbar zu machen, wenn sie anscheinend solide starkglänzend oder von feinen Körnchen durch- setzt erscheinen. Wo man nach Analogie der Beobachtungen an Stylonyehia und anderen Infusorien mitotische Umgestaltung der Nucleolen erwarten sollte, vermisst man sie regelmässig bei Gastro- styla. Als ich nun gelegentlich an einem Theilungsstadium, in dem eben die beiden neuen Peristome angelegt und alle Kerne zu einem einzigen vereinigt waren, zum Zweck des Studiums des feineren Kernbaues durch Aufklopfen mit der Nadel auf das Deck- glas die Leibessubstanz vorsichtig zerdrückte, fand ich zwischen _ den Partikeln neben dem isolirten Kern zwei mitotisch veränderte Nuceleoli vor. Die Mitosen hatte ich in dem dieken Infusorienleib früher. immer übersehen. Da aber in diesem Präparat nur zwei Nucleolen vorkamen, so halte ich es für wahrscheinlich, dass auch vor der Theilung wie bei der Eneystirung die Nucleolen zusammen- fliessen und erst dann durch Mitose zerlegt werden. Der vordere Nucleolus gehört alsdann dem vorderen, der hintere Nucleolus dem hinteren Theilstück an, und in jedem dieser Theilstücke erfolgt dann wiederum mitotisch die der Species zukommende Zahl der Theilungen des Nucleolus. Bei Stylonychia würde sich demgemäss, wie beobachtet, noch je eine Theilung an die supponirte primäre anschliessen, bei Gastrostyla aber noch je eine secundäre und je eine tertiäre. Die aus der Theilung hervorgehenden beiden Infusorien sind nicht immer gleich gross; es kommt vor, dass der vordere oder auch der hintere Zwilling grösser als sein Gegenpart ist. Die Bewimperung wird bei der Theilung durchaus neu ge- bildet. Die alten Randwimpern werden gegen den Rücken zu, die alten Afterwimpern nach links zu verdrängt und gehen wie 508 Moritz Nussbaum: überhaupt jeder wimpernde Körperanhang des alten Thieres zu Grunde. Nachdem Stein zuerst ausführlicher von der Neubildung der Wimperorgane bei der Theilung von Infusorien gehandelt hatte, lieferte Sterki !) den Nachweis von dem völligen Untergang der alten Bewimperung und dem Ersatz in beiden Hälften durch Neu- bildungen. Sterki macht besonders darauf aufmerksam, dass der Vor- sang der Theilung bei den Ciliaten nieht identifieirt werden dürfe mit reiner Quertheilung bei Rhizopoden, da der vordere Theil, „freilich auch unter Eingehung gewisser Veränderungen‘ im wesent- lichen derselbe bleibe, während der hintere zum „Sprössling“ sich ausbilde und ablöse. Dieser letzteren Auffassung möchte ich jedoch nicht bei- pflichten, da ja beide Hälftes in identischer Weise das alte Wim- perkleid ablegen und durch ein neues ersetzen, und beide Theile gleich viel von Nucleus- und Nucleolussubstanz erhalten. Es ist vielmehr der Vorgang so zu deuten, dass der Ciliatenleib im Zu- stande der Vorbereitung zur Theilung insofern wieder auf den Cha- rakter einer indifferenten Zelle zurückgeht, dass bei der vollzogenen Theilung in keines der Stücke irgend ein dem Mutterthier zu seinen Verrichtungen eignes histologisches Element, wenn man die Wim- pern so nennen will, übergeht. Das Frappante bei der Theilung der Infusorien ist trotz des angedeuteten Zurückgehens auf das Stadium der indifferenten Zelle die stete Orientirung der Thei- lungsebenen, des Vorn und Hinten, und wegen der constanten Lagebeziehung von Nucleus und Nucleolus sogar des Rechts und Links. Die natürliche Theilung erfolgt in der Quere; vorn bleibt vorn und hinten hinten; oben und unten. rechts und links werden nie vertauscht. Bei der künstlichen Theilung kann man von einer beliebigen Körperstelle einen in gewissen Grenzen beliebig grossen Theil des Leibes mit zugehörigem Kernstück abspalten und troiz- dem entsteht ein neues Individuum derselben Art. Es muss somit bei der natürlichen Theilung das Individuum ein Multiplum, jeden- falls potentia von mehr als zwei Individuen darstellen. 1) V. Sterki, Beiträge zur Morphologie der Oxytrichinen. Zeitschr. f, wissensch. Zoologie, Bd. 31. p. 29 ff. Ueber die Theilbarkeit der lebendigen Materie. 509 Versuche über künstliche Theilbarkeit. Die künstliche Theilung nahm ich zuerst an isolirten grossen Exemplaren von Gastrostyla unter der Lupe mit einer feinen Lan- cette vor. Das ist aber gar nicht nöthig. Man braucht nur auf das Deckglas leicht aufzuklopfen und erhält dann Bruchstücke von verschiedener Grösse und Lebensfähigkeit, an denen man bequem Beobachtungen anstellen kann. Die Bewegungsfähiskeit von Infusorientrümmern war schon älteren Beobachtern bekannt. Ehrenberg theilt auf Seite 371 seines grossen Infusorienwerkes folgendes darüber mit: „Beim Zerfliessen bildeten sich die wunderlichsten munter fortlebenden Fragmente, welche ganz den Himantopoden Müller’s vergleich- bar waren. Ich habe diese Formveränderungen umständlicher bei Stylonychia pustulata abgebildet.“ Man findet diese Formen, die OÖ. F. Müller noch für besondere Species gehalten hatte, in Ehrenberg’s Infusorienatlas auf Tafel 42 in Fig. 3, 10, 12, 20—26. Auch Stein berichtet (Organismus der Infusionsthiere, I. Abth. p- 150): „Die Stylonychien können arg verstümmelt, zerrissen und zerstückelt werden; dennoch zerfliessen die Fragmente, wenn hinlänglich Wasser vorhanden ist, nicht, sondern sie bewegen sich dann noch lange Zeit mit den ihnen verbliebenen Wimpern wie selbstständige Thiere. Namentlich werden Fragmente, die den vorderen Theil des Peristoms behalten haben, mit ungemeiner Heftigkeit umhergeschleudert.“ Bei dem Durchlesen des Infusorienwerkes von Claparede und Lachmann habe ich die Notiz gefunden, dass auch Perty!) die Lebensfähigkeit von Fragmenten der Stylonychien und Oxytrichen behauptet hatte. Diese Thatsache ziehen jedoch Claparede und Lachmann in Zweifel, indem sie behaupten, niemals aus einem Bruchstück ein ganzes Thier reproducirt ge- sehen zu haben. Wohl bewegten sich Splitter von Stylonychia und Oxytricha noch lange Zeit wimpernd im Wasser; es sei 1) Perty, Zur Kenntniss der kleinsten Lebensformen. Bern 1852, p- 5l: „— von manchen Infusorien, wie von Kerona pustulata und Oxy- tricha pellionella können sogar einzelne Stücke fortleben.“ Genauere An- gaben finden sich nicht bei Perty. 510 Moritz Nussbaum: aber wahrscheinlich (il est probable), dass sie bald zu Grunde gingen. Auch an anderen Protozoen sind künstliche Theilungen vor- genommen worden. Wie Gruber im Biologischen Centralblatt IV. Bd., No. 23 mittheilt, hat schon Eichhorn im vorigen Jahrhundert das grosse Actinosphaerium Eichhornii künstlich getheilt. Die von Gruber weiter gegebenen Citate habe ich verglichen und kann bestätigen, dass Haeckel diese Versuche im Jahre 1862, Greeff 1867 an demselben Thiere mit Erfolg wiederholt haben. Ausserdem theilte Greeff!) einen nicht weiter benannten Rhizopoden und Häckel?) Protomyxa und Myxastrum. Alle diese Beobachtungen hat Gruber ?) von Neuem ange- stellt und dabei zum ersten Male die Frage berührt, welchen Ein- fluss das Vorhandensein eines Kernes in den Theilstücken auszu- üben im Stande sei. Er kam gelegentlich dieser Untersuchungen zu dem Resultat (Zeitschr. f. wissensch. Zoologie Bd. 38 vom Jahre 1883 p. 66): „Es folgt daraus also, dass der Kern keine Bedeutung für diejenigen Functionen des Zellenkörpers hat, welche nicht direet in Beziehung zur Fortpflan- zung stehen, also zur Bewegung (Pseudopodienbildung), zur Nahrungsaufnahme, Excretion (Pulsation der con- tractilen Vacuole) und zum Wachsthum; auch auf die äussere Gestalt kann er einflusslos sein.“ Von Seiten der Botaniker hatte sich Fr. Schmitz mit der künstlichen Theilbarkeit der Zellen beschäftigt und seine Beob- achtungen dahin resümirt, dass die Lebensfähigkeit eines aliquoten Theiles einer Zelle von dem Vorhandensein mindestens eines Kernes abhänge. Schmitz *) publieirte seine Untersuchungen im Jahre 1879. Mich selbst führte der Wunsch, experimentelle Beweise für meine Theorie der Vererbung zu liefern, daraufhin, Infusorien künstlich zu theilen. 1) R. Greeff, Arch. f. mikrosk. Anatomie. Bd. II, p. 396 ft. 2) E. Häckel, Jenaische Zeitschr. f. Medicin und Naturwissenschaft. IV. Bd. p. 9. 5) A. Gruber, Zeitschr. f. wissensch. Zool. Bd. 38, p. 62 ff. 4) Beobachtungen über die vielkernigen Zellen der Siphoniocladiaceen, Festschrift der naturforschenden Gesellschaft zu Halle 1879, Ueber die Theilbarkeit der lebendigen Materie. bat Bald nach meiner ersten Mittheilung!) über diesen Gegen- stand veröffentlichte Gruber die Resultate ähnlicher Untersuchun- gen. In seiner ersten ?) Publication war Gruber im Anschluss an seine früheren und oben eitirten Erfahrungen mit Bezug auf den Kern anderer Meinung als ich, bestätigte aber bald darauf die von mir zuerst ausgesprochene Auffassung in einer zweiten Ver- öffentlichung >). Da eine jüngst erschienene Broschüre Weismanns*) in dieser Angelegenheit leicht Verwirrung hervorrufen könnte, so will ich versuchen, den Sachverhalt hier klarzulegen. Meine Angaben über künstliche Theilung von Infusorien finden sich in den Sitzungs-Berichten der Niederrheinischen Ge- sellschaft und waren Gru ber vor seiner ersten Publication bekannt. Nachdem ich im Eingang meiner Mittheilung darauf hinge- wiesen hatte, wie nach den Erfahrungen von Schmitz die Lebens- fähigkeit eines aliquoten Theiles einer Pflanzenzelle von dem Vor- handensein mindestens eines Kernes abhänge, führte ich diesbe- zügliche eigene Beobachtungen mit den Worten ein: „Doch hat es nach meinen Versuchen den Anschein, als ob zur Erhaltung des Individuums ein Kern nöthig sei.“ Da ich aber bei der künstlichen Theilung von Oxytrichinen kernlose Stücke zwar bis zum zweiten Tage nach der Operation am Leben erhielt, eine Regeneration zum kernhaltigen und mit den verschiedenen Wimperorganen ausgestatteten Thier jedoch in der Zeit, wo dies bei kernhaltigen Theilstücken geschieht, nicht beobachtete, so konnte ich einen Schritt weiter gehen als die Botaniker und mich dahin aussprechen): „Es scheint somit, als ob zur Erhaltung der formgestaltenden Energie einer Zelle der Kern unentbehrlich sei.“ Schmitz hatte nur constatiren können, dass kernlose Bruch- stücke nach einiger Zeit zu Grunde gehen, musste somit zu der von ihm gegebenen Fassung seiner Resultate gelangen. Da aber 1) Sitz.-Ber. d. Niederrh. Ges. f. Natur- u. Heilkunde, 15. Dec. 1884, p- 259. 2) Biologisches Centralblatt, IV. Bd. Nr. 23, p. 717. 3) Biologisches Centralblatt, V. Bd. Nr. 5, p. 137. 4) A. Weismann, Die Continuität des Keimplasma’s als Grundlage einer Theorie der Vererbung. Jena 1885. p. 29. 5) Sitzber. d. Niederrh. Ges. 1884, p. 262, 513 Moritz Nussbaum: an den kernlosen Infusorientrümmern weder Wachsthum noch Neu- bildung von Kern oder Körperanhängen stattfand, so konnte erst an der thierischen Zelle auf die obige Bedeutung des Kernes hinge- wiesen werden. Weismann!) referirt: „Die Angabe von Nussbaum, dass ein künstliches Theilstück von Paramaeeium ?), welches keine Kern- substanz enthält, sofort abstirbt, darf zwar nicht verallgemeinert werden, da Gruber solche kernlose Stücke anderer Infusorien einige Tage am Leben erhielt.“ Und weiter: „Was aber die Be- deutung des Kernes klar legt, das ist die von Gruber festgestellte, inzwischen publieirte Thatsache, dass solche kernlose, künstliche Theilstücke eines Infusoriums sich nicht wieder regeneriren, während dies kernhaltige Stücke immer thun.“ Während ieh mich run, wie oben eitirt, geäusssert hatte, sagte Gruber in seiner ersten Publication ?) über die Theilung von Infusorien: „Ob auch solche Stücke lebensfähig d. h. regenerationsfähig sind, welehe nichts vom Kerne mitbekommen haben, konnte ich bisher noeh nieht mit Sicherheit entscheiden. Nussbaum möchte es leugnen, ich glaube aber, dass kernlose Stücke unter Umständen doch noch die Kraft haben zu wachsen und sich auf einige Zeit zu erhalten, wie ich dies früher in diesem Blatte mitgetheilt habe®).“ In der zweiten Mittheilung dagegen hatte Gruber) über ein reicheres Versuchsmaterial zu berichten, das wesentlich zur Auf- klärung der Bedeutung des Kernes gesammelt worden war. Die betreffenden Stellen lauten wie folgt: (pag. 138) „Wie ich schon in meinem ersten Aufsatze erwähnt, ist Nussbaum bei seinen Versuchen zu dem Schlusse gekommen, es habe den Anschein, als ob zur Erhaltung des Individuums ein Kern nöthig sei; es scheint somit, als ob zur Erhaltung der 1) Weismann, Die Continuität des Keimplasmas p. 29. 2) Ich habe an Paremaecium keine Versuche angestellt. 3) Biologisches Centralblatt. IV. Bd. Nr. 23. 1. Febr. 1885. p. 719. 4) Gruber, Biol. Centralbl. Bd. III. Nr. 19. 1. Dec. 1883. (Der Titel: „Ueber Einflusslosigkeit des Kerns auf die Bewegung, die Ernährung und das Wachsthum einzelliger Thiere“ zeigt schon, wie sehr Gruber im Anfange dieses Jahres — 1885 — noch davon entfernt war, dem Kerne die Bedeu- tung zuzuschreiben, wie es Weismann jetzt für Gruber reclamirt. 5) Biolog. Centralbl. V. Bd. Nr. 5, 1. Mai 1835, p. 137, Ueber die Theilbarkeit der lebendigen Materie. 513 formgestaltenden Energie einer Zelle der Kern unentbehrlich sei“ }). Da es Nussbaum nur in einem Falle gelang zwei Theilstücke unter Elimination des Kerns zu isoliren, mochte er diesen Schluss nieht mit voller Bestimmtheit aufstellen, und es kam mir nun da- rauf an, an meinem Objecte diesen Versuch womöglich öfter zu wiederholen.“ Die Darstellung Gruber’s, betreffend den Jedem von uns zu- kommenden Antheil an dieser Entdeckung, ist durchaus correct, und ich habe selbst die Veröffentlichung weiterer Versuche über diesen Gegenstand bis jetzt unterlassen, weil die Beobachtungen Gruber's den von mir aufgestellten Satz hinlänglich bestätigten. Ich habe nämlich meine eignen Versuche an Oxytriehinen des öfteren mit demselben Erfolge wiederholt, war aber nicht wie Gruber in der angenehmen Lage durch nachfolgende Färbung die Abwesenheit eines Kernes nachweisen zu können, da mein Versuchsobjeet beim Absterben spurlos zu Grunde geht, indem es sich gleichsam verflüssigt oder zerfliesst. Als ich meine erste Mittheilung schrieb, verfügte ich schon ausser dem einen beweisen- den Fall über eine Reihe anderer, bei denen es für mich keinem Zweifel unterlag, dass die kernlosen Stücke nach einiger Zeit zu Grunde gehen. Da ich aber kein bestimmt und sicher be- weisendes Criterium angeben konnte, ausser in dem einen Fail, wo ich sämmtliche Kerne hatte austreten sehen, so gab ich dem oben eitirten Satz die vorliegende Fassung, der ich jetzt, auch nach meinen eignen Versuchen, die positive Form substituire. Zum Schluss dieser Auseinandersetzung will ich noch die betreffende Stelle aus Kölliker's Abhandlung (Die Bedeutung der Zellkerne für die Vorgänge der Vererbung, Zeitschr. f. wissen- schaftl. Zoologie 42. Band) hierhersetzen : (pag. 34) „Bei den Versuchen von künstlicher Theilung von Infusorien, die M. Nussbaum in der neuesten Zeit angestellt hat (Sitzungsber. der Niederrh. Ges. 15. Dez. 1884), schienen kern- lose Stücke keine Lebensfähigkeit zu besitzen und vermuthet N., dass zur Erhaltung der tormgestaltenden Energie einer Zelle der Kern unentbehrlich sei. A. Gruber dagegen kam bei ähnlichen Versuchen vorläufig zu keiner bestimmten Entscheidung nach dieser 1) Dieser Satz ist von Gruber aus meiner Mittheilung eitirt und des- halb von ihm in Anführungszeichen gesetzt. Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 26. 33 oO 514 Moritz Nussbaum: Seite (Biol. Centr., 1885, p. 719) 1), ist jedoch geneigt anzunehmen, dass auch kerplose Stücke unter Umständen doch noch die Kraft haben zu wachsen und sieh auf einige Zeit zu erhalten.“ Ueber die Ausführung meiner Versuche habe ich Folgendes zu berichten. Auf einen vertieften Objectträger wurde in einen von Infusorien und deren Cysten freien, reinen Tropfen Wasser eine nieht in Theilung begriffene Gastrostyla gebracht, der Tropfen möglichst abgeflacht und das Thier in der beabsichtigten Weise mit einer feinen Lancette durehschnitten. Darauf folgte mikrosko- pische Untersuchung des Tropfens und Skizzirung der Form und Beschaffenheit der Theilstücke. Nach Zusatz von hinreichendem Wasser und einem Stück gekochten Heuhalmes, aus einer von Gastrostyleneysten freien Infusion wurde der Objectträger und sein Inhalt in eine feuchte Kammer gebracht und von Zeit zu Zeit untersucht. Erneuerung des Wassers erfolgte nach Bedarf. Wegen des Sauerstoffbedürfnisses der Thiere war es nicht möglich, sie unter Deekglasabschluss in der gleichen Wassermenge wie im vertieften Objeetträger am Leben zu erhalten. Man würde auch vergeblich auf das Auskriechen der Infusorien aus den Cysten warten, wenn man sie in dem Wasser des vertieften Object- trägers luftdieht abschliesst. Bei den angestellten Versuchen ergab sich Folgendes: Für die Erhaltung eines Infusoriums ist es gleichgültig, ob man es der Länge, der Quere nach, oder in schrägen Richtun- sen zertheilt. Wenn nur dem Theilstück Kernsubstanz erhalten bleibt, so restituirt es, abhängig von der Temperatur, in höchstens 24 Stunden seine ursprüngliche Form. Schon nach 20 Minuten sind an den Schnitträndern neue Cilien gesprosst, und am Tage nach der Verstiüimmelung des Mutterthieres hat jedes der kern- haltigen Theilstücke wiederum vier bis sechs Nuclei und Nucleoli und alle die Art characterisirenden Wimperanhänge. Die Ent- scheidung, ob die Erhaltung des Nucleus oder des Nucleolus allein, oder ob das Vorhandensein beider diesen Erfolg sichert, ist vor- läufig eine offene Frage, die ich wegen der Schwierigkeit der experimentellen Lösung noch nicht habe entscheiden können. Fast scheint es, wenn man die Vorgänge bei der Conjugation einer theoretischen Betrachtung zu Grunde legt, als ob ein Nucleolus 1) Es ist dies die erste Mittheilung Gruber’s. Ueber die Theilbarkeit der lebendigen Materie. 515 allein ausreichen möchte, die wichtige Rolle der Erhaltung und Restitution des Infusorienorganismus zu übernehmen. Es ist vor- läufig jedoch nur erlaubt zu sagen, dass der Kern, besser die Kernsubstanz, womit Nucleus und Nucleolus gemeint sein sollen, dazu nöthig ist. Denn diese beiden stammen, wie Bütschli!) an conjugirenden Infusorien nachgewiesen hat, aus demselben Material, wenn sie auch später gelegentlich der Theilung von In- fusorien sich so verschieden verhalten. An dieser Stelle möchte ich auch auf die demnächst erscheinende Arbeit Platner’s 2) hinzu- weisen mir erlauben, die in glücklicher und eleganter Weise die Frage nach Abstammung und Bedeutung des Nebenkernes ver- schiedener thierischer Zellen gelöst hat. Platner hat den Nach- weis erbracht, dass der Nebenkern vom Kern abstamme und einen wichtigen Factor bei der Kerntheilung bilde. Mit dem Nucleolus der Infusorien hat diese Bildung in den Zellen höherer Thiere Nichts gemein, da die Funetion und Lebenserscheinungen des Nucleolus der Infusorien von ihr durchaus verschieden sind. Der Nucleolus der Infusorien betheiligt sich nicht an der Spindelbildung gelegentlich der mitotischen Theilung des Kernes,, wie Platner dies an Spermatogonien und ihren zelligen Abkömmlingen bestimmt nachgewiesen hat. Eine mitotische Theilung des Infusorienkernes gibt es ja überhaupt nicht. Wenn bei Infusorien ein ächter Neben- kern vorkommt, so muss er ausser Nucleus und Nucleolus noch vorhanden sein. Während nun die Beurtheilung der Resultate bei Zertheilung von Infusorien in kernhaltige Stücke eine höchst einfache ist, stösst die experimentelle Lösung der Frage, ob denn überhaupt der Kern zu den oben geschilderten Erfolgen nöthig sei, auf alle die Schwierigkeiten, die jedem Versuch mit negativem Erfolg anhaften. Was die Anordnung des Versuches betrifft, so erwähne ich aus- drücklich, dass neben dem einen zur Untersuchung bestimmten kernlosen Bruchstücke kein weiteres Infusorium oder Theile davon auf dem Objeetträger zurückblieben; alles andere wurde sorgfältig entfernt. Die später zugesetzte Nährsubstanz war gekocht. Schon oben ist darauf hingewiesen, dass Gastrostyla sich nur aus ganz 1) Studien über die ersten Entwicklungsvorgänge der Eizelle ete. Frank- furt 1876. 2) Dieses Archiv. 516 Moritz Nussbaum: specifischen Cysten entwickelt, die nur an bestimmten Stellen ge- funden werden und mikroskopisch leicht zu erkennen sind. Ich habe nun oft und öfter versucht, kernlose Bruchstücke längere Zeit am Leben zu erhalten, stets ohne Erfolg. Alle gingen gemäss der Eigenthümlichkeit der Leibessubstanz der Gastrostylen durch Zer- fliessen zu Grunde. Wenn man aber, wie ich dies verschiedent- lich beobachtete, das Glück hat, ein kernloses Infusorienstück längere Zeit am Leben zu erhalten, so erkennt man, dass unter den gleichen Bedingungen selbst dann kernlose Stücke sich ganz anders verhalten als kernhaltige. Ein kernloses Stück schliesst wohl seinen Leib durch eine erhärtete Rindenschicht gegen die Umgebung ab. Es können Verschmelzungen von Theilen, die nur durch ganz schmale Brücken oder Fäden zusammenhängen, vor- kommen. Die Bewegungsfähigkeit ist nicht aufgehoben. Kern- substanz und Wimpern werden aber niemals neugebildet. Der verstümmelte Leib wird und bleibt bis zur Auflösung, die bei Gastrostyla stets nach 48 Stunden erfolgt war, eine ireilich be- wegliche und mit den alten Cilien versehene Kugel, er kann jedoch die der Art zukommende Leibesform nicht wieder ergänzen. Ein Wachsthum findet nicht statt. | Die aus kernhaltigen Stücken regenerirten Infusorien theilen sich und enceystiren sich wie durchaus normale Thiere und können aus den Cysten durch Zusatz neuen Wassers wieder zum Aus- kriechen gebracht werden. Aus den Beobachtungen Gruber’s hebe ich als besonders wichtig hervor die synchronischen Bewegungen der Theile bei spontaner Vermehrung, selbst wenn nur noch ein dünner Proto- plasmafaden sie verbindet !) und die ungehinderte Fortentwicklung einmal angelegter Neubildungen, wenn der Kern künstlich elimi- nirt ist. Eine Kritik der vorgebrachten Thatsachen muss zu folgenden Schlüssen führen. l. Kern und Protoplasma sind nur vereint lebens- 1) Die Drehbewegungen, wie sie oben bei Opalina beschrieben werden und wodurch schliesslich die Theilung erfolgt, zeigen, dass die Theilstücke eines Infusoriums auch schon vor der Trennung verschiedenartigen Impulsen folgen können. Das eine Theilstück liegt fest, das andere dreht sich. Man darf somit den bei Stentor von Gruber beobachteten Verlauf nicht verall- gemeinern. _ Ueber die Theilbarkeit der lebendigen Materie, 517 fähig: beide sterben isolirt nach kürzerer oder längerer Zeit ab. Mit Rücksicht auf die in neuerer Zeit vielseitig veränderte Auffassung von dem Wesen der Befruchtung, möchte ieh an dieser Stelle ganz besonders darauf hinweisen, dass Ei und Samenele- ment stets ganze Zellen sind, und sowohl Kern als Protoplasma der beiden Zellen sieh copuliren. Wo man wie bei Ascaris me- galocephala das Eindringen des Samenkörpers in’s Ei und die folgenden Veränderungen mit befriedigender Sicherheit verfolgen kann, findet man die Beweisstücke für diesen Satz, und selbst die Beobachtungen Strasburger’s an Phanerogamen dürften die Frage wohl nicht im entgegengesetzten Sinne entscheiden. Ehe wir die neueren Methoden zum Nachweise der Kerne besassen, glaubten Viele, es genüge das Protoplasma zur Befruchtung allein. Jetzt hat sich zu Gunsten des Kernes ein Umsehwung vollzogen. Viel- leicht können wir aber dereinst auch an minder günstigen Ob- jeeten, im Besitze geeigneter Methoden, die Bedeutung des Proto- plasmas bei der Befruchtung des Eies erkennen. Dass dem Protoplasma überhaupt eine weit wichtigere Rolle im Leben der Zelle zufällt, als man heutzutage ziemlich allgemein anzunehmen geneigt ist, dürfte aus der in einer früheren Arbeit von mir schon vorgebrachten Thatsache hervorgehen, dass vor der ersten Furchung der Kern des befruchteten Eies von Leptodera nigrovenosa sich so lange dreht, bis er senkrecht zur demnächst erscheinenden ersten Furchungsebene steht. Käme es blos auf die Theilung des Kernes an, so könnte diese in allen Ebenen des Eies erfolgen. Der Zellenkern kann sich aber, wie die neueren Unter- suchungen über die Zelltheilung ergeben, nicht ohne die Beihülfe des Protoplasmas theilen, und wenn grade wir am Wenigsten ge- neigt sind, dem Kerne abzusprechen, was ihm an Bedeutung zu- kommt, so möchten wir ihm doch nieht Alles zuerkennen. Wenn ich somit früher die Drehung des Kernes im Ei von Ascaris nigrovenosa dazu benutzte, um auf die Wichtigkeit dieses Vorganges für die Erklärung der Uebertragung väterlicher und mütterlicher Eigenschaften an Zellen und Gewebe des Embryo durch den ersten Furehungskern hinzuweisen, so sollte damit doch keineswegs gesagt sein, dass man einen bestimmten Furchungs- kern in jedes beliebige Zellprotoplasma versetzen könne, um ein 518 Moritz Nussbaum: Individuum von der Species, der der Furchungskern entstammte, zu erhalten. Kern und Protoplasma gehören zusammen wie die Ganglienzelle und ihre Muskelfaser oder Drüsenzelle ; die speeifische Energie kommt nicht einem Theil allein zu. Wie sehr die feineren Vorgänge bei der Kerntheilung im Prineip überall gleieh sein, wie Protoplasma bei Thieren und Pflanzen dieselben Grunderscheinungen zeigen und die Gewebe der höheren Thiere Rückschlagsphaeno- mene aufweisen mögen: die Erscheinungen der Vererbung und Variabilität haben sowohl Kern als Protoplasma einen so typischen Stempel aufgedrückt, dass weder Kern mit Kern einer Zelle, noch Protoplasma mit Protoplasma vertauscht werden können. Die Versuche künstlicher Theilung an Infusorien beweisen es deutlich, dass Kern und Protoplasma innig zusammengehören; dass das eine ohne das andere nicht bestehen kann. 2. ZurErhaltungder formgestaltenden Energie einer Zelle ist der Kern unentbehrlich (mit der von Gruber nach- gewiesenen Einschränkung, dass in Bildung begriffene histologische Differenzirungen des Protoplasmas durch die Entfernung des Kernes in ihrer Entwicklung nicht aufgehalten werden). 3. Jede von der Zelle entfaltete Energie ist an ein theilbares Substrat geknüpft. Dieser Satz verlangt eine etwas ausführlichere Besprechung. Schmitz!) hatte seine Beobachtungen an vielkernigen Pflanzen- zellen angestellt, bei denen Stahl?) den Nachweis erbracht hatte, dass sie auch spontan in Theilstücke zerfallen. Man hätte also vermuthen können, der Versuch würde nur an solchen Zellen ge- lingen, wo durch eine voraufgegangene Kerntheilung die Vermehrung, die Möglichkeit der Zerlegung in mehrere Individuen, dem Prineip nach schon erfolgt gewesen sei. Die Versuche an Opalina be- weisen, dass diese Vermuthung nicht richtig sei, dass vielmehr günstige Bedingungen hinzukommen müssen, um die spontane Zerlegung einer vielkermigen Zelle durch künstliche Theilung nach- ahmen zu können. Von der Irrigkeit dieser Vermuthung über- zeugen jedoch am besten die positiven Erfolge an Gastrostyla und 1) Festschrift der naturforschenden Gesellschaft zu Halle 1879. — Fr. Schmitz, Beobachtungen über die vielkernigen Zellen der Siphonocla- diaceen. 2) Botanische Zeitung 1879, E. Stahl, Ueber die Ruhezustände der Vaucheria geminata, Ueber die Theilbarkeit der lebendigen Materie. 519 Stentor, die zur Zeit der natürlichen Theilung ihre Kerne ent- weder erst vereinigen oder die weit im Thierleib verbreitete Kern- substanz auf eine compacte Masse zusammenziehen. Aus meinen und Grubers Versuchen geht nun mit Evidenz hervor, dass die Restitution eines Bruchstückes von einem geeigneten Infusorium immer erfolgt, sobald nur ein Theil der Kernsubstanz dem abge- trennten Leibesstück erhalten bleibt. Zur Orientirung über die wichtige Frage nach dem Ver- halten einkerniger oder mehrkerniger Zellen gelegentlich der künstlichen Theilung sei es erlaubt, ausser den oben eitirten bo- tanischen Untersuchungen noch folgende Notizen über Infusorien anzufügen. Stein‘) kennt eine grosse Zahl mehrkerniger Infu- sorien. Balbiani?), Bütschli®) Geza Entz* und Maupas?) verringern jedoch die Anzahl, indem sie den Nachweis an ver- schiedenen Species führen, dass die Kerne der von Stein für mehrkernig gehaltenen Infusorien untereinander zusammenhängen. Nach Maupas Dleiben nur neun Species übrig, unter diesen auch Opalina ranarum, die in der That mehrere isolirte Kerne besitzt, wie Leydig®) zuerst nachgewiesen hat. Bütschli (Studien p. 76) hat bei Loxodes rostrum, Maupas bei Holophrya oblonga, Lagy- nus elongatus und Holosticha multinucleolata Theilung und Con- Jugation beobachtet und nicht die geringste Andeutung einer Be- theiligung der Kerne an diesen Vorgängen wahrgenommen. Bei den übrigen früher irrig für vielkernig gehaltenen Species fliessen die Kerne vor der Theilung und der Conjugation zu einem eompaeten Körper zusammen. Bei Opalina ranarum ist unter den wirklich vielkernigen In- fusorien von Maupas ?) indirecte Kerntheilung beobachtet worden. Balbiani°) hat diese Beobachtungen bestätigt und hier zu Lande 1) Organismus .der Infusorien II, 1867, p. 62—-67. 2) Recherches sur les phenomenes sexuels des Infusoires. 1861. p. 43. 3) Studien 1876, p. 68. 4) Ueber einige Infusorien des Salzteiches zu Szamosfalva. 1879. p. 18 (nach Maupas citirt). 5) Archives de Zool. exper. 1883. p. 652. 6) Lehrbuch der Histologie. 1857. p. 16. 7) Comptes rendus 1879. 8) Journal de micrographie. 1881. p. 360 (nach Maupas). 520 Moritz Nussbaum: habe ich!) und nach mir Pfitzner?) bei ÖOpalina ranarum in- directe Kerntheilung gefunden. Somit ist dieser Vorgang des Oefteren eonstatirt worden und wenn auch Jeder von uns selbst- ständig und unbeeinflusst den Fund gemacht, so gehört immerhin Maupas die Ehre der Entdeckung. In der grossen Abhandlung Maupas: Etude des Infusoires eilies findet sich das Folgende: (p. 656.) „Je l’ai, en effet, observ@ chez Opalina ranarum et ai vu les nombreux noyanx de cet Infusoire se preparer a la division, en s’allongeant d’abord et developpant des filaments nueleaires lon- situdinaux, munis d’un Eepaississement &quatorial.“ Nueleolen habe ieh bei Opalina ranarum ebensowenig wie Maupas auffinden können. Uebrigens scheint die Entscheidung bezüglich des Vorhanden- seins eines einheitlichen aber zusammengesetzten Kernes oder mehrerer Kerne nicht so einfach zu sein, da sich so viele wider- sprechende Angaben in der Literatur vorfinden. Nach Maupas soll wie oben erwähnt bei Holosticha während der Theilung keine Veränderung an den Kernen siehtbar sein; Gruber hat vor der Theilung das Verschmelzen der zahlreichen Kernstücke zu einer Masse sicher constatiren können. Vielleicht ist die Schwierigkeit aber auch nur eine scheinbare, und so zu erklären, dass die ein- zelnen Species nicht in demselben Entwicklungszustand von den einzelnen Autoren untersucht wurden. Ich glaube aber nicht, dass dem. Streit, ob die Kerne getrennt oder durch dünne Brücken ver- einigt seien, überhaupt die Wichtigkeit zukomme, die man ihm zulegt, da sowohl Stentor eoeruleus, bei dem der Zusammenhang des meist rosenkranzförmigen oft auch bandartigen Kernes leicht. nachzuweisen ist, als auch Gastrostyla’ in gleicher Weise gut künstlich zu theilen sind (Gruber, Nussbaum). Es sind ganz andere Unterschiede, die hier betont und in den Vordergrund ge- stellt werden müssen. Die Theilung ohne Verschmelzung der Kerne wie bei Opalina und Loxodes und die Theilung mit voraufgehender Vereinigung der Kerne oder Kernstücke wie bei allen Oxytrichinen und den Stentoren, mögen nun die Kerne zwischen je zwei Thei- 1) Sitzungber. d. Niederrhein. Gesellschaft. 15. Dezember 1884. 2) Morphol, Jahrbuch. XI. Bd. p. 74. Ueber die Theilbarkeit der lebendigen Materie. 521 lungen, wie die einen Autoren angeben, zusammenhängend oder getrennt sein. Denn bei Opalina geschieht die Theilung der einzelnen Kerne auf indireetem Wege. Bei den vor der Theilung vereinigten Kernen geschieht die Trennung, nach fadenförmiger Anordnung der färb- baren Substanz und Streeckung des Kernes, in Form einfacher Durehschnürung, und nur die in gleicher oder annähernd gleicher Zahl vorhandenen Nucleolen theilen sieh mitotisch. (Die Verän- derungen der Nucleolen bei den Stentoren sind freilich bis jetzt noch nicht bekannt.) Es ist noch nicht mit Sicherbeit aus den vorliegenden Literaturangaben festzustellen, ob der einen Gruppe, wie ganz sicher bei Opalina, die Nucleolen fehlen, während sie bei der anderen, z. B. den Oxytrichinen, vorhanden sind. Immer- hin muss man sagen, dass Opalina während der Theilung viel- kernig sei, Gastrostyla so gut wie Stentor und andere auf ihre Kernverhältnisse leicht zu untersuchende Infusorien dagegen ein- kernig. Es sind demgemäss bis jetzt vielkernige Pflanzenzellen und einkernige thierische Zellen (Infusorien) mit Erfolg künstlich getheilt worden und zwar verlief jede Neubildung nach einer künst- lichen wie bei der spontanen Theilung. Ausser den künstlichen Theilungen von pflanzlichen und thierischen Zellen gibt es noch Erscheinungen, die unter anderen Versuchsbedingungen beobachtet, zu gleichen Schlüssen führten; freilich nicht in dem allgemeinen Sinne, wie wir es zu thun be- rechtigt sind, da es sich dabei um das Ei und seine Entwicklung handelte. Es sind dies die Beobaebtungen H. Fol’s!) und Anderer über die Polygastrulation des Eies nach dem Eindringen mehrerer Samen- fäden in’s Ei. Pflüger?) hat die Fol’schen Beobachtungen über die Poly- gastrulation des Fies nach Eindringen mehrerer Samenelemente zu dem Schluss verwerthet, „dass jedes Ei, das wir bisher als eine Einheit auffassten, vielen Individuen den Ursprung geben und dies bis zu einem gewissen Grade durch experimentellen Eingriff künst- lich veranlasst werden kann“ ?°). 1) H. Fol, Recherches sur la fecondation. Geneve 1879. 2) Pflüger’s Archiv. Bd. 32, p. 562. 3) Die sicheren Beobachtungen über das Eindringen mehrerer Samen- 522 Morıtz Nussbaum: In ähnlichem Sinne hat sich Strasburger ausgesprochen. Das Ei nimmt aber unter thierischen und pflanzlichen Zellen keine Ausnahmestellung ein. Jede Zelle enthält vielmehr, und nicht ausschliesslich zur Zeit der spontanen Theilung, ein Multi- plum von lebensfähiger und gestaltender Substanz. Man darf sich nieht vorstellen, dass etwa zur Zeit der Theilung jedes in Kern und Protoplasma enthaltene lebensfähige Partikelchen seines Glei- chen neubilde und durch den eomplieirten Vorgang der indirecten Kerntheilung auf die Descendenz übertrage, sondern es müssen zu allen Zeiten diese lebensfähigen Partikelehen in mehrfacher Zahl vorhanden sein. Es scheint sogar, dass jedes kleinste Theilchen des lebenden Protoplasmas gerichtet ist. Wir könnten sonst das regelmässige Erscheinen neugebildeter Wimpern an bestimmten Stellen gelegentlich der Theilung nicht verstehen. Wie also im Infusor ein Vorn und Hinten, Rechts und Links gegeben ist, die Rückenfläche von der Bauchfläche unterschieden, so müsse auch, meine ich, jedes kleinste, lebensfähige Protoplasmatheilchen nach den drei Axen im Raume orientirt sein. Die Zelle ist nicht die letzte physiologische Einheit, wenn sie es auch für den Morphologen bleiben muss. Wie weit die Theilbarkeit einer Zelle gehe, und wie man sich theoretisch die Grenze construiren könne, vermögen wir nicht anzugeben. Doch wird man vorläufig gut thun, die in der Chemie und Physik wohldefinirten Begriffe von Atom und Molekel nicht auf die lebende Substanz zu übertragen. Aber auch der von Nae- geli eingeführte Begriff der Micelle möchte wegen der in Kern und Protoplasma gleichzeitig wurzelnden Eigenschaften der leben- den Substanz auf Schwierigkeiten stossen. Die Zelle stellt somit zu allen Zeiten ein Multiplum lebens- fähiger Individuen dar, die bei den Protozoen stets gleichartig sind, bei den Metazoen jedoch auch verschieden sein können. Haben wir im Voranstehenden die Betrachtungen einfach fäden in das Ei und die darauf folgende Ausbildung eines einzigen Embryo thun selbstverständlich diesen Schlüssen keinen Abbruch. Es kommt bei der Befruchtung und der nachfolgenden Entwicklung darauf an, ob Ei- und Spermakern sich vereinigen; alle Samenelemente, die nicht mit dem Eikern oder mit Theilen desselben sich copuliren, müssen im Ei zu Grunde gehen. Eine Polygastrula ist also das Resultat der Vereinigung vieler Spermatosomen mit aliquoten Theilen des Eikerns. Ueber die Theilbarkeit der lebendigen Materie. 523 an die Zelle und ihre Theilbarkeit angeknüpft, so wird das Fol- sende von der Bedeutung der künstlichen Theilung von Zellen für die allmähliche Differenzirung der Gewebe und den Unterschieden in der Fortpflanzung von Protozoen und Metazoen zu handeln haben. In meiner Arbeit über die Differenzirung des Geschlechts wurde auf den Unterschied zwischen einfacher additioneller und der mit Arbeitstheilung vergesellschafteten Theilung hingewiesen. Die Protozoentheilung ist eine einfach additionelle. Jedes Stück des Infusorienleibes ergänzt bei Gegenwart von Kernsubstanz das ganze Thier. Die Theilung bei den Metazoen ist einmal mit Arbeitstheilung verbunden und führt zur Sonderung der Gewebe; das andere Mal ist die Theilung eine einfach additionelle, wodurch die Masse der Gewebe vergrössert wird. Ergibt sich dies schon aus einer Betrachtung der Entwick- lung der Keimblätter, der Regeneration von Defeeten namentlich der Epithelien im erwachsenen Thier !), so zeigen die neueren Versuche Roux’s?) über die Folgen von Verletzungen am ge- furchten Froschei noch bestimmter darauf hin. Nur das unge- furchte Ei ist im Stande unter geeigneten Bedingungen mehreren Individuen den Ursprung zu geben (Fol, Pflüger). Die ein- zelnen Furchungskugeln aber enthalten ganz bestimmte Elemente zum Aufbau des werdenden Embryo (so bezeichnet schon die erste Furche die Medianebene nach Pflüger, Roux u. A.). Roux sah nach Verletzung bestimmter Furchungskugeln des mehrfach ge- furehten Froscheies bestimmte Defeete in der Larve auftreten. Während somit dem Infusorienleib an allen Punkten eine gleich- mässige Mischung lebens- und restitutionsfähiger Materie zukommen muss, die bei der Theilung in gleicher Weise auf die Abkömm- linge übergeht, ist bei der Furchung der Metazoen, schon im Be- ginn, eine Ordnung und Trennung der Theile eingetreten, die es verhindert, das Ganze aus seinen Theilen wieder aufzubauen, so- bald eine Verstümmelung stattgefunden hat. Wenn demgemäss bei den Metazoen aus dem Ei mehrere Individuen hervorgehen 1) A. Peters, Ueber die Regeneration des Epithels der Cornea. Inaug.- Dissert., aus dem anatom. Inst. zu Bonn, 1885. 2) W. Roux, Beiträge zur Entwicklungsmechanik des Embryo. 524 Moritz Nussbaum: können, so ist die potentielle Mehrheit den einzelnen Furchungs- kugeln trotzdem nicht abhanden gekommen. Jede einzelne der- selben, nehmen wir an es handle sich um die rechte Furchungs- kugel, muss die Substanz, aus dem die künftigen Theile hervor- sehen, mehrfach enthalten; es kann aber nicht mehr, sobald die Sonderung sich vollzogen hat, etwas Anderes, als das durch die Arbeitstheilung ihrem Material Zugewiesene aus ihr hervorgehen. Somit muss die zur Gewebebildung der Metazoen führende Zell- theilung mehr und mehr die für bestimmte Leistungen geeigneten Substanztheile von einander trennen und nach der jedesmaligen Trennung immer ein Multiplum derselben in bestimmten Zellen sondern, die sich zwischendurch wieder durch additionelle Thei- lung, also wie ein Infusor, vermehren können. Es fehlt uns vor- läufig ein sichtbares Zeichen an den Zellen selbst, die auf diese Unterschiede hinwiesen. Wir werden aber im zweiten Theile dieser Mittheilungen zeigen können, dass schon bei der niedersten Gruppe der Metazoen, den Coelenteraten, die Arbeitstheilung bei der Sonderung der Zellen so eingreifend gewirkt hat, dass eine Resti- tution aus einer einzigen Zelle oder Theilen derselben wie bei den Infusorien nieht mehr möglieh ist, und dass nur den Ge- schlechtsprodueten diese Fähigkeit erhalten geblieben ist. Die Pflanzen nehmen mit Bezug auf ihre Restitutionsfähigkeit eine Mitteistellung ein. Da es nicht ohne tiefere Bedeutung sein kann, ob die Zell- theilung, d. h. der mechanische Vorgang der Individualisirung iebender Substanz in irgend einem Stadium der Eibildung unter- brochen werde, so möchte ich an dieser Stelle mit einigen Worten auf die Bildung der Richturgskörper im Ei zurückkommen. Eine historische Zusammenstellung der Entdeckungen der Richtungskörper im Ei der verschiedenen Thiere gibt Bütschli in seinen Studien auf Seite 171 u. folg. Auch bei den Pflanzen kommt ein ähnlicher Vorgang vor, wie Pringsheim !) und Strasburger?) des Näheren beschreiben. 1) N. Pringsheim, Ueber die Befruchtung und Keimung der Algen und das Wesen des Zeugungsactes. Berlin 1855, Taf. I, Fig. 6, 7 u. 8. 2) E. Strasburger, Neue Untersuchungen über den Befruchtungs- vorgang bei den Phanerogamen als Grundlage für eine Theorie der Zeugung. Jena 1884, p. 91 ff. Ueber die Theilbarkeit der lebendigen Materie. 525 Die Richtungskörper des Säugethiereies sind seit Bischof?) bekannt. Eine „Richtungsfigur“ hat jedoch erst in neuerer Zeit Flemming?) aufgefunden. Leider sind die Theile zu klein, als dass sie zu einem massgebenden Schluss verwerthet werden könnten. Dessen hat sich der auf dem Gebiet der Zelltheilung so verdiente Forscher auch enthalten; wenngleich er sehr zu der von van Beneden?) aufgestellten Ansicht hinneigt, die Umwandlung des Keimbläschens in Kern der Richtungskörper und Pronueleus femi- ninus sei ein von der gewöhnlichen Mitose abweichender Vorgang. Weismann) hat jüngst am Sommerei von Daphniden ein Richtungskörperchen aufgefunden und damit eine wesentliche Lücke unserer Kenntnisse ausgefüllt. Die Bildung der Riehiungskörper im Ei von Ascaris megalo- cephala ist von Schneider), mir) und van Beneden?) be- schrieben worden. Nach meinen Untersuchungen ist der Vorgang, der zur Ab- spaltung jedes der beiden Richtungskörper führt, eine Mitose. Van Beneden hat seine Präparate in anderem Sinne gedeutet. Gut beobachtete Bildung der Riehtungskörper findet sich bei Trinchese?) und O. Hertwig®) beschrieben und abgebildet. Da die betreffenden Verhältnisse klar und einfach sind und ohne Schwierigkeit auf das bekannte Schema der sog. indireeten Zell- theilung zurückgeführt werden können, so wird man sich trotz der so zahlreichen und sorgfältig behandelten Abbildungen van Be- neden’s nicht ohne Weiteres den von ihm gezogenen Schlüssen anschliessen. Denn offenbar ist es correcter, complieirte Bilder 1) Bischof, Entwicklungsgeschichte des Kanincheneies. Braunschweig 1842, Taf. II, Figg. 17, 19 u. 20. Bischof hält die „neben dem Dotter befindlichen zwei Körner für Nachkommen des Keimflecks.“ 2) W. Flemming, Archiv f. Anatomie u. Entwicklungsgeschichte von His u. Braune. 1885. Tafel 10 u. 11. 3) E. van Beneden, Archives de Biologie, Tome IV, p. 265 ff. 4) A. Weismannn, Die Continuität des Keimplasmas. Jena 1885. Nachschrift. 5) A. Schneider, Das Ei und seine Befruchtung. Breslau 1883. 6) Dieses Archiv Bd. 23. 7) S. Trinchese, Atti della R. Acad. dei Lincei 1879—80. Ser. III Vol. VII. Roma 1880. p. 1. Tav. I, Fig. 6—10. 8) ©. Hertwig, Morpholog. Jahrbuch Bd. III. Tafel I u. II. 526 Moritz Nussbaum: nach einfachen zu deuten, als bei den einfachen eine Complieirt- heit zu vermuthen, die der Beobachtung sich entzieht. Die Bildung der Richtungskörper bei Aulostomum und einigen Mollusken habe ich aus eigner Anschauung kennen ge- lernt und keine Abweichung von der gewöhnlichen Mitose dabei aufgefunden. Grade die Richtungsspindel im Ei des gemeinen Pferdeegels (Aulostomum gulo) ist wegen des während der Sommermonate reichlich zu gewinnenden Materials zur Demonstration einer recht normalen Kernspindel sehr zu empfehlen. Hertwig!)hat von Haemopis vorax die Angaben über das Auf- finden und die Präparation der Eier schon gemacht, so dass ich darauf verweisen kann, da bei dem von mir untersuchten Aulosto- mum die Verhältnisse ähnlich liegen. Nach dem Erscheinen der van Beneden’schen Arbeit durch- musterte ich nochmals meine Präparate von Ascaris megalocephala und fand nichts Anderes, als was ich berichtet hatte. Daaber van Bene- den über ein reicheres Material verfügt und dieses mit verschiedenen Reagentien behandelt hatte, so zog ich es vor, eine Polemik zu ver- meiden; um an ihrer Stelle womöglich eine Aufklärung geben zu können, wenn ich nach den von van Beneden benutzten Methoden neues Material würde untersucht haben. Der Zufall, der mir hier in Bonn die Ascariden, an denen ich meine ersten Untersuchungen angestellt hatte, in die Hände führte, kehrte nicht wieder. Es war mir unmöglich neues Material zu erhalten. Nachdem ich auch vergeblich in der Nachbarstadt Köln mich bemüht hatte, glaubte ick fast resigniren zu müssen. Nur der liebenswürdigen und be- reitwilligen Unterstützung meines Freundes Oscar Schultze, jetzigen Proseetors in Würzburg, habe ich es zu verdanken, dass ich endlich meine Untersuchungen wieder aufnehmen konnte. Leider war die Ausbeute sehr gering, da ich die Sendung erst vor wenigen Wochen erhielt und von erfahrener Seite versichert wird, dass gegen den Winter die Zahl der Ascariden abnehme. Die Ovarien, Tuben und Uterus waren in Würzburg aus den lebenden Ascariden heraupräparirt und sofort für 25 Minuten in Flemming’sche Mischung eingelegt worden. Dadurch wurden zwar die weichschaligen Eier abgetödtet und conservirt, die hart- Dale, Ueber die Theilbarkeit der lebendigen Materie. 527 schaligen jedoch entwickelten sieh weiter; trotzdem das Ganze ausgewaschen und in 40 %, Alcohol gebracht worden war!). In dem Alcohol hatten die Generationsorgane etwa zwei Tage gelegen. In den der Gegend der Vagina entnommenen und in Wasser auf- bewahrten Eiern entwickelten sich aus den allerersten Furchungs- stadien bis heute lebende Würmer. Es war somit mit Sicherheit anzunehmen, dass nicht alle Eier von dem Reagens abgetödtet worden waren. Der absolute Alcohol, dessen ich mich bei meinen früheren Untersuchungen bedient hatte, sistirt auch in den hartschaligen Eiern die Fortentwickelung. Man könnte nun über den Werth der Conservirung mit ab- solutem Alcohol und mit Säuren streiten wollen; da zweifellos in allen Fällen, wo die Säuren, und namentlich Flemming’sche Mischung , schnell in die Gewebe eindringen können, elegan- tere Bilder zu Tage treten, als bei der Abtödtung in absolutem Alcohol. Bei den Eiern der Ascaris ist aber zweierlei zu Gunsten der Aleoholbehandlung vorzubringen. Die Mitosen der Furchungskugeln treten klar und distinet durch sie zu Tage ; man darf deshalb er- warten, dass sie auch für das Studium der Richtungskörperbildung zu verwenden ist, wenn man auch ihre Wirkung nicht am lebenden Object controliren kann. Das gilt aber ebensogut für die Säuren. Der Alcohol conservirt sicher, während die Säuren nur langsam eindringen und nicht überall zur Wirkung kommen, wo man es vielleicht vermuthet. Wenn ich nun meine alten Alcoholpräparate mit den neu an- gefertigten Säurepräparaten vergleiche, so muss ich, um van Be- neden in gebührender Weise gerecht zu werden, bekennen, dass die meisten von ihm abgebildeten Stadien bei Säurebehandlung sich finden. Trotzdem ist sein Schluss, die Abspaltung des ersten Richtungskörpers sei keine Mitose, nicht aufrecht zu erhalten. Das würde sich ohne Weiteres aus den wenigen von mir nach Alcoholpräparaten früher publieirten Abbildungen schon er- geben; da ich in der gebogenen Spindel die färbbaren Elemente in gewissen Stadien in der Nähe der Pole und nicht im Aequator gefunden habe. 1) Vergl. meine früheren Angaben. Dieses Archiv, Bd. XXIII. 528 Moritz Nussbaum: Van Beneden zeichnet aber die färbbaren Elemente stets im Centrum seiner Y-Figur! Das ist auch ganz correet; da bei Säurebehandlung die Wanderung nach den Polen erst kurz vor der definitiven Abschnürung auftritt. Weshalb ist van Beneden’s Schluss denn unhaltbar, wird man fragen? Die Antwort ist kurz die, dass van Beneden das Stadium entgangen ist, in dem die anfangs an der Peripherie tangential zum Eidotter gestellte Spindel (siehe van Beneden Arch. de Biologie Te. IV, Planche XV, Fig. 22) sich verkürzt und wieder in einen Radius, also senkrecht auf die Eihülle einstellt. Die unfärbbaren Spindelfasern bleiben von da bis fast zur völligen Abschnürung des Richtungskörpers als radial zum Ei gestellte Striche sichtbar, an deren Polen sich die färbbaren Elemente befinden. Damit ist denn bewiesen, dass auch bei den mit Säure behandelten Eiern von Ascaris megalocephala das erste Richtungskörperchen sich nach dem Schema der Mitose abspaltet, da die färbbaren Elemente aus dem Centrum der Spindel nach den Polen wandern und die Spindel der Quere nach halbirt wird. Man kann die Richtungsspindel in allen Stadien durch ge- eigneten Druck aus dem Ei herauspressen und so bequem die feineren Verhältnisse eontroliren. Isolirte Spindeln zeigen je nach der Behandlung mit Alcohol oder mit Säuren den auch im Ei selbst erkannten Bau. Glycerinpräparate sind wie bekannt zum Stu- dium dieser Verhältnisse vorzuziehen; man kann ausserdem die Eier in Glycerin beliebig drehen, was unter Umständen sehr wichtig ist. Wodurch die Unterschiede der Bilder bei Säuren und Alco- holbehandlung bedingt werden, wird vielleicht an reicherem Ma- terial, als mir zu Gebote steht, entschieden werden können. Uns genügt der Nachweis, dass die Bildung der Richtungs- körper durch die gewöhnliche Kerntheilung eingeleitet werde; da sowohl an Alcohol als an Säurepräparaten keine Abweichungen von dem Schema derselben zu finden sind. Die Y-Figur ist ebenso wenig für die Bildung des ersten Richtungskörpers im Ascaridenei characteristisch, als die später auftretende Kreuzfigur. Beide Bilder, das Y und das Kreuz, ent- stehen durch Umklappen der polaren Sonnenstrahlen nach der Gegend des Aequators der Richtungsspindel, worauf auch die von van Beneden auf Tafel XVII, Fig. 11 abgebildete Rautenform der zweiten Riehtungsfigur zurückzuführen ist. Ueber die Theilbarkeit der lebendigen Materie. 529 Gebogene Spindeln während ächter mitotischer Kerntheilung kommen auch anderwärts vor. So bildet Bütschli eine solche vom ersten Furchungskern des Eies der Suceinea Pfeifferi Rssmsl. in Fig. 20 auf Tafel IV seiner Studien ab. Was die Bedeutung der Richtungskörperchen anlangt, so glaube ich, dass wir bis jetzt noch keine genügende Erklärung dafür besitzen. Die früheren Ansichten über Ausscheidung einer männlichen Potenz durch das oder die Richtungskörperchen, brauebte nicht zu widerlegen, wer sich der von mir ausge- sprochenen Auffassung des Werthes von Samen und Ei als zwei homologer Zellen anzuschliessen geneigt war. Aber auch der neueren Auffassung Weismann’s!) möchte ich nicht zustimmen, da die Eizelle noch nach der Befruchtung Theile bilden kann, die nicht in den werdenden Organismus blei- bend aufgenommen werden. Die Literatur über die Richtungskörperchen ist zu unzuver- lässig. Ueber einen und denselben Gegenstand liegen widerspre- chende Angaben vor, was wohl damit zusammenhängen mag, dass eine auf diesen Punkt ausschliesslich gerichtete methodische Unter- suchung noch nicht existirt. Um ein Beispiel für viele zu geben, möge Folgendes hier seinen Platz finden. Nach E. van Beneden?) hat das Ei von Cueullanus elegans stets nur eine Hülle. Schneider?) bildet noch eine secundäre Dotterhülle ab, bemerkt aber, dass wegen der Nichtausscheidung des Perivitellin ihr Nachweis schwierig sei. Ob nun die Richtungskörper Kerne oder Zellen seien, lässt sich aus den vorliegenden Abbildungen nicht erkennen. Bütsehli?) bildet zwei Richtungskörperchen ab, Schneider nur eins; doch bemerkt der letztere Autor, es sei wahrscheinlich, dass auch zwei entstehen können. Van Beneden sind die Rich- tungskörperchen unbekannt geblieben. 1) Die Continuität des Keimplasma’s. p, 70 ff. 2) Recherches sur la composition et la signification de l’oeuf. 1870. p- 9. 3) A. Schneider, Das Ei und seine Befruchtung. p. 11, Tafel II. 4) Bütschli, Studien, Tafel III, Fig. 12 u. 15. Die Spindel in Fig. 12 muss man für die Spindel des zweiten Richtungskörpers halten. Archiv f. mikrosk. Anatomie, Bd. 26. 34 530 Moritz Nussbaum: Auf einen Punkt hat man bis jetzt gar kein Gewicht gelegt, ob nämlich die vorhandenen Richtungskörper aus dem Keimbläschen alle direet abstammen, oder ob ihre Zahl nach der Abschnürung vom Keimbläschen noch vermehrt werde. Im Allgemeinen erfährt das Keimbläschen zweimal eine mitotische Umwandlung und gibt dabei je einem Richtungskörper oder seinem Kern den Ursprung. Wo ganze Zellen abgeschieden werden, wie bei der von Trin- chese untersuchten Amphorina eoerulea, kann jeder Richtungs- körper sich nochmals theilen; die Kerntheilung ist auch dann eine Mitose. Nur das eine lässt sich mit Gewissheit feststellen, dass bei manchen Eiern die Richtungskörperchen ganze Zellen sind, wäh- rend bei anderen nur Kernbestandtheile unter dem Namen der Richtungskörper beschrieben werden. Wegen der oben erwähnten Unzuverlässigkeit der in der Lite- ratur verstreuten Angaben erlaube ich mir deshalb nur mit aller Reserve den Satz aufzustellen, dass die Abscheidung der Richtungs- körper stets den Werth einer ächten Zelltheilung habe, und dass in den Fällen, wie sicher bei Ascaris megalocephala zu den als Richtungskörper bekannten Kernen die secundäre Dotterhülle und das Perivitellin als umgewandelte Zellbestandtheile hinzugehören. Dass auch diese Auffassung keine wahre Erklärung für die Bedeutung der Richtungskörper abgeben kann, ist ohne Weiteres klar; da anzunehmen ist, dass die Bildung von secundärer Dotter- hülle und Perivitellin abgeleitete Zustände sind und die Abtren- nung von ächten Zellen das Primäre gewesen ist. Ueber die Theilbarkeit der lebendigen Materie. 531 Erklärung der Abbildungen auf Taf. XVITI—XXI. Tafel XVIM. Fig. 1—8. Verschiedene Formen von Opalina ranarum zur Zeit der Thei- lung. Die Gestalt, sowie der Verlauf der Muskelfasern (Cilienzeilen) in Fig. 1, 2 und 5 beweisen das Vorkommen von (uer- und Längs- theilung. Zeiss BB, Oc. I. Fig. 9—16. Einzelne Stadien der Theilung von Opalina ranarızm. 210.217. Fig. 18. Fig. 9 die Trennungsfurche schneidet eben ein, ist in Fig. 10 tiefer, in Fig. 12 bis auf eine schmale Brücke vorgedrungen. Fig. 14 und 15 zur Illustration der Drehung des einen Theilstücks. Fig. 16. Zwei Theilstücke im Moment der Loslösung. Fig. 11. Unterbrochene Theilung.t "Fig. 13. Ungleiche Theilung. Zeiss BB, Oc. I. Ungleiche Theilung. Zeiss CC, Oc. H. Eine Opalina ranarum aus dem September. Ueber die Oberfläche laufen die Muskelstreifen, die am hinteren stumpfen Ende breiter als am vorderen spitzen Ende sind. Von den Wimpern ist immer nur eine im optischen Schnitt des Randes jeder Muskelfaser gezeichnet. Die Rindenzone ist hell; das Centrum mit den Kernen und Einlage- rungen undurchsichtiger. Zeiss BB, Oc. U. . Verlauf der Muskelfasern auf der Ober- und Unterfläche; am Rande die Wimpern selbst, auf den Flächen nur die Fusspunkte derselben gezeichnet. Zeiss F, Oc. II. . Kerne, scheibenförmige Körper und kleine glänzende Granula einer 0,25 mm langen und 0,16 mm breiten Opalina ranarum. (Der be- treffende Frosch, aus dem die Opalina, sowie die in Fig. 21 und Fig. 22 dargestellten stammten, war am 1. Februar in’s Warme ge- bracht und am 4. Februar, also nach drei Tagen getödtet worden. Die Opalinen in 2°/,-iger Essigsäure untersucht). Die Kerne gross mit zerstreuten Körnchen im Inneren. Zeiss hom. Immers. !/;; Oc. I. . Kerne mit einem oder zwei Kernkörperchen aus Opalina ranarum. Daneben die scheibenförmigen Körper und die glänzenden Granula., Zeiss hom. Immers. !/ı; Oc. I. Die Opalina selbst war 0,35 mm lang und 0,25 mm breit. Er0302 32% Moritz Nussbaum: . Mitosen im Leibe einer Opalina ranarum von 0,2mm Länge und 0,8 mm Breite. (Die grössten Opalinen sind 0,8 mm lang.) Links unten ein Kern mit vier Kernkörperchen, dann eine Spindel mit getrennten Elementen der Aequatorialplatte, nach rechts die Sand- uhrform und oben links das auch von Zeller schon beobachtete Endstadium der mitotischen Kerntheilung, wo die Kernhälften noch durch einen langen Faden zusammenhängen. Zeiss hom. Immers. l/g 0e: I. Opalina mit 6 Kernen vor der Einkapselung. Wimpern, Innen- und Aussenschicht, sowie scheibenförmige Körper deutlich. Muskel- streifen nicht sichtbar. Zeiss F, Oc. I. Fig. 23 u. 24. Eben eingekapselte Opalina mit vier Kernen und der durch Druck gesprengten Cyste aus der Kloake der erwachsenen Rana fusca. Wimpern und scheibenförmige Körper erhalten. Zeiss F, 0er Fig. 25 u. 26. Eben eingekapselte Opalina ranarum aus der Kloake der er- wachsenen Rana fusca mit mehr als vier Kernen. Die Cystenhaut abgehoben. Wimpern nieht mehr am Thier zu erkennen. Zeiss F, Oe. I. Fig. 27—33. Opalineneysten und freie Opalinen aus Larven von Rana fusca, Fig, I, die mit Opalinen enthaltendem Kloakeninhalt erwachsener Land- frösche gefüttert worden. (Versuch zu Anfang April an Larven, die sicher von Opalinen frei waren.) Fig. 27. Eine einkernige Opaline mit Wimpern in der Cyste; die Opaline selbst während des Lebens beweglich. Fig. 2 Fig. 29. Eine zweikernige ruhende Opaline in der Cyste. Fig. 30. Eine ruhende Opaline mit drei Kernen in der Cyste. Fig. 31. Eine freie Opaline mit einem Kern. 8. Eine einkernige ruhende ÖOpaline in der Cyste. Fig. 32. Mitose einer einkernigen Opaline. Fig. 33. Mitose einer zweikernigen Opaline. (NB. Bei den in Larven gefundenen Opalinen ist auf das Vorkommen der scheibenförmigen Körper nicht geachtet worden.) Tafel XIX. Ein solitärer durch Verschmelzung entstandener Kern mit kurzen färbbaren Fäden im Inneren; aus einer Gastrostyla vorax kurz vor der Encystirung an feuchtem Heu. Zeiss F, Oe. I. Fig. 2 und 3. Kernformen von Gastrostyla vorax am zweiten Tage nach dem Auskriechen aus den Cysten. In den Kernen dicke Fäden; = Q Fig. 13. Fig. 15. Fig. 16. Ueber die Theilbarkeit der lebendigen Materie. 533 in einem derselben distinete Kugeln. (Chromatolyse Flemming?) Leitz hom. Immers. 1/5 Oc. 1. Kern einer encystirten Gastrostyla vorax durch Compression aus dem Protoplasma isolirt. Zeiss F, Oc. II. Eine Gastrostyla vorax von feuchtem Heu dicht vor der Einkapse- lung. Die Kerne sind schon theilweise verschmolzen, da nur zwei grosse vorhanden sind; die Nucleolen noch getrennt; die Bewimpe- rung schon theilweise verschwunden. Zeiss F, Oc. I. ig. 6—12. Die Eneystirung von Gastrostyla vorax. Fig. 6. Beginn der Cystenbildung. Die Cyste selbst noch dünn; die Wimpern verschwunden; Kerne zum Theil, Nucleoli noch nicht verschmolzen. Zeiss F, Oec. I. Fig. 7. Weiteres Stadium. Verschmelzung der Kerne. Die Cysten- wand dicker. Zeiss F, Oec. I. Fig. 8 Eine durch Compression entleerte Cyste mit glatter Innen- und gefurchter Aussenfläche. Zeiss F, Oc. I. Fig. 9. Cyste mit solitärem eben durch Verschmelzung gebil- detem Kern. Die Substanz der Nucleolen ist an den unverletzten Cysten nicht zu erkennen. Die Cyste ist bedeutend kleiner als in Fig. I, was neben der völligen Verschmelzung der Kerne auf weitere Entwicklung hin- deutet. Zeiss F, Oe. I. Fig. 10. EineCyste gesprengt, um Nucleus und Nucleolus zu zeigen. Beide Kernsubstanzen sind zu je einem solitären Körper verschmolzen. An der vorderen Fläche der Cyste feine Linien, von denen nicht mit Gewissheit zu bestimmen ist, ob sie Reste von Wimpern darstellen. Zeiss F, Oe. 1. Fig. 11. Eine ältere, Fig. 12. Eine jüngere Cyste bei CC, Oc. I. Die ältere Cyste ist viel kleiner und hat dabei dicke Wandung. Bei der Jüngeren Cyste ist die Wand noch so dünn und der In- halt noch so wenig verdichtet, dass man die fünf zu- sammengedrängten Kerne erkennen kann. Ein Kern von Gastrostyla vorax mit feinkörnigem Inhalt und einem homogenen Bande in der vorderen Zone. Zeiss homog. Immers. 1/ıs Oc. II. . Nuclei und Nucleoli von Gastrostyla vorax zur Demonstration der Isolirtheit der einzelnen Kerne und der nicht immer übereinstim- menden Zahl von Nuclei und Nucleoli. Zeiss DD, Oe. II. Eine ausgefaserte Wimperborste von Gastrostyla vorax. Zeiss F, Oe. II. Das Peristom von Gastrostyla vorax isolirt und vom Rücken her Fig. 17. Enes 1. Moritz Nussbaum: betrachtet. Links unten in der Abbildung die Wimperkämme mit ihren Cilien, die sich in den Schlund hinein fortsetzen, rechts oben die längsgestellten Wimpermembranen, von denen die eine (bei der Betrachtung von der Bauchfläche die untere) ebenfalls in die Be- wimperung des Schlundes übergeht; während die andere mit einem Rahmen diese Anfänge des Schlundes am Uebergange von Mund zu Schlund umzieht. In der Zeichnung geht dieser Rahmen unter dem "Beginn des Schlundes her, der in fein ausgezogenem Zipfel nach unten rechts (in der Zeichnung) sich fortsetzt. Ausser unterer und oberer Wimpermembran zeigte dieses Präparat auf eine kurze Strecke am vorderen Ende der Mundöffnung noch eine mittlere Membran. Zeiss F, Oc. II. Osmiumpräparat. Das Peristom mit dem Schlund in natürlicher Lage von der Bauch- fläche aus gesehen. (Was rechts in der Zeichnung ist links im Thier. Vergl. Tafel XX, Fig. 1), Von der oberen der beiden rechts gelegenen Wimpermembranen geht ein gebogener Rahmen um die Wimperkämme links am Munde herum und ist noch eine Strecke weit nach vorn zu verfolgen. Die untere rechte Wimper- membran und die links gelegenen Wimperkämme gehen in den nach rechts hin gebogenen Schlund und seine Wimpern über. Auf dem Boden der Mundhöhle die von Sterki entdeckten Wimpern, die von diesem Autor jedoch mit der Engelmann’schen unteren, rechts ge- gelegenen Wimpermembran identificirt wurden. Es bestehen aber beide Wimpersysteme nebeneinander. Zeiss F, Oc. 1. Tafel XX. Gastrostyla vorax von der Bauchfläche. A. Bewimperung: 1) Die vorderen Randwimpern vorn rechts und oben beginnend, über die Rückfläche der „Oberlippe“ hinweg zu den Kämmen links von der Mundöffnung hinziehend. Der Mund rechts von den beiden Wimpermembranen begrenzt, von denen die untere mit den links gelegenen Wimperkämmen sich in den nach rechts gewandten Schlund fortsetzt. Auf dem Boden der Mund- öffnung Wimpern. 2) Die hinteren Randwimpern oben, rechts abgesetzt gegen die vorderen Randwimpern beginnend und um die ganze hintere Peripherie bis links vorn zur Höhe der Wimperkämme des Peristoms gelangend. 3) In gleicher Höhe mit dem rechts vorn gelegenen Anfang der vorderen Randwimpern auf dem Stirnfelde (Stein) die erste Stirnwimper, nach links vorn weiter die zweite und dritte, Fig. 4. Ueber die Theilbarkeit der lebendigen Materie. 555 gegen das vordere Ende der oberen rechten Wimpermembran der Mundöffnung die vierte Stirnwimper und von da in einer Bogenlinie auf Nummer 1 zurückführend die restirenden sechs Stirnwimpern. (10 Stirnwimpern.) 4) In drei Gruppen je fünf Bauchwimpern. (15 Bauchwimpern.) 5) Fünf in zwei Gruppen getrennte Afterwimpern; rechts zwei, nach links ansteigend die drei anderen. (5 Afterwimpern.) 6) Unter den Randwimpern des hinteren Leibesendes hervor- ragend, drei auf der Rückenfläche inserirte Schwanzwimpern. (3 Schwanzwimpern.) B. Contractile Blase, wie bei allen Oxytrichinen, links dicht unter dem Peristom gelegen. C. Nuclei und Nucleoli in vierfacher Zahl; die Nucleoli links von den Nuclei gelegen. D. Leibessubstanz und Einlagerungen in dieselbe. Das feine Balken- werk ist punctirt gezeichnet, daneben die grossen glänzenden Kugeln; die Nahrungsballen sind in der Zeichnung nicht darge- stell. Zeiss F, Oc. I. Gastrostyla vorax im optischen Längsschnitt (nach einem auf der Seite liegenden Exemplar gezeichnet.) In der Rückenwölbung liegen die vier Kerne; der vordere und hintere Rand sind dünn; die Bauch- fläche, etwa in der Mitte, vorgetrieben und nach vorn und hinten ab- schüssig; auf der Rückenfläche des hinteren Randes ist eine Schwanz- wimper dargestellt. Zeiss BB, Oec. Il. Gastrostyla vorax in Theilung, von der Bauchfläche gesehen. (Die Be- wimperung nur zum Theil abgebildet.) Die Kerne sind zusammen- geflossen und zu einem mit kurzen Fäden durchsetzten Körper in der Höhe des neu angelegten, hinteren Peristoms verschmolzen. Die alten Afterwimpern sind nach links verdrängt; die neuen After- wimpern des hinteren Theilsprösslings stehen nahe dem rechten Leibesrande, um erst später nach Untergang der alten an deren Stelle zu rücken. (Wenn die Theilung schon vollzogen ist, kann man an dem hinteren Theilstück die alten Afterwimpern noch vor- finden.) Zeiss DD, Oe. II. Gastrostyla vorax in Theilung, von der Rückenfläche gesehen. Die Theilung ist beinahe complet. Jedes Thier hat vier Nuclei und Nucleoli. In beiden Theilstücken hängt noch je ein Paar der Kerne zusammen. Das vordere Paar Kerne des vorderen Thieres zeigt noch Andeutung der fadenförmigen Anordnung der Kernsubstanz, die der jedesmaligen Kerntheilung voraufgeht. Von den aus der | Moritz Nussbaum: Theilung hervorgehenden Thieren ist das vordere das kleinere. Zeiss F, Öe. I. Eine Gastrostyla vorax aus der Oyste eben ausgekrochen, nachdem diese einen Tag lang in Wasser gelegen hatte. Kerne noch zum grössten Theil zusammenhängend. Vier Nucleolen. Zeiss F, Oec. 1. Ei aus dem Ovarialsack von Aulostomum gulo von der Seite ge- sehen. Der Kern beginnt sich zu strecken; an seinen beiden Polen ist das Protoplasma zu den Strahlen verdichtet. Beginn der Rich- tungsspindelbildung im Centrum des Eies. Zeiss CC, Oc. II. Der Kern desselben Eies bei Zeiss hom. Immers. 1/,,, Oe. II von oben gesehen. Im Inneren Fäden und drei Kernkörperchen. Die Richtungsspindel an der Peripherie des Eies von Aulostomum gulo im Ovarialsack. Die unfärbbaren Fäden der Spindel hängen mit den polaren Sonnenstrahlen zusammen und diese mit dem Fa- dennetz des Eiprotoplasmas. In der Mitte der Spindel die noch ungetheilten färbbaren Elemente. Die Dotterhaut ist doppelt con- tourirt. Das Ei wie auch das der Fig. 6 hat die zellige Umhül- lungshaut des Ovarialschlauches abgestreift. Fig. 9—12. Aus den in absolutem Alkohol gehärteten und mit Hämatoxylin Fig. [m] I, gefärbten Eiern von Ascaris megalocephala. Fig. 9. Eine gebogene Richtungsspindel vom Ei der Ascaris megalocephala. An den Enden der gebogenen Spindel je vier färbbare Fäden. Die verschiedene Lagerung der Theile ist durch die Abtönung der Zeichnung ange- deutet. Zeiss homog: Immers. 1/g, Oc. I. Fig. 10. Ein Theil der Eiperipherie von Ascaris megalocephala mit Spermatosom (links in der Zeichnung) und erster Richtungsspindel (rechts in der Zeichnung nahe der noch ganz dünnen primären Dotterhülle). Das Ei war vorsichtig gepresst und dadurch die beiden Arme der Spindel auseinandergetrieben. Die Fäden der Spindel sind so gelagert, dass sie in der Projection als Punkte er- scheinen. Zeiss, homog. Immers. 1/s, Oc. U. Fig. 11. Das erste Richtungskörperchen aus dem Ei von Ascaris megalocephala.. Man erkennt noch in ihm die unver- einigten vier Fäden. Das Ganze ist ein Kern, von Membran umschlossen. Zeiss F, Oc. Il. Tafel XXL Stylonychia histrio im Beginn der Theilung vom Rücken gesehen. Die beiden Peristome auf der Bauchfläche sind angelegt; die alten Fig.. 2. Fig. 3. Fig. 4. Fig. 5. Fig. 6. Fig. 7. Ueber die Theilbarkeit der: lebendigen Materie. 587 Schwanzwimpern schimmern durch den durchsichtigen Leibestheil von der Bauchseite her durch; die dorsalen Wimpern sind bis zur Rückenwölbung hin gezeichnet. Die Rückenwölbung und’ der abge- tlachte Rand sind in der Zeichnung. nicht dargestellt. _Der vordere Nucleus hat Spindelform angenommen; in dem rückwärts ‚gelegenen Nucleolus sind 'färbbare Fäden vorhanden. Die. Kerne sind matt eontourirt, enthalten ein feines Gerüst und mehrere färbbare Kern- körperchen. Zeiss F, Oc. I. Stylonychia histrio in einem etwas’ weiter vorgeschrittenen Stadium der Theilung vom Rücken her gesehen:, Die Kerne, bis .zur Berüh- rung genähert; beide Nucleoli mitotisch umgestaltet. Zeiss F, Oe II. Stylonychia histrio in Theilung von der Bauchfläche gesehen. Die Nucleolen noch wie in Fig. 2. Die Kerne vereinigt und ihr In- halt fadenförmig differenzirt. Alle Wimpern in beiden Hälften neu angelegt; die alten Randwimpern nach dem Rücken zu, die alten Afterwimpern nach links verdrängt. In der Mitte des Leibes be- ginnt die Trennungsfurche einzuschneiden. Zeiss F, Oc. 1. Ein folgendes Theilungsstadium von Stylonychia histrio vom Rücken aus gesehen. Der in Fig. 3 solitäre Kern hat sich getheilt; die beiden Theilstücke sind schon wieder beutelförmig gestaltet und haben einen aus färbbaren Fäden bestehenden Inhalt. Neben jedem Kerne zwei links davon gelegene Nucleoli. Die Furche in der Leibes- mitte ist entsprechend der weiteren Entwicklung der Theilungvor- gänge an Nuclei und Nucleoli tiefer geworden. Zeiss F, Oc, H. (Der Uebergang von Fig. 3 zu 4 ist direct an diesem Präparat con- statirt worden, da 15 Minuten vor dem Abtödten die jetzt getrenn- ten Kerne noch zusammenhingen.) Theilungsstadium von Stylonychia ‚histrio dicht vor der Trennung beider Individuen. In jedem derselben neue Randwimpern, 8 neue Stirnwimpern, 5 neue Bauchwimpern, 5 neue Afterwimpern und neue Bewimperung des Peristom. In beiden Theilen sind die After- wimpern noch nicht völlig orientirt; sie stehen nach rechts; in dem hinteren Theilsprössling sind links davon noch die alten Afterwim- pern erhalten. Jedes der Theile hat zwei Kerne. Von den Nucleolen war am unverletzten Präparat jedesmal nur ein links vom unteren Kern gelegener zu erkennen, wie die Zeichnung zeigt. Zeiss F, Oc. II. Ein isolirter Kern und Nucleolus in der relativen Lage aus einer nicht in Theilung begriffenen Stylonychia histrio. Zeiss F, Oc. 1. Kern aus Gastrostyla mit den beiden Nucleolen isolirt. (Stadium der Theilung wie in Fig. 3 von Stylonychia histrio.) Im Kern färbbare Fäden; an der Peripherie die Verschmelzungsnarbe aus mehreren Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd- 26. 34* 538 Moritz Nussbaum: Ueber die Theilbarkeit der lebendigen Materie. Kernen noch zu erkennen. Die Nucleolen zu Spindeln umgewandelt, in der unteren derselben zwei Reihen färbbarer Kügelchen. Zeiss hom. Immers. 1/js, Oc. II. Ein Kern von Stylonychia histrio aus dem Stadium ungefähr wie Fig. 3. Man sieht auch an den Fäden eine Anordnung, welche auf Vereinigung aus zwei Stücken hinweist. Zeiss hom. Immers. 1/ıg, Oe. 1. Von den Wimperkämmen des Peristom einer Gastrostyla vorax. In der ersten Reihe die Wimpern der ganzen Länge nach sichtbar ; in den übrigen zum Theil nur die Fusspunkte derselben. Zeiss hom. Immers. 1/, Oc. 1. Franz Eilhard Schulze: Ein Entwässerungsapparat. 539 Ein Entwässerungsapparat!). Von Franz Eilhard Schulze. Mit einem Holzschnitt. Wenn es sich darum handelt, suceulente Objekte, welehe sich in wässriger Lösung oder in schwachem Alkohol befinden, so all- mählich in absoluten Alkohol überzuführen, dass jegliche Schrum- pfung vermieden werden soll, so hat man sich bekanntlich bisher damit geholfen, die betreffenden Gebilde durch Uebertragen aus einem Gefässe in das andere innerhalb gewisser Zeiträume durch steigende Concentrationsgrade des Alkohols hindurchzuführen, bis schliesslich der absolute Alkohol erreicht war — ein langwieriges und zeitraubendes Verfahren. Man kann nun durch Zutröpfelnlassen von starkem oder ab- solutem Alkohol mittelst eines Tropfapparates eine langsame Stei- gserung der Alkoholeoncentration erreichen, doch erscheint dies Verfahren nur bei grösseren Objekten und bei Massenarbeiten zweck- mässig. Für kleinere oder einzelne Objekte, mit welchen man es doch in der Regel zu thun hat, wende ich einen nach dem Prinzip des Dialysators construirten Apparat an, welcher aus einem breiten Glasrohre mit oberer, quer nach aussen abstehender Ringplatte be- steht, also etwa die Form eines eylindrischen Herrenhutes mit ge- rader quer abstehender Krempe hat, welchem der Boden fehlt. Statt dieses Bodens ist die untere Oeffnung mit einer Papiermem- bran, die ringsum mit Leim am Glase befestigt ist, geschlossen. . Dieses hutförmige Glasgefäss mit Papierboden wird nun in ein grösseres Glusgefäss mit oberem ringplattenförmigen Rande so eingesetzt, dass sein der Hutkrempe entsprechender vorstehen- der oberer Rand auf dem oberen breiten Rand des grösseren Glas- gefässes dicht aufpasst und der mit dem Papierboden versehene röhrenförmige Theil in das Lumen des grösseren Gefässes hinein- hängt. Befindet sich in dem hutförmigen Einsatze das Objekt in möglichst wenig von der wässerigen oder schwach alkoholi- 1) Das Entwässerungs-Gefäss (Dialysator) kostet bei Warmbrunn, Quititz & Co. Berlin, ©. Rosenthalerstrasse 40, M. 2.75, das Gefäss zur Ausführung des Senkverfahrens M. 3.25. Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 26. 35 540 Franz Eilhard Schulze: schen Flüssigkeit, in dem äusseren Glasgefässe dagegen Alkohol absolutus, so wird gleich nach dem Eintauchen die Diffusion durch den Papierboden vor sich gehen, und nach einiger Zeit der Aus- gleich erzielt sein, wodurch in dem hutförmigen Einsatze statt der wässerigen oder schwach alkoholischen Lösung ein Alkohol hergestellt ist, weleher sich nur sehr wenig von Alkohol absolutus unterscheidet. Um die Verstärkung des Alkohols zu einer recht gleichmässi- gen zu machen, kann man zwei hutförmige Gefässe verschiedener Weite ineinander stecken und in das weitere schwachen Alkohol bringen. Dabei sollte nur ein geringer Abstand zwischen den bei- den übereinanderliegenden Papierböden sein, damit dieMenge des schwachen Alkohols nicht beträchtlich zu sein braucht. m in SE < OR |} | LU Durch Eingeben von einer etwa fingerhohen Schicht geglüh- ten schwefelsauren Kupfers (Kupfervitrioles) in das mit ab- solutem Alkohol gefüllte äussere Gefäss wird ein Wässrigwerden des absoluten Alkohols verhindert und die Entwässerung des Ob- jektes fast vollständig erzielt. (Siehe Holzschnitt A.) Ein bequemes Mittel, um zu prüfen, ob die im innersten (das Objekt bergenden) Gefässe befindliche Flüssigkeit nach einer be- stimmten Zeit, etwa 24 Stunden, bereits den gewünschten Grad der Ein Entwässerungsapparat. 541 Entwässerung erreicht hat, besteht darin, einen Tropfen derselben aus der engen Oeffnung einer kleinen spitz ausgezogenen Saug- pipette vorsichtig in die Mitte einer im Reagenzglase befindlichen Quantität von 98° Alkohol bei durchfallendem Lichte langsam aus- treten zu lassen. Ist die betreffende Flüssigkeit absoluter Alkohol, so steigt eine Schlieren bildende kleine Menge derselben von der Pipettenöffnung aus in die Höhe, hat sie dagegen noch einen Concentrationsgrad unter 98° so sinkt eine ebenfalls Schlieren bil- dende Quantität in den 98grädigen Alkohol nach abwärts. Nur wenn die Flüssigkeit selbst einen 9Sgrädigen Alkohol darstellt, entstehen beim Ausfliessen derselben aus der Pipettenöffnung keine Schlieren im 98grädigen Alkohol. Falls nun bei dieser Schlieren- probe sich herausstellt, dass die Flüssigkeit noch nicht ganz zu Alkohol absolutus geworden ist, so giesst man einfach ein grösse- res Quantum absoluten Alkohols zu und lässt ihn einige Zeit ste- hen, oder bringt das Object direkt in absoluten Alkohol; was aber in der Regel gar nicht nöthig sein wird — daher auch für ge- wöhnlich die ganze Schlierenprobe unnöthig ist. Für die Länge der Zeit, welche man für das ganze Entwässe- rungsverfahren opfern will, ist einerseits die Wahl der Papiersorte, welche man zur Herstellung des einfachen oder doppelten Dia- phragmas anwendet und andererseits die Niveaudifferenz zwischen dem äusseren Alkohol absolutus und der inneren Flüssigkeit von wesentlicher Bedeutung, während man in der Wahl der Papier- sorte gleichsam eine grobe Einstellung hat, besitzt man in der Niveaudifferenz eine sehr feine und subtile Handhabe zur Regu- lirung des ganzen Prozesses hinsichtlich seiner Geschwindigkeit. Ich habe bisher in der Regel das unter dem Namen „Postverdruss“ bekannte, sehr dünne und gleichmässige Briefpapier benutzt und hiermit durchaus befriedigende Resultate erzielt, z. B. Infusorien (Spirostomum ambiguum), die schwimmenden Brutknospen von Öscarella lobularis, verschiedene Larven, zarte Würmer u. dergl. subtile Objekte ohne jegliche Schrumpfung oder innere Verände- rung aus wässriger Färbelösung in Alkohol absolutus während einer Nacht übergeführt. Die Gefahr des Schrumpfens, welche sehr subtilen und schwie- rigen Objekten noch droht beim Ueberführen aus Alkohol absolutus in Chloroform oder in Canadabalsam lässt sich bekanntlich am besten vermeiden durch das soviel ich weiss zuerst in der zoologischen Sta- 542 Franz Eilhard Schulze: Ein Entwässerungsapparat. tion zu Neapel geübte „Senkverfahren“; indem man zwei über- einanderstehende Schichten aus Chloroform und dem bei weitem leichteren Alkohol absolutus herstellt und die Objekte einfach lang- sam aus dem absoluten Alkohol in das Chloroform einsinken lässt. Eine Benutzung dieses Senkverfahrens zum Ueberführen von Objek- ten aus dem Chloroform in Canadabalsamlösung ist aber dadurch ausgeschlossen, dass eine Lösung von Canadabalsam in Chloroform leichter ist als das reine Chloroform. Ich habe nun zum allmäh- lichen Ueberführen der Objekte aus absolutem Alkohol in Canada- balsam das Senkverfahren in der Weise modifizirt, dass ich drei über- einanderliegende Flüssigkeitsschichten herstelle, deren unterste eine Lösung von Canadabalsam in Xylol ist, deren mittlere aus reinem Xylol und deren oberste aus Alkohol absolutus besteht. Bringt man nun die mittelst meines Apparats entwässerten und in abso- lutem Alkohol befindlichen Objekte in die oberste (Alkohol abso- lutus) Schicht, so sinken sie, falls ihr specifisches Gewicht nicht ganz ungewöhnlich hoch ist, sehr langsam und allmählich, etwa wäh- rend einer Nacht in das Xylol und von diesem in die Canada- balsamxylollösung, aus welcher sie dann ohne Weiteres auf den Objektträger übertragen und sofort als Dauerpräparat eingeschlos- sen werden können. Für dieses so modifieirte Senkverfahren habe ich einen kleinen Glasapparat construirt, dessen Abbildung in dem obenstehenden Holzschnitt zu sehen ist. Derselbe, s. Holzschnitt B, besteht aus einem mit Fuss versehenen senkrechten Rohr, welches oben mit einem eingeschliffenen Stöpsel verschliessbar und unten etwa 8mm oberhalb des Bodens mit einem seitlichen Abflusshahn versehen ist. Die Lösung von Canadabalsam in Xylol nimmt die unterste Stelle ein und reicht grade bis zum Abflussrohr, darüber steht eine bedeutend höhere etwa 3cm hohe Xylolschicht und da- rauf als oberste Lage eine etwa lcm hohe Schicht von Alkohol absolutus. Nachdem die Objekte aus dem letzteren durch das Xylol in die Canadabalsamschicht gesunken sind, öffnet man den Hahn, lässt das Xylol und den Alkohol absolutus durch das seitliche Ausflussrohr abfliessen, und nimmt die Objekte aus dem Canada- balsam heraus oder giesst sie mit diesem einfach aus; welche letz- tere Procedur in solchen Fällen nützlich ist, wo es sich um sehr kleine Gebilde handelt, die man mit blossem Auge kaum sieht oder schwer herausheben kann. Joseph Heinrich List: Ueber Becherzellen und Leydig’sche Zellen. 543 Ueber Becherzellen und Leydig’sche Zellen (Schleimzellen). Von Dr. Joseph Heinrich List in Graz. Hierzu Tafel XXIL Seit mehr als dreissig Jahren ist der Ausdruck „Schleim- zellen“ durch Leydig!) in die Histologie eingeführt, fast zwei Dezennien sind seit F. E. Schulze’s?) umfassender Arbeit über Becherzellen verflossen, und noch werden in neueren Arbeiten, die über diese Gebilde handeln, Schleimzellen und Becherzellen bald als identische Begriffe aufgefasst, bald als differente Bezeichnungen für morphologisch verschiedene Gebilde angewendet. Hielt doch Leydig?) selbst die sogenannten „Schleimzellen“ (Becherzellen) im Darmepithele und diejenigen in der Oberhaut der Salamander- und Tritonlarven für analoge Gebilde. Und in manchen nun folgenden Arbeiten über das Darmepi- thel werden bald Schleim- bald Becherzellen beschrieben. In einer neueren Arbeit*) wirft Leydig Schleimzellen und Becherzellen zusammen, und er verwendet den Ausdruck Becher- zellen nur für geöffnete „Schleimzellen“. 1) F. Leydig, Ueber die Haut einiger Süsswasserfische. Zeitschrift f. wiss. Zoologie. Bd. III. 1853. Dass Leydig die später als Kolbenzellen bezeichneten Gebilde für Schleimzellen hielt, gibt er später (1 auf folg. Seite) selbst zu. 2) F. E. Schulze, Epithel- und Drüsenzellen. Archiv für mikrosk. Anatomie. Bd. III. 1867. 3) F. Leydig, Histologie. Frankfurt 1857. 4) F. Leydig, Neue Beiträge zur anatomischen Kenntniss der Haut- decke und der Hautsinnesorgane der Fische. Festschrift zur Feier des 100 jäh- rigen Bestehens der naturforschenden Gesellschaft in Halle. Halle 1879. 544 Joseph Heinrich List: Selbst Schiefferdeceker!) überschreibt den Theil seiner Arbeit, welcher von den Becherzellen im Blasenepithele des Frosches und der Kröte handelt, mit „Schleimzellen“. Indessen war man schon seit längerer Zeit durch genauere Beobachtung der Structurverhältnisse der Zellen auf Unterschiede der beiden Zellenarten aufmerksam geworden. So bemerkt schon Pfitzner?), dass man die Leydig’schen Zellen, wie er die Schleimzellen in der Oberhaut der Salamander- larve benennt, nicht einfach mit den Be'cherzellen identifieiren könne, da dieselben nie an die Oberfläche kommen und nie ein Stoma erhalten. Erst Paulicki?) trennt bei Beschreibung der Oberhaut des Axolotls Leydig’sche Zellen (von ihm auch Netzzellen genannt) und Becherzellen. Die ersteren gelangen nach ihm nie an die Oberfläche und bleiben stets geschlossen, während die letzteren mit einem Stoma versehen auf die Oberfläche ausmünden. Während er die Function der Leydig’schen Zellen unbestimmt lässt, spricht er die Becherzellen als einzellige Drüsen an, deren Function in der Entleerung von Schleim auf die Oberfläche besteht. Neuestens trennt nun auch Leydig*) Becherzellen und Scehleimzellen. In den ersteren findet sich ein von einem Maschenwerke durchzogener „Secretraum“ und öffnen sich die- selben durch ein Stoma. An den Schleimzellen konnte nie ein Stoma beobachtet werden. ‘ Ohne mich hier in ein Referat über die Literatur der Becher- und Schleimzellen einzulassen, will ich im folgenden die Unter- schiede zwischen Becherzellen und Schleimzellen hervor- 1) P. Schiefferdecker, Zur Kenntniss des Baues der Schleimdrüsen. Archiv für mikr. Anatomie. Bd. XXIV. 1884. 2) W. Pfitzner, Die Leydig’schen Schleimzellen in der Epidermis etc. Diss. Kiel. 1879. Ich bemerke hier, dass schon Th. Eimer in seiner Arbeit „Zur Geschichte der Becherzellen etc. Diss. Berlin 1867, p. 12 sagt, dass die Abbildungen, welche F. E. Schulze von den Becherzellen aus Schleim- häuten und aus der Haut verschiedener Thiere gibt, durchaus nicht identisch zu sein scheinen und meint, dass man vielleicht zwei Arten von Becherzellen unterscheiden müsse. 3) W. Paulicki, Ueber die Haut des Axolotls. Archiv für mikrosk. Anatomie. Bd. XXIV. 1884. 4) F. Leydig, Zelle und Gewebe. Bonn 1885, Ueber Becherzellen und Leydig’sche Zellen (Schleimzellen). 545 heben und möchte nur noch als zweckmässig betonen, anstatt des noch immer beliebten Namens Schleimzellen lieber an der von Pfitzner l. ec. eingeführten Bezeichnung Leydig’sche Zellen von nun an festzuhalten. Dadurch kann am besten der Verwirrung abgeholfen werden, welche in dem Doppelsinne des Ausdruckes Schleimzellen begründet ist. I. Becherzellen. Dieselben sind umgeben von einer anscheinend homogenen, aussen durchaus glatten Membran. Die Gestalt der Zellen ist eine sehr wechselnde, welche von der einfach kuglig-blasigen bis zur eylindrisch-walzenförmigen Form die mannigfachsten Uebergänge zeigt. Im allgemeinen lassen sich nun zwei Typen von Becher- zellen unterscheiden, welche schon F. E. Schulze |. ce. aufstellte. Unbefusste und befusste Becherzellen. Die unbefussten Becherzellen zerfallen in ungestielte und gestielte Formen!). 1. Unbefusste Becherzellen (Taf. XXII, Fig. 1, 2. 3, 6b, 7). Dieselben haben entweder kuglig-blasenartige, ellipsoidähn- liche, häufig auch eylindrisch-walzenförmige Form. Manchmal sieht man Einsehnürungen in der Mitte; nicht selten verjüngt sich die Theca nach oben zu, so dass eine kalebassen- oder flaschen- förmige Form zu Stande kommt. Die in den tieferen Schichten liegenden Becherzellen sind stets geschlossen und sehen wie schwe- bende Ballons im Epithele aus. Sobald sie an die Oberfläche ge- rückt sind, erhalten die meisten ein Stoma, welches nicht selten einem längeren oder kürzeren Halse der Becherzelle aufsitzt. Nie habe ich eine scharfe Trennung des Halses von dem erweiterten Theile der Becherzelle (Theca) gefunden, sondern er geht stets allmählich in dieselbe über. Der Kern liegt stets sowohl in geschlossenen als in geöff- 1) Zu dieser Eintheilung wurde ich namentlich veranlasst durch die eigenthümlichen Formen von Becherzellen, welche ich in der Oberhaut der Barteln und der Oberlippe von Cobitis fossilis fand. 546 Joseph Heinrich List: neten unbefussten Becherzellen in der Theca selbst und zwar am Grunde derselben der Thecawand dicht an, oder (in den weitaus sel- teneren Fällen) in unmittelbarster Nähe der letzteren. Diese Lage des Kernes charakterisirt im wesentlichen die unbefussten Formen. a) Ungestielte Becherzellen (Taf. XXII, Fig. 1, 2, 3). Für die Theca derselben passt im allgemeinen die oben ge- gebene Beschreibung. Bei geöffneten ungestielten Becherzellen liegt der Kern mit seltenen Ausnahmen an dem dem Stoma gegen- überliegenden Theile. Nie zeigt der Kern etwa lappige Formen. Der untere Theil desselben nimmt die Form der Thecawand an, der obere ist entweder mehr weniger glatt oder zeigt dellenför- mige Vertiefungen. An Präparaten aus Müller’scher Flüssigkeit oder Osmiumsäure ist derselbe stets glänzend und zeigt nur hie und da ein undeutliches Gerüstwerk oder ein Kernkörperchen. An frisch untersuchten Becherzellen dagegen konnte ich stets im Kern ein deutliches mit knotigen Verdiekungen versehenes Gerüst- werk nachweisen. Kernkörperchen sah ich stets deutlich hervor- treten nach Isolation der Becherzellen in Drittel-Alcohol und nachfolgender Tinction mit salpetersaurem Rosanilin oder Re- naut’schem Haematoxylin-Glycerin. Ich sah dann auch deutlich einen hellen Hof und um denselben einen Körnchenkreis, welcher scharf tingirt hervortrat!). b) Gestielte Becherzellen (Taf. XXII, Fig. 6b u. Fig. 7). Sehr häufig bekommt man an Isolationspräparaten Becher- zellen in’s Gesichtsfeld, welehe an dem unteren (an geöffneten, dem Stoma gegenüberliegenden) Theile der Theca einen anschei- nend homogenen, stark lichtbrechenden, schwanzartigen, längeren oder kürzeren Fortsatz besitzen. Ich habe diesen Fortsatz als Stiel bezeichnet. Wenn man nun mit stärkerer Vergrösserung diesen Stiel beobachtet, so sieht man, dass derselbe als eine Fort- setzung der Thecawand zu betrachten ist. Dieselbe verjüngt sich nach unten, und indem die sich nähernden Theile der Wand häufig mit einander verschmelzen, bilden sie den Stiel. 1) Vergl. die Schilderung in meiner Arbeit: Ueber Becherzellen im Blasenepithel des Frosches. Sitzungsberichte der Wiener Academie. Bd. LXXXIX. Abth. 3. 1884. Ueber Becherzellen und Leydig’sche Zellen (Schleimzellen). 547 Derselbe ist oft sehr kurz und gedrungen, besonders an in den tiefsten Schiehten des Epithels gelegenen Becherzellen, dann wieder bandartig verbreitert, mit Facetten versehen; oft ist derselbe wieder dünn und fadenförmig, oder an dem der Theca zunächst liegenden Theile verdickt und verjüngt sich gegen das untere Ende zu allmählich.. Im Cloakenepithele von Seyllium canicula kommen aber gestielte Becherzellen vor, bei welehen der Stiel von der oberflächlichsten Lage bis zur Mucosa reicht (Taf. Fig. 7) und die Länge der Becherzelle oft um mehr als das Doppelte übertrifft. Was nun die Entstehung dieses Stieles anbelangt, so glaube ich dies aus den Druckverhältnissen der umliegenden Epithelzellen ganz gut erklären zu können. Der in die Tiefe gedrungene Stiel wird beim Hinaufrücken der Becherzelle durch die umliegenden Epithelzellen einem starken Seitendrucke ausgesetzt, und da die Becherzelle von den Epithelzellen allmählich in die Höhe geschoben wird, so wird derselbe in die Länge gezogen und ausgedehnt. Was das Verhalten gegen Tinctionsmittel anbelangt, so er- wähne ich, dass nach Doppelfärbung mit Eosin-Methylgrün, der Stiel sich ebenso wie die Interfilarmasse grünlich färbt. An Chromsäurepräparaten, welche mit Haematoxylin-Glycerin, Bimarck- braun oder salpetersaurem Rosanilin tingirt worden waren, blieb der Stiel farblos, oder tingirte sich kaum merklich. Es lag nahe, an einen Zusammenhang dieser Stiele der Becher- zellen mit Nervenfasern zu denken. Und in der That habe ich auch an manchen gelungenen Schnittpräparaten Fasern aus der Mucosa ansteigend gegen die unterste Epithellage ziehen sehen. Ich habe nun im heurigen Frühjahre, da mir Scyllium nicht zu- gänglich war, das Cloakenepithel von Squatina vulgaris nach der Ranvier’schen Methode vergoldet und obwohl ich ganze Schnitt- serien anfertigte, und die Imprägnation vollständig gelungen war, kam ich doch nur zu negativen Resultaten. Ich bemerke noch, dass zwischen Stiel und Kern sehr häufig ein Raum in der Theca zurückbleibt, weleher von den Substanzen, die identisch sind mit der über dem Kern vorhandenen Filar- und Interfilarmasse, ausgefüllt ist. Sehr häufig setzt sich der Stiel scharf von der Theca ab, ist entweder gerade oder gewunden und zeigt an seinem unteren Ende nicht selten eine keulen- oder kolbenförmige Anschwellung. 548 Joseph Heinrich List: 2. Befusste Beeherzellen (Taf. XXJH, Fig. A, 5, 6a). Als ausgeprägten Typus der befussten Becherzellen be- trachte ich zum grössten Theile die Becherzellen in der Oberlippe von Cobitis fossilis, oder auch (aber mitunter weniger ausgeprägt) im Dünndarmepithele der meisten Wirbelthiere und in der Ober- haut vieler Wirbellosen. Der Fuss ist nichts anderes als eine Fortsetzung der Theca nach unten, welche Fortsetzung auch stets mehr oder weniger deut- lieh ausgebildet von der doppeltcontourirten Thecawand umgeben ist. Was die befussten von den unbefussten Becherzellen aus- zeichnet und morphologisch scharf trennt, ist, dass bei den be- fussten Formen der Kern stets im Fusse selbst liegt. Die Theca zeigt bei befussten Becherzellen so ziemlich die- selben Formen wie bei den unbefussten. Die Thecawand verjüngt sich sehr häufig und geht allmählich in den Fuss über, oder der- selbe setzt sich sehr scharf von der Theca ab und erhält so die Form einer Handhabe. Während in dem oberen Theile des Fusses die Thecawand von dem Inhalte desselben stets deutlich zu tren- nen ist, gelingt dies in den unteren Partien des Fusses nicht immer, ja in vielen Fällen ist sie vom Inhalte gar nicht mehr zu trennen, indem beide sich gleich lichtbrechend und gegen Tinetions- mittel gleichartig verhalten. Was die Lage des Kernes anlangt, die für die befussten Becherzellen so sehr charakteristisch ist, so ist es im allgemeinen schwer eine Norm aufzustellen. Während er in sehr vielen Fällen am Grunde (Ende) des Fusses liegt, welcher daselbst sehr häufig eine kolbenartige Erweiterung zeigt, liegt er (z. B. bei den Becherzellen aus dem Darmepithele, bei vielen Wir- bellosen ete.) im oberen oder mittleren Theile des Fusses. Stets zeigt der Kern rundliche, oder ellipsoidähnliche Form. Nie traf ich in befussten Becherzellen solche abgeplattete Kerne wie bei den unbefussten. An Chromsäurepräparaten tritt in dem Kerne stets ein deut- liches Gerüstwerk hervor, nur an Präparaten aus Osmiumsäure kann man in demselben stets ein oder zwei scharf hervortretende Kernkörperchen bemerken, Ueber Becherzellen und Leydig’sche Zellen (Schleimzellen). 549 Inhalt der Theca und des Fusses der Becherzellen!). Der Thecainhalt sämmtlicher Becherzellen besteht aus zwei Substanzen: 1. Eine in Form eines Gerüstwerkes die ganze Theca durch- ziehende, aus Strängen bestehende, Farbstoffe sehr begierig auf- nehmende Substanz: Filarmasse?). 2. Eine zwischen der Filarmasse befindliche, anscheinend ho- mogene, zähflüssige, Farbstoffe nur in sehr geringer Menge auf- nehmende Substanz: Interfilarmasse. Am Grunde der Theca bemerkt man sehr häufig eine so dichte Ansammlung der Filarsubstanz, dass dieselbe als eine dunkle, anscheinend compacte Masse auf den Kern zu liegen ksinmt. Niemals konnte ich eine direete Verbindung der Filarmasse mit dem Gerüstwerke des Kerns constatiren, wie Klein?) behaup- tet. Ich fand sehr häufig sowohl an frischen Becherzellen als auch an tingirten Präparaten die Filarmasse bis zum Kerne reichend und daselbst oft mit knotigen Anschwellungen endigend. Im Fusse nun findet sich stets auch Filar- und Interfilar- masse. Erstere ist in dichten Maschen angeordnet, unterscheidet sich aber von der Filarmasse der Theca durch ihr viel geringeres Vermögen Farbstoffe aufzunehmen. Sehr häufig sieht diese Filar- masse des Fusses wie eine dichte Granulation aus, welche sich erst bei stärkerer Vergrösserung als ein diehtmaschiges Gerüstwerk autlöst. Interessante Befunde über das eigenthümliche Verhalten des Inhaltes des Fusses der Becherzellen erhielt ich an Schnitten aus der Oberlippe von Cobitis fossilis, in welcher typische be- fusste Becherzellen vorkommen, nach Doppeltinetion mit Haematoxylin-Glycerin = Eosin. Während sich die Filar- und Interfilarmasse der Theca in verschiedenen Nuancen blau färbte, 1) Ich nehme hier nur einen kurzen Theil der Befunde auf, um die Becherzellen charakterisiren zu können. Ausführlich wird dieses Capitel be- handelt in einer grösseren demnächst erscheinenden Arbeit: Ueber den Bau der Becherzellen. 2) Ich glaubte am besten diese von Flemming (Zellsubstanz, Kern und Zelltheilung. Leipzig 1882) vorgeschlagene nichts präjudicirende Be- zeichnung hier anwenden zu können. 3) E. Klein, Observations on the structure of cells and nuclei. 1. Quarterly journal of micr. science. Vol. 18. 1878 u. II. ebenda, Vol. 19. 1879, 550 Joseph Heinrich List: tingirte sich sehr häufig nur der obere, unmittelbar an die Theca sich anschliessende Theil des Fusses, während sich der untere Theil desselben rosaroth, wie die Zellsubstanz der anliegen- den Epithelzellen färbtee Das Blau ging durch allmähliche Abstufungen in das Roth über. Hie und da fand ich auch Becher- zellen, deren gesammter Fussinhalt rosaroth gefärbt war. Auch die Becherzellen aus dem Darmepithele zeigen ein ähnliches Ver- halten. In denselben liegt der Nucleus gewöhnlich im oberen Theile des Fusses. Hie und da findet man allerdings auch Formen (Cloakenepithel der Plagiostomen und Dünndarmepithel verschie- dener Wirbelthiere), welche einen Uebergang (Zwischenstadium) zwischen befussten und gestielten Becherzellen zu bilden scheinen, und die mit demselben Rechte als gestielte wie als befusste Zellen angesehen werden können. In diesem Falle liegt der Kern ge- wöhnlich zum Theile noch in der Theca. Die Entleerung des Inhaltes der Becherzellen geschieht durch die Stomata. Häufig konnte ich an tingirten Querschnitten aus dem Stoma einen „Pfropf“ aus Filar- und Interfilarmasse be- stehend, hervorragen sehen. II. Leydig’sche Zellen (Fig. 8, 9, 10). Die Leydig’schen Zellen sind gewöhnlich kugelförmige Ge- bilde, welche von einer deutlichen Membran umgeben sind, die jene eigenthümliche von Langerhanst) zuerst beschriebene „rip- penartige“ Zeichnung auf der Oberfläche zeigt, und die später von Flemming als Ausdruck der Intercellularbrücken gedeutet wurden. Die Leydig’schen Zellen unterscheiden sich nun dadurch wesentlich von den Becherzellen, dass an ihrer Membran, soweit die Untersuchungen gezeigt haben, nie ein Stoma auftritt. Auch der Kern, dessen Lage gewöhnlich die Nähe des Cen- trums der Zelle ist, zeigt sich von dem der Becherzellen dadurch verschieden, dass er selır häufig lappige und verschieden kantige Formen zeigt, dergleichen man bei den Becherzellen nie beobach- ten kann. Der Inhalt besteht auch aus zwei Substanzen. 1) P. Langerhans, Ueber die Haut der Larve von Salamandra mac. Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. IX. Ueber Becherzellen und Leydig’sche Zellen (Schleimzellen). 551 Die Filarmasse ist in Form eines Balkennetzes, dessen Haupt- balken radienartig vom Kerne gegen die Membran hinziehen, angeordnet. Um den Kern finden sieh häufig grössere Ansamm- lungen dieser sich stärker tingirenden Masse. Auch an der innern Oberfläche der Membran fand ich hier und dort einzelne Maschen- züge. Die einzelnen Stränge bilden auch Knotenpunkte, von wel- chen nach andern Richtungen ziehende Balken abgehen. Die Ma- schen sind polygonal oder auch mehr rundlich, sind aber wohl nie sehr zahlreich anzutreffen. Auch die Grösse der einzelnen Maschen ist sehr verschieden. Häufig fand ich sie in der Nähe des Kerns kleiner als in der Peripherie. Die Interfilarmasse, die den Hauptbestandtheil des Zellinhaltes ausmacht, ist eine anscheinend homogene, gegen Farbstoffe sich indifferent verhaltende Substanz. Was die Bedeutung dieser Zellen anbelangt, so hat zwar Pfitzner!) sie als sekretorische Apparate für die Intercellular- lücken des Epithels aufgefasst. Es ist aber schwer sich dieser Deu- tung anzuschliessen. Man wird sie vielmehr bis nun als ebenso räthselhafte Gebilde wie die in verschiedenen Epithelien vorkom- menden Kolbenzellen etc. betrachten müssen. Die Unterschiede zwischen Becherzellen und Ley dig’schen Zellen wären also kurz zusammengefasst, folgende: 1. Die Becherzellen erhalten, sobald sie an die Oberfläche kommen, ein Stoma; an den Leydig’schen Zellen konnte bis nun noch nicht ein solches beobachtet werden. 2. Die Becherzellen zeigen mannichfache Formen durch den Auftritt verschiedener Anhangsgebilde als: Stiel und Fuss. 3. Der Nucleus liegt in den Becherzellen (unbefussten Formen) stets am Grunde der Theca dicht an. In den Leydig’schen Zel- len liegt der Kern in der Regel von der Membran entfernt, ge- wöhnlich in der Nähe des Centrums der Zelle. 4. Auf der äussern Oberfläche der T'hecawand der Becher- zellen konnte ich nie ähnliche Zeichnungen wahrnehmen, die etwa an jene von Langerhans beschriebenen rippenartigen und von Flemming als Intercellularbrücken angesprochenen Verdickungen erinnerten, sondern die äussere Thecawand schien stets glatt zu sein. 1) W. Pfitzner, Die Leydig’schen Schleimzellen in der Epidermis der Larve von Salamandra maculosa. Diss. Kiel 1879. 552 Joseph Heinrich List: Ueber Becherzellen u. Leydig’sche Zellen etc. Fig. 5. Die Becherzellen entleeren ihren Inhalt successive durch das gebildete Stoma und sind als einzellige Drüsen anzusehen, während die Funktion der Leydig’schen Zellen noch fraglich ist. ig. 10. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XXI. Becherzelle aus dem Cloakenepithele von Squatina vulgaris, frisch. 1025 : 1. Geschlossene Becherzelle aus der Oberhaut von Torpedo marmorata. Aus einem Querschnitte durch das Epithel. Härtung in 1/,/,-iger Chromsäure, Tincetion mit salpetersaurem Rosanilin. 600: 1. Geöffnete Becherzelle aus demselben Objecte. 600: 1. Geschlossene befusste Becherzelle aus der Oberlippe von Cobitis fossilis. Aus einem Querschnitte durch das Epithel. Härtung in 1/,0/yiger Chromsäure, Doppeltinction mit Hämatoxylin-Gly- cerin = Eosin. 600:1. Geöffnete befusste Becherzelle aus dem Dünndarmepithel von Falco tinnunculus. Aus Müller’scher Flüssigkeit. 600:1. a) Geöffnete, befusste, b) geöffnete gestielte Becherzelle aus dem Dünndarme einer jungen Katze. Aus Müller’scher Flüssigkeit. 600: 1. Geöffnete, gestielte (unbefusste) Becherzelle aus dem Cloaken- epithele von Scyllium canicula. Aus Müller’scher Flüssigkeit. 600: 1. . 8. Fig. 9. Leydig’sche Zellen aus dem Schwanze einer Tritonlarve. Flächenansicht. Härtung in 1/,0/y-iger Chromsäure, Tinction mit alkohol. Saffranin. 600: ]. Leydig’sche Zelle aus demselben Objeete. Aus einem Querschnitte. Härtung in 1/,0/,-iger Chromsäure, Tinction mit salpetersaurem Rosanilin. 600:1. aD. Een Ueber die Entwickelung des sympathischen Nervensystems. 553 Ueber die Entwickelung des sympathischen Nerven- systems. Zweiter-Dheilt) Von Dr. A. D. Onodi. Hierzu Tafel XXIII—XXVIU. III. Vögel. Die untersuchten Hühnerembryonen führten bezüglich der Ent- wickelung des Ganglion intervertebrale auf dem Gebiete des Rum- pfes und des Kopfes zu abweichenden Resultaten. Mit dieser Frage habe ich mich in einer meiner hieher einschlägigen (und schon angeführten) Arbeiten ausführlicher befasst, und will bei dieser Gelegenheit die bezüglichen Resultate kurz zusammenfassen. Beim Huhn stammt das Ganglion intervertebrale am Kopfe theils von der Zellenproliferation, theils von der gleichzeitigen Abschnü- rung des der Umbiegungsstelle in das Gehirnrohr naheliegenden Abschnittes des Eetoderma. Auf dem Gebiete des Rumpfes be- ginnt die Entwickelung des Ganglion intervertebrale am zweiten Brüttage aus dem dorsalen Theile des Medullarrohres; seine erste Form als Ganglienleiste mit der dorsalen Zellenschicht des Medullar- rohres zusammenhängend, strebt immer mehr seitwärts und wird zur bilateralen continuirlichen Ganglienkette, aus welcher dann der Prozess der segmentartigen Einschnürung und Ablösung die selbst- ständigen Ganglia intervertebralia hervorbringt. Bei Hühnerem- bryonen vom Anfange des dritten Brüttages beginnen die Ganglia intervertebralia selbstständiger zu werden; so z. B. finden wir bei einem 62 stündigen Hühnchen nur noch am distalen Theile des Embryorumpfes das Ganglion intervertebrale im Zusammenhange mit dem dorsalen Theile des Medullarrohres mittelst eines dünnen, aus einer Zellenreihe bestehenden Stieles. Mit dem dritten Brüt- tage hat das Ganglion intervertebrale eine ziemlich ansehnliche 1) Siehe dieses Archiv Bd. XXVI, S. 61-81. Ei KO Grösse erlangt, ist rasch gewachsen gegen die ventrale Wand des Medullarrohres und hat mit seinem distalen Ende schon die Aus- trittsstelle der vorderen Wurzeln erreicht. Abweichend von dem normalen Vorwärtswachsen des Ganglion intervertebrale zwischen das Medullarrohr und die Urwirbelplatte hinein, habe ich in einem Falle beobachtet, dass sich das Ganglion intervertebrale auf der einen Seite, an der ventralen Seite der Muskelplatte zwischen die Elemente der Urwirbelplatte drängte, fast bis zu deren Mitte, wo ‚es ganz verschwommen aufhörte. Hühnerembryonen vom dritten Brüttage zeigen mithin noch nichts von der Entwickelung des sym- pathischen Nervensystemes; das Ganglion intervertebrale wuchs bis zu der Austrittsstelle der m Form von feinen körnerlosen Fa- sern aus dem Medullarrohre herauswachsenden vorderen Wurzeln, umgeben von den charakteristischen Elementen des Mesoderma. Der bei Fischen beobachtete und beschriebene segmentartige Zellen- vermehrungsprozess am ventralen Ende des Ganglion interverte- brale kam nicht gut zur Geltung und Beobachtung. Serienquer- schnitte vonHühnerembryonen vom Ende des dritten und Anfang des vierten Tages zeigen zwar an mehreren Stellen solche Bilder, welche auf eine aus dem ventralen Theile des Ganglion intervertebrale her- vorgegangene Zellenproliferation mit aller Positivität folgern lassen, aber die einzelnen Entstehungsphasen der sympathischen Ganglien, so wie wir sie von Schritt auf Schritt bei den Fischen verfolgen konn- ten, suchten wir beim Huhne vergebens. An den Serienquerschnitten eines in seiner Entwickelung vorgeschrittenen Stägigen Hühnerembryo hatten wir Gelegenheit an mehreren Stellen einen Zellenstrang zu be- obachten, welcher unmittelbar unter dem vorderen Wurzelbündel ge- legen und dessen Elemente mit ihrer entschieden runden Form von den um die Chorda dorsalis gelagerten Mesodermazellen verschieden waren. Aufeinzelnen Schnitten setzt sich das ventrale Ende des Gan- glion intervertebrale verschwommen in einen unregelmässigen Zellen- strang fort, dessen runde Elemente, den faserigen Nervenstamm über- brückend, sich gegen dessen mediale Seite ordnen und diese theil- weise umfassen. An einzelnen wieder nimmt bei Mangel der ver- bindenden Zellen unter dem vorderen Wurzelbündel, den medialen Abschnitt des Nervenstammes theilweise deckend, der vorerwähnte Zellenstrang Platz. Diese, an den bei Fischen erkannten Zellen- proliferationsprozess erinnernden Bilder gelangten selten zur Be- obachtung; nur die Richtung der Anordnung und des Vorwärts- Ueber die Entwickelung des sympathischen Nervensystems. 555 wachsens der Zellen, die Lage des Zellenstranges sprechen für die erkannte Thatsache der Abstammung des Ganglion sympathieum. Hühnerembryonen vom vierten Tage zeigen gleichfalls ähnliche Bilder; doch haben wir einen unter der vorderen Wurzel gelager- ten, aus runden Zellen bestehenden Strang, oder einen, die vor- deren Wurzeln, resp..den Nervenstamm hie und da überbrückenden, von Ganglion intervertebrale zur medialen Seite des Nervenstammes ziehenden Zellenstrang sich segmentartig entwickeln nicht sehen können. Fig. 1 zeigt auf einem Querschnitte eines 80 stündigen Hühnerembryo jenen, auf sehr engen Raum beschränkten Prolife- rationsvorgang, welcher das künitige sympathische Ganglion ergibt. Das ventrale Ende des Ganglion intervertebrale ist verwischt, seine Zellenelemente sind in sehr lebhafter Theilung begriffen und über- brücken so die vorderen Wurzeln als den proximalen Theil des Nervenstammes. Den Zellen des Ganglion intervertebrale voll- kommen ähnliche Elemente umfassen in einer Ausdehnung von 0,0471 mm den medialen Theil des Nervenstammes. An den Quer- schnitten von Hühnern des fünften Brüttages lassen sich schon vorgeschrittenere Verhältnisse beobachten; wir begegnen dem Auf- treten des sympathischen Grenzstranges, die einzelnen sympathi- schen Ganglien repräsentiren sich ausgeprägter, noch immer nahe an der medialen Seite des Nervenstammes, stellenweise mit gut ausgesprochenen verbindenden Zellengruppen am Nervenstamme. An einzelnen Schnitten sind die ersten Communicansfasern gut ausgeprägt zu sehen, wie sie sich zwischen die Zellen des sym- pathischen Ganglion versenken, so auch die vom distalen Theile des Ganglion sich ablösenden und abgelösten wenigen Zellen, welche dem Unterleibsgefässe zustreben. Die Ganglienzellen treten infolge ihrer Gestalt und stärkeren Färbung gegen die charakte- ristischen Zellen des Mesoderma lebhaft hervor. Fig. 2 repräsen- tirt den Querschnitt eines 5tägigen Huhnes mit einem an der me- dialen Seite des faserigen Nervenstammes sitzenden sympathischen Ganglion, dessen Zellen dicht nebeneinander gelagert, sich gegen die Medianlinie und Ventralseite zu, in der Richtung des Unter- leibsgefässes ordnen und vermehren. Die Zellen des Ganglions haben grösstentheils einen Durchmesser von 48 «, sind in lebhafter Theilung begriffen; einige Nervenfasern unter ihnen sind die Vor- läufer der Rami communicantes. Das ventrale Ende des Ganglion liegt mit einer aus zwei Zellenreihen bestehenden Spitze in der Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 26, 36 556 kr One Höhe der dorsalen Wand des Unterleibsgefässes 0,0470 mm von demselben entfernt; einige Ganglienzellen sind schon abgelöst, andere in Ablösung begriffen. An den Serienquerschnitten einer 6tägigen Ente finden wir auch am distalen Ende den sympathischen Grenzstrang aufgebaut, in einer von der des entwickelten abweichenden Lage und Form. Auf den Schnitten Stägiger Hühnerembryonen erkannten wir schon die ersten Entwickelungsspuren der Geflechte der Visceralhöhle; die peripheren Zellen des sympathischen Ganglion vermehren sich, und gelangen infolge der Wachsthumsverhältnisse der dieselben um- lagernden Mesodermazellen, immer weiter peripherwärts. Von den vom sympathischen Ganglion abgelösten Zellen, welche an den Seiten des Unterleibsgefässes in Gruppen hervortreten, gelangen einige schon ganz nahe zur Wurzel des Mesenterium, wodurch stellenweise eine vollständige und zusammenhängende Schnur das Unterleibsgefäss umgibt. Die einzelnen Ganglienstränge besitzen eine ihrer Lage entsprechende Grösse, so sind die dem Nerven- stamme zunächst liegenden grösser als die mehr peripher befind- lichen; zu den Zellengruppen gehen einzelne Nervenfäden als Re- präsentanten der Rami communicantes. Der sympathische Grenz- strang gewinnt durch den Vorgang, welcher die Ganglienzellen gegen den ventralen Theil der Visceralhöhle hin gelangen lässt, eine ganz andere Form. In den eben Entwickelten verschmelzen die sympathischen Ganglien fast mit den Intervertebralganglien; in diesem Stadium der Entwickelung, wo der Grenzstrang schon aufgebaut ist, wird das Zellenmaterial der sympathischen Ganglien grossentheils zur Bildung der sympathischen Ganglien und Ge- flechte der Visceralhöhle aufgebraucht; so gelangt in ihrer Er- scheinung die Thatsache ihrer Abstammung von den Interverte- bralganglien immer schwächer und schwächer zum Ausdruck. Ausserdem erscheint am distalen Theile ungefähr 0,1230 mm von seiner Ursprungsstelle ein runder Zellenstrang, auf welchen be- sonders die durchsehnittenen ihn umringenden Gefässe aufmerksam machen. Der Zellenstrang ragt nur schwach hervor, seine Zellen sind dicht nebeneinander geordnet, in lebhafter Theilung begriffen. Dieser runde Zellenstrang erscheint immer schwächer und ver- wischter an seinem proximaleren Theile, nämlich gegen das distale Gebiet der Leber zu. Stellenweise finden wir sehr gut ausgeprägt die 0,0150 mm im Durchmesser haltende Ganglienkette, welche von Ueber die Entwickelung des sympathischen Nervensystems. 557 der medialen Seite des faserigen Nervenstammes mit den sich in dieselben einsenkenden Communicansfäden ganz bis zur ventralen Wand des Unterleibsgefässes reicht, wo sie mit dem gegenseitigen Zellenstrange in einem Bogen zusammenfliesst, vor dem sich noch an den Seiten einzelne Ganglienzellen loslösen. In dem proximalen Gebiete der Leber und des Herzens treten die Produkte des von den sympathischen Ganglien ausgegangenen lebhaften Prolifera- tionsprozesses in einer immer geringeren Zahl und mit veränderter Richtung auf. Die das Unterleibsgefäss umgebende, bald voll- ständige, bald durchbrochene Ganglienzone (Fig. 3), welche ganz bis zur Wurzel des Mesenteriums hinabreicht und Zellenfortsätze entsendet sowohl gegen die ventrale Seite hin, als auch seitwärts in der Richtung der Urnieren, hört nämlich auf, und begegnen wir nur den mit dem sympathischen Ganglion noch zusammen- hängenden oder von demselben schon losgelösten Zellensträngen, welche bis in die Nähe der dorsalen Wand des Unterleibsgefässes gelangen. In dem proximalen Theile des Embryorumpfes_ tritt das sympathische Ganglion allmählich schärfer hervor unmittelbar an der medialen Seite des Nervenstammes mit einem Breitendurch- messer von 0,0800 mm und einem Längendurchmesser von 0,1280 mn in einer Entfernung von 0,1760 mm vom distalen Ende des Gang- lion intervertebrale. Die vom sympathischen Ende losgelösten peri- pheren Ganglien sitzen zu beiden Seiten mit einem Durchmesser von 0,0320 mm ungefähr 0,0470 mm entfernt von der dorsalen Wand des Gefässes (Fig. 3). Im cervicalen Theile erinnert der sympathische Grenzstrang schon ganz ausgesprochen an den entwickelten, mit seinen durch- schnittenen Gangliensträngen hart am Nervenstamme An den Serienquerschnitten eines Huhnes von 5 Tagen und 18 Stunden entdecken wir auch schon am distalsten Theile den bilateralen continuirlichen sympathischen Grenzstrang, wie er gegen das Unter- leibsgefäss die mit ihm noch zusammenhängenden oder von ihm schon losgelösten Ganglienzellenfortsätze, die Grundlage der Gang- lien der Visceralhöhle entsendet. Am Gebiete des Rectum, in dem dasselbe fixirenden Mesenterialabschnitte, erscheint in viel bestimm- terer und entwickelterer Form, als beim vorigen, jener ovale Zellenstrang, dessen Elemente äusserst dicht nebeneinander gelagert sind und den an seiner dorsalen und vehtralen Wand Gefässe be- grenzen, stellenweise in den Zellenstrang selbst eindringend diesen 558 A.D. Onodi: in zwei, eventuell drei Theile zerlegend. Der Zellenstrang, wel- cher am distalen Theile einen 0,090 mm langen dorsoventralen, und einen 0,180 mm langen Transversaldurchmesser besitzt, hebt sich von den benachbarten Gewebselementen scharf ab, so dass ein schmaler, weisser Saum seine scharfe Grenzlinie bildet. Die schon bezeichneten Ganglienzellenfortsätze des sympathischen Grenzen- stranges ziehen zu beiden Seiten gegen diese Zellenstränge hin, bis in die Substanz des Mesenteriums; bis zu dem Zellenstrange kann man sie jedoch nicht verfolgen. Der sympathische Grenz- strang bis zum proximalen Gebiete der Urnieren verfolgt, ist zu beiden Seiten vollständig und stärker entwickelt, als wir ihn in der vorigen Periode gesehen haben, die sich von demselben ab- sondernden Ganglienmassen sind auch stärker, obgleich wir ihnen nicht stets und nicht in gleichem Masse begegnen an der Seite des Unterleibsgefässes. Der in der Tiefe des Mesenterium, ungefähr 0,063 mm vom Darmepithel liegende Zellenstrang tritt immer schärfer hervor, seine dicht nebeneinander gelagerten Zellen haben einen Durchmesser von 0,032—0,0044 mm, der Zellenstrang ver- liert in transversaler Richtung immer mehr gegen das proximale Ende des Embryo zu, sodass aus der ovalen Form ein 0,090 mm dieker vollkommen runder Zellenstrang wird. Im Gebiete der Genitalhügel verlieren wir die Spuren jenes Zellenstranges, wel- chen wir seit Remak als Darmnerv kennen. Im Gebiete der Leber sind die. peripheren Ganglien der Visceralhöhle immer schwerer zu sehen, ausgenommen je einen Strang beiderseits nahe der seitlichen dorsalen Wand des Unterleibsgefässes, welcher fast immer zu finden ist. Die sympathischen Grenzganglien zeigen sich kräftiger, näher dem distalen Theile des Ganglion interverte- brale, ferner treten auch die Rami ecommunicantes schärfer hervor; besonders gut ausgedrückt ist die Verbindung zwischen den vor- deren Wurzeln und dem sympathischen Ganglion, welch motori- sches Faserbündel von den vorderen Wurzeln schnurgrade zu den sympathischen Elementen zieht, ohne den Nervenstamm zu berühren. In solchem Falle ziehen auch vom Nervenstamme kleinere Bündel zum sympathischen Ganglion. Die in das sympathische Ganglion sich einsenkenden Nervenfäden wachsen nach vorwärts zum peri- pheren Theile des Ganglion, wo die Ganglienzellen in Proliferation begriffen sind und die Ganglien der Visceralhöhle sich entwickeln und ablösen. Zuerst begegnen wir immer der selbständigen Gang- Ueber die Entwickelung des sympathischen Nervensystems. 559 lienzellengruppe und erst dann den zu derselben ziehenden Nerven- fäden. Im proximalen Theile des Rumpfes, gegen den Hals zu, und am Halse zieht sieh der sympathische Grenzstrang hart an der medialen Seite des Nervenstammes hin, seine durchschnittenen Ganglienstränge schwanken zwischen Durchmessern von 0,0320— 0,0470—0,0960 und 0,2480 mm und liegen seitwärts am Wirbel- körper, unmittelbar unter der Vereinigungsstelle der vorderen Wurzeln mit dem Nervenstamme, in einer Entfernung von beiläufig 0,8800—0,2480 mm vom distalen Ende des Ganglion intervertebrale. Zwischen den zwei Ganglien laufen bogenförmig (mit Umgehung des Ganglion intervertebrale) die für den Dorsalzweig bestimmten vorderen Wurzelstränge. An den Serienquerschnitten einer Ente von 6 Tagen und 19 Stunden, begegnen wir im distalen Theile des Embryorumpfes, im Mesenterium, dem Durchschnitte des Darmnerven, dessen 0,0300 mm haltender Durchmesser in proximaler Richtung abnimmt; im Ge- biete der Genitalhügel verliert sich seine Spur. Im distalen Theile lassen sich die vom sympathischen Grenzstrange ausgehenden Ganglienzellenfortsätze bis in die Nähe des Mesenteriums verfolgen, aber dieselben mit dem Darmnerven in Zusammenhang zu bringen gelingt nieht. Der sympathische Grenzstrang tritt zu beiden Seiten continuirlich auf, aber in sehr geringer Ausdehnung, da seine Sub- stanz in sehr grossem Masse zur Bildung der Ganglien der Vis- ceralhöhle in Anspruch genommen wurde, so dass wir diese auf jedem Schritte antreffen, bald noch im Zusammenhange mit ihrem Abstammungsorte, dem sympathischen Grenzstrange, bald in Form losgelöster Ganglienzellengruppen, das Unterleibsgefäss umfassend. Diese peripheren Ganglienzellengruppen wachsen nicht nur gegen die ventrale Seite, sondern in verschiedener Ausdehnung auch in sagittaler Richtung, indem sie dadurch die Bildung der sympathi- schen Gangliengeflechte der Visceralhöhle befördern. Wo dieser Vorgang (in noch jüngeren Stadien) noch nicht eingetreten ist, da finden wir auch die Ganglien der Visceralhöhle nicht auf jedem Schnitte. In diesem Stadium ist im distalen Theile und im Ge- biete der Urnieren die Abstammung und das Fortwachsen der peripheren Gangliengruppen der Visceralhöhle schön zu sehen. Die Ganglienstränge der Visceralhöhle sind, ihrer Lage entsprechend, von verschiedenem Durchmesser, so haben sie in der Nähe des sympathischen Grenzstranges eine Dicke von ungefähr 0,0320 mm, 560 A.D. Onodi: die entfernter liegenden hingegen schwanken zwischen 0,0160 und 0,0096 mm. Im Gebiete der Leber finden wir die Durchschnitte des sympathischen Grenzstranges nahe am Nervenstamme klarer ausgedrückt, ebenso kommen auch die Rami communicantes kräf- tiger zum Ausdruck. Die Ganglien der Visceralhöhle repräsentiren . sich ebenfalls deutlicher, aber nieht mehr so sehr an der Seite des Unterleibsgefässes als vielmehr in der Höhe seiner dorsalen Wand; ja stellenweise ist es sogar deutlich zu sehen, wie die nahe der dorsalen Wand des Unterleibsgefässes liegenden, correspon- direnden Ganglienstränge aus ihren medialen Theilen schwache Zellenfortsätze in der Richtung gegeneinander senden, hierdurch die Bildung des künftigen Plexus andeutend. In der Gegend des Herzens und proximalwärts sitzen die durchschnittenen Ganglienstränge des sympathischen Grenzstranges immer mehr ausgesprochen unmittelbar an der medialen Seite des Nervenstammes, und begrenzen immer schärfer das Gebiet des zwischen diesen und dem Ganglion intervertebrale vor sich gehen- den Nervenfasernaustausches. Am distalsten Abschnitte eines 7 Tage lang bebrüteten Hühnerembryos finden wir oberhalb des Rectum, ausser den Durchsehnitten des schon deutlich ausgespro- chenen sympathischen Grenzstranges und der von demselben schon losgelösten Ganglien der Visceralhöhle, die einzelnen Fortsätze der zwischen den Caudalgefässen sich dahin ziehenden Gangliengruppen schon an der ventralen Seite des Gefässes, mit einem Durchmesser von 0,0320 mm. In dem proximalen Theile der Cloake tritt der schon erwähnte Remak’sche Darmnerv in ansehnlicher Form auf, anfangs in ausgesprochener Kartenherzform, deren Spitze gegen die Gefässe, deren tiefer Einschnitt gegen die Cloake blickt; später erscheint er in Bohnenform, mit seinem convexen Rande gegen die dorsale, mit dem concaven gegen die ventrale Seite gewendet, im distalen Theile des Reetums wieder verleiht er dem in transversaler Richtung verlängerten Strange ein solches Aussehen, als wenn dieses aus zwei Strängen zusammengesetzt wäre. Dieser Zellen- strang, dessen grösster Durchmesser 0,2720 mm beträgt, wird dureh einzelne Faserzüge in mehrere grössere und kleinere Bündel ein- getheilt, der ganze Strang hingegen wird durch einen schwachen, weissen Saum von seiner Umgebung scharf abgegrenzt. Die bei- derseitigen Ganglienzellenfortsätze der Visceralhöhle hingegen bil- den, stellenweise zwischen den beiden Unterleibsgefässen mit ein- Ueber die Entwickelung des sympathischen Nervensystems. 561 ander in Verbindung tretend, einen ganzen Ganglienzellenbogen. In proximaler Richtung besteht der im Mesenterium befindliche Ganglienstrang stellenweise entschieden — wie die Figur 9 zeigt — aus zwei ungleichen Abschnitten, der eine besitzt einen Durch- messer von 0,1120 mm, der zweite einen solchen von 0,0800 mm; diese doppelte Form geht jenem bekannten runden Strange voran, welcher mit einem Durchmesser von 0,1120 mm nahe dem Darm- robrepithel mit der Verlängerung des Mesenteriums in dessen Tiefe immer schärfer zu Tage tritt. Im Gebiete der Urnieren zeigen die sympathischen Ganglienstränge der Visceralhöhle eine stärkere Entwickelung, ebenso gelangen auch die Ganglienbögen und Ge- flechte schöner zum Ausdruck. Stellenweise kann man es sehr schön sehen, wie zu beiden Seiten das an der medialen Seite des faserigen Nervenstammes sitzende sympathische Ganglion mit seinen Nervenfasern in Bogenform unter die ventrale Wand des Unter- leibsgefässes zieht, wo es mit dem der entgegengesetzten Seite in Verbindung tritt; hiedurch bilden die aus dem Rückenmark her- vorgehende Nervenfasern und Ganglienzellen einen Ring, welcher bezüglich seiner Abstammung ein Produkt des Rückenmarkes ist, und in dessen peripherem Abschnitte die Elemente des Ganglion intervertebrale, wie auch Bündel der vorderen und hinteren Wur- zelfasern enthalten sind. Schon im früheren Stadium haben wir das Auftreten der Rami communicantes und deren Streben zu den mehr peripher gelegenen Ganglienzellen-Gruppen der Visceralhöhle gesehen, in dieser Serie sind nieht nur die Rami communicantes beträchtlicher entwickelt, sondern, ausser dem ausgesprocheneren Erscheinen der in den Ganglien grösstentheils horizontal oder schräge in ventraler Rich- tung ziehenden communicirenden und peripheren Nervenzweige, sind auch im sympathischen Grenzstrange auf- und abziehende Faserbahnen mächtig zum Ausdruck gelangt. In der Herz- und Halsgegend ist das schon erwähnte Lagen- und Grössenverhältniss dem definitiven Zustande entsprechend in Zunahme begriffen; die Durchschnitte des sympathischen Grenzstranges umgeben die me- diale Seite des Nervenstammes fast bis zu den vorderen Nerven- wurzeln, stellenweise dringen einzelne kleinere Zellengruppen in den Nervenstamm ein, oder von Seite des Ganglion intervertebrale her. Die kleinste Distanz zwischen den zwei Ganglien ist 0,0960 mm. Von Serienschnitten eines 8 Tage gebrüteten Hühnerembryo’s 562 "AD Onodi: standen mir nur diejenigen aus dem Gebiete des Halses und der Lungen zur Verfügung. Die auffallendste Veränderung besteht darin, dass die Ganglienelemente, welche die Rami communicantes um- geben, sich so sehr vermehren, dass sie unter dem distalen Ende des Ganglion intervertebrale nur stellenweise einen grösseren, 0,8500 mm, anderswo einen kleineren, 0,0320 mm: messenden Raum lassen, für den Faseraustausch und den Aufbau der Nervenzweige. Ausserdem sind auch die abgesehnürten peripheren sympathischen Ganglien, welche um das Gefäss herum gelagert sind, in Wachs- thum begriffen, und stehen mit gut ausgebildeten, sympathischen peripheren Nervenzweigen in direkter Verbindung (Fig. 6). Die sympathischen Ganglien haben einen beträchtlichen Durchmesser, in dorso-ventraler Richtung 0,1920—0,2240 mm, in transversaler 0,2450—0,1600 mm. Der Durchmesser der Zellen in dem sympa- thischen Ganglion ist 1,15 u, im Ganglion intervertebrale 2—2,5 u. Das Wachsthum der Elemente der sympathischen Ganglien geht in so bedeutendem Maasse vor sich, dass vor und hinter der Stelle des Faseraustausches die zwei Ganglien sich fast berühren (Fig. 7), so kann die Distanz zwischen den zwei Ganglien 0,0160 und 0,0096 mm ausmachen, ja es können sogar, wie die Figur 8 zeigt, die zwei Ganglien vollständig mit einander verschmelzen, und nur die Grössenverschiedenheit der Ganglienzellen und der an der me- dialen Seite zwischen den zwei Ganglien liegende Gefässdurch- schnitt bezeichnet die Grenze. Auf diesem kleinen Raum, welcher dem Faseraustausche zwischen den zwei Ganglien reservirt ist, lassen sich die, die Rami eommunicantes bildenden Elemente, wie es die Figur 6 zeigt, am schönsten überblicken. Das sympathische Ganglion steht einerseits mit den vordern Wurzeln und den vordern cerebrospinalen Nervenästen in Verbindung, anderseits mit dem Ganglion intervertebrale und dem hinteren cerebrospinalen Aste. Ausserdem fällt auch ein schmächtiges Sehleifenbündel auf, welches in Bogenform die Verbindung zwischen den vorderen und hinteren cereprospinalen Aeste herstellt. An den auf Hals und Lungen bezüglichen Querschnitten eines neuntägigen Huhnes finden wir die im vorigen skizzirten Verhält- nisse noch viel plastischer ausgedrückt. Die zwei Ganglien gehen stellenweise im Gebiete der Lungen ohne Scheidewand in einan- der über; auf dem zwischen den zwei Ganglien befindlichen Raume lassen sich die Faserverbindungen am schönsten überblicken; die Ueber die Entwickelung des sympathischen Nervensystems. 563 sich vermehrenden Ganglienelemente füllen jeden Winkel aus, so auch denjenigen zwischen dem vorderen und hinteren cerebrospi- nalen Nervenaste. Oft begegnen wir Bildern, wo die zwei Ganglien nur ein haarfeiner weisser Saum von einander trennt. Am Halse sitzen die zwar mächtigen, sympathischen Ganglien nur an der medialen Seite des Nervenstammes unmittelbar unter den vorderen Wurzeln, und in dieser ihrer Lage verräth sich am auffallendsten die Verbindung, welche zwischen dem dorsalen cerebrospinalen Nervenaste und dem sympathischen Ganglion besteht. In der Einleitung sind die Ansichten jener Autoren erwähnt, welche das sympathische Nervensystem als mesodermales Gebilde betrachteten und unter ihnen hat His, der sich in seiner eitirten Arbeit mit den sympathischen Ganglien des Huhnes befasst, seine frühere Ansicht zurückgezogen, ohne dass er jedoch neuerdings zur Frage gesprochen hätte, und so ist es einzig die Arbeit Schenk’s und Birdsall’s, welehe sich mit den sympathischen Ganglien des Huhnes aus dem von uns eingenommenen Standpunkte beschäftigt. Beide leiten die sympathischen Ganglien von den intervertebralen Ganglien ab, obgleich sie diesen Vorgang nicht beobachten konnten und man an Embryonen des fünften Brüttages nur einem bereits vorgerückteren Stadium, d. h. der Bildung des sympathischen Grenzstranges begegnen kann. Ihre veröffentlichten Zeichnungen, Beschreibungen und wenigen Beobachtungen vermögen weder die Frage der Abstammung der sympathischen Ganglien zu entscheiden noch auch ihrer aufgestellten Behauptung weitere Ver- breitung zu sichern. Hierüber hat sich übrigens Braun (Bau und Ent- wicklung der Nebennieren bei Reptilien. Arbeiten aus dem zoologisch- zootomischen Institute in Würzburg, Bd. V, Heft I. 1879)auch in ähn- lichem Sinne geäussert. Wir unserseits wollen unsere auf das Huhn bezüglichen Untersuchungsresultate auf Grundlage der beiFischen ge- fundenen Thatsachen erklären und zusammenfassen, weil beim Huhne die complieirten Verhältnisse der ersten Entwieklungsstufen die Ver- gleichung nothwendig machen, ja dieselbe sogar eine nothwendige Basis der gleichförmigen Entwickelungsweise der sympathischen Ganglien bilde. Unsere an Hühnerembryonen vorgenommenen Untersuchungen haben uns zwar die Ueberzeugung geliefert, dass auch hier die sympathischen Ganglien Derivate der intervertebra- len Ganglien sind, sie gewährten uns jedoch kein genaues Bild von den Details der allerersten Entwickelungsmomente. Bei den 564 AD. Oncdi: Urfischen erleichtert der langsame Entwiekelungsgang und die ein- fachere Entwickelung der Urorgane in bedeutendem Maasse die - Beobachtung und die Klarlegung der feinsten Verhältnisse; bei Hühnerembryonen hingegen erheischt der raschere Fortgang der Entwickelung, neben den complicirteren Verhältnissen der Keim- blätterproducte, zur, wenn auch nur theilweisen Lösung der schwie- rigen Fragen, ausser einer grossen Anzahl von Seriensehnitten noch die Vergleichung. Es ist unleugbar, dass das bei Fischen Schritt auf Schritt verfolgbare segmentartige Auftreten der sym- pathischen Ganglien und deren Loslösung von den Intervertebral- ganglien sich an Hühnerembryonen den Segmenten entsprechend nicht so genau beobachten lässt und dass bei Hühnern blos der sympathische Grenzstrang und dessen fernere Entwickelung zur genauen Beobachtung gelangt. Nichts desto weniger wollen wir auf Grund der uns zur Verfügung stehenden einzelnen Beobach- tungen und der bei Fischen beobachteten Thatsachen es versuchen, auch beim Huhne auf die allerersten Entwickelungsmomente der sympathischen Ganglien einiges Lieht zu werfen. Im Vorgehenden haben wir es berührt, dass wir uns stellen- weise an dem distalen Theile des Ganglion intervertebrale von der begonnenen Zellenproliferation überzeugen konnten, deren Pro- dukt in unregelmässiger Form zu seinem späteren Orte hinzog; wir haben erwähnt, dass an mehreren Stellen, wo dieser sehr früh- zeitige Process schon abgelaufen ist, wir unmittelbar unter dem vorderen Wurzelstrange das sympathische Ganglion gefunden haben, manchmal auch durch Vermittlung von Ganglienzellen noch mit dem Ganglion intervertebrale im Zusammenhange stehend. Es taucht nun die Frage auf, auf welche Weise die sympathischen Ganglien beim Huhne entstehen? Nachdem wir die Ganglia inter- vertebralia von ihrem Erscheinen am dorsalen Theile des Medulla- rohres ganz bis zu ihrer rasch erfolgenden Selbstständigkeit ver- folgt haben, beginnen die Verhältnisse am dritten Tage mit dem Auftreten der vorderen Wurzeln sich zu verwickeln, der distale Theil des Ganglion intervertebrale beginnt zu verschwimmen, die Mesodermalelemente umgeben ihn dieht, und die wenigen feinen vorderen Wurzelfäden bestreben sich, den distalen Theil des Ganglion intervertebrale zu erreichen. In diesem Stadium nun geht die Entstehung der sympathischen Ganglien vor sich, welche erst am vierten Tage einige prägnante Bilder zeigt, die für die Ueber die Entwickelung des sympathischen Nervensystems. 565 bei Fischen erkannte Entwicklungsweise sprechen. Wir geben unserer Ueberzeugung dahin Ausdruck, dass auf diesem kleinen Raume, wo das untere Ende des Ganglion intervertebrale seine scharfe Grenzlinie verliert, das heisst in dem dort begonnenen Zellenproliferationsprocesse, welcher, mit den bei Fischen gefun- denen verglichen, viel schwächer ist, auch den sich entwickelnden vorderen Wurzeln eine Rolle zukömmt. Mit dem Auftreten der Wurzeln gleichzeitig zeigt sich auch die Verschwommenheit des unteren Theiles des Ganglion intervertebrale, das schwache Pro- dukt der Zellenproliferation tritt nur hie und da schärfer hervor und zwar unmittelbar unter den vorderen Wurzeln. Dass von Seite des Ganglion interverteprale Ganglienzellen zwischen die Elemente des Mesoderma gelangen können zeigt der erwähnte Fall, wo das Ganglion intervertebrale sich abnormal an der ventralen Seite der Muskelplatte in die Urwirbelplatte versenkte und mit deren Elemente ganz zusammenfloss. Die sympathischen Ganglien, so wie sie besser hervortreten, finden wir unter dem verwischten Ende des Spinalganglion und unter den vorderen Wurzeln, häufig durch Ganglienzellen in Verbindung mit dem Ganglion interverte- brale. Wir geben der Ansicht Ausdruck, dass bei Hühnern ebenso wie bei Fischen die sympathischen Ganglien Produkte der distalen Zellenproliferation der Intervertebralganglien sind, welcher Vor- sang am ganzen Rumpfe im allgemeinen schwach, stellenweise jedoch kräftiger zur Erscheinung gelangt; und obgleich wir keine unmittelbare Beobachtung dafür haben, dass die vorderen Wurzeln, indem sie sich in den distalen Theil des Ganglion intervertebrale versenken, den Zellenproiiferations- und den Abschnürungsprocess einleiten, welcher das sympathische Ganglion zum Resultate haben würde, so macht es doch die Beobachtung der einzelnen abnormalen Entwicklungsverhältnisse sehr wahrscheinlich, ganz abgesehen von dem engen Verhältnisse, welches im entwickelten Thiere zwischen den sympathischen Ganglien und den vordern Wurzeln besteht — dass zwischen dem sympathischen Ganglion und den vorderen Wurzeln ein Zusammenhang vorhanden ist. Jene abnormalen Entwickelungsfälle, welche ich inmitten der Untersuchung über die Entwickelung der Spinalganglien und der Nervenwurzeln beobachtet habe, besitzen ein besonderes Interesse, indem sie die abnormale Verbindung der vorderen Wurzeln mit dem Ganglion intervertebrale und dieser Art das Hineingelangen 566 AD. Onnli: von Ganglienzellen in die Bahn der vorderen Wurzeln erklären. So trat auf einzelnen Querschnitten eines 5 Tage und 18 Stunden bebrüteten Hühnerembryo’s bei ganz normalem Verlaufe der vor- deren und hinteren Wurzeln, nahe an jener Stelle, wo die vorderen Wurzeln gewöhnlieh ihren Austritt nehmen, ein 0,0128 mm starkes, aus feinen Fasern zusammengesetztes Wurzelbündel von dem vor- deren seitlichen Theile der Medulla spinalis hervor. Dieses Bündel halte ich, seiner Lage und seinem Verlaufe nach, für ein abnor- males vorderes Wurzeibündei. Auf einem folgenden Schnitte ver- läuft dieses abnormale vordere Wurzelbündel im Ganglion inter- vertebrale in transversaler Richtung und bin ich zu der Ansicht geneigt, dass es einen Theil der motorischen Elemente des dorsa- len Nervenzweiges bilde. Dort wo dieses abnormale vordere Wur- zelbündel mit dem Ganglion intervertebrale in Verbindung tritt (Fig. 4) ist die Kleinheit der intervertebralen Ganglienelemente auffallend, das heisst, dass sie, in ihrer Entwicklung zurückblei- bend, den Charakter der embryonalen sympathischen Ganglien- zellen angenommen haben. Viel schöner und in grösserer Aus- dehnung ist dieses auffallende Formverhältniss auf einzelnen Quer- schnitten eines ebenfalls 5 Tage und 18 Stunden bebrüteten Hüh- nerembryo’s zu beobachten. Aus der seitlichen ventralen Wand der Medulla spinalis trat auf der einen Seite ein 0,0480 mm dickes, normales vorderes Wurzelbündel hervor und trat alsbald in ab- normer Weise mit dem Ganglion intervertebrale in Verbindung. An der Verbindungsstelle, auf einem Raume von ungefähr 0,1120 mm an der medialen Seite des Ganglion intervertebrale, hatten die Ganglienzellen einen sympathischen Charakter und besassen ab- weichend von den benachbarten intervertebralen Ganglienzellen einen Durchmesser von 1—1,5 u. Das Ganglion intervertebrale er- streckte sich noch auf 0,0480 mm weiter unter dem vorderen Wur- zelstrange hin und die zum Nervenstamme strebenden Fasern des letzteren umgaben an der medialen Seite jene bezeichneten Zellen sympathischen Charakters, während sie an der lateralen Seite von den normalen grösseren intervertebralen Ganglienzellen umfasst wurden (Fig. 5). Bei einem 20 mm langen Meerschweinchen hat bei normalem Verlauf der hinteren Wurzeln an einzelnen Schnitten die 0,0416 mm dicke vordere Wurzel das distale Ende des Ganglion interverte- brale abgeschnürt. In Folge dessen lag das distale Ende des Ueber die Entwickelung des sympathischen Nervensystems. 567 Ganglion intervertebrale an der lateralen Seite der vorderen Wurzel, an ihrer medialen Seite der abgeschnürte Ganglienabschnitt (dorso- ventraler Durchmesser 0,0704 mm, transversaler Durchmesser 0,2240 mm). Die Ganglienzellen haben 0,0064—0,0096 mm im Durchmesser (Fig. 10). Die vorgebrachten Befunde dokumentiren auf eine, jeden Zweifel ausschliessende Weise, dass in die Bahn der vorderen Wurzeln Ganglienzellen mittelst Abschnürung ge- langen können; für unsere vorliegende Frage gestatten sie jedoch einen Rückschluss auf jenen frühen Zustand, in welehem die Ent- wiekelung der vorderen Wurzeln und des sympathischen Ganglion vor sich geht. Und wir nehmen keinen Anstand, dieses abnormale Formverhältniss als eine Wiederholung des in einem früheren Stadium der Entwickelung vor sich gehenden Processes zu be- trachten und auf diese Weise darin einen Beweis für die innige Beziehung der Entwickelungsmomente der vorderen Wurzeln und des sympathischen Ganglion zu erblicken. Diese unsere Anschauung bekräftigt ausser den oben Angeführten besonders der Umstand, dass dort, wo die vorderen Wurzeln auf abnormale Weise mit dem Ganglion intervertebrale in Verbindung treten, die Ganglienelemente des entsprechenden Abschnittes an Grösse zurückbleiben, das heisst sympathischen Charakter annehmen. Laut dem Vorgebenden sind auch beim Huhne die sympathischen Ganglienproducte der Zellenproliferation am distalen Theile der Ganglia interverte- bralia, welche alsbald, am 5ten Tage der Bebrütung den sympa- thischen Grenzstrang als eine eontinuirliche, bilaterale Ganglien- kette construiren. Dem Aufbaue des sympathischen Grenzstranges auf der Spur folgt die Entwickelung der Ganglien und Geflechte der Visceral- höhle, welche, wie auch Schenk und Birdsall beobachteten, die Derivate des Ganglienzellen - Materials des Grenzstranges sind. Als Folge des in ventraler Richtung vorwärts streben- den Zellenproliferationsprocesses finden wir die sympathischen Grenzganglien mit geringer Ausdehnung und entfernter von ihrem Abstammungsorte und erst nachdem die Fundamente der Ganglien- zellengeflechte der Visceralhöhle vollständig angelegt sind, wird der Herd der Zellenproliferation auf die sympathischen Grenzgan- glien übertragen, welche nun so grosse Dimensionen annimmt, dass mit Ausnahme des kleinen Raumes für die Rami communicantes und den Faseraustausch, die sympathischen und die spinalen Ganglien fast mit einander verschmelzen. Ueberraschend ist 568 Am On: dieser Wechsel des Zellenproliferationsprocesses, der consequent zweckmässige Aufbau des sympathischen Nervensystems. Schon im ersten Stadium der Abstammung ist die Gelegenheit zur Ver- bindung der vorderen Wurzeln mit den sympathischen Ganglien- elementen gegeben und während der mediale und ventrale Theil des aus den selbständig gewordenen, sympathischen Ganglien con- stituirten sympathischen Grenzstranges die Ganglienzellenhaufen der Visceralhöhle produeirt, beginnen sich die Rami communican- tes, wie auch die Faserbahnen und peripheren Zweige des sym- pathischen Grenzstranges zu entwickeln und erst, wenn zu den sympathischen Geflechten der Viseeralhöhle der Grund vollständig gelegt ist, erst dann ergänzt sich das sympathische Grenzganglion mit überraschender Schnelligkeit. Dieses sind die Momente, welche einander ablösen und theilweise auch gleichzeitig auftreten, und welche dem Blicke des aufmerksamen Beobachters nicht entgehen können. Was endlich die übrigen peripheren Ganglienelemente und jenen Zellenstrang betrifft, welcher im Mesenterium enthalten ist und welchen Remak Darmnerv genannt hat, so werden wir im letzten Abschnitte davon sprechen. Remak hat die späteren Ver- hältnisse dieses Darmnerven wie auch der Geflechte der Visceral- höhle in einer hierauf bezüglichen Arbeit sehr ausführlich bespro- chen; wir unserseits können, da die späteren und makroskopischen Verhältnisse nicht Gegenstand unserer Untersuchung bildeten, zu dieser Frage nichts Neues bieten. IV. Säugethiere. Die uns zur Verfügung gestellten Säugethierembryonen haben ihrem Alter entsprechend, uns über die ersten Entwickelungssta- dien des sympathischen Nervensystems keinen Aufschluss geben können, haben uns aber nichts desto weniger mit sehr interes- santen Formenverhältnissen bekannt gemacht, welche nur mit der bisher erörterten Entwickelungsweise in Zusammenhang zu bringen sind, und so wird dieselbe auch durch diese späteren Stadien be- kräftigt. An den Sagittalschnitten eines 10 mm langen Kaninchenem- bryos haben wir den sympathischen Grenzstrang als zusammen- Ueber die Entwickelung des sympathischen Nervensystems. 569 hängende Ganglienzellenkette beobachten können, welche, wie es die Fig. 11 zeigt, mit den charakteristischen Einschnürungen schon versehen ist; der dorsoventrale Durchmesser dieser eingeschnürten Abschnitte beträgt ungefähr 0,0470 mm und in denselben kommen schon in ansehnlicher Zahl die Nervenfasern zum Vorschein. Auf- fallend schön repräsentirt sich der ihrer Abstammung entsprechende Abschnitt oder die sympathischen Grenzganglien mit einem Durch- messer von 0,1480 mm, den Intervertebralganglien entsprechend, mit einer verlängerten, schmächtigen dorsalen Spitze. An dem- selben Embryo begegnen wir vor der ventralen Wand des ven- tralen Hauptgefässes, wie es die Fig. 12 zeigt, fast segmentartig geordneten Ganglienzellengruppen, deren Dicke zwischen 0,0256 und 0,0640 mm schwankt, und welche, als Derivate des sympa- thischen Grenzstranges, schon die selbständige Entwickelungsbasis der sympathischen Ganglien und Geflechte der Visceralhöhle bilden. Ein interessantes Formverhältniss zeigte sich auf einzelnen Quersehnitten aus dem Gebiete der Genitaldrüsen eines ebenfalls 10 mm langen Kaninchenembryos. Das nahe der dorsalen Wand des ventralen Hauptgefässes liegende, 0,0640 mm im Durchmesser haltende sympathische Ganglion verbindet nämlich ein 0,0123 mm dieker Ramus communicans mit dem Nervenstamme, an der Ver- einigungsstelle befindet sich theils im Nervenstamme, theils am An- fangsstücke des Ramus communicans eine Ganglienzellengruppe in einer der vorigen ähnlichen Ausdehnung. Diese an beiden Seiten vorkommende Ganglienzellengruppe können wir als ein aus dem frühern Entwicklungsstadium der sympathischen Ganglien zurück- gebliebenes und seine Abstammung dokumentirendes Formverhält- niss ansehen (Fig. 13.) Andere Serienschnitte von 10, 14 und 16 mm langen Kaninchenembryonen haben nichts bemerkenswerthes geliefert. Auf den Sagittalschnitten eines 20 mm langen Kanin- chens finden wir den sympatbischen Grenzstrang mit seinen normalen Einschnürungen und seinen der Längsrichtung folgenden Faserbahnen. An dem gegen den Schwanz hinliegenden Theile bilden auch die eingeschnürten Grenzstrangabschnitte ein mit den sympathischen Grenzganglien zusammenfliessendes Ganglienzellen- bündel, in den mehr proximalen Theilen hingegen verbindet die sympathischen Ganglien in den faserigen Grenzstrangabschnitten ein 0,0160 mm dicker Ganglienzellenstreif miteinander. Einzelne Querschnitte eines 20 mm langen Meerschweinchens gewähren uns 570 ARD: One einen sehr hübschen Einblick in die Entstehung der sympathischen Gangliengeflechte der Visceralhöhle, wie das die Fig. 15 versinn- lieht. Nur an manchen der durch die Bauchhöhle geführten Quer- schnitte haben wir gefunden, dass der am ventralen Theile des sympathischen Grenzganglions eingeleitete Zellenproliferationspro- cess ein langes (dorsoventraler Durchmesser 0,3040 mm) schwach gebogenes Ganglienzellenbündel produeirte, dessen Grenzstrang- abschnitt 0,0800 mm, mittler Theil 0,0320 mm, ventraler Theil 0,0640 mm im Durchmesser hatte. Die Bildung der Gangliengeflechte der Visceralhöhle ist auch hier das Product desselben Vorganges und erfolgt auf dieselbe Weise, wie wir es bei den Fischen und beim Huhn gefunden haben. An den Querschnitten eines ebenfalls 20 mm langen Meer- schweinchens ist der lebhafte Zellenproliferations- und Fortwach- sungsprocess der vom sympathischen Grenzstrange schon abgeson- derten sympathischen Ganglienelemente, welcher an beiden Wän- den des Sinus urogenitalis in einer 0,3520 mm langen dorsoven- tralen Linie vor sich geht und die Basis des entsprechenden sym- pathischen Plexus bildet (Fig. 14) deutlich zu sehen. Auf den Querschnitten der uns zur Verfügung gestandenen 18, 30, 32, 42 und 52mm langen Menschenembryonen finden wir den sympathischen Grenzstrang in seiner Oontinuität mit den Rami communicantes und peripheren Geflechten entwickelt. Im Nach- stehenden wollen wir von unseren Beobachtungen nur solche in- teressantere Formverhältnisse notiren, welche mit den’ oben bekannt gegebenen Entwicklungsmomenten in vollständigen Einklang ge- bracht werden und gleichzeitig die beim entwickelten Individuum zu beobachtenden Formanomalien erklären können. Auf den Serien- querschnitten unseres jüngsten 13mm langen Menschenembryo finden wir schon vorgerücktere Zustände; der beiderseitig voll- ständig aufgebaute sympathische Grenzstrang enthält die in dem- selben in auf- und absteigender Richtung verlaufenden Faserbahnen schon in beträchtlichen Bündeln. Die beiderseitigen Grenzstränge weichen in Hinsicht der faserigen Commissuren und sympathischen Grenzganglien von einander sehr ab, so dass wir auf den Durch- schnitten das Auftreten sowohl der Fasern als auch der Ganglien- zellen in der grössten Unregelmässigkeit finden. Schenk und Birdsall haben in ihrer angeführten Arbeit auf den Querschnitten eines 22mm langen menschlichen Embryo eine vollständige Ver- ‘Ueber die Entwickelung des sympathischen Nervensystems. 571 bindung und zwar eine zellige zwischen dem Ganglion interverte- brale und dem Ganglion sympathicum beobachtet. Die veröffent- lichte Figur (Taf. XVII, Fig. 1) lässt den Zusammenhang nicht gehörig erkennen; die Beobachtung eines so überaus wichtigen Formverhältnisses würden wir gerne mit entsprechender Deutlich- keit veranschaulicht gesehen haben. In der Zeichnung sind aller- lei überflüssige Details dargestellt und das Wesentliche ist in so verschwommener Weise und kleiner Vergrösserung dargestellt, dass es die aus der Zeichnung zu schöpfende Ueberzeugung kaum er- wecken kann. Wir zweifeln nicht an dem Vorhandensein eines solehen Zusammenhanges, welcher dem bisher Erörterten zufolge evident ist und embryologisch sich auch bestätigen lässt; allein dieses Formverhältniss können wir blos als seltene Varietät be- trachten, da bei einem so vorgeschrittenen Embryo von der Beob- achtung der ersten Entwickelungsmomente nicht mehr die Rede sein kann, sondern nur von zurückgebliebenen, regelwidrigen Ver- hältnissen, welche sich aus der Abstammung erklären lassen. Der von uns beobachtete 13 mm lange Menschenembryo liess bereits die angeführten, sehr vorgeschrittenen Verhältnisse erkennen, wie dieses auch Fig. 2 auf Taf. XIX von Schenk und Birdsall zeigt bei ihrem älteren Embryo, wo wir den Ganglien der Bauch- höhle begegnen. Bei den von uns untersuchten Menschenembryonen haben wir nur diejenigen Formverhältnisse gesucht und notirt, welche so wie die Schenk’schen für die Thatsache der Abstammung der sym- pathischen Ganglien sprechen, als Varietäten, die in der Entwieke- lung zurückgeblieben sind und sich von früheren Stadien herleiten lassen. So spitzt sich an einem 30 mm langen Menschenembryo, wie Fig. 20 zeigt, das sympathische Ganglion (dorsoventraler Durchmesser 0,2560 mm, transversalobliquer Durchmesser 0,3840) gegen den distalen Theil des Ganglion intervertebrale zu und reicht ganz bis zur abgrenzenden Knorpelsubstanz. Die Distanz zwischen den zwei Ganglien ist ungefähr 0,2880 mm. Die Zellen des sympathischen Ganglion variiren zwischen 0,0032—0,0048 und 0,0064 mm. Auf der anderen Seite ist der Grenzstrang um vieles kleiner und wird von einem schon peripheren ganglienzelligen Nervenbündel blos durch ein kleines Gefäss getrennt. Die Fig. 21 zeigt einen Theil der Querschnitte eines ebenso langen Menschen- embryo. Die zwei sympathischen Grenzganglien liegen unter dem Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 26. 37 572 A.D. ar Wirbelkörper bei den Gefässen; auf der einen Seite finden wir jedoch eine ziemlich grosse Ganglienmasse in seiner Entfernung von 0,0640 mm vom Nervenstamme. Die Ganglienzellengruppe, welche den während der Entwickelung nahe an einer Ursprungsstelle zu- rückgebliebenen Theil des sympathischen Ganglion repräsentirt, besitzt einen transversalen Durchmesser von 0,2240 mm und einen dorsoventralen Durchmesser von 0,1250 mm. Zwischen den zwei Ganglien befindet sich noch eine kleine intermediäre Ganglien- zellengruppe, welche 0,0190 mm im Durchmesser hat. Auf einem anderen Schnitte desselben Embryo finden wir auf ungefähr 0,2240 mm Entfernung vom Ganglion intervertebrale eine Gruppe von Ganglienzellen (dorsoventraler Durchm. 0,0480 mm, transver- salobliquer Durchm. 0,0960 mm). Diese Ganglienzellengruppen sind später sämmtlich in der Bahn der Rami ecommunicantes enthalten. Auf den Querschnitten 30, 31 und 45mm langer Menschen- embryonen finden wir in auffallender Ausdehnung um den Darm, ferner um den Sinus urogenitalis die sympathischen Ganglienzel- lengruppen, welche die ansehnlichen embryonalen Vorläufer der im voll ‚entwickelten Individuum bekannten Geflechte sind. Auf einzelnen Querschnitten eines 52 mm langen Menschenembryo zeigen die Rami communicantes interessante Formverhältnisse. Wie die Figuren 16, 17, 18 zeigen, sind in den Rami communicantes an verschiedenen Stellen Ganglienzellengruppen eingelagert, so dass, wenn wir sie zu einem Bilde vereinigen würden, wir in der Form des Ramus communicans eine das Ganglion intervertebrale mit dem Ganglion sympathicum verbindende vollständige Ganglienzellenkette bekämen. Die Fig. 16 kennzeichnet die Nähe der zwei Ganglien und am ventralen Theile des Ganglion intervertebrale denjenigen Abschnitt, welcher in unmittelbarer Nähe des Ganglion gleichsam als abgesonderte Zellengruppe zum Vorschein kommt. In Fig. 19 liegt die zurückgebliebene Ganglienzellengruppe näher zum Ganglion intervertebrale, in Fig. 17 entfernter von demselben und schliess- lich auf Fig. 18 begegnen wir zwei zurückgebliebenen selbständigen Ganglien. | Im Folgenden will ich einige, auf menschliche Embryonen bezügliche makroskopische Befunde berühren. Bei einem 4em langen menschlichen Embryo fand ich das Ganglion cervicale schon abgesondert, ziemlich entfernt von der Ganglienreihe des Thorax. Diese letztere besteht zu beiden Seiten aus dieht auf einander Ueber die Entwickelung des sympathischen Nervensystems. 573 sitzenden, kleinen Ganglien, aus welchen ich, mit einigen Zweigen hervorgehend, den Nervus splanchnicus schon entwickelt gefunden habe und welchen ich bis unter die Nebenniere in ein Ganglion hinein verfolgen konnte. Zwischen dem thoracischen und oberem Lumbaltheile bestand wieder ein Verbindungsfaden, der Lumbal- theil bildet übrigens eine Ganglienkette. Die Sacralganglien, be- sonders auf der rechten Seite, habe ich schon abgesondert gefun- den mit Verbindungsfäden. Bei einem 10 em langen menschlichen Embryo hat sich das Ganglion cervicale superius schon sehr ent- fernt von der Ganglienreihe des Thorax, ist spindelförmig, 4 mm lang; am oberen Theile des Halses, im unteren Theile des dünnen Grenzfadens, nahe zum ersten Ganglion thoraciecum, ist ein kleines Ganglion eingeschaltet, welches ich für die Spur des Ganglion cervicale inferius halte Der Brusttheil bildet eine zusammen- hängende, Imm breite Ganglienreihe, welche in ihrem unteren Theile Einschnürungen zeigt, ja die zwei letzten Brustganglien besitzen bestimmte Verbindungsfäden. Der Nervus splanchnieus entsteht zu beiden Seiten in der Höhe der 7ten Rippe, abwärts zahlreiche Fäden aufnehmend. Links in der Mitte des oberen ersten und zweiten Fadens ist je ein winziges Ganglion splanch- nicum. Zwischen dem letzten Brust- und ersten Lumbalganglion ist der Verbindungsfaden auf der linken Seite 5 mm, auf der rechten Seiten 33mm lang. Das oberste Ganglion des Lumbaltheiles ist schon differeneirt, die übrigen sind noch zusammengeflossen. Zwischen dem letzen Theile der lumbalen Reihe und dem ersten Sacralganglion ist ein 5 mın langer Verbindungsfaden. Die Ganglien des Sacraltheiles repräsentiren sich schon gut abgeson- dert mit Ausnahme des ersten, welches auf der rechten Seite die Vereinigung zweier Ganglien zeigt (Fig. 22). Bei einem 17 mm langen Menschenembryo ist das Ganglion cervicale linkerseits l cm; rechterseits 6 mm lang. Aus dem unteren Theile des Ganglion geht ein zum Herzen führender Zweig hervor. Das erste Ganglion thoracicum ist stark entwickelt, 5mm lang. Die Ganglia thoraeica sind schon abgesondert. Die dem 7. und 8. Intercostalraume ent- sprechenden Ganglien sind auf der linken Seite zu einem breiteren Ganglion verschmolzen geblieben. Aus diesem Ganglion entspringt der Nervus splanchnicus, welcher von dem folgenden thoracischen Ganglion, wie auch von dem die zwei letzten verbindenden Bündel Verstärkungsfäden erhält. Nahe seinem Ursprunge aus diesem ver- 574 Au: Onodke einigten Ganglion ist er mit einem kleinen, länglichen Ganglion, dem Ganglion nervi splanchniei versehen. Der Zusammensetzung des vereinigten Ganglion entsprechend, sendet er zwei Verbin- dungszweige zum 7. und 8. Intercostalnerven, an letzteren kommt auch ein kleines Ganglion vor, unmittelbar am Intercostalnerven. Aus dem unteren Theile dieses Ganglion geht auch ein Ramus communicans für den 9. Intercostalnerven hervor, ist in der Mitte mit einem kleinen Ganglion versehen, und ausserdem noch mit einem grösseren an jener Stelle, wo sich in den Intercostalnerv auch der vom folgenden Brustganglion entspringende Verbindungs- zweig versenkt. An den Verbindungszweigen dieses letzteren und der folgenden Brustganglien wiederholt sich dasselbe Verhältniss mit dem Unterschiede, dass die Ganglienknötchen etwas grösser sind. Der Lumbaltheil bildet noch immer eine zusammenhängende Ganglienreihe, welche jedoch sich auf den oberen Lumbaltheil des Grenzstranges beschränkt, an seinem unteren Theile finden wir nur den dünnen Verbindungsfaden für das erste Sacralganglion (Fig. 23). Bei einem neugeborenen Kinde erwähne ich die ausser den gewöhnlichen Formverhältnissen beobachteten, auf die Rami communicantes bezughabenden Verhältnisse. Das Ganglion Nervi splanchnici mangelt auf der linken Seite, auf der rechten Seite hingegen liegt es an der Vereinigungstelle der oberen zwei Ur- sprungszweige des Nervus splanchnicus an der vorderen Oberfläche der Wirbelsäule. In dem oberen Theile des Lumbalabschnittes sind zu beiden Seiten drei Ganglien in noch nicht differenzirtem Zustande geblieben. Diese Ganglienmasse verbindet ein langer, dünner Faden mit dem ersten Sacralganglion. Dieser Faden hängt in seiner Mitte, linkerseits mit einem spindelförmigen Ganglion zusammen, welches aber nicht mehr in den Grenzstrang fällt, son- dern im Ramus communicans gelegen ist, als Kennzeichnung eines zurückgebliebenen frühen Entwickelungszustandes.. Der untere Theil des Ganglion hängt mit zwei Rami communicantes zusammen. Das erste Sacralganglion ist mit dem zweiten auf derselben Seite zusammengeflossen; der Ramus eommunicans des ersten Ganglion ist jedoch mit einem 3 mm langen Ganglion versehen, welches mit dem vorigen hinsichtlich seiner Bedeutung übereinstimmt und gleich- falls mit zwei Rami communicantes zusammenhängt (Fig. 24). Die angeführten Fälle sind alle solche, welche mit der ge- schilderten Entwickelungsweise des sympathischen Nervensystems Ueber die Entwickelung des sympathischen Nervensystems. 575 in vollkommenen Einklang gebracht werden resp. aus derselben erklärt werden können. So begreifen wir durch dieselben ausser- dem auch die einzelnen Anomalien, welche beim Erwachsenen be- obachtet worden sind. Real!) hat beobachtet, dass der Grenz- strang am Capitulum der 7. Rippe mit einem grossen spindel- förmigen Ganglion aufhörte, und vom 7. Costalnerven mit zwei Wurzeln wieder entsprang, auf der 8. Rippe war kein Ganglion vorhanden, an der 9. und 10. ein kleines, dann wurde er wieder unterbrochen und setzte sich dann von dem 12. Costalnerven mit zwei Wurzeln neuerdings entspringend fort. Wenn wir uns die erkannte Thatsache vor Augen halten, dass die sympathischen Ganglien von den Intervertebralganglien abstammen, und dass die separirten sympathischen Ganglien durch ihr Gegeneinanderwachsen secundär den sympathischen Grenzstrang erzeugen, so können wir uns die bezeichneten Anomalien des sympathischen Grenzstranges vollkommen erklären. Uebrigens haben wir im Capitel „Fische“ diese unsere Beobachtung erwähnt, welche sich auf das stellen- weise Ausbleiben der Bildung des sympathischen Grenzstranges bezieht. Cruveilhier beschreibt einen Fall, wo das letzte Dorsal- mit dem ersten Lumbalganglion zusammenfliesst und in der Länge zweier Wirbel mittelst eines Fadens mit einer grossen Ganglien- masse zusammenhängt, welche die vier Lumbalganglien repräsen- tirt. Wie wir gesehen haben, tritt die Einschnürung des sym- pathischen Grenzstranges, die segmentartige Differenzirung der Ganglien zu allererst am Cervicaltheiie, dann am Sacralabschnitte, erst später am Brusttheile und zuletzt am Lumbalabschnitte auf. Die Separirung ist jedoch oft, wie wir gesehen haben, nicht voll- ständig, mehrere Ganglien bleiben in ihrem originalen Zustande und erscheinen beim Erwachsenen als ein von der Norm abweichen- des morphologisches Verhältniss. V. Sehluss. Wenn wir auf unsere, auf das periphere Nervensystem be- zügliche Untersuchungen einen resümirenden Rückblick werfen, glauben wir ein übersichtliches klares Bild gewonnen zu haben, 1) Henle, Nervenlehre. 1879. S. 66, 70. 576 AD On: von den auf einem gewissen Gebiete in der Entwickelung der peripheren Nerven und Ganglien auftauchenden Vorgängen und deren Variationen. Doch um wie viel sich die Frage klärte in Bezug auf die Entwiekelung der intervertebralen Ganglien und Wurzeln, des sympathischen Grenzstranges und der sympathischen Geflechte der Visceralhöhle, um eben so viel complieirter und dunkler blieb die Entwickelungsgeschichte der in die Organe ein- gelagerten Nerven und Ganglienzellen. Laut dem Bisherigen, haben wir die in einzelnen Phasen der Entwickelung von Schritt auf Schritt verfolgbare Abstammung des Ganglion intervertebrale aus dem Medullarrohre gesehen, desgleichen auch diejenigen der Nervenwurzeln, ferner die Entstehung der sympathischen Grenz- ganglien aus dem Ganglion intervertebrale und aus diesen die Bildung der sympathischen Geflechte der Viseeralhöhle, mit einem Worte, wir konnten uns überzeugen, dass die genannten Abschnitte des peripheren Nervensystems thatsächlich direete Derivate der Intervertebralganglien, und mittelst dieser letzteren indirect die- jenigen des Medullarrohres sind. Die Bildung der Organe und der mehr peripheren Nerven- und Ganglienelemente gelangte nicht zu unserer Beobachtung, die Entwickelung der sympathischen Ganglien und Geflechte geht in so später Periode vor sich, wo die Organe sich schon histologisch zu sondern beginnen und konnten wir auch nicht die Spur des Hineinwachsens der Zellenstränge der Visceralhöhle in die Substanz der Organe beobachten. Bei den Urfischen streben die medial liegenden Elemente der am Ende des Ganglion intervertebrale begonnenen Zellenproliferation zum Unter- leibsgefässe hin und gehen ganz auf in den Elementen des Meso- derma. Dass auf diesem Wege Ganglienzellen in das Mesenterium und später in das Intestinum gelangen können, ist schliesslich nicht unmöglich, aber davon war auch nicht die geringste Spur zu beobachten. Beim Huhne tritt der beträchtliche Zellenstrang an der dorsalen Wand des Rectum, im distalen Theile des Rumpfes, auch der Remak’sche Intestinalnerv in so früher Zeit auf, wo noch die Entwickelung der sympathischen Ganglien der Visceral- höhle aus dem sympathischen Grenzstrange ihren Anfang nimmt und finden wir ihn besonders am distalen Theile mächtiger als proximalwärts. Die Zellenstränge der Visceralhöhle in directe Verbindung mit dem Remak’schen Nerven zu bringen, gelang nicht, übrigens scheint auch seine Form und die Stelle seines Ueber die Entwickelung des sympathischen Nervensystems. 577 ersten Auftretens für eine selbständige Entwickelung zu sprechen. Es scheint, dass die Entwiekelung der Ganglienelemente der Organe zur Entstehung des sympathischen Grenzstranges und der Ganglien der Viseeralhöhle in schroffem Contraste "bleiben, als hätten wir es mit ektodermalen einerseits und mesodermalen Gebilden anderer- seits zu thun. Die wichtige Frage der Abstammung der in der Substanz des Herzens befindlichen Ganglien, ferner der in die Scheiden der peripheren Nerven eiugestreuten Zellen wird den Gegenstand unserer nächsten Untersuchung bilden; und obgleich es schon dem Bisherigen zufolge sehr wahrscheinlich ist, dass diese mehr peripher liegenden Ganglienzellen mesodermalen Ur- sprunges sind, so lässt sich doch die Möglichkeit nicht vollends ausschliessen, dass die Gangliengeflechte der Visceralhöhle, indem sie die zu den Eingeweiden ziehenden Gefässe umgeben, gleich- zeitig der Gefässverästelung entsprechend den Ausgangspunkt der Entwickelung der in der Substanz der Eingeweide findbaren Ganglienzellen bilden. Diesem Gegenstande widmen wir eine be- sondere Studie. Für diesmal fassen wir jetzt nur kurz die Resul- tate, zu welchen unsere bisherfgen Untersuchungen in Bezug auf das periphere Nervensystem geführt haben, zusammen: 1) Die Ganglia intervertebralia sind bei Fischen und Eidechsen in der ganzen Länge des Embryo, beim Huhne blos im Gebiete der Urwirbel unmittelbare Produkte des am dorsalen Ab- schnitte des Medullarrohres beginnenden Zellenproliferationspro- eesses; beim Huhne stammen sie im Gebiete des Kopfes von der Zellenproliferation des in das Gehirnrohr umbiegenden Abschnittes der Ektoderma ab, ebenso von einer Loslösung von Zellen des nahe der Umbiegungsstelle liegenden Abschnittes der Ektoderma. 2) Sowohl die vorderen, als die hinteren Wurzeln er- scheinen in Form feiner, aus dem Medullarrohre hervorwachsender Fasern, und zwar kommen die vorderen in der Reihenfolge ihres Auftretens den hinteren zuvor. Die Zellen des verschmälerten dor- salen T'heiles des Intervertebralganglion, an den Enden der sich entwickelnden hinteren Wurzeln verbleibend, bilden die Grund- lage der in ihrer Bahn findbaren Ganglia aberrantia. Abnormal können zum spinalen Dorsalast einzelne hntere Wurzelfasern ziehen, ohne das Ganglion intervertebrale zu tangiren, ebenso können seitens der vorderen Wurzeln durch das Ganglion intervertebrale hindurch für den Dorsalast bestimmte motorische Fasern dringen. 578 A. D. Onodi: 3) Es kann abnormal eine Ganglienzellengruppe zurückblei- ben, der Stelle der unparigen Ganglienleiste entsprechend, ober- halb des Medullarrohres. Die vorderen Wurzeln können von dem Ganglion intervertebrale grössere ober kleinere Theile abschnüren und in ihre Bahn einschliessen. Die Ganglienzellen bleiben an der Stelle der abnormalen Verbindung des Ganglion intervertebrale mit den vorderen Wurzeln in ihrer Entwickelung zurück, d. h., sie nehmen einen embryonalen sympathischen Charakter an. 4) Die sympathischen Ganglien sind unmittelbare Pro- dukte des am ventralen Ende der Ganglia intervertebralia vor sich gehenden segmentartigen Zellenproliferationsprocesses; nach ihrer Abschnürung erscheinen sie als separirte Ganglien. 5) Der sympathische Grenzstrang ist ein secundäres Produkt, und verdankt den in der Richtung gegeneinander wach- senden, separirten sympathischen Ganglien sein Entstehen. 6) Die sympathischen Ganglien und Geflechte der Visceralhöhle sind direete Derivate des sympathischen Grenz- stranges. 7) Jedes sympathische Ganglibn steht in Verbindung mit dem Intervertebralganglion, mit der vorderen Wurzel, mit den vorderen und hinteren spinalen Nervenästen. 8) Die von der Medulla spinalis kommenden Nervenfasern verlaufen (beim Pferde nachweisbar) nach einem bestimmten Sy- steme in dem sympathischen Grenzstrange, im oberen Theile des Thorax steigt die grössere Zahl der Bündel aufwärts, ein kleiner Theil hingegen abwärts, von da abwärts im Brust- und Lenden- theile nimmt der grössere Theil der Bündel eine ab- und der kleinere Theil eine aufsteigende Richtung. Die spinalen Faser- bündel gehen vom sympathischen Grenzstrange als periphere sym- pathische Zweige ab, indem sie noch die aus dem Grenzstrange von oben und unten zu ihnen gelangenden Fasern aufnebmen. 9) Beim Huhne ist die, fast bis zur Confluenz gehende Nähe der intervertebralen und sympathischen Ganglien ein in einem spä- teren Entwickelungsstadium erfolgendes seeundäres Formverhältniss. 10) Die in den Eingeweiden eingelagerten Ganglienzellen- gruppen entwickeln sich wahrscheinlich separat. Ueber die Entwickelung des sympathischen Nervensystems. 579 Erklärung der Abbildungen auf Tafel XXITI—-XXVI. Fig. 3. Tafel XXIII. Querdurchschnitt eines 80 Stunden bebrüteten Hühnerembryo. Vgr. Winkel 8505. Spg Spinalganglion. Sg Sympathicusganglion im Entstehen begriffen. Ch Chorda. M Medulla. W Wurzelbündel. Querdurchschnitt eines 5 Tage alten Hühnchens. Vgr. Winkel S,03. Spg Spinalganglion. N Nervenstamm. Sg Sympathicusganglion. x hervorwachsendes Ganglienzellenbündel. Querdurchschnitt einer sechs Tage alten Ente. Vgr. Winkel S,0;3. Ch Chorda. V Unterleibsgefäss. M Mesenterium. Ggg sympa- thische Ganglienzone. Figg, 4, 5. Querdurchschnitte eines 5 Tage und 18 Stunden alten Hühn- Fig. 6. Figg. 7, Fig. 9. Fig. 10. bie. 11. chens. Vgr. Winkel S,O,. Sp Ganglion spinale. M Medullarrohr. Ra Vordere Wurzel. x Ganglienzellen mit sympathischem Cha- rakter. y normale Ganglienzellen des Spinalganglions. Tafel XXIy. Querdurchschnitt eines 8 Tage alten Hühnchens. Vgr. Hartnack Ss05,. R Rückenmark. ce Canalis centralis.. gs graue Substanz. ws weisse Substanz. hw hintere Wurzel. vw vordere Wurzel. Spg Spinalganglion. Sg Sympathicusganglion. pSg peripheres Ganglion des Sympathicus. Wk Wirbelkörper. va, da ventraler, dorsaler Ast. x, Verbindung zwischen vorderer Wurzel und Sympathicus- ganglion. x,, Verbindung zwischen dorsalem Ast und Sympathicus- ganglion. x,, Schleifenbündel. hwf hintere Wurzelfasern, Verbin- bindung zwischen beiden Ganglien. 8. Querdurchschnitte eines 8 Tage alten Hühnchens. Vgr. Hart- nack S40, Spg Ganglion spinale. Sg Ganglion sympathicum. x peripheres sympathisches Ganglion. M Medullarrohr. Ch Chorda dorsalis. Querdurchschnitt einer 6 Tage und 19 Stunden alten Ente. Vgr. Hartnack 8,05. J Darm. N paariger Darmnerv. M Mesenterium. Tafel XXV. Querdurchschnitt eines 20 mm langen Meerschweinchens. Ver. Hartnack S,0,. Sp Spinalganglion. rp hintere Wurzel. ra vor- dere Wurzel. M Medullarrohr. V Wirbelkörper. x abgeschnürter Ganglientheil. Sagittalschnitt eines 10 mm langen Kaninchens. Vgr. Hartnack 580 A. D. Onodi: Ueb.d. Entwickelung d. sympathischen Nervensystems. S;,05. S Sympathischer Grenzstrang. V Wirbelsäule. M Medul- larrohr. Fig. 12. Sagittalschnitt eines 10 mm langen Kaninchens. Vgr. Hartnack S,05. V Unterleibsgefäss. Gg vom Grenzstrange abgesonderte iso- lirte sympathische Ganglienzellengruppen, als Bildungsstätte der sympathischen Geflechte der Visceralhöhle. Fig. 13. Querdurchschnitt eines 10 mm langen Kaninchenembryo. Vgr. 403. Sp Spinalganglien. M Medullarrohr. cm ramus communicans. S Ganglion sympathicum. x sympathische Ganglienzellengruppe. N Nervenstamm. Fig. 14. Querschnitt eines 20 mm langen Meerschweinchens. Vgr. S40s, Ch Chorda. Su Sinus urogenitalis. i Darm. Sg sympathische Grenz- ganglien. Gg periphere Ganglienzellengruppen. Tafel XXVl. Fıg. 15. Querdurchschnitt eines 20 mm langen Meerschweinchens. Vgr. Hart- nack S,05. S Grenzstrangganglion des Sympathicus. x sich ent- wickelnder Ganglienzellenstrang. i Darm. V Wirbelkörper. Figg. 16, 17, 18. Querdurchschnitte eines 52 mm langen Menschenembryo. Vgr. Hartnack S,0,. M Medullarrohr. Sp Spinalganglion. cm ramus communicans. s sympathisches Ganglion. x Ganglienzellen- gruppe. W Wirbelkörper. Tafel XXVI. Fig. 19. Querdurchschnitt eines 52 mm langen Menschenembryo. Vgr. Hart- nack S,0,. Bez. wie Fig. 18. Figg. 20, 21. Querdurchschnitte eines 30 mm langen Menschenembryo. Ver. Hartnack 5,05. Sp Spinalganglion. S Sympathisches Ganglion. x Ganglienzellengruppe. Vv Gefässe. V Wirbelkörper. Fig. 22. Sympathischer Grenzstrang eines 10 cm langen menschlichen Embryo. 1. Ganglion cervicale sup. 2. Ganglion cervicale inf. 3. Ganglia thoracica. 4. Ganglia n. splanchnici. 5. Nervus splanchnicus. 6. Ganglia lumbalia. 7. Ganglia sacralia. Fig. 23. Sympathischer Grenzstrang eines 17 cm langen menschlichen Embryo. 1. Ggl. cervic. sup. 2. Ggl. thorac. prim. 3. Zusammengesetztes Ganglion. 4. Ggl. splanchnicum. 5. Nerv. splanchnicus. 6. 7. 8. Ganglien der Rami communicantes. 9. Ganglia lumbalia. 10. Gel. sacr. prim. 11. R. cardiacus. Fig. 24. Abschnitt des sympathischen Grenzstranges eines Neugeborenen. 1. Verschmolzene sympathische Lumbalganglien. 2. 3. Ganglien der Rami communicantes. 4. 5. Verschmolzene sympathische Sacral- ganglien. A. Dostoiewsky: Ueber den Bau der Grandry’schen Körperchen. 581 Ueber den Bau der Grandry’schen Körperchen. Von Dr. med. A. Dostoiewsky aus St. Petersburg. Hierzu Tafel XXVII. Fig. 1—12. In der Zunge und in der Wachshaut des Schnabels der Schwimmvögel existirt bekanntlich eine besondere Art von Nerven- endkörperchen, welche den Namen der Grandry’schen Körper- chen tragen — desjenigen Forschers, der sie hier zuerst wahr- genommen hat!). Aber dieser Autor lieferte nur Abbildungen der genannten Körperchen und machte keinerlei Angaben über die Art der Nervenendigung in denselben. In der Folge sind eine ganze Reihe von Untersuchungen erschienen, die so- wohl den Bau dieser Körperchen, als auch die Endigungsweise von sensiblen Nerven in denselben eingehend dargethan haben. Dieser Untersuchungen soll weiter unten ausführlicher gedacht wer- den, für jetzt möchte ich nur die allgemeine Ansicht der Autoren in Bezug auf diese Frage skizziren. Merkel?) der nach Grandry die von dem letztern beob- achteten Körperchen untersucht hatte, kam zu dem Schlusse, dass als Hauptbestandtheil der Körperchen grosse kernhaltige Zellen, die in die Zusammensetzung der Körperchen eingehen, zu be- trachten wären. Seiner Ansicht nach durchbohrt der herantretende Nerv die Kapsel, welche das Körperchen umhüllt und verschmilzt mit jenen Zellen. Dem zufolge stellen diese letzteren wirkliche Nervenendigungen dar: „die zarte und gleichmässige Granulirung, der runde und mit derber Hülle versehene Kern, sowie die con- centrische und radiäre Streifung. welche durchaus der von Max 1) Grandry, Recherches sur la terminaison des nerfs cutanes chez ’homme. Journal de l’anatomie. 1869. 2) Fr. Merkel, Tastzellen und Tastkörperchen bei den Hausthieren und beim Menschen. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. XI. 1875. 582 A. Dostoiewsky: Schultze beschriebenen Ganglienzellenstructur entspricht ... .. ., führten Merkel zur Vermuthung, dass diese Zellen mit Ganglien- zellen identisch wären. Indem Merkel eine Zelle als die wahre Nervenendigung anspricht, beschreibt er nur aus einer einzigen Zelle bestehende Körperchen. Im Jahre 1876 haben Axel Key und Retzius!) und im Jahre 1877 Ranvier?) unabhängig von einander eine Beschreibung der Grandry’schen Körperchen gegeben, die neues Licht auf die Art der Nervenendigung in denselben wirft. Nach der Ansicht der genannten Forscher sind die grossen Zellen, welche in die Zu- sammensetzung der Körperchen eingehen, Gebilde von secundärer Bedeutung, die in keiner Verbindung mit dem Nervenende stehen. Der Nerv endigt in einem besonderen Plättehen — der Tastscheibe, disque tactil, die zwischen je zwei Zellen vorhanden ist. Mithin enthält jedes Körperehen nicht weniger als zwei Zellen, und in solchem Falle ist dazwischen eine Tastscheibe vorhanden; Körper- chen, die aus drei Zellen zusammengesetzt sind, enthalten zwei Tastscheiben und so fort, so dass die Zahl der Tastscheiben gleich ist der Zahl der grossen Zellen minus 1. Was die physiologische Rolle der grossen Zellen anbetrifft, so meint Ranvier, dass durch dieselben ein mechanischer resp. chemischer Reiz auf die zwischen ihnen eingeschlossene Tastscheibe übermittelt werde. Indem die genannten Forscher das zwischen zwei Zellen gelegene Plättchen als wahre Nervenendigung ansprechen, leugnen sie die Existenz der von Merkel beschriebenen einzelligen Körperchen. Obgleich Merkel in seinen späteren Arbeiten?) seine ur- sprüngliche Ansicht etwas modifizirt hat, erbliekt er doch noch in den grossen Zellen die wahren Nervenendigungen. Indem er mit anderen Autoren das Vorhandensein eines Nervenplättchens zu- giebt. nimmt er an, dass letzteres mit einer Zelle verschmelze. Seiner Ansicht nach giebt es in der Haut der Wirbelthiere drei Arten von Nervenendigungen: 1) stäbchenförmige Sinneszellen; 1) A. Key und G. Retzius, Studien in der Anatomie des Nerven- systems und des Bindegewebes. Stockholm 1876. 2) Ranvier, De la terminaison des nerfs dans les corpuscules du tact. Comptes rendus T. 85. 1877. 3) Fr. Merkel, Die Tastzellen der Ente. Arch. f. mikrosk. Anat. Bd. XV. 1878. — Derselbe, Ueber die Endigungen der sensiblen Nerven in der Haut der Wirbelthiere. Rostock 1880. Ueber den Bau der Grandry’schen Körperchen. 583 2)terminale Ganglienzellen und 3) freie Endigungen. DieGrandry- schen Körperchen mit ihren Tastzellen gehören nach Merkel in die zweite Gruppe. Die Mehrzahl der weiteren Forscher hat sich in der Hauptsache AxelKey und Retzius und Ranvier angeschlossen. Krause!) hält die Tastzellen Merkel’s für Flächenansichten oder Theilstücke der Grandryschen Körperchen. Während von Hesse?) und Kultschizky?°) im Bindegewebe des Vogelschnabels einzelne, den grossen Zellen der zusammengesetzten Körperchen vollkommen ähnliche Zellen gesehen worden sind, ist es nicht dargethan, ob der Nerv in irgend einer Beziehung zu diesen Zellen steht oder nicht. Andere Autoren leugnen vollkommen das Vorhandensein der Tastzellen. Somit bleiben bis jetzt sehr wichtige Fragen un- aufgeklärt: erstens, ob einzellige Körperchen existiren, und zwei- tens, falls solche Körperchen existiren, in was für einer Beziehung zu ihnen der Nerv steht? Meine Untersuchungen erstrecken sich hauptsächlich auf die Wachshaut des Schnabels von Enten und Gänsen. Ich untersuchte auch die Nervenendigungen in den Zungenpapillen, indessen waren die Präparate hier nicht so demonstrativ und boten keine solche Details in Bezug auf die Structur als eben Präparate aus der Wachshaut. Die letztere wurde behandelt mit Ueberosmiumsäure, Goldehlorid, Kali bichromieum und Alkohol verschiedener Stärke. In eine Y/s- bis 1%/,ige Lösung von Ueberosmiumsäure legte ich kleine Stückchen auf 2—3 Stunden ein. Darauf wurden dieselben so hart, dass man sofort Schnitte anfertigen konnte. Schnitte aus Ueberosmiumsäure wurden mit Pikrocarmin gefärbt. Anlangend die Färbung mit Goldehlorid, so bediente ich mich verschiedener Me- thoden. Die besten Resultate ergab die Böhm ’sche Methode, deren sich bei seinen Untersuchungen auch J. Carriere®) bedient hatte. Kleine Stückchen der Wachshaut einer eben getödteten Ente 1) Krause, Die Nervenendigung innerhalb der terminalen Körperchen. Arch. f. mikrosk. Anat. Bd. 19. 2) Hesse, Ueber die Tastkugeln des Entenschnabels. Arch, f. Anat. und Physiol. von His und Braune. 1878. 3) Kultschizky, Ueber den Bau der Grandry’schen Körperchen. Arch. f. mikrosk. Anat. Bd. 23. 1884. 4) Justus Carri&re, Kurze Mittheilungen zur Kenntniss der Herbst’- schen und Grandry’schen Körperchen in dem Schnabel der Ente. Arch. f. mikrosk. Anat. Bd. 21. 584 A. Dostoiewsky: wurden in eine Mischung gleicher Theile Ameisensäure und Wasser gebracht, in dieser Mischung etwa 10 Minuten belassen, darauf in Wasser ausgewaschen, in eine 1°/,ige Lösung von Goldchlorid gelegt, wo sie eine halbe Stunde verblieben, wiederum in Wasser ausgewaschen und endlich in die sogenannte Prichard’sche Flüssigkeit (98 Theile Wasser, 1 Theil Amylalkohol und 1 Theil Ameisensäure) gebracht. In dieser Mischung blieben die Prä- parate 1—2 Tage lang, wobei die Flüssigkeit mehrmals gewechselt wurde. Darauf kamen die Stückchen in Alkohol. Die Schnitte wurden nicht in Wasser gebracht, sondern direet in Nelkenöl auf- gehellt und in Canadabalsam eingeschlossen. Die in doppelehrom- saurem Kali und in Alkohol gehärteten Präparate wurden mit Haematoxylin und Eosin gefärbt. Behufs Anfertigung der Schnitte klemmte ich kleine Stückchen zwischen zwei Hollundermarkplätt- chen ein. Die Sehnitte wurden entweder einfach mit dem Rasir- messer gemacht oder mit Hülfe eines Mikrotoms, wobei fortlaufende Reihen von Schnitten zur Beobachtung gelangten. Die Untersuchungen, deren Ergebnisse in der gegenwärtigen Arbeit niedergelegt sind, wurden im histologischen Laboratorium zu St. Petersburg begonnen und im Berliner anatomischen Institute zum Abschluss gebracht. In jedem Schnitte senkrecht zur Oberfläche der Wachshaut des Schnabels kann man mehrere Körperchen von Grandry und von Herbst entdecken. Die ersteren sitzen im Bindegewebe nicht weit unter dem Epithel und liegen vornehmlich in einer Ebene; die letzteren sitzen in der Tiefe sowohl unmittelbar dem Skelet des Schnabels anliegend, als auch unterhalb der Epidermis, in einer Ebene mit den Grandry’schen Körperchen, zuweilen auch über denselben, so dass ich unmöglich Merkel beipflichten kann, wenn er behauptet, dass Tastzellen sich dadurch auszeichnen, dass sie dichter an die Epidermis heranrücken, als die Körperchen von Herbst. Die Hauptbestandtheile eines vollkommen entwickelten Gran- dry’schen Körperchens sind folgende: eine Hülle, die das ganze Körperchen einschliesst, grosse kernhaltige Zellen und ein Nerven- plättehen, in welchem der herantretende Nerv endigt. Die Hülle besteht, wie es A. Key und Retzius und Ranvier gezeigt haben, aus mehreren an einander stossenden kernhaltigen Mem- branen. Die Scheide des herantretenden Nerven geht in die Hülle Ueber den Bau der Grandry’schen Körperchen. 585 des Körperchens über und der Nerv endigt in einem Plättchen, das zwischen je zwei Zellen gelegen ist. In die Zusammensetzung eines jeden Körperchens gehen in der Mehrzahl der Fälle nur zwei Zellen ein, zuweilen aber auch drei, vier und mehr; das höchste, was ich zu zählen vermochte, waren sieben Zellen in einem Körperehen. Die Zellen sind so angeordnet, dass eine unter- halb der anderen zu liegen kommt. In zweizelligen Körperchen besitzen die Zellen je eine plane Fläche, mit der sie einander zu- gekehrt sind. Die anderen Flächen sind halbsphärisch. In aus drei und mehr Zellen zusammengesetzten Körperchen hat die mitt- lere Zelle zwei plane Flächen. Je grösser die Zahl der Zellen, je kleiner wird ihre Höhe und sie scheinen sich gleichsam abzu- platten. Um die relative Lage der Körperchen zu charakterisiren, genügt es anzugeben, dass ihre planen Flächen der Epidermis parallel verlaufen. Nach der Beschreibung der’ Mehrzahl der Au- toren besitzen die Zellen eine Streifung, indessen wird dieselbe von manchen Forschern, wie z. B. A. Key und Retzius und Izquierdo!t), geleugnet. Diese Streifung vergleicht Merkel wie oben erwähnt, mit der Streifung von Ganglienzellen, nach Ranvier ist sie aber mehr der Streifung gewisser Drüsenzellen, z. B. des Ausführungsganges der Schweissdrüsen, ähnlich. Am besten lässt sich diese Streifung sehen an Präparaten, die in Müller’scher Flüssigkeit gehärtet oder mit Goldehlorid behandelt waren. Diese Streifung wird nicht durch Körnchenreihen gebildet, sondern re- präsentirt in der Mehrzahl der Fälle ununterbrochene Striche oder Fäserchen. In Zellen mit einer planen Fläche ordnet sich die Streifung fächerförmig an: die Fasern beginnen an der planen Fläche und zerstreuen sich über die Peripherie (Fig. 1); in Zellen mit zwei planen Flächen sehen die Striche garbenförmig aus, wo- bei die mittleren Striche senkrecht von einer Fläche zur anderen verlaufen, die peripheren gekrümmt und mit ihrer Gonvexität dem mittleren Theile der Zelle zugekehrt sind. Damit übereinstimmend besitzt an Flächenschnitten nur die periphere Partie der Zelle eine deutliche Streifung, wobei die Striche in radiärer Richtung divergiren und das Aussehen einer Strahlung haben, wie man dies deutlich auf Fig. 2, 6 und 8 sehen kann. Jede Zelle ent- 1) V. Izquierdo, Beiträge zur Kenntniss der sensiblen Nerven. Diss. Strassburg 1879. 586 A. Dostoiewsky: hält einen Kern mit deutlich ausgebildetem Körperchen. Der Kern liegt in der Mehrzahl der Fälle nicht im Centrum der Zelle, sondern näher ihrer eonvexen Oberfläche. Mitunter zeigen die Zellen neben der Streifung eine besondere Körnelung, die auf Querschnitten in zwei Häufchen zu heiden Seiten des Kernes an- geordnet ist, wie man es auf Fig. 7 abgebildet sieht. An Flächen- präparaten erscheint diese Körnelung ringförmig um den Kern herum angeordnet (Fig. 8). Mit Goldehlorid färbt sich dieselbe be- sonders intensiv. Die Innenfläche der Hülle ist scharf con- tourirt. An Querschnitten beobachtet man auf der diese Contouren bildenden Linie stellenweise längliche Kerne. Diese Linie ist der Ausdruck einer Schicht von Plattenendothel, das nach Ranvier als ununterbrochene Membran die Innenfläche der Hülle auskleidet. Diese Membran lässt sich an dünnen Schnitten sowohl als auch an Zupfpräparaten leicht von der Fläche aus beobachten. An Schnitten kann man sehen, dass sie entweder das gesammte Körper- chen oder eine grössere Partie des letzteren bedeckt: in den Fällen, wo ein Theil der Membran weggeschnitten ist, bildet die- selbe, indem sie das Körperchen bedeckt, darüber eine Art von Diaphragma. Bei der Beobachtung dieser Membran von der Fläche aus siebt man in ihr runde Kerne. Die beigegebene Fig. 3 stellt ein aus zwei Zellen zusammengesetztes Körperchen dar; den letz- teren liegt in Gestalt eines Diaphragmas eine kernhaltige Membran auf. Die planen Flächen der Zellen, die einander zugekehrt sind, berühren sich indessen nicht; dies verhindern zwei zwischen ihnen gelegene Bildungen:: der zuerst von Hesse beschriebene Scheiben- ring und die bereits oben erwähnte Tastscheibe. Der Scheiben- ring ist ein ringförmiges Plättchen, das von der Innenseite der Hülle abgeht, eine gewisse Strecke weit zwischen je zwei Zellen eindringt und scharf endigt, wodurch ein Loch hergestellt wird, in dem eben die Tastscheibe liegt. Weil der Scheibenring mit der Innenfläche der Hülle verschmilzt und diese letztere von einer Endothelschicht gebildet war, so ist anzunehmen, dass auch der Scheibenring ein dem Endothel analoges Gebilde repräsentirt. Höchst wahrscheinlich sendet das Hüllenendothel Fortsätze zwischen die Deckzellen in der Weise, wie die Waldeyer’schen Flügel- zellen zwischen die Bindegewebsfasern der Sehnen ihre Fortsätze abgehen lassen. . Manche Forscher leugnen die Existenz eines solchen Scheibenringes; so sagt z.B. Kultschitzky, dass an den Ueber den Bau der Grandry’schen Körperchen. 587 Rändern zwischen zwei Deckzellen nur Kittsubstanz existire. Al- lein man kann sich leicht sowohl an Querschnitten, als auch an Flächenschnitten der Körperehen von dem Vorhandensein des Scheibenringes überzeugen. An jedem Querschnitt von mit Ueber- osmiumsäure oder mit Goldehlorid behandelten Präparaten lässt sich beobachten, dass von der Innenfläche des Hüllenendothels Fortsätze abgehen in Gestalt scharfer Linien, die sich zwischen die Zellen einsenken, wie man es in Fig. 4 abgebildet sieht. Nieht selten fallen aus den Schnitten Deckzellen und Tastscheiben heraus, dann bleibt nur die Hülle übrig und die von ihr in’s Innere der Körperchen abgehenden Fortsätze, welche einen Durch- schnitt des Scheibenringes ausmachen, wie man es in Fig. 10 abgebildet sieht. Die Nervenfasern, welche an die Körperchen herantreten, gehen von feinen in der Tiefe gelegenen Nervenstämmen aus. An den Präparaten ist es sehr leicht sich zu überzeugen, dass die äussere — Henle’sche — Scheide des herantretenden Nerven in die Hülle des Körperchens übergeht. Nach Verlust derselben dringt der Nerv, der in der Mehrzahl der Fälle seine Markscheide und seine Schwann’sche Scheide noch beibehält, zwischen zwei Zellen ein, erreicht die Oeffnung des Scheibenrings und endigt hier in der Tastscheibe. In anderen Fällen verschwinden alle drei Scheiden beim Durchschnitt des Nerven durch die Hülle, wie man es in Fig. S abgebildet sieht. Einen Uebergang der Schwann’- schen Scheide auf die Tastscheibe, wie dies von Ranvier und von Carriere angegeben wird, vermochte ich nicht zu bemerken. Im Inneren des Körperchens macht der Nerv häufig, ehe er die Tastscheibe erreicht hat, eine Krümmung, zuweilen bildet er selbst einen Knäuel. In solchem Falle ist zur Aufnahme dieses Knäuels zwischen zwei Zellen eine besondere Aushöhlung vorhanden, welch’ letztere scharf contourirt erscheint und unter Umständen eine sehr bedeutende Grösse erreicht. Auf die Existenz einer derartigen Aushöhlung hat zuerst Hesse hingewiesen. Ihr Vorhandensein hat auch Carriere bestätigt. Allein andere Autoren, wie z.B. Merkel, Krause, Izquierdo und Kultschizky leugnen die Gegenwart dieser Aushöhlung und sprechen dieselbe als postmor- tale Erscheinung an, bedingt durch eine Schrumpfung der Zellen. Diese scharf eontourirte Aushöhlung kann man jedoch sehen an Quer- und Flächenschnitten aus Präparaten, die in verschiedener Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 26. 33 588 A. Dolstoiewsky: Weise behandelt waren; sie existirt nur dort, wo der Nerv Krüm- mungen oder einen Knäuel bildet. In den Fällen, wo der Nerv geradelinig bis zur Tastscheibe verläuft, giebt es auch keine Aus- höhlung. Ob eine derartige Aushöhlung einen Lymphraum reprä- sentirt, wie es Hesse behauptet, lässt sich schwer entscheiden. Wenigstens bei interstitieller Injeetion einer Lösung von Berliner- blau war ich nicht im Stande zu beobachten, dass eine solche Aushöhlung mit der Injectionsmasse sich füllte. An dem Vorhandensein einer Tastscheibe, gelagert in der Oeffnung des Scheibenrings zwischen je zwei Zellen, zweifelt heut- zutage Niemand. Verschieden sind die Ansichten lediglich in Be- zug auf ihre Bedeutung. Die Mehrzahl der Forscher nimmt an, dass in der Scheibe der Nerv endigt, Merkel aber ist, wie oben erwähnt, der Meinung, dass die Nervenfasern aus der Scheibe an die Zellen übergehen, dass somit die letzteren die wahren Nerv- endigungen seien. Gegen eine solche Annahme spricht die scharfe Contourirung der Scheibe an mit Goldehlorid behandelten Präparaten und dann der lockere Zusammenhang der Scheibe mit den Deck- zellen. An Schnitten kann man nicht selten beobachten, dass die Scheibe aus dem Körperchen herausgefallen ist, während die Deckzellen an Ort und Stelle geblieben sind. Ferner hat sich an Präparaten, wo aus irgend welchen Gründen die Deckzellen ge- schrumpft sind, die Scheibe von ihnen abgehoben und zwischen ihr und den Zellen ist ein Zwischenraum zurückgeblieben. Ebenso kann man auch an Flächenschnitten häufig sehen, dass im Zu- sammenhang mit dem Nerven nur Bruchstücke der Scheibe stehen bleiben. Alle diese Verhältnisse sprechen gegen einen engen Zu- sammenhang der Scheibe mit den Zellen. Demnach muss man annehmen, dass die Scheibe ganz locker zwischen den Deck- zellen gelagert ist und mit ihnen nicht verwächst. Mit Gold- chlorid färbt sich die Tastscheibe dunkelviolett — genau wie der Axenceylinder. Zum Zwecke des Studiums ihrer Form eignen sich gerade solche Präparate. An Querschnitten hat sie das Aus- sehen einer dunkelvioletten Linie, die in der Mitte verdickt ist. Ihre Ränder stossen unmittelbar an die Ränder des Scheibenringes, wie man es in Fig. 4, 7 abgebildet sieht, obgleich die Grenze zwischen beiden immer deutlich ausgeprägt zu sein pflegt, denn die Tastscheibe ist gewöhnlich dieker als der Scheibenring. Die Gestalt derScheibe ist an Flächenschnitten vornehmlich rund, sel- Ueber den Bau der Grandry’schen Körperchen. 589 tener eckig. Der herantretende Nerv behält seine Markscheide und seine Schwann’'sche Scheide entweder bis dieht an die Scheibe heran, wie man es in Fig. 4, 6, 9 abgebildet sieht, oder diese Scheiden verschwinden beim Durchtritt der Nerven durch die Hülle (Fig. S). Der Axeneylinder endigt entweder am Rande der Scheibe, wobei seine Substanz mit der Substanz der Scheibe ver- schmilzt, oder er zieht in anderen Fällen eine Strecke weit über die Scheibe hin in Gestalt einer scharfen Linie und dringt in dieselbe ungefähr in ihrem Centrum ein. In den Fällen, wo die Scheibe eine eckige Form besitzt, endigt der Nerv in einer ihrer Ecken. Die Scheibe ist, wie schon gesagt, ziemlich brüchig, so- dass in den Schnitten unter Umständen im Zusammenhang mit dem Nerven nur kleine Bruchstücke bleiben. Von der Fläche aus gesehen zeigt die Scheibe eine concentrische Streifung, hervor- gebracht durch Reihen kleinster Körnchen. Am besten lässt sich eine solche Streifung an Präparaten beobachten, die mit doppelt- echromsaurem Kali behandelt waren. An Flachschnitten aus der- artigen Präparaten kann man nicht selten wahrnehmen, dass die Scheibe der mit ihrer planen Fläche sichtbaren Zelle aufliegt. Wird der Tubus des Mikroskopes auf die Ebene der Scheibe ein- gestellt, so lässt sich ihre concentrische Streifung beobachten, stellt man tiefer ein, so kommt die radiäre Streifung der darunter- liegenden Deckzelle zum Vorschein. Fig. 2 stellt eine solche Zelle mit radiärer Streifung und mit der aufliegenden Tastscheibe dar. Man pflegt anzunehmen, dass jedes Körperchen nur je einen Nerv empfängt und dass die Zweige für die einzelnen Scheiben aus der Verästelung des in die Hülle eingetretenen Nerven her- vorgehen. Obgleich dies in der Mehrzahl der Fälle zutrifft, lässt sich doch nicht selten beobachten, dass in einem aus drei Deck- zellen zusammengesetzten Körperchen zwei markhaltige Nerven- fasern endigen, wobei häufig die eine sowohl wie die andere innerhalb des Körperchens, ehe die Tastscheibe erreicht ist, einen Knäuel bildet. Aehnliche Körperchen mit zwei Nervenfasern hat auch Kultschizky gesehen. In anderen Fällen theilt sich der Nerv, welcher in eine zwei Scheiben enthaltende Hülle eingetreten ist, nicht, sondern endigt in einer der Scheiben und von dieser letzteren geht von der entgegengesetzten Seite aus eine Faser ab, welche die Verbindung mit der anderen Scheibe herstellt. Aehn- liche Bilder haben Ranvier und Kultschizky beobachtet. 590 A Dostoiewsky: Bis hier habe ich Körperchen beschrieben, die mindestens zwei Deckzellen enthalten. Ausser ihnen kommen aber im Bindegewebe des Entenschnabels sehr häufig — fast in jedem Schnitte — isolirte Zellen vor, die den Deckzellen der entwickelten Körperchen voll- kommen ähnlich sind. Von diesen letzteren unterscheiden sie sich nur durch ihre geringere Grösse, in allem anderen sind sie ihnen gleich, besitzen dieselbe Streifung, einen Kern und ein Kern- körperchen. Diese Zellen liegen entweder vollkommen isolirt oder in der Nähe entwickelter Körperchen und zwar vorzugsweise oberhalb derselben, d. h. zwischen ihnen und der Epidermis, aber auch seitlich. Mitunter giebt es zwei oder mehr solcher solitären Zellen in der Nähe eines entwickelten Körperchens, wobei die weiter vom Körperchen entfernten Zellen die geringste Grösse be- sitzen. Um die Beziehungen der Nerven zu solchen isolirten Zellen klarzulegen, eignen sich nur die mit Goldehlorid behandelten Präparate. An derartigen Präparaten ist zu sehen, dass der unteren Fläche der isolirten Zellen eine Tastscheibe anliegt ähn- lich denjenigen Tastscheiben, die sich in vollkommen entwickelten Körperchen zwischen zwei Deckzellen befinden. An gelungenen Präparaten lässt sich auch die Nervenendigung in einer solchen Scheibe beobachten. Die beigegebene Fig. 11 soll dies vergegen- wärtigen. Derartige Nervenendigungen kann man mit den Nerv- endigungen im Schweinsrüssel vergleichen. Bekanntlich hat Merkel im Epithel des Schweinerüssels eigenthümliche Zellen ge- funden, die sich von anderen Epithelzellen abweichend verhalten. Er vergleicht dieselben mit den Zellen der Tastkörperchen des Entenschnabels und spricht sie als Ganglienzellen an; seiner Mei- nung nach endigt in jeder solchen Zelle je eine Nervenfaser. Ranvier bestätigt das Vorhandensein dieser Zellen, weicht aber von Merkel ab was die Art und Weise der Nervenendigung an- langt: nach seiner Meinung bilden die Nervenfasern unterhalb jeder Zelle einen concav-convexen Meniscus, welcher der unteren Seite der Zelle anliegt. Mit derartigen Nervenendigungen lässt sich das Verhalten der Nerven zu den einzelligen Elementen des Entenschnabels vergleichen, wobei freilich zu betonen ist, dass erstere mitten im Epithel, letztere im Bindegewebe gelagert sind. Der Nerv endigt entweder im Centrum der Scheibe oder an ihrem Rande. Ueber das Schicksal solcher solitären zelligen Elemente kann man zweierlei Vermuthungen Raum geben: entweder bleiben Ueber den Bau der Grandry’schen Körperchen. 591 sie das ganze Leben hindurch als solche bestehen, oder sie dienen als Bildungsmaterial für neue Körperchen oder mindestens, um die Zahl der Deckzellen und Tastscheiben in schon vorhandenen ent- wickelten Körperchen zu vermehren. Die letztere Vermuthung ist die wahrscheinlichste. Nicht selten kommt man in die Lage Bilder zu sehen, in welchen oberhalb eines aus zwei Deckzellen zusammengesetzten Körperchens eine oder zwei isolirte Zellen mit eigenen Tastscheiben angeordnet sind, wie man es in Fig. 12 abgebildet sieht. Man darf vermuthen, dass aus irgend welchen Ursachen Körperehben und Zelle einander näher rücken und dass auf diese Weise ein Körperchen mit drei oder vier Deckzellen und zwei oder drei Tastscheiben gebildet werde. Dadurch liesse sich auch der Befund von Körperchen erklären, die in ihrer Struc- tur von den gewöhnlichen Körperchen abweichen, indem sie z.B. einem Briefumschlage ähnlich aussehen; in diesem Falle dringen isolirte Zellen von den Seiten her zwischen zwei Deckzellen ein. Anlangend den Ursprung der Deckzellen und der einzel- ligen Elemente, so sind diese Gebilde nach den Untersuchungen von Izquierdo und von Merkel Nachkommen von Epi- thelzellen der Epidermis. Obgleich ich über eigene Untersuchun- gen in dieser Richtung nicht verfüge, muss’ich doch sagen, dass im Bindegewebe des Entenschnabels isolirte Zellen von den aller- kleinsten bis zu vollständig entwickelten vorkommen und dass die ersteren von Bindgewebzellen kaum zu unterscheiden sind. Indem ich nun im Bindegewebe des Entenschnabels die Existenz isolirter Zellen, welche den Deckzellen vollständig ent- wickelter Grandry’schen Körperchen gleichen, anerkenne, halte ich dieselbe indessen nicht für Tastzellen im Sinne Merkel’s, denn in ihnen selbst endigt kein Nerv, und die Mehrzahl von ihnen besitzt eben solche Nervenscheiben, wie die entwickelten Körperchen. 992 A. Dostoiewsky: Ueber den Bau der Vorderlappen des Hirnanhanges. Von Dr. med. A. Dostoiewsky aus St. Petersburg. Hierzu Tafel XXVIII, Fig. 13 u. 14. Im Octoberheft einer russischen medieinischen Zeitschrift für das Jahr 18841) hatte ich eine Abhandlung publieirt über die Er- gebnisse von Untersuchungen, welche im Frühling desselben Jahres im histologischen Laboratorium der medieinischen Academie zu St. Petersburg von mir angestellt waren. Diese Untersuchungen hatten mieh zu dem Schlusse geführt, dass der Vorderlappen des Hirnanhanges bei Säugethieren nicht aus gleichartigen Zellen zu- sammengesetzt ist, wie man dies bisher annahm, sondern dass derselbe zweierlei Arten von Zellen enthält, die sich sowohl durch ihre Grösse, Form und ehemische Reactionen von einander unter- scheiden, als auch einen verschiedenen wohl bestimmten Platz in Anspruch nehmen. Gleichzeitig mit der Veröffentlichung meiner Arbeit machte Prof. Max Flesch in der 57. Versammlung deut- scher Naturforscher und Aerzte in Magdeburg?) eine Mittheilung, aus welcher hervorgeht, dass er im Vorderlappen des Hirnanhanges beim Pferd, Hund und neugeborenen Kinde ebenfalls zweierlei Arten von Zellen gefunden hatte. Angesichts des Interesses, dessen die in Rede stehende Frage sich erfreut, und auf Vorschlag des Herrn Prof. Waldeyer, der meine Präparate durchzusehen die Güte hatte, erachte ich es nicht für überflüssig, hier die Ergeb- nisse meiner Untersuchungen niederzulegen. Ich untersuchte den 1) Militärärztl. Journal. October 1884 (Russisch). 2) Tageblatt der 57. Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte in Magdeburg. 1884. — Archiv des Sciences physiques et naturelles. Troi- sieme periode. Tome douzieme. Geneve 1884. Ueber den Bau der Vorderlappen des Hirnanhanges. 593 Hirnanhang, abgesehen vom Menschen, beim Rinde, beim Hunde, bei der Katze, beim Kaninchen und bei der weissen Ratte. — Bekanntlich ist der Hirnanhang aus zwei Theilen zusammengesetzt: einem kleinen hinteren, der zum centralen Nervensysteme ge- hört, und einem vorderen drüsigen Theile der, wie es die Unter- suchungen von W. Müller und von Mihalkovies gezeigt haben, aus der primitiven Mundhöhle sich bildet und nichts anderes re- präsentirt als das Homologon einer Ausstülpung dieser Höhle im embryonalen Stadium. Um die Zeit der Bildung der Schädelbasis schnürt sich diese Ausstülpung von der Mundhöhle ab, obwohl sie mit der letzteren eine gewisse Zeit lang noch im Zusammen- hange steht, durch: einen Kanal, welcher späterhin vollkommen ob- literirt. Vor dem gänzlichen Verschluss dieses Kanals erscheinen in den Wandungen der ausgestülpten Blase follieuläre Drüsenge- bilde, welche von einander durch ein gefässreiches Bindegewebe geschieden sind. Diese Drüsengebilde machen eben im!Laufe des ganzen Lebens den Hauptbestandtheil des Hirnanhanges aus. — Fertigt man einen Horizontalschnitt durch die Mitte des ganzen Hirnanhanges des Menschen oder des Rindes an, so kann man in demselben, wie es bereits Peremeschko!) beschrieben hat, von vorn nach hinten folgende Theile unterscheiden : 1)einen vorderen drüsigen Theil, der über drei Viertel des gesammten Organs ein- nimmt, 2) einen spaltförmigen, im Halbzirkel gebogenen Kanal, 3) eine schmale Schicht, die nach vorn von der hinteren Partie sich befindet und derselben dicht anliegt, endlich 4) eine hintere Partie. Anlangend den feineren Bau des Vorderlappens, so lässt er sich nach den existirenden Beschreibungen folgendermassen darstellen. Von der bindegewebigen Kapsel gehen in das Innere des Organs Balken und Bündel ab, welche das ganze Organ durch- setzen und sein Stroma bilden. Nach Luschka?) soll dieses Stroma im jugendlichen Alter wenig entwickelt sein, im vorge- rückten Alter jedoch stärker erscheinen. Nach der Beschreibung von Peremesehko zerlegen diekere Balken das ganze Organ in 5—7 Abschnitte und von diesen dieken Bündeln gehen dünnere ab, welche eine Menge von Fächern umschliessen. In den letz- teren sind die Drüsenbläschen gelagert. Ihre Form ist vorzugs- ]) Ueber den Bau des Hirnanhanges. Virchow’s Archiv. Bd. 38. 1867. 2) H. Luschka, Der Hirnanhang und die Steissdrüse. Berlin 1860. 594 A. Dostoiewsky: weise rund, indessen gelegentlich auch oval und ausgezogen. Die letztere kommt nach Grandry!) an der Peripherie des Organs vor. Die Bläschen bestehen aus einer Membran und einem In- halt, Zellen. Ihre Form ist polygonal oder rund. Luschka fand in manchen Bläschen mit Wimperhaaren ausgestattete Zellen. Grandry beschreibt im Inneren einzelner Bläschen, besonders bei alten Individuen, eigenthümliche blasse, helle „coneretions“, die weder durch Essigsäure, noch durch Alkalien verändert werden. Peremeschko fand ebenfalls bei einigen Thieren im Centrum von Drüsenbläschen runde colloidähnliche compacte Körper; bei gewissen Thieren haben dieselben das Aussehen von kleinen glänzenden Körnern (Sagokörner). Henle?) vergleicht das Ge- webe des Hirnanhanges mit der Marksubstanz der Nebennieren und findet die Aehnlichkeit so gross, dass es schwer sei, sie unter dem Mikroskope von einander zu unterscheiden. Der Vorderlappen erscheint schon dem unbewaffneten Auge auf Durchschnitten ungleichartig. Macht man Frontalschnitte, so nimmt sich je nach der Stelle des Schnittes entweder die centrale Partie oder die dem unteren Rande des Organs näher gelegene Partie dunkler aus, als die übrige Partie bei auffallendem Lichte und heller bei durch- fallendem Lichte. Legt man den Hirnanhang auf mehrere Tage in 21/, '/oige Lösung von doppeltchromsaurem Kali, so tritt der Far- benunterschied noch prägnanter hervor: die dunkele Partie liegt inmitten eines helleren Gewebes; auf dem Durchschnitt hat sie die Gestalt eines Sternes, welcher mit seinen Fortsätzen in die weisse Substanz (des Vorderlappens) hineinreicht. Schon Luschka hatte bemerkt, dass die Substanz des Vorderlappens auf dem Durch- schnitte gefleckt erscheint, aber er erklärte dieses Verhalten aus einer ungleichmässigen Vertheilung des Blutes; indessen ist dieser Farbenunterschied, wie aus dem Nachstehenden ersichtlich, einzig und allein von einer Verschiedenheit der Parenchymelemente ab- hängig. Studirt man feine Schnitte aus dem Vorderlappen des in doppeltehromsauerem Kali oder in Alkohol gehärteten Hirnanhanges des Rindes, so kann man sich überzeugen, dass das Parenchym 1) Memoire sur la structure de la capsule surr&nal de l’homme et de quelques animaux. Journal de l’anatomie et de la physiologie, publie par C. Robin, 1807. 2) Ueber das Gewebe der Nebenniere und Hypophyse. Zeitschrift für rat. Med. Dritte Reihe. XXIV. Ueber den Bau der Vorderlappen des Hirnanhhanges. 595 ausschliesslich aus in Drüsenbläschen gelagerten Zellen besteht: die körnige Masse und die freien Kerne, welche von manchen Autoren beschrieben werden, sind Zerfallsproduete der Zellen. Schon auf den ersten Bliek kann man bemerken, dass die in den Bläschen gelegenen Drüsenzellen nicht gleich sind; es gibt ihrer zwei Sorten: die einen sind grobkörnig, messen.0,015 bis 0,025 mm und besitzen eine dunkle Farbe, die anderen sind viel kleiner, vollkommen homogen und hell. Die Zellen vertheilen sich beim Rinde in der Weise, dass in der dem unbewaffneten Auge dunk- ler erscheinenden, d.h. in der centralen’Partie, Zellen der zweiten Art, d. h. homogene Zellen, gelegen sind; der übrig bleibende Theil wird von den körnigen Zellen eingenommen. Wenn bereits an ungefärbten Präparaten die Differenz zwischen den Elementen sichtbar ist, so wird dieselbe noch deutlicher bei Anwendung ge- wisser Reagentien. Zu diesem Zwecke kann man Eosin und Ueberosmiumsäure empfehlen. Flesch empfiehlt die nämlichen Reagentien. Vor der Tinetion mit Eosin werden die Schnitte mit Haematoxylin gefärbt und darauf in eine schwache alkoholische Eosinlösung gebracht, wo sie einige Minuten verbleiben, um her- nach in starken Alkokol zu kommen, der häufig gewechselt wird, bis die abzugiessende Flüssigkeit beinahe farblos erscheint. Nun vollendet man die Herstellung der Präparate in gewöhnlicher Weise, indem man die Schnitte in Nelkenöl bringt und in Canada- balsam einschliesst. Solche Präparate sind sehr demonstrativ und die Differenz zwischen den Zellen ausserordentlich deutlich: die körnigen Zellen färben sich mit Eosin tiefrosa, die Zellen der zweiten Art nehmen an dieser Färbung fast gar keinen Antheil. In den Präparaten, wo die Blutkörperchen erhalten sind, also in Präparaten aus Drüsen, die in doppeltehromsaurem Kali gehärtet waren, besitzen die Blutkörperchen eine ziegelrothe Färbung, die sich scharf von der Färbung der körnigen Zellen unterscheidet. Ein anderes treff- liches Reagens für die Unterscheidung der Zellen ist eine Lösung von Ueberosmiumsäure. Legtmanden ganzen Hirnanhang einer Ratte, eines Kaninchens, einer Katze oder ein kleines Stückchen aus dem Vorderlappen des Hirnanhanges des Rindes in Y,—!/,ige "Lösung von Ueberosmiumsäure auf etwa 20 Stunden und unter- sucht nun mit Pikrocarmin gefärbte Schnitte, so tritt die Differenz zwischen den Zellen ausserordentlich deutlich hervor: die körnigen 596 A. Dostoiewsky: Zellen sind dunkelbraun gefärbt, die übrigen Zellen blassgelblich. Wie bereits erwähnt, sind die körnigen Zellen grösser als die homogenen. Sie verhalten sich resistenter der Einwirkung ver- schiedenartiger Säuren und Alkalien gegenüber; so z. B. bei Be- handlung mit Essigsäure sind die körnigen Zellen, während die hellen aufquellen, ihre Contouren verlieren und stellenweise voll- kommen zerfallen, noch ausserordentlich deutlich sichtbar und scharf contourirt. Die hellen Zellen erscheinen an Präparaten, welche in der sorgfältigsten Weise hergestellt wurden, mitunter zerfallen, was mit Bezug auf die körnigen Zellen sich nicht aus- sagen lässt: immer sind die letzteren klar und deutlich zu sehen. Die einen sowohl wie die anderen enthalten je einen grossen Kern mit scharf hervortretenden Kernkörperchen, deren Zahl zwischen l und 6 schwankt. Alle Zellen sind in Drüsenbläschen und Drüsenschläuche eingeschlossen. Wenigstens sieht man um die einzelnen, bald mehr rundlichen, bald mehr länglichen Zellen- gruppen eine deutliche Contourlinie, welche auch mit platten Kernen besetzt erscheint. Ich halte diese Linie für den Ausdruck einer kernhaltigen Membrana propria. In jedem Bläschen befinden sich 2 bis 20 Zellen und mehr. Wie bereits erwähnt, sind beim Rinde die vorzugsweise hellen Zellen enthaltenden Bläschen in dem Theile der Hirnanhanges gelegen, welcher dem unbewaffneten Auge dunk- ler erscheint d. h. vornehmlich in dem centralen Theile. In der übrigbleibenden Partie liegen Bläschen, die hauptsächlich körnige Zellen beherbergen. Fertigt man eine Serie von Frontalschnitten aus dem Hirnanhange des Rindes an, so kann man beobachten, dass der dunkle Theil nicht immer das Centrum einnimmt. In den Schnitten zunächst dem vorderen Rande des Organs liegt der dunkle Theil nicht im Centrum des Schnittes, sondern mehr nach unten — näher dem unteren Rande Wenn man sich den Ver- lauf der centralen Substanz im Ganzen vorstellt, so wird derselbe eine Richtung von vorn und unten nach hinten und oben besitzen. Davon kann man sich auch an Sagittalschnitten überzeugen; in derselben Richtung verlaufen auch die grossen Gefässe. Anlangend die Vertheilung der Zellen in den Bläschen, so können in einem und demselben Bläschen Zellen beiderlei Art vorkommen. Im cen- tralen Theile liegen hauptsächlich Bläschen mit hellen Zellen, ob- gleich hin und wieder daselbst auch Bläschen anzutreffen sind, die grosse körnige Zellen enthalten; weiter nach der Peripherie Ueber den Bau der Vorderlappen des Hirnanhanges. 597 zu liegen neben Bläschen mit homogenen Zellen auch solche, die mit körnigen Zellen gefüllt sind. Hier befinden sich auch Bläs- chen mit Zellen beiderlei Art. Je weiter vom Centrum entfernt, desto mehr nimmt die Zahl der Bläschen mit homogenen Zellen sowie die Zahl der letzteren in den Bläschen, welche beiderlei Zellen enthalten, stetig ab, so dass an der Peripherie des Organs hauptsächlich Bläschen mit körnigen Zellen vorhanden sind, ob- wohl in jedem dieser Bläschen in ungleicher Menge auch helle Zellen nicht fehlen. Von Interesse ist die Anordnung der Zellen beiderlei Art in den Bläschen: es kommen alle nur möglichen Com- binationen vor. So kann man Bläschen sehen, welche mit hellen Zellen gefüllt sind und nur eine körnige Zelle enthalten; in anderen Fällen kann man das umgekehrte Verhältniss beobachten. In Bläschen, welche mit Zellen beiderlei Art gefüllt sind, ordnen sich die letzteren entweder gleichmässig oder in Haufen in der Weise an, dass auf der einen Seite des Bläschens körnige Zellen liegen, auf der anderen helle. In anderen Fällen befinden sich die kör- nigen Zellen im peripheren Theile des Bläschens, haben eine plattgedrückte Gestalt und erinnern vollkommenan die Giannuzzi'- schen Zellen in den serösen Speicheldrüsen. Die Grösse der Bläs- chen und die Zahl der in ihnen enthaltenen Zellen ist bei Weitem nicht gleich. Im Allgemeinen lässt sich sagen, dass Bläschen mit hellen Zellen viel kleiner sind als solche mit körnigen Zellen; dabei liegen erstere nicht so dicht einander wie letztere und sind durch Bindegewebsbündel verschiedener Dieke von einander abgegrenzt. Im eentralen Theile kann man nicht selten Bläschen begegnen, die nur zwei Zellen enthalten, wobei die eine derselben körnig ist, die andere hell. Nicht selten sitzt in ähnlichen Fällen die erstere in Form einer Halbkugel der letzteren auf. Im peri- pheren Theile, an der Grenze gegen Kapsel und Spalte, sind die Zellen in langen Schläuchen angeordnet; besonders deutlich sind diese Schläuche in der hinteren Partie, an der Grenze gegen die Spalte ausgebildet. Die beschriebene Differenz zwischen den Zellen habe ich bei allen von mir untersuchten Thieren gefunden. Bei kleinen Thieren, wie z. B. bei der Ratte, beim Kaninchen und bei der Katze ordnen sich dieselben nicht so regelmässig an, dass man das ganze Organ in zwei Abschnitte — einen centralen und einen peripheren — eintheilen könnte. Hier vertheilen sich die Zellen 598 A. Dostoiewsky: Ueber den Bau der Vorderlappen des Hirnanhanges. gleichmässig über das ganze Organ und kommen in jedem Bläschen Zellen beiderlei Art vor. Von kleinen Thieren ist besonders bei der Katze die Differenz zwischen den Zellen scharf siehtbar. Ob- gleich beim Menschen die Zellen nicht so regelmässig wie beim Rinde angeordnet sind, kann man doch immerhin mit Bestimmtheit sagen, dass die körnigen Zellen vornehmlich an der Peripherie des Organs gelegen seien. Abgesehen von den Drüsenbläschen, welehe dicht mit Zellen angefüllt erscheinen, fand ich beim Rinde in verschiedenen Abschnitten des Vorderlappens verschiedene grosse Höhlen, ausgekleidet von Zellen mit Wimperhaaren. Die Grösse dieser Höhlen ist entweder der der Drüsenbläschen gleich oder übertrifft die letztere um ein Mehrfaches. Aehnlichen Höhlen kann man in verschiedenen Abschnitten des Vorderlappens des Hirnanhanges begegnen. Aus Allem, was eben dargestellt, lässt sich Folgendes schliessen : In die Zusammensetzung des Vorderlappens des Hirnanhanges aller von mir untersuchten Thiere gehen zellige Elemente zweier- lei Art ein; beim Rinde und beim Menschen vertheilen sich die- selben in der Weise, dass helle Zellen vornehmlich die centralen Partien des Organs einnehmen und körnige Zellen die peripheren; bei den übrigen Thieren sind Zellen beiderlei Art gleichmässig über das ganze Organ vertheilt. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XXVIM. Fig. 13. Aus dem Vorderlappen des Hirnanhanges vom Rind. Müller’sche Flüssigkeit. Hämatoxylin-Eosin. a Bläschen mit hellen, homogenen Zellen. b Bläschen mit körnigen Zellen. V V Venen, ausserdem Bläschen mit theils hellen, theils körnigen Zellen. Fig. 14. Aus dem Vorderlappen des Hirnanhanges der Katze. Ueberosmium- säure. Pikrocarmin. Gustav Platner: Zur Bildung d. Geschlechtsprodukte b. d. Pulmonaten. 599 Zur Bildung der Geschlechtsprodukte bei den Pulmonaten. Von Gustav Platner. Hierzu Tafel XXIX und XXX. Die Untersuchung der Genese der Geschlechtsprodukte ge- währt bei den Pulmonaten dadurch ein besonderes Interesse, dass man in der Zwitterdrüse dieser Thiere Bier und Samenfäden sich nebeneinander entwickeln sieht, wodurch man über das Verhält- niss dieser beiden Elemente zu einander in ihrer Entstehung ein sehr anschauliches Bild gewinnt. Ueber die Spermatogenese habe ich zwar schon früher aus- führliche Mittheilungen gemacht, doch bin ich in Bezug auf einige Punkte noch zu weiteren Ergebnissen gelangt, die hier Platz fin- den mögen. Zunächst habe ich den Prozess der Karyokinese in den samenbildenden Zellenigenauer studirt, sodann war es mir gelungen, bei Arion nach Herstellung günstiger Lebensbedingungen nicht nur den Vorgang der Begattung in der Gefangenschaft häufig zu beobachten, sondern auch jedesmal im Anschluss hieran die Ablegung entwicklungsfähiger Eier zu konstatiren. Es waren da- durch nicht nur zwei fixe Punkte in dem Verlaufe der Entwick- lung gewonnen, sondern es gelang auch an Schnittserien durch den Uterus den Vorgang der Befruchtung genau und schön zu ver- folgen. Ich hätte gern gewünscht, das gleiche Verfahren auch bei Helix einschlagen zu können; leider aber verliefen alle meine. Bemühungen in dieser Beziehung resultatlos. Besonders frisch eingefangene Exemplare sah ich wohl zuweilen sich begatten; nie aber kam es zur Entwicklung reifer Eier, sondern der Genital- traktus und seine Adnexe zeigten, kürzere oder längere Zeit dar- nach untersucht, einen Zustand mehr oder minder vorgeschrittener Atrophie, die sich in den speeifischen Zellen der Zwitterdrüse auch 600 Gustav Platner: durch beginnenden scholligen Zerfall dokumentirte. Schon Kefer- stein!) hatte in dieser Beziehung keine Erfolge gehabt. I. Nachtrag zur Karyokinese in den samenbildenden Zellen von Helix. (Taf. XXIX.) Was zunächst den Prozess der Karyokinese in den samen- bildenden Zellen anlangt, so war hier hauptsächlich noch die Frage nach der Herkunft und dem Schieksal der Spindelfasern zu lösen. Meine Untersuchungen ergaben nun in Bezug auf ersteren Punkt Folgendes: In der Phase, wo die Chromatinsubstanz des regulär angeordneten Knäuels sich zu der aequatorialen Körnerplatte zu concentriren im Begriff steht, zeigte es sich, dass die Spindel- fasern weder an den Polen genau in einem Punkt zusammen- stiessen noch einen gradlinigen Verlauf hatten. Dieselben strichen zwar von dem Aequator aus in der Richtung nach den Polen, endigten hier aber nicht scharf, sondern bogen um und setzten sich auf der andern Seite continuirlich fort. Von grossem Vor- theil fand ich es, für diese Untersuchungen die Präparate nach der von Krause?) angegebenen Methode zwischen zwei Deck- gläschen auf durchbohrten Objeetträgern einzuschliessen. Einzelne Spindelfasern sind immer genügend hervortretend, um sich so iso- lirt verfolgen zu lassen. Die erhaltenen Bilder zeigten mit grosser Deutlichkeit, dass die Spindelfasern nichts anderes waren als das bestehengebliebene Gerüst des regulär angeordneten Knäuels, dessen Chromatinsubstanz sich im Aequator concentrirt hatte, während die ungefärbte Grundsubstanz in toto erhalten war (Fig. 2, Taf. XXIX). Dass ein Zusammenhang der Spindelfasern an den Polen in ge- wissen Phasen vorhanden sein kann, ergaben auch die Beobach- tungen Carnoy’s°) bei Oedipoda coerulea. Er sagt hier in Be- treff derselben: „Ensuite ils ne se terminent pas aux deux pöles; ils se continuent au delä. L’observation direete est impuissante, 1) Keferstein, Die Klassen und Ordnungen des Thierreichs, von Bronn. Fortgesetzt von Keferstein. III. Bd. Abth. 2. 2) W. Krause, Internat. Monatsschr. f. Anat. u. Histologie. Bd. 1. 1884. H. 5. p. 353. 3) Carnoy, la Cytodieröse chez les Arthropodes. „La cellule“. T. I, IIe F, Louvain 1885. Zur Bildung der Geschlechtsprodukte bei den Pulmonaten. 601 il est vrai, A nous r@veler la maniere dont les filaments se com- portent aux extr&emites du fuseau, A cause de leur rapprochement. Mais rappelons-nous les Fig. 42 et 43 et ce que nous avons dit de cette derniere a la p. 260. Les filaments de la Fig. 42, en abandonnant les asters pour former le faisceau de la Fig. 43, se rectifient, et se separent nettement les uns des autres aux extr6- mites polaires; ils n’y paraissent done point termines ni soud6s, ils ne font que s’y croiser pour se continuer de l’autre cöte du fuseau.“ Die Verallgemeinerung, welche er seinem Satze verleiht, erscheint mir durch die Thatsache nieht ganz gerechtfertigt. Der eigenthümliche Entstehungsmodus der Spindelfasern, welchen ich bei Helix beobachtete, giebt eine weitere Bestätigung für die schon von anderer Seite berichtete Thatsache, dass die Constitution der Mikrosomen resp. Schleifenschenkel keine solide .ist, sie erscheinen vielmehr auf dem Knäuelgerüst nur aufgereiht wie etwa Perlen auf einer Schnur. Da ferner die reguläre An- ordnung des Knäuels, wie zuerst Rabl!) ausführlich gezeigt hat, ein verbreiteteres Vorkommen hat, so dürfte der erwähnte Modus der Entstehung der Spindelfasern vielleicht eine allgemeinere Be- deutung haben. Aus dem Knäuelgerüst bildet sich die Spindel nun so, dass die einzelnen Segmente des ersteren an den Polen in einem Punkte zusammentreten, sie werden dabei mehr gestreckt und gehen eine innige Verbindung?) mit dem aus dem Protoplasma hervorgehenden Polstern ein. Grössere Schwierigkeiten bieten sich bei der Nachforschung nach dem Schicksal der Spindelfasern bei der Trennung der Toch- terzellen. Bei dem gewöhnlichen Verlauf der Theilung, wo die Durchschnürung im Aequator rasch erfolgt, sind nach der Thei- lung die Spindelfasern scheinbar plötzlich verschwunden; hier lässt sich also über ihr Verbleiben nichts eruiren. Anders verhält sich hingegen die Sache, wenn die Trennung des Protoplasmas im Aequator eine Verzögerung erleidet oder ganz ausbleibt. Dieser Vorgang ist freilich der seltenere, wodurch das Verfolgen desselben erheblich erschwert wird. Doch beobach- tete ich immerhin eine genügende Anzahl von Fällen, um darüber völlige Klarheit zu erhalten. 1) Rabl, Ueber Zelltheilung. Morph. Jahrb. Bd. X. 1885. p. 214—330. 2) Vergl. Nussbaum, D. Arch. Bd. XXVI, p. 505. 602 Gustav Platner: Eine Verzögerung der Theilung erkennt man daran, dass in solchen Fällen die Umbildung der Chromatinmasse der Polplatten zu Spermatidenkernen schon mehr oder weniger weit vorgeschritten ist, während im Aequator die Tochterzellen noch in Verbindung stehen. Meine Beobachtungen betreffen nun fast ausschliesslich die letzte Theilung der Spermatocyten, wodurch also die Sperma- tiden gebildet werden. Die charakteristischen Merkmale der letz- teren sind aber, um sie hier nochmals kurz anzuführen: Ein reich- lich entwickeltes Protoplasma, ein kleiner Kern und ein unregel- mässig polygonaler Nebenkern. Bei der retardirten Theilung (Fig. 3—8, Taf. XXIX) lösen sich die Polplatten von den Spindel- fasern los und wandeln sich, indem sie zu Körnern zerfallen, die oft noch eine reihenförmige Anordnung zeigen, zu regulären Kernen um, wobei sie oft eigenthümliche Drehungen und Lageverände- rungen zeigen (Fig. 3—5). Die Spindelfasern hingegen contrahiren- sich mehr und mehr nach dem Aequator hin, wobei sie mitein- ander verschmelzen und merkwürdiger Weise je weiter dieser Ver- diehtungsprozess fortschreitet, um so mehr an Tinctionsfähigkeit speciell gegenüber dem Hämatoxylin gewinnen. Sie stellen jetzt zwei dreieckige oder hakenförmige Gebilde dar, die mit der Spitze noch im Aequator zusammenhängen, mit der breiten Seite sind sie den zugehörigen Zellen zugewendet. Hier sind ihre Gren- zen undeutlicher, verwaschen, und zeigen sie hier auch noch häufig eine streifige Beschaffenheit, welche auf ihren Ursprung hinweist (Fig. 4). Zuweilen lassen sich einzelne Fäden noch eine beträcht- liche Strecke weit in das Protoplasma hinein verfolgen, welches zwischen ihnen und den sich ausbildenden Zellkernen liegt. Das Protoplasma selbst zeigt ein wirres Netz feiner Fasern, deren Zeichnung nach den Zellgrenzen hin undeutlicher wird, so dass die periphere Zone häufig durch eine ganz homogene Schicht von wechselnder Breite gebildet wird. Die Trennung erfolgt nun in der Regel nicht durch eine einfache Lösung im Aequator, sondern so, dass es zu einer Kniekung kommt (Fig. 5). Die Längsachsen der Zellen bilden dann im Aequator einen immer spitzer werden- den Winkel, so dass sie schliesslich nach erfolgter Theilung pa- rallel miteinander verlaufen. Das aus den Spindelfasern hervorgegangene hakenförmige Element ist jetzt von der Peripherie etwas nach dem Centrum der Zelle zurückgetreten. Da man nun alle Uebergänge von der Zur Bildung der Geschlechtsprodukte bei den Pulmonaten. 603 prompt erfolgenden Theilung der ganzen Zellen bis zum völligen Ausbleiben derselben beobachten kann, da ferner die Theilung zu einer ganz verschiedenen Zeit noch eintreten kann, wofür das beste Kriterium der Zustand der Kerne bietet, die in ihrer Um- bildung gleichmässig fortschreiten, so wird man auch das Umwand- lungsprodukt der Spindelfasern unmittelbar nach erfolgter Tren- nung auf einer sehr verschiedenen Stufe der Entwicklung finden. Oft ist es noch gar nicht vorhanden, zuweilen nur angedeutet, in manchen Fällen dagegen steht es schon auf einer sehr hohen Stufe der Ausbildung. Diese letztere verläuft nun weiter so, dass die Schenkel des Hackens an Länge zunehmen, distinkter werden; sie stossen in einem nach der Peripherie gerichteten und einem rechten sich beinahe nähernden Winkel zusammen. Nach dem Öentrum hin divergiren sie erst, um sich dann nach innen zu 'krümmen und sich wieder zu nähern (Fig. 7). In noch weiter vorgeschrittenen Stadien haben sie sich endlich zu einer geschlos- senen Figur vereinigt — dem Nebenkern. Derselbe geht also in diesem Falle direkt aus den Spindelfasern hervor (Fig. 8). In Betreff des Protoplasmss ist zu bemerken, dass dasselbe wie sonst, so auch hier oft in ganz ungleichmässiger Quantität sich auf die beiden Tochterzellen bei der Abschnürung vertheilt (Fig. 3—5). In ganz analoger Weise verläuft der Prozess, wenn die Tren- nung des Protoplasmas überhaupt nicht erfolgt (Fig. 9—13). Man bemerkt dann zuerst eine Krümmung der Spindelfasern im Aequa- tor nach der einen Seite gegen die Zellperipherie hin, woran das geformte Protoplasma sich mehr oder weniger betheiligt (Fig. 9). Weiterhin zeigen die Spindelfasern im Aequator eine Einschnü- rung und beginnen sich von den Polplatten zu lösen (Fig. 10). Sie eoncentriren sich dann immer mehr nach dem Aequator hin und verschmelzen in der bereits beschriebenen Weise allmählich zu zwei homogenen hakenförmigen Elementen, die sich stark färben mit Hämatoxylin und durch ihre Annäherung an die Zell- srenze von den zu Kernen sich umbildenden Polplatten sich immer weiter entfernen (Fig. 11). Während sie bisher noch miteinander im Zusammenhang standen, tritt weiterhin eine Trennung an der Einschnürungsstelle auf (Fig. 12), und schliesslich begegnet man statt ihrer den aus ihnen hervorgegangenen Nebenkernen (Fig. 13), die anfänglich noch nahe bei einander liegen, späterhin aber Archiv f. mikrosk, Anatomie. Bd. 26. 39 604 Gustav Platner: ebenso wie die Kerne die mannichfachsten Lageveränderungen eingehen. Also auch hier geht der Nebenkern direkt aus den Spindel- fasern hervor. Ueber die Zahl der letztern geben gute Querschnitte des regulären Knäuels Aufschluss. Solche zeigten wiederholt 48 Sehnitt- punkte, entsprechend ebensoviel halben Windungen des Knäuels und also auch hieraus entstehenden Spindelfasern. Weit seltener lässt sich der Vorgang einer verzögerten oder unterbleibenden Theilung des Protoplasmas bei den früheren Sta- dien der samenbildenden Zellen, den Spermatogonien und Sper- matocyten beobachten (Fig. 14—16). Die beigegebenen Figuren stellen die einzigen Beispiele hierfür dar, die ich in einer grossen Anzahl von Präparaten finden konnte. Ich beobachtete hier auch das Auftreten einer Körnchenreibe in der Mitte der Spindelfasern (Fig. 14 und 15). Auch in solchen Fälien scheint der Nebenkern sich direkt aus den Spindelfasern zu bilden, während die Pol- platten sich durch körnigen Zerfall zu den Kernen umwandeln (Fig. 16). Diese Erweiterung meiner Resultate weist mit grosser Be- stimmtheit darauf hin, dass zwischen Knäuelgerüst, Spindelfasern und Nebenkern ein genetischer Zusammenhang existirt, in der Art, dass alle drei nur Umwandlungsstadien desselben Elements darstellen. Vielleicht geht in den Spermatiden der Nebenkern überhaupt immer aus den Spindelfasern hervor, indem die lange fädige Verbindungsbrücke, die ihn oft mit dem Kern verbindet, sich wohl als ein noch einige Zeit persistirender Rest der ersteren deuten lässt. Es spricht für diese Annahme die eckige Form des- selben. Der Zusammenhang, den man jetzt zwischen den einzelnen Phasen der Zelltheilung herstellen kann und der schon von vorn herein durch seine Einfachheit imponirt, würde etwa folgender sein: Nachdem die Chromatinsubstanz des Kerns sich bis zu den Mikrosomen getheilt hat, richten sich diese in regelmässiger Weise zu gebogenen Reihen nach dem Nebenkern. Der letztere tritt dann in den Kern ein und bildet das Knäuelgerüst. Dieses bleibt, während die Chromatinsubstanz sich im Aequator zu einer Körnerplatte concentrirt, bestehen und bildet weiterhin die Spin- delfasern, die mit dem Protoplasma an den Polen in direkte Ver- Zur Bildung der Geschlechtsprodukte bei den Pulmonaten. 605 binduug treten. Nach erfolgter Theilung der Chromatinsubstanz wandeln sich die daraus hervorgegangenen Polplatten wieder zu regulären Kernen um, wobei entweder die Anaphase die Stadien der Prophase, um mich der Nomenklatur Strasburger’s!) zu be- dienen, nur in umgekehrter Reihenfolge wiederholt, oder der Ne- benkern direkt aus. den Spindelfasern hervorgeht. Welcher von diesen beiden Fällen eintritt, hängt von dem Grade ab, in welchem sich das Protoplasma der Theilung anschliesst. Der Nebenkern spielt also etwa die Rolle, welche,nach Strasburger dem Hyalo- plasma des Zellleibes bei der mitotischen Theilung der Pflanzen- zellen zukommt. Endlich habe ich in Bezug auf die aequatoriale Körnerplatte noch einige Bemerkungen hinsichtlich der Zahl und Entstehung ihrer Elemente hinzuzufügen. In 6 Fällen, wo alles dafür sprach, dass die letzteren alle in dem vorliegenden Querschnitt enthalten waren und noch keine Theilungen eingetreten waren, zählte ich jedesmal 24 Stück. Da diese Anzahl das Maximum darstellt, welches ich fand, da sie feraer sich sechsmal wiederholte und zwar bei grösseren und kleineren Spindeln, so muss man sie als der Wirklichkeit entsprechend annehmen. Merkwürdig ist, dass bei Bildung der ) in Eiern von Arion nur zwei der Körner, deren Zahl hier übrigens eine geringere ist, aus der Chromatinsubstanz des Spermakerns hervorgehen, der sich zu diesem Zwecke bei seinem Uebergang in den Eikern tbeilt. Das Studium der Furchungsspindel lehrte auch, dass jedes Element der aequatorialen Platte sich aus je zwei Doppelkörnchen zusammensetzte. Diese entstehen in der Nähe der Pole und rücken von da aus nach dem Aequator zusammen, wo sie sich in der Art aneinander legen, dass die Ebene, in der dies geschieht und also auch ihre Längsachsen parallel mit der Aequa- torialebene verlaufen. Die Theilung erfolgt später in der hieraufsenk- rechten Ebene wieder in je zwei Doppelkörnehen. Auch in den samen- bildenden Zellen zeigte sich kurz vor Bildung der grossen Körner zuweilen deutlich eine Sonderung in zwei im Aequator durch einen schmalen Zwischenraum getrennte Platten kleinerer Körnchen. Mass- gebend für die Beurtheilung des richtigen Stadiums war hier der 1) Strasburger, Die Controversen der indirekten Kerntheilung. Arch. f. mikroskop. Anat. Bd. XXIII. 1883. p. 246—304. 606 Gustav Platner: Zustand der Spindelfasern. Es lässt sich freilich bei diesen An- ordnungen nie recht entscheiden, wieweit etwa eintretende Dre- hungen dieselben ändern. Unter den neueren Arbeiten verdient die von Carnoy (l. e.) an dieser Stelle besondere Berücksichtigung, weil sie gleichfalls den Prozess der Karyokinese und zwar in den samenbildenden Zellen der Athropoden näher behandelt. Carnoy lässt die Spindel aus der „portion plasmatique“ des Kerns hervorgehen und zwar aus dem Retieulum, welches unabhängig vom Knäuel besteht. Nach der Theilung verwandelt sich dieselbe in Protoplasma: „La ma- jeure partie du fuseau devient portion integrante du eystoplasme.“ Genauer beschreibt er den Vorgang wie folgt (l. e. p. 352): „Cette these est facile a prouver ou pour mieux dire nous l’avons prouve d’avance en montrant dans chaque groupe que le noyau se reforme aux deux extremites du fuseau et se separe du corps de ce der- nier. Le fuseau reste done definitivement plonge dans le corps de la cellule. L’etude attentive des phenomenes qui se passent ensuite montre ce qu'il y devient. Il ne disparait pas et ne s’y fond pas, comme semblent l’affirmer les auteurs; il s’y maintient et s’y transforme en cytoplasme. Les granules de l’enchyl&me continuent A s’y porter en abondance, et cette fois pour ne plus subir de modifications. En m&me temps le fuseau perd de sa regularite et fait retour au reticulum plastinien; il se change done en protoplasma ordinaire, que l!’on ne distingue plus desormais du eytoplasme voisin.“ Was den Nebenkern anbetrifft, dessen ausgebreitetes Vor- kommen und wichtige Betheiligung an der Bildung der Samen- fäden namentlich auch der Arthropoden zweifellos nachgewiesen zu haben, das grosse Verdienst v. la Valette St. George’s ist, so hat derselbe bei Carnoy wenig Berücksichtigung gefunden. Da die Angaben Bütschli’s!) geeignet sind, Zweifel über die Priori-. tät der Entdeckung aufkommen zu lassen, so seien hier die histori- schen Daten derselben kurz angeführt. Zuerst gesehen und genauer beschrieben wurde dies Element von v. la Valette St. George?) 1) Bütschli, Studien über die ersten Entwicklungsvorgänge der Ei- zelle, die Zelltheilung und die Conjugation der Infusorien. Frankfurt a. M. 1876. p. 40. 2) v. la Valette St. George: Ueber die Genese der Samenkörper II. Arch. f. mikrosk. Anat. Bd. III. 1867. Zur Bildung der Geschlechtsprodukte bei den Pulmonaten. 607 (1867) und zwar bei Mollusken und Artbropoden. Sodann be- richtete Metschnikoff!) darüber (1868). Es folgte hierauf die Arbeit Balbiani’s?) (1869), dagegen erschienen die Publikationen Bütschli’s®) erst im Jahre 1871. Was die vonSchneider *) behauptete Priorität Reichert’s) für die Nematiden anlangt, so hat schon Nussbaum) gezeigt, dass diese Angabe in der Arbeit Reichert's keine Stütze findet. Carnoy (l.e. p. 352) sagt von dem Nebenkern : „Les „Neben- kerns“ des auteurs ne subissent pas de modifications notables, mais ils peuvent changer de place pendant la division.“ Sodann heisst es: „C’est done bien A tort que certains observateurs comme Nussbaum ont avanc& que ces corps se fusionnaient et dispa- raissaient pendant la division. Il suffit de faire mouvoir les cel- lules dans la preparation pour les apercevoir distinetement & toutes les phases du phenomene. En parlant de Crangon cataphractus nous avons dit que les „Nebenkerns“ se mouvaient pour venir se placer dans une position symmetrique aux deux pöles. Ce fait ne pouvait &tre generalise. En effet chez les Astacus et d’autres erustaces, ils occuppent une position quelcongque dans la cellule, ä n’importe quelle etape de la division; nous ne les avons jamais vus se mouvoir pres des asters, comme chez le Crangon.“ Noch schlimmer ergeht es dem Nebenkern bei Gilson’). Er erwähnt desselben bei Beschreibung der Spermatogenese der Orthopteren, wo er von ihm sagt (l. e. p. 109 ff): „Une autre partieularit6, aceidentelle aussi dans les spermatiques, e’est la presence d’une enclave albuminoide & cöte du noyau. Nous l’avons observee dans les cellules spermatiques, mais elle est beau- coup plus apparente dans les metrocytes de toutes generations. 1) Metschnikoff, Arbeiten der erst. Vers. der russischen Natur- forscher. 1868. Abth. für Anatomie und Physiologie. 2) Balbiani, Aunales de sciences naturelles, 5me Serie. Tome II. 1869. Memoire sur la generation des Aphides, 3) Bütschli, Zeitschr. f. wiss. Zoologie. Bd. 21. 1871. 4) Schneider, Das Ei und seine Befruchtung. 1883. 5) Reichert, Müller’s Archiv. 1847. 6) Nussbaum, Ueber die Veränderung der Geschlechtsprodukte bis zur Eifurchung. Arch. f. mikrosk. Anat. Bd. XXI. 7) Gilson, Etude comparee de Spermatogenese chez les Arthropodes. Louvain 1885. 608 Gustav Platner: Plus rarement on observe plusieurs petites enclaves analogues. Ce detail a pour nous aucune importance; une ou plusieurs en- claves de cette nature peuvent en effet se rencontrent aceiden- tellement dans toute espece de cellules. Nous n’attribuons & ces corps aucune part dans la formation du spermatozoide. Si nous avons crü necessaire d’en signaler existence, c’est uniquement, parceque nous devons y recourir pour interpreter les descriptions de la formation de la t&te donnees par Bütschli et de la Valette St. George.“ In Betreff der Angaben Bütschli’s kommt Gilson nun zu dem Resultate: „Nous avons vainement cherche a voir ce Neben- kern, et surtout, les diverses phases de son @volution. O’est pour- quoi nous pensons que le corps auquel Bütschli fait jouer un röle dans la formation de la queue, n’est que l’encelave albumi- noide que l’on observe accidentellement dans certaines cellules. Quant aux deux petits fuseaux issus de ce Nebenkern et que Bütschli dessine avee tant de nettete dans les figures 1, 3 et 4 de son me&moire, nous ne savons trop & quoi ils correspon- dent en realite.“ Noch abfälliger lautet die Kritik über die Entdeckungen v. la Valette St. George’s: „De la Valette St. George plus heureux que nous, a pu observer le fameux Nebenkern, sa division en deux parties et sa reconstitution par le rapprochement et la fusion et ses deux moities! Aussi s’est-Il converti entiere- ment aux idees de Bütschli sur la formation de la tete et l’Evo- lution du Nebenkern. Nous serions tr&s heureux d’apprendre comment il faut operer pour observer ces etranges phenomönes. Jusqu’a preuve du con- traire, nous les considerons comme &tant düs A des acceidents de preparation ou a une illusion quelconque.* Das Vertrauen Gil- son’s zu seinen Untersuchungsmethoden und seinem Beobach- tungstalent scheint ein recht grosses zu sein. Ich will mich hier in eine Erwiderung auf die wörtlich eitirten Stellen nicht näher einlassen, sondern überlasse die Entscheidung in Bezug auf den Nebenkern und seine Existenz ruhig der Zukunft. Es wird sich schon zeigen, auf wessen Seite die „Illusion“ beruht. Zur Bildung der Geschlechtsprodukte bei den Pulmonaten. 609 II. Ei und Samenbildung bei Arion. Taf. XIX Fig 1—11. Die erste Anlage der Zwitterdrüse von Arion ist entsprechend dem zweilappigen Bau dieses Organs eine doppelte. Die Zellen, aus welchen dieselbe entsteht, sind, entsprechend der Nomenklatur v. la Valette St. George’s, als Sexualzellen zu bezeichnen. Die kleinsten Drüsen, deren Isolirung mit Hülfe des Präparirmikroskops eben noch gelang, zeigten sich dicht hinter der letzten Darm- schlinge unter der Form zweier länglichen grauen Körperchen von je etwa 0,1 mm Querdurchmesser, zu beiden Seiten des grossen Hauptgefässes liegend. Dieselben wurden ‚zugleich mit dem Ge- fässabschnitt, an welchem sie hafteten, herausgenommen und zur Herstellung dünner Schnitte verwendet. Man findet in diesem Stadium noch eine grosse Anzahl von Sexualzellen und die ersten Umwandlungsprodukte derselben (Fig. 1 und 2, Taf. XIX). Die spezifischen Zellen bilden aber nur eine oberflächliche nach der Bauchhöhle zugewandte Schicht des Or- gans, von welcher aus Zapfen in das darunter liegende maschige Gewebe von Bindesubstanzzellen auslaufen (Fig. 1). Auch be- merkt man in dem letzteren zu Nestern angehäufte Zellen, die wohl ihren Ursprung einer Abschnürung des unteren kolbigen En- des der erwähnten Zapfen verdanken. In den peripheren Par- tien der Zwitterdrüse erkennt man bereits eine beginnende Bil- dung von Alveolen. Diese sind anfangs noch klein und tragen an ihrem inneren Umfang noch Sexualzellen in grösserer oder ge- ringerer Anzahl. Aus solchen bestehen auch die nach einwärts sich fortsetzenden Ausläufer und ihre Abschnürungen. Die Sexualzellen zeigen einen stark sich färbenden homogenen Kern von unregelmässiger Gestalt, welche durch die gegenseitige Abplattung der dicht gedrängt liegenden Elemente bedingt wird. Ein geformtes Protoplasma ist noch nicht zu erkennen, vielmehr liegen die Kerne in eine homogene Substanz eingebettet, die von dem spätern Protoplasma verschieden ist. Der Rand dieser Kerne färbt sich stärker als ihr Centrum. Die nächste Veränderung, welche sich zeigt, besteht in einem in ihrer Mitte beginnenden körnigen Zerfall sowie in dem Auf- treten eines fein granulirten Protoplasmas, welches rasch an Masse zunimmt. Zellgrenzen sind in diesem Stadium noch nieht markirt 610 Gustav Platner: Weiterhin fällt an diesen Elementen eine bedeutende Ver- mehrung ihrer Zahl auf, ohne dass man selbst bei aufmerksamster Beobachtung irgend welche Erscheinungen, die auf eine mitotische Theilung hinweisen, erkennen kann. Dagegen trifft man alle Sta- dien einer direkten Durschscehnürung bei ihnen an, so dass man we- nigstens für diese Entwicklungsstufe nicht ohne die Annahme einer direkten Kerntheilung auskommen kann. Die weiteren Schicksale dieser noch immer als Sexualzellen zu bezeichnenden Elemente können nun recht verschieden sein. Die einen derselben bilden sich zu den primitiven Eiern, den Spermatogonien und Basalzellen um, andere werden als Nährzellen zum Aufbau des Dotters verwendet. Endlich bleibt eine Anzahl derselben als Kerne der Alveolenwand und der Follikelhaut der Eier bestehen. Diese sind als Ersatzkeime in dem Sinne, wie Grobben!) diesen Ausdruck benutzt, zu bezeichnen, da aus ihnen nach Ausstossung der Sexualzellen sich die neue Generation der- selben entwickelt, wie später ausführlich gezeigt werden wird, Was nun die Lage dieser verschiedenen Abkömmlinge der Sexualzellen in den Alveolen anbetrifft, so macht sich hier ein eigenthümliches Verhalten geltend. Sie scheiden sich nämlich mit grosser Deutlichkeit hier in eine, der Wand anliegende periphere Lage und eine das Centrum einnehmende innere. In der Mitte des Alveolus liegen nur die Spermatogonien. Die Randschicht da- gegen enthält Elemente verschiedener Art. Da finden sich zu- nächst meist noch Sexualzellen in ibrer ursprünglichen Form (Fig. 2a), sodann solche mit körnig zerfallenem Kern (Fig. 2 b, f). Den Hauptbestandtheil bilden aber Eier in allen Phasen ihrer Entwicklung (Fig. 2 b, e, d, e). Die Spermatogonien zeichnen sich durch ein einzelnes schönes, grosses Kernkörperehen aus. Dieses ist völlig rund, färbt sich intensiv und tritt zu derselben Zeit im Kern der Sexualzelle auf, wo auch der Nebenkern hervortritt. Dieser ist von eckiger Form und bedingt in Gemeinschaft mit dem von vorn herein auftreten- den Nukleolus einen wesentlichen Unterschied gegenüber den Sper- matogonien von Helix. An frischen Präparaten zeigt sich der Nebenkern wie schon früher erwähnt als aus gebogenen Stäbchen 1) Grobben, Beiträge zur Kenntniss der männlichen Geschlechts- organe der Decapoden. Arbeiten aus dem zool. Inst. der Univ. Wien. 1878. Zur Bildung der Geschlechtsprodukte bei den Pulmonaten. 611 zusammengesetzt. Seine Entstehung zeigte keine Differenz von dem schon früher beschriebenen Modus. Er erschien auch hier als ein Auswuchs des Kerns. Dieser rundet sich nachher mehr und mehr ab und zeigt eine deutliche Membran. In seinem In- nern erschien die Chromatinsubstanz unregelmässig über ein Netz- werk schwächer gefärbter Stränge vertheilt. Eine Aenderung er- leidet dieser Ruhezustand erst bei der bald beginnenden regen Proliferation durch mitotische Theilungen nach dem geschilderten Schema. Die Eier unterscheiden sich im Beginn ihrer Entwicklung von den Spermatogonien nur durch ihre Lage an der Wand der Alveolen, ihr stärker entwickeltes Protoplasma und den erheblich srösseren, mehr ovalen Kern. Da diese Differenzen aber balı sich wesentlich ändern, so erscheint es passend, zwei Stadien der Ei- bildung zunächst einmal zu trennen und eine primitive Form der spätern definitiven gegenüber zu stellen. Die primitiven Eier be- sitzen wie die samenbildenden Zellen einen Nebenkern von eckiger Gestalt (Fig. 3). Sie entstehen aus den Sexualzellen in der Weise, dass deren granulirte Kerne beträchtlich an Grösse zunehmen, eine regelmässige etwas ovale Form erhalten und in ihrem Innern einen grossen Nukleolus zeigen, neben welchem die übrige Chro- matinsubstanz unter der Form von unregelmässigen Körnern fort- besteht. Eine deutliche Kernhülle umschliesst sie. Dicht an diese angelagert findet sich der Nebenkern. Das Protoplasma zeigt gleichfalls eine starke Zunahme. Begünstigt wird das rasche Wachsthum dieser Zellen wohl dureh ihre wandständige Lage, die eine direkte Zufuhr reichlichen Nährmaterials gestattet. Die weiteren Veränderungen der primitiven Eier bestehen darin, dass sich an der Chromatinsubstanz des Kerns eine bis zur Bildung von Mikrosomen fortschreitende Theilung geltend macht. Unter Aufnahme des Nebenkerns bilden diese dann einen regulär angeordneten Knäuel (Fig. 4). Man begegnet ferner auch Spin- deln, sowie weiteren Stadien der mitotischen Theilung. Dieselben zeigten, soweit ich sie beobachtete, keine Abweichung von dem beschriebenen Vorgang der Karyokinese bei Helix. Es kommt auf diese Weise zu einer Vermehrung der primitiven Eier. Je- doch scheinen diese Theilungen sich nicht häufig zu wiederholen, da man schon in den kleinsten Zwitterdrüsen zahlreiche Eier findet, welche bereits die definitive Form zeigen (Fig. 2). Das 612 Gustav Platner: Keimbläschen hat hier charakteristische Veränderungen erfahren. Es sind in ihm durch Metamorphosen seines Inhalts, die es mir, bei der Schwierigkeit, welche diese Objekte der Untersuchung bereiten, leider nicht näher zu erforschen gelang, zwei grössere Elemente entstanden. Das eine derselben, von geringerem Um- fang, stellt einen völlig runden homogenen Körper dar, welcher wohl passend als Nukleolus zu bezeichnen ist, es spricht hierfür die konstante Existenz eines solchen iu ausgeprägter Form in den primitiven Eiern und den Spermatogonien sowie seine starke Tine- tionsfähigkeit, ferner der Umstand, dass er bei Helix in den Eiern fehlt. Hier ist er auch in den erwähnten Zellformen nicht vor- handen, sondern es treten erst in gewissen Stadien der mitotischen Theilung, also nur vorübergehend, derartige Gebilde, die wenig Charakteristisches haben, auf. Weiterhin enthält das Keimbläs- chen den eigentlichen Keimfleck. Dieser ist zu Beginn seines Auftretens meist rundlich mit hervorspringenden Erhabenheiten, als sei er durch Contraktion eines Knäuels entstanden (Fig. 5). Zuweilen erscheint er auch mehr ringförmig oder ganz unregel- mässig. Immer aber verdichtet er sich bald zu einem völlig run- den homogenen Element, welches Kernfarbstoffe begierig aufnimmt und den Nukleolus bedeutend an Ausdehnung übertrifft (Fig. 6). Von sonstigen geformten Bestandtheilen enthält das Keimbläschen noch unter einander netzförmig verbundene Stränge schwach ge- färbter Substanz, welche an einzelnen Stellen besonders an der Peripherie Einlagerungen von Chromatinkörnchen zeigen. Das Vorhandensein zweier an Ausdehnung beträchtlich varii- render Keimflecke ist eine bekannte Thatsache bei Anodonta und Unio. Bei Paludina vivipara sah Leydig!) im Kern der zum Ei sich umbildenden Zelle zwei voneinander entfernte Kernkörper- chen, im reifen Ei liegen sie dieht aneinander. Nach Trin- chese?) enthält das Keimbläschen von Amphorina coerulea einen Hauptkeimfleck — maechia germinativa prineipale — und einen Nebenkeimfleck — macchia germinativa laterale 0 aceessoria —. Letzterer ist nach seinen Angaben sieben- bis achtmal kleiner als 1) Leydig, UeberPaludina vivipara. Zeitschr. f wiss. Zool. Bd. II. 1850. 2) Trinchese, I primi momenti dell’ evoluzione nei Molluscei. Atti della R. Academia dei Lincei. Serie terza. Vol. VII. 1880. Zur Bildung der Geschlechtsprodukte bei den Pulmonaten. 613 ersterer. Van Beneden!) beschreibt bei Ascaris in der „portion accessoire de la vesicule germinative“, das heisst in dem vom Hyalosoma frei gelassenen Theil des Keimbläschens ein oder mehrere stärker lichtbrechende Körnchen, „eorpuscules accessoires“, welche er für analoge Gebilde, wie. die früher von ihm erwähnten Pseudonucleoli hält. Dieselben dürften weniger dem von mir als Nucleolus bezeichneten Element entsprechen, als vielmehr den un- regelmässigen Anhäufungen von Chromatinsubstanz in dem freien Raum des Keimbläschens. Für die Bildung des Keimflecks sind die Angaben von v.la Valette St. George?) bei den Isopoden interessant. Er sagt hierüber: Die Eier enthalten ein Keimbläschen, welches anfangs granulirt, weiterhin aber hell ist. Es finden sich in ihm bald mehrere kleinere Keimflecke, bald nur ein oder zwei grössere. Die Form des Keimflecks ist veränderlich, zuweilen schliesst er einen Hohl- raum ein, zuweilen bewegt er sich nach Art einer Amoebe. Ausser ihm beobachtet man aus Körnchen bestehende Stränge, welche sich netzförmig zwischen der Peripherie des Keimbläschens und dem Keimfleck ausspannen. In einzelnen Kernen des Keimlagers erkennt man Knäuelfiguren. Es scheinen also nach seinen Befunden auch hier sich die Eier anfänglich durch indirekte Theilung zu vermehren. Sobald nun die Eier von Arion ihre definitive Form ange- nommen haben, ist ein in den primitiven Eiern enthaltenes Ele- ment völlig geschwunden. Es ist dies der Nebenkern. Hat er sich in dem Protoplasma aufgelöst oder ist er nach der letzten Theilung ein Bestandtheil des Kerns geblieben? Ich muss mich für letztere Annahme entscheiden. Bei Ausbildung der Furchungs- spindel konnte ich mit Sicherheit constatiren, dass die Spindel- fasern aus der unfärbbaren Substanz des Eikerns hervorgingen. Diese ist bei sich entwickelnden Eiern im Keimfleck enthalten, in wel- chem sie sich bald als Hyalosoma differenzirt, {wie gleich näher beschrieben werden wird. Auch für Pterotrachea machen die 1) Edouard van Beneden, Recherches sur la maturation de l’oeuf et la fecondation. Arch. de Biol. T. IV. 1883. 2) v. la Valette St. George, Commentatio de Isopodibus. Fest- schrift 1883. 614 Gustav Platner: Untersuchungen Fol’s!) eine derartige Genese der Spindelfasern des Furchungsampbiaster wahrscheinlich. Die als Dotterkern be- zeichneten Elemente haben bei den Pulmonaten eine ganz andere Bedeutung, wie später sich ergeben wird. Was die jetzt folgenden Veränderungen des Keimflecks an- langt, so bestehen sie darin, dass zunächst eine wechselnde, aber immer nur geringe Anzahl heller Körper in demselben aufzutreten pflegen, die man als Vakuolen zu bezeichnen gewohnt ist. Sie sind rund und von verschiedener Grösse sowohl untereinander als auch in den einzelnen Eiern und scheinen nur dazu zu dienen, weitere Veränderungen einzuleiten (Fig. 7). Sie verschwinden nämlich alsbald wieder, und in dem stetig an Grösse zunehmen- den Keimfleck scheidet sich mit wachsender Deutlichkeit eine heller gefärbte und eine dunklere Partie (Fig. 8). Letztere, dem „eorpuseule germinatif“ van Beneden’s (l. ce.) entsprechend, ist von geringerer Ausdehnung, rundlich oder länglich oval und liegt excentrisch in der von runden Contouren begrenzten hellen Sub- stanz, die demnach auf dem Querschnitte halbmondförmig erscheint. Sie dürfte dem von van Beneden als „prothyalosome“ bezeich- neten Gebilde entsprechen. Es sei mir daher gestattet, sie Hya- losoma zu benennen. In völlig entwickelten Eiern ist dieses Ele- ment nahezu völlig farblos und erscheint aus feinen Körnchen zu- sammengesetzt. Die gefärbte Partie des Keimflecks tritt dadurch um so schärfer hervor, man kann sie im Anschluss an van Be- neden Keimkörperchen nennen. Während diese Veränderungen im Keimbläschen sich abge- spielt haben, ist auch das Protoplasma in seiner Umbildung zum eigentlichen Dotter weiter fortgeschritten. Zeigte es sich im An- fang nur gleichmässig fein granulirt, so lässt es jetzt eine deut- liche Zusammensetzung aus untereinander verbundenen Körnchen erkennen. Diese granulirten Fasern zeigen einmal mit grösserer oder geringerer Vollkommenheit einen zum Keimblächen concen- trischen Verlauf, sodann macht sich aber auch eine radiäre Strah- lung, wenn auch meist weniger deutlich bemerkbar (Fig. 7). In den Maschen des dadurch gebildeten Netzwerks treten die Dotter- körnchen, das Protoleeithe Fol’s, auf, und zwar erscheinen sie zu- 1) Fol, Recherches sur la fecondation et le commencement de l’heno- genie chez divers animaux. Geneve. 1879. Zur Bildung der Geschlechtsprodukte bei den Pulmonaten. 615 erst im Centrum des Ei’s in der Nähe des Keimbläschens. Von hier breiten sie sich allmählich immer weiter nach der Peripherie hin aus (Fig. 8). Der anfangs noch ziemlich breite Protoplasma- rand wird dadurch immer schmäler, bleibt aber in einer gewis- sen Stärke dauernd bestehen, ohne jedoch die Struetur einer eigent- lichen Membran anzunehmen (Fig. 9). Die Bildung des Protoplasmas erfolgt wohl grösstentheils auf Kosten der Nährzellen. Diese sind direkte Abkömmlinge der Sexualzellen, welchen Ursprung sie mit den Kernen der das Ei locker umgebenden Hülle, der Follikelhaut theilen. Ich werde über den Antheil der Nährzellen an dem Aufbau des Dotters, so- wie ihren Zusammenhang mit den sogenannten Dotterkernen ge- legentlich der Eibildung bei Helix näher berichten, da sich hier die Details dieser Vorgänge am schönsten beobachten liessen. Während die Eier in dieser Weise zur vollendeten Form heranreifen, haben auch ihre Beziehungen zu dem übrigen Inhalt der Alveolen eine Aenderung erlitten. Sie bilden nieht mehr eine eontinuirliche Schicht an der Wand derselben, sondern liegen an einzelnen Punkten zerstreut, so dass zwischen ihnen die Sperma- togonien direkt an die Wand herantreten, von der sie freilich auch noch hier und da durch die allmählich sich entwickelnden Basal- zellen getrennt werden. Zur Zeit der Begattung zeigt das reife Ei in der Zwitter- drüse von Arion ein charakteristisches Bild (Fig. 9). Das Keim- bläschen besitzt eine deutliche Membran, an deren inneren Um- fang an einzelnen Stellen geringe Mengen körniger Chromatinsub- stanz sich angelagert finden. Schwach tingirte untereinander netz- förmig verbundene Stränge ziehen von hier aus zum Keimfleck. Dieser selbst liegt excentrisch und besteht wieder aus dem runden zart granulirten Hyalosoma, sowie in dem peripher in demselben gelagerten Keimkörperchen, welches sich stark färbt und keine weitere Differenzirung erkennen lässt. Dem hellen Hyalosoma meist dieht anliegend findet”sich der intensiv sich färbende Nukleo- lus oder der kleinere Keimfleck. Das Protoplasmanetz trägt in seinen Maschen die Dotterkörnchen, welche nur einen schmalen Saum an der Peripherie freilassen. Das ganze Ei liegt in seiner granulirte Kerne tragenden Follikelmembran, welche bei dem Aus- tritt der Eier aus der Zwitterdrüse in dieser zurückbleibt. In diesem Sinne dürften wohl auch die Beobachtungen Leydig’s (l. e.) 616 Gustav Platner: zu deuten sein, welcher bei den Eierstockseiern eine Membran er- wähnt, welche den reifen befruchteten Eiern fehlte. Drei Wochen nach der Begattung enthalten die Alveolen nur noch vereinzelte im Zerfall begriffene Eier, sowie von der Wand losgelöste und gleichfalls einer regressiven Metamorphose unter- liegende Basalzellen und Spermatosomen. Die Spalten der fasrigen Alveolenwand haben sich zu weiten Maschen ausgedehnt, in wel- chen die granulirten Kerne liegen (Fig. 10). Diese zeigen nicht nur eine durch die Verkleinerung der Alveolen bedingte relative Vermehrung, sondern sind auch in reger Proliferation durch direkte Theilung, deren Phasen man an zahlreichen Exemplaren erkennen kann, begriffen. Sie bilden einige Zeit nach Ablegung der Eier den einzigen Inhalt der Alveolen. Ist damit schon die Annahme gerechtfertigt, sie für direkte Abkömmlinge der Sexualzellen zu halten und mit dem Namen „Ersatzkeime“ zu bezeichnen, so lehrt auch die direkte Beobachtung das Gleiche. In den frühsten Ent- wieklungsstadien wird die Zwischensubstanz zwischen den Sexual- zellenkomplexen durch die zuerst von Leydig (l. «) bei Paludina beschriebenen Bindesubstanzzellen, von Brock!) Plasmazellen ge- nannten, Elemente gebildet. Aus diesen oder den Sexualzellen müssen demnach die Kerne der Alveolenwand hervorgehen, eine weitere Möglichkeit giebt es nicht. Ich konnte mich aber über- zeugen, dass die Bindesubstanzzellen bei dem Wachsthum der Al- veolen allmählich zu Grunde gehen, wobei ihre Kerne verblassen und schliesslich verschwinden, nur in den grösseren Zwischen- räumen wie in der Umgebung der Gefässe und Ausführungsgänge bleiben sie unverändert erhalten. | In Bezug auf die Basalzellen, welche wohl direkt aus den Sexualzellen mit granulirten Kernen hervorgehen, da man alle Sta- dien dieses Uebergangs finden kann, ergaben meine Untersuchungen auf das Bestimmteste, dass sie, nachdem sie eine Zeit lang als Ernährungscentren der zugehörigen Spermatocytenkomplexe ge- dient hatten, ohne eine weitere Rolle zu spielen, zu Grunde gingen. Sie werden bei der Wucherung der Wandelemente in das Lumen des Alveolus gedrängt und büssen mehr und mehr ihre Tinktions- fähigkeit ein bis auf die Nukleoli, welche sie noch eine Zeit lang 1) Brock, Untersuchungen über die interstitiellen Bindesubstanzzellen der Mollusken. Zeitschr. f. wiss. Zoologie. 1883, Zur Bildung der Geschlechtsprodukte bei den Pulmonaten. 617 bewahren. Aber auch diese werden bald farblos, und nur ein körniger Detritus erinnert jetzt noch an das Dasein der Basalzellen. Sehliesslich ist auch diese letzte Spur derselben verschwunden (Fig. 10). Interessant ist die regressive Metamorphose der Spermato- somen, da sie wichtige Aufschlüsse über die Struktur derselben zu geben im Stande ist (Fig. 11). Der Kopf schwillt hierbei be- sonders in seinen hinteren Partien mächtig auf, wobei er zugleich die gewundene Struktur und bohrerförmige Gestalt einbüsst (Fig. 11a). Indem er dann seine Tinktionsfähigkeit mehr und mehr verliert, wandelt er sich in einen körnigen Detritus um, und in diesem tritt nun mit grosser Deutlichkeit das centrale Element hervor, welches noch erhalten geblieben ist und vorn in ein kleines, allein noch gefärbtes Knöpfchen endigt (Fig. 11). Dieser Befund, welcher ganz konstant ist, gewinnt noch dadurch an Bedeutung, dass bei Bildung des Spermakerns genau das gleiche Gebilde von dem Kopf des Spermatosoms zurückbleibt, also nicht mit in das männliche Befruchtungselement übergeht. Ill. Eibildung bei Helix. (Taf. XXX, Fig. 12—15.) Während bei Arion die Anlage der Eier fast auf einmal, so- wie sehr frühzeitig erfolgt und daher auch bald ihr Ende erreicht, treten dieselben bei Helix nicht nur zu einer spätern Zeit auf, sondern auch mehr einzeln in grösseren Intervallen. Es fehlt da- her auch hier jene strenge Scheidung des Alveoleninhalts in zwei Schichten, wie man sie bei Arion zu Beginn der Entwicklung findet. Die Zellen liegen vielmehr unregelmässig durcheinander (Fig. 12). Auch hier bilden sich zunächst die primitiven Eier, welche sich von den Spermatogonien nur durch ihre Grösse unterscheiden. Sie vermehren sich durch mitotische Theilung und entbehren des schönen grossen Nukleolus, welchen sie bei Arion zeigen. Daher enthält ihre definitive Form auch nur einen Keimfleck, welcher weiterhin dieselben Veränderungen zeigte wie bei Arion. Sehr schön lässt sich, wie schon erwähnt, bei Helix die Funktion, welche die Nährzellen bei Bildung des Dotters erfüllen, erkennen (Fig.13—15). Anfangs ist das Protoplasma nur spärlich vorhanden. Zahlreiche Nährzellen, welche die granulirten Kerne der Sexualzellen in un- 618 Gustav Platner: veränderter Form zeigen, liegen theils in nächster Nähe des Eies, theils direkt in dessen Protoplasma, nicht weit vom Keimbläschen entfernt (Fig. 13). Bei dem weiteren Wachsthum findet man sie meist in der Peripherie des Eies und zwar hauptsächlich in dem Theil derselben, welcher direkt an die Alveolenwand grenzt. Von dieser Seite aus scheint auch der Hauptansatz von Protoplasma zu erfolgen, wofür schon die excentrische dem Lumen des Alveolus genäherte Lage des Keimbläschens spricht. Häufig liegen die Kerne am Rande in einer Einbuchtung des Protoplasmas (Fig. 14). Bei seiner weiteren Zunahme gelangen sie in dieses selbst hinein, anfangs gleichfalls noch in einer Art Hohlraum, der aber mehr und mehr schwindet, befindlich. Auch die Kerne erhalten sich jetzt nicht mehr länger, sondern zeigen eine allmähliche Abnahme ihrer Tinetionsfähigkeit und ihrer granulirten Beschaffenheit. Sehliesslich sind sie von dem umgebenden Protoplasma nicht mehr zu unterscheiden, sondern ein integrirender Theil desselben ge- worden. Ihre rasche Assimilation macht es erklärlich, dass man sie nur in einzelnen Fällen innerhalb desselben findet. Die di- rekte Bereicherung des Dotters an Kernsubstanz durch dieselben macht es begreiflich, wie er später das Material zur Bildung einer so grossen Anzahl von Kernen, wie sie in den Furchungskugeln . vorhanden sind, zu liefern vermag. Die beschriebenen Elemente wurden übrigens bei Helix im Dotter der Eier schon von Balbiani beobachtet, welcher sie ganz richtig von eingewanderten Epithelzellen ableitete. Ich war ge- nöthigt, diesen sogenannten Dotterkernen deshalb eine besondere Aufmerksamkeit zu schenken, weil ja die Möglichkeit vorlag, in ihnen ein Aequivalent des Nebenkerns der samenbildenden Zellen zu finden, habe mich aber überzeugen müssen, dass sie nichts der Art vorstellen, sondern verhältnissmässig bedeutungslos sind. Ob das Gleiche für den Dotterkern der Spinneneier gilt, muss einst- weilen dahin gestellt bleiben. Die grosse Differenz desselben*hin- sichtlich der Struktur, sowie das Vorkonmen fast nur in der Ein- zahl gestatten nicht, ihn sofort in eine Kategorie mit jenen ver- änderlichen Gebilden von Helix zu bringen. Schütz!) spricht sich für eine endogene Entwicklung desselben im Dotter aus. 1) Sehütz, Ueber den Dotterkern, dessen Entstehung, Struktur, Vor- kommen und Bedeutung. Inaug.-Diss. Bonn 1882. Zur Bildung der Geschlechtsprodukte bei den Pulmonaten. 619 Von einer Follikelmembran liessen sich bei den Eiern von Helix nur in einzelnen Fällen Andeutungnn erkennen. Den bei Ludwig sich findenden Literaturangaben füge ich noch einige weitere hinzu betreffend die Frage, ob den Eiern eine Membran zukomme oder nicht, da dieser Punkt für die Befruch- tung von Wichtigkeit ist. Warneck!) giebt für Limmaeus und Limax an, dass die Eier keine Dottermembran besitzen, sondern nur eine dichtere Schieht an der Oberfläche. Fol (l. e.) stimmt für Pterotrachea mit ihm überein. Auch Trinchese (l. ce.) redet nur von einer homogenen Aussenschicht der Eier von Amphorina coerulea. Nach Blochmann?) hat das Ei von Neritina fluviatilis keine Membran, sondern nur eine periphere Schicht diehtern homogenen sehr fein- körnigen Protoplasmas. Die Befunde dieser Forscher stimmen also mit meinen Beobachtungen überein. Auch später bei der Befruchtung erhält das Ei von Arion keine Membran. Eine mehrfache Befruchtung scheint vielmehr durch im Dotter selbst vorgehende Veränderungen verhindert zu werden, wie auch Hertwig annimmt. Beweisend hierfür scheint mir der Umstand zu sein, dass an Spermatosomen, welche ich in bereits befruchtete Eier eindringen sah, nicht nur das Auftreten einer Sonnenfigur um ihren Kopf, die sonst stets sich ausbildet, unterblieb, sondern auch alle sonstigen Veränderungen, welche mit der Bildung des Spermakerns aus demselben einherzugehen pflegen, fehlten. Ich werde über den Vorgang der Befruchtung, sobald ich eine Lücke in meinen Untersuchungen, welche die Bildung der Richtungsspindeln betrifft, genügend ausgefüllt habe, näher berichten. Herrn Professor v. la Valette St. George sowie Herrn Professor Nussbaum sei es mir gestattet, an dieser Stelle meinen besten Dank für ihre wohlwollende Förderung meiner Arbeiten auszusprechen. 1) Warneck, Ueber die Bildung und Entwicklung des Embryos bei den Gastropoden. Bulletin de la societe imp. des Naturalistes de Moscou. 1850. 2) Blochmann, Ueber die Entwicklung der Neritina fluviatilis Müll. Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. XXXVI, p. 125—175. Archiv f. mikrosk. Anatomie, Bd. 26. 40 620 Gustav Platner: Erklärung der Abbildungen auf Tafel XXIX und XXX. Taf. XXIX, betr. Karyokinese bei Helix. Vergr.: Hartnack. Obj. 9 (Imm.) Oc. 3 mit starker Vergrösserung beim Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Zeichnen. 1. Entwicklungsstadium des Nebenkerns. Nachtrag zu Taf. XIV; zwi- schen Fig. 2 und 3 daselbst einzuschalten. 2. Erstes Auftreten der Spindelfasern, aus dem Gerüst des regulären Knäuels hervorgegangen. 3—8. Mitotische Kerntheilung der Spermatocyten mit verzögertem An- schluss des Protoplasmas. 3. Cylinderform der Kernfigur. Protoplasma, im Begriff sich einzu- schnüren. 4. Polplatten, von den Spindelfasern gelöst, in ihrer Umwandlung zu Kernen bereits ziemlich weit fortgeschritten. Spindelfasern im Aequator, wo die Zellen noch immer zusammenhängen, zu zwei dreieckigen Elementen verdichtet, stärker gefärbt. 5. Beginnende Lösung der Tochterzellen durch Knickung im Aequator. 6. Spindelfasern, nach der Trennung als hakenförmiger Körper per- sistirend. 7. Das aus den Spindelfasern hervorgegangene Element bildet sich zum Nebenkern um. 8. Nebenkern ausgebildet. 9—13. Mitotische Kerntheilung der Spermatocyten mit ausgebliebenem Anschluss des Protoplasmas. 9. Krümmung der Spindelfasern nach der einen Seite hin. 10. Die Spindelfasern schnüren sich in der Mitte ein; die Polplatten lösen sich von denselben. 11. Die Polplatten völlig gelöst, sich zu Kernen umbildend. Die Spin- delfasern verdichten sich zu zwei dreieckigen, stärker gefärbten Körpern. 12. Diese beiden Körper haben sich getrennt; die Kerne runden sich mehr und mehr ab. 13. Kerne und Nebenkerne völlig ausgebildet. 14—16. Mitotische Kerntheilung früher Stadien der samenbildenden Zellen mit unterbliebenem Anschluss des Protoplasmas. 14, 15. Die Polplatten bilden sich zu Kernen um, in den persistiren- den Spindelfasern erscheint in der Mitte eine Körnchenreihe. 16. Kerne völlig ausgebildet, die Spindelfasern zeigen Andeutung einer Umbildung zu Nebenkernen. Zur Bildung der Geschlechtsprodukte bei den Pulmonaten. 621 Anm. Sämmtliche Präparate, welche zu den Zeichnungen dieser Tafel dienten, waren mit Chrom-Osmium-Essigsäure gehärtet und einer doppelten Färbung erst mit Hämatoxylin und dann mit Safranin unterworfen. Taf. XXX, betr. Eibildung bei Arion und Helix. Vergr. für Fig. 2—3 und 12—15 Hartnack Obj. 9 (Imm.) Oc. 3; für die übrigen Figuren Zeiss Obj. F. Oc. 2. Fig. 1--11. Arion. Fig. 1. Sexualzellen und ihre Umwandlung. a) Nestförmige Anhäufung von Sexualzellen. b) Zapfen, aus solchen bestehend. Aus einer Zwitterdrüse von 0,4 mm Querdurchmesser. Fig. 2. Scheidung des Alveoleninhalts in zwei Lagen. a) Sexualzellen im ursprünglichen Zustand. b) Kern derselben körnig zerfallen. c) Pri- mitives Ei. d) Ein solches mit Knäuelfigur. e) Ei mit definitiver Form. f) Nährzellen der Eier. g) Spermatogonien. Fig. 3. Primitives Ei mit Nebenkern. Fig. 4 Ein solches mit regulärem Knäuel. Fig. 5. Auftreten des Keimflecks, Schwund des Nebenkerns. NB. Fig. 2—5 entstammen derselben Zwitterdrüse wie Fig. 1; Fär- bung mit Hämatoxylin. Fig. 6—9. Weitere Entwicklungsstadien des Eies. Auftreten der Dotter- körnchen. Scheidung des Keimflecks in Hyalosoma und Keimkör- perchen, daneben der Nukleolus oder kleinere Keimfleck. Färbung mit Safränin. Fig. 10. Zwei Alveolen aus einer Zwitterdrüse, 3 Wochen nach der Begat- tung. Wucherung der Wandkerne. Die Basalzellen losgelöst, in regressiver Metamorphose begriffen. Färbung mit Safranin. Fig. 11. Zwei Samenkörper aus derselben Drüse, in Zerfall begriffen. a) Kopf des Spermatosoms, stark geschwellt. b) Derselbe zerfallen, das cen- trale Element wird dadurch frei und kenntlich. Färbung mit Safranin. Fig. 12—15. Helix. Fig. 12. Aus einer Zwitterdrüse von 0,3 mm Querdurchmesser. Körnige Um- wandlung der Sexualzellenkerne. Schnittpräparat, mit Safranin gefärbt. Fig. 13. Ei, welches bereits die definitive Form angenommen hat, mit Nähr- zellen. Safraninfärbung. Fig. 14, 15. Nährzellen zum Theil in Einbuchtungen des Protoplasmas liegend, zum Theil innerhalb desselben von ihm assimilirt werdend, in Fig. 14 mit Hämatoxylin, in Fig. 15 mit Safranin gefärbt. Anm. Die Präparate für die Abbildungen dieser Tafel waren in Chrom- Osmium-Essigsäure gehärtet; die Färbung wie bei den einzelnen Figuren angegeben. 622 A. Rauber: Die Kerntheilungsfiguren im Medullarrohr der Wirbelthiere. Von ‘ A. Rauber. I. Batrachier. Hierzu Tafel XXXI. Wenn ich die Untersuchung der Verhältnisse der Kernthei- lungsfiguren im Medullarrohr der Wirbelthiere mit den Batrachiern beginne, so geschieht diess desshalb, weil meine ersten bezüglichen Beobachtungen an Embryonen und Larven von Rana temporaria, fusca und esculenta gemacht worden sind und sich allmählich so vermehrt haben, dass mir von ihnen das reichste Material zu Ge- bote steht. Ueber denselben Gegenstand habe ich ferner schon vor mehreren Jahren!) eine kurze Mittheilung veröffentlicht. Eine aus- führliche Darstellung der erhaltenen Ergebnisse verschob sich durch das Dazwischentreten von unaufschiebbaren Arbeiten auf ganz anderen Gebieten länger, als mir lieb ist. Indessen hatte diese Verschiebung auch wieder ihren vortheilhaften Einfluss. Es sind nämlich seitdem mehrere, den gleichen Stoff behandelnde Schriften erschienen, welche sich über Vertreter verschiedener Wirbelthierklassen verbreiten, die Batrachier jedoch nur streiten. Die Methoden haben sich unterdessen wieder verbessert, sowohl diejenigen, welche die mitotischen Kerntheilungsfiguren in ihren Formen am sichersten zu bewahren im Stande sind, als auch jene, welche eine zweckmässige Färbung der einzelnen Schnitte oder der ganzen Embryonen verfolgen. Ich habe es nicht versäumt, die hierdurch gebotenen Vortheile neuerdings zu benützen, nicht ohne ansehnlichen Gewinn an Erfahrungen zu erzielen. Die Fragen, die ich mir zur Beantwortung vorlegte, sind die folgenden. Haben die mitotischen Kerntheilungsfiguren im Me- 1) Sitzungsber. d. naturf. Ges. Leipzig 1882. Die Kerntheilungsfiguren im Medullarrohr der Wirbelthiere. 623 dullarrohr denselben Charakter, wie anderwärts im Organismus, oder lassen sich Verschiedenheiten an ihnen wahrnehmen? Kom- men neben mitotischen Theilungen noch andere Theilungsarten vor? In welchen Schichten des Medullarrohrs kommen mitotische Kerntheilungen vor? Welches ist oder welches sind die vorkom- menden Theilungsaxen in Bezug auf den ganzen Organismus? Welches ist die zeitliche Vertheilung der Mitosen? Es lag nahe, auch die Kerntheilungsfiguren der Retina nach den gleichen Richtungen zu untersuchen, da sie ja aus dem Me- dullarrohr hervorgeht und einen Theil desselben bildet. Von Sinnesorganen habe ich ferner die epitheliale Platte des Riechgrübehens nach denselben Richtungen untersucht. Die- selben Schnittreihen, welche zur Beobachtung des Medullarrohrs dienten, gaben ja auch Aufschluss über die Mitosen des Riech- epithels. Die hierüber zu machenden Angaben habe ich am Schluss dieser Abhandlung zusammengestellt. Historisches. Die ersten Beobachtungen über die Vertheilung der mitoti- schen Kerntheilungsfiguren im Medullarrohr rühren von R. Alt- mann!) her. Er gelangte bei der Verfolgung der Kerne und ihrer Theilungserscheinungen beim Hühnchen, während eines Ent- wicklungszeitraums, der sich über die ersten acht Tage der Be- brütung erstreckt, zu dem wichtigen Ergebniss, „dass alle Aus- stülpungen des Ektoderms und des Entoderms, sowie diese selbst, wo sie eine mehr als einfache Zellenlage haben, fast aus- ‘schliesslich nur in derjenigen Schichte Kerntheilungen zeigen, welche der Aussenseite des ehemaligen Ekto- derms und Entoderms entspricht, d.h. in derjenigen Schicht, welche vom Mesoderm am weitesten abliegt.*“ So besitze das Medullarrohr Kerntheilungen nur an der dem Centralkanal zu- gewendeten Lage. Als weitere Thatsache hebt Altmann an demselben Orte hervor, dass die Theilungsrichtungen fast aus- schliesslich parallel der Grenzoberfläche gerichtet seien. Die 1) Ueber embryonales Wachsthum. Vorl. Mittheilung. Leipzig, April 1881. 624 A. Rauber: Theilungen der Kerne und das Wachsthum der Zellen seien dem- gemäss so geartet, dass die Zellen in der Fläche sich vermehren und nicht in der Richtung der Dicke. Das waren zwei unerwartete, ja bei näherer Ueberlegung fast befremdlich erscheinende Ergebnisse. Was das eine derselben betrifft, das ausschliessliche Vorkommen der Mitosen an der dem Centralkanal zugewendeten Zellenlage, so musste es überraschen, die Theilungsstätte gerade an einer Fläche zu sehen, die von den Ernährungsquellen, wenn nicht anfänglich, so doch in späterer Zeit, allseitig am weitesten entfernt lag. Man hätte eher ver- muthen mögen, die Theilungen besonders in denjenigen Schichten wahrzunehmen, welche den Nahrungsvorräthen und den Blutge- fässen am nächsten liegen. Woher kam nun also der Stoffbe- zug für die intensiv proliferirende Zellenschicht, welche den Cen- tralkanal zunächst begrenzt? Wanderten die Ernährungsmateria- lien zwischen den bereits gelieferten äusseren Zellen des Medul- larrohrs, auf intercellularen Strassen also, zur entfernten Prolife- rationsschicht? Jene äusseren Zellen selbst aber, zwischen welchen die Stoffwanderung vor sich ging, und welche den Vorräthen näher lagen, blieben fernerer Theilung völlig fremd? Oder führte viel- leieht der Centralkanal die erforderliche Nahrung zu für die ihn umgebende exelusive Theilungsschicht? Der Centralkanal von Embryonen enthält nun zwar, wie Chromsäure-Präparate zeigen, eine ziemlich eiweissreiche Flüssigkeit, die man mit der Ernäh- rung der Theilungsschicht allenfalls in Verbindung bringen könnte. Günstiger noch liegt er für den Abzug verbrauchter Stoffe. In beiden Richtungen wird man unwillkürlich erinnert an das be- rühmte U von Kowalevsky und den Canalis neurentericus. Vielleicht ist die anfänglich so auffallende Lage der Theilungs- schicht in der unmittelbaren Umgebung des Centralkanals hier- nach zu erklären als eine Vererbungserscheinung. Sei dem wie ihm wolle,& leichter wird man noch zugeben können, die in Mesodermferne gelegene Proliferationeschicht wirke, da sie be- deutender Vorräthe bedarf, anziehend auf die Versorgung der ganzen Medullarwand mit Blutgefässen. Die Blutgefässe erhalten durch die reichlich nach den centralen Theilen gehende Saftströ- mung eine unmittelbare Veranlassung, dieselben Bahnen zu wan- dern und dadurch bis zu den tiefsten Lagen der Medullarwand oder wenigstens bis in die Nähe des Centralkanals vorzudringen. Die Kerntheilungsfiguren im Medullarrohr der Wirbelthiere. 625 Kommt es ja doch vor, dass die Blutgefässe selbst das Epithel des Centralkanals zerklüften und verdrängen, so dass an Stelle eines normalen Centralkanals beim erwachsenen Menschen schon oft ein blutgefässhaltiges Bindegewebe, mit oder ohne epitheliale Reste, stellenweise gesehen worden ist. Nieht minder auffallend ist Altmann’s zweites Ergebniss. Wenn die Theilungen der Kerne und das Wachsthum der Zellen so geartet ist, dass die Zellen nur in der Richtung der Fläche sich vermehren und nicht in der Richtung der Dieke, so musste daraus geschlossen werden, dass alsdann das Diekenwachsthum des Medullarrohrs kein selbständiges, sondern ein vom Flächen- wachsthum abgeleitetes sei und dass es in der Form von Schub oder Abscheerung vor sich gehen müsse. Dem Gedanken nun, dass das Diekenwachsthum des Gehirns durch Verdrängung von Öberflächenzellen in die Tiefe vor sich gehen solle, so eigenthüm- lich er anfangs erscheinen mag, fehlt indessen doch nicht ein ge- wisser Reiz. Wie nämlich das Dickenwachsthum sich hier auf Flächenwachsthum und Flächendruck reduecirt, so war auch die Dicke der fertigen Gehirnwand nunmehr aufzufassen nur als be- sonderer Ausdruck einer grösseren Oberfläche derselben. Dies ist auch in physiologischer Hinsicht von Bedeutung. Es liegt ferner nahe, die spätere Dicke als einen aus grösserer Oberfläche erworbenen Zustand in Betrachtung zu ziehen. Von der secundär erscheinenden Markmasse ist hierbei natürlich abgesehen. Dass Theile der ursprünglichen Oberfläche in die Tiefe geriethen, konnte man insbesondere in Zusammenhang bringen mit den Erforder- nissen von Raumersparung. Etwas Aehnliches geschieht mit der Hervorbildung von Windungen der grauen Substanz, insofern auch diese eine Raumersparung bedeuten. Interessant ist ferner in dieser Beleuchtung das Verhältniss der grauen Hirnrinde zu dem Epithel der Plexus chorioidei, welche gleichsam wie ursprüng- lich gebliebene, weil flächenhaft ausgebreitete und unverdiekte Theile der Gehirnwand sich verhalten. Die Verdrängung von Öberflächenzellen in die Tiefe bei der Entwicklungsgeschichte des Medullarrohrs hat übrigens ein nahe- liegendes Analogon in der Entstehung des Primitivstreifens, indem, wie Kupffer zeigte, auch hier eine Verschiebung von Zellen der Oberfläche in die Tiefe als regelmässiges Vorkommniss stattfindet, 626 A. Rauber: so jedoch, dass fadenförmige Verlängerungen der verdrängten Zellen sich bis an die Oberfläche erstrecken. Die voranstehenden Auseinandersetzungen hängen von der Voraussetzung ab, dass die ihnen zu Grunde liegenden Beobach- tungen in allen Theilen zutreffend sind. Sehen wir also zu, wie die folgenden Beobachter über denselben Gegenstand sich ausge- sprochen haben. Altmann’s Ergebnisse erfuhren die erste volle Bestätigung von Seiten N. Uskoff’s!), welcher sich über seine eigenen Be- funde folgendermassen ausspricht: „Sehr zahlreich sind nun solche Figuren in den Zellen des Gehirns und des Rückenmarks von Embryonen. Bearbeitet man auf die oben beschriebene Weise Embryonen von nicht sehr fortgeschrittenem Entwicklungsstadium, so erscheint auf Durchschnitten der der Höhle zugekehrte Theil des Hirns buchstäblich wie besäet mit intensiv sich färbenden karyokinetischen Figuren, wie ich Altmann bestätigen kann. Besonders zahlreich beobachteten wir sie bei Fischen (Lachs) in dem letzten Drittel der Eiperiode, beim Kaninchen vom elften Tage und beim Hühnchen vom zweiten Brütungstage an. Ich überzeugte mich, dass in allen Entwicklungsstadien die Erschei- nungen der Karyokinese mit Bestimmtheit zu constatiren sind. Wenn nun die oben genannten Perioden namhaft gemacht wur- den, so geschah dies nur, um zu zeigen, wann die Zahl der Kern- figuren am grössten ist. Beim Kaninchen z. B. finden sich, so lange das Markrohr noch nicht geschlossen ist, verhältnissmässig wenige Figuren, sie sind dagegen in sehr grosser Anzahl bald nach Schluss des Rohres vorhanden; in späteren Stadien sind sie wieder bedeutend seltener.“ Von Salamanderlarven späterer Stadien (22 mm Länge) erwähnt W. Pfitzner?) das häufige Vorkommen karyokinetischer Figuren im Centralnervensystem. Wichtig ist besonders folgende Stelle: „Das Centralorgan- zeigt in diesem Stadium bereits eine mächtige Ausbildung der weissen Substanz, die nur sporadische Kerne enthält. Die graue Substanz enthält sehr viele ovale, kleine und sehr dichtgedrängte Kerne, und hält es desshalb schon bei einer Schnittdicke von 15 u nieht schwer, Kernfiguren aufzufinden. 1) Archiv f. mikroskop. Anatomie Bd. XXI, S. 293. 2) Arch. f. mikrosk. Anat. Bd. XX, S. 127. Die Kerntheilungsfiguren im Medullarrohr der Wirbelthiere. 627 Die den Centralkanal und seine Ausbuchtungen begrenzenden Zellen haben nach diesem noch einen rein epithelialen Charakter bewahrt, ohne sich jedoch von den übrigen Zellen der grauen Substanz als besondere Lage abzuheben. „Von sämmtlichen Kernen nun fand ich eine überraschend grosse Anzahl in den verschiedensten Stadien der Kinese und zwar sowohl von den Kernen der grauen Substanz wie von den spär- lichen Kernen der weissen, in den Zellen, die die Wand des Centralkanals bilden, wie in den übrigen, in den einzelnen Abschnitten des Gehirns und des Rückenmarks. Ueberall schien das procentische Verhältniss der Theilungsfiguren zu den ruhenden Kernen annähernd das gleiche zu sein und nirgends sah ich einen grösseren Unterschied, der etwa prineipielle Bedeu- tung bätte haben können. Höchstens hätte ich nach den Befunden einen etwas grösseren Procentsatz im Gehirn, namentlich in den vorderen Abschnitten, constatiren zu können geglaubt.“ Vergleichen wir die an der Salamanderlarve erhaltenen Er- gebnisse von Pfitzner mit denjenigen seiner Vorgänger, die an Vertretern der übrigen Wirbelthierklassen gearbeitet hatten, so ist zu bemerken, dass Pfitzner keine exclusive Schicht, gleich seinen Vorgängern, als Sitz der Mitosen des Medullarrohrs anerkennt, sondern die Kernfiguren im Bereich der ganzen Wanddicke angetroffen hat. Man könnte zunächst versucht sein, daran zu denken, dass das verschiedene Beobachtungsobjeet diesen Unter- schied begründen werde. Indessen hätte eine solche Sonderstel- lung der Salamanderlarve immerhin manches Unwahrscheinliche. Ferner ist zu bedenken, dass die untersuchten Salamanderlarven schon auf sehr später Entwicklungsstufe sich befanden. Es wird in der Folge zu beachten sein, welches Gewicht dem verschiedenen Alter der Embryonen und Larven in Hinsicht des Vorkommens von Mitosen des Medullarrohrs beizumessen ist. In demselben Jahre (1882) erschien meine bereits eingangs erwähnte Mittheilung über die Mitosen des Medullarrohrs bei Rana. Von ihrem Inhalt will ich hier nur so viel herausheben, dass ich selbst an kleinen Larven von 4mm Länge, die gerade einen kleinen Schwanztheil erkennen liessen, Mitosen theils in der den Centralkanal und die Ventrikel begrenzenden Zelllage, theils in der übrigen Wand des Medullarrohrs, selbst in der äussersten Zell- 628 A. Rauber: schicht wahrgenommen hatte. Die Häufigkeit in den äusseren Schichten konnte die der innersten selbst übertreffen. Uebereinstimmend mit Altmann und Uskoff lauten die Ergebnisse von V. Vignal!). Er fand an Säugethierembryonen in den Epithelzellen, welche den Centralkanal des Medullarrohrs umsäumen, sehr zahlreiche mitotische Kerntheilungen, keine da- gegen in denjenigen Lagen, welche die graue Substanz des Rücken- marks bilden. An dieser Stelle ist auch der schönen Arbeit von Koganei!) über die Entwicklung der Retina zu gedenken. Koganei unter- suchte mehrere Wirbelthiere, insbesondere das Huhn und Kanin- chen, zur Vergleichung auch einige Embryonen verschiedenen Alters vom Schwein, Lamm und der Katze. Er findet, dass die verschiedenen Schichten des inneren Blattes der Retina aus einer einzigen Proliferationszellenlage hervorgehen. Letztere aber hat ihren Platz an der dem ursprünglichen Ventrikel zugewendeten Zone. Der rege Vermehrungsprocess hört Koganei’s Angabe zu- folge mit dem Auftreten der Zwischenkörnerschicht auf. Die Kern- theilungsebenen finden in seinen Auseinandersetzungen nur bei- läufige Beachtung; aus der beigegebenen Zeichnung jedoch ist zu entnehmen, dass die Theilungsebenen eine verschiedenartige Stel- lung einnehmen, insbesondere auch senkrecht zur Oberfläche ge- richtet sein können. Eine sehr sorgfältige Untersuchung der Kerntheilungsfiguren im Centralnervensystem und in der Retina bei Natterembryonen lieferte in jüngster Zeit L. Merk, welcher unter der Leitung von V. v. Ebner arbeitete. Er bestätigt die Ergebnisse Altmann’s an dem neuen Objeet und hebt hervor, dass wenn man durch Embryonen von Tropidonotus natrix Schnitte angefertigt und dafür gesorgt hat, dass die karyokinetischen Figuren möglichst gut erhalten bleiben, die auffällige Thatsache leicht festzustellen sei, dass die dem Centralkanal des Rückenmarks, beziehungsweise den Ventrikeln zugekehrte Fläche des Medullarrohrs mit Mitosen wie besäet sei, wogegen in dem übrigen Umfang des Rohrs keine Kerntheilungsfigur erblickt werden könne. Auch in der Retina der Natter findet sich, wie er bemerkt, Mitose an Mitose in der 1) Untersuchungen über die Histiogenese der Retina. Arch. f. mikrosk. Anatomie, Bd. XXI. Die Kerntheilungsfiguren im Medullarrohr der Wirbelthiere. 629 äusseren Schichte des distalen Blattes, also an derjenigen Fläche, welche genetisch dem Epithel der Hirnventrikel gleichwerthig ist. In kurzer Zusammenfassung stellt Merk das Hauptergebniss seiner Beobachtungen in dem Satze auf: „Das Epithel des Central- kanals und der Ventrikel, sowie die äussersten Zellen des distalen Blattes der Retina sind die jüngsten Partieen derselben.“ Die von Merk benutzten Stadien sind theils solche, welche Hühnerembryonen von 3 bis 5 Tagen entsprechen, theils ältere, welehe Hühnerembryonen von 10 Tagen in der Entwicklung des Centralnervensystems und der Retina ähneln. Im Einzelnen erwähnt Merk vom Gehirn: „Mit Ausnahme derjenigen Schichte, die hart an die entsprechende Hirnhöhle grenzt, fehlen in der ganzen übrigen Dieke der Wandung die karyokinetischen Figuren. Gleichsam als Ersatz für die mangeln- den Mitosen in den übrigen Schichten findet sich in der innersten Schicht kaum ein Kern, der sich nicht in Theilung\;befände.“ Doch lässt sich, wie Merk hinzufügt, nicht behaupten, dass nur und ausschliesslich die innerste Zellenschieht von Mitosen besetzt ist. Denn „ab und zu findet man solche in der zweiten, seltener in der dritten oder gar vierten Schicht.“ In Fig. 1 zeichnet Merk einen Theil der Wand der Vorderhirnblase. Es sind etwa zwanzig Zellschiehten vorhanden. Die innerste derselben zeigt zahlreiche Mitosen, während eine einzige in der dritten, keine in den übrigen Schichten vorkommt. Die? nächst älteren Embryonen waren um ein Bedeutendes weiter entwickelt und entsprachen ungefähr dem Embryo Fig. 8, Taf. VI in Rathke’s Werk über die Entwicklungsgeschichte der Natter. Das Kleinhirn war eben in der Anbildung begriffen. Das Ventrikelepithel hat sich von der übrigen Hirnsubstanz ge- sondert, welche bereits die in der Ausbildung begriffenen Ganglien- zellen erkennen lässt. Das Epithel der Seitenventrikel besteht aus einem geschichteten Cylinderepithel. Die Zahl der Mitosen hat sich sehr vermindert, doch werden sie immer noch, theils ein- zeln, theils gruppenweise, im Epithel angetroffen. Die ganze übrige Wand der Hirnblasen zeigte sich entweder frei von jeder Kerntheilungsfigur,’ oder es stand doch ihre Zahl zu der der Mi- tosen des Epithels in gar keinem Verhältniss. Eine Ausnahme von dieser Erscheinung fand sich im Gebiet 630 A. Rauber: des Kleinhirns vor. Hier war die ganze Substanz bis an die Rinde von karyokinetischen Figuren unregelmässig durchsetzt. An Embryonen von ungefähr 12cm Länge waren die Mi- tosen des Ventrikelepithels im Allgemeinen an Zahl geringer ge- worden; doch zeigten sich örtliche Verschiedenheiten in ihrer Häufigkeit, an manchen Stellen war sie gleich Null. Nun aber zeigten sich umgekehrt Mitosen auch iin der übrigen Hirnwand. Namentlich war dies der Fall in den Grosshirn- hemisphären und in der Umgegend des Kleinhirns, ausnahms- weise auch in den übrigen Hirngegenden. Im Rückenmark der Natter zeigten die Jüngeren Embryonen dichtgestellte karyokinetische Figuren in der den Centralkanal be- srenzenden Zellenschicht, äusserst selten in tieferen Schichten. Die neu entstandenen Kerne waren nie oder nur höchst selten in radiärer Richtung hintereinander, sondern nebeneinander gestellt. An reiferen Embryonen fehlten, im Gegensatz zu dem Hirn, Mi- tosen mitten in der Substanz entweder ganz oder waren doch eine grosse Seltenheit. Die Zellen des Epithels stellen daher die Ma- trix für das ganze Rückenmark dar. Was endlich die Retina betrifft, so vermochte Merk in den jüngeren Stadien nie auch nur eine leise Andeutung einer karyo- kinetischen Figur zu erblicken, die jenseits der vom Glaskörper abgewendeten Zone gelegen gewesen wäre; sie lagen vielmehr sämmtlieh in derjenigen Schicht, welche an das äussere Blatt der seeundären Augenblase unmittelbar grenzt. In dem nächstfolgen- den Stadium bielten sich die an Zahl abnehmenden Mitosen nicht mehr so hartnäckig nur an jener äussersten Zellenlage, doch be- trug die Verschiebung nur etwa eine Kernlänge. Bei einem noch älteren Embryo fanden sich Mitosen auch in der inneren Kör- nerschicht, während diejenigen der äussersten Zone verschwan- den. Nie aber kamen die Mitosen weiter centralwärts (gegen den Augenmittelpunkt) vor, als höchstens bis zu einem Dritttheil der Dieke der inneren Körnerschicht. Die Kerntheilungsebenen haben, wie im Rückenmark und Gehirn, fast ausschliesslich eine radiäre Richtung. Fassen wir die Ergebnisse von Merk zusammen, um sie mit denjenigen seiner Vorgänger zu vergleichen, so ist seinen Beob- achtungen an der Natter zufolge im Rückenmark eine einzige Proliferationszellenlage vorhanden; letztere liegt in Mesodermferne Die Kerntheilungsfiguren im Medullarrohr der Wirbelthiere. 631 und umsäumt den Centralkanal. Im Gehirn und in der Retina dagegen ist eine solche ventrikulare Proliferationszellenlage nur in der früheren Entwicklungsperiode vorhanden; späterhin zeigen die tiefen Zellenschiehten Theilungstiguren, während die ventrikelnahen Zellschiehten ihrer mehr oder weniger vollständig entbehren. Mit vorschreitender Zeit wechselt hiernach auch der Ort der Proliferation. In dem Kleinhirngebiet findet die Zell- theilung von Anfang an in allen Zellschichten statt. Das Hauptergebniss von Merk unterscheidet sieh von dem- jenigen seiner Vorgänger dem Vorausgehenden zufolge dadurch, dass er im Hirn und in der Retina nicht bloss, wie seine Vor- gänger es gefunden, eine ventrikulare Mitosenschicht anerkennt, sondern auch, wie ich es nennen will, eine ultraventrikulare. Im Rückenmark hingegen ist nach ihm nur eine ventrikulare Mitosenschicht vorhanden, die ultraventrikularen Mitosen fehlen. Im Hirn und in der Retina wechselt die exclusive Mitosenschicht mit der Zeit ihren Platz, indem sie ultraventrikularwärts vorschreitet. Sonderbarerweise legt Merk den Hauptnachdruck seiner Ar- beit nicht auf denjenigen Punkt, wodurch er sich von einem Theil seiner Vorgänger wesentlich unterscheidet und über sie hinaus- geht, sondern auf denjenigen, worin er mit ihnen übereinstimmt und sie bestätigt. Das Neue, das seine Arbeit bringt, findet nur eine ganz beiläufige, ja man möchte sagen, fast widerwillige und zurückgesetzte Erwähnung ; diesem ist zugleich keine einzige Figur gewidmet, während die drei von ihm beigebrachten Figuren, abge- sehen von der anderen Thierart, die bereits bekannten Verhält- nisse der ventrikularen Mitosen illustriren. Ich selbst also lege im Gegensatze zu Merk das Hauptge- wicht seiner Befunde gerade auf den nur beiläufig von ihm er- wähnten Nachweis ultraventrikularer Mitosen sowohl im Hirn als auch in der Retina. Sind denn nun aber die ventrikularen Mitosen im Hirn, im Rückenmark und in der Netzhaut jüngerer Embryonen wirk- lich eine so exelusive Erscheinung, dass ausser ihnen gar keine anderen vorkommen? Fehlen wirklich die ultraventrikularen Mitosen im Hirm, Rückenmark und in der Netzhaut jüngerer Embryonen gänzlich? Oder sind sie nur ein so ausnahms-. weises Vorkommniss, dass sie gar keine Beachtung verdienen und ohne jede Bedeutung erscheinen gegenüber den ventrikularen ? 632 A. Rauber: Auf diese Fragen wird die folgende Auseinandersetzung Antwort zu geben suchen. Eigene Beobachtungen. Um an die letzten historischen Bemerkungen über die Mi- tosen im Medullarrohr der Natter unmittelbar anzuknüpfen, so will ich über das von Merk untersuchte frübere Stadium nur bemerken, dass auch bei diesem ultraventrikulare Mitosen kei- neswegs ausgeschlossen sind. Das Stadium, welches mir vorliegt, ist genau dasselbe, welches Merk vorgelegen hat; der Embryo hat die gleiche Härtung und Färbung erfahren. So zeigt z. B. ein einziger Querschnitt durch das Medullarrohr nicht weniger als vier ultraventrikulare Mitosen im Stadium der Tochtersterne; dazu kommen noch zwei andere angeschnittene Knäuelfiguren, die eben- falls den äusseren Schichten des Medullarrohrs angehören. Mit dem Ausdruck ultraventrikulare Mitosen werde ich in Fol- gendem diejenigen Mitosen des Medullarrohrs und der Retina be- zeichnen, welche jenseits der den Centralkanal oder die Ventrikel- räume begrenzenden Epithelschicht gelegen sind und sich von dieser bis zu dem äussersten Saum der Medullarwand erstrecken; ventrikulare Mitosen werden diejenigen genannt werden, welche dem die Ventrikel oder den Centralkanal begrenzenden Epithel selbst angehören. Sehen wir uns die Lage und Axenrichtung der ultraventri- kularen Mitosen des vor mir liegenden Schnittes durch den Nattern- embryo genauer an, so liegen zwei derselben in der äussersten Zellenlage, eine in der zweitäusseren, zwei in der drittäusseren Schicht, die sechste liegt in der Mitte der Wand. Im Ganzen hat das Medullarrohr an der betreffenden Stelle ungefähr 12 Zell- schichten. Von Axenrichtungen sind vier bestimmbar. Die zwei äussersten Mitosen zeigen eine dorsoventrale Lage der Kernspin- del; die Theilungsrichtung liegt also horizontal. Die beiden näch- sten Mitosen sind mit den Axen ihrer Kernspindeln leicht schräg gestellt; die Theilungsrichtung liegt hier annähernd horizontal. ‘Von den sechs ultraventrikularen Mitosen gehören vier der einen, zwei der anderen Hälfte des Medullarrohrs an; ihrer zwei liegen nahe beisammen; die übrigen sind ansehnlich voneinander entfernt. Die Kerntheilungsfiguren im Medullarrohr der Wirbelthiere. 633 In so grosser Zahl kommen jedoch an dem vorliegenden Ma- terial die ultraventrikularen Mitosen nicht allerwärts vor; sie fehlen an manchen Medullarschnitten gänzlich. Immer aber, seien deren mehr oder weniger vorhanden, sind die ventrikularen Mitosen, wie ich Merk bestätige, bedeutend im Uebergewicht; sie bannen den Blick als ein den Centralkanal umsäumender Kranz, an wel- chem die ruhenden Kerne bis unter die Hälfte der ganzen Anzahl von Kernen der betreffenden Lage heruntersinken können. Um so leichter geschieht es darum, dass die spärlichen ultraventrikularen Mitosen überhaupt der Beachtung entfallen. Die Theilungsrichtung der ventrikularen Mitosen ist, wie Merk richtig angibt, bei der Natter eine überwiegend radiäre, so dass die Zellen sich vor Allem in der Fläche vermehren, wie es Altmann schon vom Hühnchen angegeben hat. Daneben kom- men aber, wie ich hier zunächst für die Natter hinzufügen muss, auch gar nicht selten mehr oder weniger schräge Theilungs- richtungen vor, so dass die eine Tochterzelle schon durch die Theilung in eine tiefere, die andere in eine oberflächliche Stel- lung gerathen muss und gerieth, wie zahlreiche Beispiele beweisen. Aber auch die radiäre und schräge Theilungsrichtung der ventri- kularen Mitosen sind nicht die einzigen; es kommt neben ihnen auch die tangentiale Theilungsrichtung vor, wenn sie gleich als die seltenere Form bezeichnet werden muss. Zur Beurtheilung der Verhältnisse ist aber noch das Folgende erwähnenswerth. Die bisher untersuchten Nattern-Embryonen befinden sich schon auf einer ansehnlich vorgerückten Entwicklungsstufe. Ein Hirnrohr mit etwa 20 Zellschichten Dicke ist schon kein frühzei- tiges mehr zu nennen. Zur vollständigen Beurtheilung der Sach- lage wird es künftig nothwendig sein, auch noch frühere Sta- dien von Nattern auf die neuralen Mitosen zu untersuchen. Dass in späteren Stadien die ultraventrikularen Mitosen sowohl im Hirn als in der Retina überwiegen und schliesslich ganz allein vorhanden sind, während die ventrikularen Mitosen erlöschen, hat Merk, wie oben auseinandergesetzt worden ist, bereits selbst beobachtet. Soviel war über die Natternembryonen vorauszuschicken. Ich wende mich nunmehr zu den neuralen Mitosen von Embryonen und Larven des Frosches. 634 A. Rauber: 1) Hirn von Frosch-Embryonen von 4—5 mm Länge. Schon auf frühen Stufen der Entwicklung zeigt das Medul- larrohr von Rana sowohl ventrikulare, als auch ultraventrikulare Mitosen. Zerlegt man Froschembryonen von 4—5 mm Länge, die zum Zweck der Erhaltung der Mitosen auf eine der üblichen Weisen im Ganzen gehärtet und gefärbt worden sind, in Schnitt- serien, so gelingt es leicht, sich hierüber Sicherheit zu verschaffen. Es genügt schon die Härtung mit Chromsäure mit Y3—1/,°/, und nachfolgendem Weingeist; zweckmässiger noch ist das Flem- - ming’sche Gemisch von Chrom-, Osmium-, Essigsäure und Wasser, insbesondere zur besseren Erhaltung der Kerne und Mitosen der innersten, den Centralkanal begrenzenden Zellschicht. Die Fär- bung kann mit Safraninlösung oder Gentianaviolett, aber auch mit Pikrokarmin und Hämatoxylin vorgenommen werden, oder mit einer aufeinanderfolgenden Verbindung der beiden zuletzt genann- ten Färbungsmittel. Auf letztere Weise hergestellte, kräftig ge- gefärbte Präparate zeigen noch nach Jahren alle gesuchten Ein- zelheiten. Im Allgemeinen jedoch ist die Färbung mit Gentiana- violett für Dauerpräparate und zum Zweck einer raschen, sicheren Auffindung der Mitosen vorzuziehen. Die Schnittserien sind mit dem Schanz’schen Mikrotom hergestellt. Die Dicke der einzelnen Schnitte beträgt durehgehends 10 «; ihre Aptirung ist nach der Giesbrecht’schen Methode ausgeführt. Ueberblicken wir die auf Tafel XXXI gezeichneten Schnitt- stücke, so ist hervorzuheben, dass die Figuren 1 bis 12 (einschliesslich) sämmtlich dem Gehirn eines einzigen Embryo der genannten frühen Stufe angehören und verschiedenen Abschnitten des Ge- hirns entnommen sind. In den Figuren sind sämmtliche Hirn- bläschen vertreten; der letzte Schnitt (12) zeigt bereits den Ueber- gang zum Rückenmark. Aus der grossen Zahl von Schnitten, die allein von dem cerebralen Abschnitt des Medullarrohrs ge- wonnen worden sind, wurden zur Zeichnung diejenigen ausge- wählt, welche für die Beurtheilung aller in Frage stehenden Ver- hältnisse zugleich von Bedeutung sind und grösstmögliche Ver- schiedenheiten unter sich zeigen. Den gezeichneten ähnliche Bil- der finden sieh in den übrigen Schnitten noch in grösserer An- zahl. Hiermit ist zugleich der sehr in Betracht kommende Um- stand betont, dass die Anzahl der Schnitte, welche ultraventriku- Die Kerntheilungsfiguren im Medullarrohr der Wirbelthiere. 635 lare Mitosen der Gehirnbläschen dieser Entwicklungsstufe erkennen lässt, eine ansehnlich grössere ist, als die Figuren der Tafel es vor Augen stellen. Immerhin ist auch schon allein die Anzahl der gezeichneten ultraventrikularen Mitosen eine ansehnlich grosse, wie eine genauere Betrachtung ergibt. Im Allgemeinen ist über die Darstellung der Figuren noch zu bemerken, dass die weisse Substanz, die als dünner Saum an manchen Stellen der Präparate sichtbar ist und sich gerade in der ersten Anlage befindet, hier nicht wiedergegeben wurde. Von der grauen Substanz sind die im Ruhezustand befindlichen Kerne einfach als rundliche Felder gezeichnet. Die Grenzen der ein- zelnen Zellen sind nicht angegeben. Die in Kinese ihrer Stoffe befindlichen Kerne sind dagegen ausgeführt, sei es, dass ventriku- lare oder ultraventrikulare Kerne sich in diesem Zustand befinden. Von der Zeichnung weggelassen sind nur unsichere Mitosen, zZ. B. solche, die in Folge einer Anschneidung durch das Messer u.s. w. gelitten haben. Auf die genaue Wiedergabe der Richtung der Theilungsebenen ist, soweit es geschehen konnte, alle Sorgfalt ver- wendet worden. Die ventrikulare Fläche des Medullarrohrs ist an allen Figuren, die es bedürfen, durch das Zeichen < kenntlich gemacht. Fig. 1, vom vorderen Hirnbläschen, zeigt zwei ventrikulare, vier ultraventrikulare Mitosen; letztere liegen etwa in der Mitte der Wand und sind durch ansehnliche Zwischenräume voneinander getrennt. Die beiden ventrikularen Mitosen haben eine radiale Theilungsebene. Die Theilungsebene der einen ultraventrikularen Mitose, die eine Bestimmung zulässt, nimmt die Diagonale zwischen der radialen und tangentialen Richtung ein. Fig. 2 zeigt eine Mitose in der zweiten ventrikularen Zellen- lage; ganz in der Aussenwand, der zweitäusseren Zellenlage an- gehörig, liegt eine ultraventrikulare Theilungsfigur. Fig. 3 zeigt drei ventrikulare und zwei ultraventrikulare Theilungsfiguren. Die eine der ventrikularen Mitosen hat eine radiale Theilungsebene; diejenige der einen ultraventrikularen Mi- tose liegt wieder diagonal. Fig. 4 enthält eine, Fig. 5 zwei, Fig. 6 drei ultraventrikulare Theilungsfiguren, sofern man die in der zweitinneren Zellschicht gelegene dazurechnen will; meiner Meinung nach ist dies gestattet, denn wo wollte man sonst eine zulässige Grenze ziehen? Die Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 26, 41 636 A. Rauber: Theilungsfigur der Fig. 4 liegt ungefähr in der Mitte, die beiden der Fig. 5 in der äussersten Zellschicht. Letzterer gehört auch eine der T'heilungsfiguren von Fig. 6 an. Die Theilungsebenen ihrer beiden Tochtersternfiguren liegen radial. In Fig. 7 ist eine ventrikulare und eine in der äussersten Schicht gelegene ultraventrikulare Theilungsfigur, letztere mit tan- gentialer Theilungsebene. Fig. 8 besitzt zwei ultraventrikulare, der Mitte der Wand an- gehörige Theilungsfiguren, die eine mit radialer, die andere mit tangentialer Theilungsebene. f Fig. 9 enthält eine ventrikulare, mit radialer Theilungsebene versehene, und eine ultraventrikulare, mit tangentialer Theilungs- ebene versehene Theilungsfigur; jene gehört der zweitäusseren Zellenlage an. In Fig 10 liegt die eine Theilungsfigur in der zweitinneren Zellenlage, die zweite in der Mitte der Wand; beide haben radiale Theilungsebenen. Die ventrikulare Mitose der Fig. il hat eine tangentiale, die jenseits der Mitte gelegene ultraventrikulare dagegen annähernd eine radiale Stellung. In Fig. 12 liegt eine ventrikulare und zwei ultraventrikulare Mitosen vor, von welchen die beiden letzteren etwa der Mitte der Wand angehören. 5 Ueberblickt man die ganze Reihe der Mitosen in allen 12 Figuren, so wird man nicht allein zu dem Schluss gedrängt, dass neben ventrikularen Mitosen auch ultravenirikulare vorkommen, sondern es ist sogar schwer, in dem vorliegenden embryonalen Stadium und in dem gegebenen individuellen Fall eine Prädi- leetionsschieht herauszufinden. Dieser Fall ist nun aber fernerhin kein ausnahmsweiser, er bildet vielmehr die Regel. Damit soll indessen nicht behauptet werden, dass nicht Schwankungen nach der einen oder der andern Seite vorkommen. Wie an einem und demselben Embryo örtliche Verschiedenheiten in der Häufigkeit und Vertheilung der Kernfiguren vorkommen, so findet man auch bei verschiedenen Embryonen der gleichen Stufe die ventrikularen und ultraventrikularen Mitosen in verschiedener Häufigkeit und in verschiedenem Verhältniss. Niemals aber fehlen letztere gänzlich, wie man etwa aus den bisher hierüber bekannt gewordenen An- gaben vermuthen Könnte. Die Kerntheilungsfiguren im Medullarrohr der Wirbelthiere. 637 Hieraus folgt, dass nicht allein die das Höhlensystem des Hirns begrenzende Zellenlage Proliferationsschicht ist, sondern dass an der Zellvermehrung und an dem Wachsthum der Hirnwand auch die übrigen Zellenlagen, bis zu den äussersten hin, betheiligt sind. So verhält es sich zunächst bei Froschembryonen; von Ver- tretern der anderen Abtheilungen der Wirbelthiere wird später- hin die Rede sein. Um über das Maass der Betheiligung der ultraventrikularen Mitosen an dem Aufbau der Hirnwand eine Vorstellung zu er- halten, dazu ist es nothwendig, auch alle späteren Stufen der Larve in Untersuchung zu ziehen. Ein Stadium wird uns im Folgenden noch beschäftigen. Es ist ferner auch zweckmässig, folgende Ueberlegung anzustellen. Nehmen wir an, ein Schnitt durch das Hirnrohr eines Froschembryo enthalte zur Zeit, in wel- cher dieser zur Untersuchung kam, nur eine einzige ultraventri- kulare Mitose. Setzen wir als Ablaufszeit der Kern- und Zell- theilung den Zeitraum von zwei Stunden. Derselbe Schnitt, wach- send gedacht, wird am Ende eines Tages, wenn er in je zwei Stun- den immer nur eine einzige äussere Mitose beherbergt, bereits zwölf äussere Mitosen beherbergt haben. Am Ende eines Monats aber sind alsdann 360 äussere Mitosen zu zählen, die jenem Schnitte angehören; diesen aber entsprechen 720 Nervenzellen. Am Ende eines Monats ist aber der Theilungsvorgang noch nieht zu Ende, 720 Nervenzellen für einen einzigen Hirnquerschnitt vom Frosch (von 10 « Dieke) dagegen immerhin schon eine sehr in Be- tracht kommende Anzahl. Aus dem Angegebenen erhellt bereits, in welcher Weise man sich die Form des Dickenwachsthums des Hirns vorzustellen habe. Das Dickenwachsthum des Hirms ist a) theils ein selbstän- diges, und wird 1) durch die Vermehrung und Vergrösserung der jenseits des Epithels gelegenen Zellen bewirkt; 2) durch ein- fache Auflagerung neuer Zellen in Folge tangentialer Theilung der Epithelzellen ; b) theils ein aus dem Flächenwachsthum der Epithel- schicht hervorgehendes, indem durch radiale Theiiung der Epithel- zellen und zunehmenden Flächendruck Oberflächenzellen in tiefere Lagen gerathen. Früher das Diekenwachsthum des Hirns für ein ausschliess- lich selbständiges haltend, bin ich durch die seitdem von Seiten 638 A. Rauber: anderer Autoren und von mir selbst gemachten Erfahrungen zu der Ergänzung genöthigt, ein theilweises Diekenwachsthum aus dem Flächenwachsthum zuzugeben. Das Dickenwachsthum des Gehirns, und überhaupt des Medullarrohrs, ausschliesslich aus Flächenwachsthum hervorgehen zu lassen, scheint mir eine Ueber- treibung und aus der Verkennung der ultraventrikularen Mitosen, sowie aus der Niehtbeachtung der neben radialer Theilung eben- falls vorkommenden tangentialen und schrägen Theilung der Epithelzellen hervorgegangen zu sein. 2) Hirn von Froschlarven von 15 mm Länge. Ueber die Mitosen des Hirns von Froschlarven von 15 mm Länge kann ich mich kurz fassen, da im Allgemeinen dieselben Verhältnisse wiederkehren, wie sie soeben an jüngeren Embryonen geschildert worden sind. Es fehlt auch an dem Hirn der 15 mm langen Larven nicht an ultraventrikularen Kerntheilungsfiguren, und vermag ich keine Hirnabtheilung von dieser Erscheinung aus- zunehmen. Dagegen darf ich hinzuzufügen nicht vergessen, dass bei diesen Larven die ventrikularen Mitosen häufiger gesehen werden, als die ultraventrikularen. Erstere bilden einen mehr oder weniger ununterbrochenen Gürtel um die Ventrikel, letztere finden sich da und dort, jedoch bis in die äussersten Zellenlagen hin zerstreut. Es lässt sich hier also von einer Prädileetions- schicht des Epithels für Mitosen der Hirnwand entschiedener spre- chen, als im vorausgehend beschriebenen Stadium. Ueber ältere Larven fehlen mir zur Zeit noch genügende hierher gehörige Erfahrungen. Wenn ich für diese Lücke die oben erwähnten Beobachtungen von W. Pfitzner (S. 626) an Salamanderlarven von 22mm Länge eintreten lasse, so findet wieder eine Ausgleichung statt, indem nach Pfitzner Mitosen durch die ganze Hirnwand zerstreut gefunden werden. Es gelang ihm, wie er ausdrücklich angibt, in keiner Weise, bevorzugte Stellen für Mitosenbildung zu erkennen; vielmehr kamen sie theils im Epithel, theils in der übrigen Hirnwand in gleicher Weise vor. 3) Rückenmark von Froschlarven. Wenn man bei Froschembryonen von 4—5 mm Länge neurale Mitosen der zweiten, dritten oder gar der vierten Zellschicht noch Die Kerntheilungsfiguren im Medullarrohr der Wirbelthiere. 639 zu den ventrikularen Mitosen rechnen wollte, so würde es bei der geringen Wandstärke des Spinaltheils des Medullarrohrs mit dem Nachweis von ultraventrikularen Mitosen allerdings schlimm bestellt sein. Ich kann mich daher mit der Angabe begnügen, dass auch im Rückenmark, wie im Gehirn dieser jungen Thiere, Mitosen in den äusseren Zellenlagen, neben solehen in der inneren Lage, gefunden werden. Halten wir uns an das Rückenmark von 15 mm langen Lar- ven, so orientiren hierüber die Figuren 13—19. Fig. 13 zeigt eine innere, mit radialer Theilungsebene ver- sehene, und eine äussere, der dritten. Zelllage angehörige Mitose. In Fig. 14 ist eine innere und eine äussere Mitose sichtbar; letztere hat radiale Theilungsebene und liegt in der Mitte der Wanddicke. Fig. 15 enthält eine äussere Mitose mit diagonaler Theilungs- ebene. Fig. 16 zeigt zwei innere Mitosen, die eine mit radialer, die andere mit tangentialer Theilungsebene. Fig. 17 enthält eine der innersten, eine der zweitinneren und eine der vierten Zelllage angehörige Mitose. Letztere hat diago- nale Theilungsebene. Fig. 18 zeigt drei der innersten, eine der zweitinneren und zwei jenseits der Mitte gelegene Theilungsfiguren. Fig. 19 enthält zwei innere und eine äussere Theilungsfigur, die eine der inneren hat radiale Theilungsebene. Aus einer Vergleicbung der einzelnen Schnitte ergibt sich, dass es auch im Rückenmark der 15 mm langen Froschlarve weder an ventrikularen, noch an ultraventrikularen Theilungsfiguren fehlt. In Hinsicht auf die relative Menge beider ist bei der Ueberbliekung einer grösseren Schnittzahl den ventrikulareln Mitosen das Ueber- gewicht zuzuerkennen. Das Epithel ist zu dieser Periode Prädi- lectionsschicht der medullaren Mitosen ganz so, wie es bereits vom Hirn dieser Stufe erwähnt worden ist. So verhält es sich in der ganzen Länge des Rückenmarks. Soweit überhaupt mehrere Lagen vorkommen, bilden die äusseren demnach ebensowenig eine Exelu- sionsschicht, als die innere Lage in der Form einer exelusiven Mitosenschicht ;auftritt. Mit Rücksicht auf die grössere Anzahl der ventrikularen Mi- tosen einerseits, sowie andererseits auf die oben angestellte Be- 640 A. Rauber: rechnung ist der Gedanke gerechtfertigt, ob nicht die Dauer der einzelnen Mitosen um so grösser sei, je entiernter ihre Lagerung von der Nahrungsquelle. Da letztere den äusseren Schichten näher liegt, so würde in solchem Fall den ventrikularen Mitosen eine lange Dauer ihres Ablaufs zukommen. So würde sich ihre grössere Häufigkeit zum Theil erklären. Zum anderen Theil erklärt sie sich aus dem Umstande, dass die inneren Zellen eine jedenfalls an- sehnliche Zahl von Abkömmlingen in die Tiefe gelangen lassen, wodurch sie an der Bildung der grauen Substanz theilnehmen. Drittens endlich ist im Auge zu behalten, dass ein Theil der Epithelvermehrung einfach der Ausdehnung des Epithels selbst zu Gute kommt. Letzterer Moment ist im Hinblick auf das Hirn von besonderer Bedeutung, wenn wir bedenken, welche ansehn- liche Epithellager die Ventrikel in grösster Ausdehnung begrenzen. Die Form des Dickenwachsthums des Rückenmarks_ bietet gegenüber derjenigen des Hirns dem Angegebenen zufolge keine wesentlichen Unterschiede und ist theils als eine directe, theils als eine indirecte (durch Flächenwachsthum erzeugte) zu be- zeichnen. Ueber das Rückenmark noch älterer Larven sind die oben (S. 626) erwähnten Angaben von Pfitzner über Salamander- larven von 22mm Länge zu vergleichen. Seinen Beobachtungen gemäss sind die Mitosen des Rückenmarks über die ganze Wand hin zerstreut. An dieser Stelle möchte ich es nicht unterlassen, auf eine Anschauung Kölliker’s hinzuweisen, welche dieser Forscher einfach auf Grundlage der Untersuchung der Anordnung der Zel- lenlager im Medullarrohr aufgestellt hat. Er sagt mit besonderer Bezugnahme auf das Rückenmark!): | „Die Zunahme der grauen Substanz geschieht in doppelter Weise, einmal dadurch, dass immer mehr vom sogenannten Epithel des Centralkanales in den Bereich desselben gezogen wird, und unmittelbar in graue Substanz sich umwandelt, und zweitens durch Vermehrung ihrer Elemente an Zahl, und zwar sind die Punkte des intensivsten Wachsthums die Gegenden der Vorderhörner und Hinterhörner, infolge dessen eben dieselben immer mehr vor- springen.“ Ferner: „Die grosse Zunahme der grauen Hinterhörner 1) Entwicklungsgeschichte, 2. Auflage. S. 598. Die Kerntheilungsfiguren im Medullarrohr der Wirbelthiere. 641 an Breite gegen früher beweist, dass hier eine rasche Vermeh- rung der vorhandenen Zellen stattgehabt haben muss, und dass die Umwandlung der Epithelzellen des Centralkanales in graue Sub- stanz nicht die einzige Quelle ist, aus der sich dieselbe vermehrt.“ Die Untersuchung der neuralen Mitosen hat uns im Voraus- gehenden das Ergebniss geliefert, dass, wie es Kölliker von den höheren Wirbelthieren ohne Berücksichtigung der Mitosen ver- muthete, in der That das Epithel des Centralkanals nicht die ein- zige Vermehrungsstätte der Zellen des Medullarrohrs ist, sondern dass ausser ihm im Innern der Wand selbst eine Zellvermehrung vor sich geht. So verhält es sich sowohl im Rückenmark als auch im Gehirn. Dass ausserdem das Dickenwachsthum beider Organe zum Theil als ein indirectes, auf Flächenwachsthum, Flächendruck und Abscheerung oberflächlicher Zelien in die Tiefe, zum Theil als ein direetes, durch tangentiale Theilung innerer und äusserer Zellen hervorgebrachtes zu betrachten ist, wurde be- reits oben auseinandergesetzt. 4) DieRetina der Froschembryonen von 4—-5mm Länge. Was bisher über die Mitosen der sich entwickelnden Retina bekannt geworden ist, bezieht sich auf Embryonen des Hulıns, einiger Säugethiere und der Natter; bereits oben (S. 628) ist ein Ueberblick der hierhergehörigen Ergebnisse zusammengestellt und hervorgehoben worden, dass Koganei nur eine einzige Prolife- rationsschicht, und zwar eine äussere, dem distalen Netzhautblatt benachbarte Mitosenschicht für die ganze Entwicklungsdauer an- erkennt, während Merk derselben äusseren Proliferationsschicht eine innere, der inneren Körnerschicht der Retina angehörige, zeitlich folgen lässt. Die Theilungsebenen sind nach Koganei verschieden gestellt, theils radial, theils tangential; nach Merk in der äusseren Mitosenschicht allein radial. Das Diekenwachs- thum der Retina würde nach ihm allein ein indireetes, auf Flächenwachsthum mit Schub-Erscheinungen beruhendes sein. Betrachten wir die Verhältnisse bei Rana, so orientiren uns hierüber die Figuren 20 und 21, die von der Retina eines 4 bis 5 mm langen Embryo entnommen sind, desselben, der oben auf die Mitosen des Cerebralrohrs untersucht worden ist. Zu einer Zeit, in welcher weder im Medullarrohr, noch in der Retina bereits Gefässe eingedrungen sind und eine Schich- 642 A. Rauber: tengliederung noch vollständig fehlt, lässt es sich nicht verkennen, dass die äussere Zellschicht, d. i. diejenige, welche den ur- sprünglichen Augenblasenventrikel begrenzt und dem späteren Pig- mentblatt benachbart ist, als Prädileetionsschicht der retinalen Mitosen funetionirt. Dabei bilden jedoch Mitosen in der zweit- äusseren Schicht ein häufiges Vorkommniss; ein solches zeigt Fig. 21. Aber auch weiter einwärts gegen den Augenmittelpunkt sind Mitosen nicht gänzlich ausgeschlossen, indem ich solchen nicht nur mitten in der Retinalwand, sondern selbst noch jenseits der Mitte begegnet bin (s. Fig. 20 und 21). Was die Theilungsebenen be- trifft, so waren diejenigen der inneren Mitosen theils tangential, theils radial gestellt. Ebenso verhält es sich mit den äusseren; doch ist die bevorzugte Richtung entschieden die radiale; gar nicht selten ist die Theilungsebene auch diagonal gestellt. Bezieht man diese Thatsachen auf das Dickenwachsthum dieser jungen Retina, so ist klar, dass dasselbe theils als ein in- directes, auf Flächenwachsthum, Flächendruck und Abschee- rung oberflächlicher Zellen in die Tiefe anerkannt werden muss, theils als ein direetes, insoweit tangentiale Theilung äusserer oder innerer Zellen vorhanden ist. An Netzhäuten von Larven von 15 mm Länge habe ich keine Theilungsfiguren mehr aufgefunden, weder in den äusseren Lagen, noch in der inneren Körnerschicht, welehe zu dieser Zeit bereits sehr deutlich gesondert und durch einen ansehnlichen Streifen in- nerer Molecularis von der Ganglienschicht geschieden ist. 6) Das Epithel des Geruchgrübchens der Frosch- larvenr von 4—5 mm Länge. Das Epithel des Geruchgrübchens gehört im Gegensatz zu den oben betrachteten Gebilden nicht mehr dem Gebiet der Medul- larplatte an, sondern dem des Hornblattes. Beide sind zwar ektoblastisch. Es fragt sich jedoch, ob das Gebiet der Medullar- platte in den Anordnungsverhältnissen der Mitosen einen Unter- schied gegenüber dem Gebiet des Hornblattes erkennen lässt. Ueber die Mitosen des Epithels des Geruchgrübchens liegt nur eine Aeusserung von Pfitzner vor. Er sagt über diesen Punkt (a. a. O.) Folgendes: „Geruchsorgan: Mitosen sehr zahlreich, namentlich in den tieferen Schichten an der nasalen Wand des Kanals, wo das Die Kerntheilungsfiguren im Medullarrohr der Wirbelthiere. 643 Epithel eine bedeutend grössere Mächtigkeit besitzt, als an der temporalen, und wo sich auch die eigentlichen Sinneszellen, sehr langgestreckte Cylinderzellen finden; auch in letzteren hin und wieder einige Kerntheilungsfiguren.“ In ganz entsprechender Weise verhalten sich die Epithel- lagen des Geruchgrübehens schon bei Froschlarven von 15 mm Länge, ja selbst bei solchen von 4—5 mm Länge, zu einer Zeit, in welcher von einer Schichtengliederung der Epithelelemente noch keine Rede ist. Hierüber orientiren die Figuren 22—25, welche einem Embryo von 4—5 mm entnommen sind. Die mit x bezeichnete Grenzlinie gehört der freien äusseren Wand an, derjenigen also, welche der ventrikularen Wand des Medullarrohrs entspricht; denn diese ventrikulare Wand war ur- ursprünglich ja auch oberflächlich und aussen gelegen. Die Mitosen kommen in allen Schichten vor, von der dem Mesoderm benachbarten bis zur äussersten freien. Prädilections- schicht aber ist, wie sich bei der Durchmusterung grösserer Schnitt- mengen unverkennbar ergibt, nicht die freie, sondern die meso- dermale Zellenschicht und ihre nächsten Nachbarschichten. Hierin spricht sich ein gewisser Gegensatz aus zu den früheren Stufen der Entwicklung des Medullarrohrs, da in letzterem die der freien, ventrikularen Oberfläche nächsten Lagen im Ueber- sewicht des Mitosenreichthums stehen. Aehnlich wie in dem Ge- ruchsorgan verhält sich die Anordnung der Mitosen in der ge- sammten Epidermis, so lange keine Hornschicht ausgebildet ist. Der genannte Gegensatz dehnt sich demzufolge über das ganze Hornblatt aus. Da die Bezugsquelle der für die Proliferation noth- wendigen Vorräthe vom Mesoderm und seinen Gefässen ausgeht, so ist diese Anordnung der Mitosen im Hornblatt durchaus ver- ständlich. Vielleicht erklärt es sich so, dass das Hornblatt und seine Gebilde von einer Gefässinvasion bewahrt zu bleiben pflegt. Seine der Nahrungszufuhr bedürftigen tiefen Zellschichten, das Stratum germinativum von Flemming, wird von den nahen Blut- und Lymphgefässen und den stark ausgebildeten Zwischen- riftelspalten Waldeyer’s leicht gespeist. Setzen wir aber den Fall, es werde durch dauernde äussere Reize die Hornschicht zerstört und eine bedeutende Wucherung der Keimschicht veranlasst, so scheint damit eine genügende Ver- 644 A. Rauber: Die Kerntheilungsfiguren im Medullarrohr der Wirbelthiere. anlassung gegeben für das Eintreten von Gefässen in die Keim- schicht hinein, ganz ebenso, wie es in dem Medullarrohr geschieht, wo ein starker Bedarf an Nahrungsmaterial eine Ge- fässinvasion in das Innere seiner Wand veranlasst und heranzieht. Werden in der Epidermis die Bedingungen künstlich ähnlich jenen des Medullarrohrs gemacht, so tritt eine Substanzzerklüftung des wuchernden Epithels durch Gefässe ein. Die Pathologie bietet für diese Anschauung zahlreiche Belege. Was noch die Theilungsebenen der Mitosen im Epithel des Geruchgrübehens betrifft, so liegen dieselben theils in radialer, theils in tangentialer, theils in schräger Richtung. (Fortsetzung für die übrigen Wirbelthiere folgt.) Figurenerklärung von Tafel XXXI. Fig. 1—12. Theile von Querschnitten durch das Cerebralrohr von Frosch- Embryonen von 4—5 mm Länge. Die mit dem Zeichen X ver- sehene Wand ist die ventrikulare oder freie, die entgegengesetzte die mesodermale. Fig. 13—19. Theile von Querschnitten durch das Rückenmark einer Frosch- larve von 15 mm Länge. Die mit dem Zeichen x versehene Wand gehört der den Centralkanal begrenzenden Fläche an. Fig. 20—21. Aus Querschnitten durch die Retina einer Froschlarve von 4—5 mm Länge. Die mit dem Zeichen x versehene Wand gehört der ventrikularen Oberfläche der secundären Augenblase, d. i. der dem äusseren Blatt der Netzhaut benachbarten Zellenschicht des inneren Blattes an. Fig. 22—25. Aus Schnitten durch das Geruchsgrübchen einer Froschlarve von 4-5 mm Länge. Das Zeichen X liegt an der freien, meso- dermfernen Oberfläche des Epithellagers, d. i. an derjenigen, welche der ventrikularen Oberfläche des Medullarrohrs eutspricht. In allen Figuren sind die Zellgrenzen nicht gezeichnet. Universitäts-Buchdruckerei von Carl Georgi in Bonn. f mikroskop. Anatomie. Ba_XXT. [27 Arch en) -? Pr, } . ch. de ats H. Kla Lith. Anst.v. J.&.Bach, leipzig. “ Me N a N ee I. en H.Klaatsch, del, 2 E Archio Fmik roshop. Inatom veBad 117. Lith.Anst.v.J.6: Bach, Leipzig an rn = IT BEER en en N gr re ® Fe j ZI) x REES EIS, n Ben ade 2090308 Archiv K mikroshkop Anatomie Bd. 117 r - t.v.J utn.Ans E | Flesch del. . 7 . Mr N Archiv fimikroskon. Anatomie. Bd.XX. Taf. Archiv Kmikroskop. Anatomie. Bd.XX17. Ed y S BORN AS Fig. Ita. Lith. Anst.v. J.b. Bach, Leipzig ‚Archi, v Lmikrosk. Anatomie BdLITT. TOELK: BERN ac) Ni I) REIF RERR I NET TTTER RS 0. IM I a Rhede id Joh.Frenzel del. Archiv £mikroskop. Anatomie BdNXXVI \\ NM Tee ee ee = — nr 77T i i oe x = Lith.Anst«.J.6.Bach, Leipzig nd hür-Emikroskop Anatomie Bd.KIH. Efaulsen gez Taf XI. ‚iv f mikroskop. Anatomie Bad_XXV. FR Fa : _ i u, 2 bee er Th ö . =. —z x ir i wa ee I Ts a ne BT, a ne N FTSE a a Te = a un ——————_ ll Lith. Anst.v. J.6.Bach, Leipzig. .Soiger del. Taf XI. Lith Anst v.c).@. Bach, Leipzig. ’ RS Ir r x “ - r _ . j « r L Archiv £mikroskop. Anatomie, Ba. XXI. 5 Tar XIV ut 2 Fig. 19. m 6.Platner $ez } Lith. Anst.v.J.G.Bach, Leipzig. 2) ii UM SH U A 2 Y l ng For ar Er . LTE Kmikroskop Anatomie. Bd.XXPI. En I + UmAnstw.6Bach,leipig Autor del It.Anstv. JGBach, Leipzig, Li Autor del, 8 Lith-Anst..J6.Bach, Leipzig. = > = = So = {7} As y Fig.1-5 e Archiv Emikroskop.Anatomie_Bd.XXIT. eh a ae AS Fee ri 6 oskop Anatomie. Bd. KT. Re: Fig. 2. Lith.Anst.v. J.&.Bach, Leipzig, TARXIX. 1 Lith Anstıv J.&.Bach, Leipzig. in er Pa dreht u a a a 9 Far XAT. j R 4 nd . Taf XXL. R- Archiv kmikroskop. Anatomie. Ba. AM. Lith.Anst.v. d.6 Bach, Leißig. Archiv [mikroskop Anatomie Bd_ANTL. > .: Archio £. mchroskop Anatomie Bol EIVI. P Tat II DIN R NEN as Archiv £mikroskop. Anatomie. Bd._NMT. Ta£ENX.: ee Fig. 12. Fig.l2. | - Fig. Nasen N Lith.Anst.v.J.6.Bach, Leipzig. 6 [6] D. [5 78 Lith.Anst.v. J.6.Bach, Leip Be. ur | _ Archiv kmikroskop. Anatomie. Bd.NXIT. Tal AXTH, wege EEE =, Fig. 79 Fig. 20. - Lith. Anst-x. J.&.Bach, leipzig. Archiv £. mikroskop. Anatomie. Bd.XXM. | Fig., Fig. 10. 4 I za \lasoff ad nat.del. Fig. 1-10. W.Zimmermann cand. med. del. Fig.11-14. N 8 Sorfd 0 an up FE Lv, en. NER LEN 20 2 Archiv £Fmikroskop. Anatomie Bad. XI. Taf. XXIX. nr 6.Platner, gez. Lith.Anst.v Archiv Fmikroskop. Anatomie Ba. XXI. INT EDO.EE, 6 -Platner, gez. Lith.Anst.v.J.6.Bach, keipzin. Ari at. | zu, *| ; j h Autor del, ET men IS Archiv m nn Mikroskopische Anatomie herausgegeben von v. la Valette St. George in Bonn und W. Waldeyer in Berlin. EFT TEE DIESE Annan = Sechsundzwanzigster Band. Erstes Heft. Mit 5 Tafeln. Bonn Verlag von Max Cohen & Sohn (Fr. Cohen) Ausgegeben 2. November 1885. Fortsetzung von Max Schultze’s Archiv für mikroskopische Anatomie. 1885. 8 Inhalt. Seite J. Henle. Nachruf. Von W. Waldeyer. .........2.5...2..I-XXXH Die Eihüllen von Phocaena ecommunis Cuv. Von Hermann Klaatsch. Hierzu Pafel: L:0 nd JE Ic A ERDE ENe 1 Ueber die Drüsen der Regio olfactoria. Von Dr. Alexander Dogiel aus Kasan. (Aus dem physiologischen Institut zu Breslau.) Hier- Zu Batok- III: 2: 2 re Reel oe RelRe MH Ueber die Entwickelung des sympathischen Nervensystems. Von Dr. A. D. Onodi, ]J. Assistenten am anat. und embryol. Institute zu Buda- pest. Vorgelegt der Ungarischen Akademie in der Sitzung vom 15. Juni 1885 von G. v. Mihalkovics. Hierzu Tafel IV.... 61 Untersuchungen über das Munpdepithel bei Säugethieren, mit Bezug auf Verhornung, Regeneration und Art der Nervenendigung. Von Dr. Severin. (Aus dem anatomischen Institute zu Kiel.) Hierzu Tafel V. 81 Ueber die sogenannten Grenzscheiden des Knochencanalsystems nebst Bemerkungen über die Keratinsubstanzen. Von Dr. G. Broesike, Custos am Kgl. anatomischen Institut zu Berlin. ..... En et RE Richtigstellung der Behauptung des Herrn Dr. Dahl. VonH. Dewitz. 125 " h Bei Max Cohen & Sohn (Fr. Cohen) in Bonn ist eben erschienen: Namen- und Sachregister zum Archiv für mikroskopische Anatomie Band I—XX. Bearbeitet von Ludwig Schirmeyer. Preis 8 M. Verlag von August Hirschwald in Berlin. Soeben erschien: Lehrbuch der PHYSIOLOGIE von Prof. Dr. L. Hermann. Achte umgearb. u. vermehrte Auflage, 1886. Mit 140 Holzschn. 14 Mark. Verlag von Max Cohen & Sohn (Fr. Cohen) in Bonn: Prachtvolle Festgeschenke: La Madonna di van Sisto (Sixtina). Nach Rafael’s Gemälde in der Königlichen Gallerie in Dresden gezeichnet und in Kupfer gestochen von Joseph Keller. Epreuve d’Artiste A 300.— Avant la lettre chines. # 195.— Avant la lettre weiss J{ 150.— Mit der Schrift chines. # 105.— Mit der Schrift weiss A 75.— Von allen Nachbildungen der Sixtinischen Madonna unbedingt die dem Original am Nächsten kommende, der glänzendste und dekorativste aller vorhandenen Kupferstiche. Demnächst erscheint: La Vierge au Linge. Nach Rafael’s Gemälde in der Gallerie des Louvre in der Grösse des Originals gezeichnet und in Kupfer gestochen von J- Kohlschein. Epreuve de Remarque A 600.— Epreuve d’Artiste A 240.— Avant la lettre chines. A 150.— Avantlalettre weiss A 135.— Mit der Schrift chines. A 75.— Mit der Schrift weiss #4 60.— Rafael’s liebliche Composition erscheint hier zum ersten Mal in der Grösse des Originals, Pendant zu den Kupferstichen gleicher Grösse: Sixtina — Sposalizio — H. Caeeilia. Aufträge übernehmen zu obigen Preisen alle in- und ausländi- schen Buch- und Kunsthandlungen wie auch die Verlagshandlung, welche ausdrücklich garantirt, dass nur tadellose Abdrücke zur Versendung kommen. Universitäts-Buchdruckerei von Carl Georgi in Bonn. Archiv I für Mikroskopische Anatomie I. herausgegeben v. 1a Valette St. George in Bonn und W. Waldeyer in Berlin. Fortsetzung von Max Schultze’s Archiv für mikroskopische Anatomie. u Sechsundzwanzigster Band. nnrarnarnnn Zweites Heft. Mit 7 Tafeln. Bonn Br Verlag von Max Cohen & Sohn (Fr. Cohen) | 1885. EN | GE a .- SEE Ausgegeben 14. Dezember 1885. Inhalt. Die Stützsubstanz des Centralnervensystems. Von Dr. Hans Gierke. I1.-- Theil. "Hierzu, Tafel VE N an 3 a ee La ae ae Einiges über den Mitteldarm der Insekten sowie über Epithelregeneration. Von Johannes Frenzel. (Aus dem. zoologischen Institut in Berlin.) Hierzu Tafel VIL, VIIIund IX. Ueber die Drüsen der Nasenschleimhaut, besonders die Bowman’schen Drüsen. Von Dr. Ed. Paulsen, Privatdocent in Kiel. (Aus dem anatomischen Institut in Kiel.) Hierzu Tafel X und XI.. Dottertropfen in der intracapsulären Flüssigkeit von Fischeiern. Von Bernh. Solger, Prosector und ao. Professor in Halle. (Aus dem anatomischen Institut zu Halle a. S.) Hierzu Tafel XI . Ueber-Ungleichheiten der Hoden beider Körperhälften bei einigen Vögeln. » Von Bernh. Solger, Prosector und ao. Professor in Halle. (Aus dem. anatomischan Institut: zu Halle). 0 2. 020. SR DE Seite 129 229 307 321 334 Verlag von Max Cohen & Sohn (Fr. Cohen) in Bonn: Prachtvolle Festgeschenke: La Nadonna di San Sisto (Sixtina) Nach Rafael’s Gemälde in der Königlichen Gallerie in Dresden gezeichnet und in Kupfer gestochen Joseph Keller. Epreuve d’Artiste JL 300.— Avant la lettre chines. # 195.— Avant la lettre weiss /{ 150.— Mit der Schrift chines. J2 105.— Mit der Schrift weiss MH 75.— Von allen Nachbildungen der Sixtinischen Madonna unbedingt die dem Original am Nächsten kommende, der glänzendste und dekorativste aller vorhandenen Kupferstiche. La Vierge au Linge. Nach Rafael’s Gemälde in der Gallerie des Louyre in der Grösse des Originals gezeichnet und in Kupfer gestochen RRoblschein, Epreuve de Remarque A 600.— Epreuyve d’Artiste HL 240.— Avant la lettre chines. „#4 150.— Avantlalettre weiss Al 135.— Mit der Schrift chines. AZ 75.—- Mit der Schrift weiss AL 60.— (Die Abdrücke mit der Schrift erscheinen im Januar 1386.) Rafael’s liebliche Composition erscheint hier zum ersten Mal in der Grösse des Originals, Pendant zu den Kupferstichen gleicher Grösse: Sixtina — Sposalizio — H. Caeeilia. Aufträge übernehmen zu obigen Preisen alle in- und ausländi- schen, Buch- und Kunsthandlungen wie auch die Verlagshandlung, welche ausdrücklich garantirt, dass nur tadellose Abdrücke zur Versendung kommen. Bei Max Cohen & Sohn (Fr. Cohen) in Bonn ist erschienen: Namen- und Sachregister Arehiv für mikroskopische Anatomie Band I-XX. Bearbeitet von Ludwig Schirmeyer. Preis SM. Verlag von August Hirschwald in Berlin. Soeben erschien: Cursus der normalen Histologie zur Einführung in den Gebrauch des Mikroskopes sowie in das praktische Studium der Gewebelehre von Prof. Dr. Joh. Orth. Vierte Auflage. 1886. Mit 108 Holzschn. 8 M. Universitäts-Buchdruckerei von Carl Georgi in Bonn. Archiv Mikroskopische Anatomie herausgegeben | von S v. 1a Valette St. George in Bonn und W. Waldeyer in Berlin. Sechsundzwanzigster Band. Drittes Heft. Mit 9 Tafeln. Bonn Verlag von Max Cohen & Sohn (Fr. Cohen) 1886. or Ausgegeben 12. Januar 1886. Inhalt. Ueber das Verhalten der Kerne in den Milchdrüsenzellen bei der Ab- sonderung. Von Franz Nissen, stud. med. Hierzu Tafel XII. (Aus dem physiologischen Institut zu Breslau.) . .»...... Ueber die Entstehung des Nebenkerns und seine Beziehung zur Kern- theilung. Von Gustav Platner. Hierzu Tafel XIV. ..... Untersuchungen über die Spinalganglien des Frosches, Von Michael von Lenhossök in Budapest. Hierzu Tafel XV und XVI Ueber eine eigenthümliche Veränderung der Pankreaszellen warmblütiger Thiere bei starker Absonderungsthätigkeit der Drüse. Von Dr. 8. W. Lewaschew, Dozenten an der medicinischen Akademie zu St. Petersburg. Hierzu Tafel XVII. (Aus dem physiologischen In- stitut. zu Breslau je a SE ren ee BERNER SS RN Ueber die Theilbarkeit der lebendigen Materie. I. Mittheilung. Die spontane und künstliche Theilung der Infusorien. Von Dr. Moritz Nussbaum, a.o. Professor und Proseetor am anatomischen Institut in.Bonn. ‚Hierzu Tafel. XVII—XXT N re re a ee Seite 337 343 453 Bei Max Cohen & Sohn (Fr. Cohen) in Bonn ist erschienen: Namen- und Sachregister Archiv für mikroskopische Anatomie Band I-XX. Bearbeitet von Ludwig Schirmeyer, Preis 8 M. Verlag von August Hirschwald in Berlin. Centralblatt für die medieinischen Wissenschaften. Unter Mitwirkung von Prof. Dr. Senator und Prof. Dr. E. Salkowski, redigirt von Prof. Dr. M. Bernhardt. Wöchentl. 1—2 Bogen. gr. 8. Preis des Jahrgangs 20 M. Abonnements bei allen Buchhandlungen und Postanstalten. Universitäts-Buchdruckerei von Carl Georgi in Bonn. | | uLLLLnnLun 2 Archiv | | | | ‘ für | \ | _ Mikroskopische Anatomi | | herausgegeben von | | v. 1a Valette St. George in Bonn ) } und | | | W. Waldeyer in Berlin. | | ‘ Fortsetzung von Max Schultze’s Archiv für mikroskopische Anatomie. | | Sechsundzwanzigster Band. N Viertes Heft. Mit 10 Tafeln und 1 Holzschnitt. Bonn | Verlag von Max Cohen & Sohn (Fr. Cohen) N eg 1886. KG) | WM — nn RR — Ausgegeben 5. März 1886. Inhalt. Ein Entwässerungsapparat. Von Franz Eilhard Schulze. Mit einem Holsschnitt. 5. a. aa ne aD ae No TE) Ueber Becherzellen und Leydig’sche Zellen (Schleimzellen. Von Dr. Joseph Heinrich List in Graz. Hierzu Tafel XXI ..... Ueber die Entwickelung des sympathischen Nervensystems. Zweiter Theil. Von Dr. A. D. Onodi. Hierzu Tafel XXII—XXVI... Ueber den Bau der Grandry’schen Körperchen. Von Dr. med. A. Do- stoiewsky aus St. Petersburg. Hierzu Tafel XXVII, Fig. 1—12, Ueber den Bau der Vorderlappen des Hirnanhanges. Von Dr. med. A. Dostoiewsky aus St. Petersburg. Hierzu Tafel XXVIII, Fig. 13.1: 12 1 N RE TE N Een TRENNEN Re DON a A Ne Zur Bildung der Geschlechtsprodukte bei den Pulmonaten. Von Gustav Platner. Hierzu "Tapel. XXIX und RAR No a ee . Die Kerntheilungsfiguren im Medullarrohr der Wirbelthiere. I. Ba- trachier. ::Von A. Rauber.’ Hierzu Tafel’ XXX... =, 2% s Seite 539 543 553 591 592 599 622 Bei Max Cohen & Sohn (Fr. Cohen) in Bonn ist erschienen: Namen- und Sachregister Archiv für mikroskopische Anatomie Band I—XX. Bearbeitet von Ludwig Schirmeyer. Preis 8 M. Das Wesen der Religion und die Grundgesetze der Kirchenbildung. Amica ecclesia, magis amica veritas. Von Wilhelm Bender. Preis 6 Mark. Hübsch gebunden Mark 7.50. Trotz des lebhaften Widerspruchs der clericalen Presse hat das Buch be- reits in drei unveränderten grossen Auflagen gedruckt werden müssen. Es wendet sich in gemeinverständlicher Sprache an alle Gebildeten, welehe Religion und Christenthum festhalten wollen, ohne dem theologischen Dogmatismus das Opfer der Vernunft zu bringen. Universitäts-Buchdruckerei von Carl Georgi in Bonn. ll | rary - | | 5 WHSE 0 | | 2 — [e) z: E Ju [m = EEE TEN TE Fe a ee . et Ka Fe Se a ne one Ha ne Fan Aa ” n a u, f . N nf ’£\ RL Ey yE 4 ar fi > z x wre - > “ E el. u a Roc 2 RENT, Ban N et ge a han u “ Be Fa A, S an“ \ ar ee N ENZEN, u ae Dr, De a War N ey DE a el la U Sr VII N ar et ben BE uk er a 5 Dr ee Da ee er ET Ba Ye TR s Ente ER En er DR l# wu . Ba re ER >% TR nn ee ? Et a ae = r t a h En u = en 2 a wi. nn - & P 5 = \ . N ET er RE RT U Be u ie rt - N RR ee warn n 3 En > en c SEA Rn RER Y » .- Fe r% U N Ba a a cr Re? : E A ren x 9 RR En ae a Pur er De = ER ER, Tore De N 2 v Ben. 5 LITER N Een: ran s I SAALE LESER en at Ks Tu EL RO a RR Sn EN A 1 NER EN N y Se REF re ee DEREN Ba Ku N \ = . s a“ . Ki N Ta en Fa % a N rl re Br EELEN N EI RETETS h ELLE > De a er ne EL en he RE SERETE, mr Se Ze e Rn PER nn u ei