Pre [2 yw Pe ar f En r ER wen. & Pe a = een e z eat Br; ES ae #2 ver E , E mr R 3 > ö ; 5 i ki “8. R EEE | R PR v ; j .. ul & > 5 E Pr er z FE Ra .. EEE RE . P ee R TER ER . De en hr Pi »" ne A VE et - ee IR S - R n “. Pr FE? . n e . ra i> 5 Eee ee : £ ö FREE REEL LELLÄEZE SLR SEE EAENETEAGEN SDR TEE RETTET een £- - “ WEL Pe _EF .. A Eee El ee a ee a a a de DZ . a . sr“ > ” E. - Pen _ Ds ro DD —u— - Es 7% 7” \ _ De ag ser Z en un . - e . , Fan 7 g 8 / . . 6 r u 1 » ut. ee, N ev “ ’ 5 L - = 2 5 « ) ... F j ” MR 3 an , es ‘ n 2 R + » » “> “ “ J > - n * | ” € .\ * D . > .r* er. Ar En [2 7 N Fr #L n,% f £ 4 REN, ar ES MARINE BIOLOGIGAL LABORATORY, _— Received ...... Accession No. Given by Place, ... *,*No book or pamphlet is to be removed from the Lab- oratory without the permission of the Trustees, h ie ERS da FR 7, 4 w il, er y x 3 ur Archiv Mikroskopische Anatomie herausgegeben von O. Hertwig in Berlin, v. 1a Valette St. George in Bonn und W. Waldeyer in Berlin. nun Fortsetzung von Max Schultze’s Archiv für mikroskopische Anatomie. Dreiunddreissigster Band, Mit 32 Tafeln und 3 Holzschnitten. Bonn Verlag von Max Cohen & Sohn (Fr. Cohen) 1889. Inhalt. Ueber Argulus foliaceus. Neue Mittheilung. Von F. Leydig. Hierzu Tafel I bis V Tale: 0 RE a PUR EEE Wird der thätige Zustand des Centralnervensystems von mikroskopisch wahrzunehmenden Veränderungen begleitet? Von BohdanKory- butt-Daszkieviez. (Aus dem pathologischen Laboratorium an der Kaiserl. Universität in Warschau.) Untersuchungen über die Entwicklung der Markscheiden und den Faser- verlaufim Rückenmark der Maus. VonDr. Michaelv. Lenhossök, Docent an der Universität in Budapest. Hierzu Tafel VI und VII Beiträge zur Kenntniss ‘der Zelle und ihrer Theilungserscheinungen. I—III. Von Gustav Platner. (Aus dem anatomischen Institut zu Breslau.) Hierzu Tafel VII und IX. #* Ueber die Regeneration des Endothels der Cornea. Von Dr. A. Peters, Augenarzt in Bonn. (Aus dem anatomischen Institute zu Bonn.) Hierzu 2 Holzschnitte Beitrag zur Anatomie von Phylline Hendorffi. Von Dr. von Linstow in Göttingen. Hierzu Tafel X und XI . Beiträge zur Kenntniss der Zelle und ihrer Theilung. Von Gustav Platner. (Aus dem anatomischen Institut zu Breslau.) IV. Die Entstehung und Bedeutung der Nebenkerne im Pankreas, ein Beitrag zur Lehre von der Sekretion. Hierzu Tafel XII . V. Samenbildung und Zelltheilung im Hoden der Schmetterlinge. EEE TE N de ar a ee a VI. Die Bildung der ersten Richtungsspindel im Ei von Aulasto- mum gulo. Hierzu Tafel XIV . Ueber die schlauchförmigen Drüsen des Magendarmkanals und die Be- ziehungen ihres Epithels zu dem Öberflächenepithel der Schleim- haut. Erste Mittheilung. Von Prof. Giulio Bizzozero in Turin. Hierzu Tafel XV . Ueber die Atrophie der Fettzellen des Knochenmarks. Mittheilung von Professor Giulio Bizzozero in Turin. Hierzu Tafel XVI Seite 51 1 125 153 163 180 192 204 216 247 ‚IN SA IV Inhalt. Ueber die Lymphknötchen des Darmes. Von Dr. Philipp Stöhr, Pro- fessor in Zürich. Hierzu Tafel XVII und XVII Beiträge zur Entwicklungsgeschichte des Säugethierherzens. Von Prof. G. Born. (Aus dem Anatomischen Institute zu Breslau.) Hierzu Tafel XIX—XXI Ueber Molluskenaugen. Von Justus Carri£tre in Strassburg. Hierzu Tafel XXIL . Trichodina sp. (pediculus ?) als Blut- und Lymphkörperchen fressender gelegentlicher Schmarotzer im Seitenkanal von Cottus gobio. Von Justus Carriere in Strassburg. Hierzu Tafel XXIV Gestell für Objectträger bei Serienschnitten. Von Dr. J.Dewitz. Hierzu ein Holzschnitt . Ueber die Entwickelung und Structur der Placenta beim Hunde. Von G. Heinricius, Docent der Geburtshülfe an der Universität Hel- singfors. (Aus dem anatomischen Institute zu Berlin.) Hierzu Tafel XXV u. XXVI Eine neue Imprägnationsmethode der Gewebe mittelst Methylenblau. Von A. S. Dogiel, Professor der Histologie an der Universität zu Tomsk. Hierzu Tafel XXVII Das Giraldes’sche Organ, nach Untersuchungen an Kaninchen, Hun- den und Katzen. Von Dr. Adalbert Czerny. (Aus dem histologi- gischen Institute der deutschen Universität in Prag.) Hierzu Tafel XXVII und XXIX . Ueber die Mesodermsegmente des Rumpfes und die Entwicklung des Ex- kretionsystems bei Selachiern. Von J. W. van Wyhe, Dr. Med. Zool. u. Bot., Prosector am anatomischen Institut zu Freiburg i. B. Hierzu Tafel XXX, XXXI und XXX Säugethier-Mitosen im histologischen Kursus. Notiz von B. Solger, Greifswald 419 440 445 461 517 N dee. Fan i | In - 72. ja Ueber Argulus foliaceus, Neue Mittheilung. Von F. Leydig. Hierzu Tafel I bis V. Zu den Formen der einheimischen Thierwelt, welche schon oftmals den Antheil der Naturforscher erregten, gehört das in der Ueberschrift genannte Crustaceum. Insbesondere waren es die mit dem Mikroskop arbeitenden Beobachter, welche sich zu einem näheren Studium des Thieres hingezogen fühlten. Vor Jahren (Würzburg, im Sommer 1850) habe ich ebenfalls den Bau und die Entwicklung des Krebses ins Auge gefasst!). Dann dauerte es lange, bis sich mir an einem andern Orte (Tü- bingen) Gelegenheit zur Untersuchung bot, und auch dies nur an ‚dem einzigen Exemplar einer von der früheren verschiedenen Spe- cies?). Um so erwünschter musste es mir daher sein, dass nach mehr als einem Jahrzehnt, während meines Aufenthaltes in Bonn, mir plötzlich der Argulus foliaceus in Menge zur Verfügung stand. In einem Bassin des botanischen Gartens war im Sommer 1886 unser Thier zu einer wahren Fischplage geworden: es hatte sich dergestalt vermehrt, dass die Karauschen des Bassins dicht von dem Parasiten besetzt waren; ein solcher Fisch abgespült, liess im Wasser des Glases ein Gewimmel von Fischläusen zurück. Die Haut der Fische erschien geröthet, zerfressen, insbesondere zeigten sich die Flossen abgenagt und es ging ein Fisch nach dem andern ein. Ich hatte Aehnliches vorher noch nieht gesehen und weiss auch nicht zu sagen, ob irgendwo bei uns eine derar- 1) Ueber Argulus foliaceus. Zeitschrift f. wiss. Zool. 1550. 2) Ueber einen Argulus der Umgebung von Tübingen. Arch. f. Natur- gesch. Bd. 37. 1871. Archiv f, mikrosk. Anatomie. Bd. 33. 1 8 F. Leydig: tige Zunahme des Schmarotzers schon zur Beobachtung gekom- men ist!). Anderwärts?) habe ich bereits eine Zusammenstellung der mir bekannt gewordenen Arbeiten über den Argulus gegeben. Seitdem wurde ich auch aufmerksam auf eine Abhandlung, welche mir früher entgangen war und in die erste Hälfte des vorigen Jahr- hunderts, also gleich nach dem frühesten Beschreiber Frisch, fällt und von einem Schüler Linne’s herrührt. Sie betitelt sich: Monoculus cauda foliaca plana, descriptus a Petro Löfling?). Unser Krebs wird ganz nach Linne’schem Muster beschrieben, wobei man übrigens wohl fühlt, dass das durchscheinende Thier dem Beobachter in der Erkennung der Theile mehr Mühe macht, als etwa ein Insect von gleicher Grösse, das er mit der Lupe vor die Augen hätte nehmen können. Noch finde ich zu erwähnen Desmarets*) als einen der Zoologen, welche das Thier selber untersucht haben und nicht blos vom Hörensagen kennen. Unter den neueren Arbeiten ist von besonderem Werth die umfassende Abhandlung von Claus’), auf welche noch vielfach Bezug zu nehmen sein wird. — Nussbaum) hat gelegentlich andrer Studien histologische und experimentelle Mittheilungen über die Hautdrüsen unsres Thieres gegeben. — Endlich habe ich aus meinen letzten Untersuchungen bereits dasjenige veröffentlicht, was sich auf den vermeintlichen Giftstachel bezieht”), ferner Histologisches 1) In der Literatur des Zoologischen Anzeigers, 1887, findet sich auf- geführt: Wright, R. Ramsay, Argulus and Mortality of Fishes. Amer. Naturalist, Vol. 21. Leider kann ich diese Zeitschrift nicht einsehen, aber der Titel des Aufsatzes lässt vermuthen, dass in Nordamerika die gleiche Erscheinung, wie sie oben erwähnt wurde, aufgetreten ist. 2) Arch. f. Naturgesch. 1871. 3) Act. soc. Upsaliensis 1744—50. Die dazu gehörige Abbildung hat man in der untern Ecke der vorher gegangenen Tafel, welche einer Pflanze gewidmet ist, zu suchen. 4) Desmarets, Considerations generales sur la classe des Orustaces, 1825; vergl. auch Milne Edwards, Hist. natur. des Crustaces, 1840. 5) C. Claus, Ueber die Entwicklung, Organisation und systematische Stellung der Arguliden. Zeitschrift f. wiss. Zool. 1875. 6) M. Nussbaum, Ueber den Bau und die Thätigkeit der Drüsen. IV. Mittheilung, Arch. f. mikrosk. Anat. Bd. 21.. 7) Der Giftstachel des Argulus ein Sinneswerkzeug. Zool. Anz. 1886, Ueber Argulus foliaceus. 3 über die Zelle und die Gewebe), zuletzt Darlegungen über Eier- stock und Ei?). Den Artikel: Kellicott, A larval Argulus?) kenne ich nur dem Titel nach. Was ich jetzt im Nachstehenden zu bieten vermag, soll haupt- sächlich zur Ergänzung und Verbesserung der eigenen Arbeiten dienen. Dass indessen Vieles unaufgeklärt geblieben ist, sowohl was den Bau unsres Thieres betrifft, als auch im Hinblick auf physiologische Verhältnisse, braucht wohl nicht erst besonders ge- sagt zu werden. Man müsste sich noch viel länger mit dem Thiere beschäftigen, als ich es that, um über Alles ins Reine zu kommen. I. Integument. Bezüglich der mancherlei höcker-, dorn- und schuppenartigen Rauhigkeiten, welche die Cuticula entwickeli, bemerkt der erste Blick, dass sie hauptsächlich der Bauchfläche des Thieres ange- hören und durchweg rückwärts gerichtet sind. Dass dadurch dem Parasiten das Sichanheften am Fisch erleichtert wird, liegt nahe. Während die Bauchfläche wie übersät ist von Widerhäckchen, schien mir früher die Rückenfläche ganz frei davon zu sein; auch Claus vermisst gedachte Bildungen „an der gesammten Rücken- fläche“. Hierzu möchte ich jetzt bemerken, dass doch auch über die Rückenfläche des Schildes hin kurze und zerstreut stehende Dörnchen vorkommen, allerdings nicht an jedem Individuum ; selbst bei sehr grossen Thieren konnten sie völlig fehlen. Es scheint eben, dass auch hier, wie z. B. am Körper der Insecten die Ent- wicklung der euticularen Anhänge grossen individuellen Schwan- kungen unterworfen ist. An der Bauchseite des Schildes heben sich zwei genau um- srenzte Mulden ab, eine vordere kleinere von rundlichem Umriss und eine hintere grössere, welche in die Länge gezogen ist. In meiner ersten Mittheilung habe ich davon nur eine unvollkommene Kenntniss gehabt: was ich von einer „kleinen Platte, leistenartig 1) Altes und Neues über Zelle und Gewebe. Zool. Anz. 1888. 2) Thierisches Ei im unbefruchteten Zustande. Zool. Jahrbücher, Bd. III, Morphol. Abth. 1888. 3) North Amer. Entomol. Vol. 1. 1880. 4 F. Leydigp: abgegrenzt und mit dichten, feinen Runzeln besetzt“ aussage, be- zieht sich auf diese Theile und es ist daher nicht ganz richtig, wenn Andre meinen, ich hätte „auffallender Weise“ das Ganze . übersehen. Uebrigens glaube ich jetzt der Natur dieser „ovalen Chitinringe an der Ventralseite des Schildes“ etwas näher ge- kommen zu sein. An Larven, welche vor Kurzem ausgeschlüpft sind, mar- kiren sich die besagten Bildungen nicht blos durch ihren scharf vorspringenden Cutieularring, sondern es lässt sich erkennen, dass man es eigentlich mit zwei Napfbildungen oder seichten Saug- scheiben zu thun habe. Dies wird ersichtlich bei schräger Lage des Körpers, wodurch die Wand des Napfes von der Seite sich darstellt, wie es in Fig. 2 auf Taf. I versinnlicht erscheint. Die Structur im Boden des Napfes ist mir nicht völlig klar geworden: am ehe- sten möchte ich das Bild auf ein netziges, körniges Balkenwerk mit zahlreichen rundlich-eckigen Kernen und hellen Lücken da- zwischen, deuten. Jedenfalls handelt es sich um eine umgewan- delte Partie der Matrixlage des Integumentes und der Wechsel im Aussehen mag mit Aenderungen in der Thätigkeit des Saugnapfes zusammenhängen. Die ‚zellige blasse Sceulptur“, welche ich vom Schild des Argulus phosxini erwähne, ist auch hier vorhanden und bildet eine grobmaschige Zeichnung. Nach Anwendung von Reagentien glaube ich zu sehen, dass sie von Ansatzstellen der Muskeln herrührt. Was ich aber in der Mittheilung vom Jahre 1850 als „dicht- stehende feine Runzeln der Unterfläche des Schildes“ bezeichne, hat sich jetzt erst nach seiner wahren Natur erkennen lassen. Die anscheinenden Runzeln sind Netzbälkehen von eutieularer Beschaffen- heit, welehe zwischen den beiden Platten des Schildes hinziehen, während letztere nach dem freien Rande zu hart aufeinander liegen. Dort wo die zwei Platten noch weiter abstehen überzeugt man sich, dass senkrecht gestellte innere Skeletbildungen die dor- sale und ventrale Platte verbinden und sich in ihrer Form, weil nach oben und unten wie strahlig entfaltet, mit aufgestellten Garben vergleichen lassen. Nach dem Saume des Schildes zu immer niedriger werdend und auseinander tretend, können sie dort — von der Fläche gesehen — das Bild einer grieseligen Sculptur vor- täuschen (vgl. auf Taf. I, Fig. 1, Fig. 3, Fig. 4). Zehn Jahre nach der Untersuchung des Argulus hatte ich in den Schalenklappen der Ueber Argulus foliaceus. 5 Daphniden solche, die Platten verbindenden Skeletbildungen schon aufgezeigt und näher erörtert. Eine Seulpturform der Cutieula verdient noch Erwähnung, weil hierin Claus, ganz mit Unrecht, meinen frühern Angaben entgegentritt. In der Beschreibung des Saugnapffusses von Ar- gulus phoxini gedenke ich einer „zierlichen Seulptur“ auf der Innen- seite des häutigen Randsaumes des Bechers, welche erzeugt sei „durch Längsreihen dicht stehender eutieularer Erhöhungen.“ Nach dem Genannten sollen dies nicht Cutieularerhöhungen sein, sondern sie wären „in Wahrheit gegliederte Chitinstrahlen.“ Nachdem ich von Neuem die Sache geprüft, behaupte ich mit aller Bestimmt- heit, dass nicht „gegliederte Chitinstrahlen“ vorliegen, sondern Reihen von Cutieularerhöhungen, wovon die einzelnen, von innen nach aussen an Grösse abnehmend, die Gestalt von Hohlkehlen haben, deren eine Seite etwas erhöhter ist. Die äusserste sieht oben wie geöffnet aus, insofern von hier erst die Verdiekung der Cuticula den Anfang nimmt, um dann einwärts immer mehr zuzu- nehmen (vergl. besonders Fig. 36 auf Taf. III). Wer über den vorbemerkten Thatbestand etwa noch Zweifel hegt, obschon die Dinge auch am fertigen Saugnapffuss klar liegen, möge Larven untersuchen, welche die Ruderfüsse verloren haben und die Anlage des Saugnapfes zeigen. Hier erscheint an der Basalgegend eine schuppige Sculptur, welche an die Gliederreihen des späteren Saugnapfes sotort erinnert und ebenfalls schon die Anordnung in Längsreihen sehen lässt. Zu den Cutieularverdiekungen des Integumentes, welche besonderen Zwecken dienen, gehören auch die Querspangen in der Furche, in welcher der Taststachel hin und her spielt; durch die- selben wird wohl die Form der Furche gesichert. Poren in der Cuticula finden sich nicht in allgemeiner Ver- breitung: man begegnet ihnen dort, wo Hautdrüsen münden, dann aber auch an Stellen ohne Hautdrüsen, so z. B. am Hacken des vierten Schwimmfusses beim Männchen (Taf. V, Fig. 50); auch am zweiten Kieferfuss kommen sie zerstreut zwischen den Dörnchen vor. Ueber die unterhalb der Cutieula sich hinziehende zellige Matrixlage möchte Folgendes zu bemerken sein. Einmal sind die Kerne dieser Schicht im Allgemeinen sehr klein. 6 F. Leydige: Sodann kann sich die Matrixlage wie in inselförmige Partien _ von ungleicher Grösse zerlegen, so z. B. über der Afterklappe (Taf. V, Fig. 47). Die Inseln nehmen sich wie abgezirkelte kör- nige Flecken aus, die eine gewisse Anzahl von Kernen einschliessen. Ferner es verdickt sich an bestimmten Stellen die Matrixlage polsterartig und in solche zellige Verdiekungen verlieren sich die zur Haut tretenden Nerven (Taf. I, Fig. 10). Dergleichen An- schwellungen der Matrixlage kommen vor im Bereiche der Glied- maassen; sie sind auch im Grunde des Kelches der Saugfüsse zugegen; an den Schwimmfüssen lässt sich feststellen, dass die Polster bauehwärts liegen. Im Schwanzblatt des Weibchens (Taf. V, Fig. 43) verdickt sich die Matrixlage eine ziemliche Strecke weit nach der Gegend hin, wo die Samentasche liegt, während beim Männchen diese Verdiekung am gleichen Orte nur unbedeutend ist. Die Zellen der Matrixschicht können sich dahin verändern, dass sie selber und ihr Kern grösser werden (Taf. IV, Fig. 40) und in letzterem eine Anzahl von Nucleoli sich abzeichnet; ja es können die Zellen den Umfang und die Tracht kleiner Hautdrüsen annehmen, ohne jedoch zu solchen völlig zu werden, denn ich habe an ihnen durchaus das den Hautdrüsen eigenthümliche Ausführungs- röhrehen vermisst, obschon sonst in den Schwimmfüssen, nach der Basis zu, wirkliche mit Ausführungsröhrchen versehene Drüsen vor- kommen. Bei der Untersuchung des Weingeistexemplares von Ar- gulus phoxini hatte ich offenbar schon damals von diesen Dingen etwas gesehen, indem ich dort von gangliösen Endanschwellungen der Nerven der Gliedmaassen berichte. Es möchte wohl der Mühe werth sein, die im Vorstehenden beschriebenen Verdiekungen der zelligen Hautlage und ihren Zu- sammenhang mit Nerven einem besonderen Studium zu unterziehen, da die Vermuthung sich regen darf, dass sie den Zellenlagen ver- wandt sein könnten, welche man als „Sinnesepithelien‘“ zu be- zeichnen pflegt und näher vielleicht ins Gebiet der Becher- oder Knospenorgane gehören möchten. Dass ein verwandtschaftlicher Zug durch die „Sinneszellen“ und „Drüsenzellen“ geht, habe ich schon geraume Zeit her darzuthun gesucht?). Die Matrixlage des Integumentes erhebt sich in die Borsten zur Bildung eines innern fadig ausgehenden Stranges und an Lar- 1) Vgl. in: Zelle und Gewebe. Neue Beitr. z. Hist. d. Thierkörper. p. 103. Ueber Argulus foliaceus. 7 ven, deren Haut noch voll embryonaler Fettkörnchen ist, erstrecken sich auch die letzteren in die Borste hinein (Taf. I, Fig. 7). In die dickeren braunen Dornen, z. B. des Kieferfusses, setzt sich ge- dachte Schicht in Form einer Papille fort, wobei die Substanz der Zelllage ein streifiges und netziges Aussehen annimmt, mit da- zwischen eingestreuten Kernen. Als hervorgegangen aus den Elementen der Matrixlage darf man die Hautdrüsen betrachten. Die einzelligen Hautdrüsen des Argulus sind von mir in meiner ersten Mittheilung angezeigt, und später von Claus und Nussbaum genau auf den Bau untersucht worden. Vor Kurzem habe ich dasjenige, was ich zuletzt über das feinere Gefüge, ins- besondere über das Verhalten des Spongioplasma in Erfahrung ge- bracht, veröffentlicht‘). Indem ich im Gegenwärtigen erläuternde Zeichnungen beigebe (z. B. Taf. I, Fig. 12), gedenke ich nur noch folgender Punkte: 1) Der Kern ist im Verhältniss zum Drüsenkörper klein. 2) Nach Reagentien kann aus der Mündung des Ausführungs- gsanges, der, wenn die Drüse etwas tief liegt, von ziemlicher Länge ist, ein blasses, quer abgeschnittenes Gebilde hervorstehen. Ich sah solches z. B. an den Drüsen der Schwanzflosse deutlich und man geht wohl nicht fehl, wenn man das Ganze auf vorgedrungenes, zu Cylinderform erhärtetes Secret deutet. Ausdrücklich sei noch bemerkt, dass mir am lebenden Thier die Erscheinung niemals zu Gesicht gekommen ist. 3) Der Drüsenkörper zeigt im lebenden Thier eine so ver- änderliche Gestalt, dass man ihm eine innewohnende Contractions- fähigkeit zuschreiben darf und ich erinnere deshalb auch an meine Beobachtung über Contractilität der Secretzellen in den Speicheldrüsen und Malpighi’schen Gefässen der Insecten?). Und was ebenfalls mit Rücksicht hierauf hervorgehoben sein mag: es lassen sich an genannten Organen der Insecten keine zu den Zellen gehenden Nerven nachweisen und auch bei Argulus ist es mir, 1) Altes und Neues über Zelle und Gewebe. Zool. Anz. 1888. 2) Untersuchungen zur Anatomie und Histologie der Thiere, p. 151; oder in: Zelle und Gewebe, p. 39. 8 F. Leydig: trotz wiederholten Nachsuchens, nicht gelungen, die Verbindung _ eines Nervenfadens mit Hautdrüsen aufzufinden. 4) Neben der verbreitetsten Drüsenform, wobei die Einzel- zelle ihren eigenen Ausführungsgang hat, trifft man auch auf eine zusammengesetzte Drüsenart. Es schliessen nämlich mehrere Zellen zu einem rundlichen Körper zusammen, aus dessen Mitte, umgeben von strahliger Zeichnung, das Ausführungsrobr kommt (Taf. ], Fig. 13). Die Hautdecke kann ein grünliches Pigment enthalten, oft in bedeutender Ausbreitung, so am Rande der Beine, Saugnapffuss einbegriffen, am Schild. Mit Zunahme dieses Pigmentes bei recht grossen Thieren’sind auch die verschiedenen rückwärts gerichteten Dornen nicht bloss selber in ihrer Cutieularschieht hornbraun, son- dern auch ihre nächste Umgebung ist von derselben braungelben Farbe. Sehon in manchen der ganz jungen Thiere tritt das Pig- ment der Hautdecke auf und hiebei ist von besonderem Interesse wahrzunehmen, dass das spätere „körnige‘“ Pigment jetzt noch die Beschaffenheit eines rein „diffusen‘‘ Stoffes hat, welcher das Ge- webe durchdringt. Es ist also das körnige Pigment durch Ver- dichtung aus dem flüssigen entstanden. II. Muskulatur. Die topographischen Verhältnisse der Muskulatur des Stammes habe ich diesmal so wenig wie früher im Einzelnen verfolgt und kann daher nur Weniges aussagen. Als ein Ergebniss im Allgemeinen liesse sich hinstellen, dass die Muskulatur des Leibes, im engeren Sinne, nicht stark entwickelt ist und hauptsächlich aus Längenmuskeln besteht: die meisten Muskeln hingegen besitzen die Beinpaare. In die Schwimmfüsse hinein bilden die Bündel durch Zusammenneigen kegelige Massen. Dabei sieht man auch von rechts und links des Körpers sich kreuzende Züge, was besonders deutlich für das letzte Beinpaar ins Auge fällt. Die Kieferfüsse und Saugnapffüsse erhalten zahl- reiche kräftige Muskeln, welehe dorsal und ventral vom Schild entspringen. Auch dem Mundaufsatz sind besondere Muskeln be- stimmt. In die Schwanzflosse treten aus den vorhergehenden Rin- gen Längsmuskeln über; dann besitzt der genannte Körperabschnitt Ueber Argulus foliaceus. ) eine ganze Anzahl kurzer, rücken-bauchwärts gestellter Muskeln, welche ebenfalls in ihrer Gesammtanordnung annähernd in Längs- reihen stehen. Mit Rücksicht auf die histologische Zusammensetzung der Muskelsubstanz verweise ich auf die Bemerkung, welche ich jüngst hierüber vorgebracht habe!}). III. Nervensystem. Die früheren Untersucher kannten nur jenen dreilappigen Theil des Gehirns, den wir jetzt das Stirnauge nennen, während das ganze übrige Nervensystem übersehen worden war. Ich zeigte vor Jahren, dass ausserdem ein Gehirn und Bauchmark sammt aus- strahlenden Nerven zugegen sei und gab davon eine nähere Be- schreibung. Noch ausführlicher und besser ist selbstverständlich die Darlegung über das Nervensystem unseres Thieres, welche Claus fünfundzwanzig Jahre nach mir geliefert hat. Was ich jetzt an dieser Organgruppe sehe, mag immerhin noch der Erwäh- nung nicht unwerth sein (vgl. Taf. II, Fig. 15; Taf. IV, Fig. 42). Das obere Hirnganglion zeigt im ganz unbehelligten Zu- stande eine rundliche Form, mit vorderer schwacher Einkerbung. Aus ihm entspringen die dicken Sehnerven, welche, und zwar ziemlich plötzlich, nach rechts und links abbiegen und ehe sie das Auge erreichen, zu einem Ganglion anschwellen. Am jüngeren Thiere erscheint dieses Ganglion opticum von verhältnissmässig srösserem Umfang als später der Fall ist. Nach vorne und unten, ehe die Commissuren zur untern Partie des Gehirns oder dem Anfang des Bauchmarkes abgehen, springt ein anderes Ganglion vor von länglich runder Gestalt. Ich möchte dasselbe für homolog halten dem von mir am Gehirn der Insecten unterschiedenen Lobus olfaetorius, da aus ihm, wie dort, der Nerv für die Antenne entspringt und auch der Nerv zum Tast- stachel aus ihm hervortritt. Dieser Theil des Gehirns ist ebenfalls an jüngeren Thieren, gleich dem Augenganglion, verhältnissmässig umfänglicher als in späterer Zeit. Da dieser Hirntheil nicht so ohne weiteres dem Blicke sich darbietet, so mag zur Orientirung bemerkt sein, dass man am lebenden Thier die Kreuzungsstelle 1) Altes und Neues über Zelle und Gewebe. Zool. Anz. 1888, 10 F. Leydig: ins Auge zu fassen hat zwischen der Chitinleiste des Schildes und _ der langen Chitinsehne des Muskels des Oberkiefers: dort wölbt sich, namentlich gut sichtbar an jüngeren Tieren, dieses Antennen- sanglion zur Seite der Commissuren hervor. Die Commissuren, zum Anfang des Bauchmarkes herab- steigend, sind kurz und dick. Die Oeffnung, welche sie begrenzen zum Durchtritt des Schlundes, ist nicht von kreisrunder Form, sondern nach oben verlängert und dann quer abgeschnitten. An ganz unbehelligten Thieren lässt sich diese Gestalt des Umrisses der Durchgangsstelle für den Schlund erkennen; da jedoch die Theile, welehe begrenzen, weich sind, so kann sich leicht die Form ins einfach Ovale oder auch Birnförmige umsetzen. Das nun anschliessende Bauchmark ist von gedrängter Ge- stalt und hört schon, was wieder an früheren Stadien gut sichtbar ist, dort auf, wo der Magen beginnt. Es besteht aus sechs Gan- glienpaaren, die dieht zusammengeschoben sind; eine mittlere Thei- lung in Form einer Längsspaltlinie ist schwach ausgedrückt, doch am Hinterende ist durch einen tieferen Einschnitt der paarige Charakter schärfer gekennzeichnet. Das erste Ganglienpaar, welches ich nach einer früheren Auseinandersetzung!) zum Gehirn rechne und als dessen untere Portion ansehe, liegt in gleicher Höhe mit dem Mundaufsatz und ist um ein bedeutendes breiter als das nächstfolgende Paar; an Larven setzt es sich auch seitlich recht scharf vom übrigen Bauch- mark ab. Die mittlere Spaltlinie der Bauchmarksganglien kann sich für jedes Paar als eine birnförmige kleine Lücke darstellen, die nach hinten zu immer geringer wird, so dass sie auch keineswegs an jedem Thier zur Anschauung gebracht werden kann. Ich glaube einigemale gesehen zu haben, dass ein Blutkügelechen sich durch eine solche Lücke drängte. Bei Hirudineen fand ich seiner Zeit, dass Muskeleylinder durch die entsprechenden Lücken des Bauch- markes hindurchtreten?). Hier beim Argulus konnte ich mich nicht überzeugen, dass Muskeln die Lücken durchsetzen. Ueber den feineren Bau der Nervencentren vermag ich nur Einiges zu berichten. 1) Bau des thierischen Körpers. 1864. 2) a. a. O. p. 144; Tafeln zur vergleichenden Anatomie, Taf. IV, Fig. 1' Ueber Argulus foliaceus. 11 Unterhalb des eutieularen Neurilemms wird die Rinde des Gehirns und Bauchmarkes von Ganglienkugeln gebildet, die fast durchaus nur den Charakter kleiner hüllenloser Zellen zeigen. Im Innern der gangliösen Anschwellungen erscheint „Punct- substanz‘“ und wiederholt gleichsam als Kern des Ganglions dessen Umriss. Bezüglich der Faserung finde ich hervorzuheben, dass an der Innenpartie der von der oberen zur unteren Gehirnportion gehen- den seitlichen Commissuren die innersten Züge der Fasern einen völlig geschlossenen Ring bilden. Da ich seiner Zeit vom Gehirn der Lumbrieinen das Dasein einer gleichen Anordnung der Faser- züge anzuzeigen hatte !), so ist wahrscheinlich, dass wir es mit einer Bildung allgemeinerer Art zu thun haben. Ein weiterer Theil der Züge, welche die Commissuren zusammensetzen, strahlt gegen die Sehnerven aus, wobei, was mit Sicherheit zu sehen ist, eine Kreuzung von rechts und links stattfindet. Am Augenganglion (Taf. II, Fig. 16) unterscheidet man wie- der die Ganglienkugeln, welche, nach aussen liegend, die eigent- liche Anschwellung bedingen und zweitens die Faserzüge, welche vom Sehnerven herkommen. Die letzteren biegen innerhalb des Ganglions plötzlich im Winkel um und nehmen dann die Richtung segen das Auge. So lange uns dieses Verhalten noch nicht klar geworden ist, sieht man mit Verwunderung, dass der Zug der Nervenfasern vorne auf einmal scharf und schräg wie abgeschnitten erscheint. Durch diesen Verlauf kreuzen sich eine Strecke weit die Fasern, und die Stelle, wo die Umbiegung erfolgt, kann bei gewisser Ansicht sich ausnehmen, wie ein körniger „Kern“ des Augenganglions. Innerhalb der Anschwellungen des Bauchmarkes lässt sich abermals, ausser der kleinzelligen Rinde und der Punetsubstanz im Innern, noch eine Faserung erblicken, die einmal von den Commissuren zwischen Gehirn und Bauchmark her durch sämmt- liche sechs Knotenpaare in der Längsrichtung sich erstreckt; so- dann unterscheidet man Querzüge und endlich die von beiden — den Längs- und Querfasern — entspringenden Ausstrahlungen in die vom Bauchmark abgehenden Nerven. I) a. 2.0. p. 158. 12 F. Leydig: Zum peripherischen Nervensystem zählen: 1) Die vom Gehirn abgehenden starken Sehnerven, welche eine Strecke weit hart aneinander liegen, bevor sie plötzlich nach aussen sich richten. 2) Der Antennennerv; er kommt von dem Ganglion, welches ich vorhin dem Lobus olfactorius verglichen habe. Von ihm geht nach einwärts, etwa in der Höhe des Ganglion optieum, ein schwacher Zweig ab, ohne dass mir klar geworden wäre, wohin er sich verliert. 3) Der Nerv zum Taststachel (bisher Giftstachel genannt); er entspringt zwischen der Wurzel des Lobus olfactorius und der oberen Hirnportion. 4) Nerven, welche wahrscheinlich den Mundtheilen bestimmt sind und aus dem unteren Schlundganglion den Ursprung nehmen. Aus dem gleichen Abschnitt kommt weiter rückwärts ein stärkerer Nerv, welcher sich theilt, um den Saugnapffuss und den Kiefer- fuss zu versorgen. 5) Das nächste, also zweite Ganglion des Bauchmarkes ent- sendet je einen starken Nerven quer nach aussen zum Kieferfuss. 6) Aus dem dritten, vierten, fünften und sechsten Ganglion entspringt je ein Nerv; alle richten sich nach hinten und bilden einen dicken Nervenbüschel, welcher einer Cauda equina ver- gleichbar ist, die Nerven für die vier Schwimmfüsse liefert und den Rest in die Schwanzflosse abgiebt. Aus dem dritten Ganglion scheinen mir, wie früher, auch die Nerven zu stammen, welche den Kopfschild versorgen. Ich glaube zu sehen, dess die vom Bauchmark entspringenden Nerven zwei Wurzeln haben, eine dorsale und eine ventrale, welche dieht übereinander liegen. Wenn diese Beobachtung richtig ist, so würde sie an das anschliessen, was ich längst bei Anneliden und Arthropoden mit Sicherheit erkannt habe, allwo nämlich die vom Bauchmark entspringenden Nerven ebenfalls aus einer dorsalen und ventralen Wurzel sich zusammensetzen }). Mit Rücksicht auf die histologische Structur der Nerven sei nur nochmals?) hervorgehoben, dass bei unserm Thier der 1) a. a. ©. p. 146 (Anneliden); p. 195 (Arthropoden). 2) Vergl. Altes und Neues über Zelle und Gewebe. Zool. Anz. 1888. Ueber Argulus foliaceus. 13 röhrige Charakter der „Nervenfasern“ sehr in die Augen springt; auch ist in manchen der Röhren eine Spur von Septen- oder Maschenwesen zu erkennen. In die Reihe der „Riesenfasern“ ist der Nerv im Taststachel zu stellen; anstatt der Riesenfaser oder zugleich mit ihr können noch einige Röhren von gewöhnlichem Durchmesser zugegen sein. In meiner frühesten Mittheilung!) habe ich das eigenthüm- liche Verhalten einer von je einem Nerven des Schwimmfusses sich ablösenden ‚Nervenfibrille“ beschrieben. Es ist leicht das wiederzusehen, was ich damals gezeichnet. Bei der Neubesichti- sung ist mir indessen eine Zeit lang der Zweifel aufgestiegen, ob der immer an bestimmter Stelle durch den Blutraum des Schwimm- fusses sich hinspannende, gegabelte Theil nicht vielmehr ein Li- sament, also bindegewebiger Natur sei. Allein ich musste zuletzt doch zu meiner ersten Auffassung zurückkehren. Denn es liess sieh mit Bestimmtheit ermitteln, dass eine Nervenröhre am Stamm sich ablöst und in den Blutraum tritt, und selbst der helle Faden, welcher an der Stelle, wo die Zelle eingeschaltet ist, abgeht und zur Haut tritt und noch am ehesten für ein Anheftungsband zu nehmen wäre, schien mir doch auch nervös zu sein. Ich habe zur weiteren Prüfung das Einzelne, was ich zu sehen vermochte, in Fig. 9 auf Taf. 1 festgehalten. Und nun möchte im Anschluss hieran es passend sein zur Erklärung der Zeichnung, durch welche ich das Endverhalten eines Schildnerven veranschaulicht, Einiges zu bemerken (Taf. I, Fig. 3). Man sieht in den Schild zwei Nerven eintreten, einen vor- deren, der sich der Kopfgegend zuwendet, und einen anderen, der dieker ist und weiter nach hinten zu sich verbreitet. Die Nerven halten sich in der dorsalen Fläche des Schildes, sie gehen über die Magenverästelungen her und darüber hinaus; theilweise ziehen sie deutlich durch Bluträume und alsdann lässt sich da und dort feststellen, dass von ihnen weg zarte Anheftungsbänder gehen, die als fadige Ausläufer von den Matrixzellen der Nervenröhren kom- men, demnach genau so sich ausnehmen, wie die gleichen Liga- mente des Nerven im Blutraum des Taststachels. Unter fortwäh- render Theilung werden die Nerven des Schildes schmäler und 1) Zeitschrift f. wiss. Zool. 1850, Taf. XX, Fig. 2. 14 F. Leydie: blasser, und die Schwierigkeit nimmt zu, sie nicht aus dem Auge . zu verlieren, gar nicht gerechnet, dass so viele andere Theile in der Ausbreitung des Schildes zugegen sind, welche das Verfolgen der Nerven behindern, so die Magenverästelungen, die Hautdrüsen mit ihren zum Theil recht langen Ausführungsgängen, die Zellen des Fettkörpers, die Skeletbälkchen gröberer und feinerer Art. Gelingt es nun trotz alledem, den fein und blass gewordenen Endausläufern eines Nerven, dessen röhriger Charakter auch hier im Schild deutlich sichtbar bleibt, bis zum Rande nachzugehen, so lässt sich soviel erkennen, dass sie sich in die zellige Matrix- lage des Integumentes verlieren, wobei es von Bedeutung bleibt, dass keineswegs, was man von vorneherein für wahrscheinlich halten möchte, der Streifen im Innern der grösseren Randborsten des Schildes ein Nervenendfaden ist. Auf diesen Punkt soll gleich nachher bei den „Sinnesborsten“ noch einmal und näher einge- gangen werden. IV. Sinnesorgane. 1. Sinnesborsten. An bestimmten Stellen des Körpers stehen borstenähnliche oder fadige Bildungen, welche man in Anbetracht ihrer Länge und zarten, weichen Beschaffenheit für Sinnesborsten anzusehen sich geneigt fühlen darf. Dergleichen Bildungen kommen vor: 1) an den Antennen, 2) am Schildrand; 3) am Saugnapf- und Klammerfuss, sowie an den Schwimmfüssen ; 4) an den Schwanz- anhängen (vgl. Taf. I, Fig. 4, Fig. 5, Fig. 6; Taf. II, Fig. 21, Fig. 22). Bereits in der Arbeit über Argulus phoxini erwähne ich die „blassen, zarten Borsten“ an der hinteren Antenne und denke an „Tastborsten, vielleicht auch an Geruchszapfen“. Diese Auf- fassung, auf die Untersuchung eines Weingeistexemplares gegründet, liess sich jetzt an den frischen Thieren des Argulus foliaceus be- stätigen, indem hier ähnliche Sonderungen zum Vorschein kamen, wie ich sie an den fadigen Bildungen der Antennen verschiedener Arthropoden längst aufgezeigt habe. Es kamen folgende Formen vor: Das Endstück der Borste läuft gleichmässig blass und dünn aus. Das blasse Endstück ist wie von einem niedrigen dunkeln Gürtel umfasst, was im optischen Durchschnitt durch einen schär- Ueber Argulus foliaceus. 15 feren Strich rechts und links vom blassen Endstück ausgedrückt erscheint. Es fehlt das blasse hervorstehende Endfädchen, und die zwei dunklen Striche begrenzen das freie Ende der Borste. Endlich kann — ich sah es am zweiten Antennenpaar und nach Anwendung härtender Lösungen — die Borste ein deutliches dunkles Endknöpfehen haben und in diesem Endknöpfehen konnte mitunter (Kalibichr., dann Kalilauge) in bestimmter Weise noch eine helle Mitte, wie eine Lichtung, unterschieden werden. Nach Vorstehendem-könnte es scheinen, dass zweierlei Sinnes- borsten an den Antennen zugegen wären, solche, die einfach blass- fadig ausgehen und zweitens andere, welche ein dunkles, mar- kirtes Ende haben. Doch-möchte wahrscheinlich sein, dass beide in einander sich verlieren und Abänderungen einer und derselben Form sind, wofür auch das, was an den Borsten anderer Körper- stellen sichtbar ist, spricht. Die aus der Unterfläche des Sehildrandes hervorstehenden Sinnesborsten haben eine Art Sockel, der in Länge und Breite nach den einzelnen Borsten etwas verschieden ist; aus ihm erhebt sich der eigentliche Endfaden. Letzterer im frischen Zustande hell und blass, geht bald stumpf, bald spitz aus; auch hier kann, namentlich nach Behandlung mit Reagentien (Chrom-Essigsäure) ein glänzendes Endknöpfehen auftreten, welches den Eindruck macht, als sei es entstanden durch eine Substanz, die aus dem Innern vorgequollen ist und fest geworden. Diese Sinnesborsten des Schildrandes mögen für das Thier in früheren Stadien noch mehr Bedeutung haben, als später, denn sie sind bei der Larve um vieles länger als im ausgebildeten Thier (Taf. II, Fig. 20); sie stehen bei der Larve vereinzelt auch dorsal, insbesondere bemerkt man drei, welche vor dem Auge sich erheben. Die Sinnesborsten des Saugnapffusses sind auf einem seitlichen Lappen oder Anhang angebracht, oberhalb des Rand- saumes. An diesen bemerkte ich nur ein zugespitztes Ende. An den Sehwimmfüssen begegnet man vereinzelt solchen Borsten nach der Wurzel des Fusses zu, und auch an diesen kann ein Endknöpfehen vorhanden sein (Taf. I, Fig. 10, Borste links), oder sie stehen dicht beisammen, so beim Männchen am höcke- rigen Anhang der Wurzel des zweiten Schwimmfusses. Man er- kennt hier zwischen den derberen, zackigen Cuticularschüppchen 16 F. Leydig: zahlreiche, nicht lange Börstehen, die nach ihrem blassen, zarten - Wesen hierher gehören mögen. Am Ende des Klammerfusses fällt ausser den zwei chiti- nisirten Klauen ein darüber hinausragender fingerförmiger Fortsatz auf von blasser, weicher Beschaffenheit, und auf ihm erhebt sich noch ein ebenso geartetes Cylinderchen, dessen Ende nach Reagentien wieder deutlich ein Endknöpfchen sichtbar werden lässt (Taf. III, Fig. 34). Hingegen trafich nie an den Borsten des Schwanzanhanges das Endknöpfehen: sie gingen immer spitz aus. Am hier eben- falls gut abgegrenzten Sockel machte sich öfters eine kurze Stri- chelung bemerkbar, die vielleicht auf eine Art Sceulptur auszulegen sein wird (Taf. I, Fig. 5, Fig. 6). — Auch diese Borsten sind an der Larve verhältnissmässig länger als im fertigen Thier. Die angeführten fadigen Bildungen für Sinnesborsten zu er- klären, wird ausser dem bereits über das Aussehen Vorgebrachten noch dadurch unterstützt, dass sich da und dort Nerven zeigen, welche nach der Gegend, wo die Borsten stehen, ausstrahlen. Doch ist das Endverhalten der Nerven zu den Borsten ein anderes, als man bisher annahm. Es wollte früher scheinen, dass der innere Faden der Borste ein Nervenende sei, während sich jetzt erkennen liess, dass der- selbe zunächst ein Ausläufer der zelligen Matrixlage des Integu- mentes ist. Recht deutlich, weil mehr ins Grosse gehend, schickt in den verhältnissmässig dicken Finger des Klammerfusses die Matrixlage einen solchen Fortsatz, der von streifigem Wesen und kernlos ist, während unten in der Matrix die Kerne klar aus der Zellsubstanz sich abheben. In den Borsten des Schildrandes kann der Innenfaden in Form einer härteren Linie auftreten oder wie cutieularisirt sich ausnehmen; an der Wurzel desselben sah ich schon bei Argulus phoxini ein kleines Körperchen von gleicher optischer Beschaffen- heit und von ihm weg rückwärts einen fadigen Ausläufer. Früher meinte ich diese Bildungen als solche deuten zu können, welche nervöser Art wären; allein jetzt gelang es sich zu überzeugen, dass sie mit dem Stütz- oder Skeletgewebe zusammenhängen, welches sich zwischen den beiden Platten des Schildes verbreitet (Taf. I, Ueber Argulus foliaceus. ar Fig. 1, Fig. 4). Was hingegen die Nerven anbetrifft, welche man etwa bis zum Schildrande zu verfolgen vermag, so verlieren sich - dieselben, wie bereits gemeldet wurde, in die Zellsubstanz der Matrixlage (Taf. I, Fig. 1). Ein Zusammenhang des Innenfadens der Borste mit Nerven ist demnach nur insofern anzunehmen, als das Hyaloplasma des Nerven in die gleiche Substanz der Matrix- lage und damit auch in die Borstengebilde hinein überfliessen kann. An den Borsten der Schwanzanhänge kann ebenfalls das Körperchen in der Basis und der schärfere Achsenfaden mit Sicher- heit (z.B. beim Gebrauch von Methylgrün) gesehen werden (Taf. I, Fig. 6), aber es fehlt der rückwärts gehende Faden, da ja hier auch nichts von einem inneren Stütz- oder Skeletgewebe im Schwanz- anhang zugegen ist. Das Ende des Nerven sucht einen Zellen- ballen auf, der als umgewandelte Partie der Matrixlage des In- tegumentes angesehen werden daıf. Ein zum Theil anderes Bild gewährt das Innere der Borsten oder Riechfäden an den Antennen: sie sehen aus wie gefüllt mit heller Substanz. Bei der Feinheit der bezüglichen Theile lassen sich ihre Beziehungen zu einander mit unsern Instrumenten un- möglich mit Sicherheit ermitteln. Ich möchte mir aber denken, dass das Spongioplasma der Zellgruppen, an welche der Nerv herantritt, in jene Wandlage der Borste übergeht, welche unter- halb ihrer Cutieularbegrenzung hinzieht, während das Hyaloplasma als helle Substanz das Innere der Borste erfüllt, und dieser Inhalt möge es sein, welcher bald als Endfädchen, bald als Endknöpfchen hervortreten könne. Zum besseren Verständniss dessen, was ich meine, kann wohl der Artikel „Hautsinnesorgane der Arthropoden“ dienen, auf welchen ich zurück zu verweisen mir erlaube, allwo die früheren Beob- achtungen zusammengestellt und nach gewissen Gesichtspunkten verknüpft sind). Für einen Riechkolben in grösserem Maassstab ist das Gebilde anzusprechen, welches lange Zeit als ein Giftstachel ge- golten hat (Taf. III, Fig. 28). Dasselbe bildet das Schlussstück der vermeintlichen Giftröhre (Taf. III, Fig. 26) und stellt einen kegelig zulaufenden Theil vor, 1) Zool. Anz. 1886. Archiv f. mikrosk. Anatomie, Bd. 323, 180) 18 F. Leydig: dessen Wand verdickt ist. Am freien Ende sitzt ein von mir längst erwähntes helles Knöpfehen auf, an dem auch noch ein Fleck wahrgenommen werden kann, den ich jedoch nieht weiter aufzulösen vermag. Die Nervenröhre — der frühere ‚‚Gifteanal“ — verliert sich derart an die Wurzel des Riech- oder Tastkol- bens, dass man sagen darf, das helle Plasma im Innern des Kol- bens und die Nervensubstanz fliessen in Eins zusammen. Zu dieser Auffassung gelangt man namentlich in dem Fall, wenn innerhalb des alten „Stachels“ der bei der nächsten Häutung frei werdende jüngere Kolben bereits durchschimmert. - 2. Stirnauge. Alles was ich in meiner ersten Veröffentlichung bezüglich des „kleeblattartigen Lappens“ des Gehirns anzugeben wusste, war richtig; selbstverständlich lässt sich aber jetzt — nach bald 40 Jah- ren — mehr daran sehen, als damals möglich gewesen ist. Zunächst mag bemerkt sein, dass besagtes Organ von einem klar abgesetzten Blutraum umzogen ist, durch den die Blutkügel- chen im lebenden Thier zahlreich strömen (Taf. IV, Fig. 37). Die Verbindung mit der oberen Hirnanschwellung geschieht durch eine diekliche Spange jederseits, welche vom hinteren Lappen- paar abgeht und einen starken Nerven vorstellt. Von der Spitze des vorderen Lappens zieht sich ein feiner Streifen geradlinig nach vorn, der nur vom Neurilemm kommt und als Anheftungs- band zu deuten ist. Es tritt dasselbe zwischen den Ursprung der beiden Nervi optiei, nimmt ein etwas schärferes Aussehen an und verliert sich, soviel ich zu sehen im Stande bin, ins Neurilemm der oberen Hirnanschwellung. Nach Claus wäre auch dieses „Anheftungsband“ ein wirklicher unpaarer Nerv. Die eigentliche Zusammensetzung des in Rede stehenden Or- gans ist mir nicht ganz klar geworden. Der Grund von jedem Lappen besteht aus kleinen Zellen, man könnte sagen, derselbe sei sangliös, wovon man sich am ehesten dadurch überzeugt, dass man von unten her das Organ zu besichtigen sich bemüht. Nach oben hin ist ein helles Plasma zu unterscheiden, das in fächrig gestellte Streifen sich zerlegt und helle Kerne besitzt. Beim lebenden Thier lässt sich mitunter sehen, dass förmliche strahlige Spaltlinien die Masse zertheilen. Das Vorgebrachte könnte Ueber Argulus foliceus. 19 zur Annahme führen, es seien die Zellen, welche das Organ bil- den, in ihrem äusseren Abschnitt derartig umgeformt, dass man sich an die strahligen Bildungen im zusammengesetzten Auge er- innern dürfe. Doch bleibt zu bemerken, dass nichts von eigent- lichen Nervenstäben aus Krystallkegeln zu erblicken ist. Auf Fig. 37 sind die verschiedenen Bilder, welche sich darboten, zu- sammengestellt. Was uns immer am meisten bestimmen wird von einem Auge zu sprechen, ist die Anwesenheit und das Verhalten des Pig- mentes. Es finden sich vor 1) vereinzelte gelbe Fetttröpfehen; 2) ein diffuses blaues Pigment; 3) ein aus Molecularkörnchen bestehendes schillerndes Pigment, was ich bereits in meiner ersten Mittheilung dem silberglänzenden Pigment in der Haut der Fische verglichen hatte. Dieses weiss schillernde, wohl guaninhaltige, Pigment ist in sehr wechselnder Menge zugegen, fehlt auch häufig ganz, bildet aber an grossen wohlgenährten Thieren, deren Magenverästelung roth, weil voll vom aufgenommenen Blute ist, zwei deutlich her- vortretende Flecken. Endlich ist 4) ein braunkörniges Pigment zugegen, durch dessen Anordnung becherförmige Abtheilungen ent- stehen: zwei im vorderen Lappen und wie dieser nach vorn ge- wendet, zwei im hinteren Lappenpaar und nach aussen gekehrt. Diese vier Becher zeichnen sich klar ab; aber man empfängt beim Anblick des ganzen Organs den Eindruck, als ob noch zwei an- dere Becher nach unten und vorn gekehrt, zugegen wären, man also eigentlich sechs solche Abtheilungen zählen könne. Im Larvenstadium bietet das Stirnauge noch etwas Be- sonderes insofern dar, als sich jeder der hinteren Lappen schwach eingekerbt zeigt (Taf. II, Fig. 20). Ferner heben sich nach Auf- legen des Deckglases vier — zwei nach vorn, zwei nach hinten gestellte — lichte Stellen ab, wodurch man an 'Anfänge blasser „Krystallkegel“ erinnert werden könnte. Bezüglich der Pigmen- tirung erscheint das Larvenauge recht bunt: es spielt bei durch- gehendem Licht am Rande in Blau, Violett, Gelb und Braun. Was sich im Ganzen an diesem „Stirnauge‘“ sehen lässt, hat fast ebenso viel Verwandtschaftliches zu einer Gruppe von pig- mentirten „Becherorganen“, wie zu einem „Auge“. Diese Bemer- kung möchte ich nicht unterlassen im Hinblick auf die Ansicht, 20 F. Leydig: welche ich vor Kurzem über das Parietalorgan der Saurier ge- äussert habe). 3. Paariges Auge. Die Form der Seitenaugen bezeichnete ich früher als kugelig, indessen je nach der Lage des Organs zu dem Beobachter bietet es auch die Gestalt einer Birne dar, ja bei gewissen Stellungen ist es nierenförmig durch eine mittlere Einbiegung (Taf. II, Fig. 16, Fig. 17, Fig. 18). Blickt man auf den inneren Bau, so unterscheidet man zu- nächst eine homogene, das Organ begrenzende Haut und darunter eine körnige, mit Kernen versehene Matrixlage, also eine Cuti- cula und ihre Zellschicht; die Haut ist Fortsetzung des Neu- rilemms des Sehganglions und. entspricht der derberen binde- gewebigen Umgrenzung des Augapfels höherer Thiere. Darunter folgt die Lage der Krystallkegel, wovon der einzelne im Allgemeinen birnförmig und dabei viertheilig ist; ein anscheinend körniges Wesen, welches im Innern des Kegels auf- treten kann, ist der optische Ausdruck feiner Vacuolenbildung. Richtet sich der isolirte und etwa mit Kalilauge behandelte Kry- stallkegel so, dass dessen hinteres Ende von der Fläche gesehen wird, so zeichnet sich zwischen den Segmenten ein viereckiges Feldchen ab (Taf. II, Fig. 19). Um den einzelnen Kegel herum, aus der Tiefe des Auges kommend, zieht eine besondere Hülle, die offenbar dem Schlauche entspricht, der im zusammengesetzten Auge anderer Arthropoden je einen Krystallkegel sammt Nervenstab umschliesst. An das vorhin erwähnte viereckige Feldehen am hinteren Ende setzt sich der Nervenstab an; er ist ebenfalls vierkantig und quergeriefelt. — Im Auge ganz junger Larven sind die Krystall- kegel schon zugegen, aber klein und wenig zahlreich. Beachtenswerth möchte die Wahrnehmung sein, dass die Krystallkegel einen entschiedenen Dimorphismus an den Tag legen, wodurch ein Theil des Auges ein eigenartiges Gepräge erhält (Tab. II, Fig. 17). Schon am Auge des lebenden Thieres kann nämlich ersicht- lich werden, dass, indem wir die aus der Pigmentzone hervor- stehenden Krystallkegel in ihren Reihen verfolgen, dieselben gegen 1) Zool. Anz. 1887. Ueber Argulus foliaceus. 21 den Stiel des Auges an Grösse abnehmen. Hat man ferner das dunkle Pigment durch Reagentien weggeschafft, so bilden diese kleineren Krystallkegel eine besondere, zusammenschliessende Gruppe hart am Hinterrande des Auges. Die gemeinten Kegel sind nicht bloss deutlich vierlappig, sondern von dunklerem Um- riss als die übrigen, darnach zu schliessen also wohl von härterer Beschaffenheit. Ihre Zahl beträgt etwa ein Dutzend. In einem Punkte blieb jedoch für mich eine gewisse Un- sicherheit. Die vierlappige Figur, ausgezeichnet durch scharfen Umriss, habe ich im Bisherigen auf die Krystallkegel im engeren Sinne bezogen, während bei Betrachtung der Wurzel des Auges im optischen Querschnitt es mir scheinen will, als ob es das Kopf- ende des Nervenstabes selber wäre, welches besonders geartet den „Krystallkegel“ vorstelle. Die Nervenstäbe schliessen, soweit ich zusehen vermochte, unmittelbar rückwärts, nachdem sie sich verjüngt haben, an die aus dem Sehganglion herantretenden Nervenröhren an. Das Pigment der Seitenaugen ist von zweierlei Art: 1) ein dunkelviolettes, dessen Elemente innerhalb der Zell- substanz eine wimmelnde Bewegung zeigen; 2) ein braunes von diffusem Wesen, dann auch wieder körnig- klumpig, ebenfalls in Zellen enthalten, die aber kleiner sind, als jene, welche das vorige Pigment enthalten und die Körnchen führen keine Molecularbewegung aus. Nach Behandlung des Auges mit doppelehromsaurer Lösung, dann Kalilauge, machen sich in der Zone des zerstörten Pigmentes körnige Klümpchen bemerklich, welche mir die Kerne der früheren Pigmentzellen zu sein scheinen (Taf. II, Fig. 17). Vergleicht man Larven und fertige Thiere mit einander be- züglich des Auges, des Sehganglions und Gehirnes in ihrem gegen- seitigen Verhältniss, so sitzt bei der Larve das Augenganglion noch unmittelbar dem Gehirn an und ebenso der Augapfel noch hart dem Sehganglion. Das Auseinanderrücken dieser verschie- denen Theile geschieht erst allmählich (Taf. II, Fig. 20). Der Dimorphismus im Bau des Auges, von welchem vorhin die Rede war, ist auch schon bei Larven zu erkennen. Der Augapfel liegt in einem Blutraum, der bis auf zwei 22 F. Leydig: Oeffnungen zum Einlassen und Auslassen des Blutes geschlossen ist. Die Einlassöffnung befindet sich nach der Mittellinie des Thieres zu, und ist oben und unten durch eine spangenartige Ver- diekung begrenzt. Die Abflussöffnung befindet sich am äusseren Rande und ist kleiner als die erstere. — Noch fallen zwei eigen- thümliche ligamentöse Spangen auf, welche von aussen her gegen die Augenkapsel gehen (Taf. II, Fig. 16). Die obere nimmt sich aus wie ein zarter Knorpelstreifen, indem kleine Zellen in einer homogenen, festeren Grundsubstanz liegen; der andere Strang hat mehr die gewöhnliche streifige Beschaffenheit eines Zuges von Cutieularsubstanz. Durch die Oeffnung für das Einfliessen des Blutes in den Kapselraum geht auch ein Muskel zum Auge (Taf. II, Fig. 16). Ein Beobachtungsfehler, den ich in meiner ersten Mittheilung ge- macht, indem ich „quergestreifte Muskelsubstanz‘“ im Augenganglion zu sehen glaubte, hat durch Claus schon Berichtigung erfahren. V. Verdauungswerkzeuge. Der Nahrungseanal zerlegt sich in Anfangsdarm oder Schlund; in Mitteldarm, gegliedert in Magen nebst Aussackungen und eigent- lichen Darm; endlich in den Enddarm. Die Mundtheile (Taf. III, Fig. 30) bilden einen keulenförmi- gen, nach unten und hinten gerichteten Vorsprung, über dessen Bau ich zwar gelegentlich des Argulus phoxini etwas mehr anzu- geben wusste, als seiner Zeit bezüglich des Argulus foliaceus, aber ich gestehe gern zu, dass Claus die Zusammensetzung des nicht ganz leicht zu untersuchenden Theiles viel weiter aufgeklärt hat. Immerhin bin ich über Einiges unsicher geblieben. Die Mundspalte z. B. möchte ich auch jetzt noch dort sehen, wo ich sie früher!) zeichnete, nämlich zwischen der kappen- artigen Vorwölbung der Oberlippe und der Unterlippe; sie wechselt in der Form nach der jeweiligen Stellung der begrenzenden Theile. Doch habe ich zu bekennen, dass es mir auch geschienen hat, als ob entfernt von gedachter Querspalte, gerade da, wo die gezahnten Ränder der Oberkiefer gegeneinander treten, die Mundspalte liege, die aber alsdann viel kleiner wäre und von länglicher Form. Aber 1) Argulus phoxini, Fig. 14. Ueber Argulus foliaceus. 23 was sollte, wenn diese Annahme die richtigere wäre, der Querspalt bedeuten ? Die vorgequollene Oberlippe zeigt äusserlich die auch sonst an der Bauchseite des Thieres so verbreitete schuppige Sculptur, deren Ausbildung jedoch auch an dieser Stelle ebenso wechselt, wie am übrigen Körper. Auch sind bei jungen Thieren die Schüpp- chen einfach spitzig, bei älteren mehrzinkig. Ferner stehen an der Oberlippe, zunächst der mittleren Wölbung, mehrere blasse Sinnes- borsten oder Zapfen. Die zellige Matrixlage der Cutieula erzeugt einwärts mehrere zartbalkige Fortsätze, wodurch der Innenraum, welcher ein Blutsinus ist, einigermaassen gefächert erscheint. An der Unterlippe stehen in bestimmter paariger Verthei- lung vier Sinnesborsten: die zwei der Mundöffnung zunächst sich erhebenden, also vorderen nehmen sich wie helle, querabgeschnittene Cylinder aus, wovon jeder in einem Grübchen oder Einsenkung der Cutieula steht. Das hintere Paar däucht mir kegelig gestaltet zu sein und ist von so zarter blasser Art, dass man es leicht über- sehen kann und das Grübchen, aus dem der Kegel kommt, für eine Oeffnung der Cutieula halten möchte. — Im Innern der Unter- lippe zeigt sich ein Chitingestell, dessen Quer- und Längsleisten sich bogig verbinden. Die jederseits schräg nach aussen und vorn gehenden, dabei sich kreuzenden Stäbe sind, was Claus zuerst erkannt hat, die chitinisirten Sehnen der Muskulatur der Kiefer und Lippen; an der Wurzel der Unterlippe können sich einige wenige mehrzackige Schüppchen auf der Cuticula entwickeln. Der Innenrand der Oberkiefer geht in ungleich grosse Zähne aus, die von beiden Seiten gegen einander wirken; der freie lanzettförmige Lappen hat einen dichten zarten Haarbesatz. Am Dach der Mundhöhle gerade an der Stelle, gegen welche die Kiefer arbeiten, ist eine chitinös gekörnelte Partie (Taf. III, Fig. 30a). Gleich hinter den Kiefern unterscheidet man im Innern des Mundaufsatzes Ringmuskeln, welche den Pharynx wumgreifen. Man beobachtet auch am lebenden Thier, wie diese Ringmuskeln den Anfangstheil des Schlundes plötzlich erweitern und verengern. Der Schlund geht nach oben und vorn durch das Gehirn und biegt hierbei in steiler Schlinge nach hinten. Diese Um- biegungsstelle befindet sich, wenn wir auf die Umgebung Bezug nehmen, hinter dem Stirnauge. Am Magen angekommen, springt der Schlund in Form eines starken Zapfens frei in das Innere des 24 F. Leydie: Magens hinein (Taf. III, Fig. 31). Dieser auffallenden Bildung hatte ich zwar schon im Jahre 1850 gedacht, aber da mir ein solches Verhalten des Schlundes allzu seltsam vorkam, für eine optische Täuschung erklärt. Als ich mich 10 Jahre nachher mit den Daphniden beschäftigte!), fand ich dort allgemein eine ent- sprechende Anordnung. „Der Schlund steigt überall bogenförmig in die Höhe und was ebenfalls ohne Ausnahme vorzukommen scheint, er geht nicht einfach in den Magen über, sondern bildet in denselben hinein einen starken Vorsprung, etwa in der Weise, wie bei Säugethieren der Uterus mit einem Zapfen in die Scheide vorragt.“ i Der nach Vorigem auch bei Argulus in den Magen vorsprin- gende Theil des Schlundes, zeigte sich bei Thieren, welche in Chloroform betäubt worden waren, am freien Ende glockig ge- staltet, mit scharf ausgeprägten Längsfurchen. Nicht recht ver- ständlich waren im optischen Schnitt einige senkrecht aufsteigende Muskeln, die zur Unterfläche des Schlundes zu gehen schienen. Sonst lässt sich am isolirten Schlunde unterscheiden eine homogene Intima, darunter nach aussen eine körnige Matrix mit Kernen, dann gut entwickelte Ringmuskeln, welche unter dem Sarkolemma die gleiche körnige Lage haben konnten, wie die Mus- keln des Stammes. Anbelangend den Magen und dessen seitliche Verästelung so lässt sich von den Larven her zum fertigen Thier das allmäh- liche Auswachsen und die Zunahme der Zahl der Blindsäcke ver- folgen. Histologisch wiederholt sich die Zusammensetzung, wie sie auch sonst so oft wiederkehrt: die innere Begrenzung wird von einer zarten Intima gebildet; darunter folgt ein Epithel mit kleinen Kernen, entsprechend der gedachten Matrixlage des Schlundes; zu äusserst legt sich um eine zarte Gerüsthaut eine Lage von Ringmuskeln herum, welch letztere aber schwerer zu erkennen ist, als die von eben diesen Muskeln herrührenden kräftigen und des- halb sehr in die Augen fallenden Zusammenziehungen der ganzen Magenverästelung. Man bemerkt die Muskeln am ehesten in Form hell vorstehender Höcker am Aussenrand des Canales (Taf. ], Fig. 3). 1) Naturgeschichte der Daphniden, 1860, p. 49. Ueber Argulus foliaceus. 25 Ueber das Pigment und die Fetttröpfehen im Epithel des Magens und seiner Verästelung habe ich schon seiner Zeit gehan- delt und es mag jetzt nur beigefügt werden, dass es namentlich weib- liche Thiere im Jugendzustand sind, welche viel dunkles Pigment an gedachtem Orte besitzen. Mit Rücksicht auf die Deutung, welche in neuerer Zeit die „Leber“ der Krebse erfahren hat, darf vielleicht daran erinnert werden, dass ich in meiner ersten Mittheilung die Magenveräste- lung nicht für eine „Leber“ gelten lassen wollte, da auch in diesen Magenanhängen die Verdauung des aufgenommenen Fischblutes erfolge. Im eigentlichen Darm, der immer pigmentlos ist, sah ich schon längst „eigenthümliche, schöne helle Zellen mit bläschen- förmigem Kern und scharfem Kernkörperchen“. Es sind mir auch jetzt noch diese Zellen merkwürdig, sowohl dadurch, dass sie bald einzeln, bald in Gruppen stehen, als auch weil über dem einzelnen Zellkörper eine helle Masse von Kegelform sitzt, welche wie eine frei in die Darmlichtung vorspringende Papille sich ausnimmt. Es scheint, dass die Masse einem Cutieularkäppchen zu vergleichen ist (Taf. III, Fig. 33). Einigermaassen könnte man auch an das Epithel im Uterus von Ascaris megalocephala erinnert werden!), in welchem Fall die helle Substanz über dem Zellkörper noch mehr für ein Secret zu halten wäre. Der Enddarm bildet einen engen Schlauch, an dem ich eine homogene Intima und deren Matrixlage unterscheide, welch letztere ihr Dasein durch ihre höckerartig an der Aussenseite vorspringen- den Kerne ankündigt. Die Afterspalte liegt dorsal, überdeckt von einem Querblatt, und fällt in den Ausschnitt der Schwanzflosse, genauer bezeichnet vor den Vorsprung der beiden Schwanzanhänge, welche unten und seitlich sitzen. VI. Bluträume, Herz, Kreislauf. Aus der Betrachtung des lebenden Thieres ergibt sich manches Aufklärende über Cireulationsorgane im Allgemeinen, besonders wenn wir gleichzeitig die feineren Structurverhältnisse berücksich- tigen. 1) Leydig, Zelle und Gewebe, p. 31, Anmerkung. 26 F. Leydie: Wir finden, dass die Leibeshöhlungen als grössere Bluträume dienen und die kleineren Bluträume von da weg Verlängerungen oder Lücken sind zwischen die Organe und Gewebe hinein. Bluträume zeigen sich vorhanden um den Magen und Darm, und erstrecken sich seitwärts in den Schild, allwo man die einzelnen Magenverästelungen, die Nerven und Drüsen, innerhalb solcher Blutgänge liegen sieht. Gegen den sehr abgeflachten Rand des Schildes hin werden sie zu engen Lücken zwischen den zahl- reichen, die obere und untere Platte verbindenden Skeletbildungen, die so dicht stehen, dass dadurch die schon oben gedachte, an- scheinend runzliche Zone erzeugt wird. Dabei ist mir auch be- merkenswerth vorgekommen das Verhältniss der Dornen der Bauch- fläche zu dem in Rede stehenden Lückensystem: es sitzen nämlich die Dornen mit ihrer Wurzel so auf dem Lückensystem, dass man annehmen darf, der Innenraum des Dornes hänge mit dem Blut- raum zusammen (Taf. I, Fig. 1). Dies würde sich wohl noch be- stimmter behaupten lassen, wenn die Blutkügelchen bis in diese Zone vordringen könnten; allein dieselben bewegen sich nur in den weiteren Räumer, welche z. B. eine Magenverästelung oder einen Nervenstamm enthalten, gelangen aber nicht mehr in solche peri- pherische Lücken, über welchen ein derartiger Stachel sitzt: in diesen könnte nur Blutflüssigkeit aufsteigen. Hinsichtlich des Umfanges der Bluträume im Schild mag auch erwähnt sein, dass die bauchwärts liegenden umfänglicher sind, als diejenigen, welche rückenwärts ziehen. In einem grösseren Blutraum liegt sowohl für sich das einzelne Seitenauge, als auch das Stirnauge, was bereits im Näheren besagt wurde; ebenso er- scheint Gehirn und Bauchmark von einem abstehenden Blutraum umgeben, der einer Leibeshöhle gleichzusetzen ist und beim Weib- chen auch den Eierstock aufnimmt. Verlängerungen dieser Höhlung gehen gegen die Wurzel des Taststachels und in die Gliedmaassen. Von ganz besonderer Weite ist je ein Blutraum in der Wurzel der Saugnapffüsse. Im Schwanzlappen besteht ein grosser Blut- raum unterhalb des Integumentes, zweitens ein anderer, welcher beim Männchen einwärts den Hoden umgibt. Und es mag noch einmal zusammenfassend bemerkt werden, dass die grössten Blut- räume jene des Stieles der Saugnapffüsse, der Schwimmfüsse und der Schwanzflosse sind. Von histologischer Bedeutung ist nun die Thatsache, dass Ueber Argulus foliaceus. 27 bei Begrenzung der vorbezeichneten Bluträume die zellige Matrix- lage vor Allem im Spiele ist. Man beachte z. B. die feineren Verhältnisse jenes grossen Blutraumes im Schwanzlappen. Der unter dem Integument sich hinziehende Raum zeigt sich deutlich begrenzt durch eine scharfe Linie, welche eine dünne Cutieula vorstellt und von der Innenfläche der zelligen Matrix abgeschieden erscheint; in derselben Weise, wie es mit der derberen Cuticula des Integumentes nach aussen geschehen ist. Und wir vermögen so überall die Cuticularbegrenzung und die zellige Matrix — letztere mitunter nur an ihren Kernen noch kenntlich — bei genauem Zu- sehen nachzuweisen. Dabei ist auch wahrzunehmen, dass die Blut- räume durch Enge und bestimmten Verlauf an Blutcapillaren höherer Thiere erinnern können, so z. B. in manchen Theilen des Schildes oder auch am Schleifenorgan. Auch in solchem Falle begrenzen wieder recht deutlich die Matrixzellen und eine zarte Cuticular- linie nach einwärts die Blutgänge. Bei dieser Gelegenheit kann ich nicht umhin auszusprechen, dass alles dieses in gutem Einklang steht mit dem, was ich in früherer und späterer Zeit über die Bildung der Blutgefässe und Bluträume bei niederen und höheren Thieren zu ermitteln ver- mocht habe!). Es waren die Punkte: 1) Der Leibesraum in erster Anlage ist Blut- und Lymphraum. 2) Canalartige Verengerungen und sich verästelnde Verlänge- rungen werden zu Blut-Lymphgefässen. 3) In geweblicher Beziehung treten zur Begrenzung der Räume und Canäle immer Matrixzellen des Cutieular- oder Bindegewebes ein, welche, nach innen zu, einen homogenen Saum abscheiden. Zwischen Bindegewebe und Bluträumen herrscht innige Beziehung ; „beide gehören zusammen wie Berg und Thal“. 4) Als allerletzte Ausläufer des Hohlraumsystems haben die Spaltengänge des Bindegewebes und die Porengänge des Outicular- gewebes zu gelten. | 1) Leydig, Zum feineren Bau der Artbropoden. Arch. f. Anat. u. Phys. 1855, p. 456. — Histologie, 1857, p. 441. — Bau des thierischen Kör- pers, 1864, p. 510. — Hautdecke und Schale der Gastropoden. Arch. f. Natur- gesch. 1874, p. 106. — Hautdecke und Hautsinnesorgane der Fische, 1879, p. 173. — Zelle und Gewebe, 1885, p. 61. 28 F. Leydig: Indem wir zum Argulus zurückkehren und am lebenden Thier die Hauptbahnen des kreisenden Blutes verfolgen, so stimmt das, was ich jetzt sehe, im Wesentlichen überein mit der Dar- stellung, welche ich vor Jahren darüber gab und bemerke daher pur, dass man im Allgemeinen von einer dorsalen und ven- tralen Hauptströmung sprechen könnte, Dies gilt auch für den flächenhaft ausgebreiteten Schild, ebenso für die Schwanzflosse und nicht minder für die Gliedmaassen. Die dorsale Strömung geht nach vorn, die ventrale rückwärts, so dass im Kopfende und im Schwanzende eine schlingenförmige Umkehr stattfindet. Beide Hauptströme sind an vielen Stellen durch dorso-ventrale Zweig- bahnen verbunden, was besonders im Schild und in der Schwanz- platte auffällt. Im Hinblick auf letztere sei auch bemerkt, dass ich die Beobachtung von Claus zu bestätigen habe, wornach die in der Mittellinie des Hinterendes des Herzens spielende Klappe wohl dazu dient, den Blutstrom des Körpers in die Schwanzflosse zu lenken. Die Klappe liegt unterhalb des Enddarmes; durch die paarige Klappe seitlich und oben zieht das Blut aus der Schwanz- flosse ins Herz zurück. Es ist nun ausdrücklich hervorzuheben, dass die Cireulation des Blutes sehr leicht in Fluctuation sich umsetzt, selbst im „Herzen“ kann das Blut gern hin- und herwogen, vor- und zurück- sehen, obschon es immer wieder im Grossen und Ganzen die vor- hin bezeichnete Richtung zu gewinnen sucht. Und diese Erschei- nung tritt selbst bei Thieren ein, die nicht weiter behelligt sind, als dass sie in einem Wassertropfen (ohne Deckglas) eingeschlossen wurden. Auch in sehr jungen, eben ausgeschlüpften Larven, bevor das Herz aufgetreten ist, sind schon die Blutströmungen zu sehen, so in der Umgebung des Darms, in der Schwanzflosse, um den Mundaufsatz und die Wurzel der Beine. Man gewinnt bei an- haltender Betrachtung des lebenden Thieres die Ueberzeugung, dass dieser Blutlauf — bei noch völligem Mangel des Herzens — haupt- sächlich erfolgt durch die rhythmischen Bewegungen der Schwimm- füsse und der Schwanzlappen, also noch näher gefasst durch die Thätigkeit der Musculatur des Stammes überhaupt. Daraus be- greift sich ohne weiteres, warum so leicht die Circulation des Blutes zu einer Fluetuation werden kann. Selbst noch in Larven späterer Zeit, nachdem die Ruderan- Ueber Argulus foliaceus. 29 tennen nieht mehr vorhanden und die Schwimmfüsse wohl ent- wickelt sind, fehlt noch ein „Herz!“ Wie nun Fluetuation anstatt Circulation auch im fertigen Zustande des Thieres sich leicht einstellt, kann klarer werden dureh das, was sich über Entstehung und Bau des Herzens er- kennen lässt. Dieser eylindrische Schlauch in der Mittellinie des Körpers erweist sich nämlich in seiner ursprünglichen Natur als eine Längslücke zwischen der Rückenmuseulatur (Tab. II, Fig. 24, Fig. 25) und ist hierin ganz gleich andern zwischen der Museu- latur befindlichen Bluträumen. Eine solche Auffassung lässt sich nach Besichtigung von Larven, deren Saugnapffüsse noch den starken Anhang haben, bestimmt behaupten. Deutlich unterscheidet man hier zwischen den Längsmuskeln des Rückens, und auch in- dem wir zunächst folgende Stadien zum Vergleich heranziehen, eine mittlere Lücke oder Blutraum und überzeugen uns, dass diese Lücke zum ‚Herzen‘ wird. Und abermals hängt mit dem Angegebenen zusammen, dass auch im fertigen Zustande das vordere Ende des Herzens ohne eigentliche Grenze sich verliert und zwar in der Gegend des Stirn- auges oder wo in der Tiefe der Schlund in den Magen vorspringt. Die Erweiterung am hinteren Ende, welche ich früher „vorhof- artig“ nannte, entsteht durch den Uebergang der von rechts und links aus den Schwanzplatten kommenden Bluträume und erscheint als der am schärfsten abgesetzte Theil (Taf. II, Fig. 23). Der histologische Bau der Wandung des „Herzens“ ist schwer zu durchschauen. Die innere abgrenzende Linie ist nicht ein ganz gleichmässiger Strich, sondern nimmt sich so aus, als wäre sie abwechselnd etwas verdickt; dahinter kommt eine buckelige Schieht zum Vorschein, die ich wahrscheinlich schon das erstemal bemerkt habe und auf Muskeln bezog, über welchen Punkt ich jetzt nicht mehr die rechte Sicherheit zu gewinnen vermag, da die Höcker auch Elemente einer zelligen Matrix sein könnten, zu der sich der Innenstrich als Cutieularlage verhält. Im Bereich der vorhofartigen Erweiterung lässt die Wand des Herzens die be- zeichnete Sonderung in ausgeprägterem Maasse sehen, als es weiter nach vorn zu der Fall ist. Noch darf hervorgehoben werden, dass die Bewegungen des 30 F. Leydig: sanzen herzartigen Organs, der hinteren querverbreiterten Partie sowohl, wie der vordern mehr gefässartigen, von gleicher Art sind und eigentlich von den Zusammenziehungen der Musculatur des Stammes abhängen. Es wird auch auf diese Weise begreiflicher, wie ein ursprünglich gewöhnlicher Blutraum durch bestimmtere Begrenzung von Seite der Musculatur zu einem „Herzen“ wird. Was die Deütung des Herzens im Vergleich zu andern Arthropoden betrifft, so will Claus den hinteren, in transversaler Richtung ausgedehnten Sack als das eigentliche Herz auffassen und auf die Herzbildung der Copepoden und Cladoceren zurück- führen; der nach vorn reichende gefässartige Theil sei als Aorta anzusprechen. Auf Grund dessen, was mich die gegenwärtigen Untersuchungen über Bau und Entwicklung des Herzens gelehrt haben, kann ich mich dieser Ansicht nicht anschliessen, sondern möchte die ent- sprechende Bildung in dem venösen Sinus erblicken, welcher bei andern Arthropoden das wirkliche Herz umgibt. Ein solches würde darnach bei Argulus noch nicht vorhanden sein; auch darf hierzu noch einmal in Erinnerung gebracht werden, dass der Blutlauf bei unserm Thier von statten geht, ehe das „Herz“ aufgetreten ist. Zu dem was ich in der ersten Mittheilung über die Blut- zellen berichtete, sei jetzt beigefügt, dass in Thieren, welche längere Zeit ohne Nahrung zugebracht hatten, eine eigenthümliche Veränderung der Blutkörperchen eingetreten war, welche darin bestand, dass sie alle rundlich geworden und ihre Substanz von einer grösseren Vacuole, oder mehreren kleineren durchsetzt war. An kuglig gewordenen Blutzellen ist auch schon am lebenden Thier ein Nucleus mit Nucleolus deutlich sichtbar. Vor Jahren habe ich im Archiv für pathologische Anatomie!) davon Nachricht gegeben, dass bei dem Krebschen Lynceus die Blutmasse des lebenden, frisch eingefangenen Thieres sich dicht erfüllt zeigte von einem Parasiten niederster Organisation; dess- halb mag bezüglich des Argulus erwähnt sein, dass hier, doch 1) Vergl. auch den „Anhang“ zur Naturgeschichte der Daphniden. 1860, p. 75. Ueber Argulus foliaceus. 31 erst bei längerer Gefangenschaft, die Blutmasse des lebenden Thieres zum Theil ganz voll sein konnte von vibrionenähnlichen Parasiten, die aufs lebhafteste durcheinander wimmelten. Man sah diese Erscheinung in den Räumen der Schwimmfüsse, der Schwanz- lappen, des Sehildes, des Mundaufsatzes, kurz bei manchen Indivi- duen in allen Bluträumen. VII. Schalendrüse. Ueber die von mir als „schleifenförmiges Drüsenpaar“ zuerst aufgefundene und beschriebene Bildung habe ich vor Kurzem aus- führlich gehandelt und verweise dorthin). Das Organ (Taf. IV, Fig. 39; Tat, V, Fig. 52) ist ein schlingen- formig zusammengekrümmter Canal, dessen Ende beutelförmig ange- schwollen ist und, von den beiden Schenkeln der Schlinge umfasst, einwärts liegt. Der vordere Schenkel der Schlinge ist der weitere, der hintere der engere und dieser führt zur Mündung, welche ich an der Wurzel des Kieferfusses zu sehen glaube. Jedoch nur bei jungen Thieren, die auf dem Rücken liegen und deren Kieferfuss sich nach vorn umgeschlagen, wollte gedachte Oeffnung sich zeigen; am fertigen Thier sah ich mich eigentlich umsonst darnach um. Ein derartiger Wechsel in der An- und Abwesenheit der Mündung nach dem Alter des Thieres liesse sich an Verhält- nisse anreihen, welche über die Coxaldrüsen der Arthropoden be- kannt geworden sind. Die Schalendrüse ist schon bei ganz jungen, eben ausge- schlüpften Larven erkennbar und liegt vor der Bogenlinie, welche von der seitlichen Magenausstülpung gebildet wird. Am lebenden Thier sieht man viel strömendes Blut in der Umgebung der Schalendrüse und zahlreiche, querherüberziehende Canäle, durch welche sich vereinzelte Blutkörperchen durchdrängen; auch die Lichtung zwischen dem beutelförmigen Ende und den Schenkelschlingen ist ein Blutraum. Dei ganz jungen Larven hat durch die Quercanäle die Schalendrüse ein Aussehen, als sei sie ein solider Körper, der von lichten Gängen durchbrochen wäre. 1) Der Giftstachel des Argulus ein Sinneswerkzeug. Zool. Anz. 1886. 32 F. Leydig: VIIl. Fortpflanzungswerkzeuge. Der Eierstock des weiblichen Thieres liegt zwischen Herz und Darm, und ist wohl unpaar, aber aus zwei Hälften zusammen- gewachsen, was sich an jungen Thieren noch dadurch ankündigt, dass das vordere Ende zweizipfelig ausgeht. Die Zipfel greifen gegen die Seite des Magens her. Nach den Verhältnissen des Baues lässt sich der Eierstock als ein zellig erfüllter Schlauch auffassen, der sich gegen das freie Ende hin durch die sich entwickelnden Eier in kurze Büschel ge- stielter Beutelchen ausziebt. Eine Darstellung des Eierstockes und der Beschaffenheit der Eier nach ihren verschiedenen Zuständen habe ich jüngst gegeben!). Hier möge nur der zwei Hüllen, welche unser Organ umschliessen, gedacht werden. Die eine dieser Hüllen, es ist die innere, lässt sieh beson- ders gut an Thieren, welche mit passenden Reagentien behandelt waren, erblicken und besteht, von innen nach aussen, aus einer Cuticula und der dazu gehörigen Matrixlage, wozu noch quergestreifte verästigte Muskelfasern kommen. Die andere Hülle ist dasjenige, was ich früher als „einen einfachen Schlauch in der Medianlinie des Leibes“ bezeichnet habe, worin die „eigentliche Eiermasse“ liege. Diese Art Hülle, in jungen Thieren von hellem Aussehen, ist später durch Pigment ausgezeichnet. Ich bin zweifelhaft geblieben, wie man die Hülle deuten soll, ob als einen Sack der nur zum Eierstock Bezug hat und gleich einer inneren Bruttasche die reifen Eier aufnimmt, die sich in ihm ansammeln, oder ob das, was hier als Hülle des Eierstockes ge- nommen wird, nicht eine besonders geartete Abgrenzung der Leibes- höble ist. Für die erstere Auffassung würde sprechen die bei Untersuchung des lebenden Thieres anscheinende Selbständigkeit des „Sackes“ und die kräftigen peristaltischen Bewegungen, welche in der Richtung von vorn nach hinten verlaufen und gleich hinter dem Mundaufsatz beginnen. Auch meine ich vorne eine abschlies- sende Bogenlinie zu unterscheiden, die bei gefülltem Zustande des „Sackes“ über die vordersten reifen Eier herübergeht. 1) Beiträge zur Kenntniss des thierischen Eies im unbefruchteten Zu- stande. Zoolog. Jahrbücher, Abtheilg. f. Anat. u. Ontogenie der Thiere. Dritter Band, 1888. AR Ueber Argulus foliaceus. 33 Aber Anderes, was man schon am lebenden Thier sieht, will nicht zu vorgedachter Annahme passen, insbesondere nicht die Er- scheinung, dass zwischen der Hülle und den Eierbüscheln Blut- körperchen strömen. Und noch weniger will die Auffassung, dass es sich um einen besondern Eiersack handle, Stich halten beim Durchschneiden des Thieres oder auch bei sonstiger Zergliederung, Auf Schnitten unterscheide ich zu innerst eine zarte Cuticular- linie; dann eine zellige Matrixlage; hierauf eine quergestreifte Muskulatur. Die Matrixzellen haben dunkles Pigment aufgenommen, wesshalb in ihr nicht bloss kleine Pigmenthäufchen sich abheben, sondern in sehr auffälliger Weise Gruppen von acht und mehr Pigmentzellen, deren Kerne als helle Flecken erscheinen. Der Zellencharakter ist im freigelegten Zustande der Elemente deutlich erkennbar. Und was die Muskeln anbelangt, so scheinen die Bündel mit der Muskulatur des Stammes zusammenzuhängen. End- lich glaube ich auch noch an Schnitten zu sehen, dass das Bauch- mark innerhalb dieses die reifen Eier bergenden Raumes liege. Fasst man alles dieses zusammen, so bleibt kaum etwas An- deres übrig, als den Raum des ‚‚Sackes“ für die Leibeshöhle zu erklären, in welchem, was ebenfalls Querschnitte lehren, die Eier in dreifacher Ringlage sich aufstapeln können. Und bezüglich der letzteren sei an dieser Stelle auch erwähnt, dass am lebenden Thier sich sehen lässt, wie durch die kräftigen Zusammenziehungen des Sackes die dicke radiär streifige Haut der eingeschlossenen reifen Eier stark sich einbuchtet, mithin trotz ihres derben Aussehens weich und biegsam sein müsse. Sind mir nach Vorstehendem mancherlei Zweifel und Unklar- heiten im Hinblick auf den Eierstock übrig geblieben, so ist dieses auch der Fall bezüglich der ausführenden Wege. An fertigen Thieren suchte ich oft ganz vergebens nach dem „Bileiter“; mitunter jedoch liess sich seitlich vom hinteren End- theil des „Ovarialsackes‘“ ein blinddarmähnliches Gebilde wahr- nehmen, doch nur von unpaarer Form. Am jungen Weibchen mit noch gering entwickeltem Eierstock glaube ich an gedachtem Orte, rechts und links, also in paariger Form, einen kurzen Schlauch zu sehen, der an beiden Seiten zusammenfliessend, mit wulstiger mus- kulöser Oeffnung nach aussen mündet. Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 33, 3 34 F. Leydig: Darnach könnte die Vermuthung dahin gehen, dass ursprüng- lich ein paariger, frei nach innen ausgehender Eileiter zugegen sei, wovon sich später der eine zurückbilde. Dies ist auch die von Claus, der offenbar mit besonderer Aufmerksamkeit die be- treffenden Theile untersucht hat, bestimmt hingestellte Ansicht. Aber ich selber bin des Zweifels nicht los geworden, ob die schlauch- artige, mit Zellen ausgekleidete Bildung wirklich einen Eileiter vorstellt. Mir dünkte, dass der Schlauch eher die Bedeutung einer „Glandula sebacea“ haben könne. Zu dieser Meinung kann man auch desshalb neigen, weil der abgesetzte, etwa an einer Glaswand haftende Laich bei genauerem Betrachten eine Klebesubstanz unter- scheiden lässt, welche die Eier einschliessend in Form eines weiss- lichen Netzes die Unterfläche einer abgehobenen Eierplatte durch- zieht. So lange nicht aufgezeigt werden kann, woher sonst diese Klebesubstanz geliefert wird, darf man an die eben ausge- sprochene Vermuthung denken. Und so käme ich, obschon sich nieht Alles fügen will, doch zuletzt auf dasjenige zurück, was ich in der ersten Mittheilung als Ergebniss der Untersuchung ausgesprochen hatte: es mündet der pigmentirte „Ovarialsack“ an der Wurzel der Schwanzplatte mit einem mittleren „papillenartigen Vorsprung“ aus. Die vermeint- lichen Eileiter aber wären Drüsen, welche den Anheftungsstoff für die abgelegten Eier erzeugen. Ueber die Samentasche möchte ich ebenfalls erneuerte Ab- bildungen (Taf. V, Fig. 44, Fig. 44a) vorlegen, obwohl ich mir bewusst bin, dass immerhin auch noch jetzt gar Manches, sowohl was den feineren Bau als auch die physiologische Bedeutung der Theile betrifft, dunkel bleibt. Die Wand der Samentasche löst sich bei gehöriger Vergrösse- rung und unter Zuhilfenahme von Reagentien in drei Schichten auf: in eine homogene Innenhaut, welche ich seiner Zeit als „Cap- sula seminalis“ bezeichnet habe; dann in eine mittlere Lage, in welcher man stellenweise Verdichtungen oder Querschnitte platter Muskeln zu unterscheiden glaubt, worauf noch eine besondere äussere Umgrenzung folgt. Die mittlere Haut ist zugleich Pigmenthülle, deren Zellen ohne begrenzende Membran sind und zusammenfliessen. Man erhält den Eindruck, dass die jenseits der Pigmenthülle fol- 2 Ueber Argulus foliaceus. 35 gende Haut eigentlich zur Abgrenzung eines Hohlraumes diene, in welchem das Receptaculum seminis liegt. Die Innenhaut der Samenutasche junger Weibchen kann ein oder mehrmal buchtig oder auch in so zahlreich geschwungene Fält- chen gelegt sein, dass man auf den ersten Blick Bündel von Zoo- spermien zu sehen glaubt. Dass Solches aber auf Täuschung be- ruht, ergibt sich, sobald man ein mit wirklichen Locken von Zoo- spermien erfülltes Receptaculum vor sich hat. Der aus der Samentasche herausführende, mehrmals hin und her gebogene, scharflinige Gang, Ductus seminalis, wird begleitet von einer Fortsetzung der äussersten Haut des Receptaculum. Der eigentliche fadige Gang, den ich früher als „homogenen, scharf couturirten Faden‘ beschrieb, gibt nach Einwirkung von Kalilauge das Bild einer Chitinröhre, indem sich daran eine deutliche Lichtung innerhalb des Fadens abhebt. Einigemal, nach Reagentien, fand ich auch nahe dem Abgang aus der Tasche Querlinien (Taf. V, Fig. 45), welche der Hülle angehörten, so dass man wieder an Muskelstreifen erinnert werden konnte, ohne dass ich bei der Fein- heit der Bildungen darüber sicher zu werden wusste. Claus be- merkt, dass „Muskeln an der Wandung des Receptaculum und Ganges durchaus fehlen.“ Der Anhang des Duetus seminalis, den ich seiner Zeit einer Glandula appendicularis verglich, hat ein beutelförmiges Ende, dessen Innenhaut zarter ist als die Wand des Ganges und dicht knitterig zusammengelegt sein kann. Der Ductus seminalis mündet aus innerhalb eines kegeligen Gebildes oder Papille. Wie in Fig. 46 auf Taf. V versinnlicht erscheint, verjüngt sich der Theil am freien Ende zu einer Art von kurzem Rohr, aus dessen Mündung ein Spitzchen oder Dorn von blasserem Wesen hervorragt, der sich wie festgewordenes Seeret ausnimmt; anstatt eines Dornes können auch zwei Spitzen zugegen sein. Der Kegel ist umgeben von drei oder vier euticu- laren Schuppen, welche knospenartig zusammenschliessen. Gelblich durehschimmernde Partien beruhen auf stärkerer Chitinisirung. Bei jüngern Thieren können die freien Enden der cuticularen Blätter sich so stellen, dass man in eine Vertiefung blickt, in deren Boden ein scharfer Punkt das Ende des Kegels bezeichnet. 36 F. Leydig: Der Rand des in der Schwanzflosse liegenden Hodens (Taf. V, Fig. 47) ist ringsum buchtig oder eingekerbt, wodurch dem Organ ein annähernd lappiger Umriss erwächst. Diese Ge- stalt erscheint schon bei jungen Männchen angedeutet und ist dem- nach etwas Typisches. Zunächst nach aussen vom Hoden zieht eine lichte Zone herum, welche der Ausdruck eines den Hoden umgebenden Blutraumes ist; dann folgt eine oft lebhafte Pigmen- tirung, welche bald nur grünliches, bald nur bräunliches Pigment enthält, ein ander Mal, namentlich an reifen Männchen, beide Färbungen zugleich. Die das Pigment enthaltenden Zellen sind hüllenlos, ihr Kern hell und sie sind ein Theil der Matrixlage des Integuments, wie das Gleiche sich auch am Pigment des Schildes und der Gliedmaassen wiederholt. Die Entwicklung der Zoospermien habe ich auch diesmal nicht im Näheren verfolgt; es sei nur bemerkt, dass das Innere des Hodens bei Larven zuerst eine solide Zellenmasse ist. Als- dann tritt im Innern ein anfangs enger, längsspaltiger Raum auf, der sich erweitert und zur Aufnahme der, wenn fertigen, Samenelemente dient. An den letzteren habe ich nichts von Bewegungen wahr- genommen. Die Copulationsorgane gehören den Gliedmaassen an und sollen dort noch Erwähnung finden. IX. Fettkörper. Im Leibe des Argulus machen sich Gruppen grösserer, zum Theil sehr grosser Zellen auffällig, deren Bedeutung mir seiner Zeit unbekannt geblieben war. Die Erfahrungen, welche ich aber bei späteren Studien über die Einrichtung des Fettkörpers bei ver- schiedenen Arthropoden gemacht hatte, berechtigten mich zur An- nahme, dass die besagten Zellgruppen als Theile des Fettkörpers aufzufassen seien!). Dergleichen Zellen von riesiger Form liegen seitlich vom Mund- aufsatz, etwas kleinere an der Wurzel des Taststachels und zwar in bestimmter Anordnung; sie fehlen nicht in den Gliedmaassen und sind im Schild besonders in der Nähe des Darmes ange- häuft. Was ich über den feineren Bau dieser Zellen sah, wurde 1) Giftstachel des Argulus ein Sinneswerkzeug. Zool. Anzeiger 1886, p- 668. Ueber Argulus foliaceus. 37 schon anderwärts vorgebracht!): es zeigt sich ein Spongioplasma in zum Theil strahliger Vertheilung; der Kern konnte merkwürdig sein, z. B. in den grossen Zellen zur Seite des Mundaufsatzes, da- durch, dass er ohne Membran ist und die Kernsubstanz einfach die Höhlung füllt, welehe vom Spongioplasma der Zellsubstanz abge- grenzt wird. Die kleineren Zellen des Fettkörpers im Schild wei- chen davon ab, indem der Kern von einer besondern Membran — schalenartig — umgeben ist (vergl. Taf. III, Fig. 32; Taf. IV, Fig. 39, Fig. 39a). X. Gliederung des Körpers. In der Beschreibung des Argulus phoxini fasste ich die äussere Gestalt des Thieres in der Weise auf, dass ich es zerlegte in ein Kopf-Bruststück, dem die Antennen, die Saugnapffüsse und Klam- merfüsse angehören. Daran schliesse sich das aus vier Ringen be- „stehende Abdomen, an welchem die vier Paar Schwimmfüsse sitzen ; die Schwanzflosse sei als umgewandelter Leibesring zu betrachten; die in dem Ausschnitt der Wurzel der Schwanzflossen befindlichen zwei stummelförmigen Anhänge galten mir als verkümmertes Post- abdomen. Diese Deutung der Körperabschnitte gründete sich namentlich auf die Aehnlichkeit der Larven mit Apus, wie ich denn auch be- züglich der weiteren Organisation der von Zenker und Thorell vertretenen Ansicht beigepflichtet hatte, dass die Arguliden den Phyllopoden und Daphniden anzureihen seien. Claus, dem bei seiner grossen und ausgebreiteten Kenntniss der Krebsgestalt in dieser Frage die erste Stimme zukommt, verwirft die eben angedeutete Betrachtungsweise völlig und führt entspre- chend einer älteren Meinung die Arguliden auf die Caligiden und damit auf die Copepoden zurück. Er unterscheidet demnach ein Kopfbruststück, dann Brustringe, ein einfaches Abdomen (Schwanz- flosse) und die abschliessenden Furcalglieder. Im Laufe gegenwärtiger Untersuchung habe ich den Ein- druck erhalten, dass die Claus’sche Auffassung wohl die riehtigere sein wird. 1) Altes und Neues über Zellen und Gewebe. Zool. Anzeiger 1888, 38 F. Leydig: Es sollen jetzt einige Angaben über den Bau der Körper- abschnitte und der Gliedmaassen vorgelegt werden, zum Theil im Zusammenhang mit Früherem, zum Theil als nachträgliche Aus- führungen. Auf der Rückenseite des Schildes sieht man zwei horn- gelbliche Cutieularleisten, die in der Gegend des Gehirns gelenk- artig von einander absetzen. Die Rückenfläche des Schildes ent- behrt im Allgemeinen der Dörnchen, doch, wie schon bemerkt, kommen sie auch hier manchmal und vereinzelt vor. Am Rande des Schildes springt dorsal ein glatter Saum vor; darunter zieht ein ventraler Saum hin, der weicher ist, zugleich dicht besetzt mit feinen Härchen und dazwischen stehenden Sinnesborsten. Härchen und Borsten sind bei jungen Larven um ein Bedeutendes länger als im reifen Thier. An jüngsten Larven sind auch am hinteren Umfang des Schildes charakteristische, helle Vorsprünge oder Zapfen zugegen, die bisher übersehen worden sind. Dieselben enden stumpf und» man könnte sie beinahe für geöffnet halten; in ihr Inneres erhebt sich die Matrix des Integumentes kegelförmig. Sie bleiben nur kurze Zeit und sind im nächsten Larvenstadium verschwunden (Taf. IV, Fig. 39; Fig. 39b). An der Bauchfläche stehen, ausser den zahlreichen, immer rückwärts gerichteten Dörnchen, auch grössere Stacheln in be- stimmter symmetrischer Vertheilung; auch sie sind alle rückwärts gekehrt. Endlich finden sich an der Bauchfläche des Schildes noch die bereits näher beschriebenen Saugnapfbildungen. Zu erwähnen möchte auch sein, dass an Larven, welche noch nicht den Saugnapffusshaben, an dem frei liegenden Thoracalabsehnitt eine Kante auffällt, welche dorsal und seitlich herabzieht und sich zunächst als scharfer, leicht welliger Strich abhebt. Das erste Paar der Antennen ist blass, dreigliederig und trägt Sinnesborsten; der an ihrer Wurzel befindliche, starke und quer nach aussen gerichtete Hacken besitzt am Grunde einen stum- pfen Kegel, in dessen Innerem eine Gruppe von Kernen nebst Zell- substanz, der Matrixlage angehörig, sichtbar ist. Man glaubt auch noch einen anderen Kegel an der Wurzel unterscheiden zu können: allein es erweist sich derselbe als das Durchschnittsbild des zur Ueber Argulus foliaceus. 39 nächsten Häutung fertigen und noch eingeschlossenen Hackens. Was die Deutung dieses Hackens betrifft, so muss man ihn wohl für gleichwerthig nehmen mit den anderen grösseren Dornen, wie sie in bestimmter Vertheilung an der Bauchseite — hinter dem Mundkegel, Wurzel der Kieferfüsse — stehen. Das zweite Paar der Antennen, im fertigen Thier fünfglie- derig, blass und mit Sinnesborsten besetzt, ist wohl als Umbildung des ersten Schwimmfusses der Larve anzusehen, dessen einer Ast am Ende vier lange befiederte Ruderborsten trägt. Ausser den letzteren lässt sich schon jetzt eine Sinnesborste daran erkennen. Nach Verlust des Ruderastes bei der nächsten Häutung zeigt der übrig gebliebene Theil an seinem Ende ausser einigen Sinnesborsten einen schwachen Hacken. Es folgt bei der Larve ein zweiter Schwimmfuss, be- stehend aus kurzer Wurzel und langem Endglied, versehen mit langen Ruderborsten: nach Claus Taster der Mandibel, nach Balfour Maxille?). In die Reihe der gegliederten typischen Anhänge des Körpers stelle ich auch den „Giftstachel, Stimulus“, den ich schon seiner Zeit für einen umgebildeten Mundtheil angesehen wissen wollte, was Claus bestritten hat, indem nach ihm der Stimulus einfach für eine besondere, mit Drüsen verbundene Hauterhebung zu nehmen sei. Allein wie ich anderwärts schon dargethan, ist der vermeint- iche Gifteanal im Stachel ein Nervenrohr und die Zellen, welehe für eine „Giftdrüse“ ausgegeben wurden, sind Elemente des Fett- körpers. Die Lichtung des Stimulus steht mit der Höhlung des Mundaufsatzes in Verbindung, wesshalb auch in ihm das Blut hin und her wogt; ausser der Nervenröhre liegen darin auch Muskeln, welche das Einziehen besorgen und es sei nebenbei bemerkt, dass die Ansatzstelle dieser Musculi retraetores und die Gliederung sich aufeinander beziehen: Der erste Hauptabsatz ist dort, wo die ersten Muskeln sich ansetzen; der zweite Absatz fällt mit der Insertion von zwei anderen langen Muskeln zusammen. Forscht man nach der äusseren Verbindung des Stimulus mit den umgebenden Theilen, so lässt sich an der Larve (Taf. IV, 1) Balfour, Vergleichende Embryologie, 1880. 40 F. Leydieg: Fig. 38) erkennen, dass die Abgangsstelle hinter der Querspange liegt, welehe die Antennen des zweiten Paares verbindet; noch mehr fällt sie gegen das Wurzelstück des erwähnten Schwimm- fussanhanges. Daraufhin lässt sich die Vorstellung begründen, dass der Taststachel als abgelöster und selbstständig gewordener Anhang, wohl weniger der Antennen, als vielmehr der „Palpen“ anzusehen sei. Das Innere des Taststachels lehrt ferner, dass ein paariges Element zu seiner Herstellung zusammenwirkt, ein Nerv von rechts und links, die beide zu einem einzigen zusammenfliessen, welcher alsdann mit einem grossen Riechkolben endet. Es könnte scheinen, als ob es eine einzig dastehende Organi- sation sei, dass zu dem unpaaren Sinnesorgan oder Riechkolben von rechts und links aus dem Gehirn ein Nerv herantritt, der zu einem einzigen wirdundich verweise deshalb auf etwas Verwandtes. Auf der von mir gegebenen Darstellung des Gehirns und Auges der Waldameise!) und ebenso an der Honigbiene?) sieht man in entsprechender Weise an das der Mittellinie angehörige Stirnauge zwei Nerven aus den beiden Hirnhälften herantreten. Die Furche, in welcher der Taststachel hin und her spielt, ist von bleibender Form. Die Sangnapffüsse, welche jetzt folgen, habe ich nach Gliede- rung und Bau bereits gelegentlich des Argulus phoxini näher be- schrieben. Es verdiente aber dieser Theil eine ins Einzelne sehende Behandlung, nicht nur wegen der Zusammengesetzheit seiner Bildung, sondern auch wegen der damit verknüpften biologischen Erscheinungen. Was ich hier geben kann, ist nicht erschöpfend. (Taf. III, Fig. 35, Fig. 36; Taf. IV, Fig. 40, Fig. 40,a Fig. 41.) Bei der Larve besitzt dieser Fuss noch nicht den „Saugnapf“, sondern ist ein „Klammer- oder Kieferfuss“, dessen Endglied in zwei kräftige Klauen ausgeht, wovon die eine an der Innenseite drei scharfe Dornen hat, deren eigentliche, widerhackige Form in Figur 38a wiedergegeben ist. Die andere Klaue, welche diese Dornen entbehrt, geht an der eingeschlagenen Spitze in drei scharfe Zäckchen aus. 1) Tafeln zur vergleichenden Anatomie, 1864, Taf. VIII, Fig. 4. 2) 8 3. 0. Fig. 8 Ueber Argulus foliaceus. 41 Auf den anderen Gliedern lassen sich ausser einigen kurzen Dornen gewöhnlicher Art noch mehrere längere blasse Borsten er- kennen. Endlich fällt an den Basalgliedern eine Sculptur der Cutieula auf, welche in Art kurzreihig gestellter Schüppehen schon mit den Sculpturen des späteren Saugfusses übereinstimmt. Die Umwandlung des Klammerfusses der Larve in den Saug- napffuss des fertigen Thieres hat Claus schön dargethan. Nachdem der Saugnapf durch Einstülpung und Verbreiterung der Wurzelglieder entstanden ist, bleibt als Rest ein Anhang übrig, der in Gestalt eines fingerförmigen Lappens dem Saugnapf ansitzt und drei Sinnesborsten trägt, deren Zahl aber bis auf eine herabzusinken scheint, wenn der Saugnapf sich immer mehr entwickelt und der fingerförmige Lappen geringer wird. Die Gestalt, welche am fertigen Thier der Saugnapf darbietet, richtet sich hauptsächlich darnach, ob bei Nachlass der Retractoren der Grund des Napfes vorgetrieben ist, oder durch die Muskeln tief eingezogen wird. In letzterem Fall sieht man wie in einen tiefen Trichter hinein. Daneben können, namentlich am sterbenden Thier, hart an der Scheibe, pigmentirte Wülste vorspringen: es sind mit Blut prall erfüllte Vorwölbungen, die auf dem optischen Schnitt eine Beutelform zeigen. Ursprünglich liegt diese Partie tief hinten und gerade an ihr lässt sich ermessen, bis wie weit das Innere des Napfes sich einsenkt. Die genauere Berücksichtigung des Baues macht verständlich, wie An- und Abschwellung durch Blut mit Muskelzusammenzie- hungen in Wechselspiel tritt, um die Theile für die Anheftung zu entfalten, und sie dann wieder loszulösen. Hierbei mag noch im besonderen beachtet werden: Die Umbildung des Integumentes. Die Matrixlage zeigt im Allgemeinen in der Zellsubstanz dieselben kleinen Kerne, wie sie auch sonst in der Hautdecke zugegen sind. Daneben aber be- stehen Gruppen von Zellen, die um vieles grösser sind und deren Kern zahlreiche Nucleoli enthält. Diese Zellgruppen sind es, welche ich seiner Zeit für Ganglien erklärt habe, während Claus darin Drüsenzellen zu erbliecken glaubt. Die Cutieularschicht, von sehr zarter Art an den mit äusserst feinen Härchen besetzten Auszackungen des Scheibensaumes, ent- wickelt an der Innenfläche der Scheibe Seulpturen und zwar jene, welche als hohlkehlenartige Bildungen in dichter Reihe wie Ketten 42 F. Leydig: sich folgen und für „Strahlen“ genommen wurden. Dann jenseits eines ganz schmalen Cutieularringes treten weitere leicht geschlän- gelte und abermals strahlig ziehende zarte Erhebungen auf. Andem Ring, von dem ein feingestreifter vorstehender Saum entspringt, stehen von Stelle zu Stelle blasse Kegel. Ausser dem eben gedachten oder ersten Ring folgen nach hinten zwei andere Ringe, wovon der hinterste sich durch Dieke auszeichnet und bei starker Vergrösserung eine querziehende Spält- chenzeichnung erkennen lässt. Nach aussen hebt sich in dieser Gegend auch eine schuppige Seulptur ab. Da der Saugnapf als Einstülpung entstanden ist, so vermag man auch am häutigen Endsaum innere Cutieularbildungen von ähnlicher Form zu sehen, wie sie gegen den Rand des Schildes auftreten und dort wie hier stützendes Netzwerk zwischen den beiden Lamellen vorstellen, aber für die erste Besichtigung nicht recht verständlich sind. Man erblickt zunächst an der Wurzel der mit feinen Härchen besetzten Randzacken des Saumes anscheinend kernartige Gebilde, weiter einwärts die gleichen Körperehen, die dort auch fadig verlängert sind; in Verbindung mit den Körper- chen und Fädchen steht ein Netz- oder Balkenwerk mit Knoten- punkten. Längeres Besehen lässt finden, dass im Grunde dieselben Formverhältnisse hier vorliegen, wie sie das innere Bälkchenwesen des Schildes erzeugen. Die Lücken, welche zwischen dem Bälkchenwerk bleiben, sind Bluträume und als solche die letzten Ausläufer des grossen im Stiele des Saugfusses befindlichen Blutsinus. Die Blutkügelchen können nur, wie im Schild bis zu einer gewissen Grenze vordringen und zwar bis in die Gegend des ersten schmalen Ringes; jenseits desselben im eigentlichen Saum vermag nur Blutflüssigkeit in die Räume zu fliessen. Das An- und Abschwellen durch Blut — man sieht bald pralle Füllung, bald Entleerung — spielt offenbar eine bedeutende Rolle zur Bewegung des Saugnapfes: das Sichanheften und Sichablösen wird dadurch mitbedingt. Was die Muskeln betrifft, so treten in den Stiel des Saug- napfes kräftige Vorwärts-, Rückwärts- und Seitwärtszieher ein; sie entspringen von der oberen Platte des Schildes und die Ursprungs- stellen sind durch die Cutieularleisten des Schildes angedeutet. Weiter nach vorne zu, zwischen dem zweiten und dritten Ueber Argulus foliaceus. 43 Cutieularring ist eine eirculäre Museulatur vorhanden. Sie liegt selbstverständlich nach aussen von der eutieularen Auskleidung des Napfes und scheint zum Absperren der Blutflüssigkeit zu dienen. Endlich sind auch noch, wenn schon in geringer Anzahl, in den Saum des Napfes ausstrahlende Muskeln zugegen: drei bis vier schmale quergestreifte Bündel, welche man am ehesten dann zu Gesicht bekommt, wenn die Bluträume des Saumes prall mit Blut gefüllt sind. Diese Muskeln sind wohl für abgelöste und strahlig sich entfaltende Theile der Ringmuskeln anzusehen. Das zweite Paar der Kieferfüsse dient zum Einhacken oder Anklammern. Dem seiner Zeit hierüber Berichteten schliesse ich an, dass bei der Larve dieser Fuss an Stärke zurücksteht gegen das erste, zum Saugfuss werdende Paar; er ist viergliedrig und trägt ausser gewöhnlichen Dornen und dem Endhacken noch am hinteren Glied eine oder mehrere helle Borsten. Vom Endtheil des Klammerfusses im fertigen Thier habe ich eine neue Darstellung gegeben: sie zeigt ausser den zwei chitini- sirten Klauen und dem darüber hinausragenden fingerförmigen Theil, nebst der geknöpften Sinnesborste, noch zwei eigenthümliche, einander gegenüberstehende Vorsprünge oder Klappen, die zum Fassen bestimmt scheinen. An der Wurzel habe ich wiederholt eine lichte Stelle bemerkt, an der ich die Oeffnung der Schalen- drüse vermuthete, doch wollte diese Annahme nicht passen, da ich an der Wurzel der Schwimmfüsse ähnliche Stellen und zwar in mehrfacher Zahl antraf. Die Matrixlage des Integuments zeigt innerhalb der drei derben, rückwärts gekehrten Stacheln der Wurzel- glieder eine gewisse streifige Beschaffenheit der Zellsubstanz, was bereits oben erwähnt wurde. Zwischen den Zackenschüppchen stehen vereinzelte Poren. Den früheren Bemerkungen über die vier Paar Schwimm- füsse sei folgendes beigefügt. Bei den Larven des ersten Stadiums sind die Anlagen der Schwimmfüsse noch unbeweglich und in geknickter Form dem Leibe angeheftet, in ähnlicher Weise wie man auch bei anderen Arthro- poden dies in früheren Entwicklungsstadien sieht. 44 F. Leydig: Ausser den Fiederborsten unterscheidet man später an be- stimmter Stelle des ventralen Astes einzelne helle Sinnesborsten, die wohl auch ein dunkles Endknöpfchen aufzeigen können. Ueber die ganze Ventralfläche der Schwimmbeine weg erstrecken sich zackige Dörnchen oder Schüppchen des Integuments, deren Gruppen schon bei den Fussanlagen der jüngsten Larven auftreten. Den Blutraum des einzelnen Schwimmfusses durchziehen zahl- reiche vom Integument kommende Skeletbälkchen in Form spitz- kegeliger Gebilde, an denen die zellige Matrix — wenigstens deren Kerne — am Aussenrande unterschieden werden kann (Taf. IV, Fig. 40a). Man sieht aus diesem Lagerungsverhältniss der chiti- nösen Theile und der zelligen, dass die Bälkchen als Theile des Integumentes, welche nach innen wachsen, zu Wege kommen. Durch das Endglied der Schwimmfüsse zieht ein innerer Skeletfaden oder eine eutieulare Verdichtung, wie sich durch Re- agentien deutlich sichtbar machen lässt. In den Wurzelgliedern der Schwimmfiüsse noch nieht vorhanden, beginnt er erst in jenem Theil, welcher die Schwimmborsten trägt. Im Aussehen stimmt der Skeletstreifen mit den Verdichtungsleisten des Sehildes überein. In das Innere der Schwimmborsten erhebt sich eine faserig- netzige Fortsetzung der Matrixlage und die Anordnung des Spon- gioplasma gibt ein Bild, das der Unkundige auf „Röhrehen“ aus- legen kann, so dass wohl eine von mir nach dieser Richtung hin gemachte Bemerkung in dem Aufsatz: Die Hautsinnesorgane der Arthropoden‘), nicht unzutreffend is. Und wieder beginnt in einiger Entfernung von der Wurzel ein scharfer Innenstrich, den ich abermals als Skelettheil deute und im Grossen das bestätigt, was über die Natur des Innenfadens der Sinnesborsten ausgesagt wurde. In den beiden Endgliedern der Schwimmbeine ist ein ähn- licher Skeletstreifen vorhanden, er fehlt aber in dem Geisselanhang des ersten und zweiten Paares. Die am dritten Schwimmfuss befindliche Samenkapsel (Taf. V, Fig. 51) des Männchens ist nach innen buchtig; eine nach oben gerichtete Bucht zeigt sich besonders tief; die Oeffnung ist zwei- lippig. — Das abgerundete Ende des nach unten gekrümmten Hackens (Taf. V, Fig. 50) am vierten Schwimmfuss besitzt in der dieken Cuticula scharf sich abhebende Porencanäle. 1) Zool. Anzeiger, 1886. Ueber Argulus foliaceus. 45 Die Schwanzflosse — verkümmertes Abdomen nach Milne Edwards und Claus — ist bei eben ausgeschlüpften Larven an der Unterseite mit zarten Borsten besetzt; später erstrecken sich rückwärts gekehrte Dörnchen über die ganze Ventralfläche (Taf. V, Fig. 48, Fig. 49). Am fertigen Thier hat sich die Gestalt der Schwanzflosse nach den Geschlechtern etwas verändert: beim Weibchen (Taf. V, Fig. 43) springt jetzt der Aussenrand nach der Wurzel zu in ein scharfes Eck vor, während beim Männchen (Taf. V, Fig. 47) die Stelle mehr abgerundet erscheint. Diese Verschiedenheit der Form der Schwanzflosse fiel besonders an Thieren auf, die in Chrom- säure getödtet worden waren. Die Gegend, in deren Bereich das Receptaculum seminis gehört, erhebt sich als eine Platte, deren Grenzlinie nach hinten und aussen gut sichtbar ist. Beim Männ- chen geht eine Cuticularleiste vom Aussenrand gegen die Wurzel der Schwanzflosse. Der Dörnchenbesatz der Bauchfläche verliert sich nach und nach bis auf einige wenige, welche an der Wurzel bleiben und auch einen etwas andern Charakter annehmen: sie könnten, da sie jetzt schmäler und zarter geworden sind, für Sinneszapfen ange- sprochen werden. Uebrigens besagen meine Aufzeichnungen aus- drücklich, dass nur beim Weibchen an dieser Stelle die Sinnes- zapfen vorkommen. . Auch im Bau des Inneren der Schwanzflosse weichen in eini- gen Stücken die Geschlechter von einander ab. Beim Weibchen ist die Matrixlage des Integuments eine Strecke weit an der Seiten- fläche her bedeutend verdickt und es verliert sich in die Zellen- lage ein Nerv (Taf. V, Fig. 43). Beim Männchen fehlt. sowohl diese Verdickung als auch der Nerv. Ferner begrenzt die Matrix- lage, indem sie in bestimmter Linie einwärts abschliesst, den grossen Blutraum, über dessen Zerlegung beim Männchen in einen äusseren und inneren, sowie in einen solchen, welcher den Hoden unmittelbar umgibt, oben berichtet wurde. Kleinere Blutbahnen von gewissermaassen netziger Anordnung ziehen zwischen den dorso- ventralen Skeletbalken, den ebenso gelagerten Muskeln und den Drüsengruppen hin. Längsmuskeln lassen sich auch am Innenrande unterscheiden. An dem Paar der Schwanzanhänge (Taf. V, Fig. 53) stehen bei jüngsten Larven drei Borsten, die länger sind als später 46 F. Leydig: und wovon die eine besonders lang ist. Zuletzt stehen sie in der Zahl fünf. Das Innere des Anhanges ist ein Blutraum; die Matrix- lage erzeugt Verdickungen am Aussenrand, in welche ein Nerv sich verliert, der sich vom Nerven des letzten Schwimmfusses ab- zweigt und in den Schwanzanhang eintritt. Die Matrixlage des Integuments vor den Schwanzanhängen, in der Gegend über dem Enddarm, zerlegt sich in grosse insel- artige Platten, welche viele Kerne einschliessen. XI. Biologisches. Gelegentlich verschiedener Untersuchungen habe ich darauf hingewiesen, dass auch bei niederen Thieren das Ausstülpen oder Ausrollen von Theilen des Körpers durch Eintreiben von Blut- flüssigkeit geschieht. So war bezüglich der Rotatorien anzugeben, dass die Ausstülpung des Räderorgans auf solche Weise bewerk- stelligt werde. Bei unsern Lungenschnecken überzeugte ich mich, dass das Sichausstülpen der Fühler durch Einströmen von Blut- flüssigkeit geschieht; das Einziehen erfolgt durch die Thätigkeit der Museuli retraetores. Bei einem in Begattung begriffenen Paare von Helix pomatia liess sich unverkennbar sehen, dass das Aul- blähen und Ausstülpen der Geschlechtswerkzeuge durch ihre An- füllung mit Blut zu Wege kommt). Die Erscheinungen am lebenden Argulus erinnern ebenfalls lebhaft daran, dass die Weise, in welcher das Blut sich im Körper vertheilt, hier sich anschoppt, dort sich entleert, auf die Locomo- tion fortwährenden Einfluss hat. So herrscht z. B. in den Saug- napffüssen ein beständiges Spiel von Anschwellung und dadurch bedingter Entfaltung der Theile, z. B. des Endsaumes; dann wieder ein Zurückweichen des Bluts durch die Contraction der Ringmus- kulatur. Der Taststachel streckt sich hervor nicht durch Muskel- thätigkeit, sondern einzig und allein durch die Elasticität der Chi- tinhülle und hauptsächlich wieder durch Schwellung mit Blut; die Muskeln besorgen abermals nur das Einziehen und Einstülpen. Die Kraft aber, von welcher die Strömung des Blutes aus- seht und unterhalten wird, ist nicht das sogenannte Herz, sondern 1) Zur Anatomie und Physiologie der Lungenschnecken. Arch. f. mikrosk. Anat. Bd. I. Ueber Argulus foliaceus. 47 die Gesammtmuskulatur des Körpers, weshalb denn aber auch, wie oben gemeldet, selbst am unbehelligten Thier, die Circulation so leicht sich in Fluetuation umsetzt und unter beengenden Ver- hältnissen ohne weiteres tumultuarisch werden kann. Dass dem „Giftstachel“ diese Bedeutung nicht beigelegt wer- den kann, habe ich schon vor zwei Jahren ausführlich dargethan und die jetzt gelieferten Abbildungen mögen noch klarer machen, warum ich in diesem Organ ein Sinneswerkzeug erblicke. Einst- weilen habe ich freilich, wie ich sehe, tauben Ohren gepredigt, indem man nach wie vor von dem Giftstachel des Argulus spricht!). Indessen Diejenigen, welche den Gegenstand nachzuprüfen die Fähigkeit haben, werden sich bekehren lassen. Im Hinblick auf die Zahlenverhältnisse der Geschlechter zu einander bemerkt Claus, dass die Männchen in „viel beschränk- terer Zahl“ zugegen seien als die Weibchen. Als ich im Juli zuerst auf die Menge des Argulus im Bassin des botanischen Gartens in Bonn aufmerksam gemacht worden war, wobei ich, wie eingangs bemerkt, leicht durch Abspülen eines einzigen Fisches ein dichtes Gewimmel der Parasiten im Glase haben konnte, forschte ich ebenfalls darnach, wie sich die Zahl der Männchen zu jener der Weibchen verhalte. Da sich an die Wand des Glases nach und nach Hunderte der Thiere festsetzten und man schon mit der Lupe die beiden Geschlechter sicher unter- scheiden konnte, so liess sich mit Bestimmtheit sehen, dass die Zahl der Männchen um diese Zeit jene der Weibchen überwog. Dies Verhältniss änderte sich aber nach und nach. In neuen Schwärmen des Argulus, welche ich immer aus der gleichen Oert- lichkeit bezog, war von Mitte August an die Zahl der Männchen entschieden zurückgegangen und die Weibchen waren zahlreicher. Letzere zeigten sich voll reifer Eier. Darnach darf man vielleicht annehmen, dass die Männchen gegen Anfang des Herbstes absterben. Noch über einen Punkt konnte ich mir keine Rechenschaft geben. Es wurde von den Thieren eine Menge Laich an die Wand 1) Vergl. z. B. Bitterling und Karpfenlaus. Zool. Garten, 1887. 48 F, Leydig: des Glases abgesetzt in Form von kürzeren und längeren Schnüren, wobei sich in den grösseren 100 und darüber einzelne Eier zählen liessen, die innerhalb der Laichmasse in einer gewissen Ordnung gelagert waren. Aber vergeblich wartete ich diesmal auf ein Aus- kriechen der Larven: keinem der Eier entschlüpfte ein junger Argulus. Sollte bei den ungünstigen Verhältnissen, in welchen die gefangen gehaltenen Thiere sich befanden, die Befruchtung unter- blieben sein? Oder, wenn diese doch etwa erfolgt war, wodurch unterblieb die Weiterentwicklung der Eier? Erklärung der Abbildungen auf Tafel I—V. Tafel 1. Fig. IL. Stück vom Rande des Schildes, fertiges Thier: zweierlei Borsten; inneres Bälkchenwesen; links ein Dorn, dessen Lichtung zusammen- hängt mit dem Lückenwesen zwischen den Bälkchen; zwei Hautdrüsen. Stück der Unterseite des Schildes, Larve, die beiden Saugnapfbil- dungen. Fig. 3. Theil des Schildes von der Fläche, fertiges Thier: Magenverästelung ; Schildnerv, Endigung desselben in der Matrixlage des Integuments; > m. IR 180) Skeletbildungen im Innern des Schildes, feinere und gröbere Aus- läufer erheben sich ins Innere der „Tastborsten‘‘; Zellen des Fett- körpers; Drüsen. Fig. 4. Tastborste des Schildrandes: in ihrem Innern ein fadiger Ausläufer des Skeletnetzes. Fig. 5. Tastborste vom Schwanzanhang, von aussen: an der Wurzel Ver- dickung der Cuticula zu Sculpturlinien. Fig. 6. Dieselbe Borste im optischen Schnitt: im Innern ein Skeletfaden, von einer Verdickung kommend. (Früher vermeintliche kleine Gan- glienkugel und Nervenfaser.) Fig. 7. Fiederborste eines Schwimmfusses, junges Thier: es erheben sich von der Matrix Fortsetzungen in die Borste mit den gleichen Fettkügel- chen, wie sie in der Substanz der Matrix sich finden. Fig. 8. Fiederborste eines Schwimmfusses: in der innern papillenartigen Matrixerhebung ein cuticularer Achsenfaden. Fig. 9. Nervenröhre im Schwimmfuss, ihre Gabelung und Endverhalten. Fig. 10. Endigung eines Nerven im Schwimmfuss in der verdickten zelligen Matrixlage des Integumentes. Fig. Fig. D' >' Fig. Fig. Fig. . 14a. 18 31. 32. 33. Ueber Argulus foliaceus. 49 . Zelle des Fettkörpers aus dem Schild: Sonderungen im Kern. . Einfache Hautdrüse sammt ihrer Mündungsstelle: Anordnung des Spongioplasma im Drüsenkörper. . Zusammengesetzte Hautdrüse. Endigung eines aus zwei breiteren Röhren bestehenden Nerven an einem Muskel des Saugnapffusses. Endigung eines aus mehreren schmälern Röhren bestehenden Nerven aus einem andern Muskel. Tafel II. Centrales Nervensystem von unten: Gehirn mit Sehganglion; Ur- sprung des Nerven für den Taststachel; Bauchmark und dessen Lücken in der Mittellinie. . Augenganglion und seitliches Auge mit Umgebung: Blutraum, Mus- keln, Anheftungsbänder. . Auge, an dem das Pigment getilgt ist: Die zweierlei Krystallkegel. . Schnitt durch das Auge: Cuticulare Umgrenzung sammt Matrixlage; Form der Krystallkegel; Querriefelung des Nervenstabes; Pigment- zellen. . Krystallkegel, durch Reagentien gequollen und von der Basis aus gesehen. . Seitliches Auge, Sehganglion, Gehirn und Stirnauge von der jungen Larve; am Rande des Schildes die langen Tastborsten. . Riechfäden der Antenne, fertiges Thier. . Riechfäden der Antenne, Larve. . Hinterer Theil des Herzens vom fertigen Thier: Bau der Wand; Klappen; durchschimmernder Enddarm; Blutkörperchen. . Lücken zwischen den Muskeln des Rückens von ganz junger Larve, von denen eine zum „Herzen“ wird. . Dasselbe von einer älteren Larve: die mittelste Lücke ist Herzraum geworden. Tafel IIl. Taststachel (,Giftstachel“) und sein Inneres: Nervenröhre, an der Wurzel paarig, entspringend aus dem Ganglion olfactorium; Mus- keln; Blutraum. . Stück des Nerven für sich. . Freies Ende des Taststachels, stark vergrössert. . Stück der Nervenröhren und ihrer Anheftungsbänder. . Mundaufsatz: Chitingestell im Innern; Muskelsehnen; Kiefer; ge- körnelte Partie zwischen den letztern (links daneben, Fig. 30a, für sich und stärker vergrössert). Frei in den Magen vorspringender Theil des Schlundes. Bau der grossen Zellen des Fettkörpers. Enddarm und der drüsige Seitenschlauch (Bileiter nach Claus). Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 33. 4 50 Fig. . 35. Stück des Saumes vom Saugnapffuss: Biutraum prall mit Blut ge- Fig. Fig. F. Leydig: 34. Freier Endtheil des Klammerfusses. füllt und dadurch vorgetrieben; in ihm Netzbalken und Muskeln; wulstförmig vortretende Partie des Grundes des Napfes, von aussen und im optischen Schnitt. . 36. Zum weiteren Bau des Saumes vom Saugnapffuss: inneres Bälkchen- wesen; gegliederte „Strahlen“; Uuticularring. Daneben Fig. 36a zwei der weichen, feinbehaarten Endzacken, die Matrixkerne an der Basis und die knotigen Verdiekungen des Netzwerkes für sich. Tafel IV. 37. Stirnauge nach Gliederung und Bau, umgeben von einem Blutraum. 38. Vorderer Abschnitt des Leibes einer jüngeren Larve, von unten: Antennen, Ruderfüsse, erster und zweiter Greiffuss, erster Schwimm- fuss; Taststachel; Mundaufsatz. . 38a. Enddorn des ersten Klammerfusses für sich und stärker vergrössert. ig. 39. Hälfte des Schildes einer Larve und ein Theil ihres Innern: schleifen- förmiges Organ; Magen und seitliche Aussackung; Fettkörperzellen ; Hautdrüsen; eigenthümliche Höckerbildungen am Hinterrand. . 39a. Kern einer der Fettkörperzellen nach Behandlung mit härtender Lösung. . 39 b. Eine der Höckerbildungen des Hinterrandes stark vergrössert. . 40. Scheibe des Saugnapffusses: gewöhnliche Zellenlage der Matrix und Gruppe umgebildeter Zellen: Cuticularstrahlen; innere Stützbalken. . 40a. Einige der inneren Stützbalken mit ihrem Ueberzug von Matrix- zellen, stärker vergrössert. . 41. Freies Ende des Saugnapffusses im optischen Längsschnitt: Ein- stülpung zum Saugnapf und wie weit diese geht; die Bluträume, von der Wurzel bis zum Saume sich erstreckend; cuticulare ring- förmige Verdickungen und Sculpturen; Muskeln; Anschoppungen von Blutkügelchen. . 42. Gehirn der Larve und Form der Durchtrittsstelle des Schlundes. Tafel V. . 43. Schwanzflosse des Weibchens, von oben: Verdickung der Matrixlage am Aussenrand und Herantreten eines Nerven an diese Stelle; Skelet- balken, Drüsen, Muskeln; Enddarm; Platte, in deren Bereich die Samentasche liegt. . 44. Samentasche; Ausführungsgang mit Anhang; Geschlechtspapille. . 44a. Wand der Samentasche im Schnitt: die Verdickungen scheinen von Muskeln herzurühren. . 45. Beginn des Ductus seminalis aus dem Receptaculum seminis: Quer- streifung, mag sich auf Muskeln beziehen. . 46. Spitze der Geschlechtspapille im optischen Schnitt. Ueber Argulus foliaceus. 51 Fig. 47. Schwanzflosse des Männchens: Hode; Blutraum; Muskeln; Drüsen ; inselartige Partie der Matrixlage des Integumentes über dem Enddarm. Fig. 48. Hinteres Ende des Körpers einer jungen Larve: Anlage der Hoden. Fig. 49. Dieselbe Körperpartie in etwas späterem Stadium: Auftreten einer Lichtung in der Hodenanlage. Fig. 50. Copulationshacken am vierten Schwimmfuss des Männchens; seine starke Krümmung nach unten; Porencanäle. Fig. 51. Form der Mündung der Samenkapsel am dritten Schwimmfuss des Männchens; ist nach oben geöffnet. Fig. 52. Schalendrüse mit den Blutcanälen. Fig. 53. Gegend der Schwanzanhänge: eigentliche Lage des Afters. Würzburg, im September 1888. (Aus dem pathologischen Laboratorium an der Kais. Universität in Warschau.) Wird der thätige Zustand des Centralnervensystems von mikroskopisch wahrzunehmenden Verände- rungen begleitet? Von Bohdan Korybutt-Daszkiewicz. Die Neuropathologie verfügt zur Zeit schon über eine ansehn- liche Zahl von Thatsachen, die dafür sprechen, dass das Central- nervensystem auf eine ganze Reihe von pathologischen Einwir- kungen mit verschiedenen, unter dem Mikroskop wahrzunehmenden Veränderungen zu reagiren vermag. Zu bedauern ist es, dass eine genaue Beurtheilung dieser Daten mit grossen Schwierigkeiten ver- bunden ist. Eine der wichtigsten Ursachen, die diese Schwierigkeiten be- dingen, ist die mangelhafte Kenntniss der Veränderungen, die mit dem thätigen Zustande der nervösen Apparate im Allgemeinen zusammenhängen. Wir wissen nicht einmal, ob der thätige 52 Bohdan Korybutt-Daszkiewiez: Zustand der Nervenelemente von gewissen constanten, der gegen- wärtigen mikroskopischen Analyse zugänglichen Veränderungen begleitet ist. Man nimmt gewöhnlich an, dass die Funktionen der Nervenelemente innig mit verschiedenen moleeulären Umwandlungen verbunden sind; ob aber diese Veränderungen einen genügend hohen Grad erreichen, um mikroskopisch wahrnehmbar zu werden, das bleibt meistentheils noch fraglich. Die grossartige Entwickelung, die in den letzten Zeiten den complieirten Tinctionsmethoden zu Gute gekommen ist, erlaubt es zu hoffen, dass die Zahl der unter dem Mikroskope nicht zur Wahrnehmung gelangenden moleculären Veränderungen immer mehr und mehr abnehmen wird. Durch Anwendung combinirter Tinetionen auf verschiedene Objecte kann man sich leicht über- zeugen, dass den Färbungserscheinungen eine eigenartige Wahl- verwandtschaft zwischen den Farbstoffen und den Substanzen, aus welchen die Structurelemente dieser oder jener Ordnung gebaut sind, zu Grunde liegt. Sehr lehrreich ist die Thatsache, dass durch die combinirten Tinctionen wir in den Stand gesetzt sind, in der Differenzirung verschiedener Elemente viel weiter zu gehen, als es eine morphologische (sensu stricto) Analyse erlaubt. Als Beispiel führe ich hier die Kernkörperchen an: die einen färben sich bei der Doppeltinetion mit Hämatoxylin und Safranin intensiv blauviolett, die anderen, morphologisch den ersteren voll- ständig ähnlichen, fixiren begierig das Safranin. Dasselbe gilt auch für die Kerne. So finden wir, z. B., in einer Leberzelle manchmal zwei Kerne, die morphologisch identisch sind; und doch, ungeachtet dieser Identität, praevalirt in der Färbung des einen ein Farbenton, in der des anderen — ein anderer. Es muss also die Existenz eigenartiger chemischer Structuren angenommen werden, die nicht immer mit den morphologischen Structuren über- einstimmen. Zwar kann in einigen Fällen gezeigt werden, dass eine morphologische Structur von einer anderen ersetzt wird und pa- rallel damit eine chemische Veränderung vor sich geht — solch’ einer Erscheinung begegnen wir bei der Karyokinese (Kosinski); doch es kann kaum bezweifelt werden, dass ein derartiger Parallelismus nicht in allen Fällen nachzuweisen ist. Die Versuche, die ganze Morphologie auf das Spiel chemischer Kräfte zurückzuführen, haben bis jetzt zu keinen positiven Resultaten geführt, so dass wir volles * Wird der thätige Zustand des Centralnervensystems ete. 53 Recht haben, die Existenz selbstständiger Gesetzmässigkeiten so- wohl im Bereich der reinen Morphologie, wie in der der Gewebs- chemie anzunehmen. Indem mich Herr Prof. 5. M. Lukjanow in diesen Ideen- kreis einführte, veranlasste er mich zu versuchen, die Data, welche in der Zukunft zur Beantwortung der in der Ueberschrift gestellten Frage dienen sollen, zu vervollständigen. Der Plan der Arbeit ist — nach Allem, was vorher gesagt worden — nicht schwer zu entwerfen: die nervösen Apparate im Zustande der Ruhe müssen mit ebensolehen Apparaten im thätigen Zustande verglichen werden; dabei müssen auch die Vorzüge, die die com- binirten Tinctionen bieten, ausgebeutet werden. Meine Versuche sind folgendermaassen ausgeführt worden. Nachdem ich zwei Frösche (Rana escul.) gleichen Geschlechts und gleichen Gewichts gewählt hatte, bestimmte ich den einen als Controlthier zu dienen, während der andere zum Versuch vor- bereitet wurde. Das Versuchsthier wird auf einer Korkplatte mit dem Rücken nach oben fixirt, worauf nach den bekannten Regeln die Nervenbündel, die den plex. ischiadicus bilden, beiderseits blossgelegt werden. Der 8. Spinalnerv wird auf Hartgummielectro- den gelegt, die mit der secundären Spirale des du Bois-Rey- mond’schen Schlittenapparates verbunden werden; zur Speisung des Inductoriums wandte ich ein Grenet’sches Element an. Die übrigen Nervenbündel der genannten Geflechte werden durch- schnitten. Die Reizung begann ich bei einem Rollen-Abstand von 15 em. Der eigentliche Versuch dauerte eine Stunde. Der Strom wirkte periodisch während drei Minuten, worauf jedesmal eine zwei Minuten lange Pause folgte. Nach je fünfzehn Minuten wur- den die Rollen um 2 cm näher aneinander geschoben, so dass am Ende des Versuchs der Rollen-Abstand 9 em betrug. Unmittelbar auf die Beendigung des Reizungsversuchs folgte noch während des Lebens des Frosches die Herausnahme der Wirbelsäule. Das- selbe geschah auch mit dem Controlthiere. Die weitere Behand- lung beider Präparate wurde möglichst gleich geführt, wobei die grösste Sorgfalt darauf gelegt wurde, dass die Reagentien, sowohl ihrer Qualität, wie auch der Dauer ihrer Einwirkung nach, in bei- den Fällen vollständig gleich seien. Da die Resultate, die mit der hier gebrauchten Methode er- balten wurden, als befriedigende zu bezeichnen sind, so werde ich 54 Bohdan Korybutt-Daszkiewiez: mir erlauben sie etwas eingehender zu beschreiben!). Vor Allem kamen die Präparate auf 5 Stunden in eine concentrirte wässerige Sublimatlösung bei ea. 35° C. (Thermostat von d’Arsonval). Dann wurden die Präparate mit destillirtem Wasser gewaschen und in einer neuen Portion desselben eine Stunde bei der näm- lichen Temperatur gehalten. Nachdem das Wasser abgegossen wurde, füllte ich das Gefäss mit 48°/, Alkohol, worin die Prä- parate zwei Tage bei Zimmertemperatur verblieben (die Flüssig- keit wurde am zweiten Tage durch eine frische Portion ersetzt); danach übertrug ich dieselben auf weitere zwei Tage in abso- luten Alkohol (wobei am zweiten Tage der Alkohol gewechselt wurde). Dann erst wurde die Wirbelsäule mit möglichst grosser Schonung geöffnet und das Rückenmark, das um diese Zeit schon genügend gehärtet ist, herausgenommen und auf ca. sechs Stunden in Nelkenöl gelegt, wobei wieder der Brütofen zur Anwendung kam; die folgenden sechs Stunden brachten die Präparate in Terpentinöl bei gleicher Temperatur zu. Nach Verlauf dieser Zeit setzte ich die Präparate der Einwirkung von Terpentin und Paraffin (bei ca. 47° C. schmelzend) aus; bekanntlich löst sich das Paraffin bei Bruttemperatur in Terpentinöl sebr leicht. In dieser Lösung verblieben die Präparate fünf Stunden, worauf end- lich die Einbettung in Paraffin (Schmelzpunkt wie oben) vorge- nommen wurde. Es soll bei dieser Gelegenheit darauf geachtet wer- den, dass nach dem Erstarren des geschmolzenen Paraffins die Prä- parate von einer vollständig homogenen und durchsichtigen Masse umgeben und durchdrungen seien. Aus den so vorbereiteten Prä- paraten stellte ich Schnittserien von Yıo—Yız, mm Dicke her, in- dem ich dafür Sorge getragen habe, dass die Schnittfläche dem can. centralis perpendieculär ausfalle. Die Schnitte wurden dann auf den Objektträgern mit destil- lirtem Wasser angeklebt. Die Färbung der Schnitte geschah auf den Objektträgern nach Entfernung des Paraffins mit Xylol. Um möglichst gleiche Färbung zu erzielen, wurden oft die Schnitte von Versuchs- und Controlthieren auf einem und demselben Ob- jektträger angeklebt. Die Färbung der Präparate fand nach einer schon vielfach auch in unserem Laboratorium geprüften Methode 1) Vgl. hierzu R. Wlassak, Das Kleinhirn des Frosches; Archiv von Du Bois-Reymond, 1887, Suppl.-Bd. Wird der thätige Zustand des Centralnervensystems ete. 55 statt. Vor Allem wurde mit Böhmer’schem Hämatoxylin 1 Mi- nute lang eingewirkt, worauf Auswaschen in 1°/, Alaunlösung und in destillirtem Wasser folgte. Dann kam Nigrosin (solutio aquosa 10, 1 Min.) mit darauf folgendem Auswaschen in Wasser. Ferner wandte ich Eosin!) (solutio spirituoso- aquosa 0,5%,) während 15—20 Sekunden an. Den Ueberschuss des Farbstoffs entfernt man mittels absoluten Alkohol, doch sollen die Schnitte, vor Gebrauch des letzteren, auf einige Sekunden in destillirtes Wasser getaucht werden. Endlich zogen wir den letzten Farbstoff — das Safranin (in 0,5%, alkoholisch-wässeriger Lösung) für die Dauer von 20 Minuten heran. Nach genügendem Aus- waschen mittels Alkohol wurden die Schnitte in gewöhnlicher Weise in Canadabalsam eingeschlossen. Die Untersuchung geschah mit Hülfe eines Zeiss’schen Mikroskops mit verschiedenen Objektiven und ÖOcularen, je nach Bedarf. Ungeachtet dessen, dass die Controlthiere nicht als in vollem Ruhezustande sich befindende angesehen werden können, auch un- geachtet dessen, dass die Versuchsthiere nur eine verhältnissmässig kurze Zeit im gereizten Zustande sich befanden, ergab doch die mikroskopische Untersuchung entsprechender Präparate einen be- achtenswerthen Unterschied im Rückenmarke von Thieren beider Kategorien. Es fällt sehr scharf in die Augen, dass auch hier die combinirte Tinetion dieselben Resultate ergiebt, wie an anderen Objekten. Am wichtigsten: ist es hier das differente Verhalten der Kerne gegen Farbstoffe hervorzuheben: die einen färben sich im Allgemeinen blauviolett, die anderen roth?). Morphologischerseits konnten bis jetzt keine bedeutenden Differenzen aufgefunden werden; übrigens werden wir die morpho- logischen Data an einem anderen Orte besprechen. Die Nüancen von Blauviolett und Roth können selbstver- 1) Von Eosin nimmt man diejenige Sorte, die als „spirituslöslich“ be- zeichnet wird. 2) Man kamn sieh leicht überzeugen, dass bei der blau-violetten Tinc- tion die Hauptrolle dem Hämatoxylin und bei der rothen dem $Safranin zukommt. 56 Bohdan Korybutt-Daszkiewiez: ständlich sehr verschieden sein, doch gelingt es — bei gewisser Uebung und guter Tinetion — alle Kerne ohne künstliche Ein- zwängung in zwei Kategorien, entsprechend den zwei Grundtönen, einzutheilen. Ich konnte bemerken, dass die relative Zahl der Kerne beider Kategorien (der Kürze wegen werde ich sie weiter als „blaue“ und „rothe“ Kerne bezeichnen) in dem Rückenmarke der Ver- suchs- und Controlthiere eine ungleiche ist. Da das Urtheil über relative Zahlen nur dann von Subjecti- vität befreit werden kann, wenn man genaue Zählungen unter- nimmt, so habe ich mich entschlossen, der bemerkten Thatsache in genauen Zahlen Ausdruck zu geben. Zu diesem Zwecke ge- brauchte ich folgendes einfache Verfahren. Auf einem gewöhnli- chen Ocular-Mikrometer, worauf 11 längere Theilstriche in gleicher Entfernung von einander angebracht sind, wurden die Endpunkte aller Theilstriche mit einander durch gerade Linien verbunden; in dieser Weise erhielten wir auf dem Plättehen des Ocular-Mikro- meters ein rechtwinkeliges Viereck, dessen längere Seiten je 1,0em, die kürzeren je 0,5cm massen. Dieses Viereck besteht somit aus zehn kleineren Recbtecken, die gleicher Grösse und pa- rallel den kürzeren Seiten des grossen Vierecks gelegen sind. Das Mikrometer kam in das Oeular Nr. 1, und als Objectiv diente bei der Untersuchung das Zeiss’sche F. Um die Zählung beginnen zu können, wird das Präparat der- maassen im Gesichtsfelde plaeirt, dass die äussere Grenze des ean. centralis mit der kürzeren Seite des Vierecks zusammenfalle, worauf durch entsprechende Drehung des Oculars die längeren Seiten des Vierecks in eine mehr oder weniger der vorderen Grenze des Vorderhorns parallele Lage gebracht werden. Es ist leicht verständlich, dass dabei das Mikrometerfeld fast das ganze vordere Horn und einen Theil des hinteren bedeckte; ausserhalb des Vierecks blieben nur noch wenige Kerne liegen. Die Kerne werden in jedem kleinen Vierecke gesondert gezählt, von der Peri- pherie beginnend. In jedem desselben wird die Gesammtzahl der Kerne!) festgestellt, dann aber die Zahl der rothen und der blauen, jede für sich, bestimmt. 1) Aus verschiedenen Gründen, deren Besprechung uns hier zu weit . Wird der thätige Zustand des Centralnervensystems etc. 57 Es wäre viel bequemer ein anders angefertigtes Mikrometer in Anwendung zu ziehen, nämlich ein solches, das aus einem System eoncentrischer Kreise bestände, die durch einige Diameter in eine Anzahl gleich grosser Sektoren getheilt wären. Eine solehe Zählungsvorrichtung bestellte in der That Herr Prof. S. M. Lukjanow bei H. C. Zeiss; indessen erforderte die Her- stellung derselben mehrere Monate, so dass ich bei meinen vor- liegenden Zählungen davon keinen Gebrauch machen konnte. Nach Erhalten dieses neuen Mikrometers aber hatte ich Gelegenheit mich zu überzeugen, dass diese Vorrichtung unserer Erwartung vollständig entspricht. In unserem concentrischen Mikrometer ist der Diameter des grössten Kreises 1,0 em lang; die Zahl der con- centrischen Kreise beträgt 10. Die Radien der Kreise differiren untereinander je um 0,05 cm. Bei Einstellung des Mikrometers muss sein Centrum mit dem Centrum des can. centralis zu- sammenfallen. Am besten ist es dabei das System CC von Zeiss zu gebrauchen, combinirt mit Ocular Nr. 4. Gezählt wurden die Kerne an Schnitten von zwei Versuchs- und zwei Controlfröschen. Da es kaum möglich ist alle Kerne im Rückenmarke abzuzählen, so entschlossen wir uns die Aufmerk- samkeit auf zwei Abschnitten desselben zu concentriren, nämlich auf denjenigen, aus welchen das-7. resp. 8. und das 1. resp. 2. Nervenpaar abgehen. Das ganze Material ist in den beigegebenen Tabellen A und B zusammengestellt. führen würde, haben wir bei unseren Zählungen die Neurogliakerne mitge- rechnet. Bohdan Korybutt-Daszkiewicez: 58 Tabelle A. Controlthiere. I. Controlfrosch «a. 24 Schnitte aus dem hinteren Theile des ‘ _ Rückenmarkes. YUudy OP [yezyuwessH "OUIO] uonerq dop [yeZ _ may uoy4oA dop [yeZ "OyDa4ypay u9a DUO] dp “IN "ay}Tuyos op 'ON SUIOM AP "OULIOY uonerq op [qez "Sun uoy4oa op [yeZz "ay99}yoOT uaı [yezywuresag ouropg Top 'ON ayruyog d9p 'ON AT-ODROOGSO Rn Do u] Hrn Oomoı90 - ha home AMT Ssorm nn o© HNO a an oo MUANWOM OO vu 17; 1,60 SOOOOT- Oo HS 0 - hu Du de) ri Oo @ ıHnıo - N un (6 u | Hmmm nıoooocooH Sa. HTUAWOMOMO Arm onmonıooso 9 | 86 | 95 aa Ko Bor as A u A E | [um | —i > a A Da. OH ON MD cn vi u) >OBSOHMTSO OO | DOD ACID HT CH N | 12 re nm nm non no! - S-WOOO OO m Te rel OT OOo Hndn An HMOorHToosıooooO HMTmMmmMmomoooooO0 SOormMa9a TH mmM©o 10 | 62 rs ton ZI, Me en HTARHWSOM-OMO HUHN SOTMONO > ae > | > Sa. VULIOY dop [qezyjurureson) "OLLIOM uone/q op [yezZ mn rn Sr Be ESTER SOWMONOXD O1 r al all! 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Rothe Kerne :blaue Kerne II. Controlfrosch d. 21 Schnitte aus dem hinteren Theile des Rückenmarks. VUly Iop [yezyuwesoy) "auULoy uonejq dopjyez ‘SuUJoy uoy4o11op [gez a ek nn ASS HOSOM A HH NOoHTocoo "Oyo9}y2ay und -9uIo]] Iop ON SpIOHOR Jop 'ON Judy Iop _[yezywureson) "SUloy mer Dre N _ Hi a. 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Versuchsfrosch a. 24 Schnitte aus dem hinteren Theile des Rückenmarks. YUy AOp jqezjwuresoH SUIOy uonerq Topfgez HNO m SO HM NICDOosoH SUdoy u9yJo1A10p [yeZ "99999 Yy usa -9uo]] Op ON "oypuyas Jap 'ON SOON NS Ha SHOTNS SA | or) m! - de} a ra be NOONS HS ro re a un Mar a ie} te} AT NODOAUTS - erire EEE FUTTER HoOrrM MH mMcuümar SL FUGEO EIS vol a) un | Yudoy Op [yezywwesag "9uUdo] uonejq op [gez Sul] uoy401 dep [yBZ "oyoa}yoay uaı ujop] 2op ON Brad mmmın HMM oo mM So rad m a ED > Do Se A Se ae. SD an a SOFERN UNOSOT-NOL MX SW NIOanucao 74 ARE SCOTT au tuHaS daap 'ON IN > HM ao Horn [u > FUuday] I9p jyezjwwessg Udoy uoneIq dop [yezZ HH SOSOOHNıD AIIHTIIDNHO an zu Bor te Sie Zaninn.) Vudoy uayJ01 dp [yeZ SOOoOHSAamo or "9y994y9a9y ua -9ulofY Op ON ur er Snnıgas d9p 'ON Sa. SO roaHo NANATROONSOOSO AMTMTSAUNTANAN u a Ei SE era BE STH ea re - je Sa. 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Diese Zahl ist nicht so gross, wie es wünschenswerth wäre, ich werde mich auch nicht in eine zu detaillirte Besprechung des gesammelten Materials ein- lassen, ebensowenig wie ich hier die bezüglichen Andeutungen aus der Literatur berücksichtigen will. Es wird vollständig genügen, einige Schlüsse zu formuliren, die wohl nicht ohne Interesse sein dürften. Folgende Sätze ergeben sich direkt aus den in den Tabellen zusammengestellten Zahlen. 1. Die Gesammtsumme der gezählten Kerne im Rückenmarke beider Controlthiere beträgt 4127, wovon 414 rothe und 3713 blaue. Auf 1 rothen kommen also im Controlthier 8,97 blaue Kerne. 2. Die Gesammtzahl der im Rückenmarke beider Versuchs- thiere registrirten Kerne beträgt 3759, wovon 1012 rothe, 2747 blaue, so dass auf 1 rothen 2,71 blaue Kerne kommen. 3. Aus dem Vergleich der vorhergehenden Thesen lässt sich folgern, dass bei den Versuchsthieren die relative Zahl der rothen Kerne 3,31 Mal grösser ist, als bei den Controlthieren. 4. Werden nur die Theile in Betracht genommen, welche dem Eintritt der gereizten Nerven am nächsten liegen, so wird der Unterschied zu Gunsten der rothen Kerne noch erheblicher, es ist nämlich die relative Zahl der rothen Kerne in den genannten Theilen bei den Versuchsthieren 3,66 Mal grösser, als bei den Controlthieren. 5. Was die ferner gelegenen Theile betrifft, so ist hier der Unterschied nicht so scharf, doch auch in diesem Falle ist die eine Zahl 2,09 Mal grösser, als die andere. 6. Die Bedeutung dieser Schlussfolgerungen, abgesehen von Allem anderen, wird noch dadurch bekräftigt, dass der Vergleich auch einzelner Thiere im Allgemeinen dieselben Resultate liefert, wie derjenige der obenangeführten Gesammtzahlen. Dr. Michaelv. Lenhossek: Untersuchungen über die Entwickelung ete. 71 Untersuchungen über die Entwickelung der Mark- scheiden und den Faserverlauf im Rückenmark der Maus, Von Dr. Michael v. Lenhossck, Docent an der Universität in Budapest. Hierzu Tafel VI und VM. Seitdem P. Fleehsig durch sein grundlegendes Werk: „Die Leitungsbahnen im Gehirn und Rückenmark des Menschen. Leipzig, 1886“ der anatomischen Forschung eine neue Bahn erschlossen und die von ihm vertretene neue Methode der Forschung durch eine Reihe der bedeutendsten Entdeckungen so glänzend inaugurirt hatte, wurde die Untersuchung der Markscheidenbildung in den Centralorganen des Nervensystems und im Anschluss daran die des inneren Baues der letzteren vielfach in Angriff genommen, und man wird zugestehen müssen, dass jene Fülle von wichtigen Auf- klärungen, die wir in letzter Zeit über die Organisation des Ge- hirns und Rückenmarkes erhielten, in erster Linie diesen Unter- suchungen zu verdanken sei. Fast alle diese Forschungen aber — an denen sich sonder- barer Weise nur Psychiater und Neuropathologen betheiligten, ob- wohl sich dem Anatomen auf diesem eigentlich ihm zugehörigen Gebiete ein lohnendes Feld der Thätigkeit darbietet — beziehen sich blos auf den Menschen. Die Frage, ob die Entwickelung der Markscheiden im Central- nervensystem der Thiere denselben Gesetzen unterliege, wie beim Menschen, ob jene Thatsachen, die in dieser Richtung von Flechsig und seinen Schülern, unter denen wohl in erster Reihe Bechterew zu nennen ist, für diesen ermittelt worden sind, auch für jene Geltung haben, war bis in die letzte Zeit hinein eine offene ge- blieben. Zwar hatte schon Edinger zahlreiche hierher gehörige, auf die niedrigsten Wirbelthiere bezügliche, interessante Beob- 12 Dr. Michael v. Lenhossek: achtungen mitgetheilt, doch fehlte es, namentlich in Betreff des Rückenmarkes, an einer systematischen Untersuchung. Dies bewog mich, diese Verhältnisse bei der Maus einer Durehforsehung zu unterziehen. Im Laufe meiner Untersuchungen konnte ich mir bald die Ueberzeugung verschaffen, dass sich das Rückenmark dieses Thieres in Betreff der Markentwickelung ganz so verhalte wie dasjenige des Menschen. Auch hier erhalten die die weisse Substanz zu- sammensetzenden Bündel zu verschiedenen Zeiten ihre Markschei- den und stimmt auch die Reihenfolge, in welcher sie myelinhaltig werden, im Ganzen und Grossen mit der für den Menschen er- kannten. überein. So zeichnen sich z. B. die Pyramidenstränge auch hier durch ihre spät auftretenden Markscheiden aus, so findet man die Vorderwurzeln auch bei diesem Thiere früher markhaltig als die hinteren u. s. w. Obwohl sich meine Untersuchungen bisher nur auf dieses einzige Objeet beziehen, so stehe ich doch nicht an, es als höchst wahrscheinlich zu erklären, dass das Auftreten der MyelinscheidenindennervösenÖentralorganen der Wirbelthiere und namentlich der höheren denselben Gesetzen folge. Hiermit muss nun der „entwickelungsgeschichtlichen Methode* dieselbe Wichtigkeit für die Erkenntniss der Leitungsbahnen in Thiergehirnen und Rückenmarken beigelegt werden, welche die- selbe anerkanntermaassen für die Erforschung dieser Theile beim Menschen besitzt. Die Untersuchung ausgebildeter Nervenorgane an wenngleich ganz lückenlosen und vortrefflich gefärbten Schnittserien scheint an sich unzulänglich zu sein zur sicheren Lösung von Fragen, wie die nach dem Verlauf der Leitungsbahnen, nach dem Ursprung einzelner Faserbündel u. s. w., auf welche es doch dem Anatomen wie dem Physiologen in erster Linie ankommt. Die am meisten geeignete Methode zur Erforschung dieser Verhältnisse dürfte meines Erachtens die Flechsig’sche sein. Ich glaube, dass, wenn man in dieser Richtung viele und pünktliche Beobachtungen gesammelt und zahlreiche Thiere — namentlich auch niedrigste Vertreter der Wirbelthiere — auf die Entwickelung ihrer centralen Markscheiden untersucht haben wird, sich viele bisher offene Fragen der Ana- tomie des Centralnervensystems werden beantworten lassen. D; Untersuchungen über die Entwickelung der Markscheiden etec. 13 Ein wichtiger Beweggrund, der uns zur Bewerkstelligung ähnlicher Untersuchungen auffordert, ist die Aussicht, in der Er- kenntniss des Baues vom Gehirn und Rückenmark der Thiere einen Schlüssel zu finden für das Verständniss der Structur dieser Organe beim Menschen. Es ist schon vielfach und neuerdings wieder von Edinger!) und Köppen?) darauf hingewiesen wor- den, dass die Forschung auf diesem Gebiete, um einen Erfolg zu verzeichnen, von den einfacheren Formen ausgehen müsse. Dem muss man unbedingt zustimmen, und wenn trotzdem die schon in ziemlich grosser Zahl angestellten hierher gehörigen Untersuchungen mit Ausnahme einiger neueren auf die Entwickelung unserer dies- bezüglichen Kenntnisse nicht vom erwarteten Einflusse waren, so hängt dies meiner Ueberzeugung nach zumeist mit der Unsicher- heit der gewonnenen Resultate, mithin also wieder mit der Unzu- länglichkeit der Methode zusammen. Das Üentralnervensystem selbst der niedrigsten Vertebrata ist zwar in seinem Baue viel einfacher als z. B. dasjenige des Menschen, jedoch noch immer viel zu complieirt, um mit den gewöhnlichen Methoden einer zu- friedenstellenden Lösung zugeführt werden zu können. Auch hier muss zur Flechsig’schen Methode gegriffen werden und werden sich solehen Untersuchungen gewiss viele und allgemeinwichtige Resultate abgewinnen lassen. Das von mir benützte Thier, die Maus eignet sich ganz vor- züglich zu solchen Untersuchungen. Die Vortheile dieses Thieres für unsere Zwecke bestehen einmal in der Kleinheit desselben, in Folge deren sich seine nervösen Centralorgane nach Einbettung in Celloidin ohne allzugrosse Mühe in Schnittserien — die ohnehin nicht complet zu sein brauchen — zerlegen lassen, andererseits in dem Umstande, dass die Bildung der Markscheiden bei demselben erst nach der Geburt beginnt, mithin man sich also nieht genöthigt sieht, nach Embryonen zu fahnden. Junge Exemplare lassen sich bei der bekannten Fruchtbarkeit des Thieres leicht verschaffen. Das Herauspräpariren von Gehirn und Rückenmark selbst neuge- borener Thiere ist bei einiger Uebung keine Sache von Schwierigkeit. 1) Dr. L. Edinger, Vergleichend-entwickelungsgeschichtliche Studien im Bereich der Gehirn-Anatomie. Anatomischer Anzeiger II. 1887. Nr. 6. p. 145. 2) Dr. Max Köppen, Zur Anatomie des Froschgehirns. Archiv für Anat. u. Physiologie. Anat. Abtheilung. 1888. p. 1. 14 Dr. Michael v. Lenhossek: Als einzigen Nachtheil dieses Objectes könnte ich den Um- stand anführen, dass die von mir bei meinen Untersuchungen fast ausschliesslich in Anwendung gebrachte Hämatoxylinfärbung nach Weigert bei jungen Exemplaren mitunter — ohne jede nach- weisbare Ursache — nicht recht gelingen will. Hat man sich bei der Färbung noch so streng an die von Weigert angegebenen Vorschriften gehalten, so wird man doch zu seinem Aerger einige Serien unbrauchbar finden. Obwohl ich Rückenmarke von einem jeden Tage vom 1. bis zum 15., z. Th. in mehreren Exemplaren, ausserdem noch solche von 18, 20, 25, 27 und 30 Tage alten Thieren untersuchte, blieb meine Sammlung doch aus dem eben angeführten Grunde eine lückenhafte. Dies der Grund, weshalb, wie ich mir recht gut bewusst bin, die mitzutheilenden Resultate in Betreff vieler Punkte sich äusserst dürftig präsentiren. Eine Ausfüllung der Lücken hätte die Veröffentlichung meiner hiermit zu vorläufigem Abschluss gebrachten Untersuchungen zu sehr verzögert. Hinsichtlich der Darstellungsweise hatte ich die Wahl zwischen zwei Verfahren. Ich konnte meine Befunde entweder einfach casuistisch oder aber systematisch geordnet darstellen. Grösserer Uebersichtlichkeit halber habe ich mich für letztere Darstellungs- weise entschlossen. Das Rückenmark der Maus wurde speciell untersucht von Bochmann!) und Stieda?). Ersterer befasst sich sehr eingehend mit der Structur desselben, während Stieda unter Berufung auf Bochmann’s Arbeit dem Gegenstande nur wenige Seiten widmet. I. Graue Substanz im Allgemeinen und gelatinöse Formation. Das Rückenmark der Maus stimmt in den meisten Punkten seiner Struetur mit demjenigen des Menschen überein, eine That- sache, die ich gleich eingangs hervorheben zu müssen glaube. So ist auch die Anordnung der grauen und weissen Substanz auf dem Querschnitte fast ganz dieselbe wie bei diesem; ein geringer Unter- schied gibt sich darin kund, dass erstere sich hier etwas plumper und 1) Eugen v. Bochmann, Ein Beitrag zur Histologie des Rücken- marks. Inaug.-Dissertation. Dorpat 1860. 2) Dr. Ludwig Stieda, Studien über das centrale Nervensystem der Vögel und Säugethiere. Zeitschrift für wissensch. Zoologie. 19. 1869. p. 64. Untersuchungen über die Entwickelung der Markscheiden etc. 75 verhältnissmässig grösser präsentirt, letztere einen etwas schmälern Mantel um diese herum bildet. Wie dort, sind auch hier je nach den Höhen des Rückenmarkes Verschiedenheiten sowohl im Umriss der grauen Substanz wie in ihrem quantitativen Verhältniss zur weissen nachzuweisen und kann ich Stieda!) keineswegs beistimmen, wenn er angibt: „die Form der grauen Substanz sei in den verschiedenen Gegen- den des Rückenmarks nur sehr geringem Wechsel unterworfen.“ Dies könnte noch einige Berechtigung haben für die Vorderhörner, die von ihrer rundlichen Form in der That weniger Abweichungen erkennen lassen, nicht aber für die Hinterhörner, die beispielsweise im Lumbalmark eine plumpe Masse darstellen, im Cervicaltheil hin- gegen allmählich eine schlanke Form annehmen und sich schliess- lich in einen eingeschnürten Stiel und einen breiten, abgeflachten Kopf sehr deutlich sondern, welch’ letzterer hauptsächlich durch die Rolando’sche Formation dargestellt wird. Unmittelbar vor der lateralen Hälfte dieser letzteren findet sich durch die graue Substanz zerstreut eine Anzahl longitudinaler Nervenfaserbündel, so dass es hier in allen Gegenden des Rückenmarkes zur Bildung eines retieulirten Gebietes oder, wie Bochmann?) diese Partie nennt, einer Substantia spongiosa kommt. Eine ausgesprochene Substantia gelatinosa centralis lässt sich bei der Maus nicht nachweisen. Unmittelbar um den Central- kanal herum befindet sich ein schmales Gebiet, welches der Nerven- zellen und eines Fasernetzes entbehrt, nur mitunter einige selbst- ständige Nervenfasern enthält und sich, seitlich begrenzt von den medialsten Bündeln der Hinterwurzeln und nach hinten allmählich breiter werdend, bis zur hinteren Commissur fortsetzt. Dieses Ge- biet ist aber nichts anderes als ein zellen- und faserloses Feld der gewöhnlichen Grundsubstanz und ist der Rolando’schen Sub- stanz vermöge seiner Structur durchaus nicht gleichwerthig. Boch- mann?) hat dies ganz richtig erkannt, indem er sagt: „die vor- liegenden Untersuchungen haben durchaus keine Anhaltspunkte gegeben, diese Masse als verschieden von der übrigen Masse an- zusehen, sie stimmt vielmehr vollkommen mit derselben überein.“ 1) Stieda, a. a. ©. p. 64. 2) Bochmann, a. a. O. p. 3. 3) Bochmann, a. a. OÖ. p. 21. 716 Dr. Michael v. Lenhossek: In ähnlichem Sinne hat sich neuerdings auch H. Virchow!) über die „Substantia gelatinosa centralis“ des Menschen ausgesprochen. Das was man gewöhnlich mit einem Worte als Hinterhorn bezeichnet, besteht aus zwei distineten Theilen: dem eigentlichen nervösen Hinterhorn und der diesem hinten anliegenden Rolando- schen Substanz oder Formation (H. Virchow). Diese setzt sich an gelungenen nach Weigert gefärbten Präparaten sehr deutlich von jenem ab, dessen Anhängsel sie gewissermaassen bildet. Sie ist bei der Maus recht ansehnlich entwickelt. Ihre Gestalt und Grösse ist in verschiedenen Höhen nicht so sehr einem Wechsel unterworfen, wie die der übrigen grauen Substanz; sie behält allenthalben die für unser Thier charakteristische abgeflachte Halb- mondform bei. Da dies auch im Cervicalmark der Fall ist, wo das eigentliche Hinterhorn einer Schrumpfung unterliegt, bedingt sie die Segmentirung der Hintersäule in Cervix und Caput. Die Roland'o’sche Substanz hat bei unserem Thiere die Eigenschaft, dass sie in ihrer äusseren Hälfte ganz bis zur Peripherie reicht und nicht von derselben, wie beim Menschen, durch Längs- bündel (Lissauer’s2) Randzone) geschieden wird. Nur ihre mediale Hälfte wird von Quer- und Längsfasern, jedoch auch in sehr ge- ringer Breite, bedeckt. Dieses Verhalten findet seinen makro- skopischen Ausdruck in Folgendem: Betrachtet man das Rücken- mark von hinten, so sieht man neben der hinteren Längsfissur je einen weissen Streifen (Hinterstränge), nach aussen von diesem einen gelblichen, welcher der hier frei zu Tage liegenden Rolando- schen Formation entspricht. Die Begrenzung der Rolando’schen Formation ist median- wärts sowie nach hinten ungemein scharf, nach vorn — wenn auch nicht mehr so exaet — so doch immer deutlich, noch weniger exact ist sie aber nach aussen, indem sich die gelatinöse Masse eine Strecke in das Gebiet der Seitenstränge hinein in Form eines srobmaschigen, in seinen Lücken longitudinale Faserbündel be- herbergenden Netzes fortsetzt. Ich nenne diese Stelle „spongiöse 1) H. Virchow, Ueber Zellen in der Substantia gelatinosa Rolando. Neurologisches Centralblatt. 1887. p. 263. 2) H. Lissauer, Beitrag zum Faserverlauf im Hinterhorn des mensch- lichen Rückenmarks und zum Verhalten desselben bei Tabes dorsalis. Archiv für Psychiatrie. XVII. p. 380. SE Be U EN Untersuchungen über die Entwickelung der Markscheiden etc. 17 Zone des Seitenstranges“; sie beschränkt sich blos auf den hintersten Theil des letzteren. s Es sei mir gestattet, meine Ansicht über die Bedeutung der Rolando’schen Substanz hier einzuschalten. Meine Erfahrungen lassen mich der Ansicht beistimmen, dass man es hier mit ver- hornten Eetodermalzellen zu thun habe, ohne Betheiligung von Bindegewebe oder nervösen d.h.als solche funetionirenden Elementen. Bekanntlich gehen die Ansichten der Forscher über diesen Punkt auch heute noch auseinander. Wenn wir absehen von den Ausführungen älterer Forscher, die die Substanz theils aus Binde- gewebe (Bidder und Kupffer, Goll ete.), theils aus dicht ge- drängten Nervenfasern (Schröder v. d. Kolk, Stilling, Boch- mann) bestehen liessen, so lassen sich die wichtigsten und neue- sten Aeusserungen hierüber in Folgendem zusammenstellen. Gerlach!) erklärte sie als den „an nervösen Elementen ärmsten Theil der grauen Substanz.“ Meynert?) hielt sie für nervös und liess die aufsteigende Quintuswurzel aus ihr entspringen. In diesem Sinne äusserten sich W. Krause?) und neuerdings Darkschewitsch und Freud!) Nach W. Krause „bildet ihre Grundlage granulirtes Bindegewebe. Abweichend von der Substantia gelatinosa centralis ist ihr Gehalt an grossen spindelförmigen multipolaren Ganglienzellen“. Ihren sich in das oberste Cervicalmark und darüber erstreckenden Theil bezeichnet er geradezu als „uuteren sensiblen Trigeminuskern.“ Ausser W. Krause beschrieben auch Schwalbe°), Gierke®), sowie namentlich H. Virchow’) Nervenzellen als Bestandtheile 1) J. Gerlach, Strickers Handbuch der Lehre von den Geweben. Wien 1870. 1I. p. 689. 2) Th. Meynert, Stricker’s Handbuch der Lehre von den Geweben. Wien 1870. I. p. 777. 3) W. Krause, Handbuch der menschlichen Anatomie. l. Hannover 1876. p- 389 und 420. 4) L. Darkschewitsch und Dr. Sigm. Freud, Ueber die Beziehung des Strickkörpers zum Hinterstrang und Hinterstrangskern. Neurologisches Centralblatt, 1886. p. 121. 5) Dr. G. Schwalbe, Lehrbuch der Neurologie. Erlangen 1881. p. 347. 6) H. Gierke, Die Stützsubstanz des Centralnervensystems. Archiv für mikrosk. Anatomie, 26. 1886. p. 144. 7) H. Virchow, Ueber Zellen in der Substantia gelatinosa Rolando. Ref. im Neurologischen Centralblatt, 1887. p. 263. 718 "Dr. Michael v. Lenhossck: dieser Formation, welcher Angabe auch Obersteiner!) beistimmen zu müssen glaubte. Corning?) giebt zwar in einer unlängst erschienenen interes- santen Arbeit zu, dass die Zellen der gelatinösen Formation einen „embryonalen Charakter“ haben, woraus man schliessen könnte, dass er sie für unentwickelte, mithin also mit keiner Funktion aus- gestattete Elemente hält, schliesst sich aber sonst der Anschauung Gierke’s an, derzufolge die Formation „unendlich viel mehr Nervenzellen enthalte als die übrigen Theile der grauen Substanz.“ Diesen Angaben gegenüber steht die an mehreren Stellen?) dargelegte Ansicht Beehterew’s, es sei diese Formation nichts als eine Anhäufung von centraler Stützsubstanz ohne Beimischung nervöser Elemente. Auf Grund meiner Beobachtungen muss ich mich ganz für Bechterew’s Anschauung erklären. Untersucht man das Rückenmark einer neugeborenen Maus eines solchen Kaninchens oder eines menschlichen Foetus aus dem 6.—7. Monat, so wird man in überraschend klarer Weise die Zu- sammensetzung der Rolando’schen Substanz aus dicht gelagerten, etwas ovoiden Epithelzellen zur Anschauung bekommen, die in sagittaler Richtung sich zu Längsreihen anzuordnen scheinen. Die Contouren der Zellen sind wohl um diese Zeit schon vielfach nicht mehr zu erkennen, doch treten ihre Kerne — namentlich bei Os- mium- und Karminfärbung — noch sehr dietinet hervor. Auf einem späteren Stadium erblichen allmählich auch diese, indem die ganze Substanz einer Verhornung (Schwalbe) oder einem ähnlichen Process anheimfällt. Fasern und dergleichen Struetur treten erst später, nicht zufolge des Hereinwachsens von Bindegewebe, sondern blos durch secundäre Differenzirung der Masse auf. Als Ausdruck der erwähnten Anordnung der Zellen bleibt eine auch von Ober- 1) Dr. Ober steiner, Anleitung beim Studium des Baues der nervösen Centralorgane. Leipzig und Wien 1888. p. 183. 2) H. K. Corning, Ueber die Entwickelung der Substantia gelatinosa Rolando beim Kaninchen. Archiv für mikrosk. Anatomie. 1888. Bd. 31. p. 59. 3) W. Bechterew, Ueber einen besonderen Bestandtheil der Seiten- stränge des Rückenmarks. Ref. im Neurologischen Öentralblatt, 1885. p. 369. Derselbe: Ueber einen besonderen Bestandtheil der Seitenstränge des Rücken- marks. Archiv für Anat. und Physiologie. Anat. Abtheilung, 1886. p. 4. Untersuchungen üher die Entwickelung der Markscheiden etc. 79 steiner!) angeführte analoge Streifung der Formation. Die aus ihrer Entwickelung verständliche ungemein dichte Beschaffenheit der Formation bedingt ihre charakteristische Färbung, indem sie sich mit Karmin bekanntlich dunkler tingirt, als die nervöse graue Substanz; noch schärfer ausgesprochen ist jedoch dieser Unterschied bei Weigert’scher Färbung, bei welcher sie sich durch ihre ge- sättigte Orangefarbe von der gelblich-bleich gefärbten nervösen Substanz sehr deutlich unterscheidet. Ihr Mangel an Nervenelementen erhellt auch aus ihrer totalen Faserlosigkelt, welche sich bei unserem Thiere besonders klar zu erkennen giebt. Hier beschränken sich nämlich jene die Rolan- do’sche Formation durchsetzenden Bündel der Hinterwurzeln, die bekanntlich beim Menschen als „meridionale Fasern‘ die ganze Breite derselben in Anspruch nehmen, blos auf ihren medialsten Abschnitt, ihr grösster Theil ist absolut faserlos, von ganz homo- genem Aussehen, und man wird hier selbst auf ausgesüchtesten Präparaten, wo Weigert’s vorzügliches Verfahren selbst die fein- sten Fäserchen und auf allen Punkten der grauen Substanz ein reiches Fasernetz hervortreten lässt, jegliche Fäserchen vermissen. Gesetzt also, es fänden sich wirklich ihrer äusseren Erscheinung nach als Ganglienzellen anzusprechende Elemente in der Formation, wovon ich mich durchaus nicht überzeugen konnte; wie könnte man Zellen, denen das von Deiters?) festgestellte Kriterium eines Nervenkörpers: die Verbindung mit einer Nervenfaser abgeht, als nervös anerkennen ? Meines Dafürhaltens gehören die Elemente der Rolando’'schen Substanz in eine Kategorie mit den Epithelzellen des Centralkanals; hier wie dort handelt es sich um Eetodermalzellen, die sich nicht zu Nervenzellen umgewandelt, sondern ihren einfach epithelialen Charakter bewahrt haben. Wir sehen da also in jeder Hälfte des Rückenmarkes sym- metrisch angeordnet ein Band von Stützsubstanz, dem vielleicht die nicht unwichtige Aufgabe zufällt, dem Rückenmark eine gewisse Festigkeit zu verleihen. Für eine solche Bedeutung derselben spricht auch der Umstand, dass es, wie es scheint, in den meisten 1) Obersteiner, a. a. OÖ. p. 183. 2) Otto Deiters, Untersuchungen über Gehirn und Rückenmark. Herausgegeben von Max Schultze. Braunschweig 1865. p. 55. 80 Dr. Michael v. Lenhossek: Wirbelthierklassen vorhanden ist. So ist eine Rolando’sche Sub- stanz neuerdings von Köppen!) auch für den Frosch nachgewiesen worden. Sie ist hier ebenfalls von Neuroglia-artiger Beschaffen- heit, indem sie nach diesem Autor „aus einer dichten Grundsub- stanz ohne zellige Elemente besteht.“ II. Nervenzellengruppen und Fasernetz. Die vorliegenden Untersuchungen ergaben, dass Rückenmarke junger Mäuse und auch menschlicher Foeten sehr günstige Objeete abgeben zur Ermittelung der Gruppirung der Ganglienzellen inner- halb der grauen Substanz und namentlich innerhalb der Vorder- hörner, sowie auch zur Bestimmung der ihrer Bedeutung nach zu- sammengehörigen Nervenkörper. Die Umstände, die diese Verhältnisse deutlich zu Tage treten lassen, liegen in gewissen, bisher, so viel ich weiss, nicht beob- achteten, in der grauen Substanz zu den Zeiten der Markscheiden- entwiekelung sich abspielenden Vorgängen. Untersucht man das Rückenmark einer sehr jungen, z. B. 4—5 Tage alten Maus an Schnitten, die nach Weigert gefärbt sind (Fig. 4 und 5), so wird man finden, dass sich die grossen „motorischen Zellen der Vorderhörner durch ihre dunkelbraune, mitunter tiefschwarze Färbung mit einer Schärfe hervorheben, wie sie sich nieht vollständiger denken lässt. Die Färbung ist bedingt durch die Anwesenheit zahlreicher mehr weniger feiner Körner und Schollen, mit welchen die Zellen namentlich in der Umgebung ihres Kerns reichlich beladen sind (Fig. 2). Dass es sich hier nicht um Pigment handelt, beweist die Untersuchung ungefärbter Schnitte, auf welchen diese Elemente nicht hervortreten. Ihre charakteristische Färbung lässt mich vermuthen, dass hier eine dem Nervenmark verwandte Substanz vorliegt, welche aber mit letzterem doch nicht ganz identisch sein kann, indem sie auf Osmiumsäure die bekannte Reaction des Myelins nicht zeigt. Gewöhnliche Hämatoxylinfärbung, Karmin sowie Anilinfarben (Me- thylviolett, Bismarekbraun, Saffranin) lassen die Körner, die ich als Myeloidkörner bezeichnen möchte, ungefärbt. Vielleicht trägt zum Verständniss ihrer chemischen Beschaffenheit die Er- wähnung dessen bei, dass — soviel ich wenigstens in allen Theilen 1) Köppen, a. a. 0. p. 5. Untersuchungen über die Entwickelung der Markscheiden etc. 31 des Centralnervensystems finde — ausser dem Nervenmark auch noch die Leucoeyten eine dunkle Färbung bei Weige rt’s Methode annehmen. Nicht nur in den Nervenzellen der Vorderhörner, auch in dem zwischen und hinter diesen liegenden Gebiet der letzteren lässt sich, obzwar in viel geringerer Menge, eine ähnliche Körnchensub- stanz nachweisen. Die übrigen Zellen der grauen Substanz ent- behren um diese Zeit noch vollständig einer dunklen Färbung und nur die Zellen der Spinalganglien sind durch eine solche, jedoch auch nicht in sehr ausgesprochener Weise ausgezeichnet. Beiläufig sei bemerkt, dass sich ein ähnlicher Process im Rückenmark menschlicher Foeten noch viel deutlicher ausgeprägt beobachten lässt. Um dies zu zeigen, habe ich den Figuren auch die Abbildung eines Querschnittes aus dem Rückenmark eines 28 cm langen Foetus beigefügt (Fig. 9). Verweilen wir nun, ohne diese Vorgänge, die sich später auch in anderen Theilen der grauen Substanz einstellen, weiter zu verfolgen, bei den Nervenzellen der Vorderhörner. Mit grosser Schärfe lassen sich innerhalb dieser zwei Zell- gruppen unterscheiden: eine plumpe, grosse, einen beträchtlichen Theil des Vorderhorns in Anspruch nehmende Hauptgruppe und eine sehr viel kleinere, im medialsten Theil des Vorderhorns befindliche und sich durch ihre gleich zu erwähnenden Beziehungen zur vor- deren Commissur kennzeichnende Commissurengruppe. Wenn wir ausgehen von dem Bilde, welches ein Querschnitt aus der Lumbalintumescenz bietet, so zeigt sich hier die Sonderung in die beiden Gruppen am schärfsten. Man sieht im vorderen lateralen Theil des hier plumpen Vorderhorns einen ansehnlichen Haufen multipolarer Zellen, die ihre Axencylinderfortsätze in der Richtung der Vorderwurzeln entsenden. Die andere Gruppe steckt in der medialen Ecke des Vorderhorns, unweit der Commissur, mitunter ganz in die Nähe derselben gerückt und wird von der Haugtgruppe durch einen breiten Zwischenraum getrennt. Die spärlichen Zellen derselben sind nur um ein Geringes kleiner als diejenigen der Hauptgruppe, jedoch mehr spindelförmig, wobei sich ihre Längs- axen gegen die vordere Commissur zu richten, und vom 3. bis zum 9. Tage sehr stark mit Myeloidmasse beladen. Was sie aber besonders auszeichnet, ist der Umstand, dass ihre Nervenfortsätze sich mit Sicherheit in die vordere Commissur verfolgen lassen und Archiv f mikrosk, Anatomie. Bd, 33, 6 a N # 82 Dr. Michael v. Lenhossek: zwar gehen dieselben geradeaus durch die weisse Substanz hindurch. Der mediale Rand der Vorderhörner ist nämlich ein bogenförmiger; die Ausläufer der Commissurenzellen halten sich nicht an diesen ausgeschweiften Rand, sondern benützen einen kürzeren, den Sector dieses Bogens bildenden Weg, wobei sie natürlich durch die Vor- derstränge hindurchtreten müssen. Im Dorsaltheil ist das Vorderhorn etwas schmäler geworden. Der seitliche Rand der grauen Substanz hat sich unmittelbar vor der Rolando’schen Formation in einen eckigen Vorsprung aus- gezogen und so die Bildung eines Seitenhorns veranlasst, dessen kleine Zellen aber in einer viel späteren Zeit als die Vorderhorn- zellen dunkel gefärbt erscheinen, mithin also denselben nicht gleich- werthig sind. Die Hauptgruppe findet im lateral-vorderen Theil des Vorderhorns Platz und wird vorn weniger und auch — was von Interesse ist — von kleineren Zellen gebildet; nicht nur die Zahl, auch die Grösse der Nervenzellen ist im Dorsalmark eine geringere. Die Commissurengruppe, die schon im oberen Lumbalmark blos durch 1—2 Zellen auf jedem Schnitt vertreten war, verschwand hier ganz. Sobald wir uns der cervicalen Auftreibung nähern, ändert sich das Bild. Die Vorderhörner nehmen wieder ihre frühere rund- liche Form an, die Hinterhörner werden, wie schon beschrieben, schlanker. Die Hauptgruppe gewinnt allmählich eine stärkere Ent- faltung. Im unteren Cervicaltheil lässt diese Gruppe eine charak- teristische Eigenschaft erkennen: sie zeigt nämlich eine beträcht- liche Auflockerung, indem sie aufgelöst erscheint in eine Kette von lose liegenden Zellen, deren vorderste sich in der vorderen lateralen Ecke des Verderhorns, deren hinterste sich schon unweit der Rolando’schen Formation befindet. Die von Neuem hervor- getretene Commissurengruppe liegt sehr medial, in grosser Ent- fernung von der Hauptgruppe und wird zumeist von spindelför- migen Zellen zusammengesetzt, doch finden sich hier ausser solchen auch einige multipolare, namentlich im lateralen Theil der Gruppe. In einem höheren Abschnitt des Cervicaltheils, in der eigentlichen Intumescenz und darüber hat die Hauptgruppe ihre zerstreute Beschaffenheit wieder aufgegeben und liegt nun als compacter Haufen im vordersten Theil des Vorderhorns. Medial und rück- wärts, fast innerhalb der Commissur liegen die spärlichen Com- missurenzellen, die indess schon gegen das obere Cervicalmark all- mählich verschwinden. Untersuchungen über die Entwickelung der Markscheiden etc. 83 Die Differenzirung der Vorderhornzellen in die zwei distineten Gruppen entging sowohl Bochmann wie Stieda. Ersterer!) hat „eine compacte Gruppirung der Nervenzellen im vorderen Horne nirgend nachweisen können“, letzterer?) kennt nur eine Gruppe, die er „laterale Gruppe“ oder „Gruppe der Unterhörner“ nennt und die mit unserer Hauptgruppe identisch ist. Ich habe mich gelegentlich von Untersuchungen an Rücken- marken menschlicher Foeten auf’s Sicherste überzeugen können, dass hier diese Sonderung eine noch schärfer ausgeprägte ist wie bei der Maus und dass sich eine selbstständige Commissurengruppe an den meisten Stellen des Rückenmarkes nachweisen lässt. Hier ist sie in der That auch schon von Pick?) beobachtet worden, doch schreibt dieser sie blos dem „Uebergangstheil vom Brust- zum Lendenmark“ zu. Auch der eigenthümliche Verlauf der Aus- läufer der Commissurenzellen ist von demselben Autor einer sehr guten Beschreibung theilhaftig gemacht geworden. Dass überhaupt die Fortsätzte der medialsten Vorderhornzellen sich in die vordere Commissur begeben, wurde im Jahre 1855 von meinem Vater‘) entdeckt. Die zweite selbstständige Zellenanhäufung hat ihre Lagerung hauptsächlich in der Umgebung des Centralcanals oder besser ge- sagt des denseiben umgebenden faserlosen Gebietes und bezeichne ich sie daher mit Stieda°) als Centralgruppe. Sie findet sich, 1) Bochmann, a. a. O.p. 22. | 2) Stieda, a. a. O.p. 64. 8) Dr. Arnold Pick, Beiträge zur normalen und pathologischen Anatomie des Centralnervensystems. Archiv für Psychiatrie VII. 1878. p. 288. 4) Joseph v. Lenhossek, Neue Untersuchungen über den feineren Bau des Centralnervensystems des Menschen. Denkschriften der Wiener Aka- demie. X. 1855, p. 27. 5) Dr. Ludwig Stieda, Studien über das centrale Nervensystem der Wirbelthiere. Zeitschrift für wissensch. Zoologie. XX. 1870. p. 159. — Bei Kaninchen und Frosch scheinen die in Rede stehenden Zellen keine scharf umschriebene Gruppe zu bilden. Stieda fasst bei diesen daher, wohl etwas unconsequent, alle Nervenzellen nach Abzug der Vorderhornzellen als Central- gruppe zusammen. Am deutlichsten sah Stieda eine Centralgruppe im oben ausgeführten Sinne im Rückenmark des Huhnes und sagt er hierüber Folgen- des (Zeitschr. für wissensch. Zoologie. 19. p. 10): „Von der lateralen Gruppe verschieden ist eine andere Zellengruppe, welche in der Mitte des Central- theils der grauen Substanz seitlich vom Centralcanal bis an die Basis der 34 Dr. Michael v. Lenhossek: wie dieser Forscher überzeugend nachgewiesen hatte, bei vielen Wirbelthieren als geschlossene Gruppe in derselben Lagerung vor. Allerdings glaubte Stieda gerade für die Maus eine Ausnahme feststellen zu müssen, indem er angab, es sei bei diesem Thiere eine solehe Gruppe nicht scharf abzugrenzen, doch zeigen meine Untersuchungen, dass hier keine Ausnahme vorliege. Die Gruppe verdient den Namen einer centralen nicht nur vermöge ihrer Lage, sondern auch mit Rücksicht auf ihre Verbin- dungen, indem sie, wie wir sehen werden, ein wichtiges Bindeglied darstellt für Fasern fast aller Kategorien. Sie unterscheidet sich von den Vorderhorngruppen einmal durch ihre lockere Beschaffen- heit, indem sie aus viel weniger und in grösseren Distanzen von einander liegenden Zellen besteht, zweitens durch die geringere Grösse und zumeist spindelige Gestalt ihrer Elemente. Zu beiden Seiten des Centralcanals sieht man bei Karmin- färbung in allen Höhen des Rückenmarkes kleine Zellen, die sich in sagittaler Richtung beinahe von der Gegend der vorderen Com- missur bis zum medialen Ende der Rolando’schen Formation erstrecken. Es handelt sich hier um continuirliche Zellensäulen, die wohl nirgends ganz unterbrochen sind, deren einzelne Partieen aber je nach den Höhen des Rückenmarkes eine verschiedene Ent- wickelung zeigen; während nämlich einzelne Theile derselben hier und da beinahe ganz zu verschwinden scheinen, differenziren sich andere stellenweise zu selbstständigen Kernen. Solche sind z. B. die Stilling’schen Kerne, die sich also zur Centralgruppe verhalten wie Theile zum Ganzen. Schon Stieda!) hat sich über dieselben in ähnlichem Sinne geäussert. „Bei einigen Thieren — meint er — treten unter den Nervenzellen des Centraltheils einige zu wohl charakterisirten Gruppen oder Säulen zusammen, so bei Petromyzon Reissner’s grosse innere Zellen, so bei Säugern Stilling’s Dorsalkern und so fort.“ Bei ausgewachsenen Thieren wird man die Zellensäule auch bei Anwendung zellfärbender Methoden zwar erkennbar aber nicht besonders hervortretend zu sehen bekommen. Dies ist aber der Fall, Oberhörner reicht. Ich bezeiehne sie als die centrale Gruppe und halte sie dadurch für genügend gekennzeichnet, um sie der ebenso benannten Gruppe im Rückenmark der Knochenfische zu vergleichen.“ 1) Stieda, Zeitschr. f. wiss. Zoologie. XX, p. 159. Untersuchungen über die Entwickelung der Markscheiden etc. 85 wenn man gewisse Stadien der Markentwickelung untersucht. Schon bei 4—5 Tage alten Mäusen (Fig. 4 und5) sieht man annach Weigert gefärbten -‚Querschnitten einen seiner Lage nach dieser Zellgruppe entsprechenden Streifen. Derselbe ist in allen Höhen des Rücken- markes nachzuweisen und ist bedingt durch eine spärliche Quan- tität von Myeloidmasse, die sich in der Zwischensubstanz dieser Gruppe abgelagert findet. Ihre Nervenzellen sind um diese Zeit noch frei. Erst später, am 9.—11. Tage, in einer Periode, wo die Vorderhornzellen schon allmählich zu erbleichen begannen, unter- liegen auch diese einer myeloiden Metamorphose, wobei sie aber gar nie eine solche Ueberfüllung mit Körnern zeigen, wie die grossen motorischen Zellen, doch deutlich genug hervortreten, um die Gruppe als selbstständige zur Anschauung zu bringen. Aus dem Gesichtspunkte der Beschreibung ist die Gruppe in drei Theile zu sondern: in einen mittleren, einen vorderen und einen hinteren. Der mittlere Theil entspricht den Stilling’schen Kernen, von denen aber bei der Maus als geschlossene Gruppen nur die Dorsalkerne d. i. die Clarke’schen Säulen vorhanden sind. Die Clarke’schen Säulen zeigen bei unserem Thiere eine ziemlich starke Entwickelung und bilden ansehnliche, beiderseits hinter dem Centralkanal gelegene Haufen. Vom unteren Ende des Rückenmarkes bis zum oberen Theil des Lumbalmarkes sieht man an ihrer Stelle nur zerstreute spärliche Zellen, erst hier treten sie unter allmählicher Verschärfung ihrer Umrisse als distinete Zellen- anhäufungen in die Erscheinung, doch lassen sie sich in ihrer ab- gegrenzten Form nur eine verhältnissmässig kurze Strecke nach oben verfolgen, Allmählich schrumpfen sie nämlich zusammen und werden ihre Umrisse weniger deutlich und schon in der Mitte des Dorsaltheiles treten sie ganz zurück. Doch sieht man an ihrer Stelle auch in höheren Gegenden hin und wieder Zellen kleinerer, stellenweise auch grösserer Sorte, welche sich aber nirgends zu selbstständigen Gruppen zusammenfügen, sondern zerstreut, häufig auch in der Mittellinie hinter dem Centralcanale liegen. Die Lage der Clarke’chen Säulen ist hier nicht ganz dieselbe wie beim Menschen, und entspricht sonderbarer Weise exact jener, die Pick!) in einem Falle bei diesem beobachtet und als Abnor- 1) Dr. Arnold Pick, Ueber eine abnorme Lagerung der Clarke’schen Säulen im Rüchenmarke. Archiv für Psychiatrie. VI, 1877. p. 287. 86 Dr. Michael v. Lenhossek: mität besehrieben hatte. Während sie sich nämlich beim Menschen hinter der hinteren Commissur oder zumindest in einem Niveau mit derselben befinden, mithin sich also wenigstens mit einem Theile in die frei hervorstehende Partie des Hinterhorns erstrecken, dessen medialer, die Hinterstränge begrenzender Rand durch sie etwas ausgebuchtet erscheint, liegen sie bei der Maus mehr nach vorne (s. Fig. 6). Hier ist das hinter dem Centralcanale befind- liche Gebiet der grauen Substanz, also die hintere graue Com- missur verhältnissmässig breiter als beim Menschen und in diesem Felde, stets nach vorne von der hinteren Fasercommissur finden sich die beiden Kerne. Sie sind von rundlicher Form; ihre nicht besonders zahlreichen Zellen sind spindelig mit sagittaler Längs- axe, doch kommen zuweilen auch unregelmässsig geformte, viel- strahlige zur Beobachtung. Laura’s!) Angabe von den in der Richtung der Seitenstränge abgehenden Axengliederfortsätzen lässt sich nicht bestätigen. Der vordere Theil bildet einen Balken, der von den Qlar- ke’schen Säulen an fast bis zur Querebene der vorderen Com- missur reicht. Allerdings handelt es sich hier allenthalben nur um zerstreute, sehr spärliche Zellen, die zumeist von geringer, nur selten von ansehnlicher Grösse sind. Sie sind im Lumbaltheil wenig entwickelt, im mittleren und oberen Dorsaltheil am stärk- sten, im Cervicalmark wieder schwächer vertreten. Die seitliche Begrenzung der Gruppe ist nicht überall scharf, indem einzelne, sewöhnlich grössere Zellen derselben seitwärts weit in die graue Substanz hinein reichen. Viele sind von unregelmässig-polykloner Gestalt mit nach aussen gehendem Fortsatz, während andere sagit- tal-spindelförmig erscheinen. Ihr Zellkörper unterliegt etwas später der myeloiden Metamorphose als die Elemente der Clarke ’schen Säulen; sie heben sich erst bei lltägigen Mäusen durch dunkle Färbung deutlicher hervor. Die hinterste Gruppe der Centralsäule hat ihren Sitz im medialsten und hintersten Theil der Hinterhörner unmittelbar vor der Rolando’schen Substanz, bildet vor dem medialsten Ab- schnitt der letzteren einen stärkeren Haufen, zieht aber auch seit- 1) G. B. Laura, Sull’ origine reale dei nervi spinali e di qualche nervo cerebrale. Memorie della Reale Accademia delle scienze die Torino. Ser. II. T. 31, 1878. Citirt nach Schwalbe. Untersuchungen über die Entwickelung der Markscheiden etc. 87 wärts eine Strecke vor letzterer hin. Das Hauptgebiet der Gruppe befindet sich in der oberen Hälfte des Lumbalmarkes, hier wird der mediale Rand der Hinterhörmer durch die hier ansehnliche Anhäufung sogar etwas hervorgewölbt. Sie tritt bei jungen Thieren namentlich in ihrem medialen Theile durch die bräunliche Färbung ihrer Grundsubstanz ziemlich abgegrenzt hervor und eigenthüm- licher Weise erhält sich mitunter diese Färbung bei Anwendung der Weigert’schen Hämatoxylin-Methode, allerdings in viel schwä- cherer Weise, auch im entwickelten Zustande, was am schönsten in den Burdach’schen Kernen zu sehen ist, die wie dies auf fort- laufenden Schnitten erkannt wird und schon aus ihrer Lage er- hellt, nichts als stärker entwickelte Theile der in Rede stehenden Gruppe darstellen. Wir dürfen daher annehmen, es bleibe hier jene myeloide Veränderung constant, ohne, wie in anderen Bezirken der grauen Substanz, ganz regressiv zu werden. Dafür aber konnte ich kein Stadium finden, wo die hier befindlichen Zellen selbst mit Myeloidkörnern beladen waren. Karminisirte Schnitte lassen hier äusserst kleine, multipolare Zellen erkennen. Im Allgemeinen ist die Gruppe nicht scharf umrandet und hängt nach vorn conti- nuirlich zusammen mit dem mittleren Theil der Centralgruppe. Damit hätten wir nun die zwei wichtigeren Zellkategorien der grauen Substanz beschrieben. Die dritte Kategorie wird re- präsentirt durch jene zerstreuten Elemente, die sich in sehr spär- licher Zahl in den Hinterhörnern vorfinden und als „solitäre Nervenzellen der Hinterhörner“ aufgeführt werden. Sie sind sehr klein und lässt sich die Richtung ihrer Nervenfortsätze nicht bestimmen. Sie scheinen die Eigenschaft der myeloiden Metamorphose nieht mit den anderen Nervenzellen zu theilen, jeden- falls geht dieses Stadium, falls es auch vorhanden, sehr schnell vorüber. An allen Punkten der grauen Substanz, mit Ausnahme des centralen Gebietes (Substantia gelatinosa centralis), lässt sich ein von ungemein zarten und dennoch wie es scheint markhaltigen Fasern gebildetes Netz nachweisen. Dasselbe ist besonders dicht in den Vorderhörnern, deren hintere Grenze an manchen nach Weigert gefärbten Präparaten sich eben dadurch zu erkennen giebt. Hiedurch treten die Vorderhörner gewissermaassen als selbst- ständige, in das Rückenmark gebettete Ganglien hervor, die, wie ich nicht umhin kann zu bemerken, in ihrer Anordnung eine ge- 88 Dr. Michael v. Lenhossek: wisse Aehnlichkeit mit den Ganglien wirbelloser Thiere erkennen lassen. Nach vorne, sozusagen unter Bildung eines peripherischen Mantels, finden sich die grossen motorischen Zellen, die einerseits nach aussen direct Nervenfasern (Vorderwurzeln) den Ursprung geben, in der anderen Richtung hingegen durch die Verästelung ihrer Protoplasmafortsätze die Bildung eines Nervennetzes veran- lassen, welches der Leydig’schen fibrillären Punktsubstanz?) oder Haller’s centralem Nervennetz?) niederer Thierformen entsprechen würde und welchem ebenfalls zahlreiche Nervenfasern entstammen, und zwar, wie wir sehen werden, hauptsächlich diejenigen der Hinterwurzeln und der vorderen Commissur. Wenn auch die Un- tersuchungen G olgi’s betreffs der motorischen Zellen zu einer solehen Annahme nicht berechtigen, so glaube ich mich doch auf Grund meiner Beobachtung und namentlich mit Rücksicht auf jene vielen in diesem Netzwerk sich verlierenden Nervenfasern für einen solehen zweifachen Ursprung der Fasern aussprechen zu dürfen, weleher auch aus den schönen, an Ringelwürmern angestellten Untersuchungen meines Landsmannes B. Haller als ein Verhalten von allgemeiner Giltigkeit und Tragweite sich ergiebt. Innerhalb der Hinterhörner erscheint das Netzwerk etwas lockerer. Unmittelbar vor der Rolando’schen Formation findet sich aber wieder ein schmales Gebiet mit engerem Fasernetze. Sehliesslich noch einige Worte über die Deutung der Myeloid- körnchen. Unzweifelhaft handelt es sich hier um eine Metamor- phose des Protoplasma’s der Nervenzellen und auch der Grund- substanz. Dass sich die Veränderung auch in letzterer einstellt, kann uns nicht Wunder nehmen, da es in letzterer Zeit zu einer über allen Zweifel erhobene Thatsache geworden ist, dass sich die Neuroglia des Rückenmarkes entwickelungsgeschichtlich ebenfalls nur aus ectodermalen, aber indifferenten Zellen zusammensetzt. Ich meine, dass hier Vorgänge vorliegen, welche als Einleitung dienen zur Markentwickelung in den, aus den betreffenden Zellen entspringenden Fasern. Eine hiefür sprechende zeitliche Congruenz lässt sich in der That nachweisen, am schönsten für die grossen ie. 1) Dr. Franz Leydig, Vom Bau des thierischen Körpers. Handbuch der vergleichenden Anatomie. Bd. I. Tübingen 1868. 2) Böla Haller, Ueber die sogenannte Leydig’sche Punktsubstanz im centralen Nervensystem. Morphologisches Jahrbuch. XII. 1886. p. 3. ee Untersuchungen über die Entwickelung der Markscheiden etc. 89 Vorderhornzellen, die ebenso wie die Vorderwurzeln, zuerst diese Metamorphose erkennen lassen, vom 3. Tage an allmählich in grösserer Zahl hervortreten, zuerst nur einige, dann mehr und mehr, vom 9. Tage an, wo die Vorderwurzeln bereits so gut wie ganz myelinhaltig sind, sich alle dunkel färben, vom 11. Tage an aber langsam einer Erbleichung unterliegen. Jedenfalls verdiente die Sache zum Gegenstand einer sorgfältigen histologischen Untersuchung gemacht zu werden. III. Weisse Substanz im Allgemeinen und Faserkaliber. Der Verlauf der Nervenfasern im Rückenmarke der Maus ist an sich durehaus nicht einfacher als in demjenigen des Menschen. Das, was die Sache einigermaassen vereinfacht, ist der Umstand, dass eine jede Fasersorte durch verhältnissmässig weniger Fasern repräsentirt wird. Ich unterlasse es, ein Gesammtbild des Verlaufs der auf einem Rückenmarksquerschnitte sich darstellenden Fasern zu entwerfen. Wir werden die einzelnen Faserkategorien der Reihe nach durch- nehmen und ihren Verlauf, wie er sich auf Grund der Markschei- denentwickelung ergiebt, einzeln festzustellen suchen. Doch glaube ich hier zunächst einige Angaben über die Kaliber und die Dich- tigkeitsverhältnisse der im Markmantel vorhandenen Fasersorten nicht vorenthalten zu sollen. Es zeigen sich hier Differenzen, die im Ganzen übereinstimmen mit jenen, die in dieser Hinsicht einerseits beim Menschen, anderer- seits bei niedrigeren Wirbelthieren, namentlich beim Frosch gefun- den wurden nnd scheinen hier Gesetze von allgemeiner Bedeutung Geltung zu haben, ebenso wie in den Verhältnissen der Markschei- denentwickelung. Die stärksten Fasern finden sich im Vorderstrang und zwar in der peripheren Zone desselben. Die auffallende Breite (8— 12) dieser Fasern ist lediglich bedingt durch ihre starken Axen- glieder. Sie bilden ein Bündel, das man mit Köppen!) als „Gross- faserbündel“ bezeichnen könnte. Dasselbe ist am breitesten zu beiden Seiten der vorderen Fissur, namentlich in der medialen Ecke der Vorderstränge, woselbstsich zugleich die stärksten Elementefinden, nach aussen setzt es sich — stets an der Peripherie liegend — 1) Köppen, a. a. O. p. 4. 90 Dr. Michael v. Lenhossek: durch die Vorderstränge hindurch in das Gebiet der Seitenstränge fort, um etwas vor der Querebene des Centralcanals, nachdem es sich allmählich verschmälert hatte, zu enden. Es besteht aber: nieht ausschliesslich aus dieksten Fasern, vielmehr «finden sich zwischen diesen auch solche dünneren Kalibers. Das Bündel ist etwas lockerer gebaut, als die Innenzone der Vorderstränge, daher es auch an Präparaten, die nach Weigert gefärbt sind, etwas heller erscheint als letztere. Die Innenzone der Vorderstränge enthält feinere Fasern, die aber eine dichtere Anordnung erkennen lassen, so dass sich diese Zone mit schwächeren Vergrösserungen betrachtet von der äusseren etwas abhebt. Nur in dem Gebiete zwischen den Vorderhörnern, namentlich unmittelbar vor der vorderen Commissur, ist ihr Gefüge etwas schütterer. | In den Seitensträngen lassen sich mit Rücksicht auf die Faser- kaliber, abgesehen von der sich hierher erstreckenden Partie des Grossfaserbündels, zwei Gebiete unterscheiden. Eine breite Aussen- zone beherbergt durchweg mittelstarke Elemente, der innere Ab- schnitt wird zum grössten Theile von feinen, in seiner innersten, die Einsenkung zwischen Vorder- und Hinterhorn einnehmende Partie aber von Fasern zusammengesetzt, die sehr locker angeord- net sind und zu den feinsten gehören. Diese „Grenzschicht der grauen Substanz“ setzt sich nach hinten fort in ein Gebiet, welches vielleieht noch dünnere Elemente führt: es ist dies die schon oben angeführte „spongiöse Zone der Seitenstränge“. Von beiden Faserbezirken nicht scharf geschieden und ebenfalls durch sehr schmale Elemente ausgezeichnet sind jene vor der Rolando’schen Formation befindlichen Gruppen longitudinal verlaufender Faser- bündel, die von Kölliker!) als „longitudinale Bündel der Hinter- hörner“ bezeichnet worden sind und die bei unserem Thiere eine ansehnliche Entwickelung erkennen lassen. In den Hintersträngen begegnet man Fasern sehr verschiedenen Kalibers. Die Goll’schen Stränge werden der Hauptsache nach von Fasern eonstituirt, die hinsichtlich ihrer Breite mit jenen der Innen- zone der Vorderstränge übereinstimmen und sehr dicht gedrängt liegen. Dasjenige aber, was in diesen Bündeln hauptsächlich auf- 1) A. Kölliker, Handbuch der Gewebelehre des Menschen. 5. Auflage. Leipzig 1867. p. 262. Untersuchungen über die Entwickelung der Markscheiden etc. 9 fällt, ist der Umstand, dass sich in ihrem vorderen Theile hin und wieder auch Fasern von ansehnlicher Dicke finden, welche sich fast an die Elemente des Grossfaserbündels anschliessen. Die Burdach’schen Stränge führen mittelstarke Fasern, die aber von lockerer Anordnung sind ; ihre den Goll’schen Strängen anliegende Zone erscheint noch etwas dichter als die äussere. Der vorderste Theil der Hinterstränge wird bei der Maus in Anspruch genommen durch zwei Bündel, die sich, wie wir sehen werden, sowohl durch ihren Zusammenhang mit den Pyramiden der Oblongata wie auf Grund der Markscheidenentwickelung mit Sicherheit als die Pyramidenstränge zu erkennen geben. Die Bündel enthalten sehr feine und ungemein dicht gelagerte Fasern. Wenn auch eine scharfe Abgrenzung derselben gegen die benachbarten Burdach’schen und Goll’schen Stränge durch die Verschiedenheit der Faserkaliber und der Dichtigkeit nicht gegeben ist, so lässt sich diese Grenze doch mit einiger Wahrscheinlichkeit erkennen. So treten auf den naturgetreuen Zeichnungen, die Boehmann seiner Dissertation beigab (Fig. I. II) die Pyramidenbahnen gegen die übrigen Bestandtheile der Hinterstränge recht gut hervor, ob- wohl Bochmann jene als selbstständige Stränge nicht erkannt hatte, und nur soviel erwähnt, dass „im Hinterstrang der untere Theil nur von feinen Fasern gebildet werde.“ Eine weitere Be- obachtung Bochmann’s, die ich ebenfalls constatiren kann, ist, dass die Fasern der Pyramidenstränge sehr schwache, kaum be- merkbare Myelinscheiden besitzen. Stellt man nun die verschiedenen Theile der weissen Sub- stanz mit Rücksicht auf ihre Faserkaliber zusammen, so erhält man folgende Reihenfolge, wobei die stärksten Fasern den Anfang machen: 1) Aussenzone der Vorderstränge. 2) Zerstreute starke Fasern der Goll’schen Stränge. 3) Burdach’sche Stränge. 4) Aussenzone der Seitenstränge. 5) ac der Vorderstränge und Seitenstränge. Goll’sche Stränge. Pyramidenstränge. Seitliche Grenzschicht der grauen Substanz. Gelatinöse Zone der Seitenstränge. Längsbündel der Hinterhörner. 92 Dr. Michael v. Lenhossek: Wenn wir nun die hier dargelegten Ergebnisse mit jenen Angaben vergleichen, die in dieser Beziehung für andere Thiere und für den Menschen mitgetheilt worden sind, so begegnen wir zu- nächst in Bezug auf den Frosch grossen Analogien. Bei diesem Thiere befinden sich laut Köppen’s Untersuchungen?) die stärk- sten Fasern im Vorderstrang, unmittelbar neben der vorderen Fis- sur („Grossfaserbündel“). Die Seitenstränge enthalten Fasern von kleinerem Kaliber, die Hinterstränge solche von mittelmässiger Dicke. Dies würde also im Ganzen übereinstimmen mit dem, was wir bei der Maus fanden. Die feinsten Fasern finden sich auch hier in den Seitensträngen, die Hinterstränge enthalten ebenfalls — abgesehen von den Pyramidenbündeln, die bei dem Frosche ohnehin noch nicht nachgewiesen sind und eventuell eine Bahn darstellen, die diesem T'hiere überhaupt nicht zukommt oder an- derswo als im Hinterstrang verläuft — zumeist Fasern von mittel- mässiger Breite. Die grösste Analogie besteht aber in Betreff des Grossfaserbündels in den Vordersträngen; es handelt sich hier höchst wahrscheinlich um systematisch gleichwerthige Fasergruppen. Bezüglich des Menschen sind die in Rede stehenden Verhält- nisse geschildert worden von Deiters und namentlich in sehr einlässlicher Weise von Flechsig. Ersterer äussert sich hierüber folgendermaassen!): „Die Fasern der Vorder- und der grössten Masse der Seitenstränge gehören fast durchweg zu den breitesten, die überhaupt vorkommen. Im inneren Winkel der Seitenstränge, an der Stelle, wo Vorderhorn und Hinter- horn an einander stossen, liegen sehr schmale Bündel. Die Fasern der Pyramiden zeichnen sich durch sehr auffallende Schmalheit aus.“ Des Weiteren p. 127: „Vorderstränge durch die breitesten Primitivbündel ausgezeichnet, zum grössten Theil aus solchen be- stehend. Diejenigen Fasern der Seitenstränge, welche innen und gewissermaassen in der grauen Substanz liegen und sich unmittel- bar an die Clarke’schen aufsteigenden Colonnen anreihen, sind schmal. Die grösste Gleichmässigkeit der breiten Bündel findet man mehr gegen die Peripherie hin, während sie ganz nahe der Peripherie durch schmale Züge durchsetzt erscheinen. Die Goll- schen Stränge sind durch bedeutende Schmalheit und Gleichmässig- keit ihrer Fasern ausgezeichnet.“ 1),Deiters,a.@.0. p. 11% Untersuchungen über.die Entwickelung der Markscheiden ete. 93 Flechsig!) unterscheidet 4 Kategorien von Nervenfasern: starke, mittelstarke, feine und feinste. Von grossem Interesse ist zunächst das, was er über die Grundbündel der Vorderstränge sagt, die natürlich bei der Maus den ganzen Vordersträngen ent- sprechen: „In der Nähe der vorderen Wurzelfasern, beziehentlich längs der Peripherie treten Elemente auf, welche alle übrigen der weissen Substanz an Querschnitt übertreffen... .... Der grösste Theil enthält mittelstarke Fasern.“ Ferner, p. 307: „Im Vorder- stranggrundbündel findet sich eine grosse Anzahl starker Fasern zwischen mittelstarken und feinsten; die Ersteren treten insbeson- dere in dem zwischen vorderer Rückenmarksfläche und Innenfläche der vorderen Längsfissur gelegenen Winkel beziehentlich in dem an die Pyramidenvorderstrangbahn anstossenden Rayor auf.“ „Im oberen Halsmark kann man besonders bei Kindern im ersten Lebensjahre mit Rücksicht auf das Faserkaliber zwei Abschnitte unterscheiden, einen der grauen Substanz unmittelbar benachbarten und einen zweiten, jenen concentrisch umgebenden.“ In Betreff der übrigen Stränge giebt Flechsig Folgendes an: Von den Bestandtheilen der Seitenstränge besteht die Kleinhirn- seitenstrangbahn aus sehr starken, die vordere gemischte Seiten- strangzone aus „einer Mischung starker, mittelstarker, feiner und feinster Fasern“, die je nach Höhen verschieden vertheilt sind, die seitliche Grenzschicht der grauen Substanz aus feinen und feinsten, der Pyramidenseitenstrangbahn aus mittelstarken, starken und feinen Fasern. — In den Hintersträngen zeichnen sich die Goll’schen Stränge „durch gleichmässiges feines Kaliber aus.“ Der übrige Theil derselben führt ‚starke, mittelstarke, feine, nur ganz verein- zelt feinste Fasern.“ Ueberbliekt man nun diese Angaben, so wird man zunächst betreffs der peripheren Vorderstrangzone namentlich in Flechsig's Mittheilungen Anklänge finden an die Verhältnisse, die in dieser Beziehung bei der Maus sowie bei dem Frosche sich feststellen lassen. Die stärksten Elemente liegen ebenfalls saumartig ange- ordnet im peripheren Abschnitt der Vorderstränge, und Flechsig scheint geneigt zu sein, mit Rücksicht auf das Faserkaliber eine ähnliche Eintheilung der Vorderstränge vorzunehmen, wie wir sie bei der Maus durchzuführen Veranlassung fanden. Die feinen Fasern 1) Flechsig, a. a. O. p. 163. 94 Dr. Michael v. Lenhossek: der Grenzschicht (Deiters, Flechsig) treffen auch zu, auch hinsichtlich der „gemischten Seitenstrangzone‘‘ scheinen keine we- sentlichen Differenzen vorzuliegen, dasjenige aber, was bei unserem Untersuchungsthier auffällt, ist der vollkommene Mangel eines „dickfaserigen zonalen Seitenstrangbündels“, d. i. einer Pyramiden- seitenstrangbahn. Im Hinterstrang begegnen wir wieder analogen Verhältnissen: die Gollschen Stränge führen hier wie dort feine, die Burdach- schen mittelstarke Fasern, nur gehen dem Menschen, wie es scheint, jene bei der Maus innerhalb der Goll’schen Stränge zerstreut anzutreffenden auffallend breiten Fasern ab. Bezüglich der Pyra- midenbahnen kann ich auch keine grössere Differenz zugeben. Flechsig lässt sie zwar aus einem Gemisch mittelstarker und starker Fasern bestehen, doch finde ich bei speciell auf dieseu Punkt gerichteten Untersuchungen, dass diese Stränge im Rückenmarke des Menschen eher von feinen, allerdings aber sehr gedrängt liegenden Elementen gebildet werden. Mithin sind also auch in Betreff dieser anologe Verhältnisse vorhanden. IV. Vorderwurzeln. Die Vorwurzeln enthalten durchweg starke Fasern und werden früher markhaltig als die Hinterwurzeln. Sie gehören zu den zu- erst markhaltig werdenden Elementen des Rückenmarkes. Im Allgemeinen lässt sich constatiren, dass in allen Theilen der weissen Substanz die starken Fasern sich früher mit Mark umhüllen, als die schwächeren. Die Zeit des Auftretens der Myelin- scheiden in den Nervenfasern ist abhängig von der Breite ihrer Axenglieder. Zieht man nun den von Flechsig!) nachgewiesenen Satz in Betracht, dass zwischen der Markscheidenbildung und der ersten, embryonalen Entwickelung der Fasern ein Zusammenhang bestehe, derart, dass die in ihrer ersten Anlage früher entstehenden Fasern auch früher myelinhaltig werden, so ergiebt sich aus der Vergleichung beider ein dritter Satz: dassnämlich grosseBreite der Nervenfasern auf eine frühe Entstehung hinweist. Schon am 3.—4. Tage findet man in den motorischen Wurzeln zahlreiche markhaltige Fasern. Da um diese Zeit abgesehen voneinigen Fasern der Vorderstränge sowie der vorderen Commissur noch 1) Flechsig, a. a. O. p. 190 sg. a wa BI Untersuchungen über die Entwickelung der Markscheiden etc. 9 Alles marklos erscheint, hebt sich ihr Verlauf in überaus plastischer Weise hervor. Man sieht sehr deutlich, wie die starken schwarzen Fasern — gewöhnlich in 2—4 Bündel gespalten — schief nach hinten und etwas medianwärts durch den beinahe noch ganz mark- losen Vorderstrang ziehen, um zwischen den um diese Zeit zum Theile sehon ebenfalls dunkel gefärbten Zellen der Vorderhorn- hauptgruppe auszustrahlen. Ihr Verlauf lässt in verschiedenen Höhen des Rückenmarkes nur sehr unbedeutende Differenzen er- kennen. Von der Eintrittsstelle bis zum Rande der grauen Sub- stanz ist er überall derselbe; während im Dorsal- und oberen Cervicaltheil aber die Fasern die gleich in der Spitze der Vorder- hörner gelegenen Nervenzellen sogleich erreichen, müssen sie in der Lumbal- und Cervicalanschwellung, um zu der mehr lateral gelegenen Hauptgruppe zu gelangen, innerhalb der Vorderhörner sich winkelig nach aussen umbiegen, und in dieser Richtung eine kurze Strecke weiter ziehen. Es kommt so also zur Bildung eines Kniees, welches beim Menschen noch viel ausgesprochener erscheint. Während im Lendentheil die Commissurenzellen Fasern aus den Vorderwurzeln nicht erhalten, lassen sich im Halsmark einige solehe unzweifelhaft zu den am lateralsten gelegenen Zellen dieser Gruppe verfolgen. Direct zur vorderen Commissur läuft keine motorische Nerven- faser; letztere enthält um diese Zeit schon allerdings markhaltige Elemente, doch liegt zwischen Vorderwurzeln und vorderer Com- missur ein breiter faserloser Zwischenraum, so dass ein Zusammen- hang ausgeschlossen erscheint. Bei 6—9tägigen Mäusen hat die Zahl der markhaltigen Fasern in den Vorderwurzeln zugenommen, doch sind letztere noch immer nicht ganz markweiss; erst am 11. Tage findet man sie ganz mark- haltig. Ihr Verlauf innerhalb der grauen Substanz ist um diese Zeit noch immer sehr deutlich zu erkennen, da das Fasernetz der Vorderhörner erst in späterer Zeit hervortritt. Das, was sich auf diesen Präparaten hinsichtlich ihres Verlaufes ergiebt, ist immer nur dasselbe: ein direeter Ursprung aus den Hauptzellen und im Cervicaltheil auch aus den lateralsten Zellen der Commissurengruppe. Letztere scheint also im Halsmark ein Gemisch zu sein von echten Commissurenzellen und medial gerückten Vorderwurzelzellen. Zur vorderen Commissur ziehen Fasern nicht. Bei Exemplaren, die in der Entwickelung weiter fortgeschritten 96 Dr. Michael v. Lenhossek: sind, wird die Deutlichkeit des Bildes durch viele andere Fasern und namentlich durch das Erscheinen des Fasernetzes gestört, so dass man durchaus nichts mehr als das Mitgetheilte zu erweisen vermag. Sehr schwierig ist die Entscheidung, ob in den Längsfasern der Vorderstränge nicht auch Wurzelfasern vertreten seien. Da die Elemente der Vorderstränge zum guten Theile durch die vor- dere Commissur hindurch sich auf die andere Seite begeben, so würde auf diesem Wege doch eine Verbindung von Vorderwurzel- fasern mit Nervenzellen der anderen Seite stattfinden. Auf Grund meiner Erfahrungen kann ich ein solches Verhalten in der That für wahrscheinlich erklären; allem Anscheine nach sind in der äusseren Zone der Vorderstränge Wurzelfasern enthalten. Ich werde noch bei Besprechung der Vorderstränge auf diese Frage näher einzugehen haben. Wenn Stieda!) einen Ursprung der Vorderwurzeln auch aus den centralen Nervenzellen derselben Seite als ein allgemeines Verhalten angiebt, so muss ich ihm hinsichtlich der Maus ent- schieden widersprechen. Die Zellen der Centralgruppe haben keine Beziehung zu den gleichseitigen Vorderwurzeln. Ebensowenig finde ich eine Betheiligung der Vorderwurzeln ander Bildung der Seitenstränge, wiedies Boehmann?), Kölliker?) und Flechsig*) behauptet hatten. V. Vordere Commissur. Sehon im Rückenmarke neugeborener Mäuse finden sich mit- unter markhaltige Nervenfäden innerhalb der vorderen Commissur, doch da die Thiere bei ihrer Geburt nicht gleich entwickelt sind, werden solche Fasern oft vermisst. Am 3. Tage lassen sie sich schon in grösserer Zahl nachweisen; man sieht ziemlich starke, varieöse Fäden, die in weiten Abständen von einander schief von vorn, geradeaus von seitwärts und schief von hinten zur Commissur ziehen; äusserst selten kommen auch in sagittaler Richtung von hinten kommende zur Beobachtung. Sie haben einen ganz kurzen 1) Stieda, Zeitschr. für wissensch. Zoologie. XX. p. 159. 2) Bochmann, a. a. O. p. 23. 3) Kölliker, a. a. O. p. 262. 4) Flechsig, a. a. ©. p. 304. Untersuchungen über die Entwickelung der Markscheiden etc. 97 Verlauf und erscheinen erst unmittelbar im Rayon der Commissur. Die vordersten beschreiben nach vorne concave Bogen, die übrigen lassen einen mehr gestreckten Verlauf erkennen. Vorne kreuzen sie sich alle, wobei sie je nach ihrer Provenienz verschiedene Winkel mit einander bilden, und gehen in den Vorderstrang über und zwar ausschliesslich in die um diese Zeit schon z. Th. markhaltige peri- phere Zone desselben, wobei sie eine ganz kurze Strecke, sich hart an die vordere Fissur haltend, nach vorn ziehen und dann erst in die Längsrichtung umbiegen. Am 6. Tage ist die Zahl dieser dunkeln Fasern eine grössere und erscheinen auch einige sagittale Fasern, die vom vorderen Theil der centralen grauen Substanz herzukommen scheinen. Untersucht man das Rückenmark einer 9—11tägigen Maus, so wird man bedeutende Fortschritte wahrnehmen. Einmal ist die ganze vordere Commissur viel dichter geworden, dann aber, was von Interesse ist, treten ihre Fasern nicht mehr erst in der Nähe der Commissur in die Erscheinung, sondern lassen sich weiter ver- folgen namentlich in die centralen Gebiete der Vorderhörner, ja einige bis zwischen die Zellen der Hauptgruppe. Das Verlaufsbild dieser, den Haupttheil der Commissur bil- denden Fasern ist demnach ein folgendes: sie entspringen mit in weiten Abständen liegenden Fasern aus dem Vorderhorn und zwar sowohl aus dem Fasernetz wie aus den Zellen selbst, gehen dann unter Bildung weiter, nach vorn concaver Bogen, allmählich sich concentrirend, zur Commissur, kreuzen sich in derselben und treten in den gekreuzten Vorderstrang. Jene Fasern, die im Zeitraum von 6—11 Tagen markhaltigwerden, gehen der Hauptsache nach in die In- nenzone der Vorderstränge über, schlagen hier eine longitudinale Rich- tung ein, nachdem sie aber, wie wir noch sehen werden, kürzere oder längere Strecken als horizontal-schiefe Fasern bogenförmig verliefen. In zwei Fällen gelang es mir, je eine Faser wahrzunehmen, die, nachdem sie die Commissur in gewöhnlicher Weise traversirt hatte, sich nicht in den Vorderstrang, sondern mitten in das Vor- derhorn der anderen Seite hinein begab. Die Vorderhörner bilden indess nur eine Ursprungsstätte der Commissurenfasern. Ein allerdings sehr viel geringerer, immerhin aber erwähnenswerther Theil derselben entspringt aus jenen An- häufungen grauer Substanz, die wir als Centralgruppe zusammen- gefasst haben. Einige unter ihnen kommen vom hintersten Theil Archiv f, mikrosk, Anatomie. Bd. 33, 7 98 Dr. Michael v. Lenhossek: dieser Zellensäule: diese Fasern sind es, die, wie ich glaube, zur Annahme einer Betheiligung von Hinterwurzelfasern an der Bildung der vorderen Commissur Anlass gaben. Obwohl eine solche Betheiligung auch von Bochmann angegeben wird, der den Ver- lauf der Hinterwurzelfasern bei der Maus sonst sehr zutreffend schildert, so dass seine Angaben. jedenfalls Beachtung verdienen, und obwohl bis in die letzte Zeit hinein ähnliche Mittheilungen sowohl für verschiedene Thiere wie auch für den Menschen gemacht worden sind, so glaube ich doch auf Grund meiner Beobachtungen mich gegen einen solchen Verlauf von Hinterwurzelfasern aus- sprechen zu sollen. Nie gelang es mir direet Fasern aus den Hinterwurzeln zur vorderen Commissur zu verfolgen, sondern immer nur solche bis zur centralen grauen Substanz und weiterhin Fasern aus dieser zur Commissur, so dass ich annehmen muss, es bilde diese Anhäufung ein Internodium zwischen beiden Fasersorten. Von allen Elementen, die in der vorderen Commissur ver- laufen, werden zuletzt markhaltig die Fortsätze der Commissuren- zellen. Zwar findet man schon in einer sehr frühen Periode, vom 3.—4. Tage an feine Myeloidkörnchen in ihnen, ohne dass diese aber zu einer ausgesprochenen Markscheide zusammenfliessen wür- den. Erst am 12. Tage fand ich sie myelinhaltig. Hinsichtlich der weiteren Schicksale dieser Ausläufer wäre zwar die Annahme sehr plausibel, dass es sich um Vorderwurzel- fasern der anderen Seite handle, allein eben das späte Auftreten ihrer Myelinscheiden lässt mich — in Anbetracht der frühen Mark- entwickelung innerhalb der Vorderwurzeln — vorläufig gegen eine solche Annahme Stellung nehmen. Fasern, die analoge Zellen der beiden Rückenmarkshälften in einfach querer Weise verbinden, kommen der Commissur nicht zu; sie enthält ausschliesslich Kreuzungsfasern. Damit ist natürlich nicht gesagt, dass sie nicht zum Theile aus eigentlichen Commis- surenfasern bestehe, nur ist der Verlauf dieser nicht ein so einfacher. VI. Vorderstrang. Der Vorderstrang der Maus zeichnet sich ebenfalls dadurch aus, dass man schon im ersten Stadium der Markentwickelung myelinhaltige Fasern in ihm findet. Er besteht aus zwei distine- ten Zonen: einer peripherischen und einer Innenzone. Wir sahen, dass diese Sonderung schon gegeben ist durch die Verschiedenheit Untersuchungen über die Entwickelung der Markscheiden etc. 99 der Faserkaliber, indem in der Aussenzone auffallend viel starke, in der inneren ‘nur feinere Fasern enthalten sind. Auch durch ihre verschiedene Dichtigkeit unterscheiden sich die beiden Zonen, jene ist nämlich etwas lockerer, diese dichter gebaut. Alle diese Merkmale sind indess nicht markant genug, um eine deutliche Abgrenzung zu bedingen. In ungemein scharfer Weise wird aber eine solehe ermöglicht durch die Verhältnisse der Markentwickelung. Die Aussenzone wird viel früher markweiss als die Innenzone. Schon im Rückenmarke einer Stägigen Maus gewahrt man in ersterer zahlreiche zerstreute markhaltige Elemente, doch tritt die Zone in scharf abgeschlossener Gestalt erst am 6. Tage in die Erscheinung, um welche Zeit man sie zum guten Theile markhaltig findet, während in der Innenzone solche Fasern nur in spärlicher Zahl nachzuweisen sind. Allein ganz fertig kann sie auch in dieser Zeit nicht genannt werden, vielmehr lässt sie bis zum 14. Tage eine bedeutende Zunahme an markhaltigen Elementen erkennen. Das Gebiet der Aussenzone hat eine sehr charakteristische Gestalt. Sie fängt unmittelbar vor der vorderen Commissur zuge- _ spitzt an, zieht nun, allmählich breiter werdend, längs der vorderen Fissur nach vorn, um in der medialen Ecke der Vorderstränge ihre grösste Breite zu erreichen, wendet sich nun nach aussen und läuft durch den ganzen Vorderstrang hindurch, immer peripherisch liegend, in das Gebiet des Seitenstranges hinein, innerhalb dessen es — nachdem es sich allmählich sichelförmig verschmälert hatte — fast bis zur Querebene des Centralcanales zu verfolgen ist. Dass es sich hier um eine ‚„‚kurze Bahn“ handelt, erhellt aus dem Um- stande, dass das Bündel in den Intumescenzen breiter erscheint, zwischen denselben abnimmt. Es ist sehr schwierig, in Betreff des Ursprunges der diese Zone zusammensetzenden Fasern zu einem abschliessenden Urtheile zu gelangen. Jedenfalls wird man eine verschiedene Bedeutung derselben zugeben müssen. Untersucht man das Rückenmark einer Maus vom 3. Tage, so wird man, wie erwähnt, zahlreiche myelin- haltige Fasern in der Aussenzone finden, die in einer Richtung unzweifelhaft alle aus der vorderen Commissur herkommen, deren Schicksale aber in der anderen Richtung sehr schwer zu eruiren sind. Es wären, da die Fasern aus erwähnten Gründen nicht als lange, bis in das Gehirn hinauf ziehende Elemente in Anspruch 100 Dr. Michael v. Lenhossek: genommen werden können, zwei Annahmen denkbar: ein Ursprung dieser Fasern aus dem Vorderhorn oder aber aus den Vorderwur- zeln derselben Seite. In Betreff der ersten Annahme ist ausdrück- lich hervorzuheben, dass in diesem Stadium keine einzige Verbin- dungsfaser zwischen Aussenzone und Vorderhorn nachzuweisen ist. Somit bleibt also nichts anderes übrig, als die zweite für die zu- treffende zu halten, derzufolge longitudinale Vorderwurzelfasern vorliegen, wobei man aber annehmen muss, es erfolge ihre Um- lenkung in die Längsrichtung so plötzlich, so ganz ohne Ueber- gänge, dass sich hierher gehörige direete Beobachtungen nicht bei- bringen lassen. Auch die Verhältnisse der Faserkaliber sprechen hiefür, indem sich in dieser Beziehung. die Elemente dieses ‚‚Gross- faserbündels* ganz an diejenigen der Vorderwurzeln anschliessen. Es wäre also durch diese Fasern eine Verbindung hergestellt zwi- schen Vorderwurzeln der einen und grauer Substanz (hauptsäch- lich Vorderhornnetz, ausserdem Hauptgruppe und Centralgruppe) der anderen Seite. Auch die Ansichten anderer Forscher lassen sich hiefür gel- tend machen. So hält Köppen!) die von ihm beim Frosche beschriebenen, unserer Aussenzone offenbar gleichwerthigen „Grossfaserbündel* für longitudinale Fortsetzungen der Vorder- wurzeln. Stieda?) nimmt ebenfalls eine Umbiegung letzterer in die Längsrichtung innerhalb der Vorderstränge an. Am deutlich- sten äussert sich aber in dieser Beziehung Flechsig?), indem er hinsichtlich der Vorderstränge des Menschen Folgendes angiebt: „In der Nähe der vorderen Wurzelfasern treten Elemente auf, welche alle übrigen der weissen Substanz an Querschnitt übertreffen. Dieselben stellen wenigstens zum grössten T'heil vordere Wurzelfasern dar.“ Allein eine solche Erklärung kann nur für ein Bruchstück der Fasern der Aussenzone genügen. Ein sehr bedeutender Theil dürfte aus Elementen anderer Bedeutung bestehen. Für das Ver- ständniss derselben ist folgende Beobachtung von Wichtigkeit. Vom 9. Tage an treten in allmählich zunehmender Zahl und Schärfe markhaltige, radial angeordnete, starke Fasern auf, die in ziemlich gleichmässigen Abständen aus allen Theilen der Vorderhörner, aber 1) Köppen, a. a. O0. p. 4. 2) Stieda, Zeitschrift f. wiss. Zoologie. XX. p. 160. 3) Flechsig, a. a. O. p. 163. Untersuchungen über die Entwickelung der Marksckeiden ete. 101 wie es scheint hauptsächlich aus deren Fasernetz in gestrecktem Lauf in die Aussenzone eindringen und hier eine longitudinale Richtung einschlagen. Diese erklären die um diese Zeit sich einstellende Zunahme der Zone. Bezüglich dieser Radialfasern stehen uns zwei Erklärungen zu Gebote: sie können einfach Längs- eommissuren darstellen oder aber sie sind Fasern, die schliesslich auf dem Wege der vorderen Commissur in der grauen Substanz der anderen Seite ihre Endigung finden. Berücksichtigt man in- dess den Umstand, dass die Verbindung der Aussenzone mit der vorderen Commissur durch verhältnissmässig sehr wenig Fasern vermittelt wird, so wird man — unter Zulassung der Existenz von Radialfasern auch der letzteren Sorte — erstere Erklärung wenigstens für die Mehrzahl der in Rede stehenden Elemente jeden- falls als die wahrscheinlichere bezeichnen müssen. Was die Innenzone anbelangt, so umscheiden sich ihre Elemente etwas später mit Myelinhüllen als diejenigen der Aussen- zone. Am 6. Tage ist sie noch beinahe ganz marklos, nur ver- einzelt findet man markhaltige Elemente in ihr. Am 9. Tage hat die Zahl dieser beträchtlich zugenommen, doch kann die Bahn um diese Zeit ebensowenig wie am 11. Tage ganz markhaltig ge- nannt werden. Erst am 14. Tage nähert sie sich dem definitiven Verhalten, um sich am 18. Tage als fertig darzustellen. Ein sehr wesentlicher Unterschied zwischen den beiden Zonen besteht — abgesehen von den schon erwähnten Merkmalen — darin, dass während sich die pheripherische ausschliesslich aus wahren Längsfasern zusammensetzt, die innere ausser solchen auch auf- fallend viele kürzere oder längere Bruchstücke enthält, die in der Quer- ebene des Rückenmarkes verlaufen, mithin also Fasern angehören, die im Ganzen betrachtet, einen schiefen Verlauf haben. Denkt man sich diese Bruchstücke zusammengesetzt, so erhält man Fasern von bogenförmigem Lauf, die von der vorderen Commissur, parallel dem vorderen Rande der Vorderhörner, nach aussen ziehen. Wenn wir diese bogenförmig-schiefen Fasern auf ihren Ur- sprung und ihre Endigung zu erklären suchen, so lässt sich einer- seits sicher angeben, dass sie alle aus der vorderen Commissur herkommen, mithin also ihren Ursprung in der grauen Substanz der anderen Seite haben; verfolgt man sie andererseit nach aussen, so erkennt man, dass sie z. Th. schon nach kurzem Verlauf in die Vorderhörner eintreten, z. Th. aber weiter ziehen bis in den vor- 102 Dr. Michael v. Lenhossek: deren Theil der Seitenstränge. Es finden sich hier Faserbündel von sehr charakteristischem Verlauf, mit denen sie in Verbindung treten: Fasergruppen, die aus dem vordersten Theil der centralen grauen Substanz entspringen, unmittelbar hinter den Vorderhörnern quer nach aussen ziehen und sich, sobald sie den Seitenstrang er- reicht, unter Bildung nach aussen convexer Bogen nach vorne wenden. Es kommt also durch Verbindung dieser Bündel mit den in Rede stehenden schiefen Fasern der Innenzone zur Bildung sehr weiter, die Vorderhörner von vorn umfassender Schlingen, nur darf man sich die Sache nicht etwa so vorstellen, als würden die- selben in einer Querebene liegen, im Gegentheil dürften sich einige derselben auf längere Stücke erstrecken und muss ein grosser Theil der in der Innenzone befindlichen Längsfasern als Bestand- theile solcher schlingenförmiger Züge angesprochen werden. Diese Elemente sind also wahre Commissurenfasern zwischen der grauen Substanz beider Seiten, wobei es aber nicht festzustellen ist, ob sie analoge oder verschiedene Zellgruppen miteinander in Verbin- dung setzen. Auch die Fortsätze der Commissurenzellen scheinen zu dieser Gruppe zu gehören. Die ungemein grosse Zahl der ausserdem noch’in der Innen- zone zur Beobachtung kommenden Längsfasern fordert zur An- nahme auf, es seien in derselben ausser den soeben besproche- nen Fasern — ebenso wie in der Aussenzone — noch zahlreiche Längscommissuren enthalten. Eine solche Annahme ist einzuräumen, namentlich in Betracht der reichen, durch viele kurze Fäserchen vermittelten Verbindung der Innenzone mit den Vorderhörnern. VII. Seitenstrang. Von allen Bestandtheilen des Markmantels lassen sich die Verhältnisse des Seitenstranges am schwierigsten erforschen. Auf Grund der Kaliber und der Dichtigkeit haben wir zwei Zonen in demselben unterschieden ; eine periphere und eine innere, Die schmale periphere Zone führt stärkere Fasern, die aber in dieser Beziehung die Elemente der peripheren Vorderstrangzone bei Weitem nicht erreichen. Sie geht ohne deutliche Grenzen in die innere, durch feinere Fasern ausgezeichnete Zone über, welch’ letztere aber, wie ich nachträglich erwähnen will, wieder in einen äusseren, sowohl in Betreff der Faserquerschnitte wie der Dich- Untersuchungen über die Entwickelung der Markscheiden etc. 103 tigkeit mehr einen Uebergang bildenden, und einen inneren, sehr zarte und zerstreute Elemente enthaltenden Theil zerfällt. Auch in dem Auftreten der Markscheiden ist diese Trennung ausgesprochen. Am 3. Tage ist im Seitenstrang noch Alles marklos. Am 6. Tage findet man in der äusseren Zone ziemlich viel, in der inneren weniger und sehr zerstreut liegende markhaltige Fasern, wodurch jene gegen diese ziemlich deutlich als selbstständige Bahn her- vortritt. Am 9. Tage hat die Zahl der myelinhaltigen Elemente in beiden Zonen zugenommen, verhältnissmässig mehr indess in der inneren, so dass der Unterschied nunmehr nicht so deutlich zu erkennen ist, — nur die innerste, der grauen Substanz unmittelbar anliegende Partie der Innenzone („Grenzschicht“) ist in der Ent- wiekelung zurückgeblieben, indem sie kaum einige dunkel gefärbte Fasern enthält. Mit der Ablagerung des Markes in den Längs- fasern hält Schritt das Auftreten von radialen Bündeln, die aus der grauen Substanz in den Seitenstrang ziehen. Am 11. Tage beobachtet man wieder eine Zunahme an mark- haltigen Elementen, doch lässt sich noch immer von aussen nach innen eine wenn auch geringe jedoch bemerkbare Abstufung in der Farbennuance nachweisen und beherbergt die neben der grauen Substanz befindliche Partie noch wenig Myelin. Vom 15.—14. Tage an werden allmählich auch die zerstreuten Bündel der Grenzschicht, die Längsbündel der Hinterhörner sowie diejenigen der spongiösen Seitenstrangzone markhaltig. Am 18. Tage scheinen die Seitenstränge ihren definitiven Zustand erreicht zu haben. Vergleichen wir zunächst, zur Gewinnung passender Gesichts- punkte, die soeben dargelegten, sich durch ihre Markentwickelung als selbstständig kennzeichnenden Stränge mit denjenigen, die den Seitenstrang des Menschen zusammensetzen. Flechsig!) unterschied bekanntlich im Seitenstrange: 1, Pyramidenseitenstrangbahn, 2. directe Kleinhirnseitenstrangbahn, 3. Seitenstrangreste, die wieder zerfallen in a) seitliche Grenzschicht der grauen Substanz und b) vordere gemischte Seitenstrangzone. Bechterew?) lässt letztere Zone wieder aus zwei Theilen 1) Flechsig, a. a. O. p. 263. 2) W. Bechterew, Ueber die Längsfaserzüge der Formatio reticularis med. oblongatae et pontis. Neurologisches Centralblatt. 1885. p. 340. 104 Dr. Michaelv. Lenhossek: bestehen: einem peripheren, den er „laterales System der Seiten- strangreste* nennt und welcher sich offenbar deekt mit dem von Gowers!) beschriebenen und von Sherrington?) constatirten „antero-lateralen Strang“, und einen inneren, der sich nach vorne an das Vorderstranggrundbündel anschliesst und mit demselben eine systematisch einheitliche Bahn, das „Vorderseitenstranggrund- bündel“ darstellt. Vergleichen wir nun diese Angaben mit unseren Befunden, so ist zunächst hervorzuheben, dass eine Seitenstrangpyramidenbahn unserem Thiere vollkommen abgeht, mit dieser werden wir also nicht zu rechnen haben. Für die übrigen Bahnen scheint auf den ersten Blick folgende Erklärung Wahrscheinlichkeit zu haben: die periphere, aus gröberen Elementen bestehende Zone entspreche der Kleinhirnseitenstrangbahn, der äussere Theil der Innenzone den Grundbündeln der Seitenstränge, ihre innere Partie der Grenz- schicht der grauen Substanz. Wie plausibel indess eine solche Art der Vergleichung auch erscheine, so glaube ich sie doch speciell betreffs der „peripheren Zone“ nicht annehmen zu dürfen. Es scheint mir nicht gestattet, diese Zone ohne Weiteres als Kleinhirnseitenstrangbahn anzuspre- chen. Allerdings würde sie ihrer Lage nach sowie mit Rücksicht auf ihre etwas stärkeren Elemente jener entsprechen, doch stimmt mich der Umstand, dass ihre Fasern sich früher mit Mark um- hüllen als diejenigen der übrigen Seitenstrang-Bestandtheile, gegen diese Annahme. Die Foville’sche Bahn zeichnet sich nämlich beim Menschen eben dadurch aus, dass sie ihre Myelinscheiden in einer späteren Periode erhält, als die Seitenstrangreste., In Anbetracht der übrigen Analogien aber und namentlich des Umstandes, dass die aus der grauen Substanz in die Seiten- stränge ziehenden Fasern, aus denen also diese Stränge sich auf- bauen, ganz dieselbe Anordnung zeigen, wie beim Menschen, möchte ich doch das Vorhandensein von Elementen dieser Bahn auch bei der Maus für wahrscheinlich halten, dabei aber annehmen, dass dieselben hier nicht zu einem compacten Bündel zusammentreten, 1) W. R. Gowers, Bemerkungen über die antero-laterale aufsteigende Degeneration im Rückenmark. Neurologisches Centralblatt. 1886. p. 97. 2) Sherrington, Note on two newly described tracts in the spinal cord. Brain, 1886. u Untersuchungen über die Entwickelung der Markscheiden ete. 105 sondern zerstreut verlaufen. Betont doch schon Flecehsig, dass das als compacte „Kleinhirnseitenstrangbahn“ hervortretende Bündel nur einen Theil der in das Kleinhirn verlaufenden Rückenmarks- fasern in sich fasse, indem viele der hierher gehörigen Elemente „ein- zeln, durch die andersartigen Systeme der Seitenstränge zerstreut, auftreten.“ Eine „Grenzschicht der grauen Substanz“ ist bei unserem Thier ganz deutlich nachweisbar und setzt sich aus zwei Theilen: der inneren, aus zerstreuten Bündeln bestehenden Partie der Innen- zone und der „spongiösen Zone des Seitenstranges“ zusammen. Eine weitere Eintheilung, wie sie Bechterew angab, ist hier nicht durchzuführen. Unsere „periphere Zone“ kann auch mit Gower’s Bündel nicht identisch sein, da letzteres nach Bech- terew’s Mittheilungen später (31—33 em Länge) markhaltig er- scheint, als das „Seitenstranggrundbüngel (25—28 em L.), während hier zwischen den beiden Zonen ein entgegengesetzes Verhältniss besteht. Was die Herkunft der Seitenstrangfasern betrifft, so ist ihre hauptsächliche, gemeinsame Quelle zu suchen in einem reichen System von Radialfasern, die aus dem centralen Theil der grauen Substanz sowie aus den solitären Hinterhornzellen entspringen. Diese Querfasern lassen sich, ebenso wie die ihnen als Haupt- ursprung dienende centrale Säule, in drei Bezirke sondern. 1. Fasern, die aus der vorderen Partie der Centralgruppe entspringen. — Sie sind im Halstheil am mächtigsten, im Brust- theil schwach, im Lendenmark wieder ansehnlicher entwickelt, ziehen von der Gegend des Centralkanales aus quer nach aussen und treten in den Seitenstrang. Einige lassen sich nun bis in die Aussenzone bezüglich hinterste Partie der peripheren Vorderstrang- bahn verfolgen, andere entziehen sich schon innerhalb der Innen- zone der weiteren Beobachtung, die Mehrzahl lässt indess einen, schon oben dargelegten, eigenthümlichen Verlauf erkennen. Nach- dem nämlich diese — beim Menschen in derselben Anordnung vorhandenen — Fasern den Seitenstrang erreicht, wenden sie sich bogenförmig nach vorne und gehen nun in die Innenzone des Vorderstranges über, wo sie in die hier befindlichen, schief zur vorderen Commissur verlaufenden Fasern übergehen. Ueberhaupt zeigt die ganze vordere Abtheilung der „queren Seitenstrang- fasern“ das Bestreben, sich innerhalb der Seitenstränge nach vorne 106 Dr. Michaelv. Lenhossek: zu wenden. Ja man findet Fasern mitunter, die sich den Umwe,. ersparend schief durch das Vorderhorn hindurch zur Innenzone des Vorderstranges begeben. Die vordere Abtheilung der Quer- fasern wird zuerst markhaltig, indem man schon am 5.—6. Tage myelinhaltige Fasern in ihr findet. 2. Die Fasern der zweiten Gruppe kommen hauptsächlich aus dem mittleren Theil der centralen grauen Substanz. Sie sind in den meisten Gegenden des Rückenmarkes nur durch vereinzelte Fasern vertreten, nur im oberen Lumbal- und unteren Dorsalmark sammeln sie sich zu einigermaassen compaeten Bündelchen zusammen. Diese entsprechen den schon von Gerlach!) beschriebenen und abgebildeten, von Flechsig?°) als „horizontale Kleinhirnbündel“ bezeichneten Fasern, sind aber bei der Maus von verhältnissmässig schwacher Entwickelung. Das, was mir hinsichtlich des Ursprunges dieser Fasern sowohl bei unserem Thiere, wie auch bei menschlichen Foeten auffiel, ist der Umstand, dass ihre Verbindung mit den eigentlichen Clarke’schen Säulen gewöhnlich nicht so manifest sich darstellt, wie man sich das nach Flechsig’s Schilderung vorstellen sollte, indem sie stets etwas vor diesen entspringen, man also mehr den Eindruck gewinnt, es sei ihre Ursprungsstätte eher zu suchen in jenem Gebiet der Centralsäule, welches unmittelbar vor den Clarke’schen Säulen seine Lage hat. Jedenfalls findet man nie, dass — wie Flechsig angiebt — „dieselben die Clar- ke’schen Säulen selbst vielfach durchflechten.“ Die Bestandtheile dieser Bündel verlieren sich in allen Zonen des Seitenstranges. 3. Was die hintersten Querfasern anbelangt, so sind sie am schwächsten entwickelt und erhalten ihre Markscheiden zuletzt — erst am 12.—14. Tage. Sie entstammen dem hintersten Theil der Centralsäule, einschliesslich des vor der Rolando’schen Formation hinziehenden grauen Balkens. Es kann sehr leicht eine Ver- wechselung derselben mit Hinterwurzelfasern stattfinden, die z. Th. einen ähnlichen Verlauf erkennen lassen. Die äussere Portion letzterer wendet sich nämlich vor der Rolando’schen Formation nach aussen, um in den Längsbündeln der Hinterhörner, in der Grenzschicht und in der spongiösen Zone ein vörläufiges Ende zu 1) J. Gerlach, Stricker’s Handbuch der Lehre von den Geweben. I. Leipzig, 1872. p. 689. 2) Flechsig, a. a. O0. p. 29. Untersuchungen über die Entwickelung der Markscheiden ete. 107 finden. Diese erklären uns aber nicht alle vor der Rolan do’schen Formation hinziehenden Fasern, für einen Theil muss man, wie erwähnt, einen Ursprung annehmen in der hierselbst befindlichen grauen Substanz, diese Fasern repräsentiren dann die hinterste Gruppe der queren Seitenstrangfasern. Es ist demnach für die Elemente der Grenzschicht sowie der spongiösen Zone ein zweifacher Ursprung nachweisbar: sie beziehen ihre Fasern z. Th. aus der Hinterwurzel, z. Th. aus der vor der Rolando’schen Formation gelegenen grauen Substanz, die wir als hintersten Theil der Centralgruppe bezeichnet haben. Ausser- dem sieht man noch Fasern zur Grenzschicht verlaufen, die von vorne herkommen, zum grössten Theil aus dem Vorderhorn, theil- weise auch aus der Centralsäule, doch möchte ich diese nicht als Ursprungsfasern, sondern als Endstücke der in dieser Bahn ent- haltenen Elemente deuten. Das ist Alles, was ich in Betreff des Seitenstranges festzu- stellen vermochte, allerdings nicht zureichend, um sich eine über- sichtliche Vorstellung zu machen von dem Verlauf der Fasern in demselben. Ich möchte meine Eindrücke in Folgendem zusammen- fassen: da sich eine auffallende Zunahme der Seitenstränge von unten nach oben nicht nachweisen lässt, so muss man dieselben zum guten Theil aus kurzen Fasern bestehen lassen. Fasern aus der centralen grauen Substanz sowie aus den Hinterhörnern dringen in ansehnlicher Zahl in die Seitenstränge. Ein Theil derselben wendet sich nach vorne, geht in die Innenzone der Vorderstränge über, um schliesslich durch Vermittelung der vorderen Commissur zur grauen Substanz der anderen Seite zu gelangen. Andere Fasern lenken sogleich in die Längssrichtung um, kehren jedoch z. Th. wieder nach kürzerem oder längerem Lauf als Längscommissuren in die- selben Theile der grauen Substanz, aus der sie entspringen, zu- rück, oder gehen z. Th. vielleicht als lange Bahnen bis in das Gehirn hinauf. In den feinen Bündeln der Grenzschicht, der spongiösen Seiten- strangzone sowie der Längsbündel der Hinterhörner versammeln sich einerseits Fasern aus der lateralen Hinterwurzelportion (s. u.), andererseits solche, die den vor der Rolando’schen Substanz gelegenen Nervenzellen entstammen. Möglich, dass sie z. Th. lange Bahnen darstellen, höchst wahrscheinlich aber für einen Theil der- selben ist, dass sie sich, nachdem sie eine Strecke in longitudinaler 108 Dr. Michaelv. Lenhossek: Richtung verliefen, nach vorne wenden, um in den Vorderhörnern sowie in der centralen grauen Substanz ihre definitive Endigung zu finden. VIII. Hinterwurzeln. In Betreff der Hinterwurzeln bin ich in der Lage, ähnliche An- gaben machen zu können, wie sie in neuester Zeit von Takäcs!) und namentlich von Bechterew?) hinsichtlich des Menschen mitgetheilt worden sind. Mit grosser Schärfe lassen sich in denselben auch hier, wie dieses Bechterew 2) in seiner verdienstvollen Arbeit für den Men- schen nachgewiesen hat, zwei Portionen unterscheiden: eine mediale und eine laterale. Jene wird früher markhaltig und enthält gröbere Elemente, diese tritt durch ihren Markgehalt später hervor und führt zartere Fasern. Vergleicht man die Querschnittsbilder der motorischen mit den sensitiven Wurzeln, so wird man den wesentlichen Unterschied wahrnehmen, dass die vorderen fast ausschliesslich aus starken Nervenfasern bestehen, während die hinteren zur Hälfte aus feinen undnurzur Hälfte aus starken und mittelstarken Fasern sich zusammen- setzen, welche Faserkategorien unregelmässig vermischt sind. Ein anderer Unterschied besteht darin, dass die Vorderwurzeln im Allgemeinen früher markhaltig erscheinen als die hinteren, eine Thatsache, die, wie wir sahen, mit der grösseren Breite ihrer Nervenfasern zusammenhängt. Die Eintrittsstelle der hinteren Wurzel entspricht ungefähr der Mitte vom hinteren Rand der Roland o’schen Formation, selten liegt sie etwas weiter nach aussen. Schon im letzten Stück ihres extramedullären Verlaufes liegen die Hinterwurzeln der Oberfläche des Rückenmarkes an, und ihr intramedullärer Verlauf ist zunächst eine gerade Fortsetzung ihres früheren Verlaufes, indem sie an- fangs längs des hinteren Randes der Rolando'schen Formation in querer Richtung medianwärts ziehen. Erst gegenüber dem in- 1) Dr. A. Takäcs, ‘Ueber den Verlauf der hinteren Wurzelfasern im Rückenmarke. Neurologisches Centralblatt. 1887. p. 7. 2) W. Bechterew, Ueber die hinteren Nervenwurzeln, ihre Endigung in der grauen Substanz des Rückenmarkes und ihre centrale Fortsetzung im letzteren. Archiv für Anat. und Physiologie. Anat. Abtheilung. 1887. p. 126. Untersuchungen über die Entwickelung der Markscheiden etc. 109 neren Drittel der letzteren erfolgt ihre Theilung in die beiden Portionen, sowie ihre Riehtungsänderung. Die Bündel der lateralen Portion sammeln sich am meisten lateral und treten unter Bildung eines rechten Winkels durch die Rolando’sche Formation hin- durch, während diejenigen der medialen Portion z. Th. ebenfalls, aber mehr medial, diese Formation durchsetzen, z. Th. aber (die beiden Faserarten dürften ungefähr in gleicher Zahl vertreten sein) in die Burdach'schen Stränge eingehen, innerhalb welcher sie eine Strecke als Längsfasern verlaufen, um erst später sich in die graue Substanz zu senken. Wir werden nun die beiden Portionen gesondert zu betrach- ten haben. Die mediale Portion enthält alle starken und mittel- starken Fasern der Hinterwurzeln, die sich also hier von der Mehr- zahl der feinen gesondert haben. Indess kommen ihr auch zahl- reichere schmälere Elemente zu, was sich schon aus dem Umstande ergiebt, dass die Fasern breiten und dünnen Kalibers im Wurzel- querschnitt ungefähr in gleicher Menge vertreten sind, die mediale Portion aber im Ganzen viel beträchtlicher ist als die laterale. Was die Verhältnisse der Markscheidenbildung betrifft, so sieht man schon am 4.—5. Tage myelinhaltige Fasern in ihr, deren Zahl allmählich zunimmt bis zum 12. Tage, um welche Zeit auch schon die Elemente der lateralen Portion sich mit Mark zu um- hüllen beginnen. Der weitere Verlauf der medialen Fasern ist folgender: die- jenigen, welche direct durch die Rolando’sche Formation hindurch- gehen, ziehen zunächst einfach weiter sagittal nach vorne. Jene, die sich als Längsfasern an der Bildung der Burda ch'schen Stränge be- theiligen, treten vor dem vorderen Rand der Roland o’schen Formation, mit lateraler Schwenkung in die graue Substanz der Hinterhörner. Sie schlagen dann ebenfalls eine sagittale Richtung ein, ohne aber hierbei jene eleganten, nach aussen convexen Bogen zu beschreiben, die die analogen Fasern beim Menschen an dieser Stelle erkennen lassen; ihr Verlauf ist ein mehr gestreckter. In Betreff ihrer definitiven Schicksale erkennt man, dass sie nach kurzem sagittalen Verlauf kelchartig auseinanderweichen. Der bedeutend grössere Theil wendet sich nun, in mehrere kräftige Bündel gespalten, nach aussen, um im Vorderhorn und zwar theils in den lateralsten Zellen der Hauptgruppe, theils im Fasernetz zu 110 Dr. Michaelv. Lenhossek: endigen, der geringere Theil geht geradeaus zur centralen grauen Substanz und zwar zu allen Theilen derselben, hauptsächlich aber zu den Clake’schen Säulen, resp. mittleren Theilen der Central- säule, die jedenfalls wichtige Endigungspunkte der sensitiven Fasern darstellen; mitunter lässt sich eine directe Verbindung ihrer Zellen mit den medialsten Hinterwurzelfasern nachweisen. Die Central- säule bildet also ein Bindeglied zwischen Hinterwurzelfasern, Seiten- strangfasern und Fasern der vorderen Commissur. Meine An- sicht, dass sich Hinterwurzelfasern an der Bildung der vorderen Commissur nicht betheiligen, habe ich schon oben mitgetheilt. Die aus feineren Elementen bestehende laterale Portion erscheint erst gegen den 12.—14. Tag markhaltig. Der Verlauf ihrer Fasern ist etwas verschieden von dem der analogen des Menschen. Während sie nämlich bei letzterem gleich nach ihrem Eintritt in das Rückenmark zunächst eine longitudinale Kichtung einschlagen und hierbei die von Lissauer beschriebene „Rand- zone“ bilden und dann erst durch dieRolando’sche Formation hin- durchgehen, wobei sie aber die ganze Breite derselben in Anspruch nehmen, fehlt hier einmal die Randzone, die Fasern der lateralen Portion gehen zuerst quer nach innen und senken sich dann gleich in die Rolando’sche Formation, sodann erfolgt zweitens ihr Hindurchtreten durch letztere bloss in ihrem medialsten Ab- schnitt. Nachdem nun diese Fasern den vorderen Rand der Formation erreichten, geht ein Theil, wie es scheint, gleich eine Verbindung ein mit den hier befindlichen Ganglienzellen, der wesentlichste Theil derselben jedoch wendet sich plötzlich unter rechtem Winkel nach aussen, um längs des vorderen Randes der Roland o’schen For- mation, mitunter ein ziemlich compactes Bündel bildend, lateral- wärts zu ziehen. Der ganze Verlauf dieser sonderbaren Fasern kann daher als ein hufeisenförmiger bezeichnet werden. Was den weiteren Verlauf dieser Fasern betrifft, so schlägt ein Theil unter Bildung der „Longitudinalbündel der Hinter- hörner‘‘ eine Längsrichtung ein, der übrige Theil verliert sich in der Grenzschicht der grauen Substanz, sowie in der spongiösen Zone des Seitenstranges. Für die Frage nach ihren definitiven Schicksalen ist der Umstand von Bedeutung, dass — wie schon mehrfach erwähnt — eine ansehnliche Einstrahlung von radialen Fasern aus der centralen grauen Substanz und hauptsächlich dem A Untersuchungen über die Entwickelung der Markscheiden ete. 111 Vorderhorn in alle drei Gebiete nachzuweisen ist. — Auf diese Art dürften nun die Fasern der lateralen Portion, wenn auch auf Umwegen, jedoch ganz dieselben Punkte erreichen, wie die der me- dialen. Doch lassen sich gewichtige Bedenken gegen einen langen, bis in das Gehirn sich erstreckenden Verlauf einiger derselben nicht geltend machen. Ueber die Beziehungen der Hinterwurzeln zur hinteren Com- missur 8. unten. Die Frage nach dem Verhältniss der Hinterwurzeln zu den Goll’schen Strängen scheint auf rein anatomischem Wege nicht mit Sicherheit gelöst werden zu können. Schliesslich sei erwähnt, dass der Verlauf der Hinterwurzel- fasern sich am deutlichsten eruiren lässt im Rückenmarke 15- tägiger Mäuse, um welche Zeit auch schon die Elemente der lateralen Portion ihre Markumhüllung erhalten haben, das Faser- gewirr der grauen Substanz aber noch nicht in seiner definitiven Mächtigkeit in Erscheinung trat. IX. Hinterstrang. Der Hinterstrang der Maus besteht aus drei Theilen: dem Burdach’schen, dem Goll’schen Strang und der Pyramidenbahn. Wir werden nun die drei Bestandtheile einzeln einer Besprechung zu unterziehen haben. X. Burdach’scher Strang. In den Burdach’schen Strängen befinden sich die zuerst myelinhaltig werdenden Elemente der Hinterstränge. Ihr Hervor- treten hält Schritt mit der Bildung der Markscheiden in der me- dialen Portion der Hinterwurzeln.. Schon am 4. Tage erscheinen einige dunkle Faserquerschnitte in ihnen, am 9. Tage findet man dieselben in ansehnlicher Zahl und zwar durch die ganzen Stränge gleichmässig vertheilt. Doch erst am 14. Tage erscheinen die Stränge in ihrer endgültigen Markhaltigkeit. Eine Eintheilung in eine vordere „Wurzelzone‘ und eine hin- tere „peripherische Zone“, wie sie von Bechterew!) für den Men- 1) W. Bechterew, Ueber die Bestandtheile der Hinterstränge des Rückenmarks auf Grund der Untersuchung ihrer Entwickelung. Neurologisches Centralblatt. 1885. p. 31. 112 Dr. Michaelv. Lenhossek: schen gemacht worden ist, ist hier weder auf Grund der Mark- entwickelung, noch mit Rücksicht auf die Faserkaliber gerecht- fertigt. Betrachtet man zwar die Burdach’schen Stränge eines ausgewachsenen Thieres mit schwacher Vergrösserung, so wird man allerdings einen mässigen Unterschied in der Farbennuance zwischen der inneren, den Goll’schen Strängen anliegenden, und der äusse- ren, an die Hinterhörner angrenzenden Zone wahrnehmen, erstere färbt sich etwas dunkler als letztere, doch ist diese Differenz bloss durch die verschieden dichte Anordnung der Fasern in diesen Ge- bieten veranlasst. Die Elemente der Burdach’schen Stränge kommen entweder alle oder doch gewiss zum grössten Theile aus den Hinterwurzeln. Diese — anatomisch ohnehin einzig nachweisbare — Quelle dürfte meines Erachtens vollauf genügen zur Erklärung des Herkommens aller ihrer Fasern. Schon mehrfach habe ich beschrieben, wie sich die Hinterwurzelfasern zu den Burdach’schen Strängen verbalten. Hier sei nachträglich nur soviel bemerkt, dass jene Bündel, die sich aus letzteren vor der Rolando’schen Formation in die graue Substanz begeben, alle aus dem inneren, den Goll’schen Strängen benachbarten Gebiet herkommen. Zur Beantwortung jener Frage, ob in den Burdach’schen Strängen ausschliesslich nur kurze Fasern enthalten seien, wird man hauptsächlich berücksichtigen müssen, wie sich ihr Quer- schnitt in verschiedenen Höhen verhalte. Im Allgemeinen lässt sich hierüber Folgendes angeben: Im untersten Theil des Rückenmarkes ist die Balın sehr gering und von lockerem Bau, der Rand der hinteren grauen Commissur kommt der hinteren Rückenmarksperipherie sehr nahe. Sie ist hier sehr flach und setzt sich aus fast ganz horizontal im Rückenmarksquer- schnitt verlaufenden Hinterwurzelfasern zusammen. Nach oben wird die Bahn allmählich breiter, bis zum oberen Theil der Lum- balintumescenz, bis zu einer Stelle also, wo das Rückenmark an Breite bereits abgenommen hat. Von hier an nimmt ihr Querschnitt continuirlich, aber in sehr geringem Maasse ab. Vom oberen Theil des Dorsalmarkes an lässt sich wieder eine allmähliche Zu- nahme beobachten. Im Cervicaltheil findet man die Bahn in mäch- tiger Entfaltung, bier hat sie ihre breiteste Stelle. Der Umstand also, dass die Bahn im Ganzen in den An- schwellungen breiter, im Dorsaltheil geringer ist, zeigt, dass sie Untersuchungen über die Entwickelung der Markscheiden ete. 113 zum grössten Theil aus kurzen Fasern bestehe. Nun aber ist Fol- gendes zu bemerken. Der Unterschied ihrer Breite im Lumbal- und Dorsalmark ist auffallend gering, jedenfalls entspricht derselbe nieht jener grossen Differenz, die sich in der Stärke der betreffen- den Wurzeln kundgiebt. Wenn man wieder die Stärke der Bur- dach’schen Stränge im Lumbaltheil mit der im Cervicaltheil ver- gleicht, so ergiebt sich ein Unterschied zu Gunsten der Cervical- partie, der sich mit dem Umstande gar nicht in Einklang bringen lässt, dass die Wurzeln, natürlich speciell die hinteren, in den beiden Partien ungefähr von gleicher Mächtigkeit sind. Aus diesen Thatsachen möchte ich den Schluss folgern, dass in den Burdach- schen Strängen ausser kurzen- Fasern auch solche, ebenfalls den Hinterwurzeln angehörige Elemente enthalten sind, die sich in ihrem Lauf auf längere Gebiete des Rückenmarkes erstrecken, um vielleicht erst in der Oblongata zu endigen. Man könnte als das Gebiet, wo sich diese langen sensitiven Fasern befinden, die äussere, lockerer gebaute Zone in Anspruch nehinen, aus welcher sich, wie erwähnt, keine Einstrahlung in die graue Substanz nachweisen lässt. Dass die Bahn im Lumbalmark bis zu einer Stelle stärker wird, wo der Querschnitt des Rückenmarkes selbst schon bedeutend abgenommen hat, dürfte einfach so erklärt werden, dass die Hinter- wurzeln der Lumbalnerven vor ihrer Verbindung mit der grauen Substanz zumindest in einer Strecke von 2—3 Wurzelsegmenten nach oben verlaufen und sich erst dann in letztere senken. Viel- leicht liegt auch hierin die Erklärung für das im oberen Lumbal- und unteren Dorsalmark erfolgende Auftreten der Clarke’schen Säulen, welche sich als wichtige Endigungsstationen der Hinter- wurzeln ergaben und welche laut dieser Auffassung als Endigungs- kerne der sensitiven Wurzeln der hinteren Extremität zu deuten wären. XI. 6oll’scher Strang und hintere Commissur. Die Goll’schen Stränge sind bei der Maus von recht an- sehnlicher Entwickelung: sie sind stärker als die Pyramiden- Stränge. Vom unteren Ende des Dorsaltheiles an nach oben werden sie von den Burdach’schen Strängen durch eine Ineisur und an vielen Stellen durch eine schief nach vorne und median- wärts ziehende, eine Fortsetzung der Pia mater enthaltende Furche geschieden. Die Furche geht, falls sie vorhanden, nie bis zu Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd, 33. 8 114 Dr. Michaelv. Lenhossek: dem hinteren Rand der grauen Substanz, sondern erreicht die hintere Fissur ein gutes Stück früher und zwar je nach den Höhen des Rückenmarkes in verschiedener Entfernung von der hinteren Com- missur: im Lumbaltheil reicht sie bis zum hinteren Drittel, im un- teren Abschnitt des Dorsalmarkes bis zum vorderen Drittel, von der Mitte desselben an nach oben bis zur Mitte der Fissur, ein Verhalten, welches durch das je nach Gegenden verschiedene quan- titative Verhältniss der einzelnen Hinterstrang-Bestandtheile be- dingt ist. Dementsprechend lassen sie hier auch nicht jene langausge- zogene Form ‘erkennen, die sie beim Menschen besitzen, sondern sind mehr keil- oder herzförmig und bilden zusammengenommen beinahe ein rechtwinkeliges Dreieck. Dieser Darstellung muss aber hinzugefügt werden, dass das Sepiment nur stellenweise entwickelt, der vordere Theil desselben sehr selten gut ausgesprochen ist. Trotzdem lässt sieh aber die Bahn auch bei entwickelten Thieren recht gut abgrenzen auf Grund ihrer etwas dunkleren Färbung, die mit der dicht gedrängten La- serung ihrer Elemente zusammenhängt. In überaus scharfer Weise gelingt aber diese Abgrenzung bei 6—10 Tage alten Mäusen, um welche Zeit die @oll’schen Stränge viel weniger markhaltig erscheinen als die benachbarten Bur- da ch’schen. Die ersten markhaltigen Elemente zeigen sich in ihnen, soviel ich sehe, am 7. Tage. Am 9. Tage finden sich solche schon in grosser Zahl innerhalb der Bahn, doch macht sich da ein interes- santer Unterschied in verschiedenen Höhen des Rückenmarkes geltend. Während im Lumbal- sowie auch im Dorsalmark die Bahn von beträchtlicher und gleichmässiger Markhaltigkeit ist, stellt sich im Cervicalmark allmählich ein anderes Verhalten ein. Vnfangs sieht man noch eine längere Strecke hindurch myelinhal- tige Fasern in der Bahn, allein nur mehr im vorderen Theil, zuerst noch in denvorderen zwei Dritteln, schliesslich nur mehr in der Spitze derselben, dann verschwinden aber auch diese und erscheint die Bahn schon in der Mitte des Üervicaltheils ganz marklos, so dass sie sich von den Burdach’schen Strängen mit grosser Schärfe abhebt. Dieses Verhalten bleibt sich gleich bei lltägigen Mäusen. Am 14. Tage erscheinen auch im Halsgebiete innerhalb der hin- Untersuchungen über die Entwickelung der Markscheiden ete. 115 teren Zone Faserpunkte, doch findet man erst am 18. Tage die Stränge in completer Markhaltigkeit. Die Myelinscheiden der Fasern der Goll’schen Stränge legen sich also im Ganzen in centripetaler, aufsteigender Richtung an. Sehen wir nun, woher diese Fasern stammen. Flechsig hat sie in seinem grossen Werke!) aus zwei Quellen hergeleitet, u. zw. 1) „von der Innenfläche der Hinterhörner insbesondere von den Clarke’schen Säulen und ihrer nächsten Umgebung“, 2) von der hinteren Commissur, deren Fasern aber nachFlechsig's Beobachtungen ebenfalls aus den Hinterhörnernent- springen sollen. — In wesentlich abweichender Weise äusserst er sich in seinem „Plan des menschlichen Gehirns“ ?), wo er hierüber folgen- des angiebt: „Die Fasern der Hinterstränge sind sämmtlich als Fortsetzungen hinterer Wurzeln zu betrachten. Es ergiebt sich hierbei, dass die Fortsetzungen der in den tiefsten Abschnitten des Markes eintretenden Wurzeln im Halsmark gelegen sind in den Goll’schen Strängen, so dass die aus den unteren Extremi- täten zum Gehirn ziehenden centripetalen Bahnen — ‚soweit sie in den Hintersträngen verlaufen — ausschliesslich in den Goll’schen Strängen zu suchen sind.“ Rossolymo?°) fand bei Meerschweinchen nach Durchschnei- dung der Hinterwurzeln die Goll’schen Stränge intact, aus welchem Befund er den Schluss zog, es enthalten diese keine direeten Fort- setzungen der Hinterwurzelfasern. Takäcs*) schliesst sich den ersten Ausführungen Flechsig’s an, indem er behauptet, die Goll’schen Stränge entstammen den Clarke’schen Säulen und zwar, wenn ich ihn recht verstehe, aus- schliesslich diesen. Bechterew’) bestreitet ebenfalls eine Betheiligung von Hinter- wurzelfasern an der Bildung der Goll’schen Stränge, doch lässt er die Elemente der letzteren aus zwei verschiedenen Bezirken der grauen Substanz entspringen, 1) aus den Clarke’schen 1) Flechsig, Die Leitungsbahnen. p. 311. 2) P. Flechsig, Plan des menschlichen Gehirns. Leipzig. 1883. p. 21. 3) G. Rossolymo, Zur Frage über den weiteren Verlauf der Hinter- wurzelfasern im Rückenmarke. Neurologisches Centralblatt. 1856. p. 391. 4) Takäcs, a. a. 0. p. 8. 5) W. Bechterew, Archiv für Anat. und Physiologie. Anat. Abtheilung. 1887. p. 133. 116 Dr. Michaelv. Lenhossek: Säulen, 2) „aus den unmittelbar vor der Roland o’schen Substanz gelegenen kleinen sensitiven Zellen.“ Meine Untersuchungen ergaben, wie schon vorhin erwähnt, dass sich ein directer Verlauf von Hinterwurzelfasern in die Goll- schen Stränge auf rein anatomischer Basis weder nachweisen noch ausschliessen lässt. Nichtsdestoweniger glaube ich mich mit Rück- sicht auf die Resultate der experimentellen Forschung den soeben namhaft gemachten Autoren anschliessen zu dürfen. Im Widerspruch mit den Befunden, die Flechsig, Takäcs und Bechterew bei dem Menschen erhielten, fand ich bei der Maus, dass die Clarke’schen Säulen ganz sicher keine einzige Faser an die Goll’schen Stränge abgeben. Der Ursprung der Elemente dieser ist vielmehr hauptsächlich, möglicherweise aus- schliesslich, zu suchen in der vor der Rolando’schen Formation befindlichen grauen Substanz. Im Besondern ergab sich Folgendes. Alle sich an der Bildung der Go ll’schen Stränge betheiligen- den Fasern kommen von vorne her, sie treten in die vordere Spitze derselben. Hier ist, wie man sagen könnte, der Hilus dieser Stränge. Sie entstammen alle der hinteren Commissur und müssen wir daher zunächst diese näher in’s Auge fassen. Die hintere Commissur der Maus zerfällt in zwei di- stinete Abschnitte: einen vorderen und einen hinteren. Sie sind durch einen breiten Zwischenraum von einander geschieden und hängen auf keine Weise zusammen. Der vordere Theil, der, wie es scheint, etwas später als der hintere mit Markscheiden versehen wird, ist zwar in allen Höhen des Rückenmarkes einigermaassen vertreten, indess nur im Lumbalmark von ansehnlicherer Entwickelung. Man bekommt ihn nur selten, höchstens in diekeren Schnitten, in seiner ganzen Aus- dehnung zur Anschauung; denkt man sich aber die Bruchstücke zusammengestellt, so erhält man ein Bündel von flach bogenförmigem Verlauf, welches von dem hinteren Theil der Commissur durch die ganze Breite der Clarke’schen Säulen getrennt wird, unmittelbar vor dem lateralen Abschnitt der Rolando’schen Formation ent- springt, und dann schief nach vorne und einwärts ziehend, die Clarke’schen Säulen, wo sie vorhanden sind, von vorne umfas- send, sich zu demselben Punkt der anderen Seite begiebt. An der Stelle, wo das Bündel die Mittellinie passirt, gewahrt man zu- Untersuchungen über die Entwickelung der Markscheiden ete. 117 weilen überaus spärliche Fasern, die sich von den übrigen ab- zweigen, zuerst noch in der grauen Substanz, dann schon innerhalb der hinteren Längsfissur direet nach hinten laufen und schliesslich nach einem langen sagittalen Weg sich in den Goll’schen Strängen verlieren. Forscht man nach dem Ursprung der Fasern dieses vor- deren Commissurentheiles, so wird man keine sichere Entscheidung treffen können, ob sie aus den „Längsbündeln der Hinterhörner* oder aus der hier befindlichen grauen Substanz herstammen. Er- steres scheint mir wahrscheinlicher, doch wären bei dieser Annahme wieder zwei Möglichkeiten denkbar: 1) ein Ursprung aus den soeben erwähnten Nervenzellen, 2) aus der lateralen Portion der Hinter- wurzeln. Welche von den beiden Annahmen der Wirklichkeit entspricht, lässt sich nicht ausmachen. Die hintere Portion der hinteren Commissur zeigt bei der Maus, im Vergleich zum Menschen, eine ziemlich starke Entwicke- lung. Sie wird repräsentirt durch ein bogenförmiges Bündel, welches sich in seinem ganzen Verlauf streng an den hinteren Rand der grauen Substanz hält, vor dem medialen Ende der Ro- land o’schen Formation entspringt und, unter Bildung eines läng- lichen, schmalen Hufeisens, zur analogen Stelle der anderen Seite verläuft. Die Fasern dieser Portion gehören zu den feineren und lassen einen welligen Verlauf erkennen. Sie gehen fast alle auf die andere Seite über. Aehnlich aber, wie vom vorderen Theil, zweigen sich auch von diesem auf manchen Schnitten in der Mit- tellinie einige sagittale Fasern ab, die in der hinteren Längsfissur nach hinten ziehen, um sich in die Goll’schen Stränge zu senken. Woher stammen die Elemente der hinteren Portion ? Unter- sucht man Rückenmarksquerschnitte auf oberflächliche Weise, so wird man vielleicht auf den ersten Blick den Eindruck erhalten, dass hier sammt und sonders Hinterwurzelfasern vorliegen. Die Stelle ihres Ursprungs entspricht nämlich derjenigen, wo die letzteren aus den Burdach’schen Strängen in die graue Substanz treten. Es erfolgt hier also eine Vermischung der beiden Fasersorten, welche den Eindruck eines direeten Zusammenhanges hervorrufen könnte. In der That lässt sich ein solcher Ursprung für einige der Commissurenfasern nicht nur nicht ausschliessen, sondern direct feststellen; der hintere Theil der hintern Commissur enthält unzweifelhaft einige Hinterwurzelfasern. Für die meisten wird man aber bei näherem Zusehen ein anderes Verhalten finden; 118 Dr. Michaelv. Lenhossek: man sieht, wie sich das Bündel in der vor dem medialsten Theil der Rolando’schen Formation gelegenen gangliösen Anhäufung büschelförmig auflöst, während die Hinterwurzelfasern dieselbe in Form compacter Bündel durchsetzen. Diese Zellgruppe ist also als hauptsächliche Ursprungsstätte der in Rede stehenden Fasern zu betrachten. Eine Reihe der Möglichkeiten steht uns offen, wenn wir der Frage nach den definitiven Schieksalen der Commissurenfasern nahe treten wollen. Sie stellen höchst wahrscheinlich z. Th. wahre Verbindungsfasern zwischen den analogen Nervenzellengruppen beider Seiten dar, z. Th. entsprechen sie Hinterwurzelfasern, die in der grauen Substanz der anderen Seite ihre Endigung finden. Die dritte Kategorie wird repräsentirt durch diejenigen Fasern, die sich zu den.G oli’schen Strängen begeben, und die uns hier näher angehen; doch woher stammen dieselben: aus dem Nucleus praero- landieus, wie man den hier in Betracht kommenden, häufig erwähn- ten Kern nennen könnte, oder aus den Hinterwurzeln? Haben sich doch beide als Quellen der Commissurenfasern ergeben. Ich wiederhole, was ich oben sagte, dass hier den Ergeb- nissen experimenteller Untersuchungen Rechnung zu tragen sei und dass dieselben letztere Annahme sehr unwahrscheinlich machen. Die Fasern der Goll’schen Stränge entspringen also allem 'An- schein nach aus der vor der Rolando’schen Formation befind- lichen grauen Substanz. Weder der vordere, noch der hintere Theil der hinteren Com- missur lässt Beziehuugen zu den Clarke’schen Kernen erkennen. Wir haben nun die Frage in’s Auge zu fassen, ob die Goll- schen Stränge eine kurze oder lange Bahn darstellen. Alle neueren Forscher haben sich für eine lange Bahn aus- gesprochen und auch ich kann mich auf Grund meiner Untersu- chungen dieser Anschauung anschliessen. Zunächst spricht schon die geringe Zahl der in die Goll’schen Stränge zu verfolgenden Ursprungsfasern hiefür. Wenn diese Stränge nicht nur Fasern von der grauen Substanz empfangen, sondern solche an dieselbe auch abgeben würden, so müsste die Zahl derselben eine bedeutend grössere sein. Zweitens kommt die späte Entwickelung ihrer Markscheiden in Betracht, eine Eigenschaft, die meiner Ansicht nach ein Präro- gativ langer Bahnen darstellt. Untersuchungen über die Entwickelung der Markscheiden ete. 119 Aber mit grösserem Nachdruck kann man hierfür den Um- stand geltend machen, dass sie von unten nach oben continuirlich an Querschnitt zunehmen. Die ersten Spuren der Goll’schen Stränge zeigten sich bei den meisten von mir untersuchten Exemplaren schon im untersten Abschnitt des Rückenmarkes und nur einigemale traten sie erst im oberen Theil des Lumbalmarkes hervor. Vielleicht kommen ähnliche individuelle Differenzen auch beim Menschen vor und liesse sich hierdurch dann jene Divergenz erklären, die in den diesbezüglichen Angaben von Flechsig und Bechterew besteht. Ersterer!) lässt sie nämlich als gut abgegrenzte Stränge stets erst im oberen Dorsalmark in die Erscheinung treten, was vielleicht doch etwas zu weit gegriffen sein dürfte, letzterer lässt sie hingegen in einer unlängst erschienenen Arbeit?) schon im unteren Sacral- mark beginnen. Immerhin erscheinen aber die Stränge im Lumbalmark, falls sie auch vorhanden sind, sehr unbedeutend. Im oberen Lumbal- und namentlich im unteren Dorsaltheil wachsen sie beträchtlich und rapid an: hier ist ihre hauptsächliche Ursprungstätte. Dann bleiben sie längs des ganzen Brustmarkes gleich breit und lassen erst in der Halsanschwellung, jedoch nur eine verhältnissmässig geringe Zunahme erkennen. Aus dem wird man also mit Gewissheit den Schluss folgern können, dass erstens hier eine lange Bahn vorliege, zweitens die Elemente derselben hauptsächlich im oberen Lumbal- und unteren Dorsalmark entspringen, in der Gegend also, wo, wie wir sahen, die Hinterwurzeln der stärksten Lumbalnerven, nachdem sie eine Strecke nach oben verliefen, ihre Endigung finden. Eine, durch graue Substanz vermittelte Beziehung der Goll- schen Stränge zu den sensftiven Nerven der hinteren Extremität ist somit fast zweifellos. Jener Umstand, dass sich zwischen vorderem und hinterem Theil der Goll’schen Stränge im Laufe der Markentwickelung ein Unterschied geltend macht, möchte ich einfach auf die in cen- tripetaler Richtung erfolgende Ablagerung der Myelinscheiden zu- 1) Flechsig, Die Leitungsbahnen. p. 310. 2) Beehterew, Arch. f. Anat. und Physiologie Anat. Abth. 1887. p. 103. ee RE 120 Dr. Michael v. Lenhossek: rückgeführt wissen. Da die Stränge ihre Ursprungsfasern, wie erwähnt, von vorne, aus der hinteren Commissur erhalten, werden sich die zuerst mit Markscheiden sich umhüllenden Anfangsstücke ihrer Fasern in ihrem vorderen Theil befinden. Für die hier an- zutreffenden auffallend starken Elemente finde ich keine Erklärung, XII. Pyramidenbahn. Die Pyramidenbahn der Maus zeichnet sich ähnlich der- jenigen des Menschen dadurch aus, dass sie ihre Markscheiden sehr spät erhält. In einem Stadium, wo schon alle übrigen Fasern des Rückenmarkes ihre Myelinbekleidung erhalten haben, ermangeln ihre Elemente noch einer solchen. Suchen wir die Bahn zunächst auf in einer Schnitthöhe etwas oberhalb der Kreuzung, im untersten Theil des verlängerten Markes (Fig. 8). Hier stellen sich die Pyramidenstränge als zwei platte, quer- ovale, zu beiden Seiten der vorderen Längsfurche, an der Ober- fläche gelegene Bündel dar. Sie sind im Vergleich zu denjenigen des Menschen schwach entwickelt, bedingen kaum einen Vorsprung und fehlt die sie lateral von den Oliven abgrenzende Furche beinahe vollständig. Dorsalwärts werden sie vom Nucleus basalis Stieda’s und von spärlichen Fibrae areiformes bedeckt. Ventralwärts liegen sie frei zu Tage, da hier die sie beim Menschen auf der Oberfläche überziehenden äusseren Gürtelfasern nicht vorhanden sind. Sie bestehen aus sehr feinen und dicht gelagerten Fasern. Verfolgen wir die Bündel nach unten, so ergiebt sich zunächst, dass sie etwas auseinander rücken, so dass der früher kaum an- gedeutete Suleus longit. ant. nunmehr als eine breite Furche sich bemerkbar macht. Dies ist zum Theil auch dadurch bedingt, dass sich die beiden, früher im Querschnitte mehr ovalen Stränge zu rundlicher Form zusammenbalten, zufolge dessen auch die Furche an ihrer äusseren Seite besser ausgesprochen erscheint. Nun erfolgt ihre Umlagerung, welche darin besteht, dass ein jedes Pyramiden- bündel in seiner Totalität in den Hinterstrang der anderen Seite sich begiebt, wie dies schon Stieda ganz richtig erkannt und beschrieben hatte. Die Prämedulla der Maus (Fig.7), wie Rauber!) den durch 1) Dr. C. E. E. Hoffmann und Dr. A. Rauber, Lehrbuch der Ana- tomie des Menschen. II. Band. 3. Auflage. Erlangen 1886. p. 363. "ERRNRR Untersuchungen über die Entwickelung der Markscheiden etc. 121 die Pyramidenkreuzung gekennzeichneten Abschnitt nennt, ist von sehr ovalem Querschnitt und schliesst sich auch in seinem in- neren Bau mehr an die Oblongata an, während z. B. diese Partie beim Menschen einen runden Querschnitt aufweist und sonst auch noch den Rückenmarkstypus bewahrt. Die Kreuzung erfolgt bei der Maus ebenfalls mit mehreren alternirenden Bündeln; da aber der Verlauf dieser in Beziehung zur Längsaxe des Rückenmarkes ein beinahe ganz transversaler ist, d. h. sich an die Querebene des Rückenmarkes hält, so lässt sich ihre Decussation auf einem Querschnitte recht gut überblicken. Untersucht man einen solchen, so findet man Folgendes. Die Kreuzungsbündel bleiben bis zuletzt compact und lassen, da sie sich in die Hinterstränge zu begeben haben, einen fast ganz sagit- talen, von der Mittellinie nur wenig abweichenden Verlauf er- kennen. Sie ziehen dorsalwärts, kreuzen sich, und zwar erst un- mittelbar vor dem abgeschnürten basalen Theil der Vorderhörner, in der Tiefe der Längsfissur und nicht auf der Oberfläche, wie beim Menschen, wenden sich hierauf etwas mehr nach aussen und erreichen schliesslich, unter Bildung eines schwachen, nach aussen convexen Bogens ihre Endstation. Um die Lage der Pyramidenstränge an einer Stelle gleich unterhalb der Kreuzung schildern zu können, muss ich Folgendes vorausschieken. Die Hinterstränge sind hier von sehr abgeflachter Form. An Stelle der Goll’schen Stränge gewahrt man zwei plumpe, der grauen Substanz mit breiter Basis aufliegende graue Erhabenheiten, die in ihrem Wurzeltheil mit einander verschmolzen sind, dann etwas divergirend sich seitwärts wenden. Es sind dies die Nuclei funieuli graeilis. Da sich Nervenfasern nur in geringer Zahl in denselben vorfinden, darf man annehmen, dass die Ele- mente der G oll’schen Stränge zum grössten Theil ihre Endigung in ihnen fanden. . Die Nuclei funiculi cuneati sind sehr unbedeu- tend, sie präsentiren sich als schwache Vorsprünge der Hinterhörner, was sie aber auszeichnet, ist ihre braune Färbung bei Weigert’s Hämatoxylin-Tinetion, eine Erscheinung, die schon oben mitgetheilt und auf ihre Ursache zurückgeführt wurde. In der Ecke zwischen Nuel. fun. gracialis und euneati finden nun die Pyramiden Platz; sie sind im Durchschnitte von ovoider Form. Sie liegen hier also in einiger Entfernung von einander, durch die Kerne der zarten Stränge getrennt. 223 Dr. Michael v. Lenhossek: Im oberen Abschnitt des Cervicalmarkes rücken die Stränge allmählich zusammen, sie werden nunmehr nur durch den sehr schmalen, eingeschnürten Halstheil der Nucl. fun. gracilis von einander geschieden. Weiter unten verschwinden diese Kerne und nun kom- men die beiden Pyramidenbündel in Berührung mit einander, in- dess zunächst nur mit einem kleinen Theil, ihr grösster Abschnitt steht noch frei und schmiegt sich, sich seitwärts wendend und allmählich verschmälernd, dem medialen Rand der Hinterhörner an, so dass das Bild zweier getrennter Pyramidenbündel noch immer ausgesprochen ist. Allmählich legen sie sich dann in ihrer ganzen Ausdehnung aneinander und nehmen dann gewissermaassen als ein gemeinsames Bündel den vordersten Theil der Hinterstränge in Anspruch, wobei sie sich vom übrigen Theil letzterer einfach durch eine quere Linie absondern. In der Halsanschwellung tritt in der Form der verschmolzenen Pyramidenstränge eine Aenderung ein, insofern als ihre hintere Begrenzungslinie sich in der Mittellinie spitzig auszieht. Die Ent- stehung dieser Form lässt sich zurückführen auf die hier erfolgende starke Zunahme der Burdach’schen Stränge, die die Pyramiden- bündel gleichsam zusammendrücken, so dass sie genöthigt sind, nach hinten sich zu verlängern, was sie auch zufolge der relativen Schwäche der Goll’schen Stränge ungehindert thun können. Im Dorsalmark erkennt man wieder eine Form, wie man ihr weiter oben begegnete: als hintere Begrenzung erscheint eine quere Linie. Zuweilen erhält sich diese Form bis in das Lendenmark hinein, gewöhnlich findet man aber im letzteren, ähnlich wie unmittel- bar unterhalb der Kreuzung, zwei nur vorne verschmolzene, seitwärts divergirende, der grauen Substanz sich anschliessende Bündel. Die Pyramidenstränge setzen sich in ihrem Rückenmarkstheil noch am 18. Tage sehr scharf gegen die übrigen Bestandtheile der Hinterstränge ab. Zwar findet man schon auf einem früheren Stadium einige zerstreute myelinhaltige Fasern in ihrem Gebiet, doch sind das unzweifelhaft nur aberrirte Elemente der Burdach- schen oder Goll’schen Stränge. Finden sich doch auch bei mensch- lichen Föten namentlich innerhalb der Pyramidenseitenstrangbahn einige, anderen Systemen angehörige Fasern. Eine Sache von Interesse ist es, dass die Bahn nicht in ihrer ganzen Ausdehnung auf einmal markhaltig wird. So findet man am 18. Tage ihr oberhalb der Kreuzung befindliches Stück schon Untersuchungen über die Entwickelung der Markscheiden etc. 123 fast ganz markweiss, während sie noch im Rückenmarke, wie er- wähnt, so gut wie vollständig marklos erscheint. Am 20. Tage reicht die Markhaltigkeit von oben heraß bis ungefähr zur Mitte des Rückenmarkes. Am 27. Tage ist sie beinahe ganz markhaltig, unterscheidet sich indess noch immer durch ihre etwas hellere Farbennuance von den benachbarten Strängen. Erst am 30. Tage stellt sie sich in ihrem definitiven Zustande dar. Die Bildung der Markscheiden geht hier also in centifugaler, absteigender Richtung vor sich. Die Pyramidenstränge erstrecken sich bis in den tiefsten Ab- schnitt des Rückenmarkes. Sie nehmen von oben nach unten con- tinuirlich und in gleichmässiger Weise an Querschnitt ab, doch ist diese Abnahme im Ganzen sehr gering, kaum merklich, so dass sie sich noch ganz unten, an einer Stelle, wo die Goll’schen Stränge noch gar nicht in Erscheinung traten, ziemlich ansehnlich präsentiren. Man wird demnach nicht fehlgehen, wenn man an- nimmt, es liege hier eine Bahn vor, die wohl in allen Gegenden des Rückenmarkes einige Fasern an die graue Substanz abgebe, der Hauptsache nach aber im Lendenmark ihre Endigung finde. Die Frage nach der Art und Weise der Verbindung der Pyra- midenfasern mit der grauen Substanz gehört zu den schwierigsten. Die Beobachtung des Verlaufs ihrer Endstücke wird erschwert ein- mal durch ihre Feinheit, andererseits durch den Umstand, dass sie zu einer Zeit markhaltig, mithin also der Beobachtung zugänglich werden, wo schon alle übrigen Fasern mit Myelinscheiden ausge- stattet sind. Vielleicht habe ich das Richtige getroffen, wenn ich als die fraglichen Elemente folgende Fasern in Anspruch nehme. Unter- sucht man das Lumbalmark ausgewachsener Mäuse, so wird man zwar nicht an allen, jedoch an vielen Schnitten zarte Fasern ge- wahr, die, aus den Pyramidensträngen sich ablösend, unweit der Mittellinie geradeaus nach vorne laufen, in der Nähe des Central- canals sich etwas lateralwärts wenden und sich in der Gegend der Centralgruppe der Beobachtung entziehen. Ob nun ihre definitive Endigung in letzterer zu suchen sei, oder ob sie noch weiter gehen in die Vorderhörner, liess sich nicht entscheiden. Sind diese Nerven- fäden wirklich identisch mit Pyramidenfasern, was ich allenfalls nur als eine Vermuthung hinstellen möchte, so wird man letzteres für wahrscheinlicher halten müssen. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Dr. Michael v. Lenhossek: Untersuchungen ete. Erklärung der Abbildungen auf Tafel VI und VI. Querschnitt aus dem Rückenmarke einer ausgewachsenen Maus. Unterer Abschnitt des Halstheiles. Nervenzellen aus dem Vorderhorn einer 4tägigen Maus. Die Zellen sind mit myeloider Körnchensubstanz beladen, die sich auch in der Zwischensubstanz vorfindet. Zahlreiche marklose, einige markhaltige Nervenfasern. Reichert Oc. III, Obj. 5. Aus dem Rückenmarke einer 28cm langen menschlichen Frucht. ‘Oberer Abschuitt des Lendenmarkes. Die Zellen sowohl der Haupt- wie der Commissurengruppe enthalten viel Myeloidmasse und treten daher durch ibre dunkle Färbung deutlich hervor. Vorderwurzeln zum Theil schon markhaltig. Querschnitt aus dem Rückenmarke einer Maus vom 3. Tage. Lum- baltheil. Querschnitt aus dem Rückenmarke einer 6tägigen Maus. Unterer Abschnitt des Halsmarkes. Querschnitt aus dem Rückenmarke einer 10tägigen Maus. Dorsaltheil. Querschnitt aus der Medulla oblongata einer 18 Tage alten Maus. Gegend der Pyramidenkreuzung. Querschnitt aus der Oblongata einer 18 Tage alten Maus. Gegend etwas oberhalb der Kreuzung. Sämmtliche Figuren sind nach Präparaten gezeichnet, die mittelst W.eygert’s Hämatoxylinmethode gefärbt wurden und sind mit Ausnahme von Fig. 2 bei schwacher Vergrösserung angefertigt. " . H M A Gustav Platner: Beiträge zur Kenntniss der Zelle etc. 125 (Aus dem anatomischen Institut zu Breslau.) Beiträge zur Kenntniss der Zelle und ihrer Theilungserscheinungen. Von Gustav Platner. (Hierzu Tafel VIII und IX.) I. Zelltheilung und Samenbildung in der Zwitterdrüse von Limax agrestis. Mit der vorliegenden Mittheilung beginne ich die Veröffent- lichung einer Reihe von Abhandlungen, welche das Resultat meiner Zellstudien während der letzten Jahre sind. Wenn ich hierbei die Erörterung der Zelltheilung und Samenbildnng in der Zwitterdrüse von Limax agrestis vorangehen lasse, so geschieht dieses deshalb, weil die erhaltenen Resultate in inniger Beziehung stehen zu einer Reihe von Entdeckungen, welche in der letzten Zeit durch Boveri, van Beneden und Vejdovsky in Bezug auf die Entstehung der achromatischen Kernspindel in befruchteten Eiern verschie- dener Würmer gemacht worden sind. Diese wichtige Erweiterung unserer Kenntnisse über die initialen Phänomene der Zelltheilung, welehe durch die genannten Autoren gewonnen wurde, zeigt zu- gleich, wie man selbst bei Objekten, mit denen man ziemlich ge- nau vertraut zu sein glaubt, noch neue überraschende Thatsachen auffinden kann. In einer solchen Lage befinde ich mich auch dem schon vielfach von mir studirten Objekt, der Zwitterdrüse der Pulmonaten gegenüber. Die bedeutsamen Aufschlüsse, welche ich neuerdings erhalten habe, verdanke ich nicht zum wenigsten der Methode, um deren Verbesserung ich mich unablässig bemüht habe; ich werde daher mit der Beschreibung derselben beginnen. 126 Gustav Platner: Methode. Das beste Konservirungsmittel für die Nebenkerne und ihre Umwandlungsprodukte in den samenbildenden Zellen ist unstreitig die Osmiumsäure. Die Concentration, in welcher diese in der stärkeren Flemming schen Säuremischung (Chrom-Osmium-Essig- säure) enthalten ist, reicht bei genügend langer Einwirkung voll- kommen aus. Was nun den letzteren Punkt anbelangt, so hatte ich mich bald überzeugt, dass die von mir früher angegebene Dauer von 30 Minuten den Anforderungen nicht entsprach. Da aber ein Ueberschreiten dieser Zeit die Schnittfähigkeit der Präparate wesentlich beeinträchtigt, so musste ich letztere auf irgend eine Weise wieder herzustellen suchen, was durch unten beschriebene Einbettungsmethode gelang. Die wenn nöthig zerkleinerten Zwitterdrüsen kommen mög- lichst frisch in die stärkere Flemming’sche Säuremischung und bleiben bis zu einer Stunde darin, alsdann wird dieselbe Flüssig- keit mit dem drei bis vierfachen Volumen Wasser verdünnt noch zu einer Nachhärtung von 24stündiger Dauer benutzt. Hieran schliesst sich ein ausgiebiges Auswaschen in der von Flemming angegebenen Weise an. Die weitere Aufbewahrung erfolgt in Alkohol von steigender Concentration. Als Färbungsmittel für die Nebenkerne in den auf diese Weise gehärteten. Präparaten hat sich mir nach wie vor nur das Häma- toxylin erprobt. Mit Anilinfarben wird nichts erreicht, eine Er- fahrung, welche auch Prenant (1) neuerdings wieder gemacht hat. Unter den verschiedenen Hämatoxylintinetionen hat sich mir nun als die weitaus beste und bequemste die Apathy’sche Modi- fikation des Heidenhain’schen Verfahrens erwiesen (5). Um Nach- untersuchern ihre Arbeit möglichst zu erleichtern, will ich mein Verfahren hier ausführlich wiedergeben. Es geschieht dies schon deshalb, weil Prenant angiebt, mit der früher von mir veröffent- lichten Methode nicht zum Ziel gekommen zu sein. Die Hämatoxylin- lösung besteht also aus: Hämatoxylin eryst. 1,0; Alkohol abs. 70,0; Ag. dest. 30,0 und wird in dunklen Flaschen aufbewahrt: Die Ob- jekte werden hierin in toto gefärbt und zwar 24 Stunden lang. Die Entfärbung geschieht in einer 1°, alkoholischen Lösung von doppeltehromsauren Kali. Zu diesem Zwecke hält man sich eine Lösung von 10,0 Kal. bichromiec. auf 300,0 Ag. dest. vorräthig, von 2 Beiträge zur Kenntniss der Zelle und ihrer Theilungserscheinungen. 127 der jedesmal für den Gebrauch 30 cem mit 70 ccm starken Alkohols versetzt werden und zum Entfärben in dunklen Gefässen benutzt werden. Eine starke Färbung verlangt eine 12stündige Einwir- kung dieses Reagens. Um eine schwächere Tinction zu erhalten, muss man bis zu 24 Stunden steigen. Man thut gut, sich ver- schieden stark gefärdte Objekte herzustellen, da die einen dieses, die andern jenes besser zeigen. Die Objekte werden dann in 70%, Alkohol übertragen, was gleichfalls in dunklen Gefässen zu ge- schehen hat und ein bis mehrere Tage darin gelassen. Die Färbung ist dann eine klare, ohne irgend welche Niederschläge. Es erfolgt nun Entwässerung in absolutem Alkohol und dann Durchtränkung mit eingedicktem Cedernholzöl, ein Verfahren, welches auf dem hiesigen Institute üblich ist und den Objekten einen hohen Grad von Zähigkeit verleiht. Die Einbettung geschieht dann in über- hitztem Paraffin. 20 Minuten Verweilens in dem bei möglichst niedriger Tem- peratur flüssig erhaltenem Paraffin sind genügend. Es gelingt jetzt ohne Mühe Schnittbänder von 0,005 mm Stärke herzustellen. Selbst noch dünnere Schnitte sind mir gelungen, wobei ein vortreffliches Becker’sches Mikrotom mir sehr zu Statten kam. Die soeben auseinandergesetzte Methode hat grosse in die Augen springende Vortheile: Zunächst eine gute Härtung und Färbung, wobei das Manipuliren mit den einzelnen Schnitten fort- fällt, bei welehem diese#eft sehr leiden, sodann sehr dünne intakte lückenlose Serien. Die Schnittbänder selbst pflege ich mit Collo- dium-Rieinusöl auf dem Objektträger festzukleben, mit Xylol das Paraffin zu entfernen und dann in Canadabalsam einzuschliessen. Es gelingt so in verhältnissmässig kurzer Zeit zahlreiche Schnitte herzustellen, was sehr nothwendig ist, da manche Stadien der Zelltheilung nur selten sieh finden und das Durchmustern zahl- reicher Präparate erheischen. Die Zelltheilung. Mit dem Studium der Zelltheilung in der Zwitterdrüse der Pulmonaten hat sich nach mir Prenant eingehender beschäftigt. Wenn er nun auch in den meisten Punkten meine Beobachtungen in erfreulicher Weise bestätigt hat, so ist er doch in einigen Ein- zelheiten zu wesentlich abweichenden Resultaten gelangt. Zunächst habe ich zu erwähnen, dass meine Anordnung der karyokinetischen 128 Gustav Platner: Vorstadien keineswegs seinen Beifall gefunden hat, indem er eine grade umgekehrte Reihenfolge als die richtige ansieht. Ich muss ihm in dieser Beziehung Recht geben, obgleich die Erwägungen, welche mich hierbei leiten, ganz anderer Art sind, als diejenigen, welche Prenant zu seiner Ansicht veranlasst haben. Der letztere Autor hat nämlich durch seine Deutung, wel&he er den fraglichen Stadien gab, nur daran gedacht, eine Uebereinstimmung mit den von Carnoy erhaltenen Resultaten herzustellen, während es mir gelungen ist, Zwischenstadien aufzufinden, welche auf die Bedeu- tung des Nebenkerns ein ganz neues Licht werfen und welche beweisen, dass die früher von mir angeführte Aufeinanderfolge der Kerntheilungsprophasen eine verfehlte war. Ich habe mich übrigens durch Nachuntersuchung meiner alten Präparate überzeugt, dass hierbei kein Beobachtungsfehler von meiner Seite vorliegt. Es war vielmehr bei der ungenügenden Fixation und Färbung des Nebenkerns unmöglich, das zu erkennen, was mir meine jetzigen Präparate ohne Mühe zeigen. Das wesentliche Resultat, zu wel- chem ich gekommen bin ist das, dass der Nebenkernin keiner Phase der KerntheilungvölligdenBlickenentschwindet, sondern nur eigenthümliche Umformungen erleidet. Was die Veränderungen der chromatischen Substanz anlangt, so geben meine früheren Abbildungen (6) hiervon eine genügende Anschauung, so dass ich auf eine nochmalige Wiedergabe derselben verzichte und nur betonen möchte, dass die Reihenfolge der Figuren den alsbald folgenden Angaben gemäss umgeordnet werden muss. Aus dem Gerüstwerk des Kerns (Fig. 6 l. e.) geht ein typischer Knäuel hervor, der sich nach der einen Seite der Kernwandung, da wo der Nebenkern liegt, hin concentrirt; von hier gehn seine Windungen auch aus (Fig. 8 1. e.). Weiterhin beginnt die Seg- mentirung dieses Knäuels in der Weise, dass er sich in seine kleinsten Elemente, die Mikrosomen auflöst (Fig. 7 l. e.). Indem diese zu grösseren Elementen zusammentreten (Fig. 5 1. e.), bilden sich allmählich die Elemente der spätern Aequatorialplatte (Fig. 4 l. e.), die jetzt schon deutlich die Form von Doppelstäbchen zeigen, unter Umständen aber auch als kugelige oder ovale Körper er- scheinen, wobei ich es dahingestellt sein lassen muss, ob dieses nicht eine Wirkung der Reagentien ist. Auch Prenant giebt von diesen Veränderungen eine Reihe von Stadien in seinen Abbil- dungen wieder. Die Anordnung der Aequatorialplatte, die Meta- Beiträge zur Kenntniss der Zelle und ihrer Theilungserscheinungen. 129 kinese, sowie die weiter erfolgenden Veränderungen gehen in typi- scher Weise vor sich (Fig. 12—22 ]. e.),. Die Gründe, welche mich zwingen die soeben mitgetheilte Anordnung der Kerntheilungs- phasen aufzustellen, liegen, wie gesagt, in dem Verhalten, welches der Nebenkern hierbei zeigt. Schon auf dem. Knäuelstadium des Kerns bemerkt man zu- weilen einen beginnenden Zerfall des Nebenkerns in kleinere Ele- mente. Deutlich tritt dieses hervor auf dem Stadium des segmen- tirten Kerns. Anstatt eines zusammenhängenden gewundenen Ele- ments, wie der Nebenkern früher erschien, zeigt sich jetzt eine Anzahl gleichgeformter Stäbchen. Sie stimmen in ihren Dimen- sionen ziemlich überein, so dass nur selten eines etwas länger oder dicker erscheint (Fig. 1, Taf. VII). Zuweilen hängen einzelne noch mit dem einen Ende zusammen, wobei sie hier keinen spitzen Winkel, sondern einen Bogen beschreiben, auf diese Weise ihren Ursprung aus dem gewundenen Nebenkern noch deutlich dokumen- tirend. In der Tinctionsfähigkeit stimmen sie völlig mit diesem überein. Ihre Anzahl beläuft sich auf 8 Stück, wie mich eine grössere Reihe von Zählungen belehrt hat. Diese Zahl steht in einem merkwürdigen Verhältniss zur Gesammtzahl der äquatorialen chromatischen Elemente, welche bei Limax agrestis sich auf 16 in zahlreichen Fällen feststellen liess (Fig. 6). Die aus dem Neben- kern hervorgegangenen Stäbchen zeigen anfangs eine ganz regellose Vertheilung (Fig. 1 a, b, ec). Zuweilen bemerkt man zwischen ihnen zwei runde, neben einander liegende, mehr oder weniger scharf begrenzte runde Körperchen (Fig. 1 ec). Dieselben mögen wohl immer vorhanden sein, aber oft von den Stäbchen verdeckt werden oder aus einem anderen Grunde nicht deutlich hervortreten. Diese Körperchen rücken allmählich aus einander und zugleich beginnen die Stäbehen sich in zwei Gruppen von je 4 Stück um dieselben regelmässig zu ordnen (Fig. 1d). Ein weiteres Phäno- men, welches jetzt zu Tage tritt, besteht darin, dass die Stäbchen eine Längsspaltung erkennen lassen. Diesen Prozess wird man natürlich nur dann deutlich wahrnehmen, wenn die Theilungs- produkte neben einander liegen. Oft wird das eine theilweise oder ganz vom andern verdeckt werden und dann dem Auge des Beschauers als ein Element erscheinen. Jede der beiden Gruppen besteht jetzt aus 8 secundären Stäbchen. Auf der Kernmembran entlang rückend entfernen sie sich mehr und mehr von einander, Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 33. 9 130 Gustav Platner: wobei sich zwischen ihnen eine Brücke dunkler gefärbter Substanz ausspannt, welche der Kernmembran dicht anliegt und so fast wie eine lokale Verdickung derselben erscheint (Fig. 2). Ich hege die Ueberzeugung, dass diese Brücke ebenfalls dem Nebenkern ent- stammt, denn die Gesammtmasse der Stäbchen entspricht nicht dem verhältnissmässig bedeutenden Volumen des ursprünglichen Neben- kerns, sondern ist entschieden geringer. An denjenigen Stellen, wo die beiden Stäbehengruppen, nachdem sie etwa um ein Drittel der Kernperipherie auseinander gewichen sind, sich ansetzen, er- scheinen am Kern zwei zipfelförmige Ausstülpungen (Fig. 2b). Weiterhin schwindet die Kernmembran (Fig. 3a) und die achro- matische Spindel tritt deutlich zu Tage. Der Kernraum selbst markirt sich noch einige Zeit mit ziemlich scharfer Grenze gegen das umgebende Protoplasma. Weiterhin strahlen von den Polen welche durch die beiden Stäbchengruppen sammt Centralkörperchen gebildet werden, die Spindelfasern in denselben aus und setzen sich mit den chromatischen Elementen in Verbindung. Ein anderer Theil der Spindelfasern erstreckt sich direkt von Pol zu Pol (Fig. 3 b). Die achromatische Spindel zeigt diesem Bildungsmodus entsprechend zu Anfang eine gekrümmte oder geknickte Gestalt und trägt die chromatischen Elemente zunächst noch in unregel- mässiger Anordnung (Fig. 4). Die letzteren ordnen sich aber bald zu einer regulären Platte im Aequator an und zugleich nimmt die Spindel ihre definitive gestreckte Form an (Fig. 5). Diese letztere zeigt nun an jedem der Pole ein mehr oder weniger scharf be- grenztes helleres Centrum, von welchem radienartig die dunklen 8 Stäbchen ausstrahlen. Ich will diese als Hauptstrablen bezeichnen, um sie von den Cytoplasmastrahlen, die ebenfalls von den Polen ausgehen, wie ich dies schon früher beschrieben habe, zu unterscheiden. Sie zeigen während der nachfolgenden Theilungsphasen keine weiteren Veränderungen. Erst am Schluss der Theilung treteu wieder wich- tige Erscheinungen auf. Wenn die Einschnürung der Zelle im Aequator bis auf die Spindelfasern vorgeschritten ist und um die Tochterkerne ein heller Hof sich gebildet hat, bemerkt man, wie die dem Nebenkern entstammenden Hauptstrahlen an den Polen wieder eine Umordnung in je zwei Gruppen eingehen, deren jede dann vier der acht Strahlen enthält. Es wird damit die letzte Theilung der Spermatoeyten eingeleitet, die also unmittelbar, ohne Beiträge zur Kenntniss der Zelle und ihrer Theilungserscheinungen. 131 dass ein Ruhestadium eingeschaltet wäre, an die vorhergehende anschliesst. Frühere Theilungen als die geschilderten enthielten leider die mir zu Gebote stehenden Zwitterdrüsen nicht und die vorgeschrittene Jahreszeit gestattete nicht, mir neues frisches Ma- terial zu verschaffen. In dem erwähnten Endstadium der Karyo- kinese also bemerkt man an den Polen ausser den in zwei Gruppen gesonderten Hauptstrahlen, die zugleich eine gewisse Reduction ihrer Länge zeigen, dafür aber etwas breiter geworden zu sein scheinen, womit sich wohl die beginnende Längsspaltung einleitet, noch an der äussersten Spitze des Poles zwei dunkle runde, neben einander liegende Körperchen, die oft sehr scharf hervortreten (Fig. 7). Sie sind vorerst noch entfernt von dem Centrum jeder Strahlengruppe, zeigen aber weiterhin ein Verhalten, wie es für die vorhergehende Theilung bereits beschrieben ist. Aus dem Zerfall der unregelmässig geformten Tochterkern- platte gehen die chromatischen Elemente der sich alsbald bilden- den neuen Aequatorialplatte hervor in der Art, dass die neue in derselben Weise, wie bereits vorher auseinandergesetzt wurde, sich bildende Spindel senkrecht auf die vorhergehende sich stellt. Man findet also auch hier wieder das Gesetz bestätigt, dass die zweite Theilung senkrecht auf die erste erfolgt. Die Zellvermeh- rung hat hiermit ihr Ende erreicht, indem die letzten Produkte derselben die Spermatiden, die Samenausbildungszellen darstellen. Die Betrachtung derselben leitet in das Gebiet der Spermatogenese selbst hinüber, zu der ich mich jetzt wenden werde. Spermatogenese. Die Bildung einer Spermatide vollzieht sich in folgender Weise: Aus dem äquatorialen Theil der Spindelfasern entsteht direkt der Nebenkern (Fig. 8). Ich muss demnach meine früher hierüber gemachten Angaben völlig aufrecht erhalten. Um die ehromatischen Tochterplatten bildet sich der schon mehrfach er- wähnte helle Hof aus. Dieser zeigt an der dem Pol zugekehrten Seite einen dunklen Aufsatz, welcher den Hauptstrahlen sammt Centralkörper angehört. Indem sich nun an der Peripherie des hellen Hofes die Kernmembran bildet, erscheint der dunkle Pol- aufsatz zunächst noch durch einen geringen Zwischenraum von dieser getrennt (Fig. 9). Weiterhin liegt er der Kernmembran 132 Gustav Platner: direkt an, fast als eine dunkel gefärbte lokale Verdiekung der- selben erscheinend (Fig. 10). Dieses Element ist nun nichts an- deres als der sogenannte Spitzenknopf des Samenkörpers, wie sein weiteres Verhalten deutlich zeigt. Ich kann daher die Beobachtungen Prenant’s, welcher den von mir früher übersehenen Spitzenknopf beschrieben hat, bestätigen und bin in der Lage sie durch An- gaben über die Genese dieses merkwürdigen Körpers noch weiter- hin zu vervollständigen. An der dem Spitzenknopf oder besser gesagt der Spitzenkappe, denn dieses Gebilde breitet sich auch in der Fläche über die Membran des Spermatidenkerns aus, gegenüber liegenden Seite beginnt sich das Chromatin mehr und mehr zu concentriren, wobei der Kern an dieser Stelle sich etwas verbreitert (Fig. 11). Es entsteht so eine halbmondförmige stärkere Anhäufung chromatischer Substanz, welche ihre Convaeität dem Centrum des Kerns zukehrt. In der Mitte derselben inserirt sich die Geisel, resp. der Axenfaden des Spermatosoms (Fig. 13), der anfangs aus Körnchen zusammengesetzt erscheint, was auch Prenant bemerkt hat. : Der Spitzenknopf erscheint auf diesem Stadium aus Körn- chen zusammengesetzt, deren man auf dem Querschnitt meist fünf zählt. Weiterhin wird die an der Basis des Kerns angesammelte chromatische Substanz durch den Axenfaden nach innen eingestülpt, so dass sie jetzt dem Centrum des Kerns eine convexe Fläche zu- kehrt (Fig. 13). Der ganze Kern streckt sich mehr und mehr in die Länge, wobei sich der Spitzenknopf, welcher jetzt wieder ho- mogen erscheint, mehr zuspitzt und der Uebergang in den gewun- denen Kopf des Spermatosoms vollzieht sich in der schon früher beschriebenen Weise (Fig. 14). | Ich schliesse hiermit meine Mittheilungen über den Nebenkern und seine Wandlungen, mit dem Bewusstsein freilich, dass noch manche Punkte einer nähern Aufklärung bedürftig sind, wie na- mentlich die früheren Theilungen der Zellen der Zwitterdrüse, in- dessen muss ich die Lösung dieser Fragen verschieben, bis der Sommer mir neues Material zuführt. Durch die gewonnenen Resultate dürfte unser Verständniss für die Vorgänge der Zelltheilung und der Befruchtung eine weitere Förderung erhalten haben. Der Nebenkern, dieses von v. la Va- lette St. George (7) zuerst beobachtete, vielfach bestrittene und noch öfter missdeutete Element, ist damit aus der Sonderstellung, welche er bisher einnahm, herausgetreten und muss in eine Reihe Beiträge zur Kenntniss der Zelle und ihrer Theilungserscheinungen. 133 gestellt werden mit den von van Beneden (2) in den Furchungs- zellen von Ascaris megalocephala beschriebenen „spheres attraeti- ves‘“ mit ihren „corpuscules centraux“, mit dem Boveri’schen (4) „Archoplasma“ und den „Periplasten“ Vejdovs ky’s (3). Ich bin mit van Beneden der Ansicht, dass sich ähnliche Elemente wohl noch in allen Zellen nachweisen lassen werden. Von Wichtigkeit ist ferner die Aufklärung, . welche die er- haltenen Resultate über die Bedeutung des Spitzenknopfs der Sper- matosomen gewähren. Auch auf dieses bisher völlig räthselhafte Gebilde wird da- durch ein helles Licht geworfen. Es enthält einen Theil des Neben- kerns und speziell das die Zelltheilung beherrschende Element. In die Eier wird mit dem Spermatozoenkopf der Spitzenknopf mit eingeführt und reconstruirt sich hier wieder, wie ich in den be- fruchteten Eiern von Liparis dispar constatiren konnte. Leider gelang es mir an diesem für solche Untersuchungen recht ungün- stigen Objekt nicht, das weitere Schicksal desselben zu verfolgen. Eine eingehendere Würdigung der erhaltenen Resultate unter näherem Eingehen auf die sich immer mehr anhäufende Literatur muss ich mir bis zum Schluss meiner Beiträge versparen. Die ‚nächste Abhandlung wird über die Vorgänge der Bildung der ersten Richtungsspindel in dem Ovarium von Aulastomum Grulo handeln, wo sich die Centrosomas in ausgeprägter Form finden. Literatur. 1) Prenant, A., Observations cytologiques sur les &lömens seminaux des gasteropodes pulmonös. Avec 1 pl. in: La cellule, T. 4. Fasc. 1. p. 135— 177. 1888. 2) van Beneden, Edouardet Adolphe Neyt, Nouvelles Recherches sur la fecondation et la division mitosique chez l’ascaride megalocephale. Leipzig, W. Engelmann. 1887. 3) Vejdovsky, Franz, Entwicklungsgeschichtliche Untersuchungen. Heft 1. Reifung, Befruchtung und erste Entwicklungsvorgänge des Rhynchel- miseies. Prag 1888. 4) Boveri, Zellenstudien. Heft 2. Die Befruchtung und Theilung des Eies von Ascaris megalocephala. Jena 1888. 134 Gustav Platner: 5) Apäthy, Nachträge zur Celloidintechnik. Zeitschr. f. wiss. Mikro- skopie etc. Bd. V. Heft 1. p. 45. 1888. 6) Platner, Ueber die Entstehung des Nebenkerns und seine Beziehung zur Zelltheilung. Arch. f. mikrosk. Anat. Bd. XXVI. 7) v. la Valette St. George, Ueber die Genese der Samenkörper. II. Arch. f. mikr. Anat. Bd. III. 1867. II. Samenbildung und Zelltheilung bei Paludina vivipara und Helix pomatia. Ich halte es für angebracht, meinen im ersten dieser Beiträge gemachten Angaben über die Spermatogenese und Zelltheilung bei Limax agrestis hier zunächst die Mittheilung der Beobachtungen, welche ich über die gleichen Vorgänge bei Paludina vivipara und Helix pomatia angestellt habe, anzureihen, da diese wichtige Er- gänzungen und Beobachtungen ergeben haben. Von den Zwitter- drüsen der Weinbergschnecke fanden sich unter meinen Vorräthen glücklicher Weise noch eine beträchtliche Anzahl gut conservirter Exemplare, die es mir gestatteten, sofort an diesem Object eine Prüfung meiner bei Limax gewonnenen Resultate vorzunehmen, Die Hodenzellen von Paludina vivipara zeichnen sich durch be- sonders deutliche Centrosomas aus, und lässt sich der Uebergang dieser Elemente in die Spitzenknöpfe der Spermatosomen mit der grössten Sicherheit feststellen. Ich beginne mit einer Beschreibung des Zellhabitus im Allge- weinen. Betrachtet man eine der grossen Hodenzellen, z. B. von Palu- dina vivipara, so enthält dieselbe folgende Bestandtheile: 1) zunächst den Kern. Derselbe ist rund oder oval, trägt das Kerngerüst in seinem Innern, sowie meist zwei grosse Nucleolen, welche ich als selbständige Bildungen auffassen muss. Umgeben ist der Kern von seiner Membran. Dieser meist dicht anliegend gewahrt man: 2) den Nebenkern. Derselbe stellt ein gewundenes Element dar, dessen Schleifen nach einem im Innern desselben gelegenen Punkte convergiren; ob sie hier, sei es auch nur zum Theil, frei endigen, lässt sich, da die einzelnen Windungen sich zu sehr verdecken, nicht constatiren. Bei Helix habe {ich oft freie Enden gesehen. Im Innern liegt: 3) das Centrosoma. Für gewöhnlich ist von die- sem nichts zu entdecken, aber wenn bei Beginn der Theilung die Beiträge zur Kenntniss der Zelle und ihrer Theilungserscheinungen. 135 Schlingen des Nebenkerns sich lockern und zerfallen, oder nach der Theilung der Nebenkern sich wieder reconstruirt, tritt es deut- lich hervor. Man sieht dann, dass die Elemente des Nebenkerns sich nach demselben orientiren. Im Ruhezustand der Zelle wird das Centrosoma durch die Windungen des Nebenkerns verdeckt. Dieselben sind aber augenscheinlich auch jetzt nach demselben gerichtet. Ausser dem Nebenkern enthält das Protoplasma noch zu- weilen: 4) eigenthümliche Körper, welche oft eine Verbindungs- brücke zwischen den Zellen bilden. Ich habe dieselben schon früher (15) beschrieben. Auch Prenant (16) hat sie gesehen und eine Reihe von Abbildungen gegeben. Ich habe in Betreff der- selben nichts Neues hinzuzufügen. Der Rest des Zellleibes wird endlich gebildet: 5) von den Strängen des Protoplasmas, die deut- liche, reihenförmig angeordnete, durch Zwischensubstanz mit einan- der verbundene Mikrosomen zeigen. Alle Theile der Zelle sind auf einen Punkt orientirt, und diesen nimmt das Centrosoma ein. Auf dieses sind gerichtet: Die Hauptstränge des Kerngerüstes und die daraus hervorgehenden Windungen des Kernknäuels, ferner die Schleifen des Nebenkerns und endlich die Stränge des Protoplasmas. Ich habe schon früher für die Hodenzellen der Lepidopteren angegeben, dass die Proto- plasmastränge nach der Spitze der Zelle zu convergiren. Hier muss aber, nach den bei der Theilung sich abspielenden initialen Vorgängen zu urtheilen, das Centrosoma liegen, wenn mir dessen Nachweis auch früher nicht gelungen ist. Wenn diese Struktur des Protoplasmas bei andern Gewebszellen nicht so ausgesprochen ist, so mag dies wohl daran liegen, dass ihre specifische Funktion hier Aenderungen bedingt. Die Hodenzellen haben zunächst keine besondere Aufgabe, sondern sind nur in reger Theilung begriffen, so dass sich diese jedenfalls von der Bildung der polaren Sonnen- figuren herrührende Struktur unverändert erhalten kann. Auch die Hauptstränge des Kerngerüsts sind auf das Centro- soma orientirt, wie dies bei den Hodenzellen von Paludina beson- ders deutlich hervortritt (Fig. 1 Taf. IX). Dass dieselben über- haupt eine bestimmte Anordnung zeigen, hat Rabl (17) nachge- wiesen. Das „Polfeld“, nach welchem die Gerüstfäden gerichtet sind, entspricht der Stelle, wo sich das Centrosoma befindet. Eigen- thümlich ist nun, dass der das letztere in seinem Innern beherber- 136 Gustav Platner: gende Nebenkern oft in beträchtlicher Entfernung vom Kern ge- troffen wird, wie ich dies schon früher angegeben habe, doch liegt er auch dann ziemlich genau in der verlängerten Längsachse des Kerns. Zu Beginn der Theilung rückt er stets wieder dicht an den Kern heran, um hier in Stäbchen zu zerfallen. Ich habe für Limax angegeben, dass sich zwei Gruppen von Stäbchen bilden, deren jede 4 Stück derselben enthält. Durch Längsspaltung jedes einzelnen Elements wird die Zahl verdoppelt, so dass mit dem zu- gehörigen Centrosoma an jeden Pol 8 Stäbchen sich begeben. Diesen entsprechen 16 „Chromosomen“ (Waldeyer, 21), die sich im Innern des Kerns aus dem Knäuel bilden. Ganz dieselben Verhältnisse ergaben sich nun auch bei Helix pomatia. Der Neben- kern zerfällt hier in zwei Gruppen von je 6 Stäbchen, welche um das zugehörige Centrosoma orientirt sind. Durch Längsspaltung werden hieraus 12 Elemente in jeder Gruppe. Nun habe ich aber schon früher (14) festgestellt, dass sich bei Helix 24 Chromosomen in der Aequatorialplatte finden, so dass auch hier die Zahl der Polhauptstrahlen als halb so gross sich herausgestellt hat, wie die der Chromosomen. Es liegt also hier ein fest stehendes Verhält- niss vor, ein gesetzlicher Zusammenhang. Da sich nun der Nebenkern nach Ablauf der Theilung aus den Elementen des jedem Tochterkerne zugehörigen Spindelpoles wieder ausbildet, so wird auch die Bildung des neuen Kernes unter seinem Einfluss geschehn, das heisst, er wird auf die Struk- tur des Kerngerüstes eine Einwirkung äussern. Wie ich schon früher beschrieben habe, sind die Windungen des Tochtesknäuels nach dem Nebenkern gerichtet und zwar speciell nach dem Centro- soma, welches in diesem Stadium noch deutlich kenntlich ist (Fig. 6). “Die Wirkung des Nebenkerns auf den sich neu bildenden Kern wird nun darin bestehen, dass eine bestimmte Anzahl von Gerüst- fäden entsteht, aus denen dann bei wieder eintretender Theilung ein Knäuel von bestimmter Windungszahl und aus diesem eine entsprechende Menge von Chromosomen hervorgeht. Auf diese Weise wird der merkwürdige Zusammenhang klar, in welchem die Chromosomen und die Hauptstrahlen der Pole ihrer Zahl nach stehen. Was das Schicksal der Spindelfasern anlangt, so glaube ich, dass hierbei eine Durchwanderung derselben nach dem Pol und ein Uebergang ihrer Substanz in die des Nebenkernes statt- findet. Das Hervorgehen des Nebenkerns direkt aus den Spindel- Beiträge zur Kenntniss der Zelle und ihrer Theilungserscheinungen. 137 fasern bei der letzten Theilung, sowie die Bildung der Spindel- fasern auf seine Kosten spricht zu deutlich für einen direkten ge- netischen Zusammenhang beider Gebilde, als dass man sich eine andere Vorstellung von dem Ablauf der in den Anaphasen auftre- tenden Erscheinungen machen könnte. Ich möchte freilich diese Auffassung, die übrigens keine neue ist, nur für die vorliegenden Objekte geltend machen. Wo sich der Nebenkern nicht in so ex- quisiter Weise wie hier findet, wie z. B. bei den Lepidopteren, da wird wohl die in das Protoplasma übergegangene Substanz der Spindelfasern wieder in die Bildung der neuen Spindel bei der nächsten Theilung mit eintreten, also nicht bloss zu einer Berei- cherung des Protoplasma dienen, wie Carnoy (6) will, dessen An- gaben über die Bildung der achromatischen Spindel übrigens im Verhältniss zu den zahlreichen von ihm untersuchten Objekten nur geringfügige sind. Aus den Resultaten der seitherigen Zell- forschung lässt sich schliessen, dass die Differenzirung der die achromatische Spindel und einen Theil der Polstrahlungen bilden- den Substanz gegenüber dem eigentlichen Protoplasma nicht bei allen Zellen in gleich strenger Weise durchgeführt ist, wie bei den mir vorliegenden, in dieser Beziehung gradezu klassisch zu nennen- den Objekten. Am nächsten dürften denselben noch die Furchungs- zellen der Eier gewisser Ascariden und Lumbrieiden kommen. Die an diesen Objekten von van Beneden (1), Boveri (4) und Vejdovsky (20) beobachteten Phänomene der Spindelbildung haben daher auch bisher am meisten zur Aufklärung über diese schwierige Frage beigetragen. Vergleicht man die Resultate dieser eben genannten Forscher mit den von mir erhaltenen, so wird man erkennen, wie der Grundplan in der Bildung der achromatischen Spindel überall derselbe ist, nur in der Art der Ausführung zeigt sich die Neigung der Natur zu variiren in hervorragender Weise. Für die Spindelpole in den samenbildenden Zellen von Helix hat sich mir noch ein charakteristischer Unterschied gegenüber den gleichen Elementen von Limax darin gezeigt, dass hier, ab- gesehen von ihrer grösseren Zahl, die Stäbchen eine viel geringere Ausdehnung in der Länge besitzen, so dass sie wenig in die Augen fallen, worin zum Theil der Grund zu suchen ist, dass sie mir früher entgangen sind. Betrachtet man an einem geeigneten Schnitte die Spindel von der Polseite, so erkennt man in der Mitte das gut entwickelte Centrosoma (Fig. 5), um dasselbe herum befindet 138 Gustav Platner: sieh ein hellerer Hof und an dessen Peripherie schliessen sich einmal die Hauptstrahlen, die dem Nebenkern entstammen, an und sodann die aus dem Protoplasma gebildeten secundären Strahlungen. Die erstern bestehn aus sechs radienförmig, mit grosser Regel- mässigkeit gelagerten kurzen Doppelstäbchen, also in Summa 12 Elementen. Die geringe Grösse derselben ist mir ein neuer Be- weis dafür, dass der grössere Theil des Nebenkerns in die Bil- dung der eigentlichen Spindelfasern übergegangen ist. Die Haupt- strahlen entsprechen den Strahlen, welche van Beneden als an der Oberfläche seiner ‚„cönes antipodes“ gelegen beschreibt. Er sagt hierüber: „Toutes les fibrilles des asters ne sont pas egalement Epaisses; de m&me facon qu’il existe deux cönes diffe- renceies diriges vers l’&quateur qui forment ensemble le fuseau achromatique, et que nous appelons cönes princeipaux, chaque cöne prineipal repondant a un demi fuseau, de m@me il existe des cönes antipodes dont les centres repondent aux corpuscules centraux, tandisque leurs bases sont dirigees vers les pöles de la cellule en voie de division. Les fibrilles qui eonstituent autant de gen6ratri- ces de ces surfaces coniques sont plus epaisses que celles qui sont plus voisines de l’axle de la figure, et aussi que celles qui sont situees plus en dehors“ (l. ec. p. 53). Diese Strahlen bringen nach van Beneden da, wo sie an der Oberfläche der Zelle in- seriren, eine leichte ringförmige Furche hervor. Nach van Bene- den sollen Contraetionen dieser an der Zelloberfläche befestigten Strahlen die Theilung bewirken. Ich muss dem gegenüberstellen, dass bei meinen Objekten die Hauptstrahlen gar nicht bis an die Zelloberfläche reichen, zumal bei Helix, dass sie ferner nicht wie eine Fortsetzung der Spindelfasern in derselben Richtung erschienen, sondern im gleichen Sinne nur unter einem stumpferen Winkel nach den Polen convergirten, wenigstens in dem Stadium, wo die Metakinese beginnt. Es scheinen mir ferner jene zuweilen vor- kommenden Sförmigen Spindeln, wie sie Carnoy beschreibt, wie ich sie selbst gefunden und wie sie neuerdings wieder Vejdovsky abbildet, absolut unvereinbar mit einer solchen Annahme, die übri- gens auch von Boveri (4) getheilt wird. Um nun auf unser Objekt wieder zurückzukommen, so ver- läuft der Prozess der Spindelbildung bei Helix ebenso wie bei Limax, wie es ja auch bei so nahe verwandten Thieren nicht anders zu erwarten ist. Dass der Nebenkern sich an der Polseite Beiträge zur Kenntniss der Zelle und ihrer Theilungserscheinungen. 139 der Tochterkerne wieder entwickelt, habe ich früher schon be- schrieben, nur konnte ich damals die ersten Stadien nicht erkennen. Man sieht zu Anfang noch deutlich das Centrosoma zwischen den dunklen, sich wieder zu einem zusammenhängenden Gebilde ver- einigenden Hauptstrahlen hervortreten (Fig. 6). Später wird es von den Windungen des Nebenkerns völlig verdeckt. Was den Theilungsmodus anbetrifft, welcher bei der letzten Theilung der Spermatocyten innegehalten wird, so zeigt derselbe folgende wesentliche Differenzen gegenüber den früheren Zellgene- rationen. Die ehromatische Substanz geht nicht die gewöhnlichen Anaphasen ein, sondern zerfällt direkt wieder in Chromosomen, das Polkörperchen theilt sich und die Hauptstrahlen gruppiren sich in zwei Gruppen um jedes der Theilungsprodukte. Damit beginnt die Bildung der neuen Spindel in schon beschriebener Weise, in deren Aequator die Chromosomen aufgenommen werden. Die Zahlder letzteren zeigt sich nur auf die Hälfte reducirt. Das wird durch Folgendes bewiesen. Zählt man (Limax) die Elemente der Aequatorialplatte bei der letzten Theilung am Quer- schnitt, so bemerkt man 16 kreisförmige Durchschnitte, von denen immer zwei ganz nahe beisammen liegen. Vergleicht man den Durchmesser eines solchen quergetroffenen Elements mit dem eines Tochterstäbehens, wie sie sich von der Seite in spätern Theilungs- phasen präsentiren, so stimmen beide völlig überein. Bei den frühern Theilungen zeigten meine gut gehärteten Präparate stets die 16 Chromosomen auf dem Durchschnitte als Doppelkügelchen, bei der letzten Theilung fand ich immer nur 16 einfache völlig kreisförmige Durchschnitte, immer zu je zweien nahe beisammen liegend, also 8 Doppelkügelchen bildend. Die je zu einem Paar vereinigten Elemente lagen allerdings nicht so fest bei einander wie früher. Ich muss demnach die Behauptung aufstellen, dass diese Elemente bereits die segmentirten Chromosomen sind, deren also nur 8 vorhanden wären. Diese entsprechen in ihren Dimen- | sionen völlig denen der vorhergehenden Theilung. Das Resultat dieser Erwägungen lässt sich nun also formuliren. Beider letzten Theilung der Spermatocyten findet eine Reduktion der Chromosomen aufdie Hälfte ihrer Zahl statt. Diese wird dadurch bewirkt, dass das Ruhestadium nach der vorhergehenden Theilung übersprungen 140 - Gustav Platner: wird. Ich habe dieses übereinstimmend bei allen seither von mir untersuchten Objekten gefunden und zwar zuerst bei den Lepidop- teren. Genau der gleiche Prozess findet sich aber auch bei der Theilung der zweiten Richtungsspindel, wo besonders Boveri (3) diese Verhältnisse klar gestellt hat. Man muss demnach die letzte Theilung der Spermatocyten der Theilung der zweiten Richtungs- spindel in ihren Folgen und ihrer Bedeutung völlig gleichsetzen, zunächst wird damit eine weitere Theilung einstweilen inhibirt. Ich verlasse damit das Gebiet der Zelltheilung, wohl wissend, dass noch viel nachzutragen und genauer festzustellen ist, wozu sich im weitern Verlauf meiner Beiträge noch Gelegenheit finden wird, und wende mich zur Spermatogenese. Samenbildung. Die Spermatogenese der Paludina vivipara ist zuletzt von M. v. Brunn (5) eingehender untersucht worden. Da dieser Autor eine sorgfältige und ausführliche Zusammenstellung der über diesen Gegenstand erschienenen Literatur gegeben hat, so brauche ich mich mit der Erörterung des historischen Theils nicht länger auf- zuhalten und muss in dieser Beziehung auf den genannten Forscher verweisen. Die Darstellung M. v. Brunn’s ist im Allgemeinen eine richtige und stimmt zu dem was ich gefunden habe. Nur über verschiedene Details ist derselbe sich nicht klar geworden, woran zum grössten Theil die Hülfsmittel die Schuld tragen, womit er gearbeitet hat. Ein Element hätte er freilich nicht übersehen dürfen, das ist der Nebenkern. Dieser ist schon von v. la Valette St. George (18) bei nahe stehenden Mollusken gefunden und ebenso später von Nussbaum (11). Indessen steht er diesem Element gegenüber nicht allein auf dem negativen Standpunkt. Gilson (7) ist, obgleich er das ganze Arthropodenreich durchforscht hat, nicht darüber hinausgekommen, in dem Nebenkern etwas mehr als eine „Vacuole“ (!!) zu erblicken. Die ganz positiven und viel- fältigen Angaben unseres besten Kenners der Spermatogenese v. la Valette St. George’s hätten ihn doch mit etwas Miss- trauen gegen seine Methodik erfüllen sollen. Mit M. v. Brunn’s Angaben hat es num’aber’eine andere Bewandtniss. Derselbe leug- net zwar den Nebenkern ab, in seinen Abbildungen aber hat er ihn mit allen seinen Veränderungen ziemlich getreu wiedergegeben # Beiträge zur Kenntniss der Zelle und ihrer Theilungserscheinungen. _141 und dieselben auch beschrieben. Der Nebenkern in den Hodenzellen von Paludina ist eine höchst interessante Erscheinung. Es finden sich nämlich hier die beiden Modifikationen, in welchen er sich an der Spermatogenese betheiligt, neben einander in den beiden verschiedenen Samenkörpern, welche diesen Prosobranchier aus- zeichnen. Bei der Bildung der kleinen Samenkörper betheiligt sich der Nebenkern an der Bildung des Schwanzes in gleicher Weise, wie es durch v. la Valette St. George für die Arthro- poden festgestellt ist. Bei der Entstehung der grössern Samen- elemente sieht man ihn sich so verhalten, wie es durch Nussbaum (11) und später von mir für die Pulmonaten beschrieben ist. Ich beginne mit der Beschreibung der Spermatogenese bei den kleinen Spermatosomen. Die Endstadien der letzten Theilung der Spermatocyten lassen an den Polen ein wohlausgebildetes grosses Uentrosoma erkennen. Umgeben wird dasselbe von einigen dunklen kleinen Stäbchen, den Hauptstrahlen (Fig. 8). Nach der Durehsehnürung im Aequator bildet sich aus der Tochterkernplatte der Kern der Spermatide, aus den Spindelfasern der Nebenkern. Um Missverständnissen vorzubeugen, muss ich hier nochmals be- tonen, wie ich dies schon früher gethan, dass ein direktes Hervor- gehen des Nebenkerns aus den Spindelfasern nur dann sich kon- statiren lässt, wenn die Durchschnürung im Aequator sich verzö- gert. Die Spindelfasern bleiben dann im Zusammenhang und werden verhindert auseinander zu fahren, wie es bei zeitiger Tren- nung geschieht. In dem letztern Fall sind sie dann natürlich im Protoplasma schwer zu finden und von ihm kaum zu unterscheiden. Bleiben sie also noch längere Zeit im Zusammenhang, so lässt sich auch ihre Umwandlung zum Nebenkern, mit dem weitern Fortschritt der Ausbildung der Spermatide Schritt haltend, gut verfolgen. Solche Fälle sind aber, wie leicht begreiflich, nicht häufig, sondern müssen gesucht werden. Wenn Prenant sie nicht gefunden hat, so muss ich das sehr bedauern, kann mich aber durch seinen Widerspruch nicht in meinen auf positiven Befunden beruhenden Auffassungen beirren lassen. Im Prineip stimmen wir ja doch überein, da er im Anschluss an v. la Valette St. George (9) einen indirekten Zusammenhang zwischen Spindelfasern und Nebenkern zugiebt. Der Nebenkern liegt dem Kern von Anfang an dicht an, was da- durch bedingt wird, dass das Protoplasma nur sehr schwach ent- wickelt ist, so dass wenig Raum für ihn bleibt. Derselbe zeigt 142 Gustav Platner: sich aus vier kurzen dicht aneinander liegenden parallelen Stäb- chen zusammengesetzt, welche senkrecht auf die Kernoberfläche gerichtet sind, oder gegen einen auf ihr gelegenen Punkt hin kon- vergiren. Deutlich erkennt man ihre Zahl, sobald man die Zelle von unten zu Gesicht bekommt (Fig. 9e). M. v. Brunn hat diese Elemente deutlich gesehen und auch ihre weiteren Veränderungen verfolgt, er sagt hierüber: „Im nächsten Stadium besitzt die Zelle schon einen ausserordentlich zarten Faden, zugleich zeigen sich an der Austrittsstelle desselben einige stark glänzende Körnchen. Sie bilden die vier Ecken eines winzigen Quadrats, aus dessen Mitte der Faden hervortritt.“ Der Faden tritt in der That in der Mitte der vier kurzen Stäbehen des Nebenkerns hervor. Er wird zum Axenfaden und von den sich verlängernden Stäbchen, sowie mit dem sich streckenden Protoplasma umhüllt. Ausser diesen den Nebenkern konstituirenden Gebilden bemerkt man noch dem Kern, dessen Chromatin sich mehr und mehr peripher gelagert hat, dicht anliegend das Centrosoma, anfangs noch umgeben von einer dunklen, den Hauptstrahlen entstammenden Substanz, die sich der Kernmem- bran anlagert (Fig. 9). Das Centrosoma liegt meist seitlich vom Kern, also nicht dem Nebenkern diametral gegenüber, sondern um ein Viertel oder ein Drittel der Kernperipherie von ihm getrennt. Erstere Lage nimmt es erst später an. In den meisten Fällen wird man es innerhalb der kreisförmigen Begrenzungskontour des Kerns gewahren. Es liegt ihm aber nur an, nicht in demselben, wie geeignete Bilder zeigen. Es tritt aber im ersten Fall auf dem hellen Kerninnenraum sehr deutlich als grosses glänzendes, auch mit Hämotoxylin sich nicht färbendes kugeliges Element hervor, so dass es gar nicht zu übersehen ist. Während nun die Stäbchen des Nebenkerns sich in die Länge ziehen, rückt das Centrosoma an die Spitze des Kerns, dem letzteren gegenüber das vordere Ende des Spermatozoenkopfes bildend. Der Kern wird mehr und mehr homogen und streckt sich, wobei er auch seine bohrerför- mige Gestalt annimmt. Nebenkern und Protoplasma vollenden die Umhüllung des Axenfadens. Die Details der letzteren Vorgänge hat M. v. Brunn genau geschildert. Ich lasse mich daher hier nicht weiter darauf ein, zumal da sie für die hier interessirenden Verhältnisse nicht von Wichtigkeit sind. Der Kopf des ausgebildeten Spermatosoms zeigt etwas über fünf Windungen. Färbt man mit Alauncarmin und sodann mit Bleu Beiträge zur Kenntniss der Zelle und ihrer Theilungserscheinungen. 143 de Lyon, so zeigt die erste Windung einen schwach blauen Ton. "Sie entspricht dem Centrosoma, dem sie ihren Ursprung verdankt. Die vier folgenden sind intensiv roth gefärbt und grenzen sich gegen die erste dadurch in charakteristischer Weise ab. Man muss demnach an dem Kopfe einen Spitzentheil (Centrosoma) und einen Kerntheil unterscheiden. Letzterer trägt wohl noch eine Umhüllung, die aus der Substanz der Hauptstrahlen stammt. Diese lässt sich aber am entwickelten Spermatosom als,solche nicht darstellen durch Reagentien. Die Darstellung ergiebt also ein völlig übereinstim- mendes Verhalten des Nebenkerns hier und bei den Arthropoden, wo v. la Valette St. George (9) sein Schicksal genauer verfolgt hat. Nur sind hier an Stelle von zwei Elementen, in welche sich der Nebenkern z. B. bei Blatta theilt, deren vier vorhanden. Ich komme jetzt zur Bildung der grossen Spermatosomen. Meine Untersuchungen über die Entstehung der Spermatiden, aus welchen diese hervorgehen, sind noch nicht abgeschlossen. Ich beginne daher mit einem spätern Stadium. Die Spermatide zeigt ein ausserordentlich entwickeltes Protoplasma. In diesem findet sich ein verhältnissmässig kleiner Kern, dessen Chromatin peripher gelegen ist und zwar besonders an dem vordern Ende sich weiter- hin anhäuft, wobei sich der ganze Kern mehr und mehr in die Länge streckt, so dass er stäbehenförmig wird. Ausserdem enthält die Zelle noch einen dunklen, rosettenförmig gestalteten Körper, den Nebenkern, sowie endlich das Centrosoma, das dem Kern dicht anliegt und bei seiner Streckung sich an die Spitze begiebt, wäh- rend am entgegengesetzten Pol des Kerns der Axenfaden sich an- setzt. Meist gewahrt man im Protoplasma noch eine Anzahl un- regelmässiger Granulationen. Der stäbchenförmige Kern rückt nun mehr und mehr gegen die Spitze der Zelle, die er schliesslich nach aussen vorstülpt. Das Protoplasma zieht sich dabei an dem Axen- faden immer weiter herunter, ihn so mit einer Hülle umkleidend. In diesem Protoplasmarest gewahrt man noch lange den rosetten- förmigen Nebenkern, bis er sich schliesslich allmählich auflöst. M. v. Brunn giebt hiervon ganz richtige Abbildungen, so ist na- mentlich in seiner Fig. 11 der rosettenförmige Nebenkern ganz charakteristisch wiedergegeben. Das Verhalten desselben stimmt also überein mit den von Nussbaum und mir bei den Pulmonaten gemachten Beobachtungen. Das ausgebildete Spermatosom zeigt nach Färbung mit Alauncarmin und Bleu de Lyon folgende Ab- 144 Gustav Platner: theilungen. Das vorderste Ende des Kopfes ist schwach blau ge- färbt und setzt sich dadurch deutlich gegen den daran sich an- schliessenden, stäbehenförmigen, roth tingirten Theil ab. Es ent- spricht dem Centrosoma, der darauf folgende Theil des Kopfes hingegen dem Kern. Letzterer geht durch eine schmale blasse Uebergangsstelle, die man als Hals bezeichnen könnte, über in den langen Schwanz, der in das bekannte Wimperbüschel ausläuft. Im Innern des Schwanzes erkennt man schon an frischen Spermatozoen deutlich den Axenfaden. Die Abweichungen, welche die vorstehende Schilderung von der M. v. Brunns zeigt, sind, wie man sieht, nur geringe; sie bestehen in der Hauptsache nur in der etwas ab- weichenden Deutung einzelner Elemente und sodann in der ge- nauern Verfolgung des Centrosomas. Ich habe mich dementspre- chend, nachdem ich mich von der Richtigkeit der Beobachtungen dieses Autors überzeugt hatte, auf das Nothwendigste in meiner Darstellung beschränkt. Damit will ich meine zweite Mittheilung abschliessen und die Hauptergebnisse der Untersuchungen noch- mals in gedrängter Form recapituliren. Resultate. 1) Sämmtliche Bestandtheile der samenbildenden Zellen sind nach dem Centrosoma orientirt, welches im Nebenkern enthalten ist. 2) Bei der Zelltheilung geht aus dem Nebenkern einmal die achromatische Spindel und sodann die Centrosomas sammt den Hauptstrahlen der polaren Strahlenfiguren hervor. 3) Die Hauptstrablen der Polaster stehen in einem bestimmten numerischen Verhältniss zu den Chromosomen, indem die Anzahl der letzteren doppelt so gross ist als die der ersteren. 4) Nach der Theilung bildet sich aus den Polelementen, d.h. dem Centrosoma und den Hauptstrahlen der Nebenkern, in den wahrscheinlich auch die Substanz der Spindelfasern wieder übergeht. 5) Aus dem Centrosoma wird das Spitzenstück des Sperma- tozoenkopfes. 6) Der aus den Spindelfasern nach der letzten Theilung der Spermatoeyten hervorgehende Nebenkern betheiligt sich direkt oder indirekt an der Bildung der Hülle des Axenfadens. 7) Die letzte Theilung der Spermatocyten ist eine Reduktions- theilung, indem sie ohne eingeschaltetes Ruhestadium sich direkt Beiträge zur Kenntniss der Zelle und ihrer Theilungserscheinungen. 145 an die vorhergehende anschliesst. Sie entspricht der Theilung der zweiten Richtungsspindel. Die Zahl der chromatischen Elemente sinkt dabei auf die Hälfte herab. 111. Die direkte Kerntheilung in den Malpighi’schen 6efässen der Insekten. Ich habe lange Zeit zu denen gehört, welche an eine direkte Kerntheilung nicht recht glauben wollen. Nicht als ob ich an den Mittheilungen, welche hierüber von bewährten Forschern vorliegen, gezweifelt hätte, ich legte mir nur immer die Frage vor: sind nicht ihrem Blick für das Verständniss wichtige Details entgangen, zumal bei der meist wenig für solche Studien günstigen Wahl ihrer Objekte ; ist ferner die Deutung der gemachten Beobachtungen immer die richtige gewesen? Um so angenehmer war es mir, als mir ein Objekt in die Hände fiel, wie es günstiger für die Lösung dieser Fragen nicht gedacht werden kann. Es sind dies die Malpighi- schen Gefässe der Insekten. Die Zellen dieser Organe werden an Grösse nur noch von den Eiern übertroffen. Der Kern über- trifft den der Salamanderzellen oft um das Dreifache und mehr an Durchmesser, und dabei findet sich trotz, regster Zellvermehrung, wie es der Verbrauch bei der Funktion erheischt, keine Mitose. Ein in unsern Tümpeln häufiger Käfer Dytiscus marginalis lieferte mir das nöthige Material. Dieses Insekt hat im Herbst seine Metamorphose meist vollendet und überwintert dann, um sich im Frühjahr fortzupflanzen. Einige Thiere bringen wohl auch den Winter in Larvenform zu. In meinen Aquarien hielten sich die- selben recht gut, ja begatteten sich sogar. Unter den darin be- findlichen Wasserschnecken richteten sie grosse Verheerungen an. An Nahrung gebrach es demnach den übrigens mit allem vorlieb nehmenden Insekten nieht. Es konnte somit eine regelmässige Funktion der Drüsen angenommen werden. Der Durchmesser des schlauchförmigen Organs fasst meist nur zwei der grössern Zellen. Somit konnten «lie Präparate ohne weitere Zerkleineruug unter das Mikroskop gebracht werden. Zur Härtung verwendete ich die Kleinenberg’sche Pierin-Schwefelsäure, weil durch diese die den ganzen Zellleib durchsetzenden dunkelbraunen Körnchen am Archiv f, mikrosk, Anatomie. Bd. 33, 10 ; F 146 Gustav Platner: sichersten entfärbt werden. Es wird durch diese sonst ein sicherer „Einblick in das Innere der Zelle verhindert. Die anfänglich tief dunkle Färbung des Organs geht in dem Reagens bald in eine helle über. Boraxkarmin und Nachbehandlung mit saurem Alkohol giebt eine schöne Färbung. Die Zellen sitzen mit breiter Basis der Wand der schlauch- förmigen Drüse auf. Umgrenzt wird jede von einem ziemlich breiten hyalinen Saum, der als Membran zu deuten ist. Zwischen den einzelnen Zellen bleibt ein schmaler Zwischenraum zum Ab- fluss des Sekrets; nur an einigen Stellen, wo auch der hyaline Saum eine Unterbrechung zeigt und direkt von einer Zelle zur andern übergeht, stehen sie durch Verbindungsbrücken mit einan- der im Zusammenhang. Das braune Pigment ist hauptsächlich um den Kern und zwar an einzelnen Stellen mehr als anderswo an- gehäuft. Im Kern erkennt man schon am frischen Präparat eine körnige Beschaffenheit des Inhalts. Die Zellen sind im funktio- nirenden Organ von ganz verschiedener Grösse, scheinen aber im Hungerzustand alle auf dieselben, wie erwähnt riesigen Dimen- sionen heranzuwachsen. Die in Funktion befindliche Drüse zeigt nun folgendes Bild. Die Zellen sind in den verschiedensten Grössen anzutreffen, wobei die kleinsten aber immer noch etwa die Grösse einer Salamander- zelle besitzen. Die grossen Zellen enthalten nun einen grossen Kern oder zwei kleinere oder 3, 4, 5, wobei die Dimensionen im umgekehrten Verhältniss zur Zahl stehen. Die Kerne selbst trifft man in allen Stadien der direkten Theilung. Dieselben sind um- geben von einer kaum bemerkbaren feinen Membran. Ihr Inhalt zeigt zunächst gleichmässig aber ohne Regel vertheilte Körnchen von meist gleichen Dimensionen, einzelne grössere finden sich aber meist dazwischen. Sodann erkennt man aber noch ein oder mehrere Elemente, die sich vor den übrigen durch ihre beträchtliche Grösse auszeichnen und an gefärbten Präparaten mit dunklelrother Farbe hervorleuchten. Ich bezeichne dieselben als Nucleolen, wobei ich sie aber nicht mit den gewöhnlich so genannten Gebilden identifiziren möchte. Ihr Verhalten weist eher darauf hin, dass man es hier mit Elementen besonderer Art zu thun hat. Ein soleher Nucleolus zeigt eine runde oder ovale Form, die jedoch von keiner glatten Contour begrenzt ist, sondern unregelmässige Höcker und Vor- sprünge zeigt, ebensolche präsentiren sich auf der dem Beschauer Beiträge zur Kenntniss der Zelle und ihrer Theilungserscheinungen. 147 zugewandten Fläche als dunklere und hellere Stellen. Meist, aber nicht immer liegt um jeden Nucleolus ein hellerer Hof, welcher aussen von einer Anzahl grösserer unregelmässiger Chromatinbrocken eingefasst wird. Die Vermehrung der Nucleolen geht nun stets der Kerntheilung voran, wobei letztere aber nicht unmittelbar da- rauf zu folgen braucht. Der Kern enthält dann mehrere dieser Elemente. Ich zählte häufig deren vier Stück. Die Theilung ver- läuft nun nicht als eine einfache Verlängerung und Durchschnürung, sondern ist etwas verwickelterer Art. Der anfangs mehr runde Nucleolus zeigt eine Abplattung zur Scheibe, welche der umgebende Hof mitmacht. Zugleich tritt in der Richtung seiner kürzern Durch- messer eine Streiftung an demselben auf, als wenn er aus einer Anzahl nebeneinander liegender schmaler Elemente zusammengesetzt wäre (Fig. 12). Hierauf folgt wieder eine Zunahme der Höhe der Scheibe. Weiterhin tritt eine Spaltung in der Richtung des läng- sten Durchmessers auf, wobei man alle Stadien von dem Auftreten eines schmalen Zwischenraumes bis zur Bildung einer breiten hellen Trennungsschicht verfolgen kann. Die auf diese Weise entstehen- den beiden Tochterplatten zeigen an den einander zugewandten Seiten spitze Hervorragungen, an den abgekehrten Flächen da- gegen mehr abgerundete Erhabenheiten. Beide besitzen wieder eine längsstreifige Struktur, als seien sie aus parallelen Stäbchen zusammengefügt (Fig. 13). Oft bemerkt man auch eine mehrfache Unterbrechung in der Continuität als deutlichen Beweis, dass sie eine zusammengesetztere Struktur besitzen (Fig. 14). Die bei ihrer Bildung stattfindenden, wahrscheinlich complieirteren Vorgänge haben sich bis jetzt noch meiner Beobachtung entzogen. Den auseinander weichenden Tochterplatten passt sich der helle, um- gebende Hof an, der also in der Richtung dieser Bewegung sich verlängert. Indem er weiterhin um jede derselben sich zu einem zusammenhängenden Ringe schliesst, vollendet er die Theilung des Nucleolus. Die Kerntheilung braucht hierauf nun nicht zu folgen, wie erwähnt. Geschieht dies aber, so verläuft sie in der Form einer einfachen Durchschnürung (Fig. 17, 18). Sind vier Nucleolen im Kern vorhanden, so erhält ein jedes Theilungsprodukt desselben deren zwei (Fig. 18). Auf diese Weise können die in einer Zelle vorhandenen Kerne bis auf sechs, mehr habe ich nicht gezählt, vermehrt werden. Die 148 Gustav Platner: Zelltbeilung selbst, welche sich früher oder später daran anschliesst, kommt dadurch zu Stande, dass sich um jeden Kern Zellterritorien abgrenzen, in dem die erwähnten hyalinen Säume auftreten. Fragt man nach der Bedeutung der erwähnten Erscheinungen, so habe ich mir folgende Vorstellung gemacht. Im Kern sind chromatische Substanzen verschiedener Dignität vorhanden. Näm- lich eine von höherer differenter und eine solche von geringerer gleicher Qualität. Erstere wird wahrscheinlich durch den erwähn- ten Mechanismus möglichst gleichmässig halbirt, während letztere nur grob getheilt wird, indem die Differenzen durch nachträgliches Wachsthum ja leicht wieder ausgeglichen werden können. Es scheinen mir hierauf hinzuweisen zunächst die Beobach- tungen von O. Schultze (19), welcher fand, dass bei der Bildung der Richtungsspindel im Amphibieneie ein Theil der chromatischen Substanz nicht zur Verwendung kommt, sondern aufgelöst wird. Ausserdem berichtet Boveri (2) über einen völlig entsprechenden Fall. Von den vier ersten Furchungskernen bei Ascaris megalo- cephala theilt sich nur einer in der frühern Art und Weise fort. Bei den andern bemerkt man, wie die Enden der chromatischen Schleifen in Brocken zerfallen, die im Zellleib sich auflösen, wäh- rend die mittleren Theile der Schleifen in feine Körnchen sich auf- lösen, die in die Bildung der Aequatorialplatte der nächsten Spin- del eingehen. Ich finde in diesen Thatsachen eine starke Stütze für die erwähnte Auffassung. Was die Literatur über die direkte Theilung anlangt, so liegen eine hinreichende Anzahl positiver Beobachtungen vor, die einen berechtigten Zweifel nicht mehr gestatten. Manche Fälle haben sich freilich später als Mitosen erwiesen. Ich möchte nur auf die Resultate hinweisen, welche F. E. Schulze bei Infusorien einst in dieser Art erlangt hat. Auch hier wird ein beller Hof um den Nucleolus erwähnt, eine Beobachtung, welche Waldeyer bestätigt. Der letztere Autor hat sich mit seiner lichtvollen und übersicht- lichen Darstellung der Zelltheilungserscheinungen übrigens alle Forscher, welche auf diesem Gebiete arbeiten, zu hohem Danke verpflichtet. Ich möchte noch das von v. la Valette St. George und Nussbaum erwähnte Vorkommen der maulbeerförmigen Kern- theilung der Hodenzellen erwähnen und kann ausserdem wohl für einstweilen auf die eitirte Abhandlung von Waldeyer (21) hin- sichtlich der weiter vorliegenden Angaben verweisen. Beiträge zur Kenntniss der Zelle und ihrer Theilungserscheinungen. 149 Der an meinem Objekt mit der grössten Sicherheit zu führende Nachweis einer direkten Kerntheilung in einem drüsigen Organ ist nun von der grössten Bedeutung für die Beurtheilung der Sekre- tionsvorgänge überhaupt. Die Abwesenheit der Mitosen als Grund geltend zu machen gegen die Ansichten derjenigen, welche bei der Sekretion einen Untergang von Zellen und hauptsächlich auch von Kernen annehmen, geht nicht mehr an. Ich möchte hiermit haupt- sächlich die Befunde, zu welchen Heidenhain gelangt ist und die noch in letzterer Zeit wieder in einer aus seinem Laboratorium hervorgegangenen Arbeit von Nissen (10) vertreten werden, ver- theidigen. Ueberhaupt möchte ich den Physiologen, welche sich mit den Veränderungen der Zellen während der Sekretion beschäftigen, das mir vorliegende Objekt warm empfehlen. Die kleinen Zellen der Wirbelthiere, die zum Theil schon womöglich durch die Abkühlung uncontrollirbare Veränderungen erleiden, sind hierzu nicht geeignet. An den Zellen der Malpighi’schen Gefässe, deren Kerne die der Salamanderzellen fast um das Vierfache im Durchmesser übertreffen, an diesen kann man die Veränderungen bei der Sekretion studiren und klar legen! Ich werde einiges selbst Beobachtete gelegentlich meiner Be- sprechung der Nebenkerne im Pankreas erwähnen. Letztere Ele- mente haben übrigens mit den gleichbenannten Körpern in den samenbildenden Zellen nichts gemein, wie ich hier schon erwähnen möchte, sondern sind ein Produkt der Sekretion und stammen di- rekt vom Kern ab. Literatur. 1) Van Beneden et A. -Neyt, Nouvelles recherches sur la fecondation et la division mitosique chez l’Ascaride me&galocephale. Bulletins de l’Acad. royale de Belgique, 3me Serie, T. XIV, Nr. 8, 1887. 2) Boveri, Th., Ueber Differenzirung der Zellkerne während der Fur- chung des Eies von Ascaris megalocephala. Anatom. Anz. Nr. 22. p. 688—69. 3) Boveri, Th., Zellenstudien I. Die Bildung der Richtungskörper bei Ascaris megalocephala und Ascaris lumbricoides. Jenaische Zeitschrift f. Naturwiss. Bd. XXI. p. 423—515. 1887. 4) Boveri, Th., Zellstudien II. Die Befruchtung und Theilung des Eies von Ascaris megalocephala. Jenaische Zeitschr. f. Naturw. Bd. XXII. 1888, 150 Gustav Platner: 5) M. v. Brunn, Untersuchungen über die doppelte Form der Samen- körper von Paludina vivipara. Arch. f. mikrosk. Anat. Bd. XXI. Taf. XXI und XXII. p. 413—500. 1884. 6) Carnoy, J. B., La Cytodierese chez les arthropodes. La Cellule. T. I. 1884. 7) Gilson, G., Etude comparee de la spermatogenese chez les arthro- podes. Troisieme partie. La Cellule. T. IV. 1. Fasc. 1888. 8) v. la Valette St. George, Ueber die Genese der Samenkörper II. Arch. f. mikrosk. Anat. Bd. Ill. p. 263—274. Taf. XIV. 1867. 9) v. la Valette St. George, Spermatologische Beiträge. Zweite Mittheilung. Arch. f. mikrosk. Anat. Bd. XXVII. p. 1—13. Taf. I u. II. 1886. 10) Nissen, F., Ueber das Verhalten der Kerne in den Milchdrüsen bei der Absonderung. Arch. f. mikrosk. Anat. Bd. XXVI. p. 337-343. Taf x11. '1886. 11) Nussbaum, M., Ueber die Veränderungen der Geschlechtsprodukte bis zur Eifurchung. Ein Beitrag zur Lehre vou der Vererbung. Arch. f. mikrosk. Anat. Bd. XXI. p. 155— 214. Taf. IX—XI. 1884. 12) Platner, G., Ueber die Spermatogenese bei den Pulmonaten. Arch. f. mikrosk. Anat. Bd. XXV. p. 564—581. Taf. XXIII. 1885. 13) Platner, G., Ueber die Entstehung des Nebenkerns und seine Be- ziehung zur Kerntheilung. Arch. f. mikrosk. Anat. Bd. XXVI. p. 3435—369. Taf. XIV. 1886. 14) Platner, G., Zur Bildung der Geschlechtsprodukte bei den Pul- monaten. Arch. f. mikrosk. Anat. Bd. XXVI. p. 599— 621. Taf. XXIX. 1886. 15) Platner, G.,.Die Karyokinese bei den Lepidopteren als Grundlage für eine Theorie der Zelltheilung. Internat. Monatsschr. f. Anat. u. Hist. Bd. TIL. H. X. ,1886. 16) Prenant, A., Observations cytologiques sur les &l&ments seminaux des Gasteropodes pulmones. La Cellule. T. IV. 1. fascieule. 1888. - 17) Rabl, K., Ueber Zelltheilung. Morph. Jahrb. Bd. X. p. 214— 330. 1885. 18) Schulze, F. E., Rhizopodenstudien V. Arch. f. mikrosk. Anat. Bd. XI. p. 583. 1875. 19) Schultze, O., Untersuchungen über die Reifung und Befruchtung des Amphibieneies I. Zeitschr. f. wiss. Zoologie. Bd. XLV. p. 177—227. Taf. XI—XII. 1887. 20) Vejdovsky, Fr., Entwicklungsgeschichtliche Untersuchungen I. Reifung, Befruchtung und erste Furchungsvorgänge des Rhynchelmis-Eies. Prag 1888. 21) Waldeyer, Ueber Karyokinese und ihre Beziehungen zu den Be- fruchtungsvorgängen. Arch. f. mikrosk. Anat. Bd. XXXI. p. 1—123. 1888. Beiträge zur Kenntniss der Zelle und ihrer Theilungserscheinungen. 151 Erklärung der Abbildungen auf Tafel VIII und IX. Tafel VIII. Vergrösserung: Zeiss homogene Immersion !/;s mit verschiedenen Ocularen. Fig. 1. Fig. Fig. 2. 3. Fig. 1—7 Zelltheilung; Fig. 8—14 Spermatogenese. Zerfall des Nebenkerns in 8 Stäbchen. Gruppirung derselben um 2 helle Centra. Längsspaltung der Stäbchen. Auseinanderweichen der beiden Stäbchengruppen. Schwund der Kernmembran. Die Spindel tritt deutlich hervor. Ihre Fasern treten zum Theil mit den chromatischen Elementen in Ver- bindung. . 4 und 5. Weitere Stadien der Spindelbildung. SB: Fig. > g2 1 Querschnitt der Zelle im Spindelstadium. Man zählt 16 Doppel- stäbchen. Endstadium der Theilung. Neubildung der Aster für die folgende Theilung. x Bildung der Spermatide. Der Nebenkern bildet sich aus den Spindel- fasern. Die Elemente des Spindelpoles am Rande der Kernvacuole. Kern der Spermatide und Nebenkern ausgebildet. Polelemente noch vom Kern getrennt. Polelemente dem Kern aufsitzend, zum Spitzenknopf sich ausbildend. . Das Chromatin des Kerns concentrirt sich in Form eines Halbmonds nach der einen Seite des Kerns. Der Axenfaden aus Körnchen bestehend ist aufgetreten. Spitzen- knopf noch aus Körnchen zusammengesetzt. . Kern eingestülpt. Axenfaden homogen. Kern sich zuspitzend, Spitzenknopf homogen. Tafel IX. Spermatocyte von Paludina vivipara. Die Fäden des Kerns, des Nebenkerns und des Protoplasmas sind nach dem im Nebenkern ruhenden Centrosoma orientirt. 2—5. Eigenthümliche Formen des Nebenkerns (Helix pomatia). Nebenkern mit zwei freien Enden. Nebenkern spiralig, ein freies Ende sichtbar. Nebenkern aus zwei Schleifen bestehend. Die beiden Centrosomas sichtbar, ausserdem noch feine Fäden von unbekannter Bedeutung. Ansicht des Spindelpols (Helix pom.). In der Mitte des Centrosoma umgeben von einem hellen Hof, daran anschliessend die paarweise geordneten 12 Hauptstrahlen, sowie die Cytoplasmastrahlen, 152 Gustav Platner: Beiträge zur Kenntniss der Zelle etc. Fig. 6. Bildung des Nebenkerns am Tochterknäuel aus den Polelementen, Centrosoma und Hauptstrahlen. Fig. 7a—d. Stadien aus der Spermatogenese von Helix pomatia. Centro- soma zum Spitzenknopf werdend. Fig. 8. Letzte Theilung der Spermatocyten von Paludina vivipara. An jedem Pol ein grosses Centrosoma. Fig 9a-f. Stadien aus der Spermatogenese der kleinen Samenkörper von Paludina vivipara. Centrosoma zum Spitzenknopf werdend; der vier- fach getheilte Nebenkern (c) wird zur Hülle des Axenfadens. Fig. 10 a—d. Spermatogenese der grossen Samenkörper von Paludina vivi- para. Nebenkern rosettenförmig. Kern stäbchenförmig werdend. Centrosoma als Spitzenknopf. Fig. 11 aundb. Samenkörper von Paludina vivipara, vorderes Ende. a) kleines, b) grosses Spermatosom. Centrosoma als Spitzenstück. Fig. 12—18. Kerne aus den Zellen der Malpighi’schen Gefässe von Dytiscus marginalis in direkter Theilung. Fig. 12. Nucleolus scheibenförmig geworden, längsstreifig um ihn ein heller Hof von grössern Chromatinkörnchen eingefasst. Fig. 13. Nucleus in zwei Tochterplatten gespalten, beide Streifen zeigend. Fig. 14. Beide Tochterplatten zeigen Trennungen’ der Continuität. Fig. 15. Um jede Tochterplatte hat sich ein gesonderter heller Hof gebildet. Beginn der Abrundung. Fig. 16. Beide Tochter-Nucleoli abgerundet. Fig. 17. Kerntheilung, in jedem Tochterkern ein Nucleolus. Fig. 18. Kerntheilung, in jeden Tochterkern zwei Nucleoli übergehend. Dr. A. Peters: Ueber die Regeneration des Endothels der Cornea. 153 (Aus dem anatomischen Institute in Bonn.) Ueber die Regeneration des Endothels der Cornea. Von Dr. A. Peters, Augenarzt in Bonn. Nebst 2 Holzschnitten. In meiner Dissertation!) über die „Regeneration des Epithels der Cornea“ habe ich Beobachtungen über das Verhältniss des in- direeten Kerntheilungsprocesses zu den Regenerationsvorgängen nach Entfernung eines Theiles des Cornealepithels mitgetheilt. Es zeigte sich, dass ein solcher Defeet zunächst gedeckt wird durch eine einschichtige Epithellage, und zwar gelangen diese Zellen in den Defecet durch amöboide, also active Bewegung. Nachdem der Defeet auf diese Weise sozusagen provisorisch gedeckt ist, treten erst indireete Kerntheilungen auf zunächst in reichlicher Anzahl, die später allmählich abnimmt. Es war somit constatirt, dass der Defect zunächst von dem vorhandenen Zellenmaterial durch ein- fache Verlagerung der Elemente und dann erst durch Neubildung gedeckt wird. Das sind im Grossen und Ganzen die Vorgänge bei der Re- generation des mehrschichtigen Epithels. Es blieb nun noch die Frage offen, wie sich das einschichtige Endothel der Membrana Descemetii zu derartigen Defecten nach Verletzungen verhält. Ich stellte daher auf Anregung meines hochverehrten Lehrers Prof. Nussbaum Untersuchungen über diese Frage an. Zunächst sei mir gestattet, kurz über die einschlägige neuere Litteratur zu berichten. Neese?) bespricht das Verhalten des Horn- hautepithels bei der Heilung von Linear- und Lanzenmesserwunden der Hornhaut. Es zeigte sich, dass im Verlaufe des Wundheilungs- 1) Inaug.-Dissert. Bonn 1855. 2) v. Graefe’s Archiv für Ophthalmologie. Bd. 33. p. Lft. 154 Dr. A. Peters: processes schon bald eine Wanderung der Epithelzellen nach der Wunde zu eintritt. Nur schreibt Neese der auch bald nachher auftretenden Karyokinese die Hauptrolle bei der Deckung des so erzeugten Defectes zu, indem er annimmt, dass durch die vis a tergo der durch reichliche indireete Theilungen entstandenen Zellen die nach der Wunde zu gelegenen in diese selbst hineingedrängt würden. Mir erscheint die Annahme ungezwungener, dass eine Unterbrechung der Continuität des Epithellagers ausgeglichen wird durch active Wanderung der der Wunde zunächst gelegenen Zellen, besonders da in den ersten Stunden nach der Verletzung mehr Zellen in die Wunde gelangt sind, als peripher von derselben durch indirecte Kerntheilung entstehen. Kurz vor Beendigung meiner Versuche erschien die Arbeit von Schottländer!) über die „Kern- und Zelltheilungsvorgänge in dem Endothel der entzündeten Horn- haut“. Es findet sich hier eine so vollständige Uebersicht über die früheren Arbeiten über die Regeneration des Cornealendothels, dass ich davon absehen kann, dieselben hier wieder anzuführen. Schottländer bespricht die Arbeiten von Arnold, Mayzel, v. Ewetzki, Eberth u. A. und theilt dann die Resultate mit, welche er nach Application von Chlorzink auf die Froschcornea in Bezug auf die Proliferations-Vorgänge im Endothel erhalten hat. Dabei wird die Frage nach der Regeneration nur gestreift und eine Vermuthung ausgesprochen, die in Uebereinstimmung ist mit den Resultaten meiner Untersuchungen. Ueberhaupt finden sich trotz der abweichenden Technik des Untersuchungsverfahrens eine Anzahl übereinstimmender Punkte, weshalb ich hier nochmals auf die erwähnte Arbeit verweise, um sie nicht im Folgenden des Oefteren erwähnen zu müssen. Kurz darauf erschien eine Arbeit von Wagenmann?) zur Frage der Keratoplastik. Nachdem die fundamentalen Versuche Leber’s?) über die Bedeutung des Endo- thels für die Durchsichtigkeit der Cornea bei der durch v. Hippel?) jetzt im Prineip entschiedenen Frage der Keratoplastik eine er- höhte Bedeutung gewonnen hatten, stellte Wagenmann eine Reihe von Untersuchungen über die Heilungsvorgänge nach dieser Ope- 1) Archiv für mikroskop. Anatomie. Bd. XXXI. 2) Graefe’s Archiv für Ophthalmol. Bd. XXXIV, 1. 3) ibid. Bd. XIX, 2. 4) ibid. Bd. XXXIV, 1. Ueber die Regeneration des Endothels der Cornea. 155 ration, u. A. auch über die Trübung der Hornhaut nach Entfernung des Endothels an und kommt dabei zu dem von Leber abweichen- den Resultate, dass die durch ausgedehnte Zerstörung des Endo- thels gesetzte Hornhauttrübung stationär bleibt. Auch hier wird die Frage nach der Regeneration des Endothbels nur oberflächlich berührt. Bevor ich nun die Ergebnisse meiner Untersuchungen anführe, muss ich auf die Technik des Verfahrens etwas näher eingehen. Wie bei meinen früheren Versuchen mussten die Defeete möglichst in gleicher Ausdehnung angelegt werden, um über die Dauer der Regeneration einigermaassen in’s Klare zu kommen. Ferner musste es möglich sein, das Endothel für sich zu entfernen, ohne das Hornhautgebe schwerer zu lädiren. Ich erreichte meinen Zweck durch Construction eines kleinen Instrumentes nach Art einer Lan- zette. Dasselbe ist mässig spitz und verbreitert sich von der Spitze an allmählich nach einer Seite. Die so entstehende Schneide ist ca. 1 mm lang und gekrümmt und zwar entspricht die Krüm- mung ungeführ der Wölbung der Cornea. Als Versuchsobjeete dienten mir ausschliesslich Frösche und zwar wie früher unsere einheimischen Arten, da mir die grösseren, ungarischen Frösche schon früher weniger brauchbar erschienen waren. Die Thiere wurden bei Zimmertemperatur aufbewahrt und während der Wintermonate 2—3 Tage vor der Operation gefüttert. Die Gefässe, in welchen die Thiere aufbewahrt wurden, wurden öfters gereinigt und mit frischem Wasser versehen. Ich muss hier- bei erwähnen, dass mir nicht ein Exemplar den Complex der Er- scheinungen darbot, den Schottländer als Panophthalmitis be- zeichnet, so dass sämmtliche Hornhäute für meine Zwecke brauch- bar waren. Die Anlegung des Defectes geschah folgendermaassen. Die Niekhaut wird mit dem Daumen heruntergedrückt und das Instru- ment peripher eingestochen, mit der Fläche parallel der Irisebene. Sodann wird die gekrümmte Schneide durch drehende Bewegungen des Instrumentes um seine Längsaxe zweimal an der Hinterwand der Cornea vorbeigeführt und dann rasch herausgezogen. Das Kammerwasser fliesst nicht allzu rasch ab und es gelingt so bei einiger Uebung, die Defeete in der sich nur wenig faltenden Cornea ziemlich in gleicher Grösse anzulegen. Der so entstandene Defect hat, wie ich mich durch zahlreiche Versuche überzeugt habe, Tonnen- 156 Dr. A. Peters: form und ca. 11/; mm als längsten Durchmesser und wurde mög- lichst central angelegt. In bestimmten Zeitintervallen wurden nun die Thiere getödtet und dabei darauf geachtet, dass die Nickhaut die Cornea nicht überlagerte.. Zum Abtödten des Gewebes bediente ich mich zuerst der Flemmin g’schen Lösung, nachfolgender Al- koholhärtung und späterer Färbung mit Hämatoxylin. Von Färbe- mitteln habe ich verschiedene ohne Erfolg angewandt, so das von Platner empfohlene Kernschwarz, Lustgarten’s Victoriablau. Da das genauere Studium des indireeten Kerntheilungsprocesses ausserhalb des Rahmens vorliegender Arbeit lag, so konnte ich mich in den meisten Fällen mit der Hämatoxylinfärbung begnügen. Da aber Saffranin nicht nur die Mitosen ausgezeichnet präsentirt, sondern auch die Zellgrenzen deutlich erkennen lässt, welchen Vorzug Hämatoxylin in viel geringerem Grade besitzt, so habe ich mich in der letzten Zeit auschliesslich des Saffranins bedient. Sehr schöne Bilder erhielt ich auch auf diese Weise nach vorheriger Anwendung der von Schottländer erwähnten Chromameisen- säure-Härtung. Nach längerem Entwässern der Präparate in fliessendem Wasser wurde zunächst das Epithel abgeschabt, was besonders bei Chromameisensäure-Härtung ausserordentlich leicht gelingt, dann die Cornea mit einem scharfen Messer eireulär abgetrennt und in Alkohol von dem peripher anhaftenden Irisgewebe sorgfältig befreit. Nach allmählicher Härtung in 50%,, 75%,, 90%, und schliesslich abso- lutem Alkohol wurden die Hornhäute gefärbt und vor der Einbettung verschiedene radiäre Einschnitte mit der Scheere gemacht, um die Ausbreitung zu erleichtern. Die mit dem Endothel nach oben ge- kehrten Präparate wurden sodann in Glycerin oder nach Aufhel- lung in Nelkenöl in Damarlack eingeschlossen. Dem operativen Eingriff folgt regelmässig eine Veränderung in der Transparenz des Cornealgewebes. Nach kurzer Zeit ist be- reits die vordere Kammer wieder hergestellt und um die Einstich- öffnung eine leichte Trübung und Auflockerung des Cornealgewebes sichtbar. Nach Verlauf von 24 Stunden erscheint die Cornea in den tieferen Schiehten diffus getrübt, so dass nur eine schmale Randzone durchsichtig bleibt. Mit Hülfe der focalen Beleuchtung kann man constatiren, dass diese Trübung allmählich abblasst und an Ausdehnung verliert, bis anı 8. bis 10. Tage öfters keine Spur dersel- ben mehr wahrnehmbar ist, jedoch konnte in einer Anzahl von Fällen Ueber die Regeneration des Endothels der Cornea. 157 das Vorhandensein einer kleinen centralen Trübung der tieferen Hornhautschichten noch nach 4 Wochen bemerkt werden. War man ausser Stande, mit blossem Auge oder mit Hülfe der focalen Beleuchtung irgend eine Trübung zu erkennen, so konnte das Vor- handensein einer solchen noch bis zu 5 Wochen nach dem opera- tiven Eingriff regelmässig constatirt werden, wenn man die unge- färbte, gehärtete, mit dem Endothel nach ohen gekehrte Hornliaut bei auffallendem Lichte auf dunklem Untergrunde betrachtete. Es war dann stets die Einstichöffnung an der Peripherie erkennbar als grauweisse punktförmige Trübung oder bei eingeklemmter Iris als schwarzes Pünktchen. Die Gegend des Defeetes erschien in mattgrauem Farbentone und ziemlich scharf abgegrenzt gegen das übrige, vollkommen klare Hornhautgewebe. In einer Reihe von Fällen hellte sich die anfangs diffuse Trübung derartig auf, dass dieselbe nach Verlauf von ca. 14 Tagen auf zwei kleine punkt- föormige Heerde beschränkt war, eine Erscheinung, die sich aus der Art der Anlegung des Defeetes erklären lässt, indem durch das zweimalige Vorbeiführen des Instrumentes an der hinteren Wand der Cornea die Descemet’sche Membran nach beiden Seiten um- gerollt wurde, was später durch mikroskopische Untersuchung in einer Reihe von Fällen direet bestätigt wurde. Mochte nun die Descemet’sche Membran von dem Eingriff betroffen sein oder nicht, eine Trübung des Hornhautparenchyms war noch 5 Wochen nach demselben mit Sicherheit zu constatiren, wenn auch die In- tensität eine verschiedene war. Leider sind die Versuche über das endgültige Schicksal dieser Hornhauttrübungen noch nicht zum Abschluss gelangt, so dass ich mich darauf beschränken muss, hervorzuheben, dass dieselben noch 5 Wochen nach dem operativen Eingriff vorhanden waren und die Regenerationsvorgänge bei Weitem überdauerten. Eine andere Erscheinung mag hier noch Erwähnung finden, die mir öfters begegnete, als ich mich noch der Flemming’schen Lösung mit nachfolgender Alcoholhärtung bediente, während die- selbe bei reiner Chromsäure- oder Chromameisensäurehärtung stets vermisst wurde. Es fand sich nämlich noch nach Verlauf von 8—10 Tagen nach der Operation in der vorderen Kammer eine exsudatähnliche Masse, die sich bei mikroskopischer Prüfung als aus feinen Fäden und weissen Blutkörperchen bestehend erwies und der Cornea lose anhaftete. Eine Störung der Regenerations- 158 Dr. A. Peters: vorgänge wurde dabei nicht beobachtet und ich möchte es unent- schieden lassen, ob die Erscheinung der Härtungsmethode zur Last gelegt werden muss. Jedenfalls ist es auffallend, dass sie bei an- deren Methoden vermisst wurde, ferner dass vorher ausser der regelmässig vorhandenen Trübung nichts Abnormes an dem Auge äusserlich wahrnehmbar war, vor allen Dingen niemals Hypopyon ‘oder Infiltrationen des Cornealgewebes beobachtet wurden. Bei Besprechung der mikroskopischen Verhältnisse mögen zu- nächst die Veränderungen geschildert werden, die das Hornhaut- parenchym erlitten hat. Die bei auffallendem Lichte stets deutlich erkennbare Trübung erwies sich bei der mikroskopischen Unter- suchung nach vorausgegangener Färbung regelmässig intensiver gefärbt, als das übrige Hornhautgewebe und zwar dieses in gleicher Weise wie das Endothel. Besonders bei Saffraninfärbung trat dies deutlich hervor, namentlich an den Stellen, wo die Deseemet’sche Membran verletzt war. Diese vermehrte Tinetionsfähigkeit der Defeetstelle ist noch nach 4 Wochen, wenn auch weniger ausge- prägt, vorhanden, so dass ich allein schon aus diesem Merkmale stets den Schluss ziehen konnte, dass ein Defect wirklich vorhan- den gewesen war. Im Bereiche der Trübung sind ferner die Horn- hautkörperchen dichter gelagert und an Zahl vermehrt; auch fan- den sich hin und wieder deutliche Kerntheilungsfiguren, ein Um- stand, der es wahrscheinlich macht, dass es sich um Proliferations- vorgänge handelt, dass somit die Veränderungen, welche das Hornhautgewebe hier erfahren hat, bis zu gewissem Grade keine dauernden sind. Wodurch die Trübung verursacht wird, konnte mit Sicherheit nicht entschieden werden, da Froschaugen sich zu diesem Zwecke weniger eignen, als etwa die von Meerschweinchen, die daraufhin noch näher untersucht werden sollen. Dieser ver- mehrten Tinctionsfähigkeit der Zellsubstanzen im Bereiche der Trü- bung entspricht eine deutlich wahrnehmbare Quellung der Hornhaut- substanz, die den Trübungsbezirk in der Regel etwas überschreitet. Mit der Abnahme der Tinetionsfähigkeit schwindet auch die Quel- lung, wobei bemerkt werden muss, dass dieselbe, wenn auch nur in geringerem Grade, noch vorhanden ist, wenn die Endothelschicht wieder vollständig regenerirt ist. Die Desecemet’sche Membran erlitt durch die Operation in vielen Fällen eine Läsion, wie oben ausgeführt wurde. Während die unverletzte Membran unsichtbar bleibt, ist sie in jenen Fällen Ueber die Regeneration des Endothels der Cornea. 159 deutlich erkennbar. Sie erscheint dann öfters fein gefasert, ge- faltet und umgeklappt, wodurch dunkle Streifen, mehr oder weniger wellig und doppelt contourirt sichtbar werden. Nicht zu verwech- seln mit dieser Erscheinung sind Streifenbildungen in der Horn- haut, welche auftreten beim Ausbreiten derselben auf dem Object- träger, wenn die radiären Einschnitte zu kurz sind. Diese Streifen sind stets von Endothel überzogen und deutlich als durch Faltung der ganzen Hornhaut bedingt erkennbar. Abgesehen von den oben geschilderten Veränderungen zeigt die Stelle des frisch gedeckten Defectes stets folgende Eigenthüm- lichkeiten in der Form, Zahl und Anordnung der Endothelzellen resp. ihrer Kerne. Die in- tensiver gefärbte Stelle zeigt eine ganz auffallende An- häufung von Zellen und zwar sind die Zellgrenzen ver- wischt. Die Kerne erschei- nen in den verschiedensten Formen, bald spindelförmig, bald bisquitförmig einge- schnürt, bald sichelförmig, bald vollkommen rund. Wo die Zellgrenzen deutlicher Fig. 1 (am 8. Tage nach Anlegung werden, sind öfters kleinere des Defectes). Nebenkerne und Vacuolen sichtbar. Die so unregelmässig gelager- ten und geformten Kerne liegen in einem fein gekörnten Proto- plasma. In einiger Entfernung von der Defectstelle erscheinen die Zellgrenzen wieder deutlicher, während die typische polygonale Form der Zellen erst nach der Peripherie hin wieder auftritt. Dieses so geschilderte Bild hat eine auffallende Aehnlichkeit mit den früher bei der Regeneration von Epitheldefeeten beschriebenen. Auch ist die Darstellung Schottländer’s eine solche, dass die Regelmässigkeit dieser Erscheinungen nicht bezweifelt werden kann. Ist der Defeet noch nicht ganz gedeckt, wie Fig. 2 zeigt, wo gleichzeitig eine Läsion der Membrana Descemetii stattgefunden hatte, so ist auch hier in der Defeetgegend eine Anhäufung der Endothelzellen wahrnehmbar; die Zellgrenzen sind verwischt, die Kerne dichter aneinander gelagert. Auffallend ist diese Anhäufung der Kerne vor einem Walle, der durch die gefaltete resp. umge- 160 Dr. A. Peters: klappte Descemet’sche Membran gebildet wird. Die kleineren Kerne sind dann öfters mit ihrer Längsaxe parallel zu diesem Walle gestellt, so dass man unwillkürlich an eine amöboide Wan- derung der Zellen denken muss. Bestärkt wird man in dieser Ansicht, wenn man sieht, dass öfters auf der Seite des Defeetes, wo dieser Wall nicht vorhanden ist, die Endothelien weniger dicht gedrängt und die Zellgrenzen etwas deutlicher sind. Ge- wöhnlich stellt diese Faltung der Descemet’schen Mem- bran kein Hinderniss dar für die Regeneration, indem die schon wieder mit deutlichen Contouren versehenen Endo- thelzellen ohne Unterbre- chung darüber hinwegziehen; ist sie aber stark ausgeprägt, so ist eine Anhäufung der Kerne und Verwischung der Zellgrenzen an der Falte unverkennbar. Ein anderer Umstand, der dafür spricht, dass diese proviso- rische Deckung derartiger Defecte durch active Wanderung der Zellen erfolgt, ist der, dass dieser Anhäufung der Kerne in der Defectstelle eine Verminderung derselben in der Peripherie ent- spricht, wie dies durch Messung bestätigt werden konnte. So be- trug beispielsweise der durchschnittliche Durchmesser einer Endo-' thelzelle der normalen Cornea 20--25 Theilstriche!), während an der Peripherie einer mit 8 Tage altem Defeete versehenen Cornea der Durchmesser 35—40 Theilstriehe zählte. Diesen grösseren Zellen entspricht ein grösserer Kern, dessen längster Durchmesser 20 Theilstriche gegen 10 bei den dichter gelagerten beträgt, wäh- rend der Kern einer Endothelzelle einer normalen Cornea durch- schnittlich eine Länge von 15 Theilstrichen hatte. Wir sehen also die peripher gelegenen Zellen grösser werden, damit das so ge- wonnene Material an Zellen die provisorische Deckung des Defeetes besorgen kann. Fig. 2 (am 4. Tage nach Anlegung des Defectes). 1) Theilstrich bei Zeiss F. Oc. II = 1,86 u. Ueber die Regeneration des Endothels der Cornea. 161 Die Zeitdauer der Regeneration ist eine verschiedene. Klei- nere Defeete waren nach 3—4 Tagen vollständig gedeckt, grössere beanspruchten mitunter einen Zeitraum von 7 Tagen. In allen Fällen überdauerte die intensivere Färbung der Defectstelle, eben- so die oben geschilderte Trübung die Regeneration der Endothel- schicht um mehrere Wochen. So konnte ich beispielsweise nach 5 Wochen an der Defectstelle einzelne intensiver gefärbte Kerne, die diehter gelagert und in körnigem Protoplasma eingebettet waren, auffinden und in unmittelbarer Nähe wieder Endothelien von normaler Grösse und scharfen Contouren. Es mag hier noch bemerkt werden, dass der durch die Ein- stichöffnung in der Cornea gesetzte Defeet ganz dieselben Eigen- thümlichkeiten in Bezug auf Zahl, Form und Anordnung der En- dothelien zeigt. Es bleibt nun noch übrig, die Beziehungen der indirecten Kerntheilung zu der Regeneration zu besprechen. Das Endothel einer normalen Cornea zeigt mitunter nirgends eine Mitose; treten solche auf, so sind sie stets in spärlicher Anzahl vorhanden. Auf- fallend ist es, dass bei Defeeten bis zum 6. Tage auch nicht eine einzige Kerntheilungsfigur gefunden wurde. Bis zum 8. oder 9. Tage ist ihre Zahl eine sehr geringe und erst später begegnet man denselben öfters. Dabei treten dieselben stets in einiger Entfer- nung vom Centrum des Defectes auf, wo die Zellgrenzen deutlich erkennbar sind, niemals inmitten der dichter gelagerten Kerne. Es kamen dabei die verschiedensten Phasen der Theilung vor. Da die provisorische Deckung der Defecte bis zum 7. Tage fast regelmässig erfolgt war und bis 6. zum Tage niemals Kerntheilungs- processe beobachtet wurden, so ist es auszuschliessen, dass die- selben als die alleinige Ursache der Regeneration der Endothel- schicht anzusehen sind. Wir müssen also aus unseren Versuchen den Schluss ziehen, dass die Regeneration eines derartigen Defectes im Endothel aus- geglichen wird zunächst dadurch, dass das vorhandene Zellenmaterial dazu verwandt wird, die Lücke auszufüllen. Erst wenn dies in mehr oder weniger vollständigem Maasse erfolgt ist, treten Kern- theilungsfiguren als Ausdruck der Neubildung von Zellen auf und zwar in einer Anzahl, die mir in gewisser Beziehung zu der An- zahl der durch die Operation entfernten Zellen zu stehen scheint. Dass erst nach dem 6. Tage Kerntheilungsfiguren auftreten, hat viel- Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 33, 10* 162 Dr. A. Peters: Ueber die Regeneration des Endothels der Cornea. _ leicht seinen Grund darin, dass die Theilungsprocesse durch die active Bewegung der Endothelzellen gestört resp. aufgehalten wer- den. Wir sehen also auch hier, dass analog der Regeneration des Hornhautepithels die mechanische Verlagerung der Zellen durch active Bewegung der Neubildung durch indirecte Kerntheilung vorausgeht, diese letztere daher nur zur Vervollständigung der Re- generation dient. Es liegt kein Grund vor, der uns hindert, für die hier geschil- derten Verhältnisse, die an dem ein- und mehrschichtigen Epithel der Cornea beobachtet wurden, allgemeinere Verbreitung anzu- nehmen. Wir hätten demnach bei jeder Regeneration, sowohl der einfachen wie der geschichteten Epithelien zwei Processe zu unter- scheiden, die einander folgen. Der erste bezweckt die provisorische Deckung durch Umlagerung der alten Elemente, der zweite, in der Form der indirecten Kerntheilung, den Ersatz der verloren ge- gangenen. Die durch den ®rsten Process bedingten Erscheinungen nehmen ab mit dem Vorschreiten des zweiten Processes, so dass allmählich das normale Verhalten wiederhergestellt wird. u Xee+ 477 Beitrag zur Anatomie von Phylline Hendorffii. Von Dr. v. Linstow in Göttingen. Hierzu Tafel X. und XI. Phylline Hendorffii n. sp. ist ein Eetoparasit, an den Schup- pen, besonders am Bauche von Coryphaena hippurus lebend, der bei Caleta buena (Chile) unter 199 55° südl. Br. und 70° 9° west. L. gefangen wurde. Der Körper ist eiförmig, durchschnittlich 8,7 mm lang und 5,2 mm breit und löffelförmig gekrümmt; am Vorderende stehen zwei schüsselförmige Saugnäpfe nebeneinander und am Hinterende ein sehr grosser, die in Zukunft als Kopf- und Schwanzscheiben bezeichnet werden sollen; der nach der Bauchfläche zu eoncave Leib ist verhältnissmässig dünn und beträgt die grösste Körper- dieke nur 0,46 mm. Die Farbe der in Spiritus und Glycerin con- servirten Thiere ist eine gleichmässig schmutzig-graue. Bei weitem die auffälligsten Organe sind die drei uhrglasartig gekrümmten Saugscheiben. Die beiden Kopfscheiben stehen nebeneinander und lassen einen Raum von 0,096 mm frei; sie sind kreisförmig und messen 1,1 mm; dem Körper sind sie angeheftet mit einer birnförmigen Fläche, deren Spitze nach vorn gekehrt ist, so dass der Hinter- und Seitenrand frei bleibt; mitunter ist ihr Längen- durehmesser etwas grösser als ihre Breite; die grösste Dicke be- trägt 0,14 mm. Die Schwanzscheibe ist 2,3 mm lang und 3,1 mm breit und führt drei Paar Haken, welche später beschrieben werden sollen; mit dem Körper verwachsen ist sie durch eine ziemlich 1) Die Gelegenheit zur Untersuchung des hier geschilderten merkwür- digen Trematoden verdanke ich der Güte des Herrn A. Poppe in Vege- sack, welcher denselben von Herrn Kapitain J. Hendorff erhielt; letzterer ist auf seinen Reisen ein ebenso unermüdlicher wie geschickter Sammler, dem die Wissenschaft schon manchen interessanten Fund verdankt und habe ich mir erlaubt, die neue Art nach ihm zu benennen. Archiv f. mikrosk. Anatomie, Bd. 33, 11 164 Dr. v. Linstow: kleine Fläche, welche in der vorderen Hälfte der Scheibe liegt und durch eine von einer Seite zur andern gehende nach vorn convexe Linie an ihrem vorderen Rande und eine andere weniger gekrümmte nach hinten begrenzt wird. Merkwürdig sind 2 derbe Verstärkungslamellen, welche der Körperwand da eingefügt sind, wo sie in die Rüickenwand der Schwanzscheibe übergeht (Fig. 23 e), und offenbar ein Abreissen verhindern sollen: sie scheinen von sehnigem Gefüge und zeigen auf Querschnitten regelmässige Quer- linien. Ein breiter, wellig begrenzter Rand umfasst die Scheibe in eigenthümlicher Weise; er ist muskulöser Natur und der Rück- wand derselben etwas vom Rande entfernt mit schmaler Wurzel angeheftet (Fig. 23 a), und zwar entspringt er aus der Cuticula der Scheibe: die Dieke beträgt 0,38 mm; im Gegensatz zu Phylline Hippoglossi und Sciaenae, den einzigen bis jetzt bekannten üb- rigen Arten, welche das Genus bilden, fehlen Papillen an der Bauchfläche der Schwanzscheibe gänzlich. Alle drei Saugscheiben bestehen aus einer Cuticula, welche an der Rückenfläche viel stärker ist als an der Bauchfläche, und einer mächtigen dorsoventralen Muskelmasse, in die einzelne Zellen eingebettet sind; sie sind 0,049 mm gross, ihr Kern 0,02 mm und das Kernkörperchen 0,013 mm; der Rand der Schwanzscheibe, welcher am Vorderrande am mächtigsten ist und sich nach dem Hinterrande zu allmählich verliert, besteht ebenfalls nur aus Cuti- cula und einer dorsoventralen Muskulatur. Das sehr spärlich ver- tretene Parenchym der Saugscheiben ist faserig und enthält keine Kerne. Auf der glatten und mit sehlüpfrigem Schleim bedeckten Fläche, welche das Thier bewohnt, bedarf es, besonders mit Rück- sicht auf die oft sehr heftigen Bewegungen des Fisches, sehr kräf- tiger Haftapparate, und die sind ihm in den geschilderten Haft- scheiben gegeben. In der Mitte haben diese einen wohl doppelt so grossen Durchmesser wie am Rande, und da die Cutieula des Rückens derbe und wenig nachgiebig, die der Bauchfläche zart und weich ist, so wird eine gleichmässige Contraction der Mus- kulatur die Bauchfläche der Rückenfläche nähern; hierdurch ent- steht ein luftverdünnter Raum und ein festes Ansaugen der Scheibe an die Unterlage. Noch im Tode sind die drei Saugscheiben höchst wirksame Haftorgane, denn wenn man ein Thier mit der Bauch- fläche auf eine Glasscheibe legt und nun das Thier, es-mit einer — Beitrag zur Anatomie von Phylline Hendorffi. 168 Pineette um die Mitte des Leibes fassend, aufzuheben sucht, so erzeugt man dadurch, dass man die mit dem Körper verwachsene Rückenfläche der Scheibe von dem Glase zu entfernen sucht, auch so einen luftverdünnten Raum unter der ersteren, und man muss eine verhältnissmässig grosse Kraft anwenden, um das Thier von dem Glase loszureissen. Was die Function des Saums der Schwanzscheibe betrifft, der den Kopfscheiben fehlt, so besteht sie offenbar darin, sich in et- waige Lücken zu legen, welche die Fischschuppen zwischen sich lassen, um so auch auf einer nicht ganz ebenen Basis einen luft- dichten Verschluss herzustellen. Die drei Hakenpaare der Schwanzscheibe (Fig. 4) sind sehr verschieden gebildet; das vordere Paar ist 0,48 mm lang und mit der Spitze nach vorn gerichtet; die Haken liegen in einer ovalen Grube, sie gleichen einer Lanzenspitze und sehen mit ihrem vor- deren Drittel ans der Cutieula heraus in’s Freie; die mittleren haben die gewöhnliche Hakenform; ihre Länge beträgt 0,62 mm; das freie Ende ist nach hinten gerichtet und nur das äusserste, umgebogene Ende sieht aus der Cuticula heraus; die kleinsten, hinter den letztgenannten liegend, sind gerade mit umgebogenem Ende und messen nur 0,13 mm; sie sind sehr fein und leicht zu übersehen. Zwei Sehnen umfassen, die eine von rechts, die andere von links die vorderen Haken (Fig. 4, d e) an ihrer Wurzel; sie ent- springen vor denselben, verlaufen von vorn nach hinten und an der Hakenwurzel wendet sich im rechten Winkel die innere nach aussen und die äussere nach innen; sie liegen in einer Scheide, in der sie hin- und hergleiten können. Während die Haken der Trematoden und Cestoden sonst Apparate sind, welche zur Befestigung dienen, sind die der Schwanz- scheibe hier offenbar Organe, die zur Loslösung von dem Orte des Sitzes bestimmt sind. Die mittleren, langen Haken werden den Zweck haben, mit ihren gekrümmten Enden den freien Rand einer Fischschuppe zu umfassen; will das Thier nun seinen Platz wech- seln, so gilt es zunächst, die grosse, festgesogene Schwanzscheibe zu lösen, was in der Weise geschehen wird, dass die vier Sehnen, welche die beiden vorderen, mit ihren Spitzen nach vorn gerichteten Haken an ihrer Wurzel umfassen, durch die Körpermuskulatur an ihren Vorderenden nach vorn gezogen werden; dadurch richten 166 Dr. v. Linstow: sich die Haken auf, so dass sie senkrecht gegen die Fläche der Saugscheibe gestellt werden und lösen die Scheibe auf diese Weise von ihrer Unterlage, an die sie angesogen war; den Gegenhalt bieten die mittleren, langen Haken, welche ein Fortgleiten nach vorn verhindern. Die Haken der Schwanzscheibe färben sich mit Piero-Lithion- Carmin intensiv gelb, während alle übrigen Organe des Thieres roth gefärbt werden oder farblos bleiben, sie sind also horniger Natur. Der Gang wird bei abwechselndem Loslassen der Schwanz- scheibe, Krümmung des Körpers und Wiederansaugen der ersteren ähnlich dem der Spannerraupen sein, wie van Beneden ihn in der That bei Phylline Hippoglossi beobachtete. Die Cuticula, die Subeuticula und die unter letzterer liegen- den Muskeln bilden die Rindenschicht, welehe an der Rücken- seite viel mächtiger ist als an der Bauchseite, an ersterer erreicht sie die Dieke von 0,079 mm. Die Cutiecula besteht aus einem maschigen Grundgewebe (Fig. 5 c), und die Lücken desselben aus- füllenden, senkrecht auf die Körperoberfläche gestellten Stäbchen, die, besonders an der Rückenseite, von verschiedener Länge sind und so der Oberfläche ein zottiges Ansehen verleihen; in der Outi- eula der Rückenfläche liegen nun ausserdem zahlreiche rundliche Drüsen, meistens napfförmig gekrümmt und von den verschieden- sten Contouren, bald rundlich, bald nierenförmig, bald mit Ausläu- fern, und erkennt man ihre Form am besten an Flächenschnitten (Fig. 5 a). Die Subeutieula (Fig. 7 b) hat eine ebene Grundfläche und dringt mit spitzen, kegelförmigen Erhabenheiten überall von innen nach aussen in die Cuticula hinein; sie ist von faserigem Bau. Die Drüsen der Cuticula, welche der Bauchfläche ganz fehlen, werden vermuthlich Schleim secerniren. Die Muskeln der Rindenschicht müssen von den Parenchym- muskeln unterschieden werden; erstere verlaufen in vier Richtungen, man sieht Längs-, Ring- und Diagonalmuskeln, welche letzteren sich in einem Winkel von etwa 60° kreuzen; die Längsmuskeln sind die stärkeren und liegen nach aussen von den übrigen, die in derselben Ebene verlaufen (Fig. 7 d). Ungemein stark sind die Parenchymmuskeln entwickelt, welche nur in dorsoventraler Richtung verlaufen und das Eigenthümliche haben, dass sie mitten Beitrag zur Anatomie von Phylline Hendorfhi. 167 durch die Hoden, das Ovarium und die Schalendrüse dringen (Fig. 21, 22). Als Mund muss ein grosses, annähernd kugelförmiges Organ von 0,73 mm Durchmesser bezeichnet werden, welches 1,3 mm vom Vorderrande des Körpers entfernt liegt; nach der Bauchfläche zu mündet es mit einer quer verlaufenden Oeffnung und zwar nicht direet in’s Freie, sondern in eine Tasche, welche, wie man auf Sagittalschnitten sieht (Fig. 8), die Bauchfläche bedeckt; eine Reihe von grossen Papillen begrenzt die Mundöffnung (Fig. 11 ec); in die sehr complieirt geschiehteten, starken Muskelmassen sind zahlreiche, grosse, kugelförmige Zellen eingelagert, welche 0,026 mm gross sind und einen 0,015 mm grossen Kern einschliessen; die Tasche wird gebildet von einer Duplicatur der Cutieula und eine elliptische, querliegende Oeffnung führt von der Tasche nach aussen; der Mund ist von einer körnigen Schicht rings eingeschlossen. Im Gegensatz zu dem mächtig entwickelten Munde ist der Darm sehr schwach entwickelt; er entspringt vom Hinterende des Mundes und theilt sich sofort, ohne einen unpaaren Mittelstamm zu bilden, in zwei nach links und rechts verlaufende Schenkel, die an der Bauchseite verlaufen, und zwar folgt jeder Schenkel fast genau dem Verlauf des gleich zu schildernden inneren Bauch- nervenstamms, auf Querschnitten (Fig. 21—22 b) liegt er oft un- mittelbar an der Rückenseite des Nerven, mitunter etwas nach aussen, mitunter etwas nach innen, und zeigt er eine verschiedene Grösse, je nach den Contraetionszuständen der Darmwandung; dicht vor dem Vorderende der Bauchscheibe gehen beide Schenkel in einander über; dendritisch verzweigte Divertikel, wie der Darm von Phylline Hippoglossi sie nach van Beneden’s Schilderung zeigt, fehlen hier. Nach der. Muskulatur des kräftigen Mundes und des zarten Darms zu urtheilen muss die Aufnahme der Nahrung einen viel grösseren Kraftaufwand erfordern, als die Weiterbewegung und die Resorption; vermuthlieh kann die Tasche beliebig geöffnet und ge- schlossen werden, und zunächst mit Nahrung, die wohl nur in dem die Fischschuppen bedeekenden Schleim bestehen kann, gefüllt und dann geschlossen werden; diese Nahrung muss, wie man aus der geringen Entwickelung des Darms schliessen kann, eine dem Körper sehr adäquate sein. Ein reiches Gefässsystem durchzieht den ganzen Körper mit 168 Dr. v. Linstow: Ausnahme der vorderen Saugscheiben (Fig. 2); es liegt gleichweit von der Rücken- und Bauchfläsche entfernt und wird gebildet von 2 grossen Längsstämmen, welche den Körper ungefähr in 3 gleiche Drittel theilen; hinten vereinigen sie sich zu einer eylindrischen, von der Schwanzscheibe verdeckten Vesicula pulsatoria, die in dem Theil, welche der Schwanzscheibe zur Anheftung dient, in ein Foramen caudale ausmündet; vorn, dieht hinter und neben dem Munde, erweitern sie sich zu grossen Blasen, welche einen sehr verschiedenen Contractionszustand zeigen; fast immer ist die eine weit grösser als die andere und beide münden etwa in der Höhe des Hinterrandes des Mundes durch einen kleinen Spalt nach aussen; nach dem äusseren Körperrande treten aus den Hauptge- fässstämmen Nebenstämme hervor, die zum Theil nach vorn um- biegen und dem Hauptstamme eine Strecke parallel laufen; alle Stämme bilden Anastomosen mit einander, wie auch die beiden Hauptstämme vor dem Munde bogenförmig in einander übergehen. Auf Querschnitten erscheinen die Gefässe rund und zeigen eine starke Wandung, die innen ein Cylinderepithel trägt, das in den grossen Erweiterungen sehr auffallend ist, und hier 0,02 mm hoch wird (Fig. 10 a). Eine nierenförmig gekrümmte Gruppe von Ganglienzellen, die als Gehirn bezeichnet werden muss, liegt dicht vor dem Munde und in ihr bemerkt man vier Ocellen; eine zweite Gruppe liegt dieht hinter dem Munde und kann Schlundganglion genannt wer- den; die letztere ist es, welche sonst in der Regel als das Gehirn der Trematoden angesprochen wird; weil bei ihnen aber in der Regel der Mundsaugnapf den vordersten Theil im Körper einnimmt, so kann vor demselben keine Ganglienzellengruppe liegen. Die ‚Ganglienzellen sind kugelförmig mit einem Durchmesser von 0,013 mm und mehreren glänzenden Kügelchen im Innern. Vom Gehirn gehen 4—6 Nerven nach vorn, um sich im Kopftheil und den Koptscheiben zu verlieren; ein sehr starker Nervenstamm um- kreist links und rechts den Mund, giebt einen Ast an das Schlund- ganglion ab (Fig. 3) und zieht weiter nach hinten bis in die Schwanzscheibe, einen ähnlichen Verlauf nimmt ein anderer Stamm, der nach aussen von ihm verläuft; diese 4 Nerven verlaufen an der Bauchseite, der Rindenschicht unmittelbar anliegend (Fig. 21 und 22c); wenn man sich den Körper durch 5 gleich weit von einander verlaufende Linien der Länge nach getheilt denkt, so ist Beitrag zur Anatomie von Phylline Hendorffhi. 169 die Lage dieser Bauchnerven so, dass sie den Linien 1, 2, 4 und 5 entsprechen würden; die Nerven sind auf gefärbten Querschnitten sehr leicht zu erkennen; sie haben in der Regel einen spindel- förmigen Querschnitt, der mit seinem langen Durchmesser senk- recht auf die Ebene der Rindenschicht gestellt ist; man erkennt deutlich die dieht an einander gelagerten Nervenfasern, welche stets etwas seitlich plattgedrückt erscheinen; Picro-Lithion-Carmin lässt die Nerven ganz ungefärbt. Ein drittes Nervenpaar, viel dünner als die Bauchnerven, verläuft an der Rückenseite; die Stämme liegen nach innen von den inneren Bauchnerven; ihr Quer- schnitt ist ebenfalls meistens nicht rund, der längere Durchmesser liegt hier aber der Fläche der Rindenschicht parallel, der sie eben- falls dicht anliegen. Aehnliche Verhältnisse fand Lang bei Tri- stomum (Fig. 21 und 22.d). Mitten im Gehirn liegen vier Augen oder richtiger Ocellen, welche ein Viereck bilden in der Weise, dass die beiden vorderen, welche kleiner sind, näher bei einander liegen als die grösseren hinteren; sie bestehen aus einer kugelförmigen Linse, welche von einer Pigmentschale eingefasst wird, wie die Eichel von ihrem Kelch; dieselbe umfasst die Linse der kleineren Ocellen vorn und aussen, die der grössern aussen und hinten; an der freien Seite jeder Linse liegt constant ein kleines stark lichtbrechendes Kügelchen (Fig. 9c), welches vielleicht wie der Condensor eines Mikroskops wirkt. Merkwürdig ist, dass die vier Ocellen, wie man an Sagittal- schnitten (Fig. 8b) sieht, nieht in der Cuticula der Rückenseite, sondern mitten im Körper, im Centrum des Gehirns liegen, so dass sie nach aussen von einer 0,l4mm dicken Sehicht des Körpers bedeckt werden; sie können daher nicht die Funktion haben, Bilder erkennen zu lassen, sondern können nur zum Empfinden von Licht, also zum Unterscheiden von Hell und Dunkel dienen, ähnlich wie die von Haut überzogenen Augen mancher Wirbelthiere, so von Spalax typhlus, von Typhlops und Rhinopis, von Typhlosaurus Cuvieri, Amblyopsis spelaeus und Myxine glutinosa, unterirdisch oder an anderen finstern Orten lebenden Thieren; mitten im Ge- hirn liegende Augen sind aber meines Wissens noch bei keinem Thiere beobachtet, im Körperparenchym liegende bei Turbellarien. Ocellen oder Augenflecken, bei Trematodenlarven häufig, kommen bei geschlechtsreifen Formen nur selten vor; die Genera Dacty- 170 Dr. v. Linstow: logyrus und Tetraonchus führen sie, v. Willemoes-Suhm!) beobachtete sie bei Polysiomum ocellatum und Zeller?) bei Poly- stomum integerrimum. Wenn bei dem letztgenannten Genus auch solche Ocellen vorhanden sind, so muss daran erinnert werden, dass das in der Harnblase des Frosches, also im Dunkeln lebende Polystomum integerrimum nach den höchst interessanten Beob- achtungen von Zeller im erwachsenen, geschlechtsreifen Zustande nicht beständig im Finstern wohnt, wo das lichtempfindende Organ nutzlos wäre, sondern gelegentlich den vorderen Körpertheil mit den Geschlechtsöffnungen aus der Blasenmündung in’s Freie und Helle schiebt, um die Eier in’s Wasser fallen zu lassen, so dass es das Unterscheidungsvermögen für Hell und Dunkel sehr wohl gebrauchen kann; Polystomum ocellatum aber lebt im Schlunde von Emys lutraria, wo.es auch gelegentlich hell wird. Bei Tri- stomum Molae wurden von Taschenberg?) auch 4 Ocellen ge- funden, desgleichen von Lang, ferner von van Beneden und Hesse bei Phyllonella, Plaeunella, Trochopus und Dipleetamum. Das Körperparenchym, welches sich schwach färbt, ist nicht von zelligem Bau, sondern besteht aus einer feinfaserigen Grundsubstanz, der zahlreiche, bis zu 0,02 mm grosse, rundliche oder eckige Kerne, welche die verschiedensten Gestalten haben können und stellenweise sehr dicht gedrängt stehen, eingefügt sind. Etwas vor der Mitte des Körpers liegen drei runde Körper, einer vorn und zwei neben einander dahinter; ersterer ist das Ovarium und die beiden letzteren die Hoden; von ihrem Hinter- rande bis zum Vorderrand der Schwanzscheibe ist ein Raum von 17mm. Die Hoden, von einer derben Membran rings um- schlossen, werden von starken Dorsoventralmuskeln durchzogen (Fig. 22); die Zellen des Hodens sind rundlich und 0,02 mm gross; sie sind Mutterzellen und enthalten als Tochterzellen diejenigen, welche die Samenelemente bilden; jede Mutterzelle sitzt am Ende eines Aestehens des Vas deferens wie die Frucht an einem Baum- ast (Fig. 12). Zunächst erscheint die Mutterzelle, die man auch als Hodenbläschen bezeichnen könnte, als einfache, mit einem grossen Kern versehene Zelle; dann theilt sich der Kern (Fig. 12) in zwei 1)-Zeitschr. für wissensch. Zoolog. Bd. XXII pag. 29. 2) Ibid. Bd. XXVII pag. 240. 3) O0. Taschenberg, Zoolog. Anz. 1880, pag. 17. Beitrag zur Anatomie von Phylline Hendorffi. 171 und mehrere, hierauf auch der Zellleib wie bei der Dotterfurchung; in der weiteren Entwicklung bilden sich so etwa S—12 gekernte Tochterzellen, deren langgestreckte Kerne alle nach dem Centrum der Mutterzelle gerichtet sind; nun lösen sich die Tochterzellen, die erst eiförmig und dann rundlich werden, von einander und jede bildet in ihrem Innern einen Samenfaden aus, der nach Ber- stung der Zellmembran frei wird. Der so entstandene Same gelangt in das Vas deferens, das sich zusammensetzt aus den Ausführungsgängen der beiden Hoden ; dieht hinter dem Ovarium schwillt es zu einer kleinen kugel- förmigen Erweiterung an (Fig. 11f), geht dann links von dem- selben nach vorn, macht vor dem Dottersack und links vom Ootyp viele Windungen, verläuft bis etwa zur Mitte des Cirrus an dessen linken Seite und biegt nun plötzlich nach rechts um, verläuft schräg nach hinten unter dem Cirrus her, um dann in das Vorderende der Samenblase, dicht beim Ursprung des Vas efferens, einzu- münden. Die sehr starkwandige Samenblase ist stets von Sperma gefüllt und liegt als dunkler Körper schon für eine Lupenver- grösserung sichtbar, nicht weit hinter dem Munde (Fig. 118). Das Vas efferens ist der kurze, stark geschlängelte Canal zwischen dem Vorderrande der Samenblase und dem Hinterende des Cirrus; er liegt in einer .breiten, hyalinen Hülle, welche eine beträchtliche Anzahl Zellen enthält und wohl als Prostata zu be- zeichnen ist; die Zellen sind 0,02 mm gross und ihre Kerne 0,0066 mm; das Vas efferens selbst besteht aus einer Tunica intima, die mit vielen glänzenden Erhabenheiten besetzt ist und an ihrer Aussen- fläche eine starke Ringmuskelschicht trägt (Fig. 13); die Prostata- zellen sind in der Regel mehrkernig. Aus dem Vas efferens gelangt das Sperma in den grossen, spindelförmigen Cirrus, welcher unmittelbar links neben dem Munde liegt und mit seinem Vorderende nach dem Aussenrande der linken Kopfscheibe gerichtet ist; der samenleitende Canal durchzieht ihn geschlängelt seiner ganzen Länge nach; er besteht aus einer Masse von Ringmuskelun und ist gelagert in eine aus Längsmuskeln bestehende Scheide, in der er vermuthlich hin- und hergleiten, also wahrscheinlich herausgestreckt werden kann; von dem Vorderende des Cirrus bis zur männlichen Geschlechtsöffnung ist nur noch eine kurze Strecke (Fig. 11h). 172 Dr. v. Linstow: Das dicht vor den Hoden gelegene runde Ovarium ist, wie die Hoden, 0,66 mm gross und vom Hinterrande des Mundes durch einen 0,9 mm grossen Zwischenraum geschieden; die gekernten, rundlichen Zellen haben ein granulirtes Plasma und ihr Kern liegt in einem hellen Hofe; ihre Grösse beträgt durchschnittlich 0,016— 0,025 mm; das Ovarium liegt, wie die Hoden, eingeschlossen in einer starken Hülle (Fig. 21), ist, wie jene von kräftigen Dorso- ventralmuskeln durchzogen und füllt, wie auch die Hoden, den ganzen Raum zwischen der dorsalen und ventralen Rindenschicht aus. Ovarium und Hoden sind, oberflächlich betrachtet, einander sehr ähnlich gebildet; auch ihre Zellen gleichen einander, jedoch besteht zwischen ihnen der grosse Unterschied, dass die Zellen des Ovariums die Eizellen selber darstellen, während die des Hodens die Mutterzellen der samenbildenden Zellen sind. Die Zellen des Ova- riums liegen durch einen kleinen Zwischenraum von einander ge- trennt und die kellen Flecke im Ovarium (Fig. 11k) sind die optischen Querschnitte der Gänge, welche die Eizellen nach aussen gelangen lassen. Die Körper, welche wir Zellen des Ovariums ge- nannt haben, bilden die späteren „Eikerne“, von denen jedes Ei nur einen enthält; die Bezeichnung „Kern“ müssten sie nach den neueren Beobachtungen über Karyokinese bei den Befruchtungs- vorgängen und Furchungsprocessen der Nematodeneier führen, während ein unbefangener Beobachter sie nur für gekernte Zellen halten kann; die frühere Bezeichnung „Keimbläschen“ liess beide Deutungen zu. Im Ovarium sind sie oft polygonal gegen einander abgeplattet (Fig. 14); im Ei dehnt sich die Zelle und wird eiförmig, bis zu 0,039 mm gross, der Kern oder nach anderer Auffassung das Kernkörperchen misst 0,01 mm (Fig. 17a). Die Dotterstöcke sind sehr weit im Körper verbreitet in zwei der Rücken- und Bauchseite an der Rindenschicht liegenden Ebenen; frei von ihnen sind nur die Saugscheiben, ein schmaler Saum am Rande des Körpers, die Mitte vom Munde bis zu den Hoden und ein vom Munde schräg nach vorn und links verlaufen- der Streif, in dem die Geschlechtsausmündungsgänge liegen. Die Dotterdrüsen sind Mutterzellen von rundlichem Bau, welche die dotterbildenden Zellen als Tochterzellen enthalten. Die Dotterelemente liegen im Dottersack zu polygonal con- tourirten Körpern an einander gedrückt; frei sind sie regelmässig gebildete, eiförmige Körper von 0,026 mm Länge und 0,016 mm Beitrag zur Anatomie von Phylline Hendorffi. 173 Breite; sie sind mit glänzenden Körnchen gefüllt und enthalten einen 0,0049 mm grossen Kern (Fig. 15); durch Piero-Lithion- Carmin wird der Inhalt schwach bräunlich, der Kern aber schön rosenroth gefärbt, so dass ich auch diese Körper für wahre Zellen halten muss. In zwei grossen Längsstämmen, welche dicht ausserhalb des Mundes, des Cirrus und der Samenblase, des Ovariums und der Hoden in der Mittelschieht des Körpers verlaufen, sammelt sich die Dottermasse und aus ihnen treten nahe vor dem Ovarium im rechten Winkel zwei Stämme nach innen, welche in den Dotter- sack münden, eine dem linken Vorderrande des Ovariums eng an- liegende Blase (Fig. 11, 1), die mit Dottermasse gefüllt ist; in ihr rechtes Ende mündet mit trichterförmiger Oeffnung das Ausfluss- rohr, das Ovarium und dessen Verlängerung nach vorn führt in den Eibildungsraum, das Ootyp; in den Winkel, welche der An- fangstheil dieses Organs mit dem rechten Hauptdottergang bildet, tritt die Oeffnung einer kleinen Blase, des Receptaculum seminis (Fig. 11 m). Das Ootyp, wie van Beneden das Organ nennt, ist spindel- förmig (Fig. 11 0); in ihm findet sich stets nur ein Ei, entweder in vollkommener Form oder erst in Bildung begriffen, wo dann die Masse, aus welcher die Schale entstehen soll, in Form bräunlicher Tropfen das Ei umlagert; die Verlängerung des Ootyp verläuft dem Cirrus parallel und das Ende des Rohrs, die Vulva, liegt dicht neben der männlichen Geschlechtsöffnung (Fig. 11, p). Die Schalendrüse hat einen sehr grossen Umfang; sie er- streckt sich vom Hinterrande des Schlundganglions bis zum Vorder- rande des Ovariums und wird seitlich etwa von den beiden Haupt- längsstämmen der Dottergänge begrenzt; sie besteht aus sehr zahl- reichen, birnförmigen Drüsen mit langen Ausführungsgängen, die 0,023 mm lang und 0,0098 mm breit sind und einen bläschenar- tigen Kern mit scharf dunklem Kernkörperchen haben (Fig. 15); sie secerniren die Substanz, aus welcher die Eischale gebildet wird und führen dieselbe in das Ootyp. Die Eibildung kommt nun so zu Stande, dass ein im Ovarium gebildetes Keimbläschen durch den triehterförmigen Gang austritt, durch Sperma aus dem Receptaculum seminis befruchtet wird und hierauf vom Dottersack aus mit Dottermasse umgeben wird, worauf im Ootyp die Umlagerung der Schalensubstanz erfolgt. Die Eier haben bald eine rhombische Form, bald die eines . 174 Dr. v. Linstow: unregelmässigen, bald eines regelmässigen Dreiecks; sie sind 0,157mm lang und breit; im Centrum liegt das Keimbläschen (Fig. 17), den übrigen Raum füllen die diehtgedrängten Dotter- kügelchen aus, welche einen deutlichen Kern zeigen und nun nicht mehr granulirt erscheinen; am Hinterende bemerkt man einen mehr oder weniger langen, fadenförmigen Anhang. Sobald ein Ei vollendet ist, wird es ausgestossen und vermuthlich haftet es mittels des langen Fadens an den Schuppen des Fisches, welchen der Parasit bewohnt; van Beneden!) wenigstens schildert, wie die Eier von Phylline Hippoglossi mittels ihrer sehr langen Fäden in der Nähe des Thieres der Körperoberfläche des Fisches in Grup- pen anhaften. An der Stelle, wo der Cirrus, der Eiergang und der linke Hauptdottergang sich kreuzen (Fig. 11), liegt letzterer der Rücken- fläche zunächst, dann folgt der männliche, dann der weibliche Ausführungsgang. Die männliche und weibliche Geschlechtsöff- nung liegt dieht am Rande der linken Kopfscheibe an ihrer Aussen- seite; beide sind triehterförmig und werden die Oeflnungen von einem rundlichen Lappen umgeben, dessen Aussenrand. nach der Bauchseite umgeschlagen ist; vielleieht kann, wenn Selbstbefruch- tung stattfindet, hierdurch ein Abschluss bewirkt werden (Fig. 111,p), so dass auf diese Weise der Same in die weibliche Geschlechts- röhre gelangt. Etwas nach aussen von den Mündungen steht ein kleiner, pilzförmiger Körper, vermuthlich eine Tastpapille (Fig. 11.q). Ein Laurer’scher Canal ist nicht vorhanden. Mit Bestimmt- heit glaubte ich einen solchen finden zu müssen, da er bei ver- schiedenen verwandten Gattungen, wie Tristomum, Onchoeotyle, Sphyranura, Diplozoon beschrieben ist, allein weder bei dem un- verletzten Thier, noch an Sehnittbildern aller Richtungen bekommt man etwas von einem solchen Organ zu Gesicht. van Bene- den?) schildert bei Phylline Hippoglossi ein drüsiges Organ, von dem er anfangs glaubte, dass es mit den Geschlechtsorganen im Zusammenhang stehe, was aber später als nicht richtig erkannt wurde; ein ähnliches Organ wurde auch bei Phylline Seiaenae®) 1) M&moire sur les vers intestinaux. Comptes rend. Acad. sc. Paris, suppl. t. II, Paris 1861, pag. 85—34, plche. III Fig. 8. 2) l. c. pag. 34 und 353, plche. III, Fig. 1, z. 3) 1. e. pag. 36. Bullet. Acad. roy. sc. lettres et beaux-arts de Belgique, t. XXIII, Bruxelles 1855, Nr. 10, pag. 502—508, av. plche. Beitrag zur Anatomie von Phylline Hendorfhi. 175 gefunden; etwas ähnliches aber sieht man bei Phylline Hendorffii auch, hier aber ist es ein langer schmaler Theil der Schalendrüse, welche längs der linken oder Aussenseite des Ootyp verläuft, und das Vorhandensein einer Schalendrüse ist van Beneden hier entgangen. Bekanntlich sind die Trematoden und die einzelnen Proglot- tiden der Cestoden im Grossen 'und Ganzen nach einem einheit- lichen Plan gebaut; eine männliche und eine weibliche Geschlechts- öffnung pflegen unmittelbar neben einander zu liegen; aus ersterer ergiesst sich das Sperma, letztere lässt die Eier austreten; nur einzelne Bothriocephalen mit flächenständigen Geschlechtsöffnungen haben eine besondere Uterus-Mündung, welche die Eier austreten lässt und bei Taenia gelangen die Eier erst durch Bersten des Uterus in’s Freie. Viele Trematoden führen nun noch andere Oefl- nungen der Geschlechtsorgane, denen man, aber sehr mit Unrecht, einen gemeinschaftlichen Namen, den eines Laurer’schen Canals, gegeben hat. Zwei solcher Gänge, welche, wie alle hier zu erwähnenden Organe in den Vereinigungspunkt der weiblichen Sexualorgane münden, wenn nicht ein anderer Punkt angegeben ist, führt Wier- zejski!) bei Calicotyle Kroyeri an, welche an der Bauchseite münden und Begattungsgänge genannt werden. Bei Pseudocotyle ist der Canal ebenfalls doppelt, er mündet beiderseits neben der Mittellinie nach Taschenberg?), welcher ihn Laurer’schen Canal nennt. Doppelte, seitlich ausmündende Canäle hat nach Zeller?) Polystomum integerrimum, welche Begattungsorgane genannt werden. Einen Gang finden wir bei Distomum, wo er als Auhang oft ein Receptaculum seminis trägt und nach kurzem Verlauf mitten in der Rückenfläche mündet, so bei Distomum hepa- ticum (Sommer, Mac&), D. Westermani (Kerbert), D. robustum (v. Lorenz), D. erassicolle (Minot), D. eygnoides (Pachinger), D. palliatum und D. trigonocephalum (Looss); das Organ wurde mitunter mit Sperma gefüllt gefunden und wird oft als Vagina bezeichnet; ein seitlich ausmündendes Organ fand Taschenberg 1) Zeitschr. für wissensch. Zoolog. XXIX, pag. 550. 2) Weitere Beiträge zur Kenntniss ectoparas. mariner Trematoden. Festschr. d. naturf. Gesellsch. Halle 1880. 3) Zeitschr. für wissensch. Zoolog. XXVII, pag. 248. 176 F Dr. v. Linstow: bei Tristomum und Onchocotyle; es steht mit dem Receptaculum seminis in Verbindung und bei Onchocotyle wie bei Gasterosto- mum (Ziegler) ist die Innenwand mit Wimperzellen versehen; bei letzterer Form findet sich die Mündung am Rücken. Axine hat nach v. Lorenz eine Vagina and einen Laurer’schen Canal daneben; bei Diplostomum siamense und pseudostomum findet sich die Mündung an der Rückenfläche; bei Diplozoon paradoxum wird von Zeller!) ein Gang als Laurer’'scher Canal bezeichnet, welcher von dem Vereinigungspunkt der weiblichen Geschlechts- organe zu der Geburtswarze des anderen Thieres führt, sich direet an die Samenleitermündung desselben legt und Sperma enthält. Bei Opisthotrema cochleare steht der Canal ebenfalls mit dem Receptaculum seminis in Verbindung und mündet nach Fischer nach aussen; bei Sphyranura Osleri mündet nach Ramsay Wright und Macallum ein solcher Canal in den Darm, während Ijima angibt, dass diese Verbindung mit dem Darm auch bei Diplozoon und Polystomum vorhanden ist. Die zweigeschlechtliche Bilharzia haematobia soll nach Fritsch auch einen Laurer'schen Canal haben; Dipleetanum besitzt nach Vogt einen besonderen Be- gattungsgang. Als Inhalt dieses Canals wurde bald nichts gefun- den, bald Sperma, Dotterballen und Primordialeier. Ohne einen solchen Canal sind bei den Trematoden nach Vogt die Gattungen Udonella, Phyllonella, Epibdedella, Dactycotyle, Microcotyle, übrigens aber die sämmtlichen Cestoden. Es wird somit sicher sein, dass mit dem Worte „Laurer’scher Canal“ Organe von verschiedener Bedeutung bezeichnet sind. Wenn nun viele Plattwürmer nur zwei Geschlechtsöffnungen haben, so ist es zweifellos, dass die weibliche sowohl die Function einer Vagina haben, welche das Sperma aufnimmt, als auch als Geburts- öffnung der Eier dienen muss. Die Speculationen über die Be- deutung des Laurer’schen Canals aber müssen den directen Beob- achtungen weichen, deren wir folgende haben: Bei Distomum cir- rigerum beobachtete Zaddach eine Selbstbefruchtung; der eri- girte Cirrus drang aus dem Cirrusbeutel hervor in die neben ihm liegende weibliche Geschlechtsöffnung, zog sich dann wieder zurück und drang tiefer hinein, wobei jedesmal Samenergiessungen statt- fanden, was mehrere Stunden dauerte, bis die Samenblase halb 1) Zeitsch. für wissensch. Zoolog. XLVI, pag. 236, Beitrag zur Anatomie von Phylline Hendorffi. 177 geleert war. Looss beobachtete zweimal eine gegenseitige Begat- tung bei Distomum elavigerum; die Thiere waren mit den Bauch- flächen an einander festgesogen und der Cirrus des einen Exem- plars drang in die Vulva des andern hinein und umgekehrt; das- selbe sah Cobbold bei Distomum conjunetum aus Canis fulvus. Bei Taenia echinococeus sah Leuekart ein Eindringen des Cirrus in die daneben liegende weibliche Geschlechtsöffnung und Riehm fand bei Dipylidium latissimum ein Eindringen des Cirrus der einen Seite in die Vulva der anderen, wobei die breiten Proglot- tiden röhrenförmig zusammengebogen waren. Es findet also eine Selbstbefruchtung wie auch eine wechsel- seitige Begattung statt, immer aber ist es die neben der männ- lichen liegende weibliche Oeffnung, in welche das Sperma einge- führt wird. Der Laurer’scher Canal aber, der bei Distomum, Di- plostomum (Poirier), Amphistomum (Laurer, Stieda), Holosto- mum (Verf., Brandes) und anderen Gattungen am Rücken mündet, welcher bald Sperma, bald Dotterkügelchen, bald Eierstockseier. enthält, welcher bald an der Innenwand flimmert, bald nicht, welcher mitunter in den Darm mündet, welcher endlich oft ganz fehlt, kann nicht als Vagina bezeichnet werden und wenn bei vor- handenem Laurer’schen Canal thatsächlich die neben dem Cirrus liegende Oeffnung als Vagina dient, so hat ersterer einen anderen Zweck. Die Entwicklung von Phylline Hendorffii ist ebenso unbe- kannt wie bei den beiden anderen Arten; sie wird eine monogene- tische sein und vermutblich werden die Embryonen ein Flimmer- kleid besitzen, mit dem sie im Wasser umherschwimmen, da sonst eine Neubesiedelung junger Fische nicht gut erklärlich wäre. Die drei Arten, Ph. Hendorffii, Hippoglossi und Sei- aenae, welche das Genus bilden, sind leicht zu unterscheiden. Die Kopfscheiben sind bei Hippoglossi kleiner, bei Seiaenae viel kleiner als bei unserer Art, die bei Sciaenae eine strahlige Zeich- nung führen. Die Farbe ist bei Sciaenae weisslich mit rothen Pigmentflecken, während die beiden anderen Arten farblos sind; Hippoglossi und Sciaenae werden bis zu 24, unsere Art nur bis gegen Imm lang, bei einer Breite von 12 und resp. 5mm. Die Bewaffnung der Schwanzscheibe ist bei den drei Arten sehr ver- schieden; bei Hippoglossi ist der mittlere Haken der grösste und angelhakenförmig gebogen; der vordere ist nur halb so gross und 178 Dr. v. Linstow: schwach gekrümmt, der hintere sehr klein; bei Sciaenae findet man den vorderen Haken als den stärksten, van Beneden ver- gleicht ihn mit einem Hundszahn; die beiden hinteren sind etwa ‘so lang wie der vordere und liegen parallel neben einander als zwei gerade Stäbchen. Bei Hippoglossi erstreckt sich eine Aus- buchtung der Samenblase in die Cirrusscheide hinein und die Pa- pillen der Schwanzscheibe jener beiden Arten fehlen der unsrigen. Gefunden wurde Ph. Hippoglossi an den Schuppen von Pleuro- neetes hippoglossus oder Hippoglossus maximus und Hipp. gigas in der Nord- und Ostsee, Ph. Seiaenae an Sciaenae aquila in der Nordsee, unsere, ganz nach demselben Typus gebaute Art aber an Coryphaena hippurus an der Küste von Chile. Was den Gattungsnamen betrifft, so wurde Hippoglossi von Baster in seinem 1759—65 zu Haarlem erschienenen Werke Opuscula subseeiva unter dem Namen pedieulorum species zuerst beschrieben, O. Müller nannte sie in seiner Zoologia danica Vol. I. pag. 18—19, Tab. 54, Fig. 1—4 Havniae 1788, ebenso auch O. Fa- brieius in der Fauna groenlandica, Havniae 1780 und €. Linng, Systema naturae, ed. XIII, Lipsiae 1788 Hirudo Hippoglossi, welcher Name natürlich nicht bleiben kann. Oken bezeichnet die Art in seinem Lehrbuch der nat. Geschichte, Leipzig 1515—16, mit Phyl- line Hippoglossi, und wenn auch von ihm andere, jetzt in das Genus Tristomum gestellte Arten mit zu Phylline gerechnet wurden, so kann das doch kein Grund sein, den Namen ganz za verlassen und durch die späteren Epibdella, Nitzschia und Benedenia zu ersetzen. Der Name Epibdella wurde von de Blain- ville in dem Dict. des sc. natur. Vol. XLVII, Paris 1827, pag. 269 aufgestellt, Diesing’s Genus Benedenia, in welches die Art Sciaenae unter dem Namen Benedenia elegans, neben Phylline Hippoglossi gestellt wird, ist ganz ungerechtfertigt. Die Gattungs-Öharaktere von Phylline sind: Körper von löffel- förmiger Gestalt und eiförmigem Umriss, die Bauchfläche concav, vorn neben einander zwei kleine, hinten eine grosse Saugscheibe, letztere mit drei Paar Haken; hinter der Kopfscheibe ein grosser, muskulöser Mund, davor (wenigstens bei Hendorffii) ein Gehirn mit vier Ocellen, Darm eine fortlaufende Schlinge bildend; etwa in der Mitte des Körpers liegt das Ovarium, dahinter neben ein- ander die beiden Haken; vor dem Ovarium etwas links liegt der Dottersack, weiter nach vorn links das Ootyp, rechts daneben die Beitrag zur Anatomie von Phylline Hendorfhi. 179 Samenblase, links vom Munde der Cirrus; die Geschleehtsöffnungen stehen vorn am Körper links, am Aussenrande der linken Kopf- scheibe; das Gefässsystem hat zwei grosse Erweiterungen nach hinten und seitlich vom Munde und mündet in eine Oeffnung am Hinterende des Körpers; vier starke Bauch- und zwei feinere Rückennerven (bei Hendorffii) durchziehen den Körper der Länge nach. Die Arten leben an den Schuppen von Meerfischen. Erklärung der Abbildungen auf Tafel X und XI. Fig. 1. Thier in natürlicher Grösse. Fig. Von der Bauchfläche; die blaue Zeichnung giebt das Gefässsystem wieder. a linke Kopfscheibe, b Schwanzscheibe, ce Gehirn, d Schlund- ganglion, e Mund, f Darm, g Ovarium, h Samenblase, i Hoden, 18) k Dotterblase, 1 Gefässerweiterung, m Porus excretorius. Fig. 3. Von der Bauchfläche; die rothe Zeichnung stellt das Nervensystem, die Schattirung die Ausbreitung der Dotterstöcke dar. a Gehirn, b Schlundganglion, e Dotterblase, d Tastpapille. Fig. 4 Haken der Schwanzscheibe, a vordere, b mittlere, c hintere, d und e Sehnen. Cuticula, Flächenschnitt aus der Rückenfläche, a Drüsen, b Balken- gerüst, c Stäbchen. Fig. 6. Cuticula, Querschnitt, a Drüsen, b Stäbchen. Rindenschicht, Querschnitt aus der Bauchfläche; a Cuticula (Stäb- chen), b Subeuticula, e Längsmuskeln, d Ring- und Diagonalmuskeln, e Drüsen, f Dotterdrüsen, & Nerv, h Darm. Fig. 8. Längs-Sagittalschnitt, etwas seitlich von der Mittellinie; a Mund, b Gehirn mit 2 Ocellen, ce Schlundganglion. Fig. 9. 2 Ocellen; a Linse, b Pigmentbecher, c glänzendes Kügelchen. Fig. 10. Schnitt durch die Wand einer Gefässerweiterung; a Epithel. Fig. 11. Die Sexualorgane in ihrem Zusammenhange,;, a Gehirn mit den Ocellen, b Schlundganglion, e Mund, d Darm, e Kopfscheibe, f Er- weiterung des Vas deferens, g Samenblase, h Cirrus, i männliche Geschlechtsöffnung, k Ovarium, 1 Dotterblase, m Receptaculum se- minis, n Schalendrüse, o Ootyp, p weibliche Geschlechtsöffnung, q Tastpapille. Fig. 12. Gruppe von Hodenbläschen; die Buchstaben geben die Reihenfolge der Samenentwicklung an. Fig. 13. Theil des Vas efferens; a Prostata-Zelle. Fig. 14. Primordialeier oder Zellen aus dem Ovarium. = (er os ei! = a 1 Archiv f, mikrosk, Anatomie. Bd. 33, 12 180 Dr. v. Linstow: Beitrag zur Anatomie von Phylline Hendorffi. Fig. 15. Dotterzellen. Fig. 16. Zellen der Schalendrüse, Fig. 17. Ein Ei; a Keimzelle, b Dotterzellen, e Secret der Schalendrüse. Fig. 15. Längs-Sagittalschnitt, links von der Mittellinie; die Gefässe sind blau gezeichnet. a linke Kopfscheibe, b Schwanzscheibe, ce Sehne, d Ge- fässerweiterung, e Vas deferens, f Dotterdrüsen, & linker Hoden. Fig. 19—25. Querschnitte; die Nerven sind roth, die Gefässe blau ein- getragen. Fig. 19. Durch die Kopfscheiben. Fig. 20. Durch den Mund; a Cirrus, b Eiergang, e Dottergang. Fig. 21. Durch das Ovarium; a Vas deferens, b Darm, ce Bauch-, d Rücken- nerven. Fig. 22. Durch die Hoden; a Vas deferens. Fig. 23. Durch die Wurzel der Schwanzscheibe; a Rand, b Sehne, c Ver- stärkungslamelle. Fig. 24. Durch die vorderen Haken der Schwanzscheibe; a Haken. Fig. 25. Durch die mittlereu Haken der Schwanzscheibe; a Haken. (Aus dem anatomischen Institut zu Breslau.) Beiträge zur Kenntniss der Zelle und ihrer Theilung. Von Gustav Plainer. IV. Die Entstehung und Bedeutung der Nebenkerne im Pan- kreas, ein Beitrag zur Lehre von der Sekretion. Hierzu Tafel X. In den folgenden Zeilen theile ich die Resultate von Unter- suchungen mit, die mich schon seit längerer Zeit beschäftigen. Diese Beobachtungen sind von solch eigenartiger Beschaffenheit, dass man meine Bedenken, welche ich gegen eine allzurasche Publikation derselben trug, gerechtfertigt finden wird. Nachdem ich jedoch an einer grossen Anzahl von Amphibien und Reptilien übereinstimmende Befunde erhalten, nachdem ich sogar die hier im Pankreas sich abspielenden Vorgänge in ganz analoger Weise Gustav Platner: Beiträge zur Kenntniss der Zelle und ihrer Theilung. 181 in den Malpighi’schen Gefässen der Insekten konstatirt hatte, habe ich es um so mehr für meine Pflicht gehalten, meinen früher an einigen Stellen gemachten Andeutungen hier eine ausführliche Beschreibung folgen zu lassen, als die Art und Weise, wie die fraglichen Elemente von Gaule und seinen Schülern zu weitgehen- den Spekulationen benutzt werden, es erheischt, einmal eine sorg- fältige Kritik zu üben. Eine abschliessende kann diese aber an dieser Stelle nicht werden, da ich zunächst noch einen andern Abschnitt zu behandeln habe, welcher von den regressiven Meta- morphosen des Kerns und des Protoplasmas berichten wird. Das Durcheinanderwerfen progressiver und regressiver Prozesse hat es Gaule und seinen Anhängern möglich gemacht, eine Verwirrung anzurichten, in die es schwer hält Ordnung zu bringen. Zellpara- siten in der Form von Hämatozoen und Coceidien spielen auch eine Rolle dabei (vergl. 1 und 8) und machen die Verwirrung noch grösser. Endlich ist die Einwanderung von Leukocyten noch ein Faktor, der”in Betracht gezogen sein will. Die Aufgabe, welche ich mir stellte, als ich an die Bearbeitung dieses Themas herantrat, war demnach keine leichte. Zudem fielen meine ersten Beobach- tungen in eine Zeit, wo unter dem Eindruck der epochemachen- den Entdeckungen W. Flemming’s gegen alle Art von Zelltheilung, welche nicht unter das von ihm aufgestellte Schema fiel, man nur zu leicht geneigt war, grosses Misstrauen zu hegen. In letzterer Beziehung ist erfreulicher Weise ein Umschwung eingetreten und auch von anderer Seite ist der Boden geebnet, auf dem ich mich zu bewegen habe und manches Hinderniss hinweggeräumt. Ich bin seit fünf Jahren mit dem Studium der Zelle und ihrer Bestand- theile beschäftigt und kann nichts anderes sagen, als wir sind noch weit entfernt von einer auch nur oberflächlichen Kenntniss derselben. Ich habe mich immer wieder von der Wahrheit des alten Satzes des Aristoteles überzeugen müssen: „Man muss der Beobachtung mehr Glauben schenken als der Theorie, und dieser letztern nur dann glauben, wenn sie zu den gleichen Resultaten führt wie die Erfahrung.“ Allen denen, welche im Schema ihr Heil suchen, möchte ich diesen Grundsatz des alten griechischen Forschers ein- dringlich vorhalten. Ich bin überzeugt, dass ich mit meinen An- gaben vielfachen Widerspruch erfahren werde. Hier kann ich nur den einen Rath geben: nachzuuntersuchen und zwar an geeig- neten Objekten, wie ich sie unten namhaft machen werde. 182 Gustav Platner: Die besten und klarsten Resultate geben hier wieder die wirbellosen Thiere und doch werden diese bei derartigen Fragen mit einer Constanz vermieden, die Erstaunen erregt. Man quält sich mit den kleinsten Zellen, mit den schwierigsten Objekten, sieht einiges, übersieht das Meiste und stellt in die Lücken kühne Combinationen, die dann das Fehlende ersetzen müssen. Was nun zunächst meine Methode anlangt, so verwendete ich zur Härtung die oft bewährte stärkere Chrom-Osmium-Essig- säure-Mischung (Flemming), sowie Kleinenberg’sche Pikrin- schwefelsäure z. Th. mit Zusatz von Chromsäure. Gefärbt wurde mit Safranin, Hämatoxylin, Alauncarmin, Boraxcarmin, sowie end- lich mit dem von mir als Kernschwarz (13) beschriebenen Farb- stoffe. Ich gebrauchte stets nur eine Tinktion für sich. Die kom- binirte Färbung, wie sie die Methode von Gaule erheischt, halte ich für völlig überflüssig. Es kamen zur Untersuchung das Pankreas von I Chelonia: Emys europaea, Testudo graeca; II Sauria: Lacerta vivipara, An- suis fragilis; III Ophidia: Tropidonotus natrix, Coronella laevis. IV Anura: Rana esculenta, R. arvalis, R. fusca, Alytes obstetricans, Pelobates fusecus, Bombinator igneus, Bufo ceinereus; V Urodela: Triton taeniatus, Salamandra maculata, Siredon pisciformis. Bei sämmtlichen Thieren konnten die Nebenkerne in grösserer oder geringerer Anzahl nachgewiesen werden. Die grosse Zahl verschiedener Vertreter der meisten Klassen der Amphibien und Reptilien, welche ich durchforschte, gestattet demnach wohl den Schluss, dass die Nebenkerne im Pankreas von Amphibien und Reptilien ein regelmässiges Vorkommniss bilden. Die Malpighi- schen Gefässe von Hydrophilus piceus und Dytiscus marginalis zeigten analoge, wenn auch in einzelnen noch näher zu erörternden Punkten abweichende Verhältnisse. Bei ihnen sowie bei dem Salamander habe ich nun /die Entstehung und Bedeutung der Nebenkerne näher untersucht. Die Gründe hierfür liegen in der ausgezeichneten Beschaffenheit der Zellen dieser Thiere für solche Zwecke. Die Zellen der Malpighi’schen Gefässe übertreffen die des Salamanders beinahe noch um das Vierfache, sind also ein ausgezeichnetes Objekt. Dabei bedürfen sie nur einer einfachen Vorbereitung, da man die Schläuche ohne weitere Zerkleinerung direkt untersuchen kann. Ihr Durchmesser fasst nur zwei Zellen. Man hat die letzteren also in toto vor sich, braucht nicht zu Oo Beiträge zur Kenntniss der Zelle und ihrer Theilung. 183 fürchten, dass durch das Schneiden Verletzungen entstehen oder wesentliche Theile der Beobachtung, indem sie auf verschiedene Schnitte fallen, entzogen werden. Im Hüngerzustande sind diese Zellen nahezu gleich gross. Sie zeigen einen hyalinen, ziemlich breiten Saum als äussere Be- srenzung, der nur an der breiten Basis, wo sie der Drüsenwand aufsitzen, und an den Stellen, wo zwei benachbarte mit einander zusammenhängen, fehlt. Das Protoplasma ist von einem braunen körnigen Pigment durchsetzt, das um den grossen ovalen Kern unregelmässig angehäuft erscheint. Der letztere ist körnig, trägt ein oder mehrere Nukleolen und einige grössere Chromatinbrocken. Eingefasst wird derselbe von einer zarten Membran. Die nähern Details so wie die Art seiner Theilung habe ich in meinem vorigen Beitrag genauer beschrieben, worauf ich hier verweisen möchte. Die Sekretion wird nun damit eingeleitet, dass sich im respektive aus dem Protoplasma eine grössere Anzahl kugeliger Elemente, Sekrettropfen bilden. Die Zelle besitzt im Allgemeinen die Gestalt eines abgestumpften Kegels mit breiter Basis. Das obere Ende dieses Kegels würde dasjenige sein, wo dieser Prozess sich zu- erst markirt. Diese Sekrettropfen entsprechen völlig den Elementen, die sich in den Leberzellen der Mollusken finden. Auf dieses besser bekannte Objekt, das auch ich oft gesehen habe, kann ich mich also bei meinen Vergleichen beziehen. Wie bei diesem tritt schliesslich ein Schwund der Kernmembran an dem in das Drüsen- lumen hineinragenden Theil der Zelle auf. Die Sekrettropfen kommen damit in dieses zu liegen. Die Beschaffenheit der Sekrettropfen, hinsichtlich derer auch Frenzel (5, 6) für den Mitteldarm der Insekten genauere Angaben macht, ist nun folgende: Dieselben sind meist völlig kugelig, von wechselnder Grösse und glänzend. Kernfarbstoffe nehmen sie bis zu einem gewissen, jedoch wechselnden Grade etwas an. Im Innern erkennt man zuweilen eine netzförmige oder körnige Struktur, die ich aber für eine Reagentienwirkung zu halten geneigt bin. Diese Sekrettropfen gelangen nun durch Schwund der Kernmembran in das Lumen der Drüse. Dass hierbei die ganze Zelle häufig zu Grunde geht, scheint sicher. Ich stimme also Frenzel bei, wenn er in ähnlicher Weise von den Zellen des Mitteldarms sich äussert: „Sie müssen demnach, wenn sie ihren Zweck erfüllen sollen, die 184 Gustav Platner: von ihnen gebildeten und zur Verdauung nöthigen Stoffe aus- scheiden. Wie dies nun geschieht mag nicht in allen Fällen gleich sein. Wo aber mehr oder minder grosse, geformte und feste Sekretmassen sich angehäuft haben, was ja, wie wir gesehen haben, am häufig- sten der Fall ist, können diese nicht anders frei werden, als in- dem sie den vor ihnen liegenden Theil der Zelle zerstören; und da nicht selten der ganze Zellleib diebt von ihnen angefüllt wird, wie bei vielen Käfern, Hymenopteren, Raupen u. Ss. w., so muss man zu dem Schluss gelangen, dass die ganze Zelle bei dieser Sekretion zu Grunde geht“ (l. ec. p. 301.) So ganz einfach ist nun aber der Verlauf der Sekretion nicht. Ausser dem Protoplasma betheiligt sieh auch noch der Kern daran. Der Bildung der Sekret- tropfen vorausgehend oder noch mit ihr zusammenfallend, bemerkt man eigenthümliche Veränderungen an ihm, die auch Frenzel nicht entgangen sind und von ihm als „Kernsprossung“ (l. ce. p. 181) bezeichnet werden. Er hat dieses bei Astacus beobachtet. Es ist mir sehr angenehm, wenigstens in der Feststellung einiger Punkte, hier einen Vorgänger zu haben. Dieses erwähnte sonderbare Phä- nomen ist nun streng von der direkten Kerntheilung zu trennen. Das abgeschnürte Kernstück bildet sich nicht zum selbständigen neuen Kern um, sondern wird ein Sekretstoff. Die direkte Kern- theilung, die auch von Frenzel genau beobachtet ist, führt meist zu zwei für das Augenmaass an Grösse gleichen Kernen. Die Kern- sprossung — ich adoptire gern diesen Ausdruck Frenzel’s — führt hingegen zur Bildung des Nebenkerns. Was nun die Bedeutung dieses Elementes anlangt, so könnte die von Nussbaum gefundene Thatsache, dass derselbe beson- ders nach einer längern reichlichen Fütterung in der darauf folgen- den Carenzzeit und zwar, wie der genannte Forscher mittheilt, etwa am vierten Tage sich reichlich findet, während längere Zeit hungernde Thiere ihn nur selten zeigen, zu der Ansicht verleiten, man habe es hier mit einer Erscheinung zu thun, welche der Aus- fluss einer überreichen Ernährung der Thiere sei. Es wäre ja möglich, dass der Kern sich des ihm in Fülle dargebotenen und assimilirten Materials in dieser Form wieder entledige. Das Auf- treten von sogar diffus im Kernsaft vertheiltem Chromatin spricht sehr für eine Vermehrung der specifischen Kernsubstanz. Eine solche findet also zweifellos statt. In wie weit die Nebenkern- Beiträge zur Kenntniss der Zelle und ihrer Theilung. 185 bildung dazu dient, diesen Ueberfluss wieder zu eliminiren, darüber vermag jedoch das Experiment Aufschluss zu geben, welches Ogata machte (12). Dieser zeigte, dass Pilocarpineinspritzung eine be- trächtliche Vermehrung der Nebenkerne zur Folge hatte. Ich fand auch bei frisch eingefangenen Thieren oft eine grosse Menge Neben- kerne und bin daher der Meinung, dass man es hier mit einem Produkt der Sekretion zu thun hat, wenn ich auch anerkennen muss, dass weitere Beobachtungen und Experimente zur definitiven Fest- stellung dieser Sache noch recht erwünscht scheinen. » Nach seiner Abstossung vom Kern lässt sich unter den Sekret- massen der Malpighi’schen Gefässzellen der Nebenkern nur schlecht verfolgen, um so besser gelingt es im Pankreas. Da der Process der Kernsprossung jedoch hier genau gleicher Weise verläuft, wie in den Zellen der Malpighi’schen Gefässe, so können beide Ob- jekte gemeinsam abgehandelt werden. In den zur Erläuterung dienenden Abbildungen habe ich nun mit peinlichster Genauigkeit unter steter Zuhülfenahme des Prismas diese Vorgänge der Natur getreu zu kopiren mich bemüht, wie es die Wichtigkeit dieses Gegenstandes verlangt. Der Nebenkern im Pankreas wurde bei Salamandra maculata, ebenso im Hepatopankreas von Astacus von Nussbaum (10) entdeckt. Die historischen Data hierüber habe ich schon früher (13) zusammengestellt, worauf ich hier verweisen kann. Etwas später fand den Nebenkern Gaule (7) beim Frosch und andern Amphi- bien in demselben Organ. Meine ersten Beobachtungen darüber machte ich bei Anguis fragilis (13). Die besten Bilder des Nebenkerns und seiner Bildung liefert unstreitig das Pankreas von Salamandra maculata. Der Axolotl steht auf gleicher Stufe, ist aber zu kostspielig als Untersuchungs- material. Die Bildung des Nebenkerns kann ferner in ausgezeich- neter Form an den grossen Kernen der Malpighi’schen Gefässe wahrgenommen werden. Wenn hinsichtlich des Termins des Auftretens”der Nebenkerne nach der letzten Fütterung ein Unterschied zwischen meinen Re- sultaten und denen Nussbaum’s sich ergeben hat, so ist folgen- der Umstand zu beachten. Ich habe meine Salamander stets ’mit Insekten, wie Käfern, Asseln, grossen Fliegen, denen ich die Flügel abgeschnitten hatte, ete. gefüttert. Dieselben zeigten einen grossen Appetit und frassen soviel sie erhaschen konnten. Ich wollte ein- 186 Gustav Platner: mal die natürlichen Bedingungen möglichst herstellen und sodann dachte ich mir, dass die schwer verdaulichen Chitinhüllen der ge- nannten Kerfe vielleicht auch noch durch mechanische Reizung die Sekretion befördern könnten. Ich fand oft nach vier Tagen noch die genossene Nahrung zum Theil im Magen vor. Nussbaum hat, so viel ich aus persönlicher Mittheilung weiss, mit Fleisch seine Salamander gefüttert; das wird natürlich rascher verdaut, worauf wohl seine kürzern Zeitangaben beruhen. Ich beginne die Schilderung meiner Beobachtungen mit dem Stadium der erschöpften Drüsenzellen. Diese letzteren zeichnen sich aus durch ein sehr spärliches Protoplasma. Die äussern Contouren der Zelle sind unregelmässig. Die sonst so schön hervortretende regelmässige Anordnung in den Alveolen ist völlig verwischt. Auch der Kern zeigt eine wechselnde unregelmässige Form, er ist wie zusammengefallen mit Einbuchtungen und Höckern versehen. Das Nächste was an ihm zu bemerken ist, ist eine ausserordentliche Steigerung der Tinktionsfähigkeit des Kernsaftes, wodurch das Ge- rüstwerk undeutlich gemacht wird. Derartige Kerne leuchten in den mit Safranin gefärbten Präparaten mit dunkelrother Farbe hervor und zeichnen sich dadurch vor den andern Kernen, da stets die Alveolen verschiedene Stadien erkennen lassen, charakte- ristisch aus. Nach diesen unregelmässigen intensiv gefärbten und wegen des geringen Protoplasmas in Haufen nahe beisammen- liegenden Kernen gilt es vor allen Dingen zu suchen, wenn man die Entwicklung des Nebenkerns beobachten will. An einem sol- chen Kern nimmt, während die andern Höcker verschwinden, eine Hervorragung alsbald eine besondere Form an. Das ganze im Kernsaft aufgestapelte Chromatin wandert in sie hinein, so dass sie als dunkelrothe Knospe dem mehr und mehr zur normalen Beschaffenheit zurückkehrenden, das heisst einen unfärbbareu Kern- saft zeigenden übrigen Theil des Kerns aufsitzt. Dieser Prozess findet sich genau in der gleichen Weise, wenn auch etwas kürzer, von Davidoff beschrieben für die Zellen des Darmepithels, scheint sich also auch hier zu finden (2). Diese Knospe des Kerns hat eine mannigfaltige, von Zelle zu Zelle wechselnde Form. Sie ist grösser oder kleiner, bald ein- fach abgerundet, bald zwei- oder dreizackig, kleeblattförmig ete. Die Kernmembran überzieht dieselbe meist noch. Oft erscheint dieselbe aber auch geschwunden und der Inhalt der Kernsprosse Beiträge zur Kenntniss der Zelle und ihrer Theilung. 137 liegt als fadiges oder gewundenes, oft zum Theil in Körner auf- gelöstes, aber zunächst noch gefärbtes Element direkt im Proto- plasma (Fig. 1, Taf. XII). Die Gerüstfäden des Kerns erscheinen in diesen Auswuchs wie hineingezehrt, so dass sie strahlig nach dem sich mehr und mehr einschnürenden Stiel desselben zusammen- laufen (Fig. 1u.7). Weiterhin trennt sich das sonderbare Gebilde vom Kern und verliert alsbald auch seine Tinktionsfähigkeit. Dies scheint nicht sofort in ganzer Ausdehnung zu geschehen. Ich habe solche Nebenkerne, wie man sie jetzt nennen kann, zum Theil noch gefärbt, zum Theil blass gefunden (Fig. 4). Nur Häma- toxylin und Kernsehwarz verleihen ihnen auch jetzt noch eine dunkle Färbung. Hand in Hand gehend mit diesen Veränderungen hat sich auch das Protoplasma der Zelle wieder vermehrt und gewinnt letztere ihr früheres Volumen allmählich wieder. Die beschriebenen Ver- änderungen des Kerns finden sich nie vereinzelt, sondern stets bei einer grössern Anzahl beisammenliegender Zellen zugleich, doch oft nicht genau auf demselben Stadium. Sehr schöne Bilder ergeben auch die Malpighi’schen Gefässe. Auch hier bemerkt man die wechselvollen Formen, die intensive Anhäufung von gelöstem Chro- matin an diesen Elementen. Diese entwickeln sich hier meist nach dem in das Lumen der Drüse hineinragenden Ende der Zelle hin. Im Pankreas findet man die geschilderten Verhältnisse am häufigsten gegen den 7. bis 8. Tag nach der letzten Fütterung, selbstverständ- lich nur in einer beschränkten Anzahl von Alveolis, da die ein- zelnen Drüsenabsehnitte beträchtliche zeitliche Schwankungen in ihrer Funktion und Entwicklung zeigen und anderseits das be- schriebene Phänomen rasch vorüber zu gehen scheint. Am 10. bis 11. Tage kann man sicher sein, nahezu in jeder Zelle einen auf diese Weise gebildeten Nebenkern zu treffen, da dieselben sich auch in den nicht völlig erschöpften Zellen entwickeln, andere solche sie von früherher noch besitzen. Bei den Anuren und Reptilien wird die Beobachtung dadurch erschwert, dass wegen des beschränkten Raumes in der Zelle die sich bildenden Nebenkerne sich kappenförmig dem Kern auf- lagern, so dass ich bei Anguis früher zu der Ansicht gelangen konnte, es seien durch Scheidewandbildung abgetrennte Kern- theile, doch gelang es mir auch hier das geschilderte Verhalten festzustellen. | Im ausgebildeten Zustande liegen nun die Nebenkerne stets 188 Gustav Platner: in dem der Alveolenwand benachbarten Theil der Zelle, wie dies auch schon Nussbaum beschreibt. Die Zellen zeigen auf diesem Stadium etwas unter mittlerer Grösse. Zymogenkörnchen sind in ihnen nur spärlich oder gar nicht vorhanden. Die Form der Alveolen mit ihrem centralen Lumen fängt wieder an sich schärfer auszubilden. Die regressive Metamorphose des Nebenkerns und das stärkere Auftreten von Zymogenkörnchen schreiten nun gleich- mässig fort. Bevor ich näher hierauf eingehe, möchte ich die Form und Zahl der Nebenkerne erst noch kurz besprechen. Meist findet sich in der Zelle nur eines dieser Elemente, häufig trifft man deren auch zwei, drei oder noch mehrere, die dann etwa zu- sammen dem Volumen eines einzelnen entsprechen. Sie sind ge- baut wie der solitäre Nebenkern, blätterig oder lockig gewunden, breit oder schmal, abgerundet oder länglich, von wechselnden äusseren Umrissen, wie dies auch schon Nussbaum erkannt hat. Bei den Anuren und Reptilien sind die Nebenkerne meist halb- mondförmig, der dem Drüsenlumen abgewendeten Seite des Kerns kappenförmig aufsitzend. Kernschwarz und Hämatoxylin verleiht ihnen insgemein eine dunkle Färbung (Fig. 8—10). Mit dem stärkern Auftreten der Zymogenkörnchen in dem in Bezug auf den Alveolus centralen Theil der Zelle nimmt das Vo- lumen der letzteren mehr und mehr zu. Die Tinktionsfähigkeit des Kerns wird eine geringere, er erscheint blass und nur die stärkern Chromatinkörner des Gerüstes treten deutlich noch hervor. Auffallend ist im Gegensatz dazu die oft ziemlich intensive Fär- bung der Zymogenkörner mit Safranin. Der Nebenkern wird blasser bei Hämatoxylinfärbung, sein Volumen geringer; schliesslich scheint er ganz geschwunden und nur unter den Zymogenkörnern des centralen Theils nimmt man noch zuweilen einige fädige Reste desselben wahr. Er ist also in diesen Zelltheil hineingerückt. Weiterhin sind auch diese Spuren verschwunden. Die Zelle ist mit Zymogenkörnern stark gefüllt, ihre Ausdehnung hat ihr Maxi- mum erreicht. Der Kern ist blass tingirt, wenig hervortretend. Die Zellen sind jetzt zur Funktion reif, tritt diese ein, so schrumpfen sie wieder zusammen auf das anfangs beschriebene Volumen. Diese Betheiligung an der Sekretion macht es erklärlich, dass man den Nebenkern bei längere Zeit hungernden Thieren, wie auch schon Nussbaum ermittelt hat, selten trifft, dass er sich am zahl- Beiträge zur Kenntniss der Zelle und ihrer Theilung. 189 reichsten nach einer vorangegangenen guten Fütterung findet. Frei- lich sind nicht alle Alveoli auf dem gleichen Stadium zu treffen, sie zeigen vielmehr ein recht wechselndes Verhalten. In den Malphighi’schen Gefässen lässt sich der Nebenkern schlecht verfolgen; da sein Uebergang unter die aus der Zelle aus- tretenden grossen Sekretkugeln seine Auffindung sehr erschwert. Ich hoffe aber an Schnittpräparaten auch hier in sein Verhalten noch näher eindringen zu können. Von den in diesen Organen vorkommenden direkten Theilungen mit ungleichen Hälften, die sich wenn auch selten finden, ist der Sprossungsprozess, der den Nebenkern liefert, leicht zu trennen. Die Theilungsprodukte der Kerndurchschnürung sind, abgesehen von der Grösse und der dieser entsprechenden Nucleolenzahl, einander völlig gleich in Tinktions- fähigkeit und äusserm Habitus, dabei stets abgerundet, nie lappig oder gezackt, fallen ausserdem immer in die Pause nach der Sekretion, wo die Regeneration auftritt. Im Pankreas des Salamanders findet der Ersatz der zu Grunde gehenden Zellen durch reguläre Mitosen statt, die ich oft in vor- züglich konservirtem Zustande vorfand. Einen Punkt möchte ich der Vollständigkeit halber hier noch kurz erörtern. Bei der starken Inanspruchnahme der Zellen ist es erklärlich, dass sie rasch abgenutzt werden und dann absterben. Es weisen hierauf auch die zahlreich sich findenden Mitosen hin, welche einen Ersatz schaffen. Ich musste demnach auch darauf gefasst sein, regressiven Metamorphosen der Zellen zu begegnen. Dies ist in der That der Fall und sie sind interessant genug, um ihnen, abgesehen davon, dass ich diesem Thema ein besonderes Kapitel widmen werde, hier einen kleinen Platz zu gönnen. Flemming hat den regressiven Kernveränderungen den Namen „Chromatolyse“ gegeben und ihrer auch in seiner letzten Abhandlung wieder erwähnt (4). Der Prozess führt zunächst zur Bildung meist kugeliger grösserer und kleinerer Elemente, die zunächst sich noch färben, später aber die Aufnahme des Safranins verweigern. Dieser Schwund der Tinktionsfähigkeit ist nun ein zunächst lokalbe- schränkter und äusserst wechselvolle bizarre Figuren hervorbrin- gender Prozess. Eine Anzahl derselben habe ich in den beige- fügten Figuren wiedergegeben. Wer nach mehr verlangt findet 190 Gustav Platner: bei Lukjanow (9) eine vollständigere Aufzählung und Beschrei- bung derselben. Höchst auffallender Weise kann dieser regressive Prozess zu- nächst nur einen Theil des Kerns befallen, was ich als partielle Chromatolyse bezeichnen möchte. Flemming (3) nennt die jetzt zu beschreibenden Elemente: „tingible Körper“. Der Kern zeigt von scharfen Rändern begrenzte, wie mit einem Locheisen ausge- schlagene und der Membran zunächst entbehrende Lücken, in welchen die kugeligen Elemente der Chromatolyse liegen. Weiter- hin kann wieder eine Abrundung des Kerns und Neubildung seiner Membran stattfinden. Ob er sich aber auf die Dauer erhalten kann, möchte ich stark bezweifeln. In wie weit ferner an der Bildung der in Rede stehenden eigenthümlichen Elemente einge- wanderte weisse Blutkörperchen einen Antheil haben, konnte ich nicht feststellen. Heidenhain (8) hat neuerdings über derartige Fälle in den Darmepithelien des Salamanders berichtet. Derselbe Autor hat ebenfalls die höchst eigenthümlichen Bilder beschrieben, welche die Gegenwart eines Parasiten, eines Coceidiums in den Kernen hervorruft. Ueber die von Gaule (7) beobachteten Häma- tozoön, die dieser den Nebenkernen einreihte und Cytozo@n nannte, haben die Arbeiten Danilewsky’s (1) Aufschluss gebracht. Was nun noch schliesslich das Auswandern des Kernkörper- chens aus dem Kern anlangt, wie es Ogata (12) beschreibt, so habe ich dergleichen. Bilder auch erhalten, aber merkwürdiger Weise nur an Paraffinschnitten, der bekannten Methode Gaule’s. Bei Celloidin- einbettung fehlten sie. Als ich später die Ovarien von Aulosto- mum in Paraffin schnitt, habe ich sehr häufig den Keimfleck durch eine Lücke der Kernmembran ausgetreten gesehen, mich aber auch überzeugt, dass ihn das Messer herausgerissen hatte und das Gleiche gilt auch von dem obigen Befund. Derselbe ist also ein Artefakt. Dass die Produkte der Chromatolyse, die ich hier nur vor- läufig abgehandelt habe, natürlich bei ihrer weitern Veränderung gegen Farbstoffe in der verschiedensten Weise reagiren, dürfte leicht verständlich sein; deshalb aber in ihnen Dinge besonderer Art erkennen zu wollen und mit besondern Namen zu belegen, wie es Lukjanow gethan hat, halte ich für verfehlt und kann mich daher auch nicht für die von diesem Autor verwandte Fär- bung begeistern. In wie weit die Chromatolyse bei der Sekretion Beiträge zur Kenntniss der Zelle und ihrer Theilung. ° 191 eine Rolle spielt, lässt sich noch nicht entscheiden. Im Pankreas dürfte sie bei ihrem spärlichen Vorkommen dies nur in unterge- ordnetem Maasse thun. Zum Schlusse möchte ich noch bemerken, dass in den Details meiner Untersuchungen wohl Vieles wird nachzutragen sein. Für mich hat es sich zunächst nur darum gehandelt, über die an der Zelle und ihrem Kern wahrnehmbaren Veränderungen eine Ueber- sicht zu gewinnen. Dabei mussten hauptsächlich die Geschlechts- zellen und die Drüsenzellen in Betracht kommen; da bei den andern Geweben die Verhältnisse weit einfacher liegen. Mit den genannten Elementen habe ich mich daher auch bisher am ein- gehendsten befasst und wünsche nichts mehr, als dass sich mög- lichst bald Jemand finden möge, der die gewonnenen Resultate einer Prüfung werth erachtet. Ich habe mich bemüht, überali die günstigsten Objekte ausfindig zu machen und die Methode zu einer möglichst sichern zu gestalten. Möge man nicht vergessen, dass die Pionierarbeit in einem neuentdeckten Gebiet eine mühselige ist. Der Nachuntersucher hat es weit leichter. Literatur. 1) Danilewsky, B., Die Hämatozoön der Kaltblüter. Arch. f. mikrosk. Anat. Bd. XXIV, p. 583—599. Taf. XXVIIA. 1885. 2) Davidoff, M.v., Untersuchungen über die Beziehungen des Darm- epithels zum Iymphoiden Gewebe. Arch. f. mikrosk. Anat. Bd. XXIX, p. 495 bis 525, Taf. XXX und XXXI. 1887. 3) Flemming, W., Studien über Regeneration der Gewebe. I. Arch. f. mikrosk. Anat. Bd. XXIV. p. 50—92. Taf. IV. 1885. 4) Flemming, W., Neue Beiträge zur Kenntniss der Zelle. Arch. f. mikrosk. Anat. Bd. XXIX. p. 3539—464. Taf. XXIII—XXVI. 1887. 5) Frenzel, J., Ueber den Darmkanal der Crustaceen nebst Bemer- kungen zur Epithelregeneration. Arch. f. mikrosk. Anat. Bd. XXV. p. 157—191. Taf. VIII und IX. 1885. 6) Frenzel, J., Einiges über den Mitteldarm der Insekten, sowie über Epithelregeneration. Arch. f. mikrosk. Anat. Bd. XXVI. p. 229—307. Taf. VI—IX. 1886. 7) Gaule, Kerne, Nebenkerne und Cytozo@ön. Centralblatt f. d. medic. Wissenschaften. Nr. 31. 1881. 192 Gustav Platner: 8) Heidenhain, Beiträge zur Histologie und Physiologie der Dünn - darmschleimhaut. Pflüger’s Arch. f. d. ges. Physiologie. Bd. XLII. . Supplementheft. 1888. 9) Lukjanow, S. M., Beiträge zur Morphologie der Zelle. Arch. f. Anat. und Phys. Suppl.-Bd. p. 66—90. 1887. 10) Nussbaum, Sitzungsberichte der niederrh. Gesellschaft für Natur- und Heilkunde. p. 183. 1881. 11) Nussbaum, Ueber den Bau und die Thätigkeit der Drüsen. Arch. f. mikrosk. Anat. Bd. XXI. p. 343. 1882. 12) Ogata, Masanori, Die Veränderungen der Pankreaszellen bei der Sekretion. Arch. f. Anat. und Physiol. Phys. Abth. p. 405—437. 1883. 13) Platner, G., Ueber die Entstehung des Nebenkerns und seine Beziehung zur Kerntheilung. Arch. f. mikrosk. Anat. Bd. XXVI. p. 343— 369. Taf. XIV. 1886. 14) Platner, G., Mittheilungen zur histologisehen Technik. Zeitschr. f. wiss. Mikrosk. ete. Bd. IV. p. 349—452. 1887. V. Samenbildung und Zelltheilung im Hoden der Schmetterlinge. Hierzu Tafel XII. Die vorliegende Mittheilung über die Spermatogenese bei den Lepidopteren kann nicht beanspruchen, dieses Thema erschöpfend zu behandeln. Die Resultate wurden ausschliesslich an Schnitten gewonnen und bedürfen noch der Ergänzung durch Beobachtungen an Dissociationspräparaten. Die principiell wichtigen Punkte, auf deren Feststellung es mir am meisten ankam, lassen sich jedoch durch erstere Methode mit genügender Vollständigkeit eruiren. Es liess sich dreierlei als sicher nachweisen: erstlich, dass das Centro- soma zum Spitzentheil des Spermatosoms wird; sodann, dass der Rest des Kopfes lediglich aus dem Chromatin des Kerns der Sper- matide hervorgeht; endlich, dass der aus der Substanz der Spindel- fasern hervorgehende Nebenkern zur Umhüllung des Axenfadens verwandt wird. Bevor ich auf die Details näher eingehe, möchte ich zur besseren Orientirung einige allgemeine Bemerkungen vorausschicken. Ich habe mich bei meinen Untersuchungen mehr und mehr davon Beiträge zur Kenntniss der Zelle und ihrer Theilung. 193 überzeugt, dass bestimmte Generationen der samenbildenden Zellen sich durch charakteristische Merkmale sowohl in ihrer Form, als auch besonders in dem Modus ihrer Theilung streng von den übri- gen unterscheiden. Die von v. la Valette St. George einge- führte sehr brauchbare und auch allgemein angenommene Nomen- klatur liefert eine genügende Anzahl von Bezeichnungen, die ich nur an bestimmte Generationen der Zellen geknüpft wissen möchte und zwar nach folgendem Schema: 1) Letzte Zellgeneration: Spermatiden, Samenausbildungszellen, 2) vorletzte Zellgeneration ) Spermatocyten II. Ordnung. drittletzte j Samenvermehrungszellen I. Ord- nung. 3) frühere Zellgenerationen: Spermatogonien. Stammsamen- zellen. Die Spermatocyten entsprechen den Eiern. Die zwei Thei- lungen, welche sie noch eingehen, denen der beiden Richtungs- spindeln. In beiden Fällen findet eine Reduktion der chromatischen Substanz auf ein Viertel ihrer ursprünglichen Quantität statt, in- dem die zweite Theilung ohne eingeschaltetes Ruhestadium sofort -an die vorhergehende sich anschliesst. Was nun die Kennzeichen anlangt, welche die Spermatocyten von den Spermatogonien zu unterscheiden gestatten, so sind dies folgende. Zunächst zeichnen sich die Spermatocyten durch ihre beträchtliche Grösse aus, be- sonders ist auch noch das Protoplasma im Verhältniss zum Kern sehr vermehrt. Diese Differenzen sind bei den von mir unter- suchten Lepidopteren so bedeutende, dass sie allein schon genügen, um die betreffende Zellart sofort erkennen zu lassen. Da bei diesen Thieren das Auftreten der grossen Spermatocyten mit dem Beginn der wärmeren Jahreszeit zusammenfällt, so könnte man hierin eine Ursache für dieses plötzliche starke Zellwachsthum erblieken, in- dessen müssten dann alle Spermatogonien zugleich diese Verände- rung eingehen, was, wie ich früher gezeigt habe, nicht der Fall ist. Als bedingendes Moment kann man immerhin das Steigen der Temperatur gelten lassen. Bei den Pulmonaten findet der Ueber- gang mehr allmählich statt. Die Unterscheidung der einzelnen Zellgenerationen wird dadurch eine viel schwierigere. Hier muss ein anderes Merkmal bei der Beurtheilung mehr berücksichtigt werden. Es ist dies die Differenz in dem Theilungsmodus der Spermatocyten und Spermatogonien. Bei den Lepidopteren lässt 194 Gustav Platner: sich ohne Mühe bei der Theilung der letzteren Zellen das Vor- kommen regulärer Knäuel und Schleifen feststellen, die, wie meine ’frühern Untersuchungen ergeben haben, bei der Theilung der Spermatocyten völlig fehlen. Es ist mir wie Prenant (11) völlig unmöglich gewesen, die in der Zwitterdrüse der Pulmonaten sich findenden Theilungsphasen in eine einzige Reihe zu bringen. Mit Leichtigkeit gelingt dieses aber, wenn man mit Rücksicht auf die leicht festzustellenden Verhältnisse bei den Lepidopteren den Spermatogonien einen an- dern Theilungsmodus zuschreibt als den Spermatocyten. Man kommt damit zur Aufstellung zweier verschiedener Theilungsreihen, wie dies auch Prenant schon gethan hat. Hat man auf diesem Wege aber erst einmal den ersten Schritt gethan, so gelingt es leicht, auch noch weitere Merkmale aufzufinden, welche die Be- rechtigung einer solchen Scheidung dokumentiren. Ich kann mich hier noch nicht näher darauf einlassen, diese Verhältnisse eingehender zu behandeln, sondern werde in einer speziellen Abhandlung darauf zurückkommen. Hier mag es genügen zu betonen, dass Spermatogonien und Spermatocyten wesentliche Differenzen auch bei den Pulmonaten zeigen und in dieser Be-: ziehung eine weitgehende Uebereinstimmung zwischen diesen Thieren und den Lepidopteren herrscht. Von grosser Bedeutung ist mir ferner der Umstand erschienen, dass die Prophasen der Spermatocytentheilung bei den Lepidop- teren eine auffallende Uebereinstimmung zeigen mit den Phänomenen, welche die Bildung der ersten Richtungsspindel bei Aulastomum gulo begleiten. Einige Punkte lassen sich hier noch genauer fest- stellen, so z. B. der Verbleib der Kernmembran. Ebenso wie die Theilung der Spermatocyten ist die der Rich- tungsspindeln ausgezeichnet durch den Mangel eines typischen Kern- knäuels sowie der Chromatinschleifen. Es treten nur kurze Stäb- chen auf bei den meisten bisher hierauf näher untersuchten Objeeten oder doch eine starke Reduktion der Schleifen. Einen Unterschied möchte ich indessen nicht zu erwähnen vergessen. Während die beiden Theilungen der Spermatocyten stets senkrecht auf einander erfolgen, geschehen die der beiden Richtungsspindeln in derselben Richtung. Es mag dies vielleicht nur in der besondern Grösse der Eier und der Anordnung des Dottermaterials seinen Grund haben, was ich für das Wahrscheinlichste halte, indessen könnte diesem Beiträge zur Kenntniss der Zelle und ihrer Theilung. 195 Umstand doch auch noch eine tieferer Bedeutung inne wohnen. Da die erste Richtungsspindel bei Aulastomum an jedem Pol ein schönes Centrosoma trägt (Fig. 1, Taf. XIII), so wäre es interessant zu erfahren, wo das Üentrosoma am pheripheren Pol der zweiten Richtungsspindel herrührt, oder sollte sich etwa hier dann keines finden? Ich hoffe, dass die Fortsetzung meiner Untersuchungen bei Hirudineen den erwünschten Aufschluss bringen wird. Noch andere wichtige Fragen harren der Entscheidung; so ist das Verhalten des vom Eikern und des vom Spermakern herrührenden Centro- somas näher zu erforschen, worauf auch Rabl (12) neuerdings auf- merksam gemacht hat. Bleiben beide Elemente isolirt oder findet eine Vereinigung derselben statt? Eine andere Frage dürfte schon jetzt zu entscheiden sein. Diese betrifft die Bedeutung der Richtungskörperchen. Der Zweck - ihrer Bildung ist die Hervorbringung eines kopulationsfähigen Kerns, also eines Halbkerns. Um dieses zu erreichen, werden zwei Theilungen sich unmittelbar einander folgen müssen. Eine einzige Theilung würde zwei Kerne liefern, die zwar zunächst an Masse nur halb so gross wären als der Mutterkern, im Uebrigen aber diesem völlig gleichwerthig sein würden. Werden dieselben aber nun sofort noch einmal getheilt, so hat jeder der jetzt ent- stehenden Kerne den Werth nur eines halben Kerns, was sich auch darin zeigt, dass die Zahl der chromatischen Elemente um die Hälfte vermindert ist. Die erste Theilung hat daher nur den Werth eines vorbereitenden, aber damit der Zweck erreicht wird, unbe- dingt nothwendigen Aktes. Die unabweisbare Consequenz hiervon ist nun, dass, wenn die zweite Theilung der Spermatocyten der der zweiten Richtungsspindel entspricht, die erste Theilung der- selben der der ersten Richtungsspindel homolog ist. Alles was demnach für die Theilungsprodukte dieser letzteren gilt, muss auch auf die aus der ersten Theilung der Spermatocyten hervorgehenden Zellen angewendet werden können. Ich möchte nun wissen, was daraus werden sollte, wenn in die Kerne der einen Spermatoeyte zweiter Ordnung nur das histogene, in die Kerne der andern das Keimplasma übergehen wollte, wie es der Theorie Weismanns (13) entsprechen würde. Wie kommt es nun, dass, während bei der Spermatogenese alle aus der Theilung einer Spermatoeyte erster Ordnung hervor- gehenden Zellen respektive Kerne benutzt werden, bei den Thei- Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bad. 33. 13 196 Gustav Platner: lungen der Richtungsspindeln nur einer der entstehenden Kerne zur Verwendung gelangt, die andern aber einfach geopfert werden. Ich muss hier wieder etwas vorgreifen und erwähnen, dass, das Ei bei Bildung der ersten Richtungsspindel nur das nakte Centrosoma enthält ohne jede Spur von Archoplasma. Ein solches bildet sich erst bei der Entstehung der Polstrahlungen um jedes der Centrosoma. Nun weiss man aber aus den Untersuchungen von Boveri (3), dass Centrosoma und Archoplasma für sich allein ohne Kern eine Zelltheilung bewirken können. Der Mangel an senügendem Archoplasma vermag vielleicht die ungleiche Theilung des Protoplasmas bei der Richtungskörperchenbildung zu erklären. Sodann mag das Prineip der Natur, ein Individuum möglichst bald vermehrungsfähig zu machen, dazu geführt haben, im Ei nur das Material für die Entstehung eines Embryo anzuhäufen. Die Eier müssten, wenn jeder Richtungskern eine entsprechende Dottermenge - erhielt, viermal so gross sein, und es bleibt fraglich, ob sie dann noch theilungsfähig wären, wie man in der That bei den dotter- reichen Eiern der Insekten keine Zelltheilung auf die Kerntheilung folgen sieht. Wäre dieser Prozess aber an den Beginn der Eireife gesetzt, so würde nichts den Kern hindern können, ebenso wie das Proto- plasma sich vermehrt, zu der ursprünglichen Grösse eines theilungs- reifen Kerns wieder heranzuwachsen. Alles was von dem Rich- tungskörperehenproblem noch übrig bleibt, würde demnach die Frage sein, wie wird es möglich, dass hier, was sonst nie geschieht, die Ruhestadien zwischen zwei Kerntheilungen ausfallen; dasselbe gilt es natürlicb auch für die Theiluug der Spermatocyten zu erforschen. Der Dimorphismus in der Zelltheilung im Hoden ist eine schon öfter beobachtete Thatsache. Ausser den Angaben Carnoy’s (4) und meinen frühern (10) liegt auch eine ausführliche Mittheilung von Flemming (5) hierüber für Salamandra vor, auf welehe ich gelegentlich noch näher einzugehen habe. Ich habe nun zunächst die besten von meinen Lepidopteren- präparaten mit den mir jetzt zu Gebote stehenden guten Systemen nochmals einer genauen Prüfung unterzogen. Da ist es mir denn ohne Mühe gelungen, in den Spermatocyten das Centrosoma an der Zellspitze an dem Punkt, nach welchem die Protoplasmastränge konvergiren, wie ich dies früher beschrieben habe, zu finden. Es Beiträge zur Kenntniss der Zelle und ihrer Theilung. 197 liegt hier in der ruhenden Zelle ein runder, stark liehtbrechender Körper, umgeben von einem hellen Hof, der wieder von einer Reihe dunkler Körnchen eingefasst ist. Ich schlage vor, diesem ganzen Gebilde den Namen Nebenkern, mit dem es sein Entdecker v. la Valette St. George einst belegt hat, auch ferner zu lassen, Man wird unter dieser Bezeichnung daher zu verstehen haben das Centrosoma sammt seiner Umgebung, soweit sie sich an der Spindelbildung betheitigt. Ein solcher Nebenkern findet sich nun auch in den Eiern und zwar von den frühsten Entwiekelungsstadien an. Ja er tritt in den letzteren am deutlichsten hervor, wie ich mich bei Aula- stomum überzeugen konnte (Fig. 2). Sobald erst einmal im Proto- plasma die spezifischen Dotterelemente auftreten, wird es unend- lich schwer, ihn sicher zu verfolgen. Man ist gar zu leicht Täu- schungen ausgesetzt, und es hat mir grosse Mühe gekostet, seine Theilung und Betheiligung an der Spindelbildung, die in den wegen ihres sehr feinkörnigen Dotters noch am besten sich hierzu eignenden Eiern von Aulastomum in genau derselben Weise erfolgt, wie in den Spermatocyten der Lepidopteren, sicher festzustellen. Ich habe den Nebenkern bei den ersten Entwicklungsstadien der Eier von Pulmonaten beschrieben und abgebildet. Die Bezeichnung des hier gefundenen Elementes als Nebenkern nach Analogie des in den samenbildenden Zellen vorkommenden Körpers war, wie die Folge gezeigt hat, eine durchaus korrekte. Ich muss mich demnach sehr entschieden gegen die Unterstellung Garnauld’s (6), als habe ich Dinge beschrieben, die gar nicht existiren, verwahren. Dieser Forscher wird sich ebenso wie meine belgischen Gegner wohl noch an die Existenz des Nebenkerns gewöhnen müssen. Eine Vergrösserung des Nebenkerns habe ich während des Wachs- thums der Eier nicht konstatiren können. Dass ich jetzt übrigens über den Ursprung dieses Elements ganz andre Ansichten hege wie früher, brauche ich wohl nicht zu betonen. Solange seine Bedeutung noch ganz in Dunkel gehüllt war, konnte man über die Entstehung den verschiedensten Auffassungen huldigen. Die ausgezeichneten Untersuchungen van Beneden’s (1) sowie Bo- veri’s (3) lassen keine andere Annahme mehr zu, als dass man es hier mit einem jeder Zelle von der ersten Furchung an zukom- menden Element zu thun hat, das nur einer nicht immer gleichen weitern Ausbildung unterliegt, so dass es besonders in den samen- 198 Gustav Platner: bildenden Zellen eine bedeutende Entwicklung erlangt und daher hier auch zuerst beobachtet wurde. Die später im Pankreas auf- ‚gefundenen Elemente haben eine ganz andre Bedeutung und würde es daher sich empfehlen, auch eine andere Bezeichnung für die- selben zu wählen. Vielleicht dürfte „Zymoblast“ passend sein. Um zu den Spermatoeyten zurückzukehren, so bemerkt man, bevor noch im Kern irgend welche wahrnehmbaren Veränderun- gen auftreten, eine Streckung des ÖOentrosomas, welche der um- sebende Hof mit macht. Hieran schliesst sich die Theilung an, so dass man zwei Centrosomas nebeneinander in dem länglichen Hofe erhält (Fig. 4). Die dunklen peripheren Körnchen, die zu- weilen auch als kurze Stäbchen ersclieinen, häufen sich hierbei etwas stärker an den beiden äussersten Enden der hellen Aureole an. Endlich theilt sich auch die letztere. Die beiden auf diese Weise entstandenen Gebilde rücken weiter aus einander und nähern sich dem Kern (Fig. 5), an dem sie schliesslich als zwei knopf- förmige Aufsätze, wie ich sie früher beschrieben habe, erscheinen. Im Anschluss hieran tritt auch immer deutlicher die Anordnung der Protoplasmastrahlen zu polaren Astern hervor. Was die wei- teren Vorgänge anlangt, in Bezug auf welche ich nur für die Be- schaffenheit der Pole meinen frühern Augaben einige Ergänzungen zuzufügen habe, so kann ich hier um so eher darüber hinweggehen, als ich dieselben Phänomene bei Besprechung der Bildung der Richtungsspindel in den Aulastomumeiern zu beschreiben haben werde. Die einzige Abweichung wird durch das eigenthümliche Verhalten des Keimflecks bedingt, der erst sehr spät sich allmäh- lich auflöst. Zu dem Resultate, dass die gesammte Zelle auf das Centro- soma centrirt ist, ist nun auch Rabl (12) auf Grund theoretischer Schlussfolgerungen gelangt, so dass dieselbe Thatsache zwei For- scher völlig unabhängig von einander, der eine auf Grund direkter Beobachtung, der andere infolge sorgfältiger Erwägungen, fast zu derselben Zeit gefunden haben, gewiss ein schöner Beweis für die Richtigkeit und Bedeutung derselben. Wer meine früher gegebe- nen Abbildungen kennt (10; Fig. 1 und 3), welche deutlich das Zusammenlaufen der Protoplasmastrahlen in einem Punkt zeigen, wird sich überhaupt wundern müssen, wie ich das an dieser Stelle liegende und jetzt auch mit voller Deutlichkeit dort erkannte Cen- trosoma habe übersehen können (Fig. 5). Beiträge zur Kenntniss der Zelle und ihrer Theilung. 199 Spermatogenese. Pygaera bucephala und Sphinx Euphorbiae sind die Objekte, bei welehen die nachfolgenden Beobachtungen angestellt wurden. Gegen Ende der letzten Spermatocytentheilung bildet sich um die nahe den Polen gelegene chromatische Substanz ein heller Hof (Fig. 6). An der polaren Seite desselben befindet sich das noch von einer deutlichen Strahlung umgebene Centrosoma. An der aequatorialen Seite liegen eine Anzahl runder Körner von wechselnder Grösse, aus den benachbarten also polaren Enden der Spindelfasern her- vorgegangen. Der Rest der Spindelfasern persistirt noch, wandelt sich aber weiterhin in einen runden, undeutlich granulirten Körper um, ebenso sammeln sich die erwähnten Körner an einer Stelle an und verschmelzen zu einem soliden Element (Fig. 7). Die bei- den soeben beschriebenen Gebilde verdanken also den Spindel- fasern ihren Ursprung und zwar das grosse dem aequatorialen, das kleine dem polaren Abschnitt derselben. Die Spermatide ent- hält ausser ihnen noch das Centrosoma, um welches die Asterstrah- lung sich inzwischen zurückgebildet hat, sowie die Kernvakuole. In letzterer hat das anfangs noch plattenförmig angeordnete Chro- matin sich inzwischen zu Körnern aufgelösst, welche sich an die Peripherie begeben, wo eine deutliche Kernmembran jetzt auftritt (Fig. 8). Ich schlage nun vor, da der Name Nebenkern entschieden für den in den Spermatocyten sich findenden Körper geeigneter erscheint, für die den Spindelfasern entstammenden Körper einen andren Namen, etwa „Mitosoma“, wodurch zugleich ein Hinweis auf seine oft fädige Struktur gegeben wäre, zu wählen. Ich werde mich wenigstens, um jede Verwirrung zu vermeiden, einstweilen desselben bedienen. Um das grosse Mitosoma, welches einen undeutlich granu- lirten oder mehr fädigen Bau zeigt und an dessen Bildung sich wohl auch das Protoplasma mehr oder weniger betheiligen mag, bildet sich weiterhin ein oft breiterer, oft nur schmaler heller Saum aus, es auf diese Weise scharf gegen die übrige Zellsubstanz ab- grenzend. Etwa auf dem gleichen Stadium bemerkt man im In- nern desselben die ersten Spuren des Centralfadens des Sperma- tosoms, von der Kernmembran ausgehend die Mitte des grossen Mitosomas und weiterhin auch das Protoplasma durchsetzend, wel- ches bereits eine starke Verlängerung zeigt (Fig. 8). Die Lage der Spermatiden in den Alveolen hat sich dahin 200 Gustav Platner: verändert, dass, während früher die Kerne dem Lumen zugewandt waren, sie jetzt nach der Alveolenwand hin in den Zellen gelagert sind, so dass deren Protoplasmafortsätze, welche die Umbildung zum Spermatosom einleiten, in den Hohlraum der Alveolen sich erstreeken. Die einzelnen Bestandtheile einer Spermatide für sich betrachtet zeigen folgendes Verhalten. Der Kern enthält die chro- matische Substanz nur an der Peripherie vertheilt und der Mem- bran angelagert, so dass sie auf Längs- wie auf Querschnitten in der Form eines an einzelnen Stellen durchbrochenen Ringes er- scheint (Fig. 8 und 9). Der Innenraum des Kerns zeigt nur den homogenen Kernsatt. Das Centrosoma liegt der Kernwandung dicht an, bald an dem oberen Theil, das heisst, der dem Ansatz des Axenfadens entgegengesetzten Seite derselben, bald mehr seitlich. In den meisten Fällen wird es dem Beschauer auf der hellen Innenfläche des Kerns deutlich entgegentreten (Fig. 10). Geeignete Schnitte (Fig. 8 und 9) zeigen aber, dass es draussen liegt. Das kleine homogene Mitosoma liegt gleichfalls dem Kern dicht an, an seiner untern Seite nahe dem Ansatzpunkt des Axenfadens an der Kern- wandung. Das grosse Mitosoma wird in seiner Mitte vom Axen- faden durchsetzt und tritt an der Stelle, wo dieser inserirt, gleich- falls dicht an“den\,Kern heran. Die Protoplasmastränge zeigen im allgemeinen noch eine Richtung parallel dem Längsdurchmesser der Zelle, entsprechend ihrer Anordnung bei der letzten Theilung. Die nächsten Veränderungen, welche eintreten bestehen darin, dass das grosse Mitosoma eine Verlängerung eingeht, wobei es sich mehr und mehr an dem Axenfaden herunterzieht, ihn so mit einer Hülle umkleidend. Der helle Saum, welcher dasselbe anfangs um- gab, wird dabei immer schmäler und entzieht sich auf diese Weise schliesslich völlig der Wahrnehmung (Fig. 11). Eine entsprechende Verlängerung des Protoplasmas muss natürlich vorausgegangen sein. Es hält aber schwer, über ihre Ausdehnung eine bestimmte An- schauung zu gewinnen, da die Schnitte ein Spermatosom in seiner ganzen Ausdehnung nicht zu verfolgen gestatten. Ein weiterer Fortschritt in der Umbildung vollzieht sich dadurch, dass die chro- matische Substanz, welehe bisher an der ganzen Peripherie des Kerns vertheilt war, sieh nach einem Punkt derselben koncentrirt (Fig. 12). Die Kernmembran selbst verfällt weiterhin der Auflösung. Indessen markirt sich der helle Kernraum selbst noch lange mit Beiträge zur Kenntniss der Zelle und ihrer Theilung. 201 scharfer Grenze gegen die Umgebung. In denselben geräth nun das Centrosoma hinein und tritt zu der chromatischen Substanz in bestimmte Beziehung. Das Chromatin bildet nämlich einen halb- kugeligen oder noch früher schalenförmigen Körper (Fig. 12). In der Mitte der äussern konvexen Seite desselben inserirt sich der Axenfaden. In der Mitte der konkaven oder planen, nach dem Kernraum gewendeten Seite nimmt das Centrosoma seine definitive Lage an. Während der chromatische Körper sich mehr und mehr in der Richtung des verlängerten Axenfadens streckt und dabei aus der halbkugeligen allmählich mehr in eine kugelige, weiterhin ovale Form übergeht (Fig. 14—17), hat sich auch das kleine Mitosoma aktiv betheiligt. Es nimmt seine definitive Stellung an der Stelle, wo der Axenfaden an den chromatischen Kopf inserirt, ein, dann ändert es seine ovale Form in eine mehr spindelförmige oder, da es der Krümmung der Peripherie des Kernraums hierbei folgt, besser gesagt, halbmondförmige um, so dass der ganze vor- dere Abschnitt des sich bildenden Spermatosoms in seinem Bereich jetzt eine mehr oder weniger ausgedehnte Krümmung zeigt, die mit der weiteren Streckung des kleinen Mitosomas noch zunimmt; nachdem dieser Prozess aber sein Maximum erreicht hat, sich wieder ausgleicht. Dass hierbei der Axenfaden von dem kleinen Mitosoma nur umkleidet, nicht aber etwa vom Kopf getrennt wird, erscheint wohl zweifellos. Es gelang mir freilich nicht mit Sicherheit, den- selben innerhalb der Substanz des Mitosomas nachzuweisen, was aber wohl an frischen Dissociationspräparaten nicht schwierig sein dürfte. Das Spermatosom zeigt jetzt einen ovalen oder birnför- migen Kopf, der lediglich aus Chromatin besteht und nur an seinem vordern Ende das z. Th. etwas in ihn eingesenkte Centrosoma trägt (Fig. 17). Der Faden des Spermatosoms enthält den Axenfaden sowie eine Umhüllung, welche von den Mitosomas (Nebenkern), also in letzter Linie von der Substanz der Spindelfasern herrührt. In- wieweit noch das Protoplasma dabei betheiligt ist, lässt sich nicht feststellen. Der Kopf braucht sich jetzt nur noch etwas zu ver- längern und zuzuspitzen, um seine definitive Form anzunehmen. Das fertige Spermatosom dürfte wohl am besten an frischen Prä- paraten zu untersuchen sein, was ich bei der nächsten Gelegenheit nachzuholen nicht verabsäumen werde. Für das Verständniss der nach dem Eindringen in das Ei an dem Spermatosom sich ab- spielenden Veränderungen genügen die mitgetheilten Beobachtungen. 202 Gustav Platner: Lediglich zu diesem Zweck habe ich dieselben auch hier erörtert, da meine Untersuchungen über die erste Entwickelung befruchteter und parthenogenetischer Eier von Liparis dispar, über die ich schon vorläufig berichtet habe, bald in diesem Archiv in ausführlicher Darstellung erscheinen sollen. Die Mittheilungen, welche Gilson (7) über die Spermatogenese bei den Lepidopteren macht, enthalten von den soeben geschilderten Details fast nichts, so dass ich keine Veranlassung habe, hier näher auf dieselben einzugehen. Eine weitgehende Uebereinstimmung mit den von v.la Valette St. George (8) bei andern Arthropoden erhaltenen Resultaten lässt sich nicht verkennen. Das Hervorgehen des Nebenkerns (Mitosoma) aus den Spin- delfasern, die Betheiligung desselben an der Umhüllung des Axen- fadens sind von diesem Forscher schon bei andern Insekten fest- gestellte Thatsachen. Dass im vorliegenden Falle zwei Nebenkerne (Mitosoma)’auftreten, dürfte wohl nur in der besondern Beschaffen- heit der achromatischen Spindel begründet sein. Eine Vermuthung möchte ich hier noch äussern. Es hat mir oft den Anschein gehabt, als ob auch der Axenfaden nicht sowohl ein Produkt des Zellprotoplasmas sei, als vielmehr gleichfalls irgend welchen Residuen der Spindelfasern entstamme; leider bin ich noch zu keinem positiven Ergebniss in dieser Beziehung gelangt. Im allgemeinen kann man wohl sagen, ein Spermatosom ent- spricht der Anordnung seiner Substanzen nach einer Tochterzelle gegen Schluss der Theilung. Es befindet sich nämlich in beiden Fällen an der Spitze das Centrosoma, auf dasselbe folgt das Chro- matin und hieran schliesst sich die Substanz der Spindelfasern. ‘Nur ist bei dem Spermatosom alles stark in die Länge gezogen. In dieser Form dringt dasselbe in das Ei ein. Die Ansicht Nuss- baum’s (9), dass es sich bei der Befruchtung um die Vereinigung homologer Zellen handle, hat demnach entschieden mehr für sich, als das entgegengesetzte Extrem, nämlich einzig dem Kern hierbei eine Rolle zuzuschreiben. Ein spezifischer Zellbestandtheil wird jedenfalls allem andern voran dem Eikörper einverleibt, das ist das Centrosoma. Es löst sich im Ei wieder vom Kopf des Samen- fadens los und ist bei Liparis von einer freilich nur wenig hervor- tretenden Strahlung umgeben. Damit stimmen auch die Angaben verschiedener Beobachter, welche die um den Spermakern sich Beiträge zur Kenntniss der Zelle und ihrer Theilung. 203 bildende Strahlenfigur nicht auf diesen selbst, sondern auf einen neben denselben gelegenen Punkt orientirt sein lassen, wie dies neuerdings wieder A. A. Böhm (2) für das Ei von Petromyzon beschrieben hat. Literatur. 1) Van Beneden et A. Neyt, Nouvelles recherches sur la fecondation et la division mitosique chez l’Ascaride megalocephale. Bulletin de !’Acad. royale de Belgique, 3me Serie T. XIV. Nr. 8, 1887. 2) Böhm, A. A., Ueber Reifung und Befruchtung des Eies von Petro- myzon Planeri. Arch. f. mikrosk. Anat. Bd. XXXIH. p. 613—671. 18898. 3) Boveri, Th., Zellstudien II. Die Befruchtung und Theilung des Eies von Ascaris megalocephala. Jenaische Zeitschr. f. Naturw. Bd. XXII. 1888, 4) Carnoy, J. B., La Cytodierese chez les arthropodes. La Cellule. P. I. 1884. 5) Flemming, W., Neue Beiträge zur Kenntniss der Zelle. Arch. f. mikrosk. Anat. Bd. XXIX. p. 389—464. 1887. 6) Garnauld, P., Sur les phönom£nes de la fecondation chez !’Helix aspersa et l’Arion empiricorum. Communication preliminaire. Zool. Anz, Nr. 296—298, 1888, 1889. 7) Gilson, Etude comparse de la Spermatogenöse chez les arthropodes. La Cellule. T. I. 1884. 8) v.la Valette St. George, Spermatologische Beiträge. Zweite Mittheilung. Arch. f. mikroskop. Anat. Bd. XXVII. p. 1-13. Taf. I u. II. 1886. 9) Nussbaum, M., Ueber die Veränderungen der Geschlechtsprodukte bis zur Eifurchung. Ein Beitrag zur Lehre von der Vererbung. Arch. f. mikrosk. Anat. Bd. XXIII. p. 155—214. 1854. 10) Platner, G., Die Karyokinese bei den Lepidopteren als Grundlage für eine Theorie der Zelltheilung. Internat. Monatsschr für Anat. und Hist. Bd. Ill. Heft X. 1886. „ 11) Prenaut, A., Observations cytologiques sur les öl&ments seminaux des Gasteropodes pulmones. La Cellule. T. IV. I. fasc. 1888. 12) Rabl, C., Ueber Zelltheilung. Briefliche Mittheilung an Herrn Ge- heimrath von Kölliker. Mit 2 Abb. Anat. Anz. IV. Jahrg. Nr. 1. 1889. 13) Weismann, A., Die Kontinuität des Keimplasmas als Grundlage einer Theorie der Vererbung. Jena 1885. 204 Gustav Platner: VI. Die Bildung der ersten Richtungsspindel im Ei von Aulastomum gulo. Hierzu Tafel XIV. Die Eier der Blutigel haben schon Bütschli und ©. Hert- wig (3, 4) bei ihren bahnbrechenden Untersuchungen gute Dienste geleistet. Es erschien mir daher angebracht, eine den Anforderungen der Neuzeit entsprechende neue Untersuchungsreibe an denselben anzustellen. Hierbei habe ich vor allem dem Verhalten der sogenannten achromatischen Substanzen ein besonderes Studium gewidmet. Die zu diesem Zweck angewendeten Methoden gestatteten leider kein gleich genaues Verfolgen der chromatischen Bestandtheile des Keimbläschens. Wenn daher in dieser Beziehung meine Angaben etwas lückenhaft ausgefallen sind, so muss ich dies mit Rücksicht auf das Ziel, welches ich im Auge hatte, zu entschuldigen bitten. Die Eier wurden nach der im ersten meiner Beiträge ange- gebenen Methode behandelt. Ich habe auf diese Weise eine grosse Anzahl von Ovarien in lückenlose Serien zerlegt, habe es aber doch bedauert, dass der von mir gesammelte beträchtliche Vorrath dieser Organe nicht noch grösser war. Eine Anzahl von Schnitten wurden auch mit Safranin gefärbt, um wenigstens zu einer allge- meinen Orientirung über das Verhalten des Chromatins zu dienen. Ebenso wurden Untersuchungen am frischen Material vorgenommen. Die Eier zeichnen sich durch einen sehr feinkörnigen Dotter aus. Dieser Umstand ist für die Untersuchung von ausserordent- lichem Werth. Das Centrosoma z. B. übertrifft die Dotterkörnchen er wsbeinahe um das Fünffache im Durchmesser; dadurch allein wird es möglich, dasselbe aufzufinden und von der Umgebung zu unter- scheiden. Eines ist freilich hierfür eine unerlässliche Bedingung, das ist die gute Conservirung des Materials. Ein gut gehärtetes Ei zeigt ebenso wie das frische gleichmässig vertheilte, nahezu gleich grosse feine Körnchen, die nach der Eiperipherie zu an Grösse noch abnehmen, so dass hier eine fast homogen erscheinende Schicht derselben lagert, und zwar dicht unter der mit doppelten Kontouren scharf hervortretenden Membran. Eine geformte Zwi- schensubstanz fehlt, auch sind die Körnchen völlig isolirt von ein- Beiträge zur Kenntniss der Zelle und ihrer Theilung. 205 ander. Ungenügende Fixirung zeigt dieselben freilich zu unregel- mässigen Strängen vereinigt oder zu grössern Körnern und Klumpen zusammengeballt. Ein solcher Zustand entspricht aber keineswegs der Natur, was auch dadurch bewiesen wird, dass in solchen Fällen der Dotter oft mehr oder weniger weit an einzelnen Stellen sich von der Eimembran retrahirt hat. Durch die hellen Zwischenräume sind dann dünne Fäden ausgespannt. Eine übermässige Schrum- pfung des Keimbläschens ist ein weiteres an solchen Präparaten erscheinendes Kunstprodukt. Ich brauche wohl nicht hervorzuheben, dass solche Eier von vornherein von der Untersuchung auszu- schliessen sind. Indessen trifft man auch in völlig kunstgerecht konservirten Ovarien noch eine grosse Anzahl für die Beobachtung ungeeignete Eier. Es sind dies solche, welche in einer regressiven Metamor- phose befindlich sind. Da diese sich stets auch bei sofort nach der Gefangennahme der Thiere herausgenommenen und eingelegten Ovarien finden, so muss man es als einen natürlichen Vorgang be- trachten, dass eine grössere Anzahl der Eier auf verschiedenen Entwicklungsstufen zu Grunde geht. Ich werde bei einer andern Gelegenheit auf diese regressiven Metamorphosen noch näher ein- zugehen haben. Hier mag es genügen, ihr regelmässiges Vorkommen konstatirt zu haben. Die Ovarien enthalten nun Eier von den frühsten Entwick- lungsstadien bis zur völligen Ausbildung der ersten Richtungsspindel. Die kleinsten derselben zeigen noch ein Keimbläschen mit deut- lichem Kerngerüst sowie mit einem grossen Keimfleck. Je weiter das Wachsthum fortschreitet, um so mehr schwinden die Stränge im Kern und zeigt sieh sein Inhalt nur aus Keimfleck und einer Anzahl runder Körner von verschiedener Grösse, die in dem homo- genen Kernsaft unregelmässig vertheilt sind, zusammengesetzt. Be" WW. weisend dafür, dass dieser Zustand wirklich der Natur entspricht, ist hier wieder die Untersuchung frischer Objekte. Dieses Ver- halten zeigt sich schon deutlich ausgeprägt in Eiern, die etwa halb so gross sind als die völlig entwickelten (Fig. 1 Taf XIV), ist also keine Reifeerscheinung oder eine die Spindelbildung einleitende Veränderung. Der Keimfleck ist rund, gross, im Keimbläschen excentrisch gelegen und trägt in seinem Innern eine grosse oder mehrere kleine Vakuolen (Schrön’sche Kömer). Die übrigen mit Safranin färb- 206 Gustav Platner: baren, also chromatischen Körner sind beträchtlich kleiner als der Keimfleck, völlig rund und von wechselnder Grösse. Die Membran des Keimbläschens ist deutlich, oval oder rundlich, häufig mit leichten Einbiegungen und Runzeln. Die letzteren treten gegen Ende der Eireife etwas stärker hervor, halten sich aber immer noch innerhalb mässiger Grenzen. Jede stärkere Schrumpfung des Keimbläschens ist ein Kunstprodukt und sofort daran kenntlich, dass helle, das heisst von Dotterkörnchen freie Räume hier und da um dasselbe auftreten. Die normalen Einfaltungen der Mem- bran desselben werden stets vom Dottermaterial ausgefüllt. Es lässt sich freilich nieht verkennen, dass im reifen Ei die Membran des Keimbläschens eine mehr als gewöhnliche Neigung zu schrum- pfen besitzt und dies auch bei sonst verhältnissmässig guter Con- servirung leicht thut. Derselben anliegend oder meist in geringer Entfernung von ihr bemerkt man an günstigen Schnitten ein run- des Element, das durch sein stärkeres Lichtbrechungsvermögen so wie seine beträchtlichere Grösse sich vor den Dotterkörnchen in charakteristischer Weise auszeichnet. Tadellos konservirte, das heisst von allen gröberen Gerinnungsprodukten freie Eier, so wie ein geübter Blick gehören freilich dazu, um seine Gegenwart als die eines spezifischen Körpers zu erkennen. Dieses im Durchmesser fast fünfmal die Dotterkörner über- treffende, stets völlig kreisrunde, scharf begrenzte und etwas glän- zende Element ist das Centrosoma. Einzig und allein die geringe Grösse der Dotterelemente macht es überhaupt möglich, dasselbe zu finden, da kein einziges Anzeichen existirt, welches auf seine Gegenwart hinwiese. Es sind weder die Dotterkörnchen in beson- derer Weise um dasselbe angeordnet, noch ist eine besonders be- schaffene Substanz, Archoplasma oder etwas Aehnliches vorhanden, welche dasselbe umgiebt. Ein schmaler heller Hof, welcher das- selbe zu umgeben scheint, kann nicht anders als eine optische Erscheinung gedeutet werden. Es hat mir daher auch keine ge- ringe Mühe gekostet, diesen wichtigen Bestandtheil des Eikörpers aufzufinden. Es ist mir dies nur auf die Weise gelungen, dass ich von der ausgebildeten Spindel aus die Stadien rückwärts ver- folgt habe, ein Verfahren, welches hier um so leichter durchzuführen ist, als man eben nur die Prophasen der ersten Richtungsspindel vor sich hat. Die frühsten Stadien, bis zu welchen ich auf diese Weise gekommen war, hatten mir die beiden Centrosomas voll- Beiträge zur Kenntniss der Zelle und ihrer Theilung. 207 kommen frei von jeder Begleitung oder Umhüllung, der Membran des Keimbläschens dicht anliegend, etwa um ein Viertel der Peri- pherie desselben von einander entfernt, jedes als das Centrum einer deutlichen strahligen Anordnung der Dotterkörnchen gezeigt (Fig. 3). Nachdem ich auf diese Weise erst einmal mit ihrer Er- scheinung mich vertraut gemacht hatte und mein Blick durch die längere Beobachtung genügend geschärft war, gelang es mir auch ohne Mühe, die weiter zurückliegenden Stadien mit Sicherheit zu erkennen. Dass das Centrosoma also ein konstanter Bestandtheil der Zelle ist, darüber erkläre ich mich mit van Beneden (l) einverstanden, hingegen kann ich die „spheres attractives“ nicht als nothwendige Umhüllung desselben betrachten. Das reife Bi enthält nur das nackte Centrosoma. Ob das Archoplasma nieht doch etwa in diffuser Vertheilung vorhanden ist, lässt sich natürlich nicht entscheiden. Sobald das Ei seine völlige Reife erlangt hat, beginnt die Bildung der ersten Richtungsspindel. Eingeleitet wird dieselbe durch die Theilung des Centrosomas (Fig. 2). Weder im Keim- bläschens noch im Dotter sind ausserdem während dieser Zeit irgend welche merkbaren Veränderungen zu erkennen. Die beiden Centrosomas rücken auf der Membran des Keimbläschens ausein- ander und es bildet sich allmählich eine strahlige Anordnung der Dotterkörnchen um dieselben aus. Mit voller Deutlichkeit tritt dieselbe aber erst hervor, wenn die Centrosomas etwa um ein Viertel oder mehr der Peripherie des Keimbläschens von einander entfernt sind (Fig. 3). In diesem wichtigen Stadium bemerkt man, wie jedes Centrosoma dem Keimbläschen dicht anliegend als völlig kugeliges, stark lichtbrechendes Körperchen erscheint. Die strahlig angeordneten Dotterkörnchen treten bis dicht an dasselbe heran, lassen also keinen Raum für irgend welche andere Substanz frei. Die beiden Centrosomas entfernen sich, begleitet von ihrer Strahlenkrone, immer weiter von einander. Zwischen jedem der- selben und der Kernmembran sammelt sich hierbei eine kegelförmig gestaltete Masse von Substanz an, welche die Kernmembran nach innen drückt und einstülpt, die Distanz zwischen ihr und dem Centrosoma auf diese Weise vergrössernd. Ein soleher Polkegel (Fig. 4 und 5), wie ich ihn sehon früher (5) genannt habe, zeigt folgende Beschaffenheit: Die Basis, mit 908 Gustav Platner: welcher er der Membran des Keimbläschens aufsitzt, ist breit, den Falten und Runzeln der letzteren angepasst. Die Spitze ist abge- rundet. In ihr liegt das Centrosoma, welches den Mittelpunkt einer radiären Streifung des Polkegels einnimmt. Die Tinktions- fähigkeit nimmt von der Basis gegen die Spitze hin immer mehr zu, so dass an letzterer Stelle ein stark dunkel gefärbter Halbmond auftritt, in dessen Concavität das Centrosoma ruht. Alle diese Differenzirungen entstehen allmählich, mit dem Wachsthum der Polkegel Schritt haltend, und bilden sich immer schärfer aus. Die an Höhe zunehmenden Polkegel stülpen die Membran des Keim- bläschens immer mehr nach innen ein, wobei sich dieselbe mehr- fach in Falten legt (Fig. 5 und 6). Auf der Höhe ihrer Ausbildung zeigen die Polkegel folgendes Bild: Der Winkel, unter welchem die seitlichen Begrenzungslinien an der Spitze zusammenstossen, beträgt etwa 60%. Das Centrosoma liegt jetzt genau an diesem Convergenzpunkt, nach welchem die Strahlen der Polkegel orientirt sind. Der dunkle, früher halbmond- förmige Aufsatz hat sich um das Centrosoma zu einem geschlossenen Ring vervollständigt, in dessen Centrum dieser Körper liegt. Ich muss hier bemerken, dass ich hierbei kein körperliches, scharf be- srenztes Gebilde beschreibe, sondern nur Färbungsdifferenzen, wie sie bei der von mir angewendeten Hämatoxylintinktion in charak- teristischer Weise hervortreten. Dieselben gehen natürlich in die Umgebung ohne scharfe Grenzen über. Ich will hier noch er- wähnen, dass dieser dunkle Hof, in dessen Mitte das Centrosoma liegt, sich weiter hin im Innern allmählich wieder aufhellt und in- dem er zugleich nach aussen sich weiter ausbreitet, zu einem dunklen Ringe wird, in welchem das Centrosoma etwas excentrisch polar- wärts gelagert ist. Was die eigentlichen Polstrahlen anbetrifft, so habe ich schon erwähnt, wie zu Anfang die Dotterkörnchen sich radienförmig um jedes Centrosoma anordnen. Es lässt sich nun ohne Mühe fest- stellen, dass mit der weitern Ausbildung der polaren Sonnenfiguren die Körnehen sich allmählich zu homogenen Strängen vereinigen. Am frischen Präparat erkennt man an jedem Pol einen homogenen hellen Fleck, der an der Peripherie in ebensolche Strahlen aus- läuft, zwischen welehe die Dotterkörnchen in der Form schmaler Sektoren hineinragen. Diese beiden Flecke mit der durch die Beiträge zur Kenntniss der Zelle und ihrer Theilung. 209 Spindelfasern gebildeten hellen Verbindungsbrücke stellen in schöner Form die „karyolytische Figur“ Auerbachs dar. Die Veränderungen der chromatischen Substanz sind folgende: Der Keimfleck bleibt zunächst unverändert. Die cehromatischen Kügelehen zeigen einen Zerfall in immer kleinere Elemente, die auf dem Stadium der höchsten Ausbildung der Polkegel eine An- ordnung zu einer Art von Knäuel erkennen lassen, dessen Win- dungen sich mehr und mehr parallel der Achse der Spindelanlage ordnen (Fig. 6). Was weiterhin geschieht, vermag ich nicht an- zugeben. Es erfolgt nämlich in diesem Moment der Eintritt der Spindelfasern in den Kernraum. Die dunkle Färbung derselben, welche meine Methode bedingt, macht es aber unmöglich, die feinen chromatischen Mikrosomen zu erkennen. Die mit Safranin gefärbten Präparate enthielten leider keine Bier dieses, wie es scheint, rasch vorübergehenden Stadiums. Erst wenn sich das Chromatin wieder mehr concentrirt hat, gelingt es, dasselbe weiter zu verfolgen. Man sieht dann in der Nähe des Aequators und in diesem selbst, eine grössere Anzahl feiner Stäbchen (Fig. 7), die sich weiterhin paarweise zu einer regulären Aequatorialplatte anordnen. Die- selben nehmen nur den centralen Theil der Spindelmitte ein. Es bleibt also um dieselben ein von ihnen freier, am Querschnitt ring- förmig erscheinender Raum, welcher von direkt von Pol zu Pol ziehenden Spindelfasern eingenommen wird. Die Stäbchen sind in der Aequatorialplatte diffus vertheilt. Der Keimfleck bleibt noch lange Zeit neben denselben bestehen. Er wird hierbei immer kleiner und liegt, von einem hellen Hof umgeben, dicht neben oder etwas entfernt von der Spindel (Fig. 9 und 10). Ein hohes Interesse beanspruchen die Veränderungen, welche die Membran des Keimbläschens erleidet, da sie vielleicht wichtige Anhaltspunkte für das Verständniss des Mechanismus der Spindel- bildung bieten können. Bei der Bildung der Polstrahlen erkennt man, wie eine beträchtliche Anzahl derselben sich auch auf der Membran des Keimbläschens entlang erstreckt. Diese gehen hier- bei eine innige Verbindung mit der Substanz derselben ein, die an ihnen haften bleibt, auf diese Weise eine Verdickung derselben bildend. Deutlich erkennt man dieses Phänomen an einem Quer- oder Schiefsehnitt dieses Stadiums (Fig. 11). Die Polstrahlen zeigen im Bereich der Membran und mit der Grenze dieser scharf ab- schneidend eine deutliche Verstärkung. Dieselben liegen demnach 310 Gustav Platner: zu Anfang im Mantel eines Kegels, dessen Spitze im Pol ruht und dessen Basis der Aequatorialebene parallel verläuft. Derselbe bildet auf dem Längsschnitt ein ungleichschenkliges Dreieck, da ‘die Spindel nie in der genauen Längsachse des Keimbläschens, sondern excentrisch, seitlich von derselben angelegt wird (Fig. 7). Die Kernmembran liegt daher auch ungleichmässig zu beiden Seiten derselben vertheilt, so dass auch die erwähnte Verdiekung der Polstrahlen ungleich an Masse ausfallen muss. Die letzteren zeigen nun weiterhin eine eigenthümliche Lageveränderung und zwar in der Richtung eines Uhrzeigers von der Aequatorialebene weg. Die Kernmembran verliert hierbei im Aequator ihre Conti- nuität (Fig. 8) oder dieselbe kann sich noch eine Zeitlang erhalten (Fig. 9), wobei dann natürlich eine gewisse Dehnung stattfinden muss. Das nächste Stadium zeigt die verdickten Fibrillen in der Ebene eines Kreises gelegen, dessen Centrum das Centrosoma ein- nimmt (Fig. 8). In der Seitenansicht (Fig. 12) erscheinen dieselben als eigenthümlich gefalteter verstärkter Saum. Die Bewegung in der angedeuteten Richtung geht aber noch weiter. Eine bereits an der Eiperipherie gelegene Spindel zeigt die verdickten Strahlen in der Oberfläche eines Kegels gelegen, dessen Basis auf der dem Aequator entgegengesetzten Seite des Poles sich befindet. Ich habe sie hier nur am innern Pol noch getroffen (Fig. 10). Weiterhin scheinen sie spurlos zu verschwinden. Sollten dieselben etwa den an der Oberfläche der „cönes antipodes“ van Beneden’s (1) ge- legenen verstärkten Fibrillen entsprechen? Die geschilderten Er- scheinungen treten nicht immer mit gleicher Deutlichkeit hervor. Spuren davon lassen sich aber stets erkennen. Ein anderer Theil der Keimbläschenmembran scheint länger zu persistiren. Ich habe aus meinen Untersuchungen die Ueber- zeugung gewonnen, dass die verstärkte und daher auch dunkler sich färbende Partie, mit welcher der äquatoriale Abschnitt der Spindelfasern sich gegen die polaren Theile absetzt, auf einer Ver- stärkung der Spindelfasern durch Auflagerung des hier gelegenen Theils der Membran des Keimbläschens auf dieselben bewirkt wird. Demonstriren lässt sich das natürlich nicht direkt. Was die Veränderungen der chromatischen Bestandtheile des Keimbläschens anlangt, so habe ich zunächst die Uebereinstim- mung zu erwähnen, die sich zwischen meinen Befunden und denen O0. Sehultze’s (6) bei Amphibieneiern ergeben hat. Auch dieser Beiträge zur Kenntniss der Zelle und ihrer Theilung. 21 Autor fand den Inhalt des Keimbläschens nur aus Kernsaft und Keimkörperchen bestehend. Derselbe beschreibt ebenso eine all- mähliche Theilung der Keimkörperchen in immer kleinere Elemente, aus denen schliesslich der Knäuel hervorgeht: „Man überzeugt sich, dass die Körnchen, die ich jetzt wohl Mikrosomen nennen darf, allmählich zur Erzeugung eines Fadenknäuels zusammentreten, der also nicht aus einem präformirten Kerngerüst entsteht, sondern sich direkt aus den winzigen Keimkörperchen herausbildet“ (l. e. p. 198). Die weitern Veränderungen des Kernknäuels dürften bei meinen Objekten in typischer Weise ablaufen durch Segmentirung desselben und Reduktion der Segmente zu kurzen Stäbchen. Die Rolle, welche der Keimfleck selbst spielt, findet ihr Analogon in der Auflösung eines Theils der Keimkörperchen oder Nukleolen beim Amphibieneie. In beiden Fällen geht ein Theil der chroma- Substanz verloren ohne für die Knäuelbildung verwerthet zu werden. Die Konstatirung eines Centrosomas im Eie, sowie die all- mähliche Ausbildung zweier typischen Archoplasmakugeln um die beiden Tochterecentrosoma, wie ich sie beschrieben habe, ist ein wichtiges Phänomen, welches die theoretischen Schlussfolgerungen, zu welchen Boveri (2) gekommen ist, ohne Weiteres auszuschliessen berechtigt. Dieser Autor war auf Grund seiner Beobachtungen bei Ascaris zu folgender Vorstellung gelangt: „Das reife Ei besitzt alle zur Theilung nothwendigen Organe und Qualitäten, mit Aus- nahme des Centrosomas, welches die Theilung einleiten könnte. Das Spermatozoon umgekehrt ist mit einem solchen Centralkörper- chen ausgestattet, ihm fehlt aber die Substanz, speziell das Archo- plasma, in welcher dieses Theilungsorgan seine Thätigkeit zu ent- falten im Stande wäre. Durch die Verschmelzung beider Zellen im Befruchtungsakt werden alle für die Theilung nöthigen Zellen- organe zusammengeführt, das Ei erhält ein Centrosoma, das nun durch seine Theilung die Embryonal-Entwicklung einleitet.“ Diese Hypothese hat viel Ansprechendes, die Thatsachen widersprechen ihr aber und damit muss sie fallen. Spermatosom und Ei sind, was Kern und Theilungscentra anlangt, gleich- werthig bei der Bildung der ersten Furchungsspindel. Ein Vergleich der Erscheinungen, welche die Bildung der ersten ‚Richtungsspindel bei Aulastomum begleiten, mit den Pro- phasen der ersten Spermatoeytentheilung im Hoden der Lepidop- teren, wie ich sie früher (5) und in dem vorhergehenden dieser Archiv f. mikrosk, Anatomie. Bd. 33. 14 212 Gustav Platner: Beiträge geschildert habe, zeigt eine weitgehende bis in die De- tails sich erstreckende Uebereinstimmung. In beiden Fällen ent- ‚steht aus dem Kerngerüst zunächst eine Anzahl chromatischer Körner, die sich in kleinere Elemente, die Mikrosomen theilen. Aus diesen konstruirt sich eine Art Knäuel, der durch Segmen- tirung und Verkürzung der Segmente zur Bildung von kurzen Stäbchen führt. Diese letzteren Prozesse sind aber entschieden stark abgekürzt und auf einen kurzen Zeitraum zusammengedrängt, so dass sie selten zur Beobachtung kommen. Eine weitere Uebereinstimmung dokumentirt sich in dem Ver- halten der achromatischen Substanz. Die Theilung des Centrosomas die Bildung der Polkegel, die Zusammensetzung der Spindel aus einem äquatorialen Abschnitt und zwei polaren Aufsätzen sind in beiden Fällen typisch wiederkehrende Erscheinungen. Ich glaube daher, dass die Gleichstellung beider Prozesse auch ihrer Bedeutung nach durchaus gerechtfertigt ist. Die erste Theilung der Sperma- tocyten entspricht der Theilung der ersten Riehtungsspindel, ebenso wie ich schon früher gezeigt habe, dass zweite Richtungsspindel und zweite Spindel der Spermatocyten einander völlig gleichstehen. Zum Schluss möchte ich die fertige Richtungsspindel noch mit einigen Worten charakterisiren. Dieselbe zeigt folgende Theile. Zunächst treten die mächtig entwickelten beiden polaren Sonnen- figuren stark hervor. Im Centrum derselben liegt das Centrosoma. Ein heller Hof, der dasselbe umgiebt, mag zum Theil eine optische Erscheinung sein. Die kleinen Körnehen, die denselben zuweilen umsäumen, haben sich mir nicht als konstant erwiesen. Der Raum, welcher von den eigentlichen Polstrahlen eingenommen wird, zeigt zwei Abtheilungen, die ich im Anschluss an van Beneden als Markschicht und Rindenschicht bezeichnen will. Der Durchmesser der letzteren übertrifft den Radius der Markschicht um das Doppelte und mehr. Die Grenze beider Schichten wird durch einen dunkler gefärbten Ring gebildet. Innerhalb der Markschicht ist eine radiäre Faserung nur schwer zu erkennen. In der Rindenschicht sind die Fibrillen der Polsonnen schon deutlicher sichtbar. Sie verlaufen im innern Aster gradlinig, im äussern der Eiperipherie anliegenden leicht gebogen, und zwar sieht die Concavität ihrer Krümmung nach der Aequatorialebene hin. Die einzelnen Strahlen sind nicht alle gleich diek, ebenso wird die Peripherie der Rindenschicht nur von einer beschränkten Anzahl derselben erreicht, kurz, die Beiträge zur Kenntniss der Zelle und ihrer Theilung. 213 Verhältnisse sind dieselben, wie sie von van Beneden für die erste Furchungsspindel des Askarideneies beschrieben worden sind. An der Stelle, wo die Spindel der Eiperipherie anliegt, zeigt diese eine deutliche Einsenkung (Fig. 10). Der äussere Polaster zeigt mit seinen Abtheilungen eine leichte Abplattung. Der Theil der Spindelfasern, welcher nicht in den Bereich der Markschicht der Polsonnen fällt und die chromatischen Ele- mente trägt, zeigt eine beträchtliche Verstärkung und eine hier- durch bedingte intensivere Färbung. Namentlich treten die Säume, mit welchen er sich gegen die polaren Abschnitte abgrenzt, durch dunkles Colorit hervor. Von den Fasern selbst tragen nur die innern die Chromosomen in ihrer Mitte. Die äussern verlaufen ohne Unterbrechung von Pol zu Pol. Lateral von denselben be- merkt man noch in der Aequatorialebene eine auf dem Querschnitt ringförmige Fläche, in welcher sich die von den polaren Strahlen beschriebenen kugelförmigen Räume schneiden. Bis soweit geht die Metamorphose des Blutigeleies im Ova- rium selbst vor sich. Die weiterhin sich daran anschliessenden Ver- änderungen, welche die Ausstossung der Richtungskörperchen und die Befruchtung selbst begleiten, kann ich erst, wenn der Sommer das zur Ergänzung meiner Beobachtungen nöthige Material geliefert hat, genauer beschreiben. Litteratur. 1) Van Beneden et A. Neyt, Nouvelles recherches sur la fecondation et la division mitosique chez l’Ascaride megalocephale. Bulletins de l’Acad. royale de Belgique, 3me Serie T. XIV. Nr. 8, 1887. 2) Boveri, Ueber den Antheil des Spermatozoon an der Theilung des Eies. Sitz.-Ber. der Ges. für Morph. und Phys. zu München, 1887. 3) Bütschli, O., Studien über die ersten Entwicklungsvorgänge der Eizelle, die Zelltheilung und die Conjugation der Infusorien. Abh. der Senken- berg. naturf. Gesellschaft, Bd. X. 4) Hertwig, O., Beiträge zur Kenntniss der Bildung, Befruchtung und Theilung des thierischen Eies. IJ. Theil. Morph. Jahrb. Bd. III. p. 1—87, 1877. 5) Platner, G. Die Karyokinese bei den Lepidopteren als Grundlage für eine Theorie der Zelltheilung. Internat. Monatsschr. f. Anat. u. Hist. Bd. III. Heft X. 1886. 6) Schultze. O., Untersuchungen über die Reifung und Befruchtung des Amphibieneies. Zeitschr. f. wiss. Zoologie, Bd. XLV. 1887. 214 Gustav Platner: Erklärung der Abbildungen auf Tafel XII bis XIV. Tafel XI. Vergrösserung: homogene Immersion 1/s (Zeiss) unter Verwendung des Prismas. Härtung: Chrom-Osmium-Essigsäure. Färbung: Safranin oder Kernschwarz. Fig. Fig. 1—13. Pankreaszellen von Salamandra maculata. . 1—7. Abschnürung des Nebenkerns vom Kern (Kernsprossung) ; in Fig. 4 Nebenkern abgeschnürt, nur noch theilweise gefärbt. Safraninfärbung. . 8 und 9. Solitärer Nebenkern. Kernschwarzfärbung. . 10. Multipler Nebenkern. Kernschwarzfärbung. . 11—13. Chromatolytische Metamorphose. Safraninfärbung. g. 12. a) Totale Chromatolyse. b) Tingibler Körper in Halbmondform, Produkt der Chromatolyse. . 11 und 13. Partielle Chromatolyse; in Fig. 11 Kern schon wieder ab- gerundet. . 14. Pankreaszelle von Rana esculenta. Nebenkern im Schwinden; im Protoplasma zahlreiche Zymogenkörner. Kernschwarzfärbung. Tafel XIII. Vergrösserung: Zeiss, homogene Imm. Y/;; mit verschiedenen Okularen. ig. 1. Erste Richtungsspindel aus einem Ei von Aulastomum gulo (Hirud.). Die Polsonnen zeigen folgende Abtheilungen: Im Centrum das Uen- trosoma, um dasselbe ein heller Hof von Körnchen eingefasst. Die Strahlen zeigen zwei Zonen, die centrale wird von der peripheren durch einen matten Ring getrennt. Die Peripherie der äussersten Zone wird nur von einer beschränkten Anzahl Strahlen erreicht. Die der Eiperipherie benachbarte Sonne zeigt eine Abplattung sämmt- licher Theile und eine leichte Biegung der Strahlen. In einer zu beiden Seiten des Aequators sich etwas erstreckenden Linien schnei- den sich die beiden von den Polsonnen beschriebenen Kreisflächen. Die eigentlichen Spindelfasern zeigen einen äquatorialen verstärkten Abschnitt, sowie zwei polare schwächere kegelförmige Aufsätze. Das Chromatin ist zu Stäbchen geordnet. .2. Ei von Aulastomum, frühes Entwicklungsstadium. NK Nebenkern mit Centrosoma. . 9—5. Spermatocyten von Pygaera bucephala. Protoplasmastränge auf den Nebenkern (NK) orientirt. Theilung des Centrosomas und des Nebenkerns. Im Protoplasma ein eigenthümlicher dunkler, von einem hellen Hof umsäumter Körper, der in Fig. 4 eine Verbindungsbrücke zwischen zwei benachbarten Zellen bildet. 6—17. Spermatiden von Pygaera bucephala in ihrer Umbildung zum Fig. Fig. Fig. Fig. Beiträge zur Kenntniss der Zelle und ihrer Theilung. 215 Spermatosom. Es bedeutet: © = Centrosoma. M’ = kleines Mitosoma (Nebenkern); M‘ = grosses Mitosoma (Nebenkern). 6. Ende der letzten Theilung der Spermatocyte. Um die Tochterkern- platte ein heller Hof. Von den polaren Enden der Spindelfasern lösen sich kleine Körner ab. 7. Die erwähnten Körner sammeln sich und vereinigen sich zum kleinen Mitosoma. Aus dem äquatorialen Theil der Spindelfasern hat sich das grosse Mitosoma gebildet. Chromatin zu Körnern aufgelöst. 8. Chromatin peripher an der neu entstandenen Kernmembran gelagert. Protoplasma bereits in die Länge gestreckt. Grosses Mitosoma von einem hellen Saum umgeben, in der Mitte desselben der Axenfaden. Centrosoma dem Kern anliegend. 9. Querschnitt desselben Stadiums. g. 10 wie Fig. 8. Centrosoma auf dem hellen Kernraum sich markirend. g. 11. Das grosse Mitosoma streckt sich in die Länge, den Axenfaden um- hüllend. Der helle Raum desselben ist verschwunden. . 12—14. Das Chromatin schalenförmig nach einer Seite des Kerns sich concentrirend. In der Mitte der convexen Seite inserirt der Axen- faden; in die Mitte der concaven Fläche begiebt sich das Centrosoma Grosses Mitosoma sich immer mehr streckend. 15—17. Auch das kleine Mitosoma zieht sich in die Länge. Das Chro- matin kugelig, weiterhin oval, an seiner vordern Spitze das Oentrosoma. Tafel XIV. Vergrösserung: Zeis, homogene Imm. !/;s mit verschiedenen Okularen. . 1. Junges Ei von Aulastomum gulo, mediale Partie. Im Keimbläschen nur der Keimfleck und chromatische Körner. Im feinkörnigen Dotter das Centrosoma. 2. Theilung des Centrosomas. 3. Bildung der Aster um die beiden Centrosoma, welche etwa um ein Viertel der Peripherie des Keimbläschens sich von einander entfernt haben. .4. Die Entfernung der Centrosoma hat zugenommen. Auftreten der Polkegel. .5. Polkegel und Polsonnen stärker entwickelt. Die Membran des Keim- bläschens durch die Polkegel nach innen eingestülpt. 6. Dieselben Erscheinungen weiter ausgebildet. Die Attraktionssphären beginnen sich zu entfalten. Die Chromatinkörner in Mikrosomen zerfallen, die zu einem Knäuel geordnet sind. 7. Attraktionssphären ausgebildet. Spindel entwickelt, die chroma- tischen Stäbehen sich im Aequator sammelnd. Membran des Keim- bläschens mit den Polstrahlen in Verbindung, eine lokale Verdickung derselben bewirkend. 8. Die den Polstrahlen aufgelagerten Reste der Keimbläschenmembran 9216 Gustav Platner: Beiträge zur Kenntniss der Zelle und ihrer Theilung. in einer Zeigerbewegung sich vom Aequator entfernend. Keimfleck in einem hellen Hof neben der Spindel sich allmählich auflösend. Fig. 9. Die Membran des Keimbläschens hat bei der soeben beschriebenen r Bewegung noch ihren Zusammenhang bewahrt. Spindel excentrisch in derselben liegend. In einiger Entfernung davon der Keimfleck mit hellem Hof. Fig. 10. Spindel ausgebildet. Die äussere Attraktionssphäre etwas abgeplattet. Die Eiperipherie darüber eingesunken, am innern Pol die letzten Reste der Membran des Keimbläschens. Fig. 11. Polansicht zu Fig 7. Fig. 12. Seitenansicht des einen Pols von Fig. 8. Ueber die schlauchförmigen Drüsen des Magendarm- kanals und die Beziehungen ihres Epithels zu dem Oberflächenepithel der Schleimhaut. Erste Mittheilung. Von Professor Giulio Bizzozero in Turin. Auszug aus den „Atti della R. Academia delle Scienze di Torino“, Vol. XXIV, Sitzung vom 2. Dezember 1888. Hierzu Tafel XV. In einigen meiner früheren Arbeiten !) bin ich durch die Be- obaehtung, dass die in karyokinetischer Theilung begriffenen Epi- thelzellen in den schlauchförmigen Drüsen des Darms und in den Magengrübchen so zahlreich sind, während sie in dem Oberflächen- epithel der entsprechenden Schleimhaut vollständig fehlen, auf die Vermuthung gekommen, dass diese Mitosen dazu dienten, nicht so- wohl einen durch ihre functionelle Thätigkeit bedingten Verbrauch an Zellen zu compensiren, als vielmehr die beständig desquamirenden 1) Bizzozero e Vassale, Archivio per le Scienze med., vol. XI, 1887, p. 248. — Bizzozero, Atti del Congresso medico di Pavia, 1887, vol. I, p. 134. — Gazzetta degli Ospitali, 1889, n. 56. Ueber die schlauchförmigen Drüsen des Magendarmkanals ete. 217 Zellen des Oberflächenepithels zu ersetzen. Die Regeneration dieses Epithels würde also nicht in dem Epithel selbst stattfinden, sondern in den schlauchförmigen Drüsen (beziehungsweise den Galeati’schen Drüsen!) und den Magengrübchen). Bis dahin hatte ich Thatsachen gesammelt, welche meine Vermuthung zu bestätigen vermochten. — Nachdem habe ieh meine Untersuchungen fortgesetzt und auf ähn- liche Drüsenarten ausgedehnt. Da nun die erhaltenen Resultate vollständig miteinander übereinstimmen und andererseits einige neue Besonderheiten der chemischen und histologischen Zusammen- setzung dieser Drüsen zu Tage getreten sind, halte ich es jetzt für passend, über meine Studien in einigen Mittheilungen Bericht zu erstatten. In vorliegender Arbeit werde ich damit anfangen, die schlauchförmigen Drüsen des Reetum und des Colon vom Ka- ninchen zu beschreiben. — Am Schlusse werde ich!kurz von den in Anwendung gezogenen Methoden sprechen und einige allge- gemeine Betrachtungen über den Gegenstand anstellen. I. Recetumdrüsen des Kaninchen». In der Schleimhaut des Reetums sind die Drüsen kurz, alle beinahe von gleicher Länge, palissadenförmig angeordnet und en- digen meist in einem einzigen Blindsack. Sie sind dicht anein- ander gelagert, sodass auch ihre Mündungen sehr nahe aneinander liegen und in Folge dessen die freie Oberfläche der Mastdarm- schleimhaut sehr klein ist und die Configuration eines Netzes be- sitzt, dessen Maschen gerade von den Drüsenmündungen gebildet werden. Das Epithel der freien Oberfläche zeigt bei der Unter- suchung von Vertikalschnitten gehärteter Präparate eine einzige Schieht hoher Cylinderzellen, welche an dem®Ende, welches in das Darmlumen schaut, mit einem glänzenden, fein gestrichelten Saum endigen, welcher demjenigen der Dünndarmzellen ähnlich, aber dünner als dieser ist. Das andere Ende dieser Zellen ist auch scharf abgeschnitten und sitzt auf der Mucosa auf. Die Grenzlinie der Zellen gegen die Mucosa ist scharf und deutlich und schliesst jeden Gedanken an ein Eindringen von Fortsätzen derselben in das Innere der letzteren aus. Das erhellt besonders aus Präparaten, welche in Alkohol gehärtet und mit Pikrocarmin 1) Lieberkühn’schen Drüsen. (Anm. der Red.) 218 Giulio Bizzozero: gefärbt wurden, da man_bei diesen das blassgelbe körnige Proto- plasma des Epithels gegen die Schleimhaut, welche ihrerseits, da sie aus einem sehr zarten, netzförmigen und schwammigen Binde- gewebe besteht, ungefärbt und durchscheinend ist, scharf aufhören sieht. -— Der Kern ist oval, in derselben Richtung wie die Zelle verlängert und liegt dem freien Ende etwas näher als dem andern, mit welchem die Zelle auf der Mucosa aufsitz. Manchmal beob- achtet man Zellen, welche 2, oder auch 3, aneinandergelagerte Kerne enthalten. — Ferner bemerkt man in einigen Zellen im Protoplasma zerstreut blasse rundliche Körnchen von verschiedener Grösse (von weniger als 1 « bis zu 2 « und mehr) welche von Stoffen, durch welche das Kernchromatin gefärbt wird, intensiv durch- tränkt werden. Diese Körnchen stehen, wie wir später sehen wer- den, in Beziehung mit der Zerstörung eines Theiles jener amöboiden Zellen, welche innerhalb der Epithelschiceht liegen und in der- selben gerade so zahlreich sind, wie in den oberflächlichen Lagen der Mucosa. Im ganzen Magendarmkanal sieht man diese amö- boiden Zellen im Epithel. Was mir das Epithel des Reetums vom Kaninchen besonders zu charakterisiren scheint, ist die grosse Zahl der amöboiden Zellen mit reichlichem Protoplasma und läng- lichem, wurstförmigen Kern. Es könnte Niemand von diesen Zellen, weil sie sich in der Dicke der Epithelschicht finden, glauben, dass sie Ersatzzellen wären, so leicht ist es aus der Gestalt ihres Kerns ihre wahre Natur zu erkennen. Unter den eylindrischen Protoplasmazellen finden sich ziem- lich zahlreiche schleimhaltige Zellen. Mit diesen werden wir uns jedoch erst später befassen. Im Oberflächenepithel des Mastdarms habe ich niemals, so viel ich auch die Untersuchungsmethoden variirte, irgend ein An- zeichen einer Theilung durch Karyokinese gefunden. — Ich muss die beiden einzigen Zellen mit Mitosen, welche ich im langen Verlauf meiner Untersuchungen hier beobachtete, als ganz besondere Aus- nahme betrachten. Und doch findet überall auch normaler Weise, bei den ein- zelnen Thierarten in verschiedenem Maasse, eine Abstossung von Zellen statt. Wie wird nun für den Ersatz dieser Zellen ge- sorgt? Die Antwort wird sich aus dem Studium der Drüsen er- geben. — Ueber die schlauchförmigen Drüsen des Magendarmkanals ete. 219 G. Klose), ein Schüler von Heidenhain, hat das Ver- dienst, die beträchtliche Verschiedenheit, welche zwischen den schlauchförmigen Drüsen des Dünndarms und denen des Mastdarms besteht, an’s Licht gezogen zu haben. Diese unterscheiden sich von jenen sowohl durch die Natur ihres Secrets, welches vorwie- gend schleimig ist, als durch die Zusammensetzung ihres Epithels, in welchem die schleimbereitenden Zellen vorherrschen ; beim Ka- ninchen dürften sich sogar fast nur die letzteren finden, während beim Hunde die schleimbereitenden Zellen mit den Protoplasma- zellen abwechseln ?). Es ist leicht, sich von der Richtigkeit der Beobachtungen Klose’s zu überzeugen. Andererseits ist es jedoch, wenn man für die Beobachtung die neu in die Wissenschaft eingeführten Unter- suchungsmethoden in Anwendung zieht, auch nicht schwer zu er- kennen, dass andere Thatsachen seiner genauen Beobachtung ent- gangen sind. Vor Allem kann man in den mit Hämatoxylin ?) gefärbten Präparaten feststellen, dass die Mastdarmdrüsen des Kaninchens eine gewisse Zahl in Karyokinese begriffener Epithelzellen ent- halten. Sie sind nicht sehr zahlreich, da man ihrer ungefähr eine in jeder zweiten oder dritten Drüse findet, aber sie sind constant auch bei ausgewachsenen und alten Thieren zu finden. Die Mi- tosen stehen mit Vorliebe an zwei Stellen: im Blindsack und in geringer Entfernung von der Drüsenmündung; sie fehlen jedoch auch nicht im übrigen Theil des Drüsenschlauches. — Die in Mi- tosis begriffenen Kerne finden sich in diesen, gerade wie in den anderen Drüsen, dem Lumen der Drüse näher liegend als die in Ruhe befindlichen Kerne. | Ein zweiter Punkt, welchen ich als nicht im Einklang mit der Beschreibung Klose’s stehend erwähnen muss, ist der, dass sich die Drüsenzellen bei der Behandlung der Präparate mit ge- wissen Färbemitteln nicht alle in der gleichen Weise verhalten. 1) Klose, Beitrag zur Kenntniss der tubulösen Darmdrüsen. Diss. Inaug. Breslau 1880. 2) Klose, 1. c. Seite 17. 3) Man muss dem Hämatoxylin den Vorzug geben vor den übrigen die in Mitosis befindlichen Kerne färbenden Substanzen, weil diese letzteren, wie man sehen wird, den Schleim ziemlich stark färben und daher nicht leicht die Mitosen entdecken lassen. 220 Giulio Bizzozero: Dies ist Klose entgangen, weil er nur mit Pikrocarmin, Häma- toxylin und Alauncarmin (l. e. Seite 18) zu färben pflegte, d. h. ‚mit Farbstoffen, welche die Thatsache, von der ich hier spreche, wenig deutlich oder gar nicht hervortreten lassen. — Wenn man da- gegen einen vorher in absolutem Alkohol gehärteten Vertikal- schnitt der Mastdarmschleimhaut mit Vesuvin färbt, darauf, nachdem man ihn einige Minuten lang in absolutem Alkohol ausgewaschen hat, in Nelkenöl bringt und dann in Damarharz einschliesst, so bemerkt man (Fig. 1), dass das Drüsenepithel von zwei Zellformen gebildet wird, welche von einem Ende der Drüse bis zum andern mit einander abwechseln; bei der einen Zellenart ist der Körper der Zelle stark gefärbt, bei der anderen ist er ungefärbt geblieben. Diese Verschiedenheit ist mehr als anderswo um die Mitte des Drüsenschlauches deutlich; dort erscheinen die gefärbten Zellen (trotzdem die Drüse parallel zu ihrer Längsachse getroffen worden ist) in der Gestalt von Pyramiden, deren Basis nach der Periphe- rie gerichtet ist und deren leicht abgestumpfte Spitze das Lumen der Drüse begrenzt. Ihr Kern ist oval, etwas abgeplattet und nach Aussen gegen die Drüsenmembran gerückt. Der Zellkörper wird ganz von der gefärbten Substanz eingenommen, in welcher zahl- reiche Vacuolen zu bemerken sind, sodass die Substanz selbst das Ansehen eines aus groben Bälkchen bestehenden Netzwerks ge- winnt!). Von sehr vielen Zellen lässt sich ferner feststellen, dass sie wirklich absondernde Schleimzellen sind; in der That bemerkt man im Lumen der Drüse einen unregelmässigen Streifen, welcher dieselben Reactionen giebt wie der Inhalt der vorhin beschriebenen Zellen (ausgeschiedenes Schleimmaterial, welches von den zur Härtung dienenden Flüssigkeiten zum Schrumpfen gebracht wurde) und welcher mit diesen Zellen vermittelst eines aus Substanz der- selben Natur bestehenden Fädchens in Verbindung steht (Fig. 1). Die hellen Zellen nehmen den ganzen Raum, welchen die vorigen freilassen, ein und besitzen einen ovalen, gegen die Peri- pherie gedrängten Kern. Die Substanz, welche ihren Zellkörper bildet, zeichnet sich ausser durch ihre geringe oder ganz fehlende 1) Ich glaube darauf aufmerksam machen zu sollen, dass dieses netz- förmige Gefüge bei in Alkohol gehärteten Präparaten zur Beobachtung kommt. Im frischen Zustand ist der Körper der in Rede stehenden Zellen grosskörnig, wie bei so vielen anderen schleimbereitenden Zellen. Ueber die schlauchförmigen Drüsen des Magendarmkanals ete. 221 Verwandtschaft zu dem Vesuvin dadurch aus, dass sie blass, ho- mogen und in ihrer ganzen Dicke von einem feinen Netzwerk durchzogen ist. Eine eben so schöne Farbenverschiedenheit wie durch das Vesuvin erhält man vermittelst des Methylengrüns, wenn man die Präparate nachher in Glycerin aufhebt. Man erhält sie auch, aber weniger deutlich, mittelst der Chromsäuremethode?), mittelst Fuch- sins, Safranins und endlich mittelst Hämatoxylins, welches nach der von mir in meinem Handbuchder klinischen Mikroskopie?) gegebenen Formel bereitet wird, während das nach Stöhr’s Formel bereitete den Zellkörper weniger und die Kerne mehr färbt?). Uebrigens bedarf man der Färbung nicht, um den Unterschied deutlich zu machen, welcher zwischen diesen beiden Arten von Drüsenzellen besteht. Man kann dasselbe Ziel erreichen, wenn man die Schnitte ungefärbt in absolutem Alkohol untersucht. Man macht mit dem Mikrotom äusserst feine Schnitte von der in Paraffin eingeschlossenen Schleimhaut und bringt sie, um sie von dem Paraffin zu befreien in einige Tropfen Terpentin. Darnach wäscht man sie in absolutem Alkohol aus und untersucht sie auch in einem Tropfen Alkohol. Beide Arten von Zellen treten schön hervor; die einen sind hell, blass und von einem feinen Netzwerk durchzogen, die anderen pyramidenförmig, mit einem farblosen aber glänzenden und von Vacuolen durchsetzten Zellkörper. Wenn man nun an eine Seite des Deckgläschens einen Tropfen Wasser oder Pikrocarminlösung bringt, so sieht man, dass, während die Flüssig- keit allmählich eindringt, alle beide Zellenarten aufquellen und dass dabei die glänzenden Schleimzellen zuerst homogen werden, dann stark abblassen und ein aus feinen Fäden bestehendes Netz- werk erkennen lassen, welches ihren Zellkörper durchzieht. Auf diese Weise werden sie den blassen Zellen sehr ähnlich, sodass nur ein Auge, welches diese ihre Umwandlung genau verfolgt, sie noch von diesen auseinanderhalten kann, da sie immerhin noch 1) Bizzozero, Zeitschrift f. wissensch. Mikrosk., Band III, 1886, p. 24. 2) 3°. italienische Ausgabe, pag. 36. — 2®. deutsche Ausgabe, Seite 31. 3) Die nach verschiedenen Formeln bereiteten Hämatoxylinlösungen haben eine verschiedene Affinität zum Schleim. Das erklärt, wie Klein die becherförmigen Zellen mit Hämatoxylin färben konnte, während Klose (I. c.) sich darüber wundert und sagt, dass er sie immer „hell und ungefärbt“ erhält. 222 Giulio Bizzozero: eine gewisse Andeutung ihres ursprünglichen Lichtbrechungsver- mögens beibehalten. Diese Umwandlungen sind allein dadurch be- .dingt, dass die chromatophile Schleimsubstanz, weiche in den Zellen enthalten ist, bei der Berührung mit Wasser oder wässrigen Lö- sungen aufquillt und blass wird; sie ist durchaus nicht die Folge einer chemischen Veränderung. Denn, wenn man bei einem so behandelten Präparat von Neuem das Wasser durch einen Tropfen Alkohol ersetzt, bekommt das Präparat in dem Maasse, als das erste durch den zweiten verdrängt wird, das ursprüngliche Aus- sehen wieder und wird die Verschiedenheit der beiden Zellenarten wieder sehr deutlich. Auf diese Weise kann man das Spiel sich mehrere Male wiederholen lassen. Ausser bei der Behandlung mit Alkohol tritt die Verschieden- heit der beiden Zellenarten auch bei der Behandlung mit Essig- säure hervor. Während dieselbe bei der Einwirkung in starker Concentration die hellen Zellen und im Allgemeinen alle anderen Elemente des Präparats blass und nach und nach unsichtbar macht und während sie die Kerne der Schleimzellen blass und beinahe unsichtbar werden lässt, ändert sie die in den letzteren enthaltene slänzende Substanz gar nicht ; dieselbe erscheint sogar im Gegen- satz zu dem übrigen abgeblassten Gewebe noch glänzender und deutlicher. — Diese Reaction der Essigsäure ist von grosser Wich- tigkeit, weil sie uns zeigt, dass der Inhalt der glänzenden Zellen von wirklicher Schleimsubstanz gebildet wird, gerade wie auch die chromatophile Substanz im Lumen der Drüsen wirklicher Schleim ist; die ungefärbten Zellen geben dagegen keine Spur von Muein- reaction. Was ich bisher von dem Drüsenepithel gesagt habe, bezieht sich besonders auf das, was man in der Gegend des mittleren Drittels der Drüse beobachtet; im äusseren und im inneren Drittel machen sich Verschiedenheiten bemerkbar, denen Rechnung zu tragen sehr wichtig ist, wenn man das Leben der Drüsen- zellen mit deren Untersuchung wir uns beschäftigen, genau kennen lernen will. Im tieferenDrittel, d. h. im Blindsack haben die hellen Zellen beinahe dasselbe Aussehen, wie in dem mittleren Drittel, während die ehromatophilen Zellen sich von den entsprechenden des mittleren Drittels durch ihre geringere Verwandtschaft zu den Färbemitteln unterscheiden. Wenn wir z. B. ein Vesuvinpräparat Ueber die schlauchförmigen Drüsen des Magendarmkanals ete. 223 untersuchen, werden wir sehen, dass die chromatophilen Zeilen zwar alle gefärbt sind, aber um so weniger intensiv, als sie der Spitze des Blindsackes näher stehen. Wenn aber das Präparat mit Methylgrün (Fig. 3) gefärbt wird, dann vermindert sich die Färbung derart, dass sie im Grunde des Blindsacks kaum wahr- nehmbar ist, sodass sich hier die chromatophilen Zellen von den ungefärbten kaum unterscheiden. Und in gleicher Weise werden wir die chromatophilen Zellen, wenn wir ein Präparat mit Alkohol oder auch mit Essigsäure behandeln in dem Maasse, als wir uns der Spitze des Blindsackes nähern, immer weniger glänzend finden. Uebereinstimmende Resultate geben auch die anderen, bereits er- wähnten, schleimfärbenden Mittel. — Daraus ergibt sich deutlich, dass die chromatophilen Zellen, je mehr sie von dem blinden Ende des Schlauches gegen das mittlere Drittel der Drüse vor- rücken, allmählich reicher an jener Schleimsubstanz werden, welche der Essigsäure widersteht, und der sie ihre grosse Färb- barkeit verdanken. In dem tiefen Drittel finden sich die Mitosen, wie ich bereits sagte, in verhältnissmässig grosser Anzahl. Man sieht deren in allen Stadien. Die faserige Kernmasse ist verhältnissmässig klein, der Zellkörper wird von einer blassen und homogenen Substanz gebildet, welche aus einem von feinen Bälkchen gebildeten Netz- werk durchzogen ist (Fig. 2). Bei der geringen Verschiedenheit, welche hier zwischen den beiden Zellformen besteht, würde es sich nicht entscheiden lassen, ob die Mitosen den hellen Zellen oder den Schleimzellen oder beiden angehören. — Die Zellen, welche das oberflächlicehe Drittel der Drüsen auskleiden, setzen einerseits diejenigen des mittleren Drit- tels fort, andererseits gehen sie in das Oberflächenepithel über. Weder nach der einen noch nach der andern Seite finden wir eine bestimmte Grenze. Die Elemente modifieciren sich stufenweise und die Modificationen finden in beiden Arten von Zellen statt. In der That sieht man bei der Untersuchung der ehromato- philen Zellen in Präparaten, welche in Alkohol gehärtet, in Paraffin geschnitten, mit Methylgrün gefärbt und in Glycerin eingeschlossen sind (Fig. 4), dass die pyramidenförmige Schleimmasse, welche diese Zellen im mittleren Drittel der Drüse ausfüllt (Fig. 4a), je mehr man gegen die Mündung vorschreitet, kleiner wird, sich von dem Kerne entfernt und sich mehr und mehr dem innern Ende 224 Giulio Bizzozero: der Zelle zu bewegt (b); mit anderen Worten, die Zelle arbeitet beständig daran, Schleim aus sich hinaus zu.befördern, ohne neuen .hervorzubringen. Solchen Zellen begegnet man auch an der Drü- senmündung und in ihrer Umgebung im Oberflächenepithel des Darmes, aber hier sind sie sehr verwandelt; sie sind länglich von den benachbarten Zellen zusammengedrückt (c); der nun nicht melır von dem Schleimtropfen gedrückte Kern hat sich ein wenig mehr in die Mitte der Zelle begeben, wo er von körnigem Protoplasma umgeben ist; die Schleimmasse endlich, welche beträchtlich an Volumen abgenommen hat, nimmt zum Theil das freie Ende der Zelle ein, zum Theil ragt sie über dasselbe hervor und befindet sich auf diese Weise frei an der Oberfläche der Schleimhaut. Auf diese Art erhält die Schleimmasse die Gestalt einer 8 und die Einschnürungszelle der 8 entspricht der engen Oeffnung der Zelle, durch welche der Schleim auszutreten im Begriffe ist. Die Zelle ist auf diese Weise eine Becherzelle des Oberflächenepithels ge- worden. In einem letzten Stadium, welches erst erreicht wird, wenn die Zellen bereits einen Bestandtheil des Epithels der Darm- oberfläche bilden, können sich die Zellen sämmtlichen Schleims entledigen und sie werden dann sowohl bezüglich des Kerns als bezüglich des Körpers gewöhnlichen Epithelzellen ähnlich, nur fehlt ihnen der helle Saum. Ich habe nicht sicher feststellen kön- nen, ob nicht eine gewisse Zahl derselben auch diesen Saum be- kommt und sich vollständig in Protoplasmazellen umwandelt. Sehr belehrende Figuren von diesem Evolutionsprocess der schleimbereitenden Zellen erhält man auch von in Flemming- scher Lösung gehärteten, in Paraffin zu feinsten Schnitten verarbeiteten Stücken, welche nachher in Safranin gefärbt und in Damarharz eingeschlossen werden. Mit dieser Methode bekommt man die Figur 5, welche eine Drüsenmündung darstellt. Die Schleim- substanz tritt sehr deutlich hervor, weil sie von dem Safranin stark gefärbt wird; nicht deutlich zeigt sich jedoch die Netzstructur, welche hervor tritt, wie schon erwähnt wurde, wenn in Alkohol gehärtet wird. Die Flemming’sche Lösung verschafft ihr ein homo- senes Aussehen ; nur mit den besten Objectiven kann man wahr- nehmen, dass sie von einem feinen Netzwerk durchzogen ist. In der Figur ist ein Theil des oberflächlichen Drittels der Drüse abgebildet. In ihrem unteren Theile sieht man, dass die Zellen noch die Pyramidengestalt haben und dass sie an ihrer in Ueber die schlauchförmigen Drüsen des Magendarmkanals ete. 225 das Drüsenlumen gehenden Mündung einen kleinen intensiver ge- färbten Schleimzapfen zeigen. Gegen die Mündung der Drüse hin werden die Zellen etwas kleiner und neigen sie dazu kugelförmig zu werden; der Kern ist immer gegen die Peripherie hin gedrängt. In einem weiter vorgeschrittenen Stadium verkleinert sich die Zelle noch mehr, und sucht der Theil, in welchem der Kern liegt, von der Schnittfläche gesehen eine dreieckige Gestalt anzunehmen, während er stark von dem Farbemittel durchtränkt wird. — An der Drüsenmündung haben die Zellen offenbar in Folge des starken Drucks, welchen sie in ihrer auf der Mucosa festsitzenden Hälfte zu erleiden haben, bereits die Becherform angenommen; der Schleim bildet nämlich in der oberflächlichen Hälfte der Zelle eine Kugel und ragt zum Theil aus derselben hervor. Die tiefere Hälfte des Elementes dagegen ist abgeplattet, stark mit Safranin gefärbt und enthält noch einen abgeplatteten und intensiver ge- färbten Kern. — In einer späteren Periode schicken sich die Zellen an, ein Bestandtheil des Darmepithels zu werden und unterscheiden sie sich von den vorhergehenden nur dadurch, dass die Schleim- kugel, welche sie enthalten, sich noch mehr verkleinert hat. Bei dem Studium der Formveränderungen, welche die tiefere Hälfte der Zellen zeigt, muss man sich gegenwärtig halten, dass der Druck, welcher dieselben bedingt, nicht in allen Richtungen ausgeübt wird. Der Druck wird von Seiten der Zellen, welche um das Lumen der Drüsen herum stehen, gegen die Zellen des Oberflächenpithels hin ausgeübt, d. h. also in der Richtung, welche die Verlängerung der Längsachse der Drüse annehmen würde, wenn sie sich so umböge, dass sie parallel mit der Oberfläche des Darms verliefe. Daraus folgt, dass die tiefere Hälfte der Becher- zellen abgeplattet wird; so kommt es, dass sie von der Schnitt- fläche gesehen schmal und mit länglichem Kern versehen erscheint, während sie in der Frontalansicht breit ist und einen Kern von ovaler Gestalt zeigt. Es folgt daraus auch, dass man Bilder von der Medianebene der Zellen nur an den Stellen des Schnitts be- kommt, an welchen derselbe längs in der Medianebene der Drüsen verläuft (wie im grössten Theil der Zellen der Figur 5), während man an anderen Stellen Bilder von einer schiefen oder Frontal- ansicht erhält (a der Figur 5). Wir wollen beiläufig erwähnen, dass (wie aus derselben Figur hervorgeht) in den mit Flemming’scher Lösung gehärteten und 996 Giulio Bizzozero: mit Safranin gefärbten Präparaten die Intensität der Färbung stu- fenweise abnimmt, je mehr man von den Drüsenzellen ausgehend .den Becherzellen des Oberflächenepithels näher kommt. In den letzteren bemerkt man ferner im Innern des Schleims runde oder ovale intensiv gefärbte Körperchen. Wir wollen auch noch be- merken, dass auch in den in Flemming’scher Lösung gehärteten Präparaten die Schleimzellen intensiv mit Vesuvin durchtränkt werden; dieses letztere ist dem Safranin vorzuziehen, wenn man die becherförmigen Zellen des Oberflächenepithels deutlich machen will. Auch die hellen Zellen erleiden Umwandlungen im Vorrücken gegen die Drüsenmündung. Schon in einer beträchtlichen Entfer- nung von derselben beginnt das Netzwerk, welches den Zellkörper durchsetzt, immer dichter zu werden, während die homogene Masse, welche sich in ihren Maschen befindet, beständig geringer wird. Die Zelle verkleinert sich etwas und bekommt durch das bestän- dige Kleinerwerden der Maschen des Netzwerks zuletzt ein kör- niges Aussehen ähnlich demjenigen des Oberflächenepithels; gleich- zeitig damit bekommt sie auch die Eigenschaft sich mit Pikro- carmin gelb zu färben; während sie sich vorher nicht mit demsel- ben färbte. Der zuerst in dem tiefen Ende der Zelle zusammen- gedrückte Kern stellt sich mit seiner Längsachse parallel zu der- jenigen der Zelle und rückt so lange vor, bis er sich in der ober- flächlichen Hälfte des Zellkörpers befindet. Endlich beginnt in geringer Entfernung von der Mündung die anfangs feine und glatte Linie, welche die freie Oberfläche der Zellen begrenzt, ein wenig breiter und fein gestrichelt zu werden, sodass sie an der Mündung der Drüse selbst dahin gelangt, den Anblick jenes glänzenden und sestrichelten Saumes darzubieten, welcher dem Oberflächenepithel eigen ist. Nach dieser Beschreibung, welche ich von dem Epithel der Mastdarmdrüsen gegeben habe, scheint mir eine Antwort möglich zu sein auf die Frage: wie regenerirt sich das Epithel des Darmes? Ich glaube nicht, dass die Antwort eine andere sein kann als diese: Es regenerirt sich nicht durch Vermehrung seiner eigenen Elemente; seine Continuität wird erhalten durch die allmähliche und proportionale Umwandlung der die Drüsenschläuche ausklei- denden Zellen in oberflächliche Epithelzellen. — Denn 1) sind in dem Oberflächenepithel keine Zellen mit Mitosen zu finden, während ni Ueber die schlauchförmigen Drüsen des Magendarmkanals ete.e. 297 sie beständig in dem Epithel der Drüsen vorhanden sind; 2) be- steht zwischen dem einen und dem anderen Epithel keine be- stimmte Grenze; es findet stufenweise ein Uebergang von dem Drüsenepithel zu dem Epithel der freien Oberfläche statt; 3) da es sich um ausgewachsene Drüsen handelt, müssten die Mi- tosen ihres Epithels, wenn sie nicht zur Erhaltung des Ober- flächenepithels dienen würden, nothwendigerweise dazu dienen, die während der Seeretion der Zerstörung anheimfallenden Zellen zu ersetzen. Nun habe ich in keinem einzigen meiner sehr zahlrei- chen Präparate die Spur von in Zerstörung begriffenen Elemen- ten, weder im secernirenden Epithel noch im Lumen der Drüse gefunden; da dieses Lumen bekanntlich klein ist, würde die Con- statirung ihres Vorhandenseins sehr leicht sein; 4) die Verschie- denheit des Aussehens der Schleinizellen je nach der Stelle der Drüsen, an welcher man sie beobachtet, beweist, dass nicht nur die der Mündung nahe stehenden, sondern auch die im Grunde des Blindsackes liegenden Mitosen dazu beitragen, das Oberflächen- epithel in seinem Bestande zu erhalten. Wir haben in der That gesehen, dass einige dieser Zellen von einer grossen Menge nur wenig färbbaren Schleims, andere von einer pyramidenförmigen Masse stark färbbaren Schleims ausgedehnt sind, bei andern end- lich ist ein grosser Theil ihres Körpers protoplasmatischer Natur und sie enthalten nur noch einen kleinen Schleimklumpen, dessen sie sich vollständig zu entledigen im Begriff sind. Nun kann dieses verschiedenartige Aussehen der chromatophilen Zellen nicht wohl verschiedenen Stadien ihrer functionellen Thätigkeit ent- sprechen, da sich, wenn dem so wäre, Zellen von dem einen wie dem anderen Aussehen an jeder beliebigen Stelle der Drüse ohne Unterschied finden müssten; allein man beobachtet etwas derar- tiges niemals, es befinden sich vielmehr, wie ich bereits angab, die Zellen mit schwer färbbarem Schleim sämmtlich im tiefen Drittel, die-pyramidenförmigen Zellen im mittleren Drittel und die becher- förmigen Zellen im oberflächlichen Drittel der Drüse. Man kann doch wohl nicht die Annahme machen, dass jede Drüse aus drei Theilen zusammengesetzt ist, von denen jeder besondere und eigen- thümliche Schleimzellen besitzen würde, da man ja, worauf ich schon aufmerksam gemacht habe, von den Schleimzellen mit bei- nahe nicht färbbarem Schleim, welche im Grunde des Blindsackes stehen, durch eine abgestufte Reihe von Zellen mit immer mehr Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 33. 15 398 Giulio Bizzozero: färbbarem Schleim zu den pyramidenförmigen, intensiv gefärbten Zellen des mittleren Drittels gelangt und von diesen ebenfalls in allmählicher Stufenfolge zu den Zellen, welche im Begriffe stehen sich ihres Schleims vollständig zu entledigen und an der Drüsen- mündung und in dem dieselbe umgebenden Darmepithel ihren Platz haben. Alles dies lässt sich nicht erklären, als wenn man annimmt: 1) dass das verschiedene Aussehen der chromatophilen Zellen verschiedenen Stufen ihres Lebens entspricht; 2) dass die Jüngeren chromatophilen Zellen im Grunde des Blindsackes stehen, während die älteren an der Mündung der Drüsen und im Ober- flächenepithel des Darms ihren Sitz haben. Wenn man dies an- nimmt, darf man darin die Annahme einschliessen, dass die tie- teren Zellen der Drüsen stufenweise aus der Tiefe in die Höhe emporsteigen und zuletzt dahin gelangen, einen Theil des Ober- flächenepithels des Darms zu bilden. — Ich habe mich auch damit beschäftigt, die Beziehungen zu erforschen, welche zwischen den chromatophilen und den hellen Zellen bestehen. Sollte ihre verschiedene Constitution und ihr verschiedenes Aussehen vielleicht auf der Thatsache beruhen, dass sie zwar ihrer Natur nach vollständig gleich, aber in verschiede- nen Stadien ihrer functionellen Thätigkeit sind? Die helle Zelle ist vielleicht eine solche, welche sich ihres schleimigen Secrets bereits entledigt hat, während die chromatophile Zelle, welche neben ihr steht, noch mit Schleim beladen ist; sodass in dieser Weise in einer unmittelbar darauf folgenden Periode eine der ersteren durch Production neuen Schleims zu einer chromatophilen werden könnte, während eine der letzteren, dadurch dass sie sich des ihrigen entledigt, als helle Zelle erscheinen könnte, und so weiter? Ich muss gestehen, dass dies meine erste Vermuthung war, dass es aber die Thatsachen waren, welche mich bewogen, die Sache in einer anderen Weise aufzufassen. Wenn diese Vermuthung richtig wäre, so müssten wir sämmt- liche Uebergangsformen zwischen der einen und der anderen Zel- lenart finden, wie wir sie in allen jenen Drüsen finden (Speichel-, Magen-, Pancreas-Drüsen etc.), in welchen die anatomische Beob- achtung histologische Umwandlungen der Zellen nachweist, welche den verschiedenen Stadien ihrer functionellen Thätigkeit entspre- chen. Wir müssten sonach helle Zellen mit wenig Schleim, andere, welche mehr von demselben enthielten, und so weiter fortschrei- Ueber die schlauchförmigen Drüsen des Magendarmkanals ete. 229 tend andere, in welehem der Schleim beinahe die ganze Zelle ein- nimmt, sehen, bis man schliesslich zu den typischen chromatophi- len Zellen gelangte. Allein Nichts von alledem! Wenn wir einen Abschnitt des Drüsenschlauches betrachten, in welchem diese bei- den Zellenarten in ihrer vollen Entwickelung sind, d. h. also das mittlere Drittel der Drüse, so sehen wir, dass die chromatophilen Zellen immer sehr stark von Schleim ausgedehnt sind, während die hellen Zellen nie eine Spur von dieser Substanz zeigen. Zwi- schen diesen und jenen Zellen findet immer ein deutlicher und lebhafter Gegensatz statt. Die beiden Zellformen müssen also als zwei unterschiedlichen Arten von Elementen angehörig betrachtet werden. Ich stimme hierin nicht mit den von Klose!) erhaltenen und von Heidenhain?) bestätigten Resultaten überein. Als sie Ka- ninchen der Einwirkung des Pilocarpins unterwarfen, um die ab- sondernde Thätigkeit des Darmes stark zu erregen, sahen sie tief- sehende Veränderungen der Schleimzellen der schlauchförmigen Drüsen des Kaninchens auftreten. In der That kommt der Schleim zum Austritt, sodass zuletzt keine Spur mehr davon in der Zelle zurückbleibt; der Kern wird rundlich und entfernt sich von dem Ende der Zelle, indem er sich nach der Mitte derselben begibt. Der ausgetretene Schleim wird durch eine körnige Substanz er- setzt, welche reich an Albumin ist und sich mit Carmin intensiv roth färben lässt. Kurz gesagt, die Zellen werden „vollkommen ähnlich den Zellformen, welche die typische Auskleidung der Dünn- darmdrüsen bilden“°). Nach diesen Beobachtern könnten also die Schleimzellen nach einer Periode angestrengter Thätigkeit die Charaktere von Protoplasmazellen wiedergewinnen. Diese Resultate haben mich bewogen zu untersuchen, ob sich auf diesem Wege die chromatophilen Zellen in der Weise ver- ändern liessen, dass sie den hellen Zellen vollständig gleich wür- den. Klose und Heidenhain konnten daran nicht denken, weil sie in den Drüsen nur eine Art von Zellen kannten. Nachdem aber einmal durch meine Untersuchungen festgestellt worden war, dass die Zellen in zwei Gestalten auftreten, war es eine logisch 1 RS 2) L. &°8. 166. 3) Heidenhain |. ce. Seite 166, 230 Giulio Bizzozero: gerechtfertigte Vermuthung, dass der zwischen ihnen bestehende Unterschied daher rühre, dass die eine mit Schleim beladen, die andere leer davon ist und eine logisch gerechtfertigte Vermuthung, dass jeder Unterschied verschwinden müsse, wenn mittelst des Pilocarpins auch die chromatophilen Zellen von ihrer Secretmasse befreit würden. Zu diesem Zwecke brachte ich bei erwachsenen Kaninchen von 1800—2000 gr Gewicht eine profuse und lange Secretion der Drüsen hervor, indem ich ihnen in drei Stunden 4 Spritzen einer Lösung von Pilocarpinum hydrochlorieum unter die Haut spritzte, in der Menge, dass sie im Ganzen 0,03 des Salzes bekamen, und tödtete dieselben nach der letzten Injection. Die Injectionen muss- ten so oft wiederholt werden, weil ihre Wirkung zwar intensiv aber vorübergehend ist. Die Mastdarmschleimhaut wurde theils in Alkohol, theils in Flemming’scher Lösung gehärtet. Die Schnitte der gehärteten Stücke zeigen schon bei einer oberflächlichen Untersuchung beträchtliche Modificationen. Vor Allem sind die Drüsen etwas dünner als die normalen Drüsen. In der That findet man, wenn man diese mit jenen in Stücken, welche durch denselben Process in Flemming’scher Lösung ge- härtet wurden, vergleicht, dass die ersteren in der Mitte ihrer Länge eine mittlere Dieke von 44,25 u besitzen, während die letzteren 52 u messen. Diese kleine Verminderung ist besonders dem Drüsenepithel zuzuschreiben, da es mir nicht scheint, als wenn das Lumen nennenswerth verkleinert werden würde. Noch bemerkenswerther ist die Modification der schleimbereitenden Zellen. Die chromatophile Substanz, welche sie enthalten, ist bei einigen (und das sind die zahlreichsten) vollständig verschwunden, bei andern ist sie im Verschwinden begriffen. In den in Alkohol sehärteten und mit Vesuvin gefärbten Präparaten kann man leicht sehen, wie dies geschieht: Die Bälkchen des Netzwerks, welche von der chromatophilen Substanz gebildet werden (Fig. 7), werden immer dünner, verlieren dann ihren Zusammenhang und entziehen sich zuletzt dem Blick voilständig. Der Körper der Zelle ver- kleinert sich jedoch, wie schon gesagt, nur wenig, indem die Stelle der verschwundenen Bälkchen durch die Zunahme der ungefärbten Substanz, welche die Vacuolen füllte, wieder ausgefüllt wird. Wie zu vermuthen war, verschwindet die chromatophile Substanz an der Stelle zuletzt, wo sie ursprünglich in grösster Menge vor- Ueber die schlauchformigen Drüsen des Magendarmkanals ete. 231 handen waf, d. h. in der Mitte der Drüsenlänge. Ich will vor- übergehend bemerken, dass der Zellkern, wie schon Klose und Heidenhain beobachtet hatten, rund wird und sich in die Mitte der Zelle begibt. Ich will hinzufügen, dass auch in den höchsten Graden der Pilocarpinisation die Drüsen Mitosen in einer, wie mir scheint, von der normalen nicht abweichenden Zahl aufweisen. Bei einer oberflächlichen Untersuchung könnte man zu dem Glauben gelangen, dass nach dem Verschwinden der chromatophilen Substanz zwischen den beiden Arten der Drüsenzellen kein Unter- schied mehr bestehe; aber in Wirklichkeit verhält sich die Sache nicht so. Der Körper der chromatophilen Zellen, sowohl in den mit Alkohol, als in den mit Flemming’scher Lösung gehärteten und sei es mit Vesuvin oder mit Safranin behandelten Präparaten färbt sich noch, wenn auch nur ziemlich leicht und in diffuser Weise; die Zellen der anderen Art bleiben dagegen ungefärbt. Diesen Unterschied nimmt man in der Mitte der Drüse deutlich wahr, im blinden Ende des Schlauches dagegen ist er wenig deutlich. Ausserdem behalten die chromatophilen Zellen ihre Pyramiden- gestalt und ihre regelmässige Basis, mit welcher sie auf der Drüsenmembran aufsitzen, bei, während die farblosen Zellen, gerade wie im normalen Zustande, gezwungen sind, die von jenen gelassenen Zwischenräume einzunehmen und daher eine durchaus unregel- mässige Gestalt haben. Dies tritt deutlich hervor, wenn man bei der Untersuchung einer Drüse den Brennpunkt des Objektivs nicht auf die Medianebene derselben, sondern auf eine tangentiale Ebene einstellt in einer Weise, dass man die Umrisse der Fläche, mit welcher die Zellen auf der Drüsenmembran aufsitzen, sieht, wie das in der Figur 6 dargestellt wird. In derselben sind a a die schleimbereitenden Zellen, welche sich ihres Schleims entledigt haben, b die dazwischenliegenden hellen Zellen. Der Schleim- klumpen war in den Zellen a’ a’ noch nicht vollständig verschwun- den und wurde von Vesuvin braun gefärbt; er erscheint in der Figur mit verschwommenen Umrissen, weil er sich in der Spitze der Zelle und in einer tieferen Ebene befindet als diejenige ist, in welcher der Kern liegt, und desshalb nicht im Brennpunkt des Objectivs steht. Es ist auch interessant die Veränderungen der Elemente im Öberflächenepithel zu studiren. Die protoplasmatischen Cylinder- zellen erscheinen hier mit einem deutlichen glänzenden Saum ver- 232 Giulio Bizzozero: sehen, etwas geschwollen, hell, gleichsam als wenn ste leicht mit einer serösen Flüssigkeit infiltrirt wären. Wie schon Klose be- merkt hat, sind ihre Kerne gegen das freie Ende der Zelle hin- gedrängt, sodass sie manchmal fast den glänzenden Saum berühren. Was die schleimbereitenden Zellen angeht, kann ich, soweit das Reetum in Betracht kommt, die Ansicht Klose’s (l. c. Seite 27) nicht unterschreiben, dass nämlich bei den pilocarpinisirten Kanin- chen die Schleimzellen vollständig verschwinden. Vielleicht lassen sie sich mit den von ihm angewendeten Methoden nicht nachweisen. Wenn man dagegen den Darm in Flemming’scher Lösung härtet und die Schnitte in Glycerin oder auch, nachdem man sie mit für die Schleimzellen passenden Reagentien, wie mit Safranin oder noch besser mit Vesuvin gefärbt hat, untersucht, dann kostet es keine Mühe sie zu erkennen. Sehr wenige jedoch von ihnen ent- halten noch einen kleinen Schleimtropfen und bewahren noch die charakteristische Bechergestalt (Fig. 8, a). In dem grössten Theil derselben ist das Schleimtröpfehen verschwunden und der Körper der Zelle geschrumpft und stark abgeplattet, sodass er blass und breit erscheint, wenn er von vorn gesehen wird (c), dagegen schmal und stärker gefärbt, wenn er im Profil gesehen wird (d). Er färbt sich ziemlich intensiv mit Safranin und Vesuvin und scheint aus einer mit Vacuolen versehenen Substanz zu bestehen (sehr deutlich in Fig. b). Der Kern der Zellen ist auch stark ab- geplattet und unterscheidet sich auf den ersten Blick von jenem der gewöhnlichen Epithelzellen und zwar nicht nur durch diese, seine Form und seine intensive Färbung, sondern auch dadurch, dass er in dem tiefen Theil der Zelle gelagert ist. Folglich haben wir Elemente vor uns, welche in Folge der durch das Pilocarpin bewirkten gesteigerten Seeretion geschrumpft sind. Wenn wir diese Resultate zur Lösung der Frage verwerthen, welche wir uns gestellt haben, und uns besonders daran erinnern, dass die schleimbereitenden Zellen auch dann, wenn sie ihre Schleimtropfen vollständig verloren haben, keineswegs den zwischen- liegenden hellen Zellen gleich sind, dann haben wir einen neuen Beweis in der Hand für die Annahme, dass die beiden Zellen- formen wirklich verschiedene Arten uud nicht nur zwei ver- schiedene functionelle Stadien ein und desselben Elementes dar- stellen. Das gilt für die Elemente, welche ihr Wachsthum vollendet haben, d. h. für diejenigen, welche wir in der Mitte der Drüse Ueber die schlauchförmigen Drüsen des Magendarmkanals ete. 233 finden. Ich würde nicht zu sagen wagen, dass es auch für die Elemente des blinden Endes gälte; denn hier zeigen die Schleim absondernden Zellen ihre eigenthümliche Charaktere weniger deut- lich ; sie enthalten wenig Schleim, halten die Färbemittel weniger lebhaft zurück, in einem Wort, sie gleichen mehr den hellen Zellen, welche sie umgeben. Diese geringere Differenz kann die Ver- muthung entstehen lassen, dass manche der in diesem Abschnitt der Drüse enthaltenen Zellen gleichsam indifferente Elemente darstellen, welche sich im weiteren Verlauf der Entwickelung in zwei auseinandergehenden Richtungen ausbilden, an deren Enden einerseits die hellen Zellen, andererseits die schleimbereitenden Zellen stehen. Ich überlasse die Lösung der Frage (welehe nicht leicht ist, gerade wie auch die Lösung bezüglich der beiden Zellen- arten der Drüsen des Magengrundes nicht leicht zu finden ist) späteren Untersuchungen. Was aus den Forschungen, welche ich bisher auseinander gesetzt habe, hervorgeht, ist folgendes: dass man die abgestuften Veränderungen der Form und der chemischen Constitution, welche man an den schleimbereitenden Drüsen auf dem Wege vom Grunde des Blindsacks der Drüse bis zum Oberflächenepithel des Darmes beobachtet, nur erklären kann, wenn man eine fort- schreitende Evolution und ein Hinaufrücken dieser Zellen aus dem blinden Grunde bis zur freien Oberfläche der Mucosa annimmt. Im blinden Grunde finden sich also die jüngsten der schleimbereitenden Elemente und hier findet ihre Vermehrung durch Mitosis statt. Was die hellen Zellen angeht, so müssen dieselben natürlich die schleimbereitenden auf ihrer Wanderung begleiten; ihre Vermehrung durch indirecte Theilung kann aber in der ganzen Länge des Drüsen- schlauches stattfinden. In der That sind, wie ich bereits sagte, die hellen Zellen mit einem in Mitosis befindlichen Kern bis nahe an die Drüsenmündung heran zahlreich zu finden. Dies erklärt, wie es kommt, dass sie in dem Epithel der freien Ober- fläche viel zahlreicher sind, als die Schleimzellen. II. CGolondrüsen des Kaninchens. Die Schleimhaut des Colons hat eine kleinhöckerige freie Oberfläche in Folge zahlreicher zitzen- oder kegelförmiger Hervor- 234 Giulio Bizzozero: ragungen, welche dieht neben einander angeordnet stehen, Diese Hervorragungen oder Papillen haben an ihrer Basis im Anfang des Colons eine Breite von 0,6—0,3 mm und im Colon in einer Ent- fernung von etwa 20,,cm vom Coecum eine solche von 0,3—0,4 mm. Man vergesse jedoch”,nicht, dass sie so enge aneinander stehen, dass man, ‘wenn man die innere Oberfläche des Darmes untersucht, nur ihre Spitze sehen kann, da ja die Seitenfläche jeder Papille zum grössten Theil die entsprechenden Seitenflächen der Papillen, welche sie unmittelbar umgeben, berührt. Die Drüsen des Colons sind schlauchförmig. Da sie nun gerade wie diejenigen des Mastdarms palissadenförmig angeordnet sind und direet an der Oberfläche der Schleimhaut endigen, so folgt daraus, dass sie verschiedene Länge haben (Fig. 9); die längsten sind diejenigen, welche an der Spitze der Papillen aus- münden, die kürzesten diejenigen, welche in der Tiefe zwischen den Papillen ausmünden; was diejenigen Drüsen angeht, welche ihr Ende an den Seitenflächen der Papille haben, so sind sie um so länger, je näher ihre Mündung der Spitze der Papille liegt. Sie durchziehen leicht gewunden die ganze Dicke der Schleim- haut und endigen beinahe in unmittelbarer Berührung mit der Muscularis mucosae, von welcher sie nur durch eine äusserst dünne Lage von Bindegewebe getrennt sind. Häufig theilen sie sich in geringer Entfernung von ihrem Ende in zwei Zweige und lassen auf diese Weise zwei Blindsäcke entstehen. — Ferner be- merkt man hier und da zwischen den blinden Enden und der Muscularis mucosae Anhäufungen von Lymphzellen. Das Stroma der Mocosa wird von spärlichem, schwammigem, netzförmigem Bindegewebe gebildet, das von glatten Muskelfaser- zellen durchzogen wird, welche einen mit dem der Drüsen paral- lelen Verlauf innehalten und mit ihrem einen Ende oft unmittelbar unter das Oberflächenepithel reichen. Im Bindegewebe finden sich zahlreiche, zum Theil spindelförmige Zellen, zum Theil (und das sind die zahlreichsten) Zellen mit den Charakteren von Leu- koeyten. Das Oberflächenepithel des Darmes ist dem des Mast- darmes ähnlich. Auch in ihnen findet man nicht selten Zellen mit 2 oder 35Kernen im Ruhezustand, aber Zellen mit Mitosen sieht man niemals. Es ist ebenfalls von zahlreichen Leukocyten durch- setzt und in seinen Zellen (besonders in denjenigen, welche den Ueber die schlauchförmigen Drüsen des Magendarmkanals etc. 235 Scheitel der Papillen überziehen) sieht man nicht selten jene Körn- chen chromatophiler Substanz, welche ich als Kernüberreste von Leukoeyten betrachte. — Im Oberflächenepithel des Colons fehlen auch die becherförmigen Zellen nicht; es ist bemerkenswerth, dass sie nicht gleichmässig vertheilt sind, sondern beträchtliche Ver- schiedenheiten zeigen je nach dem Abschnitt der Papille, auf wel- chem sie stehen. Sie sind wirklich selten am Scheitel und nehmen immer mehr an Zahl zu, je mehr sie auf den Seitenflächen abwärts steigen und zwar derart, dass sie an den tiefsten Stellen zwischen zwei benachbarten Papillen in einigen Abtheilungen des Colons so zahlreich sind, dass sie die Zahl der dazwischenliegenden Proto- plasmazellen erreichen oder selbst übertreffen (Fig. 15). — Die becherförmigen Zellen sind verhältnissmässig seltener im Anfang des Colons als in jener Abtheilung, welche in das Reetum übergeht. Untersuchen wir nun die Structur der Drüsen!). In dieser Beziehung ist vor allen Dingen zu bemerken, dass dieselbe etwas variirt, wie wir sehen werden, je nach der Stelle des Colons, welche wir betrachten. Wir wollen daher annehmen, dass die Untersuchung an einer Schleimhaut, welche dem ersten Theil des Colons, etwa 5em vom Coecum entfernt, entnommen wurde, angestellt werde. Wenn ein Vertikalschnitt dieses in Alkohol gehärteten Darm- abschnitts mit Pikrocarmin gefärbt und in Glycerin untersucht wird, scheint die Struetur der Drüse äusserst einfach zu sein. Der Drüsenschlauch scheint in seinen beiden tieferen Dritteln von einer Schicht sämmtlich einander gleicher Plattenepithelzellen aus- gekleidet zu sein; im oberflächlichen Drittel dagegen treten an Stelle dieser Zellen nach und nach Cylinderzellen, welche denjeni- sen des Oberflächenepithels, in das 'sie an der Drüsenmündung übergehen, gleichen. Wenn man dagegen den in Alkohol gehärte- ten, oder aber noch besser zuvor mit Flemming’scher Lösung fixirten und dann in Alkohol gehärteten Darm mit den gebräuch- lichen Anilinfarben färbt, dann treten gewisse bemerkenswerthe Eigenthümlichkeiten zum Vorschein. Um die Sache genauer zu präcisiren, wollen wir annehmen, dass die Härtung mit Flemming- scher Lösung erreicht worden sei. 1) Die Colondrüsen des Kaninchens sind ein Lieblingssitz von Psorosper- mien, welche selbst bis auf ihren Grund gelangen. 236 Giulio Bizzozero: Vor Allem lässt sich feststellen, dass in dem Drüsenepithel die Mitosen (Fig. 12 und 13) im Allgemeinen ziemlich zahlreich ‚sind. Sie sind verhältnissmässig spärlich im unteren Drittel (dem Grunde des Blindsackes), verhältnissmässig reichlich im innern Drittel (dem Drüsenhalse); hier hat beinahe jede Drüse eine Mi- tose und nicht selten sind solche, welche 2, 3 bis zu 5 enthalten. . Die Methode mit Ehrlich’scher Lösung für Tuberkelbaeillen und Chromsäure, welche ich an anderer Stelle!) beschrieben habe, macht diese Unterschiede sehr schön deutlich. — Auch hier stehen wie anderswo die in Karyokinese befindlichen Kerne dem Lumen der Drüse näher als die in Ruhe befindlichen. | In zweiter Linie ist leicht zu erkennen, dass die Drüsenzellen zwei verschiedenen Arten angehören welche mit einander abwechseln, serade wie in den Mastdarmdrüsen. Das tritt schon in mit Vesu- vin und mit Safranin gefärbten Präparaten hervor, weil die eine Art von Zellen sich mit mässiger Intensivität färbt, die andere aber ungefärbt bleibt; aber es tritt noch deutlicher hervor, wenn man die Schnitte, welche sehr fein sein müssen, mit einer wässrigen Lösung der von Ehrlieh zur Färbung der Leukocyten empfohle- nen Flüssigkeit?) färbt, da bei dieser Behandlung der ganze Kör- per der chromatophilen Zellen sich intensiv roth-violett färbt und im Innern der hellen Zellen (welche ungefärbt bleiben), der Kern hervortritt, welcher in gleicher Weise wie die andern Kerne des Präparates orangeroth gefärbt ist. Die chromatophilen Zellen sind grosse Elemente von unregel- mässig eylindrischer oder pyramidenförmiger Gestalt und stehen mit ihrer Längsachse senkrecht auf der Achse der Drüse. Ihr Körper ist von einem kleinmaschigen aus feinen Bälkchen beste- henden Netzwerk durchzogen und sie besitzen einen stark färb- 1) Bizzozero, Zeitschr. f. wiss. Mikroskopie, Band III, 1886, Seite 24. 2) Hier folgt die Zusammensetzung der Ehrlich’schen Flüssigkeit für Leukocyten (Charit&-Annalen IX, 1884. S. 107): Man mischt 125 ccm einer gesättigten Lösung von Orange G, und einer gesättigten mässig-alkoholischen (20°/, Alkohol) Lösung von Säurefuchsin, fügt 75 cem absoluten Alkohol hinzu und dann unter Umrühren nach und nach 125 ccm einer wässrigen Lösung von Methylgrün. — Ich pfleste 1 Tropfen dieser Flüssigkeit zu 20 Tropfen destillirten Wassers hinzuzusetzen; in dieser Mischung liess ich die Präparate 10—15 Minuten, wusch sie dann 1 Minute lang in absolutem Alkohol aus, klärte sie mit Nelkenöl auf und schloss sie in Damarharz ein. Ueber die schlauchförmigen Drüsen des Magendarmkanals ete. 237 baren Kern, welcher zusammengedrückt und in das Ende der Zelle gedrängt ist, welches auf der Membrana propria der Drüse aufsitzt. Die hellen Zellen sind durch ihre Einreihung zwischen die Zellen der anderen Art verhältnissmässig schmal und lang; nicht selten jedoch ist dasjenige Ende, welches nach dem Lumen hin- zieht, etwas kolbenförmig verdickt, sei es nun, dass sie sich zwi- schen zwei chromatophilen pyramidenförmigen Zellen befindet, sei es, dass sie ein wenig frei in das Lumen vorspringt. Ihr Körper ist sehr durchscheinend und man bemerkt höchstens eine Andeu- tung von Körnchen und kleinen Bälkchen; der Kern ist ziemlich lang, oval, fast stäbehenförmig und steht mit seiner Längsachse senkrecht auf der grössten Achse der Drüse. Er hat ein bläs- chenförmiges Aussehen und deutliche ununterbrochene Umrisse. Die gegenseitigen Beziehungen zwischen den beiden Zell- arten sieht man sehr deutlich, wenn man die Zellen im Profil (Figur 10) oder von vorn (Fig. 11) untersucht, und bleiben un- verändert in den beiden tiefen Dritteln der Drüse. Mit der An- näherung an den Drüsenhals verändern sie sich aber sehr schnell (Fig. 13). Die hellen Zellen werden ziemlich zahlreich, sodass sie die chromatophilen, welchen sie zuerst nicht nur an Volumen, sondern auch an Zahl nachstanden, im Drüsenhalse an Zahl über- treffen und an Durchmesser erreichen. Sie nehmen eine regel- mässige Cylindergestalt an, das Protoplasms wird körnig und zeigt etwas mehr Affinität für die Färbemittel, der Kern verkürzt sich und wird einfach oval. — Eine gewisse Zahl derselben zeigt sich im Process der Karyokinese begriffen. — In geringer Entfernung von der Mündung sieht man ihre freie Ober- fläche, welche regelmässig abgeschnitten erscheint, im Profil von einer Linie begrenzt, welche an Breite zunimmt und zuletzt das Aussehen des gestrichelten Saumes der Oberflächenepithelzellen bekommt, sodass man in diesem Punkte die hellen Zellen nicht mehr von diesen Zellen zu unterscheiden wüsste. Beachtenswerth sind auch die Umwandlungen der chroma- tophilen Zellen. Schon im mittleren Drittel der Drüse schwillt ihr Kern an, wird rundlich und bekommt mehr ein bläschenför- miges Aussehen; er wird nämlich begrenzt von einer ununterbro- chenen deutlichen und regelmässigen Umrisslinie und zeigt einen hellen Inhalt, in welchem 2 oder 3 Kernkörperchen und zahlreiche feine Körnchen zu bemerken sind. — Im oberflächlichen Drittel 238 Giulio Bizzozero: werden die Zellen, gedrängt von den sich vermehrenden hellen Zellen, schmäler und zeigen die Gestalt eines länglichen Cylinders. -Ihr Kern behält noch seine Stelle in dem aufsitzenden Ende bei und nimmt eine ovale, im selben Sinne wie die Zelle längliehe Gestalt an. Was das Protoplasma angeht, so finden wir hier die- selbe Umwandlung wie im Rectum; es theilt sich in zwei Ab- schnitte: den körnigen Abschnitt, welcher sich intensiv färbt, den Kern umgibt und in das mittlere Drittel der Zelle vorrückt; und einen mehr homogenen Abschnitt, welcher sich etwas weniger (aber immer noch intensiv) färbt, das oberflächliche Drittel der Zelle einnimmt und etwas aus ihrem freien Ende hervorragt. Mit an- deren Worten, das Element hat das Aussehen einer becherförmigen Zelle angenommen. — Ein weiterer Schritt noch und die Zelle wird zu einer Becherzelle des Oberflächenepithels. Wenn wir nun die Drüsen des Colons vom Kaninchen, welche eben beschrieben worden sind, und die Drüsen des Reetums mit einander vergleichen, so finden wir gewisse Verschiedenheiten. Wir wollen die minder wichtigen bei Seite lassen und nur die beiden folgenden erwähnen. Vor allen Dingen sind die Colon- drüsen länger und diese ihre grössere Länge bezieht sich haupt- sächlich auf den Theil, welchem wir den Namen eines Drüsenhalses gegeben haben. In der That, während im Reetum das Drüsenepithel sich sehr schnell in das Oberflächenepithel umwandelt, ist in den Colondrüsen der Uebergang ein mehr allmählicher, sodass wir einen bestimmten Abschnitt der Drüse haben, welcher von Zellen ausge- kleidet ist, die durch ihre Form, durch ihren Kern, ihr Infiltrirtsein mit Leucoeyten sehr an diejenigen der freien Oberfläche des Darms erinnern. Wenn auch ferner in den Colondrüsen ebenfalls zwei Arten von Elementen vorhanden sind, die hellen und die chroma- tophilen Zellen, so zeigen die letzteren doch nicht dieselben Re- actionen, wie die der Mastdarmdrüsen. — Wir haben ja gesehen, dass die chromatophile Zelle in den beiden oberflächlichen Drit- teln der Rectumdrüsen einen Klumpen einer Substanz von netz- förmigem Ansehen enthält, welche in Alkohol glänzend ist, mit Essigsäure noch glänzender wird und sich intensiv mit Methylgrün, Vesuvin, Safranin ete. färbt. — Wenn wir aber von einer in Al- kohol gehärteten Schleimhaut des Colons einen Schnitt machen (die Härtung in anderen Flüssigkeiten beeinträchtigt die Feinheit der Reactionen) und sie direet in dieser Flüssigkeit untersuchen, Ueber die schlauchförmigen Drüsen des Magendarmkanals ete. 239 so sehen wir dass der Körper der chromatophilen von einem Netz- werk durchzogen ist, dieses Netzwerk aber sehr feine Bälkchen hat, sodass die in seinen Maschen liegende homogene Substanz verhältnissmässig reichlich ist. Wohl ist es wahr, dass die Zellen mit destillirtem Wasser aufquellen gerade wie die der schleimberei- tenden Rectumdrüsen ; aber in den Colondrüsen ist diese Quellung eine geringere und ausserdem wird beim Zusatz starker Essigsäure ihr Netzwerk, statt glänzender zu werden, in dem Maasse blass, dass es nur bei den stärksten Vergrösserungen zu sehen ist. End- lich sind sie unempfindlich gegen das Methylgrün; denn mit diesem Reagens färben sich, auch wenn man seine Wirkung länger andauern lässt, nur diejenigen etwas, welche nahe an der Drüsen- mündung stehen ; in gleicher Weise verhalten sie sich unempfind- lich, oder wenigstens beinahe unempfindlich, gegen das Vesuvin, das Safranin und das Hämatoxylin }). Trotz dieser Verschiedenheiten trage ich kein Bedenken, die chromatophilen Zellen der Colondrüsen den schleimabsondernden Zellen zuzurechnen. Der Name Schleim umfasst eine Gruppe von Substanzen, deren chemische Natur noch nicht vollständig bestimmt ist und deren Charactere noch nicht festgestellt sind. Ich glaube wir besitzen keine Reaction, auch nicht die mit Essigsäure, welche den schleimigen Substanzen nothwendig und ausschliesslich zu- käme. Hiernach genügt die Thatsache, dass die Zellen der Colon- drüsen mit Essigsäure blass werden, keineswegs um sie für nicht schleimiger Natur zu erklären, weil diese Reaction ja auch anderen Schleimarten?) fehlt. Ebenso ist diese Reaetion sowohl, als auch die Affinität zu den basischen Anilinfarbstoffen, auch bei den Zellen der blinden Enden der Reetumdrüsen wenig ausgesprochen, obgleich diese Zellen durch ihren allmählichen Uebergang in die 1) Ihre Färbung mit Safranin und mit Vesuvin, welche ich früher er- wähnte, erzielt man bei inFlemming’scher Lösung gehärteten Stücken und ist sie weit davon entfernt, so intensiv zu sein, wie diejenige der Rectumdrüsen. — Ich will beiläufig bemerken, dass sich bei der Behandlung der in Alkohol gehärteten Colonschleimhaut mit derEhrlich’schen Universallösung ausser dem Kern nur noch ihr feines protoplasmatisches Netz- werk färbt ; die Substanz, welche in den Maschen desselben liegt, bleibt un- gefärbt. 2) Sie fehlt bei dem des Magens (Heidenhain, Physiologie der Ab- sonderungsvorgänge, Seite 94). 340 Giulio Bizzozero: typischen Schleimzellen des mittleren Drittels der Drüse, ihre Natur als wahre schleimabsondernde Drüsen beweisen. Dazu kommt noch, dass die Zellen der Colondrüsen, gerade wie die echten schleimbereitenden Zellen, einen an die Peripherie sedrängten Kern und ein den ganzen Zellkörper durchziehendes Netzwerk zeigen; dass sie in Wasser aufquellen, und zuletzt, dass sie eine sehr homogene Masse absondern, welche auch in Wasser aufquillt und das Lumen der Drüse schon von dem im blinden Ende stehenden Theil beginnend, ausfällt. Eine weitere Bestätigung hierfür liegt in der Art und Weise des Verhaltens ihrer Elemente gegen Safranin. Schon Panetht) hat angegeben, dass diese Substanz dem Schleim der schleimab- sondernden Zellen des Triton und manchmal auch der Ratte eine roth-gelbe Farbe ertheile. Ich habe diese Reaction im Anfang meiner Untersuchungen über die Drüsen zufällig gefunden und die Bedingungen, welche ihr Auftreten begünstigen, studirt. Es schien mir das wichtig, weil die Reaction, wenn sie gelingt, sehr schön und nützlich ist. Nun habe ich die Bemerkung gemacht, dass die Reaction bei vielen Arten von Schleimzellen nicht gelingt und zwar nicht sowohl, weil die durch das Safranin bedingte Gelb- färbung ausbleibt, als vielmehr, weil dieselbe, obwohl sie hervor- gebracht worden war, in Folge der weiteren Behandlung, welcher das Präparat unterworfen wird, wieder verschwindet. Dies erfolgt schon, wenn man Glycerin zusetzt, um das Präparat darin aufzu- heben, oder wenn man den Schnitt mit Alkohol behandelt, um ihm das Wasser zu entziehen und in Damarharz aufbeben zu können. Mit andern Worten, die durch Safranin bewirkte Gelbfärbung widersteht bei einigen Arten von Schleimzellen (z. B. bei denen des Magens vom Hunde) der nachfolgenden Einwirkung des Alko- hols bezw. des Glycerins, bei andern aber nicht (z. B. bei denen des Diekdarms vom Hunde). — Um diesen Unzuträglichkeiten zu entgehen, habe ich es für nöthig gefunden die Präparate zu unter- suchen während sie sich im Safranin befinden und dann mit dem Auge am Mikroskop die Wirkung dieser Substanz direct zu ver- folgen. Die Schnitte werden auf dem Objectträger in einen Tropfen Alkohol gebracht (da sich auch die feineren Schnitte in Alkohol leichter ausbreiten lassen, da ihr Schleim nicht klebrig 1) Paneth, Arch. f. mikr. Anat. Band 31, Heft 2, Seite 115. Ueber die schlauchförmigen Drüsen des Magendarmkanals ete. 241 ist) und mit einem Deckgläschen bedeckt, welches sehr dünn sein muss, damit es leicht von den Flüssigkeiten, welche das Präparat umspülen sollen, in die Höhe gehoben werden kann; dann ersetzt man den Alkohol durch destillirtes Wasser, welches die schleim- bereitenden Elemente zum Aufquellen bringt, und das Wasser ersetzt man endlich durch die Safraninlösungt). Durch die Ein- wirkung derselben nehmen sämmtliche Kerne des Präparates eine rothe, ins Gelbliche spielende Farbe an, das Protoplasma der Zellen und der Körper der glatten Muskelfaserzellen bekommt eine fuchsinrothe Farbe; die Schleimzellen dagegen zeigen ihren Schleim gelb gefärbt. — Die Präparate sind daher sehr prächtig. Nur schade, dass sie sich in Glycerin, wie ich schon sagte, nicht halten. Eine wässerige Lösung von essigsaurem Kali erhält die Gelbfärbung des Schleim wohl sehr gut, schädigt aber das Präparat in dem Sinne, dass die fuchsinrothe Farbe des Epithels, der Muskeln ete. zu einem abgeblassten schmutzigen Roth wird und daher die Lebhaftigkeit des Farbencontrastes eine Einbusse erleidet. Ganz gutes leistet dagegen eine syrupdicke Lösung von Rohrzucker. Wenn wir nun in der eben beschriebenen Weise einen Schnitt von der Rectumschleimhaut mit Safranin behandeln, dann sehen wir, dass alle schleimbereitenden Zellen bis zu denen in den blinden Enden der Drüsen gelb werden. — Wenn wir dagegen in derselben Weise die Colonschleimhaut behandeln, dann sehen wir nur die becherförmigen Zellen des Öberflächenepithels und des Epithels des Drüsenhalses gelb werden; die chromatophilen Zellen der Drüsen dagegen bleiben roth. Auf den ersten Blick könnte es also scheinen, dass diese letzteren ganz anderer als schleimiger Natur sein müssten. Wenn wir aber das Präparat in eine feuchte Kammer bringen und das Safranin längere Zeit einwirken lassen, so finden wir, dass nach einigen Stunden die Reaction auch in allen chromatophilen Zellen eingetreten ist mit dem einzigen Unterschied, dass ihr Gelb ein wenig blasser ist als dasjenige der Becherzellen des Drüsenhalses. Es ist überflüssig hinzuzufügen, dass auch nach dieser Zeit die Cylinderzellen und die Muskeln ihre fuchsinrothe Farbe behalten haben. Das Gelbwerden der chroma- tophilen Zellen erfolgt stufenweise; zuerst findet es in den Zellen statt, welche den schleimbereitenden Zellen des Drüsenhalses am 1) Hierzu ist eine ganz bestimmte Concentration nicht nothwendig. Ich pflegte 3 Tropfen einer 0,5 %/, Safraninlösung mit 0.5cem Wasser zu mischen. 242 Giulio Bizzozero: nächsten stehen und am meisten gleichen; dann erstreckt es sich nach und nach bis auf diejenigen der blinden Enden. Ich habe keinen Anhaltspunkt zur Erklärung dieser interes- santen Reaction; aber ich habe etwas ausführlicher davon ge- sprochen, weil sie, wie mir scheint, die schleimige Natur der fraglichen Zellen bestätigt und ausserdem beweist, dass dieselben auf ihrem Wege von dem blinden Ende bis zur Mündung der Drüse nicht nur anatomisch verändert werden, sondern auch chemisch modifieirt und so zu sagen gereift werden. Dass übrigens diese doppelte Umwandlung in Wirklichkeit stattfindet, wird noch besser durch die Untersuchung der Colon- schleimhaut bewiesen, welche dem Rectum etwas näher liegenden Stellen, z. B. 20 cm vom Coecum entfernt, entnommen werden. Wenn wir Schnitte von dieser mit Schnitten vergleichen, welche 5cm vom Coecum entfernt entnommen werden (wie die bisher be- sehriebenen waren), so finden wir, dass in ersteren die Schleimhaut dünner ist (und daher kürzere Drüsen hat) und dass ihre papillären Hervorragungen niedriger sind und keine kegelförmige, sondern eine mehr rundliche Gestalt haben. Was die Zusammensetzung der Drüsen angeht, so finden wir, dass die chromatophilen Zellen, wenn man sie in der tieferen Hälfte der Drüsen untersucht, in den beiden Schleimhäuten fast vollständig gleich sind. Wenn man sie dagegen in der oberflächlichen Hälfte untersucht, findet man be- merkenswerthe Unterschiede Während in der S®hleimhaut vom Anfang des Colon die chromatophilen Zellen auf dem Wege zum Drüsenhalse länger und cylindrisch werden, werden sie in der Schleimhaut, welche 20 cm vom Coecum entfernt ist, auf dem Wege nach dem Drüsenhalse kugelförmig (Fig. 14), ihr Kern wird stär- ker gegen die Peripherie gedrängt, färbt sich intensiver und ver- liert das bläschenförmige Aussehen, welches er in den beiden tieferen Dritteln der Drüse hatte; der Inhalt der Zellen quillt stark mit Wasser und färbt sich intensiv mit Vesuvin, wird mit Safranin- lösung sehr schnell gelb und schrumpft und wird glänzender bei der Einwirkung von starker Essigsäure; kurz, die Zellen nehmen die Charaktere der Schleimzellen an, welche sich in den Rectum- drüsen in geringer Entfernung von der Mündung befinden. Wie in diesen, werden dann die Zellen an der Drüsenmündung länger und dünner und wandeln sich in die becherförmigen Zellen des Öberflächenepithels um; und gerade wie in ihnen ist das Lumen Ueber die schlauchförmigen Drüsen des Magendarmkanals ete. 243 des Drüsenhalses von einer beträchtlichen Menge von Schleim eingenommen, welcher in seiner Reaction identisch ist mit dem- jenigen, der in den Zellen enthalten ist und mit dem man ihn auch durch seitliche Fortsätze in direetem Zusammenhang stehen sieht. Wie aus dem bisher Gesagten hervorgeht, bilden die Colon- drüsen aus einer Entfernung von 20 cm vom Coecum ein Ueber- gangsstadium von den Drüsen des Colonanfangs zu denjenigen des Rectums. Ihre tiefere Hälfte gleicht mehr derjenigen der ersteren, die oberflächliche mehr der entsprechenden Hälfte der zweiten; ebenso wechselt der secernirte Schleim, wenn man vom Rectum nach dem Dünndarm geht, allmählich seine chemische Constitution. Wenn wir die an den Colondrüsen gemachten Untersuchungen zusammenfassen und die vielen Punkte der Uebereinstimmung her- vorheben, welche sie mit den Reetumdrüsen haben, dann müssen wir auch für sie die Annahme machen, dass die allmählichen Ver- änderungen der Form und der chemischen Constitution, welche wir in ihren Schleimzellen auf dem Wege vom blinden Drüsenende bis zum ÖOberflächenepithel beobachten, nur so erklärt werden können, dass wir eine Evolution und ein Aufwärtsrücken dieser Zellen vom blinden Ende der Drüse bis zur freien Oberfläche der Schleimhaut annehmen. Im blinden Ende findet hauptsächlich ihre Vermehrung durch Mitosis statt (Fig. 12). — Im Drüsenhalse und in dem Oberflächenepithel ist das Zahlenverhältniss zwischen den hellen Zellen und den schleimbereitenden Zellen ziemlich verschie- den von demjenigen, welches in den beiden tieferen Dritteln der Drüse bestand, denn dort sind die hellen Zellen sehr viel zahl- reicher als die anderen; aber das findet gerade wie im Rectum seine Erklärung in den zahlreichen Mitosen, welche in den hellen Epithelzellen, die den Drüsenhals auskleiden, beobachtet werden. Archiv f, mikrosk. Anatomie. Bd, 33, 16 244 Fig. 4. Giulio Bizzozero: Erklärung der Figuren auf Tafel XV. (Die Zeichnungen wurden nach den mit einem Zeiss’schen Mikroskop gewonnenen Bildern gemacht). Drüse des Mastdarms vom ausgewachsenen Kaninchen. Schleimhaut in Alkohol gehärtet und in Paraffin geschnitten. Die Schnitte wur- den in Vesuvin gefärbt und in Damarharz aufbewahrt. Man sieht die schleimbereitenden Zellen stark gefärbt; die Färbung nimmt in denjenigen des blinden Endes stufenweise ab. Am Drüsenhalse wan- deln sich die schleimabsondernden Zellen um. — 270 d. (Obj. D, Oe. comp. 4.) Aus einer Drüse des Mastdarms vom Kaninchen in geringer Ent- fernung vom blinden Ende. Man sieht drei schleimbereitende Zellen. Eine derselben ist in Mitosis begriffen. Im allen ist das Netzwerk des Protoplasmas sichtbar. — Alkohol, Paraffin, Hämatoxylin. — Obj. 1/15, homog. Immers. von Reichert, Oc. comp. 4. Aus einer Drüse des Mastdarms vom Kaninchen in seiner Mitte. Der Schnitt wurde von einem in Alkohol gehärteten Stück genom- men, in Methylgrün gefärbt und in Glycerin aufbewahrt. Man sieht vier schleimbereitende Zellen mit dazwischen liegenden hellen Zellen. Der Körper der ersteren besteht aus Vacuolen, welche in einer Sub- stanz liegen, die sich stark grün färbt. Die Intensität der Färbung nimmt progressiv zu von den tiefer stehenden nach den höher (nach der Drüsenmündung) stehenden Zellen hin. — Apochr. 2 mm, N. A. 1,30, Occ. comp. 4 von Zeiss. Mündung einer Drüse des Mastdarms vom Kaninchen. — Alkohol, Paraffin, Methylgrün; Aufbewahrung in Glycerin. Man sieht wie an dem Drüsenhalse die hellen Zellen zahlreicher werden und sich in Zellen des Oberflächenepithels umwandeln, und wie die schleim- bereitenden Zellen mit ihrem stark grün gefärbten Kerne sich in becherförmige Zellen umwandeln. — Apochr. 2 mm, Öc. comp. 4. Mündung einer Drüse des Mastdarms vom Kaninchen. Härtung in Flemming’scher Lösung, Paraffın, Färbung mit Safranin, Ein- schluss in Damarharz. Man sieht die stufenweise erfolgende Um- wandlung der schleimabsondernden Drüsenzellen in becherförmige Zellen des Oberflächenepithels. In a ist der abgeplattete Fuss der Zelle von vorn gesehen. — 500 d. (Obj. E; mit der Camera lucida Öberhäuser’s.) Fig. 6. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. 10. 11. Ueber die schlauchförmigen Drüsen des Magendarmkanals etc. 245 Aus einer Drüse des Mastdarms von einem pilocarpinisirten Kanin- chen. Der hier gezeichnete Abschnitt entspricht ziemlich genau der Mitte des Drüsenschlauches. Der Brennpunct des Objectivs war auf eine gegen den Drüsenschlauch selbst tangential verlaufende Ebene eingestellt, sodass man die Grundflächen der Drüsenzellen sieht. — Flemming’sche Lösung, Vesuvin, Damarharz. — a schleimbereitende Zellen, welche beinahe vollständig ihre chroma- tophile Substanz verloren haben; a‘ a‘ schleimbereitende Zellen, welche noch Schleim in Form intensiv mit Vesuvin gefärbter Klumpen haben, welche mit verschwommenen Umrissen zu sehen sind, weil sie sich unter den betreffenden Kernen in einer Ebene befinden, welche tiefer als diejenige der Zeichnung liegt; b helle Zellen. — Apochr. 2 mm, Camera lucida. Zwei Zellen von einer Mastdarmdrüse des pilocarpinisirten Kanin- chens der vorhergehenden Figur; in diesem Falle wurde jedoch die Schleimhaut in Alkohol gehärtet. Vesuvin, Damarharz. — Die Zellen enthalten nur noch wenige Reste des chromatophilen Netz- werks. — Obj. apochr. 2 mm, Oc. comp. 4. Epithelzellen der freien Oberfläche vom Rectum desselben pilocar- pinisirten Kaninchens. — a becherförmige Zelle, welche noch einen kleinen Schleimtropfen enthält; b, c, d becherförmige Zellen, welche sich der Schleimtropfen, die sie enthielten, entledigt haben. Flem- ming’sche Lösung, Safranin, Damarharz; a und b bei ungefähr 450 d.; e und d gezeichnet bei Apochr. 2 mm und Oc. comp. 4. Papillen vom Colon eines ausgewachsenen Kaninchens. Die Schleim- haut wurde in einer Entfernung von 5 cm vom Coecum entnommen. Alkohol, Ehrlich’sche Flüssigkeit, Damarharz. a Drüsen, von denen a’ unten verzweigt ist, b Muscularis mucosae, c Submu- cosa. 50 .d. Von derselben Schleimhaut, gehärtet in Flemming’scher Lösung und mit Ehrlich’scher Flüssigkeit gefärbt. Abschnitt des Drüsen- schlauches in der Nähe des blinden Endes. Das Objectiv wurde so eingestellt, dass man die Drüsenzellen im Profil sieht. Man sieht die schleimbereitenden und die hellen Zellen. In den ersteren wurde das Netzwerk nicht gezeichnet. — Im Drüsenlumen sieht man die Secretmasse. Obj. apochr. 2 mm, Camera lucida. Dasselbe Präparat der vorhergehenden Figur bei derselben Ver- grösserung. Man sieht hier jedoch das blinde Ende der Drüse und das Objectiv ist so eingestellt, dass die Grundflächen der Drüsen- zellen zu sehen sind. . Von derselben Schleimhaut, ebenfalls in Flemming’scher Lösung gehärtet, aber 24 Stunden lang mit Vesuvin gefärbt; dann Alkohol Nelkenöl, Damarharz. Man sieht das blinde Ende einer Drüse mit 246 Fig. 13. Fig. 14. Fig. 15. Gıulio Bizzozero: schleimbereitenden und hellen Zellen. Eine derselben befindet sich in Mitosis. — 500 d. (Obj. E, Camera lucida). Von derselben Schleimhaut, in Flemming’scher Lösung gehärtet und mit Ehrlich’scher Flüssigkeit gefärbt. Ausmündung einer Drüse auf der Seitenfläche einer Papille. a schleimabsondernde Drüsenzellen; bb Stadium ihrer Umwandlung in becherförmige Zellen ce des Oberflächenepithels; dd Leukocyten im Epithel: e helle Zelle in Karyokinesis begriffen. Man sieht, wie sich die hellen Zellen stufenweise in Zellen des Öberflächenepithels umwandeln. 370d. (Obj. D, Camera lucida.) Von der Schleimhaut des Colons vom Kaninchen, von einem dem Rectum benachbarten Abschnitt. Härtung in Alkohol und Aufbe- wahrung in mit Vesuvin gefärbtem Glycerin (bei dieser Behandlung bleibt der Schleim ungefärbt). Es wurde ein Abschnitt des Drüsen- schlauches gezeichnet, welcher demjenigen Abschnitt des Drüsenhalses entspricht, der an das mittlere Drittel der Drüse angrenzt. Man sieht 4 schleimabsondernde Zellen, welche ihren Schleim in das Drüsenlumen ergiessen; zwischen diesen beobachtet man helle Zellen auf dem Wege sich in Zellen des Oberflächenepithels umzuwandeln, Obj. apochr. 2 mm, Camera lucida. Von der vorhergehenden Schleimhaut in Alkohol gehärtet. Die Schnitte wurden mit Pikrocarmin gefärbt und in Glycerin auf- gehoben. Die Zeichnung wurde dem Oberflächenepithel entnommen, welches der tiefsten Stelle der Einbuchtung zwischen 2 benachbarten Papillen entspricht. Man sieht drei schleimabsondernde Zellen mit einem gegen die Peripherie zusammengedrückten Kerne und zwischen denseiben protoplasmatische Epithelzellen. a Leucocyt, welcher in einer Nische der Epithelzellen steht. Object. apochr. 2 mm, Camera lucida. 2 Se Ueber die Atrophie der Fettzellen des Knochenmarks. 24 — Ueber die Atrophie der Fettzeilen des Knochenmarks. Mittheilung von Professor Giulio Bizzozero in Turin. Hierzu Tafel XVI. Professor Rabl-Rückhard beschrieb in einer Mittheilung, welche im August v. J. im Archiv f. mikr. Anatomie (Band 32, Heft 1) veröffentlicht worden ist, und welehe ich durch Zufall erst sehr spät gesehen habe, gewisse Zellen von eigenthümlicher Form, welche er sowohl in dem subeutanen Bindegewebe, als auch be- sonders schön in den Markräumen der verschiedenen Schädelknochen einer Cobitis barbatula zu beobachten Gelegenheit hatte. Die- selben bestehen aus einem Fetttropfen von verschiedener Grösse, welcher von einer einen Kern enthaltenden Protoplasmaschicht umhüllt ist; das Merkwürdige dabei ist, dass von diesem Proto- plasma zahlreiche, manchmal verzweigte Fortsätze ausgehen, welche radienförmig von der Zelle ausstrahlen und sich in der durch- scheinenden und homogenen Masse, von welcher diese umgeben ist, verlieren. — Rabl-Rückhard fasste diese Elemente in richtiger Weise als Fettzellen auf und suchte, durch ihre eigenthümliche Form angezogen, nach ihnen bei anderen Individuen derselben Art. Aber er fand bei diesen statt ihrer Bindegewebszellen, welche zwar mit zahlreichen Fortsätzen versehen waren, aber kein Fett enthielten. Nach seiner Ansicht sollen diese ebenfalls Fett- zellen gewesen sein, deren Fett aber resorbirt worden war, wie das bei Fischen im Zustande der Gefangenschaft sehr schnell ein- zutreten pflegt. Bei anderen Fischen ist es ihm dann auch nicht gelungen, irgend Etwas den oben beschriebenen Gebilden ähnliches zu finden, sodass er es für am Platze hielt, ohne Weiteres seine Beobachtungen zu veröffentlichen und in folgender Weise zu er- klären: „In den gewöhnlichen typischen Fettzellen stellt das Pro- 248 Giulio Bizzozero: toplasma der Bindegewebszelle, aus der erstern hervorgegangen, eine dünne Mantelschicht dar, an der bisher keine Anzeichen da- . für erkannt werden konnten, dass dieselbe der Sitz spontaner, amöboider Bewegungen ist. Die gemästete Fettzelle verharrt ge- wissermaassen in träger Ruhe. Anders bei den beschriebenen Zellen aus dem Innern der Kopfknochen der Schmerle; hier scheinen lebhafte Protoplasmabewegungen in der Hülle der Fettzellen statt- zufinden und deren Ausdruck sind jene feinen „Pseudopodien“, die, von der Oberfläche des Mantels ausstrahlend, durch das ange- wendete Reagens augenblicklich zum Erstarren gebracht wurden.“ Diese Mittheilung Rabl-Rückhard’s gibt mir Gelegenheit, mich einiger meiner Beobachtungen zu erinnern, welcheseinen Befund erklären und für andere Klassen der Wirbelthiere verallgemeinern. Schon in meiner ersten Arbeit über das Knochenmark, welche i. J. 1869 in der Zeitschrift Morgagni veröffentlicht worden ist, habe ich darauf aufmerksam gemacht, dass die Fettzellen des Knochenmarks beim Menschen, wenn ihr Fett in Resorption be- griffen ist, eine Sternform mit mehreren Ausläufern darstellen. Ich habe davon Erwähnung gethan (Il. e. Seite 30 u. 31 des Separat- abdrucks), indem ich die beiden mit Nr. 3 und 7 bezeichneten Beobachtungen anführte, welche einen 5Sjährigen, an allgemeiner Carecinosis gestorbenen Mann und eine 25jährige ungeheuer abge- magerte, an Syphilis gestorbene Frau betrafen. Ich fand das durch- aus natürlich, nachdem durch die Untersuchungen Neumanns und meine eigenen nachgewiesen worden war, dass die Fett- zellen des Knochenmarks im Unterschied von den gewöhnlichen Fettzellen sich aus sternförmigen Bindegewebszellen ent- wickeln, welche mit zahlreichen und zierlichen Fortsätzen ver- sehen sind, von denen ich in der soeben eitirten Arbeit eine Ab- bildung (Fig. 7) gegeben habe. Als ich später in Gemeinschaft mit Dr. Torre die Struetur und die:Funetionen des Knochenmarks der Vögel studirte!), hatten wir auch bei diesen Thieren Gelegenheit, die Resorption des Fettes zu”verfolgen. Um deutlichere Bilder der Gefässwände des Knochen- marks zu erhalten, hatten wir mehrere Thiere einer schnellen Verhungerung unterworfen, wobei sich in dasselbe an Stelle des resorbirten Fettes eine gelatinöse, durchscheinende nnd ungefärbte 1) Bizzozerou. Torre. Moleschott's Untersuchungen Bd. XI, Heft 5/6. Ueber die Atrophie der Fettzellen des Knochenmarks. 949 Masse ergoss, welche die Gefässwände sehr gut erkennen liess. Nun haben wir auch bei den Vögeln gesehen !), dass das Knochen- mark unter dem Einflusse des Verhungerns aus reichlicher hyaliner Gallertsubstanz mit spärlich eingestreuten Leucocyten und völlig oder nahezu ihres Fettes beraubten Fettzellen zusammengesetzt ist. Letztere bestehen aus einem schönen, ovalen, bläschenförmigen, mit Kernkörperchen versehenen Kern, welcher von einer ziemlichen Menge körnigen Protoplasmas umgeben ist. Von der Peripherie der Zelle gehen in der Regel Protoplasmafortsätze aus, welche meist von sehr erheblicher Länge sind und sich allmählich, indem sie sich von der Ursprungsstelle entfernen, verzweigen, dünner werden und oft entweder in Anastomosen mit Fortsätzen benach- barter Zellen oder sich an die Wände des Venennetzes anlegend endigen. In dem Protoplasma findet man manchmal einen Rest von Fett in Gestalt eines glänzenden Tropfens; dies beobachtet man besonders in der Umgebung der grossen Gefässe, sodass man sagen darf, dort erfolge die Resorption am langsamsten. Wir haben unserer Beschreibung eine Figur beigegeben (l. e. Fig. 3) welche einen Schnitt eines solchen Knochenmarks bei mässiger Vergrösserung wiedergibt und die Beziehungen zeigt, welche die sternförmigen Fettzellen unter sich und mit den Gefäss- wänden haben. Die Mittheilung von Prof. Rabl-Rückhard beweist mir nun, dass es trotz dieser Veröffentlichungen von Nutzen sein kann, dass diese Abart der Fettzellen des Knochenmarks besser bekannt gemacht werde. Ich finde dieselben nirgends in den Arbeiten, welche nach der eben eitirten von mir und Dr. Torre veröffent- lichten Arbeit erschienen sind, erwähnt. Desshalb füge ich der gegenwärtigen Mittheilung eine Figur (Fig. 1) bei, welche von einem meiner Präparate aus dem Februar 1830 bei einer Ver- grösserung von 930 d. abgezeichnet worden ist. Das Knochenmark stammte aus der Diaphyse der Tibia eines Huhns, welches ge- tödtet wurde, nachdem es 17 Tage auf sehr karger Kost gehalten worden war, in Folge dessen sein Gewicht von 1068 g auf 562g gesunken war. Das Mark erschien als ein gelatinöser Cylinder von ziemlicher Consistenz und röthlicher Farbe. Es wurde mittelst Müller’scher Flüssigkeit fixirt, in 70—80°/, Alkohol gehärtet, mit 1) 1. c. S. 16 des Separatabdrucks. 250 ’ Giulio Bizzozero: Gummi imprägnirt und dann wieder von Neuem in Alkohol ge- bracht, aus freier Hand geschnitten, mit neutralem Carmin gefärbt . und in Glycerin aufbewahrt?!). Man sieht drei Zellen; aus der einen ist das Fett vollständig verschwunden und der Körper der Zelle erscheint unregelmässig rundlich, mit feinkörnigem Protoplasma und einem bläschenförmigen mit Kernkörperchen versehenen Kern 2). In den andern ist das Fett noch in Gestalt eines kleinen, glänzen- den Tropfens zu sehen. Diese Tropfen waren im frischen Präpa- rat intensiv gelb gefärbt. — Ich erwähne diese Färbung, weil in den entsprechenden, von Fett ausgedehnten Zellen der gut genähr- ten Thiere das Fett so zu sagen farblos ist, sodass also auch hier jene gelbe Färbungsverschiedenheit zwischen dem normalen und dem in Resorption begriffenen Fett besteht, welche wir in dem Fettgewebe deranderen Körpertheile finden. — Um den Fetttropfen ist eine Protoplasmaschicht gelagert, in welcher ein Kern zu sehen ist. Von sämmtlichen Zellen strahlen nun lange, zuweilen varicöse, etwas geschlängelte Protoplasmafortsätze aus, welche, je mehr sie sich von der Zelle entfernen, dünner werden und sich mehrere Male zweitheilen. Die Zellen und ihre Fortsätze sind von einer gelatinösen Masse umgeben, welche bei der Behandlung mit etwas verdünnter Essigsäure sofort ein gestreiftes Aussehen bekommt, wie der echte Schleim. Von diesem unterscheidet sie sich jedoch dadurch, dass sie mit starker Essigsäure wieder durchscheinend und hyalin wird. Diese Löslichkeit in concentrirter Essigsäure tritt bei dieser Substanz sowohl im frischen Zustand als nach der Härtung in Alkohol oder aber zuerst in Pikrinsäure und nachher in Alhohol hervor 3). Die oben beschriebenen Protoplasmafortsätze durchsetzen die ganze Schicht der um die Zellen liegenden gelatinösen Substanz 1) Wenn man zu stark mit Alkohol härtet, schrumpft die schleimige Intercellularsubstanz zu sehr und zieht sich von dem Umriss des Protoplasmas vieler Zellen zurück, sodass diese letzteren von einem leeren Raume umgeben werden, der jedoch von ihren Fortsätzen durchzogen wird. 2) Die Zellen, welche zwei Kerne enthalten sind nicht selten. 3) Hie und da sieht man in meinen in Müller’scher Flüssigkeit gehär- teten Präparaten, dass in der gelatinösen Substanz ein feines Fibrinnetz aus- gefüllt worden ist, dessen Fäden sich mit den Protoplasmafortsätzen der Fett- zellen verflechten. Ueber die Atrophie der Fettzellen des Knochenmarks. 251 und endigen in einer Linie, welche die Grenze bezeichnet zwischen der gelatinösen Substanz, welche einer Zelle angehört und der- jenigen, welche ihrer Nachbarzelle zukommt. Diese Linien bilden nun, indem sie sich mit einander kreuzen, gleichsam ein Netz und in jeder Masche desselben ist eine atrophische mit ihrer gelatinösen Substanz umgebene Fettzelle zu sehen!). Da in dem Fettmark der gut genährten Thiere die Fettzellen dicht aneinander gelagert sind, ist es klar, dass in dem Knochenmark, dessen Fett in Re- sorption begriffen ist, jene Linien der optische Ausdruck von Ebenen sind, welehe eine Zelle von der anderen trennen. Auf den ersten Blick könnte man glauben, dass die Linien den optischen Quer- schnitt einer Zellmembran darstellten. Aber gegen diese Annahme muss ich anführen, dass sich die Linien bei starker Vergrösserung in Reihen feiner Körnchen auflösen, während man, wenn es sich um den optischen Querschnitt einer Membran handelte eine un- unterbrochene Linie, ja sogar, entsprechend dem doppelten Contour der Zellen des Unterhautfettgewebes, eine doppelte Linie erhalten müsste. Ausserdem bewahre ich noch einige Zerzupfungs- präparate vom Knochenmark auf, welche nach mehrtägigem Aufent- halt in Müller’scher Flüssigkeit hergestellt wurden; in denselben sieht man einige vollständig isolirte atrophische Fettzellen, welche von ihrer Schieht von Schleimsubstanz umgeben sind (Fig. 2); nun kann man um diese letztere herum Nichts bemerken, was an das Vorhandensein einer Membran erinnert. Im fetten Knochenmark verhungerter Thiere zeigt das Gewebe (ausser spärlichen Leukocyten) als seinen alleinigen Bestandtheil die oben beschriebenen atrophischen Fettzellen; sie sind es, welche den ganzen, zwischen den Blutgefässen freibleibenden Raum ein- nehmen und mit den Wänden der letzteren in Verbindung treten; es ist kein verbindendes Stroma vorhanden. Dies beobachtet man in seiner ganzen Reinheit in der Diaphyse der Tibia. Im untern Ende derselben sind die Bilder nicht so deutlich, weil hier das Fett nur in unvollständiger Weise resorbirt wird, auch wenn die Inanition länger fortgesetzt wurde. Was das obere Ende angeht, so wird in demselben das Knochenmark, weil es blutbereitend ist, 1) Diese Grenzlinien sind sehr deutlich in den mit Pikrinsäure fixirten Knochenarten zu sehen, doch erscheinen in denselben sowohl die Zellkörper als die Protoplasmafortsätze schlecht erhalten. 252 Giulio Bizzozero: immer reicher an Leukocyten, je mehr wir uns von der Diaphyse entfernen. In gleicher Weise ist auch das Mark des Oberschenkel- -knochens ein blutbereitendes, sodass auch in ihm bei der Inanition die Räume zwischen den Gefässen in hohem Grade von einer grossen Menge von Leukocyten eingenommen werden. Zwischen denselben bemerkt man jedoch immer Fettzellen und die Umwand- lungen, welche diese zeigen, sind identisch mit denen, welche im Fettmark beobachtet werden. Sie erscheinen in der Masse der Leukocyten wie Inselchen einer schleimigen Substanz, welche regelmässig hier und da eingestreut sind und von denen je eins einer einzelnen Fettzelle entspricht. Im Centrum eines jeden Inselchens sieht man den protoplasmatischen Zellkörper, welcher mit einem Kern versehen ist und die gewöhnlichen verzweigten Fortsätze aussendet, die sich bis an die Peripherie des Inselchens erstrecken. Die Fettzellen des Knochenmarks der Säugethiere zeigen unter dem Einfluss der Inanition wesentlich dieselben Verände- rungen wie die der Vögel. Ich habe schon die von mir im Jahre 1869 beim Menschen gemachten Beobachtungen berührt!). Aus dieser Zeit stammen auch einige Experimente, welche ich an Kaninchen anstellte. Am Knochenmark dieser Thiere wird die Stelle des unter dem Einfluss der Inanition geschwundenen Fettes zum Theil von stark ausgedehnten Blutgefässen, zum Theil von der gelatinösen Substanz eingenommen. Ich habe dies in der oben- erwähnten Arbeit angeführt, aber zu kurz und ohne Abbildungen, sodass ich es für angemessen halte, hier eine Figur hinzufügen, welche nach einem der damaligen Präparate gezeichnet worden ist (Figur 3). Es ist ein Querschnitt des Marks vom Femur, welcher in Müller’scher Flüssigkeit fixirt, in Alkohol gehärtet, geschnitten, mit Hämatoxylin gefärbt und in Glycerin aufbewahrt wurde. In diesem letzteren sind im Laufe der Jahre die Kerne der Zellenelemente, welche zuerst durch das Hämatoxylin violett geworden waren, beinahe farblos geworden, während das Zellprotoplasma braun geworden ist. Man bemerkt hie und da mit Blutkörperchen gefüllte Gefässe, welche dem Venennetz angehören. Die zahllosen Leukocyten des Marks sind so angeordnet, dass sie ein Netz mit dieken Balken bilden, und jede Masche dieses Netzes ist von 1) Bizzozero-Morgagni, 1869. Ueber die Atrophie der Fettzellen des Knochenmarks. 253 einem Klumpen gelatinöser Substanz ausgefüllt. Im Mittelpunkt dieses Klumpens steht das mit einem Kerne versehene Protoplasma der Fettzelle, dessen Fett bereits vollständig resorbirt wurde. Die Fettzellen senden von ihrer ganzen Oberfläche mehrere verzweigte Fortsätze aus, welche bis an die Peripherie der Schleimklumpen reichen. Sie verhalten sich fast gerade so wie diejenigen der Vögel, von denen sie sich aber dadurch unterscheiden, dass ihr protoplasmatischer Körper nicht eine zum Runden strebende Gestalt hat, sondern meist abgeplattet, manchmal dreieckig, wink- lich oder polyedrisch ist. Diese grosse Unregelmässigkeit der Gestalt wird noch dadurch vermehrt, dass die Fortsätze mit breiter Basis von den Zellen ausgehen, sodass jeder Abgangsstelle der- selben eine keilförmige Hervorragung des Zellbörpers entspricht. Aus alle dem Gesagten ergibt sich, dass, während die Fett- zelle des Knochenmarkes im Normalzustande aus einem grossen Fetttropfen besteht, welcher von einer dünnen, einen Kern enthal- tenden Protoplasmaschicht eingehüllt ist, sie sich bei der Inanitions- atrophie gründlich verändert: das Fetttröpfehen wird immer kleiner und die Schichte des Protoplasmas folgt ihm bei der Verkleine- rung, indem sie ihm immer eng anliegt, sodass der protoplasma- tische Zellenleib ebenfalls nach und nach an Grösse abnimmt. Das Gesammtvolumen der Zelle vermindert sich jedoch nicht, weil in dem Maasse, als das Fett verschwindet, sich nach Aussen von der Protoplasmaschichte eine schleimige Substanz ansammelt, welche gleichsam eine Corticalschieht des zelligen Elements darstellt. Diese Schleimschicht scheint mir nicht als eine Intercellularsub- stanz betrachtet werden zu sollen, sondern vielmehr als ein Be- standtheil der Zelle; in der That kann man immer eine bestimmte Grenze um die Schleimzone einer jeden Zelle nachweisen und ge- rade bis an diese Grenze heran reichen die Protoplasmafortsätze, welche von dem Zellkörper ausstrahlen!). 1) Vgl. hierzu die Arbeit von Poljakoff, d. Arch. Bd. 32, S. 123 ff. Waldeyer. 254 Fig. Fig. Fig. Giulio Bizzozero: Ueber d. Atrophie d. Fettzellen d. Knochenmarks. 6) Erklärung der Figuren auf Tafel XVI. Von einem Querschnitt durch das Mark der Tibia, welches von einem Huhn in vorgeschrittenem Stadium der Inanition stammt. Einige Tage in Müller’scher Flüssigkeit, dann in Alkohol gehärtet, darauf mit Gummi imprägnirt und geschnitten; Färbung mit neutralem Carmin; Aufbewahrung in Glycerin. Oben sieht man den Querschnitt einer Vene, darunter drei Fettzellen ; aus einer derselben ist das Fett voll- ständig verschwunden ; in den beiden andern ist es im Verschwinden begriffen. — 530 d. Von einem Zupfpräparat desselben Marks der vorhergehenden Figur. Man sieht eine isolirte Fettzelle, welche sämmtlichen Fettes beraubt ist. — 530 d. Querschnitt aus dem Mark eines Kaninchenfemurs in vorgerücktem Stadium acuter Inanition. — Gehärtet wie das Mark der Figur 1, gefärbt mit Hämatoxylin und aufbewahrt in Glycerin. — aa zwei mit rothen Blutkörperchen gefüllte Venen; bb weisse Markzellen; cc Fettzellen, welche ihr Fett verloren haben und von einer Schleim- masse umgeben sind. — 350 d. Ueber die Lymphknötchen des Darmes. 255 Ueber die Lymphknötchen des Darmes. Von Dr. Philipp Stöhr, Professor in Zürich. Hierzu Tafel XVII u. XVII. Vorliegende Abhandlung bildet eine Fortsetzung meiner Mit- tbeilungen über die Lymphknötchen der Mundschleimhaut, die Mandeln und Balgdrüsen (40), und zwar vorzugsweise deren Be- ziehungen zum Epithel, die trotz der Klarheit, mit welcher sie zu Tage liegen, neuerdings Gegenstand irrthümlicher Auffassungen geworden sind. Den Grund dieser Irrthümer aufzudecken, die Forschung wieder auf den rechten Weg zurückzuführen, ist mein Ziel, zu dessen Erreichung ich erneute Untersuchungen über das Verhältniss zwischen Darmepithel und adenoidem Gewebe, sowie über die meines Wissens noch wenig bekannte Entwicklung der Darmlymphknötchen vorgenommen habe. Der Schilderung eigner Untersuchung und der Kritik habe ich einen geschichtlichen Theil über die Beobachtungen von Leu- eoeyten im Cylinderepithel vorangesetzt; wenn es mir, wie ich fürchte, nicht gelungen ist, alles hieher Gehörige zu eitiren, so bitte ich Nachsicht zu üben in Anbetracht der Schwierigkeit, die oft unter fremden Titeln verborgenen Angaben aufzufinden. Geschichtlicher Theil. Während die Beobachtungen von Leucocyten in geschichtetem Plattenepithel in früherer Zeit nur sehr spärlich und zumeist unter pathologischen Verhältnissen gemacht wurden, oder wenigstens als der Ausdruck soleher Geltung hatten, reichen die Kenntnisse über Leucoeyten im Cylinder- speciell im Darm-Epithel viel weiter zurück und haben — das gilt noch bis in die neueste Zeit — die mannigfaltigsten Deutungen erfahren. Die ersten Beobachter!) erklärten die da befindlichen Leuco- 1) Ob die Angaben über Schleimkörperchen von Valentin (16), Vogel (17), Henle (18), Virchow (19), Frey (20) und Kölliker (21) Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd, 33. 17 256 Philipp Stöhr: cyten für Epithelzellen, so E. H. Weber (1), Heidenhain (2), Rindfleisch (3) und Lipsky (4). Auch Lambl (5), Remak (6), Eberth (7), Eimer (8), Langhans (9), Buhl (10) und Kölliker (11) liessen die epitheliale Natur der fraglichen Gebilde unangetastet, ein Fortschritt besteht jedoch insofern, als diese Forscher in ihnen die künftigen Schleimkörperchen (resp. Eiter- körperchen) richtig erkannten. Der erste, welcher sich gegen die Abkunft dieser Körper von Epithelzellen aussprach, war Eberth (12); ihm schien es wahrscheinlicher, dass sie Elemente seien, die von dem Zottenparenchym aus in den Darm wanderten und zu Schleimkörperchen werden. Diese wohlin Rücksicht auf die da- mals neuen Beobachtungen v. Reeklinghausen’s (13) und auf eine Bemerkung von Frey (14) geäusserte Vermuthung fand eine kräftige Unterstützung durch Eimer (15), welcher, nach Farbstoff- injectionen in die Lymphsäcke von Fröschen, gefärbte Zellen im Gewebe der Schleimhaut, in den Becherzellen und im Darmlumen (hier nur als Zellenreste mit Farbstoffkörnchen) fand und darin den Beweis erblickte, „dass ein Theil der in den Bechern liegen- den Zellen zunächst aus den Maschen des Bindegewebes der Mucosa in die Becher und von da ins Darmlumen tritt“. Kurz zuvor schon hatte Arnstein (22) das Hinaufwandern Iymphoider Körperchen zwischen den Epithelzellen, ja sogar das Eindringen in die Epithelzellen, beschrieben und beim Frosch den Durch- wanderungsakt direet beobachtet (pag. 537). Seit dieser Zeit findet sich in der Litteratur eine ganze Reihe von Angaben, welche das Vorkommen von Leucocyten im Cylinderepithel sowie die Durchwanderung desselben erörtern. Dahin gehören die Be- merkungen von Fries (23), Watney (24, 25, 26), Dolkowsky (27), Edinger (28), Machate (29), Frankenhäuser (30), Rauber (31, 33), von mir (32), Bonnet (34, 36), Toldt (35) und Patzelt (57). Von all den genannten Autoren haben nur drei die Leucö- cyten gerade im Epithel der Lymphknötchen des Darmes beschrieben und zwar Lipsky!), Watney und Edinger. Der erstere hat die auf Beobachtungen von Zellen im Epithel beruhen, lässt sich nach den (mir theilweise nur aus Citaten bekannten) Bemerkungen der genannten Autoren nicht entscheiden. 1) Die Angaben Verson’s (37) stützen sich wohl auf Lipsky’s Be- obachtungen, da Verson die Abbildungen des letzteren reprodueirt, Ueber die Lymphknötchen des Darmes. 257 Leucoeyten mit Epithelzellen verwechselt (pag. 187), Watney hat zwar die Leucocyten erkannt, dieselben aber als Theile eines Netzwerkes angesehen, welches mit dem Reticulum des adenoiden Gewebes zusammenhängen soll, eine Auffassung, deren Unhaltbar- keit sich später ergeben wird. Edinger war der einzige, der an der Spiralklappe von Selachiern die massenhafte Durchwan- derung von Leucocyten durch das Epithel gesehen und richtig er- kannt hat. Ich gebe die Stelle hier wörtlich wieder: „Das Binde- gewebe der Mucosa ist reichlich von freien, kleinen Rundzellen (Lymphkörperchen) durchsetzt. An einzelnen Stellen ist ihre An- häufung sehr stark, man wird hier lebhaft an die Peyer’schen Plaques des Säugethierdarmes erinnert, denen diese Zellhaufen wohl auch homolog sind. Aus ihnen dringen massenhaft die kleinen Zellen herauf, durch das Bindegewebe hindurch, weiter zwischen den Leibern der Epithelzellen hindurch, frei in das Darmlumen empor. So räthselhaft die physiologische Bedeutung dieses Vor- ganges ist, anatomisch lässt er sich ganz sicher eonstatiren“ (pag. 676). Auch frei im Darmlumen hat Edinger die Lymph- zellen gesehen. Weitere Mittheilungen über dieses Verhalten, besonders über das Vorkommen bei anderen Thieren hat Edinger nicht gemacht, ich selbst hatte den Passus übersehen und so kam es, dass ich bei meinen ersten Mittheilungen über die Beziehungen der Follikel zur Durchwanderung (38, 39) die Erwähnung Edin- gers unterliess. — Meine Angaben!), denen eine mit Abbildung versehene Arbeit über Mandeln und Balgdrüsen (40) folgte, wurden von Drews (41), Paulsen (42) und Flemming (43) bestätigt und haben auch eine Aufnahme in verschiedene Lehrbücher er- fahren?). Seit dieser Zeit war ich — freilich mit langen Unter- brechungen — bestrebt, durch Nachweis der weiten Verbreitung der massenhaften Durchwanderung eine breite Grundlage zu 1) Es ist mir schon einige Male, so z. B. von Schäfer (49 p. 16) vorgehalten worden, dass die von mir beschriebene Durchwanderung längst bekannt sei; das ist eine Verwechslung; was ich neu erbrachte, ist nicht die Durchwanderung an sich, sondern das massenhafteDurchtreten von LeucoeytendurchdasEpithelder Lymphknötchenkuppen (und dessen Constanz bei allen Wirbelthieren), das vor mir nur Edin ger nur bei den Selachiern beschrieben hatte. 2) Vergl. die Lehrbücher von Toldt (1834), Gegenbaur (1855), Wiedersheim (1886). 258 Philipp Stöhr: schaffen, auf welche gestützt die schwierige Frage nach der Be- deutung des Vorganges in Angriff genommen werden konnte. Ich zeigte, dass nicht nur von den Lympknötchen der Mund-, Darm- und Bronchialschleimhaut ein Strom von Leucocyten durch das Epithel auf die Oberfläche der Schleimhaut sich ergiesse, sondern dass auch in der Conjunctiva palpebrarum (44), in der Nasenschleim- haut (45) und in der Schleimhaut der Blase (46) ähnliche Vor- gänge sich abspielen, dass wir somit wohl berechtigt sind, überall da eine massenhafte Durchwanderung von Leucocyten anzunehmen, wo Lymphknötehen in Schleimhäuten gelegen sind. Unterdessen sind noch verschiedene dieses Capitel berührende Abhandlungen erschienen, die ausschliesslich die Vorgänge in der Darmschleimhaut berücksichtigend die wandernden Leucocyten zu Stützen von Hypothesen über mechanische Aufnahme der Nahrungs- mittel (Wiedersheim (47)) und über Resorption (Zawarykin (48), Schaefer (49) und Hofmeister (61)) benützt haben. Es lag wohl dabei in den jenen Abhandlungen vorgesteckten Zielen, dass dabei die Thatsache, dass so viele Leucocyten in das Darmlumen hinein wandern, immer weniger Berücksichtigung fand!); zuletzt kam es sogar so weit, dass die Wanderung in die Darmhöhle gänzlich in Abrede gestellt wurde (v. Davidoff (50)). Unter diesen Umständen schien es mir nöthig, die Frage noch einmal in Angriff zu nehmen. Eigene Untersuchungen. Betrachtet man feine, mit irgend einem Kernfärbemittel tingirte Vertikalschnitte von Plaques oder Solitarknötehen erwachsener Thiere und Menschen, so zeigt sich selbst bei Anwendung schwacher, 50—100facher, Vergrösserung, dass die epitheliale Decke, welche die Kuppen der Knötchen überzieht, in grösserer oder geringerer Ausdehnung jener Eigenschaften ent behrt, welche für das Epithel der Darmoberfläche charakteristisch sind. Statt der einfachen 1) Schäfer (49) sucht dieDurchwanderung mit der Bemerkung „But this extrusion is much more marked under pathological than under normal con- ditions; and it may well be regarded as incedental merely tho the presence of those cells in the epithelium, the desquamation of its superficial layers being neccessarily accompanied by the liberation of such cells“, auf die Seite zu schieben. Das widerspricht einfach den Thatsachen. Ueber die Lymphknötchen des Darmes. 259 Schieht hoher, mit oblongem Kerne versehener Cylinderzellen findet man dortselbst eine Menge meist runder Kerne, die oft so dicht angehäuft sind, dass es schwer fällt, die Anwesenheit wirk- lichen Darmepithels da festzustellen (Fig. 1). Anwendung stärke- rer Vergrösserung ergibt erst mit vollkommener Sicherheit, dass auch hier das Epithel nicht fehlt, allein die Form seiner Elemente ist keine eylindrische, die Zellen haben vielmehr eine äusserst wechselnde Gestalt, oft sind sie nahezu sternförmig und strecken nach allen Seiten scheinbar mit Nachbarzeilen anastomosirende Ausläufer aus; oft ist nur das basale Ende verästigt, dann ist nicht selten die Membrana propria (Basalmembran) streckenweise un- sichtbar und die Ausläufer der Epithelzellen scheinen direct in das Netzwerk überzugehen, das von den verästelten Zellen der Tuniea propria (bindegewebigen Schleimhaut) gebildet wird. Die von v. Davidoff (50) gegebenen Abbildungen (Fig. 12 und 13) liefern eine naturgetreue Darstellung dieses Verhältnisses. In den Maschen des so von Epithel- und Bindegewebszellen gebildeten Netzwerkes liegen in verschieden grosser Anzahl rundliche Zellen mit ovalen oder runden Kernen. Oft ist ihr Protoplasma nur in Form eines schmalen, diese Kerne eben nur umrahmenden Saumes entwickelt, oft lässt uns auch die Anwendung stärkerer Objek- tive im Zweifel, ob ein soleher Saum vorhanden ist oder nicht. Das ist das Bild das zu so weit auseinandergehenden Deu- tungen Veranlassung gegeben hat und dessen Erklärung am besten durch die Entwieklungsgeschichte gegeben werden kann. Die Erörterung der Genese der Darmlymphknötchen, die bisher noch nicht Gegenstand genauer Beschreibung gewesen ist, möge einer Schilderung der feineren Verhältnisse vorangehen. Entwicklung der Darmlymphknötchen. Das erste Auftreten der Lymphknötchen des Darmes scheint ziemlichen Schwankungen zu unterliegen, es ist wenigstens nicht gerade selten, dass Embryonen schon gut ausgebildete Knötchen besitzen, während neugeborene oder noch ältere Thiere derselben Art gerade nur die ersten Anlagen erkennen lassen. In diesem Verhalten liegt auch die Schwierigkeit, sich fortlaufende Reihen der sich entwickelnden Knötchen zu verschaffen. Das früheste Stadium, das ich sicher als eine Gruppe künf- tiger Knötchen, als eine Peyer’sche Platte erkennen konnte, fand 260 Philipp Stöhr: ich bei einer neugeborenen Katze am untern Ende des Ileum (Fig. 2). Man sah einen an den Seitenwänden wenig scharf begrenzten Haufen von rundlichen Zellen, der sich längs des Grundes der Lieberkühn’- “ schen Drüsen ausdehnte und bis in die obersten Schichten der Sub- mucosa hineinreichte ). Von dieser Anlage aus erstreckten sich Fortsetzungen in Schleimhauterhebungen, die auf den ersten Anblick zwar grosse Aehnlichkeit mit den Zotten verriethen, sich von diesen jedoch durch ihre etwas geringere Grösse, sowie durch die Beschaffen- heit des Epithels deutlich unterschieden. Das Epithel besteht nämlich fast nur aus Cylinderzellen; Becherzellen, die im Epithel der Zotten in grosser Anzahl vorkommen, gehören hier zu den Seltenheiten. Frühere Stadien, als das hier beschriebene, dürften sich kaum mit Sicherheit erkennen lassen; ich vermuthe, dass die ersten Vorgänge sich in der Weise abspielen, dass bei ursprünglich gleicher Länge der Zotten diejenigen, welche zu Knötchenkuppen werden sollen, sich mit Leucocyten füllen, während die andern Zotten ihr Längenwachsthum fortsetzen. Für die Richtigkeit dieser Vermuthung sprieht die verhältnissmässige Länge und die geringe Breite der Knötehenkuppen. Die Differenzen im Epithel, glaube ich, erklären sich durch die Ansprüche, welche von Seiten der sich mehrenden Leueocyten an die Blutgefässe gestellt werden, dadurch wird den Epithelzellen das Material entzogen, das sie in die Lage versetzt, Schleim zu bilden, d. h. Becherzellen zu werden?). Schon in diesem frühen Stadium?) sieht man vereinzelte Leucoeyten zwischen den Epithelzellen der Kuppen sowohl, wie der Zotten (Fig. 2), ihre sich lebhaft färbenden Kerne sind leicht von den hellen Epithelzellenkernen zu unterscheiden. In einem nur wenig weiter vorgeschrittenen Stadium erschei- nen die Knötchen im Blinddarm eines 21/,; Tage alten Kaninchens 1) Eine Muscularis mucosae war hier noch nicht deutlich ausgebildet, doch liess sie sich an andern Stellen als eine zarte, dicht am Grunde der Lieberkühn’schen Drüsen befindliche Lage wahrnehmen. 2) Hofmeister (61a) glaubt mit Edinger (28), dass die Becherzellen hier desshalb fehlen, weil sie als secernirende Organe den der Resorption dienenden Aufgaben der Lymphknötchen hinderlich seien. 3) Patzelt (57 p. 150) hat schon bei 2, 3 cm langen Schweinsembryonen Leucocyten im Dickdarmepithel gefunden. Ueber die Lymphknötchen des Darmes. 261 (Fig. 3); ein Fortschritt in der Entwicklung ist insofern zu be- merken, als die Differenz zwischen Knötchenkuppen und Zotten schon eine bedeutendere ist. Der Zellenhaufen tritt bier nicht in Form einer diffusen Ausbreitung, sondern als rundliche, isolirte ‚Ansammlung auf, welehe mit ihrer Basis bis in die Submucosa hinabreicht. Ueber die Herkunft des Zellenhaufens kann kein Zweifel be- stehen; zahlreiche Mitosen (Fig. 3) lehren, dass der Haufen durch Theilung der in der Tunica propria befindlichen Zellen entstanden ist. Auch im Epithel treffe ich häufig Mitosen; sie liegen fast ausschliesslich in oder nahe dem Grunde der Lieberkühn’schen Drüsen, also an dem Orte, der schon von Patzelt (57) als die Bildungsstätte der Drüsenwände und des Zottenepithels bezeichnet worden ist. Im Epithel der Kuppen und der Zotten habe ich da- gegen in diesem und in den nächstfolgenden Stadien nicht eine einzige Mitose auffinden können. Die Annahme, dass etwa die Zellenhaufen auch zum Theil aus Theilungen der Epithelzellen hervorgehen könnten, ist unhaltbar, denn sämmtliche Theilungen der Epithelzellen folgen in Ebenen, die parallel zur Längsaxe der Epithelzellen stehen. Bei einem 5 Tage alten Kaninchen ist die Entwicklung schon weiter gediehen, das Knötchen hat sich nach unten hin scharf abge- srenzt und wird dort von bogig verlaufenden Bindegewebsbündeln um- geben (Fig. 4), nach aufwärts setzt es sich allmählich in das Gewebe der Kuppe fort, die noch schlank ist und von einem hohen Cylinder- epithel überzogen wird. Zahlreiche Mitosen, die vorzugsweise im run- den Theil des Knötchens gelegen sind, deuten auf die Bildungsstätte der Leucoecyten. Im Epithel finden sich in diesem, wie in dem vorhergehenden Stadium verhältnissmässig wenig Leucocyten; selbst an den Stellen wo sie am dichtesten liegen, ist ihre Anzahl nicht so gross, dass sie die Epithelzellen verdeckte oder schwer erkennbar machte. Starke Vergrösserungen ergeben mit vollkommener Deutlichkeit, dass von genetischen Beziehungen solcher Leucocyten zu den Epi- thelzellen keine Rede sein kann; die Kerne der Epithelzellen sind hell, arm an chromatischer Substanz und zeigen oft da, wo sich Leueocyten vorbeischieben, einen Eindruck: den mechanischen Effect der Durchwanderung, der sich ebenso am Kern, wie an der Zell- substanz äussert (Fig. 5). 262 Philipp Stöhr: Die weitere Ausbildung des Knötchens geschieht durch wei- teres Wachsthum des in der Submucosa gelegenen Abschnittes, den wir „Körper“ nennen wollen. Dieser Körper kann eine be- “ deutende Grösse erreichen, während der in der Tunica propria gelegene Theil, die Kuppe, zwar dicker wird, aber bei Weitem nicht die Grösse des Körpers erlangt. Die Figuren 6—9 illustriren das Wachsthum der Knötchen der Katze; sechs Wochen alte Katzen haben schon Knötchenkörper (Fig. 9), die an Ausdehnung denen erwachsener Thiere nichts nachgeben. Das ungleiche Wachsthum von Kuppe und Körper bringt es mit sich, dass nicht selten die Kuppe nur wie ein kleiner Zapfen!) auf dem mächtigen Körper aufsitzt. Es ist leicht einzusehen, dass Schnitte, welche seitlich von der Kuppe (in der Richtung der Linie ab in Fig. 8) gefallen sind, den Anschein erwecken, als gebe es Knötchen, die nur in der Submucosa gelegen sind. Das kommt niemals vor, stets ist ein in der Tunica propria gelegener Abschnitt vorhanden, der — ausgenommen die unten zu erwähnenden Fälle von Rückbildung der Knötehen — gewöhnlich bis dieht unter das Epithel reicht. All die gegentheiligen Angaben?) beruhen auf unverstandenen Tangentialschnitten. Das Gleiche gilt auch von der sogenannten Zweischichtigkeit, nach welcher die Lymphknötehen des Darmes zuweilen in zwei übereinander gelegenen Schichten vorkommen sollen. Hier handelt es sich um langgezogene Knötchen, die sich oberhalb und unterhalb der Museularis mucosae weiter entwickelt haben und dadurch wie von der Museularis eingeschnürt erscheinen; Randschnitte soleher Einschnürungen geben das Bild zweier über einander gelegener Knötchen °). So lehrt die Entwieklungsgeschichte, dass die Lymphknöt- chen des Darmes in der Tunica propria undin 1) Zuweilen ist die Kuppenspitze junger Katzen eingekerbt, so dass sie zweizackig erscheint; bei erwachsenen Katzen ragen breite epitheliale Röhren in das Parenchym des Knötchens, oft tief hinab bis in den in der Submucosa gelegenen Körper! Diese Einsenkungen sind bedeutend breiter und länger wie Lieberkühn’sche Drüsen und enthalten oft Massen durchgewanderter Leu- cocyten. 2) Vergl. z. B. Frey (51) pag. 259, Anmerkung 2 und Verson (37) pag. 404, sowie die Figuren 98, 100 und 106 von Schenk (60). 3) Schon His (62) betont, dass zwei Follikelreihen über einander nicht vorkommen. Ueber die Lymphknötehen des Darmes. 263 # denangrenzenden Theilender Submucosa dureh mitotische Theilung der dort befindlichen rund- lichen Zellen (Leuceocyten) entstehen und dass ihr weiteres Wachsthum vorzugsweise sich in dem in der Submueosa gelegenen Körper vollzieht. Rückbildung von Lymphknötchen Erwachsener. Die Annahme, dass während des Lebens ein stetes Werden und Vergehen von Lymphknötchen stattfinde, wird wohl nirgends auf Widerspruch stossen. Sie wird wahrscheinlich im Hinblick auf die Zählungen Passow’s (75), welche ganz ausserordentliche Schwankungen in der Zahl der Darmlymphknötchen bei verschie- denen Individuen ergeben haben, ferner in Rücksicht auf die Er- gebnisse Hofmeister’s (6lb), nach welchem bei Hunger eine Verminderung des adenoiden Gewebes des Darmes eintritt, endlich bei Berücksichtigung meiner Untersuchungen über Tonsillen bei Pyopneumothorax (76), nach welchen bei manchen Krankheiten Balgdrüsen und Tonsillen atrophisch werden. Ein directer ana- tomischer Nachweis solcher neuentstehenden oder sich zurück- bildenden Knötchen ist'meines Wissens bis jetzt noch nicht ge- liefert worden. Ich habe nun bei einer seit 3 Tagen hungernden, erwachsenen Katze etwas derartiges gefunden: am Rande Peyer- scher Platten gelegene Lymphknötchen, die nur in der Tunica propria ihren Sitz hatten; das eine derselben nahm noch die ganze Breite der Tunica propria ein (Fig. 10*, das es überziehende Epithel war auffallend reich an Becherzellen; ein andres stellte nur ein kleines am Grunde der Lieberkühn’schen Drüsen gelegenes Zellenhäufchen dar (Fig 11*)!); beiden Bildungen fehlte der sonst in der Submucosa befindliche Körper vollkommen. Ich halte beide für Rückbildungsformen, denn ich habe in ihnen keine Mitosen gefunden; zudem stammen sie ja vom hungernden Thiere. Der Durchwanderungsvorgang. Es erübrigt noch die Aufgabe, die Stadien der Durchwan- derung, sowie die dabei zu Tage tretende Veränderung der Um- gebung einer genaueren Prüfung zu unterziehen. Schon oben 1) Es braucht wohl kaum bemerkt zu werden, dass die Figuren 10 u. 11 aus einer fortlaufenden Serie herrühren. 264 Philipp Stöhr: (pag. 260) habe ich darauf hingewiesen, dass mit den ersten Spuren eines Knötchens auch die ersten durch’s Epithel wandernden Leu- coeyten gefunden werden. Während der ersten Wochen nach der Geburt ist die Durchwanderung nicht so stark, dass sie das Er- kennen des Epithels erschwerte, späterhin aber wird die Zahl der im Epithel befindlichen Leucoeyten eine so ansehnliche, dass von einem einschichtigen Cylinderepithel nur schwer etwas zu sehen ist. Da sind die Epithelzellen in so eingreifender Weise ver- ändert, dass es nicht leicht ist, sie als solche sofort zu diagnostieiren. Erst das Studium der succesiven Veränderungen, denen die Epithel- zellen dabei unterliegen, kann zu einer sicheren Beurtheilung führen. Dieses Studium könnte in zweierlei Weise vorgenommen werden, entweder an Präparaten, welche die steigende Durchwanderung bei vorschreitender Entwicklung des Thieres zeigen, oder durch Musterung des Darmepithels erwachsener Thiere, welches ja be- kanntlich an verschiedenen Stellen den Durchwanderungsvorgang in verschiedenster Intensität beobachten lässt. Ich wähle letztere Methode, weil dadurch die Nachuntersuchung leichter ermöglicht wird. Beginnen wir zuerst mit Stellen, an denen die Zahl der durch- tretenden Leucocyten gering, die hiedurch hervorgerufenen Ver- änderungen verhältnissmässig unbedeutend sind. Solche Stellen finden sich aller Orten im Epithel der Darmoberfläche sowohl, wie in demjenigen der Lieberkühn’schen Krypten. Man erblickt da in den einfachsten Fällen den Leucocyten zwischen zwei Epithelzellen liegend, welche an der dem Leucoeyten zugekehrten Seite einen entsprechenden Eindruck zeigen (Fig. 12). Solche ver- einzelte Leucocyten befinden sich in verschiedenen Höhen, bald zwischen den basalen Enden der Epithelzellen!), bald näher dem Darmlumen, zuweilen dicht an die Oberfläche gerückt, endlich frei 1) Toldt (35) giebt an, dass er diese Gebilde niemals an der Grenze von Epithel- und Bindegewebsschicht, also auf dem Wege aus der einen in die andere Schicht getroffen habe (pag. 65). Dieses negative Resultat rührt wohl daher, dass Toldt die Kuppen von Lymphknötchen, deren Untersuchung seinen Zwecken vollkommen fern lag, nicht gesehen hat; dort sind aus der Tunica propria übertretende Zellen nichts seltenes. Man findet übrigens zu- weilen auch an anderen Stellen Leucocyten, welche diese Grenze passiren; auch v. Davidoff (50) hat in seiner Figur 9 dieses Verhalten abgebildet. Ueber die Lymphknötchen des Darmes. 265 auf der Oberfläche des Darmes und im Lumen der Lieberkühn- schen Krypten (Fig. 13). Nicht selten sah ich an demselben Darme, welchem das dieser Figur zu Grunde liegende Präparat entnommen ist, helle Strassen (*) im Epithel, die den Eindruck machten, als wären sie durch die durchgewanderten Leucocyten hervorgerufene Lücken, die sich noch nicht geschlossen haben. An vielen andern Präparaten habe ich freilich solche Strassen vermisst; es scheint mir indessen doch nicht unwahrscheinlich, dass hier ein normales Verhalten vorliegt und zwar aus dem Grunde, weil derartige Lücken - bei massenhafter Durehwanderung durchaus nicht zu den Selten- heiten gehören. Für Untersuchungen über die Veränderungen des Epithels unter dem Einfluss stärkerer Durchwanderung ist am besten die Epitheldecke der Kuppe der Lymphknötchen im Blinddarm des er- wachsenen Kaninchens geeignet, woselbst alle weiteren Grade der Veränderung studirt werden können. Sobald die Anzahl der an einer Stelle sich durchschiebenden Leueoeyten eine grössere wird, werden die Epithelzellen von mehreren Seiten her eingedrückt und verschmälert, dadurch wird die Gestalt der Epithelzellen eine unregelmässig gezackte, mit mehr oder minder tiefen Einbuchtungen ‚ versehene; diese Einbuchtungen sind bald auf die untere (basale) Hälfte der Zellen beschränkt (Fig. 14), bald erstrecken sie sich auf die ganze Höhe des Zellleibes. ‘ In ersterem Falle kann dadurch der Anschein erweckt werden, als sässen die Epithelzellen mit fein zugespitztem oder verästeltem Basalende auf dem Zottenkörper auf!), in letzterem Falle kann die prismatische Form der von allen Seiten eingedrückten Epithelzelle vollkommen verloren gehen, statt dessen gelangen stark gezackte, eingebuchtete, bis zur unregelmässigen Sterngestalt umgebildete Formen zur Beobachtung. Aber nicht nur Formveränderungen der einzelnen Zellen sind die Folge intensiver Durchwanderung, sondern auch Verschiebungen der Zellen selbst; ein- zelne oder mehrere Zellen werden zur Seite gedrängt und stehen statt rechtwinklig unter mehr oder weniger spitzem Winkel auf der Zottenoberfläche. Nicht selten geht die Grenzhaut zwischen Tunica propria und Epithel auf weite Strecken verloren, die veränderten Epithelzellen stossen unmittelbar an die fixen Elemente des Zotten- stroma’s und scheinen mit diesen in direktem Zusammenhang zustehen. 1) vergl. Davidoff (50), Fig. 12. 266 Philipp Stöhr: Soweit stimmen die hier beschriebenen Zustände auch mit den entsprechenden Verhältnissen anderer Thiere überein. Ich ‚habe Hunde, Katzen, Igel und Meerschweinchen untersucht und nichts von dem oben Beschriebenen wesentlich Abweichendes ge- funden. Was ich nun in Folgendem zu schildern habe, ist nur dem Blinddarm des Kaninchens eigen. Während in den bisher beschriebenen Fällen die Durchwan- ‘ derung der Leucocyten auf ein Sichdurchschieben zwischen den Epithelzellen beschränkt war, beobachtet man hier häufig Bilder, welche ein Eindringen der Leucocyten in die Epithelzellen glaubhaft machen. Man sieht da Zellen, welche in ihrem oberen Theile bauchig erweitert sind und dort eine verschieden grosse Anzahl, zehn und mehr, den Leucoeyten gleichende Gebilde in sich bergen. Das Protoplasma solcher Zellen färbt sich etwas dunkler als das- jenige anderer Zellen und enthält einen oft plattgedrückten Kern, der indessen auch einzelnen Zellen zu fehlen seheint!). (Fig. 15.) Solche Zellen sind mir schon seit langer Zeit bekannt und haben mich veranlasst, die Möglichkeit des Eindringens von Leucocyten in Epithelzellen hinein zuzugeben ?). Ich möchte aber ausdrücklich darauf hinweisen, dass es sich hier um seeundäre Zustände han- delt, indem Leueocyten enthaltende Epithelzellen nur bei höheren Graden der Durchwanderung, nur bei sehr starker Infiltration des Epithels mit Leucocyten gefunden werden. Dass letztere von Aussen eingedrungen sind, ergiebt sich aus guten Isolationspräparaten, in denen die fraglichen Gebilde stets leer gefunden werden (Fig. 16b): die Leucocyten waren wieder herausgefallen. Ich glaube aber nicht, dass es sich um Becherzellen handelt, denn erstens zeigen diese Zellen nie die für Becherzellen so charakteristischen Farbenreactionen, zweitens wäre dann nicht einzusehen, warum nicht auf anderen 1) Diese Zellen sind offenbar dieselben Gebilde, welche schon vor fast 30 Jahren unter dem Namen „Schleim- und Eiterkörperchen enthaltende Zellen“ („Becher“) als Stützen für die Lehre von der endogenen Zellenbildung galten und von Eberth (7) und Eimer (8) im Anschluss an die Auffassungen Buhl’ (10) und Remak’s (6), beschrieben worden sind. Arnstein (22) hat diese Formen für durch eingewanderte Leucocyten bedingte Bildungen erklärt. S. auch Zawarykin (48) pag. 238. 2) 40 pag. 229, Anmerk. 2 und 44 pag. 5. Ueber die Lymphknötechen des Darmes. 267 Stellen der Darminnenfläche, an denen es Becherzellen oft in Massen gibt, solche Formen vorkommen. Zudem habe ich schon oben darauf hingewiesen, dass Becherzellen im Epithel der Knöt- chenkuppen zu den seltensten Erscheinungen gehören. Zur Illu- stration dieses Verhaltens diene die Figur 17. So ist es am wahrscheinlichsten, dass es sich um gewöhnliche Cylinderzellen handelt, deren oberer Abschnitt durch das Ein- dringen mehrerer Leueoeyten in so eigenthümlicher Weise umge- staltet wird; ob eine Vermehrung der eingedrungenen Leucoeyten durch Theilung stattfindet, ist mir sehr zweifelhaft, denn es ist mir trotz aller dahin gerichteten Bemühungen nicht gelungen, hier Theilungserscheinungen irgend welcher Art festzustellen. Im Ge- gentheil, die Kerne dieser hier befindlichen Leucocyten waren oft hell; auffallend ist, wie oft das Protoplasma derselben deutlich zu Tage tritt; die polygonalen Contouren des Zellleibes (Fig. 19*, 20) sind offenbar durch gegenseitigen Druck entstanden. Das weitere Schicksal dieser leucocytenhaltigen Zellen ist leicht zu verfolgen; mit zunehmender Zahl der Leucoeyten wird die Zelle immer mehr ausgebaucht und löst sich von der Tunica propria der Zotte ab, die sehr dünn gewordenen seitlichen Wan- dungen zerreissen und öffnen sich in ebenso gestaltete Nachbar- zellen oder in sonstige durch die Durchwanderungen entstandene Lücken im Epithel. So entstehen auf weite Strecken parallel der Epitheloberfläche buchtige Höhlen, welche die dem Darmlumen zugekehrten Abschnitte der Cylinderzellen, an denen nur selten ein Basalsaum wahrnehmbar ist, von den kernhaltigen Theilen der Cylinderzellen vollkommen trennen. Zwischen letzteren sieht man die an ihrer dunkleren Färbung noch kenntlichen Reste der ehe- dem leueocytenhaltigen Cylinderzellen, die ihren Kern verloren haben und in allen Stadien der Rückbildung zu beobachten sind (Fig. 18). So geht demnach eine ganze Anzahl von Epithelzellen unter dem Einfluss des Durchwanderungsaktes vollkommen verlo- ren. Aber auch die übrigen Epithelzellen werden geschädigt und verlieren wenigstens Stücke ihres Zellleibes. Die ganzen dem Darmlumen zugekehrten Abschnitte, die ihre Verbindung mit den kernhaltigen Theilen der Cylinderzellen verloren haben, werden nämlich abgestossen und zwar geschieht das in der Weise, dass diese zuletzt nur auf einen feinen Saum reducirten Theile (Fig. 19) in kleinen Stücken sich lösen und in das Darmlumen gelangen; 268 Philipp Stöhr: damit ist den bisher eingeschlossenen Leucocyten der Weg in die Darmhöhle eröffnet (Fig. 20). Ehe noch diese Eröffnung stattfindet, fangen die kernhaltigen Abschnitte der Cylinderzellen an in die Länge zu wachsen und erreichen allmählich eine Höhe, die hinter der- jenigen anderer, nicht von der Durehwanderung betroffener Cylin- derzellen kaum zurückbleibt (Fig. 21). Dieses Längenwachsthum ist in dem Augenblick ermöglicht, in welchem der Druck, den die eingedrungenen Leucocyten auf ihre Umgebung ausüben, nachlässt, und dieser Moment tritt ein, sobald der Saum (Fig. 18s) durch Reissen der letzten Verbindungsbrücken (v) auf grössere Strecken von den kernhaltigen Abschnitten der Cylinderzellen gelöst und in das Darmlumen gedrängt wird. Der Unterschied zwischen solchen hohen Cylinderzellen und dem typischen Cylinderepithel der Darminnenfläche ist nur mehr ein sehr geringer; der Ausgleich ‘derselben ist nur ein kleiner Schritt, der geschieht, sobald Saum und Leucoeyten in die Darmhöhle übergetreten sind. So erklärt es sich, warum wir an der Kuppe eines Lymphknötchens Partieen stark veränderter Epithelzellen neben Strecken vollkommen unversehrten Epithels finden. Letztere sind keineswegs vom Durchwanderungsstrom ver- schonte Gebiete, sondern stellen gewissermaassen das letzte Stadium des Durchwanderungsprocesses dar. Lange scheint übrigens diese Reinheit des Epithels nicht zu währen, denn häufig findet man an den Basen der Cylinderzellen aufs Neue eingedrungene Leucoeyten; ja es kann sogar geschehen, dass von unten her neue Leucocyten hereinwandern, ehe Saum und die diesem zunächst liegenden Haufen von Leucocyten in die Darmhöhle getreten sind (Fig. 19). Meine Bemühungen, an den anderen Thieren ähnliche Ver- hältnisse zu constatiren, sind von keinem rechten Erfolge gekrönt worden, nur bei Katzen habe ich Spuren ähnlicher Zellen (Fig. 22*) gefunden, dieselben waren aber spärlich vorhanden. Der ganze Modus der Durchwanderung scheint somit bei Hund, Katze, Igel und Meerschweinchen ein einfacherer zu sein, Ablösung von Epithelstücken zu fehlen. Dagegen sieht man nicht selten, dass die ganze Epitheldecke von den Kuppen der Knötchen sich ab- gelöst hat und dass in dem Raum, der zwischen der Unterfläche der Decke und der Oberfläche der Knötchen sich befindet, ein ganzer Haufen Leucocyten liegt. Heidenhain (68) hat etwas Aehnliches (Fig. XI) abgebildet und ist der Meinung, dass hier Ueber die Lymphknötchen des Darmes. 269 künstliche Absprengungen, hervorgerufen durch die unter dem Einfluss erhärtender Flüssigkeiten entstehende Contraktion der Zottenmuskeln, vorliegen. Ich schliesse mich dieser Ansicht an, möchte aber nur hervorheben, dass auffallender Weise gerade das Epithel der Knötchenkuppen es ist, welches derartige Ab- sprengungen aufweist, während ganze Reihen von Nachbarzotten völlig unversehrt sind. Sollte sich das an Muskeln meist arme Parenchym der Knötchen stärker zusammenziehen, als das der Zotten oder deutet die hier stattgehabte Absprengung nicht viel- mehr auf eine durch die starke Durchwanderung bedingte Lockerung des Verbandes zwischen Epithel und Tunica propria? Kritik. Um den Zusammenhang meiner Schilderung nicht zu stören, habe ich bis jetzt auf Autoren, deren Deutungen mit den meinigen nicht in Einklang stehen, keine Rücksicht genommen. Ich hole das Versäumte jetzt nach, indem ich gleichzeitig auf benachbarte, mit meinen Ausführungen nicht in direktestem Zusammenhange stehende Fragen übergreife. Zu diesen letzteren gehört der viel- fach ventilirte Satz, dass die Epithelzellen des Darmes mit den Bindegewebszellen der Zotte durch lange Ausläufer in Verbindung stehen sollen. Heidenhain (2) ist der Erste gewesen, welcher diese Vorstellung in die Wissenschaft eingeführt hat, eine ganze Reihe von Forschern, wie Wiegandt (58), Eimer (59, 64), v. Thanhoffer (65), Gruenhagen (67), v. Davidoff (50a), u.a. sind dieser Meinung beigetreten; den deutlichsten bildlichen Aus- druck hat aber diese Hypothese in der schematischen Zeichnung gefunden, welche Landois (66) in der Figur 68 seines Lehr- buches giebt. Vergeblich ist von den verschiedensten Seiten dagegen Einspruch erhoben worden, die physiologische Brauch- barkeit hielt trotz der mangelhaften anatomischen Nachweise die Hypothese über Wasser und All’ denen, die sich von dem Dasein dieser hypothetischen Verbindungen nicht zu überzeugen ver- mochten, wurde entgegengehalten, dass die Fortsätze der Epithel- zellen eben nicht leicht zu beobachten seien. Nun hat aber diese Lehre in der jüngsten Zeit einen empfindlichen Stoss erlitten und zwar durch ihren Schöpfer selbst. Heidenhain (63) hat sich überzeugt, dass er seine „frühere Vorstellung fallen lassen müsse 270 Philipp Stöhr: und dass die Epithelzellen überall an der Oberfläche des Zotten- körpers enden, ohne durch Fortsätze mit irgend welchen in der .Tiefe befindlichen Elementen in dauerndem Zusammenhange zu stehen.“ Es bedarf wohl jetzt nur mehr der Erklärung der Bilder, welche der so oft wiederholten Behauptung zu Grunde gelegen haben. Die Bilder sind nun sehr vielgestaltig; ein Theil derselben ist schon von Heidenhain beschrieben worden. „Wenn beim Ausschneiden des Darmes oder beim Einlegen in die conserviren- den Flüssigkeiten die Zottenmuskeln sich contrahiren, löst sich oft der Zottenkörper vom Epithel und aus den hinteren Enden der Epithelzellen ziehen sich dann leicht Fäden einer gerinnbaren Substanz heraus, die aber nicht natürliche Ausläufer, sondern Kunstprodukte sind.“ Zu dieser Sorte scheint ein Theil der Gruenhagen’schen (67) Figuren (z. B. Figur 7) zu gehören, nur muss hier bemerkt werden, dass es hier überhaupt schwerfällt, aus solchen Bildern einen Zusammenhang zwischen Epithelzellen und Zottenstroma herauszulesen, denn abgesehen von der vierten Epithelzelle links unten steht kein einziger der „Fortsätze‘‘ mit den Epithelzellen in wirklichem Zusammenhang; noch weniger gilt das von Figur 8: kein Unbefangener wird in den anhängen- den Fäden Fortsätze des Epithels erblicken können. Eine weitere Täuschung wird durch Untersuchung von Zotten jugendlicher Thiere verursacht. Darauf hat schon Patzelt (57) aufmerksam gemacht. Nach seinen Untersuchungen, die neuer- dings durch Bizzozero (69) bestätigt worden sind!), stammt der epitheliale Ueberzug der Zotten von „Brutzellen“, welche im Grunde der jungen Lieberkühn’schen Drüsen gelegen sind. Die dort gebildeten, jungen Zellen schieben die älteren Zellen in die Höhe. „Dieser Vorgang erklärt auch die merkwürdigen fadenförmigen Ausläufer der Zellen, welche Eimer in’s Innere der Zotten ver- folgen zu können glaubte: Sie sind de facto nur die in Folge 1) Heidenhain, dessen Abhandlung (65) vor derjenigen Bizzozero’s erschienen ist, erwähnt gleichfalls das Vorkommen zahlreicher Mitosen in den Lieberkühn’schen Drüsen. Ganz richtig stellt er die Beziehung dieser Erscheinung zu den Absonderungsvorgängen in Abrede und hält es nicht für unmöglich, dass die auf der Höhe der Schleimhautfalten (Zotten) zahlreich zu Grunde gehenden Zellen durch Nachrücken von Zellen aus der Tiefe der Lieberkühn’schen Drüsen ersetzt werden. Ueber die Lymphknötchen des Darmes. 271 des Hinaufschiebens langausgezogenen Stiele der Zellen. An Schnitten, welche nicht durch die Längsaxe der Zotte, sondern dieser pa- rallel, nahe der seitlichen Epithelgrenze fallen, hat es vollständig den Anschein, als ob diese fadenförmigen Stiele ins Innere der Zotte verliefen‘‘!). Ich kann mich diesen Ausführungen Patzelt’s nur an- schliessen. Solche Verhältnisse scheinen z. Th. Eimer (59) und v. Thanhoffer (65) vorgelegen zu haben. Das „gelungene“ Präparat, welches v. Thanhoffer’s Figur 6 zu Grunde liegt, ist eine des Epithels theilweise beraubte Zotte, deren sternförmig verästelte Bindegewebszellen deutlich sichtbar sind; weiteres, am wenigsten aber einen Zusammenhang dieser mit Epithelzellen, vermag ich nicht herauszulesen. Eine andere Quelle der Täuschung wird wieder durch Hei- denhain angegeben: „Mitunter kommt es auch vor, dass Zellen des bindegewebigen Netzes des Zottenkörpers mit Ausläufern sich an die Zottenoberfläche, entsprechend der Basis einer Epithelzelle anlegen, sodass ein continuirlicher Zusammenhang zu bestehen scheint.“ In diese Kategorie gehört eine ganze Reihe der Abbil- dungen v. Davidoff's (Fig. 8, 9, 11, 17). Dass hier keine Grenz- linie zwischen dem Protoplasma der Epithelzelle und jenem der Bindegewebszelle sichtbar ist, kann doch kaum schwer in die Wagschale fallen; wie oft ist es unmöglich, die seitlichen Grenzen neben einander liegender Epithelzellen wahrzunehmen ; daraus nimmt doch kein Mensch die Veranlassung, ein Verschmelzen be- nachbarter Epithelzellen zu behaupten. Endlich können Trugbilder durch die Durchwanderung ver- 1) Dass die basalen Enden der Darmepithelien oft der Fläche nach umgebogen sind, ist übrigens schon seit längerer Zeit bekannt. Neuerdings hat v. Davidoff (50) versucht, aus diesem Verhalten eine Zusammensetzung der Basalmembran aus den basalen Ausläufern der Epithelzellen abzuleiten. Ich kann mich dieser Meinung nicht anschliessen. Die Basalmembran steht — das gibt v. D. selbst zu (pag. 505) — durch feine Fäden mit dem adenoiden Gewebe in continuirlichem Zusammenhange. Sie isteben, und in dieser Beziehung theile ich vollkommen die Anschauung Heidenhain’s, auf dessen weitere Ausrührungen (68 pag. 35) ich hiemit verweise, die oberflächlichste Schicht des Zottengewebes. Die dieser Schicht aufliegenden basalen Ausläufer der Epithelzellen der Basalmembran zuzurechnen, dazu liegt doch nicht die geringste Nöthigung vor; dass sie parallel der Basalmembran ziehen, ist gewiss kein Grund. Archiv f, mikrosk, Anatomie. Bd, 33, 18 272 Philipp Stöhr: ursacht werden. Ich habe oben (pag. 265) auseinandergesetzt, welche Formveränderungen der Epithelzellen unter dem Einfluss starker - Durchwanderung eintreten !), wie die Grenzmembran zwischen Epithel und Tunica propria auf weite Strecken verloren geht und die Ele- mente beider in unmittelbarem Zusammenhang zu stehen scheinen (vergl. v. Davidoff's Fig. .12 u. 13). Solche’Bilder haben v. Da- vidoffzur Aufstellung einer „intermediären Zone“ veranlasst. „Die intermediäre Zone erscheint als ein weitmaschiges Netzwerk pro- toplasmatischer Fäden, das von Ausläufern der Epithelzellen ge- bildet wird. Breite, lappenförmige und feine pseudopodienartige Fortsätze des Protoplasmaleibes der Epithelzellen streben hier ein- ander entgegen, verbinden sich und setzen sich dann weiterhin ge- gen den Lymphknoten in das Reticulum derselben continuirlich fort.“ Ich glaube, nachdem ich oben durch Wort und Bild aus- einandergesetzt habe, wie die Epithelzellen zu solcher Gestaltung kommen, nichts Thatsächliches mehr zum Nachweis der Irrigkeit der Deutung v. Davidoft’s bringen zu müssen. Auch diese Stütze der Lehre von dem ununterbrochenen Zu- sammenhang zwischen Epithel und Bindegewebe ist unbrauchbar und fällt, sobald wir die „Thatsache“ einer unbefangenen, nach andern Orts wohleonstatirten Vorgängen gefassten Beurtheilung unterziehen. Ich kann nicht umhin, meine Bedenken gegen die Leichtigkeit auszusprechen, mit welcher Grundsteine der heutigen Geweblehre, wie hier der Lehrsatz von der Speecifieität der Ge- webe, bei Seite geschoben werden. Ich denke, bis man sich ent- schliesst, etwas über Bord zu werfen, das von unsern Vorgängern mühsam festgestellt und durch zahlreiche Nachuntersuchungen dergestalt gekräftigt worden ist, dass es bis zur Höhe eines Lehr- satzes erhoben wurde, bis dahin muss eine Fülle schwerwiegender Thatsachen ins Feld geführt werden, nicht Einzelbeobachtungen, die dazu noch andern, nicht gegen die herrschenden Grundlehren verstossenden Deutungen zugänglich sind. Hier ist der Platz zur Erklärung der Angaben Watney’s (26). Dieser hatte das mit Leucocyten durchsetzte veränderte Epithel der Lymphknötchenkuppen (und auch anderer Stellen) wohl gesehen und abgebildet, die Deutung seiner Befunde weicht aber wesent- lich von der meinigen ab. Indem W. das Reticulum der Lymph- 1) Vergl. auch Schäfer (49) pag. 7. Ueber die Lymphknötchen des Darmes. 273 knötehen und die zackigen Basalenden der Epithelzellen nicht zu unterscheiden wusste, glaubte er ein Netzwerk vor sich zu haben, das überall zwischen die Epithelzellen eindringen und bei der Resorption eine grosse Rolle spielen sollte. Nachdem einmal der erste Irrthum begangen war, galt jeder zwischen den Epithelzellen liegende Leueoecyt (und vielleicht ein Streifen Intercellularsubstanz) als Ausdruck jenes leucocytenhaltigen Netzwerkes. In diesem Sinne lauten auch die Angaben von Klein, unter dessen Leitung die Arbeit Watney’s entstanden war. Im Texte seines grossen Atlas (70) sagt Klein, dass das adenoide Gewebe der Oberfläche der Follikel in das Epithel selbst eindringe. Ich glaube kaum bemerken zu müssen, dass ich mit dieser Darstellung nichts weni- ger als einverstanden bin. Nach meinen Befunden sind es nur die Leucoeyten, welche das adenoide Gewebe verlassen und durch das Epithel in die Darmhöhle wandern, nach Watney und Klein ist es das Gewebe selbst, Leucocyten und Netzwerk, welches in das Epithel nur eindringt. j Ich habe oben (pag. 264) angegeben, dass die durchwandern- den Leucocyten zwischen den Epithelzellen liegen und komme dadurch abermals in Widerspruch mit v. Davidoff, der „solche leueocytenähnliche Körper nicht zwischen den Epithelzellen, son- dern in denselben“ gefunden hat. Ich könnte nun zur Schlichtung dieses Streites eine ganze Reihe von Forschern, wie Eberth (12), Watney (26), Edinger (28), Machate (29), Frankenhäuser (30), Toldt (35), Bonnet (36), Lortet (52), Arnold (53), Colles (54), List (55, 56) u. a. zu Hülfe rufen, welche alle die Leueocyten zwischen, nicht in den Epithelzellen gesehen haben. Gegentheilige Angaben wie diejenigen von Eberth (7), Remak (6), Eimer (8u.15), Arnstein(22)und Frey (51) könnten desswegen nicht zur Stütze v. Davidoff’s verwendet werden, weil der grösste Theil derselben sich auf die oben (pag. 266) beschriebenen Becher bezieht, die v. D., der ja nieht das Kaninchen untersucht hatte, unbekannt geblieben waren. Aber es bedarf für mich nicht ein- mal dieser Hülfstruppen. Wenn ich v. D. entgegenhalten würde, dass seine in den Epithelzellen befindlichen Körper nichts anderes sind, als den Epithelzellen aufliegende, in Nischen der Epithel- zellen eingelagerte Leucocyten, die von der Fläche gesehen den Eindruck machen, als lägen sie in den Epithelzellen, so wfirde v. D. an den Präparaten, die er abbildet, schwerlich den Beweis 274 Philipp Stöhr: liefern können, dass dem nicht so ist. Ob es ihm gelingen würde, gut isolirte Epithelzellen mit solchen Inhaltskörpern zu demonstri- ren, ist mir nach den Misserfolgen, die ich in dieser Richtung zu verzeichnen habe, sehr zweifelhaft. Ich kann also das Liegen der Leucoeyten in Epithelzellen — die oben erwähnten besonderen Fälle ausgenommen — nicht gelten lassen. Aber v. Davidoff spricht ja eigentlich nicht von Leucocyten, sondern nur von leuco- eytenähnlichen Körpern, die eigentlich Kerne („Secundärkerne“ v. D.) sind. In der That, an vielen Präparaten ist es unmöglich, nachzuweisen, dass die Körper, die ich so ohne Weiteres Leuco- cyten genannt habe, ausser dem Kern auch Protoplasma besitzen. Nun weiss man aber doch seit langer Zeit, und das ist gewiss v. D. auch bekannt, dass der Zellleib der Leucocyten oft sehr klein und in vielen Fällen trotz seines Daseins unsichtbar ist. Schon Remak (77) gibt an, dass man, um das Protoplasma der Lymphzellen zu sehen, Zuckerlösung zusetzen müsse. So ist es denn auch hier, auch diese ‚‚Kerne“ haben einen Protoplasmamantel, zum Nachweis desselben bedürfen wir eben nur anderer Methoden. Mit Hülfe der von Ranvier angegebenen Goldchlorid-Ameisensäure- mischung gelingt es, den Zellenleib der Leucocyten zu schwärzen und zu zeigen, dass alle „Sekundärkerne* wirklich das sind, was ich sie genannt habe: Leucocyten (Fig. 23). So glaube ich die Befunde in einer befriedigerenden Weise er- klärt zu haben, als v. Davidoff. Die Herkunft dieser Körper, die er nicht als Leucocyten gelten lassen will!), ist ihm nämlich dunkel. Auf dem Wege mitotischer Theilung der „Primärkerne“ (so nennt v. D. die ächten Kerne der Epithelzellen) sind die Se- kundärkerne nicht entstanden, auch die Annahme, dass sie durch direkte Kerntheilung von den Primärkernen herzuleiten seien, scheint v. D. nicht hinreichend beweisbar zu sein. So bleibt denn nichts übrig, als — wenn wir von Kernknospung absehen, für welche gleichfalls keine Beweise vorliegen — freie Kernbildung anzunehmen. v. D. geht nun nicht so weit, für seine Sekundär- . kerne diesen Entstehungsmodus direct in Anspruch zu nehmen, dass er ihn aber nicht für unmöglich hält, geht schon aus der Stellung hervor, welche der genannte Forscher zur Frage der «1) Die Unterschiede an Grösse und Aussehen sind bei den Leucocyten bekanntlich sehr bedeutend; dieser Faktor kann demnach nicht gegen die Leucocytennatur der fraglichen Körper sprechen. Ueber die Lymphknötchen des Darmes. 275 freien Kernbildung einnimmt (63). Mit dem Augenblick, in wel- chem sich diese Darstellung v. Davidoff’s als unanfechtbar er- wiesen hätte, würde für die von einer Position in die andere ge- triebene Lehre von der freien Kernbildung im Darmepithel ein neuer Unterschlupf geschaffen gewesen sein. Ich hoffe den Leser überzeugt zu haben, dass zu einer solehen Annahme keine Nöthigung vorliegt. Wie hinsichtlich der Genese, so stehen auch hinsichtlich der weiteren Schicksale dieser Leucocyten v. Davidoff’s und meine Anschauungen in direetem Gegensatze. Nach v. D. gelangen die Secundärkerne in die basalen Fortsätze der Epithelzellen, schnüren sich hier von denselben ab und werden so zu Leucocyten. Diese abermals mit der Lehre von der Speeifieität der Gewebe!) in di- rectem Widerspruch stehende Auffassung sucht v. D. durch Hin- weis auf die Entwicklungsgeschichte zu stützen, mit Unrecht, wie ich glaube, denn Wanderzellen sind nicht immer Leucocyten ; überhaupt scheint es mir doch bedenklich, die Vorgänge am sich entwickelnden Organismus so ohne Weiteres auf den fertigen Körper zu übertragen?2). Aber nach einer anderen Seite hin ver- eint diese Deutung v. D.'s zwei bis dahin in gewissem Gegensatze zu einander stehende Hypothesen, welche bald die Epithelzellen, bald die Leucocyten als die bei der Fettresorption allein thätigen Gebilde hinstellten, in geschickter Weise. Indem der fetthaltige Leucoeyt ein Abkömmling der Epithelzellen ist, wird beiden Hy- pothesen die Berechtigung zuerkannt. Die neuen Untersuchungen Heidenhain’s (68) haben nun den Antheil der Leucocyten an der Fettresorption stark reducirt, aber auch abgesehen davon, kann ich der Deutung v. D.’s keine Geltung zugestehen, denn die „Fortsätze der Epithelzellen* sind ja keine epithelialen Gebilde und die „Secundärkerne“, die wirk- liche Leucocyten sind, wandern in anderer Richtung, gegen die Darmhöhle. Das ist es aber gerade, was v. D. in Abrede stellt. Nie sah er sie im cuticularen Saume liegen, wie auch zwischen den Epithelzellen in der Nähe ihrer freien Enden. Zu den gleichen Resultaten ist auch Paneth (72) gelangt. Ebensowenig ist es v. D. gelungen, einen „Secundärkern“ im ‚Darmlumen zu erblicken. Was die erstere Angabe betrifft, so ist sie wohl nur das Resultat eines 1) Vergl. in dieser Beziehung Toldt (71) pag. 37. 2) Das möchte ich auch Schäfer (49) gegenüber bemerken, der gleich- falls aus Epithelzellen Leucocyten entstehen lässt. 276 Philipp Stöhr: unglücklichen Zufalles, denn ich habe auch an diesen Orten Leucoeyten gefunden, ebenso wie Heidenhain (68), der vermuthet, dass das ‚hier verhältnissmässig seltene Vorkommen seinen Grund in der Leichtigkeit hat, mit welcher die Leucocyten, einmal so weit gelangt, ganz in’s Freie zu schlüpfen im Stande sind. Hinsicht- lich des Fehlens im Darmlumen bin ich ebenfalls zu andern Re- sultaten gelangt. Das ist aber gar nichts Neues, sondern eine längst bekannte, vielmals bestätigte Thatsache ; schon Lehmann (73) gibt pag. 362 an, dass ‚„Schleimkörperchen“ auch in den festen Exerementen vorkommen. Wo sollen diese Gebilde her- kommen? Für veränderte, „abortive“ Epithelzellen wird sie doch heutzutage Niemand mehr halten und noch weniger wird man sie für aus den Tonsillen stammende Gebilde anzusehen geneigt sein, welche den Weg durch den ganzen Darmkanal unversehrt zurück- gelegt haben. Wenn v. Davidoff keine „Secundärkerne‘‘ im Darmlumen gefunden hat, so liegt das in seiner Methode: indem er das Coecum injieirte (pag. 518) spülte er die gesuchten Gebilde weg. Legt man Darmstückchen vorsichtig in die Fixirungs- flüssigkeit, ohne durch vieles Bewegen die der Innenfläche anhaf- tende Schleimschicht zu entfernen, so wird man auch im Darm- lumen die vermissten Leucoeyten entdecken. Noch leichter aber überzeugt man sich von deren Vorhandensein, wenn man den Blinddarm eines Kaninchens öffnet und den Inhalt untersucht; oft ist das blinde Ende des Coecum leer, frei von Darminhalt, dann liegt daselbst ein kleiner Ballen, von der Grösse einer Linse, der nur aus Leucocyten besteht. Ich glaube, wenn v. D. derartiges zu Gesicht bekommen hätte, dann würde er mit Garbini (74) und mir zu gleichlautender Annahme gelangt sein. So gebe ich mich der Hoffnung hin, die „Hypothese“, dass überall da, wo adenoide Substanz unmittelbar unter dem Epithel sich findet, eine normale Auswanderung der Leucoeyten statt hat, für den Darmkanal als eine zutreffende erwiesen zu haben, indem ich hier zeigte, dass thatsächlich durch das Darmepithel, vorzugsweise durch jenes, welehes die Kuppen der Lymphknötchen deckt, die Leucoeyten in die Darmhöhle wandern. Seit dem Nachweis in resp. durch das Darmepithel wandern- der Leucoeyten hat sich das an unbewiesenen Behauptungen so reiche Kapitel über die Resorptionsvorgänge im Dünndarm neue Ueber die Lymphknötchen des Darmes. 277 Zufügungen gefallen lassen müssen. Hat man doch die Leucocyten zwischen die Epithelzellen, ja bis in's Darmlumen hineinwandern, sich mit Fett beladen und wieder in die Darmschleimhaut zurück- kehren lassen. So weit meine Beobachtungen reichen, finde ich für solche Annahme keine Stütze. Von einer eingehenden Be- sprechung der in dieses Kapitel schlagenden Abhandlungen glaube ich um so eher Abstand nehmen zu können, als dies schon von anderer Seite, durch die wichtige Arbeit Heidenhain’s (68) geschehen ist. Nur einen Punkt möchte ich noch hervorheben; das ist die Unabhängigkeit der Durchwanderung durch Lymph- knötchenkuppen von den normalen Thätigkeitszuständen des Darmes. Es liegt ja nahe, solche Beziehungen anzunehmen, um so näher, als man bei Carnivoren und Nagern beobachtet hat, dass die Plaques bei jeder Dünndarmverdauung anschwellen!); offenbar waren es solche Beobachtungen, die v. Davidoff (50 pag. 508) zur Annahme derartiger Beziehungen veranlasst haben; dem gegen- über muss ich auf schon früher von mir Mitgetheiltes verweisen (39. pag. 90): im Epithel der Knötchenkuppen sowohl hungernder als auch zu verschiedenen Stunden nach der Mahlzeit getödteter Thiere finden sich zahlreiche Leucocyten. So habe ich es seitdem immer wiedergefunden. Hinsichtlich der Frage nach dem Schicksal der ausgewanderten Leucocyten halte ich den Untergang der Aus- wanderer immer noch für das wahrscheinlichste; sieht man doch nicht selten im Darmlumen oder in dem der Lieberkühn’schen Drüsen Leucoeyten, deren Kerne in Stücke zerfallen, deren Proto- plasma weniger scharf begrenzt wie in Auflösung begriffen ist (vergl. z. B. Fig. 13 rechts oben). Auch andere Autoren haben ähnliches gesehen. So hat Heidenhain im Darmepithel Körper gefunden, die wahrscheinlich Reste untergegangener Leucoeyten sind (pag. 22). Dass auch an anderen Orten ausgewanderte Leu- coceyten zu Grunde gehen, beweisen die Mittheilungen Bonnet’s (36, pag. 17). Damit ist freilich die Frage nach der Bedeutung der Darmlymphknötchen noch nicht erledigt. Zu Beginn meiner Unter- suchungen war ich geneigt, die Knötchen nur als Depots für aus- zuscheidendes Material zu halten, eine Vermuthung, der ich theils nur negative Befunde als Stützen geben konnte. Unterdessen ist durch Flemming (45) und seine Schüler der bis dahin fehlende 1) Vergl. 78, pag. 192. 278 Philipp Stöhr: Nachweis erbracht worden, dass in den Lymphknötchen eine stete Neubildung von Leucocyten stattfinde; damit war das Unrichtige .meiner Vermuthung dargethan. Zudem habe ich mich überzeugt, dass aus den Darmlymphknötehen auch Leucocyten in die um- gebenden Lymphgefässe wandern; davon kann man sich am Besten bei Katzen, die eine sehr schöne, aus dicht verflochtenen Binde- gewebsbündeln bestehende Submucosa haben, überzeugen. (Fig. 24.) Merkwürdiger Weise erfolgt dieser Uebertritt in die Lymph- gefässe nur an den Seitenflächen der Knötchen, dicht unterhalb der Muscularis mucosae. In den grossen, am Grunde der Knötchen verlaufenden Lymphgefässen dagegen begegnet man nur selten, und dann meist nur in geringerer Menge, Leucocyten. Doch das ist nicht der einzige der Aufklärung bedürftige Punkt. Wie kommt es, dass die mesenterialen Lymphgefässe oft so arm an Leuceocyten sind!), wie erklärt es sich, dass zuweilen die grossen Darmvenen eine weit grössere Menge von Leucocyten enthalten, als die entsprechenden Arterien, an welchen Orten findet diese Einwanderung in die Blutgefässe statt und unter welchen Bedin- gungen ? Wir stehen hier noch vor einer ganzen Reihe offener Fragen, deren Beantwortung weiteren Untersuchungen vorbehalten ist. 1) Nach den Mittheilungen Brücke’s (79, pag. 195) findet man in den Lymphgefässen des Mesenterium, welche in das Pankreas Aselii (der Katze) hineingehen, fast gar keine Lymphkörperchen. Kölliker (11) gibt (pag. 421) an, dass die Chylusgefässe, die von den Peyer’schen Haufen kommen, entschieden mehr Zellen führen, als die von anderen Stellen des Darmes. Doch ist das wohl nur ein relativer Reichthum, denn der Chylus ist in den Anfängen auch der Gefässe, die von den Peyer’schen Plaques kommen, sehr arm an Chyluskörperchen (78, pag. 191). In dieser Hinsicht verdienen die Angaben Schäfer’s (49), nach welchen die in die Chylusgefässe der Zotten eingedrungenen Leucocyten zerfallen, alle Beachtung. Ueber die Lymphknötchen des Darmes. 279 Literatur. 1. E. H. Weber. Ueber den Mechanismus der Einsaugung des Speise- saftes beim Menschen und bei einigen Thieren. Müller’s Archiv 1847 pag. 400. 2. R. Heidenhain. Die Absorptionswege des Fettes. Moleschott’s Untersuchungen zur Naturlehre. Band IV, pag. 251. 1858. 3. Rindfleisch. 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Ueber Resorption und Assimilation der Nährstoffe. Archiv für experimentelle Pathologie und Phamarkologie. a) Bd. XX. 1886. b) Bd. XXII. 1887. 282 Philipp Stöhr: 62. His. Untersuchungen über den Bau der Peyer’schen Drüsen und der Darmschleimhaut. Zeitschr. für wissenschaftl. Zoologie. Bd. XI. 1862. 63. v. Davidoff. Ueber freie Kernbildung in Zellen. Ein Vortrag “ gehalten in d. Gesellsch. f. Morphologie und Physiologie zu München. München 1887. 64. Eimer. Neue und alte Mittheilungen über Fettresorption im Dünn- darm und Dickdarm. Biolog. Centralblatt. Bd. 4, pag. 580. 1885. 65. v. Thanhoffer. Beiträge zur Fettresorption und der histologischen Structur der Dünndarmzotten. Pflüger’s Archiv. Bd. VII. 1874. 66. Landois. Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Wien 1880. 67. Gruenhagen. Fettresorption und Darmepithel. Archiv für mikrosk. Anatomie. Bd. 29. 1887. 68. Heidenhain. Beiträge zur Histologie und Physiologie der Dünn- darmschleimhaut. Pflüger’s Archiv. Bd. 43. Supplementheft 1888. 69. Bizzozero. Ueber die Regeneration der Elemente der schlauch- förmigen Drüsen des Epithels des Darmkanals. Anatom. Anzeiger. III. Jahrg., Nr. 26. 1888. 70. Klein. Atlas of Histology. London 1888. 71. Toldt. Lehrbuch der Gewebelehre. 3. Aufl. 1888. 72. Paneth. Ueber die secernirenden Zellen des Dünndarmepithels. Archiv für mikrosk. Anatomie. Bd. 31. 1888. 73. Lehmann. Lehrbuch der physiologischen Chemie 1850 (pag. 362). 74. Garbini. Note istiologiche sopra aicune parti dell’ apparecchio di- gerente nella Cavia e nel Gatto. Estrado del Vol. LXIII. Serie III. dell’ Aca- demia di Agricoltura Asti e Commercio di Verona. 1881. (eitirt nach v. Da- vidoff 50.) 75. Passow. Ueber das quantitative Verhalten der Solitärfollikel und der Peyer’schen Haufen des Dünndarmes. Virchows Archiv. Bd. 101, pag. 135. 1885. 76. Stöhr. Ueber Tonsillen bei Pyopneumothorax. Sitzungsberichte der phys. med. Gesellschaft in Würzburg. 1884. 77. Remak. Untersuchungen über die Entwicklung der Wirbelthiere, pag. 109. 1885. 78. Kölliker. Mikroskopische Anatomie. II. Bd., 2.Hälfte. Leipzig. 1850. 79. Brücke. Vorlesungen über Physiologie. Bd. I. 1871. Erklärung der Figuren auf Tafel XVII u. XVII. Sämmtliche Figuren (ausgenommen die von Herrn Rabus gezeichnete Figur 17) sind von mir mit Zeichenapparaten, theils mit Hartnack’s Embryograph, theils mit der Zeiss’schen Camera nach Abb& entworfen und ausgeführt. Fig. 1. Senkrechter Schnitt durch die Kuppe eines Lymphknötchens des Dünndarmes eines erwachsenen Hundes. 80 mal vergr. Text pag. 259. Fig. Fig. Fig. Fig. 5. Ueber die Lymphknötchen des Darmes. 283 Senkrechter Schnitt durch die Anlage eines Peyer’schen Haufens einer neugeborenen Katze. 140 mal vergr. Text pag. 260. Aus einem Querschnitt des Coecum eines 21/; Tage alten Kanin- chens. 240 mal vergr. Text pag. 261. Aus einem Querschnitt des Coecum eines 5 Tage alten Kaninchens. 140 mal vergr. Text pag. 261. Ebendaher. Stück des epithelialen Ueberzuges einer Knötchenkuppe. 560 mal vergr. Text pag. 261. Fig.6—9. Entwicklung der Knötchen des Katzendarmes. 20mal vergr. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. 6. 4% 8. 9 Text pag. 262. Katze 2 Tage alt. Katze 9 Tage alt. Katze 16 Tage alt. * Knötchen, dessen Kuppe nicht vom Schnitt getroffen ist. Katze 6 Wochen alt. 10 u. 11. Rückbildung von Lymphknötchen des Katzendarmes. 20 mal 12. 13. 14. vergr. Text pag. 263. Aus einem senkrechten Schnitt durch das Coecum eines erwachsenen Kaninchens. 560 mal vergr. Zwei Epithelzellen der Darmoberfläche. Text pag. 264. Längsschnitt des Grundes einer Lieberkühn’schen Drüse des Dünndarmes eines erwachsenen Hundes. Text pag. 265. Aus einem senkrechten Schnitte durch das Coecum eines erwach- senen Kaninchens. Epithel der Kuppe eines Lymphknötchens. 560 mal vergr. Text pag. 265. Desgleichen. 860mal vergr. Text pag. 266. . Isolirte Epithelzellen aus dem Coecum eines erwachsenen Kaninchens. 560 mal vergr. Text pag. 266. .„ Aus einem senkrechten Schnitt durch das Coecum eines erwachsenen Kaninchens, etwa 40 mal vergr. Der Inhalt der Becherzellen ist dunkel gefärbt. Text pag. 267. Ebendaher. Epithel der Kuppe eines Lymphknötchens. 210 mal vergr. Text pag. 267 u. 268. . Desgleichen. ‚560 mal vergr. Text pag. 267 u. 268. Desgleichen. 560 mal vergr. Text pag. 267. . Desgleichen. 560 mal vergr. Text pag. 268. Aus einem senkrechten Schnitt durch ein Lymphknötchen einer er- wachsenen Katze. Epithel der Kuppe. 560 mal vergr. Text pag. 268. . Aus einem senkrechten Schnitt durch das Coecum eines erwachsenen Kaninchens. Darmepithel. 560 mal vergr. Text pag. 274. Aus einem senkrechten Schnitt durch eine Peyer’sche Platte einer 3 Tage hungernden Katze. 560mal vergr. Es ist die Randpartie eines Lymphknötchens dicht unterhalb der Muscularis mucosae ge- zeichnet. Text pag. 278. 984 G. Born: (Aus dem Anatomischen Institute zu Breslau.) Beiträge zur Entwicklungsgeschichte des Säuge- thierherzens. Von Professor &@ Born. (Hierzu Tafel XIX—XXIL.) Die im Nachfolgenden dargestellten Untersuchungen bezwecken die complieirte Entwicklung des zweigetheilten Säugethierherzens mit seinen Ostien und Scheidewänden aus der Form eines ein- fachen, gewundenen Schlauches klar zu legen; das viel diseutirte Thema der ersten Entstehung des Organs soll hier nicht erörtert werden. Diejenigen Abschnitte der Arbeit, welche mir das Neueste und Wichtigste zu enthalten schienen, habe ich vor dem Anatomen- congress zu Würzburg Pfingsten 1888 vorgetragen (Litt. Nr. 11), dieser Versammlung von Fachmännern wurden auch die die frag- lichen Vorgänge darstellenden Herzmodelle demonstrirt. Die Fertig- stellung der Abhandlung hat sich aber noch lange hingezogen, da ich durch anderweitige Arbeiten und namentlich durch meine Lehr- thätigkeit stark in Anspruch genommen war. Meine Untersuchungen knüpfen überall an die von His an, welche dieser Autor in seinem ausgezeichneten Werke über die Anatomie menschlicher Embryonen niedergelegt bat; ich kann mich in meiner Darstellung vielfach auf die von His beziehen, da die von dem Leipziger Anatomen nach seinen Befunden gefertigten Modelle in den Ziegler’schen Nach- bildungen die weiteste Verbreitung gefunden haben. — Die Un- möglichkeit die Bildung des Vorhofseptums, wie sie sich mir an einem nach meiner Methode gefertigten Modell darstellte, mit den Angaben von His in Uebereinstimmung zu bringen, gab die erste Veranlassung zur Bearbeitung des Themas; eine Vergleichung der His’schen Anschauung über die Ausgestaltung des Herzens mit der von mir gewonnenen folgt nach der Darstellung meiner that- sächlichen Befunde. Im November 1888, als der grössere Theil dieser Arbeit nieder- Beiträge zur Entwicklungsgeschichte des Säugethierherzens. 285 geschrieben war, wurde mir durch die Güte des Verfassers, des Herrn Dr. ©. Roese (Nr. 12) eine Heidelberger Dissertation zugänglich, welche ungefähr zu derselben Zeit, als ich meinen Vortrag hielt, erschienen ist. Der Autor ist in manchen Punkten zu ganz ähnlichen Resultaten gelangt, wieich; in anderen weichen wir mehr oder weniger von einander ab. Eine genaue Besprechung der fraglichen Punkte folgt unten. Die Arbeit gliedert sich in folgende Theile: I. Material und Methodik. II. Darstellung des thatsächlichen Befundes. Ill. Zusammenfassung der Resultate und Vergleich derselben mit den Angaben anderer Autoren. IV. Vergleichendes, Teratologisches und Physiologisches. Ueber die Darstellung des thatsächlichen Befundes habe ich noch einige Worte voranzuschicken. Es gab dafür zwei Wege.- Ich konnte das Herz jedes Stadiums für sich beschreiben; das hätte für den einzelnen Fall immer ein geschlossenes Bild gegeben, aber zu endlosen Wiederholungen geführt. Ich zog daher vor, mehr oder weniger künstlich einige Entwicklungsstadien abzu- grenzen, um innerhalb derselben die Ausbildung der einzelnen Herztheile in einem Zuge zu verfolgen. Für die ersten beiden Stadien habe ich das Aeussere und Innere des Herzens getrennt beschrieben; es wurde dieser Gang, wie die ganze Disposition, von mir nicht frei gewählt, sondern mir durch den recht spröden Stoff gewissermaassen aufgedrängt. Man beachte, dass ich ein- mal das Herzäussere in zwei getrennten Absätzen (0,95—2,5 mm Kopflänge und 2,5—6 mm) geschildert habe, während bei der Darstellung des Herzinneren beide Stadien zusammengenommen sind; es ist dies übrigens durch die vorangestellten Buchstaben und Zahlenzeichen angedeutet. I. Material und Methodik. Als Untersuchungsobjekte dienten in erster Reihe Embryonen von Lepus eunieulus, aus dem einfachen Grunde, weil mir es nur bei dieser Art möglich war, eine ununterbrochene Reihe ganz nahe aufeinander folgender Stadien herzustellen; dies erwies sich aber als ein unumgängliches Erforderniss für den Erfolg der Arbeit; ein Unterschied in der Kopflänge von 1/; mm gab oft schon ein 286 : i G. Born: ganz anderes Bild. Embryonen von Mus decumanus, Mus museulus und Arvicola arvalis, die auch leicht erreichbar waren und von denen ich ebenfalls zahlreiche Exemplare untersucht habe, sind wegen ihrer Kleinheit namentlich für das Modelliren weniger günstig. Von menschlichen Embryonen!) habe ich ziemlich alle Stadien in eontinuirlicher Reihenfolge von His Normentafel 7 bis 13 und die darauf folgenden Stadien mit geringen Unterbrechungen untersuchen können; die Abweichungen von dem beim Kaninchen Gefundenen sind aber beim Menschen, ebenso wie bei den von mir vielfach untersuchten Schweinsembryonen, so geringe, dass ich dieselben an den betreffenden Stellen der Darstellung, welche sich wesentlich auf das Herz des Kaninchens bezieht, eingeflochten habe. Am Schluss des II. Abschnittes habe ich in wenigen Worten die jüngeren untersuchten menschlichen Embryonen mit Beziehung auf die gleichen Stadien des Kaninchens und auf die His’sche Normentafel zusammengestellt. Für die Bestimmung des Alters wurde in erster Linie die Kopflänge (Kopfl. = Kopftiefe von His) benutzt, gemessen von dem am weitesten vorstehenden Punkte am Grosshirn, später von der Nase resp. Schnauze bis zu dem am weitesten nach hinten vorspringenden Punkte am Mittelhirn. Jedenfalls ist dieses Maass zuverlässiger als die Steissscheitellänge, die beim Herausnehmen der Embryonen allzu leicht verändert werden kann. Wo ich es wusste, habe ich ausserdem das Alter des Embryos gerechnet von dem Termin des ersten Belegens des Mutterthieres angegeben und in anderen Fällen diese Bestimmung nach Vergleich mit Embryo- nen, bei denen mir der Belegtermin bekannt war, zugefügt. Augen- fällige Unterschiede von gleichaltrigen Embryonen treten dann ein, wenn das Mutterthier einer grossen Lapinrace angehört; dies war aber bei meinem Material selten der Fall; es ist dann immer besonders vermerkt. Hervorheben will ich, dass in gewissen Sta- dien der Herzentwicklung (zwischen 2,5—3,5 mm Kopflänge, 11-12 Tage nach dem Belegen) ein Altersunterschied von einem halben Tage merklich in’s Gewicht fällt. Es ist bei Embryonen von 6mm Kopfl. an mit Opferung des a an man ann 1) Ich bin namentlich meinem Freunde Herrn Professor C. Weigert in Frankfurt a. M. für die Uebersendung vieler, gut econservirter menschlicher Embryonen zu grossem Danke verpflichtet. Beiträge zur Entwicklungsgeschichte des Säugethierherzens. 287 Embryos sehr leicht, das Herz unter der Lupe frei herauszuprä- pariren und sich von seiner äusseren Form eine genügende Vor- stellung zu verschaffen; in der ausgezeichneten Arbeit von Lindes (Nr. XI), die sieh freilich ausschliesslich mit dem Herzen des Hühnchens beschäftigt, ist sogar die Bildung des Herzinneren allein auf diesem Wege vollkommen richtig klar gelegt worden. Für das Innere des Säugethierherzens reicht aber diese einfache Methode kaum aus. Für dieses ist man auf die moderne Schnitt- serientechnik angewiesen. Ich habe aus den Serien nach meiner verbesserten und jüngst wieder ausführlich veröffentlichten Me- thode!), auf die ich daher hier nicht näher einzugehen brauche, alle wichtigeren Stadien modellirt und hoffe eine Auswahl der- selben durch Herrn Dr. A. Ziegler noch in diesem Jahre ver- vielfältigen lassen zu können. Auf einen Punkt muss ich aber noch besonders aufmerksam machen: Ich habe im Anfang viel Zeit und Material verloren, weil ich, wie ich gewohnt war, die Embryonen noch lebend aus den Eihäuten herausschnitt und so in die Erhärtungsflüssigkeit übertrug; dann pulsirt aber das Herz noch eine Zeit lang fort und es fliesst in Folge dessen aus den durcehschnittenen Nabel- und Dottergefässen soviel Blut aus, dass man die Wände der Vorhöfe, des Sinus und der Venen eingefallen und eng an einander liegend findet; die Orientirung wird dadurch sehr schwierig, die Reconstruktion beinahe unmöglich gemacht. Es ist durchaus nöthig, den Embryo sammt den eröffneten Eihäuten ohne Verletzung der Nabel- und Umbilicalgefässe und der Pla- centa in die Erhärtungsflüssigkeit zu bringen und ihn erst dann abzuschneiden, wenn das Blut in den Gefässen geronnen ist. Berücksichtigt man diese Vorschrift, so findet man die Vorhöfe und Sinus mehr oder weniger stark gebläht, das Lumen der Ven- trikel ist aber oft selbst dann noch ein so enger Spalt, dass die Einsicht in ein Modell derselben Schwierigkeiten macht. Der ver- schiedene Füllungs- und Contraktionszustand des Herzens im Au- senblick des Absterbens beeinflusst natürlich das Aussehen der Bil- der und Modelle nicht unbeträchtlich. Ich habe darauf, soweit es mir möglich war, bei der speciellen Beschreibung Rücksicht genommen. Die Schnittriehtung lief gewöhnlich der Profillinie des Embryos 1) G. Born. Noch einmal die Plattenmodellirmethode. Zeitschrift für wissenschaftl. Mikroskopie. Bd. V, pag. 433. Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 33. 19 988 G. Born: zwischen Mittelhirn und Nachhirn parallel. Bei dieser Schnitt- richtung wird das Herz in den am meisten interessirenden Stadien . quer getroffen; schneidet man dagegen parallel der Profillinie zwischen Mittel- und Vorderhirn, so erbält man Längsschnitte des Herzens etwa in der Richtung der vorderen Ventrikelfläche; für das Modelliren ist das natürlich ganz gleich, für die Orientirung in den Schnitten selbst schien mir aber die quere Richtung bequemer. Bei Kaninchen- und menschlichen Embryonen von über 6 mm Kopflänge habe ich nicht mehr den ganzen Embryo sondern die herausgenommenen Brusteingeweide (meist nach Ent- fernung der Lungen) mikrotomirt. Die jüngeren Embryonen waren fast alle in Kleinenberg- scher Pikrinsäure mit Nachbehandlung in Alkohol gehärtet und wurden mit Alaunkarmin durchgefärbt; die älteren waren sehr verschiedenartig vorbehandelt. Bei letzteren kommt es auch in der That nicht sehr darauf an; denn es gelingt bei ihnen fast immer leicht, das Blut von den Geweben des Herzens zu differen- ziren; schwieriger ist dies bei den jüngeren, hier färben sich auch in Alaunkarmin die Kerne der Blutkörperchen so stark, dass es stellenweise schwer hält, zu unterscheiden, was Blut und was Trabekel oder Endothel ist — namentlich bei den schwachen Vergrösserungen und den immerhin etwas undeutlichen Bildern, die der Embryograph giebt. Man muss dann die fragliche Stelle mit stärkerer Vergrösserung unter dem Mikroskop nachsehen. Boraxkarmin und Hämatoxylin nach Heidenhain lieferten keine bessere Resultate. Schnittfärbung war durch die Methodik, die für das Modelliren nöthig war, ausgeschlossen; eine bessere Stück- färbung habe ich nicht auffinden können. Da das Herz seine Stellung zu irgend einer Linie des Embryos, z. B. zur Rückenlinie im Verlaufe der Entwicklung immerfort ändert, schien es mir am besten, der Beschreibung eine conventionelle Stellung des Organs, die sich in allen Stadien in ungefähr gleicher Weise herstellen liess, zu Grunde zu legen. Ich habe dazu diejenige Stellung gewählt, die man dem Modell unwillkürlich zu geben geneigt ist und welche auch His in den Ab- bildungen seiner Modelle fast immer angenommen hat, nämlich die Stellung, bei der die ventrale Fläche der Ventrikel vertikal steht. Wenn man ausserdem die Medianebene senkrecht einstellt, so lässt sich für die Herzen der verschiedenen Stadien eine annähernd Beiträge zur Entwicklungsgeschichte des Säugethierherzens. 289 gleichartige Aufstellung erreichen. Natürlich entspricht diese Auf- stellung nicht der Lage des Herzens im aufrechtstehenden Menschen; bringt man das Herz eines Erwachsenen in die der Beschreibung zu Grunde gelegte Stellung, so läuft die Vena cava sup. nicht nach oben, sondern nach oben und vorn u.s.w. Man gewinntaber, wenn man die eben charakterisirte Einstellung für alle Stadien durch- führt, einfache Lagebezeichnungen und vermag die im Laufe der Entwicklung eintretenden Lageverschiebungen der verschiedenen Herztheile gegeneinander annähernd richtig zu beurtheilen. Die Lageverhältnisse zu dem übrigen Körper des Embryos habe ich aus der Betrachtung weggelassen. An den Modellen waren meistens die Anheftungslinien des Pericards und der Pleura, des Zwerch- fells, der Leber- und Lungenanlage markirt; doch sind diese Stellen nicht immer in den Figuren wiedergegeben. Ich lasse hier kurz ein Verzeichniss der Stadien von Kanin- chenembryonen folgen, von denen ich das Herz modellirt habe; die Zahl der mikrotomirten Exemplare derselben Art beträgt mindestens das Dreifache. 1) Embryo von 0,95 mm Kopflänge; eirca 9—9!1/, Tage nach der Begattung. — Nur die ersten Kiemenfurchen sind am unver- sehrten Präparat deutlich sichtbar, doch ergiebt sich aus der Schnittserie, dass auch die zweiten Kiementaschen ausgebildet sind. — Der allgemeinen Entwicklungshöhe nach ähnlich den menschlichen Embryonen auf His’ Normentafeln 3—5. Modell 60 mal vergrössert. 2) Kopflänge 1,25 mm (Steissscheitellänge 3,2 mm); eirca 10 Tage nach der Begattung. — Die zweiten Kiemenfurchen deutlich sichtbar, die dritten undeutlich. His’ Normentafel 6. 60mal ver- grössert. 3) Kopflänge 1,7mm (Steissscheitellänge Amm); 10 Tage nach der Begattung. — Drei Kiemenfurchen deutlich sichtbar. All- gemeine Entwicklungshöhe etwas mehr als His Nr. 6. 60 mal vergrössert. Bei Embryonen von etwas über 2mm Kopflänge fängt an die Nackenbeuge deutlich zu werden. 4) Kopflänge 2,5 mm (Steissscheitellänge 5,1 mm); ungefähr 11 Tage nach der Begattung. 4 Kiemenspalten deutlich sichtbar. His Nr. 7 und 8. Vergr. 60 mal. 5) Kopflänge 2,66 mm; 11—12 Tage nach der Begattung 290 G. Born: Die ersten beiden Kiemenbogen (verglichen mit den Verhältnissen bei Nr. 4) erheblich höher als die beiden letzten; das vordere Ende des dritten Kiemenbogens wird vom zweiten überlagert. His Nr. 8. Vergr. 60 mal. 6) Kopflänge 2,86 mm; 11—12 Tage nach der Begattung. Kiemengegend ähnlich wie bei Nr. 5; die vorderen Enden der beiden letzten Kiemenbogen noch etwas stärker verdeckt, als bei diesem. Zwei Modelle der Herzen von Embryonen von ebenfalls bei- nahe 3mm Kopflänge führe ich hier nicht specieller an. 7) Kopflänge 3,4 mm (Steissscheitellänge 6 mm); 121/, Tage nach der Begattung. — Die Ueberwachsung der beiden letzten Kiemenbogen durch den zweiten ist fortgeschritten, doch ist in der dreieckigen Vertiefung, in der dieselben liegen, noch ein Rest der dritten Kiemenspalte sichtbar. His Nr. 10. Vergr. 60 mal. 8) Kopflänge 4,2 mm (Steissscheitellänge 7,3 mm); 13 Tage nach der Begattung. Dritter und vierter Kiemenbogen vom zweiten vollständig überlagert. His Nr. 12. Vergr. 50 mal. 9) Kopflänge 5,8 mm (Steissscheitellänge 10,1 mm); 13 Tage 7 Stunden nach der Begattung. Der ventrale Theil der ersten Kiemenfurche vollkommen verstrichen, der Rest (äussere Ohr- öffnung) von Wülsten umgeben. His Nr. 14. Vergr. 60 mal. Dieser Embryo stammt von einem ausnahmsweise grossen Mutterthier (Lapin); seine Kopflänge erscheint daher im Verhältniss zu der allgemeinen Entwicklungshöhe verglichen mit den vorher- gehenden Stadien zu gross. 10) Kopflänge 6 mm (Steissscheitellänge 12,1mm); 14 Tage nach der Begattung. Das plattenförmige Ende der Anlage der vor- deren Extremität mit den Zehen entsprechenden Rand-Vorsprüngen. His Nr. 15—16. Vergr. 40 mal. 11) Kopflänge 7,5 mm (Steissscheitellänge 14 mm); nur die Ventrikel mit den Arterien und der Umgebung der Atrioventi- cularöffnungen modellirt. His Nr. 20—21 (?). Wergr. 60 mal. 12) Kopflänge 7,3 mm (Steissscheitelläinge 14mm); nur die Ventrikel mit den Arterien und der Umgebung der Atrioventri- eularöffnung modellirt. His Nr. 20—21 (?) Vergr. 60 mal. 13) Kopflänge 9mm (Steissscheitellänge 13mm); etwa 17 Tage nach der Begattung. Vergr. 50 mal. Beiträge zur Entwicklungsgeschichte des Säugethierherzens. 291 Il. Darstellung des thatsächlichen Befundes. l.a)) Aeussere Form des Herzmodells vom jüngsten Kaninchen-Embryo (0,95 Kpfl.). Das Herzmodell des jüngsten Kaninchenembryo’s (Taf. XIX, Fig. 1—5), den ich untersucht habe, lässt die ursprüngliche Schlauch- form der Herzanlage noch sehr deutlich erkennen; namentlich der Ventrikeltheil (Fig. 1 u. 2, V. e. und V. d.) giebt durchaus das Bild eines Schlauchstückes, dessen bis zur Berührung zusammengebo- gene vertikale Schenkel durch einen unteren queren Bogen mit einander verbunden sind. Das obere Ende des linken Schenkels biegt nach hinten und etwas nach links in ein fast horizontal verlaufendes Uebergangsstück zum Vorhofsack um (Fig. 1u. 4 Ue.). Gegen dieses Uebergangsstück ist der Vorhofsack wieder recht- winklig nach unten abgebogen, so dass er sich direct an die hin- tere Fläche des Ventrikeltheils anschmiegt. Das Uebergangsstück ist jetzt nur durch die rechtwinkelige Abbiegung vom Ventrikel und vom Vorhoftheil abgegrenzt. Eine scharfe Absetzung, durch welche dasselbe als besonderer Theil, als canalis aurieularis, ge- kennzeichnet wird, findet erst später statt. Das obere Ende des rechten Schenkels geht ohne äusserlich sichtbare Grenze in den Bulbus arteriosus (Fig. 1 u. 2 B.) über und dieser biegt etwas über dem Niveau des oberen Endes des linken Ventrikelschenkels im rechten Winkel horizontal nach hinten und stark nach links ab, um in der Medianebene angelangt aus dem Perikard herauszutre- ten und gleichzeitig unter geringer Erweiterung (ventrale Aorten- wurzel) in die Aortenbögen zu zerfallen. Die ersten beiden Aortenbögen biegen (Fig. 4. Ao. I. und Ao.II.) (bei der angenommenen Stellung des Herzens) als relativ breite Stämme senkrecht von der horizontalen Richtung des Bulbus nach oben auf, um nach langem, wenig divergirenden Verlauf neben der Hypophysis-Anlage in kurzem Bogen in die ebenso senkrecht absteigenden Rückenaorten überzugehen. Die 2. Aortenbögen sind zwei noch ganz dünne Stämmchen, welche von der Aortenwurzel etwas stärker divergirend beinahe horizontal nach hinten zu den Rückenaorten ziehen. Das gemeinsame bogenförmige Querstück der beiden Ventrikel- schenkel ist kaum !/;, so hoch als die freien, dicht an einander gelagerten Enden. Der linke Schenkel ist bei weitem stärker und breiter und tritt merklich weiter nach vorne vor, der rechte steht deutlich zurück. Auf dem Querschnitt zeigt sich der linke als ein 292 G. Born: Oval, dessen längster Durchmessser von rechts und vorn nach links und hinten gerichtet ist. Der Vorhoftheil liegt in Form eines dem Ventrikeltheil dicht angefügten rundlichen Sackes durchaus hinter dem letzteren (Fig. 3, As. und Ad.), sein kürzester Durchmesser ist der sagittale. ‚An dem oberen breiten Rande des Vorhofsackes macht das horizontale Endstück des Bulbus arteriosus eine seichte Einbuchtung. Der unterste Theil der Hinterwand ist entsprechend dem Ansatz des Lungengekröses (Fig. 3 Lg.) ebenfalls in der Mitte eingebuchtet, so dass man durch diese noch nicht zusammenhängenden medianen Einbuchtungen leicht eine rechte und linke Hälfte unterscheiden kann. Die Lungenanlage besteht übrigens in diesem Stadium nur in einem kielförmigen Vorsprung der ventralen Wand des Vorder- darmes, so dass man ebenso gut von einem Darmgekröse des Vor- hofs und des Sinus reden könnte. Von den beiden Vorhofshälften ist die linke die in allen Di- mensionen grössere, sie steigt nach oben, wo sie in das Verbin- dungsstück zum entsprechenden Ventrikelschenkel übergeht, beinahe eben so hoch, wie dieser empor und ihr linker Rand überragt in der Ansicht gerade von vorn sogar den Ventrikelrand ein wenig. Nach unten dagegen reicht der ganze Vorhofsack nicht so weit wie die Ventrikelspitze. Die rechte Vorhofshälfte erscheint als kleiner rundlicher Blindsack, dessen Ränder überall gegen die des entsprechenden Ventrikeltheils, hinter dem er liegt, zurückstehen. Der unteren Fläche des Vorhofsackes ist beinahe in ihrer ganzen Breite der Sinus venosus (Fig. 2—4, Si u. Si*) angefügt. Er stellt einen niedrigen Hohlraum dar, welcher nach oben ohne deutliche Grenze in die Seitenwand des rechten Vorhoftheils übergeht (Fig. 3), während er sonst ringsum, am deutlichsten aber an der linken Seite, durch eine horizontale Furche abgesetzt ist. Seine untere Fläche ist mit der Zwerchfell- und Leberanlage verwachsen und etwas in dieselbe eingesenkt. Die Mitte des Sinus ist von unten und hinten her eingedrückt, so dass er auf dem Querschnitt halb- mondförmig erscheint; die Enden des Halbmonds sind allseitig er- weitert zu denken. Nach unten überragt der Sinus die Ventrikel- spitze (vergl. Fig. 2). In die erweiterten Enden des Sinus münden jederseits von unten her nebeneinander die venae omphalomes. (innen und etwas nach vorn) und die venae umbilicales (aussen und etwas nach hinten); vergl. dazu Fig. 2—4. .. n Beiträge zur Entwicklungsgeschichte des Säugethierherzens. 293 Der Uebergang der Dotter- und Nabelvenen in die Sinusenden ist ein so allmählicher, dass man schwer entscheiden kann, ob die- selben ein kurzes gemeinsames Endstück besitzen oder nicht. Ueber der Einmündung dieser Venen öffnet sich in die hintere Wand des Si- nusendes jederseits der noch fast rein sagittal verlaufende, unbedeu- tende Ducetus Cuvieri. Die Einmündungsstelle des linken liegt etwas höher hinauf am Sinus, als die des rechten. Merkwürdigerweise fand ich die Einmündung des linken Ductus Cuvieri einigemal durch eine Scheidewand in zwei übereinander liegende Röhrchen zerlegt. Untersuchen wir nun den Zusammenhang der verschiedenen Herztheile unter einander, so finden wir: Hinterwand der Ventrikel und Vorhöfe liegen bis auf die Verbindung durch das Uebergangs- stück frei an einander, ebenso zieht der horizontale Theil des Bul- bus frei über den Vorhof hinweg; der ganze rechte Ventrikelschenkel sammt dem kurzen aufsteigenden Anfang des Bulbus ist aber nach links hin an die angrenzende Wand des Verbindungsstückes und des linken Schenkels durch eine dünne, frontal gestellte (übrigens muskulöse) Platte angeheftet; die Anheftung liegt in der Tiefe der Interventrikularspalte nahe an der Vorderwand der Vorhöfe. .„1.b) Das Herzinnere des jüngsten Kaninchen-Embryos (0,95 mm Kopflänge). Der Sinus venosus und der Vorhofstheil sind dünnwandige Säcke, bei denen der Hohlraum die allgemeine Form des ganzen Gebildes wiederholt. Bei dem Ventrikeltheil ist dies schon weni- ger der Fall, einmal weil derselbe beträchtlich diekere muskulöse Wandungen von wechselnder Stärke besitzt, zweitens weil im Be- reich desselben die Endothelauskleidung fast überall, und zwar an verschiedenen Stellen verschieden weit, von der Muskellage ab- steht. Die Spalte zwischen Endothel und Muscularis erscheint von einer hellen Flüssigkeit, in der sich nur wenige Zellen ausge- spannt finden, angefüllt zu sein. Beim Einblick in den Vorhofstheil (vergl. dazu Fig. 5) sieht man, dass der Sinus sich fast in der ganzen Breite seines Bodens in ihn öffnet, nur vom linken Seitenrande der linken Vorhofshälfte aus schiebt sich eine halbmondförmige Falte etwa bis zur Hälfte der Breite der letzteren trennend zwischen beide Hohlräume ein. An den übrigen Rändern der Oeffnung fehlt jede 294 G. Born: Spur eines abgrenzenden Vorsprungs oder einer Klappenbildung. Ich erinnere daran, dass in diesem Stadium der Sinus vom Vor- hofe auch äusserlich namentlich an der linken Seite durch eine _ Furche abgegrenzt erschien. An der hintern Wand des Vorhofes setzt sich entsprechend dem Ansatz des Lungengekröses ein auf seiner Höhe schwach eingefurchter, niedriger Kamm vom Vorhof auf den Sinus fort. Das Lungengekröse entsteht dadurch, dass sich das mehrsehichtige hohe Epithel der Serosa (Darmfaserplatte) von der ventralen Wand des Vorderdarmes (kielförmige Lungen- anlage) jederseits neben der Mittellinie auf das Herz überschlägt, um direkt in die Muskelschicht und Serosa der Hinterwand des Vorhofes und der Sinus überzugehen. Die Umbiegungsstellen in die Herzwand springen nach vorn etwas vor; zwischen ihnen bleibt eine Vertiefung, wodurch das Bild eines der Länge nach einge- furehten, flachen Kammes entsteht. Zwischen die beiden Serosa- blätter des hinteren Herzgekröses, wie es auch genannt worden ist, drängen sich jetzt noch kaum einige Bindegewebszellen von der Mucosa des Vorderdarmes aus herein. Nahm die Sinus-Oeffnung den ganzen Boden der rechten Vor- hofshälfte und noch die Hälfte des Bodens der linken ein, so findet man die Einmündung des Uebergangstheils in den Ventrikel (spä- terer eanalis auricularis) in der linken oberen Ecke der ausgedehn- ten vertikalen vorderen Wand, mit der der Vorhofsack der hin- teren Fläche des Ventrikeltheils direkt angelagert ist. (F. av. c. Fig. 5). Die Oeffnung hat die Form eines niedrigen Querspaltes ; sie gehört ganz der linken Vorhofshälfte an; doch reicht ihr linkes Ende bis nahe an die Mittellinie des Herzens. Sie führt in einen flachen, den Uebergangstheil in der Richtung von hinten nach vorn und etwas nach rechts durchziehenden Gang, an dessen Wänden noch kaum eine Andeutung von den bald darauf auftretenden En- docardkissen zu sehen ist. Der Gang mündet vorn am obersten Ende der Hinterwand des linken Ventrikelschenkels aus. Der Innenraum des Ventrikeltheiles zeigt zwar auch die Form einer Schleife mit zwei dicht zusammengelesten, aufsteigenden Schenkeln, doch stellt er in Folge des oben erwähnten Abstandes des Endothels von der Muscularis einen stark verkleinerten und nicht ganz ähnlichen Ausguss der äussern Form dar. Das Lumen des rechten Schenkels ist verhältnissmässig noch kleiner im Ver- gleich zum linken, als man nach der äussern Form vermuthen Beiträge zur Entwicklungsgeschichte des Säugethierherzens. 295 würde, weil in ersterem die Abhebung des Endothels eine relativ stärkere ist. Nach oben geht der rechte Schenkel ohne besonders markirte Grenze in den Bulbus über. An der Stelle, wo letztere in die Horizontale umbiegt, findet sich die grösste Enge ; eine scharf ausgeprägte Verengerung beim Uebergange des Ventrikels in den Bulbus (fretum Halleri) konnte ich nicht finden. Da, wo der Bulbus sich beim Austritt aus dem Pericard zur ventralen Aortenwurzel er- weitert, verschwindet die Abhebung des Endothels und das Lumen erscheint grösser. Die unteren Enden der Binnenräume beider Ven- trikelschenkel sind ziemlich allseitig um ein geringes erweitert und gehen mittelst einer kreisförmigen Oeffnung (ostium interventri- culare) in einander über. Während dieser Uebergang an der hin- teren und unteren Wand fast ohne Grenzen stattfindet, springt an der oberen und vorderen Wand eine Leiste entsprechend der Ein- biegung zwischen den beiden Ventrikelschenkeln in die Oeffnung etwas vor. Das ostium interventrieulare liegt nach dem Gesagten am unteren Ende beider Ventrikelschenkel, die Einmündung des späteren canalis aurieularis aber liegt viel höher: am oberen Ende der Hinter- wand des linken Schenkels (vergl. dazu Fig. 7, von einem etwas älteren Embryo, der aber in dieser Beziehung noch wesentlich dieselben Verhältnisse aufweist). R 2.a). Aeussere Veränderungen bis zum Eintritt der Nackenbeuge (bis 2,5 mm Kopflänge). Der rechte Ventrikelschenkel nimmt verhältnissmässig mehr zu wie der linke, so dass er diesem nunmehr nur noch wenig an Breite nachgiebt, ausserdem rückt er weiter vor und steht kaum mehr hinter dem linken zurück. Diese Veränderung, welche schon bei Embryonen von 1,3—2 mm Kopflänge einsetzt, werde ich erst bei Besprechung der folgenden Stadien genauer behandeln. Das quere untere gemeinsame Bogenstück ist im Verhältniss zu den freien vertikalen Schenkelenden höher geworden (jetzt etwa halbe Höhe des ganzen Ventrikeltheils). Das Uebergangsstück wird zum scharf charakterisirten canalis auricularis (vergl. dazu Fig. 6, 7 u.9 e.a.), indem es am vorderen und hinteren Ende deutlich abgesetzt erscheint ; offenbar hat seine Ausdehnung mit der Ausdehnung der Herztheile, welche er ver- bindet, nicht gleichen Schritt gehalten, er erscheint deshalb von 296 G. Born: oben und von der linken Seite gesehen gegen die ihn überragende Endkuppel des linken Ventrikeltheils und des linken Vorhofs wie .eingesunken. In wie weit ausserdem diese Einsenkung des canalis aurieularis durch die veränderte Lage der Ventrikelschenkel ver- anlasst wird, soll unten bei dem nächsten Stadium im Zusammen- hang besprochen werden. Der vertikale Anfang des Bulbus arte- riosus erscheint jetzt schon weiter nach links verschoben, so dass der horizontale Endtheil nur wenig von der sagittalen Richtung abzuweichen braucht, um die Mittellinie zu gewinnen. (Fig. 9 B.) Der letztere liegt jetzt merklich höher als die obere Endkuppel des linken Ventrikels. Aus der ventralen Aortenwurzel biegen die ersten Aortenbögen beinahe horizontal nach vorn um; sie erreichen die Rückenaorten nicht mehr (dazu Fig. 6). Ihre vorderen Enden divergiren deutlich. Die zweiten Aortenbögen sind jetzt die mächtigsten. Der Verlauf geht unter starker Divergenz schräg nach hinten und oben. Dicht hinter und unter ihnen entspringen die 3. Aor- tenbögen, welche schräg nach hinten und aussen und nur wenig nach oben verlaufen. Endlich folgen noch als ganz feine, nach hinten und unten ab- steigende Stämmchen die ventralen Enden der 4., welche mit den Rücken- aorten noch nicht zusammenhängen. Die Richtungsveränderung der 1. und 2. Aortenbögen, gegenüber dem erstbeschriebenen Stadium kommt wohl we- sentlich auf Rechnung des stärkeren Wachsthums der dorsalen Theile des spangenförmig zusammengekrümmten Embryos in Vergleich mit den ven- tralen. Auch die Entwickelung der Kiemengegend spielte dabei eine Rolle, es sind dies aber Erscheinungen, auf die ich weiterhin als ausserhalb des Be- reichs meines Themas liegend nicht eingehen werde. Der Vorhofsack hat sich viel mächtiger entwickelt als der Ventrikelabschnitt, namentlich seine rechte Hälfte ist in ihrer Aus- dehnung der linken nachgeeilt, eine Erscheinung, welche offenbar mit der stärkeren Entwicklung der rechten Vena umb. zusammen- hängt. Die Ausdehnung des Vorhofsackes findet namentlich in seinen oberen Theilen statt. Die hintere und die obere Fläche des Vorhofsackes erscheinen jetzt in ihrer ganzen Mitte eingebuchtet; die Scheidung des ganzen Vorhofsackes in zwei Hälften wird dadurch viel deutlicher. (Fig. 9, 11.) In der oberen Hälfte der hinteren Fläche verursacht diese Einbuchtung die Lungenanlage, obgleich sie dort nicht durch ein Gekröse an die Vorhofswand angeheftet ist. (Fig. 11.) Das Lungengekröse am untersten Theile der hinteren Vorhofswand und an der hinteren Sinuswand zieht bei Embryonen von 1,3—2,5 mm Kopflänge nicht mehr gerade nach vorn, sondern sehr ausgeprägt nach rechts und vorn. Die Beiträge zur Entwicklungsgeschichte des Säugethierherzens. 9297 Insertion desselben an der hinteren Vorhofs- und Sinuswand ent-' spricht bei Embryonen von 1,7 mm Kopflänge nicht dem Grunde der jetzt tieferen Einbuchtung, welche durch die stärker vorspringende Lungenanlage an diesen Wänden hervorgebracht wird, sondern dem rechten Abhange dieser Einbuchtung. Wenn man den Grund der Einbuchtung als die Grenze der beiden Vorhofshälften ansieht, inserirt jetzt das Lungengekröse an der rechten Vorhofshälfte. Noch liegt der Vorhofsaeck hinter dem Ventrikeltheil versteckt, nur seitlich überragen seine Contouren (bei gutem Füllungszustande) die des letzteren ein wenig (Fig. 10), doch bleiben sie auch nach oben nur um ein Geringes hinter denen der Ventrikelschenkel zurück. Dass der linke Vorhofsaek sich jetzt deutlich von dem canalis auricularis absetzt, wurde schon erwähnt. (Fig. 6, 10, 11 Si u. Si*.) Der Sinus venosus ist noch immer dem unteren Ende des Vorhofsackes angefügt, doch grenzt er sich ringsum durch eine deutliche Horizontalfurche ab. Dieselbe ist links und vorn am tiefsten, rechts und hinten am seichtesten. Zugleich bemerkt man, dass die linke Sinushälfte ganz erheblich gegenüber der rechten an Grösse zurückgeblieben ist. Sie liegt ganz unter dem linken Vorhof versteckt und wird von diesem namentlich nach vorn und seitwärts überragt. An die hintere mittlere Concavität des Sinus setzt sich das vom Vorhof herabsteigende Lungengekröse an. An seiner vorderen Wand haben sich die bekannten zottenförmigen Auswüchse deutlicher ausgebildet. Die stärkere Zunahme der rechten Sinushälfte kommt wohl ganz auf Rechnung der hervor- ragenden Ausdehnung der rechten vena umbilicalis. Die viel stär- ker gewordenen Ductus Cuvieri treten nicht mehr in rein sagittaler, sondern in schräg von hinten nach vorn absteigender Richtung in die Hinterwand der Sinusenden (Fig. 6); es beginnt der Process der Er- hebung der Ductus Cuvieri, der, wieSchmidt und His geschildert haben, später zur Abschnürung der Pleuralräume vom Perikard führt. Jetzt ist jederseits ein gemeinsames Endstück für die ven. umb. und omphalomes. vorhanden (Fig. 10 und 11), das an der Ein- mündung in das erweiterte Sinusende durch eine seichte Einschnü- rung, namentlich seitlich, deutlich abgegrenzt ist. In Folge der Erweiterung der in die Sinusenden sich ergiessenden Venen er- scheint das niedrige Mittelstück des Sinus, das von Venenmündungen frei ist, relativ verschmälert. Die Venen erscheinen einander näher gerückt. 298 G. Born: Untersucht man für dieses Stadium den Zusammenhang der Herztheile untereinander, so findet man die dünne Platte, welche bei dem jüngsten Embryo den rechten Ventrikelschenkel mit der linken Seite des Uebergangsstückes (canalis auricularis) und des linken Ventrikels verband, von diesen getrennt; bei Embryonen von 1,7 mm Kopflänge steht aber aus der Wand des rechten Schen- kels noch ein Rest der Verbindungsplatte — jetzt aber mit freiem linkem Rande — heraus; dieser Plattenrest ist ganz charakteristisch für die unten zu besprechende Stellungsveränderung der Ventrikel- schenkel nicht mehr frontal, sondern nach links und hinten ein- gestellt. Nicht zu vergessen ist aber, dass in derselben Zeit der breite Zusammenhang, die Verwachsung der Ventrikelschenkel, nach oben hin zugenommen hat. 3.a) Aeussere Veränderungen vom Eintritt der Nacken- beuge bis zur Kopflänge von 6mm. Für die Schilderung der folgenden Veränderungen muss ich von dem bisher innegehaltenen Gange im Interesse der Deutlich- keit abweichen. Es lässt sich an den verschiedenen Modellen, die mir aus diesem Stadium vorliegen, sehr deutlich verfolgen, wie die rechte Ventrikelschleife noch weiterhin gegenüber der linken nach vorn vorrückt (vergl. Fig. 1 und 9, 2 und 16). Der Process beginnt schon bei Embryonen, die wenig grösser sind, als der jüngste be- schriebene, er soll aber hier erst im Zusammenhange geschildert werden. Es macht den Eindruck, als wenn sich die ganze Ven- trikelschleife um den rechten Umfang des Ansatzes des canalis aurieularis von rechts nach links drehte. Dadurch kommen folgende Veränderungen heraus. Der rechte Schenkel tritt, wie gesagt, weiter nach vorn vor, der linke namentlich mit seinem seitlichen Umfange zurück. Die breiteste Fläche des letzteren, welche an- fänglich mehr nach vorn gerichtet war, wendet sich allmählich rein nach links; links neben dem canalis auricularis legt sich der linke Ventrikel immer breiter an die Vorderfläche des linken (ent- sprechend erweiterten) Vorhoftheiles an; es bildet sich links neben dem canalis aurieuläris ein neues Stück Hinterwand des linken Ventrikels. Die Spalte zwischen beiden Ventrikelschenkeln, welche früher von vorn und rechts nach links und hinten verlief, tritt mehr und mehr in die Medianebene ein. Mit dem rechten Ventrikelschenkel Beiträge zur Entwicklungsgeschichte des Säugethierherzens. 299 tritt auch der vertikale Anfang den Bulbus arteriosus mehr nach vorn und links, so dass der von ihm jetzt unter immer stumpferem Winkel nach hinten abbiegende Theil des arteriellen Abflussrohres nur wenig von der medianen Richtung abweicht. Der canalis auricularis liegt an der linken Seitenfläche des Herzens nicht mehr wie in Fig. 1 in ganzer Ausdehnug frei, sondern rückt in die Tiefe, vom Seitenrande des linken Ventrikels gegen die Mitte des Herzens hin, bis sein rechter Rand der Interventrikularfurche gegenüber liegt und von dem linken Rande des Bulbus verdeckt wird (Fig. 9 und 16). Schliesslich trifft die Ebene der Interven- trikularfurche auf den rechten Umfang des canalis auricularis selbst; der Kanal gehört dann nicht mehr allein der linken, sondern mit seinem rechten Ende auch der rechten Herzhälfte (Embryonen von 4—6mm Kopflänge) an. Ausser der Drehung der Ventrikel ist dabei eine Erweiterung des Kanals nach rechts hin, wie wir bei der Besprechung des Herzinneren hervorzuheben haben, von Einfluss. Complieirt wird der Vorgang dadurch, dass im Anfang auch eine geringe Drehung des ganzen Herzens in der Richtung von rechts nach links stattfindet. Für diese wichtige Veränderung, durch die der Zufuhrkanal des Blutes, welcher ursprünglich dem linken Ventrikel allein angehörte, beiden Ventrikeln zugänglich gemacht wird, lassen sich eine ganze Reihe von Ursachen als mög- lich hinstellen; eine Auswahl unter diesen zu treffen, resp. jeden wirkenden Faktor quantitativ zu bestimmen, erscheint mir bis jetzt kaum möglich. Mir kommt es vorläufig wesentlich auf die Feststellung der Formveränderungen selbst an, doch will ich eine Reihe der möglichen Faktoren hier anführen. Man könnte an eine hydrodynamische Wirkung des Blutstromes denken, die die Drehung der Ventrikelschleife von r. nach 1. herbeiführten, vielleicht spielen auch die starke Ausdehnung des rechten Vorhofes und die Entwick- lung der Leber dabei eine Rolle; endlich können, und das scheint mir das wesentlichste, Wachsthumsverhältnisse in der Ventrikelschleife selbst die ge- schilderten Erscheinungen herbeiführen. Solcher liessen sich aber noch eine ganze Reihe verschiedener Combinationen mit demselben Endresultat anführen. Das gemeinsame untere Querstück des Ventrikeltheiles wächst in der Höhenrichtung auch weiterhin stärker als die freien verti- kalen Schenkel, ausserdem aber ergiebt sich namentlich aus der Betrachtung des Herzinneren eine Verwachsung der einander zu- gewandten Seiten der Ventrikelschenkel. Da nun gleichzeitig jede Ventrikelhälfte sich für sich ausdehnt, geht die Schlingenform des Ventrikeltheils immer mehr verloren und er erscheint als aus 300 G. Born: zwei ovoiden bis kugeligen Hälften zusammengesetzt (vergl. Fig. 2 und 16), welche mittelst breiter Innenflächen mit einander ver- . wachsen sind. Die Interventrikularfurche bezeichnet die ursprüng- lich vollständigere Trennung. Neben derselben ragt jede Ven- trikelhälfte kuppelförmig nach unten vor. Eine Abgrenzung des linken Ventrikelschenkels nach oben gegen den Bulbus ist am Herzen des Kaninchenembryos nur selten (in Form einer schwachen Furche an der linken Seite) wahrnehmbar. Die Streekung des Ventrikelabschnittes findet erst in späteren Stadien statt. Die specielle Form des Kammertheils ist natürlich sehr er- heblich vom Füllungs- und Contraktionszustande abhängig, doch erscheint die (inzwischen frei gewordene) hintere Fläche immer flacher als die vordere. Auf die Veränderungen am Bulbus kom- men wir weiter unten noch zurück. Die zweite für die Gesammtgestaltung des Herzens wichtige Veränderung betrifft die Lage des Vorhofes und Sinus im Ver- hältniss zum Ventrikel. Bisher lag der Vorhofsack hinter dem Ventrikeltheil versteckt, seine vordere Wand stand dabei vertiecal und in direkter Berührung mit der hinteren Vertikalfläche (vergl. dazu Fig. 2—4, 6, 10—13). Das untere Ventrikelende stieg kaum weiter herab als das untere Vorhofsende. In der Folgezeit sieht man das Ventrikelende den Vorhof immer weiter und weiter nach unten überragen, so dass die hintere Fläche der Ventrikel freiliegend erscheint, während sich gleichzeitig die Vorhöfe über den unteren Enden der Ventrikel erheben (vergl. Fig. 14, 17, 19 u. a.). Man könnte nun denken, dies beruhe einfach auf einem gleichzeitigen, relativ stärkeren Höhenwachsthum des unteren Ventrikelabschnittes und der oberen Vorhofstheile. Es ist keine Frage, dass ein solcher Wachsthums- unterschied wirklich stattfindet und die geschilderte Verschiebung mit herbeiführen hilft; man bemerkt aber gleichzeitig, dass der Sinus venosus von der unteren auf die hintere Fläche des Vorhof- sackes rückt, wobei sich seine Enden vertikal aufrichten, so dass der Halbmond, mit dem ich ihn oben verglich, nicht mehr horizontal, sondern frontal gestellt ist. Da man ausserdem bei der Betrachtung des Herzinnern, wie ich hier vorausgreifend bemerken muss, die Vorhofsmündung des eanalis auricularis sich nicht nur von links nach rechts, sondern auch allmählich vom oberen Rande der vor- dern Vorhofswand gegen den untern Rand derselben Wand ver- Beiträge zur Entwicklungsgeschichte des Säugethierherzens. 301 schieben sieht, so bleibt keine andere Erklärung übrig, als dass der Vorhofsack gegen den Ventrikeltheil um eine transversale Axe, die etwa durch die Vorhofsmündung des canalis auricularis geht, nach oben und vorn gedreht, oder, wie ich mich in der vorläufigen Mittheilung ausdrückte, umgeklappt wird. Der Theil der vorderen Vorhofswand unterhalb der Vorhofs- mündung des canalis aurieularis, welcher bisher frontal stand und der hinteren Ventrikelwand anlag, entfernt sich dabei von derselben und stellt sich horizontal (vergl. Fig. 5, 8 u. 28 mit 23—25). Der Winkel, welchen diese Wand mit der nun frei gewordenen hinte- ren Ventrikelwand bildet, wird allmählich sogar zu einem stumpfen. Dass diese untere Wand des Vorhofsackes sich gleichzeitig in der Riehtung von vorn nach hinten ausdehnt, wodurch sich die sagit- tale Distanz zwischen der Einmündung des Sinus venosus und der Verhofsmündung des can. aur. noch mehr vergrössert, braucht wohl ebensowenig hervorgehoben zu werden, wie dass dieselbe Wand nicht plan, sondern nach unten gewölbt ist. Bei der Umklappung des Vorhofes erhebt sich derselbe natürlich nunmehr über dem Ven- trikeltheil. Diese Ueberlagerung des Vorhofsackes über die Ventrikel wird noch dadurch verstärkt, dass, wie erwähnt, der ganze Vor- hofsack vorzugsweise nach oben hin auswächst, wie man daraus entnehmen kann, dass sich über dem can. aur. eine ausgedehnte vordere Vorhofswand erhebt. Besonders stark ist das Wachsthum der seitlichen Theile des Vorhofs, die sich ebenso nach oben wie nach vorn hin ausdehnen und so die Anlagen der auriculae cordis darstellen; doch sind die Ohranhänge jetzt noch stumpf, erst später ziehen sie sich spitz nach vorn aus. Der linke lagert sich breit über das obere kuppelförmige Ende des gleichseitigen Ventrikels; der rechte schiebt sich ähnlich über den oberen Umfang des rech- ten Ventrikels, wo dieser in den Bulbus arteriosus übergeht, hinweg. So kommt für den ganzen Vorhofsack die Form einer Zwinge, welche von hinten um den Bulbus arter. herumgelegt ist, heraus. Dieser letztere hat inzwischen seine Form und seine Stellung zu den Ventrikeln verändert. Das horizontal nach hinten abgeknickte Ende richtet sich gleichzeitig mit der Aufklappung des Vorhofs (Fig. 12—14, 17, 19 B.) — inwieweit durch dieselben veranlasst, möge dahingestellt bleiben — mehr und mehr auf, bis schliesslich 302 G. Born: seine vordere Fläche in die gradlinige Verlängerung der Vorder- flächen des Ventrikels fällt. Es sind dann nicht die obereu Enden des Bulbus, sondern die aus denselben hervorgehenden letzten Aortenbögen über die obere Wand des Vorhofsackes, dieselbe einbuchtend, hinweggebogen. Die Bildung der Aurikeln als besonderer Aussackungen des Vor- hofs nach vorn und oben beginnt schon bei Embryonen von 3mm Kopflänge, die Aufrichtung des Bulbus arteriosus bei solchen von 2,6—3 mım Kopflänge. Dass der can. aur. vom linken Herzrande sich gegen die Herzmitte und zugleich gegen den unteren Rand der Vorhöfe ver- schiebt, sei hier noch einmal besonders hervorgehoben. Wir kommen auf seine Schicksale noch des Näheren zurück. Er ver- schwindet dabei für die äussere Ansicht fast vollkommen. Oben wurde schon erwähnt, dass bei der Aufklappung des Vorhofes der Sinus an seine hintere Seite rückt; an Herzmodelien von Embryonen von 2,5—3mm Kopfl. lassen sich alle Phasen dieses Processes verfolgen (Fig. 13, 14, 17 Si, Si*, Ss). Die bisher (noch bei Embryonen von 2,5 mm Kopfl. Fig. 13) der hinteren Seite der Ventrikel anliegende vordere Fläche des Sinus-Sackes wird zur unteren, die bisherige untere Fläche, welche mit der Zwerch- fell- und Leberanlage verwachsen ist, zur hinteren ; wie diese Ver- bindung mit der Zwerchfell- und Leberanlage sich allmählich ab- schnürt, so dass der Sinus schliesslich nur noch durch das Ende der vena cava inferior mit den genannten Theilen zusammenhängt (Embryonen von 3,4 mm Kopfl.), soll im Zusammenhange mit den Verhältnissen der Venen beim Herzinnern besprochen werden. Her- vorgehoben sei hier aber noch, dass die Enden des Sinus, welche die Venen aufnehmen, viel stärker nach hinten hinaufgeschoben werden als das Mittelstück. Das Gleiche gilt übrigens auch für die Sei- tentheile des Vorhofes im Vergleich zum mittleren Theil desselben. Der Sinus nimmt in Folge dessen die Form eines mehr und mehr vertikal gestellten Hufeisens an (Fig. 15, 18 u. 20), dessen freie Schenkel oder Hörner von dem unteren Mittelstück aus an den hinteren Wänden der beiden Vorhofshälften hinaufziehen und das Lungengekröse zwischen sich fassen ; wie sich dabei der Zusam- menhang des Hohlraumes des Sinus mit dem des Vorhofs ändert, wird unten besprochen werden. Zugleich bleibt der Sinus immer mehr im Wachsthum hinter dem Vorhofsack zurück, namentlich in Beiträge zur Entwicklungsgeschichte des Säugethierherzens. 303 der queren Dimension ist dies augenfällig; er liegt jetzt ganz hinter dem Vorhofsack versteckt (vergl. Fig. 11 mit 20). Bei einem Embryo von 6mm Kopfl. erschien der Sinus kaum mehr die Hälfte so breit wie der Vorhof, doch hängt dies im speeiellen Falle natürlich sehr vom Füllungszustande der verschiedenen Herz- theile ab. Das rechte Horn des Sinus ist auch beim Kaninchen das stärkere. Beim Menschen tritt, wie unten zu besprechen, eine frühzeitige Reduktion des linken Hornes und des Querstücks des Sinus ein. Mit der Aufrichtung der Sinushörner werden auch die Ein- mündungsstellen der Ductus Cuvieri nach hinten und oben ver- schoben; während die Einmündungsstellen bei einem Embryo von 2,5 mm Kopfl. (Fig 13. Ve. C. d.) noch ganz unterhalb des unteren Vorhofendes liegen, erscheinen dieselben bei einem nur wenig älteren Embryo von 2,66 mm Kopfl. (Fig. 14. Ve. C.d.), bei dem aber die Aufklappung der Vorhöfe und des Sinus begonnen hat, weit über das untere Vorhofende an der hinteren Wand des Vorhofes hinaufgeschoben. Dabei macht sich zeitweilig zwischen rechts und links ein Unterschied geltend. Der linke Ductus Cu- vieri (Fig. 15. Ve. ©. s.) tritt von vornherein in das obere Ende des Sinushornes; rechts überragt bei Embryonen von 2,66 mm Kopfl. das obere Ende des Sinushornes blindsaekförmig die Einmündungs- stelle des Duct. Cuv. (Sd. Fig. 15). Bei Embryonen von 2,86 mm Kopfl. hat sich dieser Unterschied ausgeglichen (Fig. 18. Ve. C. D u. S. d.). Es rührt dies daher, dass beide Duetus Cuvieri aus ihrer ursprünglich horizontalen Richtung (bei gleichzeitiger Verlän- gerung) mehr und mehr in eine vertikale übergehen und sich damit in die Verlängerung des Sinushornes der entsprechenden Seite ein- stellen. Bei dieser Aufrichtung der Ductus Cuvieri wird rechts die obere Kuppel des Sinushornes in die Einmündungsstelle einbezogen. Man kann an den Modellen diesen Vorgang in allen seinen ein- zelnen Phasen verfolgen. Bei Embryonen von 6‘mm Kopfl. steigen die Duct. Cuv. in direkter Verlängerung der Sinushörner auf. Ihre weiteren Schicksale werden wir unten zu verfolgen haben. Dass mit der Aufrichtung der Duct. Cuv. die Scheidung der Pleu- rahöhlen von der Pericardialhöhle zusammenhängt, ist bekannt; es greifen dabei übrigens noch andere (Verlöthungs-) Processe ein — die genauere Darstellung des Vorgangs liegt ausser dem Bereiche meines Themas. / Archiv f, mikrosk, Anatomie, Bd. 33, 20 304 G. Born: Statt der beiden Stämme, welche an jeder Seite das Blut der v. umb. und v. omph. mes. in die untere Seite des erweiterten . Sinusendes führten, bildet sich bei Embryonen von ungefähr 3mm Kopfl. ein Stamm heraus, durch welchen sich das Blut der Venen beider Seiten in die hintere Wand des unteren Endes des rechten . Sinushornes ergiesst, die Vena cava inferior (vgl. Fig. 15 mit 20). Wie diese Umbildung vor sich geht, kann erst bei der Darstellung des Herzinnern besprochen werden. Es sei aber hier sogleich betont, dass die Einmündungsstelle der v. c. inf. in das untere Ende des rechten Sinushornes sich von vornherein über der Verbindung dieses rechten Sinushornes mit dem unteren Sinusquerstück befindet. 2 u. 3b) Das Herzinnere bis zur Kopflänge von 6 mm. Die erste wichtige Veränderung im Vorhofsabschnitt besteht in der Verkleinerung und Verschiebung der Sinus-Einmündung. Schon bei Embryonen von 1,25 mm Kopflänge hat sich die von der linken Seite her vorspringende Trennungsfalte so weit nach rechts vorgeschoben, dass die ganze linke Vorhofshälfte einen Boden und demgemäss die linke Hälfte des Sinus eine vollständige Decke besitzt. Bei Embryonen von 1,7 mm Kopflänge (vgl. Fig. 8) verlängert sich die Trennungsfalte auf den linken Umfang und die vordere Seite des rechten Vorhofsackes, sodass die Sinus- Mündung jetzt ein kreisrundes Loch am Boden der rechten Vor- hofshälfte darstellt, welches nur an der hinteren Wand ohne leistenförmige Begrenzung in die darunterliegende rechte Sinus- Hälfte überführt. Es sei daran erinnert, dass entsprechend der inneren Abgrenzung die äussere Abfurchung des Sinus vom Vor- hofe ringsum fortschreitet. Bei Embryonen von 23,5 mm Kopflänge setzt endlich die Ver- änderung ein, die ich bei der äusseren Betrachtung des Herzens als Umklappung des Vorhofsackes nach hinten und oben beschrie- ben habe. Die Sinus-Mündung wird dabei von der unteren Wand des rechten Vorhofsackes allmählich auf die hintere verschoben. Gleichzeitig wird die Oeffnung immer mehr seitlich eingeengt, indem sich auch an ihrem rechten Umfang entsprechend einer äusseren Furche ein leistenartiger Vorsprung ausbildet (vgl. Fig. 28). Ist mit der Umklappung des Vorhofes der Sinus an dessen hintere Seite gerückt (wie oben beschrieben), so präsentirt sich die Sinus-Mündung je nach der Füllung des Herzens als eine schmalere Beiträge zur Entwicklungsgeschichte des Säugethierherzens. 305 oder breitere Spalte, welche an dem unteren Theile der hinteren Wand der rechten Vorhofshälfte etwas schräg von rechts oben nach links unten herabzieht (Fig. 23A—SM). Dieselbe führt nach hinten in das nun beinahe vertikal gestellte rechte Sinus-Horn. Die Ränder der Spalte springen entsprechend den Furchen, durch die sich das rechte Sinus-Horn äusserlich von der hintern Vorhofswand abgrenzt, leistenartig in’s Vorhofslumen vor. Es wie- derholt sieh dann (bei Embryonen von 2,5—3 mm Kopflänge) der am Herzen überall zu beobachtende Vorgang: diese Randleisten der Sinus-Mündung, welche anfänglich als Einfaltungen der ganzen Herzwand erschienen, gewinnen ein selbständiges Wachsthum und treten als klappenartige Gebilde viel stärker, als man es nach den äusseren Furchen vermuthen würde, in die Vorhotsliehtung vor. So findet man dann (bei Embryonen von nahezu 3 mm Kopflänge) die Sinusmündung von 2 ihrem schrägen Verlauf an der hinteren Wand der rechten Vorhofshälfte folgenden Klappen begrenzt, der valvula venosa dextra et sinistra. (Fig. 23A, 24, 26, V. v. d. und V. v. s.) Ich möchte in Betreff dieser Bezeichnungen hervorheben, dass dieselben wohl für die späteren Stadien, nicht aber für die vorliegenden passend er- scheinen. Später werden es wirkliche Venenklappen, jetzt sind es Sinusklappen. Die valvula v. dext. tritt zeitiger auf und bleibt auch in der Folgezeit die höhere. Bei Embryonen von 2,5 mm Kopfl. ist die- selbe schon recht deutlich, während die linke nur neben dem oberen Theile der Sinusmündung ein wenig-heraustritt. Das Bild, welches beide Klappen geben, hängt bei ihrem ersten Auftreten sehr erheblieh vom Füllungszustande des Herzens ab. Sind die Vorhöfe und der Sinus leer, so erscheint die Sinusmündung als ganz schmaler Spalt und die dieselbe begrenzenden Klappen treten beinahe senkrecht aus der Sinuswand in das Lumen des Vor- hofes vor. Sind die Hohlräume mehr gefüllt, so kann die Sinus- mündung immer noch spaltförmig sein, die Klappen liegen aber in der Flucht der Vorhofswände und berühren sich nur mit ihren Rändern. Ist endlich die Füllung eine besonders starke, so stehen die, wie bei mittlerer Füllung eingestellten, Klappen nach unten zu weit auseinander, während sie nach oben unter ganz stumpfem Winkel zusammenlaufen (so in dem Modell, nach dem Fig. 28 gezeichnet ist). — Gemäss der schrägen Richtung der Sinusmündung reichen die unteren Enden der Klappen weiter nach links, als die oberen, die ersteren laufen an dem inzwischen gebildeten SI aus 306 G. Born: (vergl. Fig. 23 u. 24). So lange die valv. ven. sin. nur neben dem oberen Ende der Sinusmündung ausgebildet (etwa 2,5 mm . Kopf.) ist, grenzt die untere Hälfte der Sinusmündung direkt an das hintere Ende des SI. Noch ehe der Sinus an die hintere Seite des Vorhofsackes zu rücken beginnt, zieht sich von der Stelle, wo die seine rechte Hälfte seitlich begrenzenden Furchen oben zusammenstossen, eine bisher nieht erwähnte Furche an der Hinterwand des rechten Vor- hofes hinauf (Fig. 13 zwischen Ad und Sp. i.).. Wenn dann der Sinus bei der Umklappung der Vorhöfe an deren hintere Seite tritt, während seine Enden sich zu vertikalen Hörnern ausziehen, tritt diese Furche, welche von der oberen Begrenzungsfurche des rechten Hornes ausgeht, noch viel schärfer hervor; natürlich rückt ihr Anfang, wie der Vergleich von Fig. 17 und 19 lehrt, ent- sprechend der Verschiebung des Sinus an der hinteren Seite des rechten Vorhofes immer weiter hinauf. Wenn die Furche vollständig ausgebildet ist, so zieht sie über die obere Hälfte der Hinterwand und über die obere Wand des rechten Vorhofes etwas schräg nach links hinweg, so dass sie vorn schliesslich in der Grenzfurche zwischen den beiden Vorhofshälften ausläuft. Genau entsprechend dieser äusseren Furche springt nach innen eine Leiste vor, in die sich am oberen Ende der Sinusmündung die beiden valv. ven. zusammen fortsetzen. Die Leiste gewinnt bald ein rasches selbständiges Höhenwachsthum; ich werde sie mit His als septum spurium bezeichnen (Fig. 23A—25, 25 Ps.). Das sept. spur. ist also eine obere unpaare Fortsetzung der valvulae venosae, welche an der vorderen Vorhofswand neben dem inzwischen gebildeten septum primum endigt. Der Raum, welcher zwischen den valv. ven. und dem sept. spur. einerseits und dem S I anderer- seits (resp. den diesen Vorsprüngen an der äusseren Oberfläche entsprechenden Furchen) gelegen ist, tritt bei Embryonen von 2,5 mm Kopflänge erst sehr schwach nach aussen hervor, er liegt hier an der hinteren Wand des rechten Vorhofsackes, ohne denselben zu überragen, und ist nach hinten ausgedehnt. Bei Embryonen von 2,66—2,8—3,4 bis etwa 5 mm Kopflänge stellt er eine immer stärker nach hinten und oben heraustretende Aussackung dar, welche von dem übrigen Theil des rechten Vorhofes scharf ab- gesetzt, denselben kuppelförmig überragt. Man sieht vielleicht an keinem Theil des Herzens die durch die Aufrichtung der Vor- Beiträge zur Entwicklungsgeschichte des Säugethierherzens. 307 höfe gesetzte Lageverschiebung so gut wie an diesem. Ich werde denselben als pars interseptalis sive intervalvularis des rechten Vorhofs bezeichnen und den dieser Aussackung entsprechenden inneren Abschnitt als spatium interseptale sive intervalvulare (Sp. i. in Fig. 13—15, 17—19 u. a.). Ehe wir die weiteren Schicksale dieser Bildungen betrachten, wird es angebracht sein, erst die Verschiebung der Mündung des canalis auricularis und die Bildung des septum primum bei den- selben Stadien zu verfolgen. Durch die Umklappung des Vorhofes nach oben wird die Vor- hofsmündung des canalis aurieularis, oder wie wir sie von jetzt an kurzweg vorausgreifend nennen wollen, das ostinm atrioventri- eulare nach unten verschoben, während oberhalb desselben eine neue vordere Wand theils aufgerichtet wird, theils auswächst (vergl. F. av. ce. in Fig. 28 und Fig. 23A—25). Diese Verschiebung des Ostiums gegen den unteren Rand der vorderen Wand bietet dem- nach für das Verständniss keine besonderen Schwierigkeiten. Schwie- riger ist die gleichzeitige Verschiebung des Ostiums nach rechts hin- über bis zur Mittellinie des Herzens hin zu erklären. Während die Oeffnung im Anfangsstadium in der linken oberen Ecke der vorderen Wand lag und vollständig in den Bereich der linken Vorhofshälfte fiel (vergl. Fig. 8), ist sie bei Embryonen von etwa 4 mm Kopfl. schon so weit nach rechts verschoben, dass die Ebene des inzwischen gebildeten SI, welches an der Grenze zwischen beiden Vorhofs- hälften entsteht, auf die Mitte des Ostiums trifft (vergl. Fig. 26 u. a.). Eine relative Verschiebung der Oeffnung vom linken Seiten- rande der Vorderwand gegen deren Mitte ergiebt sich einfach daraus, dass der Vorhof sich am linken Rande des canalis auri- eularis verbreitert und mit dem so gebildeten neuen vorderen Wandstück an die ebenfalls neue Hinterwand des Ventrikels an der linken Seite der Kammermündung des can. aur. anlegt. Während- dem bleibt der rechte Rand der Vorhofsmündung des Kanals in seiner ursprünglichen Stellung, d. h. er reicht bis an die Ebene, welche entsprechend der äusseren Einbuchtung den Vorhof in seine beiden Hälften zerlegt. Schon bei Embryonen von 2,5 mm Kopfl. überschreitet aber der Rand der Oeffnung diese Ebene nach rechts hin, so dass das Ende der Oeffnung in die rechte Vorhofshälfte hineinragt (Fig. 28). Der Process schreitet allmählich fort, so dass bei Embryonen von etwa 4mm Kopflänge die volle Hälfte der 308 G. Born: Oeffnung dem rechten Vorhofe angehört. Bei dieser Verschiebung der Mitte der Oeffnung bis zur Theilungsebene zwischen den beiden _ Vorhöfen spielt sicherlich die leicht nachweisbare Verbreiterung derselben in der Quere die erste Rolle. Bei Embryonen von Amm Kopfl. ist die Liehtung des Kanals mehr als doppelt so breit, als bei solchen von 2,5mm Kopflänge. Diese Verbreiterung geschieht offenbar lediglich an der rechten Seite, während das linke Ende des Kanals vielleicht sogar eingeengt wird. Bildet sich nun, wie gleich näher zu beschreiben, bei Embryonen von 2,5 mm Kopf- länge zwischen beiden Vorhofshälften das SI, so ist die Ebene desselben zuerst auf das rechte Ende der Mündung des Kanals gerichtet; während dieses Septum aber allmählich von der hinteren und oberen Vorhofswand herabwächst, trifft die Ebene desselben immer näher an die Mitte der Oeffnung, bis schliesslich bei Embryonen von 4mm Kopfl. sein freier, der Kanalöffnung stark genäherter Rand der Mitte derselben grade gegenüber steht. Dass auch der Ansatz des SI durch die starke Ausdehnung des rechten Vorhofes, namentlich aber des diesem SI anliegenden spatium interseptale, im Verhältniss zur Vorhofsmündung des canalis aurieularis nach links verschoben wird, ist mir sehr wahrscheinlich; es spricht dafür, dass das Lungengekröse, welches bei Embryonen bis 2,5 mm Kopfl. deutlich nach rechts gewendet verlief, sich allmählich gerade stellt. Auch geht der Ansatz des SI bei älteren Embryonen ober- halb des Lungengekröses nicht mehr von der Mitte der Einbuchtung, welche die Trachealanlage an der hinteren Herzwand macht, aus, sondern etwas links von dieser Mitte. Die Vorhofsmündung des ost. atr. v. wächst übrigens mit der Ausdehnung der Vorhöfe ohne die Form eines Querspaltes zu ver- lieren. Die Entwicklung der Endocardkissen in derselben und ihre weiteren Veränderungen werden unten besprochen werden. Es ist nun die Bildung des SI, welches wir vorausgreifend schon öfters erwähnen mussten, nachzuholen. Bei Embryonen von 1—1,7mm Kopfl. bildete sich, wie beschrieben, an der Grenze beider Vorhofshälften an der oberen und hinteren Wand ent- sprechend dem horizontalen Theile des Bulbus und der vordringen- den Tracheal- und Lungenanlage eine zusammenhängende flache Einbuchtung. Am unteren Ende der hinteren Wand, entsprechend dem Ansatze des Lungengekröses, wo die Einbuchtung auch schon bei dem jüngsten der untersuchten Embryonen zu sehen war, ist Beiträge zur Entwicklungsgeschichte des Säugethierherzens. 309 dieselbe am tiefsten. Hier entspricht das äussere Relief genan dem Innern; ein abgerundeter Vorsprung deutet am unteren Ende der hinteren Vorhofswand die Trennung der beiden Vorhofshälften an, derselbe zieht sich, wie Fig. 3 zeigt, neben der Sinusmündung auch noch auf die untere Vorhofswand herab. Dass das Lungen- gekröse nicht im Grunde der äusseren Einbuchtung, sondern an deren rechtem Abhang inserirt, wurde oben schon erwähnt. Wenn man nun an der hinteren Wand über den Ansatz des Lungenge- kröses hinaufgeht, nimmt die Tiefe der äusseren Einbuchtung ge- mäss der geringeren Entwicklung der Trachealanlage ab. Die der äusseren Einbuchtung entsprechende Hervorragung an der inneren Wand aber zeigt eine stärkere, selbständige Entwickelung. Auf dem Kamme derselben ist das Endocard stärker, die Museu- laris schwächer verdickt; am seitlichen Abfall der Hervorragung verschwindet die Verdieckung allmählich. Eine ebensolche schwache Hervorragung zieht sich über die obere Wand, entsprechend der durch den horizontalen Theil des Bulbus verursachten äusseren Einbuchtung hin bis zum rechten Umfang der Vorhofsmündung des Canalis auricularis und geht hier in den etwas in den Vorhof vor- geschobenen Seitenrand dieser Oeffnung über (vgl. Fig. 8, wo die Hervorragung aber etwas zu weit nach abwärts verlängert ist). Diese Hervorragung ist die erste Anlage der Vorhofsscheidewand, die ich als SI bezeichnet habe. Bei Embryonen von 2,5 mm Kopfl. zeigt sich dasselbe schon viel deutlicher entwickelt (vgl. Fig. 23 SI); namentlich an der hinteren Vorhofswand oberhalb des Ansatzes des Lungengekröses springt ein ziemlich hoher, aber immer noch breiter Fortsatz der Museularis, der am freien Rande eine wulstartige Endocardver- diekung trägt, an der Grenze beider Vorhofshälften nach vorn in das Lumen vor; derselbe setzt sich schwächer und breiter auch über die obere, durch den horizontalen Bulbustheil eingebuchtete Vorhofswand fort und endigt über der Vorhofsmündung des cana- lis aurieularis, welche in diesem Stadium zwar schon stark gegen die Mitte der Vorderwand des Vorhofes verschoben ist, aber noch hoch oben an dieser sitzt. Unten verliert sich der Kamm (ent- sprechend dem Ansatze des Lungengekröses) neben dem linken Rande der Sinusmündung am Uebergang zur unteren Vorhofswand. Bei Embryonen von 2,5—2,7 mm Kopfl. erreicht das SI seine volle Ausbildung. Die äussere, durch die Tracheal- und Lungen- 310 G. Born: anlage und den horizontalen Theil des Bulbus an der hinteren und oberen Vorhofswand veranlassten Einbuchtung ist flach geblieben, das SI aber, welches von der Mitte des durch die äussere Ein- buchtung veranlassten inneren Vorsprungs ausgeht, ist zu einem dünneren, aber hohen halbmondförmigen Kamme ausgewachsen (Fig. 30 SD), dessen Ansatzlinie sich von dem oberen Theile der vorderen Wand über die obere hinweg bis zum unteren Ende der hinteren Wand hinwegzieht. Der freie Rand des Kammes ist nach wie vor von einer kolbigen Endocardverdickung eingenommen, in welche die dünne Muskelplatte mit dem freien Ende eingesenkt erscheint. Die ovale Oeffnung, welche zwischen dem freien Rande des SI und dem ost. atr. v. beide Vorhotshälften verbindet, habe ich als OI bezeichnet. Beim weiteren Vorwachsen des SI greifen die Ansatzlinien desselben allmählich auf die untere und vordere Wand des Vor- hofsackes über (Fig. 23A—SD. Die niedrigen Enden, in welche der Halbmond dann an der vorderen und unteren Wand ausläuft, werden fast ausschliesslich von der Endocardverdickung gebildet. Die unteren Verdiekungen sind stärker. Schon bei Embryonen von noch nicht 3mm Kopfl. erreichen die Enden des SI die Endo- cardverdickungen, welche sich, wie weiterhin zu besprechen, von den Endocardkissen des canalis auricularis aus in die untere und vordere Vorhofswand hineinerstrecken und verschmelzen mit diesen, so dass dann das OI mit Ausnahme des Schlitzes zwischen den beiden Endocardkissen ringsum von verdickten Endocardrändern begrenzt ist (Fig. 283). Die nach links gerichteten unteren Enden der valvulae ve- nosae laufen an dem unteren Theile des SI aus. Aehnlich verhält sich oben das septum spurium. Gehen wir nun zu Embryonen von fast 3—31/; mm Kopfl. über, so sieht man, dass das SI nicht nur seine Ansatzenden weiter gegen die Atrioventrikularöffnung hin vorgeschoben, sondern auch in seiner Mitte erheblich an Höhe zugenommen hat. Das O1 erscheint in Folge dessen nicht blos relativ, sondern auch absolut kleiner, als bei Embryonen von 3 mm Kopfl. Die Oeffnung nimmt kaum mehr 1/, der Fläche eines mittleren Sagittalschnittes zwischen beiden Vorhofshälften ein (Fig. 23A und 24 O]). Grade aber in diesem Stadium bemerkt man die Bildung einer neuen Oeffnung zwischen schade, Beiträge zur Entwicklungsgeschichte des Säugethierherzens. 311 beiden Vorhöfen und zwar in der Mitte des Ansatzes des SI an der Vorhofswand, da wo die hintere Vorhofswand in die obere um- biegt. Anfänglich ist dieses ostium secundum (O II), wie ich es benannt habe, noch klein, vgl. Fig. 23 A, 24 und 31. Je weiter aber in der Folgezeit das SI gegen die Atrioventrikularöffnung vorrückt, je mehr demgemäss die Weite von OI abnimmt, um so grösser wird diese neue Oeffnung OII (Fig. 25 und 31). So lange diese beiden Oeffnungen zugleich vorhanden sind, bei Embryonen von 3—5,5 mm Kopfl., besitzt die Vorhofsscheidewand die merk- würdige Form eines Bandes mit 2 freien Rändern, einem oberen hinteren und einem vorderen unteren. Das Band ist demnach vom hinteren unteren zum vorderen oberen Umfange des Vorhofes in der Mittellinie ausgespannt (SI in Fig. 23A—25 und 27). Bei Embryonen von 4,2 mm Kopfl. sind beide Oeffnungen ungefähr gleich sross, beide von abgerundet dreieckigem Umriss. Während nun durch die Bildung von OlI das SI seinen Ansatz am hinteren oberen Umfang der Vorhofswand immer mehr verliert, greifen seine Ansatzlinien, natürlich unter Verkürzung seines unteren freien Randes, immer ausgiebiger auf die vordere und untere Wand über; es ist, als senkte sich das Band von: hin- ten und oben nach unten und vorn herab, oder mit andern Worten, das Band folgt der Ausdehnung des Vorhofes am hinteren oberen Umfang nicht, sondern wächst nach unten und vorn aus. Bei Embryonen von 4,5--5,5 mm Kopfl. wird OI kleiner wie Oll. Der verkürzte untere freie Rand des SI rückt der Atrio- ventrikularöffnung immer näher (Fig. 25), seine mit Endocardver- bindungen versehenen Enden verschmelzen mit den der Vorhofs- lichtung zugewandten Flächen der Endocardkissen und schliesslich (bei Embryonen von 5,5—6 mm Kopfl.) ist O I verschwunden und der untere Rand von SI steht nur noch in der Spalte zwischen den Endocardkissen frei an. Das entsprechend vergrösserte O1I bildet dann die einzige Communication zwischen beiden Vorhofs- hälften (vgl. die Schemata A, B, C). SI, welches im Anfang am hinteren oberen Umfang des Vorhofsackes angewachsen, seinen freien Rand nach vorn und unten wandte, ist jetzt am vorderen unteren Umfang des Vorhofsackes befestigt und wendet seinen freien Rand nach hinten und oben. Die Mitte der Ansatzlinie von SI theilt jetzt das ost. atr. v. in zwei Oeffnungen, von denen jede nur mit der entsprechenden 312 G. Born: Vorhofshälfte communieirt. Die Scheidung der rechten und linken Atrioventrieularöffnung wird fast gleichzeitig, wie noch unten zu besprechen, dadurch vervollständigt, dass, während der untere Rand desSI sich zwischen die Endocardkissen einsenkt, dieselben an den einander zugewandten Flächen breit verschmelzen. OII ist nichts anders als das spätere foramen ovale. SI liefert die valvula foraminis ovalis. Die folgenden Stellungsveränderungen des letzteren werden wir bei der definitiven Ausbildung des Her- zens zu besprechen haben. Die zweite Klappe, welche das foramen ovale umrahmt, tritt relativ sehr spät auf, erst bei Embryonen von etwa 5mm Kopf- länge bildet sich von der oberen und dem oberen Theile der hin- teren Wand aus eine neue halbmondförmige Leiste, die ich in der vorläufigen Mittheilung als SII bezeichnet habe (Fig. -25). Die An- satzlinie derselben liegt etwas rechts von der Ebene des SI, greift also ein wenig in das spatium intervalvulare hinein. Diese Leiste, welche von Anfang an dicker als das SI erscheint, aber ein viel geringeres Höhenwachsthum zeigt, liefert den Haupttheil des Lim- bus Vieussenii; da beide Leisten, das SI und SII, nicht in der- selben Ebene liegen, laufen ihre niedrigen Enden aneinander vorbei resp. greifen übereinander über. Die Stellungsveränderung des Limbus, durch welche er vom oberen auf den vorderen Umfang des foramen ovale verschoben wird, kann auch erst später be- sprochen werden. Wenn man bei Embryonen von 3,5 mm Kopfl. vom rechten Sinushorn zwischen den schräg gestellten valv. ven. hindurch in den Vorhof dringt, führt die gerade Verlängerung dieses Weges auf den hinteren Umfang desO I; später, wenn sich das SI weiter herabgesenkt hat (Embryonen von 4,2 mm Kopfl.) auf den hinteren Rand dieses Septums selbst. Ist aber das SI ganz herabgewachsen, und hat sich das OII entsprechend vergrössert, so führt der Weg zwischen den beiden valv. ven. hindurch direkt auf den unteren Umfang dieser Oeffnung. Die dazu nöthige Wendung nach oben wird dadurch herbeigeführt, dass bei dem schon früher erwähnten vorwiegenden Wachsthum der oberen Vorhofstheile die Sinus- mündung an der hinteren Wand relativ immer weiter herabrückt. Dieses vorwiegende Wachsthum der oberen Vorhofstheile prägt sich ausserdem in der unverhältnissmässigen Ausbildung der oberen unpaaren Verlängerung der valv. ven. d. i. des septum spurium Beiträge zur Entwicklungsgeschichte des Säugethierherzens. 313 bei Embryonen von 3,5—6mm Kopflänge aus. Es gewinnt nicht nur an Höhe, sondern seine Ansatzlinie greift auch bis auf die vordere Wand über (vgl. Fig. 25). Es ist so hoch, dass, wenn man rein von rechts durch eine entsprechende Oeffnung in den rechten Vorhof hineinsieht, es mit den valv. ven. zusammen das SI beinahe ganz zudeckt. Vom OIl ist dann natürlich garnichts zu sehen. In den Figuren 23A—25, welche das letztere zeigen sollen, ist daher die Decke der Vorhöfe abgehoben und die Einsicht von rechts hinten und etwas von oben genommen. Schon bei einigen jüngeren Embryonen fand ich den Wandansatz des Sept. spur. etwa in der Mitte seiner Ausdehnung durchbrochen, z.B. in Fig. 25. Je stärker rechts die valv. ven. mit dem s. spur., links das SI nach vorn und unten heraustreten, um so tiefer wird der zwischen ihnen gelegene Theil des rechten Vorhofs, den ich als Spatium interseptale bezeichnet habe, nur dass derselbe nach links durch das inzwischen erweiterte O II immer breiter mit dem linken Vor- hof communieirt. Ueber die funetionelle Bedeutung des Sept. spur. wird später gesprochen werden. Das Lungengekröse (mesent. cordis post.), welches bei Em- bryonen zwischen 1—2 mm Kopfl. schräg nach rechts und vorn z0g, stellt sich bei älteren von 2—3 mm wieder gerade nach vorn ein. Der Zwischenraum zwischen den beiden Umschlagsblättern, mit denen die Serosa von der Lungenanlage auf’s Herz übergeht, füllt sich im Zusammenhang mit der reichlichen Mesoderment- wiekelung der Lungenanlage mit Bindegewebe. Der längsge- furchte Vorsprung, den im jüngsten Stadium die Umschlagsblätter der Serosa an der hinteren Vorhofswand verursachen, wird in das untere Ende des SI einbezogen, indem die Umschlagskanten miteinander verwachsen und in Muskelsubstanz übergehen, wäh- rend das Endocard über denselben eine Verdickung bildet. Nur an einem Punkte erhält sich ein Rest der Rinne zwischen den ursprünglichen Umschlagskanten in Form eines schmalen Spaltes am linken Rande der Basis des SI, grade da, wo die hintere in die untere Wand des linken Vorhofs umbiegt. Bei Embryonen von 2,85 mm Kopfl. sieht man nun von dieser Stelle aus ein kapillares Gefäss in das Lungengekröse und von da in die Lunge eindringen; dieses Gefäss ist weiter nichts als die vena pulmonalis. Dieselbe mün- det also von Anfang an der linken Seite des SI, also in den linken 314 G. Born: Vorhof. Das Gefässchen bleibt noch lange sehr fein, die Ein- mündungsstelle behält auch noch lange die Form eines schmalen, die Wand schräg durchsetzenden Schlitzes und die typische La- gerung dicht an der Basis des SI, wo untere und hintere Wand des linken Vorhofes in einander übergehen (Ve. p. Fig. 26). Auf die späteren Umbildungen werden wir unten einzugehen haben. Die Veränderungen des Sinus venosus sind zum grossen Theil schon bei der Betrachtung des Aeusseren des Herzens abgehandelt worden. Hier sei Folgendes zugefügt. Es ist schon beschrieben, wie der Sinus mit der Umklappung der Vorhöfe an deren hintere Wand zu liegen kommt, wie der- selbe ausgeprägte Hufeisenform annimmt und sich hinter den viel rascher wachsenden Vorhöfen verbirgt. In die vertikalen aufstei- genden Schenkel des Hufeneisens münden an den oberen Enden in immer stumpferem Winkel die Ductus Cuvieri, bis dieselben bei Embryonen von 6mm Kopfl. in der direkten Verlängerung der Sinusenden stehen. Das rechte Sinushorn öffnet sich nach vorne zwischen der valvulae venosae hindurch in den rechten Vorhof. Bei Embryonen von 2,5 mm Kopfl. mündeten die venae um- bilice. und omphal. mes. jeder Seite für sich in die untere Fläche des entsprechenden Sinushornes; bei Embryonen, deren Kopf nur l mm länger ist, findet man dagegen nur einen unteren Körper- Venenstamm, welcher in die hintere Wand des unteren Endes des rechten Sinushornes da einmündet, wo dieses in den Querschenkel des hufeisenförmigen Sinus umbiegt. In der Zwischenzeit ist die Umklappung der Vorhöfe eingetreten und der Sinus vertikal auf- gerichtet. Die Veränderung an den Venen hängt auf’s Innigste mit der Ausbildung der Leberanlage zusammen, welche auch zu der Um- klappung der Vorhöfe und des Sinus in offenbarer Beziehung steht. Dieses bei Embryonen von 2,5 mm Kopfl. sich massig entwickelnde Organ schiebt sich nach oben zwischen die Ventrikel einerseits und die Vorhöfe und den Sinus andererseits ein und drängt die erstere nach vorn, die letztere nach hinten und oben auseinander; das ergiebt die relative Verschiebung der genannten Herztheile zu einander, die ich unter ausschliesslicher Berücksichtigung der Lageveränderung der Vorhöfe und des Sinus als Aufklappung des letzteren beschrieben habe; es ist dies geschehen, weil ich von einer conventionellen, für alle Stadien gleichen Stellung des Herzens ausging. Beiträge zur Entwicklungsgeschichte des Säugethierherzens. 315 Bei Embryonen von 1,7 mm Kopfl. liegen die gemeinschaft- lichen Endstänmme der venae omphalomes. und umbilie. jederseits wesentlich über und hinter der Zwerchfell- und Leberanlage. Die v. umb. biegen über der Leberanlage nach aussen in die parie- tale Körperwand ab, um in dieser zum Nabel zu verlaufen. Die v. omphalomes. laufen hinter der Leberanlage, von besonderen Aus- buchtungen der Serosa des Coeloms eingeschlossen, grade herab, um sich unter der Leberanlage dem zum Nabel gehenden Mittel- darm anzuschliessen. Bei Embryonen von 2,5 nım Kopfl. ist der gemeinschaftliche Endstamm der v. umb. und omphalomes. an der ventralen Seite und den Seitenflächen von Lebergewebe umringt (theilweise auch ringsum), ebenso die Enden der denselben jederseits zusammen- setzenden Stämme der v. omphalomes. und umb. (Fig. 25). Ueber- all, wo die Gefässe an das Lebergewebe angrenzen, beginnen die Bälkchen der Lebersubstanz sich unregelmässig in die Gefässe einzuschieben, während zahllose Lebergefässe aus dem Lumen der Stämme in die Leber eindringen. Dadurch verlieren namentlich die Stämme der v. omphalomes. ihre regelmässige Contour und lösen sich mehr oder minder in das Netz der Lebercapillaren auf. Bei den v. umb. ist dies weniger der Fall, dieselben lassen sich noch deutlich über die Hauptmasse der Leberanlage hinweg nach aussen in die parietalen Körperwände verfolgen. Die linke ist aber zu einem sehr unbedeutenden Stämmcehen geworden, während die rechte jetzt als das stärkste Gefäss imponirt. Bei Embryonen von 2,66 mm Kopfl. ist die Auflösung der linken v. omphalomes. im oberen Theil der Leber so stark, dass das Gefäss in der Leber nur durch unregelmässig verlaufende Lebercapillaren hindurch zu verfolgen ist; dem entsprechend ist auch der neben dem Darm verlaufende Theil der linken v. ompha- lomes. sehr schwach geworden. Bei einem Embryo von 2,86mm Kopflänge fand ich nicht nur die linke v. omphalomes. im oberen Theil der Leber voll- ständig durch Lebergewebe durchbrochen und ersetzt, sondern auch die "rechte, ausserdem waren beide v. umb. da, wo sie früher die obere Seite der Leber verliessen, um in die parietalen Körperwände überzutreten, ebenso in Lebergewebe aufgelöst; die Stämme der v.umb. in den Körperwänden selbst erschienen, soweit die Leber reichte, verschwunden, nur hier und da waren Reste 316 G. Born: der früheren Gefässe zu sehen. Wie gelangt aber jetzt das Blut der peripheren Theile der v. umb. und omphalomes. zum ‘Sinus? Schon in vorhergehenden Stadien bemerkt man zwei Ge- fässe, die von der Stelle, wo die v. omphalomes. in die untere Seite der Leber treten, im hinteren Theile der Leber in die Höhe ziehen, um sich im oberen Theile des Organs zu einem Stamme zu vereinigen. Dieser Stamm liegt zwischen den Herzenden der Omphalomesenterial-Venen, er stand bei Embryonen von 2,6mm Kopflänge nur capillar mit dem kurzen gemeinsamen Endstücke der rechten Dotter- und Umbilicalvene in Verbindung. In un- serem Stadium hat sich diese Verbindung colossal erweitert, und dieser unten doppelte, oben einfache Stamm (vena Aranzii von His) leitet das Blut der peripheren (unterhalb der Leber‘ gelegenen) Theile der Omphalomesenterial-Venen und Umbilical- Venen zum gemeinschaftlichen Endstamme der umbilicalis und omphalomesenterica dextra (Ve. A. Fig. 15). Die Einmündung geschieht in unserem Stadium in der Weise, dass die neugebildete Vene sich schräg von links nach rechts wendet, um dicht an der hinteren Fläche des Sinus mit den Enden der Omphalome- senterial- und Umbilical-Venen, die nun zu venae revehentes sive hepaticae geworden sind, zusammenzufliessen. Die Einmündungs- stelle in den Sinus selbst ist in Folge der beschriebenen Lage- verschiebung an die hintere Seite des letzteren gerückt; sie ent- spricht dem unteren Ende des rechten Horns und findet sich über dem Zusammenfluss des letzteren mit dem unteren Querstück des Sinus. Ich habe hier die Umbildungen der Venen inner- halb und unterhalb der Leber nicht weiter zu verfolgen; ich muss nur hervorheben, dass der anfänglich ganz kurze aber weite Stamm, welcher jetzt (bei Embryonen von etwa 3mm Kopf- länge) das Blut der rechten unteren Körperhälfte in die hintere Wand des unteren Endes des rechten Sinushorns führt, sich in der Folgezeit bedeutend verlängert; derselbe nimmt aber auch bald die Enden der linksseitigen vena omphalomes. und umbilicalis, die durch ihre Auflösung in der Leber ebenfalls zu venae revehentes oder hepaticae geworden sind, auf. Wie gelangen diese Gefässe, welche noch bei Embryonen von 2,5 mm Kopflänge direkt in das untere Ende des linken Sinushorns führten, dazu, bei solchen von 34mm Kopflänge in das rechtsseitige Gefäss einzumünden? Die fragliche Verschiebung der Einmündungsstellen der linksseitigen Beiträge zur Entwicklungsgeschichte des Säugethierherzens. 317 Gefässe hängt, wie ich mich durch eine etwas mühsame Unter- suchung überzeugt habe, mit der Absehnürung des Sinus von der Zwerchfell- und Leberanlage zusammen, die derselbe gleich- zeitig mit der Lageverschiebung auf die hintere Seite des Vor- hofes erleidet. Die Abschnürungsfurche schneidet am raschesten von links her ein und schiebt die Einmündungsstelle der links- seitigen unteren Venen allmählich nach rechts hinüber und nähert dieselben dem rechtsseitigen Stamme. Bei Embryonen von 2,6—2,8—3,1mm Kopflänge lassen sich alle Stadien des Vorgangs im Einzelnen verfolgen (vergl. Fig. 15 mit 18). Ist bei Embryonen von etwas über 3mm Kopflänge die Einmündung des linksseitigen unteren Venenstammes bis zum Zusammenfluss mit der Einmündungs- stelle des rechtsseitigen gebracht und damit zugleich die ganze untere Seite des unteren Querstückes des Sinus von der Zwerch- fell- und Leberanlage frei geworden, so schreitet die Absehnürung nach hinten und oben weiter fort, bis die Sinusanlage ganz vom Zwerchfell getrennt ist und nur noch hinten durch das Lungen- gekröse mit der Lungenanlage zusammenhängt; dabei wird von der sich ausdehnenden Pericardialhöhle die jetzt gemeinsame Ein- mündungsstelle der unteren Venen in den Sinus umgriffen und bis auf ein hinteres Mesenterium abgelöst. Die Einmündungsstelle selbst verlängert sich zum Herzende der vena cava inferior und das linksseitige Gefäss (die linke vena hepatica = früheres End- stück der linken v. omphalomes. und umb.) entfernt sich damit vom Sinus mehr und mehr. Nachdem sich die Duetus Cuvieri mit den aufsteigenden Hörnern des Sinus in dieselbe Richtung gestellt haben,- erscheint das linke Sinushorn sammt dem Querstück des Sinus als direkte Verlängerung des linken Ductus Cuvieri (Fig. 20) und wir wollen diese Theile fortan als Herzende des linken Ductus Cuvieri bezeichnen. Das Herzende des linken Duct. Cuv. steigt demnach erst senkrecht hinter den linken Vorhof neben dem Lungen- gekröse abwärts und bildet beim Kaninchen eine Vorbuchtung in das Atrium. Dann biegt es quer nach rechts unter dem Lungen- gekröse hinweg ab, um in das untere Ende des rechten Sinus- hornes einzumünden (Kaninchen-Embryonen von 5—6mm Kopf- länge). Das rechte Sinushorn nimmt nun alle drei Körpervenen auf: am oberen Ende den absteigenden Ductus: Cuv. dext. (ven. ce. sup. dext.); am unteren Ende das quer von links kommende 318 G. Born: Herzende des Duct. Cuv. sin. (ven. c. sup. sin.) und dicht über dessen Einmündungsstelle an der hinteren Wand die ven. cav. inf. ‘Die hintere Wand der letzteren geht glatt in die hintere Wand des rechten Sinushorn über. An der vorderen Wand dagegen springt zwischen der Einmündungsstelle der v. cav. inf. und der Einmündung des Herzendes des Duct. Cuv. sin. eine quergestellte First, die der äusseren Furche, welche beide Gefässenden trennt, entspricht, in die Sinuslichtung vor. Diese First gewinnt sehr rasch ein eignes Höhenwachsthum und trennt dabei das untere Ende des rechten Sinushornes, in das sich das Herzende des Duct. Cuv. sin. ergiesst, von dem darüber liegenden Theile, der oben und unten die andern beiden Körpervenen aufnimmt, als eine Art horizontaler Scheidewand mit freiem vorderen Rande ab. Ihre weiteren Schicksale, wie die des ganzen rechten Sinushornes, werden wir später verfolgen. Inneres der Ventrikelschleife. Entsprechend der oben beschriebenen äusseren Umgestaltung wächst auch der Hohlraum des rechten Schenkels der Ventrikel- schleife rascher als der des linken und rückt entsprechend der Drehung des ganzen Ventrikeltheils von rechts nach links mehr nach vorn und links hinüber. Das schräggestellte Längsoval (Querschnitt) des linken Ventrikelschenkels stellt sich dabei zuerst reiner sagittal ein, bis es durch die Ausdehnung der linken Ven- trikelhälfte in ein Queroval verwandelt wird. Oben ist beschrieben, wie bei diesem Process der canalis auricularis vom linken Seitenrande des Herzens allmählich in die Tiefe gegen die Mittel- linie desselben hinrückt, dementsprechend verschiebt sich die Einmündung des Canalis auricularis, welche ursprünglich in der linken oberen Ecke der Hinterwand des linken Ventrikelschenkels lag, nach rechts hinüber. Sie nähert sich in Folge dessen der Ebene der Interventrieularöffnung. Schon bei Embryonen von 34mm Kopflänge grenzt der rechte Rand der Einmündung des can. aur. direkt an diese Ebene (vergl. Fig. 7 mit 21). Bei Embryonen von 4,2—5,5 mm Kopflänge ist der Process durch die oben besprochene Erweiterung des canalis aurie. nach rechts hin so weit vorgeschritten, dass die Ebene der Interventrieularöffnung auf den rechten Umfang des ost. atr. v. selbst einschneidet (vergl. Fig. 26, 32 und die Schemata D und E). In diesem Ostium Beiträge zur Entwickelungsgeschichte des Säugethierherzens. 319 (dem früheren canalis aurieularis) haben sich inzwischen die später zu beschreibenden Endocardkissen gebildet. Die Ebene des ost. interventrie. trifft dann auf die rechten Höcker derselben. In dem jüngsten Stadium lag die Einmündung des can. aur. hoch über dem oberen Rande der Interventrieularöffnung (Fig 7). In der folgenden Zeit verwachsen die benachbarten Flächen der beiden Ventrikelschenkel immer höher hinauf miteinander. Der Verwachsung entsprechend dehnt sich gleichzeitig die Inter- ventricularöffnung nach oben aus. Ihr oberer Rand erreicht dann bald das Niveau der Einmündung des can. aur., ja bei Embryonen von 4,2—5,5 mm Kopflänge überschreitet er dasselbe. Da inzwischen das ost. atr. v., wie besprochen, eine erhebliche Verschiebung und Erweiterung nach rechts erfahren hat, so findet man jetzt das rechte Ende desselben in den hinteren Um- fang der Interventrieularöffnung eingeschaltet (vergl. Fig. 26 und das Schema D mit E). Das ost. atr. v. führt also jetzt nicht mehr allein in den linken Ventrikel, sondern auch, freilich zum kleineren Theile (nur an seinem rechten Ende), in den rechten Ventrikel. Trotz dieser Ausdehnung nach oben nimmt die Grösse der Interventrieularöffnung kaum zu, weil nämlich zu gleicher Zeit an ihrem vorderen und unteren Umfang eine dieselbe einen- sende halbmondförmige Leiste entsteht, die Anlage des Interventri- eularseptums, S. iv. (Fig. 26). Anfänglich mag dasselbe gewisser- maassen passiv gebildet werden, indem sich jede Ventrikelhälfte für sich nach unten kuppelförmig ausdehnt, während dies in der Mitte zwischen beiden Ventrikelhälften entsprechend der äusseren Interventrieularfurche nicht geschieht. Sehr bald gewinnt aber das Interventricularseptum ein selbständiges Höhenwachsthum; sein vorderes Ende läuft flacher aus, als sein hinteres, das weiter auf die hintere Wand bis an das untere Endocardkissen des can. aur. ‘ hinaufreicht. Denkt man sich das Interventricularseptum bis zum Abschluss des ost. interventrie. weiterwachsend, so würde es sich schliesslich mit den rechten Höckern der beiden Endo- cardkissen vereinigen. Damit wäre zwar für jede Ventrikelhälfte ein gesondertes ost. atr. v. geschaffen, die linke Ventrikelhälfte besässe aber kein Abflussrohr, denn der Bulbus gehört ursprüng- lich nur dem rechten Ventrikel an. Daraus geht schon hervor dass das Auswachsen des Interventricularseptums nicht bis zum Archiv f, mikrosk, Anatomie. Bd. 33, 21 320 G. Born: Verschluss des ost. interventr. fortschreiten kann. In welcher Weise die linke hintere Hälfte des Bulbus-Rohres durch den Rest des . ost. interventric. in den linken Ventrikel übergeführt und gleich- zeitig von der rechten Hälfte des Bulbus-Rohres und dem rechten Ventrikel abgeschieden wird, werden wir bei der definitiven Aus- gestaltung des Herzens zu besprechen haben. Ehe wir die Bildung der trabeculae carneae besprechen, wird es zweckmässig sein, die Umgestaltungen im canalis aurieularis hier einzuschalten. Bei Embryonen von 1,7 mm Kopfl. erscheinen im can. aurieul. die ersten Andeutungen der Endocardkissen. An der oberen und unteren Wand des platten Ganges erheben sich zwei wulstförmige Ver- diekungen, welche durch Wucherung des Endocards hervorgebracht werden. Wenn diese Erhebungen ihre volle Ausbildung erlangt haben (bei Embryonen von etwa 3!/; mm Kopfl.), so stellen sie stumpfe und breite Kämme dar, welche jederseits neben sich an der oberen und unteren Wand eine Rinne übrig lassen, so dass die Lichtung des can. aur. etwa folgende Form annimmt m (Fig. 21, 23—26 Eo u. Eu). Je- derseits ist das Ende des Endocardkissens zu einem Höcker er- hoben, wie es auch die voranstehende schematische Figur andeutet. Die Endocardkissen wenden den Vorhöfen wie den Ventrikeln je eine schräg abfallende Fläche zu. Diese Flächen enden aber nicht, gemäss der Grenze des can. aur., plötzlich quer abgesetzt, sondern von ihnen erstrecken sich mehr oder minder erhobene Fortsetzungen der Endocardkissen in die Vorhöfe sowohl, wie in die Ventrikel hinein. Die Verlängerungen der Endocardkissen in die Ventrikel werden wir bei Gelegenheit der Ausbildung der trabeculae earneae besprechen. Vom unteren Endocardkissen zieht sich eine allmählich an Höhe und Breite abnehmende wulstartige Verlängerung in die untere Wand des Vorhofes hinein (Fig. 28, 23A—26),'vom oberen Endocardkissen zieht eine ähnliche, schwächere wulstartige Verlänge- rung in der vorderen Wand des Vorhotes bis zur oberen hin. Es ist - oben beschrieben, wie die mit Endocardverdickungen versehenen Enden des sich herabsenkenden SI sehr bald mit diesen wulstartigen Verlängerungen der Endocardkissen verschmelzen, so dass dann das OI ringsum bis auf die Querspalte des. can. aur. von Endo- cardverdiekungen umgeben ist (bei Embryonen von 3mm Kopfl.). Unzweifelhaft hat die vom unteren Endocardkissen in die untere Vorhofswand ausstrahlende wulstartige Verlängerung mit dem in Beiträge zur Entwicklungsgeschichte des Säugethierherzens. 321 sie übergehenden unteren Ende des SI, an das sich die unteren Enden der valv. ven. ansetzen, His zur Aufstellung seiner spina intermedia veranlasst. Oben ist auseinandergesetzt, wie die Ansatzenden des herab- steigenden SI (bei Embryonen von 5,5—5,8mm Kopfl.) auf die Vor- hofsflächen der Endocardkissen selbst übergreifen, wie endlich weiterhin unter vollkommener Verschliessung des OI das SI nur noch in der Mitte der schmalen Spalte zwischen den beiden Endo- cardkissen frei ansteht. Bald senkt sich dieser freie Rand noch tiefer zwischen die Endocardkissen, mit denselben verschmelzend, ein und unmittelbar darauf verkleben auch die gegen die Vor- höfe abfallenden Flächen der Endocardkissen in ihrer vollen Breite, so dass von der ganzen Lichtung des can. aur. nur die beiden seitlich neben den Endocardkissen vorhandenen schmalen aber- hohen Communikationsöffnungen zwischen den Vorhöfen und den Ventrikeln übrig bleiben. Die gegen die Ventrikel abfallenden Flächen der Endocardkissen bleiben frei; wir werden ihr Schick- sale weiter unten zu besprechen haben. Damit ist die Zerlegung des einfachen can. aur. in zwei getrennte Canäle, in das rechte und linke ost. atr. v. vollzogen. Es sei hier nochmals hervorge- hoben, dass die Ebene des inzwischen gebildeten s. interventricu- lare nicht auf die Mitte der verschmolzenen Endocardkissen, son- dern auf die rechten Höcker derselben trifft (vergl. Fig. 24 und die Schemata Bu. C). Die Anlagen der Vorhofs- und der Ventrikelscheide- wand liegen also nicht in einer und derselben Ebene, sondern die letztere ist gegen die erstere etwas nach rechts verschoben. Das Breiten- und Höhenwachsthum des can. aur. geht mit der Ausdehnung der angrenzenden Herzabschnitte ziemlich parallel, nicht so das Längenwachsthum desselben (in der Richtung von vorn nach hinten). In dieser Richtung bleibt der can. aur. sicht- lich im Wachsthum zurück und in Folge dessen wird seine äussere Wand von den sieh mächtig ausdehnenden Ventrikelwänden um- griffen; damit verschwindet der can. aur. als besonderer Herztheil (bei Embryonen von 3,5 mm Kopfl. schon vollständig). Er tritt mit seiner grössten Länge gewissermaassen in die Ventrikelwand ein; eine directe Einstülpung des can. aur. in den Ventrikelraum, wie es His beschreibt, kann ich aber nicht finden. Es ist aber nicht unerwähnt zu lassen, dass das Vorhofsende des can, aur. sich etwas in die Vorhofslichtung eindrängt. Man findet in Folge dessen bis 323 G. Born: in die spätesten Embryonenstadien hinein die Umgebung der Atrioventrikularöffnung als ein etwas erhabenes Feld ziemlich scharf gegen die benachbarten Vorhofswände abgesetzt. An den niedrigen Seitenflächen des can. aur. finden sich keine Endocard- verdiekungen von irgendwie nennenswerther Ausdehnung. Kehren wir nun zur Beschreibung des Ventrikelinnern, zur Entstehungsgeschichte der trabeculae carneae zurück. Noch bei Embryonen von 1,7 mm Kopfl. ist fast das ganze Endothel des Ventrikelbinnenraumes von der Muskelschicht durch einen breiten Zwischenraum getrennt. Bei Embryonen von 2,5 mm Kopfl. hat sich das Endothel an einem grossen Theil der vorderen, der unteren und der seitlichen Wände beider Ventrikelhälften dieht an die Muskel- schicht angelegt. Dagegen haben sich aus der Muskelschicht netz- förmig miteinander verbundene Leisten und Bälkchen erhoben, so dass der vollständig freie Binnenraum der Ventrikel nicht viel grösser erscheint als im vorhergehenden Stadium. Es macht den Eindruck, als hätte gleichzeitig mit dem excentrischen Wachsthum der ganzen Ventrikelwände an gewissen Stellen ein nach Innen serichtetes Dickenwachsthum stattgefunden; überall, wo die trab. carn. entwickelt sind, legt sich das Endothel allen Erhebungen und Vertiefungen der Muskelschicht dicht an. Ich habe nicht versucht, in der Ausbreitung der Trabekeln ein gesetz- mässiges Verhalten herauszufinden; es hätte das eine besonders darauf ge- richtete, sehr mühsame Modellirarbeit erfordert. Auch müsste eine genauere Behandlung des Gegenstandes von einer Erwägung der mechanischen Bedeutung der Trabekelbildung ausgehen. Bei Embryonen von 2,5—3 mm Kopfl. greift dann die Trabekel- bildung an den inneren Wänden der Ventrikelhohlräume weiter und es bleiben von derselben nur bestimmte Stellen verschont, an denen das Endothel von der Serosa abgehoben erscheint, wäh- rend sich der Zwischenraum zwischen denselben mit embryonalem Bindegewebe füllt. Diese Stellen erscheinen jetzt als Endocard- verdiekungen, wobei aber zu bemerken ist, dass sie an einem guten Modell aus diesem Stadium nur wenig oder garnicht in den freien Binnenraum der Ventrikel vortreten, sondern die Wand nur in der Dicke bekleiden, die an andern Stellen durch die Trabekel mit den Hohlräumen zwisehen denselben eingenommen wird. Diese Stellen stehen mit gleichartigen Endocardverdiekungen im Bulbus (vergl. Fig. 30) und mit den ebenfalls gleichartig gebauten Endocardkissen Beiträge zur Entwicklungsgeschichte des Säugethierherzens. 323 des canalis aurieularis in Beziehung und Verbindung. Bleiben wir zuerst beim Bulbus stehen. Im Bulbus tritt gar keine Entwicke- lung von Trabekeln auf. Das Endothel steht weit von der Mus- kelschicht ab, der Zwischenraum aber füllt sich allmählich mit embryonalem Bindegewebe (vergl. Fig. 21, 30 u. 31). Die ganze Innenfläche des Bulbus bis zur ventralen Aortenwurzel hinauf erscheint also von einem breiten Ringe embryonalen Bindegewebes ausgekleidet. Besonders verengte Stellen (fretum Halleri) finde ich auch jetzt nur da, wo der Canal rasch seine Richtung ändert, wo er geknickt ist; z. B. bei dem Modell des Herzens von einem Embryo von 2,6 mm Kopfl. biegt der Bulbus erst beinahe horizontal nach links und hinten ab, um mit seinem End- theil gemäss der schon merklichen Erhebung der Vorhöfe ziemlich plötzlich aufzusteigen. An dieser letzten Biegungsstelle findet man das Lumen zu einer schmalen Querspalte eingeengt. Gegen den Ventrikel herab theilt sich die ringförmige Endo- eardbekleidung des Bulbus dadurch, dass an ihrer rechten Seite sich die in Trabekel aufgelöste Ventrikelseitenwand, an ihrer linken Seite das ostinm interventriculare einschiebt, in zwei Endocard- platten, eine vordere und eine hintere. Die vordere Platte läuft an der vorderen Wand des rechten Ventrikels herab und bedeckt den rechten Abhang des in der Bildung begriffenen Ventrikelsep- tums (sept. inf. von H.), greift aber unten über dessen Kamm hin- weg ein wenig in den linken Ventrikel hinüber. Die hintere Platte läuft ebenso an der hinteren Wand neben dem ostium interventri- culare herab, beide erreichen verschmälert beinahe den Boden des rechten Ventrikels. Nach links hängen diese Bulbus-Wülste, wie wir sie vorausgreifend benennen wollen, über den oberen und hin- teren Umfang des foramen interventriculare hinweg mit zwei Endo- cardverdickungen von ganz gleicher Beschaffenheit zusammen, die sich von den Endocardkissen des can. aur. aus in die Wände des linken Ventrikels erstrecken. Namentlich vom unteren Endocardkissen aus erstreckt sich eine massige Endocardverdickung über beinahe die ganze Breite der hiuteren Wand des linken Ventrikels herab und diese hängt über den hinteren Umfang des ost. interventr. hinweg breit mit dem hinteren Bulbuswulste zusammen (vgl. Fig. 21). Das obere Endocardkissen erstreckt sich nur wenig auf die Decke des linken Ventrikels, welche vielmehr in Trabekel aufgelöst erscheint; doch hängt das obere Endocardkissen über den oberen 324 G. Born: Umfang des ost. intervent. hinweg breiter mit dem hinteren, schmä- ler mit dem vorderen Bulbus-Wulste zusammen. Bei etwas älteren Embryonen (3,4 mm Kopfl.) bleibt das Bild noch ziemlich dasselbe, nur treten die vom Bulbus in den rechten Ventrikel herabsteigenden Endocardplatten gegen den Ventrikel- raum wulstartig vor; dabei bemerkt man, dass der vordere Bul- buswulst gegenüber dem hinteren zugleich etwas nach links ver- schoben ist. Bei Embryonen von 4mm Kopfl., bei denen das rechte Ende des ost. atrioventriculare schon in den hinteren Umfang des ost. interventr. (siehe oben pg. 317) eingetreten ist, ist das Bulbuslumen zu einem an den Enden erweiterten Längsspalt geworden; der das- selbe umgebende endocardiale Ring ist an den Enden des Längs- spaltes schmäler, während er an den Seiten desselben sich kissen- artig erhoben hat; diese Bulbuswülste differenziren sich zunächst unten in den Verlängerungen, die in den Ventrikel hinabsteigen, dann erst weiter oben im Bulbus selbst. Im Bulbus selbst stehen dieselben aber rein seitlich, bei dem Herabsteigen in den Ventrikel rückt der linke an die vordere Seite, der rechte an die hintere Seite, doch so, dass der vordere immer etwas mehr links bleibt als der hintere (Fig. 32 u. 26 Bw, und Bw,). Mit der Ausbildung der Bulbuswülste bei Embryonen von etwa 4 mm Kopfl. ist die erste Andeutung der Trennung des Bul- bus in arteria pulmonalis und arteria aorta gegeben. Die erwei- terten Enden des Bulbuslumens, das zwischen den Kissen spalt- förmig geworden ist, stellen die Gefässröhren dar. Im Bulbus selbst liegen die durch die schmale Spalte noch verbundenen Röhren hintereinander, die art. pulm. nach vorn, die art. aorta nach hinten; beim Herabsteigen gegen den rechten Ventrikel ver- schieben sich die die Röhren voneinander trennenden Wülste, wie gesagt, so, dass der linke nach vorn, der rechte nach hinten tritt; die vordere Röhre rückt in Folge dessen unter gleichzeitiger Er- weiterung nach rechts und vorn, die hintere, sich weniger erwei- ternd, nach links und hinten; die letztere, die Aortenröhre, mündet demnach am hinteren linken Umfang der oberen Seite des rechten Ventrikels aus über dem rechten Ende des ostium atrioventrieulare, die Mündung reicht bis an das ostium interventriculare heran. Diese Vorgänge werden unten weiter zu verfolgen sein. Kehren wir nun zu den Endocardverdickungen, die sich von den Endo- Beiträge zur Entwicklungsgeschichte des Säugethierherzens. 325 cardkissen des can. aur. aus in die Ventrikel hinein erstrecken, zurück, so sehen wir bei Embryonen von etwa 4mm Kopfl. den Umfang der- selben schon erheblich beschränkt. Zwar hängen die Endocardkissen noch über den hinteren und oberen Umfang des ost. interventr. hin- weg mit den Bulbuswülsten zusammen, der Rand des Theils des sept. interventr. aber, der sich jetzt von der unteren Ventrikelwand her erhebt, ist frei von Endocardverdickungen und die Ausbrei- tung des unteren Endoeardkissens an der hinteren Wand des linken Ventrikels herab ist erheblich verkleinert. An den Rändern er- scheinen die Endocardverdiekungen, soweit sie noch vorhanden sind, fast überall von den Spalten zwischen den angrenzenden Tra- bekeln wie unterminirt. Bei Embryonen etwa von 5,5 mm Kopfl. sind die Endocardver- diekungen noch mehr eingeschränkt; nur das obere Endocardkissen hängt noch über dem oberen Umfang des rechten Endes der Atrioven- trieularöffnung hinweg mit dem hinteren Bulbuswulst zusammen. Die Ausbreitung der Endocardverdickung vom unteren Endocardkissen aus an der hinteren Wand des linken Ventrikels herab ist fast ganz verschwunden (vergl. Fig. 26). Die Verhältnisse der Bulbus- wülste im rechten Ventrikel sind noch ziemlich dieselben geblieben; der hintere läuft neben dem rechten Ende der Atrioventricularöff- nung herab, der vordere (zugleich etwas links gelegene) zieht auf dem rechten Abhang des septum interventriculare, soweit dasselbe von der vorderen Ventrikelwand entspringt, herab und greift dabei bis auf den Kamm desselben über. — Wie durch das weitere Emporsteigen des sept. intervent. und die Verschmelzung der Bul- buswülste miteinander und mit dem freien Rande des ersteren die Trennung der Ventrikel und Arterien vervollständigt und die Aorta allein in den linken Ventrikel übergeführt wird, soll im näch- sten Abschnitt behandelt werden. 4 a und b.) Definitive Ausbildung des Herzens. In dem Stadium, in welchem wir die Vorhöfe verlassen haben, mündeten die drei grossen Körpervenen, wie beschrieben, in das rechte Horn des Sinus aus und dieses öffnete sich mit einer von 2 seitlichen Klappen begrenzten Spalte in den rechten Vorhof. Wir haben nun auseinander zu setzen, welche Veränderungen dazu führen, dass die 3 grossen Körpervenen späterhin in den rechten Vorhof direkt einzumünden scheinen. 326 G. Born: Die betr. Vorgänge sind im Allgemeinen bekannt. Der rechte Vorhof weitet sich nach hinten und zugleich nach unten stark aus, er umfasst dabei das rechte Sinushorn mit seinen diesem angren- zenden Wänden in dessen ganzer Länge, so dass das rechte Sinushorn schliesslich (von hinten oder seitwärts gesehen) gar nieht mehr aus der hinteren Vorhofswand heraustritt, sondern in den rechten Vorhof einbezogen erscheint. Damit tritt natürlich auch der Binnenraum des rechten Sinushornes in den Vorhofsack ein. Die hintere Wand des Sinus wird zu einem Bestandtheil des hinteren Wand des rechten Vorhofes. Die 3 Körpervenen münden in Folge dessen an dieser hinteren Wand in den Vorhof direkt ein. Die Reihenfolge der Mündungsstellen an der früheren hinteren Sinus- wand, welche jetzt zu einem Bestandtheil der hinteren Vorhofs- wand geworden ist, ist dieselbe geblieben, wie in jüngeren Stadien. Am oberen Ende des Wandstückes tritt in direkt ab- steigender Richtung die v. cav. sup. dext. (Duet. Cuv. dext.), am untersten Ende in gerade aufsteigender Richtung die v. cav. inf., und dicht über der letzteren in quer von links kommender Richtung die v. cav. sup. sin. (Duct. Cuv. sin.) ein (Fig 20). Die valvulae venosae scheinen jetzt nicht mehr von der einspringenden Grenze zwischen Vorhof und rechtem Sinushorn, sondern von der hinteren Wand des rechten Vorhofes selbst zu entspringen. Natür- lich fassen sie immer noch die Venenmündungen zwischen sich, zeigen ihre alte schräge Stellung und laufen nach oben in das septum spurium aus. Die Aufnahme des rechten Sinushorns in den rechten Vorhof geht sehr allmählich vor sich; dieselbe ist bei Kaninchenembryonen von etwa 12mm Kopflänge ziemlich vollendet; — noch bei solchen von 22mm Kopflänge aber markirt sich die frühere hintere Sinuswand durch schwache, rechts etwas schärfere Seitenfurchen im Sehnittbilde. Die Körpervenen münden nun direkt in den rechten Vorhof ein, aber zunächst nicht frei, sondern in den spaltförmigen Raum zwischen den valvulae venosae. Die weiteren Schicksale der letzteren werden wir demnächst zu besprechen haben. Dieselben hängen auf’s Innigste mit weiteren Stellungsveränderungen und Wachsthumsverschiebungen der Vorhöfe zusammen; diese sind im Prineip beim Kaninchen und beim Menschen die gleichen, weichen aber im Einzelnen voneinander ab, so dass wir nach Erledigung des Gemeinsamen die speciellen Vorgänge gesondert zu beschreiben Beiträge zur Entwieklungsgeschichte des Säugethierherzens. 327 haben. Bei beiden Arten riehten sich die Vorhöfe steiler über den Ventrikeln auf und im Zusammenhang damit gewinnt auch der untere Theil des Bulbus, resp. die aus ihm hervorgehenden Anfänge der beiden grossen Arterien eine steilere Richtung. Die jederseits neben der mittleren Einbuchtung, in welche der Bulbus von vorn und obenher eingelagert ist, gelegenen Vorhofsabschnitte zeigen aber ein viel stärkeres, nach vorn und oben gerichtetes Wachsthum, als die durch den Bulbus gewissermaassen eingedrückte und festgehaltene Mitte. Es prägt sich dies äusserlich dadurch aus, dass sich die seitlichen Vorhofstheile immer höher neben dem Bulbus hinauf und an den Seiten desselben nach vorn schieben. Die seitlichen Abschnitte der Vorhöfe zeigen sich in Folge dessen im Verhältniss zu dem unter und hinter dem Bulbus gelegenen centralen Theile nach vorn und oben verlagert. Ein Schnitt der in jüngeren Stadien (Kaninchen von 7 mm Kopflänge) den oberen Rand des Mittelstückes streifte, ging im rechten Vor- hof durch das septum spurium; ein ebensolcher Schnitt trifft bei Kaninchen von 22 mm Kopflänge beide Venenklappen weit unter dem Beginn des septum spurium. — Soweit sind die Vorgänge bei beiden Arten die gleichen; nun sind die Abweichungen zu schildern. Beim Kaninchen war das septum spurium schon häufig in jüngeren Stadien durchbrochen; währen der Aufnahme des rechten Sinushornes in den rechten Vorhof ist das regelmässig der Fall. Zugleich damit schwindet die dem Ansatz des sept. sp. entsprechende äussere Furche, und die nach oben ragende, mit der eben er- wähnten Wachsthumsverschiebung nach vorn verlagerte Kuppel des spatium interseptale geht in den vordern oberen Umfang des rechten Vorhofes unmerklich über, während sie offenbar durch den Druck des neben ihr gelagerten Arterienrohres flacher wird. Unter der Durchbruchsstelle im sept. sp. ist noch bei Kaninchen von 22 mm Kopflänge eine dünne, frei zur vorderen Vorhofswand gespannte Spange übrig, die ich sogar im Herzen des erwachsenen Kanin- chens als dünneren oder diekeren, frei vom vorderen Umfang der Einmündung der vena cava sup. nach rechts zur vorderen Vor- hofswand auspespannten Muskelstrang erhalten fand. Als Rest der Kuppel des spatium intersept. ist der von zahlreichen Muskel- leisten durchsetzte Raum aufzufassen, der sich beim Kaninchen vor der Einmündung der vena cava sup. dextr. an der medialen Vorhofs- 328 G. Born: wand in die Höhe erstreckt; der Zugang zu demselben findet über und unter der erwähnten Muskelleiste statt. Die Einmündungsstelle der vena cava sup. dext. rückt in Folge der in Allgemeinen geschilderten Verschiebung vom oberen Rande der hinteren Fläche des rechten Vorhofes auf dessen obere Seite, sie entfernt sich also von der Einmündung der unteren Hohlvene. Mit der Einmündungsstelle der v. ec. sup. dext. ver- schieben sich auch die dieselbe begrenzenden Klappen nach oben und vorn. Da zugleich der obere Theil des spatium interseptale verstreicht, findet man die linke Venenklappe am Rande der Ein- mündung der v. c. sup. dext. neben dem SII und der Wurzel desselben dicht angefügt (Kopflänge 22mm); dann zieht die linke Venenklappe an der hinteren Vorhofswand (frühere Sinuswand) herab bis zur Einmündung der cava inferior; hier bleibt sie aber noch lange von dem inzwischen, wie unten zu beschreiben, an der hinteren Vorhofswand emporgewachsenen SI durch einen breiten Zwischenraum, einen Rest des spatium interseptale, getrennt (noch bei Kopflänge von 22 mm); erst in der letzten Zeit des Embryonal- lebens stellt sich die vorher quere Wand zwischen Ansatz des SI und valvula venosa sinistra mehr sagittal in die Verlängerung des ersteren, so dass dann der schmale Saum, den man bei neu- geborenen Thieren mitunter als Rest der linken Venenklappe nach- weisen kann, am Vorhofsseptum selbst anzusitzen scheint. Noch ehe der Sinus in den rechten Vorhof aufgenommen wurde, sprang an seiner hinteren Wand zwischen der Einmündung der cava inferior und der darunter gelegenen cava superior sinistra eine Leiste mit etwas nach vorn und rechts gewendetem freiem Rande vor. Während der Aufnahme des rechten Sinushornes in den Vorhof wächst diese Leiste rasch nach vorn aus; sie wächst dabei unter dem unteren Ende der valvula venosa sinistra hinweg und verbindet sich rechts mit der valvula venosa dextra, links mit dem Vorhofsseptum (SI). Dadurch wird die Einmündung der cava sup. sinistra nach vorn verlegt bis zum freien Rande der valvula venosa dextra. Diese letztere bildet sich beim Kaninchen all- mählich in ihrer ganze Länge zurück, — sowohl oberhalb der horizontalen Leiste als unterhalb derselben am rechten Umfang der Einmündung der cava sup. sinistra. Bei der Geburt ist von der valvula venosa dextra nur noch ein feiner niedriger Saum nachweisbar, der, wo er am vorderen Umfang der Einmündung Beiträge zur Entwicklungsgeschichte des Säugethierherzens. 329 der cava sup. dext. mit dem Rest der linken Venenklappe zusammen- fliesst, am höchsten erscheint. Auch beim erwachsenen Kaninchen ist dieser feine Grenz- saum am rechten Rande der früheren Sinuswand und am rechten Umfang der Einmündung der vena cava inferior und vena cava sup. sinistra noch mitunter am mit Alkohol geblähten Herzen nach- weisbar. Am deutlichsten ist derselbe am rechten Umfang der Einmündung der vena cava inferior, er geht unten in die dünne aber wohl entwickelte Querfalte über, die die Mündung der vena cava inferior und der vena cava sup. sinistra scheidet und stellt so ein Rudiment einer Eustachischen Klappe dar. Am rechten Um- fang der Einmündung der vena cava sup. sin. findet sich ein ähn- licher halbmondförmiger Saum, als Rest des untersten Endes der valvula venosa dextra, der an einzelnen Herzen in der Mitte etwas höher erscheint und dann einen wirklichen, freilich nicht schluss- fähigen Rest einer valvula Thebesii darstellt. Wenn Krause in der „Anatomie des Kaninchens“, 2. Auflage p. 244 sagt: „Das Ostium der Sinistra“ (nämlich der vena cava sup. sin.) „besitzt eine grosse halbmondförmige, häutige valvula Thebesii“, so ist damit jedenfalls die häutige Querfalte gemeint, welche die Mündung der cava sup. sin. nach oben von der der cava inf. scheidet, die- selbe ist aber kein Homologon der valvula Thebesii des Menschen. An dem Modell des Herzens einer neugeborenen Ratte er- scheinen die Venenklappen relativ noch höher und deutlicher, als am Herzen des neugeborenen Kaninchens. Beim Menschen ist das spatium interseptale von Anfang an schmäler und kleiner als beim Kaninchen ; die Venenklappen stehen also den Septalanlagen relativ näher. Bei der Verschiebung der seitlichen Theile der Vorhöfe nach vorn und oben wird der obere kuppelförmige Theil des spatium interseptale vollkommen abgeflacht und auf eine schmale Spalte redueirt; das septum spurium erscheint nieht durchbrochen, tritt aber in Folge der Verkleinerung des oberen Theiles des spatium interseptale der medialen oberen Wand des rechten Vorhofes (wo dieselbe der Aorta anliegt) immer näher. Bei Embryonen von 14—16mm Kopfl. (Steissscheitellänge 34, An- fang des dritten Monats) würde man des sept. sp. ohne Kenntniss der vorausgehenden Stadien kaum als etwas Besonderes erkennen; es ist ein kurzer Muskelstrang, der von dem oberen Zusammenfluss der beiden Venenklappen nach vorn zur vorderen Vorhofswand 330 G. Born: läuft; an seiner Innenseite aber erstreckt sich, wie man am Modell sieht, ein schmaler Hohlraum zwischen ihm und der medialen Vor- . hofswand (über der Verbindung beider Vorhöfe) weit in die Höhe; die Wände des Hohlraums sind mit Muskelleisten (musculi pectinati) besetzt; dieser Hohlraum ist der Rest des spatium interseptale. Bei einem menschlichen Embryo von 30mm Kopfl. (Steissscheitel- länge 75mm, Ende des 3. oder Anfang des 4. Monats) war der Eingang in diesen Hohlraum bis auf eine capillare Spalte verengt, durch die man nach oben in einige mit Blut gefüllte Lücken in der medialen Wand des rechten Vorhofes oberhalb der Verbindung beider Vorhöfe untereinander gelangt. Beim Menschen verschwin- det das s. sp. und mit ihm zugleich das spatium interseptale durch Verlöthung mit der medialen Vorhofswand. Doch noch bei einem Foetus vom Einde des 7. Monats (Länge des gestreckten Körpers 36em, Kopfl. 81/,em) ist unter dem vorderen Umfang der Einmün- dung der vena cava sup. am Uebergang der medialen auf die vor- dere Wand des rechten Vorhofs eine halbmondförmige Leiste mit unterer Coneavität zu sehen, die ihrer Lage und (sagittaler, etwas nach vorn geneigter) Richtung nach als Rest des freien Randes des s. sp. aufzufassen ist. Es gelingt aber nicht mehr, in die an der medialen Seite der Leiste aufsteigende Tasche eine Borste hinaufzuschieben. Bei Neugeborenen ist die Leiste, wenn man sie von jüngeren Stadien her kennt, noch häufig zu finden, selbst beim Erwachsenen finden sich mitunter Spuren derselben (vgl. z. B. die von Merkel in die 3. Auflage des Henle’schen Atlas p- 276 neu eingefügte Figur A). | Die Verschiebung der Einmündungsstelle der v. cava sup. dext. nach vorn findet ebenso statt wie beim Kaninchen, die Venen- klappen folgen derselben ; die valvula venosa sinistra tritt bei dem Embryo von 16mm Kopfl. (vergl. Fig. 29) am linken Rande der Einmündung der cava sup. dext. an die Wurzel des septum II heran und läuft von da noch recht deutlich ausgebildet an der hinteren Vorhofswand herab; dort ist sie von dem Ansatz des SI an der hinteren Vorhofswand bei diesem menschlichen Embryo durch einen schmalen Blindsack, einen Rest des unteren Theiles des spatium interseptale, getrennt; unten endigt die valv. ven. sin. aber nicht wie beim Kaninchen hinter dem freien Rande der Querleiste, die sich auch beim Menschen zwischen Einmündung der cava inferior und dem Reste der cava sup. sinistra, der Herzvene, vorschiebt, sondern setzt Beiträge zur Entwicklungsgeschichte des Säugethierherzens. 331 sich auf die untere Wand umbiegend vor der Herzvenenmündung in das untere Ende des SII= Isthmus Vieussenii fort. Es hängt dies mit der beim Menschen unverhältnissmässig viel stärkeren Längsentwicklung dieser halbmondförmigen Leiste, nämlich des SII, zusammen. Beim Kaninchen bleibt dieselbe als enger und kurzer Halbmond in der vorderen oberen Ecke der Vorhofsscheide- wand stehen; beim Menschen ist der Bogen des Halbmondes weiter geschwungen, er tritt hier mit der Aufrichtung der Vorhöfe nicht nur überhaupt mehr an die vordere Seite, sondern sendet seine Enden weit aus, namentlich das untere Ende wächst an der unteren Vorhofswand (zwischen den Atrioventricularöffnungen) herum nach hinten, bis es dem unteren Ende der linken Venenklappe begegnet. — Beim Menschen wird demnach der Theil des Isthmus Vieussenii, der die fossa ovalis von unten umgrenzt, vielleicht noch mit durch das untere Ende der valvula venosa sinistra gebildet (vergl. Fig. 29 V. v. u. SID). Bei dem älteren Embryo (Kopfl. 30) sieht man wenigstens die betreffenden Verhältnisse folgender- maassen. Oben neben der Einmündung der cava sup. (dext.) ist an dem SII noch ein saumförmiger Rest der linken Venenklappe zu sehen, derselbe ist aber dem SII dicht angedrückt und scheint im Begriff mit demselben zu verlöthen. Weiter abwärts an der hinteren Wand herab bis zum linken Rande der Einmündung der vena cava inferior ist die valvula venosa sinistra vollkommen verschwunden. Vor der Einmündung der Herzvene taucht aber derselbe Kamm, wie bei dem jüngeren Embryo als untere Um- randung der fossa ovalis in Verlängerung des unteren Horns des S II wieder auf. Die Querfalte zwischen der Einmündung der cava inf. und der der Herzvene ist entsprechend dem viel geringeren Kaliber der letzteren im Vergleich zu der der cava sup. sinistra des Kaninchens schwächer entwickelt und wächst auch nicht bis zum freien Rande der valvula venosa dextra nach vorn vor, sondern steht hinter demselben zurück (Fig. 29 über *); doch wird auch hier durch die Verbindung dieser Querfalte mit der valvula venosa dextra die letztere in einen viel grösseren oberen Ab- sehnitt und einen kleineren unteren, der vor und neben der Herz- venenmündung gelegen ist, zerlegt. Durch Vergleich mit den leicht präparirbaren älteren Formen ist es nun unschwer nachzu- 333 G. Born: weisen, dass der grössere obere Abschnitt der valv. ven. dextr. in seiner Länge verschiedenartige Schicksale hat: neben der cava .sup. dext. und neben dem Zwischenraum zwischen der Einmün- dung beider venae cavae atrophirt er allmählich, während sich seine untere Hälfte neben der Einmündung der vena cava inf. als Eustachi’sche Klappe erhält, die durch ihre Verbindung mit der Querfalte zwischen Einmündung der cava inf. und der Herz- vene am unteren Ende gegen das Vorhofsseptum abgelenkt er- scheint. Der untere kleinere Abschnitt der valv. ven. dext. neben und vor der Herzvenenmündung bildet die valvula Thebesii. — Die Atrophie des oberen Theils der valv. ven. dext. geht sehr langsam vor sich; noch bei einem Embryo von ungefähr 5,5em Kopflänge (Gesammtlänge 201/;, em, Ende des 4. Monats) war derselbe sehr deutlich erhalten. An demselben Herzen war übrigens an der linken Seite der Einmündung der cava sup. am SII (Limbus) noch ein feiner Saum sichtbar, der wohl als Rest der angelötheten valv. ven. sin. gedeutet werden darf. Bei einem Embryo aus dem Ende des 7. Monats war die linke Venenklappe als gesonderter Theil nicht mehr erkennbar. Von der rechten Venenklappe war am lateralen Umfang der Ein- mündung der cava sup. noch eine ziemlich hohe dünne Falte übrig (nach Henle bleibt dieser Rand der Einmündung immer scharf), weiter nach hinten und unten in dem Zwischenraum der Einmündungen der beiden venae cavae (frühere Sinuswand) verlor sich die Falte in einen ganz niedrigen, feinen Saum, um neben der Einmündung der cava inferior sich zu bedeutender Höhe zu erheben. Die Rückbildung der rechten Venenklappe beginnt also nicht am oberen Ende, sondern in der Mitte, in dem Zwischen- raum zwischen den beiden grossen Venenmündungen. Die Trennung des unteren Theiles der rechten Venenklappe in valvula Eustachii und valvula Thebesii war bei diesem Foetus schon vollendet. Die gleich zu beschreibenden Veränderungen an der Vorhofs- scheidewand hängen auf’s Engste mit der weiteren Aufrichtung der Vorhöfe über den Ventrikeln zusammen. Man bemerkt diese Aufrichtung sogleich, wenn man das Herzmodell eines Kaninchens von 6mm Kopflänge neben das eines älteren oder das einer neu- geborenen Ratte hält und die Profilansichten derselben bei vertikal gestellter ventraler Ventrikelwand vergleicht. Sieht man ins Innere, so erkennt man, dass jetzt die foramina atrioventr. nicht mehr am Beiträge zur Entwicklungsgeschichte des Säugethierherzens. 333 unteren Rande der vorderen Vorhofswand, sondern in der unteren Vorhofswand selbst sitzen. Natürlich erleiden die übrigen Vor- hofswände entsprechende Verschiebungen. Die Ansatzlinie des SI rückt in Folge dessen von der unteren auf die hintere Vor- hofswand hinauf und die Ansatzlinie des SII zieht sich von der oberen auf die vordere Vorhofswand herab. Beide Septa wachsen dabei nicht nur erheblich in die Höhe, sondern ihre An- satzenden greifen weiter und ziehen aneinander vorbei. Die An- satzenden des SI liegen nach dem oben über die ursprüngliche Stellung der Septa Gesagten an der linken Seite von denen des SII. Besonders stark ist die Ausdehnung des unteren Endes des SI, das an der hinteren Vorhofswand bis zur oberen aufsteigt. Daher kommt es, dass der freie Rand des SI schliesslich nicht mehr nach oben und hinten, sondern nach oben und vorn gewendet ist (Fig. 29 SI). Diesem freien Rande des SI steht nun der freie Rand des SII, welcher jetzt nach unten und hinten sieht, gegen- über. Beide Ränder wachsen sich entgegen und schieben sich übereinander hinweg, wodurch das zwischen ihnen gelegene OII (Foramen ovale) eingeengt wird. Man erkennt nun mit voller Sicherheit, dass das dünnhäutige SI die valvula for. ov., das dickere und fleischigere SII den Isthmus Vieussenii darstellt. Der untere Rand des letzteren erhält, wie schon gesagt, eine Verlängerung, die sich an der rechten Seite des unteren Randes der valv. for. av. hinzieht, dadurch, dass sich mit ihm ein erhaltener Rest des unteren Endes der linken Venenklappe continuirlich verbindet. Ein Abschluss des Limbus Vieussenii zur Ringform (Annulus) wird in späteren Stadien (beim Menschen) dadurch erreicht, dass die dieke Wurzel der valvula foraminis ovalis an der hinteren Vorhofswand sich direkt an die Enden des ersteren anschliesst. Den mittleren Theil des freien Randes der valv. for. ov. fand ich bei den Modellen des Herzens älterer menschlicher Embryonen immer unter dem Rande des Limbus nach rechts hin ausgebaucht. Von weiteren Veränderungen der Vorhöfe sei noch Folgendes notirt. Dieselben wachsen mächtig nach vorn hin aus und greifen nach Innen umbiegend mit zugespitzten Enden allmählich über die vordere Seite des Bulbus, resp. der aus demselben hervor- gehenden beiden Arterien hinweg, bis sie sich beinahe erreichen (Ausbildung der Herzohren). Bei Embryonen von 6mm Kopflänge 334 G. Born: beginnt, namentlich an der unteren Wand dieser Seitentheile der Vorhöfe, die Ausbildung der musculi pectinati; sie treten als ‚parallele Leistehen auf, die zur Längsaxe der zugespitzten Säcke senkrecht stehen. Allmählich greifen die Leisten gürtelförmig um die Vorhofswände herum. Die weitere Ausbildung derselben zu verfolgen, lag ausserhalb des Interesses meiner Arbeit. Die Ausweitung der Atrioventrieularöffnungen bis zu der Grösse wie im Herzen des Erwachsenen, wo dieselben den ganzen Vorhofsboden einnehmen, erfolgt ziemlich spät. Noch am Modell des Herzens eines menschlichen Embryos aus dem Anfang des 3. Monats ist die Umgebung der Atrioventrieularöffnungen gegen die angrenzenden Vorhofswände terrassenartig erhoben. Am Anfang des 4. Monats erscheint mit der fortschreitenden Ausweitung der Atrioventrieularöffnungen diese Erhebung beinahe verschwunden. Etwas ausführlicher muss ich auf die Veränderungen des linken Vorhofs, welche mit der Ausbildung der Lungenvene zu- sammenhängen, eingehen. Die Lungenvene ist auch beim Menschen ursprünglich ein einfaches und sehr kleines Gefäss, das aus dem Lungengekröse direct in den linken Vorhof tritt. Die Einmün- dungsstelle findet sich wie beim Kaninchen dieht neben dem An- satz des SI da, wo SI, die hintere und die untere Wand des linken Vorhofs in einer abgerundeten Ecke zusammenstossen (Ve. p. Fig. 26). Die Einmündungsstelle hat die Form eines die Wurzel des SI schräg durchsetzenden Spaltes, so dass man annehmen kann, die Wände desselben werden bei der Contraktion des linken Vorhofs aufeinander gedrückt und so dem Blute der Rückfluss versperrt. Die weiteren Umbildungen bei den Nagern und beim Men- schen unterscheiden sich aber in sehr wesentlichen Punkten. Bei ersteren bleibt der Stamm der Lungenvene einfach, auch behält derselbe seine ursprüngliche Richtung grade von hinten nach vorn; nur erweitert sich die Einmündungsstelle erheblich und rückt an der hinteren Wand in die Höhe. Links neben derselben drängt das Herzende der v. e. sup. sin. (früher linkes Horn und unteres Querstück des Sinus) die Vorhofswand tief ein. Entsprechend dem bogenförmigen Verlauf des Gefässes sieht man an der Innenfläche der Hinterwand des linken Vorhofs einen von links und oben nach rechts und unten ziehenden abgerundeten Vorsprung, der die Ein- mündungsstelle der Lungenvene seitlich und von unten umsgiebt. Beiträge zur Entwicklungsgeschichte des Säugethierherzens. 335 So bleiben die Verhältnisse bei den Nagern bestehen; die Ein- mündungsstelle der Lungenvene nimmt bei diesen demnach immer einen relativ kleinen Bezirk der Hinterwand des linken Vorhofs ein. Ganz anders beim Menschen. Der ursprünglich ebenfalls ein- fache, aber sehr kurze Stamm der Lungenvene wird hier sehr bald in den linken Vorhof einbezogen. Schon bei Embryonen von 12 mm Kopfl. findet man die beiden quer divergirenden Aeste (oder Astpaare) der Lungenvene dicht neben einander am SI in einen Raum einmünden, der nur wenig nach hinten und oben aus dem Niveau der linken Vorhofswand heraustritt; dieser Raum ist offenbar nichts anderes, als der erweiterte, ursprünglich einfache Stamm der Lungenvene (Fig. 29). Während die Ränder der breiten Oeffnung dieses Raumes in den Vorhof rechts und oben glatt in die angrenzenden Vorhofswände übergehen, springen die- selben links und unten etwas leistenartig vor. Im der Furche, die an der Aussenseite des Herzens diesem leistenartigen Vor- sprunge entspricht, zieht das Herzende des beim Menschen früh- zeitig eingeengten oder zu einem Strang obliterirten linken Duct. Cuv. Die Leiste ist also dem breiteren und stärkeren Vorsprung, der bei den Nagern die Mündung der Lungenvene von links und unten umgiebt, gleichzusetzen. Dieser Raum, in den die beiden Aeste der primären Lungen- vene beim Menschen einmündet, erweitert sich rasch in querer Richtung und wird zugleich flacher; schon im Anfang des dritten Monats nimmt er fast den ganzen hinteren oberen Umfang des linken Vorhofs ein; der seine Mündung von links und unten um- grenzende leistenartige Rand verwischt sich allmählich. Am An- fang des 4. Monats sind die definitiven Verhältnisse beinahe er- reicht ; die Einmündungen der beiderseitigen Lungenvenen (jederseits ein kurzer Stamm, oder häufiger zwei Stämmchen, in dem dann das kurze Stammstück auch noch in den Vorhof einbezogen ist), finden sich an den Enden des oberen Randes des linken Vorhofs. Der Raum zwischen den Einmündungsstellen ist glatt in den übrigen Vorhofsraum eingetreten. Danach ist es unzweifelhaft, dass das Wandstück des linken Vorhofs, das zwischen den Einmündungs- stellen der beiderseitigen Lungenvenen gelegen ist, ursprünglich Venenwand war, die erst secundär in den Vorhof einbezogen wird, ganz ähnlich wie das rechte Sinushorn als Wandbestandtheil in den rechten Vorhof eintritt. An diesen sekundären Wandbestand- Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd, 33. 22 336 G. Born: theilen der Vorhöfe fehlen links ebenso wie rechts die Museuli _peectinati. Auffällig ist, dass beim Menschen, wo der ursprünglich ein- fache Stamm der Lungenvene so frühzeitig und ausgiebig nach links hin erweitert und dann in’s Herz einbezogen wird, das Herz- ende der v. e. sup. sin., das die Einmündung der sich erweiternden Lungenvene umgiebt, ebenso frühzeitig obliterirt, während bei den Nagern, wo der einfache Stamm der Lungenvene sich nur mässig erweitert und vom Herzen gesondert bleibt, die linke v. c. sup. erhalten bleibt. Es stellt sich nun die Frage, ob zwischen der Ausweitung des Lungenvenenstammes und der Obliteration der v. c. sup. sin. beim Menschen ein Causalzusammenhang existirt? Die Teratologie giebt keinen Aufschluss. Ein einfacher Lungen- venenstamm scheint beim erwachsenen Menschen niemals be- obachtet worden zu sein. Die Erhaltung einer engeren oder weiteren v. c. sup. sin. trotz der gewöhnlichen Verhältnisse der Lungenvenen beweist nichts, denn in solchen Fällen könnte die obliterirende Wirkung der Ausweitung des Lungenvenenstammes abnormerweise durch andere Factoren ausgeglichen sein. Eine Uebersicht über die betreffenden Verhältnisse in der ganzen Wirbel- thierreihe spricht eher gegen die Annahme eines Causalzusam- menhanges zwischen Ausweitung des Lungenvenenstammes und Obliteration der v. c. sup. sin.; denn nach einer Angabe von Owen (The Anatomy of Vertebrates, London 1868, III, pg. 522) ist bei dem Dugong nur die rechte v. ec. sup. vorhanden, während ausdrücklich betont wird: „The pulmonary veins terminate in the left auriele by a common trunk an inch in length.“ Es handelt sich also wohl um Coincidenz zweier von einander unabhängiger Vorgänge. Definitive Ausbildung der Ventrikel und Arterien. Bei Kaninchen von 4,5—5,5mm Kopfl. beginnen die beiden Bulbuswülste zuerst dicht unter dem oberen Bulbusende mit ihren Flächen mit einander zu verwachsen (Fig. 25), sodass dann inner- halb des äusserlich noch einheitlichen Bulbus (am oberen Ende) die Lumina der Art. pulm. und Aorta von einander getrennt sind. Bei Kaninchen von etwa 5,8 mm Kopfl. wird die Trennung auch äusserlich sichtbar. An der linken Seite des gemeinsamen Wur- zelstückes der 4. und 5. Aortenbögen beginnt nach rechts hin eine Beiträge zur Entwicklungsgeschichte des Säugethierherzens. 337 horizontale Furche einzuschneiden. Dieselbe trifft grade zwischen die Abgangsstellen der linken 4. und 5. Bögen (vgl. Fig. 22). Nachdem die Furche etwa bis zur Mitte des Bulbusendes horizon- tal eingedrungen ist, biegt sie nach unten um und dreht sich zu- gleich so, dass ihre Fläche schräg von rechts und vorn nach links und hinten steht. Mit dieser Einfurchung ist das obere Ende des Bulbus in zwei Röhren zerlegt, von denen die eine, die nach vorn und links liegt (art. pulm.), nur in die 5., die andere, welche rechts und hinten aufsteigt (art. aorta), in die 4. und die Reste der dar- überliegenden Aortenbögen führt, Gemäss des horizontalen Ver- laufs der trennenden Furche am oberen Ende zieht der Anfangs- theil des linken 4. Aortenbogens über das Ende der art. pulm. ehe dieselbe sich in die 5. Aortenbögen theilt, hinweg. Ob vor dem Erscheinen der äusseren Furche sich im Inneren der ventralen Aortenwurzel schon eine Scheidewand gebildet hatte, vermag ich nicht zu entscheiden. Wie die äusserliche Trennung am Bulbus weiter nach unten fortsehreitet, ist leicht zu ersehen. Die trennende Furche stellt sich weiter abwärts beinahe rein frontal, mit ihrem rechten Ende nur wenig nach vorn, mit ihrem linken nur wenig nach hinten abweichend. Schwieriger ist das Verständniss der innern Trennung der beiden Arterienröhren und die Verbindung des Bulbusseptums mit dem Ven- trikelseptum, durch welche die Aortenröhre allein in den linken, die Pulmonalisröhre allein in den rechten Ventrikel übergeführt wird. Wir müssen zur Schilderung dieser Vorgänge etwas weiter ausholen. Bei Embryonen von 6 mm Kopfl. sind die Endocardkissen des ost. atr. v. mit den einander zugewandten Flächen (nach oben auch mit dem unteren Rande des SI) verschmolzen. Dadurch sind neben den verschmolzenen Endocardkissen zwei getrennte Oeffnungen, das rechte und linke ost. atr. v. übrig geblieben. Dieselben finden sich nun am obern Rande der binteren Wand der Ventrikel, erst später rücken sie allmählich (mit der vollendeten Aufrichtung der Vorhöfe) an die obere Seite der Ventrikelräume. Von der vorderen und unteren Wand der Ventrikel wächst an der Grenze der beiden Ven- trikelhälften das Ventrikelseptum nach oben und hinten aus. Zwischen dem freien Rande desselben und den rechten Höckern der beiden En- docardkissen, die auch nach der Verschmelzung noch ganz deutlich zu sehen sind, verbindet das ost. interventr. die beiderseitigen Ven- trikelräume (vergl. dazu Fig. 23 und Schemata D,E, F). Beim Vor- 338 G. Born: wachsen des Ventrikelseptums bis zum Verschlusse des Interventri- kularostiums würde dasselbe, um es nochmals hervorzuheben, nicht wie das Vorhofsseptum auf die Mitte der beiden verschmolzenen Endocardkissen, sondern auf die rechten Seitenränder, resp. die dort befindlichen Höcker der letzteren treffen. Das ost. atr. v. dext. liegt also dicht neben der Ebene des Ventrikelseptums, das ost. atr. v. sin. ist um die volle Breite der miteinander verschmolzenen En- docardkissen von der Ebene des Ventrikelseptums entfernt. Zwischen der Ventrikelfläche der miteinander verschmolzenen Endoeardkissen und dem linken Abhang des sept. interventr. bleibt ein röhrenförmiger Raum, der nach rechts und etwas vor dem ost. atr. v. sin. zum ost. interventr. führt (Fig. 23). Nun kehren wir zum unteren Bulbusende zurück. Dasselbe öffnete sich nach unten anfänglich allein in den rechten Ventrikel- schenkel ; diese Oeffnung war gemäss der ursprünglichen Stellung des can. aur. am linken Herzrande von der Ventrikelmündung des letzteren weit entfernt. Wenn bei der oben ausführlich beschriebenen Drehung der Ventrikelschleife der can. aur. sich nach rechts ver- schiebt, während der rechte Ventrikelschenkel mit dem oben aus ihm hervorgehenden Bulbus nach links und vorn tritt, kommen Ventrikelmündung des can. aur. (ost. atr. v.) und Bulbusmündung einander näher. Nachdem das ost. atr. v. soweit nach rechts ge- treten ist, dass sein rechtes Ende in den rechten Ventrikel hinein- reieht, liegt der linke Umfang des nach links verschobenen und aufgerichteten Bulbus über demselben. Endlich weitet sich das un- tere Bulbusende noch stärker nach links und hinten aus, so dass der linke hintere Umfang seines Lumens nicht mehr über dem rechten Ventrikel liegt, resp. in denselben hinabführt, sondern in den Ab- schritt des linken Ventrikels ausgeht, welcher, wie ich eben be- schrieben habe, zwischen den verschmolzenen Endocardkissen und dem linken Abhang des Ventrikelseptums zum ost. interventr. führt. Nun erinnern wir uns daran, dass die beiden Wülste, welche im mittleren Theil des Bulbus an dessen Innenwand rein rechts und links stehend die Scheidung der vorderen Pulmonalis-Röhre von der hinteren Aortenröhre einleiteten, sich gegen das untere Bulbusende hin verschieben (vergl. Fig. 32), und zwar tritt der linke Wulst weiter nach vorn, der rechte weiter nach hinten, es rückt demgemäss die Pulmonalis-Röhre nach rechts, die Aorten- Röhre nach links. Die Aortenröhre nimmt also an ihrem unteren a Beiträge zur Entwicklungsgeschichte des Säugethierherzens. 339 Ausgang grade den linken hinteren Umfang des Bulbus ein, aus dem es durch den Rest des ost. interventr. in jene röhrenförmige Verlängerung des linken Ventrikels zwischen den verschmolzenen En- docardkissen und dem linken Abhang des sept. interventr. herabgeht. Nun ist nur noch der Anschluss der Septa aneinander und der damit bewirkte Endabschluss der Gefäss- und Ventrikelräume zu beschreiben. Der linke vordere Bulbuswulst läuft bei Kanin- chen von etwa 7—7,5mm Kopflänge auf den freien vorderen Rand der sept. interventr. herab, der rechte hintere Bulbuswulst zieht am rechten Rande des ost. atr. v. dext. nach abwärts. Bei wenig älteren Embryonen (noch unter 8mm Kopflänge) steigt das Ven- trikelseptum weiter aufwärts und. verbindet sich dabei vorn mit dem Ende des linken vorderen Bulbuswulstes ; hinten allmählich mit dem ganzen rechten Rande der verschmolzenen Endocardkissen, zuletzt mit dem rechten Höcker des oberen Endocardkissens (vergl. Fig. 23). Das verengerte ost. interventr. liegt dann nicht mehr zwischen den Atrioventricularöffnungen, sondern über dem Niveau derselben (Schema F). Nun legen sieh die beiden Bulbus- wülste aneinander und verschmelzen, so dass auch im unteren Bulbusende Aorta und Pulmonalis definitiv getrennt werden und schliesslich verschmilzt der untere Rand des so gebildeten Bulbus- septums mit dem noch freien Rande des sept. interventr., so dass also der Rest des ost. interventr. in den Ursprung der Aorta ein- bezogen wird. Das untere Ende des rechten hinteren Bulbus- wulstes, welches nicht mit dem linken vorderen verschmilzt, sondern am rechten Rande des ost. atr. ventr. dextr. herabzieht, wird, wie wir sehen werden, zu andern Zwecken verwendet. Der conus arteriosus der Aorta, wenn man von einem solchen sprechen darf, entsteht aus jenem triehterförmigen Raum, der vom linken Abhang des sept. interventr. und den verschmolzenen Endocardkissen umgrenzt zum ost. interventr. hinaufführte; er liegt seiner Entstehung nach eingeschoben zwischen ost atr. v. dext. et. sin. Die entscheidenden Momente des ganzen Vorgangs sind also folgende: die Bulbus- mündung und das ost. atrioventr. rücken einander näher, das Ventri- kelseptum wächst von unten über den rechten Rand der miteinander verschmolzenen Endothelkissen nach oben hinweg, der Bulbus theilt sich durch Bildung der Längswülste in eine vordere rechte und hintere linke Röhre; zugleich weitet er sieh nach hinten und links aus, so dass die Aortenröhre abwärts zum ost. interventr. 340 G. Born: führt, dann verbinden sich die Bulbuswülste zu einem Bulbus- septum, dessen unterer Rand mit dem restirenden kurzen freien Rande des Ventrikelseptums verschmilzt. Anfänglich verläuft der conus arteriosus der Aorta ziemlich schräg nach hinten und rechts und geht erst weiter oben in die rein aufsteigende Richtung über. Später nimmt auch der Conus eine mehr grade aufstrebende Rich- tung an. Die Scheidung der Arterien und Ventrikel ist bei Embryonen von ungefähr Smm Kopflänge vollendet. Die Enstehung der Atrioventricularklappen findet nach meinen Beobachtungen wesentlich in der Weise statt, wie es Bernays!) angiebt. Die Ventrikel dehnen .sich aus, aber nicht gleichmässig, sondern gleichzeitig mit der excentrischen Ausdehnung der Wand wachsen von der Innenfläche derselben die Trabekeln nach innen vor. Die Ventrikelwand wird gewissermaassen von dem sich aus- dehnenden Lumen unterwühlt. Um die Ränder der Atrioventrieular- öffnungen herum bleibt bei der Ausdehnung des Lumens eine diese Oeffnungen ringförmig umgebende, ununterbrochene Schicht stehen ; dieselbe wird nur an ihrer Aussenfläche durch vordringende Spalten unterminirt; sie hängt daher als eine mehr oder minder zusammen- hängende Platte von den Rändern der Atrioventrieularöffnung herab. Am untern Rande der Platte finden wieder zahlreiche Durchbrüche in die nach aussen von der Platte gelegenen Spal- ten statt; die zwischen den Durchbrüchen ausgesparten Balken bleiben als musculi papillares stehen. Das Material, aus dem die von den Atrioventrieularöffnungen ringsherum herabhängenden Platten, die Anlagen der Atrioventrieularklappen, bestehen, ist freilich an den verschiedenen Stellen ein verschiedenes. An den seitlichen Ränden der Atrioventricularöffnungen mag es theilweise die früher in die Ventrikelwand eingezogene Wand des can. aur. sein, welehe das Material für die äusseren Klappen liefert; doch findet der Vorgang auch hier nicht in dem Sinne von His statt; der can. aur. wird nicht in den Ventrikelraum einge- stülpt, so dass sich mit seinen freien unteren Rändern die museuli papillares erst nachträglich verbinden müssten. An den Innen- rändern der Atrioventrieularöffnungen verhält sich die Sache etwas anders. Der rechte Rand der linken Atrioventrieularöffnung wird 1) Morpholog. Jahrbuch II, pag. 478. Entwicklungsgeschichte der Atrio- ventricularklappen von Dr. A. 0. Bernays (mit Tafel 32 u. 33). Beiträge zur Entwicklungsgeschichte des Säugethierherzens. 341 vom linken Rande der verschmolzenen Endocardkissen begrenzt; oben und unten (resp. später vorn und hinten), wo die Endocard- kissen in die Ventrikelwände übergehen, werden durch Unter- wühlung der Ventrikelwand die an den Enden des inneren (vor- . deren) Klappsegels der Mitralis befestigten musculi papillares frei; das Klappsegel selber entsteht aber wesentlich aus der Substanz des linken Randes der verschmolzenen Endocardkissen, d. i. aus den beiden linken Höckern mit der dieselben verbindenden Zwischen- schicht. Dieses Klappsegel ist also von vornherein bindegewebiger Natur und hängt als eine Art Scheidewand zwischen dem ost. atr. v. sin. und dem con. arter: der Aorta herab. Aehnlich verhält es sich mit den Klappsegeln am linken Rande der rechten Atrioven- trieularöffnung, dieser Rand war durch Vereinigung der rechten Höcker der verschmolzenen Endocardkissen mit dem Ventricular- septum entstanden (vergl. Fig. 23); derselbe wird von unten her unterwühlt und liefert so das Material für die innere Klappe der Trieuspidalis. Auch dieses Klappsegel ist also seiner ersten Anlage nach bindegewebigen Ursprungs; am oberen Rande seines Ansatzes findet die letzte Vereinigung des Bulbusseptums mit dem freien Rande des Ventrikelseptums statt. Hier bleibt dann, entsprechend dieser letzten Vereinigungsstelle, verdeckt von dem später gebil- deten Klappsegel, die bekannte häutige Stelle in der Ventrikel- scheidewand zurück. Die Annahme einer bindegewebigen Um- wandlung der ursprünglich aus der Muskelwand abgesonderten äusseren Klappsegel bietet aber, soviel ich sehen kann, auch keine besonderen Schwierigkeiten. Für die Bildung des vorderen äusseren Klappsegels der Trieuspidalis liefert übrigens auch das untere Ende des hinteren rechten Bulbuswulstes, welches an der vorderen Hälfte des rechten Randes der rechten Atrioventrieularöffnung herabzog, Material (vergl. Fig. 23). Zu verfolgen, wie die Atrio- ventriceularöffnungen, welche ursprünglich der geschilderten Ent- stehung gemäss schmale Längsspalten am oberen Ende der Hinter- wand der Ventrikelwand darstellten, sich ausweiten und ihre defi- nitive Form und Lagerung gewinnen, lag ausserhalb des Interesses meiner Arbeit. Auch die Bildung der Arterienklappen will ich nur ganz im Allgemeinen schildern, weil ich nichts von dem Bekannten be- sonders Abweichendes vorzubringen habe. Bei der Trennung der Aorta von der art. pulm. verschmelzen die Bulbuswülste nicht in 342 G. Born: ihrer ganzen Ausdehnung, sondern nur mit ihren freilich breiten Firstflächen. Die Abhänge der Erhebungen bleiben frei und springen in das Lumen der Aorta und art. pulm. als je 2 kleinere Wülste vor, diese Wülste erhalten sich im Anfangstheil der beiden Arterien, während sie weiter distalwärts verstreichen. Zu ihnen gesellt sich dann im Anfangstheil der Arterien je ein dritter Wulst, der von der hinteren Wand der Aorta noch vorn und der vorderen Wand der art. pulm. nach hinten vorragt. Die 3 Wülste legen sich in jedem der beiden Gefässe so aneinander, dass das Lumen zwischen ihnen zu einer dreizackigen Spalte eingeengt wird. Dann wird allmählich die distale Seite der Wülste ausgehöhlt und jeder der Wülste wandelt sich so in eine erst diekwandige, später dünn- wandige Tasche um. Die Ventrikel, welche noch bei Embryonen von Smm Kopf- länge einen rundlichen Umriss zeigen, spitzen sich allmählich durch vorwiegende Ausdehnung im Höhendurchmesser zu. Die Betrach- tung der Modelle ergiebt, dass dabei zugleich der längste Durch- messer der Ventrikel seine Lage ändert. Dies drückt sich im Folgenden aus. Der linke Ventrikel zeigte vorher eine ziemlich breite, abgerundete, obere Fläche; der längste Durchmesser des- selben ging von dem Scheitel dieser Fläche zu dem abgerundeten unteren Ende; dieser Durchmesser zog oben weit vor dem ost. atr. v. vorbei, späterhin schwindet diese obere Kuppel fast ganz, indem dieselbe theils in den sich ausdehnenden Aorten- konus übergeht, theils zur vorderen Ventrikelfläche geschlagen wird. Die längste Axe des linken Ventrikels beginnt dann oben dicht vor dem ost. atr. v., welches an die obere Ventrikelfläche gerückt erscheint, und zieht nach unten zu dem spitz ausgezogenen Ven- trikelende. In Bezug auf die Lagerung der beiden Ventrikel zu einander in späteren Stadien, habe ich dem Bekannten nichts Wesentliches zuzufügen. Ueber die jüngeren menschlichen Embryonen, welche ich mikrotomirt und von denen ich die wichtigeren Stadien auch mo- dellirt habe, sei hier noch Folgendes bemerkt. Die Entwicklung des Herzens stimmt in allen wesentlichen Punkten mit der beim Kaninchen überein, einzelne wichtigere Abweichungen habe ich oben eingeflochten. Es war mir recht auffällig, dass trotz der Beiträge zur Entwicklungsgeschichte des Säugethierherzens. 343 Verschiedenheit der Körpergrösse des ausgewachsenen Menschen und des Kaninchens in den jüngeren Stadien die Kopflänge bei gleicher Entwicklung des Herzens ziemlich genau übereinstimmt. In Bezug auf die allgemeine Entwickelungshöhe gilt diese Ueber- einstimmung für Nr. 7—10 meiner oben angeführten Modell-Tabelie (p. 289—290) vom Kaninchen; die Kopfmaasse dieser Kaninchen gleichen annähernd denen der menschlichen Embryonen auf der His’schen Normentafel, mit denen ich sie oben als etwa gleich entwickelt bezeichnet habe. Die jüngeren Kaninchen zeigen eine etwas grössere Kopflänge als die ihnen entsprechenden mensch- liehen Embryonen, bei den älteren wird die Vergleichung der all- gemeinen Entwicklung sowohl wie der Körpermaasse unmöglich. — Der jüngste menschliche Embryo, der mir zur Verfügung stand, hatte eine Kopflänge von 1,7 mm (etwas grösser als His’ Normen- tafel Nr. 7): SI in der Bildung begriffen, eanalis auricularis ober- flächlich am linken Herzrande, der Sinus öffnet sich mit seinem rechten Horn in den rechten Vorhof, steht aber noch unter dem Vorhofssack und ist breit mit der Leber verwachsen; das Herz entspricht etwa dem vom Kaninchen von2 mm Kopflänge. — Dann folgt ein Embryo von 2,9 mm Kopfl. (etwas grösser als His Nr. 9); SI vollkommen ausgebildet, aber undurchbrochen; s. sp. und valv. venosae vorhanden, ebenso die Endocardkissen. Das Herz entspricht ziemlich genau dem vom Kaninchen von gleicher Kopflänge. — Bei menschlichen Embryonen von 3,83—5,3mm Kopflänge (His Nr. 10—13) fand ich SI durchbrochen; bei solchen von 5mm Kopflänge (His Nr. 12) ist OI und OII etwa gleich gross (Fig. 27). Bei einem menschlichen Embryo von 6 mm Kopfl. (His Nr. 16 und 17) war OI verschwunden, der untere Rand von SI ist mit den Endocardkissen verschmolzen, S II eben aufgetreten. OI und OlI sind also bei den Nr. 10—14 der His’schen Normentafel gleichzeitig vorhanden; bei diesen hat SI die Form eines mit zwei freien Rändern durch den Vorhof hindurchgespannten Bandes. — Die Obliteration der v. cava sup. sinistra tritt mit grossen indi- viduellen Variationen ein. Bei einem Embryo von 6 mm Kopfl. fand ich dieselbe noch durchgängig, während sie in anderen Fällen schon in jüngeren Stadien verschlossen erschien. 344 G. Born: „i 111. Zusammenfassung der Resultate und Vergleich derselben mit den Angaben anderer Autoren. In dem jüngsten Stadium, von dem die Beschreibung aus- ging, lag der undeutlich in zwei Hälften geschiedene Vorhofsack durchaus hinter der Ventrikelschleife. Aus dem oberen Ende der linken Vorhofshälfte führte ein nur durch die verschiedene Rich- tung abgegrenzter Uebergangstheil am Herzrande in das obere Ende des linken Ventrikelschenkels, während der rechte Ven- trikelschenkel sich nach oben in den Bulbus verlängerte, der dann rechtwinklig nach hinten und links abgebogen über den Vorhof hinweg zum Darm verlief. Fast der ganze Boden des Vorhofsackes öffnete sich in den darunter gelegenen Sinus, der an seinen erweiterten Enden jederseits die vena umb. und v. omphalomes. sowie den Ductus Cuvieri aufnahm. — Nachdem sich der Sinus soweit vom Vorhof abgeschnürt hat, dass er nur noch an seinem rechten Ende mit der entsprechenden Vorhofshälfte communieirt, verschiebt sich der inzwischen als canalis auricularis abgesetzte Uebergangstheil gegen die Herzmitte; die Ostien desselben werden so allmählich beiden Herzhälften zugänglich. Inzwischen verändern die Vorhöfe ihre Lage zu den Ventrikeln so, dass sie sich über dieselben erheben, sie werden, wie ich mich ausdrückte, wenn man die Ventrikel feststehend denkt, gegen die- selben nach hinten und oben umgeklappt, wobei sich gleichzeitig das Bulbus-Ende aufrichtet. Damit rückt der Sinus an die hintere Vorhofsseite, an der Einmündung seines rechten Horns in den rechten Vorhofstheil bilden sich die valvula venosa dextra et si- nistra aus mit ihrer unpaaren oberen Fortsetzung, dem Septum spurium. Zwischen beiden Vorhofshälften steigt von hinten und oben das SI herab; während dasselbe weiter herabwächst, bildet sich in seinem Ansatze das OII = foramen ovale. Während sich diese Oeffnung vergrössert, verkleinert sich die ursprüngliche Communikationsöffnung (O I) zwischen beiden Vorhofshälften durch weitere Herabsenkung des SI, bis dieses endlich mit den im ca- nalis auricularis gebildeten Endocardkissen verschmilzt. Indem nun die letzteren auch mit den einander zugewendeten Flächen verwachsen, bleiben an ihren Seiten die beiden Atrioventrieular- öffnungen als Communikation zwischen den Vorhöfen and Ventrikeln jeder Seite übrig. Beiträge zur Entwicklungsgeschichte des Säugethierherzens. 345 Von der oberen Vorhofswand aus bildet sich eine zweite, halb- mondförmig das O II umgrenzende Leiste, das S II, dessen Enden rechts von denen des SI auslaufen. Nach der vollkommenen Aufriehtung der Vorhöfe über den Ventrikeln und dem weiteren Auswachsen der Klappen nehmen SI= valvula foraminis ovalis und SIT =limbus Vieussenii ihre definitive Stellung zu einander ein. Währenddem hat sich für die unteren Venen beider Seiten ein gemeinsamer Endstamm, die vena cava inferior, ausgebildet, der in das untere Ende des rechten Sinushornes führt. Das rechte Sinushorn wird dann in den rechten Vorhofaufgenommen; das spatium interseptale, welches zwischen der Sinusmündung mit ihren Klappen und der Vorhofsscheidewand lag, verschwindet. Das linke Sinus- horn und das Querstück des Sinus wird zum Herzende der vena cava superior sinistra (beim Menschen Querstück = sinus corona- rius); damit münden dann alle drei Körpervenen in den rechten Vorhof neben dem Septum direct ein. Beim Kaninchen schwinden die Venenklappen bis auf unbedeutende Spuren; beim Menschen differenzirt sich der untere Theil der rechten in die valvula Eu- stachii und Thebesii. Die Lungenvene führt vornherein in den linken Vorhof dicht am Septum; sie ist auch beim Menschen ursprünglich ein einfacher Stamm; während sie aber beim Kaninchen einfach bleibt, wird beim Menschen der Stamm unter kolossaler Erweiterung in der Querrichtung in den Vorhof aufgenommen, so dass dann die Aeste desselben direct in die entgegengesetzten Enden des Vorhofes ein- münden. — Die beiden Ventrikelschenkel verschmelzen an den einan- der zugewandten Seiten mit einander und die Interventrikularöffnung erweitert sich dementsprechend nach oben; in dieselbe tritt durch die Näherung des canalis auricularis an die Herzmitte (Verschie- bung des rechten Ventrikelschenkels nach vorn und links) der rechte Umfang der Kammermündung des canalis aurieularis ein. Die Interventrikularöffnung wird durch das von unten und vorn nach hinten und oben auswachsende Interventrikularseptum ein- geengt. Schliesslich wächst das letztere an den rechten Höckern der inzwischen verschmolzenen Endocardkissen vorbei und trennt so die Ventrikel bis auf eine kleine, über den Atrioventrieularostien gelegene Oeffnung von einander. Die rechte Atrioventrieularöffnung liegt dicht am Ventrikel- 346 G. Born: septum, die linke ist um die volle Breite der verschmolzenen Endo- cardkissen von demselben entfernt. Der röhrenförmige Raum zwischen dem letzteren und dem linken Abhange des Ventrikelseptums ‘ wird dadurch zum Zugang zur Aorta, dass sich das durch Ver- schmelzung der Bulbuswülste gebildete Bulbusseptum unten mit dem restirenden freien Rande des Ventrikelseptums verbindet; wodurch die im hinteren linken Umfang des Bulbus abgeschnürte Aorta in den linken Ventrikel übergeleitet wird. Der Rest der Interventrieularöffnung wird also in das Aortenlumen aufgenommen. Nachdem der canalis auricularis in die Ventrikelwand einbezogen ist, werden die Segelklappen der Atrioventrieularöffnungen dureh Unterminirung bei Bildung der trabeeulae carneae frei; das Material für dieselben wird grösstentheils durch bindegewebige Anlagen (die Endocardkissen und Bulbuswälste) geliefert. Die Litteratur über unser Thema hat erst in allerletzter Zeit durch His (7 ID und Roese (12) eine eingehende Darstellung und Würdigung erfahren, ich darf mich daher damit begnügen, diejenigen Angaben aus neueren Arbeiten, welehe mit meinen Unter- suchungen im Einklang oder Widerstreit stehen, einer Besprechung zu unterziehen. Eingangs wurde schon erwähnt, dass der Widerspruch, in dem der Befund über die Entwickelung des Vorhofsseptums mit der ausführlichen Darstellung von His (Lit. 7. III) stand, mich zur Bearbeitung des Themas bewogen hat. Ich habe mich, soweit dies möglich war, der Nomenclatur von His angeschlossen, eine An- zahl Bezeichnungen musste ich aber fallen lassen oder umändern. His geht von der ursprünglichen Schleifenform des ganzen Herzens aus und nennt den linken Schenkel der Herzschleife conus venosus, den rechten conus arteriosus. In dem Stadium, mit dem ich be- gonnen habe, ist aber der Vorhofsack vom übrigen (ventralen) Theil der Herzschleife abgebogen und durch Bau und Lagerungverhält- nisse als besonderer Abschnitt charakterisirt, während der ventrale Abschnitt des linken Schenkels der Herzschleife gleiche Bauverhält- nisse wie der ventrale Theil des rechten Schenkels zeigt und mit die- sem zusammen als Ventrikelabschnitt imponirt; ich habe daher die Bezeichnungen conus venosus und conus arteriosus, von denen der letztere ausserdem noch mit Bezeichnungen am ausgebildeten Herzen collidirt, vermieden und das Herz sogleich in die bekannten Abtheilungen sinus venosus — Vorhofssack — Uebergangsstück = Beiträge zur Entwicklungsgeschichte des Säugethierherzens. 347 späteren canalis aurieularis — Ventrikelschleife und Bulbus ge- schieden. Eine weitere Schwierigkeit bei dem Vergleich der Darstel- lungen von His und der meinigen beruht darin, dass ich den Herzen der verschiedenen Stadien eine annähernd gleichartige und einfache Stellung gegeben habe, die verständliche und vergleichbare Orts- bezeichnungen und eine sichere Beurtheilung der Lageverschiebungen der einzelnen Herztheile gegeneinander erlaubt. Ich habe von spä- teren Stadien aysgehend die ventrale Fläche der Ventrikelschleife senkrecht gestellt, was übrigens auch von His bei Aufstellung seiner Modelle geschehen ist; nun weiss ich sehr wohl, dass bei jün- geren Embryonen diese Herzfläche nicht ventral, sondern mehr kopfwärts sieht; hat man aber eine Reihe von Modellen dicht auf- einanderfolgender Stadien vor sich, so ist die betreffende Fläche auch an den jüngeren Stadien leicht aufzufinden und darnach das ganze Gebilde einzustellen. Bei His wechselt die Einstellung der Abbildungen in den jüngeren Stadien mitunter ; z. B. sind Fig. 83 und 84 (pag. 132) genau so eingestellt wie meine Modelle; Fig. 85, 86 und 87, 88 (pag. 133) dagegen sind fast ganz von oben ge- sehen gezeichnet, ohne dass dieses Unterschiedes, so viel ich sehe, Erwähnung geschieht. Es ist unmöglich, alle kleinen Unterschiede in unseren Dar- stellungen hier zu besprechen, es würde dies ebensoviel Raum er- fordern, als die Schilderung meiner thatsächlichen Befunde; nur die Hauptdifferenzpunkte sollen hervorgehoben werden. Die Ver- schiebung des Uebergangsstückes zwischen Vorhofsack und Ven- trikelschleife (eanalis aurieularis) vom linken Herzrande nach der Herzmitte hin, wodurch der Canal, welcher ursprünglich nur der linken Herzhälfte angehört, den Herzhälften beider Seiten zugäng- lich wird, ist bei His nur sehr cursorisch behandelt (p. 132 unten und p. 133) und in einer mit meiner Darstellung nicht ganz übereinstimmenden Weise; ebenso die Lageverschiebung des Vor- hofsackes mit dem Sinus zum Ventrikel, durch welche derselbe sich allmählich über den Ventrikeln aufrichtet. Ganz abweichend finde ich die Bildung der Scheidewände in den Vorhöfen. Die hier zu Tage tretenden Divergenzen hängen mit der eigenthümlichen Auffassung, welche His in Bezug auf die Abschnürung des Sinus von der Zwerchfellanlage vertritt, eng zusammen. Ich kann nicht zugeben, dass der Sinus auch in den 348 G. Born: jüngsten Stadien ganz in die Zwerchfellanlage eingesenkt und von dieser glatt überzogen ist, vielmehr finde ich denselben immer nur - mit seiner unteren Fläche mit der Zwerchfellanlage (septum trans- versum) verwachsen. Ich sehe darum auch die Nothwendigkeit nicht ein, dem Sinus, wenn er sich, wie oben ausführlich be- schrieben, allmählich von der Zwerchfellanlage abschnürt, einen neuen Namen als saccus reuniens zu geben, ich habe den sinus venosus, welcher bei den Säugern nur embryonal selbständig er- scheint und später gewissermaassen in rechten Vorhof und linke cava sup. (Herzvene) aufgetheilt wird, die gleiche Bezeichnung wie bei den Sauropsiden, wo derselbe theilweise dauernd vom Vorhof getrennt bleibt, gelassen. His bezeichnet als porta vesti- buli das Feld, in welchem der Vorhof nach hinten und unten an die Zwerchfellanlage und an den Sinus angewachsen ist; nach oben verlängert sich dasselbe in den ausgeweiteten Gekröstheil des Vorhofes (Lungengekröse), durch den rechten Abschnitt dieses Feldes mündet der Sinus nach His eine Zeitlang mit zwei, später mit einer Oeffnung in den Vorhof, der übrige linke Herztheil des Porta-Feldes ist bindegewebiger Natur und wendet eine freie Fläche dem Vorhof zu, die später eine besondere Ausbildung er- langt. His ist also der Meinung, dass die Einengung der ursprüng- lich weiteren Sinusmündung in den Vorhof, die er übrigens nicht besonders bespricht, nicht durch Einfaltung der Muskelwand, sondern durch Bindegewebe geschieht. Ich muss dies durchaus bestreiten. Die Bindegewebsmassen, welche His im Sinne hat (vergl. seine Fig. 94), kenne ich wohl; dieselben werden durch das Lungengekröse des Vorhofs gebildet, das sich nach unten auf die hintere Wand des Sinus verlängert und dort in der That mit der Zwerchfellverbindung des Sinus zusammenhängt; dieses Binde- gewebe ist aber durch eine deutliche Muskelplatte von dem Vor- hofslumen geschieden; die Sinusmündung ist ein einfacher Schlitz in der Muskelwand des Vorhofes.. Wenn die Schnittrichtung un- günstig ist, d. h. wenn sie in die Fläche der betreffenden Muskel- platte fällt, ist dieselbe freilich etwas schwierig erkennbar. Nach His schlägt dann dieses bindegewebige Feld in der hinteren Vor- hofswand (links neben der Sinusmündung) eine selbständige Ent- wicklung ein, er bezeichnet dasselbe als area interposita. Diese soll kielartig frei in’s Vorhofslumen nach vorn hineinwachsen (spina vetibuli) und sich dann zuerst mit der hinteren (nach meiner Beiträge zur Entwicklungsgeschichte des Säugethierherzens. 349 Darstellung unteren) und weiterhin auch mit der vorderen (oberen) Atrioventrieularlippe verbinden, so dass ein spritzenstempelförmiger Körper (septum intermedium) entsteht, dessen Stiel durch die spina vestibuli, dessen Stempel durch die Atrioventrikularlippen gebildet wird. Die Bindegewebsmasse, die His als Verlängerung seiner area interposita auffasst, ist weiter nichts als die endocardiale Ver- diekung, die sich von dem unteren Atrioventricularkissen aus in der hinteren Vorhofswand in die Höhe erstreckt und welche an ihrem oberen Ende an der hinteren Vorhofswand mit der Endocardverdickung des unteren Hornes des SI in Verbindung tritt. Dieselbe ist nach der Schnittrichtung von Fig. 103 von His (p. 54) ihrer Länge nach angeschnitten und erstreckt sich demnach vom unteren En- docardkissen bis zur hinteren Vorhofswand, hier fehlt aber in der Figur die Muskelplatte, welche dieselbe von dem Bindegewebe des hinter der Muskelplatte liegenden Lungengekröses trennt. Eine selbständige bindegewebige Hervorragung, wie sie z. B. in Nr. S der Modellserie von His dargestellt ist, links neben dem unteren Ende der Sinusmündung, kann ich niemals finden. Später soll sich dann das vordere Ende des septum intermedium an die vordere Vorhofswand heranschieben (p. 168) und mit ihr verwachsen. „Hier begegnet es dem vorderen Ende des septum superius“ (SI Born), „und indem beide sich verbinden, entsteht die vordere Scheidewandsichel, aus welcher späterhin der limbus foraminis ovalis hervorgeht.“ — Dies Alles kann ich nicht als richtig aner- kennen. Das septum superius, das meinem SI entspricht, wächst herab und verbindet sich, wie oben ausführlich beschrieben, mit den Endoeardkissen; die primäre Communicationsöffnung zwischen den beiden Vorköfen (OI) verschwindet also und wird nicht, wie es nach His und aller seiner Vorgänger Auffassung sein müsste, zum foramen ovale. Inzwischen hat sich im Ansatz des SI an der hinteren oberen Vorhofswand eine neue Oeffnung (O II) gebildet und diese stellt sich ausweitend das foramen ovale dar. Das septum superius (SI) hat mit dem Limbus nichts zu thun, sondern wird zur valvula foraminis ovalis. Der Limbus entsteht aus einer neugebildeten Falte, die in späteren Stadien von His offenbar mit mit dem SI verwechselt worden ist, dem SI. Am unteren Rande fügt sich dem SII zur Bildung des Limbus beim Menschen noch ein Rest des unteren Endes der valvula venosa sinistra an. Welche speciellen Wachsthums- und Verschiebungsprocesse dabei mit- 350 G. Born: spielen, kann ich hier nicht wiederholen und verweise deswegen auf meine ausführliche Darstellung. Die valvula venosa sinistra -hat nichts mit dem Schlusse des foramen ovale zu thun, ge- schweige dass sie wie die Autoren wollen, die valvula fora- minis lieferte ; grösstentheils atrophirt dieselbe späterhin. Die valvula foraminis ovalis wird auch nicht, wie es das Schema von His (Fig. 113, p. 168) will, nach links unter dem Limbus hin ausgebaucht, sondern liegt von Anfang an links von der halb- mondförmigen Leiste des Limbus. Die Einmündung der vena pul- monalis liegt ihrerseits wiederum links von dem Ansatz der valvula foraminis ovalis. Eine Verlagerung der Einmündungsstelle der linken cava sup. (linkes Horn und Querstück des Sinus, letzteres — vena magna cordis) findet nicht statt. Aus dem unteren Theile der valvula venosa dextra entsteht die valvula Eustachii und valvula Thebesii; die Trennung derselben geschieht dadurch, dass eine Leiste von der hinteren Sinuswand her zwischen den Ein- mündungen der unteren Hohlvene und der cava sup. sin. nach vorn vorwächst, mit welcher sich der obere, grössere Abschnitt des erhaltenen unteren Endes der valv. ven. dext. zur Bildung der Eustachischen Klappe verbindet, die dadurch unten gegen das Vorhofsseptum abgelenkt erscheint. Die entscheidenden Stadien, in denen das Vorhofsseptum (SD) als Band mit zwei freien Rändern zwischen der hinteren unteren und vorderen oberen Vorhofswand ausgespannt erscheint, bei denen also sowohl OI, zwischen dem unteren Rand des SI und den Endocardkissen, als auch Oll, zwischen dem oberen Rand des SI und der hinteren oberen Vorhofswand, zu sehen ist, sind meiner Erfahrung nach bei den Embryonen Nr. 10—13 (vielleicht auch 14) der His’schen Normentafel zu suchen (Länge der Embryonen nach His 9,1 bis 10,5 (vielleicht auch 11) Kopflänge 3,5—5,3 mm). Nach der Tabelle der mikrotomirten Embryonen sind von solchen von His untersucht worden Bge. 1 (Länge 9); Pr. (10); Br. 1 (11); Rg. (11,5). Von diesen liegen Reconstruktionen vor: von Pr. Fig. 100 und 102 (p. 152 und 153). In Fig. 102 ist aber keine Spur einer Oeffnung in SI zu sehen, ebensowenig am Modell Nr. 9, das dasselbe Objekt und dieselbe Ansicht wie Fig. 101 wiedergiebt; — hier muss wohl die Oeffnung übersehen worden sein; das Bild entspricht sonst meiner Fig. 24. Die zugehörigen Schnitte (Fig. 99 und 100) gehen vielleicht beide unter dem in diesem Stadium Beiträge zur Entwicklungsgeschichte des Säugethierherzens. 351 noch sehr kleinen und hoch gelegenen O II hinweg. Bei Embryo %, welcher merkwürdigerweise nach der Tabelle (p. 9) kleiner ist als Pr. (Länge von 3 8,5, von Pr. 10 mm) ist die Entwicklung des Vorhofseptums schon viel weiter vorgeschritten, als bei diesem. Hier war offenbar nach Fig. 106 und den Modellen Nr. 11 und 12 das SI beinahe vollständig mit dem Endocardkissen verwachsen, eine kleine unbenannte Oeffnung unter VE im Modell 12 ist vielleicht als Rest von OI zu deuten; wenn ich mich recht erinnere, machte Herr Prof. His mich auf diese Möglichkeit bei Gelegen- heit der Discussion meines Vortrages in Würzburg aufmerksam. Die Klappe, welche die Bezeichnung S. int. (Modell 12) trägt, ist als herabgewachsenes SI zu deuten; am oberen hinteren Ende geht dieselbe aber fälschlich in die linke Sinusklappe (valvula ven. sin.) über (vergl. Modell 11). Die Oeffnung zwischen S. int. und 8. s. ist das OII = foramen ovale; die dasselbe begrenzenden Klappen stehen aber falsch zu einander; denn S. s. muss rechts und nicht links von S. int. auslaufen. — Für eine gewisse Un- sicherheit bei der Orientirung des Herzens geben übrigens die beiden Modelle 11 und 12 ein Beispiel. In beiden Modellen stehen die hinteren Flächen des Sinus und des Ventrikels beinahe parallel, dieselben sind nur in Modell 12 ein wenig mit dem oberen Ende nach hinten geneigt. Im Herzinneren aber sieht bei Modell 12 die freie Ventrikelfläche der verschmolzenen Endocard- kissen fast ganz nach vorn, bei 11 aber gerade nach unten; nun drehe man sich Modell 12 so, dass bei ihm die freie Ventrikel- fläche der verschmolzenen Endocardkissen ebenfalls gerade nach unten sieht; dann verläuft die hintere Sinusfläche (mit dem linken Horn) und die hintere Ventrikelfläche ganz schräg von vorn und oben nach hinten und unten, der Horizontalen mehr genähert als der Vertikalen; oder man lege sich Modell 11 so um, dass die Ventrikelfläche der Endocardkissen so gestellt ist wie in 12, dann verläuft die hintere Sinus- und Ventrikelfläche von hinten oben nach vorn unten, wieder der Horizontalen näher als der Vertikalen. Die Stellung der hinteren Herzfläche müsste bei Modell 12 un- gefähr so sein, wie in Modell 10. Will man also das Herzinnere (denn das Angeführte lässt sich an dem S. int. u. s. w. eben so gut demonstriren) bei beiden Modellen in Uebereinstimmung bringen, so stimmt das Herzäussere nicht und umgekehrt. Wenn ich mir eine Vermuthung erlauben darf, wie so der Archiv f. mikrosk, Anatomie. Bd. 33, 23 352 G. Born: bewährte Leipziger Anatom hier zu, wie ich annehmen muss, fal- schen Resultaten gelangt ist, so möchte ich zwei Umstände hervor- heben. Erstens trägt daran, glaube ich, seine Reconstruktionsme- thode Schuld, die ein viel stärkeres subjektives Element enthält, als man bei flüchtiger Betrachtung zu denken geneigt ist. Zwei- tens bringt es die Beschränkung auf eine Art wie homo sapiens, bei der man mit Bezug auf die Erlangung des Materials auf sel- tene Zufälle angewiesen ist, mit sich, dass entscheidende Stadien vielleicht nur in wenigen und unvollkommenen Exemplaren zur Verfügung stehen und dies- scheint mir bei der Untersuchung der Entwicklung der Vorhofssepta durch His der Fall gewesen zu sein. Gegenüber der totalen Abweichung meiner Darstellung der Entwicklung des Vorhofsseptums und der Sinusklappen (valvulae venosae) von der His’schen erscheinen die übrigen Differenzen nicht erheblich. Ich kann die His’schen Angaben über den ur- sprünglichen Verlauf der venae umbilicales über die Leber hinweg zu den Sinusenden bestätigen, ebenso die Unterbrechung dieser Venen in der Leibeswand und die Umwandlung der centralen Enden der v. omphalomesentericae in venae hepaticae. Dieselbe Umwandlung findet aber nach meinen Untersuchungen beim Kaninchen auch mit den centralen Enden der Nabelvenen statt. Ebenso stimmt die Be- schreibung der Bildung der vena Aranzii mit meinen Befunden; nur muss ich annehmen, dass das centrale Ende der cava inf. oberhalb der Einmündung der Lebervenen durch Verlängerung der zu einer be- stimmten Zeit gemeinsamen Sinusmündung aller unteren Venen ent- steht. — His sagt p. 206: „die vena hepatica sinistra“ (centrales Ende der linken omphalomes. und hepatica nach meiner Auffassung) „besitzt auf der Stufe von R noch ihre selbständige Einmündung in den sinus reuniens. Später (ich kann nicht genau sagen, in welchem Zeitpunkt) schliesst sich der obere Abfluss und an dessen Stelle tritt eine Querverbindung der linken Lebervene mit der vena as- cendens‘“ (sive Aranzii). Die Richtigkeit des letzteren Satzes muss ich bestreiten; ich habe oben (p. 315) ausführlich auseinan- der gesetzt, wie bei der fortschreitenden Abschnürung des Sinus die linksseitigen Venen nach rechts hinüber gedrängt werden, bis ihre Einmündungsstelle mit denen der rechten Seite zusam- menfällt. Die Darstellung, welehe His von der Scheidung der Ventrikel und der grossen Arterien gibt, kann ich im Grossen und Ganzen Beiträge zur Entwicklungsgeschichte des Säugethierherzens. 353 unterschreiben, nur vermisse ich die wichtige Thatsache, dass das septum interventrieulare (sept. inferius von His) sich mit den rechten Randhöckern der verschmolzenen Endocardkissen verbindet. Auch in Bezug auf diesen Punkt finden sich bemerkenswerthe Ab- weichungen an den Modellen 11 und 12, die sich auf dasselbe Objekt beziehen. In Modell 11 (Frontalansicht der hinteren Hälfte) ist das s. inf, fast auf den rechten Randhöcker der verschmolzenen Endocardkissen gerichtet; bei Modell 12 trifft dagegen das s. infe- rius auf den linken Seitenrand der verschmolzenen Endocardkissen dieht neben der linken Atrioventricularöffnung. Es fehlt daher bei His die schon von Lindes gewürdigte Thatsache, dass der hintere Umfang des unteren Aortenendes von den verschmolzenen Endocard- kissen gebildet wird; daraus folgt aber die Lagerung des Aorten- conus zwischen den beiden Atrioventrieularöffnungen, von denen die rechte dicht am septum ventrieulorum liegt, während die linke eben durch den Aorteneonus von dem Septum getrennt wird. Auch scheint mir nicht genug hervorgehoben, dass, während das s. inf. =interventr. in die Höhe wächst, das foramen inter- ventriculare sich nach oben ausweitet, so dass, wenn das s. infe- rius bis zum oberen Rande der verschmolzenen Endocardkissen, mit diesen sich verbindend, emporgewachsen ist, noch ein kleiner Rest der Oeffnung persistirt. Dieser Rest des foramen interven- trieulare ist es, der in die Aorta aufgenommen wird, wenn sich das Bulbusseptum mit dem freien Rande des Interventricularsep- tums, das die Oeffnung von vorn und unten umgiebt, verbindet. Die Abweichungen, welche zwischen der Darstellung von His und der meinigen in Bezug auf die Schicksale des canalis auricularis und die Bildung der Atrioventricularklappen bestehen, sind im Texte genugsam besprochen worden. Wie ich schon in der Einleitung bemerkt habe, erschien un- gefähr zu derselben Zeit, in der ich die wichtigsten Resultate meiner Untersuchungen vor dem 2. Anatomencongress vortrug, eine Heidelberger Dissertation von Dr. Carl Roese (Litt. 12), die denselben Gegenstand behandelt, wie meine Mittheilungen. In Bezug auf die Schicksale der Venenklappen (Klappen der Sinusmündung) ist der Autor an demselben Material (Kaninchen- embryonen) zu denselben Resultaten gelangt wie ich. Er giebt ganz richtig an, dass die linke Klappe nichts mit dem Verschlusse 354 G. Born: des foramen ovale zu thun hat. Er hat die Spuren derselben mitunter noch beim neugeborenen Kaninchen gesehen, beim Men- - schen lässt er die Reste derselben mit dem septum intermedium von His verschmelzen; wenn man von dieser letzten Bezeichnung absieht, stimmen die Angaben des Autors mit den meinigen ge- nügend überein. Aus der rechten Venenklappe entsteht auch nach Roese die valvula Eustachii und Thebesii. Die Schilderung Roese’s von der Abtrennung der linken oberen Hohlvenenmündung von der Mündung der cava inferior bei der Aufnahme des rechten Sinushorns in den Vorhof (p. 14) scheint mir nur in der Ausdrucks- weise von der meinigen abzuweichen. In Bezug auf die Bildung des Vorhofsseptums aber ist die Darstellung Roese’s, wie ich an- nehmen muss, total verfehlt. Zwar hat der Autor richtig gesehen, dass das bindegewebige Feld, welches His als area interposita bezeichnet, nicht mit dem Bindegewebe der Vorhofswurzel conti- nuirlich zusammenhängt, sondern durch die Muskelwand des Vorhofs von demselben getrennt ist, er lässt aber auch eine spina inter- media und zwar dadurch entstehen, dass dieses äussere Bindege- webe die Vorhofswand nach vorn vorstülpt, und lässt dieselbe nach vorn über die Atrioventrieularlippen hinwegwachsen, wie dies His geschildert hat. Das Herabwachsen des SI (sept. sup.) und die Durchlöcherung desselben ist ihm vollständig entgangen. In Folge dessen ist der Autor in Betreff der Entstehung und Einrahmung des foramen ovale zu ganz abweichenden Resultaten gelangt. Das septum intermedium vonHis soll mit einer neugebildeten muskulösen Leiste, dem septum musculare Roese’s, verwachsend den Limbus oder wie Roese ihn bezeichnet annulus Vieussenii bilden — in dem septum musculare vermuthe ich mein SU; — aus dem sept. sup. = septum atriorum = SI soll durch einfaches Auswachsen die valvula foraminis ovalis entstehen. Nun ist es zwar richtig, dass aus dem SI die valvula foraminis ovalis hervor- geht, aber nicht durch einfaches Herabwachsen, sondern nachdem dasselbe an dem hinteren oberen Ansatz durchbrochen und unter Verdrängung der primären Communication zwischen den Vorhöfen bis zur Verschmelzung mit den Atrioventrieularlippen herabge- wachsen ist; das foramen ovale ist eine Neubildung und nicht ein Rest der primären Communicationsöffnung zwischen den Vorhöfen; der Limbus entsteht aus dem S11, eine spina intermedia existirt Beiträge zur Entwicklungsgeschichte des Säugethierherzens. 355 als gesondertes Gebilde nicht. Ich glaube, dass dem Autor die plastische Reconstruction der Schnittserien gefehlt hat. Die Ent- wicklung der Lungenvene stimmt mit der Schilderung, wie ich sie oben gegeben habe, überein. In Betreff der Trennung der Ventrikel und Arterien schliesst sich der Autor sehr eng an His an. — Erwähnen muss ich noch, dass R. eine viel zeitigere Auf- nahme des rechten Sinushornes in den rechten Vorhof annimmt, als ich. Hält man sich nieht bloss an die Schnittbilder, sondern reconstruirt man das ganze Herz, so sieht man, dass der Sinus viel länger als R. angiebt einen vom Herzen gesonderten Raum bildet, wenn ich auch recht gern zugebe, dass die Aufnahme des- selben sich allmählich vorbereitet und daher die Anfänge derselben schon zeitig bemerkbar sind. Wie fast alle klappenartigen Vor- sprünge am Herzen erscheinen die Venenklappen anfänglich als Einfaltungen der ganzen Wand, gewinnen aber, wie ich R. gegen- über behaupten muss, sehr bald ein selbständiges Wachsthum; auch über die Grösse der Klappen können nur Reconstructionen und nicht die Schnitte Aufschluss geben; so ist die linke Venen- klappe niemals, wie dies Roese, offenbar durch gewisse Schnitt- bilder verführt, für das Kaninchen behauptet, so gross wie die rechte, sondern immer kleiner. Nach der ausgezeichneten Arbeit von Lindes (Litt. 1.) habe ich lange vergeblich gesucht, in den Bibliotheken von Breslau, Göttingen und Berlin war dieselbe nicht zu haben. Als ich die- selbe endlich aus dem Friedländer’schen Antiquariat in Berlin bekam und studiren konnte, überzeugte ich mich, dass der Autor im Jahre 1865 beim Hühnchen prineipiell denselben Entwicklungs- gang bei der Entwicklung der Herz-Ostien und Scheidewände ge- funden hatte, wie ich bei den Säugethieren.. Herr Masius aus Lüttich hatte es schon vorher unternommen, die Entwicklung des Herzens des Hühncehens in unserem Institute zu bearbeiten; seine Resultate, welche demnächst in französischer Sprache veröffentlicht werden, stimmen in allen wesentlichen Punkten mit denen von Lindes überein. — Ich begriff nun leicht, warum die Arbeit von Lindes zwar überall erwähnt wurde, aber im Ganzen wenig Berück- siehtigung gefunden hatte. Die Resultate derselben liessen sich mit dem Bilde, das man sich von der Entstehung der Scheidewände beim Säugethier construirt hatte, nicht vereinigen und an eine prineipiell verschiedene Bildungsweise wollte man doch nicht 356 G. Born: glauben. Es ist aber in Wirklichkeit der Entwicklungsgang beim Hühnchen und bei den Säugethieren ganz derselbe, nur die Vor- . stellungen, die man von dem Process bei letzteren sich gemacht hatte, waren falsch. Bei beiden Klassen kommt die Bildung der Vorhofsscheidewand so zu Stande, dass ein halbmondförmiges Sep- tum (SI) von der bei senkrecht aufgerichtetem Herzen hinteren oberen Vorhofswand nach vorn und unten auswächst und unter Verengerung und schliesslichem Verschluss der primären Commu- nicationsöffnung (OI) sich mit den beiden Endocardkissen des ca- nalis aurieularis verbindet; indem diese, sowie der freie Rand des SI, das bis in die Spalte zwischen ihren einander zugewandten Flächen eingewachsen ist, breit verschmelzen , bleiben nur die seitlichen sagittalen Spalten jederseits neben den Endocardkissen als foramina atrioventricularia übrig. Für eine ausgiebige Com- munication beider Vorhöfe wird schon während der durch das Herabwachsen des SI bewirkten Verengerung des OI durch eine Durchbohrung (Ol) des SI gesorgt. Einen prineipiellen Unter- schied kann es unmöglich machen, dass diese Durchbohrung beim Vogel eine mehrfache ist und in der Mitte des Septums sitzt, während dieselbe beim Säugethier einfach und an der Basis, am hinteren oberen Ansatze des SI, gefunden wird. Mit diesem Unter- schied der Lage und Form der Oeffnung OII hängt die verschie- denartige Verschlussweise des OII bei beiden Thierklassen zu- sammen. Beim Vogel tritt der Verschluss der vielen durch ein feines Netzwerk von einander geschiedenen Lücken in der Mitte des SI durch allmähliche Verengerung der Lücken ein; beim Säugethier, wo die Oeffnung an der Basis des SI entsteht, bildet sich eine neue Falte, welche nicht in der Flucht von SI, sondern rechts neben derselben gelegen ist, beide Falten wachsen anein- ander vorbei und durch ihre Verklebung geschieht der schliessliche Verschluss der Oeffnung. Als sekundäre Durchbohrung im SI ist der Lückencomplex beim Vogel der einfachen Oeffnung, dem fo- ramen ovale, des Säugethiers homolog. Auf die Frage der phylo- genetischen Entwicklung komme ich unten zurück. Die Scheidung der Ventrikel und Arterien stimmt nach Lindes und meinen Untersuchungen ebenfalls beim Vogel und beim Säuge- thier in allen wesentlichen Punkten überein. Das Interventricular- septum verbindet sich im Aufsteigen mit dem rechten Rand der verschmolzenen Endocardkissen; der über den letzteren liegende Beiträge zur Entwicklungsgeschichte des Säugethierherzens. 357 Rest des ostium interventriculare wird dadurch in den Anfang des Aortenrohres aufgenommen, dass sich der untere Rand des im Bul- bus herabsteigenden Septums mit dem restirenden kurzen freien Rande des Interventrieularseptums verbindet, wobei gleichzeitig die Ventrikel von einander geschieden und das Aortenrohr in den linken Ventrikel übergeleitet wird. Die embryonalen Untersuchungen von Rokitansky (Litt. 5) beziehen sich ausschliesslich auf das Hühnchen und ergeben im Wesentlichen eine Bestätigung der Angaben von Lindes. Die Uebertragung der Bildungsweise des Vorhofseptums beim Hühn- chen auf das Säugethier ist so, wie es Rokitansky will, nicht möglich. Auf die Verwerthung der embryonalen Befunde für die Deutung der Scheidewanddefekte komme ich unten an geeigneter Stelle noch einmal zurück. Die Arbeit von F. T. Schmidt (Litt. 2) ist nach dem aus- führlichen Panum’schen Referate (Litt. 3) schon von His einge- hender besprochen worden. Schmidt hat die Schicksale der rech- ten Venenklappe (valvula venosa dextra), die Entstehung der val- vula Eustachii und Thebesii aus ihrem unteren Ende richtig be- schrieben, seine Angaben über die Verhältnisse der Venenmündungen und über die Bildung der Vorhofscheidewand dagegen sind total verfehlt. Die ursprünglich einfache Lungenvene und die Aufnahme des einfachen Stammes in die linke Vorhofshälfte ist richtig dar- gestellt, ebenso die Trennung der Atrioventrieularostien durch Verklebung der Endocardkissen und das Auftreten der Bulbus- wülste; wie der Autor sich die Trennung der Ventrikel und Ar- terienrohre, denkt ist nach dem Referate schwer zu verstehen. Als ich im August des Jahres 1883 den Jahresbericht über die Entwicklungsgeschichte der Wirbelthiere vom vorhergehenden Jahre fertig stellte, fiel mir ein Aufsatz von Phisalix!) (Litt. 9) 1) Kurz vor Absendung dieser Arbeit zum Druck gelangt (am 8. 3. 89) das jüngst erschienene 3. Heft des 6. Bandes (2. Serie) der Archives de Zoologie experimentale in meine Hände, welches denjenigen Theil der ausführlichen Arbeit von Phisalix (Etude d’un embryon humain de 10 millimötres) ent- hält, der das Herz behandelt. Die Arbeit ist reich illustrirt, ich finde im Laufe derselben aber nichts wesentlich anderes, als in der Note in den Comptes rendus enthalten war; ich kann mich daher mit den obigen Bemerkungen, welche sich auf den Inhalt der Note beziehen, begnügen. 358 G. Born: in die Hände, der einige bemerkenswerthe richtige Angaben über die Form der Vorhofscheidewand des von dem Autor untersuchten menschlichen Embryos von 32 Tagen enthält. Wie ich in dem ‘Jahresbericht pag. 668 und 669 schon hervorgehoben habe, hat Phisalix unzweifelhaft vor mir ein wichtiges Stadium gesehen — „es entspricht dies auch ganz dem Alter des von ihm untersuchten Embryos, — nämlich das, wo die Vorhöfe eine Scheidewand mit zwei freien Rändern durchzieht; auch hat er die Oeffnung am oberen freien Rande ganz richtig als foramen ovale gedeutet.“ Die Worte des Autors lauten: „A gauche de la valvule du trou ovale“ (valvula venosa sinistra mihi) „existe une cloison complete en arriere, laissant encore substister en avant une £troite communication entre les deux oreillettes. Cette eloison est percee, a peu pres dans sa partie mediane, d’un orifice ovalaire: c’est la cloison interauriculaire dans laquelle cet orifice ou trou de Botal est taillE comme & l’emporte-piece. Entre elle et la val- vule du trou ovale, existe un espace triangulaire, diverticulum de l’oreillette droite, qui a &t& designe par His sous le nom d’area interposita.“ Dieses Diverticulum ist genau derselbe Raum, den ich als spatium interseptale bezeichnet habe, er fällt freilich nicht so ganz, wie der Autor meint, mit der His’schen area interposita zusammen. Phisalix giebt auch an, dass die vena pulmonalis von vornherein in den linken Vorhof einmündet. Wenn der Autor schliesst : „La cloison des oreillettes se forme done d’une seule piece et. non par la soudure de valvules ind&pendantes et opposdes. Sila valvuie du trou ovale joue un röle dans l’ocelusion du trou de Botal, a coup sür elle ne prend pas part & sa formation,‘ — so muss ich dem gegenüber, wie schon im Jahresbericht, hervorheben : dass der Autor SI und SII zusammengenommen hat, welche aber nicht zu- sammengehören; — es war ihm natürlich unmöglich, aus einem Stadium den Gang der Entwicklung richtig zu construiren, doch ist dieses eine untersuchte Stadium im ganzen richtig beschrieben. Auf Tafel IV der Arbeit von N. Uskow ‚Ueber die Ent- wicklung des Zwerchfells, des Pericardiums und des Coeloms“ (Arch. für mikr. An. Bd. XXII) findet sich eine Abbildung Fig. 18, die einen Durchschnitt durch einen Kaninchenembryo von 11 mm Länge (14 Tage) darstellt. In derselben ist unter Anderem auch das Herz getroffen. Man sieht ganz deutlich im Vorhof das SI, dessen mit der kolbigen Endocardverdickung versehener vorderer Beiträge zur Entwicklungsgeschichte des Säugethierherzens. 359 Rand das Endocardkissen, auf welches die Bezeichnung „Herz“ hinweist, noch nicht erreicht hat, während das dorsale Ende des SI etwas undeutlich zugespitzt endigt, ohne die dorsale Vorhofs- wand zu erreichen; hier ist also O I und OIlI noch gleichzeitig vorhanden. Im Text finden diese Verhältnisse, wie alle auf das Herzinnere bezüglichen, weil dem zu behandelnden Thema fremd, keine Erwähnung. Auch Fig. 26 ist interessant : es sind beide Venen- klappen, das hintere untere Ende des SII an der dorsalen Vorhofs- wand und SI links von diesem als vollständige Scheidewand (un- terhalb des OIL, OI ist offenbar in diesem Stadium verschwunden) zu sehen. Sollten die Uskow’schen Serien im Berliner Institute noch vorhanden sein, so wäre es leicht, an ihnen die richtige Entstehung der Herzsepta zu demonstriren. IV. Vergleichendes, Teratologisches und Physiologisches. Bei Besprechung der Lindes’schen Arbeit habe ich das Ge- meinsame und die Unterschiede bei der Entwicklung der Herzsepta für Vogel und Säugethier besprochen und verweise hier auf das dort Gesagte. Es ist klar, dass das Uebereinstimmende in beiden Klassen, das, wie ich hervorgehoben habe, bei weitem überwiegt, ein gemeinsames Erbtheil von reptilienähnlichen Vorfahren der Vögel und Säugethiere darstellt, während die unterscheidenden Merkmale in jeder Klasse gesondert entwickelt sind und nicht auf einander beziehbar erscheinen. Die letzteren werden nach Untersuchung der Entwicklung des Reptilienherzens, soweit für eine solche das Material erreichbar ist, zu behandeln sein. Da ich die Herzentwieklung beim Kaninchen, beim Menschen beim Schwein u. s. w. in allen wesentlichen Punkten übereinstim- mend gefunden habe, und da ausserdem der Bau des Herzens in den verschiedenen Familien der Säugethiere nicht grade tief- sreifende Unterschiede zeigt, lässt sich wohl vermuthen, dass Herzentwicklung in der ganzen Klasse der Mammalia in gleicher Weise vor sich geht. Interessant erscheinen mir die Fälle, wo von den embryonalen Klappenbildungen beim erwachsenen Thiere erheblichere Reste übrig bleiben als beim Menschen und beim Kaninchen. Erwähnenswerth sind namentlich die Fälle, bei denen deutliche Reste der linken Venenklappe vorhanden sind. 360 G. Born: Da in denselben Fällen meist eine deutliche fossa ovalis mit der ehe- maligen valvula foraminis ovalis als Boden nachweisbar ist, geht ei- _ gentlich schon aus diesen längst veröffentlichten, vergleichend-anato- mischen Daten mit voller Sicherheit hervor, dass die valvula foraminis ovalis nicht aus der linken Venenklappe entstehen kann, da in diesen Fällen eben beide gleichzeitig vorhanden sind. Ich will bloss Einiges anführen. Bei Ormnithorhynchus finden sich an der rechten und an der linken Seite der Einmündung der vena cava inferior in das rechte Atrium je eine hohe, halbmondför- mige dünne Klappe (bei Owen nicht erwähnt), welche am oberen und unteren Rand der Oeffnung zusammentreffen und zusammengelegt sehr wohl geeignet scheinen, die Oefinung abzusschliessen; an der Mündung der kolossalen linken oberen Hohlvene ist keine Klappe zu sehen, doch erscheint mir bemer- kenswerth, dass die Muskelbündel als aus der Wand heraus- tretende Stränge sich tief in diese Vene (früherer Querschenkel des Sinus) hineinerstrecken. Ausserdem stehen die Einmündungen der cava sup. dext. und cava inf. nicht am Septum, sondern sind von diesem durch einen breiten Zwischenraum getrennt, der sich links neben der Einmündung der cava inferior nach hinten und links von der Einmündung der cava sup. dextra nach oben blind ausbuchtet; es ist mir gar nicht zweifelhaft, dass dieser Raum als spatium interseptale anzusprechen ist, das also bei dieser Mono- treme nicht verschwindet, sondern sich in voller Ausdehnung er- hält. Diesen Raum links von der Einmündung der vena cava sup. dextra und vena cava inf. hat schon Ray Lankester be- schrieben (On the Valves of the heart of Omithorhynchus para- doxus compared with those of Man and the Rabbit with some Observations on the fossa ovalis. — Proceedings of the Zool. So- ciety of London 1882, p. 557—558). Doch sehe ich den Eingang nicht so scharf umgrenzt, wie ihn englische Autor beschreibt und abbildet; es mag aber daran die Schlaffheit des von mir unter- suchten Herzens Schuld tragen. Ueber Echidna sagt Owen (Litt. 13, p. 517): „The terminal orifice of the right precaval is protected by a membranous semi- lunar valve, extending from its left side.“ Diese Klappe habe ich an dem mir zur Verfügung gestellten, freilich sehr schlaffen Herzen nicht ordentlich sehen können. — Dann heisst es weiterhin: „The postcaval‘“ (cava inferior) „is protected by a large membranous Beiträge zur Entwicklungsgeschichte des Säugethierherzens. 361 Eustachian valve; the left preceval terminates by a distinet aper- ture to the left of the preceding, and is also defended by a process of the Eustachian valve.“ Dagegen muss ich bemerken, dass die cava inferior an meinem Exemplar, ganz ähnlich wie bei Orni- thorhynehus, an jeder Seite eine Klappe hatte, während ich an der linken oberen Hohlvene keine Klappe finden konnte. Der für Ornithorhynchus als spatium interseptale gedeutete Raum ist auch bei Eehidna vorhanden, aber minder ausgedehnt. Owen sagt (Litt. 13, p.520): „In the great Anteater I obser- ved that the resemblance to the auricular valve in Reptiles was rather eloser“ (nämlich als beim Stachelschwein) — „the entry of the posteaval was guarded as usual by the Eustachian valve, or homologue of the lower of the two semilunar valves between the sinus and the auricle in the Crocodile (vol. I fig. 339): and here there was also a narrower valve fold or ridge on the opposite side of the posteaval orifice, answering to the second valve (16): a ridge is continued from both valves toward the opening of the precaval.“ Bis auf den letzten Satz kann ich die Beschreibung Owen’s nach der Untersuchung des Herzens einer Tamandua (Myrmecophaga tridactyla), die mir Geheimrath Hasse freundlichst aus den Vor- räthen unseres Institutes überliess, vollkommen bestätigen. Der rechte Vorhof desselben war mit geronnenem Blut gefüllt und so in ausgedehntem Zustande erhärtet; nach der Eröffnung des- selben liess sich die Blutmasse unschwer entfernen. Die Einmün- dung der vena cava inferior war auch hier von einer rechten und von einer sehr schönen linken Klappe umgrenzt, erstere erschien etwas höher. Am oberen Rande schienen in der That beide Klappen zusammenzulaufen, bei genauerem Zusehen aber erkannte ich, dass sie in zwei niedrige Säume übergingen, welche nur dicht neben einander nach vorn zogen; der Saum in der Fortsetzung der linken Venenklappe bog aber etwas früher nach unten ab, nahm die Richtung gegen das obere Horn des sehr schön ausge- prägten limbus fossae ovalis, wurde aber ohne dasselbe zu erreichen unmerklich; der Saum in der Verlängerung der rechten Klappe behielt die Richtung gerade nach vorn bei und verlor sich am hinteren Umfang der Einmündung der cava superior. Auch im Herzen des Bibers finden sich sehr deutliche Reste der linken Venenklappe. 362 G. Born: Diese Liste liesse sich leicht vermehren; es muss aber einer besonderen Arbeit vorbehalten bleiben, die einschlägigen Fälle zu sammeln und zu deuten. Für den Zweck, das gleichzeitige Vorhandensein der valvula venosa sinistra und der valvula foraminis ovalis nachzuweisen, mit dem daraus sich ergebenden Schlusse, dass die letztere nicht aus der ersteren entstanden sein kann, ge- nügt aber das angeführte Material. Die Defekte der Scheidewände des Herzens erfordern nach den neu gewonnenen entwicklungsgeschichtlichen Daten eine neue Bearbeitung, die bei dem kolossalen, in der Litteratur aufgespei- .cherten Materiale unmöglich der vorliegenden Abhandlung eingefügt werden kann. Nur ein Beispiel will ich anführen, weil dasselbe einen sehr reinen und interessanten Fall von Hemmungsbildung darstellt, bei dem die Hemmung gerade in dem wichtigen Stadium eintrat, wo Ol und OII gleichzeitig vorhanden waren; es ist derselbe Fall von Arnold (Litt. Nr. 4), auf den auch Roese in einem Nachtrag zu seiner Dissertation Bezug nimmt; die Erklärung, die dieser Autor giebt, kann ich freilich nicht als richtig anerkennen. In dem betr. Herzen war ein Foramen atrioventrieulare commune vorhanden mit 5 von den Rändern desselben herabhängenden Klappsegeln. Ueber dem For. atrioventrieulare ecommune zwischen den Atrien war die Vorhofscheidewand höchst unvollständig, sie bestand aus einem an der vorderen Vorhofswand herabgehenden fleischigen, halbmondförmigen Saum und einem unter diesem hinweggespannten häutigen Blatte (Klappe); — letzteres inserirt breit an der hinteren, schmal an der vorderen Vorhofswand; die oberen Ansätze liegen, wie Fig. 2 deutlich zeigt, links von den Enden des muskulösen Saumes; das häutige Blatt zeigt zwei freie Ränder, einen oberen, welcher durch eine ovale Lücke vom unteren Rande des musku- lösen Saumes getrennt ist, und einen unteren, der weit und frei etwas nach links von der Mitte des For. atrioventrieulare com- mune über letzteres hinweggespannt ist, so dass beide Vorhöfe unter diesem freien Rande noch mit einander eommunieiren. Für mich liegt die Deutung des Befundes ganz klar und un- gezwungen da. Das häutige Band ist SI; dasselbe ist herabge- wachsen und ist an seinem oberen Ansatze unter Bildung des O II = foramen ovale durchbohrt, weiterhin hat sich auch rechts vom Beiträge zur Entwicklungsgeschichte des Säugethierherzens. 363 SI als zweite Umrahmung des OlI der muskulöse Saum des SII von der oberen Vorhofswand her gebildet. Das SI ist aber nicht bis zur Verwachsung mit den Atrioventricularlippen herabgewachsen, sondern unter Erhaltung eines Restes des OI höher oben stehen geblieben; in Folge dessen communieiren beide Vorhöfe unter dem häutigen Blatte, dem S I, miteinander. Da das S I nicht bis zwischen die Atrioventrieularlippen vorgedrungen ist, ist auch die flächen- hafte Verwachsung dieser ausgeblieben, es hat sich ein For. atrio- ventriculare commune erhalten, das später hier eine colossale Aus- weitung erfahren hat (vergl. dazu meine Fig. 27). Das Interven- trieularseptum ist auch nicht (wie dies in anderen ähnlichen tera- tologischen Fällen geschieht) bis an die Atrioventricularlippen hinaufgewachsen, sondern ist in seinem hinteren Abschnitt tiefer stehen geblieben, während sein vorderer Theil sich in regulärer Weise mit dem Bulbusseptum verbunden hat, daher die normalen Verhältnisse an den Arterien. Da die Missbildung einem Stehenbleiben in der Bildung der Vorhofsscheidewand auf der Stufe, die es in den Nr. 10-13 der His’schen Normentafel erreicht hat, entspricht, lässt sich auch der Zeitpunkt der Störung ziemlich genau angeben; dieselbe ist, wenn man den Zeitbestimmungen von His (p. 238) folgt, ans Ende der vierten Woche zu setzen. Sehr bemerkenswerth erscheint, wie trotz der folgereichen Störung der Träger derselben, er war eyanotisch und dyspnoisch, 42 Jahre gelebt hat und noch bemerkenswerther, dass trotz der für alle mechanischen Verhältnisse am Herzen so tiefgreifenden Abweichung die weiteren Entwicklungsvorgänge der Nachbartheile ungestört ihren Weg gegangen sind; die Arterienrohre haben sich getrennt, am rechten Vorhof hat die Aufnahme des Sinushornes - und die Verschiebung der Mündung der vena cava sup. nach oben und vorn stattgefundeu u. s. w. Es weist das, wie die allermeisten teratologischen Erfahrungen, auf eine hervorragende Selbstdifferen- zirung der einzelnen Theile ohne Rücksicht auf die Schicksale der zunächst mit denselben verbundenen Nachbartheile hin und auf einen sehr geringen Einfluss der mechanischen Verhältnisse. Arnold selbst deutet den muskulösen Saum an der vorderen oberen Vorhofswand ganz richtig als Limbus, das frei über das ostium atrioventrieulare weggespannte, mehr häutige Band als valvula foraminis ovalis, die Oeffnung zwischen beiden als foramen 364 G. Born: ovale; er nimmt auch an, dass in normalen Fällen die Trennung des ostium atrioventrieulare durch den basalen Theil der Vorhofs- scheidewand bewirkt wird; wie er sich aber das Zustandekommen dieser Trennung denkt, ist nicht genügend zu erfahren. Da die eigenen embryologischen Untersuchungen Arnold’s erst am Anfang des 3. Monats einsetzen, ist dies auch leicht erklärlich. Arnold hat aber schon in einer früheren Arbeit (Virehow’s Archiv Bd. XLII) aus vergleichend-anatomischen Gründen nachzuweisen gesucht, dass der basale Theil des septum atriorum (neben dem septum atriorum) eine wichtige Rolle bei der Trennung des ostium venosum spiele. Ausserdem stellte der Autor ebenda ‚‚in einer Tabelle eine grössere Zahl von Missbildungen des Herzens zusammen und weist darauf hin, dass bei einem Mangel der basalen Theile des sept. atriorum gewöhnlich ein ostium commune getroffen werde, während bei vollkommnem Defekte des septum ventriculorum zwei ostia venosa vorhanden sein können.“ Bestätigt sich dieser Satz, so ergiebt sich für unsere Anschauung die wichtige Folgerung, dass das Vorwachsen des SI und Einwachsen desselben zwischen die Atrioventricular- lippen, was in den Arnold’schen Fällen wohl regelmässig unter- blieben ist, nicht bloss zeitlich der flächenhaften Verwachsung der Atrioventrieularlippen vorausgeht, sondern für das Eintreten dieses Vorgangs unumgänglich nothwendig ist, damit also ursächlich zusammenhängt. — Es ist klar, dass eine eingehende Bearbeitung der Teratologie unseres Themas einen tieferen Einblick in den causalen Zusammenhang der verschiedenen Erscheinungen ver- spricht, als aus der blossen Betrachtung des formalen Geschehens abgeleitet werden kann; die Missbildung erscheint im günstigen Falle als ein von der Natur angestelltes embryologisches Experi- ment, dessen Deutung freilich die genaue Kenntniss des normalen Geschehens voraussetzt. — Die valvula foraminis ovalis erscheint Arnold als linke Venenklappe, es ist dies übrigens bei den Stadien, die er untersucht hat und bei der von ihm bevorzugten Methode, das Herz in dem mit Alkohol geblähten Zustande zu untersuchen, ganz natürlich. Bei dieser Methode wird der freie Rand der valvula foraminis ovalis regelmässig weit in den linken Vorhof eingebuchtet, der Rest des spatium interseptale, der zwischen ihr und der valvula venosa sinistra (im Anfang des Monats, später schwindet derselbe) sich findet, wird abgeflacht und seine Wand in die Beiträge zur Entwicklungsgeschichte des Säugethierherzens. 365 Richtung des linken Umfangs der vena cava inferior eingestellt, so dass diese fast ganz in den linken Vorhof einzuführen scheint; — ein ganz anderes Bild geben die Modelle, die ich von den fraglichen Theilen nach wohlgefüllten aber in situ erhärteten Herzen (aus dem Anfang des 3. und Anfang 4. Monats) gefertigt habe. Bei diesen ist die valvula foraminis ovalis (SI) regelmässig unter dem Rand des Isthmus (SIT) hinweg nach rechts ausgebaucht, und bei dem Modelle aus dem Anfang des 3. Monats ist zwischen der valvula venosa sinistra und der valv. for. ov. (SI) ein deut- licher Rest des spatium interseptale eingeschoben. Gegenüber dem Leichenbefunde ist also das Bild, das das herausgeschnittene, aufgeblähte Herz giebt, jedenfalls ein artifieielles. — Ich hebe ausdrücklich hervor, dass damit gar nichts über die Verhältnisse während des Lebens gesagt sein soll; — ich komme auf diese Frage bei der Besprechung der Physiologie sogleich noch einmal zurück. In physiologischer Beziehung möchte ich nur die Frage nach den Ventileinrichtungen im embryonalen Herzen, durch welche der Rückfluss des Blutes verhindert wird, etwas näher erörtern. Ich willaber gleich hervorheben, dass meine Bemerkungen keines- wegs den Anspruch machen, erschöpfende zu sein, ich kann hier nur einige Beiträge und Anregungen liefern. Für die ersten Stadien, vor Ausbildung der Sinus- oder Venenklappen und der Atrioventrieularlippen vermag ich nichts Sicheres über Verschluss- mechanismen auszusagen und verzichte darauf Hypothesen vorzu- bringen. Etwas anderes ist es mit den Stadien, wo sich die Sinusklappen gebildet haben, OI und Ol gleichzeitig existiren und in dem canalis aurieularis die Endocardkissen ausgebildet sind. Während der Systole der Vorhöfe schliessen die valvula venosa dextra et sinistra den Sinus um so sicherer von den Vor- höfen ab, als für diese Klappen in der starken Muskelleiste des septum spurium, die sich von ihrem oberen gemeinsamen Ende an der oberen Vorhofswand hin bis zur vorderen erstreckt, ein sehr wirk- samer Spannapparat gegeben ist. Was für die Taschenklappen durch ihre halbkreisförmige Befestigung und für die Segelklappen durch die chordae tendineae und muse. papp. erreicht wird, nämlich dass die- selben durch das Blut nicht nach der entgegengesetzten Seite umge- schlagen werden, kommt hier offenbar dadurch zu Stande, dass die an- nähernd geradlinig am Rand der Sinussmündung befestigten Klappen 366 G. Born: durch den Zug des muskulösen septum spurium an ihrem oberen Ende während der Systole so gespannt erhalten werden, dass das ‚Blut sie zwar aneinander drängen, aber nicht in’den Sinus zurück- schlagen kann. Schwieriger ist es zu erklären, warum das Blut während der mit der Vorhofsystole gleichzeitigen Ventrikeldiastole nicht aus dem Bulbus in den Ventrikelraum zurückströmt; wie Andere, glaube ich, ist vor Ausbildung der Semilunarklappen im Bulbus die Austapezierung desselben mit einem dicken weichen Endocardring ventilartig wirksam. Es ist möglich, dass diese weiche Masse durch das rückströmende Blut gegen das untere Bulbusende hingedrängt wird und dort sich vorwölbend das Lumen verschliesst, wenigstens bekommt man, wenn man die all- mähliche Aushöhlung der Semilunarklappen in den unteren Enden der Bulbuswülste verfolgt, den Eindruck, als ob ein solcher Mechanismus vorliege. — Während der Vorhofsdiastole strömt das Blut in unserer Periode aus dem Sinus zunächst in den rechten Vorhof, zugleich aber gemäss der schrägen Stellung der Sinus- mündung und der schrägen Richtung der Spalten zwischen den valvulae venosae gegen die Vorhofsscheidewand und durch die Oeffnungen in derselben (OI und Oll) in die linke Vorhofs- abtheilung ein. Während der Ventrikelsystole zieht sich. offenbar auch die ringförmige Muskulatur des canalis auricularis zusammen, presst die Endocardkissen aneinander und an die seitlichen Flächen des Canalis und verschliesst so die | | förmige Spalte. Nach dem Verschwinden von OI, nach der Zerlegung der einfachen Atrioventricularöffnung in zwei und der Aufnahme des canalis auricularis in die Ventrikelwand (beim Menschen etwa am Beginn des 2. Monats) wird der Verschlussmechanismus der Atrioventrieularöffnnng dadurch anders, dass dann schon die Ränder der Oeffnung vom Ventrikel her unterminirt sind und dureh das Blut bei der Ventrikelsystole klappenartig gegeneinander gehoben und aneinander gepresst werden. Damit ist das Prineip der Segelklappen gegeben, die Ausbildung derselben ist eine ganz allmähliche, offenbar durch die Funktion selbst bewirkte. Der Abschluss des Vorhofs gegen den Sinus bleibt etwas länger der- selbe, wie vorher, nämlich so lange eben (bis zur Mitte des 2. Monats) der Sinus als gesonderter Theil existirt. Dass während dieser Zeit an Stelle zweier Oeffnungen im Vorhofsseptum nur Beiträge zur Entwicklungsgeschichte des Säugethierherzens. 367 eine grössere vorhanden ist, ändert an dem Mechanismus vorläufig nur wenig. Nach der vollkommnen Aufnahme des rechten Sinus- horns in den rechten Vorhof haben die Venenklappen nicht mehr das Sinushorn, sondern die Venenmündungen zu verschliessen; in wie weit und wie lange sie dazu im Stande sind, kann ich hier nicht speciell erörtern, jedenfalls fällt die Nothwendigkeit die Klappen der ganzen Länge nach zu spannen fort und demgemäss verschwindet der Spannapparat, indem beim Kaninchen das septum spurium durchbrochen und redueirt, beim Menschen aber an die mediale Wand angedrängt und mit derselben verlöthet wird. Für die einfache, kleine vena pulmonalis der jüngsten Stadien bewirkt die Art ihres schrägen Durchtritts durch die Vorhofswand, dass,, wie schon Roese richtig bemerkt hat, bei der Vorhofsystole ein Aufeinanderlegen der Wandungen, an der Mündungsstelle, wie bei den Uretheren in der Blasenwand, erzielt wird. Später, wenn die Einmündung ausgeweitet und der einfache Stamm in den Vorhof einbezogen (beim Menschen) ist, hört dieser Mechanismus auf; dann bilden sich wohl, wie überhaupt an den Venenmündungen, ring- förmige Schliessmuskeln um die sekundären Oeffnungen aus. Vielleicht geben diese Andeutungen Anlass zu einer eingehen- deren Behandlung der noch kaum berührten Frage nach den Ven- tilmechanismen im embryonalen Herzen. In denallerjüngsten Stadien, so lange noch die linke v. umbilicalis in das linke Sinushorn einmündet und der Sinus sich unter dem Vor- hofsacke befindet, vor Ausbildung der Vorhofscheidewand und der Sinusklappen ist gewiss eine vollkommne Mischung des Blutes der un- teren Venen mit dem Blute der übrigens zu dieser Zeit noch sehr tn- bedeutenden Ductus Cuvieri anzunehmen; es ist nach der anatomi- schen Anordnung gar kein Grund abzusehen, warum zu dieser Zeit eine Seite des Herzens oder ein Theil des Arteriensystems in Bezug auf Reinheit des Blutes bevorzugt sein sollte. Dasselbe gilt auch für die erste Zeit nach Abschnürung des Sinus vom Vorhofe, nach der Ausbildung der Venenklappen bis zu dem Termin, wo die Trennung der Atrioventricularöffnungen, die Ausbildung der Vor- hofs- und Ventrikelscheidewand und vor Allem die Scheidung der Arterienrohre vollendet ist, also beim Menschen beiläufig nahezu bis zur Mitte des 2. Monats; es ist dies ein Umstand, der nicht immer genügende Berücksichtigung erfahren hat. Die Periode, in der man also jedenfalls eine gleichmässige Blutmischung in beiden Archiv f. mikrosk, Anatomie, Bd. 33, 24 368 G. Born: Herzhälften sowohl, wie im ganzen Arteriensystem anzunehmen hat, umfasst gerade die Stadien, mit denen sich meine Untersuchungen vorzugsweise beschäftigt haben. Für die spätere Zeit des Embryonallebens treten dann andere Verhältnisse in Kraft. Ich möchte zu dem viel diseutirten Thema des fötalen Kreis- laufes in dieser späteren Zeit nur einige wenige Bemerkungen machen; ich komme auf dasselbe wahrscheinlich später noch ein- mal ausführlicher zurück. Es ist gewiss nicht richtig, wenn man die Frage nach den Richtungen des Blutstromes der venae cavae im rechten Atrium am herausgeschnittenen, aus seinen Verbin- dungen gelösten Herzens studirt; das Herz mit den grossen Ge- fässen muss für diese Zwecke in situ gehärtet werden. Das erste Verfahren ist aber jedenfalls bisher am meisten angewandt worden; daher die Angabe, die man vielfach vorfindet, dass die vena cava sup. auf das foramen atrioventriculare dextrum, die cava inf. auf das foramen ovale gerichtet sei. Bläht man ein herausgeschnittenes Herz mit abgebundenen Venenstummeln zur Härtung mit Alkohol auf, so bekommt man freilich ein dementsprechendes Bild; dasselbe stellt aber nicht die natürlichen Verhältnisse dar; in Wirklichkeit sind vom 2. Monat an Vena cava sup. und inf. beim Foetus bei- nahe so aufeinander gerichtet, wie beim Erwachsenen, und die grade Linie, die durch beide Venen hindurchgeht, läuft mit der Ebene der rechten Atrioventrieularöffnung anfangs parallel, später bildet sie mit derselben einen spitzen Winkel und schneidet diese Ebene weit hinter der Oeffnung selbst. Man lasse sich nicht davon beirren, dass ich oben gesagt habe, die Einmündungsstelle der cava sup. würde im Verhältniss zu der der cava inf. nach vorn verschoben; es gilt dies nur für ein Herz, dessen ventrale Fläche senkrecht gestellt ist und bezieht sich nur auf die Lage der Mündungsöffnungen selbst. Die Venen selbst sind trotzdem aufeinander gerichtet und dieselben verlaufen, wenn man den Em- bryo aufgerichtet hat, beinahe vertikal. Hat man ein älteres fötales Herz mit einer erstarrenden Masse gefüllt, so sieht man, dass die Richtungen der Venen zwar entgegengesetzte sind, dass die Axen derselben aber nicht genau aufeinander fallen, sondern dass die cava inf. etwas links von der sup. verläuft; es bleibt also noch zu untersuchen, wie weit dadurch das Blut aus dem linken Umfang der cava inf. an Beiträge zur Entwicklungsgeschichte des Säugethierherzens. 369 dem der sup. links vorbei und direkt durch’s foramen ovale in den linken Vorhof abgelenkt wird; diese Frage muss aber, um es noch einmal zu wiederholen, an dem in situ erhärteten Herzen, an Modellen nach Sehnittserien u. s. w. studirt werden und nicht, wie esz. B. von Ziegenspeck (Ueber den Blutkreislauf des Säuge- thier- und Menschenfötus — Beilage III zu Preyer sp. Physiol. d. Embryo’s p. 598) am herausgeschnittenen Herzen, dessen aufge- schlitzte cav. inf. man sich mit Stecknadeln und Pincette gespannt hat, um hineinsehen zu können. Dazu ist noch Folgendes zu be- merken. Oben (p. 333) habe ich schon hervorgehoben, dass nach den Modellen (und Schnittserien) von Herzen der Foeten aus dem Anfang des 3. und Ende des 4. Monats die valvula foraminis ovalis nicht nach links sondern nach rechts ausgebaucht erscheint. Wenn man an dem Modell des Herzens aus dem Anfang des 4. Monats durch die Venen in das Herz hineinsieht, so führt die vena cava sup. und nicht die inf. direkt in’s foramen ovale. Wenn man freilich ein Herz (namentlich ein herausgeschnittenes) von einer der Cavae aus mit Alkohol oder dergl. unter starkem Drucke und mit grosser Geschwindigkeit injieirt, so wird regel- mässig die valvula foraminis ovalis weit nach links hinüber ge- schlagen, ja nach links hin ausgebaucht, also gegenüber den Ver- hältnissen an der Leiche eine Veränderung geschaffen. Die Frage ist nun, wie stellt sich die valvula foraminis ovalis während des Lebens beim Einströmen des Blutes in den rechten Vorhof? Und diese Frage bedarf einer besonderen Untersuchung. Es ist auch sehr gut möglich, sogar vielleicht wahrscheinlich, dass die Ausbauchung der valvula foraminis ovalis nach rechts, wie ich sie an den Schnittserien und an den Modellen finde, erst im Augenblicke des Todes oder kurz nachher eintritt. — Am An- fang des dritten Monats schiebt sich übrigens zwischen die Ein- mündung der cava inf. und die valvula foraminis ovalis ein Rest des spatium interseptale ein. Endlich spielt die Höhenlage des foramen ovale und die Grösse und Ausdehnung der rechten Venenklappe dabei noch eine Rolle, so dass die Frage nicht so leicht und einfach zu erledigen ist, wie man bisher vielfach angenommen hat. Gegen die landläufige Annahme, dass das stärkere Wachsthum der oberen Körperhälfte, namentlich des Kopfes, auf der Füllung der linken Herzhälfte mit arteriellerem Blute direkt von der cava inf. her beruhe, sprechen schon die Verhältnisse bei den Saurop- 370 G. Born: siden. Hier bleiben die Venenklappen während der ganzen Em- bryonalzeit und noch darüber hinaus erhalten, das Blut der cavae superiores und der inferior trifft also im rechten Sinushorn auf- einander und muss dann durch die schmale Spalte zwischen den Venenklappen hindurch, um in den rechten Vorhof einzutreten; es ist schwer vorstellbar, dass dabei nicht eine vollständige Mi- schung desselben eintreten sollte und doch ist das vorwiegende Wachsthum des Kopfes bei einem Sauropsidenembryo gewiss kaum minder ausgesprochen, als bei einem Säugethier. Zum Schlusse möchte ich noch einmal auf die Sätze ver- weisen, mit denen ich diese Arbeit eingeleitet habe; dieselben heben diejenigen Punkte hervor, auf die sich mein Interesse haupt- sächlich eoncentrirt hat. Ich bin mir wohl bewusst, dass vieles aus meinem Thema, was mehr Beachtung verdient hätte, nur kurz oder gar nicht erwähnt worden ist: histologische Verhältnisse und dergl. mehr; es war mir aber nicht möglich, Alles zu berück- sichtigen, ohne die so wie so sehr umfangreiche Arbeit noch mehr zu vergrössern. Auf manches hoffe ich zurückkommen zu können; namentlich die Vergleichung der Entwicklungsgeschichte des Wirbelthierherzens soll durchgeführt werden, den Anfang dazu machte die demnächst erscheinende Arbeit des Herrn Masius. Literatur. 1. Lindes, G. Ein Beitrag zur Entwicklungsgeschichte des Herzens. Dissert. inaug. Dorpat 1865. Mit 2 Tafeln. 2. Schmidt, F. T. Bidrag til Kundskaben om Hjertels Udviklings- historie. — Nordiskt Medicinskt Arkiv II. B. 1870 Nr. 23. Mit 1 Tafel. 3. Deutsches Referat über Nr. 2 von Panum in Jahresbericht über die Leistungen und Fortschritte in der gesammten Medicin von Virchow und Hirsch. V. Jahrgang für das Jahr 1870, pag. 65—68. 4. Arnold, J. Ein Beitrag zu der normalen und pathologischen Ent- wicklungsgeschichte der Vorhofsscheidewand des Herzens. Virchow’s Archiv. Ba. 51. 5. v. Rokitansky, Carl. Die Defekte der Scheidewände des Herzens. Mit 50 Abbild. Wien 1875. Beiträge zur Entwieklungsgeschichte des Säugethierherzens. 371 6. Derselbe. Ueber Defekt der Scheidewand der Vorhöfe. Frag- ment. Wiener medieinische Jahrbücher 1871. 7. His, W. Anatomie menschlicher Embryonen. I. Embryonen des ersten Monats. Mit 17 Holzschnitten und Atlas von 8 Tafeln. Folio. Leipzig 1880. II. Gestalt und Grössenentwicklung bis zum Schlusse des 2. Monats. Mit 67 Figuren im Texte. Leipzig 1882. III. Zur Geschichte der Organe. Mit 156 Abbildungen im Text und Atlas (Tafel IX—XIV und I). Folio. Leipzig 1885. 8. Derselbe. Beiträge zur Anatomie des menschlichen Herzens. Mit 3 Tafeln in Lichtdruck. Leipzig 1886. 9. Phisalix, C. Sur l’anatomie d’un embryon humain de trente deux jours. Comptes rendus des seances de l’acad&mie des sciences. Tome CIV. N. 11. 14./3. 1887, pag. 799. 10. Derselbe. Etude d’un embryon humain de 10 millimetres. Ar- chives de Zoologie exp6rimentale.. Deuxieme serie. T. VI. Nr. 2 u. 3. Tafel XII—XVII. 11. Born, G. Ueber die Bildung der Klappen, Ostien und Scheide- wände im Säugethierherzen. Vortrag gehalten in der 2. Sitzung der II. Ver- sammlung der anat. Gesellschaft in Würzburg am 22./5. 88. Anat. Anzeiger III. Jahrgang 1888. 12. Roese, C. Beiträge zur Entwicklungsgeschichte des Herzens. Dissert. inaug. Heidelberg 1888. 13. Owen, R. On the anatomy of the vertebrates. Vol. I-III. Lon- don 1868. Figurenerklärung zu Tafel XIX— XXI. Die Kopflänge der betreffenden Embryonen in mm (siehe im Text pag. 286) ist (meist rechts oben) neben die Figur in einen kleinen Kreis gesetzt. Endocard- verdickungen sind durch blaue Farbe hervorgehoben. — Häufig wiederkehrende Bezeichnungen an den Venen, dem Venensinus und den Vorhöfen: Ve. o. Vena omphalomesenterica. Ve. u. Vena umbilicalis. Ve. bh. Vena hepatica. Ve. A. ,„ Aranzii. Ve. ca.i. „ cava inferior. Ve. C.d. Ve. C.s. es - rechte. Ductus Cuvieri = vena cava superior) _ linke. superior. S. ara: Ve. c. vena cardinalis 3 3 i \ inferior. 372 G. Born: Ve. p. Lungenvene, resp. Mündung derselben. Si. Venensinus. Si*. Erweiterte seitliche Enden des noch unter dem Vorhofe gelegenen Sinus. : Rechtes Horn des Venensinus. Linkes S. qu. Unteres Querstück des Venensinus. S. M. Sinusmündung in den Vorhof. V.v.d. Valvula venosa dextra V.v.s. Valvula venosa sinistra an der Sinusmündung. P. s. Septum spurium. A.d. Rechtes A.s. Linkes Atrium. Lg. Lungengekröse, hinteres Herzgekröse des Vorhofsackes. Sp. i. Spatium interseptale resp. pars interseptalis des rechten Vorhofes. S.I. Septum primum = valvula foraminis ovalis. SII. Septum secundum = isthmus Vieusenii. OI. Ostium primum; primäre Communication zwischen den beiden Vorhöfen. OI. Ostium secundum; sekundäre Communication zwischen beiden Vorhöfen = foramen ovale. -+ Ansatzlinie des Pericards. Am canalis auricularis. Ue. Uebergangsstück, das später zum canalis auricularis wird. C. a. Canalis auricularis. F. av. ec. Foramen atrioventriculare commune. BP. av.d. h n dextrum. INGE ERZES BAUER Ulet Hr sinistrum. Eo. oberes us Endocardkissen. Eo. r. und Eo. 1. rechter und linker Randhöcker des oberen En- docardkissens. Eu. r. und Eu. 1. rechter und linker Randhöcker des unteren En- docardkissens. Am Ventrikel, dem Bulbus und den Arterien. . d. rechter > Ventrikel. .s. linker .i. Ostium interventriculare. Bulbus. . w. 1. linker vorderer "0 vachter himrerer Endocardwulst am unteren Ende des Bulbus. Ao. Aorta. V V 0 S. iv. Septum interventriculare. B B B PL Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Beiträge zur Entwicklungsgeschichte des Säugethierherzens. 373 Ao. I—V erster bis fünfter Aortenbogen. Ar. p. Arteria pulmonalis. 1 a DE Tafel XIX. 5 beziehen sich auf das in 60facher Vergrösserung gearbeitete Modell des Herzens von einem Kaninchenembryo, welcher 0,95 mm Kopflänge besass (siehe Text p. 239 Nr.'1). Das Modell von oben gesehen, ungefähr ?/;. Dasselbe von vorn, beinahe ?/,. Dasselbe von hinten, etwas mehr als 2/3. Dasselbe von links, ?/z. Dasselbe. Einbliek von hinten und etwas von oben in den Vor- hofsack, der durch ein grosses Fenster in seiner hinteren Wand “eröffnet ist; man sieht am Boden desselben durch die grosse Vor- hofs-Mündung des Sinus (S. M.) die nur an der linken Seite durch eine Falte abgegrenzt ist, in den Hohlraum des letzteren hinein; — um ein Geringes verkleinert. 6—8 beziehen sich auf das in 60facher Vergrösserung gearbeitete 1A, . 15. ‚16, Modell des Herzens von einem Kaninchenembryo, welcher 1,7 mm Kopflänge besass (siehe im Text p. 289 Nr. 3). Das Modell von der linken Seite; etwa 3/;. Dasselbe. Einblick durch ein grosses Fenster an der linken Seite des ventriculus sinister in den letzteren. Dasselbe. Einblick von hinten und etwas von oben in den Vor- hofssack, der durch ein grosses Fenster eröffnet ist. Man sieht am Boden des rechten Atriums durch die Vorhofsmündung des Sinus (S. M.) in den letzteren hinein; etwa 2/.. . 9—11 stellen das in 60 facher Vergrösserung gearbeitete Modell des Herzens von einem Kaninchenembryo dar, welcher eine Kopflänge von 2,5 mm besass (im Text p. 289 Nr. 4). Das Modell von oben; beinahe ?/,. Dasselbe von vorn; knapp ?/ı. . Dasselbe von hinten etwas verkleinert. Tafel XX. . Dasselbe Modell wie Fig. 6—8 (Kopflänge 1,7) von rechts, etwa 1/g. . Dasselbe Modell wie Fig. 9—11 (Kopflänge 2,5) von rechts; etwas mehr als 1/,. . 14—16 stellen das in 60 facher Vergrösserung gearbeitete Modell des Herzens von einem Kaninchenembryo dar, welcher 2,66 Kopflänge besass (Text p. 289 Nr. 5). Das Modell von rechts; etwas unter !/,. Dasselbe von hinten und etwas von unten; mehr als !/s. Dasselbe von vorn; etwa 1/a. 374 Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. G. Born: 17 und 18 stellen das in 60 facher Vergrösserung gearbeitete Modell 17; 18. des Herzens von einem Kaninchenembryo dar, welcher 2,36 mm Kopflänge besass (Text p. 290 Nr. 6). Das Modell von rechts; etwa !/a. Dasselbe von hinten; mehr als /a. 19—21 stellen das in 60 facher Vergrösserung gearbeitete Modell des Herzens von einem Kaninchenembryo dar, welcher eine Kopflänge von 3,4mm besass (Text p. 290 Nr. 7). . Das Modell von rechts; etwa 1/a. 20. Dasselbe von hinten und etwas von unten; etwa 1/a. 23. Dasselbe Modell in der Ebene des foramen atrioventriculare commune durchschnitten; man sieht von oben und etwas von rechts auf die untere Hälfte. — Aus der vorderen und rechten Wand des rechten Ventrikels noch ein Stück herausgeschnitten, um einen- freieren Einblick in den rechten Ventrikel, auf dessen trabeculae carneae und auf das ostium interventriculare zu ermöglichen. . Vorderansicht des Modells von dem Herzen eines Kaninchenembryos von 5,5 mm Kopflänge (Text p. 290 Nr. 9). Das Modell war in 60 facher Vergrösserung gearbeitet; nicht ganz 1/a. Der Ventrikelabschnitt mit den Anfängen der grossen Arterien nach dem Herzen eines Kaninchenembryos von 7,5 mm Kopflänge in 60 facher Vergrösserung modellirt (Text p. 290 Nr. 11). Das Modell ist durch einen horizontalen Schnitt, der grade durch das sehr ver- kleinerte ostium interventrieulare (0. i.) durchgeht, in zwei Hälften zerlegt. Einblick von oben in die untere Hälfte. An der anderen Seite des auf die vorliegende Schnittfläche aufzupassenden oberen Stückes war O. i. durch Verschmelzung von B. w. 1 und B. w. 2. sogleich abgeschlossen. Tafel XXI. Fig. 23 A. Dasselbe Modell wie Fig. 17 und 18 (Kopflänge 2,86 mm). Die Fig. 24. Decke der Vorhöfe ist abgehoben und in die Aussenwand des rechten Vorhofes ist ein grosses Fenster geschnitten; man blickt von oben und von hinten und etwas von rechts in denselben hinein. Beinahe ?/,. Für diese, wie für die folgenden Figuren 24—26 ist zu bemerken, dass in denselben etwas mehr vom foramen atrioventriculare commune gezeichnet ist, als man bei gleichzeitiger Uebersicht über die Gebilde an der hinteren Vorhofswand, valvulae venosae, Sinus- mündung u. s. w. in Wirklichkeit sehen kann; es ist diese gering- fügige Aenderung im Interesse der Anschaulichkeit der Bilder ein- geführt worden. Dasselbe Modell wie Fig. 19—21 (Kopflänge 3,4 mm). Einblick in die wie bei Fig. 23 A geöffneten Vorhöfe von hinten und oben RE TE Fig. 25. Fig. 26. Fig. 27. Fig. 28. Fig. 29. Fig. 30. Beiträge zur Entwicklungsgeschichte des Säugethierherzens. 375 und etwas von rechts; %,. Der eine Pfeil führt aus dem rechten Sinushorn ($S. d.) zwischen den valvulae venosae dext. und sinist. durch die Sinusmündung (S.M.) — soweit punktirt — in den rechten Vorhof. — Der andere Pfeil führt aus dem rechten Vorhof hinter der valv. ven. sinistra und dem septum spurium (P. s.) in das spatium interseptale (Sp. i.); soweit derselbe verdeckt ist, ist er punktirt; — beinahe 3/,. Dasselbe Modell wie Fig. 22 (5,8mm Kopflänge). Einblick in die Vorhöfe wie in Figur 23 A und 24. Die punktirte Linie ergänzt den theilweisen verdeckten Umriss des ostium secundum (O II); etwa Ja. Dasselbe Modell wie Fig. 22 und 25 (Kopflänge 5,8 mm). Schnitt durch das foramen atrioventrieulare commune. Einblick von oben in die untere Schnitthälfte; etwa 33. Das Modell des Herzens eines menschlichen Embryos von 5mm Kopflänge (His Normentafel Nr. 12). Dasselbe war in 50 facher Vergrösserung gearbeitet. Beide Vorhöfe sind durch grosse seit- liche Fenster eröffnet. Einblick von rechts her in den rechten Vor- hof. Der untere Pfeil dringt aus dem rechten Vorhof durch die Sinusmündung (8. M.) in das rechte Sinushorn; soweit er durch die valvula venosa dextra und die Sinuswand verdeckt ist, ist er punktirt. — Der obere Pfeil dringt in das spatium interseptale ein; soweit er durch die Wand desselben und das septum spurium (Ps.) verdeckt ist, ist er punktirt gezeichnet; — etwas weniger als 3/;. Dasselbe Modell wie Fig. 9—11 und 13. In die Seitenwand des rechten Vorhofes ist ein grosses Fenster geschnitten. Die linke Venenklappe ist nicht sichtbar, sie verläuft schräg im Grunde des Hohlraums, zu dem die grosse Oeffnung (S. M.) führt, von links nach rechts, um sich an die rechte Venenklappe anzusetzen; nur der untere Theil der grossen dunklen Oeffnung ist also Sinus- mündung (S. M.), der obere Theil führt in das spatium intersep- tale; — beinabe ?/,. Modell der Vorhöfe eines menschlichen Embryos von 14mm Kopf- länge. © Steissscheitellänge 34 mm. Anfang des dritten Monats. Der Schnitt geht durch die vordere obere Vorhofswand, durch die Wurzel des isthmus Vieussenii (SII); man sieht also von vorn und oben in die hintere untere Hälfte des Modellstückes hinein. Es ist nur die Partie zunächst der Vorhofscheidewand dargestellt; man orientire sich, indem man sich zuerst die Mündungen der venae cavae (Ve. C.d. = Vena cava sup. und Ve. ca. i. = Vena cava inferior und das foramen ovale, OII aufsucht. * = Mündung des Sinus coronarius — beinahe natürliche Grösse. Tafel XXI. Schnitt durch die Vorhöfe und den Bulbus aus der Serie, nach der das in Fig. 14—16 u. s. w. dargestellte Modell gearbeitet ist. 376 - Fig. 31. G. Born: Kaninchenembryo von 2,66mm Kopflänge; — Vergrösserung 40fach. SI ist in voller Ausbildung, aber undurchbrochen, die Vorhöfe communieiren nur durch Ol. Schnitt durch die Vorhöfe, den Bulbus und das obere Ende des linken Ventrikels aus einer Serie, welehe einen Kaninchenembryo von 3,1mm Kopflänge betraf (nicht modellirt). SI ist an dem dorsalen Ansatz durchbrochen; OI und OII gleichzeitig vorhanden; — 40fach vergrössert. . Schnitt durch das Herz von einem Kaninchenembryo von 5,8 mm Kopflänge; nach der Serie, aus der dieser Schnitt stammt, ist das Modell gearbeitet, welches Fig. 22, 25 und 26 darstellen. Der Schnitt geht dicht oberhalb des for. atrioventriculare commune durch das obere Endocardkissen (Eo.) hindurch; als Ergänzung kann die Schnittfläche von Fig. 26 dienen, welche einen etwas tiefer, in der Ebene der Atrioventricularöffnung selbst gelegenen Schnitt aus derselben Serie darstellt; aus derselben ersieht man, dass OI noch nicht vollständig verschwunden war. Die Schemata A, B, C entsprechen zum Theil den in meiner vor- läufigen Mittheilung gegebenen, nur sind die Ventrikel und das reehte Sinushorn zugefügt und einige gleich zu erwähnende Aende- rungen getroffen. — Die Schemata stellen im Allgemeinen schräg von hinten und oben nach vorn und unten durch das aufgerichtete Herz gelegte Schnitte dar, doch sind hier eine Reihe von Dingen nebeneinander dargestellt, welche nie in einem und demselben Schnitte zugleich enthalten sein können; es sind also des didak- tischen Zweckes wegen Theile in eine Ebene gerückt, die in Wirk- lichkeit nicht in einer Ebene liegen. Die Schnitte gehen durch die Atrioventricularöffnung, in dieselbe ist in Schema A und B das un- tere Endocardkissen hineingezeichnet, — eine Abweichung vom Schnitt- bilde, die der Deutlichkeit wegen unvermeidlich erschien; in C sind die Endocardkissen verschmolzen gedacht und demgemäss die Schnitt- fläche der verschmolzenen Endocardkissen angedeutet. — Diese sowie die Endocardverdiekungen am unteren Ende von SI sind heller gehalten, die Muscularis dunkler. Trabeculae carneae u. s. w. sind weggelassen. Auf das Wachsthum ist in diesen wie in den 3 folgenden Schematen fast keine Rücksicht genommen, die zweiten und dritten Figuren sind also bei entsprechend schwächerer Ver- grösserung dargestellt zu denken. A) SI voll ausgebildet, aber undurchbrochen (etwa Kaninchen- embryo von 2,6 mm Kopflänge). B) SI am dorsalen Ansatz durchbrochen, OI und OII gleich- zeitig vorhanden (etwa Kaninchenembryo von 4mm Kopflänge). Das ostium interventrieulare verengt durch das hoch aufgestiegene S. iv. Beiträge zur Entwicklungsgeschichte des Säugethierherzens. 377 C) SI mit den Endocardkissen und diese untereinander ver- wachsen, OI verschwunden. Trennung der ostia atrioventricularia. — SII eben gebildet. — Soweit würde das Bild etwa Kaninchen- embryonen von 6mm Kopflänge entsprechen; die Trennung der Ventrikel, durch Verbindung des S. iv. mit den rechten Höckern der verschmolzenen Endocardkissen, wie sie hier dargestellt ist, tritt aber erst bei Kaninchen von 7,5 mm Kopflänge ein. Schemata D, E und F sollen die Lageverschiebungen, des ostium atrioventriculare zum ostium interventriculare, sowie die Trennung der Ventrikel und grossen Arterien verdeutlichen. Die Ventrikel sind durch einen bei aufgerichtetem Herzen frontalen Schnitt halbirt gedacht; man sieht in die hintere Hälfte. — Trabekeln u. s. w. sind vernachlässigt; es wurde danach gestrebt, eben nur die wesent- lichsten Verhältnisse in einfachster Form darzustellen. D) Das foramen atrioventriculare commune gehört allein dem linken Ventrikel an und liegt hoch über dem ostium interventricu- lare; etwa entsprechend Kaninchenembryonen von 1,7 mm Kopfl.; vergl. Fig. 7. E) Die Ventrikelschenkel sind nach oben hin miteinander ver- schmolzen, das ostium interventriculare hat sich nach oben ausge- dehnt, ist aber gleichzeitig von unten her durch das aufsteigende S. iv. eingeengt; das foramen atrioventriculare commune reicht mit seinem rechten Ende in den rechten Ventrikel hinein, die Endo- cardkissen sind ausgebildet. In dem Bulbus treten die Bulbuswülste auf, von denen der hintere sichtbar ist; die Halbröhren der Aorta und der A. pulm. sind aber in dieser wie in der folgenden Figur anstatt schräg hintereinander, einfach nebeneinander gezeichnet. — Etwa Ka- ninchenembryonen von 3,5—5,8 mm Kopfl.; vergl. Fig. 11 und 26. F) Die Endocardkissen sind verschmolzen, foramen atrioventri- culare dextrum et sinistrum getrennt, dass $. iv. ist über die rech- ten Höcker der Endocardkissen mit diesen verschmelzend aufgewachsen, mit dem oberen Rand desselben hat sich bis auf eine kleine Lücke (Stelle des septum membranaceum) das Bulbusseptum *, das aus der Verschmelzung der Bulbuswülste entstanden ist, verbunden. Der Rest des ost. interventriculare zwischen dem oberen Rande von 8. iv. («) und der Stelle $ ist in die Aorta aufgenommen, die bei der Trennung der Ventrikel gleichzeitig allein in den linken übergeleitet wird. Der Zugang zur Aorta zwischen dem linken Abhang des S. iv. und den verschmolzenen Endocardkissen schiebt sich zwischen F. av. s. und das Ventrikelseptum ein. — Etwa Kaninchenembryonen von 7,5mm Kopfl.; — vergl. Fig. 23. 3738 G. Born: Beiträge zur Entwicklungsgeschichte des Säugethierherzens- Berichtigungen. Ss. 291 Zeile 7 v. o. V. 8. statt V. c. OD I BA re 9. 5 HC: „297 „13 v. o. (Fig. 6, 10, 11, Si u. Si*) zu tilgen und Z. 15 hinter „an- gefügt‘ zu setzen. „301 „ 9 v.o.23A statt 28. „806 „ 1vo.Fig. 234 statt Fig. 23. „306 „ 25 v. 0. 27 Ps. statt 25. „315 „ 1l4v.o. zu tilgen (Fig. 25.) »,321 .. 28. v: 0: Fig. 23 statt ‚Fig..;24. 8331. 3,216 vw. 2 V.uv-..8..stals. VW. m Ueber Molluskenaugen. Von Justus Carriere. Hierzu Tafel XXIII. Eine kürzlich ausgegebene Untersuchung von Rawitz!) gibt mir willkommene Gelegenheit, auf die im Jahre 1886 in Band VI, Heft 4 der Mittheilungen der zoologischen Station in Neapel ver- öffentlichte Abhandlung W. Pattens zurückzukommen. Sie war betitelt: „Eyes of Molluses and Arthropods“, und auf der zoologi- schen Station in Neapel mit den neuesten Methoden und Instru- menten ausgeführt, ein umfangreiches Werk. Mir aber war es kein Vergnügen und ich bedauerte die wenigen Leidensgefährten, die gleich mir gezwungen waren sich durch die Fülle von Neu- heiten durchzuarbeiten, die dasselbe in seinen beiden Theilen, dem beschreibenden und dem hypothetischen, bot; denn obschon 1) Dr. Bernhard Rawitz. Der Mantelrand der Acephalen. Erster Theil. Ostracea. Jena 1888. Zeitschrift f. Naturwissenschaft XXI, N. F. XV. Ueber Molluskenaugen. 379 der Autor seiner Phantasie eigentlich den zweiten Theil zum Tum- melplatz einräumen wollte, ging sie ihm doch immer wieder durch in den ersten Theil hinein, der dadurch gleichsam zu einer „Phan- thasie an und über Präparate“ wurde. Damit ist keineswegs ge- sagt, dass der beschreibende Theil nicht eine Fülle neuer Wahr- heiten enthalten könnte und wirklich Gutes bringt — ich will nur die Schwierigkeiten andeuten, die er dem mit Kritik und Ver- ständniss lesenden Collegen auf diesem Specialgebiete bereitete, welcher sich in den Besitz der vereinzelten Goldkörner setzen wollte. Patten hatte in diesem Gebiete mehrere Jahre nach mir gearbeitet, war mit viel besseren Instrumenten ausgerüstet als sie damals zu haben waren, wandte andere Methoden an, u. 8. w., und es wäre merkwürdig, wenn er auf so schwierigem Unter- suchungsgebiete nicht Neues gefunden haben sollte. Er fand es auch, und zwar einige sehr wichtige Sachen, die durch meine sofort an- gestellten Untersuchungen bestätigt wurden. Leider fehlte dem geschickten und glücklichen Forscher die nöthige Sicherheit, um edles und unedles Metall unterscheiden zu können, und sein Mangel an Erfahrung auf dem Gebiet der speciellen Histologie, über den Bau der Zellen, die Einwirkung der verschiedenen Rea- gentien auf dieselben — nur vieljährige und vielseitige Unter- suchung hierin gibt einen einigermassen sicheren Blick — führte es herbei, dass er, statt Gold und Schlacke zu sondern, immer neue Schlacken dazu ansammelte. Damals wollte ich nun sogleich gerne das Neue und Gute, soweit ich es bestätigen konnte, herauslesen und öffentlich aner- kennen, aber ein Gedanke hielt mich davon ab. Patten hatte mich ja in seiner Arbeit so grenzenlos schlecht gemacht — würde man glauben, dass ich in den nothwendigen Aussetzungen unpar- teiisch sei? kaum. Aber ich war meiner Sache sicher — es musste das interessante Gebiet neue Forscher anziehen und dann, nach- dem der Dritte gesprochen, konnte ich mich mit ihm und Patten auseinandersetzen. Desshalb will ich jetzt in Anlehnung an die Untersuchung von Rawitz über das Auge von Pecten anerkennen und richtig stellen, was Patten über die Augen von Pecten und Arca thatsächliches mittheilt!); die darauf bezüglichen Prä- 1) Die Entdeckungen Pattens auf dem Gebiete des Arthropodenauges werde ich an anderer Stelle zu besprechen haben. 380 Justus Carrißre: parate und Zeichnungen habe ich schon vor länger als zwei Jahren dem naturwissenschaftlich-medizinischen Verein zu Strassburg vorgelegt und darüber vorgetra- gen. (Mit dieser Bemerkung beabsichtige ich nicht etwa in irgend einem Punkte Rawitz gegenüber Priorität zu haschen, denn es war mir gerade werthvoll, dass über Pattens Angaben von un- betheiligter Seite zuerst geurtheilt werde; sie soll nur zeigen, dass ich durch die umgehende Nachuntersuchung das that, was mir auf einen derartigen Angriff hin zukam.) Znnächst zu dem Fächerauge (zusammengesetzten Auge) von Arca Noae!). Ich hatte seiner Zeit?) angegeben, dieses Organ betehe aus grossen, kegelförmigen Zellen, die einen peripheren Pigmentmantel und an dem distalen (äusseren) Ende eine linsenförmige Cutieular- verdiekung besässen. Patten wandte ausser Schnitten zum ersten Male die Isolir- methode an, und fand?): „Diese Augen bestehen aus 10—S0 „Ommatidien“; jedes Ommatidium aus einem „Kern“, nämlich zwei verschmolzenen farblosen Zellen mit je einem Stäbchen, den „Retinophoren“. In der einen Retinophora liegt ein wirklicher, 1) Die Bestandtheile, aus denen sich das Molluskenauge überhaupt zu- sammensetzt, sind nach Patten die Cutieula, welche in die structurlose äussere corneal-C. und die reti- nidial-C. zerfällt; letztere besteht im Wesentlichen aus einem Netzwerk von Endverzweigungen der Hypodermisnerven und findet sich auch an anderen Körperstellen, in den Augen aber besonders stark entwickelt. Ueber der Retina (retineum) ist sie verdickt und bildet ein retinidial- layer, welches nicht immer (pag. 748) in Segmente oder rods, die je einer Zelle entsprechen, getheilt ist. Darunter liegt das OÖmmatidium, bestehend aus 2—4 farblosen, oft drüsenähnlichen Zellen, den Retinophoren; die Retinophorazelle der Mollusken enthält immer zwei Kerne, von denen einer schwierig wahrzunehmen ist. Jede Zelle sondert ein rod aus, welches ein retinidium enthält. Die Retinophoren werden von Pigmentzellen umgeben, den Retinulae, welche ebenfalls rods besitzen können; in complieirteren Ommatidien verschwinden die einfachen rods der Retinulae, die doppelten (bez. vierfachen der Arthopoden, denn die Krystallkegel sind ebenfalls aus solchen rods zusammengesetzt) bleiben. 2) Sehorgane der Thiere.. München 1885. 3) Auszug mit den Worten Pattens. Ueber Molluskenaugen. 381 in der anderen ein „abortiver“ Kern, das heisst, ein häufig fehlender, unregel- mässiger, wenig färbbarer Körper, der unter den günstigsten Umständen sehr schwierig wahrzunehmen ist. Die Zellen sind im hinteren Ende vom Kern nach der Basis zu mit hellen, lichtbrechenden Körnern gefüllt, die eine Argentinula bilden; bei Behandlung (Maceration) in Ueberosmiumsäure findet sich an Stelle der Körner ein schmaler lichtbrechender Körper im Hinterende der Zelle, zwischen diesem und dem Kern ein heller Hof. Auf den Retino- phoren sitzt nach aussen ein oblonger durchsichtiger, lichtbrechenden Körper, scheinbar eine Cornealfassette oder Cuticularlinse, in der That das mit massen- haften Nervenfasern versehene pereipirende Element, das „Rod“ (Stäbchen), welches, wie man nur nach starker Maceration und selten sieht, aus zwei Theilen besteht. Es ist von einem Netzwerk feiner Nervenfasern umgeben, im Innern des Doppelrod endigen die Axennerven der Retinophora, welche an dem innern Ende der keilförmigen Retinophora, eintreten. Diese Retinophoren sind von 8 pigmentirten Retinulae in zwei, ihrer Hauptmasse nach, übereinander liegenden Schichten, umgeben; die Kerne der äusseren liegen vor oder zwischen den Retinophorakernen, die der inneren in dem proximalen Drittheil der Zellen; diese selbst sind keilförmig, die äusseren sind am distalen Ende am dicksten, die inneren in der Höhe der Körnermasse, worauf sie rasch abgeplattet membranös nach aussen ziehen, eine Scheide des äusseren Retinophoraendes bildend. Auf den äusseren Pig- mentzellen ziehen sich einige, auf den inneren 2—5 blasse Fäden, Nerven- fasern hin. Solcher Augen gibt es in beiden Mantelhälften zusammen über zwei- hundert.“ Vergleicht man Patten’s Text und Abbildungen, so zeigt sich deutlich, dass er Methoden anwandte, die er nicht beherrschte, das heisst, über deren Einwirkung auf den Zellkörper er sich keine Rechenschaft geben konnte. Gerade hier war die Methode schlecht; statt die Retinophora zu conserviren, lieferte sie — wie die wenigen Abbildungen nach dem Präparat zeigen, — ganz ungenügendes. Und da hilft sich Patten nicht mit anderen Methoden, son- dern mit dem Bleistift, den er meisterhaft führt. Mit ihm zaubert er die schönen „Constructionen“ auf das Papier, welche alles enthalten, was uns Abbildungen nach Präparaten zeigen sollten (Fig. 59 z. B. u. a. m.),. An Schnitten konnte er nicht viel mehr erkennen als schon bekannt war — er combi- nirte also in Figur 45 einen Schnitt mit Macerationsbildern. Merkwürdiger Weise zeichnet Patten auf demselben Schnitte etwas sehr Wichtiges und Be- kanntes, die Falte mit dem Periostrakum-Epithel (welches die früher soge- nannte Epidermis der Muschelschalen absondert), in einer Weise falsch, wie es nach einem einigermaassen gelungenen Schnitte selbst einem Anfänger nicht begegnen dürfte. Diese Falte ist für den Zweck der Abbildung etwas ganz Nebensächliches, sie konnte weggelassen oder skizzenhaft behandelt werden; aber dargestellt und zwar in solcher Weise kann sie unser Vertrauen zu der Genauigkeit des Autors nicht erhöhen. 383 Justus Carriere: Was ist nun an Pattens Darstellung richtig und worin er- gänzt er meine früheren Angaben? Ein Blick auf die Abbildungen . Tafel XXIII zeigt das. — Ich besass ausser mit Chromsäure auch mit Ueberosmiumsäure vorzüglich conservirtes Material, und unter- suchte letzteres auf Längs- und Querschnittserien, aus deren einem Theil ich das Pigment vorsichtig entfernte. Das geschah damals mit verdünntem Eau de Javelle, ein Mittel, welches mit grosser Vorsicht auf Schnitte angewandt, sehr guten Erfolg hat; nament- lich eignen sich dazu mit Ueberosmiumsäure gehärtete Objecte, in welchen die Gewebe gegen die Einwirkung des Chlors widerstands- fähiger sind als nach anderen Härtungsmitteln. So gut die Re- sultate waren, so wenig man an den Geweben der entpigmentirten und nicht entpigmentirten Präparate einen Unterschied finden konnte, verliess ich diese Methode doch wieder um einer noch besseren willen, welche gelegentlich meiner Untersuchungen über die Entwicklung und den Bau der Ocellen und Augen der Insec- ten beschrieben wird. Die Entfärbung mit Eau de Javelle hat den Nachtheil, dass sie beständige Aufmerksamkeit des Beobachters verlangt, wenn das Präparat glücken soll; denn der Chlorgehalt der zu verwendenden verdünnten Lösung ändert sich beständig — sie muss also immer wieder durch Vorversuche auf den günstigen Gehalt gebracht werden, und die Lösung des Pigmentes in den Schnitten muss mit der Loupe verfolgt und die Einwirkung des Mittels unterbrochen werden, ehe die letzte Spur von Farbe ver- . schwunden ist. Das Pigment ist dann schon vollkommen in Lö- sung übergegangen und wird mit ausgewachsen, ein Abwarten, bis es vollkommen zerstört ist, würde durch die allzulange Einwirkung auch die Gewebe gefährden. (Es handelt sich hiebei immer um auf dem Objectträger durch eines der bekannten Mittel befestigte Sehnittserien von höchstens ungefähr 0.0lmm Dicke). Die Objeete waren theils im Ganzen mit Pikrokarmin gefärbt theils — und regelmässig die entpigmentirten — mit Hämatoxylin. Alle Serien nun, sei es in der Längsrichtung der Omma- tidien (Sagittalschnitte) oder senkrecht zu derselben (Querschnitte) zeigen übereinstimmend folgendes. Die als Augen bezeichneten Mantelrandorgane von Arca Noae bestehen aus pigmentirten und pigmentlosen Zellen. Letztere sind es, welehe ich schon früher als Sehzellen bezeichnete, der Pig- mentmantel aber, den ich als zugehörig beschrieb, liegt nicht in Ueber Molluskenaugen. 383 der Peripherie der Zelle selbst, sondern wird wie Patten fand, von sehr dicht anliegenden Pigmentzellen gebildet. Die Sehzellen (Fig. 1,3, 4, 5) haben die Form eines langge- streckten Kegels, nicht die eines Keiles. An ihrem äusseren Ende tragen sie eine dicke, convex-concave Cuticula, welche tiefer unter die als glatte Halbkugel gedachte Oberfläche des Organes als über sie ragt. Diese Verdiekung färbt sich nach Behandlung mit Ueberosmiumsäure tief graublau (ebenso wie der gleich zu er- wähnende „Kegel“), viel dunkler (weil undurchsichtig) als der Kern ; nach vorhergegangener Behandlung mit Eau de Javeile, welches die schwärzende Wirkung der Ueberosmiumsäure je nach der Zeitdauer ganz oder theilweise aufhebt, nimmt sie einen graulichen Ton an. Der Kern wird immer entschieden blau. Dicht unter der verdickten Aussenwand — aus naheliegenden Gründen möchte ich die Be- zeichnung Cornealinse ebenso vermeiden wie die gleicherweise unzutreffende als Corneafassette — liegt in der Axe der Zelle der sehr grosse Kern, breiter als hoch, nahezu die Seitenwände der Zelle berührend. Er ist von Protoplasma umgeben, welches in der Peripherie dichter, nach der Axe zu flüssiger, ihn zu tragen scheint. Fast der ganze übrige Theil der Zelle wird von einem kegel- förmigen durchsichtigen Körper eingenommen, der durch Ueber- osmiumsäure fixirt und dann von Farbstoffen gefärbt wird; bei Be- handlung mit Alkohol, Chromsäure und ehromsauren Salzen bleibt er farblos und wird zum grössten Theil gelöst, so dass nur ein körniger Rest übrig bleibt. Es ist also wohl eine Substanz von gallertiger (ich meine: nicht fester) Beschaffenheit, die ähnliche Zartheit und ähnliches Verhalten gegen Reagentien zeigt wie die Stäbchen des Wirbelthierauges. Bei seitlicher Ansicht erscheint das vordere Ende des Kegels schon der grösseren Dicke halber tiefer gefärbt als das schlanke innere; doch zeigen auch die Quer- schnitte gegen dieses Ende zu etwas hellere Färbung. Fig. 1, 3, 4, 7. Der Kegel reicht nicht ganz bis an das innere Ende der Zelle, welches in eine wechselnde Anzahl von Fasern übergeht (Fig. 7 f), die — vielleicht — durch die Basalmembran austreten und sich mit Nervenfasern verbinden, oder als an die Zelle an- tretende Nervenfasern zu betrachten sind. Sonst ist von Fasern weder im Kegel noch in der Zelle, ebensowenig an Quer- als Längsschnitten etwas zu bemerken. Von einer Zusammensetzung Archiv f. mikrosk, Anatomie. Bd. 33. 25 384 Justus Carriere: der Sehzelle aus zwei Theilen, von einem „abortiven“ Kerne ist nicht das geringste zu bemerken; die Lage des Kernes ist auch nicht seitlich, wie Patten angibt. Ebenso ist es unmöglich, Pattens Behauptung, dass die Aussenwand aus einer äusseren dünnen structurlosen Cuticula und einem inneren dichten Netz- werk feinster Nervenfasern bestehe, für Ernst zu nehmen. Von dem abgerundeten äusseren Ende des Kegels gehen radiäre Streifen nach der Wand der Zelle (Fig. 7b), ein Ausdruck der Sonderung in festeres und flüssigeres Protoplasma, wie es sich auch an den Längsschnitten zeigt. Dieser pigmentlosen Zelle sind mehrere, häufig drei, auch zwei oder vier Pigmentzellen so dicht angelagert, dass sie schein- bar einen Körper mit ihr bilden („inner retinula“ Pattens); diese Zellen enthalten braune Pigmentkörner, bei auffallendem Lichte heller und glänzend gelbbraun, welche sich früher lösen als das Pigment der Stützzellen. Die Zellen dieser Pigmentscheide sind an der Basis dick und verflachen sich erst ganz allmählich, dann in der Höhe des äusseren Kegelendes plötzlich und umgeben so das periphere Ende der Sehzelle als eine zwar sehr dünne, aber keineswegs ganz pigmentlose Hülle. Ihre Kerne sind flach, sehr dünn, unge- fähr dreiseitig und liegen ungefähr im mittleren Drittel der Zelle. (Fig. 1, 2, 4, 5, 7e, d. Patten, der diese und die gleich zu be- sehreibende Art der Pigmentzellen entdeckte und erstere im Allge- meinen richtig beschrieb, bildet die Kerne etwas zu klein ab.) Die Pigmentscheide bildet mit der Sehzelle zusammen eine Ein- heit, welche man als Ommatidium bezeichnen könnte, wenn man dabei nicht ausser Acht lässt, dass es sich hier nicht wie im Insektenauge um eine Gruppe von Sehzellen, sondern nur um eine einzige mit ihrem Pigmentmantel handelt, also um ein Ommatidium einfachster Form. Anmerkung. Von den Abbildungen sind alle mit Ausnahme Fig. 3 nach entpigmentirten Präparaten angefertigt, die Pigmentzellen aber zur leichteren Unterscheidung nachträglich mit zwei verschiedenen Farbentönen übergangen worden. Die Kerne der Pigmentzellen sind vielfach nicht ganz, sondern nur Quer- oder Längsschnitte derselben sichtbar; in diesem Falle ist die Kern- wand, den Präparaten entsprechend, mit doppelter Contour gezeichnet, da sich die Wand ihrer dichteren (festeren) Beschaffenheit halber sehr scharf von dem mit Ausnahme des Gerüstes (der Nucleolen) ganz hellen Kerninhalte abhebt. a Ka a lu A Ueber Molluskenaugen. 385 Eine zweite Art von Pigmentzellen, welche Patten als äussere Retinulazellen beschrieb, stehen zu den Sehzellen nicht in so naher Beziehung. Von den Zellen der Pigmentscheide unter- scheiden sie sich durch ihre mehr bandförmige Gestalt und die wahrscheinlich dadurch bedingte hellere Färbung. Ihre Kerne sind dicker als die der Pigmentscheide und liegen im äusseren dicksten Ende der Zellen. Diese Stützzellen bilden ein Gerüst von neben- einander stehenden Tüten, in dessen Fächern die Ommatidien so- zusagen stecken. Kerne, die zuweilen in dem inneren Theile des Gerüstes liegen, sind wahrscheinlich nur tiefer liegende Kerne der Stütz- zellen, könnten aber auch in Zwischenräumen der Tüten stehenden interstitiellen Zellen angehören. Zwischen den einzelnen Tüten finden sich schmale Hohlräume, welche wahrscheinlich nicht durch Schrumpfung erzeugt, sondern vorgebildet sind, wohl Saftlücken. An dem Byssusausschnitt fehlen die zusammengesetzten Augen, dafür stehen hauptsächlich hier in grosser Anzahl die von Patten gefundenen invaginate Eyes, deren in beiden Mantel- hälften zusammen über 800 vorkommen. Diese Invaginate Eyes, welche sich nicht ohne Weiteres mit den von mir als Sehgruben bezeichneten offenen Augen verschiedener Mollusken zu- sammenstellen lassen, sind „flache oder tiefere, grubenförmige Einsenkungen des Epithels bald mit weiter, bald mit spaltförmiger Mündung, 0,014—0,07 mm im Durchmesser. Ungemein stark pigmentirt stehen sie in fast pigmentlosem Epithel, nur von einer leicht pigmentirten Zone umgeben. Die Wand dieser Gruben besteht aus breiten dunkelbraunen oder schwarzen Pigment- und einer sehr viel geringeren Anzahl pigmentloser Zellen. Die breiten Pigment- zellen sind nicht ganz bis zur Basis pigmentirt, und enden abgestutzt; ihre Kerne färben sich viel stärker als die der pigmentlosen Zellen — ein durch- gehender Unterschied zwischen Retinula- und Retinophorazellen. Die letzteren, pigmentlos und kegelförmig (kolbenförmig), enthalten eine sehr stark licht- brechende, körnige Masse. Ihre Anzahl ist so gering, dass man nie mehr als 3 auf einem Schnitt sieht und sie auf höchstens 7—10 im ganzen Auge schätzen kann; ein „abortiver Kern“ wurde vergebens gesucht. Die Basal- membran ist unter dem Auge verdickt; die Cuticula darüber, eine Fortsetzung der Cuticula des Epithels, besteht aus der äusseren, ganz dünnen corneal-C. Anmerkung. Früher gemachte Erfahrungen veranlassen mich zu der Bemerkung, dass ich nicht alles, was die Abbildungen schon deutlich genug zeigen, im Text zu wiederholen pflege, während ich es anderseits auch nicht für nöthig halte, jede weniger wichtige Angabe durch eine Zeichnung zu erhärten. 386 Justus Carriere: und der über dem Auge sehr verdickten retinal-Cuticula, welche aus zahllosen getrennten Nervenfasern bestehend die retia terminalia enthält, - aber nicht den Zellen entsprechend in rods abgetheilt ist. Die Nervenfasern sieht man häufig zwischen den Retinazellen nach der Basalmembran hinziehen und durch diese durchtreten.“ Von diesen eingesenkten Augen unterscheidet Patten „pseudölenticulate Eyes“; der ganze Unterschied besteht darin, dass über diesen flachen Gruben die Cuticularverdickung stärker vorgewölbt, bei den ersteren etwas eingesenkt ist; beide Formen sind nicht scharf zu trennen. Vermuthlich handelt es sich nur um geringe Unterschiede, die sich durch verschiedenartige Con- tractionszustände genügend erklären lassen. Obschon Patten weder einen abortiven Kern noch einen Axenfaden finden konnte, erklärte er: „Die Invagi- nate Eyes bestehen aus denselben Elementen wie die facettirten, das heisst einer farblosen Zelle, wahrscheinlich mit axialer Nerven- faser und zwei Kernen, welche zugleich ein Cuticularrod mit einem gesonderten Theil der retia terminalia besitzt, und darum stehen- den Pigmentzellen.“ Hiervon kann ich in erster Linie das Bestehen dieser Organe und ihre grosse Anzahl bestätigen; dagegen weisen meine Beob- achtungen auf die Richtigkeit der oben geäusserten Vermuthung, die beiden Arten von eingesenkten Augen seien nur eine, hin. Patten untersuchte Arca barbata und Noae und bildete von jeder Gattung auch ein Invag. Eye ab; meine Präparate entstammen zweifellos einer von beiden Arten, wahrscheinlich Arca Noae, und doch weicht der ganze Habitus so weit von Pattens Darstellung ab, dass er es beschrieben und abgebildet hätte, wenn ihm etwas derartiges unter das Messer gekommen wäre. Ich fand nur — häufig zu zweien untereinander stehend — tief eingesenkte Organe, seltener kleinere trichterförmige, meist grosse, mit weiter Mündung und bis zum Grunde ziemlich unver- ändertem, nur wenig verengtem Lumen (Fig. 9—11). Die Masse, welche dieses Lumen erfüllt (Retinidium P.), besteht zum grossen Theil häufig aus unleugbaren Fäden (Chromsäurepräparate), die sich mit Hämatexylin leicht bläulich färben, gerade wie der Schleim ausserhalb der Epithelzellen; innerhalb oder zwischen den Zellen der Wandung ist nicht das geringste von derartigen, gar nicht übermässig feinen Fäden wahrzunehmen, auch nicht an entpig- mentirten Präparaten (Fig. 10). Es treten auch durchaus nicht Fasern in genügender Stärke oder Anzahl an das Organ heran Ueber Molluskenaugen. 387 oder hinein. Dagegen werden an entfärbten Präparaten die Fäden undeutlicher, die ganze Masse gleichmässiger, unter Wahrung ihrer vorherigen Farbreaction, und zwar lange, ehe das Pigment gelöst ist, während durch derartig schwache Einwirkung vorher in Chrom- oder Ueberosmiumsäure gehärtete Gewebsfäden desselben Schnittes (Bindegewebs- und Nervenfasern) nicht angegriffen werden, und einer viel länger andauernden unversehrt widerstehen. Die Pigmentzellen in diesen Organen enthalten dasselbe gold- braune Pigment wie die Epithelzellen und die Fächeraugen, das in etwas diekeren Schnitten dunkelbraun erscheint (Fig. 10); auch dürfte es an einzelnen Stellen dunkler sein als an andern. In dem äusseren, pigmentirten Abschnitte sind diese Zellen breit lineal- förmig, in dem inneren, welcher den Kern enthält, schlank ausgezogen, farblos bis auf vereinzelte Pigmentkügelchen; der Kern ist oval-scheibenförmig, in der häufigen Seitenansicht schlank spindelförmig, doch findet man vielfach spindelförmige Kerne, welche die scheibenförmigen an Länge übertreffen. Die farblosen, kolbenförmigen Zellen (Fig. 11) finde ich viel häufiger, als Patten angiebt, dagegen ist allerdings das sehr enge, innerhalb der Pigmentzone liegende distale Ende nur selten im Zusammenhange mit dem weiten Theile zu sehen, welcher zwischen den verschmälerten Enden der Pigmentzellen Platz hat. Um noch einmal auf das Retinidium zurückzukommen, so ist diese Masse in den von mir untersuchten Organen bald ziemlich gleichmässig, bald in der Mitte am dichtesten, so dass sie im letz- reren Falle den Anschein eines Trichters gewinnt, der von vielen durch die weniger dichte Substanz nach der Wandung ziehende Fäden gehalten wird. (Es handelt sich im letzteren Falle wohl nicht um Schrumpfungserscheinungen bez. durch Reagentien veranlasste Zusammenziehungen.) In ganz medianen Schnitten sieht man die Füllmasse nie den Zellenden dicht aufliegen, sondern durch einen sehr kleinen Zwischen- raum von ihnen getrennt, der durch feine Fädchen in gewissen Ab- ständen überbrückt wird. Ich halte somit das ganze Gebilde für einen Gallerte- oder Schleimpfropf, der von der Wand des Organes abgesondert wird; die Fadenstructur spricht nicht dagegen, das ganze Verhalten der Bildung dafür, und die Tracht der Zellen stimmt zu einer solchen Leistung; nicht nur die Schleimzellen des Epithels sind ähnlich 388 Justus Carriöre: hell, sondern auch die unzweifelhaft absondernden Zellen, welche das Periostrakum in seinen beiden Schichten liefern, sind genau ebenso farblos, klar und unfärbbar, wie die Kolbenzellen (und die inneren Enden der Pigmentzellen), während in beiden Fällen das Sekret sich färbt. Wenn Patten einen stark brechenden, kör- nigen Inhalt der Kolbenzellen angibt, so sah er hier eben eine unter Sekretzellen nicht seltene Erscheinung. Ausserdem steht das ver- breiterte äussere Ende dieses Emplems mit dem genau ebenso ge- färbten Schleim in Zusammenhang, der von der Periostrakumfurche her die Kante der Mantelrandfalte als ziemlich gleichmässige Schicht übergiebt. Unter dieser Schleimdecke liegt die sehr dünne, homogene Cuticula des Epithels. Für mich fehlt jeder Nachweis, einmal dafür, dass das Emplem aus Nervenfasern bestehe, dann, dass diese ganzen Organe überhaupt irgend etwas mit der Lichtempfindung zu thun haben. Ich vermisse in den Zellen der Wand jede darauf bezügliche Structur, sowohl in den farblosen Zellen, wie in den durch die ganze Dicke pigmentirten Pigmentzellen. Auch Patten fand ja hier die von ihm als Kriterium angesehenen Zeichen nicht. Da diese Organe hauptsächlich am Byssusausschnitt stehen, müssten sie doch in erster Linie auch mit diesem Organe in Beziehung gebracht werden. Wie, das ist eine andere Frage. Zu erwähnen ist noch, dass Patten in der Umgegend der bis jetzt beschriebenen Organe zahlreiche isolirte Ommatidien im Epithel bei Ansicht von der Oberfläche erkennt, abgesehen von denen wir mit ca. 250 compound eyes, 8S—900 invaginate eyes und ungefähr 200 pseudolentieulate eyes auf die kleine Anzahl von ca. 1300 Sehorganen für ein Thier von ungefähr 7ecm Länge kommen, welches sein Leben lang ruhig in einem finstern Winkel sitzt, mit der Bauchseite fest gegen die Unterlage gepresst, verankert durch einen sehr grossen Byssus, unfähig, einem Gegner zu entfliehen, unfähig überhaupt zu schnellerer Bewegung und nicht gewohnt, nach Nahrung zu haschen. Ich würde unter diesen Umständen von meinem Standpunkte aus viel lieber die fächerförmigen Augen (compound eyes) als Sehorgane aufgeben, als an andere 1100 glauben. Aus den isolirten Ommatidien lässt Patten die invaginated eyes sich bilden, die zusammengesetzten als Modificationen der letzteren entstehen. „Die isolirten Ommatidien bildeten sich, indem Ueber Molluskenaugen. 389 wahrscheinlich während der phylogenetischen Entwicklung der Sehorgane an den dem Lieht am meisten ausgesetzten Stellen des Mantelrandes sich Pigmentzellen entwickelten, unter denen zahl- reiche farblose (Drüsen ?)-Zellen waren. Durch Verschmelzung zweier soleher farbloser Zellen und Umlagerung einer bestimmten Anzahl von Pigmentzellen wurden die ersten Ommatidien gebildet.“ Einer Zelle, die einmal eine bestimmte Funktion (als Drüsenzelle) angenommen hat, würde ich nicht zumuthen, sich nun wieder zur Licht-Sinneszelle umzubilden; es scheint mir nicht gut möglich. Ich bezeichnete oben die Sehgruben (Camera obscura-Augen) von Patella, Haliotis ete. als Bildungen, mit denen die Inva- ginate Eyes von Arca nichts zu thun haben, und möchte hier noch eine Bemerkung über jene Sehorgane einschalten. Ich hatte!) bei der Darstellung der offenen Augen von Fissu- sella, Haliotis, Trochus, Patella mit Fraisse in ihnen „Seh- örgane von embryonalem Typus“ sehen, beziehungsweise sie als Beispiele der phylogenetischen Entwicklung der Schnecken- augen betrachten zu müssen geglaubt. Es stimmte ja alles so schön für das biogenetische Grundgesetz, die systematisch tiefer stehenden Formen hatten „embryonalere“ Augen ete. Da regte mich ein Aufsatz Karl Vogt’s?) im Januar 1887 zu dem Versuche an, seine Ketzereien auch auf dieses Thema anzuwenden, und dabei die Lebensweise dieser niedersten Schnecken zu berücksichtigen. „Es ist nicht gut anzunehmen, dass bei Thieren Organe auftreten, deren sie nicht bedürfen, d. h. unter Verhältnissen, die eine Funk- tion des Organes ausschliessen müssten.“ Wie leben nun unsere Schnecken ? Die Berichte sagen: Haliotis, mit der höher entwickelten Sehgrube, „findet sich an felsigen Ufern, über Tag meist unter Steinen versteckt, um in der Dunkelheit die Tange abzuweiden; ist ein sehr träges Thier.“ Patella, mit der embryonalsten (am weitesten geöffneten) Augengrube, „ist bei Tage bewegungslos, dem Felsen so dicht aufsitzend, dass der Rand der Schale sich nach den Unebenheiten des Felsens modelt, auch bei etwas gelüfteter Schale vollkommen unter sie zurückgezogen; ein äusserst träges Thier, nur Nachts dem Futter nachgehend, und dann wieder zu dem einmal gewählten Aufenthaltsorte zurückkehrend.“ R 1) Sehorgane der Thiere. 2) Karl Vogt. Einige darwinistische Ketzereien. Westermann’s illu- strirte Monatshefte. 31. Jahrgang 1887. Heft 364. 390 Justus Carricre: Es führen mit anderen Worten diese Thiere ein vollkommen lichtscheues, nächtliches Leben, bei Tage unter die schützende Schale zurückgezogen, auch bei der Bewegung den Kopf nicht "unter ihr hervorstreekend; worin unterscheidet sich diese Lebens- weise von derjenigen der Höhlenthiere? Und was finden wir bei diesen? Die Sehorgane gelangen nicht oder nicht mehr zur vollen Entwicklung, sie bleiben auf früher embryonaler Stufe stehen, ähnlich wie bei Ammocoetes, so lange er im Sande verborgen lebt. Wenn wir aber die rudimentären Augen der Höhlenthiere nicht als Or- gan ein aufsteigender, sondern in absteigender Entwicklungsreihe be- trachten, in ihnen wie in dem embryonalen Auge der Petromyzonlarve eine Rück- oder besser gesagt Hemmungsbildung erkennen, dann müssen wir ein gleiches für die unvollkommenen Sehorgane der unter ganz entsprechenden Bedingungen lebenden Schnecken zu- geben. Diese Finsterlinge würden uns dann nicht zeigen, wie ein Organ entsteht — ein Liehtsinnesorgan wird kaum durch Abschluss des Lichtes hervorgerufen — sondern wie unter dem Einflusse der liehtscheuen Lebensweise auch hier das früher ebenso wie bei den verwandten Formen vorhandene Sehorgan nicht mehr zur vollen Entwicklung gelangt. Auch die Verhältnisse bei Fissu- rella und Trochus, wo die eine Species normale Augen, die andere Sehgruben besitzt, lassen sich ungezwungen auf solche durch die Lebensweise hervorgerufene Hemmungsbildungen zurück- führen. 2) Die Augen von Pecten. Hier ist vor allem anzuerkennen, dass Patten durch die an- sewandte Isolirmethode zuerst von allen Untersuchern dieser Organe fand, dass die bisher beschriebenen Kerne der Stäbchenzellen an der Grenze von Zellen und Stäbehen ausserhalb dieser Zellen liegen, während die eigentlichen Kerne in dem fadenförmigen Ende der Stäbehenzelle liegen und so in ihrer peripheren Anhäufung den von mir als ?Ringganglion bezeichneten Theil der Retina bilden. Indem ich meine Darstellung, in welche ja auch die von Hensen verflochten ist, als bekannt voraussetze, will ich der Reihe nach an den einzelnen Bestandtheilen die von Patten und Rawitz neu angegebenen Punkte darlegen, bezw. bestätigen oder wider- legen; dabei folge ich der Bequemlichkeit halber dem deutschen Autor. Ueber Molluskenaugen. 391 Stiel des Auges. Rawitz bestreitet die Angabe Pattens von dem Vorkommen von Muskelfasern in der das Auge umgebenden Bindesubstanz- lage, welche hier eine Art von Ciliaris bildeten — als auf Verwechslung mit Bindegewebsfibrillen beruhend. Ich selbst hatte kein entsprechendes Material zur Nachuntersuchung dieses Punktes, habe aber früher gleichfalls hier nur Bindesubstanz gesehen. Pigmentmantel des Auges. Hierzu muss ich Rawitz ergänzend bemerken, dass ich ebensowenig wie Hensen die hohen pigmentirten Zellen als „Iris“ bezeichnete, und auch meinerseits diese Benennung Pattens nicht annehmen kann. Ebensowenig wie Rawitz konnte ich die Angabe Pattens p. 577 bestätigen, dass „bei P. varius und opercularis Augen vorkommen, deren Papillen ganz mit Pigment bedeckt sind“, und dementsprechend auch nicht die noch erstaunlichere Mittheilung Pattens, dass in diesen Organen, welche nicht mehr als Augen fungiren konnten, die Retina in allen Einzelheiten genau so beschaffen war, wie in den vollkommensten Augen. Wenn die Sache überhaupt richtig, dann ist sie von Patten durch den Satz: Man findet bei jenen Species, bei welchen die Augen besonders zahlreich sind — P. varius und opercularis — eine Anzahl (a number) von Augen, deren Pupil- len ganz mit Pigment bedeckt sind — in ein ganz falsches Licht gerückt; denn es kann sich, wie jedermann zugeben wird, dann nicht um ein regel- mässiges, sondern nur um ein gelegentliches, individuelles, pathologisches Vorkommen handeln. y Ich fand als ganz vereinzeltes Vorkommen bei P. opercularis das frag- liche Organ in der Form eines kleinen Augenstieles, dessen distales Ende verbreitert und mit den hohen Zellen des Pigmentmantels besetzt eine nur aus wenig niedrigeren Zellen bestehende pigmentlose Stelle (Pellueida) besitzt. Nahe der Basis des Stieles liegt ein abgeflacht kugeliger Körper, dessen distale Wand sehr diek und von der proximalen durch einen länglich viereckigen Hohlraum getrennt ist Eine Linse fehlt vollkommen, der Raum zwischen der Pellueida und der dicken Wand der Hohlkugel wird von ver- einzelten verästelten Bindesubstanzzellen überbrückt. Soweit könnte man das Gebilde für ein unvollkommen entwickeltes Auge halten; es findet sich aber noch zwischen der etwas schräg liegenden proximalen Wand und der einen Seite des Stieles eine eigenthümliche, dichte Zellmasse, deren Zellen ausser den Kernen noch rundliche Körper anderer Art enthalten, und welche anscheinend mit der distalen Wand der Blase, der sie dicht anliegt, in Ver- bindung steht. Pellucida. Die von mir zuerst erwähnten 3 Formen des Epithels der Pellueida (Cornea) werden von Rawitz bestätigt und mit einigen weiteren Beispielen belegt; ich muss nur bemerken, dass ich bei P. pusio (meine Angabe p. 101 „wahrscheinlich P. opercularis“ bezieht sich auf pusio, ich hatte die Beobachtung an dem lebenden Objecte gemacht, die abgeschnittenen Stücke des Mantelrandes waren aber später in ein Glas mit dessgleichen von 392 Justus Carri£re: P. opercularis gerathen) im Gegensatze zu Rawitz und in Uebereinstimmung mit Patten das Pellucidaepithel mit im distalen Drittel gelegenen Kernen versehen finde. Patten gibt p. 579 an, dass die Zellen des Pellucidaepithels "seitliche unregelmässige Fortsätze, „modificirte Längsfalten* besässen und bildet das auch ab; Rawitz konnte nichts derart sehen; ich habe wohl an den Epithelzellen des Augenstieles — und ich glaube, auch der Pellu- cida — Intercellularbrücken beobachtet, aber diese scheinen mir zu fein, um Pattens Abbildungen darauf beziehen zu können. Die von Patten ebenda behauptete Verbindung des Pellueidaepithels mit der Linse vermittelst feiner, die Bindesubstanzschicht durchsetzender Zellfortsätze wird von Rawitz mit Recht als grosser Irrthum zurückgewiesen. Die etwas veränderte innerste Schicht der Augenkapsel an der seitlichen und proximalen Wand wird von Patten p. 596 als aus zwei verschiedenen Lagen von complieirter Bildung bestehend beschrieben, Rawitz findet darin eine vollkommene Verkennung histologischer Verhältnisse und weist die Benennung „Sklera“ zurück; meine frühere Abbildung deckt sich mehr mit der Darstellung von Ra witz. Die Linse ist je nach den Contractionsverhältnissen des Auges ver- schieden geformt, immer ist die schmalere proximale Seite stärker gewölbt, in Osmiumpräparaten zeigt sie die von Patten angegebene Gestalt. Daihr Bildin jedem Auge ein etwas anderes ist, darfman nicht über diese allgemeine Forman- gabe, in welcher ich mit Patten, Bütschli und Rawitz übereinstimme, hinausgehen. Auf die Unterschiede in der Form ihrer Zellen hatte, wie Rawitz richtig hervorhebt, vor mir schon Hickson aufmerksam gemacht; ich hatte leider des letzteren Abhandlung erst später kennen gelernt. Der Angabe von Rawitz, dass die Linsenzellen membranlos seien, kann ich nicht zustimmen; dagegen wohl der von Patten und ihm angegebenen häufig excentrischen Lage der Kernes. Oft hat es sogar den Anschein, wie wenn die Kerne nicht in, sondern zwischen den Zellen lägen, in welchem Falle allerdings die Zellen membranlos erscheinen. Die gesammten Angaben Pattens über den weiteren Bau der Linse — eine umhüllende Membran, ein Ligamentum suspensorium, und die ra- diären und circulären Randfasern werden von Rawitz als falsch zurückgewiesen ; auch ich kann sie nicht bestätigen. Das Septum wurde von mir und Patten als kernhaltige, zellige, von Rawitz als dünne, structurlose Membran beschrieben. Patten findet die Kerne nur in jungen Augen deutlich. In meiner Abbildung p. 102 ist das Septum mit seinen Kernen der Deutlichkeit halber dicker gezeichnet, als es zu sehen war, den wir von Patten untergeschobenen Irrthum — was ich für Septum ansähe, sei ofienbar aus der Septalmembran und dem einfachen peripheren Lager der äusseren Ganglienschicht zusammengesetzt — habe ich nicht begangen. Das Septum ist nur an etwas geschrumpften oder durch den Schnitt gezerrten Präparaten, wo es sich von der Retina abhebt, deutlich; an absolut fehlerfreien Präparaten, vor allem an unzerrissenen Schnitten vom Osmium- Ueber Molluskenaugen. 393 präparaten ist es nicht zu erkennen, muss also der Retina ganz dicht anliegen. Wo ich es deutlich sehe, erscheint es bald kernhaltig, doch ist dann bei Anwen- dung bester Linsen nicht ausgeschlossen, dass die Kerne nur an- oder auf- gelagert seien — bald kernlos; ich glaube also hier Rawitz zustimmen zu können, und ebenso nach den entwicklungsgeschichtlichen Angaben Pattens diesem und Rawitz darin, dass das Septum nicht mit der Pigmentschicht zusammenhängt. In der Retina erklärt Patten und nach ihm Rawitz die von Hensen und mir absichtlich nur allgemein bezeichnete „erste Zellschicht (spindel- förmige Zellen) als äussere Ganglienzellschicht“; den Beweis, dass wir es — was ja ganz möglich wäre — mit Ganglienzellen zu thun haben, kann ich aber nicht erbracht finden. In den Stäbchenzellen liegt nach Patten, was ich ebenso wie Rawitz bestätigen kann, der Kern im proximalen, verdünnten Ende der Zellen; mit den neueren Ililfsmitteln kann man das auch an Schnitten sehen. Patten beschreibt in dem feinen Ausläufer der Retinophora-Zelle, welcher in die Nervenfasern unmittelbar übergeht, einen zweiten, schwachgefärbten, häufig unsichtbaren Kern, denn die Thesis ist ja: jede Retinophora be- steht aus zwei Zellen. Diesen zweiten Kern, der für Pattens. Hypothese das Wichtigste ist, konnte Rawitz an seinen Zupfpräparaten nicht finden, er sieht nur eine variköse Anschwellung; Schnitte geben hier keinen sicheren Aufschluss, da sie aber auch in keiner Weise für Patten sprechen, schliesse ‚mich also bis auf weiteres an Rawitz an. Dagegen kann ich Pattens Angabe über den Aufbau der Stäbehen im Ganzen bestätigen, wie dies ja auch durch Rawitz geschieht; Patten machte Zupfpräparate nach längerer Ein- wirkung 60% C. heisser 1/,0%/, Chromsäure und Querschnitte der Stäbchen, Rawitz nur Zupfpräparate an in Müller’schen Lösung macerirten oder in Sublimat oder Pikrinschwefelsäure gehärteten Augen, ich besitze nur Quer- schnitte derselben nach Erhärtung in Ueberosmiumsäure. Nach Patten ist die Zelle vom Stäbchen durch eine, nur von dem Axenfaden durchbohrte sehr feine „Terminalmembran“ getrennt; die „Rods“ selbst sind säulenförmige, gelbrothe Körper und bestehen aus einem kegel- oder pyramidenförmigen, mit wässeriger, nicht lichtbrechenden Flüssigkeit gefüllten Körper in einer lichtbrechenden Scheide; der axiale Nervenfaden läuft bis zur Spitze des „rod“, theilt sich hier, die beiden Theilfäden treten heraus und vereinigen sich mit denen benachbarter rods; von den Theilfäden entspringen feine Nervenverästelungen. Während des Verlaufs durch das rod gibt die Axenfaser radiäre Nervenfasern ab, aus denen das rod grösstentheils besteht, und die z. Th. nach aussen mit eircularen Nervenfasern und den aus der Ganglienzell- schicht kommenden Nervenfasern in Verbindung stehen. 394 Justus Carriere: Rawitz findet statt des Axenfadens einen Axenkanal, der jenseits (proximal) des Kernes beginnt, innerhalb dessen eine feine Nervenfaser verläuft und welcher kurz vor dem Ende des Stäbehens aufhört. Eine Grenz- oder Siebmembran kann R. nicht sehen; die Stäbehen sind eylindrisch, und bestehen aus einem an Masse weitaus überwiegenden, mehr weniger conischen, etwas kür- zeren Theil und aus einem umhüllenden Mantel, welcher Farbstoffe annimmt und schwachbrechend ist, während der nicht färbbare Kegel stark lichtbrechend ist. Alles was Patten weiter von Theilung des Axenfadens und radiären und circulären Nervenfasern angibt, ist nach R. Täuschung bez. Kunstprodukt. Keiner von beiden Autoren hat einen Versuch mit Schnitten nach Ueberosmiumsäurehärtung gemacht, während meine Angaben über eine sich mit diesem Reagens schwarz färbende Masse um die Stäbehen nur dadurch controllirt werden konnte, nicht indem man wie Patten sagt: „die schwarze Farbe bei Osmiumbehandlung kommt nicht: von einer fettigen Substanz, sondern von der Unzahl Nervenfasern her, von welchen das ganze rod durchsetzt ist“ (p. 586), oder p. 592: „die fettige Masse, von der Carriere spricht, ist durch Zusammenfliessen der Scheiden (Mäntel) der kümmer-, lich conservirten rods gebildet, während er als Stäbchen nur die Axenkegel betrachtete.“ Ich bilde desshalb einige Querschnitte von Stäbchen nach Ueberosmiumsäurehärtung ab (Fig. 13 a—c), an denen von innen nach aussen zu sehen ist!): a) der punktförmige Querschnitt des „Axenfadens“, b) der kreisförmige Querschnitt des inneren Theiles und c) der Durch- schnitt des unregelmässiger begrenzten äusseren Theiles der Stäb- chen; ausserdem aber d) eine sehr dunkel gefärbte Masse zwischen den Stäbchen. Die Theile a—e entsprechen genau den Abbildungen Patten’s, und ich vermuthe, dass er inFig. 26, Taf. 29 auch die Zwischen- substanz angegeben hat. Da er dieselbe durch seine Methoden nicht oder nur ungenügend conservirte, konnte er sie auch in Fig. 27 und 28 nicht zeichnen. Durch die Wiedergabe der Quer- 1) Die Zeichnungen sind mit Seibert hom. Imm. !/ und Abbe&s Camera entworfen, mit Zeiss N/ıg eontrolirt; doch zeigte die stärkere Ver- grösserung nichts neues. Ueber Molluskenaugen. 395 schnitte glaube ich gezeigt zu haben, dass ich die mir durch Patten untergeschobene Verwechselung nicht beging und über den gröberen Bau der Stäbchen Uebereinstimmung zwischen uns besteht. Was den feineren Bau betrifft, so konnte ich den inneren und äusseren Theil des Stäbchens nur als frei von Fasern er- kennen. Da Rawitz keine Querschnitte gibt, ist die Vergleichung schwieriger, doch scheint die Zwischensubstanz auch ihm (aus demselben Grunde wie Patten) entgangen zu sein. Was den von ihm gefundenen Axenkanal mit darin verlaufender Faser an Stelle des Axenfadens betrifft, so wäre es merkwürdig, wenn er Patten entgangen sein sollte und es dürfte wohl noch weitere Bestätigung abzuwarten sein. In der ersten Zellschicht der Retina (spindelförmige Zellen Hensen’s) sehen Patten und Rawitz Ganglienzellen, „Ganglienschicht“ — meiner Ansicht nach liegt noch kein Grund für eine so bestimmte Bezeichnung dieser Zellen vor. Wie Patten richtig angibt, sind die distalen Enden dieser Zellen in eine grosse Anzahl von Fasern aufgelöst, welche Veranlassung zur Auf- stellung meiner „ersten Zellschicht unter der Linse‘ bildeten; diese Zellschicht erwies sich später als ein, im betreffenden Präparate allerdings täuschendes, Kunstproduct. Die Fasern sind straff, besenförmig, radiär gegen die Linse gerichtet, aber keine durchbohrt, wie Patten angab, das Septum. Der Seitennervliegt, wieHensen und ich angaben und Pat- ten bestätigt, über dem Septum; wie Rawitz dazu kommt, zu be- haupten, er läge stets unter dem Septum, ist mir unbegreiflich. Die Sache ist so klar, dass ich darauf verzichte, nochmals Abbildungen nach neuerdings angefertigten Präparaten zu geben, welche die alte Anschauung durchaus bestätigten. An der Eintrittsstelle, wo der Nerv das Septum durchbohrt, ist er auf seiner äusseren und inne- ren Seite von einer ihm nicht angehörigen Membran bedeckt, weiter nach der Linse zu ist die äussere Seite des Nerven voll- kommen frei, man hat nur den Eindruck, dass die Nervenhülle auf der proximalen Seite mit dem Septum verschmelze. Die von den spindelförmigen Zellen schräg (radiär) über die Stäbchen- zellen verlaufenden Fasern bildet auch Patten ab, Rawitz bekam sie nicht zu Gesicht, — das ist aber kein Grund, an ihrem Vorhandensein zu zweifeln; über die Art ihrer Endigung kann man ja verschiedener Ansicht sein, ich verfolgte sie so weit wie sie mit Sicherheit zu unterscheiden waren. Während nach Patten der Axenfaden innerhalb des Stäb- chens sich verästelt, so dass dasselbe eigentlich der Hauptsache 396 Justus Carriere: nach aus Nervenfasern besteht, und ausserdem mit den Verzwei- gungen der Fortsätze der interstitiellen Ganglienzellen, von welchen ‚das Stäbehen umsponnen wird, in Verbindung tritt, findet sich nach Rawitz ein einfacher, blind endigender Nervenfaden (Axen- faden)und ein das Stäbchen umspannendes Nervennetz, ohne gegen- seitige Verbindung. Die Ansichten beider Autoren weichen also weit von einander ab, ohne Zupfpräparate darf ich mir nicht an- massen, mitzusprechen, und so muss ich zu meinem Bedauern immer noch die Frage nach der Art der Innervirung als nicht gänzlich gelöst bezeichnen. Sicher ist das längst Bekannte, die Verbindung der Stäbehenzellen mit den äquatorialen Nervenfasern, unsicher die Beziehung des Seitennerven zu den Stäbehenzellen. Eine di- recte Verbindung der Retinazellen mit den Fasern dieses Nerven, welche auf Schnitten, die den Seitennerv sagittal oder quer treffen, durch die vom Nerven abgehenden Fasern sichtbar werden müsste, ist bis jetzt nicht beobachtet. Während beide Autoren über Pigment- und Tapetum-Schicht nichts wesentlich neues bringen!), ist zu bemerken, dass nach Bütschli’s und ihren Angaben die Pigmenthaut direct in die Retina (nicht in das Septum, wie es mir schien) übergeht. Patten brachte auch zuerst in dankenswerther Weise Licht in die dunkle Entwicklungsgeschichte dieser Organe, indem er zeigte, dass Retina und Linse des Pectenauges unabhängig von einander, die erstere aus dem Epithel, die letztere aus der Bindesubstanz, entstehen und erst allmählich in directen Zusammenhang treten; doch ist das von ihm für die Entwicklung des Auges beigebrachte Material noch nicht genügend und lässt bedeutende Lücken. Schon die erste Anlage des Auges ist nicht sicher beobachtet, die Entstehung der verschiedenen Retinaschichten, der Ganglien- und Stäbchen- zellenschicht ist nicht klar, die der Stäbchen gar nicht gegeben. Der Unter- schied zwischen dem letzten beobachteten (abgebildeten) embryonalen Sta- dium und dem ausgebildeten Auge ist viel grösser, als der Autor zugeben will, und die doppelte Innervirung bleibt unerklärt. Rawitz wendet sich gegen den von mir aufgestellten Satz: „dass bei den Pectiniden die Augen noch beim erwachsenen Thiere sich bildeten“, da 1) Neuere Präparate bestätigen, dass die Pigmenthaut aus sehr weichen, grossen, unregelmässig geformten und an den dickeren Stellen in zwei Reihen abwechselnd stehenden Zellen gebildet wird, in denen kugelige oder ovale Kerne liegen. Dicht auf der Kapsel in der Gegend des proximalen Poles des Auges finden sich darunter kleine, flache Zellen mit kleinen Kernen. Die proximale Sklera ist einfacher gebaut als Patten angibt — eine hyaline Masse mit gelegentlichen Circulärfasern. Ueber Molluskenaugen. 397 es zu gewagt sei, aus dem vorhandenen Material eine biologisch so weit gehende Folgerung zu ziehen wie die ist, dass postembyronal neue Augen entstehen können. Ich habe den Begriff „erwachsen“, wie Rawitz ganz rich- tig auslegt, nicht im Sinne von „ausgewachsen“ gebraucht, sondern für die postembryonale Periode, und Rawitz ist entgangen, dass meine Annahme durch Patten vollkommen bestätigt wird. Denn dieser machte seine Beob- achtungen über die Entwicklung der Augen von Pecten nicht an Embryo- nen, sondern an jungen Thieren von P. varius und opercularis von unter und über 5mm Länge. Und wie ist es mit den „Rückenaugen“ von Onchidium? auch sie ent- wickeln sich während des postembryonalen Wachsthums. Bei der Frage nach dem physiologischen Werth dieser Organe der Pectiniden wendet sich Rawitz gegen die „Heliophagen“ - Hypothese !) Pattens, und hat für dessen theoretische Auseinandersetzungen schliesslich die Kritik: „und so geht das weiter in derselben Weise, in der Entdeckung alter Wahrheiten und in der Verkennung derselben, in falscher Verwerthung neuer Befunde und in neuer Verwerthung falscher Befunde.“ (Wer an der Berechtigung dieser Worte zweifelt, mag das betreffende Kapitel (p. 651 bez. 659—62) im Original nachlesen). Durch die theoretischen Betrachtungen Pattens über die phylogenetische Entstehung des Peetenauges p. 658 — er leitet sie aus den Grubenaugen von Arca her, welche sich zur Blase schliessen, worauf die Stäbehen der distalen Wand sich entwickeln, die der proximalen sehwinden, die vorher isolirt an jede einzelne Zelle herangetretenen Nervenfasern sich in die zwei Stränge sondern und die Linse auftritt — können auf keine höhere Bedeutung Anspruch machen als die einer Plauderei über den interessanten Gegenstand. Keinem der Autoren, welche seit Hensen das Organ untersuchten, gelang es genügendes Material beizubringen, um darauf eine gut gegründete Theorie über den Bau der Retina und . 1) „Die „sog. Augen“ von Pecten, Arca, Onchidium, Chiton sind Organe zur Einsaugung von Sonnenlicht-Kraft; je mehr Licht auf der Kraft empfan- genden Oberfläche concentrirt wird, desto grössere Wohithat wird das Thier aus dem Licht sehöpfen. Vermehrung dieser Organe wird also eine grosse Wohlthat für das Thier sein, falls es nächtliche Lebensweise hat, oder an dunklen Orten lebt. Die entwickelten Heliophagen haben Linsen oder lichtbrechende Körper zur Concentration des Lichtes und sind in günstigster Weise zu seiner Auf- nahme eingerichtet; das sind aber gerade die Aufgaben, die ein Auge zu erfüllen hat, so dass der vollkommenste Heliophag zugleich ein Auge sein kann.“ 398 Justus Carriere: die doppelte Innenwirkung dieser Organe aufzubauen, Patten hatte den einzigen Weg, auf welchem sich etwas erreichen lässt .und auf welchen ich schon hingewiesen hatte, eingeschlagen, aber nicht genügend weit verfolgt. Den Werth des Tapetun sieht Rawitz nicht wie Patten in der Reflexion eines durch die Linse entworfenen Bildes, sondern in der Verstärkung des Lichtreizes durch Erzeugung stehender Wellen in den Stäbchen (analog der Wirkung des Tapetum bei Säuge- thieren) und kommt auf Grund verschiedener Versuche zu dem Schlusse, dass — wenn ich ihn recht verstehe — in jedem Auge kein Bild eines äusseren Gegenstandes, sondern nur ein Theilbildchen (Lichtreiz) entstehe, so dass das Sehen dieser Muscheln dem der Inseeten mit den Fächeraugen ähnlich sei, eine Art von musivischen, und zwar linearmusivischen Sehens. Es entspräche somit ein Man- telrandauge einem Ommatidium des Insektenauges und es beschränkt sich also hier das Sehen auf die Wahrnehmung sich bewegender Schatten bez. Körper, aber in viel unvollkommenerer Weise als bei den Insecten. Der Weg, auf welchem Patten zu der Hypothese der dop- pelten Retinophora gelangte, durch welche wieder seine Unter- suchungen über die Retina der Mollusken und Arthopoden und die dabei erhaltenen Resultate grossentheils beeinflusst wurden, ist ein einfacher und logisch richtiger. Von der Anschauung aus- gehend, dass der in den Stäbehen (und Stäbehenzellen) vieler wir- belloser Thiere vorhandene „Axenfaden“ eine Nervenfaser sei, musste er sich fragen: wie kommt die Nervenfaser in die Zelle und das Stäbchen hinein? — eine Frage, welche sich frühere Untersucher, wie z. B. noch Grenacher bez. seiner Darstellung der Cephalo- podenretina, trotz der gleichen Annahme leider nicht stellten. Die consequente Verfolgung dieser Frage muss zu der von Patten gegebenen Antwort führen, denn die Annahme, dass eine derartige Faser — sei es verzweigt oder unverzweigt — in eine lebende Zelle hinein und durch sie hindurch wachsen könnte, dürfen wir mit Rücksicht auf den jetzigen Stand unserer Kenntniss vom feinsten Bau und der Entwicklung der Gewebe für ausgeschlossen halten. Es bleibt dann nur der von Patten eingeschlagene Ausweg übrig, zwei Zellen, zwischen denen eine Faser liegt, verschmelzen und auf diese Weise unter gleichzeitiger Reduction einer der beiden Zellen die Faser scheinbar in das Innere einer Zelle gelangen zu lassen. Ueber Molluskenaugen. 399 Wenn ich nun dieser Anschauung nicht zustimmen kann, so geschieht das einfach aus dem Grunde, weil für mich ein Beweis dafür, dass der Axenfaden das Ende einer Nervenfaser sei, in keinem einzigen der vorliegenden Fälle versucht, geschweige denn geführt erscheint. Nach den Begriffen, welche ich von der Ent- wicklung der Gewebe und dem Leben wie der Thätigkeit der Zellen habe, kann ich ferner den Axenfaden nicht für eine Nerven- faser, also das Umwandlungsproduct einer Zelle, welches in eine andere Zelle hineingewachsen wäre, halten!), sondern sehe in allen derartigen Bildungen Differenzirungen innerhalb des Körpers der betreffenden Zelle. Ich habe mir den zweiten Abschnitt der Abhandlung von Rawitz nutzbar gemacht, indem ich daran zeigte, dass die theoretischen Auseinander- setzungen Pattens ebenso berechtigten Widerspruch finden wie die rein anatomischen Ergebnisse, auf welche sie sich gründen, zum Theil als Selbst- täuschungen dieses Autors angesehen werden dürfen oder müssen. Dabei möchte ich aber, um nicht durch das Folgende mein Gebäude durch Zer- störung des Fundamentes zum Einsturz zu bringen, ausdrücklich bemerken, dass, wo ich bisher in Gegensatz zu Patten getreten bin, dies auf Grund meiner eigenen, sorgfältig angefertigten und sehr gut conservirten Präparate geschehen ist, mit deren Ergebnissen sich allerdings die Befunde von Ra- witz, aus andern Methoden erhalten, häufig decken. Zunächst kann ich mein Erstaunen darüber nicht unterdrücken, dass Rawitz in Figur 57—39 Taf. VI drei Längsschnitte durch das Auge ver- schiedener Pectenarten bringt, welche in der schlimmsten Weise durch Rea- gentien verändert oder geschrumpft sind. Wozu das geschah, da der Autor doch in Neapel lebendes Material zur Verfügung hatte, aus welchen nach den von Patten undmir angegebenen Methoden mit geringer Mühe lebens- wahre Präparate erhalten werden können, ist mir unklar. Nur desshalb, weil nach meiner ausführlichen Besprechung des zweiten Theiles es scheinen könnte, als ob ich durch Schweigen dem ersten Theil von Ra witz’ Untersuchungen, welcher den Mantelrand der Ostreaceen behan- delt, vollkommen zustimme, muss ich mit ein paar Worten auch einige Ein- wände dagegen erheben. Was zunächst die von Rawitz beschriebenen Klebzellen an den Ten- takeln von Lima betrifft, welche aus einer kernhaltigen Drüsen-(Schleim)- Zelle bestehen sollen, die auf einem gleichfalls kernhaltigen Stiele sitzt, so 1) Ebenso wie es keinem Histologen einfallen würde, z. B. die Sekret- gänge, welche sich, verzweigt oder unverzweigt, mehr oder minder weit, oft mit selbstständiger Wandung versehen, in Drüsenzellen finden, für Bildungen eigener Art zu halten, die nicht der betreffenden Zelle angehörten und in ihr entstanden seien. Archiv f. mikrosk, Anatomie. Bd. 33, 26 400 Justus Carriere: standen mir hier vor Jahren angefertigte Schnitte durch Osmiumpräparate solcher Tentakel zum Vergleiche zur Verfügung. Längsschnitte derselben ‚zeigen in jedem Wulste 1) eine mässige Anzahl gefüllter Klebzellen mit dunkelgrauem Inhalt und bodenständigem Kern, und daran anschliessend den von Osmium gebräunten Stiel, durch dessen Lumen sich ein grauer Faden von der Basis bis zu dem Inhalte des Bechers zieht; in der Basis des Stieles liegt kein Kern, wo ein solcher vorhanden zu sein scheint, zeigt er sich bei näherer Untersuchung auf- oder angelagert. Ausserdem 2) leere Zellen von schlanker Form mit einem Kern nahe der Basis oder auf derselben. Ob hier nebeneinander zwei Zellformen vorkommen, gestielte und ungestielte, oder ob der Kern nach Entleerung der gestielten Zelle in die Basis des Stieles rückt, darf ich ohne weitere Untersuchung natürlich nicht entscheiden wollen, ich kann nur darauf hinweisen, dass im Stiel einer gefüllten Zelle nie ein Kern vorhanden war. Die Hypothese Rawitz’ über den Zweck des von dem Mantel und den Tentakeln der Acephalen abgesonderten Schleimes zu besprechen, ist hier kaum der geeignete Platz. Dagegen muss ich noch auf folgende Punkte hin- weisen: Zum Nestbau kann sich Lima nicht der mit Klebdrüsen besetzten Arme bedienen; das hiezu geeignete und benutzte Organ ist, wie bekannt, der zum „Spinnfinger* umgewandelte Fuss. Wenn Patten auch in einigen seiner Figuren (45, 55 z. B.) das Epi- thel der Falte, in welcher das Periostrakum gebildet wird, falsch darstellt, so hat er doch die Beziehung des Epithelwulstes zwischen der äusseren und mittleren Mantelrandfalte zu dem Periostrakum richtig erkannt. Von der Oberfläche dieses Epithelwulstes, in welchem Ra witz einneues, denSeiten- organen anderer Thiere analoges Sinnesorgan erkennt, nimmt in der That das Periostrakum !) seinen Anfang; bei allen Muscheln mit dickerem Pe- riostrakum wird dasselbe durch Sekretmassen, welche bei Arca z. B. von dem Epithel der Schalenseite der mittleren Falte des Mantelrandes abgeson- dert wird, verstärkt. Dass ich nach diesem Vorgange auch dem von Rawitz bei einer Pecten-Art — P. flexuosus — auf dem freien Rande der Mantelklappe ent- deckten neuen Sinnesorgan — zwei um den ganzen Rand laufende Falten oder Wülste, welche „jedenfalls Sinneshügel sind analog denjenigen Seitenor- ganen, die wir bei Fischen, Mollusken und Würmern seit langem kennen“, gegenüber mich sehr ungläubig verhalte, ist wohl begreiflich. 1) „Periostrakum“ (früher : Epidermis, Epieuticula etc.) nennt man nach Tullberg das in der äusseren Falte des Mantelrandes abgesonderte orga- nische Häutchen, welches — sehr stark z. B. bei Unioniden, Anodonten, Ar- caceen entwickelt — die Schale gegen die Einwirkung derim Wasser enthaltenen Kohlensäure schützen soll. Weder Rawitz noch Patten hatten von dieser, für jeden, welcher über den Mantelrand der Muscheln arbeitet, unent- behrlichen Arbeit Kenntniss. Fig. Ueber Molluskenaugen. 401 Erklärung der Abbildungen auf Tafel XXITI. Die Zeichnungen sind theils von mir mit Seibert 1/VII b entworfen und nach Seibert 1/l/‚; hom. Imm. ausgeführt (Fig. 1—-8 und Fig. 10, 12), theils von mir mit 8. I/VIIb entworfen und von Herrn Scharfenberger nach demselben System ausgeführt. Fig. 1— 8. Fächeraugen von Arca Noae. 1. %) @ BD. . 9-11. Aus den „Sehgruben“ am Byssusanschnitt des Mantelrandes von 38 SOON. “Hl: Sagittaler, enspigmentirter Schnitt durch die Mitte von 3 Sehzellen. Die Pigmentzellen (wie in den folgenden Figuren) sind zur Unterschei- dung verschiedenartig getont; das 4. Ommatidium links am Rande ist tangential getroffen, so dass die Pigmentscheidenzelle mit ihrem Kerne sichtbar ist. Der auf Fig. 1 folgende Schnitt, enthält die zu den obigen Sehzellen gehörenden Pigmentscheiden- und Gerüstzellen, die Kerne der ersteren tiefer, der letzteren höher gelegen. Theil eines nahezu sagittalen und medianen Schnittes durch ein nicht entpigmentirtes Auge; die Pigmentscheiden sind dunkler pigmentirt. .5. Sagittal-median geschnittene Sehzellen mit Pigmentscheiden, die Kerne der letzteren in Fig. 3 längs durchschnitten, in Fig. 4 von der Fläche gesehen ; in Fig. 4 rechts oben schimmert ein Stück eines unter der Sehzelle gelegenen Kernes durch, und man sieht den Kern der einen Pigmentscheidenzelle durch den darüber lie- genden kegelförmigen Binnenkörper. Querschnitt durch ein entpigmentirtes Auge, welcher die äussere Seite der Sehzellkerne gestreift hat. . T a—g. Sieben aufeinander folgende Querschnitte eines entpigmentirten Auges, von der Kerngegend der Sehzellen (etwas unterhalb des Schnittes Fig. 6) bis zur Basalmembran. In dem mit x bezeichneten Ommatidium des Schnittes 7b liegt dem Kern der Sehzelle ein Fremdkörper oder ein Stück des über den Kern vorragenden Zell- körpers auf, kein Nebenkern. In 7 f u. g sieht man die Durch- schnitte von Fasern, welche sich aus den Sehzellen entwickeln. Querschnitt aus einem anderen Auge. Arca Noae. Dünner Längsschnitt durch die Mitte einer Sehgrube. Etwas dickerer Längsschnitt durch eine dunkeler pigmentirte Seh- grube. Mit Seibert 1/l/j entworfen und ausgeführt, zeigt eine längsge- troffene pigmentlose Zelle mit Umgebung bei stärkerer Vergrösserung. . 12 a—c. Drei Querschnitte aus der Stäbchenschicht der Retina vor 409 Justus Carriere: Pecten opercularis (nach Härtung mit Osmiumsäure) in verschie- dener Höhe. a) „Axenfaden“, b) „kegelförmiger Theil“, c) „Mantel“ des Stäbchens, d) durch Ueberosmiumsäure geschwärzte Substanz zwischen den Stäbchen. Trichodina sp. (pediculus?) als Blut- und Lymphkörperchen fressender gelegent- licher Schmarotzer im Seitenkanal von Cottus gobio. Von Justus Carriere in Strassburg. Hierzu Tafel XXIV. An den Kiemen der Fische, und zwar zwischen den Fieder- chen der Kiemenblättchen, finden sich ausser anderen,. mehr ver- einzelt vorkommenden Infusorien und Tardigraden in grosser An- zahl Infusorien aus der Gruppe der Peritrichen. Diese zu der Familie der Trichodiniden gehörenden Thiere unterscheiden sich von den naheverwandten Vorticelliden bekanntlich durch den Be- sitz eines ständigen Wimperkranzes auf der unteren Körperseite und eines ebenda angebrachten Haftapparates sowie den Mangel eines Stieles. Die gerade hier in Frage kommende Art hat die Grundform eines kleinen Cylinders, welcher etwas breiter als hoch, dessen obere Seite leicht convex und dessen Unterseite eben ist. Am Rande der convexen Seite findet sich der spiralig angeordnete, in der Mundöffnung endigende adorale Wimperkranz, welcher aus einer Doppelreihe von Wimpergebilden besteht, am unteren Rande der einfache Kreisförmige untere Wimperkranz. Der Haftapparat besteht nach der Beschreibung James- Clarke’s aus einer Scheibe, die von einem breiten, radiär ge- streiften Ringband umgeben ist; etwas oberhalb des Ringes liegt Trichodina sp. (pediculus ?) etc. 403 der untere Wimperkranz. Auf der Aussenfläche des Ringes stehen bei Tr. pedieulus 22—24, bei der vorliegenden Form 26 ungefähr T-förmige Haken, deren freier (radiärer) Stift etwas gekrümmt nach aussen ragt, während der horizontale (tangentiale) Theil in dem Ringband liegt; letzterer ist mit radienartig in der Scheibe liegenden Haken verbunden, die Berührungs- oder Gelenkungsstelle an diesen kugelig angeschwollen. Die Scheibe wie der Ring sind sehr biegsam und alle Theile des Apparates beweglich mit ein- ander verbunden, so dass sie sich der Unterlage anschmiegen können, die Haken des Ringes findet man bald weit von diesem abgespreizt, bald ihm näher oder ganz dicht anliegend. Während die Wimperkränze die Zufuhr von Nahrung und die freie Schwimm- bez. Gleitbewegung vermitteln, gestattet der Haftapparat dauernden Aufenthalt an gerade zusagender Stelle und ermöglicht das Leben an den Kiemenblättern trotz des die- selben durchströmenden Athemwassers. Ausserdem dürfte er auch für die Bewegung der Trichodinen an anderen Thieren von Be- deutung sein; wir finden diese Geschöpfe an der Aussenseite von zwar festsitzenden, aber doch sehr beweglichen Süsswasserpolypen (Hydra) umherkriechend, und ebenso auf dem Körper von Fischen (Cottus), welche zwar gewöhnlich ruhig liegend doch häufig blitz- schnelle Bewegungen auf kürzere Strecken hin machen. In solchen Momenten werden die Haken der gerade auf der Oberfläche des Fisches spazierenden Trichodinen rasch aufgerichtet in die weiche Epidermis greifen und so das Thierchen von dem Abgestreift- werden schützen. — Die Kiementrichodinen, in den mannigfachsten Formen bei den verschiedenen Fischgattungen vorkommend, scheinen ihren Wirth weder zu stören noch zu belästigen; zwischen den Kiemenfiederchen sitzend, erhalten sie ihre Nahrung aus dem immer frisch zugeführten Athemwasser des Fisches, welchem sie, wie die Untersuchung ihrer Nahrungsballen zeigt, die kleinsten darin enthaltenen organischen beziehungsweise organisirten und anorganischen Körper entnehmen. Die Aufnahme der Nahrung erfolgt durch einen vorgebildeten Mund, welcher in eine seitlich am oberen Rande beginnende und schräg nach unten gerichtete weite, trichterförmige Vorhöhle (Ve- stibulum) und ein engeres Schlundrohr zerfällt; beide zusammen sind leicht S-förmig gekrümmt, so dass bei der Ansicht von oben her das Vestibulum nach links, der Schlund nach rechts gebogen 404 Justus Carricere: ist. Die bei der Kiementrichodina nur aus feinsten Theilchen bestehenden Nahrungskörper werden von den schraubenartig in .das Vestibulum eintretenden Wimpern der adoralen Zone unter Beihilfe einer aus ihrer äusseren Reihe hervorgehenden und in der Tiefe des Vestibulums endigenden undulirenden Membran durch das Vestibulum in den Schlund getrieben. In dem Ende desselben sammeln sie sich zu Ballen, welche nach Erreichung einer gewissen Grösse in das Entoplasma des Thieres eintreten. Die Nahrungsballen stehen mit dem Entoplasma nicht in un- mittelbarer Berührung, sondern sind zunächst von einer Flüssig- keitsschichte umgeben, wie man annimmt, von dem mit dem Bissen zugleich aufgenommenen Wasser. Ueber der Haftscheibe, bald ihr fast aufliegend, bald weiter von ihr entfernt, doch nie bis an die obere Hälfte der Trichodina hinaufrückend liegt der Kern in Form eines hufeisenförmig gebo- genen Stabes mit ovalem Querschnitt, dessen eines Ende öfters dicker erscheint als das etwas verjüngte andere!). Fast zu einem Kreise zusammengekrümmt reicht er von beiden Seiten her bis zu dem Vestibulum. Es ist bekannt, dass die Kerne der Peritrichen im ruhenden Zustand locale Verdichtungen des Kerninhaltes aufweisen, sog. Binnenkörper, welche vor der Theilung verschwinden. Dünne Horizontalschnitte des Trichodinakernes lassen das gleichfalls sehr deutlich wahrnehmen, Fig. 4; man sieht hier die kugeligen oder kurzwalzenförmigen Binnenkörper in eine den Farbstoff sehr viel weniger annehmende, gleichmässige Masse eingebettet, und jeden Binnenkörper von einem verhältnissmässig grossen bellen Hofe umgeben. Letzterer dürfte aber seine Entstehung wohl nur dem verschiedenen optischen Verhalten beider Bestandtheile des Kernes verdanken. Bei einigen Individuen machte der Kern mehr den Eindruck eines gleichartigen, gekörnelten Körpers; sein Aufbau erwies sich aber als der gleiche, indem nur die Binnenkörper sehr viel kleiner und entsprechend zahlreicher waren, aber doch noch die Zwischen- Substanz und die optische Erscheinung der Höfe erkennen liessen. 1) Der grössere Querdurchmesser des Kernes verhält sich zu dem klei- neren ungefähr wie 3:2, und der Kern ist gewöhnlich auf die schmale Kante gestellt, wie Figur 2 und 3 zeigen, selten liegt er mehr auf der breiten Seite. Trichodina sp. (pediculus ?) etc. 405 Gerade derartige Kerne waren es, welche zuweilen abweichend von der Mehrzahl unregelmässige, zum Theil wulstige Windungen zeigten, also sich vielleicht in Bewegung befanden. Vermehrungs- vorgänge konnte ich zu der Zeit, in welcher ich die Thiere beob- achtete, Ende November 1888, nicht finden, obwohl dieser Monat im Rheinthale so mild war, dass bei einzelnen Cyprinoiden die sonst erst Ende des Winters erscheinenden Brunstwarzen auftraten. Den Mikronucleus glaube ich nur einmal gesehen zu haben, und auch da nicht mit Sicherheit. In dem Entoplasma finden sich ausser den Nahrungsballen auch Flüssigkeitstropfen, die bei den getödteten Thieren nicht immer kugelige Form besassen, und ich glaube nicht, dass diese Abweichungen von der Kugelgestalt stets als künstlich durch Con- tractionen des absterbenden Zellkörpers hervorgerufene betrachtet werden dürfen. Abgesehen von diesen im Entoplasma wandernden „Vacuolen“ fanden sich zwei derartige Bildungen an bestimmten Stellen. Die eine liegt ganz dicht über der Haftscheibe, durch eine dünne Schicht des Zellkörpers von ihr getrennt, ihre Form ist unabhängig von dem Contractionszustande des Thieres durch die Haftscheibe bedingt, indem immer die derselben anliegende Wand der Vaeuole flach, die gegenüberliegende gewölbt, der senk- rechte Durchschnitt oft dreiseitig erscheint; sie ist auf allen gün- stigen Schnitten deutlich, nur ihre Grösse wechselnd. Im Anfange glaubte ich es hier mit der contractilen Vacuole zu thun zu haben, deren Lage entsprechend angegeben wird, und es wäre ja denk- bar, dass sie sich erhielte, wenn das Thier gerade bei der Diastole abgetödtet würde. Doch sprach dagegen einmal die Regelmässig- keit des Vorkommens, und dann das Vorhandensein einer selb- ständigen wenn auch sehr dünnen Wandung, welche eine gewisse Struetur — auf den Durchschnitten natürlich nur undeutlich — erkennen lässt. Ich glaube desshalb, dass diese Vacuole das von verschiedenen peritriehen Infusorien bekannte „Reservoir“ dar- stellt, in welches die contractile Vacuole mündet, statt ihren Inhalt direct in das Vestibulum zu ergiessen. Die zweite localisirte Vacuole, welche in direeter Beziehung zu dem Schlunde steht, ist von anderen „Nahrungsvacuolen“ in später zu schildernder Weise unterschieden. Für gewöhnlich lebt also diese Trichodina wie oben ge- schildert an den Kiemen, bei Fischen, welche sich nur wenig Be- 406 Justus Carricre: wegung machen, wohl auch auf der Oberfläche des Körpers, und ohne ihrem Wirthe Nahrungsstoffe zu entziehen. Sie findet sich aber auch gelegentlich als echter Schmarotzer innerhalb von Or- ganen des Fisches und von seinen Körpersäften sich nährend; das kommt auf folgende Weise. Cottus gobio besitzt wie viele andere Knochenfische auch ein regelmässig entwickeltes Seitenkanalsystem, das heisst, unge- fähr in der Mitte jeder Seite verläuft vom Schwanze bis zum Kopfe unter der Haut eine Röhre, welche am Schädel angekommen sich in vier Aeste spaltet, von denen einer die Verbindung mit der anderen Seite herstellt, der zweite und dritte ober- und unter- halb des Auges hinziehen, der vierte sich längs des Unterkiefers bis zu dessen Spitze erstreckt. Die Röhre, deren Wand aus Epi- dermis gebildet ist, steht mit der Oberhaut durch kleine Quer- kanälchen in Verbindung, welche in gewissen Abständen auf der Oberfläche ausmünden; diese „Poren“ der Seitenlinie sind längs des Rumpfes häufig den Metameren entsprechend angeordnet, so dass auf jedes Segment einer trifft. Auf der proximalen Wand des Seitenkanales, in die Epidermis desselben eingebettet, aber nicht mit ihr in Verbindung liegen die als „Hügel“ bekannten Sinnesorgane, je einer, oder zwei, sogar drei zwischen je zwei Oeffnungen. Eine derart regelmässig segmentale Anordnung dieser Organe, wie sie bisher — trotz einzelner schon bekannter Ausnah- men — als Gesetz angenommen wurde, ist hier nicht vorhanden, es finden sich in der Zahl der jedem Metamer entsprechenden Hügel individuelle Schwankungen. Die Wand des Kanales wird von der Epidermis gebildet, welche sich unter die Körperoberfläche einsenkt, und dabei zu- weilen kaum eine Veränderung ihrer Zusammensetzung erfährt, wie bei der Sehleihe, in der Mehrzahl der Fälle aber, und so auch bei Cottus, der Schleim- und Drüsenzellen verlustig geht. Ebenso nimmt sie bei dem Uebergang in die Querkanälchen — wieder mit Ausnahme der Schleihe — so viel an Höhe ab, dass die Wandung der Seitenkanäle nur von einer äussersten der Horn- schicht entsprechenden Lage und von ein bis zwei darunterliegen- den Zellschiehten gehildet wird. So besteht bei Cottus die Epi- dermis des Kanales nur aus im Ganzen zwei bis drei Schichten von Zellen, deren äussere, wie bekannt, in Form von mehr oder weniger hohen, veränderlichen Kuppen in das Lumen hineinragt. Trichodina sp. (pediculus?) etc. 407 Dieser zarte Kanal liegt nicht frei zwischen Haut und Muskeln, sondern innerhalb einer weiteren, aus festem faserigen Bindege- webe bestehenden Röhre, in welche in jedem Segmente eine hohl- ziegelförmige, den Kanal grossentheils umfassende Schuppe einge- fügt ist. Auf diese Weise ist zugleich Beweglichkeit und Schutz gegen Druck gewährleistet. Der Raum zwischen der Röhre und dem Kanal ist mit einer Art von Polster ausgekleidet, einem eigenthümlichen, faserlosen Bindegewebe, in welchem Capillaren verlaufen. Auf der proxi- malen Seite, unter den Hügeln, ist das Polster kräftiger und etwas dieker, und enthält hier die Nervenstämmchen und die sie beglei- tenden Blutgefässe. Durchschneidet man den Seitenkanal vor oder hinter einem Hügel, so findet man an dessen Stelle eine kleine Gruppe von Zellen auf dem Polster aufsitzend (Fig. 6 und 7); diese Zellen ge- hören einem Strange an, welcher längs der proximalen Wand lau- fend die einzelnen Hügel verbindet, und dessen Bedeutung ich an anderem Orte besprechen werde. An dieser Stelle, also wohl zu beiden Seiten des Stranges ist die Epidermiswand des Kanales bei Cottus mit dem Polster fest verbunden, während sie sich mit Ausnahme dieser proximalen Längsnaht in ihrem ganzen Umfang von dem Polster unter Einfluss leichter Contractionen bei der Con- servirung glatt abheben kann. Wie ich gelegentlich dieser und anderer Untersuchungen be- obachtete, findet bei Knochenfischen normaler Weise eine beständige, oft sehr starke Einwanderung von Lymphzellen in die Epidermis statt. Am deutlichsten und zahlreichsten sind diese in den unter- sten Schichten des stratum Malpighi zu sehen, wo sie aus dem lockeren subeutanen Bindegewebe kommend sich bei dem Ein- dringen in die ihrer Wanderung mehr Widerstand entgegensetzende Epidermis anstauen. Von hier aus sind sie dann sich wieder mehr und mehr vereinzelnd durch die ganze Höhe der Epidermis bis in die obersten Schichten zu verfolgen. Das Eindringen der Leukocyten in die Epidermis findet weder bei verschiedenen Fischen, noch an dem Körper eines Fisches gleichmässig statt; so finde ich es bei Cottus gobio bald stärker, bald schwächer, sehr stark bei dem mit vielen Triehodinen behafteten, bei einer Schleihe, bei Cobitis fossilis, weniger bei anderen Exemplaren von Cottus, bei Lota vulgaris, recht auffallend auch am Kopfe von Chondrostoma 408 Justus Carri£ere: nasus, während im allgemeinen die Einwanderung in die Epidermis des Kopfes in geringerem Maasse stattzufinden scheint. Ganz dieselbe Erscheinung findet sich — ebenfalls normal — in der Epidermis des Seitenkanals (ich glaube die Angabe ruhig so allgemein ausdehnen zu können, da die von mir untersuchten Thiere den drei einander sehr fern stehenden Familien der Physo- stomen, Gadiden und Trigliden angehören); in den Intercellular- räumen der basalen Zellschicht finden sich Lymphzellen, theils vereinzelt, theils zu mehreren sich engere oder weitere Kanäle aus- bohrend, ohne für gewöhnlich die Epidermis dadurch auffallend zu verändern oder aufzulockern. Ich konnte nun feststellen, dass lebende Trichodinen aussen auf den Seiten des Cottus vorhanden waren, indem ich mit der Messerschneide leicht darüber hinfuhr und den so abgestreiften Schleim untersuchte. Das Weitere zeigten Schnittserien durch grössere, den verschiedensten Stellen der Seitenlinie entnommene Stücke, welche theils mit Merkel’scher Flüssigkeit, theils mit Chrom- Osmium-Essigsäure abgetödtet und in Alkohol fertig gehärtet waren. Die Trichodinen, welche auf dem Fische lustwandeln, kommen auch an die Oeffnungen des Seitenkanales, welche die Oberfläche der Haut schlotförmig um ein Geringes überragen, und dringen mit leicht begreiflicher Neugierde in dieselben ein!). In dem Kanal angekommen, verbreiten sie sich in demselben, welcher durchaus nicht, wie sein früherer Name sagt, Schleim enthält, sondern Wasser, weiter, bis sie ihn gelegentlich auch wieder durch eine der Oeffnungen verlassen ?). Die Bewegung der Thiere in dem Kanal ist eine durchaus freie, da sie (Fig. 1 und 2) 0,052—0,056 mm im grössten Durch- messer messen, der Kanal in seiner lichten Weite ungefähr 0,25 mm, während die Schlote allerdings nur gerade einer Trichodina den Durehgang gestatten. — Bei einem Exemplar von Cottus, welcher 1) Ich besitze eine Anzahl Präparate, Längs- und Querschnitte des Sei- tenkanales, welche Trichodinen, und zwar gewöhnlich mehrere, an verschie- denen Stellen der Querkanälchen von der Ausmündung an der Oberfläche bis zur Einmündung in den Kanal zeigen. 2) Ich schliesse das daraus, dass ich auch in den äussersten Theilen der Schlote Trichodinen mit Nahrungsballen fand, welche sie im Kanal selbst aufgenommen haben mussten. Trichodina sp. (pediculus ?) etc. 409 in seinem Seitenkanal nur wenige Trichodinen beherbergte, ja auf grössere Strecken hin gar keine aufwies, bemerkte ich nichts Merkwürdiges, weder an dem Schmarotzer, noch an seinem Wirthe. Die auffallendsten Veränderungen an beiden Theilen zeigten sich aber bei einem anderen, stark mit Triehodinen inficirten Fische und ich will im Folgenden zuerst diejenigen des Parasiten, dann die an dem Fische wahrnehmbaren schildern. Die Mehrzahl der Kanal-Trichodinen enthält einen sehr gros- sen kugeligen Ballen von Zellkerven an einer bestimmten Stelle zwischen den Schenkeln des hufeisenförmigen Kernes, und ausser- dem an verschiedenen Stellen des Entoplasmas kleinere Ballen solcher Kerne; alle diese Kernballen besitzen an den vorher mit Pikrokarmin behandelten Objeeten dieselbe intensiv rothe Färbung wie der Trichodinakern selbst, während das Entoplasma einen mehr gelblichen Ton angenommen hat (Fig. 2—4). — In dem gewöhnlich nur von klarer Flüssigkeit ohne jede Beimengung erfüllten Kanale schwimmen an vielen Stellen Lymphzellen und Blutkörperchen, oft vereinzelt, meist aber zu mehreren oder auch in grosser Menge, zu- sammengehalten von einer schleimigen, durch die Härtungsflüssig- keiten gerinnenden Masse, die zum Theil gewiss aus den durch den Einfluss des Wassers zerstörten Zellkörpern besteht, denn von diesen ist gewöhnlich nichts mehr wahrzunehmen. Am Rande solcher grösserer, mit Kernen durchsetzter Fetzen von Gerinnsel kleben dann häufig noch fast unveränderte Blut- und Lymphkör- per; von letzteren sieht man einzelne noch anscheinend unversehrte namentlich in der Nähe des Kanalwand. An grösseren Fetzen von Coagulum legt sich zuweilen eine Triehodina mit ihrem Hakenkranz vor Anker, gerade wie es die Thiere sonst vielfach an der Kanalwand zu thun pflegen. Der Vergleich der Kernballen in den Triehodinen und der im Kanal herumschwimmenden oder durch Gerinnsel fester oder loser ver- bundenen Lymphzellen und Blutkörperchen zeigt, dass die Tricho- dinen diese Bestandtheile des Wirbelthierkörpers nicht nur zur Nahrung benutzen, sondern mit einer auffallenden Gier verschlingen, als könnten sie gar nicht genug davon bekommen. Zum Beweise will ich nur ein paar von den vielen beobachteten Exemplaren schildern. Eine in Fig. 3 abgebildete Triehodina enthält in ihrem oberen Theile einen grossen, kugeligen Nahrungsballen, den sie 410 Justus Carriere: nach dem Inhalt zu schliessen, noch von der Kieme mitgebracht hat; im unteren sieht man (nicht durch die Mitte getroffen) den grossen Nahrungsballen, aus Lymphzellen bestehend, deren Zellkör- per noch erhalten und deren Kerne noch nicht durch die Ver- dauung angegriffen sind; dann an verschiedenen Stellen einzelne Lymph- oder Blutzellkerne und in der Nähe des alten Nahrungs- ballens einen solchen von Zellkernen, deren Grösse sehr verringert ist, die sich aber, da gerade die färbbaren Bestandtheile der Ver- dauung am meisten widerstehen, intensiv färben. Dieses Exemplar, noch besser aber das eine in Fig. 2 und das in Fig. 4 dargestellte, zeigen die Lage und Grösse der früher erwähnten constanten Nahrungsvacuole. Sie liegt am Ende des Schlundes, etwas ober- halb des Kerns, aber mit ihrem unteren Theile noch innerhalb des vom Kernbogen umschriebenen Raumes, etwas excentrisch. Meine Annahme, dass diese „Nahrungsvacuole“* ein dauernder Be- standtheil des Ernährungssystems sei, kein am Ende des Schlundes sich bildender und dann weiter wandernder Nahrungsballen, grün- det sich, abgesehen von der Regelmässigkeit des Vorhandenseins auf die grosse Menge von Kernen, welche in ihr enthalten sind im Gegensatz zu der geringeren Anzahl derselben in dem im En- toplasma wandernden Nahrungsballen. Ich habe durchaus den Eindruck, dass diese einer sehr grossen Erweiterung fähige also nicht mit eigener Wandung versehene Vacuole eine Art — sit venia verbo — Kropf darstelle, in welchen die Nahrungsmittel zuerst aufgenommen und aus welchem nach Auflösung des weichen Zell- körpers die härteren Kerne in kleineren Ballen zur weiteren Ver- dauung in das Entoplasma abgegeben würden. Eine andere Trichodina, Fig. 4, zeigt, fast parallelder Haftscheibe durchschnitten, an entsprechender Stelle einen sehr grossen, noch nicht zusammengepressten Kernhaufen. Das Thier scheint wie das in Fig. 3 erst kürzlich eingewandert gewesen zu sein, denn vor dem Kernhaufen liegt ein grosser Ballen mitgebrachter, verdauter Nah- rung, und einige schon nach aussen getretene Theile desselben zeigen, dass dieser Kothballen wohl eben in einer Pause der Nahrungsaufnahme entleert werden sollte, als das Thier vom Tode ereilt wurde. Unter diesen beiden „Vacuolen* liegt das gerade sehr grosse Reservoir. Fig. 2 zeigt zwei Trichodinen an der Stelle liegend, wo sich ein Querkanälchen von dem Seitenkanal nach aussen abzweigt, Trichodina sp. (pediculus ?) etc. 411 die eine parallel der Haftscheibe, die andere senkrecht dazu ge- troffen. Sechs hintereinander folgende Durchschnitte des letzteren Thieres lassen erkennen, dass es von aufgenommenen Nahrungs- substanzen die grosse, mit vielen Kernen gefüllte Nahrungsvacuole und im Entoplasma zerstreut eine ziemlich grosse Lymphzelle mit grossem Kern, und ausserdem Kerne von Blutkörperchen in kleinen Häufchen und vereinzelt, sowie ein paar ältere Nahrungsballen mit krümeligem, nicht färbbarem Inhalt enthält; in dem anderen Individuum sieht man zwei kleinere Kernballen und vielleicht die grosse Nahrungsvacuole angeschnitten. (Ob es sich um einen aus dem Nachbarexemplar leicht verständlichen Tangentialschnitt einer grossen Nahrungsvacuole oder um einen Schnitt mitten durch das Reservoir handelt, kann ich nicht entscheiden, da die folgenden Schnitte des Thieres verloren gingen.) Die Kerne, welche man in der grossen Nahrungsvaecuole (Kropf) angehäuft findet, sind gewöhnlich dicht zusammengepresst, nicht mehr von Protoplasma umgeben. Einen Fall, in welchem letzteres noch erhalten war, habe ich schon oben erwähnt, von einer ande- ren will ich der ausserordentlichen Grösse der Nahrungsvacuole halber noch einige Maasse anführen. Der Durchmesser des ganzen Thieres betrug 0,045 mm, der der Nahrungsvacuole, welche fast den ganzen Raum innerhalb des Kernringes einnahm, 0,023 mm. — Die grössten Kerne in den im Kanal neben dem Thiere liegenden Lymphzellen hatten einen Durch- messer von 0,0035 mm; neben diesen selteneren grossen Kernen lagen Lymph- und Blutkörper mit kleineren Kernen, und es zeigte die Kerngrösse die Verhältnisse von 7:5:3,5 derart, dass die grössten und die kleinsten Formen als die seltensten erschienen; in der Nahrungsvacuole war das Grössenverhältniss der Kerne wie 5:4:3, d. h. die grössten Kerne bezw. Zellen wurden von dem Thiere nicht gefressen, dagegen die mittleren und kleinsten wahr- scheinlich ausgesucht. Die kleinen und kleinsten Kerne gehören Blutkörperehen an, die grösseren Lymphzellen, und letztere sind durch ihren weniger färbbaren Kern mit lockerem Gerüst von den dichten Blutkörperchenkernen unterschieden; hier zeigten auch die gefressenen Kerne noch diese Verschiedenheiten der Struetur. Der aus diesen Zellen in der Vacuole angehäufte Nahrungs- ballen sah sehr locker aus; die Kerne waren nämlich noch durch grosse Reste von Zellkörper von einander getrennt, so dass der 412 Justus Carriere: Zwischenraum zwischen zwei nebeneinander liegenden Kernen durch den ganzen Haufen hindurch das anderthalbfache bis doppelte des Kern-Durchmessers betrug. | Es dürfte nieht zweifelhaft sein, dass die innerhalb der Tri- chodinen vorhandenen Kernhaufen, vereinzelten Kerne und Zellen- reste von gefressenen Lymph- und Blutzellen herstammen, und zwar von den Zellen dieser Art, welche im Kanal frei oder durch gerinnbare Substanzen sehr lose vereinigt vorhanden sind. Nun erübrigt noch zu untersuchen, wo diese Lymph- oder Blutkörper herkommen. Die Epidermis des Seitenkanales habe ich oben geschildert und erwähnt, dass ihre tiefere Schicht normaler Weise von Lymph- körperchen in derselben Weise bevölkert wird wie das Stratum Malpighi der Epidermis der Körperoberfläche. Bei diesem Indivi- duum von Cottus mit der grossen Menge von Trichodinen im Seitenkanal ist die Epidermis des letzteren in seiner ganzen Aus- dehnung, aber nicht überall gleichmässig verändert. An den Stellen, welche dem Normalen noch am ähnlichsten sind, erscheint die Epidermis immerhin etwas höher, und von sehr zahlreichen Hohlräumen durchzogen, in welchen Lymphzellen liegen, deren Kerne durch Struetur und Färbevermögen sich sehr deutlich von den Kernen der Epidermiszellen unterscheiden (Fig. 6—9). An diese Strecken schliessen sich andere, in denen die immer mehr anwachsenden, offenbar aus den Intercellularräumen hervor- gegangenen Lymphräume die Hornschicht von der basalen Zell- schicht weiter abheben; erstere, von einer einfachen Zellenlage gebildet, bewahrt sowohl ihren Zusammenhang in sich als ihre Verbindung mit der basalen Zellschicht, wobei einzelne Zellen der letzteren zu hohen, von Lymphe umspülten Pfeilern gestreckt werden. Im weiteren Verfolge kommen Stellen, die einer Stauung besonders günstig sind und an diesen wird die Epidermis bis zur sechsfachen Höhe über das normale Maass aufgetrieben, so dass die mit der Basis immer noch an der Basalmembran, mit dem äusseren Ende an der Hornschicht haftenden Zellen des Stratum Malpighi fadenförmig ausgezogen werden. Die so entstandenen srossen Hohlräume werden von Zellen verschiedener Art und eine locker gerinnende Flüssigkeit, durch welche die Zellkörper der Lymphzellen undeutlich werden, erfüllt. Ausser den grossen Lymph- kernen finden sich, in viel geringerer Anzahl kleine, diehte und sehr Trichodina sp. (pedieulus ?) etc. 413 stark färbbare Kerne, über deren Herkunft ich nicht bestimmtes angeben kann, so dass alle die im Kanallumen und im Ento- plasma der Triehodina vorhandenen Kernformen hier wiederzu- finden sind. Die stärksten Anschwellungen der Epidermis finden sich an den Seiten des Kanals dicht an der proximalen Wand desselben, während die distale Wand kaum oder nur in äusserst geringem Grade in Mitleidenschaft gezogen wird, und ebenso die Naht in der proximalen Wand dem Eindringen der Leukocyten widersteht. Den Austritt einzelner Zellen durch die Hornschicht habe ich ebensowenig beobachten können als eine Zerreissung der am stärksten angeschwollenen Stellen. Dagegen dürften viel- leicht bestimmte Stellen für den Austritt der Lymphkörper in Anspruch genommen werden, und das wäre die Umgebung der Sinneshügel, da diese Organe nicht mit der Epidermis in gene- tischem Zusammenhange stehen und die Verbindung von Epidermis und dem distalen Hügelrande häufig sehr gelockert erscheint. Für den Austritt von Blutkörperchen in den Kanal wird man wohl Verletzungen feinster Capillaren gelegentlich dieser grossen Veränderungen in der Epidermis in Anspruch nehmen dürfen. Eine Frage ist noch zu beantworten: Dringen die Tricho- dinen in den Seitenkanal ein, um von einer zufälligen Erkrankung desselben Nutzen zu ziehen oder sind sie durch ihre Einwande- rung, das heisst, durch den Reiz, welchen sie auf die sehr zarte Kanalwand ausüben, Ursache dieser Erkrankung, deren Folge oder Begleiterscheinung ihnen dann eine sehr reichliche Nahrung liefert? Bei der Beantwortung möchte ich mich der letzteren Seite zuneigen, obwohl ich die Möglichkeit des ersteren Falles durchaus zugebe. Denn ich fand ja auch bei einem anderen Exemplar von Cottus gobio Trichodinen im Seitenkanal bei ganz normalem Verhalten des letzteren — die Einwanderung wird also nicht durch krankhafte Absonderungen im Kanale veranlasst, sondern findet ohne für uns sichtbaren Grund statt. In diesem zweiten Individuum waren aber nur sehr wenige Triehodinen im Seitenkanal vorhanden — sollte nicht darin die Ursache zu suchen sein, dass der Kanal noch gesund war? Schliesslich muss ich noch auf den Einfluss der veränderten Nahrung auf die Thiere hinweisen; die mit Blut- und Lymphzellen genährten Trichodinen machen einen entschieden kräftigeren Ein- druck als die sehlechtgenährten Kiementrichodinen, die Kanal- 414 Justus Carriere: trichodinen sind strotzender, möchte ich sagen, und widerstehen den zur Conservirung angewandten Reagentien bei weitem besser als die viel zarteren Trichodinen der Kieme. Anmerkung. Zu erwähnen wäre ferner, dass ich in einem Blut- gefässe am Kiemenbogen eine Trichodina fand, deren guter Erhaltungs- zustand die Annahme, dass sie in leblosem Zustande hineingerathen oder darin zu Grunde gegangen sei, ausschliesst. Sie enthielt keine Kernballen, und ich kann weder angeben, wie, noch ob sie absichtlich hineingekommen. Auch in einem anderen Organ kommen die Trichodinen häufig endo- parasitisch vor, nämlich in der Harnblase von Fischen, Tritonen und Fröschen, in welche sie gleichfalls unmittelbar von aussen einwandern können. Doch ist hier über etwa durch sie veranlasste ähnliche Störungen und den damit zusammenhängenden auffallenden Nahrungswechsel nichts bekannt. Vergl. Bütschli, Protozoa. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XXIV. Alle Präparate stammen von Cottus gobio, und sind mit Ausnahme der bei schwacher Vergrösserung gezeichneten Fig. 1 und der nach Seibert 1/V gezeichneten Fig. 2 mit Seibert 1/VII b nach den von mir mit der Camera bei dieser Vergrösserung entworfenen Umrissen von dem Universitätszeichner Herrn Scharfenberger ausgeführt. Einzelheiten wurden mit homogenen Immersionen von Seibert und Zeiss nachgesehen. Fig. 1. Querschnitt des Seitenkanals und eines Sinneshügels, zeigt zu innerst die stark angeschwollene Kanalwand mit scharf abgegrenzter Horn- schicht, zu äusserst die bindegewebige Röhre mit der Schuppe, zwischen beiden das weiche bindegewebige Polster; in der Umgebung des Hügels grosse pathologische Lymphräume, unter demselben Querschnitte von Blutgefässen und Nerven. In dem Lumen des Kanals über dem Hügel eine Trichodina, der Haftscheibe parallel durchschnitten. Halbschematisch. Fig. 2. Zwei Trichodinen im Anfange eines Querkanälchens, die eine senk- recht, die andere parallel zur Haftscheibe durchschnitten ; beide mit als Nahrung aufgenommenen Lymph- und Blutköperkernen. Fig. 3. Trichodina aus dem Seitenkanal, senkrecht zur Haftscheibe durch- schnitten, mit einem alten (von den Kiemen oder der Körperober- Fig. 4. Fig. 5. Fig. 6. Fig. 7. Fig. 8. Fig. 9. Triehoniden sp. (pediculus ?) etc. 415 fläche mitgebrachten) Nahrungsballen ausser den im Kanal ge- fressenen Blut- und Lympkörperchen; neben dem Thiere liegen — in einer geronnenen Flüssigkeit — Blutkörper und Lymphzellen. Trichodina aus dem Seitenkanal, parallel der Haftscheibe durch- schnitten, das Vestibulum, ein Kothballen und die grosse Nahrungs- vacuole mit Inhalt liegen über dem sehr ausgebreiteten Reservoir. Trichodina von der Kieme, senkrecht zur Haftscheibe durch- schnitten. Ziemlich normale Stelle von der proximalen Wand des Seiten- kanales auf senkrechtem Durchschnitt; auf dieser und den folgenden Zeichnungen sind die zwar vorhandenen, aber nicht sehr deutlichen Zellgrenzen nicht ausgeführt; die oberste Zellschicht entspricht dem Stratum corneum, die untere dem Stratum Malpighi der Epidermis der Körperoberfläche. Die Kerne der Zellen des „Verbindungs- stranges“ färben sich etwas dunkler als die Epidermiskerne, aber nicht so intensiv wie diejenigen der Wander-(Lymph?)-Zellen. In dieser Zeichnung sind Polster und Schuppe nur schematisch angegeben. Etwas veränderte Stelle von der proximalen Wand des Seiten- kanales; die Epidermis ist höher, von zahlreichen Lympfkanälchen durchbohrt; die äussere Röhre ist nicht gezeichnet. Stärker veränderte Stelle von der proximalen Wand des Seitenkanales, etwas seitlich der Nahtlinie. In dem Polster Durchschnitte von Gefässen. Die auf dem Präparat durchscheinende, homogene Schuppe ist — wie in Fig. 1 — auf der Zeichnung schematisch gekörnelt. Sehr stark angeschwollene Stelle der Seitenkanal-Epidermis vom Uebergang der proximalen Wand des Seitenkanals in die dorsale oder ventrale. Die Zellen der Malpighi’schen Schicht sind faser- förmig in die Länge gezogen, in den die Blase massenhaft erfüllen- den Wanderzellen fallen einzelne kleinere und sehr stark gefärbte Kerne auf. Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 33, 9hr 416 J. Dewitz: Gestell für Objectträger bei Serienschnitten. Von Dr. 3. Dewitz. Hierzu 1 Holzschnitt. Beim Anfertigen von Serienschnitten empfindet man es unan- senehm, dass die Objeetträger, welche die aufgeklebten Schnitte enthalten, eine grosse Anzahl Cylindergläser mit der betreffenden Flüssigkeit erfordern. Denn soll ein Abstossen der Schnitte von den Objectträgern vermieden werden, so darf man nur einen oder höch- stens zwei von den letztern in einen Cylinder stecken. Eine prac- tische Einrichtung, welche es ermöglicht, eine grössere Anzahl von Objectträgern ohne Schaden für die Objecte gleichzeitigin ein und dasselbe Glas zu bringen, ist mir bisher nicht bekannt geworden. Ueberhaupt habe ich nur einen hierher gehörenden Apparat kennen gelernt durch die freundliche Mittheilung des Herrn Dr. v. Mährenthal. Dieser Apparat!) stellt ein Glas-Kästchen vor, das nach dem bekannten Prinzip der Kästchen für mikroskopische Präparate an seinen beiden kurzen Enden für die Aufnahme der Objectträger eingerichtet ist. Es sind entweder Leisten aufgeklebt oder Rinnen eingeschliffen. Der Hauptfehler eines solchen Käst- chens ist der hohe Preis. Die grossen, für mehrere Objeetträger eingerichteten kosten fast 6 Mk. Ferner ist es unvortheilhaft, dass einzelne Theile gekittet sind. Auch die Handhabung ist wenig bequem, weil man bei jedem Flüssigkeitswechsel die Objectträger herausnehmen muss. Ich habe nun das hier abgebildete Gestell aus Glasstab?) für vorliegenden Zweck construirt. Dasselbe scheint mir aus mehr- 1) Zu beziehen durch E. Leybold Nachf., Cöln. 2) Vielleicht wird es sich mehr empfehlen, statt Glasstab Glasrohr an- zuwenden, da dieses haltbarer sein könnte. Hierüber muss jedoch der Gebrauch entscheiden. Gestell für Objectträger bei Serienschnitten. 417 fachen Gründen practisch zu sein. Es ist ohne grosse Mühe und Kosten herzustellen und leicht zu handhaben, da es mit dem ganzen Satz von Objectträgern von einem Cylinder mit Flüssigkeit in den andern gehoben werden kann. Die Herstellung des Gestelles geschieht in folgender Weise: Bei der Herstellung des Gestelles benutzt man die Stich- flamme und biegt damit einen Glasstab in folgender Weise. Bei a beginnend macht man zur Aufnahme der obern Enden der Objectträger soviel Schlangenlinien, als das Gestell Objectträger aufnehmen soll. Bei 5 biegt der Stab um und bildet durch be eine Barriere, um das Hinausfallen eines Theiles der Objectträger auf dieser Seite zu verhindern. Von c an wendet man einen stärkern Glasstab an, der an dieser Stelle mit abc verschmolzen wird und auf der Strecke cd einen Pfosten des Gestelles dar- stell. Durch de wird die untere Barriere gebildet. Der Stab biegt dann in e um und verfolgt die untere Schlangenlinie, um schliesslich in f mit der Ziekzacklinie fg verschmolzen zu werden, welche der Unterseite der Schlangenlinie ef anliegt. Ein anderer Stab beginnt mit a‘ und bildet in b’c’ und d’e‘ auf der andern Seite die obere und die untere Barriere und in c’d‘ den zweiten Pfosten des Gestelles. In e’ ist er mit der entsprechenden Stelle der untern Schlangenlinie zusammengeschmolzen. Der Gebrauch des Gestelles ergiebt sich von selbst. Die Ob- jeetträger werden durch die von den Umgängen der obern Schlangen- linie verursachten Spaltöffnungen geschoben und nach den ent- sprechenden untern Spaltöffnungen gerichtet. Hier hindert sie am Durchgleiten die Ziekzacklinie fg. Um oben das Abstreifen der Objeete von den Objectträgern zu vermeiden und andererseits unten ein Feststehen der letztern zu bewirken, ist zu der obern Schlangenlinie ein Stück Glasstab von kleinerm Querschnitt ver- wandt. Hierdurch werden die obern Spaltöffnungen weiter, die untern enger ausfallen und die Breite der Schlangenlinie ist oben und unten die gleiche. Dann setzt man das Gestell in ein passendes Gefäss mit der gewünschten Flüssigkeit, hebt es nach beendeter Einwirkung der letzteren auf die Objecte heraus, lässt es abtropfen und senkt es in das bereit stehende Gefäss mit der zweiten Flüssigkeit u. s. w. Das Material des Gestelles gestattet die Anwendung aller Chemi- kalien. 418 J. Dewitz: Gestell für Objectträger bei Serienschnitten. Die Abbildung giebt ein Gestell mit fünf Fächern wieder. Dieses ist nur geschehen, um die Zeichnung zu vereinfachen. In der Praxis wird es sich empfehlen, besonders wenn es sich um grosse Schnitt- reihen handelt, das Gestell für min- destens 10 Objectträger einzurichten. Auch ist es zweckmässig, nicht Glas- eylinder für die Flüssigkeit zu wählen, sondern sich viereckige Glasgefässe anfertigen zu lassen, in welche das Gestell bequem hinein- passt und die mit einer Glasplatte zugedeckt werden können. Das von mir construirte Modell hat Herr H. Müller in Berlin!) unter Anbringung einiger Verein- fachungen ausgeführt. Derselbe ist bereit, auf Wunsch besagte Gestelle anzufertigen. Bei Bestellungen ist es natürlich nothwendig, das Format der Objeetträger und die Anzahl derselben, welche das Gestell aufnehmen soll, anzugeben. Die ungefähre Dieke des Objectträgerglases hinzuzufügen, läge auch im Interesse einer be- friedigenden Ausführung des Apparates. 1) H. Müller, Fabrik chem., phys. ete. Apparate. Berlin. N. W. Lui- senstrasse 5l. Hof 2. Be. Ueber die Entwickelung und Structur der Placenta beim Hunde. 419 (Aus dem I. anatomischen Institute zu Berlin.) Ueber die Entwickelung und Structur der Placenta beim Hunde, Von G. Heinricius, Docent der Geburtshülfe an der Universität Helsingfors. Hierzu Tafel XXV u. XXVI. Während des Sommersemesters 1837 habe ich im I. anatomi- schen Institute zu Berlin Untersuchungen über die Entwickelung und Structur der Placenta bei Raubthieren (Hund und Katze) begonnen und dann zu Hause fortgesetzt. Meine Untersuchungen über die Placenta des Hundes sind jetzt abgeschlossen, die über die Pla- centarentwickelung der Katze noch im Gange; ich beabsichtige die Resultate dieser letzteren später zu veröffentlichen. Als Untersuchungsmaterial habe ich Hündinnen in verschie- denen Stadien der Gravidität verwendet. Genau die Zeit der Schwangerschaft zu bestimmen ist in allen Fällen nicht möglich gewesen, da die Zeit der Conception nicht immer mit Sicherheit anzugeben war. Nachdem das Thier mit Chloroform getödtet worden, wurde die Bauchhöhle eröffnet, die schwangeren Uterushörner herausge- holt, die Fruchtsäcke von einander getrennt und in die Härtungs- flüssigkeit eingelegt, auch bei weiter vorgeschrittener Schwanger- schaft, bei welcher die Fruchtsäcke schon ziemlich entwickelt waren. Ich habe nämlich bemerkt, wenn man in späteren Stadien der Gravidität kurz nach dem Tode einen Fruchtsack durch- schneidet, so dass Amniosflüssigkeit mit dem Embryo heraustritt, Archiv f. mikrosk, Anatomie, Bd. 33, 27 490 G. Heinricius: dass sich dann die Uterinwand zusammenzieht und die Placenta sich ablöst; werden dagegen die Fruchtsäcke eine Zeit lang in toto gehärtet, dann kann man nachher Stücke der Placenta und Uteruswand in beliebiger Grösse herausschneiden, ohne dass die Placenta sich vom Uterus trennt, und später kann man diese Stücke noch weiter härten. In einem Theile der Fälle habe ich gleich nach dem Tode eine Injection der mütterlichen Gefässe in der Art vorgenommen, dass eine Lösung von Indigoblau in Gelatine von der Aorta abdominalis aus in die Gefässe des Uterus einge- spritzt wurde; eine Doppelinjeetion einer Karminlösung durch die Gefässe des Nabelstranges und einer Lösung von Indigoblau durch die Aorta abdominalis habe ich bei Hochschwangeren ausgeführt. Als Härtungsmittel habe ich theils Müller’s Lösung mit nach- folgender Härtung in Alcohol, theils Alcohol von Anfang an ver- wendet. Nach genügender Härtung wurden zum Zweck der Unter- suchung Stücke von Placenta und Uterinwand im Zusammenhange herausgeschnitten; in früheren Stadien der Schwangerschaft habe ich den Embryo an der Placenta belassen und auf diese Weise auch den Embryo in situ zerlegt. Die Untersuchungsmethode ist das in His’ anatomischem La- boratorium in Leipzig geübte Altmann’sche Verfahren gewesen, mit dem ich mich während meines Aufenthaltes in Leipzig 1884 durch die Bereitwilligkeit des Collegen Altmann vertraut ge- macht habe. Die Präparate von der Placenta nebst Uteruswand mit oder ohne Embryo haben zuerst in einer '/°/,-Lösung von Kalialaun gelegen, bis sie zu Boden sanken, sind dann in toto erst in einer Mischung von 1 Theil Böhmer’s Hämatoxylinlösung und 5 Theilen 1/,%/, Kalialaunlösung während 2—3 Tagen gefärbt worden, und nachdem ebenso lange in einer 1/,°/, Eosinlösung (Alcohol und Ag. destillat. ää p.). Aus der Eosinlösung sind die Präparate in gewöhnlichen Spiritus und später in Alcohol absol. versetzt worden. Nach genügender Härtung wurden sie 24 Stunden in Nelkenöl gehal- ten und darauf einen Tag in Xylol, von wo dieselben in eine Mischung von Xylol+Paraffın (Schmelzpunkt ce. 35°) für ein Paar Stunden und endlich in flüssiges Paraffin (Schmelzpunkt 50—56°) gebracht wurden. Nachdem das Paraffın die Präparate vollkommen durch- drungen hatte (gewöhnlich nach 3—4 Stunden), waren sie beim Erkalten schnittfertig. Ueber die Entwickelung und Structur der Placenta beim Hunde. 421 Die Schnitte wurden mit einem Schraubenmikrotom von Leitz (Wetzlar) angefertigt. Wo der Embryo an der Placenta haftete, habe ich in den frühesten Stadien der Schwangerschaft Serienschnitte gemacht. Die Schnitte wurden auf dem Objeet- glase vermittels einer alcoholischen Lösung von Schiessbaumwolle, welche mit einem feinen Pinsel applieirt wurde, fixirt; dann wurde Fliesspapier gegen die Schnitte angedrückt, um die alco- holische Lösung aufzusaugen, wodurch die Schnitte auf dem Glase befestigt wurden. Nachdem das Glas vorsichtig über einer Lampe erwärmt worden war, so dass das Paraffin zu schmelzen anfing, wurde Xylol übergegossen, das Paraffin gelöst und das Meiste des Xylols vom Glase durch Neigung entfernt; definitiv eingedeckt wurde mit einer Lösung von Canadabalsam in Xylol. Ich werde hier nicht eine ausführliche historische Uebersicht über die Arbeiten der Entwickelung und Structur der Placenta geben; es wird dies in der ausführlichen Arbeit meines Freundes Dr. Klaatsch, früheren Assistenten am Berliner, z. Z. am Heidel- berger anat. Institute, über die Kaninchenplacenta, welche derselbe gleichzeitig mit meinen Untersuchungen unternommen hat, ge- schehen. Die genannte Arbeit wird demnächst in diesem Archiv zur Veröffentlichung gelangen. Ich will nur die Resultate meiner eigenen Untersuchungen mittheilen und durch eine grössere Anzahl Abbildungen erläutern. Eine Uebersicht der Ergebnisse ist von Waldeyer in den Sitzungsberichten der K. Preuss. Akademie der Wissenschaften für 14. Februar 1889 gegeben worden !). Betrachten wir den Querschnitt des normalen, nicht schwange- ren Uterus des Hundes, so finden wir, dass die Uterinwand aus _ drei Häuten, einer Serosa, Muscularis und Mucosa besteht. Die Mucosa ist ohne ein verbindendes resp. trennendes Stratum direct und fest an das unterliegende Ring-Muskellager angeheftet; eine Submuecosa fehlt. Der oberste, resp. innerste Theil der Drüsen, der sog. Aus- führungsgang, verläuft eine kurze Strecke gerade, meist senkrecht zur Oberfläche, während der grössere, tiefere Theil einen ge- 1) Vgl. auch die guten Literaturangaben bei Tafani (Sulle condizioni utero-placentari della vita fetale. Firenze 1886, und Ch. S. Minot, Uterus und Embryo, Journ. of Morphology edit. by Whitman, Vol. II, pag. 341. 1889. 422 G. Heinrieius: schlängelten Verlauf hat. Die Drüsen ragen durch die ganze Dicke der Mucosa bis zu der unter dieser liegenden Museularis. Ausser diesen langen eigentlichen Uterindrüsen finden sich nun, wie Bischoff (Entwickelungsgeschichte des Hundeeies) schon gezeigt hat, zahlreiche kurze sogen. Kıypten, ähnlich den Lieberkühn- schen Drüsen des Darmes, jedoch nicht so lang als diese. Diese Krypten sind zahlreicher als die langen Uterindrüsen!). Schmale Bindegewebsbalken schieben sich zwischen die einzelnen Drüsen und Krypten ein. Weiter bemerkt man, wie die Drüsen in ge- trennte Gruppen angeordnet sind, die durch stärkere Bindegewebsbal- ken von einander getrennt werden, und wie das bindegewebige Ge- rüst an der Grenze zwischen dem geraden und geschlängelten Theil der Drüsen stärker entwickelt ist. Das Epithel der Drüsen ist ein niedriges flimmerndes Cylinderepithel; von derseiben Be- schaffenheit ist auch das oberflächliche Epithel und das der Kıyp- ten. Man wolle über diese Anordnung der einzelnen Bestandtheile des Uterus die Figur 1 vergleichen, welche zwar einem gravi- den Uterus angehört, ganz gut jedoch auch zur Illustration der beschriebenen Verhältnisse benutzt werden kann. Das virginale Uterushorn ist in seiner ganzen Länge gleich- mässig diek; bei der Hündin, welche geworfen hat, finden sich einige diekere Stellen, früheren Fruchtsäcken entsprechend. Mit dem Eintritt der Schwangerschaft treten bedeutende Ver- änderungen der Uteruswand bezw. der Schleimhaut auf. Meine frühesten Präparate stammen von einer Hündin, bei welcher der Uterus an mehreren Stellen nur leicht angeschwollen war: bei der Eröffnung einer dieser wenig aufgetriebenen Stellen floss eine geringe Menge heller Flüssigkeit aus. Die Uterinschleim- haut bot ein sammetartiges Aussehen dar. Nach Härten und Durchsehneiden der Fruchtsäcke konnte ich schon mit blossem Auge die Embryonalanlage an der Uterinschleimhaut entdecken. Unter der Lupe zeigten sich die drei Hirnblasen, die Medullar- furche, Ursegmente und am hinteren Ende der Embryonalanlage der Primitivstreifen mit der Primitivrinne deutlich, einer ca. 35 Stunden alten Keimhaut des Hühnchens entsprechend. Beim Durch- 1) Vergl. über die Krypten besonders die Angaben von Strahl, dessen Arbeit, Archiv f. Anat. u. Physiologie, anat. Abtheilung, 1889 während des Druckes meiner Mittheilung erschien. Ueber die Entwickelung und Structur der Placenta beim Hunde. 423 schneiden der anderen Fruchtsäcke kam die Embryonalanlage etwas weiter entwickelt zum Vorschein, einem Hühnerembryo von ungefähr 40 Stunden entsprechend; die Embryonen befanden sich also in verschiedenen Graden der Entwiekelung. Ein Embryo mit anliegender Uterinwand wurde in Reihenschnitte zerlegt. Der Querschnitt dureh die Rückengegend zeigte die drei Blätter, den Rückenmarkskanal, die Urwirbel, den Wolff’schen Gang, die Chorda, die Rückenaorta, also einem 40-stündigen Hühnerembryo ent- sprechend. Die Embryonalanlage lag der Uterinschleimhaut an, so dass diese, mit Ausnahme der Stelle gerade unter dem Embryo, von dem Eetoderm ringsum bekleidet war. Die Uterinschleimhaut bot schon jetzt erhebliche Verände- rungen dar (Fig. 2). Unmittelbar an der Muscularis (a) giebt das Bild eine Schieht quer und schräg getroffener Uterindrüsen (b), darüber eine starke Bindegewebslage vom Character des Schleimgewebes (ec) und zuletzt nach innen gerade verlaufende, dicht an einander stehende, stark entwickelte Uterindrüsen (d). DieMucosahatsichalso jetztin drei Schichten getheilt; diese Schichten bleiben während der ganzen Zeit der Placentar- entwickelung und haben ganz verschiedene Aufgaben beim weiteren Aufbau der Placenta zu erfüllen. Die tiefe Drüsenschicht (b) und die bindegewebige Schicht erhalten sich die ganze Schwangerschaft hindurch ziem- lich unverändert. Sie scheinen keine eigentliche Rolle bei der Placentarentwickelung zu spielen; anders ist es aber mit der ober- flächlichen (inneren) Drüsenschicht (d); hier geht die mütterliche Pla- centarentwickelung vor sich. Hier spielen sich ganz eigenthüm- liche Vorgänge in dem Aufbau der Placenta und in der Ernäh- rung des Foetus ab. In der tiefen Drüsenschicht präsentiren sich die Drüsen im Querschnitt während der ganzen Schwangerschaftszeit; sie sind ziemlich dicht an einander gedrängt, von Bindegewebe umgeben und mit niedrigen Cylinderzellen bekleidet (Fig. 3). Die binde- gewebige Schicht (Fig. 4), aus spindelförmigen anastomosirenden Zellen bestehend, ist von Gefässen durchzogen, die in die oberfläch- liche Drüsenschicht eindringen. Die tiefen Drüsen sind indessen durch diese bindegewebige Schicht nicht ganz vollständig von den ober- flächlichen Drüsen abgeschlossen; man findet, obgleich sehr selten, Drüsen, die sich aus der tieferen Schicht durch das Bindegewebe 424 G. Heinricius: hindurch in die oberflächlichere Drüsenschicht hinein erstrecken, also eine Communication zwischen den beiden Drüsenschichten darstellend (e). Die Anordnung der Drüsen in der oberflächlichen Drüsen- schicht ist eine ganz eigenthümliche. Die Drüsen selbst sind in sehr lebhafter Hyperplasie begriffen; nicht nur die Drüsenepithel- zellen sind stark vergrössert, die Drüsen selbst sind auch an Zahl sehr vermehrt und viele sehr erweitert. Diese Erweiterung der Drüsen, welche später eine so grosse Rolle für die Ernährung des Foetus spielt, beginnt schon und macht sich zuerst an den unteren, zunächst über der bindegewebigen Schicht liegenden Drüsentheilen bemerkbar. Die so entstandenen Räume, welche später sehr erwei- tert sind, sind so wie die übrigen Drüsen von einem einschichtigen Epithel bekleidet und oft mit einer amorphen, durch Eosin gefärbten Masse erfüllt, nicht abgeschlossen, sondern durch den Drüsenaus- führungsgang in Verbindung mit der Uterinhöhle. Das zwischen- liegende Bindegewebe wird durch die Ausdehnung der Drüsen- schläuche stark zusammen gepresst und man sieht jetzt, statt der früheren stärkeren Balken nur noch dünne bindegewebige Septen; in diesen verläuft je eine Capillare. Nur unter dem oberfläch- lichen Epithel liegt eine etwas stärkere Bindegewebslage; in dieser Schicht sieht man hie und da Querschnitte der Uterindrüsen zwi- schen den der Länge nach getroffenen aus der Tiefe kommenden Drüsengängen; daneben kommen Capillaren recht reichlich vor (Fig. 5). In dem vom fötalen Eetoderm nicht berührten Theile der Uterinschleimhaut (A, Fig. 2), wo das oberflächliche Epithel der letzteren erhalten ist, zeigt sich das Bindegewebe weniger entwickelt als überall dort, wo das foetale Eetoderm anliegt. Hier ist das Bindegewebe zwischen den Drüsen, wie auch zwischen diesen und dem Eetoderm massiger; man bemerkt also schon jetzt, dass der Theil der Schleimhaut, in welchen die Chorionzotten zuerst eindringen sollen, schon. vorher in einer Weise verändert wird, dass er ein günstiges Terrain für das Eindringen und die erste Entwiekelung der Chorionzotten darzubieten vermag. In diesem Stadium der Schwangerschaft sind noch keine Chorionzotten entwickelt, sondern der Embryo liegt frei auf der Schleimhaut mit seinem Eetoderm ihr grösstentheils angeheftet. Das Ectoderm schlägt sieh um den Embryo und bekleidet die Schleimhaut Ueber die Entwickelung und Structur der Placenta beim Hunde. 425 mit Ausnahme der Stelle gerade unter diesem (Fig. 2 A). Das Ecto- derm besteht aus kubischen Zellen mit grossem Kern. Es erhebt sich vor allem die Frage: wie verhält sich das foetale Epithel zum mütterlichen und wie verhält sich das mütterliche Epithel; ver- schwinden dessen Zellen oder bleiben sie erhalten? Ich finde nun mit den meisten Autoren dass da, wo das Ectoderm auf die Uterinschleimhaut übertritt, das oberfläch- liche Epithel dieser letzteren verschwindet. In Fig. 6 sieht man rechts die Uterinschleimhaut mit erhaltenem Flächen- epithel, Drüsen im Querschnitt, den Ausführungsgang einer Drüse, in- terglanduläres Bindegewebe und Durchschnitte von Capillaren; links haftet das Eetoderm an der Schleimhaut; man sieht, wie das Ecto- derm in der Nähe des mütterlichen Flächenepithels hie und da sich verdickt, wie an gewissen Stellen das Protoplasma der foetalen und der mütterlichen Zellen sich verbindet, wie an andern Stellen das mütterliche Epithel verschwunden ist, während das Ectoderm unmittelbar an das oberflächliche mütterliche Bindegewebe grenzt. Das Ectoderm liegt ferner der Uterinschleimhaut nicht glatt an, sondern dringt an einzelnen Orten in das oberflächliche Bindege- webe ein, als wollte es sich daran befestigen (wie mit kleinen zottenartigen Bildungen). Ich bestätige hiermit die Angaben von E. van Beneden!) z. Thi., sowie von Fleischmann, s. des Letz- teren „Embryologische Untersuchungen“ Heft I. Wiesbaden 1889. Seite 60. Auf welche Weise das mütterliche Flächenepithel verschwindet, kann ich nicht entscheiden; wahrscheinlich treten die foetalen Zellen hierbei schon jetzt die Rolle von Phagocyten an, welche Eigenschaft, wie wir weiterhin finden werden, im hohen Grade ihnen eigen ist. Dass mütterliches Epithel mit dem fötalen anfangs sich verbindet, gibt auch Frommel, 1. ce. inf., für Myotus an; wie es sich später verhält, darüber finde ich beiFrommel keine ganz bestimmten Angaben. E. van Beneden lässt dasselbe schwinden. Strahl findet, 1. e., abweichend von mir, das Uterinepithel erhalten, jedoch mit dem fötalen verschmolzen. Jedenfalls lässt er es in dem Stadium, in welchem ich es schwinden sah, noch fortbestehen. 1) E.van Beneden, De la fixation du Blastocyste & la muqueuse uterine chez le Murin (Vespertilio murinus) — De la formation et de la constitution du placenta chez le Murin. Bull. acad. royale de Belgique 1888. 426 G. Heinricius: Dass die oberflächliche Drüsenschicht wirklich ein Theil der ursprünglichen Uterinschleimhaut ist, geht auch aus dem Befunde bei mikroskopischen Untersuchungen der Uterinschleimhaut des- jenigen Theiles des Uterus, welcher das Verbindungsstück zwischen den Fruchtsäcken bildet, hervor. Da sieht man auch die Bestand- theile der Schleimhaut, besonders das Bindegewebe, zwischen den tiefen Drüsenschläuchen und den oberflächlichen schon etwas hyperplasirten Drüsentheilen, erheblich verstärkt. Ich habe an den Präparaten dieses frühen Stadiums der Placentarentwickelung Messungen verschiedener Theile der Schleim- haut gemacht. Die Breite der tiefen Drüsenschieht beträgt durchschnittlich 280 u, der bindegewebigen Schicht 450 u, der oberflächlichen Drüsenschicht 750 ı. Der Diameter der Drüsen der tiefen Drüsen- schicht (verschiedene Drüsen) 30, 55, 80, 130 «; die Höhe der Cylinderzellen der Drüsen der tiefen Drüsenschicht 17 u, der Zel- lenkerne 3,5—7 u. Der Diameter der Kerne der bindegewebigen Schicht 5,2—7 u. Die Höhe der erweiterten tiefen Drüsenräume der oberfläch- liehen Drüsenschieht (verschiedene Räume) 100, 140, 160, 220 u, die Breite 310, 440, 390, 560 «. Die Länge der vertical gestellten geraden Drüsengänge 160—330—670 u, die Breite (berechnet ohne die Drüsenzellen) 10—-20—30 u. Die Höhe der Drüsenzellen der oberflächlichen Drüsenschicht (nahe der Oberfläche) 28—34 u, Tiefe 14—17 u; der Diameter der Kerne der Drüsenzellen 7, 10, 14, 17 u. Die Höhe des Flächenepithels 10 «. Die Breite der Bindegewebssepten zwischen den erweiterten geraden Drüsen 3,5—5,2 u. Das nächste Stadium der Plancentarentwickelung zeigen Prä- parate, wo die Fruchtsäcke schon deutlich als runde Anschwel- lungen des Gebärmutterhorns vorhanden sind. Schwangerschafts- zeit etwa 18 Tage. Der Embryo hat bereits die Kopfkrümmung und entspricht einem Kaninchenembryo von 10 Tagen. Mit blossem Auge sieht man jetzt deutlich ringsum an der Basis der ange- schwollenen Schleimhaut die erweiterten Drüsenräume. Ueber die Entwickelung und Structur der Placenta beim Hunde. 427 Die Chorionzotten fangen hier an in die Schleimhaut hinein- zudringen. Ueber die Frage, wie die Chorionzotten in die Schleimhaut hineinwachsen, ist viel gestritten worden. In seiner Entwicke- lungsgeschichte des Hundeeies beantwortete Bischoff dieselbe dahin, dass er das direkte Einwachsen der Chorionzotten in die Uterindrüsen angab. Die Beobachtungen Bischoff’s stimmen mit denen Sharpey’s überein, der angiebt, dass sich die Kanälchen der Uterindrüsen in Folge ihrer stärkeren Entwicke- lung, dicht bevor sie auf der Schleimhaut münden, jede zu einem kleinen Raume erweitern, welcher mit einer grauweissen Flüssig- keit erfüllt ist und aus welcher der Drüsenkanal sich mit einer feinen Oeffnung weiter in die Tiefe fortsetzt. In diesen erweiterten Theil senken sich die Zotten des Chorions ein, welche Anfangs hohl seien. Auch Harvey, Haller, Baer, Gurlt behaupten, dass die Zotten bei verschiedenen Thierarten in die Uterindrüsen hineindringen; Jassinsky und Heinz geben dasselbe beim Men- schen an. Neuerdings hat Fleischmann!) bei Untersuchungen über die erste Anlage der Placenta bei Katzen und Füchsen die Angabe von Bischoff bestätigt. Strahl, 1. e., nimmt ein Hineinwachsen von stempelförmigen fötalen Eetoblastvorsprüngen in die offen- bleibenden Mündungen der grösseren Drüsen an. Diese Auffassung von dem directen Einwachsen der Cho- rionzotten in die Uterindrüsen ist indessen von andern, wie Turner, Ercolani, Romiti, Tafani, E. van Beneden, l.c., Kupffer, Münchener med. Wochenschr. 1888, Nr. 31, und From- mel, Ueber die Entwicklung der Placenta von Myotus murinus, Wies- baden 1888, bestritten. So sollten sich nach Turner in der Uterin- schleimhaut durch Einstülpung des Epithels Hohlsäcke (Crypten) bilden, in welche die Chorionzotten eindringen, und Ereolani läugnet sogar die Existenz von Crypten und beschreibt, dass die Zotten nur zwischen Faltenräume der Schleimhaut sich einsenken. Auch bei Minot, I. e,, Kölliker, Leopold und Colucei finde ich keine positiven Angaben über das Eindringen der Zotten in die Uterindrüsen. Meine Untersuchungen ergeben das Resultat, dass ein 1) Fleischmann, Embryologische Untersuchungen. Heft I. Wiesba- den. 1889. 428 G. Heinriecius: Hineinwachsen der Chorionzotten in die Uterindrüsen beim Hunde zu Anfang nicht stattfindet. Auch in den Präparaten dieses Stadiums (Fig. 7) sehen wir dieselbe Anordnung der verschiedenen Schiehten der Schleimhaut wie vorher. Die tiefe Drüsenschicht ist unverändert, die bindegewe- bige Schicht etwas schmäler; dagegen sind grosse Veränderungen in der oberflächlichen Drüsenschicht eingetreten. Die cystisch erweiterten Uterindrüsen haben an Umfang be- deutend zugenommen; die während des früheren Stadiums relativ kleinen Erweiterungen sind grösser geworden (die Höhe = 110 u, die Breite = 1770 u) und werden von einander durch dünne bindegewebige Wände geschieden, in denen die Bluteireulation aus der Tiefe nach der Oberfläche stattfindet. Die Höhe der tiefen Bindegewebsschicht ist jetzt zu 110—220 wu redueirt. Man kann schon in diesem Stadium der Schwangerschaft wahrnehmen, wie die oberflächliche Drüsenschicht (von 770 u Höhe) in zwei Lagen zerfällt, welche sowohl dem mikroskopischen Aussehen nach, als auch gegenüber der Ernährung des Foetus, grosse Ungleichheiten darbieten. Die tiefere Lage wird durch die oben genannten, eystös erweiterten Drüsenräume, welche von einer einfachen Schicht Cylinderepithel bekleidet sind, gebildet, die oberflächliche Lage wird ebenfalls von, in Wucherung be- griffenen, Drüsen zusammengesetzt. Doch sind dieselben nicht so hochgradig erweitert, sondern haben ihre langgestreckte Form beibehalten und sind durch schmale Bindegewebssepten von einander geschieden. In diese oberflächliche Drüsenschicht wachsen nun die Cho- rionzotten hinein (Fig. 10). Das bindegewebige Gerüste der Zotten ist noch sehr spär- lich entwickelt, besteht aus einem zarten Gallertgewebe und hat sich in den Präparaten, wahrscheinlich durch den Einfluss der Härtungsflüssigkeit und des Xylols, vom fötalen Epithel zurück- gezogen (dieses ist in Vereinigung mit dem mütterlichen Bindege- webe geblieben); es erscheint bloss wie feine, vom Chorion selbst herabhängende Zapfen. Die Chorionzotten dringen, wie bemerkt, zuerst nieht in die Uterindrüsen, sondern in das Bindegewebe hinein, welches sieh unter dem ver- schwundenen mütterlichen Epithel befindet. Es könnte mitunter scheinen, als ob die Zotten in die Drüsen Ueber die Entwickelung und Structur der Placenta beim Hunde. 429 hinein wüchsen, denn man sieht oft Drüsenzellen an das Chorion- epithel angrenzen, aber niemals erstreckt sich eine Zotte zu Anfang in ein Drüsenlumen hinein, immer findet sich Bindegewebe oder Drüsenepithel zwischen dem Zottenepithel und dem Drüsen- lumen. Unmittelbar unter dem Epithel der Zotten giebt es gewöhn- lich kleinzellig infiltrirtes Bindegewebe in sparsamer Menge. Die zunächst den Zotten befindlichen Drüsenzellen sind entweder von den Zottenepithelien dureh Bindegewebe geschieden, oder die Drüsenzellen, welche nach Zerstörung oder Verdrängung des Bindegewebes durch die Zotten unmittelbar an das Zottenepithel grenzen, sind mit grossen Kernen versehen, bedeutend grösser als die der tiefer in den Drüsen befindlichen Epithelzellen, wie aus Fig. 8 hervorgeht. Das Bindegewebe zwischen den Drüsen ist nur sparsam entwickelt, denn die Drüsenepithelien sind in dem Grade in Wucherung begriffen, dass nur ganz schmale Balken mit Räumlichkeiten für ein Capillargefäss zwischen ihnen Platz be- halten. Im Anfang, wann die Chorionzotten noch nicht tiefer in die oberflächliche Lage gedrungen sind, kann man.noch deutlich die zwei Schichten der letzteren unterscheiden, die oberflächliche, mit den in vertikaler Richtung verlaufenden, etwas erweiterten Drüsen und die tiefen, eystös erweiterten Drüsenräume. Hier findet man jetzt noch nicht die Zone von in Zerfall befindlichen Drüsenzellen, welche später dem Vorwachsen der Zotten sich anschliesst. Doch erleiden jetzt schon die Zellen im obersten Theil der vertikalen und in den im Querschnitt sich präsentirenden oberflächlichen Drüsen Ver- änderungen derart, dass sie, und besonders die Kerne, an Umfang zunehmen, so dass sie die Grösse der von dem fötalen Epithel entfernter gelegenen Drüsenzellen weit übertreffen. Die Vermuthung liegt nicht weit von der Hand, dass diese vergrösserten Drüsenzellen in irgend einer Beziehung zur Ernährung der fötalen Zellen stehen, denn wir werden weiter unten sehen, wie die Drüsenzellen eine grosse Rolle für die frühzeitige Ernährung des Fötus spielen. Unter dem Embryo in dem Raum A (Fig. 2), da, wo Zotten sich nicht entwickelt haben, wird nunmehr die Uterusschleimhaut ebenfalls vom fötalen Eetoderm bekleidet, welches, aus einer Lage eubischer Zellen bestehend, über die ihres Oberflächenepithels beraubte Schleimhaut gleichförmig ausgebreitet liegt; gleich unter dem Eetoderm liegt eine schmale Zone einer feingranulirten Substanz, darunter die 430 G. Heinricius: Schleimhaut selbst, so verändert, dass eine dünne Bindegewebslage die Drüsen bedeckt, welche auch hier, zunächst der Oberfläche, - vergrösserte Kerne besitzen und etwas dilatirt sind. Die Aus- führungsgänge sind nach der Oberfläche hin von der dünnen Bindegewebslage bedeckt. Die tiefe Drüsenschicht uud die binde- gewebige Schicht sind von derselben Beschaffenheit wie im vorigen Stadium. Die Chorionzotten bestehen aus Gallertgewebe und Epithel- zellen, welche runde Kerne und, relativ zu ihrer Grösse, wenig Protoplasma besitzen. Das Zottenepithel ist so innig mit dem müt- terlichen Gewebe vereint, dass man in den Präparaten eine gewisse Schwierigkeit findet zu entscheiden, was fötal und was mütterlich ist. Während das Gallertgewebe in den Härtungsflüssigkeiten schrumpft, bleibt das Epithel fest mit dem mütterlichen Gewebe vereint. Im Chorion selbst sieht man mit Kernen versehene fötale Blutkörper; theils zerstreut, theils zusammengehäuft, besonders an den Stellen, von denen eine Zotte ausgeht. Das nächste Stadium der Entwickelung der Placenta wird aus Präparaten von 1,5 cm langen Embryonen ersehen. Auch hier finden wir die drei Lagen; die tiefe Drüsenschicht und die binde- sewebige Schicht sind unverändert; die oberflächliche Drüsen- schicht nach aussen zusammengesetzt aus den eystisch erweiterten Drüsenräumen mit ganz dünnen Zwischenwänden; nach innen be- stehend aus dicht aneinander gedrängten, gleichfalls, jedoch in gerin- gerem Grade, erweiterten Drüsen. Also auch hier sind noch die zwei Lagen der oberflächlichen Drüsenschicht: die Schicht der erweiterten Drüsen und die Schicht der zerfallenden Drüsen, vor- handen. In diese letztgenannte Lage sind nun die Chorionzotten tiefer eingedrungen; und je nachdem sie eindringen, sieht man die Schleimhaut, gleich unter und zwischen ihnen, eingreifende Veränderungen erleiden. Es scheint, als ob erst die den Zotten am nächsten gelegenen Drüsenzellen einem Zerfalle unterliegen und zu Ernährungsmaterial dienen und erst wann diese verbraucht und die Zotten tiefer gedrungen sind, beginnen die eigenthümlichen Erscheinungen in den Zellen der tiefer gelegenen, eystisch erwei- terten Drüsenräume, von denen bald die Rede sein wird. Darum sieht man auch die Zellen in diesen Räumen noch nicht so weit reichende Veränderungen wie später eingehen, sondern sie sind Ueber die Entwickelung und Structur der Placenta beim Hunde. 431 noch von gleichförmigem Aussehen, eylindrisch mit relativ kleinem Kerne; doch sind die Drüsenräume mit einer feinkörnigen — wahrscheinlich von den Zellen produeirten — Masse gefüllt. Zunächst den Zotten, auf deren Seiten, von der Grundfläche beginnend und sich ein wenig herunter erstreckend, sieht man ein Gewebe, welches aus einem stark färbbaren Syneytium, in welchem grosse, stärker gefärbte Kerne eingelagert sind, besteht; in diesem Syneytium bemerkt man Längs- und Querschnitte von Gefässen !). Die Enden der Zotten tauchen in eine Zone, wo ein Zerfall der Drüsen sich manifestirt, hinunter; man sieht die Drüsenzellen nicht mehr geschlossen zusammenliegen, zerfallen, und auch freie Kerne. Etwas tiefer sind die Drüsenlumina gut erhalten und noch tiefer findet man die dilatirten Drüsenräume. Deutlicher wird das Verhalten der Uterin-Schleimhaut dem Embryo gegenüber theils als Grundlage für die Entwickelung der Placenta, theils als Nährmaterial für den Fötus in den Präparaten von 2cm langen Embryonen. Hier sieht man fortwährend die tiefe Drüsenschicht und die bindegewebige Schicht ziemlich unverändert, die Schicht der eystösen Drüsenräume ist mächtig entwickelt, aber die Schicht der geraden, oberflächlichen Drüsen ist jetzt zur Placenta im engeren Sinne umgewandelt. Die Zotten dringen bis zur Nähe der eystös erweiterten Drüsen vor; von diesen durch die vorher genannte Zone der zerfallenden Drüsen geschieden, welche hier breiter ist und worin verschiedene Elemente eingehen. Im Uebrigen finden sich dieselben Verhältnisse, wie so eben geschildert. Unterhalb der Zotten beginnt eine Schicht in Zerfall befind- lichen Gewebes; diese Schicht besteht theils aus den Bestand- theilen des zerfallenden Drüsen-Gewebes, theils aus den Produkten der Secretion der Drüsenzellen in den eystisch erweiterten Drüsen. Man bemerkt in dieser Schicht stark gefärbte Kerne verschiedener Form und Grösse, runde, längliche, geschrumpfte, weiter fein- körnigen Detritus, Riesenzellen mit schwach gefärbten Kernen. Eine Struktur ist in ‚dieser Schicht nicht wahrzunehmen, deren erwähnte Bestandtheile liegen ohne besondere Ordnung durch- 1) Die Bildung eines solchen Syneytium wird auch besonders von E. van Beneden |]. ec, Frommel Il. ec. und Laulani& (Compt. rend. T. C. 1885, pag. 651) betont. 432 G. Heinricius: einander; ein wenig tiefer beginnen die cystisch erweiterten Drüsenräume; auf der Grenze gegen diese sind die Gefässe der - Zwischenwände recht stark entwickelt. Wenn man an verschiedenen Präparaten das schrittweise Eindringen der Zotten in den Theil der oberflächlichen Drüsen- schieht, den ich die Schicht der zerfallenen Drüsen genannt habe, verfolgt, so sieht man, je nach dem Eindringen der Zotten, die Drüsen dem oben beschriebenen Zerfall unterliegen, bis das Ende der Zotten die cystisch erweiterten Räume im unteren Theil der oberflächlichen Drüsenschieht erreicht. Hier nimmt der Zerfall der Drüsen ein Ende, die cystisch erweiterten Drüsen werden nicht durch die Zotten vernichtet, sondern haben eine andere, später zu erwähnende Function zu erfüllen. In gleicher Weise entwickelt sich, je nachdem der Zerfall des ursprünglichen unter den Zotten befindlichen Drüsengewebes fortschreitet, von oben nach unten ein Syneytium, welches schliess- lich, nachdem die Zotten die erweiterten Drüsenräume erreicht haben, die Zotten ihrer gangen Länge nach verbindet. Fig. 10 giebt ein Bild von der Veränderung der Schleimhaut beim Ein- wachsen der Zotten. Schon in einem Fruchtsack, dessen Embryo nur eine Länge von 1!/,cm hat, sieht man um beide Pole herum ein Paar schmale, dunkler gefärbte Zonen, welche später stärker entwickelt der Hundeplacenta ein so eigenthümliches Aussehen geben. Dieses sind gefässartige Blutanhäufungen rings um die Placenta, die soge- nannten Sinus laterales. In späteren Stadien der Schwangerschaft sind diese Sinus la- terales mächtig entwickelt, mit Blut und einem grünen Farbstoff gefüllt. Bei mikroskopischer Untersuchung des Inhaltes findet man darin rothe und weisse Blutkörperchen, Fibrinfasern, Blut- krystalle, bräunlichen feinkörnigen Detritus und einen grünen Farbstoff aus ungleichförmigen Körnern bestehend. Als Grenze der Placenta nach aussen ist dieser Sinus lateralis nach oben und aussen mit Chorion bekleidet, wie aus Fig. 11 ersichtlich ist. Das Chorion liegt dieser Blutanhäufung nicht vollkommen glatt an, sondern senkt sich mit zottenartigen Vorsprüngen in dieselbe hinein. Eine Endothelauskleidung des Sinus lateralis habe ich nicht gesehen und scheint es, als ob das Blut sich frei in das Ge- Ueber die Entwickelung und Structur der Placenta beim Hunde. 433 webe des Placentarrandes ergossen hätte!). Das Chorionepithel kommt auf diese Weise unmittelbar über die Blutanhäufung zu liegen und wird vom mütterlichen Blute bespült. Nun wird das Chorionepithel einer wirklichen Veränderung unterworfen an den Stellen, wo es den Inhalt dieses Sinus lateralis berührt. Die Epi- thelzellen werden bedeutend grösser und länglich, erhalten einen vergrössertern Kern. Sie sind von dem Epithel, welches die Mehr- zahl der Zotten bekleidet, die in die eigentliche Schleimhaut ein- dringen, ganz verschieden. Gleichzeitig sieht man bei Benutzung starker Linsensysteme, wie diese Chorionepithelzellen, welche vom Blute des Sinus lateralis umspült werden, rothe Blutkörper ent- halten; sie haben die geformten Bestandtheile des Blutes in sich aufgenommen. Man sieht nämlich in diesen Zellen, sowohl in den quer wie längsgetroffenen, das Protoplasma eine Menge runder, bräunlicher Bildungen enthalten, die ihrer Grösse, Form und Farbe nach vollständig mit den die Zellen umgebenden Blutkörpern über- einstimmen. Ausser diesen Blutkörpern bemerkt man auch in den Zellen kleine feine Körnchen, dem feinkörnigen Detritus gleich, den man ebenfalls im Sinus lateralis in der Nähe des Chorion- epithels beobachtet, und welche wahrscheinlich zerfallene rothe Blutkörper sind. In dem der Länge nach getroffenen Chorionepi- thel sind die rothen Blutkörperchen in dem peripheren, gegen das Blut gerichteten Theil der Zellen vorhanden, gegen die Basis der Zellen zu werden sie seltener. Die Zellkerne werden stets deut- lich mit Hämatoxylin tingirt, ebenso die im Gallertgewebe der Zotten befindlichen Kerne. Dass die im Epithel gefundenen rothen Blutkörperchen sich auch wirklich in den Zellen befinden und nicht diesen aufgelagert sind, wird aus folgendem ersichtlich: in grösster Anzahl befinden sie sich an dem peripherischen Theil der Zellen, nie sieht man sie in den basalen Theilen und stets sind sie am deutlichsten bei der Einstellung, die auch die Zellen am besten zeigt (Fig. 12). Auf Grund dieser angeführten Beobachtung muss ich an- nehmen, dass das Chorionepithel dort, wo es den Sinus 1) Lieberkühn (Der grüne Saum der Hundeplacenta. Nach dem Tode des Verfassers aus dessen Nachlass herausg. von H. Strahl, Arch. f. Anat. und Physiol. 1889 Anat. Abth.) fasst den Vorgang mit Bestimmtheit auch so auf. Ich konnte diese Mittheilung erst bei der Correctur dieser Bogen benutzen, 434 G. Heinricius: lateralis bekleidet, dieEigenschafterhält, in sich rothe Blutkörperehen aufnehmen zu können, und diese wahr- - scheinlich so zu verändern, dass sie weiterhin als Nahrung dienen können!). Ob sie vom Chorionepithel weiter gebracht werden und in welcher Form dieses geschieht, ist nicht zu entscheiden; aber der Befund, dass das Chorionepithel hier eine ganz andere Form hat und mit rothen Blutkörpern gefüllt ist, spricht zu Gunsten der Annahme, dass das Epithel hier einen be- sonderen Zweck habe, und da man die active Rolle der foetalen Zellen kennt, so stellt sich diese Annahme als gar nicht so un- wahrscheinlich dar. In diesem Stadium, wann der Embryo etwa 2cm lang ist, nimmt das Epithel nicht nur ausschliesslich in dem Theil des Chorion, der den Sinus lateralis bekleidet, das genannte Aussehen an; man findet auch hier und da in der Schicht des zerfallenden Gewebes das Ende der Zotten mit derartigem Epithel bekleidet, welches dem übrigen Chorionepithel gänzlich unähnlich ist (Fig. 13). Ziemlich früh (bei 2em langen Embryonen) beginnt in den eystisch erweiterten Drüsenräumen eine lebhafte Thätigkeit, welche von den sie bekleidenden Cylinderzellen ausgeht. Die Zellen ver- längern sich, das Protoplasma entsendet Ausläufer, welche sich mehr und mehr verlängern und schliesslich nur noch durch einen schmalen Stiel mit der Zelle im Zusammenhang stehen; dieser Stiel reisst ab und das runde Protoplasmaklümpcehen liegt frei in dem Drüsenraum. Diese Thätigkeit der Drüsenzellen geht in allen Theilen der erweiterten Drüsenräume vor sich; die abgeschnürten Protoplasmaklümpchen gelangen nach oben (innen) und werden wahrscheinlich von den Zotten absorbirt, sie dienen also ebenfalls dem Embryo als Nahrung. Wann der Embryo die Grösse von 3cm erreicht hat, sind die Zotten tiefer eingedrungen und erstrecken sich nunmehr bis in die eystisch erweiterten Drüsenräume. Das den Zotten benachbarte Epithel der erweiterten Drüsen ist jetzt verschwunden, wahrscheinlich zerfallen. Die äussere Lage der oberflächlichen Drüsenschicht ist jetzt in ihrer ganzen Breite in 1) Ich bestätige hiermit eine weitere Angabe Lieberkühn’s, indem ich wohl hervorheben darf, dass ich ganz unabhängig zu meinen Befunden gekommen war. ® Ueber die Entwiekelung und Structur der Placenta beim Hunde. 435 die Placenta, im engeren Begriff des Wortes, umgewandelt; in ihrer ganzen Breite ist sie jetzt von Zotten mit spärlichem Syneytium durchsetzt. Eigenthümlich ist hier wie in der ganzen Placentar- entwicklung, dass die mütterlichen Gefässe ziemlich wenig ausge- bildet sind und keine Rolle bei dem eigentlichen Aufbau der Pla- centa zu spielen scheinen. Die Seiten der Zotten sind von einem kleinzelligen Epithel bekleidet, aber ihr Ende, welches sich in die eystisch erweiterten Räume hinein erstreekt ist, wie bereits bemerkt, mit einem ganz anderen Epithel versehen. Dieses ähnelt dem, welches man in dem Theil des Chorion findet, der den Sinus lateralis und, zu- weilen auch die Enden der Zotten bekleidet, während diese sich noch in der Schicht des zerfallenden Gewebes befinden und noch nicht in die erweiterten Drüsenräume eingedrungen sind. Man sieht, wie die Zotten beim ersten Eintreten in die erweiterten Drüsenräume ihr Epithel verändern (Fig. 14). Die Zellen sind grösser, mit schwach tingirten Kernen und unbedeutend gefärbtem Protoplasma, länglich und in Wucherung, so dass sie eine mehr- fache Schicht bilden; die dem Gallertgewebe der Zotte am nächsten liegenden haben bisweilen ihre ursprüngliche Form bewahrt, sonst haben sie sich, wie angegeben, verändert. Hier stösst man auf die Frage, warum verändert sich das Zottenepithel, so wie es die eystisch erweiterten Drüsenräume erreicht, in derselben Weise, wie die den Sinus lateralis auskleidenden Zellen? So lange die Schicht der zerfallenen Drüsen noch nicht in ihrer ganzen Länge von den Zotten durehdrungen ist, besteht das Epithel und verwendet wahr- scheinlich die zerfallenen Gewebsprodukte. Nachdem alle diese absorbirt worden sind, müssen die Zotten sich ihre Nahrung anderswo suchen; die Zellenprodukte der eystisch erweiterten Drüsen dienen nunmehr wahrscheinlich dem Foetus als Nahrung durch Vermittelung der Zotten, und um diese aufnehmen zu können, nimmt das Epithel wohl diese veränderte Form an, die es mehr fähig macht seinen Zweck zu erfüllen. Man findet auch um die grossen Epithelzellen in den eystisch erweiterten Drüsenräumen Anhäufungen amorpher und feinkörniger Massen, welche wahr- scheinlich von den Drüsenzellen herrühren. Die hauptsächliche Ernährung des Foetus scheint somit theils durch die zerfallenden Epithelzellen der Drüsen, theils durch die Produkte der erweiterten Drüsen stattzufinden. Ausserdem be- Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 33. 28 436 G. Heinricius: theiligt sich das Blut des Sinus lateralis daran. Wenn man von einer Uterinmilch sprechen will, so könnten passend die vorhin geschilderten Secretprodukte der erweiterten Drüsen damit be- zeichnet werden. Meine Untersuchungen stimmen hier in wesent- lichen Punkten mit den Ergebnissen Tafani’s überein. Bei hochsehwangeren Thieren ist die Structur der Placenta ziemlich dieselbe wie in Fruchtsäcken von 3 bis Sem langen Em- bryonen. Bezüglich der Angaben Anderer, von denen Einiges bereits vorhin erwähnt wurde, will ich hier nur noch etwas näher auf die schöne Arbeit Fleisechmanns eingehen. Ich hatte meine Untersuchungen eben begonnen, als Fleisehmanns vorläu- fige Mittheilung erschien. Ich glaubte jedoch meine Arbeiten fortsetzen zu sollen, da Fleischmann vorwiegend Fuchs und Katze als Objecte benützte, während ich die Hundeplacenta ge- wählt hatte. Als ich meine erste Mittheilung in den Sitzungsbe- richten der Kgl. Preussischen Akademie der Wissenschaften er- scheinen liess, stand mir nur der genannte vorläufige Bericht zu Gebote; erst für die hier vorliegende Publication konnte ich das grössere Werk Fleischmanns einsehen. Ich freue mich consta- tiren zu können, dass wir in vielen Punkten zu übereinstimmenden Resultaten gelangt sind. So in Bezug auf die Wucherungsvorgänge an den Uterindrüsen, bei denen Fleischmann |. e. S. 61 auch Seitensprossen beschreibt; dann betreffis des Unterganges des mütterlichen Epithels. Hier freilich macht Fleischmann einen Vorbehalt. Er fand nämlich dieses Zugrundegehen des Epithels nur beim Fuchse, nicht bei der Katze (l. ec. S. 62 und 63). Da er nun aber die Tragsäcke der Füchsinnen nicht völlig frisch erhalten konnte, sondern auf das angewiesen war, was die Jäger brachten, so hält er es für möglich, dass auch beim Fuchse in Wahrheit die Sache sich wie bei der Katze verhalte. Es ist nun sicherlich für diese wichtige Frage nicht ohne Interesse, dass ich beim Hunde ebenfalls den Untergang des Uterinepithels, überall da, wo es mit foetalem Ectoderm, speciell mit den Zotten, in Be- rührung kommt, feststellen konnte und zwar an einwandfreien Präparaten. Weiterhin beschreibt Fleischmann die cystischen Erweiterungen der Drüsen, ferner die Veränderungen des Binde- gewebes und das Syneytium, letzteres wenigstens in der vorläufigen Mittheilung. Bezüglich des Bindegewebes lässt er dessen Fasern Ueber die Entwickelung und Structur der Placenta beim Hunde. 437 verschwinden, und die Zellen zu grossen Protoplasmakörpern her- anwachsen, während ich über ein Verschwinden von Fasern nichts Näheres aussagen kann und das Gewebe wesentlich als ein ana- stomosirendes Zellennetz auffassen möchte. In einem wesentlichen Punkte muss ich, wie schon hervor- gehoben wurde, von Fleischmann abweichen: in Bezug auf das Einwachsen der foetalen Zotten in die Uterindrüsen. Ich habe gerade für diesen Punkt nach dem Bekanntwerden der vorläufigen Mittheilung meine Präparate besonders genau geprüft und muss als das Ergebniss hinstellen, dass in den ersten Stadien die Zotten nicht in die Uterindrüsen hineinwachsen, wenigstens nicht als Regel. Später, wenn die Zotten bis zu den eystisch erweiterten Drüsenräumen vorgedrungen sind, befinde ich mich wieder in voller Uebereinstimmung mit Fleischmann. Auf die Drüsenseeretion und das Verhalten der Zotten zu den Sinus laterales, auf welches ich besonders mein Augenmerk richtete, ist Fleischmann in seinem vorliegenden Werke nicht eingegangen; doch dürfen wir darüber wohl weitere Mittheilungen von ihm erwarten. Herrn Prof. Waldeyer, der meine Präparate durchgesehen und beurtheilt hat, spreche ich meinen besten Dank aus. 438 G. Heinricius: Erklärung der Abbildungen auf Tafel XXV und XXVI. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. = Querschnitt. des normalen, nicht schwangeren Uterus eines Hundes. a Lumen Uteri, b Mucosa mit Drüsen, ce Muscularis. Seibert 0bj’ 1; '0e. IL, Querschnitt der Embryonalanlage und Uterinwand im Anfang der Schwangerschaft. a Museularis, b die tiefe Drüsenschicht, ce die bindegewebige Schicht, d die oberflächliche Drüsenschicht, e Ver- bindungen zwischen den inneren und äusseren Drüsenabschnitten. letztere mit Erweiterungen, F Fötus, A Raum, in welchen sich später das Amnion hinein entwickelt, ent = Entoderm, mes = Mesoderm, ect = Ectoderm. Seibert Obj. 1, Oc. II. Theile der Drüsen in der tiefen Drisenschicht. Structur der bindegewebigen Schicht. Fig. 3 u. 4 entsprechen dem in Fig. 2 dargestellten Stadium. Zeiss hom. I. Yys, Oe. 5. Theil der oberflächlichen Drüsenschicht (Placentarentwicklung ent- sprechend Fig. 2). Nach oben rechts sieht man das Flächenepithel, unter diesem eine Schicht Bindegewebe; ferner durch ganz dünne bindegewebige Septen getrennte Drüsen im Länge- und Querschnitt. Zeiss hom. I. 1/ Oec. 5. Die Oberfläche der Uterinschleimhaut nebst anliegendem Ectoderm (ect). (Placentarentwickelung entsprechend Fig. 2.) D Drüsen- mündung. Seibert hom. I. 1/,., Oe. 0. Querschnitt der Embryonalanlage und Uteruswand von einem vor- gerückteren Stadium. a Muscularis, b die tiefe Drüsenschicht, ce die bindegewebige Schicht, d die Schicht der erweiterten Drüsen; e die Schicht der zerfallenden Drüsen, f Chorion mit beginnender Ent- wiekelung der Zotten. Verick Obj. 2, Oe. 1. Das Eindringen der Chorionzotten in die Uterinschleimhaut. Schicht der zerfallenden Uterindrüsen. a Zwischenwände der cystisch er- weiterten Drüsenräume, bb Drüse mit gewöhnlichem Epithel, ee ce Querschnitte von Drüsen mit vergrössertem Epithel, d Bindegewebe unmittelbar unter dem Zottenepithel, e Zottenepithel, &g zarte bindegewebige Axe der Zotten, vom Chorion ausgehend und vom Epithel zurückgewichen. Ve&rick Obj. 7, Oc. I. Querschnitt der Uteruswand. Embryo 2cm lang. a Muscularis, b die tiefe Drüsenschicht, e die bindegewebige Schicht, d die Schicht der erweiterten Drüsen, e die Zone der zerfallenden Ge- webselemente, in welche die Zotten hereinragen, f die Zotten und Syneytium, g Chorion. Verick Obj. 2, Oe. I. Fig. Fig. Ueber die Entwickelung und Structur der Placenta beim Hunde. 439 10. 11. . 18. 14. „19. Das weitere Hineinwachsen der Chorionzotten. Man sieht drei von einander durch Syneytium mit Gefässen getrennte Zotten zz 2; unter- halb dieser eine Zone von in Zerfall befindlichen Gewebselementen. Ganz nach unten fangen die cystisch erweiterten Drüsenräume an. Der Abbildung entspricht e, f, g und ein kleiner Theil von d in Fig. 9. Seibert hom. I. 1/jo, Oe. 0. Randplacenta. Embryo 2cm lang. a Muscularis, b die tiefe Drü- senschicht, e die bindegewebige Schicht, d die Schicht der erwei- terten Drüsen, e die Zone der zerfallenden Gewebselemente, in welche die Zotten hineinragen, f Zotten und Syncytium, g Chorion, h Sinus lateralis, i zur Placenta nicht umgewandelte Uteruswand. Verick Obj. 2, Oc. I. . Chorionepithel vom Blute der Sinus laterales umspült. In den Zellen sieht man Blutkörperchen. Embryo 2 cm. Seibert hom. I. !/js, Oc. IH. Ende einer Zotte (z) im Querschnitt; die niedrigen Epithelzellen gehen in grössere ovale Zellen über bei a. Embryo 2cm. Verick Ob Die Zotten (z) sind bis in die erweiterten Drüsenräume (d) eingedrungen. In der Mitte sieht man eine Zwischenwand (w) mit secernirenden Drüsenzellen. Das Chorionepithel nimmt eine andere Form an, so- bald es sich frei in die Drüsenräume erstreckt. Embryo 8 cm lang. Seibert Obj. 5, Oc. II. Zellen der erweiterten Drüsenräume in Thätigkeit Uterinmilch zu bilden, begriffen. Zeiss hom. I. !/ja, Oc. 5. 440 A. S. Dogiel: Eine neue Imprägnationsmethode der Gewebe mittelst Methylenblau. Von A. S. Dogiel, Professor der Histologie an der Universität zu Tomsk. Hierzu Tafel XXVI. Recklinghausen und His führten bekanntlich zuerst in die histologische Technik die Imprägnationsmethode der Gewebe mittelst Silbernitrat ein und dank dieser Methode ward die Mög- lichkeit gegeben, erstens: die, zwischen den Zellen verschiedenster . Art: Endothel-, Epithel-, Muskelzellen ete., gelegene Kittsubstanz zu tingiren, zweitens sich mit der Form, Vertheilung ete. der Spalten und Zwischenräume (die Saftkanäle), die in der Grund- substanz der Bindegewebsgebilde eingelagert sind, bekannt zu machen und ihr Verhältniss zu den Blut- und Lymphgefässen auf- zuklären. Seit der Reeklinghausen’schen Entdeckung sind nun viele neue Imprägnationsmethoden veröffentlicht worden (mit Eisenoxy- dulsalzen und darauf folgender Einwirkung von rothem Blutlaugen- salz; mit Lösungen von fetten Oelen nach Altmann, durch Ein- stich-Injeetion von Alkannin-Terpentin nach Waldeyer oder von Asphaltchloroformlösung nach Gutmann; durch Injection ins Blut von Indigocarmin, Tuscheemulsion ete. etc.), die alle die Identität der durch Versilberung erhaltenen Bilder mit denjenigen bestätigten, welche durch Hülfe der anderen Untersuchungsmethoden gewonnen werden. In vorliegender Notiz will ich eine neue Imprägnationsme- thode der Gewebe mittelst Methylenblau beschreiben, welche in vielen Fällen die Imprägnation mit Silbersalzen vollständig er- setzen kann. Wenn frische Gewebe verschiedener Art auf etliche Minuten in eine kräftige Lösung von Methylenblau eingesenkt und darauf in eine Lösung von pikrinsaurem Ammoniak übergeführt werden, so beobachtet man, dass das Methylenblau, indem es mit dem pi- Eine neue Imprägnationsmethode der Gewebe mittelst Methylenblau. 441 krinsauren Ammoniak einen Niederschlag gibt, sich vornemlich in den Zellenzwischenräumen (der Kittsubstanz) oder aber in der Grundsubstanz des Bindegewebes ablagert. Gewöhnlich werden hierbei die Grenzen zwischen den Endo- thel-, Muskel- und anderen Zellen in Form von scharf gezeichneten dunkel-violetten, fast schwarzen Linien ersichtlich, wobei nicht selten übrigens auch der Zellkern selbst blass-violett gefärbt wird. Der Körper der Zellen bleibt meistentheils farblos und nimmt nur in den Fällen eine äusserst schwache Färbung an, wenn das Gewebe im Verlaufe eines sehr langen Zeitraumes in der Lösung des Farb- stoffes gelegen hat. Die Grundsubstanz des Bindegewebes nimmt in den mit Me- thylenblau imprägnirten Präparaten, ähnlich der Kittsubstanz, eine mehr oder weniger dunkel-violette Farbe an, wobei die Saftka- näle, die Lymph- und Blutgefässe, ebenso die Nervenstämmchen ungefärbt verbleiben und deutlich in Gestalt von scharf begrenzten weissen Figuren hervortreten; ausserdem tritt auf den Lymph- und Blutgefässen, ebenso auch auf den Nervenstämmchen die Zeichnung der Endothelzellen hervor. Auf diese Weise erhält man also beim Imprägniren der Ge- webe mit Methylenblau ein negatives Bild der Saftkanäle, der Blutgefässe etc. Bei der eben beschriebenen Bearbeitungsmethode der Gewebe färben sich fast beständig die Kerne derjenigen flachen Zellen schwach violett, die aller Wahrscheinlichkeit nach die Wandungen der Saftkanäle auskleiden. Die Kerne erscheinen in Gestalt ziem- lich grosser Körper von runder oder ovaler Form mit einem oder mehreren Kernchen und zeichnen sich deutlich auf dem weissen Grunde der Saftkanäle ab (Fig. Ila b). Ueberhaupt geben die mit Methylenblau imprägnirten Gewebe reine und deutliche Präparate, die den mit Silbersalzen bearbeite- ten fast gar nichts nachgeben, ausgenommen, natürlich, den Ton der Färbung selbst. Der Imprägnation mit Methylenblau können zu diesem oder jenem Zwecke dünne Bindegewebe-Häutechen und seröse Hüllen unterworfen werden und zwar: Das Diaphragma (centr. tendineum) kleiner Thiere, das Mesenterium und die Nierenkapsel (von Mäusen, Ratten, Kaninchen ete.), die Testikelhäute, das Omentum und das Parietalblatt des Pericardiums (von Mäusen, Ratten, Kanin- 442 A. 8. Dogiel: chen, Katzen), die Hornhaut (von Fröschen, Mäusen, Ratten), die Iris von weissen Mäussen und Ratten, die Hülle der Sehnenbündel (tendilemma) aus dem Schwanze von Ratten, die Hautlamellen der “Ohrmuscheln (von weissen Mäusen und Ratten) ete. ete. Die Methode der Imprägnation besteht in Folgendem: man nimmt eine 4 °/, Lösung von Methylenblau in einer physiologischen Kochsalzlösung, darauf schneidet man aus den frisch getödteten Thieren dieses oder jenes der obengenannten Häutchen und bringt dieselbe in die Methylenblaulösung auf 10—20—30 Minuten, je nachdem man nur die Grenzen zwischen den Zellen des Endothels zu bezeichnen wünscht oder aber ein Negativbild der Saftkanäle und Gefässe zu erhalten beabsichtigt. Im ersteren Falle ist es ge- nügend, das Gewebe nur einige Minuten in der Lösung zu belassen, im zweiten ist es besser, vorher das Endothel von der Oberfläche der serösen Hülle zu entfernen und in der Methylenblaulösung eine längere Zeit hindurch, 15—30 Minuten lang liegen zu lassen, da- mit der Farbstoff die Grundsubstanz des zu untersuchenden Gewebes durchtränken kann. Nach Verlauf der angegebenen Zeit nimmt man das Präparat aus der Färbeflüssigkeit und führt es in eine gesättigte Lösung von pikrinsaurem Ammoniak über, in welcher es sorgfältig ausgewaschen, auf !/, Stunde oder länger liegen ge- lassen wird, darauf noch einmal in einer frischen Lösung von Pi- krinammonium ausgewaschen und auf das Objectivglas in mit Wasser verdünntes Glycerin gebracht wird. In den Fällen, in welchen man das Präparat auf lange Zeit aufbewahren will, ist es rathsamer, dasselbe in mit pikrinsaurem Ammoniak gesättigtes Glycerin einzutragen. Gewöhnlich nimmt das Präparat in der Methylenblaulösung anfänglich eine durchgehend dunkelblaue Färbung an, doch wird in dem pikrinsauren Ammoniak die, der Oberfläche des Präparats anhaftende, überflüssige Farbschicht abgewaschen ;; derjenige Theil der Farbe aber, welcher die die Zellen zusammenkittende Sub- stanz oder die Grundsubstanz des gegebenen Gewebes durchtränkt hat, setzt sich in Form eines feinkörnigen violetten Niederschlages ab. Im Falle man die Grenzen der Endothelzellen bezeichnen will, ist es am besten, wie ich bereits oben bemerkt habe, das Präparat in der Methylenblau- und pikrinsauren Ammoniaklösung kurze Zeit hindurch zu halten, da durch die Einwirkung des pikrin- sauren Ammoniaks das Gewebe bedeutend aufquillt, durchschei- Eine neue Imprägnationsmethode der Gewebe mittelst Methylenblau. 443 nend wird und das Endothel sich leicht aus der von demselben ausgekleideten Oberfläche herausschälen lässt. Dagegen, zum Be- zeichnen der Grenzen der Safteanäle, Lymphgefässe ete. ist es rathsamer das Endothel vorher abzunehmen, damit der Farbstoff leichter das Gewebe durchdringen kann. Das Epithel von der Hornhaut oder das Endothel von der Oberfläche irgend einer serösen Hülle zu entfernen, ist nach vorhergegangener Tinction des Präpa- rates in der Pikrinammoniaklösung selbst durchaus nicht schwierig. Die Grenzen der die Oberfläche des Diaphragmas und des Mesenteriums bedeekenden Endothelzellen zeichnen sich nach der Bearbeitung der ersteren nach oben beschriebenen Methode in Gestalt von dunkelvioletten Linien (Fig. I) ab, wobei durch die Wirkung des pikrinsauren Ammoniaks die Präparate so durch- sichtig werden, dass, wenn nur unbedeutend die Focusentfernung im Mikroskope verändert wird, man deutlich die Zeichnungen der die beiden Flächen bedeckenden Endothelzellen schauen kann. Stellenweise dringt das Methylenblau durch die Endothelhülle und tingirt die Grundsubstanz der Gewebe des Diaphragmas und des Mesenteriums, sodann sieht man unter dem Endothel das Netz der Safteanäle und der Lymphgefässe ete.; in den Safteanälen kann man sogar die schwach gefärbten Zellenkerne sehen, welche in denselben eingelagert sind (Fig. II, b). Auf den, aus dem Schwanze von Ratten genommenen und mit Methylenblau imprägnirten Sehnen ist es nicht schwierig zu beobachten, dass die etliche Primärsehnenbündel umgebende Hülle, gleich den serösen Häutchen oder den Nervenscheiden, mit Endothel- zellen von vieleckiger Gestalt bedeckt sind, deren Grenzen sehr scharf hervortreten (Fig. III). Die Imprägnation der Nierencapsel (caps. adiposa et fibrosa), der Testikelhüllen, des Herzbeutels habe ich ge- wöhnlich in folgender Art ausgeführt. Ich schnitt dieses oder jenes Organ, zusammen mit den dieselbe bedeckenden Hüllen heraus, tauchte dasselbe 10—20—30 Minuten lang in die Methyl- blaulösung und brachte sodann dasselbe in pikrinsaures Ammoniak. Nach Verlauf von 20—40 Minuten trennte ich vorsichtig die Hülle von der Oberfläche der Organe, wusch sie mehreremale sorgfältig in Pikrinammoniaklösung und schloss sie, nachdem sie in Theile geschnitten worden, in Glycerin ein. Mit Hülfe der beschriebenen Imprägnationsmethode wurden in allen obenangeführten Häutchen 444 A. 8. Dogiel: das Netzgeflecht der Safteanäle, der Lymph- und Blutgefässe er- halten, wobei die Präparate in ihrer Deutlichkeit und Genauigkeit in nichts mit Silbernitrat bearbeiteten Präparaten nachstehen (Fig. IV,a,b). Was die Imprägnation der Hautlamellen der Ohr- muschel anbelangt, so wurde dieselbe folgendermaassen ausge- führt: zuvörderst wurden die Ohrmuscheln abgeschnitten, darauf eine Hautlamelle von der anderen getrennt und nach Möglichkeit die zwischen ihnen gelegenen Knorpellamellen entfernt, worauf dann die erwähnten Lamellen nach obenangegebener Methode bear- beitet wurden. Gewöhnlich zeichnen sich in den Geweben der Hautlamellen deutlich die Nervenfasern der Blut- und Lymphge- fässe und zuletzt die Saftcanäle ab; in den letzteren kann die Gegenwart von Kernen, die den in ihnen eingelagerten Zellen zu- gehörig sind, beobachtet werden. Im Allgemeinen ist bei Anwendung dieser Imprägnations- methode es nicht schwierig sich zu überzeugen, dass in dem Ge- webe eines jeden der obenangeführten Hüllen die Saftcanäle ihre eigene, in den meisten Fällen für das gegebene Gewebe charakte- ristische, Form und Vertheilung besitzen. Ausserdem kann man die Methylenblauimprägnation zum Imprägniren des Endothels der Blutgefässe gebrauchen, indem man die letztere mit einer Lösung von Methylenblau injieirt, ähn- lich wie solches mit der Silbernitratlösung geschieht. Die Gewebe, deren Gefässe mit einer 4°/,igen Methylenblaulösung gefüllt wor- den, werden nach der Injection in die Lösung des pikrinsauren Ammoniaks gebracht, zur Fixation des Farbstoffes, darnach aber in Glycerin eingeschlossen. Auf ähnliche Weise gelang es mir ein Bild der Endothelialzellen der Blutgefässe des Mesenteriums, der Nierencapsel, der Gehirnhäute ete. zu erhalten. In den auf be- schriebene Art bereiteten Präparaten zeichneten sich nicht nur die Grenzen zwischen den Endothelzellen der Blutgefässe, sondern auch die ringförmige Schichte der Muskeln der Tunicae mediae der Arterien ab, wobei das Präparat weder an Reinheit noch Deutlichkeit der Färbung den Silberpräparaten etwas nachgab. Auf Grund des oben ausführlich Auseinandergesetzten kann ich unbedenklich das Imprägniren von Geweben mittelst Methylen- blau als eine Methode empfehlen, die in vielen Fällen das Tingiren der Gewebe durch Silbersalze ersetzen kann. Eine neue Imprägnationsmethode der Gewebe mittelst Methylenblau. 445 Das Unzureichende dieser Methode besteht bis jetzt nur noch darin, dass man dieselbe nur auf dünne Bindegewebshäute und seröse Hüllen anwenden kann; ausserdem man beim Benützen dieser Methode nicht im Stande ist die Präparate der Einwirkung. von Alkohol und successiver Bearbeitung mit Klärungssubstanzen auszusetzen. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XXVIL. Alle abgebildeten Präparate sind mit Methylenblau imprägnirt. Fig. 1. Endothelzellen, weiche die beiden freien Flächen des Mesenteriums einer weissen Ratte bedecken. System 8a Reich., Camera lucida. Fig. 2. Centrum tendineum des Diaphragmas einer weissen Ratte: a) Saft- canäle mit den Kernen b), der in denselben eingeschlossenen Zellen. Syst. 8a Reich., Camera lucida. Das Endothelium der eine Gruppe von primären Sehnenbündeln um- gebenden Fläche; Sehnen aus einem Rattenschwanze. Syst. 4 Reich,, = bi B% Camera lucida. Fig. 4. Die Nierencapsel eines Hundes (Capsula adiposa) mit Safteanälen und Netzgeflecht von (a) Lymph- und (b) Blutgefässen. Syst. 4 Reich., Camera lucida. Aus dem histologischen Institute der deutschen Universität in Prag. Das Giraldes’sche Organ, nach Untersuchungen an Kaninchen, Hunden und Katzen, Von Dr. Adalbert Czerny. Hierzu Tafel XXVIII und XXIX. Girald&s!) beschrieb zuerst beim Menschen als „Corps in- nomine“ einen vermuthlichen Rest des Wolff’schen Körpers, 1) Girald&s, Bulletin de la Soc. anat. 1857, und Recherches anatomi- ques sur le corps innomine; Journal de la Physiologie de Brown-Söquard. IV. 1861. 446 Adalbert Czerny: oberhalb des Nebenhodenkopfes, bestehend aus einer veränderlichen Anzahl gewundener, mit bläschenförmigen Erweiterungen endigen- der Kanälehen, an welchem sich kein direkter Zusammenhang mit . der Geschlechtsdrüse nachweisen lässt und der im Gegensatze zur Entwicklung der Geschlechtsdrüse schwindet. Der nicht nachweis- bare Zusammenhang mit der Geschlechtsdrüse veranlasste Giraldes, dieses Organ als mit dem Nebeneierstock gleichwerthig aufzufassen. Letzterer Anschauung trat nach Waldeyer’s Angabe Banks!) entgegen mit der Auffassung, dass die Ueberbleibsel des W olff- schen Körpers beim Weibe, wenn überhaupt vorhanden, in ein Paar rudimentären Kanälchen gesucht werden müssten, die seitlich vom Rosenmüller’schen Organ gelegen sind. Weiteres müssen die auf die Gleichstellung des Corps innomine mit dem Nebeneierstock gerichteten Angaben Kobelt’s?) hervorgehoben werden, welcher darauf hinwies, dass der Nebeneierstock dem Nebenhoden mor- phologisch gleich sei, und sich während des ganzen Lebens der Thiere und des Menschen unverändert erhalte. Henle?:) schuf für das Corps innomine, welches Kölliker zuerst „das Girald&s’sche Organ“ benannte, die beiden Namen Parepididymis und Paroophoron, und für das Rosenmüller’sche Organ (Parovarium Kobelt; Paroophoron Hennig) den Nameu Epoophoron. Waldeyer*) änderte weiter den Namen Parepidi- dymis in Paradidymis um. Das von Joh. Müller’), Banks, Dursy‘), behauptete Vor- kommen von zweierlei-differenten Kanälchen im W olff’schen Körper führte Waldeyer zu dem Schlusse, dass der Wolff’sche Körper von Anfang an aus zwei ganz differenten Anlagen bestehe, von denen er einen Urnierentheil, den anderen Sexualtheil benannte. Das Giraldes’sche Organ, welches nach demselben Autor als der Rest des Urnierentheiles anzusehen ist, wäre somit schon im 1) Banks, On the Wolffian bodies of the foetus and their remains in the adult. 1864. (Citat nach Waldeyer.) 2) Kobelt, der Nebeneierstock des Weibes. 1847. 3) Henle, Handbuch der systematischen Anatomie. 1866. 4) W. Waldeyer, Eierstock und Ei. 1870. 5) J. Müller, Bildungsgeschichte der Genitalien. 1830. 6) E. Dursy, Ueber den Bau der Urnieren des Menschen und Säuge- thiere. Zeitschr. f. ration. Medicin. Bd. 23. 1865. Das Giraldös’sche Organ, nach Untersuchungen an Kaninchen etc. 447 Wolff’schen Körper vor dessen Auflösung als ein scharf abge- sondertes Gebilde erkennbar. — Dieser Anschauung stehen jedoch die Untersuchungen von JanoSik!) entgegen, aus welchen her- vorgeht, dass die zweierlei Kanälchen als verschiedene Abschnitte der Urnierenkanälchen aufgefasst werden müssen. Für die An- schauungen JanoSik’s sprechen auch, wie später erörtert werden wird, die Befunde am Giralde&s’schen Organe. Die leicht auszuführende Trennung der isolirten Paradidymis von dem mit der Genitaldrüse in Verbindung stehenden Neben- hoden war wohl der Anlass, dass dieses Organrudiment zuerst entdeekt und vielfach mit Girald&s übereinstimmend beschrieben wurde, im Gegensatze zum Paroophoron, welches nur Waldeyer näher berücksichtigt; derselbe schreibt: „Auch beim erwachsenen Weibe findet man bei sorgfältiger Präparation im breiten Mutter- bande, medianwärts vom Nebeneierstock, oft bis unmittelbar an den Uterus heran, mehrere schmale mit epithelialen Zellen und körnigem Zelldetritus gefüllte Kanälchen, die hier und da mit ein- ander anastomosiren und unzweifelhaft die Reste des Urnierentheils vom Wolff’schen Körper darstellen“. Die anatomischen Beschreibungen von Giralde&s, Henle, Kölliker, Waldeyer betreffen alle nur die Paradidymis des Menschen. Die Beobachtungen über das Girald&s’sche Organ bei Thieren fasst Balfour?) in folgendem zusammen: „die Reptilien zeigen solche Ueberreste nicht, dagegen sollen sie so- wohl bei den männlichen als bei den weiblichen Vögeln als kleine Organe vorkommen, welche aus blindendigenden Röhrchen mit selbem Pigment bestehen. Bei manchen männlichen Säugethieren (mit Einschluss des Menschen) findet sich an der oberen Seite des Hodens eine Parepididymis. Sie ist gewöhnlich unter dem Namen des Giralde&s’schen Organs bekannt.“ Ich will im folgenden den Rückbildungsprozess des Organs von Girald&s verfolgen, da derselbe in der Litte- ratur noch keine zusammenhängende Darstellung erfahren hat. Die bestehenden Angaben in Bezug auf diesen Prozess betreffen einerseits die Zeitdauer desselben, andererseits dessen Verhältniss 1) JanoSik, histol. embryol. Untersuchungen über das Urogenitalsystem. Bd. XCI der Sitzungsber. der k. Akad. der Wissensch. III. Abth. Jahrg. 1885. 2) FrancisM. Balfour, Handbuch d. vergleichenden Embryologie. 1882 448 Adalbert Czerny: zu pathologischen Neubildungen, endlich die Pigmentirung des atrophirenden Organs. Nach Giraldes beginnt die Atrophie des Corps innomind beim Menschen erst vom 6.—10. Lebensjahre an. “Diese Anschauung lässt sich daraus erklären, dass sich Giraldes mit den makroskopisch zu konstatirenden Befunden begnügte. Durch die multiple Cystenbildung kommt es allerdings während der Rückbildung des Organes zu einer Vergrösserung desselben, und dieser Umstand mag jenen Forscher veranlasst haben die An- sieht auszusprechen, dass das Organ erst im 6—10 Lebensjahre des Menschen seine höchste Entwickelung erreiche. Die Angabe Giralde&s, dass das Organ nicht völlig schwinde, kann nur auf die Paradidymis bezogen werden. Ueber die Rückbildungs- dauer des Paroophoron äussert sich Waldeyer dahin, dass das- selbe noch beim erwachsenen Weibe nachweisbar sei, ‘und wahr- scheinlich nie völlig schwinde. Dies letztere nimmt auch Vir- chow (Geschwülste, Band I) an, indem er aus jenen Resten die Entwickelung multipler Cystenbildungen im Ligamentum latum er- klärt. — Weiters muss hier Kölliker erwähnt werden, welcher in seinem Handbuche der Gewebelehre von einer Abschnürung ein- facher Röhrchen im Giralde&s’schen Organe spricht, und diesen Prozess mit der Blasenbildung in Verbindung bringt. Derselbe stellt jedoch diesen Vorgang als Thatsache hin, ohne näher darauf einzugehen. Schliesslich sind noch die Angaben über die Pig- mentirung des Girald&s’schen Organs anzuführen. So schreibt Waldeyer: „der andere Theil des W olff’schen Körpers (i. e. das Girald&s’che Organ) ist beim Menschen gelblich gefärbt.‘ Jakobson spricht von gelblichen Massen in der Nähe der Oyva- rien der Säugethiere, Leydig und Rathke von „gold- und ockergelben Gebilden bei den niederen Wirbelthieren, als Resten des W olff’schen Körpers.“ Nirgends findet man jedoch Angaben, welche die Ursache dieser Färbung aufzuklären suchen, wenn- gleich die Erscheinung als am meisten in die Augen springend bezeichnet wird. Den Ausgangspunkt der folgenden Untersuchungen bildete die von Herrn Prof. Sigmund Mayer gemachte Beobachtung, dass sich bei alten männlichen Kaninchen an der Arteria spermatica pigmentirte, mit Flimmerepithel ausgekleidete Kanälchen vorfinden. Diese mir zur weiteren Untersuchung über- gebene Beobachtung veranlasste mich den in der Litteratur noch Das Giraldös’sche Organ nach Untersuchungen an Kaninchen ete. 449 nicht beschriebenen Rückbildungsprozess des Girald&s’schen Organs, dem jene Kanälchen angehören, ausführlich zu schildern. Die mir im hiesigen Institute in grosser Anzahl und in den ver- schiedenen Altersstadien zu Gebote stehenden Thiere waren Kanin- ehen, Hunde und Katzen. Aus diesem Grunde beschränke ich meine folgenden Angaben auf diese drei Thierarten. Dauerdes Rückbildungsprozesses und Lage des Giraldes’schen Organs. Der Rückbildungsprozess am Urnierentheile des Wolff’schen Körpers!) geht bei Kaninchen, Hunden und Katzen so langsam vor sich, dass man an diesen Thieren innerhalb der ersten 6—8 Lebenswochen bedeutende Ueberreste desselben vorfindet, von denen ein kleiner Theil auch an ausgewachsenen Thieren nachgewiesen werden kann, so dass es den Anschein gewinnt, als ob die Resi- duen des Wolff’schen Körpers zum Theile der Rückbildung einen jahrelangen Widerstand entgegensetzen können. Von den charak- teristischen Bestandtheilen des Urnierentheiles, den mannigfaltig gewundenen Kanälehen mit ihren Malpighi’schen Körperchen, fallen die letzteren sehr bald der Degeneration anheim, so dass man die- selben nur bei den allerjüngsten Thieren (im ersten und zweiten Lebensmonate) vorfindet, während die Kanälchen die oben er- wähnte ausserordentlich lange Existenz zu führen vermögen, einige wenige sogar während des ganzen Lebens der Thiere zu persistiren scheinen. Paroophoron und Paradidymis haben keinen streng anatomisch abgrenzbaren Sitz. Findet man bei einem Thiere noch Malpighi- sche Körperehen der Urniere, so bemerkt man, dass dieselben, mit den ihnen anhängenden Kanälchen stets zu einer dicht ge- drängten Gruppe vereint, auf ein später näher zu bestimmendes Gebiet beschränkt sind. Dagegen lagern an beiden Seiten blind- endigende Schläuche im ganzen Mesorehium beziehungsweise Mes- ovarium zerstreut, theils einzeln, theils zu Gruppen vereint, stets 1) Diese Bezeichnung ist nach den Befunden von JanoSik (l. ce.) nicht im Sinne Waldeyer’s zu gebrauchen, sondern ist dem von O0. Hertwig (Lehrbuch der Entwickelungsgeschichte. Jena 1888) gewählten Ausdrucke „hinterer Abschnitt der Urniere‘‘ gleichzusetzen. 450 Adalbert Üzerny: jedoch in der nächsten Nähe der Blutgefässe. Es ist deshalb zur klaren Darstellung der Verhältnisse eine anatomische Skizze der betreffenden Gefässe nothwendig. Bei den genannten Thieren männlichen Geschlechtes geht die Arteria spermatica interna in einem spitzen Winkel nahe der Nierenarterie von der Aorta ab. Die Grösse dieses Winkels ändert sich mit der jeweiligen Stellung des Hodens, zu welchem die Arterie geradlinig hinzieht. In ihrem Verlaufe theilt sich dieselbe in drei Hauptäste, von denen der erste zur Capsula adiposa der Niere zieht, der zweite an der dem Nebenhoden entgegengesetzten Seite in den Hoden eintritt und der dritte sich in das Gewebe zwischen Hoden und Nebenhodenkopf einsenkt. Bei den weiblichen Tbieren geht die Arteria sperm. int. in gleicher Höhe, aber im rechten Winkel von der Aorta ab, gibt in ihrem geradlinigen Ver- laufe durch das Mesovarium einen Ast ab, der zum oberen Ende des Uterushornes zieht und theilt sich kurz vor dem Ovarium in drei Aeste, von denen zwei an das Ovarium herantreten, während der dritte über dem Ovarium zum Eileiter zieht. Auch die weib- liche Arteria spermatica sendet einen Ast zur Capsula adiposa der Niere. Bei sehr mageren Thieren gelingt es schon mit freiem Auge, dicht an den Gefässen in verschieden grossen Intervallen kleine, graue oder gelbliche Knötchen zu bemerken, meist sind dieselben jedoch durch aufgelagertes Fett verdeekt und werden erst bei der mikroskopischen Untersuchung sichtbar, welche leicht gelingt, da man das Mesovarium beziehungsweise Mesorehium sammt den Ge- fässen exeidiren, auf einem Objektträger nach einer später zu schildernden Methode ausbreiten, und unter der Linse das ganze genannte Gebiet durchsuchen kann. Dabei erfährt man, dass diese Knötchen die zerstreuten Theile des Girald&s’schen Organs sind, als dessen Standort man die Bahn der Arteria spermatiea in- terna bezeichnen muss, von der Aorta angefangen bis zur Nieren- kapsel einerseits, und zum Vas deferens resp. Uterushorn anderer- seits. Von den Knötchen macht sich eines besonders bemerkbar durch seine Grösse, Pigmentirung und constanten Sitz. Dieses Knötchen wird gebildet von den, wie bereits erwähnt, stets in einer Gruppe beisammenliegenden Malpighi’schen Körperchen mit den ihnen anhängenden Schlauchstücken. Der Sitz dieses Ge- bildes ist die letzte Theilungsstelle der Arteria sperm. vor deren Das Giraldös’sche Organ, nach Untersuchungen an Kaninchen etc. 451 Eintritt in die Geschlechtsdrüse. Die Entfernung dieser Theilungs- stelle von der Geschlechtsdrüse ist allerdings bei den einzelnen Thieren verschieden gross und ändert sich mit dem Grössenwachs- thum der Drüse, indem dadurch der Theilungswinkel der Arterie stumpfer wird. Diese Gruppe der Malpighi’schen Körperchen ist der eigentliche Repräsentant des Urnierentheiles des Wolff’schen Körpers und ihr gebührt im engeren Sinne des Wortes der Name Girald&s’sches Organ (vergl. Fig. 1, Taf. 28). Die längs der Arteria sperm. zerstreuten Schläuche (vergl. Fig. 2 Taf. 28) sind, wie sich aus ihrer histologischen Struktur nachweisen lässt, nichts anderes als die frühzeitig, aber in verschiedenen Zeiträumen ab- seschnürten Endstücke der Urnierenkanälichen, welche bei der Wanderung des Girald&s’schen Organs zurückgeblieben sind, und theils durch ihren eigenen Rückbildungsprozess, theils durch das Längenwachsthum der Arterie noch weiter von einander entfernt wurden. Wie bereits erwähnt, verschwinden die Malpighi’ schen Kör- perehen in den ersten S—10 Lebenswochen der Thiere, während die Schläuche dem Rückbildungsprozesse sehr langsam anlheimfallen. Dieses Verhalten mag wohl den in den Lehr- und Handbüchern der deseriptiven Anatomie und Histologie vorkommenden Angaben zu Grunde liegen, dass im Anfangstheile des Samenstranges sich der unter dem Namen Paradidymis bekannte Körper vorfindet, „der nur aus Schläuchen besteht“, obwohl auch beim Menschen innerhalb der ersten Lebensmonate Glomeruli nachgewiesen sind. So fand Pellacani!) bei einem einjährigen Knaben einzelne deut- liche Glomeruli in einem Schnittpräparate aus der unteren Portion des mittleren Drittels des Samenstranges. Die geläufigen Angaben über den Sitz und die Verbreitung der Urnierentheilreste sind in- soferne unvollkommen, -als eine Gruppe von Kanälchen im An- fangstheile des Samenstranges, beziehungsweise medianwärts vom Ovarium als Girald&s’sches Organ beschrieben wird. Pellacani schreibt bereits: „das Organ scheint vielfach unterbrochen zu sein, da es auf manchen Schnitten ausfällt, um auf folgenden wieder zu erscheinen.‘‘ Vergegenwärtigt man sich das über die Verbreitung gesagte, so wird man es verständlich finden, dass man beim Zer- 1) Dr. Paolo Pellacani: Ueber den Bau des menschlichen Samen- stranges. Archiv für mikroskopische Anatomie. 23. Band. 1883. Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 33. 29 452 Adalbert Czerny: legen des der Arteria sperm. angehörigen Gefässbündels oder beim Menschen des Samenstranges in Serienschnitte, bald auf ein- . zelne Schläuche, bald auf kleinere oder grössere Gruppen der- selben stossen muss, welche sehr verschieden weit von einander entfernt liegen. Ebenso erklären sich dadurch die verschiedenen ungenauen Angaben über das Paroophoron. Die innigen Be- ziehungen des Giraldes’schen Organs zur Arteria spermatica machen sich auch beim Menschen geltend. Untersuchungsmethode und Befunde beider mikroskopischen Untersuchung. Das makroskopische Aussehen der Schläuche wurde bereits oben gekennzeichnet, doch muss hier noch einmal betont werden, dass dieselben meistens so zwischen Fettläppchen und Blutgefässe eingetragen sind, dass sie erst unter der Lupe nach Auseinander- zerrung des Gewebes sichtbar werden. Die Untersuchung am - frischen Objekte lässt sich bei jungen Thieren am zweckmässigsten derart ausführen, dass man das ganze Mesorchium oder Meso- variıum mittels einer feinen Scheere herausschneidet, in einem Probierröhrehen mit einer 0,5°/, Kochsalzlösung schüttelt, um das aus den durchschnittenen Blutgefässen ausgetretene Blut abzu- spülen, sodann mittels eines Pinsels auf einem Objektträger aus- breitet, und mit einem Deckglase bedeckt. Bei grossen Thieren präparirt man die ganze Arteria spermatica mit wenig umliegen- dem Bindegewebe heraus, schneidet sie in kleine Stücke und zer- zupft diese der Reihe nach in 0,5%, Kochsalzlösung. Zur Här- tung der Objekte verwendete ich Müller’sche Flüssigkeit, 0,5% Sublimatlösung, oder Flemming’sche Chromosmium-Essigsäure, zum Durchfärben Alauneochenille nach Czokor und Hämatoxylin nach Delafield. Die Objekte wurden in Paraffin eingebettet und in Serienschnitte zerlegt. Unterzieht man isolirte Schläuche der mikroskopischen Unter- suchung, so kann man schon am frischen Objekte wegen der Durchsichtigkeit der Gebilde viele histologische Eigenschaften der- selben feststellen. Form und Dimensionen der Schläuche sind sehr mannigfaltig. Die Länge variirt zwischen 50 « und4mm. Der Form nach kann man drei Gruppen unterscheiden: 1) lange Schläuche mit überall gleiehgrossem Durchmesser, bald gradlinig verlaufend, Sn Das Giraldes’sche Organ, nach Untersuchungen an Kaninchen ete. 453 bald schrauben- oder sehlangenförmig gewunden; 2) lange Schläuche, deren Durchmesser in verschiedenen Höhen bedeutende Grössen- unterschiede aufweisen, so dass die blindsackförmigen Enden kolbig erweitert erscheinen oder der ganze Schlauch an einer oder meh- reren Stellen spindelförmige Ausbuchtungen oder rosenkranzartige Einschnürungen aufweist. Die Ausbuchtungen sind mitunter so gestaltet, dass sie Verzweigungen vortäuschen, welch’ letztere sich jedoch in Wirklichkeit nie nachweisen lassen. Auch die Schläuche dieser Kategorie zeigen einen verschiedenartig gewundenen Ver- lauf; 3) kurze Schläuche, die meist «förmig gebogen sind oder so kurz sind, dass sie fast die Gestalt einer Kugel zeigen (vergl. Fig. 3, Taf. 29). Die häufig kolbig erweiterten Enden der Schläuche, die be- reits von Giraldes abgebildet wurden, werden seit der Publi- kation jenes Forschers als die verödeten Glomeruli der Urniere beschrieben. Dass diese Anschauung nicht gerechtfertigt ist, da- für sprechen folgende Befunde. 1) Sind die Endanschwellungen nur an einer Anzahl von Schläuchen nachweisbar. 2) Finden sich oft im Verlaufe eines Schlauches mehrere jenen vollständig gleiche Anschwellungen. 3) Sind diese Hohlräume mit dem characteristischen weiter noch zu beschreibenden Epithel der Schläuche ausgestattet, welches von dem der Malpighi’schen Körperchen wesentlich ver- schieden ist, und 4) ist der Degenerationsvorgang an den Malpighi’- schen Körperchen ein solcher, dass letztere nie als leere Blasen erschei- nen können. Die Ausbuchtungen an den Schläuchen scheinen sich daher vielmehr dadurch erklären zu lassen, dass die ursprünglich überall gleichweiten Schlauchstücke einerseits stellenweise durch Wucherung des in die Bildung ihrer Wand eingehenden Bindege- webes ringförmige Einschnürungen erleiden, andererseits durch die mit dem Abschluss der Kanälchen nicht gleichzeitig erlöschende Secretionsthätigkeit der Epithelien mechanisch erweitert werden. Lässt sich diese letztere Behauptung nicht direkt beweisen, so ist dies für die erstere um desto überzeugender möglich, denn man findet die verschiedensten Stufen der Einschnürung, von der ge- ringen Einengung bis zur vollständigen Abschnürung. Die vielen kurzen Schlauchstückehen, die sich in Gruppen bei einander lie- gend vorfinden, sind demnach als die abgesehnürten Theile eines ursprünglich einzigen Schlauches anzusehen. Die Schläuche lassen sich weiter, abgesehen von den, durch 454 Adalbert Czerny: die Degenerationsvorgänge bedingten Schwankungen des Breiten- durehmessers, in breitere und schmälere unterscheiden. Da es be- kannt ist, dass die Urnierenkanälchen in ihrem Verlaufe vom Glo- merulus bis zum Urnierengange in verschiedenen Höhen verschie- dene Durchmesser besitzen, was ja zur Annahme von zweierlei Kanälehen in der Urniere Veranlassung gab, so ist auch durch diesen Befund die Anschauung gerechtfertigt, die Schläuche des Giraldes’schen Organs als die von einander abgeschnürten und zersprengten Theile der Urnierenkanälchen anzusehen. Die Wandung der Schläuche zeigt je nach dem Alter der- selben einen verschiedenen Bau. Der Unterschied äussert sich be- sonders an der äusseren Bindegewebsschichte der Schlauchwand. Viele Schläuche zeigen noch beim neugeborenen Thiere den Bau der Kanälchen des ungetheilten W olff’schen Körpers. Ihre Wand besteht aus einer sehr zarten Membran und einem noch näher zu charakterisirenden Epithel. Mit dem zunehmenden Alter der Schläuche wird nun diese Membran durch sich concentrisch an- lagerndes Bindegewebe verstärkt, ein Prozess, welcher einiger- maassen an die Einkapselung von Fremdkörpern in thierischen Geweben erinnert; ein Prozess, von dem aber auch zugleich er- wähnt werden muss, dass er sehr ungleichmässig' vor sich geht, so dass durch denselben die oben erwähnten Einschnürungen und Zerstückelungen der Schläuche erklärt werden können. Die Ka- nälchen des Wolff’schen Körpers sind in ihren Abschnitten mit breitem und schmalem Durchmesser von einem verschieden hohen Epithel ausgekleidet. Dies lässt sich noch an den Resten der Ka- nälchen nachweisen. Die schmalen Kanälchen des Giraldes- schen Organs sind von einem cubischen, die breiten von einem hohen Cylinderepithel ausgekleidet (vergl. Fig. 6 und 7, Taf. 28); beide Arten von Epithel besitzen grosse, runde, bläschenförmige Kerne und einen Besatz von Flimmerhaaren. Die bereits an vielen niederen Wirbelthieren, und von Roth!) an den mensch- lichen Urnierenresten nachgewiesene Flimmerung lässt sich sehr häufig selbst 24 Stunden post mortem des Thieres konstatiren. In manchen Fällen sucht man beim frischgetödteten Thiere ver- gebens nach dieser Erscheinung. Man kann dieses Fehlen der 1) Roth, Flimmerepithel im Giraldes’schen Organ. Zeitschrift für Anat. und Entwicklungsgeschichte von Ilis und Braune. 1876. Das Giraldes’sche Organ, nach Untersuchungen an Kaninchen etc. 455 Flimmerung nicht erklären durch die Präparationsmethode, welche, wie bereits beschrieben, eine sehr schonende ist, noch weniger durch ungenaue Beobachtung, denn es wurden viele Thiere speziell auf diese Erscheinung geprüft. Schnittpräparate sind zur Ent- scheidung dieser Frage nicht brauchbar, denn durch die Härtung ballen sich die Flimmerhaare zu Pinseln zusammen und werden durch das Aufhellen der Präparate sehr schwer sichtbar, oder sie brechen ab und fallen beim Auswaschen der Schnitte heraus. Bei der Untersuchung in dieser Richtung stellt sich heraus, dass sich die Flimmerung am sichersten an neugeborenen Thieren nach- weisen lässt, und die Sicherheit des Befundes mit dem Lebens- alter der Thiere abnimmt. Da mit dem zunehmenden Alter auch der Rückbildungsprozess des Girald&s’schen Organs fortschreitet, so glaube ich vermuthen zu dürfen, dass das Fehlen der Flimme- rung als ein Zeichen der beginnenden Degeneration der Epithel- zellen anzusehen ist. Der Befund, dass man bei einem Thiere an manchen Schläuchen die Flimmerbewegung findet, an anderen nicht, oder dieselbe manchmal bei jüngeren Thieren vermisst, bei älteren noch nachweisen kann, zeigt wiederum das ungleichzeitige Auftreten des Degenerationsprozesses. Die Schläuche sind von einem eigenen weitmaschigen Capillar- netze umgeben, welches besonders deutlich sichtbar wird, wenn die Gefässe mit Blutkörperchen angefüllt sind (vergl. Fig. 4, Taf. 29). Dieses eigene Gefässsystem stammt von der Arteria spermatica, welche in ihrem Verlaufe keine Zweige an das Mesorchium be- ziehungsweise Mesovarium abgibt, als die zu den Schläuchen und den eventuell vorhandenen Fettläppchen. Das Verhalten der Blut- gefässe bei der Degeneration der Schläuche, sowie der Inhalt letz- terer soll weiter unten besprochen werden. Die bisher in der Litteratur, wie oben erwähnt, sehr wenig berücksichtigten Malpighi schen Körperchen des Girald£s’schen Organs, welche man noch beim neugeborenen Thiere im Zusammen- hange mit den Schläuchen findet, sind die sprechendsten Zeugen für deren Abstammung vom Wolff’schen Körper.ı Dieselben ver- rathen sich makroskopisch, wenn ihre Blutgefässe prall gefüllt sind, als eine Gruppe von rothen Pünktchen, deren Sitz bereits näher bezeichnet wurde. Sie übertreffen an Grösse stets die Malpighi’schen Körperchen der Niere des betreffenden Thieres. Schon am frischen Objekte kann man mikroskopisch den Bau der 456 Adalbert Czerny: Glomeruli studiren. Die Kapsel derselben besteht aus einer starken Membran mit aussen aufgelagertem Bindegewebe und einem ein- schichtigen, niedrigen, nie mit Flimmerhaaren besetzten Epithel. _ Die breiten, niederen Epithelzellen der Glomeruluskapsel sind von den hohen schmalen Epithelzellen der Schläuche so wesentlich ver- schieden, dass man sie zur genauen Diagnostik der Reste beider benutzen kann. Untersucht man nämlich, wie oben bemerkt, die bereits beschriebenen, kolbigen Erweiterungen der Schläuche ge- nauer, so findet man in ihnen stets ein hohes, häufig sogar flim- merndes Epithel. Der an die Glomeruluskapsel herantretende Schlauch verengert sich ziemlich beträchtlich vor seinem Ansatze an diese. Auf diese Weise kommt ein kurzes Schaltstück, gleich- sam ein Hals zu Stande, in welchem das höhere Epithel des Schlauches allmählich in das niedere der Glomeruluskapsel über- geht (vergl. Fig. 8, Taf. 28). Dieses Schaltstück ist jedoch nicht den Einschnürungen gleichzustellen, die man sonst an den Schläuchen findet, da sich dieses Verhältniss bereits an den Kanälchen des intakten Wolff’schen Körpers nachweisen lässt. An das Mal- pighi’sche Körperchen tritt, wie man es an frischen Objekten sehr gut beobachten kann, ein kleines, von der Arteria spermatica entspringendes Blutgefäss heran, durchbricht die Kapsel, bildet im Inneren einen Knäuel von Capillarschlingen und verlässt als zartes Venenstämmchen den Glomerulus dicht neben der eintretenden Arterie, wo die Glomeruluskapsel an den beiden Gefässen etwas nach einwärts eingestülpt erscheint. Im Malpighi’schen Kör- perchen des mtakten Wolff’schen Körpers findet sich zwischen Gefässknäuel und Kapsel ein schmaler Raum. Untersucht man da- gegen den sich rückbildenden Urnierentheil am neugeborenen Thiere, so findet man stets, dass sich zwischen beiden ein auffal- lend grosser Hohlraum findet, welcher mit dem Cavum des zuge- hörigen Schlauches communieirt. Die Beobachtung verschiedener Altersstufen der Glomeruli zeigt, dass dieser Hohlraum zu Stande kommt durch das rasche Schwinden der Capillarschlingen, welches soweit gehen kann, dass das Gefässknäuelrudiment kaum noch ein Fünftel des Glomeruluscavums ausfüllt; nie jedoch kommt es dazu, dass der Gefässknäuel vollständig schwindet, ehe noch ander- weitige Veränderungen vor sich gegangen sind, so dass die Glo- meruluskapsel als leere Blase zurückbleiben würde. Sind die Ge- fässe bis auf einen kleinen Rest reduzirt, so wird zuerst die für Das Giraldes’sche Organ, nach Untersuchungen an Kaninchen ete. 457 das ein- und austretende Blutgefäss beschriebene Oeffnung durch neugebildetes Bindegewebe erweitert, welches seinen Ursprung theils von den Blutgefässresten zu nehmen scheint, theils von dem aussen der Glomeruluskapsel anliegenden Bindegewebe. An den Epithelzellen der Glomeruluswand lässt sich beobachten, dass bei der. Tinction der Präparate die Kerne der Epithelzellen, welche an das neugebildete Bindegewebe angrenzen, im auffallenden Gegen- satze zu den übrigen keinen Farbstoff annehmen. Da diese Zellen die nächsten sind, welehe beim Fortschreiten des Rück- bildungsprozesses zu Grunde gehen, so glaube ich diese Erschei- nung für ein Zeichen der beginnenden Degeneration des Epithels halten zu dürfen. Die Kapsel schwindet rasch vor dem wuchern- den Bindegewebe, und bald bleibt nur ein platter Kanal übrig, der auf der einen Seite von dem neugebildeten Bindegewebe, auf der anderen Seite von der charakteristischen Glomeruluswand ge- bildet wird (vergl. Fig. 10). Während dieses Prozesses verschwindet der letzte Rest des Gefässknäuels, und dies gibt Veranlassung zu der Vermuthung, dass das neugebildete Bindegewebe wenigstens zum Theile den Capillarresten seinen Ursprung verdankt. Der Inhalt des Malpighi’schen Körperehens wird dabei in das Cavum des zugehörigen Schlauches gedrängt. Nun verschwindet noch rasch das letzte Stück der Kapselwand, und das an die Stelle des Glomerulus getretene Bindegewebe, welches sich von dem der Um- gebung in nichts unterscheidet, lässt den Ort eines verschwundenen Glomerulus nicht wieder finden. Diese eigenthümliche Art des Glomerulusschwundes liefert das wichtigste Argument gegen die bereits oben bekämpfte Ansicht, nach der die Erweiterungen an den Schlauchenden verödete Glomeruli darstellen. Es erübrigt noch, den Inhalt der Malpighi’schen Kör- perchen und Schläuche, welcher denselben den Namen „gelb- liche Massen‘ eingetragen hat, zu besprechen. Schon beim neu- geborenen Thiere findet sich wie oben geschildert, ein grosser Hohlraum zwischen Gefässknäuel und Glomeruluskapsel. Dieser Raum, sowie das Schlaucheavum ist von einer klaren, farblosen Flüssigkeit erfüllt, welche bei Behandlung mit Alkohol einen fein- körnigen Niederschlag gibt, weshalb vorzüglich frische Objekte zur Untersuchung geeignet sind. Diese Flüssigkeit trifft man je- doch nur bei sehr wenigen Schläuchen und Malphighi’schen Körperehen ohne weitere Beimengungen an. Untersucht man den 458 Adalbert Czerny: Inhalt der Malpighi’schen Körperchen genauer, so findet man in dieser Flüssigkeit in sehr wechselnder Quantität protoplas- matische Kugeln vom Aussehen sehr grosser Leukocyten (vergl. Fig. 9, Taf. 28). Mittels Färbung lässt sich in diesen Proto- plasmaballen ein, in den grössten zwei oder drei, kleine rund- liche Kerne mit deutlichem Kernkörperchen nachweisen. Die Ge- bilde finden sich, da ja eine offene Communicationsstelle zwischen Glomerulus und Schlauch besteht, auch in dem letzteren und wer- den dort von den Flimmerhaaren der Epithelzellen in lebhafte Bewegung versetzt. Weiter finden sich in der Flüssigkeit feine, gelbe oder gelbgrüne Körnchen und Krümeln, welche durch ihr Tanzen häufig erst die vorhandene Flimmerbewegung erkenntlich machen, und sich hie und da zu kleinen Schollen zusammenballen (vergl. Fig. 5, Taf. 29). Die Körnchen und Schollen finden sich jedoch nicht nur in der Flüssigkeit, sondern auch in den Epithel- zellen der Malpighi’schen Körperchen und Schläuche, und in die oben genannten grossen Zellen eingeschlossen (vergl. Fig. 12). Manchmal enthalten diese beiden Zellarten nur wenige gelbe Körn- chen, in vielen Fällen sind sie jedoch von diesen Gebilden so dicht erfüllt, dass sie intensiv gelb, gelbgrün oder rothbraun er- scheinen. Weiter findet man noch manchmal in den Schläuchen Protoplasmakugeln, welche an Grösse normale Leukocyten sehr beträchtlich übertreffen können (vergl. Fig. 11, Taf. 28). Auch in diesen sind mittels Färbung Kerne und zwar immer mehrere nachweisbar, welche jedoch an Grösse und Aussehen vollkommen denen der kleineren Protoplasmakugeln gleich sind, weshalb es den Anschein gewinnt, als ob diese Riesenzellen durch Zusammen- fluss mehrerer kleiner Kugeln entstanden wären. Auch diese Riesenzellen sind bald gar nicht, bald wenig oder intensiv pig- mentirt. Ausserdem findet man noch eine Art von diesen Kugeln, welche in ihrem Protoplasma eine Menge kleiner, fettartig glänzen- der Kügelehen beherbergen und dadurch eine gewisse Aehnlich- keit mit einer atrophischen Fettzelle bekommen. Ein Vergleich der beschriebenen Körper mit den Umwandlungsprodukten durch die Gefässwand ausgetretener, rother und weisser Blutkörperchen in anderen Geweben legt es nahe, diese verschiedenartigen Pigment- gebilde und Riesenzellen als metamorphosirte Blutkörperchen zu be- trachten, welche durch die Wandungen des degenerirenden Blutge- fässsystems des Malpighi’schen Körperchens massenhaft durch- Das Giraldös’sche Organ, nach Untersuchungen an Kaninchen ete. 459 treten. Dass das Pigment in seinen verschiedenen Formen seinen Ur- sprung vom Glomerulus nimmt, dafür sprechen folgende Befunde: 1)Lassen sich sämmtliche Formen desselben innerhalbder Malpighi- schen Körperchen beobachten, 2) finden sich die kurzen Stückchen der Schläuche, welehe mit den Glomerulis noch in Verbindung stehen, immer sehr stark pigmentirt, während die weiter liegenden, bereits längere Zeit abgeschnürten stets weniger pigmentirt gefunden werden; 3) sind die Schläuche bei alten Thieren stets sehr wenig oder gar nicht pigmentirt, was nicht dafür spricht, dass Pigment ohne Inter- vention der Glomeruli in ihnen selbst gebildet wird. Dass dagegen Pigmentgebilde aus den Schläuchen verschwinden resp. heraustreten können, erscheint nach folgenden Beobachtungen sehr wahrschein- lich. Einerseits sieht man die grossen Pigmentzellen sich, ähnlich wie die rothen Blutkörperchen durch die Capillarwand, aus den Schläuchen herausdrängen, wobei ein Theil noch im Schlauchlumen sich befindet, der andere bereits ausserhalb liegt, beide Theile durch einen Fortsatz in Verbindung stehend. Andererseits findet man die Pigmentkörper bald in unmittelbarster Nähe der Schläuche im umgebenden Bindegewebe liegend, bald weiter von demselben entfernt. Diese Entfernung ist jedoch nie sehr bedeutend, und manche Schläuche sind daher von der Fläche beobachtet, sozu- sagen von einem pigmentirten Hofe umgeben (vergl. Fig. 15, Taf. 28). Zerlegt man die Arteria spermatica sammt Umgebung in Serienschnitte, so deutet oft das plötzliche Auftreten von Pig- mentkörpern in einem Schnitte das Erscheinen eines Schlauches in den nächstfolgenden an. Ueber das weitere Schicksal dieser pigmentirten Zellen lässt sich eine bestimmte Aussage nicht machen. Da sich dieselben immer nur in der nächsten Nähe der Schläuche befinden, so ist denkbar, dass sie im Gewebe fortrückend, durch Metamorphose des Pigments sich nicht mehr deutlich von anders- artigen Zellen unterscheiden lassen, oder dass sie, ganz oder in Fragmente zerfallen, in das Lymphgefässsystem gelangen und mit dem Strome der Lymphe fortgetragen werden. Selbst an den magersten Thieren findet man längs der Arteria spermatica Fett- läppeben und an den kleinen Aestehen der Arterie einzelne Fett- zellen aufgelagert. Da diese Fettanhäufungen mit dem Alter der Thiere zunehmen, die Pigmentkörper dagegen abnehmen, da weiter Pigmentzellen beobachtet werden können, welehe sieh morpho- logisch nur schwer von den sogenannten atrophischen Fettzellen 460 Adalbert Ozerny: unterscheiden lassen, so liegt die Vermuthung nahe, dass hier zwischen Fettbildung und Pigmentmetamorphose eine gewisse Be- ziehung besteht. Da, wo früher die geschilderten Schläuche sich- vorfanden, trifft man schliesslich nur reich mit Fettzelien durchsetztes mit dem nachbarlichen Gewebe zusammenfliessendes Bindegewebe, — das Giraldes’sche Organ ist spurlos verschwunden. Erklärung der Figuren auf Tafel XXVIII u. XXIX. Fig. 1. Uebersichtsbild des Girald&s’schen Organs; Flächenpräparat in Kochsalzlösung (1/50/)). G. Glomeruli, K, Kanälchen, P. Pigment. Neugeborene Katze, 9. Vergr. Reichert Oc. 3, Obj. IV. Fig. 2. 3 Schlauchstücke, K, an einem Aste der Arteria spermatica, Ar, Flächenpräparat in Kochsalzlösung (0,50%,). Kaninchen &. Vergr. Reichert Oec. 2, Obj. II. Fig. 3. Verschiedene Schlauchformen, a, b, c, d, e. Zupfpräparat in Koch- salzlösung (0,50%5). 14 Tage altes Kätzchen &. Vergr. Reichert Oc. 3, Obj. V. Fig. 4 und 5. Kanälchen des Girald&s’schen Organs, K. Mit Pigment- körnchen, P. Blutgefässe, Blg. Zupfpräparat in 0,5°/, Kochsalz- lösung. Vergr. Fig. 4 Reichert Oc. 2, Obj. IV. a LT) R Ve. 2, Obj. V. Fig. 6. Querschnitt eines Schlauches mit niederem Epithel, Ep. Pigment- körper, P. Blutgefäss, Blg.. 4 Wochen alter Hund %&. Vergr. Reichert Oc. 3, Obj. VII. Fig. 7. Querschnitt zweier Kanälchen mit hohem Flimmer-Epithel, Ep. Kaninchen &. Vergr. Reichert Oc. 3, Obj. VII. Fig. 8. Malpighi’sches Körperchen mit Kanälchen, K. Halseinschnürung, H. Epithelzellen des Kanälchens und der Glomeruluskapsel, Ep., pig- mentirt. P, Pigmentkörper. -Blg., Gefässknäuel, Schnittpräparat. Neugeborene Katze 9. Vergr. Reichert Oc. 3, Obj. V. Fig. 9. Malpighi’sches Körperchen mit weit zurückgebildetem Gefäss- knäuel, Blg. K, Kanälchen. Ep., Pigmentirte Epithelzellen. Flächen- präparat in 0,50, Kochsalzlösung. 3 Wochen altes Kätzchen %&. Vergr. Reichert, Oc. 3, Obj. V. Das Giraldös’sche Organ, nach Untersuchungen an Kaninchen etc. 461 Fig. 10. Glomerulus, weit zurückgebildet. Ep., Epithel. Blg., Neugebildetes Bindegewebe. Schnittpräparat, 4 Wochen alter Hund &. Vergr. Reichert Oc 5, Obj. VII. Fig. 11. Zwei Schlauchstücke aus dem Giraldes’schen Organe einer neuge- borenen @ Katze. Ep, Flimmerepithel; P, Grosse Pigmentkörper und Rz., Riesenzelle im Lumen der Kanälchen. Flächenpräparat in 0,50/, Kochsalzlösung. Vergr. Oc. 3, Obj. VII. Fig. 12. Querschnitt zweier Kanälchen. P, in den Epithelzellen eingeschlos- senes Pigment. Neugeborene Katze 9. Vergr. Reichert 0Oec. 3, Obj. VII. Fig. 13. Pigmentkörper in der Umgebung eines Kanälchens ins Bindegewebe eingelagert. K, Kanälchen. Blg., Blutgefässe. Schnittpräparat. 14 Tage alter Hund 9. Vergr. Reichert Oc. 3, Obj. VII. Ueber die Mesodermsegmente des Rumpfes und die Entwicklung des Exkretionssystems bei Selachiern. Von J. W. van Wyhe, Dr. Med., Zool. & Bot., Prosector am anatomischen Institut zu Freiburg i. B. Hierzu Tafel XXX, XXXI und XXXL. Seit dem Sommer 1886 beschäftige ich mich — allerdings mit vielen Unterbrechungen — mit der Entwicklungsgeschichte des Exkretionssystems bei Selachiern und habe meine hauptsächlichsten Resultate zum Theil in zwei kurzen Mittheilungen (47 und 48) nie- dergelegt. In diesem Zeitraume sind über das in den folgenden Zeilen behandelte Thema zwei belangreiche Arbeiten erschienen, eine von Rückert (30) und eine von Ziegler (50. Es kann nicht be- 462 J. W. van Wyhe: fremden, wenn ich manches mir bekannte Detail darin vorfand ; ich war bestrebt, dasselbe nach Möglichkeit zu berücksichtigen. Sollte dies nicht immer der Fall sein, so bitte ich um Nachsicht. Die Präparate, mit Ausnahme derjenigen von Raja, fertigte ich in der zoologischen Station zu Neapel an, wo ich mich in Folge eines Auftrages der niederländischen Regierung im Frühjahre 1857 mehrere Monate aufhielt.e. Für das Material, welches ich in reichlichem Maasse erhielt, spreche ich der Direction der Station, speciell Herrn Prof. Dohrn und Herrn Conservator Lo Bianco, meinen besten Dank aus. Die Embryonen wurden in Sublimatlösung gehärtet, in Alaun- carmin gefärbt, stufenweise in Alcohol entwässert, in Cedernöl aufgehellt, in Paraffin eingebettet und mittelst eines Jung’schen Mikrotomes in Schnittserien zerlegt. Die meistens 7Y/, u dieken Schnitte (einer halben Umdrehung der Mikrometerschraube entspre- chend) wurden nach der Schällibaum’sehen Modifieation der von Giesbrecht eriundenen Klebmethode auf den Objectträger befestigt. Wo nichts Anderes angegeben ist, bezieht sich meine Be- schreibung auf Embryonen von Pristiurus melanostomus. Meine Untersuchungen reichen nur bis an das Ende des Stadiums O0, da ich aus späteren Perioden nur ein sehr spärliches Material besitze. Ueber die Art und Weise wie der Mesonephros zu den Geschlechts- organen in Beziehung tritt, habe ich also keine eigenen Beobach- tungen. Historisches über die Exkretionsorgane!). Das Vorhandensein von segmental angeordneten Nierentrichtern bei Haifischembryonen wurde 1874 bekanntlich zuerst von Semper (34) erwähnt und unabhängig von ihm fast gleichzeitig von Balfour (2) entdeckt. Im folgenden Jahre fand Semper (35) die Trichter auch bei erwachsenen Haifischen. Sedgwick, (32, p. 165) fand 1880 an Präparaten von Bal- four, dass je ein Nierentrichter nicht als eine Ausstülpung des Peritonealepithels entsteht, sondern aus dem Rohre, durch welches 1) Diese Angaben reichen nur so weit, wie meine eigenen Untersuchun- gen, also nicht über das Stadium O hinaus. Auch hebe ich nur das Wich- tigste hervor, das sich durch spätere Untersuchungen als richtig herausge- stellt hat. ” Ueber die Mesodermsegmente (des Rumpfes ete. 463 anfänglich die Höhle eines Myotomes mit der Leibeshöhle com- munieirt. Nachdem das Myotom sich von diesem Rohre abge- schnürt, stellt dasselbe die Anlage eines Nierentrichters dar. Auf vergleichend anatomischen Gründen war Gegenbaur (13, p. 863 und 864) 1870 zu dem Ergebniss gelangt, dass der Vornierengang (primäre Urnierengang) sich in den Müller’schen und W olff’schen Gang (seeundären Urnierengang) sondere. Später entdeckte Semper (26) die Spaltung des ersterwähnten Ganges in die beiden anderen bei Haifischembryonen. Ich (47) fand 1886 bei Rochenembryonen das Vorhandensein einer Vorniere und die Betheiligung des Ektoderms an der Bildung ihres Ganges. Im nächsten Jahre vermochte ich (48) dasselbe bei Haifischem- bryonen, sowie die morphologische Differenz zwischen Pro- und Meso- nephros !) festzustellen. I. Ueber die Mesodermsegmente des Rumpfes?). Es ist allgemein bekannt, dass sich bei den Wirbelthieren aus einem Somit, Mesodermsegment, Ursegment oder „Urwirbel“ ein Myotom und ein Sklerotom entwickeln. Es hat sich nun aber durch Untersuchungen der letzten 1) In meiner Bemerkung (49) nahm ich an, Rückert habe meinen Artikel, weil er denselben mit keinem Worte erwähnt, nicht gekaunt. Dies war nicht richtig, wie aus seiner Antwort (31) hervorgeht. Von den Beleh- rungen, die Rückert mir dabei ertheilt, vermag ich keine anzunehmen. 2) Ueber den richtigen Platz dieses Capitels — ob am Anfang oder am Ende der Arbeit — war ich lange schwankend. Es würde vielleicht besser am Ende stehen, da. es nur in allgemeinen Zügen Entwicklungs- processe schildert, weil es meist nur eine Zusammenstellung von Thatsachen aus fremden und eigenen Publicationen enthält; ausserdem ist ein Theil von dem, was hier nur kurz berührt ist, weiter unten ausführlicher be- schrieben. Doch entschloss ich mich, mit diesem Capitel anzufangen, da es die Beschreibung des Folgenden wesentlich erleichtert. Möchte der Leser das- selbe nicht ganz verstehen, so bitte ich ihn, diesen Abschnitt nach Durchsicht der ganzen Arbeit wieder anzusehen. 464 J. W. van Wyhe: x Jahre herausgestellt, dass bei Selachiern auch der Mesonephros (Sedgwick, 32, v. Wyhe, 48, Rückert, 30), der Pronephros (v. Wyhe, 481), Rückert, 30) und die Geschlechtsorgane (nach Rückerts wichtiger Entdeekung) aus dem segmentirten Theil des Mesoderms entstehen. Im Rumpfe der Selachier ist in gewissen Entwicklungsstadien also nicht nur die Myotomenplatte, sondern auch die Mittelplatte — d. h. derjenige zwischen Myotomen- und Seitenplatte?) lie- sende Theil, aus welchem der Mesonephros ?) entsteht — und ein kleiner dorsaler Theil der Seitenplatte segmentirt. Das letztere folgt daraus, dass der Pronephros und die Geschlechtsorgane, welche offenbar Bildungen der Seitenplatte sind *), bei ihrem Auf- treten eine Segmentirung zeigen, die aber bald verloren geht. Die Metamerenbildung reicht bei Embryonen niederer Wirbel- thiere (auch beim Amphioxus nach Hatschek) also tiefer ven- tralwärts als — nach den bisherigen Beobachtungen — bei den Amnioten, so dass das Wort Somit bei den letzteren eine beschränk- tere Bedeutung hat, als z. B. bei den Selachiern °). Um Verwirrungen vorzubeugen, scheint es mir desshalb ge- boten, die Segmente der Mittelplatte und des dorsalen Theiles der Seitenplatte durch eigene Namen zu bezeichnen. Ein Mittelplattensegment werde ich Mesomer nennen; den ventral davon liegenden, zur Seitenplatte gehörigen Theil eines Somites nenne ich ein Hypomer. Den dorsal von den Mesomeren befindlichen Theil eines Somites könnte man noch als Epimer be- 1) Der segmentale Bau des Pronephros geht, glaube ich, aus meinen früheren Angaben deutlich genug hervor. Ich eitire: „[Die Vorniere] entsteht . . unter drei Somiten.“ „Schon bei ihrem Auftreten .... kann man . an derselben drei Ostia wahrnehmen.“ 2) Gewöhnlich schreibt man Seitenplatten (Mehrzahl), wohl weil der betreffende Theil aus zwei Lamellen, Somatopleura und Splanchnopleura be- steht. Es hat sich nun aber gezeigt, dass diese beiden Lamellen auch an der Myotomen- und Mittelplatte wenigstens eine Zeitlang zu unterscheiden sind. Doch dürfte die Schreibweise in der Einzahl vorzuziehen sein. 3) Und auch die Sklerotome, siehe unten. 4) Unter Seitenplatte verstehe ich denjenigen Theil des Mesoderms, der die spätere Leibeshöhle umschliesst, oder mit: jenem Theile homodynam ist. 5) In meiner Mittheilung (48) habe ich das Wort in seiner beschränk- ten, bei höheren Thieren gebräuchlichen Bedeutung angewendet. Ueber die Mesodermsegmente des Rumpfes ete. 465 zeichnen, doch ist dies Wort vielleicht überflüssig, weil es mit dem Begriff Myotom (Muskelsegment) !) fast zusammenfällt. Zur Verdeutlichung diene das Schema Fig. 15 Taf. XXXIL, welches einen Sagittalschnitt durch die Mitte von fünf Rumpfsomiten in einem frühen Entwicklungsstadium vorstellen soll. Wenn das Cölom sich noch in die Höhlen der Somite fort- setzt, habe ich früher (46) von primärer Leibeshöhle gesprochen ; bequemer ist das Wort Procölom. Dasselbe wird durch das parie- tale (Somatopleura) und das viscerale Blatt (Splanchnopleura) des Mesoderms begrenzt. Im oralen, im aboralen und im dorsalen Theile je eines Somites gehen beide Blätter in einander über. Cölom ist, dem allgemeinen Gebrauch entsprechend, die Höhle in der Seitenplatte; wo es nöthig erscheint, werde ich es als Metacölom bezeichnen. Die Höhle eines Myotomes kann man Myocölom (Epicölom), die- jenige eines Mesomeres Mesocölom nennen. Die Epimeren schnüren sich vollständig von den Mesomeren ab und liefern, mit Ausnahme einiger Mesenchymzellen, nur die Myotome. Aus je einem Mesomer entsteht ein Sklerotom und, mit Aus- nahme der vordersten, auch ein Nephrotom 2), d. h. ein segmentaler Abschnitt des Mesonephros-Epithels. Ueber die Nephrotome wird in den folgenden Capiteln ausführlich gehandelt. Die Sklerotome treten bei Pristiurus-Embryonen im Stadium mit etwa 40 Somiten auf. Fig. 9, Tafel XXXI ist einem Embryo mit 43 Somiten entnommen; die Sklerotome befanden sich nur in den vordersten Somiten, bis nicht weit hinter dem Pronephros. Bei ihrem Auftreten enthalten 1) Kölliker hat zuerst für höhere Thiere und Rabl (28) dann für Selachier angegeben, dass sich aus der Somatopleura des Myotoms ein Theil der Cutis entwickelt. Dem gegenüber stehen die Beobachtungen von Balfour (4), wonach daraus, wenn auch erst ziemlich spät, Muskelfasern hervorgehen. Zieglers Angaben (50) nehmen eine vermittelnde Stelle ein, nach welchen jene Somatopleura zwar Mesenchymzellen nach Aussen abgiebt, die sich wohl an der Bildung der Cutis betheiligen, aber, wenigstens bei Knochenfischen, auch die äusserste, dünne Muskellamelle des Myotoms liefern. Ich kann Zieglers Angaben bestätigen und habe auch bei Selachiern verhältnissmässig spät die Bildung von Muskelfibrillen in der Somatopleura der Myotome wahr- genommen. 2) Dieses Wort ist zuerst von Rückert gebraucht, jedoch in weiterem Sinne. 466 J. W. van Wyhe: sie, wie Rabl entdeckt und auch Ziegler bestätigt hat, eine bald vorübergehende kleine Ausstülpung des Procöloms. Diese halte ich mit Rabl für das Homologon der entsprechenden, von Hatschek entdeckten Ausstülpung bei Amphioxus-Embryonen. Die Zellen des Sklerotoms, welche anfangs ein epitheliales Gefüge be- sitzen (Fig. 9), nehmen bald die charakteristische Sternform der Mesenchymzellen an. Während das Sklerotom bei seinem ersten Erscheinen nur vom dorsalen Theil der inneren Wand eines Me- someres ausgeht, sprosst es bald von der ganzen Innenwand aus (vergl. z. B. Fig. 6 e—g, rechts, Taf. XXX und Fig. 11 und 12, Taf. XXXI), wie von Ziegler mit Recht hervorgehoben, dem sich auch Rückert (31) angeschlossen hat. Aus einigen Hypomeren (aus welchen wird im Capitel über die Vorniere angegeben) entsteht je ein segmentaler Abschnitt des Pro- nephros-Epithels (Pronephrotom) und aus mehr nach hinten liegen- den Hypomeren je ein Gonotom !) d. h. ein segmentaler Abschnitt der Geschlechtsdrüse. An den Myotomen, Nephrotomen und Gonotomen betheiligen sich beide Grenzblätter (Somatopleura und Spianchnopleura) des Procöloms, an den Sklerotomen nur die Splanchnopleura, an den Pronephrotomen dagegen nur die Somatopleura. Bei erwachsenen Se- lachiern wird die Grenze zwischen Somato- und Splanchnopleura des Cöloms noch angegeben durch die Längslinie, welche man sich jederseits, der Wirbelsäule ungefähr parallel verlaufend, durch die Trichteröffnungen des Mesonephros gezogen denkt. Da nun in vielen Lehrbüchern die hauptsächlichsten Differenzi- rungen des Mesoderms im Wirbelthierrumpfe, wie mir scheint, nicht ganz klar gestellt sind, gebe ich hier auf Anregung meines Freundes Prof. Wiedersheim davon eine kurze Vorstellung, wie ich auch bei meinen Vorlesungen über vergleichende Anatomie ge- than habe. Derselben liegen die Vorgänge bei den Selachiern zu 1) Den Ausdruck Gonotom entnehme ich der Arbeit von Rückert, in welcher von Gono-Nephrotom die Rede ist. Rückerts Entdeckung, dass die Keimzellen in den unteren Theilen der Somite erscheinen, dass die Ge- schlechtsdrüsen also segmentirt auftreten, ist wichtig im Hinblick auf Am- phioxus, welches Thier also auch in der Anordnung jener Drüsen bleibend einen Zustand repräsentirt, der bei höheren Organismen nur in Entwicklungs- stadien gefunden wird. Ueber die Mesodermsegmente des Rumpfes ete. 467 Grunde, wie sie sich mir — und wohl auch anderen Forschern, die sich mit der Entwicklungsgeschichte dieser Gruppe eingehend beschäftigt haben — an zahlreichen Präparaten gezeigt haben. Ich muss dabei um Entschuldigung bitten für die zur Ver- deutlichung nöthigen schematischen Abbildungen (Fig. 14—1B8, Taf. XXXII). Um dieselben nicht zu complieirt zu machen, sehe ich von den Differenzirungen im Mesenchym ab. In diesen Figuren ist das Myotom (Epimer) durch einen rothen, das Mesomer (Skle- rotom und Nephrotom) durch einen grünen, die Seitenplatte und ihre Producte durch einen blauen Ton angegeben. Nur in der vorletzten Figur 17 habe ich beim Mesenchym den Ton weg- gelassen. Vom Dottersack sehe ich bei diesen Abbildungen ganz ab, da derselbe nach beendeter Umwachsung des Dotters ja nur einen enorm hervorgewölbten Theil des Bauches vorstellt, verursacht durch die grosse Ansammlung von Nährmaterial in dem in dem- selben befindlichen Darmabschnitte }). Beim Heranwachsen des Embryo verkleinert sich der Dotter- sack allmählich, bis kurz nach dem Ausschlüpfen die Bauchwand an dieser Stelle keine Hervorwölbung mehr zeigt. Es ist vielleicht noch nicht überflüssig darauf zu weisen — wie auch von P. Mayer (23) geschehen — dass der oft gebrauchte Ausdruck „ausserembryonal“ für Gebilde auf dem Dottersack also unrichtig ist. Wenn z. B. die Blutgefässe auf demselben ent- 1) Die Angabe von Balfour (4, pag. 227), dass der Dottergang bei Se- lachiern hinter den Ausführgängen des Pankreas und der Leber ausmündet, trifft nur für Embryonen mit weniger als 100 Myotomen zu (etwa Ende des Stadiums X). Merkwürdiger Weise rückt diese Einmündungsstelle allmählich scheinbar nach vorn (in Wirklichkeit weniger schnell nach hinten als die Aus- mündung des Gallen- und Pankreasganges) und befindet sich bei Embryonen mit über 100 Myotomen vor der Einmündung des Ausführganges der Leber in den Darm. Dieselbe rückt bis an das Ende des Pylorusrohres des Magens; ich habe dieses scheinbare nach vorn Wandern Schritt für Schritt verfolgt. Bei einem 26mm langen Embryo (Stadium O) liegt die erwähnte Stelle im 14. Rumpfsegment, drei Segmente oralwärts von den (getrennten) Ausmün- dungen des Gallen- und des Pankreasganges. Der von Balfour und Parker (6) hervorgehobene Einwand gegen Joh. Müllers Homologisirung eines gewissen Darmtheiles bei Selachiern und Ganoiden dürfte hiermit hin- fällig sein. Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 33, 30 468 J. W. van Wyhe: stehen, so ist es nicht richtig zu sagen, dass sie später „in den Embryo hineinwachsen“ ; sie wachsen in den übrigen Theil des Embryo hinein. Bei der folgenden Schilderung betrete ich, hauptsächlich was das Mesenchym ) betrifft, das vonZiegler in vorzüglicher Weise behandelte Gebiet. Seine Angaben kann ich in allen wesentlichen Punkten bestätigen. Ich fange an mit einem Stadium, zu welchem die Fig. 14a und 14 b gehören, die Schnitte vorstellen, welche dicht hinter der Anlage des Pronephros fallen (einem Pristiurus-Embryo mit etwa 34 Somiten entsprechend). Bei Fig. 14a ist der Schnitt durch die Mitte eines Somites, bei 14b durch dessen hintere oder vor- dere Wand geführt. Das Procölom (Fig. 14a) erstreckt sich bis in den Gipfel des Myotoms. Im Bereich des Meso- und Hypomeres ist es zum „Segmentalbläschen‘ (siehe das nächste Capitel) angesch wollen. Die untere Grenze der Myotome befindet sich im Niveau des un- teren Theiles der Chorda, was auf Querschnitten daran erkennbar ist, dass die Muskelfasern in der der Chorda zugekehrten Wand so weit nach unten reichen (vgl. Fig. 1 und 2). Der obere Theil des Somites berührt das Medullarrohr (im Schema wie auf vielen Schnitten findet man statt des Contactes einen feinen Zwi- schenraum, wohl entstanden durch Retraction der an einander stossenden Theile). Ein blosser Contact ist dies wohl nicht, denn das Thier (ich habe Pristiurus im Auge) bewegt den Vorderkörper, so dass man wohl eine protoplasmatische Verbindung zwischen dem Medullarrohre und der Anlage des Myotoms annehmen muss. Der Contaet wird bald aufgeboben durch das zwischen beiden ein- dringende Sklerotom (Fig. 15 a), doch wird die Vereinigung beider Theile nie ganz gelöst, denn in demselben Maasse als sich das Myotom vom Medullarrohre entfernt, zieht sich die beide Theile verbindende ventrale Nervenwurzel (Fig. 9, Taf. XXXI vo. w.) aus, wie Dohrn (8) in einer ausgezeichneten Arbeit, die ich in allen Hauptsachen bestätigen kann, ausführlich dargestellt hat?). 1) Ich kenne kein besseres Object als Selachier-Embryonen, um sich von der Unrichtigkeit der Theorie, nach welcher sich das Mesenchym nur an be- schränkter Stelle (z. B. nur etwa am Umschlagrande der Keimblätter auf dem Dotiter) bilden sollte, zu überzeugen. 2) Der Nerv ist also ab origine bei seinem Muskeleomplexe, den er nicht wieder verlässt. His hat eine ganz andere Vorstellung von der Sache Ueber die Mesodermsegmente des Rumpfes ete. 469 Wenden wir uns jetzt wieder zur Fig. 14, so sehen wir noch die Anlage des Vornierenganges als eine Verdickung der Epider- mis etwa in der Höhe der Ööberen Grenze des Darms. In Fig. 14b, bei weleher der Schnitt durch die hintere oder vordere Wand des Somites geführt ist, sieht man das Procölom natürlich nur bis an die untere Grenze desselben. Um die Zahl der Abbildungen nicht unnöthig zu vergrössern, habe ich durch eine punktirte blaue Linie die Stelle angegeben, wo sich der Pronephros — als Ausstülpung vom unteren Theile des Segmental- bläschens — befinden würde, wenn der Schnitt durch die Region desselben geführt wäre (vgl. Fig. 2 und 3, Taf. XXX). Das folgende Stadium (Fig. 15a und 15b, einem Pristiurus- Embryo mit etwa 60 Somiten entsprechend) zeigt erhebliche Ver- änderungen. Der Schnitt des Schema 15a (vgl. die Fig. 11 und 12 aus einem etwas späteren Stadium) ist hinter dem Pronephros geführt. Die Anschwellungen der Segmentalbläschen sind geschwun- den. Der Vornierengang hat sich in der Region des Schnittes als ein solider Strang von der Epidermis abgeschnürt und zwischen beiden wächst das Myotom hinunter. Dasselbe steht im Begriffe sich vom Mesomer zu trennen. Die Splanchnopleura des Meso- mers giebt durch Zellenproliferation ein Sklerotom ab, das zwischen dem Myotom einerseits, der Aorta, der Chorda und dem Medullar- rohre andererseits emporwächst. Bei der Fig. 15b (vgl. Fig. 12), welche demselben Stadium angehört, ist der Schnitt durch die Region der Vorniere geführt; dieselbe ist unmittelbar unter dem Mesomer sichtbar. In einem späteren Stadium (Fig. 16) hat sich die Abschnü- rung der Myotome vollzogen. Ihre spaltförmige Höhle (das Myo- cölom) zeigt eine Erweiterung am oberen und unteren Ende der Myotome, welche fortwachsend mehr und mehr das Medullarrohr und die äussere Wandung der Leibeshöhle umgreifen, von beiden aber durch eine Schichte Mesenchym getrennt bleiben. Die So- matopleura des Muskelsegments giebt Mesenchymzellen ab°), wäh- (18, p. 387#f.). Wie er dieselbe „einfach“ finden kann, wäre mir nur verständ- lich, wenn man annehmen könnte, die Nerven seien zielbewusst. 1) Beim Hinweise auf Figuren nach wirklichen Schnitten muss ich be- merken, dass dieselben meist nicht für dieses Capitel angefertigt sind, sonst hätte ich instructivere gewählt. Ich glaube aber dass dieselben genügen. 2) Eigentlich geschieht dies erst in einem späteren Stadium (Balfours 470 J. W. van Wyhe: rend sein unteres Ende in die Seitenleiste der Mesenchyms sl eintaucht. Diese Leiste tritt bei Seyllium und Pristiurus im Stadium mit etwa 60 Somiten auf, als eine Zellenproliferation an einer be- schränkten Stelle der Somatopleura, etwas unter dem Niveau des oberen Darmrandes (Fig. 10, Taf. XXXI). Sie entwickelt sich in der Richtung von vorn nach hinten. Dieselbe ist anfangs zweischich- tig, während die Somatopleura über und unter ihr nur aus einer einfachen Zellschicht besteht; bald aber, schon bei Embryonen mit 71 Somiten (Fig. 6a—h Taf. XXX), hat sie beträchtlich an Dicke zugenommen, während ein grösserer Theil der Somatopleura Zellen an sie abgiebt. Später verschmelzen die beiderseitigen Leisten ventral mit einander, während die Myotome in dieselben hinein- wachsen (Schema 16) und endlich sind sie nicht mehr als geson- derte Zellwucherungen zu erkennen, da sie mit dem Mesenchym der Sklerotome und dem von der Aussenwand der Myotome stam- menden verschmelzen. Auch die Gliedmaassen erhalten ihr Mesen- chym hauptsächlich von dieser Leiste, wie schon von Balfour und Ziegler angegeben. Da nun auch in einigen Entwicklungsstadien eine deutliche Ausbuchtung der Leibeshöhle in dieselbe wahrzu- nehmen ist, so scheint es mir nicht unwahrscheinlich, dass die Leisten mit der sie bekleidenden Haut den Seitenfalten !) der Am- phioxuslarve homolog sind. Dieses Thier würde dann also, wie schon Thacher (40) hervorgehoben, die ersten Rudimente der paarigen Gliedmaassen der Wirbelthiere besitzen. Balfour nimmt diese Homologie?) nicht an, wahrscheinlich auch, weil die Seiten- Perioden L und M); ist hier aber vorgestellt um die Zahl der Schemata zu beschränken. 1) Beim Amphioxus (vgl. Kowalevsky „Weitere Studien über die Ent- wicklungsgeschichte des Amphioxus lanc.“ Arch. f. mikr. Anat. Bd. 13) wachsen die darüber befindlichen Myotome mit ihrem ganzen ventralen Ende (vgl. 1. c. Fig. 18 und 23) in die Falte hinein, welche später grossentheils die Peribranchialhöhle lateral begrenzt. Bei den Cranioten dagegen senden die Myotome, wie hauptsächlich von Dohrn beschrieben, nur Knospen in die Gliedmaassenfalte und kommen dann zwischen Cölom und Haut zusammen. Die Cranioten haben sich also von den Acranien getrennt ehe die parietale Muskulatur den Körper ventral umwachsen hatte. Die noch von Thacher behauptete Homologie der Peribranchialhöhle des Am- phioxus mit dem Cölom der Cranioten ist längst widerlegt. 2) Thacher und Balfour hatten allerdings die Seitenfalten des erwach- senen Amphioxus, nicht die der Larve im Auge. Ueber die Mesodermsegmente des Rumpfes etc. 471 falten ungefähr auf die kiementragende Region des Körpers be- schränkt sind. Wenn ich nun nicht bestreiten will, dass der kiemen- tragende Theil des Darmes dem Kopfdarme der höheren Thiere homolog ist, so halte ich es doch für unrichtig, wenn man glaubt (wie auch Gegenbaur [14, p. 98] thut), durch eine Querebene hinter dem Kiemendarme beim Amphioxus die Region abgrenzen zu können, welche dem Kopfe der Cranioten entspricht. Hiergegen spricht hauptsächlich die Lage der Geschlechtsorgane. Nach meiner Ansicht hat sich der ursprüngliche Kopfdarm des Amphioxus-Embryo beim Längenwachsthum des Körpers weit nach hinten!) in die Region, welche dem Rumpfe der Cranioten ent- spricht, ausgedehnt, während natürlich andere Darmabschnitte im Längenwachsthum zurückblieben. Der Verlauf der Kiemennerven könnte hier Aufschluss geben. Bis jetzt sind aber alle meine Ver- suche, dieselben wahrzunehmen, misslungen. Wenden wir uns nach dieser Abschweifung wieder zur Fig. 16, so sehen wir, dass von der Splanchnopleura des Metacöloms Me- senchym hervorgesprosst ist, welches den Darm umhüllt und später die glatte Muskulatur mit dem Bindgewebe seiner Wand liefert. Die beiderseitigen Sklerotome sind um die Aorta und über dem Medullarrohre zusammengewachsen. Medial von der Stelle, wo das Nephrotom in das (Meta-)Cölom mündet, wölbt sich die Keim- drüse hervor. Die Keimzellen, welche anfangs auch in der Somato- pleura liegen, rücken später bekanntlich in diese Hervorwölbung hinein. Das Nephrotom liegt dem hohlgewordenen Vornierengang zwar an, ist aber noch nicht in denselben durchgebrochen. Das nächste Stadium (Fig. 17) nähert sich den Verhältnissen des erwachsenen Thieres. Ich habe darauf verzichtet, hier die Ab- stammung des Mesenchyms von der Seiten-, Mittel- und Myotomen- platte auseinander zu halten, weil die Grenzen verschwunden sind und die Zellen auch wohl zum Theil durch einander liegen. Wei- 1) Dies ist mit dem Vorderdarm bei Selachiern thatsächlich der Fall, denn ich finde die Ausmündungsstelle des Gallenganges in den Darm bei einem Pristiurusembryo mit 76 Myotomen (Stadium J) im vierten, bei einem solchen von 26mm Länge (Stadium O) dagegen im siebzehnten Rumpfsegment (der Magen reicht mit seinem blinden Ende, vgl. die Fig. bei Wiedersheim [45, p-. 265] noch viel weiter nach hinten). Diese „Wanderung“ caudalwärts ist leicht Schritt für Schritt zu verfolgen. 472 J. W. van Wyhe: ter habe ich in diesem Stadium abgesehen von der Trennung der Myotome in eine dorsale und ventrale Seitenrumpfmuskelpartie, sowie von den vielen Knickungen und Uebereinanderschiebungen _ der Muskelsegmente, wodurch zahlreiche derselben auf jeden Quer- schnitt fallen. Die linke Hälfte der Figur trifft einen Nierentrichter, die rechte nicht; die letztere dürfte dadurch auch ein Schema für die Verhältnisse bei Amnioten bilden. Die quergestreifte Muskulatur der Myotome umgreift jetzt den ganzen Körper und ist sowohl von der Haut, als von dem Medul- larrohre und der Wandung der Leibeshöhle durch eine Mesenchym- schichte getrennt. Aus der Somatopleura des Myotoms ist (nach der Abgabe von Mesenchym) eine dünne äussere Muskelschichte hervorgegangen. Vom Myocölom sind nur noch dorsal und ventral die letzten bald verschwindenden Reste sichtbar; in der Mitte ist es obliterirt. Durch den Durchbruch der Nephrotome in den Vor- nierengang ist die Urniere dargestellt. II. Ueber die Entwicklung der Exkretionsorgane. 1. Der Pronephros (die Vorniere). Das Exkretionssystem tritt auf im Laufe des Tages, an welchem der Embryo seine ersten, noch sehr schwachen Bewe- gungen durch Hin- und Herschlagen des Kopfes ausführt!). Wenn der Embryo mit diesen Bewegungen gerade anfängt, hat er 24 vorn und hinten deutlich begrenzte Somite. Das Exkre- tionssystem erscheint aber erst einige Stunden später, nämlich wann 27 Somite vorhanden sind?). Einem solchen 3mm langen — die Maasse wurden stets dem Präparate in Cedernöl entnommen — 1) Das Herz fängt schon einen Tag früher zu schlagen an, bei Em- bryonen mit 20 Somiten (die Wahrnehmung geschah im April; die Tempe- ratur des Wassers im Aquarium war 16° C.). 2) Auch im Stadium mit 25 Somiten (ein solches mit 26 besitze ich nicht) ist dasselbe noch nicht vorhanden. Auf diesen Entwicklungsstufen hat die ventrale Abschnürung der Myotome noch nicht stattgefunden; dieselbe fängt erst bei Embryonen mit + 60 Somiten an (siehe den Abschnitt über den Mesonephros). Ueber die Mesodermsegmente des Rumpfes etc. 473 in der Mitte von Balfours Stadium 7 befindlichen Embryo liegt die folgende Beschreibung zu Grunde. Zwischen dem Hinterrande der Ohrblase und dem Vorder- rande des ersten der 27 Somite ist noch Raum für zwei Mesoderm- segmente, deren Grenzen erst später auftreten (vgl. v. Wyhe, 46). Dies ergab sich nicht nur bei der Ansicht des Embryo in toto als er in Cedernöl lag, sondern auch aus der Querschnittserie, denn auf den erwähnten Raum fallen 23 Schnitte, während die beiden vordersten Somite resp. auf 12 und 10, zusammen also auf 22 Schnitten sichtbar sind. Die drei vordersten, wohlbegrenzten Somite gehören also dem Kopfe an (vgl. v. Wyhe, 46) und erst das vierte ist das vorderste Rumpfsomit. Diese Auseinandersetzung war nöthig zur genauen Bestimmung der Stelle, wo der Pronephros auftritt. Derselbe erscheint nämlich als eine Ausstülpung der Somatopleura im blasenförmig aufgetrie- benen unteren Theile des dritten, vierten und fünften Rumpf- somites 1) (Fig. 1 zeigt die Pronephros-Anlage im dritten Rumpf- segment) ?). Da nun der Pronephros, wie spätere Entwicklungsstadien zeigen (vgl. Fig. 12, Taf. XXX]), ein Product der Seitenplatte ist, während der unmittelbar dorsal davon liegende Theil des Mesoderms zur Mittel- platte gehört, ist die Segmentirung des Mesoderms bei Se- 1) Bei Rochen (Raja clavatä) fand ich (47) statt drei, fünf Somite. Rückert (30) giebt für Pristiurus fünf, für Torpedo sieben Somite’an, weil er die bald vorübergehende kleine Ausbuchtung, welche das an die Vorder- seite so wie das an die Hinterseite des Pronephros stossende Somit aufweist, mit zur Vornierenanlage rechnet. Eine ähnliche Differenz findet man in den Angaben der Autoren über den Pronephros beim Hühnchen, Sedgwick z.B. (33) lässt sich bei diesem fünf Somite betheiligen; die meisten aber, z. B. Mihalkovics (24) nur drei. 2) Unter Segment (vgl. p. 492) verstehe ich in frühen Entwicklungsstadien eine Querzone des Körpers, deren Vorder- und Hintergrenze mit den entsprechen - den Grenzen eines Somites zusammenfällt. Jedes Rumpfsegment enthält also in einer gewissen Entwicklungsperiode rechts und links ein Myotom (Epimer), Mesomer und Hypomer, einen Spinalnerv mit dorsaler und ventraler Wurzel, einen Abschnitt des Medullarrohres, des Darmcanales etc. In späteren Ent- wicklungsstadien rücken die Theile eines Segmentes oft erheblich auseinander. So zieht z. B. das Hypomer des 4. Rumpfsegmentes bis unter das 8. oder 9. Rumpfmyotom nach hinten. 474 J. W. van Wyhe: lachiern also nicht auf die Myotomenplatte beschränkt, sondern erstreckt sich auch auf dieMittelplatteundden dorsalen Theil der Seitenplatte®). Balfour sagt richtig (4, p. 105) „The line of junction of the ver- tebral and parietal plates“ (d. h. die Grenze zwischen dem dorsalen segmentirten und dem ventralen unsegmentirten Theil des Mesoderms) „is a little ventral to the dorsal summit of the alimentary canal N. 200 The cavity in each of the protovertebrae“ (Somite) „is formed of a narrowed dorsal and a dilated ventral segment, the latter on the level of the dorsal aorta“. Diese bläschenförmigen Erweiterungen liegen im Bereich der Meso- und Hypomeren und da an entsprechender Stelle ähnliche Bildungen bei höheren Thieren (Lacerta) von Weldon (41) und Mihalkovies (24) wahrgenommen und als Anlagen der Urniere beschrieben worden sind, so will ich ein wenig näher auf diese „Segmentalbläschen“ eingehen. Dieselben treten schon im Stadium F auf und communieiren durch einen engen Spalt sowohl mit der Höhle der späteren Myo- tome, dem Myocölom (vgl. Fig. 1 aus dem Stadium 7) als mit der bleibenden Leibeshöhle. Die letztere Communication fällt nicht auf den abgebildeten Schnitt und kann fehlen durch das nahe Aneinan- 1) Dass die Seitenplatte — wenigstens in ihrem dorsalen und phylo- genetisch vielleicht auch in ihrem ventralen Theile — eine Metamerie zeigt, giebt uns eine Erklärung für das segmentale Auftreten der Kiementaschen. Dass dieselben bei den ersten cranioten Wirbelthieren segmental angeordnet waren, wird nach meiner Ansicht bewiesen: 1. Durch das segmentale Auftreten ihrer Homologa, der vordersten Kie- mentaschen beim Amphioxus (vgl. Kowalevsky 21, Fig. 35 links). Dass die hinteren Kiemenspalten dieses Thieres unabhängig von der Körpermetamerie entstehen, scheint begreiflich wegen ihres ontogenetisch und auch wohl phylo- genetisch späten Erscheinens. 2. Durch ihr fast segmentales Auftreten bei Selachierembryonen. Nimmt man bei diesen nämlich den Ausfall einer einzigen Spalte an, so entstehen sie streng segmental (v. Wyhe, 46). Gegenbaur (14) wendet sich gegen diese Annahme, hält aber bekanntlich auch die segmentale Anordnung für primitiv. Ebenso Dohrn (9). Wenn also bei den Cranioten die Branchiomerie der Körpermetamerie nicht zu entsprechen scheint, so ist dies nicht, wie Ahlborn (1) meinte, ein primitives, sondern ein secundäres Verhalten. - Ueber die Mesodermsegmente des Rumpfes etc. 475 derlagern von Somato- und Splanchnopleura, welche dann aber nicht wie auf dem abgebildeten Schnitt verlöthet sind. Beim Embryo mit 27 Somiten sind 13 dieser Bläschen vor- handen, von welchen die vordersten drei auf die 3 hinteren Kopf- segmente, die übrigen auf die 10 vordersten Rumpfsegmente fallen. Die Höhle dieser Bläschen wird immer kleiner je weiter man nach hinten kommt, so dass dieselbe im zehnten Rumpfsegment noch kaum sichtbar ist. Im Stadium mit 31 Somiten sind sie weiter gebildet, aber in demjenigen mit 35 in den erwähnten Segmenten schon fast ver- schwunden und ihre Höhle kaum mehr als ein Spalt. Sie stellen jedenfalls sehr vorübergehende Bildungen vor und nehmen bei Selachiern keinen Theil am Aufbau des Exkretionssystems. Ich will hiermit aber nicht in Abrede stellen, dass sie wohl durch Flüssigkeitsansammlung entstehen, welche vielleicht exkre- torischer Natur und zum Theil ein Stoffwechselprodukt der Mus- kulatur ist. | Eine Flüssigkeit ähnlicher Natur verursacht vielleicht bei vielen Wirbelthierembryonen auch die blasenförmige Auftreibung der Pericardialhöhle, kurz nachdem das Herz angefangen hat zu schlagen. Wenden wir uns jetzt wieder zum eben aufgetretenen Prone- phros, so zeigt er segmental und intersegmental natürlich eine ver- schiedene Gestalt. Segmental zeigt er sich deutlich als eine Aus- stülpung der Somatopleura wie Fig. 1 lehrt, welehe einen Schnitt durch die Mitte des dritten Rumpfsegmentes vorstellt. Die Aus- stülpung » hat eine Randzone mit zahlreichen Kernen und enthält nur wenige Kerne im Innern. Intersegmental kann man aber keine Randzone unterscheiden, da die Kerne im Innern ebenso zahlreich sind wie am Rande, was Fig. 2 zeigt, welche einem zwischen dem dritten und vierten Rumpfsegmente geführten Schnitt durch einen Embryo mit 31 Somiten entnommen ist!). Die segmentale Aus- stülpung — die Anlage eines Ostiums — ist bei diesem Embryo im fünften Rumpfsomit besonders dentlich?) (Fig. 3 rechts). 1) Vom Epimer (Myotom) und Mesomer sieht man in der Figur rechts fast gar nichts, weil der Schnitt grossentheils auf die intersegmentale Lücke fällt. Diese Lücke existirt nicht mehr zwischen den Hypomeren (vgl. das Schema Fig. 18), weil diese unmittelbar an einander stossen. 2) Da Rückert (31) meine Angabe (48) „schon bei ihrem Auftreten 476 J. W. van Wyhe: Der Pronephros steht noch in keiner Verbindung mit der Haut; von einem Gang ist weder im Stadium mit 31 noch in dem mit 27 Somiten eine Spur vorhanden. In den Stadien mit 35 —45 Somiten verwischt sich die Seg- mentirung des Pronephros dadurch, dass sich segmental die Kerne in seinem Innern vermehren, wodurch er ganz solid wird. Doch kann man bei genauer Beobachtung zwar kein Lumen mehr, aber wohl eine Differenz in seinen Querschnitten, welche dureh die Mitte der Segmente und solche, welche zwischen denselben geführt sind, erkennen, da die Zahl der Kerne in den ersteren immer geringer ist. Nach dem Stadium mit 45 Somiten werden die Stellen der Ostia wieder leichter sichtbar, wie Fig. 13, Taf. XXXI zeigt, welche nach einem Embryo in toto mit 48 Somiten entworfen ist?). Beim Vorhandensein von 55 Somiten finde ich auf Quer- schnitten beiderseits die drei Ostia als hohle Ausstülpungen mit sehr feinem, mit der Leibeshöhle communieirendem Lumen. Sie communieiren noch nicht direet mit einander und der Gang ist noch ganz solid. Aehnliches zeigt ein Embryo von Seyllium canieula mit 57 Somiten; der Pronephros ist hier zusammen gedrängt?); derselbe ist die Vorniere nicht ganz solid“ als unrichtig bezeichnet, hat er ihre ersten Stadien bei Pristiurus wohl nicht gesehen. 1) Das vorderste sichtbare und rudimentäre Somit liegt mit seinem hinteren Theile über der vierten Kiementasche und gehört zum sechsten Kopf- segment. Um einen festen Ausgangspunkt zur Bestimmung der Stadien zu haben, werde ich bei den Angaben der Somitenzahl immer dieses als das erste betrachten. Bei älteren Embryonen in toto sind das 6.—8. Kopfseg- ment nicht immer sichtbar. Ihre Lage war aber doch durch die der Nach- bartheile zu bestimmen und wurde an der Schnittserie controllirt. 2) Rückert (30) hat auf dieses Zusammendrängen zuerst aufmerksam gemacht. Seyllium (canieula und catulus s. stellare), von welchem ich viele Stadien besitze, stimmt in Bezug des Pronephros und seines Ganges so voll- ständig mit Pristiurus überein, dass ich keinen Unterschied anzugeben wüsste. Rückert scheint seine abweichende Angabe (30, p. 228) später (31, p. 17) zu- rückgenommen zu haben. Dass die Zahl der Pronephrotome (Vornierenseg- mente) nicht völlig constant ist, hat Rückert schon bemerkt. In so jungen Stadien, dass eine Degeneration auszuschliessen ist, findet man mitunter an einer Körperseite nur 2 derselben, während an der anderen die normalen 3 vorhanden sind. In einem einzigen Falle (Pristiurus-Embryo) sah ich deren beiderseits 4. Ueber die Mesodermsegmente des Rumpfes ete. 477 fällt nur auf 23 Schnitten rechts und 25 links, während die zuge- hörigen drei Segmente auf 38 Schnitten sichtbar sind. Das Organ liegt nämlich nur im hinteren Theile des dritten, dem ganzen vier- ten und dem vordersten Theile des fünften Rumpfsegmentes. Die spaltförmigen Ostia — von welchen das mittlere auch später immer das grösste ist — haben sich in die Länge gezogen und sind dadurch einander genähert; zwischen dem ersten und zweiten sowie Zwi- schen dem zweiten und dritten Ostium fallen je nur 2—3 Schnitte, so dass dieselben der Verschmelzung nahe sind. Bei einem anderen Embryo von Seyllium canicula mit 60 So- miten ist die Vorniere fast ganz unter dem fünften Rumpfsomit zusammen gedrängt. Sie hat rechts und links drei Ostia, von wel- chen das vordere sich nach vorn allmählich abflacht. Auch der Gang hat in seinem vordersten Ende ein feines Lumen erhalten, welches also durch drei Oeffnungen mit der Leibeshöhle communi- eirt. Die Ostien an jeder Seite sind im Begriffe zu verschmelzen!) und nur durch 1—3 Schnitte getrennt. Ein Pristiurus-Embryo mit 71 Somiten zeigt links drei, rechts nur zwei Ostia (die beiden vordersten sind hier verschmolzen, vgl. aber den Abschnitt über den Glomus); der Pronephros liegt beider- seits im vierten und fünften Rumpfsegment. Fig. 6a zeigt das erste, 6e und 6f das zweite, 6h das dritte Ostium der Vorniere auf der linken Seite des Embryo (rechten Seite der Figur). Die Verschmelzung der Ostia geht jetzt rasch weiter; bei einem Embryo mit 73 Somiten ist links nur ein Ostium mehr (auf 20 Querschnitten sichtbar), rechts sind noch zwei vorhanden (zusammen auf 21 Sehnitten fallend). Ein anderer Embryo mit 76 Somiten besitzt rechts zwei Ostia, links nur eins, welches aber genau auf dieselben Querschnitte fällt, wie die beiden anderen zusammen. Diese letzteren sind übri- gens noch nicht durch einen Schnitt getrennt, denn der Schnitt, welcher den Hinterrand des vordersten Ostiums enthält, wird von einem gefolgt, auf welchem der Vorderrand des hintersten (ursprüng- lich dritten) sichtbar ist. 1) Rückert (31) spricht sich gegen diese Verschmelzung der Ostia mit einiger Entrüstung aus. Dieselbe ist auch nicht so leicht zu constatiren. In meiner Mittheilung (48) fand ich sie nur wahrscheimlich; jetzt stehe ich aber dafür ein. Nach der Verschmelzung hat das Ostium hinten eine ziemlich scharfe Grenze, nach vorne zu flacht es sich aber allmählich ab und verliert auf dem Querschnitt sogar seine Wölbung, so dass seine Stelle nur durch die höheren Zellen erkennbar ist, 478 J. W. van Wyhe: Hiermit achte ich den Beweis der Verschmelzung der Ostia für erbracht und erspare dem Leser die Beschreibung der weiteren Stadien, welche alle mit den erwähnten übereinstimmen. Nach der Periode mit 90 Somiten ist beiderseits stets nur ein Ostium vor- handen. Zwischen den Ostien hat der Pronephros die Gestalt eines an- fangs soliden, später hohlen Stranges, der aber in der Regel nicht wie der Gang (Fig.8, Taf. XXXD) ganz frei liegt, sondern mit dem Peritonealepithel zusammenhängt oder wenigstens damit in Berüh- rung ist (vgl. Fig. 6b—d, Taf. XXX). Was die Ostia betrifft, so ver- halten sich diese bei den Selachiern also ganz anders als bei den Amphibien, wo sie sich nach den Angaben von Fürbringer (12), und Hoffmann (19) allmählich abschnüren, schliessen und ver- schwinden!). Nach der Verschmelzung derselben erscheint die Vorniere nur als das vordere, sich trichterförmig in die Leibeshöhle öffnende Ende des Ganges. Die Entwicklungsgeschichte lehrt aber, dass sie eine vom Gange verschiedene Bildung ist. Es ist also nicht richtig, zu sagen, dass der Vornierengang als eine hohle oder solide Ausstülpung des Peritonealepithels ent- steht, denn diese ist die Anlage der Vorniere?). Wer die Entstehung des Ganges aus dem Ektoderm annimmt, wie eine solche von den meisten neueren Forschern für verschiedene Wirbelthierelassen an- gegeben wird, der muss nach meiner Ansicht als erste Anlage des Ganges die Stelle betrachten, wo der Pronephros zuerst mit der Haut verschmilzt. Dieselbe liegt ungefähr lateral vom Hinterende der erwähnten Drüse. Was das weitere Schicksal des Ostium abdominale des Gan- 1) Bei keinem meiner Embryonen ist ein abgeschnürtes Ostium vor- handen. Nur ein einziges Mal glaubte ich ein solches zu sehen; bei genauer Betrachtung zeigte sich aber, dass es sich handelte um eine viel mehr ven- tral liegende Ausstülpung der Somatopleura in die Seitenleiste des Mesen- chyms, wie ja an Stellen einer regen Zellenproliferation mitunter eine Aus- stülpung gefunden wird (vgl. Ziegler, 50). Eine auf diesen Punkt gerichtete Nachprüfung bei Amphibien ist erwünscht. 2) Eine Betheiligung des Ektoderms an der Bildung des Pronephros, welche Rückert für wahrscheinlich halten möchte, glaube ich mit Sicherheit ausschliessen zu können. Ueber die Mesodermsegmente des Rumpfes etc. 479 ges betrifft, so rückt dasselbe allmählich nach hinten. Auch zieht es medio-ventralwärts, bis es mit dem der anderen Seite verschmilzt. Im Stadium mit 104 Myotomen (Länge des Embryo 14 mm; Stadium Z) liegt es in der Querzone des fünften Spinalganglions; die beiderseitigen Ostien sind noch weit getrennt. Bei einem Em- bryo von 17 mm (Stadium M) ist es bis in die Region des sech- sten Spinalganglions gerückt; die beiderseitigen Ostien berühren einander noch nicht. Zu dieser Berührung ist es aber bei einem Embryo von 24 mm (Anfang O0) gekommen, wo das Ostium in der Region des achten Spinalganglions liegt, während ich es bei einem Embryo von Seyllium canicula von 27 mm (Stadium O) ein wenig hinter dieser Region und mit dem der anderen Seite ventral in der Medianebene verschmolzen finde. Es liegt beim Männchen und Weibchen an derselben Stelle; zwischen derselben und dem Darme befindet sich die hintere Oeffnung der Communi- cation der Bauchhöhle mit dem Pericardialraum. Bei Seyllium hat das Ostium jetzt seine definitive Lage er- reicht, denn bei einem noch nicht geschlechtsreifen Weibchen von 3.d.M. fand ich es in der Querregion des achten Wirbels. Bei Pristiurus scheint dasselbe noch um einen Wirbel weiter nach hinten zu rücken; bei einem Embryo von fast der gleichen Länge wie der letzterwähnte finde ich es nämlich in der Querregion des neunten Spinalganglions. Der Nachweis der caudalwärts gerichteten Verschiebung des ÖOstiums scheint mir nicht ohne Belang für die Homologie des Müller’schen Ganges bei Amnioten und Anamnien (vgl. das dritte Capitel). - Was die Entwicklung des Pronephros bei Raja!) betrifft, so entsteht derselbe (van Wyhe, 47) etwas später (zu Anfang des Stadiums I) als bei den erwähnten Haifischen, auch erstreckt er sich im Anfang in der Regel statt auf drei auf fünf Segmenten. Mit Ausnahme dieser beiden Unterschiede stimmt seine Entwicklung — soweit ich dieselbe nach dem weniger reichlichen Materiale be- urtheilen kann — im Wesentlichen mit der eben geschilderten überein. Da Rückert — siehe die Anmerkung, Seite 473 — 1) Mein Material bestand aus Eiern von Raja clavata, welche ich aus den Schiffen erhielt, wo die gefangenen Rochen sie abgelegt hatten. Der grösste Theil derselben ist mir leider bei einem Brande zu Grunde gegangen, 480 J. W. van Wyhe: dasselbe bei Torpedo fand, so dürften die erwähnten beiden Unter- schiede allgemeiner bei Rochen, den Haifischen gegenüber, vor- "kommen. Der Glomus der Vorniere. Mit diesem Namen möchte ich das gefässführende Gebilde belegen, welches bei Wirbelthierem- bryonen gegenüber den Ostien des Pronephros frei in der Leibes- höhle (Metacölom) hängt. Es ist der Glomerulus der Autoren. Da nun aber der Pronephros dem Mesonephros nicht homolog (homodynam) ist, liegt es auf der Hand, dass die Gefässknäuel dieser beiden Organe auch nicht homodynam sind. Beim ersten bilden sie denn auch Ein- stülpungen in das Metacölom, beim zweiten solche in das Mesocölom. Um Verwirrungen vorzubeugen, ist es nun zweckmässig, die verschiedenen Gebilde auch durch verschiedene Namen zu bezeich- nen. Um nicht zu viel zu ändern, habe ich desshalb bei der Be- nennung des in Rede stehenden Organes der Vorniere den Dimi- nutivausgang weggelassen. Es zeigt sich nun bei meinen Haifischembryonen mit 70—100 Myotomen ein eigenthümliches Gebilde, das ich in meiner Mit- theilung (48) nicht erwähnt habe, weil ich über seine Deutung keine genügende Sicherheit hatte und dieselbe bei näherer Unter- suchung zu bekommen hoffte. Diese Hoffnung hat sich aber nicht bestätigt. Das betreffende Gebilde ist zum Theil schon von Rückert gesehen und zuerst erwähnt. Es ist klein, sehr vergänglich und besteht aus einem gefässführenden Strang, der von der dorsalen Lippe eines Ostiums in schräger Richtung zur ventralen zieht. Der Strang erstreckt sich, in seiner Mitte ringsum vom Peritonealepi- thel bekleidet, frei durch die Leibeshöhle und ist an beiden Enden befestigt. Er bildet sich bald zurück und ist nach dem Stadium mit 100 Myotomen verschwunden. Auf der linken Seite des Embryo mit 71 Somiten (rechten Seite der Figur) sieht man (Fig. 6c) die Stelle, wo der Strang von der dorsalen Lippe am Hinterrande des ersten Ostiums (welches 2 Schnitte vorher, Fig. 6a sichthar ist) hinunterzieht; auf dem näch- sten Schnitt (Fig. 6d) hängt der Strang fast frei und auf dem fol- senden (Fig. 6e) ganz frei in der Leibeshöhle, während er darauf (Fig. 6f) in die ventrale Lippe des zweiten Ostiums übergeht. Das Gefäss des Stranges ist nicht auf allen Schnitten deutlich; wo es eollabirt ist (Fig. 6d, e), sieht man nur einen Kern in der Mitte des Stranges, bis es an der Unterseite des Pronephros (Fig. 6h) Ueber die Mesodermsegmente des Rumpfes ete. 481 wieder zu Tage tritt. In aller Deutlichkeit zeigte es sich aber auf der rechten Seite des Embryo (Fig. 6f, g, h, i, gls, linken Seite der Fig.). Hier ist der Strang (Fig. 6f) in der Nähe der dorsalen Lippe des Ostiums o (vgl. die entsprechende Stelle auf dem vor- hergehenden Schnitt Fig. 6e) im Begriffe durch die Leibeshöhle zu ziehen; auf dem nächsten Schnitt (Fig. 6g) ist er fast frei; auf dem folgenden (Fig. 6h) ganz frei und schon in Berührung mit der ventralen Lippe des Ostiums, in welche er darauf (Fig. 6i, Taf. XXXI) übergeht. Der Strang ist offenbar ein höchst rudimentäres Gebilde; er kommt zu keiner grösseren Entwicklung und bildet sich im Gegen- theil zurück. Er giebt bei älteren Embryonen seine Verbindung mit der unteren Lippe des Ostiums auf, ist bald nur mehr auf einer Seite des Körpers (in der Regel der linken) vorhanden und, wie erwähnt, in den Stadien mit über 100 Myotomen geschwunden. Eine meiner Fig. 6g ähnliche Abbildung hat Rückert in seiner Fig. 18 von Torpedo gegeben. Er deutet das Organ als Glomus, scheint es aber nur auf der rechten Seite und nicht in der Form eines Stranges wahrgenommen zu haben. Zu seiner Deutung neige auch ich hin, wiewohl ein Glomus meines Wissens bis jetzt nie als ein an beiden Enden befestigter, frei durch die Leibeshöhle ziehender Strang beschrieben ist. Wie jüngere Stadien zeigen, ist der Strang ein Theil der Scheidewand zwischen dem ersten und zweiten Ostium des Pro- nephros, so dass streng genommen diese Ostien auf der rechten Seite meines Embryo mit 71 Somiten (Fig. 6 e—h) noch nicht ganz verschmolzen sind!) (entgegen meiner Beschreibung p. 477, wo ich den Strang unberücksichtigt liess). Die Verschmelzung des zweiten und dritten Ostiums des Pro- nephros geht ohne Bildung eines solchen Stranges vor sich. Was die Gefässe desselben betrifft, so kann ich nur sagen, dass mit Sicherheit sowohl ein Zweig der Aorta (rechts an der Abgangsstelle der Dotterarterie, oder ein wenig auf dieselbe ge- rückt) als der Vena cardinalis in denselben zu verfolgen waren. Wegen der Kleinheit des Gebildes und der Zartheit der Gefässe 1) Der Leser wird sich hiervon überzeugen, wenn er annimmt, der Strang liefe nieht schief, sondern genau quer. Auf einem der erwähnten Schnitte (e—h) würde das Ostium dann durch eine Brücke unterbrochen sein, 482 J. W. van Wyhe: war es mir nicht möglich, Näheres hierüber aufzufinden. Vermuth- lich führt die Aorta dem Strange Blut zu, welches dann in die . Vena cardinalis fliesst. Was die von Paul Mayer (23) entdeckten Darmgefässe be- trifft, welche auf der rechten Seite des Embryo segmental aus der Aorta neben dem Darm zur Vena subintestinalis ziehen, so kann ich die Angabe von Rückert bestätigen, dass dieselben je zu einem auch ein Pronephrotom enthaltenden Segmente gehören. Ich habe deren drei wahrgenommen. Sie liegen anfangs zwischen Darm und Splanehnopleura, ziehen später aber zufolge eines Abschnürungs- processes eine Strecke weit frei — aber vom Peritonealepithel ringsum bekleidet — durch die Leibeshöhle. Sie abortiren be- kanntlich bald mit Ausnahme desjenigen Gefässes, das zwischen dem Segmente mit dem ersten und demjenigen mit dem zweiten Pronephrotom verläuft und welches zur Dotterarterie wird. Im oben erwähnten Embryo mit 71 Somiten war ausser der Dotterarterie ein Segment weiter nach hinten noch ein Darmge- fäss vorhanden, das aber im Begriffe stand zu verschwinden. Die Aorta giebt auch auf der linken Seite, wie Mayer be- schrieben, in einem frühen Entwicklungsstadium segmental etwa drei ganz kleine Gefässe ab, die aber nicht zum Darme, sondern zur parietalen Körperwand treten. Diese dürfen also nicht mit den Darmgefässen verwechselt werden. Eins von ihnen ist jener Zweig der Aorta, der zu dem oben als Glomus gedeuteten Strang zieht; sein Homologon auf der rechten Seite kommt beim Embryo mit 71 Somiten aus der Dotterarterie an ihrer Abgangsstelle aus der Aorta. 2. Der Pronephrosgang (Vornierengang, Segmen- talgang, primärer Urnierengang). Dieser Gang erscheint gegen das Ende des Stadiums 7 bei einem Embryo mit 35 Somiten !), wenn man das sechste Kopfsomit als das vorderste derselben betrachtet. Aber als der Embryo vor den Schneiden noch in toto im Cedernöl lag, waren auch die Grenzen 1) Man findet dieses für die Kopfmetamerie wichtige Stadium — das Acranienstadium — sowohl bei Pristiurus als bei Seyllium catulus und ca- nicula am zweiten Tage der Kopfbewegung. Ueber die Mesodermsegmente des Rumpfes etc. 483 des fünften und die Hintergrenze des vierten, unter der Ohrblase befindlichen Kopfsomites erkennbar. An der linken Seite des Embryo fehlt noch jede Spur eines Ganges!); an der rechten aber ist ein ganz kurzer vorhanden, der sich noch zwei Schnitte (15 «) hinter dem Pronephros in das vorderste Viertel des sechsten Rumpfsegmentes erstreckt. Der Gang ist im hinteren Theile des vierten und im vorderen Theile des fünften Rumpfsegmentes mit dem Pronephros verschmol- zen, wiewohl man auf einigen Schnitten theilweise seine Grenzen erkennen kann (Fig. 4a). Weiter nach hinten liegt er frei zwischen Epidermis und Vorniere, und am hinteren Ende der letzteren ist er auf drei Schnitten mit der Haut verschmolzen. Der vorderste Sehnitt durch die letztere Stelle (Fig. 4b) trifft noch den Hinter- rand des Pronephros. Der Durchschnitt der Anlage des Ganges bildet hier einen vierkernigen Streif, der nur mit beiden Enden, nicht in der Mitte, mit der Haut verlöthet ist. Auf dem nächsten Schnitt ist die Vorniere geschwunden; der Gang zeigt hier drei Kerne (Fig. 4c), ist ganz mit der Epidermis verschmolzen und auf dem folgenden, nicht abgebildeten Schnitt ist in der entsprechenden Hautverdiekung nur ein einziger Kern, der dem Gange zugerechnet werden kann. Wegen der Kürze des Ganges und seines Fehlens auf der anderen Seite des Embryo ist es klar, dass wir hier seine erste Anlage vor uns haben. Wie Rückert nachgewiesen hat, bildet je ein Pronephrotom einen Auswuchs, der in der Regel?) bis in die Region des folgenden Segmentes nach hinten reicht. Beim eben erwähnten Embryo ist es nun der Auswuchs des mittleren und mächtigsten Pronephrotoms, welches sich zur Bildung des Ganges in der Region des hintersten Vornierensegmentes mit der Haut verlöthet. \ Dieser Embryo dürfte die Unrichtigkeit der Meinung von Rückert beweisen, nach welcher der Pronephros sich. vor der Anlage des Ganges segmental mit der Haut verbinden sollte. Wenn 1) Eine asymmetrische Entwicklung des Ganges kommt regelmässig vor, wie schon Rückert bemerkt. Bald ist der rechte, bald der linke Gang weiter vorgeschritten. Auf diese Verhältnisse hat zuerst Flemming (11) bei Säugethieren aufmerksam gemacht. 2) Ich finde öfter auch einen Auswuchs (den des vordersten Pronephro- toms) nach vorn gekrümmt. Archiv f, mikrosk, Anatomie. Bd. 33. 3l 484 J. W. van Wyhe: Je, so müsste dies denn jetzt doch der Fall sein und auf der linken Seite ist der Pronephros überall eben so frei von der Haut wie in - den Stadien der Fig. 1—3, während rechts nur der erwähnte Fort- satz mit derselben verschmolzen ist. Dass man später mitunter einen Auswuchs der Vorniere der Epidermis angelagert findet, liegt ja in der Natur der Sache. Bei seinem weiteren Wachsthume ist der Gang nun mit seinem hinteren Ende immer mit der Haut verlöthet, bis er die Gegend, wo sich später der Anus bildet, erreicht hat. Während der Gang erst mehr bandartig ist, ordnen sich seine Zellen später zu einem cylindrischen Strange, der darauf ein Lumen erhält durch das Auseinanderweichen der Zellen. Was nun seine Abstammung betrifft, so betheiligt sich das Ektoderm sicher an seiner Bildung, indem er in ähnlicher Weise wie die Nerven der Seitenorgane weiter wächst. Ebenso wenig wie bei diesen Nerven möchte ich eine ausschliessliche Abstam- mung von der Haut behaupten, da die Möglichkeit nicht ausge- schlossen ist, dass Zellen des Pronephros unter fortgesetzten Thei- lungen den Gang in seiner ganzen Länge mitbilden helfen. Doch kommt mir Letzteres nicht wahrscheinlieh vor. Das beschriebene Stadium war beinahe so alt, wie das jüngste, über welches Balfour berichtet; er sagt (4, p. 127): ‚The first traces of the urinary system become visible at about the time of the appea- rance of the third visceral celeft“ (also im Anfang des Stadiums 7). At about the level of fifth protovertebra“ (Somit), „the first trace of the urinary system appears. From the intermediale cell-mass“ (Mittelplatte) „a solid knob grows outwards towards the epiblast. This knob consists at first of 20—30 cells, which agree in character with the neighbouring cells of the intermediate cell-mass, and are at this period rounded. It is mainly, if not entirely, derived from the somatie layer of the mesoblast. From this knob there grows backwards a solid rod of cells which keeps in very close contaet with the epiblast, and rapidly diminishes in size towards its posterior extremity. Its hindermost part consists in section of at most one or two cells. It keeps so close to the epiblast that it might be supposed to be derived from that layer were it not for the sections shewing its origin from the knob above mentioned. We have in this rod the commencement of what I have elsewhere called the segmental duct.“ Ueber die Mesodermsegmente des Rumpfes etc. 485 Dass Balfour nicht weiter gekommen ist, lag wohl an der Unvollkommenheit der damaligen Technik. Sein „solid knob“ ist die Vorniere, welche, wie ich gezeigt zu haben glaube, nicht im Bereich der Mittelplatte, sondern der Seitenplatte entsteht. Die Angabe, dass der Knopf nur aus 20—30 Zellen bestehe, führt zur Vermuthung, dass Balfour denselben nur auf einem einzigen Schnitt gesehen hat. In meiner Serie vom eben erwähnten Embryo ist das Organ auf 23 Schnitten sichtbar. Dass der „elose contact“ der Anlage des Ganges nicht blos eine Berührung, sondern eine wirkliche Verschmelzung ist, haben ausser mir (47) noch Beard (7), Rabl (nach Hertwigs Lehrbuch der Entwicklungsgeschichte) und Rückert (30) hervorgehoben. Der letztere hat auch in einem einzigen Falle (l. e. p. 245) eine Einstül- pung des Ektoderms an der Anlage des Ganges betheiligt gefunden. Auch ich habe in Ausnahmefällen Aehnliches gesehen, wie überhaupt an Proliferationsstellen mitunter eine Einstülpung gefunden wird. Die Betheiligung des Ektoderms an der Bildung des Ganges wird sicher gestellt durch Kerntheilungsfiguren, bei welchen der eine Tochterkern in der Haut, der andere in der Anlage des Ganges liegt. Dies zeigt Fig. 5b, welche einem Schnitt durch einen Embryo!) von Seyllium catulus mit 37 Somiten entnommen ist. Die Kerne der Fig. 5a,b, ce sind mittels der Camera hinein- gezeichnet. Der Gang erstreckt sich links noch 31/,, rechts 3 Segmente weiter nach hinten als der Pronephros, welcher jeder- seits im dritten, vierten und fünften Rumpfsegment vorhanden ist. Der letzte Schnitt durch den Gang (Fig. 5c) zeigt denselben als eine einfache Hautverdickung, von welcher wohl drei Kerne für den Gang bestimmt sind. Im vorletzten Schnitt (Fig. 5b) ist die erwähnte Mitose getroffen; die Einschnürung des Protoplasma hat sich noch nicht ganz vollzogen. Die eine Tochterzelle liegt an der äusseren Oberfläche; die andere wird durch zwei Hautkerne von derselben abgeschlossen. Auch die runde Gestalt der Hautkerne an der Verschmelzungsstelle, während sie sonst abgeplattet sind, weist wohl auf eine rege Vermehlung. Eine ähnlich gelagerte Mitose besitze ich von Raja. ee Embryo von Seyllium eanicula mit 43 Somiten zeigt sich auf einem Querschnitt durch das mit der Haut verschmolzene Hinterende des Ganges im vierzehnten 1) Am zweiten Tage der Kopfbewegung getödtet. 486 J. W. van Wyhe: Rumpfsegmente einejEpidermiszelle im Begriffe, sich durch eine der Oberfläche parallele Ebene zu theilen, also der Anlage des Ganges -Bildungsmaterial abzugeben. Dies beweist die Achse der Kern- theilungsfigur, welche senkrecht zur Hautoberfläche steht. In allen übrigen Theilen der Epidermis bei Embryonen aus diesem Stadium liegen die Achsen der ziemlich zahlreichen Mitosen parallel der freien Fläche. Beim Vorhandensein von etwa 80 Somiten hat der Gang seine volle Länge erreicht und erstreckt sich bis an die Darmausstülpung der Cloake. Die Weise, wie er an dieselbe herantritt, ist von Rückert nicht ganz richtig angegeben. Nach Rückert (30) wächst das angeschwollene Hinterende desselben behufs Erreichung der Cloake in das Mesoderm hinein, in welchem er anfangs auf dem Querschnitt vom Mesoderm allseitig umschlossen endigen soll. Wenn dem so wäre, so könnte man die Art, in welcher der Gang die Cloake erreicht, wohl nicht als einen phylogenetischen Vorgang auffassen. Die Sache verhält sich indessen anders, wie die Fig. 7a und 7b, Taf. XXXI zeigen, welche einer Querschnitt- serie durch einen Pristiurus-Embryo mit 76 Myotomen!) entnom- men sind. Die hintere Partie des Ganges ist bis wenige Schnitte vor seinem Ende verdickt; das Ende aber wird von einem sehr schmächtigen, ventral gerichteten Fortsatz gebildet (Fig. 7a), der drei Schnitte weiter an seinem unteren Ende mit der Epidermis verschmolzen ist (Fig. 7b). Die zwei dazwischen liegenden Schnitte habe ich nicht abgebildet, weil sie der Fig. 7b (dem letzten Schnitt durch die Anlage des Ganges) ähnlich sind. In der letzten Figur gehören vielleicht vier, mit Sicherheit aber drei Kerne zu der An- lage des Ganges, welche mit ihrem untersten Theile nur durch die Dicke einer einzigen Mesodermzelle von der seitlichen Aus- stülpung der Cloake getrennt ist. Mein nächst älterer Embryo hat 84 Myotome (5 offene Kiementaschen; die sechste noch geschlossen); der verdiekte Gang ist beiderseits mit dem Cloakenepithel ver- schmolzen, auf der einen Seite auch sogar noch mit der Epidermis, während er an der anderen Seite nur unmittelbar an derselben grenzt. Bei älteren Embryonen wird das Hinterende des Ganges durch dazwischen dringendes Mesodermgewebe von der Haut ge- 1) Von den 6 Kiementaschen sind nur die 4 vorderen geöffnet. Ueber die Mesodermsegmente des Rumpfes etc. 487 trennt. Da dieses hintere Ende einen schrägen Verlauf hat, auf Querschnitten also schräg getroffen wird, sind seine Grenzen auf nicht sehr dünnen Schnitten nicht zu sehen und kann man, wie Rückert, glauben, der Gang endige frei im Mesoderm. Bei einer Sehnittdicke von 71/, u kann man ihn aber immer ohne Mühe bis an das Cloakenepithel, mit welchem er verschmolzen ist, verfolgen. Die Leibeshöhle, welche in den letzterwähnten Stadien nicht soweit caudalwärts reicht wie der Gang, wächst später in das Me- soderm, welches das Ende desselben von der Haut trennt, nach hinten, so dass dieses Ende in das Innere des Körpers zu liegen kommt. In seiner ganzen übrigen Länge wird der Gang durch die hinunterwachsenden, von der Mittelplatte abgeschnürten Myotome von der Haut abgedrängt, wie aus Fig. 8, Taf. XXXI leicht verständlich. Was sein Lumen betrifft, so ist er beim Vorhandensein von 70 Somiten noch fast ganz solid; nur in seinem allervordersten Theile ist eine feine Lichtung aufgetreten, aber erst bei Embryonen mit 92 Myotomen zeigt der Gang in seiner ganzen Länge ein Lumen, welches in seinem mittleren Theile noch sehr fein, am Vorder- und Hinterende weit ist. Gegen die Cloake ist dieses Lumen aber ab- geschlossen und dies ist der Fall bei allen meinen Embryonen (bis zu 30 mm Länge, Stadium O), so dass ich Balfours Angaben als unrichtig bezeichnen muss, wo er sagt (4, p. 223): „the uroge- nital ducts at first open into the almentary canal and not to the exterior“. Selbst wenn die Cloake schon geöffnet ist, was, wie Balfour richtig angiebt, im Stadium O geschieht, finde ich ihr Lumen weder mit dem des Wolff’schen, noch des Müller ’schen Ganges in Communication. Der Harn muss wenigstens bis zu diesem Stadium, also wohl auf inter- oder intracellularem Wege aus dem Ende des Harnleiters in die Cloake treten. Erst einige Zeit nachdem der Gang seine volle Länge erreicht hat, brechen die Urnierenröhrehen in ihn durch. Dies geschieht bei Embryonen mit 99 Myotomen (bei solehen mit 92 noch nicht). Was schliesslich die Spaltung des Vornierengangesin den W olff’- schen und Müller’schen Gang betrifft!), so will ich die schon von 1) Ich wende den Ausdruck Urnierengang nicht an, weil er nicht nur überflüssig, sondern auch zweideutig ist, da er sowohl statt Vornierengang als statt W olff’scher Gang gebraucht wird. Dassich SempersAusdruckLey- 488 J. W. van Wyhe: Balfour und Hoffmann (19) bestätigte Richtigkeit der Semper- schen Angaben nochmals hervorheben. Ich thue dies, da dieselben vielleicht wieder in Zweifel ge- zogen werden könnten, wegen der in den letzten Jahren bei Am- nioten wieder nachdrücklich behaupteten Entstehungsweise des Müller’schen Ganges unabhängig vom Vornierengang (Mihalko- vics, 24). Ich will noch hinzufügen, dass sowohl eine Spaltung des Lumens vorkommt (Semper, Hoffmann), als eine Abtren- nung des jüngsten Endes des Müller’schen Ganges in Form eines soliden Stranges (Balfour). Es ist dies offenbar mit der Länge des schon gespaltenen Theiles des Vornierenganges verschieden. 3. Der Mesonephros (die Urniere). Die frühere Ansicht, nach welcher ein Nephrotom als eine Ausstülpung!) des Peritonealepithels entstünde, hat sich durch die Untersuchungen von Adam Sedgwick (32), mit welchen die von mir (48) und Rückert (30) übereinstimmen?), als unrichtig her- ausgestellt. Schon Balfour hatte sich in seinem Lehrbuche Sedgwick angeschlossen; er giebt dessen Ansicht aber nicht in ganz klarer Weise wieder, indem er sagt (p. 622): „Sie“ (die Urnierenröhrchen) „scheinen als Differenzirungen jenes Theils der primitiven Seiten- platten des Mesoblasts zu entstehen, welcher zwischen dem dorsa- len Theile der Leibeshöhle und der Muskelplatte liegt..... und gewöhnlich als Zwischenzellmasse“ (Mittelplatte) „bezeichnet wird. Das Lumen der Segmentalröhren“ (Urnierenröhren) „anfangs noch dig’schen statt Wolff’schen Gang nicht adoptire, wie noch von Wieders- heim (45) gethan, geschieht, weil mir die Homologie des betreffenden Canales bei Selachiern und Amnioten ausser Zweifel scheint. 1) In meiner Mittheilung (47) habe auch ich mich in dieser Hinsicht getäuscht, weil ich damals die Stadien, in welchen die Abschnürung der Myo- tome stattfindet, noch nicht besass. Uebrigens ändert dies nichts an dem Sinn, da ich nur betonen wollte, dass die Urniere aus dem Mesoderm, nicht aus der Epidermis entsteht. 2) Ob in den Angaben von Rückert denen von Sedgwick gegenüber ein wichtiger Unterschied besteht, wie der erstere (31) behauptet, möge der Leser selber beurtheilen. Ueber die Mesodermsegmente des Rumpfes etc. 489 sehr eng, scheint sich an derselben Stelle zu bilden '), wo früher jener Theil der Leibeshöhle in der Zwischenzellmasse lag, der zu- erst den in den Muskelplatten liegenden Abschnitt der Leibeshöhle mit der bleibenden Leibeshöhle verband.‘ In einer Anmerkung auf derselben Seite fährt er fort: „In meinem ursprünglichen Bericht über die Entwicklung dieser Röhren hatte ich sie für Einstülpungen des Peritonealepithels erklärt. Sedgwick (No. 549) nahm aus seinen Untersuchungen am Hühn- chen Veranlassung, die Richtigkeit meiner ersten Angaben zu be- zweifeln und gelangte nach genauer Durchsicht meiner Präparate zu den oben mitgetheilten Ergebnissen, die ich nun selbst anzu- nehmen geneigt bin‘?). Wie Sedgwick zuerst für die Cranioten im Allgemeinen an- gegeben hat, entsteht der Mesonephros nicht aus Ausstülpungen des Peritonealepithels und bildet sich bei Selachiern ein Nephrotom aus dem Stiel, durch welchen je ein späteres Myotom anfänglich mit der Seitenplatte in Verbindung steht, also aus dem von mir Mesomer genannten Gebilde (vgl. Fig. 8 und 11, Taf. XXXIJ). Hiermit war das segmentale Auftreten des Mesonephros erklärt. Die Höhle jenes Stieles (das Mesocölom) setzt die Höhle des Myotomes (das Myocölom) in Communication mit der Leibeshöhle (dem Metacölom). Wenn nun das Myotom sich von seinem Stiele abschnürt, wird derselbe dadurch umgebildet in ein Blindsäckehen dessen Hohlraum nur noch mit dem Metacölom communieirt. Die Wandung dieses Blindsäckchens besteht ebenso wie diejenige der Leibeshöhle und des Myocöloms aus einem Abschnitt der Somato- pleura und der Splanchnopleura. Die Splanchnopleura desselben (Fig. 11) hat durch Zellenproliferation ein Sklerotom geliefert, während die Somatopleura einschichtig geblieben ist und aus viel höheren Zellen besteht. 1) Nach diesen Worten könnte man glauben, dass jenes Lumen eine Neubildung wäre, was nach den richtigen Angaben von Sedgwick nicht der Fall ist. Ich vermuthe, dass Balfour in dieser Hinsicht irre geführt wurde durch die Abtheilungen des Pronephros, welche er für Nephrotome gehalten haben muss. 2) Wie es gekommen ist, dass Rückert, der die nämliche Seite des Lehrbuches anführt (30, p. 220), diese Angaben von Balfour übersehen und die Arbeit von Sedgwick nicht gekannt hat, ist mir nicht verständlich. 490 J. W. van Wyhe: Da nun die Entstehung des Mesonephros eng an die Abschnü- rung der Myotome gebunden ist, so muss ich etwas näher hierauf . eingehen. Diese Abschnürung, welche streng in der Richtung von vorn nach hinten vor sich geht, findet, wie Balfour richtig sagt, zwischen den Stadien / und X statt. Ich habe darüber bei Pristi- urus, mit welchem Sceyllium im Wesentlichen übereinstimmt, das Folgende ermittelt: Bei Embryonen mit bis 43 Somiten ist dieselbe noch nicht aufgetreten. Embryo mit 49 Somiten. Das vorderste der vier Oceipital- myotome (zum sechsten Kopfsegmente gehörig) ist schon deutlich rudimentär und hat sich abgeschnürt, während die Höhle aller fol- senden Kopf- und Rumpfmyotome noch mit dem Cölom in Verbin- dung steht. Embryo mit 55 Somiten. Die beiden ersten Oceipitalmyotome haben sich abgeschnürt, die folgenden noch nicht. Embryo mit 57 Somiten. Die vier Occipitalmyotome sind alle abgeschnürt; dies ist aber noch mit keinem Rumpfmyotome der Fall. Denselben Befund zeigt ein Embryo von Seyllium canicula mit 60 Somiten. ı Embryo mit 68 Somiten. Ausser den Oceipitalmyotomen ha- ben sich noch die zwei vordersten Rumpfmyotome abgeschnürt. Embryo mit 71 Somiten!). Die 23 vordersten Rumpfmyotome 1) Da Zeitangaben über einige von Balfours Stadien den einen oder anderen Leser vielleicht interessiren, führe ich, diesen Embryo betreffend, Folgendes aus meinem Notizbuch an: Temperatur des Wassers jeden Morgen 16 9 C. 27. März Morgens, Stadium Ende B. ee 4 Stadium C. 29.0, s D. 30% n h E. (?) 3; > 5 F. 1. April ı £ F. (Länge 21/;, mm; Medullarrohr mit Ausnahme des Kopftheils > 3 5 G. geschlossen.) 3 ” ” ” 6. ae » Länge 3 mm. Dim h u fast 4mm (das Herz schlägt). 6.048 h h etwas mehr als 4mm (der Embryo bewegt den Kopf, aber sehr schwach). Ueber die Mesodermsegmente des Rumpfes etc. 491 haben sich abgeschnürt. Diesem Embryo sind z. B. die Fig. 8 und 11, Taf. XXXI entnommen. Bei der ersten Figur geht der Schnitt durch das sechste Rumpfsegment und hat sich die Abschnü- rung vollzogen. In Fig. 11 dagegen, wo der Schnitt durch das dreissigste Rumpfsegment geführt worden, ist dies noch nicht der Fall, wie auf der linken Seite der Figur deutlich. Auf der rechten dagegen scheint dieselbe schon stattgefunden zu haben, allein dies ist eine Täuschung, wie (nicht abgebildete) Nachbarschnitte lehren. Embryo mit 73 Somiten. Die 26 vordersten Rumpfmyotome haben sich abgeschnürt. Bei Embryonen mit 76 und mehr Somiten ist die Abschnürung aller Rumpfmyotome vollzogen. Bei dieser Loslösung der Myotome verhält sich nun der ocei- pitale Abschnitt der Mittelplatte verschieden von dem des Rumpfes. Am Hinterkopfe kommt es nämlich nie zu den oben erwähn- ten Blindsäckehen, am Rumpfe dagegen findet man ein solches in jedem Segmente. Vor und während der Abschnürung der Oceipitalmyotome verschwindet im Hinterkopfe die Höhle eines jeden Mesomeres durch das Zusammenkommen seiner Wandung. Die Zellen, welche früher die Höhle begrenzten, werden sternförmig und sind bald nicht mehr von denen des Sklerotomes zu unterscheiden. Im Rumpfe dagegen findet man, wie erwähnt, in jedem Seg- mente nach der Loslösung des entsprechenden Myotomes einen blind- sackförmig von der Leibeshöhle ausgehenden Abschnitt des Mesocö- loms (Fig. 8, Taf. XXXI). Da diese Blindsäckchen bei Pristiurus, mit Ausnahme der vier vordersten, sich zu Nephrotomen umbilden, will ich sie hier etwas näher betrachten. 7. April Morgens, Länge etwas mehr als 4mm (der Embryo bewegt den Kopf sehr deutlich). Bun 5 4 über 4 mm (der Embryo bewegt | auch den Schwanz). Semnrn y 7 beinahe 5 mm. 109"; s = D mm. 1 1 : 3 über 5 mm. 23. 2 „ etwas über Smm; Embryo getödtet. Er besitzt 6 Bienen von welchen die 4 vordersten Ai aussen durch- gebrochen sind. 492 J. W. van Wyhe: Die vordersten, bis in die Region des Pronephros, gehen bald zu Grunde, auch besitzen sie nicht bei allen Embryonen eine deut- liche Höhle und sind von Rückert nicht wahrgenommen. Ihre Wände kommen bald zusammen, die Zellen derselben nehmen Sternform an und sind dadurch dann nicht mehr von den benachbarten Mesenchymzellen zu unterscheiden. Embryo mit 71 Myotomen. Das zum ersten Rumpfsegment gehörige Mesomer hat zwar noch eine Höhle; diese ist aber schon im Verschwinden begriffen. In den folgenden Mesomeren sind die Höhlen gut ausgebildet. Das fünfte ist Fig. 6d—6g nt abgebildet; es gehört, wie früher erwähnt, mit dem dritten und vierten zu der Region des Pronephros ». Embryo mit 74 Myotomen. Die Höhle des ersten Rumpfme- somers ist verschwunden, die des zweiten rudimentär; die übrigen gut ausgebildet). Embryo mit 76 Mwyotomen. An der Stelle der beiden vorder- sten Rumpfmesomeren befindet sich Mesenchym; hierauf folgen 37 Blindsäckehen?),, von denen das vorderste zum dritten Rumpfseg- mente gehört. Embryo mit 84 Myotomen. Wieder ist ein Blindsäckchen ab- ortirt, denn an der Stelle der drei vordersten Rumpfmesomeren befindet sieh Mesenchym. Im vierten Rumpfsegmente liegt ein rudimentäres Blindsäckchen, das bald verödet und hierauf folgen 36 wohl ausgebildete, die sich zu Nephrotomen umbilden und von denen das vorderste im fünften, das hinterste im vierzigsten Rumpf- segmente liegt. Dieselben sind jetzt also noch streng segmental angeordnet; ihre Segmentirung stimmt mit derjenigen der Spinalnerven und Myotome überein, denn die 36 Säckcehen fallen auf 36 Segmente). 1) Dass das Verschwinden des Mesocöloms nicht immer in ganz regel- mässiger Weise vor sich geht, zeigt ein Embryo mit 73 Myotomen, wo die betreffenden, zu den beiden ersten Rumpfsegmenten gehörigen Bildungen schon nur durch solide in der Auflösung begriffene Stränge repräsentirt sind. 2) Dieses Wort trifft für die hinterste der betreffenden Bildungen ei- gentlich nicht zu, da dieselbe nicht mit dem Cölomepithel in Verbindung steht (siehe unten). 3) Wegen der grossen Verschiebungen, welche jetzt bald auftreten, ist aus praktischen Gründen die Bedeutung des Wortes Körpersegment, wie ich es für jüngere Stadien (p. 473) angewendet habe, etwas zu modificiren. Vom Stadium oO Ueber die Mesodermsegmente des Rumpfes etc. 493 Später ist dies nicht mehr der Fall, denn bei einem Pristiu- rus-Embryo aus dem Stadium O fallen 36 Nierenröhrchen auf nur 27 Segmente. Nun erhebt sich die Frage, ob diese Vermehrung der Nie- renröhrchen etwa durch Theilung der alten oder durch Neubil- dung im umgebenden Gewebe, wie dies für höhere Thiere ange- seben wird, entstanden ist. Es hat sich herausgestellt, dass keins von Beiden der Fall und dass die Vermehrung nur eine scheinbare ist. Dieselbe kommt durch das Zusammenrücken der Nephrotome zu Stande. Es war mir auffällig, dass die Zahl [36] der Nephrotome im Stadium O mit derjenigen der gut ausgebildeten Blindsäckchen beim Embryo mit 84 Myotomen übereinstimmt. Ich unternahm darum die etwas langweilige und zeitraubende Zählung der Nephrotome in einer grösseren Zahl von Zwischenstadien, wobei sich heraus- stellte, dass die Zahl derselben vom Embryo mit 84 Myotomen (Stadium X) bis zu Ende des Sta- diums O fast constant ist!), wie aus der folgenden Tabelle ersichtlich). : g3_ 883 52:3 So STelass| 88 © 2 | Tänse des \ 238 |SE88| SE r Ange, CR Bir hn = er Totalzahl A) hr = an = Eimmkuys S® 5 ana Au der Nephrotome Sn in mm SEE ERS ee 2 Ele: 9 WE ee En no lkaem| Dan & En) & o,o 20° a N Ing nei | na _| 84 | 9, Stad.X| 5 5 40 36 auf 36 Segmenten 32110, .; Kı 5 5 38 [39] | 35 [36] ;, 34 [35] 5 99 113, Be 5 5 38 36 „ 84 „ 14 14, „L|5 6 37 !|86 „ 32 N 16, „ M| 6—7 7 36 [37] | 35 [36] „ 30 [31] r 19,9 „ N 8 3 37 36 29 5 4,dyn © 8 9 36 36 28 N} 126, nm AD | 10 36 36 1627 rn K an verstehe ich darunter die Querregion des Körpers, in deren Vordergrenze die hintere Grenze eines Spinalganglions und in deren Hintergrenze die hintere Grenze des unmittelbar folgenden Ganglions fällt. 1) Dies gilt nicht für Seyllium. 2) Für die Richtigkeit der angegebenen Zahlen kann ich einstehen, denn die Zählungen geschahen wiederholt und in der Regel an beiden Körper- 494 J. W. van Wyhe: Es ist möglich, dass nach O einige Röhrchen abortiren; ich kann hierüber aber nichts mittheilen, da meine Untersuchungen sich nur bis an das Ende des erwähnten Stadiums erstrecken. Die Tabelle!) ist leicht verständlich; man sieht z.B. aus der ersten Horizontalreihe, dass bei einem Embryo mit 84 Myotomen (Länge I9mm, Stadium X‘) der Hinterrand des Ostium abdominale, sowie das erste wohl ausgebildete Nephrotom in den Bereich des fünften Rumpfsegmentes fallen und das hinterste Nephrotom im vierzigsten Segment gefunden wird, während der Embryo im Ganzen 36 Nephrotome besitzt, welche auf 36 Segmente fallen. Auf der fast constanten Zahl der 36 Nephrotome finde ich nur zwei Ausnahmen (beim Embryo der zweiten und fünften Hori- zontalreihe), bei welchen dieselbe 35 beträgt. Dies ist wohl auf individuelle Variationen zurückzuführen und dadurch entstanden, dass am Hinterende des Mesonephros ein Nephrotom weniger zur Ausbildung gekommen ist. Wäre dasselbe zur Entwicklung ge- langt, so würden die eingeklammerten Zahlen der Tabelle gelten. Man muss hierbei nicht sowohl an eine Rückbildung, als viel- mehr an eine Verschiedenheit der Anlage denken, denn bei einem Em- bryo mit 73 Somiten finde ich die Anlage des (noch nicht vom Myotome abgeschnürten) letzten Nephrotoms im vierzigsten, bei ' einem fast gleichaltrigen mit 71 Somiten dagegen im neunund- dreissigsten Rumpfsegment. Der letztere würde später also (da die vier vorderen Blindsäckchen abortiren) nur 35 Nephrotome gehabt haben. Auch sein Vornierengang hätte sich um ein Segment we- niger nach hinten erstreckt, denn ich finde bei allen meinen Em- bryonen constant ein einziges Nephrotom hinter dem Gang?). seiten. Für jeden Embryo wurde eine Liste angelegt, in welcher jedes Mal der Schnitt, auf welchem der Vorderrand eines Nephrotoms erschien, ver- zeichnet wurde. Auch wurde zur Controle jedesmal die Zahl der Schnitte verzeichnet, welche auf den betreffenden Zwischenraum fielen. In einer anderen Liste geschah dasselbe für die Spinalganglien. Bei jüngeren Stadien bildete das unmittelbar hinter dem Vagus aufsteigende siebente Kopfmyotom einen festen Ausgangspunkt für die Zählung. 1) Bei den zwei ersten Embryonen (resp. mit 84 und 92 Myotomen) habe ich das rudimentäre vorderste Blindsäckchen, welches bei den übrigen verschwunden ist, ausser Acht gelassen. 2) Wahrscheinlich hätte sich auch der Anus ein Segment mehr oral- wärts befunden als gewöhnlich. Dass derselbe nicht an völlig constanter Ueber die Mesodermsegmente des Rumpfes etc. 495 Rückert giebt an, es seien deren zwei oder drei vorhanden; das vorletzte liegt aber stets schon zum grössten Theil in der Querregion, wo der Vornierengang an die Cloake grenzt, und drei existiren bei keinem meiner Embryonen. In der vierten Verticalreihe der Tabelle sieht man, wie das Vorderende des Mesonephros allmählich nach hinten rückt, so dass dasselbe am Ende des Stadiums O0 im zehnten Segmente zu liegen kommt. Die fünfte Verticalreihe zeigt, dass umgekehrt das hintere Ende des Mesonephros um vier Segmente nach vorn rückt, so dass dasselbe am Ende des Stadiums O vom vierzigsten Rumpfsegmente, wo es ursprünglich lag, nach dem sechsundreissigsten gewandert ist. ‘Es hat also den Anschein, als fände eine Zusammenziehung des Mesonephros nach seiner Mitte zu statt, nämlich von seinem vorderen Theile in der Richtung von vorn nach hinten, von seinem hinteren Theile umgekehrt von hinten nach vorn, wie dies auch bei der Vorniere der Fall war. Es ist diese Erscheinung aber nicht als eine wirkliche Zu- sammenziehung der beiden Enden aufzufassen, sondern als ein Zu- rückbleiben im Längenwachsthum derselben. Sie haben sich nicht so schnell wie die Myotome in der Richtung der Längsachse des Körpers ausgedehnt. Der vordere Theil des Mesonephros ist sogar im Längenwachs- thume ganz stehen geblieben, denn auf der gleichen Zahl Schnitte zeigen sich in diesem Theile bei Embryonen von 7 mm ebenso viele Nephrotome als bei solchen von 26mm Länge. Eine Folge hier- von ist, dass die vorderen und hinteren Nephrotome auf weniger Schnitte fallen als die mittleren. So fallen z. B. beim Embryo von 26 mm die 7 vorderen Nephrotome auf 36, die 7 hinteren auf 58, die 7 mittleren aber auf 75 Schnitte von 154 Dicke. Die grösste Längenausdehnung findet man übrigens nicht genau in der Mitte, sondern etwas mehr nach hinten, etwa im dritten Viertel (19.—27. Nephrotom). In dieser Region ist die Entfernung zweier aufeinanderfolgender Nephrotome eben so gross oder sogar etwas grösser als die zweier Spinalganglien. Ä Im vordersten Theile des Mesonephros fallen jetzt 2—3 Ne- phrotome auf je ein Körpersegment. Stelle gefunden wird, halte ieh — entgegen der Annahme von P. Mayer — für sicher. 496 J. W. van Wyhe: Ich habe mich bei dieser Zusammenziehung — das Wort ist also nicht in seiner eigentlichen Bedeutung aufzufassen — des - Mesonephros etwas länger aufgehalten, weil dieselbe eine Erklärung giebt, weshalb die Urniere bei denjenigen Wirbelthieren, wo sie spät auftritt, z. B. den urodelen und anuren Amphibien (vgl. die Arbeiten vnFürbringer[12]undHoffmann[i9]) fast keine segmentale Anordnung zeigt (vgl. das dritte Capitel). Wenn man in der Tabelle die dritte Verticalreihe, welche das nach Hintenrücken des Ostium abdominale angiebt, mit der vierten vergleicht, so könnte es scheinen, als abortire (vom vierten Em- bryo an) das vorderste Nephrotom, weil es anfänglich in demsel- ben Segmente liegt wie das Ostium, während es später in das Segment hinter demselben zu liegen komnt. Ich glaube aber das Abortiren in Abrede stellen zu können, denn ich habe nie Spuren von Degeneration wie bei den vier an- fangs davor liegenden Blindsäckehen gefunden. Man kann dagegen Schritt für Schritt verfolgen, wie das betreffende, ursprünglich mit dem Ostium abdominale in derselben Querregion liegende Nephrotom sich allmählich vom Ostium entfernt, bis es schliesslich ein Segment weiter nach hinten liegt. Es ist nun interessant, dass sich bei Pristiurus in einem Rumpfsegmente (dem fünften) sowohl ein Abschnitt der Vorniere als der Urniere entwickelt. In meiner frü- heren Mittheilung (48) glaubte ich, dass alle drei Blindsäckchen aus der Region des Pronephros zu Grunde gingen. Dies trifft für Seyllium zu, aber nur für die beiden vorderen, nicht für das hin- terste, bei Pristiurus. Hierdurch wird die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass die beiden von W. Müller (26) beschriebenen Malpighischen Körperchen der Vorniere bei Myxine nicht zum Pronephros, sondern zum Mesone- phros gehören, wofür übrigens auch ihr Bau spricht. Bei Seyllium abor- tiren verschiedene Nephrotomenanlagen hinter dem Ostium abdomi- nale, so dass zwischen demselben und der Urniere eine Lücke entsteht. Die Entwicklung der hintersten Nephrotome zeigt einige Eigen- thümlichkeiten. Zur Zeit der Abschnürung der Myotome sind die Somite aus der Nachbarschaft des späteren Anus im Gegensatz zu den vor ihnen befindlichen mit ihrem unteren Ende nach vorn gebogen, während die Leibeshöhle sich nicht bis an das letzte!) 1) Als solehes betrachte ich das letzte Somit, das noch ein Nephrotom Ueber die Mesodermsegmente des Rumpfes etc. 497 Rumpfsomit (das 40.) nach hinten erstreckt, sondern, wenn sie in dieser Richtung ihre grösste Ausdehnung erhalten hat, nur bis unter das 39. Somit reicht. Das 40. Somit hängt ventral mit soli- dem Mesenehymgewebe zusammen (Embryo mit 73 Somiten). Uebrigens ist die Ausdehnung der Leibeshöhle individuell etwas verschieden, denn beim Embryo mit 71 Somiten erstreckt sie sieh (beiderseits) nur bis unter das 35. Somit!). Nie aber reicht sie bis unter das 40. und das letzte Nephrotom besitzt denn auch in keinem Entwicklungs-Stadium eine Trichter- öffnung in die Leibeshöhle. Es ist dieses wohl darauf zurückzuführen, dass sich die Leibes- höhle — welche in der Gegend des späteren Anus durch die An- näherung des Darmes an die ventrale Bauchwand auf dem Quer- schnitt bekanntlich paarig erscheint — im Laufe der Phylogenese von hinten nach vorn verkürzt hat. Er zeigt dies, dass schon bei Selachiern Nephrotome ganz frei vom Peritonealepithel entstehen können, was ja bei Amnioten Regel ist. Was nun den Zeitpunkt des Auftretens des Mesonephros be- trifft‘ so kommt man in Verlegenheit, wenn man diesen bei Sela- chiern genau angeben will. Soviel ist sicher, dass derselbe erst nach dem Auftreten des Pronephros und seines Ganges erscheint. Vor der Absehnürung der Myotome kann morphologisch von einem Mesonephros nicht die Rede sein. Man kann aber auch nicht sa- sen, dass derselbe auftritt, wenn die Canälchen der Mesomeren durch die Abschnürung der Myotome in Blindsäckchen umgewan- delt werden, denn dieselben kommen auch in den vier vorderen Rumpfsegmenten vor, wo sie mit dem Mesonephros nichts zu thun haben?). Mit Sicherheit kann man aber das Vorhandensein der Urniere behaupten, wenn Nephrotome in den Gang durchgebrochen sind. entstehen lässt; es liegt etwas hinter der Querzone, in welcher sich der Anus bildet. 1) Nach den Verhältnissen bei meinen übrigen Embryonen scheint der letztere Fall sogar Regel und eine Ausdehnung bis unter das 39. Somit Ausnahme. 2) Man könnte zwar behaupten, der Mesonephros (und in den beiden vor- dersten Segmenten auch der Pronephros) sei hier im Laufe der Stammesent- wicklung zurückgebildet. Es fehlen dazu aber die Beweise. 498 J. W. van Wyhe: Dieser Durchbruch findet nun wider Erwarten nicht in der Richtung von vorn nach hinten, sondern umgekehrt etwa von hin- . ten nach vorn statt. Bei meinen Embryonen mit bis 92 Myotomen ist noch kein Nephrotom in den Gang durchgebrochen. Im Embryo mit 99 Myo- tomen hat der Durchbruch beim 26.—34. Nephrotom stattgefunden ; bei den übrigen (also auch den beiden letzten dem 35. und 36.) noch nicht. Embryo mit 104 Somiten, Länge I4mm. Nur die Nephrotome 1—9 eommunieiren nicht mit dem Gang, aber vom 10. an nach hinten öffnen sich alle in denselben. Embryo, 17 mm lang. Nur die Nephrotome 1—8 communi- eiren noch nicht mit dem Gang. Embryo, 26mm lang. Alle 36 Nephrotome münden in den Wolff’schen Gang. Dass die Nephrotome am vorderen und hinteren Ende des Mesonephros bei Sceyllium und Pristiurus ihre Trichteröffnung in das Cölom verlieren, ist bekannt. Ueber die späteren Differenzirungen der Urnierenröhrchen habe ich den existirenden Angaben nichts Neues hinzuzufügen. Der Wolff’sche Gang fängt bei Pristiurus sowohl beim Männchen als beim Weibchen mit der Einmündung des vordersten Urnieren- röhrehens an. Bei Seyllium verhalten sich nach den Angaben von Balfour die beiden Geschlechter verschieden. 4. Die Nebenniere. Was die Nebenniere betrifft, so muss man bekanntlich das suprarenale und das interrenale Organ, welche bei den Selachiern nicht nur genetisch, sondern auch räumlich getrennt sind, ausein- ander halten. Beim Pristiurus-Embryo von 24mm wird das swprarenale Organ von einer Serie segmental angeordneter Zellhaufen gebildet, welche zwar Zweige aus der Aorta erhalten, wie Leydig und Balfour angeben, die aber viel deutlichere Beziehungen zur Vena cardinalis zeigen. Einige der erwähnten Zellhaufen sind zum Theil in die Vene eingestülpt, wie ich auch bei einem erwachsenen Seyllium canieula fand; andere, aus der hinteren Rumpfregion, wo die Vene unpaar ist (Vena caudalis), sitzen an grossen Zweigen derselben. Ueber die Mesodermsegmente des Rumpfes ete. 499 Die Zahl der Zellhaufen, von welchen jeder einen feinen Zweig des zugehörigen Spinalnerven erhält, beträgt jederseits 32. Die fünf vordersten sind zu einem grossen länglichen Körper ver- wachsen, der Zweige vom 8.—12. Spinalnerven erhält. Dieser Körper (das „Axillarherz“ der älteren Autoren) reicht an der Vena cardinalis bis zu der Stelle, wo sich dieselbe ven- tralwärts biegt, um in den Ductus Cuvieri zu münden, nach vorn. Der hinterste Zellhaufen des Suprarenalorgans wird vom 39. Spinalnerv versorgt; das Organ erstreckt sich also so weit nach hinten, als die Leibeshöhle bei jungen Embryonen caudalwärts reicht; im jetzigen Stadium endet dieselbe am Vorderende des 36. Rumpfsegments. Beim Embryo von 24mm Länge erstreckt sich das Suprarenalorgan also weiter nach hinten als der Mesonephros (vgl. die Tabelle), doch sind seine drei letzten Segmente klein, rudi- mentär und gehen später wohl zu Grunde. Eine Trennung je eines segmentalen Zellhaufens in eine gangliöse und nicht gang- liöse Partie, welche Trennung nach Balfour, wie ich bestätigen kann, bei Sceyllium im Stadium @ deutlich ist, war noch nicht zu sehen. Ich kann die Entdeckung von Balfour nur bestätigen, dass jedes Segment des Suprarenalorgans mit dem zugehörigen sympa- ‚thischen Ganglion als eine zellige Verdiekung eines Spinalnerven auftritt und sich allmählich von diesem entfernt, während es nur durch feine Nervenfäden mit demselben verbunden bleibt. Wie sehr ich auch geneigt war, eine Betheiligung der Meso- meren an der Bildung jenes Organes anzunehmen, wofür bei ober- flächlicher Betrachtung manche Bilder bei jüngeren Embryonen sprechen, so muss ich dieselbe doch ausschliessen. Die Behauptung, dass Mesenchymzellen in die erste Anlage hineinwachsen, kann ich freilich nicht widerlegen, allein sie ist eine Assertio gratuita \ Die erwähnten Verdickungen an den Spinalnerven finde ich zuerst bei einem Pristiurus-Embryo mit 34 Myotomen; im hinteren Rumpftheile fehlen sie noch; dagegen sind sie auch an den vor- dersten Rumpfnerven vorhanden, an welchen ich beim zuerst be- schriebenen Embryo keinen Abschnitt des Suprarenalorgans und kein sympathisches Ganglion mehr finde. Die Verdiekungen sind anfangs ganz getrennt von der Vena cardinalis, welche sie aber bald erreichen. Wie schon Bal- four bemerkt, werden die anatomischen Wahrnehmungen von Archiv f. mikrosk. Anatomie, Bd. 33, 32 500 J. W. van Wyhe: Leydig (bei Selachiern, Ganoiden [Stör], Amphibien und Reptilien) über die Beziehungen des in Rede stehenden Organs zu den sym- pathischen Ganglien durch die Entwicklungsgeschichte vollständig bestätigt. Das interrenale Organ liegt beim Embryo von 24 mm als ein unpaarer, unsegmentirter, solider, eylindrischer Zellstrang in der Medianebene unter der Aorta. Das Organ befindet sich nur im hintersten Rumpftheile und erstreckt sich vom 35. bis zum 20. Rumpfsegment. Wie von Weldon (43) richtig angegeben, tritt dasselbe auf als eine Proliferation des Cölomepithels an der Wurzel des Gekröses und erstreckt es sich anfangs eben so weit als der Me- sonephros nach vorn; der vorderste Theil geht aber bald in Mesen- chym über. Auch kann ich bestätigen, dass das Organ bei seinem Auftreten eine Segmentirung aufweist und paarig angelegt wird, aber fast sofort. mit der Anlage der anderen Seite zu einem un- paaren Organ verschmilzt. Ich sehe aber keinen Grund zu der Annahme von Weldon, dass dasselbe eine abgelöste Portion des Pro- oder Mesonephros vorstellen sollte. Die anfängliche Segmentirung wird dadurch erklärt, dass das Organ aus einer Proliferation der Splanchnopleura von Hypomeren entsteht; darum braucht es aber kein Theil der- Niere zu sein, ebenso wenig als die Sklerotome, welche aus der Splanchnopleura von Mesomeren hervorgehen. Nach Lage und Entstehung ist das Organ dem von Wencke- bach (44) und Ziegler (51) bei Teleostiern unter der Aorta beschriebenen Strang, aus welchem sich Blutkörperchen bilden, sehr ähnlich. Was das Auftreten des Gebildes betrifft, so erscheint es ein wenig früher als das Suprarenalorgan, denn ich finde es zuerst beim Embryo mit 76 Myotomen, wo es sich von der Region der Vorniere bis zum Hinterende der Leibeshöhle erstreckt. Haupt- sächlich sein verschmälerter vorderer Theil ist vom Mesenchym nicht scharf abgegrenzt und geht später verloren, da seine Zellen Sternform annehmen und sich vom übrigen Mesenchym nicht mehr unterscheiden lassen. —. Ueber die Mesodermsegmente des Rumpfes ete. 501 III. Vergleichung der Exkretionsorgane der Selachier mit denjenigen der übrigen Cranioten. Der Pronephros und sein Gang. Das Vorhandensein einer Vorniere ist jetzt bei Embryonen aller Abtheilungen der Cranioten festgestellt. Was die Amnioten betrifft, so wurde dieselbe bei Vö- geln von Sedgwick!) (33), bei Säugern von Renson (29) und bei Reptilien von Mihalkovics (24) zuerst erkannt. Sie ist bei allen Cranioten auf wenige Körpersegmente beschränkt und liegt im vorderem Theile des Rumpfes, fast unmittelbar hinter dem Kopfe. Während allgemein angenommen wurde, dass das Erste, welches vom Urogenitalsystem erscheint, der Gang sei, so dass derselbe merkwürdiger Weise früher da wäre als die Drüse, habe ich für die Selachier angegeben (47), dass nicht der Gang, sondern der Pronephros zuerst auftritt, und zwar als eine Ausstülpung des Me- soderms, welche sich nachträglich an einer Stelle mit der Epider- mis verbindet. Diese Stelle bilde die Anlage des Ganges, an dessen Aufbau sich das Ektoderm in hervorragender Weise betheiligt ?). Es ist nicht schwer aus der neueren Literatur zu ersehen, dass dies wohl für alle Cranioten gilt. Zum richtigen Verständniss der Entwieklungsvorgänge scheint es dabei aber nöthig, dass man lie drei Gebilde Vorniere, Gang und Urniere streng aus einan- der hält, was auch von den jüngeren Autoren nicht immer geschehen ist. Hauptsächlich wurde der Pronephros mit seinem Gang zusam- mengeworfen und das Auftreten des ersteren für die Entstehung des letzteren genommen. Bei den Säugethieren wurde die ektodermale Abkunft des Ganges bekanntlich zuerst von allen Wirbelthieren durch Hensen (16), Spee (39), und Flemming (11) begründet 3). 1) Vielleicht schon von Balfour und Sedgwick (5), siehe unten. 2) Wie erwähnt, ist es sehr wohl möglich, dass der Gang ausschliesslich von der Epidermis. stammt. 3) Ihre Meinung, dass das Epithel des ganzen Urogenitalapparates vom Ektoderm stamme, darf jetzt wohl als widerlegt betrachtet werden. Prof. G.(V.) vonMihalkovics, der diese Verhältnisse bei Säugethieren nicht näher untersucht hat, war so freundlich, mir brieflich mitzutheilen, er habe sich, was das Meerschweinchen betrifft, an Präparaten des Grafen Spee von der Richtigkeit der ektodermalen Abstammung des Ganges überzeugt. > 502 J. W. van Wyhe: Dass hier die Verhältnisse denen der Selachier in allen wesent- lichen Punkten ähnlich sind, erhellt sogar aus der Arbeit von Martin (22), der die Verbindung des Exkretions-Apparates mit der Epidermis als etwas Unwesentliches betrachtet. Dass er nach meiner Ansicht nicht zur richtigen Auffassung der Vorgänge ge- langt ist, dürfte wohl dem Umstande zuzuschreiben sein, dass er die Verhältnisse bei niederen Wirbelthieren ausser Acht gelassen hat. Nach seiner Beschreibung ist die erste Anlage des Apparates eine Wucherung der Seitenplatte, welche ganz frei von der Haut ist; dieselbe entspricht der Anlage der Vorniere bei Selachiern. Dann sendet diese Wucherung einen Fortsatz nach hinten, der mit der Haut verschmilzt und weiter caudalwärts wächst; erst jetzt wäre also der Gang angelegt. Derselbe verbindet sich später mit den Quercanälen der Urniere. Wenn zwei so weit auseinanderliegende Gruppen wie Selachier und Säugethiere solche Uebereinstimmungen zeigen, ist man wohl zu der Annahme berechtigt, dass die Vorgänge bei den dazwischen- liegenden Abtheilungen der Amphibien und Sauropsidien nach dem- selben Typus stattfinden werden. Die ektodermale Abkunft des Ganges ist denn auch schon für Lacertilier von Perennyi (27) beschrieben, für Schildkröten von Mitsukuri (25) angegeben worden. Ueber die Entwicklung des Ganges bei Teleostiern und Cy- clostomen sind erneute Untersuchungen abzuwarten. Was die Entstehung des Müller’schen Ganges bei den Am- nioten betrifft, so lässt sich dieselbe sehr gut von den Verhältnissen bei Selachiern ableiten. Bekanntlich verschwindet der Pronephros bei den Amnioten bald, während später das orale Ende des Mül- ler’schen Ganges selbständig auftritt. Die Annahme liegt nun nahe, dass die Zellen der Vorniere, welche eine andere Anordnung ein- sehen und sich dann nicht mehr von ihren Nachbarzellen unter- scheiden lassen, später, wie ich bei Selachiern nachgewiesen habe, nach hinten rücken, sich neu anordnen und das orale Ende des Müller’schen Ganges mit dem Ostium abdominale hervorgehen lassen). 1) Wenn dies der Fall ist, so ist Balfours und Sedgwicks (5) Deu- tung des oralen Endes des Müller’schen Ganges beim Hühnchen als Vorniere richtig. Ueber die Mesodermsegmente des Rumpfes etc. 503 Dieses Ende entsteht also vollständig unabhängig vom Vor- nierengang, was ja auch bei Selachiern der Fall ist. Bald aber ist dasselbe mit seinem fortwachsenden soliden hinteren Theile dem Gange enge angelagert und dies bleibt so bis es die Cloake er- reicht. Es handelt sich nun um die Frage, ob man an der Anlage- rungsstelle immer eine feine Grenzlinie erkennen kann, wie Mihal- kovies (24) behauptet, oder ob das nicht möglich ist und dort eine wirkliche Verschmelzung stattfindet, sodass man annehmen muss, dass der Müller’sche Gang (mit Ausnahme seines oralen, das Ostium bildenden Theiles) sich vom Vornierengang abspaltet, wie Balfour und Sedgwick (5) angeben. Wo der Differenzpunkt ein so subtiler ist und wo die phylo- genetischen Gründe so günstig sind für die Angaben von Balfour und Sedgwick, muss ich mich ihrer Auffassung anschliessen, so lange nicht mehrere auf diesen Punkt gerichtete Untersuchungen Mihalkovies Recht geben. Nach der obigen Anschauung persistirt die Vorniere in verän- derter Form und mit Aufgabe ihrer ursprünglich exkretorischen Function im weiblichen Geschlechte aller Cranioten, welche einen Müller’schen Gang besitzen, also bei den Selachiern, Dipnoörn, Amphibien und Amnioten. Sie bildet die Umgebung des Ostium abdominale jenes Ganges und hat die Function der Ueberführung der Eier aus der Bauchhöhle in den Ausführcanal übernommen, wie bei den Männchen dieser Thiere der vordere Theil der Urniere den Samen aufnimmt und in das Vas deferens leitet. Dass ein Homologon vom Ostium abdominale beim Männchen vorkommt, ist nun ebenso begreiflich wie das Vorhandensein des Parovariums beim Weibehen: Beide sind Rudimente eines ursprüng- lichen Exkretionsorganes. Es fragt sich nun aber, wie das Vorkommen von Rudimenten des übrigen Theiles des Müller’schen Ganges beim Männchen zu erklären ist; mit anderen Worten, warum auch beim Männchen eine Spaltung!) des Vornierenganges auftritt. Sind wir hier ge- zwungen zu der Annahme einer „Vererbung der mütterlichen Or- sanisation auch auf männliche Nachkommen“ ? 1) Diese Spaltung beim Männchen ist bei vielen Thieren — schon bei Selachiern — bekanntlich unvollkommen. 504 J. W. van Wyhe: Ich glaube, es giebt noch eine andere Erklärung: Die Chor- daten waren ursprünglich Hermaphroditen, wie für die Vorfahren der Wirbelthiere schon längst von Haeckel hervorgehoben wurde. Dies wird bewiesen durch den Hermaphroditismus 1. bei den Tunicaten, 2. bei niederen Cranioten (einigen Teleostiern, Amphibien und Cy- clostomen)!). Das Letztere macht es aber mehr als wahrscheinlich, dass auch die ersten Cranioten noch Zwitter waren. Meines Wissens ist noch keine physiologische Erklärung der Spaltung des Vornierenganges gegeben; es scheint mir nun, dass dieselbe zu Stande gekommen ist, um die Selbstbefruchtung zu verhindern, welche natürlich stattfinden konnte, so lange die durch ein Ostium der Vorniere eintretenden Eier und das durch den oralen Theil der Urniere eindringende Sperma in einen einzigen Gang zusammen kamen 2). Wenn dem so ist, so wäre auch das Vorkommen von Rudimenten des Müller’schen Ganges beim Männchen verständlich. Bei den Cyclostomen und meisten Teleostiern wurde die Selbstbefruchtung verhindert durch das Degeneriren entweder der Testes oder der Ovarien, was auch bei den übrigen Cranioten, aber nach der obigen Auffasssung nicht vor der Spaltung des Vornieren- ganges stattfand. Diese Spaltung trat bei den Cyelostomen und Teleostiern nicht auf, da hier der Gang nicht zur Ausführung der Geschlechtsproducete verwendet wurde. Der Mesonephros. Wie Adam Sedgwicek (82 und 33) zuerst ausgesprochen, entsteht die Urniere weder bei Anamnien noch bei Amnioten als eine Serie von Peritonealausstülpungen. Sie kommt nicht vom Epithel der Seitenplatte, sondern von der Mittelplatte her (vgl. v. Kölliker, 20, p. 287). 1) Nach der Entdeckung von Cunningham, bestätigt von Nansen („A protandric Hermaphrodite“, etc. Bergens Mus. Aarsber. f. 1887) ist Myxine ein Zwitter. Auch bei niederen Selachiern hat Semper das Vorkommen von Testis und Ovarium in demselben Thiere wahrgenommen. Amphioxus soll getrennten Geschlechts sein; ich erinnere aber an die Untersuchungen von Langerhans (dieses Archiv, 1876), welcher in jungen Ovarien Zellen mit Spermatozoen- schwänzen gefunden hat. 2) Dass Oviduct und Vas deferens bei vielen Hermaphroditen entstanden sind durch Spaltung eines ursprünglich einheitlichen Ausführganges, ist eine bekannte Thatsache. Ich verweise auf die Verhältnisse bei Mollusken und auf die Entdeckungen von van Beneden und Julin („Recherches sur la Morphologie des Tunieiers.“ Arch. de Biologie, Vol. VI 1886) bei Tunicaten. Ueber die Mesodermsegmente des Rumpfes etc. 505 Die Mittelplatte zeigt bei Amnioten aber nur während kurzer Zeit und an beschränkter Stelle eine Segmentirung; dieselbe muss sich phylogenetisch (d h. bei den Vorfahren der erwähnten Thiere) aber durch den ganzen Rumpf erstreckt haben, wie das segmen- tale Auftreten der Urniere beweist. Bei Amphibien tritt der Me- sonephros nicht mehr in seiner ganzen Länge segmental auf, d. h. die Zahl der Nephrotome stimmt nicht mit der der darüber be- findlichen Myotome überein !). Wenn man das späte Erscheinen des Mesonephros bei Am- phibien berücksichtigt, so ist jenes aus den Befunden bei Selachiern leicht zu erklären. Die Urniere der Amphibien bleibt nämlich lange Zeit latent; d. h. sie entzieht sich der Beobachtung: ihre Zellen unterscheiden sich weder durch Form noch durch Anord- nung von denen der Umgebung. Man braucht nur anzunehmen, dass während dieses Latenzstadiums eine ähnliche Zusammen- ziehung und Verschiebung stattfindet, wie oben bei Selachiern be- schrieben. Die Höhle je eines primären Urnierenröhrchens der Wirbel- thiere ist phylogenetisch, wie die Selachier beweisen, eine Ab- theilung des Procöloms. Dass der Pronephros keinem Abschnitt des Mesonephros ho- modynam ist, wie allgemein angenommen wurde, habe ich (48) zuerst dargethan ; ich stelle hier die hauptsächlichsten Differenz- punkte zwischen beiden Organen zusammen: 1. Der Pronephros entsteht vor dem Erscheinen des Ganges und des Mesonephros und ist überhaupt das Erste, welches vom Exkretionssysteme auftritt ?). [Bei Selachiern in der Mitte des Sta- diums H (Haifischen) oder dem Anfang des I (Rochen) ]. Der Mesonephros dagegen entsteht erst nach dem Erscheinen des Ganges. Bei Selachiern (Stadium X vgl. p. 495) und Amphi- bien sogar erst, nachdem derselbe seine volle Länge erreicht hat. 2. Der Pronephros entsteht als eine (bei Selachiern segmentirte)?) 1) Nach Hoffmann (19) sind bei Triton die ersten sechs Nephrotome noch segmental angeordnet; die ersten fünf bei Bufo schon nicht mehr. 2) Aus der Literatur ist leicht ersichtlich, dass — wenn man die ek- todermale Entstehung des Ganges annimmt — dies für alle Cranioten gilt. 3) Dies gilt wahrscheinlich für alle Wirbelthiere, wenigstens für die- jenigen, bei welchen das Organ mehrere Oeffnungen besitzt. Auf diesen Punkt gerichtete Untersuchungen sind abzuwarten. 506 J. W. van Wyhe: Ausstülpung der Somatopleura der Seitenplatte!); seine Höhle, die zeitweilig durch die Wucherung der Wände verdrängt sein kann, ist als eine Ausbuchtung des Metacöloms entstanden. Der Mesonephros dagegen bildet sich nicht als eine Ausstülpung und wird sowohl von der Somato- als von der Splanchnopleura gebildet. Am besten sieht man die Verschiedenheit des Entstehungsortes beider Organe bei Se- lachierembryonen, bei welchen sich die Abschnürung der Myotome nur im vorderen Theile des Rumpfes vollzogen hat (vgl. Fig. 6 d—i). 3. Der Gang entsteht stets in Continuität mit dem Pronephros, dagegen stets discontinuirlich vom Mesonephros, der sich erst se- ceundär mit ihm verlötbet und in ihn durchbricht. 4. Der Mesonephros besitzt Malpighische Körperchen, der Pronephros nicht ; sein Glomus ist mit den Glomerulis der Urniere nicht homodynam weil er ein, in die Leibeshöhle (Metacölom) ein- gestülpter Gefässknäuel ist. IV. Zur Urgeschichte der Exkretionsorgane der Cranioten. Die phylogenetische Entwicklung des Pro- und Mesonephros, sowie des Ganges denke ich mir in folgender Weise, wobei ich mich möglichst an die Thatsachen der Ontogenie halte: Da diese drei Gebilde nur den Cranioten zukommen und erst auftreten, wenn der Typus der Chordaten längst angelegt ist, so war bei den ersten Chordaten keines derselben vorhanden?). Sie sind also mit Nieren bei „Wirbellosen* nicht zu homologisiren. Das Epithel des Procöloms besass hauptsächlich in der Region der Meso- und Hypomeren exkretorische Funetion und das Exkret ge- 1) Vgl. für Amphibien die bei Hertwig (17, p. 264) reproduceirte Fi- gur von Götte. Dass der Pronephros bei den Amnioten aus der Mittelplatte zu entstehen scheint, halte ich für die Folge einer Täuschung, hervorgerufen durch die zeitweilige Aneinanderlagerung der Somato- und Splanchnopleura im dorsalen Theile der Leibeshöhle (des Metacöloms); denn ähnliche Bilder er- hält man auch aus frühen Stadien bei Selachiern. Hier zeigen spätere Pe- rioden aber, dass jener Ort zur Seitenplatte gehört, was bei Amnioten nicht so leicht zu sehen ist, weil die Vorniere zu schnell verschwindet. 2) Da die Vorniere nicht nach dem Acranienstadium auftritt, so liegt die Vermuthung auf der Hand, dass sie vielleicht beim Amphioxus vorkomme. Meine darauf gerichteten Untersuchungen waren resultatlos. Ueber die Mesodermsegmente des Rumpfes etc. 507 langte durch den Porus abdominalis nach aussen. Dass dieser Porus eine uralte Bildung ist!), beweist sein Vorhandensein bei den nie- dersten Fischen (Cyelostomen, Selachiern, Knorpelganoiden). In der vorderen Rumpfgegend?) steigerte sich die exkretorische Func- tion in der lateralen Wandung der Hypomeren; die Zellen proliferir- ten an diesem Orte und bildeten eine nach aussen vorspringende Verdiekung, welche bald in innige Verbindung mit der sie beklei- denden Haut trat. (Die parietale Muskulatur umhüllte den Körper noch nicht und erstreekte sich etwa nur bis zur unteren Grenze der Chorda — zu deren Hin- und Herbewegung sie wohl haupt- sächlich diente — ventralwärts.) Das Sekret der in dieser Weise entstandenen Drüse brauchte nun nieht mehr den langen Weg durch die Leibeshöhle zum Porus abdominalis abzulegen, sondern trat direet nach aussen, anfangs vielleicht nur durch feine intercelluläre Lücken, später durch eine Oeffnung, entstanden durch Auseinander- weichen der Zellen. In dieser Oeffnung hatte der Porus abdomi- nalis nun einen Coneurrenten in der Ausführung der Exkretions- produkte. Es ist denkbar, dass der Pronephros mehrere Ausmün- dungen nach aussen besass, weil er ja segmentirt auftritt; ich habe zu dieser Vermuthung aber keine Anhaltspunkte in der Ontogenie gefunden. Eine einzige Oeffnung war übrigens genügend, wenn — wie ontegenetisch der Fall ist — die übrigen Abschnitte der Vorniere nur mit demjenigen, der die Ausmündung besass, verlöthet waren. Behufs einer besseren Entfernung des Exkretes der Mesomeren rückte nun die Ausmündung der Vorniere caudalwärts, so dass der Gang entstand. Das Vorderende des Ganges war nämlich hierbei der Somatopleura fest angeschmiegt, so dass nun auch hinter der eigentlichen Vorniere, durch eine nicht näher zu definirende Thätig- keit‘ der Zellen?), Exkret in den Gang treten konnte. In dem 1) Das ontogenetisch späte Auftreten dieser Oeffnung kann keinen Einwand ausmachen, denn die Ontogenie giebt bekanntlich für die Phylogenie von Oeffnungen leider wenig Licht. Auch kann wohl nicht in Betracht kommen, dass dem Amphioxus ein Porus abdominalis fehlt — die bei diesem Thiere oft so benannte Oeffnung ist ja Porus branchialis — weil hier das Cölom zufolge der Bildung der Peribranchialhöhle grosse Veränderungen erfahren hat. 2) Auf die Frage, warum gerade hier? wie auf vielen anderen, ist wohl nur von der Entwicklungsgeschichte der Functionen später eine Antwort zu hoffen. Vielleichtist dieNähe des Herzens an dieser Stelle von Einfluss (vgl. p.4735). 3) Ich denke hierbei an die Weise, in welcher z. B. in der Niere des Men- schen Harnbestandtheile aus den Nierencapillaren in die Tubuli contorti treten. 508 J. W. van Wyhe: Maasse als er länger wurde, konnten nun auch mehr Harnbestand- theile zur sichreren Entfernung durch den Gang statt durch den - Porus abdominalis gelangen. Mit dem Ende des exkretorischen Epithels, d. h. mit dem Ende der Leibeshöhle, hatte auch der Gang seine grösste Länge erreicht. In dieser Gegend befand sich aber auch der Anus und nun liegt die Vermuthung auf der Hand, dass mit der Bildung des Proctodaeums die Ausmündungsstelle des Ganges mit hineingestülpt wurde, so dass er sich dann in den Enddarm öffnete. Wenn die Angaben richtig sind, nach welchen bei Cyelostomen, Ganoiden und Teleostiern das Ende des Ganges in den entodermalen Theil des Darmes durchbriecht, und dies scheint auch bei Selachiern der Fall zu sein, so fehlt die embryologische Stütze für jene Vermuthung. Es ist aber auch denkbar und wie mir scheint mehr mit den Thatsachen der Ontogenie in Uebereinstimmung, dass der Gang, nachdem er das Entoderm der Cloake berührte, eine selbständig auftretende Oeffnung in dieselbe erhielt, worauf sich die ursprüng- lichere Mündung auf der Haut verschloss. Hierfür dürfte auch der am Embryo mit 84 Myotomen gemachte Befund (p. 486) sprechen. Der Theil der Wandung des Procöloms, längs welchem der Gang sich erstreckte, war segmentirt, so dass derselbe natürlich nur segmental in fester Berührung mit der Somatopleura war. Als nun die exkretorische Function des Mesomeren-Epithels sich steigerte, — vielleicht durch Zunahme der Körpergrösse — genügte die Zellenthätigkeit zur Herausbeförderung des Exkretes nicht mehr, sondern es entstanden an den erwähnten Berührungs- stellen — also segmental — Oeffnungen in den Gang durch Aus- einanderweichen der Zellen der Grenzwand. Allgemein herrschen zwei Anschauungen über die Herkunft des Exkretionssystems der Cranioten — die Gegenbaur’sche und die Semper’sche — nach welchen entweder der Gang oder der Mesonephros von Wirbellosen abzuleiten sei. Gegenbaur glaubt, dass der Gang, da er kein metameres Organ vorstellt, aus einem noch nicht in Metameren getheilten Zustand des Organismus ab- zuleiten sei und damit, der gleichfalls ungegliederten Chorda ähn- lich, eines der phylogenetisch ältesten Organe repräsentire (Grund- riss der vergl. Anatomie, 2. Aufl. 1878, p. 6283). - Semper (38) behauptet die Homologie der Segmentalorgane (Urnierenröhrchen) der Haie und Anneliden. Ueber die Mesodermsegmente des Rumpfes etc. 509 Auf dieser Homologie beruht seine Abstammungstheorie der Wirbelthiere von Anneliden, welche in Dohr.n ihren geistreichsten Vertreter gefunden hat. Bei aller Anerkennung der anregenden Wirkung der kühnen Hypothesen des grossen Begründers der zoo- logischen Station, der — wie auch seine Schüler — so viele neue Thatsachen an’s Licht gezogen hat, glaube ich doch, dass das Fun- dament jener Theorie, nämlich die Homologie der Segmentalorgane der Anneliden mit dem Mesonephros der Selachier, hinfällig ist. Wenn ich mich auf dieses Organ beschränke, so ist ein Postu- lat der Theorie — wie schon von Gegenbaur und Fürbringer hervorgehoben — die Entstehung des Ganges nach dem Auftreten des Mesonephros, während er dagegen bei allen Cranioten früher als die Urniere erscheint. Wollte man die erwähnte Homologie dennoch aufrecht erhalten, so wäre man gezwungen, die Ontogenese des Systemes bei allen Cranioten als cenogenetisch aufzufassen, und hierzu wäre man doch wohl nur berechtigt, wenn die morphologische Uebereinstimmung der meisten übrigen Organe bei Anneliden und Wirbelthieren so ' gross wäre, dass man daraus nothwendig auf die Homologie des Exkretionsapparates schliessen müsste. Von den Versuchen, den Vornierengang aus den Verhältnissen bei Anneliden abzuleiten, erwähne ich die von Haddon (15) und Beard (7), sowie die von Eisig (10. Haddon sagt (l. ce. p. 469) „Accepting the proposition that the primitive Chordata nephridia opened directly to the exterior, we have only to assume that the lateral area along which they opened was grooved, and that this groove extended posteriorly as far as the anus.... From the analogy of the neural groove, there is no great diffieulty Mı further supposing that the nephrie groove was converted into a canal, which, becoming separated from the overlying epiblast, might sink into the deeper-lying parts of the body.“ Diese Hypothese, mit welcher die von Beard übereinstimmt, ist unhaltbar, denn: 1. entsteht der Gang eher als die Urnierenröhrchen; 2. tritt kein einziges Urnierenröhrchen je mit der Haut in Berührung; 3. entsteht der Gang nicht eontinuirlich mit den Urnierenröhr- chen, sondern ganz getrennt von denselben; 4. liegt der Gang nie an der Aussenseite der parietalen Mus- 510 J. W. van Wyhe: kulatur, um später durch dieselbe hindurch — etwa wie der Seiten- nerv — in die Tiefe zu rücken, was nach Haddons Hypothese ‘ doch der Fall sein müsste. Viel besser ist die Hypothese von Eisig, da sie weniger mit den Thatsachen in Widerspruch ist. Er nimmt eine von Balfour angegebene aber später zurückgezogene Vermuthung wieder auf, nach welcher der Vornierengang als das Entwicklungsprodukt eines vordersten Anneliden-Nephridiums zu betrachten sei (Eisig l. e. p- 647). Die secundäre Verbindung der Nierenröhrchen mit dem Gang ist damit nicht in Widerspruch; dass die Röhrehen nieht mehr mit der Haut verbunden sind, ist nun mit einigem guten Willen als Ver- kürzung der Ontogenie aufzufassen. Die so eben sub 1 und 4 er- wähnten Schwierigkeiten bleiben aber bestehen und machen nach meiner Ansicht auch diese Hypothese unhaltbar. Was aber Punkt 4 betrifft, so scheint mir Eisig die Schwierigkeit umgehen zu wollen; er findet nämlich ein Analogon des Vornierenganges in den von E. Meyer entdeckten, im Cölom liegenden Nephridien-Längscanälen gewisser Terebelliden und glaubt, wenn diese sich bis in die Anal- region verlängerten, Verhältnisse wie bei Vertebraten zu haben. Weiter sagt Eisig 1. e. p. 653: „Um die ektodermale Entstehung der Vornierengänge verstehen zu können, brauchen wir nur vor- auszusetzen, dass bei jenem vordersten Nephridienpaare, welches sich zu diesen Gängen verlängert hat, es speciell die Ektodermein- stülpungen waren, die hierzu das Material abgegeben haben, resp., dass allein diese Einstülpungen nach hinten auswuchsen“. Thatsache ist nun aber, dass das fortwachsende Hinterende des Vornierenganges, bis es die Afterregion erreicht hat, immer mit der Haut verschmolzen ist, dass es also immer unmittelbar an der- selben liegt, während es nach Eisigs Vorstellung durch die parie- tale Muskulatur davon getrennt wäre. Hat seine Hypothese also den Vorzug, die spätere Lage des Ganges an der Innenseite der Muskulatur zu erklären, ohne eine Durehwaechsung annehmen zu müssen, so ist sie doch auch in an- derer Hinsicht wieder mit den Thatsachen der Ontogenie in unver- söhnlichem Widerspruch. 4 Anneliden und Vertebraten sind segmentirte T'hiere, deren Cölomepithel ursprünglich exkretorische Function besass (vgl. hier- über für die Anneliden Eisig 1. e. p. 757 ff.) und dies macht eine gewisse Uebereinstimmung begreiflich, wie z. B. die segmentale Ueber die Mesodermsegmente des Rumpfes etc. 5iil Anordnung der Urnierenröhrchen und das Vorhandensein von Trich- teröffnungen. Die Entstehung der Urnierenröhrchen bei Selachiern ist aber eng an die Abschnürung der Myotome gebunden und von einer solchen Abschnürung und nachträglichen Umwachsung der Leibes- höhle durch die Stammesmuskulatur ist mir bei den Anneliden nichts bekannt. Rückert spricht die Vermuthung aus, der Pronephros sei der Annelidenniere homolog. Ob diese Hypothese allgemeinere An- erkennung finden wird, möchte ich bezweifeln, so lange fest steht, dass die Vorniere längst nach der Ausprägung des Chordatentypus auftritt und so lange z. B. die Differenzen im Baue des Centralner- vensystems mit seinem Schlundringe bei den Anneliden, in der Ent- 'stehung des Mesoderms und dem Schicksale des Blastoporus (vgl. 47), zwischen beiden Gruppen so gross erscheinen wie jetzt. Ebensowenig wie mit der Semper’schen kann ich mich mit der Gegenbaur’schen Auffassung einverstanden erklären, da ich diese durch die später bekannt gewordenen ontogenetischen That- sachen für widerlegt halte. Dass der Gang kein metameres Organ ist, folgt aus seiner Abstammung von der ebenfalls unsegmentirten Epidermis!) und dass er phylogenetisch viel jünger ist als die Chorda und erst in einer Zeit, als die Segmentirung des Körpers längst eingetreten war, entstand, ergiebt sich aus der Periode seines Auftretens, wel- ches bei allen Cranioten nach dem Erscheinen der ersten Somite stattfindet. Da der Vornierengang und die Urniere dem Amphioxus fehlen, ohne dass ein Grund für ihr Abortiren aufgefunden werden konnte und sie bei den Selachiern nicht vor dem Acranienstadium?) auf- treten, so ist nach meiner Ausicht weder der Vornierengang noch der Mesonephros von Wirbellosen ableitbar, sondern es sind beide Organe erst in der Gruppe der Vertebraten aufgetreten, kurz nachdem sich die Acranien abgezweigt. Freiburg i. B., 30. Mai 1889. 1) Gegenbaur nimmt noch an (Lehrbuch der Anatomie des Menschen, dritte Aufl. 1885 p. 39), der Gang entstehe aus dem Mesoderm. 2) Dieses Stadium zeigt z. B. folgende Uebereinstimmungen mit Am- phioxus: 1. Kopf und Rumpf sind gleichmässig segmentirt. 2. Am vor- deren Neuroporus geht die Gehirnwand eontinuirlich in die Epidermis über, 512 J. W. van Wyhe: Literaturverzeichniss. 1. Ahlborn. Ueber die Segmentation des Wirbelthierkörpers. Zeitschr. f. wiss. Zoologie. Bd. 40. 1884. 2. Balfour. A preliminary Account of the Development of the Elas- mobranch Fishes. Quart. Journ. of mier. Science. 1874. 3. Balfour. On the Origin and History of the Urogenital Organs of Vertebrates. Journ. of Anat. and Phys. Vol. 10. 1875. 4. Balfour. A Monograph on the Development of Elasmobranch Fishes. 1878. 5. Balfour and Sedgwick. On the Existence of a Head-Kidney in the Embryo Chick ete. Quart. Journ. of mier. Science. 1879. 6. Balfour and W. N. Parker. On the Structure and Development‘ of Lepidosteus. Phil. Transactions of the Royal Society. 1882. 7. Beard. The Origin of the segmental Duct in Elasmobranchs. Anat. Anzeiger. Nr. 21. 1887. 8. Dohrn. Ueber die erste Anlage und Entwicklung der motorischen Rückenmarksnerven. Mittheilungen a. d. zool. Station zu Neapel. Bd. 8. 1888. 3. In jedem Segment sind jederseits die dorsale und die ventrale Nervenwurzel vollständig getrennt. 4. Die Leber ist eine einfache Darmausstülpung. 5. Die Gl. thyreoidea ist noch nicht vom Kopfdarme abgeschnürt. 6. Die Epidermis ist ein einschichtiges Epithel, ohne Epidermoidalgebilde. 7. Die Somiten- muskulatur ist noch nicht durch eine Bindegewebsmembran in eine dorsale und ventrale Seitenrumpfmuskelpartie getrennt. 8. Cerebellum und Medulla oblongata bilden noch einen undifferenzirten Theil des Medullarrohrs (die Hirnblase des Amphioxus entspricht wahrscheinlich dem Vorder- und Mit- telhirn). 9. Die Keimdrüsen (bei Selachiern ein wenig später sichtbar) sind segmentirt. 10. Die Hauptvene ist die Vena subintestinalis. 11. Es fehlen noch Mesonephros, Nebenniere, Milz, Thymus, Pankreas, Venae cardinales, Jugulares und Ductus Cuvieri, N. sympathicus, Geruchsorgan und -nerv (diese ‚sind noch nicht von der Wandung des Neuroporus differenzirt), Seitenorgane und -nerven, ein differenzirtes Gesichts- und Gehörorgan, ein knorpeliges oder knöchernes Skelett und paarige Gliedmaassen — falls nicht die Seitenfalten der Amphioxus-Larve als solche aufzufassen sind (vgl. p. 470). Wenn man dabei im Auge behält 1. dass die Ontogenie eine nicht voll- ständige und durch Cenogenese abgeänderte Recapitulation der Phylogenie ist, 2. dass auch der Amphioxus sich durch ihm eigenthümliche Entwicklungs- vorgänge vom ursprünglichen Acranientypus entfernt hat, so dürften die Ue- bereinstimmungen gross genug erscheinen, um die Bezeichnung des oben er- wähnten Entwieklungsstadiums zu rechtfertigen. Br. Ueber die Mesodermsegmente des Rumpfes etc. 513 9. Dohrn. Entstehung und Differenzirung des Zungenbein- und Kiefer- apparates der Selachier. Nachtrag. Mittheil. a. d. zool. Station zu Neapel. Bd. 6. 1885. 10. Eisig. Die Capitelliden. XVI. Monographie. Fauna und Flora des Golfes von Neapel. 1887. 11. Flemming. Die ektoblastische Anlage des Urogenitalsystems beim Kaninchen. Arch. f. Anat. und Phys. 1886. 12. Fürbringer. Zur vergl. Anat. und Entwicklungsgeschichte der Exkretionsorgane der Vertebraten. Morph. Jahrbuch. Bd. 4. 1878. „ 13. Gegenbaur. Grundzüge der vergl. Anatomie. 1870. 14. Gegenbaur. Die Metamerie des Kopfes etc. Morph. Jahrbuch. Bd. 13. 1888. 15. Haddon. Suggestion respecting the epiblastic Origin of the seg- mental Duct. Proc. of the Royal Dublin Society. Vol. 5. Febr. 1887. 16. Hensen. Beobachtungen über die Befruchtung und Entwicklung des Meerschweinchens und Kaninchens. Arch. f. Anat. u. Phys. 1875. 17. 0. Hertwig. Lehrbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen und der Wirbelthiere. 1886—1888. 18. His. Zur Geschichte des Gehirns etc. Abh. der math.-phys. Classe der Kön. Sächsischen Ges. der Wiss. Bd. 14. 1888. 19. C. K. Hoffmann. Zur Entwicklungsgeschichte der Urogenitalor- gane bei den Anamnia. Zeitschr. f. wiss. Zoologie. Bd. 44. 1886. 20. v. Kölliker. Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. 1879. 21. A. Kowalevsky. Entwicklungsgeschichte des Amphioxus lanceo- latus. Memoires de l’Acad. imp. des Sciences de St. Petersbourg. Tome1l. 1867. 22, Martin. Ueber die Anlage der Urniere beim Kaninchen. Archiv f. Anat. und Phys. 1888. 23. P. Mayer. Ueber die Entwicklung des Herzens und der grossen Gefässstämme bei den Selachiern. Mittheil. a. d. zool. Station zu Neapel. Bd. 7. 1887. 24. v. Mihalkovies. Untersuchungen über die Entwicklung des Harn- und Geschlechtsapparates der Amnioten. Internat. Monatsschrift f. Anat. u. Hist. Bd. 2. 1885. 25. Mitsukuri. The ectoblastic Origin of the Wolffian Duct in Che- lonia. Zool. Anzeiger. Nr. 273. 1888. 26. W. Müller. Ueber das Urogenitalsystem des Amphioxus und der Cyelostomen. Jen. Zeitschr. Bd. 9. 1875. 27. Perennyi. Entwicklung des Amnion etc. bei den Reptilien. Zool. Anzeiger. Nr. 274. 1888. 28. Rabl. Ueber die Differenzirung des Mesoderms. (Verh. der Anat. Ges. in Würzburg.) Anat. Anzeiger. 1888. 29. Renson. Contributions & ’Embryologie des organes d’exeretion des Oiseaux et des Mammiferes. These. Auszug. Archiv. f. mikr. Anatomie. Bd. 22. 1883. 514 J. W. van Wyhe: 30. Rückert. Ueber die Entstehung der Excretionsorgane beı Sela- chiern. Archiv f. Anat. u. Phys. Juliheft. 1888. 31. Rückert. Zur Entwicklung des Excretionssystems der Selachier. Zool. Anzeiger. Nr. 297. 1889. 32. Sedgwick. Development of the Kidney in its Relation to the Wolffian Body in the Chick. Quart. Journ. of mier. Science. 1880. 33. Sedgwick. On the early Development of the anterior Part of the Wolffian Duct and Body in the Chick ete. Quart. Journ. of mier. Science. 1881. 34. Semper. Ueber die Stammverwandtschaft der Wirbelthiere und Anneliden (vorläufige Mittheilung). Centralblatt für die medicinische Wäss. 25. Juli 1874. 35. Semper. Segmentalorgane bei ausgewachsenen Haien (vorläufige Mittheilung). Centralblatt f. die med. Wiss. 7. Nov. 1874. 36. Semper. Kurze Bemerkungen über die Entstehungsweise der Müller’schen und Wolff’schen Gänge. Centralblatt f. die medic. Wiss. 26. Juni 1875. 37. Semper. Die Stammverwandtschaft der Wirbeithiere und Wirbel- losen. Arbeiten aus dem zool. Inst. in Würzburg. Bd. 2. 1875. 38. Semper. Das Urogenitalsystem der Plagiostomen und seine Be- deutung für das der übrigen Wirbelthiere. Arbeiten aus dem zool. Inst. in Würzburg. Bd. 2. 1875. 39. Spee. Ueber directe Betheiligung des Ektoderms an der Bildung der Urnierenanlage des Meerschweinchens. Arch. f. Anat. u. Phys. 1884. 40. Thacher. Median and Paired Fins ete. Transactions of the Connectieut Acad. Vol. 3. 1877. 41. Weldon. Note on the Development of Lacerta muralis. Quart. Journ. of mier. Science. 1883. 42. Weldon. On the Head-Kidney of Bdellostoma ete. Quart. Journ. of mier. Science. 1882. 43. Weldon. On the Suprarenal Bodies of Vertebrata. Quart. Journ. of mier. Science. 1885. 44, Wenckebach. Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Knochen- fische. Archiv f. mikr. Anatomie. 1886. 45. Wiedersheim. Grundriss der vergl. Anatomie der Wirbelthiere. 2. Aufl. 1888. 46. van Wyhe. Ueber die Mesodermsegmente und die Entwicklung der Nerven des Selachierkopfes. Apart 1582. Auch in Verhandel. d. Kon. Akad. van Wetenschappen. Deel XXI. 1883. 47. van Wyhe. Die Betheiligung des Ectoderms an der Entwicklung des Vornierenganges. Zool. Anzeiger. Nr. 236. 1886. 48. van Wyhe. Ueber die Entwicklung des Exkretionssystemes und anderer Organe bei Selachiern. Anat. Anzeiger. Nr. 2 und 3. Jan. 1888. 49. van Wyhe. Bemerkung zu Dr. Rückerts Artikel ete. Zool. An- zeiger. Nr. 289. 1888. Ueber die Mesodermsegmente des Rumpfes etc. 515 50. H. E. Ziegler. Der Ursprung der mesenchymatischen Gewebe bei den Selachiern. 51. H. E. Ziegler. bryonen. Archiv f. mikr. Anat. Archiv f. mikr. Anat. Die Entstehung des Blutes bei Knochenfischem- Bd. 30: Bd. 52. 1888. 1887. Tafelerklärung. af. N. acustico-facialis. ao. Aorta. ch. Chorda. el. Cloake. d. Darm. da. Dotterarterie. | ep. Epidermis. gl. N. glossopharyngeus. gls. Glomus. hp. Hypomer. kd. Keimdrüse. kt, bis kt,. Erste bis vierte Kiemen- tasche. lb. Leibeshöhle. m. Medullarrohr. mp. Mittelplatte. ms. Mesomer. msc. Mesocölom. my. Myotom. mye. Myocölom. nt. Nephrotom od. Anlage desselben. o. Ostium des Pronephros. ob. Ohrblase. p. Pronephros. pg. Pronephrosgang. rsı. Erstes Rumpfsomit. s. Subchordalstrang. sbl. Segmentalbläschen. skl. Sklerotom. sl. Seitenleiste des Mesenchyms. spg. Spinalganglion. spn. Spinalnerv. vc. Vena cardinalis („posterior“). vg. N. vagus. vw. Ventrale Nervenwurzel. Tafel XXX, Sämmtliche Figuren der Tafeln XXX und XXXI sind mit der Camera gezeichnet. Fig. 1. Querschnitt durch die Mitte des dritten Rumpfsegmentes eines Pri- stiurus-Embryo mit 27 Somiten. Vergr. 150. Fig. 2. Querschnitt durch die Grenze zwischen dem dritten und vierten Rumpf- segmente eines Pristiurus-Embryo mit 31 Somiten. Vergr. 150. Querschnitt durch den vorderen Theil des fünften Rumpfsegmentes desselben Embryo; der. linke Theil der Figur trifft die Wand, der rechte Theil die Höhle des Segmentalbläschens des Somites. Vergr. 150. Fig. 4a. Theil eines Querschnittes durch das 4. Rumpfsegment eines Pristiu- rus-Embryo mit 35 Somiten. Vergr. 215. Fig. 4b und 4c. Theile zweier aufeinander folgender Querschnitte durch den hinteren Theil des fünften Rumpfsegmentes desselben Embryo (Fig. 4c Fig. 3. gehört zum hinteren Schnitt). Vergr. 215. Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 33. 33 516 Fig. Fig. J. W. van Wyhe: Ueber die Mesodermsegmente des Rumpfes etc. 5a,b,c. Drei aufeinander folgende Querschnitte durch den hintersten Theil der Anlage des Vornierenganges eines Embryo von Scyllium catulus mit 37 Somiten. Die Schnitte treffen den hinteren Theil des 8. Rumpfsegmentes. Vergr. 370. 6a—h. Theile von acht aufeinander folgenden Querschnitten durch die Re- gion des Pronephros eines Pristiurus-Embryo mit 71 Somiten. Vergr.81. Tafel XXXI. .6 i. Theil eines dem in Fig. 6h abgebildeten unmittelbar folgenden Schnittes. Vergr. 81. . 7a und b. Theile von Querschnitten durch das 38. Rumpfsegment eines Pristiurus-Embryo mit 76 Myotomen; zur Fig. 7a gehört der vordere Schnitt. Zwischen beide fallen noch 2 nicht abgebildete Schnitte. Vergr. 150. . 8. Theil eines Querschnittes durch das sechste Rumpfsegment des bei Figur 6 a—h erwähnten Embryo mit 71 Somiten. Vergr. 81. . 9. Querschnitt durch die vordere Rumpfregion eines Pristiurus-Embryo” mit 43 Somiten. Vergr. 150. . 10. Querschnitt durch das dritte Rumpfsomit eines Embryo von Seyllium canicula mit 60 Myotomen. Vergr. 150. . 11 Querschnitt durch das 30. Rumpfsegment des bei Fig. 6a—i erwähn- ten Embryo mit 71 Somiten. Vergr. 81. . 12. Querschnitt durch die Region des Pronephros eines Embryo von Scyllium canicula mit 55 Somiten. Vergr. 81. . 15. Theil eines Pristinarus-Embryo in toto eingebettet mit 48 Somiten. Vergr. 45. Tafel XXXII. Schemata zur Verdeutlichung der Entwicklung der hauptsächlichsten Pro- ducte des Mesoderms. Fig. 14a und 14b. Querschnitte durch einen Embryo, welcher noch im Be- > = 0Q sitze von „Segmentalbläschen“ ist. Der Schnitt Fig. 14a ist durch die Höhle eines Somites, Fig. 14b durch seine vordere oder hintere Wand geführt. . 15a und 15b. Querschnitte durch einen Embryo, bei welchem die Myo- tome im Begriffe stehen sich von den Mesomeren abzuschnüren. Der Schnitt Fig. 15b geht durch die Region der Vorniere: Fig. 15a folgt hinter derselben. Fig. 16. Querschnitt durch einen Embryo, bei welchem die Myotome noch Fig Fig nicht lange abgeschnürt sind. . 17. Querschnitt durch einen Embryo, bei welchem die Myotome dorsal- und ventralwärts gerade ihre grösste Ausdehnung erreicht haben. . 18. Sagittalschnitt durch fünf Segmente eines Embryo mit Procölom. B. Solger: Säugethier-Mitosen im histologischen Kursus. 517 Säugethier-Mitosen im histologischen Kursus. Notiz von B. Solger. Greifswald. Orth empfiehlt zur Demonstration der Mitosen von Warmblü- tern in histologischen Kursen (s. dessen Cursus der normalen Histo- logie, 4. Aufl. S. 81) das Mesenterium neugeborener Kaninchen. Da solches Material doch nicht immer zur Verfügung steht und sich, wenn man nach seiner Vorschrift mit Flemming’s Gemisch (Chromosmiumessigsäure) fixirt hatte, auch nicht wohl längere Zeit in Alcohol aufbewahren lässt, ohne bezüglich seiner Tinctionsfähig- keit, auf die gerade hier sehr viel ankommt, zu leiden, so möchte ich mir erlauben, auf ein Säugethier-Gewebe aufmerksam zu machen, welches an Klarheit und Grösse der Bilder dem Kaninchen-Mesen- terium mindestens gleichkommt und bei dem man gleichfalls nicht erst einzubetten und zu schneiden braucht. Es ist dies das A m- nion der Ratte. Weisse Ratten werden ja gegenwärtig viel- fach in anatomischen Instituten gezüchtet, so dass man wohl Ge- legenheit hat Material in genügender Menge zu sammeln. Ich lege das frisch herausgeschnittene trächtige Uterushorn in concentrirte, wässerige Pikrinsäurelösung (jüngst erst wieder von Heidenhain zum Fixiren von Mitosen im Mäusedarm empfohlen) und schneide unter der Flüssigkeit die Eihäute (oder wenigstens das Chorion) mit der Scheere an. Das Amnion — ich benutzte bisher Embryonen von 1,3 cm bis 2cm Länge — flottirt nun als äusserst dünnes Häutchen in dem fixirenden Fluidum (oder hülltnoch als geschlossener Sack den Em- bryo ein). Nach 24 Stunden Abspülen mit Aqu. dest., hierauf Ein- legen in 70 °/, Aleohol, der allmählich durch stärkeren ersetzt wird. Die Färbung gelingt mit Ehrlich’s saurem Hämatoxylin (zur Hälfte mit Wasser verdünnt, 5 Minuten) sehr leicht. Mir ist bis- her kein Säugethierobject bekannt, welches auf so einfache Weise so zahlreiche und gleichzeitig so grosse!) Mitosen (in allen Stadien) 1) Abstand der beiden Polfelder eines Doppelsterns bis zu 0.0132mm, Durchmesser eines in Metakinese befindlichen Sterns bis zu 0.0099 mm. 518 B. Solger: Säugethier-Mitosen im histologischen Kursus. lieferte. Man kann mit Sicherheit erwarten, dass sie von Practi- canten, die nur eine vierwöchentliche Uebungszeit hinter sich haben, mit Zeiss Objectiv-System D oder Hartnack Obj.-S. Nr. 7 aufgefunden und in ihren Haupt-Stadien erkannt werden. Erleichtert wird dies noch durch den Umstand, dass die Epi- thel-Mitosen, um die es sich vorzugsweise handelt, nicht nur, falls man die Membran gut ausgebreitet hat, in einer Ebene liegen, son- dern auch in gleichem Sinne orientirt (Theilungsebene senkrecht zur Oberfläche) sich zeigen. Ich bin gerne bereit, den Herren Fach- genossen auf Wunsch Präparate aus Pierinsäure, mit Hämatoxylin oder falls diese Tinetion später nicht mehr so gut gelingen sollte, | mit Alauncarmin (24 St.) gefärbt, zur Ansicht zu schicken. Selbst- h verständlich giebt die Fixirung inFlemming’s Gemisch mit nach- | folgender Safraninfärbung ebenfalls vortreffliche Bilder. Universitäts-Buchdruckerei von Carl Georgi in Bonn. Im I +2 j f IA I 17 Hl ] Dat IN Hl 40) ln | i lg: ., 1 ” = E — a = x N za a DEN K Ni 5 j 5 | y j - aan: m ie ti N 1 f ni ’ s I - fi i “ vi EX j v Ir R # MN in ı Ni, h N in U, i [97 un | HI | fi {} N | \ v | N I | rl j ö MAT j u ri} | Hi N 4 | , , { 2 nn nn nn 1 v F ’ % N D 1 ) ’ Ta | „ 1 D j u: Bu} KANU man Ss 2 UDO. ner una: HL) 201 Seite IREENUELRRERRRERRN N Nana Tann. EN HEAETREEEETÄNNLNHELEEB ENTE TITAETI D NT U Vo ENT nem" EINTRITT LAUTET I TU TTS TEILTE Knaur N H Fer ; \ - er 4 ’ Be \ 5 PR 4 . Art “ ProZ Te er ET BT een ”. s ö IT b} BF f Y R FF Es . ® a ER di KR, i Re; En En N 2 N As Dr Be Rn — — var 7777 Mapa Sp 5 Su Wi in - N al > PERF ESF I ERRERPEN WEITEEEWIESICHE, Lie .c. + r en er ee li een er me nn ee, Ten un anne man 1m I % . R j « l N m en u ira u: Ä wi a el a Re Wat N BERH, ; ee = \ 1 IN ‘ i IM 1 | | i IKT, Hr 1 r \ A] r 11 2 j ir4i Il I N i Kill a IA D/ h j j If f | N re . FIT 5 = e] | E) I mikroskon. Anatomie. BAXXXI. u. > Tith._Anst.v Werner a Winter, Franktart?M. Nucl,fün. eun.. OS Nuel.fün.grae. Subst.gel.Rol. Kafckr Ei ‚ Er = Jeh.Anst wWerner &Winter Frankfart?M. Taf VI. ER re 4 5 TEEN: Archir Lmikroskon. Anatomie, Bd.XXXI. G.Platner gez Br af" r; “ « N u ALT 4 natomie. BA.XXN. \ ı|| (e) S oO SOSD &Q S e) oO “ Dear ru > + “ ir 9. D Teer er Pi # Yı ir mikroskop. Anatomie. Bd.XKXT. ESSIISTEDESISEHENENEEEN MensubhFVnaBASLIVEANATHRAEE ALREAGEAAFEITTE , j ar ger. PP n - F ‚ih. Anst wWärner & Winter Frankfurt el & wer ; Kmikroskon Anatomt Yr, 17 Ih. Anst Werner R Wirter, Frankfurt IH. F Per = . & e 2 di [51 FIRE VERTER FER\ FE u N Taf: XIV. Archiv Fmikroskon.Anatomie.Bd..XXM. il N 1 ! CHH. % mr nter Frankfer: ner&lh Arıst.n. Wer, e2. G Platner 4 15 4 vi Be K 17,35 ie ei E un S ig} 13 F a £.mikroskop. Anatomie. Bd. XXI BIZZOZERO - Schlauchdrüsen are” E23 5 Pe ne ..,? — k . F r bxcze: 5 ri RR IE 7 % A De 1 a Eu 7 SHIT / - IR -) \ W ® N A" III HERREN BO’: N er en EA ET ERIEREEEEN ER SER TEEN ET EOIIIK, , 3 =) = | KICY ,; T Bizzozero del. Lich, Znst vWerner «Winter Frankfurt? M- #r u BAR E - , { 1 Dj 1 i j r4 | r ) > er [i — - „ no 2 "or It H j I + ". | ‘ } - il ’ pi f i In } l j i 4 Lr 1 il . | 3 N ) i j i Sa, 4“ MH im zZ B T . n 7 Bi 6 &ü B u ) ı m j Es \ {2 " u " j an pe N Zotten = / / bares Schra ei. J Zotte. Zeucocyten- kerne (3 " Submucosa. Muscularis mucosae. Leueoeyten. Sr DB 3 y = 7 Aawocyt— — ® 0) > ko > — Se ER % > = Tas AT PA a la a yhutı . - Fehl) zu I AA A u a Zar Archiv fmikroskop. Anatomie. Ba_XXM. Taf: XV. a | Rand des Lymphknötchens Ph.Stohr gez. j Li Arst vllemera Winter, Barkfar YM 7 =} j Archür £mikroskopt. Anatomie. Bd. XNN\H 1. (0 9% 5) u 3 E: & "RL N ji a SE Taf xx. 7 (286) Taf X. rn a nee ni, fr x - 14 15 | IT h . }: u F 2 &- Be: . . r t Tach dal — x = ih Ans v Werner #Wörter Frankfart iM £ Ö. Zoch, delm , E Archiv Lmikroskop. Anatomie Bd Kerr Kerne (der 17 Propment | schetde Gerüst Pigmentscheide 3 & i da a je 2, in Zu Le > 5 Re a N ir £mikroskon. Anatomie. Ba..XXM. 1.@ Kanalwand, stark u = geschwollen [7 F dussere bindegewebige I mehodine Schupne ‚ Röhre : > a8 Haken ; lerbindungsstrung alter Nahrungsballen ... H Bluutköner =. ER Fellicuala es ' Zymyihkerne ‘Y Kemballen „Nahrungskern oberer »-. Wimperknanz N Nahrungskerne \ ‚grosse NIacuole kan TEN £ " Nahrungskerne \ unterer 7 (=-Hafthaken : \Y) , Rs n % I hen n = : Je ) R % — " Reservoir Wimperkranz \ Reeene Ber I SF N Zympih-od unnenneni hen HAIR des Blutkerne J \ Querkandlchens | f — \ Epidermis. '@ 2. ID / . \ ... 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