MARINE BIOLOG

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*,# No book or pamphlet is to be removed from the Lab- | oratory without the permission of the Trustees. :

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Archiv

Mikroskopische Anatomie

herausgegeben von O. Hertwig in Berlin,

v. la Valette St. George in Bonn

und

W. Waldeyer in Berlin.

Fortsetzung von Max Schultze’s Archiv für mikroskopische Anatomie,

Vierunddreissigster,. Band,

Mit 30 Tafeln.

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Bonn Verlag von Max Cohen & Sohn (Fr. Cohen) 1889.

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Inhalt.

Zur Kenntniss der Histologie des Alligatormagens. Von Dr. P. Eisler, Prosektor an der Anatomie zu Halle a./S. Hierzu Tafel I

Ueber die Giftdrüsen der Kröten und Salamander. Eine histologische Studie. (Aus dem histologischen Laboratorium des physiolog. Institutes zu Berlin (Prof. Fritsch).) Von Dr. Paul Schultz. Hierzu Tafel II

Beiträge zur Histologie des Hodens. Von Dr. F. Hermann, Dozent an dem anatomischen Institut Erlangen. Hierzu Tafel III und IV

Ueber die Haut des Neunauges. Von L. Pogojeff. Hierzu Tafel V.

Beitrag zur Kenntniss des Baues der Eileiterdrüsen bei den Amphibien. Von R. Stüve aus Berlin. (Aus dem zoologischen Institut in Tübingen.) Hierzu Tafel VI.

Histologische Untersuchungen am Rückenmark der Tritonen. Von Karl Rudolf Burckhardt. Hierzu Tafel VII und VIL

Ueber den Verlauf der Hinterwurzeln im Rückenmark. Von M. v. Len- hossek, Docent in Budapest. Hierzu Tafel IX

Beiträge zur Anatomie des Schwellkörpers der Nasenschleimhaut. Von Dr. J. Herzfeld aus Berlin. (Aus dem anatomischen Institut des Herrn Prof Dr. Zuckerkandl in Wien.) Hierzu Tafel X

Beitrag zur Kenntniss der Lymphdrüsen. Von Heinrich Hoyer, cand. med. (Aus dem physiologischen Institut zu Breslau.) Hierzu Tafel XI und XI

Beiträge zur Kenntniss der Zelleu in den Magendrüsen. Von Ernst Hamburger, cand. med. (Aus dem physiologischen Institut zu Breslau.) Hierzu Tafel XII.

Der Kropf der Taube. Von Max Teichmann, cand. med. (Aus dem physiologischen Institut zu Breslau.) .

Ueber die Entwieklungsgeschichte und die Anatomie von Gordius tolo- sanus Duj. = G. subbifurcus v. Siebold. Von Dr. v. Linstow in Göttingen. Hierzu Tafel XIV, XV, XVI

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IV Inhalt.

Ueber die Entwickelung des Urogenitalsystems des Menschen. Von Dr. med. W. Nagel, Assistenzarzt der Universitäts-Klinik des Herrn Geheimen Medieinal-Raths Prof. Dr. Gusserow in Berlin und Docent der Geburtshülfe und Gynäkologie. Hierzu Tafel XVII, XVII, XIX und XX

Beitrag zur Kenntniss des Geruchsorgans des Hundes. Von Prof. Dr. Battista Grassi und stud. med. A. Castronovo in Catania. Hierzu Tafel XXI

Bemerkungen über Mermis. Nachtrag zu „Ueber die Entwickelungs- geschichte und die Anatomie von Gordius tolosanus“. Von Dr. v. Linstow. Hierzu Tafel XXI.

Einige Bemerkungen über sexuelle Elemente beim Spulwurme des Hundes. Von 8. M. Lukjanow. Hierzu Tafel XXIII und XXIV

Ueber pericelluläre und intercelluläre Ablagerungen im Hyalinknorpel. Von Dr. B. Solger, ao. Prof. und erstem Prosector am anat. Institut zu Greifswald. Hierzu Tafel XXV

Die postfoetale Histiogenese des Hodens der Maus bis zur Pubertät. Von Dr. Friedrich Hermann, Docent an dem anatomischen Institut der Universität Erlangen. Hierzu Tafel XXVI

Amitotische Kerntheilung im Blasenepithel des Salamanders. Von W. Flemming in Kiel. Hierzu Tafel XXVII

Zur Kenntniss des körnigen Pigmentes im menschlichen Körper. Von Dr. Fr. Maass, Assistent. (Aus dem anatomischen Institut zu Göttingen.) N he Eee RE ee SS LEE

Beiträge zur Anatomie desfProteus anguineus. Von Dr. Albert Oppel,

Assistent für Histologie an der anatomischen Anstalt in München. Hierzu Tafel XXVIII, XXIX, XXX

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Zur Kenntniss der Histologie des Alligatormagens. Von

Dr. P. Eisler, Prosektor an der Anatomie zu Halle a./S.

Hierzu Tafel 1.

Die nachstehende Untersuchung wurde bereits im Jahre 1884 ausgeführt, zu einer Zeit, wo ich in der Literatur noch keine Be- schreibung dieses Gegenstandes vorfand. Meines Wissens existirt eine solche auch heute noch nicht. Ich zögere deshalb nicht länger mit der Veröffentlichung meiner Befunde.

Der Magen stammte von einem kleinen Alligator von etwas über 2 Fuss Länge. Der Kbnservirung in Müller’scher Flüssig- keit folgte eine Nachbärtung in Alkohol).

Das Objekt zeigte die Gestalt eines flachen Beutels. Die Kardia war vom Pylorus über die kleine Kurvatur nur I9mm ent- fernt, dagegen mass die grosse Kurvatur 130 mm. Die Muskularis war ziemlich kräftig entwickelt, durchschnittlich in einer Dicke von 1,5—3,0 mm (an den tiefsten Stellen der grossen Kurvatur). Die Schleimhaut der hintern Magenwand zeigt makroskopisch eine relativ glatte Oberfläche, die Vorderwand ist durch starke Längs- und Querwulste erhoben; an der kleinen Kurvatur stehen die Wulste durchgängig quer zur Längsaxe des Magens. Von dem Oesophagus her laufen scharfe Falten bis auf etwa 5 mm über die Kardialschleimhaut hin.

Zur Tinktion der mikroskopischen Vertikal- und Flachschnitte wurde hauptsächlich die Doppelfärbung mit Hämatoxylin und Eosin- Bergamottöl?) benutzt, die mir die besten Präparate gab. Ich ver- suchte daneben eine grosse Anzahl Kern- und diffusfärbender Rea-

1) Ich verdanke den Magen der Güte des Herrn Prof. Solger. 2) Eine Methode, über die mein damaliger Chef, Herr Prof. Eberth, in Friedländers „Fortschritten“ referirt hat. Archiv f. mikrosk, Anatomie. Bd. 34, 1

2 Dr. P. Eisler:

gentien, um eventuelle Differenzen in der Färbung der Drüsenzellen zu erzielen, jedoch ohne Erfolg.

Die Dicke der Mukosa beträgt im Ende des Oesophagus 1 mm, vor der Kardiaregion 0,6, in derselben etwa 0,75, im Fundus 0,8 bis 0,9, im Pylorus 0,6—0,7 mm. Dem entspricht auch die Länge der Drüsen in den einzelnen Regionen. Nach dem Uebergang auf das Duodenum sinkt die Dieke der Mukosa auf 0,5 mm.

In dem kurzen Endstück des Oesophagus, welches zu meiner Verfügung stand, erreicht das schlanke Zylinderepithel eine Höhe von 30—85 u. Das Oberflächenepithel des Magens ist in allen Ab- teilungen gleich gebaut und setzt sich aus 23—25 u hohen, schmalen Zylinderzellen, polyedrischen Pyramiden zusammen, deren nach dem Mageninnern gekehrte 5—Seckige Basis theils geschlossen theils offen ist. Die geschlossenen Zellen wölben ihre Oberfläche mehr oder weniger halbkuglig vor. Der breite innere Theil er- scheint an offnen Zellen hell, das schmale Ende mit dem ellipsoi- den Kern feinkörnig, dunkler. An geschlossenen Zellen hat sich der schleimige Inhalt meist leicht mit Hämatoxylin gefärbt, ohne aber irgend welche fädige Zeichnung im Innern erkennen zu lassen. Isolationspräparate zeigen das schmale äussere Ende der Zellen in einen langen Faden auslaufend, der sich mehr oder weniger umschlägt, um sich an den Magenleisten zu inseriren.

Dasselbe Epithel steigt in die trichterförmigen Magengrüb- chen hinab, welche an dem Uebergange von Oesophagus in die Kardia bis zu 0,3 mm tief und bis 0,1 mm breit sind. Weiterhin beträgt ihre Tiefe durchschnittlich 60 «, die Breite 30—40 u. Die Zellen knieken dabei etwas ein und zwar so, dass der Kern parallel der Längsaxe der Drüse stehen bleibt, der helle Theil der Zelle sich verschieden stark gegen diese Axe neigt. In das Ende des Magengrübehens münden ein oder mehre Drüsenschläuche. Das Letztere ist besonders an der Kardia die Regel.

Der Drüsenausführgang oder Hals zerfällt in eine innere und eine äussere Partie, in ein inneres und äusseres Schaltstück, um eine Bezeichnung Rolleis zu gebrauchen. Die Länge des innern Schaltstücks beträgt 30—40 u durch den ganzen Magen, die Breite schwankt zwischen 15 und 25 «. Das Epithel dieser Abtheilung besteht aus kurzen zylindrischen, dachziegelig sich deckenden Zellen von etwas grösserer Breite als da$ Oberflächenepithel. Meist zeigt das Profil nur 4 oder 5 derselben. Ihre freien Oberflächen sind

Zur Kenntniss der Histologie des Alligatormagens. 3

geschlossen und bilden ein ziemlich regelmässiges Mosaik aus 4—6eckigen Feldern. Das äussere Schaltstück besitzt eine sehr wechselnde Länge; es steigt gelegentlich bis 0,2 mm tief hinab, andrerseits ist es oft nur wenige Zellen lang. Es ist unwesentlich breiter als das innere Schaltstück und mit stellenweise sehr niedrigen, platten, langgestreckten Zellen ausgelegt, deren ovoide oder ellip- soide Kerne wie die der vorhergehenden Abtheilung parallel der Drüsenaxe stehen. Die Zellen sind oft kaum 3 u hoch und decken sich meist nach innen zu mit einem kurzen Zipfel.

An das äussere Schaltstück schliessen sich 2 oder 3 gegen das Ende hin kolbig verdickte und häufig umgeschlagene Drüsen- tubuli. Die Gabelung erfolgt entweder am Ende des äussern Schalt- stücks, oder aber das letztere setzt sich in die Gabelung auf ver- schieden lange Strecken fort. Dementsprechend ist auch die Länge der eigentlichen Drüsenfundi eine sehr wechselnde. Am Beginn’ des Drüsenleibes reduzirt sich die Breite des Schlauches bis auf 8—12u, um sich dann wieder auf 25—35 u zu erheben. Jene Partie besteht im Profil aus 2—3 platten, nach dem Drüsenfundus hin an Höhe zunehmenden Zellen. Die Höhe der eigentlichen. Drüsenzellen schwankt zwischen 10—15 u. Sie sind polyedrisch, in den verschiedensten Stellungen ineinandergefügt. Ihr Kern ist gross, rundlich oder ovoid, mit einem oder mehren Kernkörper- chen, und findet sich in verschiedenen Stellungen zur Längsaxe der Drüse.

Das Lumen der Drüse variirt in den einzelnen Abschnitten. Am Ende des Trichters verengt es sich etwas, um sich dann be- trächtlich bis zur Gabelungsstelle zu erweitern; in der Gabelung selbst ist es meist sehr eng, von da aus nach unten wechselnd enger oder weiter.

Diese Verhältnisse wiederholen sich ohne besondre Abweichun- gen durch alle Regionen des Magens. Das Endstück des Oeso- phagus zeigt vor dem Uebergange in die Kardia einfach zylindrische Schleimdrüsen, deren Epithel dem der Oberfläche sehr ähnlich am freien Ende theils offen, theils geschlossen erscheint. Ohne einen besondern Uebergang folgen dann die Kardialdrüsen, anfangs noch kurz, bald aber durch die ganze Dicke der Mukosa durchgehend. Zwischen Pylorus und Duodenum vermengen sich auf eine kurze Strecke Pylorus- und Duodenaldrüsen, wobei die erstern wesent- lich an Länge und Breite einbüssen.

4 Dr. P. Eisler:

Die Tunica propria der Schläuche lässt sich als eine zarte, glashelle Membran bis in die Höhe des Magengrübchens verfolgen und von dem umgebenden Bindegewebe isoliren. Die eingelagerten, flachovalen Kerne lassen hin und wieder eine geringe Menge Proto- plasma an ihren Polen erkennen, erscheinen aber im allgemeinen kahl. Stern- oder korbförmige Zellen waren nicht zu sehen. Die Membran ist von einer Unzahl feiner, sehr schwer erkennbarer Poren durchsetzt?).

Je ein Drüsenpacket von 20—30 Sehlänchen wird von einer stärkern Bindegewebsmasche umgeben, die mit oft äusserst feinen Fortsätzen die einzelnen Schläuche hält, sodass die Membranae pro- priaeder einzelen Schläuche manchmal fast aneinandergrenzen. Die Magenleisten sind demnach verschieden breit entwickelt; be- sonders breit sind sie in der Kardiazone. Das Bindegewebe der stärkern ist in der Mitte zu einem adenoiden Gewebe gelockert, in welchem sich Lymphkörper angesammelt haben. Zellige An- häufungen in Gestalt von Lymphfollikeln finden sich verstreut so- wohl bis dicht unter das Oberflächenepithel als von der Submukosa heraufreichend und in letzterer selbst.

Die Submukosa besteht aus einem lockern fibrillären Binde- sewebe, welches von Zügen glatter Muskelfasern in allen Rich- tungen durchsetzt wird. An der Grenze zwischen Mukosa und Submukosa, dieht unter dem Ende der Drüsen, zieht sich eine Längs- und Ringsmuskelplatte durch den ganzen Magen in einer Stärke von 25—35 u. Sie beginnt ungefähr 2 mm hinter der Kardia, wo sich die submuköse Muskulatur zu einem 0,8—1 mm starken Ring verflochten hat, und schwillt am Pylorus auf eine Dicke von 0,5—0,6mm an, wobei sich die Ringsmuskelfasern allmählich auch längs stellen. Von dieser Muskelplatte treten reichliche Züge in

1) Diese Poren sah ich etwas deutlicher in der Tunica propria der Magendrüsen von Proteus anguineus. Sie erscheinen bei günstiger Beleuch- tung als feine, matte Pünktchen in der sonst keine Struktureigenthümlich- keiten bietenden Membran. In Kanadabalsam werden sie völlig unsichtbar; man muss, um sie aufzufinden, Zupfpräparate in Wasser oder verdünntem Glycerin anfertigen und sich zur Untersuchung einer starken Linse (Oelim- mersion) bedienen. Die Poren sind meiner Ansicht nach unumgänglich noth- wendig, wenn Diffusionsvorgänge stattfinden sollen, und demnach für alle sog. homogenen oder strukturlosen Häutchen anzunehmen. Denn durch eine wirklich völlig homogene, porenlose Platte diffundirt nichts.

Zur Kenntniss der Histologie des Alligatormagens. 5

die Magenleisten hinauf bis unter das Magenepithel, zugleich mit den dünnwandigen Gefässschlingen.

Im mukösen und submukösen Bindegewebe finden sich so- wohl grosse Zellen, deren grosse Granula sich intensiv mit Häma- toxylin bläuen, als solche, die stark lichtbrechende, mit Eosin sich färbende Körner führen. In beiden sind die Granula augenschein- lich beweglich, denn man trifft sie an der scharf konturirten Zell- wand ebenso oft als mehr oder weniger dicht um den Kern grup- pirt. Eine genaue Inspektion beider Arten ergibt, dass die grossen Granula die stark gefärbte Interfilarmasse darstellen, die durch das Retikulum der Zellwand hindurehscheint. Die Interfilarmasse ist in diesen Zellen eben zu Körnern oder Tröpfehen geformt, hängt nicht unter sich zusammen. Man vermag recht gut auch an den Stellen, wo keine gefärbte Interfilarmasse liegt, die Interstitien des Zellgerüsts zart, aber scharf umrissen zu erkennen. An den eosinophilen Zellen ist der blau tingirte Kern leicht hinter den rothen Granulis siehtbar, während bei der erstgenannten Art die Menge der blauen Interfilarmasse oft den Kern ganz verdeckt. Wir haben es bei beiden Formen augenscheinlich mit Wanderzellen zu thun: die Akkommodation ihrer Gestalt an die jeweiligen Raumverhältnisse charakterisirt sie als solche. Eine dritte Art Wanderzellen ist nur von der Grösse der Lymphkörperchen, hat einen kleinen, stark gebläuten Kern, aber nur einen schmalen, an- scheinend homogenen Zellleib. Sie und die eosinophilen Zellen haben die verschiedensten und wunderlichsten Formen von Kernen und finden sich ausser im Bindegewebe unter und zwischen dem Epithel der Magenoberfläche und der Drüsen, frei im Drüsenlumen und gelegentlich im Becher einer Epithelzelle. Oefter sah ich auch eine der grossen eosinophilen Zellen dergestalt zwischen Tunica propria und Drüsenzelle gelagert, dass die letztere völlig ausser Kontakt mit der erstern gekommen, von ihr abgehoben zu sein schien. j

An den Zellen des Oberflächenepithels sind die feinern Struktur- verhältnisse ziemlich schwierig zu erkennen. Ein sehr engmaschiges Fadenwerk füllt den Zellkörper bis in das Ende des schmalen Wurzelfortsatzes. Die Zellwand hängt innig mit der Filarmasse des Zellkörpers zusammen und zeichnet sich von dieser jedenfalls durch eine grössere Resistenz aus. Die matte Granulirung des Zellkörpers ist der Ausdruck der engen, rundlichen Maschen zwi-

6 Dr. P. Eisler:

schen den Fäden sowohl des Innengerüsts als der Zellwand. Das Bestehen einer solehen resistenteren Zellwand lässt sich nicht leugnen. Wir sehen sie ja kontinuirlich auf die Theka übergehen, wo sie dann als freistehende Wand am entleerten Becher erscheint. Um die Theka ist eine Wand oder Membran allgemein zugegeben. Spräche man der übrigen Zelle eine festere Wand gegenüber dem minder festen Zellgerüst ab, so würde man annehmen müssen, dass die Becherwand sich stets mit der durch stärkere Sekretanhäufung bedingten Ausdehnung des Bechers zugleich bildete. Auch dann bliebe die Frage nach der Herkunft der Becherwand offen. Ausserdem aber würde es des öftern geschehen, dass die Schleimkuppe mit ihrer Wand vom Zellkörper abrisse trotz der Elastieität der Zellgerüstfäden, sobald der Druck des angehäuften Sekretes sich besonders rasch geltend machte. Denn die Becher- wand leistet auch an der freien Oberfläche, gegen die der Sekret- druck hauptsächlich wirkt wegen des Fehlens eines Gegendruckes von Seiten der Nachbarzellen, oft lange Widerstand. Das sieht man an der manchmal sehr starken Prominenz nach dem Magen zu. AnZupfpräparaten fand ich fast nie die Theka von dem Zell- körper abgerissen, sondern sehr häufig die Zelle an der Stelle durchbrochen, wo Wand plus Zellgerüst am wenigsten Widerstand zu leisten vermögen, nämlich am Kern oder in seiner Nähe.

Die Becherwand ist nun ebensowenig völlig geschlossen, wie die übrige Zellwand. Die Interstitien des Fadenwerkes der letz- teren lassen sich, obwohl nur mit Mühe, auch in der Becherwand erkennen. Sie stehen betreffs der Wahrnehmbarkeit den Poren der Tunica propria der Drüsen nahe. Durch den sich bildenden Schleimspropf werden die Fäden der Becherwand bis zum Maximum ihrer Elastizität und Dehnbarkeit gespannt und dadurch flacher und breiter. Die Konturen der Interstitien nehmen dementsprechend an Schärfe ab, lassen sich aber unter einer Immersion I Hartnack deutlich erkennen, und zwar amı besten noch an gefüllten Zellen bei Untersuchung in Wasser oder wässerigem Glycerin. Bei der Ausdehnung der Theka ändern sie ihre rundliche Form in eine ovale. Nach Entleerung der Zelle erscheinen die Poren wieder rundlich; die ganze Becherwand kehrt aber wegen der vorauf- gegangenen Ueberdehnung nicht sogleich auf ihr früheres Volum zurück. Daher resultirt die oft zu beobachtende zarte Längs- streifung der Becherwand, hauptsächlich am Uebergang auf den

Zur Kenntniss der Histologie des Alligatormagens. 7

Zellkörper, der Ausdruck einer Längsfaltung der kollabirenden Wand. Die Länge des Bechers ist auch beim Krokodil keine feststehende. Der Rand der Oeffnung ist häufig unregelmässig zackig und lappig zerrissen, denn die Interstitien der Becherwand sind trotz ihrer Dehnung zu fein, als dass die zähe Sekretmasse mit Ueberwindung der Adhäsion hindurchgepresst werden könnte, wie ich es hin und wieder an den gleichen Zellen des Proteus- magens beobachtet habe. Die Wand zerreisst deshalb an ihren freien Partien meist in einer grossen unregelmässigen Spalte. Die entstehenden Zipfel in der Rissöffnung retrahiren sich aber stellen- weise mit dem ihnen gebliebenen Reste von Elastizität, so dass der Rand der Theka glatt erscheint.

In den Drüsen selbst habe ich weder im Bereiche der Schalt- stücke, noch im Drüsenfundus becherartig offene Zellen gefunden. Im: grossen Ganzen liessen sich vielleicht der Form nach zwei Arten von Drüsenzellen unterscheiden, die platten des Schaltstücks und die grossen polyedrischen des Fundus. Die Tinktion der beiden, für die mikroskopische Untersuchung in diesem Falle das einzige Hilfsmittel, widerspricht jedoch einer solchen Auffassung. Beide Arten färben sich gleich stark in Eosin und erhalten bei längerem Verweilen in dünnem Hämatoxylin einen leichten blau- rothen Ton. Auch in der feineren Struktur finden sich keine Differenzen. In allen Zellen sehe ich dieselbe engmaschige Filar- masse und nehme auch für diese Zellen einen gewissen Abschluss nach aussen durch eine resistentere Wandschicht des Faden- gerüstes in Anspruch. Die Figur 8 der Tafel wurde nach einem Zupfpräparat in verdünntem Glycerin mit Hartnack Imm. I und Kamera skizzirt. Es war, wie das nicht selten geschieht, ein Stück aus der Zelle und damit auch das intrazelluläre Gerüstwerk durch die Präparirnadel herausgerissen worden, so dass nur ein leerer Korb blieb, in dessen einem Winkel der Kern lag. An der Kernseite war ferner ein Stückchen aus der Wand herausgebrochen, ohne jedoch fortgeschwemmt zu werden. So weit die Oeffnungen es gestatteten, waren intrazelluläre Filamente nicht mehr zu sehen, ausser dass vielleicht, verdeckt durch das Wandstück und den Kern seibst, hinter letzterem noch einige ihn fixirende Fädehen stehen geblieben. Aehnliche Bilder erhielt ich mehre. Erlaubt also die Form der Zellen keinen Unterschied, so könnte man ver- sucht sein, in der stärkeren oder schwächeren Tinktion der ein-

8 Dr. P. Eisler:

zelnen Zellen jeder Art einen solchen zu sehen. Einmal entdeckt man neben der überwiegenden Mehrzahl der bläulichrothen Zellen hie und da helle, nur rosa gefärbte, die zugleich im Gegensatz zu jenen bedeutend breitere Interstitien nach dem Drüsenlumen zu zeigen und an ihrer Oberfläche wie angenagt erscheinen. Sie liegen in einem Niveau mit den übrigen Drüsenepithelien, haben dieselbe Grösse und einen gleichen, entweder ovoiden oder etwas plattgedrückten Kern, der sich gut färbt. Solche Zellen sind zweifelsohne offen, die Zellwand ist in einzelnen Fädchen, aber nicht in einem breiten Spalt zerrissen, um dem Sekret den Weg frei zu geben. Dabei bleibt die intrazelluläre Filarmasse bestehen.

Dieser Art von Zellen sehr ähnlich ist eine andere, nur zeich- nen sich deren Kerne durch eine ungenügende Färbung aus; meist sind sie eben noch blau konturirt, oder sie sind gar nicht gefärbt, stark geschrumpft zu kleinen zackigen Körperchen oder aber ganz verschwunden mit Zurücklassung einiger hyaliner, grau- gelber Tröpfehen. Ich halte wegen dieser Kernatrophie die letzt- erwähnten Zellen für abgestorben, bezw. im absterben begriffen, und glaube meine Annahme damit stützen zu können, dass trotz dem Vorkommen der beschriebenen Kernreste in scheinbar intak- ten Zellen doch die meisten von den blassen Zellen gequollen er- scheinen, von der Drüsenwand mehr oder weniger abgehoben sind oder schon frei im Drüsenlumen liegen. Ihre Ränder sind locker und rauh. Oft sitzt unter der abgehobenen Zelle schon eine andere. Wo dies jedoch nicht der Fall und wo zugleich die benachbarten Zellenkerne keine Spur einer beginnenden Theilung zeigen, würde durch die Abstossung oder Ablösung der Zelle eine Lücke im Drüsenepithel entstehen. Es erscheint mir das einfachste, anzu- nehmen, dass die Nachbarzellen sich ausdehnen und so die Bresche wieder füllen, wie Stöhr es für ähnliche Erscheinungen in den Schleimdrüsen für wahrscheinlich hält!).

Frei im Drüsenlumen liegende Zellen und Reste von solchen lassen sich in grosser Menge beobachten. Sie sind meist, wohl in Folge der Verdauung, in ihrem Volum reduzirt. In ihnen trifft man vorzüglich die schon zu Klumpen degenerirten Kerne neben Vakuolen im Zellgerüst. Dass die Abstossung der Zelle unter

1) Stöhr, Ueber Schleimdrüsen. Festschrift für A. v. Kölliker 1887, p. 440.

Zur Kenntniss der Histologie des Alligatormagens. 9

Umständen auch rasch, noch vor einem völligen Absterben des Kerns eintreten kann, sieht man an solchen losgelösten Zellen, deren Kern sich noch relativ gut färbt. Man muss wohl an- nehmen, dass die letztbesprochenen blassen Zellen verbraucht, die zuerst erwähnten eben gebraucht sind, beide aber jedenfalls des Inhalts eines Sekretes entbehren.

Die grossen Kerne der unveränderten Drüsenzellen sind auf- fällig oft longitudinal oder quer eingekerbt. Bei der sonst glatten Oberfläche halte ich dies nicht für ein Kunstprodukt, denn Flem- ming hat ein solches Verhalten auch am lebenden Kern be- obachtet. Eine Schrumpfung ist schon deshalb auszuschliessen, weil der Kerninhalt allseitig gleichmässig der Kernwand anliegt. Bemerkenswerth aber ist, dass in offenbar prall mit Sekret ge- füllten Zellen der Kern nach der Basalmembran zu gedrängt er- scheint, sogar wie in Becherzellen gar nicht selten flach, meist napfförmig ist. Ein Becher war in solchen Zellen nie zu kon- statiren. Ich erkläre mir diese Formen und Lageveränderung aus einer Anhäufung von Sekret unter der dem Drüsenlumen zuge- legenen Zellwand. Die letztere lässt das Sekret noch nicht aus- treten, dasselbe ruft bei wachsender Anhäufung einen vermehrten Druck nach rückwärts hervor, drängt den Kern nach und nach an die Basalmembran und dällt ihn zuletzt mehr oder weniger ein. Wie erwähnt, können auch entleerte Zellen den flachen Kern besitzen, aber man trifft in ihnen alle Uebergangsformen zu den normal gestalteten Kernen. Die Zelle, resp. ihr Kern ist eben in dem Stadium fixirt, als die Entleerung des Sekretes eben statt- gefunden hatte. Nach dem Aufhören des Druckes dehnt sich der komprimirte Kern auf seine frühere Gestalt wieder aus. Füllt sich dann die Zelle aufs neue, so können sich jedenfalls die Kern- veränderungen wiederholen.

Der Gehalt der Zellkerne an Chromatin ist beim Krokodil sowohl in den Drüsenzellen, als im Bindegewebe relativ gering. Das Kernkörperchen ist im Chromatin nicht immer leicht zu fin- den, meist lässt es sich aber von verdiekten Chromatinportionen durch seine röthliche Färbung unterscheiden. Es liegt häufiger peripher als zentral und ist manchmal in mehreren Exemplaren vertreten. Eine zarte, ungefärbte Kernwand ist fast durchgängig nachweisbar.

Ueber den Ersatz der Zellen in den Magendrüsen vermag

10 Dr. P. Eisler: Zur Kenntniss der Histologie des Alligatormagens.

ich nur wenig mitzutheilen. Ich entdeckte bei der ganzen Unter- suchung in diesem Magen nur eine unzweifelhafte Kerntheilungs- figur, und zwar die Umordnung des Fadenknäuels in die Stern- figur im inneren Schaltstück einer Kardialdrüse. Inwieweit die relativ grosse Anzahl auffällig dunkler gefärbter Kerne, oft mit höckriger Oberfläche und mit einem hellen Hof umgeben, in Be- ziehung zur Regeneration der verbrauchten Elemente stehen, wage ich nicht zu entscheiden. Diese Kerne befinden sich fast stets in der Nähe von gelockerten oder doch im Absterben begriffenen Zellen, meist in Zellen im Niveau der übrigen Epithelien oder unter die gelockerten Elemente geschoben, sie nach dem Lumen und aus dem Verband mit der Nachbarschaft herausdrängend. An ihre Lokalisation liessen sich ja manche Vermuthungen anknüpfen, aber Müller’sche Flüssigkeit konservirt Karyomitosen zu schlecht, als dass man mit solehen Bildern rechnen könnte. Eine Ver- wechslung mit unter den Zellen sitzenden Wanderzellen ist kaum möglich, trotzdem der schmale helle Zellleib derselben auf den ersten Blick wohl einen hellen Hof vortäuschen könnte. Der Kontur der Wanderzelle ist aber zu scharf, als dass man sie ver- kennen sollte, ganz besonders wenn es sich um eosinopbile Zellen handelt.

Erklärung der Abbildungen auf Tafel I.

Fig. 1 Ganze Drüse aus dem Anfang des Fundus; leicht schematisirt.

Fig. 2. Einzelne Zellen des Oberflächenpithels: a) im Becher steckt ein Se- kretballen; c) Becher dütenförmig kollabirt. Hartnack, Imm. I, Camera.

Fig. 3. Zellen aus den Magengrübchen. Die oberste entleert mit zerrissener Becherwand. Imm. I, Camera.

Fig. 4. Zellen des inneren Schaltstücks. Imm., Camera.

Fig. 5. Aeusseres Schaltstück. Hartnack VIII, Oc. II.

Fig. 6. Drüsenfundus mit dem Ende des Schaltstück.. Hartnack VII, Oe. II. \

Fig. 7. Drüsenfundus. Bei a eine gefüllte thätige, bei b gequollene resp. komprimirte absterbende Zellen. Im Lumen die Reste zweier abge- storbener Zellen. Imm., Camera.

Fig. 5. Zwei isolirte Zellen aus dem Drüsenfundus, beim Zerzupfen zerrissen.

Imm., Camera.

Ueber die Giftdrüsen der Kröten und Salamander. 11

(Aus dem histologischen Laboratorium des physiolog. Institutes zu Berlin (Prof. Fritsch) ).

Ueber die Giftdrüsen der Kröten und Salamander.

Eine histologische Studie. Von Dr. med. Paul Schultz.

Hierzu Tafel II.

Einleitung.

„Der Gegenstand, welcher in vorliegenden Blättern behandelt wird, hat Anatomen und Zoologen bereits oftmals beschäftigt und ist trotzdem noch weit davon entfernt, zum Abschluss gebracht worden zu sein.“

So leitete Leydig seine umfangreiche Arbeit über die allge- meinen Bedeckungen der Amphibien ein; und noch heut, mehr denn zehn Jahre später, dürften gerade diese Worte geeignet sein, an der Spitze einer Arbeit zu stehen, die den gleichen Gegenstand sich vorsetzte. Zwar sind seit jenem Ausspruch Leydigs überaus umfangreiche und eingehende Forschungen eben diesem Gebiete zugewendet, und die Namen derer, welehe sie gepflogen, zählen zu denen vom besten Klange, zwar sind auch entsprechende Er- folge nicht ausgeblieben, dennoch giebt es noch gegenwärtig der strittigen Punkte nicht wenige. Ja es hat sich dabei sogar ein Gebilde der Haut, die Drüsen, fast gar keiner Aufmerksamkeit erfreut, ob es doch gerade zu den wesentlichen Merkmalen in dem Aufbau der Amphibien gehört, dass ihre Haut überaus drüsenreich ist. Um so auffallender muss das erscheinen, wenn man bedenkt, dass einige Thiere dieser Klasse, was seit langem bekannt, Drüsen besitzen, welche vermöge der eigenthümlichen Beschaffenheit des in ihnen erzeugten Saftes die höchst wichtige Bedeutung einer Vertheidigungswaffe baben.

Ich habe diese Giftdrüsen an Salamandra maculata, sowie an

12 Paul Schultz:

einigen Kröten im hiesigen physiologischen Institut, in der biologi- schen Abtheilung des Herrn Prof. Dr. Fritsch einer längeren Untersuchung unterzogen. Die Ergebnisse, insoferne ich tiberhaupt von solchen sprechen darf, seien in folgenden Blättern niedergelegt.

Zuvor sei mir noch gestattet, Herrn Professor Dr. Fritsch für den Hinweis auf das Thema, sowie für seine überaus liebens- würdige Unterstützung, ebenso Herrn Dr. Benda für seine freund- liche Beihilfe meinen besten Dank zu sagen.

Vorkommen der Giftdrüsen.

Die Giftdrüsen sind bei den Kröten und beim Salamander, wie man ihrem Zwecke entsprechend von vornherein erwarten muss, nur auf den Rücken des Körpers und der Gliedmaassen be- schränkt. Besonders grosse Anhäufungen befinden sich unmittelbar hinter den Augen in der Ohrgegend; ihnen legte Joh. Müller den Namen glandulae auriculares bei, man nennt sie gegenwärtig allgemein Parotiden. Ausserdem sah ich regelmässig beim Sala- mander mehr denn dreissig Exemplare bestätigten es am Kopf eine zweite ungleich kleinere Anhäufung am Kieferwinkel, wohl dieselbe, welche schon Leydig als „einzelne Drüsen der Wangengegend“ !) beschrieb. Bei der Kröte sind die einzelnen Follikel unregelmässig über die Rückenfläche zerstreut und ver- leihen der Haut dieses Thieres jene eigenthümliche warzige Be- schaffenheit, welehe dasselbe so leicht kenntlich macht. Beim Salamander hingegen hat eine regelmässigere Vertheilung der Drüsen statt: erstlich, wie schon Leydig!) hervorhob, längs der ganzen Wirbelsäule bis zur Schwanzspitze hinunter jederseits eine dieht hinter einander gestellte Reihe, ausserdem aber dieser pa- rallel eine zweite an den Seiten des Rumpfes, die an der vorderen Extremität beginnend sich nur bis zur hinteren, also nicht über den Schwanz hin erstreckt. Diese letzteren Drüsen sind so ange- geordnet, dass auf je einem der hier sehr deutlichen Ringe, die nach Leydig?) durch die Stamm-Muskulatur bedingt sind, ich zählte deren 12—14 je eine Drüse aufsitzt. Zwischen beiden Reihen liegt jener gelbe Bandstreifen, der sich bekanntlich, mehr oder minder zusammenhängend, von der Schnauze bis zur Schwanz-

HALB 2) 11 8. 74.

Ueber die Giftdrüsen der Kröten und Salamander. 13

spitze erstreckt. Nur selten finden sich noch zwischen jenen beiden Reihen, also bisweilen in der gelben Längsbinde liegend, andere Drüsen vor, dann gewöhnlich in der Gegend der hinteren Extremität.

Betrachtet man die Parotis genauer, so sieht man schon mit blossem Auge auf ihr dunkle Punkte: es sind das die Oeffnungen der einzelnen Drüsen auf der Haut. Besonders kenntlich erscheinen dieselben auf der gelb gefärbten Parotis des Salamanders; hier setzen sich die Oeffnungen als tiefschwarze Punkte scharf gegen das Gelb der Umgebung ab. Ich zählte solcher Oeffnungen beim Salamander auf einer Parotis 15—30, nur ein Exemplar wies die stattliche Zahi von rechts 44, links 47 Oeffnungen auf.

Es ist bekannt, dass die Ausscheidung des Giftstoffes eine will- kürliche, dass sie eine Vertheidigungswaffe ist, die bewusst gebraucht wird. Reizt man die Drüsen mittelst des elektrischen Stromes, so ist der Erfolg bei den Kröten und Salamandern in bemerkens- werther Weise verschieden: bei letzteren spritzt das Gift mit grösster Energie in einem dünnen, über fussweiten, zerstäubenden Strahl heraus; bei der Kröte tritt dasselbe erst nach längerer Ein- wirkung des Stromes langsam, tropfenweis und anfangs sehr spärlich auf die Oberfläche. Lässt man den Strom von aussen auf die Haut der Wirbelsäule in der Gegend hinter dem Auge, da, wo Kopf und Rumpf zusammenstossen, wirken, so bedeckt sich die Rückenfläche des ganzen Körpers und der Gliedmaassen mit dem Giftsaft; dasselbe findet statt, wenn man den Kopf an dieser Stelle abschneidet und die Platin-Eleetroden in das Rücken- mark bringt. Beim Salamander ferner bedeckt sich der ganze Schwanz mit Gift, sobald man den Strom da ansetzt, wo der Körper in den Schwanz übergeht. Es möchte daher die Annahme gerechtfertigt erscheinen, dass an diesen Stellen Sekretions-Centra liegen.

Methoden.

Bei der Gewinnung der Präparate zur mikroskopischen Un- tersuchung wurde das am Frosch geübte Verfahren der Enthaup- tung und Zerstörung des Rückenmarkes auch hier angewendet, um einer Ausscheidung des Drüsensaftes möglichst vorzubeugen. Der Erhärtungsmethoden wurden anfänglich mehrere versucht, zwei indess im weiteren Verlauf als die besten allein beibehalten:

14 Paul Schultz:

die im hiesigen physiologischen Institut übliche Verbindung des Betz’schen Jod-Alkohols mit Kaliumbichromat in der von Fritsch angegebenen Weise und die von Benda !) angegebene Salpeter- säure-Kalium bichrom.-Methode. Die so gehärteten Theile wurden in Paraffin gebettet, mit dem Schanz’schen Mikrotom geschnitten und nach dem Schellibaum’schen Verfahren auf das Deckglas ge- braeht. Auch Färbungen wurden mannigfaltig versucht: auf den Vorschlag von Paneth wurden die Anilin-Farbstoffe angewendet, die jedoch keinen empfehlenswerthen Erfolg aufwiesen; ferner nach Pikrinsäure-Härtung die von Pfitzner angegebene Saffranin- Färbung, die recht gute Bilder ergab. Aber auch hier erhielten zwei Methoden den Vorzug vor allen anderen und wurden später ausschliesslich angewendet. DieHämatoxylin-Carmin- (nach Fritsch) oder Eosin-Färbung und die von Benda angegebene Abänderung der Weigert-Heidenhain’schen Hämatoxylin-Färbung?). Letztere war, wie man sehen wird, von besonderem Werth für die vorliegende Arbeit; es ist dieselbe im Folgenden der Kürze halber einfach Kupfer-Hämatoxylin-Färbung genannt.

Epidermis.

Die Epidermis in den Kreis meiner Beobachtungen zu ziehen, lag für mich schon aus dem rein äusserlichen Grunde nahe, als ich dieselbe stets auf meinen Schnitten zu Gesicht bekam. Dieser Beobachtungen aber hier zu gedenken, möchte der Begründung bedürfen, da erst vor einigen Jahren Pfitzner?) gerade der Epi- dermis des Salamanders eine eingehende Besprechung hat zu Theil werden lassen. Aber eben diese ist es, welehe mich veranlasst, hier noch einmal auf den Gegenstand einzugehen, indem meine Ergebnisse von den dort niedergelegten in einigen Punkten ab- weichen.

Schleimschicht.

Die Epidermis (Fig. 2) besteht aus Zellen, welche im Allge- meinen in mehreren Lagen über einander geordnet sind. Die un- terste Lage sitzt unmittelbar auf der Cutis; die Zellen derselben sind längliche, annähernd cylindrische, pallisadenartig neben ein-

1) Anat. Anzeiger III. S. 179. 2) Archiv für mikrosk. Anat. XXX. S. 52. 3) 15.

Wi

Ueber die Giftdrüsen der Kröten und Salamander. 15

ander stehende Gebilde. Nur in dieser Lage habe ich Kern- theilungsfiguren gesehen ; zwar giebt Pfitzner !) an, dass sich die- selben auch in der nächst untersten Lage finden; sieht man indess näher zu, so bemerkt man, dass solche Zellen allemal, was sich bisweilen nur mit Hülfe von Serienschnitten ergiebt, mit einem Fortsatz durch die unterste Lage sich hindurchdrängen und un- mittelbar der Cutis aufsitzen, also streng genommen zur untersten Lage gehören. Uebrigens finden sich die Kerntheilungsfiguren so überaus häufig, dass man in der That „die Annahme, es fände ausserdem noch eine Vermehrung resp. Neubildung von Epider- miszellen nach irgend einem anderen Schema statt, vollständig unnöthig finden muss“ !). An der Grundfläche sind die Zellen aus- gezeichnet durch lange Fortsätze, welche sieh in die Cutis hinein erstrecken. Nach F. Eilh. Schulze, der sie zuerst sah und be- schrieb, sind dies Stützfortsätze, die zur Verzahnung mit der unter- liegenden Cutis dienen, in welche sie „gleichwie die Borsten zweier in einander gesteckter Bürsten eingreifen“ 2). Diese Vergleichung, welehe F. Eilh. Schulze bei den gleichen Zellen der Fisch- oberhaut anführt, scheint mir für die in Rede stehenden Zellen nicht zutreffend zu sein. An diesen haben wir nicht im Verhält- niss zur Oberfläche überaus zahlreiche Fortsätze, von einer ge- wissen Starrheit, welehe an der Ansatzfläche dicht zusammenge- drängt sind und nach der freien Oberfläche auseinander weichen; das würde doch das gewählte Bild voraussetzen. Vielmehr machen diese Fortsätze bei den Kröten und beim Salamander wegen ihrer aus- serordentlich langen, unregelmässigen, oft etwas gekrümmten Gestalt den Eindruck herabhängender Franzen. Es dürfte daher die Be- zeichnung Stachelfortsätze und Stachelzellen in Bezug auf diese Elemente nieht passend gewählt sein. Es dienen nun diese Fort- sätze, wie ich glaube, zur Ernährung für die Zellen, wie diese Zellen selbst wieder zur Ernährung der darüber befindlichen Lagen. Hierfür dürfte sprechen, dass gerade unterhalb der Cutis- Schieht, in welehe diese Fortsätze hineinragen,, das oberflächliche Hautcapillar-Netz seine Vorbereitung findet. Ferner sind an den Seitenwandungen dieser Zellen, wie auch schon Eilh. Schulze?)

1) 15 S. 507. 2) 17 8. 148. 3) 17 8. 143.

16 Paul Schultz:

für die entsprechenden Zellen der Fischhaut beschrieb, keine Fortsätze zu sehen, da doch nicht ersichtlich ist, wenn diese Zellen einer Befestigung bedürfen, warum die Verzahnung unter einander weniger nothwendig sei als mit der Cutis. Ernährungsfortsätze aber wird man nur da erwarten können, wo Ernährungsflüssigkeit aufgenommen oder abgegeben werden soll, also an unseren Zellen an der Grundfläche zur Aufnahme, an der oberen zur Abgabe für die Zellen, welehe nicht in Verbindung mit der Cutis stehen. Ausserdem ist ja bereits für die übrigen Zellen der Epidermis die ganze Verzahnungs-Theorie als irrig erwiesen. Bizozzero hat zuerst gezeigt, dass die Epidermis-Zellen mit ihren Auswüchsen derart in Verbindung stehen, dass auf dem Schnitt zwischen den Zellen kleine Brücken mit kleinen Lücken abwechseln, die soge- nannten Intercellularbrücken mit den Intercellularlücken. Ranvier, Flemming, Heitzmann, Leydig haben ähnliches beobachtet, und in neuester Zeit hat Mitrophanow !) gezeigt, dass diese Brücken aus dem wachsenden Zellprotoplasma entstehen, selbst lebendes Protoplasma sind mit der Fähigkeit sich zu verlängern und zu verkürzen, und dass die Intercellularlücken ein mit den Lympbgefässen in Verbindung stehendes Kanalnetz bilden.

Die Zellen der nächsten Lage sind von sehr unregelmässiger Gestalt; im allgemeinen rundlich, bald mehr länglich, wie die eben beschriebenen, bald mehr abgeplattet, wie die folgenden, distal liegenden. Sie stellen also gleichsam eine Uebergangsform der ersteren zu diesen dar. Doch gleichen sie. insbesondere in dem hellen Protoplasma durchaus der untersten Lage; ich fasse daher diese beiden zusammen, nenne sie Schleimschicht und stelle sie nach dem Vorgang von Leydig?°) den folgenden Lagen gegen- über, welche die Hornschicht bilden.

Hornschicht.

Dieselbe besteht aus einer mehr- (beim Salamander gewöhn- lich drei-)fachen Lage von Zellen. Dieselben zeichnen sich im Gegensatz zu den vorigen zunächst dadurch aus, dass sie stärker lichtbrechend, daher dunkler erscheinen und zugleich homogener. Ferner ist ihr Längendurchmesser der Hautoberfläche parallel, so dass sie im Gegensatz zu den vorigen eine abgeflachte und

1) 14. 2) 12 $. 138,

Ueber die Giftdrüsen der Kröten und Salamander. 17

platte Gestalt annehmen, und das allmählich um so mehr, je weiter nach aussen sie liegen. In demselben Maasse, wie die Zellen sich mehr in die Breite ausdehnen, wird die Entfernung zwischen den Kernen derselben grösser, daher denn in den ober- sten Lagen auf denselben Raum viel weniger Kerne kommen, als in den unteren. Mit der Abflachung geht Hand in Hand die Rückbildung der Intercellularbrücken: je näher der Oberfläche, um so kleiner und undeutlicher werden sie. Die äusserste Lage der Hornschicht zeigt sich wieder etwas abgesetzt gegen die an- deren Zellen; sie ist zunächst noch etwas stärker lichtbrechend, erscheint daher noch etwas dunkler als diese. Bei den Kröten bildet ihre untere Grenze eine fast gerade Linie, der äusseren Öherfläche parallel. Dieselbe weist keine Intercellular-Fortsätze mehr auf, ebenso wenig natürlich die ihr zugekehrte, also obere Fläche der darunter liegenden Zellen. Da diese untere Grenze ziemlich scharf und deutlich hervortritt, die Grenzen der Zellen gegen einander aber fast verwischt sind, so erscheint diese Lage wie ein Streifen von gleichmässiger Dicke, in welchen in regel- mässigen Abständen wohl unterscheidbare Kerne eingefügt sind. Bei schärferem Zusehen löst sich derselbe in kleine neben ein- ander gestellte Oblongen auf, welche in der Mitte einen Kern zeigen, also einer Zelle entsprechen. Beim Salamander ist die untere Grenze, wenn auch nicht so gerade und so scharf hervor- tretend, wie bei der Kröte, doch erkennbar. Die Zellen, welche gegen einander nicht mehr abgrenzbar erscheinen, bilden breite Platten, einen Kern sieht man nicht gerade häufig. Denn erstlich sind diese hier überhaupt nicht mehr gut unterscheidbar, dann aber fallen auch nur selten mehrere in einen Schnitt, da sie in der Mitte verhältnissmässig grosser Tafeln liegen. Hat man einen solchen Kern getroffen, so sieht man ihn an der unteren Fläche der Zell-Platte hervorragen, dieser gleichsam aufgesetzt; unter ihm herum geht vollständig deutlich die untere Zellgrenze.

Häutungsschicht.

Ueber dem Ganzen, also auf der Epidermis zeigt sich ein schmaler bandartiger Streifen; dieser tritt insbesondere bei der Kupfer-Hämatoxylin-Färbung hervor, indem er dunkelblau bis schwärzlich gefärbt gegen die helle, bräunlich-violette Epidermis immer scharf absticht (s. Fig. 1, 2, 3). Bei allen anderen Fär-

Archiv f. mikrosk. Anatomie, Bd. 34, 2

18 Paul Schultz:

bungsmethoden bleibt er völlig frei. Vergleichung äusserst feiner Quer- und Flächenschnitte klärt den Bau und die Bedeutung dieses Bandstreifens auf. Es stellt derselbe nichts anderes dar, als diejenige zusammenhängende Zelllage, welche aus der eben erwähnten, ebenfalls schon streifenartigen, äussersten Lage der Epidermis in weiterer Rückbildung hervorgegangen ist und bei der nächsten Häutung abgeworfen werden soll. Ich möchte diese Lage daher Häutungsschicht nennen und stelle sie der eigentlichen Epidermis oder Epidermis im engeren Sinne (Schleimschicht + Hornschicht) gegenüber. Die Häutungsschicht löst sich, wie schon Pfitzner!) angiebt, in Folge der Präparation bisweilen ab, dies um so leichter, je reifer sie zum Abstossen ist. Das ist der Grund, weshalb sie frühere Forscher wohl oft nicht gesehen haben. So fehlt sie bei Leydig?) auf dem Durchschnitt durch die Haut des Salamanders, ebenso bei Eilh. Schulze?) in der Zeichnung von der Epidermis des Triton taeniätus. Bolau?) hat, wie ich glaube, dieselbe zuerst gesehen, er nennt sie ein zusammenhän- gendes Oberhäutchen und deutet sie richtig. Seitdem finde ich sie nur bei Pfitzner wieder, der sie Stratum corneum nennt, während die von mir genannte Epidermis im engeren Sinne bei ihm den Namen Stratum mucosum führt. Nachdem er bewiesen, dass dieselbe keine Cuticula, keine strukturlose Membran sein kann, beschreibt er sie also 5): „Das Stratum corneum besteht aus einer einzigen Lage verhornter, fast mit einander verbundener flacher polyogonaler Zellen mit einem in der Mitte liegenden ovalen, stark abgeplatteten Kern. An pigmentirten Hautstellen enthalten die Zellen der Hornschicht ebenfalls Pigment, das hauptsächlich um den Kern herum angehäuft ist; der Kern selbst und die Zell- grenzen bleiben stets pigmentfrei. Letztere sind durchsichtiger und stärker lichtbrechend als der Zellleib; sie verlaufen grade oder etwas geschlängelt, und entbehren der Intercellularbrücken, also auch bei der Isolirung der «Stachel und Riffe».“ Wäre hieran etwas auszusetzen, so dürfte es vielleicht das sein, dass die Zellgrenzen allerdings durehsichtiger, aber weniger licht- brechend und daher auch heller als der Zellleib sind, auch habe

1) 15 S. 52. 2) 11 Taf. VI, Fig. %. 3) 17 Taf. VIII, Fig. 9. 428.8, 5) 15 S. 504.

Ueber die Giftdrüsen der Kröten und Salamander. 19

ich ihren Verlauf nie geschlängelt, sondern nur gerade gesehen. Die Häutungsschicht zieht nun „als geschlossene Membran über die ganze Oberfläche des Körpers hin und zeigt, ausgenommen an den Drüsenmündungen, nirgends Unterbrechungen.“ In diese stülpt sie sich in unverminderter Dicke ein. Es gelang mir übrigens im hiesigen Aquarium von einem in der Häutung begriffenen Sa- lamander eben abgestossene Fetzen zu erhalten. Sie zeigten durchaus den eben beschriebenen Bau (s. Fig. 4). Man sieht also, dass die bei der Häutung abgestossene Schicht des Sala- manders sich wesentlich von der bekannten des Frosches unter- scheidet. Bei letzterem bilden die Zellen, die übrigens viel kleiner sind, eine doppelte Lage; zwar findet man auch beim Sala- mander einzelne derartige Stellen, die sich auf dem Querschnitt bei der Kupfer-Hämatoxylin-Färbung sehr hübsch darstellen, indem die eigenthümliche dunkelblaue Färbung unterhalb der Häutungsschieht in die oberste Lage der eigentlichen Epidermis hineingreift; indess gehört doch das zu den Ausnahmen. Bei den Kröten !) habe ich abgestossene Haut nie erlangen können; doch muss sich dieselbe zu Folge den obigen Angaben, wie beim Sala- mander, aus einer einfachen Lage von Zellen, welche wie beim Frosch sehr klein sind, zusammensetzen. Es dürfte sich daher die Vermuthung Pfitzners°), dass nur die Caudaten die einfachere Form der Häutung zeigen, die Batrachier dagegen einen Ueber- sang zu den komplizirten Häutungsvorgängen der Reptilien auf- weisen, doch vielleicht als nicht zutreffend erweisen.

Becherzellen.

In der Hornschicht findet sich bei den Kröten wie beim Sala- mander ausser den gewöhnlichen Zellen noch eine andere eigen- thümliche Art vor. Ich habe sie hauptsächlich am Salamander studirt und lege ihnen gemäss der Gestalt, in welcher sie sich bei diesen ayf der Höhe der Entwicklung zeigen, den Namen

1) In Frorieps Tagesnotizen (18) findet sich eine Beobachtung über die Häutung der Kröten mitgetheilt. Darnach soll die im ganzen, mit Hülfe der Extremitäten, abgestreifte Haut zu einem Klumpen geballt und von dem Thiere verschluckt werden. Mir ist es, wie gesagt, nicht gelungen eine Häu- tung der Kröten zu beobachten. Auch habe ich in der Literatur andere An- gaben, als die erwähnte, nicht finden können.

2) 15 S. 523.

20 Paul Schultz:

Becherzellen bei. Seitdem Rudneff sie am Frosch entdeckte, haben sich hervorragende Forscher mit diesen Zellen in der Ober- haut der Amphibien beschäftigt. War man auch über ihre Ent- wieklung und über ihren Bau sehr getheilter Ansicht, so herrschte doch seit der bahnbrechenden Arbeit F. Eilh. Schulze’s!) über ihre Bedeutung im Allgemeinen völlige Einigkeit. Aber auch diese ist neuerdings durch Pfitzner?) erschüttert worden, so dass für diese Gebilde gegenwärtig mehr denn je das sub judice lis est gilt. Wenn ich hier in diese schwierige Erörterung einzugreifen wage, so geschieht das in der Erwägung, dass selbst ein kleines, un- bedeutendes Gewicht einer schwankenden Wage bisweilen den Ausschlag zu geben vermag?).

Die Gestalt der Zellen auf der Höhe der Entwicklung denn nur diese kann man als ihre typische Form ansehen ist durchaus derart, wie der oben vorgeschlagene Name angibt (ef. Fig. 2). Die Grundfläche ist nicht eben, sondern rundlich; Fortsätze, die in die Tiefe gehen sollen, gibt es daran nicht. In dem Boden der Zellen, ihn fast ganz ausfüllend, liegt der Kern. Derselbe, immer scharf begrenzt, ist rundlich, bald annähernd viereckig, bald mehr oval, er ist verhältnissmässig arm an Chromatin-Substanz; Kerntheilung habe ich an ihm nie gesehen; über ihm ist die Zelle oft etwas eingeschnürt. Durch den Inhalt unterscheiden sich diese Zellen lebhaft von denen der Umgebung. Es ist derselbe, was insbeson- dere bei der Kupfer-Hämatoxylin-Färbung hervortritt, regelmässig heller und bald mehr feinkörmig, bald mehr feinstreifig. Es findet sich diese Inhaltsmasse nicht blos, wie Eilh. Schulze für

13.17;

2) 15 S. 512: „Ich möchte ihnen jedoch weder eine sekretorische, noch eine sensorische, sondern eine rein mechanische Funktion zuschreiben, näm- lich die, eine festere Verbindung der Hornschicht‘ (cf. oben S. 19) „mit der Schleimschicht zu bewirken.“ „Ich erwarte allerdings manchem Widerspruch zu begegnen, wenn ich sie so gewissermaassen als Nägel ansehe, mit denen das Stratum corneum angeheftet ist; aber soll man vor einer Deutung zu- rückschrecken, nur weil sie beim ersten Anblick allzu sinnlich erscheint, wenn sie doch zugleich allein eine Erklärung zu geben im Stande ist.“

3) In neuester Zeit hat List (22) eine überaus umfangreiche Arbeit über Becherzellen überhaupt veröffentlicht. Doch sind die in Rede stehen- den Becherzellen, wie überhaupt diejenigen in der Oberhaut der Amphibien nicht besonders erwähnt und, nach der auf Seite 539 gegebenen Zusammen-

A lee

Ueber die Giftdrüsen der Kröten und Salamander. 21

den Triton angegeben, an der Uebergangsstelle zwischen Hals und Bauch, sondern füllt vielmehr den ganzen Zellraum oberhalb des Kernes aus, wenn sie auch an jener Stelle am dichtesten und daher am dunkelsten erscheint!). Das distale Ende der Becherzelle liegt in der Höhe der äusersten Zelllage der eigentlichen Epider- mis, reicht also bis auf die Oberfläche derselben und wird nach aussen hin begrenzt durch die Häutungsschicht. Dieses obere Ende ich hebe ausdrücklich hervor, es handelt sich nur um die Zeit der höchsten Entwiekelung ist meist wenig schmäler als der Boden und stellt eine deutliche rundliche Oeffnung dar. Das ist der Kernpunkt der ganzen Frage: die Becherzellen münden auf der eigentlichen Epidermis unterhalb der Häutungsschicht. Diese Oeffnung tritt besonders scharf begrenzt hervor, wenn sie etwas schräg getroffen ist, weniger sichtbar ist sie an Zellen, durch welche der Schnitt genau senkrecht hindurch geht. Ueber der Mündung liegt nun ein Häufchen, welches genau von dersel- ben Beschaffenheit ist, wie der Inhalt der Zelle, und bisweilen deutlich mit ihr im Zusammenhang steht: es ist der unmittelbar aus der Zelle hervorgequollene Inhalt selbst. Das hatte auch schon Leydig beobachtet, er schreibt: „Der Halsabschnitt der Zelle kann sogar über die Ebene der Haut als ein, wenn auch sehr niedriger kegeliger Körper hervorragen, welcher stärker vergrössert den Eindruck macht, als ob die Zelle an diesem ihrem oberen Ende ein dornähnliches Cutieularkäppchen hätte“?). Auf dem eben beschriebenen Bilde ist also offenbar, woran ich schon oben erin- nerte, die Häutungsschicht abgefallen, und es hat daher die Angabe

stellung zu urtheilen, wohl auch nicht besonders vom Verfasser untersucht. In der eingehenden historischen Uebersicht ist übrigens von der Arbeit Pfitzners nur das erwähnt, was sich auf die Becherzellen der Larve von Salamanders bezieht. Die durchaus neue und gewiss auffällige Ansicht Pfitz- ners über diese Zellen in der Oberhaut des erwachsenen Salamanders, welche er allerdings Flaschenzellen nennt, ist dagegen nicht berührt.

1) Eine Filar- und Interfilarmasse, wie sie List (22) beschrieben und in zahlreichen Abbildungen vorzüglich dargestellt hat, zu unterscheiden, gelang mir nicht, da mir die Zeit zum eingehenderen Studium dieser Verhältnisse mangelte.

2) 12 8.145. Man wird übrigens hierbei unwillkürlich an das von Gruby und Delafond beschriebene „Epithelium capitatum“ im Darm erinnert. cf. 22 S. 487.

29 Paul Schultz:

durchaus nichts Befremdliches, wenn man unter Haut versteht, was ich Epidermis im engeren Sinne nenne: der überragende Theil des Halses, das Cuticularkäppchen, ist eben der herausgeflossene und erstarrte Inhalt der Zelle. So erklärt sich wohl, dass überhaupt ein Streit über die Lage der Mündung entstehen konnte. Während die einen Forscher die Häutungsschicht über die Mündung der Zelle hinweggehen sahen, daher folgerichtig bestritten, dass die- selbe auf der freien Oberfläche statthabe, mussten die anderen, in deren Bildern die Häutungsschicht abgefallen war, das Gegen- theil behaupten.

Die Becherzellen haben also, um es noch einmal zu bemer- ken, an ihrem oberen Ende eine Oeffnung und durch diese tritt der Inhalt heraus. Das dürfte wohl als beweisend erachtet wer- den, dass diesen Gebilden eine absondernde Vorrichtung zukommt, dass sie in der That einzellige Drüsen sind. Vergleichen wir des weiteren die Stellen, wo der Inhalt am meisten herausgeflossen ist, mit denen, wo er sich noch in der Zelle befindet, so wird uns auch sofort die Bedeutung dieser Ausscheidung und damit der Zellen selbst klar werden._ Es bestätigt sich für dieselben gerade am Salamander die von Eilh. Schulze ausgesprochene Vermuthung: „dass sie in einer nahen Beziehung zum Häutungsprozess stehen, dass sie nämlich das Sekret liefern, wodurch periodisch die eine oder zwei obersten Lagen höchst abgeplatteter Zellen (aus denen die abgestossenen Hüllen bestehen) in ihrer Verbindung mit den unterliegenden gelockert und schliesslich aus derselben vollständig gelöst werden“!). Auf Querschnitten zeigt sich nämlich die Häutungsschicht gerade da am ehesten gelöst, wo sich die Becher- zellen befinden, und da am meisten, wo die Inhaltsmasse am reich- lichsten herausgeströmt ist. Es drängt sich dieselbe, wie hier vorzüglich zu sehen ist, zwischen die Oberfläche der eigentlichen Epidermis und die Häutungsschicht, und das mit einer solchen Kraft, dass sowohl an dieser, wie an jener eine kleine Ausbuch- tung entsteht (ef. Fig. 1 u. 2).

Ist der Inhalt entleert, hat sich die Häutungsschicht ge- lockert, so hat die Becherzelle ihre Verrichtung erfüllt; sie bildet sich zurück, um sich zu neuer Thätigkeit vorzubereiten. Die Mündung fällt zusammen und zieht sich dabei von der obersten

1) 17 8. 168.

Ueber die Giftdrüsen der Kröten und Salamander. 23

Lage, welche sie bisher durchbrochen und die sich nunmehr bald völlig zur Häutungsschicht umbildet, zurück. Zugleich verkleinern die Zelltafeln, indem sie sich noch mehr abplatten, die bisherige Oeffnung; ausgefüllt aber wird sie durch den in ihr zurück- gebliebenen Inhalt der Becherzelle. Dieser erstarrt völlig wahr- scheinlich erst, wenn diese Lage selbst Häutungsschicht geworden ist, also mit der äusseren Luft in Berührung kommt (ef. Fig. 3 u. 4). Ebenso wie die Mündung der Becherzelle sich verändert, werden Bauch und Hals schmäler. Und in dieser Zeit treten alle jene Formen auf, welche Pfitzner, wie schon andere vor ihm, veranlasst haben, diesen Gebilden den Namen Flaschenzellen bei- zulegen. Insbesondere bei den jungen und daher noch langen Zellen ist dieser Name durchaus passend; aber, ich wiederhole es, er ist es nur für diesen Zeitraum, wo das Element sich nicht in seinem eigentlichen, seinem wesentlichen Zustand befindet, wo es nicht auf seiner Höhe steht. Wird nun die alte Häutungs- schicht abgestossen, rückt die darunter liegende Zellschicht, zu ihr umgebildet, vor, so beginnt auch die Becherzelle sich wieder zu entwickeln, um auch an der neuen Häutungsschicht ihre ab- lösende Wirkung auszuüben. Das ist möglich, da ja die Stelle der früheren Oeffnung für die Mündung der Becherzellen wieder geschlossen ist. Dieses Spiel wiederholt sich zwar für ein und dieselbe Zelle nicht beständig, aber doch einige Mal. Es geht also dieselbe und das ist ein zweiter Punkt, in dem ich von Pfitzner abweiche nicht jedesmal mit der abfallenden Häutungsschicht zu Grunde, wird nicht mit ihr abgestossen, ebenso wenig wie nach jeder Häutung eine neue Zelle an die Stelle der alten tritt. Das zu bestreiten zwingen mich meine Präparate. Es ver- mag vielmehr eine jede Zelle, da sie durch die ganze Dicke der Hornschicht reicht, ihre eigenthümliche Kraft an zwei oder drei folgenden Häutungssehichten zu bethätigen; aber schliesslich geht auch sie unter. In demselben Maasse und in derselben Weise, wie die Zellen der Hornschicht vorrücken, geschieht es auch mit ihr, bis sie endlich selbst in die Häutungssehicht eintritt. Be- trachten wir nun in Rücksicht auf diese Elemente die Häutungs- schicht noch einmal, so sehen wir, wozu es allerdings grosser Aufmerksamkeit und einiger Uebung bedarf, ausser den Zelltafeln noch zweierlei Gebilde, die an pigmentirten Stellen derselben dadurch hervortreten, dass sie völlig frei von Pigment sind. Die

24 Paul Schultz:

einen sind sehr klein, fast kreisrund und finden sich sehr zahl- reich, gewöhnlich da, wo Zellen zusammenstossen, seltener inner- halb der Zelle selbst. Sie erscheinen wie propfartige Gebilde, die aber keineswegs über die Oberfläche hervorragen; das sind die aus dem erstarrten Inhalt der Becherzellen bestehenden Ver- schlussstücke für die frühere Mündung derselben. Die anderen Gebilde sind wesentlich grösser, rundlich oder oval und nur selten zu sehen; dies sind die Becherzellen selbst (ef. Fig. 3 u. 4).

Die Bildung neuer Elemente erfolgt, wie schon Pfitzner angiebt, nicht direkt durch Theilung, sondern durch Umbildung aus einer gewöhnlichen Epidermiszelle in der obersten Lage der Schleimschicht. Dieselben zeichnen sich durch Grösse, Helligkeit und runde Gestalt vor den anderen aus; erst allmählich bilden sie sich, indem der distal liegende Theil mit den umgebenden Zellen vorrückt, zu der Becherform aus. Während dieser Zeit ist ihre untere Fläche bisweilen unregelmässig und kann wohl auch einen stielartigen Fortsatz zeigen, wie ihn Leydig!) beschreibt.

Pfitzner bestreitet, wie erwähnt, die absondernde Ver- richtung dieser Becherzellen. Für ihn waren dabei hauptsächlich zwei Gesichtspunkte maassgebend: Erstlich besteht nach ihm zwi- schen diesen Elementen und der Häutungsschicht eine besonders feste Verbindung, so dass, wenn diese sich von der darunter liegenden Epidermis gelöst hat, man oft die Zellen herausgezogen und im Zusammenhange mit der Häutungsschicht sieht. Ich habe auf meinen sämmtlichen Präparaten es sind an die anderthalb Tausend dasselbe oder auch nur ähnliches nie beobachten können; nie zeigte die losgelöste oder abgehobene Häutungsschicht auch nur Theile von Becherzellen ihrer Unterfläche anhaftend. Ebenso wenig sah ich auf der bereits abgestossenen Haut davon irgend welche Andeutung. Ich wäre gern geneigt, anzunehmen, dass dies ein Fehler auf meiner Seite ist, dass in Folge mangel- hafter Erhärtungsverfahren ich mir jene Bilder verscherzt habe; nur wird mir das gegenwärtig schwer, da Präparate, in denen

die Elemente vorzüglich erhalten sind, in denen Kerntheilungs-

figuren ausserordentlich klar sich darstellen, immer wieder dasselbe zeigen, was ich eben beschrieben. Der zweite Grund, weshalb sich Pfitzner nicht entschliessen

1) 12 8. 145,

Ueber die Giftdrüsen der Kröten und Salamander. 25

konnte, diese Gebilde, wie alle Forscher vor ihm, für Drüsenzellen zu halten, war der, „dass sie gerade zu der Zeit, wo sie darnach funktioniren sollten, sich sämmtlich im Stadium ausgesprochenster Verkümmerung befinden“). Ich habe eben gezeigt, dass die Ver- richtung dieser Zellen nicht darin besteht, die Häutungsschicht wirklich abzustossen, sondern sie nur von ihrer Unterlage zu lockern, abzulösen. Ist das erreicht, so bilden sie sich wieder zurück. Die Häutungsschieht kann aber, da sie nur gelockert ist, und das nur, wo die Becherzellen liegen, noch lange auf der Epidermis bleiben, ehe sie gänzlich abgeworfen wird. Geschieht das, dann sind diese Zellen, die bei diesem Vorgang durchaus nichts zu thun haben, allerdings verkümmert. Ist die Häutung aber vollendet, ist eine neue Häutungsschicht an die Stelle der alten getreten, so bilden sie sich wieder aus und erlangen wieder ihre vollen Formen.

Da an diesen Zellen für mich das wesentlichste ihre so- genannte sekretorische Funktion ist, gleichgültig zunächst, welche Wirkung dieselbe habe, so halte ich sie durchaus den bei den Fischen vorkommenden für gleich, welche F. Eilh.Schulze?) zuerst kennen gelernt hat. Fritsch hat dieselben in neuester Zeit am Malopterurus electricus beschrieben und begründet für sie das Zu- treffende des Namens Becherzellen also: „Der Name deutet eben an, dass es Zellen sind, welche nach Entleerung ihres schleimigen Inhaltes durch die an der oberen Fläche sich bildende Oeffnung die Form eines Bechers annehmen, in dessen Tiefe der Kern, umgeben von etwas körnigem Protoplasma, gefunden zu werden pflegt“3). Das war auch für mich maassgebend, als ich diesen Ge- bilden beim Salamander den gleichen Namen beilegte.

Zusammenfassung.

So stellt sich die Epidermis als eine mehrfache Lage von Z&len dar, welche ebenso in Bezug auf die Gestalt, wie in Bezug auf die Lebenskraft von ihrem Aufbau abhängig sind. Die Elemente der untersten Lage sind die höchsten, sie allein haben im All- gemeinen eine eylindrische Gestalt; zugleich findet nur in ihnen

1) 15 8. 512. 2) 17 S. 144. 3) 788.

6 Paul Schultz:

die Vermehrung durch indirekte Kerntheilung statt. Eine solche Vermehrung kommt aber nur Zellen zu, die auf der höchsten Stufe der Zellentwiekelung überhaupt stehen. In der nächsten Lage findet sich dieselbe schon nieht mehr, auch ist die Gestalt ihrer Elemente etwas abgeändert; im übrigen gleichen sie völlig den ersteren. Die folgenden Zelllagen dagegen unterliegen bereits der Rückbildung, der Verhornung. Je weiter nach aussen, um so abgeflachter werden sie einerseits und um so mehr erlischt an- dererseits ihre Lebensthätigkeit und Lebensfähigkeit. Den End- ausdruck findet dieses Verhältniss schliesslich in der Häutungs- schicht. Der Höhendurchmesser ist hier auf ein äusserst geringes gesunken und er ist überall gleich; aus Zellen sind glatte, tafel- förmige Schollen geworden, völlig erstorbene Gebilde, in denen Kern und Zellleib von einander zu unterscheiden kaum noch ge- lingt. Fast ist es nicht möglich, ihr an und für sich anzusehen, dass sie der Ueberrest eines einst so lebensfähigen Gewebes ist.

Diese Erwägungen veranlassten mich, der Häutungsschicht die Epidermis im engeren Sinne oder eigentliche Epidermis ent- gegen zu stellen, diese aber wieder in eine Schleim- und eine Hornschicht zu unterscheiden. Unter letzterer ist aber nicht eine solche verstanden, welche nur ganz verhornte Zellen aufweist, sondern eine solche, deren Elemente erst im Verhornungsvorgang, die einen mehr, die anderen minder, begriffen sind.

Was die Frage, ob Cuticula oder Verhornung, betrifft, so hat ja bekanntlich Eilh. Schulze den Nachweis geführt, dass die Epithelien der äusseren Körperbedeckungen bei den im Wasser lebenden Thieren sich durch eutieulare Säume abgrenzen, während bei denen in der Luft lebenden der Verhornungsprozess platz- greift. Letzteres hat Pfitzner in ausführlicher Weise für den Salamander bewiesen. Mir sei hier nur noch eine Bemerkung gestattet. Leydig verlangt für die Verhornung, „dass eine Kapsel auf der plattgewordenen Zelle, sowohl oben, als auch unten, sich abscheidet und auf solche Weise die ganze Zelle, genauer gesagt eine rings umgehende Kapsel, zur homogenen für sich bleibenden Platte wird“!). Dies zeigt sich beim Salamander. Bisweilen in der Häutungschicht selbst, regelmässig aber in der darunter liegen- den, zu ihr fast umgebildeten Lage, sieht man, wie schon erwähnt,

1) 12 8. 136.

Ueber die Giftdrüsen der Kröten und Salamander. 27

wo ein Kern getroffen ist, deutlich unter ihm eine Begrenzungs- linie vorlaufen (ef. Fig. 5).

Oberer Cutis-Saum.

Auf die Epidermis folgt die Cutis, zunächst eine äusserst dünne Lage, welche den Eindruck einer „hyalinen Basalschieht“ macht (ef. Fig. 1 u. 2). Leydig!) beschreibt auf ihr feinste Leistehen, in welche die Fortsätze der untersten Epidermiszellen eingreifen. Versteht man unter Leisten über eine Fläche gerade verlaufende, schmale und verhältnissmässig niedrige Erhaben- heiten, so möchte ich mir die Bemerkung erlauben, dass von solehen hier nichts zu sehen ist. Auf feinsten Querschnitten, wo die Epidermis von der Cutis abgefallen ist, erscheint die letztere wirklich „fein gezackt“, welehen Ausdruck Leydig zuerst gebraucht, dann aber wieder verworfen hatte. Doch zeigen sich diese Zacken hier nicht so, wie dies Leydig für den Frosch gezeichnet hat?). Vielmehr sind sie von unregelmässiger Gestalt, bald höher, bald niedriger, die einen gerade, die anderen leicht gekrümmt oder etwas geschlängelt verlaufend, gerade so wie die Fortsätze der Epidermiszellen, welche sich zwischen sie einfügen. Ich meine nun, dass diese Zacken nicht das auf dem Querschnitt sich ergebende Bild von Hervorragungen sind. Solche Hervor- ragungen sind der Amphibien-Cutis überhaupt nicht eigenthüm- lich, sondern nur die durch die Zellenfortsätze hervorgerufenen Vertiefungen. Was wir auf dem Querschnitt an Zacken sehen, ist nur die zwischen jenen Vertiefungen stehen gebliebene Substanz der Cutis. Diese scheinbaren Hervorragungen mit den zwischen ihnen liegenden Vertiefungen bilden gleichsam die Matrize zu der Patrize jener Zellenfortsätze.

Lockeres Bindegewebe.

An den schmalen Cutis-Saum schliesst sieh eine ziemlich breite Schicht von lockerem Bindegewebe. In demselben ver- breiten sich „ein gesetzmässiger Zug in der Organisation der Wirbelthiere“3) die Hautcapillaren, die hier das oberflächliche

1) 12 8. 148. 2) 10 8. 81. 3) 12 S. 208.

28 Paul Schultz:

Netz bilden, wie es schon Rainey!) beschrieben hat, ferner Nerven und das Pigment.

Ich habe beim Salamander zwei Arten von Pigment gefun- den, einmal das dunkelkörnige, braune bis schwarze; ferner das hellgelbe, welches die schöne gelbe Färbung verursacht. Was die Vertheilung betrifft, so ist zunächst, wie schon Leydig bemerkt, „der oberste Saum der Lederhaut alle Zeit von färbendem Stoffe frei und hebt sich daher immer als ein heller, wenn auch mit- unter sehr schmaler Streifen von der Pigmentzone ab“). Diese letztere liegt unmitttelbar unter ihm und stellt eine bald mehr, bald minder dichte Lage dar, die sich nach unten in dem lockeren Bindegewebe verliert, indem sie Capillargefässe umspinnt. Indess beschränkt sich das Pigment nicht allein auf diese Zone, sondern findet sich auch in Zellen, den bekannten Chromatophoren, und Körnern in die Epidermis gestreut. Eine besondere Theilnahme erregen die gelben Stellen. Ich war erstaunt, bei Durchsehnitten durch die Parotis nicht, wie ich erwarten zu dürfen glaubte, gel- bes Pigment allein anzutreffen. Es fand sich vielmehr viel häufiger jenes dunkle in der Pigmentzone. Bei näherem Zusehen zeigte sich aber, besonders in den unteren Epidermislagen, gelbes Pig- ment in Zellen und Körnern. Hat man auf einem Flächenschnitt einen solchen gelben Fleck erhalten, so tritt derselbe bei durch- scheinendem Licht oder auf hellem Grunde nur wenig hervor, zeigt aber sofort seine schöne gelbe Farbe, sobald man ihn auf dunklem Untergrunde hält. Es kann daher das nur in die Epider- mis eingestreute hellgelbe Pigment genügen, da es auf dem dunklen Untergrund der Pigmentzone ruht, um ein so lebhaftes Gelb auf der Haut hervorzubringen. Indessen gibt es auch Stellen, wo die ganze Pigmentzone nur von dem hellgelben eingenommen wird. Eine besonders dichte Lage von dunklem Pigment im Binde- gewebe, sowie eine besonders reiche Anhäufung desselben in der Epidermis findet sich um die Ausführungsgänge der Giftdrüsen, daher dieselben auf den gelben Flecken, wie schon erwähnt, dem blossen Auge tief schwarz erscheinen.

Die tiefe Cutislage.

Auf die lockere Bindegewebslage folgt weiter nach innen die unterste Coriumslage, die eigentliche Lederhaut (ef. Fig. I). Sie

1) 16. 2) 12 8. 178.

Ueber die Giftdrüsen der Kröten und Salamander. 59

ist breit, derb und aus welligen, pararell zur Oberfläche ver- laufenden Bündeln zusammengesetzt, die wiederum in gewissen Abständen von einzelnen senkrechten Zügen durchsetzt werden, Czermakt), der die letzteren vom Frosch beschrieb und zeichnete, sah in ihnen offene Kanäle; gegenwärtig wissen wir, dass diesel- ben einerseits ebenfalls aus elastischen Fasern "bestehen und zur Verfestigung und Spannung der wagerechten Cutislage dienen, an- dererseits lockeres Bindegewebe sind, worin Gefässe und Nerven zur Oberfläche geführt werden, und Pigment in die Tiefe steigt. Ausserdem steigen von der Oberfläche dieser Lage zahlreiche feine Stränge zwischen den Schleimdrüsen durch das lockere Bindegewebe hindurch zu dem oberen Cutissaum und gehen in ihn über (ef. Fig. 1 u. 2).

Die innerste oder unterste Lage bildet wiederum lockeres Bindegewebe mit Gefässen, dem tiefen Hautkapillarnetz, Lymph- räumen, Nerven und auch bisweilen Pigment (ef. Fig. 1).

Drüsen.

Die Drüsen der Amphibien sind schon seit langem, aber nicht eben häufig Gegenstand der Forschung gewesen. Eine frühere Zeit wusste begreiflicher Weise nur von den grössten und brachte sie sich dadurch zur Anschauung, dass man die abgezogene Haut gegen das Licht hielt?). So setzt noch Rainey im Jahre 1855 um- ständlich ein Verfahren auseinander, um die grossen Drüsen der Kröte dem blossen Auge sichtbar zu machen; auf einem Durch- schnitt, den er von einer derselben beifügt, sind auch die kleinen Drüsen angedeutet, aber der Verfasser hält sie nicht für solche, er sagt von ihnen: A layer of earthy matter lying over the folliele, between it and the surface!?). Erst allmählich lernte man auch diese kennen, wusste aber nicht viel mehr, als dass es eben Drüsen seien. Selbst als man später immer mehr in die Elemente der Drüsen eindrang, hatte man kein anderes Mittel sie zu unterscheiden, als die Grösse. Auch Leydig, dem wir in Bezug auf den feineren Bau dieser Drüsen die meiste Kenntniss verdanken, unterscheidet dieselben nur nach der Grösse oder der Gestalt, hebt aber aus-

1) 5. 2) Vergleiche die hierzu in der Anmerkung gemachten Angaben Ley- digs 12 S. 197. 3) 16.

30 Paul Schultz:

drücklich hervor, „dass, da dieHautdrüsen der Batrachier mancherlei morphologische Verschiedenheiten entwickeln, man schliessen dürfe, dass auch ihre physiologischen Leistungen nicht allerorts die gleichen sein werden“).

Zu welchen bedenklichen Folgerungen übrigens die einseitige Durchführung der Grösse als Unterscheidungsmerkmal der Drüsen führt, zeigt das mir vorliegende Lehrbuch der Zoologie aus der Synopsis von Leunis. Da nach dem Verfasser die Parotis die grössten Drüsen enthält (was übrigens nicht der Fall ist), so ist dieselbe als ein besonderes Organ aufgefasst und in ihm ein eigen- thümliches Kennzeichen gesehen; es wird daher bei der Familie Hylidae im Gegensatz zu der voraufgegangenen Beschreibung der Bufonidae ausdrücklich hervorgehoben: „Ohrdrüsen fehlen*?). Ob aber im übrigen die Art der Drüsen, von denen die Ohrdrüsen zu- nächst nur eine zufällige Anhäufung darstellen, ob nämlich die Giftdrüsen, und das wäre doch in Wahrheit das Wesentliche ge- wesen, bei den Hylidae vorkommen, ist nicht gesagt.

Ich nehme bei den Kröten und beim Salamander zwei Arten von Hautdrüsen an ?), welche sich sowohl in ihrem anatomischen Bau, wie in ihrer physiologischen Bedeutung wesentlich von einander unter- scheiden: die Schleimdrüsen und die Giftdrüsen*®). In Bezug auf ihren anatomischen Bau weichen sie in Folgendem von einander ab: die fast genau kugeligen Schleimdrüsen sind im allgemeinen bedeutend kleiner als die meist mehr länglichen, ovalen Giftdrüsen (ungefähr wie 1:10); jene liegen in der lockeren Bindegewebslage, wenn auch ihr Boden bisweilen in die tiefe Corium-Lage hinein- ragt, diese dagegen liegen ihrem ganzen Umfange nach in dem tiefen Corium selbst, sind also von diesem von allen Seiten, auch von oben, umgeben, während über den Schleimdrüsen nur jener oberste Lederhautsaum hinzieht. Die Grösse und die Lage lassen

1) 128.197. 2) 13 S. 619.

3) Abgesehen ist natürlich hierbei von den Kloakendrüsen und von denen, welche mit dem Geschlechtsleben in Beziehung stehen.

4) Zu den Schleimdrüsen würden also die bei Leydig unter a und b, genannten zu rechnen sein, ferner die unter d zu Anfang beschriebenen, die ich zwar nicht untersucht habe, die aber, wie Leydig selbst bemerkt, nur eine Abänderung seiner mit a bezeichneten sind. Die „ganz grossen Drüsen“ (c) würden dann den Giftdrüsen entsprechen. Leydig 12 S. 197—201.

Ueber die Giftdrüsen der Kröten und Salamander. 31

auf einem Querschnitt durel die Parotis schon dem blossen Auge im allgemeinen beide von einander unterscheiden. Die Giftdrüsen umgibt ein eignes dichtes Capillarnetz, welches den Schleimdrüsen fehlt; ausserdem verhalten sich die Ausführungsgänge beider Drüsen- arten verschieden, und schliesslich und das ist das erst völlig beweisende, das eigentliche Unterscheidungsmerkmal sind ihre Elemente und ihr Seeret verschieden (efr. Fig. 1).

Die einen Drüsen enthalten Schleimzellen und Schleim, die anderen Giftzellen und Gifttropfen. Jene Zellen erscheinen durch- sichtig, glasig, hell, diese sind gekennzeichnet durch die stark liehtbreehenden Gifttropfen, die ihnen und der ganzen Drüse ein dunkles, körniges Aussehen verleihen. Diese Tropfen er- halten nun durch das Kupfer-Hämatoxylin eine tiefblaue Farbe, von dem Tone, welchen man in der Technik preussisch-blau nennt. Sieht man von der Häutungsschicht ab, welche mehr schwärzlich erscheint, so sind die Gifttropfen die einzigen Gebilde, welche sich derartig färben. Die Kerne erscheinen mehr violett, die Schleimdrüsen bleiben durchaus hell, alles übrige Gewebe zeigt einen bräunlich-violetten Schimmer. Man kann also die Kupfer- Hämatoxylin-Lösung gleichsam als ein Reagens für die Giftkörner ansehen. Wie wichtig ein solches für den vorliegenden Fall war, sollte sich mir bald erweisen. Ich fand unter anderm Drüsen- räume, die nach Grösse und Form wohl zu den Schleimdrüsen hätten gezählt werden müssen, sie kamen denselben in allen Stücken nahe, glichen ihnen jedenfalls viel mehr als den Giftdrüsen, ober- halb deren sie sogar bisweilen lagen. Dem Inhalte nach musste man sie zwischen Schleim- und Giftdrüsen stellen. Es sind das dieselben Drüsen, welche schon Bolau in Verlegenheit setzten und ihn veranlassten, für sie eine besondere unter 4 gestellte Gat- tung zu schaffen, welche er für einerlei Art mit den von Stieda beschriebenen und gezeichneten Stirndrüsen hielt!). Das Kupfer-

1) 2 8. 7 unter 4. Unter 1 S.4 führt dieser Verfasser „Kleine Drüsen“ an, von denen er versichert, er habe, trotzdem er hunderte davon untersucht habe, einen Ausführungsgang nicht finden können. Leydig 128.198, indem er diese Angaben erwähnt, hält seine Ansicht darüber zurück. Es sind die kleinen Drüsen nichts mehr und nichts weniger als Durchschnitte von Blut- gefässen. Dass dies übrigens nicht Herrn Bolau’s einziger Irrthum ıst, hat schon Leydig 12 S. 211 hinreichend hervorgehoben.

32 Paul Schultz:

Hämatoxylin-Verfahren klärte den Gegenstand auf, es zeigte, dass es sich um Giftdrüsen handelte, und weitere Vergleichung ergab, dass dieselben als in der Entwickelung zurückgeblieben zu be- trachten sind (efr. Fig. In).

Wie der anatomische Bau, so ist auch die physiologische Be- deutung der Drüsen verschieden. Die Giftdrüsen stellen bekamnt- lich eine Vertheidigungswaffe dar; aus ihnen spritzt das Thier willkürlich den Saft, dessen ätzende Rigenschaft seinen Feinden verderblich wird!). Aus den Schleimdrüsen hingegen fliesst, wie ich glaube, nur auf reflektorischem Wege ihr Inhalt heraus, welcher die für das Leben der Amphibien so überaus gefährliche Ein- trocknung der Haut, indem er sie überzieht, verhindert, beim Sa- lamander aber vielleicht ausserdem noch die Fähigkeit besitzt, diesen Thieren das Klettern zu erleichtern. Auch über diese physio- logische Verschiedenheit beider Drüsen herrscht noch gegenwärtig selbst in den grösseren zoologischen Handbüchern eine unheilvolle Verwirrung. Meist begnügt man sich von einem Sekret der Haut- drüsen oder von einem aus den Hautdrüsen ausgeschwitzten Saft oder Schleim (beides aber ohne Unterschied!) zu sprechen, dem eine giftige Eigenschaft zukomme. Auffallend aber muss es gerade- zu sein, wenn sich bei Brehm auf der einen Seite die Angabe findet: „Bei vielen der nackten, froschartigen Thiere finden sich in der Haut besondere Drüsenbälge, welche einen scharfen, mehr oder minder nach Knoblauch riechenden Milehsaft absondern“; und schon auf der nächsten Seite zu lesen steht: „Als eigentliches Gift nun ist der Schleim wohl nicht anzusehen“ ?).

Das nun in der That ein solcher physiologischer Unterschied zwischen den Drüsen zu Recht besteht, überzeugte ich mich an einem schönen, besonders grossen Exemplar von Bufo vulgaris. Ich hielt dasselbe in den Sommermo- naten des vorigen Jahres, da ein Terrarium nicht zu erlangen war, in einem mit Gras und Erde ausgelegten Kistchen. Hier befand sich das Thier bei einer aus Fliegen und Mehlwürmern bestehenden Nahrung vortrefflich, war stets munter, lernte seinen Wärter kennen und legte mehr und mehr die diesen Thieren sonst so eigenthümliche Scheu gegen ihn, aber nur gegen ihn, ab. Ein Wasserbehälter befand sich nicht in dem Raum, doch wurde täglich die

1) Ich verweise hierbei auf die überaus lebhafte Darstellung Max Gemmingers von der tötlichen Vergiftung eines Sperbers durch eine Kröte. 8.

2) 3 8. 536 und 537.

Ueber die Giftdrüsen der Kröten und Salamander. 33

Erde reichlich mit Wasser begossen. Das war an einem besonders heissen Tage verabsäumt worden. Als ich es am Abend nachholen wollte, fand ich das Thier über und über mit hellem, glasigen Schleim überzogen. Auch nicht ein Tröpfchen des bekannten Giftsaftes fand sich auf der Haut vor, ebenso- wenig wie der Schleim einen besonderen Geruch oder einen bitteren oder ätzenden Geschmack besass. Einmal darauf aufmerksam gemacht, entzog ich dann noch einigemal Mal bei sehr trockener Witterung absichtlich das Wasser ; die Folge war die gleiche, das Thier hatte sich mit einer Schleimschicht überzogen.

Es muss also ein für allemal festgehalten werden, dass diese beiden Drüsenarten wesentlich von einander verschieden sind, dass die Schleimdrüsen nur Schleimdrüsen sind, und die Giftdrüsen nur Giftdrüsen, und das letztere zu allen Zeiten ihre giftige Eigen- schaft besitzen. Es ist nicht überflüssig das letztere besonders hervorzuheben. Denn Calmels geht so weit zu behaupten, dass es nur eine Art von Drüsen giebt, deren indifferente zellige Ele- mente zu Zeiten den giftigen Charakter annähmen, oder vielmehr durch Giftzellen ersetzt würden, sodass die Drüsen nur in gewissen Abschnitten. giftig seien. Bei den Kröten träte diese „Substitution“ nur im Grunde der Drüsen auf, beim Salamander und den Tritonen geschähe sie dagegen über die ganze Drüse; jedenfalls bestände eine Verbindung (Filiation) zwischen den Drüsen, welche Gift- zellen hätten und solche, die deren nicht besässen?).

Diese Angaben scheinen mir von vornherein für die Kröte ebenso unwahrscheinlich, wie ich sie für den Salamander als un- richtig bezeichnen muss. Denn für diesen ist es sicher, dass die beiden Arten von Drüsen in keiner Beziehung zu einander stehen; auch entwicklungsgeschichtlich nicht. Denn beide Drüsen sind besonders angelegt. So sah ich an der Larve von Salamandra maculata, die einem trächtigen Weibchen entnommen war, dass selbst schon zu dieser frühen Zeit Giftdrüsen angelegt waren, ja dass sie sogar schon unzweifelhaft mit Gifttropfen vollgestopft

1) 4 S. 329. Selon l’animal, plus ou moins de cellules indifferentes ordinaires prennent le type venänifere ... .

Il vaut mieux dire, que la cellule venenifere est l’equivalent morpholo- gique d’une des cellules indifferentes, que je mentionnais, qu’elle en est un derive, une differenciation, en un mot qu’elle peut s’y substituer.

S. 330. Ilest tres facile de voir, d’apres la sörie des formes £pithöliales que les culs-de-sac prösentent la filiation qui semble exister entre les culs;de-sac d&pourvus de cellules veneniferes et ceux qui en possedent.

Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 34, 3

34 Paul Schultz:

waren, während die Schleimdrüsen sich nicht einmal in der An- lage darstellten; nur die Gebilde, welche Langerhans!) als Organ des sechsten Sinnes beschrieben hat, fanden sich in der schmalen Epidermis. Auch hierbei erwies sich die Lage bezeich- nend: die vollgefüllten Giftdrüsen zeigten sich unterhalb der Pig- mentzone, also auch unterhalb der Epidermis. Ebenso waren bei einer einjährigen Bufo, bei der die Ohrdrüsen kaum mit blossem Auge zu sehen waren und wohl sicher noch nicht gebraucht wur- den, auf dem Querschnitt doch schon deutlich die mächtigen Gift- follikel, vollgestopft mit dem giftigen Inhalt, vorhanden.

Ehe ich zur eigentlichen Betrachtung der Giftdrüsen über- gehe, muss ich bemerken, dass das folgende nur für den Sala- mander gilt. Es gelang mir nämlich nicht, auch für die Kröten die Verhältnisse in gleicher Weise zur Anschauung zu bringen, ich vermuthe, dass der Fehler in dem Härtungsverfahren liegt: doch die gemessene Zeit gestattete mir nicht, den Gegenstand weiter zu verfolgen.

Giftdrüsen.

Die Giftdrüsen als Einziehungen oder Einstülpungen der Haut wiederholen uns im Allgemeinen den eben beschriebenen Bau der- selben. Das wird am klarsten, wenn wir den Ausführungsgang betrachten auf einem Querschnitt, der das Lumen desselben in seiner ganzen Ausdehnung trifft.

Ausführungsgang.

Die Epidermis (efr. Fig. 6) erscheint an der Oberfläche etwas eingezogen, sodass in der tiefsten Stelle die Ausführungsöffnung liegt. Ihr Höhendurchmesser ist nach dem Lumen erheblich in die Tiefe verbreitert, ihre untere Begrenzung, die im Allgemeinen eine grade Linie bildet, weicht hier bedeutend nach unten aus. Ebenso geht natürlich der unmittelbar darunter liegende Cutissaum in die Tiefe; von der Stelle an, wo das geschieht, wird er zu- gleich allmählich schmäler und scheint schliesslich an der tiefsten Stelle ganz aufzuhören. Dies ist aber ebenso wenig der Fall, wie mit den Fortsätzen an der Basis der untersten Epidermis-Zellen.

1) 9.

Ueber die Giftdrüsen der Kröten und Salamander. 35

Auch diese werden nämlich zugleich mit der Verschmälerung des Cutissaumes immer kürzer und scheinen in der Tiefe der Aus- buchtung kaum noch angedeutet, sie fehlen aber wirklich nur da, wo sich diese Zellen in das Innere der Drüsen umschlagen. Auch die lockere Bindegewebsschicht macht den Eindruck, als verliere sie sich allmählich von der Stelle an, wo sie in die Tiefe aus- weicht; an ihrer Statt liegt nur noch die Pigmentzone, welche hier immer tief dunkelbraun bis schwärzlich sich in dichter Masse zwischen Epidermis und tiefer Cutis einlagert. Ausserdem ver- breitet sich Pigment, wie schon erwähnt, hier mehr, wie irgend wo anders über die Epidermis bis in die äussersten Lagen. Die Pigmentzone tritt aber nicht bis an das Lumen des Ausführungs- ganges heran, sie lässt vielmehr zwischen dieser und ihrem schmalen, aber scharfrandigen Ende einen kleinen Raum frei. Calmels sah letzteren nicht, nahm aber wohl das scharfrandige Aufhören der Pigmentzone an dem Ausführungsgang wahr, die also nach ihm bis an das Lumen desselben reicht; er bemerkt daher ganz tref- fend, dass der Kanal die Pigmentschicht wie mit einem Schlag- eisen durchbohre (comme ä l’emporte-piece)!). Auf dem kleinen Raum zwischen Pigmentzone und Lumen drängt sich nun die Epi- dermis vorbei und schlägt sich in die Drüse in einer einfachen Lage von Zellen um, welche den untersten, den eylindrischen, ent- sprechen. Hinter diesen Zellen, also vor dem Pigment, zieht der obere Cutissaum vorbei, welcher sich ebenfalls in die Tiefe um- schlägt. Anfangs dicht an ihm, setzt sich nach unten und nach den Seiten das Pigment fort; bald darauf aber wird dasselbe an Stärke und Dichtigkeit immer schwächer, und gleichzeitig tritt das lockere Bindegewebe immer breiter hervor, das nun zahl- reiche Blutgefässe trägt. Die eigentliche Cutis erscheint nicht ausgestülpt oder eingezogen, sondern weicht einfach zurück; an der Stelle, wo mehrere Drüsenfollikel sich zusammendrängen, ins- besondere an den Ohrdrüsen, stellt dieselbe ein blosses Fach- werk dar.

So besteht also die Drüse zu innerst, entsprechend der Epi- dermis, aus einer Epithellage; dann aus der Tunica propria, der Fortsetzung des obersten Coriumsaumes; wie dieser, bleibt auch

1) 4 $. 397.

36 Paul Schultz:

die Tuniea propria stets vom Pigment frei!). Es folgt lockeres Bindegewebe, das, wie dort, so auch hier die Nerven, die an den Giftdrüsen ausserordentlich zahlreichen Blutgefässe und das Pig- ment trägt, so dass die Capillaren unmittelbar auf der Tunica propria liegen, das Pigment mehr nach aussen. Das letztere bildet daher auf Quersehnitten fast regelmässig die Grenzschicht zwischen dem lockeren Bindegewebe und der umgebenden Lederhaut. Uebri- gens ist dasselbe, wie Leydig beschrieben hat, nach den Arten verschieden, sodass man bei Bufo vulgaris nur inselartige Flecken sieht, beim Salamander hingegen wird die Drüse in zierlicher Weise davon umstrickt?).

Der Kanal des Ausführungsganges liegt also in der Mitte jener verbreiterten und in die Tiefe gezogenen Epidermisstelle. Sein Verlauf ist gerade, die Oberfläche ziemlich eben und der Durchmesser ausserordentlich klein im Verhältniss zu dem des Drüsensackes. Nach Leydig wird er ausgekleidet von einer homogenen hellen Cuticula®), welche „von der Oberfläche als Schlauch in die Tiefe geht und so einen nach unten frei ab- geschnittenen Kanal erzeugt“ *), nach Calmels: par une cuticule cellulaire &paisse5). Die Kupfer-Hämatoxylin-Färbung zeigt, dass es die Häutungsschicht ist, die sich, von der freien Oberfläche umbiegend, tief in den Kanal fast bis zur untersten Zellenlage der Epidermis erstreckt. Betrachtet man daher ein bei der Häutung ab- gestossenes Stück aus einer Gegend, wo Giftdrüsen liegen, so sieht man breite, kurze Schläuche mit dem einen Ende in die Epidermis übergehend, während das andere freie Ende sich umgelegt hat.

1) Der Widerspruch, in welchen ich hierdurch mit den Angaben Leydigs 11 S. 87 gerathe, ist nur ein scheinbarer, wie die dort beigefügte Zeichnung Taf. VI. Fig. XXVII sofort lehrt. Was nämlich Leydig dort als Membrana propria mit a bezeichnet, ist für mich die lockere Bindegewebs- schicht, die Trägerin der Blutgefässe. Die unter b genannte Pigmentschicht bildet grade hier recht deutlich die Grenze zwischen dem lockeren Binde- gewebe und der eigentlichen Lederhaut, in welcher sie zum Theil selbst liegt, und deren streifige, wellige Bündel sehr deutlich gezeichnet sind. Als Mem- brana propria fasse ich hingegen die dunkel schraffirte Schicht unter dem Querschnitt der kontraktilen Fasern auf, welche in dem Bilde sehr schön dargestellt, aber nicht benannt ist.

2) 12 8. 203. 3) 12 8. 147.

4) 12 S. 214. 5) 4 8. 327.

Ueber die Giftdrüsen der Kröten und Salamander. 37

Auf einem Flächensehnitt erscheint das Lumen des Kanals von dreieckiger, gefalteter Gestalt, wie er sie in geschlossenem Zustand annimmt. Zu innerst liegt jene Häutungsschieht, dann folgen die Epidermiszellen, die kreisförmig um den Kanal herum- gestellt sind, sie enthalten reichlich Pigment. Zu äusserst sind die eylindrischen Zellen, deren Fortsätze also, je tiefer der Sehnitt liegt, um so kürzer werden. An sie schliesst sich der äusserst schmale Cutis-Saum an und um ihn herum eine dünne, aber sehr dichte, scharf begrenzte kreisrunde Schicht von schwärz- lichem Pigment.

Calmels beschreibt für die Giftdrüsen eine besondere Ver- schlussvorrichtung; darnach soll ein Schleimpfropf, der aber von anderer Beschaffenheit ist als der Inhalt der Giftdrüsen sowohl wie der Bauchdrüsen, von den Zellen des Drüsenhalses eigens zu dem Zweck abgesondert werden, den Ausführungsgang auszufüllen und so der Drüse die Füllung zu gestatten!). Abgesehen davon, dass es für mich, wie schon erwähnt, in jeder dieser Drüsen nur eine einzige, ihrer physiologischen Thätigkeit eigenthümliche Art von Epithelzellen giebt, findet, wie ich mich an zahlreichen Flächen- und Querschnitten überzeugt habe, bei den Giftdrüsen eine, wenn auch unvollkommene Art von Verschluss zunächst nur dadurch statt, dass im ruhenden Zustand die Wände des Ausführungs- ganges sich aneinander legen, freilich nicht so dicht, dass hier „lumenlose Spalte“ entständen. Allerdings sah ich einige Male den Ausführungsgang ausgefüllt, aber erstlich war das unzweifelhaft Drüsensekret, Giftsaft, und dann glaube ich, dass dasselbe erst in Folge der Präparation hineingelangt war, da häufig beim Sala- mander die prall gefüllten Ohrdrüsen sich schon bei mässigem Druck entleeren.

Kontraktile Fasern.

Die eigentliche Drüse wird nach aussen hin begrenzt durch die bindegewebige Tunica propria. Auf der Innenfläche derselben breitet sich eine einfache Lage kontraktiler Fasern aus. Die erste Nachricht von dem Vorhandensein solcher Fasern für die Drüsen der Kröten finde ich bei Eekhardt?); doch scheint mir dieselbe

1) 4 S. 328. 2) 6.

38 Paul Schultz:

zu wenig genau, als dass man ihr Gewicht beilegen könnte. Vor Allem ist das eigenthümliche Lagerungsverhältniss derselben zur Tunica propria, welches doch für das ganze Verständniss von dem Bau und der Verrichtung der Drüsen so überaus wesentlich ist, gar nicht berührt. Das hat zuerst Leydig kennen gelehrt, zu- nächst für die Schweissdrüsen bei verschiedenen Säugethieren, dann in seinem Werke: „Ueber die Molche (Salamandrina) der württembergischem Fauna* auch für ‚die Parotisdrüsen des Sala- manders!). Sechs Jahre später fügt Leydig in seiner Arbeit: „Ueber die allgemeinen Bedeckungen der Amphibien“ noch eine andere inzwischen von ihm gemachte Entdeckung hinzu, dass er nämlich im Halse der Drüsen (welcher ist nicht gesagt) einen Büschel heller Cylinder gesehen habe, deren Anordnung sich etwa einer Fischreuse vergleichen liesse; dies seien Muskeln des Drüsenbalges?2). Ob und in welchem Zusammenhang die Muskel- fasern mit den zuerst beschriebenen stehen, ist des weiteren nicht angegeben.

Nach meiner Ansicht liegt die Sache folgendermaassen : Die ganze Drüse ist auf der Innenfläche der Tunica propria von einer einfachen dichten Lage kontraktiler Elemente ausgekleidet (ef. Fig. 3). Dieselben sind langgezogene, platte Spindelzellen, ungefähr doppelt so gross wie die rothen Blutkörperchen; in der Mitte ist ein läng- licher Kern deutlich sichtbar, sie erscheinen fast immer fein längs- gestreift; Anastomosen unter einander habe ich nicht gesehen. Die Richtung, in welcher diese Fasern verlaufen, entspricht derjenigen der Längengrade an einem Globus. Wie die rundliche Gestalt der Drüse, so wird auch die Anordnung der Fasern durch den Ausführungsgang unterbrochen; denn auch diesen kleiden sie aus, aber nur so weit er unterhalb der Epidermis liegt. Hier drängen sich die Faserzellen dichter aneinander, zugleich er- scheinen sie schmäler und kürzer. Ihre Spitzen mögen es wohl gewesen sein, welche Leydig aus dem Ausführungsgang heraus- ragen sah; sie bieten auf einem Flächenschnitt in der That, wie Leydig es treffend verglich, das Bild einer Fischreuse dar. Merkwürdig ist nur, dass die unmittelbar daran stossenden, also weiter nach abwärts von dem Ausführungsgang gelegenen Fasern

1) 11 8. 88. 2) 12 S. 204.

a ie

Ueber die Giftdrüsen der Kröten und Salamander. 39

meist fast unvermittelt sehr breit erscheinen, und es wäre daher wohl möglich, dass wir hier in dem Drüsenhals noch eine beson- dere, wenn auch nur in Zahl und Grösse von den übrigen ver- schiedene Lage von kontraktilen Fasern hätten. Ja es möchte das durch das Folgende noch wahrscheinlicher werden. Ich habe nämlich in dem Drüsenhals, dem Theil, welcher zwischen der un- teren Grenze der Epidermis und dem oberen Drüsen-Niveau liegt, also eigentlich zum Ausführungsgang gehört, auf Querschnitten noch eine andere Lage kontraktiler Fasern gefunden (ef. Fig. 2 m). Dieselben finden sich nur hier und stellen sehr schmale, feine läng- liche Zellen mit deutlichem Kern dar; ihr Inhalt erscheint fein ge- körnelt, ja fast quergestreift. Sie liegen unter, mehr nach innen von den vorigen, bilden also das eigentliche Lumen des Kanals und sind angeordnet, um bei dem Bilde des Globus zu bleiben, wie Breitengrade, verlaufen also senkrecht zu den vorigen, gegen welche sie auch stets scharf abgesetzt erscheinen. Die physiolo- gische Bedeutung dieser Fasern scheint mir die eines Sphinkters zu sein. Sie werden also im ruhenden Zustand der Drüse durch ihre Zusammenziehung zum Verschluss derselben dienen. Entleert sich aber die Drüse, ist der Kontraktionszustand der Fasern über- wunden, so werden diese, gerade wie ein Sphincter, indem sie sich zusammenzuziehen streben, eine Druckwirkung auszuüben ver- mögen. Diese in Verbindung mit derjenigen der oben genannten längs liegenden Fasern würde eine äusserst wirksame Entleerung des im Drüsenhals befindlichen Saftes zur Folge haben. Während also die kontraktilen Fasern der Drüse selbst den Saft zum Drüsenhals pressen, erhält er hier noch einen derartigen Nachdruck, dass sich wohl die Kraft erklären lässt, mit welcher er bei elektrischer Reizung auf so weite Entfernung hinausspritzt.

Faltenbildung der Membrana propria.

Allen Forschern, welche sich mit diesen Drüsen beschäftigt haben, ist aufgefallen, dass dieselben häufig am Grunde eine Art von Einkerbung zeigen, so dass man sich, wie Leydig sagt, versucht fühlen könnte, neben den einfach gestalteten Drüsen- säckchen auch das Vorhandensein von gefächerten anzunehmen. Doch fügt er weiter unten hinzu : „So darf man wohl die Ansicht aussprechen, dass es sich keineswegs um eine bleibende Form des

40 Paul Schultz:

Drüsensackes, sondern um einen bestimmten Kontraktionszustand der Muskelfasern, im Verein mit einer gewissen Anordnung dieser Elemente, handeln möge“!). Es sind diese Einkerbungen in der That nichts als Faltenbildungen der Membrana propria, hervor- gerufen durch die kontraktilen Fasern. Sie finden sich nämlich überhaupt nur da, wo eine Ausscheidung stattgefunden, wo also die kontraktilen Fasern thätig waren, und sie sind am häufigsten und stärksten ausgebildet bei Drüsen, die stark elektrisch gereizt waren, wo also die kontraktilen Fasern sich besonders anhal- tend kräftig zusammengezogen hatten. |

Da es nahe liegt anzunehmen, dass die kontraktilen Fasern am Boden der Drüse, um das hier befindliche Sekret zum Aus- führungsgang zu pressen, sich stärker zusammenziehen werden, als die anderen, so dürfte hierin in Verbindung mit der meridio- nalen Anordnung der Muskelfasern der Grund liegen, dass diese Faltenbildungen der Membrana propria gerade im Grunde der Drüse stattfinden. Doch habe ich an Drüsen, welche längere Zeit hindurch ad maximum gereizt waren, solche Faltenbildungen auch an anderen Stellen als nur am Grunde gesehen. Hier erschienen sie dann auf den optischen Querschnitten wie Zotten, die mit- unter weit in das Drüsenlumen hineinragten; zugleich waren sie dicht besetzt mit jungen Epithelzellen. Ich glaube daher, dass diese Faltenbildungen zugleich noch eine wichtige physiologische Bedeutung haben, nämlich die sezernirende Oberfläche zu ver- grössern, um so der an solche Drüsen in besonderem Masse ge- stellten Anforderung einer vermehrten und beschleunigten Er- neuerung der Elemente zu genügen.

Epithel.

Die innerste Auskleidung der Drüsen bildet das Epithel; dieses ist zugleich der schwierigste Gegenstand der Untersuchung.

Schon Rainey beschrieb und zeichnete solches für die Drüsen der Kröten?); es sind das aber die in schräger Ansicht und daher verkürzt erscheinenden kontraktilen Fasern. Eck- hardt begnügt sich wiederum mit der kurzen Angabe: „ein aus Rundzellen bestehendes Epithelium“®?). Leydig hat sich wieder-

1) 12 8. 206. 2) 16. 3) 6.

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holentlich mit diesem Gegenstand beschäftigt und kommt in seiner letzten Aeusserung über seine diesbezüglichen Forschungen zu dem Ergebniss, dass „ein Epithel in gewöhnlichem Sinne hier nicht vorhanden sei“). Die neueste und zugleich ausführlichste Arbeit über diesen Gegenstand hat Calmels?) geliefert. Ehe ich aber auf diese eingehe und damit in die Besprechung der Sache selbst eintrete, will ich vorher die Schwierigkeiten zeigen, welche sich der Untersuchung entgegenstellen.

Dieser Schwierigkeiten grösste ist die Lage der kontraktilen Fasern auf der Innenfläche der Tunica propria. Will man sich von ihrem Vorhandensein nicht durch die auctoritas nominis illustris, sondern durch eigene Forschung überzeugen, so scheint das eigenthümlicher Weise bei den gegenwärtig so vervollkomm- neten Verfahren zur Gewinnung mikroskopischer Präparate schwerer zu sein denn früher. Man wird heutzutage, will man den feineren und feinsten Bau eines Organes untersuchen, Schnitte von einigen Tausendtheilen eines Millimeters anlegen und dieselben, nachdem sie auf verschiedene Arten gefärbt sind, der Auflösung unter dem Mikroskop unterwerfen. Hierdurch ist für die Struktur-Verhält- nisse des Einzelnen ausserordentlich gewonnen; für zusammen- gesetztere Verhältnisse aber, insbesondere wenn es sich um ver- schiedene Anordnung verschiedener, durch Färbungen nicht unter- scheidbarer Elemente handelt, ist ein Feld von Täuschungen er- öffnet, denen zu entgehen nur durch eingehende Vergleichung von Präparaten möglich ist, die sich in Schnittriehtung und Färbung möglichst mannigfaltig unterscheiden.

Die Drüsen, die in Rede stehen, sind annähernd kugelige Gebilde, man kann Schnitte an und durch dieselben legen. Doch wird man mehr zu ersteren geneigt sein, indem man dann auf einmal das Organ in seiner ganzen Ausdehnung mit allen Elemen- ten übersieht. Diese Schnitte werden hauptsächlich in zwei Ebenen erfolgen: einmal senkrecht zur Oberfläche der Haut, dann ihr parallel. Auf den ersteren, auf Querschnitten, sieht man vorzüg- lich an den Seitenwandungen der Tunica propria längliche Kerne aufliegen, über welche, was sich erst bei schärferem Zusehen er- giebt, eine äusserst feine Membran hinwegzieht (ef. Fig. 8 u. 13). Auf den anderen, auf den Flächenschnitten, werden sich insbeson-

1) 12 8. 211. 2) 4.

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dere sehr kleine, viereckige oder oblonge Gebilde als der Tunica propria aufsitzend darstellen, in denen man nur bisweilen einen Kern erblickt (ef. Fig. 9). Fallen nun diese Flächen- schnitte gar in den unteren Theil des Drüsenhalses, so erhält man auf der Tunica propria Gebilde von cylindrischer Gestalt, meist mit deutlichem Kern, bald alle von gleicher Grösse und ziemlich niedrig, bald auf der einen Seite von beträchtlicher Höhe, nach der anderen Seite zu in niedrigere übergehend. Man kann eine grosse Anzahl von Schnitten anfertigen und immer wieder nur diese Bilder erhalten. Was scheint daher näher zu liegen, als zu glauben, man habe es hier mit den verschiedenen Ent- wickelungsabsehnitten derselben Zellart zu thun, was gerechtfer- tigter als der Schluss, es seien das die Epithelzellen der Drüse ?

Das glaubte und so schloss Calmels in der That. Und er war um so mehr dazu berechtigt, als er der einschlägigen Litte- ratur, die ihn vielleicht zu umfassenderer Prüfung veranlasst hätte, nicht die geringste Aufmerksamkeit geschenkt hatte. Folgerichtig entwickelt er nun (beiläufig auf mehr als achtzehn Druckseiten) den Lebensgang der Giftzelle, den er sich in vier Abschnitten vollziehen denkt. Diesen entsprechend stellt er folgende vier „Typen“ auf, welche sieh in aufsteigender Entwicklung folgen: 1. Type endothelial: die Drüsen sind mit einer einschichtigen platten endothelartigen Zellenlage ausgekleidet. 2. Type ceylin- drique bas ou eubique: die Zellen wandeln sich in ein niederes Cylinder-Epithel um. Das 3. Stadium Type eylindrique eleve ist durch das Auftreten eines neuen Kernes im Fusse der künftigen Giftzelle gekennzeichnet, von dem aus sich die nächste Generation von Giftzellen bildet. Dieser Kern entsteht unabhängig von dem alten Zellkern, frei aus dem Protoplasma!). 4. Type speeifique

1) 4 S. 342. En realite, nous n’avons affaire ieci qu’& une endogen£se! Das, nachdem bereits Virchow in seiner Cellularpathologie ausgesprochen hatte, dass bei der Vermehrung der Zellen der Kern eine wichtige Rolle spiele, nachdem dann Virchows Satz! Omnis cellula e cellula erweitert wurde in omnis nucleus ex nucleo; nachdem fünf Jahre früher Flemming seine Lehre über die Kerntheilung veröffentlicht hatte. Allerdings darf das nicht Wunder nehmen, wenn man bedenkt, dass der Verfasser in Bezug auf die Endogenese weiter unten erklärt: Tout cela paraitrait &trange, si l’on ne savait pas depuis longtemps que certaines cellules vivent et se repro-

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ou venenifere. Während der Kern zu Grunde geht, beginnt die Ablagerung des Giftes in dem Protoplasma in Form stark licht- brechender Körnchen.

So nahe diese ganze Auffassung liegt, so falsch ist sie auch. Was Calmels als Drüsenepithel beschrieb und zeichnete, ist nichts anders als die kontraktilen Fasern. Erwägt man nämlich ihre Lage, sowie ihre eigenthümliche Anordnung in Verbindung mit der rundlichen Gestalt der Drüse, so ist begreiflich, dass, je nach der Schnittriehtung, eben dieselben Fasern sich in der verschie- densten Weise darstellen müssen. Was also oben von den Quer- schnitten der Drüse beschrieben war, entsprechend dem Type endothelial Calmels, sind Längsschnitte der Fasern (s. Fig. 8 u. 13); Querschnitte derselben sind die Bilder, die wir auf Flächen- schnitten der Drüse erhielten: Type eylindrique bas ou cubique (s. Fig. 9). In den aus dem unteren Theil des Drüsenhalses gewonnenen Gebilden verbindet sich mit der Richtung der Quer- schnitte der Fasern eine andere, nämlich die der Flächenschnitte, welch letztere also die Fasern sowohl der Breite, wie der Länge nach treffen. Je nachdem nun in dieser Verbindung die erstere oder die letztere Riehtung überwiegt, werden die Fasern niedriger (Type eylindrique bas ou cubique) oder höher (Type eylindrique eleve) erscheinen. Es wird sich daher aus der verschiedenen Höhe irgend eine Grenze zwischen beiden nicht ziehen lassen. Das that auch Calmels nicht. Für ihn waren die letzteren nur durch das Auftreten eines neuen Kernes, des Fusskernes, vor den an- deren bezeichnet. Dieser Fusskern sollte sich finden in einem „triangle tr&s petite, de forme variable“, welches mit der Spitze nach innen liegt, mit der Basis auf der Tunica propria; ein solches Dreieck stellt aber die Spitze einer Faser dar, welche sich zwischen die anderen eindrängt. Dass Calmels hier Kerne gesehen habe, be- zweifle ich; denn die Kerne der Fasern liegen in der Mitte der- selben. Auch spricht seine eigne Zeichnung sehr dagegen, denn nur in zwei von neun solchen dreieckigen Räumen hat er einen Punkt hineingezeichnet !), den er für einen Kern ausgiebt.

Will man nunmehr kontraktile Fasern ganz der Fläche nach

duisent sans noyau, et si l’on n’avait pas restitue au protoplasma la supr£- matie dans les phönom£nes cellulaires. 1) 4 Taf. VIII Fig. 4.

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und zugleich mehrere auf einmal treffen, um sie in ihrer ganzen Ausdehnung und zugleich in ihrer gegenseitigen Lage kennen zu lernen, so werden, da die Drüse von ovaler Gestalt ist, Flach- oder Tangentialschnitte an ihrer wenigst gekrümmten Fläche, also an den Seitenwandungen zum Ziel führen (s. Fig. 8).

Hat man sich so von der Gegenwart der kontraktilen Fasern überzeugt, kann man die mannigfaltigen Formen, unter denen sie in den Schnitten erscheinen müssen, als diffieult& vaineue be- trachten, erst dann kann man sich, vor Täuschungen gewahrt, um so sicherer dem Studium des eigentlichen Drüsenepithels zu- wenden.

Dasselbe besteht aus flachen, bald rundlichen, bald unregel- mässigen, im Verhältniss zu ihrer späteren Entwicklung ausser- ordentlich kleinen Zellen, mit grossem Kern und trübem, dunklen, meist gleichmässigen Protoplasma. Das ist der Jugendzustand der Giftzelle, Giftkörner sind nicht in ihr vorhanden; man kann ihr also an und für sich nicht ansehen, was sie später werden soll. Die jugendlichen Zellen liegen unmittelbar über den kon- traktilen Fasern und finden sich überall in den Drüsen mit Aus- nahme des Drüsenhalses. Aber sie bilden nicht etwa eine gleich- mässige, die ganze Innenfläche der Drüse überziehende Epithel- lage, wie man wohl erwarten sollte, vielmehr finden sich dieselben im ruhenden Zustand der Drüsen nur hier und da zerstreut; und es ist daher an solehen kaum möglich sie zu sehen. Dass man hier nicht ein gleichmässiges, zusammenhängendes Epithel hat, welches die innerste Auskleidung der Drüse bildet, hat seinen Grund in einer Thatsache, welche für die Giftelemente von be- sonderer Wichtigkeit ist. Es findet nämlich hier nicht eine gleich- mässige, nicht eine gleichzeitige Entwicklung des ganzen Epithels statt. Der Grund hierfür dürfte in folgendem zu suchen sein.

Die Giftdrüsen stellen eine Vertheidigungswaffe dar, eine solebe wird aber nur dann eine möglichst vollkommene sein, wenn sie, bei vorausgesetzter genügender Wirkung, dieselbe auf möglichst lange Zeit in ungeschwächtem Zustand bewahrt !). Würde nun in den Giftdrüsen das ganze Epithel sich auf einmal

1) Albini (1) behauptet sogar auf Grund seiner Versuche, dass der Giftsaft des Salamanders bei anhaltender Reizung immermehr an Schärfe gewinne.

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entwickeln und zu gleicher Zeit auf der Höhe der Entwicklung, also der Anfüllung mit Giftkörnern ankommen, so würde die Drüse, folgt jetzt eine Entleerung, vorläufig nicht mehr verwendet werden können; es müsste eine Pause eintreten, in welcher das Epithel sich erst wieder neu bilden und alle die Abschnitte der Entwick- lung durchlaufen könnte. Eine solche für eine wirksame Ver- theidigung unzweckmässige Einriehtung haben wir hier nicht. Hier zeigt sich vielmehr die Waffe im vollkommnen Zustand. Erstlich entwickeln sich nämlich von den Epithelzellen nur immer einige; dann aber stellt der Kern einer jeden Zelle eine ausser- ordentlich hohe Summe spezifischer potentieller Energie dar. In letzterem Umstand wird der Nachtheil, der scheinbar dadurch ent- steht, dass nicht. das gesammte Epithel, sondern nur einzelne Zellen davon zur gleichzeitigen Entwicklung gelangen, nicht nur ausgeglichen, sondern es wird das geradezu zum Vortheil. Denn nunmehr erfährt jede Zelle eine möglichst umfangreiche und voll- ständige Ausbildung, eine Ausbildung, welche schliesslich zu jenen Gebilden von erstaunlicher Grösse führt, welche schon bei allen Forschern, welche sie gesehen, höchstes Befremden erregt und ihnen den Namen „Riesenzellen“ 1!) eingetragen haben. Stehen also diese Gebilde am Ende ihres Zellenlebens, werden sie bei der nächsten Entleerung der Drüse verschwinden, so sind schon andere bereit, die nur des Augenblicks harren, da sie sich zu entwickeln vermögen.

Diese Entwicklung kann nun zunächst in der Vermehrung der Elemente bestehen; diese wird natürlich um so lebhafter und um so allgemeiner statt haben, je stärker der Reiz ist, der auf die Drüse einwirkt. Ja, sie kann sogar bei bedeutendem Reize so erheblich werden, dass dann die Drüsen wirklich wie mit einem gleichmässigen Epithel ausgekleidet erscheinen. Die Ver- mehrung der Zellen geschieht durch indirekte Kerntheilung. Die hier gefundenen Kerntheilungsfiguren sind von so mächtiger Grösse, wie man sie selten findet. Auffallend ist mir nur, dass ich ver- hältnissmässig wenige zu Gesicht bekommen habe. Will man nicht den angewendeten Erhärtungsverfahren die Schuld beimessen, so bleibt nur übrig sich vorzustellen, dass der Theilungsvorgang hier ausserordentlich schnell abläuft. Und diese Vorstellung liegt

1) Diesen Namen legte ihnen Leydig bei. 12 S. 210.

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nicht gar zu fern. Denn die Entwicklung der Giftzellen über- haupt scheint mit grosser Schnelligkeit vor sich zu gehen; dafür - spricht schon der Umstand, dass ich Drüsen sechszehn Stunden nach längerer Reizung ad maximum wieder vollständig mit Gift- körnern gefüllt fand.

Bis jetzt haben wir die ersten beiden Abschnitte aus dem Leben der Giftzelle kennen gelernt; den Jugendzustand, zugleich den Zustand der Ruhe, in dem sie lange verbleiben kann, und als Zeichen der beginnenden Entwicklung eine sicher theilweise, vielleicht allgemeine Vermehrung durch indirekte Kerntheilung. In diesen beiden Abschnitten macht die Zelle durchaus den Ein- druck einer „indifferenten“, nichts an ihr und in ihr deutet an, wozu sie bestimmt ist. Das Merkmal der Giftzelle erhält sie erst durch das Auftreten der Giftkörner innerhalb der Zelle selbst.

Wo und wann dieselben sich zuerst innerhalb der Zelle zeigen, vermag ich nicht zu sagen. Zweierlei aber halte ich für ausgemacht: Erstlich sind diese Giftkörner nicht ein ausgeschie- denes Erzeugniss, nicht ein Sekret!) der Zelle im strengen Wort- sinn, sie sind vielmehr umgewandeltes Protoplasma, sie sind integrirende Bestandtheile der Zelle selbst. Ferner entstehen diese Giftkörner nieht erst in dem Augenblick, wo die Zelle sich auflöst, sind also nicht ein Zerfallsprodukt derselben. Vielmehr

1) Leydig 12 S. 200: „Im Verlaufe meiner gegenwärtigen zunächst der Ohrdrüse der Salamandra maculosa gewidmeten Untersuchungen bin ich zu der Ansicht gekommen, dass die Riesenzellen ein Zusammengesetztes sind, in der Weise, dass sie aus dem eigentlichen Zellenkörper und zweitens aus dem abgeschiedenen Sekret bestehen. Indem das letztere längere Zeit mit dem Zellenleib innig verbunden bleibt, kommen die cylindrischen Massen zur Aus- bildung. Ihr vorderes Ende löst sich alsdann oder bildet sich um in helle, glänzende Kugeln, welche, wenn in grösserer Menge vorhanden, fürs freie Auge eine gallertige graue Masse oder einen Pfropf im Innern des Drüsen- sacks und damit das eigentliche milchige Hautsekret zu Wege bringen.“

Was Leydig daher früher (11 Taf. VIFig. XXVII) auf seinem Durch- schnitt durch die Parotis des Salamanders mit „Zellsubstanz“ (d ;) bezeichnet hat, ist für mich eine alte zerfallene Zelle, was mit „Kern“ (d ,), die neue junge giftige Zelle, was mit Kernkörperchen (d 5), der Kern selbst; dass dem so sei, lehrten, abgesehen von der Entwicklung, die Doppelfärbungsverfahren. Dass hier drei Kerne in eine Zelle gezeichnet sind, liegt daran, dass man allerdings bisweilen mehrere Kerne in einer Zelle sieht, bei näherem Zu- sehen ergiebt sich aber fast regelmässig, dass zu je einem derselben eine be- sondere Zelle gehört.

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bilden sie sich aus dem Protoplasma schon von dem Augenblick an, wo aus der ruhenden Zelle die thätige wird, wo also über- haupt die eigentliche Entwicklung der Giftzelle beginnt, welche natürlich, wie jede andere, schliesslich zum Zerfall führt. Einge- leitet und durchgeführt wird diese Entwicklung lediglich durch den Kern; wie weit sie vorgeschritten, dafür giebt die Grösse der Zelle und das Aussehen des Kernes Aufschluss.

So sehen wir verhältnissmässig kleine Zellen mit rundem, scharf umschriebenen Kern, der ausserordentlich reich an Chro- matinsubstanz ist und daher bei Färbungen stark dunkel erscheint. Die Membran der Zelle tritt als deutliche Begrenzungslinie hervor, und in der Zelle liegen mit dem Protoplasma die Giftkörner. So sieht die jugendliche giftige Zelle aus. Diese sucht in ihrer weiteren Entwicklung sich möglichst auszudehnen und anzufüllen, auf kleinstem Raum den grössten Inhalt zu erlangen und strebt daher der Kugelform zu. Aus dieser wird naturgemäss, wenn die benachbarten Zellen einen starken seitlichen Druck ausüben, ein mehr oder minder cylindrisches oder, wie man es auch genannt hat, ein wurstförmiges Gebilde.

An irgend eine bestimmte Form also, das verdient hervorge- hoben zu werden, ist die Entwickelung der giftigen Zelle nicht gebunden, hierfür sind lediglich die Druckverhältnisse massgebend, die an den Zellen unter einander stattfinden.

Mit der Zelle wächst der Kern, und zugleich vermehrt sich die Zahl der Giftkörner. Der Kern verliert mit dem Wachsthum immer mehr seine runde Gestalt; sein dichtes Chromatingefüge und seine Grenzen werden undeutlicher und unregelmässiger. Auf der Höhe der Entwickelung stellt die Zelle jene bekannten Riesenzellen dar von meist cylindrischer Gestalt mit deutlich sichtbarer Zellmembran, die geradezu vollgestopft sind mit Giftkörnern (efr. Fig. li und Fig. 10). Der Kern erscheint zwar ebenfalls erheblich gross, aber zugleich verschwommen, und eigenthümlich für ihn ist zu dieser Zeit einmal das Auftreten von Vacuolen und dann, dass er in den verschiedensten und seltsamsten Formen erscheint, unter denen eine nach Art des Luftballons am häufigsten auftritt. Müssen jene wie diese auch nur als Kunsterzeugnisse ange- sehen werden, so beweist das doch, dass der Kern sich in einem Zustand höchster Weichheit und Lockerung befunden haben muss. Die Zelle geht schliesslich zu Grunde, indem sich an

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ihrem oberen, freien Ende die Membran auflöst oder platzt, und nunmehr sich der Inhalt in den offenen Drüsenraum ergiesst (cfr. Fig. 2n): sobald das eintritt, löst sich auch der Kern allmählich auf (efr. Fig. 13).

Jede jugendliche Giftzelle ist befähigt diesen Entwickelungs- gang, aber auch nur diesen durchzumachen; einen anderen giebt es nicht. Auch kommt keiner Stelle der Drüse als solcher eine bevorzugtere Ausbildung ihrer Elemente zu. An allen Stellen werden wir daher die Zellen in allen Entwickelungsabschnitten antreffen können; nur werden die Zellen des Bodens aus nahe- liegenden räumlichen Gründen für gewöhnlich eine grössere Gestalt erreichen als die anderen.

Betrachten wir den ganzen Lebensgang der Zelle, so ist er- sichtlich, dass hier ein sehr reicher und schneller Stoffwechsel stattfinden muss. Und es ist daher sofort begreiflich, warum ein so überaus dichtes Netz von Gefässen die Drüse umspinnt, so dieht, dass Rainey!) die Giftfollikel als „vascular sacks“ be- zeichnete und sie mit Malpighi’schen Körperchen verglich. Um so auffallender aber muss sein, dass dieser Stoffwechsel durch die Lage der kontraktilen Fasern auf der Innenfläche der Tunica propria scheinbar erschwert, ja fast unmöglich gemacht wird. Dem aber ist durch eine besondere Lagerung der Giftzellen abge- holfen. Es liegen dieselben allerdings über den kontraktilen Fa- sern, aber sie drängen sich mit einer Seite oder einem Fortsatz zwischen dieselben hindurch, sodass sie in innige, unmittelbare Verbindung mit der Membrana propria treten?). Dies kann, da sich immer nur einige Zellen entwickeln und die kontraktilen Fa- sern nur eine einfache Lage darstellen, sehr wohl geschehen, ohne dass beide Theile in ihrer Verrichtung gestört werden. Dass ein solches Verhältniss statt hat, sah ich auf einigen Schnitten recht deutlich: hier lagen mehrere Fasern neben einander, über ihnen erhob sich eine ziemlich entwickelte Giftzelle, welche, verfolgte man die Zeichnung der Membran, sich wie mit einem Fuss zwi- schen die Fasern drängte (efr. Fig. 11). Ebenso zeigten sich auf

1) 16.

2) Bürstenbesätze, welche Haidenhain an Fpithelzellen entdeckt und Tornier untersucht und beschrieben hat (19), habe ich hier nicht finden können.

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Flachschnitten bisweilen deutlich die Fasern etwas auseinanderge- wichen und einen schmalen, bald längeren, bald kürzeren Streifen zwischen sich fassend, der sich durchaus von ihrer Substanz unter- schied und grösste Aehnlichkeit mit dem Giftzellen-Protoplasma hatte (efr. Fig. 12). Sind diese Beobachtungen richtig, so er- scheint das Lagerungsverhältniss der kontraktilen Fasern voll und ganz verständlich. Durch die unmittelbare Lage der zahlreichen Gefässe auf der Membrana propria ist eine äusserst lebhafte und umfangreiche Stoffaufnahme von Seiten der letzteren ermöglicht; und dureh die wenn auch geringe, so doch unmittelbarer Verbin- dung der Giftzellen mit der Membrana propria ist für jene eine umfassende und schnelle Entwickelung gestattet. Ziehen sich die Fasern zusammen, so wirken sie ungehindert auf den Drüseninhalt, und es wird derselbe sehr energisch und vollständig entleert. Bei anhaltendem Reiz wird entsprechend der stärkeren Zusammenziehung der Fasern die Membrana propria gefaltet und dadurch die „secer- nirende Oberfläche“ vergrössert, zugleich werden die der Membrana propria aufliegenden Gefässe erweitert, und so ein vermehrter Zu- fluss in denselben gesetzt. Dieser kommt wieder den neu sich entwickelnden Giftzellen zu Gute. Lässt der Reiz nach, so hört auch die Kontraktion der Muskelfasern auf. Vielleicht auch da- durch, hauptsächlich aber wohl durch das Wachsthum der sich ent- wiekelnden Giftzellen kehrt die Membrana propria in ihre frühere Lage zurück.

Schleimdrüsen.

Es dürfte der Vollständigkeit wegen noch erübrigen, auch der Schleimdrüsen zu gedenken, insbesondere ihres Ausführungs- sanges, der, wie erwähnt, sich wesentlich von demjenigen der Giftdrüsen unterscheidet. Die Mündung desselben stellt, von oben gesehen, einen äusserst kleinen, schmalen, kurzen Längsspalt dar. Die Epidermis bildet, wie ein Querschnitt lehrt, an der Oberfläche keine Einziehung; ihr Höhendurchmesser verhält sich grade um- gekehrt wie bei den Giftdrüsen: er ist verschmälert. Wie bei diesen die untere Begrenzung bedeutend in die Tiefe ausweicht, so biegt sie grade hier, wenn auch nicht erheblich, nach oben um, ebenso der Coriumsaum. Der Canal ist ausserordentlich fein, glatt

und geht vollständig grade durch die Epidermis hindurch, unter- Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 34. 4

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halb deren er sich erst erweitert, um dann plötzlich in die Drüse selbst überzugehen. Er ist, wie bei den Giftdrüsen, ausgekleidet durch die Häutungsschicht;; auf der abgestossenen Haut stellt diese Auskleidung daher die kleineren Schläuche dar, die sich zahlreich neben den selteneren grossen, aus den Ausführungsgängen der Gift- drüsen kommenden finden (efr. Fig. 4d). Einen besonderen Ver- schluss, wie ihn Leydig für die kleinen Drüsen bei Rana tempo- raria und Coeeilia annulata beschrieben und gezeichnet hat!), sehe ich hier ebensowenig wie an den Giftdrüsen.

Die Drüse selbst besteht aus einer Membrana propria, auf deren Innenfläche sich ebenfalls eine einfache Lage kontraktiler Fasern findet. Besondere Anhäufung oder Anordnung der Fasern am Drüsenhals habe ich nieht gefunden. Auch habe ich dieselben so wenig wie an den Giftdrüsen, in die Epidermis selbst hineinragen oder gar „bis dicht unter das Niveau der Hautoberfläche empor- steigen“ gesehen). Von ihrer Gegenwart zeugen auf Querschnitten die länglichen Kerne, die der Innenwand der Membrana propria aufliegen. Das Epithel besteht aus Zellen, deren am Boden liegen- der Kern unmittelbar der Membrana propria aufliegt, und deren oberes mit Schleim gefülltes Ende in das Innere der Drüse hinein- ragt. Auf einem Querschnitt machen die gefüllten Schleimzellen den Eindruck niedriger eylindrischer Gebilde von gleichmässiger Höhe.

Rückblick.

1) Die Oberhaut scheidet sich in Häutungsschicht, eine einfache, zusammenhängende Lage völlig erstorbener, verhornter glatter Zelltafeln, welche bei der nächsten Häutung abgestossen wird, und Epidermis im engeren Sinne; diese wiederum in Schleimschicht, in deren unterster, der Cutis unmittelbar auf- sitzender Lage die Vermehrung der Elemente durch indirekte Kern- theilung geschieht, und Hornsehicht, deren Zellen um so mehr der

1) Vergleiche hierzu 12 S. 146.

2) Dies giebt Pfitzner 15 S. 505 an und hat es auch auf Taf. XXV in Fig. 16 gezeichnet. Ich habe auf meinen sämmtlichen Präparaten auch nicht ein Bild angetroffen, wo bei Gift- oder Schleimdrüsen zwischen der Häutungsschicht des Ausführungsganges und den umgebenden Epidermiszellen kontraktile Fasern zu sehen gewesen wären.

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Rückbildung, Verhornung, unterworfen sind, je weiter distal sie liegen.

2) In der Hornschieht finden sich eigenthümliche Zellen, Becherzellen, welche aus Zellen der Schleimhaut wahrscheinlich durch Quellung des Inhaltes entstehen.

3) Die Becherzellen münden nicht auf der freien Körperober- fläche, sondern auf der Epidermis im engeren Sinne unterhalb der Häutungsschicht. Sie sind einzellige Drüsen, haben also eine sekre- torische Funktion. Das Sekret lockert die Häutungsschicht von ihrer Unterlage, der Hornschicht, stösst sie aber nicht ab.

4) Hat die Becherzelle an einer Häutungsschicht ihre sekre- torische Funktion bethätigt, so bildet sie sich zurück. Erst nach- dem die alte Häutungsschieht abgeworfen und eine neue an ihre Stelle getreten ist, entwickelt sie sich von neuem. So vermag eine Becherzelle ihre ablösende Wirkung einige Male hinter einan- der an verschiedenen Häutungsschichten auszuüben, bis sie selbst in eine solche eintritt.

5) Die untersten Zellen der Schleimschicht tragen an ihrem proximalen, der Cutis unmittelbar aufliegenden Ende unregel- mässige, franzenartige Fortsätze. Diese dienen zur Ernährung sowohl der Zellen, denen sie angehören, wie der darüber liegen- den. Indem diese Fortsätze in die Cutis eindringen, erzeugen sie in derselben entsprechende Vertiefungen. Die zwischen den Vertiefungen stehen gebliebene Masse der Cutis täuscht auf dem optischen Querschnitt das Bild von der Cutis eigenthümlichen Hervorragungen vor.

6) In der Oberhaut der Kröten und Salamander gibt es zwei Arten von Drüsen: Schleim- und Giftdrüsen, welche anatomisch und physiologisch wesentlich von einander verschieden sind.

7) Die Giftdrüsen finden sich nur auf dem Rücken des Kör- pers und der Gliedmaassen, die Schleimdrüsen sind über den gan- zen Körper überaus zahlreich verbreitet.

8) Die Giftdrüsen des Salamanders bestehen von innen nach aussen aus dem Epithel, einer einfachen Lage kontraktiler Fasern, der bindegewebigen Tunica propria. Auf dieser liegen in lockerem Bindegewebe überaus zahlreiche Capillaren, zwischen diesen und weiter nach aussen bisweilen Pigment, dann folgt die tiefe Corium- lage, welche die Giftdrüse vollständig umgiebt.

9) Die kontraktilen Fasern sind also auf der Innenfläche

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der Membrana propria gelegen. Sie stellen spindelförmige Zellen dar, in deren Mitte der längliche Kern liegt, und sind angeord- net wie die Meridiane an einem Globus. Indem sie sich zu- sammenziehen, pressen sie das Sekret aus der Drüse heraus; dabei kommen Faltenbildungen der Membrana propria besonders am Grunde zu Stande; diese Faltenbildungen dienen zugleich zur Vergrösserung der secernirenden Oberfläche. Ausserdem findet sich im Drüsenhals noch eine zweite Lage von kontraktilen Fasern; dieselben liegen nach innen von den vorigen und ver- laufen wie Breitengrade an einem Globus ; ihnen kommt die Be- deutung eines Sphinkters zu.

10) Das Epithel der Giftdrüsen besteht aus bald rundlichen, bald unregelmässigen, anscheinend indifferenten Zellen, welche sich mit einem Fuss durch die kontraktilen Fasern hindurchdrän- sen und so mit der Membrana propria in unmittelbarer Berührung stehen. Die Vermehrung der Elemente erfolgt durch indirekte Kerntheilung.

11) Von den Epithelzellen gelangen nur immer einige auf einmal zur Entwicklung. Man findet daher in den Drüsen kein gleichmässiges, zusammenhängendes, die Innenfläche auskleiden- des Epithel.

12) Die Epithelzelle wird zur giftigen und tritt in ihre eigent- liche Entwicklung ein dadurch, dass in ihrem Innern Giftkörner auftreten. Dieselben sind umgewandeltes Protoplasma.

13) Eingeleitet und durehgeführt wird die Entwicklung durch den Kern, welcher hier eine ausserordentlich hohe Summe speeifi- scher potentieller Energie darstellt.

14) An irgend welche bestimmte Formen ist die Entwickelung der Giftzelle nieht gebunden. Die jeweilige Gestalt einer Gift- zelle erklärt sich aus den Druckverhältnissen, die an den Zellen unter einander stattfinden.

15) Die Giftzellen werden schliesslich zu Gebilden von ganz erheblicher Grösse („Riesenzellen“). Indem an dem oberen Ende die Membran sich auflöst oder platzt, ergiesst sich der Inhalt der Zelle, die Giftkörner, in das Lumen der Drüse, die dadurch ein trübes, körniges Ansehen erhält. Der Kern geht dann ebenfalls allmählich zu Grunde.

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Nachtrag.

Herr Professor Fritsch hatte die Güte, mich auf eine jüngst erschienene Arbeit von Drasch!) aufmerksam zu machen; dieselbe gelangte erst nach Beendigung dieser Arbeit in meine Hände. Da ich erhebliche Aenderungen im Text nicht mehr vornehmen konnte und andererseits die schon beträchtliche Zahl der Anmer- kungen nicht um eine neue vermehren wollte, so sei dieser Arbeit an dieser Stelle gedacht.

Zunächst wurde ich durch dieselbe auf eine Arbeit von Engelmann?) aufmerksam, welche mir entgangen war. Engel- mann unterscheidet in der Oberhaut des Frosches zwei Arten von Drüsen: Körnerdrüsen und Schleimdrüsen. „Den Körnerdrüsen der Froschhaut entsprechen die Gift- und Seitendrüsen der Kröten. Ferner gehören hierher die Ohrdrüsen und Seitendrüsen der Sala- mander und Tritonen und die grossen Hautdrüsen der Coeeilia. Das Sekret aller dieser Drüsen scheint giftige Eigenschaften zu haben.“ Indess sind für Engelmann bei dieser Eintheilung und Zusammenstellung der Drüsen nicht so sehr innere, anatomische und physiologische, Gründe massgebend gewesen, als vielmehr das äussere Ansehen. So giebt Engelmann an, dass die Körnehen- drüsen den Nickhäuten fehlen. Drasch aber weist gerade in seiner Arbeit nach, dass es Niekhäute gibt, in deren Drüsen fast sämmtliche Zellen eigentliche Körnchenzellen seien, und kommt daher zu dem Schluss, dass man für die Niekhaut diese Drüsen- eintheilung Engelmann’s fallen lassen müsse 3).

Engelmann hat an den Hautdrüsen der Frösche ebenfalls kontraktile Fasern gesehen, welehe, meridional angeordnet, die- selbe wie eine Hülle umgeben. Ihr Lagerungsverhältniss aber zur Membrana propr. hat er nicht erkannt, da er überhaupt keine Membr. propr. gesehen hat: „Eine strukturlose Membran lässt sich weder auf der Aussenfläche der Muskelhaut, noch innen, zwischen dieser und dem Epithel nachweisen.“

Drasch theilt die Angaben Engelmann’s über die Muskel- hüllen der Drüsen mit, auch führt er die Autoren an, die schon vor Engelmann diese glatten Muskelfasern gesehen. Indem er

1) 20. 2) 21. 3) 20 $. 109.

Fr

N

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seine eigenen histologischen Untersuchungen mittheilt, giebt er zu, dass diese Drüsen oft ein Ansehen darbieten, als ob die Drüsen- zellen nach aussen von einem Kranz von Spindelzellen eingefasst würden. Trotz alledem fährt er im nächsten Satz fort: „Es sind dies nichts weiter als die stark nach dem Drüseninnern vorgewölb- ten Kerne der Membr. propr.“!). Von der Membr. propr. heisst es weiter unten): „Sie stellt sich als eine Haut dar, in welcher ausser den Kernen nichts weiter zu unterscheiden ist.“ „Ich habe nicht finden können, dass dieselbe etwa aus spindelförmigen Zellen zusammengesetzt ist.“ Doch heisst es am Schlusse desselben Ab- schnittes: „Die Kerne scheinen spindelförmigen Zellen anzu- gehören.“ Einige Seiten später werden diese Spindeln als op- tische Querschnitte verdieckter Membranstellen erklärt?).

Ich habe zwar die Drüsen der Nickhaut des Frosches nie untersucht, dennoch stehe ich auf Grund der eben angeführten eigenen Schilderungen Drasch’s sowie seiner Zeichnungen auf Taf. III und V nicht an zu behaupten, dass es sich hier in der That ebenfalls um spindelförge kontraktile Fasern handelt, welche der Innenfläche der Membr. propr. aufliegen. Hat diese Behaup- tung Bestätigung erfahren, so dürften auch wohl einige andere Angaben Drasch’s über die Sekretion eine Aenderung erfahren.

Erklärung der Abbildungen auf Tafel II.

Sämmtliche Abbildungen sind nach Präparaten von Ohrdrüsen der Sala- mandra mac. mit einem Hartnack’schen Mikroskop (nur Fig. 13 mit einem Leitz) ohne Zeichenapparat angefertigt. J.-A. (= Jod-Alkohol) und 8. (= Sal- petersäure) beziehen sich auf die Härtungsmethoden, K.-H. (= Kupfer-Häma- toxylin), H.-C. (= Hämatoxylin-Carmin), H.-E. (= Hämatoxylin-Eosin) auf die Färbungsmethoden, cf. S. 14.

Fig. 1. Uebersichtsbild. a = Häutungsschicht. b= Epidermis im engeren Sinne; in der Schleimschicht sieht man die Zellkerne angedeutet. ce = Oberster Lederhautsaum. d = lockeres Bindegewebe e = tiefe Coriumslage, dieselbe ist zwischen den Giftdrüsen zu einem blossen Fachwerk zurückgebildet. e, = Verbindungsstränge von der tiefen Coriumslage zum obersten Saum derselben. f = tiefe lockere Bindegewebslage, darin ein Gefäss (f,) des tiefen Haut- capillarnetzes getroffen. g = Schleimdrüsen. h = Giftdrüsen.

1) 20 8. 109. 2) 20 8. 112. 3) 20 8. 118.

Fig.

Fig.

Fig.

Fig.

ot

u

Ueber die Giftdrüsen der Kröten und Salamander. 55

Die Giftzellen (bei i eine besonders dichte Anhäufung derselben) sitzen dicht neben einander der Membr. propr. k auf. Man erkennt ihre Membran und die Giftkörner, mit denen sie vollgestopft sind. 1 = lockeres Bindegewebe, welches die Giftdrüsen umgiebt. m = Capillaren. n= eine in der Entwicklung zurückgebliebene Giftdrüse. Bei o ist ein Ausführungsgang unweit seines Lumens getroffen, man sieht die Verbreiterung (Einziehung) der Epidermis und die dichte Pigmentanhäufung. Bei p erscheint die Häutungsschicht etwas abgehoben, stärkere Vergrösserung zeigt, dass hier Becherzellen liegen. S. K.-H. Oec. 3, Obj. 2.

Querschnitt durch die Epidermis. a = Häutungsschicht. b = Horn- schicht. b, = die schon zur Häutungsschicht sich umbildende Lage der Hornschicht. ce = Schleimschicht; man sieht zwischen den ein- zelnen Zellen die Intercellularbrücken und an den untersten die der Cutis zugewandten franzenartigen Fortsätze; bei c, zeigt der Kern Knäuelfigar. d = Becherzellen, über ihnen ist die Häutungsschicht besonders stark abgehoben und etwas ausgebuchtet. Sekret ober- halb der Zellen ist nicht mehr wahrzunehmen, da dieselben sich schon zur Rückbildung anschicken. S., K.-H. 0Oc. 4, Obj. 7. Häutungsschicht auf einem Flachschnitt. a = Ueberreste von Kernen, reichlich mit Pigment umgeben. b = eine noch offene, b, = eine bereits geschlossene Oeffnung für die Becherzellen. S., K.-H. Oc. 4, Obj. 7.

Pigmentfreies Stück aus einer abgestossenen Ilaut. a = geschlossene Mündung der Becherzellen. b = Ausschnitt für den verschliessen- den Schleimpfropf der Becherzelle an einer isolirten Seite der Zelle. e = verhornte Becherzelle.. d = der den Ausführuugsgang einer Schleimdrüse auskleidende Theil der Häutungsschicht. Hämatoxylin. Oc. 4, Obj. 7.

Die beiden obersten Lagen der Hornschicht. a = die oberste Lage, zur Häutungsschicht fast schon umgebildet. Bei c ist ein Kern ge- troffen, man sieht deutlich unter ihm den Zellkontour herumgehen. b = nächstfolgende Lage, die auf der unteren, proximalen Fläche die Intercellularfortsätze zeigt. Die Häutungsschicht über a ist ab- gefallen. S., K.-H. Oc. 4, Obj. 9 (Wasser-Immers.).

Schnitt durch das Lumen des Ausführungsganges.. a = Häutungs- schicht (rechts durch die Präparation losgelöst,. b= Epidermis im engeren Sinne. ce = Becherzelleu. d = oberster Cutissaum. e = lockeres Bindegewebe. f = tiefe Cutislage. g = Segment einer Schleimdrüse. h = Pigmentschicht. i = das die Drüse umgebende lockere Bindegewebe, rechts Querschnitt durch ein Capillargefäss. k = Membr. propr. 1= Lumen des Ausführungsganges, zu innerst von der Häutungsschicht ausgekleide. m = circuläre kontraktile Fasern im Drüsenhals (Sphinkter) mit Kernen. n = Giftzelle, im

56

Fig. 7.

Fig. 8.

Fig. 9.

Fig. 10.

Fig. 11.

Fig. 12.

Fig. 13.

1:

Paul Schultz:

Begriffe ihren Inhalt in das Drüsenlumen zu entleeren. o = Kern- rest. p = Ueberreste von zu Grunde gegangenen Kernen. q = Ueber- rest einer zu Grunde gegangenen Giftzelle..e r = meridional ange- ordnete kontraktile Fasern. S., K.-H. Oec. 3, Obj. 5. Die meridional angeordneten kontraktilen Fasern der Fläche nach. Sublimat-Jod-Alkohol, H.-E. Oc. 3, Obj. 7. Die meridionalen kontraktilen Fasern im Längsschnitt. a= Membr. propr., darauf die kontraktilen Fasern. b = lockeres Bindegewebe mit c = Blutgefässen, d = Pigment. e tiefe Coriumslage. J.-A., H.-E. Oc. 3, Obj. 7. Die meridionalen kontraktilen Fasern im Querschnitt. a-—e wie Fig. 8. f = Kernüberreste von Giftzellen. g = Segment einer Giftzelle. J.-A., H.-C. 0Oec. 3, Obj. 7. Durchschnitt durch zwei benachbarte Giftdrüsen. a = das tiefe Corium, welches zwischen den beiden Drüsen zu einer dünnen Wand zurückgebildet ist. b = lockeres Bindegewebe mit Capillaren und Pigment. c = Membr. propr., darauf jederseits die Giftzellen („Riesenzellen“) mit den am Boden liegenden grossen Kernen; die Zellen sind vollgestopft mit Giftkörnern und zum Theil schon in Auflösung begriffen. Die kleinsten Kerne, welche der Membr. propr. unmittelbar aufliegen, sind Kerne der kontraktilen Fasern, mög- licherweise gehört der eine oder der andere einer jugendlichen Epithelzelle an. J.-A., H.-C. Oec. 3, Obj. 5. Schrägschnitt durch die Wand einer Giftdrüse. a= Membr. propr. = lockeres Bindegewebe mit Capillaren. ce = tiefe Cutislage. Bei d zwei kontraktile Fasern, zwischen welche sich eine Giftdrüse mit ihrem Fuss einschiebt. Kontraktile Fasern der Fläche nach. Bei a sieht man Lücken, welche den der Membr. propr, aufsitzenden Fuss der Giftzelle enthalten. Fig. 11 und 12: Sublimat-Jod-Alkohol, H.-E. Oc. 4 Obj. 7. a = Membr. propr. b = lockeres Bindegewebe mit Capillaren und Pigment. c = tiefe Cutislage. Auf der Membr. propr. liegen kontraktile Fasern, der Länge nach getroffen. Darüber sieht man zu Grunde gegangene Giftzellen, deren Membran zum Theil noch sichtbar ist, und deren Inhalt an einzelnen Stellen noch zusammen- hält. Die grossen Kerne rühren von diesen Giftzellen her und sind in volliger Auflösung begriffen.

Verzeichniss der angeführten Werke.

Albini. Ueber das Gift des Salamanders. Verhandl. der k. k.

zoolog.-bot. Gesellschaft. Wien. Bd, 8, 1858.

Ueber die Giftdrüsen der Kröten und Salamander. 57

2. Bolau. Beiträge zur Kenntniss der Amphibienhaut. Dissert. Göttingen. 1864.

3. Brehm. Thierleben. Grosse Ausgabe. Dritte Abtheilung. Erster Band. Leipzig. 1878.

4. Calmels. Des Glandes a venin du crapaud. Archives de Phy- siologie. Paris. 1883.

5. Czermak. Die Nerven des Frosches. Müllers Archiv für Ana- tomie. 1849.

6. Eckhard. Ueber den Bau der Hautdrüsen der Kröten u. s. w. Müllers Archiv für Anatomie. 1849.

7. Fritsch. Die äussere Haut und die Seitenorgane des Zitterwelses (Malopterus electricus). Sitzungsberichte der k, Pr. Akademie der Wissen- schaften. Berlin. 1886. XXI.

8. Gemminger. Tödtliche Vergiftung eines Sperbers durch eine Kröte. Frorieps Tagesber. Nr. 635. Zool. Bd. 3. 1852.

9. Langerhans. Ueber die Haut der Larve von Salamandra mac. Arch. f. mikr. Anat. IX. 1873.

10. Leydig. Lehrbuch der Histologie des Menschen und der Thiere. Frankfurt. 1857.

11. Leydig. Ueber die Molche (Salamandrina) der württembergischen Fauna. Separat-Ausg. Berlin. 1867.

12. Leydig. Ueber die allgemeinen Bedeckungen der Amphibien. Arch, f. mikr. Anat. XII. 1876.

13. Leunis. Synopsis der Thierkunde. Erster Band. Hannover. 1883.

14. Mitrophanow. Zeitschr. f. wissenschaftl. Zoologie. Bd.41. 1885.

15. Pfitzner. Die Epidermis der Amphibien. Morphologisches Jahr- buch. Sechster Band. Leipzig. 1880.

16. Rainey. On the structure of the cutäaneos follicles of the toad. Quart. Journ. mieroscop. Se. Vol. 3. 1855.

17. Eilh. Schulze. Epithel und Drüsenzellen. Arch. f. mikrosk. Anat. Bd. 3. Bonn. 1867.

18. Turner. Ueber die Häutung der Kröten. Frorieps Tagesberichte. Nr. 207 (Zool. Bd. 1).

19. Tornier. Ueber Bürstenbesätze an Drüsenepithelien. Arch. f. mikrösk. Anat. XXVII. 1886. Bonn.

20. Drasch. Beobachtungen an lebenden Drüsen mit und ohne Reizung der Nerven derselben. Arch. f. Anat. u. Physiol. Physiologische Abtheilung.

21. Engelmann. Die Hautdrüsen des Frosches. Pflügers Archiv. 1872. Bd. 5.

22. List. Ueber Becherzellen. Arch. f. mikrosk. Anat. XXVII. 1886. Bonn.

58 Dr. F. Hermann:

Beiträge zur Histologie des Hodens, Von

Dr. F. Hermann,

Docent an dem anatomischen Institut Erlangen.

Hierzu Tafel III und IV.

Die Untersuchungen, deren Resultate in den folgenden Blättern niedergelegt werden sollen, waren ursprünglich eigentlich nicht zu dem Zwecke angestellt worden, den Gegenstand einer Publikation zu bilden. Sie sollten nur dazu dienen, mir aus eigener An- schauung einen Einblick zu verschaffen in jene complizirten Vor- gänge, die wir unter dem Ausdrucke Spermatogenese zusammen fassen und die ja gerade in den letzten Jahren so mannigfache Bearbeitung gefunden haben.

Ich glaubte, meiner ursprünglichen Aufgabe am besten ge- recht werden zu können, wenn ich die Verhältnisse an den Ver- tretern zweier Wirbelthierklassen, den Säugethieren einerseits, andererseits den Amphibien studirte und wurde deshalb die Maus und Salamandra maculosa als Untersuchungsmaterial gewählt. Bald aber wurde meine Aufmerksamkeit auf eigenthümliche Verhältnisse gelenkt, bald drängten sich mir Fragen auf, deren Beantwortung ich in der mir zugänglichen Litteratur vergeblich suchte, Fragen, deren Lösung, soweit sie mir gelang, den Inhalt der folgenden Zeilen bilden soll.

Untersuch ungsmethode.

Bevor ich mich meiner eigentlichen Aufgabe zuwende, möge es gestattet sein, der Untersuchungsmethode Erwähnung zu thun, die dabei zur Anwendung gelangte.

Im Allgemeinen habe ich mich zur Härtung der Flemming- schen Chromosmiumessigsäure bedient; zuletzt bekam ich aber durch eine leichte Modifikation dieser Mischung, indem ich die

Beiträge zur Histologie des Hodens, 59

Chromsäure durch 1%, Platinehloridlösung ersetzte, ausgezeichnete Resultate. Es hat diese Härtungsflüssigkeit!) vor der ursprünglichen Flemming’schen Misehung den Vortheil, dass sie die Protoplasma- strukturen, dieselben leicht bräunend, weit besser zur Anschauung bringt. Schnitte aus dieser Lösung lassen, auch in ungefärbtem Zustande, mit starken Linsen untersucht, auch die feinsten Details in Bezug auf Struktur des Kernes und des Zellleibes und nament- lich auch die Zellgrenzen ersichtlich werden.

Für die Härtung der Säugethierhoden mag dabei noch fol- gendes erwähnt werden: bekanntlich dringt die Osmiumsäure sowie ihre Gemische nieht rasch in die Tiefe und gilt es deshalb als Regel, nur kleine Gewebspartikel in die Fixirungsflüssigkeiten ein- zulegen. Dies bringt nun speziell für das Studium des Säugethier- hodens verschiedene schwer ins Gewicht fallende Nachtheile mit sich. Im Gewebe des Hodens besteht bekanntlich ein ziemlich bedeutender Druck, so dass beim Einschneiden in die Albuginea die Samenkanälchen sich allenthalben über die Schnittfläche vor- drängen; dadurch aber wird selbst in Partieen, die der Schnitt- fläche weit entfernt liegen, das Gewebe so stark gezerrt, der Ver- band der einzelnen Zellelemente unter einander so sehr gelockert, dass die Präparate absolut kein treues Bild der natürlichen Ver- hältnisse geben.

Es mag deshalb der Wink gegeben werden, den Hoden in toto der Härtung zu unterwerfen; der Hoden der Maus ist so klein, dass er von der Fixirungsflüssigkeit leicht ganz durchdrungen wird, bei grösseren Thieren wird freilich nur eine ungefähr 3 bis 4 mm dicke Rindenschichte brauchbar sein, diese befindet sich dann aber auch in einem Zustande, der die Beobachtung sowohl der feinsten Details, als auch des topographischen Zusammenhanges der einzelnen Zellelemente untereinander möglich macht.

Die durch die erwähnten Härtungsmittel fixirten, in Alkohol von allmählich steigender Concentration nachgehärteten Hoden wurden nach Paraffineinbettung in feine Serienschnitte zerlegt und diese, mit Eiweiss auf dem Objektträger festgeklebt, einer combinirten Färbung mittelst Saffranin und Gentianaviolett unter- worfen. Selbst auf die Gefahr hin, Manchem damit nichts Neues

1) Platinchlorid 10/,, 15 Maasstheile, Osmiumsäure 2°/,, für Säugethier- gewebe 4, für Salamandergewebe 2 Maasstheile, Eisessig 1 Maasstheil.

-.

60 j Dr. F. Hermann:

zu sagen, möchte ich doch diese Tinetionsmethode etwas ausführ- licher beschreiben, da ich überzeugt bin, dass sich dieselbe bei ällgemeinerer Anwendung viele Freunde erwerben wird. Die in Anilinwasser (Farbstoff 1,0, Alkohol abs. 10,0, Anilinwasser 90,0) gelösten Farbstoffe kommen getrennt zur Wirkung. Die Schnitte kommen zuerst auf 24—48 Stunden in die Saffraninlösung und werden dann ‘ganz nach der bekannten Anweisung: von Flem- ming mit Wasser, saurem Alkohol und Alkohol abs. weiter- behandelt, der Farbstoff jedoch nicht soweit ausgezogen, dass die Präparate ohne weiteres brauchbar sind. Aus dem Alkohol abs. kommen die Schnitte direkt auf 3—5 Minuten in die Gentiana- violettlösung und werden genau wie bei der Gram’schen Methode, in Alkohol flüchtig abgespült, der Einwirkung einer Jod-Jodkali- lösung (Jod 1,0, Jodkali 2,0, Agq. dest. 300) ausgesetzt. In dieser Lösung verbleiben die Präparate I—3 Stunden, bis sie vollständig schwarz geworden sind; durch diese längere Einwirkung erreicht man, dass die nachträgliche Differenzirung mit Alkohol abs. be- deutend verlangsamt wird und dadurch die gewünschte Nuance leichter zu treffen ist. Die Dauer der Differenzirung lässt sich natürlich nur durch einige Uebung feststellen; im Allgemeinen mag bemerkt werden, dass die fertigen Präparate einen violetten Ton, der einen leichten Stich in’s Bräunliche zeigt, besitzen sollen. Aus dem Alkohol gelangen die Schnitte in Xylol, welches jede weitere Entziehung des Farbstoffes hintanhält, und werden endlich in Xylol-Canadabalsam eingebettet.

Ein in dieser Weise hergestelltes Präparat zeigt nun folgen- des instruktive Bild: in. den ruhenden Kernen haben nur die wahren Nucleolen das Saffranin fest gehalten und sind grell roth gefärbt, während das Chromatinnetz in seinen feinsten Fäserchen, sowie die derberen Netzknoten blauviolett tingirt sind. In den sich theilenden Kernen sind die Phasen vom Monaster bis’zum Dyaster. roth, Monospirem und Dispirem dagegen blau gefärbt. Ausserdem wird das Saffranin noch ausschliesslich in den degenerirenden Kernen und von den Granula der Mastzellen fest gehalten. Zu gleicher Zeit sind durch das längere Verweilen der Schnitte. in der Jodlösung die Protoplasmastrukturen des Zellleibes sowie das Faserwerk der achromatischen Spindel leicht gelbbraun ge- färbt und dadurch deutlich sichtbar geworden.

Beiträge zur Histologie des Hodens. 61

I. Die Entwicklung des Mittelstückes und des Flossensaumes der Spermatozoen von Salamandra.

Untersucht man feine Schnitte dureh die Hoden von Sala- mandern, die im September oder October getödtet wurden, nach Anwendung der oben beschriebenen Fixirungs- und Tinetions- methode, so sind es vor allem die Bündel der reifen Spermatosomen, die unsere Aufmerksamkeit dadurch fesseln, dass sie ungemein reizende und instructive Bilder geben (Fig. 1). Der lange, spiess- förmige Kopf erstrahlt zu seinem grössten Theile in einem leuch- tenden, etwas ins Rostbraune spielenden Roth, nur seine Spitze und der an derselben befindliche Widerhacken hat sich blauviolett tingirt; dieselbe Farbe hat auch das cylindrische Mittelstück an- genommen, während Schwanzfaden und der denselben umwindende Spiralsaum braunviolett gefärbt sind und dadurch deutlich und scharf zur Anschauung gelangen. Ueber den Process, wie die Spermatiden sich umbilden zu den Spermatozoen, über die feineren histologischen Vorgänge, durch welche der runde Spermatidenkern allmählich in das lange, spiessförmige Kopfstück des Spermatosoms übergefihrt wird, haben uns die schönen Untersuchungen Flem- ming’s (l), man kann wohl sagen bis ins kleinste orientirt und kann ich denselben mit Ausnahme einiger weniger, untergeordneter Punkte nichts Neues hinzufügen, muss mich vielmehr darauf be- schränken, dieselben voll und ganz zu bestätigen. Nur in Bezug auf die Genese des Mittelstückes, sowie des Schwanzfadens kam ich zu wesentlich anderen Ergebnissen wie Flemming, zu Befunden, die so viel des Wunderbaren boten, dass ich meinen Augen kaum traute, als dieselben zum ersten Male mir entgegentraten. Mag es nun immer- hin ein Wagniss sein, einem gerade in der Kernhistologie so überaus erfahrenen Meister wie Flemming widersprechend entgegenzutreten, so glaube ich dazu trotzdem berechtigt zu sein auf Grund meiner Präparate, die mir so eindeutig zu sein scheinen, dass, wenigstens bis zu einem gewissen Grade, die Richtigkeit der darzustellenden Verhältnisse keinem Zweifel unterliegen möchte.

Darf ich vorher erst in Kürze das vorausschicken, was Flem- ming über die Genese des Mittelstückes und des Schwanzfadens der Salamanderspermatosomen festgestellt hat. Die Anlage des Mittelstückes zeigt sich nach Flemming schon an Kernen, die

62 Dr. F. Hermann:

eben erst Birnform angenommen haben, als ein am stumpfen Pole der Kernmembran dicht anliegendes abgeplattetes Körperchen, welches deutlich ehromatisch ist. Dasselbe zerfällt, sich vergrössernd, in späteren Stadien „in zwei Abschnitte, einen kleineren vorderen, der eine dünne Scheibe darstellt, und einen grösseren hinteren, der die Form einer Schüssel oder Dose zu haben scheint, mit der offenen Concavität nach vorne gerichtet.“ Die Mittelstückanlage ist in diesen Stadien noch chromatisch und lässt sich der Anfangs- theil des Schwanzes „durch die Mitte des Schüsselchens hindurch verfolgen.“ „An fast reifen Fäden hat das Mittelstück noch eine planeonvexe Form: es ist jetzt nicht mehr, oder nur sehr schwach tingirbar.“

Ueber das Verhalten des Mittelstückes zur Kernmembran liess sich Sicheres nicht feststellen, doch ‚‚macht es den Eindruck, als ob das Mittelstück der Innenfläche der Membran fest ansässe“. Aus diesen Befunden schliesst Flemming, dass das Mittelstück sowohl, als auch der Hauptfaden des Schwanzes vom Kern aus gebildet wird, auch für den Spiralfaden erscheint dies als möglich.

Diesen Ausführungen Flemmings kann ich nun nach meinen Untersuchungen durchaus nicht beipflichten; für's erste vermochten dieselben zu zeigen, dass die Anlage des Mittelstückes schon in Spermatiden zu finden ist, deren Kern noch vollständig kugelrund ist, der sich also noch nicht angeschickt hat, seine Metamorphose in den Spermatozoenkopf einzugehen. Solche Spermatidenkerne (Fig. 2. 3) sind von einem sehr dichten Chromatinnetz durchsetzt, welches sehr deutlich seine Zusammensetzung aus rundlichen Mikro- somen und feinen, dieselben zu Strängen verbindenden Fädchen erkennen lässt und in sich 3—4 verhältnissmässig kleine Nucleolen birgt. Der Zellleib der Spermatiden dieses Stadiums enthält nun, umgeben von einem lichten Hof, einen eigenthümlichen Körper, für den ich, um einen nichts präjudieirenden Namen zu haben, den Ausdruck „Nebenkörper‘ wähle und von dem sich in fol- gendem nachweisen lassen wird, dass er als die Anlage des Mittelstückes des Spermatosoms zu betrachten ist. Dasselbe, und darauf möchte ich gleich zu Anfang nachdrücklichst hinge- wiesen haben, entsteht also extranuceleär. Sehen wir nunzu, wie der Nebenkörper zusammengesetzt ist. Wir müssen an demselben zuerst einen farblosen Bestandtheil unterscheiden, der sich in

Beiträge zur Histologie des Hodens. 63

Form eines, dureh die Osmiumsäure leicht gelbbraun gefärbten, ovalen Gebildes darstellt. An der Peripherie desselben erblickt man nun ein chromatisches Element doppelter Natur; dasselbe besteht nämlich erstens aus einem runden, dureh Saffranin leuchtend roth gefärbten Körperchen und zweitens aus einem dunkelviolett tin- girten Ringe. Dieser Ring, von dem rothen Körperchen stets durch einen schmalen Zwischenraum geschieden, ist leicht der Fläche nach gebogen, gewissermaassen schüsselförmig gestaltet und reprä- sentirt sich beim ersten Anblick mehr als bisquitförmiges Gebilde; durch Anwendung der Mikrometerschraube lässt sich aber seine Ringgestalt sicher constatiren und feststellen, dass die beiden lateralen Verdiekungen nur als der optische Ausdruck des Quer- schnittes der Ringspange aufzufassen sind, und endlich wird jeder Zweifel an der ringförmigen Gestalt des violetten Gebildes dann beseitigt, wenn, wie dies häufig der Fall ist, das Gebilde mit seiner Fläche zur Beobachtung gelangt. Der chromatische Bestandtheil besitzt zum farblosen Theile des Nebenkörpers nicht immer ein und dieselbe Stellung, woraus vielleicht der Schluss gezogen werden dürfte, dass derselbe um das farblose Körperchen kreisende Bewegungen ausführt, auch ist die Stellung des ganzen Neben- körpers zum Spermatidenkern in diesem Stadium keineswegs eine constante. Bald jedoch (Fig. 4) ändert sich das, der Nebenkörper nähert sich dem Kern und stellt sich mit dem rothgefärbten Kör- perchen senkrecht auf die Kernoberfläche ein, indem er die Form eines Kegels annimmt, dessen Basis in dem ovalen farblosen Be- standtheil des Nebenkörpers, dessen Spitze in dem rothen Knöpf- chen gegeben ist; zugleich lässt sich nun wahrnehmen, wie ein Bündel convergirender feinster Fäserchen, den violetten Ring durchsetzend, von dem ersteren zu dem rothen Körperchen aus- gespannt ist. Mittlerweile hat auch an dem Kern der Spermatide eine leichte Veränderung stattgefunden, derselbe ist etwas gewachsen, das denselben durchsetzende Chromatinnetz ist dichter geworden und zeigt sich nunmehr rein aus strangförmig aneinander gereih- ten Mikrosomen gebildet, dazwischen 3—4 kleine Nucleolen. In der Fig. 4 habe ich versucht, das Aussehen eines Spermatiden- kernes in diesem Stadium wiederzugeben, muss aber gestehen, dass mir dies trotz vieler Bemühungen nicht zu voller Zufriedenheit gelungen ist, es entspricht die Grösse der Mikrosomen wohl der Wirklichkeit, allein es kommt vielleiebt das feine Maschenwerk,

64 Dr. F. Hermann:

das durch dieselben gebildet wird, weniger zur Geltung, als es eigentlich sollte. Mit der Einstellung des Nebenkörpers auf der Kernoberfläche sind wir nun schon in diesem Stadium orientirt, welche Seite des Kernes bei der Umbildung in das Spermatosom die distale, welche die proximale des Spermatozoenkopfes werden wird. Wir sehen nämlich, wie sich das rothe Knöpfehen des Nebenkörpers an dem stumpfen Pol des nunmehr birnförmig verlängerten Spermatidenkernes in das Innere desselben hereinbegibt (Fig. 5), während Ring und farblose Kugel im Zellleib verbleiben. Ich konnte dieses Eindringen an meinen Präparaten vollkommen sicher beobachten, indem man deutlich die Kernmembran zwischen Knöpfehen und Ring hindurch- gehen sieht. In dem eingedrungenen rothen Knöpfchen des Nebenkörpers haben wir nun die definitive Anlage des Mit- telstückes des Spermatozoenkopfes vor uns und haben jedenfalls solche Bilder Flemming bei seiner oben citirten Be- schreibung vorgelegen, die ich insoferne noch ergänzen kann, als sich nunmehr die intranucleäre Lage dieser Mittelstückanlage, die Flemming blos vermuthete, sicher feststellen liess.

Wir wollen nun vorderhand die Schicksale, welchen der Ring, sowie der farblose Theil des Nebenkörpers entgegengehen, voll- ständig bei Seite lassen und uns nur mit den Vorgängen beschäf- tigen, welche das Knöpfehen von seinem Eindringen in den Sper- matidenkern bis zu seiner Umbildung in das Mittelstück durch- macht. Bald nach dem Eindringen desselben lässt sich be- obachten, dass, wie das ja Flemming nachgewiesen hat, sich die achromatische Kernmembran und zwar zuerst am stumpfen Pol des sich immer mehr verlängernden Kerns von dem chromatischen Bestandtheil desselben los macht (Fig. 6) und lässt sich dadurch die intranucleäre Lage der Mittelstückanlage nur um so sicherer nachweisen. Rasch wächst nun die letztere heran (Fig. 7. 8) und stellt bald ein ovales Körperechen dar, das ungefähr das 6fache Volumen des ursprünglich eingedrungenen Knöpfchens erreicht hat, während zu gleicher Zeit das chromatische Filzwerk des Spermatozoenkopfes den höchsten Grad seines Verdichtungsproces- ses erreicht und nun einen missfarbenen, zwischen Violett und Roth stehenden Farbenton zeigt. Gehen wir einen Schritt weiter, so sehen wir den Spermatozoenkopf vollkommen homogen gewor- den und im leuchtenden Roth des Saffranins erstrahlen, wogegen

Beiträge zur Histologie des Hodens. 65

das Mittelstück, das nun zu einem cylinderförmigen Gebilde herangewachsen ist, entschieden an Tinctionsvermögen verloren hat, so dass es sich durch seine zartrosa Färbung deutlich von dem hochroth gefärbten Kopftheil des Spermatozoons abhebt (Fig. 9, 10, 11). Zur Zeit der Reife des Samenfadens erleidet nun das Mittelstück nochmals eine Veränderung, es wird von Saffranin überhaupt nicht mehr gefärbt, dagegen nimmt es nun die Farbe des Gentianavioletts an (Fig. 1, 22), so dass wir also an ziemlich ausgereiften Spermatozoen, wie oben bereits bemerkt, einen rothen Kopf und ein violett gefärbtes Mittelstück haben, welches in seiner Länge ungefähr dreimal die Breite des Samenfadens an seiner Basis übertrifft. Reden nun die zuletzt erwähnten Farbendifferenzen einer Veränderung in der chemischen Constitution während der Metamorphose der Spermatide in das reife Spermatozoon das Wort, so wird dies noch deutlicher, wenn man nur mit einem Farbstoffe allein, z. B. Gentianaviolett tingirt; wir bekommen da ein Stadium, in dem der Spermatozoenkopf gefärbt, das Mittelstück aber ungefärbt ist, ein anderes, in dem beide Theile sich in- different gegen den-genannten Farbstoff erweisen und endlich bei dem fast reifen Samenfaden sehen wir, dass wohl das Mittelstück, der Kopftheil dagegen nicht tingirt ist. Was das freilich für chemische Veränderungen sind, darüber lässt sich natürlich vorder- hand nichts sagen, dass sie aber stattfinden, scheint mir doch nach den angegebenen Befunden unleugbar zu sein.

Wieder zurückkehrend zu dem Ring und dem farblosen An- theil des Nebenkörpers, drängt sich uns die Frage auf: was wird aus diesen beiden Elementen? Wir verliessen dieselben in dem Moment, als das rothe Knöpfchen in das Innere des Spermatiden- kernes eindrang und sahen, dass der Ring und die farblose Kugel im Zellprotoplasma verblieben, wobei erwähnt wurde, dass von letzterer durch den Ring hindurch ein Bündel feiner Fäserchen sich bis zu dem rothen Knöpfehen verfolgen lässt. Schon in dem Stadium nun, wo sich die Ablösung der Kernmembran von dem chromatischen Antheil des Kernes einleitet (Fig. 6), entfernt sich die farblose Kugel mehr und mehr von dem violetten Ring und dürfte wohl mit dem sich ja bei der Spermatosomenbildung mehr und mehr zurückbildenden Protoplasma der Spermatide zu Grunde

gehen, wenigstens vermochte ich in keinem der späteren Stadien Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 34. 5

66 Dr. F. Hermann:

etwas von ihrer Existenz mehr nachzuweisen; der Ring aber bleibt, der Kernmembran aussen sich anschmiegend, lange erhalten. Solche Bilder mag Flemming vor Augen gehabt haben, wenn er sagt, dass die Mittelstückanlage bald eine Theilung in 2 Ab- schnitte erleidet, einen vorderen und einen hinteren, „der die Form einer Schüssel oder Dose zu haben scheint, mit der offenen Coneavität nach vorne gerichtet.“ Es mag gleich hier bemerkt werden, dass erstens der „sog. hintere Abschnitt der Anlage des Mittelstücks“, mit diesem, wie wir gleich sehen werden, nichts zu schaffen hat, und dass zweitens das schüsselförmige oder dosen- förmige Element sich bei näherer Untersuchung, wie ich oben ge- nugsam bewiesen zu haben glaube, als ringförmiges Gebilde ent- puppt hat. In diesem Stadium sehen wir nun eine neue Bildung zur Erscheinung kommen, denSchwanzfaden des Spermatosoms, der rasch hervorwächst und zwar hierbei das Centrum des Ringes durchsetzt, wie sich diess klar und deutlich namentlich an Flächenbildern des letzteren wahrnehmen lässt. Und damit wären wir wieder an der alten, immer noch nicht genügend ge- lösten Frage über die Natur des Spermatozoenschwanzfadens an- gelangt: als was ist derselbe zu betrachten, als eine protoplasma-

tische, oder aber als eine nucleäre Bildung? Für die Säugethier-

spermatozoen scheinen sich die neueren Untersucher mehr oder minder der letzteren Möglichkeit. zuneigen zu wollen und auch für die Spermatozoen des Salamanders hält es Flemming für möglich, dass wenigstens „der Hauptfaden des Schwanzes vom Kern aus gebildet wird.“ Ueber diese vom theoretischen Stand- punkt so überaus interessante Frage haben mir auch meine eigenen Untersuchungen keine lösende Antwort zu ertheilen vermocht. An und für sich wäre ich wohl geneigt, die erste Anlage des Schwanz- fadens in jenem Fadenbindel zu suchen, das wir von der farblosen Kugel des Nebenkörpers zu der Mittelstückanlage ziehen sahen, allein ich bin mir wohl bewusst, dass das nur eine blosse Ver- muthung ist, für die ich mich vergebens nach einem stringenten Beweis umsehe. Es liesse sich ja recht wohl noch eine andere Möglichkeit denken; man könnte annehmen, dass der Schwanz- faden, wie das Flemming will, vom Kerne auswächst, d. h. von dersieh abhebenden achromatischen Kernmembran, die wir ja zwischen Mittelstücksanlage und Ring hindurchgehen sahen. Eine andere Möglichkeit, dass der Schwanzfaden dem Inneren

Beiträge zur Histologie des Hodens. 67

des Kernes entstammt, dürfte auf recht bedenkliche Schwierig- keiten stossen, es müsste ja von dem sich bildenden Element das Mittelstück durchwachsen werden, eine Annahme, die doch als eine etwas gezwungene erscheinen möchte. Ist endlich der Schwanz- faden als ein Auswuchs des Mittelstücks selbst zu betrachten, so wäre damit ja der Beweis geliefert, dass jener eben nicht nucleärer Natur ist, denn wir sahen ja, dass die Mittelstückanlage ursprünglich eine extranucleäre Bildung ist.

So haben wir denn wieder keine sichere Lösung über die Frage nach der Natur des Schwanzfadens erhalten; über die Be- stimmung aber, welcher der Ring des Nebenkörpers entgegengeht, darüber vermag ich bestimmtere Auskunft zu ertheilen. Derselbe erhält sich in seiner Form und Lage sehr lange (Fig. 5—9), bis fast zur definitiven Reifung der Spermatozoen. In dieser späten Epoche aber wechselt er erstens seine Lage, indem die frühere, wie wir gesehen haben, senkrechte Stellung zum Schwanzfaden sich allmählich zu einer mehr schiefen verwandelt (Fig. 10). Dabei zieht er sich mehr und mehr in die Länge aus und wird, wohl durch schon in diesem Stadium auftretende Wimperbewegungen des Schwanzfadens, spiralig um letzteren herumgewunden, so zwar, dass die eine Seite des ausgezogenen :-Ringes sich dem Schwanzfaden innig anschmiegt, während die andere denselben als ein spiraliger Faden umkreist (Fig. 11, 12). Wir sehen also, der Ring des Nebenkörpers ist aufgegangen in jene Bil- dung, welche an dem reifen Samenfaden des Sala- manders als Spiralfaden oder Spiralraum längst be- kannt geworden ist.

Woher stammt nun der Nebenkörper, welcher in der be- schriebenen Form im Protoplasma der Spermatiden enthalten ist? Es ist selbstverständlich, dass ich mir diese Frage vorlegte, allein zu meinem Bedauern war die Antwort darauf keineswegs eine so genügende, wie ich es eigentlich gewünscht hätte. Der Grund hierfür mag darin gesucht werden, dass mir zur gegenwärtigen Jahreszeit passendes Material leider nicht zu Gebote steht. Wenn ich trotzdem hier die Ergebnisse meiner diessbezüglichen Be- mühungen mittheile, so geschieht es nur desshalb, weil dieselben mir in allgemein histologischer Beziehung des Interessanten soviel zu bieten schienen, dass es vielleicht wünschenswerth erscheinen möchte, wenn andere Untersucher, die so glücklich sind, momentan

68 Dr. F. Hermann:

über genügendes Untersuchungsmaterial zu verfügen, dem Gegen- stand ihre Aufmerksamkeit schenken wollten.

Den ersten Vorläufer des Nebenkörpers bin ich nun geneigt in einem farblosen Körper zu erblicken, der, von einem hellen Hof umgeben, im Protoplasma jener grossen Zellen gelegen ist, welcheFlemming als die erste Generation der Spermatocyten be- trachtet (Fig. 13). Von den beiden chromatischen Elementen des Nebenkörpers ist in diesem Stadium noch nichts zu erblicken. Das Merkwürdige ist nun, dass der erwähnte farblose Körper, der entweder kugelig oder leicht oval ist, während des ganzen Theilungsprocesses dieser grossen Spermatocyten im Proto- plasma erhalten bleibt, ja dass er zu dem Vorgang der Kerntheilung selbst, wie wir gleich sehen werden, in die innigste Beziehung tritt.

In den Prophasen der Kerntheilung, die ja bei diesen grossen Spermatoceyten nach den schönen Untersuchungen Flemmings (2), nach dem sog. heterotypischen Modus erfolgt, bleibt der farblose Körper ruhig neben dem sich zur Theilung anschiekenden Kerne liegen (Fig. 14, 15, 16), in dem Stadium der Metakinese, in dem es zu der eigenthümlichen tonnenförmigen Anordnung der chroma- tischen Kernfigur kommt, hat der farblose Körper seine Stelle in der Gegend des einen Poles der karyokinetischen Figur und nun kommt es zu einer Theilung desselben in 2 von einem ge- meinschaftliehen, hantelförmigen, hellen Hof umge- bene Stücke (Fig. 17). Das eine derselben bleibt an dem einen Pole der Zelle stehen, das andre wandert allmählich an die gegenüberliegende Seite (Fig. 18), und nun stellen sich die beiden Körperchen an den Spitzen der achromatischen Spindel- figur ein (Fig. 19). Nachdem diess erfolgt ist, beginnen die Chro- matinschleifen der beiden Tochterkerne 'auseinanderzuweichen, wie sich diess deutlich in den Anaphasen der karyokinetischen Figur bemerken lässt (Fig. 20, 21, 22). Folgt endlich der Kerntheilung die Zelltheilung, so sieht man jede der beiden Tochterzellen ein farbloses Körperchen enthalten, welches in der Nähe des Rabl- schen Polfeldes des Tochterkernes seine Lage hat (Fig. 28).

Das farblose Körperchen erinnert nun in der Rolle, die wir es bei der heterotypischen Theilung der grossen Spermatocyten spielen sehen, zu sehr an jene Elemente, die von van Beneden () und von Boveri(4) im Ascarisei unter dem Namen Polkörper-

Es

Beiträge zur Histologie des Hodens. 69

chen, Centrosoma beschrieben wurden, um nicht die Vermuthung aufkommen zu lassen, dass wir es in unserem Falle mit ähnlichen Bildungen zu thun haben. Freilich wird diess so lange blosse Ver- muthung bleiben müssen, ehe nicht der beweisende Nachweis ge- liefert wird, dass auch den im Salamanderhoden an den Polen der sich theilenden Spermatocyten befindlichen Körperchen jene Bildungen zukommen, die die genannten beiden Autoren als „sphere attractive, Archoplasmakugeln“ beobachtet haben. Und dieser Nachweis ist mir an meinen Präparaten nicht ge- lungen, dazu hätte es ja wohl anderer, die Strukturen des Proto- plasmas besser conservirender Fixationsmittel bedurft, als es das Flemming’sche Chromosmiumessigsäuregemisch ist, welches, wie sein Erfinder selbst angiebt, durchaus kein „histologisches Universal- mittel“ darstellt. Der schon oben erwähnte momentane Mangel frischen Materiales liess leider diese Forderung als unausführbar erscheinen.

11. Die Kerne der v. Ebner’schen Spermatoblasten bei der Maus.

Von allen Zellelementen, welche die Wand des Hodenkanäl- chens beim Säugethier zusammensetzen, dürfte wohl keines sowohl in morphologischer, als auch funktioneller Beziehung eine mehr umstrittene Stellung einnehmen, als jene eigenthümlichen Gebilde, für die seiner Zeit von Ebner(5) den Namen Spermatoblasten vorgeschlagen hat. Die Ansichten der Autoren über diese Gebilde lassen sich wohl in drei Gruppen theilen. Fürs erste werden dieselben von einzelnen Autoren (Biondi (6), von Widersperg (7)) überhaupt nicht anerkannt; für sie setzt sich die Kanälchenwand nur aus einer Art epithelialer Elemente zusammen, die auf hier nieht näher zu besprechende Weise Umwandlungen erleiden, durch welche sie in Spermatozoen übergehen. Die Mehrzahl von For- schern aber hält daran fest, dass bei dem Aufbau des Hoden- kanälchens zweierlei Typen von Zellen betheiligt sind; während aber nun die einen zu ihnen gehört vor allen v. Ebner in seinen ersten Arbeiten mit dem Begriff Spermatoblast die samenbildenden Elemente durch multiple Kerntheilung aus ver- ästelten, an der Basis der Kanälchenwand gelegenen Zellen ent-

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stehen lassen, denen sie den zweiten Typus von Elementen als

„indifferentes Hodenepithel“ gegenüberstellen, erblicken die anderen gerade in letzterem jene Elemente, die sich allmählich zu Samenzellen umbilden, und lassen dieselben theils durch wirkliche Vereinigung, theils durch blosse Anlagerung mit den ästigen Ele- menten in ‚Beziehung stehen. Bei dieser Divergenz der Ansichten der Autoren dürfte sich wohl die Frage aufwerfen lassen, worin denn der Grund liegt für diese sich widersprechenden Meinungen. Ich glaube, die Ursache hierfür möchte darin gegeben sein, dass man sich im Allgemeinen wenig darum bemüht hat, unter Zuhilfe- nahme unserer modernen histologischen Hülfsmittel für die einzel- nen Zellarten specifische typische Merkmale aufzusuchen. Und doch erlaubt unsere moderne Technik für’s erste und das gilt nicht nur für das Hodengewebe die einzelnen Zellen in ihren Contouren scharf von einander abzutrennen und dann gewähren unsere modernen Kerntinetionsmethoden uns doch einen relativ ausgiebigen Einblick in die Structur des Zellkernes; was freilich die feineren Anordnungen des Protoplasmas betrifft, da ist in technischer Beziehung Forschungen noch weiter Spielraum ge- boten. Prüft man nun nach dieser Richtung hin die Angaben und Abbildungen, welche die Autoren speziell über die v. Ebner- schen Spermatoblasten liefern, so wird man erkennen, dass da noch Vieles recht ungenau ist. Die beste Beschreibung des Sper- matoblastkernes (Fusszelle) findet sich noch bei Benda (8); derselbe charakterisirt ihn folgendermaassen: „Der Kern zeigt eine wenig tingible, also sehr zarte peripherische Chromatinschicht, einen nicht färbbaren Inhalt, einen grossen Nucleolus, der durch einige wenige Chromatinfäden mit der Chromatinmembran in Verbindung steht. Seine Gestalt ist sehr variabel, die Oberfläche oft tief ge- faltet; kurz, wir haben einen exquisit bläschenförmigen Kern vor uns.“

Gehen wir nnn an die Betrachtung des Spermatoblastkernes, wie ich ihn unter Anwendung der oben beschriebenen Tinctions- methode darzustellen vermochte (Fig. 24), so zeigt sich, dass der- selbe von einem relativ dichten, jedoch aus ungemein zarten Fäd- chen gebildeten Chromatinnetz durchsetzt wird, welches sich peripher zu einer zarten, mit einzelnen kleinen Verdiekungen ver- sehenen chromatischen Kernmembran verdichtet; der Kern be- kommt durch die Zartheit der Chromatinnetzbalken ein sehr helles

u

Beiträge zur Histologie des Hodens. 71

Aussehen und unterscheidet sich schon dadurch ziemlich deutlich von den übrigen Hodenelementen. Das hauptsächlichste typische Merkmal an dem Spermatoblastkern besteht aber in einem eigen- thümlichen Strukturverhältniss des Kernkörperchens; dasselbe sehen wir nämlich aus zweierlei Substanzen zusammengesetzt, einem von Saffranin sehr intensiv gefärbten, und einem ungefärbt bleibenden Bestandtheil. Letzterer tritt stets in Form einer einfachen Kugel auf, die chromatische Substanz aber besteht entweder aus zwei kleinen, leuchtend roth tingirten, an zwei gegenüberstehenden Polen der farblosen Kugel liegenden Kügelchen, oder das chroma- tische Element stellt eine einzige, in diesem Falle grössere Kugel dar, die dem ungefärbten Bestandtheile des Nucleolus sich innig anschmiegt. Im ersteren Falle erscheint dann das ganze Kern- körperchen als ein annähernd spindelförmiges Element, im anderen als eine Doppelkugel, und ist in beiden Fällen die Längsaxe des Nucleolus stets in dem grössten Durchmesser des Zellkernes eingestellt.

Diesen eigenthümlichen Bau zeigen nun die Kerne der Sper- matoblasten während aller Phasen der Secretion; mögen dieselben mit sich zu Spermatozoen umformenden Samenzellen, oder unreifen Spermatozoen selbst in Verbindung stehen, mögen sie als isolirte Fusszellen zwischen den Spermatogonien an der Basalmembran an- liegen, stets beherbergen sie den typisch gebauten Nucleolus. Und hierin möchte ich vor allem einen neuen Beweis dafür suchen, dass die von v. Ebner als Spermatoblasten bezeichneten Zell- elemente bei dem Process der eigentlichen Spermatogenese, d. h. der Bildung der morphotischen Bestandtheile des Samens, nur eine secundäre Rolle spielen, die darin zu suchen ist, dass sie einer- seits den reifenden jungen Samenelementen eine Stütze bieten, andererseits, worauf namentlich die neueren Untersuchungen von v. Ebner (5a) hinweisen, zu regen Stoffwechselvorgängen, die sich innerhalb der Hodenkanälchenwand abspielen, in engerer Beziehung stehen.

Ich würde zu einer Zeit, in der sich wohl die Mehrzahl der Autoren für die angedeutete Funktion der v. Ebner’schen Sper- matoblasten, zum mindesten für ihre Zellnatur überhaupt, erklärt haben, für überflüssig gehalten haben, für die geschilderte Ansicht nochmals einzutreten, wenn nicht gerade in letzter Zeit in einer Arbeit von Niessing (9) gegen dieselbe wieder scharf zu Felde

12 Dr. F. Hermann:

gezogen würde. Niessing betrachtet die Benda’sche Fusszelle als eine „Eiweissmasse mit der darin liegenden zerrissenen und gefalteten Mutterzellenmembran‘“; speciell von den Kernen der Fusszellen behauptet er, dass sie überhaupt kein Kerngerüste zeigen und so „gefaltet und maltraitirt aussehen“, dass wohl nie- mand darin einen Kern erkennen könne. Prüft man aber die Angaben Niessings, und namentlich seine Zeichnungen, die, wie ausdrücklich angegeben wird, „naturgetreue Copien“ darstellen sollen, etwas näher, so kann man sich der Ueberzeugung wohl nicht verschliessen, dass die angebliche „Maltraitirung‘‘ der Sper- matoblastkerne nicht in physiologischen Vorgängen bei der Sper- matogenese, sondern lediglich in der äusserst mangelhaften An- wendung der Präparationsmethoden von Seite des Autors begrün- det ist.

Wenn ich nun die in den Spermatoblastkernen beschriebene characteristische Bildung einfach als Nucleolus bezeichnet habe, so weiss ich wohl, dass ich mich damit auf ein bis jetzt wenig betretenes Gebiet gewagt habe; hat man sich doch daran gewöhnt, in dem Kernkörperchen ein Kernelement zu erblicken, dem eine intimere Structur nicht zukommt. Und doch dürften sich als Stützen meiner Auffassung in der Litteratur manche Angaben finden lassen. So bemerkt Flemming (10) von dem Keimfleck des Unioeies, dass es die Form einer Doppelkugel besitzt, deren kleinerer Theil stärker liehtbreehend und stärker färbbar ist als der grössere. Bei Tichogonia polymorpha sitzt der stärker färbbare Bestandtheil dem weniger tingiblen in Form einer Kappe auf. Eine ähnliche Beschaffenheit des Einucleolus wurde dann auch vonHertwig (Il) bei verschiedenen Evertebraten beschrieben, und in neuester Zeit giebt Platner (12) von dem Keimfleck des Eies von Arion empiricorum Abbildungen, die sich fast mit dem von mir beschriebenen Verhältnisse in den Spermatoblastkernen decken. Platner sagt: „in dem stetig an Grösse zunehmenden Keimfleck scheidet sich eine heller gefärbte und eine dunklere Partie aus; die hellere ist in vollkommen ausgebildeten Eiern völlig farblos (Hyaloplasma). Diesem hellen Keimfleck sitzt ein gefärbtes Kernkörperchen auf“ (ef. a. a. O. Fig. 6—9). Im Hin- blick auf diese bei Evertebraten gemachten Beobachtungen dürfte es desshalb vielleicht von allgemeinerem Interesse sein, dass auch bei den Vertebraten solche Differeneirungen des Nucleolus vor-

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kommen und mag hier bemerkt werden, dass die Spermatoblast- kerne hierfür nieht den einzigen Fundort abgeben, sondern dass ich ähnliche Verhältnisse auch in Bindegewebs- und Muskelkernen der Salamanderlarve sowie in den Kernen von peripheren Glosso- pharyngeusganglienzellen des Kaninchens beobachten konnte. Auch von den Angaben Ogata’s (13) und Lukjanow’s (14) über die Kerne bei Salamandra maculosa könnte vielleicht einiges hierher gerechnet werden.

Während ich nun mit den vorliegenden Untersuchungen be- schäftigt war, erschien eine Arbeit von Sanfelice(15), in welcher er in einer Zellform, die er als „eellule germinale‘‘ bezeichnet, die nämlichen Elemente antraf, wie sie oben von den Spermatoblast- kernen beschrieben wurden. Es ist hier nieht der Ort, des Näheren nachzuweisen, dass durch die Arbeit von Sanfelice in die Lehre von der Spermatogenese eine kolossale Verwirrung hereingetragen wird, mich hat es nur gefreut, in derselben eine Bestätigung meines Befundes zu erblieken und zwar nicht nur für die Maus, sondern auch für eine ganze Reihe von Vertebraten (Maulwurf, Katze, Hund, Kaninchen, Igel, Hahn, Eidechse, Frosch, Raja asterias). Nur mit der Deutung, welche Sanfelice den beschriebenen Ge- bilden giebt, vermag ich nicht übereinzustimmen. Die eigen- thümliche Form, in der der Nucleolus auftritt, wird nämlich von Sanfelice als eine neue Art der Karyokinese beschrieben; ganz abgesehen davon, dass ein Beweis dafür, dass die Bildung in den Kernen der sog. „cellules germinales‘“ wirklich als Theilungsmodus zu betrachten ist, absolut fehlt, sieht sich der Verfasser, um seine Ansicht überhaupt zu stützen, zu ganz abenteuerlichen Angaben gezwungen, indem er das, was andere Autoren als Kern bezeich- net haben, als den Zellleib, den Nucleolus als den Kern auffasst (j’ai exprime l’idee de considerer le noyau, deerit par les auteurs, comme cellule, et le granule comme noyau). Ich glaube, der Nachweis des Chromatingerüstes, welches den eigenthümlichen Nucleolus in seinem Inneren birgt, dürfte genügend sein, die Deutung Sanfelice’s und seine für die Spermatogenese daraus gezogenen Schlüsse endgiltig zu Fall zu bringen.

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111. Feinere histologische Beschaffenheit der Drüsenepithelien im Mäusehoden.

Ausgehend von der Ansicht, dass eine genauere Betrachtung der die Hodencanälchenwand zusammensetzenden Elemente zu- gleich uns einen klaren Einblick in den Process der Spermatogenese eröffnen dürfte, habe ich die Zellelemente des Hodens einer schär- feren histologischen Analyse unterzogen, als sie, wenigstens nach den vorhandenen Abbildungen zu schliessen, bis jetzt üblich ge- wesen zu sein scheint. Im Verlaufe derselben bin ich zu Resul- taten gelangt, die vom allgemein histologischen Standpunkte aus einiges Interesse bieten dürften und welche in den folgenden Zeilen mitgetheilt werden sollen.

Die Zellen, an welche der Ersatz der bei der Bildung des Samens verbrauchten Elemente in letzter Instanz geknüpft ist, liegen in einer einfachen Schicht zunächst der Tunica propria des Hodeneanälehens an und führen in der Litteratur verschiedene Namen. [Stammzellen (Biondi, Benda(8), Fürst (16). Cellules germinatives (Sertoli (17,) Renson (18) ete.]. Es soll für dieselben hier die von v. La Valette St. George (19) eingeführte, auch von Waldeyer (20) in seinem lichtvollen Referate acceptirte Bezeichnung „Spermatogonie“ gewählt werden. Es ist bekannt, dass in einer gewissen Epoche der Spermatogenese diese Spermatogonien in allen Stadien der karyokinetischen Theilung angetroffen werden und zwar mag dabei gleich darauf hingewiesen werden, dass diese Thei- lungen stets parallel der Hodencanälchenwand erfolgen. Bei der Betrachtung der feineren Strukturverhältnisse, welche wir an den Spermatogonien bis zu ihrer Umwandlung in Elemente der nächst höheren Zellschicht ablaufen sehen, wollen wir bei dem Aus- sehen beginnen, welches diese Zellen zunächst nach ihrer Thei- lung besitzen; Fig. 25 stellt zwei neugebildete Spermatogonien dar. Die noch ziemlich kleinen Zellen besitzen in einem fein ge- netzten Protoplasma einen ovalen Kern, dessen Längsaxe der Tunica propria stets mehr oder minder parallel gelegen ist. Wir sehen an demselben, dass in der färbbaren Substanz eine strenge Trennung in Chromatin im engeren Sinne und Nucleolensübstanz noch nicht stattgefunden hat, sondern dass sich das Chromatin noch in Form derber, sich rothviolett färbender Balken, die durch feinere

Beiträge zur Histologie des Hodens. 75

netzartig angeordnete Fäserchen miteinander in Verbindung stehn, vorfindet. Dieser Zustand dauert aber nicht lange; sehr rasch wächst die Zelle, namentlich ihr Kern heran und stellt bald ein ziemlich grosses, der Canälchenwand platt anliegendes Gebilde dar; der entsprechend dieser Gestalt lange, ovale Kern zeigt nun in einem feinen, nur aus sehr zarten Chromatinfäden bestehenden Gerüstwerk mehrfache Nucleolen, von denen ab und zu je zwei zu einem bisquitförmigen Element vereinigt sind (Fig. 26). Die Sper- matogonie sucht sich nun immer mehr von der Canälchenwand abzuheben, wodurch sie von der platten in eine mehr polygonale Form übergeht; Hand in Hand damit hat im Inneren des sich zu einer Kugel umformenden Kernes entschieden eine Vermehrung des Chromatins stattgefunden, die Nucleolen befinden sich nun in einem derben Chromatinnetz, dessen einzelne Bälkchen sich deut- lich aus Mikrosomen zusammengesetzt zeigen (Fig. 27). Bald hat sich die Zelle vollständig von der Wand abgehoben und ist damit in die nächst höhere Schichte aufgerückt; ihr kugeliger, sehr dunkel gefärbter Kern besteht nun aus einem engmaschiger, aus Mi- krosomen gebildeten Netzwerk chromatischer Substanz, welches die multiplen Nucleolen in seinem Inneren birgt (Fig. 28). Endlich formt sich das Netzwerk zu einem ungemein dicht angeordneten Knäuel um, in dem sich eben wegen dieser Dichtigkeit die Nucleolen nur sehr schwer beobachten lassen. Auch im Zellleibe hat eine kleine Veränderung stattgefunden, insofern als eine Schich- tung des Protoplasmas eingetreten ist, so dass wir zunächst um den Kern eine nur äusserst zartgranulirte Protoplasmaschichte antreffen, die sich deutlich von der Peripherie des Zellleibes ab- hebt. Wir sehen also, dass allmählich aus den wandständigen Spermatogonien jene Elemente der zweiten Schichte geworden sind, welche durch ihren dunkeln Kern an jedem tingirten Hoden- präparate sogleich auffallen und für welcheH. Brown den Namen „growing cells“ gewählt hat (Fig. 29).

Es stellen diese Zellen bekanntlich eine Zwischenstation in der Entwickelung der Spermatogonien zu jenen grossen Knäuel- zellen dar, welche in einer oder zwei Lagen vorhanden sind und die wir nun als Spermatocyten bezeichnen ‚können. Bei dieser Umwandlung wächst vor allem der Kern der „growing cells“ bis zum dreifachen seines Volumens an und zwar mag dabei bemerkt werden, dass dieses Wachsthum nicht sowohl auf einer Zunahme

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der ehromatischen, als vielmehr der achromatischen Bestandtheile des Kernes beruht. Die Folge davon ist, dass der Knäuelfaden der Spermatocyten weit lockerer gewunden erscheint; die Chro- matinfäden laufen dabei ausschliesslich an der Peripherie des Kernes und auch das nun einfache Kernkörperchen ist stets hier gelegen, so dass das Innere des Kernes chromatischer Elemente vollständig entbehrt, wie dies ja auch v. Ebner in seiner letzten Arbeit anführt. Leicht nachweisbar ist, dass die Fäden dieser Spirembildung aus den Pfizner’schen Mikrosomen bestehen und an gut tingirten Schnitten ist auch die Längstheilung an diesen Chromatinfäden leicht zu beobachten (Fig. 30).

Nun tritt aber in dem Protoplasma dieser Spermatocyten ein neues Element auf, das ist der Nebenkern. Ich habe mich in der einschlägigen Litteratur vergeblich um eine Angabe über die Existenz dieses Gebildes in den Spermatoeyten umgesehen, nurRenson (18) erwähnt ihn sowohl bei der Ratte als auch beim Kaninchen als ein leuchtendes, neben dem Kern liegendes Körper- chen von unregelmässiger Gestalt, das sich in Pierocarmin nicht färbt, und gibt speciell für das Kaninchen noch an, dass bei dem- selben der Nebenkörper sehr gross und mit einem centralen Punkt ver- sehen ist. Beim Stier soll dagegen der Nebenkern überhaupt fehlen.

Durch meine eigenen Beobachtungen an den Spermatocyten der Maus liess sich nun feststellen, dass der Nebenkern, wenigstens in den vollständig ausgebildeten Spermatocyten, durchaus kein einfaches Element darstellt, sondern aus zwei Bestandtheilen sich zusammensetzt, einem ovalen farblosen Körperehen und einem dem- selben an irgend einer Stelle, meist an einem der Pole ansitzen- den, durch Gentianaviolett tingiblen Knöpfehen. Ich muss aller- dings eingestehen, dass ich das letztere in vielen Spermatoeyten vermisste, ich glaube aber diesen Umstand auf Entwickelungsver- hältnisse des Nebenkernes zurückführen zu müssen, da das färb- bare Knöpfchen in solchen Spermatoeyten, die bereits die Längs- theilung der Chromatinfäden erkennen liessen, die also in ihrer Ausbildung entschieden am weitesten gediehen waren, nie fehlte.

Es darf als eine längst bekannte Thatsache gelten, dass bei der Theilang der Spermatoeyten im Stadium des Spirems eine lange Ruhepause eintritt, dass aber die übrigen Phasen der Kern- theilung dann um so rascher ablaufen. Ich glaubte diesen Process desshalb etwas näher verfolgen zu müssen, da ich mir die Frage

Beiträge zur Histologie des Hodens. 77

vorlegte, ob die Theilung der Spermatocyten nach dem Schema der typischen Mitose erfolgt, oder ob etwa bei der Maus ähnliche Verhältnisse obwalten, wie sie von Flemming (2) in seiner unge- mein sorgfältigen und umfassenden Arbeit für die Spermatocyten des Salamanders nachgewiesen wurden. Ich muss da freilich so- gleich eingestehen, dass ich in der Vollständigkeit der Detailunter- suchung die Flemming’sche Arbeit nicht im Entferntesten er- reichen konnte, das kleinzellige Gewebe der Maus stellt einer voll- kommen genauen Erforschung so subtiler Verhältnisse eben Hinder- nisse entgegen, die ich trotz aller gegebenen Mühe nicht zu über- winden vermochte. Immerhin dürften meine allerdings lückenhaften Befunde genügen, auf die Frage, die ich mir vorlegte, eine Ant- wort zu geben.

Wählt man zur näheren Untersuchung dieser Verhältnisse Segmente der Hodencanälchen, in denen neben dem Spiremstadium auch die weiteren Kerntheilungsstadien sichtbar sind, so wird man bei längerem Suchen stets, wenn auch nicht gerade häufig, auf eigenthümliche Kernbilder stossen, die ich auf Fig. 3la u. b darzustellen versuchte, wobei bemerkt sein mag, dass in a die Mitte des Kerns, in b dessen Pol eingestellt ist. Es zeichnen sich diese Kernfiguren an gelungenen Tinctionspräparaten schon durch ihre Farbe aus; während nämlich in den Spiremstadien die Chro- matinfäden rein violett, in den späteren Stadien leuchtendroth ge- färbt sind, haben die Fäden der uns interessirenden Kerne eine braunviolette Färbung angenommen. Untersucht man nun im Farbenbild des Ab be’ schen Beleuchtungsapparates diese Kernformen etwas genauer, so fällt vor allem in die Augen, dass das Kern- körperchen, das wir im reinen Spiremstadium so deutlich hervor- treten sahen, vollständig verschwunden ist und ausserdem lässt sich deutlich beobachten, dass die beiden freien Enden der ein- zelnen Chromatinfäden sich genähert haben und mit einander ver- schmolzen sind; mit anderen Worten, aus den gestreckt verlaufen- den Fäden des Spirems haben sich chromatische Ringe gebildet, die ausschliesslich in der Peripherie des Kernes gelagert sind. Bei Anwendung mittlerer Blenden lässt sich in diesen eigenthüm- lichen Kernen ferner nachweisen, dass die einzelnen Chromatin- ringe mit einander durch deutliche, straff ausgespannie achro- matische Fasern in Verbindung stehen, die sich ebenfalls nur in der peripheren Zone des Kernes finden. Mit Flemming bin

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ich geneigt in diesem achromatischen Faserwerk die erste An- deutung der in den späteren Kerntheilungsphasen so scharf auf- tretenden achromatischen Spindel zu betrachten. Auch in dem Protoplasma dieser eigenthümlichen Zellen ist eine Wandlung eingetreten, insoferne als der Nebenkern in ihnen spurlos verschwunden ist.

Das Monasterstadium muss sehr kurzdauernd sein, denn ich habe entsprechende Figuren trotz sorgfältigsten Suchens nirgends auffinden können, ja es ist vielleicht möglich, dass dasselbe über- haupt völlig fehlt und dass die Asterfigur durch die zuletzt be- schriebenen Kernfiguren ersetzt wird. Ungemein häufig kommt dagegen das Stadium der Metakinese (Aequatorialplatte) zur Beob- achtung; es haben sich die Chromatinringe zu der inzwischen ausserordentlich deutlich aufgetretenen Spindel orientirt, und es besitzt die chromatische Figur die eigenthümliche Form einer Tonne, deren Längsreifen eben von den Chromatinringen gebildet werden (Fig. 32).

Mit dem Nachweis dieser eigenthümlichen Ringbildungen dürften wir wohl berechtigt sein zu der Annahme, dass in ähn- licher Weise, wie beim Salamander, auch bei der Maus die Thei- lung der Spermatocytenkerne abweichend von dem Schema der gewöhnlichen Karyomitose erfolgt, unter Bildung ähnlicher Formen, wie sie von Flemming beim Salamander als charakteristisch für den heterotypischen Typus festgestellt wurden.

Dabei muss nun eines sehr interessanten Verhältnisses ge- dacht werden, das sich an der achromatischen Spindel beobachten lässt. Dort nämlich, wo mit der Spindel die Polstrahlung, deren einzelne Strahlen an ihrem Uebergange in das Protoplasmanetz der Zelle mit winzig kleinen Knöpfehen versehen sind, in Zu- sammenhang tritt, kommt es constant zur Entstehung eines von einem kleinen lichten Hof umgebenen Gebildes, welches ich als Polarkörperehen (Centrosoma) zu deuten geneigt bin. Das Merkwürdige ist nun, dass dasselbe stets aus 2 hart nebeneinan- der liegenden Pünktchen besteht, wie sich das zur Evidenz nament- lich an einem Präparate nachweisen liess, an welchem ausschliess- lich die eine Spindelspitze zur Ansicht gelangte, während die dazugehörige chromatische Figur nicht mehr in den Schnitt ge- kommen war. Man sieht bier deutlich an der Spitze der achro- matischen Spindel zwei kleine, sich etwas dunkler als die Spindel-

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fasern färbende Kügelchen liegen, ein ungemein zierliches Bild, das ich in Fig. 33 wiederzugeben versuchte. Im weiteren Ver- laufe der Kerntheilung erfolgt dann im Aequator der Tonnenfigur eine Theilung der Chromatinringe in je zwei typische u-förmige - Schleifen, die dann rasch auseinanderrücken, und auch bei den Dyasterformen bleiben wenigstens bis zu einem gewissen Grade die eigenthümlichen Polarkörperchen noch sichtbar (Fig. 34). Ob es nun in derselben Weise, wie dies beim Salamander stattfindet, in den Tochtersternen noch einmal zu einer Längstheilung der einzelnen Schleifen kommt, habe ich leider bei der Subtilität der ganzen Verhältnisse nicht beobachten können. Auch in Bezug auf die Zahl der Elemente, die sich im Stadium der Metakinese finden, bin ich leider zu keinen befriedigenden Resultaten gekommen; die Zählung der Schleifen bei dem kleinzelligen Säugethiergewebe bietet eben, wie jeder, der sich damit einmal beschäftigt hat, mir wohl wird zugeben müssen, enorme Schwierigkeiten ; immerhin habe ich an einer Reihe von Tonnenfiguren, die ich von oben betrach- ten konnte, solche Zählungen versucht und bin dabei stets auf die Zahl 16 gekommen.

Die Brut, welche durch die Theilungen aus den Spermato- eyten entsteht, stellt die Samenzellen oder Spermatiden dar. Nur weniges möge hier über dieselben erwähnt werden; es sind Zellen von polygonaler Gestalt, welche in einem feingenetzten Protoplasma einen rein kugelförmigen Kern besitzen (Fig. 35). An neugebil- deten Spermatiden ist derselbe von einem sperrigen Chromatin- gerüste durchsetzt, in dem für’s erste eigentliche Nucleolen nicht nachzuweisen sind. Später aber sammelt sich das Chromatin in einem, aus sehr feinen Fäserchen gebildeten Netzwerk an und es erscheinen dann auch die eigentlichen Kernkörperchen, welche Anfangs multipel vorhanden sind, sich dann aber zu einem meist im Centrum des Kernes gelegenen bisquitförmig gestalteten Gebilde vereinigen. Ausser dem Kerne beherbergt aber der Zellleib noch ein anderes Element, das ist der Nebenkern, der, nachdem er sich während der Theilung der Spermatocyten der Beobachtung entzogen hat, wieder erscheint und gerade die Spermatiden stellen ja jene Gebilde dar, in denen dieses Element zuerst von v. La Valette St. George (2l) beobachtet wurde. Auch hier sehen wir den Nebenkern wieder aus den zwei typischen Bestandtheilen sich zusammensetzen, einem farblosen Element, das aber kleiner als in

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den Spermatocyten und nicht mehr oval, sondern kugelig ist, und einem Farbstoff ‘annehmenden Kügelchen. Eine bestimmte Lage dieses Nebenkernes zum Kern lässt sich nicht fest- .stellen, meistens liegt das Gebilde annähernd tangential zur Kern- periphere. Noch ein anderes Gebilde findet sich in unmittel- barer Nachbarschaft des Spermatidenkernes; es ist diess ein halbmondförmiges Körperchen, das sich dem Kerne innig an- schmiegt und durch Osmium leicht bräunlich gefärbt wird. Ueber die Vorgänge nun, welche bei der Umwandlung der Spermatiden in die Spermatozoen stattfinden, sowie über die Rolle, welche bei diesem Process die beiden Protoplasmaeinschlüsse der Sper- matiden, der Nebenkern einerseits, das halbmondförmige Körper- chen andererseits, zu spielen bestimmt sind, soll in dem folgenden Kapitel berichtet werden.

Anhangsweise seien hier aber noch Gebilde erwähnt, die sich bis in die jüngste Zeit herein noch in der Litteratur über Sper- matogenese erwähnt finden, die Spermatogemmen. Man ver- steht darunter bekanntlich riesenzellenartige Bildungen, deren Kerne sich gerade so wie die gewöhnlichen Spermatidenkerne in Spermatosomen verwandeln sollen. Ob dieselben bei Evertebraten vorkommen, vermag ich, da ich keine Erfahrung darüber besitze, nieht zu entscheiden, für die Säugethiere aber muss ich ihre Existenz auf das Entschiedenste läugnen und ich stütze die Aus- sage nicht nur durch meine Erfahrung am Hoden der Maus, sondern ich habe daraufhin auch die Verhältnisse beim Kater, beim Ka- ninchen, dem Hunde, einer Beutelratte ete. geprüft. Untersucht man nämlich die Angaben in der Litteratur über die Spermatogemmen, so wird man finden, dass diese Gebilde nur von solehen Autoren erwähnt werden, welche die Elemente des Hodens entweder in frischem Zustande, oder nach Fixirung in Müller’scher Flüssig- keit und sehr verdünnten Osmiumsäurelösungen untersucht haben, und gerade in letzterem Falle wird oftmals erwähnt, dass die Spermatogemmen nach Einwirkung solcher Reagentien seltener aufzufinden seien, als in frisch untersuchtem Material. Wendet man jedoch unsere modernen, momentan und dabei doch schonend fixirenden Härtungsmittel (Sublimat, Salpetersäure 3%, und nament- Ösmiumsäure und ihre Gemische) an, so wird man sich vergeblich bemühen, Spermatogemmen aufzufinden, es zeigt sich dann vielmehr jede einzelne Spermatide von ihrer Nachbarin durch eine deutliche

Beiträge zur Histologie des Hodens. 81

Grenzeontour abgetrennt. Wir werden daher gut thun, den Be- griff Spermatogemme, wenigstens für das Säugethier, vollständig fallen zu lassen und dürfen aus dem Auftreten von sogenannten Spermatogemmen an frisch oder nach Einwirkung sehr verdünnter. Fixirungsflüssigkeiten untersuchten Hodenzellen nur den Schluss ziehen, dass die Spermatiden sehr labile, empfindliche Gebilde darstellen, deren Zelleiber die Tendenz zeigen, sehr bald unter- einander zu confluiren.

IV. Die Umwandlung der Spermatiden in Spermatozoen bei der Maus.

Wenn die Frage, wie sich die Samenzellen des Säugethiers allmählich zu Spermatozoen umformen, die ja schon so oft ven- tilirt wurde, aber trotzdem noch keine vollständig befriedigende Lösung gefunden hat, auch hier erörtert werden soll, so möge die Berechtigung hierzu abgeleitet werden aus einer Frage, die ich mir vorlegte, ob nämlich auch bei dem Säugethier der Nebenkern bei der Spermatozoenbildung eine ähnliche Rolle spielt, wie sie für den Salamander oben beschrieben wurde. Es wird dann be- greiflich erscheinen müssen, dass eine Beantwortung dieser Frage nicht möglich sein wird, ohne auch die Vorgänge der Umwandlung der Spermatiden in Spermatozoen zu streifen und es dürften unsere Beobachtungen vielleicht geeigenschaftet sein, einzelne Irrthümer ‘za beseitigen und Thatsachen theils neu aufzuführen, theils zu be- stätigen.

Der erste Vorgang nun, der sich bei der Umwandlung der Spermatide in das Spermatozoon beobachten lässt, besteht darin, dass die beiden bisquitförmig mit einander verbundenen Kugeln des Nucleolus mehr und mehr auseinanderweichen, dabei aber noch durch eine ehromatische Brücke mit einander in Verbindung stehen. Es wird dadurch im Kerninneren gewissermaassen eine Barriere errichtet und dadurch der Kern in zwei annähernd gleiche Abschnitte getheilt, die sich im Weiteren in ihrer Färbbarkeit verschieden verhalten (Fig. 36). Der periphere, d. h. der der Canälchenwand zugekehrte Theil des Kernes erscheint nämlich heller als der centrale und zwar hat diese Farbendifferenz eine

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doppelte Ursache; einmal werden in dem peripheren Kernabschnitt die Chromatinbälkehen überhaupt rarefieirt und zweitens lässt sich für den zentralen Theil des Kernes nachweisen, dass das Chro- matin nicht nur an die Bälkchen gebunden ist, sondern sich auch in der Kerngrundsubstanz findet, so dass dieselbe leicht diffus ge- färbt erscheint.

Während sich diese Vorgänge im Inneren des Kernes geltend machen, ist derselbe allmählich immer ‘mehr nach der Peripherie des Zellleibes gerückt, hat aber im übrigen noch seine kugel- förmige Gestalt beibehalten und auch in Bezug auf die im Zell- leibe neben dem Kerne liegenden Bildungen ist keine Wandlung eingetreten. Gehen wir nun einen Schritt weiter (Fig. 37), so sieht man, dass der Kern, immer mehr aus dem Zellleibe sich hervor- drängend, sich verlängert und eine birnförmige Gestalt angenom- men hat; dabei sind die Färbungsdifferenzen in seinem Inneren nur noch deutlicher geworden, indem nun die periphere Kernhälfte ihre Chromatinbälkchen fast vollständig eingebüsst hat; auch die die beiden Kernhälften scheidende, in beschriebener Weise aus den Nucleolen hervorgegangene Chromatinbildung hat sich stärker aus- gebildet. Die interessantesten Vorgänge aber sehen wir in diesem Stadium an den beiden Polen des birnförmigen Spermatidenkernes sich abspielen. Das halbmondförmige Körperchen, das wir in inniger Nachbarschaft des Kernes in der ausgebildeten Samenzelle liegen fanden, verschmilzt, sich verbreiternd und zu einer Kugel- schale sich umbildend, vollständig mit der peripheren Kernhälfte und bedeckt dieselbe als ein kappenförmiges Gebilde, es stellt die von v. Brunn sogenannte Kopfkappe dar. Aus einer an dem’ peripheren Kernpole auftretenden, partiellen Verdickung dieser Kopfkappe entwickelt sich dann allmählich der Spitzenknopf, der also, im Gegensatze zu den Angaben v. Brunns (22), der denselben aus dem Kern entstehen lässt, nach meiner Deutung aus derselben halbmondförmigen Protoplasmaeinlagerung entsteht, dem auch die Kopfkappe ihr Dasein verdankt. Während sich nun Kopfkappe und Spitzenknopf entwickeln, tritt auch am centralen Kernabschnitt eine Veränderung ein; in Gestalt eines halbmond- förmigen, lichten Hofes hebt sich ein zartes Bläschen vom Kern ab, die sogenannte Schwanzkappe der Autoren.

Und damit sehen wir nun den Kern, wie diesauch Biondi (23) angiebt, in 3 Abschnitte zerfallen, einen centralen ungefärbten,

Beiträge zur Histologie des Hodens, 83

einen mittleren deutlich tingirten und einen peripheren Abschnitt, welcher wiederum farblos erscheint. Woraus freilich die Schwanz- kappe entsteht, lässt sich bei der Kleinheit der ganzen Verhält- nisse mit vollständiger Sicherheit nicht sagen; immerhin will es mir, und darin muss ich Biondi beistimmen, noch am wahrschein- lichsten erscheinen, dass die Schwanzkappe einem Abheben der chromatischen Kernmembran von der übrigen Substanz des Kernes ihre Entstehung verdankt, wie wir dies auch bei den Spermatiden des Salamanders vor sich gehen sahen. Mit dem Moment der Entstehung der Schwanzkappe tritt auch der Nebenkern in Action; konnte für denselben in den ausgebildeten Spermatiden eine fixirte Lage nicht constatirt werden, so sehen wir nun, wie sich derselbe mit einem Male senkrecht auf der Kernperipherie ein- stellt, und wie das gefärbte Kügelchen in das Innere der Schwanzkappe, mit dem Kerne sich verbindend, herein- schlüpft, während der grössere, ungefärbte Abschnitt des Neben- körpers seine Lage ausserhalb der Schwanzkappe beibe- hält. Zugleich lässt sich in diesem Stadium beobachten, dass das gefärbte Kügelchen nicht an dem eigentlichen Kernpole, sondern etwas davon entfernt mit dem Kerne in Berührung tritt und wir können in diesem Verhältniss die erste Andeutung jenes asymme- trischen Baues erkennen, der ja für die Spermatozoen der Maus ceharacteristisch ist. Diese Asymmetrie wird in der Folge immer augenfälliger, so dass man für die Beobachtung der weiteren Stadien streng zwischen Kanten- und Flächenbildern unterscheiden muss, um so mehr, als auch im Inneren des sich umwandelnden Kernes eine Verschiebung der beiden Kernhälften eintritt. Wäh- rend nämlich die dieselben trennende Chromatinansammlung bis jetzt im Kernäquator gelegen war, beginnt sie nun (Fig. 33 a u. b) sich immer mehr schief zu stellen, und zugleich reicht sie, sich vergrössernd, von einer Seite des Kernes zur anderen, so dass bei ausschliesslicher Berücksichtigung des Flächenbildes die Anschauung erweckt werden könnte, als handle es sich dabei um die Bildung einer die beiden Kernhälften von einander trennenden Chromatinplatte, ein Irrtbum, dem auch Niessing in seiner Be- schreibung verfallen ist. Kantenbilder vermögen zur Evidenz zu zeigen, dass die aus den ursprünglicher Nueleolen hervorgegan- gene Chromatinbildung die Gestalt eines Balkens besitzt, der das Innere des Kernes von einer Seite zur anderen durchsetzt. Nach

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diesem Chromatinbalken sieht man überhaupt das geformte Kern- chromatin sich vollständig concentriren, so dass die periphere Kernhälfte dasselbe nun völlig eingebüsst hat und auch in dem inneren Abschnitte die Chromatinnetze dünner und dünner gewor- den sind, ein Vorgang, durch den die diffuse Färbung der centralen gegen die periphere Kernhälfte nur um so mehr in die Augen springt. Mit dieser allmählichen Metamorphose im Kerninneren ist auch eine Gestaltveränderung des jungen Kernes Hand in Hand gegangen, so dass derselbe schon jetzt mehr die Form eines Drei- kants angenommen hat und so eine leichte Andeutung jener Ab- schnitte des fertigen Spermatozoons vorhanden ist, welche Jensen (24) als obere, untere und aufsteigende Kante bezeichnet hat. Ueber die Kopfkappe habe ich hier nicht viel zu bemerken, sie hat sich der Kernmembran so dicht angeschmiegt und ist so vollkommen mit ihr verwachsen, dass sie als eigenes Gebilde sich nicht mehr nachweisen lässt, nur der Spitzenknopf tritt nun deutlicher zur Erscheinung.

Wenden wir uns nun dem zentralen Pole des Kernes zu. Das Bläschen, dessen Existenz ich von einem Abheben der Kernmembran herzuleiten geneigt war, hat sich zu der bekannten hyalinen Röhre umgeformt, die ja von einer ganzen Reihe von Autoren beschrieben wurde, und da wir den ungefärbten Theil des Nebenkernes ausserhalb des Bläschens liegen bleiben sahen, so muss nun derselbe durch die Röhrenbildung immer mehr vom Kerne entfernt werden; jetzt schon mag bemerkt werden, dass dieser Nebenkernabschnitt für die Folge keine Rolle mehr zu spielen hat, er geht allmählich im Protoplasma der Spermatide zu Grunde, eine Ansicht, die ja auch Renson vertritt. Nur lässt derselbe den Nebenkern als Ganzes spurlos verschwinden. An meinen Präparaten aber konnte ich nachweisen, dass der gefärbte Bestandtheil derselben in den Kern eindringt, und von ihm sehen wir denn in diesem Stadium als erste Andeutung des Geisselfadens der Spermatozoen ein feines, kurzes, sich rasch verlängerndes Fädchen auswachsen. Dass der Schwanzfaden nicht direkt, son- dern eben durch Vermittlung eines Knöpfchens, des sog. Schwanz- knopfes, mit dem Kopf in Verbindung steht, wird ja von ver- schiedenen Autoren erwähnt. So sehen wir, dass Renson, ohne im Text darauf einzugehen, in all’ seinen Figuren den Schwanz- faden mit einem dem Kern anliegenden Pünktchen beginnen lässt, und auch Jensen lässt in seiner sehr sorgfältigen Untersuchung

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den Axenfaden mit einem Knöpfehen enden, das „viel stärker lichtbrechend ist, als der übrige Axenfaden.“

Die Beobachtung nun, dass der Schwanzfaden von dem färb- baren Bestandtheile des Nebenkernes seinen Beginn nimmt, muss die Frage, welchem Zellelement der Axenfaden v. Brunns seine Entstehung verdankt, wiederum in den Vordergrund drängen. War ich bei der Besprechung dieser Verhältnisse bei Salamandra nicht im Stande, auf diese Frage eine vollkommen sichere Antwort zu geben, so sehe ich mich auch bei der Maus vergeblich nach un- anfechtbaren Beweisen um, die die Natur des Geisselfadens fest- stellen sollen. Nach der ganzen Sachlage aber kann ich mich sowohl bei Salamandra, als auch ganz besonders bei der Maus des Eindruckes nicht erwehren, dass der Axenfaden aus dem färbbaren, in den Kern eindringenden Bestandtheil des Nebenkernes der Spermatiden auswächst. Jedenfalls das lässt sich mit aller Sicherheit aussagen liegen die Ver- hältnisse nicht so, wie es Niessing behauptet, dass nämlich der Sehwanzfaden direkt aus dem verdichteten Chromatingerüste des Kernes hervorsprosst.

Wenn wir nun in dem beschriebenen Stadium die sich bil- denden Spermatozoenköpfe ihrer Grösse nach mit den runden Kernen der Samenzellen vergleichen, so tritt uns die bekannte Thatsache entgegen, dass bei dieser Metamorphose eine Volumen- verminderung erfolgt ist und wir sind wohl berechtigt, den Grund derselben in einem Verdichtungsprozess der gesammten Kernsub- stanz zu suchen. Den höchsten Grad desselben erreichen aber die jungen Spermatozoenköpfe erst in den nun folgenden Stadien und es spricht sich derselbe an den Präparaten, die der beschrie- benen combinirten Tinetionsmethode unterworfen waren, in einer plötzlich eintretenden Farbendifferenz aus. Während nämlich in den bis jetzt beschriebenen Phasen der sich färbende Theil des Jungen Spermatozoenkopfes (Fig. 39) die Farbe des Gentianaviolett angenommen, zeigt er in den folgenden Stadien für diesen Farb- stoff absolut keine Aufnahmefähigkeit mehr, sondern tingirt sich nun ausschliesslich mit Saffranin. Ist diese Farbenveränderung einmal eingetreten, so gehen die reifenden Spermatozoenköpfe rasch ihrer Vollendung entgegen; es lässt sich leicht beobachten, dass, wenn dieselbe an den frei im Lumen der Hodenkanälchen lie- genden Samenfäden eingetreten ist, nur die der oberen Kante

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(Jensen) entsprechende Hälfte des Kopfes gefärbt ist, während die andere vollständig farblos erscheint. Es beruht dieser Unter- schied gewiss nicht darauf, dass der Spermatozoenkopf vermöge seiner dreikantigen Gestalt an der unteren Kante schmäler ist als an der oberen, sondern es entsprechen die beiden sich verschieden verhaltenden Theile, wie das leicht aus der Vergleichung der Figuren 37—41 ersichtlich ist, genau den umgebildeten Kernhemisphären der Samenzelle, eine Möglichkeit, an die auch Jensen ge- dacht hat.

Durch ein sich ziemlich intensiv mit Saffranin färbendes Knöpfchen, dessen Ableitung vom Nebenkerne wir ja verfolgen konnten, steht nun der Kopf des Spermatozoon in Verbindung mit dem Schwanzfaden. Bekanntlich wird derselbe eine gewisse Strecke weit von einer hellen Scheide eingehüllt, die nach hinten zu scharf abgestutzt aufhört und welche, wie dies hauptsächlich von Gibbes (25), Leydig (26), Jensen, Brown (27) ete. angege- ben wird, eine spiralige Anordnung zeigt.

Die Genese dieser Scheide aus der sich verlängernden, dem Axenfaden sich immer inniger anschmiegenden hyalinen Röhre lässt sich hierin kann ich die Angaben Niessings vollständig bestätigen leicht nachweisen; anfangs sieht man den Axenfaden noch als leicht bräunlich gefärbte Linie deutlich im Inneren der Scheide; an den reifsten, im Hoden vorkommenden Spermatozoen sind aber offenbar die Brechungsindices des Axenfadens und der ihn bergenden Scheide so gleiche geworden, dass eine Unter- scheidung nicht mehr möglich ist. Von dem Spiralfaden ist an den Präparaten, die nach der Eingangs erwähnten Methode tingirt wurden, nichts sichtbar; unterwirft man aber Chromosmiumessig- säurepräparate zuerst einer Färbung mit Heidenhain’schem Hä- matoxylin (Modification von Apathy) und tingirt mit Gentiana- violett nach, so tritt der Spiralfaden deutlich gefärbt zu Tage (Fig. 42).

Für den von der Scheide umhüllten Abschnitt des Schwanz- fadens findet sich nun in der Litteratur in beliebiger Abwechse- lung der Name „Verbindungsstück* oder „Mittelstück“. Ich glaube, wenn wir bei den Salamanderspermatozoen nur jenen kleinen, eylindrischen Theil mit dem Namen „Mittelstück* belegten, den wir aus einem Bestandtheile des Nebenkernes entstehen sahen, so dürfen wir auch für die Maus nur jenes kleine Knöpfehen mit

Beiträge zur Histologie des Hodens. 87

diesem Namen bezeichnen, für welches wir den gleichen Entwick- lungsmodus nachzuweisen vermochten. Nur jenes Knöpfchen also „Sehwanzknopf“ „Halsstück“ der Autoren verdient den Namen „Mittelstück“, den ihm folgenden umscheideten Abschnitt des Samenfadens müssen wir, um nicht eine neue Bezeichnung einzuführen, unter dem alten Namen „Verbindungsstück“ scharf von ihm trennen.

V. Der Nebenkern in den Samenzellen des Salamanders und der Maus.

Im Verlaufe unserer Untersuchungen vermochten wir sowohl beim Salamander, als auch bei der Maus in den Spermatocyten ein eigenthümliches Gebilde zu beobachten, es war dies der Nebenkern. Es zeigte sich, dass derselbe bei der Maus gleich von Anfang an, bei dem Salamander erst in späteren Stadien durchaus kein einfach gebautes Gebilde darstellt, sondern dass er im wesentlichen aus zwei differenten Substanzen besteht, einer färbbaren und einer farblosen, angeordnet in der Form kleiner, dem Kern anliegender Kugeln, zwischen die sich wenigstens beim Salamander noch eine ringförmige, ebenfalls färbbare Bildung einschiebt.

Woher stammt nun dieser eigenthümliche Nebenkern? In der Lösung dieser interessanten Frage bin ich leider nicht glück- lich gewesen; das kleinzellige Gewebe der Maus dürfte eine Ant- wort wohl von vorne herein aus technischen Gründen verbieten und beim Salamander, wo sich die Sache immerhin eruiren lassen dürfte, stand mir leider in Folge der Jahreszeit passendes Material in genügender Menge nicht zur Verfügung !).

Immerhin mag das wenige, das sich für die Genese des Nebenkernes beim Salamander möglicherweise heranziehen lassen dürfte, hier mitgetheilt werden. An einer einzigen Spermatocyste, in dieser aber an sämmtlichen Zellen fand ich ein eigen- thümliches Bild; es ‚handelte sich dabei um eine Spermatocyste,

1) Salamanderhoden, die ich in gegenwärtiger Jahreszeit (April) unter- suchte, sind nicht brauchbar, da der Process der Spermatogenese hier schon vollständig abgeschlossen ist.

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deren Zellen noch vor dem Processe der Generationsbildung durch heterotypische Kerntheilung standen. An diesen (Fig. 43) Sper- matocyten liess sich der farblose Bestandtheil des Nebenkernes schon im Protoplasma der Zelle in der Nachbarschaft des Kernes gelegen nachweisen und zwar war an dieser Stelle die Kern- membran verdünnt und zugleich zungenförmig gegen die farblose Kugel ausgezogen. Ich möchte dieses Bild so deuten, dass der Nebenkern als anfangs nicht tingibles Element aus dem Inneren des Kernes stammt, gleichsam aus dem Kern herausgeschleudert wird, wofür ja die eigenthümliche Verdünung und Hervortreibung der Kernmembran an jener Stelle, wo wir den Nebenkern liegen sehen, sprechen dürfte. Leider war es mir aber nicht möglich, weitere Entwicklungsphasen des Nebenkernes aufzufinden, und muss desswegen meine gegebene Deutung so lange als eine hypo- thetische aufgefasst werden, bis es mir möglich sein wird, an ge- eignetem Material im Herbst die interessante Frage nach der Genese des Nebenkernes in ausgedehnterem Maasse aufs Neue zu untersuchen.

Bei dem Theilungsprocess, welcher aus den Spermato- eyten die Generationen der Spermatiden entstehen lässt, konnte für den Salamander sowohl, wie für die Maus festgestellt werden, dass der Nebenkern zu dem Process der Karyokinese Beziehungen eingeht und als Analogon jener eigenthümlichen Bildungen auftritt, welche von van Beneden und von Boveri an den Furchungskugeln von Ascaris megalocephala, und ganz neuerdings von v. Kölliker (28) an den sich theilenden Eiern von Siredon piseiformis als Attractionssphären mit den in ihrem Inneren gelegenen Centrosomen oder Polarkörperchen beschrieben werden.

Ich kann es mir nicht versagen, darauf hinzuweisen, dass möglicherweise in den sich theilenden Spermatocyten gewisse Be- ziehungen des Nebenkernes zu diesen Attractionscenten vorhanden sein dürften, eine Frage, die gerade jetzt ein actuelles Interesse bieten dürfte, nachdem Platner (29) in einer jüngst erschienenen Arbeit das Vorhandensein dieser Beziehungen in den Geschlechts- zellen von Helix, Limax und Paludina faetisch nachgewiesen hat.

Waren nun die Resultate meiner Untersuchungen über die Genese des Nebenkörpers sowie über seine Rolle bei der Theilung des Sperma- tocyten, wieich gerne einräume, leider nur sehr hypothetische, so liess sich das Sckicksal, welchem der Nebenkörper bei der Umwandlung der

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Spermatiden in Spermatosomen entgegengeht, mit um so grösserer Sicherheit feststellen. Beim Salamander sowohl als bei der Maus konnten wir beobachten, dass das gefärbte Kügelehen des Neben- kernes in das Innere des sich umwandelnden Spermatidenkernes eindringt und jene Abtheilung des Samenfadens, welche den Kopf mit dem Schwanzfaden verbindet, das sogenannte Mittel- stück darstellt. Für den farblosen Bestandtheil des Nebenkernes liess sich bei beiden Thierspecies nachweisen, dass derselbe nach der Vereinigung des gefärbten Kügelehens mit dem Kerne der Sper- matide mit dem Zellleibe derselben zu Grunde geht, dass er also gewissermaassen nur als Träger der Mittelstückanlage zu betrachten sein dürfte. Aus der beim Salamander vorkommenden ringförmigen Bildung des Nebenkernes endlich sahen wir ein Appendicular- gebilde des Geisselfadens, den bekannten Flossensaum hervorgehen.

VI. Der Prozess der Regeneration im Salamanderhoden.

Fasst man ein Hodenkanälchen des Salamanders, welches reife Spermatozoen enthält, in’s Auge, so dürfte schon eine ober- flächliche Betrachtung desselben genügen, um festzustellen, dass dasselbe ausser den Samenfäden nur mehr Follikelzellen enthält, also Zellen, die mit dem spermatogenetischen Process im engeren Sinne nichts zu thun haben, sondern lediglich als Stützelemente im Hoden fungiren. Wird demnach das reife Samenmaterial aus dem Hoden in die ausführenden Samenwege entleert, so bleibt in dem Hodenkanälchen absolut keine einzige Zelle mehr übrig, welche für eine regeneratorische Neubildung von Samenelementen in Frage kommen könnte.

Diese Betrachtung muss uns nothwendigerweise dazu führen, die regeneratorischen Vorgänge innerhalb des Salamanderhodens näher zu untersuchen und wir werden hoffen dürfen, hier ganz eigenartige Verhältnisse anzutreffen, durch welche der Salamander nicht nur unter der Klasse der Amphibien, sondern auch unter der weitaus grössten Mehrzahl der Wirbelthiere überhaupt eine eigene Stellung einnimmt.

Es kann als längst bekannte Thatsache gelten, dass die Hoden des Salamanders, was Anzahl, Grösse und Gestalt betrifft, durchaus nicht constant sind, ja es lässt sich behaupten, dass kaum

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bei zwei Individuen die Verhältnisse vollständig identische sind. Ebenso ist es bekannt, dass bei makroskopischer Betrachtung auch das Innere des Hodens nicht gleichartig beschaffen ist, sondern dass wir Lappen unterscheiden können, die sich durch Grösse und Farbe wohl von einander unterscheiden, Differenzen, welche wesentlich davon abhängig sind, in welcher Jahreszeit wir die Thiere untersuchen. Mögen aber die Verhältnisse auch noch so verschieden liegen, etwas werden wir doch allezeit als constant finden: stets werden wir an dem caudalen Abschnitte des Hodens, allerdings je nach der Jahreszeit in wechselnder Ausdehnung, Lappen antreffen, welche hellweiss oder gelblichweiss sind, während der entgegengesetzte Pol des Hodens aus kleinen opaken, graulichen Lappenportionen zusammengesetzt ist, die sich nach dem Kopf zu mehr oder minder weit in einen bandartigen Zipfel fortsetzen. Eine mikroskopische Analyse des caudalen Hoden- abschnittes zeigt, dass die Lappen desselben aus Hodenkanälchen bestehen, die neben Follikelzellen reife oder fast reife Spermato- zoen enthalten, und ausserdem wird man hier noch Epithelgänge sowie namentlich im Frühjahre ceollabirte Hodenkanälchen an- treffen, aus denen die Spermatozoen entleert wurden und in denen nur mehr die Follikelzellen übrig geblieben sind. Untersucht man dagegen den entgegengesetzten Pol des Hodens, so ist man erstaunt, hier ein Gewebe zu finden, das sich so sehr von der übrigen Hodensubstanz unterscheidet, dass man wohl versucht sein könnte, dasselbe überhaupt nicht demselben zuzuzählen.

Das den oberen Pol des Hodens bildende Gewebe lässt von Samenkanälchen und ihrem Inhalte noch nichts erkennen, es be- steht vielmehr aus einem geschlossenen Lager von Zellen, zwischen denen in spärlicher Ausdehnung zartes Bindegewebe verläuft (Fig. 44a). Leicht gelingt es nun die Zellemente in zwei Gruppen zu trennen, in grosse, massige und wohlcontourirte Gebilde, die einen grossen, ziemlich blassen Kern beherbergen und andere, die sich, mannichfaltig geformt, zwischen die ersteren einschieben, dieselben gewissermaassen einhüllen, und sich durch einen sich dunkler tingirenden Kern auszeichnen. Es sind diese beiden Zellenarten, die wir hier in dem oberen Abschnitte des Salamander- hodens antreffen, auch anderweitig schon von den verschiedenen Autoren beschrieben worden und sind die ersteren mit dem Namen „Primordialeier“ [C. K. Hoffmann] (30), [Grünhagen] (31),

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„Ovules mäles“ [Swaen und Masquclin]| (32), die letzteren als „Follikelzellen“ [v. La Valette St. George] (33) bezeichnet worden.

An dieser Stelle sei nun das Wenige berichtet, was ich in Bezug auf die feineren Structurverhältnisse der beiden Zellenarten der Beschreibung der Autoren beizufügen habe. Die sogenannten „Primordialeier‘“ stellen bekannlich sehr voluminöse Gebilde von rundlicher oder, wenn dieselben dichter gedrängt liegen, polygo- naler Gestalt dar, welche im Allgemeinen einen runden Kern besitzen (Fig. 45). Nach Fixirung mit Osmiumgemischen gelingt es in demselben nur recht wenig färbbare Substanz nachzuweisen, wenigstens lässt sich ein chromatisches Netzwerk kaum deutlich bemerken; ausser einem oder höchstenz zwei grossen Nucleolen sieht man nur mehrfache Chromatinbrocken, die ab und zu durch äusserst feine, rosenkranzartig aneinandergereihte Chromatin- pünktchen untereinander in Verbindung gebracht werden, wodurch wenigstens eine leise Andeutung eines das Kerninnere durch- setzenden Netzwerkes gegeben wird. Die Kernmembran dagegen springt durch ihren grösseren Reichthum an chromatischer Substanz sehr deutlich in die Augen und ebenso lässt sichim Kerne ein äusserst feines Netzwerk achromatischer Substanz klarnachweisen. Merk- würdigerweise aber lässt eine Fixirung mit 3%/, Salpetersäure mit nach- folgender Hämatoxylintinetion (Fig. 46) ein sehr deutliches derbes Chromatinnetz zu Tage treten, ein Umstand, für den ich bis jetzt keine Erklärung zu geben vermag. Was das Protoplasma dieser grossen Zellen betrifft, so fällt in demselben eine gewisse Schieh- tung (Fig. 45) auf, so zwar, dass wir zunächst um den Kern eine Protoplasmaschichte finden, welche der Granulirung vollständig entbehrt; ihr folgt nach aussen die mächtigste Schichte, in der das protoplasmatische Netz sehr eng gewebt ist und endlich zunächst an der Peripherie der Zelle haben wir eine dritte Zone, wo nur vereinzelte Netzfäden nachweisbar sind.

Ueber die Gestalt der Follikelzellen (Fig. 45a) lässt sich, da diese Elemente sich allenthaben zwischen die Primordialeier hereinschieben, nichts Bestimmtes angeben, nur von ihrem platt- ovalen Kerne sei bemerkt, dass derselbe neben kleinen Nucleolen einen grösseren besitzt, der vollkommen die gleichen Struetur- verhältnisse zeigt, .wie sie oben von dem Kernkörperchen der Sper- matoblastkerne der Maus beschrieben wurden und wie diess für den Frosch von Sanfelice angegeben wird.

92 Dr, F. Hermann:

Die Namen, welche den grossen Zellgebilden von den Autoren gegeben wurden (Primordialeier, ovules mäles), basiren bekanntlich auf der Aehnlichkeit, welche diese Zellen mit den Zellen der Genitalanlage der Larve zeigen und wirklich ist diese Aehnlichkeit eine so grosse, dass es kaum möglich sein möchte, beide Zellarten von einander zu unterscheiden. Da nun die Zellen der Larvengenitalanlage sich noch auf einer vollständig indifferenten Stufe befinden, so möchte ich statt der obigen Namen eher die Bezeichnung indifferente Keimzellen für die am oberen Hodenpole der erwachsenen Salamander vorhandenen srossen Zellen wählen und sollen dieselben, bis wir erkennen werden, welche Rolle sie im Hoden spielen, unter diesem Namen Erwähnung finden.

Es ist bereits bekannt und namentlich in einer Arbeit von Bellonei (34) des Näheren gewürdigt worden, dass die Kerne dieserindifferenten Keimzellen nicht immer rund sind, sondern sehr oft selappte, ja geradezu verästigte Formen aufweisen, die von Seite der verschiedenen Autoren eine so genaue Beschreibung gefunden haben, dass ich derselben nichts hinzuzufügen wüsste. Sieht man sich aber um nach der Bedeutung, welche diesen gelappten Kernen zugeschrieben wurde, so wird man finden, dass darüber eine Uebereinstimmung durchaus noch nicht besteht, sondern dass die Ansichten sich hierin diametral gegenüber stehen, und gilt dies ja nicht blos von den gelappten Kernen der indifferenten Keim- zellen, sondern überhaupt von der Lappung und Einkerbung der Kerne, der wir ja so häufig im thierischen Organismus begegnen. So lange wir freilich mit den mitotischen Theilungsvorgängen und deren allgemeinem Vorkommen noch nicht bekannt waren, war die Deutung gelappter Kerne eine einfache, man sah sie eben als sich theilende Kerne an. Allein heutzutage sind ja die Argumente für das Vorkommen einer solehen direeten Theilung immer spärlicher geworden, und wenn auch einige, z. B. Nuss- baum (35) gerade für die uns interessirenden Keimzellen der Amphibien, noch an diesem amitotischen Theilungsmodus fest- halten, so darf wohl als sicher angenommen werden, dass künftige Untersuchungen die Grundlosigkeit dieser Annahme feststellen und den endgültigen Beweis liefern werden, dass die Kernthei- lung nur nach einem einzigen Prineip, dem der Karyokinese erfolgen dürfte. Dabei mag freilich nicht geleugnet werden, dass

Beiträge zur Histologie des Hodens. 93

dieser Process nicht überall bis in’s Detail vollkommen gleichartig abläuft, allein das Typische des karyokinetischen Vorganges dürfte sich wohl überall auffinden lassen, wo wir überhaupt sich thei- lenden Zellkernen begegnen.

Die zweite Ansicht über die Bedeutung der polymorphen Kerne der Keimzellen sowie überhaupt der gelappten Zelikerne lautet dahin, dass dieselben Degenerationsformen darstellen. Gerade für erstere wird dies von Belloneci behauptet und sieht derselbe die polymorphen Kerne als eine Folge eines unvollkommen oder überhaupt nicht zum Abschluss gelangten Kerntheilungs- processes an. Allein ich sehe mich in der betreffenden Arbeit vergeblich nach einem strieten Beweis für diese Ansicht um, denn aus der entfernten Aehnlichkeit der gelappten, eingebuchteten Kerne mit Sternformen der Mitose kann derselbe doch unmöglich abgeleitet werden. Zwei andere Gründe scheinen mir noch gegen die Ansicht Bellonci’s zu sprechen. Wir sahen, dass auch in der Genitalanlage der Salamanderlarve die gelappten Kerne un- gemein häufig vorkommen; sollen nun all diese Kerne, kaum gebildet, wieder einem Untergange entgegengehen? Das klingt doch wenig wahrscheinlich. Und ausserdem verlaufen die Degenerationsprocesse, die, wie im nächsten Kapitel ausführlich erwähnt werden soll, im Zellmaterial des Salamanderhodens häufig zur Beobachtung gelangen, unter wesentlich anderen Erscheinungen als einer Lappung der Kerne.

Verlassen wir aber den Standpunkt, in dem Zellkern aus- schliesslich ein „Reproduetionsorgan“ der Zelle anzunehmen, bringen wir, folgend einer Weismann’schen Anschauung, den Kern auch mit den vegetativen Processen im Protoplasma und damit mit den Wachsthumsvorgängen in Zusammenhang, so dürften wir auch für den speciellen Fall der gelappten Keimzellenkerne zu einer wahrscheinlicheren und, wie mir dünkt, einfacheren Erklärung gelangen. O. Schultze (36) hat in einer erst kürzlich erschienenen Mittheilung darauf hingewiesen, dass unter dem Einflusse ungenügender Ernährung die Zellkerne die Tendenz zeigen, ein gelapptes Aeussere anzunehmen. So richtig nun, wie ich aus eigener Erfahrung bestätigen kann, die Befunde Schultze's sind, so möchte ich doch im Interesse der Wichtigkeit und Rich- tigkeit derselben darauf aufmerksam machen, dass die Angabe, als ob die „Hungerkerne“ sich von den unter normalen Verhält-

4 Dr. F. Hermann:

nissen vorkommenden gelappten Kernformen typisch unterschei- den würden, keine besonders glückliche ist. Es wird dadurch dem Einwand Thür und Thor geöffnet, dass die unter Einfluss des Hungers entstehenden gelappten Kernformen eben nur als Degenerationsformen der Kerne schlechtweg aufzufassen seien, und Sehultze selbst stellt seine „Hungerkerne“ mit Degenera- tionsformen in eine Kategorie zusammen. Verstehe ich Sch ultze jedoch recht, so will er gerade dureh die Mittheilung seiner Befunde den Beweis dafür liefern, dass der Zellkern eben auch zu den rein vegetativen Processen der Zelle in näherer Beziehung steht. Wenn wir nun das Auftreten der Lappung an den „Hungerkernen“ in etwas weiterer Ausdehnung als den Aus- druck einer vermehrten Stoffwechselenergie auffassen, so dürften wir uns damit eine gemeinschaftliche Basis geschaffen haben, von der aus wir nicht nur das Auftreten gelappter Kerne in Folge von Hunger, sondern auch all’ die gelappten Kern- formen, die wir so häufig antreffen, vollständig beurtheilen können. Wir werden dann verstehen, warum der Kern die ungünstigen Bedingungen mangelnder Nahrung durch Vergrösserung seiner resorbirenden Oberfläche zu besiegen sucht, warum also die „Hungerkerne“ gelappte Formen darbieten. Das Auftreten dieser in Eiern und Furchungszellen wird uns dann nicht mehr wunder- bar erscheinen, denn, dass in diesen Zellen eine vermehrte Energie des Stoffwechsels stattfindet, dafür genügt wobl der Hinweis bei den ersteren auf die Dotterbildung, bei letzterer auf die rapiden Wachsthumserscheinungen. Vor allem aber werden uns die gelappten, ja verästigten Kernformen in Drüsenzellen erklärbar, wie sie namentlich bei Evertebraten so zahlreich beobachtet wurden; hier wird ja an die Stoffwechselvergänge der Zelle nicht nur die Anforderung gestellt, das betreffende Zellindividuum auf gehörigem FErnährungszustand zu erhalten und in weiterem zur Vermehrung geeignet zu machen, sondern es tritt die erhöhte Aufgabe heran, die Bildung eines eventuell recht massigen Secretes zu besorgen. Auch die eigenthümlichen Kernformen der Riesen- zellen des Knochenmarkes dürften von unserem Standpunkte aus beurtheilt werden können, sehen wir doch, wie ich einer schon alten Mittheilung von v. Kölliker (37) entnehme, welche Leistung grade von diesen Zellen für die Bildung der Oberfläche des Skeletsystems verlangt wird. In letzter Instanz dürften vielleicht

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auch die eingebuchteten, gelappten Kernformen der Leucocyten hierin eine Erklärung finden. Dabei soll durchaus nicht geleugnet werden, dass in degenerirenden Zellen gelappte Kerne vorkommen, allein dieselben sind nicht ein Zeichen eines degenerativen Processes an und für sich, sondern nur der Ausdruck dessen, dass die An- strengungen, die die Zelle zur Sicherung ihres Stofiwechselbebürf- nisses gemacht, vergebliche waren und sie erst danach einer Degeneration anheimgefallen ist. Kehren wir nach diesem all- gemeinen Excurs wieder zu unserem Ausgangspunkte, den poly- morphen Kernen der indifferenten Keimzellen des Salamander- hodens, zurück, so wird sich auch für sie sogleich nachweisen lassen, dass auch ihnen vermehrte Stoffwechselvorgänge und Hand in Hand damit eine erhöhte Wachsthums- energie eigen ist.

Diese indifferenten Keimzellen, deren nähere histologische Structur wir im Vorhergehenden betrachtet haben, sind nun direct dem Hodengewebe zuzuzählen, und zwar stellen sie in demselben nichts Fremdes dar, ein Umstand, auf den ich um so mehr aufmerk- sam machen möchte, daBellonei dieam oberen Pol des Hodens be- findlichen Zellecomplexe dem sog. Pseudovarium oder Bidder- schen Organe der Kröte entsprechen lässt. Auf die ganz auf- fallend differenten Bauverhältnisse der männlichen Keimdrüse innerhalb der Klasse der Amphibien soll an dieser Stelle nicht eingegangen werden, ich möchte nur hier erwähnen, dass von der Ansicht Bellonei’s schon deswegen keine Rede sein kann, weil das sog. Pseudovarium der Kröte überhaupt gar nicht aus in- differenten Keimzellen besteht. Es sind vielmehr wohl dif- fereneirte Zellen, welche dasselbe zusammensetzen, nämlich wirkliche Eizellen; es haben sich also in dem genannten Or- gane der Kröte die indifferenten Keimzellen des Larvenstadiums, merkwürdig genug, als Anhang der männlichen Keimdrüse nach der weiblichen Seite hin differenzirt.

Fragen wir uns nun, welche physiologische Bedeutung wir den indifferenten Keimzellen des erwachsenen Salamanderhodens zuertheilen müssen, so lautet die Antwort dahin: die indifferenten Keimzellen stellen die eigentlichen Ursamenzellen, die Spermatogonien im Salamanderhoden dar, also jene Elemente, aus denen immer auf’s Neue in letzter Instanz das für die Samen- bildung nothwendige Material geschöpft werden muss, und ich

96 Dr. F. Hermann:

freue mich, mit diesem Nachweis eine Vermuthung Flemmings (2) vollständig bestätigen zu können.

Auf Serienschnitten, die in der Längsrichtung des Hodens angelegt werden, lässt sich nämlich Schritt für Schritt beobachten, wie sich aus den Spermatogonien das Gewebe des Hodens entwickelt. Die Etappen dieses Entwicklungsprozesses werden von Bellonei zwar recht gut beschrieben, allein es bleibt zweifelhaft, ob derselbe geneigt ist, die einzelnen Stadien von einander abzuleiten; es dürfte desshalb angebracht sein, an dieser Stelle darauf einzugehen. Ziemlich zahlreiche Mitosen in den Spermatogonien beweisen, dass dieselben sich in reger Vermehrung befinden, wodurch sich aus den einzelnen Spermatogonien kleine Gruppen bilden, die, von einer bindegewebigen Hülle umschlossen, in ihrem Inneren von den ebenfalls sich rasch vermehrenden Follikelzellen durchsetzt sind. Mehrere solcher benachbarter Spermatogoniengruppen mögen nun mit einander zur Verschmelzung kommen und bilden sich da- durch solide Stränge, jene Formation, die auch bei Bellonei als „solide Hodenstränge“ Erwähnung fanden (Fig. 44b). Sehr bald kommt es nun im Inneren dieser soliden Stränge zur Bildung eines spaltförmigen Raumes und wir haben damit den ersten Anfang eines Hodenkanälchens vor uns (Fig. 44c); solche Bilder haben auch Swaen und Masquelin beobachtet und haben dieselben die weite- ren Entwicklungsprocesse dieser jungen Kanälchen so genau und vollständig beschrieben, dass ich mich hier ganz kurz fassen kann. Lebhafte Kerntheilungen stellen sich nun ein; die einzelnen Sper- matogonien wandeln sich dadurch in kleine, zweizellige, der binde- gewebigen Kanälchenwand senkrecht aufsitzende Säulchen um, weitere Theilungen schliessen sich an und bald ist aus der ein- zelnen Spermatogonie ein stattlicher Haufen von Zellen gebildet, die ihren gemeinschaftlichen Ursprung noch deutlich dadurch zur Schau tragen, dass sie von einer aus Follikelzellen gebildeten, ge- meinschaftlichen Hülle begrenzt werden. Wir sehen also, wie dies schon vor längerer Zeit von v. LaV alette St. George nachgewiesen wurde, dass eine einzige Spermatogonie einen ganzen Zellhaufen, eine sog. Spermatocyste an sich hervorgehen liess und damit eine Wachsthumsenergie an den Tag gelegt hat (Fig. 44d), die die Exi- stenz gelappter Kernformen, die wir jaan den indifferenten Keim- zellen so häufig fanden, in oben erwähntem Sinne wohl berechtigt sein lassen dürfte. Biniger Umstände sei nun noch Erwähnung

Beiträge zur Histologie des Hodens. 97

gethan; einmal mag bemerkt sein, dass bei der Entwicklung der Spermatoeysten stets sämmtliche Abkömmlinge einer einzigen Sper- matogonie zu gleicher Zeit in Theilung begriffen sind, so dass wir Spermatocysten bekommen, in denen Mitose neben Mitose gelegen ist und ferner sehen wir, dass an den fertigen Spermatocysten die Kerne der Follikelzellen stets der freien, in das Lumen des Ka- nälehen sehenden Fläche derselben aufsitzen, während zwischen den einzelnen Spermatocysten, sowie zwischen ihnen und der binde- sewebigen Kanälchenwand Follikelzellkerne seltener nachzuweisen sind (Fig. 44d).

Greifen wir nun aus einer solchen Spermatocyste ein Einzel- individuum, oder, wie wir nun sagen können, eine Spermatocyte heraus, so fällt vor allem auf, dass dieselbe durch die vielfache Kerntheilung an Grösse gegen die ursprüngliche Spermatogonie bedeutend eingebüsst hat; dabei stellt die Spermatocyte ein poly- gonales, bei geeigneter Behandlung deutlich und scharf eontourirtes Element dar, das einen runden Kern besitzt, in weichem sich in- mitten eines derben, aber locker gewebten Chromatinnetzes zahl- reiche, unregelmässig gestaltete Nucleolenbildungen vorfinden (Fig. 47).

Noch auf einen Umstand möge hier aufmerksam gemacht werden, das ist das Verhältniss der Theilungsaxen der Mitosen bei der regeneratorischen Neubildung des Hodens. Es scheint mir wichtig, dasselbe etwas mehr in Betracht zu ziehen, da wir aus der Berücksichtigung dieser Verhältnisse eine Erklärnng für eine Eigenthümlichkeit des Salamanderhodens finden werden, durch welche die urodelen Batrachier nicht nur in der Klasse der Am- phibien, sondern, soweit mir die Verhältnisse aus eigener An- schauung und aus der Litteratur bekannt sind, auch in der ganzen Reihe der Wirbelthiere eine gesonderte Stellung einnehmen. Es hat nämlich Flemming (l) zuerst nachgewiesen, dass beim Sala- mander die Spermatozoen nicht in der bei den übrigen Thierformen typischen Weise mit der Spitze des Kopfes nach der Kanälchen- wand gerichtet sind, während der Schwanz in das Kanälchen- lumen hereinragt, sondern dass die Verhältnisse gerade umge- kehrt liegen. Wie so kommt es nun zu dieser Eigenthümlichkeit des Urodelenhodens? Eine Betrachtung der Wachsthumsrichtungen bei der Neubildung der Hodenkanälchen wird uns diese Frage beantworten.

Archiv f. mikrosk, Anatomie. Bd. 34, 7

98 Dr. F. Hermann:

Bei der Bildung der soliden Hodenstränge aus den indiffe- renten Keimzellen wird, wenn hier überhaupt eine bestimmte Richtung an den sich theilenden Zellen wahrgenommen werden kann, die Theilungsaxe der Mitosen stets mehr oder minder parallel der bindegewebigen Membran verlaufen müssen, da es sich hierbei ausschliesslich um ein Flächenwachsthum handeln dürfte. Ist nun aus dem soliden Hodenstrang das Hodenkanälchen hervorgegangen, so steht die Theilungsaxe bei der Bildung der nunmehr aus zwei Schichten von Spermatogonien bestehenden Ka- nälchenwand natürlich senkrecht auf der Ebene der Membrana propria (Fig. 44c), bei der weiterhin eintretenden T'heilung der 2 nunmehr gebildeten Spermatogonien in 4 Zellen, wird die Thei- lungsaxe wieder parallel der Kanälchenwand verlaufen müssen (Fig. 44c, ß). Bleiben wir nun bei diesem Stadium stehen und be- trachten uns das Verhältniss der Follikelzellen zu den einzelnen Spermatogonienfamilien, so finden wir, dass jede derselben von einer Lage von Follikelzellen umhüllt wird, deren Kerne zum grössten Theile noch zwischen den benachbarten Spermatogonien- generationen gelegen sind. Bei der nunmehr eintretenden Weiter- bildung dieser zu jungen Spermatocysten bleibt nun die Axe der Kerntheilungen stets mehr oder minder parallel zur Ka- nälcehenwand liegen, und dieser Umstand wird, wenn man ferner berücksichtigt, dass die abundante Zelltheilung ja nicht nur in einer einzigen Spermatogonienfamilie, sondern in mehreren benachbarten zugleich stattfindet, für die Lage der Follikelzellen im Hodenkanälchen von wesentlicher Bedeutung sein. Es werden dieselben durch den Seitendruck, den die der Fläche nach rasch wachsenden Spermatveysten nothwendiger Weise auf einander ausüben müssen, in das Kanälchenlumen als dem locus minoris resistentiae hineingepresst werden müssen, und so sehen wir denn, dass die Follikelzellen an den ausgebildeten Spermatoeysten stets an der dem Lumen zusehenden Fläche derselben ihre Lage haben, nur einige wenige werden an einem gleichfalls ziemlich geschützten Orte, dort, wo zwei benachbarte Spermatocysten an die Kanälchenwand anstossen, Platz finden. Zwischen den aus- gebildeten Spermatocysten wird man aber die Kerne der Follikel- zellen stets vermissen (Fig. 44d).

Da nun, wie bekannt, die Spermatiden ihren Umwandlungs- process in Spermatosomen innerhalb des Protoplasmas der Follikel-

Beiträge zur Histologie des Hodens. 99

zellen durehmachen müssen, so werden die Kerne der Spermatiden sieh natürlicherweise dorthin, wo sich die Follikelzellen zu grös- seren Gruppen vereinigt finden, also nach dem Kanallumen hin verschieben müssen und wir können so die abweichende Stel- lung der Spermatozoenbüschel -der Urodelen direkt als ein Produkt der eigenthümlichen Regenerations- pröcesse im Hoden auffassen.

Versuchen wir nun uns ein Bild der Vorgänge der Sperma- togenese zu entwerfen, wie sie im Laufe eines Jahres sich ab- spielen, so dürfte dies folgendes sein.

Aus den am oberen Pole des Hodens gelagerten indifferenten Keimzellen, den Spermatogonien,, bilden sich durch successive in- direkte Kerntheilungen im Frühjahre anfangs solide Hodenstränge, die bald in Hodenkanälchen übergehen, deren Wand aus den Spermatoeysten besteht. Diese wachsen mit Beginn des Sommers bedeutend heran und die Inhaltszellen derselben, die Sperma- tocyten, erzeugen auf dem Wege mehrfacher Theilungen die ei- gentlichen Samenzellen, die Spermatiden. In bestimmter Weise gegen die im Kanälchenlumen angehäuften Follikelzellen orientirt, gehen dann die Spermatiden ihrer Verwandlung in fertige Sper- matozoen während des Sommers und des Herbstes entgegen. Wird dann in der Befruchtungsperiode im Frühjahre das während des Jahres gebildete Samenmaterial verbraucht, so bleiben nur noch mit Follikelzellen erfüllte Kanälchen zurück, die dann einer re- sressiven Metamorphose anheimfallen. Das äusserst merkwürdige an diesem ganzen Prozesse besteht also darin, dass die Vorgänge der Histiogenese des Hodens, die wir bei den übrigen Wirbel- thieren in der Jugend vor der Zeit der Geschlechtsreife ablaufen sehen, sich bei den Urodelen in jedem Jahre auf’s Neue abspielen und dass wir das indifferente Stadium der Geschlechtsanlage der Larve während des ganzen Lebens des fertigen Thieres persistiren sehen als ein immerwährendes Depot, aus dem Jahr für Jahr das nöthige Samenmaterial neu ergänzt werden muss.

VII. Die Degenerationsvorgänge im Salamanderhoden. Flemming(2) war wohl der erste, der unsere Aufmerksamkeit auf eigenthümliche Vorgänge lenkte, die im Salamanderhoden statt- finden und die er selbst als Degenerationsprocesse deutet. In

100 Dr. F. Hermann:

den Kernen der Spermatoeyten tritt nach Flemming eine diffuse Vertheilung des Chromatius ein und es zeigt sich der tingirbare Chro- matinklumpen von einzelnen oder mehrfachen Vaenolen durehsetzt ; dabei findet eine Verkleinerung des Kernes und Hand in Hand damit ein Untergang der ganzen Zelle statt.

Es soll auf diese eigenthümlichen Vorgänge auch an dieser Stelle eingegangen werden, da unsere Präparate einen etwas ein- gehenderen Blick in diese Verhältnisse erlaubten, als es Flemming gelungen zu sein scheint. Wenn derselbe von einer Vacuolisirung des Kernes spricht, so muss ich ihm im Allgemeinen Recht geben, allein es handelt sieh dabei nicht um eine Durchsetzung des zusammen- geballten, im Kern diffus vertheilten Chromatins mit kleineren oder grösseren Vacuolen, sondern es wird der ganze Kern in eine grosse Vaeuole verwandelt und dadurch das Chromatin in Form eines derben, in seinen einzelnen Balken siebförmig durchlöcherten Netz- werkes an der Kernmembran niedergeschlagen (Fig. 48). Die ge- formte achromatische Substanz des Kernes aber ballt sieh zu einer kleinen, im Inneren des Kernes liegenden Kugel zusammen, die dureh einige wenige Fädchen mit der achromatischen Kernmem- bran in Zusammenhang steht und auf ihrer Oberfläche mit feinen Chromatinpünktehen besetzt ist. Neben dieser morphologischen Veränderung der Kernstructur hat auch eine chemische Platz ge- griffen, in sofern als nun das beschriebene chromatische Netzwerk kein Attraetionsvermögen mehr für Gentianaviolett besitzt, sondern aus- schliesslich das Saffranin festhält, gerade so, wie ich (38) das in einer früheren kleinen Mittheilung als ein allgemeines Characteristi- kum degenerirender Kerne festgestellt habe.

Dadurch nun, dass der Kern sich allmählich mehr und mehr verkleinert, müssen die derben Balken des Chromatinnetzes mit einander verschmelzen und wir sehen bald, dass die niederge- schlagene chromatische Kernsubstanz die Gestalt schalenförmiger Schollen annimmt (Fig. 49), die von feinen Oefinungen siebartig durchbrochen sind; es entsteht dadurch ein ungemein zierliches Bild, das einigermaassen an Bruchstücke von Foraminiferenschalen erinnert. Die stetig zunehmende Verkleinerung des Kernes lässt aber diese feinen Oeffnungen bald verschwinden (Fig. 50. 51), die derben Chromatinschollen ziehen sich immer mehr zusammen und endlich wird unter dem Drucke dieser allmählichen Contraetion die achromatische Kugel ausgepresst (Fig. 52) und in das Proto-

Beiträge zur Histologie des Hodens. 101

plasma hereingeschleudert. In diesem hat ebenfalls eine weit- sehende Degeneration stattgefunden, auch die Achromatinkugel geht ihrer allmählichen Auflösung entgegen, wodurch die an ihrer Ober- fläche haftenden Chromatinkörnehen frei werden und nun in dem Zellendetritus als feine, färbbare Pünktchen gelegen sind. Bald aber verlieren sie sowohl, als auch die Chromatinschollen des Kerns jede Fähigkeit, Farbstoffe aufzunehmen (Fig. 53), eine feine Detritusmasse, die verschieden grosse, durch Osmium braun bis sraugrün gefärbte Körner in sich beherbergt, stellt dann den letz- ten Rest der untergegangenen Samenzellen dar (Fig. 54. 55).

Sehen wir uns nun, nachdem wir den feineren Vorgängen, welche bei dem Untergange der Samenzellen sich abspielen, unsere Aufmerksamkeit geschenkt haben, um nach jenen Stellen im Salamanderhoden, wo es überhaupt zu einem solchen Degenerations- process kommt, so mag vor allem bemerkt werden, dass derselbe an solehen Spermatoeysten, in denen die Umbildung der Samen- zellen in Spermatosomen stattfindet, niemals zu finden ist, wie diess ja auch von Flemming beobachtet wurde. Stets sind es solehe Spermatoeysten, deren einzelne Elemente wir noch als Spermatoeyten, also als Zellen auffassen müssen, die noch vor der Bildung von Spermatidengenerationen auf dem Wege der hetero- typischen Kerntheilung stehen; solche Spermatocysten gehen dann aber, wenn der Degenerationsprocess in ihnen einmal begonnen hat, vollständig zu Grunde, es bleibt von ihrem Inhalt nur mehr ein unregelmässiges zartes Netzwerk übrig, in dem noch einzelne theils gefärbte, theils farblose Kernreste nachweisbar sind (Fig. 55), die die Wand bildenden Follikelzellen aber bleiben noch lange bestehen, sie scheinen dem Untergange erst weit später entgegen- zugehen (Fig. 55). Nicht nur einzelne Spermatocysten können auf die beschriebene Art zu Grunde gehen, sondern es kommt sar nicht so selten auch zu einer streckenweisen Öbliteration ganzer Hodenkanälchen (Fig. 54), aber auch hier sehen wir mitten im Detritus der untergegangenen- Samenzellen noch unversehrte Kerne von Follikelzellen, die dadurch deutlich genug in’s Auge fallen, dass sie, gerade so wie die Kerne der Stützzellen des Mäusehodens, durch die dort beschriebenen eigenthümlichen Nu- eleolenbildungen ausgeseichnet sind.

Fragen wir uns nun, ob dieser Zerstörungsprocess im Sala- mander als etwas normales zu betrachten ist und welche Bedeu-

102 Dr. F. Hermann:

tung ihm wohl beizumessen sein dürfte, so mag daran erinnert werden, dass gerade in den keimbereitenden Organen eine spätere theilweise Atrophie des ursprünglich gebildeten Zellmateriales etwas ganz gewöhnliches is, wie diess namentlich für das Ovarium als allgemein bekannte Thatsache zu betrachten ist. Die Natur verfährt eben bei der Anlage der keimbereitenden Drüsen nicht so engherzig und haushälterisch, dass sie nun jede einzelne, ein- mal gebildete Keimzelle ihrer definitiven Reifung, sei es zum reifen Ei, sei es zum fertigen Spermatozoon, entgegenführen müsste. Auch der Umstand, dass die Samenzellen noch bevor sie in diesen Process der Reifung eintreten, also, wenn ich so sagen darf, in . gewissermaassen jugendlichem Zustande der Zerstörung anheim- fallen, darf uns nicht Wunder nehmen; sehen wir doch, dass die Atresie der Eifollikei im Säugethierovarium vorzugsweise an solchen Follikeln erfolgt, die von ihrer definitiven Grösse noch weit ent- fernt sind. Die Anlage von keimbereitendem Material findet eben in solcher Reichhaltigkeit statt, dass es nur natürlich erscheinen muss, wenn einzelne Zellcomplexe, durch die allgemein so intensiv erfolgende Neubildung in ungünstigere Ernährungsverhältnisse gebracht, die definitive Reife nicht erlangen, sondern schon früher im Kampf ums Dasein zu Grunde gehen.

Noch an einer anderen Stelle des Salamanderhodens werden wir Processen der Degeneration begegnen müssen; ich erwähnte oben schon, dass bei der Ausstossung der fertigen Samenfäden in den Hodenkanälchen nur mehr die Follikelzellen übrig bleiben. Unmöglich können sich dieselben, sind sie doch reine Stütz- elemente, wieder in Junge keimbereitende Zellen umwandeln, sie müssen daher allmählich einer langsamen Degeneration entgegen- sehen. Und so sehen wir denn namentlich lässt sich dies schön an Tritonen aus dem ersten Frühjahre beobachten -— dass in den entleerten llodenkanälchen ein langsames Zugrundegehen der restirenden Follikelzellen stattfindet. Dieselbe erfolgt aber nicht in der bei den degenerirenden Spermatocyten erwähnten Weise, sondern es findet die Atrophie der Kerne in einfacherer Art statt unter Bildung jener sog. chromatolytischen Figu- ren, wie sie bei dem Zugrundegehen von Kernen allgemein vor- zukommen pflegen.

Erlangen, April 1889.

Beiträge zur Histologie des Hodens. 103

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3l. Grünhagen. Vorl. Mittheilung. Centralblatt f. d. med. Wissen- schaften. 1885. Bd. 25.

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97. A.v. Kölliker. Sitzungsberichte der phys. med. Gesellschaft. Würz- burg. III. 1872.

38. F. Hermann. Ueber regressive Metamorphosen des Zellkernes. Anat. Anzeiger. III. Jahrg. Nr. 2 u. 3. 1888.

Beiträge zur Histologie des Hodens. 105

Figurenerklärung zu Tafel III und IV.

Zu meinen Untersuchungen standen mir zwei jener vorzüglichen Apo-

chromat-Systeme für homogene Immersion von Zeiss (Num. Ap. 1,3. Brennweite 2,0 u. 3,0) zur Verfügung. Wo nicht anders angegeben, sind sämmtliche Fi- euren bei Benutzung dieser Objective mit den Ocularen, 2, 4, 8 u. 12 mit dem Abbe’schen Zeichenapparat gezeichnet, und zwar wurden nicht nur die Zelleontouren mit der Camera lucida entworfen, sondern auch die feineren

Details (Chromatinschleifen etc.) mit derselben eingetragen.

Fig.

Fio

D'

Fig.

Fig.

Fig.

Fig.

Fig. Fig. Fig. Fie. Fig. Fig.

Fig,

Fig.

Fig. Fig.

Fig.

Fig. Fig.

Salamandra maculosa.

1. Reife Spermatocyste. (Die Schwanzfäden nicht ganz gezeichnet.) a. Follikelzelle.. 333/1.

2 u. 3. Spermatiden mit Nebenkern. 1000/1.

4. Einstellung des Nebenkernes auf der Kernperipherie der Sperma- tide. 1000/1.

5—12. Entwicklung des Mittelstückes und des Flossensaumes der Sper- matosomen. Fig. 5—9. 1000/1. Fig. 10—12. 667/1.

13. Spermatoeyte mit farblosem Nebenkern. 1000/1.

14—23. Heterotypische Theilung des Spermatocytenkernes und Rolle des Nebenkernes bei derselben. 667/1.

Maus.

24. Spermatoblast (v. Ebner). 1000/1.

25. Zwei neugebildete Spermatogonien. 1000/1.

26—28. Spermatogonien in verschiedenen Entwicklungsstadien. 1000/1.

29. Spermatogonie im Stadium des engen Knäuels (growing cells). 1000/1.

30. Spermatocyte im Spiremstadium mit Nebenkern. 1000/1.

3la.b. Spermatocyte in der Umwandlung zur Metakinese. 1000/1.

32. Spermatocyte im Stadium der Metakinese mit den Polarkörperchen. 1500/1. .

33. Spindelpol von oben betrachtet mit den Polarkörperchen. (Apathy’sche Hämatoxylintinetion.) 1000/1.

34. Spermatocyteim Stadium des Dyastersmit dem Polarkörperchen. 1000/1.

35. Spermatide mit dem Nebenkern und der Anlage der Kopfkappe. 1000/1.

36. Erste Veränderung an der Spermatide. 1000/1.

37—41. Umwandlung der Spermatide in das Spermatozoon. 1000/1.

42. Unreifes Spermatozoon mit dem Spiralfaden des Verbindungsstückes, (Apathy’sche Hämatoxylintinction. Gentianaviolett.) 1000/1.

106 Dr. F. Hermann: Beiträge zur Histologie des Hofdens.

Salamandra maculosa.

Fig. 43. Bildung des Nebenkernes in einer Spermatocyte. 1000/1. Fig. 44a—d. Regeneration des Salamanderhodens (halbschematisch). (Die Kerne der Spermätogonien braun, die Follikelzellkerne violett, die Bindegewebskerne roth.) 167/1. a) Ursprüngliches (embryonales) Stadium. b) Bildung der soliden Hodenstränge. c) Bildung der Hodenkanälchen. d) Fertige Spermatocysten. Fig. 45. Spermatogonie aus dem oberen Pole des Hodens. a) Follikelzelle. 667/1. Fig. 46. Kern einer solchen Spermatogonie. Salpetersäure 30/,. Hämatoxylin. 667/1. Fig. 47. Junge Spermatocyte. 667/1. Fig. 48—53. Degenerationsformen der Spermatocyten. 667/1. Fig. 54. Degenerirte Spermatocyste. Fig. 55. Obliterirtes Hodenkanälchen. a) Follikelzellen. Seibert V. Oc. 1 305/1.

Ueber die Haut des Neunauges. Von L. Pogojeff.

Hierzu Tafel V.

Die Haut des Neunauges (Petromyzon fluviatilis) ist vielfach Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchung gewesen. Insbesondere sind es einzelne Hautbestandtheile gewesen, für welche viele Autoren sich interessirten ; jedoch istWieles in dieser interessanten Frage bis jetzt räthselhaft und unentschieden geblieben, trotzdem dass die Untersuchungen gewissenhaft ausgeführt wurden. Die einander widersprechenden Schlüsse, zu welchen die Autoren bei ihren Un- tersuchungen gelangt sind, machen es einerseits wünschenswerth, wenn auch nur Einiges zur Klärung dieser dunklen Frage heizu- tragen, andererseits lassen sie die Voraussetzung zu, dass diese Frage, so vielfach behandelt und mit verschiedenen Resultaten,

Ueber die Haut des Neunauges. 107

unstreitig Schwierigkeiten in sich berge, von deren Vorhandensein im Laufe unserer Arbeit wir uns sehr bald überzeugen konnten, Schwierigkeiten, welche zu beseitigen auch uns nicht vollständig gelungen ist.

Im vorigen Jahre haben wir in unserer Arbeit über das Ge- ruchsorgan des Neunauges !) mit wenigen Worten hingewiesen auf recht eigenartige Zellen, welche sich in der Haut von Petromyzon fluviatilis vorfinden. Diese Zellen, nach Max Schultze wegen ihrer Form recht treffend als kolbenähnlich bezeichnet, sind zuerst von Kölliker entdeckt und später von Max Schultze genau untersucht worden; jedoch haben diese angesehenen Forscher sich über die Natur der erwähnten Zellen vollständig entgegengesetzte Ansichten gebildet. Da es uns im vorigen Jahre, wie oben er- wähnt, unmöglich war, längere Zeit bei dieser Frage zu verweilen, so haben wir nur kurz das Resultat unserer flüchtigen Beobachtung mitgetheilt, welches uns von der Richtigkeit der Ansicht Max Sehultze’s, die erwähnten Zellen seien als nervöse Elemente auf- zufassen, vollständig überzeugte. Seit der Zeit beschäftigten wir uns etwas eingehender mit der Untersuchung der Haut des Neun- auges und sind noch mehr überzeugt worden von der Richtigkeit unserer im vorigen Jahre gefassten Meinung.

Die Haut von Petromyzon fluviatilis ist, wie bereits erwähnt, vielfach Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchung gewesen. So viel uns bekannt ist, hat Heinrich Rathke (l) im Jahre 1826 zuerst die auf der Haut des Neunauges zerstreut liegenden Grüb- chen beschrieben und ihnen die Bedeutung schleimabsondernder Organe beigemessen. Nach ihm beschäftigte sich im Jahre 1854 mit dieser Frage Stannius (2), darauf folgen die Arbeiten von Kölliker (#), Max Schultze (4), F.E.Schulze (5), H. Müller (6), Arbeiten, welche wir im Laufe unserer Abhandlung bei jeder Ge- legenheit werden erwähnen müssen. Vor nicht allzu langer Zeit, im Jahre 1873, hat Langerhans#7) eine wenn auch kurze, so doch erschöpfende Monographie über Petromyzon Planeri ver- fasst. Vorliegende Arbeit handelt von Petromyzon fluviatilis.

Die Methoden, deren wir uns bei vorliegender Untersuchung bedienten, waren recht mannigfaltige. Die angefertigten Präparate

1) Ueber die feinere Struktur des Geruchsorganes des Neunauges. Von L. Pogojeff. Archiv f. mikroskop. Anatomie. Bd. XXXI.

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waren zweierlei Art und entsprachen zwei verschiedenen Zwecken: einmal waren es Schnittpräparate, weiche uns ein allgemeines Bild des Gewebes und der gegenseitigen Anordnung der einzelnen Ele- mente desselben lieferten, dann aber Präparate des macerirten Gewebes, welche uns einen genauen Einblick in den feineren hi- stologischen Bau der einzelnen Gewebselemente gestatteten. Zur Herstellung von Präparaten ersterer Art war es nothwendig die Haut von Petromyzon fluviatilis zu härten, zu welchem Zwecke fast alle in der Histologie hierfür gebräuchlichen Mittel in Anwendung ge- zogen wurden, wobei erwähnt werden muss, dass wir die besten Resultate erzielten bei Anwendung von Alkohol als Härtungsmittel mit nachfolgender Bearbeitung mit Gold und Färbung mit Pikro- carmin, Hämatoxylin u. a. Nicht übel waren auch Präparate, welche wir erhielten nach Einwirkung von Holzessig auf frisches Gewebe und folgender Härtung in Alkohol. Bei letzterer Art der Behandlung differenziren sich die einzelnen Gewebselemente ganz ausgezeichnet, sie sind gewissermaassen von einander getrennt, ohne dass dabei Runzelung auftritt, wie es sonst zu geschehen pflegt, wenn frisches Gewebe direkt dem Alkohol der Härtung überliefert wird. Die auf diese Weise gehärteten Präparate wurden wie ge- wöhnlich in Nelken- oder Terpentinöl aufgehellt und in Paraffin eingeschlossen, für das Mikrotom vorbereitet. Darauf wurden die Schnitte serienweise auf die Objektträger gebracht oder nach sorg- fältigem- Auswaschen von Paraffin und Terpentinöl befreit, in eine Mischung von Alkohol 1/;, und 50 °/,iger Essigsäure gebracht. "In dieser Mischung wurden die Präparate 3—20 Tage lang be- lassen und erhielten nach dieser Zeit recht wichtige Eigenschaften: das Gewebe lockerte sieh, die Gewebselemente wurden durch- sichtig, wiesen eine deutliche Dissociation auf und eine Menge Details boten sich in deutlicher Weise dem Auge dar. Nach dieser Methode war es uns möglich recht deutlich den Verlauf der Ner- venfasern in der subepithelialen Schicht der Haut zu verfolgen. Zur Herstellung von Präparaten zweiter Art, welche uns zur Un- tersuchung der einzelnen Gewebselemente dienen sollten, nahmen wir die Maceration kleiner Hautstücke in verschiedenen Härtungs- flüssigkeiten vor, wie Alkohol 1/,, schwefeliger Säure, Glycerin, nach vorheriger Behandlung mit Gold ete. Ein jedes dieser Rea- sentien erwies sich als geeignet für eine bestimmte Art der Ge- webselemente so, dass nach dieser Methode der Bearbeitung das Gewebe das beste Bild darwot.

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Bekanntlich besteht die Haut des Neunauges (Fig. 12) aus drei Schichten, einer epithelialen Schicht, dem Corium und einem lockeren Unterhautzellgewebe. Die beiden ersten Schichten wer- den getrennt durch die Basalmembran, welche auf ihrer Oberfläche Epithelzellen trägt. Diese Membran besteht aus einem Geflecht feinster Bindegewebsfasern mit netzartiger Anordnung so, dass viele Lücken sichtbar sind, welche wahrscheinlich dazu dienen die zum Epithel hinziehenden Nerven und Gefässe aufzunehmen. Auf der äusseren, dem Epithel zugewandten Fläche dieser Mem- bran sieht man häufig feine Nervenabschnitte. Das Corium besteht aus einem dichten Geflecht von Bindegewebsfasern und einzelnen elastischen Fasern. Auf den Bindegewebsfasern sieht man nicht selten recht deutlich Bindegewebszellen, welche mit Carmin in- tensiv roth gefärbt wurden. An der Stelle, wo das Corium in das lockere Zellgewebe übergeht, findet sicb eine Menge Pigmentzellen, von denen viele mit verästelten Fortsätzen versehen sind. Der untere Theil der lockeren Zellgewebsschicht besteht ebenfalls aus Bindegewebe und führt grosse, leere Räume Lymphräume —, welche besonders ausgebildet sind in der Region des Kopfes von Petromyzon fiuviatilis; auch sieht man hier ebenfalls Nerven und Gefässe, zum grössten Theil im Querschnitt.

Das grösste Interesse bietet die erste von den eben beschrie- benen Hautschichten d. h. die Epithelschicht; daher gehen wir sogleich zur genaueren Beschreibung derselben über. Die Epithel- schieht der Haut des Neunauges besteht aus einem mehrschich- tigen Epithel, welches aus sehr verschieden gearteten Zellen zu- sammengesetzt ist. In dieser Schicht befinden sich, über den ganzen Körper des Neunauges vertheilt, besonders aber im oberen Theil des Kopfes und dem Rücken entlang Gebilde besonderer Art, auf welche wir weiter unten zurückkommen werden.

Unter den Epithelialzellen (Fig. 1, 2, 3,4) werden am häufig- sten angetroffen grosse, schüsselförmige Zellen, welche in der Tiefe mehr gestreckt, an der Oberfläche dagegen mehr abgeflacht sind; diese Zellen färben sich mit den meisten Farbstoffen schlecht. Ihr Inhalt hat eine flüssige Beschaffenheit mit kaum merklicher Kör- nung. Jede dieser Zellen besitzt einen grossen, intensiv färbbaren Kern, welcher im unteren Theil der Zelle gelegen ist; seine Form ist selten rund, zum grössten Theil oval; bisweilen hat er die Gestalt eines kleinen Stäbehens, welches im unteren Theil der

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Zelle gelegen, senkrecht zur Längsrichtung derselben steht. An gelungenen Präparaten sieht man von diesen Zellen nach unten einen Fortsatz abgehen, welcher wahrscheinlich zur Vereinigung der Zellen mit einander dient. Riffe und Stacheln an diesen Zellen, wie sie von F.E.Schulze und Langerhans beschrieben sind, konnten von uns nicht wahrgenommen werden. Die Ränder der Zellen sind glatt und es findet sich zwischen denselben eine sehr dünne, kaum wahrnehmbare Schicht einer strukturlosen Intercellu- larsubstanz. Die Zellen der äussersten Schicht besitzen an ihrer Aus- senfläche eine Cuticula, welche mit senkrechten Streifen versehen ist. Langerhans hält sie für Porenkanälchen. Diese Zellen nehmen, wie wir bereits gesehen haben, den äusseren und mittleren Theil der epithelialen Decke ein; die untersten Schichten bestehen aus kleinen eylindrischen Zellen, welche sich intensiv färben lassen und einen Kern aufweisen. Wir betrachten diese Zellen als soge- nannte Ersatzzellen. Unter ihnen finden sich in geringer Menge _ noch Zellen (Fig. 11), deren Leib fast rund ist; sie sind klein und besitzen einen grossen Kern; ausserdem geht von zwei ent- gegengesetzten Polen derselben je ein Fortsatz ab. Diese Zellen, von denen wir noch zu sprechen haben werden, halten wir für Nervenzellen, wenngleich es uns nicht gelungen ist, einen direkten Zusammenhang zwischen ihnen und den Nervenfasern aufzufinden. Schliesslich finden sich hier noch Becherzellen vor, welche von F. E. Schulze genau beschrieben sind; etwas Besonderes haben wir an ihnen nicht weiter bemerken können.

Ausser diesen Zellen findet man in der epithelialen Schicht der Haut des Neunauges in grosser Menge die bekannten, bereits oben erwähnten, kolbenförmigen Gebilde (Fig. 5, 6, 7). Sie sind zuerst von Kölliker entdeckt und als einzellige Schleimdrüsen bezeichnet worden. Max Schultze bestritt diese Ansicht und bewies, dass Kölliker selbst hinsichtlich ihrer Lage in der Haut sich getäuscht hatte; da seiner Beschreibung nach diese Zellen mit ihrem schmäleren, wahrscheinlich offenen Theil zur Peripherie der Haut hin gerichtet waren, während in der Wirklichkeit der geblähte, vollständig geschlossene Theil zur Peripherie hinsieht und der schmale Theil der subepithelialen Bindegewebsschicht dicht aufliegt. Max Schultze bezeichnet sie in seiner gediegenen Arbeit als kolbenförmige Gebilde oder einfach als Kolben und be- schreibt sie folgendermaassen: Diese Kolben lassen sich im frischen

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Zustande schwer isoliren, sie zeichnen sich aus durch einen beson- deren Glanz und sind stark lichtbrechend. Sie haben nur wenig Protoplasma, welehes in Form eines Klümpchens im oberen, ge- blähten Theil des Kolbens liegt. In diesem Protoplasmaklümpchen finden sich gewöhnlich zwei rundovale Kerne mit je einem Kern- körperehen. Der das Protoplasmaklümpchen umgebende Theil der Zelle, ebenso wie auch ihr unterer verlängerter Theil besteht aus einer festen homogenen, das Licht stark brechenden Masse, welche entstanden ist durch allmähliche Verdichtung des Zellinhaltes, d.h. Max Scehultze nimmt an, dass die Kolben, indem sie keine Diffe- renzirung darbieten, hinsichtlich ihrer Hülle und ihres Inhaltes aus einem Eiweissstoff bestehen, welcher in der Peripherie der Zelle bedeutend modifieirt ist, und seinen ursprünglichen Charakter beibehalten hat in dem geblähten Theil des Kolbens und zum Theil auch in der Mitte des Halses der Zelle, wo die Substanz in Form kleiner, getrennter Klümpehen auftritt. In dem breiten Theil des Kolbens sieht man, ganz besonders an mit Alkohol behandelten Präparaten eine concentrische Streifung, hauptsächlich um das Protoplasmaklümpchen herum ; am Halse des Kolbens geht dieselbe in eine kaum wahrnehmbare Längsstreifung über. Nach Behand- lung der Präparate mit doppeltehromsaurem Kali verschwindet an dem breiten Theil des Kolbens die concentrische Streifung und an ihrer Stelle sieht man am Halse des Kolbens eine Querstreifung auftreten, welche sehr an die Querstreifung der Muskelprimitiv- bündel erinnert. Max Schultze betrachtete diese Kolben im pola- risirten Lichte und die dabei erhaltenen Resultate zwangen ihn zu der Annahme, dass der Hals des Kolbens, ähnlich den Muskel- fibrillen aus einer einfach- und einer doppeltbrechenden Substanz bestehe, die jedoch auf embryonaler Stufe der Entwickelung sich befinde.

Alle diese Eigenthümlichkeiten, in Folge deren die Kolben von den sie umgebenden Zellen sich unterscheiden, setzten Max Scehultze in Verlegenheit hinsichtlich der Natur der Gebilde. Nachdem er die Ansicht Köllikers, die Kolben seien einzellige schleimabsondernde Drüsen, bei Seite geworfen hatte, blieb er bei der Möglichkeit stehen, die Kolben seien Endapparate der Haut- nerven, vielleicht muskulären Charakters. Nur ein Umstand ge- stattete ihm nicht mit voller Bestimmtheit diese Ansicht aufrecht zu erhalten, nämlich die Unmöglichkeit, die direkte Verbindung

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der Kolben mit den Nervenfasern aufzufinden. Wenngleich er auch sah, dass feine Fäden durch das Corium hindurch zu den Kolben hinzogen, so war er doch dessen nicht sicher, ob es wirk- lich Nervenfasern waren oder blos Bindegewebsfasern.

F. E. Sehulze in seiner Arbeit „Ueber Epithel- und Drüsen- zellen“, hat ebenfalls seine Aufmerksamkeit auf diese Kolben ge- richtet; jedoch betrachtete er sie von einem anderen Gesichts- punkte aus als Max Schultze. Er untersuchte genau die Kolben der Haut vieler Fische und sich stützend auf die Resultate von H. Müller, welcher die Kolben der Haut von Petromyzon Planeri untersucht hat, sagt er aus, dass sowohl bei den vielen von ihm untersuchten Fischen als auch bei Petromyzon Planeri bei Weitem nicht alle Kolben dem Corium genau anliegen, sondern viele von ihnen frei dastehen inmitten des Epithels in verschiedener Ent- fernung vom Corium. Mit der Annäherung der Kolben zur Peri- pherie der Haut geht seiner Meinung nach Hand in Hand ge- wissermaassen eine Fettdegeneration derselben, wobei er sogar be- . merkte, dass diejenigen Kolben, welche sich in den obersten Schichten des Epithels befinden, ihren Inhalt nach Aussen ent- leeren. Der Aal und das Neunauge wiesen jedoch stets ein dichtes Anliegen der Kolben an das Corium auf, ohne jemals die Peripherie der Haut zu erreichen. Einmal sah er in einem Kolben der Haut des Aales Fetttröpfehen und bei den Neunaugen nicht selten an dem oberen geblähten Ende des Kolbens die Bildung einer Oeff- nung, durch welche wahrscheinlich der Inhalt entleert wird. Dieser Umstand, ebenso wie die Abwesenheit einer Querstreifung in den Kolben der übrigen Fische und sogar von Petromyzon Planeri, welcher ja so nahe verwandt ist mit Petromyzon fluviatilis, bewogen ihn zu der Annahme, die Kolben seien eher Talgdrüsen der Haut und entsprächen den Talgdrüsen bei den höher organisirten Thieren.

Unsere Untersuchungen hinsichtlich der genannten Kolben haben uns im Allgemeinen zu demselben Resultate geführt, wie auch Max Schultze; dabei gelang es uns einige nieht uninter- essante Einzelheiten, den Bau der Kolben betreffend, aufzufinden, welche, wie uns scheint, beweiskräftig genug sind, die Wahrheit unserer Ansicht von dem nervösen Charakter dieser Kolben zu bestätigen.

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Diese Kolben wurden von uns untersucht sowohl an Schnitt- präparaten, als auch an macerirten Präparaten. Wie an diesen, so auch an jenen fanden wir, dass die Form der Kolben genau übereinstimmte mit der für sie von Max Schultze gegebenen Be- zeichnung; wir unterlassen daher, um Wiederholungen zu vermei- den, die Beschreibung derselben.

Die Kolben lassen sich von den sie umgebenden Zellen und von der Basalmembran, auf welcher sie aufsitzen, durch Maceration leicht trennen. Bei genauerem Zuschauen kann man die Kolben theilen in zwei Arten; den oberen, geblähten Theil haben beide Arten gemeinsam; ein Unterschied ist wahrzunehmen nur in dem unteren Theil, welcher bei der einen Art von Zellen bedeutend kürzer und breiter erscheint und so zu sagen an seiner Basis ab- sekappt ist; häufig sieht man an der Basis Vorwölbungen, wahr- scheinlich durch Dehnung der Membran gebildet. Die Zellen zweiter Art sind sehr lang in vertiecaler Richtung; dabei ist ihr Ende entweder abgekappt oder zu einem mehr weniger langen Faden ausgezogen. Ein solcher Längenunterschied der Kolben ist auch auf Hautschnitten zu erkennen. Mit ihren unteren Enden lagern sämmtliche Kolben dem Corium an, während die breiten, geblähten Enden fast bis an die Haut- peripherie gehen, ohne jedoch bis an die äusserste Epithel- zellenschieht zu gelangen. Wir glauben annehmen zu dürfen, dass die Längendifferenz der Kolben in Abhängigkeit zu bringen sei von dem verschiedenen Alter derselben, so zwar, dass die nie- drigsten unter ihnen, d. h. diejenigen, welche sich eben über das Gorium erheben, auch die jüngsten sind. Die niedrigsten Kolben erscheinen uns kleiner in allen Dimensionen und diese Wahrneh- mung überzeugt uns noch mehr, dass diese kleinen Kolben einem frühen Stadium der Entwicklung angehören. Dieselbe Meinung spricht auch F. E. Sehulze aus. Obgleich bei der Maceration in Alkohol Y, und anderen Flüssigkeiten die unteren Kolbenenden bisweilen in Fäden auslaufen, so sind diese Ausläufer doch immer vollständig gerade; nicht so bei Behandlung der Haut mit schwe- feliger Säure einige Tage hindurch: hierbei sind die Enden der Kolben bedeutend verlängert und häufig korkzieherartig gewunden zum Unterschied von den Kolbenenden, wie man sie nach irgend einer anderen Art der Maceration erhält. Die eben erwähnte Eigenthümlichkeit der Kolben findet unseres Wissens keine Er-

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wähnung in der Litteratur. Die Ursache dieser Eigenthümlichkeit ist uns unverständlich. Es lässt sich nur Eins voraussetzen, wenn- gleich auch dieses recht unwahrscheinlich ist, dass nämlich die Zellen an den nur auf die erwähnte Weise hergestellten Präparaten in verticaler Richtung ausgezogen erscheinen. Im polarisirten Lichte haben wir die Kolben nicht untersucht. Beim Einwirken- lassen von salpetersaurem Silber auf die Kolben trat eine regel- mässige Querstreifung am Halse derselben auf, während der obere Kolbentheil unverändert blieb, d. h. die deutliche concentrische Streifung nicht verschwand. Nach Anwendung aller sonstigen Färbemittel gelang es uns nicht eine ähnliche Querstreifung her- vorzurufen. Ueberhaupt zeigen die Kolben, mit verschiedenen Reagentien behandelt, nicht immer genau dasselbe Bild. Im All- gemeinen jedoch ist allen Kolben dasjenige gemeinsam, dass sie aus einer äusseren Hülle und einem in der Zelle eingeschlossenen Gebilde bestehen, das wir als Cylinder bezeichnen wollen und welches, sich verjüngend, dem Halse des Kolbens entlang sich hinzieht. Bei Behandlung mit verschiedenen Färbemitteln tritt eine mehr weniger deutliche eoncentrische Schichtung auf; im Innern des Kolbens befindet sich ein Protoplasmaklümpchen mit zwei Kernen und Kernkörperchen; alle diese Details treten jedoch besser und deutlicher hervor bei Behandlung eines Hautstückchens mit Gold nach irgend einer der gebräuchlichsten Methoden. Hier- nach sieht man den oberen, geblähten Theil des Kolbens bestehen aus scharf markirten eoncentrischen Streifen, an denen man stellen- weise kleine Punkte wahrnehmen kann, welche sich wie kleine Zellen ausmachen. Dieses Bild erinnert sehr an das Aussehen der äusseren Hülle von Paeini’schen, Herbet’schen, Grandri’schen Körpern, mit anderen Worten, wir können mit Recht sagen: die Kolben sind ausgerüstet mit einer äusseren, endothelialen Hülle, welche mit kleinen Zellen besetzt ist.

Bei dieser Art der Behandlung tritt auch der feinere Bau des Kolbeninhalts, des Protoplasmaklümpchens nach Max Schultze, viel deutlicher entgegen; auch an unseren mit Carmin, Saffranin ete. tingirten Präparaten erschien der Kolbeninhalt zum grossen Theil als Klümpehen. An den mit Gold behandelten Präparaten bietet sich bei uns das Klümpehen nicht als eine formlose Masse mit zwei Kernen dar, sondern als ein wohlorganisirter Körper in Form eines Kolbens, welcher an den Seiten mit kaum wahrnehm -

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baren Schüppchen oder richtiger Pünktchen besetzt ist und in seinem oberen Theil in der That zwei Kerne oder wie uns scheint zwei Zellen, eine jede von ihnen mit einem Kern ausgerüstet, trägt. Die Lage dieser Zellen ist eine veränderliche; bald liegen sie in dem obersten Abschnitte des Kolbens, bald bedeutend tiefer. Von diesem innerem Cylinder aus zieht gegen den unteren Theil des Kolbens, dem Halse desselben entlang ein Faden, welcher, stellenweise unterbrochen, die äusserste Grenze des Kolbens er- reicht, ja sogar, wenn auch in selten beobachteten Fällen, dieselbe verlässt. Mit Gold behandelt nimmt dieses Gebilde sammt seinem fadenförmigen Fortsatze eine mehr weniger intensiv violette Farbe an, während der übrige Theil des Kolbens vollständig ungefärbt bleibt. Vom inneren Cylinder führen zum inneren Theil der äusseren Bedeckung des Kolbens feine, spiunwebenartige Fäden, welche mit Gold sich violett nicht färben lassen. Der Faden im Inneren des Kolbens hat bisweilen Aehnlichkeit mit einem Axen- cylinder, welchem in seinem Verlaufe ausserordentlich kleine Zellen in Form von Varicositäten anhaften. An gelungenen Präparaten ist es möglich den Verlauf der Fäden zu verfolgen bis an die Zellen des Kolbens, oder wie Max Schultze sie bezeichnet, die Kerne des Kolbens, wo sie augenscheinlich ihr Ende nehmen. Wie bereits oben erwähnt, können alle diese Details zum Theil wahrgenommen werden an auch mit den sonstigen Reagentien be- handelten Präparaten, aber es hat das Gold in dieser Beziehung ohne Zweifel einen grossen Vorzug, und doch hat Niemand vor uns, soviel uns bekannt ist, diese Methode der Behandlung der erwähnten Zellen mit Gold in Anwendung gezogen.

Die soeben beschriebenen Details, welche wir an den Kolben bemerkt haben, sind nicht an allen Präparaten deutlich ausge- sprochen, sondern man findet häufig in einem Kolben das Eine, in einem anderen das Andere der Einzelheiten deutlich markirt und nur hin und wieder stösst man auf Kolben, in denen man deutlich die concentrische Streifung der Zellenhülle, den inneren Cylinder, die oberen und seitlichen Zellehen und den Faden, welcher durch den Hals des Kolbens hindurch zu den im oberen Theil desselben gelegenen Zellen hinzieht, wahrnehmen kann.

Ein genaues Studium der erwähnten Kolben führt unwill- kührlich auf den Gedanken, es hätten die Kolben viel Aehnlich- keit mit denjenigen Endigungen der Tastnerven, welche sieh in

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der Haut höher organisirter Thiere vorfinden, den Pacin i’schen Körperchen und wie sie von Grandri und Anderen beschrieben sind. Und in der That sehen wir, wie hier so auch dort, eine äussere Hülle, aller Wahrscheinlichkeit nach aus Endothelschichten bestehend, dann einen im Innern gelegenen Cylinder und einen Faden, wahrscheinlich den Nervenfaden, welcher in den inneren Cylinder eintritt. Dieser innere Cylinder besteht, wie uns scheint, aus einer körnigen Substanz und dient gleichsam als Kissen für den in ihn eintretenden Nerv, welcher nach mehrfachen Windungen in den hier befindlichen kleinen Zellen sein Ende erreicht; es sind also diese kleinen Zellen die eigentlichen Endapparate der sen- siblen Nerven.

Auf diese Weise ist unserer Meinung nach die Ansicht Max Schultze’s, die Kolben von Petromyzon seien Nervengebilde, ganz richtig. Damit nun in dieser Beziehung auch nicht einmal eine Spur des Zweifels obwalten könnte, hätte man die unmittelbare Ver- bindung dieser Elemente mit den Nervenfasern nachweisen müssen ; jedoch ist nun dieses einstweilen nicht gelungen, obgleich wir an Hautschnitten im Corium mehrmals Nervenfäden sahen, welche ihren Verlauf zum Epithel nehmen und sich in der Nähe desselben in feinere Aeste theilen, welche wir aber ihrer ganz besonderen Feinheit wegen bis zum Ende ihres Verlaufes nicht haben ver- folgen können. An macerirten Präparaten ist es uns ebensowenig gelungen, den Uebergang des Kolbenfortsatzes in‘ eine Nerven- faser zu constatiren, obgleich, wie bereits erwähnt, der Fortsatz bisweilen eine ungewöhnliche Länge erreicht. Der Misserfolg unserer Beobachtung kann seine Erklärung darin finden, dass die Haut- nerven, nachdem sie das lockere Zellgewebsstratum verlassen haben, bei ihrem Durchgange durch das Corium vor dem Eintritt in die Epithelschicht die Oeffnungen der Basalmembran passiren müssen und dass bei dieser Gelegenheit die Nerven zerrissen. Dieses also wäre wahrscheinlich derGrund, weshalb die Kolben von den Nerven getrennt erscheinen und nur bisweilen aus ihrem verjüngten Ende ein kurzer Faden abgeht, den man jedoch nieht mit absoluter Sicherheit für einen Nervenfaden halten kann. Dieser Umstand erscheint uns eben als ein Stein des Anstosses, den weder wir, noch Max Schultze zu beseitigen vermochten; alles Uebrige spricht dafür, dass die Kolben Nervengebilde seien. Wir sind überzeugt, dass in Zukunft einem glücklicheren Beobachter es gelingen wird mit Hülfe vervollkomm-

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neterer Methoden diese Frage ohne Widerrede in bejahender Weise zu lösen.

F. E. Schulze bestreitet die nervöse Natur der Kolben aus dem Grunde, weil er die Kolben bei einigen Fischarten und bei Petromyzon Planeri im Epithel freiliegend und an die Basal- membran nicht angeheftet fand. Diese Thatsache scheint uns von keiner Bedeutung zu sein, ebenso wie auch das Vorhandensein von Fetttröpfehen in seinem Falle. Auch wir trafen häufig Kolben in der Haut von Petromyzon fluviatilis an, welche uns im Epithel frei zu liegen schienen; dieser Fall trat immer ein, sobald die Schnitte schräg ausfielen; und je schräger sie angelegt wurden, um so deutlicher war diese Erscheinung. An Schnitten, welche parallel der Längsaxe des Köpers gemacht wurden, boten sich die Kolben dar in Form vollständig runder Körper mit eoncentrischer Schichtung, den Endothelschichten entsprechend. An solchem schräg ausgefallenen Schnitte hat nun F.E. Schulze die Kolben von der Basalmembran getrennt und scheinbar frei im Epithel liegen gesehen.

Bekanntlich sind die Nerven von Petromyzon Axeneylinder und aus diesem Grunde ihre genauere Untersuchung häufig er- schwert; dieser Umstand macht sich besonders fühlbar bei der Beobachtung der Hautnerven, weil in der Haut eine ungeheuere Menge Bindegewebsfasern verläuft und die Hautnerven, ganz be- sonders aber ihre feineren Verästelungen, sich nur sehr wenig von den feinen Bindegewebsfasern unterscheiden lassen; nichtsdesto- weniger gelingt es bei sorgfältiger Untersuchung, die aus dem lockeren Zellgewebe kommenden Hautnerven in Form ziemlich dicker Bündel zu verfolgen. Vor dem Eintritt der Nerven in das Corium in der Höhe der Pigmentschicht konnte wahrgenommen werden, dass auf dem Nervenstamm ein Nervenknoten sich befinde, welcher aus äusserst kleinen, runden Nervenzellen mit je einem Kern besteht. Soviel uns bekannt ist, hat noch Niemand auf diese höchstinteressante Thatsache die Aufmerksamkeit gelenkt. Un- geachtet der grossen Anzahl der von uns angefertigten Präparate, haben wir die eben erwähnten Nervenknoten im Ganzen drei bis vier Mal gesehen. Eine solche relative Seltenheit derselben findet eine Erklärung darin, dass diese Knoten in einer Schicht liegen, in welcher viele Pigmentzellen vorhanden sind; diese Pigment- zellen verdecken die Nervenknoten, und es muss einem glück- lichen Zufall zugeschrieben werden, wenn hin und wieder ein

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Knoten sichtbar wird. Es gelang uns diese Nervenknoten aufzu- finden nur an Präparaten, welche nach vorheriger Befreiung von Paraffin und Terpentinöl, lange Zeit in einer Mischung von Alkohol 1/, und 50°%),iger Essigsäure lagen. Im Corium geht diese Thei- lung der Nervenfasern vor sich; es ziehen ihre Aeste zu den Epithelzellen und gerade von diesem Punkte an ist es schwierig ihren weiteren Verlauf zu verfolgen. Die dünnen Nervenästchen verlieren sich vollkommen in dem sie. umgebenden Gewebe so, dass es unmöglich ist festzustellen, zu welcher Epithelzelle ein Nervenästchen hinzieht.

Ausser den Kolben finden sich in dem Epithel der Haut von Petromyzon fluviatilis äusserst interessante Zellen, welche von Kölliker entdeckt und in Folge ihrer Zusammensetzung aus Körnern mit dem Namen Körnerzellen (Fig. 8, 9) belegt worden sind. Es sind runde oder etwas ovale Körper mit körnigem Protoplasma, welches mit einer äusserst feinen Hülle umgeben ist. Sie besitzen einen grossen Kern mit einem Kernkörperchen. Von diesen Gebilden gehen nach verschiedenen Richtungen hin lange Fortsätze ab, deren Hülle die direkte Fortsetzung der Zell- membran darstellt. Kölliker vergleicht diese Zellen mit den Fadenzellen aus der Epidermis von Myxine, welche von J. Müller beschrieben sind, und ist der Meinung, dass der sichtbare Kern der optische Ausdruck eines innerhalb der Zelle festgedrehten Fadens ist. Er behauptete, dass die Fortsätze dieser Zellen zur Hautperipherie hin- zögen, und dass dieser Umstand im Verein mit dem allgemeinen Cha- rakter der Zellen ihn glauben mache, es seien diese Gebilde ein- zellige Schleimdrüsen. Max Schultze stimmt mit der Ansicht Köllikers nicht überein und spricht sich dahin aus, dass die er- wähnten Fortsätze nicht zur Peripherie, sondern gegen das Corium hin ihren Weg nähmen; auch will er nicht zugeben, dass diese Zellen, wie Kölliker behauptet, Drüsen seien, sondern er sagt, die Bedeutung dieser Zellen sei ihm unerklärlich.

Ausser Kölliker und Max Schultze hat auch F. E. Sehulze diese Zellen untersucht und zog aus den erhaltenen Re- sultaten die ganz sonderbare Schlussfolgerung, es wären diese Zellen Nervenzellen. Seiner Beschreibung nach unterscheidet sich der äussere Bau der Zellen wenig von dem Bilde, welches die Autoren vor ihm gesehen haben, nur mit dem Unterschiede, dass die sich nach Innen der Zelle verlängernden Fortsätze in einem

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nicht immer bestimmten Punkte vereinigen und in dem Vereini- gungspunkte ein Gebilde entsteht, welches viel Achnlichkeit besitzt mit dem Köpfchen eines Zirkels;; sowohl die Fortsätze, als auch ihr Vereinigungspunkt fallen nie mit dem Kern zusammen, jedoch ist derselbe stets in der nächsten Nähe desselben aufzufinden. Aus diesen Daten schliesst F. E. Schulze, dass diese Zellen Nervenzellen seien. Uns scheint diese Annahme vollständig fehler- haft zu sein und müssen Kölliker, welcher diese Gebilde mit Recht für einzellige Drüsen hält, beistimmen. Es ist ganz und gar unmöglich, die Ansicht F.E. Schulze’s zu vertheidigen, da bereits der oberflächliche Vergleich dieser Zellen, mit welchen Nerven- zellen auch immer, deutlich den Unterschied zwischen diesen und jenen vor die Augen führt.

Bei vielen Thieren stösst man auf Zellen drüsigen Charakters, welche mit den erwähnten Gebilden grosse Aehnlichkeit besitzen und die auch wir Körnerzellen heissen wollen; solche sind von uns beim Proteus und dem Blutegel beobachtet worden. Die Fort- sätze dieser Zellen haben zum Unterschied von denjenigen der Nervenzellen ein anderes Aussehen und erinnern eher an elastische Fasern. Das von F. E. Schulze beschriebene Zusammentreten der Fortsätze im Innern der Zelle zu erkennen ist uns trotz der peinlichsten Sorgfalt und der Anwendung der von F. E. Schulze vorgeschriebenen Untersuchungsmethoden auch nicht ein einziges Mal gelungen; welchem Umstande wir diesen Misserfolg zuzu- schreiben haben, wissen wir nicht. Gesetzt den Fall, die Fort- sätze im Innern der Zelle gingen thatsächlich eine Verbindung ein, so schliesst doch unserem Dafürhalten nach die ganz eigen- thümliche Beziehung der besagten Fortsätze zum Kern jede Mög- lichkeit aus anzunehmen, es seien diese Zellen Nervenzellen. Es gelang uns mehrmals zu beobachten, wie nach Berstung der Zellhüllen aus den gebildeten Oeffnungen eine Menge Körner her- vortrat.

Eine jede dieser Zellen besitzt 2—5 Fortsätze, welche nach allen Richtungen hinziehen, zur Peripherie der Haut, gegen das Corium hin und in die seitlich von diesen gelegenen Partien der Haut. Häufig sieht man einen dieser Fortsätze bis ganz an die Peripherie der Haut herantreten. An mit Pikrocarmin behandelten Präparaten sind diese Zellen gelb gefärbt, während der Kern eine rothe Farbe annimmt. Saffranin, Carmin, Methylenblau färben die

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Zellen intensiv, Gold dagegen nur sehr schwach. Auf diese Weise glauben wir nach unseren Untersuchungen annehmen zu dürfen, dass Kölliker nicht fehl ging, wenn er behauptete, dass die Fort- sätze der Körnerzellen zur Hautperipherie hinziehen und dass er der Wahrheit nahe war, indem er die besprochenen Gebilde für Drüsen hielt.

Zum Schluss wollen wir noch Einiges über die sogenannten Grübchen in der Haut von Petromyzon- fluviatilis sagen. Diese Grübchen sind bereits vor langer Zeit von H. Rathke bemerkt und als Ausführungsgänge der Schleimdrüsen erkannt worden. Nach ihm beschrieben Stannius, Leydig und Max Schultze die in der Kopfgegend von Petromyzon befindlichen Grübchen und hielten sie für Tastorgane. Langerhans gab eine genaue Beschrei- bung dieser Grübchen bei Petromyzon Planeri; er bestimmte genau ihre Vertheilung auf dem Kopfe und dem Körper von Petromyzon Planeri; dieselbe stimmt in allen Punkten mit derjenigen von Pe- tromyzon fluviatilis überein und verweisen wir daher auf die dies- bezügliche Arbeit.

Wir untersuchten hauptsächlich die Grübehen (Fig. 10) auf dem Kopfe von Petromyzon fluviatilis und können die bereits durch die genannten Autoren constatirten Thatsachen nur bestätigen.

Diese Grübchen stellen kleine Oeffnungen in der epithelialen Sehicht der Haut vor, d. h. sie entstehen durch Auseinander- weichen der Epithelschichten. Die Ränder der Grübchen sind seitlich erhaben und in Folge dieser Erhabenheit der Haut an dieser Stelle und der stärkeren Entwicklung zweier Hautschichten, der Epithel- und der lockeren Bindegewebsschicht wallartig auf- getrieben. Das Corium sowohl, wie auch die Pigmentschicht ver- schwinden dagegen fast vollständig an der Stelle, wo das Grüb- chen seinen Sitz hat. Bei durchfallendem Lichte betrachtet, er- scheinen die den Grübchen entsprechenden Stellen der Haut voll- ständig durchsichtig. Die Abwesenheit der Pigmentschicht erlaubt hier deutlicher als an irgend einer anderen Stelle der Haut die Nervenbündel in ihrem Laufe zu verfolgen. An den wallartigen Umrandungen der Grübcehen fehlen sowohl die Kolben als auch die Körnerzellen und das Gewebe besteht hier aus andersartigen Epithelzellen. Die äussere Epithelschicht, welche sich fast bis auf den Boden des Grübchens hinab erstreckt, besteht ebenso wie auch die oberste Epithelschicht der gesammten Haut aus euticulari-

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sirten Zellen; weiter hinab finden wir dieselben zelligen Elemente, welche auch in der übrigen Haut vertreten sind. Am Boden des Grübcehens befindet sich ein Conglomerat von schmalen und langen Zellen (Fig. 11), welche sich vom Boden des Grübchens in das Lumen desselben erheben. Bei genauerer Untersuchung erweisen sich diese Zellen als identisch mit denjenigen langen Zellen, welche im Epithel vereinzelt angetroffen werden und welche wir als Ner- venzellen beschrieben haben. Diese Zellen bestehen aus einem kleinen runden Leib, welcher nach unten stark ausgezogen ist, und einem langen oberen Fortsatz, welcher einem Faden sehr ähnlich sieht; der Zellinhalt besteht aus feinkörnigem Protoplasma. Der äussere Habitus derselben erinnert an Zellen, welche in den Sinnesorganen als Nervenzellen bezeichnet werden. Im Allge- meinen lassen sie sich intensiver färben als ihre Umgebung, be- sonders aber mit Gold.

Max Schultze sah Nervenfäden in grosser Menge aus der subepithelialen Schicht an die Grübchen treten; mit Bestimmtheit konnte er jedoch von ihnen nicht aussagen, sondern nur ver- muthen, dass sie Nervenfäden wären. Fäden, welche das Corium passiren gibt es in der That eine so grosse Menge, dass es schwer fällt in ihnen sich zurechtzufinden; allem Anschein nach ge- hört ein grosser Theil dieser Fäden vielmehr zu Bindegewebs- fasern.

Es gelang uns, wenngleich bei Weitem nicht an allen Prä- paraten, unzweifelhaft Nerven nachzuweisen, welche, aus dem lockeren Bindegewebe kommend, durch das Corium hindurch an ein Häufchen langer, am Boden des Grübchens befindlicher, Zellen treten. Wir sagen, wir hätten dieses nicht an allen Präparaten gesehen und fügen hinzu, dass das Zustandekommen des er- wähnten Bildes möglich war an Präparaten, welche von Paraffin und Terpentinöl sorgfältig befreit, lange Zeit in einer Mischung von Alkohol !/; und 50 %/,iger Essigsäure gelegen haben.

Wir vermögen nicht die Art und Weise der Verbindung dieser Nerven mit den Zellen anzugeben, da dieselbe an den von uns hergestellten Präparaten sich nicht erkennen lässt und die mace- rirten Präparate die Zellen von den Nervenfasern getrennt er- scheinen lassen; jedoch das steht fest, dass das Nervenbündel dicht an die Gruppe der langen Zellen herantritt und hier sein Ende erreicht. In Uebereinstimmung mit dieser Beobachtung _ist

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die Annahme Max Schultze’s, die Grübcehen in der Haut von Petromyzon fluviatilis seien den Gefühlsorganen zuzuzählen, voll- kommen richtig und es bleibt uns nur übrig dieselbe zu be- stätigen.

Ebenso auch der Umstand, dass der bei Weitem grössere Theil sämmtlicher Grübehen der Region des Kopfes von Petro- myzon fluviatilis zukommt, ist unserem Dafürhalten nach ein Fac- tum, welches diese Meinung noch haltbarer macht, denn, gesetzt den Fall, diese Grübchen seien Schleimdrüsen, so fragt es sich, weshalb gerade für den Kopf eine so grosse Menge Schleim noth- wendig wäre, während der übrige Körper verhältnissmässig nur sehr wenig Schleim habe. Andererseits lässt sich die Annahme von der nervösen Natur dieser Grübchen sehr wohl erklären, wenn man bedenkt, dass ja der Sitz der Grübchen, der Kopf, von allen Körpertheilen am meisten äusseren Reizen ausge- setzt ist.

Literatur.

1. Die Schriften der Naturforscher-Gesellschaft zu Danzig. II. Band. II. Heft 1826.

2. Stannius. Zootomie der Fische. 1854.

3. Kölliker. Würzburger naturwiss. Zeitschrift. 1860.

4. Max Schultze. Arch. f. Anatomie, Physiologie und wissensch. Me- diein. 1861.

5. F. E. Schulze. Arch. f. mikrosk. Anatomie.

6. H. Müller. Würzburger naturwiss. Zeitschrift. Band II. 1864.

7. Langerhans. Untersuchungen über Petromyzon Planeri. 1873.

Erklärung der Abbildungen auf Tafel V.

Fig. 1, 2, 3, 4. Epithelialzellen aus der Haut von Petromyzon fluviatilis. Fig. 5, 6, 7. Kolbenförmige Gebilde. Fig. 8, 9. Körnerzellen.

Fig. 10. Grübchen aus der Haut des Kopfes. Fig. 11. Sinneszelle. Fig. 12. Querschnitt von der Haut.

R. Stüve: Beitrag z. Kennt. d. Baues d. Eileiterdrüsen b. d. Amphibien. 125

(Aus dem zoologischen Institut in Tübingen.)

Beitrag zur Kenntniss des Baues der Eileiterdrüsen bei den Amphibien.

Von RB, Stüve

aus Berlin.

Hierzu Tafel VI.

Trotzdem das eigenthümliche Verhalten der Froscheileiter, im Wasser stark aufzuquellen schon lange bekannt ist und die Auf- merksamkeit der Forscher auf sich gezogen hat, so finden sich doch über den Bau jener Organe und ihrer Drüsen nur spärliche Angaben.

Drei Arbeiten über diesen Gegenstand sind mir bekannt ge- worden; eine von Böttcher: „Ueber den Bau und die Quellungs- fähigkeit der Froscheileiter“ 1); die zweite von Neumann und Grunau: „Die Drüsen der Froscheileiter“ 2), und drittens die Dis- sertation von Loos: „Ueber die Riweissdrüsen im Eileiter der Amphibien und Vögel“ °).

Die Eileiter der Amphibien sind lange, schlauchförmige Or- gane, welche vielfach gewunden in der Bauchhöhle liegen, und dazu dienen, die Eier der Thiere mit einer Hülle zu versehen. Insbesondere kommt diese Aufgabe den in den Eileitern vorhande- nen Drüsen zu, und in diesen ist der Ursprung jener gallertigen Masse zu suchen, welche die abgelegten Eier umgiebt. Die Drüsen, welche schlauchförmig sind und der Wand des Eileiters aufsitzen, sind in einfacher Schieht mit den absondernden Zellen ausgekleidet; an ihrer dem Lumen des Eileiters zugewandten Mündung findet sich ein Epithel, das aus Flimmerzellen und

1) Virehow’s Archiv. Band XXXVI. 2) Archiv f. mikrosk. Anat. Band XI. 3) Leipzig, W. Engelmann. 1881.

124 R. Stüve:

Becherzellen zusammengesetzt ist. Diese Verhältnisse gelten für die ungeschwänzten Amphibien.

Bei den geschwänzten Amphibien sind jene Drüsen ersetzt durch eine Anzahl (etwa 10) bindegewebiger Falten, welche den Eileiter der Länge nach durchziehen. Auf diesen sitzen in ein- facher Lage die absondernden Zellen, zwischen denen sich Flim- merzellen befinden.

Im Folgenden soll nun des Näheren auf die Beschaffenheit der Drüsenzellen und des Flimmerepithels und der in demselben liegenden Becherzellen eingegangen werden. Es wird sich dann weiter fragen, auf welche Weise die Absonderung der gallertigen Masse durch jene Zellen stattfindet.

Untersucht man zunächst die Drüsenzellen eines unge- schwänzten Amphibiums, z. B. eines Frosches, frisch in physiolo- gischer Kochsalzlösung, so zeigen sich dieselben erfüllt mit kleinen Kügelchen von der durchschnittlichen Grösse eines menschlichen rothen Blutkörperchens, welche Neumann Colloidkügelchen ge- nannt hat. Dieselben besitzen ein ziemlich starkes Lichtbrechungs- vermögen, das um so grösser ist, je kleiner die Kügelchen sind, eine Beobachtung, welche die früheren Forscher ebenfalls ge- macht haben.

Ferner besitzen die Colloidkügelchen die Eigenschaft durch gewisse Reagentien, z. B. 4°,ige Essigsäure aufzuquellen, ihr Liehtbreehungsvermögen zu verlieren und dann plötzlich dem Blicke des Beobachters zu entschwinden. Hat man auf diese Weise die Kügelchen zum Verschwinden gebracht, so tritt an der Zelle, welche sich jetzt als ein kugel- oder blasenartiges Gebilde darstellt, der Kern und die Membran deutlich hervor.

An dem Zellkerne konnten häufig noch Reste von Plasma beobachtet werden; ausserdem zeigte sich öfters ein von dem Kerne ausgehendes und die Zelle durchsetzendes Netz von Plas- mafäden. Insbesondere war dies bei solchen Präparaten der Fall, welche Thieren entnommen waren, deren Eileiter noch nicht im Zustande geschlechtlicher Reife sich befanden.

An der Zellmembran zeigt sich in der Regel an der dem Kerne gegenüberliegenden Seite eine Oeffnung, welche je nach der Lage -der Zelle bald kreisrund, bald mehr oder weniger eiförmig erscheint. Obwohl diese schon von Neumann gemachte Beob- achtung von Loos bestritten worden ist, indem er jene Zellmün-

Beitrag zur Kenntniss des Baues der Eileiterdrüsen bei den Amphibien. 125

dung für einen aus dem Zellinhalte sich bildenden Tropfen er. klärt, so kann ich dieselbe doch auf das bestimmteste bestätigen. Wäre jene Oeffnung der Zelle ein Tropfen, so müsste dieser, wenn er sich nieht mit der umgebenden Flüssigkeit mischen sollte, eine andere chemische Zusammensetzung als letztere haben, er würde sich dann gewissermaassen verhalten wie ein Oeltropfen im Wasser.

An und für sich wäre dies ganz gut denkbar; aber dann würde auch das optische Verhalten dieses Tropfens der Zusatz- flüssigkeit gegenüber ausgezeichnet sein. Dies ist nicht der Fall. Demnach wären die Drüsenzellen also den Becherzellen zuzuzählen.

Diese Ansicht wird durch den Umstand, dass die Drüsen- zellen oft bei der Quellung platzen, namentlich bei Zusatz von destillirtem Wasser, wie Loos beschreibt, keineswegs widerlegt. Einmal werden die Zellen durch verschiedene Reagentien schneller und stärker zum Aufquellen gebracht, als durch andere, und zwar bewirkt dies in besonders hohem Maasse destillirtes Wasser; an- derseits wäre es doch denkbar, dass für die sich schnell und ge- waltsam ausdehnende Inhaltsmasse die Mündung der Zelle zu enge wäre und trotz des Vorhandenseins der Oeffnung noch ein Zerreissen der Zellmembran stattfände.

Die Abbildungen, die Neumann von jenen Zellen giebt, ent- spreehen ganz den Bildern, welche sich mir darboten. Zur Vergleichung sind auf Tafel VI in Fig. 1 einige solche Becherzellen abgebildet, welche ihre Oeffnung in verschiedener Gestalt zeigen. In mehreren Fällen konnte ich auch Drüsenzellen beobachten, welehe noch im Kreise angeordnet ihre Mündung dem Drüsenlumen zuwandten (s. Fig. 2 und 4).

Besonders klar treten die beschriebenen Verhältnisse an Zellen hervor, welche durch Maceration in verdünnter Müller- scher Flüssigkeit oder 30 °/, Alkohol isolirt sind. Auch an Schnitten von gehärteten Eileitern lassen sich unter Umständen die Becher- mündungen an den Drüsenzellen nachweisen. Man ist in diesem Falle aber erstens von der zufälligen Richtung der Schnittführung abhängig und zweitens, weil die Zellen so eng aneinander liegen, leicht Täuschungen ausgesetzt. Die Fig. 2 und 3 stellen die der Eileiterwand anliegenden Enden zweier Drüsen aus dem Eileiter der Unke dar, an denen die Miündungen einiger Drüsenzellen sichtbar sind.

126 R. Stüve:

Dieselben Verhältnisse, was die Beschaffenheit der abson- dernden Zellen anlangt, finden sich hei den geschwänzten Am- phibien.

Die bisher beschriebene Art von Zellen hat den bei weitem grössten Antheil an dem Aufbau der Drüsen. An der dem Lumen des Eileiters zugewandten Mündung der Drüsen findet sich, wie schon oben erwähnt, ein Besatz von Flimmerzellen, zwischen denen Becherzellen liegen.

Das Flimmerepithel erstreckt sich nur wenig in die Drüse hinein, so wie Loos es beschreibt und durch seine Fig. 4 zur Anschauung bringt. Von der Fläche betrachtet sieht man, dass es auf langen, den Eileiter durchziehenden Leisten sitzt, zwischen denen die Mündungen der Drüsen sich befinden (vergl. hierzu Fig. 2). Sonst ist über die Flimmerzellen noch zu bemerken, dass an den- selben niemals jene Colloidkügelchen wahrgenommen wurden, ein Umstand der dafür spricht, dass sie an der in den Drüsenzellen vorgehenden Veränderungen nicht theilnehmen.

Die zwischen den Flimmerzellen befindlichen Becherzellen lassen sich sowohl bei Untersuchung frischer Objekte wie an Schnitten nachweisen. Betrachtet man ein dem frischen Eileiter entnommenes Stückchen Flimmerepithel, so wird man zwischen den einzelnen Flimmerzellen runde oder ovale Oeffnungen wahr- nehmen, welche der Ausdruck der Mündungen der Becherzellen sind. Häufig werden sie durch darüber liegende Wimperhaare verdeckt.

An Macerationspräparaten konnten diese Becherzellen von denen der anderen Art leicht dadurch unterschieden werden, dass erstere meist einen Hals besassen und öfters auch am Ende schwanzartig verlängert waren (vergl. hierzu Fig. 5). Ferner waren sie immer bedeutend kleiner als die Drüsenzellen. Während diese im gequollenen Zustande einen durchschnittlichen Längendurch- messer von 0,069—0,087 mm haben, betrug derselbe bei den dem Flimmerepithel entstammenden Becherzellen unter den gleichen Verhältnissen gemessen nur 0,037—0,042 mm.

Auch Färbstoffen gegenüber verhalten sich diese Becherzellen anders als die Drüsenzellen, indem letztere niemals Farbe an- nehmen, während erstere besonders durch Hämatoxylin deutlich gefärbt werden. Auf Schnitten betrachtet erscheinen die Becher-

Beitrag zur Kenntniss des Baues der Eileiterdrüsen bei den Amphibien. 127

zellen des Epithels blass, während die Drüsenzellen ein gekörntes Aussehen haben.

Diese Verhältnisse würden dafür sprechen, dass diesen Zellen eine von denen der Drüse verschiedene Aufgabe zuertheilt sei, ob- wohl es schwierig sein dürfte den Beweis in diesem Falle direkt zu führen. Neumann allerdings meint, weil er auch in diesen Zellen jene Colloidkügelehen beobachtet zu haben glaubt, dass dieselben wie die Drüsenzellen der Absonderung jener gallertigen Massen dienten und somit die Drüsen in ihrer Thätigkeit unter- stützten.

In Fig. 6 ist der Ausführungsgang einer Drüse mit den darin befindlichen Becherzellen abgebildet.

Bei den geschwänzten Amphibien findet sich diese Art der Becherzellen nicht.

Fragt man nun, auf welche Weise von jenen Drüsen oder jenen Zellen die Gallertmasse abgesondert wird, so muss zunächst be- merkt werden, dass das Bild des Eileiters nicht zu allen Zeiten das gleiche ist. Die Entwicklung der Drüsen im Eileiter steht im engsten Zusammenhange mit den Perioden des Geschlechts- lebens der Amphibien. Auch die früheren Forscher haben hierauf hingewiesen. Schon Anfangs bis Mitte April, also wenige Wochen nach der Laichzeit, sind die Drüsen entwickelt. Die Zellen sind erfüllt mit den schon besprochenen Colloidkügelchen. In jedem dieser Kügelchen ist ferner ein meist excentrisch gelegenes Körperchen bemerkbar, welches bei dem Platzen derselben erhal- ten bleibt und dann in der Zusatzflüssigkeit umherschwimmt. Neumann und Böttcher haben dasselbe ebenfalls beobachtet, lıoos dagegen nicht.

Zu dieser Zeit zeigt sich auch das Plasmanetz der Zelle im allgemeinen deutlicher ausgeprägt als in späteren Stadien der Entwicklung. Das Lumen der Drüse ist deutlich zu erkennen und sein Durehmesser stimmte nach meinen Beobachtungen mit der von Neumann dafür angegebenen Grösse überein. Der Durch- messer des ganzen Eileiters beträgt etwa l mm.

Im September sind die Eileiter bedeutend dieker; ihr Durch- messer beträgt 2,5—3 mm; die Colloidkügelchen sind im allgemei- nen grösser und weniger stark lichtbrechend als im Frühjahr. Auf Schnitten betrachtet ist das Aussehen der Eileiter zu dieser Zeit kaum verschieden von dem, das dieselben zur Laichzeit kurz

128 R. Stüve:

vor der Ablage der Eier darbieten. Hier sind die Drüsenzellen so vergrössert, dass sie den Drüsenraum ganz ausfüllen; der Zell- inhalt ist hell, doch finden sich in ihm zahlreiche Körnchen, wahr- scheinlich jene an den Colloidkörnchen beschriebenen Körperchen. Die einzelnen Kügelchen selbst, welche, wie Bötteher beschreibt, als „polygonale Stücke“ die Zellen zusammensetzen, habe ich auf Schnitten nicht beobachtet.

Das ganze Verhalten der Rileiter spricht dafür, dass sich der Plasmainhalt der Drüsenzellen zu jenen Colloidkügelchen umbildet, welche später zu der die Froscheier umgebenden Gallerte werden. Bei dem physiologischen Vorgange, durch welchen der Zellinhalt an die einzelnen Eier abgegeben wird, scheinen die absondernden Zellen zu Grunde zu gehen. Es spricht hierfür nicht nur der Um- stand, dass die Drüsenzellen Becherzellen sind, sondern auch das Verhalten des Zellkernes, welcher Anfangs von runder Gestalt, später ein geschrumpftes Aussehen zeigt.

Wenn die Zellen selbst bei der Absonderung dem Untergange anheimfallen, so liegt die Frage nahe, in welcher Weise die später an die Stelle tretenden vorgebildet seinen. Diese Frage kann ich nicht entscheiden. Loos glaubt an verschiedenen Stellen, namentlich im Grunde der Drüsen eine grössere Anzahl von Zell- kernen gesehen zu haben als der Zahl der Zellen selbst ent- sprechen würde, und dieselben als Kerne von Ersatzzellen an- sprechen zu können. Ich meinestheils habe bei Fröschen und Unken niemals derartiges mit Sicherheit wahrgenommen. In Präparaten von Triton palmatus schienen allerdings solche Kerne mehrfach vorhanden zu sein. Aberes ist schwer zu sagen, ob die- selben nicht anderen Drüsenzellen angehörten, welche vom Sehnitte so getroffen waren, dass das andere Ende derselben fehlte.

Nach Erfüllung ihrer Thätigkeit verfallen, wie Böttcher und Neumann berichten, die Drüsen einer fettigen Degeneration. Hiervon habe ich selbst nur einmal an einem Eileiter von Triton Spuren beobachtet, in dessen Lumen sich veränderte Drüsenzellen und Kerne fanden, während an der Wand auf den bindegewebigen Falten die jungen Drüsenzellen schon wieder entwickelt waren.

Es sei hier noch auf einen Irrthum hingewiesen, in welchem Loos sich befindet, wenn er behauptet, Neumann und Grunau nähmen an, dass die Drüsen einen continnirlichen Strom von

Beitrag zur Kenntniss des Baues der Eileiterdrüsen bei den Amphibien. 129

Eiweiss absonderten!). Neumann sagt über das Austreten des Eiweisses nur, dass man bei Quellungsversuchen an einzelnen Zellen vor der Mündung derselben eine wasserhelle Masse er- blicken könne?). Sonst äussert er gar nichts über diesen Punkt. Das Bild aber, welches Loos von dem in Faden ausströmenden Eiweiss giebt, ist mir nicht verständlich geworden.

Ueber die Behandlung der untersuchten Präparate ist zu bemerken, dass die Beobachtung frischer Objekte in physiologische, Kochsalzlösung vorgenommen wurde, in welcher sich nach meinen Erfahrungen die Colloidkügelchen sehr gut erhalten. Die zum Schneiden bestimmten Stücke wurden theils in Müller’scher Flüs- sigkeit, theils mit Chromosmiumessigsäure gehärtet.

Sehr gute Dienste leistet, wie ich gefunden habe, die Müller- sche Flüssigkeit, besonders bei den in der Entwicklung noch nicht zu weit vorgeschrittenen Eileitern, die sich überhaupt am besten 'härten lassen. An den reifen Eileitern zeigen sich oft auch bei der sonst so sicher wirkenden Flemming’scher Lösung noch Quel- lungsersebeinungen. Nach dem Härten wurden die Stücke in Al- kohol aufbewahrt und dann in Paraffin eingebettet. Als Färbmittel für die Kerne wurden Carmin, Hämatoxylin und auch Anilinfarben wie Bismarekbraun mit gutem Erfolge verwandt.

Die Thiere, welche untersucht wurden, waren Frosch und Unke von den ungeschwänzten, Triton palmatus und Salamandra maeculata von geschwänzten Amphibien. Sehr günstige Objekte sind Unke und Triton.

Eine merkwürdige Beobachtung, welche an einem Eileiter von Sal. mac. gemacht wurde, verdient noch der Erwähnung, näm- lich das Auswandern von rothen Blutkörperchen.

Schon Böttcher erwähnt Blutgefässe in der Peritonealhülle der Eileiter, welche Zweige zwischen die Drüsen entsenden. Die- selben treten im Frühjahr zur Zeit der Geschlechtsthätigkeit, wie ich wiederholt beobachtet habe, besonders deutlich hervor und scheinen in grösserer Menge vorhanden als sonst. Dies fände aber leicht seine Erklärung in der gesteigerten Thätigkeit des Organs.

An Schnitten nun, welche dem Eileiter eines trächtigen Sala- manders entnommen waren und zwar von der Stelle, an welcher

1) Loos, 2.2.0. p. 14. 2) Neumann, a. a. O. p. 376. 377.

Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 34. 9

130 R. Stüve:

die Embryonen sich befunden hatten, zeigte sich nicht nur ein über- aus grosser Reichthum an Blutgefässen, sondern auch rothe Blut- körperchen, welche aus den Gefässen in das umgebende Bindegewebe übergetreten waren. Dieselben befanden sich oft dicht an der inneren Oberfläche des Eileiters und waren kaum von einigen Bindegewebs- fasern überzogen, so dass es den Anschein hatte, als ob sie im Begriffe ständen auszuwandern. Sehr wahrscheinlich sind die in Fig. 7 bei v abgebildeten Lücken durch den Austritt von Blutkör- perchen entstanden. |

Fragt man nach dem Zwecke dieses massenhaften Vor- kommens rother Blutkörperchen ausserhalb der Gefässe, so könnte man daran denken, dass dieselben vielleicht zur Ernährung der Embryonen beitrügen, zumal sich die beschriebenen Verhältnisse an der bezeichneten Stelle befanden. Wahrscheinlicher indessen scheint es zu sein, dass der Vorgang mit der Erneuerung des Epithels im Eileiter in Beziehung zu bringen ist. An der Stelle ‚nämlich, wo sich die ausgewanderten Blutkörperchen vornehmlich fanden, war so gut wie kein Epithel im Eileiter vorhanden. Da- gegen am anderen Stellen namentlich oberhalb, wo der Eileiter jene den geschwänzten Amphibien eigenthümlichen Bindegewebs- falten zeigte, auf denen zahlreiche Kerne sassen, fanden sich die Blutkörperchen verhältnissmässig selten. Jedenfalls handelt es sich also um Verhältnisse, welche Beziehungen bieten zur Menstruation der Säugethiere!

Fig. 7 auf Tafel VI stellt ein Stück der Eileiterwand mit einigen Blutkörperchen dar.

Die Untersuchungen zu vorstehender Arbeit wurden im zoologischen Laboratorium zu Tübingen unter der Leitung von Herrn Prof. Dr. Eimer ausgeführt. Es möge mir daher gestattet sein, an dieser Stelle Herrn Prof. Eimer, meinem hochverehrten Lehrer, für das Interesse, das derselbe mir bei meinen Arbeiten stets bewiesen, so wie seinem Assistenten Herrn Dr. Vosseler für die Unterweisungen und Rathschläge, durch welche er mich, den Neuling auf dem Gebiete des mikroskopischen Arbeitens, be- reitwilligst immer unterstützt hat, insbesondere für die gütige Ausführung der Zeichnungen meinen wärmsten Dank hiermit aus- zusprechen.

Beitrag zur Kenntniss des Baues der Eileiterdrüsen bei den Amphibien. 131

. Erklärung der Abbildungen auf Tafel VI.

Drüsenzellen aus dem Eileiter des Frosches mit ihren Becheröffnun- gen bei a. Zellkerne zum Theil noch mit Plasmaresten.

Mündung m einer Drüse zwischen ‚Streifen von Flimmerepithel F gelegen. Drei Drüsenzellen zeigen ihre ÖOeffnung. Im Flimmer- epithel bei a die Mündungen der Becherzellen. Vergrösserung 400. Nach einem frischen Präparat vom Frosch.

Drüse aus dem Eileiter der Unke. An vier Drüsenzellen a sind die Mündungen sichtbar. Vergrösserung 350.

Dasselbe. Bei b die Oeffnung einer tiefer liegenden Drüsenzelle. Vergrösserung 330.

Isolirte Becherzellen aus dem Flimmerepithel des Eileiters vom Frosch, zum Theil mit den schwanzartigen Verlängerungen. Ausführungsgänge von Drüsen A. Flimmerepithel F mit Becher- zellen a. Vergrösserung 370—380.

Stück von der Eileiterwand einer trächtigen Salamandra mac. B Aus- wandernde rothe Blutkörperchen. v Hohlräume, vermuthlich durch Austritt von Blutkörpern entstanden. Vergrösserung 260—270.

Histologische Untersuchungen am Rückenmark

der Tritonen. Von Karl Rudolf Burckhardt.

Hierzu Tafel VII und VIII.

I. Einleitung.

Die vorliegende Arbeit bildet den Anfang einer Reihe von

Untersuchungen über den Bau und die Entwicklung des Central- nervensystems bei Amphibien, bei welchen bis jetzt die Histologie dieses Organs noch wenig studirt wurde. Auch fehlt bekanntlich eine vergleichende Histologie des Rückenmarkes vollständig und

Eu

132 Karl Rudolf Burckhardt:

was in dieser Hinsicht bekannt ist, schliesst sich mit wenigen Ausnahmen eng an die beim menschlichen Rückenmark gewonne- nen Resultate an. Bevor aber verglichen werden kann, ist eine sorgfältige Untersuchung der Repräsentanten aller Wirbelthier- klassen unumgänglich nothwendig und es ist nicht einzusehen, warum nicht diese Methode, welche die vergleichende Osteologie so mächtig förderte, auch hier die fruchtbarste sein sollte.

Neben der Absicht, eine Detailbeschreibung zu geben, lag mir aber auch daran, die neuesten Anschauungen über die Histo- genese des Rückenmarkes an einem ganz speciellen Objekte aus der Reihe der niederen Wirbelthiere zu controlliren und durch erneute Beobachtungen Schwankendes zu stützen.

Sodann kam ich auf die Idee, die topographische Entwick- lung des Rückenmarkes zu verfolgen, wobei sich als allgemeines Resultat ergab, dass die bisher als Schluss des Rückenmarkes be- zeichnete Erscheinung nur der erste Akt des gesammten Phäno- mens sei, eine Ansicht, die auch für das menschliche Rückenmark wird gelten müssen.

Was die Beschaffenheit des Materials betrifft, so wurde das- selbe meist von mir selbst in den botanischen Gärten von Leipzig und Basel gesammelt; ausserdem wurden mir eine Anzahl Tritonen aus früheren Stadien von Herrn Prof. Hertwig in Berlin geschenkt. Die meisten Thiere gehören der Art Tr. alpestris an; doch sind wesentliche Unterschiede nicht namhaft zu machen.

Folgende Flüssigkeiten dienten zur Härtung:

1. Chromsäure 1%, (10 St.), Essigsäure 5%, (24 St.), nach Altmann.

2. Osmiumsäure 1/, ')o.

3. Ein Gemisch beider Flüssigkeiten.

4. Platinchlorid 0,25 %o.

5. Platinehlorid 0,2 %/,, eoneentrirte Pierinsäure und Eisessig 0,24 °%/, (nach Rabl).

Zur Färbung dienten:

A. Zum Durchfärben:

1. Boraxcarmin (Neapler Vorschrift).

2. Haematoxylin (nach Delafield).

B. Zum Nachfärben auf dem Objektträger:

1. Nigrosin 0,25 °%% mit Eisessig 0,5%, angesäuert (nach Altmann).

Histologische Untersuchungen am Rückenmark der Tritonen. 133

2. Bleu de Lyon 0,2 %.

3. Kernschwarz.

4. Eosin 0,1%, in Alk. abs.

Ausserdem kam auch die bekannte Weigertmethode zur Anwendung; dagegen wurden die Versuche mit Golgi’s Silber- imprägnation wegen wiederholten Misslingens aufgegeben.

Als Einbettungsmasse wurde Paraffin verwandt, da für histo- logische Zwecke dieses Verfahren unbedingt dem Celloidin vor- zuziehen ist. Die Dicke der Schnitte variirte zwischen !/,; mm mit !/,go mm.

ll. Die Mitosen im Rückenmark und die Neuroblastentheorie.

Die Entdeckung Altmann’s !), dass die Mitosen im Central- nervensystem stets nur in dem den Centralkanal umgebenden Epithel stattfinden, hatte eine eingehende Untersuchung dieser Erscheinung von Seiten mehrerer Forscher zur Folge 2), welche jeweilen an den Thatbestand mehr oder weniger glaubwürdiger Hypothesen anknüpften.

Zunächst habe ich mich mit Merk?) auseinanderzusetzen. Dieser Autor schreibt in Bezug auf seine Untersuchung von Tri- tonen folgendes:

„Von. diesen Thieren standen mir 9 mm lange Exemplare zur Verfügung. Sämmtliche Larven waren arm an Kerntheilungs- figuren, nicht nur im Gegensatz zu den überhaupt mit Kernthei- lungsfiguren reichlich versehenen Embryonen der von mir unter- suchten Amnioten, sondern auch im Vergleich zu den übrigen Anamnia, die ich zu untersuchen Gelegenheit hatte (Forelle, Frosch). Diese relative Armuth betrifft nicht etwa nur das Centralnerven- system, söndern auch die übrigen Gewebe.“ Dann bespricht er die verschiedenen Abschnitte des Nervensystems und sagt vom Rückenmark: „Die wenigen Figuren waren im Bereiche des Epi- thels. Keiner der metameren (!) Abschnitte des Rückenmarks zeigte sich irgendwie bevorzugt, was die Zahl der Mitosen anlangte.

1) Nr. 9 der Literaturangabe. 2WNr: 11,.145.17, 19; 3) Nr. 17, pag. 84.

134 Karl Rudolf Burckhardt:

An 9 Präparaten, die im ganzen 47 Rückenmarksquerschnitte ent- hielten, konnte ich an 34 Schnitten überhaupt keine Figur er- kennen; die übrigen 13 Schnitte beherbergten gewöhnlich eine, seltener mehr, bis zu drei Figuren. Eine einzige Figur war ultra- ventrieulär.“ Er schliesst seinen Abschnitt über die Tritonen: „Mit Hinblick auf die Resultate finde ich es sehr begreiflich, wenn man (Pfitzner) das Altmann’sche Phänomen an so kern- theilungsarmen Larven übersieht, und dies umsomehr, wenn man nicht sehr viele Thiere untersucht.“

Nun liegt aber die Kerntheilungsarmuth nicht etwa an der untersuchten Art oder Gattung, sondern daran, dass Merk ein viel zu spätes Stadium untersucht. Am Schlusse seiner Arbeit kommt er zu dem Resultat, dass die Kerntheilungen im Centralcanalepi- thel stattfinden müssten, da sich ja der Centraleanal mit zuneh- mendem Wachsthum erweitern müsse; dagegen lässt er das Dieken- wachsthum des Rückenmarkes durch blosse Substanzvermehrung des Zellprotoplasmas vor sich gehen.

Aehnlich hatte sich vor ihm schon W. Vignal!) ausge- sprochen; am Ende seiner höchst sorgfältigen und an Einzelbeob- achtungen reichen Arbeit über das Rückenmark der Säuger ge- langt er zu folgendem Schlusse:

„La premiere hypothöse c’est que toutes les cellules de la moelle so forment surtout dans la premiere, quelques-unes dans la deuxieme rangee des cellules, qui bordent immediatement le canal central, puis qu’elles &migrent de la vers la periph6erie pour former la substance grise ou bien que seules les cellules de la premiere rang6e proliferent et repoussent les cellules situdes derriere elles et que celles-ci changent de forme ä mesure qu’elles approchent de la peripherie.“

„Mais cette hypoth&se me parait diffieilement admissible; du reste les cellules en voie de division sur les bords du canal de l’ependyme s’expliquent par le fait, que ce canal s’agrandit consi- derablement pendant cette periode et cette augmentation ne peut se faire que parce que les cellules deviennent plus nombreuses.“

„Ce qui me porte a penser, que la division qu’on observe dans ce point est destinde & augmenter le nombre des cellules qui bordent le canal de l’ependyme c’est que lorque le fuseau se

1) Nr. 11, pag. 412 und 413.

Histologische Untersuchungen am Rückenmark der Tritonen. 135

divise en deux parties ou voit que ses deux parties sont paralleles au bord du canal de l’Ependyme et que la plaque &quatoriale est perpendiculaire & ce’ bord, tandis que si ces cellules se divisaient pour former de nouvelles eouches cette plaque devrait &tre parallele a ce bord et l’axe des deux fragments du fuseau lui tre perpen- dieulaire.“

Ich musste diesen ganzen Schluss hier eitiren; denn im Folgenden wird sich zeigen, wie nahe Vignal der richtigen An- schauung war und sich durch dasselbe Argument wie Merk be- stechen liess, dieselbe aufzugeben. Wir werden in einem spätern Abschnitte nachzuweisen suchen, wie überflüssig es ist, all die durch Karyokinese abgetrennten Zellen zur Vergrösserung des Centralcanals beitragen zu lassen. Einstweilen soll dieser Punkt notirt werden. Dagegen ist die senkrechte Stellung der Aequa- torialplatte zur Wand des Centralcanals kein Grund dafür, dass die Tochterzelle zwischen dem Epithel verbleibe; vielmehr lässt sich oft unmittelbar nach der Kerntheilung eine Verschiebung der Tochterzelle gegen die Peripherie deutlich nachweisen. Jedenfalls war die Widerlegung, welche Vignal gegen seine eigene Hypo- these unternimmt, nicht scharf genug, um dieselbe für unwahr- scheinlich zu halten. Er fährt fort: „La seconde hypothese et celle qui me parait la plus probable est la suivante, c’est qu’il existe pour les cellules formant la substance grise embryonnaire et les cellules qui l’avoisinent un autre mode de division ou plutöt de r&production que celui connu sous le nom de division indirecte ou de karyokinese.“

Mit diesen Hypothesen war nun aber nichts anzufangen, da doch die Thatsachen in keiner Weise zwingend waren. Dazu kam noch, dass Rauber!) auf Grund sehr genauer Untersuchung von Froschembryonen die Unbedingtheit des Altmann’schen Phaeno- mens bestritt und Merk die Resultate Raubers bestätigte. Beide Forscher stimmen nämlich darin überein, dass bei Frosch- larven ultraventrieuläre Mitosen gar nicht eben selten seien, ja sogar gleich häufig wie ventriculäre.

So lag die Sache, als His?) auf Grund neuer und über mehrere Wirbelthiere ausgedehnter Untersuchungen dazu gelangte,

1) Nr. 14, pag. 641. 2) Nr. 19.

136 Karl Rudolf Burckhardt:

zunächst die dem Centralcanal anliegenden Zellen in Epithelzellen und Keimzellen zu sondern; nach ihm gehen aus den letzteren durch Mitose embryonale Nervenzellen, Neuroblasten, hervor, welche von ihrer ursprünglichen Lagerstätte nach der Peripherie auswandern, zugleich aber mit ihrem einen Pol zu Axeneylindern auswachsen.. Nach mehreren Umwandlungen werden aus diesen Neuroblasten Ganglienzellen. „Die Epithelzellen wandeln sich durch einen innern Umbildungsprocess in Spongioblasten und in ein mit diesen verbundenes Markgerüst um. Es scheiden sich innerhalb der einzelnen Zellen eine geformte, fadenförmig sich anordnende und eine durchsichtige, weiche Substanz. Erstere wird zum Markgerüst, indem die Bestandtheile benachbarter Zellen untereinander Verbindungen eingehen. An der Innenfläche bildet sich aus der geformten Substanz die als Netz sich anlegende innere Grenzhaut. Aussen sammelt sich die Substanz zu einer diekern Platte, dem Randschleier, der durch eine äussere Grenz- haut noch einen besonderen Abschluss bekommen kann“ (p. 288 und 289).

Seine ohnehin durch ihre Einfachheit überzeugende Begrün- dung wird noch unterstützt durch ein erdrückendes Beweismaterial; auch scheint mir der Umstand, dass Vignal zum Theil dieselbe Theorie aufgestellt, aber aus unzureichenden Gründen wieder auf- gegeben hatte, eher zu deren Gunsten zu sprechen. Beim Durch- arbeiten derselben fielen mir jedoch zwei Punkte auf, die ich hier etwas näher beleuchten möchte. Erstens spricht His nirgends von den ultraventrieulären Mitosen, in deren häufigem Vorfinden Merk und Rauber übereinstimmen. Und zweitens scheint mir die Zahl der Epithelzellenkerne nicht gross genug, um den Kernen sämmt- licher Spongioblasten entsprechen zu können.

Zählungen der Mitosen an Tritonlarven ergaben folgendes Resultat, wobei ich die von Merk erhaltenen Zahlen für einen Embryo von 9 mm copire.

Länge Zahl des Embryo, der Schnitte, ventricul. Mitosen, ultraventriculäre. 3 mm 50 15 7 65, 41 45 4 DR: 47 13 1

Auf 100 Sehnitte berechnet:

Histologische Untersuchungen am Rückenmark der Tritonen. 137

Länge des Embryo, ventriculäre Mitosen, ultraventriculäre.

5 mm 26 14 Sr, 110 10 gl 27 2

Es scheint mir nun, es bedürfe keiner graphischen Dar- stellung, um einzusehen, dass die grösste Zahl ultraventriculärer Mitosen in ein weit früheres Stadium falle, als die der ventrieu- lären. Auch glaube ich geht deutlich daraus hervor, dass die ventrieulären Mitosen desshalb nicht dasselbe Gewebe betreffen können, wie die ultraventrieulären und da sich ausserdem die Spongioblasten vor den Neuroblasten entwickeln, dürften wohl die ultraventrieulären Mitosen zur Vermehrung der Spongioblasten dienen.

Merkwürdigerweise sind bis jetzt die näheren Umstände der Mitosen noch nie eingehender untersucht worden; es liegt auch nicht in meiner Absicht, eine Beschreibung derselben zu geben; doch möchte ich einige Punkte, die mir von Belang scheinen, hervorheben: Die Zahl der CUhromatinschleifen beträgt in der Regel 2X 6. Der Vorgang der Karyolyse lässt sich Schritt vor Sehritt mit grosser Leichtigkeit verfolgen; die Schleifen bewahren lange ihren Zusammenhang und man sieht nicht selten einen solchen Kernfaden von glashellem Protoplasma umgeben. Das zwischen den Polen und der äquatorialen Platte gelegene Plasma ist sehr fähig, Anilinfarben aufzunehmen, sodass es auch leichter sichtbar wird, als das übrige.

Trotzdem Hensen!) sagt, er habe einsehen gelernt „dass die Amphibien wegen der massenhaften Dotterkörner ein vorzugs- weise ungeeignetes Objekt für das histogenetische Studium sind‘, liess ich mich doch nicht abschrecken, auch die histogenetischen Vorgänge des nähern zu verfolgen. Es machte mir auch keine Mühe, sämmtliche Stadien, welche His?) für die Neuroblasten auf- stellt, zu erkennen. Gerade die Dotteraufnahme geschieht der Art, dass mit möglichst wenigen Mitteln möglichst viel erreicht wird, indem sich der Protoplasmaleib der Neuroblasten zu einer Zeit, wo der Axeneylinder schon ausgewachsen ist, zwischen die Dotterkörner durchdrängt und dieselben umfliesst, wie etwa eine

1) Nr. 5, pag. 3%. 2) Nr. 19, pag. 257

138 Karl Rudolf Burckhardt:

Amoebe, welcher eine Diatomee zum Opfer gefallen ist. Die also aufgespeicherten Dotterkörner werden allmählich verdaut. Eine eigenthümliche Rolle spielt sodann das Pigment; es ist in Form minimer Körner vorhanden, erst diffus zwischen den Dotterkörnern vertheilt. Später wird es von den Zellleibern aufgenommen und concentrirt sich meist am Ansatzkegel des Axencylinders; bei grossen Neuroblasten auch am entgegengesetzten Pol. Seltener kommt es den Spongioblasten zu. Eine Erscheinung, auf welche bis jetzt nur Vignal!) aufmerksam gemacht hat und welche die Neuroblasten als solche characterisirt, ist die Vacuolenbildung; bei Tritonen taucht dieselbe zu der Zeit auf, ehe die Ansatzkegel der Axeneylinder ihre grosse Tinctionsfähigkeit erreichen. Ab- weichend von Vignal glaube ich jedoch, dass die Vacuolen dem Kern angehören und muss diese Ansicht damit motiviren, dass ich dieselben immer nur dem Kern anliegend und in denselben eingreifend fand. Auch ist bei stärkeren Vergrösserungen leicht zu erkennen, dass das Kernnetz sich auch über die Vaecuole erstreckt, was doch schwerlich der Fall sein würde, wenn die- selben zum Protoplasma gehörten. Gewöhnlich kommt nur eine Vacuole vor; zur Ausnahme wohl auch zwei. Was die räthsel- haften Bläschen zu bedeuten haben, ist möglicher Weise zu ver- stehn, wenn einmal die ausserordentlich complieirten Formverän- derungen, denen der Kern der Neuroblasten unterliegt, im Zusammen- hange untersucht werden. Unterdessen möchte ich mich damit begnügen, auf dieselben hingewiesen zu haben.

In Hinsicht auf die Ansatzkegel der Axenceylinder muss ich bemerken, dass ich ihre Tinetionsfähigkeit für die von His be- schriebenen Stadien für normal halte. Dagegen steht für mich fest, dass diese Fähigkeit auch kann hervorgerufen werden. So besitze ich z. B. Querschnitte der Medulla oblongata von einem 3,5 cm langen Exemplar von Salamandra maculosa, bei welchen alle Zellen, auch die Spongioblasten diese Tinetion aufweisen, die von der normalen bei jungen Larven nicht zu unterscheiden ist. Es ist also hier die grösste Vorsicht am Platze.

Wesentlich andere Umbildungsformen als die von His be- schriebenen, existiren nicht und ich glaube, die von C. M. Schmidt?)

1) Nr. 11, pag. 223. 2): Nr. 12, pag. 18.

Histologische Untersuchungen am Rückenmark der Tritonen. 139

als „Körner“ beschriebenen Gebilde als Kunstprodukte ansehen zu müssen, die allerdings besonders leicht bei Amphibien zu entstehen scheinen. Erstens kommen sie nämlich in allen Stadien je nach der Behandlung massenhaft vor zu Zeiten und bei einer Form des Zellleibes, wo sich in andern Fällen unzweifelhaft struirte Kerne vorfinden; auch ist nicht wohl anzunehmen, dass diese Ge- bilde, wenn sie wirklich Umbildungskugeln wären, bei andern Wirbelthieren fehlen sollten.

Zum Schlusse dieses Abschnittes verweise ich auf die Ab- bildungen von Mitosen und zwar auf die beiden ultraventrieulären auf der linken Seite von Fig. 1, dann auf die 3 ventriculären rechts auf Fig. 2. Für die Aufnahme von Dotterkörnern durch das Plasma eines Neuroblasten spricht Fig. 7. Das Auftreten der Vacuolen in ihrer allgemeinen Erscheinung zeigt Fig. 2; ferner ist die Vacuole, sowie die Pigmentanhäufung auf Fig. 8 abgebildet. Fig. 9 und 10 stellen Neuroblasten dar zu Beginn ihrer Entwicklung, ebensolche finden sich auf Fig. 1 links. Bei- spiele für die His’sche Anschauung von der Entwicklung der Neuroblasten liessen sich noch massenhaft geben; ich begnüge mich mit einigen wenigen und verweise im Uebrigen auf seine eigenen Abbildungen.

III. Weitere Entwicklung der histologischen Elemente.

Wir haben gesehen, dass aus dem ursprünglich einfachen Medullarrohre nach seiner Lostrennung vom Hornblatte auf dem Wege der Mitose zwei verschiedene Zellkategorien hervorgehen, nämlich Spongioblasten und Neuroblasten. Es bleibt uns also zu- nächst übrig, die weitere Entwicklung dieser Anlagen zu ver- folgen, und da die Spongioblasten und die aus ihnen hervorgehende Stützsubstanz zeitlich das Primäre sind, beginnt die Beschreibung sachgemäss mit ihnen.

A. Stützsubstanz.

Werfen wir einen Blick auf Fig. 1, so ist leicht zu erkennen, dass wir hier die Anfänge der weissen Substanz in Gestalt eines grobmaschigen Netzes an der Peripherie des Querschnitts vor uns haben. Sternförmig strahlen von bestimmten Zellen im dorsalen

140 Karl Rudolf Burckhardt:

Theil protoplasmatische Pfeiler aus, im ventralen Theil ist bereits ein feines Netzwerk entstanden; eine sehr deutlich contourirte Membrana limitans externa begrenzt das gesammte Gerüst. Stellen- weise lassen sich noch die Ansätze der ursprünglichen, jetzt aber aufgelösten Zellwände des Epithels unterscheiden. Eine Zwischensubstanz ist nicht wahrnehmbar, wohl aber einige Neu- roblasten, die uns nun nicht weiter interessiren. Dorsal und ven- tral in der Medianlinie liegt je eine Epithelzelle. Sämmtliche Kerne sind von ovaler Gestalt und wenig lichtbreehend. Auf einem weiteren Stadium anlangend, finden wir das ursprüngliche Ver- hältniss nur wenig verändert, doch nicht mehr so durchsichtig. Das feine Netzwerk ist zu einem noch engmaschigern Randschleier geworden; von den Spongioblasten haben sich die einen als Epi- thel um den Centraleanal erhalten, die andern sind nach aussen verschoben und zeichnen sich durch den Mangel an Vacuolen aus (Fig. 2). Eine Mb. limitans interna können wir erst jetzt unter- scheiden; die Leiber der Spongioblasten, deren Kerne nicht dem Centraleanal anliegen, enden mit einer kleinen Verbreiterung ihrer Basis in ihr. Die Zellenkerne sind durchsichtig geworden und nehmen Carmin begierig auf, welche Fähigkeit von jetzt an immer mehr zunimmt und die Unterscheidung von kleinen Ganglienzellen erleichtert. In Folge des Centralcanalschlusses nehmen sodann viele Zellkerne eine spindelförmige oder cylindrische Gestalt an; am meisten jedoch die in der Medianebene gelegenen. Fig. 4 zeigt auch das interessante Verhältniss, dass eine Anzahl von Kernen der Stützsubstanz beim Schlusse des Centralcanals an die dorsale Peripherie gedrängt wurden; nichts destoweniger sind ihre Zellenleiber bis gegen den Centralcanal zu verfolgen, wo sie aller- dings unter den spindelförmigen Zellen verschwinden. Auf dieser Stufe bildet die gesammte Stützsubstanz, soweit sie Kerne enthält, ein Pfeilerwerk, das unter sich nicht oder höchst spärlich commu- nieirt; diese Pfeiler gehn an der Peripherie in ein höchst eng- maschiges Netz über, welches dazu dient, die von den Nerven- zellen ausgehenden Axencylinder zu umspinnen. Nach aussen wird dieses Netz von einer Säulenschicht und der dieselbe abschliessenden Mb. limitans externa begrenzt; dass wir es mit Säulen zu thun haben, und nicht mit Lamellen, wie Stieda!) vermuthete, lässt

1) Nr. 3, pag. 290, ebenso auch Reissner Nr. 2, pag. 27.

Histologische Untersuchungen am Rückenmark der Tritonen. 141

sich leicht durch Längssehnitte nachweisen. Kerne, welche in der weissen Substanz versprengt vorkommen, habe ich nie am Aufbau der Stützsubstanz theilnehmen sehen; diese Kerne werden bei den Ganglienzellen des eingehenden behandelt. Beim erwachsenen Rückenmark sind nur noch die Epithelzellen des Centralcanals deutlich als solche zu erkennen. Das Netz hat sich am schwäch- sten in der Medianebene entwickelt; hier ist daher der Zusam- menhang der Mb. limitans externa mit dem Epithel am deutlichsten seblieben. Am stärksten ist die Substanzvermehrung in den late- ralen Partieen, dort findet eine Zunahme statt, so lange das Thier überhaupt wächst.

Dass die Stützsubstanz bindegewebigen Ursprungs sei, wie von den ausgezeichnetsten älteren Forschern auf Grund der Ar- beiten von Bidder und Kupffer!) und vieler neuer Untersuchungen geglaubt wurde, wird wohl seitGierke’s?) trefflicher Arbeit Nie- mand mehr aufrecht erhalten wollen. Weniger allgemein ist da- gegen noch die Auffassung Hensens?), dass das Mark der Säuge- thiere ein mehrfach geschichtetes Epithel sei. Ich muss hier an eine alte Beobachtung Stieda’s*) anknüpfen; dieser Autor sieht nämlich am Rückenmark des Axolotl, dass die hinter dem Oentral- canalepithel gelegenen Zellkerne mit ihrem Zellleib doch an die Mb. limitans interna reichen; unterstützt wird seine Beschreibung von einer vollkommen richtigen Abbildung. Gegenüber Schmidt), welcher diese Beobachtung anzweifelt, muss ich dieselbe aufrecht erhalten. Ich glaube sogar, dass sie für die Auffassung der Stütz- substanz von ganz besonderer Bedeutung ist. Denn, wenn that- sächlich alle Leiber der Stützzellen an der Mb. limitans interna enden, so ist dadurch die gesammte Stützsubstanz ein einfaches Epithel, dessen Kerne allein geschichtet sind. Auf Schnitten von genügender Feinheit lässt sich aber eine ungeheure Anzahl von Zellleibern wahrnehmen, welche an der Mb. limitans interna an- setzen; so zähle ich an einem Querschnitte 35 und an einem andern 41 soleher Säulen, Zahlen die annähernd denen der auf einen Querschnitt entfallenden Spongiosakerne entsprechen. Bis mir also ein Gegenbeweis erbracht wird, muss ich an der Behauptung fest-

1) Nr. 1, pag. 43 etc. 2. Nr. 13 und lo. 3) Nr. 5, pag. 382. 4) Nr. 3, pag. 289.

5) Nr. 12, pag. 14.

142 Karl Rudolf Burckhardt:

halten, dass das Stützgewebe des Rückenmarkes bei Caudaten noch ein einfaches geschichtetes Epithel sei. Selbstverständlich möchte ich damit die Wahrscheinlichkeit, dass dieses einfache Epithel nur den Amphibien zukomme, nicht bestreiten, sondern halte diese Auffassung der von Heusen gegenüber für eine Ergänzung. Denn es ist doch wahrscheinlich, dass das mehrfach geschichtete Epithel, wie es jener Autor für die Säugethiere statuirt, im Laufe der phylogenetischen Entwicklung aus einem einfachen hervorgegangen sei und dass also dieses einfache Epithel noch irgendwo vor- komme. Den Beschreibungen von Rhode!) zufolge wird wohl auch die Stützsubstanz von Amphioxus so aufzufassen sein; es stehn mir aber keine eigenen Untersuchungen zu Gebote, um dies zu entscheiden.

Ich möchte hier noch hervorheben, dass an der Auffassung der Stützsubstanz als bindegewebigen Ursprungs, wohl hauptsäch- lich das Uebersehen der Mb. limitans externa mit schuld war.

Meines Wissens hat Goette ?) zuerst dieselbe genau erkannt; was dagegen die Entstehung des Randschleiers betrifft, so fehlen ihm da klare Bilder und Vorstellungen durchaus.

Wirkliches Bindegewebe tritt nur in Gestalt der Blutgefässe und der darin eirculirenden Blutkörperchen in das Rückenmark, ich habe jedoch über dasselbe keine neuen Beobachtungen mitzu- theilen.

Wir kommen zum Schlusse noch auf den Centralcanal zurück ; pag. 135 habe ich angedeutet, dass die Vergrösserung dieses Canals mit den Mitosen im Keimepithel nichts zu thun habe, wie Vignal und Merk glaubten, oder dass mindestens die vielen Zellkerne, welche gebildet werden, nicht dem Centralcanalepithel zu Gute kommen. Messen wir das Lumen des Canals bei einem Triton von 7 mm Länge, so ergiebt sich eine Höhe von 40 u und eine Breite von 5 u; bei einem erwachsenen Exemplar von 90 mm finden wir einen kreisrunden Canal von 10 u Durchmesser. Daraus resultirt, dass der Umfang des Lumens für Triton I 90 u, für Triton II 30 u beträgt; also hat eine Reduction auf das Drittel stattgefunden. Zählt man sodann die dem Centralcanal anliegen- den Epithelzelikerne, so erhalten wir für Triton 135 durehschnitt-

1) Nr. 18. 2) Nr. 4, pag. 276 und 277.

*

Histologische Untersuchungen am Rückenmark der Tritonen. 143

lich, für Triton II dagegen 24. Nun scheint die Methode der letzteren Zahlen mangelhaft, indem ja nur die Kerne gezählt wur- den, es ist aber unmöglich bei jungen Tritonen die Stützpfeiler zwischen die Epithelzellkerne so zu verfolgen, dass eine Zählung möglich wäre. Aus den letzteren Zahlen geht eine Reduction der Zellkerne pro Querschnitt hervor; sicher findet keine Vermeh- rung statt. Rechnen wir nun, wie Merk!) es thut, eine Substanz- vermehrung und eine Lockerung des Gewebes mit der Verenge- rung des Centralcanals um !/,; zusammen, so ist gewiss kein Grund mehr vorhanden, warum die durch Mitose massenhaft neu gebil- deten Zellen auch noch sollten dazu beitragen, das Epithel des Centralcanals zu vermehren.

Flimmerhaare kommen bei den Tritonen zeitlebens nicht vor; dass Merk sie also bei Embryonen vergeblich sucht, ist leicht zu begreifen.

Be "Gangslrienzellen

Zu einer Zeit, wo die ersten Anfänge des Randschleiers auf- tauchen (Fig. 1), finden wir auch schon Neuroblasten vor; so liegen z. B. dorsal der Peripherie genähert die ersten unzweideutigen Neuroblasten, welche sich durch ihren matten, stark granulirten Kern und ihre Birnenform zu erkennen geben. Sehr oft kommt auch einer der ersten Neuroblasten an der ventrallateralen Ecke des Querschnitt zum Vorschein. Bald folgen ähnlich beschaffene lateral gelegene nach. Dieser ausgesprochene Typus verwischt sich immer mehr, sodass z. B. auf Fig. 2 die Neuroblasten nur noch durch den Besitz einer Vacuole von den Epithelzellen unter- schieden sind, wozu noch der tingirbare Ansatzkegel meist etwas später erscheint. Ein Nucleolus und ein Nucleolinus sind von Anfang an wahrzunehmen.

Betrachten wir einen Querschnitt einer älteren Larve, so können wir 2 typische Formen von Ganglienzellen unterscheiden :

1. Grosse Ganglienzellen. Sie besitzen einen stark ent- wickelten Protoplasmaleib, welcher fibrilläre Streifung zeigt und zahlreiche Fortsätze meist der Peripherie zu gerichtet entsendet, einen runden oder ovalen Kern, der in späteren Larvenstadien

1) Nr. 17, pag. 114.

*

144 Karl Rudolf Burckhardt:

Anilinfarbstoffe begierig aufnimmt und im Innern eine früher nicht vorhandene Masse aufweist. Ein starker Axencylinder verläuft meist in entgegengesetzter Richtung vom Leibe.

2. Die kleinen Ganglienzellen mit schwach entwickel- tem Leibe der sich bei der extremen Form nicht über die ersten Zustände grosser Ganglienzellen erhebt; der Leib ist meist kaum zu sehen, dagegen ein dem Carmin zugänglicher, durchsichiiger Kern, der sich nur dann mit Anilin färbt, wenn keine andere Färbung vorausgeht. In seinem Innern findet sich ein feines Netz; sonst ist er durchsichtig. Der Axencylinder bleibt hinter den- jenigen grosser Zellen zurück. Zwischen diesen beiden typischen Formen existiren nun aber alle denkbaren Uebergänge. Während die grossen Ganglienzellen peripher liegen, nehmen die kleinen die centralern Partien ein. Eine Ausnahme davon machen nur wenige, kleine Zellen, welche unweit der Medianebene dorsal und ventral die Zone der grossen Zellen überschreiten. Im Allgemeinen lässt sich das Gesetz aufstellen, dass die grossen Zellen die zuerst, die kleinen die zuletzt entstandenen sind. Denn wir haben schon gesehen, dass auf den jüngsten Stufen zuerst die beiden markirtesten der grossen Zellen vorhanden sind. Es scheint mir auch diese Aufein- anderfolge der Zellen in radialer Richtung ein neuer Beweis für die Richtigkeit der Annahme einer Auswanderung der Neuroblasten von ihrer Keimstätte zu sein.

Eine Kategorie von Zellen, welche eine besondere Besprechung erheischt, sind die sogenannten Hinterzellen. Reissner!) machte zuerst auf „grosse innere Nervenzellen, die constant im oberen Theile der grauen Substanz anzutreffen sind und deren grösste Ausdehnung, wie auch ihre Forsätze sich mit seltenen Ausnahmen von vorn nach hinten erstrecken‘, bei Pefromyzon aufmerksam und empfiehlt, dieselben auch bei Amphibien, wo er zu keinem sichern Resultate kam, zu suchen. Bei Petromyzon wurden diese Zellen seither beschrieben und der Verlauf ihres Axeneylinders aufgesucht. Die eingehendste Darstellung gab Freud?), welcher den Axencylinder dieser ‚„Hinterzellen“ in die sensible Wurzel verfolgen kann. Bei Amphibien wurden diese Zellen seit Reiss- ner aber nicht mehr gesucht; weder Stieda noch Schmidt be- schrieben etwas der Art. Abweichend von dem Verhalten bei

1) Nr. 2, pag. 14. 2) Nr. 6 und 7.

®”

Histologische Untersuchungen am Rückenmark der Tritonen. 145

Petromyzon, liegen diese Zellen bei den Tritonen immer genau in der Medianebene der dorsalen grauen Substanz und zwar so, dass ihre Längsaxe zur Medianebene senkrecht steht. Gegen Farbstoffe verbalten sie sich genau wie die andern grossen Zellen; der Kerndurchmesser beträgt 15—20 u; der Kern liegt bisweilen dem spindelförmigen Leib seitlich an, sodass eine der Ranvier’schen T-Zelle ähnliehe Form entsteht, meist liegen 2 solcher Zellen hintereinander, wobei sich dann ihre Axencylinder in entgegen- gesetzter Richtung verlaufen. Fig. 4 und 5 zeigen solche Zellen. Da bekanntlich bei der Aufsuchung von Axencylindern oft Vor- urtheile mit im Spiele sind, so muss ich bemerken, dass ich, bevor mir die Freud’schen Arbeiten bekannt waren, den Axen- eylinder folgendermaassen verlaufen sah. Er tritt in schwach gebogener Richtung lateral heraus und biegt nach einem Verlauf von doppelter Zellenlänge in das später zu besprechende Lateral- bündel um; ob er hier nach vorn oder hinten verläuft, kann ich nicht angeben; sicher aber ist, dass dieses Lateralbündel den einen Theil der sensiblen Wurzeln liefert und demnach wäre also auch hier die Wahrscheinlichkeit, dass die Hinterzellen mit den sensiblen Wurzeln in Verbindung stehen, gewiss nicht anfechtbar. Interessant ist auch das Verhalten dieses Axeneylinders am erwachsenen Rückenmarke; dort hat derselbe durch die Bildung der Hinter- hörner eine zweimalige Biegung erfahren. Ich glaube also, auf Grund dieses Befundes dürfen diese Zellen ruhig mit den Freud- schen in Analogie gesetzt werden und auch den Namen „Hinter- zellen“ beanspruchen. Uebereinstimmend mit Freud kann ich auch constatiren, dass die Zahl dieser Zellen eaudal zunimmt; eine solche bilde ich auch noch Fig. 11 aus der äussersten Schwanzspitze von Tr. taeniatus ab. Es hat kein grosses Interesse, die verschiedenen Formen, welche die Ganglienzellen besitzen, des eingehenden zu beschreiben. Das einfachste Verhältniss zeigen die kleinen Ganglienzellen; meist fehlt ihnen ausser dem Axen- eylinder jegliches Protoplasma, wobei freilich möglich ist, dass dasselbe in Gestalt einer höchst zarten Schicht den Kern über- zieht. Auf Fig. 12d habe ich eine kleine Zelle abgebildet, bei welcher die ersten Ansätze zu Ausläufern vorhanden sind; eine weitere Stufe zeigt Fig. l12e; das ist eine mittlere Zelle mit deut- lichem Leib und einem weithin verfolgbaren Axencylinder. Wir

finden hier, sowie in Fig. 12a dasselbe Verhältniss, das wir schon Archiv f. mikrosk, Anatomie. Bd. 34. 10

Ei

146 Karl Rudolf Burckhardt:

bei Hinterzellen gelegentlich vorkommen sahen; nämlich, dass der Kern ausserhalb der direeten Fortsetzung des Axeneylinders in dem Leib liegt; der letztere zeigt hier eine reiche Verästelung der Forisätze. Zwei weitere Beispiele von Zellformen geben Fig. 12b und e, auch möchte ich noch auf die in Fig. 4 abgebildeten Ganglienzellen, besonders aber auf die dort gezeichnete kolossale Vorderhornzelle aufmerksam machen. Solche Vorderhornzellen finden sich jedoch nicht regelmässig an dieser Stelle vor. Sehr bezeichnend ist der Umstand, dass die Fortsätze in ihrer grossen Mehrzahl radial- und peripheriewärts ausstrahlen; eine Erklärung desselben wage ich jedoch nicht zu geben.

Wir haben früher gesehen, dass jeweilen auf einem Querschnitt in der weissen Substanz Keine vorkommen, die von den meisten Forsehern bemerkt, aber nie in einen richtigen Zusammenhang mit der grauen Substanz gebracht werden konnten. Ich will hier nur herausgreifen, was der Erforscher der Stützsubstanz Gierke?) über dieselben sagt: „aus dem eben Gesagten das Wichtigste zusammenfassend behaupte ich also, dass im Centralnervensystem erwachsener Thiere freie runde Gebilde ohne Fortsätze, sog. Körner nur zufällig ganz ausnahmsweise und unregelmässig vorkommen. Dieselben sind einmal wandernde Lymphoidzellen .... . oder sie sind aus der embryonalen Zeit übrig gebliebene Bildungszellen “2... Dagegen existiren die für gewöhnlich als „Körner“ oder als ‚freie Kerne“ beschriebenen Körper in Wirklichkeit nicht, vielmehr werden andere Gebilde irrthümlich für solche genommen“. Es hat keinen Sinn die Aeusserungen aller möglichen Forscher über diese Kerne anzuhören und so will ich bei Gierke’s An- nahme, dass die Kerne zum Theile Lymphoidzellen sein mögen anknüpfen. Ich glaube auch, dass diess in manchen Fällen so sein mag, und zwar besonders in der Nähe von Blutgefässen. Dagegen ist es mir gelungen, Axeneylinder von diesen Kernen ausgehen zu sehen und zwar sehr zarte Axencylinder, die nur bei starken Vergrösserungen können wahrgenommen werden; in beiden beobachteten Fällen verlief der Axencylinder in radialer Richtung bis zur Peripherie der grauen Substanz; dort bog er im einen Fall nach oben, im andern nach unten scharf um; ihn weiter zu verfolgen gelang mir aber nieht. Wenn die Beobachtung von nur

1) Nr. 13, pag. 457.

Histologische Untersuchungen am Rückenmark der Tritonen. 147

zwei Fällen zu unsicher scheint, um daraus einen definitiven Schluss zu ziehen, so muss daran erinnert werden, dass es über- haupt selten gelingt, Axencylinder unzweifelhaft zu verfolgen und dass also dieses Ergebniss immerhin als günstig darf bezeichnet werden. Fig. 4 rechts sind beide Fälle dargestellt. Wie sind nun diese Zellen, die durch den Besitz von Axeneylindern ihre Zu- gehörigkeit zu den Ganglienzellen kund geben, wie sind sie dahin gelangt. Es muss wohl angenommen werden, dass diese Kerne bei der Bildung des Netzes der Stützsubstanz als Neuroblasten zwischen den sich bildenden Randschleier geriethen und nicht mehr heraus konnten; infolge davon wurden sie verschleppt und gelangten an den Ort, wo wir sie jetzt finden. Immerhin kann diess nur für einen Theil der Kerne gelten; ich glaube auch mit Gierke, dass manche davon Lympbhoidzellen sein werden.

Ueber die Axencylinder vermag ich histologisch nichts neues anzugeben; von ihrer topographischen Anordnung wird im folgen- den Abschnitte die Rede sein.

IV. Topographie des Rückenmarkes.

Nachdem wir nunmehr die Entwicklung der histologischen Elemente im Einzelnen erörtert haben, müssen noch ihre Lage- beziehungen zu einander betrachtet werden, sowie auch die Ver- änderungen, welchen das Rückenmark als gesammtes unterworfen ist. Ein Blick auf Fig. 1 zeigt uns die ersten Anfänge weisser Substanz in Gestalt eines protoplasmatischen Netzwerkes, welches zunächst ventral und lateral sich auszubreiten beginnt. Die Zell- kerne stehen noch annähernd senkrecht zur Begrenzung des Cen- traleanals, doch macht sich immerhin schon ein Verhältniss geltend, das in der Folge an Deutlichkeit gewinnt. Je dorsaler und peri- pherischer nämlich die Zellen stehn, um so mehr entfernt sich die Längsaxe der Kerne von der Normalstellung zum Centralcanal (Fig. 2); beachtenswerth ist dabei auch, dass die grosse Mehrzahl der Zellkerne ovoide Gestalt besitzt, kuglige Kerne finden sich nur ventral, zu diesen gehört die grosse Vorderhornzelle und ihre Nachbarn. Als ein wichtiger Markstein für die Entwicklung des Rückenmarkes ist die Anlage der Hinterzelle zu erwähnen, welche

148 Karl Rudolf Burckhardt:

im embryonalen Mark noch dorsallateral gelegen ist und sich deutlich durch die Blässe ihres Kernes zu erkennen giebt. Die weisse Substanz ist zu einem sichelförmigen bilateralen Streif aus- gewachsen und besteht zunächst nur aus Stützsubstanz, in welcher erst allmählich Axeneylinder auftauchen, als deren zeitlich erste die von den grossen Ganglienzellen ausgehenden zu bezeichnen sind. Diese einfachen Verhältnisse complieiren sich in der Folge und ohne eine genaue Analyse dieses Vorgangs ist es unmöglich, über die definitive Structur des Rückenmarks ins Klare zu kom- men. Zunächst folgt der als Schluss des Centralcanals allgemein bekannte Process. Fig. 3 stellt den Beginn desselben dar. Dorsal hat sich der Querschnitt stark verbreitert. Der Centraleanal hat ein bisquitförmiges Lumen und seine Höhe ist gegenüber der frü- heren reducirt. Die Hinterzelle beginnt sich ihrer definitiven Lage in der Medianebene zu nähern, wir finden sie auf halbem Wege; die dorsal und ventral in der Medianebene gelegenen Epithelzellen beginnen sich zu dehnen; die lateral gelegenen Zellkerne haben eine vollständige Tangentialstellung angenommen. Die weisse Substanz hat sich zunächst nicht verändert. Doch beginnt sie so- fort nach Schluss des Centraleanals sich stärker zu entfalten, als dies bisher geschah. Fig. 4 zeigt einen Centraleanal der vollstän- dig geschlossen ist. Die Epithelzellen, besonders die in der Me-. dianebene gelegenen Dorsalzellen, haben eine spindelförmige Ge- stalt angenommen, deren grösster Theil von den Kernen absorbirt wird. Die Leiber dieser Zellen strahlen nach allen Seiten radiär aus. Die Hinterzelle ist in der Mitte angelangt; die sie umge- benden kleinen Ganglienzellen haben ihre mediane Stellung eben- falls eingenommen, indess die ventraler gelegenen in die von den Stützfasern vorgeschriebenen Bahnen einlenkten. Die Zellleiber der Ganglienzellen haben sich stark entwickelt und ragen überall in die weisse Substanz hinaus; eine regelmässige büschelartige Ausstrahlung lässt sich besonders an der Stelle erkennen, wo später die Hinterhörner zu finden sind. Hier ist auch noch darauf aufmerksam zu machen, dass die Peripherie der grauen Substanz von einer Bogenschieht gegen die weisse Substanz lateral abge- grenzt ist; diese Bogenschicht war auch schon auf früheren Sta- dien zu erkennen, doch sind hier die Axeneylinder, welche die- selbe bilden, verstärkt durch die ebenfalls in dieser Richtung ent- wickelten Leiber mancher Zellen (vergl. Fig. 12a mit den lateralen

Histologische Untersuchungen am Rückenmark der Tritonen. 149

Ganglienzellen von Fig. 4). Es wäre sehr schwierig, zu beweisen, dass von den dorsalen Ganglienzellen aus keine Axencylinder ventralwärts ziehn; doch scheint dieser Fall entweder gar nicht oder höchst selten vorzukommen, wie ein Blick auf das erwachsene Rückenmark lehrt. Eine Scheide der Bahnen anzugeben scheint fast unmöglich, doch glaube ich, liesse sich vorläufig eine solche feststellen. Wir haben ja pag. 146 gesehn, dass die beiden in die weisse Substanz versprengten Kerne von Ganglienzellen ihre Axeneylinder nach verschiedenen Richtungen verlaufen liessen (Fig. 4); annäherungsweise wird also wohl die zwischen ihnen gelegene Zone ungefähr die Bahnen der Axencylinder scheiden. Nun haben wir auch die weisse Substanz nicht zu vergessen. In der eben angegebenen Zone verläuft ein Laterallängsbündel mark- haltiger Axeneylinder, welches von dorsalen Ganglienzellen ge- spiesen wird. Dieses Bündel wird also noch dem Dorsalgebiete angehören und wir hätten demnach die Grenzen zwischen dorsalem und ventralem Axencylinderverlauf an den ventralen Rand dieses Bündels anzusetzen. Die weisse Substanz hat mächtig an Volumen gewonnen; ausser dem oben erwähnten Lateralbündel nehmen wir ein sehr starkes, auf dem Querschnitt halbmondförmiges Ventral- lateralbündel wahr; ferner ein kleines Dorsalbündel und ein nur in gewissen Körpergegenden, nämlich in der Cervical- und Lum- balanschwellung nachweisbares Bündelchen, welches der Median- ebene genähert ventral vor den Hinterzellen verläuft. Dass ausser- dem noch Axeneylinder der Länge nach verlaufen ist nicht zu leugnen; ich wollte nur die durch Weigert’sche Hämatoxylin- färbung erkennbar geschlossenen Bündel namhaft machen. Im Ventrallateralbündel stechen medianwärts 2 grosse Querschnitte von Axeneylindern in die Augen, es sind die Mauthner’schen Fasern. Ventral von denselben finden wir andere ebenfalls sehr starke Fasern, die gelegentlich auch fast den Durchmesser der Mauthner- schen erreichen können.

Faserzüge, die in der Ebene des Quersehnitts verliefen, konnte ich nicht finden. Dagegen kreuzen sich ventral in der Median- ebene einzelne Axeneylinder; dasselbe Verhalten von einzelnen . Axeneylindern findet sich auch an der Stelle, wo die fortlaufende Reihe der Hinterzellen intermittirt; dort treten jeweilen Fasern der Zellen von rechts nach links und umgekehrt; diese hintere Kreuzung wurde bisher übersehen; doch glaube ich, dass sie erst

150 Karl Rudolf Burckhardt:

seeundär entsteht durch Ineinanderschieben derjenigen Zellkerne, welche in früheren Stadien median von der Hinterzelle standen. Commissuren !) existiren nicht.

Es bleibt uns nun noch übrig, den Querschnitt durch ein völlig ausgebildetes Rückenmark zu beschreiben. Die elegante und durchsichtige Disposition der histologischen Elemente, wie wir sie im Larvenleben vorfanden, macht einer scheinbar gerin- gern, unvollkommenern und derbern Anordnung Platz. Was zu- nächst in die Augen springt, ist die Abnahme der Zellkernzahl pro Querschnitt. Diese Abnahme ist nichts Unerwartetes, denn wie könnte sonst das Rückenmark so sehr in die Länge wachsen, da doch keine Neubildung von Zellen stattfindet? Genaue Zäh- lungen an gleich dieken Schnitten derselben Rückenmarksgegend ergaben in Bezug auf die Zellkerne folgende Zahlen:

Larve Erwachsener 105 57 14 60 102 80 99 65 Im Mittel 106 65

Es wäre also zunächst eine Reduction der Zellkernzahl bei erwachsenen Individuen gegenüber den Larven auf 3,5 constatirt. Die beiden Sulei; der dorsale und der ventrale, sind tiefer gewor- den. Das Ventrallateralbündel hat sich in ein ventrales Bündel, welches zwischen den Centraleanal und die Mauthnerfaser hinauf- rückt und in das laterale, welches der grauen Substanz lateral sich anschmiegt, getrennt. Das ursprünglich laterale Bündel lehnt sich ebenfalls der grauen Substanz dorsal vom vorigen an; da- gegen ist das Dorsalbündel in die Lücke zwischen Hinterhorn und Suleus dorsalis gedrängt worden. Die ganze weisse Substanz hat also eine klammerförmige Gestalt angenommen, dadurch dass sie lateral bedeutend an Masse gewonnen hat. In der grauen‘ Sub-

1) Es herrscht eine unglaubliche Verwirrung in Bezug auf den Ge-

brauch der Wörter: „Kreuzung“

und „Commissur“, Manche Forscher sprechen sogar von „Kreuzungscommissuren“. Ich schliesse mich dem Vorgehen von H. Virchow an, welcher die Commissuren homogene Pole, die Kreuzungen dagegen heterogene Pole verbinden lässt. Das Corpus collosum ist also eine

Commissur, während z. B. die Fasern des Trochlearis eine Kreuzung bilden.

Histologische Untersuchungen am Rückenmark der Tritonen. 151

stanz hat dorsal die büschelförmige Ausstrahlung sich vermehrt und zu einer Hinterhornbildung geführt. Die radialen Zellausläufer haben an Stärke zugenommen und ragen in die weisse Substanz, ohne jedoch mit derselben in organische Verbindung zu treten. Die Spindelform der Epithelzelikerne hat wieder einer mehr eylindri- schen Platz gemacht; im Allgemeinen haben die Zellkerne an Volumen zugenommen. Wir haben schon früher gesehen, dass die Hinterhornbildung zu einer doppelten Biegung des Ayencylinders an der Hinterzelle führte; das ist ein wichtiger Fingerzeig, denn durch den unregelmässigen Verlauf dieses Axencylinders werden wir darauf aufmerksam gemacht, dass die Lage des Lateralbündels sieh nieht wesentlich geändert hat. Daraus folgt, dass auch die übrigen den Dorsalzellen entspringenden Axeneylinder nicht in der bischelförmigen Ausstrahlung weitergehn, sondern entweder eben- falls in das ehemalige Lateralbündel oder in das Dorsalbündel eintreten. Folglich kann auch die Ausstrahlung nur morphologisch den Namen eines Hinterhornes bekommen, unter dem Vorbehalt, dass sie nur aus Zellleibern besteht und nicht aus Axenceylindern; dafür spricht auch ihre Entstehung.

Es bliebe uns nun noch übrig auf die Veränderungen einzu- gehn, welche das Rückenmark seiner Länge nach erfährt. Was bisher betrachtet wurde, waren Querschnitte, die dem am höchsten entwickelten vorderen Theile des Rückenmarkes entstammten. Nun möchte ich noch an die Abbildung Fig. 11 einige Krörterungen anschliessen. Stieda!), Fraisse?) und Schmidt?) beschreiben die äusserste Spitze des Rückenmarkes als ein einschichtiges Epithelrohr. Ich kann dies nur bestätigen; dazu muss ich die überraschende Thatsache eonstatiren, dass diese Epithelzellen wirk- liche Axeneylinder entsenden. Ich kann auf dem Fig. 11 zu Grunde liegenden Querschnitt deren drei zählen, die sich zu einer motorischen Wurzel vereinigen. Weitere Untersuchungen werden dieses höchst eigenthümliche Vorkommniss bestätigen müssen, be- vor man daraus allgemeine Schlüsse ziehen darf. Auf der be- treffenden Figur ist auch noch eine Hinterzelle, welche einen Axencylinder entsendet, eine Mb. limitans externa kann ich nicht

1) Nr. 3, pag. 288. 2) Nr. 8, pag. 25. 3) Nr. 12, pag. 40,

152 Karl Rudolf Burckhardt:

mehr wahrnehmen. Bevor das Rückenmark zu diesem Epithel sich vereinfacht, nimmt sein Querschnitt eine rundliche Gestalt an; etwa 1/, em vor der Schwanzspitze rückt der Centraleanal in die Höhe, so dass sein Abstand zum dorsalen Rande kleiner wird als der zum ventralen; die Sulei sind schon längst verschwunden.

Obschon ich weiss, dass mechanische Erklärungsversuche in der Embryologie nicht eben freundlich aufgenommen zu werden pflegen, so kann ich mir doch nicht versagen, die mechanischen Bedingungen aufzusuchen, welche den topographischen Verände- rungen des Rückenmarkes zu Grunde liegen. Dabei muss ich betonen, dass ich mich nicbt etwa bei der Feststellung von That- sachen durch Rücksichten auf eine solche Erklärung leiten liess, sondern dass ich durch die Thatsachen veranlasst wurde, einen solchen Versuch zu wagen. Ueber die Berechtigung, mechanisti- sche Anschauungen in die Embryologie einzuführen, werde ich bei anderer Gelegenheit mich aussprechen; einstweilen setze ich die- selbe voraus.

Wenn wir ein Schichtensystem so zusammenbiegen, dass zwei seiner oberen Parallelkanten einander berühren, so erhalten wir ein Bild wie es Fig. 13 veranschaulicht. Bei dieser Biegung ist die oberste Schieht zur innern, median gelegenen, die unterste zur äussern, distal gelegenen, geworden; diese letztere erhält durch die Biegung die grösste Oberflächenspannung. Soll nun diese Rinne zu einem Rohre geschlossen werden, so hat eine Vereinigung statt- zufinden zwischen den Rändern sämmtlicher Schichten , wobei zuerst eine Vereinigung der Ränder der innersten Schicht vor sich gehen muss, welcher sodann die übrigen folgen. Die Ränder der äussersten Schicht haben den grössten Weg zurückzulegen, bis sie in der Mitte zusammentreffen; die an ihrer Oberfläche ohnehin schon grosse Spannung wird dadurch noch gesteigert, sodass eine beträchtliche Zerrung ihrer einzelnen Bestandtheile entsteht, welche, wenn wir es z. B. mit einem knetbaren Schichtensystem zu thun haben, zunächst in der Mittellinie zu einer Berstung führen muss.

Betrachten wir nun wieder unsere Fig. 1, so können wir dieselbe mit Fig. 13 als dem ersten Stadium unserer Rohrbildung vergleichen; noch besser entspricht vielleicht Fig. 2, denn hier besteht unzweifelhaft die äussere Schicht aus vacuolenführenden Neuroblasten; die grosse Hinterzelle markirt den heraufgebogenen Rand der äussersten Schicht. Die Stellung der Zellkerne resp.

Histologische Untersuchungen am Rückenmark der Tritonen. 153

der Axeneylinder kann nicht befremden, wenn wir folgendes in Erwägung ziehen: Die Neuroblasten zeigen, wenn sie noch im Keimepithel liegen, Birnenform und zwar so, dass die Spitze nach aussen gerichtet ist; wäre also kein Hinderniss im Wege, so müsste der Axeneylinder geradeaus wachsen. Nun wandert aber der Neuroblast in eine äussere Schicht, wo die Oberflächen- spannung viel grösser ist, als in den inneren Schichten; diese Spannung lenkt also den Axencylinder so ab, dass er, je distaler die Zelle zu stehn kommt, desto tangentialer sich richten muss. Dass in der ventralen Partie der Medianebene keine Neuroblasten zu finden sind, ist auch nicht zu verwundern. Den mechanischen Grund dafür hat His!) schon längst auseinandergesetzt.

Nun folgt die Periode, wo sich der Centralcanal schliesst; aus unserer Betrachtung über den Schluss eines mehrschichtigen Rohres geht deutlich hervor, dass der Schluss des Centralcanals überhaupt erst der Schluss des Rückenmarkes und der bisher als Schluss des Medullarrohres bezeichnete Process erst der Anfang dieses Vorganges ist, welcher etwa der Verlöthung der beiden Ränder unserer innersten Schicht entspricht. Darüber kann kein Zweifel mehr bestehn, wenn wir das Schicksal der Hinterzelle verfolgen, welche für uns den Rand der äussersten (Neuroblasten-) Schicht bezeichnete. Diese Zelle verschiebt sich medianwärts so, dass sie mit der ihr symmetrisch gelegenen Hinter- zelle in der Medianebene zusammentrifft. So entsteht die elegante Construction, wie sie Fig. 4 darstellt.

Fragen wir nun nach dem mechanischen Grunde des Rücken- markschlusses, so wirken offenbar zwei Dinge in demselben (resp. entgegengesetzten) Sinne. Denn einestheils wandern die Neuro- blasten nach den äussersten Schichten und bewirken so eine Oberflächenspannung, die sich stets vermehrt, solange Neubildung stattfindet. Andern Theils lockert sich das Epithel des Central- canals in Folge der Neuroblastenauswanderung einerseits und eine Vertheilung auf den längern Centralcanal andererseits (vergl. pag. 150); ist dann das Minimum der Spannung in der innersten, das Maximum in der äussersten Schicht erreicht, so kommt der definitive Rückenmarkschluss zu Stande. Als Indicatoren der Massenver- schiebung dienen uns die Leiber der Epithelzellen; ein besonders

1) Nr. 10. pag. 165.

154 Karl Rudolf Burckhardt:

drastisches Beispiel dafür liefern die Figuren 8, 9 und 10 in der „Geschichte des menschlichen Rückenmarks und der Nerven- wurzeln“ von His sowie unsere Figur 4.

Hatte bis jetzt die weisse Substanz keine, oder höchstens eine unmerkliche Rolle gespielt, so werden die folgenden Aende- rungen von ihr veranlasst. Besonders übt ihre laterale Substanz- zunahme auf die graue Substanz einen Druck aus, der sich an dem Auseinanderweichen der Epithelstützfasern kund giebt (Fig. 5). Wesentliche Aenderungen sind jedoch nieht mehr zu constatiren.

Auf die Frage nach dem Ursprung der vordern und hintern Nervenwurzeln näher einzutreten, blieb mir aus äussern Gründen einstweilen versagt.

Zusammenfassung.

Die hauptsächlichsten Resultate, zu denen ich gelangt bin, sind folgende:

1. Die Tritonen stehen in Bezug auf die Anzahl der Mitosen den übrigen Wirbelthieren nieht nach.

2. Die ultraventrieulären Mitosen dienen wahrscheinlich zur Vermehrung der Spongioblasten.

3. Meine histogenetischen Beobachtungen widersprechen der His’schen Neuroblastentheorie nieht, sondern bestätigen dieselbe.

4. Die Stützsubstanz der Batrachier ist zeitlebens ein ein- schiehtiges Epithel.

5. Die von Freud bei Petromyzonten beschriebenen „Hin- terzellen“ kommen auch den Amphibien zu und weichen im Ver- lauf ihrer Axeneylinder nur in untergeordneten Punkten von jenen ab.

6. Infolge der Reduction des Centraleanallumens reicht die Zahl der dasselbe umstehenden Epithelzellkerne vollständig aus; die dahin zielenden Erklärungsversuche der Mitosen durch Merk und Vignal sind also überflüssig.

7. Ein Theil der als „Körner“ oder „freie Kerne“ in der weissen Substanz bisher beschriebenen Gebilde sind Ganglienzellen mit nachweisbarem Axeneylinder.

8. Der bisher als Schluss des Medullarrohres bezeichnete Vorgang ist nur der erste Act des Rückenmarkschlusses, welcher

Histologische Untersuchungen am Rückenmark der Tritonen. 155

erst mit dem Schlusse des Centraleanals sein Ende findet. Ursache dieses Rückenmarkschlusses ist die Auswanderung der Neuroblasten nach der Peripherie der grauen Substanz und die damit verbun- dene Oberflächenspannung, deren Wirkung durch die Lockerung des Centralcanalepithels verstärkt wird.

9. Die grössten Ganglienzellen sind auch zeitlich die ersten.

Literatur.

1. Bidder und Kupffer. Untersuchungen über die Textur des Rücken- markes. 1857.

2. Reissner. Bau des centralen Nervensystems der ungeschwänzten Ba- trachier. 1864.

3) Stieda. Ueber den Bau des centralen Nervensystems des Axolotl. Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie. Bd. XXV. 1875.

4. Götte. Entwicklungsgeschichte der Unke. 1875.

5. Hensen. Beobachtungen über die Befruchtung und Entwicklung des Kaninchens und des Meerschweinchens. Zeitschrift für Anatomie und Entwicklungsgeschichte. 1576.

6. Freud. Ueber den Ursprung der hinteren Nervenwurzeln im Rücken- mark von Amnocoetes. Sitzungsbericht der kais. Akademie Wien. 1878.

8. Fraisse. Beiträge zur Anatomie des Pleurodeles Waltlii. 1880.

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10. His. Ueber das Auftreten der weissen Substanz und der Wurzel- fasern am Rückenmark menschl. Embryonen. Zeitschrift für Anatomie und Entwicklungsgeschichte. 1882.

11. Vignal. Sur le developpement des elements de la Moelle des Mam- miferes. „Archives de Physiol. normale et pathologique. 1884.

12. C. M. Schmidt. Beiträge zur Kenntniss des Rückenmarkes der Amphibien. 1885.

13. Gierke. Die Stützsubstanz des Centralnervensystems. Archiv f. mikroskop. Anatomie. Bd. XXV. 1885.

14. Rauber. Die Kerntheilungsfiguren im Medullarrohr der Wirbel- thiere. Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. XXVI. 1886. f

15. Gierke. Die Stützsubstanz des Centralnervensystems. Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. XXVII. 1886.

16. His. Zur Geschichte des menschlichen Rückenmarks und der Ner- venwurzeln. Sächs. Gesellsch. d. Wissenschaften. Bd. XIII. 1556.

17. Merk. Mitosen im Centralnervensystem. Denkschr. d. Wiener Akademie math.-nat. Cl. 1887.

156 KarlRudolfBurkhardt: Histol. Unters. a. Rückenmark d. Tritonen,

18. Rhode. Histologische Untersuchungen über das Centralnerven- system v. Amphioxus. Zoologische Beiträge von Ant. Schneider. 1888.

19. His. Die Neuroblasten und deren Entstehung im embryonalen Mark. Königl. Sächs. Gesellsch. d. Wissensch. Nr. XXVl. 1889.

Erklärung der Abbildungen auf Tafel VII u. VI.

Die Zeichnungen wurden mit Hilfe eines Apparates eigner Construction

angefertigt.

Fig. 1. Querschnitt des Rückenmarkes von Triton alpestris, 3mm. Vergr. 250 fach.

Fig. 2. Querschnitt des Rückenmarkes von Triton alpestris v. 6 mm. Vergr. 250 fach.

Fig. 3. Querschnitt des Rückenmarkes von Triton alpestris v. 1cm. Vergr. 220 fach.

‘Fig. 4. Querschnitt des Rückenmarkes von Triton alpestris v. 2,5 cm. Vergr. 220 fach. Die Zellkerne wurden absichtlich etwas zu klein ge- zeichnet um die Anordnung durchsichtiger zu machen. Auf dieser Figur sind die Querschnitte der Längsbündel mit einer Linie um- schrieben.

Fig. 5. Querschnitt des Rückenmarkes von Triton alpestris v. 10 cm. Vergr. 220 fach.

Fig. 6 stellt den Austritt einer vorderen Wurzel auf dem Längsschnitt dar von einem Triton alpestris von 9mm. Vergr. 1000 fach.

Fig. 7 giebt den Modus der Dotteraufnahme durch eine grosse Hinterzelle wieder, das Plasma drängt sich zwischen die Dotterkörner und um- wächst sie.

Fig. 8. Ein Neuroblast mit Pigmentanhäufung am Ansatzkegel, sowie einer vom Kernnetz übersponnenen Vacuole.

Fig. 9 und 10. Neuroblasten zu Beginn ihrer Auswanderung. Sämmtliche 4 Figuren 1000fach vergr.

Fig. 11 giebt einen Querschnitt durch die äusserste Schwanzspitze von Tri- ton taeniatus. Rechts treten 3 Axencylinder aus und bilden so eine vordere Wurzel; oben liegt eine Hinterzelle mit ihrem Axen- eylinder. Vergr. 800fach.”

Fig. 12 giebt verschiedene Formen von Ganglienzellen, die im Texte erörtert wurden bei 600facher Vergrösserung.

Fig. 13 ein gefaltetes Schichtensystem; die mit einem Kreuz bezeichnete Stelle entspricht der Lage der Hinterzelle auf Fig. 2.

Ueber den Verlauf der Hinterwurzeln im Rückenmark.

Von

Dr. M. v. Lenhossek, Docent in Budapest.

Hierzu Tafel IX.

Die inneren Fortsetzungen der Hinterwurzeln nehmen un- zweifelhaft wesentlichen Antheil am Aufbau des Rückenmarkes und eine Untersuchung, die sich mit dem Verlauf und den Ver- bindungen derselben zu befassen hat, wird nothwendigerweise auch einige der Hauptpunkte der Rückenmarksstructur berühren müssen. Es liegt in diesem Umstande eine Mahnung zur besonderen Re- serve in der Formulirung aller diesen Punkt betreffenden Angaben und namentlich zur scharfen Auseinanderhaltung dessen, wofür man mit Sicherheit eintreten kann und was man nur als wahr- scheinlich, als hypothetisch hinzustellen vermag. Es war mir in nachfolgender Darstellung besonders daran gelegen, diese Distine- tion möglichst deutlich hervortreten zu lassen.

Die vorliegenden Ausführungen beruhen auf der Untersuchung eines ziemlich reichhaltigen Materials und wurden mit Hülfe der Entwickelungsgeschichte und vergleichenden Anatomie gewonnen. Die Verknüpfung dieser beiden Methoden scheint mir auf dem Gebiete der Anatomie des Centralnervensystems das Meiste zu versprechen. Als Object diente das Rückenmark erwachsener und neugeborener Menschen sowie menschlicher Früchte verschiedener Länge (28, 30, 32, 36, 38 und 45 cm), ausserdem dasjenige der Katze, des Kaninchens, des Meerschweinchens und der Maus, und zwar sowohl das Rückenmark ausgewachsener Exemplare, wie dasjenige junger Thiere, aus der Periode, wo die Bildung der Markscheiden im Rückenmarke im Gange ist. Zur Färbung der

Archiv f, mikrosk. Anatomie. Bd, 34, jet:

158 Dr. M. v. Lenhossek:

Quer- und Längsschnitte wurde die Weigert’sche Tinetion ange- wendet.

Zunächst einige literarische Angaben. Ich vermeide ein Ein- gehen auf die ungemein divergirenden Ausführungen älterer For- scher und will mich nur auf die ebenfalls in vielen Punkten aus- einandergehenden Angaben neuerer Autoren beschränken.

Ein sehr wesentlicher Fortschritt: ist auf dem in Rede stehen- den Gebiet in neuester Zeit von Lissauer!) angebahnt worden. Derselbe führte nämlich den Nachweis, dass die Hinterwurzeln aus Fasern verschiedener Sorte, nämlich aus starken und feinen bestehen, die sich im Rückenmarke zu besonderen Bündeln grup- piren; letztere sind in bedeutend geringerer Zahl als erstere ver- treten und lagern sich zumeist lateralwärts. Diese Entdeckung wurde von allen Forschern, von denen bisher über diesen Gegenstand Aeusserungen vorliegen, wie Bechterew ?), Toldtund Kahler?), Obersteiner*) und Edinger?°) in einstimmiger Weise bestätigt.

Beehterew fügte die Beobachtung hinzu, dass die stärkeren Fasern sich früher wit Myelin belegen als die dünneren; während er nämlich erstere bereits bei 25 cm langen Foeten markhaltig fand, sollen letztere nach seinen Befunden erst bei einer Länge von 31—35 em ihre Markumbüllung erhalten. Bechterew fasst diese feinen Fasern gegenüber der mächtigen, aus den stärkeren Elementen sich zusammensetzenden „medialen Portion“ als „late- rale“ zusammen, während Toldt und Kahler sowie Ober- steiner dieselben einer solehen Bezeichnung nicht würdigen, sondern sie einfach nur als feine oder lateralste Nervenfasern an- führen.

1) H. Lissauer, Beitrag zum Faserverlauf im Hinterhorn des mensch- lichen Rückenmarks und zum Verhalten desselben bei Tabes dorsalis. Archiv für Psychiatrie. Bd. XVII. 1886. p. 377.

2) W. Bechterew, Ueber die hinteren Nervenwurzeln, ihre Endigung in der grauen Substanz des Rückenmarks und ihre centrale Fortsetzung im letzteren. Archiv für Anatomie und Physiologie. Anat. Abth. 1887. p. 126.

3) C. Toldt, Lehrbuch der Gewebelehre. 3. Auflage. Stuttgart 1888.

4) H. Obersteiner, Anleitung beim Studium des Baues der nervösen Centralorgane. Leipzig und Wien 1888. p. 187.

5) L. Edinger, Ueber die Fortsetzung der hinteren Rückenmarkswur- zeln zum Gehirn. Anatomischer Anzeiger 1889. p. 121.

Ueber den Verlauf der Hinterwurzeln im Rückenmark. 159

Sehen wir zunächst, wie sich die Forscher über den Verlauf der inneren starken Nervenfasern, die bis zu Lissauerals alleinige Fortsetzungen der Hinterwurzeln galten, aussprechen. Die Meisten bringen sie nach den beiden Richtungen ihrer auseinanderweichen- den Bündel in zwei Portionen: eine mediale und eine laterale. Erstere biegt in die Längsrichtung um und betheiligt sich an der Bil- dung der Burdach’schen Stränge, um aber nachher sich doch in die Hinterhörner zu senken, letztere tritt ohne zunächst einen longitu- dinalen Lauf einzuschlagen, durch die Rolando’sche Substanz hindurch, lenkt aber am vorderen Rande derselben unter Bildung der „Längsbündel der Hinterhörner“* (Kölliker) sogleich in die Längsrichtung ein. Krause!) weicht darin von den meisten For- schern ab, dass er drei Gruppen unterscheidet: eine mediale, eine mittlere und eine laterale; die beiden ersteren stimmen mit der medialen und lateralen der anderen Autoren vollauf überein, von der lateralen giebt Krause nur so viel an, dass sie ebenfalls die Rolando’sche Substanz durchsetze und dann weiter nach vorn ziehe.

Als Endigungspunkte der starken Hinterwurzelfasern sind folgende Theile des Rückenmarks in Anspruch genommen worden: Vorderhörner, u. zw. laterale Zellgruppe und Fasernetz (Krause, Schwalbe?) Lissauer, Bechterew, Toldt und Kahler, OÖbersteiner), vordere Commissur (Krause, Schwalbe, Lissauer, Bechterew), Clarke’sche Säulen (Schwalbe, Takäacs°), Bechterew, Toldt und Kahler, Obersteiner, Edinger), Hinterhörner (Toldt und Kahler, Obersteiner, Edinger), hintere Commissur (Krause, Schwalbe).

Es ergiebt sich also, dass sich die Angaben der Autoren in sehr wesentlichen Punkten nicht decken. Die Verbindung der Hinterwurzeln mit den Vorderhörnern, eine der auffälligsten That- sachen der Rückenmarksanatomie, findet bei Takäcs und Edin- ger keine Erwähnung; eine andere, ebenfalls sicher gestellte En- digung derselben, nämlich diejenige in den Clarke’schen Säulen,

1) W. Krause, Allgemeine und mikroskopische Anatomie. Hannover 1876. p. 389.

2) G. Schwalbe, Lehrbuch der Neurologie. Erlangen 1881. p. 359.

3) A. Takäcs, Ueber den Verlauf der hinteren Wurzelfasern im Rücken- marke. Neurologisches Centralblatt. 1887. p. 7.

160 Dr. M. v. Lenhossök:

ist bei Lissauer nicht gehörig gewürdigt. Für eine Bethei- ligung der Hinterwurzeln an der Bildung der vorderen Commissur treten mehrere Forscher ein, während für einen Antheil derselben an der Zusammensetzung der Commissura posterior nur Krause und Schwalbe sich aussprechen.

Hinsichtlich des Verlaufs der feinen Fasern hingegen waltet soweit sich die Forscher hierüber geäussert haben grosse Uebereinstimmung. Alle schliessen sich der Schilderung Lis- sauer’s an, derzufolge sich die fraglichen Fasern zunächst zu einem longitudinalen, zwischen gelatinöser Substanz und Peripherie des Rückenmarks verlaufenden Bündel sammeln, später wieder eine horizontale Riehtung einschlagen und durch die Rolando’sche Substanz nach vorn ziehen, um sich in dem vor letzterer befind- lichen, Nervenzellen beherbergenden Fasernetz aufzulösen. Wäh- rend sich aber Toldt und Kahler sowie Obersteiner blos auf Wiederholung dieser Besehreibung beschränken, gehen Bechterew und Edinger weiter, indem sie eine direkte Verbindung dieser feinen Elemente mit den im erwähnten Netz enthaltenen Hinter- hornzellen behaupten. Ersterer Forscher giebt zugleich an, dass sich einige der aus Lissauer’s Randzone sich ablösenden Fasern nicht in das Netz senken, sondern z. Th. in das Vorderhorn be- geben, z. Th. auf dem Wege der hinteren Commissur im Hinter- horn der anderen Seite ihre Endigung finden sollen.

Gar nicht in Einklang zu bringen mit all diesen Angaben sind die Ausführungen von Golgi!)und Ramön y Cajal?), deren. Mittheilungen auf der Anwendung der vom Ersteren eingeführten Silberimprägnation beruhen. Ersterer giebt an, dass alle Fasern der Hinterwurzeln in ein zwischen den Zellen der Hinterhörner befindliches Fasernetz eingehen sollen, welches von den sich viel- fach verzweigenden und anastomosirenden Axencylinderfortsätzen dieser Zellen gebildet werde. Letzterer untersuchte den Ver- lauf der Hinterwurzeln an 8—10tägigeu Hühnerembryonen. Seine durch sehr überraschende Abbildungen illustrirte Beschreibung

1) C. Golgi, Sulla fina Anatomia degli organi centrali del sistema nervoso. 1886.

2) S. Ramön y Cajal, Contribuzion al estudio de la estructura de la medula espinal. Revista trimestral de Histologia normal y patolögica. 1889. p: 90.

Ueber den Verlauf der Hinterwurzeln im Rückenmark. 161

kann im Folgenden zusammengefasst werden. Die Fasern der Hinterwurzeln unterliegen, sobald sie in das Rückenmark getreten (jede Faser für sich) einer Y-förmigen Spaltung. Von den bei- den Theilungsschenkeln tritt der eine sogleich in die Hinter- hörner, während der andere innerhalb der Hinterstränge auf- resp. absteigend in die Längsrichtung hinüberlenkt, um aber später ebenfalls in die graue Substanz einzustrahlen. Das weitere Schicksal all dieser Fasern ist ein gleiches: sie drängen sich zwi- schen die Zellen der Hinterhörner, treten indess mit diesen Ele- menten gar nicht in Verbindung, sondern endigen zwischen ihnen, nachdem sie sich reichlich verästelt haben, frei, „por arborizacio- nes libras“.

Schliesslich muss ich noch einen Punkt zur Sprache bringen, hinsichtlich dessen auch verschiedene Meinungen hervorgetreten sind. Es handelt sich um die Frage, ob die Elemente der Hinter- wurzeln es sind hier namentlich diejenigen gemeint, die an der Bildung der Hinterstränge als Längsfasern Antheil nehmen alle noch innerhalb des Rückenmarks ihre Endigung finden, oder ob ein Theil derselben bis in das Gehirn hinauf verlaufe. Für die erstere Annahme hat sich sehr entschieden Bechterew!) ausge- ‘sprochen, während letztere Ansicht seit Schiefferdecker von einer Reihe von Pathologen, wie Singer?) Kahler?°), Schultze®), Hofrichter®), Edinger (o.c.) u. A. vertreten wird. Es zeigt sich nämlich, dass, wenn das Rückenmark oder selbst nur die Hinter- wurzeln eine Läsion erleiden, sich nach einiger Zeit in den Hinter- strängen eine aufsteigende secundäre Degeneration einstellt, die in vielen Fällen selbst wenn die Läsion nur den untersten Theil

1) W. Bechterew, o. c. p. 130.

2) Singer, Ueber secundäre Degeneration im Rückenmarke des Hun- des. Sitzungsberichte der kais. Akad. der Wissensch. Bd. LXXXIV. 1881.

3) 0. Kahler, Ueber die Veränderungen, welche sich im Rückenmarke in Folge einer geringgradigen Compression entwickeln, Zeitschrift für Heil- kunde. Bd. III. 1882. p. 229.

4) H. Schultze, Beitrag zur Lehre von der secundären Degeneration im Rückenmarke des Menschen nebst Bemerkungen üher die Anatomie der Tabes. Archiv für Psychiatrie. Bd. XIV. 1883. p. 359.

5) E. Hofrichter, Ueber aufsteigende Degeneration des Rückenmarks auf Grundlage pathologisch-anatomischer Untersuchung. Inaug.-Dissertation. Jena 1883.

162 Dr. M. v. Lenhossek:

des Rückenmarkes betraf unter allmählicher Verschmälerung bis in das Gehirn hinauf sich verfolgen lässt. Ja einige Autoren wollen sogar die zu den einzelnen Hinterwurzeln gehörigen Gebiete innerhalb des Querschnittes der Hinterstränge bestimmt präeisirt wissen. Die Sache erscheint auf den ersten Blick in der That ungemein überzeugend; dennoch können die Akten über diesen Gegenstand noch nicht als geschlossen betrachtet werden. Prüft man die diesen Abhandlungen beigegebenen Abbildungen, so kann man sich des Gedankens nicht erwehren, dass, falls diese Dege- nerationsfelder in der That direkte Fortsetzungen der angegriffenen Wurzeln wären, der Querschnitt der Hinterstränge von unten nach oben unbedingt in colossaler Weise, geradezu keilförmig zunehmen müsste, was doch bekanntlich nicht der Fall ist. Indess wird man billigerweise die den Thatsachen der sec. Degeneration innewoh- nende Beweiskraft nicht in Abrede stellen können und für einen Theil der sensitiven Fasern, über dessen Mächtigkeit sich freilich streiten lässt, einen solchen centralen Lauf anerkennen müssen.

Während die Vorderwurzeln ihre compacte Beschaffenheit auch innerhalb des Rückenmarkes eine gute Strecke, fast bis zu ihrer Endigung behaupten, zerspalten sich die Hinterwurzeln bald, nachdem sie in das Rückenmark getreten, in mehrere Bündel. Bei dem Menschen erfolgt diese Zerspaltung verhältnissmässig noch am spätesten, indem die Rolan do’sche Substanz, an deren hinterem Rande sie sich in ihre Theile zu lösen haben, hier von der Peri- pherie am meisten absteht; zwischen dieser Substanz und der Peripherie haben sie nun eine ganz kurze Strecke, wo sie noch als compacte Bündel vorwärts und medianwärts ziehen, um aber bald kelehartig auseinander zu weichen.

Ich unterscheide mit Krause nach den drei Richtungen, die ihre auseinandertretenden Bestandtheile einschlagen, drei Portionen oder Gruppen: eine mediale, eine mittlere und eine laterale. Von diesen ist die mediale stets die stärkste, sie nimmt den Haupttheil der Hinterwurzeln für sich in Anspruch. Die mittlere ist beim Menschen allerdings sehr oft nicht scharf zu sondern von der medialen und im Allgemeinen verhältnissmässig

Ueber den Verlauf der Hinterwurzeln im Rückenmark. 163

schwach entwickelt; ich sehe mich trotzdem aber, mit Hinblick auf die Befunde an Thieren und namentlich an menschlichen Foeten, wo sich diese Gruppe auf den ersten Blick als selbst- ständige kundgiebt, veranlasst, sie von der medialen unbedingt abzutrennen. Bei einigen Thieren lässt diese Portion eine ungemein starke Entwickelung und auch in ihrer Lage grosse Selbstständig- keit erkennen; als geradezu vorzügliches Objeet in dieser Hin- sicht empfehle ich das Rückenmark des Meerschweinchens. Die laterate Portion erreicht im Gegensatze zu der letzteren gerade beim Menschen den Höhepunkt ihrer Entwickelung; sie ist bei Hund und Katze etwas schwächer vertreten und tritt bei den von mir untersuchten Nagethieren, namentlich bei der Maus fast bis zum Verschwinden zurück.

Ich möchte vor Allem mit einigen Worten klarlegen, was ich unter diesen Portionen verstehe. Als mediale Gruppe fasse ich zwei Kategorien von Fasern zusammen: 1) alle diejenigen, die in die Bildung der Burdach’schen Stränge eingehen, 2) diejeni- gen, die den medialsten Theil der Rolando’schen Substanz zum Durchtritt benützen, und dann in der Horizontalebene weiter nach vorn sich begeben. Die Elemente der mittleren Portien dureh- setzen die Rolando’sche Substanz in ihrem mittleren Abschnitt und lassen dann die charakteristische Bigenschaft erkennen, dass sie vor derselben, unter Bildung jener Bündel, die von Kölliker!) als „Längsbündel der Hinterhörner* eingeführt worden sind, in die Verticalrichtung umbiegen. Das, was ich als laterale Por- tion bezeichne, ist identisch mit der gleichbenannten Gruppe Bechterew’s: sie enthält die von Lissauer entdeckten feinen Fasern. Ihre Elemente treten zunächst zwischen Roland o’scher Substanz und Peripherie zu einem longitudinal verlaufenden Bündel (Lissauer’s Randzone) zusammen, lösen sich aber aus demselben allmählich ab, um wieder in Horizontalebene hinüber- zulenken und durch letztere Substanz hindurch in das Hinterhorn einzustrahlen.

Die Unterscheidung dieser drei Gruppen ist nicht nur in der Differenz ihres Verlaufes, sondern auch in einigen anderen Merk- malen begründet. Vor Allem muss hier der Breitenunterschied

1) A. Kölliker, Handbuch der Gewebelehre des Meuschen. 5. Auflage. Leipzig 1867. p. 262.

164 DENM. v. Lenhossck:

ihrer Nervenfasern hervorgehoben werden. Im Allgemeinen sind die Bestandtheile der Hinterwurzeln wohl etwas schmäler als die- jenigen der Vorderwurzeln, zerfallen aber ihrerseits wieder in zwei Kategorien: in solche, die verhältnissmässig stark sind, und in ganz dünne; erstere bilden den grössten Theil der Hinterwurzeln. Im extramedullären Abschnitt der Wurzeln sind diese Fasern un- regelmässig vermischt; man vermisst wenigstens auf dem Quer- schnitt derselben ein Gebiet, das sich durch ausnahmslose Fein- heit seiner Elemente auszeichnen würde. Innerhalb des Rücken- markes erfolgt nun eine selbstständige Gruppirung der beiden Faserkategorien. Die breiteren gruppiren sich medianwärts, unter Bildung der medialen und mittleren Portion, die dünneren lenken fast alle nach aussen ab, um die laterale Portion darzustellen. Doch sind auch in den beiden ersteren Gruppen feine Fasern ent- halten. Die stärksten Elemente finden sich in der medialen Portion.

Ich habe an anderer Stelle!) den Satz zu begründen gesucht, dass die Reihenfolge der Markscheidenentwickelung innerhalb des Rückenmarkes durch die Breite der betreffenden Nervenfasern bestimmt werde in dem Sinne, dass die dickeren Fasern sich früher mit Myelin umscheiden als die dünneren. Die Hinter- wurzeln liefern einen neuen Beleg dieses Ausspruches. Im Allge- meinen geht hier dieser Process etwas später vor sich, als in den vorderen Nervenwurzeln. Während letztere bei 36cm langen Foeten (s. Fig. 2) vollkommen markhaltig genannt werden können, erscheinen erstere selbst bei Neugeborenen nicht ganz markweiss oder eigentlich markschwarz. In der grobfaserigen medialen und mittleren Gruppe legt sich das Mark früher ab, als in der feinfaserigen lateralen; auch zwischen den beiden ersteren macht sich ein hierhergehöriger, wenn auch geringer zeitlicher Unterschied geltend, indem sich der Process in der mittleren Portion etwas später einstellt als in der medialen. Dieses Verhalten lässt sich nicht nur beim Menschen, sondern auch bei allen von mir unter- suchten Thieren nachweisen. Beim Menschen beginnt die Mark- scheidenbildung in der medialen Portion bei 28, in der mittleren bei 32 und in der lateralen bei 45 cm langen Foeten.

1) Dr. M. v. Lenhossek, Untersuchungen über die Entwickelung der Markscheiden und den Faserlauf im Rückenmark der Maus. Archiv für mi- kroskopische Anatomie. Bd. XXXIlI. 1889. S. 9.

Ueber den Verlauf der Hinterwurzeln im Rückenmark. 165

Wir haben nun die drei Portionen einer gesonderten Be- trachtung zu unterziehen.

Die mediale Portion sondert sich beim Menschen schon in der ersten Etappe ihres Verlaufs in zwei Gruppen: in die Gruppe der „geraden“ und in diejenige der „Hinterstrangfasern“. Wenn das quantitative Verhältniss auch zwischen beiden nicht sanz constant erscheint, so gilt doch für die Mehrzahl der Fälle, dass letztere Gruppe einen grösseren Theil der Portion in sich fasst, als erstere.

Die Gruppe der geraden Fasern spaltet sich sogleich in mehrere Bündel, die durch den medialen Abschnitt der Rolando- schen Substanz hindurehtreten, um sich vor derselben mit den aus den Burdach’schen Strängen einstrahlenden Bündeln zu vereini- gen und mit denselben weiter nach vorn zu ziehen. Die Hinter- strangfasern laufen zunächst längs des hinteren und medialen Randes der Rolando’schen Substanz bogenförmig nach innen, und biegen in den Burdach’schen Strängen, die meiner Ansicht . nach ausschliesslich aus Fortsetzungen dieser Fasern sich zusammen- setzen, in die Längsrichtung um, um jedoch später wieder in die Horizontalebene einzulenken und in die Hinterhörner einzudringen.

Bevor ich indess den weiteren Lauf dieser Fasern innerhalb der grauen Substanz verfolgen würde, möchte ich einige Bemer- kungen hinsichtlich der Burdach’schen Stränge zur Sprache bringen. Auf Grund verschiedener Merkmale lassen sich diese Stränge in drei Zonen zerlegen: eine grosse mittlere, die ich mit dem Namen Einstrahlungszone belegen möchte, eine vordere und eine hintere periphere. Am schärfsten differenziren sich die- selben im Lumbaltheil, weniger deutlich im Cervicaltheil, am un- deutlichsten im Brustabschnitt des Rückenmarkes. Die Einstrah- lungszone deckt sich völlig mit jener Partie der Burdach’schen Stränge, welche schon früher von versehiedenen Autoren, am deutlichsten von Strümpell und Westphal, als selbstständige Zone beschrieben und unter der Bezeichnung „Wurzelzone“ ein- geführt worden ist. Ich vermag indess diese Bezeichnung nicht als vorwurfsfrei anzunehmen, indem ich mich, wie gesagt, zu jener Ansicht bekennen muss, dass die Bezugsquelle aller Theile der Burdach’schen Stränge und auch der Goll’schen in den Hin- terwurzeln zu suchen sei, ich mithin also in allen drei Zonen

166 Pol... Lesrhansgk:

Wurzelzonen erblicke. Die Eintheilung, die Bechterew!) hin- sichtlich der Burdach’schen Stränge mitgetheilt hat, stimmt in- sofern nicht mit der meinigen überein, als derselbe nur zwei Zonen: eine hintere peripherische und eine vordere unterscheidet.

Die Grundlage, auf welche ich diese Eintheilung basire, besteht im Folgenden. Zunächst findet man im mittleren Gebiet ausser Längsfasern auch viele Bruchstücke horizontal verlaufen- der, die, wenn man sie sich zusammengesetzt denkt, bogenför- mig aus den Hinterwurzeln in die graue Substanz führen. Im Lumbaltheil, wo diese Bogenfasern am Meisten vertreten sind, kommen mitunter solche zur Beobachtung, die in derselben Quer- ebene ohne Unterbrechung aus den Wurzeln direet in die Hinter- hörner sich begeben. Alle aus den Hintersträngen in die graue Substanz einströmenden Bündel kommen aus dieser Zone, daher der von mir vorgeschlagene Name. Weiterhin kommt die Richtung der Gliasepta in Betracht, ein Punkt, der, wie ich finde, bisher nirgends Berücksichtigung gefunden hat. Dieselben sind nämlich in der Einstrahlungszone von sehr charakteristischer Anordnung, _ sie convergieren strahlenartig aus allen Theilen der Burdach- schen Stränge gegen jene Stelle des medialen Randes der Hinter- hörner, die von den Einstrahlungsmassen als Eintrittspforte be- nützt wird. Durch die Uebereinstimmung des Verlaufs der hier gelegenen Nervenfasern mit der Anordnung dieser Scheidewände wird einem der Gedanke nahe gelegt, es sei die Richtung letzterer durch den Lauf ersterer bedingt.

Schliesslich oder eigentlich hauptsächlich sind es die Ver- hältnisse der Markscheidenentwickelung, auf denen diese Einthei- lung beruht. Ich fand, dass dieser Process in den drei Zonen in folgender Reihenfolge vor sich gehe: 1) in der Einstrahlungszone, 2) in der vorderen, 3) in der hinteren Zone. Am Rückenmarke 28cm langer Foeten (Fig. 1) findet man, dass die mittlere Zone viel mehr markhaltige Elemente enthält als die beiden anderen, zu Folge dessen sie an nach Weigert gefärbten Präparaten durch ihre etwas dunklere Färbung deutlich hervortritt; ihr Gebiet ist halbmondförmig, legt sich der medialen Seite der Hinterhörner saumartig an und reicht medianwärts nicht ganz bis zur Mittel-

1) W. Bechterew, Ueber die Bestandtheile der Himterstränge des Rückenmarkes auf Grund der Untersuchung ihrer Entwickelung. Neurologi- sches Centralblatt. 1885. p. 31.

Ueber den Verlauf der Hinterwurzeln im Rückenmark. 167

linie resp. zu den Goll’schen Strängen, so dass vordere und hintere Zone durch eine schmale Brücke miteinander in Verbin- dung bleiben. Letztere enthalten um diese Zeit wenig Markfasern. Bei 32em langen Früchten nimmt das Myelin in allen Zonen etwas zu. Bei einer Länge von 36cm gewahrt man in der vorderen Zone sehr bedeutende Fortschritte in der Markentwickelung, sie fliesst nunmehr mit der Einstrahlungszone zu einem gemein- samen markhaltigen Felde zusammen, innerhalb dessen keine weitere Abgrenzung mehr möglich ist, das sich indess von der hinteren, sehr viel helleren Zone noch deutlich absondert. Das ist das Stadium, welches den Beobachter zu der Eintheilung, wie sie Bechterew vorschlägt, veranlassen könnte. Bei 25cm langen Früchten erscheint auch die hintere Zone viel markhaltiger, doch ist ein geringer Unterschied in der Färbung noch immer wahrzunehmen; erst bei Neugeborenen begegnet man dem definitiven Verhalten, d. i. einer ungefähr gleichen Färbung aller drei Abthei- lungen.

Das Gebiet, welches wir als Einstrahlungszone bezeichneten, bewahrt auch bei secundären Degenerationen seinen selbstständi- gen Charakter. Alle bisher veröffentlichten hierher gehörigen Beob- achtungen ergeben nämlich in gleicher Weise, dass in reinen Fällen diese Zone in höher gelegenen Ebenen, als die Stelle der Läsion, von der Degeneration stets frei bleibt, so dass sie sich gewisser- maassen inselartig aus den übrigen degenerirten Theilen der Bur- dach’schen Stränge hervorhebt. Es ist diese Thatsache um so wichti- ger, als sie auf die Bedeutung der drei Zonen ein Licht zu werfen geeignet scheint. Ich glaube nämlich aus derselben mit anderen Forschern jenen auch durch die direecte Beobachtung des Ver- laufs der Fasern bekräftigten Schluss folgern zu dürfen, dass sich in der Einstrahlungszone jene Fasern der Hinterwurzeln be- finden, die sich gleich, nachdem sie in das Rückenmark getreten, oder nach kurzem longitudinalen Verlauf, mit der grauen Sub- stanz verbinden, während in den beiden anderen Gebieten die in ihrem Verlauf sich auf längere Abschnitte des Rückenmarkes er- streckenden Elemente derselben enthalten sind.

Was nun den weiteren Lauf der in die graue Substanz ein- gedrungenen Fasern der medialen Portion betrifft, so ergeben sich je nach Höhen des Rückenmarkes Differenzen. Untersucht man einen Schnitt aus dem Lenden- oder Halstheil, so findet man, dass

168 Dr. M. v. Lenhosse&k:

sich fast alle Fasern in die Vorderhörner begeben, um in den- selben ihre Endigung zu finden, während in der unteren Hälfte des Dorsal- und im obersten Abschnitt des Lumbalmarkes in dem Ab- schnitte also, der durch die Clarke’schen Säulen ausgezeichnet ist, sich die meisten Fasern der medialen Gruppe mit diesen Säulen verbinden und nur ein geringer Theil sich gegen die Vorderhörner wendet.

Die Endigung eines bedeutenden Theiles der Hinterwurzelfasern in den Vorderhörnern gehört nach meiner Meinung zu den sichersten Thatsachen der Rückenmarksanatomie. Man bekommt so überzeu- sende Bilder zu sehen, dass man hierüber gar nicht in Zweifel sein kann. Um so auffallender ist es, dass ein so vorzüglicher Beobachter, wie Edinger, diese Endigung in seiner Darstellung des Verlaufs der Hinterwurzeln völlig ignorirt. Am besten gelingt es diese Fasern zu verfolgen im Rückenmarke Neugeborener, wo das Faser- gewirr der grauen Substanz noch nicht in seiner späteren Dichtig- keit in die Erscheinung trat, daher sich ihr Verlauf. klarer dar- stell. Man sieht, wie die Einstrahlungsbündel vor der Rolando- schen Substanz in den bekannten, elegant geschwungenen Bogen in die graue Substanz strömen, sich sogleich zu den in gestreck- tem Verlauf hierher gelangenden „geraden Fasern“ gesellen und nun vereinigt als mehrere starke Bündel nach vorn ziehen, ihre compacte Beschaffenheit indess nicht lange behaupten, indem sie gewöhnlich schon in der Querlinie der hinteren Commissur einer Auflockerung anheimfallen. Obwohl nun hierdurch eine deutliche Verfolgung all’ ihrer Fasern vereitelt wird, so kann man sich über ihren weiteren Verlauf doch genügende Ueberzeugung verschaffen, indem ihre weiteren Bruchstücke alle in der Richtung der Vorderhörner ziehen; man bekommt mit einem Worte, obwohl sich ein und dieselbe Faser nie auf längere Strecken verfolgen lässt, durch die Summe dieser Bruchstücke den überzeugenden Eindruck einer Einstrahlung in die Vorderhörner, u. zw. in alle Theile derselben. Mitunter gewahrt man ein mit überraschender Schärfe hervortretendes, der medialen Portion zugehöriges Bündel, das sich, ohne sich nach Art der übrigen aufzulockern, nach aussen wendet und direet auf die lateralen Zellen der Vorderhörner los- geht (s. Fig. 2). Ich glaube die Ursache der bis zuletzt eompaeten Beschaffenheit dieser lateralen Bündel in der eigenthümlichen Gruppirung der Zellen, zu denen sie in Beziehung stehen, erkannt

Ueber den Verlauf der Hinterwurzeln im Rückenmark. 169

zu haben. Fertigt man nämlich sagittale Längsschnitte aus dem Rückenmarke am besten aus den Anschwellungen an, so findet man, dass während die Nervenkörper der medialen Zell- anhäufung eine eontinuirliche Säule bilden, diejenigen der lateralen Gruppe sich zu kleinen, in gleichmässigen Distanzen von ein- ander liegenden rundlichen Häufchen ordnen. Da nun die Vor- raussetzung, dass die Anordnung, der Verlauf der Nervenfasern durch die Lage jener Zellen bedingt sei, zu denen sie sich zu begeben haben, ungemein naheliegend ist, so würde hierdurch der mehr zerstreute Verlauf der inneren und die bündelartige Anordnung der äusseren Fasern der medialen Gruppe eine an- nehmbare Erklärung finden. Ich möchte mich aber in dieser Be- ziehung insofern mit etwas Zurückhaltung geäussert haben, als ich mich bei anderen Thieren, bei denen der compacte Verlauf der lateralen Bündel ebenfalls vorhanden ist, von einer häufchen- artigen Anordnung der lateralen Vorderhornzellen bislang noch nieht mit Sicherheit zu überzeugen vermochte. Für die in Rede stehenden lateralen Bündel wird man also eine Endigung in oder zumindest zwischen den lateralen Zellen der Vorderhörner an- nehmen dürfen, während für die medialeren nur so viel mit ‚Gewissheit angeben werden kann, dass sie sich im centralen, durch ein reiches Fasernetz dargestellten Theil der Vorderhörner verlieren. Da sich aber dieses Fasergewirr unzweifelhaft haupt- sächlich aus den Protoplasmafortsätzen der grossen motorischen Zellen zusammensetzt, so muss das Bestehen irgendwelcher Be- ziehungen der Hinterwurzelfasern zu diesen Zellen oder ihren Fortsätzen für wahrscheinlich erklärt werden.

Die Beziehungen der medialen Abtheilung zu den Clarke- schen Säulen finden bei allen neueren Autoren gehörige Wür- digung. Ich muss auf Grund meiner Beobachtungen diese Säulen ebenfalls als wichtige Endigungsstationen der medialen Hinter- wurzelfasern bezeichnen. Bei Betrachtung von Schnitten aus der Gegend, wo diese Säulen den Höhepunkt ihrer Entwiekelung er- reichen, erkennt man ganz deutlich, dass aus dem vorderen Theil der Einstrahlungszone zahlreiche Fasern in dieselben ein- treten, und zwischen ihren Zellen sich auflösen. Natürlich ist es nicht rundweg auszuschliessen, dass nicht ein Tbeil dieser Fasern vielleicht andere Elemente repräsentirt als Wurzelfasern, indess kann diese Einwendung für die Mehrzahl derselben als un-

170 Dr. M. v. Lenhosseök:

begründet ausser Acht gelassen werden, indem ihre Lage, ihre Richtung durchaus identisch ist mit derjenigen, die die anderen, unzweifelhaft der medialen Portion angehörigen Wurzelfortsetzun- gen erkennen lassen. Eine continuirliche, ununterbrochene Ver- bindung zwischen den Fasern der eintretenden Wurzeln und den Clarke’schen Säulen kommt freilich auf dem Querschnitte nie zur Beobachtung. Des weiteren kann man dafür mit grosser Wahrscheinlichkeit eintreten, dass die in Rede stehenden Fasern direct mit den Zellen der Clarke’schen Säulen in Verbindung treten. Schon die Gestalt des Querschnittes der Clark e’schen Säulen spricht für diesen Zusammenhang: sie erscheinen nämlich auf den meisten Schnitten nicht so sehr von rundlichem als vielmehr von ovalem, birnförmigem Umrisse, mit breiterem vorderen und schmälerem hinteren Theil, welch’ letzterer sich verjüngernd an den durch die Hinterwurzelfasern repräsentirten Stiel anschliesst. Be- sonders deutlich hervortretend fand ich diese Gestalt bei 32cm langen Foeten, wo die Grundsubstanz dieser Säulen mit der von mir beobachteten und beschriebenen !) Myeloidsubstanz stark beladen und daher an Weigert’schen Schnitten von dunkler Färbung erscheint, weshalb sich die Säulen äusserst scharf absondern. Für geradezu ent- scheidend aber in dem Sinne der directen Verbindung erachte ich folgende Beobachtung: es trifft sich mitunter, namentlich an foetalen Marken, dass einige von den Zellen der Clarke’schen Säulen sich aus dem Verbande dieser Gruppe loslösen und vereinzelt zwischen den Fasern der medialen Portion, mit denen diese exquisit spindel- förmigen Elemente parallel gelagert sind, ihre Lage haben. In der Regel findet man diese freigewordenen Zellen an der Grenze zwischen grauer und weisser Substanz, doch begegnet man denselben zuweilen mitten in der Einstrahlungszone der Burdach’schen Stränge; ja sie rücken hin und wieder fast bis zur Eintrittsstelle der Hinter- wurzeln, halten sich also stets in Lage und auch Richtung ihrer Achse an den Verlauf der Hinterwurzelfasern.

Die Zellen der Clarke’schen Säulen erscheinen gewöhnlich rundlich-spindelförmig, mit sagittaler Längsachse. Nach der Be- schreibung einiger Autoren soll sich ihr Achsencylinderfortsatz nach aussen wenden. Dies trifft meinen Beobachtungen zufolge in den seltensten Fällen zu. Ein solcher Fortsatz hätte aber auch

1) M. Lenhossek o.c. p. 80.

Ueber den Verlauf der Hinterwurzeln im Rückenmark. 171

keine Verwendung. Die „horizontalen Kleinhirnbündel* Flech- sig’s, denen zu Liebe offenbar dieser seitliche Fortsatz geschaffen worden ist, entspringen nie von der lateralen Seite der Clarke’schen Säule, sondern stets von der vorderen. Die betreffenden Fasern sammeln sich bald, nachdem sie aus den Kernen herausgetreten, zu einem compaeten Bündel, das eine ganz kurze Strecke nach vorn geht, sich aber plötzlich, unter beinahe eckiger Schwenkung nach aussen wendet, um in querer Richtung in die Seitenstränge zu ziehen.

Die meisten Forscher, die sich mit dem Verlauf der Hinter- wurzelfasern befassen, von Neueren nenne ich Schwalbe Lissauer und Bechterew behaupten eine Betheiligung der- selben an der Bildung der vorderen Commissur. Obwohl ich diesem Punkte eben weil sich so namhafte Forscher hiefür aussprachen besondere Aufmerksamkeit gewidmet habe, konnte ich mich hiervon dennoch nie überzeugen. Man sieht allerdings häufig der medialen Abtheilung zugehörige Fasern, die in der grauen Substanz anfangs in der Richtung der vorderen Commissur verlaufen, allein wenn man den weiteren Lauf der- selben aufmerksam verfolgt, so überzeugt man sich stets, dass sich dieselben vorn schliesslich doch nach aussen wenden, um im medialsten Theil der Vorderhörner ihre Endigung zu finden. Die Elemente der vorderen Commissur entstammen beim Menschen alle den Vorderhörnern, sie gehen z. Th. in den Vorderstrang der anderen Seite, um hier in die Längsrichtung umzubiegen, z. Th. gesellen sie sich zu den contralateralen Vorderwurzeln. Ein ähnlicher Irrthum liegt namentlich bei Untersuchung von Schnitten aus dem Dorsaltheil nahe. Hier bestehen nämlich folgende Ver- hältnisse. Die grossen Zellen der Vorderhörner ordnen sich zu einer annähernd sagittalen Reihe. Dieselbe besitzt zwei Seiten: eine laterale und eine mediale, von der ersteren und der vorderen Spitze der Anhäufung gehen die Vorderwurzeln ab, die mediale Seite, die beinahe an die vordere Commissur angrenzt, empfängt die einstrahlenden Fasern der Hinterwurzeln und giebt die Elemente der vorderen Commissur ab. Die innersten Fasern der medialen Portion haben nun in der Nähe der Mittellinie geradeaus nach vorn zu ziehen, und man findet oft ein Bild vorgetäuscht, als ob sie sich zur Commissura ant. begeben würden, was, wie ich

172 Dr. M. v. Lenhossek:

nochmals ausdrücklich hervorheben will, nach meinen Beobachtun- gen nicht der Fall ist.

Ich kann nicht umhin, an dieser Stelle zu erwähnen, dass ich jene Fasern, die nach Edinger’s Beschreibung!), aus den Hinterhörnern in die vordere Commissur ziehen sollen, und denen dieser Forscher eine so grosse Bedeutung beilegt, durchaus vermisse. Sie mögen vorhanden sein bei jenen niederen Wirbelthieren, auf die sich die Untersuchungen Edinger’s hauptsächlich beziehen, sind aber bei höheren sowie beim Menschen, soviel ich sehe, nicht nachzuweisen. Ich finde, dass bei letzterem alle, sich an der Bil- dung der vorderen Commissur betheiligenden Fasern vorderen und seitlichen Ursprunges sind; keine einzige kommt, soviel ich sehe, von hinten, und somit bin ich auch nieht in der Lage, mich der Hypothese Edinger’s in Bezug auf die centralen Verbindungen der Hinterwurzeln anschliessen zu können.

Wenn ich irgendwelche Beziehungen der Hinterwurzeln zur vorderen Commissur in Abrede zu stellen mich veranlasst sehe, so muss ich wieder .in Betreff der hinteren Commissur behaupten, dass sie unzweifelhaft einen Theil ihrer Elemente direct aus den sensitiren Wurzeln bezieht. Ich finde mich hierin ebenfalls im Wi- derspruche mit der Mehrzahl der neueren Autoren, von denen dies zumeist geläugnet wird. Namentlich haben sich Bechterew und Obersteiner sehr deutlich gegen eine solche Verbindung ausge- sprochen. Da die Bestandtheile der hinteren Commissur nach meinen Befundeu zum grössten Theil aus der mittleren Gruppe der Hinterwurzelfasern stammen, werde ich auf dieselbe bei Be- schreibung dieser Portion näher einzugehen haben. : Hier nur so viel, dass auch die mediale Portion einigen Antheil an der Com- missura post. hat.

Schliesslich noch einige Bemerkungen in Betreff der Zeit der Markscheidenentwickelung in der medialen Gruppe. Es ergab sich, dass sich selbst innerhalb dieser Portion Unterschiede in dieser Beziehung bemerkbar machen. Die zu den Vorderhörnern ge- hörigen Bündel scheinen hierin denjenigen etwas voranzugehen, die zu den Clarke’schen Säulen in Beziehung treten. Bei 23 cm langen Früchten (s. Fig. 1) findet man überhaupt in den Hinter- wurzeln wenig markhaltige Elemente. Im extramedullären Stück

1) Edinger, o. c. p. 124.

Ueber den Verlauf der Hinterwurzeln im Rückenmark. 173

unregelmässig verstreut, wenden sie sich im Rückenmarke alle nach innen, um in die Burdach’schen Stränge einzugehen, die um diese Zeit schon ziemlich viel Faserpunkte aufweisen. In die graue Sub- stanz begeben sich aber sehr wenig myelinhaltige Fasern aus diesen Strängen. Man gewahrt kaum einige solche Fäserchen auf je einem Sehnitte, sie ziehen stets an der lateralen Seite der Clark e’schen Säulen uach vorn, um bald zu endigen. Bei 36 cm langen Foeten (Fig. 2 und 3) sind wesentliche Fortschritte zu erkennen. Die mediale Portion erscheint zum guten Theile markhaltig und sind bereits auch die in den Clarke’schen Säulen endigenden Fasern hervorgetreten, doch kann die Portion noch nicht vollkommen myelinhaltig genannt werden. Erst zur Zeit der Geburt stellt sie sich als völlig fertig dar.

Die Befunde an den zur Untersuchung benutzten Thieren schliessen sich in Betreff der medialen Portion in allen wesent- liehen Punkten an die soeben dargelegten an.

Bei der Katze sondert sich diese mächtig entwickelte Gruppe ebenfalls sogleich in „gerade“ und „Hinterstrangfasern“. Erstere sind in bedeutend grösserer Anzahl vorhanden als letztere, und beanspruchen zum Durchtritt die medialen ?2/; der Rolando’schen Substanz. Die drei Zonen der Burdach’schen Stränge kommen auch hier deutlich zur Anschauung und bestehen die Merkmale der Einstrahlungszone ebenfalls in dem bogenförmigen Lauf einiger ihrer Elemente, sowie in der convergirenden Anordnung ihrer Gliasepta. Auch die Verhältnisse der Markscheidenbildung er- mächtigen zu der Eintheilung, indem man bei 3tägigen Katzen viel mehr Mark in der mittleren Zone findet, als in den beiden anderen, doch ist diese Differenz hauptsächlich nur im Lumbal- mark ausgesprochen. Bei älteren Thieren verwischt sich allmäh- lich der Unterschied. In Bezug auf die Myelinbildung in der me- dialen Portion ergab sich Folgendes. Am 3. Tage enthält dieselbe eine sehr geringe Anzahl markhaltiger Fasern; sie treten alle in die Burdach’schen Stränge und aus diesen in die Hinterhörner ein, wobei sie stets an der lateralen Seite der Clarke’schen Säulen vorbeiziehen. Die in den letzteren endigenden Fasern wer- den erst am 7. Tage sichtbar. Die Rückenmarkschnitte bieten um diese Zeit sehr instructive Bilder: von allen Präparaten, die ich aus dem Rückenmarke von Menschen und Thieren angefertigt habe, fand ich sie am Meisten geeignet, die Endigung der Hinter-

Archiv f. mikrosk. Anatomie, Bd. 34, 12

174 Dr. M. v. Lenhossek:

wurzelfasern in den Vorderhörnern zu beweisen. Man sieht unge- mein deutlich, wie sich die Einstrahlungsbündel mit den bereits markhaltigen geraden Fasern unter meridianartiger Convergenz vor der Rolando’schen Substanz vereinigen und dann in Gestalt eines oder mehrerer starker Bündel mit denselben nach vorn und etwas lateralwärts ziehen, sich bald auflösen und in den centralen Theil der Vorderhörner einstreben. Die im Querschnitte rund- lichen Clarke’schen Säulen nehmen in dem Abschnitte des Rücken- markes, wo sie entwickelt sind, beinahe alle Bestandtheile der medialen Wurzelportion für sich in Ansprueh. Am 15. Tage be- gegnet man denselben Verhältnissen; mit grosser Deutlichkeit springt mitunter ein compactes, zu den lateralsten Vorderhorn- zellen gehendes Bündel in die Augen. Die Endigung der Fasern der medialen Wurzelabtheilung ist demnaeh eine gleiche, wie beim Menschen. Auch hier vermisste ich irgendwelche aus den Hinter- wurzeln in die vordere Commissur ziehende Fasern.

Beim Kaninchen wollte mir die Unterscheidung der drei Zonen in den Burdach’schen Strängen durchaus nicht gelingen. Die ersten Phasen der Markentwickelung zeigen sich in der me- dialen Gruppe bei neugeborenen Thieren, alle zu dieser Zeit mark- haltigen Fasern begeben sich in die Vorderhörner; die zu den Clarke’schen Säulen tretenden erscheinen erst am 5. Tage mark- sehwarz. Die Einstrahlungsbündel weichen darin von den analo- gen Bündeln des Menschen ab, dass sie einen mehr gestreckten Verlauf erkennen lassen und nicht jene eleganten Bogen aufweisen wie bei diesem.

Das Rückenmark des Meerschweinchens ist zur Unter- suchung der Hinterwurzeln, wie überhaupt zum Studium der Rückenmarkstructur ausgezeichnet geeignet; bei keinem Thiere begegnet man jener Klarheit der Bilder, wie hier; einige Punkte der Rückenmarksanatomie kommen mitunter fast mit der Deut- lichkeit eines Schema’s zur Anschauung. Die drei Abtheilungen der Burdach’schen Stränge sind zu erkennen. Anordnung, Ver- lauf und Endigung der medialen Portion stimmen mit der beim Menschen geschilderten überein; die Einstrahlungsbündel sind wie- der von mehr geschwungenem Verlauf. Die Clarke'schen Säulen lassen hier eine von der gewöhnlichen etwas verschiedene Lage er- kennen, indem sie sich nicht im frei hervorstehenden Theil der Hinter- hörner, sondern etwas mehr nach vorn, vor jener Querlinie befinden,

Ueber den Verlauf der Hinterwurzeln im Rückenmark. 175

die durch die hintere Commissur gezogen wird. Sie sind von rund- lichem Umrisse und setzen sich ausgrossen, spindelförmigen, mit ihrer Längsachse sagittal gelagerten Nervenzellen zusammen. An den Stellen, wo sie vorhanden, verbinden sich die Bestandtheile der medialen Portion fast alle mit ihnen; man gewahrt kaum einige, an ihrer lateralen Seite nach vorn ziehende Nervenfäden.

Bei der Maus ist eine deutliche Unterscheidung der drei Zonen wieder nicht möglich. Als eine Besonderheit, der ich hier begegnete, muss ich hervorheben, dass ich hier einzelne Bündel der medialen Portion in compacter Beschaffenheit nicht nur zu den lateralsten Zellen der Vorderhörner, sondern mitunter auch zwischen die medialeren Nervenkörper derselben zu verfolgen vermochte.

Die Bestandtheile der mittleren Portion werden beim Men- schen markhaltig zu einer Länge von 36 cm; das ist zugleich die Zeit, wo ihr Verlauf am deutlichsten zu erforschen ist. Das Rückenmark Erwachsener oder selbst Neugeborener giebt zum Studium dieser Fasern durchaus kein günstiges Object ab, indem dieselben hier durch die bereits kräftig hervorgetretenen Ein- strahlungsbündel der medialen Portion gewöhnlich ganz verdeckt, stets aber in ihrem scharfen Hervortreten beeinträchtigt werden.

Die betreffenden Fasern durchsetzen sogleich, nachdem sie in das Rückenmark getreten, in Gestalt mehrerer starker Bündel die Rolando’sche Substanz und zwar gewöhnlich in ihrem mittleren Theile, sind aber oft von mehr medialerer Lage. Stets heben sie sich vom hellen Untergrunde dieser Substanz überaus scharf ab. Man bekommt jene klaren übersichtlichen Bilder wie sie in Fig. 2 und 3 vorgeführt sind.

Eine charakteristische Eigenschaft derselben besteht, wie schon oben mitgetheilt, darin, dass sie, sobald sie den vorderen Rand der gelatinösen Formation erreicht, in die Longitudinalrichtung umlenken unter Bildung der Kölliker’schen „Längsbündel der Hinterhörner“. Man überzeugt sich unschwer an Längsschnitten, dass diese Umbiegung sowohl nach oben wie nach unten erfolgt, eine Thatsache, die bereits vielerseits Erwähnung fand.

Die Hauptabtheilung dieser Längsbündel befindet sich nach meinen Beobachtungen im Rückenmark des Menschen ungefähr

176 Dr. M. v. Lenhossek:

vor dem mittleren Abschnitt der Rolando’schen Substanz. Im Brusttheil, wo sie im Allgemeinen von sehr schwacher Entwicke- lung erscheinen, beschränken sie sich gewöhnlich auf diese Stelle, im Hals- und Lendenabschnitt indess erstrecken sie sich von hier aus vor der medialen Hälfte der gelatinösen Substanz bis zu den Burdach’schen Strängen, mit denen sie ohne scharfe Grenze zu- sammenfliessen. Im Lumbaltheil lassen sie eine besonders mäch- tige Entwickelung erkennen; man bekommt hier oft den Eindruck, dass die Burdach’schen Stränge einen kräftigen, breiten Fortsatz entwickeln, der sich nach aussen wendet und sich zwischen den eigentlichen nervösen Theil des Hinterhorns und die mediale Hälfte der gelatinösen Substanz hineindrängt. Die Dichtigkeit dieses Fortsatzes kommt häufig derjenigen der Burda ch’schen Stränge gleich, gewöhnlich ist derselbe etwas lockerer gebaut. Im oberen Abschnitt des Cervicalmarkes beobachtet man die interessante That- sache, dass die Gruppe der Längsbündel mehr nach aussen rückt, ihre Lage nunmehr vor dem lateralen Theil der Rolando’schen Formation hat und sich nicht an die Burdach’schen, sondern an die Seitenstränge anschliesst. Es ist dieses Verhalten insofern von Interesse, als hierdurch, wie wir sehen werden, eine Anknüpfung gegeben ist an jene Verhältnisse, welche die von mir untersuchten Thiere in dieser Hinsicht darbieten. Mitunter findet man die Längsbündel nicht wie gewöhnlich in reihenartiger Anordnung, sondern mehr regellos zerstreut.

Nicht selten erfolgt die Umbiegung einiger der in Rede ste- henden Fasern schon im Bereich der Randzone, d. h. im Gehiet zwischen Peripherie und Rolando’scher Substanz, oder, schon etwas seltener, innerhalb der letzteren selbst. Man sieht im letz- teren Falle auf der gelben Unterlage dieser Substanz inselartig zerstreut Gruppen von Longitudinalfasern, die bereits Krause!) bekannt waren. Auch Lissauer?) hat dieselben unzweifelhaft be- obachtet, wie dies aus folgender Stelle seiner Abhandlung hervor- geht: „Schliesslich sei noch kurz eine häufig sehr auffallende, wenn auch nicht ganz constante Formation erwähnt, nämlich com- pacte longitudinale Bündel theils grober, theils untermischter gro- ber und feiner Fasern, welche sich inselförmig in die spongiöse

1) W. Krause o. c. p. 3%. 2) Lissauer o. c. p. 39%.

Ueber den Verlauf der Hinterwurzeln im Rückenmark. 3 urezt

Zone der gelatinösen Substanz hineingelagert finden“ wobei zu bemerken ist, dass dieser Forscher unter der Bezeichnung der „spon- siösen Zone“ den hintersten, durch ein Fasernetz ausgezeichneten Theil der gelatinösen Substanz versteht.

Viel häufiger als derart gelagerten Längsbündeln, begegnet man einigen starken, dieser Gruppe zugehörigen Fasern, die anstatt nach vorn zu gehen sich sogleich nach aussen wenden, den lateralen Rand der Rolando’schen Substanz bogenförmig um- kreisen, vorn indess wieder nach innen lenken, um sich den oft erwähnten Längsbündeln anzuschliessen. Diese bogenförmigen Bündel treten bei 36 em langen Früchten mit grosser Deutlichkeit zu Tage (s. Fig. 2 und 3), da die Gebiete, die sie zu durchlaufen haben, d. i. Randzone und seitliche Pyramidenbahn noch total marklos sind.

Ich muss hier noch einigen ergänzenden Bemerkungen Raum geben. Zunächst der Mittheilung, dass mitunter einige Fasern, die auf Grund ihres Ursprungs und ihrer Lage ohne Zweifel zur mitt- leren Gruppe gehören, nach Durchsetzung der gelatinösen Sub- stanz weiter nach vorn gehen, ohne sich an der Bildung der Längsbündel zu betheiligen. Des weiteren muss ich bemerklich machen, dass die Längsbündel oft viele Elemente aus der medialen Portion, d.h. aus den Burdach’schen Strängen beziehen. Es be- steht demnach eine Vermischung geringen Grades zwischen den Bestandtheilen beider Portionen, die bei einigen Thieren, wie wir sehen werden, noch in grösserem Maasse zu beobachten ist.

Es fragt sich nun, wie gestaltet sich das weitere Schicksal der Elemente dieser Längsbündel? Wir betreten hiermit ein Gebiet, wo man viele Fragen offen lassen muss. Die Abzweigung der Fasern aus den Längsbündeln erfolgt nicht bündelweise, sondern unter gleichmässiger Vertheilung, einzeln, so dass auf je einen Schnitt nur eine ganz geringe Anzahl von Fasern kommen kann. Neben- bei sei hier bemerkt, dass ich eben darin den Zweck dieser und auch aller anderen Längsbündel des Rückenmarks erblicke, dass durch dieselben die in segmentaler Anordnung in compacten Bün- deln in das Rückenmark eintretenden Fasern auf grössere Gebiete sleichmässig verstreut werden, wodurch eine Segmentation des Rückenmarkes, der die Natur wie es scheint um jeden Preis aus- weichen möchte vermieden wird. Obwohl nun wie gesagt sichere Angaben hier in Betreff einiger Punkte schwer zu machen

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sind, bin ich doch zu einigen Resultaten gekommen, die ich als wahrscheinlich hinzustellen mich getraue.

Zunächst gewahrt man auf allen Schnitten Fasern, die die Längsbündel verlassen und direct nach vorn ziehen. Einige von ihnen sind nur bis zwischen die Zellen der Hinterhörner zu ver- folgen, andere überschreiten die Grenze der Vorderhörner und endigen in letzteren. Während die ersteren möglicherweise zu den versprengten Nervenkörpern der Hinterhörner Beziehungen haben, ist in Betreff der letzteren dasselbe zu sagen, was für die Vorder- hornfasern der medialen Gruppe angegeben werden konnte: eine Endigung in (?) oder zwischen den motorischen Zellen, im ersteren Falle entweder direet oder durch Vermittelung des Fasernetzes.

Zweitens beobachtet man, dass sich einige Fasern aus den Längsbündeln nach aussen, in das Gebiet der Seitenstränge be- geben. Es ist hier freilich eine Verwechslung sehr leicht möglich mit Endstücken der soeben beschriebenen, die gelatinöse Substanz von aussen umkreisenden Bogenfasern, und ich getraue mich auch nicht, dieselben kategorisch als solehe, die sich in der That zwi- schen die Elemente der Seitenstränge mischen, hinzustellen. Ich kann für letztere Annahme nur das anführen, dass die Zahl der- selben eine zu ansehnliche zu sein scheint, als dass sie alle solchen Bogenfasern angehören könnten; immerhin scheint es mir, dass der medialste Abschnitt der Seitenstränge Beziehungen habe zu den Hinterwurzeln. Man begegnet diesen Fasern hauptsächlich im Lenden- und Halsmark, während sie im Brusttheil, wo die mitt- lere Portion im Allgemeinen schwächer entwickelt ist, sehr zu- rücktreten.

Wenn ich diese Beziehungen der zu der mittleren Portion gehörigen Längsbündel nur als Vermuthungen hinzustellen be- müssigt bin, so bin ich wieder in der Lage, in Betreff der Ver- bindung derselben mit der hinteren Commissur Positives angeben zu können. Ich nehme hier Anlass ausführlicher auf dieselbe einzugehen.

Die hintere Commissur ist beim Menschen verhältnissmässig schwach entwickelt. Sie setzt sich unzweifelhaft aus Fasern verschiedener Bedeutung zusammen. Ein ansehnlicher Theil er- scheint bereits bei Früchten von 40 cm Länge markhaltig; diese Fasern stellen alle direete Fortsetzungen von Wurzelfasern und zwar von starken dar und kommen z. Th. aus der medialen,

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hauptsächlich aber aus der mittleren Portion. Es besteht also in dieser Hinsicht ein Widerspruch zwischen meinen Angaben und denjenigen Bechterew’s und Obersteiner's. Ersterer!) giebt wohl ebenfalls zu, dass die hintere Commissur einen Theil ihrer Elemente aus den Hinterwurzeln beziehe, nimmt aber hierfür blos die Bestandtheile seiner lateralen Portion, d. i. die Lissauer- schen feinsten Fasern in Anspruch, welche Angabe er auf folgende Beobachtung gründet: „Im foetalen Rückenmarke, wo die äusseren dünnen Wurzelfasern sowie die Goll’schen Stränge noch ganz marklos sind, enthält auch die hintere Commissur nicht eine mit Myelin umhüllte Faser. Es ist also klar, dass die hintere Com- missur keine Fasern aus den inneren dieken Wurzelfasern, welche sehr früh schon entwickelt sind, enthält. Nur kurz vor der Geburt und bei Neugeborenen finden wir in der hinteren Com- missur zarte markhaltige Fasern, welche also die centrale Fort- setzung der äusseren dünnen Wurzelfasern darstellen.“ Ober- steiner?) giebt namentlich auf Grund physiologischer Erwägungen an, dass die Fasern der hinteren Commissur mit denjenigen der Hinterwurzeln „blos durch Vermittelung von Ganglienzellen zu- sammenhängen.“

Die Beobachtungen, auf denen meine abweichenden Behaup- tungen beruhen, sind folgende. Im Gegensatz zu Bechterew finde ich, dass die hintere Commissur bereits bei 36—40 cm langen Früchten markhaltige Fasern enthält, um eine Zeit also, wo die zartfaserige laterale Portion wie ich dies ebenfalls im Wider- spruch zu einer Angabe Bechterew’s betonen muss noch keine Spur von Markscheiden erkennen lässt. Eine kräftigere Stütze besteht indess in der direeten Beobachtung dieses Zusam- menhanges. Ich vermochte an Foeten ganz deutlich zu beobachten, dass zunächst aus der Einstrahlungszone der Burdach’schen Stränge sich einige gewöhnlich auf einem Schnitt nicht mehr als 1—2 starke Fasern abzweigen, die im Anschluss an den hufeisenförmigen hinteren Rand der grauen Substanz auf die andere Seite sich begeben, um sich da wieder in den contra- lateralen Burdach’schen Strang zu senken; diese Elemente ent- stamınen also der medialen Portion. Noch viel häufiger und in

1) W. Bechterew, Ueber die hinteren Nervenwurzeln etc. p. 135. 2) Obersteiner, l. c p. 189.

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grösserer Anzahl gewahrt man markhaltige Fasern, die deutlich wahrnehmbar aus den Längsbündeln der Hinterhörner ihren Ur- sprung nehmen, schief medianwärts und nach vorn ziehen, wo- bei sie schwach bogenförmig, mit nach innen gewendeter Con- vexität verlaufen und hinter den Clarke’schen Säulen sich den soeben beschriebenen anschliessen. Man darf mit Rücksicht auf die Beobachtung, dass ihr Verlauf auch jenseits der Mittel- linie ein gleicher ist, annehmen, dass sie sich auf der anderen Seite ebenfalls den in Rede stehenden Längsbündeln beigesellen und hernach das Schicksal der Elemente derselben theilen.

Eine partielle Kreuzung der Hinterwurzelfasern steht somit ausser allem Zweifel.

Selbstredend begegnet man diesen Fasern häufiger und in grösserer Anzahl in den Intumescenzen des Rückenmarkes, wo nicht nur die graue Substanz kräftiger entwickelt, sondern auch jede Fasersorte stärker vertreten ist, als im faserarmen Dorsal- theil, wo man sie auf zahlreichen Schnitten völlig vermisst.

Untersucht man das Rückenmark Erwachsener, so überzeugt man sich, dass die hintere Commissur beträchtlich zugenommen hat. Sie ist nunmehr viel faserreicher, als bei Foeten oder selbst bei Neugeborenen. Diese Zunahme kann nicht als Resultat einer Betheiligung der inzwischen sichtbar gewordenen lateralen Hinterwurzelportion gedeutet werden, da letztere zur Zeit der Geburt bereits so gut wie markhaltig genannt werden kann, die Commissur aber zu dieser Zeit noch bei weitem nicht so faser- reich ist wie später. Man muss daher mit Wahrscheinlichkeit dafür eintreten, dass man es hier mit Fasern zu thun habe, die nicht den Hinterwurzeln sondern der grauen Substanz entstammen, und vielleicht den Zweck haben, die Hinterhörner beider Seiten miteinander in Verbindung zu setzen.

Im Rückenmark der Katze findet man die mittlere Portion verhältnissmässig noch schwächer entwickelt als beim Menschen. Die Fasern derselben ermangeln noch bei 3-tägigen Thieren fast vollkommen der Markscheide, die sie erst um den 7. Tag erhalten. Ein auffallender Unterschied gegenüber dem Menschen, dem wir auch bei den übrigen zur Beschreibung gelangenden Thieren begegnen werden, macht sich darin bemerkbar, dass die Längsbündel der Hinterhörner in allen Abschnitten des Rücken-

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markes nicht vor der medialen, sondern der lateralen Hälfte der Rolando’schen Substanz ihre Lage haben.

Dasselbe kann ich über die diesbezüglichen Verhältnisse des Kaninchens angeben.

Eine ausführliche Behandlung verdient diese Portien beim Meerschweinchen. Wie bereits erwähnt, bekommt man die- selbe von allen Thieren bei diesem am deutlichsten zu sehen. Die Ursache dieses klaren Hervortretens liegt vor allen Dingen in der auffallend mächtigen Entwickelung derselben (sie entbält ca, die Hälfte der Hinterwurzelfasern), dann aber in ihrer freien, der Beobachtung sehr zugänglichen Lage. Während sie nämlich beim Menschen, wie wir sahen, durch die mediale Portion beinahe ganz verdeckt wird, macht sie sich hier von derselben völlig frei und liegt abgesondert von ihr, an ihrer lateralen Seite.

Untersucht man einen Querschnitt aus welchem Theile des Meerschweinchenrückenmarks immer (s. Fig. 4), so findet man die ganze mediale Hälfte der gelatinösen Substanz von einer bedeutenden Anzahl kräftiger, in gestrecktem Lauf nach vorn ziehender Faserbündel durchsetzt. Am vorderen Rand der Sub- stanz sondern sich dieselben plötzlich und in sehr scharfer Weise in zwei Gruppen, die verschiedene Richtungen einschlagen. Die medialen Bündel setzen ihren geraden Verlauf einfach fort, man erkennt in ihnen die Gruppe der zur medialen Portion gehörigen „geraden Fasern“, die oben schon eingehend besprochen wur- den, die lateralen wenden sich mit plötzlicher und starker Bie- gung lateralwärts, um eine kurze Strecke quer nach aussen zu ziehen und dann in der gleich zu beleuchtenden Weise ihre vor- läufige Endigung zu finden. Diese ausnahmslos starken, sehr auf- fallenden Bündel bilden die „mittlere Portion“; es sind das die- jenigen, die den mittleren Theil der Rolando’schen Substanz zum Durchtritt beanspruchen.

Fast auf jedem Schnitte erkennt man indess, dass sich zu diesen quer verlaufenden Bündeln auch einige Fasern gesellen, die aus den Burdach’schen Strängen, mithin also aus der medialen Portion herkommen. Ja man beobachtet mitunter allerdings in seltenen Fällen das eigenthümliche Verhalten, dass alle Ein- strahlungsbündel diesen Weg einschlagen. Jene compensatorische Vermischung der Bestandtheile der beiden Portionen also, der wir

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in geringem Grade schon beim Menschen begegneten, besteht hier in sehr grossem Maasse.

Um die weiteren Schicksale der Fasern der mittleren Portion beim Meerschweinchen schildern zu können, erachte ich es für nothwendig, Einiges über den Bau der Hinterhörner mitzutheilen.

Die Hinterhörner sondern sich bekanntlich distinet in zwei Theile: in das eigentliche „nervöse“ Hinterhorn und die dasselbe von hinten schalenförmig oder eigentlich rinnenförmig umfassende Rolando’sche Substanz. Letztere enthält abgesehen von ihrem hintersten Abschnitt, auf den wir noch an anderer Stelle zurück- zukommen haben durchaus keine autochthonen, d. h. in ihr entspringenden nervösen Elemente und setzt sich, wie ich es be- reits an anderer Stelle!) ausführlich dargelegt habe, aus einer be- trächtlichen Quantität verhornter Grundsubstanz und aus eben- solchen Ektodermzellen zusammen, welch’ letztere sich zu sagit- talen Reihen ordnen und an Weigert’schen Präparaten auf dem gesättigt gelben Untergrunde der Grundsubstanz als hellere Flecken oft deutlich zu Tage treten.

In der nach vorn gewendeten Concavität der Rolando’schen Substanz gewahrt man ein dichtes Netz feiner markhaltiger Fasern, innerhalb dessen mehrere kleine, mitunter auch einige grössere, eckige Nervenzellen in Erscheinung treten. Es ist das jenes Gebiet, das von Lissauer als „spongiöse Substanz der Hinterhörner“ eingeführt worden ist; es stellt sich am breitesten im lateralen, etwas tieferen, recessartigen Theil der Concavität der ge- latinösen Substanz dar; nach innen verschmälert es sich allmählich.

Vor dieser Zone befindet sich nun das eigentliche Hinterhorn. Dasselbe lässt sich beim Meerschweinchen auf Grund seines inne- ren Baues in der Querriehtung in zwei Abtheilungen sondern. Der innere Theil, der das mediale Drittel des Hinterhorns dar- stellt, bildet gewissermaassen eine enge Pforte zum Durchtritt der nach vorn verlaufenden Einstrahlungsbündel und enthält keine quergeschnittenen Faserbündel, der laterale Abschnitt, der die äusseren °/; des Hinterhorns darstellt, ist durch eine beträchtliche Anzahl symmetrisch angeordneter Längsbündel aus- gezeichnet. Seitlich schliessen sich dieselben ohne scharfe Ab- grenzung an die Seitenstränge an, als deren aufgelockerte Fort-

1) Lenhossek o. ce. p. 78.

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setzung sie erscheinen. Ihr Gebiet stellt sich im Ganzen auf dem Querschnitte dreieckig dar mit äusserer Basis und innerer, bis zu dem medialen Drittel der Hinterhörner vordringender Spitze. Die mehr lateralwärts und vorn gelagerten Bündel sind massiver, dichter, die medialen und namentlich die hinteren schmäler und von mehr zerstreuter Anordnung.

Auf den ersten Blick erkennt man, dass diese quergeschnitte- nen Bündel nicht alle den Kölliker’schen Längsbündeln ent- sprechen. Man kann als solche blos die hintersten in Anspruch nehmen, da es blos diese sind, zu denen die mittlere Portion der Hinterwurzeln Beziehungen eingeht; die vorderen gehören einfach zu den Seitensträngen. Die Verbindung der Fasern der mittleren Portion mit den hintersten Längsbündeln ist eine sehr klare, sie sind zumeist in compacter Beschaffen- heit bis zwischen dieselben zu verfolgen, wo sie verschwinden. Ob nicht auch die spongiöse Substanz einige Fasern aus der mittleren Portion bezieht, ist schwer auszumachen; man bekommt auf den Präparaten in der That häufig einen derartigen Eindruck, als ob sich einige der Elemente letzterer in dieser Zone verlieren würden. Es ist indess nicht aus den Augen zu verlieren, dass es sich hier um Bruchstücke von Fasern handeln kann, die sich schliesslich doch mit den Längsbündeln der Hinter- hörner verbinden. Wenn ich mich in dieser Beziehung so vorsichtig verhalte, so thue ich dies hauptsächlich auf Grund jener, wohl nicht beim Meerschweinchen, sondern bei menschlichen Foeten gemachten Beobachtung, dass man Stadien begegnet (36 cm lange Früchte), wo die mittlere Portion sammt ihren Längs- bündeln bereits fast ganz markhaltig erscheint, während die spon- siöse Zone kaum einige markhaltige Elemente zur Schau trägt.

Forscht man nach den weiteren Schicksalen der die Längs- bündel bildenden Fasern, so ergeben sich übereinstimmende Re- sultate mit denen, die wir in dieser Beziehung beim Menschen eruiren konnten. Bei aufmerksamer Betrachtung der Präparate findet man nämlich, dass die aus diesen Bündeln sich abzweigen- den Fasern verschiedene Wege einschlagen: einige ziehen direet nach vorn, um theils noch innerhalb der Hinterhörner, theils schon in den Vorderhörnern sich der weiteren Beobachtung zu entziehen, andere lassen einen quer nach aussen gerichteten Ver- lauf erkennen und verschwinden in den Seitensträngen. Die am

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sichersten zu constatirenden Beziehungen der Längsbündel sind diejenigen zur hinteren Commissur.

Diese erscheint hier von ungemein mächtiger Entwickelung, so dass das Rückenmark des Meerschweinchens in dieser Bezie- hung ein Gegenstück desjenigen des Menschen darstellt. Dies steht im Zusammenhange damit, dass die mittlere Wurzelportion, welche die hauptsächlichste Bezugsquelle der hinteren Commissur abgiebt, hier wie wir sahen ebenfalls sehr stark vertreten ist. Dass man trotzdem an sehr vielen Schnitten keine Spur einer Commissura post. zu entdecken vermag, erklärt sich aus dem Umstande, dass sie nicht in continuirlicher Folge angeordnet ist, sondern wie sich dies auf sagittalen Längsschnitten sehr klar ergiebt sich in kräftige, in gleichmässigen Abständen von einander liegende Bündel sondert. Ist der Schnitt im Gebiet zwischen zwei solchen Bündeln angelegt, so wird man natürlich jede Spur derselben vermissen. An passenden Querschnitten prä- sentirt sie sich in Form eines annähernd bogenförmigen, kräftigen, sehr deutlich hervortretenden Stranges, der im Hinterhorn ent- springt, speziell zwischen den hintersten der oben beschriebenen Längsbündeln und z. Th. auch in dem hinter derselben liegenden Netzwerk, in geradem, häufig etwas lateralwärts concavem Lauf nach vorn und medianwärts zieht, wobei es hinter den Clarke- schen Säulen seinen Weg nimmt, sodann die Mittellinie bogen- förmig überschreitet, um auf der anderen Seite zu demselben Punkte zu gelangen, aus welchem derselbe hervorgegangen ist. Unterwegs nimmt die Commissur einige Fasern aus der medialen Portion auf, mit deren Einstrahlungsbündeln sie sich zu kreuzen hat. Sie unterscheidet sich in ihrer Lage insofern von derjenigen des Menschen, als sie sich hier nicht streng an den hinteren Rand der grauen Substanz hält, sondern mehr nach vorn, in einem mäs- sigen Abstande von ihm sich lagert, worin man eine Folge der mehr lateralen Position jener Längsbündel erkennt, die ihr hauptsächlich zum Ursprunge dienen. Zuweilen trifft es sich, dass sie auf der einen oder der anderen Seite, anstatt hinter der Clarke’schen Säule zu verlaufen, dieselbe durchsetzt, ohne aber zu ihr wesentliche Beziehungen einzugehen. Zwischen hinterer Commissur und Clarke’schen Säulen bestehen weder bei Thieren noch beim Menschen Verbindungen.

In zahlreichen Schnitten wird man auf der Stelle, wo das

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Bündel die Mittellinie passirt, einige zarte Fasern gewahr, die sieh aus demselben ablösen und direet nach hinten ziehen, um sich den Goll’schen Strängen beizumischen,

Aus dem Dargelegten geht also hervor, dass die hintere Commissur des Meerschweinchens sich ebenfalls vornehmlich aus Fortsetzungen von Hinterwurzelfasern aufbaut. Unzweifelhaft führt sie aber auch Elemente anderer Kategorien; dies erhellt aus der Art ihres Ursprunges, indem sie z. Th., wie wir hörten, der spon- gsiösen Zone entstammt.

Die hintere Commissur ist nicht die einzige Bahn, die die Commissurenfasern beim Meerschweinchen benützen. Man findet stets abgesehen von der vorderen Commissur namentlich im Gebiet unmittelbar hinter dem Centralkanal einige sehr feine Ele- mente, die mit nach vorn gewendeter Concavität von der einen Seite auf die andere gehen, und wohl den Zweck haben, die graue Substanz beider Seiten miteinander in Verbindung zu setzen.

Zwischen mittlerer Portion des Meerschweinchens und der Maus!) bestehen grosse Analogien. Als Unterschied kann gel- tend gemacht werden, dass sie bei der letzteren schwächer vertreten ist. Die kräftigen Bündel durchsetzen die gelatinöse Substanz an der Grenze zwischen medialem und mittlerem Drit- tel und wenden sich dann bogenförmig nach aussen, um sich

1) Ich kann nicht umhin, an dieser Stelle einen Irrthum zu berichtigen, dessen ich mich in einer früheren Abhandlung (Untersuchungen über die Entwickelung der Markscheiden ete. S. 108) schuldig gemacht habe und den ich zu corrigiren umsomehr bemüssigt bin, als die betreffende Stelle durch- aus im Gegensatze zu stehen scheint zu der hier gegebenen Beschreibung. Ich habe nämlich an der erwähnten Stelle die Hinterwurzeln der Maus aus einer medialen und einer lateralen Portion bestehen lassen, welch’ letztere ich als stark entwickelt schilderte, während ich in vorliegender Arbeit von der lateralen Portion dieses Thieres die Angabe mache, dieselbe „trete fast bis zum Verschwinden zurück.“ Die Sache erklärt sich folgendermaassen: ich habe früher irrthümlich die mittiere Portion des Mäuserückenmarkes für das Analogon der lateralen Portion des menschlichen Rückenmarkes gehalten und die bei der Maus der letzteren entsprechenden spärlichen Fasern völlig übersehen. Ich kann meine dort gegehene Beschreibung auch heute noch, was das Thatsächliche betrifft, als völlig correct vertreten, mit der Bemer- kung aber, das was dort von der lateralen Portion gesagt wird, sich eigent- lich auf die mittlere bezieht und dass eine laterale Gruppe der Maus fast vollkommen abgeht.

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in den locker angeordneten Längsbündeln der Hinterhörner aufzu- lösen. In Betreff des weiteren Verlaufs der diese Bündel consti- tuirenden Fasern ergeben sich ähnliche Endigungen wie sie oben ausgeführt worden sind: Hinterhörner, Vorderhörner, Seitenstrang und hintere Commissur.

Letztere ist von schwächerer Entwickelung, als beim Meer- schweinchen und zeichnet sich durch jene Eigenthümlichkeit aus, dass sie sehr distinet in zwei gesonderte, auf keine Weise mit einander zusammenhängende Theile: einen vorderen und einen hinteren zerfällt.

Der vordere Theil steht an Stärke dem hinteren nach und tritt nur an den ausgesuchtesten Schnitten in Gestalt eines zusam- menhängenden Bündels in die Erscheinung; in der Regel begegnet man blos Fragmenten desselben. Er entspringt deutlich erkenn- bar aus den Längsbündeln der Hinterhörner, zieht dann bogen- förmig nach vorn und medianwärts, passirt die Mittellinie. und lässt jenseits derselben einen ähnlichen Lauf erkennen. Vom hin- teren Theil wird derselbe durch einen je nach Höhen des Rücken- marks verschieden breiten Zwischenraum getrennt. Am breitesten präsentirt sich derselbe in dem Gebiet, wo Clarke’sche Säulen existiren; diese drängen sich nämlich zwischen die beiden Theile, der vordere läuft vor, der hintere hinter ihnen. Diese Fasern scheinen also alle aus der mittleren Portion zu kommen; sind demnach allem Anscheine nach als direete Wurzelfortsetzungen anzusprechen.

Der hintere Theil verläuft an dem hinteren, hufeisenförmi- gen Rand der grauen Substanz. Seine Bestandtheile entstam- men z. Th. den Burdach’schen Strängen mithin also der ıme- dialen Wurzelportion z. Th. versammeln sie sich aber aus jenem Gebiet der Hinterhörner, das sich unmittelbar vor dem medialen Theil der gelatinösen Substanz befindet. Da ein Zusam- menhang dieser Elemente mit anderen Fasern nirgends zur An- schauung kommt, hat man einigen Grund zur Annahme, dass die- selben in Beziehung stehen zu den hier gelegenen kleinen, sich oft zu einer compacteren Gruppe anhäufenden Nervenzellen.

Sowohl aus dem vorderen, wie dem hinteren Theil zweigen sich in der Mittellinie einige zarte Fasern ab, die geradeaus nach hinten gehen und sich in den Goll’schen Strängen verlieren.

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Die Verdienste Lissauer’s um die Entdeckung der late- ralen Portion sind schon eingangs gehörig gewürdigt worden. Dass dieselbe so lange der Aufmerksamkeit so vieler vorzüglicher Beobachter entgangen war, findet darin seine Erklärung, dass die bis zur letzten Zeit zur Anwendung gebrachten Färbungsmethoden der Zartheit ihrer Bestandtheile durchweg nicht gewachsen waren. Erst durch Weigert’s Hämatoxylinfärbung, welche das Verdienst hat, selbst die feinsten markhaltigen Fasern hervortreten zu lassen, wurden diese zarten Elemente der Erforschung zugänglich.

Wenn es uns indess mit Hülfe dieser Tinetion auch gelingt, die hierher gehörigen Fasern zur Anschauung zu bringen, so sind wir hierdurch noch durchaus nicht in den Stand gesetzt, ihre Ver- bindungen, ihre Endisung mit Sicherheit festzustellen. Ich muss gleich gestehen, dass ich, was das Thatsächliche angeht, nicht über Lissauer’s Angaben hinausgekommen bin, und dass die wei- teren Ausführungen, die ich unten in Bezug auf die Schicksale dieser Fasergruppe zu entwickeln habe, wohl nicht viel mehr als Vermuthungen sind. Wir stehen da sehr schwer zu lösenden Fra- gen gegenüber und müssen von noch verfeinerten oder von anderen Methoden als den anatomischen ein aufklärendes Licht erwarten.

Nach dem was ich oben (S. 164) in Bezug auf die Reihen- folge der Markentwickelung betont habe, erscheint es natürlich, dass die Bestandtheile der in Rede stehenden Portion, die sich durch ihre Feinheit auszeichnen, in einer sehr späten Periode ihre Markumhüllung erhalten. Noch bei 36 em langen Foeten (Fig. 2, 3) findet man sie völlig marklos. Die bereits markschwarzen Bur- dach’schen Stränge hören hinter dem medialsten Theil der gela- tinösen Substanz plötzlich mittelst sehr scharfer sagittaler Linie auf; nach aussen folgt nun zwischen letzterer Substanz und Rückenmarksperipherie ein markloses Gebiet, das seitlich ohne irgendwelche walırnehmbare Grenze mit der noch ebenfalls mark- losen seitlichen Pyramidenbahn verschmilzt. Die kräftigen, mark- schwarzen Bündel der Hinterwurzeln durchsetzen in schiefer Rich- tung den medialsten Theil dieser Zone, so dass sie aus derselben gewissermaassen ein kleines Gebiet abschneiden; sie heben sich hierbei von der gelben Unterlage mit grosser Schärfe ab.

Bei 45 cm langen Früchten treten nun in dem Bereich dieser Zone verstreute schwarze Punkte: die Durchschnitte feiner mark- haltiger Längsfasern auf. Zu gleicher Zeit gewahrt man, dass

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auch in der seitlichen Grenzschicht der grauen Substanz die Zahl der markhaltigen Elemente zugenommen hat. Auch in der Concavität der Rolando’schen Formation ist eine Aenderung eingetreten, inso- fern als sich hier die ersten Anfänge eines Faserreticulums einstellen.

Bei Neugeborenen (Fig. 5) begegnen wir sehr viel vorge- schritteneren Verhältnissen. Die laterale Portion steht nunmehr in Markhaltigkeit dem definitiven Verhalten nicht fern, doch prä- sentirt sie sich im Ganzen noch ziemlich viel einfacher, übersicht- licher, als später.

Bei Beschreibung des intramedullären Laufs der lateralen Por- tion werden wir zunächst auf jenes Gebiet einzugehen haben, das Lissauer als Randzone bezeichnet hat (Fig. 5).

Das Hinterhorn reicht im Rückenmark des Menschen an keiner Stelle bis an die Peripherie heran (bei einigen Thieren, wie Meerschweinchen, Maus, liegt sie fast an derselben). Die Schichte, durch die sie von derselben abgetrennt wird, stellt sich je nach den Höhen des Rückenmarkes von verschiedener Quer- schnittsgestalt dar; ihre Form hängt wesentlich von der Beschaffen- heit der Hinterhörner ab.

Im Bereich der Lendenanschwellung (Fig. 5) erscheinen letz- tere von plumper, dieker, rundlicher Form. Mit ihrem medialen Drittel stecken sie noch völlig in den Burdach’schen Strängen, die zwei lateralen Drittel ihres hinteren Randes laufen parallel der Peripherie, nahe zu derselben. Die Randzone ist hier also saumartig, schmal, länglich.

Im Brustabschnitt ziehen sich die verschmälerten Hinterhör- ner von der Peripherie etwas zurück; demzufolge erscheint die Grenzschicht in der Querrichtung etwas schmäler, von vorn nach hinten hingegen breiter als unten, doch überwiegt der erstere Durchmesser noch immer über den letzteren.

Die Formänderung setzt sich in gleichem Sinne bis hinauf in den Halsabschnitt fort, woselbst sie ihren Höhepunkt erreicht. Hier tritt die Zone in einer Form in Erscheinung, die gerade das Gegenstück darstellt von der, die sie im Lumbalabscehnitt erkennen liess. Der bei weitem grössere Durchmesser ist nunmehr der sagittale; von rechts nach links erscheint das in sagittaler Richtung längliche Gebiet stark abgeplattet.

Die Abgrenzung dieser Zone ist medianwärts selbst im Rückenmarke erwachsener Individuen stets eine sehr scharfe,

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indem sich die kräftigen, starkfaserigen Bündel der Burdach- schen Stränge von der feinfaserigen Schicht der Randzone mittelst deutlicher, entschiedener Linie absetzen. Nach aussen ist die- selbe indess bei Erwachsenen keine sichere, hier fliesst die Randzone mit den Seitensträngen zu einem gemeinsamen Gebiet zusammen, da letztere ebenfalls vornehmlich aus feinen Elementen bestehen, mithin also kein auffälliges Unterscheidungsmerkmal vor- handen ist. Desto schärfer giebt sie sich aber bei vorgeschrit- tenen Foeten und Neugeborenen zu erkennen, wo die Pyramiden- seitenstrangbahnen der Markscheiden noch völlig entbehren. Im Lenden- und unteren Brusttheil grenzt die Randzone an letztere, in höheren Gebieten ausserdem noch an das hintere Ende der Kleinhornstrangbahn; an die seitliche Grenzschicht der grauen Sub- stanz stösst sie wohl an keiner Stelle direct. Sie ist von dieser, obzwar die Markentwickelung wie wir sahen in beiden Zonen ungefähr parallel vor sich geht, durchaus unabhängig, eine That- sache, die sich auch aus den von Lissauer mitgetheilten Beobach- tungen bei Tabes ergiebt.

Für die Deutung der Lissauer’schen Zone ist zunächst die Thatsache beilangreich, dass sie in den Anschwellungen eine ent- sprechende Zunahme, im Gebiet zwischen denselben eine Abnahme ihres Querschnittes erkennen lässt. Hieraus muss darauf ge- schlossen werden, dass hier eine kurze Bahn vorliege, d. h. eine solche, deren Bestandtheile innerhalb des Rückenmarkes Anfang und Endigung finden.

Forscht man nach der inneren Beschaffenheit der Randzone, so überzeugt man sich, dass man es hier mit einem Gebiet zu thun babe, das zahlreiche Nervenfasern enthalte, an dessen Bil- dung indess auch das Stützgewebe wesentlichen Antheil nehme. Aeltere Forscher hielten die Zone ausschliesslich für eine Ein- senkung der Pia mater und übersahen völlig die Nervenfasern, die nur Einigen aufgefallen waren. Das Stützgewebe findet sich in zwei Formen vertreten: einmal in gleichmässiger Vertheilung, als wahre Grundsubstanz mit ausgesprochenem Neuraglia-artigem Cha- rakter; dann in Gestalt starker Septa, die sich in den hinteren Theitder Rolando’schen Substanz einsenken. Ihre Richtung scheint eine constante zu sein, indem sie stets in sehr schiefem Verlaufe von der Eintrittsstelle der Hinterwurzeln, beinahe parallel der

Rückenmarksperipherie, nach vorn und aussen ziehen. Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 34. 13

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In die Lücken dieser Scheidewände findet sich nun eine bedeutende Anzahl zarter longitudinaler Nervenfasern eingelagert, deren charakteristische Eigenschaft in ihrer losen Anordnung besteht, indem sie sich nirgends eng aneinander legen, in welchem Falle die Zone trotz der Feinheit ihrer Elemente bei schwächerer Vergrösserung die dunkle Färbung der übrigen weissen Substanz zur Schau tragen würde, sondern in gleichmässiger Vertheilung verlaufen. Dies hat zur Folge, dass die Zone eine Färbung erkennen lässt, die ungefähr die Mitte hält zwischen derjenigen der grauen und der weissen Substanz.

Dass man es hier mit einem Bündel zu thun habe, das sich hauptsächlich aus feinen Hinterwurzelfasern aufbaut, kann wohl nach den eindringlichen Beweisen, die man hiefür bei aufmerksamer Durchmusterung der Präparate bekommt, keinem Zweifel unter- liegen. Fast auf jedem Querschnitte gelangen nämlich feine Fasern zur Beobachtung, die sich vom lateralen Rande der eben in das Rückenmark getretenen Hinterwurzelbündel abzweigen, und sich im Gebiet dieser Zone verlieren. Besonders in die Augen springend und man kann sagen constant erscheint ein kleines, etwas compac- teres Bündelchen, das unmittelbar an der Peripherie, eigentlich noch in dem die Randzone bedeckenden Gliaüberzuge eine Strecke nach aussen läuft, um zwichen den lateralen Bestandtheilen dieser Zone zu verschwinden. Das Bündelchen kann indess nur den lateralsten Abschnitt letzterer versorgen; die für medialere Theile derselben bestimmten Fasern stammen aus mehr nach vorn, zwischen Eintrittsstelle und Roland o’scher Substanz gelegenen Stellen der Hinterwurzeln; der Verlauf dieser stets vereinzelten, auf kurze Strecken verfolgbaren Fasern ist parallel mit den Gliasepten; sie gehen schief nach vorn und aussen.

Ich muss indess bemerklich machen, dass es einige, unzwei- felhaft der lateralen Gruppe zugehörige Fasern giebt, die nicht zu Bestandtheilen der Randzone werden, sondern ohne in die Längsrichtung einzulenken, sogleich durch den lateralen Theil der gelatinösen Substanz nach vorn ziehen.

Die Frage, ob alle Fasern der Randzone den Hinterwurzeln entstammen, möchte ich doch nicht so leichthin in bejah@ndem Sinne beantwortet wissen, obwohl ich nicht verhehle, dies für wahrscheinlich zu halten. Es finden sich nämlich Nervenzellen in

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dieser Gegend, deren Verbindung mit diesen Fasern nicht kurzweg von der Hand zu weisen ist.

Prüft man den hinteren Abschnitt der gelatinösen Substanz mit stärkeren Vergrösserungen, so beobachtet man bei Erwach- senen folgende interessante Verhältnisse. Es zeigt sich, dass die eigentliche Formatio rolandica in histologischem Sinne, jene Sub- stanz, die wir oben als hauptsächlich aus verhornten Eetodermzellen ohne Beimischung nervöser Elemente bestehend ausgeführt haben nur einen Theil der sog. Rolando’schen Substanz bildet. Das hinterste Gebiet der letzteren wird durch eine schmale, die eigent- liche Formation in Gestalt eines halbmondförmigen Saumes um- fassende Schicht dargestellt, die sich der näheren Betrachtung als eine von der Rolando’schen Formation wesentlich verschiedene, in ihrer inneren Beschaffenheit sich mehr an die graue Substanz anschliessende Zone kundgicht.

Dieser hintere, von Lissauer als „spongiös“ bezeichnete Abschnitt der Rolando’schen Substanz beherbergt indess auch nervöse Elemente u. zw. dreierlei Sorten: 1) sehr spärliche, spin- delförmige, mittelgrosse, mit dem hinteren Rand der gelatinösen Substanz parallel gelagerte Nervenzellen, 2) ein feines, sehr locke- res, wahrscheinlich aus den Fortsätzen dieser Zellen hervorge- hendes Nervennetz, das die von Lissauer vorgeschlagene Be- zeichnung dieses Gebietes rechtfertigt, das aber häufig nur bei näherer, sehr aufmerksamer Betrachtung erkannt wird, 3) einige bogenförmig nach aussen ziehende Fasern, die unzweifelhaft aus den Hinterwurzeln kommen. Das Fasernetz tritt erst in später Periode der Entwickelung in die Erscheinung d.h. wird spät mark- haltig; man vermisst dasselbe noch im Rückenmarke Neugeborener.

Nun ist es nicht auszuschliessen, dass eventuell einige Bestand- theile der Randzone diesen Nervenkörpern ihren Ursprung verdan- ken. Mehr Wahrscheinlichkeit könnte noch die Annahme für sich haben, dass diese Zellen als Endigungspunkte dienen einigen der lateralen Wurzelportion zugehörigen und eine Strecke als Bestand- theile der Randzone in der Längsrichtung ziehenden Fasern; dieser Vermuthung kann um so mehr Raum gegeben werden, als auch für die anderen Elemente der Randzone wesentlich ähnliche Beziehungen nämlich solche zu den in der Conca- vität der gelatinösen Substanz befindlichen Nervenzellen als wahr- scheinlieh hinzustellen sind, mithin also eine Uebereinstimmung

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vorliegen würde. Natürlich muss man sich hier eines positiven Ausspruchs einstweilen enthalten, gegen die in Rede stehende An- nahme spricht allerdings der Umstand, dass die Lage dieser Zellen hierfür durchaus nicht geeignet scheint, indem sie horizontal und parallel mit der Peripherie gelagert sind, mithin sich also in zweifacher Richtung unter rechtem Winkel zu dem Verlauf der Randzonenfasern verhalten.

Wenn indess eine solche Verbindung auch mit Sicherheit fest- zustellen wäre, so könnte man sie jedenfalls nur für einen Theil der Bestandtheile der Lissauer’schen Zone in Anspruch nehmen. Die fraglichen Zellen sind von viel geringerer Anzahl, als dass man sie für die Endigung aller Fasern der Zone verantwortlich machen könnte. Die Mehrzahl der letzteren schlägt offenbar andere Wege ein. Auch die direete Beobachtung ergiebt dies. Man ge- wahrt nämlich auf jedem Schnitte zahlreiche feine Fasern, die, aus der Randzone hervorgehend, den lateralen Abschnitt der gelatinösen Substanz in gestrecktem Lauf durchsetzen, vor der- selben arkadenförmig nach rechts und links abbiegen und sich schliesslich in dem in der Concavität derselben befindlichen Fasernetz verlieren. Diese zarten Fasern sind auf keine Weise mit den groben Bündeln der mittleren Portion zu verwechseln, sie liegen stets lateral von denselben und sammeln sich nie zu compacten Bündeln wie diese, sondern ziehen stets einzeln, in zer- streuter Anordnung nach vorn, parallel mit den sich zu Längsreihen ordnenden Zellen der Rolando’schen Substanz. Gewöhnlich begegnet man nur ihren Bruchstücken, überaus selten erscheinen sie in ihrem ganzen Verlaufe auf dem Schnitte. Am zahlreichsten gewahrt man sie im lateralsten Theil der Rolando’schen Forma- tion in der unmittelbaren Nähe ihres äusseren Randes, woselbst sie stets einen schwach bogenförmigen Lauf erkennen lassen. Einige von ihnen entstammen, wie gesagt, direct den Hinter- wurzeln, ohne zu Bestandtheilen der Randzone geworden zu sein, hierher gehören jene spärlichen Fasern, die im hinteren spon- giösen Theil der gelatinösen Substanz in querer Richtung verlaufen. Weiterhin begegnet man einigen aus der Randzone hervorgehenden Fasern, die nicht nach Art der übrigen die gela- tinöse Substanz betreten, sondern dieselbe von der äusseren Seite umkreisen, in derselben Weise, wie dies oben für einige von den Bestandtheilen der mittleren Portion angegeben wurde, von denen

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diese Fasern aber auf Grund ihrer Zartheit sicher zu unter- scheiden sind.

In der Concavität der Rolando’schen Substanz breitet sich, ebenso wie wir dies oben beim Meerschweinchen einlässlich schil- derten, ein dichtes, feinfaseriges Nervennetz aus, das in seinen Lücken zahlreiche kleinere Nervenzellen, mitunter auch einige grössere beherbergt. Am deutlichsten markiren sich dieselben im Riückenmarke 30—32cm langer Früchte, wo sie häufig mit Myeloidsubstanz beladen erscheinen, daher bei Weigert’scher Fär- bung durch ihre dunkle Tinktion deutlich zu Tage treten. Das Netz ist sehr reich und wird von mehr longitudinalen Maschen gebildet, dies ergiebt sich daraus, dass eine echte netzförmige Structur nur auf Längsschnitten zur Anschauung kommt, während in Quer- schnitten mehr Faserpunkte überwiegen. Schon bei Neuge- borenen ist dieses Netzwerk zu erkennen, indess noch bei Weitem nicht in seiner späteren Complication, so dass man be- haupten darf, die Elemente desselben erhalten zum grössten Theil in späterer Periode ihre zarten Myelinscheiden. Man hat Grund zur Annahme, dasselbe gehe hauptsächlich aus den Verästelungen der Fortsätze der hier gelegenen Zellen hervor.

Alle Fasern der lateralen Portion mit Ausnahme vielleicht jener, die etwa schon in der „hinteren spongiösen Zone“ ihre Endigung fanden gehen, ob sie nun die gelatinöse Substanz zum Durechtritt benützten, oder an ihrer lateralen Seite nach vorn zogen, in dieses Netz ein. Damit sind wir auch zur Grenze des positiv Eruirbaren gekommen. Ich kann aber nicht umhin, die Annahme als wahrscheinlich zu bezeichnen, dass die in Rede stehenden Fasern durch Vermittelung des Nervennetzes Bezie- hungen eingehen zu den hier befindlichen Hinterhornzellen.

Dass dieses Fasergeflecht und vielleicht durch dasselbe auch dessen Zellen einem Theile der Fasern der hinteren Commis- sur zum Ursprunge dienen, wurde schon oben mit einiger Wahr- scheinlichkeit behauptet. Hierdurch wäre also eine Verbindung hergestellt zwischen Elementen der lateralen Portion und der hin- teren Commissur, indess keine unmittelbare, wie ich das im Gegensatz zu Bechterew’s Angaben betonen muss, sondern eine durch Nervennetz und ev. Nervenkörper vermittelte.

Das ist Alles, was ich über den Verlauf der lateralen Portion

194 Dr. M. v. Lenhossek:

beim Menschen auf Grund meiner Beobachtungen anzugeben vermag.

Noch viel unzulänglicher sind die Resultate, die ich dies- bezüglich bei den von mir untersuchten Thieren erhielt, bei denen diese Portion stets von schwächerer Entwickelung ist, als beim Menschen.

Die Untersuchung des Hunderückenmarks ergiebt dasselbe, was wir soeben ausgeführt haben; dem Mitgetheilten vermag ich nur beizufügen, dass die laterale Gruppe hier in etwas schwächerer Vertretung erscheint als beim Menschen, und nament- lich die Grenzschicht sich schmäler präsentirt. Letztere grenzt sich von den Burdach’schen Strängen ebenfalls sehr deutlich ab, auf Grund ihrer zarteren, und lockerer angeordneten Bestandtheile. Im hinteren halbmondförmigen Theil der gelatinösen Substanz treten uns die bekannten nervösen Bestandtheile: einige Zellen und bogenförmige Fasern sowie ein lockeres Fasernetz entgegen. Der laterale Abschnitt der Rolando’schen Substanz ist von zahl- reichen feinen Fasern durchsetzt, die alle in dem vor derselben befindlichen, mit Zellen beladenen Geflecht endigen. Die Verhält- nisse stimmen also mit denen beim Menschen überein.

Bei der Katze weist das Lissauer’sche Feld erst am 7. Tage einige zerstreute myelinhaltige Elemente auf; von den die Rolando’sche Substanz in ihrem lateralen Theil durchsetzenden Fasern sowie dem Fasernetz in der vorderen spongiösen Zone ist um diese Zeit noch nichts wahrzunehmen. Am 15. Tage beginnt die Markentwickelung auch in diesen Theilen. Im Rückenmarke ausgebildeter Thiere unterscheidet sich die laterale Portion nur durch ihre schwächere Entwiekelung von derjenigen des Menschen.

Beim Meerschweinchen findet man letztere um die Zeit der Geburt bereits zum guten Theil mit Myelinscheiden aus- gestattet, doch stellt sie sich erst am 10. Tage ganz fertig dar. Sie tritt bei diesem Thiere bereits sehr zurück, und ihre spär- lichen Elemente verdienen nunmehr keineswegs den Namen einer selbstständigen Gruppe. Die gelatinöse Substanz wird in ihren inneren zwei Dritteln von der verschmälerten Fortsetzung der Bur- dach’sehen Stränge überzogen, ihr äusseres Drittel drängt sicb indess so gut wie ganz an die Peripherie heran, indem sich hier auf der Oberfläche nur sehr spärliche zerstreute Längsfasern befinden. Eine Randzone ist demnach hier kaum in Spuren vorhanden; die

Ueber den Verlauf der Hinterwurzeln im Rückenmark. 195

entsprechenden Fasern fehlen indess nicht völlig, sondern haben eine andere Lage. Im hintersten Winkel der Seitenstränge er- kennt man nämlich ein Gebiet, wo in den Lücken der hier sehr starken Gliascheidewände ausser starken Fasern auch viele dünnsten Kalibers verlaufen, die sich von den ersteren sehr deutlich unter- scheiden. Diese Stelle scheint in Beziehung zu stehen zu der lateralen Wurzelgruppe; ich bin daher geneigt, sie als Analogon der Randzone zu deuten.

Der hintere Bezirk der Rolando’schen Substanz erweist sich hier ebenfalls als ein nervöses Gebiet. Man erkennt hier einige aus den Hinterwurzeln herkommende Bogenfasern, die theils in das soeben geschilderte Gebiet der Seitenstränge eingehen, theils in die gelatinöse Substanz hineinstreben. Ausserdem finden sich hier 1—2 Nervenzellen sowie ein sehr kümmerliches Nervennetz. Bedeutend stärker präsentirt sich jenes, S. 182 bereits geschilderte Fasergewirr, das vorn in der Concavität der Rolando’schen Sub- stanz und namentlich im äusseren, recessartig vertieften Theil derselben ihre Lage hat. Dieses dichte Netz geht hauptsächlich aus der Verfilzung von Längsfasern hervor Längsschnitte liefern hiervon überzeugende Beweise und enthält in seinen Lücken mehrere kleine Zellen eingelagert. Die äussere Abtheilung der gelatinösen Substanz lässt eine Anzahl feiner Fasern erkennen, die z. Th. direkt den Hinterwurzeln entstammen, z. Th. aus dem hinteren Winkel der Seitenstränge ihren Ursprung nehmen; sie finden alle in dem Netzwerk ihr Ende. Dass sich aus letzterem auch einige Bestandtheile der hinteren Commissur ableiten lassen, wurde schon anlässlich der Beschreibung dieser auseinandergesetzt.

Einer noch grösseren Reduction der lateralen Gruppe begegnen wir bei der Maus. Hier beobachtet man die Eigenthümlichkeit, dass die zwei lateralen Drittel der Rolando’schen Substanz ganz an der Oberfläche liegen; nur hin und wieder gewahrt man hier einige Längsfasern. Innerhalb des hintersten Theiles dieser Substanz finden sich spärliche horizontale, bogenförmig nach aussen ziehende Fasern. Sie gehen in den hintersten Abschnitt der Seitenstränge; diese Stelle erinnert mit Rücksicht auf ihre innere Beschaffenheit an die Randzone: sie weist eine stark ent- wickelte Grundsubstanz und mächtige, sich netzförmig kreuzende Glialsepta auf, zwischen denen, ausser einigen starken, hauptsäch- lich sehr zarte, zerstreute Fasern verlaufen. Man wird nicht

196 Dr. M. v. Lenhossck:

fehlgehen, wenn man diese Ecke, die ich in meiner, das Mäuse- rückenmark behandelten Abhandlung (S. 76) als „spongiöse Zone der Seitenstränge“ bezeichnet habe, für das Analogon der Lis- sauer’schen Zone hält.

Ein sehr auffallender und interessanter Unterschied gegen- über dem Menschen und den anderen untersuchten Thieren macht sich darin geltend, dass die gelatinöse Substanz in ihren äusseren zwei Dritteln hier völlig faserlos ist, nicht ein einziger schwarzer Nervenfaden tritt auf ihrem homogenen, gelben Felde in die Erscheinung. Das Mäuserückenmark ist auf Grund dieses Ver- haltens besonders geeignet zum Nachweis jener Thatsache, dass die Formatio rolandica keine nervösen Elemente beherbergt, sondern sich blos aus verhornten Eetodermzellen und ebensolcher Grund- substanz aufbaut.

Das Nervennetz vor der gelatinösen Substanz erscheint hier in seinen ersten Anfängen und ist an Querschnitten nur durch einige verstreute Faserpunkte und schiefe Bruchstücke vertreten. Aus der erwähnten hinteren Seitenstrangzone treten in dieses pri- mitive Geflecht etliche Fasern ein.

In Betreff der Zeit der Markscheidenentwickelung habe ich folgende Thatsachen in Erfahrung gebracht. Am 18. Tage er- scheint das Gebiet in der hinteren Ecke der Seitenstränge noch bedeutend heller als die übrigen Theile der letzteren, indem von ihren Bestandtheilen nur die in geringerer Zahl vertretenen stär- keren markhaltig sind. Das Nervennetz ist um diese Zeit noch ganz unsichtbar. Beide Theile zeigen sich erst am 25. Tage in endgültiger Markhaltigkeit.

Erklärung der Figuren auf Tafel IX.

Alle Figuren sind mit Ausnahme von Fig. 5 (Reichert Obj, 2 Oe. IT) bei schwacher Vergrösserung, und nach Präparaten gezeichnet, die

nach Weigert gefärbt sind.

Dr.Herzfeld: Beiträgez. Anatomie d. Schwellkörpersd. Nasenschleimhaut. 197

Fig. 1. Querschnitt aus dem Rückenmarke eines 28 cm langen menschlichen Foetus; Lendenanschwellung.

Fig. 2. 36cm langer Foetus, Lendentheil.

Fig. 3. 36cm langer Foetus, Brusttheil.

Fig. 4 Aus dem Rückenmarke eines entwickelten Meerschweinchens, Len- denanschwellung.

Fig. 5. Aus dem Rückenmarke eines Neugeborenen. Hinterhorn und Rand-

zone.

Fig. 6. Schema des Verlaufs der Hinterwurzelfasern im Rückenmark. Die punktirten Theile stellen die in der Längsrichtung verlaufenden Stücke der betreffenden Fasern vor.

Beiträge zur Anatomie des Schwellkörpers der Nasenschleimhaut.

Von

Dr. 3. Herzfeld aus Berlin.

Aus dem anatomischen Institut des Herrn Professor Dr. Zuckerkandl in Wien.

Hierzu Tafel X.

Nachdem schon Kölliker!) behauptet hatte, dass das Schwell- sewebe der Nasenschleimhaut reich an Muskelfasern ist und diese im Verein mit den reichen Venenplexus und vielen Drüsen wesent- lich zur Dicke der Schleimhaut dieser Gegend beitragen, hat Zuekerkandl in allerneuester Zeit die Muskulatur des Schwell- körpers näher beschrieben und nachgewiesen, dass „die weiten

1) Mikroskopische Anatomie des Menschen. II. Band.

198 Dr. J. Herzfeld:

Röhren des Schwellnetzes rings um die Gefässlichtung herum an der äusseren Seite des endothelialen Rohres eine dieke Muskularis führen, die bei der Füllung und Entleerung des Schwellkörpers von grosser Wichtigkeit ist!. Während man nun glauben sollte, dass diese Ansicht allgemein durchgedrungen und anerkannt sei, muss es auffallen, dass ein Forscher von der hervorragendsten Be- deutung auf seinem Gebiete, wie Voltolini, in seinem neu er- schienenen Lehrbuch ?) Seite 11 bei Beschreibung des feineren Baues des Schwellkörpers der Nasenschleimhaut erklärt: „elastische Fasern oder organische Muskelfasern kann ich nicht entdecken.“ Was die elastischen Fasern anbetrifft, so befindet sich Voltolini mit sich selbst im Widerspruch, indem er 9 Jahre früher in seiner Rhinoskopie und Pharyngoskopie Seite 2923) das Balkengewebe des Schwellkörpers folgendermaassen beschreibt: „das Balkenge- webe besteht aus parallelen, scharf contourirten Fasern; es ist Bindegewebe mit vielen Bindegewebskörperchen und sehr zahl- reichen elastischen Fasern, wie dies die Behandlung mit Essigsäure ausweist.“ Selbstverständlich habe ich nur mit der neuesten An- sicht von Voltolini zu rechnen und werde weiter unten darauf zurückkommen. Da nun auch in anderen Lehrbüchern, wie in denen von Henle und Hyrtl, der Muskulatur bei Beschreibung der Nasenschleimhaut nicht gedacht wird und Abbildungen über diesen Gegenstand meines Wissens nach überhaupt nicht vorliegen, entsehloss ich mich auf Veranlassung des Herrn Professor Dr. Zuckerkandl, diese Frage einer neuen Prüfung zu unterziehen, wozu mir im Institut des genannten Herrn gütigst Gelegenheit ge- geben wurde.

Es gewährt wir ein grosses Vergnügen Herrn Professor Dr. Zuckerkandl auch an dieser Stelle für die Unterstützung bei dieser Arbeit, meinen wärmsten Dank auszusprechen.

1) Ueber den Circulations-Apparat in der Nasenschleimhaut von Pro- fessor Dr. E. Zuckerkandl. Besonders abgedruckt aus dem XLIX. Bande der Denkschriften der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Klasse der Kai- serlichen Akademie der Wissenschaften. Wien 1884.

2) Die Krankheiten der Nase und des Nasenrachenraums nebst einer Abhandlung über Electrolyse für Specialisten, Chirurgen und praktische Aerzte von Dr. Rudolph Voltolini, Professor an der Königlichen Univer- sität zu Breslau. 1888.

3) Rhinoskopie und Pharyngoskopie für Specialisten, Chirurgen und praktische Aerzte dargestellt von Dr. Rudolph Voltolini. Breslau 1879.

Beiträge zur Anatomie des Schwellkörpers der Nasenschleimhaut. 199

A priori schon der blosen Analogie nach ist nicht einzu- sehen, warum gerade das Schwellgewebe in der Nase keine Mus- kulatur enthalten soll, während doch alle Beobachter ohne Aus- nahme den corpora cavernosa penis et urethrae reichliche Mengen von Muskelfasern zuerkennen.

Alsdann setzt die klinische Erfahrung, die eigenthümliche Form des An- und Abschwellens des Nasenschwellkörpers, eine Erseheinung, die man sogar während der rhinoskopischen Unter- suchung beobachten kann, doch mit Nothwendigkeit einen musku- lösen Apparat voraus, der seinerseits natürlich wieder unter dem Einfluss von Nerven stehen wird.

Wenn ich nun zur Mittheilung über meine eignen Beobach- tungen übergehe, so erwähne ich zunächst, dass meine Unter- suchungen sämmtlich an der Nasenschleimhaut des Menschen ge- macht worden sind. Zuerst untersuchte ich die regio respiratoria. Ein Stück Schleimhaut der unteren Nasenmuschel wurde auf die bekannte Weise in Paraffın eingebettet und alsdann Serienschnitte gemacht; letztere mit Carmin gefärbt. An derartigen Schnitten sieht man nun schon bei mittelstarker Vergrösserung, dass das Schwellgewebe reich an organischen Muskelfasern ist. Diese sind zum grössten Theil um die Hohlräume des Schwellkörpers und scheinbar auch mitten im Balkennetz meistens querliegend gela- sert. Figur 1 zeigt einen grössern Hohlraum in einem derartigen Präparat, der theilweise mit Blut ausgefüllt ist, im Querschnitt. . In der ganzen Peripherie sind die mit Carmin gefärbten, quer ge- troffenen Muskelfasern sichtbar. Bei a sind einzelne Reste von Muskeln besonders schön ausgeprägt. Bei b sieht man reichliche, mitten im Bindegewebe liegende, zum grössten Theil im Längs- schnitt getroffene Muskelfasern. Hier ist eben die Gefässwand der Länge nach getroffen; freiliegendes, im Gewebe selbst vorhan- denes, von den Venenwandungen unabhängiges Muskelgewebe giebt es nicht. Auf die letztere Frage, ob sich in den bindegewebigen Balken freie Muskelzüge vorfinden, ist Zuckerkandl in seiner vorher erwähnten Arbeit näher eingegangen. Da diese Arbeit im Buchhandel nur in wenigen Exemplaren erschienen und momentan vergriffen ist, dürfte die wörtliche Mittheilung der betreffenden Stelle hier nieht unwillkommen sein. Zuckerkandl äussert sich nun Seite 16 folgendermassen:

„Ich muss noch hinzufügen, dass ich mich bestrebt habe, zu

200 Dr. J. Herzfeld:

erfahren, ob auch in den bindegewebigen Balken Muskelzüge sich vorfinden. Diese Untersuchung hat wohl ein negatives Resultat ergeben, indem an vielen Stellen keine Spur von Muskeln in den Balken zu sehen war, aber bei oberflächlicher Betrachtung könnte man leicht verführt werden, an solche Muskelzüge zu denken; denn es finden sich in vielen Schnitten zwischen den einander zugekehrten Wänden zweier oder mehrerer Venen Muskelstränge untergebracht. Eine genaue und oftmalige Untersuchung des Ge- genstandes lehrt aber, dass man es, bezüglich der genannten Mus- kelstreifen, nicht mit Bestandtheilen der Balken selbst, sondern mit Stücken von abzweigenden oder nachbarlichen Venenstämmen zu thun hat. Es passirt in einem Gewirre von Venen, wie es in einem Schwellkörper vorliegt, sehr leicht, dass man eine Vene quer trifft, eine nachbarliche, sagen wir schräg durchtrennt, und dass der Schnitt eine quere Anastomose zwischen beiden gerade im Muskelstratum durchsetzt. Jetzt erhalten wir im mikroskopi- schen Bilde zwei weite Venenlumina und ein den Zwischenbalken stellenweise deckendes Muskelband, welches man, wie bemerkt, bei oberflächlichem Studium leicht als einen dem letzteren ange- hörigen Bestandtheil betrachten könnte.“

Um ganz sicher zu sein, habe ich die Muskeln auch isolirt am Zupfpräparat dargestellt. Nachdem die ganze untere Muschel in salpetersäurehaltigem Wasser genügend macerirt war, machte ich Zupfpräparate, wobei schon ohne Färbung die Muskulatur deutlich sichtbar wurde. Besonders schön markirten sie sich nach Anwendung der bekannten Doppelfärbung mit Eosin und Haema- toxylin, weil hierbei die Kerne gut hervortraten. Figur 2 zeigt einzelne, derartig gefärbte, isolirte Muskelfasern. Bei a sind nur noch Trümmer erhalten und die Kerne nicht mehr sichtbar. Ist nun hier die Muskulatur sehr stark entwickelt, so finden wir sie an der entsprechenden Partie des Septum nur spärlich, aber sowohl an den Arterien- wie Venenwandungen, sowohl in der regio respiratoria wie regio olfactoria. Hierbei mag gleichzeitig ein anderes Factum Erwähnung finden. Infolge einer Arbeit!) von Bresgen achtete ich bei meinen zahlreichen Serienschnitten,

1) Der Circulations-Apparat in der Nasenschleimhaut vom klinischen Standpunkt aus betrachtet von Dr. Maximilian Bresgen in Frankfurt am Main. Medicinisch-Chirurgisches Centralblatt. 1884. Nr. 49.

Beiträge zur Anatomie des Schwellkörpers der Nasenschleimhaut. 201

die ich vom Septum angefertigt hatte, ganz besonders darauf, ob irgendwo Schwellgewebe vorhanden ist. Bresgen spricht nämlich in dieser Arbeit die ziemlich feste Vermuthung aus, dass die an der Nasenscheidewand intra vitam oft zu beobachtende Schwellung der Schleimhaut, die auf Druck leicht verschwindet und nach Aufhebung des Drucks wiederkehrt, sich nicht allein durch reich- liche Einlagerung von Drüsen erklären lasse und daher Schwell- gewebe enthalten müsse. Auch Dr. Ziem in Danzig schliesst sich dieser Ansicht Bresgen’s in der allgemeinen medizinischen Ceutralzeitung von 1885 an. Aber weder er noch Bresgen haben nach ihren Angaben eigne anatomische Untersuchungen angestellt und schliessen dieses nur aus der klinischen Beobachtung. Letztere Beobachtung habe ich auch häufig machen können und zwar nicht nur am Septum, sondern vielleicht ebenso häufig am Nasenboden. Ich gestehe gerne ein, dass ich bis zur Zeit, wo ich durch eigne Untersuchungen eines andern belehrt wurde, auch stets zur Er- klärung dieses Zustandes, der ja grosse Aehnlichkeit mit dem an den Muscheln darbietet, an das Vorhandensein von Schwel!körpern in diesen Gegenden glaubte. Aber schon der makroskopische Vergleich eines Schleimhautstückes vom Septum mit der Schleim- hautbekleidung der untern Muschel liess mich an der Richtigkeit dieser Annahme sehr zweifeln, da hier ein weiches schwammiges, dort ein mehr festes, solides Gewebe sichtbar war. Auch die mikroskopische Untersuchung der Schleimhaut der Nasenscheide- wand ergiebt keine Gefässformation, welche wir als typisches Sehwellgewebe zu bezeichnen gewöhnt sind. Wohl aber finden wir äusserst zahlreiche Venenplexus, welche letztere im Verein mit den reichlichen Drüsen vollständig hinreichen, um die vorher erwähnte und wohl von allen Nasenärzten gemachte Beobachtung zu erklären. Hingegen hat Zuekerkandl bei den Pflanzen- fressern echte Schwellorgane nieht nur an den Muscheln, sondern auch an der Scheidewand und am Nasenboden nachgewiesen !). Ausser den vorhin beschriebenen Muskeln spielen nun sicher- lich auch die im Schwellgewebe befindlichen elastischen Fasernetze

1) Wiener Med. Wochenschrift Nr. 39, 1884. Das Schwellgewebe der Nasenschleimhaut und dessen Beziehungen zum Respirationsspalt von Prof. Dr. E. Zuckerkandl. (Nach einem im „Verein der Aerzte in Steiermark“ am 30. Juni 1884 gehaltenen Vortrage.)

202 Dr. J. Herzfeld:

beim An-, namentlich aber beim Abschwellen des Organs eine Rolle; wissen wir doch, dass diese, um mit Hyrtl zu sprechen, als Stellvertreter von Muskeln wirken und so bewegende Kräfte sparen können.

Was nun den Bestand des Schwellgewebes an elastischen Fasern anbetrifit, so sind die Angaben hierüber sehr verschieden. Nach einigen Forschern, wie Kölliker, Henle, sollen dieselben sehr spärlich, nach andern, wie Zuckerkandl und der ersten Angabe von Voltolini sehr zahlreich vorhanden sein. Neuerdings kann Voltolini freilich, wie vorher schon erwähnt, überhau pt keine elastischen Fasern im Schwellgewebe entdecken. An vielen Zupfpräparaten, die ich von der unteren Muschel, wo doch der Schwellkörper am besten ausgeprägt ist, anfertigte, konnte ich mich nun von dem grossen Reichthum des Schwellgewebes an elastischen Fasern überzeugen. Waren dieselben schon vorher sichtbar, so traten sie auf Zusatz von Essigsäure erst recht deut- lich hervor und präsentirten sich als grösstentheils sehr feine Fäden, aber stets in grosser Anzahl in jedem Gesichtsfeld.

Dieser grosse Reichthum an elastischem Gewebe wie die vorbin beschriebene Muskulatur, die natürlich unter dem Einfluss des Nervensystems stehen wird, reicht meiner Meinung nach voll- ständig zur Erklärung für das Zustandekommen der Füllung und Entleerung des Schwellkörpers aus. Die Vermuthung Zucker- kandl’s, dass diese Vorgänge vom Ganglion spheno-palatinum abhängen, „welches einerseits bei Füllung des Schwellkörpers vasodilatatorisch wirkt, die Arterienwände und desgleichen die reichliche Muskulatur des Venengeflechts erschlaffen macht und andererseits wieder eine verengernde Thätigkeit ausübt“, ist durch die experimentellen Untersuchungen von Dr. Aschenbrandt!) in Würzburg vollkommen bestätigt worden. Dr. Aschenbrandt gelang es bei Thieren das Ganglion spheno-palatinum bloszulegen. Wurde dasselbe elektrisch gereizt, so nahm das cavernöse Geflecht an der untern Muschel an Volumen bedeutend zu.

Voltolini, der weder Muskeln noch elastische Fasern im Schwellgewebe sehen konnte, stellte nun eine Theorie auf, bei

1) Ueber den Einfluss der Nerven auf die Sekretion der Nasenschleim- haut von Dr. Aschenbrandt, Würzburg. Monatsschrift für Ohrenheil- kunde, sowie für Kehlkopf-, Nasen-, Rachenkrankheiten. 1885. Nr. 3.

Beiträge zur Anatomie des Schwellkörpers der Nasenschleimhaut. 203

der er allerdings weder Muskeln noch elastische Fasern braucht. Nach dieser Theorie gehört!) „der Muschelknochen, so zu sagen, mit zu dem cavernösen Gewebe; er ist der harte Schwamm, welcher in den weichen hineingeschoben ist und ist nicht blos eine feste Stütze dieses Gewebes; er macht es, dass der grösste Tbeil der Gefässe immer offen bleibt und nicht kollabiren kann, weil die Gefässe innerhalb des Knochens mit ihren Wänden befestigt sind. Würden die Gefässe bloss auf der Fläche des Knochens verlaufen, ohne ihn so zahlreich zu durchbohren, so könnten sie 'zwar auch die cavernösen Räume mit Blut erfüllen ; wodurch würde dann aber das ganze Gewebe so zu sagen in Erection erhalten, damit das Blut in die Cavernen gelangen kann wie beim Penis, wo das eavernöse Maschenwerk von der Tunica albuginea ausgeht, welche die Erecetion bewirkt? Die Verhältnisse der Gefässe in der knöchernen Muschel sind ähnlich wie die der venae diploicae am Schädel, die auch, stets offen, beständig eine freie Commu- nication zwischen dem Gehirn und der Aussenfläche des Schädels ermöglichen“ (Voltolini). Obwohl Zuckerkandl diese Theorie in der schon mehrfach erwähnten Abhandiung „Ueber den Cireu- lations-Apparat in der Nasenschleimhaut* als unhaltbar erklärt hat, weil sie sowohl den anatomischen wie physiologischen Ver- hältnissen wiederspricht, kommt Voltolini in seinem neuen Lehr- buch wieder darauf zurück, hält seine Theorie neben der von Zuekerkandl aufgestellten aufrecht und sucht sie dadurch zu beweisen, „dass es höchst auffallend ist, dass gerade die Gegenden der knöchernen Muscheln, wo Schwellgewebe vorhanden ist, von zahlreichen Löchern durehbohrt sind, während die knöcherne Nasenscheidewand glatt wie Glas aussieht.“ In der That ist das Septum ausser einigen leichten Ader- und Nervenspuren meistens ziemlich glatt. Was aber die knöchernen Muscheln anbetrifft, so zeigt die mittlere Muschel, die doch nur am Rande und am hinteren Ende Schwellgewebe trägt, doch in ihrer ganzen Ausdehnung denselben unregelmässigen, zahlreich mit Furchen, Rinnen und Löchern versehenen Bau. Selbst die obere Muschel, wo doch fast gar kein Schwellgewebe vorhanden ist, zeigt auch an vielen

1) Monatsschrift für Ohrenheilkunde etc. Nr. 4, 1877. Nach einem Vortrage mit Demonstrationen der Präparate in der medicinischen Section der schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur von Professor Vol- tolini.

904 Dr. J. Herzfeld:

Schädeln, wie ich mich überzeugen konnte, einen stark durch- löcherten Knochen. Diese Oeffnungen, die man bekanntlich schon mit blossem Auge an der knöchernen Muschel in grosser Anzahl wahrnehmen kann, führen theilweise in grössere Gefässkanäle, die parallel zur Längsachse des Knochens verlaufen. Die Mehrzahl derselben communieirt jedoch mit unregelmässig geformten Räumen des Knochens. Der Gesammtkomplex dieser Räume verleiht dem Gebilde ein spongiöses Aussehen und wiederholt sich hier ein Verhalten, wie dies an vielen anderen Knochen des menschlichen Kör- pers der Fall ist. In den grossen Gefässkanälen verlaufen die Haupt- stämme der Arterien, umgeben von Bindegewebe und Venennetzen; in den unregelmässig geformten Räumen der Muschel, die viel- fach unter einander communieiren, findet sich ganz ähnlich, wie in anderen spongiösen Knochen, Fett- und Bindegewebe durchsetzt von dem typischen Venennetz der Knochen. Die Abzugskanäle begeben sich in das Periost und die abführenden Venen gehen von hier aus weiter in die tiefliegenden Schichten des Schwell- gewebes. Nirgends sieht man das Schwellgewebe in den Knochen sich fortsetzen, wie dies Voltolini beschreibt, sondern überall nur austretende Venen, die in die Periostvenen oder in die Abzugs- kanäle des Schwellgewebes übergehen. Dass diese Venen nichts direkt mit dem Schwellkörper zu thun haben, dass sie vor allem nicht die Bedeutung haben, die ihnen Voltolini zuschreibt, sondern einfach als vasa propria des Knochens anzusehen sind, dafür spricht auch folgender Versuch. Gehörte nämlich der Knochen, so zu sagen, mit zu dem cavernösen Gewebe, worin er, wie Voltolini meint, den harten Schwamm vorstellt, welcher in den weichen hinein- geschoben ist, so dürfte sich der Schleimhautüberzug der knöchernen Muschel von dieser seiner Unterlage nicht leicht ablösen lassen, ohne an vielen Stellen einzureissen. Dieses ist nun aber nicht der Fall. Im Gegentheil gelang es mir bei injieirten Muscheln, bei denen man ja sehr schön jedes in den Knochen eindringende Gefäss sehen müsste, stets sehr leicht die Schleimhaut in toto, ohne auf Widerstand zu stossen, von der knöchernen Muschel abzuziehen. Nur an ganz vereinzelten Stellen sah man aus dem Knochen eine Vene heraustreten, um in das Schwellgewebe einzu- münden. Zur Illustration der eben beschriebenen Verhältnisse verweise ich auf die Figuren 3, 4, 5 und 6 der beigegebenen Tafel. Figur 3 zeigt einen Querschnitt der unteren knöchernen

Beiträge zur Anatomie des Schwellkörpers der Nasenschleimhaut. 205

Muschel, der ungefähr durch die Mitte geführt ist, also dort, wo der Knochen am dieksten ist, bei Loupenvergrösserung gezeichnet, und kann man an demselben deutlich die Markräume erkennen.

Figur 4 zeigt die Venen der knöchernen Muschel. Das Prä- parat ist dadurch gewonnen worden, dass nach vorheriger Injec- tion die Schleimhaut von ihrer knöchernen Unterlage abgelöst ist.

Figur 5 ist dargestellt, um das Fettgewebe mit den Mark- venen einzelner Markräume zu zeigen.

Figur 6 ist der Querschnitt einer injieirten und entkalkten Muschel mit Schwellgewebe und Knochenvenen. Bei a, a sieht man Arterien-Durchschnitte, die noch mit allen Häuten ausgestattet sind. Bei b, b sind die aus den Knochen stammenden Venen, bei ec, e die Lacunen des Schwellgewebes sichtbar, die mit der Injec- tionsmasse gefüllt sind. Letztere Figur veranschaulicht auch gleich- zeitig den Bau des Schwellkörpers sehr deutlich und dürfte viel- leicht noch instruktiver als die Voltolini’sche Abbildung sein.

Wie stellt sich nun die Cireulation im Schwellkörper her resp. wodurch wird der Schwellkörper in einem dauernden Zu- stand von Ereetion erhalten? Nachdem wir gezeigt haben, dass der Knochen ‘der Muschel sich in nichts von einem gewöhnlichen spongiösen Knochen unterscheidet , dass die in demselben verlau- fenden Gefässe als vasa propria ossis aufzufassen sind, dass end- lich das Schwellgewebe zu beiden Seiten des Knochens scharf absetzt (Figur 6), sind wir berechtigt von der Voltolini’schen Theorie abzusehen und voll und ganz die bedeutend einfachere und natürlichere Theorie Zuekerkandl’s anzunehmen. Hiernach sind genau wie bei dem Scehwellkörper des Penis die zuführenden Gefässe einzig und allein die Arterien, welche sich im Perioste, in den Drüsen und in der conglobirten Schichte in 3 capillare Netze auflösen. Aus den Capillarnetzen gelangt das Blut in den Schwellkörper, der vermöge seiner starken Muskulatur eine bedeu- tende Dilatation seiner Räume ermöglicht. Kontrahirt sich nun die Muskulatur des Schwellkörpers, die, wie bereits erwähnt, unter dem Einfluss des Ganglion spheno-palatinum steht, so ergiesst sich das Blut in die abführenden Gefässe, welche selbstverständlich wieder nur die Venen sein können. Man kann nach Zucker- kandl 5 Gruppen solcher, das Blut aus dem Schwellkörper ab- führenden Venen unterscheiden, „von welchen die eine, Plexus nasalis externus, vorwärts gegen die äussere Nasenöffnung, die

Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 34. 14

206 Dr. J. Herzfeld:

zweite und dritte (venae etlımoidales) aufwärts gegen die Schädel- und Augenhöhle, eine vierte rückwärts gegen das Gaumensegel und endlich eine fünfte rück- und aufwärts in die Flügelgaumen- srube zieht.“

Zum Schluss möge es mir noch gestattet sein, mit einigen Worten auf die Bemerkung Voltolini’s einzugehen, dass sich die kolossalen lebensgefährlichen Blutungen der Nase auch nur durch seine Theorien erklären lassen, während Blutungen an einem Sehwellkörper, wo kein Knochen vorhanden ist, wie am Penis, nichts Gefährliches haben und nach Rust (Handbuch der Chirur- gie, Artikel Vulnus penis) meist schon durch styptische Mittel ge- stillt werden können. Nur zum Vergleich will ich. kurz einige Worte aus demselben angeführten chirurgischen Werke von Rust über den Artikel „Epistaxis“ eitiren. Dieser ausgezeichnete Arzt äussert sich über die Prognose der Nasenblutungen folgender- maassen: „Die Prognose ist verschieden nach dem Charakter, nach der Anlage und den ursächlichen Momenten. Im Ganzen ist sie aber nicht so misslich wie bei anderen Blutungen.“ Rust hält nur die Blutungen der Nase für gefährlich, die auf allgemeine Dyserasie oder auf organischen Fehlern „der Brüste und Unter- leibsorgane“ beruhen. Wenn auch aktive Blutungen der Nase zu- weilen bedenklich werden können, so liegt es eben daran, dass man den Ausgangspunkt der Hämorrhagie nicht sehen und ihm infolge dessen nicht beikommen kann, wofür am besten ein von Voltolini selbst beobachteter und in seinem neuen Lehrbuch Seite 120 beschriebener Fall spricht. Hier konnte eine seit Jahren be- stehende schwere Blutung in einer einzigen Sitzung dauernd be- seitigt werden, sobald die locale Ursache der Blutung, nämlich ein Angiom gefunden und dasselbe von Voltolinigalvanokaustisch be- seitigt wurde. Also nicht in „den Gefässlöchern resp. klaffenden Gefässen“ liegt die Gefahr der Nasenblutungen, sondern in der Schwierigkeit des Auffindens der lokalen Ursache.

Resumiren wir uns am Schlusse unserer Arbeit noch einmal kurz, so sind die Resultate unserer Untersuchung folgende:

1) Der Schwellkörper der Nasenschleimhaut ist reich an or- ganischer Muskulatur. Diese liegt aber nicht frei. im Balkenge- webe des Schwellkörpers, sondern bildet wie an allen anderen Körperstellen die Tuniea media der Arterien und Venen und liegt

Beiträge zur Anatomie des Schwellkörpers der Nasenschleimhaut. 207

ferner dicht gedrängt um die Liehtungen der Lacunen des Schwell- körpers.

2) Im Balkengewebe des Schwellkörpers sind zahlreiche, ela- stische Fasern vorhanden.

3) Der Knochen der Muschel ist markhaltig, spongiös. Schwell- gewebe setzt sich nicht in den Knochen fort, sondern Knochen- venen treten aus demselben heraus und begeben sich zu den periostalen Venen und den Abzugskanälen des Schwellgewebes.

Erklärung der Abbildungen auf Tafel X.

Fig. 1 stellt ein Stück eines Querschnitts der unteren Muschel dar. Rings um die Lichtuug der Lacune sind die quer getroffenen Muskelfasern sichtbar. Zu ganzen Nestern angehäuft liegen sie bei a; bei b, b Muskelfasern im Längsschnitt getroffen. Der Innenraum der Lacune ist zum grössten Theil mit Blut ausgefüllt. Bei ce der Durchschnitt einer Drüse sichtbar. Hartn. Obj. 5, Oe. 3.

Fig. 2 zeigt isolirte Muskelfasern; deren Kerne durch Doppelfärbuug mit

Eosin und Hämatoxylin besonders deutlich gemacht worden sind.

Bei a sind nur noch Trümmer von Muskelfasern vorhanden. Hartn.

Obj. 7, Oec. 3.

stellt einen Querschnitt geführt durch den dicksten Theil der unte-

ren knöchernen Muschel dar, um die Markräume des Knochens zu

zeigen. Loupenvergrösserung.

Fig. 4 ist ein Injectionspräparat der unteren knöchernen Muschel, von der die Schleimhaut abgezogen ist. Loupenvergrösserung.

Fig. 5 stellt Mark und Venen aus dem knöchernen Theil der unteren Mu- schel dar. Hartn. Obj. 5, Oc. 3.

Fig. 6. Querschnitt durch die ganze Substanz der unteren vorher entkalkten und injieirten Nasenmuschel. Ringsherum grenzt sich das Schwell- gewebe hart am Knochen ab. a, a Arteriendurchschnitte; bei b, b sieht man sehr deutlich, wie Venen aus dem Knochen heraustreten, um sich in das Schwellgewebe einzusenken: ec, c, e Lacunen des Schwellgewebes. Loupenvergrösserung.

ke 2) os

208 Heinrich Hoyer:

(Aus dem physiologischen Institut zu Breslau.)

Beitrag zur Kenntniss der Lymphdrüsen. Von

Heinrich Hoyer, cand. med.

Hierzu Tafel XI und XÜ.

Auf Veranlassung und unter der Leitung von Herrn Geheim- rath Heidenhain untersuchte ich Lymphdrüsen hinsichtlich des retieulären Gewebes und der in den Drüsen vorkommenden Zell- formen.

Die hier folgenden Ergebnisse der Arbeit beziehen sich aus- schliesslich auf Lymphdrüsen von Hunden.

I:

Der allgemeine Bau der Lymphdrüsen ist durch die grund- legenden Arbeiten verschiedener Forscher ausreichend klar gelegt worden, nur über die Constitution des Reticulums der Lymphdrüsen werden in den verschiedenen Lehrbüchern und vorwiegend den deutschen noch immer auseinander gehende Ansichten ange- troffen.

Leydig!), Toldt?), Frey?°), Krause®), Orth), Schä- fer®) geben an, das Reticulum werde gebildet aus Bindegewebs- zellen und deren Ausläufern, weiche mit denen der benachbarten Zellen anastomosiren. Kölliker’?) hält das Retieulum für ein

1) Leydig, Lehrbuch der Histologie des Menschen und der Thiere. 1857. 2) Toldt, Lehrbuch der Gewebelehre. 1877.

3) Frey, Handbuch der Histologie und Histochemie des Menschen. 1874. 4) Krause, Allgemeine und mikroskopische Anatomie. 1876.

5) Orth, Cursus der normalen Histologie. 1878.

6) Schäfer, Histologie. 1889.

7) Kölliker, Handbuch der Gewebelehre. 1867.

Beitrag zur Kenntniss der Lymphdrüsen. 209

Netz von Bindegewebskörperchen, „doch sind, wie schon Billroth mit Recht angiebt, die Kerne der Zellen in der Regel in der Drü- sensubstanz geschwunden. und nur in den Lymphsinus erhalten“. Faseriges Bindegewebe kommt in gesunden Drüsen bei jüngeren Thieren selten vor, dagegen in Menge bei entarteten Drüsen oder älteren Geschöpfen. .„In solehen Fällen sieht man recht deutlich, dass dasselbe stets in erster Linie als Beleg um die Zellen auftritt.“

Kölliker schliesst weiterhin daraus, dass es sich hierbei um eine unmittelbare Umbildung der Zellen des Reticulums (nament- lich der in den Lymphsinus gelegenen) in Bindegewebsbündel handelt.

Die Ansicht von Schenk!) über das reticuläre Gewebe gebe ich wörtlich wieder: „Es giebt eine Anordnung von Bindegewebe, wie man sie beispielsweise in den Lymphdrüsen oder auch im Centralnervensystem findet, wo von den zelligen Elementen aus, von kleinen knötchenartigen Anschwellungen, ein Netz von Fasern ausgeht, das keine Unterbrechung erkennen lässt, bei dem aber ein inniger Zusammenhang der Fasern unter einander existirt.“

v. Recklinghausen?) lässt es dahingestellt sein, ob an den Knotenpunkten des Netzwerkes, welches aus feinen Fäserchen gebildet wird, die Kerne blos angeheftet oder im Innern der Sub- stanz der Fäserchen in eigentlichen Zellen gelagert sind. Ellen- berger?) spricht sich bei der Beschreibung des reticulären Bin- degewebes direkt gegen die Ansichten von Toldt, Krause u. a. aus und stellt das reticuläre Bindegewebe dar als ein faseriges Gerüst von Bindegewebsfibrillen, dem die Zellen mit ihren Aus- läufern nur anliegen. Mit Ellenberger stimmt Sussdorf?) in demselben Werke bei der Beschreibung der Lymphdrüsen überein. Stöhr®) vertritt keine eigene Ansicht, sondern führt die ältere, bisher gültige, und die eben erwähnte neuere Ansicht neben ein-

1) Schenk, Grundriss der normalen Histologie des Menschen. 1885.

2) v. Recklinghausen, „Das Lymphgefässsystem“ in Strickers Handbuch der Lehre von den Geweben. 1871.

3) Ellenberger, Handbuch der vergleichenden Histologie und Phy- siologie der Haussäugethiere. 1887.

4) Stöh#, Lehrbuch der Histologie und mikroskopischen Anatomie des Menschen. 1887.

210 Heinrich Hoyer:

ander an. Bizzozero!), Ranvier ?) und Klein?) haben endlich nachgewiesen, dass das Netzwerk aus Bindegewebsfibrillen bestehe, welche von Bindegewebszellen und ihren Ausläufern wie von einer Scheide eingeschlossen werden. Diese letzten Befunde wurden zum wesentlichen Theile mittelst der zuerst von His in Anwen- dung gebrachten Methode des Auspinselns oder Ausschüttelns der erhärteten Schnitte festgestellt, ausserdem haben v. Reckling- hausen und Ranvier auch Injectionen von Silbernitrat benutzt.

Zu dem gleichen Resultate wie die letzt erwähnten Forscher gelangte auch ich vermittelst der Methode der künstlichen Ver- dauung mit Trypsin, welche in zweierlei Weise ausgeführt wurde.

Nach der von Kühne*) angegebenen Vorschrift wurden die frischen Mesenterialdrüsen von Hunden mittelst eines Gefriermikro- toms geschnitten, die Schnitte aufeinem Objeetträger ausgebreitet und in einer schwach alkalisch gemachten Lösung von Salieyl-Thymol- Trypsin mindestens 24 Stunden der Verdauung überlassen. Zur Ver- dauung von Lymphdrüsen, die in Alkohol erhärtet waren, benutzte ich mit gutem Erfolge glycerinöses Pancreas-Extract, welches in einem Verhältniss von 1:10 mit Wasser verdünnt und mit kohlen- saurem Natron ebenfalls schwach alkalisch gemacht war. Ich liess Schnitte von 0,01—0,02mm Dicke auf einem Öbjectträger in wenigen Tropfen der Flüssigkeit bei Zimmertemperatur verdauen, und konnte den Verdauungsprozess, welcher nach einer halben Stunde beendet war, unter dem Mikroskop genau verfolgen. Das letzte Verfahren hatte den grossen Vorzug, dass das Reticulum fast vollständig erhalten zur Beobachtung gelangte, wenngleich es unmöglich war ein derartiges Präparat zu färben und aufzube- wahren. Die nach der ersten Vorschrift angefertigten Präparate konnten zwar gefärbt und aufbewahrt werden, hatten aber bei dieser Manipulation erheblich gelitten, so dass immer nur kleinere Theile des Schnittes zur Untersuchung sich brauchbar erwiesen.

1) Bizzozero: I. Sulla struttura delle ghiandole linfatiche. 1872. Re- ferirt in Hoffmann-Schwalbes Jahresberichte. II. Beitrag zur Kenntniss des Baues der Lymphdrüsen in Moleschott’s Untersuchungen zur Natur- lehre. Bd. 11. 1873.

2) Ranvier, Traite technique d’Histologie. 1875.

3) Klein, Grundriss der Histologie. 1886.

4) Kühne, Untersuchungen aus dem physiolog. Instituge der Univer- sität Heidelberg. Bd. 1, Heft 2.

Beitrag zur Kenntniss der Lymphdrüsen. 211

Als besonders vortheilhaft für das scharfe Hervortreten des mikros- kopischen Bildes bewährte sich folgende Behandlung des Präpa- rates. Wenn der Schnitt genügend verdaut erschien, wurde der- selbe von dem überflüssigen Trypsin und den noch vorhandenen unverdauten Zeliresten möglichst vorsichtig mit Wasser gereinigt und dann auf dem Objectträger aufgetrocknet. Hierauf wurden einige Tropfen einer Färbeflüssigkeit (ich benutzte gewöhnliches in Wasser gelöstes Haematoxylin) auf den Schnitt gethan und einige Zeit darauf belassen. Nachdem die Färbung die entsprechende Intensität erreicht hatte, spülte ich den Schnitt wiederum ab und liess die zurückbleibende Feuchtigkeit verdunsten. Aufbewahrt wurde das Präparat nicht in Canadabalsam, da derselbe das Object zu durchsichtig machte, sondern einfach in trocknem Zustande, indem ich das auf das Präparat gelegte Deckgläschen am Rande mittelst Lack auf dem Objectträger festkittete. Auf diese Weise traten die Konturen der feinen Fäserchen des Netzes schärfer hervor.

An den nach diesem Verfahren hergestellten Präparaten ist nun folgendes zu beobachten: Das starke Kapselgewebe der Lymphdrüsen setzt sich unmittelbar in das Gewebe, welches im Innern der Drüse enthalten ist, fort, und zwar in zweifacher Weise: in Form von dicken Faserbündeln (Trabekeln oder Septen), welche in ihrem ganzen Verlaufe feinere Fasern entsenden, und welche sich schliesslich zu einem Netzwerke auflösen, als auch als feine Bindegewebsfibrillen, welche die Lymphsinus oder Lymph- bahnen durchsetzen.

Was das Reticulum im Inneren der Drüse anbetrifft, so nimmt dasselbe je nach der Gegend im Schnitte, der Dicke des- selben und der Vergrösserung ein sehr verschiedenes Aussehen an. Die Fasern des Retieulums erscheinen nämlich, an dünnen Schnitten und bei schwacher Vergrösserung untersucht, in der unmittelbaren Umgebung der Trabekel stärker als ihre Ausläufer, ferner im ganzen Verlaufe der Lymphbahnen und um die in denselben gelegenen grösseren Blutgefässe herum. Fig. 1 giebt die Endverzweigung eines Trabekels in einem Schnitte von 0,15 mm Dieke bei homogener Immersion (Zeiss Y/ıs) betrachtet. Nach der linken Seite hin liegen die dicken von einem Trabekel auslaufenden Balken a, welche sich nach der rechten Seite hin immer mehr verjüngen. Aus dieser Figur ist ferner ersichtlich, dass bereits in den Lymph-

212 Heinrich Hoyer:

bahnen eine Spaltung der dicken Balken in feine Fibrillen zu Stande kommt, wie solche sonst nur in dem Netzwerk der Rinden- knoten und Markstränge vorhanden sind. Bei dünneren Schnitten zerreissen diese feinen Fäden vielfach, sodass nur das gröbere Netz in den Lymphbahnen übrig bleibt.

In der die Flemming’schen Keimcentra der Secundär- knötehen umgebenden Randzone der Rindenknoten ordnen sich die dickeren Bindegewebsfasern mehr in tangentialer Richtung (in Bezug auf die Peripherie des Knötchens) an, wodurch die Maschen des Netzes, wie Fig. 2 zeigt, in die Länge gezogen erscheinen und in dieser Form das Keimcentrum von dem umliegenden Ge- webe abgrenzen. Auf diese Weise kommt die concentrische Schich- tung des Bindegewebes,- wie sie His an ausgepinselten Schnitten beschrieben hat, zu Stande. Nach Innen von dieser Randzone, d. h. in dem Keimcentrum, sieht man dann wieder die Maschen in ganz unregelmässiger Weise geformt, die Fibrillen zu einem äusserst zarten Netzwerk vereint und deutlich gegen das Gewebe der Randzone abgesetzt.

Auch in der Markpartie bildet das starke Netz der Lymph- bahnen einen sichtbaren Unterschied gegen das feine der Mark- stränge, wie es Fig. 3 darstellt, wobei ebenso wie in Fig. 2 kaum wesentliche Unterschiede in der Weite der Maschen zu erkennen sind.

Fig. 4 giebt schliesslich zum Vergleiche noch eine Abbildung des Retieulums aus einer Lymphbahn (nach links oben liegt ein Markstrang) mit den auf den Fibrillen noch haftenden Binde- gewebs- resp. Endothelzellen. Hierbei muss allerdings in Betracht gezogen werden, dass der Schnitt, nach welchem Fig. 4 angefertigt worden, viel dünner ist, als der von Fig. 1, und letztere eine Ab- bildung liefert aller Netzfasern, welche bei verschiedener Focal- einstellung im Gesichtsfelde zum Vorschein kamen, während Fig. 4 das Gesichtsfeld bei unveränderter Focaleinstellung darstellt. Lässt man diesen Umstand ausser Acht, so wird es kaum mög- lich erscheinen, die beiden letzteren Figuren mit einander in Uebereinstimmung zu bringen.

LI.

Die im Nachfolgenden dargelegten Untersuchungen über die zelligen Elemente der Lymphdrüsen bilden im Wesentlichen eine

ie A

Beitrag zur Kenntniss der Lymphdrüsen. 213

Fortsetzung der von Herrn Geheimrath Heidenhain an den Ele- menten des Substrates der Dünndarmschleimhaut gemachten Beob- achtungen!). Zur Färbung seiner Präparate hat Heidenhain vielfach die Ehrlich-Biondi’sche Mischung von Orange G, Me- thylgrün und Säurefuchsin in Anwendung gezogen und damit höchst instruetive Präparate erzielt. Bei Verwerthung derselben Mischung für die Differenzirung der Gewebselemente in den Lymph- drüsen erhielten wir im Wesentlichen übereinstimmende Resultate.

Die frischen Drüsen von Hunden wurden durch 24 Stunden in einer gesättigten Lösung von Sublimat in 0,6%, Kochsalzlösung fixirt, dann sogleich in Alkohol übertragen, entwässert und nach Durchtränkung mit Xylol in Paraffin eingeschmolzen; die mit dem Mikrotom daraus angefertigten Schnitte wurden mittelst schwachen Alkohols auf Objeetträgern festgeklebt, durch Xylol, Chloroform und Alkohol von Paraffin befreit, durch 1—24 Stunden in einer stark verdünnten (1°/,) Lösung des Farbstoffgemisches tingirt, in Alkohol ausgezogen, entwässert, mit Xylol durchsichtig gemacht und in Canadabalsam eingeschlossen.

Die einzelnen Bestandtheile der Drüsen werden durch jeden der 3 Farbstoffe des Gemisches in sehr differenter Weise tingirt, und zwar sämmtliche dem Bindegewebe angehörenden Drüsentheile und Kernkörperchen rosa, alle Zellkerne mit Methylgrün in ver- schiedenen Nüancen zwischen mattem Violett und intensivstem Blaugrün und mit Aurantia die rothen Blutkörperchen orange?). Mit Hülfe der eben beschriebenen Methode lassen sich die 4 von Heidenhain in der Darmschleimhaut nachgewiesenen Zellformen auch in den Lymphdrüsen auffinden. Im Nachfolgenden will ich es versuchen, dieselben bezüglich ihres häufigeren oder selteneren Vorkommens und ihrer Vertheilung in dem Drüsengewebe näher zu beschreiben.

1) Pflügers Archiv. Bd. 43. Supplementheft.

2) Eine solche scharfe Differenzirung tritt bei kurzdauernder Färbung der Präparate (während 1 Stunde) ein, doch hat dieselbe den Nachtheil, dass die Präparate sehr schnell abblassen. Nach 24stündiger Färbung wird die Tinetion dauerhafter, aber die Orangefärbung wird in diesem Falle durch das Säurefuchsin verdrängt. Bemerkenswerth ist ferner für die Lymphdrüsen- untersuchung, dass nur Schnitte von höchstens 0,02 mm Dicke verwendbar sind und nur bei Benutzung von Wasser- oder Oelimmersionssystemen in- structive Bilder liefern.

214 Heinrich Hoyer:

Die erste von Heidenhain aufgestellte Gruppe von „Zellen mit einem sehr kleinen, fast farblosen Protoplasma“ bilden das Gros der in den Lymphdrüsen vorhandenen Zellelemente. Der Kern ist rund und misst im Durchmesser 2—4u«. Mit der Ehr- lieh-Biondi’schen Flüssigkeit färbt sich derselbe grün, das Kern- gerüst manifestirt sich undeutlich durch etwas dunklere Färbung, die Kernkörperchen zeigen in diesen Zellen keine abweichende rothe Färbung. Das Protoplasma umhüllt den Kern meist in einer kaum sichtbaren, sebr schmalen Zone (Fig. 2, Zelle a), oder es erscheint als eine kleine dem Kerne einseitig (Fig. 1, Zelle b, b) oder dop- pelseitig (Fig. 1, c, e) angelagerte Masse. Die soeben beschriebene Zellform bildet constant den wesentlichen Bestandtheil der Rin- denknoten und Markstränge. In den Keimcentris liegen diese Zellen zwischen den gleich zu besprechenden grossen Zellen zer- streut und in den Lymphsinus und Lymphbahnen in grossen Mengen mit anderen Zellformen vermischt.

Die zweite Gruppe nach Heidenhain bilden „die Zellen mit grösserem, hell rosa gefärbten Protoplasma.“ Der Kern die- ser Zellen ist gross, rund oder oval, seine Grösse schwankt zwi- schen 5 und 64, seine Färbung erscheint matt violett. In der hellen Kernsubstanz sieht man deutlich ein etwas dunkleres Ge- rüst, welches sich nach dem Rande des Kernes hin mehr verdich- tet, so dass die Kerngrenze dadurch schärfer wird. An den Kno- tenpunkten der Gerüstfasern liegen ein oder mehrere grosse rothe Kernkörperchen. Das Protoplasma umgiebt den Kern in Gestalt einer I—2 u breiten meist unregelmässig gestalteten Zone (ef. Fig.2). Diese zweite Zellforın findet sich gleichfalls beständig in den Drü- sen, allerdings in viel geringerer Anzahl als die zuerst beschriebenen. Sie liegen meist vereinzelt und zeigen hinsichtlich der Färbung ihrer gesonderten Bestandtheile sehr viele Uebereinstimmung mit den das bindegewebige Reticulum bekleidenden Bindegewebszellen und den Endothelzellen der Capillaren, doch charakterisiren sich die letzteren Gebilde durch ihre Verzweigung resp. ihre Anordnung zu einem Gefäss, während man die oben erwähnten Zellen vielfach ganz isolirt in einer Masche des Retieulums liegen sieht. Ferner ähneln diese Zellen ungemein den von Flemming!) beschriebenen

1) W. Flemming, Studien über Regeneration der Gewebe. Archiv f. mikr. Anat. Bd. 24.

Beitrag zur Kenntniss der Lymphdrüsen. 215

Zellen im Keimcentrum. Derselbe schildert sie in folgender Weise: „Es liegen daselbst Zellen mit grösseren Kernen, aber auch relativ reich an Zellsubstanz, so dass dadurch die Kerne ziemlich ausein- ander gerückt stehen. Daher bei der reinen Kerntinetion die hel- lere Gesammtfärbung des Centrums.“ Die mit der Biondi’schen Flüssigkeit gefärbten Präparate geben im allgemeinen dasselbe Bild, da sich aber noch das Zellplasma schwach mitfärbt, so sieht man auf einem leichtröthlichen Grunde scheinbar ein feines, ziem- lich regelmässiges Netz, dessen Fasern dunkeler roth gefärbt sind, und in jeder Masche einen grossen schwach violett gefärbten Kern, in dessen Inneren sich noch eine zierliche Struktur erkennen lässt. Die scheinbaren Netzfasern werden somit durch die äusseren Con- touren der an einander liegenden Zellen dargestellt. Zwischen diese Zellnetze finden sich noch die eben erwähnten kleinen Leu- koeyten eingestreut, sowie ferner zahlreiche in Karyokinese be- sriffene Zellen, die sich durch die intensiv grüne Färbung ihres Kernes vor den übrigen Zellen auszeichnen. Ausserdem beboach- tete ich hier und dort im Keimcentrum kleine rote oder grüne Körnehen von 1—24: Durchmesser, welche frei zwischen den Zel- len, meistentheils in grösseren Haufen beisammen lagen. Ob es sich hierbei um die „tingiblen Körper“ von Flemming handelt, vermag ich nicht zu entscheiden, da sie nach dessen Angabe grösstentheils im Leibe anderer Zellen eingeschlossen sein sollen.

Die dritte Zellgruppe bilden die Körnchenzellen oder granu- lirten Zellen Heidenhains. Die Kernsubstanz derselben zeigt meist eine charakteristische Gestalt. Entweder ist der Kerm ge- lappt oder in zwei von einander getrennte wandständige Theile zerfallen. Nur selten konnte ich einen einzelnen runden Kern beobachten. Eine Structur ist in demselben nicht zu erkennen. In das im Uebrigen farblose Zellplasma sind kleine runde Körn- chen eingelagert, die sich bei kurzer Färbung orange, bei 24 stün- diger roth färben. Oft liegen dieselben in grosser Anzahl dicht bei einander (Fig. 3 a, b), oft auch nur spärlich und zerstreut (Fig. 3 ec, d).

Auch machen sich recht merkliche Grössenunterschiede wahr- nehmbar sowohl zwischen den Körnchen verschiedener Zellen als auch derselben Zelle (cf. in Fig. 3a und ce, ferner b). Die Grösse der ganzen Zellen beträgt 5—8 w. Auch diese Art von Zellen ist in jeder Lymphdrüse ständig wahrzunehmen, doch

216 Heinrich Hoyer:

schwankt die Frequenz der Zellen innerhalb weiter Grenzen. Oft kann man in einem Gesichtsfelde bei Betrachtung mittelst eines Immersionssystems an jeder beliebigen Stelle des Präparates eine grosse Anzahl dieser Zellen beobachten, in einem anderen Falle muss man lange suchen, ehe man eine oder mehrere granulirte Zellen zu Gesichte bekommt. Relativ am zahlreichsten trifft man sie in den Mesenterialdrüsen von Hunden an, sehr spärlich sind dieselben in den Cervical- und Axillardrüsen vorhanden. Die Inguinaldrüsen nehmen bezüglich der Menge der Zellen eine Mittel- stellung ein. Bei mehreren Hunden konnte ich in letzteren eine bedeutende Vermehrung der Zellen verzeichnen, während in anderen Drüsen derselben Hunde keine merkliche Zunahme zu beobachten war. Bemerkenswerth ist noch, dass, wenn in den Mesenterialdrüsen die Anzahl der Zellen eine sehr grosse ist, in den übrigen Drüsen dies ebenso der Fall ist. In der einzeinen Drüse sind sie in allen Theilen derselben ausser den Keimcentris anzutreffen, vornehmlich liegen sie in den Marksträngen und Lymphbahnen und oft in grösseren Haufen um die diekeren Blut- gefässe herum.

Was die Natur der Körnehen betrifft, so färben sich die- selben in OÖsmiumsäure schwarz und nach Behandlung der in Osmium- säure gehärteten Schnitte mit Müller’scher Flüssigkeit und nach- träglicher Färbung mit Biondi’scher Farbmischung wie die granulirten Zellen in der Dünndarmschleimhaut roth. Die Prüfung, ob sie mit den Ehrlich’schen eosinophilen Zellen übereinstimm- ten), lieferte mir anfangs negative Resultate, weil die angewandte concentrirte Eosinlösung die Schnitte diffus tingirt, so dass die- selben so wenig differenzirt erscheinen, wie ungefärbte Schnitte. Um einen besseren Anhalt zu finden für die Vergleichung der Heidenhain’schen Körnchenzellen mit den eosinophilen von Ehrlich, schlug ich folgenden Weg ein. Ich zerquetschte kleine Stückchen des Knochenmarkes von Kaninchen, welches an eosino- philen Zellen sehr reich ist, zwischen zwei Deckgläschen und liess sie daranf in möglichst dünner Schicht an der Luft trocken werden. Ein Theil der Präparate wurde darauf in Eosin-Glycerin, der andere ohne Vorbehandlung mit Sublimat und Alkohol in

1) Ehrlich, Ueber die specifischen Granulationen des Blutes. Verhand- Jungen der Physiolog. Gesellschaft zu Berlin. 16. Mai 1874. Nr. 20.

Beitrag zur Kenntniss der Lymphdrüsen. 217

Ehrlieh-Biondi’scher Flüssigkeit gefärbt. Die nach der letzten Methode angefertigten Präparate zeigten keine so elegante Fär- bung wie sie in den Drüsenschnitten gewöhnlich erhalten wird. Die Kerne der Zellen erschienen nur blassgrün und die Körnchen mehr braunroth. Die Vergleichung dieser Zellen mit den eosino- philen ergab eine vollkommene Uebereinstimmung in der Form der ganzen Zellen, der Kerne und Körnchen. Noch deutlicher liess sich die Identität der beiden Zellarten an einem Deckglas- präparate nachweisen, welches zu einer Hälfte mit Eosin, zur anderen Hälfte mit Biondi’scher Mischung gefärbt war. Die Zellen in der Mitte des Deckgläschens, auf welche beide Farb- flüssigkeiten eingewirkt hatten, zeigten einen grünen Kern, schwach rothes Protoplasma, ziegelrothe Färbung der Granula. In dem Safte von Mesenterialdrüsen von Hunden, welcher ausgepresst, ge- troeknet und nach der eben beschriebenen Methode gefärbt wurde, liessen sich gleiche Erscheinungen nachweisen. Die Zellen, welche zerrieben und aufgetrocknet werden, nehmen jedoch eine ganz andere Form an, als die in Schnitten enthaltenen: sie erscheinen viel grösser und der Kern undeutlich abgegrenzt. Es gelang mir aber schliesslich aueh in Schnitten mittelst der Eosinfärbung die Körnchenzellen sichtbar zu machen, indem ich zuerst mit einer starken Methylgrün-Lösung die Zellkerne färbte und nachträglich eine ganz schwache wässerige Lösung von Eosin nur ganz kurze Zeit auf das Präpatat einwirken liess. Die Körnchen in den Zellen traten dann intensiv roth gefärbt deutlich zum Vorschein.

Alle meine Bemühungen, die physiologische Bedeutung der Zellen klar zu legen, haben bisher kein entscheidendes Resultat geliefert. Alle Fütterungsversuche, wie sie Heidenhain an Hunden angestellt und in seiner Arbeit näher beschrieben hat, erwiesen einen mehr oder weniger bedeutenden Einfluss auf die Frequenz der granulirten Zellen in dem adenoiden Gewebe des Dünndarms, aufihre Frequenz in den Lymphdrüsen hat sich jedoch ein soleher Einfluss nicht sicher nachweisen lassen. Da wir (s. weiter unten) die Erfahrung machten, dass das Protoplasma von Leukoeyten, welche in der Wärme absterben, stark färbbar wird, stellte Heidenhain die Vermuthung auf, dass die granu- lirten Zellen möglicher Weise aus gewöhnlichen Leukocyten durch Absterben der Zelle hervorgehen, wobei der Kern seine ursprüng- liche runde Form verliere und in dem Zellleibe das Protoplasma

218 Heinrich Hoyer:

in kleinen Partikelehen absterbe, welehe die roth färbbaren Körnchen darstelle. Die zur Prüfung dieser Hypothese angestellten Versuche, beruhend auf Darreiechung von Phosphor oder Arsen (Mittel, welche bekanntlich den Eiweisszerfall in den Zellen des Körpers steigern) an 6 Hunde, ergaben völlig negative Resultate !).

Die Uebereinstimmung der betreffenden Granula mit rothen Blutkörperchen in ihrem Verhalten zum Ehrlich-Biondi’schen Farbstoffgemisch, sowie auch die verschiedene Grösse derselben legten weiterhin die Vermuthung nahe, es könnten die Granula vielleicht aufgenommenen Trümmern von rothen Blutkörperchen entstammen. Diese Vermuthung wurde noch gestützt durch die Beobachtungen von Pouchet?), welcher die von Ehrlich be-

1) Die Versuchshunde waren alle mittelgross.

Dem ersten Hunde wurden mittelst einer Schlundsonde 5 cbem Phos- phoröl (1,0 g Phosphor auf 100g Olivenöl) in den Magen eingeführt; nach 24 Stunden wurde derselbe getödtet. Deutliche Vergiftungserscheinungen waren noch nicht zu beobachten.

Um eine schnellere Wirkung des Phosphors zu erzielen, injieirte ich den übrigen Hunden das Phosphoröl mittelst einer Pravaz’schen Spritze unter die Haut.

Der Hund II erhielt subeutan 2cbem Phosphoröl und wurde nach 48 Stunden getödtet.

Das Gleiche gilt auch für Hund III.

Dem Hunde IV wurden am ersten Tage 2, an den zwei folgenden je 1 cbem Phosphoröl applieirt. 6 Stunden nach der letzten Injection yge- tödtet.

Hund V bekam am ersten Tage 2, an den drei folgenden Tagen je 1 cbem Phosphoröl. Tödtung nach 48 Stunden. Die typischen Vergiftungs- erscheinungen traten bei letzterem Hunde deutlich hervor.

Dem Hunde VI wurde arsenige Säure (1g arsenige Säure als Natrium- salz auf 100g Wasser) subkutan injieirt, und zwar in 10 Tagen 14 cbem. Tödtung 48 Stunden nach der letzten Injection.

Eine starke Vermehrung der Körnchenzellen war nur bei Hund II in allen untersuchten Drüsen zu konstatiren. Doch scheint dieser Hund bereits vor der Applicirung des Phosphors krank gewesen zu sein, da derselbe schon nach der geringen Dosis Phosphoröl am dritten Tage vollständig col- labirt war, und da sich in den Mesenterialdrüsen grosse Herde von gelben Zellen vorfanden, welche auf einen pathologischen Zustand derselben schliessen liessen.

2) Note sur les leucocytes de Semmer et les „Cellules &osinophiles“ d’Ehrlich. Journal de l’anatomie et de la physiologie par Robin et Pouchet Nr. 6. 1880.

Beitrag zur Kenntniss der Lymphdrüsen. 219

schriebenen Farbenreactionen auf rothe Blutkörperchen, die Granu- lationen in den Semmer’schen Leukocyten (Ehrlich’s eosino- philen Zellen) und auf Haemoglobinkrystalle den Meerschweinchen in Anwendung brachte und dabei zu dem Schlusse gelangte, dass diese Gebilde nur durch geringe Farbennüancen von einander differiren, wodurch die Haemoglobinnatur der Granula eher be- wiesen als widerlegt wird. Um nun für die Entscheidung dieser Hypothese einen festeren Anhalt zu erlangen, stellte ich an 4 Hunden Fütterungsversuche mit Toluylendiamin an. Diese Sub- stanz laugt bekanntlich die Blutkörperchen zum Theil aus, so dass nur die Stromata derselben übrig bleiben, theils bewirkt sie einen direkten Zerfall der Körper. Diese letzte Eigenschaft der Sub- stanz hoffte ich für unsere Zwecke verwerthen zu können und eine reichlichere Ablagerung der in Frage stehenden Granulationen in den Elementen der Lymphdrüsen zu erzielen, aber auch diese Versuche erwiesen sich als erfolglos!).

Der vierten Zellform in den Lymphdrüsen gehören diejenigen Gebilde an, welche Heidenhain für die im Untergange begriffenen Leukoeyten hält. Der Kern derselben ist klein rund oder oval und nach Tinktion mit. Biondi’scher Mischung intensiv dunkel blaugrün gefärbt, eine Structur ist an demselben nicht zu erken- nen; das spärlichere oder reichlichere Protoplasma ist intensiv dunkel roth tingirt und zeigt die verschiedensten Variationen der

1) Die Versuche wurden in folgender Weise angestellt: Die Hunde er- hielten das Toluylendiamin entweder in Semmelstücke eingeknetet oder in Gelatinekapseln eingeschlossen, welche ihnen in den Schlund mit dem Finger hinabgestossen wurden. Drei von den Versuchsthieren erhielten grössere Dosen auf einmal, und zwar

Hund I 0,2g, nach 48 Stunden getödtet;

Hund II 0,3g und am vierten Tage danach noch 0,1 g, derselbe wurde nach 24 Stunden getödtet;

Hund IlI 0,5g, Tödtung nach 48 Stunden.

Beim Hunde IV wurde der Vergiftungsprozess mit Absicht in die Länge gezogen, indem der Hund innerhalb 13 Tagen im Ganzen 0,9 & (pro. die mit Unterbrechungen 0,1 g) Toluylendiamin erhielt. Nur bei dem ersten Hunde war die Frequenz der Körnchenzellen bedeutend vergrössert, doch blieb es zweifelhaft, aus welcher Ursache.

Auf die weiteren Beobachtungen hinsichtlich anderer Zellformen in den Drüsen aller dieser Versuchshunde komme ich unten noch zu sprechen,

220 Heinrich Ioyer:

äusseren Gestaltung (cf. Fig. 4). Da die Gestalt des Kernes und des protoplasmatischen Zellkörpers sehr mannigfach gebildet ist, so erwies sich eine Messung dieser Theile als nicht ausführbar. Die Zellen sind in jeder Lymphdrüse anzutreffen, doch liegen sie meist vereinzelt, nur in den Marksträngen oder den Lymphbahnen beobachtet man öfters eine grössere Anhäufung derselben. Da nun Kern und Protoplasma dieser Gebilde ein ganz gleiches Verhalten gegen das Ehrlich-Biondi’sche Farbstoffgemisch zeigen, wie Leukoeyten, welche ins Innere von anderen solchen Fällen aufge- nommen (von Phagocyten gefressen) sind, so erschien es Heiden- hain sehr wahrscheinlich, dass die in Rede stehende Form von Drüsenelementen im Absterben begriffene Gebilde darstelle. Zur Stütze dieser Annahme stellte ich folgende Versuche an: Ich setzte frische dem Thierleibe entnommene Drüsenstücke in bedeckten Glasschalen verschiedene Zeitabschnitte einer Temperatur von 390 C. aus. Die Stücke wurden dann in Zeiträumen von einer Stunde aus den Thermostaten genommen und in gewohnter Weise mit Sublimat und Alkohol weiter behandelt. Es stellte sich hier- bei heraus, dass die Stücke, welche 3 Stunden und länger der Wärmeeinwirkung ausgesetzt gewesen waren, sehr merkliche Ver- änderungen bezüglich des Färbungsvermögens erkennen liessen. Die Kerne der Zellen erschienen mehr diffus dunkelgrün tingirt, während das Protoplasma eine deutlich tief rothe Färbung zeigte. Diese Färbungsunterschiede markirten sich noch deutlicher bei dem Vergleiche dieser Präparate mit solchen, welche von einem Drüsenstücke desselben Hundes hergestellt waren, das sofort nach dem Tode des Thieres in Sublimat eingelegt worden war. Bei mehrfacher Wiederholung dieser Versuche erhielt ich stets das gleiche Resultat. Augenscheinlich ging unter der Wärmeeinwir- kung die Zellsubstanz in Zersetzung über, welche die tief rothe Färbung desselben in dem Farbgemisch bedingte. Vergleichsweise hatte ich Drüsenstücke verschiedene Zeitabschnitte hindurch der Kälte ausgesetzt, wobei die Zellen ganz unverändert geblieben wa- ren und sich in ganz normaler Weise färbten.

Eine fünfte von Heidenhain im Zottengewebe beobachtete Zellform sind die Phagocyten. In den Lymphdrüsen kommen ganz ähnliche Gebilde vor, wie sie Heidenhain beschrieben und ge- zeichnet hat. Auch giebt er an, bei gelegentlicher Untersuchung von Mesenterialdrüsen von Hunden dieselben beobachtet zu haben,

Beitrag zur Kenntniss der Lymphdrüsen. 221

doch möchte ich einstweilen noch unentschieden lassen, ob die Heidenhain’schen Phagoeyten und die jetzt näher zu beschrei- benden Zellen identisch sind.

Es sind dies Elemente von recht verschiedener Grösse und Form. Der Kern in der Grösse ebenso variirend, erscheint meist violett, selten blaugrün gefärbt. Kernkörperchen und Kerngerüst kommen nur undeutlich zum Vorschein. Das Zellplasma tingirt sich bei einer Reihe von Zellen gar nicht, so dass man neben dem Kerne nur gelbe formlose Massen erkennt (Fig. 5, a), oder es ist röthlieh gefärbt, und dann erhält man Bilder wie Fig. 5 b-i. Bei Zelle b liegt ein ziemlich scharf abgegrenztes gelbes Gebilde im Protoplasma. In anderen Zellen sieht man braune rostfarbene Körnchen vereinzelt und auch zu grösseren Haufen vereint einge- lagert. In Fig. 5 e ist noch ein rothes Blutkörperchen in der Zelle eingeschlossen. Je mehr braune Pigmentkörperchen in den Zellen auftreten, um so mehr verliert das Protoplasma die Fähig- keit sich roth zu färben, und man bekommt Bilder wie Fig. 5 Kk und i.

Diese Zellformen sind allerdings stets vereinzelt in den Lymphdrüsen verschiedener Körpertheile anzutreffen; am zahl- reichsten habe ich sie immer in den Halsdrüsen vorgefunden. Be- sonders zahlreich sind sie in Mesenterialdrüsen von Kaninchen. Ihre Verbreitung im Drüsengewebe beschränkt sich vorzugsweise - auf die Lymphbahnen und Markstränge. Eine merkliche Zunahme der Anzahl der Zellen fand sich in allen Drüsen der einzelnen mit Phosphor, Arsen und Toluylendiamin vergifteten Hunde. Da diese Substanzen einen Eiweisszerfall und insbesondere eine Zerstörung der roten Blutkörperehen bewirken, so ist es wahrscheinlich, dass diese Zellen durch Aufnahme der Trümmer von anderen Zellen ein derartiges Aussehen erlangen. Fig. 5 o und p stellt zum Vergleiche Zellen dar, welche in grosser Menge in der Leber von Hunden, die Toluylendiamin erhalten hatten, zu finden waren.

In den Halsdrüsen von Hunden, und zwar besonders reich- lich von älteren Hunden, fand ich als constant auftretende Zell- formen die in Fig. 5], m, n abgebildeten. Anhäufungen derselben markiren sich bereits makroskopisch an den Drüsen als dunkle durch die Capsel hindurehschimmernde Flecken. Auf einem Sehnitte stellten sie sich bei schwacher Vergrösserung als Haufen von braunen Ballen dar, die sich mit einem Oelimmersionssysteme untersucht in

Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 33. 15

223 Heinrich Hoyer:

deutlich zu erkennende Zellen auflösen. Ihre Grösse beträgt un- sefähr 12« im Durchschnitt. Der Kern ist meist nur als heller violetter Fleck sichtbar. In das Protoplasma sind ausserordentlich feine braune Körnchen eingelagert, welche sich stellenweise zu grösseren Ballen vereinigt haben (cf. Fig. 5 m und n). Besonders auffallend sind Zellen wie Fig. 5 g und I. Man beobachtet in denselben an einer Stelle die braunen Pigmentmassen scharf ab- gegrenzt und in dieser abgegrenzten Stelle wie in einem Loche eine andere Zelle, einen Leukocyten liegen, welcher ganz das Aus- sehen der oben beschriebenen abgestorbenen Leukocyten trägt.

Diese Pigmentzellen trifft man in den Halsdrüsen stets in den Marksträngen und in dem Rindenknotengewebe bis zu den Keim- centren hin an. Die Prüfung des Pigmentes auf seinen Eisenge- halt mittels einer Lösung von Ferrocyankalium und Salzsäure oder auch Schwefelammonium gab stets negative Resultate. Ueber die Genese der Zellen kann ich nichts Bestimmtes aussagen. Betrach- tet man in Fig. 5 die Zellen von a—n, dann könnte man wohl zu der Ueberzeugung gelangen, dass die Zellen in dieser Anordnung eine Entwicklungsreihe darstellen, deren Endprodukte die braunen Pigmentzellen repräsentiren. Damit würden auch die Beobachtun- gen von W. Müller!) übereinstimmen, welcher darüber folgende Mittheilungen macht: Nach Blutergüssen oder künstlich erzeugten Extravasaten wird eine grosse Menge von Blutkörperchen den Lymph- drüsen zugeführt. Diese werden zum Theil durch den Lymphstrom weiter befördert, zum Theil in den Lymphdrüsen zurückgehalten und sind dann Ursache einer stärkeren Pigmentbildung. Die Pig- mentmetamorphose beginnt in den Lymphbahnen und von hier ge- langen die dem Untergange bestimmten rothen Blutkörperchen erst in die Follikularstränge, schliesslich in die Follikel. Die Um- wandlung in Pigment geschieht zum grössten Theil im Leibe farb- loser Zellen.

Im Anschluss an diese Darstellung dürfte es am Platze sein, über eine Beobachtung von blutkörperchenhaltigen Zellen. Mittheilung zu machen, die ich gelegentlich an Mesenterial- Lymph- drüsen nach voraufgegangenem Blutergusse am Darme, welcher durch einen experimentellen Eingriff dort hervorgebracht worden

1) Untersuchungen über das Verhalten der Lymphdrüsen bei der Re- sorption von Blutextravasaten. Inaug.-Dissertation. Göttingen 1879.

Eee

Beitrag zur Kenntniss der Lymphdrüsen. 223

war, gemacht habe. In den Lymphbahnen dieser Drüse fand sich eine grosse Anhäufung von blutkörperchenhaltigen Zellen, welche infolge der sehr differenten Färbung recht anschauliche Bilder lieferten (ef. Fig. 6). In dem röthlich tingirten Zellkörper sind neben dem dunklen Zellkern mehr oder weniger zahlreiche intensiv orange gefärbte rothe Blutkörperchen deutlich erkennbar. Die Grösse der Zelle schwankt je nach der Frequenz der auf- senommenen Blutkörperchen. In Fig. 6 g ist noch eine Zelle ab- gebildet, welche neben orange gefärbten Blutkörperchen mehrere runde, ganz schwach röthlich gefärbte Stromata von Blutkörper- chen enthält, dieselben also entweder direkt als solche aufgenom- men hat, oder als Blutkörperchen, aus denen erst nachträglich das Haemoglobin ausgelaugt worden ist. Solche Zellen mit rothen Blutköperchen in ihrem Innern konnte ich dann noch öfters bei der Durchsicht meiner Präparate vereinzelt in den Lymphbahnen normaler Drüsen beobachten.

Ohne zu weitgehende Schlüsse aus’ meinen Beobachtungen ableiten zu wollen, darf ich wohl unbedenklich mit Bezug auf die den Phagocyten ähnlichen Zellformen hervorheben, dass die Lymph- drüsen nicht blos Bildungsorte von Leukoeyten sind, was die Unter- suchungen Flemming’s über allen Zweifel erhoben haben, sondern auch Stätten, an welchen in den Lymphstrom gerathene absterbende Zellen und Zelltrümmer durch Leukocyten aufgehalten und auf- genommen werden, um in ibnen durch weitere Metamorphosen beseitigt zu werden. Dadurch werden die Lymphdrüsen zu Filtrir- Apparaten für die sie durchsetzende Lymphe.

Erklärung der Abbildungen.

Tafel XI.

Fie. 1. Ein Theil der Endverzweigung eines Trabekels. a. Dicke unmittel- bar vom Trabekel auslaufende Fasern. Der Schnitt ist mittels eines Gefriermikrotoms angefertigt von einer frischen Mesenterialdrüse eines Hundes und durch Trypsin nach der Kühne’schen Vorschrift verdaut. Aufbewahrung in trockenem Zustande. Dicke des Schnittes 0,15 mm. Homogene Immersion Zeiss 1/js. Ocular 2. Zeichenprisma. Projektion auf den Arbeitstisch.

224

Heinrich Hoyer: Beitrag zur Kenntniss der Lymphdrüsen.

Fig. 2. Reticulum aus einem Rindenknoten. a. Fasernetz der das Secundär-

Fig.

Fig.

Fig.

knötchen begrenzenden Randzone; b. feines Reticulum des Secundär- knötcehens. Schnitt von einer in Alkohol erhärteten Halsdrüse eines Hundes mittels Glycerin - Trypsin verdaut. Dicke des Schnittes 0,01 mm. Zeiss E. Oc. 2. Die Zeichnung ist nach einem frischen, nicht eingeschlossenen Präparate gemacht. Zeichenprisma. Projektion in die Höhe des Objekttisches.

Reticulum eines Markstranges a und der denselben umgebenden Lymphbahn b. Dieselbe Behandlung und Vergrösserung.

Ein Theil der Lymphbahn von einer in Sublimat erhärteten Mesen- terialdrüse eines Hundes, mit den auf den Bindegewebsfasern noch haftenden Bindegewebszellen. Färbung mit Ehrlich-Biondi’schem Gemisch. Dicke des Schnittes 0,005 mm. Homog. Immers, Zeiss 1/ig. Oc. 2. Zeichenprisma. Projektion auf den Arbeitstisch.

Tafel XL.

Kleine gewöhnliche Leukocyten aus einer Mesenterialdrüse vom Hunde. Sublimat, Alkohol. Färbung in Ehrlich-Biondi'schem Farbgemisch. Zeiss, Wasserimmersion J. Zeichenprisma. Projektion in die Höhe des Objekttisches.

-Grosse Zellen aus einem Rindenknoten einer Mesenterialdrüse vom Hunde. Behandlung und Vergrösserung ebenso.

Verschiedene Formen von Körnchenzellen aus einer Mesenterialdrüse vom Hunde. Dieselbe Behandlung und Vergrösserung.

Im Absterben begriffene Zellen aus der Lymphbahn einer Mesen- terialdrüse vom Hunde. Die gleiche Behandlung und Vergrösse- rung.

a—n verschiedene Zellformen aus Cervicaldrüsen von Hunden. o und p pigmentirte Zellen aus der Leber eines Hundes nach Vergiftung mit Toluylendiamin. Dieselbe Behandlung und Vergrösserung. Vergl. Text.

Zellen mit aufgenommenen rothen Blutkörperchen aus den Lymph- bahnen einer Mesenterialdrüse vom Hunde nach künstlich hervor- gebrachtem Blutextravasate am Darm. Behandlung und Vergrösse- rung ebenso.

Ze re

Ernst Hamburger: Beiträge zur Kenntniss d. Zellen i. d. Magendrüsen. 225

(Aus dem physiologischen Institut zu Breslau.)

Beiträge zur Kenntniss der Zellen in den Magendrüsen.

Von Ernst Hamburger, cand. med.

Hierzu Tafel XII.

Bei den früheren Arbeiten über den Bau der Magenschleim- haut hatten die Autoren sich des öfteren veranlasst gesehen, als Beweis für die Identität oder den Unterschied mehrerer in Frage kommender Zellarten das Aussehen derselben anzuführen, das eine jede von ihnen bei der Behandlung mit diesem oder jenem Farb- stoff annahm. Indessen, wenn auch einige Färbemethoden, vor allem die Doppelfärbung mit Hämatoxylin und Kali chromicum, eine gute Differenzirung mikroskopischer Bilder ermöglichten, gelang es doch nicht, mit ihnen die feineren Unterschiede, auf welche es in den einzelnen Fällen besonders ankam, mit genü- sender Deutlichkeit hervorzuheben. Erfreulicher Weise ergab es sich bei den Untersuchungen, die Herr cand. med. Kovert während des Sommersemesters 1883 im hiesigen physiologischen Institute an den verschiedensten drüsigen Organen mittelst der Ehrlich- Biondi’schen Flüssigkeit vornahm, dass bei Anwendung derselben verschiedene Zellen derselben Drüse auch tinktoriell ein ver- schiedenes Verhalten zeigten. Nunmehr erwuchs die Hoffnung ein Mittel gefunden zu haben, durch welches unter anderem über einige noch strittige Punkte in der Histologie der Magendrüsen Klarheit zu erlangen wäre; deshalb beauftragte mich Prof. Heidenhain, dieselben unter fortgesetzter Anwendung der er- wähnten Flüssigkeit zu untersuchen. Ueber die Färbung selbst ist bereits anderen Orts!) berichtet worden. Weitere Erfahrungen

1) R. Heidenhain, Beiträge zur Histologie und Physiologie der Dünn- darmschleimhaut. Pflüger’s Archiv 1888. Supplementband. 5. 40.

226 Ernst Hamburger:

haben seitdem gelehrt, dass die Flüssigkeit im Laufe von Monaten ihre Mischung ändert, sodass die Färbungen nicht mehr die brillante Röthe zeigen, wie in der ersten Zeit. Man muss dann nachträg- lich Säurefuchsin hinzusetzen; die Menge ist durch eine Anzahl von Färbungsproben zu ermitteln. Gelegentlich wurden andere Färbungen, wie Hämatoxylin mit Kali chromieum oder essigsaurem Kupfer, Eosin, Alaun-Carmin, Hämatoxylin-Alaun ete. gewählt, wobei die Stücke mitunter statt in Sublimat in 97 %,-igem Alkohol oder in Müller’scher Flüssigkeit erhärtet wurden.

Was die zur Untersuchung verwendeten Thiere betrifft, so habe ich den Magen von ca. 30 Hunden, mehreren Kaninchen, Meerschweinchen, Salamandern und Fröschen in den verschiedenen Phasen der Verdauung mikroskopirt. In Uebereinstimmung mit den Resultaten des Herın Kovert fand ich hierbei das Proto- plasma der bald mehr ovalen und linsenförmigen, bald mehr drei- eckigen Belegzellen der Fundusdrüsen dunkel roth gefärbt, in einer Nüance, die ungefähr dem in der Ehrlich-Biondi’schen Flüs- sigkeit enthaltenen Säurefuchsin entspricht, während der Kern dieser Zellen sich blau präsentirte (Fig. 1). Die Hauptzellen da- gegen waren ähnlich wie die Zellen der Pylorusdrüsen fast unge- färbt, mit einem eben noch wahrnehmbaren, meist rosafarbenen Schimmer versehen, nur bei den Pyloruszellen der Meerschwein- chen spielte derselbe ins Bläuliche hinüber. In wie weit hierbei sekretorische Eigenthümlichkeiten, ein Mehr oder Weniger in dem Säuregrade des Magensaftes im Gegensatz zu anderen Thieren in Frage kommen, kann zur Zeit nicht angegeben werden. Den In- halt der Hauptzellen bildeten sparsame, feine Granulationen, die runden blauen Kerne waren nur wenig heller als die der Beleg- zellen. Das Protoplasma der Pyloruszellen war in der Form schma- ler, kurzer Fäden zu erkennen, ihre querovalen, platt an der Mem- brana propria gelegenen Kerne zeigten sich in blauer Farbe (Fig. 2,a). War dieser letztere Befund von untergeordneterer Bedeutung, da er nur eine Bestätigung bekannter Thatsachen enthielt, so war dafür in den Beobachtungen an den Belegzellen ein Beweis gegen die Ausführungen gegebeu, mit denen einzelne Forscher der An- nahme eines spezifischen Unterschiedes zwischen den Drüsen des Pylorus und des Fundus entgegentraten. . Während nämlich Hei- denhain daran festgehalten, dass sich zwar in den Fundusdrüsen in physiologischer, wie in histologischer Beziehung 2 Zellarten

Beiträge zur Kenntniss der Zellen in den Magendrüsen. 227

die Haupt- und die Belegzellen unterscheiden liessen, in den Pylorusdrüsen dagegen nur eine den Hauptzellen ähnliche, obschon nicht mit ihnen identische Zellart auftrete, war in dieser Zeit- schrift von Nussbaum!) und von Stöhr?) berichtet worden, dass sie in den Pylorusdrüsen neben den gewöhnlichen Zellen andere, von diesen verschiedene gefunden hätten, die ihnen wegen des Vorhandenseins gewisser charakteristischer Merkmale als Beleg- zellen imponirten. Nur so viel gaben sie zu, dass diese Zellen sich weit seltener im Pylorus fänden, als die Belegzellen im Fun- dus, dass also immerhin ein gradueller Unterschied zwischen bei- den Magenabschnitten bestehe. Auffallend dabei ist, dass Stöhr seine Zellen mit den vorher von Nussbaum beobachteten iden- tifieirt, obwohl die beigegebenen Abbildungen und die Beschreibun- sen im Text in beiden Arbeiten nicht unerhebliche Abweichungen aufweisen. Nussbaum beschreibt Zellen, deren Eigentümlichkei- ten gegenüber den gewöhnlichen Pyloruszellen nach seinen eignen Worten „die Grösse ihres Zellleibes und Zellkernes und ganz be- sonders die Einlagerung zahlreicher in Ueberosmiumsäure zu schwärzender Körnchen“ ist, Stöhr dagegen spricht von drei- eckigen Zellen, die mit breiter Basis der tunica propria aufsitzen, mit einer schmalen Spitze das Drüsenlumen erreichen und in ihrer basalen Hälfte einen runden oder längsovalen Kern besitzen. Dass diese nicht ganz in Form und Aussehen mit den von Nussbaum abgebildeten Zellen übereinstimmen, giebt er zu, doch glaubt er hierfür in der „geringen anatomischen Vollkommenheit“ der Nuss- baum’schen Zeichnungen eine genügende Erklärung zu finden; dem Umstand, dass seine Zellen sich mit Anilinblan färben, was die Nussbaum’schen nicht thun sollen), schenkt er keine wei- tere Beachtung. In meinen Präparaten nun habe ich das Vor- kommen Nussbaum’scher und Stöhr’scher Zellen neben einan- der beobachtet und glaube annehmen zu dürfen, dass jede dieser beiden Zellarten sich von der anderen in demselben Grade unter- scheidet wie von den gewöhnlichen Pyloruszellen, wie schon ein

1) M. Nussbaum, Ueber den Bau und die Thätigkeit der Drüsen, III. Mittbeilung. Archiv für mikr. Anat. XVI. Band.

2) Ph. Stöhr, Zur Kenntniss des feineren Baues der menschlichen Ma- genschleimhaut. Archiv für mikr. Anat. Band XX.

3) P. Grützner, Pflüger’s Archiv. 1879. Band XX.

228 Ernst Hamburger:

Vergleich der Zeichnungen beider Forscher besser als der eitirte Wortlaut lehrt. Ebenso weit sind aber auch die fraglichen Zellen davon entfernt, Belegzellen zu sein. Fig. 2 zeigt den Querschnitt einer Drüse des Hundepylorus, der mehrere Stöhr'sche Zellen (b) ent- hält. Der Unterschied in der Färbung zwischen ihnen und den Belegzellen (Fig. 1) ist auf den ersten Blick klar; in den letztge- nannten zeichnen sich die zahlreichen, kleinen Körnehen durch einen gesättigten, dunkelrothen Farbenton aus, in den Stöhr’schen Zellen sehen wir höchstens an der Spitze ein etwas lebhafteres Roth, im übrigen Zellkörper aber denselben matten, rosafarbenen Schimmer, den ich als Charakteristikum der Pyloruszellen bereits oben erwähnt habe. Was die Struktur des Zellleibes betrifft, so lassen die Stöhr’schen Zellen eben in Folge der etwas dunkleren Färbung in ihrer inneren Hälfte die fädige Anordnung des Proto- plasmas noch vollendeter erkennen, als es sonst bei den Pylorus- zellen möglich ist, nirgends aber ist in ihnen eine Spur der Körne- lung zu entdecken, wie wir sie in den Belegzellen vor Augen haben. Wie schon Stöhr angegeben, ist der Kern seiner Zellen entweder rund oder längsoval, in den Belegzellen dagegen ist er entweder rund oder senkrecht gegen die Axe der Zelle ausgezogen. Schliesslich haben die Zellen auch nicht immer jene dreieckige Gestalt, sondern erstrecken sich zuweilen als schmale Vierecke von der membrana propria zum Lumen. Alle diese Eigenschaften füh- ren dahin, dass man die Stöhr’schen Zellen weit eher als modi- fieirte Pyloruszellen, denn als modifieirte Belegzellen in Anspruch nehmen darf. Und über das wie? der Modifikation liegt eine Hypothese, für die sich viele Gründe anführen lassen, ziemlich nahe: wir haben es wahrscheinlich mit komprimirten Zellen zu thun. Denkt man sich nämlich die Seitenwände einer Pylorus- zelle durch einen von den Nachbarzellen ausgehenden Druck ein- anander genähert, so wird zunächst der an der Basis liegende querovale Kern je nach der Insensität oder Dauer des Drucks eine runde oder längsovale Form annehmen und dabei das Proto- plasma von der Basis der Zelle nach der Spitze pressen, wo durch das enge Nebeneinander vieler Protoplasmafäden die Färbung deut- licher wird, als unter normalen Verhältnissen. Für diese Annahme spricht auch der Umstand, dass die übrigen Zeilen in den Schläu- chen, in denen Stöhr’sche Zellen sich finden, ganz besonders breit zu sein pflegen. Ueber die Bedingungen, unter denen eine

Beiträge zur Kenntniss der Zellen in den Magendrüsen. 229

derartige Compression stattfindet, lässt sich vermuthen, dass sie in der durch lange andauernde Absonderung erzielten Spannungsab- nahme im Inneren mancher Zellen und ihrer daraus resultirenden geringen Widerstandsfähigkeit gegen den Druck gefüllter Nach- barzellen gegeben seien. Unterstützt wird diese Annahme dadurch, dass die betreffenden Zellen sich immer dann in grosser Menge finden, wenn eine stärkere Thätigkeit der Magendrüsen voraufge- sangen; so gehört Fig. 2 zu dem Pylorus eines Hundes, der durch Einführung trockener Schwämme in den Magen zu gesteigerter Sekretion angeregt wurde.

Ganz anders ist das Bild, das die von Nussbaum be- schriebenen Zellen darbieten. Zunächst findet man sie bedeutend seltener, als die Stöhr’schen Zellen, welche fast in keinem län- gere Zeit thätig gewesenen Magen fehlen. Fig. 3 vereinigt behufs Veranschaulichung mehrerer Varietäten in ihrer äusseren Form drei Nussbaum’sche Zellen (a), aus verschiedenen Drüsenquer- schnitten in denselben Querschnitt eingetragen, die einzigen, die in etwa zwölf Präparaten desselben Pylorus auftraten. Nie habe ich in einem Drüsenschnitt mehr als eine solche Zelle wahrgenommen. In ihren Umrissen zeigen sie freilich eine gewisse Aehnlichkeit mit den Belegzellen, ebenso könnte eine flüchtige Beobachtung wegen der ähnlichen Nüaneirung auch eine Uebereinstimmung in der Färbung zwischen beiden Zellarten vortäuschen. Bei näherem Hinsehen wird man indess bemerken, dass ihr Inneres diffus roth gefärbt ist und dunkie schwarze Körnchen enthält, während sich in den Belegzellen distinkte, rothe Körnchen von einem weissen, ungefärbten Untergrund abheben. Der letztere Befund ist für die Belegzellen bezeichnend. Um denselben festzustellen, müssen die Schnitte gut gefärbt und hinreichend dünn sein. Ebenso deutlich ist der Unterschied an frischen Präparaten: zerzupft man eine Magenschleimhaut in 0,6 °/,iger CINa-Lösung, so haben die Beleg- zellen ein helles, die Nussbaum’schen Zellen ein vollkommen dunkles Aussehen. Ueber die physiologischen Eigenschaften die- ser Nussbaum’schen Zellen weiss ich keine Angabe zu machen. Ein Zusammenhang ihres Auftretens mit einer Zunahme oder Ab- nahme der Magenthätigkeit war nicht zu konstatiren, und es lässt sich nur sagen, dass wir es in ihnen mit Zellen von unbe- kannter Bedeutung, die weder als Belegzellen noch als Pylorus-

230 Ernst Hamburger:

zellen aufzufassen sind, zu thun haben. Ihr verhältnissmässig sel- tenes Vorhandensein lässt sie wenig wesentlich erscheinen.

Der weitaus grössste Theil meiner Untersuchungen galt Vor- gängen in den Belegzellen des Fundus. Bei früheren Arbeiten über das Epithel des Magens war es nämlich Heidenhain auf- gefallen, dass hier und da Belegzellen vorkämen, die einen Aus- fall an Protoplasma erlitten zu haben schienen derart, dass sie an einzelnen Stellen wie durchlöchert aussahen. Das Auftreten solcher Vakuolen war in der einschlägigen Literatur vorher nur von Stöhr beachtet worden, der in seiner bereits oben von mir angeführten Arbeit einige kurze, allgemeine Bemerkungen über ihre Grösse und ihre Zahl macht und im Anschluss hieran die Vermuthung ausspricht, dass ihr Erscheinen wohl nicht von einem Absterben der Belegzellen Kunde gebe, sondern mit deren Funk- tion in Zusammenhang stehe. Daauch Herr Geheimrath Heiden- hain diese Ansicht theilte, gab er mir bei Beginn meiner Arbeit die Weisung, mein Augenmerk vor allem darauf zu richten, wann den zu untersuchenden Thieren ihre letzte Nahrung verabreicht worden sei, und in jedem Falle unmittelbar nach der Tödtung des Thieres die Reaktion der Magenschleimhaut durch Lakmus- papier zu prüfen. Der Befund dieser Untersuchungen war nun ein so konstanter, dass an einem Zusammenhang zwischen der Thätigkeit der Belegzellen und dem Sichtbarwerden von Vakuolen wohl kaum noch zu zweifeln ist. So oft das Thier einige Stunden vor dem Tode ordentlich gefressen hatte, zeigte ein grosser Theil der Belegzellen entweder an seiner Innenseite an Stelle der konvexen oder in eine Spitze auslaufenden Begrenzung eine kon- kave, halbmondförmige Ausbuchtung, die sich weit in den Zellleib hinein erstreckte, oder, wie es Fig. 4 (a) illustrirt, in dem Zellleib selbst ein rundes ‘oder ovales Loch von wechselnder Grösse. Her- vorzuheben ist, dass besonders im Drüsenhals die Vakuolen um- fangreich zu werden pflegen, wie denn auch Fig. 4 den oberen Theil eines längsgetroffenen Drüsenschlauches unmittelbar unter dem Epithel wiedergiebt. Die beiden eben von mir erwähnten Formen der Vakuolen sind keineswegs ausschliesslich vorhanden, vielmehr finden sich eine Menge Abweichungen von diesen am häufigsten erscheinenden Gestaltungen, sodass also z. B. der Aus- schnitt nicht halbmondförmig, sondern spitzwinklig ist, oder die kreisrunden Löcher bald mehr im Centrum, bald mehr an der

Beiträge zur Kenntniss der Zellen in den Magendrüsen. 231

Peripherie der Zelle liegen. Ja, in ganz vereinzelten Fällen ist sogar noch in der Einziehung ein besonderer Gipfel zu unterschei- den, sodass man von zwei Vakuolen zu reden berechtigt ist. Immer lag der Kern der Belegzelle hart an der Vakuole an und in besonders günstigen Fällen, wenn der Schnitt gerade in der entsprechenden Ebene geführt worden war, konnte man deutlich eine Communikation der Vakuole mit dem Innenraum der Drüse sehen. Ein schmaler Gang führte alsdann von der Vakuole bis ins Lumen, ohne eigene Wandung, nur von den beiden benachbarten Hauptzellen flankirt, und die Vakuole selbst erschien nur als eine plötzliche Verbreiterung dieses Ganges (Fig. 5). Dass dieser Gang nicht immer sichtbar wurde, lag lediglich an der Richtung der Mikrotomschnitte, der es auch zuzuschreiben ist, dass die Vakuolen so oft den Eindruck intracellularer Lücken machten, die mit der übrigen Drüse nicht in Verbindung ständen, Da indess die ein- zelnen Schnitte sich in ihren Diekenverhältnissen zwischen 0,005 und 0,01 mm bewegten, der Durchmesser einer Belegzelle aber über dieses Maass hinausgeht, liess sich dieser Uebelstaud nicht vermeiden.

Ueber den genaueren Zusammenhang zwischen der Thätig- keit der Magendrüsen und dem Auftreten der Vakuolen wurde folgendes ermittelt: wie nach früheren Beschreibungen!) die Beleg- zellen in ihrem sonstigen histologischen Verhalten im Verlauf der Verdauung in den einzelnen Stunden verschiedene Bilder bieten, so sind auch hinsichtlich der Vakuolen mehrere zeitliche Abschnitte zu unterscheiden. Unmittelbar nach der Nahrungsaufnahme bis segen das Ende der dritten Stunde ist von Vakuolen noch keine Spur zu entdecken, in der vierten Stunde treten vereinzelt kleine Vakuolen auf, die an Zahl und Grösse immer mehr zunehmen, um am Ende der sechsten Stunde maximale Entwicklung und maximale Verbreitung zu erreichen. Von diesem Zeitpunkt an ist bis in die zehnte oder zwölfte Stunde eine Veränderung nicht zu konstatiren, indem sich die Vakuolenbildung so lange auf gleicher Höhe hält, dagegen von der zwölften Stunde an nimmt sie all- mählich ab, manchmal schon etwas früher —, und Thiere, die fünfzehn Stunden nach der letzten Fütterung geschlachtet wurden, zeigen nur noch sehr spärlich oder überhaupt nicht mehr Vakuolen.

1) L. Hermann, Handbuch der Physiologie V, 1.

232 Ernst Hamburger:

Selbstverständlich geben diese Zahlen nur Durchschnittswerthe wieder, da die einzelnen Drüsen eines Magens nicht alle gleich- zeitig thätig sind und infolgedessen zu keiner Zeit in ihrem Aus- sehen vollkommen übereinstimmen. Eine Bestätigung erhielten diese Beobachtungen, wenn den Thieren die Nahrung längere Zeit entzogen wurde; die kleinen Belegzellen dreier Hunde, die 48 Stunden nichts gefressen hatten, waren vollkommen frei von Vakuolen. Liess man aber die Thiere. noch länger, etwa vier Tage, hungern, zwei Mal wurde dieser Versuch angestellt —, so traten von neuem Vakuolen auf, in denen wohl die spontane Sekretion von Magensaft bei lange dauernder Inanition ihren Ausdruck findet. Auf der andern Seite bewirkte die bereits er- wähnte Einführung trockner Schwämme in den Magen eines Hundes, die eben zur Untersuchung dieser Frage vorgenommen wurde, dass schon nach ca. vier Stunden die Vakuolen so zahl- reich waren, wie sonst in späteren Stunden der Verdauung. Eine hemmende Wirkung scheint das Chloroform auf die Thätigkeit der Magendrüsen auszuüben, wenigsten waren ceteris paribus bei Thieren, die nach längerer Narkose getödtet wurden, stets weniger Vakuolen zu finden als bei nicht narkotisirten.

Da Stöhr mittheilt, er habe in den Vakuolen Sekretan- häufungen wahrgenommen, und es ohnedies zu erwarten war, dass das Sekret da, wo es gebildet wird, sichtbar werden würde, wurden alle Präparate von mir daraufhin durchgemustert, ohne dass es mir jemals gelang, in einer Vakuole oder in ihrem Aus- führungsgang etwas, was auf eine Anhäufung von Sekretbestand- theilen deutete, zu bemerken. Selbst als ich einen Fundus in eine Lösung von AgNO, brachte, in der Hoffnung, dadurch in den Vaku- olen eine Fällung von AgCl zu erzielen, ergaben sich keine positiven Resultate. Endlich bekam ich an dem Magen eines Hundes, der zu andern Versuchszwecken mit Toluylen-Diamin vergiftet worden war, und dessen Fresslust infolgedessen bedeutend herabgesunken war, Bilder zu Gesicht, in denen die Belegzellen ausser ihrem Kern noch ein oder mehrere runde Körperchen enthielten. Von dem Kern unterschieden sich dieselben durch ihre hellere Färbung, sowie dadurch, dass sie stets von einem Hof von homogener, hellrother Farbe umgeben waren. Ihre Lage innerhalb der Beleg- zelle war eine sehr wechselnde, bald befanden sie sich in der Mitte des Zellleibes, bald im peripheren Theil, bald auch am

Beiträge zur Kenntniss der Zellen in den Magendrüsen. 233

äusseren Rand der Zelle, so dass sie in diesem eine an die Va- kuole erinnernde Delle hervorriefen. An einigen Präparaten waren sie an dem inneren, an die Hauptzellen anstossenden Rande zu sehen, in anderen waren sie zwischen zwei Belegzellen eingekeilt, zuweilen traten sie vollkommen ausserhalb der Drüse im Binde- gewebe, zuweilen im Lumen auf. Ein Mal auf diese Erscheinun- gen aufmerksam gemacht, fand ich sie an anderen Hunden wieder und von den Fig. 4 (b), 6 und 7, die sie erläutern, stammen nur die beiden letztgenannten von dem mit Toluylendiamin gefütterten Hund, während Fig. 4 im Gegentheil, wie schon die zahlreichen Vakuolen in den anderen Zellen beweisen, einem ungewöhnlich thätigen Magen entnommen ist. Aus diesem Umstande, d. h. dem Auftreten der Körperchen bei vermehrter, wie bei verminderter Thätigkeit der Magendrüsen, ergiebt sich schon zur Genüge, dass wir in ihnen kein Sekret vor uns haben, wenn es auch möglicher- weise dieselben Gebilde sind, dieStöhr als solche gedeutet hat. Sehr wahrscheinlich sind es dieselben Körperchen, die Heiden- hain schon vor langer Zeit durch ihre tief dunkle Gelkfärbung bei Behandlung mit Kali biehromieum aufgefallen waren !), für die aber damals eine genügende Erklärung sich nicht finden liess. Bemerkenswerth ist, dass sie nie in einem der Ausführungsgänge, welche die natürlichen Ableitungswege des Sekretes bilden, anzu- treffen waren, sowie dass mitunter mehrere solcher Körperchen in ein und derselben Zelle auftraten, entweder dieht neben einander oder in bestimmten Abständen. Unter Berücksichtigung all dieser Thatsachen kommt man auf den Gedanken, in den Körperchen mobile Elemente zu erblicken, welche in die Belegzellen einzu- dringen suchen, hierbei die Wand derselben ein wenig eindrücken, nach Ueberwindung dieses Widerstandes aber ins Innere der Zelle gelangen, mit einem Worte als wandernde Leukocyten. Für diese Auffassung spricht auch ihr Aussehen bei der Behandlung mit der Ehrlich-Biondi’schen Flüssigkeit, da bekanntlich ?2) nach dieser Färbung eine Gruppe von Leukocyten einen kleinen, fast farblosen Protoplasmaleib und einen hellen Kern mit blauen Pünktchen aufweist. Dass Leukocyten, sobald sie in einer binde-

1) R. Heidenhain, Untersuchungen über den Bau der Labdrüsen. Archiv für mikr. Anat. Band VI.

2) R. Heidenhain, Pflüger’s Archiv. 1888. Supplementband.

934 E. Hamburger: Beiträge z. Kenntniss d. Zellen in d. Magendrüsen.

gewebigen Schleimhaut in dichten Follikeln nahe unter der Öber- fläche liegen, mit Vorliebe ihren Aufenthaltsort verlassen und sich zwischen den Zellen der über ihnen befindlichen Gewebslagen hin- durch einen Weg ins Freie bahnen, ist nicht nur ein in patholo- gischen Fällen häufig beobachteter Vorgang, sondern neuere Unter- suchungen!) haben ihn auch an normal funktionirenden Organen demonstrirt. Die Deformationen, welche hierbei die Seitenwand der Zellen, die den Weg einschliessen, erleidet, erinnert sehr an die Einbuchtungen, die hier beim Magen am Aussenrande der Belegzellen entstehen. Auf ihrem Wege scheinen die Leukocyten zum Theil zu Grunde zu gehen. Denn im Innern der Belegzellen machen sie nieht selten durch undeutliche Conturirung und be- ginnende Schrumpfung den Eindruck absterbender Zellelemente. Hinsichtlieh ihrer physiologischen Bedeutung kann ich nichts mit- theilen, da sie, wie erwähnt, bei nüchternen wie bei gut gefütter- ten Thieren vorkommen.

Erklärung der Figuren auf Tafel XII.

Die Zeichnungen wurden sämmtlich mit Hülfe des Oberhäuser’schen Zeichenapparates unter Anwendung der Wasserimmersion von Zeiss 1, Ob- jektiv 5 in der Höhe des Objekttisches aufgenommen.

Fig. 1. Querschnitt einer Fundusdrüse von einem in der zweiten Stunde der Verdauung getödteten Hunde.

Fig. 2. Querschnitt einer Pylorusdrüse von einem mit Schwämmen gefüt- terten Hunde aus der fünften Stunde der Verdauung mit Stöhr- schen Zellen (b).

Fig. 3. Schematische Zeichnung des Querschnittes einer Pylorusdrüse vom Hunde aus der fünften Stunde der Verdauung: in einen Quer- schnitt sind drei Nnssbaum’sche Zellen (a) aus drei verschiedenen Drüsenquerschnitten eingetragen.

Fig. 4. Längsschnitt des Drüsenhalses und oberen Theiles des Drüsenkörpers aus dem Fundus eines Hundes in der achten Stunde der Verdauung. Enthält Belegzellen mit Vakuolen (a) und eine Belegzelle mit einem Leukocyten (b).

1) Ph. Stöhr, Zur Physiologie der Tonsillen. Biolog. Centralblatt. Band I. Nr. 12. Derselbe. Ueber Mandeln und Balgdrüsen. Virchow’s Archiv. 97. X.

Max Teichmann: Der Kropf der Taube. 235

Fig. 5. Querschnitt einer Fundusdrüse von einem Hunde aus der siebenten Stunde der Verdauung: Vakuole mit Ausführungsgang.

Fig.6 u. 7. Querschnitte einer Fundusdrüse von einem mit Toluylendiamin ver- eifteten Hunde, etwa zwanzig Stunden nach der letzten Nahrungs- aufnahme. In beiden Belegzellen mit Leukocyten.

(Aus dem physiologischen Institut zu Breslau.)

Der Kropf der Taube. Von

Max Teichmann, cand. med.

Der Kropf ist ein Gebilde, welches bekanntlich einigen we- nigen Klassen der Vögel eigenthümlich ist. Wo er sich findet, stellt er eine Erweiterung der Speiseröhre dar, die entweder ein- fach mitten vor dem Oesophagus liegt oder in zwei Abschnitten seitlich von demselben sich hervorwölbt. Jene Form zeigt er bei- spielsweise beim Huhn, diese bei der Taube. Von vornherein ist zu bemerken, dass der Kropf nicht für alle Vögel, bei denen er überhaupt vorkommt, die gleiche funetionelle Bedeutung zu haben scheint.

In dieser Hinsicht unterscheidet eine neuere Arbeit von H. Gadow!) den „Haut- oder Schlundkropf“ von dem „echten oder wahren Kropf“.

Der Sehlundkropf dient nur als Speicher für überflüssige Nahrung und verhindert eine Ueberfüllung des Magens bei unge- störter Befriedigung des Nahrungsbedürfnisses. Denn der Kropf entleert sich ganz allmählich; ich habe bei hungernden Tauben noch nach 24 und mehr Stunden Speisereste von der letzten Nah- rungsaufnahme herim Kropfe gefunden: TiedemannundGmelin?)

1) H. Gadow, Vergl. Anatomie des Verdauungssystems der Vögel. Jenai’sche Zeitschr. f. Naturwissenschaften. XII. 2) Tiedemann und Gmelin, Die Verdauung. Heidelberg 1827.

236 } Max Teichmann:

beschrieben Aehnliches. Der Haut- und Schlundkropf wäre dem- nach nichts anderes, als eine Erweiterung der Speiseröhre, wie sie abnormer Weise auch beim Menschen vorkommt.

Anders verhält sich der „wahre Kropf“, die Form, welche sich bei den Columbae und Rasores findet. Ich habe meine Un- tersuchungen fast ausschliesslich an Tauben angestellt, theils weil diese am ehesten zu beschaffen waren, theils wegen einer Besen- derheit, welche der Kropf bei ihnen zeitweise darbietet.

Die einzige ausführlichere Arbeit über den Kropf der Taube hat, soviel ich ermitteln konnte, ©. Hasse!) im Jahre 1865 ver- öffentlicht. Dieser Arbeit verdanke ich auch zahlreiche Angaben über die ältere Litteratur meines Themas. Wenn ich die Ergeb- nisse der älteren Forscher zusammenfasse, so sind es etwa fol- gende: Einige Autoren, wie Neergaard?) Howe und Ley- dig?), behaupten, dass der Taubenkropf Drüsen enthalte, Hasse bestreitet diese Angabe. Was Leydig als „beutelförmige, mit Septenbildung ausgestattete Drüsen“ beschreibt, hält Hasse für den Ausdruck einer feinen Faltung der Propria, hervorgerufen durch die. Contraction der Muskelfasern des Kropfes. Hasse giebt an, dass erst im unteren Theile der Speiseröhre, also unter- halb des Kropfes, Drüsen vorkommen, und zwar in längsverlau- fenden Leisten concentrirt. Der Kropf selbst, insbesondere die Seitentheile, welche durch ihre feine Faltung dem blossen Auge als drüsige Stellen imponiren, seien vollkommen drüsenfrei.

Wenn also über die Anwesenheit von Drüsen im Kropfe die genannten Autoren uneinig sind, so besteht in einem anderen Punkte zwischen ihnen in der Hauptsache volle Uebereinstimmung, und es schliessen sich ihnen darin noch Cl. Bernard®), Milne Edwards’) u.a.an: Es ist dies die von John Hunter zuerst be- richtete Erscheinung, dass der Kropf der Taube wenige Tage vor

1) C. Hasse, Ueber den Oesophagus der Taube. Henle u. Pfeuffer’s Zeitschrift für rationelle Medicin. 3. Reihe. Bd. 23.

2) J. W.Neergaard, Vergl. Anatomie und Physiologie der Verdauungs- werkzeuge der Säugethiere und Vögel. Berlin 1886.

3) Leydig, Lehrbuch der Histologie. Frankfurt 1857.

4) C1. Bernard, Lecons sur les proprietes physiologiques etc. de liquides de l’organismes Xieme lecons. Paris 1859.

5) H. Milne Edwards, Lecons sur la physiologie et l’anatomie compar&e. T. VI. Paris 1860.

Der Kropf der Taube, 237

und nach dem Auskriechen der Jungen erfüllt sei von bröckeligen, geronnener Milch ähnlichen Massen, mit welchen die Jungen in den ersten Lebenstagen gefüttert werden. Auch darüber sind die genannten Autoren einig, dass diese Brocken aus lauter abge- stossenen, stark verfetteten Epithelien bestehen, und dass die Schleimhaut, namentlich in den Seitentheilen des Kropfes, zu dieser Zeit ausserordentlich hypertrophisch und blutreich ist. Die ganze Erscheinung wird von den einzelnen Forschern mit grösserer oder geringerer Entschiedenheit der Milchseeretion der Säugethiere an die Seite gestellt, bis zu dem Grade, dass die althergebrachte Bezeichnung der erwähnten krümeligen Masse als „Kropfmileh“ von einzelnen beibehalten ist. Nur Cl. Bernard macht auf einen Unterschied zwischen diesem „Secret“ und der Milch aufmerksam: in dem Kropfseeret haben die abgestossenen Zellen ihre Gestalt bewahrt, während in der Säugethiermilch nur Bruchstücke von Zellen vor- kommen.

Diese Beobachtungen unter Benützung der heutigen wissen- schaftlichen und technischen Erfahrungen wieder aufzunehmen, war die von Herrn Prof. Heidenhain mir zugewiesene Aufgabe.

Es ist leicht ersichtlich, dass eine Hauptfrage für mich war: Enthält der Kropf Drüsen oder nicht? Von vornherein war es nicht unwahrscheinlich, dass ‚ein Organ, welches, wie der Tauben- kropf, nach den übereinstimmenden Befunden aller Autoren durch zeit- weilige Veränderungen eine functionelle Selbständigkeit gegenüber seiner anatomischen Nachbarschaft bewies, dass dieses Organ auch für gewöhnlich eine besondere Verrichtung habe und mehr sei, als eine blosse Haltestelle auf dem Beförderungswege der Nahrungsmittel. Wenn man ausserdem in Betracht zog, dass bei dem Frosch in der Speiseröhre pepsinabsondernde Drüsen gefunden sind, so lag der Schluss nahe, dass auch der Kropf der Taube vermöge der in ihm etwa enthaltenen drüsigen Elemente dazu bestimmt sei, die Verdauung der aufgenommenen Nahrung einzu- leiten und dem Magen gewissermaassen vorzuarbeiten. Ich unter- suchte also von Anfang an auf Drüsen, und in der Vermuthung, dass dieselben, wenn überhaupt vorhanden, in dem Hauptbezirk des Kropfes, in den Seitentheilen sitzen würden, nahm ich diese

zum Material meiner ersten Präparate. Allein keine einzige Archiv f, mikrosk. Anatomie, Bd. 34, 16

238 Max Teichmann:

Drüse fand ich, überall nur diekes geschichtetes Pflasterepithel. In den Seitentheilen konnte demnach keine Einwirkung auf die Speisen stattfinden, die sich auch nur entfernt mit derjenigen chemisch wirkender Drüsen vergleichen lies. Von der frischen Schleimhaut liess sich allerdings mit dem Sealpell etwas schleimige weissliche Flüssigkeit abkratzen; diese aber enthielt, wie schon Hasse gefunden, nur abgestossene platte Zellen mit feinkörnigem Protoplasma und gut färbbarem Kerne. Dagegen waren viele durch Färbung leicht sichtbar zu machende Bacterienhaufen zu beobachten, die ich ausnahmslos bei allen untersuchten Thieren wiedergefunden habe. Drüsen fand ich in den Seitentheilen des Kropfes niemals; aber ein anderer beschränkter Bezirk desselben zeigte sie stets. Um sie schnell zu finden, empfiehlt sich folgende Präparationsweise:

Nachdem man den Kropf und die angrenzenden Theile der Speiseröhre freigelegt hat, unterbindet man die Speiseröhre unten am Drüsenmagen und lässt von oben her Alkohol in die Speise- röhre und den Kropf einfliessen, unbekümmert um die Füllung des Kropfes mit Nahrung. Wenn die Gewebe sich dadurch voll- kommen ausgedehnt haben und kein Alkohol mehr aufgenommen wird, unterbindet man auch oben und bringt das Ganze in ein Gefäss mit Alkohol zu vorläufiger Härtung. So bieten sich die Theile in ihren natürlichen Verhältnissen dar, nur bei völliger Ent- faltung der Höhlen. Einem solchen Präparate entnahm ich, um über die engere Begrenzung der drüsenhaltigen Stelle ins Klare zu kommen, Stückchen aus verschiedenen Gegenden zur Untersuchung, aber immer nur aus der Wandung des eigentlichen Kropfes. Auf diese Weise stellte es sich dann heraus, dass nur in der Gegend, wo der Kropf allmählich in den unteren Theil der Speiseröhre übergeht, Drüsen vorhanden sind. Ich sah dann an dieser Stelle durch die dünnhäutigen Wandungen Streifen hindurehschimmern, die sich nach Eröffnung des Kropfes als consistente Leisten offenbarten. Diese waren, 6—8 an der Zahl, um den Ausgang des Kropfes gruppirt und reichten noch eine Strecke weit in den Oesophagus hinab. Sicher aber lag ihr oberer Theil, wie ich auch später immer gefunden habe, in einer Ausdehnung von oft mehr als 1cm noch im Kropfe. Ich vermuthete, dass die Drüsen in diesen Leisten concentrirt seien, und fand diese Vermuthung durch das mikroskopische Präparat bestätigt: die Strecke zwischen zwei

Der Kropf der Taube. 239

Leisten war vollkommen drüsenfrei. Die Leisten, wie auch die in ihnen enthaltenen Drüsen erwähnt auch schon Hasse, nur schildert er sie als eine Eigenthümlichkeit des unteren Oesophagus- abschnittes, die mit dem Kropfe nichts zu thun habe. Ja, schon in dem alten Werke von Neergaard aus dem Jahre 1806 finde ich eine Abbildung, die es wahrscheinlich macht, dass der Autor die Leisten wenigstens gesehen hat, wenn er sie auch nicht be- schreibt. Von den Falten des Kropfes und der Speiseröhre unter- scheiden sich dieselben auf den ersten Blick dadurch, dass sie beim Ausdehnen des Gewebes nicht verstreichen. In ihrer Längen- ausdehnung und auch in der Dieke bestehen individuelle Ver- schiedenheiten, zumal das untere Stück der Leisten ganz allmäh- lich sich verjüngend in die Wandung des Oesophagus übergeht; am Kropfende dagegen hören sie ziemlich unvermittelt auf. Diese Leisten beherbergen also die Drüsen. Die Grundlage ihres Baues bildet eine in der Mitte verlaufende Bindegewebsleiste, welche mit der bindegewebigen Hülle des Kropfes resp. der Speiseröhre zu- sammenhängt und nach allen Seiten verzweigte Ausläufer entsendet. So entsteht ein vielkammeriges Bindegewebsgerüst, in dessen Lücken die Drüsen liegen. Am besten wird dieses Gerüst auf Sehiefschnitten durch die Leisten sichtbar. In dem Bindegewebe verlaufen zahlreiche Gefässe. Die Oberfläche der Leisten wird von dem gewöhnlichen, allbedeckenden geschichteten Pflaster- epithel überzogen, dieses erscheint aber hier etwas weniger mächtig, als sonst in Kropf und Speiseröhre, es ist durch das Vorspringen der Leisten gleichsam in die Breite gezogen.

Was nun die in den Leisten enthaltenen Drüsen betrifft, so gehören sie zur Klasse der zusammengesetzt-schlauchförmigen. Sie sind von einer bindegewebigen Hülle umschlossen, welche von dem Bindegewebsgerüst der Leisten abgegeben wird und ihrerseits in das Lumen der Drüsen faltenartige, oft vereinzelte Vorsprünge entsendet. Auf diese Weise wird hier die secernirende Oberfläche vergrössert, gleichwie in der Lunge durch die Alveolarsepta die respirirende Fläche. Auf diesen Vorsprüngen sitzt das Epithel, ein einschichtiges hocheylindrisches. Die einzelnen Zellen sind, im Profil betrachtet, reichlich dreimal so hoch, wie breit. Ihre Längs- achse steht meistens nicht genau senkrecht auf der Bindegewebs- falte, sondern etwas geneigt nach dem Ausführungsgange hin. Durch passende Färbemethoden, z. B. mit Hämatoxylin und Kali

940 Max Teichmann:

chromieum, lassen sich die Zellgrenzen sehr deutlich machen, nur das obere, dem Lumen zugewandte Ende der Zellen erscheint auch dann zuweilen nicht deutlich abgegrenzt. Der Kern sitzt vor- wiegend an der basalen Wand, nur selten ist er etwas höher ge- rückt; er erscheint dunkel gefärbt, aber nicht homogen. Den Zell- leib stellt eine helle, fast homogene Masse dar, eine nur feine Körnelung und Spuren eines Protoplasmanetzes sind zu sehen. Auch das Lumen der Drüse ist meistens von dieser feinkörnigen, schwach färbbaren Masse erfüllt. In diekeren Schnitten kann es aussehen, als seien die Septa mit einem zwei- oder gar dreischich- tigen Epithel besetzt. Es sind dann zwei oder drei benachbarte theilweise sich deckende Epithelreihen sichtbar. Ferner sieht man häufig das Lumen eines Drüsenschlauches scheinbar erfüllt mit po- lygonalen oft kernhaltigen Zellen, die zwischen den gegenüber- stehenden Epithelreihen gleichsam eingekeilt erscheinen. Es sind dies die optischen Querschnitte einiger von oben her gesehenen Cylin- derzellen, und wohl kaum der Ausdruck einer starken Zellvermeh- rung. Wenigstens habe ich von Kerntheilungsfiguren, wie man sie z. B. in den Lieberkühn’schen Drüsen des Darmes so häufig trifft, hier nie etwas gesehen. Der Ausführungsgang der Drüsen erscheint nicht eben lang, wenn er nicht schief vom Schnitt ge- troffen wird; er entbehrt, wie Hasse schon angiebt, einer festen Abgrenzung gegen die Nachbarschaft, ist vielmehr gleichsam ein- gegraben in das umgebende Epithel. Seine Auskleidung wird von einer Fortsetzung des oberflächlichen geschichteten Pflasterepithels gebildet, doch dieses macht dann nicht unvermittelt dem cylin- drischen Sekretionsepithel Platz, sondern zwischen beide Epithel- formen sind allmählich höher werdende, mehr kubische Zellen ein- geschaltet. Diese sieht man mit ihren grossen bläschenförmigen Kernen am besten auf Flächenschnitten, welche die Ausführungs- gänge quer treffen.

Meine Untersuchungen habe ich, wie bereits erwähnt, meist an Tauben gemacht; indessen habe ich auch in der Speiseröhre der Krähe und im Kropf des Huhnes dieselben Drüsenformen gefunden, wie bei der Taube.

Was die Topographie der Drüsen bei der Taube betrifft, so sind sie oberhalb der Leisten nirgends zu finden, ebenso fehlen sie zwischen den Leisten. Wo aber diese enden, im unteren Theile der Speiseröhre, hören damit die Drüsen nicht auf, sondern sie

Der Kropf der Taube. 241

sind jetzt gleichmässig in der Wandung der Speiseröhre verstreut; die Bevölkerungsdichtigkeit an Drüsen ist aber hier weit geringer, als im Bereich der Leisten; auch scheinen hier die Drüsen gleich- sam in der Entwicklung zurückgeblieben, sie bestehen aus nur 2—3 Schläuchen. Jedenfalls aber sind sie vorhanden und harren bis ans Ende des Oesophagus aus. An sie schliessen sich unmit- telbar die Drüsen des Drüsenmagens an, wie auch das geschichtete Pflasterepithel der Speiseröhre ganz unvermittelt dem einfachen Cylinderepithel des Drüsenmagens weicht. Der Uebergang der Speiseröhre in den Drüsenmagen findet nicht in einer Ebene statt, die Grenzlinie zwischen beiden ist ziekzackförmig gestaltet. So kann es vorkommen, dass man auf einem Schnitt aus dieser Re- gion zwei ganz verschiedene Drüsen- und Epithelformen dicht nebeneinander sieht. Und auch das Cylinderepithel des Drüsen- magens hat wieder ein ganz anderes Aussehen, wie die Cylinder- zellen der Oesophagusdrüsen: Während bei diesen das Protoplasma feinkörnig und hell ist, der kleine Kern platt an der basalen Wand gelagert, haben die Epithelzellen des Drüsenmagens ein gröber ge- körntes Protoplasma und einen grossen bläschenförmigen Kern mit deutlichen Kernkörperchen ungefähr in der Mitte der Zellen. Solche Schnitte bieten also in der That abwechselungsreiche Bilder, sie können aber auch zu der Annahme verleiten, dass die Drüsen aus Kropf und Oesophagus auch im Drüsenmagen umschriebene Stellen einnehmen, und dies ist, bei der Taube wenigstens, bestimmt nicht der Fall.

Obiges sind kurz beschrieben die anatomisch-histologischen Verhältnisse, welche ich unter gewöhnlichen Umständen beobachtet habe. In der Annahme, dass die Drüsen ebenso, wie der ganze Kropf und Oesophagus, vom Vagus innervirt würden, untersuchte ich die Folgen einer Vagusreizung. Aber, wie mit blossem Auge keine Seeretion erkennbar war, so bot auch das mikroskopische Bild der Drüsen . nichts Bemerkenswerthes. Ebensowenig lassen sich über Veränderungen der Drüsenzellen durch Hunger bestimmte Angaben machen.

Bei der Untersuchung über die Bedeutung der Drüsen bin ich zu folgenden Ergebnissen gelangt: Die frischen Drüsenzellen werden durch Zusatz von Essigsäure und verdünnter Salpeter-

242 Max Teichmann:

säure getrübt, während starke Salpetersäure keinen Niederschlag hervorruft: Die Zellen enthalten also Muein. Die Absonderung scheint aber sehr geringgradig zu sein, denn nach Pilocarpinbe- handlung des Versuchsthieres zeigeu sich an den Drüsen keine deutlichen Zeichen starker Absonderung. Es wird hiernach in den Drüsen ein schleimhaltiges Secret gebildet, welches die aufgenom- mene Nahrung schlüpfrig macht und oberflächlich erweicht. In der That sind z. B. die Erbsen, welche im Kropfe zu unterst lie- gend gefunden werden, etwas gequollen.

Ehe sich dieses Resultat herausstellte, hatte ich angenommen, dass die Drüsen vielleicht ein pepsinähnliches Ferment bildeten, und diese Möglichkeit wurde durch die Thatsache der Schleimab- sonderung nicht ausgeschlossen. Andererseits lagen manche Gründe für meine Annahme vor: Der Drüsenmagen, die eigentliche Stätte der Verdauung, enthält, bei der Taube wenigstens, nur eine Art von Drüsenzellen, und zwar sind diese den Belegzellen des Säuge- thiermagens sehr ähnlich. Bei der Krähe hingegen, einem kropf- losen Vogel, enthält der Drüsenmagen auch Gruppen solcher Drüsen, wie sie im Taubenkropf vorkommen. Es könnte also der Kropf das Ferment, der Drüsenmagen die Säure bilden, wie ja auch bei dem Frosch die Oesophagusdrüsen bei weitem mehr Pepsin liefern, als der Magen selbst.

Um in dieser Beziehung Klarheit zu erlangen, wurde eine Anzahl verschiedener Versuche gemacht. Zunächst wurden die Drüsenleisten mit 0,2°/, Salzsäure 24 Stunden hindurch extrahirt. Das Extract verdaute eine Fibrinflocke in ca. 2 Stunden‘). In der mit reiner Salzsäure von derselben Concentration angestellten Controlprobe blieb das Fibrin ungelöst. Nach beendeter Verdau- ung liess sich Propeptonreaction erzielen, nachdem das vorhandene Syntonin durch Neutralisation der Flüssigkeit ausgefüllt worden. Dieser Verdauungsversuch wurde im Verlaufe der Untersuchung noch oftmals wiederholt, stets mit demselben Ergebniss.

Nun konnte aber gegenüber der unstreitigen Anwesenheit von Pepsin im Salzsäureextract der Einwand erhoben werden, dass das gefundene Pepsin aus dem Drüsenmagen stamme, dass es durch

1) Auf 1 Gramm Substanz wurden 10 ccm Salzsäure genommen, von dem filtrirten Extract 1 cem mit 5 ccm Salzsäure versetzt und zur Verdau- ung angestellt.

Der Kropf der Taube. 243

Brechbewegung, die bei den Tauben sehr leicht entsteht, in den Kropf gelangt und hier an den Leisten oberflächlich haftend beim Extrahiren in die Salzsäure übergegangen sei. Um diese Deutung zu prüfen, wurden verschiedene neue Versuchsanordnungen ge- troffen.

Wenn das Pepsin aus dem Magen heraufkam, so musste es nicht bloss an den Drüsenleisten, sondern auch zwischen und über denselben im Kropfe haften. Es wurden daher Stücke der Kropf- schleimhaut aus der Umgebung der Leisten extrahirt; das Extraet verdaute, schwächer allerdings als das der Leisten. Hieraus liess sich also nichts Bestimmtes folgern.

Besser begegnet, meines Erachtens, dem oben erwähnten Einwande folgender Versuch: Nachdem die Stückchen der Drüsen- leisten 24 Stunden lang mit 0,2%, Salzsäure extrahirt sind, werden sie nochmals, und zwar 48 Stunden lang, in derselben Weise extrahirt. Auch dieses zweite Extract fand ich noch verdauungs- kräftig. Wenn also auch das zweite Extract verdaut, so gewinnt es an Wahrscheinlichkeit, dass das Pepsin den Drüsenleisten ent- stammt. Einen sicheren Beweis liefert freilich auch dieser Ver- such nicht, wenn man bedenkt, wie geringe Mengen des Fermentes genügen, um eine kleine Fibrinflocke zu verdauen.

Zur Vergleichung der Pepsinmengen wurde ferner auch die Schleimhaut des Drüsenmagens mit 0,2°%/, Salzsäure extrahirt. Das Extraet verdaute schneller, als dasjenige der Drüsenleisten.

Eine weitere Versuchsanordnung zu dem Zwecke, den erwähn- ten Einwand zu prüfen, war folgende: Der Versuchstaube, deren Kropf durch Hungern entleert war, wurde die Speiseröhre mög- lichst tief unterhalb des Kropfes unterbunden, wobei ein Theil der Drüsenleisten über, der andere unter der Ligatur blieb. So sollte ein Abschluss des Kropfes gegen den Drüsenmagen erzielt werden. Die Thiere vertragen die Operation, wenn sie mit Vorsicht und unter antiseptischen Cautelen unternommen wird, so gut, dass sie schon unmittelbar nach derselben sich begierig nach Nahrung zeigen. Die erste in dieser Weise operirte Taube bekam kein Futter, wohl aber Wasser. Nach 24 Stunden wurde sie getödtet, und es fanden sich im Kropfe 10 cem trüber gelblicher Flüssigkeit; lccm derselben mit 5 ccm 0,2°/, Salzsäure versetzt, ver- daute sehr rasch. Es wurden dann die Drüsen oberhalb, die Drüsen unterhalb derLigatur und der Drüsenmagen zu gleichen Gewichtsmen-

244 Max Teichmann:

gen mitgleichen Mengen Salzsäure gesondert extrahirt. Am schnellsten verdaute der Drüsenmagen, dann folgten die Drüsen unterhalb, und zuletzt diejenigen oberhalb der Ligatur. Auch für dieses Ergebniss lässt sich unschwer eine Erklärung finden unter der Annahme, dass die Drüsenleisten Pepsin liefern: Der Drüsenmagen stand ja trotz der Unterbindung immer noch mit einem Theile der Drüsen- leisten in offener Verbindung, die Drüsen oberhalb der Ligatur dagegen hatten bereits einen Theil ihres Pepsinvorrathes an das im Kropfe befindliche Wasser abgegeben und dieses zu einer, wie wir gesehen haben, kräftig verdauenden Flüssigkeit gemacht. Kein Wunder also, dass ihr Extraet an Energie der Verdauung hinter den anderen zurückblieb. So wenigstens konnte das Resultat aufgefasst werden, wenn man von der Annahme einer wirklichen Absonderung von Pepsin ausging. Eine andere Taube wurde in der gleichen Weise operirt, bekam aber nicht zu trinken, sondern zu fressen. Nach 24 Stunden war der Kropf enorm voll von Erbsen, welche an ihrer Oberfläche leicht angefeuchtet und erweicht erschienen. Die Kropfschleimhaut selber war sehr trocken. Die Vergleichung der drei Extracte hatte dasselbe Ergebniss, wie oben. In diesem Falle waren aber die Drüsen oberhalb der Ligatur durch die gewaltige Inhaltsmenge des Kropfes so geschädigt (wie das mikroskopische Bild zeigte), dass man sich nicht wundern konnte, wenn ihr Extraet nicht sehr verdauungskräftig war.

Da auf dem beschriebenen Wege kein sicheres Ergebniss zu erzielen war, wurde folgender Versuch angestellt: Einer Taube, deren Kropf durch Hungern entleert war, wurde ein am Faden befestigtes Schwammstückchen in den Drüsenmagen gebracht, hierauf der Oesophagus unterbunden, und auch in den Kropf mehrere Schwammstückchen eingeführt. Nach 24 Stunden fand sich im Drüsenmagen und dem Speiseröhrenabschnitt. unter der Ligatur aber Flüssigkeit, welche durch Gallenbeimischung eine srünliche Farbe hatte. Sie war übrigens auch früher immer im nüchternen Drüsenmagen gefunden worden und reagirte stark sauer. Die Schwammstücke, welche im Kropfe gelegen hatten, enthielten Flüssigkeit von alkalischer Reaction, während die Kropfschleim- haut über der Ligatur neutral reagirte, auch auf und zwischen den Leisten. Das Extract der Schwämmcehen aus dem Kropfe zeigte nach 13/, Stunden deutliche aber schwache Verdauung.

Es ist klar, dass diese Resultate auch in ihrer Gesammtheit

ne ee

Der Kropf der Taube. 245

keinen vollständig sicheren Schluss über die Herkunft des Pepsins gestatten, aber doch seine Abstammung aus den Kropfdrüsen sehr wenig wahrscheinlich erscheinen lassen.

Auf einen weiteren Punkt musste sich noch die Untersuchung erstrecken: In den meisten Fällen wurde die Reaction der Kropfschleimhaut stark sauer gefunden; es fragte sich nun, woher die Säure stamme, ob sie im Kropfe selber entstehe oder secernirt werde, oder ob sie aus dem Magen heraufkomme. Die mikros- kopischen Beobachtungen hatten ergeben, dass die frische Kropf- schleimhaut immer eine grosse Zahl von Bacterien beherberge. Die saure Reaction derselben konnte also leicht sauren Gährungs- processen ihren Ursprung verdanken. Mit Rücksicht darauf wurde nun folgender Versuch gemacht: Einer nüchternen Taube wurde die Speiseröhre unterbunden und hierauf der Kropf mit destillirtem Wasser ausgespült, bis das Spülwasser neutral reagirte. Hierauf wurden in den Kropf Fibrinstückchen eingebracht, in der Absicht, etwaige saure Gährungsprocesse zu verhüten, wie sie durch die gewöhnliche, an Kohlenhydraten reiche Nahrung der Tauben so leicht hervorgerufen werden. Nach 24 Stunden war denn auch die Reaction der Kropfschleimhaut neutral, ein Beweis dafür, dass an Ort und Stelle keine Säure secernirt werde, dass viel- mehr die saure Reaction, abgesehen von der aus dem Magen heraufgebrachten Salzsäure, lediglich den für gewöhnlich im Kropfe sich abspielenden Gährungsvorgängen ihren Ursprung ver- danke. Unterstützt wird dieser Beweis noch dadurch, dass es mir gelang, ‘in einem Wasserinfus der im Kropfe enthaltenen Erbsen deutlich Milchsäure nachzuweisen (durch die bekannte Eisenchloridprobe). Uebrigens sind die Gährungsvorgänge nicht die einzige Quelle der Säure im Kropfe, sondern nach Behand- lung der Taube mit Pilocarpin lässt sich im Kropfe auch freie Salzsäure nachweisen, die also jedenfalls aus dem Drüsenmagen heraufgekommen ist.

Bei Gelegenheit der Untersuchungen über die Säure suchte ich auch eine Angabe von Tiedemann und Gmelin auf ihre Richtigkeit zu prüfen, dass nämlich Milch, in den Kropf ein- gebracht, gerinne. Ich fand, dass bei Hintanhaltung der sauren Gährungsprocesse keine Gerinnung erfolgt; diese beruht also wohl auf der Wirkung der Gährungsmilchsäure.

Die Befunde über die Physiologie des Taubenkroptes lassen

246 Max Teichmann:

sich also in Folgendem zusammenfassen: Der Kropf nimmt die Nahrung für längere Zeit auf und bereitet sie für die Magenver- dauung vor, indem die von den Drüsen abgesonderte schleimige Flüssigkeit in Verbindung mit der durch Gährungsvorgänge er- zeugten Säure die Körner erweicht und zum Quellen bringt. Da sich ferner unter gewöhnlichen Umständen auch Pepsin und Salz- säure in geringer Menge im Kropfe findet, welche wahrscheinlich nur aus dem Magen stammen, so sind die Bedingungen auch für den Beginn der Verdauung gegeben. Der Hauptsache nach aber findet diese sicher erst im Magen statt.

Ein besonderes und merkwürdiges Interesse bietet der Kropf der Taube des Weiteren insofern, als er bekanntlich zeitweise physiologische Veränderungen seines Baues und seiner Function erleidet, die in der Naturgeschichte der Vögel ihres gleichen nicht finden. Die Angaben, welche ich über diese Erscheinung machen kann, decken sich im allgemeinen mit denen älterer Beobachter besonders Hasse’s. Wenn man eine Bruttaube, gleichviel ob Männchen oder Weibchen, 2—3 Tage vor dem Auskriechen der Jungen tödtet, so findet man die Wandungen der Kropfseitentheile verdickt und durch Anwesenheit zahlreicher und weiter Blutgefässe gieichmässig lebhaft geröthet. Nach Eröffnung des Kropfes sieht man die Seitentaschen desselben frei von Nahrung, dagegen er- füllt von einer gelblichen, leicht angefeuchteten krümeligen Masse, welche einen unangenehmen, stechenden Geruch besitzt, wie nach ranziger Butter. Unter dem Mikroskop stellen sich diese Massen als stark verfettete Plattenepithelzellen dar. Die Wandungen des Kropfes zeigen, mikroskopisch untersucht, eine Dickenzunahme in allen Schichten, besonders aber im Epithel. Dabei erscheinen die obersten Epithelschichten stark verfettet und in Ablösung begriffen, der Kern ist auch in den am stärksten verfetteten Zellen noch vollkommen erhalten, die einzelnen Fetttröpfehen in den obersten Zellreihen zu grösseren Massen verschmolzen. Je weiter nach der Tiefe zu, werden die Fetttröpfchen in den Zellen immer kleiner, sie verschmelzen noch nicht und färben sich durch Osmiumsäure schwach grünlichschwarz. Gefässschlingen gehen, wie schon Has se beschreibt, bis an die oberflächlichsten Zelllagen hin, frei im Epi-

Der Kropf der Taube. 247

thel liegend. Alle diese Angaben beziehen sich nur auf die Ver- hältnisse in den Seitentaschen; über den Drüsenleisten im unteren Theile des Kropfes zeigt das Epithel keine Abweichungen vom gewöhnlichen Zustande. Es ist hiernach klar, dass in den Seiten- taschen eine lebhafte Epithelwucherung stattfindet, bei welcher in dem Maasse, als die neugebildeten Zellen von dem Schleimhaut- substrat nach der freien Fläche vorrücken, das Protoplasma mehr und mehr Fett bildet.

Unter welchen Einflüssen die beschriebenen Veränderungen zu Stande kommen, lässt sich ebenso schwer ermitteln, wie bei den Veränderungen in den Milchdrüsen der Säugethiere; das aber ist klar, dass sie sich den Vorgängen bei der Milchseeretion der Säuger nicht vergleichen lassen. Sie sind von diesen einerseits ebenso schr verschieden, wie von den Erscheinungen der Talg- secretion andererseits. Während bei der Milchseeretion nicht die Zellen im Ganzen abgestossen werden, sondern nur ihr oberer Theil der fettigen Metamorphose anheimfällt unter gleichzeitiger charak- teristischer Destruction der Zellkerne; während in den Talgdrüsen der ganze Zellinhalt fettig entartet während der Kern atrophirt, bleibt hier die Form der abgestossenen Zellen unverändert, der Kern in allen seinen Theilen erhalten. Und gar das Secret des Kropfes selbst lässt sich mit der Milch in keiner Weise vergleichen, fehlen doch in ihm die specifischen Bestandtheile der Milch, das Casein und der Milchzucker; ist doch das Secret des Kropfes im Gegensatz zu der flüssigen Milch eine feste Masse. Es widerspricht also den thatsächlichen Verhältnissen, von einer „Kropfmilch“ zu reden, wenn auch der Zweck der Milchseeretion durch die be- sprochenen Vorgänge im Taubenkropf, wenigstens zum Theil, er- reicht wird.

248 Dr. v. Linstow:

Ueber die Entwicklungsgeschichte und die Anatomie von Gordius tolosanus Dwuj. G. subbifurcus v. Siebold').

Von

Dr. v. Linstow in Göttingen.

Hierzu Tafel XIV, XV, XVI.

Unsere Kenntniss des merkwürdigen Genus Gordius verdanken wir vorwiegend v.Siebold, Meissner, Schneider, Grenacher, Villot, Vejdovsky und Camerano, durch deren Studien wir über die Anatomie gut orientirt sind, wenngleich auch hier noch manche Widersprüche auszugleichen sind; anders steht es mit der Entwicklungsgeschichte; mit derselben hat sich vorwiegend Villot beschäftigt und ist dabei zu dem Resultate gekommen, dass die Gordien überhaupt keine speciellen Zwischenwirthe haben.

Bevor ein so allgemeiner Satz aufgestellt wird, scheint es mir nöthig, die Entwicklungsgeschichte der einzelnen Arten zu studiren, und bin ich in der Lage, zu der von Gordius tolosanus Duj. einen Beitrag zu liefern; ich bin weit entfernt, auf Grund der hier mitgetheilten Beobachtungen die Entwicklungsgeschichte des ganzen Genus Gordius erklären zu wollen; namentlich weiss ich nicht, wie Gordius-Larven, die in Schmetterlingsraupen ge- funden sind, in diese hinein und später aus ihnen in’s Wasser gelangen; vor allgemeinen Schlüssen werden wir uns vorläufig um so mehr zu hüten haben, als wir zur Zeit nur die Zwischen- wirthe für beide Larvenformen von Gordius aquaticus und tolo- sanus kennen.

1) Villot, Revision des Gordiens, Ann. sc. natur. 7. ser., t. I, 1886, art. Nr. 5, pag. 296—302.

Ueb. d. Entwieklungsgeschichte u. d. Anatomie v. Gordius tolosanus Duj. 249

Die erste oder embryonale, d. h. dem Embryo ähnliche Lar- venform von Gordius tolosanus wurde von Meissner!) in Larven von Ephemera, von Villot?)in Larven von Tanypus, Corethra und Chironomus beobachtet; die zweite, grosse Larvenform wurde in Käfern, vorwiegend in Laufkäfern gefunden und zwar in Carabus hortensis Fabr., Procerus (Carabus) coriaceus Lin., Calathus fuseipes Goeze —= cisteloides Panzer, Poeeilus lepidus Fabr., Molops elatus Fabr., Pterostichus metallieus Fabr., Pterostichus (Omaseus) vulgaris Lin., Pterostichus (Omaseus) melas Creutzer, Pterostichus (Oma- seus) nigritus Fabr., Harpalus atratus Latr. = hottentotta Duft- schmidt, Amara similata Gyll., Calathus ambiguus Payk., Amara fusca Sturm, Zabrus (Pelor) blaptoides Creutz. und Silpha cari- nata 1llig.

Herr Geheimrath Professor Dr. Ehlers hatte die Güte, mir Gordien mitzutheilen, die im Sommer 1888 in der Nähe von Göt- tingen in einem kleinen Bache in Menge gefunden waren; sie liessen sich als zu Gordius tolosanus gehörig bestimmen und be- suchte ich im Frühling 1889 den Fundort, um mich für spätere Exeursionen zu orientiren, als meine Aufmerksamkeit auf Käfer gelenkt wurde, die theils todt, theils sterbend, theils noch lebend im Bache lagen, einige frei schwimmend, andere an Pflanzen an- geklammert oder in Algenmassen verwickelt; in der Zeit einer Viertelstunde sammelte ich 18 Exemplare, an einem der nächsten Tage in einem benachbarten Bache 14, die sich als zu Pterostichus niger Schaller gehörig erwiesen, nur 1 Exemplar wurde als Har- palus hirtipes Panzer bestimmt. Die Käfer wurden geöffnet und in einenr Pterostichus niger fand sich ein 115 mm langes und 0,48 mm breites weibliches, in einem anderen ein 122 mm langes männ- liches Exemplar von Gordius tolosanus; sie lagen lockenförmig aufgerollt in der Leibeshöhle des Käfers, waren hellbraun von Farbe und bewegten sich nach dem Freiwerden lebhaft.

Räthselhaft scheint es, wie die Käfer in den Bach gerathen waren; eine nahe liegende Veranlassung dazu fehlte vollständig; es war kein Gewitterregen vorhergegangen, eine Ueberschwemmung hatte nicht stattgefunden; auch waren diese Käfer die einzigen in’s Wasser gerathenen Landthiere.

1) Zeitschr. für wissensch. Zoolog. VII, Leipzig 1856, pag. 131, tab. VIL, 2) Arch. zool. experiment. III, Paris 1874.

250 Dr. v. Linstow:

In Bezug auf diese Gordiuslarven theilte Herr Geheimrath Ehlers mir mit, dass dergleichen Funde bei Göttingen schon früher gemacht seien, und befinden sich in der Sammlung des hiesigen zoologischen Instituts Larven von Gordius tolosanus aus Procrustes coriaceus Lin., Pterostichus niger Schall. und Calathus eisteloides Panz., sowie unbestimmte Gordius-Larven aus Calathus eisteloides Panz., Calathus (Harpalus) ruficornis Goeze und Silpha atrata L. |

Die Entwicklung dieser Art würde somit als festgestellt an- senommen werden können, wenn nicht Villot, der sich sehr ein- gehend mit dem Genus Gordius beschäftigt hat, zu ganz abwei- chenden Resultaten gekommen wäre.

Villot stellt in seiner grossen Arbeit, der Monographie des Dragonneaux!) die Entwicklungsgeschichte so dar, dass die kleinen, embryonalen Gordius-Larven, speciell die von Gordius aquaticus, tolosanus, und grationopolensis, im Sommer in Larven von Tranypus, Corethra und Chironomus gelangen, um sich hier zu eneystiren, dass diese Dipteren-Larven von kleinen Fischen, Phoxinus laevis und Cobitis barbatula gefressen werden, wodurch die Gordien aus ihren Cysten befreit werden und sich in die Darmwand der Fische einbohren, um sich hier auf’s neue zu eneystiren und so den Winter über zu verharren. Im nächsten Frühling bersten die Kapseln, die Gordien gerathen frei in das Darmlumen und mit den Excrementen in’s Wasser, wo sie zu den bekannten, grossen Formen auswachsen und geschlechtsreif werden. In einer späteren Arbeit?) modifieirt Villot seine An- sicht dahin, dass er meint, die beiden Phasen des Parasitismus der Gordien verliefen in einem und demselben Wirth.

Villot findet die embryonale Larvenform encystirt in der Darmwand der genannten Fische und in Petromyzon Planeri, in den angeführten Dipteren-Larven, ferner in Hydrophilus piceus, in Planorbis, er verzeichnet das Vorkommen nach Leydig in Rana temporaria, nach Claparede in Enchytraeus vermicularis, nach Meissner in Ephemera, nach mir in Limnaeus vulgaris; die zweite, grosse Larvenform aber ist gefunden in Coleopteren,

Mi:re: 2) Developpement des Gordiens, Ann. sc. natur., 6 ser. t. XI, art. 3, 1881, pag. 18—20.

Ueb.d. Entwicklungsgeschichte u. d. Anatomie v. Gordius tolosanus Duj. 251

Orthopteren, Neuropteren, Hymenopteren, Lepidopteren, Dipteren, Hemipteren, in Arachniden, in Crustaceen, in Fischen (Cobitis, Petro- myzon, Thymallus, Aspius, Coregonus, Salmo), im Amphibien (Rana), in Vögeln (Otis) und im Menschen. So kommt Villot zu dem Sehluss: „Les Gordiens n’ont pas d’hötes speeiaux“; das in sehr zahlreichen Fällen, besonders von v. Siebold angeführte Vorkommen der zweiten, grossen Larvenform in Insekten nennt er eine anomalie d’habitat und bezweifelt die richtige Bestimmung der Helminthen, ein Einwand, den ich, da dieselbe von v. Siebold herrührt, nieht zugeben kann; bei den von mir in Pterostichus gefundenen Exemplaren kann ich dafür einstehen, dass es sich um Gordius tolosanus handelt. In seiner neuen Arbeit, Anatomie des Gordiens, giebt Villot an, selber zahlreiche Larven von Gordius violaceus in 5 Exemplaren von Procrustes coriaceus gefunden zu haben, ohne sich weiter auf die Tragweite und Deutung dieses Fundes einzulassen.

Bei der Besprechung der grossen Larven von Gordius tolo- sanus aus Käfern erwähnt Villot!) als einen besonders interessanten Fall des Auffinden eines Exemplars im Darm eines Menschen durch Fiori in Piemont, mitgetheilt von Rosa, und meint, während er das Vorkommen in Käfern für eine anomalie d’habitat hält, ein solches Vorkommen beruhe nicht auf einem Pseudopara- sitismus; die Piemontesen ässen keine Käfer, vielmehr müsse ein Gordius-Embryo mit dem Trinkwasser in den Darm gekommen sein, wo er sich als wahrer Parasit entwickelt habe, ebensogut, wie er es in einem Käfer oder einer Spinne gethan haben würde.

Gordius aquaticus ist im Menschen gefunden von Aldro- vandus, Degland, v. Siebold und von v. Patruban (nach Villot war der von Degland beobachtete Gordius ein G. tolo- sanus); der von Fiori mitgetheilte Fall bezieht sich auf Gordius tolosanus; Kirkland fand nach Diesing Gordius varius, Gay Gordius chilensis und Gerruti und Camerano Gordius Vilotti, Pavesi Gordius Villoti und tolosanus im Menschen; Bacounin berichtet von absichtlich verschluckten Gordien, über welche ‚Beobachtung Cerruti und Camerano sagen: „che questi vermi non resistono ad una temperatura di 38 gradi e di piu essi non

1) Revision des Gordiens, Ann. sc. natur,, 7. ser., t. I, art. 5, 1886,

252 Dr. v. Linstow:

diedero mai luogo al piu piccolo malessere essendo stati per- fettemente digeriti‘. Da Gordien schon aus Brunnen geschöpft wurden, so hat v. Siebold!) gewiss recht, wenn er als selbst- verständlich annimmt, dass das Vorkommen von Gordien im Menschen die Folge von zufälligem Verschlucken derselben mit Trinkwasser ist. Mir wurde einst aus einem Soldaten-Wachtlokal eine Wasserflasche gebracht, mit der Frage, was für ein Thier darin sei; es bewegte sich ein Gordius aquaticus im Wasser, und wenn einer der Soldaten in der Nacht aus dieser Flasche getrunken hätte, wäre es nur zu leicht möglich gewesen, dass er den Gordius mit verschluckt hätte. Die in Fischen und Vögeln beobachteten grossen Larven werden aus mit solchen Larven infieirten Insekten stammen, die ersteren zur Nahrung dienten, denn alle genannten Fische und Vögel sind Insektenfresser; kein Wunder, dass sie dann auch einmal gelegentlich mit einem Insekt eine Gordius- Larve verschlingen, die dann vermuthlich entweder verdaut oder mit den Exerementen entfernt wird.

Dass sich Gordius-Embryonen derselben Art gleicherweise in Insekten, in kalt- und in warmblütigen Wirbelthieren entwickeln sollen, halte ich nach unseren anderweitigen helminthologischen Erfahrungen für undenkbar, und aus den gesammten Funden von Gordius-Larven ohne Rücksicht auf die Gordius-Arten und ohne die Fälle auszuscheiden, welche als Pseudoparasitismus gelten müs- sen, den Schluss zu ziehen: „Les Gordiens n’ont pas d’hötes sp6- ciaux“ halte ich für ebenso unbegründet, als wenn man dasselbe von den Cestoden behaupten wollte, deren Larven auch in Säuge- thieren, Vögeln, Fischen, Insekten, Myriapoden, Crustaceen, Mol- lusken und Helminthen gefunden werden.

Für Gordius tolosanus muss ich den Entwicklungsmodus an- nehmen, dass die kleinen, embryonalen Larven eingekapselt in Wasserlarven von Ephemera, Corethra, Chironomus und Tanypus, die grossen aber frei in der Leibeshöhle von Laufkäfern leben, welche im Frühling ins Wasser fallen, wodurch die Gordien wie- der in ihr eigentliches Element gelangen.

Das Hineingerathen in die auf dem Lande lebenden Käfer.

wie das Herauskommen aus denselben in’s Wasser ist in gleicher Weise merkwürdig. Ersteres wird im Spätsommer geschehen,

1) Zeitschr. f. wissensch. Zoolog. VII, Leipzig 1856, pag. 142,

au

Ueb. d. Entwicklungsgeschichte u. d. Anatomie v. Gordius tolosanus Duj. 253 wenn Theile von Bächen und Teichen ausgetrocknet sind, so dass die Käfer so die Wasserlarven der Dipteren erlangen und fressen können, welche die embryonale Larvenform beherbergen; während des Winters wachsen die jungen Gordien dann in den Käfern heran. Das massenhafte Ertrinken der Laufkäfer im Frühling ist das Mittel, durch welches die grosse, zweite Larvenform wieder in’s Wasser gelangt; dasselbe kann aber wohl nur darin seinen Grund haben, dass die Käfer in dieser Jahreszeit auf dem Lande noch keine Beute finden, während das Thierleben im Wasser schon erwacht ist und Schnecken eine Lieblingsnahrung der Lauf- käfer bilden, so dass sie, während sie am Rande eines Baches oder Teiches ihrer Nahrung nachgehen, in Menge ihren Tod durch Ertrinken finden.

Die Zeit, zu welcher die Gordius-Larven mit den Laufkäfern in’s Wasser gerathen, ist der Monat April; Ende Juni findet man im Wasser schon geschlechtsreife Exemplare. In den betreffenden Bächen, in welehen ich die Funde machte, kommen Gasterosteus aculeatus und pungitius, Cottus gobio, Gobio fluviatilis, Cobitis barbatula und Phoxinus laevis häufig vor, niemals aber fand ich Gordien irgend einer Entwicklungsstufe in ihnen.

Anatomie der Larven aus Käfern.

Die aus Käfern erhaltenen Larven benutzte ich, die Anatomie derselben zu studiren, und hatte ich über dreierlei Präparate zu verfügen, nämlich über vor einigen Jahren im hiesigen zoologischen Institut gemachte Serienschnitte einer aus Procrustes coriaceus stammenden Larve, welche Herr Geheimrath Ehlers die grosse Liebenswürdigkeit hatte, mir zur Benutzung zu überlassen; über Serienschnitte der von mir gefundenen Exemplare aus Pterostichus niger, welche Herr Dr. Hamann freundlicher Weise anfertigte, und über selbstgemachte von denselben Exemplaren.

Die Cutis (Derma) ist 0,013mm diek und aussen von der Epidermis bedeckt; erstere ist hellbraun und faserig, letztere viel dünner, dunkelbraun und an der Aussenseite durch dichtgedrängte, pflastersteinartige Erhebungen ausgezeichnet, wie sie für die Art charakteristisch sind. Vier Schichten, wie Camerano!) sie als

1) Ricerche intorno alla anatomia ed istologia dei Gordii. Torino 1885, Archiv f. mikrosk, Anatomie. Bd. 34. 17

954 Dr. v. Linstow:

an einzelnen Stellen vorkommend schildert, nämlich 1. strato eu- ticolare esterno, 2. straterello interotto di stostanza granulosa, 3. strato fibrillare und 4. straterello interotto di granulazionie finden sich bei den von mir untersuchten Larven nicht, sondern nur die Schichten 1 und 3. Vejdovsky!) nennt die beiden Schichten die homogene und die faserige Cuticula und bemerkt, dass die erstere an den beiden äussersten Körperenden glatt, durchsichtig und farblos wird. Meissner bezeichnet die beiden Schichten mit Epidermis und Corium, Villot mit Epiderme und Derme, später mit couche superfieielle und profonde der cuticule. Die beiden Schichten sind bei den Larven bereits ebenso deutlich gesondert wie bei den freilebenden Exemplareu, entbehren aber noch der Kreuze mit den Poren und der Sinnesborsten.

Die Hypodermis ist eine 0,0066 mm dicke, aus gekernten, polygonalen Zellen bestehende Schicht unter der Cutis; am Kopf- und Schwanzende schimmern die Kerne durch die transparente Cutis hindurch; in der Scheitelgegend ist sie stark verdiekt und beim Männchen erhebt sie sich leistenförmig in der Bauchlinie, die Muskulatur theilend; da, wo am männlichen Sehwanzende die Theilung beginnt, ist sie ebenfalls verdiekt (Fig. 11), bildet in der Gegend der vorderen Schwanzganglien dicht hinter der Cloaken- öffnung die Aussenwand des Körpers, da hier die Cutis fehlt, und macht vor der Gabelung eine von der Rücken- nach der Bauch- linie ziehende Brücke (Fig. 13); in den beiden Schwanzgabeln ist sie in der Bauchseite wesentlich verbreitert (Fig. 14). Beim Weib- chen ist sie in der Gegend des Uterus an der Bauchseite etwa 5 mal dicker als an der Rückenseite (Fig. 19); die Kerne sind entweder ei- oder kugelförmig. Meissner bezeichnet die Hypo- dermis als Perimysium, während Grenacher?) sie subeutane Schicht nennt und sie als Matrix der Cutis hinstellt. -Villot hat die seltsame Ansicht, die Hypodermis, welche weder aus epithe- lialen Zellen noch aus einem gekernten Protoplasma, sondern aus fibrillären Elementen bestehe, sei ein Theil des Nervensystems, eine Ansicht, welche er auch in seiner neueren Arbeit „Sur l’ana-

1) Zur Morphologie der Gordiiden. Zeitschr. für wissensch. Zoolog. XLII. Leipzig 1886. 2) Zeitschr. für wissensch. Zoolog. XVIII, Leipzig 1868,

Ueb. d. Entwicklungsgeschichte u. d. Anatomie v. Gordius tolosanus Duj. 255

tomie des Gordiens“ !) festhält. Der Bauch-Nervenstrang soll mit der Hypodermis unmittelbar zusammenhängen. Wäre diese Auf- fassung richtig, so würden wir ein Nervensystem bei Gordius vor uns haben, das unmittelbar der Cutis anliegend eylinderförmig den ganzen Körper überzieht und an einer Stelle, dicht hinter der Cloake des Männchens, frei zu Tage liegt. Ganz neuerdings er- klärt Villot?) die Hypodermis für ein Gefässsystem, das eine Absorbtions- oder Excretionsfunetion besitzt, während ausserdem ein Netzwerk von Ganglienzellen zwischen der subeutanen Schicht und dem Perimysium liegen soll. Vejdovsky?) nennt die Hypodermis eine cuticularbildende Matrix, die in ihren ver- schiedenen Gestaltungsverhältnissen immer von einer Epithelschicht ableitbar ist. Letzterer Umstand hat Camerano veranlasst, das Gebilde nicht Hypodermis, sondern Epidermis zu nennen, eine Auffassung, die auch Michel®) theilt, welcher unabhängig von ersterem die zellige Natur erkannte. Sowohl Camerano wie Michel scheint es entgangen zu sein, dass ich 5) bereits im Jahre 1877 die zellige Natur der Hypodermis beschrieben und abgebildet habe; meine Angaben wurden aber von späteren Forschern ange- zweifelt; die Kenntniss der zelligen Structur ist übrigens noch viel älter, denn sie war sehon Schneider bekannt, der in seinen „Un- tersuchungen über Gordius* Fig. 17 c, die zellige Hypodermis, die er, wie bemerkt, Perimysium nennt, abbildet.

Was die Frage betrifft, ob das betreffende Stratum Hypoder- mis oder Epidermis zu benennen ist, so kann von beiden Be- zeichnungen wohl nur in Bezug auf ein Derma die Rede sein; nennt man es Epidermis, so ist die nach aussen von ihm liegende Schieht die Cuticula, und sieht man sich alsdann vergebens nach einem Derma um, denn die unmittelbar darunter liegende Schicht von Längsmuskeln kann doch nicht als Derma bezeichnet werden. Das fragliche Stratum scheint mir aber der ebenfalls aus polygo- nalen Zellen bestehenden Hypodermis oder Matrix oder Chitinogen-

1) Ann. sc. natur. zoolog. 1887, art. 4, pag. 193.

2) Compt. rend. Acad. sc. Paris, f. CVII, Nr. 6, Paris 1889, pag. 304—306.

3) 1. ce. pag. 380.

4) Compt. rend. Acad. sc. Paris, vol. CVII, pag. 1175—1177.

5) Archiv für Naturgesch. 1877, pag. 5—4, tab. I, Fig. 5.

256 Dr. v. Linstow:

Membran der Arthropoden homolog zu sein, daher ich es als Hy- podermis bezeichnen möchte; die nach aussen von ibm liegende Schicht wäre alsdann Cutis oder Derma und die dunkelbraune, dünnere Aussenschicht Epidermis zu benennen.

Die Muskeln liegen der Innenseite der Hypodermis an; sie bestehen lediglich aus Längsmuskeln und erreichen in der männlichen Larve eine Dicke von 0,051 mm = !/, des Körper- durchmessers, in der weiblichen eine von 0,029 mm = 1/5 des- selben; etwa 0,49 mm vom Kopfende entfernt beginnen sie mit einer anfangs sehr dünnen, dann bald mächtiger werdenden Scehieht. Die langen Muskelzellen haben einen gestreckten, stab- förmigen Kern, wie man an Längsschnitten sieht (Fig. 21d). Am männlichen Schwanzende theilt sich die Muskelmasse, die bei beiden Geschlechtern in der Bauchlinie durch den Verbindungs- strang zwischen Hypodermis und Nervenstrang unterbrochen ist, in zwei seitliche Hälften, und wenn die Gabelung vollendet ist, findet man die Muskulatur beschränkt auf das innere, der Rücken- seite anliegende Viertel und die äussern zwei Drittel (Fig. 14). Das männliche Schwanzende zeigt ausserdem an der Stelle, wo der Darm sich nach der Rückenseite wendet, zwei dorsoventrale Muskelzüge (Fig. 10), die sich dieht hinter der Cloake zu einer starken Masse vereinigen (Fig. 11 und 12), von welchen Muskeln Villot!) irrthümlich behauptet, dass sie aus Parenchym-Elementen bestehen. Am weiblichen Schwanzende ist in der Gegend des Uterus die Muskulatur an der Bauchseite erheblich dünner als an der Rückenseite (Fig. 17), schwindet an ersterer bald ganz (Fig. 18 und 19) und hat bei der Cloakenmündung völlig aufgehört (Fig. 20). Jede Muskelfibrille enthält an der ‘Innenseite einen Kern, der in die Marksubstanz übergeht und nach aussen stark verdünnt ist (Fig. 24); letztere liegt an der Aussenseite, welche mit der Hypodermis in Berührung ist und zeigt auf Querschnitten eine parallele Begrenzung nach den Seiten; sie ist durch Häma- toxylin gut sichtbar zu machen. Grenacher?) erkannte, dass die Muskelfibrillen nicht ununterbrochen vom Kopf- bis zum Schwanz- ende verlaufen, sondern dass sie 0,5—0,66 mm lang sind und die

1) Anatomie des Gordiens, pag. 208. 2) Zeitschr. für wissensch. Zoolog. XIX, Leipzig 1869, pag. 239—290, tab. XXIV, Fig. 4.

Ueb. d. Entwicklungsgeschichte u. dl. Anatomie v. Gordius tolosanus Duj. 257

Form eines Paralleltrapezes haben; er hält die Gordienmuskeln nicht den Nematodenmuskeln für gleichwerthig, da am visceralen Rande eine Höhlung ohne Kern erkennbar sei und da sie beider- seits in eine Spitze auslaufen; das erstere habe ich nicht bestä- tigen können. Schneider rechnet die Gordien-Muskeln zur Gruppe der Holomyarier; wenn nun auch die Schneider’sche Diagnose nicht in allen Punkten bestätigt ist, so bilden diese Muskeln doch einen scharfen Gegensatz zu den Poly- und Mero- myariern, so dass die Schneider’sche Eintheilung trotzdem sehr werthvoll erscheint. Was Vejdovsky eine Dorsalfurche in der Muskulatur am männlichen Schwanzende nennt, halte ich für nichts weiter als die Zeichen der beginnenden Gabelung; wenn derselbe den Muskelkern der Muskeln von Gordius tolosanus seitlich, ausserhalb der Muskelzelle liegen lässt, so gestehe ich, dass ich derartiges weder bei meinen Larven noch bei geschlechtsreifen Exemplaren gesehen habe.

Der Zellkörper dient theils als Stütze der inneren Organe, theils als Füllsubstanz, wie z. B. in der männlichen Schwanzgabel, theils aber als Bildungskörper für die Hoden und die Ovarien, die beide in der Larve noch nicht vorhanden sind; nach der Körperperipherie zu pflegen die grösseren Zellen zu liegen ; niemals habe ich ein Epithel der Leibeshöhle gesehen, wie Vejdovsky!) es beschreibt und abbildet; auffallend ist die segmentirte An- ordnung der Zellen, wie sie auf Längsschnitten besonders in der Peripherie des Körpers deutlich ist (Fig. 21). Grenacher nennt den Zellkörper perienterisches Zellgewebe, Schneider Muskel- Marksubstanz.

Sowohl die männliche wie die weibliche Larve zeigt auf Querschnitten zwei seitliche, symmetrische, der Rückenfläche ge- näherte und einen unsymmetrischen, der Bauchfläche näher liegen- den Hohlraum; in letzterem. liegt der Darm und an der Bauch- seite grenzt der Nervenstrang an ihn; ich halte ihn für eine Leibeshöhle. Sie bietet bei den Larven einen Formunterschied nach den Geschlechtern; beim Männchen ist sie nach der Rücken- seite zu rundlich begrenzt, auf Querschnitten erscheint sie hier nieren- oder hufeisenförmig (Fig. Sh), während sie beim Weibchen nach dem Rücken zu spitzwinklig begrenzt ist, so dass der

1) 1. c. tab. XV, Fig. 36 pt.

258 Dr. v. Linstow:

Querschnitt die Form eines Kartenherzens hat (Fig. 16 b). Vej- dovsky nennt die Leibeshöhle Excretionscanal; ich habe keinen Grund zu einer solehen Deutung gefunden und kenne keinen Excretioncanal, in dessen Lumen ein Darm verläuft; Villot nennt die Leibeshöhle eavit& de regression de l’intestin, in Jüngster Zeit aber cavite periintestinale, die durch einen Zerfall der den Darm umgebenden Parenchymzellen entstehen soll). |

Der Verdauungtract beginnt mit einer scheitelständigen Oeffnung, welehe die Cutis durchsetzt; das darunter liegende Parenchym verlegt aber die nun folgende Röhre (Fig. 7b), so dass ein Lumen bei den grossen Larven aus Käfern nicht mehr existirt; auffallender Weise ist der dieke Anfangstheil des Oesopha- gus aus zwei seitlichen, symmetrischen Hälften zusammengesetzt (Fig. 2 und 3b); zunächst verläuft er in der mittleren Körper- achse, wird dann daselbst vom Kopfganglion umgeben (Fig. 3 u. 4), verläuft etwas weiter hinten getrennt von letzterem an dessen Rückenseite (Fig. 5) und erscheint auf Querschnitten mehrfächerig (Fig. 6); der der Mundöffnung zunächst liegende Theil ist kelch- förmig erweitert (Fig. 7).

Der Darm hat ein deutliches Lumen und wird aus Zellen mit eiförmigen, granulirten Zellen gebildet (Fig. 23); beim Männ- chen münden die Ausführungsgänge der Geschlechtsröhren in das Ende des Darms, eine Cloake darstellend, nachdem der Darm am Schwanzende von der Bauchlinie nach der Rückenseite getreten ist und darauf, nachdem er wieder zur Bauchlinie zurückgekehrt ist, sich stark von der Rücken- nach der Bauchseite verbreitert hat. Bei beiden Geschlechtern ist das letzte Ende des Darms von stark erweitertem Lumen und sehr verdickten Wänden. Beim Weibchen verläuft der Darm in der Gegend des Uterus nahe der Rückenlinie (Fig. 18 und 19a), in dessen hinterstes Ende er ein- mündet, wie Grenacher bereits erkannte. Meissner nennt den Darm Excretionsorgan.

Das Central-Nervensystem beginnt unmittelbar hinter der Mundöffnung mit zwei schwachen, neben einander liegenden An- schwellungen (Fig. 2), welche an der Rückenseite des obliterirten Mundbechers liegen, um sich dicht dahinter zu einer grossen

1) Compt. rend. Acad. sc. Paris t. CVIII, Nr. 13, Paris 1889, pag. 685 —687.

Ueb. d. Entwicklungsgeschichte u. d. Anatomie v. Gordius tolosanus Duj. 259

Nervenmasse zu vereinigen, die den Oesophagus von allen Seiten umgiebt (Fig. 3u.4); dann tritt sie nach der Bauchfläche hin, nimmt bedeutend an Umfang ab und verläuft isolirt vom Oesophagus (Fig. 5 u. 6); anfangs höher als breit (Fig. 5) wird das Organ nun bald breiter als hoch (Fig. 6) und besteht aus drei deutlich gesonderten, neben einander liegenden Strängen, die an der Basis von einer gekernten Masse gestützt werden; der Bauchstrang trennt die Muskulatur in der Bauchlinie und ist durch einen faserigen Strang mit der Hypodermis verbunden. Villot’s Auffassung: „Le ganglion cephalique n’est autre chose qu’en renflement de la couche hypodermique“ passt für die von mir untersuchten Larven durchaus nicht (Fig. 3).

Beim Männchen erhebt der Bauchstrang sich dicht vor der Schwanzgabelung von der Muskulatur und bekommt nun eine be- sondere, seitliche, aus Muskelmasse bestehende Stütze (Fig. 9u.10); beim Beginn der Gabelung tritt einer der Seitenstränge an die Innen- und Bauchseite je einer Gabel (Fig. 11), der Mittelstrang schwindet, dicht hinter der Cloakenöffnung bemerkt man in jeder Gabel eine starke Ganglien-Anschwellung (Fig. 12) und nach vollzogener, vollständiger Trennung der Endäste in jeder derselben eine zweite (Fig. 14). In beiden Geschlechtern ist der ungetheilte Bauchstrang von einem gekernten Bindegewebe rings umgeben. Bei der weiblichen Larve hört der Bauchstrang mit dem Uterus auf, eine Theilung findet nicht statt, an der Cloakenöffnung ist er nicht mehr vorhanden (Fig. 20). Grenacher!) nennt den Bauchnervenstrang Ventrallinie; er lässt denselben auch am Schwanzende des erwachsenen Weibchens sich gabeln ?), was bei der Larve nicht der Fall ist, dasselbe findet auch Villot?); Schneider *) bezeichnet ihn als Oesophagus.

Ein intermuskuläres oder interparenchymatöses Wasser- gefässsystem, welches Villot beschreibt, existirt bei den von mir untersuchten Exemplaren nicht, auch Camerano leugnet die Existenz eines solchen.

Die männlichen Geschlechtsorgane waren in den

1) 1. c. pag. 285. 2) 1. c. pag. 328. 3) Anatomie des Gordiens pag. 195. 4) l. c. pag. 185.

260 Dr. v. Linstow:

Larven noch nicht entwickelt; von den Hoden bemerkt man noch nichts und die beiden erwähnten, nach der Rückenfläche zu gelegenen, symmetrischen Lücken im Zellkörper entsprechen ihrem späteren Lumen; sie sind im Gegensatz zu der Leibeshöhle mit einem Epithel ausgekleidet, das nicht überall der Wandung flach anliegt, sondern zum Theil frei in die Höhlung hineinragt. Nach dem hinteren Körperende verengern sich die Röhren und gehen in die Samenleiter über, welche links und rechts in den hintersten Theil des Darms treten (Fig. 11d) und so mit ihm die Cloake bilden; eine Muskulatur findet sich an der männlichen Cloaken- mündung nicht. Ausser den kleinen Kegeln, welche die Cloaken- öffnung dicht und den zum Theil am Ende gespaltenen kleinen Borsten, welche sie in weiterem Bogen umgeben, findet sich noch eine dritte Gruppe feiner Spitzen, welche die Innenseite der End- lappen bekleiden.

Die weiblichen Geschlechtsorgane bilden bei ge- schlechtsreifen Thieren, abgesehen vom vordersten und hintersten Körpertheil fünf parallele Röhren; an der Rückenseite der Rücken- canal (Fig. 31d), seitlich davon die Eiersäcke (Fig. 31c), nach aussen von ihnen die Ovarien (Fig. 3la u. b); letztere vier Organe, die beiden Eiersäcke und die beiden Ovarien, grenzen nach der Bauchseite zu an die Leibeshöhle (Fig. Sle); am Schwanzende gehen die Eiersäcke in die kurzen Eileiter über (Fig. 17a), welehe in den Uterus münden, und an dessen Bauch- seite liegt das gleichfalls in den Uterus mündende Receptaculum seminis.

In der Larve aus Käfern sind von diesen Organen nur die Eiersäcke und ihre hinteren, kurzen Ausläufer, die Eileiter und der Uterus vorhanden (Fig. 16, 17, 18, 19); Ovarien, Receptaculum seminis und Rückencanal fehlen gänzlich. Die Eiersäcke ent- sprechen morphologisch den Hodenanlagen der Larve; sie sind, wie diese, Hohlräume und mit einem ähnlichen Epithel ausgekleidet; die Eileiter sind diekwandig. Der Uterus besteht aus zwei sehr verschiedenen Abschnitten; der vordere ist zweitheilig (Fig. 13 b) und von seiner Innenwand erheben sich pilzförmige Bildungen, während die hintere Hälfte (Fig. 19 b) von einem Netzwerk ein- zelliger Drüsen ausgekleidet ist. Der Darm tritt von der Rücken- seite in den allerhintersten Theil des Uterus; eine seitliche Lage- rung dem Uterus gegenüber wie beim erwachsenen Thiere findet

Ueb. d. Entwicklungsgeschichte u. d. Anatomie v. Gordius tolosanus Duj. 261

nicht statt; die so gebildete Cloake ist von einer hypodermis- ähnlichen Membran begrenzt (Fig. 20).

Nach Grenacher waren bei einer Larve von Gordius ornatus aus Mantis die Eianlagen schon stark entwickelt und im Ovarium polygonale Zellen, die unreifen Eier, vorhanden. Vejdovsky!) gab in seiner ersten Arbeit an, die wahren Eierstöcke niemals gefunden zu haben; er hatte sie in der That aber wohl gesehen und nur nicht richtig gedeutet, denn was er Tab. XVI Fig. 6leg mit Eileiter bezeichnet, sind Ovarien und die mit d‘ bezeichneten Organe die leeren Eiersäcke, von ihm als Leibeshöhle bezeichnet; in seiner zweiten Arbeit?) werden sie als Ovarien angeführt, ihre Hohlräume aber als Cölom oder Leibeshöhlle. Meissner nennt die Ovarien Eierstockschläuche, Villot die lateralen Aeste der Ovarien.

Die Eiersäcke werden von Grenacher als Oviducte bezeich - net, von Meissner als Ovarien, während Vejdovsky sie Eier- säcke und Eierbehälter und Villot die dorsalen Aeste der Ovarien nennt. Letzterer spricht sowohl den Biersäcken als auch den Ovarien ein Epithel zu, das ich nur bei ersteren finde.

Die Eiersäcke gehen hinten durch die Eileiter in den Uterus über, von Grenacher und Villot als Uterus, von Vejdovsky als Atrium, von Camerano als Diverticolo cloacale bezeichnet. Gegen die Bezeichnung Uterus dürften keine Bedenken vorliegen, da hier die Befruchtung der Eier vollzogen wird; die die letzteren verkittende Substanz wird auch hier abgesondert, wie ja auch der Säugethier-Uterus die Eihüllen bildet.. Nach Camerano soll das Diverticolo cloacale eine Erweiterung des Darms sein, in den die Ausgänge der Geschlechtsorgane eintreten, was sich aber um- gekehrt verhält, denn der Darm tritt in das hinterste Ende des Uterus.

Die vorderen, symmetrisch getheilten beiden Abtheilungen des Uterus, in welche die Eileiter einmünden, nennt Vejdovsky Hörner des atrium, Camerano rechnet sie nieht zum Diverticolo eloacale, sondern bezeichnet sie als Erweiterungen der Eileiter.

1) 1. e. pag. 411. 2) Zeitschr. für wissensch. Zoolog. XLVI, 2, Leipzig 1888, pag. 188—216, tab. XVII.

262 Dr. v. Linstow:

Das Receptaculum seminis wurde bereits von v. Siebold!) und Grenacher richtig erkannt.

Die Cloakenmündung steht beim Weibchen ebensowenig terminal wie beim Männchen; bei ersterem findet man sie 0,12 mm vom Hinterende entfernt und dahinter zeigt der Körper die An- deutung einer Zweitheilung, wie sie beim Männchen so stark aus- gebildet ist.

Anatomie der geschlechtsreifen Thiere.

Die geschlechtsreifen Exemplare von Gordius tolosanus baben, was bisher übersehen ist, Ocellen. Dicht hinter dem Scheitelpunkt, 0,066 mm von demselben entfernt, liegen an der Rückenseite, deren Cutis hier noch hyalin, d. h. noch nicht braun gefärbt ist, 2 kleine von schwarzen Pigmentkügelchen umgebene Linsen in einem Ab- stand von 0,082 mm von einander (Fig. 25a). Die kleinen Pig- mentgruppen lassen sich auf Längs- und Querschnitten schon bei schwachen Vergrösserungen erkennen.

Die Entwicklung der Geschlechtsorgane konnte ich an einer Anzahl ganz junger Gordien untersuchen, welche mein Sohn im Juni in einem stagnirenden, fast vertrockneten Waldbache in der Nähe von Northeim fand; es waren 9 Männchen und 2 Weib- chen von Gordius tolosanus; die Farbe war hellbraun und das kleinste Männchen hatte nur eine Länge von 68 mm, das grösste von 150mm. Da der Fund während meiner Abwesenheit von Göttingen gemacht wurde, brachte der Finder die Exemplare zu Herrn Dr. Hamann, welcher die Freundlichkeit hatte, nicht nur diesel- ben zu conserviren, sondern auch eine Anzahl ausgezeichneter Serien- schnitte anzufertigen, wofür ich an dieser Stelle nochmals meinen verbindlichsten Dank ausspreche.

Die Wandung der beiden an der Rückenseite der Leibeshöhle symmetrisch neben einander liegenden, die ganze Leibesausdehnung des Männchens der Länge nach durchziehenden Hohlräume der Larve, welche mit einem Epithel ausgekleidet sind, verwandelt sich in die

Hoden. Das Epithel entspricht weder dem bei den Thieren gewöhnlichen Platten-, Cylinder- oder Flimmerepithel,. sondern muss als ein Spindelzellenepithel bezeichnet werden, denn die

1) Archiv für Naturgesch., 1843, pag. 307.

Ueb. d. Entwicklungsgeschichte u. d. Anatomie v. Gordius tolosanus Duj. 263

Zellen sind spindelförmig, haben einen spindelförmigen Kern und liegen nicht immer mit ihrer Seitenfläche der Wandung an, sondern ragen oft, mit dem einen spitzen Ende in ihr wurzelnd, frei in das Lumen hinein. Die das Lumen der Hohlräume begrenzende Sehicht des Zellkörpers wandelt sich in dichtes, gekerntes Binde- gewebe um, welches physiologisch dem Hoden entspricht (Fig. 26 a), denn aus ihm sprossen in das Lumen Zellen hinein (Fig. 15), in denen sich Tochterzellen bilden und in letzteren entstehen die Samenkörperchen, welche bald frei werden und in grossen Massen zusammengeballt in dem Hohlraum nach hinten gelangen. Die Epithelzellen sind die samenbildenden Elemente und an den Stellen der Wandung, an welchen man die Spermatogenese verfolgen kann, fehlen die ersteren. Die Spermatogenese vollzieht sich in den jungen, im Wasser lebenden Männchen scheinbar von hinten nach vorn, d. h. man findet bei einem und demselben Männchen im vorderen Drittel des Körpers noch gar keine samenbildenden Zellen, während im mittleren solche in reicher Menge vorhanden sind und im hinteren die Hohlräume der Hoden bereits von Samenmasse gänzlich erfüllt sind. Die Entwicklung scheint also hinten im Körper zu beginnen und allmählich weiter zu schreiten. Die samen- bildenden Zellen entwickeln sich aus den Spindelzellen-Epithelien in der Weise, dass aus einer Spindelzelle eine gekernte, gestielte, kugelförmige Zelle wird (Fig. 26c); aus einer solchen entsteht eine grössere, hyaline Zelle mit schwach gefärbtem Kern (d), der dann grösser, stärker gefärbt und granulirt wird (e); in diesen Zellen bilden sich als Mutterzellen Tochterzellen (f), welche in ihrem Innern die Samenkörperchen ausbilden (g).

Die Samenkörperchen sind kurze, dicke Stäbchen mit einer dünneren und einer diekeren Hälfte; sie sind als Zellen mit excentrischem Kern aufzufassen, und zwar ist der dünnere Theil der chromatische Kern, der dickere der achromatische Zellleib (Fig. 32).

Die Hoden sind bis jetzt noch von keinem der Forscher, die sich mit Gordien beschäftigt haben, gesehen worden. Meissner!) bezeichnet die Samenmassen als Hoden; Vejdovsky?) giebt an, es sei ihm nicht gelungen, in den freilebenden Gordien die Hoden in ihrer ursprünglichen Lage und Vertheilung zu entdecken;

1) 1. e. pag. 104. 2) Zur Morphologie der Gordiiden, pag. 417.

264 Dr. v. Linstow:

Camerano!) sagt in ähnlicher Weise: „negli esemplari adulti non mi venne fatto di trovar nulla che rivelasse la vera ed intima struttura degli elementi ghiendolare destinati alla produzione degli spermatozoi“; nur Villot?) sagt, er habe über den männ- lichen Geschlechtsapparat in seinen Arbeiten aus den Jahren 1874 und 1881 eine description tres exacte et tr&s complete segeben. In den Nouvelles recherches aus dem Jahre 1881 finden wir (pag. 5) nur die kurze, unrichtige Notiz, dass der Same des Männchens vor der Reife entleert wird; in der Monographie des Dragonneaux aus dem Jahre 1574 aber sagt er (pag. 195 und 223) (die die weiblichen Sexualorgane betreffenden Worte sind fort- gelassen): „Les testicules sont deux gros tubes, dans l’interieur desquels on trouve des spermatozoides; ils ne produisent les cellules spermatogenes; ils enveloppent et protegent les el&ments essentiels de la reproduction. Une masse considerable de cellules embryonnaires, autour du tube digestif, se divise en deux parties; l’une centrale, qui se transforme direetement en cellules spermatagönes, l’autre peripherique, qui fournit le tissu des testi- cules“. Das verhält sich aber nicht so; die Samenkörperchen entstehen nicht aus Zellen des Zellkörpers; sie bilden sich an der Wand der Hoden, wenn diese bereits Hohlräume sind und keine einzige Zelle des Zellkörpers in ihrem Innern enthalten ; sie entstehen aus den wandständigen Epithelzellen. Villot hat also die functionirenden Hoden auch nicht gesehen und hält?) die wahren Hoden für die Hüllen der samenbildenden Zellen.

Aeussere Copulationsorgane, wie Vejdovsky*) sie beschreibt und abbildet, habe ich bei der von mir untersuehten Art in keinem Falle gefunden; die Bursa halte ich für verhärtete Spermamasse, den Cirrus für ein Kunstproduct.

Die Geschlechtsorgane des erwachsenen weiblichen Thiers bestehen ausser dem bei Beschreibung der Larve erwähnten Uterus sowie dem Receptaculum seminis aus den gleichfalls ge- nannten 5, den Körper der ganzen Länge nach durchsetzenden,

1) Ricerche etc., pag. 49.

2) Anatomie des Gordiens, pag. 207.

3) Anatomie des Gordiens, pag. 207.

4) Zur Morphologie ete., tab. XV, Fig, 8 be; tab. XVI, Fig. 46 cl.

Ueb. d. Entwieklungsgeschichte u. d. Anatomie v. Gordius tolosanus Duj. 265

parallel neben einander verlaufenden Röhren, den beiden Ovarien, den beiden Eiersäcken und dem Rückencanal.

Die Ovarien sieht man bei jungen Weibchen als prall mit Zellen gefüllte Organe (Fig. 27, 28, 29b); sie beginnen dicht hinter dem Kopfe und werden bald so mächtig, dass sie die Seitenhälften des Körpers derart erfüllen, dass zwischen ihnen nur ein schmaler Raum bleibt, der von den anfangs leeren Eier- säcken, der Leibeshöhle mit dem Darm und dem Bauchnerven- strang eingenommen wird (Fig. 29).

Die Entwicklung und Fortleitung der Eier vollzieht sich in sehr merkwürdiger Weise; die Ovarien füllen sich prall mit gekernten Eizellen, welche sich als Tochierzellen in Mutterzellen (Fig. 27 b) bilden und sich bald polygonal an einander abplatten; obgleich nun die parallel mit und nach innen von ihnen verlau- fenden Eileiter (Fig. 27, 28, 29a) selber keine Eizellen produeiren, füllen sich diese doch mit der fortschreitenden Entwicklung des Weibchens mit solchen, was in der Weise geschieht, dass an bestimmten Stellen die Scheidewand zwischen beiden Röhren schwindet und die Eizellen aus den Ovarien in die Eileiter hineinwuchern (Fig. 30), wie Vejdovsky!) diese Communication schon beobachtet hat. In dieser Periode ist ein Rückencanal noch nicht entwickelt.

Ein ganz anderes Bild gewähren alte Weibehen. Hier be- obachtet man, wie die eibildenden Drüsen nur an der Innenwand der Ovarien, da wo Eiersäcke und Leibeshöhle an einander grenzen, ihren Sitz haben (Fig. 31b), und wie die Eier an der Innenseite der Ovarien entstehen, um in deren Hohlraum zu fallen, den Vejdovsky mit Leibeshöhle oder Cölom bezeichnet. Bei diesen alten Weibchen sieht man also 6 parallele Hohlräume, in der Bauchgegend die Leibeshöhle mit dem Darm, nach dem Schwanzende zu auch das Receptaculum seminis enthaltend (Fig. 31f), seitlich die Ovarien (a u. b), zwischen ihnen nach der Rücken- gegend zu die leeren Eileiter (c) und in der Rückenlinie den von Vejdovsky?°) gefundenen Rückencanal, über dessen Function er unklar ist. Villot?) nennt ihn richtig einen fünften zum Genital-

1) Studien über Gordiüiden I, tab. XVII, Fig. 7, 9, 10. 2) Zur Morphologie ete., pag. 408—409. 3) Anatomie des Gordiens, pag. 201—202,

266 Dr. v. Linstow:

apparat gehörigen rudimentären Canal. Bei einem alten Weibchen, dessen Eiablage fast vollendet war, fand ich ihn der ganzen Länge nach mit Eiern gefüllt; hier waren die Lücken in den Wandungen zwischen Ovarien und Eiersäcken wieder vollständig geschlossen, dieselben bestehen also nur zeitweise, und halte ich den Canal für einen in diesem Reifestadium in Function treten- den Verbindungsgang zwischen Ovarien und Eiersäcken; am Schwanzende tritt der Canal von der Rückenlinie etwas nach der Bauchseite zu und wird sehr in die Breite gezogen!) und die beiden Seitenenden werden in die Hinterenden der Ovarien über- gehen; der Canal wird nun die Eier nach vorn leiten und sich hier links und rechts in die Eileiter öffnen; welche sie wieder nach hinten führen, um sie in den Uterus zu übertragen. Ich kann bestimmt versichern, bei Thieren, deren Eiablage fast vollendet ist, auf zahlreichen Serienschnitten die Wandung zwischen Ovarien und Eiersäcken stets intact und ohne Oeffnungen gefunden zu haben, wie dasselbe der Fall ist, wenn in ganz jungen Weibchen die Eiersäcke noch leer sind (Fig. 28 u. 29). Wir finden somit vier sehr verschiedene Entwicklungszustände der weiblichen Geni- talien, die den Fig. 16, 29, 30 und 31 entsprechen. Begrenzt wird das Ovarium aussen von einer einzelligen Schicht (Fig. 31), einem Rest des Zellkörpers, von Vejdovsky als Epithel be- zeichnet.

Die Ovarien reichen bis dicht an das Kopfende heran; die Eier entstehen, wie die Samenkörperchen im Hoden, zuerst im hintersten Theile des Ovarium, dann allmählich fortschreitend weiter vorn. Die erste Anlage der Ovarien besteht aus 0,026 mm grossen, kugelförmigen Zellen, den erwähnten Mutterzellen der Eizellen (Fig. 27).

Verwandt sind die Gordien einerseits mit den Annulaten durch die Segmentirung des Zellkörpers und der Ovarien, durch die Duplieität der männlichen Organe und den an der Bauchseite verlaufenden Nervenstrang, andererseits aber durch ihre von Camerano?) beschriebene Embryogenie mit den Nematoden.

1) Vejdovsky. |. c. tab. XVI, Fig. 64 c. 2) I primi momenti della evoluzione dei Gordii, Torino 1889.

Ueb. d. Entwieklungsgeschichte u. d. Anatomie v. Gordius tolosanus Duj. 267

Erklärung der Abbildungen auf Tafel XTY—XVI.

Die Figuren 1—14, 16—24 beziehen sich auf Larven aus Käfern. 15,

25—32 auf im Wasser gefundene Exemplare.

Fig. Fig.

1. Scheitelpartie des Kopfendes.

2—6 Kopfende, a Kopfganglion und Nervenstrang, b Mundbecher und Oesophagus, Querschnitt.

Fig. 7. Längsschnitt durch das Kopfende, a Kopfganglion, a Mundbecher. Fig. 8. Querschnitt durch eine männliche Larve. a Epidermis, b Cutis

Fig.

Fig.

oO

Fig.

Fig. Fig.

Fig. . 17. a Eileiter, Ende der Eiersäcke, b Darm, ce Uterus.

. 18. a Darm, b Uterus mit pilzförmigen Wucherungen.

oder Derma, e Hypodermis, d Muskulatur, e Nervenstrang, f Darm, g Zellkörper, h Leibeshöhle, i Hohlraum der zukünftigen Hoden.

9—14, männliches Schwanzende.

10a, Muskulatur.

lla, Muskulatur, b getheilter Nervenstrang, e Darm, d Vas efferens. 15. Junges, freilebendes Männchen, a samenbildende Hodenzellen. 16—20. Hinterleibsende der weiblichen Larve.

16. a Hohlraum der zukünftigen Eiersäcke, b Leibeshöhle.

. 19. a Darm, b Uterus mit Netzwerk von einzelligen Drüsen. . 20. Cloakenmündung. . 21. a Epidermis, b Cutis oder Derma, e Hypodermis, d Muskeln, e Zell-

körper, f Epithel. Längsschnitt.

. 22. Längsschnitt durch den Nervenstrang. . 23. Längsschnitt durch den Darm.

. 24. Querschnitt durch die Muskulatur, a contractile Substanz, b Kern,

c Marksubstanz, d Hypodermis. Hämatoxylinfärbung.

. 25. Querschnitt vom Kopfende dicht hinter dem Scheitel. a Ocellen mit

einem Pigmentringe.

g. 26. Querschnitt durch die Bauchhälfte des Hodens. a Hodenparenchym,

b—g die fortschreitende Entwicklung der samenbildenden Zellen,

268 Dr. v. Linstow: Ueb. d. Entwicklungsg. u. d. Anat. v. Gordius tolosan. Duj-

Fig. 27—29 ganz junges, freilebendes Weibchen. a Eiersäcke, b Ovarien. 27 ganz vorn am Kopfende, 23 vom mittleren, 29 vom hinteren Körperdrittel.

Fig. 50. reifes Weibchen. a Eiersäcke, b Ovarien.

Fig. 31. Weibchen bei fast vollendeter Eiablage. a Hohlraum des Ovarium, b Drüsenzellen des Ovarium, cEiersack, d Rückenkanal mit Eiern,

e Leibeshöhle, f Receptaculum seminis.

Fig. 32. Samenkörperchen.

Se

Ueber die Entwickelung des Urogenitalsystems des Menschen ').

Von

Dr. med. W. Nagel, Assistenzarzt der Universitäts-Klinik des Herrn Geheimen Medicinal-Raths Prof. Dr. Gusserow in Berlin und Docent der Geburtshülfe und Gynäkologie.

Hierzu Tafel XVII, XVII, XIX u. XX.

I

Einleitung ; allgemeine Beschreibung des Urogenitalapparates zweier junger menschlicher Embryonen von 12 und 13 mm Länge.

Die dieser Arbeit zu Grunde liegenden Untersuchungen sind im Berliner I. anatomischen Institute ausgeführt und haben vor reichlich 2 Jahren ihren Anfang genommen.

Es war anfänglich meine Absicht, nur Säugethierembryonen zu diesen Untersuchungen zu verwenden, weil diese in stets ge- nügender Zahl und Frische am hiesigen Orte leicht zu haben sind und weil es mir damals als ein frommer Wunsch erschien, ver- werthbare menschliche Embryonen aus den ersten Wochen in senügender Zahl zu erlangen.

In meiner Thätigkeit als Assistenzarzt der geburtshülflichen Poliklinik der Königlichen Charit& hatte ich indessen das Glück, nach und nach so gut erhaltene menschliche Objeete zu sammeln, dass ich alsbald die menschlichen Embryonen als hauptsächliches Untersuchungsmaterial verwerthen konnte.

1) Diese Arbeit ist mit Unterstützung der Stiftung der Gräfin Louise Bose ausgeführt.

Archiv f. mikrosk, Anatomie. Bd. 34. 18

270 Dr. med. W. Nagel:

Vervollständigt wurde meine Sammlung durch freundliche Geschenke einiger Collegen, der Herren Doctoren Fischelis, Flaischlen, A. Martin, Schwabach und Hensoldt. Vor allem aber dadurch, dass mein hochverehrter Lehrer und Chef, Herr Geheime Medicinalrath Professor Dr. Gusserow, mir sämmtliche in seiner geburtshülflich-gynäkologischen Klinik ge- borenen Embryonen in dankeswerthester Weise zur Verfügung stellte.

Ich war also in den Stand gesetzt eine ziemlich vollständige Reihe guter menschlicher Embryonen aus dem zweiten Monate, um welche Zeit die wichtigsten Vorgänge in der Entwicklung des Sexualapparates sich abspielen, zu untersuchen und lernte recht bald einsehen, ein wie werthvolles Untersuchungsobjeet der mensch- liche Embryo ist. In der Klarheit der histologischen Verhältnisse übertrifft er bei Weitem die mir bekannten Embryonen der höheren Säugethiere und es wird demnach Niemanden wundern, dass ich es vorzog, die für den Menschen gefundenen Thatsachen als die maassgebenden zu betrachten und geduldig auf neues Material zu warten.

Hierin liegt zum Theil die Ursache für die lange Zeit, welche ich auf diese Arbeit verwenden musste, denn es bleibt trotz aller Mühe immer dem glücklichen Zufall überlassen, wie reichlich das Material fliesst. Eine andere und nicht minder wichtige Ursache dafür, dass die ausführliche Darstellung meiner Untersuchungen später der Oeffentlichkeit übergeben wird als mir erwünscht war, ist die, dass ich meine Untersuchungen nur in den Stunden der Musse, welche meine amtlichen Pflichten und meine Fachstudien mir übrig liessen, anstellen konnte. Ich führe dieses an, damit ınan nicht aus der darauf verwendeten Zeit zu grosse Erwartun- gen auf den Inhalt dieser Arbeit stellen soll. Ich habe mich be- strebt, die einmal begonnene Arbeit zu einem würdigen Abschluss zu bringen und habe mich ferner bestrebt, mich möglichst aus- giebig mit der einschlägigen Literatur bekannt zu machen. Ich weiss aber sehr wohl, dass trotzdem viele Lücken geblieben sind und dass vieles noch einer eingehenden Untersuchung bedarf.

Der Director des I. anatomischen Instituts zu Berlin, Herr Geheime Medicinalrath Professor Dr. Waldeyer, hat mir wäh- rend dieser Untersuchungen mit nie ermüdender Bereitwilligkeit zu Seite gestanden und ich spreche Ihm an dieser Stelle für

Ueber die Entwickelung des Urogenitalsystems des Menschen. 271

seine freundliche Theilnahme und seine werthvollen Rathschläge meinen tiefgefühlten Dank aus.

Die Verhältnisse der grossen Stadt führen es mit sich, dass sehr viele Frauen abortiren, ohne dass eine Erkrankung des Eies hieran Schuld ist; somit ist es erklärlich, dass ein verhältniss- mässig grosser Theil meiner Embryonen gut erhalten war. Und dass dieselben frisch, das heisst wenige Stunden nach der Geburt, in die Härtungsflüssigkeit eingelegt werden konnten, hat darin seinen Grund, weil sämmtliche Aborte, von welchen die Embryonen stammen, unter sachverständiger, zum Theil unter meiner persön- lichen Ueberwachung abliefen.

Als Härtungsflüssigkeit wurde Alcohol, Müller’sche Flüssig- keit, Fol’sche und Flemming’sche Lösung verwendet: Nach meinen Erfahrungen verdient die letztgenannte den Vorzug, weil sie die histologischen Verhältnisse der verschiedenen Gewebe am besten zu bewahren vermag. Dieser Vorzug der Flemming’schen Lösung tritt am deutlichsten an den epithelialen Geweben zu Tage: die weiter unten geschilderte Entwickelung des Müller’schen Ganges dem Wolff’schen Kanale entlang habe ich nur an Em- bryonen, welche inFlemming’scher Lösung gehärtet waren, mit überzeugender Klarheit erkennen können.

Nach 24 stündigem Aufenthalte in Flemming’scher Lösung wurden die Embryonen einige Stunden in fliessendes oder oft er- neutes Wasser gelest und dann in Alcohol nachgehärtet.

Zum Färben der Präparate habe ich mit Vorliebe Hämatoxy- lin gebraucht. Zum Durchfärben von Embryonen, welche in Aleo- hol oder Müller’scher Flüssigkeit gehärtet worden sind, genügt eine 3tägige Behandlung mit einer nicht zu verdünnten Lösung des genannten Färbemittels. Embryonen, welehe in Chrom-Osmium- Essigsäure gehärtet sind, müssen dagegen 12—14 Tage in der Hämatoxylinlösung verweilen; trotzdem gelingt es nicht immer, eine Durchfärbung zu erzielen. Indessen wird, wie schon erwähnt, durch die Flemming sche Lösung allein eine so vollkommene histologische Trennung der Gewebe erzeugt, dass eine Färbung nicht unbedingt nothwendig ist, gelingt sie aber, so zeigen sich die Umrisse der einzelnen Zellen manchmal so scharf, als wären sie mit einem Messer geschnitten. Nach vollzogener Färbung und

272 Dr. med. W. Nagel:

nach den üblichen Vorbereitungen wurden die Präparate in der bekannten, von Altmann angegebenen Weise in Paraffin einge- schmolzen, mit einem Microtom zerlegt, Schnitt für Schnitt auf den Objeetträger gebracht und reihenweise geordnet.

Wie aus dem Nachfolgenden hervorgehen wird, habe ich die verschiedenen Embryonen sowohl in Querschnitten, wie auch in Längs- und Frontalschnitten zerlegt.

Die beiden jüngsten bis dahin von mir untersuchten mensch- lichen Embryonen, deren Erhaltungszustand ein so vorzüglicher war, dassich ohne weiteres die an diesem ermittelten Befunde als die wichtigsten betrachten darf, maassen in gehärtetem Zu- stande 12 und 13 mm.

Den einen von diesen, Embryo F, habe ich gehärtet von Herrn Dr. Fischelis aus Moskau bekommen. Der andere, Embryo M, welchen ich Herrn Dr. A. Martin verdanke, ist vor meinen Augen aus dem Uterus mittelst Curette hervorgeholt worden. Der- selbe war klar und durchscheinend und an der Oberfläche konnte man deutlich zahlreiche, mit Blut gefüllte Gefässe erkennen, welche dem Embryo einen röthlichen Schimmer verliehen. Am Kopfe war er durch die Curette etwas verletzt worden, der übrige Kör- per aber war wohl erhalten. Der Embryo wurde sofort in Mül- ler’sche Flüssigkeit gelegt und in der bekannten Weise nach- behandelt.

Da menschliche Embryonen von dieser Entwickelungsstufe ein besonderes Interesse beanspruchen, so halte ich es für zweck- mässig, eine genauere Schilderung des gesammten Urogenitalsy- stems der beiden genannten Embryonen vorauszuschicken, selbst auf die Gefahr hin, hier und dort schon Bekanntes zu bringen. Von den älteren Embryonen dagegen werde ich nur bei der Be- sprechung der Entwickelung der einzelnen Organe dieses oder jenes Präparat in systematischer Weise beschreiben, insofern es mir, behufs besserem Verständniss der Entwickelungsvorgänge, erforder- lich scheint.

Embryo F. Länge („die längste durch den Körper führbare Gerade“ [His]) 12 mm. An den vorderen Extremitäten sieht man die Anlagen der Finger als radiär verlaufende Verdiekungen des blattförmigen peripheren

Ueber die Entwickelung des Urogenitalsystems des Menschen. 273

Endes derselben. An den hinteren Extremitäten erkennt man makroskopisch keine solche Anlage. Die Bauchhöhle war ge- schlossen.

Die Urnieren liegen zu beiden Seiten der Wirbelsäule als walzenförmige, in die Bauchhöhle frei hereinragende Körper. Ihr oberes Ende reicht bis zu unterster Grenze der Lungenanlage, also bis in die Gegend des späteren Zwerchfells.

Die W olff’sehen Körper sind überall an ihren freien Flächen mit einem, weiter unten näher beschriebenen, Cylinderepithel bekleidet und bestehen aus Gefässen, Malpighi’schen Körperchen, in den Ausführungsgang (Wolff’schen Gang) einmündenden Quer- kanälchen und aus Zwischengewebe. (Siehe Fig. 1 Tafel XVII.)

Die Glomeruli liegen alle in dem medialen Theile der Urniere, sind dicht aneinander gereiht und finden sich noch in dem proximalen Ende des Organes. Dieselben messen durch- schnittlich 80 X 112 « und zeigen den bekannten Bau: in eine Er- weiterung des blinden Endes des Querkanälchens hinein ragt ein mit Epithel bekleideter Gefässknäuel. Die gegenüberliegende Wand des Querkanälchens, die Bowman ’’sche Membran, ist theils mit platten Epithelzellen bekleidet, theils mit cubischen, welche sich in nichts von denjenigen der übrigen Kanälchen unterscheiden. Der Uebergang von einem Epithel zum anderen ist ein all- mählicher.

Die Querkanälchen haben einen vielfach gewundenen Verlauf; ein Unterschied des Epithels in den verschiedenen Ab- schnitten derselben lässt sich nicht erkennen. Stellenweise sieht man bei Durchmusterung der aufeinander folgenden Querschnitte, dass Kanälchen, welche bis dahin ein deutliches, regelmässiges Lumen gehabt haben, auf einmal dieses einbüssen und als solide Sprossen durch einige Schnitte hindurch zu verfolgen sind.

Der Wolff ’sche Gang verläuft an der Aussenseite des Wolff’schen Körpers; im distalen Theile liegt er dem Oberflächen- epithel näher, als im proximalen Abschnitte des Organs. Die Ent- fernung zwischen Wolff’schem Gange und der Oberfläche beträgt in dem proximalen Theile 6«. Der Wolff’sche Gang ist leicht erkenntlich dadurch, dass er in seiuem ganzen Verlaufe Quer- kanälchen in sich aufnimmt.

Das Epithel der freien Fläche der Urniere ist einschichtig und besteht aus dieht aneinander gereihten Cylinderzellen, welche

274 Dr. med. W. Nagel:

eine Länge von 14—19 u. besitzen und mit einem länglichen Kern versehen sind. Durch dieses Verhalten steht es in auffallendem Gegensatze zu dem Peritonealepithel (sowohl des parietalen wie des visceralen Blattes), indem das letztgenannte aus niedrigen, 3 u messenden, cubischen Zellen besteht. Es scheint ferner, als wäre das Oberflächenepithel besonders stark entwickelt an einem be- stimmten Bezirk der äusseren Fläche der Urniere, indem die Höhe des Epithelsaums stellenweise 24 « beträgt, auch habe ich hier die grössten Cylinderzellen gefunden. Auf Querschnitten erkennt man, dass die ebenerwähnte Epithelverdickung hauptsächlich denjeni- gen Theil betrifft, wo der Wolff’sche Gang verläuft. Man hat sich also die Epithelverdiekung als einen die ganze Länge des Wolff’schen Körpers einnehmenden breiten Wall vorzustellen. An dem proximalen Ende der Urniere, jenseits des abdominalen Endes des Müller’schen Ganges, ist der Wall schmaler, als weiter distalwärts (vergl. Figg. 29 u. 30, Tafel XIX). In der oberen Hälfte der Urmiere verläuft neben dem Wolff’schen Gange, und zwar mehr nach aussen, ein zweiter Kanal, welcher mit einem von demjenigen des Wolff’schen Ganges wohl zu unter- scheidenden hohen, 13—19 « messenden, Cylinderepithel ausgeklei- det wird und welcher weder mit dem Wolff’schen Gange, noch mit den übrigen Kanälchen der Urniere in Verbindung steht.

Dieser Gang, den ich als den Müller’schen deute, ist an seinem distalen Ende geschlossen und liegt dem Wolff'schen Gange dicht an. Sein proximales Ende bildet dagegen eine offene, sich deutlich abflachende Rinne (s. weiter unten).

An der Innenseite des Wolff’schen Körpers, an derselben Stelle, wo auch bei den meisten übrigen Wirbelthieren die erste Anlage der Sexualdrüse zu sehen ist (Waldeyer), erkennt man die Keimdrüsenanlage (s. Figg.1 u. 3, Tafel XVID. Dieselbe be- steht hauptsächlich aus epithelialen Elementen, welche gegen das Stromagewebe des Wolff’schen Körpers deutlich ab- zugrenzen sind. Eine bestimmte Anordnung der Zellen lässt sich nicht erkennen. Das Organ kenntzeichnet sich als eine Verdiekung des Keimepithels, als ein Epithelwulst. An der Oberfläche dieses Wulstes stehen die Keimepithelzellen dieht gedrängt, gehen aber ununterbrochen in die tiefer liegenden Zellschichten über (s. Fig. 13, Tafel XVII). In der ganzen Keimdrüsenanlage zerstreut, auch in der eben erwähnten peripheren Schicht, sieht man zahl-

Ueber die Entwickelung des Urogenitalsystems des Menschen. 275

reiche grosse Zellen mit hellem Protoplasma und mit grossem blassen Kern, welcher meist ein deutliches Kerngerüst mit Ver- diekungen der Kernfäden an den Kreuzungsstellen trägt. Die srössten dieser Zellen messen 16 «4, die Kerne I«. Jedoch trifft man überall zahlreiche Uebergangsformen bis zum Umfange der gewöhnlichen Keimepithelzellen, aus welchen sie also hervorge- gangen sind.

Ein Stroma, insofern man hierunter das bindegewebige Gerüst (mit Gefässen und Nerven) der Keimdrüse versteht, besteht um diese Zeit nicht. Hie und dort, besonders in der Nähe des Hilus, sieht man einzelne zarte Züge embryonalen Bindegewebes; hie und dort verzweigen sieh einzelne Capillaren: das ist die erste Anlage des Keimdrüsenstromas.

Distalwärts verjüngen sich die Wolff’schen Körper allmäh- lich; die Glomeruli verschwinden, so dass das unterste Ende der- selben nur den Wolff’schen Gang nebst embryonalem Bindege- webe enthält. Man muss sich also die distalen Enden vorstellen als zwei seitlich von der Rückenwand des Embryo sich erhebende Falten, in deren Spitzen je ein Wolff’scher Gang verläuft: die Wolff’schen Körper gehen nach und nach in die Plicae uroge- nitales (Waldeyer) über, in welchen die Wolff’schen Gänge bis zum Sinus urogenitalis verlaufen (s. Fig. 2, Tafel XVII). Die Plieae urogenitales sind noch vollständig von einander getrennt; ein Genitalstrang im Sinne von Thiersch besteht demnach um diese Zeit nicht.

Die Einmündungsstelle des Wolff’schen Ganges liegt nach innen von derjenigen des Nierenganges und etwas oberhalb dieser; die Entfernung der Mündungen beträgt auf jeder Seite 3 u.

Das Epithel des Sinus urogenitalis ist cubisch, dasjenige der genannten Gänge eylindrisch; an den Mündungen ist der Ueber- gang der beiden Epithelarten jedoch kein scharfer, indem das Epithel des Sinus urogenitalis an der genannten Stelle höher er- scheint als anderswo.

Auf dem Quersehnitte zeigt sich der Sinus urogenitalis, auf der Höhe der Einmündungen der genannten Gänge, als ein halb- mondförmiger Spalt, der Form des Cavum Douglasii genau ent- sprechend. Verfolgt man ihn aber durch Reihenschnitte proximal- wärts, so sieht man, dass er alsbald eine Ausbuchtung treibt nach der peritonealen Fläche der Bauchwand hin; diese Ausbuchtung

276 Dr. med. W. Nagel:

schnürt sich allmählich gänzlich von dem Sinus urogenitalis (bezw. 'Urachus) ab, um als selbständiger Gang, Allantoisgang, zwischen den beiden Aa. umbilicales zu erscheinen; dicht unterhalb des Peritoneums der Bauchwand verlaufen alsdann die drei Gebilde nach dem Nabel hin. Der Allantoisgang verjüngt sich aber all- mählich, und noch vor dem Verlassen der Bauchwand hat er sein Lumen eingebüsst, ist also atrophirt (s. weiter unten).

Distalwärts hat der Sinus urogenitalis auf dem Quer- schnitte eine ovale Form und ist mit einem cubischen, anschei- nend mehrschichtigen, Epithel bekleidet. Rectum und Sinus nähern sich immer mehr einander, um sich schliesslich zur Cloake zu vereinigen.

Die Cloake ist mit zweierlei Epithel bekleidet: die vordere Wand mit einem eubischen (Epithel des Sinus), die hintere Wand und der grösste Theil der beiden seitlichen Wände mit einem cylindrischen (Epithel des Rectums); der Uebergang von dem einen Epithel zum anderen ist aber ein allmählicher.

Die Nierenanlage ist eine doppelte und liegt zwischen Wirbelsäule und dem unteren Theil der Urniere. Bei älteren Embryonen liegt die Niere bekanntlich vielmehr kopfwärts und zwar am oberen (proximalen) Ende der Urniere.

Den Embryo habe ich, vom Schwanzende anfangend, in Quer- schnitten zerlegt. Die Schnittrichtung bildete aber keinen rechten Winkel mit der Körperaxe, indem der erste Schnitt den höchsten Punkt der unteren Rückenkrümmung tangirte. Sobald ich mich durch die Wirbelsäule durchgearbeitet hatte, traf ich die Nieren- anlagen: Niere und Wolff’scher Körper wurden nirgends von einem und demselben Schnitte getroffen; hieraus schliesse ich auf die soeben bezeichnete topographische Lage der Nierenanlage, welche folgendes Verhalten zeigt:

Jede Niere besteht aus einem länglichen, eine Erweiterung des Nierenganges darstellenden, epithelialen Schlauch, welcher mehrfache Ausbuchtungen treibt. Die grösste Länge des Schlauches (Nierenbecken) beträgt 352 u; die grösste Breite einer der Ausbuchtungen (Anlage der Harnkanälchen) beträgt 64 u. Die ganze epitheliale Anlage wird umgeben von einer Form dicht ge- drängter Bildungszellen !), wodurch die Nierenanlage sich sehr deut-

1) Indem ich hier und in dem Folgenden diesen allgemein üblichen ,

Ueber die Entwickelung des Urogenitalsystems des Menschen. 277

lich von der Umgebung abhebt (s. weiter unten). Die Zellen des Nierenbeckens und der jungen Harnkanälchen sind hohe Cylinder mit länglichen Kernen und messen 16... Dieselben lassen sich überall deutlich von den umgebenden Bildungszellen abgrenzen; nur in den mehr peripher gelegenen Theilen sieht man an einzel- nen Stellen eigenartige Zustände, welche vielleicht als erster An- fang der später zu beschreibenden Entwickelung der Glomeruli aufzufassen sind. In den äussersten Schichten der Nierenanlage, so wie hie und dort zwischen den einzelnen Harnkanälchen, sind die Bildungszellen stellenweise von spindelförmiger Gestalt und in regelmässigen Zügen geordnet: die erste Anlage der Nieren- kapsel und des Zwischengewebes.

Der Nierengang verlässt das Nierenbecken an dessen tiefster, distalwärts gelegener Stelle, macht bald nach seinem Austritte eine leichte Schwenkung nach vorne und mündet in der oben beschriebenen Weise in den Sinus urogenitalis.

Der Nierengang (s. Fig. 2, Tafel XVII) misst in der Quere 34 u und ist mit einer Schichte eireulär geordneter Bildungszellen umgeben. Sein Epithel zeigt dasselbe Verhalten wie dasjenige des Nierenbeckens.

Embryo M.

Länge 13 mm. An beiden Extremitäten erkennt man die An- lage der Finger bezw. der Zehen.

Die Urnieren zeigen einen ganz ähnlichen Bau wie bei dem vorigen Embryo; in dem medialen Theile findet man auch im proximalen Ende zahlreiche und wohlerhaltene, 114 X 147 u messende, Glomeruli, von welchen aus die Querkanälchen unter mässiger Schlängelung bis zum Wolff’schen Gange verlaufen, in dessen obere mediale Wand sie einmünden.

An den Querkanälchen unterscheidet man weitere und schmä- lere Abschnitte, ein Unterschied des Epithels besteht aber nicht; nur an der, dem Glomerulus gegenüberliegenden Wand des Harn- kanälchens, der Bowman’schen Membran, bemerkt man einen solchen, indem die Epithelzellen an dieser Stelle platt sind.

Der Wolff’sche Gang verläuft an der äusseren Seite der

nieht ganz klaren Ausdruck gebrauche, schicke ich die Bemerkung voraus, dass ich unter „Bildungszellen“ diejenigen Elemente verstehe, aus welchen die nicht epithelialen Bestandtheile eines Organs ihren Ursprung nehmen.

278 Dr. med. W. Nagel:

Urniere, misst in der Quere Al. und nimmt mit regelmässigen Zwischenräumen ein Querkanälchen auf.

Proximalwärts reichen die Wolff’schen Körper bis zur Zwerch- fellsanlage; links trifft man mit demselben Schnitte sowohl Wolff- schen Körper wie Lungenanlage.

In diesem Theile des Wolff’schen Körpers oberhalb des abdominalen Endes des Müller’schen Ganges trifft man nur Kanälchen kleineren Kalibers, welche sich erst weiter distalwärts zu einem Ausführungsgange (W olff’schen Gange) vereinigen. Ob bei diesem Embryo die erwähnten Kanälchen mit der Bauchhöhle in Verbindung stehen, vermag ich nicht mit Bestimmtheit zu ent- scheiden; jedenfalls gehen sie bis dicht an das Oberflächenepithel heran.

In dem oberen, proximalen Theile der Urniere in gleicher Höhe mit dem proximalen Ende der Sexualdrüsen bemerkt man neben dem Wolff’schen Gange, und zwar mehr nach aussen, den Müller’schen (s. Figg. 3 u. 4, Tafel XVII). Dieser ist leicht kennt- lich durch sein hohes, dicht stehendes, 16 u messendes Cylinder- epithel.

Das distale Ende des Müller’schen Ganges steht, in später zu beschreibender Weise, mit dem Wolff’schen Gange in Be- rührung.

Auf der linken Seite vielleicht weil die Gänge innerhalb des W olff’schen Körpers nicht parallel mit der Körperaxe laufen und also etwas schräg getroffen sind ist der Müller’sche Gang nur durch 8 Schnitte (& 0,02 [Schantz]) hindurch als selbständiger Kanal zu verfolgen; auf dem 9. Reihenschnitte fängt die abdomi- nale (proximale) Oeffnung an, welche als sich allmählich abflachende Rinne noch durch einige Schnitte zu verfolgen ist (s. Fig. 3, Tafel» RVID;

Auf der rechten Seite ist der Müller’sche Gang auf 34 Reihenschnitten als vollständiger Kanal zu erkennen; auf dem 35. Schnitte (proximalwärts) fängt das abdominale Ende an, wel- ches genau dasselbe Bild einer sich allmählich abflachenden Rinne, wie auf der linken Seite, bietet. Sein distales Ende liegt dem Wolff’schen Gange ‚dieht an, ohne Verbindung mit dem Ober- flächenepithel. "An Schnitten unterhalb dieser Stelle ist nichts mehr vom Müller’schen Gange zu erkennen.

Ueber die Entwickelung des Urogenitalsystems des Menschen. 279

An der Innenseite des Wolff’schen Körpers, an derselben Stelle wie bei dem vorigen Embryo, erkennt man die Anlage der Sexualdrüse (s. Fig. 18, Tafel XVIII). Dieselbe erhebt sich als 0,5 mm breiter und 0,3 mm hoher Wulst, welcher der Hauptsache nach aus epithelialen Elementen besteht und deutlich gegen das Stromagewebe des Wolff’schen Körpers abzugrenzen ist. In die- sem Keimepithelwulst bemerkt man ganz deutlich eine gewisse regelmässige Anordnung der Zellen; sie bilden geschlängelte Stränge, welche theils unter sich, theils mit der Oberfläche in Verbindung stehen (s. Fig. 18, Tafel XVII). Zwischen den genannten Strängen erkennt man ferner, aber nur an der Basis des Organs, spärliche Züge von zartem embryonalen Bindegewebe mit spindelförmigen Zellen und begleitenden Capillaren. Endlich sieht man über das ganze Organ vertheilt einzelne grosse Zellen, die sofort durch ihren blassen 8 « grossen Kern, welcher ein Kerngerüst trägt, in die Augen fallen. Im Vergleich mit dem vorigen Embryo ist die Zahl der grossen Zellen eine sehr geringe: man trifft auf jedem Schnitte nur 2—5 solche; daneben einzelne Uebergangsformen. An der Oberfläche des Epithelwulstes sind die Keimepithelzellen dieht aneinander gereiht und stehen, wie eben gesagt, in ununter- brochener Verbindung mit den tiefer liegenden Zellen.

Die Wolff’schen Körper verjüngen sich distalwärts und gehen in die Plicae urogenitales über, in deren Spitzen je ein Wolff’scher Gang verläuft. Die Pliecae urogenitales sind bis zum Sinus urogenitalis vollkommen von einander getrennt (s. Fig. 6—11, Tafel XVII); von einem Geschlechtsstrange ist also noch nicht die Rede. Infolgedessen liegen auch die Mündungsstellen der Wolff’schen Gänge in den Sinus urogenitalis ziemlich weit von einander entfernt (s. Fig. 9—11, Tafel XVII).

Im Bereich der Plicae urogenitales haben die Wolff’schen Gänge dieselbe Weite wie im Bereich der Urniere: in der Quere messen sie je 33—41l u. Das Epithel ist ein niedrig eylindrisches und misst 5 «u.

Das Oberflächenepithel des Wolff’sehen Körpers zeigt ein ganz ähnliches Verhalten wie bei dem vorigen Embryo und ist bedeutend höher als das Peritonealepithel. Im distalen Theil der Urniere, an der äusseren Seite und zwar über dem Wolff’schen Gange, sind die Epithelzellen am höchsten und messen 14 u.

An der Innenseite der Urniere geht die Epithelverdiekung

230 Dr. med. W. Nagel:

unmittelbar in den Keimepithelwulst über; aber auch im proximalen

‘Theile der Plicae urogenitales ist sie vorhanden. Der distale Theil der Plieae dagegen ist mit anscheinend gewöhnlichem Pe- ritonealepithel bekleidet. Der Uebergang zwischen den beiden Epithelarten ist ein allmählicher.

Was die Anlage der Nieren betrifft, so sind die topogra- phischen und anatomischen Verhältnisse im wesentlichen. den bei dem vorigen Embryo geschilderten gleich. Jedoch ist die Ent- wicklung weiter vorgeschritten, indem die ganze Anlage grösser ist und mehr Harnkanälchen beherbergt; die letztgenannten stehen alle in nachweisbarer Verbindung mit dem Nierenbecken. An einzelnen Stellen der Harnkanälchen, wie es scheint an deren blindem erweiterten Ende, ist die eine Wand nach innen einge- stülpt; in der dadurch entstandenen Bucht liegt eine stärkere An- häufung von Bildungszellen (Anlage eines Glomerulus). Von einer Nierenkapsel ist noch nicht die Rede; in den peripheren Theilen der Nierenanlage sind die Harnkanälchen mit der sie umgebenden Schichte Bildungszellen von einander getrennt: sie wachsen also wie auseinander gespreizte Finger in das umliegende Gewebe hinein.

Der Nierengang verläuft hinten und seitlich von dem W olff- schen Gange, macht weiter distalwärts einen seichten Bogen nach vorn und mündet in den Sinus urogenitalis nach aussen von der Mündungsstelle des Wolff’schen Ganges (s. Fig. 10 u. 11, Tafel XVII), so ziemlich in derselben Höhe wie diese.

Mit dem Epithel misst der Nierengang in der Quere 23 u und ist mit einer Schichte eireulär geordneter Bildungszellen um- geben.

Die übrigen von mir bis dahin untersuchten menschlichen Em- bryonen hatten eine Länge von 15 mm, 16 mm, 17mm, 13 mm, 20 mm, 22 mm, 23mm, 30mm. Es folgen dann eine Reihe älterer bis zu einer Kopf-Steisslänge von 15 Centimeter. Aus jeder dieser Alters- stufen kamen in der Regel mehrere Exemplare zur Untersuchung.

Auf eine systematische Beschreibung der Objecte verziehte ich, indem ich es als zweekmässiger erachte, die gefundenen That- sachen bei der nunmehr folgenden Besprechung der Entwickelung der einzelnen Organe zu schildern.

Ueber die Entwickelung des Urogenitalsystems des Menschen. 281

1 ph Die Wolff’schen Körper.

Die erste Bemerkung über die Wolff’schen Körper (Oken- sche, Primordialnieren (Jacobson), falsche Nieren (Rathke), Urnieren) des Menschen finden wir, soweit ich habe ermitteln können, in den Beiträgen zur vergleichenden Anatomie von J. Fr. Meckel (47). Dieser Autor beschreibt mehrere menschliche Früchte von unter 1 Zoll Länge; eine solche hat er geöffnet und sagt (S. 71 u. 72): „Zu beiden Seiten des Körpers, in der Mitte verschmolzen, liegt längs der ganzen Wirbelsäule bis zum Kopfe hinauf eine längliche Masse, auf der ich zwar hier und da der Länge nach verlaufende Einschnitte bemerkte, die sich aber nicht deutlich in bestimmte Organe schied und endlich in den Nabel- strang auslief.*“ Meckel stellt selbst die Frage: „War es die gemeinschaftiiche Masse, aus welcher sich nachher Lungen, Leber, Nieren, Nebennieren und Geschlechtstheile absondern? Woraus hervorgeht, dass er aus dem untersuchten Embryo die wahre Gestalt und Bedeutung der Wolff’schen Körper nicht hat erkennen können. Es gebührt somit Johannes Müller (51) die Ehre, die Wolff’schen Körper des Menschen zuerst genauer und richtig beschrieben und die Entwickelung und Veränderung des Organs bei einer ganzen Reihe von menschlichen Embryonen verfolgt zu haben.

Der kleinste der von J. Müller untersuchten Embryonen hatte eine Länge von 8 Linien (= 20 mm). Bei diesem beschrieb er die Nebennieren als sehr grosse, die Nieren bedeckende Organe, die Niere mit dem Ureter, das keimbereitende Organ, den Wolff- schen Körper und den ausführenden Geschlechtstheil, Duetus deferens oder Trompete. Den Wolff’schen Körper beschreibt er als ein langes plattes Organ, das an dem Geschlechtsgange wie eine Federfahne an ihrem Kiel seitlich anhing.

J. Müller hebt das frühe Verschwinden des Woiff’schen Körpers beim Menschen hervor, denn bei dem nächsten von ihm untersuchten Embryo, welcher eine Länge von 1 Zoll hatte, ent- deekte er zwischen Ausführungsgang und Keimdrüse (er lässt es unentschieden ob Hoden oder Eierstock) den Rest des Wolff’schen Körpers als eine schmale lange Spur. Nach seinen Beobachtungen verschwinden die Wolff’schen Körper der männlichen Embryonen ganz, der Nebenhoden ist dagegen ein neues Gebilde. Aus diesem

282 Dr. med. W. Nagel:

Grunde verwirft J. Müller die Rosenmüller’sche Annahme, dass der von dem genannten Autor beschriebene Körper (Corpus conicum, siehe Rosenmüller (66)), das Pavorarium (im alten Sinne des Wortes), dem männlichen Nebenhoden entspreche.

Dem ganzen Bau nach und in Erwägung, dass Jacobson bei den Vögeln (siehe Jacobson (30)) nachgewiesen hat, dass die Allantoisflüssigkeit in den ersten Tagen Harnsäure ent- hält und solehe auch im Wolff’schen Körper in den Kanälchen nachgewiesen werden kann, nimmt J. Müller an, dass die Wolff- schen Körper secernirend sind, dass sie „in einem vicären Ver- hältniss zu den Nieren, wie die Kiemen zu den Lungen stehen.“

Es ist bekannt, dass das Hauptverdienst J. Müllers darin besteht, die Bedeutung der W olff’schen Körper für die Entwicke- lung der Geschlechtsgänge entdeckt zu haben. Ich werde weiter unten, in der Besprechung der une dieser Gebilde, das Nähere hierüber berichten.

Rathke (60) beschreibt die Wolff’schen Körper (falsche Nieren) bei zwei menschlichen Embryonen, von denen der grösste 7 Linien lang war. Die Ausführungsgänge fasst er in dem hier angeführten Werke als Eier- und Samenleiter auf. (Später hat er bekanntlich diese Ansicht geändert, siehe weiter unten.) Als bemerkenswerthe Thatsache hebt er unter Anderem hervor, dass bei dem Menschen im Vergleich zu unseren Haussäugethieren die falschen Nieren eine nur geringe Breite und Dicke wahrnehmen lassen, so dass es ihm demnach scheint, als erlangen diese Theile beim Menschen nicht eine so hohe Bedeutung wie bei den übrigen Säugethieren.

Valentin (75) scheint hauptsächlich Säugethierembryonen untersucht zu haben und unterscheidet auch im Wolff’schen Körper „zwei Substanzen“, nämlich die äussere Hälfte, welche beinahe nur Kanälchen enthält, und die innere, welche zum grössten Theile aus Verknäuelungen besteht. Valentin fügt die Bemerkung hinzu: „ich muss offen bekennen, dass es mir trotz aller angewand- ter Mühe bis jetzt noch nicht recht gelingen wollte, den unmittel- baren Zusammenhang des Ganges mit den Kanälchen des Wolff- schen Körpers bei den Säugethieren nachzuweisen.‘

Von jetzt ab, wo mit der Verbesserung der optischen Hülts- mittel die Aufmerksamkeit der Forscher mehr dem feineren Bau der Organe zugewandt wurde, verschwindet für eine Zeit lang der

Ueber die Entwickelung des Urogenitalsystems des Menschen. 283

menschliche Embryo als Untersuchungsobject. Man lernte bald einsehen, dass dieses so schwer zu beschaffende Material in dem Zustande, in welchem es meistens zur Beobachtung kommt, nicht für derartige Untersuchungen geeignet war, und zog es vor, an Thierembryonen die diesbezüglichen Untersuchungen anzustellen.

v. Baer (2) spricht nur von Thierembryonen und sagt (Seite 220), dass bei Säugethieren die Primordialnieren ent- stehen und verschwinden wie bei den Vögeln; er sagt ferner, dass ihr Bau sehr deutlich den allgemeinen Charakter secernirender Drüsen zeigt und er fasst sie desshalb als absondernde Organe auf.

Bischoff (10) bemerkt, dass man die Wolff’schen Körper nur bei den jüngsten menschlichen Embryonen findet und dass man im zweiten Monate nur noch schwache Ueberreste von ihnen sieht. Mit J. Müller, Rathke, Jacobson und v. Baer be- trachtet Bischoff die Wolff’schen Körper als absondernde Organe.

Kobelt (35) verfolgt die Rückbildungsvorgänge des Wolff- schen Körpers beim Menschen und den höheren Säugethieren; auf Grund seiner Untersuchungen spricht er die Ansicht aus, dass der Nebeneierstock des Weibes dem Nebenhoden des Mannes gleich sei.

Kölliker (36) sah bei menschlichen Embryonen männlichen Geschlechts aus der 11—12. Woche „einen ganz deutlichen Rest der Urniere mit gefässhaltigen Malpighi’schen Körperchen zwischen dem Samenleiter und Hoden.“

Kussmaul (42) bildet die inneren Geschlechtstheile (mit dem Wolff’sehen Körper) einer menschlichen Frucht ab aus der 10— 12. Woche (Fig. 6 a. a. O), und beschäftigt sich sonst ausgiebig mit menschlichen Embryonen, ohne aber auf die Anatomie des Wolff- schen Körpers einzugehen. Die Entwickelung des Uterus und der Vagina aus den Müller’schen Gängen bildet den Gegenstand dieses Abschnittes von dem angeführten berühmten Werk Kussmauls und ich verweise desshalb auf die später folgende Besprechung dieser Organe.

In seiner grundlegenden Arbeit beschäftigt sich Waldeyer (77) eingehend mit der ersten Entwickelung des Wolff’schen Körpers beim Hühnchen. Soweit Embryonen vom Menschen (ein solcher von 12mm Länge) und Säugethier ihm zur Verfügung

284 Dr. med. W. Nagel:

standen hat Waldeyer ähnliche Entwickelungsvorgänge gesehen . wie bei den Hühnern.

Auf Grund der Thatsache, dass die Urnierenkanälchen in ihren verschiedenen Abschnitten mit einem verschiedenen Epithel bekleidet sind, nahm Waldeyer, der die beiden Arten Epithel zuerst genauer beschrieb, mit Rathke, Joh. Müller und Dursy (14) an, dass es zweierlei Kanäle in der Urniere gäbe. Infolge dessen unterschied Waldeyer im Wolff’schen Körper einen Urnieren- theill und einen Sexualtheil; aus dem letzteren entsteht das Epoophoron bezw. die Epididymis, aus dem ersteren das Parophoron bezw. Paradidymis (Giralde&’s Corps innomine).

Die Verfasser, welche sich in Anschluss an Waldeyer (Egli, Gasser, Romiti, Braun a. A.) und vor ihm (vor allem Bornhaupt) um das Studium der Entwickelung des Urogenital- systems Verdienste erworben haben, beschäftigen sich fast aus- schliesslich mit Wirbelthierembryonen. Erst in den letzten Jahren ist der menschliche Embryo wiederum Gegenstand der Untersuchung geworden. Derselbe bildet fast ausschliesslich das Untersuchungs- material in den Arbeiten von Meyer (49), van Ackeren (I), Tourneux und Legay (71), Geigel!) und findet eine gebührende Berücksichtigung bei Janosik (31 u. 32) und v. Michalkoviez (50). In einem kurzen vorläufigen Bericht sagt Gasser (19) von der menschlichen Urniere, dass man im unteren Theil derselben viel länger Glomeruli und grosse Kanäle trifft als im oberen Theil; gegen die Mitte des Organs hin nimmt allmählich die Zahl der Querkanäle sowohl als der Glomureli ab. Zu einer gewissen Zeit besteht die Urniere neben dem oberen Theil des Hodens fast nur aus Querkanälen, es werden fast keine Glomeruli mehr getroffen und dadurch leitet sieh eine Trennung der Urniere in 2 Abthei- lungen ein, die späterhin noch schärfer heraustritt. Ferner sagt Gasser, dass die Vereinigung von Urniere und Hoden nicht durch das oberste Ende der Urniere bewirkt wird, sondern dass, wenn auch nur sehr wenig mehr, doch noch ein kleiner Rest der Urniere und ein kleines Stück des Urnierenganges jene Stelle kopfwärts überschreitet. Eine Grundlage für das weitere Studium des

1) Ueber Variabilität in der Entwickelung der Geschlechtsorgane beim Menschen. Verhandlungen der Physical.-Mediein. Gesellschaft zu Würzburg. 1883. N. Folge XVII, Nr. 6.

Ueber die Entwickelung des Urogenitalsystems des Menschen. 285

menschlichen Embryo hat His geschaffen in seinem grossen Werke: Anatomie menschlicher Embryonen. Leipzig 1850—1885.

Die Neuzeit hat fast nichts über die makroskopischen Ver- hältnisse des inneren Urogenitalsystems des Menschen hinzuzufügen. Nur das, was wegen Mangel an geeigneten Hülfsmitteln den Augen der älteren Forscher verschlossen blieb, ist einer Aufklärung be- dürftig und hier bietet sich allerdings ein Feld, welches für unab- sehbare Zeit Arbeiter genug beschäftigen kann; hier hat um zugleich an das Zeitalter des Schöpfers aller Naturwissenschaft an- zuknüpfen Philippos zum Erobern genug übrig gelassen.

Indem ich wie so viele andere mich den in die Lehrbücher übergegangenen Schilderungen Johannes Müllers von den topographischen Verhältnissen des Urogenitalsystems des Menschen anschliesse, gehe ich gleich zur Betrachtung der histo- logischen Verhältnisse des Wolff’schen Körpers über, indem ich auf die Seite 272 u. flg. beschriebenen Embryonen verweise. Da meine Untersuchungen nun gewissermaassen eine Fortsetzung wenig- stens was die Grösse der Embryonen betrifft derjenigen von His bilden, so halte ich es für richtig, die Befunde His’ hier anzuführen. Ich laufe ja allerdings hierdurch Gefahr, etwas zu wiederholen, was aus dem Werke His’ den Meisten bekannt sein dürfte; ich schaffe aber hierdurch zugleich eine Grundlage, auf welcher das Weiterbauen erleichtert wird und hoffe in der Weise einen besseren Ueberblick über die Entwickelung der menschlichen Urniere zu bringen, soweit dieses in meiner Macht steht.

Von dem Urnierensystem des Embryo L. (Körperlänge 2,4 mm) sagt His, dass dasselbe als ein eylindrischer Gang angelegt ist, den er wenigstens an einigen der Schnitte hat constatiren können.

Bei dem Embryo M (Körperlänge 2,6 mm) schildert His das Urnierensystem folgendermaassen: ‚Zwischen der seitlichen Leibes- wand und der z. Z. noch sehr breiten Wurzel des Gekröses bildet die Rückwand der Bauchhöhle eine niedrige Längsleiste, die mit einer epithelartigen Zellschicht bekleidet ist. Der untere Theil der Leiste enthält die Urnierenanlage, die sich als Zelleneylinder von verhältnissmässig bedeutender Dicke (25—35 u) darstellt. Nach hinten und lateralwärts davon liegt die noch sehr enge

Cardinalvene. Das untere in den Beckentheil übergehende Ende Archiv f, mikrosk, Anatomie. Bd. 34, 19

286 Dr. med. W. Nagel:

der Urnierenanlage entzieht sich an meinen Schnitten der Be- . obachtung, das obere Ende des Zellenrohres reicht nicht soweit als die Urnierenleiste, es verjüngt sich etwas und oberhalb des Schnittes 13 ist es nicht mehr zu sehen. Die Fortsetzung der Leiste aber reicht bis zur Decke der Rumpfhöhle herauf.“

Embryo x (Körperlänge 4mm). „Die Urniere ist in ihrer ganzen Länge angelegt und sie befindet sich bereits in einer gegen den Bauchraum vorspringenden gerundeten Längsleiste. Der obere Theil zeigt S-fürmige gebogene Kanäle, an denen indess das Kapselstück nicht von Gefässknäueln eingestülpt erscheint. Letztere sind überhaupt erst insoweit angelegt, als an der medialen Hälfte der Urnienleiste dichtere Zellenanhäufungen liegen, in welche man kleine Zweige der Aorta eintreten sieht. Die untere Hälfte der Urnierenleiste umschliesst anstatt der ge- bogenen Röhrehen einen sehr weiten und diehtwandigen Kanal, der den Raum der Leiste zum grösseren Theil ausfüllt. Die Wand- dicke desselben beträgt fast das doppelte von derjenigen des späteren Wolff’schen Ganges. Der Wolff’sche Gang tritt unterhalb des Darms in geschwungenem Bogen in den Beckentheil des Körpers und er mündet hier in die Seitenwand der Cloake ein. Von einem neben der Einmündungsstelle abgehenden Blindsack habe ich keine Andeutung gesehen.“

Embryonen A und B (Körperlänge 7,5mm und 7 mm). „Das Urnierensystem besteht aus dem Wolff’schen Gang, aus den in ihn einmündenden Querkanälen und aus den mit letzteren verbundenen Gefässknäueln. Diese Theile sind in eine 0,5—0,4 mm breite, gerundete Leiste, die Urnierenleiste, eingeschlossen, welche jederseits neben der Abgangsstelle des Magen- und Darm- gekröses der hinteren Rumpfwand entlang läuft. Dieselbe ist von einem einschichtigen Epithel bekleidet und ausser den Gebilden der Urniere selbst enthält sie die hinter ihnen liegende Cardinalvene. Das untere Ende der Urnierenleiste tritt in einem nach abwärts convexen Bogen zur vorderen Bauchwand, es leitet den W olff’schen Gang zur Cloake und verliert sich neben dieser letzteren. Nach oben hin steigt die Urnierenleiste höher hinauf als die Urniere selbst, sie erreicht die Decke der Rumpfhöhle, mit der von ihr umschlossenen Cardinalvene tritt sie nach vorn und trifft auf den gleichfalls in einer besonderen Leiste eingeschlossenen, der Seiten- wand des Rumpfes folgenden Cuvier’schen Gang.

Ueber die Entwickelung des Urogenitalsystems des Menschen. 287

Der Wolff’sche Gang liegt innerhalb der Urnierenleiste am meisten lateralwärts, dicht unter der Epitheldecke. Sein Gesammt- durchmesser beträgt in den mittleren Abschnitten des Organes gegen 60, die Lichtung gegen 40 u. Seine mediale Wand nimmt die nur etwa 20 ı. im Durchmesser fassenden Enden der Querkanäle auf, deren spaltförmige Lichtung ohne vorherige Ausweitung direct zu jenen ausmündet.

Jedes Urnierenkanälchen besteht aus drei quergestellten und in scharfem Ziekzack zusammengebogenen Schenkeln, einem hinteren, mittleren und vordern. Der hintere, eylindrisch von Gestalt, vermittelt die Verbindung mit dem Wolff’schen Gang; der mittlere ist etwas spindelförmig aufgetrieben, sein verjüngtes äusseres Ende biegt in den vorderen Schenkel ein, der als enges Rohr beginnt, dann aber zu einer geräumigen, den Glomerulus umschliessenden Kapsel sich ausweite. Die Zellen, welche die Kapsel bilden, sind dünner, als die des übrigen Rohres; die in den Kapselraum hervortretende Oberfläche des Gefässknäuels ist von einer beson- deren Epithelschicht bekleidet. Es liegen die Gefässknäuel in der medialen Hälfte der Nierenleiste; sie werden durch kleine, direct aus der Aorta kommende Arterienzweige gespeist und bogenförmige Venenzweige führen das Blut nach der Cardinalvene zurück.

Die geschilderten Verhältnisse finden sich bis in die Nähe des oberen Endes der Urniere, d. h. bis in die Höhe des unteren Lungen- endes. In diesem oberen Abschnitte sind die Kanäle kürzer, die Knäuel und die Kapseln kleiner als im Mittelstück der Drüse. Das untere Ende der letzteren ist an beiden Schnittreihen schräg bezw. frontal getroffen und es lässt sich nicht erkennen, ob die in ihm befindlichen Röhrchen schon ihre volle Ausbildung erhalten haben.

Im Uebrigen ist der Wolff’sche Gang bis in die Nähe seines vorderen!) Endes mit Urnierenkanälchen besetzt. Dies vordere!) Ende des W olff’schen Ganges biegt steil in die Höhe und verläuft ein kleines Stück neben der Cloake, bevor die Ein- mündung erfolgt. An der Stelle der letzteren zeigt sich die Cloake mit zweiseitlichen Ausbuchtungen versehen.“ Soweit His; von älteren Embryonen giebt er keine Beschreibung des Wolff’schen Körpers und es würden also die beiden von mir (Seite 272 u. flg.)

1) Soll doch wohl „unteren“ bez. „untere“ (distal) heissen ?

288 Dr. med. W. Nagel:

geschilderten die nächstfolgenden sein. Im wesentlichen stimmen meine Befunde mit den von His gemachten Beobachtungen überein unter Berücksichtigung der durch das verschiedene Alter bedingten Unterschiede. Junge menschliche Embryonen, sind in der neueren Zeit ferner von H. Fol (16), Phisalix (57) und Janosik (33) untersucht und beschrieben. In einem (wie es scheint nicht ganz frischen) Embryo von 3mm fand der letztge- nannte Verfasser „das Urogenitalsystem durch den Wolff’schen Gang, durch einige Bläschen, welche als Anlage der primären Urnierenkanälchen wohl anzusehen sind und dann durch ein Zellblastem, in welchem die Zellen keine besondere Anordnung zeigen, vertreten.‘ Von dem Wolff’schen Gange sagt Janosik, dass derselbe nach hinten verläuft, ohne mit dem Epithel oder den Bläschen in Verbindung zu treten; in seinem hintersten Abschnitt endigt er blind, ohne eine Tendenz zu zeigen, sich mit der Cloake zu verbinden und sich in dieselbe zu Öffnen.

Die von Waldeyer (77) beim Hühnchen und anderen Wirbel- thieren zuerst genauer beschriebene, auch von mir beobachtete Epithelverdiekung an der äusseren Seite des Wolff’schen Körpers, über dem Wolff’schen Gange, erwähnt His nicht und ich schliesse daraus, dass diese Erscheinung bei seinen Embryonen gefehlt hat. Dagegen sagt His, dass bei den Embryonen A und B, wo der Müller’sche Gang noch nicht vorhanden war in einer Rinne, lateralwärts von der Urnierenleiste, das Epithel um beinahe das doppelte (bis auf ca. 20 «) verdickt war und er betrachtet die Stelle als diejenige, an welcher später der Müller- sche Gang sich bilden wird. Es ist somit die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, dass es sich um dieselbe Erscheinung handelt wie bei meinen Embryonen, aber auf einer Jüngeren Entwickelungs- stufe. Die erwähnte Epithelverdickung ist auch von anderen Autoren, wie Bornhaupt, Waldeyer, Gasser, Sedgwick, Balfour und v. Mihalkovicz bei verschiedenen Wirbel- thieren gesehen worden, ohne aber eine befriedigende Erklärung gefunden zu haben. Inwieweit dieselbe eine Bedeutung für die Entwickelung des Müller’schen Ganges hat, soll weiter unten, bei der Besprechung der Entwickelung der Geschlechtsgänge in Erwägung gezogen werden.

Die Angabe Mihalkoviez', dass die Malpigihi’schen Kör-

Ueber die Entwickelung des Urogenitalsystems des Menschen. 289

perchen bei jungen Säugethierembryonen auffallend gross sind (z. B. bei 15 mm langen Schaafembryonen messen sie 0,5—0,6 mm), kann ich, was den Menschen betrifft, bestätigen: bei meinem Em- bryo F messen sie nämlich 80xX112 «, beim Embryo M 114x117 u. Bei einem Embryo von 22mm Länge, in Flemming gehärtet, messen dieselben 147 u, bei einem solchen von 4 Centimeter Länge (in Müller’scher Flüssigkeit gehärtet) 114x142 u. Bei einem Em- bryo von 41/, Centimeter Länge (in Müller’scher Flüssigkeit ge- härtet) 86X142 u. Diese Messungen habe ich an verschiedenen wohlerhaltenen Embryonen nachgeprüft. Der Schluss scheint mir berechtiget, dass die Glomeruli der Urniere, so lange wie sie die erwähnte Uebereinstimmung in ihren Grös- senverhältnissen zeigen, auch functionsfähig sind, und dass ihr Wachsthum wenigstens bis zu einer Grösse des Embryos von 22mm Schritt hält mit dem Wachsthum des Embryo.

Bei Embryonen von 3 Centimeter Länge nehmen die Glome- ruli in dem proximalen Theil der Urniere an Umfang ab, während sie noch in dem distalen Theil, auch bei grösseren Embryonen (bis 5 Centimeter Länge und etwas darüber), dieselbe Grösse zeigen, wie zur Zeit der höchsten Entwickelung der Urniere. Die oben angeführten Maasse von den grösseren Embryonen beziehen sich also auf Glomeruli aus dem distalen Theil der Urniere.

Aus diesem Verhalten schliesse ich, dass die Rückbil- dungder Urniereindem proximalen Theile der- selben anfängt, was vor mir von Gasser (19) und v. lliker (36) beobachtet worden ist.

v.Mihalk oviez ist der Ansicht, dass die grossen Malpighi- schen Körperchen in gar keinem Verhältnisse stehen zum Exeretions- process des kleinen Körpers des Embryo und er vermuthet desshalb, dass 'sie auch andern Vorgängen vorstehen. Da nun die Urnieren ganz junger Säugethier- und menschlicher Embryonen, nach v. Mihal- koviez, mit massenhaften inneren Blutgefässen versehen sind, so neigt v. Mihalkoviecz sich der Ansicht zu, dass die Urniere zur Zeit ihrer ersten Entwickelung ein blutbildendes Organ ist, dass in derselben eine lebhafte Haematose stattfindet. Es dürfte schwer halten einen Beweis für die Richtigkeit dieser Hypothese beizubringen, und ieh habe auch keine Anhaltspunkte dafür finden können. Ich glaube deshalb, dass die auffallende Grösse der

290 Dr. med. W. Nagel:

Malpighi’schen Körperchen bei jungen Embryonen einfach da- . durch zu erklären ist, dass dieselben in Vergleich mit den Nieren in sehr geringer Zahl vorhanden sind, dass desshalb einem jeden Glomerulus eine grössere Arbeitslast zufällt; diese Mehrfor- derung von Arbeit bedingt ihren verhältniss- mässig grossen Umfang.

Zur Entscheidung der Frage über die erste Entstehung der Urnierenkanälchen sind jüngere Embryonen nothwendig, als die von mir untersuchten. Der in den Urnieren des Embryo F ermittelte Befund (s. vorne Seite 273) veranlasst mich aber, diese Frage kurz zu berühren.

Im Gegensatze zu Bornhaupt (und His, Rosenberg und Götte, siehe bei Waldeyer (77)), welcher die Entstehung der Urnierenkanälchen durch Differenzirung aus dem Urnierengewebe schilderte, behauptete bekanntlich Waldeyer (77), dass die Ur- nierenkanälchen durch Hohlsprossenbildung aus dem ursprünglichen Urnierengange entständen. Eine wesentliche Stütze für die Rich- tigkeit dieser Ansicht bietet die Entwickelung der Niere der hö- heren Wirbelthiere, die so viele Eigenschaften mit der Urniere gemein hat und deren erste Entwickelung ungleich leichter zu ver- folgen ist (s. weiter unten bei Besprechung der Entwickelung der Niere). Trotzdem haben die Beobachtungen neuerer Forscher (s. bei v. Mihalkoviez (50) und Hertwig (26)) über die Ent- stebung der Urnierenkanälchen andere Ergebnisse geliefert. Einige sind nämlich der Ansicht (ich verweise auf die diesbezügliche Darlegung Mihalkoviez (50)), dass „die Urnierenkanälchen vom Coelomepithel des Urogenitalhügels in Form von Strängen oder schmalen Kanälchen in den Urogenitalhügel hineinragen“ (Braun, Weldow, Kölliker, Fürbringer, Kollmann, Siemerling, Sedgwik, Renson).

Andere, wie Remak, Fürbringer (s. bei Mihalko- viez (50), Egli (15), Sedgwik (6), Balfour (6), Sernoff schliessen sich der oben angeführten Meinung Bornhaupt’san, dass die Urnierenkanälchen ganz unabhängig von schon vorhandenen Epithelien entstehen durch Herausdifferenzirung aus dem Urnieren- blastem. In beiden Fällen muss man also nothwendig annehmen, dass die ursprünglich getrennt entstandenen Gebilde (Glomeruli, Urnierenkanälchen, Urnierengang) allmählich mit einander in Ver- bindung treten. (Vergl. auch E. Martin: Ueber die Anlage der

Ueber die Entwickelung des Urogenitalsystems des Menschen. 291

Urniere beim Kaninchen. Inaugural-Dissertation in Marburg 1888. A. f. Anatomie und Physiologie 1888.)

Was nun v. Mihalkoviez betrifft, so hat dieser Forscher in seinem grossen Werke (50) sich zu Gunsten der zuletzt ange- führten Ansicht ausgesprochen. Bei Hühnerembryonen hat v.Mi- halkoviez nämlich verfolgen können, dass die Urnierenknospen einfach aus dem Wolff’schen Blastem sich herausdifferenziren; „es gehört eben zum Charakter des Urnierenblastems, dass sich dessen indifferente Elemente durch Veränderung der Form zu Epithelien umbilden können‘. Weiter sagt v. Mihalkovicz (a. a. O. Seite 82): „die neuen (secundären und tertiären) Kanälchen und Glo- meruli entstehen unabhängig von den schon vorhandenen auf ähn- liche Art durch Differenzirung aus dem Urnierengewebe, wie die primären im Wolff’schen Blastem entstanden sind.“

Ist dieses richtig, so müsste man erwarten die Entstehung der Kanälchen aus dem Urnierengewebe während der ganzen Wachsthumsperiode des Organes beobachten zu können. Man müsste demnach auch unter meinen Präparaten von menschlichen Embryonen solehe finden, die diese Vorgänge zeigten. Ich glaube nämlich annehmen zu müssen, dass, wenigstens bei dem Embryo F, der Wolff’sche Körper noch nicht seine volle Entwickelung erlangt hatte und stütze diese meine Ansicht darauf, dass 1. die Glomeruli an Grösse gegen die von älteren Embryonen zurück- stehen, dass 2. die Kanälchen verhältnissmässig spärlich sind, das heisst geringe Verzweigungen (secundäre und tertiäre Kanälchen) zeigen und dass 3. ein Unterschied des die verschiedenen Ab- schnitte eines Kanälchen auskleidenden Epithels nicht zu be- merken ist.

Man wäre also, so meine ich, zu der Erwartung berechtiget, bei diesem Embryo F und bei dem nächstfolgenden Aufschlüsse über die weitere Entwickelung der Kanälchen bezw. über die Neubildung von solchen zu finden.

Nun finde ich nirgends, weder bei dem Embryo F, noch bei den anderen von mir untersuchten Embryonen, Andeutungen von einem Hereinwachsen des Coelomepithels der Urniere in das unter- liegende Gewebe. Ich habe die Schnittserien sorgfältig durch- mustert: überall im ganzen Bereich der Urniere hebt das Epithel sich scharf ab gegen das unterliegende Gewebe und bildet eine regelmässige, nur an einer Stelle verdickte (s. oben Seite 274)

292 Dr. med. W. Nagel:

Umhüllung des Organs, welche an der Innenseite desselben un- ‚merklich in den Keimepithelwulst (Anlage der Sexualdrüse) übergeht.

Demnach scheint mir der Schluss berechtiget, dass die Weiterentwickelung des Kanalsystems der Urniere beim Menschen nieht durch Hereinwuchern des Oberflächen- epithels in Form von Strängen oder schmalen Kanäl- chen in das Urnierengewebe geschieht.

Ich habe vorhin erwähnt, dass man auf Schnitten durch die Urnieren des Embryo F mehrfach mitten im Gewebe kleine An- häufungen von epithelialen Elementen sieht. Solche Bilder könnten wohl unter Umständen zu Gunsten der zweiten, oben angeführten, Ansicht über die Entstehung der Urnierenkanälchen (durch Her- ausdifferenzirung aus dem Urnierengewebe) gedeutet werden. Die Durchmusterung von Schnittserien zeigt aber auf das deutlichste, dass diese epithelialen Anhänfungen in ununterbrochenem Zusam- menhange mit den schon vorhandenen Kanälchen stehen, dass sie nur die soliden Enden dieser darstellen. Auch findet sich nirgends ein Uebergang von den Zellen des Urnierengewebes zu den er- wähnten epithelialen Zellen, was doch der Fall sein würde, wenn diese aus den ersteren hervorgehen. Die soliden Endstücke der Urnierenkanälchen sind ebenso scharf gegen das umliegende Ur- nierengewebe abzugrenzen wie die Kanälchen selbst.

Aus diesen Auseinandersetzungen geht: hervor, dass die weitereEntwickelung der Urnierenkanälchen beim Men- schen durch eine Sprossenbildung der schon vorhan- denen Kanälchen geschieht.

Eine Betheiligung von Seiten des Oberflächen- epithels der Urniere an der Weiterentwickelung des Kanalsystems in diesem Organe findet beim Menschen nicht statt.

Ebenso wenig sind wir, meiner Ansicht nach, berech- tigt anzunehmen, dass dieneuen (secundären und tertiären) Kanälchen beim Menschen unabhängig von den schon vorhandenen entstehen dureh Differenzirung aus dem . Urnierengewebe.

Es ist selbstredend, wie ich schon betont habe, dass nur Un- tersuchungen an ganz jungen menschlichen Embryonen die Frage von der ersten Entwickelung der Urnierenkanäle entscheiden

Ueber die Entwickelung des Urogenitalsystems des Menschen. 293

können. Solche standen mir aber bis jetzt nicht in genügend frischem Zustande zur Verfügung. Ich bin desshalb auf die, vorne ausführlich wiedergegebenen, Untersuchungen von His angewiesen. Aus diesen geht an keiner Stelle hervor, dass die Kanälchen nicht durch Sprossenbildung aus den schon vorhandenen bezw. aus dem Urnierengange entstehen. His (a. a. O. Seite 113) sagt ausdrück- lich: „bis jetzt bin ich bei keinem meiner menschlichen Embryonen auf Bilder gestossen, welche selbständige Entstehung der Urnieren- kanälchen zu zeigen vermochten.“

Ich wäre allerdings geneigt, aus den Ergebnissen His’ auf eine erste Entstehung der Urnierenkanälchen durch Sprossenbil- dung der schon vorhandenen bezw. des Urnierenganges anzuneh- men. Ich fühle mich aber hierzu nicht berechtiget, da His selbst eine solche Auslegung verwirft; er sagt nämlich gelegentlich der Schilderung des Embryo x (a. a. OÖ. Seite 112—113): „Wäre die Frage der Entstehung der Urnierenkanälchen noch ungelöst, so würde ich aus obigem Befunde schliessen, dass die Kanälchen aus dem primitiven Gang durch Verdünnung und Faltung seiner Wand entstehen, Bei dem gegenwärtigen Stand der Frage ist indess der Schluss nicht mehr berechtigt, denn wenn für die sämmt- lichen Wirbelthierklassen bis zu den Säugethieren herauf die Ab- stammung der Kanalanlagen aus dem Epithel der Urnierenleiste nachgewiesen ist, so kann nicht für den Menschen ein abweichen- der Bildungsmodus angenommen werden.“

Somit harıt die Frage nach der ersten Entstehung des Kanalsystems der Urniere beim Menschen noch ihrer Lösung.

Bei der Beschreibung des Embryo M (männlichen Geschlechts) babe ich angegeben, dass der proximale Theil der Urniere keinen eigentlichen Wolff’schen Gang besitzt, dass sich vielmehr in diesem Abschnitte nebst Glomeruli nur Kanälchen nach- weisen lassen, die sich erst etwas weiter distalwärts zu einem Ausführungsgange vereinigen.

Hierdurch erhält der proximale Theil der Urniere in einer verhältnissmässig frühen Zeit ein von der übrigen Urniere ver- schiedenes Aussehen und es ist berechtiget mit Waldeyer (77) diesem proximalen Theile den Namen „Sexualtheil des Wolff- schen Körpers“ (Waldeyer) zu geben. Es ist ja, auch für den Menschen, erwiesen (Kobelt, Waldeyer, Kölliker, Gasser)

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und auch aus meinen Untersuchungen geht es hervor, dass in der That der Nebenhoden sich aus diesem Theile der Urniere ent- wiekelt; die eigenthümliche Beschaffenheit des Kanalsystems in dem proximalen Ende des Wolff’schen Körpers bei dem Embryo M ist gewiss als erste Anlage des Nebenhodens anzusehen. Wenn man aber um diese Zeit von einem Sexualtheile spricht, so muss man zugleich festhalten, dass derselbe noch kein besonderes Organ ist, sondern einen untrennbaren funetionirenden Abschnitt der Urniere darstellt.

Bei älteren Embryonen wird diese Trennung der Urniere in zwei Abschnitte noch mehr auffällig, indem die Glomeruli, sowohl bei männlichen als bei weiblichen Individuen, in dem proximalen Theile zuerst schwinden (siehe Seite 289), wäh- rend sie in dem mittleren und distalen Abschnitte viel länger erhalten bleiben. Gasser (18) hat zum Beispiel noch bei männ- lichen Embryonen aus dem 6. Monate, Kölliker (36) bei solehen aus dem 4. Mouate deutliche Glomeruli im unteren Theile der Urniere gefunden. Auch ich habe bei allen meinen Embryonen, ohne Rücksicht auf das Geschlecht, deutliche Glomeruli im distalen Ende gesehen bis zu Ende des 4. Monats und Spuren derselben lassen sich noch, wenigstens bei den weiblichen Individuen, in den späteren Monaten nachweisen, wie auch Waldeyer (77) und Tourneux (72) hervorheben. Diesen beiden Forschern zufolge findet man bei weiblichen Individuen nur ausnahmsweise in dem extrauterinen Leben Ueberreste dieses „Urnierentheils“ des W olff- schen Körpers (= Paroophoron (Waldeyer) gleichwerthig mit Paradidymis oder corps innomine Girald&’s beim Manne), während bekanntlich, siehe meine Arbeit (53), der „Sexualtheil“ (Epoophoron (Waldeyer), Rosenmüllers Organ, Parovarium im alten Sinne des Wortes, glelehwerthig mit Epididymis beim Manne) ein be- ständiges Anhängsel des Eierstocks bleibt. Nach den neuesten Untersuchungen von Tourneux (72) wächst das Epoophoron mit dem Alter des Individuums; erst nach der Menopause beginnt es zu atrophiren.

Auch die besondere Lage der Glomeruli, nämlich in dem medialen Theile der Urniere, trägt bei weiblichen Embryonen zu einer noch deutlicheren Trennung der Urniere in zwei Ab- schnitten bei. Die beigefügte Figur 12 Tafel XVII veranschaulicht dieses in klarer Weise; der ganze laterale Theil des Wolff’schen

Ueber die Entwickelung des Urogenitalsystems des Menschen. 295

Körpers bildet sich nämlich schneller zurück als der mediale und stellt um diese Zeit eine bindegewebige Falte dar, an deren Aussenkante der Müller’sche Gang (Tube) verläuft; mehr nach der Mitte zu sieht man den atrophirenden Wolff’schen Gang (& artner’scher Canal; höher oben (proximalwärts) würde dieser also mit dem Epoophoron in Verbindung treten) mit einzelnen Resten von Querkanälchen; die freien Flächen der Falte werden von dem Epithel des früheren Wolff’schen Körpers bekleidet. Die Bedeu- tung dieser Falte geht ohne weiteres aus der gegebenen Abbil- dung hervor: es ist die Anlage des Mesovariums. Aus dem medialen Theile der Urniere, da wo man in der Abbildung die Glomeruli (Paroophoron) sieht, bildet sich das Ligamentum latum. (Vergleiche hierüber v. Mihalkoviez (48).)

Nach dem gegenwärtigen Stande der’Dinge ist es meines Erachtens nicht möglich, den Zeitpunkt der beginnenden Rückbil- dung der Urniere bestimmt anzugeben. Erschwert wird die Ent- scheidung dieser Frage durch den Umstand, dass im proximalen Theile die Glomeruli von vornherein kleiner, die Kanälchen erger sind als in der übrigen Urniere. v. Mihalkovicz verlegt die höchste Entwicekelung der menschliehen Urniere in die sechste bis siebente Woche, vanAckeren(l)undBeauregard(Contribution al’Etude du Developpement des organes genito-urinaires chez les mammiferes. These de Paris 1877, Nr. 240) haben schon die Rückbildung bei je einem Embryo von21u.20 mm beobachtet. Nach meinen Untersuchun- gen bin ich geneigt den Zeitpunkt etwas weiter hinauszuschieben; bei Embryonen von 22 mm Länge beiderlei Geschlechts habe ich noch keine beginnende Rückbildung mit Sicherheit nachweisen können.

In einer früheren Arbeit (Beitrag z. Lehre von der Herkunft des Fruchtwassers. A. f. Gynäcologie Band 35) habe ich das proximale Ende des Wolff’schen Ganges bei jungen Embryonen als offen beschrieben. Erneuerte Untersuchungen haben mich jedoch in diesem Punkte zweifelhaft gemacht. Die Frage ist in der That nicht ganz leicht zu entscheiden, weil in dem proximalen Ende der Urniere kein eigentlicher Wolf f’scher Gang besteht (insbesondere bei männlichen Embryönen ist dieses auffallend, siehe Seite”293), indem die Urnierenkanälchen in dieser Gegend noch nicht zu einem Ausführungsgange vereinigt sind; dieselben verlaufen allerdings stellenweise bis dicht an das Urnierenepithel, eine Verbindung mit diesem habe ich aber an gut erhaltenen Embryonen nicht

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nachweisen können. Somit glaube ich jetzt, dass es richtiger ist, auf dieser Entwickelungsstufe keine Verbindung zwischen Leibeshöhle und W olff’schem Gange anzunehmen. Dass ältere Autoren das abdominale Ende des Urnierenganges bald kolben- förmig (Kobelt (35)), bald offen (Rathke (60)) beschrieben, mag darin seinen Grund haben, dass Wolff’scher und Müller’scher Gang vielfach verwechselt worden sind.

So lange wie der Wolff’sche Körper wächst, thut es der Aus- führungsgang ebenfalls; ich schliesse dieses aus dem zunehmenden Um- fange desselben. Bei einem weiblichen Embryo von 20 mm Länge in Flemming gebärtet, maass der W olff’sche Gang (im Bereich der Pliea urogenitalis) in der Quere 56 «. mit einer Lichtung von 34 u. ‚Bei einem männlichen Embryo von 22mm Länge, in Flemming gehärtet, maass der Gang an derselben Stelle 56x70 u. Bei einem männlichen Embryo von 23mm Länge, in Alkohol gehärtet, maass der Gang in der Quere 84 u.

Das Epithel des Wolff’schen Ganges ist einschichtig und besteht aus eubischen, 14 bis 20 u messenden Zellen mit deut- lichem Kern.

Ueber das spätere Schicksal des Wolff’schen Ganges soll weiter unten, bei Besprechung der Entwickelung der Geschlechts- gsänge, berichtet werden.

AndenUrnierenkanälchen der beiden vorhin (S. 272 u. flg.) beschriebenen menschlichen Embryonen ist das Epithel ein gleich- artiges im ganzen Bereiche eines jeden Kanälchens. Bei etwas älteren Embryonen mit einer Länge von 18mm, 20mm, 21mm, 22 und 23mm tritt hierin eine sehr wesentliche Aenderung ein.

In der Figur 5, Tafel XVII ist ein Querschnitt durch den Wolff’schen Körper eines 20 mm langen menschlichen Embryo zum Theil dargestellt. Der Unterschied in dem Epithel der Kanälchen ist ein so auffälliger, dass man auf den ersten Blick zweierlei Kanälchen annehmen möchte. Jedoch lehren Reihen- schnitte durch den ganzen Wolff’schen Körper, dass es nur eine Sorte Kanälchen giebt und dass es ein ganz bestimmter Abschnitt eines jeden Kanälchens ist, welcher mit einem besonderen Epithel ausgekleidet ist; in der Figur 5 erkennt man auch deutlich den Uebergang von einem Epithel zum anderen.

Ueber die Entwickelung des Urogenitalsystems des Menschen. 297

Embryonen, welche in Flemming’scher Lösung gehärtet sind, zeigen den Epithelunterschied am deutlichsten, aber auch an Embryonen, die mit Alkohol und Müller'scher Flüssigkeit behan- delt sind, habe ich die zweierlei Epithelien regelmässig gesehen.

Die anatomischen Verhältnisse der Epithelien sind folgende: Die Urnierenkanälchen sind lateralwärts mit einem Epithel aus- gekleidet, welches sich von demjenigen des Wolff’chen Ganges nicht unterscheidet; dasselbe besteht aus eubischen, 6x6 u messenden Zellen, welche regelmässig aneinander gereiht sind und einen Kern tragen, der begierig Farbstoff annimmt (Flemming’sche Lösung, Haematoxylin).. In ihrem Verlaufe nach der Mitte zu weiten die Kanälchen sich aus und zugleich ändert das Epithel sein Aussehen: es besteht jetzt aus grossen, fast eubischen, 14x17 u messenden Zellen mit hellem Protoplasma und mit einem Kern, welcher sehr wenig ehromatogene Substanz enthält und infolge- dessen blass aussieht (siehe Fig. 5, Tafel XVII). Die Zellen sind meist deutlich gegeneinander abzugrenzen und an ihren freien Enden habe ich bei einem Embryo von 13mm Länge (in Flem- ming’scher Lösung gehärtet) feine kurze Fortsätze bemerkt, wodureh die freie Fläche nach der Lichtung des Kanälchens zu ein zackiges Aussehen erhält. Ich will nicht entscheiden ob diese kurzen Fortsätze als Cilien aufzufassen sind; nach Janosik’s (31) und Nicolas’ (55) Untersuchungen sind nämlich bei Säugethierembryonen die erwähnten Zellen mit solchen Flimmerhaaren versehen, dieselben tragen, wie Nicolas sich aus- drückt, eine „bordure en brosse“ (vergl. auch hierüber v. Mihal- kovicz (50)). Die eben geschilderten weiten Abschnitte der Kanälchen gehen, nach meinen Untersuchungen, unmittelbar in die Bowman’schen Kapseln über; diese tragen ein aus platten, 2—3 u messenden Zellen bestehendes Epithel.

Für den Menschen scheint dies eigenthümliche Verhalten der Urnierenkanälchen bis jetzt nicht bskannt gewesen zu sein. His erwähnt wohl, gelegentlich der Beschreibung der Embryonen A und B, dass der mittlere Abschnitt der Kanälchen spindelförmig aufgetrieben ist, von einem Epithelunterschied spricht er aber nicht. Dass es innerhalb der Urniere weitere und engere Kanal- stücke gäbe, war auch Johannes Müller und Rathke bekannt, aber Waldeyer war der erste, welcher beim Hühnchen (und Säugethierembryonen) die zweierlei Epithelien erkannte und be-

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schrieb. Wie seine Vorgänger (J. Müller, Rathke, Dursy) sah auch Waldeyer die engeren und weiteren Kanalstücke als zweierlei Kanälchen an. Die engeren Kanälchen fasste Waldeyer als dem Sexualtheile angehörige auf; durch den Epithelunterschied wurde diese seine Ansicht wesentlich gestützt.

In den letzten Jahren haben v. Mihalkoviez und Janosik sich eingehender mit dem Kanalsystem der Urniere bei Säuge- thierembryonen befasst und es gelang dem ersten Forscher, den Nachweis zu führen, dass die zweierlei Epithelien einem und demselben Kanälehen angehören, dass die mit dem niedrigen Epi- thel ausgekleideten engeren Kanälchen die Sammelabschnitte der weiteren, deren grosse Epithelzellen v. Mihalkoviez genau be- schreibt, sind.

Dass die mit den grossen Zellen ausgekleideten weiten Ka- nalstücke auch bei dem Menschen, weil eine so beständige Er- scheinung, eine besondere Bedeutung haben müssen, ist einleuch- tend, und ich bin geneigt, die von v. Mihalkoviez (und Nicolas) für die Säugethiere gegebene Erklärung, dass nämlich die mit den grossen Zellen bekleideten Abschnitte zu dem seeretorischen Apparate der Urniere ge- hören, als die zutreffende auch für den Men- schen zu halten.

Zu Gunsten dieser Auffassung spricht, meines Erachtens, der Umstand, dass die erwähnten Kanalstücke unmittelbar in die Bowman’sche Kapsel übergehen und ferner der, dass die grossen Zellen erst auf einer späteren Entwickelungsstufe auftreten, wo die von dem embryonalen Stoffwechsel an den Secretionsapparat gestellten Ansprüche in Steigerung begriffen sind und dass sie späterhin, wenn die Urnieren durch die heranwachsenden Nieren entlastet worden sind, vollkommen verschwinden. Nach meinen bisherigen Untersuchungen schwinden beim Menschen die grossen Zellen früher als die Glomeruli, wenigstens in dem distalen Theile der Urniere.

Man ist also, meinen Beobachtungen beim Menschen zufolge, berechtigt, die oben beschriebenen grossen Zellen alseine Eigenthümlichkeit des Wolff’schen Kör- pers zur Zeit seiner höchsten Entwickelung und Thätigkeit zu betrachten.

Ueber die Entwickelung des Urogenitalsystems des Menschen. 299

III. Die Sexualdrüsen !).

Es ist von jeher das Bestreben der Naturforscher gewesen, möglichst frühzeitige Kennzeichen für das Geschlecht des Embryo zu finden. Zur Zeit, wo man fast ausschliesslich auf die Beob- achtungen mit blossem Auge angewiesen war, konnten die Keim- drüsen keine oder doch sehr späte Anhaltspunkte für die Ge- schlechtsbestimmung bieten. Es war also natürlich, dass man sich nach anderen Eigenthümlichkeiten des embryonalen Körpers um- sah, um daraus im gegebenen Falle zu entscheiden, ob man ein Weibehen oder Männchen vor sich hatte; so will ich z. B. an die Untersuchungen Sömmerings (s. bei Valentin (75)) erinnern, nach welchen bei menschlichen Embryonen schon in der 8. Woche die Brust bei dem weiblichen kürzer und weiter, bei dem männ- lichen aber länger und enger sei.

Nach diesem ersten Versuche den Glauben, dass in frühester Zeit alle Spur einer Geschlechtsverschiedenheit an dem ganzen Körper mangele, zu brechen, folgten alsbald andere, ohne dass man sagen kann, dass eine befriedigende Lösung dieser interessanten Frage bis zum heutigen Tage erzielt worden wäre. Wie zu An- fang des Jahrhunderts, so sind heute noch die Ansichten der For- scher auf alle die Möglichkeiten vertheilt, die überhaupt denkbar sind; nach wie vor lauten die Fragen so: ist der Embryo von Anfang männlich oder weiblich? Hat er anfänglich gar kein Ge- schlecht oder schliesst er in dem ersten Zeitraume seines Daseins beide Geschlechter in sich?

Ist es nun auch nach dem gegenwärtigen Stand der Ent- wiekelungsgeschichte ganz unmöglich, das Geschlecht des Embryo in der Zeit vor dem Erscheinen der Keimdrüsen zu bestimmen, so müsste sich dies, sollte man glauben, nach dem Erscheinen derselben ändern. Ein Rückblick auf die Entwickelungsgeschichte dieser Organe lehrt aber ebenfalls, dass man bisher erst auf einer

1) Siehe auch: Sitzungsberichte der Königl. Preussischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin. Sitzung der physikalisch - mathematischen Classe vom 18. Oktober 1888. W. Nagel: Ueber die Entwickelung der Sexualdrüsen und der äusseren Geschlechtstheile beim Menschen.

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verhältnissmässlg späten Entwickelungsstufe einen Geschlechts- . unterschied wahrnehmen konnte.

Tiedemann (70) nimmt an, dass alle Embryonen des Men- schen (sowohl was die inneren wie die äusseren Genitalien betrifft) zuerst weiblich sind. Als Beweis für die Richtigkeit dieses Satzes führt er u. A. an, dass die meisten Embryonen, welche durch Abortus abgehen, weiblichen Geschlechts sind.

Nach E. v. Baer (2) findet sich bei Säugethieren und bei den Vögeln, so verschieden auch im ausgebildeten Zustande die Genitalien beider Geschlechter sind, im Anfange doch so völlige Uebereinstimmung, dass es unmöglich ist, die Geschlechter zu un- terscheiden.

Jobannes Müller (51) unterwirft die ganze Lehre vom Hermaphroditismus, welche zur damaligen Zeit noch einen guten Theil der mittelalterlichen Neigung zum Ungeheuerlichen in sich barg, einer genauen und sachgemässen Kritik. Er vermochte erst bei einem 10 wöchentlichen Embryo zu unterscheiden, dass es sich in diesem Falle um ein weibliches Individuum handelte und sagt dann: „die ursprüngliche Bildung der inneren Genitalien ist weder vorzugsweise männlich, noch weiblich, sondern es existirt eine bisher unbeachtete Form, aus welcher sich sowohl das männliche als weibliche Geschlecht durch auf beiden Seiten eigenthümliche Veränderung entwickelt.“

Im Gegensatz hierzu sind Valentin (75) und Bischoff (10), in Uebereinstimmung mit Burdach, Carus und Rathke, der Ansicht, „dass von Anfang an jedes Individuum in seinem Ge- schlechte genau bestimmt und individualisirt sei* nur können wir es nicht erkennen.

Nach Valentin sind Eierstock und Hoden einander vollkom- men gleich von Anfang an; der Unterschied der Form tritt aber an ihnen frühzeitiger hervor, als der des Gewebes. Vergeblich hat Valentin sowohl in frischen als in gehärteten Früchten nach Differenzen der inneren Struktur gesucht; beide Keimdrüsen be- standen aus einem körnigen undurchsichtigen Gewebe. Im Eier- stocke eines 3 monatlichen menschlichen Embryo fand Valentin, dass sein Gewebe schon aus grossen mehr oder minder isolirten Körnern bestand, welche 0,001518 P.Z. bis 0,007185 P.Z. im Durch- messer hatten.

Es ist auch Bischoff’s Ansicht, dass Hoden und Eierstöcke

Ueber die Entwickelung des Urogenitalsystems des Menschen. 301

in ihrer ersten äusseren Erscheinung und inneren Beschaffenheit einander ganz gleich sind; im Anfange unterscheidet er in den Eierstöcken nicht als primäre Zellen und Zellkerne.

Diese Anschauung Valentin’s und Bischoff’s von der ur- sprünglichen Verschiedenheit des Geschlechts blieb lange Zeit hindurch die fast allein herrschende, bis die Arbeiten von Born- haupt und Waldeyer den Anstoss zu einer genaueren Erfor- schung der Sexualdrüsen gab. Von diesen beiden Autoren erklärte Bornhaupt jeden Embryo von Anfang an für männlich, während Waldeyer als Ergebniss seiner Untersuchungen, die eine ganze Reihe von Wirbel- und wirbellosen Thieren betrafen, den Satz aussprach: „Die Uranlage der einzelnen Individuen auch bei den höchsten Vertebraten ist eine hermaphroditische.*“ Sobald aber die Keimdrüsen angelegt sind, erkennt man nach Waldeyer an dem verschiedenen Bau derselben das Geschlecht; als weib- liche Embryonen betrachtet er beim Hühnchen diejenigen, welehe einen verhältnissmässig stark entwickelten Keimepithel- wall haben.

Von späteren Forschern sehen Egli (was den Kaninchen- embryo betrifft), Rouget (65) und Kölliker die Geschlechtsdrüse in der ersten Zeit als indifferent an. Nach Kölliker entsprechen sich Hoden und Eierstock ursprünglich in der Form genau; gegen das Ende des 2. Monates wird jedoch beim Menschen das erste Or- gan breiter und verhältnissmässig kürzer, während der Eierstock eine gestreckte Form beibehält. Janosik (31) zufolge ist das Anfangs- stadium bei beiden Geschlechtsdrüsen gleich, nähert sich aber dem Bau nach dem Ovarium in späteren Stadien. Da der Embryo Anfangs keimdrüsenlos ist, so ist, meint v. Mihalkoviecz (50), er folglich auch geschlechtslos; ist dann die Keimdrüse erschienen, so ist er, dem eben genannten Forscher zufolge, in beiden Ge- schlechtern ganz ähnlich gebaut, dem geschlechtslosen Zustande folgt also ein indifferenter. Nussbaum (56) sagt: „Embryologische Studien an niederen Thieren machen es wahrscheinlich, dass die Anlagen der Geschlechtsdrüsen schon früh vor jeder Arbeitstheilung der Zellen aus den zum Aufbau des Thierleibes verbrauchten Furchungskugeln abgesondert werden.“ An einer anderen Stelle, wo er von der Entwickelung der Batrachier spricht, sagt derselbe Verfasser: „Die Sonderung im funetionellen Theil zu Hoden oder Eierstock geht kei den Batrachiern in der Weise vor sich, dass

Archiv f. mikrosk. Anatomie, Bd. 34, 20

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nach einer Reihe von Theilungsvorgängen der embryonalen Anlage, . die beiden Geschlechtern gemeinsam sind, zur Bildung des Hodens viele Elemente in grossen Säcken oder Schläuchen vereinigt blei- ben, beim Eierstock dagegen jedes einzelne von einer bindege- webigen Hülle umwachsen und so von seinen Nachbarn gesondert wird. Es ist somit die überwiegende bindegewebige Wucherung, welehe dem Eierstock seinen ersten speeifischen Charakter auf- drückt. Dann wächst die Eizelle ungetheilt weiter: die Sperma- togonie aber theilt sich und erzeugt in ihrer Follikelhaut eine grosse Zahl von Samenzellen.* Laulanie’s (44) Arbeit kenne ich nur aus der vorläufigen Mittheilung; da ich aus dieser nicht mit Bestimmtheit die Ansichten des genannten Autors erkennen kann, gestatte ich mir, seine Ergebnisse in der Originalsprache anzuführen: Les cordons de Pflüger et l’epithelium dit germinatif resultent primitivement de la specialisation corticale des cordons sexuels, qui se differeneient sur la place dans toute l’etendue du stroma. (es deux formations de m&me valeur et de m&me origine ont dans l’ovogenese une part respective qui varie avec les especes animales.

Dans certains groupes (Carnassiers), les cordons sexuels cor- ticaux passent A l’etat de cordons de Pflüger en m@me temps, que l’epithelium germinatif se specialise dans le m&me sens et ils in- terviennent dans l’ovogenese au m@me titre que ce dernier.

Dans d’autres especes (ruminauts, pore) l’Epithelium dit ger- minatif est bientöt depossed& au benefice des cordons de Pflüger, qui interviennent par le procede primitif de la differeneiation im- mediate des cellules du Stroma.

Chez les oiseaux et les vertebres inferieurs, c'est ’Epithelium germinatif, qui subsiste et produit ces ovules par involution, & l’exclusion des eordons sexuels dont l’existence est ephe&mere.

Inzwischen war von Edouard van Beneden (8) eine Ent- deekung gemacht, die dazu bestimmt schien, ein ganz neues Licht auf die Streitfrage zu werfen. Der Gedankengang E. van Bene- den’s ist kurz der folgende.

Nach seinen Untersuchungen und Beobachtungen bei den Hydractinien, Clavae und bei den Medusen („des campanulaires“) ist E. van Beneden der Ueberzeugung, dass beim weiblichen Individuum die Geschlechtsproducte (Eierstock) vom Entoderm

Ueber die Entwickelung des Urogenitalsystems des” Menschen. 303

herstammen, beim männlichen Individuum dagegen vom Ectoderm; denn aus letzterem entsteht der Hoden.

Die Befruchtung besteht nun in der Vereinigung eines Eis, Abkömmling des Entoderms, mit einem (beziehungsweise mit einer gewissen Zahl von) Spermatozoe, Abkömmling des Eetoderms; die- ser Akt hat keinen anderen Endzweck als entgegengesetzte Ele- mente (&l&ments ehimiques de polarit€ opposee) zu vereinigen, welche, nachdem sie eine kurze Zeit vereinigt gewesen im Ei, sich wieder trennen. Denn bei der grössten Mehrzahl der Thiere trennen sich, sobald die Furchung vor sich geht, die Elemente» aus welchen das Eetoderm sich bildet, von denjenigen, welche das Entoderm erzeugen.

Hieraus folgert E.van Beneden, dass die erste Anlage des Embryo, die Keimscheibe also, aus beiden Geschlechtselementen besteht, dass dieselbe hermaphroditisch sei (äusseres Keimblatt männlich, inneres Keimblatt weiblich). Mithin kam van Beneden, aber auf anderem Wege, zu demselben Ergebnisse wie Waldeyer, der bekanntlich seine Ansicht von dem Hermaphroditismus darauf gründete, dass gewisse Bestandtheile des Geschlechtsapparates, welche im ausgewachsenen Zustande nur in einem der Geschlechter thätig sind, auf einer frühen Entwickelungsstufe in beiden Ge- schlechtern gut entwickelt vorhanden sind.

E. van Beneden betrachtete seine Hypothese als gültig für alle Wirbelthiere, ja selbst für den Menschen und nach dem damaligen Stande der Dinge war er auch hierzu vollständig berech- tigt. Denn nach den Untersuchungen von Götte, Peremeschko, Schenk, Oellacher, Rienek (angeführt bei E. van Beneden (8)) ist das Mesoderm ein Abkömmling des Entoderms, und aus diesem (Mesoderm) entsteht nach Waldeyer das Keimepithel (Eier, Follikel. Die Hodenelemente entstehen dagegen aus dem Wolff’schen Körper (Waldeyer, Kölliker, Balfour (4)) und dieser nimmt, nach den Untersuchungen von His, Hensen und Waldeyer, seinen Ursprung aus dem Eetoderm.

Ich weiss nicht ob E. van Beneden seine Hypothese noch aufrecht hält. Die Untersuchungen von OÖ. und R. Hertwig (Der Organismus der Medusen und seine Stellung zur Keimblättertheorie. Jena 1878), J. Ciamician (Zur Frage über die Entstehung der Geschlechtsstoffe bei den Hydroiden; Zeitschrift f. wissenschaft- liche Zoologie Band XXX.) und M. Nussbaum (56) haben Er-

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gebnisse erzielt, die mit denjenigen v. Benedens in Widerspruch stehen. Bekanntlich hat sich seitdem vieles in der Lehre von der Entstehung der Keimblätter geändert, ohne dass damit eine end- gültige Lösung unserer Frage herbeigeführt wäre, also ohne dass damit ein strieter Gegenbeweis gegen diese Voraussetzung der Hypothese v. Beneden’s herbeigebracht worden wäre. Dass ich die andere Voraussetzung der Hypothese über den verschiedenen Ursprung der Eierstocks- und Hodenelemente für den Menschen nicht als richtig anerkennen kann, werde ich in dem Folgenden auseinandersetzen.

In seinem Lehrbuche der Entwickelungsgeschichte (2. Auflage. Jena 1888) vertritt OÖ. Hertwig die Ansicht, dass anfänglich eine vollständige Uebereinstimmung in der Entwickelung von beiderlei Geschlechtsdrüsen besteht. ‘In dem neuesten Sammelwerke der Embryologie ausgesprochen, darf man diesen Satz als Ausdruck der am meisten verbreiteten Meinung über diese Frage betrachten, obwohl derselbe sich hauptsächlich auf Untersuchungen der Anamnien stützt (Semper, Balfour, Hoffmann u. A.).

Was nun den Menschen betrifft, so kann ich nach meinen Untersuchungen den oben erwähnten Satz von der anfänglichen vollkommenen Uebereinstimmung in der Entwickelung von beiderlei Geschlechtsdrüsen nicht ohne Weiteres unterschreiben. Ich bemerke hierbei ausdrücklich, dass die allerersten Entwicklungsstufen mir allerdings fehlen. Die jüngsten von mir untersuchten Embryonen zeigten aber in ihren Keimdrüsen so auffällige Unterschiede, dass ich nicht glaube fehl zu gehen, die Trennung des Geschlechts auf eine noch frühere Zeit zu verlegen.

Es ist selbstredend, dass ich nur aus Embryonen (ich rede, wie gesagt, stets von menschlichen), die sich vollkommen wohl erhalten zeigten, meine Schlüsse über die Entwickelung der Geschlechtsdrüsen gezogen habe. Abgesehen von den beiden (Seite 272) beschriebenen Embryonen habe ich die Ergebnisse an mehreren Exemplaren einer und derselben Grösse vergleichen können, so dass ich glaube, die nachstehende Schilderung der Ent- wickelung dieser Organe nicht als Ausnahme, sondern als Regel hinstellen zu können.

Ueber die Entwickelung des Urogenitalsystems des Menschen 305

Der Unterschied in dem Bau der Keimdrüsen wird um so auffälliger je älter der betreffende Embryo; es wird einem sofort klar, dass man zweierlei Drüsen vor sich hat, dass die Entwicke- lung derselben bei einigen Embryonen einen ganz anderen Weg einschlage als bei anderen. Bei der nunmehr folgenden Schil- derung der Keimdrüsen von Embryonen verschiedenen Alters greife ich zunächst diejenigen heraus, in deren fortschreitendem Aufbau man von Stufe zu Stufe denselben Entwickelungstypus verfolgen kann.

Gelegentlich der Beschreibung des Embryo F habe ich dessen Sexualdrüse geschildert als einen von dem Gewebe des Wolff- schen Körpers deutlich abgrenzbaren Keimepithelwulst, in welchem man, ausser den gewöhnlichen Keimepithelzellen, zahlreiche grössere, bis zu 16u messende Zellen, Sexualzellen und deren Uebergängsformen aus den Keimepithelzellen, wahrnimmt. Eine bestimmte Anordnung der Zellen besteht nicht. Hie und dort, besonders an der Basis des Wulstes, bemerkt man einzelne zarte Züge von embryonalem Bindegewebe und Capillaren; ein Stroma besteht um diese Zeit nicht. Siehe Fig. 13 Tafel XVII.

Bei einem Embryo von 20 mm Länge hat die Sexualdrüse sich mehr von dem Gewebe des Wolff’schen Körpers abgehoben, so dass die Verbindung mit letzterem durch eine breite, fast die ganze Länge der Geschlechtsdrüse einnehmende Falte gebildet wird. Die Drüse selbst hat auf dem Querschnitte eine regel- mässige länglich ovale Gestalt und ist 0,4 mm breit und 0,2 mm hoch; jedoch ist dieselbe in den mittleren Theilen etwas abgeplattet. In den anatomischen Verhältnissen hat sich gegen früher wenig geändert. Die Sexualdrüse besteht auch auf dieser Entwickelungs- stufe hauptsächlich aus epithelialen Elementen: Keimepithelzellen und Sexualzellen mit Uebergangsformen zwischen beiden. An der Oberfläche stehen die Keimepithelzellen dichter gedrängt, sind aber in ununterbrochener Verbindung mit den darunterliegenden.

Die Sexualzellen haben eine Grösse von 10—16 « mit einem Kern von 8. und zeichnen sich durch ihres helles Protoplasma aus. Der Kern trägt ein Kerngerüst. Die Keimepithelzellen messen 8 « mit einem Kern von 5 u, der sich viel stärker färbt als derjenige der Sexualzellen. In dem ganzen Organ, jedoch nicht bis zur

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Peripherie zu verfolgen, sieht man einzelne spindelförmige Zellen, zarte Züge+ von embryonalem Bindegewebe und Capillaren. An der Basis des Organs, im Bereich des späteren Hilus ist die- Stromabildung am reichlichsten.

Die Keimdrüse eines 30 mm langen Embryo zeigt folgende Verhältnisse:

Die Drüse hat sich noch mehr von dem Wolff’schen Körper abgehoben, indem die vorhin beschriebene bindegewebige Falte schmäler und länger geworden ist. Die Sexualdrüse ist in den mittleren Theilen etwas abgeplattet, sonst regelmässig länglich oval und misst (auf dem Querschnitt) in der Breite 0,8—0,9 mm, in der Höhe 0,4mm. Der Hauptsache nach besteht das Organ noch immer aus Keimepithelzellen und Sexualzellen mit den bekannten Uebergangsstufen ; die Grösse der Sexualzellen beträgt 164, diejenige der Kerne 9u, beide, wie die Keimepithelzellen auch, zeigen das früher beschriebene Verhalten; in der oberflächlichsten Schichte des Epithel- wulstes stehen die Zellen dieht gedrängt. Das Stroma (Bindegewebe mit Gefässen, vielleicht Nerven) breitet sich deutlicher in dem ganzen Keimepithelwulst aus, zarte Züge lassen sich stellenweise bis gegen die Oberfläche hin verfolgen. Auch in dem späteren Hilus hat die Stroma-Anlage zugenommen, aber nicht mehr als dass die ganze Keimdrüsenanlage zunächst den Eindruck eines Keimepithel- wulstes macht. An einzelnen Stellen, im Hilus, sieht man jedoch Bilder, welche mit den als Eifächer bekannten Gebilden grosse Aehnlichkeit haben.

Die Keimdrüsen von 40—50 mm langen Embryonen dieser Gattung zeigen im wesentlichen dieselben Verhältnisse; man kann sich, wie die Untersuchung auch an in Müller’scher Flüssigkeit gehärteten Embryonen dieser Grösse mir gezeigt hat, ihr Aussehen leicht aus den schon beschriebenen jüngeren Stadien vergegen- wärtigen. Ich gehe desshalb zur Schilderung der Keimdrüse von einem Embryo derselben Klasse mit einer Steiss-Kopflänge von 7 Centimeter über, welchen ich als besonders wohlerhalten herausgegriffen habe. In frischem Zustande ist die Keimdrüse von gleichmässiger blassröthlicher Farbe, dachförmig abgeplattet, und hat eine Länge von 5 mm.

Auf dem Querschnitte hat die Keimdrüse, im gehärteten Zustande (Flemming’sche Lösung) eine dreieckige Gestalt. Vom Hilus, wo das Stroma am stärksten entwickelt ist, verbreiten sich

Ueber die Entwickelung des Urogenitalsystems des Menschen. 307

Bindegewebsbalken mit Gefässen in dem ganzen mittleren Theile des Organs und theilen die zelligen Elemente (Keimepithel- und Sexualzellen) in Fächer ein. Die Stromazüge erreichen die peripheren Theile nicht (wohl aber einzelne mit Blut gefüllte Capillaren), oder sind wenigstens dem Auge nicht zugänglich; hier zeigt also die Keimdrüse denselben Bau wie auf einer früheren Stufe der Entwiekelung: die oberflächlichsten Schichten werden gebildet aus Keimepithelzellen mit dazwischen gelagerten Sexual- zellen und zahlreichen Uebergangsformen zwischen beiden Zell- arten (siehe Fig. 14 Tafel XVII). Die äusserste Schichte besteht aus dieht gedrängten, ziemlich regelmässig geordneten Keimepithelzellen, zwischen welchen man einzelne grössere Zellen sieht. Diese Schicht geht aber, wie in den jüngsten Stadien, ohne Unterbrechung in die unterliegenden über (siehe Fig. 14 Tafel XVIH).

Die am meisten entwickelten Sexualzellen messen 16 «u, der Kern 7. (eine vereinzelte Sexualzelle misst 19 u, deren Kern llu). Das Protoplasma derselben ist hell, der Kern zeigt ein deutliches Kerngerüst und zahlreiche Verdickungen der Kernfäden, welche sich mit Haematoxylin intensiv dunkel gefärbt haben.

Für die Beschreibung einer älteren Entwickelungsstufe wähle ich ein selten günstiges Object. Der betreffende Foetus hatte eine Kopf-Steisslänge von 11 Centimeter; gestreckt maass er 15 Centimeter und war am 4./7. 88 von Herrn Professor Gusserow durch Operation einer nicht geplatzten Tubarschwangerschaft ge- wonnen. Höchst wahrscheinlich ist derselbe erst während der Operation abgestorben.

Die Keimdrüsen sind blassröthlich, länglich etwas gelappt. Die rechte hatte eine Länge von I9mm, die linke war 7 mm lang; die rechte Keimdrüse macht im ganzen einen grösseren Eindruck.

Die in Flemming’scher Lösung gehärtete Keimdrüse zeigt auf dem Querschnitte eine dreieckige (pilzhutartige) Gestalt und besteht durchweg aus kleineren und grösseren Zellen, welche durch Bindegewebsbalken, in welchen Gefässe verlaufen, in Ballen getheilt werden. Nach dem Hilus zu sind sie am stärksten ent- wickelt; peripherwärts lösen dieselben sich in immer dünner werdenden Zügen auf, welche bis zur Oberfläche des Organs zu verfolgen sind (siehe Fig. 15 Tafel XVII).

Die grössten der Zellen in den erwähnten Ballen messen 23 a,

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und kennzeichnen sich durch ihr helles Protoplasma und ihren blassen, 14—17 u grossen Kern, welcher ein deutliches Kerngerüst mit Verdiekungen der Kernfäden an den Kreuzungspunkten trägt, als Sexualzellen. Die kleinsten Zellen (Keimepithelzellen) messen 11 u mit einer Kerngrösse von 6u. Das Protoplasma der letzt- genannten Zellen hat sich etwas, ihr Kern, stark dunkel gefärbt (Haematoxylin). Zwischen diesen beiden Grössen finden sich alle möglichen Uebergänge.

Der Uebergang von den ohenfbishlichen Schichten der Keim- drüse zu den tiefer liegenden ist überall ein allmählicher.

Gemeinschaftlich für die hier beschriebenen Keimdrüsen ist die grosse Anzahl von Sexualzellen verschiedener Entwicke- lungsstufen. Dieselben liegen zerstreut in dem ganzen Organ, umgeben von den Keimepithelzellen, aus welchen sie offenbar hervorgegangen sind. Bei den älteren Embryonen werden die tieferen Zellschichten der Drüse durch emporwachsendes Stroma- gsewebe in Fächer getheilt, während die peripheren Theile das- selbe Aussehen bewahren wie auf den jüngeren Entwickelungs- stufen. Ganz ähnliche anatomische Verhältnisse findet man stets (ich verweise auch auf meine frühere Arbeit (52)) in den peri- pheren Schichten von Sexualdrüsen älterer Embryonen, welche sich durch das Vorhandensein von Primärfollikel in den tieferen Lager ganz bestimmt als weibliche kennzeichnen. Aus diesem Grunde glaube ich den Rückschluss gerechtfertigt, dass alle die hier beschriebenen Keimdrüsen als Eierstöcke aufzufassen sind. Zu Gunsten dieser Auffassung spricht auch schon das makros- kopische Verhalten der Keimdrüsen von den beiden letzten Embryonen: von der Grösse abgesehen haben die Eierstöcke neu- seborener und älterer Foeten ein ganz ähnliches Aussehen.

Die Keimdrüsen einer anderen Reihe von Embryonen bieten auf den verschiedenen Entwickelungsstufen ein von den eben geschilderten ganz abweichendes Aussehen. Ich werde in dem Folgenden einige Entwickelungsstufen von dieser zweiten Gattung etwas näher beschreiben.

Ueber die Entwickelung des Urogenitalsystems des Menschen. 309

Die Sexualdrüse des Embryo M habe ich Seite 277 als einen 0,5 mm breiten und 0,3 mm hohen (auf dem Querschnitt) Keim- epithelwulst geschildert, welcher dem Wolff’schen Körper breit aufsitzt aber von diesem jedoch deutlich abzugrenzen ist. In diesem Keimepithelwulst bemerkt man deutlich stellenweise eine gewisse regelmässige Anordnung der Zellen; sie bilden geschlängelte Stränge, welche theils unter sich, theils mit der Oberfläche in Ver- bindung stehen (siehe Fig. 18 Tafel XVII). An der Basis des Wulstes sieht man spärliche Züge von zartem embryonalen Binde- gewebe mit Gefässen. Die äusserste Schichte des Wulstes wird gebildet von dicht aneinander gereihten Keimepithelzellen, welche aber in ununterbrochener Verbindung mit den tiefer liegenden Zellen stehen. Ferner sieht man, durch das ganze Organ ver- theilt, einzelne grosse Zellen, deren Protoplasma nicht überall deut- lich abzugrenzen ist und deren blasser, 8u grosser Kern ein Kerngerüst trägt.

Da die Sexualdrüse durch dieses ihr eigenthümliches Ver- halten (strangartige Anordnung der Keimepithelzellen, auifallend geringe Anzahl der grossen Zellen) sich sehr wesentlich von der Sexualdrüse des Embryo F unterscheidet, sich vielmehr dem männ- lichen Typus einer späteren Entwickelungsstufe nähert, so glaube ich nicht fehl zu gehen, wenn ich dieselbe als Hoden bezeichne.

Die Sexualdrüsen von Embryonen dieser zweiten Gattung (ich rede ausschliesslich von menschlichen) von 13mm, 20 mm, 22mm, 23mm, 25mm Länge haben einen so eigenartigen, mit dem Hoden des älteren Foetus und des Neugeborenen so sehr übereinstimmenden Bau, dass man sie auf dieser Entwickelungs- stufe mit Recht als männliche Keimdrüsen bezeichnen kann. Ganz gleichgültig ob sie in Flemming’scher oder Müller’scher Flüssigkeit gehärtet sind, wenn sie bloss genügend frisch waren, zeigen die Sexualdrüsen der erwähnten Embryonen eine so grosse Uebereinstimmung in ihrem Bau, dass ich mich darauf beschränken kann, die Keimdrüse von einem solchen zu beschreiben. Ich wähle hierzu einen 22mm langen Embryo, welcher durch einen von mir geleiteten, nicht durch Erkrankung des Eis bedingten, - Abortus gewonnen wurde und weleher sofort in Flemming’sche Lösung gelegt wurde. Bei diesem zeigt die Sexualdrüse (mit und ohne Hämatoxylin gefärbt) folgendes Verhalten:

Dieselbe ist 2 mm lang (das heisst im längsten, durch die

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Sehnittführung getroffenen Durchmesser) und 0,6—0,7 mm breit und lässt mit grosser Bestimmtheit 3 Hauptgebilde (Epithel, Albuginea, Zellstränge) erkennen (s. Fig. 19, Tafel XVII). Die Sexualdrüse ist an ihrer ganzen freien Oberfläche mit einem einschichtigen, aus regelmässig gereihten, cubischen, 6 u grossen Zellen beste- henden Epithel bekleidet, welches nirgends Fortsätze in die Tiefe schickt; dasselbe ist vielmehr, wie die Durchmusterung von Rei- henschnitten lehrt, allerorts scharf gegen die darunterliegende, 42—56 u breite Albuginea-Anlage abgrenzbar. Diese besteht aus zartem, embryonalen Bindegewebe mit vorwiegend runden Zellen, an einzelnen Stellen bemerkt man aber auch spindelförmige Zellen und dünne Bindegewebsfasern. Der ganze mittlere Theil wird von Zellsträngen eingenommen, welche anscheinend keine bestimmte Anordnung erkennen lassen und vielfach mit einander anastomosiren. Abgesehen von diesen Anastomosen sind die Zellstränge im übrigen durch embryonales Bindegewebe von einander getrennt, welches dasselbe Verhalten zeigt, wie in der Anlage der Albuginea. Die Zellstränge, welche durch die eben erwähnte Albuginea-Anlage voll- ständig von dem Oberflächenepithel getrennt sind, haben eine Breite von 30 u und bestehen aus regelmässig angeordneten lang- eylindrischen, nach der Mitte des Stranges, dem späteren Lumen, spitz zulaufenden Zellen mit einem deutlichen, länglichen Kern. An Schnitten, die wohl die Zellstränge der Länge nach getroffen haben, aber nicht genau durch die Mitte derselben gehen, sieht man, wie die eben beschriebenen Zellen (von beiden Wänden des Stranges her) ineinander greifen, genau so, als wenn man die Finger beider Hände ineinander fügt. In den Zellsträngen zer- streut sieht man die vorhin erwähnten 11. grossen Zellen, die Sexualzellen; der Kern derselben misst 8 u. Mittels einer breiten bindegewebigen Falte steht die Sexualdrüse fast der ganzen Länge nach in Verbindung mit dem Wolff’schen Körper, gerade so, wie ich bei der Keimdrüse eines gleich grossen weiblichen Embryo schon beschrieben habe.

Die nunmehr zu schildernde Sexualdrüse entstammt einem Foetus, den ich selbst aus einem Uterus hervorgeholt habe. Wegen starker Blutung sah ich mich genöthigt, einen, ein paar Stun- den zuvor anderweit eingeleiteten Abortus mittels Curettement zu beenden. Die Länge des Embryo betrug etwa 31/, Centimeter; jedoch kann ich dieselbe nicht genau angeben, da der Embryo

Ueber die Entwickelung des Urogenitalsystems des Menschen. 311

von der Curette beschädigt worden war; wahrscheinlich ist er erst während der Operation abgestorben, da er alle Zeichen der voll- kommenen Frische trug (s. vorhin); eine halbe Stunde nach be- endeter Operation wurde der Embryo in Flemming’sche Lösung gelegt. Die allgemeinen Verhältnisse dieser Keimdrüse sind wenig verschieden von denjenigen der vorher beschriebenen. Da es aber immerhin von einem glücklichen Zufall abhängen wird, über so frische Embryonen wie diesen verfügen zu können, werde ich einige histologische Einzelheiten anführen.

Das Oberflächenepithel (Hodenepithel) besteht aus 6 « hohen cubischen Zellen in einschichtiger Reihe, darunter die Anlage der Albuginea in einer Dicke bis zu 56 «: dieselbe besteht zum grössten Theile aus spindelförmigen Zellen mit dazwischen gelagerten spär- lichen und zarten Bindegewebsfasern. Der ganze mittlere Theil des Organs wird eingenommen von den zahlreichen, gewundenen Zellsträngen, welche 32 « breit sind und welche aus regelmässig angeordneten, nach der Mitte des Stranges spitz zulaufenden Zellen bestehen; diese letzteren messen 16, einzelne sogar 29 u und zeigen im übrigen dieselben Verhältnisse wie bei dem vorigen Embryo. In den Zellsträngen liegen hie und dort einzelne Sexual- zellen (Ursamenzellen), durch helles Protoplasma sofort in die Augen fallend; dieselben haben eine Grösse von 14—16u; ihr Kern hat ein deutliches Kerngerüst mit Verdickungen an den Kno- tenpunkten der Kernfäden und misst 8 u.

Ich möchte besonders hervorheben, dass viele von den Zellen der gedachten Stränge (die Epithelien der späteren Samenkanäl- chen also) schöne Kerntheilungsfiguren zeigen (s. Fig. 21, Tafel XVII). Die Zellstränge haben kein Lumen, wie man an den quergetroffenen Kanälchen deutlich sieht.

Die Sexualdrüse eines 10 Centimeter langen Embryo dieser zweiten Gattung hat auf dem Querschnitte eine regelmässige, nie- renförmige Gestalt und misst (ebenfalls auf dem Querschnitte) 2,4x 1,6 mm.

Die Albuginea hat dieselbe Dieke wie bei dem vorigen Em- bryo; die Bindegewebselemente sind aber mehr hervorgetreten und bilden wellige, parallel zur Oberfläche laufende, stark lichtbrechende Fasern, dazwischen spindelförmige Zellen.

Hodenepithel und Zellstränge mit den Ursamenzellen zeigen

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hauptsächlich dasselbe Verhalten wie bei dem vorigen Embryo be- schrieben.

Ein wesentlicher Unterschied gegen früher besteht aber darin, dass in den zwischen den Zellsträngen liegenden Zügen embryo- nalen Gewebes die sogenannten Zwischensubstanzzellen auf- getreten sind. Dieselben sind spindelförmig oder polyedrisch mit mehrfachen Ausläufern. Ihr Protoplasma hat ein eigenthümliches mattes Aussehen und färbt sich mit Hämatoxylin blaugrau. Die Grösse wechselt, die am meisten entwickelten Zwischensubstanz- zellen messen 24X32 u. Ihre Kerne messen 8 u, haben ein deut- liches Kerngerüst mit den bekannten Verdiekungen und ein oder zwei Kernkörperchen.

Bei einem sehr gut erhaltenen Foetus, dessen Kopf-Steiss- länge 12 Centimeter betrug, zeigte der Hoden in frischem Zustande eine glatte Oberfläche mit durchschimmernden Capillaren, hatte eine blassröthliche Farbe, eine bohnenförmige Gestalt und maass >mm; der rechte war etwas grösser. Diese Hoden wurden in Müller’scher Flüssigkeit gehärtet. Die anatomischen Verhältnisse ergeben sich ohne weiteres aus den Figuren 22 u.23, Tafel XVII, welche, wieauch dieübrigen Abbildungen, genau nach den Präparaten angefertigt sind; da die histologischen Einzelheiten einfach eine weiter vorgeschrittene Entwickelungsstufe der früher geschilderten dar- stellen, will ich hier nur hervorheben, dass die Zwischensubstanz sehr an Mächtigkeit zugenommen hat, wodurch die noch immer soliden Samenkanälchen weiter auseinander liegen als früher. Die Zwischensubstanzzellen gehen nirgends in die Albuginea über.

Aus diesen anatomischen Darlegungen dürfte zur Genüge hervorgehen, dass der Entwickelungsvorgang der Sexualdrüsen beim Menschen ein ungemein einfacher ist. Bei beiden Geschlechtern ist es ein Keimepithelwulst (im Sinne Waldeyer’s), welcher durch, ursprünglich aus dem Stroma des Wölff’schen Körpers hervorwachsendes, Bindegewebe zerlegt wird. Beim Weibchen ist das Ergebniss dieser Zerlegung die Bildung von Eifächern, beim Männchen dagegen die Bildung von Zellsträngen (spätere Samen- kanälchen). Es herrscht aber von vornherein, sowohl in der Ge- staltung des ursprünglichen Keimepithelwulstes wie in dem ganzen Zerlegungsvorgange ein so grosser Unterschied bei beiden Ge- schlechtern, dass man von einem sehr frühen Stadium an, soweit

Ueber die Entwickelung des Urogenitalsystems des Menschen. 313

meine Untersuchungen zurückreichen, an dem anatomischen Bau der Sexualdrüsen erkennen kann, ob man ein Weibchen oder Männchen vor sich hat. Mit dieser meiner Anschauung stehe ich in vielen und wesentlichen Punkten in Widerspruch mit den von anderen Autoren erzielten Ergebnissen, so dass ich auf die obwal- tenden Vorgänge, wie auf die Meinungen anderer, etwas näher eingehen muss.

In seinem Werke Eierstock und Ei (77) schildert Waldeyer die Entwickelung des Eierstocks einiger menschlicher Foeten, von denen der jüngste eine Steissscheitellänge von 4 Centimeter hatte, als „eine gegenseitige Durchwachsung des bindegewebigen vaseularisirten Stromas und des Keimepithels, in Folge dessen grössere und kleinere im Allgemeinen rundliche Massen des letz- teren mehr und mehr in das bindegewebige Stroma eingebettet werden“. Dass derselbe Durchwachsungsvorgang auch auf der ersten Entwickelungsstufe des Eierstocks stattfindet, wies Wal- deyer beim Hühnchen nach (Seite 55 u. 56).

Bis dahin war es die Aufgabe der Embryologen gewesen, die Entstehung der von Valentin (75) und Pflüger (58) entdeckten, von zahlreichen Forschern (s. bei Waldeyer(77)) als einen Haupt- bestandtheil des Säugethiereierstocks nachgewiesenen „Eischläuche“ zu ermitteln. Anscheinend war diese Aufgabe Bornhaupt (s. bei Waldeyer) gelungen, indem er bei 11—12tägigenHühnerembryonen senkrechte schlauchförmige Zellenwucherungen vom Peritoneal- epithel aus in das Stroma der Eierstocksanlage hineinwachsen sah; Bornhaupt hielt sie für die Anlage der Pflüger’schen Schläuche, obgleich er ihre Weiterentwickelung nicht verfolgt hat.

Die Beobachtungen Waldeyer’s schlossen die Bildung von sogenannten Valentin-Pflüger’schen Schläuchen in dem em- bryonalen Eierstoek aus. Denn zu keiner Zeit der Entwiekelung des Eierstocks finden schlauchförmige Wucherungen vom Epithel her in das unterliegende Stroma statt. Die Pflüger’schen Schläuche gehören, nach Waldeyer, einer viel späteren Zeit der Entwicke- lung an, und kommen dadurch zu Stande, dass beim nahezu ferti- gen Organ die peripheren Eifächer eine Zeit lang mit der Eier- stocksoberfläche in Verbindung bleiben.

Eins der Hauptergebnisse der Untersuchungen Waldeyer’'s, dass die Eier direkt vom Keimepithel abstammen, ist mit einzelnen

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Ausnahmen (Valaoritis, Die Genesis des Thier-Eies. Leipzig 1882) von allen späteren Forschern als richtig anerkannt; nach dem heutigen Stand der Entwiekelungsgeschichte darf man wohl sagen, dass die Waldeyer’sche Ansicht über die Oogenese zu einer all- gemein anerkannten Thatsache geworden ist.

Ganz anders verhält es sich dagegen mit seinen übrigen Ergebnissen über den Entwickelungsvorgang des Eier- stocks und über die Betheiligung des Keimepithels an der Follikelbildung.

Was nun den Entwickelungsvorgang, den Aufbau des Eier- stocks betrifft, so haben, um bei den höheren Wirbelthieren zu bleiben, Egli (15) und Balfour (4) Ergebnisse erzielt, die sich im wesentlichen sehr wohl mit denjenigen Waldeyer’s decken. Die beiden Forscher schildern nämlich übereinstimmend das Wachs- thum des Kanincheneierstocks als eine Durchwachsung des sich stets vergrössernden Keimepithellagers mit Bindegewebszügen, welche von dem unterliegenden Stroma (Bindegewebe des Wolff’schen Körpers) hereinwachsen. Hierdurch wird, nach Balfour, das Keimepithellager in Eifächer (Nester) zerlegt; nach Egli aber wird durch das Hereinwachsen von Bindegewebszellen ein Zustand erzeugt, der vollkommen mit der ersten Entwickelungsstufe der Hodenanlage übereinstimmt. Nach Egli ist zu einer gewissen Zeit jedes Individuum männlichen Geschlechts (das Kaninchen am 15. Tage des Embryonallebens).

Zu einem ganz anderen Ergebnisse sind in der neueren Zeit M. Braun (12), v. Mihalkoviez (50) und Janosik (31) ge- kommen. Da die Arbeiten der drei genannten Forscher einander vielfach ergänzen und da die beiden letztgenannten auch mensch- liche Embryonen untersucht haben und geneigt sind, die von ihnen gefundenen, sehr verwickelten Vorgänge auch für den Aufbau des menschlichen Eierstocks gelten zu lassen, werde ich etwas näher auf die genannten Arbeiten eingehen.

Nach Braun’s Untersuchungen findet bei Eidechsen und Blindschleichen bei den Schlangen liegen die Verhältnisse etwas anders eine Einwanderung von Zellenbalken in die Keimdrüse beider Geschlechter statt. Braun nennt diese Zellenbalken Seg- mentalstränge, weil sie von den Segmentalbläschen (= Mal- pighi’sche Körperchen der Urniere), mit welchen sie auch anfänglich noch in Verbindung stehen, und zwar von deren

Ueber die Entwickelung des Urogenitalsystems des Menschen. 315

äusseren Wand, herstammen. Eine Zeit lang besteht das In- nere der Sexualdrüse, bei beiden Geschlechtern aus diesen Zellenbalken; dies ist das indifferente Stadium der Keimdrüsen. Bei beiden Geschlechtern findet nun eine Verbindung zwischen Segmentalsträngen und Ureilager statt, die beim Männchen den Schwund des Ureilagers (= Keimepithel) in Folge des Einwanderns des grössten Theiles seiner Elemente in die Segmentalstränge be- dingt, während beim Weibchen im weiteren Verlaufe der Ent- wickelung es zur Lösung der Verbindung, zur Degeneration der Segmentalstränge und zur Follikelbildung vom Ureilager aus kommt.

Da Braun nirgends Uebergangsstadien von den Elementen der Segmentalstränge zu den Ureiern findet,. meint er, sie seien eingewandert von aussen (von dem Peritonealepithel = Keim- epithel).

v. Mihalkovicz findet im wesentlichen die Angaben Brauns über die Entwickelung der Sexualdrüsen bestätigt und führt sie weiter aus, auch bei den Säugethieren und dem Men- schen. Jedoch meint er, dass die Sexualstränge nicht von den Glomeruli der Urniere herstammen, dass sie überhaupt nicht von dem Wolff’schen Körper herstammen, wesshalb er den vonBraun eingeführten Namen „Segmentalstränge“ als nicht zutreffend ver- wirft. Die Sexualstränge entstehen vielmehr auf einmal ihrer ganzen Länge nach das Centrum der Geschlechtsdrüse einnehmend, und zwar durch selbständige Herausdifferenzirung im Stroma. Ihren Ursprung sucht v. Mihalkoviez nicht in den bindegewebigen Zellen der Geschlechtsdrüse, sondern in epithelialen Elementen, welche ursprünglich vom Keimepithel herstammen und folgender- maassen in die Geschlechtsdrüse hinein gelangen: v. Mihalkoviez meint nämlich, dass die in dem Keimepithel zuerst erscheinenden grossen Zellen nicht, wie man mit Waldeyer allgemein annimmt, Ureier sind, sondern einfach die Bestimmung haben „aus dem archiblastischen Material des Mesoderm herausdifferenzirte Epithel- gebilde“ unter die parablastischen Elemente der Geschlechtsleiste hineingelangen zu lassen, wo sie durch Theilung zur Bildung der Gesammtmasse des Keimdrüsenblastems beitragen. Mihalkoviez nennt sie desshalb „grosse Geschlechtszellen“; aus den Nach- kommen dieser entstehen also die Elemente der Sexualstränge.

Die eigentlichen Ureier sollen, nach demselben Autor, viel

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später erscheinen, bei Säugethieren nicht vor der Differenzirung des Geschlechts.

Mir standen allerdings nicht Reptilienembryonen zur Ver- fügung und ich kann mir also kein persönliches Urtheil über die Verhältnisse des embryonalen Eierstocks bei diesen Thieren bilden. Die Gebilde aber, welche Braun als Segmentalstränge schildert und abbildet (Fig. 4, 7 und 3z. B.), würde ich als Eifächer ansprechen. Ich habe beim Menschen ganz ähnliche Bilder zum Oefteren gesehen wie die in den genannten Figuren Braun’s ab- gebildeten und zwar auf den ersten Stufen der Entwickelung des Eierstockes. So sieht ganz genau der Keimepithelwulst aus, wenn er durch das emporwachsende Bindegewebe in Eifächer zerlegt wird!); solche Bilder sieht man ferner zu jeder Zeit im der Peripherie des embryonalen Eierstocks beim Menschen bis der Aufbau des Organs vollendet ist. (Vergleiche meine Abbildungen Tafel XVII, Fig. 14 und 15.)

Entstünden die „Segmentalstränge* (Eifächer) wirklich aus der äusseren Wand der Malpighi’schen Körperchen (Segmentalblase), so müsste man doch eine ganz andere Betheiligung von Seiten des Epithels des Malpighi’schen Körperchens sehen als wieBraun schildert und abbildet. Ein solches Hereinwuchern von Seiten des Kanalsystems des W olff’schen Körpers in die Keimdrüse müsste doch solehe unverkennbareBilder geben, wie etwa das Hervor- sprossen der Harnkanälchen aus dem primitiven Nierenbecken, und das ist von keinem Forscher beschrieben. Ich habe niemals, weder beim Säugethier noch beim Menschen eine andereVerbindung zwischen Keimdrüse und Kanalsystem der Urniere gesehen als die, welche überhaupt zwischen den einzelnen Theilen eines Embryo besteht.

Mit Bestimmtheit muss ich aber v. Mihalkovicz gegenüber fest halten, dass die Gebilde, welche er als Sexualstränge des Eierstocks schildert, in der That Eifächer sind. Wenn v. Mihal- kovicz in Eierstöcken von 3—4 Centimeter langen Embryonen weiter nichts gesehen hat, als dass „die äussere Rindenschicht zu dieser Zeit einem kleinzelligen Faserknorpel nicht unähnlich sieht‘, dann glaube ich daraus den Schluss ziehen zu müssen, dass seine Embryonen nicht ganz frisch gewesen. Das gilt noch im höherem Grade von den älteren von v. Mihalkoviez untersuchten Foeten.

1) Dieses geschieht, wie vorne beschrieben, zuerst an der Basis des Organs.

Ueber die Entwickelung des Urogenitalsystems des Menschen. 317

Es ist längst bekannt wie der Eierstock so grosser menschlicher Embryonen aussieht (Waldeyer (77), Schröder (Lehrbuch der Geburtshülfe 7. Auflage), His (27), Kölliker (36), H. Meyer (49), Foulis (17)) und nach meinen eigenen Untersuchungen kann ich die Ansichten Mihalkoviez nicht für die richtigen halten. Es dünkt mich, als seien. die in den Figuren 191 und 192 Tafel IX (bei Mihalkovicz) abgebildeten und im Texte geschilderten hellen Grenzlinien, wodurch die Primordialeierlage beziehungsweise die aus dieser hervorgegangenen Pflüger’schen Schläuche von den tieferliegenden „Sexualsträngen“ geschieden werden, durch den nicht ganz frischen Zustand der betreffenden Eierstöcke bedingt.

Entweder hat v. Mihalkoviez Recht in seiner Auffassung vou der Entwickelung des Eierstocks oder ich; irgend ein Aus- gleich zwischen unseren so sehr auseinanderweichenden Anschau- ungen ist nicht möglich. Zunächst möchte ich aber meine Ansicht als die zutreffende erachten auch aus folgendem Grunde: meine Untersuchungen betreffen nämlich eine fortlaufende und ziemlich vollständige Reihe von wohlerhaltenen menschlichen Embryonen und die daraus gewonnenen Ergebnisse sind in vollkommenen Einklang mit den von zahlreichen andern Autoren (s. 0.) bei älteren Embryonen gefundenen zu bringen.

Ferner glaube ich nach meinen Untersuchungen annehmen zu müssen, dass v. Mihalkoviez irrt, wenn er sagt, dass bei den Säugethieren grössere Zellen im Keimepithel vor der Differen- zirung des Geschlechts überhaupt nicht vorhanden sind. Ich bin nämlich nach Untersuchung einer ganzen Reihe von Schweins- embryonen, die ich an den Schlachttagen in dem hiesigen Central- Viehhofe mir selbst holte und die ich zum Theil in Müller’scher, zum Theil in Flemming’scher Lösung härtete, zu anderen Er- gebnissen gelangt. Die mit der letztgenannten Flüssigkeit behan- delten zeigten am deutlichsten die histologischen Einzelheiten, wesshalb nur diese Serie der nachfolgenden Beschreibung zu Grunde liegt. Die kleinsten der eben erwähnten Embryonen hatten eine Länge von Smm und die übrigen waren um 3—4 mm grösser als die vorhergehenden; ich glaube desshalb behaupten zu dürfen, dass keine Entwickelungsstufe der Sexualdrüsen von Bedeutung mir entgangen sein kann. Die Embryonen wurden in der vorher be- schriebenen Weise mit Haematoxylin gefärbt, in Paraffin gebettet und in Reihensebnitten zerlegt. Bei denjenigen von 8mm Länge

Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 34. 21

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fand ich als übereinstimmenden Befund die erste Anlage der Sexual- drüse als eine Verdiekung des Coelomepithels an der Innenseite des Wolft’schen Körpers, genau so wie Waldeyer es beim Hühnchen gesehen hat. Die Epithelverdickung, das Keimepithel im wahren Sinne des Wortes, reichte rückwärts bis zur Ueber- gängsstelle des Coelomepithels auf das Mesenterium, während die- selbe sich bauchwärts allmählich verjüngte (s. Fig. 16 Tafel XVII). Das Keimepithel misst an seiner breitesten Stelle 24. und besteht aus einer mehrschichtigen Lage ceubischer Zellen, welche sich durch eine Basalmemıbran deutlich von dem unterliegenden Gewebe des Wolff’schen Körpers abheben. In dem Keimepithel sieht man dann mehrere, 2—4 und mehr in jedem Präparate und auf jeder Seite, 16 u. grosse Zellen, welche sich mit ihrem hellen Protoplasma und mit ihrem 8—9 u grossen blassen, ein Gerüst tragenden Kern, als Sexualzellen kennzeichnen. Bei Embryonen der nächsten Entwickelungsstufe von 11mm Länge ist das Keimepithel bedeutend gewuchert und bildet einen 0,33—0,38 mm hohen, von dem Gewebe der Urniere deutlich abgrenzbaren Wulst, an dessen Basis die Zerlegung durch das emporwachsende Bindegewebe angefangen hat; im übrigen besteht der Wulst aus epithelialen Elementen mit den Sexualzellen; in der äussersten Schichte des Wulstes stehen die Keimepithelzellen dicht gedrängt (Pseudo-Epithelium Balfour's, siehe weiter unten). Die weitere Entwiekelung, durch welche der Keimepithelwust, unter ständiger Vergrösserung in Eifächer beziehungsweise in die zelligen Anlagen der Samenkanälchen, zerlegt wird, vollzieht sich wesentlich, nach Abzug der geringen individuellen Verschiedenheiten, in der für den Menschen genauer geschilderten Weise (siehe Seite 309 u. flg.); nur kömmt es beim Schwein zu einer stärkeren Ablagerung von Bindegewebe (Stroma) in dem Eierstocke als beim Menschen. Siehe Fig. 17 Tafel XVII.

Dass die in dem Keimepithel des Smm langen Embryonen sich findenden, soeben beschriebenen grossen Zellen wirklich Sexualzellen sind, geht erstens daraus hervor, so meine ich, dass sie dieselben Eigenschaften besitzen wie die Sexualzellen über- haupt, und zweitens daraus, dass sie nicht schwinden bei älteren Embryonen (was sie doch thun müssten, wenn sie mit den früher erwähnten „grossen Geschlechtszellen“ Mihalkovicz’ identisch wären), vielmehr auf jeder Entwickelungsstufe mit grosser Be- ständigkeit und in vermehrter Zahl vorhanden sind.

Ueber die Entwickelung des Urogenitalsystems des Menschen. 319

Was nun den Geschlechtsunterschied auf dieser frühen Ent- wiekelungsstufe betrifft, wo die Anlage der Geschlechtsdrüse aus einer Schichte Keimepithelzellen besteht, so meine ich, indem ich mich hierbei auf die Befunde aus einer späteren Entwickelungs- zeit stütze, dass solehe Embryonen, in dessen Keimepithel man verhältnissmässig wenige grosse Zellen findet, als männliche auszusprechen sind. Enthält dagegen das Keimepithel eine ver- hältnissmässig grosse Anzahl Sexualzellen, dann entwickeln die betreffenden Embryonen sich zu weiblichen Individuen. Diesen Unterschied in der Zahl der Sexualzellen meine ich bei gleich- grossen Embryonen aus demselben Mutterthiere gesehen zu haben. Es ist aber selbstverständlich, dass nur sehr umfassende Unter- suchungen diese schwierige Frage entscheiden können, wesshalb sie noch eine offene bleibt.

Ebensowenig wie mit Braun und v. Mihalkoviez, stimme ich mit Janosik überein in Bezug auf die Entwickelung der Sexualdrüsen. Das gilt sowohl für den Menschen wie für die Säugethiere (Schwein). Janosik (31) vermochte bei einem mensch- lichen Embryo von 5 Centimeter Länge noch keinen Geschlechts- unterschied zu finden und von den Geschlechtsdrüsen eines 5 Centimeter und eines 5,3 Centimeter langen menschlichen Embryo sagt er: „Histologische Einzelheiten lassen sieh hier nicht er- forschen, aber das, was man wahrnehmen kann, ist so, dass es mit den Verhältnissen bei Thieren im Einklange steht.“ Nach seinen Untersuchungen bei Thieren entwickelt sich nun das Ovarium zunächst viel langsamer und bekommt später alle ihm zukommen- den Charactere als der Hoden (so will er z.B. erst bei 2,9 Centi- meter langen Schweinsembryonen einen Geschlechtsunterschied bemerkt haben). Ferner schildert er die histologischen Einzel- heiten bei der Entwickelung des Eierstocks folgendermaassen: Zuerst proliferirt das Keimepithel in die Tiefe, dann hört es auf und es bildet sich eine schwache Albuginea. Aus den durch Proliferation gebildeten Strängen haben den Ursprung: die soliden und ein Theil der hohlen Zellstränge im Stroma des Ovariums. Die Eizellen mit der Granulosa sind Produkte einer nochmaligen Proliferation des Epithels in das Stroma.

Dass Janosik in den Geschlechtsdrüsen menschlicher Embryonen von 5 bis 5,8 Centimeter Länge noch keine histologische Einzelheiten zu erkennen vermochte, wird wohl darin seinen Grund

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haben, so glaube ich, dass dieselben nicht ganz frisch gewesen sind. Mit aller Bestimmtheit muss ich bestreiten, und das gilt sowohl für menschliche wie für Schweinsembryonen, dass es im Eierstock jemals zur Entwickelung einer noch so schmalen Albu- sinea kömmt. Geschlechtsdrüsen mit Albuginea sind nach meinen Beobachtungen stets männliche und bieten auch die übrigen Kenn- zeichen dieser.

Was die „soliden Zellstränge‘“ im Ovarium betrifft, so bin ich insofern ganz einig mit Janosik, dass dieselben aus dem Keimepithel stammen (aber in anderer Weise als wie von Janosik geschildert), wenn er unter soliden Zellsträngen die Eifächer versteht, denn andere solide Zellstränge habe ich im Eierstock - des Menschen und der von mir untersuchten Säugethiere (Schwein, Rind) nicht gefunden.

Von „hohlen Zellsträngen“ kenne ich im embryonalen menschlichen Eierstocke nur eine Art, nämlich die in den Hilus hinein sich verzweigenden Epoophoronschläuche; diese stammen bekanntlich weder vom Keimepithel, noch betheiligen sie sich in irgend einer Weise an dem Aufbau des Eierstocks (ich verweise auf die diesbezüglichen Auseinandersetzungen in meinen früheren Arbeiten (52 u. 53)).

Was nun den Hoden betrifft, so hatte Waldeyer (77) wohl erkannt, dass beim Hühnchen dieses Organ vom Keimepithel überzogen war und dass man zu einer gewissen Zeit in diesem Epithel Primordialeier ähnliche Zellen mit schönen, klaren, grossen Kernen wahrnimmt. Eine Zusammengehörigkeit zwischen Keim- epithelzellen und Samenkanälchenepithel, wie Bornhaupt be- obachtet hatte, vermochte Waldeyer jedoch nicht nachzuweisen. Dagegen meinte er annehmen zu müssen, dass dieSamenkanälchen von den Kanälen im Sexualtheil des W olff’schen Körpers (siehe unter dem Capitel „W olff’scher Körper“) aus in den Hoden hineinwachsen.

Vor dieser Zeit nahm man allgemein an, dass die Samen- kanälchen durch eine histologische Sonderung aus der Substanz des Hodens entständen (E. von Baer (2), J. Müller, Rathke). Valentin fasst den Vorgang so auf, als „zerfiele eine angelegte Hauptmasse in kleinere und zahlreichere Massen.“ Die ersten Spuren der Samenkanälchen erscheinen, nach demselben Verfasser, gleich- zeitig mit der Albuginea (Säugethier).

Ueber die Entwickelung des Urogenitalsystems des Menschen. 321

Diese ältere Ansicht über die Entstehung der Samenkanäl- chen in loco, dureh eine histologische Sonderung, hat neuerdings in Schmiegelow (68) und Sernoff (67), was das Huhn betrifft, und Egli (Kaninchen) Vertheidiger gefunden. Jedoch betrachten die beiden erstgenannten Autoren die Keimdrüse irrthümlich als „einen Haufen runder embryonaler Zellen‘, welche mit einem besonderen, in der ersten Zeit mehrschichtigen (Sernoff) Epithel, dem Keimepithel, bekleidet ist. Hieraus folgt nothwen- digerweise als logischer Schluss, dass das Keimepithel sich an der Bildung der Samenkanälchen nicht betheiligen kann, wenn es riehtig ist, dass die Samenkanälchen, wie Schmiegelow und Sernoff annehmen, in loco durch eine Herausdifferenzirung aus dem Stroma entstehen.

Ich glaube nun für den Menschen nachgewiesen zu haben, dass die Samenkanälchen nicht durch Hereinwachsen von Epithel- zellen der Wolff’schen Kanälchen entstehen; ferner meine ich nachgewiesen zu haben, dass das Keimepithel mit den aus ihm entstandenen Sexualzellen die ausschliessliche Quelle für die epithelialen Zellstränge, welche als Anlage der Samen- kanälchen aufzufassen sind, abgiebt. Denn es ist nicht richtig, die Geschlechtsdrüse in ihren ersten Stufen der Entwickelung als einen Haufen embryonaler Zellen zu betrachten, welche mit dem Keimepithel als einem besonderen Epithel überzogen sind. Die- selbe besteht vielmehr, auch bei männlichen Individuen, haupt- sächlich aus einem Haufen epithelialer Zellen, aus einem Keimepithelwulst; das gilt, nach meinen Untersuchungen, so- wohl für den Menschen wie für Säugethiere (Schwein). In der oberflächlichsten Schichte dieses Wulstes stehen allerdings die Keimepithelzellen diehter gedrängt als anderswo und können ein besonderes Epithel vortäuschen, wesshalb auch Balfour (4) sehr treffend diese äusserste Schicht ein Pseudo-Epithelium nennt.

Ich bin also soweit ganz einverstanden mit Schmiegelow und Sernoff, dass die Samenkanälchen in loco entstehen; ich muss aber bestimmt daran festhalten, dass die Entstehung dieser Gebilde nieht auf Kosten des „Stromas“ geschieht. Die Ent- stehung in loco ist vielmehr nach meinen Untersuchungen so auf- zufassen, dass der Keimepithelwulst durch das aus dem Gewebe des Wolff’schen Körpers emporwachsende Stroma (Bindegewebe mit Gefässen, vielleicht Nerven und Lymphgefässe) in Zellstränge

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zerlegt werde, welche beim Hoden durch Ablagerung von Stroma dicht unterhalb des vorhin beschriebenen Pseudo-Epitheliums, die Anlage der Albuginea, sehr früh von der Oberfläche getrennt werden. Von nun an wachsen und vermehren sich die Zellstränge ausschliesslich durch Vermehrung ihrer eigenen zelligen Elemente. Als Beweis für ein derartiges Wachsthum führe ich die in den Zellsträngen vorhandenen zahlreichen Kerntheilungsfiguren an, welche ich besonders ausgeprägt bei einem, frisch in Flemming- sche Lösung gelegten, menschlichen Embryo gefunden habe (siehe Seite 311). Ferner sieht man nirgends Uebergangsformen zwischen den umliegenden Stromazellen und den Epithelzellen der Stränge, diese besitzen zwar keine Membrana propria, sind aber überall durch die Basalmembran ihrer Zellen scharf gegen das Stroma abgegrenzt.

In Folge dieser meiner Auffassung von der Entwickelung des Hodens stehe ich in Widerspruch mit mehreren Autoren der Neu- zeit, vor allem mit M. Braun, Balfour (4), Janosik und v. Mi- halkoviez.

Wie schon erwähnt (siehe Seite 314) nimmt Braun für beide Geschlechter (bei den Reptilien) an, dass eine Einwanderung von Zellenbalken, welche aus der äusseren Wand der Malpighi’schen Körperchen hervorsprossen, in die Sexualdrüse stattfindet.

Aus diesen Zellbalken („Segmentalsträngen“) entstehen nun die Samenkanälchen; der Vorgang hierbei scheint ein etwas ver- schiedener zu sein bei den verschiedenen Reptilien; bei Eidechsen und Blindschleichen, sagt Braun, treten die Segmentalstränge in Verbindung mit dem Ureilager (= Keimepithel im Sinne Wal- deyer’s). Diese Verbindung bedingt beim Männchen den Schwund des Ureilagers in Folge des Einwanderns des grössten Theiles seiner Elemente in die Segmentalstränge.

Balfour ist im wesentlichen bei dem Kaninchen zu den- selben Ergebnissen gekommen wie Braun bei den Reptilien. In den Sexualdrüsen beider Geschlechter liegt nach Balfour unter dem Keimepithel ein epithelähnliches Gewebe, welches zu einer bestimmten Zeit die Hauptmasse der Sexualdrüsen bildet. Dieses Gewebe schildert Balfour als bestehend aus soliden Balken epithelähnlicher Zellen, welche, sowohl was Grösse wie sonstige Eigenschaften betrifft, den Keimepithelzellen sehr ähnlich sehen. Es entstammt den Wandungen der Malpighi’schen Körperchen

Ueber die Entwickelung des Urogenitalsystems des Menschen. 323

und bildet sich beim Weibchen fast ganz zurück, beim Männchen dagegen soll es mit Zellen, welche aus dem Keimepithel kommen, die Samenkanälchen bilden.

Bei Besprechung der Entwickelung des Eierstocks habe ich meine Ansicht über die dortigen Zellbalken und Zellstränge geäussert ; was nun den Hoden betrifft, so habe ich niemals, auf keiner Stufe der Entwickelung, solche Gebilde gesehen, wie von Braun und Balfour bei Reptilien und Kaninchen beschrieben. Die einzigen im Hoden vorhandenen Zellstränge sind nach meinen Unter- suchungen diejenigen, deren Entstehung ich vorhin (Seite 321) geschildert habe. Dieselben sind so eigenthümlich für die männ- liche Geschleehtsdrüse, dass ich mit E. van Beneden (9) glaube, es muss eine Verwechselung mit dem Hoden stattgefunden haben, wenn andere Autoren, von Valentin (Pflüger) bis heute, solche Stränge und „Schläuche“ als einen regelmässigen Bestandtheil des Eierstocks schildern.

Es ist ferner nicht richtig, die von Braun, Balfour und Mihalkovicz beschriebenen Zellstränge und Zellbalken (Sexual- stränge, Segmentalstränge) mit den sogenannten „Marksträngen“ gleich zu stellen, welche, nachdem Waldeyer zuerst die Auf- merksamkeit darauf lenkte, sehr viele Forscher beschäftigt haben (Kölliker, E. van Beneden, Mac Leod (48), Harz (22) u. A.); ebensowenig ist es richtig, diesen Marksträngen eine Be- deutung für die Bildung der Follikel (Kölliker u. A.), oder der Samenkanälchen (Balfour, v. Mihalkoviez u. A., s. vorne) beizumessen.

Die sogenannten „Markstränge“ (cordes medullaires E. van Beneden’s) treten nach den Untersuchungen von E. van Be- neden (9, Mac Leod (48) und W. Harz (22) bei einzelnen Säugern sowohl im Eierstock wie in dem Hoden in grosser Menge auf, während sie bei anderen (in dem Eierstocke wenigstens), vollkommen fehlen. E. van Beneden hat gefunden, dass die cordes medullaires in dem Eierstocke der Fledermäuse ausseror- dentlich stark entwickelt sind, aber von verschiedenem Aussehen in den verschiedenen Theilen des Eierstocks; er unterscheidet cordons pleins, cordons tubulaires, le corps retieule, le parovarium. E. van Beneden giebt eine genaue Beschreibung dieser Gebilde, kann und will aber nicht entscheiden, ob in dem Hoden irgend welche Gebilde vorkommen, die mit diesen „organes glandulaires“

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des Eierstocks gleichwerthig wären. Er stellt vielmehr zum Schlusse folgende Fragen zu Beantwortung hin: Les cordons pleins de l’ovaire ont ils la m&me origine que les cordons tubulaires, les canaux du corps retieul& et les tubes du parovarium. Sont-ils ne sont pas homologues aux canaux seminiferes?

Nach meinen Untersuchungen beim Menschen (und beim Schweine), (ich verweise auch auf meine früheren Arbeiten (52 u. 53)), muss ich die Fragen E. van Beneden’s folgendermaassen beantworten: Alle diejenigen epithelialen Schläuche, welche man in dem menschlichen Eierstocke und zwar nur im Hilus desselben oder in dem Mesovarium findet, haben einen ge- meinschaftlichen Ursprung, nämlich aus dem Wolff’schen Körper, und bilden das Epoophoron Waldeyers (Parovarium im alten Sinne des Wortes, Rosenmüller’sches Organ) ; dieselben sind für die Entwickelung des Eierstocks ganz ohne Bedeutung. Irgend eine Homologie zwischen diesen epithelialen Schläuchen und den Samenkanälchen darf man keineswegs annehmen, denn diese entstehen, wie nachgewiesen, durch eine Zerlegung des Keimepithelwulstes in Zellstränge, ohne Betheiligung von Seiten der epithelialen Elemente des Wolff’schen Körpers. Auf keiner Stufe der Entwiekelung des Hodens sieht man in diesem Organ andere epitheliale Stränge und Schläuche, als die Samen- kanälchen und deren solide Vorläufer (die oben erwähnten Zell- stränge). Es ist erst auf einer viel späteren Entwickelungsstufe nach dem 4. Monat dass (vielleicht) eine Einwanderung von Wolff’schen Kanälchen in den Hoden stattfindet und zwar von dem Nebenhoden aus, welcher, wie allgemein bekannt, dem Wolff’schen Körper direkt entstammt. Diese nachträgliche Einwucherung von Wolff’schen Kanälchen (über welchen Vor- gang ich ebensowenig wie alle anderen habe Bestimmtes er- mitteln können), hat nur den Zweck, eine Verbindung zwischen den Samenkanälchen und dem Vas deferens herzustellen.

Demnach können, was den Menschen betrifft, die sogenannten „Markstränge“ in der weiblichen Sexual- drüse (= Epoophoronschläuche) nur mit dem Epi- didymis gleichgestellt werden!?).

1) Die von Paladin o (57), Koster (39 u. 40), de Sinety et Malassez (Sur la structure, l’origine et le developpement des Cystes de l’ovaire. Ar-

Ueber die Entwickelung des Urogenitalsystems des Menschen. 325

v. Mihalkoviez beschäftigt sich eingehend mit den „Mark- strängen“ beim Menschen, denn mit diesen Gebilden stellt er seine „Sexualstränge* in gleiche Linie, obwohl diese nicht (nach Mi- halkoviez) vom Wolff’schen Körper herstammen, sondern aus dem Stroma der Keimdrüse beider Geschlechter sich herausdifferenziren. Ich habe oben meine Gründe dargelegt, wesshalb ich die Gleich- stellung der beiden Gebilde (Markstränge und Zellstränge) nicht als berechtigt anerkennen kann. Wenn nun v. Mihalkoviecz seine Sexualstränge nur als Anlage der Samenkanälchen betrachten würde, so könnte ich mich (mit dem soeben gemachten Vorbe- halte, dass dieselben nicht mit den Marksträngen gleichgestellt werden dürfen) einverstanden mit ihm erklären; er misst ihnen aber eine andere Bedeutung zu (s. Seite 315), und ich muss dess- halb auf die Ansichten v. Mihalkovicz näher eingehen.

Bei einem menschlichen Embryo von 20 mm Länge (in der Tafelerklärung ist derselbe als weiblich angegeben, im Texte werden seine Geschlechtsdrüsen als indifferent behandelt) sah v. Mihalkovicz im Stroma der Geschlechtsdrüsen Zellstränge, die stellenweise mit dem Keimepitbel zusammenhingen und die er als die erte Andeutung der „Sexualstränge‘“ (s. Seite 315) ansieht. Bei menschlichen Embryonen von 20mm Länge muss die Geschlechtsdrüse längst über das indifferente Stadium wenn überhaupt ein solehes besteht hinaus sein. Wenn also v. Mi- halk oviez bei einem solchen Embryo Zellstränge (,„Sexualstränge‘) gesehen hat, so hat er, glaube ich (vergl. auch Gasser (19), eben ein männliches Individuum vor sich gehabt. In der von v. Mi-

chives de Physiologie. Paris 1878 et 1879), Flaischlen (Zur Lehre von der Entwickelung der papillären Kystome oder multiloculären Flimmerepithel- kystome der Ovarien. Zeitschrift für Geburtshülfe und Gynäcologie. Band VI u. VII.) u. v. A. beschriebenen epithelialen Einsenkungen und Schlauch- bildung vom Keimepithel her, welche ich in den Eierstöcken Erwachsener oft gesehen habe und welche Koster und ganz besonders Paladino als eine postfoetale Ei- und Follikelbildung auffassen, habe ich absichtlich hier nicht erwähnt. Ich glaube in einer früheren Arbeit (53) nachgewiesen zu haben, dass diese epithelialen Einsenkungen und Schläuche nur durch chronische Entzündungszustände bedingt werden und dass dieselhen wohl eine grosse Bedeutung für die Entstehung der epithelialen Eierstocksgeschwülste haben, aber keineswegs für die Entwickelung des Eierstocks. Diese Gebilde dürfen und können nicht mit den Marksträngen verwechselt werden.

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halkoviez abgebildeten (Tafel IX, Fig. 190) Keimdrüse eines 20 mm langen menschlichen Embryo finde ich aber nichts, was meiner Ansicht nach als Zellstränge („Sexualstränge*) gedeutet werden darf.

Noch weniger kann ich v. Mihalkoviecz darin beipflichten, dass er die grossen, 12. messenden, zerstreut liegenden Zellen, welche in derselben Abbildung (Tafel IX, Fig. 190) sich vorfinden, einfach als kernhaltige runde Blutzellen. erklärt, denn diese sehen doch ganz anders aus in wohlerhaltenen Präparaten. Die Blutzellen haben (nach meinen Untersuchungen) ein zartes durchsichtiges, aber scharf umgrenztes Protoplasma und einen Kleinen compacten Kern. (Die Blutzellenkerne messen 3—4 u, die Kerne der Sexual- zellen eines und desselben Embryo dagegen 10—11.u.) Wenn ich mir aus meinen Präparaten einen Schluss auf die betreffende Figur von Mihalkoviez (l. ec. Tafel IX, Fig. 190) erlauben darf, so bin ich geneigt, die betreffende Keimdrüse als weiblich und die grossen mit cs bezeichneten Zellen, die Mihalkovicz also als kernhaltige Blutzellen deutet, als Primordialeier anzusehen. Denn von anderen grossen, als Primordialeier zu deutenden Zellen spricht er nicht, und doch müssen um diese Zeit sehr zahlreiche Primordialeier von verschiedener Entwickelung vorhanden sein.

Nach v. Mihalkovicz entstehen ferner die Samenkanälchen auf Kosten der epithelialen Gebilde der Sexualstränge und zwar erscheinen sie plötzlich auf einmal im ganzen „Markstroma*. Die von v. Mihalkoviez gegebene Schilderung von der Ent- wickelung des Hodens (ich verweise auf sein angeführtes Werk (50) ist so sehr verschieden von den von mir beobach- teten Vorgängen, dass ich den Ausspruch von vorhin, wo von der Entwickelung des menschlichen Eierstocks die Rede war, hier wiederhole: Entweder hat v. Mihalkoviez Recht oder ich; eine Vermittelung gibt es hier nieht. Ich möchte doch aber noch bemerken, dass v. Mihalkoviez sich irrt, wenn er die in Fig. 197 Tafel IX (Querschnitt aus einem Hoden eines 16 Centimeter langen menschlichen Embryo) mit fs bezeichneten Zellstränge als „Sexualstränge“ auffasst. Sowohl der Beschreibung im Texte wie der Abbildung nach sind diese mit fs bezeichneten Sexual- stränge ganz bestimmt als aus Zwischensubstanzzellen be- stehend zu erkennen. Die Zwischensubstanzzellen haben ein so eigenartiges Aussehen (man vergleiche meine Fig. 23

Ueber die Entwickelung des Urogenitalsystems des Menschen. 327

Tafel XVIII mit der erwähnten Fig. 197 Tafel IX bei v.Mihal- kovicz), dass dieselben sofort nach ihrem ersten Auftreten als solche zu erkennen sind.

Ausserdem kommen die Zwischensubstanzzellen verhältniss- mässig spät zur 'Entwickelung (siehe Seite 312) während die Samenkanälchen schon sehr früh sich bilden und weiter ent- wickeln (siehe Seite 309), obne dass noch von Zwischensubstanz- zellen die Rede ist. Dadurch wird die Behauptung v. Mihalkoviecz, dass die Samenkanälchen sich aufKosten der (aus Zwischensubstanz- zellen bestehenden) „Sexualsträngen“ entwickeln, unhaltbar. Es würde also die Vorstellung von der Entwickelung des menschlichen Hodens sehr vereinfachen, wenn man den Namen „Sexualstrang‘“, weil verschiedenartigen Gebilden gegeben, ganz wegliess oder ihn doch nur für die Samenkanälchen in der ersten Entwickelung vorbehielte, denn andere epitheliale Stränge als diese kommen in dem menschlichen Hoden während seiner ganzen Entwickelung nicht vor.

In einem Punkte, dass nämlich die Ursamenzellen dem Keim- epithel entstammen und mit den Primordialeiern (Ureiern) gleich- werthig sind, bin ich mit v. Mihalkoviez einig; jedoch sind wir auf sehr verschiedenem Wege zu diesem Schlusse gelangt.

Dass Janosik (31) in den Geschlechtsdrüsen menschlicher Embryonen von 5—5,8 Centimeter Länge keine histologische Ein- zelheiten zu erkennen vermag, habe ich schon erwähnt. (Uebrigens bildet er einen Hoden ab von einem 5,8 Centimeter langen mensch- lichen Embryo). Nach seinen Untersuchungen bei Thieren (Säuge- thieren) sieht man im Stroma des Hodens, wenn man denselben als solchen erkennen kann (bei 2,9 Centimeter langen Schweins- embryonen) Zellstränge, welche nur an einzelnen Stellen noch mit dem Keimepithel im Zusammenhange stehen. Mit den Kanäl- chen der Urniere ist keine Verbindung zu entdecken. Alsbald lösen sich die Zellstränge vom Keimepithel und dieses wird niedrig und einschichtig. Später wird es, nach Janosik, höher und es entwickeln sich in ihm grosse Zellen und rudimentäre Follikel. Diese Zellen sind die Homologa der Eier und müssen also die Albuginea durchbrechen, um in die Zellstränge (die Samenkanälchen) zu gelangen.

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Von diesen letztgenannten Vorgängen habe ich nichts gesehen beim Menschen (auch nicht beim Schwein). Sobald die oberflächliche Schieht des Keimepithelwulstes, das Pseudo-Epithelium Balfour’s, dureh Ablagerung von embryonalem Bindegewebe (Struma) von den Zellsträngen getrennt worden ist, nimmt dieselbe von nun ab keinen Antheil an der weiteren Entwiekelung des Hodens, sondern ist und bleibt das einschichtige Hodenepithel. Ich habe niemals beobachten können, dass das Hodenepithel späterhin zu wuchern be- ginnt, auch nicht dass es höher wird oder dass sich in ihm „grosse Zellen“ und „rudimentäre Follikel“ entwickeln, die dann später in die Samenkanälchen einwandern. Es ist ganz richtig, dass man bei jungen menschlichen Embryonen (von 18—20 mm) männlichen Geschlechts, welche in Flemming’scher Lösung gehärtet sind, kurz nach voll- endeter Zerlegung des Keimepithelwulstes, in der eben angelegten Albuginea einzelne grosse Zellen, die ich auch als männliche Sexualzellen betrachten möchte (siehe Fig. 19, Tafel XVIII) findet. Ich weiss zwar nicht, ob Janosik ähnliche Bilder vor Augen hat, wenn er von einer Einwanderung der später gebildeten Ureier durch die Albuginea (sowohl bei männlichen wie bei weiblichen Individuen) hindurch in die Samenkanälchen und Zellstränge spricht. Auf alle Fälle kann ich aber nicht dem Vorkommen von einzelnen männlichen Sexualzellen in der Al- buginea ganz junger Embryonen eine solche Bedeutung beile- sen. Denn es ist bekannt, dass die Natur nirgends mit der Bil- dung von Geschlechtsprodukten sparsam vorgeht und desshalb leicht erklärlich, dass bei der Zerlegung des Keimepithelwulstes diese oder jene männliche Sexualzelle nicht in die Zellstränge auf- genommen wird. Eine kurze Zeit können solche überzählige Sexualzellen bestehen bleiben, wesshalb man sie auch nur in frühen Entwickelungsstadien findet; irgend eine Bedeutung haben dieselben aber nicht.

Um die Ergebnisse meiner Untersuchungen über die Ge- schlechtsdrüsenbildung noch einmal kurz zusammenzufassen, so geschieht die Entwickelung derselben beim Menschen in folgen- der Weise:

Die Entwiekelung der Sexualdrüse ist bei beiden Geschlechtern von einem sehr frühen Stadium an eine so verschiedene, dass man,

Ueber die Entwickelung des Urogenitalsystems des Menschen. 329

soweit meine Untersuchungen zurückreichen, nicht berechtiget ist, eine vollkommene Uebereinstimmung in der Entwickelung von beiderlei Geschlechtsdrüsen anzunehmen, wie. die meisten Autoren bei anderen Thiergattungen dies thun (siehe Seite 299 u. flg.).

Die Entwickelung des Hodens ist nich t als ein Herein- wachsen von Zellsträngen in das unterliegende Bindegewebe auf- zufassen, wie man dies nach Analogie mit dem bei niederen Thieren ermittelten Befunde (Semper und Balfour bei Selachiern, Hoffmann bei den Amphibien, siehe bei O0. Hertwig (26) allgemein annimmt (siehe Janosik (31) und v. Mihalkoviez). Der Vorgang ist vielmehr der, dass der durch die Wucherung des Keimepithels (im Sinne Waldeyer's) hervorgebrachte Wulst, welcher sich bei männlichen Individuen dadurch auszeichnet, dass verhältnissmässig wenige Keimepithelzellen sich zu Sexual- zellen ausbilden, unter ständiger Vermehrung der epithelialen Elemente, durch vorwachsendes embryonales Bindegewebe (mit Gefässen und Nerven-Stroma) in Zellstränge zerlegt wird und letztere werden alsbald wiederum durch weitere Ablagerung von embryonalem Bindegewebe (Stroma) von der oberflächlichen Epithelschicht getrennt.

Hierdurch erhält der Hoden ziemlich früh den für ihn eigenthümlichen Bau. An Embryonen von 18—20 mm Länge, also bedeutend früher als sonst (Kölliker, v. Mihalkoviez, Janosik u. A.) angegeben wird, erkennt man eine deutliche, aus embryonalem Bindegewebe bestehende Albuginea, durch welche die Zellstränge, die späteren Samenkanälchen (mit den in ihnen zerstreut liegenden Sexualzellen), vollständig von dem Ober- flächenepithel, welches jetzt aus regelmässigen cubischen Zellen besteht, getrennt werden.

Das embryonale Bindegewebe stammt aus dem Stroma des Wolff’schen Körpers, eine Betheiligung von Seiten der Wolff- schen Kanäle (Malpighi’sche Körperchen) eine Einwanderung von Zellbalken (Segmentalstränge) im Sinne von Balfour und Braun findet hierbei nicht statt.

Sobald die Zellstränge durch das embryonale Bindegewebe von dem Oberflächenepithel getrennt sind, wachsen sie nur durch Vermehrung ihrer eigenen zelligen Elemente. Das Oberflächen- epithel des foetalen Hodens, welches also nur als ein Rest des Keimepithels, als die äusserste Schichte des Keimepithelwulstes zu

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betrachten ist, verhält sich, als einfaches Deckepithel, vollkommen ‚passiv der weiteren Entwickelung des Hodens gegenüber. Eine spätere Neubildung von Zellen (Sexualzellen) im Oberflächen- epithel und ein späteres Hereinwachsen dieser in das unterliegende Stroma mit oder ohne Durchbrechung der einmal angelegten Albuginea, wie Mihalkovicz und Janosik annehmen, findet nicht statt.

Die sogenannten Zwischensubstanzzellen, die sich durch ihren Protoplasmareichthum auszeichnen, treten erst zu einer spätern Entwicklungszeit auf und stehen in keinerlei Beziehung zur Bildung der epithelialen Elemente der Samenkanälchen, wie v. Mihalkoviez behauptet.

Aehnlich wie der Hoden, kennzeichnet sich der Eierstock in seiner ersten Anlage auch als ein Keimepithelwulst, welcher sich aber dadurch von dem männlichen Epithelwulst unterscheidet, dass eine weit grössere Menge Keimepithelzellen sich in Primor- dialeier (Ureier) umwandelt und dass die Zellen niemals, auf keiner Stufe der Entwickelung, eine derartige schlauchähnliche Anordnung annehmen wie in der Anlage des Hodens; überhaupt sieht man in der Anlage des Eierstocks nichts, was mit den sogenannten Valentin-Pflüger’schen Schläuchen eine Aehnlich- keit hat).

Etwas später als beim Hoden und viel langsamer wuchern die Bindegewebszellen von dem Stroma des Wolff’schen Körpers (ohne Betheiligung der Wolff’schen Kanäle beziehungsweise der Malpighi’schen Körperchen, wie Kölliker, Braun und Balfour annehmen) herkommend, in den Keimepithelwulst hinein (vergleiche auch Egli’s und Balfour’s Befunde beim Kaninchen) und zerlegen durch Bildung von Bindegewebe (mit Gefässen und Nerven = Stroma) diesen, und zwar die tieferen Schichten derselben, in die Keimfächer (Pflüger) oder Eiballen (Waldeyer). Zur Bildung einer Albu- ginea, wie Janosik angiebt, kommt es nicht: die oberste Schicht

1) Die Pflüger’schen Schläuche gehören einer viel späteren Ent- wickelungsstufe des Eierstocks an und entstehen dadurch, dass die Jüngsten primären Follikel (in den oberflächlichsten Schichten des Organs belegen) eine Zeit lang mit dem Keimepithel in Verbindung bleiben; die Pflüger- schen Schläuche sind also als Ueberbleibsel der jüngsten Eifächer zu be- trachten. (Siehe meine frühere Arbeit (52) Seite 368).

Ueber die Entwickelung des Urogenitalsystems des Menschen. 33l

des Keimepithelwulstes bleibt bis zur Bildung der Primär-Follikel in ständiger Verbindung mit den tieferen Zellschichten.

Das Wachsthum der zelligen Elemente geschieht hauptsäch- lich an der Oberfläche der Eierstocksanlage. Durch starke Ver- mehrung der Keimepithelzellen in den oberen Schichten und Umwandelung eines grossen Theiles dieser in Primordialeier baut sich der Eierstock auf; schritthaltend hiermit wächst das junge Bindegewebe aus der Tiefe empor und zerlegt die neugebildeten Epithelmassen nach und nach in Eiballen. Die jüngsten Stufen der Entwickelung findet man also stets an der Oberfläche der Eierstocksanlage (His). Die Entwickelung des Eierstocks ist nach meinen Untersuchungen also von vorneherein eine ganz andere als die des Hodens. Ebensowenig aber wie in der Anlage des Hodens ist, wie es als etwas gemeinschaftliches für beide Geschlechter allgemein geschildert wird, in der Anlage des Eier- stocks von einem Hereinwachsen von Zellsträngen vom Keim- epithel aus in das unterliegende Bindegewebe die Rede.

So wie nach meinen Untersuchungen der Eierstock sich auf- baut, und das Ergebniss dieser ist im Wesentlichen eine Bestätigung der Ansicht Waldeyer's ist eine zweifache Eiwanderung von Geschlechtszellen im Sinne von v. Mihalkovicz und Janosik nicht annehmbar. 2

Aus den obigen Darlegungen geht hervor, dass die Primor- dialeier sich ausschliesslich aus den Keimepithelzellen bilden, denn diese sind die einzigen epithelialen Elemente, welche im Eierstocke sich finden. Und dass die Primordialeier wirklich in dieser Weise sich bilden, dafür sprechen die zahlreichen Ueber- gangsformen, welche man stets, in Sonderheit in der ersten Hälfte der Schwangerschaft, zwischen Keimepithelzelzellen und Primor- dialeiern (Ur-Eier) findet.

Somit wäre die Entdeckung Waldeyer’s, dass das Ei (mit dem Follikelepithel) direet von dem Keimepithel abstammt und ursprünglich also mit einer Epithelzelle gleichwerthig ist, auch für den Menschen bestätigt (vergleiche auch hierüber meine frühere Arbeit (52)).

Es geht ferner aus den obigen Darlegungen hervor, dass die Ursamenzellen denselben Ursprung haben, wie die Ureier

332 Dr. med. W. Nagel:

nämlich aus den Keimepithelzellen, denn diese sind, wie im Eierstocke, so auch im Hoden die einzigen epithelialen Elemente. Ursamenzellen und Ureier sind einander also vollkommen gleiechwerthig. Während aber die Um- wandlung von Keimepithelzellen in Primordialeier bis zum 7. Sehwangerschaftsmonat (genau lässt der Zeitpunkt hierfür sich nicht festsetzen; in allen Fällen ist aber die Eibildung vor der Geburt abgeschlossen) stattfindet, obwohl am ausgiebigsten in den ersten Monaten, so scheint die Bildung von Ursamenzellen sehr früh ihren Abschluss zu erreichen. Das geht erstens daraus hervor, dass die Zahl der Ursamenzellen von vorneherein eine sehr geringe ist und zweitens daraus, dass ich. innerhalb der Zellstränge (die Anlagen der Samenkanälchen) niemals Ueber- gangsformen zwischen Epithelien und Ursamenzellen gesehen habe; die Bildung dieser scheint also um die Zeitbe- endet zu sein, wo der Keimepithelwulst in Zell stränge zerlegt wird.

Die Erklärung für dieses verschiedene Verhalten der männ- lichen und weiblichen Geschlechtszellen ist eine sehr einfache: Beim Weibchen, bei welchem obendrein eine sehr grosse Zahl bekanntlich (siehe meine Arbeit (52)) schon während der letzten Zeit des uterinen Lebens zu Grunde geht, müssen die Geschlechtszellen, die Primordialeier, für das ganze Leben ausreichen, beim Manne bilden sich dagegen (wenigstens in dem zeugungsfähigen Alter) ständig neue aus den einmal entstandenen Anlagen.

Dagegen haben die männlichen und weiblichen Geschlechts- zellen das gemeinschaftliche, dass sie sich, wenigstens während des embryonalen Lebens, nicht durch Theilung vermehren; und dass ein solcher Vorgang, auch während des extrauterinen Lebens, an den Primordialeiern niemals zu beobachten ist, habe ich früher erörtert (52). |

Es ist auffällig, und auch Balfour hebt dies beim Kanin- chen hervor, dass in den ersten Entwickelungsstufen weder Keim- epithelzellen noch Geschlechtszellen ein Kernkörperchen besitzen, trotzdem ein solches doch für das ausgebildete, entwickelungs- fähige Primordialei eine nie fehlende Eigenthümlichkeit ist (ich ver- weise auch in Bezug hierauf auf meine oben angeführte Arbeit (52)). Ich pflichte desshalb Balfour (4) bei, dass das Kernkörperchen sich erst später und zwar nach der Entstehung des Kerngerüstes

Ueber die Entwickelung des Urogenitalsystems des Menschen. 333

bildet. Ueberhaupt schliesse ich mich, was den Menschen betrifft, den Angaben Balfour’s an über die Vorgänge im Kern während der Umbildung einer Keimepithelzelle zum Urei. Denn auch beim Menschen sind in dem Kern der Keimepithelzelle die Chro- matinbröckel („Mikrosomen‘ im Sinne von Balbiani und Pfitzner) diehtgedrängt und verleihen dem Kerne ein körniges Aussehen. Und wenn der Kern der Keimepithelzelle sich zum Keimbläschen entwickelt, so sieht man auch stets beim Menschen, dass die Chromatinbröckel (durch Vermehrung oder Neubildung von Kern- saft) auseinander weichen und in ein Netzwerk sich umbilden, an welchem Verdickungen an den Kreuzungsstellen der Kernfäden nie fehlen.

Was die Follikelbildung und das fernere Wachs- thum des Primordialeies betrifft, so haben meine hier berichteten Untersuchungen nichts ergeben, was meine früher (52) ausgesprochene Ansichten ändern konnte und ich kann desshalb auf diese verweisen. Nur möchte ich an dieser Stelle noch einmal betonen, dass die Follikelbildung beim Meuschen nur durch eine weitere Zerlegung der Eifächer geschieht (Waldeyer) und dass das Follikelepithel, wie Waldeyer eben- falls zuerst nachgewiesen hat, nur dem Keimepithel entstammt.

Die hier berichteten Untersuchungen berechtigen mich also auch zu dem Ausspruch, dass das Epithel der Samenkanäl- chen mit dem Follikelepithelgleichwerthig ist; beide entstammen sie wie Urei und Ursamenzelle dem Keimepithel.

IV. Die Entwiekelung der Müller’schen Gänge. !)

Unsere Kenntnisse über die Entstehung und Entwickelung dieser Gänge haben sich erst in den letzten 2 Menschenaltern aus- gebildet. In seinem 1830 erschienenen Werk (51) erzählt Johan-

1) Siehe auch: Sitzungsberichte der Königl. Preussischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin. Gesammtsitzung vom 17. Januar 1889. Ueber die Entwickelung der Müller’schen Gänge beim Menschen. Von Dr. W. Nagel.

Archiv f, mikrosk, Anatomie. Bd. 34. 22

334 Dr. med. W. Nagel:

nes Müller (Seite 4), dass auf Wolff’s und Oken’s Beobach- tungen Albert Meckel eine Hypothese über die Entwickelung der Genitalien gegründet hatte und dass diese Hypothese des ver- dienstvollen Anatomen die einzige detaillirte Vorstellung sei, welche über die erste Bildung der inneren Genitalien vorgebracht worden war. Albert Meckel sagt: „Von den Seiten des Rück- grates entstehen zwei Streifen von einer gekörnten polypenartigen Masse, welche sich zu einer Platte vereinigen, die sich krümmt und endlich zu einer Röhre schliesst. Die Kanäle sind anfaugs an beiden Enden offen und bleiben es bei den Weibchen als Tuben ; schliessen sich aber als ductus deferentes bei den Männ- chen. „Diese Ansicht“ fügt Johannes Müller hinzu „ohne eigene Untersuchung, bloss auf die missverstandenen Beobachtungen von Wolff und Oken gegründet, ist erstens, wie der Verfasser selbst gesteht, eine blosse Hypothese, sie ist zweitens unrichtig. Nichts kann hiervon verschiedener sein als die wirkliche Entste- hung der Genitalien.“

Selbst wenn auch H. Rathke der erste war (siehe Johan- nes Müller a. a. O.), der hier lichtete und eine grosse Reihe wirk- licher Beobachtungen über die Entstehung der inneren Genitalien bei Fischen, Amphibien, Vögeln und Säugethieren, mit Ausschluss des Menschen, mittheilte, so ist es doch das Verdienst Johannes Müller’s, die ersten genauen Untersuchungen über die nach ihm benannten Gebilde, in Sonderheit beim Menschen, gebracht zu haben, und desshalb möchte ich dringend wünschen, dass diese Gänge wie bisher so auch in der Zukunft den Namen des grossen Forschers tragen sollten und nicht, wie von einzelner Seite vor- geschlagen, einfach „Geschlechtsgänge“ benannt werden.

Bekamntlich ist die Schilderung J. Müller’s von der Entste- hung und Bestimmung der erwähnten Gänge nur was. die Vögel betrifft in voller Uebereinstimmung mit den heutigen Anschauungen; bei dieser Thierklasse hat er beobachtet, dass der Eileiter ge- trennt von dem Ausführungsgange des Wolff’schen Körpers ent- steht; der Samenleiter dagegen ist eine Umbildung des Wolff- schen Ganges. Was die Säugethiere betrifft, so werden, nach diesem Autor, die neuentstandenen Gänge bei beiden Geschlechtern zu Ausführungsgängen der Sexualdrüsen. Die erwähnten Gänge entspringen bei diesen Thieren aus den früher vorhandenen, viel stärkeren kurzen Ausführungsgängen des Wolff’schen Körpers;

Ueber die Entwickelung des Urogenitalsystems des Menschen. 335

eine nähere Angabe über die Entstehungsweise habe ich aber bei J. Müller nicht finden können.

Rathke (60) fasst in dem hier angeführten Werke die W olff- schen Gänge bei beiden Geschlechtern als die Eier- und Samen- leiter auf; dieselben stellen sich also bei den Säugethieren nur als Umwandlungen der „falschen Harnleiter“ dar.

In einer späteren Arbeit (61) sagt Rathke, dass er sich in Bezug der oben erwähnten Gebilde früher geirrt hatte und er be- stätigt die Beobachtung Jacobson’s (30), dass bei Säugethieren Ei- und Samenleiter neu entstandene Gänge sind und zwar entstehen sie als zarter Faden an der äusseren Seite der falschen Harnleiter.

Was die Bedeutung der Gänge bei den Säugethieren betrifft, stimmt also Rathke in dieser letzten Veröffentlichung mit J. Müller überein; bei der Natter war er aber zu demselben richtigen Ergebnisse gekommen wie J. Müller bei den Vögeln.

Nach Rathke ist der ausführende Geschlechtstheil anfangs ganz solid; nach einiger Zeit aber, und nachdem er an Dicke schon beträchtlich zugenommen hat, erhält er eine Höhle, die durch seine ganze Länge hindurchgeht.

Dass der Müller’sche Gang durch Abspaltung von dem Wolff’schen entstehe, nehmen auch Bischoff (10) und Thiersch (74) an. Der letztgenannte Autor sagt (seine Untersuchungen be- treffen Schaafembryonen): „Der Müller’sche Faden tritt als eine feine weisse Leiste längs des Wolff’schen Ganges auf. Er ist anfangs solid und nichts als eine theilweise Verdickung der Wan- dung des Wolff’schen Ganges. Er wächst weder von oben nach unten, noch umgekehrt, sondern entsteht gleichzeitig entlang des ganzen Wolff’schen Ganges. Er beschreibt auf der Wandung des Wolff’schen Ganges eine halbe Spiralwindung, d. h. am äusseren Rand der Drüse liegt er auch am äusseren Rand des W olff’schen Ganges, da wo der Wolff’seche Gang nach einwärts umbiegt (wo has Hunter’sche Band abgeht), begiebt er sich über die vordere Fläche desselben und da, wo die Wolff’schen Gänge zusammen- treten, liegt er jederseits am inneren hinteren Rande seines Wolff - schen Ganges. An diesem Rande bleibt er bis zur Einmündung des Wolff’schen Ganges in den Canalis urogenitalis, und an die- sem Rande tritt gegenseitige Berührung mit darauf folgender Ver- schmelzung der beiderseitigen Müller’schen Fäden ein, welche am

336 Dr. med. W. Nagel:

unteren Ende beginnt und nach aufwärts bis zu der Stelle, wo die Wolff’schen Gänge gabelförmig auseinander weichen, fort- schreitet.“

Thiersch bestätigt die von Kobelt (85) und H. Meckel (siehe hei Thierseh) für die Säugethiere gefundene Thatsache, dass der Wolff’sche Gang zum Samenleiter, der Müller’sche zum Eileiter wird. Von sämmtlichen späteren Forschern ist die Richtigkeit dieses Satzes bestätigt und allgemein anerkannt worden.

Abgesehen von Hensen (25), welcher sich in einer beiläu- figen Bemerkung zu Gunsten einer älteren Annahme His’, dass der Urnieren- und der Müller’sche Gang durch eine Einstülpung aus dem Hornblatt entstehe, ausspricht, stimmen also die hier ge- nannten Verfasser darin liberein, dass die Müller’schen Gänge aus dem Wolff’schen entstehen. Mit Bornhaupt (und Dursy, siehe bei Waldeyer) tritt über die erste Entstehung der genann- ten Gänge eine ganz neue Anschauung zu Tage.

Bornhaupt (siehe bei Waldeyer (77)) giebt an, dass der Müller’sche Gang (beim Hühnchen) erst am 6. Tage, und zwar von der Gegend des obern Endes des W olff’schen Körpers (einwärts vom Zwerchfellsband der Urnieren), aus dem verdickten Peritonealepithel durch Faltenbildung und triehterförmige Ein- stülpung derselben nach hinten zu sich bildet. Das blinde zuge- spitzte Ende des Trichters liegt zwischen der äusseren Wand des W olff’schen Ganges und dem ihn bekleidenden Peritonealepithel. Dieses blinde Triehterende wächst nun in der angedeuteten Rich- tung zwischen Peritonealepithel und äusserer Wand des Wolff- schen Ganges, dem letzteren entlang, immer weiter nach hinten, bis er sich mit der Cloake in Verbindung setzt, was am 8. Tage geschieht. Auf diese Weise muss ein langer, ungefähr dem Wolff’schen Gange parallel und nach aussen von ihm ver- laufender Kanal entstehen, der oben mit einer trichterförmigen Oeffnung (das spätere Infundibulum der Tube) von Anfang an frei in die Bauchhöhle ausmündet. Beide Geschlechter verhalten sich in Hinsicht auf die erste Ausbildung des Müller’schen Ganges vollkommen gleich.

Es ist bekannt, dass Waldeyer in richtiger Erkennung der wichtigen, eigenartigen Bedeutung desselben das Keimepithel als etwas von dem Peritonealepithel ganz verschiedenes (im Gegensatz zu Bornhaupt und Schenk) zuerst beschrieb. Das Keimepithel

Ueber die Entwickelung des Urogenitalsystems des Menschen. 391

ist nun anfänglich nicht allein auf die Regio germinativa (Waldeyer) beschränkt, sondern breitet sich weit auf der innern Fläche der Sei- tenplatten hin aus. (Die Untersuchungen Waldeyer’s betreffen das Huhn.) Von der 50.—72. Brütstunde bildet die Regio germinativa einen verhältnissmässig kleinen und sanft abgerundeten Vorsprung (Waldeyer schlägt für diesen Vorsprung den Namen „Mittelwall“ oder „Geschlechtswall“ vor), welcher gleichmässig von dem Keim- epithel überzogen ist. Innerhalb dieses Genitalwalles entwickelt sich die Urniere und durch das ungleichartige Wachsthum dieser atrophirt das Keimepithel auf der Bauchfläche derselben (die Stelle des stärkeren Wachsthumes), während es auf beiden Seiten, sowohl der medialen als der lateralen (die Stellen des geringeren Wachsthums) um so stärker hervortritt. Hieraus geht hervor, das die laterale Epithelverdiekung (die Ursprungsstelle des Müller- schen Ganges) ursprünglich vollkommen gleichwerthig ist mit der medialen (Bildungsstätte der Keimdrüse), beide gehören sie dem Keimepithel an.

Waldeyer beschreibt nun die Entstehung des Müller’schen Ganges aus dieser lateralen Partie des Keimepithels genauer und sagt im Anschluss an seine Beobachtungen: „Ich glaube, dass dieselben keine andere Deutung zulassen, als dass der Müller- sche Gang sich aus dem Keimepithel entwickelt, und zwar durch eine successiv vom Kopfende zum Becken fortschreitende Ein- stülpung dieses Epithels in den Genitalwall, gerade gegenüber dem Wolff’schen Gange. Dabei schliesst sich die oberste Strecke der Einstülpung nicht zum Rohre ab; sie bildet den ‚Trichter“, die abdominale Oeffnung der Tuba Fallopiae; erst weiter abwärts beginnt die Abschnürung zum geschlossenen Rohre. Der Umstand, dass wir nach bereits vollzogener vollständiger Abschnürung noch einmal auf ein Einstülpungsstadium treffen (Waldeyer verweist hier auf seine Figur 50), zwingt mich zu der Annahme, dass die Einstülpung selbst in der Richtung a capite ad ealces fortschreite“. Die Einstülpung des Keimepithels geschieht jedoch nicht senkrecht auf die Längsaxe des Wolff’schen Körpers; es scheint vielmehr Waldeyer wahrscheinlich, dass dieselbe in etwas schiefer Rich- tung zum Beckenende hin erfolgt, so dass immer eine vorgescho- bene Spitze des weiter sich entwickelnden Ganges existirt. „Wir sind sogar gezwungen, für den letzten Theil des Ganges, der in die Cloake einmündet, dieses anzunehmen, da hier der Gang eine

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Strecke weit durch das Beckenzellgewebe verläuft, wo das Keim- epithel nicht mehr vorhanden ist.“

Gasser (18) neigt sich der Ansicht Bornhaupt’s zu, indem er bei den Vögeln die Angabe dieses Verfassers bestätigt, dass der Müller’sche Gang entsteht indem das Peritonalepithel am vorderen Ende des Wolff’schen Körpers eine Falte bildet, welche sich zu einer nach hinten gerichteten trichterförmigen Höhle ver- tieft, deren solide Spitze dann zwischen Peritonealepithel und Wolff’schen Gang nach hinten weiter dringt. Gasser ist es nicht gelungen, einen Zusammenhang zwischen Keimepithel und dem Müller’schen Gange abwärts von Ostium abdominale aufzu- finden. Die von Bornhaupt und Waldeyer beschriebene Ver- diekung des Peritonealepithels über dem Müller’schen Gange hat Gasser ebenfalls gesehen, er betont aber, dass nach seinen Untersuchungen dieselbe erst ihre höchste Entwiekelung erreiche, nachdem der Gang bereits deutlich gesondert ist und ein Lumen besitzt.

Egli’s (15) Untersuchungen betreffen Kaninchen uud bei diesen Thieren geschieht die Anlage des Müller’schen Ganges in der Weise, dass das Oberflächenepithel des W olff’schen Körpers am stumpfen Kopfende des letzteren (da wo das Zwerchfellbändchen auf den Wolff’schen Körper übergeht), in Gestalt eines Trichters in die Tiefe sich senkt und mit einem soliden Fortsatz zwischen dem lateralen Oberflächenepithel und dem Wolff’schen Gange gegen das Beckenende vordringt.

In Bezug auf die Entstehung des Müller’schen Ganges bestätigt v. Kölliker (36) bei Säugern die Beobachtungen Egli’s, nur findet er bereits am 12. und 13. Tage die ersten An- deutungen desselben in Gestalt einer trichterförmigen Einstülpung des Peritonealepithels an der medialen Seite des obersten Endes des Wolif’schen Körpers. Auch v. Kölliker hat beobachtet, dass der Müller’sche Gang mit einem soliden Zapfen weiter wächst ohne Betheiliguug des Peritonealepithels des Wolff’schen Körpers, obwohl dasselbe verdickt ist im Bereiche der ganzen Leiste, wo der Müller’sche Gang lieg. An seinem obern leicht ange- schwollenen Ende hat der Müller’sche Gang bei den männlichen Individuen eine spaltförmige Oeffnung, wie Rathke bei der Natter, Bischoff bei den Säugethieren nachgewiesen hat.

Der Müller’sche Gang wächst nach v. Kölliker unab-

Ueber die Entwickelung des Urogenitalsystems des Menschen. 339

hängig von dem Wolff’schen abwärts, jedoch wird letztererhierdurch wie eingedrückt und vom Bauchfellepithel abgehoben. An einem an- deren Orte (37) sagtv. Kölliker von den Geschlechtsgängen eines weiblichen (?) menschlichen Embryo von 21mm Länge: „DieMül- ler’schen Gänge verlaufen getrennt und schwinden in der Höhe der Ureterenmündung, ohne in den Sinus urogenitalis einzumünden, den die Wolff’schen Gänge weiter unten erreichen‘; und von den Geschlechtsgängen eines weiblichen Embryo von 31/, Monaten sagt er: „Die Müller schen Gänge sind in weiterer Ausdehnung ver- schmolzen und bilden einen deutlichen Uterus und Scheide. Diese mündet jedoch nicht in den Sinus urogenitalis, sondern endet blind in der Höhe der noch gut erhaltenen Ausmündungen der Wolff’schen Gänge, die im Allgemeinen in ihrer ganzen Länge deutlich wahrnehmbar sind und am Uterus seitlich liegen.“

Zu einem etwas anderen Ergebnisse als die letztgenannten Verfasser kamen bei Hühnern Balfour und Sedgwick (6). Beide bestätigen wohl, dass der Müller’sche Gang durch eine rinnenförmige Einstülpung (Groov) des Oberflächenepithels des Wolff’schen Körpers entsteht, das Abwärtswachsen des Ganges schildern sie dagegen anders. Nach Balfour und Sedgwick wird das distale Ende des Müller’schen Ganges nach und nach solide und verschmilzt mit dem Wolff’schen Gange; das unterste (distale) Ende des erstgenannten Ganges stellt also eine Ver- diekung der ventralen Wand des Wolff’schen Ganges dar. Unterhalb dieser Verdiekung sieht man keine Spur mehr von dem Müller’schen Gang. Die beiden Verfasser schliessen aus ihrem Befunde, dass „the Müllerian duct is growing backwards as a solid rod of cells, split off from the outerwall of the Wolffian duct“, dass „the Müllerian duct grows by cells passing from the Wolffian duct to it“, dass also „the actual cells, which assist in the growth of the Müllerian duct, are derived from the walls of the Wolttian duct.‘

Nach Janosik (31) entwickelt sich bei Wirbelthieren (Schweine) der Müller’sche Gang unabhängig vom Wolff- schen Gange als eine Rinne im Pleuroperitonealepithel an der lateralen oder medialen Seite des Wolff’schen Körpers; „so ist es in seinem vorderen Ende. Nach rückwärts zu wächst er als solider Strang weder mit dem Wolff’schen Gange, noch mit dem Peritonealepithel zusammenhängend.“

340 Dr. med. W. Nagel:

Was den Menschen betrifft, so liegt, nach demselben Ver- fasser, der Müller ’sche Gang bei einem menschlichen Embryo von 2 Centimeter Länge mit seinem vorderen offenen Ende etwas ventral und lateral vom Wolff’schen Gange; die Verbindung des Müller’schen Ganges mit der Peritonealhöhle ist ganz deutlich.

Nach Janosik’s Untersuchungen fängt beim Männchen der Müller’sche Gang zu jener Zeit zu atrophiren an, zu welcher die Differenzirung der Geschlechtsdrüsen erkannt werden kann (siehe das vorige Capitel. Bei einem 5,3 Centimeter langen menschlichen Embryo ist der Müller’sche Gang noch nicht weit atrophirt.

v. Mihalkovicz (50) hat ebenfalls nachgewiesen, dass bei Reptilien und Hühnern das abdominale Ende des Müller ’schen Ganges sich zuerst bildet und zwar als eine kurze Rinne im Coelomepithel; diese schliesst sich zu einem kurzen Trichter ab, welcher abwärts immer enger wird und nagelförmig zugespitzt aufhört. „Ist der vom Cylinderepithel gebildete Trichter einmal in dieser Gestalt fertig, so wächst dessen Spitze in einer an der lateralen Seite der Urniere entstehenden Falte (Tubenfalte) weiter, dessen Bildung jener des Ganges immer vorangeht, so dass die Falte quasi als Wegweiser für das vorwachsende Ende des Ganges dient. Der solide Theil des Ganges ist ziemlich lang und spitzt sich am unteren Ende sehr fein zu.“

Nach v. Mihalkovicz wächst der Müller ’sche Gang durch seine eigene Verlängerung: „das könnte auf zweierlei Art geschehen: durch Vermehrung der Zellen bloss an seiner Spitze, d. h. durch Apposition, oder ausserdem auch durch Vermehrung der Zellen in der ganzen Länge des Ganges, also durch intersti- : tielles Wachsthum“. v.Mihalkoviez neigt sich zu der ersteren Auffassung, weil der Gang so langsam wächst und weil man an der Spitze des Ganges „jene indifferenten und in reger Theilung be- griffenen polygonalen Epithelzellen, wie sie anderwärts das wu- chernde Epithel zeigt“, findet.

Das Urogenitalsystem eines 20 mm langen menschlichen Embryo beschreibt Beauregard (a. a. O.); er giebt aber seinen Figuren 4 u. 5 eine nicht ganz richtige Deutung. Das, was er an diesen beiden Schnitten (der Nähe des Sinus Urogenitalis ent- nommen) als Müller’schen Gang (e) beschreibt, ist meiner An-

Ueber die Entwickelung des Urogenitalsystems des Menschen. 341

sicht nach der Wolff’sche Gang; das was er als Wolff’schen Gang (d) bezeichnet, halte ich für den Ureter.

Im Vorstehenden habe ich vorwiegend diejenigen Forscher berücksichtigt, welche auch menschliche Früchte in das Bereich ihrer Untersuchungen eingezogen haben. Um der Arbeit nicht einen zu grossen Umfang zu geben, habe ich viele sehr wichtige Arbeiten aus dem Bereiche der niederen Thierwelt unberücksich- tigt lassen müssen. Ich bitte dies mit der eben angeführten Be- sründung entschuldigen zu wollen.

Ich habe ferner hauptsächlich nur die Ansichten der Ver- fasser über die erste Entstehung des Müller’schen Ganges an- geführt, weil ich zunächst diese Frage an der Hand menschlicher Embryonen zu erörtern versuchen will.

Aus den angeführten geschichtlichen Thatsachen geht hervor, dass über die erste Entstehung des Müller’schen Ganges beim "Menschen nichts Sicheres bekannt ist. Für den Menschen ist also noch die Frage zu beantworten, ob der Müller’sche Gang wie bei den niederen Wirbelthieren (Gegenbaur (21), Hofmann (Selachier), siehe bei ©. Hertwig (26), Nussbaum (Teleostier) (56)) aus dem Urnierengange durch Abspaltung seine Entstehung nimmt, oder ob er, wie bei Reptilien, Vögeln und Säugethieren (siehe ausser die vorne angeführte Literatur auch Braun (12) und ©. Hertwig (26)) dnrch Einstülpung und Einwucherung des Coelom- epithels entsteht. | |

In seinem Werke über die Anatomie menschlicher Embryonen (27), sagt His gelegentlich der Beschreibung der Embryonen A und B: der Müller’sche Gang ist an diesen Embryonen noch nicht vorhanden. In der Rinne, lateralwärts von der Urnierenleiste, ist das Epithel um beinahe das Doppelte (bis auf ca. 20 «) ver- diekt und so zeichnet sich jetzt schon die Stelle aus, an welcher später der Müller’sche Gang sich bilden wird.

DieseEmbryonen His’ hatten eine Länge von 7 und 7,5 mm. Der jüngste von mir bis dahin untersuchte Embryo (ich rede wie auch in dem folgenden wenn nicht anders ausdrücklich vermerkt ist stets von menschlichen) hatte eine Länge von 12mm. Bei diesem (siehe Seite 272) verläuft auf einer kurzen Strecke im distalen Theil der Urniere neben dem Wolff’schen Gange, diesem dicht anliegend, ein zweiter Kanal, welcher sich durch das 13—19 u hohe, eylindrische Epithel leicht von dem Wolff’schen Gange unter-

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scheidet. Verfolgt man diesen zweiten Gang proximälwärts, so wird man gewahr, dass derselbe alsbald sich öffnet, indem seine Wände mit der vorne erwähnten (siehe Seite 274), weiter unten näher zu beschreibenden, Epithelverdickung an der Aussenseite des Wolff’schen Körpers, in Verbindung treten und auseinander weichen, um in dieser Weise eine kurze Rinne zu bilden (siehe Fig. 24 Tafel XVII), welche noch auf einigen Schnitten proximal- wärts zu verfolgen ist, aber allmählich flacher wird, so dass das oberste Ende derselben nur eine seichte Einkerbung der erwähnten Epithelverdickung darstellt. Distalwärts verjüngt sich allmählich der erwähnte zweite Gang, büsst sein Lumen ein, um als eine spitz zulaufende solide, dem W olff’schen Gange, und zwar dessen lateraler Wand, eng anliegende Wurzel zu enden.

Obne Zweifel ist dieser zweite Gang der Müller’sche; sein distales Ende findet sich in gleicher Höhe mit dem proximalen Ende des Keimepithelwulstes, er bildet also auf dieser Entwieke- lungsstufe einen kurzen oben offenen Trichter !).

Das Verhalten des Müller’schen Ganges ist auf beiden Seiten genau dasselbe.

Bei dem Embryo M zeigt die Anlage des Müller schen Ganges ein ganz Ähnliches Aussehen (siehe Seite 280). Auch bei diesem Embryo stellt das abdominale (proximale) Ende des Ganges eine kurze, aufwärts sich allmählich abflachende Rinne dar. Distalwärts schliesst sich die Rinne zu einem Rohr ab, welches neben dem Wolff’schen Gange als selbständiger Kanal zu verfolgen ist (siehe Fig.3 u.4, Tafel XVII) und welches sich in derselben Weise wie bei dem vorigen Embryo allmählich zu einer soliden, der lateralen Wand des Urnierenganges eng anliegenden Wurzel zuspitzt.

Seine Länge ist ziemlich dieselbe wie bei dem vorigen Embryo und sein Epithel zeigt dieselben eben erwähnten Eigen- thümlichkeiten.

1) Ich habe den eingebürgerten Ausdruck „Trichter“ beibehalten; dabei muss man aber festhalten, dass die weite Oeffnung des „Trichters‘“ in diesem Falle keine regelmässig runde ist; es wäre desshalb richtiger, die erste An- lage des Müller’schen Ganges mit einer „Tüte“ statt mit einem „Trichter“ zu vergleichen, oder, wie v. Mihalkoviez will, mit einem auf die Spitze gestellten Pantoffel.

Ueber die Entwickelung des Urogenitalsystems des Menschen. 343

Obwohl ich gewünscht hätte, die geschilderten Thatsachen an mehreren Embryonen dieser Grösse zu bestätigen, so glaube ich doch, dass es berechtiget ist, aus dem übereinstimmenden Verhalten des Müller’schen Ganges auf dieser frühen Entwicke- lungsstufe den Schluss zu ziehen, dass derselbe sich beim Menschen in ähnlicher Weise bildet, wie bei den übrigen höheren Wirbel- thieren von Bornlaupt, Waldeyer, Egli, Gasser, Balfour, Sedgwiek, Janosik und v. Mihalkoviez beobachtet, nämlich durch Einstülpung eines bestimmten Theiles des Oberflächenepithels der Urniere.

Das Bildungsepithel für den Müller’schen Gang wurde von Bornhauptals ein Theil des Peritonealepithels an- gesehen, während Waldeyer, abweichend hiervon, behauptete, dass sowohl die weibliche Keimdrüse wie der Müller’sche Gang aus einem besonderen Theil des Peritonealepithels, nämlich aus dem Keimepithel entständen. Die Erklärung, welche Wa!deyer für die Gleichwerthigkeit beiderlei Bildungsepithelien gab, wie man sich vorzustellen hat, dass die Bildungsstätte des Müller- schen Ganges, obwohl an der Aussenseite des Wolfi’schen Körpers belegen, doch ursprünglich einen Theil des Keimepithels bildete, habe ich (Seite 336) schon angegeben.

Von keinem der späteren Forscher ist die Gleichwerthigkeit beider Bildungsepithelien unbedingt anerkannt worden; sie be- trachten alle die Epithelverdiekung, welche der Bildung des Tubentrichters vorangeht, als einen besonderen Vorgang, welcher später auftritt als die Bildung des eigentlichen Keimepithels und also unabhängig von diesem (Bornhaupt, Egli, Gasser, v. Mihalkoviecz, Kölliker u. A.)

Wie ich oben geschildert habe (siehe auch Fig. 24 Tafel XVII) gehen die Wände des Müller’schen Trichters unmittelbar in die Verdiekung des Oberflächenepithels über, welche sich längs der ganzen Aussenseite des Wolff’schen Körpers findet; dieselbe beginnt an dem proximalen Ende des Organs („Zwerchfellband der Urniere‘“‘ nach Kölliker) und geht auf die Plicae urogenitalis (im Sinne Waldeyer’s) über. Sie bildet einen, proximalwärts breiteren, Wall von dichtgedrängten hohen Cylinderzellen. Da wo der Epithelsaum am höchsten, misst er 24u und ist er, wie

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es scheint, an dieser Stelle mehrschichtig. In dem proximalen Bezirk der Epithelverdiekung liegt die Rinne, welche, wie schon erwähnt, der Bildung des Müller’schen Trichters voran geht und das abdominale Ende dieses letztern darstellt. In meinem jüngsten vorzüglich erhaltenen Embryo (weiblichen Geschlechts, 12 mm laug) habe ich nun in dieser Epithelverdickung, nicht allein in der Nähe der abdominalen Tubenöffnung, sondern auch mehr distalwärts (aber doch im Bereich der oberen Hälfte der Urniere) mehrfach auffallend grosse, 14—16 u messende, ‚Zellen gesehen.

An einzelnen Schnitten lagen diese Zellen zu zwei oder drei zusammen, zeichneten sich durch ihre mehr rundliche Gestalt deutlich von den Cylinderzellen der Epithelverdiekung ab, hatten helles Protoplasma und, meist runde, regelmässige Kerne, welche 5—8.. maassen und zum Theil ein deutliches Kerngerüst trugen. (Siehe Figg. 29 und 30 Tafel XIX.) Dem anatomischen Verhalten nach haben die eben beschriebenen Zellen, das wird gewiss jeder einräumen, die grösste Aehnlichkeit mit Geschlecehtszellen, in Sonderheit mit den Geschlechtszellen desselben Embryo (man vergleiche die Fig. 13 Tafel XVII, welche der Sexualdrüse dieses Embryo entstammt).

Bei einem Embryo von 20 mm Länge, welchen ich als weib- lich bezeichne (siehe das vorige Kapitel), fand ich ebenfalls und zwar an derselben Stelle, zwischen den Cylinderzellen der Epithel- verdickung, rundliche, den oben beschriebenen ganz ähnliche Zellen; nur erreichten dieselben nicht die eben genannte Grösse, indem sie nur 9—10 .. maassen (die Kerne 5—6 u) und also den jüngsten Primordialeiern desselben Embryo am nächsten kamen.

Bei männlichen Embryonen sind die hier in Rede stehen- den grossen Zellen bei weitem nichtso zahlreich vertreten wie bei weiblichen. Das würde ja auch der geringeren Anzahl der männ- lichen Geschlechtszellen vollkommen entsprechen. Bei einem männlichen, ebenfalls vorzüglich erhaltenen, Embryo von 13 mm

Länge gelang es mir nicht, die grossen Zellen in der Epithelver-

diekung zu finden, dagegen bei einem solchen von 22mm Länge (in Flemming’scher Lösung gehärtet) aber, wie gesagt, in viel geringerer Zahl; eine besonders gut entwickelte Zelle der beschrie- benen Art maass 15 «, deren Kern 9 u.

Ich weiss nicht, ob bei Thieren eine ähnliche Beobachtung gemacht worden ist; ich habe, was die Säugethiere betrifft, keine

fu

u

Ueber die Entwickelung des Urogenitalsystems des Menschen. 5345

Angabe hierüber finden können. Ist aber meine Auffassung dieser Zellen als Geschlechtszellen richtig, so würde der hier berich- tete Befund, wenigstens für den Menschen, auf eine engere Be- ziehung der beschriebenen Epithelverdickung (Bildungsstätte des Müller’schen Ganges) zum eigentlichen Keimepithel, wie Wal- deyer behauptet (siehe Seite 336), hinweisen.

Bei Embryonen von 20—25—30 mm finde ich noch die Epithelverdickung von unverändertem Aussehen, (bei den älteren jedoch ohne grosse Zellen), soweit dieselbe nieht durch Bildung des Genitalstranges verschwunden ist. Ist die Tubenfalte gebildet, so erkennt man die Verdiekung noch deutlich als epithelialen Ueberzug der freien Flächen dieser.

Bei einem weiblichen Embryo von 20mm Länge, frisch in Flemming’scher Lösung gehärtet, fand ich folgendes:

Der Müller’sche Gang ist an seinem proximalen Ende offen und bildet eine Rinne, indem die gabelförmige Oeffnung durch mehrere Schnitte zu verfolgen ist. Alsdann verläuft er als ge- schlossener Gang neben dem Wolff’schen, etwa 16 u. (nach aussen) von diesem entfernt, leicht kenntlich durch sein 21—24 u hohes eylindrisches, dieht gereihtes Epithel. Im Beginn der unteren Hälfte der Urniere nähert sich der Müller’sche Gang dem Wolff- schen mehr und mehr und legt sich etwas weiter abwärts dicht an denselben an, so dass das Epithel der beiden Gänge nur durch ihre verschiedene Gestalt von einander zu unterscheiden ist. An dem vierten Reihenschnitte (die Dicke jedes Schnittes beträgt 0,025 Schantz) unterhalb dieser Stelle hat der Müller’sche Gang kein Lumen mehr; von jetzt ab bildet er eine, durch die eigen- artigen Epithelzellen deutlich erkennbare, solide Wurzel, welche der ventralen Wand des Wolff’schen Ganges dicht anliegt. (Siehe Figg. 25, 26 und 27 Tafel XIX.)

In der soliden Endsprosse des Müller’schen Ganges sind die Zellen gross, eckig; ihr Protoplasma hat sich (mit Haematoxylin) gefärbt, während das Protoplasma der zierlichen eylindrischen Zellen des Wolff’schen Ganges ganz hell ist und also keinen Farb- stoff angenommen hat. (Siehe Figg. 25—27.) An einer Stelle innerhalb dieser Endprösse habe ich eine SX10 «. messende Zelle

346 Dr. med. W. Nagel:

gesehen, die sich durch ihr helles Protoplasma von den übrigen Zellen unterschied und die 2 Kerne in sich barg.

Da wo der Müller’sche Gang noch ein deutliches Lumen hat, liegt er dem Epithel der Urniere dicht an, ist von diesem aber durch eine Basalmembran deutlich abzugrenzen; je mehr er seiner Vereinigungsstelle mit dem Wolff’schen Gange näher rückt, um so mehr entfernt er sich auch von dem Oberflächenepithel.

Die Anlagerung des Müller’shen Ganges an dem Wolff- schen geschieht noch im Bereiche der Urniere. In dem untersten (distalen) Theil dieses Organes, sowie im Bereiche der Plieae urogenitales sieht man auf beiden Seiten je einen Kanal, nämlich den Wolff’schen. Derselbe hat einen Gesammt-Querschnitt von 56—64 u, ein Lumen von 24—32 u und mündet in den Sinus urogenitalis in ähnlicher Weise wie bei jüngeren Embryonen beschrieben (siehe Seite 276). Während aber auf jüngeren Ent- wiekelungsstufen Nierenkanal und Wolff’'scher Gang ziemlich in derselben Höhe in den Sinus einmündeten, so liegt jetzt die Mündung des ersteren (des Ureters also) bedeutend höher oben.

Die distalen Enden der Plicae urogenitales sind auf einer kurzen Strecke mit einander verschmolzen: man kann also bei diesem Embryo von einem Genitalstrang (im Sinne von Thiersch) reden.

Bei einem männlichen Embryo von 22mm Länge, eben- falls ganz frisch in Flemming’sche Lösung gelegt, zeigt der Müller’sche Gang ein ganz ähnliches Verhalten wie soeben geschildert. In dem proximalen Theil der Urniere nämlich ver- läuft er als ein 72X96 « in der Quere messender Kanal nach aussen von den Wolff’schen Gange, etwa 48 u von diesem und etwa 24 u von der Oberfläche entfernt. Sein Epithelsaum hat eine Dieke von 24—32 u und besteht aus den eigenthümlichen hohen Cylinder- zellen. In seiner Umgebung liegen die Bildungszellen dicht gedrängt in kreisförmiger Anordnung. Der Gestalt des W olff- schen Körpers folgend machen beide Gänge wie bei dem vorigen und bei allen älteren Embryonen solange man von einer Urniere reden kann eine ziemlich plötzliche Biegung einwärts und verlaufen von jetzt ab der embryonalen Körper-Längsaxe bedeutend genähert. Unterhalb dieser Biegung, also zu Beginn der distalen Hälfte der Urniere, nähert sich der Müller’sche Gang dem Wolff’schen, so dass die Epithelien einander berühren.

Ueber die Entwickelung des Urogenitalsystems des Menschen. 347

Der Müller’sche Gang büsst jetzt sein Lumen ein und ist 7 Reihenschnitte (quer durch den Embryo) hindurch als eine solide, spitz zulaufende Endsprosse zu verfolgen, welche der ventralen Wand des Urnierenganges dicht anliegt. (Siehe Fig. 28 Tafel XIX.) |

Die Zellen derselben sind leicht durch ihre eigenthümliche eekige Gestalt und durch ihre Grösse von dem Epithel des W olff- schen Ganges zu unterscheiden, dessen Basalmembran sie nicht überschreiten.

Unterhalb dieser Stelle ist keine Spur mebr von dem Müller’schen Gange zu entdecken: in dem distalen Ende der Urniere und in der Pliea urogenitalis verläuft also auf jeder Seite nur ein Kanal, nämlich der Wolff’sche.

Die Verschmelzung der Plicae urogenitales reicht viel höher hinauf als bei dem vorigen Embryo, der Genitalstrang hat also bei diesem eine grössere Länge. Die Wolff’schen Gänge messen im Queren im oberen Theil des Genitalstranges durchschnittlich 64 X 72 u, im unteren Theile desselben 40 X 64 u. Die Dicke des Epithelsaums der Gänge beträgt 14«u. Die Entfernung beider Gänge von einander beträgt etwa 60 u, und die umgebenden Bil- dungszellen liegen viel dichter in der Nähe der Gänge; hier- durch hebt sich der Genitalstrang deutlieh von der Umgebung ab.

Was die Einmündung in den Sinus im Verhältniss zu der- jenigen der Ureteren betrifft, so gilt das bei dem vorigen Em- bryo gesagte.

Die soeben geschilderten anatomischen Thatsachen über Ver- lauf und Wachsthum der Müller’schen Gänge habe ich bestä- tigt gefunden bei Embryonen, sowohl männlichen wie weiblichen, mit einer absoluten Körperlänge von 15mm, 20 mm, 21mm, 22 und 23mm. Bei allen Embryonen dieser Grösse bildet der Mül- ler’sche Gang also einen nach aussen von dem Wolff ’schen verlaufenden Kanal, welcher proximalwärts mittels einer sich all- mählich abflachenden Rinne frei mit der Bauchhöhle in Verbin- dung steht, distalwärts aber in eine solide Spitze ausläuft. Wäh- rend im proximalen Bezirk der Müller’sche Gang sich mehr und mehr es richtet dies sich nach dem Alter des betreffenden Embryo von dem Wolff’schen entfernt und zum Theil in einer eigenen Falte („Tubenfalte* siehe vorne) liegt, nähert er sich distalwärts dem Urnierengange und legt sich mit seiner soliden

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Endsprosse demselben dieht an. Es richtet sich nach dem Alter des Embryo, ob man diese Vereinigung der beiden Gänge noch im Bereiche der Urniere trifft oder im Bereiche der Plica uroge- nitales: in allen Fällen geschieht aber die Vereinigung in ganz gleicher, oben beschriebener, Weise. Oberhalb der vorne be- schriebenen Einwärtsbiegung der Spitzen der Wolff’schen Kör- per, welche ich bei Embryonen von 13mm an als regelmässige Erscheinung gefunden habe, liegt der Müller’sche Gang nach aussen von dem Wolff’schen, nach vollzogener Umbiegung der W olff’schen Körper aber nach innen; unter allen Umständen ist es aber eine und dieselbe Wand des Urnierenganges, an wel- cher man die Endsprosse desM üller’schen Ganges trifft und an welcher er also abwärts wächst, nämlich die ventrale.

Dieerste Schlussfolgerung aus den hier berichteten Beob- achtungen, dass der Müller’sche Gang auch beim Menschen und zwar bei beiden Geschlechtern durch eine Einstülpung eines be- stimmten Theils des Urnierenepithels entsteht, habe ich schon (Seite 342) angeführt. Hieraus ergiebt sich, dass das abdominäle Tubenende wie es ja in Uebereinstimmung mit den Beobach- tungen anderer Forscher bei höheren Wirbelthieren von vorne herein zu erwarten war beim Menschen von Anfang an offen ist. Aelteren Beobachtungen zufolge (Johannes Müller, Rathke, J. Fr. Meckel, Kobelt (35)), wurde allgemein angenommen, dass es sich beim Menschen anders verhielt, dass der Müller’sche Gang vielmehr zu Anfang geschlossen sei und erst später und zwar nur beim Weibehen am oberen Ende sich öffnete. Auch Kussmaul (42) bildet stets das abdominale Ende der Müller'schen Gänge als geschlossen ab und seitdem ist diese Ansicht nicht widersprochen worden.

In einer vorläufigen Mittheilung dieser Untersuchungen (Sitzungsberichte der Königl. Preussischen Akademie der Wissen- schaften zu Berlin. 1839, III) habe ich die Ansicht ausgesprochen, dass die oben beschriebene Einstülpung über ein grösseres Stück des Ganzen sich erstreckt als bloss das abdominale Ende, dass die erste Entstehung des Müller ’schen Ganges beim Menschen also als eine längere Rinne aufzufassen wäre, welche sich zu einem Rohre abschliesst. Erneuerte Untersuchungen haben mir aber ge-

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zeigt, dass ich die damals ausgesprochene Ansicht nicht aufrecht zu halten vermag. Bei meinem jüngsten Embryonen, dessen Er- haltungszustand tadellos war, hatte der Müller’sche Gang die erste Stufe seiner Entwieckelung überschritten und zeigte das schon beschriebene Verhalten. Ich muss desshalb die Frage, wie weit die Einstülpung abwärts geht, ein wie grosses Stück des Müller’schen Ganges in dieser Weise entsteht eher er sich mit dem Wolff’schen in Verbindung setzt, als eine offene stehen lassen, denn das wird sich nur an Embryonen, welche jünger sind als die meinigen, feststellen lassen. Die Frage ist aber von Bedeutung zur Erklärung der mehrfachen Tubenöffnungen, die auch beim Menschen thatsächlich vorkommen, wie Henle (24), Waldeyer, Hennig (Der Catarrh der inneren weiblichen Ge- schlechtstheile. Leipzig 1862) berichten. (Vergleiche auch Richard, Anatomie des Trompes de Uterus chez la femme. Paris 1851. Siehe im übrigen bei Waldeyer (77) und v.Mihalkovicz (50).) Liegen die überzähligen Oeffnungen in unmittelbarer Nähe der abdominalen Mündung und zwar dicht an einander, so lässt sich ihre Genese worauf in Sonderheit Waldeyer und auch v. Mihalkovicz aufmerksam macht leicht dadurch erklären, dass die oben beschriebene Rinne an mehreren Stellen zum Rohr sich abschliesst. Liegen aber die iberzähligen Oeffnungen weiter abwärts, so sind wir entweder zu der Annahme gezwungen, dass unter Umständen die Rinne eine grössere Ausdehnung hat, dass also in solchen Fällen eine Tubenbildung im Sinne Waldeyer’s statt hat, oder dass eine erneute Einstülpung von Seiten des Ur- nierenepithels (vergleiche v.Mihalkovicz (50)), beziehungsweise von der oben beschriebenen Epithelverdiekung an der Aussenfläche der Urniere (Keimepithel im Sinne Waldeyer’s) Platz greifen kann. Letztere Erklärung müsste man vorwiegend in denjenigen Fällen annehmen, wo die Nebenöffnung, wie in dem Falle von Richard (siehe beiWaldeyer), in der Mitte der Tube sich fand. Wahrscheinlich gehören die in der Sitzung der geburts- hülflichen Gesellschaft zu Berlin vom 14. Dezember 1888 von Veit und Gusserow angeführten Fälle auch hierher.

Erwähnen will ich noch, dass ich einmal, bei einem Embryo von 4—5 em Länge, im proximalen Theil der linken Urniere neben dem Müller’schen einen zweiten Gang gesehen habe. Diese überzählige Tube fing als Furche an, welche in ein geschlossenes

Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd, 34. 23

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Rohr überging, um schliesslich blind zu endigen. Mit der eigent- lichen Tube trat dieser zweite Gang nirgends in Verbindung; da wo derselbe ein geschlossenes Rohr darstellte, war er nicht von der Tube zu unterscheiden, weil beide Kanäle mit einem durch- aus gleichartigen Epithel von dem bekannten Aussehen ausge- kleidet waren. Es handelte sich also um die Anlage eines „Ne- beneileiters“ im Sinne von Hennig.

Die zweite Schlussfolgerung aus meinen Beobachtungen wäre die, dass derMüller’sche Gang bald nach seiner Entstehung sich dem Wolff’schen dicht anlegt und diesem entlang abwärts wächst. Es würde also das Ergebniss meiner Untersuchungen demjenigen von Bal- four und Sedgwick für das Hühnchen erzielten am nächsten kommen (siehe Seite 339). Es findet beim Menschen gewisser- maassen eine innige Vereinigung zwischen Müller’schem und Wolff’schem Gange statt; bis zur äussersten (distalen) Spitze des Müller’schen Ganges kann man aber die Zellen desselben deutlich von denjenigen des Wolff ’schen unterscheiden. Die Vereinigung ist also nicht als ein Aufgehen der Elemente der beiden Gebilde in einander aufzufassen und ich kann desshalb nieht Balfour und Sedgwick darin beipflichten, dass die weitere Entwickelung des Müller’schen Ganges in Form einer Abspaltung auf Kosten des Wolff’schen Ganges stätt- findet, dass also die Zellen des Wolff’schen Ganges das Bau- material für den Müller’schen Gang abgeben. Nirgends sieht man Uebergangsformen zwischen den Zellarten der beiden Gänge und an keiner Stelle Theilungsvorgänge im Epithel des Wolff- schen Ganges. Ich glaube desshalb annehmen zu müssen, dass der Müller’sche Gang durch Vermehrung der eigenen Zellen weiter wächst. Erwägt man, dass die Zellen in der soliden End- sprosse gross, von unregelmässiger Gestalt sind und keine be- stimmte Anordnung zeigen, während sie höher oben, wo der Gang ein Lumen hat, einen regelmässigen Saum von hohen Cylindern bilden, so ist es wohl richtig, trotzdem ich auch nicht an dieser Stelle ausgesprochene Kerntheilungsfiguren gesehen habe, mit v. Mihalkovicz anzunehmen, dass das Wachsthum an der Spitze geschieht.

Wie ich an meinen Präparaten habe verfolgen können, wächst der Müller’sche Gang der ventralen Wand des Wolff ’schen

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Ganges entlang abwärts, aber, wie eben auseinander gesetzt, auf eigene Kosten; er benutzt so zu sagen, den W olff’schen Gang als Leiter um den Sinus urogenitalis zu erreichen. Nur in diesem Sinne ist die Vereinigung mit dem Wolff’schen Gange auf- zufassen.

Die geschilderte Ausbildungsweise des Müller’schen Ganges erklärt sehr wohl, dass mehrere ältere Forscher die Entstehung des Ganges beim Menschen (Johannes Müller, Bischoff) und den höheren Wirbelthieren (Rathke, Thiersch) als eine Ab- spaltung von dem Wolff’schen auffassten. Die genannten Ver- fasser meinten ferner, dass der neu entstandene Gang anfangs solide war (der Name „Faden“ deutet dies schon an) und erst später ein Lumen erhielt. Wie aus den beschriebenen Thatsachen hervorgeht, haben sie, was die distale Spitze des Ganges betrifft, vollkommen Recht gehabt.

Dass die Vereinigung der Müller’schen und Wolff’schen Gänge mit einander in gleicher Weise bei männlichen und bei weiblichen Embryonen des Menschen geschieht, habe ich schon oben auf Grund meiner Präparate gezeigt. Da nun ferner das distale Ende des Müller’schen Ganges stets dasselbe Verhalten zeigt, ob man es im Bereiche der Urniere oder im Bereiche des Genitalstranges trifft, ob man einen männlichen oder einen weiblichen Embryo vor sich hat, so geht daraus hervor, dass die sogenannte „Abspaltung“ des Müller’schen Ganges von dem Wolff’schen Gange in gleicher Weise bei beiden Geschlechtern allmählich weiter abwärts schreitet.

Dohrn (13) hat für den Menschen nachgewiesen, dass der Müller’sche Gang im Bereiche der Urniere nach aussen und vorn (eine ähnliche Angabe findet man auch bei Johannes Müller (51)), während der Wolff’sche Gang medianwärts liegt. Im Bereiche des Genitalstranges dagegen hat das Umgekehrte statt: hier liegen wie Dohrn ebenfalls nachgewiesen hat die Müller’schen Gänge nach innen, die Wolff’schen dagegen nach aussen. Diese Kreuzung der Gänge ist auch bei anderen Thiergattungen als Regel bekannt und Thiersch erklärte diese Erscheinung in der Weise, dass der Müller’sche Gang auf der Wandung des Wolff’schen eine halbe Spiralwindung beschreibt. Ich glaube nach meinen Untersuchungen beim Menschen annehmen zu müssen, dass die Kreuzung der Lage der Gänge mit der Bil-

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dung des Genitalstranges (im Sinne von Thiersch) zusammen- hängt. Der letztere kommt nämlich dadurch zu Stande, dass die (lateralen) Spitzen des Wolff’schen Körpers, in welchen der Wolff’seche Gang (bezw. auch der Müller’sche) verläuft, sich fusswärts mehr und mehr nach innen, nach der Mittellinie des embryonalen Körpers zu umbiegen (wie vorne beschrieben), um schliesslich mit einander zu verschmelzen, etwa in derselben Weise, wie man aus einem elastischen Stabe durch Biegung des- selben einen Kreis bildet. Dadurch müssen nothwendig die früher nach aussen belegenen Müller’schen Gänge (bezw. diejenige Wand des Wolff’schen Ganges, entlang welcher der Müller- sche wächst) jetztnach innen zu liegen kommen, einander unmittelbar berührend. Das Abwärtswachsen des Müller’schen Ganges geschieht also stets einem und demselben Bezirk der Wandung des Wolff’schen entlang, nämlich der ventralen Seite.

Aus meinen Untersuchungen geht ferner hervor, dass die Bildung des Genitalstranges beim Menschen zu einer Zeit geschieht, wo die Ausbildung des Müller’schen Ganges noch nicht so weit gediehen ist: auf einer gewissen Stufe der Entwickelung enthält der Genitalstrang sowohl bei männlichen wie bei weiblichen Individuen nur zwei parallel neben einander verlaufende Kanäle. Dass diese sowohl hier wie höher oben im Bereich der Urniere (unterhalb der Einmündung der Müller’schen Gänge) nur als Ausführungsgänge der Drüse (also als Wolff’sche Gänge im eigentlichen Sinne des Wortes) aufzufassen sind und nicht mit dem Segmentalgange niederer Thiere gleichwerthig (siehe Balfour und Sedgwick (6), vergleiche auch hierüber v.Mihalkovicz (50)), das geht, so meine ich, aus der oben beschriebenen Entstehungsweise des Müller’schen Ganges hervor, indem dieser beim Menschen im Gegensatz zu den niederen Thieren, in Ueberein- stimmung mit den höheren Wirbelthieren also unabhängig von dem Wolff’schen sich bildet und während seines Abwärts- wachsens keinerlei Elemente von diesem in sich aufnimmt.

Was die Verschmelzung der Müller’schen Gänge mit einander betrifft, so lehrte Thiersch, dass die gegenseitige Be- ‚rührung mit darauf folgender Verschmelzung der beiderseitigen Müller’schen Fäden am unteren Ende beginne und nach aufwärts bis zu der Stelle, wo die Wolff’schen Gänge gabelförmig aus- einander weichen, fortschreite. Aus Dohrn’s Beschreibungen

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geht hervor, dass die Verschmelzung (und auch die Atrophie bei männlichen Individuen) von oben nach unten geschieht und zwar verhältnissmässig früh und rasch. Bei einem Embryo von 2,5 Centimeter Länge fand Dohrn die Müller’schen Gänge einander bereits so weit genähert, dass ihre Epithelkränze sich stellenweise deckten, bei einem 3 Centimeter langen Embryo war die Ver- schmelzung schon nahezu vollständig. Die letzte Hälfte des zweiten Monats des Embryonallebens- ist beim Menschen die Zeit, giebt Dohrn an, wo die Verschmelzung vor sich geht.

Für den Rindsembryo hat Kölliker festgestellt, dass die Müller ’schen Gänge in der Mitte des Genitalstranges zuerst verschmelzen, an beiden Enden desselben dagegen noch längere Zeit doppelt bleiben. „Ein Verhalten“, fügt Kölliker hinzu, „das nun auch das Vorkommen von einem einfachen Uterus mit doppelter Scheide in pathologischen Fällen beim Menschen be- greiflich macht.“

Langenbacher (43) schliesst sich, was das Kaninchen betrifft, Thiersch an, indem er behauptet, dass die Verschmel- zung der Gänge in allen Fällen am unteren Ende derselben be- ginnt.

In Uebereinstimmung mit Kölliker itv.Mihalkovicz der Ansicht, dass die Vereinigung zuerst im oberen Drittel des Geschlechtsstranges erfolgt, und schreitet von hier sowohl in pro- ximaler als in distaler Richtung rasch fort.

Von vornherein sollte man erwarten, dass die Verschmelzung der Gänge von oben nach unten, wie Johannes Müller auch meinte, fortschreitet, weil diese Art der Verschmelzung der all- mählichen Ausbildung der Gänge entsprechen würde. Indessen scheint dieses nicht immer der Fall zu sein, wie aus den ange- führten Ergebnissen anderer Forscher hervorgeht. Ob beim Men- schen die Verschmelzung der Müller’schen Gänge nach einer bestimmten Regel geschieht, und dann welcher, bin ich nicht in der Lage zu entscheiden. Nach meinen bisherigen Beobachtungen beginnt die Verschmelzung erst dann, wenn die Müller’schen Gänge das unterste Ende des Wolff’schen erreicht haben, und zwar findet dieselbe, wie es scheint, an mehreren verschiedenen Stellen der Berührungsfläche auf einmal statt. Da die Vereinigung nach übereinstimmender Angabe der Autoren sehr rasch vor sich geht, hängt es von einem glücklichen Zufalle ab, dass man gerade

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einen Embryo trifft, welcher den Beginn dieser Entwickelungs- stufe zeigt. Bei einem solchen vorzüglich erhaltenen, in Flem- ming’scher Lösung gehärteten Embryo weiblichen Geschlechts von 30 mm Länge traf ich auf Reihenschnitten quer durch den Geni- talstrang, im ganzen Bereiche desselben, bald zwei vollständig von einander getrennte Lumina, bald nur eins in wechselnder Reihen- | folge, dazwischen alle möglichen Uebergangsstufen.

Was die Einmündung der Müller’schen Gänge in den Sinus urogenitalis und das spätere Schicksal derselben betrifft, welches in Sonderheit den Gegenstand der Arbeiten von Dohrn (12), Kussmaul (42), Tourneux und Legay (Tl), v. Mi- halkovicz (50, van Ackeren (l) bildet, so sind meine diesbezüglichen Untersuchungen noch nicht so weit gediehen, dass ich mir hierüber ein endgültiges Urtheil bilden kann. Ich behalte mir desshalb vor, in einer späteren Arbeit auf diesen Gegenstand näher einzugehen. '

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Siehe ausserdem die im Texte angeführte Literatur.

Fie.N1l.

Fig. 2.

Erklärung der Abbildungen.

Frontalschnitt durch den Wolff’schen Körper eines 12 mm langen menschlichen Embryo. Gl. = Glomerulus. @. = Urnierenkanälchen. W.G. = Wolff’scher Gang. Lh. = Leibeshöhle. Gef. = Gefäss. Ng. = Nierengang. : Querschnitt durch einen weiblichen menschlichen Embryo von 12mm Länge im Bereich der Plicae urogenitales. W.G. = Plicae urogenitalis mit dem Wolff’schen Gange. Ng. = Nierengang.

Figg. 3u.4. Querschnitt durch den proximalen Theil des Wolff’schen Kör-

Fig. 5.

pers eines 13mm langen menschlichen Embryo männlichen Ge- schlechts. Uk. = Urnierenkanälchen. M.G.= Müller’scher Gang, in Fig. 3 ist das abdominale offene Ende desselben sichtbar, in Fig. 4 bildet der Müller’sche Gang einen geschlossenen Kanal.

Aus dem Wolff’schen Körper eines 20mm langen menschlichen Embryo. Mk. = Mediale Abschnitte der Urnierenkanälchen. Lk. Laterale Abschnitte der Urnierenkanälchen. Leitz 8, Ocular I.

Figg. 6 u. 7. Querschnitte durch einen menschlichen Embryo von 13mm

Länge männlichen Geschlechts, im Bereiche der Plicae urogenitales. W.G. = Wolff’scher Gang. Ng. = Nierengang. In Fig. 7 sieht man die Einmündung des Nierenganges in den Sinus. urogenitalis.

Figg. S—-11. Querschnitte durch einen menschlichen Embryo von 13mm

Fig. 13.

Länge männlichen Geschlechts im Bereiche der Mündungsstellen der Wolff’schen und der Nieren-Gänge in den Sinus urogenitalis. Ng. = Nierengang. W.G. = Wolff’scher Gang. S.Ur. = Sinus urogenitalis. D. = Darm. Lh. = Leibeshöhle.

. Querschnitt durch den Wolff’schen Körper und Eierstock eines

Embryo aus dem dritten Monat. M.G. = Müller’scher Gang. Ep. = Wolff’scher Gang und Urnierenkanälchen (das spätere Epoopho- ron). Po. = Glomeruli (das spätere Paroophoron).

Schnitt durch die Anlage der Keimdrüse (des, Eierstocks) von einem menschlichen Embryo von 12mm Länge. (Bruchtheil.) Ke.

360

Fig.

Fig.

Fig.

Fig.

Fig.

Fig.

14.

. 15.

16.

lie

19.

Dr. med. W. Nagel:

äusserste Schicht des Keimepithelwulstes. VUe. = Ureier (Primordialeier). Müller’sche Flüssigkeit. Leitz 8, Ocular I.!) Aus dem Eierstock eines menschlichen Embryo von 7 Centimeter Kopf-Steisslänge. Länge des Eierstocks 5 mm. Ke. = äusserste Keimepithelschicht (Pseudo-Epithelium Balfour’s). Ue. = Ureier (Primordialeier). Str. = Stroma mit Blutgefässen. Flemming- sche Lösung. Leitz 8, Ocular I.

Aus dem Eierstock eines menschlichen Foetus von 11 Centimeter Kopf-Steisslänge. Länge der Eierstöcke 9mm (r.) und 7 mm (l.). Bedeutung der Buchstaben wie in Fig. 14. Flemming’sche Lösung. Leitz 8, Ocular 1.

Querschnitt durch die Eierstocksanlage eines Schweinsembryo von Smm. Ke. = Keimepithel mit Ureier (Primordialeier.. W.K. = Stroma des W olff’schen Körpers. Flemming’sche Lösung. Leitz 8, Ocular I,

Aus dem Eierstock eines Schweinsembryo von ca.5cm Länge. Ke, = äusserste Schicht des Eierstocks (Pseudo-Epithelium Balfour’s).

Ef. = Eifächer. Str. = Stromagewebe.. Flemming’sche Lösung.

Leitz 8, Ocular I.

. Aus der Hodenanlage eines menschlichen Embryo von 13 mm Länge.

(Etwa: die halbe Breite des Keimepithelwulstes ist hier gezeichnet). Ke. = äusserste Schicht des Keimepithelwulstes. Sz. = Sexual- zellen. Z. = Zellstränge (Anlage der Samenkanälchen). Müller- sche Flüssigkeit. Leitz 8, Ocular 1.

Sagittalschnitt durch die Anlage des Hodens von einem menschlichen Embryo von 22mm Länge. Man erkennt das Hodenepithel und im Innern die Anlagen der Samenkanälchen mit den Sexualzellen. M.G.. = Müller’scher Gang. W.G. = Wolff’scher Gang. Flem- ming’sche Lösung. Leitz 3, Ocular 1.

. Ein Stück des in Fig. 19 abgebildeten Hodens mit starker Ver-

grösserung (Leitz 8, Ocular I). Ke. = Hodenepithel (Rest des Keimepithels). Uz. = Sexualzellen. Sk. = Zellstränge (Anlage der Samenkanälchen) mit Sexualzellen.

. Aus dem Hoden eines menschlichen Embryo aus dem Ende des

zweiten Monats. Querschnitt eines Samenkanälchens mit einer sich theilenden Epithelzelle. Flemming’sche Lösung. Leitz 8, OcularI. Die Einzelheiten sind mit Seitz 4,0 Millim., Apertur 95, Ocular 12 gezeichnet.

. Querschnitt eines Hodens von einem menschlichen Foetus von 12

Centimeter Kopf-Steisslänge. Ke. = Hodenepithel (Rest des Keim-

1) Es wurde nur diejenige Gewebsschicht gezeichnet, welche man mit

einer Focaleinstellung sieht; diese Bemerkung gilt auch für die folgenden Zeichnungen.

Ueber die Entwickelung des Urogenitalsystems des Menschen. 8361

epithels). Alb. = Albuginea. Zwz. = Zwischensubstanzzellen. Sk. Samenkanälchen-Anlagen mit Sexualzellen. Müller’sche Flüs- sigkeit. Leitz 3, Ocular I.

. Ein Stück des in Fig. 22 abgebildeten Hodens mit starker Ver-

grösserung (Leitz 8, Ocular I) gesehen. Bedeutung der Buchstaben wie in Fig. 22.

. 24. Querschnitt durch den proximalen Theil des Wolff’schen Körpers

Pd or Fig. 25.

eines 12mm langen menschlichen Embryo (weiblich). M.G. = ab- » dominales Ende des Müller’schen Ganges. W.G. = W olff’scher Gang. Müller’sche Flüssigkeit. Leitz 6, Ocular I.

Querschnitt durch den Wolff’schen Körper eines menschlichen Embryo von 21 mm Länge (weiblich. W.G. = W olff’scher Gang. M.G. = Müller’scher Gang. Flemming’sche Lösung. Leitz 8, Öcular 1.

. Querschnitt durch den W olff’schen Körper desselben Embryo etwas

weiter distalwärts. Bedeutung der Buchstaben wie in Fig. 25.

. Querschnitt durch den Wolff’schen Körper desselben Embryo distal-

wärts von der in Fig. 26 abgebildeten Stelle. Bedeutung der Buch- staben wie in Fig. 25 und 26.

Fig. 28. Querschnitt durch den Wolff’schen Körper eines menschlichen Em- bryo von 22mm Länge (männlichen Geschlechts). W.G.= Wolff- scher Gang. M.G. = distales Ende des Müller’schen Ganges. Flemming’sche Lösung. Leitz 8, Ocular Il.

Fig. 29. Aus dem proximalen Theil des W olff’schen Körpers eines 12 mm langen menschlichen Embryo weiblichen Geschlechts. E. = Epi- thelverdickung an der Aussenseite der Urniere mit darin liegenden Primordialeier ähnlichen Zellen verschiedener Grösse. W.G. = Wolff’scher Gang mit einem (schräg getroffenen) Querkanälchen. Gl. = Glomerulus. Vergrösserung Leitz 5, Ocular I.

Fig. 30. Aus dem proximalen Theil des Wolff’schen Körpers desselben

Embryo. E. = Epithelverdickung an der Aussenseite der Urniere mit darin liegenden Primordialeier ähnlichen Zellen. W.G. = Wolff’scher Gang. Vergrösserung Leitz8, OcularI. Die Einzel- heiten sind mit Seitz 4,0 Millimeter, Apertur 95, Ocular 8 ge- zeichnet.

We Die Entwickelung der Nieren.

Nach einer älteren Angabe Burdach’s (1) findet man die erste Nierenanlage beim Menschen um die siebente Woche. Nach demselben Autor sind beim menschlichen Embryo die Nieren in der neunten Woche schmal, länglich, gerade und bestehen aus kleinen Klümpchen, die sich allmählich vereinen, so dass in der

362 Dr. med. W. Nagel:

zehnten Woche ungefähr acht grössere Läppchen bemerkt werden; ‚allmählich krümmen sich die Nieren und werden durch Ver- mehrung der Läppchen an ihrer Oberfläche höckerig.

Abgeseben von Rathke (17), welcher bei einem kleinen (offenbar nicht ganz frischen) Embryo die wahren Nieren als 2 keulenförmige Gebilde beschreibt, von welchen ein jedes mit seinem hinteren und fadenförmig ausgezogenen Ende in der Nähe der Cloake sich verlor, finde ich nur noch bei v. Kölliker (9 u. 10) eine Bemerkung über die ersten Entwiekelungsstufen der mensch- lichen Niere. v. Kölliker schildert die erte Nierenanlage bei Embryonen von 8 und 85mm in Form eines einfachen keulen- förmigen geraden Kanales, der nicht mit dem Wolff’schen Gange, sondern mit dem Sinus urogenitalis zusammenhing und in seinem leicht verbreiterten Ende von einer dichten Anhäufung von Meso- dermazellen umgeben war. Bei einem menschlichen Embryo aus der 6. und 7. Woche ferner fand v.Kölliker die Niere 1°/, mm gross, bohnenförmig und platt; dieselbe hatte hinter dem unteren Theile der Urniere ihre Lage.

Phisalix (a. a. OÖ) schildert die Niere eines menschlichen Embryo von 10mm Länge als einen cylindrischen Sack („a lumiere elargie, plonge dans une masse me&soblastique tr&s dense‘‘), welcher mittels eines engen Stieles mit der Blase in Verbindung steht.

His bringt in seinem grossen Werke (8) keine nähere Be- schreibung der Nierenanlage.. Von dem Nierengange dagegen sagt er (gelegentlich der Beschreibung der Embryonen A u. B): „vor der Einmündungsstelle des Wolff’schen Ganges in die Cloake zweigt sich ein vor dem ersteren liegender selbständiger Blindsack ab. Derselbe besitzt ein grösseres Kaliber als der Wolff’sche Gang und hat eine Länge von nur 0,3—0,4 mm. Diesen Blindsack muss man für die Anlage des Nierenganges halten, der nach den, neuerdings durch Kölliker bestätigten, Angaben Kupffer’s aus dem unteren Ende des Wolff’schen Ganges sich entwickelt. Dabei bleibt allerdings noch der Nachweis zu führen, wie es kommt, dass dieser Gang, der noch weit ent- fernt von der Blasenanlage in die Cloake ausmündet, späterhin mit der Blase in Beziehung tritt.“

Ueber die Entwickelung des Urogenitalsystems des Menschen. 363

Die anatomischen Verhältnisse der Nierenanlage bei meinen Jüngsten Embryonen F und M habe ich Seite 276 u. 280 geschildert und verweise auf die dort mitgetheilten Thatsachen (siehe auch Fig. 3l Tafel XX). Um es kurz zu wiederholen zeigt sich auf dieser Entwickelungsstufe die Nierenanlage auf jeder Seite als ein länglicher, zwischen dem unteren Theile des W olff’schen Körpers und der Wirbelsäule liegender Schlauch, welcher verschiedene Ausbuchtungen hat und durch einen offenen epithelialen Gang (Nierengang im Sinne Kupffers) mit dem Sinus urogenitalis in Verbindung steht. Sowohl der oben erwähnte Schlauch als auch die einzelnen Ausbuchtungen desselben sind mit einer beträchtlichen Sehieht dichtgedrängter Bildungszellen!) umgeben (siehe Fig. 31) wodurch die ganze Nierenanlage sich deutlich von der Umgebung abhebt. Wie spätere Entwicklungsstufen zeigen, ist der längliche Schlauch die Anlage des Nierenbeckens, die Ausbuchtungen desselben die Anlage der Harnkanälchen.

Betrachtet man einen einzigen Schnitt durch die Nierenanlage, so kann es den Anschein haben, als bestände diese aus getrennten Epithelinseln (vergleiche Fig. 31). Vor der Einführung der Reihen- schnitte mögen solche Bilder vielleicht zu der Annahme Veran- lassung gegeben haben, dass es sich beim Aufbau der Niere um eine isolirte Entstehung von epithelialen Röhren handelt, welche nachträglich mit einander und mit dem Nierengange in Verbin- dung treten. Eine Durchmusterung von Reihenschnitten durch die ganze Nierenanlage zeigt aber auf das deutlichste, dass jede Aus- buchtung, jedes Harnkanälchen also, von seinem äussersten soliden Ende an, in ununterbrochener Verbindung mit dem Nieren- becken steht. Da ich nun diese ununterbrochene Verbindung zwischen Harnkanälchen und Nierenbecken auf allen den von mir untersuchten Entwickelungsstufen des menschlichen Embryo habe nachweisen können, da ich ferner bei keinem von meinen Embryonen, ganz gleich in welcher Weise sie auch gehärtet waren, auf keiner Entwiekelungsstufe Andeutungen von einer isolirten Entstehung der epithelialen Elemente der Niere, wie von Kupffer (11), welcher die erste Entstehung der Nierenanlage

1) Ich wiederhole die Seite 276 gemachte Bemerkung, dass ich unter „Bildungszellen“ diejenigen Elemente verstehe, aus welchen die nicht epithelialen Bestandtheile eines Organs ihren Ursprung nehmen,

364 Dr. med. W. Nagel:

als eine hohle Ausstülpung des Wolff’schen Ganges entdeckt hat, Götte (5), Sedgwick (20), Thayssen (21), Semper, Braun, Fürbringer (siehe bei OÖ. Hertwig (7)) für verschiedene Wirbelthiere behauptet, gesehen haben, so glaube ich mich zu der Annahme berechtigt, dass die Entstehung neuer Harnkanälchen nur durch Sprossenbildung aus den schon vorhandenen geschieht. Ich habe allerdings die allerersten Entwickelungsvorgänge beim Menschen nicht beobachtet; da es aber schwer fällt, sich vorzustellen, dass die Entwickelung eines und desselben Organes (die Entstehung ganz gleichartiger Gebilde also) auf späteren Stufen ganz und gar andere Wege einschlagen sollte als auf etwas früheren, so meine ich nicht fehl zu gehen, wenn ich die bei meinen jüngsten Embryonen beschriebenen Ausbuchtungen des Nierenbeckens als ursprüngliche Sprossen dieses betrachte. Um so mehr glaube ich mich hierzu berechtigt, weil ich bei Schweins- embryonen, deren Nierenanlage, wenigstens zu Anfang, grosse Aehnlichkeit mit der menschlichen hat, auf sehr frühen Stadien ebenfalls einen derartigen Entwickelungsvorgang habe nachweisen können. Bei 8 mm langen Schweinsembryonen stellt nämlich die Nierenanlage einen langgestreckten epithelialen Schlauch dar, dessen Ausbuchtungen aber zum Theil sehr kurz sind und desshalb auch in ihrer wahren Natur, nämlich als Ausbuchtungen zu erkennen sind. Diese epitheliale Anlage wird, gerade wie beim Menschen, von einer beträchtlichen Schieht Bildungszellen umgeben. Kallay (Die Niere im frühen Stadium des Embryonal- lebens. Mitthl. aus dem embr. Institut in Wien. N. F. 1885) beschreibt die Nierenanlage eines 1,1 Centimeter langen Schweins- embryo als einen länglichen Schlauch, dessen epitheliale Ober- fläche Unebenheiten zeigt und welcher an der ventralen Fläche, ungefähr am Ende des oberen Drittheils, mit dem Urnierengange zusammenhinge. Den Ureter dieser Niere schildert Kallay als äusserst kurz und vom Wolff’schen Gange nicht getrennt. Diese Beschreibung Kallay’s von dem Ureter stimmt nicht ganz mit meinem Befunde überein. Bei Schweinsembryenen von Smm Länge, ganz gleichgültig, ob dieselben in Müller’scher oder Flemming’scher Lösung gehärtet waren, sah ich nämlich den Ureter als wohlgebildeten Kanal, welcher auf seinem Lauf abwärts einen seichten Bogen nach vorne macht um in den Sinus urogenitalis, nach aussen von dem Wolff’schen Gange, einzumünden. Eigent-

E &;

Ueber die Entwickelung des Urogenitalsystems des Menschen. 365

lich wäre .es richtiger zu sagen, dass der Ureter in das distale Ende des Wolff’schen Ganges mündet, denn der Uebergang des Wolff’schen Ganges in den Sinus urogenitalis geschieht unter allmählicher Erweiterung des erstgenannten Gebildes, wesswegen es unmöglich ist, die Grenze zwischen Sinus urogenitalis und Wolff’sschem Gange genau zu bestimmen !}).

Die weitere Entwickelung der Niere habe ich auch bei dieser Thierklasse verfolgt und meine Beobachtungen an mensch- lichen Embryonen bestätigt gefunden, auf keiner Entwickelungs- stufe habe ich ein isolirtes Auftreten von epithelialen Schläuchen gesehen, welche dann nachträglich mit einander in Verbindung traten. Die Harnkanälchen entwickeln sichalso: aus sich selbst heraus, das heisst: durch Ver- längerung und Sprossenbildung der schon vor- handenen.

Mit dieser meiner Ansicht über die Entwickelung der Harnkanälchen beim Menschen und Schwein stimme ich mit sehr vielen Forschern überein. Johannes Müller (15) hat dasselbe bei Amphibien, Vögeln und Säugethieren, Remak

1) Kallay ist im Irrthum, wenn er bei einem 1,1 Centimeter langen Schweinsembryo einen Müller’schen Gang annimmt. Der Kanal, welchen er mit diesem Namen belegt und welcher (siehe die betreffende Abbildung Kallay’s) in dem ventralen Theil der Urniere verläuft, ist der Wolff’sche Gang. Einen Müller’schen Gang sieht man beim Schwein nach meinen Untersuchungen erst an Embryonen von 20—22 mm Länge. Der erwähnte Kanal ist beisolchen Embryonen an seinem abdominalen Ende in freier Verbindung mit der Bauchhöhle, sein Epithel ist ein 16—25 u hohes, cylindrisches und er liegt an der Innenseite der Urniere nach aussen von dem Wolff’schen Gange; in seinem ganzen Verlaufe liegt er dem letztgenannten Gange dicht an und endet distalwärts in eine solide, spitz zulaufende Wurzel, welche wie eingekeilt zwischen Urnierenepithel und Wolff’schem Gange, dessen ventrale Wand etwas eindrückend, erscheint. Ueberall, bis zur äussersten Spitze, welche bei Embryonen von der erwähnten Grösse im oberen Drittel der Urniere liegt, ist das Epithel des Müller’schen Ganges durch eine deutliche Basalmembran sowohl von dem Epithel des Urnierenganges wie von demjenigen der Ober- fläche abgegrenzt. Das Weiterwachsen des Müller’schen Ganges dürfte sich also beim Schweine in derselben Weise vollziehen, wie ich Seite 350 für den Menschen geschildert habe, nämlich dem Urnierengange dicht anliegend aber unabhängig von diesem und dem Urnierenepithel. Vergl. auch hierüber Janosik (31). Siehe Seite 339.

Archiv f. mikrosk, Anatomie. Bd. 34, 24

366 Dr. med. W. Nagel:

(18) und Waldeyer (23) beim Hühnchen, Rathke, Köl- liker, Lieberkühn (12), L. Löwe (13), Golgi (6) und Toldt (22) bei verschiedenen Säugern nachgewiesen. Der letztgenannte Autor sagt ferner von dem Wachsthum der Niere: „dass die hohlen Sprossen des Epithels des Nierenbeckens unter gabeliger Theilung gegen die Peripherie der Nierenanlage vordringen, indem sie ihre vordersten Enden mit soliden Zellen- zapfen vorwärts schieben.“ Diese Auffassung möchte ich der Haupt- sache nach für zutreffend halten. Die erste Erscheinung an dem wachsenden Organ besteht, wie ich an menschlichen Embryonen von 18—20, 22 und 253mm Länge habe nachweisen können, darin, dass die ganze Nierenanlage gleichmässig an Grösse zunimmt und dass die Harnkanälchen durch eine ständig fortschreitende Sprossenbildung an Zahl zunehmen; dabei wachsen die Harnkanälchen, stets umgeben von einer Schicht diehtgedrängter Bildungszellen etwa wie auseinander gespreizte Finger in das umliegende Gewebe ein. Hierdurch erhält die Niere früh das bekannte -eigenartige, gelappte Aussehen, welches beim Menschen bald nach der Geburt schwindet, bei den vielen höhern Wirbelthieren dagegen auch während des extrauterinen Lebens bestehen bleibt.

Aus dem hier geschilderten Entwiekelungsvorgang geht also hervor, dass man an der Peripherie des Organs die jüngsten Bildungsstufen findet.

Auffällig ist es, dass die Nieren bei jungen menschlichen Embryonen so weit hinten zwischen Rückenwand und unterem Theil der Urniere liegt, während man sie doch späterhin viel mehr nach vorne findet, zuletzt vor der Urmiere. Sedgwick (20) hat beim Hühnchen zuerst auf dieses eigenthümliche Lage- verhältniss aufmerksam gemacht und fasst, wie es scheint, dasselbe als ein actives Wachsen der Nierenanlage nach vorne auf. Erst wenn die Niere in diese neue Lage gekommen ist, beginnen nach Sedgwick die inneren Differenzirungen in der- selben. Beim Menschen liegen, nach meinen Untersuchungen, die Verhältnisse etwas anders. Zu der Zeit nämlich, wo die Niere noch ihre hintere Lage einnimmt, zeigt sie deutliche Harn- kanälchen-Anlagen (siehe Fig. 31 Tafel XX) und besteht also nicht, wie Sedgwick für das Huhn behauptet, um diese Zeit nur aus einem indifferenzirten Haufen von Bildungszellen.

Es scheint mir ferner, als handele es sich beim Menschen

Ueber die Entwickelung des Urogenitalsystems des Menschen. 367

nicht um ein wirkliches Wachsen der Nierenanlage nach vorne. Ich glaube vielmehr, dass die auffällige Lageveränderung einfach durch das ungleiche Wachsthum der Urniere und der bleibenden Niere zu erklären ist: das erstgenannte Organ erreicht bald den Höhepunkt seiner Entwickelung und bildet sich zurück, um als ein Theil der inneren Genitalien mit diesen in die Becken- höhle zu sinken, während die bleibende Niere, der embryonalen Rückenwand fest anhaftend, sich ständig vergrössert.

Bei dem 12mm langen Embryo F sah ich hier und dort an der Peripherie der Nierenanlage spindelförmige Zellen, welche, in regelmässigen Zügen geordnet, stellenweise eine zarte Um- hüllung des entstehenden Organs bildeten; auch zwischen den ein- zelnen Gruppen von Harnkanälchenr, an der Grenze der sie umgebenden Schicht von Bildungszellen, bemerkte ich einzelne Züge von spindeiförmige Zellen: das ist die erste Anlage der Nierenkapsel und des Zwischengewebes. Bei Embryonen von 20—25 mm Länge haben die spindelförmigen Zellen so sehr an Zahl zugenommen, dass man von jetzt an von einer wirklichen Nierenkapsel reden kann. Bei Embryonen dieser Grösse ist die ganze Nierenanlage durch eine Schicht concentrisch geordneter Spindelzellen von dem umliegenden Gewebe abgegrenzt. Schritthaltend mit der Bildung der Nierenkapsel entwickeln die Spindelzellen im Innern des Organs sich zu dem Zwischen- gewebe, welches, wie zuerst Remak, später Schweigger- Seidel und Toldt nachgewiesen haben und wie ich auch nach meinen Untersuchungen bestätigen kann, eine geraume Zeit hindurch einen auffallend grossen Theil der ganzen Nierenanlage einnimmt.

Bei meinen jüngsten Embryonen F und M (8. S. 276 u. 280) verlässt der Nierenkanal (im Sinne Kupffer’s) das-Nieren- becken an dessen distalem Ende und verläuft, von einer Schicht dicehtgedrängter Bildungszellen umgeben, der embryonalen Rücken- wand entlang, macht dann einen seichten Bogen nach vorne und mündet in den Sinus urogenitalis so ziemlich in derselben Höhe wie der Wolff’sche Gang, aber etwas mehr nach aussen (siehe Fig. 6—11 Tafel XVII). Bei diesen beiden Embryonen befindet sich die Mündungsstelle der Nierenkanäle an der dorsalen Wand des Sinus urogenitalis. Bei jüngern Embryonen scheint das Ver- hältniss ein etwas anderes zu sein; Fol (3, in der ausführlichen Bearbeitung des Embryo in Receuil zoologie Suisse Band I. 1884,

368 Dr. med. W. Nagel:

vermisse ich diese Angabe), sagt nämlich, dass die Ureteren in dem von ihm untersuchten menschlichen Embryo von 5,6 mm Länge in die ventrale Wand der Cloake einmünden (les ureteres debouchent au bord ventral et non pas au bord dorsal du cloaque), welches nach seiner Meinung die Entwickelungsgeschichte der Blase ver- ständlicher macht. Kupffer (11) sagt, dass der Ureter bei den jüngsten von den von ihm untersuchten (3mm langen) Embryonen vom Schaf genau in die hintere Wand mündet, bei älteren (13mm) dagegen an der äusseren Wand; bei Embryonen von 17 mm Länge liegt die Stelle des Zusammenflusses vorne.

Ob Fol Recht hat, indem er die Einmündungsstelle des Nierenkanals (Ureters) anfänglich auf die vordere (ventrale). Wand der Cloake verlegt, kann ich nicht beurtheilen; so viel steht aber fest, dass ich bei allen meinen Embryonen des Menschen, auch vor der Bildung einer eigentlichen Harnblase, keine andere Mündungsstelle der Ureteren als in die dorsale Wand des Sinus urogenitalis gesehen habe. Je älter der Embryo um so mehr rückt die Mündungsstelle des Ureters nach oben und etwas nach aussen, die dorsale Wand des Urachusschlauches verlässt sie aber nie. Bei Embryonen von 20-—-22 mm, beiderlei Ge- schlechts, zeigt, nach meinen Untersuchungen, der Urachus- schlauch an Stelle der späteren Blase eine spindelförmige, mit cubischem Epithel bekleidete Erweiterung, in deren hin- tere (dorsale) Wand, aber bedeutend höher wie die W olff’schen Gänge und etwas mehr nach aussen, die Ureteren einmünden. Die Mündungsstellen der vier Gänge haben also schon bei Embryonen dieser Grösse ihre topographische Lage eingenommen; es besteht also von nun an ein Trigonum vesicae Lieutaudi. Das Entfernen der Ureteren von den Wolff’schen Gängen wird wohl einfach durch die Entwiekelung der Blase bedingt: durch das stärkere Wachsthum des Urachusschlauches werden die Ureterenmündun- gen mit in die Höhe genommen !}).

1) Gegenbaur (Lehrbuch der Anatomie des Menschen. II. Auflage. Leipzig 1885) sagt (Seite 571): „Die Bildung des Trigonum Lieutaudi ent- spricht der Strecke, welche die vom Urnierengange sich sondernde Nieren- gänge, resp. die aus diesen hervorgehenden Ureteren zurücklesten.“ Zu Gunsten dieser Auffassung spricht, nach demselben Autor, auch der Um- stand, dass die Längsfasern der Ureteren die Grundlage des Trigonum bilden. Was die Einmündungsweise der Nierengänge und der Wolff-

Ueber die Entwickelung des Urogenitalsystems des Menschen. 369

Den schwierigsten Abschnitt der Anatomie der foetalen Niere bildet die Entwickelungsgeschichte der Malpighi’schen Körper. Zwei Ansichten über die Entstehung dieser Gebilde stehen ein- ander gegenüber; nach der einen, der älteren, entwickeln sich die Malpighi’schen Körperchen aus den schon vorhandenen Harn- kanälchen undzwar aus den soliden Enden dieser (Rathke, Kölliker, v. Wittich (Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie Band IV), Dursy, Waldeyer, Frey (4)), nach den anderen, von vielen neueren Forschern angenommenen, entstehen dieselben als selbständige Gebilde (Götte (5), Thayssen (21), Kupffer (11), vergl. auch die Arbeiten über die Entwickelung der Urniere von Braun, Mihalkoviez u. A., siehe bei OÖ. Hertwig (7)), welche erst später mit dem ausführenden Harnapparat in Verbindung treten.

Die ersten eingehenden Untersuchungen über die Entwieckelung der Malpighi’schen Körperchen hat Remak (18) bei Säuge- thieren gemacht, und er spricht sich dahin aus, dass die Gefässknäuel unabhängig von den Epithelröhrehen zur Ausbildung kommen und dass die letzteren die Gefässknäuel umwachsen. „in der Regel“, sagt Remak, „wird diese Umwachsung durch das blinde Ende des Röhrchens bewerkstelligt. Indem das letztere

schen Gänge betrifft, sagt Mihalkoviez (14): Die Trennung beider Gänge geschieht auf eine viel einfachere Weise als es Kupffer angab, nämlich durch Aufnahme der kurzen Allantoisschenkel in die Wand des Urogenitalkanals, welchem Vorgang eine Verkürzung und Verbreiterung der ersteren vorangeht. Nach der Aufnahme der Allantoisschenkel münden beide Gänge gesondert in den Urogenitalkanal, aber anfangs noch ganz nahe an einander, der lateralwärts gelegene Ureter etwas höher, als der Wolff’sche Gang. In der Folge rücken aber die Einmündungsstellen der Ureteren an der hinteren Wand des Urogenitalkanals immer höher, bis sie an die Grenze der spindelförmig erweiterten Harnblase, dann an deren hintere Wand ge- langen. Dabei soll man, fügt Mihalkovicz hinzu, „natürlich nicht an ein actives Hinaufwandern denken, sondern einfach an eine eingeschobene Ver- längerung der hinteren Wand der Allantois zwischen den Einmündungsstellen beider Gänge.“*— Ueber die Trennung des Nierenganges von dem Wolff'schen Gange (aus welchem er sich als eine Ausstülpung entwickelt ‘(Kupffer, Kölliker u.A.), kann ich nicht aus eigenen Beobachtungen reden, denn bei meinen jüngsten Embryonen war diese Trennung schon vollzogen. Das Hinaufrücken der Einmündungsstellen der Ureteren fasse ich nach meinen Beobachtungen, wie erwähnt, als bedingt durch das Wachsthum der Harn- blase auf.

370 Dr. med. W. Nagel:

auf einen Gefässknäuel trifft, bildet es eine napfförmige ein- . gestülpte Erweiterung, durch welche der Knäuel bis zur Eintritts- stelle seiner Blutgefässstämmchen allmählich umfasst wird. Daher haben die Gefässknäuel der genannten Säugethiere gewöhnlich eine endständige Lage. Zuweilen wird aber der Knäuel nicht durch das Ende des Röhrchens, sondern durch eine Seitenwand desselben ganz in der beschriebenen Weise umwachsen.“

Bestätigt und ergänzt wurden diese Beobachtungen Remak’s von Toldt (22). Dieser Autor beschreibt das Aussehen der Nieren von menschlichen Foeten verschiedener Entwickelungsstufen (im Alter von 2 Monaten bis zum reifen Foetus) und von einem 3 Monate alten Kinde; die Entwickelung der Malpighi’schen Körperchen hat er aber hauptsächlich an Säugethieren untersucht. Nach Toldt entstehen die Malpighi’schen Körperchen in folgender Weise: die eine Wand des kugelig erweiterten blinden Endes eines Harnkanälchens erleidet von der Seite her eine Eintreibung durch den sich entwickelnden Gerässknäuel, so dass dieselbe der segenüberliegenden Wand genähert wird. (Toldt braucht bekannt- lich den treffenden Vergleich mit einer Kautschukblase, die man von der Seite her so eindrücke, dass die Wände der Blase in Be- rührung kommen.) Das äussere Blatt der so gebildeten Kugel- schale gestaltet sich zu der Bowman’schen Membran, indem die Epithelzellen desselben alsbald platt werden; das innere (eingetriebene) Blatt liegt dem Glomerulus dicht an, welcher in dem von Bindesubstanz erfüllten Raum der Kugelschale sich entwickelt.

Nach meinen Untersuchungen geschieht die Bildung der Malpighi’schen Körperchen beim Menschen wie folgt: Die Harnkanälchen, welche niemals ganz gerade (wenigstens nicht auf den von mir beobachteten Entwickelungsstufen) verlaufen, zeigen bei wohlerhaltenen, in Flemming’scher Lösung gehärteten Embryonen von 20—25mm Länge vielfache Biegungen und Knickungen, so dass das Studium derselben sehr erschwert ist und nur durch eine sorgfältige Durchmusterung von Reihenschnitten zu ermöglichen; es ist aber unzweifelhaft, dass auch auf dieser Entwiekelungsstufe alle vorhandenen Kanälchen mit dem Nieren- becken in ununterbrochener Verbindung stehen. Die von Colberg (2) als „Pseudoglomeruli“ bezeichneten Gebilde, welche wohl nur als gleichwerthig mit den eben erwähnten Knickungen der Harn-

Ueber die Entwickelung des Urogenitalsystems des Menschen. 371

kanälchen aufzufassen sind, findet man auf dieser Entwickelungs- stufe zahlreich vertreten; ächte Glomeruli, unverkennbare Malpighi’sche Körperchen also, habe ich erst bei einem Embryo von 30mm gesehen!). Aus den Nieren eines solchen Embryo sind die in den Figg. 32 u. 33 Tafel XX naturtreu wiedergegebenen Zustände entnommen und ich glaube nicht fehl zu gehen, solche Bilder, die man um diese Zeit vielfach in der Niere trifft, als verschiedene Entwickelungsstufen eines Malpighischen Körper- chens aufzufasssen. Verfolgt man den Lauf eines Harnkanälchens, so wird man gewahr, dass dasselbe sich an einer bestimmten Stelle, wie es scheint, an seinem äussersten Ende, etwas erweitert und dass sein Epithel auf einen, in die Erweiterung hereinragenden knopfartigen Vorsprung der umliegenden Bindesubstanz ununter- brochen übergeht (siehe Fig. 32 Tafel XX). In dieser Hervor- wucherung des umliegenden Gewebes erkennt man einzelne Gefässe und der spätere Entwickelungsgang lehrt, dass sich hier der Gefässknäuel entwickelt. Zu Anfang ist die Basis der er- wähnten Hervorwucherung breit (siehe Fig. 32), später schnürt sie sich mehr und mehr von dem umliegenden Gewebe ab (siehe Fig. 33 Tafel XX) und nimmt nach und nach das bekannte traubenartige Aussehen des vollentwickelten Glomerulus an.

Wie man sieht, steht dieser von mir beobachtete Entwickelungs- vorgang eines Malpighi’schen Körperchens mit den von Remak, Toldt, Schweigger-Seidel (dieser Autor schildert Seite 76 seines angeführten Werkes (19) bei einem 6monatlichen mensch- lichen Embryo einen Glomerulus mit einer zusammenhängenden Zellschichte bekleidet; dieselbe besteht aus kubischen Zellen und senkt sich zwischen den Läppchen des Knäuels ein), v. Kölliker berichteten Thatsachen überein. Ob man nun mit Remak den Vorgang als einen Umwachsungsprocess des Gefässknäuels von

1) Ich will aber nicht in Abrede stellen, dass die erste Anlage der Malpighi’schen Körperchen möglicherweise auf eine noch frühere Entwicke- lungsstufe zu verlegen ist; ich fand nämlich in der Nierenanlage eines Em- bryo von 13mm Länge an einzelnen Stellen die eine Wand des Harnkanäl- chens nach innen gestülpt; in der dadurch entstandenen Bucht war eine stärkere Anhäufung von Bildungszellen zu sehen. Vielleicht hat man es hier mit einer Glomerulusanlage zu thun; ich wage es aber nicht mit Bestimmt- heit zu sagen, weil ich bei Embryonen von 18—25 mm Länge keine solche Bilder habe finden können.

372 Dr. med. W. Nagel:

Seiten des Harnkanälchens oder mit Toldt als eine durch den hervorwachsenden Gefässknäuel erzeugte Eintreibung der Wand eines erweiterten Harnkanälchens auffasst, ist für die End- wirkung gleichgültig: in beiden Fällen resultirt daraus eine doppelblättrige Kugelschale, deren äusseres Blatt sich zu der Bowman’schen Membran entwickelt und deren inneres (ein- getriebenes) Blatt den Glomerulusüberzug bildet. Jedoch kömmt wohl die Auffassung Toldt’s, nach welcher der sich entwickelnde Gefässknäuel die active, das Epithel die passive Rolle übernimmt, der Wahrheit am nächsten.

Die Zellen der späteren Bo wman’schen Membran nehmen sehr früh ein verändertes Aussehen an, indem sie platt werden (siehe Fig. 32 und 33 Tafel XX); an den jüngsten Malpighi- schen Körperchen haben sie eine Höhe von 5 u, an der Umschlags- stelle und in der Umhüllung des Glomerulus behalten die Epithel- zellen etwas länger ihre cylindrische Gestalt und sehen dem übrigen Epithel des Harnkanälchens, mit welehemsiealso dem Ursprunge nach gleichwerthig sind, ähnlich.

Die am meisten entwickelten Malpigh'i’schen Körperchen liegen stets nach der Mitte des Organs zu, also in den ältesten Schiehten desselben, und die Anlage neuer Malpighi’scher Körperchen erfolgt stets, wie ich auch an anderen Embryonen habe feststellen können, von der Mitte nach der Peripherie zu. Hierbei muss man aber festhalten, dass um diese Zeit keine Trennung in Rinden- und Markschicht besteht; die Frage also, ob die Malpighi- schen Körperchen ausschliesslich in der Rindenschicht (vergl. Toldt) oder auch in der Markschicht sich entwickeln, ist auf so frühen Stadien gar nicht zu beantworten.

Es geht aus dem geschilderten Befunde hervor, dass die blei- bende Niere anfänglich, durch den Bau ihrer Malpighi’schen Kör- perchen und die einfache Beschaffenheit der Harnkanälchen, eine grosse Aehnlichkeit mit der Urniere hat; es ist aber keine Frage, dass die Niere in dieser einfachen Form den von dem Stoffwechsel der Frucht in dieser Schwangerschaftsperiode gestellten Ansprüchen voll- kommen genügen kann. Von der ersten Entwickelung an ist das Malpighi’sche Körperchen, wie soeben auseinandergesetzt, durch das Harnkanälchen mit dem ausführenden Gange in Verbindung, somit kann es von Anfang an sein Secret nach aussen entleeren und es unterliegt folglich keinem Zweifel, dass die Malpighi-

Ueber die Entwickelung des Uregenitalsystems des Menschen. 313

schen Körperchen, sobald ihr Aufbau vollendet ist, auch sofort in Wirksamkeit treten können.

Von späteren Entwickelungsstufen der menschlichen Niere verfüge ich nur über vereinzelte Untersuchungen und kann desshalb kein Urtheil über die Entwickelung der Henle’schen Schleifen, über die Trennung in Mark- und Rindensubstanz abgeben; in Bezug hierauf verweise ich zunächst was die menschliche Niere betrifft auf die Arbeiten von Schweigger-Seidel und Toldt.

Literatur.

1. Burdach, C. Fr. Die Physiologie als Erfahrungswissenschaft. I. Band. Leipzig 1828.

2. Colberg. Zur Anatomie der Niere. Centralblatt für die medicin. Wissenschaften. 1863.

3. Fol, H. Sur l’anatomie d’un embryon humain de la quatrieme semaine. Comptes rendus de l’academie des sciences a Paris. Tome 97.

4. Frey, H. Handbuch der Histologie und Histochemie des Menschen. Leipzig 1876.

5. Götte. Untersuchungen über die Entwickelung des Bombinator igneus. Archiv f. mikroskop. Anatomie. Bd. V.

6. Golgi, C. Annotazioni intorno all’ istologia dei Reni dell’ Uomo e di altri Mammiferi. Rendiconti delle R. Accademia dei Lincei. Vol V. 10 Semestre, fasc. 5. Roma 1889.

7. Hertwig, O0. Lehrbuch der Entwickelungsgeschichte des Menschen und der Wirbelthiere. II. Auflage. Jena 1888.

8. His, W. Anatomie menschlicher Embryonen. Leipzig 1880—1885.

9. v. Kölliker, A. Entwickelungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. 2. Auflage. 1879.

10. Derselbe. Einige Beobachtungen über die Organe junger mensch- licher Embryonen. Sitzungsberichte der Würzburger Physik. Mediein. Ge- sellschaft. 1883.

11. Kupffer, C. Untersuchungen über die Entwickelung der Harn- und Geschlechtsorgane. Archiv f. mikroskop. Anatomie. I. und I. Band. 1865— 1866.

12. Lieberkühn, N. Ueber die Allantois und die Niere von Säugethier- embryonen. Sitzungsberichte der Gesellschaft zur Beförderung der gesammten Naturwissenschaften zu Marburg. 1875.

374 Dr. med. W. Nagel:

13. Löwe, L. Zur Entwickelungsgeschichte der Säugethierniere. Ar- - chiv f. mikroskop. Anatomie. Bd. 16.

14. v. Mihalkovicz, G., (Vietor)\. Entwickelung des Harn- und Ge- schlechtsapparates der Amnioten. Internationale Monatsschrift für Anatomie und Histologie. Bd. II.

15. Müller, Johannes. De glandularum secernent. structura penitiori. Lipsiae 1830.

16. Nagel, W. Beitrag zur Lehre von der Herkunft des Fruchtwassers. Archiv für Gynäcologie. Bd. 35.

17. Rathke, H. Abhandlungen zur Bildungs- und Entwickelungsge- schichte des Menschen und der Thiere. Leipzig 1830.

18. Remak. Untersuchungen über die Entwickelung der Wirbelthiere. Berlin 1855.

19. Schweigger-Seidel. Die Niere des Menschen und der Säuge- thiere. Halle 1865.

20. Sedgwick, Adam. Development of the Kidney in its Relation to the Wolffian Body in the Chick. Studies from the Morphological Labo- ratory in the University of Cambridge. 1880.

21. Thayssen. Die Entwickelung der Nieren. Centralblatt für die mediein. Wissenschaften. 1873.

22. Toldt, C. Untersuchungen über das Wachsthum der Nieren des Menschen und der Säugethiere. Sitzungsberichte der Kaiserl. Akademie der Wissenschaftea in Wien. 1874.

23. Waldeyer, W. Eierstock und Ei. Leipzig 1870.

Nicht zugänglich waren mir:

Riedel. Entwickelung der Säugethierniere. Untersuchungen aus dem anatomischen Institut zu Rostock. 1874.

Riede, K. Untersuchungen zur Entwickelung der bleibenden Niere. Inaug.-Dissert. München 1887.

Emery, C, Recerche embriologiche sul rene dei Mammiferi (Atti Real-Accadem. Lincei Mem. Cl. sc. fisik. 1885. Ser. 4(?)).

Erklärung der Abbildungen Nr. 31—33 auf Tafel XX.

Fig. 31. Frontalschnitt durch die beiden Nierenanlagen eines 12mm langen menschlichen Embryo. N.N. = die Nierenanlagen mit den darin befindlichen Harnkanälchen. Gef. Blutgefässe.

Fig. 32 u. 33. Aus der Niere eines 30mm langen menschlichen Embryo (in Flemming’scher Lösung gehärtet).

Ueber die Entwickelung des Urogenitalsystems des Menschen. 375

Fig. 32. Schnitt durch die Anlage eines Malpi ghi’schen Körperchen. Gl. im Entstehen begriffener Glomerulus. B. = Bowman’sche Membran. E. die durch das von aussen hereinrückende Gewebe eingestülpte Wand des Harnkanälchens (der spätere epitheliale Ueber- zug des Glomerulus).

Fig. 33. Schnitt durch ein etwas älteres Malpighi’sches Körperchen, Ueber die Bedeutung der Buchstaben siehe Fig. 32.

V. Aeussere Genitalien )).

Tiedemann (10) ist der erste, welcher die Entwickelung der äusseren Genitalien des Menschen näher beschreibt. Als Grund- lage seiner Beschreibung dienen Untersuchungen einer, ganzen Reihe von menschlichen Embryonen aus den ersten Wochen; die jüngsten dieser hatten eine Länge von 6—8 Linien (beiläufig 20 mm). Nach seiner Ansicht sind alle Embryonen des Menschen zuerst weiblich und als Beweis für die Richtigkeit dieses Satzes führt er u. A. an, dass die meisten Embryonen, welche durch Abortus abgehen, weiblichen Geschlechts sind.

. Tiedemann’s Schilderung der Entwickelung der äusseren Genitalien ist sehr genau und ist, wenigstens in seinen Haupt- zügen, bis auf den heutigen Tag in alle Lehrbücher übergegangen.

Nach Tiedemann bildet sich gegen das Ende der fünften oder zu Anfang der 6. Woche eine gemeinschaftliche Oeffnung für den After und die Genitalien (Cloake) und es erhebt sich ein kleiner Wulst vor dieser Grube. Bei einem Embryo von 11; Linie Länge (Nr. 7 seines Verzeichnisses) beschreibt Tiedemann die äusseren Genitalien folgendermaassen : Unter "dem 3Steiss- höcker befindet sich eine grosse Grube, von welcher eine kleine Spalte nach vorne läuft zu einem sehr kleinen hervorragenden Körper, welcher die Gestalt einer Klitoris hat und an seinem Ende einen kleinen Knopf bildet. Die Furche oder Spalte ist zu beiden Seiten durch einen kleinen Hautvorsprung oder angeschwollenen

1) Siehe auch: Sitzungsberichte der Königl. Preussischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin. 1888. Ueber die Entwickelung der Sexualdrüse und der äusseren Geschlechtstheile beim Menschen. Von Dr. W. Nagel in Berlin.

376 Dr. med. W. Nagel:

Rand begrenzt. Die Spalte zieht sich an der unteren Fläche des . vorspringenden Körpers herauf.“

In Nummer 13 seines Verzeichnisses (Embryo aus der 14. Woche, 2 Zoll 5 Linien lang) will er zuerst ein männliches Indi- viduum erkannt haben.

Nach meinen Untersuchungen muss auch ich Tiedemann darin Recht geben, dass die äusseren Genitalien beim Menschen sich zunächst in einer Form entwickeln, welche keinen Unter- schied des Geschlechts zeigt, und sich mehr der bleibenden Form der weiblichen Genitalien anschliesst. Nur möchte ich das erste Auftreten der Cloake (Kölliker (5)‘ hat diesen Vorgang in der vierten Woche des menschlichen Embryonallebens beobach- tet) und der inneren (siehe weiter unten) Geschlechtsfalten in ein früheres Stadium verlegen. Denn bei einem Embryo von 10 mm und bei einem solchen von 12mm fand ich deutliche in- nereGeschlechtsfalten, welche sich als eine Verdiekung der Ränder der Cloake zeichnen.

Es ist richtig, dass die inneren Genitalien lange vor den äusseren einen Geschlechtsunterschied zeigen; Tiedemann und O0. Hertwig (3) lassen aber etwas zu lange, nämlich bis zu Anfang des vierten Monats, wo der Embryo also eine Grösse von beiläufig 10 Centimeter hat, die Entwickelungsvorgänge bei beiden Ge- schlechtern die nämlichen sein.

Nach meinen Untersuchungen glaube ich vielmehr, dass man die Trennung des Geschlechts auf ein früheres Stadium verlegen muss. Bei Embryonen von 18 und 22mm Länge, deren Sexual- drüsen den männlichen Typus zeigten (siehe Kapitel III) fand ich den Geschlechtsspalt vorne geschlossen, so dass die Glans penis und die Urethralmündung deutlich zu erkennen waren (siehe Figg. 35 u. 36).

Es liegt auf der Hand, dass man in dem Vorhandensein einer Urethralmündung an der Spitze der Glans ein zuverlässiges Merk- mal für ein männliches Individuum haben würde, wenn man mit Bestimmtheit ausschliessen konnte, dass auf keiner Entwickelungs- stufe des Weibes eine derartige Bildung auftritt. Ich neige mich allerdings der Ansicht 'zu, dass es beim Weibe nicht zur Bildung eines Homologon der Urethralmündung beim Manne kömmt, denn bei einer ganzen Reihe von wohlerhaltenen weiblichen (dem Befunde an den inneren Genitalien nach; siehe das Kapitel

Ueber die Entwickelung des Urogenitalsystems des Menschen. 377

III) Embryonen bis zu einer Grösse von 4 Centimeter und dar- über fand ich die Glans vorne glatt ohne Grübchen (siehe Fig. 37 Tafel XX). Ich habe überhaupt niemals an weiblichen Embryo- nen eine an die Urethralmündung erinnernde Bildung mit Be- stimmtheit unterscheiden können, ich muss es aber dahin gestellt lassen, ob es auf allen Entwickelungsstufen so ist; zur Entschei- dung dieser wichtigen Prinzipfrage ist eben eine grössere Anzahl Embryonen nöthig als die, welche mir zu Verfügung stand. Soviel glaube ich aber annehmen zu dürfen, dass, wenn es beim Weibe zur Bildung eines Homologon der männlichen Urethralmündung kommt, diese jedenfalls schnell wieder schwindet, und dass man auf einer späteren Entwickelungsstufe, das heisst bei Embryonen von 25—30 mm Länge an, aus dem Vorhandensein einer Urethral- mündung bei makroskopischer Betrachtung auf ein männliches Individuum schliessen darf; dass man also früher als allgemein angenommen wird (Kölliker, Hertwig u. A.) an den äusseren Genitalien Merkmale für die Trennung des Geschlechts findet.

In den neueren Lehrbüchern der Entwickelungsgeschichte sind zum Theil die Eeker-Ziegler’schen Wachsmodelle als Grundlage für die Schilderung der Entwickelungsvorgänge an den äusseren Genitalien benutzt.

Diese Modelle, in welchen man die Tiedemann ’schen Ansichten wieder findet, sind aber nicht völlig zutreffend. Wie nach meinen Beobachtungen die Bildung der Genitalien geschieht, werde ich in dem Folgenden schildern, zuerst möchte ich aber einige Bemerkungen über das von mir benutzte Material voraus- schicken.

Die Embryonen, an welchen ich die Entwickelung der äusseren Genitalien verfolgt habe, fanden zum grössten Theile ihre Besprechung in den vorangehenden Kapiteln und ich verweise hiermit auf das dort Gesagte. Nach vollzogener Härtung des ganzen Embryo theils in Flemming’scher Lösung, theils in Müller’scher und Fol’scher Flüssigkeit oder auch in Alkohol wurde die Genitalgegend mit einem Pinsel von etwa anhaftendem Gerinnsel vorsichtig gereinigt, durch behutsame Abtragung des Steisshöckers und der hinteren Extremitäten (bei den kleineren Embryonen) freigelegt und alsdann mit der Loupe gezeichnet. Bei der nunmehr folgenden Einbettung der Objeete in Paraffin und Zerlegung mittels des Sehantz’schen Mikrotoms gewann

378 Dr. med. W. Nagel:

ich Einblick in die anatomischen Verhältnisse der inneren Geni- - talien (siehe unter den vorangehenden Kapiteln); in allen Fällen habe ich also den Befund an den inneren Genitalien mit demjenigen an den äusseren vergleichen können.

Die erste Veränderung an dem Genitalspalt (Cloake) nach Anlage der inneren Genitalfalten (siehe Seite 375) besteht darin, dass der vordere Theil der verdiekten Ränder des Spalts (= den erwähnten inneren ‚Genitalfalten) frei heraus- wächst und bildet in dieser Weise den Geschlechtshöcker (Clitoris, Penis=primitiveGenitalfaltenach Ecker (2)). Durch dieses Vorwachsen wird der Geschlechtsspalt in die Länge gezogen: seine vordere Begrenzung wird jetzt durch die freie Spitze des aus den inneren Geschlechtsfalten hervorgegangenen Geschlechts- höckers gebildet. Die Rinne des Geschlechtshöckers steht also von vornherein mit dem Geschlechtsspalt in ununterbrochener Verbindung. Auf dieser Entwickelungsstufe deckt sich mein Befund im wesentlichen mit dem von Ecker (a. a. O. Erklärung zu Tafel XXIX, Fig. 9) für einen etwas älteren (über etwa 20 mm grossen) Embryo berichteten.

Alsbald fängt der vordere Theil des Geschlechtsspalts, also im Bereich des Geschlechtshöckers, an, sich zu schliessen. Diejenigen Embryonen (von 18—30 mm Länge), bei welchen dieser Vorgang durch Verwachsung der Ränder des Spalts zur Bildung der Urethralmündung und der Glans des Geschlechtsgliedes führt, bin ich geneigt für männliche Individuen zu halten. Bei weiblichen Individuen halte ich es für fraglich, wie schon oben angedeutet, ob die Glans celitoridis sich in derselben Weise wie beim Manne die Glans penis bildet; ich glaube nämlich nicht, dass beim Weibe eine Schliessung im vorderen Theil des Spalts durch eine Verwachsung der Ränder desselben zustande kommt, weil ein derartiger Vorgang in der ganzen Entwickelung der weiblichen Genitalien überhaupt nicht Platz hat. Ich neige mich nach meinen bisherigen Untersuchungen der Ansicht zu, dass die Glans elitoridis denjenigen vorderen Theil des Geschlechtshöckers darstellt, an welchen der Geschlechtsspalt nicht heranreicht.

Die Schliessung des Geschlechtsspalts, also die Verwachsung der Ränder desselben (= der inneren Genitalfalten) mit einander, schreitet bei männlichen Individuen immer weiter fort und die

al <i

Ueber die Entwickeluug des Urogenitalsystems des Menschen. 379

Vereinigungslinie ist die spätere Raphe an der unteren Seite des Penis.

Bei weiblichen Individuen bleibt der Geschlechtsspalt offen (vergleiche auch die Ansichten Johannes Müller’s (8) über diesen Punkt), die Ränder desselben (die inneren Genitalfalten also) bilden sich zu den kleinen Labien aus.

Ungefähr zur selben Zeit, wo durch die Schliessung des vor- deren Theils des Geschlechtsspalts zuerst ein äusserlicher Ge- schlechtsunterschied sich bemerklich macht, vielleicht etwas früher, bilden sich zu beiden Seiten der inneren Geschlechtsfalten, aber etwas mehr nach aussen, die äusseren Genitalfalten (= Ge- schlechtswülste anderer Autoren). Es ist nicht ganz richtig, die äusseren Geschlechtsfalten in der Weise darzustellen, wie in den Ecker-Ziegler’schen Modellen geschehen. Dieselben umgeben, nach meinen Untersuchungen, anfänglich nicht den Geschlechts- höcker und den Geschlechtsspalt als einen ringförmigen Wall, wie dieses auf den ersten Entwickelungsstufen der genannten Modelle dargestellt wird. Zu Anfang liegen die äusseren Geschlechts- wiülste nur seitwärts und es ist erst auf einer späteren Entwicke- lungsstufe der weiblichen Genitalien, dass sie mehr nach vorne wachsen (siehe Fig. 37, Tafel XX); bei den männlichen Embryo- nen nehmen die Genitalfalten bald eine mehr rundliche Gestalt an (siehe Fig. 36, Tafel XX) und nähern sich einander hinter dem Geschlechtshöcker, der späteren Lage des Hodensacks ent- sprechend.

An dem hinteren Rande der Cloake bemerkt man früh, zur Zeit der beginnenden Bildung des Geschlechtshöckers, zwei kleine Höcker (siehe Figg. 34, 35 u. 36, Tafel XX). Reichel (9) nennt diese Gebilde „Analköcker“‘ und meint, dass dieselben in der Weise zur Bildung des Dammes beitragen, dass sie nach vorne wachsen bis ihre vorderen Enden sich an die hinteren der Genitalfalte legen. Ich glaube nicht, dass diese Annahme Reichel’s ganz richtig ist, denn ich habe diese Höcker auch nach Bildung des Dammes gesehen. Im übrigen kann ich mich an dieser Stelle noch nieht über die Dammbildung äussern, denn meine Untersuchungen über die weitere Entwickelung der distalen Enden der Müller- schen Gänge und über die Trennung dieser von Mastdarm und Harnröhre, welche Vorgänge bei der Dammbildung eine so grosse Rolle spielen, sind noch nieht abgeschlossen. Aus diesem Grunde

380 Dr. med. W. Nagel:

kann ich, auch nicht auf die Ansichten anderer Forscher (Rathke, Lieberkühn, Perls, v. Mihalkoviez, Reichel u. A.) über diesen Punkt eingehen !).

Literatur.

1. Bischoff, T.L. W. Entwickelungsgeschichte der Säugethiere und des Menschen. Leipzig 1842. :

2. Ecker, Alexander. Icones physiologicae. Leipzig 1851--1859.

3. Hertwig, O. Lehrbuch der Entwickelungsgeschichte. 2. Auflage. Jena 1888.

4. His, W. Anatomie menschlicher Embryonen. Leipzig 1880 bis 1885. (Tafel XIV, Fig. 2 und Tafel X.)

5. v. Kölliker, A. Entwickelungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. Leipzig 1879.

6. Lieberkühn, N. Ueber die Allantois und die Nieren von Säuge- thierembryonen, Sitzungsberichte der Gesellschaft zur Beförderung der ge- sammten Naturwissenschaften zu Marburg. 1875. Nr. 1.

1) Nach Fertigstellung dieser Handschrift bekam ich die Arbeit von Tourneux (Sur le Developpement et l’&volution du Tubercule gönital chez le foetus humain dans les deux sexes. Journal de l’Anatomie et: de la Physio- logie. XXV. Band. 1889. Nr. 3) zu Gesicht. Dieser Autor beschäftigt sich hauptsächlich was den Menschen betrifft mit älteren Embryonen, aber auch mit solchen von 24 u. 25mm Länge, und hat wesentlich die Entwicke- lung des Penis und der Clitoris, der Prostata und des Anus zum Gegenstand seiner Untersuchungen gemacht. Tourneux ist der Ansicht, dass der Ge- schlechtsunterschied erst im Laufe des dritten Monats zum Ausdruck kommt (.... que s’accentue nettement la difference des sexes); bis dahin ist die Entwickelung der äusseren Genitalien bei beiden Geschlechtern gleich. Ich kann Tourneux nicht beipflichten in seiner Auffassung von der Entwicke- lung der Glans penis und der Glans clitoridis, in Sonderheit nicht von der Betheiligung des Epithels des Geschlechtsspalts („lame &pitheliale, cloacale, urethrale ou uro-genitale“) in gleicher Weise bei beiden Geschlechtern. Ich glaube vielmehr meine obige Beschreibung von der verschiedenen Bildung der Glans Penis und Glans Clitoridis aufrecht halten zu müssen. Ebenso- wenig kann ich mich nach meinen bisherigen Untersuchungen der Schilderung Tourneux’s von der Schliessung des Geschlechtsspaltes an- schliessen. Ein näheres Eingehen meinerseits auf diesen Punkt kann jedoch erst nach Abschluss meiner Untersuchungen über die Trennung von Harn- röhre und Geschlechtsweg stattfinden.

om

Ueber die Entwickelung des Urogenitalsystems des Menschen. 381

7. v. Mihalkoviez, G. Entwickelung des Harn- und Geschlechts- apparates der Amnioten. Internationale Monatsschrift für Anatomie und Histologie. Bd. 11.

8. Müller, Johannes. Bildungsgeschichte der Genitalien aus ana- tomischen Untersuchungen an Embryonen des Menschen und der Thiere. Düsseldorf 1830.

9. Reichel, P. Die Entwickelung des Dammes und ihre Bedeutung für die Entstehung gewisser Missbildungen. Zeitschrift für Geburtsbülfe und Gynäcologie. Bd. 14.

10. Tiedemann. Anatomie der kopflosen Missgeburten. Landshut 1813.

Erklärung der Abbildungen Nr. 34, 35, 36 und 37. Tafel XX.

Fig. 34. Aeussere Genitalgegend eines menschlichen Embryo von 17mm Länge (weiblichen Geschlechts).

Fig. 35. Aeussere Genitalgegend eines menschlichen Embryo von 18mm Länge (männlichen Geschlechts).

Fig. 36. Aeussere Genitalgegend eines menschlichen Embryo von 22mm Länge (männlichen Geschlechts).

Fig. 37. Aeussere Genitalgegend eines menschlichen Embryo (weiblichen Ge- schlechts) mit einer Kopf-Steisslänge von 4 Centimeter. Die Be- deutung der einzelnen Theile ist aus der Fig. 36 leicht ersichtlich und zwar bedeuten: A. = Analhöcker. Ae.Gf. = Aeussere Genital- falte. Ol. u. i.Gf. = Cloake und innere Genitalfalten. Gl.P. = Anlage der Glans penis mit Mündung der Urethra. Extr. = Hin- tere Extremität.

v1. Ueber den Allantoisgang.

Kaum hat eine Frage das Interesse der Embryologen in hö- herem Grade in Anspruch genommen als die, ob der menschliche Embryo eine blasenförmige Allantois besitzt; davon zeugen auch die ausführliche Arbeit v. Preuschen’s (Die Allantois des Men- schen. Wiesbaden 1887) und der Widerspruch, welchen dieselbe von berufener Seite erfuhr.

Archiv f. mikrosk. Anatomie, Bd. 34, 25

382 Dr. med. W. Nagel:

Ich verfüge allerdings nicht über Embryonen, an welchen - die Allantoisfrage zu erörtern wäre; in Anbetracht der Wichtigkeit der Sache, halte ich es aber für berechtigt, noch einmal auf den Allantoisgang bei meinen jüngsten Embryonen zurückzukommen und zu versuchen, ob hieraus irgend ein Rückschluss zu machen wäre.

Bei dem Embryo F (12 mm lang) zeigt der Sinus urogenitalis oberhalb der Mündungen der Wolff’schen Gänge und der Ureteren (also richtiger: der Urachusschlauch) medianwärts eine Ausbuch- tung, welche sich einige Schnitte weiter aufwärts allmählich ab- schnürt um schliesslich als selbstständiger Kanal zwischen den beiden Aa. umbilicales zu erscheinen (Figg. 38, 39 u. 40, Tafel XX). Diese Gefässe verlaufen in der äusseren Bauchwand, dicht unterhalb des Peritoneums, bis zum Nabel und gehen dann, wie allgemein bekannt, in den Nabelstrang über. In ihrem ganzen Verlauf innerhalb der Bauchwand fassen sie zwischen sich den ebenerwähnten Kanal, welcher wohl mit Recht als Allantoisgang anzusehen ist. Anfänglich hat derselbe noch ein ansehnliches 57 bis 86 «. breites Lumen und ist mit einem niedrigen, demjenigen des Sinus urogenitalis vollkommen gleichartigen, Epithel ausge- kleidet. Proximalwärts dagegen büsst der Allantoisgang allmäh- lich sein Lumen ein (siehe Fig. 41, Tafel XX) und bevor er den Nabel erreicht, hat er sich vollständig geschlossen; auf Quer- schnitten in der Nähe des Nabels zeigt sich der Allantoisgang als einen kleinen soliden Epithelkranz; er ist also auf dieser Ent- wickelungsstufe in distalwärts fortschreitender Atrophie begriffen.

Ganz ähnliche Verhältnisse des Allantoisganges wie die von mir für den distalen Theil desselben beschriebenen (siehe Fig. 40, Tafel XX) hat His (Anatomie menschlicher Embryonen. Leipzig 1880—1885) bei seinen Embryonen gefunden und zum Theil ab- gebildet, und zwar zeigen nicht allein die älteren Embryonen von His (Embryo A, 7,5 mm), sondern auch die jüngeren (wie M (2,6 'mm), « (Amm), BB (3,2 mm), R (5 mm)), diese Uebereinstimmung in dem anatomischen Verhalten.

Aus diesem gleichartigen Befunde bei den Embryonen His’ und bei den meinigen ist der Schluss gewiss gerechtfertigt, dass die von His gegebene Schilderung des Allantoisganges, auch bei seinen jüngeren Embryonen (von 2,6 und 3,2 mm), die richtige: ist. Wenn dies aber der Fall, so ist es nicht denkbar, dass die von

Ueber die Entwickelung des Urogenitalsystems des Menschen. 383

v. Preuschen für seinen Embryo von 3,78 mm Länge („vom Scheitelpunkt des Hirnrohrs bis zur Schwanzkrümmung‘“) gefundenen Verhältnisse der Allantois und des Allantoisganges (siehe z. B. v. Preuschen’s Fig. 27, Tafel X!) die Regel bilden. Nach meinen, auf eigener Erfahrung gesammelten Kenntnissen der menschlichen Embryonen glaube ich nicht, dass v. Preuschen’s Embryo genügend frisch gewesen, um aus den von ihm erhal- tenen Sehnittpräparaten sichere Schlüsse ziehen zu lassen. Ich habe auch mehrmals menschliche Embryonen mikrotomirt, die genau dasselbe Aussehen (keine histologische Differenzirung der einzelnen Organe, kein deutliches Lumen in denjenigen Organen, welche später ein solches haben, Medullarrohr, Herz, Darm) dar- boten, wie v. Preuschen bei seinem Embryo schildert, ich habe sie aber alle als nicht brauchbar bei Seite gelegt. Im Interesse des Studiums der Entwickelungsgeschichte des Menschen im All- gemeinen muss man die Forderung unbedingt stellen, dass jeder Embryo, welcher zu einem Schluss verwerthet werden soll, eine klare histologische Differenzirung der einzelnen Organe zeigt, sonst gerathen wir auf Irrwege. Nach meinem Dafürhalten sind Em- bryonen aus spontan ausgestossenen jungen Eiern zu entwicke- lungsgeschichtlichen mikroskopischen Studien in den wenig- sten Fällen geeignet. Ich habe bisher keine von den spontan geborenen kleinen (unter lömm Länge) Embryonen, welche mir vorgelegen haben, zu einem mikroskopischen Studium verwerthen können, obwohl meistens die äussere Körperform vorzüglich er- halten war. Aeltere Embryonen vertragen ganz gut ein längeres (intrauterines) Verweilen in einem abgestorbenen Ei, jüngere da- gegen gar nicht. Von der letzten Kategorie möchte ich künftig nur solche verwerthet wissen, welche von einem künstlich her- beigeführten Abortus stammen, denn nur solche bieten Gewähr einer normalen Entwickelung.

Das weitere Schicksal des Allantoisganges, die Bildung des Allantoisstieles innerhalb der Bauchhöhle gestaltet sich fol- genderweise. Allmählich hebt sich der Urachusschlauch mit seinem Ausläufer, dem Allantoisgange, und die beiden Arteriae umbilicales aus der Bauchwand, an deren innern Fläche sie anfangs verlaufen (siehe Figg. 38—41, Tafel XX), heraus. In dieser Weise entsteht nach und nach in der Bauchhöhle ein dieker Strang, welcher schliesslich nur mittels einer dünnen Peritonealfalte mit der In-

584 Dr.med. W.Nagel: Ueb. d. Entwickelung d. Urogenitalsysten d. Menschen.

nenfläche der vorderen Bauchwand verbunden ist. Der Strang ist an seiner freien Fläche überall von Peritoneum umhüllt; unter dieser Umhüllung befindet sich eine Schicht von embryonalem Bindegewebe. Im übrigen beherbergt der Strang in sich: die beiden Aa. umbilicales, welche mehr nach vorne liegen, und den (zum Theil soliden) Allantoisgang, beziehungsweise in seinem un- teren Theil den Urachusschlauch. Ich habe die Bildung des Allantoisstieles an Embryonen von 12, 18, 22, 25 und 30 mm Länge verfolgt und an allen den eben beschriebenen Entwickelungsvor- gang beobachtet; bei allen meinen Embryonen (ich rede nur von menschlichen), war der Allantoisgang obliterirt ehe er den Nabel erreichte. Die Bildung des erwähnten Stieles geschieht proximal- wärts schneller als distalwärts, bei Embryonen von 25—30 mm Länge scheint sie schon vollzogen zu sein und man findet bei solchen das von älteren Foeten bekannte Bild: vom inneren Na- belringe verläuft abwärts bis zur Harnblase ein dieker weiss- schimmernder Strang. (Was die Anatomie der Nabelschnur älterer Foeten betrifft, so verweise ich auf die Arbeiten von Ruge (Zeitschrift für Geburtshülfe und Gynäcologie Bd. D, Ahl- feld (Die Allantois des Menschen und ihr Verhältniss zur Nabelschnur. Archiv f. Gynäcologie Bd. 8), Zini, Küstner Sabine (Notiz über den Bau der menschlichen Nabelschnur. A. f. Gynäcologie. Bd. 9).) Nach der Geburt veröden die Aa. umbili- cales und der frühere Allantoisstiel wird bekanntlich zum Liga- mentum vesico-umbilicale medium !), welches mitunter, wie jeder Gynäcologe aus seinen bei Laparatomien gemachten Beobachtungen weiss, bei Erwachsenen eine beträchtliche Ausbildung besitzt.

Erklärung der Abbildungen Nr. 38, 39, 40 u. 41 auf Tafel XX.

Die Figuren 38—41 stellen Querschnitte durch verschiedene Bezirke der vor- deren Bauchwand eines 12mm langen menschlichen Embryo dar. S.U. = Sinus urogenitalis (Urachusschlauch). All. = Allantoisgang.

Aa. umb. = Arteriae umbilicals. P. = Peritoneum (Coelom- epithel). 1) Distalwärts im Bereiche der Harnblase weichen die Aa. um-

bilicales auseinander, aus diesen Gefässstücken entstehen die Ligamenta vesico-umbilicalia lateralia.

2 ac

Beitrag zur Kenntniss des Geruchsorgans des Hundes. 385

Beitrag zur Kenntniss des Geruchsorgans des Hundes.

Von

Prof. Dr. Battista Grassi und stud med. A. Castronovo in Catania.!)

Hierzu Tafel XXI.

Wir bedienten uns der schwarzen Reaction Golgi’s zum Studium des Geruchsorgans und erlangten einige gute Resultate, die wir hier kurz mittheilen wollen. Die Stücke werden ungefähr sieben Tage lang in der osmiobichromischen Lösung gelassen und alsdann in eine Lösung von Argentum nitricum überführt; lässt man die Stücke länger als acht Tage in der osmiobichro- mischen Lösung, oder nimmt man sie vor sechs und einem halben Tage heraus, so wird kein gutes Resultat erzielt. Die Reaction gelingt ungefähr einmal unter dreissig Fällen; findet sie statt, so ist sie schon in ein paar Stunden vollendet. Die Stücke müssen schleunigst geschnitten werden, anderenfalls verderben sie, mag man sie nun in der Lösung von Argentum nitricum lassen, oder sie in Alcohol überführen. Die Schnitte müssen mit freier Hand gemacht werden, ohne die Stücke einzubetten, da dieselben sowohl in Paraffin wie in Celloidin, soweit wir bis jetzt ver- sucht haben, verderben. Die Reaction gelingt gewöhnlich nur hier und da, in sehr kleinen Streeken und nur für einzelne Zellen. Die grossen technischen Schwierigkeiten werden durch die grosse Klarheit der Präparate aufgewogen, die wirklich ausser- ordentlich ist. Die Nerven werden intensiv schwarz, ebenso die Riechzellen, deren Kerne jedoch oft farblos bleiben, oder eine Ma- hagonifarbe annehmen.

1) Ein leider recht unvollständiger Auszug dieser Note wurde im April dieses Jahres von Bollettino dell’ Accademia Gioenia in Cata- nia herausgegeben.

386 Prof. Dr. Battista Grassj und stud. med. A. Castronovo:

Die Schnitte der Riechschleimhaut zeigen die Verbindung des Centralfortsatzes der Riechzellen mit den Nervenfäserchen !).

In Figur I sind drei verschiedene Präparate vereinigt?). In einem der drei Präparate (Theil « der Figur) sieht man ein variköses Nervenfäserchen im Bindegewebe der Riechschleimhaut. Dieses Nervenfäserchen) bildet den centralen Fortsatz einer Riech- zelle (in deren peripherischem Fortsatz die Reaction nicht gelungen ist). In demselben Präparate sieht man noch ein anderes Nerven- fäserchen sich gabeln und in ein Nervenfäserchen, das fast horizontal verläuft, und in ein anderes, welches den centralen Fortsatz einer Geruchzelle bildet, sich fortsetzen. Im zweiten Präparat (Theil d5 der Figur) sieht man drei Geruchszellen, in einer derselben ist die Reaction im peripherischen Fortsatze gar nicht und im Centralfortsatze nur unvollkommen gelungen, in den anderen beiden Zellen ist sie dagegen weit besser gelungen, der Centralfortsatz der einen Zelle ist deutlich mit dem Centralfortsatze der anderen Zelle verbunden, sodass eine Figur |_| entsteht, deren Horizontal- linie sich an der Grenze von Epithel und Bindegewebe befindet. Im dritten Präparat (Theil ce der Figur) sieht man Nervenfäser- chen, welche das Epithel erreichen und sich in diesem eine Strecke weit fortsetzen; wie sie endigen, kann man nicht erkennen.

2%

1) Gisoff sagt, Nervenbündel im Zusammenhang mit Riech- zellen gesehen zu haben. (Med. Centralblatt XII, Nr. 44, 1874.) Was die Beobachtungen Lustig’s anbelangt, ist es mir nicht klar geworden, ob er wirklich Verbindungen der Nervenfäserchen mit Riechzellen gesehen. (Lustig, Sulle cellule epiteliali nella regione olfattoria degli embrioni. Atti della R. Accademia delle Scienze di Torino. Vol. XXIII 1888.)

2) In dieser ebenso wie in unseren anderen Figuren sind stets senk- rechte oder fast senkrechte Schnitte zur Darstellung gebracht, das. Bindege- webe der Schleimhaut wurde schematisch leicht schattirt und das Epithel ganz farblos gelassen; die Figuren wurden alle mit 3 Oc. und 8 Ob. Ko- ritska gezeichnet.

3) Wir haben stets, der Einfachheit wegen (sowohl in dieser wie in unseren anderen Figuren), die Nervenfäserchen, der Wahrheit widersprechend, dargestellt, als ob sie in einer Ebene lägen; alle die von uns gesehenen Ner- venfäserchen nehmen niemals einen geraden, sondern stets einen mehr oder minder spiralförmigen Verlauf. Sie zeigen auch stets mehr oder weniger zahlreiche Varikositäten.

Beitrag zur Kenntniss des Geruchsorgans des Hundes. 387 Ausserdem sieht man ein aufsteigendes Nervenfäserchen, welches sich in der Nähe der Grenze zwischen dem Epithel und dem Bindegewebe der Schleimhaut in zwei Nervenfäserchen theilt, die fast horizontal verlaufen; eines derselben biegt sich bald nach oben und wird zum Centralfortsatz einer Geruchszelle (in dem peripherischen Fortsatze dieser Zelle ist die Reaction nicht gelun- gen); am Punkte, wo es in das Epithel eintritt, löst sich ein anderes Nervenfäserchen los.

Den hier abgebildeten ähnliche Präparate wurden öfters von uns erzielt. Aus diesen Präparaten und dem bereits früher Bekannten ist es erlaubt zu folgern, dass die varikösen Nervenfäser- chen der Geruchsnerven in das Bindegewebe der Schleimhaut oder zur Grenze von Epithel und Binde- gewebe angelangt, sich derartig theilen, dass die Zweige einen fast horizontalen Verlauf annehmen; diese horizontalen Zweige wieder andere Zweige abgeben, die in das Epithel hinaufsteigen, um in den Geruchs- zellenzuendigen. EinigeNervenfäserchenkönnendirect zu den Geruchszellen hinaufsteigen, ohne einen hori- zontalen Verlauf zu nehmen. Von Anastomosen findet sich nirgends eine Spur. Um Missverständnisse zu vermei- den, wollen wir bemerken, dass es öfters scheint, als ob zwei durch die Gabelung eines Nervenfäserchens entstandene Aestchen, wenn aufeinander gelegt, ein fast doppelt so dickes Nervenfäser- chen bilden würden wie dasjenige, aus welchem sie hervor- gekommen.

Ob die sogenannten Stützzellen wirklich solche sind, oder ob in denselben Nervenfäserchen endigen, können wir nicht ent- scheiden, wir können nur sagen, dass wir niemals diese Ver- bindungen und auch nicht einmal Uebergangsformen zwischen den Riech- und den Stützzellen gesehen haben. Es ist bemerkens- werth, dass diese Zellen, wie schon bekannt (Brunn im Archiv für Mikrosk. Anatomie XI. 3, 1875), grobe, sicher nicht nervöse flügelartige Fortsätze abgeben, welche, wie wir gesehen haben, sich untereinander verbinden und Maschen bilden können (Fig. VII).

Ä In der Region der mittleren Muschel, die in den von uns untersuchten Hunden (im Alter von 2—3, 4—6 Jahren) noch theilweise knorpelig war, bemerkt man ein besonderes Epithel,

388 Prof. Dr. Battista Grassi und stud. med. A. Castronovo:

welches die Grenze zwischen dem Epithel der Regio olfactoria und dem Epithel der Regio respiratoria bilde. Das Epithel dieser Zone (wir werden sie Grenzzone nennen) ist mehrfach geschichtet und ähnelt nur, was seine Höhe anbetrifft, dem Epithel der Regio olfaetoria, es unterscheidet sich von demselben schon mit blossem Auge durch seine ganz leichte, gelbliche Fär- bung, die auch ganz fehlen kann.

Die Figuren II, III, IV, V und VI sind Copien von senk- ‚rechten Schnitten dieser Grenzzone. In den Figuren II und III ist die Reaction für die Zellen und theilweis auch für die Nerven- fäserchen, in den anderen Figuren dagegen nur für die Nerven- fäserchen gelungen. Was nun den spiralen Verlauf und die Vari- kositäten anbelangt, so correspondiren die Nervenfäserchen mit den weiter oben beschriebenen der Regio olfactoria. Die eylin- drischen Zellen der oberflächlichen Schicht sind von sehr ver- schiedener Höhe, einige weniger hoch, andere mehr und andere sehr hoch. Sie besitzen (ob alle, wagen wir nicht zu behaupten) am Öentralende, welches oft ziemlich zugespitzt ist, eine sehr zarte und variköse Verlängerung, ganz ebenso, wie die der Geruchszellen. In einigen wenigen sieht man deren zwei und manchmal sina auch deren mehrere angedeutet, von denen jedoch nur eine oder zwei die unzweifelhaften Kennzeichen der Nerven- fäserchen haben. In Figur II!) sieht man die Verbindung des Nervenfäserchens, welches den Centralfortsatz der dritten Zelle bildet (hier und weiter unten zählen wir immer von rechts aus) mit dem Nervenfäserchen, welches den Centralfortsatz der vierten Zelle bildet; der Centralfortsatz der fünften Zelle vereinigt sich nach einem eomplieirten Verlauf mit einem sehr langen Nerven- fäserehen, welches schräg gegen die freie Oberfläche des Epithels hinaufsteigt. Die zweite Zelle zeigt ein langes Nervenfäserchen, welches sich mit einem anderen Nervenfäserchen kreuzt. Wir glauben nicht, dass das Nervenfäserchen, welches seitlich zur ersten Zelle geht, daselbst endigt. In der 5., 6. und 7. Zelle der Figur III sieht man den Centralfortsatz sich mit einem horizontalen Nervenfäserchen verbinden. Die Figuren IV—VI stellen, wie sehon gesagt, den Fall dar, in welchem die Reaction

1) In dieser zweiten Figur sind diejenigen Zellen und Nervenfäserchen, welche im Schnitt tiefer sind, leicht schattirt.

Beitrag zur Kenntniss des Geruchsorgans des Hundes. 389

der Verzweigungen der Nervenfäserchen im Epithel sehr gut gelungen ist; sie liegen hauptsächlich im mittleren und im tiefen Theile des Epithels und theilweise auch im Bindegewebe der Schleimhaut (da, wo sie zu sehen waren, haben wir die rothen Körperchen angedeutet, welche den Verlauf der Blutgefässe zeigen).

Wie man leicht ersieht, befindet sich in diesem Grenz- epithel, zwischen dem wirklichen Geruchsepi- thelund dem respiratorischenEpithelein gross- artiger Reiehthum von mehr oder minder vari- kösen (die grösseren weniger varikös) Nervenfäserchen verschiedener Dicke, welehe sieh im tiefen und im mittleren Theil des Epithels stark verzwei- sen; die Verzweigungist derartig, dassziemlich viele Aestcehen fasthorizontal werden. Von den Terminalästcehen steigt ein Theil bis dicht an die Oberfläche des Epithels und ein Theil, wie dee/Eiguren IL wnd IIl zeigen, endigen im den eylindrischen Geruchszellen; dass diejenigen Nerven- fäserchen, welehe fast bis zur Oberfläche des Epithels hinauf- steigen, frei endigen, kann sehr wohl sein, aber bestimmt ist es noch nicht.

Wir bemerken ausdrücklich, dass es sich hier um sehr ecompliecirte Verzweigungen und niemalsum Anastomosenhandelt.

Dass obige Nervenfäserchen aus den Geruchsnerven her- rühren, ist sehr wahrscheinlich, beweisen konnten wir es jedoch noch nicht. Wir können nicht unterlassen darauf aufinerksam zu machen, dass im Zungenepithel, rings um die Geschmacksknospen herum, viele verzweigte Nervenfäserchen gefunden wurden, welche vielleicht mit denjenigen des Epithels der Grenzzone verglichen werden können. Sind die Ergebnisse Lustig’s richtig, so muss man annehmen, dass die in Rede stehende Grenzzone die embryo- nalen Kennzeichen des ganzen Epithels der Regio olfaecetoria beibehalten hat.

Wir schliessen, indem wir noch auf die Gegenwart zahl- reicher, die Schläuche der Bowman’schen Drüsen umspinnenden, varikösen Nervenfäserchen aufmerksam machen.!) Sie wurden

1) In der Grenzregion finden sich diese Drüsen weit spärlicher und im Allgemeinen grösser vor als in der Regio olfactoria.

390 Dr. v. Linstow:

bereits von Gisoff in seiner obenerwähnten vorläufigen Mitthei- lung angedeutet!).

Bezüglich der Erklärung der Figuren verweisen wir auf den Text.

Bemerkungen über Mermis.

Nachtrag zu „Ueber die Eutwicklungsgeschichte und die Anatomie von Gordius tolosanus“ 2).

Von Dr. v. Linstow.

Hierzu Tafel XX1.

Mit Gordius am nächsten verwandt ist wohl das Genus Mer- mis, das gleich der ersteren Gattung als Larve parasitisch und in geschlechtsreifem Zustande frei lebt, theils im süssen Wasser, wie Gordius, theils in der Erde; als Bewohner der letzteren kennen wir Mermis albicans v. Siebold und Mermis nigrescens Dujar- din, im Wasser aber sind gefunden Mermis aquatilis und lacustris, die Dujardin ?) unter dem Genusnamen Filaria anführt (Filaires libres dans les eaux), ferner Mermis explicans Fedtschenko®), eine Art, die in Turkestan im Rohr eines See’s gefunden wurde, Mermis laeinulata Sehneider?), deren Fundort nicht bekannt ist, und drei von mir®) nach Fedtschenko’s Funden aus Turkestan beschriebene Arten, Mermis paludicola, acuminata und rotundata. Allen Arten gemeinsam ist eine oberflächliche, unter der Epider-

1) Cisoff’s ausführliche Arbeit ist meines Wissens nach niemals ver- öffentlicht worden.

2) Dieser Band pag. 248.

3) Historie des Helminthes. Paris 1845. pag. 68.

4) Ber. d. Freunde d. Naturwissensch. X, 2, Moska 1874, pag. 8—10, Taf. XIV, Fig. 16.

5) Monographie d. Nemätoden, Berlin 1866, pag. 178, Taf. XIV, Fig. 5-1.

6) Archiv für Naturgesch. 1883, pag. 300—302, Taf. IX, Fig. 42—44,

Bemerkungen über Mermis. 391

mis liegende Cutieularschicht mit zwei sich in einem gewissen Winkel kreuzenden Fasersystemen, am Kopfe 6 in einem Kreise liegende Papillen, ein derbes Chitinrohr des Oesophagus, das Fehlen des Anus, eine etwa in der Mitte der Körperlänge liegende Vulva beim Weibehen und 2 gleiche Spieula des Männchens, das an der Bauchseite 3 bis 6 parallele Längsreihen von Papillen zeigt, die grösstentheils praeanal stehen; bekannt sind die Männ- chen nur von Mermis albicans, laeinulata und paludicola. Die Larven sind durch ein gekrümmtes Horn am Schwanzende aus- gezeichnet, das an den Schwanzanhang der Sphinx-Raupen er- innert.

Die Reihe der im Wasser lebenden Arten kann ich durch zwei neue vermehren, welche ich in dem Schlamm eines Grabens mit langsam fliessendem Wasser fand, in dem übrigens eine Un- summe von Tubifex rivulorum und verschiedenartiger Mücken- larven, ferner mehrere Schwimmkäfer, Nepa ceinerea und Rana temporaria leben. Die Bewegungen beider Arten sind sehr träge und bestehen nur in Seitenbewegungen ; Anschwellungen und Ver- diekungen des Körpers, wie Tubifex rivulorum sie zeigt, können nicht ausgeführt werden, da Ringmuskeln fehlen. Die Farbe bei- der Arten ist weisslich.

Mermis econtorta

ist sehr langgestreckt und dünn, das Schwanzende ist bei beiden Geschlechtern conisch zugespitzt; bei Berührungen rollt das Thier sich loekenförmig zusammen, etwa wie Trichosoma contortum und andere Nematoden es thun; das kleinste Exemplar, ein Männchen, war 14,8 mm lang, 0,17 mm breit, die Weibchen hatten eine Länge von 24,1mm und 0,23 mm Breite, resp. von 42mm Länge und 0,28 mm Breite und 44,8mm Länge bei 0,26 mm Breite, resp. 49mm Länge und 0,28 mm Breite; die Breite verhält sich also zur Länge wie 1:105 oder 1:161 oder 1:172. Ein Exemplar hatte die Larvenhaut noch nicht abgestreift, denn es zeigte am Schwanz- ende ein kleines, gekrümmtes Horn.

Das Männchen war unreif und weder die Cirren noch die Cloakenöffnung waren entwickelt, aber Längsreihen von Papillen waren am Schwanzende angedeutet, von denen in einer 14 gezählt werden konnten.

392 Dr. v. Linstow:

Am Kopfende steht 0,02 mm vom Scheitel entfernt ein Kranz von 6 Papillen (Fig. 1), je eine in der Rücken- und Bauchlinie, 2 in der Dorsolateral- und 2 in der Ventrolaterallinie; dieht da- hinter, 0,026 mm vom Scheitel, münden in den Laterallinien zwei Chitinrohre (Fig. 1, a), die wahrscheinlich zum Gefässsystem ge- hören; man bemerkt im Niveau der Aussenfläche der Muskeln einen Kreis, aus dessen Centrum ein feines Rohr hervortritt, um die Haut zu durchsetzen.

In der Mittelachse des Oesophagus verläuft ein starkes Chi- tinrohr, das vom Scheitelpunkt bis 0,26 mm entfernt in der Mittel- achse des Körpers liegt und sieh dann nach der Bauchlinie wen- det; die Haut durchsetzt es am Scheitel nicht, die Durchbohrung derselben ist nicht chitinisirt. Der Oesophagus hört, wenn man sich den Körper der Länge nach in 12 gleiche Strecken getheilt denkt, mit dem 5. Zwölftel plötzlich auf, ohne in einen Darm überzugehen. Die Vulva liegt wenig vor der Körpermitte; der dureh sie gebildete vordere Abschnitt verhält sich zum hinteren wie 16:17; die Vagina ist ein 0,36mm langes und 0,049 mm breites, muskulöses Rohr, das bogenförmig nach vorn und der Rückenseite verläuft, um von hier wieder zur Bauchseite zurück- zukehren, wo es sich dann nach vorn und hinten in die beiden Geschlechtsröhren theilt. Die kugelförmigen Eier sind 0,059 mm gross; ihre dünne, hyaline Schale steht weit vom Dotter ab, der im Stadium der ersten Furchung ist.

Die andere Art,

Mermis crassa,

ist viel robuster von Gestalt und das etwas verdickte Schwanz- ende ist nicht zugespitzt, sondern breit abgerundet. Ein noch un- sehäutetes Exemplar zeigte noch das für die parasitischen Larven charakteristische Schwanzhorn (Fig. 2) und eine stark geringelte Haut; alle übrigen Exemplare hatten eine glatte Haut, waren aber geschlechtlich noch nicht entwickelt. Das jüngste Exemplar war 13,2 mm lang und 0,29mm breit, das Horn war 0,039 mm lang und an der Basis 0,013 mm breit; die Maasse von anderen Exem- plaren waren 45 mm Länge und 0,72 mm Breite, 56 mm Länge und 0,76 mm Breite, 59 mm Länge und 0,9 mm Breite; hier ver- hält sich also die Breite zur Länge wie 1:45, 1:62, 1:66, 1:74.

Die gefundenen anatomischen Verhältnisse weichen von

He

Bemerkungen über Mermis. 395

denen bei Mermis albicans und nigrescens, wie Meissner und Schneider sie schildern, so ab, dass ein Vergleich wünschens- werth erscheint.

Die Cutieularbildung besteht aus 4 Schichten, nämlich 1. einer feinen, homogenen Epidermis (Fig. 7 a), 2. einer ober- flächlichen Coriumschicht (b), in denen zwei Fasersysteme sich in einem Winkel von etwa 50 oder 130° kreuzen, 3. einer etwas dickeren Coriumschieht (e), welehe aus Circularfasern besteht, und 4. einer feinen Hypodermis (h). An diese legt sich die Muskulatur (m) und darauf folgen vom Bauchstrang ausstrahlende Nerven- fasern, unter denen eine körnige Schicht liegt (Fig. 4 u. 5, g), welche die inneren Organe einschliesst.

Dujardin!) fand die drei ersten Cutieularschichten bei Mermis nigrescens, ebenso Meissner?) bei Mermis albicans und nigrescens; Balsamo Crivelli?) unterscheidet in ungenügender Weise nur zwei Schichten, während Camerano*) neuerdings bei Mermis albicans die vier bezeichneten Strata beschreibt.

Sechs sehr stark entwickelte Längswülste, von denen einer in der Rücken-, einer in der Bauch-, zwei in den Dorsola- teral- und zwei in den Ventrolaterallinien verlaufen, durchziehen den ganzen Körper der Länge nach und theilen die Muskeln in sechs ungefähr gleiche Felder. Sie sind Vorwulstungen der Hypo- dermis und zeigen sich in der Kopfgegend am stärksten ausge- bildet. Dicht hinter dem Kopfende sind alle sechs einander ziem- lich gleich (Fig. 3); nehmen aber beim weiteren Verlauf eine we- sentlich unter einander verschiedene Gestalt an. Der Dorsalwulst (Fig. 3—7, d) schrumpft sehr bald zusammen und enthält dann zwei Kanäle, welche vielleicht mit dem Gefässsystem in Zusam- menhang stehen; die Dorsolateralen (dl) werden niedrig und sehr breit und schwellen dieht vor dem Schwanzende mächtig an; die ventrolateralen (vl) schwinden bald zu unbedeutenden Strängen, der ventrale (v) bleibt bis zu Ende von mässiger Ausdehnung.

Ganz anders schildern Meissner und Schneider diese Or-

1) Ann. sc. natur., ser. II, vol. XVIII, Paris 1842, pag. 129.

2) Zeitschr. für wissensch. Zoologie, Bd. VII, 1856, pag. 207—284, Taf. XI—XV; Bd. V, 1853, pag. 1—47. Taf. I—-1.

3) Mem. Istit. Lombard, vol. II, 1845.

4) Atti Accad. sc. Torino, vol. XXIV, 1889, pag. 11—17, Fig. 6-10.

394 Dr. v. Linstow:

gane bei Mermis albicans und nigrescens. Nach Meissner!) trennen bei den beiden genannten Arten drei „Zellenschläuche“ die Muskulatur in drei Längsfelder, von denen einer in der Bauch- und zwei in den Laterallinien verlaufen, woselbst jedesmal die Cutis verdickt ist; die Körper werden als Secretionsorgane be- zeichnet; ebenso beschreibt Sehneider?) dieselben bei Mermis nigrescens, welcher die in den Laterallinien gelegenen Wülste Seitenfelder nennt.

Wo diese Wülste eine stärkere Verbreiterung haben, zeigen sie grosse, ovale, granulirte Kerne von regelmässiger Anordnung; oft sind sie strahlenförmig gelagert, wie man auf Querschnitten sieht (Fig. 6, v).

Die Muskulatur zerfällt in sechs ungefähr gleiche Längs- felder, die von Mermis nigrescens und albicans nach Meissner in drei, nach Schneider bei ersterer Art in sechs, aber in an- derer Weise als bei Mermis cerassa, da nach Schneider die Rückenhälfte zwei, die Bauchhälfte vier Abtheilungen zeigt. Man findet nur Längsmuskeln, welche auf Querschnitten eine Quer- streifung zeigen, so dass sie aus Längsfibrillen bestehen; vorn im Körper sehr mächtig, werden die Muskeln nach hinten zu er- heblich dünner.

Das Nervensystem besteht aus einem grossen Gehirn oder Peripharyngeal-Ganglion, das bei Mermis erassa sich in einer Ent- fernung vom Scheitel von 0,39 bis 0,57 mm erstreckt und den Oesophagus einschliesst (Fig. 3, g); vorn verbindet es sich mit dem Bauchwulst und verläuft nun als Bauchnervenstrang längs der ganzen Ausdehnung des Thiers in einer nach der Rückenseite gelegenen Furche des Bauchwulstes (Fig, 4 u.5, n), abwechselnd nach rechts und links im rechten Winkel zum Verlauf des Bauch- stranges starke, Ganglienzellen einschliessende Nervenstämme ent- sendend (Fig. 7), welehe sich in die Muskeln inseriren und über die Lateralwülste hinwegziehen. Meissner beschreibt bei Mermis nigrescens 3) einen Dorsal- und einen Ventralnerven, bei Mermis albicans *) aber einen Dorsal-, zwei seitliche und einen Ventral-

1) 1. c. tom. VII, tab. XI, fig. 1, f, g; tom. V, tab. I, fig. 1,9, 9, 8- 2)/1. oe. tab. RE Ari?

3) 1. c. tom. V, tab. L, fig. 1,i h.

4) 1. c. tom. VI, tab. XI, fig, 1, h, i, k.

Bemerkungen über Mermis. 395

nerven oder N. splanchnieus; Schneider!) dagegen hält die von dem Bauchstrange ausstrahlenden Fasern für Muskel-Marksubstanz. Meissner’s Nerven sind übrigens den ganzen Längswülsten ent- sprechend.

Der Oesophagus verläuft bei Mermis erassa 0,51 mm weit in der Mittelachse des Körpers, vom Gehirn umgeben, und wen- det sich dann dem Bauchwulst zu, wo er vor der Körpermitte plötzlich aufhört, ohne dass ein Darm auf ihn folgte, nach dem man in der hinteren Körperhälfte vergebens sucht (Fig. 5).

Zwischen der Muskulatur, event. der Nervenschicht und den inneren Organen findet man eine hyaline, fein granulirte Sehicht (Fig.3—6, g), die vorn und hinten im Körper, wo auf eine kurze Strecke der Zellkörper fehlt, sehr mächtig ist; in der Gegend der Ventrolateralwülste enthält sie zahlreiche Kerne . (Fig. 4, vl).

Ein Zellkörper, von Meissner Fettkörperschlauch ge- nannt, beginnt bei Mermis crassa 0,6mm vom Kopfende und durchzieht den Körper bis fast zum Schwanzende, die ganze Lei- beshöhle ausfüllend; er besteht aus einer Hüllmembran, die an ihrer Innenwand grosse Kerne zeigt (Fig. 4, e); der Inhalt besteht aus hyalinen Kugeln, die durchschnittlich 0,023 mm gross sind und in ihrem Innern oft eine braune, granulirte Kugel zeigen, die 0,013 mm misst (Fig. 8). Den Namen Fettkörper verdient das Organ nicht, denn die ganzen Kugeln färben sich schwach in Boraxcarmin und lösen sich nicht in Xylol; andererseits aber ent- spricht das Centrum einem Kern im gewöhnlichen Sinne nicht, da es ganz ungefärbt bleibt. Das Organ dürfte, wenn nicht mor- phologisch, so doch physiologisch dem Zellkörper der Gordien gleich zu setzen sein, da es offenbar den Bildungskörper der Ge- schleehtsorgane darstellt; denn je mehr letztere wachsen, um so stärker schwindet dieser; bei Mermis albicans ähnelt der Zell- (Fett-)Körper nach Meissner?) übrigens dem von Gordius sehr auch der Form nach, so dass an einer Gleichwerthigkeit wohl nicht zu zweifeln ist. Fedtschenko?°) deutet den Zell-(Fett-) Körper als Darm, was entschieden unrichtig ist.

1) 1. e. pag. 200 und 231. 2) l. c. tom. VII, tab. XIII, fig. 21. Shnl..c.

396 Dr. v. Linstow: Bemerkungen über Mermis.

Die Geschlechtsanlage besteht aus einem flachen, breiten, sehr kernreichen Bande (Fig. 5, s), das unsymmetrisch an einer Seite des Körpers, Kopf- und Schwanzende ausgenommen, zwi- schen Dorso- und Ventrolateralwulst der Innenseite der Muskulatur anliegt.

Demnach bildet Mermis das Bindeglied zwischen Gordius und den Nematoden; Gordius und Mermis gemeinsam ist das Leben der Larven als Parasiten und im geschlechtsreifen Zustande im Freien, die Ringelung des Körpers bei ganz jungen Larven, das Vorhandensein eines Zellkörpers, besonders entwickelt im unreifen Zustande, der in der Bauchlinie verlaufende Verdauungstract, der ganz vorn in der Mittelachse liegt und hier vom Gehirn um- geben ist, der in der Bauchlinie hinziehende Nervenstamm. Das Fehlen des Anus, früher für beide Genera angenommen, ist bei Gordius nicht bestätigt, denn hier münden beim Männchen die Vasa deferentia in den an dieser ‚Stelle stark erweiterten Darm, während umgekehrt beim Weibchen der Darm in das hinterste Ende des Uterus eintritt,. so dass bei beiden Geschlechtern eine Cloake gebildet wird; ohne Anus sind dagegen wenige Nematoden- Genera, wie Dracuneulus, Ichthyonema, Allantonema, Atractonema, Aproeta und nach Fedtschenko einige Filarien ; die Geschlechts- organe von Mermis erinnern ganz an die der Nematoden. '

Erklärung der Abbildungen auf Tafel XXL. \

Fig. 1. Kopfende von Mermis contorta. a Gefässöffnung.

Fig. 2—8. Mermis crassa. a Epidermis, b gekreuzte Faserschicht des Co- rium, c Circularfaserschicht derselben, h Hypodermis, m Muskeln, & granulirte Schicht, d Dorsal-, dl Dorsolateral-, vl Ventrolateral-, v Ventralwulst; o Oesophagus, n Nerv, g Gehirn, gz Ganglienzelle. 2 Schwanzende mit Horn, 3—6 Querschnitte, 3 am Kopfende, 4 von der vorderen, 5 von der hinteren Körperhälfte, 6 vom Schwanzende, 7 Flächenbild, 8 Zelle des Zellkörpers.

Einige Bemerkungen über sexuelle Elemente b. Spulwurme d. Hundes. 397

Einige Bemerkungen über sexuelle Elemente beim

Spulwurme des Hundes.

v

Von

S. M. Lukjanow.

Hierzu Tafel XXIII u. XXIV.

Die in Sublimat fixirten, in Schnittserien zerlegten und der kombinirten Tinetion unterworfenen Sexualröhrchen der Ascaris des Hundes !) betrachtend, habe ich gewisse morphologische und mikrochemische Eigenthümlichkeiten feststellen können, welche, meines Erachtens, wohl verdienen wenigstens in aller Kürze be- schrieben zu werden. Alle auf die Methodik Bezug nehmenden Einzelheiten will ich hier bei Seite lassen, da dieselben bereits

1) Ich muss es dahingestellt lassen, ob meine Ascaridenart mit der „Ascaris du chien“, die Carnoy (La Cellule, tome III, 1. fascicule; „La eytodierese de l’oeuf“, p. 44) nicht näher bestimmen konnte, und mit der Ascaris marginata, die vor Kurzem Kultschitzky (Archiv f. mikrosk. Anatomie, XXXII. Bd.; „Ueber die Eireifung und die Befruchtungsvorgänge bei Ascaris marginata“) untersucht hat, vollständig identisch war. Mög- licherweise existiren mehrere Varietäten des Hundespulwurmes. Es wird hier nicht überflüssig sein, darauf aufmerksam zu machen, dass von der Ascaris megalocephala, nach Boveri (Jenaische Zeitschrift für Natur- wissenschaft, XXI. Bd., 1887; „Zellen-Studien“), zwei Typen zu unterscheiden sind: Typus Carnoy und Typus van Beneden, die sich nicht so sehr durch makroskopische Merkmale, als durch mikroskopische Eigenthümlichkeiten der Sexualelemente charakterisiren. Was übrigens die zoologische Charakte- ristik des Hundespulwurmes anbetrifft, so sei auf Dujardin, Histoire natu- relle des Helminthes ou vers intestinaux (Paris 1845) verwiesen.

Archiv f, mikrosk, Anatomie. Bd. 34. 26

398 S. M. Lukjanow:

an einem anderen Orte!) von mir berücksichtigt worden sind; ‘- es sei nur bemerkt, dass am häufigsten das Hämatoxylin und das Safranin zur Anwendung kamen.

1. In den tiefsten Abschnitten der Eierstöcke enthalten die sphärischen Kerne der Eizellen regelmässig je ein central gele- Senes Kernkörperehen, welches die Merkmale eines Plasmosomas besitzt; das hämatoxylophile Gerüst ist in diesen Kernen deutlich zu sehen (Fig. 1). Die karyokinetischen Figuren (Knäuel und Sterne) treten, der kleinen Dimensionen ungeachtet, scharf hervor und zwar in ziemlich grosser Anzahl. Die Chromatinsegmente der karyokinetischen Figuren erscheinen nach der oben erwähnten kombinirten Färbung, im Gegensatz zu den ruhenden Kernen, ent- weder hell- oder tiefroth, mit entschiedener Prävalenz des Safra- nins (Fig. 2, a, b, ec) ?).

2. Innerhalb der Ovarien äussern die Eizellen eine zarte, kaum wahrnehmbare, netzartig angeordnete Struetur; in der Fär- bung ist ein deutliches Ueberwiegen von Safranin bemerkbar. Die Form der Zellen ist nahezu sphärisch (eigentlich sind die- selben isodiametrische Polyäder mit Facetten, welche durch die benachbarten Zellen bedingt werden). Paraplasmatische Ein- schlüsse (wie z. B. Nebenkerne ete.) waren nicht nachzuweisen (Fig. 1).

3. Beim Uebergange zu den Eileitern sieht man die kugelige Form der Eizellen immer mehr und mehr der pyramidalen weichen. Die Dimensionen aller Theile nehmen, wenn auch nicht gleich- mässig, zu. Im Zellkörper unterscheidet man eine structurlose Grundsubstanz, welche unter dem Einflusse der Fixirungsmittel ge- rinnt und den Eindruck eines Netzes macht, dessen Stränge ver- schieden stark sind. Auch hier finden wir in den Kernen je ein Plasmosoma und notiren häufig eine auffallend regelmässige Anord- nung der hämatoxylophilen Gerüstelemente (Fig. 3, 4).

1) S.M. Lukjanow, Notizen über das Darmepithel bei Ascaris mystax; Archiv f. mikroskop. Anatomie, 1888.

2) Vgl. hierzu die in meinem Laboratorium ausgeführte Arbeit von A. Kosinski, Ueber verschiedene Färbung der Kerne im Zustande der Ruhe und der Mitose u. s. w.; Wratsch 1888 (russisch).

Einige Bemerkungen über sexuelle Elemente b. Spulwurme d. Hundes. 399

4. Im weiteren Verlaufe des Reifungsprocesses treten im Körper der Eizelle Dotterkügelchen auf, welche in den rundlichen Maschen des protoplasmatischen Netzes liegen; diese Elemente sind bald blassrosa durch das Safranin, bald leicht blauviolett durch das Hämatoxylin tingirt (diese Farbentöne erscheinen übrigens selten rein; sie kommen auch nie so gesättigt vor, wie in den Kernen minder reifer Eizellen). In der La- gerung der Dotterelemente wird keine constante Regelmässig- keit wahrgenommen; doch gruppiren sich dieselben nicht selten überwiegend in den peripherischen Theilen der Zelle. Die Kerne solcher Elemente unterscheiden sich schroff von denjenigen, welche soeben in den tieferen Abschnitten der Sexualröhrehen beschrieben wurden. Diese Kerne erscheinen ausgebuchtet, sternförmig; eine deutlich abgegrenzte Membran ist an ihnen nicht zu constatiren. Die Vorsprünge schliessen sich dicht an die Balken der netz- förmig angeordneten Grundsubstanz des Zellenleibes an. In den Vertiefungen zwischen den Prominenzen des Kernes finden wir Dotterkügelchen, welche, analog dem Verhalten an anderen Stellen, vollkommen regelmässige Contouren besitzen und von einem hellen Saum umgeben sind. In Bezug auf die Grösse kommen die Dot- terelemente den Kernkörperchen nahezu gleich, welch’ letztere in den Kernen des in Rede stehenden Gebietes nicht selten multipel vorkommen. Wegen ihres Verhaltens den Farbstoffen gegenüber müssen diese Kernkörperchen Plasmasomen genannt werden. Sind ihrer zwei, so können sie bald gleich an Grösse, bald verschie- den sein. Sehr oft kommen die Kernkörperehen excentrisch zu liegen. Die Masse, welehe die eigentliche Substanz der Kerne bildet, wird blauviolett gefärbt, und zwar minder intensiv, als in den eigentlichen Ovarien. Ein deutlich aus- geprägtes Gerüst existirt nicht; die Kernsubstanz erscheint fast homogen. Karyokinetische Bilder sind hier nur äusserst selten anzutreffen; wenn wir auch auf dieselben mitunter stossen, so tra- gen sie im Wesentlichen denselben Charakter, wie diejenigen,

welche in tieferen Abschnitten der Sexualröhrchen beobachtet wer- den (Fig. 5, 6, 7).

5. Die Structur der Kerne in den Eizellen bleibt nicht lange in demselben Maasse einfach. Recht viele der sternförmigen Kerne weisen neue Elemente auf, welche für die Bildung der in

Polarkörperchen übergehenden Chromatinelemente von grosser

400 S. M. Lukjanow:

Tragweite sind. Mit Hülfe stärkerer Objective von grösster op- tischer Dignität (Oelapochromat von C. Zeiss, num. Apertur = 1,30, aequiv. Br. = 2,0; Compensationsoculare 4, 8, 18) gelangt man zur Ueberzeugung, dass in der scheinbar gleichartigen Grund- substanz der Kerne, welche den Farbstoffen gegenüber sich ebenso wie früher verhält, jetzt recht kleine dunkelviolette Körnchen auf- treten (Fig. 8). Dieselben können in die Kategorie der feinsten Karyosomen zwanglos eingereiht werden. In Bezug auf ihre Ver- theilung im Kerne lässt sich kaum eine Regelmässigkeit feststellen. Es ist recht interessant, dass diese ‚feinen Karyosomen häufig an klei- nen entweder sich gar nicht färbenden oder nur leicht tingirbaren vaeuolenförmigen Bläschen, welehe ich in anderen Kernen unter dem Namen von Hyalosomen beschrieben habe !), fixirt gefunden werden (Fig. 9). Mitunter verbinden sich diese eigenthümlichen Systeme unter einander zu mehr complieirten (Fig. 10, 11). Die Zahl der Körnchen ist einer gewissen Gesetzmässigkeit unterworfen. Am häufigsten war ich in der Lage 8 Paar hämatoxylophile Körnehen, welehe mit Hyalosomen verbunden waren, zu unter- scheiden. Recht oft befindet sich ein Körnchen in unmittelbarem Zusammenhange mit einem verhältnissmässig grossen centralen oder excentrischen Plasmosoma (Fig. 8, 11). Karyokinetische Figuren vom gewöhnlichen Typus werden in entsprechenden Ab- schnitten der Sexualröhrchen nicht gefunden.

6. In denjenigen Theilen des Eileiters, welche der Gebär- mutter noch näher liegen, nehmen die Eizellen von Neuem eine mehr oder minder sphärische Gestalt an. Der Zellenkörper erscheint sowohl rücksichtlich seiner Zusammensetzung, als auch seiner Färbbarkeit demjenigen der tiefer liegenden Partien ungefähr sleich. An den Kernen der Eizellen lassen sich aber wiederum Veränderungen nachweisen. Wenn wir das Schicksal derjenigen kleinen Karyosomen verfolgen, welche, dem bereits oben Ange- führten gemäss, zu einer bestimmten Zeit in den Kernen der Eizellen auftreten, so können wir constatiren, dass diese Chro- matinelemente an Grösse zunehmen, während die sie meisten-

1) Was die nähere Präcisirung der Bezeichnungen: Plasmosoma, Ka- ryosoma und Hyalosoma betrifft, so verweise ich auf meine Beiträge zur Morphologie der Zelle (Archiv von Du Bois-Reymond, 1887; Archiv f£. mikrosk. Anatomie, 1887).

Einige Bemerkungen über sexuelle Elemente b. Spulwurme d. Hundes. 401

theils zu Paaren verbindenden Hyalosomen verschwinden. Die Grundsubstanz des Kernes bleibt wie früher durch Häma- toxylin blass gefärbt und bietet keine deutliche Struetur. Ich konnte mich zu wiederholten Malen überzeugen, dass die Zahl der hämatoxylophilen Paare sich bis auf 8 belief. Es ist auffal- lend, dass beide Glieder jedes Paares sowohl bezüglich ihrer äusseren Gestalt, als auch ihres Verhaltens dem Hämatoxylin ge- genüber ungemein an die Kerne der Spermatozoen erinnern, von welchen weiter unten die Rede sein wird. Meistens ist das eine Glied des Paares grösser als das andere. Beim Durchmustern dieser Paare in verschiedener relativer Lage, habe ich die sie zusammensetzenden Einzelglieder immer kugelförmig gefunden (Fig. 12).

7. Die Bildung der Polarkörperchen fällt mit dem Eindrin- gen des Spermatozoiden in die Eizelle zusammen. An den Prä- paraten, welche mittels kombinirter Tinction behandelt wurden, sieht man die Kappe der Samenzelle gierig das Safranin aufneh- men, während das kleine, für gewöhnlich mit dem Kerne identifi- eirte Gebilde sich ebenso stark mit Hämatoxylin färbt. Das letzt- genannte Element erscheint bisweilen einfach, structurlos, homo- gen; doch bei weitem am häufigsten gelingt es beim eingehenderen Betrachten der Spermatozoiden, welche in die Eizellen eingedrun- gen sind, wahrzunehmen, dass dasselbe aus zwei nahezu sphärischen, dicht aneinander stossenden Theilen besteht. In der Regel ist der eine von denselben ein wenig grösser, als der andere (Fig.13, 44). Es kam mir mitunter vor, dass beide Theile des besprochenen Ele- ments in eine gemeinschaftliche ausserordentlich zarte, den beiden Gliedern fest anliegende Kapsel eingeschlossen waren. Man könnte demgemäss die hämatoxylophilen Elemente am passendsten mit den Kernkörperchen, und zwar mit den Karyosomen, verglei- chen.

8. In jede Eizelle pflegt nur ein”Spermatozoid Jeinzudringen. Das Verhalten des letzteren den Tinetionsmitteln gegenüber wird dabei etwas geändert, aber nur unbedeutend (Fig. 15). Bald er- leidet das Spermatozoid eine eigenartige Desintegration. Das Käppehen rundet sich ab, statt der Form eines Hornes nimmt dasselbe diejenige eines /mehr oder weniger "sphärischen Körpers an und trennt sich von den übrigen Theilen der Samenzelle ab. Es kommt im Leibe der Eizelle entweder frei zu liegen, oder von

402 S. M. Lukjanow:

geringer Menge eigenthümlicher Substanz, sichtlich protoplasma- tischen Charakters, umgeben (Fig. 16). Der Kern mit den anlie- senden Theilen des Spermatozoid-Protoplasmas befindet sich nun im Centrum der Eizelle, wobei es sich nicht selten erweist, dass beide Chromatinglieder nicht Sphären, sondern gekrümmte Stäb- chen sind (Fig. 16, 17). Die Kapsel, in welche beide Glieder ein- geschlossen sind, erscheint wie aufgebläht, so dass man den Ein- druck eines hohlen Kernes mit zwei Chromatinelementen erhält. Die Desintegration des Spermatozoiden erfolgt indessen nicht immer nach dem soeben geschilderten Typus. Ich habe Fälle notirt, in denen das Käppchen bereits in der Substanz der Samen- zelle verkleinert (Fig. 18), aber auch solche, wo dasselbe in zwei (oder auch mehrere) safranophile Kügelchen von ungleicher Grösse zerfallen war (Fig. 19). Aeusserst selten bin ich auf Spermatozoiden gestossen, welche in allen Theilen, mit Ausnahme zweier Kern- glieder, mit Vacuolen erfüllt waren. In den bezüglichen Eizellen zeigen auch die weiblichen Kerne einige Abweichungen von der Norm, so dass man die erwähnte Erscheinung wohl als patholo- gische auffassen kann (Fig. 20).

9. Bevor ich über weitere Veränderungen in den Eizellen sprechen werde, muss noch einem Umstande Aufmerksamkeit geschenkt werden. Um die Zeit, zu welcher der Kern der Eizelle sich zur Ausscheidung der Polarkörperchen anschiekt, bemerkt man im Zellenleibe das Auftauchen kleiner Körnchen, mit denen das netzartige, durch Hämatoxylin leicht tingirte Stroma wie be- säet erscheint. Diese kleinen Körnchen absorbiren gierig Safra- nin, weshalb sie ausserordentlich leicht von den viel grösseren Dotterkügelchen, welche sich blass mit Hämatoxylin oder Safranin färben und in den Maschen des genannten Netzes liegen, unter- schieden werden können (Fig. 14, 15). In manchen Eizellen, zur Zeit der späteren Phasen ihrer Entwickelung, treten die Dotter- kügelchen gar nicht hervor, während die kleinen safranophilen Körnchen recht lange erhalten bleiben. Ihre ‚relative Menge ist sehr verschieden: je kleiner sie sind, um so grösser ist ihre An- zahl. Das eine Mal finden wir dieselben ziemlich gleichmässig im Zellenkörper vertheilt, welcher keine grossen Maschen aufweist; ein anderes Mal erweisen sich dieselben im engen Zusammenhange mit der Grundsubstanz, die in Form eines weitmaschigen mit Hämatoxylin graubläulich tingirten Netzes erscheint.

Einige Bemerkungen über sexuelle Elemente b. Spulwurme d. Hundes. 403

10. Vor dem Auftreten des ersten Polarkörperchens rückt der Kern der Eizelle an ihre Peripherie (Fig. 21, 15). Es kom- men indessen auch Fälle vor, wo wir an der Peripherie der Ei- zelle den Kern im minder reifen Zustande antreffen, als derjenige, welcher sub 6 beschrieben wurde: statt 8 Paar hämatoxylophile Glieder, begegnen wir hier und da den mit Hyalosomen verbun- denen Karyosomen (v. sub 5). Von grossem Interesse scheint mir die Frage zu sein, ob die einzelnen Paare beim Fortrücken des Keimbläschens vom Centrum nach der Peripherie der Eizelle ihren inneren Zusammenhang behalten. Auf Grund meiner Beobachtungen vermuthe ich, dass dieser Zusammenhang nicht immer bewahrt wird. Wie es auch sei, von den 16 Chromatinelementen, aus wel- chen der Kern der Eizelle zusammengesetzt ist und welche paar- weise zu 3 Doppelgliedern verbunden erscheinen, wird die Hälfte zur Bildung des ersten Polarkörperchens verbraucht (Fig. 22). Bei Formirung des anderen Polarkörperchens wird die Hälfte der zurückgebliebenen Elemente eingebüsst, so dass man in der Eizelle schliesslich nur 4 Chromatinkügelchen vorfindet, welche ziemlich verschiedenartig gegen einander plaecirt sind (Fig. 23). Ich bin bis jetzt nicht in der Lage, das oben Gesagte mit neuen wesent- lichen morphologischen Details zu ergänzen, mit um so grösserem Nachdruck muss ich aber darauf hinweisen, dass im ganzen Ent- wickelungsgange der Polarkörperchen die Chromatinelemente die Eigenschaft sich mit Hämatoxylin zu färben neben dem negativen Verhalten dem Safranin gegenüber bewahren. Dieser Umstand unterscheidet den in Rede stehenden Process scharf von der Karyokinese, von der ich oben, gelegentlich der Schilderung der Kerne in den Eizellen der Ovarien, gesprochen habe. Es liegt auf der Hand, dass wir auch seitens der Morphologie hier grosse Un- terschiede haben. Ich kann nicht umhin, noch auf eine Frage hin- zuweisen: ist bei der Bildung der Polarkörperchen die Zahl der von der Eizelle eingebüssten Chromatinelemente derjenigen der darin bleibenden stets gleich? Auf manche seltene Beobachtungen gestützt (Fig. 24), bin ich zum Schluss gelangt, dass es zur Zeit noch verfrüht wäre, die angeführte Frage absolut bejahend zu be- antworten.

11. Der männliche und der weibliche Pronucleus erscheinen bei Application der zusammengesetzten Färbungsmethode, ebenso wie beim Gebrauch minder complieirter Tinctionen (Fig. 25),

404 S. M. Lukjanow:

einander fast völlig gleich. Man darf indessen nicht unbe- achtet lassen, dass für gewöhnlich ein Pronueleus grösser als der _ andere erscheint. Das Gerüst der Pronuclei tritt sehr undeutlich hervor. An den „Knotenpunkten“ der dünnen Chromatinfäden werden zuweilen sehr feine, etwas intensiver tingirte Körnchen beobachtet. Die Kernmembran ist ebenfalls undeutlich zu sehen. Ab und zu ist man in der Lage sich zu überzeugen, dass die Fäden des Gerüstes mit kleinen Körnchen der Chromatinsubstanz in der Membran endigen. Wir entdecken in den Pronucelei central oder excentrisch gelegene Kernkörperchen, welche bei unserer zu- sammengesetzten Tinction nicht selten eine Mischfärbung zeigen. Sind die Vorkerne verschieden gross, so besitzen auch die Kern- körperchen ungleiche Dimensionen; in den grösseren Nucleolen bin ich oft auf Andeutungen einer inneren Structur uud zwar in Form einfacher oder Doppel-Vacuolen gestossen (Fig. 26). Nur selten beherbergt der eine Pronucleus zwei Kernkörperchen, wäh- rend der andere nur ein einziges besitzt. Wie aber auch diese Data dürftig sein mögen, sie reichen immerhin aus, um die absolute morphologische Identität des männlichen und des weiblichen Pro- nucleus in Zweifel zu ziehen.

12. Für die Klarstellung der Art und Weise, wie sich der Pronueleus bildet, ist der Umstand von gewissem Belang, dass das Kernkörperchen der Eizelle zur Zeit des Auftretens der Polarkör- perchen ungemein klein und in seiner Beziehung zu den Farbstoffen manchmal etwas geändert erscheint (Fig. 12, 15). Mitunter ist es ganz unmöglich, dasselbe zwischen den 16 hämatoxylophilen Elementen ausfindig zu machen. Beim Betrachten der aus je 4 blauvioletten Elementen zusammengesetzten Complexe, welche zur Bildung der weiblichen Pronuclei dienen, habe ich nicht die mindeste Spur jener von Safranin hell tingirten Plasmosomen gefunden, welche bei Untersuehung der unbefruchteten Eizellen so grell in die Augen fallen.

13. Auch die karyokinetischen Metamorphosen der Pronuelei zeigen gleichfalls beachtenswerthe Eigenthümlichkeiten. Die Chro- matinschleifen färben sich im Gegensatz zu den Befunden bei den Polarkörperchen vorwiegend mit Safranin. Jedes Segment bietet eine v-ähnliche Form dar; ausserdem bemerken wir, dass eine jede Schleife aus einer Reihe kleiner rosenkranzartig angeordneter Körner zusammengesetzt ist (Fig. 28). Aus dieser Schilderung

Einige Bemerkungen über sexuelle Elemente b. Spulwurme d. Hundes. 405

geht hervor, dass die karyokinetische Metamorphose, welche von den Eizellen in der nächsten Zeit nach der Befruchtung durchge- macht wird, nur in Rücksicht auf das Verhalten den Färbemitteln gegenüber mit der in den Eierstöcken beobachteten vollkommen übereinstimmt: die Rosenkranzform der Chromatinschleifen, die als ein morphologisches Unterscheidungsmerkmal dienen kann, ist wohl nicht artifieiellen Ursprungs, da wir in einem und demselben Präparate in den Ovarien ununterbrochene Fäden vorfinden. Auch sehen wir, dass der karyokinetische Process sowohl im Gebiete des Eierstockes, als auch in dem des Uterus ziemlich wesentlich von den Vorgängen bei der Polarkörperchenbildung abweicht.

14. Die Blastomeren besitzen Kerne, welche den Pronuclei ähnlich sind. Nur in einer Hinsicht lässt sich vielleicht ein Un- terschied annehmen: die Nucleolen der bezüglichen Kerne tragen entschieden den Charakter der Plasmosomen zur Schau (Fig. 29). Die karyokinetischen Vorgänge, welche in diesen Kernen beob- achtet werden, stimmen in Bezug auf ihre Farbenreaction mehr oder weniger mit denjenigen überein, welche soeben Erwähnung fanden. Die dabei ins Spiel kommenden Chromatinelemente sind ungemein klein; ihre Zahl festzustellen ist recht schwer (Fig. 30).

15. Indem ich mich auf die Wiedergabe des factischen Ma- terials beschränke, will ich am Sehlusse nur der Hoffnung Raum geben, dass die systematische Anwendung der kombinirten Tinc- tionsmethoden mit der Zeit es uns möglich machen wird, sowohl die Analogien, als auch die Unterschiede zwischen denjenigen Processen zu erklären, welche sich in den sexuellen Elementen theils bei der Reifung, theils bei der Befruchtung abspielen und welche heutzutage, vielleicht übereilig, zusammengeworfen werden. Um das Gesagte zu erläutern, sei nur auf Vorgänge bei Bildung der Polarkörperchen hingewiesen. Entbehrt denn thatsächlich jeder Bedeutung das hier zu constatirende Ueberwiegen des Hämatoxy- lins, während ja beim regelrechten karyokinetischen Processe, den wir in den Eierstöcken ete. beobachten können, die Chromatin- elemente sich vorwiegend mit Safranin färben? Ist es denn nicht interessant, dass vom befruchtenden Spermatozoiden die Eizelle nur die hämatoxylophilen Elemente seines Kernes zur Ausbildung des männlichen Pronucleus empfängt? Die Absicht, die Zahl der-

406 S. M. Lukjanow:

gleichen Fragen zu vergrössern, liegt mir fern, denn es ist viel leichter sie zu formuliren, als befriedigend zu beantworten; ich glaube indessen, dass das Klarlegen sowohl der specifischen Struc- tur der sexuellen Elemente, als auch derjenigen der Zelle im All- gemeinen zur Berücksichtigung derartiger Fragen immer mehr und mehr auffordert.

Erklärung der Abbildungen auf Tafel XXIII u. XXIV.

Alle Abbildungen sind mit Hülfe des Abbe’schen Zeichenapparats bei Anwendung der apochromatischen Oelimmersionslinse von Zeiss (num, Ap.—=1,30; aequiv. Br. = 2,0) und des Compensationsoculars 8 (Vergr. 1000) angefertigt worden. Die rothen Töne entsprechen der Safraninfärbung, die graublauen und dunkelvioletten der Hämatoxylinfärbung, die gelben der der Aurantia, die dunkel bronzebraunen der Hämatoxylin-Aurantia Mischfärbung. Um Raumersparniss zu erzielen, sind vielfach nur einzelne Theile der Zellen in den Abbildungen wiedergegeben worden. Auch sind in einigen Abbil- dungen die Details der Structur der Zellenleiber nur stellenweise einge- zeichnet.

Tafel XXIH.

Fig. 1. Querschnitt durch den Ovarialtheil des Sexualrohres des Hundespul- wurmes.

Fig. 2, a, b, c. Im Karyokinese begriffene Eizellen aus dem Ovarium.

Fig. 3 und 4. Kleine pyramidenförmige Eizellen; in den Kernen sieht man je ein Plasmosoma; die hämatoxylophilen Gerüstelemente sind sehr regelmässig angeordnet.

Fig. 5 und 6. Grössere pyramidenförmige Eizellen mit ausgebuchteten und sternförmigen Kernen; in einem Kerne ein Plasmosoma, im ande- ren zwei.

Fig. 7. In Karyokinese begriffener Kern einer pyramidenförmigen Eizelle.

Fig. 8. Sternförmiger Kern einer Eizelle mit grossem ovoidem Plasmosoma und mehreren kleinen Karyosomen.

Einige

Fig.

Fig.

Fig.

Fig.

Fig.

Fig.

Fig.

Fig.

Fig.

Fig.

Fig. Fig. Fig.

Fig.

Fig.

Fig.

9

10.

il.

15.

16,

20.

21.

22.

Bemerkungen über sexuelle Elemente b. Spulwurme d. Hundes. 407

Ausgebuchteter Kern mit Plasmosoma, einigen Karyosomen und An- dentungen von Bläschen.

Ausgebuchteter Kern einer Eizelle; neben dem Plasmosoma an voll- ständig deutliche Hyalosomen gebundene Karyosomen. Ausgebuchteter Kern einer. Eizelle; Plasmosoma darin excentrisch gelegen; feine hämatoxylophile Körnchen, ebenfalls an Bläschen ge- bunden und complicirte Systeme bildend.

. Der Kern der Eizelle zur Zeit des Eindringens des Spermatozoiden.

8 hämatoxylophile Körner-Paare; das Plasmosoma ist kleiner als in früheren Stadien, ihre Färbung auch etwas modificirt.

Ein reifes Spermatozoid.

. a ein in eine Eizelle eingedrungenes Spermatozoid; der Kern des

letzteren besteht aus zwei hämatoxylophilen Elementen. b der Kern der Eizelle, sich zur Polarkörperchenbildung anschickend.

Eine Eizelle. a = Spermatozoid; sein Verhalten den Farbstoffen gegenüber ist etwas verändert; b = Kern der Eizelle mit 16 hä- matoxylophilen Chromatinelementen und einem verkümmerten Plas- mosoma.

17, 18 und 19. Verschiedene Formen der Desintegration des Sper- matozoiden in der Eizelle.

a ein Spermatozoid in der Eizelle, das mit Vacuolen erfüllt ist. b der Kern der betreffenden Eizelle mit einigen Abweichungen von der Norm.

Tafel XXIV.

Ein Theil der Eizelle mit nach der Peripherie gerücktem Kerne, in welchem der Zusammenhang der Doppelglieder zum Theil aufge- löst ist.

Die Bildung des ersten Polarkörperchens.

23 und 24. Die Bildung des zweiten Polarkörperchens.

25.

26.

28.

Eine Eizelle mit den beiden Vorkernen und der Kappe des Sper- matozoiden.

Ein Theil einer Eizelle mit den zwei Vorkernen, die je ein Kern-

körperchen enthalten; das eine Kernkörperchen ist grösser als das andere und enthält Vacuolen.

. Ein Theil einer Eizelle mit zwei Pronuclei; der eine enthält zwei

Nucleolen, der andere einen.

Eine befruchtete Eizelle; darin eine karyokinetische Figur, deren

408 B. Solger:

safranophile Schleifen aus rosenkranzförmig angeordneten Körnern bestehen.

Fig. 29. Zwei Blastomeren mit je einem Kerne.

Fig. 30. Ein Theil einer Furchungskugel mit im Mitose begriffenem Kerne.

Ueber pericelluläre und intercelluläre Ablagerungen im Hyalinknorpel.

Von

Dr. B. Solger,

ao. Prof. und erstem Proseetor am anat. Institut zu Greifswald.

Hierzu Tafel XXV.

Der eigenthümliche Befund in den Knorpelhöhlen und wei- terhin in der nächsten Umgebung derselben, über den ich in den folgenden Blättern zunächst berichten möchte, schliesst sich am engsten an Neumann’s „pericelluläre Substanz‘ an, wie er sie vor Jahren in seiner zweiten, in diesem Archiv!) ver- öffentlichten Mittheilung über den Gegenstand und zwar von einem Enchondrom geschildert hat. Ich hebe ausdrücklich hervor, dass ich der in einer früheren Arbeit?) formulirten Vorstellung dessel- ben Autors, die pericelluläre Substanz stelle einen normalen Be-

1) Neumann, E., Die Jodreaction der Knorpel- und Chordazellen, Archiv f. mikr. Anat. Bd. 14, S. 54—59, 1 Taf. (1877).

2) Neumann, E., Bemerkungen über das Knorpelgewebe und den Össificationsprocess, Archiv f. Heilkunde, Bd. XI, S. 414—424, 3 Fig.

Ueber pericelluläre und intercelluläre Ablagerungen im Hyalinknorpel. 409

standtheil des ausgebildeten Knorpels dar!), nicht beitreten kann.

Den von mir angestellten Untersuchungen lag fast ausschliess- lich die knorpelige Nasenscheidewand des Hammels zu Grunde. Leider ist das Objeet, an welchem ich zuerst die demnächst vor- zutragenden Beobachtungen machte (allerdings an Hunderten vou Schnitten), bisher auch das einzige geblieben, trotz meiner Be- mühungen, weiteres thierisches Material zu erhalten, das zur Fort- führung der Untersuchung geeignet gewesen wäre. Doch kann ich wenigstens noch eine Beobachtung am menschlichen Rippen- knorpel eines 19jährigen Individuums hinzufügen, welche sich dem am thierischen Organismus Gefundenen ungezwungen anreiht.

Beobachtungen am thierischen Material.

Das knorpelige Septum narium eines Schafes war ganz frisch in 0,2 °/ige Chromsäure gelegt worden. Nach 24 Stunden wurde das Gewebsstück gut ausgewässert, kam dann in 70 °/,igen, hier- auf in 96 °/,igen Alcohol und wurde schliesslich in 70 %/sigem Al- cohol aufbewahrt. Da die Conservirung des gesammten Materials in der angegebenen Weise erfolgt war, ehe ich von den eigen- thümlichen Ablagerungen im Bereich der Knorpelzellen und inner- halb der Intercellularsubstanz Kenntniss hatte, war leider die Prüfung derselben mit gewissen Reagentien, die sich darboten (mit Jodlösung z. B.), ausgeschlossen oder versprach doch nur un- vollkommene Ergebnisse. Bei manchen andern Substanzen aber (Ale. absol., Aether, Salzsäure, Kalilauge) und ebenso bei der Wahl der Farbstoffe und der Aufhellungsmittel trat dieser Umstand dem Untersucher kaum hinderlich in den Weg, und so konnte denn auch die Nachbehandlung der Schnitte mit den soeben angeführten Mitteln in der mannigfachsten Weise variirt werden.

An ungefärbten, nicht zu dünnen Schnitten durch das knor- pelige Septum, die mit schwächern Systemen (Zeiss A) bei auf- fallendem Lichte untersucht werden, unterscheidet man drei Zonen,

1) In seiner ersten Mittheilung (1870) spricht Neumann von einer dreifachen Gliederung, welche die ursprünglich homogene Grundsubstanz im Verlauf ihrer Entwicklung erleide, nämlich in den hyalinen Saum der Peri- cellularsubstanz, sodann in die sie umfassende glänzende Kapselsubstanz und endlich in die Intercellularsubstanz (Archiv f. Heilkunde, Bd. XI, S. 416).

410 B. Solger:

ein breites, centrales, opak erscheinendes Gebiet, das auf beiden Seiten zunächst von zwei schmalen, glasartig durchsichtigen Streifen eingefasst wird; auf letztere folgen dann die gleichfalls schmalen und opaken subperichondralen Zonen, welche ohne scharfe Grenze in die Knorpelhaut übergehen. Die zwischen dem centralen Ge- biet und den subperichondralen Zonen eingeschobene, interme- diäre Schicht, wie ich sie im Anschluss an eine im ähnlichen Sinne gebrauchte Bezeichnung Rheiner’s nennen will, interessirt uns in erster Linie, denn nur in ihrem Bereiche kommen die peri- cellulären Ablagerungen vor, um welche es sich hier vor Allem handelt. Die beiden andern Schichten, die centrale und die beiden subperichondralen, werden erst später für uns in Betracht kommen.

Der Peripherie weitaus der meisten Zellen, welche in der intermediären Lage sich finden, liegt eine Masse an, die durch eine Anzahl von Merkmalen von dem Zellkörper selbst, aber ebenso auch von dem Kern !) sich unterscheidet. Diese den Zellen anliegenden Massen zeigen nun aber auch unter sich nicht ° überall völlig das gleiche Verhalten. Es lässt sich vielmehr, wenn man von der peripheren Grenze dieser Zone zur centralen fort- schreitend das betreffende Material mustert, an geeigneten Stellen eine zusammenhängende genetische Reihe herstellen, deren jüngste Glieder mit dem peripheren, deren älteste mit dem centralen Abschnitt jener Zone zusammenfallen. Die Wandlungen, welche die ganze Enwicklungsreihe characterisiren, lassen sich am Besten an der Hand der beigegebenen Fig. 1, Taf. XXV schildern. Man braucht nicht lange zu suchen, um auf Schnitten Dutzende von Zellreihen zu finden, die in allen wesentlichen Stücken mit der in Fig. 1 getreu wiedergegebenen Gruppe übereinstimmen. Die abgebildeten neun Knorpelzellen (resp. Knorpelhöhlen) der intermediären Zone waren, wie schon aus der characteristischen Form der Zellen hervorgeht, in der Weise im Septum orientirt, dass « der perichondralen, ı der centralen Zone benachbart war; die Richtung der freien Fläche der subperichondralen Zone und

1) Gemeinsam mit dem Kern ist ihr nur der beträchtliche Glanz, der an ungefärbten, in Wasser bei schwächeren Vergrösserungen untersuchten Schnitten sowohl der pericellulären Substanz, als auch dem homogen erschei- nenden Zellkern eigen ist.

Ueber pericelluläre und intercelluläre Ablagerungen im Hyalinknorpel. 411

somit des knorpeligen Septums überhaupt verläuft der Längs- axe der Zelle « parallel. Gegen die centrale Zone hin treten an Stelle der senkreeht zur Richtung der Oberfläche abgeplatteten Zellen allmählich elliptische oder kugelige Elemente, die häufig durch ihre Lagerung und ihre übereinstimmende Form als Glieder einer Generation sich erweisen. Gruppen von vier nahe bei- sammenstehenden, durch Theilung einer Mutterzelle hervorgegan- genen Tochterzellen (Fig. 2) sind hier ein häufiges Vorkommniss.

Mit der allmählichen Umwandlung der Form geht eine Aen- derung des optischen Verhaltens des Zellkörpers einher, wie namentlich nach Einwirkung gewisser Farbstoffe (Kernschwarz z. B.) klar zu sehen ist. Die mit ß, y, d, & bezeichneten Elemente besitzen einen dunkelkörnigen Leib, während derselbe bei den Zellen Z und ı hell und nur von einigen derberen Strängen durch- zogen ist und manchmal sogar vacuolisirt erscheint. Der Kern der mehr centralwärts gelegenen Zellen ist von unregelmässiger Gestalt und seine Ecken verlängern sich manchmal in spitze Fort- sätze. Ich beschreibe diese Form- und Structurverhältnisse, so wie sie eben in dem Objeete sich darboten; Fixirung in dem Flemming’schen Chromosmiumessigsäure-Gemisch hätte unzwei- felhaft die Zellkörper- und Zellkernstructuren besser fixirt. Manche der Knorpelhöhlen beherbergen ausser dem in Kernschwarz grau gewordenen Zellenleib. noch eine fast homogene lichtere Masse von mattem Glanze, die durch eine feine Spalte von ihm getrennt ist, während sie der Wandung der Höhle eng anzuliegen pflegt (Zelle 8, y, 6). Diese Inhaltsmasse der Knorpelhöhle liegt bald auf der perichondralen, bald auf der centralen Seite der Zelle. Die Knorpelzelle und weiterhin die Knorpelhöhle wird nun aber noch von einer zweiten Art von Ablagerung flankirt, die nach meinen bisherigen Erfahrungen fast ausnahmlos cen- tralwärts von der betreffenden Knorpelzelle liegen und durch manche Eigenthümlichkeiten von der vorigen Substanz !) sich unter- scheiden. Schon die Form dieser zweiten Ablagerung ist höchst characteristisch, sie sind stets sichel- oder halbmondförmig ge- staltet (Zelle y„—n) und in der Einzahl oder noch häufiger in der Mehrzahl dem centralen Pol einer Zelle angeschlossen. Zwei,

1) Beide erweisen sich übrigens bei Untersuchung im polarisirten Lichte als einfach brechend.

412 R. Solger:

drei, selbst fünf (Fig. 3) solcher Sicheln sah ich, kurze Zwischen- räume zwischen sich lassend, neben einander gruppirt. Sie nehmen dabei stets an Grösse ab und verlieren gleichzeitig an scharfer Begrenzung, so dass das letzte Glied dieser Reihe manchmal nur von einigen blassen Körnchen repräsentirt wird. Der erste und zugleich grösste Halbmond ist gegen den Zellkörper hin stets scharf begrenzt; er ist in die Wandung der Knorpelhöhle gleich- sam eingesprengt und bleibt an Ort und Stelle, wenn die Zelle herausfällt, während die auf sie folgenden Sicheln rings von Intercellularsubstanz umgeben sind. Gewöhnlich ist sein concaver, freier Rand eingekerbt, und diese Einkerbungen stehen offenbar in irgend welchen Beziehungen zu den dunklen Schatten, die quer über die Gebilde verlaufen. So entsteht der Eindruck einer Glie- derung oder einer Zusammensetzung aus Stäbchen. In Kern- schwarz, das allerdings nur wenige Minuten eingewirkt hatte, bleiben die Sicheln ungefärbt, allein sie heben sich durch ihren natürlichen Glanz (bei schwächeren Vergrösserungen auch durch einen leicht gelblichen Farbenton), wenn man dem Präparat nur Wasser, verdünntes oder reines Glycerin zugesetzt hatte, ungemein scharf (wenigstens die grösseren, der Zelle näher belegenen) von ihrer Umgebung ab; an Dauerpräparaten in reinem Glycerin er- hielten sie sich seit drei Vierteljahren unverändert.

Ebensowenig als mit Kernschwarz gelingt ihre Färbung mit saurem Hämatoxylin (nur die Intercellularsubstanz wurde etwas tingirt) oder den verschiedenen Karminlösungen (Alauncarmin, carminsaurem Natron, ammoniakalischem Carmin), wohl aber mit Methylgrün und mit Eosin. In wasserlöslichem Methylgrün, das ich von Trommsdorf in Erfurt bezogen hatte, nehmen sie ebenso wie der Kern eine blaugrüne Färbung an; in wasserlöslichem Eosin wurden sie intensiv ziegelroth, während die Grundsubstanz nur ganz blassrosa erschien. Eosinpräparate mit ihrer Farben- differenzirung zu conserviren, versuchte ich mit Erfolg, wenn ich nach raschem Abspülen in Aqu. destill. die Präparate in gesät- tigter Alaunlösung auswusch und auch dem Glycerin einige Alaun- körnchen beifügte. Ueberhaupt kann ich, nach meinen bisherigen Erfahrungen, nur das Glycerin als Einschlussmittel für Dauerpräparate der Sicheln empfehlen. In Rieinusöl, in Nelken- oder Bergambottöl, in Terpentinöl werden sie zu hell, und schliesst man gar in Balsam oder Harz ein, so verschwinden sie beinahe ganz. Doch lösen sie

Ueber pericelluläre und intercelluläre Ablagerungen im Hyalinknorpel. 413

sich dabei nicht, denn man kann durch Verdrängen des Balsams und des Oels ihr früberes Aussehen wieder herstellen, denn in Alcohol absolutus halten sie sich. Ebenso beständig als in Alcohol sind sie in Aether und in Wasser. Osmium schwärzt sie nicht, während die Fetttröpfehen innerhalb der Knorpelzellen trotz der Vorbehandlung noch die characteristische Reaction lieferten, in 10 %/, iger Salzsäure lösen sie sich auch nach einviertelstündiger Einwirkung nicht. Es kann sich somit auf keinen Fall um Fett oder Kalk handeln. Zusatz von 10 °/,iger Kalilauge bringt die dunkeln Streifen der Sicheln rasch zum Verschwinden, auch blassen ihre Grenzeonturen rasch ab; neutralisirt man nun aber das Alkali, so tritt das frühere Aussehen fast vollkommen genau wieder hervor. Auf Jodlösung (3—5 Tropfen auf ein Uhrschäl- chen mit Wasser) reagirte die Substanz nicht, während die Zellen sehr gut hervorgehoben wurden. Dagegen färbten sie sich in Kali hypermanganieum (2 %/, ige Lösung auf 10 Minuten) braungelb.

Es fragt sich nun: 1) Wo stammen die Halbmonde her ? und: 2) Was wird aus ihnen ? Die Antwort auf die erste Frage kann mit ziemlicher Sicherheit gegeben, die auf die zweite Frage dagegen nur unter der Form einer Vermuthung ausgesprochen werden. Die zuerst beschriebene, mattglänzende Sub- stanz (Zelle £, d, e) ist wohl kaum anders als das Product einer Zellenausscheidung zu deuten; sie ist in Alcohol ab- solut. beständig, im Gegensatz zu hyalinen Tropfen, die (in Fig. 4 dargestellt) auf manchen Schnitten sich fanden und die in Alcohol absolut. sich auflösten. Als ein Ausscheidungsproduect der Knorpelzelle sehe ich auch die Halbmonde oder Sieheln an, wenn ich auch über das Verhältniss der beiden aleoholbeständigen Substanzen p und psi zu einander etwas Bestimmtes nicht anzugeben weiss. Wahrscheinlich ist die mit pbezeichnete, rein intracellular gelegene Sub- stanz eine Vorstufe der Sicheln (psi). Die Anordnung in Form nebeneinander liegender Segmente (bis 5) weist auf einen zeitweise unterbrochenen Ausscheidungsvor- gang hin. Die der Zelle benachbarten, demnach jüngsten und regelmässig auch grössten Segmente sind sich übrigens manchmal bis zur Berührung genähert. Aus dem stetigen Ab- nehmen an Ausdehnung, das in demselben Maasse sich geltend macht, als sie von der Zelle sich entfernen, schliesse ich auf

Archiv f. mikrosk, Anatomie. Bd. 34. 27

414 B. Solger:

einen Einschmelzungsprocess, dem sie zuletzt gänzlich verfallen. Auch der Zerfall in neben einander liegende, tropfenartige Segmente, den sie unter Umständen erleiden, wird in diesem Sinne zu deuten sein. Die meisten Zeichen von Auflösung der Sicheln trifft man übrigens nahe der centralen Zone; in ihren Gebieten selbst aber fehlen Sicheln gänzlich und auch in der peripherischen oder subperichondralen Zone werden sie vermisst. Sehr bemer- kenswerth scheint mir noch der Umstand zu sein, dass Tochter- zellen ganz gewöhnlich die Halbmonde nicht nur an demselben Pole, sondern auch in gleicher oder doch fast vollkommen gleicher Entfaltung und Gliederung aufweisen (vergl. Fig. 2).

Die intermediäre Zone nimmt also in dieser Beziehung eine bevorzugte Stellung ein. Sehen wir nun zu, was sich durch Un- tersuchung der übrigen Gebiete des knorpeligen Septums ermitteln lässt! Die periphere, subperichondrale Zone umschliesst etwa 6 Lagen abgeplatteter Zellen, deren Körper und Kern allmählich mehr an Volum gewinnt. Sie gehen ohne scharfe Grenze in die elliptischen Elemente der folgenden Zone über. Bei Anwendung stärkster Objectiv-Systeme (Zeiss, Apochromat, n. Ap. = 1,30) erkennt man zwischen den kernhaltigen Flementen, deren Kern durch das saure Hämatoxylin scharf umschrieben hervorgekoben wird, noch ungemein schmale, blasse Spindeln oder Körnchenreihen, ohne Spur eines Kerns. Das sind offenbar Reste zu Grunde ge- gangener Zellen, zu deren Nachweis sich besonders Eosin empfiehlt (Fig. 6 zu). Mit Hülfe desselben Färbeverfahrens lassen sich im Bereiche der drei äusseren Zellenlagen auch feinste elastische Fasern!) (Fig. 6, elf) sichtbar machen; sie treten auf Frontalschnitten, wo sie der Quere nach durchtrennt werden, besonders deutlich als rubinroth leuchtende Scheibehen hervor, die beim Heben und Senken des Tubus sich in Stäbchen von einer der Dieke des Schnitts entsprechenden Länge ausziehen. Sie stehen einzeln oder in Gruppen von zweien oder dreien beisammen

1) Von ihnen darf ja in einem Artikel, der von pericellulären und intercellulären Ablagerungen handelt, füglich gleichfalls die Rede sein, wenn ich auch Kölliker beipflichten möchte, dass die elastischen Fasern ‚,‚einfach durch eine besondere Umwandlung der Grundsubstanz bindegewebiger An- lagen sich bilden“ (Handb. d. Gewebelehre, 6. Aufl., 1889, S. 117). In letzter Instanz handelt es sich doch um Derivate der Bindegewebszellen.

Ueber pericelluläre und intercelluläre Ablagerungen im Hyalinknorpel. 415

und stimmen vollkommen mit den übrigens viel zahlreicheren elastischen Fasern des Perichondriums überein. In Essigsäure (10 %/,), welehe die leimgebende Zwischensubstanz quellen macht, bleiben sie unverändert. Weiter centralwärts nahm ich Nichts mehr von ihnen wahr, sie verfallen also jeden- falls, wenn sie durch Apposition neuer Schichten mehr in das Innere des Knorpels gerückt sind, der Auflösung. Ich habe sieübrigens auch auf Längsschnitten bemerkt, doch ist dann ihre Färbung bei der geringeren Dicke der elasti- schen Schicht eine weniger hervortretende. Das Vorkommen elastischer Fasern in der subperichondralen Zone des Hyalinknorpels bei einem Säugethier wird, so viel ich weiss, an dieser Stelle zum ersten Male erwähnt; ich fand sie übrigens auch in dem entsprechenden Gebiet des Ethmoidalknorpels des Hechtes. Sie können als neuer Beweis dafür dienen, dass die äusserste Zone des Knorpels ge- wisse Eigenthümlichkeiten des Perichondriums, also des Binde- gewebes, noch eine Zeit lang bewahrt. Es färbt sich die Grund- substanz der subperichondralen Zone des Knorpels ebenso wie die des Perichondriums in saurem oder Böhmer’schem Hämatoxylin gar nicht, während beide sich in ammoniakalischem Karmin impräg- niren. Es besteht also hier das gewöhnliche), schon von Toldt (Lehrbuch d. Gewebelehre, 1884, S. 130) als gesetzmässig hinge- stellte Verhalten. Auch Ranvier (Technisches Handb. d. H., S. 422) schliesst aus seinen an den Geweben der Encoche d’ossi- fication der Säugethiere mit Purpurin und Chinolinblau angestellten Färbungsversuchen, auf einen allmählichen Uebergang der chemi- schen Eigenschaften des Bindegewebes in die des Knorpels; frei- lich lässt er seine bogenförmigen Fasern aus dem Knorpel ent- stehen (!).

Die zweite, gleichfalls wie die vorige paarige Zone, die in- termediäre, wurde bezüglich ihrer Eigenthümlichkeiten schon ge- schildert. Wohl aber ist über die unpaare centrale Zone noch Einiges zu bemerken. Sie verdankt ihr opakes Aussehen

1) Der dem Perichondrium zunächst gelegene „Vorknorpel‘ der Elas- mobranchier erweist sich nach Hasse (Das natürliche System der Elasmo- branchier. Specieller Theil. 1882, S. 6) Farbstofflösungen damit sind Karmin und Hämatoxylinlösungen gemeint gegenüber gleich empfänglich.

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bei auffallendem Lichte der beginnenden faserigen Zerklüftung (Faserrichtung transversal). Die einzeln oder zu zweien beisam- men stehenden Zellen zeigen sich vielfach ebenfalls in transver- saler Richtung deutlich verlängert. In ihrer Umgebung besteht stellenweise ‚‚körnige Degeneration“ (Rheiner). Es sind diese Körner homogene, tropfenartige Ablagerungen, meist von kugeliger Gestalt, die in der nächsten Umgebung der Wandung der Knor- pelhöhlen die Intercellularsubstanz durchsetzen. Mit sauerem Hä- matoxylin konnte ich sie blau tingiren (Fig. 7), doch war der Farbenton derselben bei Weitem nicht so intensiv, als der des Kerns. Kleinere, im Innern der Knorpelhöhle gelegene Tröpfchen blieben dabei ungefärbt, doch darf man daraus noch keineswegs schliessen, dass diese letzteren mit den blauen Körnern in gar keinem Zusammenhang stäuden. In Eosin färbten sich die Körner (wahrscheinlich in Folge der Chromsäurewirkung) nur gelbroth (s. unten die Angabe über Eosinfärbung der Körner im mensch- lichen Arytaenoidknorpel). In Alec. absol., Aether, 10 /,iger Salz- säure hielten sie sich bei !/;stündiger Einwirkung des betreffenden Reagens; Kalilauge brachte sie aber im Verlauf dieser Zeit zur Lösung.

Die Körner zeigen also in mancher Beziehung das gleiche Verhalten wie die Halbmonde. Dagegen dürfen wir, wie mir scheint, nicht daran denken, beide Substanzen zu einander in genetische Beziehung zu bringen. Zwar konnte festgestellt werden, dass sie neben einander in demselben Schnitt vorkom- men; aber dafür zeigten weite Strecken des Objects nur die Halb- monde oder Sicheln allein. Auch dürfen wir nicht vergessen, dass ihr gleichzeitiges Vorkommen von den Autoren, die über „körnige Degeneration“ (Rheiner, 1852) oder „körnige Infiltration“ (Schottelius, 1879) schrieben, nicht beobachtet wurde.

Wenn ich nun am Schlusse dieses Abschnitts nochmals zu der Frage zurückkehre: Was wird aus den Halbmonden? so lautet die Antwort, die zur Zeit darauf erfolgen kann: Sie verschwin- den in derIntercellularsubstanz, sie werden dort auf- gelöst. Ob sie aber innerhalb derselben unter irgend einer Form wieder auftauchen, oder ob sie an Ort und Stelle zum Aufbau der Intercellularsubstanz verwen- det werden, kann ich zur Zeit-nicht entscheiden. Ich füge noch hinzu, dass ich der Form und dem Lichtbrechungsver-

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mögen nach zu urtheilen mit jenen identische Abscheidungen auch beim Menschen (Fig. 8) wahrgenommen habe.

Besprechung der Literaturangaben. Von einer Anzahl Autoren wurden vor längerer Zeit und erst neuer- dings wieder Beobachtungen veröffentlicht, welehe manche Züge - mit dem soeben entworfenen Bilde gemein haben. Doch wird Manches, das auf den ersten Bliek hierher zu gehören schien, aus- zuschliessen sein. Ich denke dabei besonders an die Mittheilungen von Neumann, A. Genzmer, J. Arnold, Schaffer. Czermak und Deekhuyzen (mir erst nach Abschluss des Manuseripts zugekommen), endlich an die Abhandlungen von Rheiner (1852) und Sehottelius (1877).

Neumann!) fand, dass in schwachen Jodlösungen, welche andere Gewebstheile, u. A. auch die Kerne der Knorpelzellen nur blassgelblich färben, der Körper der Knorpelzellen in wechselnder Ausdehnung sich rothbraun tingire. Diese Jodreaction, welche er als ein physiologisches Attribut der Knorpelzelle hinstellt, wird durch eine Substanz veranlasst, die dem Protoplasma angehört, im frischen Zustand farblos, homogen und glänzend erscheint und daher von dem granulirten Protoplasma scharf sich abhebt. Wahrscheinlich besitzt sie zähflüssige Consistenz. Die Anordnung und Ausbreitung dieser in Jod rothbraun sich färbenden Substanz ist sehr verschieden, indem sie bald nur in einzelnen Tropfen im Innern der Zelle oder in ihrer Peripherie angesammelt erscheint, bald die Oberfläche der Zelle grösstentheils oder vollständig um- fliesst. Sie fehlt im hyalinen Knorpel nur den platten Zellen der subperiehondralen Zone ganz, ist ferner den Zellen des Faser- und Netzknorpels und den sternförmigen Zellen gewisser Enchon- drome (auf sie beziehen sich die Abbildungen) eigen und kommt schon dem embryonalen Knorpelgewebe zu. In derselben Weise reagiren auch die Zellen der Chorda dorsalis bei Petromyzon, Rana und bei menschlichen Embryonen; die Chordazellen geben ausserdem, wie Jaffe ermittelte, die Glycogenreaction, welche

1) Neumann, E., Die Jodreaction der Knorpel- und Chordazellen, Arch. f. mikroskop. Anat., Bd. 14, S. 54—59, 1 Tafel (1877).

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beim Knorpel nicht gelang, während Ranvier in seinem techni- schen Handbuche die Bräunung der Knorpelzelle durch Jod gleich- falls auf Glycogen bezieht. Neumann verweist übrigens auch auf die Angaben von Heitzmann (Wien. med. Jahrb. 1872), der kernlose, stark glänzende Knorpelzellen beschreibt und ferner von solehen spricht, deren Körper z. Th. blass und feinkörnig, z. Th. besonders an einer Randpartie glänzend sei. Heitzmann scheint jedoch die Einwirkung von Jod lösungen nicht geprüft zu haben.

Ich habe gleich an der Spitze dieses’Aufsatzes auf die Aehn- lichkeit des von mir am Septum gemachten Befundes mit Neu- mann’s pericellulärer Substanz hingewiesen, obwohl auch von mir die Jodprobe am frischen Gewebe nicht mehr ausgeführt werden konnte. Dabei hatte ich vor Allem die Figuren 3, 7 und 9 auf Neumann’s Tafel im Sinne, welche die Substanz (ungefärbt und rothbraun tingirt) zur Anschauung bringen. Hier scheint die Sub- stanz völlig innerhalb der Knorpelhöblen zu liegen, ähnlich wie ich dies bei den Zellen %, d, e meiner Figur 1 fand. Es wird hun von der Gewinnung frischen Materials, an welchem die Prü- fung mit Jod vorgenommen werden kann, abhängen, ob an der von mir einstweilen nur für höchst wahrscheinlich erachteten I[den- tität des von Neumann und von mir nachgewiesenen Materials festgehalten werden muss.

Als nahe verwandt, vielleicht als identisch ist auch die Sub- stanz aufzuführen, die A. Genzmer (Virch. Arch. Bd. 67, S.75 ff.) in Knorpelhöhlen des Schenkelkopfes junger Kaninchen auffand, und zwar im Bereiche der von Knochen eingeschlossenen Knor- pelinseln. Er beschreibt das mieroscopische Bild, das sich ihm nach 24-48 stündiger Einwirkung von Holzessig darbot, folgen- dermassen: Während der Kern der betreffenden Zellen meist eckig und verhältnissmässig gross ist, erscheint der Zellenleib durchgehends etwas kleiner als sonst, sein Protoplasma grobkörnig. Als besonders auffallend bezeichnet er eine Schicht grosser Körner, welche der Zellperipherie anliegt und auf welche manchmal noch eine zweite folgt, die den Kern einschliesst. In leeren Knorpel- höhlen haftet die periphere Körnerschicht der Aussenwand an. Genzmer bringt diese periphere Körnelung, die er auch an ganz frischen Objecten andeutungsweise fand, mit der Verkalkung des Knorpels in Zusammenhang.

Ueber pericelluläre und intercelluläre Ablagerungen im Hyalinknorpel. 419

Für eine den Knorpelzellen zukommende pericelluläre Sub- stanz im Sinne Neumann’s trat vor Kurzem auch Schaffer!) auf. Er sah an gewissen Knorpelzellen des embryonalen Unter- kiefergelenkfortsatzes, die im frischen Zustand ihre Höhlen voll- kommen ausfüllten, nach Einwirkung von Chromsalzen ein Netz- werk auftreten, das in Hämatoxylin sich färbte. Schon durch ihre Färbbarkeit in Hämatoxylin würde sich diese Substanz von den von mir beschriebenen Massen, auf welche allerdings vorher Chrom- säure (0,2°/,) eingewirkt hatte, unterscheiden. Aber auch die Vergleichung der Abbildung eines Präparats, das mit einem Anilinfarbstoff in Berührung gebracht worden war, mit den von Neumann und mir gegebenen Figuren, lässt keine Uebereinstim- mung hervortreten (efr. l. ec. S. 371, und Fig. 25, Tafel XII).

In einer vor Kurzem in Prag erschienenen Abhandlung: „O tvoreni se kosti (sur la formation des os)“ ?) von JanosSik, die mir durch die Güte des Verfassers zuging, wird denn auch das Vor- kommen einer pericellulären Substanz, wie sie nach Jodeinwirkung von Neumann und neuerdings von Schaffer beschrieben werde, gänzlich in Abrede gestellt (l. ec. p. 36). Man könne wohl von einer intercellulären Flüssigkeit reden, die, während sich die Zelle von der Wandung zurückziehe, aus dem Plasma frei werde und um die geschrumpfte Zelle sich ergiesse, aber niemals von einer pericellulären Flüssigkeit.

Andererseits hatte, woran hier erinnert sein mag, schon vor einer Reihe von Jahren J. Arnold?) sich dahin geäussert, dass die Knorpelzelle von einer, wenn auch sehr dünnen Schichte des Ernährungsmaterials umflossen sei, welches in diesen pericellulären Raum durch feine, in der Knorpelkapsel radiär verlaufende (in- tracapsuläre) Spalten gelange (l. c. p. 143). Klebs (Arch. f. exp. Pathol., 1874, p. 437) und Genzmer (Virch. Arch., Bd. 67, p. 75, Taf. II, Fig. 1) unterscheiden dagegen an der Knorpelzelle eine besondere homogene Randschicht.

Nach Abschluss des Manuscripts erhielt ich durch die Freund-

1) Schaffer, Die Verknöcherung des Unterkiefers und die Metaplasie- frage, Arch. f. mikroskop. Anat., Bd. 32.

2) Sonderabdruck aus „Sborniku l&ekarsk&ho“.

3) Virch. Arch., Bd. 73, S. 125—146, 1 Taf.

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lichkeit des Verfassers den Aufsatz von Deckhuyzen: Het hyaline kraakbeen, zijn beteekenis en zijn groei!), der sich auf Unter- suchungen am Knorpel des Frosches bezieht. Unter den bemer- kenswerthen Eigenschaften der Knorpelzelle (ihrer ausgesproche- nen Neigung, zu schrumpfen u. s. w.) wird auf Seite 8 (258) auch die Anwesenheit einer Mikrosomenlage aufgeführt, die ihrer Peri- pherie anliegen und wahrscheinlich mit der Bildung gewisser Be- standtheile der Zwischensubstanz in Beziehung stehen. Verfasser verweist dann noch ausdrücklich auf die erste Publikation (Arch. f. Heilkunde, XI, 1870) Neumann’s, dessen pericelluläre Substanz wohl nur die geschwellte oder gequollene (in opgezwollen vorm) Microsomenlage darstellt.

Nach Einsicht in die vom Februar 1888 datirte „Vorläufige Mittheilung* von N. Czermak?) wird vielleicht mancher der Leser der Meinung sein, die von demselben beschriebenen „halb- mondförmigen Bildungen“* seien mit den von mir aufgefundenen Sieheln identisch. Ich selbst neigte, als ich kurz nach dem Funde im Januar d. J. auf Czermak’s Angaben aufmerksam wurde, derselben Ansicht zu und hielt es daher für angezeigt, meinerseits nicht vor dem Erscheinen der ausführlichen Publi- cation Czermak'’s hervorzutreten. Unterdessen glaube ich aber die wirklichen Halbmonde Czermak’s ‚kennen gelernt zu haben, und zwar in der knorpeligen Anlage des Schulter- sürtels kleiner Exemplare von Esox luciuss. dem Hechte, und möchte daher behaupten, dass sie von meinen sichelförmigen Abseheidungen völlig verschieden sind. Czermak’s Angabe lautet wörtlich: „In den Gelenk-, Rippen- und Ohrknorpeln junger Thiere trifft man auf Zellen, welche halbmondförmig die benach- barte Schwesterzelle umfassen. Halbmondförmige Bildungen kommen auch in der Grundsubstanz vor: sie unklammern innig die Zellen- höhlung nnd besitzen an einem Ende, bisweilen auch in der Mitte,

1) Sonderabdruck aus der ‚„Nederlandsch Tijdschrift voor Genees- kunde“, 1889.

2) N. Czermak, Vergleichende Studien über die Entwicklung des Knochen- und Knorpelgewebes, Anatom. Anz., III, S. 470—480.

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einige Körnchen (Kernrest); ihre Grösse und Gestalt entspricht ganz denen der halbmondförmigen; an einigen bemerkt man deut- lich eine Streifung“ (l. e. p. 476). Es handelt sich also nicht um Aus- scheidungen von Zellen, sondern um vollständige Zellenindividuen selbst, deren Substanz im Begriff ist, in Fibrillenbüschel sich un- zubilden. Denn es heisst weiter: „Augenscheinlich kann die eine der Schwesterzellen, sich zum Fibrillenbüschel umwandelnd, ein Grundsubstanzscheibehen bilden, während die andere fortfährt, alle Funktionen der Knorpelzelle auszuüben.“ Demnach muss wohl auch die „Streifung“ der Halbmonde, von der Czermak spricht, anderer Art sein, als die grobe Stäbehenstructur der oben be- schriebenen sichelförmigen Abscheidungen. Wie sich übrigens seine Halbmonde zu Strasser’s!) prochondralen Elementen, die doch auch von einzelnen (durch stärkere Compressionsvorgänge veränderten) Zellen und Zelltheilen abgeleitet werden, verhalten, wird von Czermak nicht erörtert. Im Anschluss hieran möchte ich noch an eine ältere Abbildung Kölliker’s?) erinnern, auf welcher Knorpelzellen aus dem Humerus eines 13 mm langen Schafeinbryo’s zu sehen sind; die meisten dieser Elemente besitzen einen „hellen Inhalt“, aber zwei von ihnen „haben noch Reste des früheren dieken Cytoplasma“ ), welehe in Form eines Halbmondes den Zellkörper umgreifen, oder der Wandung der Knorpelhöhle selbst angehören (welche dieser Deutungen die richtige ist, lässt sich aus der Figur nicht entnehmen) und von der Intercellularsubstanz scharf sich absetzen.

Nach dieser bis auf die jüngste Zeit fortgeführten literarischen Uebersicht scheint also die Frage nach der Form und besonders nach der mikroskopisch sichtbaren Form, unter der sieh die Knorpelzelle an der Bildung der

1) Morphol. Jahrbuch, Bd. V, 1879, S. 240—315, 4 Taf.

2) Handbuch d. Gewebelehre, 5. Aufl., Fig. 152 auf Seite 209.

3) „Protoplasma‘“ (Kölliker’s Gewebelehre, 6. Aufl., 1889, p. 316, Anmerkung).

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Intercellularsubstanz!) und des letzterer voran- gehen den Alveolenwerks betheiligt (Strasser, 1. e.)?) wieder in den Vordergrund gerückt zu sein. Was den von mir mit- getheilten Befund, der in diesem Sinne gedeutet werden könnte, angeht, so scheint er mir, wie schon bemerkt, weniger als eine Phase des Aufbaues, sondern vielmehr als ein Zeichen der Rück- bildung des betreffenden Knorpels aufgefasst werden zu müssen.

Die ‚,„körnige Umwandlung“ (Rheiner) oder die „körnige Infiltration* (Schottelius) der menschliehen Kehlkopfknorpel. Die „körnige Um- wandlung“ wurde zum ersten Male von H. Rheiner?°) im Jahre 1852 beschrieben. Die (im Ganzen etwas mannigfaltige) äussere Erscheinung der „Körner“ und ihr constantes Verhalten gegen eine Anzahl von Reagentien wurde von ihm auf das Genaueste fest- gestellt. Nach seinen Erfahrungen treten in der nächsten Um- gebung der Zellen, ohne dass diese jedoch ursprünglich an dem Processe Theil zu nehmen scheinen, also zunächst in der Inter-- cellularsubstanz dichte, feinkörnige Massen auf, die bald hell, bald vollkommen undurchsichtig sind. Da, wo die Zellen spärlicher beisammen stehen, finden sich „grössere Körner von meist glattem, hellglänzendem Aussehen und anscheinend weicher Beschaffen- heit“, zwischen denen wieder grössere, verschieden gestaltete Massen von fast colloidem und dann auch solche von krystallini- schem Aussehen eingesprengt sein können. Sie bieten somit nicht nur bezüglich ihrer Grösse, ihrer Gestalt und ihres Glanzes, sondern auch bezüglich ihrer Härte, soweit sich letztere aus dem

1) Nach C. Hasse (Das nat. System der Elasmobranchier. Besonderer Theil. 1882) kann Intercellularsubstanz im Innern des Knorpels direkt von den Zellen aus (ohne prochondrale Vorstufe, p. 18), aber „auch gänzlich ausserhalb des Bereiches der Zelle“ (p. 16) sich bilden.

2) Kölliker vermag „Strasser’s Schilderungen der ersten Knorpel- entwickelung“ (bei Urodelenlarven) „nicht zu bestätigen‘ (Gewebelehre, 6. Aufl., S. 317. F

3) Rheiner, H., Beiträge zur Histologie des Kehlkopfs, Inaug.-Abhand- lung, Würzburg 1852, 44 Seiten.

Ueber pericelluläre und intercelluläre Ablagerungen im Hyalinknorpel. 423

blossen Aussehen beurtheilen lässt, ein ziemlich wechselndes Ver- halten dar. Am reinsten tritt dem Untersucher der Process an solehen Knorpeln entgegen, an denen die Neigung zu faseriger Texturveränderung mangelt, also am Giessbeckenknorpel. Doch war er auch, in geringerer Ausbildung, am Schildknorpel und den Trachealknorpeln, sowie eigenthümlich modifieirt auch im Ringknorpel nachweisbar. Am Ringknorpel tritt nämlich die körnige Umwandlung schon an einer bereits in Fasern zerspaltenen Grundsubstanz auf; dieser Umstand beeinflusst deutlich die Form der abgelagerten Massen. Sie erscheinen der Richtung der Streifen entsprechend gedehnt, die zackigen und zerrissenen Bildungen überwiegen hier über die mehr rundlichen, gleichmässig dimensio- nirten Formen, welche der homogenen Intercellularsubstanz eigen sind. Der Vorgang beschränkt sich übrigens am Giessbecken- knorpel fast nur auf das centrale Gebiet des Knorpels. Der unter dem Perichondrium gelegene Randstreifen bleibt stets frei und nur selten wird die durch grössere dichtgelagerte Mutterzellen und trübe, gelbliche Grundsubstanz characterisirte intermediäre Schicht davon ergriffen. Dass Rheiner die Zellen zunächst für unbe- theiligt erklärt, wurde schon erwähnt. Späfer tragen sie, ihm zufolge, unverkennbare Spuren des Zerfalls. Die Zelle kann mit körnigen Massen erfüllt sein, die wenigstens theilweise mit den extracellulären Bildungen übereinstimmen und „wahrscheinlich aus einem Zerfall des ursprünglich einfachen Kerns hervorgegangen sind.“ Wie an der Zelle selbst, so können später auch an der Zellenwandung mehr oder minder ausgesprochene Zeichen der Destruction sich geltend machen. So erscheint unter Anderem der normaler Weise glatte Durchschnitt der Zellwandung ‚rauh, höckerig“ und besteht „aus reihenweise hinter einander gelagerten Körnchen von blassem“Aussehen“. Die granuläre oder körnige Entartung geht also ursprünglich von ‚der Intercellularsubstanz aus, dehnt sich später auf den Kern und Zelleninhalt aus und ergreift zuletzt die Wandungen der Zelle selbst.

Die chemische Untersuchung der Körner ergab als einzige, positive Ergebnisse nur soviel, dass weder Fett, noch Kalk vor- liegen’könne. $Wasser, Weingeist, Aether, Essigsäure brachten bei sewöhnlicher Temperatur ‚und bis zum Sieden erhitzt, keine Ver- änderung an ihnen hervor, ebensowenig mässig verdünnte Salz- säure, Schwefelsäure, Kalisolution in der Kälte. Wurden Schnitte

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in Kalisolution erwärmt, so begannen die Körner aufzuquellen, . nahmen dann Tröpfchennatur an und lösten sich beim Kochen schliesslich mit dem übrigen Gewebe vollständig auf. Aehnlich verhielten sie sich mässig verdünnter Schwefel- und Salzsäure gegenüber, nur dass hierbei kein sichtbares Aufquellen der Körner vorausging. Beim Kochen mit salpetersaurem salpetrigsaurem Quecksilberoxydul nahm der Knorpel, besonders aber die Körner- masse eine rosenrothe Färbung an.

Diese eingehenden Angaben von Rheiner blieben bis auf Schottelius, der im Jahre 1879 eine Abhandlung: „Untersuchun- gen über physiologische und pathologische Texturveränderungen der Kehlkopfknorpel“ veröffentlichte, unberücksichtigt. Er bestätigte im Wesentlichen Rheiner’s Schilderung des mikroskopischen Bil- des, möchte aber die Bezeichnung: „körnige Degeneration“ 1) lieber für einen Zustand reserviren, der sich an die fibrilläre Degeneration anschliesst und besonders nach Behandlung mit schwachen Osmiumsäurelösungen sich zu erkennen giebt. Er spricht daher von einer Inerustation der Zellen und einer körnigen Infiltration der Grundsubstanz. Er schildert die Körner, die er schon im Aryknorpel von 2—3 jährigen Individuen fand, als kugelrunde, hellglänzende Gebilde, welche der Kapsel dicht aufzuliegen scheinen. Dabei zeigte sich Protoplasma und Zellkern, soweit sie durch die verdeckte Kapsel kenntlich waren, unverändert, selbst wenn die ganze Intercellularsubstanz von Körnern strotzte. Ueber ihre chemische Natur weiss er auch nur zu sagen, dass weder Fett noch Kalk vorliege.

Nach Sehottelius scheinen weder die pathologischen Anatomen noch die Vertreter der normalen Gewebelebre der körnigen Infiltration besondere Aufmerksamkeit gewidmet zu ha- ben. Meiner Ueberzeugung nach fälltdieser Vor sang in das Bereich der normaler Weise am hyalinen Knorpel auftretenden regressiven Metamorphose, ebenso wie die faserige Zerklüf- tung. Zum abgerundeten Bilde einer Gewebsform gehören die

1) Auch bei Elasmobranchiern (Spinax) wird nach Hasse (l. c. p. 13) die bisher fibrilläre Grundsubstanz des Vorknorpels „körnig“ und erweicht, während das Zellprotoplasma die Schleim- oder Gallertmetamorphose durch- macht. |

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Ueber pericelluläre und intercelluläre Ablagerungen im Hyalinknorpel. 425

sämmtlichen Phasen ihrer Entwicklung, und wenn auch natur- gemäss die Genese und die Regeneration derselben unser Interesse mehr fesselt, so darf die normale Anatomie doch auch die Er- scheinungen der Rückbildungen nicht vernachlässigen. Dass die genannten auch im frühesten Kindesalter auftreten, bestärkt mich nur darin, sie für die normale Anatomie in Anspruch zu nehmen.

Eigene Untersuchungen. Um sicher zu sein, dass in den Körnern des Septums dieselben Gebilde vorliegen, wie sie von Rheiner und später von Schottelius an Kehlkopfknorpeln geschildert werden, suchte ich sie an diesem Object selbst auf. Sehnitte durch die oberen Trachealringe und den Aryknorpel eines jugendlichen Individuums das Material war direet in Alcohol von 700), eingelegt zeigten, in Wasser untersucht, die homogene Zwischensubstanz von stark lichtbrechenden Gebilden durchsetzt, die in Volum und Form einander durchaus nicht glichen. Es waren theils feinste, kugelige Körnchen oder ellipsoide Gebilde oder sie nahmen sich auch wohl wie höckerige Conglomerate aus. Bezüglich ihrer optischen Eigenschaften sei bemerkt, dass sie theils farblos, theils leichtgelblich erschienen und durch beträcht- lichen Glanz sich auszeichneten, der aber den von Fett-Tropfen nicht erreichte und in Balsampräparaten schwand. In Alkoh. abs. oder in Aether hielten sie sich, ebenso in v. Ebner's Ent- kalkungsflüssigkeit (Fig. 9). Sie zu färben gelang mir an dem mit Alcohol und nachträglich noch mit Erlicky’scher Flüssigkeit behandelten Material bei Anwendung von sauerem Haematoxylin nicht !), wohl aber mit Hülfe von wasserlöslichem Eosin (in 1 %/,-iger Lösung). Nach Auswaschen in Alaunlösung (eine Messerspitze voll Alaun auf ein Uhrschälehen mit Aqu. dest.), in der auch direet untersucht werden kann, zeigte sich folgendes Bild: Körner und Knorpelzellen dunkelroth, hyaline Zwischensubstanz ganz blassrosa, an dünnen Schnitten nahezu farblos, Heerde fibrillärer Zerklüftung ziegelroth. In alaunhaltigem Glycerin hält sich diese Farbendifferenzirung wochenlang.

Diese Angaben werden wohl ausreichen, um einmal die Uebereinstimmung der Körner im Kehlkopf, die Rheiner,

1) Das Septum des Schafes, wo die Färbung gelang, war anders be- handelt worden.

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Schottelius und mir vorgelegen hatten, unter einander und sodann mit denen des Septums zu erhärten. Fig. 9 zeigt bei stärkster Vergrösserung (Zeiss Apochromat Ap = 1,30, Compen- sations-Ocular 4) die kleinkörnige Infiltration der Knorpelhöhlen- wandung und: die gleichwerthigen massigeren Conglomerate in grösserer Entfernung von den Zellen (letztere deutlich im Sinne der Richtung der faserigen Zerklüftung in die Länge gezogen), durch v. Ebner’s Entkalkungsflüssigkeit unverändert.

Ganz ähnliche körnige Einlagerungen traf ich übrigens auch im ossifieirenden, d. h. unter einem Knochenbelag schwindenden Schädelknorpel beim Stichling (Gasterosteus aculeatus) an; besonders deutlich im Knorpel der Ethmoidalregion. Auch hier sind es scharf conturirte, glänzende Gebilde von wechselnder Grösse, die durch Säure, Aleohol, Aether (bei gewöhnlicher Temperatur ange- wandt) ebensowenig, wie die der Säugethiere und des Menschen verän- dert werden. In Balsam werden sie gleichfalls sehr stark aufgehellt.

Das Vorkommen der körnigen Infiltration an Knorpelpartien, die, wie es am Ethmoidknorpel der Teleostier der Fall ist, von wachsenden Knochen über- lagert und zum Schwunde gebracht werden, spricht gleichfalls dafür, dass die körnige De- generationebenso wie die faserige Zerklüftung eine normale Begleiterseheinung der Rückbil- dung des Knorpels darstellt. Ich möchte hier noch daran erinnern, dass W. Krause (Allg. Anat. S. 73) geradezu von einem bei der endochondralen Ossification zu beobachtenden „körnigen Zerfall“ der Knorpelgrundsubstanz spricht.

Ueber pericelluläre und intercelluläre Ablagerungen im Hyalinknorpel. 427

Erklärung der Abbildungen auf Tafel XXV.

Die Figuren 1—7 beziehen sich auf die in 0,20%/iger Chromsäure

fixirte knorpelige Nasenscheidewand des Schafes, die Figuren 8 und 9 auf menschlichen Knorpel (Rippe, Arytaenoidknorpel).

Fig. 1.

Fig.

Fig.

Fig.

Fig.

Fig.

Fig.

Fig.

[I

|

Zellenreihe («—ı) aus der intermediären Schicht, « der subperi- chondralen, ı der centralen Schicht des Knorpels benachbart. Fär- bung mit Kernschwarz. p pericelluläre Abscheidung, völlig inner- halb der Knorpelhöhle gelegen, Vorstufe von psi. psi pericelluläre Substanz in Form gegliederter Sicheln, in grösserer oder geringerer Entfernung von der Knorpelhöhle gelegen, zum Theil schon in Auf- lösung begriffen. Zeiss Apochromat 1,30 num. Apertur, Comp. Ocular 8. Glycerinpräparat.

Gruppe von Tochterzellen resp. -Höhlen, um die gleiche Anordnung und Ausbildung der pericellulären Substanz an den gleichwerthigen Zellen zu zeigen. Intermediäre Lage des Septumknorpels, Zeiss F Glycerinpräparat.

Fünf pericelluläre Sicheln (Maximum), ebendaher.

Knorpelzelle mit pericellulärer gegliederter Sichel und mit alcohol- löslichen Tropfen (ict), ebendaher. Boraxcarmin. Zeiss Apochro- mat 1,30. Apertur. Glycerinpräparat.

Pericelluläre Sicheln nach Färbung in wasserlöslichem Eosin, eben- daher.

Durchschnitt senkrecht zur Oberfläche des Knorpels (Septum), nach Eosinfärbung. hk subperichondrale Schicht des Knorpels, pch Pe- richondrium, tiefste Lage. elf elastische Fasern (Querschnitt) im Knorpel und im Perichondrium. zu Körnchenreihen (Reste zu Grunde gehender Zellen der subperichondralen Schicht). Zeiss Apo- chromat 1,30 Apertur. Präparat in alaunhaltigem Glycerin.

Körnige Infiltration (k) der centralen Schicht des Knorpels (Septum),

Färbung mit saurem Hämatoxylin, Balsampräparat. Zeiss Apo- chromat 1,30 Apertur.

Leere Knorpelhöhle mit drei pericellulären Sicheln, aus einem frischen, in 0,75 %/yiger Kochsalzlösung untersuchten Schnitt durch die Rippe eines 19jährigen Menschen. Zeiss homogene Immer- sion 1/18.

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428 B. Solger: Ueber pericelluläre u. intercelluläre Ablagerungen u. s. w.

Fig. 9. Schnitt aus dem centralen Gebiet des menschlichen Giessbeckenknor- pels, nach Einwirkung von 90°/,igem Alcohol, Aqu. dest, v. Eb- ner’scher Entkalkungsflüssigkeit, in Wasser untersucht. k körnige Infiltration der Wandung der Knorpelhöhle, k! körnige Infiltration der Intercellularsubstanz, f faserige Zerklüftung ersten Grades. Zeiss Apochromat 1,30 Apertur. Comp. Ocular 4.

Berichtigung.

Auf Tafel XII sind in Fig. 2 und 3 die rothen Strichelungen der Zellen der Pylorusdrüsen bei der Lithographie ausserordentlich viel zu scharf und zu dunkel ausgefallen. Ebenso die Punktirungen der Hauptzellen in den Fundusdrüsen (Fig. 1, 2, 4, 5, 6, 7). Die Figuren erwecken deshalb nicht eine zutreffende Vorstellung von den Bildern, welche die beiderlei Zellen bei der Ehrlich-Biondi’schen Färbung geben.

Die postfoetale Histiogenese des Hodens der Maus bis zur Pubertät. Von

Dr. Friedrich Hermann,

Docent an dem anatomischen Institut der Universität Erlangen.

Hierzu Tafel XXV1.

Der Grund, der mir die Aufnahme von Untersuchungen über diesen Gegenstand wünschenswerth erscheinen liess, bestand nicht sowohl in einer gewissen Neugierde, ein Gebiet, das heutzutage noch als ziemlich unbekannt gelten kann, zu betreten, als viel- mehr in etwas ganz anderem. Bekanntlich liegt eine der Haupt- schwierigkeiten, welche der Hoden des erwachsenen Säugethieres einer histologischen Analyse entgegenstellt, darin, dass sich in der epithelialen Wand des Samenkanälchens zwei Processe zu gleicher Zeit abspielen, erstens die eigentliche Spermatogenese, die Entstehung der Samenelemente aus ihren zelligen Vorläufern, und dann der Vorgang einer ausgiebigen Regeneration, welche die durch die Spermatogenese in Verlust gerathenen Zellelemente wieder zu ersetzen bestimmt ist. Stellen wir uns diese beiden Vorgänge unter dem Bilde zweier Kreislinien vor, so müssten wir für die erstere die Vereinigung der Spermatiden mit einer Benda’schen Fusszelle als Anfangspunkt, das im Lumen des Hodenkanälchens freiliegende Spermatozoon als Schlusspunkt betrachten, während die zweite mit der Neubildung von Sperma- togonien beginnen, mit der reifen Spermatide endigen würde.

Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bä. 34. 28

430 Friedrich Hermann:

Eine neue Schwierigkeit entsteht nun dadurch, dass die Anfangs- punkte beider Kreislinien im Epithellager des Samenkanälchens nicht örtlich zusammenfallen, d. h. dass die Neubildung von Sper- matogonien nicht mit der ersten Phase der Spermatogenese corre- spondirt, sondern dass vielmehr die beiden Kreislinien etwas an- einander verschoben sind. Einen Beweis, dass gerade durch diesen letzteren Umstand so viel des Verwirrenden und Unsicheren in die Histologie des Hodens herein gekommen ist, brauche ich wohl nicht erst zu erbringen, genügt doch schon ein ziemlich oberflächlicher Blick in die einschlägige Litteratur, nicht nur der früheren, sondern auch der neuesten Zeit, um dies zu bestätigen.

Es dürfte nun zu erwarten sein, dass gerade eine Verfolgung der postfötalen Histiogenese des Hodens bis in die Pubertätszeit hinein geeignet sei, in diese Verhältnisse Klarheit zu bringen; können wir doch bei dem jugendlichen Thiere den einen Kreis, den Vorgang der Spermatogenese, von vorneherein ausschalten, wodurch der andere nur umso deutlicher hervortreten wird, wobei der Voraussetzung Raum gegeben werden dürfte, dass der Process des Wachsthums im jugendlichen, der der Regeneration im er- wachsenen, functionirenden Hoden gleiche Bahnen einschlagen wird.

Endlich galt es noch für einen weiteren Punkt einen sicheren Beweis zu liefern. Ich habe mich in einer früheren Arbeit !) auf die Seite derjenigen Autoren gestellt, die in den sog. Benda- schen Fusszellen Elemente erblicken, welche bei dem spermato- genetischen Process an und für sich vollkommen unbetheiligt sind und nur als Stützelemente fungiren, an denen angelagert die Sper- matiden ihre Reifung in Spermatozoen durchmachen; ich habe für diese Ansicht darin einen neuen Beweis erbracht zu haben geglaubt, dass es mir gelang, in dem Kerne der Benda’schen Fusszelie eine eigenthümliche Nucleolarbildung nachzuweisen, die sich während des ganzen Vorganges der Samenbildung in gleich typischer Weise erhält. Dieser Beweis dürfte dann noch mehr an Sicherheit gewinnen, wenn es gelingen würde, auch in ganz jugendlichen Hoden schon Kerne aufzufinden, die die characteri- stische Nueleolarbildung beherbergen, wenn es möglich wäre fest-

1) Beiträge zur Histologie des Hodens. Archiv f. mikr. Anat., Bd. 34, Heft 1.

Die postfoetale Histiogenese des Hodens der Maus bis zur Pubertät. 431

zustellen, dass von vorneherein bei dem Aufbaue des Hodens zweierlei Elemente betheiligt sind, einerseits Stützzellen, anderer- seits die eigentlichen Drüsen- oder Samenbildungselemente. In wieweit nun die durch die Untersuchung zu Tage geförderten thatsächlichen Verhältnisse den eben prineipiell aufgestellten Gesichtspunkten entsprechen, das soll den Inhalt der folgenden Zeilen bilden.

Vorerst wollen wir uns nun einen Ueberblick verschaffen über die recht spärlichen Angaben, die über unseren Gegenstand in der Litteratur zu finden sind. Der erste, der sich mit der Straetur des noch nicht geschlechtsreifen Hodens befasste, ist v. la Valette St. @eorge!t), welcher die Verhältnisse beim Kalbe, Kaninchen, Hunde und beim Menschen untersuchte. Das nicht geschlechtsreife Hodenkanälchen birgt nach diesem Autor, eingebettet in eine das Canallumen vollständig erfüllende Eiweissmasse, zweierlei Kerne, erstens kleine, von runder oder ovaler Form, und zweitens, in unregelmässigen Abständen zwischen jene vertheilt, grössere runde Kerne, die von einer Lage nach aussen scharf abgegrenzten Protoplasmas umgeben sind; diese Gebilde stellen die Spermatogo- nien dar, die sich innerhalb des Lagers der ersteren Gebilde, der sog. Follikelzellen, vermehren. Es nimmt also v. la Valette St. George innerhalb der jugendlichen Samenkanälchen zweierlei Elemente an.

Ganz im Gegensatz zu dieser Ansicht v. la Valette St. George’s steht Biondi?), dem sich im Wesentlichen auch Niessing°) anschliesst. Für Biondi durfte es ja im Hoden nicht geschlechtsreifer Thiere nur Elemente von einerlei Natur geben, leugnet er doch auch für den functionirenden Hoden das Vorkommen stützender Zellelemente (Follikelzellen, Benda’sche Fusszellen) vollkommen. Sosehen wir denn auf den Abbildungen, die die Biondi’sche Beschreibung begleiten und die dem Hoden des Kalbes entnommen sind, weiter nichts als runde Zellkerne, welche in eine Zwischensubstanz eingebettet sind, die durch die

1) Ueber die Genese der Samenkörper. Archiv f. mikr. Anat., Bd. 15.

2) Die Entwicklung der Spermatozoiden. Archiv f. mikr. Anat., Bd. 25.

3) Untersuchungen über die Entwicklung und den feinsten Bau der Samenfäden einiger Säugethiere. Verhandlungen der phys.-medic. Gesell- schaft Würzburg, Bd. XXII, Nr. 2.

432 Friedrich Hermann:

Wirkung härtender Agentien ein eigenthümlich netzartig zerklüf- tetes Gefüge annimmt. Auch die, nebenbei gesagt, recht mangel- haften Zeichnungen Niessing’s lassen von einer Doppelnatur der das Hodenkanälchen zusammensetzenden Elemente nichts erkennen.

Meine Untersuchungen nun, zu denen junge weisse Mäuse von den ersten Lebensstunden bis in die 6. Woche hinein ver- wendet wurden, vermochten, um diesen Punkt gleich von vorne- herein zu betonen, die Ansicht v. la Valette St. George’s vollständig zu bestätigen.

Feine Querschnitte durch die Hoden neugeborener Mäuse lassen nach Anwendung der in einer früheren Arbeit !) ausführlich angegebenen Härtungs- und Tinctionsmethode zur Evidenz .er- kennen, dass das Hodenkanälchen zu dieser Zeit, wie dies ja schon von v. la Valette St. George angegeben wird, noch kein eigentliches Lumen besitzt, vielmehr durchaus von einer Protoplasmamasse ausgefüllt wird. Leuchtende, feine aber deut- liche Linien, welche diese Masse durchziehen, lehren aber, dass wir es nicht mit einer structurlosen Eiweissmasse, einer homogenen Zwischensubstanz zu thun haben, wie dies neben v. la Valette St. George auch Biondi behauptet, sondern dass sich die- selbe aus den Zellkörpern der v. la Valette St. George’schen Follikelzellen zusammensetzt. Ich muss nach meinen Präparaten an der Deutung der feinen Linien als Zellgrenzen festhalten und kann desshalb Biondi durchaus nicht beistimmen, wenn er glaubt, dass das eigenthümliche netzartige Gefüge der Protoplasma- masse einfach der Wirkung härtender Agentien seine Entstehung verdankt. Dazu verlaufen die hellen Linien doch zu bestimmt und regelmässig und ausserdem gelingt es häufig, mit Hilfe der feinen Contourlinien eine Follikelzelle mit ihrem Kerne vollkommen ° abzugrenzen. Dass die feinen Liniensysteme dabei namentlich gegen das Kanälchencentrum kernlose Protoplasmafelder abgrenzen, darf uns nicht Wunder nehmen; denn die Follikelzellen, zu deren näherer Betrachtung wir nun übergehen wollen, stellen relativ grosse, längliche Elemente dar, die namentlich gegen das Centrum des Kanälchens lappige Ausläufer besitzen. Numerisch treten im Hoden der neugeborenen Maus die Follikelzellen sehr stark in

1)72.08:0.

Die postfoetale Histiogenese des Hodens der Maus bis zur Pubertät. 433

den Vordergrund, man sieht ihre Kerne allenthalben, ohne dass sie dabei eine besondere Anordnung zeigen, an der Basalmembran sowohl, als auch gegen die Mitte des Kanälchens zu liegen; das Centrum selbst ist allerdings stets frei von Follikelzellkernen, hier werden nur die erwähnten Ausläufer angetroffen. Jedenfalls, das lässt sich sicher sagen, sind im jugendlichen Hoden die Follikel- zellen weit zahlreicher vorhanden, wie dies eine Vergleichung der Querschnittsbilder (Fig. 1) mit einem Flächenbilde, das dem Hoden einer erwachsenen Maus entstammt, ohne weiteres deutlich machen dürfte (Fig. 2). Was nun die Kerne der Follikelzellen betrifft, so war ich nicht wenig erfreut, in ihnen dieselben eigenthümlichen Nucleolenbildungen aufzufinden, wie ich sie in einer früheren Ab- handlung !) als characteristisch für die Kerne der Benda’schen Fusszelle im funetionirenden Hodenepithel beschrieben habe. Wäh- rend aber hier der Kern stets nur einen relativ grossen Nucleolus in seinem Inneren birgt, sehen wir in den Kernen der jugendlichen Follikelzellen deren 3 bis 4 in entsprechend geringerer Grösse (Fig. 3).

Eingebettet in das Lager dieser Zellen erscheint nun in er- heblich geringerer Anzahl die zweite Art von Zellbildungen, die Spermatogonien v. la Valette’s St. George’s in Form kräftig contourirter, relativ grosser Elemente. In einem Gebiete, das wie die Hodenhistologie gerade bezüglich der Nomenelatur eine ziem- liche Complication aufweist, dürfte es sich mit Recht empfehlen, neue Bezeichnungen zu vermeiden und soweit thunlich an den alten Namen festzuhalten; gleichwohl möchte ich es nicht ver- säumen, darauf hinzuweisen, dass die Spermatogonien im jugend- lichen und die im funktionirenden Hoden nicht als absolut iden- tische Bildungen aufzufassen sein dürften. Vor allem unterscheidet sie ihre beträchtlichere Grösse und ausserdem erinnern die jugend- lichen Spermatogonien mehr an junge Eizellen. Die rundlichen Zellkörper (Fig. 3) zeigen eine deutliche Schichtung in eine innere dicht und eine periphere locker genetzte Protoplasmaanlage und auch der Kern lässt die durch ihre Färbbarkeit mit Saffranin so deutlich sich characterisirenden echten Nucleolen der Spermatogo- nien im erwachsenen Hoden vermissen, er birgt vielmehr in einem ziemlich dichten chromatischen Netzwerk nur einen oder mehrere derbe Chromatinbroeken. Aeusserst zahlreiche Mitosen (Fig. 1)

1) 2:3..0,

434 Friedrich Hermann:

zeigen nun, dass die jugendlichen Spermatogonien in einer regen Vermehrung sich befinden und ist es namentlich das Stadium des Monasters, das sehr häufig zur Beobachtung gelangt.

Dieses, nach den Befunden am Hoden der neugeborenen Maus geschilderte Stadium bleibt nun lange Zeit hindurch bestehen; der Hoden von 9, 12 und 14 Tage alten Mäuschen hat sich zwar als ganzes Organ etwas vergrössert, allein seine histologische Structur zeigt noch ganz dieselben Verhältnisse und auch die Diekendimension der einzelnen Samenkanälchen im Mittel 0,02 mm ist die gleiche geblieben wie beim neugeborenen Thiere.

Am 15. oder 16. Lebenstage ändert sich dies aber mit einem Schlage und wir können nun an diesem Tage bei der Maus den ersten Beginn der Pubertätsentwieklung Constatiren. Sehen wir nun zu, welche feineren Vorgänge sich bei diesem Process an den epithelialen Elementen des Samenkanälchens abspielen.

Hatten die Kerntheilungen der Spermatogonien bis dahin nur stets zur Erzeugung gleichwerthiger Tochterzellen Veranlassung gegeben, so sehen wir nun, dass durch sie eine Brut von Zellen entsteht, die sich in mehreren Punkten von der Mutterzelle unter- scheiden. Diese jungen Zellen (Fig. 4) sind kleiner, sie haben das eiähnliche Aussehen ihrer Mutterzellen verloren und zeichnen sich durch den Besitz mehrfacher, wohlentwickelter echter Nucleo- len aus, mit einem Worte, sie stellen Zellen dar, welche den Spermatogonien, wie wir sie im Hoden des erwachsenen Thieres finden, auf das Genaueste gleichen. Die Erzeugung solcher Sper- matogonien ist dabei eine so rapide, dass wir dieselben in 3 bis 4 fachen concentrischen Schichten übereinander gelagert finden. Natürlich muss dieser Process der Spermatogonienbildung auch seinen Einfluss äussern auf die zweite Art von Zellen, die Follikelzellen; durch die mächtige Neubildung eigentlicher Samen- zellen müssen dieselben auseinander gedrängt werden, so dass ihre Zahl nun hinter der der Spermatogonien zurücksteht, wodurch das numerische Verhältniss zwischen den beiden Zellarten mehr und mehr dem bei dem erwachsenen Thiere entspricht. Auch in Bezug auf die Lage der Follikelzellen innerhalb des Samenkanäl- chens ist eine Aenderung eingetreten, indem dieselben durch die rasch wuchernden Spermatogonienfamilien aus ihrer Lage im Innern des Samenkanälchens herausgedrängt und allmählich sämmtlich an die Membrana propria angepresst worden, wo sie

Die postfoetale Histiogenese des Hodens der Maus bis zur Pubertät. 435

nun in einer einzigen Schichte ihre Lage haben. Ihre oben er- wähnten, gegen das Kanälchencentrum gewandten Fortsätze kommen dabei mehr und mehr zum Schwunde; während man dieselben anfangs noch als mehr oder minder verdünnte Streifen von Proto- plasma zwischen benachbarten Spermatogoniengruppen nach dem Centrum zu ziehen sieht, werden sie später von dem kernhaltigen Theile der wandständigen Follikelzelle vollkommen abgelöst und es stellen ihre Reste nun eine Eiweissmasse dar, die gewisser- massen immer mehr in sich zusammensintert und so bald zur Bildung eines anfangs buchtigen Lumens im Inneren des ursprüng- lich soliden Samenkanälchens Veranlassung gibt. Mit diesem Lagewechsel geht auch im Inneren des Kernes der Follikelzelle eine Aenderung Hand in Hand, insoferne als die, wie erwähnt, mehrfach vorhandenen Nucleolen sich zu einem einzigen, grösseren umwandeln und zwar erfolgt dies, wie ich direet beobachten konnte, durch eine einfache Verschmelzung (Fig. 5).

Nicht alle Kanälehen des Hodenquerschnittes bieten übrigens das ebenbeschriebene Bild; während sich noch viele in dem ur- sprünglichen, jugendlichen Stadium befinden, sind andere schon in ihrer Entwicklung vorangeeilt. Recht häufig kommen Kanäl- chen vor, in denen sich die Spermatogonienkerne, in 2 bis 3 Schichten gelagert, in die characteristischen enggewundenen Knäuel der sog. growing cells umgewandelt haben (Fig. 6), während stets noch eine Schichte nicht verwandelter Spermatogonien wand- ständig liegen bleibt und da und dort treten Samenkanälchen auf, deren Zellen sich schon in die nächst höhere Zellcate- gorie, in Spermatocyten, umgebildet haben (Fig. 7). Dass durch diese regen Wachsthumserscheinungen eine Vergrösserung nicht nur des ganzen Hodens, sondern auch der einzelnen Kanälchen bewirkt wurde, muss als selbstverständlich erscheinen; der Querdurch- messer der einzelnen Samenkanälchen beträgt nun im Mittel 0,047 mm.

Ist nun die Entwicklung des Samenkanälchens soweit ge- diehen, dass die characteristischen lockeren Spirembildungen der Spermatocyten aufgetreten sind, so scheint eine relativ lange Ruhepause einzutreten, denn man findet in der Zeit bis zum 21. Lebenstage ausser diesen Spiremstadien keine anderen Theilungs- phasen der Spermatoceyten. Es dürfte vielleicht von allgemeinem histologischen Interesse sein, auf die Möglichkeit einer solch’

436 Friedrich Hermann:

langen Persistenz einer Kerntheilungsphase hinzuweisen; man hat ja aus dem Umstand, dass im erwachsenen Hoden die Spirem- stadien numerisch so sehr über die übrigen Phasen der Mitose überwiegen, schon den Schluss gezogen, dass im Stadium des Spirems eine Ruhepause erfolgen müsse, allein wie lange diese währt, liess sich selbstredend nicht entscheiden. Die Untersuchung des wachsenden Hodens vermag uns in dieser Frage eine directe Antwort zu geben, wir sind zu der Annahme berechtigt, dass die Spermatoeyte bei ihrer Theilung zum mindesten 5 Tage lang in der Prophase des Monospirems verharrt, ehe sie sich anschickt, in die Metakinese und die sich anschliessenden Anaphasen über- zugehen. Diese erscheinen erst am 21. Tage und müssen sich dann um so rapider abspielen, denn man sieht an diesem Tage schon da und dort Gruppen neugebildeter Spermatiden. Die Hauptentstehungszeit dieser letzteren liegt von dem genannten Tage bis zum Schlusse der 4. Lebenswoche und unterscheiden sich die neugebildeten Spermatiden in. keiner Weise von denen des erwachsenen Thieres; auch sie bergen die beiden Protoplasma- einschlüsse, die Kopfkappenanlage und den Nebenkern, deren Entstehungsmodus mir aber auch hier leider nicht zu beobachten gelang. Die Dieke des Samenkanälchens hat durch diese Aus- bildung der Spermatidengenerationen im Mittel 0,078 mm erreicht.

Mit Schluss der 4. Lebenswoche ist also der erste Process, den wir im erwachsenen, functionirenden Hoden als regeneratori- schen auffassten, und der mit der Neubildung von Spermatogonien beginnt, mit der Entstehung von Spermatiden endigt, beim jugend- lichen Thiere abgeschlossen. In der 5. Lebenswoche setzt nun der zweite Process, der eigentliche Samenbildungsprocess, ein, es bilden sich die Spermatidengruppen in früher beschriebener Weise!) um, treten mit den Benda’schen Fusszellen in Contact und wir finden in der 6.'.Woche schon sämmtliche Entwieklungsphasen der Spermatosomen bis zum fertigen, im Lumen der Samenkanälchen liegenden Spermatozoon.

Mit der 6. Woche hat also die Maus schon die vollständige Geschlechtsreife erreicht; ob sie freilich in diesem relativ jugend- lichen Alter factisch schon das Begattungsgeschäft besorgt, ver- mag ich nicht zu entscheiden, beobachtet habe ich es selbst nie.

1) a.N2. 0:

Diepostfoetale Histiogenese des Hodens der Maus bis zur Pubertät. 437

Erklärung der Abbildungen auf Tafel XXV1. Sämmtliche Figuren sind unter Benutzung einer apochrom. Oelimmer- sionslinse von Zeiss Ap. 1,2. Brennw. 2,0 und Ocular 4 und 12 mit der Camera lucida entworfen. Vergrösserung 500—1500. Fig. 1. Querschnitt durch ein Samenkanälchen der neugeborenen Maus 500/1. fz. Follikelzelle.. Sp. Spermatogonie. Fig. 2. Tangentialschnitt durch ein Hodenkanälchen der erwachsenen Maus. 500/1. Eine Spegmatogonie und 2 Follikelzellen von der neugeborenen Maus bei stärkerer Vergrösserung. 1500/1. Fig. 4. Neugebildete Spermatogonienschichten. Maus, 16 Tage alt. 500/1. Fig. 5. Vereinigung zweier Nucleolen zu einem einzigen grösseren. Maus, 16 Tage alt. 1500/1. Fig. 6. Umwandlung der Spermatogonien in sog. growing cells. Maus, 16 Tage alt. 500/1. Fig. 7. Umwandlung der growing cells in Spermatocyten. Maus, 16 Tage alt. 500/1. Sämmtliche Präparate waren mit Chromosmiumessigsäure gehärtet und einer Doppelfärbung mit Saffranin-Gentianaviolett unterzogen worden.

3%

Fig.

Amitotische Kerntheilung im Blasenepithel des Salamanders. Von

Ww. Flemming in Kiel.

Hierzu Tafel XXVI.

Eine vorläufige Mittheilung über das Folgende wurde auf dem 3. Anatomencongress in Berlin (Sitzung vom 10. October 1889, s. im Anatom. Anzeiger 1889) gegeben.

In einer Harnblase von Salamandra maculosa, die in der ge- wöhnlichen, für Flächenpräparate früher von mir angegebenen

438 W. Flemming:

Weise !), in diesem Fall mit Einspritzung von halbprocentiger Chromsäure und späterer Safraninfärbung, für den histologischen Curs präparirt worden war, fanden sich in grosser Zahl Zertren- nungsformen der Epithelkerne, wie sie die Tafel zeigt. Da ami- totische Theilungen in dieser Form bei Epithelien von Wirbel- thieren meines Wissens noch nicht bekannt sind, halte ich sie einer näheren Beschreibung werth.

Vorweg sei bemerkt, dass der Gedanke, diese Dinge könnten blosse Kunstproducte sein, ganz ausgeschlossen ist. Chromsäure liefert zwar für das Blasenepithel der Urodelen meistens keine sanz untadeligen Fixirungen; die Kerne desselben werden dabei oft theilweise etwas eckig und verzogen, noch mehr geschieht dies bei Kernen des Bindegewebes und der Leukoeyten in der Blasen- wand. So ist es auch an diesem Präparat. Aber es ist nicht daran zu denken, dass solche Kernformen, wie man sie auf der Tafel sieht, bloss durch Chromsäurewirkung aus gewöhnlichen ruhenden Kernen oder etwa aus Mitosen entstehen könnten: aus dem einfachen Grunde nicht, weil ein grosse Zahl anderer Blasen, die ich ebenso präparirt habe, gar nichts von solchen Formen zeigen. Aus demselben Grunde ist es auch unmöglich, dass woran man ja auf den ersten Blick denken könnte durch die Ausdehnung der Blase bei der Chromsäureeintreibung ein Theil der Kerne in solche Formen, wie sie hier gezeichnet sind, ausge- zerrt sein könnte. Die Ausdehnung war nicht stärker, als sie manchmal durch natürliche Urinfüllung bedingt wird, und ich habe sie bei anderen Präparaten absichtlich viel weiter getrieben, ohne dabei jemals, ausser in diesem einen Fall, das hier Beschriebene zu finden.

Die Zellen des einschichtigen Epithels sind bei ausgedehnter Blase sehr flach, und haben ebenfalls flache, elliptische oder kreis-

1) Beobachtungen über die Beschaffenheit des Zellkerns, Arch. f. mikr. Anat., 1877, Bd. 16, S. 696 u. 699, und: Ueber Formen und Bedeutung der organischen Muskelzellen, Zeitschr. f. wiss. Zoologie, 1878, Bd. 30, Suppl., S. 468. Die Blase wird durch Einspritzung von der Cloake aus mit fixiren- den Flüssigkeiten ausgedehnt, nachdem man das Thier getödtet und die Bauchdecken vorsichtig von oben her aufgeschnitten hat, dann abgebunden und auf entsprechend lange Zeit (je nach dem gewählten Reagens) in die gleiche Lösung eingelegt, bis sie starr genug ist, um sich beim Zerschneiden nicht mehr zu falten.

Amitotische Kerntheilung im Blasenepithel des Salamanders. 439

runde Kerne. Unter diesen finden sich solche, die von einem kleinen Loch durchsetzt sind, bald excentrisch (Fig. 1) bald cen- trisch (Fig. 12a); manchmal giebt es mehrere solche Löcher (Fig. 2); zuweilen sind, wie in dieser Figur, am Umfang der Lücke kleine Buckel vorgetrieben.

Durehlöcherte Kerne solcher Art waren mir bisher nur bei Leukocyten hie und da aufgefallen. J. Arnold hat, meines Wis- sens als Erster, ähnliche Formen aus der Milz der Maus im vori- sen Jahre näher beschrieben !); viele der Abbildungen, die er in seinen Figg. 23—50 giebt, scheinen mir wenigstens mit den hier in Rede stehenden Kernbildern gut vergleichbar). Arnold’s Deutung dieser Bilder hat durch Denys?°) soeben eine sehr ener- gische Anfechtung erfahren. Dieser Forscher erklärt alle die Dinge, die Arnold als in den Kernen auftretende helle Lücken beschreibt, für Vaeuolenbildungen im Kernkörperchen. Mir scheint, dass Denys hier zu weit geht, wenn ich auch gern zugestehe, dass seine Auffassung für einen Theil der fraglichen Bilder zutreffen mag. Meine Kenntniss über die Milz der Maus ist zwar bis jetzt nicht ausgedehnt, sie beschränkt sich auf eine Anzahl von Präpa- raten, die F. Reinke hier bei einer kürzlich begonnenen Unter- suchung des Objectes gewonnen hat. In diesen fanden wir manche Formen, welche die Interpretation Denys’ sehr wohl vertragen, aber auch andere, nicht sehr zahlreiche, bei denen ganz offenbar eine Durchbreehung der Kerne durch wirkliche Lücken vorliegt. In solcher Lücke sieht man meistens ein oder einige sehr kleine Körperchen, zuweilen scheinbar daneben blasse Stränge, bei der Kleinheit der Zellkerne recht schwer zu controliren. Ich zeichne einen solehen Kern in Fig. 18b (vergl. Erklärung). Bei dem hier beschriebenen grosskernigen Blasenepithel des Salamanders liegt eine solche Durchlöcherung ganz zweifellos und gleichsam in Fraetur vor Augen. Niemand kann hier daran denken, dass die

1) Ueber Kern- und Zelltheilungsvorgänge in der Milz ete., Archiv f. mikr. Anat. Bd. 31, 1888, S.546 Abs. 2 ff.; auchArnold’s frühere Arbeiten enthalten schon Angaben über derartige Kernformen.

2) So Arnold’s Fig. 28, 29, 32; weiter: 46, 48—50.

3) Quelques remarques ä propos du dernier travail d’Arnoid ete., Trav. du Labor. d’Anatomie pathologique de Louvain (La Cellule, T. V. Fase. 1, Juillet 1889).

440 W. Flemming:

Löcher in meiner Fig. 12a, 2, 11a, 3, 4, 10 und 13 lediglich va- euolisirten Nucleolen entsprechen könnten; oder sollten sie etwa ihren ersten Anfang in der Weise nehmen, dass sich zuerst in einem Chromatinkörper eine Vacuole bildet was ja nach den Anfangsformen (Fig. 1) allenfalls möglich bleibt so müsste dies nach den folgenden doch zu einem wahrhaften Durehbruch führen.

Die Formen der weiteren Kernzertrennung sind bei meinem Objeet recht eigenthümlich, und die Grösse und Plattheit der Kerne erlaubt sie in allen zu fordernden Uebergangsstadien sehr deutlich zu verfolgen. Die Löcher in den Kernen zuweilen mehrfach, Fig. 2 vergrössern sich (Fig. 2—3), wobei zuweilen zarte Brücken, wie sie auch Arnold beschreibt, sich durch die Lücke ausgespannt zeigen (Fig. 11a); dann werden die Seiten- ränder dieser Lücke zu verschmälerten Strängen ausgespannt, die in manchen Fällen sehr lang gedehnt und geknickt sein können (Fig. 4, 10); in einigen Fällen sind sie noch länger und dünner als dort und stark gedreht, in einem (Fig. 13) war die eine Seiten- brücke flach über die andere geschlungen und der Kern 8 förmig. Dann bricht die eine Seitenbrücke durch, so dass Formen wie Fig. 5, 6 und 16 entstehen; wie mir scheint, können auch beide Brücken ziemlich gleichzeitig getrennt werden, denn ich fand einzelne Kernpaare, an denen ein Kern dem anderen beiderseits frei endende Zipfel zusendet.

Bei der Mehrzahl all dieser Trennungsfiguren geschieht die Zerlegung des Kerns zu gleichen Theilen: zwar sind diese Theile wohl in keinem Falle ganz symmetrisch-ähnlich gestaltet, meistens einander recht ungleich in der Umrissform, aber der Masse nach erscheinen sie nach bestmöglicher Schätzung gleich gross. Auf die anderen Fälle, in denen die Zerlegung ungleiche Theile liefert und welche die Minderzahl bilden, komme ich alsbald zurück.

Wie zuweilen in den ersten Anfängen des Vorgangs kleine Lappen und Buckel in das Innere der Lücke vorgetrieben sind - (Fig. 2), so finden sich nicht selten solehe auch in späteren Stadien (Fig. 4, 6), und zwar, wie diese Bilder zeigen, bald an dieser, bald an jener Seite der Kernhälften.

Nicht immer jedoch muss diese Form der Kerntrennung so, wie bis jetzt beschrieben, also mit Bildung und Durchbruch eines Loches verlaufen. In geringerer Zahl finden sich auch Formen, wie ich zwei in Fig. 7 und 3 zeichne, in denen der Kern, eben-

Amitotische Kerntheilung im Blasenepithel des Salamanders. 441

falls zu gleichen Hälften, einfach in der Mitte abgeschnürt er- scheint, und andere, bei denen die Abschnürungsbrücke noch länger ausgezogen ist. Bei solchen Formen deutet nichts darauf hin, dass vorher eine Ringform des Kerns vorgelegen haben könnte.

Die bisher besprochenen Fälle kann man nach dem Gesagten sämmtlich gleiehtheilige Zerlegungen der Kerne nennen. Es kommen aber daneben, in geringerer Zahl, auch ungleichthei- lige vor; Fig. 14 und 15 sind Beispiele davon. In einigen ist ein Kern zwar in zwei gleichmässige Hälften zerschnürt, aber von der einen dieser Hälften trennt sich wiederum ein kleineres Stück ab: Fig. 17, wenn man sich in der letzteren die beiden Kern- gebilde in einer Zelle liegend denkt. In anderen Fällen geschieht die Zertrennung, ohne jede Andeutung von Symmetrie, in drei und mehr Stücke, wobei nicht selten einzelne der abgetrennten Parcellen sehr klein sind (Fig. 6b). Zuweilen ist auch hierbei in der grösseren Kernmasse eine lochartige Durchbrechung zu finden (Fig. 15). Manchmal’sieht man auch, bei sonst: gleichthei- liger Zerlegung, neben den noch zusammenhängenden Schwester- kernen wie z. B. Fig. 4 oder 5, sehr kleine, ganz wie diese tingirte Kernstückchen frei in der Zellsubstanz liegen.

Nach diesen Uebergangsformen zwischen der Sleishiheihsen und der ungleichtheiligen Kernzerlegung erscheint es nicht mög- lich, zwischen beiden irgend eine scharfe Grenze zu ziehen. Nach dem häufigeren Vorkommen der ersteren Form kann man vielleicht vermuthen, dass sie, um es so auszudrücken, hier das reguläre Wesen des Vorganges repräsentirt, und hie und da atypisch in die ungleichtheilige Zerschnürung ausartet.

So viel über die Erscheinungen, welche die Aussengestalt der Kerne bei dieser Theilungsart betreffen.

In Bezug auf innere Veränderungen ist vor Allem testzu- stellen, dass dabei jede Spur von einer wahren, oder irgendwie unvollkommenen oder verstümmelten Mitose gänzlich fehlt. Dies ist um so klarer, als neben diesen amitotischen Theilungen in derselben Blase auch wahre Mitosen vorkommen. Ich habe keine davon gezeichnet, da sie in nichts von den bekannten Formen abweichen. Sie sind weniger zahlreich, mögen etwa höchstens ein Viertel der amitotischen Theilungen betragen, und sind ebenso wie letztere ganz einzeln verstreut, oft dicht neben ihnen gelegen, nirgends

442 W. Flemming:

örtlich angehäuft. Diese Mitosen sind am Präparat sehr gut erhalten, selbst in feinen dichten Knäueln zeigen sie die Längsspaltung; und es kann gar kein Gedanke daran sein, dass etwa die amitotischen Theilungen, die ich hier beschreibe, durch die Behandlung verdor- bene, oder auch im Absterben veränderte Mitosen sein könnten; es fehlen alle und jede Uebergangsformen, die sich in solchem Falle finden müssten.

Aber eine andere innere Veränderung der Kerne tritt bei den amitotischen Theilungen recht augenfällig hervor:

Während die meisten ruhenden !) Kerne des Epithels (Fig. 11d) sich so verhalten, wie es sonst bei gleicher Behandlung an diesem Object zu sein pflegt (Fig. 12d), d. h. wenige kleine, stärker gefärbte Nucleolen besitzen, übrigens eine blasse, anschei- nend fast gleichmässige Tinctionsfarbe zeigen, die sich nur mit starken Linsen in eine sehr feine, verwaschene, fadige Zeichnung auflöst: findet sich an einer geringeren Zahl vön Kernen eine auffallend stärkere, scheinbar diffuse Tinetion der ganzen Kern- masse, und darin, statt der einzelnen kleiner Nucleolen, zahlreiche starkehromatische Brocken und Stränge von unregelmässiger Form, so dass diese Kerne, im Vergleich mit den ruhenden, scheckig aus- sehen (vergl. Fig. 11 b mit irgend einem anderen der gezeichneten Kerne). Ebenso verhalten sich nun, wie die Tafel es darstellt, sämmtliche Kerne, welche in amitotischer Theilung stehen. Arnold hat in der erwähnten Arbeit als ein Kenn- zeichen seiner „indireeten Fragmentirung“ angegeben, dass dabei das Chromatin im Kern zunehme, sich diffus im Kernsaft vertheile und dadurch die starke Tinetion bedinge; man wird hieran sofort erinnert, wenn man meine Objecte betrachtet. Denys (am o. a. Orte) hat gegenüber dieser Auffassung Arnold’s geäussert, es lasse sich nicht behaupten, dass in solchen Fällen wirklich. eine Auf- lösung von chromatischen Nucleinkörpern im Kernsaft statt- gefunden habe; denn man könne nicht wissen, ob bei den von Arnold gebrauchten Tinctionen (Hämatoxylin, Safranin und ähnliche) bloss solche Substanzen, oder auch andere Dinge gefärbt sein könnten; Denys selbst konnte sich durch Färbung mit saurem

1) Ich bezeichne so wie gewöhnlich der Kürze wegen solche Kerne, die im vorliegenden Fall weder in mitotischer noch in amitotischer Thei-

lung sind.

n

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Amitotische Kerntheilung im Blasenepithel des Salamanders. 445

Methylsrün niemals solche diffus-tingirte Kerne herstellen. Dieser Einwand verdient gewiss Aufmerksamkeit; ich will mich deshalb, um so mehr weil mein Object keine Prüfung mit Methylgrün mehr gestattet, mit möglichster Vorsicht benehmen, und nicht von einer Auflösung von Chromatin im Kernsaft, oder auch nur von einer Zunahme des Chromatins reden, da man nicht ganz bestimmt wissen kann, ob die Substanz, die hier stärker gefärbt ist, auch mit dem sonstigen Chromatin identisch sein muss. Ich will also einfach sagen: es ist hier eine Anzahl der Kerne stärker tingirbar als die übrigen geworden, mit erheblicher Färb- barkeit der gesammten Kernmasse, und mit Auftreten von stark-chromatischen Strängen und Körnern in ihr; und das Gleiche findet sich an all den Kernen, die in amitotischer Theilung stehen. Dies ist ein Ausdruck des thatsächlichen Ver- haltens, gegen den sich wohl nichts einwenden lässt.

Denn es ist für jeden Kenner der Safranintinetion nicht daran zu denken, dass es sich bei dem eben Besprochenen nur um eine ungleichmässige Extraction der Safraninfarbe handeln könnte, so, dass die einen Kerne zufällig stärker als die anderen durch den Alkohol entfärbt wären. Es liegt an dem Präparat ein starker und vollkommen gleichmässiger Extractionsgrad vor, was man am einfachsten an den Mitosen ermessen kann, bei denen überall eine gute separate Darstellung der chromatischen Figur erzielt ist, und keine der diffusen Mitfärbungen des Kernsafts und Linin’s sich zeigt, wie sie bei unvollkommenen oder ungleichmäs- sigen Ausziehungen vorzukommen pflegen.

Also: die dunkelgefärbten und zahlreiche Chromatinbrocken enthaltenden Kerne (wie Fig. 11 b) stellen gegenüber den zahl- reicheren blassen (solchen wie Fig. 12 d) jedenfalls einen beson- deren Zustand dar; und dass dieser Zustand ein Vorläufer der amitotischen Kerntheilung ist (beziehungsweise nach geschehener Theilung noch als ein Folgezustand derselben bleibt), das geht nicht nur daraus hervor, dass die in solcher Theilung stehenden Kerne ebenso dunkeltingirt und scheckig aussehen wie sie, son- dern auch daraus, dass sehr viele der betreffenden Kerne!) am Umfange Buckel und Läppchen zeigen, ganz ähnlich wie sie bei

1) Bei dem, den ich in Fig. 11 b gezeichnet habe, ist es gerade nicht der Fall.

444 W. Flemming:

den Theilungsformen gleich Fig. 4, 7, 6a vorkommen, während dies bei den gewöhnlichen ruhenden Kernen wie Fig. 12d nicht so ist.

Man wird hiernach gewiss daran denken müssen, dass die vorgängige Zunahme der Tingirbarkeit in toto, und das Erscheinen reichlicherer geformter Chromatinkörper im Kern etwas mit der amitotischen Theilung desselben zu thun hat. Die Beziehung, in der das zu Arnold’s Anschauung über die indireecte Fragmen- tirung steht, liegt nahe. |

Vergebens suche ich in diesen starkgefärbten und scheckigen ‘Kernen nach irgend einer bestimmten Anordnung der Chro- matinkörper. Diese erscheinen ziemlich gleichmässig im Kern vertheilt, aber sonst ohne jede Regel gelagert; so ist es sowohl in den noch ungetrennten, als den durchlöcherten, als den in Ab- schnürung stehenden Kernen, als endlich in schon getrennten Kernpaaren. Ich verweise dafür einfach auf die Figuren.

Von besonderem Interesse ist natürlich die Frage, ob auf diese amitotische Zerlegung des Kerns eine Theilung der Zelle folgt, oder sich gar, wie es ja bei der Mitose ist, noch während ihres Verlaufs einleitet. Für die bisher bekannt gewordenen Bei- spiele von direeter Kerntheilung lauten die Angaben hierüber ver- schieden. So haben früher Johow, Schmitz und Strasbur- ger!) bei Pflanzen in solchen Fällen keine Theilung der Zelle constatirt, ebensowenig Bloehmann?) bei der directen Kernthei- lung in der Embryonalhülle des Skorpions. Andererseits fand Carnoy °) bei Zellen verschiedener Arthropodengewebe (Hoden, Epithel, der Malpighi’schen Gefässe, Fettzellen) amitotische Kerntheilung mit nachfolgender Zelltheilung, letztere bei den Fett- zellen mit Zellplattenbildung, bei den übrigen mit Abschnürung verlaufend. Ebenso beschreibt Platner*) directe Kerntheilung

1) Fr. Johow, Dissertation Bonn, 1880. Fr. Schmitz, Beobachtun- gen über die vielkernigen Zellen der Siphonocladiaceen. Halle 18792 2. Strasburger, Ueber den Theilungsvorgang der Zellkerne ete., Arch. f. mikr. Anat. 1882.

2) Morpholog. Jahrbuch, Bd. 10, 1885, 5. 480.

3) La Cytodierese ehez les Arthropodes, la Cellule, Louvain 1885, p. 215— 244,

4) Beiträge zur Kenntniss der Zelle etc., Arch. f. mikr. Anat., 1889, Ss. 147—148.

Amitotische Kerntheilung im Blasenepithel des Salamanders. 445

(hier allerdings in besonders eigenartiger Form) mit folgender Zelltheilung an den Zellen der Malpighi’schen Gefässe des Wasserkäfers.

An meinem Object lässt sich eine Theilung der Zellen, in welchen sich die Kernzerschnürungen finden, nieht mit Sicherheit nachweisen, es kann aber nach folgenden Umständen wahrschein- lich genannt werden, dass sie mindestens in vielen Fällen ein- tritt: es lässt sich in manchen Figuren mit noch zusammenhän- senden Kernhälften, wie meine Fig. 6a, 10, 16, zwischen den letzteren eine blasse Marke erkennen, die ich so zart und ungenau begrenzt, wie sie eben zu sehen ist, dort dargestellt habe. Auch in vorangehenden durchlöcherten Stadien, wie Fig. 3 und 4, ist im Innern des Loches zuweilen eine blasse, körnig-fädige Masse zu erkennen, welche die Vorläuferin jener Marke sein könnte. Es finden sich ferner zahlreiche Zellenpaare, in denen die Kerne so klein sind, dass ihre Grösse derjenigen einer Halbirungsportion wie in Fig. 5, 7, 16 etc. entspricht, zu je zweien aneinander geordnet (Fig. 9); die Zellen selbst sind gleichfalls halb so gross, als eine Zelle wie in Fig. 1, 5, 7 ete. ist und ihre Kerne haben dieselbe dunkle und scheckige Beschaffenheit wie bei diesen; es macht also ganz den Eindruck, als seien dies Zellen-Schwester- paare, die aus einer amitotischen Theilung hervorgegangen sind. Bilder, welebe als ganz sichere Zwischenstufen zwischen Fig. 16 und Fig. 9 anzusehen wären, habe ich allerdings nicht finden können.

Man könnte nun zwar auch daran denken, dass die erwähnten Schwesterzellenpaare (Fig. 9) alle aus mitotischen Theilungen hervorgegangen sein könnten, welche sich, wie oben bemerkt, ja ebenfalls in dieser Blase finden. Dagegen spricht aber zunächst die sehr viel grössere Zahl jener Zellenpaare im Vergleich mit der der Mitosen; ferner finden sich in viel geringerer Menge Zel- lenpaare, wie ich eines in Fig. 12b ce wiedergebe, bei denen man schliessen kann, dass sie wirklich aus Mitose hervorgegangen sind, da ihre Kerne die characteristische, durch die Eindrückung der Polfeldstelle bedingte gekrümmte Form noch bewahren. Solche Formen finden sich aber nicht an der grossen Mehrzahl der Zel- lenpaare.

Wenn es sich hiernach wahrscheinlich nennen lässt, dass im vorliegenden Falle auf die Abschnürung des Kerns eine Zell-

+ Archiv £. mikrosk, Anatomie. Bd. 34. 29

446 W. Flemming:

theilung folgt, oder eigentlich noch im Verlaufe dieser Abschnü- rung beginnt, so muss dies hier eine Theilung mit einer Art Zell- plattenbildung sein, nicht eine solche durch Abschnürung. Denn von letzterer kann ich nirgends eine Andeutung finden.

Ueber das nähere Wesen jenes Vorganges lässt sich bei der Behandlung des Objects leider kein weiterer Aufschluss gewinnen, da die Structuren der Zellsubstanz sehr zart sind und die Fixirung durch Chromsäure gewiss überhaupt keine hinreichende Garantie bietet, ob man das, was sie zeigt, für rein präformirt nehmen kann. Die Marken in Fig. 6, 10 und 16 und die blassen Differen- zirungen in den Kernlöchern der Fig. 3 und 4 sind, wie schon erwähnt, zu zart, als dass man Strueturen darin ausmachen könnte. Ich habe daran gedacht, ob sich die letztgenannten Differenzirungen vielleicht in Beziehung zu Attractionssphären bringen lassen, die ja auch bei dieser Theilungsart eine Rolle spielen könnten, vermag aber für jetzt nicht darüber zu entscheiden.

Auch die sonstigen Structurverhältnisse der Zellsubstanz um den Kern her sind bei der Chromsäurebehandlung, und zugleich bei der grossen Dünnheit der Zellen so wenig sicher auszumachen, dass ich sie absichtlich überall nur durch ganz schematische Strichelechen angedeutet habe. Lediglich in Fig. 10 ist der Zellenleib etwas näher nach dem Ansehen des Präparates aus- geführt. Die Strichelung in der Zellsubstanz hat oft in der Peripherie deutlich eoncentrischen Charakter, und ist um den Kern her lockerer. In Fig. 16 ist dies angedeutet.

Wenn wir es hier mit einer Zelltheilung unter amitotischer Kerntheilung zu thun haben, so bleibt mir auch zu erwähnen, dass die erstere hier nieht immer eintreten muss. Denn es finden sich in der Blase viele Zellen mit 2 Kernen (Fig. 6b, wenn man sich das kleine Kernchen fort denkt), bei denen jede Spur einer mittleren Theilungsmarke fehlt, während die Kerne ganz die er- wähnte starke Tinction und scheckige Beschaffenheit besitzen, und ihrer Grösse nach ganz den Abschnürungshälften einer Theilung wie in 6a entsprechen. Es wird danach anzunehmen sein, dass hier die Kerntheilung ohne Zelltheilung geschehen ist, und mindestens fraglich bleiben müssen, ob letztere sich noch nach- träglich einstellen kann.

Amitotische Kerntheilung im Blasenepithel des Salamanders. 447

Will man die Frage stellen, ob wir es in dem Beschriebenen mit einem normalen oder doch häufigen Regenerationsvorgange des Blasenepithels zu thun haben, so muss dieselbe unbedenklich verneint worden.

Ich habe im Laufe der Zeit sicher mehr als zwei Dutzend Salamanderblasen mit Injection von ÜUhromsäure oder solchen Behandlungen untersucht !), welche die besprochenen Kernbilder so gut wie jene fixiren und zeigen müssten; niemals, ausser in dieser einen Blase, ist mir etwas Derartiges im Epithel begegnet, obwohl in demselben meistens nach Mitosen gesucht wurde. Mögen bei den übrigen vielleicht einzelne solche amitotische Thei- lungen vorhanden gewesen und übersehen worden sein, so waren sie dann jedenfalls äusserst vereinzelt. Am hier unten eitirten Orte habe ich beschrieben, dass in diesem Biasenepithel ein (geringerer) Theil der Zellen sich durch grössere Masse, Dichtig- keit und stärkere Färbbarkeit der Zellsubstanz auszeichnet; dass solche Zellen häufig gruppenweis, zu zweien, dreien oder mehreren beisammen liegen; und dass sich an ihnen nicht “selten einge- schnürte Kerne finden. Ich habe damals schon (a. a. O.) die Frage erörtert, ob es sich hierbei um eine directe Kerntheilung han- deln könnte, und bin wofür ich auf das dort Gesagte verweisen darf zu dem Schluss gekommen, dass sich dies nicht behaupten lässt. Hier möchte ich nur hervorheben, dass die eingeschnürten Kerne jener dunklen „protoplasmareicheren“ Zellen, welche sich wie gesagt in allen Salamanderblasen finden, keinerlei Vergleichbarkeit haben mit den amitotischen Kerntheilungsbildern, die ich hier beschreibe. Jene sind einfach durch eine schmale Marke theilweis durchtrennt, wie es bekanntlich sehr vielfach bei Zellkernen vorkommt; von den auffälligen Durchlöcherungen und Zerschnürungen mit langen Brücken, wie sie die Tafel hier giebt, habe ich niemals etwas gefunden, ausser in diesem einen Fall.

Mitosen sind zwar im Blasenepithel der erwachsenen Sala- mander recht selten 2); da dies aber bei solchen auch in vielen

1) Chromessigosmiumsäure, Chromosmiumsäure, Platinchlorid, reine Osmiumsäure mit folgender Kerntinetion. Grossentheils geschah dies bei Ar- beiten, die ich in dem Buch „Zellsubstanz, Kern und Zelltheilung“, 1882, S. 346 erwähnt habe.

2) Nur bei einigen Thieren, welche Parasiten in der Blase hatten, fand ich sie sehr reichlich, vergl. dies Archiv Bd. 16, S. 362.

448 W. Flemming:

anderen Geweben der Fall ist, so steht der Annahme nichts im Wege, dass die normale Regeneration hier durch Mitose, nur sehr allmählich und träge erfolgt.

Jedenfalls stellt also der hier beschriebene Fall einen abnor- men Ausnahmezustand dar, der wahrscheinlich auf irgend eine pathologische, vielleicht katarrhalische Veränderung zurückzuführen sein wird. Bei meinen früheren Versuchen über künstliche Her- vorbringung von Entzündung der Harnblasenwand, die am hier unten eitirten Orte besprochen sind, sind mir ähnliche Veränderun- gen der Kerne nicht aufgefallen.

Man wird mir nach dem Gesagten nicht die Meinung zu- schreiben wollen, dass die amitotische Theilung überhaupt stets ein pathologischer oder abnormer Process sei. Mehrere der eitirten Beobachtungen anderer Forscher sprechen ja dafür, dass sie auch unter normalen Verhältnissen vorkommen kann.

EI Dass ich im Vorstehenden mehrere Dinge beibringen konnte, die für einige Beschreibungen Arnold’s (a. a. O.) auch an einem anderen Object Belege abgeben können, hat mich besonders gefreut, weil mir verschiedentlich, und so noch kürzlich 1), eine Gegnerschaft

1) Denys (a. a. O.) sagt in seiner Literaturbesprechung, dass ich in dem Buche „Zellsubstanz etc.“ zuerst den Gedanken ausgesprochen habe, „Arnold’s Beschreibung der indireecten Fragmentirung in dessen Arbeiten von 1833 und 1834 (Virchow’s Archiv Bd. 93 und 97) beruhe ganz und gar auf schlecht fixirten Mitosen (indirecten Theilungen).“ Mein geehrter College von Louvain muss mich hier doch missverstanden haben. Ich habe nicht in dem Buche von 1882, welches ein Jahr vor jener ersten Arbeit Arnold’s erschien, sondern in dem Aufsatz: ‚‚Die Zellvermehrung in den Lymphdrüsen ete.“, Arch. f. mikr Anat. 1885 jene Arbeit Arnold’s be- sprochen, aber einen Ausspruch von solcher Schärfe, wie es der eitirten Stelle bei Denys entspräche, wird man in meinen dortigen Aeusserungen nicht finden. Ich habe dort gesagt, was ich auch noch jetzt glaube, dass ich in den Keimstätten der Leukocyten in den normalen Lymphdrüsen nur einen, in Betracht kommenden Modus der Zellvermehrung finden könne, die wahre Mitose; und dass mir ein Theil der damaligen Bilder Arnold’s als Leukocytenkerne oder vielleicht als „‚chromatische Körper“, ein anderer als veränderte Mitosen deutbar erscheine. Ueber die pathologisch veränderten Lymphdrüsen, auf die sich die zweite Arbeit Arnold’s bezog, hatte ich keine

Amitotische Kerntheilung im Blasenepithel des Salamanders. 449

gegenüber Arnold’s Anschauungen über die Kerntheilung zuge- schrieben worden ist, welche in soleher Form keineswegs existirt. Im vorliegenden Falle würde ich prineipiell auch keinen Einwand dagegen haben, die beschriebenen Kerntheilungsformen als ‚indirecte "Fragmentirung“!) nach Arnold zu bezeichnen; denn sie ent- spreehen ja im Wesentlichen seiner hier unten eitirten Definition, mit der geringfügigen Einschränkung, dass in meinem Fall die gleichtheilige Kerntrennung die häufigere ist, und dass ich den Ausdruck „Zunahme der ehromatischen Substanz“ äusserster Vor- sicht zu Liebe gern fortlassen möchte ?).

Ich habe den Ausdruck ‚indireete Fragmentirung“ hier ledig- lich deshalb unbenutzt gelassen, weil Arnold ihn bei seinen Objeeten nicht bloss auf diejenigen Formen angewandt hat, deren Deutung als Kerntheilungen sich meines Erachtens nicht anfechten oder widerlegen lässt ?); sondern auch auf eine Anzahl anderer Bilder, welehe mir in dieser Hinsicht noch fraglich bleiben. Dies bezieht sich zunächst auf viele von Arnold’s Figuren 1—23; ich zweifle gewiss nicht an der Treue ihrer Darstellung nach dem Präparat, und kenne manche solche Formen aus eigenen Unter- suchungen der Iymphatischen Organe, aber ich kann einstweilen nicht einsehen, weshalb sie gerade Phasen eines Theilungsvor-

eigene Kenntniss und habe ich mir kein Urtheil gestattet (a. a. O., S. 38 des Sep.-Abdr.), und glaube heute wie damals, dass unter abnormen Verhält- nissen Dinge an Zellkernen vielfach vorkommen können, die unter normalen fehlen oder vereinzelt sind. Der hier beschriebene Fall könnte dafür ja ge- rade auch ein Beispiel bieten. Und es würde wohl denkbar sein, dass in der Milz, in der doch ganz besondere physiologische Verhältnisse das Zellenleben beeinflussen, solche Formen auch in der Norm häufiger sein können als in anderen Organen.

1) Diese wird von Arnold definirt als: „Abschnürung der Kerne an beliebigen Stellen in 2 oder mehrere gleiche, häufiger ungleiche Abschnitte, welche nicht durch regelmässige Theilungsflächen sich abgrenzen; dabei mit Zunahme und veränderter Anordnung der chromatischen Kernsubstanz.“

2) Aus den oben $. 442—443 erwähnten Gründen: Auch bei der Mitose („indirecte Segmentirung“, welcher Arnold gleichfalls eine Zunahme der chromatischen Substanz als Character beilegt) bildet eine solche kein con- stantes Kennzeichen, denn es giebt recht viele Mitosen, bei welchen die Kern- figur nach bestmöglicher Schätzung nicht mehr tingirbare Masse besitzt, als die umliegenden ruhenden Kerne.

3) Wie Arnold’s Fig. 28, 29 ff., 32, 46, 48—50 a. a. 0.

450 W. Flemming:

ganges sein sollen. Einen anderen Theil der Figuren auf Tafel 25, so 24—27, 39, 40, 42 hat Arnold selbst einer näheren kritischen Prüfung unterzogen, ob sie nicht mangelhaft conservirte, gewöhnliche Mitosen sein könnten (S. 559—560 a. a. O.), und glaubt dies aus- schliessen zu müssen. Ich gestehe, dass ich meinen eigenen Fixirungen nicht so weit trauen kann, um Bilder wie die erwähn- ten, oder auch Fig. 16, 17, 18 dort, wenn ich sie in meinen Präparaten sähe, von solchem Verdachte freizusprechen, denn ich finde, dass in kleinzelligen Geweben auch bei sonst bester Fixirung fast immer eine Anzahl veränderter Mitosen mit unterläuft. Die eigen- thümlich stachligen Kernfiguren von Arnold’s Fig. 30, 31, 35 u.a. habe ich aus der Milz der Maus und anderer Thiere bis jetzt ebenso wenig wie Denys zu Gesicht bekommen. Bis ich mich durch weitere Untersuchung genauer unterrichte und vielleicht eines Besseren belehre, wollte ich nicht gern eine Bezeichnung wählen, die auch auf Dinge, welche ich nicht mit in sie einbe- greifen möchte, bezogen werden kann. Darum habe ich mich für diesmal mit Worten wie: Trennung, Zerlegung, Zerschnürung der Kerne beholfen, obwohl ich den Ausdruck Fragmentirung ja seit lange als zweckmässig und berechtigt anerkannt habe.

Erklärung der Abbildungen auf Tafel XXVIL.

Alle Figuren, mit Ausnahme von Fig. 18: Blasenepithelzellen. Be- handlung s. im Anfang des Textes. Fig. 10, 13 und 18 sind mit homog. Immersion von Zeiss gezeichnet, Fig. 15 mit ZeissF, Fig. 12 und 11 b mit Zeiss D, Oc. I, die übrigen mit Zeiss D, Oc. II. Die blasse körnig- strichelige Zeichnung in der Zellsubstanz ist überall, mit Ausnahme von Fig. 10, mehr oder weniger schematisch gegeben. Die graue Farbe der Kerne und die dunklere der Chromatinkörper darin entspricht möglichst genau dem Ton der Safraninfärbung. Die Chromatinkörper in den Kernen sind nicht schematisch, sondern entsprechend der wirklichen Form und Vertheilung, eingezeichnet.

Alle Figuren (mit Ausnahme von Fig. 18) aus dem Epithel einer Harnblase, der einzigen, bei der ich bis jetzt diese Dinge fand. Alles Nähere s. im Text.

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Amitotische Kerntheilung im Blasenepithel des Salamanders. 451

Fig. 1—4. Löcher in Kernen, in verschiedenen Stadien der Vergrösserung.

Fig. . 6a ebenso; blasse Marke zwischen den Kernhälften in der Zellsubstanz. . 6b. Eine Zelle mit 2 Kernen und einem kleinen Kernpartikelchen da-

Fig.

Fig.

Fig. Fig.

Fir.

Fig.

5.

14

16. LG

18.

Stadium nach 4, eine Seitenbrücke getrennt.

neben. 8. Zellen mit Kernen, die einfache Durchschnürung zeigen. Ein Zellenpaar, oben auf Seite 445 näher besprochen.

. Kurz vor dem Durchbruch der Seitenbrücken. Marke in der Zell-

substanz (Zellplatte?).

. a ein Stadium wie Fig 3, mit durch das Loch gespannten Brücken.

b (schwächer vergr., Oc. I) ein nicht in Theilung stehender Kern, der aber dunkel tingirt und reich an Chromatinkörpern ist, ebenso wie die in Theilung stehenden, und anders als die meisten Kerne im Epithel (diese wie Fig. 12d).

(mit schwächerem Ocular gez.). a Kern mit Durchlöcherung. b, e Kernpaar, welches aus Mitose entstanden scheint (s. Text Seite 445, Abs. 3). d Ruhender Kern, von der Beschaffenheit wie die meisten des Epithels sie zeigen.

(stark vergr.). 8förmiger Kern, eine Seitenbrücke ist über die an- dere geschlungen.

u. 15. Ungleichtheilige Kernzertrennungen.

Stadium wie 5 und 6a, mit Marke in der Zellsubstanz.

Zwei Zellen, vermuthlich aus einer amitotischen Theilung hervorge- gangen; in der einen ist der Kern nochmals ungleich getheilt, beide Portionen zusammen von gleicher Masse wie der Kern der Schwesterzelle.

Zwei Kerne aus einem Schnitt von der Milz der Maus, Chromessig- osmiumsäure-Gentiana; b Kern mit Loch, in diesem ein blasses Kör- perchen; a ein beliebiger anderer Kern.

452 Fr. Maass:

(Aus dem anatomischen Institut zu Göttingen.)

Zur Kenntniss des körnigen Pigmentes im menschlichen Körper.

Von

Dr. Fr. Maass, Assistent.

Von den beim Menschen vorkommenden körnigen Pigmenten ist bisher nur ein Theil eingehender untersucht worden. Es ge- hören dahin die Farbstoffniederschläge in der inneren Augenhaut, im Haare, in der Haut, der Lunge, den Neubildungen und dieje- nigen, welche ihre Entstehung Extravasaten oder Thrombosen ver- danken. Was darüber an entwickelungsgeschichtlichen, anatomi- schen, chemischen und physiologischen Thatsachen als erwiesen angesehen werden kann, ist etwa Folgendes.

Retinapigment. Ueber den Beginn der Pigmentbildung in dem menschlichen Retinaepithel sagt Kölliker!), er habe bei einem menschlichen Embryo von 4 Wochen, bei dem die Linse eben abgeschnürt, aber noch hohl war, das schwarze Augenpig- ment in seiner allerersten Anlage gesehen.

Eine krystaliinische Gestalt, wie sie die Pigmentkörnchen der Vogelnetzhaut besitzen, scheint denjenigen der menschlichen Retina nicht zuzukommen. Frisch behauptet allerdings, dass die unregelmässige Form der Körnchen durch cadaveröse Verän- derung kıystallinischer Gebilde bedingt werde, eine Ansicht, wel- cher Kühne und Le wall?) widersprechen.

Eine Zuführung des Farbstoffes durch Bindegewebs- oder Wanderzellen, wie es für Haar und Haut behauptet wird, findet

1) Kölliker, Entwickelungsgeschichte des Menscheu und der höheren Thiere. 2. Aufl., Leipzig 1879. Seite 679.

2) Kühne und Lewall, Untersuchungen aus dem physiologischen Institut der Universität Heidelberg, Bd. III, Heft 3 u. 4, 1880, S. 236.

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Zur Kenntniss des körnigen Pigmentes im menschlichen Körper. 453

hier nach Kölliker!) nicht statt, sondern es sind die Epithel- zellen selbst als die Pigmentbildner anzusehen.

Eine zuverlässige chemische Analyse des menschlichen Re- tinapigmentes scheint bisher nicht gemacht worden zu sein. Das- jenige des Rinds- und Schweinsauges besteht nach Sieber?) aus Kohlenstoff, Wasserstoff und Stickstoff. Sauerstoff fehlt ihm voll- ständig.

In physiologischer Beziehung ist das Retinapigment von Kühne?) bearbeitet worden, welcher das Ergebniss seiner Unter- suchungen in folgenden Worten zusammenfasst. „Ich schliesse daraus, dass der Stäbchenapparat ausser dem Sehpurpur noch über andere dauerhaftere Sehstoffe verfüge und denke, dass das Epithelpigment als einer davon aufzufassen sei.“

Haut- und Haarpigment. Ebenso wie die Entwicke- lung des Retinapigmentes beginnt auch diejenige des Haarfarb- stoffes schon vor der Geburt, während die ersten Spuren farbiger Körnchen im Rete Malpighii erst nach Beendigung des intrauteri- nen Lebens auftreten *). Auf die Herkunft des Pigmentes in Haar und Haut haben bereits eine ganze Reihe von Beobachtern ihre Auf- merksamkeit gerichtet. So v. Leydig, Heinrich Müller, Riehl, Ehrmann, Aeby, Karg und Kölliker. Die be- treffenden Arbeiten sind eitirt und excerpirt in der Inaugural- dissertation von v. Wild).

Nach Kölliker) ist durch diese Untersuchungen folgen- des Resultat erzielt worden. „In den Haaren und in der Epi- dermis entsteht das Pigment dadurch, dass pigmentirte Bindege- webszellen hier aus der Haarpapille und dem Haarbalge, dort aus der Lederhaut zwischen die weichen, tiefen Epidermiselemente

1) Kölliker, Aus den Sitzungsberichten der Würzburger Phys. med. Gesellschaft, 1887, XI.

2) Sieber, Arch. f. exper. Path. u. Pharm., Bd. 20, S. 362, 1886.

3) Untersuchungen aus dem physiol. Institut der Universität Heidelberg, 1882, Bd. II, S. 122.

4) cf. Kölliker, Entwickelungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere, 2. Aufl., Leipzig 1879, Seite 772.

5) v. Wild, I.-D., Strassburg 1888.

6) Kölliker, Aus den Sitzungsberichten der Würzburger Phys. med. Ges., XI, 1887,

454 Fr. Maass:

einwachsen. Hier verästeln sich dieselben mit feinen zum Theil sehr langen Ausläufern in den Spalträumen zwischen den Zellen und dringen zuletzt auch in das Innere dieser Elemente ein, welche dadurch zu wirklichen Pigmentzellen werden.“

Eine chemische Analyse ist nur von dem Haarpigment durch Nencki) semacht. Es besteht danach aus Kohlenstoff, Wasser- stoff, Stickstoff und Schwefel. Das Hautpigment soll nach Floyd?) eisenhaltig sein.

Arbeiten, welche sich mit der physiologischen Bedeutung dieser beiden Farbstoffe beschäftigten, sind mir nicht bekannt.

Lungenpigment. Nach Karl Bruch?) erfolgt die Pigmentation der Lungen mit der Pubertät, doch fand derselbe in einem Fall bereits die Lungen eines achtwöchigen Kindes pig- mentirt.

In neuerer Zeit scheint man dem Beginn der Entwickelung des Lungenfarbstoffes keine Aufmerksamkeit geschenkt zu haben. Es ist aber wohl anzunehmen, dass man mit den besseren Instru- menten und Methoden, über welche man heute verfügt, die ersten Spuren noch weiter zurück, als bis zu den Pubertätsjahren wird verfolgen können.

Ob die Pigmentation der Lungen auf Kohleinhalation oder Um- wandlung des Hämoglobins beruht, ist noch unentschieden ?).

Die chemische Zusammensetzung dieses Körpers soll nach einer älteren Mittheilung aus Kohlenstoff, Wasserstoff, Stickstoff und Sauerstoff bestehen >).

Die physiologische Bedeutung ist vollständig unbekannt.

Pigment melanotischer Tumoren. Die chemischen Analysen des Farbstoffes der Neubildungen haben bisher überein- stimmende Resultate nicht ergeben. Berdez und Nencki®) er- hielten aus Tumormasse der Leber und Milz desselben Individuums

1) Nencki, Arch. f. exp. Path. u. Pharm., Bd. 20, S. 365.

2) Hermann’s Handbuch d. Physiol., Bd. V, Theil 2, S. 616.

3) Karl Bruch, Unters. z. Kenntniss des körnigen Pigm. d. Wirbel- thiere, Zürich 1844, S. 26 u. 27.

4) Virch. Archiv Bd. I, S. 465—466, Ziegler Lehrb. d. spec. Pathalog. 1886, S. 438, Toldt, Gewebelehre, 2. Aufl., 1884, S. 478.

5) Vogel’s pathol. Anatomie, p. 161.

6) Arch. f. exper. Pathol. u. Pharmak., Bd. 20, S. 357.

Zur Kenntniss des körnigen Pigmentes im menschlichen Körper. 455

einen aus Kohlenstoff, Wasserstoff, Stickstoff und Schwefel be- stehenden Körper, welchen sie als Phymatorrhusin bezeichneten. Oppenheimer!) erhielt über das Pigment eines Hirntumors, dessen Analyse er von Nencki erbeten hatte, die Mittheilung, dass dasselbe eisenhaltig, amorph und in Hämatin durch Kochen nicht überführbar sei. Moerner?) isolirte aus Harn und Lymphdrüsen eines an melanotischem Sarcom zu Grunde gegangenen Menschen ebenfalls einen eisenhaltigen Farbstoff. Und schliesslich ist mikro- chemisch Eisen in Geschwulstfarbstoffen nachgewiesen worden ?)

Ob diese Substanzen wirklich chemische Unterschiede bieten oder ob die ungleichen Darstellungsmethoden die wechselnden Resultate bedingen, bleibt noch abzuwarten ?).

Die bisher besprochenen und die noch wenig untersuchten Pigmente in der Pia mater und den Nervenzellen werden unter dem Namen Melanine zusammengefasst. Während sie früher als identische Körper galten, glaubt man jetzt auf Grund chemischer und physikalischer Unterschiede differente Substanzen darin vor sich zu haben).

Extravasate und Thrombosen. Die Art der Umwand- lung des Blutfarbstoffes zu Pigment in Extravasaten und Thromben ist vielfach Gegenstand der Untersuchung gewesen ®). Ueber den gegenwärtigen Stand dieser Frage giebt eine Arbeit von Neu- mann Aufschluss ?. Er sagt darin etwa Folgendes: In Extra- vasaten und Thromben können zwar verschiedene Pigmente ent- stehen, Hämatoidin und ein eisenhaltiges Pigment, Hämosiderin. Das Hämatoidin (Bilirubin) findet sich oft in Krystallen, das Hämo- siderin ist meist körnig (nie krystallinisch). Ersteres ändert in

1) Virch. Arch., Bd. 106, S. 546.

2) Moerner, Fortschr. d. Anat. u. Physiologie, Bd. XV,, S. 240—241.

3) cf. Vossius v. Graefe’s Archiv für Ophthalmologie, XXXI 2.

4) cf. Nencki contra Moerner weiter unten.

5) C. Bruch, Unters. z. Kenntniss d. körnigen Pigm. der Wirbelthiere, Zürich 1844, S. 1- 2. Berdez u. Nencki, Arch. f. exper. Pathol. u. Pharm. Bd. 20, S. 347.

6) Die Literatur ist angegeben bei Langhans, Virch. Arch. Bd. 49; bei Hindenlang, Virch. Arch. Bd. 79; bei Vossius v. Graefe’s Arch. f. Ophthalm., XXXI 2.

7) Neumann, Virch. Arch., Bd. 111, Heft 1, S. 25, S. 29-30, S. 36 u. 8. 41.

456 Fr. Maass:

jeder Form durch Zusatz von Schwefelsäure die Farbe in ähnlicher Weise, wie es bei der Gmelinschen Gallenreaction geschieht. Das Hämosiderin giebt mit Schwefelammonium Eisenreaetion. Beide Pigmente entstehen: weder das eine aus dem anderen noch beide nebeneinander durch Zerspaltung des Blutfarbstoffes, sondern aus dem Hämoglobin einer rothen Blutzelle wird entweder Hämotoidin oder Hämosiderin. Die letztere Umwandiung findet bei denjenigen Blutzellen, bezugsweise ihrem Farbstoff statt, welche mit dem Gewebe in innigen Contact kommen, in dasselbe eindringen, die erstere bei dem übrigen Theil der Blutkörperchen, welcher ausser- halb des Gewebes in einem Bluteoagulum eingeschlossen bleibt. Es gehört also zur Entstehung des Hämosiderin die Einwirkung des lebenden Gewebes bezw. seiner Zellen auf den Blutfarbstoff, während die Hämatoidinbildung einen von vitaler Gewebsthätig- keit unabhängigen chemischen Zersetzungsprocess darstellt. Zu denselben Resultaten kommt Skrzeezka!). Ueber das weitere Schicksal des Hämosiderin hat Martin B. Schmidt?) experi- mentelle Untersuchungen angestellt und gefunden, dass das Stadium der Eisenreaction dieses Pigmentes schliesslich einem späteren weicht, in dem der mikrochemische Nachweis des Eisens nicht mehr gelingt.

Genese der Melanine. Die Ansichten über die Entstehung der melanotischen Pigmente gehen nach zwei Richtungen aus- einander, indem man einerseits das Hämoglobin, andererseits das Fett als Matrix derselben ansieht. Jede der beiden Theorien zählt namhafte Autoren zu ihren Anhängern.

Hämoglobintheorie. Auf Grund seiner Beobachtungen an Hämorrhagien stellt Bruch) die Behauptung auf, dass allen körnigen Pigmenten der färbende Bestandtheil des Blutes zu Grunde liege. Weniger bestimmt spricht sich Gorup-Besanez ?) dafür aus. Er sagt: „Die so ziemlich allgemeine Annahme, dass

1) Skrzecezka; Ziegler u. Nauwerk, Beiträge zur pathol. Anat., Bd. Il, Heft 2.

2) Martin B. Schmidt, Virch. Arch. Bd. 115, S. 440.

3) C. Bruch, Unters. zur Kenntniss des körnigen Pigmentes, Zürich 1844, S. 40—44.

4) G. Besanez, Lehrbuch d. physiol. Chemie, 4. Aufl., Braunschweig 1878, S. 202.

Zur Kenntniss des körnigen Pigmentes im menschlichen Körper. 457

das Melanin vom Blutfarbstoff abstamme, ist mindestens sehr wahrscheinlich und findet namentlich auch in dem Eisengehalt des Melanins eine Stütze.“ Ebenda wird auch Hoppe-Seyler als Vertreter dieser Ansicht genannt. Und endlich leitet Virchow!) das Lungen-, Augen- und Haarpigment vom Blutfarbstoff her. Gegner dieser Theorie giebt es, soweit ich sehe, unter den heuti- sen normalen und pathologischen Anatomen überhaupt nicht. Wenigstens hat ein Widerspruch von dieser Seite, wenn er er- hoben sein und mir vielleicht entgangen sein sollte, weitere Be- achtung nicht gefunden.

Als beweisend werden folgende Thatsachen angeführt.

1. Die Pigmentbildung findet meistens in gefässreichen Geweben statt: Choroidea, Cutis, Lungen ?).

2. In der Umgebung von Gefässen, besonders erweiterten, ist das Pigment häufig auffallend reichlich 3).

3. Die Körnchen sehen zerfallenden Blutkörperchen oft sehr ähnlich °).

4. Der Umstand, dass der Blutfarbstoff die Fähigkeit besitzt, sich zu Pigment umzuwandeln ?).

5. Das Auftreten von Hämatoidinkrystallen und krystall- ähnlicher Gebilde zwischen den Pigmentkörnchen ).

6. Eine durch cone. Mineralsäuren bervorgerufene der Gmelinschen Gallenfarbstoffreaction ähnliche Farbenänderung des Pigmentes’°).

7. Die Eisenreaction mit Schwefelammonium oder Ferro- eyankalium ®).

8. Der durch chemische Analyse nachgewiesene Eisengehalt des Pigmentes 7).

1) Virch. Arch. Bd. 1, S. 465—466 und S. 468—469.

2) C. Bruch, Unters. etc., S. 26.

3) Langhans, cit. von Oppenheimer, Virch. Arch. Bd. 106, S. 517 bis 518 u. 540; Nothnagel, Morb. Addiss. Zeitschr. f. klin. Med. 1885.

4) C. Bruch, Unters. etc., S. 42. Gorup-Besanez, Lehrbuch d. physiol. Chemie, 4. Aufl., Braunschweig 1878, S. 202.

5) Virch. Arch. Bd. I, Die pathol. Pigmente.

6) cf. Vossius v. Graefe’s Arch. f. Ophthalmologie, XXXI 2, Ein- leitung.

7) Moerner, Zeitschr. f. physiol. Chemie, Bd. XI, 66—141. Oppen- heimer-Nencki, Virch. Arch. Bd. 106, S. 546.

458 Fr. Maass:

9. Das Auftreten von Pigmentkörnchen innerhalb der rothen Blutzellen unter allmählichem Verschwinden der Hämoglo- binfärbung der letzteren }).

- Den unter 1—4 angeführten Thatsachen, kann man für sich allein eine Beweiskraft nicht beimessen; Nr. 5 mag die Abstam- mung des Pigmentes von Hämoglobin vielleicht als wahrscheinlich erscheinen lassen. Einwandfreie Momente sind uur diejenigen von 6—9.

Wenn man diesen Maassstab anlegt, so ist bisher noch von keinem normalen Pigmente der sichere Nachweis seines genetischen Zusammenhanges mit Hämoglobin erbracht. Nur das Pigment der Substantia nigra scheint eine Ausnahme zu machen, weil ein Theil desselben immer Eisenreaction giebt 2).

Ich verzichte darauf, die pathologischen Pigmente, welche erwiesenermassen Hämoglobinderivate sind, hier aufzuzählen. Bei den meisten stützt sich die Beweisführung auf Nr. 6 und 7, während Nr. 9 nur für Melanämie Geltung hat. Durch ehemische Analyse hat man, so viel ich weiss, bisher nur zweimal in mensch- lichem Pigment Eisen gefunden ?). Gegen eine dieser beiden Un- tersuchungen erhebt Nencki den Vorwurf, dass sie mit einem unreinen Präparate ausgeführt sei ®).

Fetttheorie. Diese Anschauung, unter deren Vertretern Henle zu nennen ist, wird von Bruch) eingehend besprochen, Jedoch ohne dass sichere Anhaltspunkte der Arbeit mitgetheilt werden. Der genannte Autor hält es für wahrscheinlich, dass sich dem Fett ein Farbstoff beimische und dass aus dieser Ver- einigung das Pigment hervorgehe. In Klammern setzt er hinzu „Blutfarbstoff“. Spätere Beobachtungen haben dann in der That eine gewisse Affinität dieser beiden Substanzen nachgewiesen. Flüssi- ger und krystallinischer Blutfarbstoff in Extravasaten haftet mit Vorliebe an Fetttropfen und Fettzellen resp. wird in dieselben

1) cf. E. Neumann, Virch. Arch. Bd. 116, S. 318.

2) M. B. Schmidt, Virch. Arch. Bd. 115, S. 458—459. 3) cf. Literaturangabe auf Seite 457 Nr. 7.

4) Arch. f. exper. Pathologie Bd. 24, Heft I, S. 27—30. 5) C. Bruch, Untersuchungen etc.

%

v

Zur Kenntniss des körnigen Pigmentes im menschlichen Körper. 459

aufgenommen!). Doch ist man bisher in dieser Richtung nicht weiter gekommen.

Von den neuern Beobachtern scheint Krukenberg die Ab- stamung melanotischer Pigmente von fettartigen Substanzen für wahrscheinlich zu halten. Er spricht es zwar nicht direct aus, doch glaube ich folgende zwei Aeusserungen so auffassen zu müssen. „Lipochrome gehen meist aus fettartigen Substanzen hervor“ ?). „Die Melanine, welche meist mit dem Hämoglobin in enge Bezie- hung gesetzt werden, weisen sowohl in ihrer Verbreitungsweise, wie durch ein vicariirendes Vorkommen auf eine nahe Verwandt- schaft mit den Lipochromen hin“ 3).

Alle bisher erörterten Fragen harren nun für eine ganze Reihe menschlicher Pigmente noch der endgiltigen Lösung. Ich habe es daher auf Vorschlag von Herın Prof. Dr. Merkel, welchem ich auch bei Ausführung dieser Arbeit zahlreiche Rathschläge ver- danke, unternommen, einen Theil der im Körper vorhandenen

körnigen Farbstoffe eingehender zu untersuchen.

Aus äusseren Gründen habe ich das Nieren-, Leber-, Herz-, Nebennieren-, Samenbläschen-, Nebenhoden- und Hodenpigment ausgewählt und mir folgende fünf Fragen vor- gelegt.

1. Hängt die Pigmentation vom Alter ab und in welchem Lebensabschnitt beginnt sie?

2. Sind diese Pigmente als physiologische oder pathologische Bildungen aufzufassen?

3. Wird das Pigment an seinem Fundort gebildet oder dort aus dem Blut abgelagert oder endlich durch andere Zellen dahin verschleppt?

4. Entsteht das Pigment aus dem Blutfarbstoff oder dem Fett?

5. Sind diese Pigmente unter sich identisch oder nicht?

1) Virch. Arch. Bd. I, S. 453 u. 454. Langhans, Virch. Arch. Bd. 49, 8. 89. Neumann, Virch. Arch. Bd. 111, S. 37.

2) Krukenberg, Vergl. Physiol. Vorträge. Heidelberg 1886.

3) Krukenberg, Grundriss der med. chem. Analyse, Heidelberg 1854, D..U0.

e 460 Fr. Maass:

Das Leichenmaterial, weiches mir zu meinen Untersuchungen . zur Verfügung stand, wurde zum grössten Theil von ausserhalb besorgt. Die Organe wurden unmittelbar nach der Section in 96 %/, Alkohol gelegt, verschickt und bis zum Gebrauch conservirt. Die Fälle und die darüber bekannten Data sind am Schlusse der Arbeit aufgeführt.

I. Hängt die Pigmentation- vom Alter ab und in welchem Lebensabschnitt beginnt sie?

Die Methode, welcher ich mich zum Nachweis des Pigmen- tes bediente, war folgende. Die mit dem Rasirmesser gemachten Schnitte wurden 24 Stunden in absoluten Alkohol gelegt, um alles in Tropfenform vorhandene Fett zu entfernen, und dann ohne weitere Behandlung in Oleum Origani untersucht !. Nachdem ich einige Uebung im Suchen erlangt hatte, konnte ich in den sehr hellen, fast glasig durchscheinenden Präparaten auch die kleinsten Pigmentspuren nachweisen. Ein Verfahren, welches die Körnchen deutlicher sichtbar macht, besteht darin, dass die entfetteten' Schnitte wieder mit Wasser durchtränkt und dann in concentrirter Schwefelsäure, welehe die Gewebe gut aufhellt und die Pigmente deutlich dunkler färbt, unter das Mikroskop gebracht werden. In allen zweifelhaften Fällen habe ich dieses letztere Reagenz zur Controle angewendet. Die Extraction der Fetttropfen ist deswegen nöthig, weil dieselben kleine und spärliche Pigmentkörperchen häufig verdecken.

Niere. Zur Untersuchung dienten die Fälle: Nr. 1, 4, 5, 7, 15, 17, 19, 20, 26, 31, 33, 34, 35, 36, 45, 52, welche im Alter von 3/, bis 61 Jahren standen ?). Bei allen wurde Pigment ge- funden. Ort der Ablagerung waren fast ausschliesslich die Epithe- lien der Henle’schen Schleifen. Nur bei älteren Individuen schien es manchmal, . jedoch äusserst spärlich zwischen den Kanälchen zu liegen. In Fail 15 führten neben den normalen Pigment- trägern vereinzelt die Epithelien der Sammelröhren und in Fall 31 diejenigen der gewundenen Kanälchen Farbstoffkörnchen. In

1) Vergrösserung, Winkel (Göttingen) Objectiv Nr. 7, Oc. 3. 2) Genauere Mittheilungen über die einzelnen Fälle enthält das Ver- zeichniss am Schluss der Arbeit.

r

Zur Kenntniss des körnigen Pigmentes im menschlichen Körpur. 461

einzelnen Fällen spärlicher Pigmentation hatte es den Anschein, als ob die Körnchen dem Kern unmittelbar anlägen und ihn, wie es auch in der Epidermis der Fall ist, auf seiner nach der freien Oberfläche gekehrten Seite haubenförmig deckten.

Am spärlichsten und kleinsten waren diese farbigen Gebilde bei

Fall 1 im Alter von °/, Jahren Im U Eee 14 Monaten BUN SUR 3 Jahren, etwas zahlreicher und grössen bei Fall 5 im Alter von 21/, Jahren 7 23/4 15 6 19 12 20 ”„ fr

In allen übrigen Fällen fanden sich Pigmentkörnchen, welche wiederum diejenigen der letztgenannten an Grösse und Menge übertrafen. Sie ordnen sich der Masse des Farbstoffes entsprechend etwa folgendermassen:

Fall 17 im Alter von 8—10 Jahren 2: 1.830. 28 h 1 200 Naur 21 N . do a 2a 2 34 Be 28 4 = 24 R „2 Aa 45 SB 28 R 5 AA ER a 61 H

Ein Blick auf diese drei Gruppen zeigt, dass die Menge und Grösse der Körnchen in erster Linie vom Alter abhängig ist, indem sie mit der Zahl der Jahre zunimmt. Auffällig ist, dass die Unterschiede in der Menge des Pigmentes in der zweiten Gruppe erheblich grössere waren, wie diejenigen in der dritten Gruppe. Man muss daraus den Schluss ziehen, dass der Process am leb- haftesten in jugendlichen Jahren fortschreitet und dass er etwa mit dem 20. Lebensjahre in ein Stadium langsamerer Entwickelung eintritt. Dass etwa pathologische Zustände die Pigmentablagerung begünstigten, liess sich nicht erkennen. Namentlich boten sich keine Anhaltspunkte, dass locale oder allgemeine Atrophie eine

Archiv [. mikrosk. Anatomie. Bd. 24. 30

462 Fr. Maass:

derartige Rolle spielten. Denn einerseits zeigten die stark pig- menthaltigen Zellen keine auffallende Verkleinerung, andererseits trat von an Nieren heruntergekommenen Individuen, um die es sich in Fall 1, 5, 19, 20, 36 und 24 handelte, durch ihren Farbstoff-Reichthum nur Nr. 24 etwas hervor.

Die Antwort auf die gestellte Frage lautet demnach: In den Epithelien der Henle’schen Schleifen finden sich vom ersten Lebensjahre an Pigmentkörnchen, deren Menge und Grösse in erster Linie vom Alter des Indi- viduums abhängig ist !!).

Leber. Untersucht wurden Nr. 1, 3, 5, 6, 7, 8,9, 10, 11, 13, 14, 16, 17, 18, 19, 20, 22, 23, 24, 25, 26, 29, 30, 31, 32, 38, 36, 37, 41, 45, 47 und 58 im Alter von ?/,—75 Jahren. Davon waren pigmentfrei Nr. 1, 3, 5, 6, 7 und 10 im Alter von 3/,—4 Jahren. Kaum wahrnehmbare Spuren fanden sich in Fall 8 und 9 im Alter von 3 Jahren. Ziemlich reichlich aber sehr feinkörnig war das Pigment in

Fall 11 im Alter von 4 Jahren

Kr a ee. 14 D) 51) 2 BSR A Ä BR U 2 PERS A 5 FOR PR N RAS

Bei den übrigen Fällen nahm die Menge und bis auf Fall 41 auch die Grösse der Körnchen in folgender Reihenfolge zu: Fall 17 im Alter von 8—10 Jahren

18 8—10 22 2) 18 25 2) 20 29 22 36 28 ra nn, 21 # a RE. SO BE u,

1) Virch. Archiv Bd. I, 8. 200. In den Nieren Neugeborener fand R. Virchow gelegentlich Pigmentkörnchen, deren Entstehung er auf kleine Ex- travasate zurückführt und die zum Unterschied von dem hier besprochenen Farbstoff Hämatoidinreaction gaben.

Zur Kenntniss des körnigen Pigmentes im menschlichen Körper. 463

Fall 30 im Alter von 23 Jahren

2] 31 2 24 Oi, 20 h a 25-88 ul), a nn 80 N a rg 87 h AD rar AB h NE lan? N a ED h

Ort der Ablagerung war bei den kleinsten Pigmentspuren ausschliesslich, bei den übrigen vorherrschend, die eigentliche Drüsenzelle der Leber. Aus der Reihenfolge der Fälle ergiebt sich auch hier, dass die Masse des Farbstoffes zu dem Lebensalter in gleichem Verhältniss steht. In Fall 17 und 32, welche für ihr Alter sehr schwach pigmentirt waren, hatte ein grosser Theil der Leberzellen durch fettige Degeneration seinen Untergang gefunden. Es ist wohl am wahrscheinlichsten, dass die Körnchen hierbei frei geworden und in den Säftestrom übergegangen sind. Ein Grund für die im Alter von 31 Jahren ungewöhnliche Feinheit des reich- lichen Pigmentes von Fall 41 liess sich nieht erkennen. Atrophi- schen Individuen gehörten die Lebern Nr. 5, 9, 17, 19, 20, 24 und 32 an, von welchen nur Nr. 24 stärker pigmentirt war als dem Alter entspricht, während Nr. 19, 20 und 32 sich umgekehrt ver- hielten }).

Esr’kommt,alsor beider, Pie mentatiom der Leber als begünstigendes Moment in erster Linie das Alter desIndividuums inBetracht.

Herz. Untersucht"wurden ‚Nr.1, 23, 345,89, 11, 13, 13a, 13 b, 13e, 14, 16, 17, 18, 19, 20, 21,:22, 23, 24, 25, 26, 27, 28, 29, 30, 31, 32, 33, 34, 35, 39, 42, 43, 44, 45, 47, 53, 54, 57, 59 und 60. Im Alter von 3/,—81 Jahren.

Davon waren pigmentfrei

Fall 1 im Alter von ®/, Jahren

3 » 2 ]3 » 1

3 n

1) Ueber die Ablagerung von Blutpigment respective Eisen in der Leber vergleiche weiter unten den Abschnitt über Eisenreaction.

464 Fr. Maass:

Fall 4 im Alter von 1 Jahren » B) » 24 2 ))

I) » 3 2 9 » n 3 » 1 1 4 n » 1 2 n » 4 eh) 1 34 $)] 4

RE! KORRERLHER I > 21 NE Eine schwache eben beginnende Pigmentation zeigte sich in Fall 16 im Alter von 8 und Fall 19 im Alter von 12 Jahren }). Bei den übrigen nahm die Menge und Grösse der Körnchen etwa in folgender Reihenfolge zu: | Fall 20 im Alter von 17 Jahren

2l 17 2]

28 22

RR „rs 5

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EB I A

26 „7 9 21

RAM 21 0) PART BAR. en

29 ”„ ch] 22 ”„

30 ”„ 23

3l 2) 24

a EZ 0 33.570, 2a, 34 28 35 28 nid ni 42 40 43 40 44 95 43 KR}

1) Goldenberg sah in geringer Menge Pigment in dem Herzmuskel eines 3l/,jährigen Mädchens. 1.-D. Dorpat, 1855, S. 40.

Zur Kenntniss des körnigen Pigmentes im menschlichen Körper. 465

Fall 45 im Alter von 45 Jahren

AU EN VEN 135

»„ 98 62 »

54 63

DORM IN 9%, 07 4

60 8l 2) 59 ıı 77

Es waren also vom 12. Lebensjahre an sämmtliche Herzen pigmentirt. Unter 12 Jahren fanden sich nur einmal bei einem 8 jährigen Individuum farbige Körnehen. Man wird somit etwa das 10. Lebensjahr als normalen Beginn der Pigmentation ansehen können. In einigen sehr alten Herzen erreichten die Pigment- körner theilweise die Grösse eines mittleren Muskelkernes. Be- sonders reich an solchen Schollen war das Herz einer 77 jährigen Fraa (Nr. 59). während das Herz 60 im Alter von 81 Jahren nur vereinzelte davon aufzuweisen hatte. Unter den Herzen atrophischer Leichen, um die es sich in Fall 5, 9, 17, 19, 20, 24, 31 und 57 handelte, unterschied sich keines weder durch ein Mehr noch ein Weniger des Pigmentes von den Gleichaltrigen.

Der um das 10. Lebensjahr beginnende Pig- mentgehaltim Herzmuskelwächstdemnach con- stant mit dem Alter desIndividuums.

Nebenniere. Untersucht wurden Nr. 16, 17, 18, 19, 20, 24, 25, 26, 27, 29, 31, 32, 35, 36, 37, 41, 43, 45, 47, 54, 58 im Alter von S—75 Jahren. Davon waren pigmentfrei

Fall 16 im Alter vn 8 Jahren 17 8—10 133% R3—10: %,; a kn . 26 21 36 28

Bei allen diesen rief jedoch concentrirte Schwefelsäure eine diffuse gelb bis gelbbraune Färbung der innersten Zellen der Rindenschicht hervor.

Spärliche, kaum nachweisbare Körnchen fanden sich in

Fall 20 im Alter von 17 Jahren 24 20 ”„

466 Fr. Maass:

Bei den übrigen Fällen nahm Zahl und Grösse der Pigment- körnchen in folgender Reihenfolge zu: Fall 27 im Alter von 22 Jahren

25 >) 20 u OO et, 2 Ns 2 U Ey BB ea BO A u ee RT a el A iu RN A 45 =. 45 NEE ET

Der Ort der Ablagerung waren immer die inneren Zellen der Rindenschicht und in diesen wiederum die nächste Umgebung der Kerne. Ausserdem wiesen einzeine Nebennieren bald hier bald dort sehr spärliche grobe farbige Schollen auf, welche sich sowohl durch ihr Aussehen als durch deutliche Eisenreaction als soge- nannte zerfallende Blutkörperchen charakterisirten.

Der Beginn der Pigmentbildung liegt etwa im 20. Lebens- jahr. Gegen eine Begünstigung des Processes durch allgemeine Körperatrophie sprechen Nr. 17, 19, 20, 24 und 31, welche abge- magerte Leichen betreffen, aber durch Pigmentmenge nicht her- vortreten. Die Pigmentarmuth von Fall 58 ist offenbar patho- logisch.

Es findet sich also im Allgemeinen in der Nebenniere vom 20. Lebensjahre ab körniger Farbstoff, dessen Menge mitdemAlterzunimmt.

Samenbläschen. Der Farbstoff ist in diesem Organe an zwei verschiedenen Stellen abgelagert. In den Epithelzellen und in langgestreckten meist spindelförmigen Zellen, welche ihrer Gestalt nach als glatte Muskelfasern anzusehen sind. Es müssten demnach eigentlich beide Zellarten besonders bespro- chen werden. Da jedoch beide Pigmente mit einer Ausnahme immer gleichzeitig und ungefähr in demselben Mengenverhältnisse vorkamen, so sehe ich von dieser Trennung ab.

Untersucht wurden folgende Präparate: Nr. 8, 10, 11, 12, 18, 23, 24, 27, 31, 34, 36, 41, 43, 45, 5l und 54 im Alter von 3—63 Jahren.

Zur Kenntniss des körnigen Pigmentes im menschlichen Körper. 467

Davon hatten weder im Epithel noch in den glatten Muskel- zellen Pigment:

Fall 8 im Alter von 3 Jahren 10 4 ”„ 11 Eh) 4 PAR DE h% 4 ul © 0 ko ae ir s—10 2 RER 2 20 N 27 u 22 I

In Fall 24 im Alter von 20 Jahren waren im Epithel eben feinste Spuren zu erkennen.

Alle übrigen Organe zeigten einen sehr viel reichlicheren Pigmentgehalt. Nach Zahl und Grösse der Körnchen nehmen sie folgende Reihenfolge ein:

Fall 34 im Alter von 28 Jahren

a ae ZB Ne a3 en Pe E pas AT hi 5 AR ee. U META

ae ATTE. en „Be N ee SA eh 2,03

Von den 3 Organen aus abgemagerten Leichen Nr. 24, 34 und 31 hatten Nr. 24 und 31 gegenüber Gleichaltrigen und Aelteren ein unbedeutendes Mehr an Farbstoff aufzuweisen, sodass ein geringer Grad der fördernden Wirkung der allgemeinen Atrophie nicht ausgeschlossen ist. Doch scheint es mir nach Analogie mit den übrigen Organen wahrscheinlicher, dass es sich nur um eine Zu- fälligkeit handelt.

Die Menge der Körnchen in den Epithelzellen überwog meistens ein wenig diejenige der Muskelzellen desselben Stückes. Da ferner in Fall 24 das Epithel bereits Farbstoff enthielt, während die Muskelzellen noch frei davon waren, so glaube ich für diesen Mengenunterschied eher den früheren Beginn als das schnellere Fortschreiten der Pigmentbildung‘ in den Epithelzellen verantwort- lich machen zu müssen.

Der Anfang für die Entstehung beider Pig- mente der Samenbläschen liegtzwischen 20 und

468 Fr. Maass:

25 Jahren. Beide Farbstoffe nehmen mit dem Alteran Menge und Grösse der Körnchen zu. Nebenhoden. Untersucht wurden Nr. 23, 24, 27, 31, 33, 36, 43, 45, 47, 51, 55 und 56 im Alter von 20 bis 66 Jahren. Davon enthalten kein Pigment. Fall 23 im Alter von 20 Jahren 24 20 AT I ee % WISE Mr 2 N, Im Stadium der beginnenden Farbstoffablagerung befand sich Fall 31 im Alter von 24 Jahren. Ziemlich reichliche Körnchen enthielten Fall 36 im Alter von 28 Jahren

9 TR RANG da AN NL er ya a? KR ODE ho RD ES NE SV, BON a0 oe

Das Pigment fand sich immer im Bereich der Epithelzellen, ob in oder zwischen den Zellen liess sich meistens nicht sicher entscheiden. Bei Fall 51 lagen pigmentirte Zellen auch in dem die Kanälchen umgebenden Gewebe. Von den letztgenannten 7 Fällen übertrafen nur Nr. 51 und 56 die übrigen an Menge des Farbstoffes. |

Es findet sich also im Epitlbel des Neben- hodens vom 24-30. Lebensjahre ab Pigment, wel- chesconstant mit dem Alter zunehmende Mengen- verhältnisse nicht zeigt.

Hoden. Untersucht wurden Fall 33, 38, 40, 43, 45, 46, 47, 51, 55 und 56 im Alter von 25 bis 66 Jahren. Bei allen diesen Fällen fand sich zunächst Pigment in den interstitiellen Zellen. Die ersten Anfänge der Farbstoffablagerung war bei allen schon überschritten. Nach Menge und Grösse der Pigment- körnchen ordnen sie sich dem Alter vollkommen entsprechend.

Fall 33 im Alter von 25—28 Jahren 38 32 A ei, 33

Zur Kenntniss des körnigen Pigmentes im menschlichen Körper. 469

Fall 45 im Alter von 45 Jahren

Ense: Ya HIN, 40-50 N ER AAN a - 50 H 99 65

DO, Baal iu; a 66 N

Nach ungefährer Schätzung mag der Anfang der Pigment- bildung etwa im 20. Lebensjahre liegen.

Ausser an genannter Stelle weisen Fall 33, 38, 40, 55 und 56 auch im Bereich der eigentlichen Hodenzellen ein spärliches und feinkörniges Pigment auf. Für dieses letztere nimmt das Alter als ursächliches Moment anscheinend keine hervorragende Stelle ein, da einmal in allen eben genannten Fällen etwa die gleiche Farbstoffmenge vorhanden war, zweitens unter ihnen neben den zwei ältesten die drei jüngsten Individuen sich befinden. Ueber den Ernährungszustand der Leichen, welchen die Hoden entnommen wurden, fehlen die Angaben. Gegen einen ursächlichen Zusammenhang zwischen der zuletzt genannten Pigmentablagerung und Atrophie der Hodenzellen sprechen Fall 38 und 40, welche einen ausserordentlichen Reiehthum an Spermatozoen zeigten.

Es beginntalso etwa mit dem 20. Lebensjahre indeninterstitiellenHodenzelleneine mitdem Alter zunehmende Pigmentablagerung, während sich für Farbstoffniederschläge in oder zwischen den Hodenzellen aus diesen Untersuchungen eine Abhängigkeitvom Alter nicht ergiebt.

II. Sinddie besprochenen Pigmente als phy- siologische oder pathologische Gebilde aufzu- fassen?

Aus den bisher mitgetheilten Thatsachen scheint mir bereits mit Sicherheit hervorzugehen, dass es sich hier nur um normale Producte des Stoffwechsels handeln kann. Unter den beweisenden Momenten ist in erster Linie hervorzuheben, dass die Farbstoffe von einer bestimmten, natürlich nicht ganz scharfen, Altersgrenze an sich in jedem untersuchten Organe fanden, ohne dass irgend eine Auswahl unter dem vorhandenen Material getroffen wurde. Sodann entsprach das Mehr oder Weniger der Körnchen immer

470 Fr. Maass:

der höheren oder niederen Altersstufe des Individuums, mochte es sich in gutem oder schlechtem Ernährungszustande befinden. Und drittens waren die letalen Krankheiten zu verschiedenartig, um immer ein und denselben Process, die Ablagerung des Pig- mentes, hervorrufen zu können.

. In den Tabellen Seite 471—479 sind alle Fälle nach Krankheiten geordnet und ist für jedes Organ der Grad der Pigmentation be- stimmt, durch die Angabe, dass es entweder eine seinem Alter entsprechende Farbstoffmenge besitzt, oder dass es ältere Organe darin übertrifft, oder endlich, dass es jüngeren in dieser Hinsicht nachsteht.

Auffallend ist in diesen Tabellen, dass 9 Organe phthisi- scher Leichen für ihr Alter wenig, und nur zwei für ihr Alter viel Farbstoff enthielten, und dass unter der Rubrik „lobuläre Pneumonie* 8 Organe relativ stark und 2 relativ schwach pigmentirt waren. Um daraus den Schluss zu ziehen, dass erstere Krankheit hemmend und letztere fördernd auf die Pigmentation wirkt, ist das Beobachtungsmaterial natür- lich nicht zahlreich genug. Doch ist es wohl berechtigt, obiges Verhalten wenigstens hervorzuheben.

EsistalsodieAblagerung des Pigmentesin allenbesprochenen Organen ein physiologischer Vorgang, welcher vielleicht durch pathologi- sche Processe beschleunigt oder verlangsamt werdenkann.

Il. Werden die Pigmente an ihrem Fundort gebildet oder aus Blut oder Lymphe dort abge- lagert, oderendlich durch andere Zellen dahin verschleppt?

Wenn es sich um einfache Ablagerung aus den Körpersäften handelte, so müsste man zunächst an das häufige Vorkommniss zerfallender Blutkörperchen denken. Da aber überall bei schwacher d. h. beginnender Pismentation kaum sichtbare oder wenigstens sehr kleine Körnchen in den Zellen lagen und grössere erst bei stärkerem Pigmentgehalt auftraten, so scheint mir diese Möglich- keit voilständig ausgeschlossen. Ich hebe aber ausdrücklich hervor, dass hiermit das Eindringen flüssigen Hämoglobins in die

471

nschlichen Körper.

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Zur Kenntniss des körnigen Pigment

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480 Fr. Maass:

Zelle und dessen Umwandlung zu Pigment durch sogenannte metabolische Thätigkeit der Zelle nicht geleugnet werden soll.

Die Zuführung eines fertigen Farbstoffes durch die Cireula- tion erscheint für das Herz, die Samenbläschen, die Hoden und Nebenhoden auch desshalb unwahrscheinlich, weil in diesen Organen sicher aus Blut oder Lymphe stammende körnige oder tropfenförmige Massen noch nie oder nur in sehr vereinzelten Fällen beobachtet worden sind.

Im Herzen fand Quinceke!) einmal Eisenkörnchen und in der Nebenniere sah ich selbst entfernt von den pigmentirten Zellen zerfallende Blutkörperchen. Dagegen gehören die Nieren und besonders die Leber zu den Stellen, wo körnige oder tropfen- förmige Massen aus den durchströmenden Flüssigkeiten gewöhn- lich abfiltrirt werden. Es entsprechen jedoch bei diesen Organen die Fundstätten jener Gebilde nicht unseren Pigmentzellen. Quincke?) fand in drei Fällen pernieiöser Anämie Eisen in den Epithelien der gewundenen Nierenkanälchen und Hinden- lang?) sah abgelagerten Blutfarbstoff in den Glomerulis. Das oben beschriebene Pigment lag dagegen in den Epithelien der Henle’schen Schleifen.

Ueber die Pigmentinfiltration der Leber sagt Ziegler®): „Enthält das Blut reichliche Mengen von zerfallenden Blutkörper- chen oder von Pigmentkörnern und gelangen dieselben in die Leber, so bleiben sie zunächst zum Theil in den Capillaren des Bindegewebes und des peripher gelegenen Pfortadergebietes liegen. Weiterhin treten sie theilweise aus dem Gefässsystem aus und lagern sich namentlich im periportalen Bindegewebe, zum Theil auch innerhalb der Leberaeini selbst ab. Nach v. Recekling- hausen, Ponfik, Hoffmann, Langerhans, Popoff, Asch und Anderen werden die Pigmentkörner im periportalen Bindegewebe namentlich von den Bindegewebszellen innerhalb der Acini von den Ku-pfer'schen Sternzellen aufgenommen“. Es geht daraus hervor, dass die eigentlichen Drüsenzellen der Leber

1) Arch. f. klin. Med. Bd. 33 8. 41 (1883).

2) Arch. f. klin. Med. Bd. 27 S. 211 (1880).

3) Vireh. Archiv Bd. 79 8. 500 (1880).

4) Ziegler, Lehrbuch d. allg. u. spec. pathol. Anatomie. Bd. II, IV. Aufl. S. 264 u. 265. (Jena 1886).

Zur Kenntniss des körnigen Pigmentes im menschlichen Körper. 481

eine sehr geringe Neigung besitzen, körnigen Farbstoff von aussen aufzunehmen, während nach meinen Resultaten auch bei schwächstem Pigmentgehalt des Organs gerade diese ausschliesslich Körnchen enthielten.

Dieselbe Abgeschlossenheit der secernirenden Leberzelle auch segen cireulirende Fetttropfen und Zinnoberkörnchen hat das Thierexperiment gezeigt. Nach v. Platen!) treten bei Fettin- filtration der Leber zunächst nur in den Kupfer’schen Sternzellen Tropfen auf. Nach Ponfik, Hoffmann und Langerhans?) wird beim Frosch, Meerschweinchen, Kaninchen, Hund ins Blut injieirter Zinnober innerhalb der Leber nur in Lymphkörperartigen Gebilden abgelagert. Dieses Verhalten der eigentlichen Drüsen- zelle gegenüber den verschiedensten Verunreinigungen des Blutes einerseits und das Auftreten von Farbstoffkörnehen in den ersten Stadien der physiologischen Pigmentation andererseits deutet doch entschieden auf die Farbstoff bildende Kraft dieser Zellen.

Die Uebertragung körnigen Farbstoffes aus einer Zelle in die andere ist bisher nur von den Zellen der Epidermis und des Haars behauptet worden). Als Beweismittel dient dieser An- nahme das häufige Vorkommen verästigter pigmentirter Binde- gewebszellen resp. Wanderzellen unter den Epidermis und Haar- zellen.

Für Herz und Nebennieren ist ein derartiger Vorgang aus- geschlossen weil hier das Pigment nur in den Muskelzellen resp. innersten Rindenzellen liegt.

Bei der Leber könnten diese Beziehungen zwischen den eigentlichen Drüsenzellen und den Kupfer’schen Sternzellen bestehen. Ich habe jedoch in allen Fällen beginnender Pigmen- tation die Körnchen immer in den Drüsenzellen gefunden und niemals eine Anordnung derselben in Reihen gesehen, wie es die Wanderung durch einen Ausläufer der Sternzelle doch nothwendig machen würde.

Bei der Niere lag das Pigment stets in den Epithelien der Henle’schen Schleifen. Nur zweimal schienen auch zwischen den

1) Virch. Arch. Bd. 74 S. 268—276 (1875). 2) Virch. Arch. Bd. 48 S. 22, 24 u. 27 (1869). 3) cf. oben Seite 453 und 454.

482 Fr. Maass:

Schleifen Körnchen zu liegen, ein Befund, welchem wegen seiner Seltenheit Beweiskraft nicht beigemessen werden kann.

Zwei Fundstätten des Pigmentes besitzen ferner die Samen- bläschen, Hoden und Nebenhoden, doch liess sich auch bei diesen eine Verbindung beider durch Körnchenreihen niemals nachweisen.

Ich glaube demnach nicht fehlzugehen, wenn ich die beschriebenen pigmenthaltigen Zellen für dieBildnerihres Farbstoffes halte.

IV. Entstehen die Pigmente aus dem Blut- farbstoffoder dem Fett?

Um den Zusammenhang mit Hämoglobin nachzuweisen, stehen drei mikrochemische Reactionen zur Verfügung. Zweie stützen sich auf den Eisengehalt des fraglichen Farbstoffes. Die eine Perls’sche Methode färbt das Metall durch Ferroeyankalium und Salz- oder Salpetersäure blau. Bei dem anderen, Quincke- schen Verfahren, tritt durch Einlegen der Schnitte in concentrirtes Schwefelammonium und nachfolgendes Abspülen in Glycerin eine dunkelgrüne bis schwarze Färbung des Eisens ein. Ich habe mich auf die Anwendung des Schwefelammonium beschränkt, weil Quincke es bei seinen bereits erwähnten sehr zahlreichen Ver- suchen als das zuverlässigere Reagens erkannt hat.

Die dritte Methode beschreibt Virchow in seiner Arbeit über die pathologischen Pigmente !). Danach gehen die aus dem Hämoglobin entstehenden Farbstoffe, manche leichter unter der Einwirkung von concentrirter Schwefelsäure, manche leichter durch concentrirte Salpetersäure, Farbenänderungen ein, indem sie erst rothbraun, dann grün, blau und schliesslich farblos werden. In dieser Reihenfolge können durch Ausfall der einen oder anderen Farbe oder durch Hinzutreten von Zwischengliedern Aenderungen eintreten. Begünstigt wird die Reaction der concentrirten Mineral- säuren durch vorheriges Behandeln der Schnitte mit Kalihydrat- lösung.

Dasjenige Schwefelammonium, welches ich zunächst benutzte, gab an veränderten Blutkörperchen der Milz, welche als Probe- objeet dienten, deutliche Eisenreaction, bei den übrigen Pigmenten

1) Vırchow’s Archiv Bd. IS. 418.

Zur Kenntniss des körnigen Pigmentes im menschlichen Körper. 483

brachte es jedoch keine Färbung hervor. Nachdem diese erste Flüssigkeit verbraucht war, wandte ich zwei weitere Proben an, welche auch mit einigen Pigmenten Eisenreaetion gaben. In den folgenden Mittheilungen sind die verschiedenen Schwefelammonium- proben der Kürze halber bezeichnet mit (NH,),S Nr. I, Nr. II und Nr. IH. Die Resultate der Untersuchung auf Eisen und Hämatoidin sind weiter unten in einer Tabelle susammengestellt.

Mit Schwefelsäure allein ohne Kalihydrat, wurden die Pig- mente in jedem untersuchten Falle behandelt, ohne dass jemals auch nur eine Spur von Farbenwechsel eingetreten wäre. Nur einmal!) wurden rothbraune nicht deutlich krystallinische Gebilde der Leber, die sich von dem Pigment durch ihre Farbe ausser- ordentlich deutlich unterschieden, unter der Einwirkung dieser Säure erst rubinroth, dann grün und schliesslich unsichtbar. Während der Grünfärbung bildete sich um den Krystall (?) ein diffusgrüner Hof, welcher nach der Peripherie immer schwächer wurde, sodass der Vorgang dem einer langsamen Lösung sehr ähnlich sah.

Die negativen Resultate der Prüfung mit Schwefeisäure allein sind in der Tabelle nicht angeführt und ist unter der Rubrik „Virchow’sche Reaction“ nur dann ein Vermerk gemacht, wenn auch Salpetersäure allein, Kali-Schwefelsäure und Kali-Salpeter- säure zur Verwendung kamen.

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Zur Kenntniss des körnigen Pigmentes im menschlichen Körper.

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kein Häma- toidin

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mit (NH,)sS: Nr. II sehr spär- lich Eisen in

interst. Zellen

mit (NH,)5S. Nr. II sehr spär- lich Eisen in

interst. Zellen

kein Häma- toidin

kein Häma- toidin

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mit (NHy)sS. Nr. II unverändert

Einzelne Pigment- körnchen bleiben mit (NH,)S. Nr. 1

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mit (NH,)oS. Nr. I bleibt reichlich un- verändertes Pigm. in interst. Zellen

mit (NH3,)S. Nr II bleibt reichlich un- verändertes Pigm. in interst. Zellen

Zur Kenntniss des körnigen Pigmentes im menschlichen Körper. 487

Es gab also keins der angeführten Pigmente die Hämatoidin- reaction, obwohl sie bei allen, ausser demjenigen des Hodens mehr- fach versucht wurde, Bei diesem letzteren unterblieb es, weil die Eisenreaction positiv ausfiel.

Eisenkörnchen wurden nachgewiesen in den Pigmentzellen selbst bei Leber und Hoden, in den den Pigmentträgern unmittel- bar angrenzenden Zellen bei der Nebenniere.

Unter den eisenhaltigen Lebern waren sowohl pigmentfreie als pigmentirte, und bei letzteren standen die Menge des Eisens und des Farbstoffes nicht in constantem Verhältniss. Die nächst- liegende Annahme ist hier offenbar die, dass die Ablagerung der beiden Substanzen in der Leberzelle zwei getrennte Vorgänge sind und dass die Ansammlung des Eisens im Gegensatz zu der des Pigmentes vom Alter unabhängig ist. Es müsste dann aber bei den pigmentirten Organen die Schwefelammonium-Reaction nicht an den Farbstoffkörnchen selbst erfolgen. Dem entsprechend schien es mir in einzelnen Fällen, dass der Farbstoff durch Schwefelammonium mehr oder minder gebleieht wurde und dafür die grünen Körnchen als vom Pigment unabhängige Gebilde her- vortraten. Doch habe ich mich mit Sicherheit davon nicht über- zeugen können.

Ebenso wie diese, trifft auch die Erklärung, welche Quincke!) giebt, nicht vollständig. Nach diesem Autor stellen die auf Schwefelammonium nicht reagirenden Farbstoffkörnchen Blutkörperreste dar, in welchen die Bindung des Eisens noch nicht locker genug ist, um die characteristische Schwarz- oder Grünfärbung zu geben. Demnach muss dem Auftreten der Eisen- körnchen dasjenige der farbigen Blutzellenreste voraufgehen, was sich für die eisenhaltigen pigmentfreien Organe ohne Zwang nicht denken lässt, um so mehr als es sich um Individuen handelte, welche vor Beginn der normalen Pigmentbildung standen.

Unter 7 pigmentirten Nebennieren trat nach Schwefelammo- nium-Behandlung zweimal eine leichte Grünfärbung kleiner Körn- chen in den Rindenzellen auf, welche den Pigmentzellen nach der Peripherie des Organes zu unmittelbar anliegen, die aber selbst kein Pigment zu enthalten schienen. In denjenigen Zellen, in welchen die Pigmentkörnehen deutlich zu erkennen waren, fehlte

1) Arch. f. klin. Medicin Bd. 27. S. 214

488 Fr. Maass:

jede Spur grüner Körnchen. Einen} sicheren Beweis für die Hämo- globintheorie kann ich hierin nicht erblicken.

Immer eisenhaltig zeigten sich die interstitiellen Pigment- zellen des Hodens. Doch fehlt hier die Prüfung nieht pigmentir- ter Hoden durch die Eisenreaction, weil, wie sich nach Zusammen- stellung des Untersuchungsmaterials herausstellte, geeignete Fälle nicht vorhanden waren.

Die auf den Nachweis des Zusammenhanges von Hämoglobin . und Pigment gerichteten Versuche haben demnach folgendes Resultat erzielt.

Mit Hülfe der oben genannten Reactionen lässtsich der hämatogene Ursprung des Nieren-, Herz-, Ssamenbläschen- und Nebenhodenpigmen- tes nicht nachweisen Die Ablagerung des Eisensin Leberund Nebenniere findet ineiner solchen Weise statt, dass dadurch der geneti- sche Zusammenhang von Pigment und Blutfarb- stoff zwar wahrscheinlich, aber nicht zweifel- loserscheint. So weit die unvollständigen Ver- suche am Hoden reichen, deuten sieaufdieAb- stammung des Zwischenzellenpigmentes vom Hämoglobin.

Zur Untersuchung’ der Farbstoffe auf den Zusammenhang mit fettartigen Körpern benutzte ich zunächst die Osmiumsäure und die für Lipochrome charakteristischen Reactionen !). Osmiumsäure wirkte nicht auf das Pigment gehärteter Organe, an frischen dagegen wurden die Pigmente von derselben mehr oder minder geschwärzt, doch erreichte die Farbe nie die Intensität wie beim Fett, sondern glich eher der diffusen dunklen Färbung, welche alle übrigen Zelltheile durch die Osmiumwirkung annahmen. Ebenso- wenig gaben die lipochromatischen Reaetionen brauchbare Resul- tate. Nur das oben bereits erwähnte Dunkeln in Schwefelsäure fand ich bei meinen Arbeiten. Während der angeführten Ver- suche brachte ich einen Schnitt eines in Alkohol gehärteten Herzens in Osmium- und dann in Schwefelsäure, worauf ein fast

1) Krukenberg, Vergl. physiol. Vorträge. Heidelberg 1886. Farb- stoffe.

Zur Kenntniss des körnigen Pigmentes im menschlichen Körper. 489

momentanes intensives Schwarzwerden des Pigmentes und der Fett- tropfen eintrat. Die beiden Säuren in umgekehrter Reihenfolge angewandt gaben keine derartige Reaction, ebenso wenig erfolgte sie, wenn statt concentrirter Schwefelsäure concentrirte Salz- oder Salpetersäure genommen wurde, oder wenn ich die Versuche an der anderen in Müller’scher Flüssigkeit gehärteten Hälfte des Herzens machte. Das Schwarzwerden der übrigen Zellbestand- theile folgte demjenigen von Fett und Pigment erst sehr langsam nach. Vorheriges Einlegen der mikroskopischen Schnitte in ab- soluten Alkohol verhinderte die Reaction vollständig.

Betreffs der Resultate dieser Reaction an den einzelnen Fällen und der Besprechung derselben verweise ich auf die Tabelle S. 491—499 und die darauf folgenden Zeilen.

Die Deutlichkeit der Osmium-Schwefelsäurereaction, wie sie beim Herzpigment beobachtet wurde, liess sich bei dem Farbstoffe der übrigen untersuchten Organe nicht im entferntesten erreichen, weshalb ich weiteres Probiren in dieser Richtung aufgab.

Nächstdem benutzte ich die Fettfärbemethode mit Alkanna- extract!) und das gleichem Zweck dienende Verfahren von Ranvier mit Chinoleinblau (Uyanin) 2).

Die Färbung mit Alkannaextract gelang bei keinem der Pig- mente, Cyanin dagegen gab ein positives Resultat. Ich verfuhr nach der Vorschrift Ranvier’s, indem ich von der gesättigten alkoholischen Lösung des Cyanin einige Tropfen in ein Schälchen goss und diese langsam unter stetem Umrühren reichlich mit Wasser verdünnte, sodass eine hellblaue durchsichtige Flüssigkeit entstand. In diese wurden die Schnitte in Alkohol gehärteter Organe, nachdem sie in Wasser kurz abgespült waren und wenige Secunden in verdünntem Kali gelegen hatten, eine Stunde und länger eingelegt. Die Untersuchung geschah dann in Glycerin. Darin zeigte sich das Pigment des Herzmuskels intensiv dunkel- blau, die quergestreifte Substanz mattblau und die Kerne blieben fast vollständig farblos. Zu starke Lösung färbte alles intensiv blau. Die Tinetion des Fettes vermochte ich jedoch mit meinem Präparat dieses Farbstoffes nicht zu Stande zu bringen. Ebenso

1) Orth, Cursus der normalen Histologie 4. Aufl. S. 116—117. 2) Ranvier’s Techn. Lehrbuch der Histologie. Buch I, S. 97 (Ueber- setzung).

490 Fr. Maass:

konnte ich an dem Pigment der übrigen Organe eine brauchbare Färbung nicht erzielen. Entweder färbte sich das Pigment nicht oder es wurde durch die Färbung des übrigen Zellinhaltes ver- deckt. Ich habe freilich die Versuche in dieser Richtung nicht sehr lange ausgedehnt, sodass vielleicht durch Aenderung der Concentration etc. doch noch bessere Resultate erreicht werden können. Es schien mir erfolgreicher die Methode am Herzpigment genauer zu prüfen, weil hier bereits in der Osmium-Schwefel- säurereaction ein Hinweis auf enge Beziehungen zwischen Fett und Pigment gegeben war. Um hier weiter zu kommen, wurden junge pigmentlose, sowie ältere schwach und stark pigmentirte Herzen einmal direct gefärbt und dann nach vorheriger Behand- lung der mikroskopischen Schnitte mit Aether.

Die so erhaltenen Resultate und die Löslichkeitsverhältnisse aller untersuchten Pigmente in Fettlösungsmitteln sind ebenfalls in der Tabelle Seite 491—499 zusammengestellt und in den darauf- folgenden Zeilen besprochen.

Die Intensität der Osmium-Schwefelsäurereaction nimmt nach den Daten der vorstehenden Tabelle mit der Menge des Pigmen- tes zu. Während sie bei nicht pigmentirten Herzen vollständig fehlt und bei schwach pigmentirten nur andeutungsweise vorhanden ist, erreicht sie bei älteren Individuen eine ausserordentliche Deutlichkeit, sodass man oft scharf begränzte tintenschwarze Körnchenhaufen unter dem Mikroskop sieht. Da das Einlegen der Schnitte in absoluten Alkohol vor der Behandlung die Reaction vollständig verhindert, so muss man annehmen, dass die Schwarzfärbung des Pigmentes auf einem ihm innig anhaftenden Körper beruht, welcher durch Alko- hol gelöst wird. Ebenso wie dieser in Alkohol lösliche Körper wird, wie oben bereits angegeben wurde, auch das intermuskuläre Fett durch besagtes Verfahren schwarz, sodass jene Beimischung des Pigmentes wohl als ein fettartiger Körper angesehen werden kann.

Zu einem ähnlichen Resultat führte die Cyaninmethode. Auch hier wurde die Reaction durch Extraction der Präparate mit Al- kohol oder Aether vollständig verhindert oder wenigstens sehr verwischt. Die Uebereinstimmung mit Fett liegt jedoch nur in der Löslichkeit der färbbaren Substanz in den genannten Flüssig-

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keiten, während ihre Aufnahmefähigkeit für den Farbstoff sie vom Fett unterscheidet. Ebensowenig besteht eine vollsändige Identität zwischen dem durch Osmium-Schwefelsäure geschwärzten und dem durch Cyanin gefärbten Körper, da letzterer bei jugend- lichen Herzen reichlicher zu sein scheint wie bei älteren und schon bei Organen in Spuren vorhanden ist, welche kurz vor der Entwickelung des Pigmentes stehen.

Der dem Pigment gegenüber weniger feste Aggregatzustand dieser beiden Substanzen und ihre innige Mischung mit demselben legt die Vermuthung sehr nahe, dass sie Vorläufer desselben sind. Wenn also die Pigmentkörner aus jenem fettähnlichen Zustande in den definitiven festen übergingen, so wäre es möglich, dass der Farbstoff jüngerer Organe durch Fettlösungsmittel extrahirt werden könnte, während derjenige älterer Herzen ganz oder theilweise ungelöst bliebe.

In dieser Ueberlegung sind die Versuche mit Alkohol abso- lutus, Chloroform ete. angestellt worden. Von den extrahirten Schnitten wurden die einen in Oleum origani, die anderen nach kurzer Durchtränkung mit Wasser in concentrirter Schwefelsäure untersucht. Die mit den Lösungsmitteln übergossenen Sehnitte wurden dunkel aufbewahrt, weil sich während der Versuche eine stark bleichende Wirkung des Lichtes. herausstellte.

Absolut intaet schien der Farbstoff des Herzens in keiner der genannten Flüssigkeiten zu bleiben. Die geringste Resistenz aber hatte er offenbar gegen Aether. Bei einem 12-, einem 17- und einem 18-jährigen Herzen waren nach etwa dreiwöchentlicher Behandlung nur Spuren oder gar nichts mehr von Pigment zu erkennen, während bei einem 77 jährigen nach 10 Monaten noch massenhafte Körnehen vorhanden waren, die aber deutlich an Farbe verloren hatten und auch in Schwefelsäure sehr viel weniger dunkelten als vorher.

Wenn nun das Verschwinden des so behandelten Farbstoffes wirklich auf Lösung und nicht vielmehr auf einer Zersetzung beruhte, so musste er sich in dem Rückstande der zur Extraction benutzten und verdunsteten Flüssigkeit wiederfinden. Es wurde daher Aether, weleher mehrere Tage mit reichlichen Mengen fein- zertheiltem und vorher 24 Stunden mit Alkohol absolutus behan- deltem Herzmuskel dunkel gestanden hatte, unter Watteverschluss verdampft. In dem entleerten Reagenzglase zeigten sich entspre-

Zur Kenntniss des körnigen Pigmentes im menschlichen Körper. 501

chend dem oberen Rand des verdunsteten Aethers spärliche kleine deutlich gelbe Tropfen, welche bei Berührung des Glases mit der Hand sofort herabflossen. In dem übrigen Rückstande liess sich auch mit dem Mikroskop nichts nachweisen, was dem Pigment entsprechen konnte.

Dass die so erhaltenen Tropfen mit dem Pigment vollständig identisch sind, scheint mir aus zwei Gründen unwahrscheinlich. Erstens konnte ich auf erwärmten Objectträgern ein Flüssig- werden der in der Muskelzelle eingeschlossenen Körnchen nicht konstatiren. Doch ist es wohl möglich, dass das geronnene Eiweiss das Pigment zu fest umschliesst, um nach Druck aufs Deckgläschen die Entstehung von Formveränderungen zu erlauben. Zweitens liessen sich dieselben Tropfen auch aus unpigmentirten Herzmuskeln darstellen }).

Als ein dem Pigment sehr nahe stehender Körper erscheint jener Aetherrückstand aber doch und zwar erstens durch seine Farbe. Gewöhnliches menschliches Fett auch von ganz alten, mageren Individuen, bei denen es ja ziemlich gelb ist, erreichte in so dünner Schicht niemals dieselbe Farbenstärke. Sodann werden die Tropfen durch Schwefelsäure sehr stark gebräunt. Drittens färben sie sich auf ein Deckglas gestrichen in Cyanin ziemlich intensiv. Und Viertens treten nach Osmium-Schwefel- säure-Behandlung zunächst rothbraune, später schwarz werdende Tropfen auf.

Ich glaube also, dass jener Körper einer Vorstufe des Herz- pigmentes, einem frühern noch weichen Stadium entspricht.

Bei den Pigmenten der übrigen Organe hat sich eine sehr starke, aber nicht absolute Haltbarkeit gegen Fettlösungsmittel ergeben. Die Versuche mit diesen sind jedoch weniger zahlreich und zum Theil auch nicht so lange durchgeführt, wie beim Herz- pigment, weil hier, wie oben bereits gesagt, die Handhabe der Osmium-Schwefelsäurereaetion und Kali-Cyanin-Färbung fehlte.

1) Es wurde gewonnen aus Fall 12 im Alter von 4 Jahren.

47 Y » 49 03) ( 67 »„ 59 |

Bei Fall 47 fand es sich erst im zweiten Aufguss.

502 Fr. Maass:

Es haben sich also für den Zusammenhang zwischen Fett und Farbstoff sprechende Mo- mentenurbeim Herzpigment ergeben.

V. Sind diese Pigmente unter sich identisch oder nicht?

Dass die untersuchten Farbstoffe einander näher stehen, wie den melanotischen Pigmenten des menschlichen Körpers, geht aus dem Verhalten beider gegen Licht hervor.

Schon bei den Versuchen mit Fettlösungsmitteln wurde an- geführt, dass das Pigment unter Einwirkung des Lichtes schneller schwand, als im Dunkeln. Noch deutlicher zeigte sich die zer- störende Wirkung des Lichtes, wenn ihm die Präparate in desti- lirtem Wasser ausgesetzt wurden. Nach 24 Stunden Besonnung war alles verschwunden, während in den dunkel gestellten Prä- paraten das Pigment noch nach 8 Tagen, als sich schon reichlich Schimmelpilze auf den Schnitten gebildet hatten, deutlich zu erkennen war. Dagegen vertrug das Pigment der Brustwarze und der Substantia nigra des Gehirns in Wasser eine Stägige Belichtung, worunter 3—4 Tage mit hellem Sonnenschein waren, ohne eine erkennbare Veränderung. Nach den oben angeführten Arbeiten von Kühne hat auch das Augenpigment eine aussordent- liche Widerstandskraft gegen Licht.

Ausser durch ihr Verhalten gegen Licht spricht sich die Gleichartigkeit der untersuchten Farbstoffe durch das Dunkeln in Schwefelsäure aus. Die Behandlung mit Schwefelammonium und Cyanin hat dagegen Verschiedenheiten ergeben, indem Leber- und Hodenpigment auf Eisen reagirten und das Herzpigment die charak- teristische Cyaninfärbung ab.

Zu weiterer Prüfung der chemischen Eigenschaften dieser Pigmente wurden die Organe von Nr. 51, welche mir ziemlich frisch zugingen, nach ihrer Härtung in 96 %/, Alkohol, mit Salpeter- säure, Salzsäure, Essigsäure und Kali in concentrirtem, wie ver- dünntem Zustande behandelt. Die Schnitte wurden, ohne vorher ent- fettet zu sein, nach kurzer Abspülung in Wasser auf dem Objeetträger mit den angeführten Reagentien betropft und einmal unmittelbar darauf unter dem Mikroskop beobachtet und dann, nachdem sie 12 Stunden in den Flüssigkeiten gelegen hatten. Wenn letztere eingetrocknet waren oder wenig auffallend gewirkt hatten, wurden

Zur Kenntniss des körnigea Pigmentes im menschlichen Körper. 503

sie nach jenen 12 Stunden noch einmal erneuert. Das Unterlassen der Entfettung zeigte sich nur bei der Leber nachtheilig, weil hier die zahlreichen Fetttropfen das Pigment zum grossen Theil verdeckten.

Die so erhaltenen Resultate sind in der nachstehenden Tabelle aufgeführt.

Die dunkelnde Wirkung der Schwefelsäure trat bei allen Farbstoffen ausser dem Samenbläschen-Muskelpigment fast mo- mentan ein, und hielt abgesehen vom Nebenhodenpigment über 12 Stunden. Concentrirte rauchende Salpetersäure zerstörte alle Pigmente sehr energisch, bei Nieren, Nebennieren, Nebenhoden und Hodenpigment jedoch erst, nachdem ein kurz dauerndes Dunkeln vorangegangen war.

Mit verdünnter Salpetersäure erhielt ich nur wenig brauch- bare Resultate, weil die Präparate zu undurchsichtig blieben, nur das Hodenpigment wurde unter dieser Behandlung leicht röthlich.

Von ceoneentrirter Salzsäure wurden das Herz-, Leber-, Nebennieren-, Samenbläschenepithel und Hodenpigment dunkler gefärbt. Bei den übrigen war es schwer zu entscheiden ob sie in der Säuren unverändert blieben oder dunkelten. Eine durch verdünnte Salzsäure hervorgerufene Aenderung liess sich nur beim Nebenhoden constatiren, indem hier auf Zunahme der Farben- intensität ein Abblassen folgte.

Coneentrirte Essigsäure bleichte die Farbstoffe ausser Nieren-, Nebennieren und Hodenpigment. In verdünntem Zustande brachte sie nur auf Herzpigment dieselbe Wirkung hervor.

Durch concentrirtes Kali verlor nach längerer Zeit das Nebenhoden- und Hodenpigment deutlich an Farbe, während die anderen sich darin hielten. Verdünntes Kali bleichte beide Samenbläschen- und das Hodenpigment.

Da sich bei einem Verfahren, wie dem von mir angewandten, natürlich nicht alle Beobachtungsfehler ausschliessen lassen, so habe ich hier nur die unzweifelhaften Resultate aus der Tabelle hervorgehoben. Dieselben genügen aber, um eine vollständige chemische Uebereinstimmung der Pigmente auszuschliessen, weil keines derselben dem anderen in seinem Verhalten gegen die Reagentien vollständig gleicht. Doch spricht sich ihre nahe Ver- wandtschaft darin aus, dass im Allgemeinen Salpetersäure schnell

504 Fr. Maass: TTLLL——ez Organe Schwefelsäure Salpetersäure Salz- Ne conc. conc. | verd. (30%, 2) conc. u Präparat | en schlecht durch- Präparat gut ach 12 Stun.| Präparat un- sichtig. Nach durchsichtig. | gen SEN durchsichtig. | 12 Stunden Herz. Pigment dunk-| \euert. Präparat Nach 12Stunden Säure erneuert. ler. Nach 12 | „ut en Säure erneuert,| Präparat gut Stunden ebenso 4; Pigment undurchsichtig a >. 3 ge igment etwas leicht grünlich dunkie® Präparat leid- Präpärat ie Fe e lich " durchsich-Ischlecht durch-|..aParat, leid” Präparat gut tig. Pigment | sichtig. Nach Be 07 durchsichtig. | erst dunkler 12 Stunden ie Fee Niere. Pigment ener- | dann schnell |Säure erneuert, a gisch dunkler. |noller. Nach 12] etwas besser kur: Nach 12Stunden| Stunden Säure | durchsichtig Stunden Säure benso . : * | erneuert. Pig- 5 erneuert. Pig- | Pigment ge- | ment ebenso ment gebleicht bleicht jr ERRTE, | Präparat Präparat leid- | pränar : » schlecht durch- - : : parat leid- | Präparat un- | . ,,: lich durchsich- |jjch durchsich-| durchsichtig. | Nehtig. Nach nn en tig. Pigment |Nach12Stunden| a Pi Leber, a al nicht zu er- |Säure erneuert, ee enthält viel Fett 0; 2.0 | kennen. Nach |gut durchsich- p 5

12 Stunden

12 Stunden

tig. Pigment

schlecht durch-‚Säure erneuert,| nicht zu er-

sichtig. Pigment

unsichtbar (?)

ebenso

Präparat leid-

lich durchsich-

tig. Pigment

Nebenniere. [energisch dunk-

ler. Nach 12

Stunden ebenso cha

Präparat leid- lich durchsich- tig. Pigment energisch dun- kelnd. Nach 12 Stunden Säure erneuert, gut chtig. Pigment farblos

Präparat gut durchsichtig. Pigment ener-

N er gisch dunkler. Epithel Nach 12 Stun-

den; Pigment noch stärker gedunkelt

Zellsubstanz wird sehr ener- gisch zerstört. Epithelpigment

schwach ge- bleicht. Nach 12 Stunden Pig- ment vollstän- dig gebleicht

kennen

Undurchsichtig.

sichtig. Pigment leicht gelblich durch reichli- ches Fett schim- mernd Präparat gut durchsichtig. Pigment eher dunkler als heller. Nach 12 Stunden

Nach 12Stunden/Säure erneuert, Säure erneuert,| gut durchsich-

ebenso

anscheinend

tig. Pigment entschieden

dunkler. Nach 48 Stunden

Pigment deut- lich braun

Präparat schlecht durch- TE lich durchsich-

Präparat leid-

dunkler. Nach tig. Pigment

12 Stunden

Präparat

anscheinend gebleicht

Säure erneuert.

schlecht durch- sichtig. Pigment

dunkler. Nach 12 Stunden Säure erneuert leidlich durch- sichtig. Pigment stark dunkler

DES En...

Zur Kenntniss des körnigen Pigmentes im menschlichen Körper.

505

rn —————

säure verd. (30 %/, 9

Präparat schlecht durch- sichtig. Nach

12 Stunden Säure erneuert. Präparat gut durchsichtig. Pigment unver-

ändert

Präparat schlecht durch- sichtig. Nach 12 Stunden Säure erneuert, etwas besser durchsichtig. Pigment an- scheinend un- verändert

«Ebenso wie conc.

Präparat leid- lich durchsich- tig. Pigment eher dunkler als heller. Nach 12 Stunden Säure erneuert, schlecht durch- sichtig. Pigment eher dunkler als heller

Präparat schlecht durch- sichtig. Pigment anscheinend un- verändert. Nach

12 Stunden Säure erneuert, ebenso

conc.

Präparat gut durchsichtig. Pigment stark gebleicht. Nach 12 Stunden er- neuert, ebenso

Essigsäure \verd.(5—100/,?)

Präparat schlecht durch- sichtig. Nach

12 Stunden Säure erneuert. Präparat gut durchsichtig. Pigment unver-

ändert

Präparat leid- lich durchsich- tig. Pigment un- verändert. Nach 12 Stunden Säure erneuert, etwas besser durchsichtig. Pigment unver- ändert Präparat schlecht durch- sichtig. Nach 12 Stunden Säure erneuert. Präparat leid- lich durchsich- tig. Pigment nicht zu er-

Präparat leid- tich durchsich- tig. Pigment deutlich ge- bleicht. Nach 12 Stunden Säure erneuert, gut durchsich- tig. Pigment er- scheint jetzt nur schwach gebleicht

kennen fe

Präparat schlecht durch- sichtig. Pigment

unverändert, Nach 12Stunden Säure erneuert,

besser durch- sichtig, Pigment vielleicht heller

Ebenso wie conc.

Präparat schlecht durch- sichtig. Pigment anscheinend un- verändert. Nach

12 Stunden Säure erneuert, ebenso

Kali

conc.

Präparat schlecht durch- sichtig. Nach 12 Stunden Kali erneuert. Prä-

verd.(5— 100/92) Präparat gut durchsichtig. Pigment deut- lich gebleicht. Nach 12Stunden Kali erneuert. Präparat gut

parat gut durch- DE lie Pigmeni| fueinchig unverändert dealer als e N heller Präparat schlecht durch- Bine

sichtig. Nach 12 Stunden Kalı erneuert, leid- lich durchsich- tig. Pigment un- verändert

Präparat schlecht durch- sichtig, kein Pigment zu er- kennen. Nach 12 Stunden Kali erneuert, ebenso

Präparat schlecht durch- sichtig. Pigment

anscheinend dunkler. Nach 12 Stunden Kali erneuert schlecht durch-

sichtig. Pigment vielleicht etwas heller

Präparat leid-

tig. Pigment deutlich ge- bleicht. Nach 12 Stnnden Säure erneuert, ebenso

lich durchsich-

Präparat schlecht durch- sichtig. Pigment anscheinend un- verändert. Nach

12 Stunden Säure erneuert,

ebenso

Präparat gut durchsichtig, Pigment theils mehr röthlich, theils unverän dert. Nach 12 Stunden Kali er- neuert. Pigment unverändert

schlecht durch- sichtig. Nach 12 Stunden er- neuert, ebenso

Ebenso wie conc.

Präparat schlecht durch- sichtig. Pigment anscheinend un- verändert. Nach 12 Stunden Kali erneuert, ebenso

Präparat gut durchsichtig. Pigm. schwach gebleicht. Nach 12 Stunden Kali erneuert. Pig- ment deutlich eebleicht

506

Organe von Nr. 51

Fr. Maass:

Schwefelsäure

conc.

Präparat gut durchsichtig. Pigment an-

conc.

Gewebe stark zerstört. Pig-

Salpetersäure

Samen- scheinendunver-| ment deutlich blächen, ändert. Nach |gebleicht. Nach Muskel

ment etwas dunkler

12 Stunden Pig-|12 Stunden voll-

ständig ge- bleicht

verd. (30 0/2)

Präparat leid- lich durchsich- tie. Pigment un- verändert. Nach 12 Stunden Säure erneuert, ebenso

Ebenso wie Epithelpigment

Präparat gut durchsichtig. Nebenhoden,| Pigm. schwach Epithel dunkler. Nach 12 Stunden Pig- ment deutlich gebleicht

Präparat leid- lich durchsich- tig. Pigment zu- nächst dunkler, dann heller. Nach 12 Stunden stark gebleicht.

Präparat gut

durchsichtig.

Nebenhoden, Pigm. schwach Zellen im |dunkelnd. Nach Stroma 12 Stunden Pig- ment deutlic

gebleicht

Präparat leid-

lich durchsich- [schlecht durch- tig. Pigment |sichtig. Pigment

erst dunkler, dann schnell

h [bleichend. Nach 12 Stunden er- 12 Stunden stark|neuert. Pigment deutlich blasser

gebleicht

Präparat leid-

Präparat Präparat leid- schlecht durch-|lich durchsich- sichtig. Pigment|tig. Pigment an-

anscheinend |scheinend dunk- dunkler. Nach | ler. Nach 12 12 Stunden |Stunden Präpa- Säure erneuert.|rat gut durch- Pigment deut- |sichtig. Pigment

lich blasser unverändert

Präparat leid- lich durchsich- tig. Pigment an- scheinend dunk- ler. Nach 12 Stunden Präpa- rat gut durch- sichtig. Pigment etwas gebleicht

Präparat

anscheinend dunkler. Nach

Präparat Präparat leid-

schlecht durch-|lich durchsich- sichtig. Pigment| tig. Pigment anscheinend [vielleicht dunk- dunkler. Nach | ler. Nach 12 12 Stunden |Stunden Säure äure erneuert.) erneuert. Pig- Pigment leicht | ment deutlich röthlich. dunkler

Präparat leid- |lich durchsich-

lich durchsich- tig. Pigmenterst

Hoden, tig. Pigment | dunkler, dann Interst. Zellen. | deutlich dunk- | blasser. Nach kler. Nach 12 | ‚12 Stunden S

Stunden ebenso|Däure erneuert. Alles zerstört

Zur Kenntniss des körnigen Pigmentes im menschlichen Körper.

507

säure verd, 30 %/, ?)

Präparat schlecht durch- sichtig. Pigment

unverändert. Nach 12 Stunden Säure erneuert, ebenso

Präparat leid- lich durchsich- tig. Pigment deutlich dunkler Nach 12 Stunden Säure erneuert. Pigm. schwach gebleicht

Präparat leid- lich durchsich- tig. Pigment deutlich dunk- ler. Nach 12 Stunden Säure

erneuert. Pig- ment schwach gebleicht

conc.

Präparat leid- lich durchsich- tig. Pigment deutlich ge- bleicht. Nach 12 Stunden Säure erneuert, ebenso

Essigsäure

verd.(5—100%/,?)

Präparat schlecht durch- sichtig. Pigment anscheinend un- verändert. Nach

12 Stunden Säure erneuert, ebenso

Präparat gut durchsichtig. Pigment deut- ich gebleicht. Nach 12Stunden Säure erneuert, ebenso

Präparat gut durchsichtig. Pigment stark gebleicht. Nach 12 Stunden Säure erneuert, ebenso

Präparat schlecht durch- sichtig. Pigm. vielleicht dunk- ler. Nach 12 Stunden Säure erneuert. Pig- ment anschei- nend dunkler

Präparat gut durchsichtig. Pigment an- scheinend blasser. Nach 12 Stunden er- neuert, ebenso

Präparat leid- lich durchsich- tig. Pigment un- verändert. Nach 12 Stunden Säure erneuert. Präparat gut durchsichtig. Pigment an- scheinend etwas gebleicht

Präparat leid- lich durchsich- tig. Pigment un- verändert. Nach 12 Stunden Säure erneuert. Präparat gut durchsichtig. Pigment an- scheinend etwas gebleicht

Präparat schlecht durch- sichtig. Pigment anscheinend un- verändert. Nach 12 Stunden

Kalı

cone.

Präparat gut durchsichtig. Pigment an- scheinend etwas gebleicht

Präparat leid- lich durchsich- tig. Pigment an- scheinend ge- bleicht. Nach [2 Stunden Kali erneuert. Pig- ment stark ge- bleicht

verd.(5—100/,?)

Präparat gut durchsichtig. Pigm. schwach

gebleicht. Nach 12 Stunden Kali erneuert. Pig- ment deutlich gebleicht

Präparat leid- lich durchsich- tig. Pigment un- verändert. Nach 12 Stunden Kali

ernauert. Pig- ment schwach

gebleicht

Präparat leid- lich durcbsich- tig. Pigment an- scheinend ge- bleicht. Nach 12 Stunden Kali erneuert. Pig- ment vollstän- dig gebleicht

Präparat leid- lich durchsich- tig. Pigment anscheinend ge- bleicht. Nach 12 Stunden Kali erneuert. Pig- ment schwach gebleicht

Präparat leid- lich durchsich- tig. Pigment an- scheinend unver- ändert. Nach 12 Stunden Kali

Säure erneuert

ebenso

erneuert. Pig- ment deutlich gebleicht

Ebenso wie concentr,

508° Fr. Maass:

zerstört, Schwefelsäure und Salzsäure dunkeln, Essigsäure und Kali dagegen bleichen.

Es sind also die untersuchten Pigmente nicht identisch, sondern nur nahe verwandte Körper.

Als Gesammtresultat der Arbeit ergiebt sich Folgendes:

1. Die körnigen physiologischen Pigmente des menschlichen Körpers zerfallen in zwei Gruppen, die Melanine und die der hier untersuchten Organe.

2. Die Nieren, das Herz, die Nebennieren, die Samenbläschen und Hoden sind von einer bestimmten Altersgrenze ab pigmentirt.

3. Die Menge des Farbstoffes wächst in diesen Organen mit dem Alter des Individuums. |

4. Diejenigen Zellen, welche das Pigment enthalten, sind auch die Bildner desselben. /

5. Für die Theorie der Abstammung vom Hämoglobin bieten nur Leber- und Hoden-, für diejenige vom Fett nur das Herzpig- ment Anhaltspunkte.

6. Die Farbstoffe der genannten Organe sind nahe. ver- wandte, aber nicht identische Körper.

Die Fälle und die darüber mitgetheilten Data sind folgende:

1. Weiblich, ®/, Jahre alt, Empyem im Anschluss an Morbilli.

2. Geschlecht unbekannt, °/, Jahre alt, Fraetura humeri. Kostkind.

3. Männlich, 1 Jahr alt, Diphtheritis, leidlich genährt.

4. Weiblich, 1 Jahr und 2 Monate alt, Morbilli, Broncho- pneumonie, mittlerer Ernährungszustand.

5. Männlich, 2!/, Jahre alt, lobuläre Pneumonie, Vereiterung beider Hüftgelenke, ganz atrophisch.

6. Männlich, 21/, Jahre alt, Diphtheritis.

7. Männlich, 2°/, Jahre alt, Bronchopneumonie, gut genährt.

8. Männlich, 3 Jahre alt, Diphtheritis.

9. Männlich, 3 Jahre alt, Bronchitis capillaris, elendes Kind.

10. Männlich, 4 Jahre alt, Diphtheritis, mittlerer Ernährungs- zustand.

11. Männlich, 4 Jahre alt, Diphtheritis.

Zur Kenntniss des körnigen Pigmentes im menschlichen Körper. 509

12. Männlich, 4 Jahre alt, Tonsillarabscess, kräftiges Kind.

13. Weiblich, 4 Jahre alt, Tuberculose, Diphtheritis, gut genährt.

13a. Männlich, 4°/, Jahre alt, gut genährt.

13b. Männlich, 4 Jahre alt, elendes Kind.

13e. Männlich, 5 Jahre alt, mittlerer Ernährungszustand.

14. Weiblich, 51/, Jahre alt, Diphtheritis, gut genährt.

15. Weiblich, 6 Jahre alt, Diphtheritis, gut genährt.

16. Geschlecht unbekannt, 8 Jahre alt, Nephritis post scar- latinam, mittlerer Ernährungszustand.

17. Weiblich, 8—10 Jahre alt, Diphtheritis, Bronchopneu- monie, mässiger Ernährungszustand.

18. Männlich, S—10 Jahre alt, Diphtberitis, gut genährt.

19. Männlich, 12 Jahre alt, Meningitis cerebrospinalis, schlechter Ernährungszustand.

20. Männlich, 17 Jahre alt, Syphilis, acute gelbe Leberatro- phie, schlechter Ernährungszustand.

21. Männlich, 17 Jahre alt.

22. Weiblich, 13 Jahre alt, Pleuritis, Pericarditis, sehr anä- misch, mittlerer Ernährungszustand.

23. Männlich, 20 Jahre alt, Typhus abdominalis, gut genährt.

24. Männlich, 20 Jahre alt, schlecht genährt.

25. Männlich, 20 Jahre alt, Typhus abdominalis, mittlerer Ernährungszustand.

26. Weiblich, 21 Jahre alt, Typhus abdominalis, gut genährt.

27. Männlich, 22 Jahre alt, Pneumonie.

28. Weiblich, 22 Jahre alt, putride Peritonitis, Ileus.

29. Weiblich, 22 Jahre alt, chronische Pleuritis, amyloid.

30. Geschlecht unbekannt, 23 Jahre alt, Phthisis pulmonum, mittlerer Ernährungszustand.

31. Männlich, 24 Jahre alt, Echinococeus hepatis, Peritonitis purulenta, Bronchopneumonie, schlecht genährt.

32. Weiblich, 26 Jahre alt, Phthisis pulmonum, Diabetes, mässiger Ernährungszustand.

33. Männlich, 25—23 Jahre alt, Nephritis, Stauungsleber, Fett- herz, leidlicher Ernährungszustand.

34. Männlich, 28 Jahre alt, Phthisis pulmonum, Tubereulose der Blase und Nieren, stark abgemagert.

35. Weiblich, 28 Jahre alt, Eklampsie.

Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 34. 33

510

36.

Fr. Maass: Zur Kenntniss des körnigen Pigmentes.

Männlich, 28 Jahre alt, Phthisis pulmonum, mittlerer Er-

nährungszustand.

37. 38. 39. 40. 41. 42. 43. 44. 45. 46. 47. 48. 49. 50. 51.

30 Jahre alt, Pneumonie (Lues ?) Männlich, 32 Jahre al:. 32 Jahre alt, Epilepsie. Männlich, etwa 33 Jahre alt (?). Männlich, 37 Jahre alt, geisteskrank, Herzinsufficienz. 40 Jahre alt, Tumor cerebri. Männlich, 40 Jahre alt. Weiblich, 43 Jahre alt, Blödsinn, Phthisis. Männlich, 45 Jahre alt, Epilepsie, im Anfall gestorben. Männlich, 40—50 Jahre ? Männlich, 49 Jahre alt, Pneumonie. Männlich, 50—55 Jahre alt, Phthisis pulmonum. Männlich, 51—56 Jahre alt, Phthisis pulmonum. Männlich, 52—57 Jahre alt, Phthisis pulmonum. Männlich, 60 Jahre alt, progressive Paralyse, Meningitis

purulenta.

92. 90. 54. 50. 96. 7.

Männlich, 61 Jahre alt, Pneumonie mit hohem Fieber. Männlich, 62 Jahre alt, Dementia senilis.

Männlich, 63 Jahre alt, Epilepsie, Pneumonie.

Männlich, 65 Jahre alt.

Männlich, 66 Jahre alt.

Männlich, 67 Jahre alt, Melancholie mit hypochondrischem

Character. Magerte in Folge von Nahrungsverweigerung zum Skelet ab.

58. 99. 60.

Weiblich, 75 Jahre alt, geisteskrank. Weiblich, 77 Jahre alt, Dementia senilis. Männlich, 81 Jahre alt, Selbstmord.

Albert Oppel: Beiträge zur Anatomie des Proteus anguineus. 511

Beiträge zur Anatomie des Proteus anguineus. Von Dr. Albert Oppel.

Assistent für Histologie an der anatomischen. Anstalt in München.

Hierzu Tafel XXVIIL, XXIX, XXX.

Um einer Lösung der Frage, ob Proteus anguineus ein auf niedriger Entwicklungsstufe stehen gebliebenes Amphibium ist, oder ob seine Vorfahren höher entwickelt waren und die jetzt lebende Gattung als eine rückgebildete anzusehen wäre, näher- zutreten, ist vor allem nöthig eine genaue Kenntniss des Baues seiner Organe. Die Erfahrungen darüber, welche Andere in der Literatur niedergelegt haben, zusammenzustellen mit dem, was ich selbst sehen konnte, beabsichtige ich in dieser Arbeit.

I. Capitel. Vom Verdauungstraetus.

Die ersten Arbeiten, welche den Proteus erwähnen, beziehen sich hauptsächlich auf seine Stellung im System und befassen sich mit dem Bau des Verdauungstraetus nur nebenbei. Diese Arbeiten sind aufgeführt in der 1819 erschienenen Monographie von Rusconi und Configliachi (4); die Verfasser, beginnend mit Laurenti (1), der den Proteus anguineus zuerst unter dem Namen Hypochthon in die Literatur einführte, heben hervor, dass Schreibers (2) zuerst den Proteus zerlegte und seinen Bau beschrieb, dass aber erst von Cuvier (3) festgestellt wurde, dass Proteus ein ausgebildetes Thier ist. Die Arbeiten von Schreibers (2) und Rusconi (4) sind, soweit sie sich auf den Situs viscerum beziehen, sehr ausführlich und werden an geeigneten Stellen auf- geführt werden; vor allem ist aber auf die treffliehen Abbildungen der Italiener hinzuweisen und deren Genauigkeit und Deutlichkeit hervorzuheben.

Gleichzeitig mit Rusconi (4) arbeitete Rathke (5) über Proteus; er beschreibt in seiner 1820 erschienenen Arbeit „Ueber

512 Albert Oppel:

die Entstehung und Entwickelung der Geschlechtstheile bei den Urodelen® den Verdauungstraetus des Proteus folgendermaassen : „Ueber der Leber in deren Concavität, doch etwas weniges nach der linken Seite gekehrt, verläuft der lange, gerade, eylindrische Magen, der sich nur durch seine muskulösen Wände vom übrigen Darme unterscheidet, und unmerklich in diesen übergeht. Nach hinten wendet sich dieser, nach dem hintern Rande der Leber sich riehtend, von links nach rechts, macht hinter der Leber eine S-förmige Krümmung, die auf den Bauchdecken liegt, und geht dann in gerader Richtung, und nur ein wenig von rechts nach links verlaufend, mit oder ohne Aussackung (Dickdarm) in die Kloake über.“ An andern Stellen sagt Verfasser: „denn von einer Speiseröhre kann wohl nicht die Rede sein“; ferner: „Die vorn abgerundete und nicht zweihörnige Harnblase liegt unter dem Endstück des Darmkanales, und ging bei meinen Exemplaren, wo sie freilich sehr stark zusammengezogen war, nicht sonderlich weit über den Eingang des Beckens nach vorne hinaus. Ihre Mündung befindet sich in der untern Wand des Darmes.“ Verfasser giebt gleichfalls gute Abbildungen von der Lage der Eingeweide.

Valentin (7), der zuerst einzelne Organe des Proteus einer mikroskopischen Bearbeitung unterzog, beschreibt zwar richtig die Darmfalten, hebt aber auch die Anwesenheit von „wahren Darm- zotten“ hervor, welch letztere Angabe ich nicht bestätigen kann.

Brotz und Wagenmann (9) geben in ihrer Dissertation eine Beschreibung von Leber, Milz und Pankreas und beschäftigen sich darin vorzüglich :mit Maass- und Gewichtsangaben.

S. delle Chiaie (10) der nur ein lebendes, ein moribundes und ein in Alkohol conservirtes Exemplar seinen Untersuchungen zu Grunde legen konnte, schreibt über den Verdauungskanal: „Da conico esofago si scende entro lo stomaco finito nel duodeno, ed il budello poco flessuoso in linea quasi dritta estendesi fino all ano. La milza & trigona carenata, nella faccia larga rivolta al ventriculo, ed al pancrea. Questo giace a sinistra del pilorico stringimento, e componesi da globosi aeinetti, assai pitı ampli de’ palatini, e, per quanto parmi, aperti nel duodeno in- ternamente levigato; nel mentre, che sono ivi lamellosi si lo stomaco che il resto dell’ intestino. Il fegato molto allungato distinguesi in lobo anteriore maggiore, e nel posteriori minore

Beiträge zur Anatomie des Proteus anguineus. 513

bifido; esistendo tra il suo follicolosco parenchima immenso numero di acinetti neri solitari, e da me anco notati nella indi- cata viscera de’ Cheloni. La eistifellea apparisco abbastanza ampla otriforme, in eui ha fine il ramificato dutto epatico“. Seine Ab- bildungen stehen an Genauigkeit hinter denen Rusconi’s (4 u. 8) zurück.

Dalton’s (14) Notizen beziehen sich nur zu einem kleinen Theil auf den Darmtractus und geben daraufbezüglich nichts Neues.

Die Arbeiten Leydig’s (15 u. 17), vor allem seine Unter- suchungen über Fische und Reptilien, ferner die Hoffmann’s (25), welche ausführlicher über den Darmtraetus des Proteus handeln, sowie die zahlreichen neueren Abhandlungen, in welchen einzelne histologische Details zerstreut liegen, sollen an den betreffenden Stellen berücksichtigt werden.

Hier möchte ich noch eingehen auf die Angaben Wieders- heim’s (53), der (in einem Abschnitt seines Lehrbuches der ver- gleichenden Anatomie) über die Urodelen schreibt: „Der Vorder- darm bildet hier im Allgemeinen ein in der Längsachse des Kör- pers verlaufendes, mehr oder weniger aufgetriebenes Rohr, das sich bei den Perennibranchiaten nur undeutlich oder gar nicht abgrenzen lässt. Letzteres gilt z. B. für Proteus (Fig. 402), wo der ganze Tractus, wie bei gewissen Fischen, vollkommen gerade dureh die ganze Leibeshöhle verläuft“. Da nun schon Rusconi (4) die Angabe Cuvier’s (3): „Der Darmkanal erstreckt sich fast in gerader Linie von einem Ende des Bauchs zum andern“ mit Hin- weis auf die richtige Zeichnung Schreibers (2) und seine eigenen Befunde berichtigt hatte, überraschte mich, diese Ansicht neuerdings wieder vertreten zu finden. Ich habe die Zeichnungen Schrei- bers (2), Rusconi’s (4), Rathke’s (5) und Hoffmann’s (15) an allen kleinen wie grossen frisch getödteten Thieren korrekt gefunden. Es betrug die Länge des gewundenen Darm- stücks (meist waren eine eraniale nach rechts und eine caudale nach links gelegte Schlinge vorhanden, welche zusammen S-Form gaben) z. B. bei einem 235 mm langen Proteus in situ 2cm, von dem Mesenterium getrennt und gerade gelegt 4,5 cm, was eine auf die Windung kommende Längendifferenz von 2,5 em ergiebt. Da die Windungen sich stets nur in dem hintern Theil des Mitteldarms finden, ging Schreibers (2) soweit, den nicht gewundenen Theil

514 Albert Oppel:

des Darms als Duodenum und die Schlinge als Dünndarm zu bezeichnen. Bei in Alkohol conservirten Exemplaren erhielt ich dieselben Bilder, wie sie Wiedersheim (55), S. delle Chiaie (10), R. Wagner (11) und Weinzettl (39) geben und wie Cuvier (3) beschreibt; dasselbe fand ich bei Thieren, welche während der Zusendung an mich gestorben waren und dann eröffnet wurden. Die verschiedenen Härtungsmittel vermochten ebenfalls eine bei Nachhärtung in Alkohol erfolgende Schrumpfung nur zum Theil zu vermeiden; die besten Resultate gab hier noch 1°/, Osmiumsäure, einem frisch getödteten Thier in den Darm durch die Kloake injieirt, mit folgender 24 stündiger Härtung des ganzen Thiers in Y3—!/, °/, Chromsäure; wurde dann die Bauch- höhle eröffnet, so zeigte sich der Darm in derselben Lage wie beim frisch getödteten Thier, d. h. mit einer S-förmigen Schlinge.

Schreibers (2) und R. Wagner (11) haben in ihren Abbil- dungen dem Magen etwa den doppelten Durchmesser im Ver- gleich zum Darm gegeben. Derartige Formen habe ich nur beobachtet bei Ausdehnung des Magens durch Nahrung und dann konnten auch andere Theile des Darmtractus in derselben Weise gedehnt sein. Richtig beschreibt dies Wiedersheim (53): „Die Magengegend ist durch eine schwache spindelförmige Auftreibung kaum angedeutet“.

Eine Erweiterung des Enddarms habe ich stets vorgefunden, wenn sie auch bisweilen wenig ausgeprägt war, derselbe charak- terisirt sich ferner durch das Fehlen der Längsfaltung, welche sonst die Schleimhaut des ganzen Darmtractus, beginnend im Oesophagus vor den ersten Oesophagealdrüsen zeigt.

Wenn bei makroskopischer Betrachtung der Darmtractus des Proteus wenig differeneirt erscheint, so weist dies um so mehr auf eine mikroskopische Untersuchung hin. Auf diese beabsich- tige ich im Folgenden näher einzugehen. ,

Zu diesem Zweck habe ich zunächst ein im Leben 131mm langes Thier, das, in Chromsäure gehärtet, nach der Nachhärtung in Alkohol 121mm lang war, in Paraffin eingebettet, was eine weitere Verkürzung um etwa 7 mm zur Folge hatte. Dieses Thier zerlegte ich in 7443 Schnitte & 15 u, welche ich als Serie mit Eiweiss aufklebte und nach verschiedenen Methoden färbte. In zweiter Linie habe ich den ganzen Darmtractus mit Drüsen eines mit Sublimat behandelten, in conservirtem Zustand 195 mm langen

Beiträge zur Anatomie des Proteus anguineus. 515

Thiers als Serie in etwa 6400 Schnitte a 15 u zerlegt, ferner mehrere Köpfe, einzelne Organe und grössere zusammenhängende Abschnitte des Darmtraetus von Thieren verschiedener Grösse als Serie geschnitten; ich fand in Folge der Grösse der Elemente ein dünneres Schneiden als 15 « für Serien nicht zuträglich. Endlich verfertigte ich noch eine Anzahl von Einzelschnitten von verschie- dener Dicke aus verschiedenen Organen, welche mit einem der folgenden Conservirungsmittel gehärtet waren: Osmiumsäure, Chromsäure, Pikrinsäure, Sublimat, Alkohol, Müller’scher oder Flemming’scher Flüssigkeit.

Es war zu erwarten, dass die Verhältnisse verschieden sein würden bei durch Inhalt ausgedehntem und leerem Darmtractus, desshalb suchte ich mir für beide Verhältnisse Objecte zu ver- schaffen. Da die naheliegende Methode, den Darm durch Injection von Conservirungsflüssigkeiten zu dehnen, welche ich zunächst an- wandte, Nachtheile hat, indem einerseits die Theile abgetödtet werden, ehe die Dehnung erfolgt ist, andererseits die Dehnung leicht ein physiologisches Maass übersteigt, machte ich den Ver- such, den Darmkanal auf natürliche Weise zu dehnen. Ich warf einem Proteus mittelgrosse Regenwürmer vor, wovon er, entgegen der Behauptung von Michahelles (6) und Hyrtl (69), frass. Auch Zeller (60), der in seiner Arbeit von Futterthieren spricht, meint damit Regenwürmer, welche seine seit vielen Jahren gehal- tenen Thiere gerne nehmen, was ich durch dessen gütige persön- liche Mittheilung erfuhr. 24—36 Stunden nach der Nahrungsauf- nahme (der Wurm wurde während der Nacht verschluckt) fand ich den untern Theil des Oesophagus, den Magen und einen grossen Theil des Darms durch den darin befindlichen Wurm gedehnt. Gleichzeitig lieferte mir dieses Thier werthvolle Ergebnisse für die bei der Verdauung eingetretenen Veränderungen.

Als Färbemittel bediente ich mich am häufigsten des Böhmer- schen Hämatoxylins, des Boraxkarmins und Safranins, ferner ver- schiedener combinirter Färbungen, wobei ich die von Heiden- hain (56) empfohlene Biondi-Ehrlich’sche Methode (Fuchsin S. Methylgrün Orange) mit Vorliebe anwandte.

Sehr deutliche Bilder erhielt ich auf folgende Weise: mit Eiweiss aufgeklebte Schnitte, in Sublimat oder Chromsäure ge- härteten Objecten entnommen, werden in einer Mischung von

516 Albert Oppel:

1°/, wässerige Methylgrünlösung 120

1%/o or Eosinlösung 2 1%, A Fuchsin S-lösung 40 Alkohol absolutus 40

15 Minuten gefärbt, dann 30 Secunden in eine Picrinsäurelösung gebracht (gesättigte wässerige Lösung 80 + 20 Alk. abs.), dann eine Minute in fliessendem Wasser ausgewaschen, dann kommen sie in absoluten Alkohol und Nelkenöl je eine Minute, Canada- balsam. Sind die Schnitte noch gelb, so waren sie zu kurz in fliessendem Wasser, die Picerinsäure hat nur den Zweck, das Grün verschiedener Kerne zu differenciren.

Um an Schnitten, welche mit einer der oben genannten Con- servirungsflüssigkeiten, jedoch nicht mit Osmiumsäure behandelten Objecten eninommen sind, diejenigen Gebilde distinet zu färben, welche Osmiumsäure reduciren, bediente ich mich bei Proteus folgenden Verfahrens. Die Schnitte werden 24 Stunden in Borax- karmin gefärbt, kommen dann 1 Stunde in absoluten Alkohol, 1 Minute in Methylviolett (3 :200 aq. dest. : 40 Alk. abs.), 2—3 Minuten in ÖOxalsäurelösung (80 gesättigte Oxalsäurelösung in Wasser zu 20 aqua destillata); werden dann in destillirtem Wasser ausgewaschen und in Glycerin eingebettet. Es sind dann Fett, markhaltige Nervenfasern und Granulationen bestimmter Drüsen- zellen durch ihre dunkelblaue Färbung ausgezeichnet.

Aehnliche Resultate erhielt ich, wenn ich 24 Stunden in Böhbmer’schem Hämatoxylin überfärbte Schnitte in eine Oxal- säurelösung (20 gesättigte wässerige Oxalsäurelösung zu 80 aqua destillata) auf einige Secunden brachte und dann in destillirtem Wasser kurz auswusch.

Diese Methode, bei welcher die oben erwähnten Gebilde blau bleiben, während sich das Uebrige roth färbt, gestattet ein Ein- schliessen in Alkohol Nelkenöl Canadabalsam, lässt sich jedoch nur bei Chromsäurepräparaten anwenden und ist nicht so sicher zu handhaben, wie die erstere. Beide Methoden gestatten Aufkleben mit Eiweiss.

Mundhöhle.

Die Zunge des Proteus stellt gewissermaassen nur einen stark entwickelten Schleimhautüberzug der Spitze der beiden frei in

Beiträge zur Anatomie des Proteus anguineus. 517

die Mundhöhle vorragenden Keratohyalia mit dem dazwischen liegenden ersten Basibranchiale vor. Die Entfernung von der Spitze des letzteren bis zur Zungenspitze beträgt z. B. bei einem 112mm langen Exemplar 147mm. Leydig (15) schreibt: „Beim Proteus hat die Zunge ferner weder Papillen noch Drüsen und besteht bloss aus Bindegewebe und Fettzellen* und in der That hat Fischer (18) nachgewiesen, dass alle Perennibranchiaten und Derotremen einer wirklich muskulösen Zunge ermangeln. Pr. Ludwig Ferdinand von Bayern (46) schreibt hier- über: „Die äusserste Spitze der Zunge der Fischmolche ist ebenso frei von Muskeln, wie die der Fische. Das zierliche Bindegewebsgitter an der Zungenspitze, welches oben und unten ein sehr dichtes, in der Mitte ein gitterartiges Netzwerk darstellt, zeigt ein ganz Ähnliches Verhalten, wie in der Fischzunge, nur dass das erste Basibranchiale nicht so weit gegen die Zungenspitze vordringt, als bei dieser.“ Somit ist auch verständlich, wie die Zunge nach hinten direkt in den Boden der Mundhöhle übergeht; hier treten ausser den beiden seitlichen die Zunge begrenzenden Falten noch weitere auf, welche Pr. Ludwig Ferdinand (46) folgendermaassen beschreibt: „Bei Proteus anguineus erheben sich unmittelbar neben und hinter der freien Zungenspitze 2 starke Wülste, welche schief nach rückwärts gegen die Mandibula verlaufen und dem Keratohyale entsprechen. Die Zunge erlangt hiedurch nach rückwärts eine Dreitheilung, indem neben dem medianen Haupttheil, 2 laterale Abschnitte auftreten.“ Der kleinere mittlere Abschnitt enthält die Basibranchialia, die 2 seitlichen das Keratohyoid, weiter hinten die Keratobranchialia oder je nach der Schnittstelle Branchialbogen.

Den feinern Bau der Schleimhaut der Zunge beschreibt Pr. Ludwig Ferdinand (46) folgendermaassen: „Was die Schleim- haut beim Proteus anguineus anlangt, so überkleidet dieselbe nicht unmittelbar die Knorpel, sondern auf diesen tritt zunächst eine nicht sehr feste Bindesubstanz auf, welche an dem ersten Basi- branchiale 2 scharf begrenzte dichte laterale Flügel darstellt. Dieses Gewebe verdichtet sich gegen die Oberfläche und nimmt hier erst die eigentliche Schleimhaut auf. Auch diese zeigt gegen das Epithel eine etwas verdichtete Schichte mit kleinen Erhebun- gen, welche sich zwischen die Epithelzellen hineindrängen. An dem Rücken der Zunge ist die Schleimhaut, insbesondere das

518 Albert Oppel:

Epithel, etwa 3 mal stärker ausgebildet, als abwärts gegen den Boden der Mundhöhle.* Ferner: „Die Epithelzellen sind gross und behalten von der Tiefe bis zur ‚Oberfläche einen ziemlich gleichen Charakter bei. Hier bieten dieselben nicht jene platt- gedrückte Beschaffenheit dar, wie bei den höheren Thieren. Zwischen ihnen sind zahlreiche grosse Becherzellen eingebettet. Die kleinen Oeffnungen an den eingezogenen Hälsen dieser dünn- wandigen Becher kann man an dem Epithel der Proteuszunge viel leichter übersehen, als an Objecten aus der höheren Thier- welt.“ Die Angaben des hohen Autors stimmen mit meinen Beobachtungen im wesentlichen überein.

Das Epithel des Zungenrückens (Fig. 1) ist ein geschichtetes Plattenepithel, bestehend aus 3—4 Schichten von Zellen, von denen die unterste Schicht, den Basalzellen der äussern Haut entsprechend, an manchen Stellen höher als breit, an andern wie die der mittleren 2. und 3. Schicht von polygonaler Form sind. Letztere haben keine zum subepithelialen Bindegewebe reichende Fortsätze. Die Zellen dieser Schichten lassen keine Intercellularbrücken er- kennen und zeigen stets einen grossen Kern, der oft den grössern Theil des Rauminhalts der Zelle einnimmt; dies gilt von den Zellen aller Schichten, ausser den der freien Oberfläche zunächst liegenden und den Becherzellen, welche beide besonders besprochen werden sollen.

Die der Oberfläche nächste Schichte der Epithelzellen (Fig. 1a). zeigt dieselbe Beschaffenheit, wie sie Bugnion (24) für die äussere Haut nach Behandlung mit Argentum nitricum beschreibt, nämlich einen helleren platten, der Mundhöhle zunächstliegenden und einen dunklern um den Kern gelegenen Theil. Bugnion (24) nennt bei der äussern Haut den ersteren Theil Cuticularsaum und zeichnet denselben gestrichelt. Diese Bilder erhielt ich, wie sie Bugnion (24) für die äussere Haut giebt, beim Mundepithel nach Behandlung mit 1°/, Osmiumsäure und Nachhärtung in Chrom- säure. Auf die von Bugnion (24) beschriebene Strichelung will ich hier nicht näher eingehen. Rabl (50) hat die Ueberzeugung gewonnen, dass die vermeintliche Cuticula in den Stäbchenepithe- lien der Proteushaut aus zahlreichen kleinen Stäbchen besteht. Hervorheben will ich noch, dass ich auch bei Behandlung mit Chromsäure die helle Partie wenigstens an einem Theil der Zellen zu conserviren vermochte. Stets färbte sich der um den Kern

Beiträge zur Anatomie des Proteus anguineus. 519

gelegene Theil dieser Zellen sowohl hier wie in der äussern Haut mit verschiedenen Farben, besonders mit Eosin, intensiver, als das Protoplasma aller übrigen Zellen, gewöhnlich wandte ich hierfür Methylgrün-Eosin oder Hämatoxylin-Eosin, ersteres gemischt 60:1, letzteres nacheinander an. Diese beschriebenen Zellen schliessen dicht zusammen und lassen nur schmale Oeffnungen für die Hälse der tiefer liegenden Becherzellen. Ich konnte erstere nie tiefer hinab verfolgen und traf sie stets ohne Zusammenhang mit dem sub- epithelialen Bindegewebe, wie sie auch Bugnion in der äussern Haut zeichnet.

Wenn Leydig (15) schreibt: „was den Proteus anbelangt, so muss ich bekennen, dass ich weder auf der Zunge, noch irgendwo im Rachen eine Flimmerbewegung zur Anschauung bringen konnte. Ich habe 4 lebende Exemplare untersucht mit überall negativem Erfolg, doch möchte ich immer noch, ehe ich für dieses Thier am fraglichen Ort die Wimpern in Abrede stelle, glauben, dass nur die überaus grosse Feinheit der Cilien es schwer oder geradezu unmöglich macht, sie zu beobachten“, so erklärt sich einerseits das Fehlen von Cilien aus der Beschaffen- heit des Epithels, andererseits möchte ich hervorheben, dass an allen Orten, an denen Flimmerhaare bei Proteus vorkommen, die- selben derartige Dimensionen haben, dass sie nicht leicht zu über- sehen sind. Leydig (15) hat ja auch die feinsten Flimmerhaare, welche Proteus besitzt, nämlich am Epithel der Nasenschleimhaut, wohl erkannt.

Die Becherzellen (Fig. 1b) sind grosse, ins Epithel eingestreute Zellen, deren Häufigkeit an verschiedenen Stellen wechselt. Sie sind von kugeliger Form und verjüngen sich gegen die Oberfläche zu einem kurzen und engen Hals, der zu der kleinen Mündung auf der Schleimhautoberfläche führt. Gegen das Stratum proprium zu laufen sie in einen schmalen Fortsatz aus, welcher im Vergleich zu der Kugelform der Zelle sich wie ein Stiel ausnimmt und den ich öfter bis zu der Bindegewebsschichte verfolgen konnte, wo er mit verbreiteter Basis aufsass. Der Kern mit wenig Protoplasma liegt in der Regel in halbmondförmiger Gestalt der Wand ange- drückt. Die Form der Becherzellen scheint mir den beim Frosch und bei Salamandra maculata in der Mundhöhle vorkommenden, welche Holl (54 u. 49) eingehend beschrieben hat, ähnlich zu sein. Der Inhalt der Theca der Becherzellen färbt sich bei mit Chrom-

520 Albert Oppel:

säure gehärteten Präparaten intensiv mit Hämatoxylin und gar nicht mit Safranin, während sich z. B. die Zellen der grossen Hautdrüsen intensiv mit diesen beiden Farben tingiren. Ich halte diese Bemerkung nicht für überflüssig, da bei der noch herr- schenden Unklarheit über die Secrete jedes Unterscheidungs- merkmal, namentlich wenn es sich auf den Sammelnamen Schleim- zellen bezieht, auch wenn es nicht auf einer chemischen Reaction beruht, vorläufig notirt werden sollte.

Es ist dieses Epithel, wie ich hervorheben möchte, in Form und Schichtung kaum zu unterscheiden von dem Epithel der äussern Haut. Ein Unterschied dürfte sich vielleicht nur in der Höhe der Schicht finden, die bei einem 112 mm langen Thier bei der Haut 0,05—0,05 mm, bei der Zunge auf dem Rücken 0,025—0,03 mm betrug. Dass das Epithel der Zunge ebenso ge- baut ist, wie das der äussern Haut, wenn man von den hier sich findenden Becherzellen und den dert eingestreuten Leydig’schen Zellen als unterscheidend absieht, scheint mir von Bedeutung zu sein, indem Leydig (15) schreibt: „Während das Epithel der Zunge bei allen untersuchten Batrachiern aus Cylinderzellen besteht, wovon immer die einen hell und die anderen mit eiweiss- artigen Körnchen, besonders stark gegen das freie Ende hin, er- füllt sind, so zeigt sich das Zungenepithel der beschuppten Rep- tilien: bei der Landschildkröte, der Blindschleiehe und der Ringel- natter, aus geschichteten Plattenzellen zusammengesetzt.“ Das letztere findet sich auch bei Fischen allgemein, wie Leydig (17) nachgewiesen hat. Da nun bei Fischen und Reptilien das Vor- kommen eines geschichteten Plattenepithels an dieser Stelle vor- wiegend ist, so war zu erwarten, dass sich dasselbe wenigstens bei niederen Amphibien gleichfalls finden würde und das ist in der That bei Proteus der Fall. Dass die oberflächlichen Zellen hier nicht jene plattgedrückten Formen darbieten wie bei höhern Thieren, mag darin seinen Grund haben, dass es in der äussern Haut auch nicht der Fall ist.

Auf den Seiten und der Unterfläche der Zunge wird das Epithel weniger hoch, es redueirt sich auf 2 Lagen von Zellen. Die der Mundhöhle zunächst liegenden Zellen zeigen denselben Bau wie die entsprechenden Zellen des Zungenrückens, die darunter liegenden Zellen sind von polygonaler Form wie die tiefern Schichten des Zungenrückenepithels. In den nach hinten ziehen-

Beiträge zur Anatomie des Proteus anguineus. 521

den Falten wird das Epithel in der Tiefe der Falten oft ein- schichtig, es verkürzt sich der Höhendurchmesser der Zellen und damit die Dicke des Epithels auf 3—4 u.

Das am Dach der Mundhöhle die Schleimhaut überkleidende Epithel ist wie das auf dem Rücken der Zunge gebaut; weiter nach hinten, namentlich in den seitlichen Taschen, welche zu den Kiemenöffnungen führen, wird es niedriger in der Weise, wie dies für die Unterfläche der Zunge eben beschrieben wurde. Der Uebergang von der äussern Haut in das Epithel der Mund- höhle ist ein ganz allmählicher und charakterisirt durch das Vor- kommen von Becherzellen in der Gegend, welche den Lippen höherer Thiere entspricht.

Was die Sinnesorgane betrifft, so beabsichtige ich auf den Bau derselben nicht näher einzugehen, da dieselben von Bugnion (24) vortrefflich beschrieben sind; hervorheben möchte ich nur, dass ich die von Bugnion (24) bei Proteus vermisste hyaline Röhre, welcheauch inCarriere’s (48) Abbildung eines tiefgelegenen Nervenhügels vom Unterkiefer des Proteus anguineus fehlt, zwar im Mund nicht nachweisen konnte, jedoch in der äussern Haut der Schnauzengegend mehrfach bei einem lebend 175mm langen, in Sublimat conservirten Thier gefunden habe. Dieselbe verjüngt sich etwas dem freien Ende zu und zeigt eine Längsstrichelung, welche in der Zeichnung wiedergegeben ist (Fig. 2). Malbrane (29) schreibt darüber: „Bugnion konnte am erwachsenen Proteus und Siredon keine Gallertröhre und keine starren Haare ent- decken sie fehlen hier auch in der That so gewiss, als sie bei ganz jungen, der Eihülle kaum entronnenen Larven vorhanden sind.“ Wenn nun auch das von mir darauf untersuchte Thier nicht als ausgewachsen zu betrachten ist, so zeigt doch der Befund, dass das Thier während seines Wachsthums (es verlässt nach Zeller (60) mit 22mm das Ei) die Röhre lange behält. Im Dach der Mundhöhle fand ich die Sinnesorgane mit Vorliebe jederseits in einer einwärts von den Zähnen nahe dieser gestellten Reihe, auch näher der Mitte, selbst genau in der Mitte. Auf der Zunge sind sie häufiger am Rand und zwar bilden die Papillen, in welche sie eingesenkt, wie Bugnion (24) hervorgehoben hat, liegen, namentlich auf dem hintern Theil der Zunge ziemliche Hervorragungen, ebenso weiter hinten auf den beiden oben be- schriebenen Schleimhautwülsten.

522 Albert Oppel:

Hier habe ich noch Gebilde zu erwähnen, welche ich im Epithel der Mundhöhle häufig gefunden habe. Bei Betrachtung eines Schnittes aus der Lippeninnenseite (Fig. 3), wo sich die Schleimhaut vor Ueberkleidung des Unterkiefers zu einer Tasche einsenkt, sieht man bei Färbung mit Methylgrün, am besten in einer der oben angegebenen Combinationen, zwischen den Epithel- zellen Formen, welche sich mit Methylgrün intensiver als die Kerne der Epithelzellen tingiren, Formen wie sie Stöhr (47) und List (52), ersterer in der Tonsille der Säugethiere, letzterer als „oft eigenthümlich gewundene bizarre Gebilde“ im Kloaken- epithel von Raja miraletus, ebenso in dem Epithel der Oberhaut der Barteln und der Oberlippe von Cobitis fossilis beschreiben und als Leukocyten ansprechen. Dieselben charak- terisiren sich bei Proteus durch einen die meisten Tinctions- mittel lebhaft annehmenden Kern, während das den Kern um- gebende Protoplasma an in Canadabalsam eingeschlossenen Prä- paraten meist nicht deutlich zu erkennen ist. Nicht nur im Epithel selbst, sondern auch unter demselben und sich durch das unter dem Epithel befindliche Bindegewebe durchwindend, sind sie häufig zu treffen. Ausser den oft langgestreckten gewundenen Formen zeigen sich auch rundliche, welche sich von den Epithel- zellen dadurch unterscheiden, dass ihre Kerne stets kleiner sind und sich lebhafter tingiren als die Kerne der Epithelzellen, ferner dadurch, dass ein bei den Epithelzeilen immer sichtbarer Zellleib bei den Wanderzellen, wie oben erwähnt, nicht immer deutlich ist.

Neben diesen einkernigen Formen finden sich nun auch, im Epithel selbst jedoch weit seltener, Formen mit mehreren Kernen. Häufiger begegnet man solchen an andern Orten.

Derartige Wanderzellen finden sich im Epithel der ganzen Mundhöhle und Zunge an verschiedenen Stellen bald zahlreicher, bald nur sehr vereinzelt. Stets charakterisiren sie sich durch den lebhaft tingirten Kern und die geringe Menge von Protoplasma um denselben.

Andere Formen von Wanderzellen, welche protoplasmareicher sind und deren Protoplasma dicht zusammengelagerte Körnchen zeigt, welche die Eigenschaft haben, gewisse Farbstoffe lebhaft aufzunehmen und festzuhalten, sind in der Mundhöhle des Proteus nur selten vertreten. In der Lippengegend, sowie an einzelnen Stellen im Rachen konnte ich solche im Epithel finden und mit

Beiträge zur Anatomie des Proteus anguineus. 523

den von Ehrlich (33 u. 35), der diese Zellen nach ihrem Tinections- vermögen in verschiedene Unterarten eintheilte, angegebenen Farben tingiren. Die besten Bilder erhielt ich bei Proteus, wenn ich Fuchsin-S. in einer der oben angegebenen Combinationen an- wandte.

Ferner fand ich häufig im Epithel der Mundhöhle meist kugelige Räume, in welchen eine oder mehrere Wanderzellen lagen, bestehend aus Kernen, umgeben von mehr oder wenig Protoplasma; dieselben standen mit den Epithelzellen selbst in keinem sichtbaren Zusammenhang. Soweit könnten sich meine Befunde mit denen von List (52) decken, welche er mit folgenden Worten beschrieb: „Beobachtet man nun Schnitte genauer, so kann man häufig Ausbuchtungen zwischen den Epithelzellen beobachten, welche zweifellos auch von Stöhr und mir aus anderen Epithelien beschrieben wurden. In solchen Ausbuchtungen kann man oft mehrere Leukocyten liegen sehen. Es ist mir wahrscheinlich, dass diese Ausbuchtungen zwischen den Epithel- zellen nicht allein dem Drucke der wandernden Leukoeyten, sondern wohl hauptsächlich der resorbirenden Thätigkeit derselben ihre Entstebung verdanken.“

Es fiel mir auf, dass diese Räume ausser den Wanderzellen häufig noch Einschlüsse enthielten, welche theilweise im Zellleib der beschriebenen Wanderzellen, zum Theil aber auch in Form kleinerer und grösserer Körner in dem Raume lagen und denselben bisweilen nahezu ausfüllten. Diese Stoffe färbten sich mit ver- schiedenen Farben verschieden, vor allem nahmen sie Fuchsin-S. und Methylgrün lebhaft auf, färbten sich aber auch zum Theil mit Safranin intensiv. Nach der von Heidenhain (56) empfohlenen Biondi-Ehrlich’schen, ebenso mit der von mir oben angegebenen Fuchsin-S.-Methylgrün-Eosinfärbung nahmen sie sehr mannigfache Farben an und gaben Bilder, welche mich an diejenigen erinner- ten, die Heidenhain (56) im Dünndarm des Meerschweinchens und anderer Thiere gesehen und abgebildet hat. Derselbe glaubt gleichfalls, dass diese Zellen zu amöboiden Bewegungen fähig seien. Die bunten Bilder, welche er mit der Biondi-Ehrlich- schen Methode erhielt, fasst er als Stadien der „intracellulären Verdauung“ auf, annehmend, diese Zellen fressen andere Leuko- eyten. Er glaubt, es seien „Zellen, welche zu den von der Patho- logie so eifrig verfolgten Phagocyten gehören“.

54 Albert Oppel:

Im Darm des Frosches wurden derartige Zellen zuerst von Leydig (15) gesehen, welcher darüber schreibt: „So beobachtete ich z. B. im Darm des Frosches, dass zwischen den gewöhnlichen Elementen des Epithels rundliche Zellen von 0,0120‘ sichtbar sind, deren Inhalt aus zweierlei Substanzen besteht, einmal aus grösseren gelblichen Körnern und Klumpen und dann aus hellen kleineren Kugeln. Man könnte daran denken, dass es Epithei- zellen seien, in welche gewisse Stoffe aus dem Darminhalte eingedrungen wären“. Heidenhain (56) schreibt darüber: „Reichlich dagegen findet man Phagocyten beim Frosche. Sie werden aber als solehe nur durch die Ehrlich-Biondi’sche Färbung gut kenntlich. Wer sich mit der Histologie des Frosch- darmes beschäftigt hat, wird theils unter, theils zwischen den cylindrischen Epithelzellen grosse rundliche Formelemente gesehen haben, die schon am frischen Darm durch ihre gelbliche Färbung auffallen und histologisch schwer rubrieirbar erscheinen. Ein Theil derselben, unterhalb des Epithels, gehört zu der Klasse der eosinophilen Zellen Ehrlichs, ein anderer reiht sich den oben beschriebenen Phagoeyten des Meerschweinchens an.“

Ich möchte darauf hinweisen, dass derartige Zellen, welche ich als Wanderzellen mit Einschlüssen bezeichnen werde, bei Proteus nieht nur im Epithel der Mundhöhle, sondern durch den ganzen Darmtractus, ebenso wie in der äussern Haut sich zahlreich vorfinden. Auf die jeweiligen Einschlüsse, welche die- selben enthalten und die an verschiedenen Orten verschieden sind, soll an den betreffenden Stellen eingegangen werden.

Ausser den zerstreut liegenden Wanderzellen fand ich bei einem conservirt 112 mm langen Proteus Stellen im Rachen, welche eine hervorragende Ansammlung von Wanderzellen zeigten. Da sich diese Stellen in ihrem histologischen Bau von der übrigen Mundschleimhaut unterscheiden, beschreibe ich dieselben gesondert.

Das Epithel erhebt sich hier (Fig. 4) zur 3—4 fachen Dicke und zwar ist dies nicht, oder jedenfalls nur zu einem sehr geringen Theil, durch eine Vermehrung der epithelialen Elemente bedingt, vielmehr durch eine massenhafte Einlagerung von Wanderzellen, welche die im Epithel der Lippe beschriebenen Formen zeigen. Die Epithelzellen der tiefern Schichten sind hier in der Längs- richtung gedehnt, durch die dazwischen liegenden Wanderzellen von einander getrennt und scheinen nur mit schmalen Fortsätzen

Beiträge zur Anatomie des Proteus anguineus. 525

mit dem darunter liegenden Bindegewebe, sowie mit der der Oberfläche nächsten Schicht zusammenzuhängen. Letztere zieht im Bau unverändert über das eine Vorwölbung in die Mundhöhle darstellende Ganze her. Die Bindegewebsschicht unter dem Epithel ist gleichfalls aufgelockert und zeigt zahlreiche auf dem Durch- weg befindliche Wanderzellen. Das submueöse Gewebe, gefüllt mit Wanderzellen, zeigt eine leichte Vermehrung der Bindegewebs- elemente und eine stärkere Gefässentwicklung wie die Umgebung. Eine solche Stelle findet sich im Rachen des von mir unter- suchten Proteus beiderseits direkt hinter dem Kiefergelenk in der Höhe der unpaaren Schilddrüse; die Lage ist in Fig. 5 angegeben. Weiter nach hinten fand ich bei demselben Thier in der Höhe der ersten Kiemenspalte, gleichfalls beiderseits, auf der dorsalen Seite des Rachens, kurz, ehe die zu den Kiemenöffnungen führende Tasche ein niedrigeres Epithel bekommt, in der Höhe des hintern Endes der Thymus, eine solche Stelle, jedoch war dieselbe etwas weniger ausgebildet, als die oben beschriebene. Bei einem zweiten Thier von 215mm Länge fand ich an diesen 4 Stellen die der Bindegewebsschicht zunächst liegenden Zellen in der Weise verändert, wie ich es oben beschrieben habe, auch die submueöse starke Gefässentwicklung konnte ich an diesen Stellen constatiren, doch fehlte eine Wanderzellenansammlung vollständig ; den Grund hiefür darin suchen zu wollen, dass das erste Thier im Mai, das letztere im September getödtet wurde, und daraus Schlüsse auf ein mit der Jahreszeit wechselndes Vorhandensein der Wanderzellenansammlung zu schliessen, halte ich, da nur zwei Thiere darauf untersucht wurden, noch nicht für gerecht- fertigt. Holl (54 u. 49) hat ähnliche Gebilde in der Mundhöhle von Rana temporaria und Salamandra maculata gefunden. Er fasst seine diesbezüglichen Untersuchungen über letzteres Thier mit folgenden Worten zusammen: „Im Gewebe der Schleimhaut des Mundhöhlenbodens kommen follikelartige Gebilde vor, welche, im Schlunde symmetrisch gelagert, wahrscheinlich die Tonsillen repräsentiren.“ Bezüglich der Bedeutung dieser Organe im Ver- gleich mit den bis jetzt nur bei Säugethieren nachgewiesenen (56) Tonsillen, mit denen wenigstens die beiden hinter dem Kiefergelenk gelegenen in Lage und im Bau Aehnlichkeit haben,

glaube ich noch hervorheben zu müssen, dass ich ausser an den Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 34. 34

526 Albert Oppel:

genannten Stellen im Mund und Rachen sowie auf der Zunge bei Proteus keine derartigen gefunden habe. Holl (54 u. 49) dagegen bemerkt für die beiden von ihm untersuchten Thiere ferner, dass sich solche Gebilde hier „unregelmässig“, dort ‚an verschiedenen Stellen“ finden. Es würde demnach der Befund bei Proteus einen derartigen Vergleich unterstützen. Aehnliche Organe wie die be- schriebenen habe ich auch an bestimmten Stellen der äussern Haut gefunden und werde in dem betreffenden Kapitel anal zurückkommen.

Die Mundhöhle des Proteus besitzt ausser den Becherzellen keine secernirenden Zellen, geschweige deren Complexe: Drüsen. Da sich jedoch verschiedene An- gaben in der Literatur finden über Munddrüsen und anderes damit Zusammenhängendes, so möchte ich hier kurz darauf eingehen, jedoch gleich betonen, dass ich mich mit dem Bau der Nase hier nicht befassen werde. Leydig (15 u. 17) hat hierüber 2 Notizen. Er schreibt 1853: „Rusconi hat auch die Bemerkung, dass man um das äussere Nasenloch viele Poren sehe, welche wahrschein- lich einen öligen Saft ausschwitzen. Diese Poren sind die Oeffnungen sehr entwickelter, flaschenförmiger Drüsen, die in den Lippen sitzen und die ich der von mir am Salamander und Frosch beschriebenen Drüse der Nasenspitze vergleichen möchte.“ Diese erste Notiz Leydig’s beruht auf der richtigen Wahr- nehmung, dass bei Proteus an der Schnauzenspitze - sich eine grössere Anzahl von Hautdrüsen vorfindet, welche flaschenförmig sich im Bau dureh Einzelheiten von denen in der Haut des übrigen Körpers unterscheiden, auf welche ich bei Besprechung der Haut zurückkommen werde. Diese Drüsen haben nun aber mit der Glandula intermaxillaris der Amphibien, welche Leydig (econf. Wiedersheim 27) hier meint, nichts zu thun. Anders äussert sich Leydig 1857: „Beim Proteus erblickt man in der Haut der Schnauzenspitze lange gewundene Drüsenschläuche, in denen ich das Aequivalent der Nasendrüse der vorhergehenden Batrachier erkennen möchte.“

In der That existiren bei Proteus in der Schnauzenspitze lange, zum Theil gewundene Drüsenschläuche, welche ich bei ver- schiedenen Exemplaren in verschiedener Ausbildung antraf. Ich habe daraufhin Kopfserien von 4 Exemplaren untersucht und sehil- dere den Befund beginnend von der Ausmündungsstelle der

Beiträge zur Anatomie des Proteus anguineus. 527

Schläuche. Diese ist für alle gemeinsam die Stelle, an welcher die äussere Nasenöffnung, d. h. der von einem niedrigen Platten- epithel ausgekleidete Vorraum ausserhalb der mit dem Riech- epithel bekleideten Nase, an die äussere Haut angrenzt. Von der hintern Seite dieser Oeffnung entspringend ziehen die Kanäle zum Theil medial, zum Theil lateral unterhalb der im Bogen nach hinten steigenden Nasenhöhle gleichfalls nach hinten, um, ohne sich zu verzweigen, blind zu endigen; d. h. dieser mediale oder laterale Verlauf bezieht sich nur auf den Ursprung, längere mediale Kanäle biegen gleichfalls nach aussen und verlaufen lateral von der Nasenhöhle.

Bei einem Thier von lebend 124 mm, conservirt 114 mm Länge fand ich rechts einen 0,6 mm, links einen 0,87 mm langen Sehlauch, beide verliefen lateral von der Nasenhöhle.

Bei einem Thier von lebend 135 mm, conservirt 125 mm Länge fand sich rechts ein medialer Gang von 0,57 mm und ein lateraler von 0,83 mm, links ein lateraler Gang von 0,48 mm Länge.

Bei einem conservirt 215mm langen Thier (Fig. 6, Schema) fanden sich links 5, rechts 6 Schläuche, von denen je einer sich durch seine Länge und seinen bestimmten Verlauf auszeichnete. Derselbe zog sich nämlich beiderseits zunächst nach hinten unter der Nasenhöhle und dann seitlich von derselben mit den in die Nasenspitze ausstrahlenden Trigeminusästen, die in der Nähe des Auges noch beisammen liegen, in der Richtung gegen das Auge hin. Zu beiden Seiten von diesem lagen links je 2 Kanäle medial und lateral, rechts 3 medial und 2 lateral. Von den lateralen Kanälen zeichnete sich gleichfalls jederseits der eine durch seine Länge aus, derselbe enifernte sich in seinem Verlauf stets zunächst lateral von dem mittlern, um dann, kurz ehe er blind endigte, dem mittlern sich wieder zu nähern. Links erreichten von den 3 kurzen Kanälen der längste 0,315mm, der längere laterale 1,303 mm und der mittlere längste 1,335 mm. Rechts waren die kurzen zwischen 0,63 mm und 0,34 mm lang, der laterale längere 1,545 mm und der mittlere erreichte 2,535 mm.

Besonders bemerkenswerth erwies sich ein Proteus (Fig. 7, Schema) von lebend 131 mm, conservirt 121 mm Länge, der beider- seits 3 Schläuche besass, von denen der mittlere gleichfalls der längste war.

528 Albert Oppel:

Links war der mediale 0,285 mm, rechts der mediale 0,21 mm % » „» laterale 0,945 b; „. "laterale 88) A) Pi ja „mittlere :3,09 ‚., n mittlere 2,835 „,

lang.

Beiderseits zog der mittlere wieder mit den Trigeminus- ästen nach hinten zum Auge und zwar soweit, dass Querschnitte durch den Kopf rechts gleichzeitig Auge und den Kanal trafen (Fig. 8), in einem solchen Schnitt endigte der Kanal blind 0,036 mm vom Auge entfernt. Ich halte diesen mittleren Kanal zweifellos für den Thränenkanal des Proteus.

Wenn auch ein freies Ausmünden des Thränenkanals auf der Seite des Auges bei Proteus durch das Fehlen einer Con- junetiva unmöglich gemacht wird, so kommt doch bei Proteus der Thränenkanal zur Anlage und mehr oder weniger fortgeschrittenen Entwicklung, und zwar so, dass mir unter 4 untersuchten Thieren bei zweien möglich war, den Thränenkanal bestimmt von den andern beschriebenen Schläuchen durch seine Länge und seinen Verlauf zu unterscheiden. Ich halte für nöthig dies hervorzu- heben, da Born (44) sagt: „Bei Proteus existirt kein Thränen- kanal, soviel kann ich bestimmt behaupten“, und in derselben Arbeit die Bedeutung der Frage, ob sich bei Perennibranchiaten und Derotremen ein Thränennasengang finde, hervorhebt. Betreffs des Baues des Thränenkanals des Proteus konnte ich bemerken, dass es ein von cubischem Epithel ausgekleideter Schlauch ist, der sich im Bau nur durch seine grössere Weite namentlich bei dem 3. beschriebenen Exemplar von den andern Schläuchen unter- scheidet; bei diesem Thier erreichte der Kanal einen Durchmesser von 0,12 mm, während die übrigen Schläuche 0,05 mm selten über- steigen. Die für andere Amphibien von Born gegebene Beschrei- bung: der Thränenkanal „zerfällt am untern Augenlide in 2 Aeste, die getrennt, hinter einander am freien Rande der inneren Hälfte des unteren Augenlides ausmünden“ kann ich insoweit für Proteus bestätigen, als ich bei dem zuletzt beschriebenen Thier auf der linken Seite kurz vor dem blinden Ende eine Zwei- theilung des Kanals fand (Fig. 7 Schema).

Um auf die Leydig’sche Ansicht zurückzukommen, so glaube ich nicht, dass diese Schläuche etwas mit den in die Mundhöhle mündenden von ihm beschriebenen Drüsen der übrigen Amphibien gemein haben, dass vielmehr einer dieser Schläuche und zwar,

fi

Beiträge zur Anatomie des Proteus anguineus. 529

wo mehrere vorhanden sind, der längste mittlere dem Thränen- kanal entspricht, die übrigen der äussern Nasenhöhlendrüse, welche Reichel (42) als zugleich mit dem Thränennasengang in die Nase mündend beschreibt, indem für die Beurtheilung eines Organs nicht nur seine Lage, sondern sein entwicklungsgeschichtlicher Ausgangspunct in Betracht kommt.

Dass die Ausbildung des Thränenkanals nur bei einzelnen Exemplaren einen so hohen Grad erreicht, wie bei dem 4. von mir beschriebenen Thier, nicht aber als bei allen vorhanden und durch Reduction bei älteren Individuen schwindend zu be- trachten ist, halte ich aus folgenden Gründen für wahrscheinlich. Die beiden ersten von mir untersuchten Thiere von conservirt 114 und 135 mm Länge, welche nur wenig ausgebildete Schläuche zeigten, so dass es mir nicht möglich ist, einen davon als Thränen- kanal zu bestimmen, unterscheiden sich von dem 4. untersuchten 121mm langen Thier mit seinen hochausgebildeten Thränen- kanälen kaum bezüglich der Körperlänge; ferner ist das 3. unter- suchte Thier mit deutlich ausgebildeten Thränenkanälen 215 mm lang, also bedeutend grösser als die beiden ersten. Die kleineren Individuen aber auch als die jüngeren anzusehen halte ich, selbst wenn ich annehme, dass an verschiedenen Orten gefangene Exem- plare variiren, für gerechtfertigt, da Fitzinger (13) bei Auf- stellung seiner 7 „Arten“ von Proteus bezüglich der Länge nur unbedeutende Unterschiede für die ausgewachsenen Individuen angab.

Schilddrüse.

Ueber die Schilddrüse des Proteus konnte ich ausser den älteren negativen Angaben der Autoren (Stannius 16),"nur zwei Notizen finden von Leydig (15) und J. G. Fischer (18). Leydig schreibt 1853: „Beim Proteus bemerke ich aber auch ferner eine deutliche Schilddrüse, die bisher noch von Niemanden beobachtet worden zu sein scheint. Sie ist unpaar, klein und liegt in der Mittellinie der Kehle an den Blutgefässen. Sie besteht nur aus wenigen Blasen, 15 war das Maximum; ich sah aber auch die Zahl der Blasen auf 3 herabgesunken, die einzelnen Blasen messen 0,056— 0,070“, haben ein schönes deutliches Epithel und den übrigen Raum der Blase nimmt in vielen Fällen ein Colloid-

530 Albert Oppel:

klumpen ein, der wieder mehrere helle Flecken, die sich wie Lücken ausnehmen, zur Ansicht gewährt.“ Aehnlich drückt sich Leydig 1857 aus. J. G. Fischer schreibt: „BeiHypochthon und wie es scheint, nur bei dieser Gattung existirt noch ein hinteres Analogon des Ceratohyoideus internus in einem schwachen Muskel.“ „Auf der Ventralfläche dieses Muskels ist die auch bei den übrigen Gattungen in dieser Gegend gelegene trauben- förmige Glandula thyreoidea sichtbar.“

Das Befremdende dieser verschiedenen Beschreibung beider Autoren erklärt sich aus folgender Thatsache: Proteus hat 3 Schilddrüsen, eine paarige und eine unpaare. Leydig hat die unpaare und J. G. Fischer die paarige beschrieben. Die Verhältnisse sind demnach bei Proteus wie sie Maurer (58) für andere Urodelen beschreibt.

Die Schilddrüsen des Proteus liegen (Fig. 9 Schema) am Boden der Mundhöhle und zwar unter den in demselben befind- lichen Knochen. Die unpaare Schilddrüse liegt median, ventral von dem hintern Ende des ersten Basibranchiale, demselben nahe anliegend. Die paarige Schilddrüse liegt etwas weiter nach hinten, beiderseits ventral von dem ersten Keratobranchiale, in der Höhe der Verbindung des letztern mit dem median gelegenen zweiten Keratobranchiale. Die paarige Schilddrüse liegt dem sich an dieser Stelle in die Tiefe senkenden die oben beschriebene Tasche bildenden Mundepithel sehr nahe an (Fig. 10), die Entfernung Mundhöhle Schilddrüse ist nur gleich der Dieke der Mucosa; diese beträgt dort 0,016 mm. Auffallend ist die Aehnlichkeit des hier einschichtig gewordenen Mundepithels mit dem die Blasen der Schilddrüsen auskleidenden Epithel. Entfernt von der Schleimhaut der Mund- höhle liegt die unpaare Schilddrüse, deren isolirte Lage in Fig. d c dargestellt ist. Dieselben Verhältnisse fand ich bei 2 unter- suchten Thieren von 112mm und von 215mm Länge. Was den von Leydig beschriebenen histologischen Bau anlangt, so fand ich die Blasen meist nur durch lockeres Bindegewebe verbunden und von Gefässen und Nerven umgeben.

Oesophagus.

Ueber den Oesophagus des Proteus liegen einige Angaben von Leydig (15) vor. Er schreibt 1853: „nur am Proteus vermochte

Beiträge zur Anatomie des Proteus anguineus, 331

ich im Schlunde so wenig Flimmerhärchen zu erkennen, wie auf der Zunge oder im Rachen.“ „Auf der Schlundschleimhaut des Proteus sind die Drüsen so gross, dass man mit blossem Auge die ‚einzelnen Drüsen als hervorragende, durchschimmernde Knötchen gut bemerkt. Mikroskopisch zeigen sie sich als rundliche Säcke mit verhältnissmässig enger Mündung und zelligem Inhalt. Dieser besteht hier aus eylinderförmigen Formen.“ Ferner hebt Leydig hervor, dass Proteus nur glatte Elemente in der Muskelhaut des Schlundes hat. 1857 schreibt Leydig von den Oesophagealdrüsen, sie „werden gegen den Magen zu immer grösser. Nach innen sind sie mit sekundären Follikeln versehen.“

Der Oesophagus entsteht vorne aus der ohne scharfe Grenze übergehenden Rachenschleimhaut, zu der caudal von der Einmün- dung des zu den Lungen führenden Kanals Muskelelemente und die umhüllende Serosa treten. Letztere tritt nach Theilung der Lunge in ihre 2 Säcke an 4 Stellen mit dem Oesophagus in Be- rührung, die Unterbrechungsstellen bilden die Uebergänge der Serosa beiderseits zu den Lungen, ventral zur Leber und dorsal zu der Wirbelsäule. Die Spitze der Leber reicht eranial über die erste Oesophagealdrüse hinaus. Mit dem Auftreten der Muskelelemente beginnt die Schleimhaut sich in Längsfalten zu legen, die bis zum Magen ziehen. Ueber die hintere einer Cardia entsprechende Grenze gegen den Magen soll unten gehandelt werden, hier sei nur bemerkt, dass die Länge des Oesophagus gerechnet von der ersten Oesophagealdrüse bis zur ersten zweifellosen Magendrüse bei einem eingebettet 112mm langen Thier 6,16 mm betrug, bei einem conservirt 195 mm langen Thier 9,15 mm, also im ersten Fall !/;,, im zweiten 1/,, der Gesammtlänge des Thiers. Bei einem 145 mm langen Thier betrug sie nur 4,09 mm, also !/,, der Gesammt- länge, hei diesem Thier jedoch war der Oesophagus nicht in situ gehärtet und daher hatte sich der hier in conservirtem Zustand auch weitere Oesophagus in seiner Längsaxe contrahirt. Die Stelle, an welcher die erste Oesophagealdrüse auftritt, Jiegt bei dem erst- genannten Exemplar 7,5 mm hinter der Stelle, an welcher der zu den Lungen führende Kanal einmündet. Wollte man den Oesophagus von letzterer Stelle aus rechnen, wo er jedoch noch von platter Form und faltenlos ist, auch noch der zuerst auftretenden Ring- muskelschicht ermangelt, so wäre ein eranialer drüsenloser und ein caudaler drüsenbesitzender Abschnitt vorhanden, beide von

532 Albert Oppel:

nahezu gleicher Länge. Eingehender habe ich das Epithel und die Drüsen zu besprechen.

Das Epithel des Oesophagus liesse sich mit dem Namen Cylinderepitbel bezeichnen. Doch wäre dies nicht ganz zutreffend, indem die Zellen nicht die Form eines Cylinders, vielmehr die eines Conus oder einer Pyramide zeigen und zwar nicht nur in geringem Maasse, wie sich dies bei vielen Cylinderepithelien findet, sondern in ausgesprochener Weise, indem die Zellen alternirend, die eine mit der Spitze, die nächste mit der breiten Fläche auf- sitzen und so fort. Der Anordnung der Kerne nach ist das Epithel ein zweizeiliges indem diese stets dem breiten Ende der Zelle naheliegen. Der Name conisches Epithel ist für diese zweizeilige Form charakteristisch, da bei einem drei- oder mehrzeiligen Epithel neue Elemente, nämlich spindelförmige auftreten. So fand ich das Epithel bei verschiedenen Conservirungsmethoden (Chromsäure, Sublimat). Bei Injection von 1°/, Osmiumsäure in den Darm konnte ich die Zellen der 2. Zeile als Becherzellen (Fig. 11a) deutlich er- kennen mit einzelnen dazwischen liegenden, vielleicht Basalzellen oder Ersatzzellen angehörigen Kernen. Die Zellen, welche zu den in der der Oberfläche näher liegenden Zeile befindlichen Kernen gehörten, zeigten sich stark gegen das Lumen vorgewölbt und einen zur Basis reichenden Fortsatz (Fig. 11b).

Der Uebergang vom Epithel der Mundhöhle zu dem des Oesophagus ist ein ganz allmähliger, indem dasselbe zunächst durch Schwinden der mittleren Schichten niedriger wird, dann reichen die Kelche der Becherzellen durch’s ganze Epithel, breit, ohne Fuss der Tunica propria aufsitzend. Weiter caudalwärts finden sich Stellen, wo nur noch vereinzelte Basalzellen zu treffen sind und zahlreiche Becherzellen; hier fangen auch die Zellen der der Oberfläche nächsten Schicht an, wit der Basis in Verbindung zu stehen. Das geschichtete Epithel hört damit auf. Indem die eben besprochenen Zellen eine regelmässige Anordnung erhalten, nehmen sie die conische Form an. An dieser Uebergangsstelle, die sich von der Einmündung des zu den Luftwegen führenden Kanals bis zum Beginn der Falten des Oesophagus erstreckt, finden sich ausser der besprochenen gewöhnlichen Anordnung auch weiterhin bisweilen auftretende Stellen, an welchen die eine oder andere Zellform häufiger ist; so traf ich namentlich oft ganze Reihen von Becherzellen nebeneinander, welche die ganze Dicke

Beiträge zur Anatomie des Proteus anguineus. 533

des Epithels einnahmen, ebenso oft 3—4 geschlossene Zellen neben- einander von annähernd cylindrischer Form; im mässig durch Conservirungsflüssigkeiten, auch bei durch Nahrung gedehntem Oesophagus fand ich gleichfalls das zweizeilige Epithel, dasselbe unterschied sich kaum durch seine geringere Dicke von dem nicht gedehnten.

Die Drüsen des Oesophagus (Fig. 12) haben eine rundliche Form. Sie bestehen aus einem grossen Acinus. Die Drüsen sind zusammengesetzt aus einem Ausführungsgang und dem secernirenden Theil. Ich spreche von einem Ausführungsgang, da sich die Zellen desselben von denen der Schleimhautoberfläche unterscheiden. Der Ausführungsgang besteht aus Zellen von annähernd cylin- drischer Form und zwar ist die Grenze zwischen conischem und cylindrischem Epithel stets eine scharfe. Eine besondere Eigen- thümlichkeit liegt in der Uebergangsstelle von diesen eylindrischen Zellen des Ausführungsgangs zu den secernirenden Zellen. Die- selbe liegt nämlich nicht an der Stelle, an welcher die Erweiterung des engen Ganges zum Acinus stattfindet, sondern die Cylinder- zellen gehen noch ein Stückweit in den Acinus hinein (Fig. 12 f.), um dann rasch zu den niedrigeren secernirenden Zellen abzufallen. Dies fand ich bei Thieren, welche sich im Endstadium der Ver- dauung oder im Hungerzustand befanden, d. h. bei solchen, bei denen Oesophagus und Magen leer war.

Die secernirenden Zellen (Fig. 12 g) kleiden einschichtig die Wand des Acinus aus. Ihre Höhe wechselte bei verschie- denen Thieren von sehr hoher, nahezu eylindrischer bis zur platten Form, vorherrschend fand ich dieselben cubisch. Solche Unter- schiede trafich auch, dann allerdings in geringerem Grade, im Oeso- phagus desselben Thieres in verschiedenen Drüsen, welche oft nahe beisammen lagen. Diese Zellen zeigen in ihrem Protoplasma einen körnigen Bau, Körner, welche sich mit verschiedenen Farben z.B. Eosin, S.-Fuchsin tingiren, mit Osmiumsäure bräunen und sich mit den oben angegebenen Methoden, die bei Proteus diejenigen Gewebe färben, welche Osmiumsäure redueiren, gleichfalls tingiren. Ich hebe dies hervor, da Langley (38) in den Oesophagus- und Magen- drüsen des Frosches solche Granula gleichfalls bemerkte und auf die Bedeutung derselben näher eingeht. Es ist die körnige Be- schaffenheit und Tinction bei Proteus hier keine so deutliche, wie die der Fundusdrüsenzellen des Magens.

334 Albert Oppel:

Die Oesophagealdrüsen nach Beginn der Verdauung bieten ein ganz anderes Aussehen. Das Lumen fehlt, was jedenfalls nur zum kleinsten Theil auf Contraction der Wandung, vielmehr zum srösseren Theil auf ein Colabiren derselben zurückzuführen: ist. Dieselben Bilder erhielt ich bei künstlich durch Conservirungs- flüssigkeiten gedehntem Oesophagus (Fig. 13). Ich glaube, dass die Drüsen im Hungerzustand in der Höhle des Acinus Secret enthalten, welches nach der Speiseeinfuhr entleert wird. Eine starke Füllung der Drüsen bei längerem Hunger kann dazu führen, dass durch die starke Dehnung die obengenannten Cylinderzellen des Ausführungsganges zum Theil zur Erweiterung des Secret haltenden Raumes einbezogen werden. In solchen stark gedehnten Drüsen gehen dann auch die secernirenden Zellen aus ihrer eubi- schen in eine mehr platte Form über. Die Gebilde, welche Leydig mit dem Namen „sekundäre Follikel“ der beschriebenen Drüsen belegt, konnte ich nicht finden.

Die Zahl der Oesophagealdrüsen beträgt bei einem

195 mm langen Thier 132 145 } iraalse 11214 2 an:

Unter diesen sind die vereinzelten Drüsen in der hintern Partie des Oesophagus mitgezählt, welche sich nicht als echte Magenfundusdrüsen erwiesen und die unten näher beschrieben werden sollen. Letztere sind bei kleinen Thieren häufiger, worin sich auch ein Grund dafür findet, dass die Gesammtdrüsenzahl bei kleineren Thieren grösser ist. Bei der geringen Zahl der unter- suchten Thiere kann ich jedoch auf letztern Umstand noch kein Gewicht legen.

Die Musecularis des Vesophagus besteht aus einer innern eir- eulären Schicht glatter Muskelfasern, welche den grössern Theil ausmacht. Eine äussere Längsmuskelschicht zeigt sich in Bündel angeordnet und bildet, gegen den Magen zu stärker werdend, eine zusammenhängende Schicht. Eine Museularis mucosae konnte ich in Form einzelner unregelmässig eingestreuter glatter Längsmuskel- fasern nachweisen, welche jedoch hier nicht so zahlreich wie im Magen sind.

Magen.

Ueber den Magen des Proteus bringt Leydig (15) folgende

Notizen: „Drüsen finden sich aber, wie bemerkt, nur im Magen und

Beiträge zur Anatomie des Pröteus anguineus, 535

stellen da kleine Säckchen dar, die gruppenweise zusammenstehen. Man kann sich hier so gut wie anderwärts, besonders wenn nach leichter Maceration der zellige Inhalt ausgefallen ist, davon über- zeugen, dass eben nur die Bindesubstanz der Schleimhaut rundliche Aushöhlungen und damit die Drüsengruppen bildet.“ Ferner: „Das Epithel, welches Magen und Darminnenfläche überdeckt, ist überall ein schönes Cylinderepithel, nirgends ein Flimmerepithel. Beim Proteus messen die Cylinderzellen 0,05‘ in der Länge.“

Der Magen des Proteus trennt sich nach seinem Bau in zwei Regionen. Die eine als Fundus zu bezeichnende ist charak- terisirt durch eine eigene Art von Drüsen, welche näher beschrieben werden sollen. Die Pylorusregion kann man rechnen vom Auf- hören dieser Drüsen bis zur Einmündung des ersten Pankreas- ausführungsganges. Die hintere Grenze lässt sich noch schärfer ziehen bei Betrachtung der Verhältnisse der Muscularis.. Während nämlich die Dieke der Museularis des Fundus im leeren Zustande bei einem conservirt 195mm langen Thier für beide Muskel- schichten je 0,06—0,07 mm betrug, nimmt nach Aufhören der Fundusdrüsen in der Pylorusregion allmählich die innere Ring- muskelschicht bedeutend zu, so dass bei demselben Thiere die Ringmuskelschicht 0,32 mm die Längsmuskelschicht 0,06 mm betrug. Dann erfolgt ein plötzlieher Abfall beider Schichten auf 0,045 mm. Diese Stelle möchte ich als Anfangsstelle des Darms bezeichnen, da die hier liegende Verdiekung der Ringmuskel- schicht offenbar einen für die Magenverdauung in Betracht kommenden Sphineter vorstellt. In der letzten Strecke der dicken Ringmuskelschicht vor ihrem Abfall treten ferner glatte Muskel- fasern auf, welche dieselbe radiär durchstrahlen. Ein ähnlicher Muskelzug wurde von Klaussner (37) bei Rana esculenta auf- gefunden.

Bei einem conservirt 195 mm langen Thier war das Fundusdrüsen enthaltende Stück 8,91 mm Pylorusregion bis Sphincter 5,287 Sphincter bis 1. Pankreasausführungsgang 0,937 „,

lang.

Das Epithel des Oesophagus ändert sich in der Höhe der letzten Oesophagealdrüsen, indem die Zellen der zweiten Zeile verschwinden. Das den Magen auskleidende Epithel besteht aus Cylinderzellen, deren oft sehr lange Kerne nebeneinander stehen.

536 Albert Oppel:

Vorhandene Becherzellen keunzeichnen sich bei in Sublimat con- servirten Objecten nach Safraninfärbung und Ausziehen in saurem Alkohol dadurch, dass der Inhalt der Theca, auch der schon ins Darmlumen entleerte, ein eigenthümliches intensives Ziegelroth annimmt. Offene Becherzellen fand ich nur in Partien des Magens, welehe Nahrung enthielten. Bei leerem Magen fand ich stets alle Zellen geschlossen, der Inhalt der Theca färbte sich dann nicht mit Safranin, aber hellblau mit Hämatoxylin. Geschlossene Zellen zeigten stets zwei Abtheilungen, deren histologische, physikalische und chemi- sche Unterschiede Biedermann (23)betont hat. Die Epithelzellen zeigen an der Grenze zwischen dem der Oberfläche nähern Theil, dem „Pfropf“ Biedermann’s und dem Protoplasma in eine Reihe gestellte Körner, welche sich mit Osmiumsäure bräunen (Fig. 14) und bei Chromsäurepräparaten mit einer der oben angegebenen S.-Fuchsinmischungen roth, mit einer der von mir angegebenen Färbungen für Stoffe, welche Osmiumsäure redueiren, blau färben. Solche Körner fand ich nur in den Magenepithelien, nie im Oesophagus oder Darm, was die Ansicht List’s (59) bestätigt, dass die Magenepithelien als Zellen sui generis zu betrachten sind. Von diesen Körnern ausgehend konnte ich bei Osmiumsäureprä- paraten eine Strichelung des Zellprotoplasmas sehen bis zu dem einen srossen Raum einnehmenden Kern, ebenso zeigte sich eine Striche- lung des der Oberfläche nähern Theils der Zelle. Diese Be- obachtungen erinnern an die Verhältnisse bei Siredon piseiformis, wo Pestalozzi (32) den Pfropf in Ranvier’s Alkohol in Stäb- chen zerfallen sah.

Die Drüsen (Fig. 15) des Fundus münden, oft mehrere zu- sammen, in Gruben, welche vom Öberflächenepithel der Schleim- haut gebildet werden. Die Drüsen bestehen aus zweierlei Zellen, welche räumlich getrennt sind, hellen näher der Mündung und sekörnten im Grunde der Drüse. Beide Zellarten sind stets nur in geringer Zahl vorhanden, ein Längssehnitt durch eine Drüse zeigt jederseits) 1—3 Zellen der ersten Art, im verbreiterten Grund der! Drüse 3—6, selten mehr, grosse gekörnte Zellen. ‘Beide’ Zellarten, auch beim Frosch beschrieben von Heiden- hain (22), Wiedersheim (43), Partsch (31), Langley (38), Nussbaum (4l) u. A., werden dort meist bezeichnet: erstere als Schleim-, letztere”als Labzellen und zwar werden letztere mit den Belegzellen der Säugethiere identifieirt.

Beiträge zur Anatomie des Proteus anguineus. 537

Die erstern Zellen von polygonaler Form unterscheiden sich von den Epithelzellen der Magenoberfläche und der Gruben dadurch, dass sie sich nicht mit Hämatoxylin färben. Wohl aber ist die Erscheinung für diese Zellen charakteristisch, dass sich bei Hämatoxylinfärbung von Schnitten, mit Sublimat gehärteten Objeeten entnommen, dunkelblauer krystallinischer Farbstoffnieder- schlag in Bäumehenform nur über diesen Zellen zeigt, derselbe bleibt unverändert bei Behandlung mit Wasser, Alkohol, Nelkenöl, Canadabalsam.

Die gekörnten Labzellen sind von polygonaler Form, färben sich mit der Biondi-Ehrlich’schen Mischung orange, während sich die Schleimzellen damit roth färben. Die Granula lassen sieh mit Eosin, Fuchsin-S. und dem von R. Stintzing (62) zur Färbung von Belegzellen empfohlenen Congoroth tingiren und bräunen sich mit Osmiumsäure, wie sie sich auch mit den auf die Stoffe, welche Osmiumsäure redueiren, anwendbaren Methoden färben. Diese Zellen unterscheiden sich von denen der Oesophageal- drüsen dadurch, dass sie grösser sind, auch grössere und zahlreichere Granula zeigen. Ferner schliessen erstere dieht zusammen, so dass das Drüsenlumen nur eng ist.

Gegen den Pylorus zu nehmen die Labzellen allmählich ab und es bleiben kurze Drüsenschläuche, welehe jedoch nicht als Fundusdrüsen aufzufassen sind, denen die Labzellen fehlen, wie es Partsch für den Pylorus des Frosches beschrieben hat. Bei Proteus nämliek unterscheiden sich die Schleimzellen der Fundus- drüsen von den Zellen der Pylorusdrüsen wesentlich dadurch, dass erstere gross und blasig sind, letztere klein und von einem sich mit Hämatoxylin tingirenden Inhalt erfüllt, ähnlich wie die Epithelzellen der Schleimhautoberfläche, auch zeigen dieselben bei Hämatoxylinfärbung nie die obenerwähnten Krystalle. Wenn man also erstere als Schleimzellen bezeichnet, so darf man beim Proteus letztere nicht als Schleimdrüsen bezeichnen, weil dieselben nicht aus Schleimzellen bestehen.

Die Museularis mucosae ist ziemlich ausgebildet und zwar ist ihre Anordnung eine eigenartige. In dem zwischen dem Epithel und der Museularis des Magens liegenden Bindegewebe kann man 2 Schichten unterscheiden, von denen die eine dem Epithel nähere sich auszeichnet durch zahlreiche in das Binde- sewebe eingestreute glatte Längsmuskelfasern, welche bisweilen

538 Albert Oppel:

zu mehreren zusammenliegen. Diese Schicht reicht etwa eben so tief wie die Drüsen und es kann die darunter liegende Binde- gewebsschicht mit Recht als Submucosa bezeichnet werden. Dieses Bild ist sehr deutlich in der Pylorusregion.

In der Fundusregion schliessen die Drüsen, namentlich der breite Grund derselben eng aneinander an, besonders im nicht gedehnten Magen. In diesem Fall treten die Muskelfasern der Musecularis mucosae zwischen die Drüsenhälse dicht unter das Epithel. Im gedehnten Fundus sind die Verhältnisse ähnliche wie im Pylorus.

An der Uebergangsstelle vom Oesophagus zum Magen finden sich Drüsen, welche sich, streng genommen, nicht unter die bis jetzt beschriebenen einreihen lassen. Dieselben zeigen gekörnte Zellen von cubischer Form im Drüsengrunde, und ceylindrische . Zellen im Hals, sie ähneln somit im Bau sehr den Oesophageal- drüsen, nicht aber in ihrer Form. Sie bieten nämlich Uebergangs- bilder von den kugeligen Drüsen des Oesophagus zu den schlauch- förmigen des Fundus. Diese Drüsen fand ich namentlich bei jungen Exemplaren sehr zahlreich. Es ist somit nicht möglich, eine strenge Grenze zwischen Oesophageal- und Magendrüsen zu ziehen, es bleibt eine etwa I1mm lange Partie, in der gleichzeitig echte Oesophagealdrüsen, echte Fundusdrüsen und diese Zwischen- formen vorkommen. s

Ausser diesen Formen fand ich noch bei mehreren Individuen an dieser Stelle bisweilen grubenförmige Finsenkungen der Schleim- haut ohne Aenderung des Epithels. Einzelne solche senkten sich tiefer ein und zeigten beginnende Flaschenform. Dieselben als Schleimdrüsen anzusehen fand ich keine Veranlassung. Ob es sich bei diesen Bildungen, welche ich bei jüngern Individuen fand, um sich entwiekelnde Drüsen handelt, will ich dahingestellt sein lassen, letzteres wäre von besonderem Interesse, da ich diese Bildungen nur an eben dieser Stelle angetroffen babe.

Mitteldarm.

Das Epithel bleibt ein einfaches Cylinderepithel und zeigt in den vorderen Partien des Mitteldarms gegenüber der Pylorus- region kaum eine Aenderung, namentlich im gedehnten Darm, während beim leeren Darm besonders in den hinteren Partien des

Beiträge zur Anatomie. des Proteus anguineus. 539

Mitteldarms die Kerne der Epithelzellen nicht in gleicher Höhe stehen und so 2- bis 3zeilig werden. Gleichwohl liegt die breite Basis der Zellen stets der Oberfläche des Epithels zugekehrt. Becherzellen habe ich an manchen Stellen häufig, an andern seltener angetroffen. Oft fand ich sehr schmale Zellen mit langem Kern zwischen den Epithelzellen, im übrigen denselben in der Form ähnlich. Ich fasste dieselben als entleerte Becherzellen auf, dieselben tingiren sich intensiver als die übrigen Zellen, ebenso ihre Kerne. Bei einem in Chromsäure conservirt 112 mm langen Thier fand ich in den obern Partien des Mitteldarms den Epithel- zellen aufsitzend einen gestrichelten Cuticularsaum, der bei vielen Zellen abgehoben war. Eine scharfe Grenze zwischen einer obern hellern Partie und dem Protoplasma der Zelle war nur bei einem Theil der Zellen deutlich. Nie konnte ich die beim Magenepithel beschriebenen Körner finden. Derselbe Befund ergab sich bei einem conservirt 125 mm langen Thier, dem 1%, Osmiumsäure in den Darm injieirt worden war. Bei einem mit Sublimat conser- virt 195mm langen, ebenso bei einem mit Flemming’scher Flüssigkeit conservirt 215 mm langen Thier konnte ich keinen Cutieularsaum finden. Der Darm War bei der Conservirung nicht aufgeschnitten.

In den mittleren Partien des Mitteldarms konnte ich häufig sowohl an Osmiumsäurepräparaten, wie mittelst einer der oben erwähnten Methoden in den Epithelzellen sowohl, wie in den darunterliegenden Geweben zahlreiche Fetttröpfehen bei in Ver- dauung begriffenen Thieren nachweisen.

Drüsen (Fig. 16) sind zahlreich vorhanden; es sind kurze Schläuche, meist auf dem Längsschnitt nur wenige, unter dem Epithel befindliche Zellen zeigend, ähnlich wie die in der Pylorus- region beschriebenen. Sie finden sich in allen Theilen des Mittel- darms, in den vordern und hintern Partien etwas häufiger und grösser, werden jedoch bisweilen durch Wanderzellen verdeckt, so dass nur geeignete Färbemethoden für Wanderzellen, wie ich sie bei Besprechung der Mundhöhle beschrieb, klare Bilder geben und davor schützen, den Darmkanal des Proteus in einer Weise mit dem der Fische zu vergleichen, wie es Leydig (15) 1853 gethan hat: „Bei Salamandra maculata und Proteus ist die Schleimhaut des Darmes so beschaffen, dass man sie vielleicht drüsig nennen könnte. Sie erhebt sich nämlich in kleinen Fält-

540 Albert Oppel:

chen, die sich netzartig verbinden und die Räume dazwischen, von Zellen ausgekleidet, könnten für grosse Drüsen angesprochen werden, doch sind sie vom anatomischen Standpunkte eher den Lungenzellen der Reptilien und der im ersten Abschnitt beschrie- benen feinfächerigen Darmschleimhaut des Störs zu vergleichen; physiologisch betrachtet mag allerdings eine so construirte Darm- schleimhaut ähnlich funktioniren, wie eine mit echten Drüsen ver- sehene. Diese finden sich aber, wie bemerkt, nur im Magen“ ete. Abgesehen davon, dass eine derartige durch Fältchen hervorgerufene Oberflächenvergrösserung des Darmepithels, die ja zweifellos vor- handen ist, ebensogut als die Resorption begünstigend in Anspruch genommen werden kann, ist der Vergleich Leydig’s nicht be- gründet, da, wie oben angeführt, Proteus zahlreiche Darmdrüsen besitzt. Salamandra maculata besitzt gleichfalls deutliche Mittel- darmdrüsen. Doch möchte ich die Darmdrüsen beider Thiere nicht direet vergleichen, da der Darm von Proteus weit mehr Aehnlichkeit mit dem der Larve von Salamandra maculosa als mit dem des erwachsenen Salamander hat, wie Rabl (50) 1885 hervorhob.

Da die Einmündungsstellen der grossen Drüsen mit diesen Organen behandelt werden sollen und Muscularis und Serosa nichts erwähnenswerthes bieten, vielleicht abgesehen davon, dass ich die der Muscularis mucosae entsprechenden zerstreuten Muskelfasern vereinzelt auch im Mitteldarm finden konnte, komme ich zu einem wesentlichen Theil, zu den im Darme vorkommenden Wanderzellen.

Nachdem Oesophagus und Magen Wanderzelien nur verein- zelt gezeigt hatten, fallen sie im Darm durch zahlreiches Auftreten sofort ins Auge (Fig. 16). Im Bindegewebe, unter dem Epithel, zwischen dem Epithel, zwischen den Drüsen und an manchen Stellen in die tiefere, einer Submucosa entsprechende Schicht hinabreichend, finden sich Anhäufungen von Wanderzellen, welche meist in kleineren, von Bindegewebe dichter umsponnenen Häuf- chen zusammenliegen. Sie gehören den oben beschriebenen Arten von Wanderzellen an, am häufigsten sind Formen mit wenig Protoplasma und einem Kern. Sehr zahlreich sind an diesen Orten Mitosen dieser Zellen; in der Nähe der Drüsen ist es schwer zu entscheiden, ob die Mitosen den Drüsen oder Wanderzellen an- gehören. Gleichfalls in grosser Zahl finden sich die Körnchen- zellen, dieselben sind meist zweikernig mit wandständigen Kernen.

Beiträge zur Anatomie des Proteus anguineus. 541

Häufiger fand ich beide Arten von Zellen bei wohlgenährten, namentlich bei in der Verdauung begriffenen Thieren.

Wanderzellen mit Einschlüssen fand ich besonders häufig in den mittleren und unteren Theilen des Mitteldarms und im Anfang des Enddarms. Doch bieten sie an diesen verschiedenen Stellen höchst verschiedene und auffallende Bilder. Während nämlich bis- her vom Mund bis zum Beginn des Mitteldarms die Einschlüsse in der Art, wie oben beschrieben, sich zeigten, traten hier Ein- schlüsse auf, welche zu der Umgebung der Zellen in direkt nach- weisbarer Beziehung stehen.

In den Theilen des Darmes, in welchen Fettresorption statt- fand und in welchen ich, wie oben bemerkt, Fetttröpfehen in den Epithelzellen nachweisen konnte, bestanden die Einschlüsse (Fig. 17), wie auch Heidenhain (56) beim Meerschweinchen bemerkte, aus zahlreichen kleineren und grösseren Fetttröpfehen von derselben Form und demselben Aussehen wie die in und unter dem Epithel befindlichen. Ich konnte Wanderzellen beobachten, welche nur wenige solche Körnchen enthielten, andere welche vollgepfropft damit waren. Ausser diesen stets zwischen den Epithelzellen lie- genden oder sich an ihre Fusspunkte andrängenden Zellen sah' ich weitere mit Fetttröpfchen gefüllte Wanderzellen in den tieferen Schichten der Mucosa und Submucosa. Ebendort sind solche Zellen auch bei anderen Thieren beobachtet. Die Literatur darüber hat Heidenhain zusammengestellt. Diese Zellen mit Fetteinschlüssen können in keiner Weise mit den Körnchenzellen verwechselt werden, da beide ungefärbt durch ihren Bau von einander unterschieden werden können, indem die Körnchenzellen bei Proteus niemals die an unge- färbten Präparaten kenntlichen Fetttropfen enthalten. Ferner tingiren sich die Körnchenzellen mit den von Ehrlich (33 u. 35) ange- gebenen Farben, Wanderzellen mit Fetteinschlüssen nicht, wohl aber tingiren sich letztere bei Proteus nach den von mir ange- gebenen Methoden für Färbung der mit Osmiumsäure sich bräunenden Gebilde, womit sich wiederum die Körnchenzellen bei Proteus nicht färben. Heidenhain (56) färbte Körnchenzellen anderer Thiere, welche mit Osmiumsäure gebräunte Körner zeigten, auf eine von ihm angegebene Weise mit Fuchsin-S. nach, was bei Fett nicht möglich wäre und wies dadurch nach, dass Körnchenzellen kein Fett enthalten, was ich für die Körnchenzellen des Proteus

bestätigen kann. Die oben beschriebenen Zellen mit Fettein- Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd, 34. 35

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schlüssen sind demnach scharf zu trennen von den Körnchen- zellen.

Diese Verhältnisse finden sich bei allen von mir untersuchten Thieren im obern und mittlern Theil des Mitteldarms. Im untern Theil desselben enthalten dagegen die Zellen andere Einschlüsse und zwar gelbliche Kügelchen, welche sich mit Osmiumsäure nicht bräunen und in Alkohol und Xylol nicht lösen (Fig. 18). Hier finden sich auch in den Epithelzellen keine Fettkügelchen mehr. Wohl aber gelang es mir bei Proteus mehrmals ebensolche kleine gelbe Kügelechen in den Epithelzellen nachzuweisen (Fig. 19 e).

Hier, wo es leicht ist, die Zellen und Zelleinschlüsse an un- gefärbten Präparaten durch ihre gelbe Farbe deutlich zusehen, habe ich mich mit Sicherheit davon überzeugt, dass diese Zellen in der That Wanderzellen sind, da ich dieselben in allen Schichten des Darms zu finden vermochte, vom Epithel, wo sie über, zwischen und unter den Kernen der Epithelzellen liegen, im Bindegewebe, auf dem Wege durch die Muskelschichten und noch auf der an das Mesenterium angrenzenden Seite zwischen den beiden Mesen- terialblättern und der Längsmuskelschicht des Darms. Ich fand im Epithel alle Uebergänge von Formen, welche nur wenige Pigmen- körnchen enthielten, bis zu solchen, die vollgepfropft damit sind, so dicht, dass der Kern oft vollständig durch die Körnchen ver- deekt wird. Letztere Formen nahmen dann stets eine auf dem Schnitt kreisrunde Gestalt an und schienen in einer kleinen Höhle zu liegen.

Unter dem Epithel fand ich niemals Pigmentzellen, welche nur wenige Körnchen enthielten, sondern nur gefüllte. Da die Pigmentzellen im Epithel zum Theil nur wenige Pigmentkörnchen enthalten (Fig. 13a.), unter dem Epithel sich stets nur gefüllte vor- finden (Fig. 18 b.) und die Pigmentzellen, wie ich zu beweisen suchte, Wanderzellen sind, so glaube ich, kann nur die Frage sein, ob die Pigmentzellen gefüllt ankommend ins Epithel wandern um dort ihr Pigment zu verlieren, oder ob Zellen im Epithel sich mit Pigment beladen, um mit demselben den umgekehrten Weg einzuschlagen.

Wollte man ersteres für richtig halten, so würde man damit auf die Ansicht zurückgreifen, welche Eimer (20) 1867 ausge- sprochen hat. Er glaubte damals, wie ich aus List (51) p. 503 entnehme, dass die Becherzellen der Darmschleimhaut zur Exeretion von wahrscheinlich im Körper unlöslichen Stoffen dienen. Beim

Beiträge zur Anatomie des Proteus anguineus. 543

Frosch bestehe diese Ausscheidung in gelbrothen bis schwarzen Pigmentmassen, welche durch die Becher auf die Schleimhaut- oberfläche vom Parenchym aus befördert werden. Nahe liegt, daran zu denken, dass Eimer hier die, wie ich bei der Mundhöhle be- sprach, schon von Leydig im Froschdarm beobachteten Zellen mit Pigmenteinschlüssen im Auge hatte. Diese habe ich beim Frosch gleichfalls im hintern Theil des Mitteldarms etwa 0,5—1,0 em vor Beginn des Enddarms, wenn auch nicht so zahlreich wie bei Proteus, beobachtet. Es wäre dann diese Ansicht dahin zu modi- fieiren, dass Pigmentzellen, durch das Epithel dringend, ihren Inhalt ins Darmlumen entleeren. Letztere Bilder sah ich auch bei Proteus; wie weit dies Produkte der Behandlungsweise sind und wie weit sie den während des Lebens bestehenden Verhältnissen entsprechen, vermag ich nicht zu entscheiden. Jedenfalls ist es durchaus nicht unwahrscheinlich, dass wenigstens einzelne Pigmentzellen bis zur Oberfläche kommen, wie dies für Wanderzellen von Heidenhain (56, p. 38) gezeigt wurde, da die Pigmentzellen ja eben Wander- zellen sind. Es würde dann hier ein ähnlicher Exeretionsvorgang stattfinden, wie ihn List (63) für die äussere Haut annimmt, wenn er geneigt ist, „in dem Pigmente ein durch Umwandlung der rothen Blutkörperchen entstehendes Exeretionsprodukt zu sehen, welches, wie irgend ein uniöslicher Fremdkörper, durch die Leukoeyten gegen die Oberfläche geschafft und von den Epithelzellen zum Theil aufgenommen wird, um dann mit der allmählichen Regene- ration derselben aus dem Zellverbande gelöst zu werden.“ Gegen die Ansicht, dass eine solche Pigmentexcretion durch die Wander- zellen im Darm des Proteus Regel sei, was für die Physiologie eines neues Feld eröffnen würde, sprechen folgende Gründe.

Da ich Pigmentzellen, wie oben erwähnt, noch zwischen Serosa und äusserer Längsmuskelschicht des Darms fand an der Stelle des Mesenterialansatzes, glaube ich, ist es unzweifelhaft, dass sich diese Zellen in den Lymphbahnen befanden. Wanderzellen, welche sich in den Lymphbahnen befinden, darf man wohl annehmen, folgen der Richtung des Lymphstromes. Nun geht aber der Weg der Lymphe vom Darm zu andern Organen und nicht umgekehrt, somit glaube ich auch, dass die Pigmentzellen des Darmes nicht in andern Organen entstehen und in den Darm wandern, um dort im Epithel ihre Einschlüsse zu verlieren, vielmehr glaube ich, dass eine bestimmte, oben näher beschriebene Art von Wanderzellen

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im Darm 'an dieser Stelle Pigment aufnehmen, wie an andern Stellen andere Stoffe und dann, wenn sie mit Pigment gefüllt sind, vom Lymphstrom weggeführt werden.

Ich könnte noch anführen, dass die Zellen, im Sinne Heiden- hains als Phagocyten betrachtet, im obern Theil des Mitteldarms, wo Fett resorbirt wird, Fett, in dem untern Theil, wo ich in den Epithelzellen Pigmentkügelchen fand, Pigment aufnehmen müssen. Sie würden dann durch ihre Einschlüsse selbst den Beweis liefern, dass sie dieselben an den betreffenden Orten gewonnen haben.

Die Frage, woher diese Zellen kommen, welche sich im Darm- tractus mit Einschlüssen beladen, ob sie sich aus den an Ort und Stelle befindlichen Wanderzellen ersetzen oder ob eine andere Er- klärung dafür zu suchen ist, bleibt noch eine offene.

Eine weitere Frage ist die, aus was diese Pigmentkörnchen be- stehen. Die bei Proteus vorkommenden Pigmente sind ausser dem Pigment des Auges, das Blutpigment und das Gallenpigment, ferner das Pigment, das sich in den Pigmentzellen der Leber und der Milz findet. Hautpigment vermissteich bei frisch bezogenen Thieren stets, nur konnte ich vereinzelte Pigmentzellen in der Haut der Cloaken- gegend auch bei diesen auffinden; ob solche bei Thieren an den Fundorten in Krain auch vorkommen, oder erst durch Einwirkung des Lichtes entstehen, kann ich zur Zeit nicht entscheiden.

Die Gmelin’sche Probe, angewandt auf die Pigmentzellen des Darmes, wie auf das Pigment der Leber, gab kein Resultat, doch schliesst dies Gallenfarbstoff nicht aus, da es sich ja in diesem Fall um Choletelin, das Endprodukt der Gallenfarbstoff- reaktion, handeln kann.

Weitere Versuche machte ich mit der von Perls (21) ange- gebenen Eisenreaktion, bestehend in Behandlung von Schnitten mit Ferrocyankalium und Salzsäure. Ich erhielt eine deutliche Blaufärbung der vorher gelben Pigmentkörner, während sich die rothen Blutkörperehen nicht veränderten, was auch Perls für letztere angiebt. Ich konnte diese Präparate in Canadabalsam einschliesen.

Bei 24stündiger Einwirkung von Xylol, Aether und Alkohol absolutus zeigten die Pigmentzellen keine Veränderung.

Jedenfalls, glaube ich, ist das Auffinden von Pigment- kügelchen in den Epithelzellen dieses Darmabschnittes, gleich-

Jr

Beiträge zur Anatomie des Proteus anguineus. 545

artig mit den in den Wanderzellen befindlichen, was daran denken liesse, dass diese Einschlüsse resorbirter Darminhalt sein könnten, für letzteres nicht beweisend.

Enddarm.

Der Enddarm, der sich bei manchen Thieren durch ein plötz- liches Weitwerden scharf gegen den Mitteldarm abgrenzt, zeigt in seinem ersten Abschnitt, bezüglich seines histologischen Baues, keinen Unterschied von den anliegenden Theilen des Mitteldarms. Es findet ein ganz allmähliges Seltenerwerden der Pigmentzellen statt, ebenso bilden die übrigen Wanderzellen keine so starken An- häufungen unter dem Epithel mehr, wie im Mitteldarm. Doch traf ich bei manchen Thieren an eircumscripten Stellen eine starke Infiltration des Epithels und des subepithelialen Gewebes mit proto- plasmaarmen Wanderzellen. Da ich dies nicht bei allen Thieren traf, lasse ich dahingestellt, ob solche Stellen nicht vielleicht nur in Ausnahmefällen vorkommen, welche durch mir nicht bekannte Ursachen bedingt sind.

Die Drüsen (Fig. 20) zeigen in dem weitgewordenen Theil des Enddarms gegen die Cloake zu eine besondere Form. Während nämlich die Drüsenschläuche des Mitteldarms ihrer sanzen Länge nach denselben Durchmesser zeigen, sind hier die Drüsen an ihrem untern Ende verdickt, sie haben Kolbenform. Bei näherer Untersuchung zeigt sich an vielen Drüsen eine Zwei- theilung der Drüse an ihrem untern Ende, welche diese Verdickung bedingt (Fig. 20). Kurz vor der Einmündung in die Kloake nimmt der Darm, wie schon von Rathke (5) bemerkt wurde, auf seiner ventralen Seite die Harnblase auf. Das Epithel des Enddarms geht allmählig in das der äussern Haut über, den Uebergang bilden Formen wie ich sie ähnlich im Oesophagus beschrieben habe. Nahe der Kloake findet ein bedeutendes Dickerwerden der Ring- muskelschicht des Enddarms statt.

Pankreas.

Das Pankreas des Proteus schon von Schreibers (2) als solches erkannt, wurde von Rusconi (4) beschrieben als halb- querfingerlang und seiner ganzen Länge nach am Darme hängend und ebenso gezeichnet, später beschrieben es noch Brotz und Wagenmann 1838 (9) und S. delle Chiaie 1840 (10), seit

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dieser Zeit konnte ich darüber keine weiteren Literaturangaben finden, ausser der negativen Wiedersheim’s (53), dass er es habe nicht finden können. Das von obigen Autoren bezeichnete Organ ist nun allerdings das Pankreas des Proteus oder wenigstens ein Theil desselben. Das Pankreas (Fig. 21a) liegt in der Duplieatur, welche das Peritoneum vom Darm zur Leber ziehend bildet, und zwar liegt der vordere breitere Theil dem Darm an (Pylorusregion), ohne die Leber zu berühren, der mittlere Theil füllt den Raum zwischen Leber und Darm aus, beide berührend; soweit sahen und bildeten es diese Autoren ab. Im hinteren Theil, der aus dem Grunde bisher nicht beobachtet wurde, da dies mit der Loupe kaum möglich ist, trennt sich das Pankreas vom Darm und läuft als Faden auf der concaven Fläche der hier auf dem Querschnitt halbmondförmigen (Fig. 21) Leber aus, ähnlich wie es bei gewissen Fischen der Fall ist (Fig. 25 Schema). Dass Brotz und Wagenmann (9) angeben, das Pankreas des Proteus sei lang, erklärt sich eben daraus, dass dieselben diesen hintern Theil übersahen. Die Länge des Pankreas betrug

bei einem conservirt 195 mm langen Proteus 15,015 mm

115 2) 13,367 Das Pankreas ist der vorzüglichste Sitz von Parasiten, welche ich in verschiedenen Arten und an verschiedenen Orten, vor allem in Pankreas, dann auch in Leber, Darmlumen, Darmsubmucosa und zwischen den Darmmuscularisschichten gefunden habe.

Der Bau des Pankreas (Fig. 22) des Proteus ist durchaus der für Pankreas charakteristische. Entsprechend der Grösse aller hier vorkommenden Elemente zeigen die Körner der Innenzone bedeutende Dimensionen. Dieselben sind in Reihen gestellt, wobei die dem Lumen näher liegenden etwas kleiner sind, als die an die Aussenzone angrenzenden. Nach der von mir oben angegebenen Fuchsin-S.-Eosin-Methylgrünfärbung tingirten sich, nach Sublimathärtung am deutlichsten, die Körner, welche schon Ogata (45) beim Frosch zu färben gelang, intensiv roth, während die Theile der Zellen zwischen den Körnern ebenso wie die Randzone grünlich erscheint. Die Färbung der Randzone, wie sie Heidenhain (36) angiebt, gelang mir mit Boraxkarmin gleichfalls. Bei Hungerthieren war stets die Körnchenzone an Aus- dehnung überwiegend, bei einem aufder Höhe der Verdauung getöd- teten Thier (Fig. 23) nahmen die Körnchen nur mehr das Centrum des

Beiträge zur Anatomie des Proteus anguineus. 547

Tubulus ein, ferner waren die Durchmesser der Querschnitte der Tubuli kleiner. Dieselben betrugen bei ersterem 0,05-—0,06 mm, bei letzterem 0,035—0,045 mm. In den Tubulis der Hungerthiere war ein Lumen nicht so deutlich, wie bei dem auf der Höhe der Verdauung getödteten Thier. Bisweilen fand ich bei Hunger- thieren, dass das ganze Gerüst einzelner Zellen, oft ganzer Tubuli nur das die Körnchen umschliessende Netzwerk zeigten, welches nur einzelne roth gefärbte Körnchen, oft sogar keine enthielt. Sei es, dass die Körnchen durch die angewandten Reagentien selöst wurden, was mir unwahrscheinlich ist, da es stets nur vereinzelte Bezirke waren, in denen diese Erscheinung zu Tage trat, oder dass hier pathologische Processe mitspielten (ich traf solche Partien häufig in der Nähe der eingekapselten Würmer), so scheinen mir doch diese Bilder gewissermaassen als negatives Bild der Körnchen für den Bau dieser Drüsenzellen von Interesse zu sein.

Was die Ausführungsgänge des Pankreas anlangt, so fiel mir hier eine Erscheinung auf, die mir von andern Urodelen aus der Literatur (ich selbst untersuchte eine Schnittserie von Sala- mandra atra darauf) nicht bekannt ist. Die Pankreasausfünrungs- sänge des Proteus vereinigen sich nicht zu einem oder wie bei manchen Urodelen (27 u. 34) zu 2 Gängen, sondern münden in grosser Zahl (Fig. 24) und zwar an 2 verschiedenen Stellen in den Darm (Fig. 25, Schema). An der ersten eranialen Stelle (Fig. 24a) mündeten bei einem conservirt 195 mm langen Exem- plar 33 von vorne kommende Ausführungsgänge des Pankreas in den Darm. Da sie alle nahe beisammen münden und es oft schwer ist, zu unterscheiden, ob an einer Stelle nicht noch 2 eben vor ihrem Austritt ins Darmlumen zusammen sich vereinigen, habe ich in zweifelhaften Fällen diejenigen als einen Gang gezählt, deren Axen sich noch ausserhalb des Darm- lumens schnitten. Bei einem zweiten conservirt 215mm langen Thier fanden sich entsprechend 10 Ausführungsgänge. Etwa 4mm (3,945 mm beim ersteren Thier) von dieser Stelle caudal findet sich eine zweite Einmündungsstelle von Gängen und zwar kommt hier der sich in ein Netz auflösende Ductus choledo- chus (d. ch.) mit in Betracht. Ausser diesem Netzwerk münden, wie ich sicher feststellen konnte, hier auch direkt aus der Leber obne Vermittlung der Gallenblase kommende Gallengänge ein (d.h. e.). Ob die weiter caudal beobachteten aus dem schmal

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auslaufenden Theil des Pankreas kommenden Ausführungsgänge (d. p. p:) ebenfalls an der Bildung des besprochenen Netzes theil- nehmen oder isolirt, aber mit demselben, in den Darm münden, konnte ich nicht entscheiden. Jedenfalls finden sich die caudal von diesem Netzwerk noch beobachteten, von caudaler Seite kommenden Pankreasausführungsgänge cranial von dem Netz- werke nicht mehr. Es ist demnach an eine Vereinigung mit den an der ceranialen Einmündungsstelle mündenden Gängen nicht zu denken und da ich eine dritte Einmündungsstelle von Ausführungs- gängen in den Darm nicht beobachtet habe, bleiben nur die beiden erwähnten Möglichkeiten. Das Netzwerk an der caudalen Einmündungsstelle (Fig. 25 b) einigte sich bei dem 195 mm langen Proteus zu 9, bei dem 215 mm langen zu 14 Gängen, welche nahe beisammen (b) in den Darm mündeten. Es münden dem- nach die Pankreasausführungsgänge aus dem eranialen Theildes Pankreasin einer grössern beiverschiedenen Individuen wechselnden An- zahlnahebeisammen, die aus dem caudalen Theil zusammen mit dem vom Ductus choledochus ge- bildeten Netzwerk und den direktvon der Leber kommenden Ausführungsgängen.

Leber.

Die äussere Form der Leber, die durch ihr langgestrecktes Erscheinen jedem Beobachter auffiel, ist von allen, welche sich eingehender mit Proteus befassten, beschrieben worden, von Schreibers (2), der dieselbe in 5 Lappen theilte, bis auf Wiedersheim (53), der die Bedeutung der einzelnen Theile der Leber des Proteus vem vergleichend anatomischen Standpunkt würdigt, indem er nachwies: „dass die bei Proteus unpaare spindelförmige Lebermasse nicht der ganzen Leber der Urodelen, sondern nur dem rechten Lappen derselben entspricht.“ Er bestätigt damit die Beobachtungen Weinzettl’s (39), der sich in demselben Sinne aussprach.

Nur wenige Autoren haben sich mit dem innern Bau der Proteusleber beschäftigt. Ausser Leydig (15), dem der Pig- mentreichthum derselben auffiel, ist es nur Eberth (19), der sich in seiner werthvollen Arbeit über die Leber der Wirbel- thiere eingehend mit der Proteusleber befasst hat. Da ich mich

Beiträge zur Anatomie des Proteus anguineus. 949

mit jedem Wort, welches Eberth (19) über die Leber des Proteus geschrieben hat, zu befasseu haben werde, halte ich es für das kürzeste, diesen Theil seiner Arbeit wörtlich wiederzugeben: „Der Leber des Proteus, die ich nur an gut conservirten Weingeist- präparaten studiren konnte, von denen es zweifelhaft war, ob sie frischen oder längere Zeit gefangenen Thieren angehörten, fehlt die bei den Salamandrinen vorkommende Corticalschichte amöboider Zellen, während die centralen Zellinseln hier ungefähr in gleicher Mächtigkeit sich finden, wie die Leberzellen selbst. Diese centralen Inseln sind, wie dies schon Leydig erwähnt, braun pigmentirt; ob stets, ob nur periodisch, wage ich nicht zu entscheiden. Betrachtet man nicht zu dünne, senkrecht zur Längsaxe der Leber gelegte Schnitte bei schwächerer Vergrösserung, so findet man bis nahe gegen die Serosa reichende eylindrische, ein bis fast 2mm lange und 1/.—!/,mm breite Pigmenthaufen, die auch häufig sich theilen, indem sie bald quere, bald schräge Fortsätze treiben. Dazwischen beobachtet man auch ganz kleine Pigmentkügelchen, etwa von der Grösse kleiner Leberzellen und kleinerer Gruppen solcher. Eine netzförmige Verbindung dieser Massen existirt nicht, wie man selbst an dieken, mit Canadabalsam durchsichtig gemachten Quer- oder Flächenschnitten sieht. Letztere zeigen vielmehr in den ver- schiedenen Höhen stets rundliche abgeschlossene Pigmentinseln, die jedoch wie die Corticalis oder die centralen Massen amöboider Zellen der Salamandrinen unmittelbar an das Leberparenchym grenzen und nie gegen dieses etwa durch eine besondere Membran abgeschlossen sind.

Die centralen gelb bis sepiabraun gefärbten Zellenmassen sind wesentlich gleich zusammengesetzt wie jene der Salamadrinen, nur mit dem Unterschied, dass die Bindesubstanz dort geringer und die Zellen reichlicher sind und oft so dicht beisammen liegen, dass sie sich gegenseitig abplatten, wodurch das Ganze wie ein Mosaik polygonaler Zellen erscheint. Die Differenzen zwischen den cen- tralen Zelleninseln der Salamandrinen und Proteus bestehen nur in der relativ beträchtlichen Grösse der einzelnen Elemente hier, die oft wenig den Leberzellen nachstehen, und in dem Pigment. Letzteres fehlt übrigens vielen Zellen und findet sich auch zu ge- wissen Zeiten und zwar in grossen Mengen bei den Salamandrinen,

Zerzupft man die centralen Zelleninseln des Proteus, so isoliren sich runde polygonale, leicht sternförmige, zarte Zellen, deren

550 Albert Oppel:

Fortsätze in die feinen Zwischenspältchen ihrer Nachbarn eindringen. Der Kern zeigt hier wie dort vielfache Theilungsstufen. Das Pig- ment des Protoplasma besteht aus äusserst feinen gelblichen Pünkt- chen oder auch grösseren hellbraunen runden Körnern.“

Bei Betrachtung eines Querschnittes der Proteusleber (Fig. 21) fällt sofort in das Auge, dass es sich hier um zwei ganz ver- schieden gebaute Systeme handelt, welche sich durchweben, das eine bestehend aus Leberzellen, das andere vor Allem kenntlich durch die Pigmenteinlagerung und durch "zahlreiche Wander- zellen. Von der Mitte der concaven Seite des Halbmondes, den der Querschnitt der Proteusleber bildet, scheinen diese beiden Systeme auszustrahlen und zwar Anfangs bis etwas über die Mitte streng radiär geordnet, dann scheint das System der Leberzellen an Masse zu überwiegen, während das andere, welches ich kurz Lymphsystem nennen will, nur mehr in Form von Inseln erscheint doch finden sich auch Stellen, in welchen sich die Streifen des Lymphsystems bis zur Peripherie verfolgen lassen. An der Peri- pherie grenzen jedoch die Leberzellen selbst nicht an die Serosa, sondern es tritt dazwischen eine Rindenschicht von Zellen des Lymphsystems. Mag dieseibe auch dünn sein, oft nur aus einer einzigen Zellreihe bestehen und nur an seltenen Stellen Pigment- zellen enthalten, so fehlt doch die Corticalschicht, welche Eberth bei Proteus vermisste, keineswegs, wenn sie auch nicht so breit ist, wie ich sie beim Axolotl und bei Salamandra atra sah und wie sie Eberth beschreibt. Bei im August frisch bezogenen und getödteten Thieren fand ich das Lymphsystem der Leber einen verhältnissmässig grössern Raum einnehmend, als bei im April be- zogenen Thieren. Es existirt demnach ein Zusammenhang des Lymphsystems von Peripherie zu Peripherie und in diesem System liegen einzeln oder zu mehreren vereinigt Pigmentzellen, auch in srösserer Zahl Gruppen bildend, welche Eberth Inseln nannte. Dass Eberth den Zusammenhang der letzteren auch an dieken mit Canadabalsam durchsichtig gemachten Schnitten nicht sehen konnte, liegt daran, dass er nur nach den Pigmentzellen urtheilte und nicht die sie verbindenden Stränge von Lymphzellen beobachtete. Sehr instruktive Bilder erhielt ich, wenn ich Leberschnitte, mit Sublimat eonservirten Objekten entnommen, mit der von mir an- gegebenen Methylgrün-Eosin- Fuchsin-S.- Pierinsäure-Färbung oder auch mit Methylgrüneosin färbte; die intensiv grün gefärbten Kerne

Beiträge zur Anatomie des Proteus anguineus. 551

der Wanderzellen kennzeichnen deutlich die Bahnen des Lymph- systems (Fig. 21).

Das Lymphsystem ist, wie Eberth (19) bei Schilderung der Batrachierleber schreibt, von einem bindegewebigen Gerüst getragen, welches auch Leydig (15) in hohem Grade deutlich fand. Bei Behandlung der Proteusleber nach der von A. Böhm angegebenen, durch v. Kupffer (61) empfohlenen Methode, zeigt sich ein Netz- werk von dickern und dünnern sich verzweigenden Fasern, vielleicht elastischer Natur, welche das Lymphsystem umspinnen und das- selbe scharf, allerdings nicht im Sinne einer Membran, wie sie Eberth vermisst, von den Leberzellen trennen (Fig. 26e). Eine innerhalb dieses Fasernetzes liegende Zelle berührt niemals eine Leberzelle direkt. In diesen Fasern selbst konnte ich keine Kerne wahrnehmen, wohl aber liegen seiner Innenfläche gegen das Pigmentzellensystem langgestreckte Kerne an, die zum Theil als Bindegewebskerne zu erkennen sind, zum Theil aber auch den Eindruck von Endothelkernen machen. Dieses Fasernetz, hier hoch ausgebildet, scheint mir dem zu entsprechen, was v. Kupffer (28) als kernlose, vom Gefässsystem unabhängige Bindegewebsfasern bei verschiedenen Säugethieren nachgewiesen hat.

Innerhalb dieses Netzwerkes fand ich zahlreiche Lymphzellen und die von Eberth beschriebenen Pigmentzellen. Dass Eberth erstere bei Proteus gesehen hat, schliesse ich aus seinen Worten: „Letzteres (das Pigment) fehlt übrigens vielen Zellen.“ Wir haben es zu thun mit einer grossen Abtheilung des Lymphsystems, welches in der Leber des Proteus nicht viel weniger Raum einnimmt, als der secernirende Apparat. Dieses Lymphsystem hat hier in seiner Ausbreitung die Bedeutung eines perivaseulären überschritten, in- dem es in eigene Bahnen tritt, welche sich nicht mehr an die Gefässbahnen halten. Damit schliesse ich das Vorhandensein eines mit diesem communicirenden perivasculären Lymphsystems nicht aus, da das Bindegewebsgerüst des Lymphsystems mit einem die Gefässe umspinnenden Fasernetz (Fig. 26 ec), dasich gleichfalls auf die eben besprochene Weise zu färben vermochte, in innigem Zu- sammenhang steht.

Die Lymphzellen (Fig. 27 du.e), welche die Maschen des Netzes ausfüllen, sind protoplasmaarme Zellen und Körnchenzellen, letztere meist zweikernig, erstere fast stets einkernig, die Körnchen- zellen sind weniger häufig als erstere. Mitosen sind unter den

552 Albert Oppel:

Lymphzellen an dieser Stelle eine grosse Seltenheit, wohl aber zeigen vielfach die Kerne Einschnürungen, welche Eberth offenbar als direkte Theilungsvorgänge auffasste.

Die pigmentirten Zellen zeigen sich in verschiedenen, jedoch immer wiederkehrenden Formen. Da dieselben, die ähnlichen neben- einandergestellt, eine Reihe bilden, deren beide Enden grosse Ver- sehiedenheiten zeigen, glaube ich, dass es sich bei diesen Zellen nur um zeitlich aufeinanderfolgende, in einander übergehende Formen handeln kann und beschreibe sie demnach. Ich sah in der Leber des Proteus auf dünnen Schnitten (10—15 «) mit grössern und kleinern Pigmentkügelehen erfüllte Zellen (Fig. 28). Die Kügel- chen einer Zelle zeigten meist gleiche Färbung und zwar war ein helles Gelb, oft leicht Orange das vorherrschende, selten sah ich wenig dunklere Zellen. Die Zellen waren freiliegend und zeigten keinerlei Zusammenhang mit irgend einem Gewebe, sie waren meist rund, selten zeigten sie kurze Fortsätze und dann meist nur in einer Richtung. Solche Zellen hat, wie ich glaube, Eberth gesehen und als „ganz kleine Pigmentkügelchen etwa von der Grösse kleiner Leberzellen“ beschrieben; ich habe ähnliche im Darm sich findende beschrieben und abgebildet (Fig. 18), runde, wie Fortsätze aussendende. Dort waren letztere überwiegend (aktive Bewegung), hier erstere (passive Bewegung). Dann finden sich ebensolehe mit Pigment ge- füllte Zellen eine oder mehrere beisammen festsitzend in den Maschen des Netzwerkes, dieselben liegen sich theilweise noch locker an, theilweise so fest, dass eine Grenze zwischen den Zellen weniger leicht zu erkennen ist; diese Zellengruppen sind dann stetsumsäumtvon einem Kranz (auf dem Querschnitt) von protoplasmaarmen Wander- zellen und Körnchenzellen (Fig. 27). Die Pigmentzellen zeigen für jede anliegende Wanderzelle eine entsprechende Anpassungs- fläche und werden dadurch, wie Eberth schreibt, „leicht sternförmig*. Solehe Zellen isolirt hat Eberth vortrefflich abgebildet. Ist dieses Stadium sehr deutlich, so finden sich in den Zellen ausser Pigment weitere Stoffe, die sich niemals in freibeweglichen Pigmentzellen zeigen und welche sich intensiv mit verschiedenen Farben tin- giren, vor Allem mit Fuchsin-S., mit welchem auch die Körnchen- zellen sich tingiren (Fig. 29), dann aber auch mit Safranin. Dass es sich hier nicht etwa um aufgenommene, in intracellulärer Ver- dauung begriffene Kerne handeln kann, beweist zuerst das, dass sich solehe mit den von mir angewandten Tinetionsmethoden anders

Beiträge zur Anatomie des Proteus anguineus. 599

tingiren wie z. B. in der Mundhöhle beschrieben wurde, dann die Form, indem essich keineswegs um zerfallende Kernelemente handelt, sondern um an verschiedenen Stellen der Zellen auftretende Tropfen und Tröpfehen. Weiter kennzeichen sich solche Zellen dadurch, dass das in denselben enthaltene Pigment Veränderungen zeigt, welche möglich machen, diese Zellen sofort von den frei beweglichen der Leber oder des Darmes zu unterscheiden. Es treten nämlich neben den hellen Pigmentkügelchen dunklere auf von sehr ver- schiedenen Grössen, manche erinnern noch an die bei den frei be- weglichen Pigmentzellen beschriebenen, daneben liegen grössere und kleinere, unregelmässige dunkelbraun bis schwarz gefärbte Einschlüsse. Diese Zellen und Zellgruppen geben die Eisenreaction in viel stärkerem Maasse als die freibeweglichen Pigmentzellen, welche sich darin verhalten, wie die Pigmentzellen, welche ich im Darm beschrieben habe.

Endlich finden sich Pigmentzellen, in denen nur noch wenige hellere und dunklere Pigmentkörner liegen, deren Kern chromatin- arım erscheint (Fig. 27c) und schliesslich Zellen mit wenig deut- lichem Kern und einem netzartig angeordneten Protoplasmagerüst. Die letzten habe ich nur bei Hungerthieren beobachtet, es machen diese den Eindruck einer zu Grunde gehenden Zelle.

Die Pigmentzellen befinden sich niemals in einer direkten Verbindung mit dem Bindegewebsgerüst d. h. sie bleiben stets, auch die zuletzt beschriebenen Formen, isolirt von demselben durch die sie umgebenden Wanderzellen, sowie sie eben selbst aufgehört haben, sich aktiv oder passiv zu bewegen. Die Pigmentzellen der Leber können daher niemals zum Bindegewebe in Beziehung ge- bracht werden, wie Eberth beiSchilderung der nach dem Batrachier- typus gebauten Leber will. Die Frage ist nun, wie und wo ent- stehen die Pigmentzellen der Leber?

Ueber das Entstehen des Pigments in der Leber anderer Thiere liegt eine grosse Literatur vor, auf die näher einzugehen hier nicht möglich ist. Hervorheben möchte ich einige Beobach- tungen bei Fröschen. Weber (12) sah bei diesen ein Auftreten von Pigmentkügelchen zu bestimmten Zeiten in den Leberzellen. Eberth (19) führt für die Frösche an, dass das Pigment in den farblosen Blutkörperchen oder in den von der Milz eingeführten Pulpazellen liegt. Leonard (55) findet ein Zusammentreffen von Vermehrung des Pigments und Untergehen der Leberzellen und

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sucht beide in Verbindung zu bringen. Diese verschiedenen An- schauungen schliessen sich jedoch nach meiner Ansicht nicht aus.

An den Pigmentzellen der Proteusleber habe ich niemals etwas beobachtet, was auf eine Vermehrung durch Kern- und Zelltheilung hinweisen könnte. Ebensowenig habe ich je etwas gesehen, was auf eine Entstehung der Pigmentzellen aus andern Zellen in der Leber schliessen liesse. Wenn sie nicht durch Theilung entstehen, so müssten sie, wenn sie sich vermehren, aus andern nicht pig- mentirten Zellen durch Pigmentbildung oder -aufnahme entstehen. Es müssten sich dann Uebergangsformen aus andern Zellen vor- finden, z. B. aus vielleicht zerfallenden Leberzellen, welche anfangs weniger, später mehr Pigment enthalten würden. Ich habe nie etwas derartiges gesehen, habe überhaupt nie in einer andern Zelle vereinzelte Pigmentkörnchen in der Leber gesehen, ausser in den von Lymphzellen gewissermaassen eingekapselten Pigmentzell- gruppen, welche zweifelsohne Altersstufen darstellen.

Dass die von mir oben beschriebenen pigmenthaltigen Wander- zellen aus der Milz kommen können, ist jedenfalls nicht in Abrede zu stellen, ob sie bei Proteus dort entstehen, ist eine Frage, auf die ich eingehen werde, wenn ich über dieses Organ handle. Im Verdauungstraetus sind mir nur an zwei Orten Pigmentzellen be- gegnet, in der Leber und im Darm, in ersterer zu Grunde gehende, im letzteren entstehende. Wenn auch beide in Beziehung gebracht würden, so wäre doch die Frage, wo die Pigmentzellen in der Leber des Proteus herkommen, erst dann als gelöst zu betrachten, wenn klargelegt ist, ob in andern Organen (Milz vor Allem, dann Thymus, wo Afanassiew (30) das Entstehen von Pigmentzellen beobachtete) gleichfalls bei Proteus solche entstehen oder nicht. Da die Thiere, die ich meinen Untersuchungen zu Grunde legte, zu verschiedenen Jahreszeiten bezogen und in verschiedenen Ver- dauungs- und Ernährungszuständen getödtet wurden, glaube ich zu dem Schlusse berechtigt zu sein: Die Pigmentzellenin der Leber des Proteusentstehen nicht daselbst, siegehen vielmehr dort zu Grunde, sie entstehen an anderen Orten, ein solcher ist der Darm, womit ieh nieht behaupten will, dass dies die einzige Quelle ist, welche dieselben liefert.

Weniges habe ich hier noch über das gallebereitende System der Leber anzufügen, da ich mieh über die Anordnung der das-

Beiträge zur Anatomie des Proteus anguineus. 555

selbe bildenden Leberzellen oben bereits äusserte. Die Leberzellen zeigen stets einen in der Mitte der Zelle befindlichen Kern, der nach Auerbach (26) 4—16 meist aber $—12 Kernkörperchen besitzt. Von diesen tingiren sich eines oder mehrere intensiv mit verschie- denen Farben namentlich mit Fuchsin-S. und Safranin. Die Zellen zeigen eine netzförmige Anordnung des Protoplasmas mit reich- licher Fetteinlagerung bei wohlgenährten Thieren. Die Gallen- capillaren gelang mir nach der von A. Böhm (61) angegebenen Methode an frischen Präparaten zu färben und zwar leichter bei Hungerthieren, was vielleicht mit dem geringeren Fettgehalt der Leber in Zusammenhang steht. Doch war es mir möglich, die die Gallencapillaren begrenzenden Leberzellenwände mit Fuchsin-S. zu färben und auf dem Längsschnitt doppelte Contouren für die Capillaren zu erhalten, wie auch die Gallencapillaren auf dem Querschnitt meist ein deutliches Lumen erkennen lassen.

Die radiär zusammenlaufenden Gallencapillaren gehen in die Gallengänge über. Dieselben bestehen aus eubischen Zellen, die dem Lumen zu stets eingelagerte sich mit Osmium schwärzende Fetttröpfehen enthalten. Sie verlaufen stets in der Mitte der con- caven Seite der im Querschnitt halbmondförmigen Leber, umgeben von Bindegewebe und zahlreichen Wanderzellen, namentlich Körnchenzellen. Sich allmählig zu einer kleineren Zahl vereini- gend münden einige solche Gänge wie beim Pankreas beschrieben wurde, direkt in den Darm, das Pankreas durchbohrend. Zur Gallenblase führt nur ein Ductus hepatieus, der nicht stärker ist als die bisher beschriebenen Gänge, seine Wand wird von einer Zelllage gebildet. Dieser mündet nicht in die Gallenblase selbst, sondern in einen dem Duetus eystieus entsprechenden sackartigen Anhang derselben, welcher den weiten Beginn des grossen sich nachher in den das bei den Pankreasausführungsgängen beschrie- bene Netzwerk auflösenden Duetus choledochus darstellt (Fig. 25 Schema.) Dieser Anhang ist wie die Gallenblase von einem ein- schiehtigen platten Epithel ausgekleidet, welches in seiner einem Ductus choledochus entsprechenden Fortsetzung allmählig höher wird, um in das eubische Epitbel der an der oben beschriebenen Stelle in den Darm mündenden Endzweige überzugehen.

556 Albert Oppel:

II. Capitel. Von den Lungen.

Im Anschluss an den Darmtraetus die Lungen des Proteus zu untersuchen, wurde ich lediglich durch den genetischen Zusammenhang beider veranlasst. Ich bin jedoch weit entfernt, die Lungen des Proteus als Anhängsel des Darmtraetus zu be- trachten, welches nur von einem entwicklungsgeschichtlichen Interesse wäre. «

Die Mehrzahl der Autoren, welche der Anatomie des Proteus eingehenderes Interesse schenkten, haben sich auch mit seinen Lungen befasst und so ist denn die Literatur darüber zu einer nicht unbedeutenden angewachsen. Von den ersten Autoren aus dem Anfang dieses Jahrhunderts bis auf die neuesten alles Gebotene wörtlich hier vorzulegen, würde zu weit führen, zumal da viel- fache Wiederholungen namentlich in strittigen Puneten mit unter- laufen. Im Folgenden seien daher nur die Namen der Autoren mit Kurzer Angabe ihrer wichtigsten Aeusserungen wiedergegeben.

Schreibers (2), der die Lungen des Proteus zuerst unter- suchte, fasst dieselben schon als solche auf, indem er sagt: „In the back of the upper part of the bag there is a small opening, which terminates, by a very narrow canal or trachea, shewing very evidently, that these parts constitute the respiratory organs or lungs of this animal.“

Ebenso erkennt Cuvier (3) die Lungen des Proteus voll und ganz als solche an, betonend, dass sich bei keinem Amphibium „weniger Lunge als beim Proteus“ vorfinde.

Rusconi (4), der Cuvier entgegentrat, und der Lunge über- haupt nicht diesen Namen belassen wollte, wurde von einer An- zahl deutscher Forscher widersprochen. Davon sind zu nennen der Referent der Rusconi schen Monographie in der Isis, ferner R. Wagner (66 u. 67), der die von Rusconi vermisste Lungen- vene auffand. Noch 1843 vertrat Rusconi (70) die Ansicht, dass die Bläschen keine eigenthümliche und abgesonderte Circulation haben, wie die Lungen der andern Lurche. Eine endgiltige Klarlegurg erfuhr diese Frage durch die 1844 erschienene Arbeit Hyrtl’s (69), der durch zahlreiche Injeetionen neben der schon Rusconi bekannten Pulmonalarterie unmittelbar zum Herzen gehende Lungenvenen mit Sicherheit nachwies. Hyrtl beschrieb

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Beiträge zur Anatomie des Proteus anguineus. 557

auch die Verästelungen der Gefässe in der Lunge als denen der Tritonlunge ähnlich.

Ueber die äussere Form der Lunge, von der Schreibers (2), Ruseconi (4u.8), Rathke (5), delle Chiaie (10), R. Wagner (11), Hoffmann (25) und Wiedersheim (53 u. 57) Abbildungen geben, äussert sich Rathke (5) folgendermaassen: „Gerad über dem Herzbeutel beginnen mit einer geringen, gemeinschaftlichen Aussackung, die sich durch eine ungemein kleine Längsspalte in die Schlundhöhle öffnet, die sehr langen, zartwändigen und schlauchförmigen Lungen ohne alle Spur von Bronchus. Eine jede derselben krümmt sich am Magen (denn von einer Speise- röhre kann wohl nicht die Rede sein) von unten nach oben, wird dann durch ein schmales Band an den Rücken geheftet und er- streckt sich längs dem Rücken bis zur vordern Spitze des Hödens oder Eierstocks (an der linken Seite ungefähr bis zum vierund- zwanzigsten, an der rechten bis zum zweiundzwanzigsten Wirbel), wo dann das Lungenband in das Band des Eierstockes oder Hoden übergeht.“ Wenn ich hier noch anfüge, dass beide Lungen an ihrem caudalen Ende eine blasige lufthaltende Erweiterung zeigen (Scehreibers 2), dass sie jedes „zelligen Bau’s“ entbehren (Schreibers (2), Cuvier (9)), ferner die Angabe Wieders- heim’s (53), dass die Lungen nach vorne von der Stelle, in welcher beide zusammenhängen, zwei blindsackartige Ausläufer erzeugen, so glaube ich damit inhaltlich ziemlich vollständig die Beschreibungen der Autoren wiedergegeben zu haben.

Alle Autoren, welche sich mit der Bedeutung der Lunge des Proteus als Respirationsorgans befassten, äussern sich dahin, dass dieselbe nicht für die Vermittlung des für das Thier nöthigen Gasaustausches zwischen Blut und Luft genüge. Die einen suchen dies mit dem Hinweis darauf zu begründen, dass die Lunge des Proteus, meist als „bäutige Säcke ohne zelligen Bau“ bezeichnet, wegen ihrer glattwandigen Beschaffenheit nicht die zu einem genügenden Gasaustausch nöthige Oberfläche bieten. Andere verschafften sich nur die Ueberzeugung, dass ein auf das Trockene gesetztes Thier in längerer oder kürzerer Zeit zu Grunde ging (Ruseoni (70), Blainville (64), R. Wagner (67)). Rusconi (70) beobachtete, dass 48—54 Stunden bis zum Eintritt des Todes ver- gehen können.

Die Frage, ob der anatomische Bau der Lunge einen Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 24, 36

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Gasaustausch zwischen der in derselben befindlichen Luft und den Bluteapillaren als möglich erscheinen lasse, d. h. ob dieselbe in ihrem feineren Bau der Lunge eines luftathmenden Amphibiums zu vergleichen sei, bin icb in der Literatur nicht begegnet. Ich glaube, dass ein Eingehen auf diese Frage das Verständniss der Bedeutung der Proteuslunge fördern könnte.

Zunächst betrachte ich einen Querschnitt durch die Proteus- lunge an ihrem blasenförmig erweiterten caudalen Ende.

Die äussere umhüllende Serosa trägt platte Zellen, welche bei wenig gedehnter Lunge länger als breit sind. Die Zellgrenzen vermochte ich durch Behandlung mit salpetersaurem Silberoxyd sichtbar zu machen. Die nach innen folgende Schicht lockeren Bindegewebes, in welchem die grössern Blutgefässe liegen, lässt sich von dem zur Serosa gehörigen nicht abgrenzen.

Die nächste Schicht besteht aus stärkeren zum Theil eireulär laufenden Bindegewebszügen wohl zum Theil elastischer Natur. Zwischen der Schichte des lockeren und des compacteren Binde- gewebes und in letzteres selbst eingestreut liegen in reichlicher Menge Züge von glatten Muskelfasern. Dieselben verlaufen zum Theil cireulär (Fig. 30 d), einzelne auch weniger regelmässig die eireulären durchkreuzend, doch meistens liegen mehrere in der- selben Richtung verlaufende Fasern beisammen. Leydig (15) vermisste die glatten Muskelfasern bei Tritonen, Proteus und Meno- poma und glaubte demnach in Lungen mit zelliger Innenfläche mit glatter Muskulatur und in glattwandige Lungen ohne solche trennen zu sollen. Da schon von H. Müller (71) bei Triton und von Eberth (72) bei Menopoma glatte Muskelfasern in den Lungen nachgewiesen worden sind, bietet dies kein charakteristisches Unterscheidungsmerkmal mehr. Wohl aber werden die nicht alveolär gebauten glattwandigen Lungen, die gewissermaassen nur eine einzige Alveole repräsentiren, als einfachere Fermen den andern gegenüberzustellen sein.

Die Muskel- und Bindegewebsschichte durchbrechend treten kleinere Gefässe zur Innenfläche der Lunge und breiten sich dort als Netz von Capillaren (Fig. 30a) aus. Diese erkannte schon Hyrtl (69) als solche und brachte ihre Grösse richtig in Zu- sammenhang mit der Grösse der Proteusblutkörperchen.

Das die Innenfläche der Lunge d. h. das sich hier ausbrei- tende Capillarnetz mit den dazwischen freibleibenden Stellen der

Beiträge zur Anatomie des Proteus anguineus. 559

bindegewebigen Schicht überkleidende Epithel ist ein eigenartiges (Fig. 30 b). Jede Zelle besteht aus 2 zusammenhängenden Theilen. Der eine sitzt mit breiter Basis, welche den Kern enthält, dem Bindegewebe auf und hat Cylinderform. Vom freien Ende dieses Cylinders geht ein kleiner Fortsatz ab, der umbiegend sieh über die anliegende Capillare wölbt, um sich mit dem Fortsatz einer auf der anderen Seite der Capillare liegenden ebensolehen Zelle zu verbinden. So bilden je 2 Zellen einen Bogen und mehrere solche aneinandergereiht einen Tunnel, in welchem die Capil- lare läuft. Dieser Bau entspricht dem von F. E. Schulze in Stricker's (73) Handbuch der Gewebelehre für Rana esculenta gege- benen Schema. Da das Blut von der Luft nicht nur durch das Epithel getrennt wird, sondern auch durch die Wand der Capillare, so besteht die dünne Wand aus 2 Schichten, dem Fortsatz der Epithelzelle und dem Endothel der Capillare.. Dass dies der Fall ist, beweist das Vorhandensein von Kernen (Fig. 30 ec), welche in der Wand der Capillaren liegend etwas in deren Lumen vorspringen und, wie ich glaube, als Kerne der Endothelzellen aufzufassen sind. Wie beide Zellschichten, Epithel und Endothel, verbunden sind, durch eine Kittsubstanz oder auf eine andere Weise, kann ich zur Zeit nicht entscheiden, jedenfalls ist die Verbindung beider eine sehr innige, da ich eine Ablösung niemals beobachtete.

Da nun die Capillaren ein Netzwerk bilden, so werden die kernhaltigen Theile der Zellen keine Reihen bilden, sondern Gruppen, wie dies von Eberth (72) für Reptilien und Amphibien abgebildet wurde. Ich bemerke dazu, dass der Befund bei Proteus, der Ab- bildung, welche Eberth von der Tritonlunge giebt, näher steht als der für den Frosch gegebenen, indem bei Proteus stets nur wenige Zellen eine Gruppe bilden. Dieses Verhalten könnte man durch die Grösse der Elemente zu erklären versuchen, von denen wenige zur Ueberbrückung der Capillaren genügen, doch ist mir dies unwahrscheinlich, da ja die Capillaren bei Proteus gleichfalls grösser sind, als z. B. beim Frosch. Vielmehr glaube ich, dass, nach der Abbildung Eberth’s zu schliessen, inmitten der Zellgruppen eine Anzahl solcher Zellen sich befinden, welche gar nicht bei der Ueberbrückung der Capillaren betheiligt sein können, da sie nicht randständig sind. Solche Zellen sind nun bei Proteus in den bisher beschriebenen Partieen der Lunge nicht zahlreich.

Aenderungen im Bau treten in den Theilen der Lunge (Fig. 30)

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560 Albert Öppel:

auf, in welchen dieselbe schlauchförmig ist. Die Lunge, welche hier auf dem Querschnitt kleiner erscheint, als eines der sie be- gleitenden Gefässe, zeigt eine weniger dicke Wandung, wie auch Wiedersheim (53) bemerkte. Dies ist zum Theil durch Selten- werden der Muskelfasern (Fig. 50 d) bedingt. Capillaren und Epithel bleiben unverändert.

Hier halte ich den Ort für geeignet, klar'zu legen, wie bei Proteus die verschiedenen Abschnitte. dessen, was gemeiniglich Lunge genannt wird, aufzufassen sind. Alles bisher von mir be- schriebene d.h. die paarigen Abschnitte, sind, wie oben ausgeführt, Lungen zu benennen entgegen Rathke (5), Henle (68) und Hoffmann (25), welche nur die caudalen Erweiterungen als solche bezeichnen.

Der nun folgende unpaare Abschnitt ist nicht als Lunge auf- zufassen, weil sich hier der Bau des Epithels ändert. Dies zeigt sich darin, dass die Capillaren zunächst seltner werden, während sich die Zellgruppen vergrössern, bis schliesslich erstere ganz ver- schwinden. Die Wand ist dann von einem Epithel ausgekleidet, bei dessen Zellen wenigstens zunächst der Uebergangsstelle meist der Höhendurchmesser der grösste ist. Dieser Uebergang findet sich stets an der Stelle, an welcher die beiden .Lungen zu einem unpaarigen Abschnitt zusammenmünden.

Den unpaarigen Abschnitt hat Henle (68) folgendermaassen beschrieben (in Fig. 31 gebe ich die Abbildung Henle’s wieder): „Die einfachste Bildung findet sich beim Proteus anguinus. Die Stimmlade dieses Thieres ist eine cylindrische Höhle, die gegen die Stimmritze hin in einen dünnen Hals ausläuft, nach unten in zwei lange Schläuche übergeht, an deren Enden die Lungen, als einfache Säcke, sitzen (Rusconi gedenkt schon der Knorpel am oberen engeren Canal der Stimmlade). Der Apparat ist häutig, nur in dem oberen engeren Theile liegt jederseits ein eigenthümlich gestalteter Knorpelstreifen (Fig. 31). Derselbe besteht 1. aus einem oberen, breiteren Stück, Pars arytaenoidea (c) mit vorderm geraden, hinterm eonvexen Rand, welches den Eingang zur Stimmlade be- grenzt; beide Ränder kommen nach oben in eine feine Spitze zu- sammen; 2. aus einem ununterbrochen mit dem vorigen zusammen- hängenden schmalen, allmählich nach aussen tretenden Knorpel- streifen, Pars laryngotrachealis (d), der nach unten in 3—4 kurze Spitzen ausläuft, oft auch in der Mitte seiner Länge einen kurzen

Beiträge zur Anatomie des Proteus anguineus. 561

Fortsatz nach innen schickt. In der Pars arytaenoidea ist, nahe ihrem unteren Ende, eine regelmässige ovale Oeffnung, deren längster Durchmesser in der Längsaxe des Thieres liegt. Diese Oeffnung ist vielleicht schon die Andeutung einer Trennung des Stimmladenknorpels in zwei besondere Stücke, welche bei den verwandten Gattungen erfolgt.“

Wir haben demnach einen unpaaren Abschnitt, der in seinem caudalen Theil häutig ist, dann jederseits von einer Knorpelspange unterstützt enger werdend zur Einmündungsstelle in den Oesophagus führt. Kann nun dieser unpaare Abschnitt in Beziehung zu den Bronehen, Trachea und Larynx höherer Thiere gebracht wer- den? Wiedersheim (53) verzichtet von vornherein darauf, indem er schreibt: „Bei Proteus ist eine eigentliche Luftröhre nieht vor- handen, indem man durch einen minimalen Längsschlitz (der median von der ventralen Seite des Vorderdarms ausgeht) in einen weiten sackartigen, die Vorderenden der beiden Lungen commissur- artig miteinander verbindenden Raum geräth.“

Ich möchte im Folgenden diesen unpaaren Abschnitt, den Henle (68) und J. &. Fischer (18) als „Stimmlade“ zusammen- fassen, näher betrachten. Dass die commissurartige Verbindung den Namen Lunge nicht verdient, versuchte ich oben zu beweisen, er ent- spricht vielmehr den Bronchen und der Trachea höherer Thiere; ich werde ihn daher Traeheobronehialraum nennen. Den dem Darm nächstliegenden Theil, der aber vom Tracheobronehialraum nicht seharf abgegrenzt werden kann, werde ich Larynx nennen, da er, wie ich im Folgenden zu beweisen versuchen werde, nach seinem Bau dem Larynx höherer Thiere entspricht. Daran ändert nicht, dass es noch nicht mit Sicherheit festgestellt ist, ob die Stimme des Proteus im Kehlkopf entsteht oder nicht. Die Stimme des Proteus, welehe Schreibers (2) und Michahelles (6) als laut und ähnlich der des Triton beschreiben, habe ich öfter Ge- legenheit gehabt zu hören. Ich hebe letzteres hervor, da J.G. Fischer (18) sagt: „Bekanntlich ist Siren die einzige Gattung, der eine Stimme zugeschrieben wird.“

Unter Zugrundelegung dieser Eintheilung bespreche ich nun den Traeheobronchialraum und Larynx zusammen nach ihrem Bau. Bezüglich des Knorpelstreifens Nabe ich der Beschreibung und Abbildung Henle’s (68), nach der man sich leicht orientirt, wenig zuzufügen. Die Pars arytaenoidea hat 3 Spitzen, eine eranial und

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2 caudal gerichtete, von den caudalen (Fig. 32) sieht die eine (d) nach der medialen, die andere (c) nach der lateralen Seite, letztere ist zugleich etwas dorsal gestellt. Die eraniale Spitze ragt bis in die Höhe des Aditus laryngis und legt sich dort dicht unter das Epithel, welches dieselbe überkleidend an ihrem Rande im Scehlunde eine kleine Einsenkung bildet. Die beiden eaudalen Spitzen (d u. c) entsprechen die mediale dem Processus vocalis und die laterale dem Processus muscularis der Cartilago arytaenoidea höherer Thiere.

Die mit der Pars arytaenoidea verwachsene Pars laryngo- trachealis liegt wie erstere als Knorpelstreifen zu beiden Seiten des Larynx und zieht so nach hinten. An der Stelle, wo die Er- weiterung der Röhre zum Tracheobronchialraum eintritt, folgt der Knorpelstreif dieser zunächst nicht, sondern die beiden Streifen ziehen an der dorsalen Wand des Tracheobronchialraums in gleich- bleibender Entfernung von einander nach hinten. Dann gehen von diesem Streif Seitenzweige ab, wie sie Henle (68) beschrieb. Diese spannen divergirend den Tracheobronchialraum aus.

Das Epithel des Larynx ist ein hohes mehrzeiliges Cylinder- epithel, welches Flimmerhaare von mässiger Länge trägt. Das- selbe grenzt sich mehr allmählig sich verändernd gegen das Epithel des Tracheobronchialraumes, gegen das des Vorderdarmes dagegen scharf ab. An der Grenze gegen den Darm findet sich die oben besprochene Hervorragung des cranialen Fortsatzes der Pars arytaenoidea des Knorpels. Dieselbe ist von einem sehr niedrigen Plattenepithel, bestehend aus 2 Lagen von cubischen Zellen überkleidet. Diese gehen unvermittelt in das Cylinder- epithel des Larynx über, welches etwa die doppelte Höhe des ebenbeschriebenen hat. Da die Oeffnung gegen den Darm nicht am eranialen Ende des Larynx liegt, sondern auf der dorsalen Seite desselben, ist es verständlich, wie die Einmündung der beiden in einer Richtung verlaufenden Röhren ineinander ohne Umbiegen des Larynx stattfinden kann.

Am Processus vocalis des Arytaenoidknorpels, der eine leichte Hervorragung gegen den Larynx bildet, finde ich das Epithel in einer eigenthümlichen Weise verändert. Dasselbe senkt sich an dieser Stelle etwa zu einem Viertel seiner Höhe ein, wie wenn die obersten Zellen des Epithels an dieser Stelle auf das Binde- gewebe geheftet wären und dadurch die benachbarten Epithelzellen

Beiträge zur Anatomie des Proteus anguineus, 563

auseinander gedrängt hätten. Da ich diese Stelle in vier untersuchten Fällen traf, glaube ich, dass es nichts zufälliges ist. Vielleicht bildet es eine Andeutung des bei andern Amphibien sich an dieser Stelle findenden Stimmbandes, welches gleichfalls von einem Platten- epithel überkleidet ist.

Im Tracheobronchialraum wird das Epithel allmählig ein- zeilig eylindrisch, dann cubisch, an der ventralen Wand selbst im nichtgedehnten Zustand platt. Nur an den Stellen der Schleim- haut, welche den Knorpelstreifen anliegen, setzt sich das Cylinder- epithel des Larynx fort und zwar soweit die Knorpelstreifen reichen; dasselbe zeigt auch hier noch vielfach Flimmerung. Auf einem Schnitt kann die ventrale Wand des Tracheobronchialraumes plattes, die dorsale cubisches und die beiden lateralen Wände, denen die Knorpelstreifen anliegen, hohes cylindrisches Epithel zeigen.

Im Epithel, namentlich in dem des Larynx, seltener im Tracheo- bronchialraum, fand ich die bei Beschreibung der Mundhöhle auf-, geführten Arten von Wanderzellen, häufig solche mit Einschlüssen. Nie fand ich grössere Ansammlungen von Wanderzellen in oder unter dem Epithel.

Die Kehlkopfmuskeln wurden zuerst eingehend von Henle (68) untersucht. Derselbe beschrieb einen Musculus dilatator aditus laryngis. Er ist nach Henle bei Proteus nur ein Theil eines Muskels, der vom Zungenbein und zwar vom untersten Horn oder der Columella (Fig. 31a) entspringt, von hier aus sich fächerförmig gegen die Mittellinie hin ausbreitet und über und vor der Stimm- lade Henle’s mit dem gleichnamigen Muskel der andern Seite in einer Art Linea alba zusammenkommt. Der „untere* Theil dieses Muskels befestigt sich bei Proteus (Fig. 31b) „an die ganze vor- dere Fläche des Knorpels der Stimmlade und geht vor der ovalen Oeffnung in dessen oberem Theil zum inneren Rand desselben.“ „Er kann daher auch nicht nur die Ränder des Stimmladeneinganges auseinanderziehen, sondern auch die Stimmlade sammt der vordern Körperwand, auf der sie ruht, gegen die Wirbelsäule zurück- bewegen oder bei der natürlichen Lage des Reptils aufheben.“

J. G. Fischer (18) bemüht sich nachzuweisen, dass der Dilatator Henle’s gar kein Dilatator sei, vielmehr ein Constrictor, während ein wahrer Dilatator Proteus und anderen fehle. Er sucht dies durch die Angabe zu begründen, dass bei allen untersuchten Gattungen die Luftröhre im ganzen Bereich des Muskelansatzes

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ein häutiger Schlauch sei, welcher durch seitlichen Zug platt werde. Dies ist nun aber gerade bei Proteus nicht der Fall, indem sich hier der Dilatator (Fig. 32 f) an den bis aufden Tracheobronchial- raum übergreifenden Knorpelstreifen inserirt. Es kann hier dieser Muskel demnach nur als Dilatator wirken.

Bezüglich eines Constrietor aditus laryngis (Henle) (68) sagt J. G. Fischer (18): „Alle Perennibranchiaten und Derotremen scheinen mit diesem Muskel ausgerüstet zu sein,“ führt dies jedoch ebenso wie Henle (68) für Proteus nicht weiter aus. Dubois (74) erklärt 1886, Proteus habe keinen Constrietor. Wiedersheim(53) sieht sich 13836 noch zu der Angabe veranlasst, dass ein Museulus constrietor Proteus zu fehlen scheine; 1888 (57) jedoch gesteht er demselben einen solchen zu. Letztere Angabe kann ich bestätigen.

Der Constrietor laryngis (Fig. 32e) zerfällt bei Proteus im Ganzen in 4, d. h. dorsal und ventral je in 2 in einer Art linea alba in der Medianlinie zusammenschliessende Hauptmuskelzüge. Diese verlaufen von der Medianlinie zu dem Processus muscularis (ec) des Arytaenoidknorpels und bilden, sich dort inserirend, zusammen einen Ring oder besser eine rhombische Form. Von jedem dieser 4 Hauptmuskeln gehen ferner Züge, sich abzweigend, durch das zwischen beiden Knorpeln liegende Loch, um sich auf der andern Seite des Processus museularis zu inseriren, die dorsalen ventral und die ventralen dorsal (Fig. 32 h). Weitere 4 Züge gehen direkt von der Medianebene zum Processus vocalis (d), um sich dort zu inseriren (g). Alle diese Muskelzüge (e g h) können, da beide Knorpel bei Proteus unter sich verwachsen sind, nur als Constrie- toren wirken. .Bei verschiedenen Thieren fand ich noch einzelne Bündel von weniger regelmässigem Verlauf, z. B. von einem Knorpel zum andern in der Längsrichtung verlaufend, da diese jedoch variiren, glaube ich nicht näher auf dieselben eingehen zu sollen.

Ich glaube, dass die geschilderten Verhältnisse es nicht mehr zweifelhaft lassen, dass die Lungen des Proteus, wenigstens was ihren histologischen Bau anbelangt, sich nicht wesentlich von den Lungen Luft athmender: Amphibien unterscheiden.

Beiträge zur Anatomie des Proteus anguineus. 565

Zusammenfassung.

1) Ein Thränenkanal existirt (gegen Born, der dies in Ab- rede stellt).

2) Drei Schilddrüsen sind vorhanden (gegen Leydig, der nur eine annimmt).

3) Tonsillenähnliche Gebilde kommen bei Proteus vor.

4) Oesophagus, Fundus und Pylorustheil des Magens sind histologisch scharf zu unterscheiden.

5) Im Darm sind Drüsen vorhanden (gegen Leydig).

6) Das Pankreas ist wohlcharaeterisirt.

7) Zahlreiche Ausführungsgänge der Leber und des Pankreas bilden ein zusammenhängendes Netz.

8) An einer zweiten Stelle münden zahlreiche isolirte Aus- führungsgänge des Pankreas in den Darm.

9) Lymph- und Blutbahnen der Leber coineidiren nicht.

10) Die Pigmentinseln der Leber liegen innerhalb des Lymph- systems.

11) Die Pigmentzellen der Leber und des Darmes sind Wanderzellen.

12) Wanderzellen begrenzen stets kapselartig die Pigment- zellgruppen der Leber.

13) Larynx, Tracheobronchialraum und Lungen sind von ein- ander abgegrenzt.

14) Die Lunge ist, nach dem histiologischen Bau zu urtheilen, funktionsfähig.

Schliesslich danke ich Herrn Professor Dr. von Kupffer sowie Herrn A. A. Böhm für die mir bei dieser Arbeit gewährte Unterstützung und freundliche Theilnahme herzlich.

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Beiträge zur Anatomie des Proteus anguineus. 567

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36. 1880. Heidenhain. Physiologie der Absonderungsvorgänge in Herrmanns Handbuch der Phys. Bd. V. Theil 1. | 37. 1880. Klaussner. Studien über die Muskelanordnung am Pylorus der Vertebraten. Stuttgart.

88. 1881. Langley. On the Histology and Physiology of Pepsin forming Glands Phil. Trans.

39. 1881. Weinzettl. Zur Kenntniss des weiblichen Proteus anguineus. Sitzungsber. der kön. böhm. Ges. der Wiss. in Prag.

40. 1882. Afanassiew. Ueber anatomische Veränderungen der Leber ete. Pflüger’s Arch. 30. Bd.

41. 1882. Nussbaum. Ueber den Bau und die Thätigkeit der Drüsen IV. M. Arch. f. mikr. Anat. Bd. 21.

568 Albert Oppel: %

42. 1882. Reichel. Beitrag zur Morphologie der Mundhöhlendrüsen der Wirbelthiere. Morph. Jahrb. Bd. VII.

43.. 1882. Wiedersheim. Die Anatomie des Frosches III. Abth. Lehre von den Eingeweiden ete. Braunschweig.

44. 1883. Born. Die Nasenhöhlen und der Thränennasengang der amnioten Wirbelthiere III. Morph. Jahrbuch 8. Bd.

45. 1883. Ogata. Die Veränderungen der Pankreaszellen bei der Seeretion. Arch. f. Physiol.

46. 1884. Ludwig Ferdinand von Bayern kgl. Hoheit. Zur Anatomie der Zunge. München.

47. 1884. Stöhr. Ueber Mandeln und Balgdrüsen. Virch. Arch. Bd. 97.

48. 1885. Carriere. Die postembryonale Entwicklung der Epi- dermis des Siredon pisciformis. Arch. f. mikr. Anat. 24. Bd. mit Tafel II. und II.

49. 1885. Holl. Ueber das Epithel in der Mundhöhle von Sala- mandra maculata. Sitzungsber. der kais. Ak. d. Wiss. zu Wien Math.-nat. Cl. III Abth.

50. 1885. Rabl. Ueber Zelltheilung. Morph. Jahrb. 10. Bd.

51. %886. List. Ueber Becherzellen. Arch. f. mikr. Anat. Bd. 27.

52. 1886. List. Zur Morphologie wandernder Leukocyten. Arch. f. mikr. Anat. Bd. 28.

53. 1886. Wiedersheim. Lehrbuch der vergleichenden Anatomie der Wirbelthiere. 2. Aufl. Jena.

54. 1887. Holl. Zur Anatomie: der Mundhöhle von Rana tempo- raria. Sitzungsber. der k. Akad. der Wiss. zu Wien. III. Abth.

8. 1887. Leonard. Der Einfluss der Jahreszeit auf die Leber- zellen von Rana temporaria. Arch. für Anat. u. Physiologie. Physiol. Abth. Supplement-Band. E

56. 1888. Heidenhain. Beiträge zur Histologie und Physiologie der Dünndarmschleimhaut. 4 Taf. Pflügers Arch. 23. Bd. Supplementheft.

57. 1888. Wiedersheim. Grundriss der vergleichenden Anatomie der Wirbelthiere. Jena.

58. 1888. Maurer. Schilddrüse, Thymus und Kiemenreste der Amphibien. Morph. Jahrb. 13. Bd.

59. 1889. List. Ueber den feineren Bau Schleim secernirender Drüsenzellen ete. Anatom. Anzeiger. IV. Jahrg.

60. 1889. Zeller. Ueber die Fortpflanzung des Proteus anguineus und seine Larve. Jahreshefte des Ver. f. vaterl. Naturk. in Württemberg. Stuttgart.

61. 1889. v. Kupffer. Ueber den Nachweis der Gallenkapillaren etc. Sitzungsber. der Gesellsch. f. Morph. u. Physiol. München.

62. 1889. R. Stintzing. Zum feinern Bau und zur Funktion der

Beiträge zur Anatomie des Proteus anguineus. 569

Magenschleimhaut. Sitzungsberichte der Gesellsch. für Morph. u. Physiol. in München.

63. 1889. List. Zur Herkunft des Pigmentes in der Oberhaut. Anatom. Anz. IV. J. Nr. 19.

b) für die Lungen sind zu berücksichtigen von a) die Natamerh.2 3. 4. 5.6.1011: 15. 18. 254 58. 57,’ ferner:

64. 1820. Lettre de M. Charles de Schreibers ä M. Dumieril sur le Protee, et observations de M. Blainville a ce sujet. Isis p. 567.

65. 1820. Isis. Ref. der Monographie Rusconi’s pag. 570.

66. 1837. Proceedings of the Zoological Society of London 8. 165. Isis 1841 pag. 957.

67. 1835. Rudolph Wagner. Anz.: Observ. anat. sur la Sirene mise en par. Rusconi. Gelehrte Anzeigen der k. bayer. Akad. d. Wiss, Nr. 18.

68. 1839. Henle. Vergleich. anatom. Beschreibung des Kehlkopfs Leipzig.

69. 1844. Hyrtl. Berichtigungen über den Bau des Gefässsystems von Hypochthon Laur. Medic. Jahrb. des k. k. österr. Staat. 48. Bd. pg. 257.

70. 1844. Isis pg. 502. Rusconi. Neue Beobachtungen über den Proteus ang. 1843. Dass. Ref. Fror. Neue Not. Bd. 1843. S. 295. (Inhalt bei- der Ref. nicht übereinstimmend.)

71. 1861. H. Müller. Ueber Muskeln in den Lungen von Triton. Würzburg. naturwiss. Zeitschr.

12. 1863. Eberth. Ueber den feineren Bau der Lunge. Zeitschr. f. wiss. Zool. 12. Bd.

73. 1871. Stricker’s Handbuch der Lehre von den Geweben. Leipzig.

74. 1886. E. Dubois. Zur Morphologie des Larynx. Anatomischer Anzeiger pg. 225.

Erklärung der Abbildungen auf Tafel XXVIII, XXIX und XXX.

Sämmtliche Zeichnungen wurden von C. Krapf, Universitäts-Zeichner in München, ausgeführt unter Benützung eines Zeichenprismas zur Anlage; Schemata nach den von mir gegebenen Skizzen. Gezeichnet wurde mit Leitz Tubuslänge 160 mm in Tischhöhe mit den jeweilig angegebenen Systemen.

Fig. 1. Obj. 9. Oc. I. Epithel der Mundhöhle. Osmiumsäure. a. Zellen der Deckschicht ; b. Becherzellen.

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16.

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18.

Albert Oppel:

. 2. Apochr. Oel.-Imm. Oc. IV. Sinnesorgan vom Unterkiefer. Sublimat.

a. Röhre.

Apochr. Oel-Imm. Oc. IV. Epithel aus der Lippengegend. Chrom- säure. Methylgrün-Eosin-Fuchsin-S. Picrinsäure. a. Epithelzellen; b. Wanderzellen.

Obj. 5. Oc. I. Tonsille.. Chromsäure. Methylgrün-Eosin-Fuchsin-S. Picrinsäure. a. Gefässe und Capillaren; b. Epithelzellen; c. Wander- zellen.

Obj. 1. Oc. I. Querschnitt durch die Mundhöhle hinter dem Kiefer- gelenk. Chromsäure. Safranin. a, Kiefergelenkanschnitt; b. Ton- sille; c. Unpaare Schildrüse;, d. Basibranchiale I; e. Keratohyoid. Schema für den Veriauf des Thränenkanals des 3. darauf unter- suchten Proteus.

Schema für den Verlauf des Thränenkanals des 4. darauf unter- suchten Proteus. Schnauze von oben gesehen, durchsichtig gedacht. N. = Nase; A. = Auge.

Obj. 3. Oe. I. Querschnitt durch den Kopf, treffend Auge und Thränenkanal rechts, Chromsäure (4. darauf untersuchter Proteus). a. Thränenkanal; b. Auge; c. Nerv.

Schema. Visceralskelett (aus Rusconi (8) entnommen). Die mar- kirten Punkte zeigen die Lagen der Schilddrüsen an.

Obj. 5. Oe. I. Querschnitt durch die paarige Schilddrüse. Chrom- säure. Hämatoxylin. a. Tasche der Mundhöhle; b. das dieselbe aus- kleidende einschichtige Epithel; c. Läppchen der Schilddrüse; d. Gefäss; e. Nerv.

Apochrom. Oelimm. Oc. 4. Epithel des Oesophagus. Osmiumsäure. a. Becherzellen; b. Geschlossene Zellen.

Obj. 4. Oe. I. Oesophagealdrüse. Chromsäure. Thier im Hunger- zustand. a. Mucosa; b. Ringmuskelschicht; c. Längsmuskelschicht; d. Drüse; e. Anschnitt einer Drüse; f. Einbezogene Cylinderzellen; g. Drüsenzellen.

. Obj. 4. Oc. I. Oesophagealdrüse. Oesophagus gedehnt durch inji-

cirte Osmiumsäure.

. Obj. 9. Oec. I. Magenepithel.‘ Osmiumsäure. . Obj. 7. Oe. I. Magendrüse. Sublimat. Methylgrün-Eosin-Fuchsin-S.

Pierinsäure. a. Schleimzellen; b. Labzellen; c. quergeschnittener Drüsenschlauch.

Obj. 7. Oc. I. Zwei Mitteldarmdrüsen. Sublimat. Methylgrün-Eosin- Fuchsin-S. Picrinsäure. a. Epithelzellen des Darms; b. Drüsenzellen; ec. Wanderzellen; d. desgl. Körnchenzellen.

Obj. 7. Oe. I. Mitteldarm. Mitte. Chromsäure.. Hämatoxylin 24 Stunden. Oxalsäure. a. Fetttröpfchen im Epithel; b. Wanderzelle mit Fetteinschlüssen.

Obj. 7. Oc. I. Mitteldarm, hintere Partie. Sublimat. Methylgrün-

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19.

20.

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30.

Beiträge zur Anatomie des Proteus anguineus. 571

Eosin. Uebersichtsbild. Wanderzellen a. im und b. unter dem Epithel mit Pigmenteinschlüssen.

Obj. 9. Oec. I. Mitteldarm, hintere Partie. Sublimat. Methylgrün- Eosin-Fuchsin-$8., Picrinsäure. Wanderzellen a. im und b. unter dem Epithel mit Pigmenteinschlüssen; c. Pigmentkörnchen im Epithel. Obj. 7. Oe. I. Enddarm mit Drüse. Sublimat. Methylgrün-Eosin- Fuchsin-S. Picrinsäure. a. Wanderzellen mit Pigmenteinschlüssen ; b. Körnchenzellen.

. Obj. 2. Oc. I. Leber und Pankreas. Querschnitt. Uebersichtsbild

von einem im August frischbezogenen Thier. Chromsäure. Methyl- grün-Eosin-Fuchsin-$S. Picrinsäure. a. Pankreas; b. Leberbalken; c. Pigmentzellgruppen:;d. Wanderzellen ; e. Gallengänge; f. Blutgefässe.

. Obj. 9. Oe. O (ausgef. mit Oc. 1). Pankreas. Hungerzustand. Sub-

limat. Methylgrün-Eosin-Fuchsin-$S. Picrinsäure. a. Ausführungs- gang; b. Körnchenzelle.

. Obj. 9. Oe. O. Pankreastukulus 36 Stunden nach Nahrungsauf-

nahme. Sublimat. Methylgrün-Eosin-Fuchsin-S. Picrinsäure,

. Obj. 4. Oe. I. Querschnitt durch den Darm in der Gegend der

Pankreasausführungsgänge. Sublimat. a. Pankreasausführungsgänge; b. Pankreastubuli.

Schema für Leber und Pankreasausführungsgänge. Sagittalschnitt. D. Darm; P. Pankreas; L. Leber; G. Gallenblase; a. vordere Ein- mündungsstelle in den Darm; b. hintere Einmündungsstelle in den Darm; d. p. a. Die vordern Pankreasausführungsgänge; d. p. p. Die hintern Pankreasausführungsgänge; d. h. e. Direkt in den Darm mündende Leberausführungsgänge; d. c. y. Ductus cysticus; d. ch. Ductus choledochus; d. h. Ductus hepaticus.

Obj. 8. Oc. I. Leber nach der Böhm’schen Methode für Bindegewebe behandelt. Methylgrüneosin. a. Schnitt durch eine Pigmentzell- gruppe; b. Anschnitt einer solchen; c. Gefässe; d. Leberzellen; e. Das die Blut und Lymphbahnen umspinnende Netzwerk.

. Obj. 9. Oc. I. Pigmentzellgruppe aus der Leber. Sublimat. Methyl-

grün-Eosin-Fuchsin-S. Picrinsäure. a.b.c. verschiedene Zerfalls- stadien der Pigmentzellen; d. Wanderzellen; e. desgl. Körnchen- zellen; f. Leherzelien.

28. Obj. 9. Oc. I. Wanderzelle mit Pigmenteinschluss in der Leber.

Chromsäure. Methyl-Eosin-Fuchsin-S. Picrinsäure.

. Obj. 9. Oc. I. Pigmentzellgruppe aus der Leber. Sublimat. Methyl-

grün-Eosin-Fuchsin-S. Picrinsäure. Mit Fuchsin-S. roth gefärbte Einschlüssse.

Obj. 7. Oc. I. Querschnitt durch die Lungen aus dem schlauch- förmigen Abschnitt. Flemming’sche Flüssigkeit. a. Capillaren; b. Epithel; c. Endothelkern der Capillaren; d. Glatte Muskelfasern,

=

572 Albert Oppel: Beiträge zur Anatomie des Proteus anguineus.

Fig. 31. nach Henle. „Stimmlade des Proteus anguineus von hinten ge- öffnet. Etwa um das Doppelte vergrössert. a. Columella; b. Musculus dilatator aditus laryngis; c. Pars arytaenoidea; d. Pars laryngo trachealis des einfachen Stimmladenknorpels.‘“

Fig. 32. Obj. 3. Oc. I. Querschnitt durch den Larynx in der Höhe der Verbindung der Pars arytaenoidea mit der Pars laryngotrachealis (Henle), Müller’sche Flüsssigkeit. a. Epithel der Mundhöhle; b. Epithel des Larynx; c. Processus muscularis des Arytaenoid- knorpels; d. Processus vocalis des Arytaenoidknorpels; e. Musculus eonstrietor von der Medianebene zu dem Processus muscularis ver- laufend; f. Musculus dilatator inserirt am Processus muscularis; g. Muskelzüge von der Medianebene zum Processus vocalis; h. Muskel- züge von der Medianebene zum Processus muscularis der andern Seite (ventral nach dorsal).

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