MARINE BIOLOGIGAL LABORATORY, Received. Accession No. Given by *,* No book or pamphlet is to be removed from the Lab- oratory without the permission of the Trustees, } MN Ian, ANES TOURAN SE Hill N IHA ER I, Fi PER AAN NN DSH, N ' N MN and Lu R\ ar ‘8 ! « RER Ru E a Kram ’ Me IR: i Ar W 4 II Be } { N ’ AR SD D MEN hd ar N, "eg Y Ka F ar u MT vn ‚er ’ h Yu: Be H 146 j LEO Ri ’ le 4 X - % 1“ A r hi ra Bu TEN 1 RL "A: | Ha MAR) w AN a Yu ARTer x vr K ar BEN Au: - pn N uB all, Rx » DL H } wi‘ A te er N L' ı RR CH . un Archıv Mikroskopische Anatomie herausgegeben von O. Hertwig in Berlin, v. la Valette St. George in Bonn und W. Waldeyer in Berlin. Fortsetzung von Max Schultze’s Archiv für mikroskopische Anatomie. Einundvierzigster Band. Mit 40 Tafeln und 3 Abbildungen im Text. Bonn Verlag von Friedrieh Cohen 1893. wis Parse a BE | aaa 4 DE Fe = Knie ir si e Rt ER ee up NEL VE dir i ‚ d Unis alaıy ehr fr x B b > A 5 BA gl er Dre au) 5 sh nn ar 2 Fe ’ - 842 a FR BED NE 2; Ka A yrr A EN Inhalt. Zur vergleichenden Anatomie der Lidmuskulatur. Von Dr. J. Klodt. (Aus dem anatomischen Institut in Bonn.) Hierzu Tafel I—-IV Beiträge zur Anatomie des Magens des alarm ch Affen (Ce copitheeus und Inuus). Von Hugo Salomon, cand. med. Hierzu Tafel V und VI. Ab Rs L HF Künstliche Nachbildung von ernten ren. Von Dr. H. Henking (Göttingen). Hierzu Tafel VII . AR 1ER Ueber einen sehr jungen Anadidymus des Hühnchens. Von Dr. Erich Hoffmann, Unterarzt. (Aus dem I. anatomischen Institut der Universität Berlin.) Hierzu Tafel VIII Zur Frage über den Bau der Nervenzellen und über das Ver- hältniss ihres Axencylinder-(Nerven-)Fortsatzes zu den Proto- plasmafortsätzen (Dendriten). Von A. S. Dogiel, Professor der Histologie an der Kais. Universität Tomsk (Sibirien). Hierzu Tafel IX und X. \ Beiträge zur mikroskopischen Anatomıa is Vor eMarmes Von M. Cloetta. (Aus dem anatomischen Institut in Zürich.) Hierzu Tafel XI. Beiträge zur Lehre von der Fortpilanzung ed Vererbung, Yan M. Nussbaum - ER SE Se Bemerkung zu der Arbeit‘ von Prof. w. B. Huber „Ueber das Verhalten der Kerne der Schwann’schen Scheide bei Nerven- degenerationen“ in diesem Archiv Bd. 40, Heft 3. Von Dr. O. v. Büngner A N MR: Zur Histologie der enschliähen. Belibai spec. der Macula lutea und der Henle’schen Faserschicht. Von Dr. med. Alfred Schaper, Assistent am anatomischen Institut zu Zürich. Hierzu Tafel XII Untersuchungen über das Gehirn dbr V os on Dr. F. Br ande (Friedrichsberg, Hamburg). I. Theil: Uebergangsgebiet vom Rückenmark zur Medulla oblongata. Hierzu Tafel XIII Die Nervenendigungen in den Schmeckbechern der Säuger. Von Prof. C. Arnstein. Hierzu Tafel XIV . Ueber den Graaf’schen Follikel, seine Entstehung beim Menschen und seine Schicksale bei Mensch und Säugethieren. Von Dr. J. Schottlaender. Hierzu Tafel XV und XVI : Ueber drüsenähnliche Bildungen in der Schleimhaut des Nieren- beckens, des Ureters und der Harnblase beim Menschen. Von Dr. A. v. Brunn, Professor in Rostock. Hierzu Tafel XVII Ueber Cysten der ableitenden Harnwege. Von Dr. OÖ. Lubarsch, Privatdocent und Assistent am pathologischen Institut der Universität Rostock. Hierzu Tafel XVII . Seite 19 28 40 146 147 168 195 294 303 IV Inhalt. Die Keimzone in den Genitalschläuchen von Ascaris megalo- cephala. Von Dr. von Wasielewski. (Aus dem II. anato- mischen Institut zu Berlin.) Hierzu Tafel XIX ..... Berichtigung in Sachen der Kerntheilung in den Nervenfasern nach Durchschneidung. Von Dr. G. Bizzozero . . ... Die Keimblätterbildung bei den Cladoceren. I. Moina rectirostris Baird. Von Dr. phil. et med. Paul Samassa in Heidelberg. Hierzu Tafel XX, XXI und XXIUI.... . s i Studien über Pigmentzellen. I. Ueber die Arordanne des Archi- plasmas in den Pigmentzellen der Knochenfische. Von K.W. Zimmermann. Hierzu Tafel XXIH und XXIV . .... Die Mitteldarmdrüse des Flusskrebses und die amitotische Zell- theilung. Von Prof. Joh. Frenzel (Friedrichshagen). Hierzu PAIN UHANRXVI al Ani Biel Zar Drie Das Keimbläschen, seine Elemente und Lageveränderungen. I. Ueber die biologische Bedeutung des Keimbläschenstadiums und über die Bildung der Vierergruppen. Von Dr. Valentin Häcker, Privatdocent und Assistent am zoologischen Institut der Universität Freiburg i. Br. Hierzu Tafel XXVII und XXVII und eine Textfigur . . FRESER 5 ; Untersuchungen über die Peine > nz anetnen Yon Dr Otto M. Reis, Kgl. Oberbergamt, München. Hierzu Tafel XXIX. XXX ad RAR HEHE Ana re Die Nervenendigungen in der Schleechant der äusseren Genital- organe des Menschen. Von A. S. Dogiel, Professor der Histologie an der Universität Tomsk (Sibirien). Hierzu Tafel XXX mnd XXXIN und ein; Holzschnitt in. 7° nase Neuroglia der Retina des Menschen. Von A. S. Dogiel, Pro- fessor der Histologie an der Universität zu Tomsk en Dritte Mittheilung. Hierzu Tafel XXXIV . 3 Untersuchungen über das Gehirn der Vögel. Von Dr. F. Br an die (Friedrichsberg, Hamburg). II. Theil: Ursprung der Nerven der Medulla oblongata. Hierzufatel IR V Seller - nn nee itterbildung bei den Cladoceren. Von Dr. phil. et be . Samassa, Privatdocent der Zoologie in Heidelberg. II. rs Tafel XXXVI-XXRXRı 1... ; s : Zur Kenntniss der Regeneration Enshschüiltener Ne Eine experimentelle Studie. Von Rud. Kolster in Helsingfors (Finn- land). (Aus dem pathologischen Institut zu Helsingfors.) Zuerau Talol Au/ An: Hr. 2 PER), - Bemerkungen zu der Khan De Eee „Ueber den Graaf’schen Follikel etc.“ d. d. 41. Bd. S. 219. Von Dr. W. NEBSLL[BeIIH) Nrustt. +; 221 eeer Seite 324 338 339 367 389 492 688 706 (Aus dem anatomischen Institut in Bonn.) Zur vergleichenden Anatomie der Lid- muskulatur. Von Dr. 3. Klodt. Hierzu Tafel I—-IV. Auf Veranlassung meines verehrten Lehrers Herrn Prof, M. Nussbaum hehandelte ich in meiner Inaugural-Dissertation !) die LidAuskulatur des Menschen und ihr Verhältniss zum Thränen- Apparat und den übrigen Gebilden des Augenlides. Unter seiner Leitung und mit seiner Unterstützung setzte ich die begonnene Arbeit fort. Genauere Untersuchungen über den Gegenstand haben in manche Punkte grössere Klarheit gebracht. Bei Thieren ergaben sich ganz andere anatomische Verhältnisse als beim Menschen ; nicht aber derart, dass nicht der ausgebildetere Zu- stand beim Menschen auf den niederen bei den Säugethieren zu- rückgeführt werden könnte. Die Resultate der betreffenden Ar- beiten sollen hier im Zusammenhang mitgetheilt werden. Berücksichtigt wird nur die neueste Litteratur über dieses Thema, bezüglich der älteren auf die Angaben Merkel’s?) und auf das Referat Lesshaft’s?) verwiesen. A. Makroskopische Anatomie des Lidmuskels. Der M. orbieularis palpebrarum des Menschen bezieht von verschiedenen Gegenden seine Fasern. Als Ursprünge derselben dienen das Ligamentum palpebrale mediale, der Processus nasalis des Oberkiefers, der Thränensack und das Thränenbein. 1) Zur vergleichenden Anatomie der Lidmuskulatur. Bonn, 1890. 2) Graefeund Saemisch’s Handbuch der gesammten Augen- heilkunde. Bd. 1. 3) Archiv für Anatomie und Physiologie. Jahrg. 1868. Archiv für mikrosk. Anat. Bd. 41 1 2 Dr. J. Klodt: Die Anatomie des medialen Lidbandes und das Verhältniss desselben zum Thränensack ist von Merkel u. A. so ausführ- lich behandelt worden, dass hier nur die Hauptpunkte zum Ver- ständniss der späteren Bemerkungen kurz wiederholt zu werden brauchen. I. Das Lig. palpebr. mediale erstreekt sich vom oberen Theile des Nasenfortsatzes des Ober- kiefers_in horizontaler Riehtung über die freie Wand des Thränen- sacks hinüber und inserirt, mehr als doppelt so breit wie an seinem Anfang, an der Crista laerim. post. des Thränenbeins. Der Theil des Bandes, welcher vom Nasenfortsatz des Oberkiefers bis zum medialen Augenwinkel reicht, wird als vorderer, der andere Theil als hinterer Schenkel bezeichnet. Der obere Rand des Bandes ist mit dem Nasenfortsatz (des Oberkiefers und mit der Kuppe des Thränensacks fest verwachsen, während zwischen dem unteren Rande des Bandes und den genannten Theilen ein spalt- förmiger Zwischenraum bleibt. Nach v. Gerlach!) liegt spe- ziell der vordere Schenkel mit seiner medialen Hälfte auf dem Proc. nasal. des Oberkiefers und auf der vorderen Wand des Thränensacks, die laterale Hälfte grenzt nach hinten an das Sammelrohr der Thränenkanälchen (s. u. S. 12); der hintere Schen- kel liegt auf der hinteren Wand des Thränensacks. Im Grossen und Ganzen ist somit, wie schon Henle hervorhob, das Lig. palp. med. ein über den Thränensack von dem Proc. nasal. des Oberkiefers zur Crista lacrimalis posterior hinziehendes bogen- förmiges Band, das, wie nunmehr in der Beschreibung der Lid- muskeln gezeigt werden wird, als Sehne dieser Muskeln fungirt. II. Die Lidmuskulatur. a. Muskelfasern, welche im Bereich des vordern Schenkels des medialen Lidbandes entspringen. 1. Der obere Rand des vorderen Lidbandschenkels dient einer grosen Anzahi von Muskelfasern zum Ursprung. Dieselben gehören nicht alle zum Lidmuskel. Vielmehr ziehen diejenigen Bündel, welche von dem nasalen Ende des Bandes herkonmen, in mehr vertikaler Richtung zur Stirn hin. Die übrigen Fasern 1) Beiträge zur normalen Anatomie des menschlichen Auges. Leipzig 1880. Zur vergleichenden Anatomie der Lidmuskulatur. 3 ziehen eoncentrisch um den obern Rand der Lidspalte herum ; je weiter nasalwärts die Bündel vom Bande abgehen, einen desto grösseren Bogen bilden sie. Die dem Lidrand zunächst gelegenen Fasern entspringen in der Nähe des Canthus oculi internus, ohne jedoch den freien Rand des Lides zu erreichen. 2. In ähnlicher Weise entspringen vom unteren Rande des vorderen Lidbandschenkels, nasalwärts beginnend, Muskeln zur Haut der Wange und weiterhin zum Lidwinkel eine feine ober- flächliche Schicht ‚von Fasern des Lidmuskels, die ebenfalls den freien Lidrand nicht ganz erreichen. 3. Aus dem oben erwähnten spaltförmigen Zwischenraum zwischen dem unteren Rande des vorderen Lidbandschenkels einerseits und dem Proc. nasal. des Oberkiefers resp. dem Thränen- sack anderseits kommen Fasern hervor, welche von der Gesichts- fläche der beiden letztgenannten Theile und von der hintersten Fläche dieses Bandschenkels entspringen. Der Verlauf dieser Fasern ist entsprechend dem der vorher (unter a) beschriebenen: der grösste Theil der dem Proc. nasal. des Oberkiefers entstam- menden strahlt zu Wange und Nase aus; die vom Thränensack kommenden bedecken das untere Augenlid, indem sie eoncentrisch um den untern Rand der Lidspalte herumlaufen, ohne jedoch an diesen dieht heranzukommen. j Der Kürze halber soll auch hier die Gesammtheit der unter 1 und 2 beschriebenen Fasern als M.lacrimalis anterior bezeich- net werden, nach Henke’s!) Vorgang. Da der M. lacrimalis anterior nicht an den freien Lidrand herankommt, so kann er auch keine Beziehung zu den Thränenkanälchen haben. 4. Eine geringe Anzahl von Muskelfasern entspringt der Stelle des medialen Lidbandes, wo der vordere und der hintere Schenkel desselben zusammenstossen, also unmittelbar am medialen Augenwinkel. Diese Fasern sind anatomisch nicht von den vor- her angeführten zu trennen, schliessen sich diesen vielmehr un- mittelbar an, verdienen jedoch besondere Erwähnung desshalb, weil sie an den freien Lidrand herantreten, denselben in seiner vorderen Hälfte einnehmen und demnach parallel der vordern Wand der Thränenröhrehen verlaufen. Auch von Gerlach sondert diese Fasern von denen des M. lacrimalis anterior ab und 1) Archiv für Ophthalmologie. Bd. IV. Abth. 2, 4 Dr. J. Klodt: bezeichnet sie insgesammt als M. ciliaris Riolani. (Vgl. Fig. 1 MeR. Wir kommen auf den Museulus Riolani weiter unten zurück.) b. Muskelfasern, welche im Bereich des hintern Schenkels des medialen Lidbandes entspringen. Um diesen Theil der Lidmuskulatur bequem präpariren zu können, verfährt man, wie mehrere Autoren angeben, in folgender Weise: Man halbirt die Lider durch einen sagittalen Schnitt, schlägt die Theile zur Seite und räumt unter Schonung des Thränensacks und seiner Nachbarschaft die Orbita aus. Dann durchschneidet man die Haut und Muskulatur der Stirn und Wange in der Verlängerung des Lidschnitts und entfernt durch einen Sägeschnitt die temporalen Theile des Schädels mit ihren Bedecekungen. Die nasalen Lidhälften werden so befestigt, dass die Conjunetiva nach vorn sieht. Dann wird die Muskulatur frei präparirt. Für die folgende Darstellung sei bemerkt, dass die Bezeichnung der Fasern der Lage der Lider entspricht, die den- selben zum Zweck der Präparation gegeben ist, nicht dem natür- lichen Situs. Die „vordersten“ Fasern sind also die in situ dem Bulbus, die „hinteren“ die der äusseren Haut näher liegenden ; „oben“ ist gegen den Margo supraorbitalis, „unten“ gegen den M. infraorbitalis hin gelegen. a. und b. Als Musculus Horneri wird schon seit langer Zeit!) eine bestimmte Portion des Lidmuskels bezeichnet, welche vorzugsweise von der Crista lacrimalis posterior des Thränenbeins ihren Ursprung nimmt, zum Theil auch von dem hintern verbrei- terten Schenkel des Lidbandes. Früher wurde dieser Muskel als einfacher betrachtet; von Henle?) wurde dann beobachtet und neuerdings von Krehbiel3) besonders betont, dass der Horner’- sche Muskel aus zwei Antheilen besteht, von denen einer für das obere, der andere für das untere Lid bestimmt ist. Nach meinen Untersuchungen (efr. Fig. 1) verhält es sich mit dem Horner’schen Muskel folgendermaassen : Beginnt man die Präparation nach der oben beschriebenen Befestigung der Lider, so wird zunächst ein 1) Nach Gerlach wurde dieser Muskel schon 1749 von Du- verney beschrieben. 2) Henle’s Myologie. 3) Die Muskulatur der Thränenwege und der Augenlider etc. Stuttgart 1878. Zur vergleichenden Anatomie der Lidmuskulatur. ) Muskel freigelegt, der breit von der untern Hälfte des Thränen- beins entspringt (s. Fig. 1a), in einer Linie, die nicht ganz in der Richtung der Crista lacrimalis verläuft, sondern nach oben etwas dorsalwärts von derselben abweicht (ganz entsprechend der Befestigungslinie des medialen Lidbandes). Die Bündel dieses Muskels convergiren von ihrem Ursprung an zum obern Lidrand hin, wobei der Muskel bedeutend an Breite abnimmt. Man findet weiterhin, dass der eben beschriebene Muskel an seinem Beginn einen andern verdeckt (s. Fig. 1b), der weniger dem Thränenbein entstammt, als dem hintern Lidbandschenkel. Dieser Muskel kommt am untern Rande des ihn verdeckenden Muskels zum Vorschem und zieht theils zum obern, theils zum untern Lidrand hin. (Vergl. Fig. 4.) Kreuzungen einzelner Fasern des Horner'schen Muskels, die von Gerlach zum Theil bestätigt wurden, kommen, wie Kreh- biel zuerst beschrieben hat, in der That vor. Die Fig. 65 der Henle’schen Myologie, auf die sich v. Gerlach bezieht, stellt die Sachlage doch wohl nicht erschöpfend dar. Zur Demonstration dieser Verhältnisse wurde das Dach der Orbita und der Bulbus mit seinen Muskeln entfernt und darauf das obere Lid dicht oberhalb des Canthus oculi internus der (Quere nach durehschnitten. Bei der Präparation des Hornerschen Muskels zeigte sich sodann, dass nach Entfernung der "oberflächlichen Schicht ein tieferes Stratum erscheint, aus dem die frontal gelegenen Fasern ganz zum obern, die maxillarwärts befindlichen ganz zum untern Lid hinziehen und dass die zwischen beiden gelegene Masse des Muskels gekreuzt zum obern und untern Lid verläuft, sodass die frontal entspringenden Fasern zum untern Lid, die maxillarwärts entspringenden Fasern in das obere Lid eintreten. In der Kreh- biel’schen Abbildung Fig. 1 sind die tiefern direkt zum obern Lid ziehenden Fasern nicht sichtbar. Lateral vom medianen Augenwinkel ziehen die Fasern pa- rallel dem Lidrande weiter. Interessant ist das weitere Verhalten derselben. Lateral von den Thränenpünktchen wird bekanntlich das tarsale Bindegewebe in das Lid eingelagert. Dieses bewirkt eine Scheidung der Horner'schen Muskelfasern in subeonjunetivale und subeutane ; subeonjunetival verlaufen die Fasern in der Nähe des Lidrandes, ein ziemlich schmales Bündel; subeutan ziehen 6 Dr. J. Klodt: jedoch alle Fasern, die weiter vom Lidrande entfernt liegen. In welcher Weise die Fasern ihre Lage zum Tarsus behaupten oder verändern, entscheidet mit Sicherheit nur das mikroskopische Präparat. (Vergl. darüber S. 8 sq.). ec. An den oberen Rand des Horner'schen Muskels schliessen sich Fasern an (Fig. lc), die von der oben Hälfte des Thränen- beins und zwar von der Crista desselben herkommen, also ein wenig weiter ventralwärts entspringen, wie die obersten Fasern des Horner’schen Muskels. Die untersten Fasern des in Rede stehenden Muskels werden von dem Ursprung des Horner'schen Muskels bedeckt, stammen also vom Ligament her. Ueber die Lage des Muskels im obern Lid s. unten. d. Sehliesslich erübrigt noch die Beschreibung einer Muskel- partie (Fig. 1 tr, u. tr,), welche zum Thränensack in inniger Be- ziehung steht. Diese Fasern entspringen nämlich von der vordern Wand desselben ; sie sind an ihrem Ursprunge verdeckt von Fasern des Horner’schen Muskels. In Fig. 3 sind durch Prä- paration von vorn und unten her nach Entfernung der vom vor- dern Lidbandschenkel entsprungenen Fasern diese Züge isolirt dargestellt. An den meisten Präparaten sieht man nach Auf- schlitzung des Thränensacks mit grösster Deutlichkeit den Ur- sprung dieser Muskelfasern (tr,) von der vorderen Thränensack- wand. Dabei ist zu bemerken, dass die für das untere Lid be- stimmten Ursprungsfasern nicht immer bis an den Thränensack heranreichen, sondern oft genug, wie dies auch die meisten Lehr- bücher der Anatomie beschreiben, bloss bis an die knöcherne Be- srenzung des Thränensacks durch den Oberkiefer. Es handelt sich jetzt noch darum, festzustellen, wie die einzelnen Muskelantheile im Lide gruppirt sind. Auf der vorderen Seite des Lides haben wir ununterbrochene Muskulatur, die am Lidrand beginnt, deren äusserste Fasern nach _ Stirn resp. Wange ausstrahlen. Es tragen zur Bildung dieser Muskulatur bei: der M. eiliaris Riolani (Gerlach) und der M. lacrimalis anterior. Die Muskulatur der hintern Seite des Lides ist nicht so flächenhaft ausgebreitet wie die der vorderen, eutanen Lidseite. Am Lidrande zunächst liegt der Musculus Horneri mit seinen subeonjunctivalen und subeutanen Fasern. Dann folgt aber eine namentlich am unteren Lid (s. Fig. 2) deutlich ausgeprägte Um- Zur vergleichenden Anatomie der Lidmuskulatur. { schlagsfalte, worin sich die vom Thränensack entsprungenen Fasern tr, und tr, einschieben. Im flächenhaften Anschluss an den Horner schen Muskel liegt also nur em Theil dieser Thrä- nensackmuskulatur, wie sich das auch aus Fig. 5 ergibt, sobald man das nach aufwärts umgeklappte untere Lid in seine natür- liehe Lage wieder zurückbringt. Das obere Lid ist höher als das untere Lid und dementsprechend findet sich im Anschluss an den Ursprung des Horner schen Muskels für das obere Lid (s. Fig. 1a), getrennt aber von den weiteren Verlaufe dieses Muskels durch den Thränensackantheil des Muskels im oberen Lide, der auf Thränen- und Stirmbein übergreifende, am meisten frontalwärts gelegene Abschnitt ce. Diese Beschreibung des Lidmuskels weicht von der Mer- k el’schen nicht wesentlich ab. Die von diesem Autor beigegebene Zeichnung des Horner'schen Muskels ist aber insofern nicht ganz richtig, als die die Thränenröhrehen umgebenden Fasern an den Thränenpünktehen nicht endigen, wie aus den mikroskopischen Befunden noch deutlicher als aus dem makroskopischen Präparat zu ersehen ist. Auch ist die Auffassung Merkel’s bezüglich des M. Riolani eine etwas andere (wie denn überhaupt die An- sichten über diesen Muskel oder vielmehr die Umgrenzung des- selben bei den meisten Autoren eine verschiedene ist). Walzbergt) lässt sich auf eine nähere Schilderung des Lidmuskels nicht ein. Er unterscheidet Fasern, die vom Lig. palpebr. mediale und vom Orbitalrande ausgehen (eine doppelte Schicht bildend) und den Horner'schen Muskel. Auch auf eine Bestimmung der Anlagerungsgrenze der einzelnen Fasern ver- zichtet dieser Autor. Eine sehr treffende makroskopische Darstellung liefert Krehbiel, dessen Fig. 1 die Verhältnisse im Allgemeinen gut wiedergibt, wenn er auch, wie schon erwähnt, auf die Abtrennung einzelner Fasern des Hornmer'schen Muskels zu grosses Gewicht gelegt hat. Namentlich sehr deutlich ist die Herkunft der vom obern Theil des Thränenbeins und der von der vordern Thränen- sackwand stammenden Fasern markirt. 1) Ueber den Bau der Thränenwege der Haussäugethiere und des Menschen. Rostock 1876. 8 Dr..J.. K1odT: B. Mikroskopische Untersuchung. Die Objekte wurden in Alkohol gehärtet, theils in Paraffın, theils in Celloidin eingebettet; die Schnitte möglichst parallel der Lidkante gelegt und mit Alauncarmin gefärbt. Die Figg. (5, 9,11,12,13) sind nach Zeiss Oe. II Obj. a mit Hülfe des Prismas entworfen und nach Leitz Oe. I Obj. 3 ausgeführt. Die mikroskopischen Bilder geben den klarsten Aufschluss über die Beziehungen der Fasern des Lidmuskels zu den Thränen- wegen, zum Tarsus, den Meibom’schen Drüsen und den Cilien. Was den Verlauf und die Abtheilungen des Thränenkanäl- chens angeht, so verweise ich auf die Beschreibung von Ger- lach’s, dessen Angaben hier nur kurz wiedergegeben werden mögen. Dieser Autor theilt die Thränenkanälchen in drei Ab- schnitte: 1) ein vertikales, 2) ein horizontales Stück, 3) das Sammelrohr, d.h. die Vereinigung des oberen und unteren Kanäl- chens vor ihrer Einmündung in den Thränensack. Das vertikale Stück beginnt mit dem Thränenpunkt. Dieser führt in den pa- pillaren Theil des Kanälchens, der sich kraterartig verengt und dessen engste Stelle, überhaupt die engste des ganzen Kanälchens, als Angustia desselben bezeichnet wird. Jenseits der letzteren erweitert sich das Kanälchen zum Trichter; indem aber diese Erweiterung nicht gleichmässig, sondern vorwiegend nach der lateralen Seite hin geschieht, entsteht hier ein erstes, horizontales Divertikel. Dasselbe ist durch eine Einschnürung von einem zweiten getrennt, das als vertikales bezeichnet wird und schon zum horizontalen Stück des Kanälchens gehört, welches beim Embryo mehr knieförmig, beim Erwachsenen in Bogenform an das vertikale Stück sich anschliesst. Die Richtung dieses Theiles ist nicht ganz horizontal, sondern das obere Kanälchen steigt etwas abwärts, das untere etwas aufwärts. Dadurch nähern sich die Kanälehen und vereinigen sich schliesslich zu einem kurzen Sammelrohr, das nach v. Gerlach niemals fehlt, dessen Länge allerdings sehr verschieden ist. Nach demselben Autor ist das vertikale Stück des Kanäl- chens in seiner grössten Ausdehnung von Ringmuskulatur um- geben. Dem letztern Ausdruck, der vielfach Anstoss erregt hat, Zur vergleichenden Anatomie der Lidmuskulatur. ) wäre vielleicht „in Achtertouren gekreuzte Fasern“ vorzuziehen. Nach meinen Beobachtungen tragen nicht alle Fasern, welche dem vertikalen Stück des Kanälchens begegnen, zur Bildung der Mus- kelkreuzung bei, sondern das Verhältniss ist folgendes (vergl. Fig. 9): Bis m die Nähe der medialen Wand des Kanälchens ziehen alle Muskelfasern parallel zu einander. Dort tritt dann eine Theilung des Muskels ein. Eine Anzahl von Fasern (a) zieht nahe der äusseren Haut, dieser parallel, im Lide weiter, ohne zu dem Kanälchen in Beziehung zu treten (subeutaner Theil). Anderseits nähern sich einige Muskelfasern (b) der Conjunetiva und bleiben dieser in ihrem weiteren Verlauf parallel, ebenfalls ohne an das Kanälchen heranzukommen (subeonjunetivaler Theil). Die übrigen (eu. d) zwischen diesen beiden äussergten Portionen gelegenen Muskelbündel kreuzen sich medial von dem Thränen- kanälchen zum erstenmal (1.Kr.) und umgeben das Kanälchen vorn und hinten. Lateral von dem letztern bleiben einige Fasern an der vordern (e) resp. hintern (f) Seite des Lides, zu der sie in Folge der ersten Kreuzung gelangt sind; die zwischen diesen beiden Portionen liegenden Bündel (g und h) kreuzen sich hin- gegen zum zweitenmal (2.Kr.), und zwar in der Weise, dass weniger Fasern von der vordern Seite des Lides zum subeonjune- tivalen Muskel ziehen (g), als von der hintern Seite zum subeu- tanen Muskel gelangen (h). Daraus folgt, dass an der lateralen Seite des Thränenkanälchens die subeutanen Muskelfasern weit zahlreicher sein müssen, als die subeonjunctivalen. Die Zahl der letzteren wird aber noch weiterhin dadurch bedeutend vermindert, dass im Bereich der Meibom'schen Drüsenschläuche subeon- Junetivale Fasern vereinzelt oder in dünnen Bündelehen schräg zwischen den Drüsenausführungsgängen zum subeutanen Muskel hinziehen, sodass schliesslich von dem subeonjunetivalen Muskel- antheil nur einige Fasern übrig bleiben (s. Fig. 5). Auch diese verschwinden in der Entfernung vom Lide, wo die Alveolen der Meibom’schen Drüsen regelmässig um den Ausführungsgang angeordnet sind (s. Fig. 12). Auch auf Frontalschnitten sieht man, dass der subeonjunetivale Muskel nur eine geringe Mächtigkeit hat. Indem die Fasern durch den Tarsus hindurchziehen, bilden sie Schlingen um die Ausführungsgänge der Meibom'schen Drüsen, ein Umstand, der für die Entleerung des Sekrets der- selben wichtig sein muss. Auf dieses Netzwerk von Fasern und 10 Drad: Klorait: Bündelchen um die Acini macht Pröbsting!) besonders auf- merksam. Ueber die Ringmuskulatur des vertikalen Abschnittes der Thränenkanälehen spricht sich nur v. Gerlach deutlich aus. Krehbiel bemerkt zur Muskulatur der Kanälchen überhaupt, «lass die Muskelfasern „zum weitaus grössten Theile entgegenge- setzte, diagonal verlaufende, sich selbst kreuzende Spiraltouren um die Kanälchen bilden, die bei Betrachtung von Querschnitten wirklichen Ringmuskeln ähnlich sehen“. Die Beschreibung passt nur für das vertikale Stück des Kanälchens. Walzberg er- wähnt solche Ringmuskulatur um das Thränenkanälchen. nicht, sondern spricht nur von einem Sphineter der Papille. Wie wei reicht nun die Muskulatur nach dem Lidrande zu? Die Grenze wird wenig übereinstimmend angegeben. Sicher ist, dass der äusserste Saum des Lidrandes gar keime Muskulatur hat; folglich kann auch die Thränenpapille wenigstens nicht bis zu ihrem Gipfel von Ringmuskulatur umgeben sein. v. Gerlach bemerkt, dass zunächst Muskelfasern vor dem Thränenkanälchen auftreten, und zwar in der unmittelbaren Nähe des Thränen- punktes; erst in einer gewissen Entfernung vom Lidrande auch an der hintern Seite; dass also in dem ganzen Gebiet der Thränen- papille eine Ringmuskulatur nicht vorhanden, sondern von einer solehen erst von der Augustia an die Rede sein kann. Merkel und Walzberg theilen bereits der Thränenpapille einen wirk- liehen Sphineter zu. Nach Krehbiel sind die Papillen selbst nicht von Muskelfasern umgeben, doch reichen diese allseitig bis hart unter die Papillen. Heinlein?) ist jedenfalls im Unrecht, wenn er überhaupt keiner Abtheilung der Thränenkanälchen eine Ringmuskulatur zuspricht. Er meint, der muskulöse Ring sei niemals vollständig, sondern unterbrochen, namentlich an der eon- Junetivalen Wand der Thränenkanälchen. Vgl. dazu die Bemer- kungen Walzberg's a. a. O. S. 44 f. Meiner Ansicht nach, die sich hauptsächlich auf die Betrachtung des makroskopischen Präparates stützt, kommen die subeutanen und subeonjunetivalen 1) Ein Beitrag zur feineren Anatomie des Lides und der Con- Junctiva des Menschen und Affen. Inaug.-Dissert. Erlangen 1886. 2) Zur makroskopischen Anatomie der Thränenröhrehen. von Graefe’s Archiv für Ophthalmologie. Bd. XXI, Abth. 3, Zur vergleichenden Anatomie der Lidmuskulatur. 11 Fasern dem Lidrand ziemlich gleich nahe, reichen aber, wie das mikroskopische Präparat erweist, nicht bis an die Spitze der Papille, also an den T'hränenpunkt, heran. Etwas weiter vom Lidrand entfernt treffen die Muskelbündel die horizontalen Thränenkanälehen. Es ist bereits bemerkt, dass die Kanälchen nicht ganz horizontal verlaufen, sondern bis zu ihrer Vereinigung zum Sammelrohr etwas convergiren. Einen ähnlichen Verlauf haben aber auch die Muskelfasern. Daher kommt es, dass die letzteren diesem Theile der Thränenkanäl- chen parallel ziehen, vor und hinter demselben. Da aber die subeonjunetivalen Fasern im allgemeinen die Tendenz haben, sich mit dem subeutanen Muskel zu vereinigen, so schlagen die über und unter dem Kanälchen befindlichen Fasern eine etwas andere Riehtung ein, im Verfolg deren sie die der Kanälchen kreuzen. Auch Heinlein erwähnt dieses Verhalten. Lateral vom Thränen- kanälchen treten die durch dieselben bisher getrennten Muskel- fasern zusammen, wobei die mittleren sich verflechten. Da das zweite Divertikel des Thränenkanälchens etwas buckelförmig vor- springt und die Kuppe desselben etwas über dem Niveau des horizontalen Theiles des Kanälchens liegt, so sieht man hier (Fig. 11) einige schlingenförmig angeordnete Züge, ähnlich wie beim vertikalen Theil des Kanälchens. Ob eimige Fasern an der Wand des Kanälchens endigen, ist schwer zu entscheiden. Heinlein sah Präparate, die ihm kaum einen Zweifel liessen, dass an der nach dem Augapfel zu gerichteten Wand sich wirklich quergestreifte Muskelfäden an- setzen. Walzberg lässt das Vorhandensein soleher Fasern un- entschieden, bemerkt dagegen an anderer Stelle, dass die tiefere Schieht des M. orbieularis „dieht auf der Kanälchenwand hin- streichend eine enge Verbindung durch Insertion einzelner Fasern mit ihr eingeht“. Krehbiel spricht sich dahin aus, dass die Fasern zum Theil an den canalieuli inseriren, die meisten jedoch in den Tarsaltheil der Lider übergehen und Schlingen um die Meibom’schen Drüsen und die Cilien bilden. v. Gerlach ist auch der Ansicht, es könne die Frage, ob Muskelfasern an der Wand des Thränenkanälchens inseriren, noch nicht gelöst werden. Das Sammelrohr der beiden Kanälchen, sowie der ganz minimale Theil der Thränenkanälchen, welcher den hintern Schen- kel des Lig. palpebr. med. durchsetzt, ist nach v, Gerlach > Dr’): Klordt: ganz muskelfrei. Ich schliesse mich dem an. Krehbiel sagt dagegen, dass schon vor der Einmündung in den Thränensack die Thränenröhrehen von den sich kreuzenden Fasern des M. Horneri umsponnen werden, dass letztere hier nur von den Kanälchen weiter entfernt sind, als am lateralen Ende derselben. Es ist noch zu erwähnen des Verhältnisses der Muskelbündel zu den Cilien. Man unterscheidet bekanntlich drei Cilienreihen, von denen die dem Lidrand zunächst gelegenen Cilien in horizon- talen Schnitten quer getroffen werden, während die vom Lidrand entfernteren zum Theil fast m ihrer ganzen Länge geschnitten werden. Man sieht nun namentlich bei letzteren (ef. Fig. 12), wie die Muskelfasern wellenförmig bald über, bald unter den Cilien herziehen, wie einzelne Bündel sich schräg von der Cutis nach der Conjunetiva zu kreuzen; es ist demnach klar, dass zwischen den Fasern diesseits und jenseits der Cilien Anastomosen bestehen. Die Schlingen um die Cilien hebt übrigens auch Krehbiel hervor. v. Gerlach bemerkt, diese Anastomosen kämen seltener vor; meist wären beide Muskelpartieen geschieden. Nachdem die Zone der Cilien passirt ist, nimmt der M. palpebralis eine immer mehr zunehmende Breite des Lides ein; hier verschwinden allmählich die letzten Reste der Meibom’- schen Drüsen und des tarsalen Bindegewebes, sodass der Aus- breitung des Muskels eben nichts mehr entgegensteht, der ausser- dem noch bedeutend verstärkt wird durch die Fasern, die von der Orbita ausgehend alsbald vor den Tarsus resp. zu dem sub- eutanen Muskel hingelangen. Es erübrigt nun noch die wichtige Entscheidung, woher die Muskelbündel stammen, die sich um das Thränenkanälchen schlingen resp. vor und hinter demselben liegen. Heinlein bemerkt in dieser Beziehung, dass die vom Lig. palpebr. med. entspringenden Muskelbündel, d. h. der M. lacrimalis anterior, vor den Thränen- kanälchen verlaufen, die zahlreicheren Horner schen Fasern (M. lacrimalis posterior) dagegen hinter «den Kanälchen ; von den letzteren sollen über und unter den Kanälchen zahlreiche Bündel zum M. laerimalis anterior ziehen, gleichsam Anastomosen des vordern und hintern M. laerimalis bildend. Walzberg lässt die Fasern, welche vom Lig. palpebr. mediale und vom vordern Orbitalrand entspringen, die vordere Wand des Thränenkanälchens bedecken und theilweise an der Kanälchenwand inseriren, den Zur vergleichenden Anatomie der Lidmuskulatur. 15 Horner’schen Muskel dagegen die obere, hintere und untere Seite des Kanälchens umsehliessen. Krehbiel gibt nur an, „dass sämmtliche in Spiraltouren um die Canalieuli verlaufenden Muskelfasern vom Musculus Horneri abstammen“, nicht aber, wo- her die dem Thränenkanälchen parallelen Fasern herkommen. v. Gerlach trennt wieder ‘scharf die Muskulatur, welche das vertikale Stück des Kanälchens umgeben, von denen, die den horizontalen Theil begleiten. Die ersteren sollen einen Theil des M. eiliaris Riolani bilden, und zwar sollen die vor und hinter den Kanälchen sichtbaren Muskelfasern miteinander sich verbin- den. Dagegen sollen die Fasern des horizontalen Theiles zum grösseren Theil vom Muse. Horneri, zum kleineren Theil vom vordern Schenkel des Lig. palp. mediale stammen. Nach meinen Untersuchungen zeigte sich, dass die Verhält- nisse nicht an allen Präparaten gleich liegen; indem einmal die Fasern des Musculus lacrimalis anterior oder des vordern Lid- bandmuskels soweit in den Bereich des horizontalen Theiles des Thränenröhrehens übergreifen, dass sie wie v. Gerlach angibt sich verhalten. In anderen Fällen dagegen ist von Anfang an der Verlauf des Horner'schen Muskels oder des Musculus lacri- malis posterior, des hinteren Lidbandmuskels, so stark schräg von innen nach aussen gerichtet, dass der Musculus lacrimalis anterior gar nicht an das Thränenröhrehen herankommt. Es würde hier der extreme von Krehbiel beschriebene Typus vorliegen. So muss auch in dem einen Falle der Musculus Riolani vorwiegend, wie es von Gerlach beschreibt, von dem vordern Lidband- mnskel abstammen, in dem andern dagegen wird der Musculus Riolani von dem hinteren Lidbandmuskel abzuleiten sein. Ver- ständlich wird dies verschiedene Verhalten durch die auf ver- gleichend anatomischer Grundlage zu diseutirende Entstehungs- geschichte des Horner’schen und Riolan'schen Muskels. Zwischen dem zarten subeonjunetivalen Antheile des Riolan’- schen Muskels, den ich auch gelegentlich fehlen sah, und dem mächtigeren eutanwärts gelegenen findet eine beständige Kreuzung von Fasern durch den Tarsus hindurch statt, wie an dem verti- kalen Theile der Thränenröhrchen, wo der Tarsus fehlt. 14 Br. Rod; Untersucht man zum Zweck der Vergleichung die Lidmus- kulatur der Säugethiere (Hund, Katze, Fuchs, Reh, Rind kenne ich aus eigner Anschauung), so zeigt sich ein bedeutender Unter- schied im Aufbau derselben. Diesen Thieren fehlt der Horn er’sche Muskel und der Riolan’sche Muskel. Mit dem Horner’schen Muskel fehlt den untersuchten Thieren zugleich der hintere Schenkel des Ligamentum canthi oeuli internum und der Thränensack. Vergl. Fig. 7, Orbita des Hundes. Die Thränenröhrchen haben keine quergestreifte Mus- kulatur und endigen nicht auf einer Papille. Bei Inuus eynomolgus fand sich ein Riolan’scher Muskel; über den Horner’schen Muskel der Affen konnte ich wegen Mangel an Material bis jetzt keine Beobachtungen anstellen. Berücksichtigt man neben der Muskulatur gleichzeitig den Bau des Thränenbeins, so dürfte es nicht zu gewagt erscheinen, an der Hand der folgenden Betrachtung den fertigen und höheren Zustand beim Menschen von dem niederen der Thiere abzuleiten. Mit der Erhebung des Hirnschädels aus der mehr oder weniger horizontalen Flucht bei Thieren in die vertikale Rich- tung zum Gesichtsschädel des Menschen, wird das horizontal ge- lagerte Thränenbein vertikal gestellt; die Crista lacrimalis posterior mit dem Suleus lacrimalis entstehen. Das Thränenbein zieht sich mehr in die Augenhöhle zurück und sein facialer Antheil, der bei manchen Thieren bedeutend ausgebildet ist, verschwindet beim Menschen, so dass es hier nur selten zur Beobachtung kommt, wie Gegenbaur dies zuerst betonte. Der Thränennasengang folgt der Verlagerung des Thränen- beins und hebt sich gleichfalls in die Höhe, die Entstehung des Thänensacks bedingend. Der Musculus orbieularis palpebrarum und malaris entspringen nicht mehr allein vom medialen Lidbande und dem Orbitalrande, sondern greifen auf den Thränensack über. Der vordere Lidbandmuskel wandert unter gleichzeitiger Entwicklung eines hinteren Lidbandschenkels über den Thränensack zur Crista laerimalis posterior, den Horner’schen Muskel bildend. Je nachdem die dem Lidrande nahe gelegenen Fasern verschieden weit nach innen vorrücken, betheiligt sich der Musculus lacrimalis anterior (Henke) — vorderer Lidbandmuskel — an der Ver- sorgung der Thränenröhrehen mit Muskeln, die für gewöhnlich Zur vergleichenden Anatomie der Lidmuskulatur. 15 dem hinteren Lidbandmuskel (Museulus laerimalis posterior, Hor- ner’scher Muskel) zufällt. Im Musculus palpebralis des Menschen ziehen die Haupt- faserbündel bogenförmig von dem medialen zum lateralen Augen- winkel; dabei treten Fasern von der conjunctivalen zur eutanen Fläche und in der Fläche selbst greifen von einem zum andern nächst- oder weitergelegenen Bündel feine Stränge über, so dass bei der Zusammenziehung des Muskels nicht allem eine Verkür- zung in der Richtung des freien Lidrandes, sondern auch im ver- tikalen Durchmesser stattfinden muss. (Fig. 10.) Erklärung der Abbildungen auf Tafel I—-IV. Tatela% Fig. 1. Rechte Orbita sagittal halbirt, die Lider zurückgeschlagen, der Bulbus entfernt. Tarsus des oberen Lides abgehoben ; Tarsus des unteren Lides in der Lage erhälten. Die Haut der Nase nur in der Gegend des hell leuchtenden Ligamentum palpebrale mediale zwischen den beiden zurückgeschlagenen Lidern abpräparirt. .a Antheil des Horner’schen Muskels für das obere Lid. Man sieht in der Zeichnung bloss den eutanen Theil des Muskels, der am freien Lidrande verläuft. b Antheil des Hornmer’schen Muskels für das untere Lid. Der Tarsus ist auf eine kurze Strecke hin von der Con- Junetiva — C — entblösst, sodass man erkennen kann, dass der Muskel theils vor dem Tarsus — T — (in der Zeichnung!) also subconjunctival — Riolan’scher Mus- kel —, theils’hinter dem Tarsus, also subeutan verläuft. tr, und tr, die vom Thränensack entsprungene Muskulatur des oberen und unteren Lides. ce Der orbitale Theil des Lidmuskels für das obere Lid, der auf tr, frontalwärts folgt. d der Theil des Lid- und Wangenmuskels, der vom orbita- ien Oberkieferrande entspringt. MeR Gerlach’ Musculus eiliaris Riolani, den Ueber- gang zwischen Henke’s Musculus lacrimalis anterior und Musculus lacrimalis posterior (Horn er’scher Muskel) bildend. M 0 i Ursprung des Musculus obliquus inferior, Fig. 3. Fig. Dr. J. Klodt: Rechte Orbita sagittal halbirt wie beiFig.1, Lider umgeklappt, die Conjunctiva auf beiden Lidknorpeln erhalten ; der Thränen- sack in der Verlängerung der Lidspalte horizontal geschlitzt. Das Ligamentum palpebrale mediale vom Thränensack durch Zug abgehoben. Von dem vorderen Schenkel entspringen Henke’s Musculus lacrimalis anterior und Gerlach's Mus- ceulus eiliaris Riolani, von der orbitalen Fläche des hinteren Schenkels des Ligamentum palpebrale mediale der im Präpa- rat gespaltene Horner’sche Muskel. Der Schnitt hat das Thränenkanälchen des untern Lides gespalten, ein Theil liegt auf der oberen Spaltfläche, ein Theil auf der unteren. Man sieht, wie das untere Thränenkanälchen vom Ligamentum palpebrale mediale gekreuzt wird. Vor dem durehschnittenen Thränenkanälchen entspringt vom Thränen- sack der Thränensackmuskel tr, und tr,, der unter der Aus- breitung des Horner'schen Muskels im unteren Lide weiter verfolgt werden kann. p I s. Punetum lacrimale des oberen Lides. tr; und tra Thränensackmuskel des oberen und unteren Lides. T S Thränensack. T B Thränenbein. Zur Illustration des Ursprunges der Muskulatur des unteren Lides vom Thränensack, TS, und dem hinteren Schenkel des medialen Lidbandes. Die vom vorderen Schenkel des medialen Lidbandes ent- springende Museculatur ist entfernt; das Lidband selbst erhal- ten. Das untere Augenlid ist mit einem Stück Wangenhaut in die Höhe geklappt und vom Tarsus, T i, abpräparirt, so dass man auf die tarsale Fläche des Lidmuskels sieht. © die untere Uebergangsfalte der Conjunctiva. Die tiefere Lage des Horner’schen Muskels von innen her freigelegt. Die medialen Fasern kreuzen sich in zwei Lagen und greifen am oberen Thränenröhrchen über den freien Lid- rand deutlich über; die lateralen Partien ziehen ungekreuzt zum oberen Lid, o, und zum unteren Lid, n. Tafel II. Schnitt parallel der untern Lidkante, möglichst nahe derselben. C Conjunctiva palpebrae, Cu Cutis. M D Ausführungsgänge Meibom’scher Drüsen. Aus der Figur ist ersichtlich, wie die Muskelfasern das Bestreben haben, von der conjunctivalen Fläche des Lides durch den Tarsus hindurch zur Hautfläche (Cutis) zu gelangen. Auf diese Weise werden die Ausführungsgänge von Muskel- fasern umgeben. Bei a und b Kreuzung von Muskelfasern. Fig. 6. Fig. 7. Pie. Zur vergleichenden Anatomie der Lidmuskulatur. 17 Theil eines sagittalen Schnittes durch das menschliche untere Augenlid nasalwärts. Cu Cutis. e kleine vor den Hauptmuskelbündeln p eutanwärts gelegene Bündelchen, die bisher in den Abbildungen nicht berücksichtigt wurden. Man findet diese Bündelchen in der ganzen Fläche des oberen und unteren Lides. Orbita des Hundes zur Demonstration der Lage des Ligamen- tum canthi medialis oculi und der Thränenröhrchen. In das Thränenröhrchen des oberen Lides ist eine Borste eingeführt; das des unteren Lides und das Sammelrohr sind aufgeschlitzt. Das obere und untere Lid sind nasalwärts umgeklappt, nach- dem sie lateral durchschnitten waren, so dass man die Lid- kindehaut und die Meibom’schen Drüsen sieht. Die Haut der Nasengegend, sowie die vom nasalen Theile des Lidbandes entspringenden Muskeln sind entfernt. Die Augenhöhle ist ausgeleert worden. (Bemerkung. Beim Rinde verlaufen die Thränenröhrchen des oberen Lides, äusserlich zwar eine Strecke weit zu einem Sammelrohr vereinigt, getrennt bis in den knöchernen Thränennasengang. Im Sammelrohr ist eine Scheidewand vorhanden.) Horizontalschnitt durch den medialen Rand des oberen Lides. M Meibom'T'sche Drüse v.T vertikaler Theil. TR horizontaler Theil des Thränenröhrchens. C Conjunctiva palpebrae.e HM Horner'scher Muskel. tr Thränensack- Ursprung des oberen Lidmuskels. p a Ursprung des oberen Lidmuskels vom vorderen Lidbandschenkel. Cu Cutis. (Das Bindegewebe ist nicht dargestellt.) Tafel II. Schnitt durch den vertikalen Theil des untern Thränenkanäl- chens, ungefähr parallel dem untern Lidrand. Conj. —= con- junctivale Lidfläche. a subcutane. b subeonjunctivale Fasern, welche sich nicht an der Kreu- zung betheiligen. 1. kr Kreuzung des zwischen a und b gelegenen Fasern der medialen Wand des Kanälchens. e und d Fasern, welche nach der ersten Kreuzung das Thränenkanälchen vorn und hinten umgeben. e und f Fasern, welche sieh nicht wieder kreuzen, sondern beim subeutanen bezw. subconjunctivalen Muskelantheil verbleiben, zu dem sie in Folge der 1. Kreuzung ge- langt sind. 2. kr Kreuzung der zwischen e und f gelegenen Fasern an der lateralen Wand des Thränenkanälchens. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 41 2 18 Fig. Fig. Dr. J. Klodt: Zur vergl. Anatomie der Lidmuskulatur. 10. 11: 12. 13. g Fasern, welche in Folge der 2. Kreuzung zum subeon- Junctivalen Muskelantheil gelangen ; weniger zahlreich als h Fasern, welche zum subcutanen Muskel ziehen. Faseraustausch nach der Fläche und Tiefe im Musculus pal- pebralis des Menschen. Oberes Lid. (Mit dem Prisma aufge- nommen.) Die Hauptfaserzüge verlaufen horizontal. Horizontaler Schnitt durch das untere Lid, in der Nähe der Umschlagsfalte der Conjunetiva. Die Muskelfasern bilden. hier ein breites Band, das fast das ganze Lid einnimmt. Bei D ist eben noch die Wand des Thränenkanälchens an dessen horizontalem Divertikel ge- streift. Es ist ersichtlich, wie die Muskelfasern ausserhalb des Bereiches des Kanälchens sich miteinander vereinigen, indem die Bündel sich zum Theil kreuzen (kr). Tafel IV. Horizontaler Schnitt durch das untere Lid, weiter vom Lid- rand entfernt als der Schnitt auf Fig. 5. M D= Meibom'’sche Drüsen. C = Cilien. In dieser Entfernung vom Lidrand ist von subeonjunce- tivalen Fasern nichts mehr zu sehen. Die Muskelbündel liegen zwischen den Meibom'’schen Drüsen und der äussern Haut. Sie ziehen im Gebiete der Cilien bald unter, bald über den- selben her, un sich dann mit denjenigen Fasern, welche näher zu den Meibom’schen Drüsen liegen, vielfach zu kreuzen (kr). Horizontaler Schnitt durch das untere Lid, etwas weiter vom Lidrand entfernt, als der Schnitt in Fig. 9. Trk — Thränenkanälchen. Dasselbe ist etwa dort getroffen, wo der vertikale Theil in den horizontalen übergeht. Das Verhalten der Muskelfasern ist entsprechend dem auf Fig. 9. Nur sind die Bündel zwischen den Ausführungsgängen der Meibom’schen Drüsen schon weniger zahlreich, als in Fig.). (Aus dem anatomischen Institut in Bonn.) Beiträge zur Anatomie des Magens der catarrhinen Affen (Cercopithecus und Inuus). Von Hugo Salomon, cand. med. Hierzu Tafel V und VI. 1. Material und Untersuchungsmethoden. Untersucht wurde ein leerer und mit absolutem Alkohol sofort nach der Tötung ausgespritzter Magen von Üercopithecus fuliginosus und ein mit Speisen gefüllter von Inuus eynomolgus. Von Inuus eynomolgus wurden kleine Stücke aus den verschiedenen Gegenden des Magens durch einstündiges Einlegen im 1 °/, Ueber- osmiumsäure abgetödtet, in Wasser ausgewaschen und in Alkohol entwässert. Die in Osmiumsäure gehärteten Stücke wurden in Oelloidin, die in Alkohol gehärteten in Paraffin eingebettet und mit dem Mierotom geschnitten ; die Schnitte mit Lithionearmin und Pikrin- säure gefärbt, nach Osmiumsäurehärtung auch ohne weitere Fär- bung untersucht. 2. Beschreibung der äusseren Form des Magens von ercopitheeus fuliginosus. Schon makroskopisch fällt der Magen von Cercopitheeus fuliginosus auf durch die Asymmetrie seiner Form. Denn die Längsaxen des Oesophagus und Pylorus liegen nicht in einer Ebene, sondern stehen windschief zu einander, so dass der Magen etwas spiralig gedreht erscheint. Das Omentum maius zerlegt ihn ferner durch seinen Ansatz in zwei ungleiche Abschnitte, einen grösseren vorderen (ventralen) und einen kleineren hinteren (dorsalen). Der bei der Lage im Körper am weitesten links befindliche Theil des Magens ist zu einem deutlichen Blindsacke ausgebildet. 20 Hugo Salomon: In denselben, aber auch in den Theil der Curvatura minor, welcher sich vom Oesophagus nach dem Pylorus zu erstreckt, setzt sich das mehrschichtige Plattenepithel des Oesophagus in Form strahliger Leisten eine Strecke weit fort. Die Drüsen des Blindsackes sind, wie schon die Betrachtung mit blossem Auge zeigt, in einzelnen, nicht allzu zahlreichen Gruppen angeordnet; zwischen diesen ist die Schleimhaut niedrig. An der grossen Curvatur ist der Pylorustheil äusserlich nicht deutlich abgesetzt, wohl aber an dex kleinen Curvatur, da der Magen an dieser Stelle eine deutliche Knickung erleidet. Die Ausdehnung der kleinen Curvatur, das ist die Entfernung von der Cardia bis zum Anfang des Pylorustheiles, ist wegen dieser scharfen Absetzung leicht zu begrenzen und auffällig klein. 3. Bau der Drüsen in den verschiedenen Abtheilungen des Magens von ÜCercopithecus fuliginosus. Im Blindsacke des Magens von Cercopitheeus fuliginosus kommen zwischen den erwähnten isolirten Drüsengruppen nur kryptenartige Einsenkungen vor. Dieselben werden manchmal ganz von dem gewöhnlichen Epithel der Magenoberfläche, Schleim- zellen mit langgezogenem Kern und verjüngtem Fuss, gebildet, meist aber schliesst sich an dieses Epithel noch ein solches an, dessen Zellen im Längsschnitt rechteckig sind, einen grossen, runden, hellen Kern, häufig deren mehrere zeigen und keine Theka besitzen. Bei der angewandten Färbung mit Lithioncarmin und Pikrinsäure erscheinen sie im Gegensatz zu dem gelben Ober- flächenepithel homogen roth oder heller und dann feinkörnig. Wo die Schleimhaut des Blindsackes die Drüsengrappen führt, ist sie bald mehr, bald weniger dick, so dass die Länge der Drüsen eine wechselnde, häufig die der Krypten nur wenig übertreffende, bald auch eine recht bedeutende ist. Ueberall sind die Drüsen vielfach gewunden und gegabelt. Oft erscheint ihnen eine Schicht vorgelagert, die auf den Schnitten gelbröthlich aussieht. In die Schläuche hinein erstreckt sich zunächst das Epithel der Magenoberfläche, dann folgt ein Uebergangsepithel, entsprechend den schon in den Krypten angetroffenen grosskernigen Zellen Beiträge z. Anat. d. Magens d. catarrh. Affen (Cercopithecus u. Inuus). 21 ohne Theka, darauf im Grunde der Schläuche Zellen vom Typus der Hauptzellen'). Sie befinden sich in verschiedener Thätigkeits- phase, denn ihre Kerne sind theils flach und wandständig, theils eckig, in die Zelle vorragend. Belegzellen aber — und das ist für die Drüsen des Blind- sacks eharakteristisch — sind nieht nachzuweisen 2). Auffallend ist noch, dass gleich den Zellen des Uebergang- epithels auch die Hauptzellen vielfach mehrkemig sind. Mitosen finden sich nicht, dagegen sieht man vielfach eine eben beginnende Einsehnürung des Kerns oder ein Stadium, in welchem sich der- selbe durch eine Theilungsebene in zwei scheidet. Ob eine viel- leicht pathologische, amitotische Kerntheilung vorliegt, wage ich nicht zu entscheiden. Die Hauptzellen enthalten stellenweise Einschlüsse. Gelblich gefärbte runde Körper liegen in ihnen; doch ist es nicht stets möglich, eine völlige Einschliessung der Gebilde durch das Pro- toplasma zu beobachten. Die Zellen im Grunde der Schläuche sind bei der ange- wandten Behandlungsmethode, Alkoholhärtung und Paraffinein- schluss, stark geschrumpft. Häufig finden sich im Gebiete des Blindsacks Lymphtollikel, nicht bloss in der Submuecosa, sondern selbst die ganze Höhe der Schleimhaut einnehmend. Vielleicht ist an den betreffenden Stellen ein Reizzustand vorhanden gewesen, weil sich auch in der Conjunetiva dieses Thieres zahlreiche Follikel fanden. Eine Abweichung von der eben geschilderten Struktur des Blindsackes zeigen die denselben durchziehenden, vom Oesphagus ausstrahlenden Leisten. Hier folgt auf die Submucosa ein Epithel, das in Zapfen angeordnet ist, welche durch adenoides Bindege- webe von einander getrennt sind. Diese Zapfen sind gegen die Submucosa zu abgerundet und ziemlich breit. In dem unteren Theile der Zapfen stehen die Zellen dieht gedrängt, sind rund und klein. Sie gehen nach der Schleimhautoberfläche zu in Spindel- . zellen mit grossem hellen Kern und deutlichem Kernkörperchen über, schliesslich in ganz langgestreckte Zellen, welche sich in einen Ueberzug der Schleimhaut hinein erstrecken, der schmale, 1) Fig. 2 a) Uebergangsepithel, b) Hauptzellen. 9 Tilo 2 2) Fig. 2. 22 HugoSalomon: lange Kerne aufweist und den Eindruck macht, durch eine Um- wandlung der Epithelzellen entstanden zu sein!). An den spin- delförmigen, grosskernigen Zellen sind mit Immersion deutlich geriffte Ränder zu unterscheiden. An der Peripherie dieser Epithelwülste finden sich meist einige kurze, Hauptzellen führende Drüsen, wobei der Ueberzug des Wulstes dem Oberflächenepithel Platz macht. Dann folgen wieder die Krypten, deren continuirliche Reihe gelegentlich wieder von einer Epithelleiste oder einer Drüsengruppe unter- brochen wird. Betrachten wir nun den mittleren Theil des Magens, den zwischen Blindsack und Pylorus, so beginnt etwa an der Mitte der Curvatura maior die Schleimhaut beträchtlich an Höhe zu- zunehmen, indem an die Stelle der mit Drüsenanhäufungen ab- wechselnden Krypten eine continuirliche Drüsenlage tritt. Die Schläuche derselben sind bald schon am Anfange, häufiger gegen ihr Ende zu gegabelt, im Halse deutlich erweitert. Ausgekleidet sind diese Drüsen zunächst mit dem Epithel der Magenoberfläche und dem hier nicht so tief als im Blindsacke hinabreichenden Uebergangsepithel. Daran schliesst sich die Schicht der Belegzellen. Diese sind durch die Pikrinsäure gelblich ge- färbt, mit grossem hellen Kerne versehen. Sie zeigen häufig die von Hamburger?) beschriebenen Lücken und Lücken mit Ein- schlüssen. Sehr viele Zellen besitzen 2, 3, 4, sogar 5 Kerne. Alle Stadien, die bei einer amitotischen Kerntheilung vorkommen würden, sind häufig; Mitosen aber nieht nachweisbar. Den Grund der Schläuche endlich erfüllen die grobkörnigen, röthlich gefärbten Hauptzellen. Zwischen ihnen liegen vereinzelt auch am Ende der Schläuche Belegzellen. Die Kerne der Hauptzellen sind klein, eckig und dunkel; auch unter den Hauptzellen sind mehrkernige Zellen nicht selten. Vereinzelt enthält das Protoplasma Einschlüsse. Die für die Mitte der grossen Curvatur geschilderte Struktur findet sich in ihren Grundzügen auch sehr weit nach dem Pylorus- ende des Magens zu, wenigstens an der grossen Curvatur. An letzterer ist nämlich der Pylorustheil sehr beschränkt: in geringer Entfernung vom Darmanfange finden sich noch Drüsen mit Haupt- 2) Bio, 4, 2) D. Arch. Bd. 34, pag, 225. Beiträge z. Anat. d. Magens d. catarrh. Affen (Cercopithecus u. Inuus). 23 und Belegzellen. Die Schläuche sind hier sehr lang, am Anfange wie in den anderen Theilen ihres Verlaufes häufig gabelig. Die feinkörnigen Belegzellen haben an Zahl erheblich zu- genommen und liegen zahlreich fast bis an den Grund der Schläuche. ‘Während die Kerne der Belegzellen fast ausnahmslos rund, in- folge geringeren Hervortretens eines Kernnetzes hell sind, zeigen die Hauptzellen sowohl derartige Kerne als auch kleine, eckige, dunklere. Es scheinen also die Belegzellen sich alle in derselben, die Hauptzellen in verschiedener Thätigkeitsphase zu befinden. Die Vielkernigkeit beider Zellarten hat hier den höchsten Grad erreicht). Ebenso sind gerade hier die Zelleimschlüsse be- sonders häufig. Man findet bald runde Gebilde, sehr häufig in 2 nebeneinander liegenden Zellen symmetrisch angeordnet, bald eckige. Letztere wieder sind manchmal klein und liegen an ver- schiedenen Stellen in derselben Zelle zerstreut, manchmal grösser, einzeln oder auch zu zweien in einer Vacuole?). Der den beschriebenen Theilen der grossen Curvatnr gegen- überliegende Abschnitt der Curvatura minor enthält noch etwa bis zur Mitte des Raumes zwischen Oesophagus und der Ein- schnürung am Pylorustheil die Krypten des Blindsackes. Dann treten an Stelle der letzteren längere Drüsen, deren Zellen zum weitaus grössten Theil Belegzellen sind. Dieselben herrschen so vor, dass es zuerst schien, als füllten sie die Schläuche bis an den Grund aus; lange, schmale, stark gefärbte Kerne indessen, die auf Längs- wie Querschnitten zwischen den Belegzellen lagen, brachten auf den Gedanken, dass die Hauptzellen dort geschrumpft seien und jene Kerne ihnen angehörten ?). Mehrkernige Zellen oder Einschlüsse sind hier nicht häufig; dagegen sind Lymphfollikel, bis zur Oberfläche der Schleimhaut ragend, nicht selten. Der Pylorustheil des Magens ist an der grossen Curvatur sehr klein, hat dagegen an der kleinen wohl die ihm zukommende Aus- dehnung. Die Drüsenschläuche dieses Abschnittes sind oft schon im Halse gegabelt, häufig in ihrem unteren Theile, welcher auf den Schnitten durch diesen in absolutem Alkohol aufgeblähten Magen 1) Fig. 4 a) Belegzellen, b) Hauptzellen. 2) Fig 4, c. 3) Fig. 5. 24 HugoSalomon: oft einen der inneren Oberfläche parallelen Verlauf nimmt. Auf das bekannte Epithel der Oberfläche, das sich wie stets im Pylorus tief in die Schläuche einsenkt, schliesst sich das Uebergangs- epithel an. Hier gleichen die Zellen vielfach denen im Grunde der Schläuche, sind aber kleiner und in Folge diehterer Körne- lung dunkler, theilweise sind sie auch gleichartig roth wie im Blindsack. Sie besitzen den für sie charakteristischen grossen Kern, der hier bald rund und hell, bald eckig und dunkel ist. Manche der Zellen sind auch mehrkernig, was sich an denen im blinden Ende der Schläuche nieht oder nur höchst selten beob- achten lässt. Andere sind vollständig hell mit grossem Kerm!). Die Zellen am Grunde haben meist einen flachen, wandstän- digen Kern, seltner einen eckigen oder runden und zeigen feine, mehr oder minder starke Körnelung ?). Von dem langgezogenen, flachen Kern aus erstreckt sich oft ein rother Hof über die Zelle. Zelleinschlüsse sind nicht aufzufinden, ebenso scheinen Be- legzellen im Pylorus ganz zu fehlen. Eine Eigenthümlichkeit des Pylorusabschnittes des Magens ist es, dass die Zellen nach Alkoholhärtung und Paraffineinbettung sich besser konservirt haben, als an irgend einer andern Partie des Magens. Die sonst an vielen Stellen störende, bei der ge- nannten Behandlungsweise eingetretene Schrumpfung ist hier völlig ausgeblieben. Dieser Umstand, dann das Fehlen von mehrkernigen Zellen und Zelleinschlüssen unterscheidet neben den bekannten Differenzen in der groben oder feineren Körnelung der Zellen die Pylorus- von den Blindsackdrüsen. 4. Histologie der Magendrüsen von Inuus eynomolgus. Einen im Ganzen entsprechenden Befund wie der Magen von Cercopitheeus fuliginosus liefert der von Inuus eynomolgus. Die Osmiumsäurehärtung lässt jedoch manche Eigenschaften des Gewebes besonders scharf hervortreten. Ueberall begegnet man Gabelungen im Verlaufe der Drüsen. Die letzteren sind besonders im Blindsacke sehr gewunden und erreichen hier an manchen Stellen eine bedeutende Länge. 1) Fig. 6, a. 2) Fig. 6, bei b. Beiträge z. Anat. d. Magens d. catarrh. Affen (Cercopithecus u. Inuus). 25 Das Uebergangsepithel erscheint homogen oder feinkörnig. Die Zellen sind ziemlich schmal und lang, werden aber, je tiefer sie in den Schläuchen hinabreichen, um so niedriger und breiter. Der Kern ist wieder gross, hell, mit deutlichem Kernkörperchen. Man sieht ferner keine Theka, sondern begegnet nur hier und da Zellen, die entweder ganz hell bis auf den central liegenden Kern sind oder um den basal gelegenen Kern eine helle Zone, aber ein protoplasmatisches dunkleres freies Ende zeigen. Im Blindsacke !) und im Pylorustheile erfüllen die Zellen des Uebergangsepithels manche Schläuche bis auf den Grund. Sie zeigen im Halse der Drüsen oft Mitosen ?). Die Zone der Belegzellen fehlt wie bei Cercopitheeus fuli- ginosus im Blindsacke. Einzelne Belegzellen können aber hier zwischen den Zellen im Grunde der Schläuche nachgewiesen werden, in ähnlicher Weise wie sie von Nussbaum auch zwischen den Pyloruszellen beschrieben wurden ®). In der Mitte der grossen Curvatur zeigen die Belegzellen häufig 2, kaum mehr Kerne. Gruppenweise zusammenliegen sieht man die lückenhal- tigen Zellen. An den Hauptzellen lässt die Osmiumsäure einen runden, bald helleren, bald dunkleren Kern und starke Granula deutlich hervortreten. Letztere fehlen an der Basis der Zelle, erscheinen gegen das freie Ende derselben gehäuft). In diesem Aussehen zeigen sich die Zellen an der Mitte der Curvatura major und die im Blindsacke durchaus identisch). Ganz anders sehen die im Grunde der Pylorusschläuche aus. Sie besitzen eine viel feinere und dichtere Granulirung, so dass die Granula nicht immer genau unterscheidbar sind ®). Auch erscheinen die von den Zellen be- grenzten Lumina der Pylorusdrüsen weiter ”). Mehrkernige Zellen sind selten, ebenso Zelleinschlüsse. Stöhr’sche Zellen ®) finden sich als schmale schwarze Vier- ecke oder mit der Spitze aufsitzende Keile zwischen den Zellen des Uebergangsepithels und zwischen den Hauptzellen. Auch im Magen von Inuus ceynomolgus sind an vielen Stellen Anhäufungen Iymphoider Substanz bemerkbar. Mächtige 1) Fig. 3. 2) Fig. 7, bei a. 3) D. Arch. Bd. 16. 4) Fig. 8a. 5) Fig. 8 und 9; Fig. 8a. 6) Fig. Ta. DMFig.7. 8) D. Arch., Bd. 20, Tfl.XV, Fig. 14 u. 15. 26 Hugo Salomon: Lymphfollikel, die bis unter das Oberflächenepithel reichen, mit Zellen in Mitose sind zahlreich; ausgewanderte Leukoecyten finden sich oft im Gewebe. Von den Ergebnissen dieser Untersuchung möchte ich her- vorheben die direeten Kerntheilungen in Beleg- und Hauptzellen, die Mitosen der Uebergangsepithelien, ferner die Thatsache, dass die von Hamburger an den Belegzellen beschriebenen und von ihm mit Heidenhain für Leukoeyten gehaltenen Ein- schlüsse hier auch in den Hauptzellen gefunden wurden, dass sie dagegen in den überhaupt anscheinend viel resistenteren Pyloruszellen nicht zu bemerken waren. Die Thatsache, dass im Blindsacke des Magens von Üerco- pitheceus fuliginosus und Inuus eynomolgus die Zone der Beleg- zellen fehlt und nur eine solche von Hauptzellen vorkommt, er- innert daran, dass bei den Fröschen im Oesophagus nur adelo- morphe Zellen sich finden und nach dieser Zone erst im eigentlichen Magen delomorphe. In der That scheinen, wenn man die Er- gebnisse der Untersuchungen an den verschiedenen Säugethieren zusammenfasst, überall im Magenblindsack oder Magenfundus die Höhe der Schleimhaut und die Zahl der Belegzellen geringer zu sein, während die Hauptzellen im dieser Gegend vorherrschen. Es scheinen somit bei den Säugern Anklänge an die topogra- phische Vertheilung der beiden Zellarten im Magen der niedern Wirbelthiere vorzukomment). Eine belegzellenfreie Region zu einer oder beiden Seiten der Oesophagusmündung hat erst kürzlich Edelmann?) bei einer Reihe von - Säugethieren beschrieben. Freilich erkennt er dieser Region amylolytische Funktion und besondere Zellen zu, die, nach seiner Beschreibung zu urtheilen, etwa denen des Uebergangsepithels im Grunde der Blindsack- krypten entsprechen. Jedenfalls findet sich im Anfangstheil des‘ Magens der beiden Affen ein ausgedehnter Bezirk, der nicht nur der Belegzellen entbehrt, sondern zugleich reich an unzweifel- haften Hauptzellen ist. ; 1) Vergl. hierzu M. Nussbaum, d. Arch., Bd. 21, pag. 305. 2) Vergleichend anatomische und physiologische Untersuchungen über eine besondere Region der Magenschleimhaut (Cardiadrüsenregion) bei den Säugethieren. Inauguraldissert. Leipzig 1889, Beiträge z. Anat. d. Magens d. catarrh. Affen (Cercopitheeus u. Inuus). Fig. 19 —| Erklärung der Abbildungen auf Tafel V und VI. Schnitt durch eine Epithelleiste im Blindsacke des Magens von Cercopithecus fuliginosus. Lithioncarmin, Pikrinsäure. Seibert Oe. I, Obj. LI. Schnitt durch eine Blindsackspartie von Cercopitheeus fuligi- nosus. a = Uebergangsepithel, b —= Hauptzellen. Lithioncarmin, Pikrinsäure. Seibert Oc. III, Obj. 1. Uebergangsepithel im Blindsacke von Inuus eynomolgus bis zur Muscularis reichend. | Osmiumsäure, Lithioncarmin, Pikrinsäure. Seibert Obj. V, OT. Kerntheilungen in Beleg- und Hauptzellen von Cercopitheeus fuliginosus. Lithioncarmin, Pikrinsäure. Seibert Oe. I, Obj. VL. a Belegzellen, b Hauptzellen, e eckige Zelleinschlüsse in der Vacuole einer Hauptzelle. Schlauch an der Curvatura minor mit sehr zurücktretenden Hauptzellen. Lithioncarmin, Pikrinsäure. Zeiss Oc. II, Obj. F. Pylorus von Cercopitheeus fuliginosus. a Uebergangsepithel, b Zellen im Grunde der Schläuche, ce Lymphfollikel, d Muscularis mucosae. Lithionearmin, Pikrinsäure. Seibert Oc. I, Obj. Ill. Pylorusdrüse von Inuus eynomolgus. Osmiumsäure. Seibert OCT Obje TE a Mitose einer Zelle des Uebergangsepithels. . Zellen aus dem Grunde der Pylorus-Schläuche bei starker Ver- grösserung. Seibert, Oc. I, Obj. VII. Schnitt dureh die Schleimhaut des Blindsackes bei Inuus cy- nomolgus. Osmiumsäure. Seibert Oe. I, Obj. II. . Hauptzellen aus dem Grunde der Blindsack - Schläuche. Seibert Oc. I, Obj. VII. Schläuche von der Mitte der Curvatura maior bei Inuus cy- nomolgus. Osmiumsäure. Seibert Oe. I, Obj. III. 28 Künstliche Nachbildung von Kerntheilungs- figuren. Von Dr. H. Henking (Göttingen). (Hierzu Tafel VII.) Seitdem durch Bütschli der Versuch unternommen war, die Struetur des Protoplasmas künstlich nachzuformen, war es nur ein eonsequenter Schritt in der einmal eingeschlagenen Rich- tung weiter, in diesen künstlichen Nachbildungen besonders auch auf solehe Erscheinungen Gewicht zu legen, welche speeifische Lebensäusserungen der Zellen copiren. So theilte Bütschli') kürzlich mit, dass er in Gelatineölschäumen wie auch früher schon in den Gerinnungsschäumen von Eiweiss um eingeschlossene Luft- blasen häufig eine hellere Attractionssphäre sowie eine charaete- ristische radiäre Strahlung beobachtet habe. Archoplasma und Radien kamen dadureh zu Stande, dass die Luftblasen, welche die Stellen der Centrosomen einnehmen, in den erkaltenden Schäu- men sich contrahiren und dadurch einen allseitig zum Centrum der Blasen gerichteten Zug ausüben, welcher die Schaumstruetur radiärstrahlig umgestaltete. Lagen zwei Luftblasen in entsprechen- der Entfernung von einander, so nahmen die Radien zwischen ihnen einen den Kernspindeln entsprechenden Verlauf. Bütsehli ist nun der Ansicht, dass eine ähnliche Zug- wirkung auch von den Centrosomen echter Kerntheilungsfiguren auf das umgebende Protoplasma ausgeübt werde. Denn wohl immer vergrössern die Öentrosomen im Verlauf dieses Processes zwar ihr Volumen, ein Beweis für das Vorhandensein von Dif- fusionsvorgängen, — aber Bütschli meint, dass durch chemische Umsetzungen ein Theil der aus dem Plasma aufgenommenen Flüssigkeitsmenge im Centrosom gebunden würde, sodass seine 1) 0. Bütschli, Ueber die künstliche Nachahmung der karyo- kinetischen Figur (Verh. d. nat. med. Vereins Heldelberg, Bd. V H. 1. Sitz. v. 5. Aug. 1892). be) Künstliche Nachbildung von Kerntheilungsfiguren. 2 Volumenszunahme geringer sei als die Flüssigkeitsaufnahme. Hier- mit würde das Vorhandensein einer Zugkraft im wirklichen Oen- trosom erklärt werden können. Dureh die Versuche von Bütscehli ist bewiesen, dass durch eine von einem Centrum ausgeübte Zugkraft eine Strah- lung bewirkt werden kann. Es bleibt hiernach nur noch zu untersuchen, was eine von einem Oentrum ausgehende Druck- kraft für Wirkungen auf die Umgebung äussere. Da habe ich denn nun beobachtet, dass Druckkräfte unter gewissen Beding- ungen ganz die gleichen Erscheinungen hervorrufen, ja, dass wir durch sie Figuren hervorrufen können, welche durch das spontane Auftreten von Attractionssphären, von Polkörperchen, von Pol- und Spindelstrahlung und dem Ansatz derselben an einen nachgeahm- ten Kern eine grosse Aehnlichkeit mit wirklichen Kerntheilungs- figuren darbieten. Ich spreche nur von einer Aehnlichkeit im Aussehen, da diese Figuren unter so abweichenden Be- dingungen entstehen, dass die hier wirksamen Kräfte nur mit der nöthigen Vorsicht bei der Erklärung der Karyokinese benutzt werden können. Sie stehen in dieser Hinsicht hinter den Ver- suchen von Bütschli zurück, welche an einem dem Protoplasma sehr ähnlichen Materiale angestellt sind. Den Ausgangspunkt meiner Versuche bildet eine Beobach- tung, welche ich an berussten Flächen machte, wie sie in der Physiologie ete. z. B. zum Aufzeichnen von Athmungscurven ge- braucht werden. Beim Fixiren derselben bilden sich gelegentlich schwach strahlige Figuren mit dunklem Centrum, welche durch einen herabfallenden Tropfen der zum Fixiren benutzten alkoho- lischen Schellacklösung erzeugt sind. Mit dieser Beobachtung war der Gang der Versuche bereits gegeben. Berusst man ein Stück Cartonpapier über einer Flamme und lässt aus einer Höhe von etwa 30 etm einen Tropfen ge- wöhnlichen Fixativ's aus einer Pipette herabfallen, so erhält man ‚recht hübsche Strahlungsfiguren. In letzter Zeit habe ich zu meinen Versuchen Objeetträger als Unterlage benutzt. Ich berusse dieselben, indem ich das Glas in der Flamme einer Kerze hin und her ziehe. Der Russüber- zug darf nicht so diek werden, dass die Flamme nicht mehr deutlich erkannt werden kann. Lässt man nun aus einer Höhe von 25—30 etm einen Tropfen Fixativ aus einer Pipette auf den 30 Dr. H. Henking: Objeetträger herabfallen, so bildet sich im Momente des Auf- schlagens des Tropfens eine Strahlenfigur, wie Fig. 2!) eine solche vorführt. Man’sieht in der Mitte das Centrosoma, bestehend aus einer dunklen Centralkugel und einer in diesem Falle etwas schwammigen Rinde. Darum folgt das helle Archoplasma, welches peripherwärts in helle Strahlen ausgeht. Diese Strahlen werden dadurch erzeugt, dass vom Archoplasma aus der Alkohol in feinen gleichmässigen Bahnen ringsum nach aussen strömt oder besser spritzt und auf solche Weise in die Russschicht feine Linien ein- reisst (Fig. 6). Zwischen je zwei hellen mit dem Archoplasma in Verbin- dung stehenden Radien befindet sich ein aus Kohlensubstanz be- stehender dunkler Strahl (Fig.6). An besonders gelungenen Prä- paraten bemerkt man nun, dass dieser dunkle Strahl in der Mittel- linie einen besonders dunklen Streifen führt, welcher aber durch helle Pünktchen in regelmässigen Abständen unterbrochen ist. Begrenzt ist der Mittelstreifen durch zarte helle Linien. Durch beiderseits vom Mittelstreifen schräg nach aussen ziehende, etwas unregelmässige Linien sind die Randpartieen des dunklen Strahles zerklüftet, sodass man diesen 'mit der Gestalt einer Feder recht wohl vergleichen kann. In der Fig. 4 wird die Hauptsache der soeben beschriebenen Strueturen in seltener Vollkommenheit erkannt werden. Es stellt dieselbe ein Stück aus Fig. 9 bei stärkerer Vergrösserung dar. Die hellen Radien sind hier durch die Gruppen der feinen hellen Pünktchen und weiter nach aussen durch die gröberen hellen Flecke repräsentirt. Zwischen sich schliessen dieselben den dunklen Strahl ein, welcher der Länge nach in der Mitte jedesmal den noch dunkleren Mittelstreifen führt. Tritt auch in der Photo- graphie der Farbenunterschied erklärlicherweise nieht sehr deut- lich hervor, so wird der Mittelstreifen doch durch die beschrie- 1) Dass ich Photographieen der von mir angefertigten Figuren hier wiedergeben kann, verdanke ich der grossen Freundlichkeit des Herrn Dr. med. D. von Sehlen (Hannover), welcher mir nicht nur sein photographisches Atelier zu uneingeschränkter Verfügung stellte, sondern auch in meinem Interesse bei Anfertigung der Photographieen etc. sehr viel Zeit aufgewandt hat. Es ist mir eine angenehme Pflicht, demselben auch öffentlich meinen Dank auszusprechen. Künstliche Nachbildung von Kerntheilungsfiguren. 31 benen feinen hellen Seitenlinien und die ihn unterbrechenden hellen Stellen sehr kenntlich gemacht. Die Entstehung des Mittelstreifens denke ich mir so, dass die beim Zerspringen des Tropfens sich bildenden Alkoholstrahlen verschiedenen Ebenen angehören, und dass ein oberflächlich fort- gleitender Strahl die Russschieht nur mit seiner Peripherie be- rührt. Damit stimmt auch überein, dass die Mittelstrahlen wegen der geringeren Reibung weiter nach aussen zu reichen pflegen, als die zwischen ihnen gelegenen tiefer gleitenden Strahlen, welche eine breitere Strasse in der Kohlensubstanz anlegen. Häufig sieht man aber auch, dass ein Alkoholstrahl in der Nähe des Figuren- centrums eine breite Bahn gerissen hat, dann aber mehr ober- flächlich weiter eilte und nun einen in gleicher Flucht liegenden Mittelstreifen bildete. Nach der Peripherie zu vereinigen sich häufig einige benachbarte Mittelstreifen und umschliessen durch Gabelung und Wiedervereinigung gelegentlich polygonale Felder. Gelegentlich tritt eime Vereinigung benachbarter Strahlen schon früh ein. Oft lehren die Figuren ferner; dass man jeden Strahl als aus feinen Tröpfehen zusammengesetzt ansehen darf, da man zuweilen die Wirkung eines jeden Tröpfehens noch deut- lich unterscheiden kann. Eine ganz gleiche aber infolge der raschen Verdunstung etwas „krausere“ Figur bildet sich, wenn an Stelle von Alkohol Aether in der gleichen Weise benutzt wird. Bei den Aether- figuren ist häufig die Randpartie besonders eharacteristisch, bis in welche hinein man die hellen Strahlen verfolgen kann, in deren Umgebung alsdann die Verdunstungserscheinungen sich geltend machen. Eine Strahlenfigur wird man jedesmal erhalten beim Fallen- lassen eines Alkohol- oder Aethertropfens aus der richtigen Höhe, aber die Figuren bilden. sich nicht immer in gleicher Vollkommen- heit. Es ist hier nicht der Ort eingehender zu untersuchen, wo- rin das begründet sein könnte. Nur auf eine Besonderheit sei noch hingewiesen: Die durch den Alkohol gebildeten hellen Strahlen endigen an der Peripherie meist mit abgestutzter Fläche, nieht spitz, eine Erscheinung, wie sie durch den Widerstand der Kohlenpartikelehen erklärt werden kann. In seltenen Fällen kommt es nun aber vor, dass ein solcher Strahl nach kurzem Verlaufe in ein Bündel feinerer Strahlen sich zerlegt. Diese 32 Dri.H. Hemking: endigten dann in den von mir beobachteten Fällen schliesslich zugespitzt (Fig. 7). Eine Zuspitzung der Strahlen ist der Regel nach deutlich zu erkennen, wenn man einen Tropfen gewöhnlichen Wassers aus genügender Höhe herabfallen lässt. Aber hier sieht man vor der Spitze noch ein Kügelehen von dunklerer Kohle, entstanden durch das Zusammenschieben der Kohlentheilchen im Wege des Strahles. Die dunklen Strahlen lassen bei Benutzung von Wasser in ihrer Mittellinie gewöhnlich jenen bei Alkohol oft so deutlich hervor- tretenden Mittelstreifen nicht erkennen. In allen bisher besprochenen Fällen entsteht die Strah- lung dadurch, dass der Flüssigkeitstropfen zerspringt und sich morgensternförmig in mehr oder weniger feine Zacken auszieht, welche sich später vom Centrum ablösen und ringsum in einiger Entfernung als Tröpfehen niederfallen können. Die im der Um- gebung bemerkbaren feinen Tröpfehen sind jedoch viel weniger zahlreich als die Strahlen der Figur. Jedenfalls zerreisst die Tropfenoberfläche und die Folge hiervon ist die Bildung der Strahlenfigur. Lässt man nun aber einen Wassertropfen nur aus der Höhe von 2—5 etm auf einen berussten Objectträger herabfallen, zerreisst die Oberfläche des Tropfens nieht, derselbe bleibt vielmehr als Ganzes erhalten. Er schlägt wie ein Gummiball nur auf die Unterlage auf und springt gewöhnlieh elastisch vom Objeetträger herab, was man dadurch erleichtern kann, dass man den Objectträger ein wenig schief hält. Das Resultat dieses Aufschlagens ist nun aber genau die frühere Figur, jedoch ohne Strahlung. Wir erhalten auf diese Weise also ein helles Archo- plasma mit einem dunklen Centrosoma in der Mitte (Fig. 5). Bei gut gelungenen Figuren ist das Centrosoma ein scharf um- srenzter intensiv dunkler kreisförmiger Körper (Fig.5) und auch das kreisförmige helle Archoplasma hat nach der Peripherie zu einen glatten Rand. Gelegentlich aber ist dieser Rand scharf gezackt, ein Beweis, dass die Oberfläche des Tropfens bereits Spitzen aussandte als erste Andeutung einer Strahlenbildung. — Zur Herstellung dieser Figur ist es am zweckmässigsten, den Objectträger nur schwach zu berussen. Recht instructiv ist es auch, wenn man einen Tropfen eines fetten ODeles aus der Höhe weniger Centimeter auf den geschwärz- Künstliche Nachbildung von Kerntheilungsfiguren. 39 ten Objeetträger herabfallen lässt. Dann bilden sich auf der ganzen Berührungsfläche sehr zahlreiche kleine Centrosomen mit hellem Hofe. Steigert man die Fallhöhe, so wird das in der Mitte der Figur gelegene Centrosoma verstärkt und bekommt bildlich das Uebergewicht über die anderen. Das mittlere Cen- trosom ist dann von einem deutlichen Kranze heller Pünktchen umgeben, eine Erscheinung, welche jedoch auch an den seitlichen Centrosomen oft recht klar vorhanden ist (Fig. 8). Bei grösserer Fallhöhe wird das mittlere Centrosom noch deutlicher und der helle Hof wird sehr breit. Eine deutliche Strahlenbildung stellt sich jedoch infolge des zähen Materials nicht ein. Eine recht scharfe Umgrenzung besitzt das Centrosoma nur in den mit Wasser hergestellten Figuren (Fig. 5). Bei Benutzung von Alkohol, Aether, Oel dagegen zeigt es fast immer einen concentrischen Bau (Fig. 6). Fast immer ist es ferner von einer schwammig erscheinenden Zone von Kohlensubstanz umgeben (Fig. 2, 6), welche sich allmählich in die Region des Archoplas- mas verliert. War die Kohlenschieht dieker, so ist auch oft das Archoplasma mit solcher Substanz angefüllt (Fig. 9), indem dunklere meist gebogene Linien mit grösseren helleren Flecken abwechseln. Ueberhaupt ist es für das Aussehen der Figur entscheidend, ob die Kohlensubstanz völlig vom Objectträger in den betreffenden Bahnen weggefegt ist (Fig. 2, 6), oder ob noch eine grössere Menge erhalten blieb (Fig. 9). Weiter war zu untersuchen, was eintritt, wenn zwei Tropfen so dieht neben einander niederfallen, dass die Strahlensysteme sich berühren. Es resultirt, was zu erwarten war: Die in die Verbindungslinie der beiden Centren fallenden Strahlen setzen sich mit einander in Verbindung, die seitlich davon liegenden kreuzen einander. Wir erhalten somit eine Spindelfigur. Zur Herstellung dieser Spindelfigur empfiehlt es sich jedoch nicht, Alkohol oder dergleichen zu verwenden und zwar aus dem Grunde nicht, weil Alkohol das feine Kohlenpulver benetzt. Alko- hol breitet sich rasch auf der berussten Fläche eoncentrisch aus, sodass die von dem anderen Centrum kommenden Strahlen das Russmaterial nicht mehr in jenem lockeren Zustande vorfinden, welcher für ihr Fortgleiten erforderlich ist. So kommt es denn, Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 41. 3 34 Dr. H. Henküinge: dass in dem Grenzbereich beider Centren sich eine indifferente Zone bildet, durch welehe nur selten einmal ein Strahl hindurch- tritt. Oft greifen die beiden Territorien mit wellenförmigen Ausbuchtungen in einander, ähnlich den Schalenklappen einer Tridaena. Ein solehesBild erhält man überhaupt auch nur dann, wenn zwei Tropfen in richtiger Distanz genau gleichzeitig niederfallen. Fällt der eine Tropfen später, so ist dessen Figur um so viel verkürzt, als die andere Figur in dessen Bezirk übergreift. Die erste Figur bildet sich vollständig aus; fällt in ihren Bereich z. B. das Cen- trum der zweiten Figur, so kommt dieses nieht zur Ausbildung, sondern nur jener Kreisabschnitt, welcher über den Rand der ersten Schlagfigur hinausreicht. Gleichzeitig zwei Tropfen niederfallen zu lassen, ist nicht so leicht, als man denkt. Es ist mir auf folgende Weise ge- lungen: In ein kurzes Stück einer weiten Glasröhre stecke ich einen doppelt durchbohrten Gummistopfen und in dessen Oeff- nungen je ein engeres Glasröhrchen. Jedes Glasröhrehen verbinde ich mit Hülfe eines Gummischlauches mit einem zweiten in eine Spitze pipettenartig ausgezogenen Glasrohr. Die beiden Spitzen müssen möglichst gleieh sein und gleich feine Oeffnungen haben. Diesen Apparat hänge ich senkrecht auf und schiebe die beiden Endröhren so, dass ihre Oeffnungen in gleicher Höhe ausmünden. Fülle ich nun in das nach oben gerichtete weite Glasrohr irgend eine Flüssigkeit, so strömt dieselbe natürlich aus den beiden Glasröhren unten in zwei feinen Strahlen aus. Wird aber jeder der beiden verbindenden Gummischläuche durch’ einen mit einer Schraube verstellbaren Quetschapparat zusammengedrückt, so kann man den Abschluss so reguliren, dass nur langsam Tropfen nie- derfallen. Es ist jedoch kaum möglich, die Einstellung so genau zu machen, dass die Tropfen aus beiden Spitzen ganz gleiehmässig niederstürzen. Ieh möchte empfehlen, sich an diesem primitiven Apparate in der Richtung nieht zu lange abzumühen. Es genügt völlig, wenn man einen annähernd gleichmässigen Fall hervor- gerufen hat. Gleichmässig nenne ich es, wenn beide Tropfen etwa 3—4mal hintereinander gleichzeitig oder annähernd gleich- zeitig herabträufeln. Beim vierten oder fünften Tropfen wird ein Zeitunterschied deutlich, welcher sich immer mehr steigert bis „> Si Künstliche Nachbildung von Kerntheilungsfiguren. die Tropfen abwechselnd fallen. Dann aber tritt wieder eine Annäherung "ein, und nach etwa 40 oder 50 Tropfen, oder so, jederseits kommt wieder ein Intervall des gleichmässigen Arbeitens der Vorrichtung. Hat man alsdann einen berussten Objeetträger an die richtige Stelle gelegt, welche durch zwei fallengelassene Tropfen angezeigt ist, so kann man durch ein zwischengeschobenes Wasserglas die ungleichmässigen Tropfen abfangen, bis die ge- eignete Periode da ist, deren Annäherung man leicht beobachtet. Beim zweiten gleichmässigen Tropfenpaar zieht man das Wasser- glas fort, die Tropfen stürzen auf den Objeetträger nieder und erzeugen die Figur, man schiebt das Wasserglas wieder zwischen, damit die späteren Tropfen die erste Figur nicht zerstören, und nimmt den Objeetträger fort, um das Resultat zu besehen. Dasselbe ist natürlich abhängig von der Distanz der beiden Tropfen. Die Distanz muss kleiner sein als die Summe der bei- den Figurenradien. Man kann die wünschenswerthe Entfernung leicht einstellen, wenn man um die beiden unteren Glasröhren ein Gummibändcehen legt und dann durch zwischengeschobene Hölz- chen oder Papier den Abstand regelt. Das Zeitintervall zwischen zwei aus denselben Röhren fallenden Tropfen regelt man je nach Gelegenheit auf 3—5 Secunden. Besser als Alkohol arbeitet gewöhnliches Leitungswasser, welches ich in der letzten Zeit zur Herstellung der Doppelfiguren ausschliesslich benutzt habe. Die unteren Oeffnungen der Glas- röhren befanden sich 36 etm über dem berussten Objeetträger. Es ist empfehlenswerth, gleich eine grössere Menge von Objectträgern über einem Licht zu schwärzen und unter den ein- mal in Gang gesetzten Apparat zu bringen, weil nicht jede Figur gut gelingt. Es kommt das natürlich daher, dass man die Her- stellung der am besten geeigneten Dicke der Russschicht nicht völlig in der Hand hat. Besonders störend ist es, wenn die Tropfen, wie es mehrfach vorkommt, nieht abspringen, sondern am .Glase haften bleiben. Das Abspringen kann man etwas be- fördern, wenn man dem Objeetträger durch ein untergelegtes Zündholz eine etwas geneigte Lage gibt. Ist es aber zu viel, so wird die Figur schief. Gut gelungene Figuren zeigen in der gemeinsamen Region oft eine recht gute Spindelfigur. Die ganze Figur wird einem Kermntheilungsvorgang dem Aussehen nach noch viel ähnlicher, wenn man einen „Kern“ auf 36 Dr. H. Henking: dem Objeetträger anbringt. Ich habe hierzu einfach einen ganz kleinen Tropfen einer alkoholischen Carminlösung genommen und diesen vor Anwendung des Tropfenfallapparates auf den be- russten Objeetträger aufgetragen. Der Tropfen breitet sich je nach seiner Grösse aus, und bildet emen matten Fleck. Lässt man nach dem Troeknen desselben die beiden Tropfen seitlich neben ihm niederfallen, so eilen natürlich auch zahlreiche Strahlen auf seine Oberfläche zu, ja es sammelt sich auf der benetzbar gewordenen matten Stelle nun häufig eine kleine Portion Wasser an, als ob sie angezogen wäre. So erhält man ein Bild, wie es in Fig. 3 von einer besonders gut gelungenen Figur im photo- graphischen Abzuge dargestellt wurde. In Fig. 1 ist der Ver- such gelungen, den „Kern“ nur mit einer Strahlensonne in Ver- bindung zu setzen. Zum Vergleich mit diesen Kunstprodueten empfiehlt es sich wohl geeignete Kermtheilungsbilder heranzuziehen und verweise ich da auf die von F. Hermann!) gegebenen Figuren seiner Taf. 31. Man wird alsdann die grosse Uebereinstimmung in der äusseren Erscheinung recht augenfällig finden. Besonders mache ich noch auf seine Figg. 8, 9 und 10 aufmerksam, woselbst man sieht, dass die langen von den beiden Polen kommenden Strahlen, soweit sie nieht zur Spindel zusammengetreten sind, einander kreuzen, gerade wie man es hier in den neben der Spindel gelegenen Strahlen ebenfalls sieht (Fig. 3). Entsprechen die Hermann'schen Figuren der Wirklichkeit, woran einstweilen eigentlich kein Zweifel ist, so scheint mir der Umstand besonders wichtig zu sein, dass in derZelle und inmeinenKunst- produeten die gekreuzten Strahlen stets scharf- winkelige Figuren umschliessen, meist Rhomben. Es fragt sich nun, in weleher Weise die von mir darge- stellten künstlichen Kernfiguren sich zur Erklärung der Kern- theilungsvorgänge verwenden lassen. Da dürfte es angezeigt sein, vor Aufstellung irgend einer Hypothese erst noch weitere Versuche abzuwarten. Der Gewinn liegt einstweilen darin, dass es gelungen ist, durch einen bis in seme Einzelheiten recht klaren Vorgang Bilder herzustellen, welehe man nach ihrer Zusammen- 1) F. Hermann, Beitrag zur Lehre von der karyokinetischen Spindel (Arch. f. mikroskop. Anatomie, 1891, Bd. 37) Tafel XXXI. Künstliche Nachbildung von Kerntheilungsfiguren. 37 setzung bisher als den Zelltheilungen eigenthümlich hinzustellen gewohnt war. Fassen wir das Wesentliche noch einmal zusam- men, so erhalten wir Folgendes: Ein fallender Tropfen schlägt auf eine Grundfläche auf. Es entsteht eine ringförmige, helle Figur, dadurch erzeugt, dass die ursprünglich hier gelagerten Stofftheilchen zur Seite, theilweise wohl auch zur Mitte der Figur gedrängt werden, woselbst eine kreisförmige dunkle Schicht, öfter wieder aus eoncentrischen Abtheilungen bestehend, erhalten bleibt. Ist die Fallhöhe grösser, die in dem Tropfen aufgespeicherte leben- dige Kraft also beträchtlicher, so wird die Oberflächenspannung des Tropfens überwunden und die Flüssigkeit fährt in der Ge- stalt feiner Strahlen ausemander. Die einzelnen Moleküle werden also durch die Glasplatte in ihrer abwärts gerichteten Bewegung gehindert, die ihnen zu Theil gewordene lebendige Kraft über- windet den Zwang, welcher sie zu einem Tropfen zusammenhält, sie bewegen sich in dem ihnen entgegenstehenden fremden Medium zur Seite und zwar in der Verlängerung eines Radius des Tropfens, sodass eine regelmässige Sonnenfigur zu Stande kommt. Die seit- wärts gehende Bewegung der Moleküle kann zum Abtrennen der Strahlen von der Hauptmasse des Tropfens führen. Die einzelnen Moleküle würden sich demnach in der Umgebung verlieren, wenn nicht wiederum eime besondere Gewalt sie zu kleinen Tröpfehen zusammenzwänge, welche besonders bei Benutzung von Alkohol oder Aether in der Umgebung der Hauptfigur sichtbar werden. Wasser ist „elastischer“, dort werden die Strahlen wiederum ein- gezogen, denn man sieht häufig den Tropfen nach dem Auf- schlagen abgerundet fortspringen, ohne dass es zur Abtrennung von Theilchen käme. Wir erblieken denmach in dem Centrosoma unserer Figur gewissermassen den todten Punkt in der Bewegung der Moleküle. Im Archoplasma aber findet die Ablenkung der Moleküle haupt- sächlich nach der Seite hin statt. Die wirkliche Kerntheilungsfigur unterscheidet sich von der unsrigen durch. ihre mikroskopische Kleinheit und dadurch, dass die Strahlenfigur frei im Raum schwebt. Diese beiden Unter- schiede sind nicht zu unterschätzen und verbieten es, die bei den künstlichen Figuren erkannten Kräfte ohne Weiteres auch in der Zelle als wirksam anzunehmen. Von einer Fallbewegung kann in der Zelle natürlich keine Rede sein, aber man könnte annel- 38 Pr>H. Henking: men, dass im Archoplasma durch die bei der Kerntheilung un- zweifelhaft stattfindenden chemischen Processe lebendige Kräfte wirksam würden, welche einen ähnlichen Effect erzielten, wie die durch Fallbewegung angesammelte Spannung. Doch darüber sind weitere Untersuchungen nöthig. Hier genügt es, den Nachweis erbracht zu haben, dass nicht nur durch Zugkräfte (Bütschli), sondern auch durch Druckkräfte (Henking) Strahlenfiguren ent- stehen können, wobei die letztere Erklärung vielleicht auch eine erste entfernte Vorstellung von dem Zustandekommen der Centro- somen anbahnt. Zum Schluss möchte ich noch ganz besonders darauf hin- weisen, dass im Prineip genau die gleichen Figuren auftreten, wenn man an Stelle von Kohlenpulver den Objectträger mit einer möglichst gleichmässigen Schicht von Hühnereiweiss über- zieht. Lässt man vor dem Eintrocknen derselben aus genügender Höhe mit einer Pipette einen Tropfen starken Alkohols darauf- fallen, so hat man ebenfalls sofort Centrosoma, Archoplasma und Strahlung vor sich. Die Strahlung ist je nach der Dicke der Eiweissschicht etwas verschieden, ziemlich geradlinig bei dünner Schicht, unregelmässig verlaufend, sodass die Figur ein rosetten- artiges Ansehen bekommt, bei diekerer Eiweissunterlage. Zwischen den einzelnen hellen Strahlen sind, gerade wie bei dem Russ, dunkle Züge stehen geblieben, ähnlich der Gebirgszeiehnung einer Landkarte, und dem Rücken der Anhöhen entlang macht sich ein Mitelstreifen bemerklich gerade wie in den Russfiguren nach Alkoholbehandlung (Fig. 4. Das Centrosoma ist oft so dunkel, dass eine Anhäufung von Eiweiss daselbst als höchst wahrschein- lich betrachtet werden muss. Es erscheint in der Mitte des Centrosoma ein Gebilde von besonderer Lichtbrechung, oft ähn- lich einer Blase mit dunklem Rande. In der Umgebung derselben kann eine radiäre Strahlung zum Vorschein kommen. Hannover, im November 1892. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Künstliche Nachbildung von Kerntheilungsfiguren. 39 Tafel VI. Die Figuren sind, mit Ausnahme von Figg. 4, 6, 7, mit schwacher Vergrösserung (Winkel’s Objeectiv 00), Figg. 4, 6, 7 mit Winkels Nr. 3 photographirt worden. de} Centrosoma, Archoplasma, Strahlung, Spindel. „Kern“ der einen Sonnenfigur angenähert. Wasserpräparat. Sonnenfigur. Alkoholpräparat. Wie Fig.1, aber Strahlen von beiden Sonnenfiguren gehen an den „Kern“. Stück aus der dunklen Partie von Fig. 9, stärker vergrössert. Die dunklen Strahlen sind von punktirten Feldern begrenzt und führen längs ihrer Mittellinie den Mittelstreifen. Alkohol- präparat. Centrosoma mit Archoplasma. Strahlung fehlt. Wasserprä- parat. Stück aus Fig. 2 stärker veergrössert. Theil einer besonders zarten Strahlung. Alkoholpräparat. Schlagfigur durch einen Tropfen fetten Oeles. Die hellen Flecke können als Archoplasmen betrachtet werden, in wel- chen auch auf der Photographie an vielen Stellen die dunk- leren Centrosomen erkannt werden können. In der Mitte das geschichtete Haupt-Centrosom, noch ohne Archoplasma. Mittlere Partie einer Sonnenfigur. Alkoholpräparat. 40 Dr. Erich Hoffmann: (Aus dem I. anatomischen Institut der Universität Berlin.) Ueber einen sehr jungen Anadidymus des Hühnchens. Von Dr. Erich Hoffmann, Unterarzt. Hierzu Tafel VII. Einleitung. Trotz der zahlreichen Untersuchungen, welche besonders in den letzten Jahrzehnten über den Ursprung und das Wesen der Doppelbildungen angestellt worden sind, ist die Frage nach ihrer Entstehung immer noch eine viel umstrittene. Während sich früher nur zwei Theorieen, die der Verwachsung und Spaltung, feindlieh gegenüberstanden, sind in neuerer Zeit noch drei Thheo- rieen hinzugekommen, von denen die älteste, die Rauber’sche Radiationstheorie, die Entstehung der Doppelmonstra von einem einheitlichen Gesichtspunkt beurtheilt, während die beiden neue- ren, die Gerlach’sche Bifurkationstheorie und die Klaussner- sche Theorie der Fission mit Postgeneration, die Einheit des Prineips aufgebend, nur auf eine bestimmte Form der Doppel- bildungen sich beziehen. Eine genaue Darstellung der im Lauf der Zeit von den verschiedenen Forschern über die Natur der Doppelbildungen geäusserten Ansichten findet sich m Rauber’s Abhandlung über die Theorieen der excessiven Monstra (Virchow's Archiv, Bd. 71) und in Leo Gerlach’s Monographie über die Entstehungsweise der Doppelbildungen; ich kann mich daher auf eine kurze Skizzirung der verschiedenen Theorieen beschränken. Die älteste Theorie ist die Verwachsungstheorie, welche in ihrer ursprünglichen Fassung die Doppelbildungen aus der Verwachsung zweier auf verschiedenen Eiern entstandener Embryonen herleitet. Alle Beobachtungen an jungen Doppel- bildungen, besonders aber die Befunde Panum’s an Hühnereiern mit doppeltem Dotter haben gelehrt, dass eine solche Verwachsung unmöglich ist, dass vielmehr alle Doppelbildungen aus einem Ei Ueber einen sehr jungen Anadidymus des Hühnchens. 41 resp. auf einem Dotter entstehen. Die Verwachsungstheorie hat daher im Lauf der Zeit eine andere Fassung bekommen, in wel- cher sie besonders von Lereboullet, B. Schultze, Dareste und Panum vertheidigt worden ist: Nieht zwei auf verschiedenen Eiern entstandene Embryonen, sondern zwei in demselben Ei entstandene, ursprünglich gesonderte Embryonalanlagen sollten sich im Lauf der Entwickelung nähern und ganz oder theilweise mit einander verschmelzen. Aber auch in dieser Form hat die Verwachsungstheorie in den letzten Jahren keinen Vertheidiger mehr gefunden. Vermag sie doch durchaus nicht zu erklären, warum in allen bisher beobachteten Fällen stets genau identische Theile beider Em- bryonen mit einander verbunden sind. Theoretisch lässt sich ferner einwenden, dass die Verwachsung doch nur eine sekundäre Erscheinung ist, die wohl einen innigeren Zusammenhang beider Komponenten herbeiführen kann; von einer ursprünglichen Ent- stehung der Doppelbildungen durch Verwachsung kann aber nicht die Rede sein, da die Komponenten schon von Anfang an dadurch, dass sie in demselben Fruchthof angelegt werden, kontinuirlich mit eimander verbunden sind. Mehr Anhänger hat ihre Gegnerin, die Spaltungstheorie, aufzuweisen, darunter eine grosse Anzahl der bedeutendsten Em- bryologen, z. B. C. F. Wolff, J. F. Meckel, v. Baer, Joh. Müller, Valentin, Bischoff, Leuekart, Reichert und andere. In sei- nem grossen Werke über die Missbildungen des Menschen hat Ahlfeldt, der jüngste Vertreter dieser Theorie, dieselbe scharf formulirt. Er stellt sich vor, dass Mehrfachbildungen und ein- eiige Zwillinge aus einem ganz normalen Ei entstehen, dessen Befruchtung und Furchung in der gewöhnlichen Weise abläuft. Nach der Furchung, jedoch bevor die ersten Spuren des Embryo auftreten, wird die aus indifferenten Furchungskugeln bestehende Zellmasse durch den Druck der zu engen Zona pellu- eida mehr oder weniger tief gespalten. Durch den fortdauern- den Druck der Zona pellucida werden beide Hälften auseinander- getrieben, wodurch eine Drehung der mittlerweile in jeder Hälfte entstandenen Embryonalanlagen stattfindet. Die Spaltung findet immer in der Längsachse statt. Die Annahme einer Spaltung der Furchungszellmasse durch .den Druck der Zona pellueida stützt sich lediglich auf Speku- 42 Dr. Erich Hoffmann: lationen und Vermuthungen, und mehrere thatsächliche Beobach- tungen sprechen dagegen. Panum beobachtete nämlich mehrere Hühnereier mit strangförmiger Verdickung der Dotterhaut, die quer über den Keim hinweglief und eine tiefe Einschnürung ver- anlasste, aber trotzdem die Entwicklung eines einfachen normalen Embryo nicht gestört hatte. Ferner kann ieh nicht zugeben, (dass es bisher gelungen wäre, durch irgend welehe mechanische Eingriffe Doppelbildungen zu erzeugen; alle derartigen Behauptungen haben sich als irrthümlich erwiesen und sind von Scehrohe und anderen widerlegt worden. Wenn Ahlfeldt end- lieh annimmt, dass die nach der Furchung entstandenen Zellen noeh indifferent seien, so ist das ein Irrthum; denn jede Furchungszelle hat nach den Beobachtungen Roux’ am Froschei ihre besondere Bedeutung. Daher müsste Ahlfeldt zugleich annehmen, dass jede der durch Spaltung entstandenen Hälften sich mehr oder weniger zu einem vollständigen Embryo regene- riren könne. Diesen beiden T’heorieen hat vor 15 Jahren Rauber als eine dritte seme Radiationstheorie gegenübergestellt. Er geht von der Annahme aus, dass bei der normalen Entwicklung der Knochenfische nach geschehener Furehung auf der aus einem dünnen Mittelfeld und dem stärkeren Randwulst bestehenden Keimscheibe die Kopfanlage als en eentripetaler Vorstoss des Randwulstes erscheint, während der übrige Körper (durch suceessive Aneinanderlagerung der beiden Randwulsthälften gebildet wird. Gestützt auf die Beobachtung zahlreicher, zum Theil sehr junger Mehrfachbildungen von Knochenfischen be- hauptet er nun, dass die Anlage einer Doppelbildung dadurch geschehe, dass statt eines Vorstosses zwei radiär gegen das Centrum der Keimscheibe gerichtete Ausstrahlungen des Rand- wulstes erscheinen. Nur wenn beide vorderen Embryonalanlagen sich in Oppositionsstellung befinden, d.h. wenn ihre Achsen unter einem Winkel von 180° zu einander eingestellt sind, werden die Jeder von beiden zugehörigen Randwulststrecken gleich sein und zwei getrennte Embryonen entstehen können. In allen übrigen Fällen werden die beiden vorderen Embryonalanlagen den Rand- wulst in zwei ungleiche Theile zerlegen, eine kürzere „innere Zwischenstrecke“ und eine längere „äussere Zwischenstrecke“. Von der inneren Zwischenstrecke werden die medialen einander Ueber einen sehr jungen Anadidymus des Hühnchens. 45 zugekehrten Körperhälften gebildet, während aus der äusseren Zwischenstrecke die lateralen und schliesslich der gemeinsame Hinterleib hervorgehen. Auch beim Hühnchen entsteht nach Rauber's Auffassung der vordere Theil des Primitivstreifens als ein Vorstoss des Keimwulstes, der hintere wird durch Conjunetion allerdings nur der in nächster Nähe liegenden Theile des Keim- wulstes geliefert, während der bei weitem grössere Abschnitt des Keimwulstes lediglich der Dotterumwachsung dient. Durch diesen zwischen Hühnchen und Knochenfischen bestehenden Unterschied erklärt es sich nach Rauber's Angabe leicht, warum bei ersteren die Anakatadidymi und Katadidymi, bei letzteren dagegen die Anadidymi bei weitem überwiegen. Die Rauber’sche Radiationstheorie hat gleichfalls ihre Be- deutung verloren, seitdem man fast allgemein die Ansicht auf- gegeben hat, dass der Embryo aus dem Randwulst durch An- einanderlagerung seiner beiden Hälften entstehe. Der Randwaulst dient vielmehr auch bei Fischen zum grössten Theil der Dotter- sackbildung, nur der der Embryonalanlage nahe gelegene Theil, die Umgebung der Randkerbe, kann zum Aufbau des Embryo beitragen. Beim Hühnchen fasst Rauber den vorderen Theil des Primitivstreifens als Kopfanlage auf, während doch feststeht, dass die Medullarwülste sich vor dem Primitivstreifen anlegen. Vor 10 Jahren hat Leo Gerlach in semem umfangreichen Werke über die Entstehungsweise der Doppelmissbildungen bei den höheren Wirbelthieren, in welchem sämmtliche bisher be- obachtete Mehrtachbildungen «des Hühnchens zusammengestellt worden sind, die Rauber'sche Theorie für die Knochenfisch- doppelbildungen und die meisten Doppelbildungen der übrigen Wirbelthiere im Grossen und Ganzen anerkannt; nur die seltenen Anadidymi des Hühnehens scheinen ihm nach derselben nicht erklärt werden zu können. Um über die Entstehung der letzteren Klarheit zu gewinnen, versuchte er dieselbon künstlich her- zustellen, indem er die Eier vor der Bebrütung bis auf eine. kleine über der Keimscheibe gelegene Y-förmige Stelle mit Firniss überzog, so dass die vorderen Schenkel des Y dem künf- tigen Kopfende des Embryo entsprachen. Dadurch, hoffte er, würde der hinten einfach angelegte Primitivstreif bei seinem nach vorn gerichteten Wachsthum sich am vorderen Ende gabeln, weil die zu seiner Entstehung nothwendige lebhafte Zellwucherung 44 Dr. Erieh Hoffmann: von der Sauerstoffzufuhr abhängig sei. Unter 60 auf diese Weise behandelten Eiern zeigten allerdings nur zwei eine nach Ger- lach’s Ansicht unbestreitbare vordere Verdoppelung. Auf diese experimentellen Ergebnisse gestützt hat er seine Bifurkations- theorie aufgestellt, nach welcher die Anadidymi des Hühnchens dadurch entstehen, dass nur eine einzige Embryonalanlage in die Area pellueida einstrahlt, welche in ihrer weiteren nach vorn gerichteten Ausbildung (vielleicht durch Verdiekungen der Dotter- haut) bald früher, bald später die Medianlinie verlässt, um gabelig divergirend in zwei Schenkel auszulaufen. Die experimentellen Ergebnisse, auf welche Ger- lach sich stützt, kann ich nicht für beweisend erachten. Die beiden angeblich dabei erzielten vorderen Verdoppelungen sind den Abbildungen und der Beschreibung nach nicht mit Sicherheit als solehe zu erkennen. Im ersten Fall handelt es sich um einen verbreiterten, nicht scharf begrenzten Primitiv- streifen, der an seinem vorderen Ende 2 kurze divergirende Fort- sätze trägt und in emem 3 Tage lang bebrüteten Ei gefunden wurde. Dergleichen Unregelmässigkeiten in der Bildung des Primitivstreifs kommen m Eiern aus der Brütmaschine öfters vor; zum mindesten hätte Gerlach jene beiden Ausläufer auf Schnitten untersuchen müssen, um über ihre Natur sichere An- gaben machen zu können, zumal da eime Rinne noch nicht vor- handen war. Der zweite Fall betrifft ein schon ziemlich weit entwickeltes Hühnchen mit sehr breitem Kopf, an welchem von der Dorsalseite her 2 durch einen tiefen Einschnitt getrennte Hirnanlagen zu erkennen waren. Auch dieser Embryo ist auf Schnitten nicht untersucht worden; es bleibt daher zweifelhaft, ob es sich nicht bloss un eine Hemmungsbildung handelt, bei welcher beide Medullarfalten sich nicht vereinigt haben. Aber auch theoretische Gründe veranlassen mich, die Gerlach’sche Theorie zu verwerfen. Zunächst ist die ganze Vorstellung Gerlach’s, dass durch Beschränkung der Sauer- stoffzufuhr auf eine Y-förmige Stelle, deren Schenkel !/,—1 cm breit sind, der Primitivstreif sieh vorn gabeln müsse, etwas ab- sonderlich, denn der Sauerstoff wird sich im Eiweiss auch in weiterer Umgebung verbreiten können; ferner aber ist die Grösse des Primitivstreifs im Verhältniss zu jener Y-förmigen Figur so gering, dass zu allen seinen Theilen bequem Sauerstoff hin- Ueher einen sehr jungen Anadidymus des Hühnchens. 45 zutreten kann. Die Sauerstoffzufuhr ist nur im ganzen herab- gesetzt; daraus erklären sich leicht die vielen einfachen Missbil- dungen, die Gerlach erhielt. Ausserdem ist die Voraussetzung Gerlach’s, dass der Primitivstreif von hinten nach vorn in die Area pellueida eimwachse, unrichtig, da nach den genauen Un- tersuchungen Duval’s nicht der hintere, sondern der vordere Theil des Primitivstreifens zuerst entsteht. Mithin kann von einer Bifurkation eines ursprünglich einfachen Primitivstreifens nicht die Rede sem. Vor 2 Jahren ist wiederum eine umfangreichere Arbeit über Mehrfachbildungen bei Wirbelthieren von F. Klaussner erschienen, in welcher nahezu 50 zum Theil sehr junge Mehr- fachbildungen aus sämmtlichen Wirbelthierklassen beschrieben und auf 12 Tafeln abgebildet worden sind. Was die Genese derselben betrifft, so unterscheidet Klaussner 2 Gruppen von Mehrfachbildungen, solche, die durch primäre Pluralität der Anlage und solche, die durch Fission mit Postgeneration entstehen. Die erstern kommen dadurch zustande, dass vom An- fang der Entwieklung an 2 oder mehrere selbständige Embryonal- anlagen auftreten, welche entsprechend den in der Radiations- theorie entwickelten Grundsätzen verschieden zu einander gela- gert sein können, nieht aber sich mit einander vereinen. Die zweite Gruppe entsteht auf dem Wege der Spaltung, jedoch nieht in der Weise, dass jede der beiden Hälften die Fähigkeit hat, sich selbständig zu vollständigen Embryonalanlagen zu entwickeln, sondern so, dass jede Hälfte die ihr fehlende Hälfte durch Post- generation aus dem Nachbarmaterial erzeugt. Der Begriff Post- generation stammt von Roux. Dieser Forscher fand nämlich, wenn er am Froschei mit einer glühenden Nadel eine der bei- den ersten Furchungskugeln zerstörte, dass die andere sich in sewöhnlicher Weise zu einem im wesentlichen normalen halben Embryo entwickelte. Die durch den Stich ihrer Entwicklungs- fähigkeit beraubte Furchungszelle konnte wieder belebt werden durch Reorganisation, Nucleisation und Cellulation, d. h. dadurch, dass vom freien Seitenrand jedes Keimblattes (Unterbrechungs- fläche) eine Anzahl Kerne in den Dotter einwanderten und darin eine zur Entstehung der fehlenden Embryonalhälfte führende Zellabgliederung veranlassten. Wir werden bei der Beurtheilung der Klaussner’schen 46 Dr. Erich Hoffmann: Theorie wohl dem Umstand Rechnung tragen müssen, dass die Roux sche Arbeit kurz zuvor erschienen war, und die Abfassung der Untersuchungen von Klaussner in die Zeit der litterari- schen Einwirkung der Roux schen Mittheilungen fiel. Eine thatsächliche Begründung fehlt der Klaussner’schen Annahme gänzlich, da weder für das Zustandekommen einer mechanischen Spaltung, noch. einer Postgeneration beweisende Beobachtungen vorliegen. Wenn auch Roux nachgewiesen hat, dass eine für den Moment abgetödtete Furchungskugel des Froscheies durch Einwanderung von Kernen aus der sich weiter entwiekelnden andern Furchungszelle wieder belebt werden kann, wodurch der anfangs halbe Embryo zu einem ganzen sich ergänzt, so darf man doch daraus nicht schliessen, dass nach Spaltung einer Fur- chungszellmasse jede Hälfte durch Postgeneration einen ganzen Embryo erzeugt; denn es fehlt ja der abgetödtete Dotter, welcher in jenem Falle wieder belebt und organisirt wird, und eine Kerm- einwanderung in den Dotter ist nicht so unmittelbar möglich, da die subgerminale Höhle Keim und Dotter trennt. Aus dieser kurzen Zusammenfassung geht zur Genüge her- vor, wie sehr die Ansichten der verschiedenen Autoren noch von einander abweichen. Eine Einigung ist nur dadureh zu errei- chen, dass durch Beschreibung möglichst junger typischer Doppel- monstra eine mehr gesicherte Grundlage für die Beurtheilung ihrer Entstehung geschaffen wird. Aus diesem Grunde soll im folgenden eine junge Doppelbildung des Hühnchens be- schrieben werden, welche ich im Sommer 1891 beobachtet habe, und die besonders deshalb von grossem Werth ist, weil sie ein sehr junges Stadium der so seltenen Dupliecitas anterior vorstellt. Beschreibung des Falles. jevor ich zur Beschreibung der von mir beobachteten Doppelbildung übergehe, will ich kurz die Methode schildern, welehe mir in diesem Falle wie auch sonst zur genauen Unter- suchung von Hühnerkeimscheiben diente. a. Methode. Nach sorgfältiger Eröffnung des Eies und möglichster Ent- fernung des Eiweisses wird der Dotter in 10°/, Salpetersäure Ueber einen sehr jungen Anadidymus des Hühnchens. 47 gebracht, in welcher er ungefähr 10 Minuten bleibt. Alsdann wird mit einer feinen Scheere die Dotterhaut rings um die Keimscheibe umschnitten, und durch geringe Bewegungen der Flüssigkeit z. B. mittels eines Spatels die letztere sowohl vom Dotter als auch von der ihr aufliegenden Dotterhaut befreit. Vor allen anderen von mir versuchten Fixirungsmitteln hat die 10°/, Salpetersäure den grossen Vorzug, dass sie, die Ablösung der Keimscheibe vom Dotter und von der Dotterhaut sehr er- leichtert und zugleich der Keimscheibe eine so vorzügliche Con- sistenz giebt, dass die während der weiteren Manipulationen un- umgänglichen Verbiegungen ohne den geringsten Schaden er- tragen werden. Die abgelöste Keimscheibe wird dann mit einem breiten Hornspatel in ein Gefäss mit planem Boden gebracht, welches wiederum etwas 10°/, Salpetersäure enthält. Hierauf wird mit einer Pipette die Salpetersäure abgesogen, so dass sich die Keimscheibe glatt auf den Boden des Sehälchens legt, und nun wird anfangs tropfenweise 2°/, Alaunlösung zugesetzt. So- fortiges Uebertragen aus der Salpetersäure in die Alaunlösung, sowie aus dieser in Alkohol, der zur weiteren Härtung dient, führt leicht zu störenden Verbiegungen der Keimscheibe. Nach der Härtung in allmählich verstärktem Alkohol können Borax- karmin, Böhmer’sches Hämatoxylin oder Alauncochenille ver- wandt werden, in diesem Falle wurde letztere benutzt. Die so vorbereitete Keimscheibe wird in Nelkenöl aufgehellt und dann mit Hülfe des Hartnack’schen Embryographen bei 20- facher Vergrösserung genau gezeichnet. Die Einbettung geschieht in Paraffin. Die Keimscheibe ist vom Schwanzende her in durch- weg 0,02 mm dieke Schnitte zerlegt worden, welche der Reihe nach mit Nelkenöleollodium auf den Objeetträger aufgeklebt wurden. Man sieht also auf ihre dem Schwanzende zugekehrte Seite. Die Sehnittrichtung zur Medianachse der Doppelbildung, worunter ich eine den Divergenzwinkel der Chorden halbirende Linie verstehe, ist eine fast genau senkrechte. Auf die Area pellueida kommen 178 Schnitte von 0,02 mm Dieke; daraus lässt sich die Länge derselben = 3,56 mm be- rechnen. Nun ergibt sich durch Messung an der genau 20 mal vergrösserten Flächenzeichnung, dass der helle Fruchthof vor der Paraffineinbettung (während des Aufenthalts der Keimscheibe in Nelkenöl) eine Länge von 4,4 mm besass. Daraus geht hervor, 48 Dr. Brich Hoffmann: dass die zarte Keimhaut infolge der Paraffineinbettung eine sehr beträchtliche Verkleinerung erfahren hat, und zwar um 19°/, der ursprüngliehen Länge. Weitere genaue Messungen an dem Flächenbilde einerseits und Berechnungen aus der Schnittzahl andererseits lehrten, dass nicht alle Theile des Blastoderms- von der Sehrumpfung in gleicher Weise betroffen wurden, vielmehr stellte es sich heraus, dass die Verkürzung innerhalb des Embryo- nalkörpers eine geringere war als die der Area pellucida. Ja selbst die Verkürzung des Embryonalkörpers ist keine ganz gleich- mässige, sondern die massigeren Parthieen des Kopfes sind verhält- nissmässig weniger (um 12°/,) verkürzt, als die des Mittelkörpers und Schwanzendes (16,9 °/,). Will man also im Flächenbilde den Ort feststellen, der einem bestimmten Schnitt entspricht, so muss man diese Ver- sehiedenheiten in der Schrumpfung kennen und be- rücksichtigen, da sie doch so beträchtlich sind, dass sie zu feh- lerhaften Bestimmungen und falschen Schlüssen führen können. b. Flächenbild. Das Ei, welches weder in Bezug auf seine Grösse noch auf seine Form etwas Abnormes darbot, wurde 36 Stunden lang im Brütofen bei ungefähr 39°C. bebrütet, entsprach jedoch seiner Entwicklung nach nur einem 24 Stunden bebrüteten. Der Rand der Keimhaut hatte den Aequator der Dotterkugel noch nicht erreicht. Der Dotterhof war von gewöhnlicher Beschaffenheit. Der Gefässhof war nach aussen noch nicht überall scharf be- grenzt. Seine Form entsprach einem Ovoid mit vom gelegenem spitzen Pol; in der Länge mass er 5,5 mm, in der Breite 4,7 mm. Die Anlage des Sinus terminalis war noch nicht recht deutlich. Blutinseln waren im Gefässhof schon vorhanden. In Figur 1, welehe die Keimscheibe bei durchfallendem Licht in der Rückenansicht 20 mal vergrössert darstellt, fällt zunächst die eigenthümlicheFormder Area pellu- cida auf. Sie ist zwar wie in der Norm exquisit birnförmig, indessen entspricht ihr breiterer Theil nicht wie gewöhnlich dem Kopfende, sondern dem Sehwanzende des Embryo. In dieser Area pellueida liegt dem linken Rand beträchtlich näher als dem rechten eine kurze, aber sehr breite Embryonalanlage, die an dem Verhalten der Chordae leicht als eine Duplieitas anterior erkannt werden kann, Ueber einen sehr jungen Anadidymus des Hühnchens. 49 In ihrem mittleren Theil treten nämlich deutlich 2 als Chordae aufzufassende Stränge hervor, die unter emem sehr kleinen Winkel divergiren, hinten aber zu einem gemeinsamen Strang zusammentreten, der nach kurzem Verlauf in eine rund- liche Anschwellung zu endigen scheint. Von dieser letzteren, über welcher eine Rinne nicht zu erkennen ist, geht schräg nach rechts hinten ein nicht scharf begrenzter, mit einer deutlichen Rinne versehener Streifen aus, über dessen Deutung als Primitiv- streif wohl kein Zweifel bestehen kann. Von ihm strahlen nach beiden Seiten 2 bandartige Schattirungen, anscheinend Verdiekungen des Mesoderms aus, die rechte schmal, im weiteren Verlauf breiter werdend und weiter nach dem Kopfende reichend als die breite kürzere linke. Diesen Bändern entsprechende Rinnen konnten nirgends mit Sicherheit erkannt werden. Den Enden dieser beiden Streifen entsprechen die eigenthümlichen ausgedehnten Verbreiterungen des hellen Fruchthofs. Ungefähr in der Mitte der Embryonalanlage finden sich 3 oder besser gesagt 4 Reihen dunkel gefärbter Körper, welche ihrer Gestalt und Anordnung nach als Urwirbel aufzufassen sind. Lateral von der linken Chorda liegen 3 deutlich begrenzte Urwirbel von gewöhnlicher Form, lateral von der rechten Chorda sind ebenfalls 3, aber unregelmässig gestaltete Urwirbel vorhan- den, der vordere gross, der mittlere sehr schmal, der hintere anscheinend aus 2 Stücken bestehend. Die in der Mitte gelegene Reihe zeichnet sich durch grössere Breite der Urwirbei aus; in- dessen lassen sich bei stärkerer Vergrösserung 2 neben einander gelegene Reihen von Urwirbeln erkennen, in Grösse und Form beiderseits nicht ganz gleich. An diese 3 Urwirbelreihen schliessen sich hinten 3 Urwir- belplatten an; die beiden lateralen verlaufen in gewöhnlicher Weise neben den Chorden, die mittlere von der Gestalt eines gleichschenkligen Dreiecks, dessen Spitze bis zur Theilungsstelle der Chorda reicht, lässt von einer Trennung in 2 symmetrische Hälften nichts erkennen. ec. Beschreibung der Sehnitte. Um über den Zusammenhang der beiden Componenten des Doppelmonstrums und die Veränderungen in der Anlage der Primitivorgane Aufschluss zu geben, sind 10 vom Kopf zum Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 41 4 50 Dr. Erieh Hoffmann: Sehwanzende hin auf einander folgende Schnitte bei 50-facher Vergrösserung in den Figuren 2—11 abgebildet worden. Die jedem dieser Schnitte in Figur 1 entsprechende Stelle ist durch einen Strich möglichst genau angegeben worden. Aus der Betrachtung der Schnitte ergibt sich nun Fol- gendes: Die Abschnürung des Kopfes von der Keimhaut ist noch nicht weit vorgeschritten, erst bis zu einer Entfernung von 0,14mm vom Kopfende, d. h. von der Kuppe des den Kopf vorn begrenzenden Eetoderms. Die rechte Medullarrinne erscheint als ganz flache Furehe 0,08 mm vom Kopfende entfernt; auf den folgenden Sehnitten nimmt sie noch an Tiefe zu, ist aber so schmal, dass ihr Lumen durchweg fast strichförmig erscheint. Sie steht von Anfang an nicht ganz senkrecht zum Eetoderm, sondern ist mit ihrem Grund lateralwärts gerichtet, und zwar um so mehr, je weiter sie sich vom Kopfende entfernt. Links beginnt 0,2 mm vom Kopfende entfernt im Eetoderm eine Rinne deutlich zu werden, welehe als solehe in einer Länge von 0,1 mm bestehen bleibt, um dann allmählich in eine solide unregelmässig kegelförmige Eetodermmasse überzugehen, welche anfangs (vel. Fig. 3) keim deutliches Lumen erkennen lässt, später aber der rechten Medullarrinne an Gestalt gleich wird. Die ganze Bildung halte ich für die linke Medullarrinne, deren Lumen auf einigen Schnitten wegen ihrer bedeutenden Krüm- mung nach links hin nicht deutlich ist. Zwischen beiden Hirnanlagen ist weiter vorn eine ziemlich breite sie verbindende Eetodermbrücke vorhanden, die nach dem Schwanzende hin immer schmäler wird. Schliesslich (Fig. 4) stossen die medialen Lamellen beider Medularrinnen hart anein- ander und erscheinen dann wie ein Keil mit abgerundeter Spitze, der weiter hinten immer kleiner und niedriger wird, um 0,56 mm vom Kopfende entfernt ganz zu verschwinden. Damit ist es zur Bildung jener schon im Flächenbilde so auffallenden, weit offe- nen gemeinsamen Medullarrinne gekommen, welche 3 anfangs etwas nach innen übergeneigte, später senkrecht zu einander ste- hende Wände besitzt, eine untere beiden Componenten gemein- same (0,24 mm breit) und 2 seitliche von beträchtlicher Höhe (0,2 mm). Während das Ectoderm weiter vorn mit scharfer Ueber einen sehr jungen Anadidymus des Hühnchens. Hl Biegung unter einem rechten Winkel in die Medullarwände sich fortsetzt, wird dieser Winkel nach hinten allmählich stumpfer, die Kniekung geringer, so dass die Seitenwände der Medullar- rinne dadurch schräg von aussen nach innen abfallen. So be- kommt die Medullarrinne ein immer weiter klaffendes, aber auch flacheres Lumen. Allmählich erhebt sich weiter hinten im der Medianlinie das Eetoderm in Form eines kleinen Buckels, der wohl durch das darunter sich entwiekelnde, zwischen beiden Chorden eingeengte Mesoderm verursacht ist. Daher sieht man ungefähr an der Stelle der Chordenspaltung 2 näher an einander gelegene etwas tiefere Rinnen, welche sich im weiteren Verlauf schnell. abflachen und endlich, 1,7” mm vom Kopfende entfernt, verschwinden. Der Vorderdarm ist eben angelegt und noch sehr kurz, aber von beträchtlicher Breite. Auch er ist beiden Embryonen gemeinsam, nur 2 ganz geringe Vorwölbungen seiner Wand nach links und rechts vorn, von welchen die rechte weiter vorwärts reicht als die linke, können als Andeutung einer doppelten An- lage angesehen werden. Dementsprechend erscheint, wenn man die Schnittreihe vom Kopf nach dem Schwanz hin durehmustert, das Lumen zunächst im rechten Abschnitt des Kopfes, um sich dann allmählich nach links weiter auszudehnen. Ist das ge- schehen, so erscheint der Vorderdarm als ein querer den Kopf durchsetzender breiter Spalt, dessen laterale Partieen zwischen der Medullaranlage und dem Eetoderm der Seitenwand des Kopfes nach oben emporstreben; seine obere Wand ist dünner als die untere und in der Medianlinie nach oben vorgebuchtet. In einer Entfernung von 0,22mm vom Kopfende verschwindet seine untere Wand. Die lateral von den Medullaranlagen gelegenen Vor- buchtungen des Entoderms bleiben noch eine Zeit lang bestehen; die mediale Vorwölbung des Entoderms nach oben wird zunächst deutlicher, um dann allmählich zu verschwinden und schliesslich kurz vor der Urwirbelgegend in eine gegen den Dotter gerichtete Vorbuchtung des Entoderms überzugehen, welche durch die stark wuchernde, zwischen beiden Chorden eingeengte Mesodermmasse veranlasst ist. Hinter den Urwirbeln erscheint das Entoderm immer mehr als eine plane, unter dem Embryo einherziehende Lamelle. Die Chorden reichen sehr weit nach vorn und kommen 52 Dr. Erieh Hoffmann: daher, wenn man die Serie von vorn nach hinten durchsieht, schon sehr früh zu Gesicht, erst die rechte, wenige Schnitte weiter nach hinten auch die linke. Die rechte Chorda erscheint in ihrem vordersten Abschnitt als eine diehtere Anhäufung von Mesodermzellen, die aber vom Entoderm absolut nicht zu trennen sind und auch gegen das umliegende Mesoderm nieht scharf ab- gegrenzt sind. Die linke Chorda erscheint in ihrem vordersten Theil als Verdiekung des Entoderms, wenige Schnitte weiter hinten verhält sie sich wie die rechte. Beide Chorden liegen immer unter dem Fundus der zugehörigen Medullarrinne und grenzen sich weiter hinten schärfer gegen das übrige Mesoderm ab, auch das Entoderm zieht dann als ein Strang spindel- förmiger Zellen unter ihnen fort. Nach der Vereinigung beider Medullarrinnen liegen sie an den unteren Kanten der breiten tiefen Rinne, wie Fig. 6 deutlich zeigt. Vorm breiter und niedri- ger wird ihr Durchschnitt hinten allmählich höher und schmäler, von der Form eines sehr langen Ovals. Wenn dann die Me- dullarrinne sich abgeflacht hat, werden sie bedeutend voluminöser, und zwar ist die rechte Chorda stärker als die linke. Endlich erscheinen sie mit dem Eetoderm verschmolzen, um dann, nach- dem das zwischenliegende Mesoderm immer geringer geworden ist, zu einer Chordenmasse sich zu vereinigen, die weder vom Eetoderm noch vom Entoderm zu trennen ist. Was die Urwirbel betrifft, so lassen sich auf den Sebnitten leicht 4 Reihen unterscheiden, 2 mediale und 2 laterale. Die letzteren besitzen die gewöhnliche Form und Beschaffenheit, nur der dritte rechte Urwirbel zeigt auf dem Durchschnitt eine Ver- dünnung seiner Substanz in der Mitte, weshalb er auf dem Flächenbilde zerklüftet erscheint. Die medialen Urwirbel be- ginnen etwas weiter vorn als die lateralen und sind ebenfalls zu je 3 vorhanden; die vorderen sind gleich gross, von den mittle- ren ist der linke breiter als der rechte, die hinteren sind wieder ziemlich gleich. Nach vorn von den Urwirbeln ist das Mesoderm zwischen beiden Chorden stark gewuchert und hat das Entoderm wie einen breiten Kiel gegen den Dotter vorgetrieben. Die lateralen Meso- dermplatten sind sehr stark ausgebildet und von bedeutender Dieke, besonders die linke, welche auch noch in der Urwirbel- gegend weit stärker bleibt als die rechte. 15} Ueber einen sehr jungen Anadidymus des Hühnchens. 53 Hinten schliessen sich an die Urwirbel 3 Urwirbelplatten an, 1 mediale und 2 laterale. Die erstere hat auf dem Durch- schnitt zuerst die Form einer Ellipse, um weiter hinten allmählich mehr kreisförmig zu werden. Endlich wird sie immer kleiner und verschwindet schliesslich vor der Vereinigungsstelle beider Chorden; von der Umgebung ist sie immmer scharf abgegrenzt. Die lateralen Urwirbelplatten zeigen nichts Besonderes. Im vorderen Bereich des Embryo ist die Leibeshöhle beiderseits schon angelegt. Auf der rechten Seite reicht sie etwas weiter nach vorm als der Kopf des Embryo; dort beginnt sie als kleiner Spalt, der nach hinten schnell an Grösse zunimmt und zu einer grossen Höhle wird, deren obere Wand das Eeto- derm nach oben kuppelförmig vortreibt. Links beginnt eine Höhle erst 0,3 mm hinter dem Kopfende und erreicht nirgends die Ausdehnung der rechts gelegenen. In der Urwirbelgegend werden beide Leibeshöhlen allmählich kleiner; statt einer ein- heitlichen Höhle erschemen dann nur noch mehrere kleine Meso- dermspalten, welche sich hinter den Urwirbeln allmählich ver- lieren. d. RKekonstiruction Sehr schwierig ist es, sich aus der blossen Betrachtung der Serie ein klares Bild über den Hinterkörper des Embryo zu machen. Um über den Verlauf der Primitivrinne und die Natur jener oben beschriebenen sichelförmigen Ausstrahlungen des Pri- mitivstreifens Klarheit zu gewinnen, habe ich eine Flächenrekon- struction der hinteren Embryonalgegend gemacht, welche in Fig. 12 wiedergegeben worden ist. Es wurde dazu das käufliche Milli- meterpapier benutzt, welches mit einer recht genauen mm-Qua- drirung versehen ist. Die Rekonstruction wurde bei 50facher Vergrösserung ausgeführt, bei welcher die Dicke eines jeden Sehnittes I mm entspricht. Nunmehr war es also nur nöthig, 'auf jeder folgenden Horizontallinie die gewünschten Punkte jedes folgenden Sehnittes aufzuzeichnen. So wurden die Grenzen der Area pellueida, die im Eetoderm vorhandenen Rinnen, die Grenzen der Chorden (letztere als rothe Linien) eingetragen. Die Hori- zontalstriche bedeuten weiter vorn die Medullarplatte, weiter hinten die Stellen des Eetoderms, an welchen eme Verbindung desselben mit dem verdiekten Mesoderm stattfindet, Die beige- 54 Dr. Erich Hoffmann: fügten Ziffern sagen von jedem Schnitt aus, der wie vielte er vom Kopfende aus ist. Die Form der Area pellueida, welche so gewonnen wurde, stimmt, wie man sieht, gut mit der des Flächenbildes überein. Die Medullarrinnen liegen immer ziemlich genau über den Chorden und convergiren ein wenig nach hinten. Kurz hinter der Ver- einigungsstelle beider Chorden erreichen sie ihr Ende, nachdem sie vorher allmählich flacher geworden sind. Die Chorden, von welchen die rechte hier deutlich stärker erscheint als die linke, gehen hinten in einen einzigen breiten Strang über, welcher aus dicht an einander liegenden Mesodermzellen besteht, die weder vom Eetoderm noch vom Entoderm sich abgrenzen lassen. Dadurch, dass dieser gemein- same Chordenstrang weiter hinten breiter wird, entsteht jene im Flächenbild so deutlich hervortretende knotenförmige An- schwellung. Zwischen dem Mesoderm dieses Stranges und dem seitlich gelegenen Mesoderm besteht nur der Unterschied, dass im ersteren die Zellen viel dichter liegen, woraus eine dunklere Färbung resultirt, und dass sie mit den beiden anderen Keimblättern continuirlieh verbunden sind, was in dem seitlichen Mesoderm nicht der Fall ist. Weiter hinten wird dieser Unter- schied immer undeutlicher, so dass endlich eine bestimmte Grenze sich nicht mehr feststellen lässt. Nachdem beide Medullarrinnen kurz hinter der Stelle der Chordenvereinigung, nämlich auf Schnitt 86 (1,72 mm vom Kopf- ende aus gerechnet) ihr Ende gefunden haben, treten im Schnitt 88 (also 0,04 mm weiter hinten) zwei sehr flache Rinnen auf, von denen die linke etwas tiefer ist als die rechte. Auf den folgenden Schnitten nähern sie sich allmählich, um endlich auf Schnitt 94 (entsprechend einer Entfernung von 1,85 mm) zu einer Primitivrinne sich zu vereinigen. Diese ver- läuft anfangs’ gerade nach hinten, später aber (von Schnitt 102 an) schräg rechts und endet auf Schnitt 113 (2,26 mm vom Kopf- ende entfernt). Auf einigen Schnitten (106 und 107) erscheint die Primitivrinne wieder doppelt, indessen ist es möglich, dass es sich hier nur um eine künstliche Faltung des Ectoderms handelt. Die seitlichen Anhänge des Primitivstreifens treten in Fig. 12 in ihrer Form sehr deutlich hervor. Der rechte Ueber einen sehr jungen Anadidymus des Hühnchens. 55 ist lang und schmal und reicht viel weiter nach vorn als der linke, welcher kurz und breit erscheint. Am vorderen Ende des rechten Streifens findet sich eine 0,05 mm lange Rinne, welche in Fig. 11 wiedergegeben ist. Auch im linken Streif ist das Eetoderm nicht glatt, sondern zeigt allerlei Biegungen und Ver- tiefungen, jedoch liess sich eine fortlaufende Rinne nicht auffinden. Auf den Schnitten zeigt es sich, dass der rechte Streif gebildet wird durch eine Verlöthung des Eetoderms mit dem Mesoderm, welche beide verdickt sind; letzteres ist aber nur am vorderen Ende des Streifens deutlich verdickt, sonst nur dichter als in der Umgebung. Der linke Streif besteht aus verdicktem Meso- derm, das mit dem Eetoderm in dem in der Rekonstruction ge- zeichneten Umfang zusammenhängt und ein dichteres Gefüge hat als das übrige Mesoderm. Ungefähr auf dem 100sten Schnitt (2,0 mm vom Kopfende entfernt) confluiren erst der linke, kurz darauf auch der rechte Streif mit dem eigentlichen Primitiv- streifen, welcher nun in der geschilderten Weise ungefähr in der Richtung des linken Streifens nach hinten rechts verläuft. Ergebniss der Untersuchung. Aus der Betrachtung des Flächenbildes, der Serie und der Rekonstruction ergiebt sich 1) ene Verdoppelung im Be- reich der Embryonalanlage, welche in der Deutung des Thatsächlichen keine Schwierigkeiten bietet, 2) aber eine ei- genthümliche dem Primitivstreifen angehörige, Zaun heil, mit, einer Rinne versehene,Bildung, deren Verständniss nicht so leicht ist. Die Verdoppelung reicht ziemlich weit nach hinten und be- trifft auch den vorderen Theil der Primitivrinne. Der Primitiv- streif trägt ja nur in seinem hinteren Abschnitt eine einfache typische Primitivrinne, welche am vorderen Ende sich gabelnd in 2 Schenkel ausläuft, von denen jeder “einem Embryo zukommt. Es handelt sich hier also in der That um eine hinten einfache, vorn doppelte Primitiv- rinne, deren Existenz zwar von Gerlach vermuthet, welche aber noch von keinem Forscher mit Sicherheit beobachtet worden ist. Mithin ist die Doppelbildung als ein Anadidymus mit ziem- lich weit nach hinten reichender Spaltung aufzu- 56 Dr. Erieh Hoffmann: fassen, dessen Componenten aber sehr wenig divergiren. Während die lateralen Hälften beider Embryonen sich in der gewöhnlichen Weise ausbilden konnten, war die reguläre Entwieklung der medialen Hälften wegen der grossen Nähe beider Komponenten unmöglich. Daher ist es zur Bildung eines gemeinsamen Kopfes, eines gemeinsamen breiten Vorderdarmes, einer gemeinsamen weit klaffenden Medullarrinne gekommen. Die Chorda als der Achsenfaden, um welchen sich alle übrigen Organe des Embryo anordnen, ist am vollständigsten verdoppelt. Neben dieser typischen Doppelbildung sind gleichsam als eine Komplikation jene strangförmigen Ausstrahlungen des Primitivstreifens vorhanden, über deren Bedeutung wir uns jetzt zu äussern haben. Da diese Anhangsgebilde in ihrer Form sowohl wie in ihrer histologischen Zusammensetzung einige Aehnlichkeit mit Primitivstreifen haben, — zumal die am vorderen Ende des rechten Streifens vorhandene Rinne darauf hinweist — so könnte man dieselben als 2 rudimentäre Embryo- nalanlagen auffassen und somit das ganze Monstrum als eine Vierfachbildung ansprechen. Indessen spricht gegen diese Auf- fassung die Ungleichheit der 4 Componenten hinsichtlich ihrer Entwicklungsstufe, während doch sonst bei Mehrfachbildungen die grosse Aehnlichkeit der Komponenten immer auffällt und von den Autoren auch stets betont worden ist. Ferner ist es nicht gut denkbar, wie am hinteren Ende einer Vierfachbildung eine einfache Primitivrinne folgen kann; endlich ist besonders der linke Streifen mit einem Primitivstreifen nicht entfernt zu ver- gleichen, und auch der rechte ist nur an seinem vorderen Ende einem solchen sehr ähnlich. Man wird daher dies Gebilde zur Gruppe der bei Reptilien stets, aber auch bei Vögeln nicht ganz selten beobachteten siehelartigen Bildungen rechnen müssen. Sicheln sind bei Vögeln nur in sehr frühen Entwicklungsstadien (zur Zeit der ersten Anlage des Primitivstreifens) und nur in sehr geringer Ausdehnung beobachtet worden. Aber man findet doch ab und zu grössere Sicheln auch in späteren Stadien; so besitze ich eine Keimscheibe mit vollkommen ausgebildetem Primitivstreifen, an dessen hinterem Ende sieh eine grosse quergestellte Sichel mit deutlicher Rinne findet. Die ausserordentliche Grösse der Sichel lässt sich in diesem Falle vielleicht daraus erklären, dass Ueber einen sehr jungen Anadidymus des Hühnchens. 57 auch hinten das Material zur Anlage zweier Embryonen vorhan- den war, welches, da es sich medianwärts nicht ausbreiten konnte, um so stärker lateralwärts wucherte. Ueber den Ursprung und die Bedeutung jener kurzen Rinne am vorderen Ende des rech- ten Stranges vermag ich Bestimmteres nicht zu sagen. Man kann nun noch die Frage aufwerfen, ob es sich nur um eine zufällige Komplikation der typischen Doppelbildung mit der extremen Sichelform handelt, oder ob beide in ursächlichem Zusammenhang stehen. Wie aus den zuletzt gemachten Bemer- kungen hervorgeht, neige ich der letzteren Auffassung zu, und nehme an, dass nur, weil das Material für eine Doppelbildung vorhanden ist, eine so starke Wucherung des Mesoderms_ statt- finden konnte. Zum Schluss will ich kurz die Frage der Entstehungs- weise dieses Doppelmonstrums berühren. An Theorieen fehlt es gerade für die Anadidymi des Hühnchens nicht, aber keine dieser Theorieen ist genügend durch Beobachtungen und Argumente gestützt, wie ich in der Einleitung darzuthun mich bemüht habe. Es handelt sich hier um die Beantwortung dreier Fragen: 1) zu weleher Zeit, 2) aus welchen%ründen, 3) in wel cher Form ist diese Doppelbildung angelegt worden. Keine dieser Fragen lässt sich zur Zeit mit Sicherheit be- antworten. Was den Zeitpunkt betrifft, so hat man (beson- ders Roux) angenommen, dass Doppelbildungen mit Dupliecität der Achsenorgane schon vor oder bei der Entstehung der ersten Furche angelegt sein müssen. Dass eine so frühe Anlage von Doppelbildungen möglich, vielleicht sogar wahrscheinlich ist, will ich nicht bestreiten, aber ich kenne keinen zwingenden Grund für die Annahme, dass alle Doppelbildungen so früh angelegt werden. Will man a priori als gewiss ansehen, dass alle Doppelbildungen vor der ersten Furche entstanden sind, dann hört die Untersuchung der späteren Formen auf, Object der Forschung zu sein. Die aprioristische Annahme ist jedoch nicht zwingend, vielmehr müssen wir einstweilen noch im Auge behalten, ob nicht Doppelbildungen auch später noch angelegt werden können. Demgemäss muss an dem spätest möglichen Termin so lange festgehalten werden, als nicht thatsächliche Beobachtungen zur Annahme eines frühe- ren Zeitpunktes zwingen. Das Material für die Embryonalanlage 58 Dr. Erich Hoffmann: ist nun bei Wirbelthieren kurz vor dem Siehtbarwerden der ersten Spuren des Embryo auf einen sehr kleinen Bezirk entsprechend der vorderen Urmundlippe beschränkt, während die Hauptmasse der Furchungskugeln zur Bildung des Dottersacks und der Hüllen des Embryo dient. Es ist also sehr wohl denkbar, dass kurz vor oder während der Gastrulation geringe Störungen in der Gegend der vorderen Urmundlippe noch zu einer weitgehenden Verdoppelung führen können. Als Ursachen der Entstehung von Doppelbildungen kann man sowohl ausserhalb des Keims als auch in diesem selbst liegende Kräfte annehmen. Aeussere Momente kann ich solange nicht anerkennen, als ihre Wirksamkeit nicht experimentell nachgewiesen ist. Bisher sind aber alle Bemühungen, Doppel- monstra experimentell herzustellen, missglückt. Sowohl mecha- nische Spaltungen und Respirationsbeschränkungen als auch che- mische Einflüsse (Chloroform ete. — Hertwig) haben zu keinen sicheren Resultaten geführt. Es bleibt daher nur übrig, im Keim gelegene Ursachen anzunehmen, wofür ja auch die Beobachtungen über Vererbung von Doppelbildungen sprechen. In welchem Zeitpunkte jene im Keim gelegenen besonderen Kräfte auf den gewöhnlichen Gang der Entwicklung störend eimwirken, ist damit nicht gesagt: denn auch die Vererbung doppelter Fin- ger hat man durch Generationen hindurch beobachtet (Panum), und doch wird deshalb niemand annehmen, dass Fingerverdoppe- dungen schon bei der Entstehung der ersten Furchen angelegt werden. Die Form, in welcher Doppelbildungen auftreten, lässt sich erst vom Erscheinen des Primitivstreifens an verfolgen, da vor- her noch keine Spur des künftigen Embryo sichtbar ist. Ge- wöhnlich erscheinen beim Hühnchen 2 gesonderte Primitivstreifen, welche mit ihren Kopfenden konvergiren und sich späterhin, so- weit es der Raum erlaubt, zu 2 getrennten Embryonen ausbilden. In diesem Falle aber ist eine vorn doppelte, hinten einfache Primitivrinne vorhanden. Da nun nach den Untersuchungen Duval’s der Kopftheil des Primitivstreifens zuerst entsteht, spä- ter erst der hintere Theil, so müssen anfangs 2 getrennte, aber sehr nahe bei einander gelegene Primitivstreifen vorhanden ge- wesen sein, welche bei ihrem Wachsthum nach hinten zu einem verschmolzen, Auch vorn ist wegen der starken Wucherung des Ueber einen sehr jungen Anadidymus des Hühnchens. 59 Mesoderms jetzt nur ein Primitivstreif vorhanden, dessen doppelte Rinne aber mit Sicherheit auf die Entstehung aus zweien hin- deutet. Von jedem Primitivstreifen aus ist dann je eine Chorda und je eine Medullarrinne entstanden; wegen der geringen Diver- genz beider Chorden wurde die Medullarrinne bei der weiteren Ausbildung einfach, nur am Kopf blieb sie doppelt; auch der Vorderdarm hat sich aus dem gleichen Grunde einfach angelegt. Aus dem Gesagten geht hervor, dass ich mich für eine Spaltung entscheide, welche aber nicht durch äussere Einflüsse bewirkt wird, sondern aus inneren Gründen erfolgt. Nachschrift. Diese Arbeit ist am 22. März 1892 fertig gestellt, Herrn Prof. H. Virchow vorgelegt und von ihm der Fakultät zur An- nahme als Dissertation empfohlen worden. Die Veröffentlichung verzögerte sich aus äusseren Gründen Monate lang. So erklärt es sich, dass ich bei der Besprechung der über die Entstehung der Mehrfachbildungen aufgestellten Theorieen die inzwischen er- schienene Studie OÖ. Hertwig's über „Urmund und Spina bifida“ nicht erwähnt habe. Es kann hier nicht meine Aufgabe sein, genauer auf die Ergebnisse der Hertwig’schen Arbeit einzugehen, nur 2 Punkte, die hauptsächlich für meinen Fall in Betracht kommen, will ich hervorheben; der erste betrifft die Entstehung der Embryo- nalanlage, der zweite die Genese der Mehrfachbildungen. - Ich habe im Vorhergehenden in Uebereinstfmmung mit Hert- wig angenommen, dass in dotterreichen Eiern die Embryonal- anlage aus der nächsten Umgebung des Urmundes hervor- geht, weiche aber darin von ihm ab, dass ich die Embryonal- anlage hauptsächlich aus der vorderen Urmundlippe ent- stehen lasse, während Hertwig vor allem die seitlichen Begrenzungen des Urmunds dafür verantwortlich macht. Der Urmund, sagt Hertwig, ändert im Lauf der Entwicklung be- ständig seine Form, Lage und Ausdehnung. Im Kopfbereich der Embryonalanlage entstanden, schliesst er sich bald nach seiner ersten Anlage durch Verwachsung seimer seitlichen Ränder vom vorderen Ende an, während er sich nach hinten vergrössert und 60 Dr. Erieh Hoffmann: eine Zeit lang offen erhält. Längs der so entstandenen Ver- sehlussnaht der seitliehen Urmundränder differenziren sich die Primitivorgane des Embryo. Diese Auffassung erscheint in hohem Maasse gewinnend und überzeugend; es liegt jedoch in dem von mir untersuchten Fall kein Anhaltspunkt vor, der mich berechtigte, in dieser Frage eine Entscheidung zu treffen. Ueber die Ursachen der Entstehung der Mehrfach- bildungen kann auch Hertwig keine bestimmten Angaben machen; er weist wohl auf die Bedeutung der Ueberfruchtung geschädigter Eier hin, vermag aber einen einfachen Zusammen- hang zwischen Ueberfruchtung und Mehrfachbildung nicht zu finden. Was nun den Zeitpunkt der Entstehung der Mehrfach- bildungen betrifft, so muss man es als einen glücklichen Ge- danken Hertwig’s bezeiehnen, dass er gerade den Beginn der Gastrulation als den Zeitpunkt des Sichtbarwerdens der Mehr- fachbildungen annimmt. Eine mehrfache Gastrulation muss auch in dem von mir beobachteten Fall stattgefunden haben, da zwei Chordae vorhanden sind; auch die vorn bestehende Verdoppelung der Primitivrinne weist noch mit Sicherheit darauf hin. Man muss, wie ich oben ausgeführt habe, an diesem Termin als dem spätest möglichen so lange festhalten, bis thatsächliehe Beobach- tungen zur Annahme eines früheren zwingen. Ueber die Art und Weise, in welcher der von mir be- schriebene Anadidymus entstanden sein mag, glaube ich auf Grund der Ergebnisse der Hertwig’schen Arbeit nun folgende Angaben machen zu können: Nach vollendeter Furehung hat aus nicht bekannter Ursache am Keimscheibenrand statt einer einfachen eine doppelte Gastrulaeinstülpung stattgefunden, welche zur Entstehung zweier Primitivrinnen führte. Beide Gastrulaeinstülpungen lagen sehr nahe bei einander; daher ist es weiter hinten in Folge des „eonjunetiven Wachsthums“ (nach Verbrauch der sehr kurzen inneren Zwischenstreceke) zur Entstehung einer einfachen Primitiv- rinne gekommen. Die doppelte Gastrulaeinstülpung hat zur Ent- wicklung einer sehr weit verdoppelten Chorda geführt, um welche sieh die übrigen Primitivorgane im der oben geschilderten Weise angelegt haben. | Fig. 1. Fig. 2 Bie.. 3. Fig. 4 Fig. 5. Fig. 6. Hiex 77. Big 8. Kio..g. Kie:. 10. Hiea 1#: Fig. 12. Ueber einen sehr jungen Anadidymus des Hühnchens. 61 Am Schluss dieser Arbeit ist es mir eine angenehme Pflicht, Herrn Prof. Dr. H. Virehow für die überaus liebeuswürdige Unterstützung bei der Anfertigung dieser Arbeit hiermit meinen verbindlichsten Dank auszusprechen. Erklärung der Figuren auf Tafel VII. Oberflächenansicht der Doppelbildung vom Rücken her bei 20facher Vergrösserung im durchfallenden Licht. Die neben- gezeichneten Striche zeigen die Stelle der abgebildeten Schnitte (Fig. 2—11) an. Schnitt durch den Kopf der Doppelbildung in 0,185 mm Ent- fernung vom Kopfende, trifft den Kopfdarm. Schnitt durch den Kopf in 9,25 mm Entfernung vom Kopfende. Schnitt durch den Kopftheil in 0,55 mm Entfernung vom Kopf- ende. Schnitt durch den Kopftheil in 0,5 mm Entfernung vom Kopf- ende, da wo die Vereinigung beider Medullarrinnen in eine breite Rinne beginnt. Schnitt in 0,6mm Entfernung vom Kopfende in der Gegend der breiten gemeinsamen Medullarrinne. Schnitt in 0,72 mm Entfernung vom Kopfende. Schnitt in 0,9 mm Entfernung vom Kopfende vor den Urwirbeln. Schnitt in 1,2mm Entfernung vom Kopfende in der Urwirbel- gegend. Schnitt in 1,58 mm Entfernung vom Kopfende dicht vor der Spaltung der Chorda. Schnitt in 1,65mm Entfernung vom Kopfende trifft die Rinne in dem nach links vom Primitivstreifen gelegenen Strang. Rekonstruction des hinteren Theils der Doppelbildung; die rothen Linien bezeichnen die Grenzen der Chorden. or) ID A.S. Dogiel: Zur Frage über den Bau der Nervenzellen und über das Verhältniss ihres Axencylinder- (Nerven-)Fortsatzes zu den Protoplasmafort- sätzen (Dendriten). Von A.S. Dogiel. Professor der Histologie an der Kais. Universität Tomsk (Sibirien). Hierzu Tafel IX u. X. Im Jahre 1865 wurde von Deiters (1) die sehr wichtige Beobachtung gemacht, dass von den Nervenzellen des Gehirns und des Rückenmarks zweierlei Fortsätze entspringen: die einen verzweigen sich in eine Menge von einzelnen Aestchen und Fä- den, die anderen scheinen glatt zu sein, unterliegen keiner Thei- lung und werden früher oder später zu den Axencylindern der Nervenfasern. Die ersteren wurden bekamtlich von Deiters „Protoplasmafortsätze“ genannt, da sie mehr oder weniger kör- nig, gleich der eigentlichen Zellensubstanz — dem Protoplasma — erscheinen, die letzteren dagegen erhielten den Namen „Axen- eylinderfortsätze“. Die Beobachtungen von Deiters wurden alsbald durch andere Forscher bestätigt, und zwar durch R. Arndt (2), Mey- nert (3), M. Schultze (4), H. Schultze (5), Kölliker (6), G. Retzius(7T), Ranvier ie u. A.; seit dieser Zeit konnte man, allem Anscheine nach, die Existenz der Protoplasma- und der niemals sich verzweigenden Axenceylinder-Fortsätze im Bezug auf beinahe alle Nervenzellen des Centralnervensystems als eine in der Wissenschaft feststehende Thatsache betrachten. Unerklärt blieb nur eine Frage: in welehem Verhältniss zu einander die Protoplasmafortsätze der Nervenzellen stehen. Hinsichtlich die- ser Frage gehen die Meinungen verschiedener Forscher stark aus- einander. Die einen, wie Meynert, Arndt, Besser (9) (für die Zellen der Gehirnrinde) glaubten, dass vermittelst der Proto- plasmafortsätze die Zellen mit einander anastomosiren, die an- Zur Frage über den Bau der Nervenzellen etc. 63 deren, mit Gerlach (10) an der Spitze, nahmen an, dass die Protoplasmafortsätze der Nervenzellen nach allmäligem Zerfall in feinste Fäden ein diekmaschiges, filzartiges Netz bilden, aus welchem wiederum Axencylinder der Nervenfasern ihren Ursprung nehmen. Einige Forscher, wie M. Schultze, Kölliker, Schwalbe (11) u. A., erklären sich schliesslich gegen das Vor- handensein irgendwelcher unmittelbarer Verbindung zwischen den Protoplasmafortsätzen der Zellen, oder wenigstens halten sie eine solehe Verbindung für vorläufig ungenügend bewiesen. So verhielt sich in kurzen Zügen die Frage von den Proto- plasma- und Axencylinder-Fortsätzen der Nervenzellen fast durch- gängig bis zum Jahre 1880, namentlich bis zum Erscheinen der ersten Arbeit von Golgi „Studi istologiei sul midollo spinale“ (Mittheilung, welche auf dem dritten italienischen in Reggio Emilia im September 1880 gehaltenen psychiatrischen Kongresse ge- macht wurde). In dieser und in einer ganzen Reihe darauffolgen- der Arbeiten wurden von G olgi (12)) sehr werthvolle Entdeekun- sen auf dem Gebiete des ÜUentralnervensystems gemacht, deren Resultate er kurz im „Anatomischen Anzeiger Nr. 13, 14 u. 15, 1890“ formulirte. Golgi war der erste, der auf Grund seiner Untersuchungen die Ansicht von Deiters bezüglich des Axen- eylinderfortsatzes der Nervenzellen erschütterte und den Nach- weis lieferte, dass von dem letzteren, sowohl wie von den Proto- plasmafortsätzen, eine gewisse Anzahl von dünnen Aestchen sich abzweigt, wodurch er jedoch seine Individualität nicht einbüsst; er wird schliesslich zum Axeneylinder einer markhaltigen Nerven- faser und bleibt diese von Deiters nachgewiesene Thatsache bestehen. Ausser den Zellen mit den erwähnten Axeneylinderfortsätzen (Zellen des I. Typus) existirt aber nach den Beobachtungen von Golgi noch ein anderer Typus von Zellen (die Zellen des U. Typus), deren Axeneylinderfortsätze allmälig in eine Menge von feinsten Fibrillen zerfallen, so dass sie recht bald ihre eigene Individualität verlieren und schliesslich sammt den lateralen, von dem Axencylinderfortsatz der Zellen des I. Typus abgehenden Aestchen in toto an der Bildung eines allgemeinen sehr eompli- eirten Nervennetzes theilnehmen; aus welehem die Axeneylinder der sensiblen Nervenfasern gebildet werden sollen). Da die Zellen 1) So weit es aus der von Prof. Kölliker (13) bei der Eröfl- 64 A.S. Dogiel: des I. Typus, deren Axencylinderfortsatz seine Aıdividualität be- hält, meistentheils in den vorderen Hörnern des Rückenmarks sich einlagern, während die Zellen des II. Typus mit den in ein- zelne Fibrillen zerfallenden Axeneylinderfortsätzen hauptsächlich die hinteren Hörmer einnehmen, theilt Golgi alle Nervenzellen in zwei Gruppen — in die Gruppe der motorischen und im die Gruppe der sensiblen Zellen. Als Basis dieser Theilung der Nervenzellen in zwei Gruppen wird von Golgi ausschliess- lieh nur das Verhalten des Axencylinder —, oder, wie er ihn nennt, des Nerven-Fortsatzes angenommen, ohne irgendwelche Rücksicht auf die Form und Grösse der Zellen, sowie auf die Art und Weise der Verzweigung ihrer Protoplasmafortsätze. Was die Protoplasmafortsätze der Zellen anbetrifft, so sagt Golgi hinsichtlich derselben folgendes: „Die sogenannten Proto- plasmafortsätze bilden in keiner Weise, weder direkt noch in- direkt, den Ausgangspunkt von Nervenfasern. Dagegen haben sie enge Beziehungen zu den Bindegewebszellen und den Blut- gefässen, ihre funktionelle Aufgabe muss demnach im Gebiet der Ernährung des Nervengewebes gesucht werden, d. h. sie bilden wahrscheinlich die Wege, auf welchen die Verbreitung des Nähr- plasmas von den Blutgefässen und Bindegewebszellen auf die Ganglienzellen stattfindet“. Die Untersuchungen von Mondino (14), Fusari (15), Magini (16), Nansen (17), Monti (18), C.Martinotti (19), L. Sala (20), Ramön y Cajal (21), His (22), G. Retzius (23), Kölliker (24) u. A. haben in Vielem die interessanten Beob- achtungen von Golgi bestätigt und ausserdem neue Angaben hinsichtlich des Baues des Centralnervensystems geliefert, deren nähere Erörterung nicht Gegenstand vorliegender Mittheilung sein kann. Die Mehrzahl der erwähnten Forscher spricht sich kate- gorisch dafür aus, dass der Axencylinderfortsatz laterale Aestchen entsenden kann und die wesentlichste Rolle in der Nervenfunc- tion der Zelle spielt, während die Protoplasmafortsätze — so zu sagen — nur eine untergeordnete Bedeutung haben und aller Wahrscheinlichkeit nach der Nahrungszufuhr zur Zelle dienen. nung der ersten Versammlung der anatomischen Gesellschaft in Mün- chen vorgetragenen Rede ersichtlich ist, hält Golgi in der letzten Zeit an der Existenz der Nervennetze nicht mehr fest. Zur Frage über den Bau der Nervenzellen etc. 65 Die Protoplasmafortsätze vereinigen sich ferner nie unter einan- der vermittelst ihrer durch Theilung entstandenen Aestchen, folg- lich bilden sie kein Nervennetz und endigen stets frei und ein wenig abgestumpft. Schliesslich stehen die Protoplasmafortsätze jeder einzelnen Zelle in keiner mittelbaren oder unmittelbaren Beziehung zum Axeneylinderfortsatz. Für eine solehe prävali- rende Bedeutung des Axeneylinderfortsatzes scheinen auch die schönen Untersuchungen von His zu sprechen, aus denen her- vorgeht, dass dieser Fortsatz viel früher sich entwickelt, als die Protoplasmafortsätze und dass er binnen emer gewissen Zeit (bei dem Mensehenembryo bis zum Ende des zweiten Monats) als der einzige Zellenfortsatz erscheint; die Protoplasmafortsätze entstehen später, olne, wie His behauptet, ein Nervennetz zu bilden. Obwohl das Vorhandensein einer Verbindung zwischen ein- zelnen Nervenzellen vermittelst Anastomosen oder Protoplasma- fortsätzen von Kölliker, Ramön y Cajal, W. Waldeyer (25), M. Lenhossek (26) u. A. bestritten wird, halten dennoch Einige (namentlich aber Ramön y Cajal) die letzteren, gleich wie den Axeneylinderfortsatz, für Nervenfortsätze, wofür von Kölliker unter anderem folgende Gründe angeführt werden: Der Bau der Protoplasmatortsätze ist gleich dem des Axeneylinderfortsatzes, wobei der letztere, laut den Beobachtungen von Ramon y ‘ajal und theilweise von Nansen, wie meinen eigenen, schon längst ausgeführten, nicht selten von einem der Protoplasmafort- sätze der Zelle beginnt. Es giebt schliesslich sowohl solche Nervenzellen, die gar keinen Axeneylinderfortsatz besitzen, wie solche, in denen es unmöglich ist mit genügender Deutlichkeit die Protoplasmafortsätze von dem Axeneylindertortsatz zu unter- scheiden. le Die Beobachtung von Golgi hinsichtlich der Existenz von motorischen Zellen, deren Nervenfortsätze zu Axeneylindern der Nervenfasern werden und von sensiblen Zellen mit Axeneylinder- fortsätzen, die gänzlich in ein Nervennetz übergehen, wird von Kölliker, Ramön y Cajal, Waldeyer u. A. für nicht stichhaltig betrachtet; sie geben zu, dass man nur Nervenzellen mit langen (der I. Typus von Golgı) und mit kurzen (der II. Typus von Golgi) Axeneylinderfortsätzen unterscheiden kann, wobei das von Golgi beschriebene allgememe Nerven- netz, aus welchem, nach seiner Meinung, die Axencylinder der Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 41 5 66 A.S. Dogiel: sensiblen Nervenfasern ihren Ursprung nehmen, durch alle oben- genannten Forscher durchaus nicht für ein Netz, sondern für frei endigende Verästelung der erwähnten Fasern angenommen wird. Ueberhaupt die Mehrzahl «der Forscher der letzten Zeit spricht sich mit Entschiedenheit dafür aus, dass sowohl die Protoplasma- fortsätze, wie die sich verästelnden Endigungen der Axeneylin- derfortsätze «der Nervenzellen nirgends eigentliche Nervennetze bilden. Somit, ungeachtet sehr wichtiger, auf dem Gebiete des Cen- tralnervensystems epochemachender Entdeckungen von Golgi, Ramön yCajal, Kölliker u. A., welche fast in alle neuere Handbücher der Histologie (Toldt, Owsjannikow und Lawdowsky, Schiefferdeeker) aufgenommen wurden, scheinen mir «dennoch die Fragen von der gegenseitigen Be- ziehung zwischen den Protoplasmafortsätzen der Nervenzellen, von der emährenden Bedeutung derselben, sowie von der Be- ziehung des Axencylinderfortsatzes zu den Zellen und Proto- plasmafortsätzen u.a. bisher noch lange nicht entschieden zu sein. Um mehr oder weniger hinreichend so schwere und zugleich ‘ so wichtige Fragen zu entscheiden, wie das Verhältniss der Proto- plasınafortsätze der Nervenzellen zu einander, zu den Blutgefässen und zu dem Axeneylinderfortsatz, das Endschicksal der vom Axeneylinderfortsatze entspringender Aestehen (der Zellen des I. Typus von Golgi) zu erklären u. s. w., scheint mir als das am meisten geeignete Untersuchungsobject die Netzhaut des Auges zu sein. In der That, wir finden in der letzteren zunächst viele (der Zellenelemente, «lie in dem Centralnervensystem vorkommen, welchem bekanntlich die Netzhaut auch der Entwiekelung nach sehr nahe steht; «ie Netzhaut ist ferner ganz besonders dazu geeignet, um zur Färbung ihrer Nervenelemente Methylenblau anzuwenden und schliesslich nach stattgefundener Fixirnng der ‚Tinetion der Netzhautnervenelemente vermittelst pierimsaurem Ammon oder dem von mir angegebenen Gemenge, erscheint die Netzhaut vollständig durchsichtig, so dass man vermittelst Flä- chenpräparate, ohne Schnitte anzufertigen, das Verhältniss der Fortsätze verschiedener, in verschiedenen Schichten vorkommender Nervenzellen ohne Weiteres studiren kann. Die Möglichkeit, Nervenzellen mit allen ihren Fortsätzen auf Flächenpräparaten, ohne irgend welche Verletzung «der In- Zur Frage über den Bau der Nervenzellen ete. 6 u | tegrität der Netzhaut und bei vollständiger Erhaltung der ge- genseitigen Beziehungen zwischen ihren Nervenelementen stu- diren zu können, ist meiner ‚Meimung nach von sehr grosser Be- deutung und bildet einen der Vorzüge des von mir angegebenen Verfahrens vor anderen Methoden, da es nur auf diesem Wege möglich ist, viele der oben angeführten Streitfragen zu entschei- den. Um diese Entscheidung der mich schon längst interessirenden Fragen vorwärts zu bringen, wählte ich die Netzhaut, und zwar hauptsächlich die Netzhaut des Menschen, und ausserdem die der Vögel, Amphibien und Knorpeltische (des Störes und des Sterlets). Einige der von mir dabei erlangten Resultate sind bereits in speeiellen Arbeiten über die Netzhaut mitgetheilt (27), die anderen werden. zum Druck gefertigt. In vorliegender Abhandlung beabsichtige ich die Ergebnisse meiner langjährigen Beobachtun- sen kurz zusammenzufassen, soweit dieselben die Struetur der Nervenzellen und die gegenseitigen Beziehungen zwischen ihren Protoplasma- und Axenceylinderfortsätzen anbelangen. Alle Nervenzellen der Netzhaut, soweit meine Beobach- tungen ergeben haben (cf. meine Mittheilung: „Ueber die ner- vösen Elemente in der Retina des Menschen“, Arch. f. mikrosk. Anatomie, Bd. XXXVII, p. 5317— 344), sind in drei von einan- der verschiedene Gruppen vertheilt, und zwar: ]) in Zellen mit Protoplasmafortsätzen und einem mehr oder weniger isolirten Axeneylinderfortsatz, der früher oder später in den Axeneylinder markhaltiger Nervenfasern übergeht (I. Typus der Golgi'schen Zellen); II) in Zellen mit Protoplasmafortsätzen und einem Axen- eylinderfortsatz, der niemals unmittelbar in den - Axeneylinder einer Nervenfaser übergeht, jedoch auf eine verhältnissmässig geringe Entfernung in ein Bündel feiner Nervenfäden zerfällt (I. Typus der Golgi’schen Zellen); III) in Zellen ausschliess- lich mit Protoplasmafortsätzen. Wenn man andererseits die Art und Weise der Verästelung der Protoplasmafortsätze, ihre Länge und theilweise auch die Form der Zellen selbst berücksichtigt, so ist man genöthigt in manchen der eben angeführten Gruppen noch eine gewisse Anzahl weiterer Zellentypen zu unterscheiden. Zur ersten Gruppe rechne ich vier Typen der Nerven- zellen, nämlich die von mir in der inneren und mittleren gangliösen Sehieht der Netzhaut beschriebenen Zellen des ersten, zweiten und des dritten Typus und die sternförmigen, in der äusseren 65 A. S. Dogiel: gangliösen Schicht der genannten Haut sich vorfindenden Zellen. Zur zweiten Gruppe zähle ich die Bipolar- und die Subepithelial- zellen der äusseren und zur dritten Gruppe „die grossen Nerven- zellen“ der mittleren gangliösen Schicht der Retina. I. Die erste Zellengruppe (Fig. 1, 2, 3, 4, 5 und 6). Die Protoplasmafortsätze (Dendriten) der Nervenzellen eines jeden der vier zu dieser Gruppe gehörenden Typen zerfallen allmählich in einzelne Aestchen und dünne varicöse Fibrillen. Die letzteren verlaufen ebensolchen Fäden der benachbarten Zellen entgegen, durchkreuzen und verschlingen sich gegenseitig und bilden, schliesslich mit eimander verbunden, ein Nervennetz (Fig. 1b), wobei jede einzelne Nervenzelle eines der oben angegebenen vier Typen vermittelst ihrer Protoplasmafortsätze nur mit den Zellen des gleichen Typus verbunden wird. Die Zahl der von einander unabhängigen Nervennetze ist daher laut meinen Beobachtungen eben so gross, wie die Zahl der besonderen Typen von Nervenzellen. Falls manche Aestehen der Protoplasmafortsätze der Zellen durch Methylenblau ungefärbt bleiben, kommt es sehr häufig vor, dass die Verbindung zwischen denselben viel deutlicher hervor- tritt, als bei vollständiger Tinetion aller Nervenästchen und Fäden, da in letzterem Fall die grosse Menge der sich in einander schlin- den Aestchen den Uebergang (dieses oder jenes Fadens von dem Fortsatz der einen Zelle zum Fortsatz der anderen benachbarten genau zu beobachten nicht selten verhindert. Die eben beschriebenen Zellen stehen in keiner Beziehung zu «den Gliazellen, welche, soweit ich wahrgenommen habe, durch Methylenblau nicht tingirt werden, während die erwähnten Zellen eine intensive blaue Färbung erlangen. Aus Rücksicht auf die Thatsache, dass so hervorragende Histologen wie Kölliker, His, Waldeyer u. A. in der letzten Zeit die Möglichkeit irgend welcher Verbindung zwischen den Protoplasmafortsätzen der Nerven- zellen in Abrede stellen, habe ich von Neuem ‚aufs sorgfältigste eine grosse Zahl von Präparaten der Netzhaut durchgemustert und war gezwungen, die Ueberzeugung zu gewinnen, dass alles, was von mir in «dieser Angelegenheit sowohl in vorliegender Arbeit, wie in früheren Abhandlungen gesagt wurde, richtig und sicher bleibt !). n der letzten Zeit erhielt ich eine ıfassende Arbeit von 1) In der letzt Zeit erhielt icl ne umfassende Arbeit voı Zur Frage über den Bau der Nervenzellen ete. 69 Was das Verhältniss der Protoplasmafortsätze der Zellen zu den Blutgetässen anbetrifft, so lässt sich auf den Flächenpräpa- 'aten der Netzhaut sehr leieht wahrnehmen, dass die Protoplasma- fortsätze, wenn sie den Aesten der Blutgefässe begegnen, die letzten ganz einfach kreuzen, ohne mit denselben irgend welche mittelbar oder unmittelbare Verbindung einzugehen. Der Axeneylinder-Fortsatz der Zellen aller ge- nannten Typen beginnt in der Mehrzahl der Fälle unmittelbar von dem Zellenkörper mittelst einer kegelförmigen Anschwellung (Fig. le), von welcher zuweilen einige (dünne Collateralästchen sich absondern, die recht bald in eine gewisse Anzahl von dünnen varieösen Fäden zerfallen (Fig. 5 u. 6d). Die letzteren, gleich ebensolehen durch Verästelung der Protoplasmafortsätze der Zelle entstandenen Fäden nehmen einen regen Antheil an der Bildung dieses oder jenes Nervennetzes, je nach dem, welchem Typus die betreffende Zelle gehört. In Ausnahmefällen sondert sich irgend welches Lateralästehen nicht von der conusartigen Anschwellung ab, mit welcher der Axeneylinder beginnt, sondern von dem Axeneylinder selbst. Unter der ungeheueren Menge der Zellen, welehe in dem zu untersuchenden Netzhautbezirk sieh befinden, kommt gewöhnlich nur eine sehr geringe Zahl von solehen Zellen vor, deren Axeneylinderfortsätze die eben angedeuteten Lateral- ästchen absenden. Der Axeneylinderfortsatz nimmt jedoch lange nicht m allen Zellen seinen Ursprung unmittelbar von dem Körper der Zelle selbst — auf jedem Netzhautpräparate lassen sich verschiedene Abweichungen von dieser Regel darstellen. Ich halte es nicht für überflüssig einige der von mir beobachteten Fälle einer solchen Abweichung anzuführen, weil dadurch, meiner Meinung nach, die Beziehungen des Axeneylinderfortsatzes zu den Protoplasma- fortsätzen klargelegt werden und andererseits nachgewiesen wird, dass die Behauptung von Golgi, als ob die Protoplasmatortsätze auf keine Art und Weise direet oder indireet als Ausgangspunkt für die Nervenfasern dienen sollten, kaum stichhaltig ist. Die J. Masius (Recherches histologiques sur le systeme nerveux central. Archives de Biologie, T. XII. 1892), in welcher auf unmittelbare Be- ziehungen der Protoplasmafortsätze unter einander und zu den Nerven- fortsätzen hingewiesen wird, 70 A:8. D ogaml: von mir beobachteten Fälle einer solchen Abweichung sind fol- sende: 1) Die Nervenzelle entsendet einen dieken und kurzen Fort- satz (Fig. 6b), welcher in einige Aestchen zerfällt, wobei eines (derselben nach der Schicht der Nervenfasern sich richtet und zum Axeneylinder der betreffenden Zelle wurde, die anderen bildeten nach Verästelung die Protoplasmatortsätze. 2) Von der Nervenzelle nahm seinen Ursprung ein langer, mehr oder weniger dicker Fortsatz (Fig. 5b), welcher an seinem Ende in eime gewisse Zahl von Aestchen zerfiel; aus einem dieser Aestehen entstand der Axeneylinderfortsatz; alle anderen wurden zu den Protoplasmafortsätzen der Zelle. Es kommt ziemlich häufig vor, dass von dem Axeneylinderfortsatz, noch vor seinem Eintritt in die Nervenfaserschieht, 2—5 Lateralästcehen entsprin- gen (Fig. 5a), welche sammt den Protoplasmafortsätzen der Zelle an der Bildung des Nervennetzes theilnehmen. 5) Der Zellenkörper dehnte sich in emen mehr oder weniger dieken und langen Fortsatz aus (Fig. 2b), welcher allmählich eine Menge sich verzweigender Protoplasmafortsätze von verschie- ddener Stärke und einen Axencylinderfortsatz (Fig. 2e) entsandte. Der letztere begann gewöhnlich in einer beträchtlichen Entfernung von der Zelle — in eimer Reihe mit eimem ihrer Protoplasma- fortsätze, weswegen man ihn unter einer Menge auf der ganzen Strecke des dicken Fortsatzes entsandter Aestehen sehr leicht übersehen konnte. 4) Von dem Zellenkörper nahmen ihren Ursprung einige dieke und dünne Protoplasmatortsätze, die in eine Menge von Aestehen zerfielen, von welchen das eine oder das andere als Ausgangspunkt für den Axeneylinderfortsatz diente (Fig. 1e). 5) Der Axencylinderfortsatz begann unmittelbar von einem der dicken Protoplasmafortsätze in einer nahen Entfernung von seinem Ursprung aus dem Zellenkörper (Fig. 3 u. +e). Aus allem, was eben gesagt wurde, sehen wir, dass der Axeneylinderfortsatz nicht nur vom Zellenkörper oder irgend einem seiner Protoplamatortsätze beginnen kann, sondern auch unmittelbar von diesem oder jenem Aestchen, welches aus der Theilung der letzteren entstand. In ähnlichen Fällen muss man ihn nur für ein Aestchen irgend eines der Protoplasmafortsätze der entsprechenden Zelle halten, welches von den übrigen Aestchen Zur Frage über den Bau der Nervenzellen etc. {a sich nur dadurch unterscheidet, das es nach der Art der letzteren an der Nervennetzbildung direet sich gar nicht betheiligt, son- dern vollständig in den Axeneylinder der Nervenfaser sich um- wandelt. Il. Die zweite Zellengruppe (Fig. 7 und Fig. 8). Was die Zellen der zweiten Gruppe, welche aus den bipolaren und subepithelialen Zellen besteht, Be so treten einer oder einige ihrer P ro toplasma- (äusseren) Fortsätze, je nach der Entfernung der Zelle von dieser a von der anderen Reti- eularschicht, in die äussere Retieularschicht, wo sie in einzelne Aestehen zerfallen (Fig. 7b und Fig. Sb), von welchen das eine — intraepitheliale in die Neuroepithelialschicht der Netz- haut eindringt und an der m. lim. externa frei mit einer knopf- artigen Anschwellung endigt, während die anderen in der Reti- eularschieht sich unter einander verflechten und nachdem sie in feine, varicöse Fäden zerfallen, ein Nervennetz bilden (Fig. 7 und Fig. 38). Der Axeneylinder- (innere) Fort mittelbar am Körper der Zelle selbst (Fig. zuweilen von einem der Protoplasmafortsätze und dringt in senk- rechter Riehtung in die innere Retieularsehieht em, wo er in ein Bündel femer varieöser Fäden zerfällt. Die letzteren, nachdem sie sich mit durch Theilung ähnlicher Fortsätze anderer Zellen dieser Gruppe entstandenen Nervenfäden vereinigt ‚habe n, bilden ein Nervennetz (Fig. 8). Je nach dem, wie viel Zellenreihen die äussere gangliöse Schieht enthält !), so viele besondere, durch Verästelung der Axeneylinderfortsätze entstandene Nervennetze sollen auch in der inneren Retieularschieht vorhanden sein. In der Netzhaut der Vögel und Amphibien werden nicht selten während des Dureh- ganges des Axeneylinderfortsatzes durch die innere Reticular- schicht von demselben kurze Lateralästehen abgegeben. Sehr wahrscheinlich, dass von den angegebenen Nervennetzen sowohl wie von den Protoplasmafortsätzen der Zellen der III. Gruppe (siehe unten) die Axeneylinder der Nervenfasern ihren Ursprung nehmen. atz beginnt un- D Ta; Fig. Te) oder 1) cf. meine Abhandlung d. Arch. Bd. 38 |. ce. 72 A.S. Dogiel: Die Zellen dieser Gruppe nähern sich hinsichtlich ihres Axeneylinderfortsatzes somit vollständig den II. Typus der Zellen von Golgi und es kann sein, dass sie für die Netzhaut des Auges die Bedeutung sensibler Zellen haben, wofür unter anderem auch der Umstand spricht, dass einer der Fäden, welche durch Theilung der Protoplasmatortsätze einer jeden Zelle entstanden, zwischen die Zellenelemente des Neuroepithels eindringt und hier frei vermittels einer kleinen Anschwellung endigt. III. Die dritte Zellengruppe (Fig. 9, 10 und 13). Die Eigenthümlichkeiten, durch welehe überhaupt alle Zellen dieser Gruppe ceharakterisirt werden, bestehen darin, erstens, dass sie gar keinen isolirten Axeneylinderfortsatz und einzig und allein nur die Protoplasmatortsätze haben, zweitens, dass aus den letz- teren die Axencylinder der Nervenfasern gebildet werden. In diese Gruppe gehören, wie oben bereits erwähnt wurde, die grossen Nervenzellen der mittleren gangliösen Schicht der Netzhaut. Sehr wahrscheinlich, dass man hierher auch die Elemente der genannten Schicht reehnen soll, welche von mir „kleine Nervenzellen“ genannt worden sind; aus Rücksicht jedoch, dass es mir bisher nicht gelungen ist die Beziehungen ihrer Protoplasmafortsätze zu dem Axeneylinderfortsatz zu constatiren, habe ich dieselben in die zu beschreibende Gruppe nicht ein- schliessen mögen. Die Zellen der zu betrachtenden Gruppe haben eme runde, birnförmige Öder ovale Form, wobei der verengte Theil des Zellenkörpers sich mehr oder weniger in die innere Retieular- schicht eintieft. Von dem zu letzterer gewandten Theil des Zellen- körpers werden einige Fortsätze abgesandt, welche in der inneren Retieularschicht in eme Menge einzelner Aestehen und varicöser Fäden zerfallen, aus denen (in der Netzhaut des Menschen) an der inneren Fläche der genannten Schicht im Verein mit den Fort- sätzen anderer Zellen desselben Typus ein dichtes Geflecht gebildet wird. Dünne, varieöse Fäden, aus denen dieses Geflecht besteht, sammeln sich dann in einzelne Bündelehen, welche sich nach der Nervenfaserschieht richten und sich in Axencylinder umwandeln, die sich von den an «den Körpern .der Nervenzellen der oben be- schriebenen Gruppe ihren Ursprung nehmenden Axeneylindern nicht im Mindesten unterscheiden. Zur Frage über den Bau der Nervenzellen etc. 73 Ob alle Fäden, die durch Theilung der Protoplasmafortsätze entstanden, zur Bildung der Axeneylinder verbraucht werden, oder vielleicht manche derselben sich unter einander vereinigen — die Entscheidung dieser Fragen finden wir bei der Erforschung der Netzhaut der Vögel. Bei den Vögeln (Taube, Sperling), wie aus den Schnitten und Flächenpräparaten ersichtlich, haben die zu beschreibenden Zellen eine birnförmige oder ovale Form, wobei die mehr oder weniger verengte Zellenspitze an der Fläche der inneren Retieularschicht anliegt (Fig. 9, 10 und 13a). In dem angeschwollenen Theil des Zellenkörpers befindet sich gewöhnlich ein mehr oder weniger kugelrunder oder ovaler Kern. Wie von dem verengten, so werden auch von dem auf einer grossen Strecke in die äussere gangliöse Schicht sich eimbuchtenden Theil der Körper einer jeden Zelle einige Fortsätze abgesandt, die mit grossen, varieösen Anschwellungen von unregelmässiger Form besetzt sind (Fig. 9, 10 und 155). Jeder Fortsatz zerfällt wieder von Neuem in eine gewisse Anzahl dünner varieöser Fäden, die zunächst fast dieht an der äusseren Fläche der inneren Retieular- schicht sich ausbreiten, um darauf in einer geringen Entfernung von der Zelle sich unter einander zu vereimigen und 2-3-4 einzelne Aestehen zu bilden. Nachdem nun auch (die letzteren zusammen- sekommen, entsteht eme mehr oder weniger dieke Faser, welche sich dann schräg oder senkreeht durch die innere Retieular- und sangliöse Schicht nach der Nervenfaserschieht der Netzhaut riehtet, d. h. in den Axeneylinder der Nervenfaser umwandelt (Fig. 9, 10 und 13e). Manche der aus Protoplasmafortsätzen der zu beschreibenden Zellen so entstandenen Axeneylinder breiten sich zuweilen, eine beträchtliche Streeke einnehmend, auf der äusseren Fläche der inneren Retieularschicht aus, kreuzen sich in ihrem Verlaufe unter einander und durehbohren erst dann die genannte Schicht, indem sie in die Schicht der Nervenfasern eintreten. Es werden jedoch durchaus nicht alle durch Gabelung der Fortsätze irgend welcher Zelle entstandenen Fäden in die Bildung des Axeneylinders mitbegriffen, — manche derselben richten sich nach verschiedenen Seiten auf die Fortsätze ana- loger Zellen hin, die der betreffenden Zelle benaehbart sind, und bilden nach Vereinigung mit denselben ein Nervennetz (Fig. 9 und 10b/; Fig. 12a und Fig. 13b/). Somit werden die Zellen- fortsätze des angegebenen Typus einerseits zur Bildung der Axen- 74 A..8. Dio’giel: eylinder von Nervenfasern verwendet, anderseits werden durch Anastomosirung derselben unter einander alle Zellen in eine Zelleneolonie vereinigt. In der Mehrzahl «der Fälle mit Ausschluss der eben erwähnten Fäden nimmt ein Axenevlinder seimen Ursprung nur aus einer einzigen Zelle; es kommt jedoch nicht selten vor, dass zur Bil- dung eines Axeneylinders die Fortsätze zweier benachbarten Zellen betheiligt werden (Fig. 11b). In solehen Fällen werden dureh die Fortsätze der letzteren zunächst zwei einzelne Fasern gebildet, welche dann in einer mehr oder weniger grossen Ent- fernung von der inneren Fläche der Retieularschieht sieh zu einem Axeneylinder vereinigen. Manche der Protoplasmatortsätze, wie oben bereits erwähnt wurde, beginnen gewöhnlich von dem Theil des Zellenkörpers, welcher sich in die äussere gangliöse Schicht einbuchtet und folglich zusammen mit dem Zellenkörper ausserhalb der inneren vetieularschieht einlagert. Ehe die angegebenen Fortsätze die Oberfläche der letzteren erreichen und m die Bildung des Axen- eylinders eingehen, maehen sie zunächst nicht selten eine schlingen- artige Windung und zerfallen dabei in ihrem Verlauf zuweilen in einzelne dünne Aestchen. Dank solchen Verhältnissen mancher Fortsätze erhält die Zelle selbst ein eigenthümliches Aussehen, indem sie mit den angegebenen Fortsätzen umflochten erscheint (Fig. 9, 10 und .15), etwa im der Art, wie die Purkyne’schen Zellen mit Aestchen umflochten werden, welche vom Axeneylinder- tortsatz des Körpers gewisser Zellen des Kleingehirns entsandt werden (Ramön y Cajal und Kölliker). Die Färbung der Zellen des zu beschreibenden Typus in der Netzhaut der Vögel tritt gewöhnlich durch Methylenblau sehr rasch ein !), gleichzeitig mit der Färbung der Axeneylinder in der Nervenfaserschicht, verschwindet jedoch nach Verlauf einer l) Eine so schleunige Tinction der Zellen tritt nur dann ein, wenn die Nervenelemente der Netzhaut des Thieres vermittelst einer Injection seiner Gefässe durch Methylenblau tingirt werden. Wenn man jedoch die Netzhauttincetion auf dem Objectträger durch unmittel- bare Anwendung des Farbstoffes bewirkt, so werden die genannten Zellen erst nach Verlauf eines ziemlich beträchtlichen Zeitraumes tingirt, nämlich nachdem die Axencylinder der Nervenfasern und die Zellen der inneren gangliösen Schicht die Färbung angenommen hatten. Zur Frage über den Bau der Nervenzellen etc. (6) kurzen Zeitfrist, während die Axeneylinder noch gefärbt bleiben. In einem solehen Falle lässt sich an Flächenpräparaten, sowohl wie an Netzhautschnitten eine Menge von Axencylindern ganz ausgezeichnet wahrnehmen, welche aus der Nervenfaserschicht in die innere Retieularschicht eintreten und an der äusseren Fläche der letzteren in einzelne Aestehen und Fäden zerfallen, wobei manche derselben, wie es übrigens falsch durch Ramön v Cajal als thatsächlich angenommen wurde, vermittels knopf- artiger Anschwellungen zu endigen schemen (Fig. 11, 12 und 13). Wenn man jedoch das Präparat zu fixiren versucht, während die. Zellenfärbung noch nicht verschwunden ist, so lässt sich ohne Schwierigkeit feststellen, dass die Fäden, welche frei zu endigen scheinen, doch mit dem Körper der Nervenzellen ver- bunden sind. Das Vorhandensein des eben angegebenen Zellentypus in der mittleren gangliösen Schicht der Netzhaut weist auf die meiner Meinung nach sehr interessante Thatsache hin, dass die Axeneylinder gewisser Nervenfasern ausschliesslich und unmittel- bar aus Protoplasmafortsätzen der Zellen gebildet werden können, wobei eine gewisse Anzahl der Fortsätze einer, selten zweier Zellen den Ursprung eines einzigen Axencylinders liefert (Netz- haut der Vögel). Unabhängig von allem, was über die Beziehungen des Axen- eylinderfortsatzes zu den Protoplasmafortsätzen gesagt wurde, spricht für die enge Beziehung des ersten zu den letzteren auch die Erforschung der feineren Structur der Nervenzellen vermittels Methylenblau. Die Nervenzellenstruetur. Die ersten Andeutungen über den faserartigen Bau der Nervenzellen finden wir bereits bei Remak (28). Frommann (29), Arnold (80), Kölliker, M. Sehultze u. A. haben recht bald die Beobachtungen von Remak über verschiedenartige Ganglienzellen bestätigt; nament- lieh M. Schultze gab eine genaue und eingehende Beschrei- bung der Nervenzellenstruetur, und seine Untersuchungen in dieser Richtung scheinen mir bis zur gegenwärtigen Epoche in voller Kraft zu bestehen, obwohl wir jetzt über vervollkommnete Unter- suchungsmethoden bei der Erforschung des Nervengewebes ver- fügen. M.Schultze hat die Zellen des Rückenmarks, des Klein- 76 A.S. Doeiel: hirns, der Grosshirnrinde, die grossen Ganglienzellen des Gehirns beim Zitterrochen u. a. untersucht, wobei er die Substanz der Nervenzellen sowohl wie aller ihrer Fortsätze deutlich faserig fand. Die Fasern traten deutlich sowohl bei der Isolirung der Zellen eines vollständig frischen Rückenmarkes in Blutserum, wie auch an den mit Osmiumsäure behandelten Präparaten her- vor. Es lagert sich gewöhnlich zwischen die Fibrillen, die den Körper und die Fortsätze der Nervenzelle bilden, eine gewisse Menge derjenigen körnigen Substanz, welehe in den Protoplasma- fortsätzen in grösserer Menge vorhanden ist, als im den Axen- eylinderfortsätzen. Nach der Beschreibung von M. Schultze ist die Fibrillenstructur in der Rinde der Ganglienzellen am deut- liehsten, sie erstreckt sich jedoch zweifelsohne auch in die Tiefe. Was die Riehtung der Fibrillen in dem Körper der Zelle selbst anbetrifft, so scheint dieselbe, laut den Angaben von M. Scehultze, sehr verwiekelt zu sein, da die Fibrillen, nachdem sie aus den Fortsätzen in die Zellensubstanz divergirend eingetreten sind, sich unter einander auf verschiedene Art und Weise durehflechten und schliesslich sieh der weiteren Verfolgung entziehen; Kern und Kernkörper scheinen offenbar keinen Ausgangspunkt für die Fibrillen zu bilden und stehen überhaupt m keinem Connex mit den letzteren. Sich auf «die eben angeführten Beobachtungen stützend, hat M. Sehultze die Vermuthung ausgesprochen, dass alle am kande beginnenden Fibrillen durch die Nervenzellen nur durch- zehen, so dass die letzteren etwa im der Art von Knotenpunkten für dieselben fungiren, wobei die emen Fibrillen sich in Bündel vereinigen und das Schicksal der anderen unbekannt bleibt. Fast alle Forscher, die seit der Zeit von M. Sehultze mit der Erforschung der Nervenzellenstructur beschäftigt waren, haben den Bestand aus Fibrillen constatirt, die unmittelbar in die Zellenfortsätze übergehen. Die fibrilläre Structur des Zellen- körpers und der Fortsätze wurde unter anderem auch von mir in den Nervenzellen der Netzhaut der mit Osmiumsäure behan- delten Ganoiden beschrieben. Ausserdem haben meine weiteren Beobachtungen ergeben, dass man dasselbe, jedoch mit bei weitem grösserer Deutlichkeit bei Tingirung der Netzhaut mit Methylen- blau erhalten kann. Schliesslich war A. Smirnow (31) bei der Tinetion der Zur Frage über den Bau der Nervenzellen etc. 77 Sterletennetzhaut nach der von mir angegebenen Methode mit Methylenblau im Stande, den fibrillären Bau der Nervenzellen sehr deutlich zu beobachten, wobei der Körper emer jeden Zelle nach seiner Meinung aus Spongioplasma, Hyaloplasma und Nerven- fibrillen besteht, die nur die Zelle durehstreichen. In einer seiner letzten Arbeiten bestreitet M. Lawdowsky, (32), im Widerspruch mit allen soeben angeführten Beobach- tungen, die fibrilläre Structur der Nervenzellen, indem er be- hauptet, dass im Protoplasma der letzteren sich nur Körnchen vorfinden, die sich reihenförmig einlagern und gewöhnlich den Eindruck von feinen Fäserghen — Fibrillen — bewirken. Zum Zweck einer genaueren Erförschung, sowohl der Ner- venzellenstruetur wie der gegenseitigen Beziehungen von Proto- plasma — und Axencylinderfortsätzen zu den Nervenzellen, ver- suchte ich die Netzhaut von Ganoiden, Amphibien, Vögeln und Menschen nach dem von mir beschriebenen Verfahren mit Methylenblau zu tingiren und fixirte darauf die stattgefundene Färbung mit einem Gemisch einer wässerigen Lösung von Am- moniumpierat mit Osmiumsäure. Es tritt gewöhnlich bei einer solehen Behandlung die fibrilläre Structur der Nervenzellen in der inneren gangliösen Schicht der Netzhaut ganz ausgezeichnet hervor, und es lässt sich ohne irgend welche besondere Schwierig- keiten bei Anwendung starker Objeetive wahrnehmen, dass diese Nervenzellen, sammt allen ihren Fortsätzen, aus Fibrillen und interfibrillärer Substanz bestehen. Die Fibrillen — Fäserchen —, aus welchen der Nerven- körper sammt allen Fortsätzen besteht, lassen sich mit Methylen- blau sehr intensiv färben und treten auf den mit oben ange- führtem Gemisch fixirten Präparaten so klar und deutlich hervor, dass sich die Möglichkeit darbietet, ihren Verlauf und ihre Ver- theilung in dem Körper der Zelle selbst zu verfolgen. In den Protoplasmafortsätzen der Nervenzellen werden die Nervenfibrillen mehr oder weniger gleichmässig in dem ganzen Fortsatz vertheilt, so dass zwischen einzelnen Fibrillen nur ganz geringe, mit Interfibrillensubstanz angefüllte Zwischenräume bleiben, oder, sie gruppiren sich in «dünne Bündelchen, von welchen die einen näher am Rande sich placiren, die anderen — im Gegen- theil — in dem Axentheil dieses oder jenes Fortsatzes liegen; zwischen den einzelnen Fibrillenbündelehen lagert sich gewöhn- 78 A.S. Dogiel: lich eine gewisse Menge der Interfibrillarsubstanz ein (Fig. 14 Au. B). Soweit ich beobachten konnte, vertheilen sich die Fi- brillen in den Protoplasmafortsätzen der Nervenzellen von Men- schen und Vögeln am häufigsten in Bündelchen; bei den nie- deren Wirbelthieren hingegen und bei Ganoiden — als einzelne, parallel zu einander verlaufende Fibrillen (Fig. 14). In manchen Fällen krümmen sich die Fibrillen während ihres Verlaufes wellen- törmig, gleichgültig ob sie emzeln oder m Bündelchen ver- laufen. Je dünner dieser oder jener Protoplasmatortsatz ist, eine desto geringere Menge von Fibrillen. betheiligt sich, selbstver- ständlich, an der Bildung desselben, wobei die Fortsätze, welche als dünne varicöse Fäden erscheinen, aus einer oder einigen Fibrillen bestehen. Bei gelungener Färbung war es zuweilen möglich, den Uebergang einer bestimmten Fibrille aus dem Proto- plasmafortsatz einer Nervenzelle in einen ähnlichen Fortsatz einer anderen benachbarten Zelle zu verfolgen. Die Fibrillen aller Protoplasmafortsätze, wie es aus Fig. 14 Au.B ersichtlich ist, durehkreuzen sieh und durchfleehten sieh unter einander in dem Körper jeder einzelnen Zelle auf solche Art und Weise, dass ein Theil derselben aus einem Protoplasma- fortsatz in andere übergeht, ein anderer Theil aber richtet sich von jedem einzelnen Fortsatz einer gewissen Zelle nach dem Axeneylinderfortsatz und betheiligt sich an der Bildung des letzteren (Fig. 14-A u. B). | | Der Axeneylindertortsatz erscheint gewöhnlich zunächst, an seinem Ursprunge von der Zelle, ziemlich diek, verschmälert sich jedoch recht schnell und geht in eine dünnere Faser über (Fig. 14 A und B, e). Die Verdünnung des Axenceylinderfort- satzes wird hauptsächlich durch Verminderung der Interfibrillar- substanz bewirkt und in Folge dessen durch ein dichteres Zusammenliegen der einzelnen Nervenfibrillen. Bei allmählicher Verschiebung der Brennpunetdistanz ist es nicht schwer wahrzunehmen, dass die Fibrillen an dem ganzen Körper der betreffenden Zelle in seinen oberflächlichen und tiefen Schichten sich vertheilen, wobei sie den Kern von allen Seiten umgeben und umflechten, jedoch zu demselben selbst in keinem Connex stehen. Der Kern sondert sich gewöhnlich mehr oder weniger scharf von dem Zellenkörper ab, indem er als eine Zur Frage über den Bau der Nervenzellen etc. 79 runde oder ovale Bildung erscheimt, welche schwächer als der Zellenkörper tingirt wird; man kann zuweilen in demselben die Anwesenheit eines oder eimiger intensiv gefärbten Kernkörper wahrnehmen (Fig. 14). Die Interfibrillarsubstanz timgirt sich unter dem Ein- fluss von Methylenblau viel schwächer als die Fibrillen und setzt sich von dem Zellenkörper unmittelbar auf alle Fortsätze (die Protoplasmafortsätze und den Axeneylinderfortsatz) fort, indem sie sich als eine sehr dünne Schicht sowohl zwischen den ein- zelnen Fibrillen, wie an der Peripherie sämmtlicher Fortsätze der betreffenden Zelle und ihrer Aestehen vertheilt, so dass sie rings um die Fortsätze eme dünne Scheide bildet. In manchen Fällen wird die Interfibrillarsubstanz durch Methylenblau nur sehr schwach oder gar nicht gefärbt; die fibrilläre Structur der Zellen und ihrer Fortsätze tritt dann ganz besonders deutlich und klar hervor. Die Interfibrillarsubstanz spielt eine gewisse Rolle bei der Bildung verschiedenartiger Nervenendapparate; so z. B. sie um- giebt im den motorischen Endapparaten, als eine mehr oder weniger dieke Schicht, die Nervenästehen und Fäden, die durch Theilung des Axeneylinders unter dem Sarcolemma entstehen, und verleiht dem ganzen Apparat das charakteristische Aussehen. In den Grandry’ schen Tastkörperchen bestehen die Tast- scheiben (disque tactil Ranvier), laut meinen Untersuchungen, ausschliesslich aus Interfibrillarsubstanz, die Nervenfibrillen da- gegen verlaufen am Rande einer jeden solehen Scheibe ' und um- schlingen ringartig dieselbe. In den Meissnerschen Körperchen bildet die Interfibril- larsubstanz im Verlaufe der Nervenästchen und Fäden, aus wel- chen der Endapparat besteht, sich stellenweise in einer ziemlich beträchtlichen Menge anhäufend, eine Reihe von unregelmässi- gen oder spindelförmigen Anschwellungen. Schliesslich in den Herbst'schen und Paeini’schen Körper- chen giebt die Interfibrillarsubstanz den Endanschwellungen, mit welehen die Axencylinder in dem inneren Kolben endigen, eine für dieselben charakteristische, keulenähnliche oder bimartige Form. Es scheint mir somit, dass die Beobachtungen und Voraus- setzungen von M. Schultze hinsichtlich der Nervenzellenstruetur s0 A. 8: Dieie.uel: in Vielem durch die Erforschung derselben vermittels Methylen- blau bestätigt werden, wobei man zugeben muss, dass die den 3estand jeder Zelle bildenden Fibrillen sich nur umsetzen und auf verschiedene Art und Weise durchflechten und schliesslich nach den Fortsätzen richten, ohne — wie es scheint — eine unmittelbare Verbindung mit der Zellensubstanz einzugehen. In coneretem Falle erscheint die Zelle nur als eine Zwischenstation im Verlaufe der Nervenfibrillen, wo sich letztere auf eine ge- wisse Art und Weise vertheilen und von wo sie nach verschie- denen Seiten und Richtungen verlaufen, während ein verhältniss- mässig geringer Theil derselben den Axeneylinderfortsatz der betreffenden Zelle bildet; der grössere Theil bildet die Proto- plasmafortsätze und wendet sich nach benachbarten Zellen; hier wiederholt sich dasselbe, d. h. es kommt zu einem neuen Um- stellen und zu einer neuen Vertheilung einzelner Nervenfibrillen. Die Nervenzellen haben im dieser Beziehung viel gemein- schaftliches mit den kermhaltigen Knotengeflechten, denen man im Verlaufe von Nervenfasern und Aestehen in verschiedenen Gegenden begegnet, so z. B. im der Hornhaut, in der Iris des Auges und a. a. O.: in den genannten Geflechten werden die Nervenfasern, Aestchen und Fäden auf verschiedene Art und Weise umgestellt und durchkreuzt, so wie es mit den Fibrillen in den Nervenzellen vorkommt. Die Frage, nach dem Verlauf irgend welcher einzelnen Nervenfibrille kann vor der Hand in bestimmtem Sinne nicht 'ent- schieden werden: aller Wahrscheinlichkeit nach ist ihr Weg sehr lang und verwickelt, und es hat jede Fibrille wohl viele Zellen zu durchsetzen und mehrmals ihre Richtung zu ändern, ehe sie schliesslich in den Axeneylinderfortsatz dieser oder jener Nerven- zelle einmündet. Man muss also in Rücksicht auf die Structur der Nerven- zellen und ihrer Fortsätze nothwendig zugeben, dass überall, wo die Zellenprotoplasmafortsätze in Vereinigung mit eimander ein Nervennetz bilden, ein gegenseitiger Austausch zwischen den Fibrillen vorkommt, aus welchen der Körper und die Fortsätze irgend einer Zelle bestehen, und ferner zwischen denjenigen Fi- brillen, aus welchen der Körper und die Fortsätze anderer näher oder, aller Wahrscheinlichkeit nach, auch entfernter gelegener Zellen gebildet werden. Zur Frage über den Bau der Nervenzellen etc. 81 Ein derartiges Verhältniss der Protoplasmafortsätze von Nervenzellen stellt nichts aussergewöhnliches dar, bildet durch- aus keine einzig und allein dastehende, nur den” Nervenzellen eigene Erscheinung; im Gegentheil — man beobachtet dasselbe auch in den Zellen anderer Gewebe, wie z. B. bei den Epithel- zellen des Stratum Malpighüi (M. Schultze, Bizzozero, Ran- vier, Ramön y Cajal), den Endothelialzellen der Descemet- schen Haut (A. Smirnow, Nuel und Cornil), den Zellen der glatten Muskeln (Kulezycki, D. Barfurth), alle diese ver- einigen sich unter einander vermittels protoplasmatischer Inter- cellularbrücken; viele Bindegewebszellen vereinigen sich eben- falls in eine Zellencolonie vermittels ihrer Fortsätze. Hinsichtlich der Frage über die physiologische Bedeutung der Nervenzellen, sowohl wie ihrer Protoplasmafortsätze sind heutzu- tage nur Voraussetzungen möglich. Aller Wahrscheinlichkeit nach sind die Nervenzellen zunächst Ernährungscentren und ferner unabhängig davon, wie Kölliker richtig vermuthet, sind sie mit allerlei höheren Nervenfunetionen ausgerüstet, z. B. motorische und sensible Impulse und dgl. zu geben. Es scheint mir, dass die Protoplasmafortsätze zur Uebermittelung des Nährstoffes und der Nervenreize unmittelbar von der einen Zelle zu der anderen dienen. Auf Grund alles mitgetheilten scheint es mir möglich, fol- sende wesentliche Schlussfolgerungen zum Ausdruck zu bringen: 1. Zu den Nervenzellen der Netzhaut gehören: a) Zellen mit Protoplasmafortsätzen und einem isolirten Axeneylinderfortsatz, welcher unmittelbar in den Axeneylinder der Nervenfaser übergeht (die Zellen der I. Gruppe). b) Zellen mit Proto- plasma- und einem Axencylinderfortsatz; die Axeneylinder- fortsätze dieser Zellen gehen nicht unmittelbar in die Nervenfasern über, sondern zerfallen zunächst in dünne Aestehen und Fäden, aus welchen das Nervennetz entsteht. c) Zellen nur mit Protoplasmafortsätzen einzig und allein. 2. Die Axeneylinder der Nervenfasern beginnen: a) unmittelbar vom Zellkörper oder von einem der Protoplasmafortsätze desselben; b) aus dem Nervennetz, welches durch Axen- eylinderfortsätze der Zellen der II. Gruppe gebildet wird, und schliesslich e) unmittelbar aus den Nervenästehen und Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 41 6 DD 6. A.S. Dogiel: Fäden, die durch Theilung der Protoplasmafortsätze der Zellen III. Gruppe entstanden sind. 3. Die Protoplasmafortsätze aller Nervenzellen der Netzhaut vereinigen sich unter einander und bilden Nervennetze, wobei nur die Zellen, welche zu einer Gruppe oder einem Typus gehören, vermittels der genannten Netze in eine Zelleneolonie verbunden werden. 4. Aehnlich dem Axeneylinderfortsatz haben auch die Proto- plasmafortsätze zweifelsohne eine Nervennatur und stehen in keinem Connex weder mit den Blutgefässen, noch mit den Gliazellen. Zum Bestand des Zellenkörpers und der Zellenfortsätze ge- hören Nervenfibrillen und Interfibrillensubstanz, wobei ein Theil der Fibrillen aus allen Protoplasmafortsätzen irgend einer Zelle in den Axencylinder übergeht. . Den Nervenzellen sind höhere Nerven- und aller Wahr- scheinlichkeit nach Ermährungs-Functionen eigen. Die Nerven dürfen nicht als vollständig isolirte, mit ein- ander unverbundene Individuen (Neurome nach Waldeyer) betrachtet werden. 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Fig. 2,3,4,5u.6. a) Nervenzellen der ersten Gruppe (meines zweiten Typus); b) Protoplasmafortsätze; ce) Axeneylinderfortsatz ; d) seitliche (collaterale) Aestchen, welche vom Axencylinder- fortsatz entspringen. Netzhaut des Menschen. Reichert’s Obj. 6. Fig. 7. a) Axencylinder-(innere)-Fortsätze der Zellen zweiter Gruppe (bipolarer Zellen), die in Bündel von Fäden (b) zerfallen, aus welchen das Nervennetz gebildet wird. Flächenpräparat der Netzhaut des Frosches. Reichert’s Obj. 8a, Fig. [0 0) 9. e. 11. Zur Frage über den Bau der Nervenzellen etc. 87 a) Zellen der zweiten Gruppe (subepitheliale) der Netzhaut des Störes; b) Protoplasmafortsätze, die das Nervennetz bilden; ec) Axencylinderfortsätze, die in Nervenästchen und Fäden zer- fallen, aus welchen das Nervennetz' gebildet wird. Flächen- präparat. Reichert’s Obj. 88. a) Zur dritten Gruppe gehörende Zellen; b) Protoplasmafort- sätze, aus welchen Axenceylinder (c) der Nervenfasern entste- hen; b/) Aestchen, welche die Protoplasmafortsätze einer Zelle mit ebensolchen Fortsätzen benachbarter Zellen vereinigen. Flächenpräparat der Netzhaut der Taube. Reichert’s Obj. 8a. 10 A, Bu. C. a) Zellen der dritten Gruppe; b) Protoplasmafort- sätze der Zellen, die sich in Axencylinder (c) vereinigen; b’) Aestchen, die mit Protoplasmafortsätzen benachbarter Zel- len derselben Gruppe anastomosiren. Netzhaut der Taube; Flächenpräparat. Reichert’s Obj. 8. a) Protoplasmafortsätze zweier Zellen dritter Gruppe (die Zel- len blieben durch Methylenblau untingirt), aus welchen der Axencylinder (b) einer der Nervenfasern gebildet wird; c) Axen- eylinder der Nervenfaserschicht. Flächenpräparat der Netz- haut der Taube. Reichert’s Obj. 8a. . a) Protoplasmafortsätze der Zellen dritter Gruppe, die durch Methylenblau untingirt blieben; a’) anastomosirende Aestchen; b) Axeneylinder. Flächenpräparat der Netzhaut der Taube. Reichert’s Obj. 8%. . Durchschnitt der Netzhaut der Taube. a) Zellen der dritten Gruppe; b) Protoplasmafortsätze, aus welchen die Axeneylin- der (ce) der Nervenfasern gebildet werden; b/) anastomosirende Aestehen; 1) mittlere gangliöse Schicht; 2) innere Reticular- schicht. Reichert’s Obj. 8. .14 A u.B. a) Zellen der ersten Gruppe, wobei der Bestand des Zellenkörpers, der Protoplasma- (b) und der Axencylinder- fortsätze (c) aus Fibrillen und Interfibrillarsubstanz sichtbar wird; d) markhaltige Nervenfaser. Flächenpräparat der Netz- haut des Störes. Reichert’s Obj. 82; halbausgeschobener Tubus. 88 (Aus dem anatomischen Institut in Zürich.) Beiträge zur mikroskopischen ‚Anatomie des Vogeldarmes. Von M. Cloetta. Hierzu Tafel XI. Einleitung. Wenn man die Litteratur derjenigen Arbeiten durchmustert, die sich mit der Beschreibung epithelialer Gebilde befassen, so muss es wirklich auffallen, in welch stark hervortretender Weise der Darmkanal stets zum Objeete solcher Arbeiten gewählt wurde. Es mag dies ja wohl mit der unendlichen Wichtigkeit des be- treffenden Organs in Zusammenhang stehen, die ja eine möglichst eingehende Kenntniss der verschiedensten Details bei den ver- schiedensten Thieren wünschenswerth macht, um daraus allfällige Winke für Verständniss und Erkennung verschiedener Erschei- nungen auch am menschlichen Darm zu ziehen, anderseits aber ist es auch die fast unerschöpfliche Vielgestaltigkeit der Bilder, die uns der Darm unter den verschiedenen Umständen zu liefern vermag, so dass fast bei jeder Untersuchung sich wieder neue Anschauungen, Modification oder Verneinung schon bestehender, ergeben. Der Grund nun, weshalb zu nachstehender Arbeit gerade der Vogeldarm gewählt wurde, beruht namentlich darauf, dass über dieses Gebiet speciell noch wenig gearbeitet wurde; wenigstens konnte ich beim Durchmustern der Litteratur keine Mittheilungen auffinden, die sich in eingehender Weise mit mikros- kopischen Verhältnissen des Vogeldarms befasst hätten. Aber nieht nur geleitet von der Absicht, eine genauere Be- schreibung des Vogeldarms zu geben, ward diese Arbeit be- gonnen; sondern es erschien auch wünschenswerth einige beson- dere Theorien und Streitfragen, die sich im Lauf der letzten Zeit herangebildet hatten, an einem neuen Object wieder einge- Beiträge zur mikroskopischen Anatomie des Vogeldarmes. 89 hend zu prüfen und je nachdem die Basis derselben entweder zu verbreitern oder zu untergraben; ich meine damit speciell die Anschauungen Bizzozero's!) über die Regeneration des Darm- epithels und Mittheilungen betreffend die Becherzellen. Gleich zu Anfang der Untersuchungen stellte sich denn eine Thatsache dar, die wohl mit zu den Hauptgründen zu rechnen ist, weshalb dieses so leicht zu beschaffende und insofern sich für mikroskopische Zwecke wohl eignende Material bis jetzt so wenig Berücksichtigung gefunden hat. Es weist nämlich der Vogeldarm gegenüber dem vieler anderer Wirbelthiere eine be- deutende Kleinheit der zelligen Elemente auf, so dass, um fei- nere Details hervortreten zu lassen, mit feinen Schnitten und be- deutenden Vergrösserungen operirt werden musste. Da uns aber heutzutage beiderlei Mittel zur Verfügung stehen, so ist dieser Umstand als ein die Untersuchungen allerdings erschwerender, aber keinesweg hindernder anzusehen. Gemäss des angeführten Umstandes suchte ich denn auch unter den Vögeln diejenigen herauszufinden, die eine möglichst klare Anordnung ihrer zelligen Elemente aufweisen und habe als solches sehr brauchbares Ob- jeet die Haustaube gefunden. Was nun die Herstellung des Materials anbelangt, so will ich für Diejenigen, die sich eventuell mit derselben Materie be- schäftigen wollten, einige technische Andeutungen geben, um ihnen unnöthige Arbeit zu ersparen; denn da über dieses Capitel noch nichts bekannt war, brauchte es oftmals viel Zeit und Mühe für die Herstellung brauchbarer Präparate, indem sich eine Reihe von anderwärts ganz gut anschlagenden Agentien hier als un- brauchbar erwiesen. Sehr zu empfehlen ist als Fixirungsmittel eine 3°/, Sal- petersäurelösung?), worin der Darm im toto ca. 5 Stunden liegen blieb und dann in gradatim verstärkten Alkokol übertragen wurde. Hiervon wurden dann kleinere Stücke in Boraxcarmin 24 Stunden durchgefärbt und mit salzsaurem Alkohol ausgezogen. Es liefert diese Methode sehr brauchbare Bilder, wobei namentlich hervor- 1) Bizzozero, Ueber die schlauchförmigen Drüsen des Magen- darmkanals. Archiv für mikrosk. Anatomie Bd. 33, 1889. 2) Stammlösung von spec. Gew. 1,18 (enthält 32°, Säurehydrat) Stöhr, Lehrbuch der Histologie. 90 M. Cloetta: zuheben ist, dass die zelligen Elemente sehr schön und deutlich in ihrem Contour erhalten bleiben, keinerlei Schrumpfung eintritt, und dass von diesen Objeeten äusserst feine Schnitte (5 u) an- gelegt werden können, ohne dass das Epithel abfällt oder sonst Zerreissungen vorkommen. Ein anderer Vortheil ist noch der, dass man stets den Darm in toto zur Verfügung hat und genau eontrolliren kann, aus welcher Partie em fragliches Stück ent- nommen worden ist. Wenn nun dieses Verfahren für das Con- tourstudium sehr zweckmässig war, so konnte leider bei compli- eirteren Färbungen von ihm kein Gebrauch gemacht werden. Besondere Schwierigkeiten bereitete in dieser Beziehung das Stu- dium der Becherzellen, weil keine der schleimfärbenden Substan- zen durch Salpetersäure fixirte Präparate, auch dann nicht, wenn die Stücke neutralisirt worden waren, angriff!). Es wurden deshalb Fixirungen mit 10°/, Kochsalzsublimat- lösung (warm 25—55 Min.), Müller’scher Flüssigkeit und Chrom- osmium-Essigsäure versucht, von welchen Präparaten dann die Schnitte ungefärbt mit Gummi oder Eiweissglycerin aufgeklebt wurden. Derartige Schnitte haben sich als der Schleimfärbung zugänglich erwiesen. Von den vielen hierfür empfohlenen Mitteln habe ich Vesuvin, Saffranin, Methylenblau und das Delafield’sche Hämatoxylin versucht. Da diese Mittel nicht gleich wirken, und die Resultate hier und da im Vergleich zu anderen Autoren ver- schieden ausfielen, will ich hier kurz meine Erfahrungen über ihre Wirkung auf den Vogeldarm ausführen. In Bezug auf das Saffranin, dasJ.Paneth?) sehr rühmt, kann ich die Angaben von Hoyer?) nur bestätigen, dass es ein ziemlich zuverlässiges Mittel sei; Ja, hier waren die Erfolge fast ganz negativ. Hoyer hat dagegen hauptsächlich die Vorzüge des Methylenblau hervorge- hoben, und kann ich ihm hierin völlig beipfliehten, dagegen war 1) Anmerkung:-Dadurch erklärt sich vielleicht auch die That- sache, dass der Schleim des Magenepithels sich nicht färben lässt, in- dem die Unempfindlichkeit dieses Schleimes gegen Farbstoffe, die sonst überall die charakteristische Schleimreaction herbeiführen, durch den Salzsäuregehalt des Magens, wie es scheint, bedingt ist. 2) J. Paneth, Ueber Darmepithel. Archiv für mikrosk. Anato- mie, Bd. 31. 3) M. Hoyer, Ueber den Nachweis des Mucins in den Geweben mittelst Färbemethode. Archiv für mikrosk. Anatomie, Bd. 36, Beiträge zur mikroskopischen Anatomie des Vogeldarmes. 91 ich von den Versuchen mit Vesuvin keineswegs so befriedigt wie er; es lieferte undeutliche und namentlich mkonstante Färbungen. Ein Vorzug des Methylenblau, den Hoyer namentlich hervor- gehoben, dass es nämlich eine entschiedene Empfindsamkeit gegenüber den qualitativen Verhältnissen des von den Becher- zellen gelieferten Schleimes besitze, konnte ich in vollem Maass bestätigen. Diese Eigenschaft trat namentlich hervor, wenn das Methylenblau in sehr verdünnten Lösungen, ca. !/,o00, ‚einwirkte, doch thut man gut die Färbung, die nach 53—5 Stunden ein- tritt, unter dem Mikroskop zu überwachen, da nämlich das übrige Gewebe sich auch mitfärbt, und dadurch eine Differenzirung erschwert wird, da ein nachträgliches, energisches Entfärben des übrigen Gewebes mittelst Alkohol, wegen der bekannten Unbe- ständigkeit vieler Anilinfarbstoffe gegen Alkohol, die hier beson- ders deutlich hervortrat, nicht anging. Aus demselben Grunde konnten auch keine Dauerpräparate in Firniss eingeschlossen werden, sondern die Schnitte mussten frisch im Glycerin untersucht werden. Als ganz brillantes Mueinreagens hat sich das Deafield- sche Hämatoxylin!') erwiesen, das bei den in Chromosmium-Essig- säure gehärteten Präparaten konstant eime sehr charakteristische Färbung lieferte, wobei das Gewebe hellbraun, der Schleim dunkel- violett tingirt wurde. Die Reaction tritt bei sehr diluirten Lö- sungen in 24 Stunden, bei Mischung mit gleichen Theilen Wasser schon in einer halben Stunde auf. Die Hauptvorzüge dieses Mittels bestehen darin, dass eine Ueberfärbung nicht leicht ein- tritt und die Schnitte alkoholbeständig sind. Vön anderen Färbungen wurden die Methoden von Her- mann?), so wie die yon Ehrliceh-Biondi und Martin Hei- denhain's Hämatoxylin — Eisenlackfärbung®) versucht, und wird die besondere Wirkung dieser Methoden auf die verschie- denen Gewebstheille an den entsprechenden Stellen erwähnt werden. 1) Taschenbuch der mikrosk. Technik von Böhm und Oppel. 2) Archiv für mikrosk. Anatomie Bd. 34, pag. 60. Das Färbungs- verfahren schlägt auch bei Chromosmium-Essigsäure-Präparaten an. 3) M. Heidenhain, Ueber Kern und Protoplasma. Festschrift zu Ehren des 50jährigen Dr.-Jubiläums von Geh.-Ratb v. Kölliker; pag.118; auch die Ehrlich-Biondi'sche Färbung wurde nach der von M. Heidenhain (p. 116) angegebenen Modification angewendet. de [807 M. Cloetta: Allgemeines. Ueber die makroskopischen Verhältnisse des Vogeldarms verdanken wir Gadow!) eine umfassende Beschreibung, in der sich auch einige Bemerkungen speciell über den Darm der Haus- taube finden. Die Länge desselben, vom Pylorus bis zum Anus gemessen, schwankt je nach dem Alter des Thieres zwischen 80—120 em, seine Wandung ist dünn. Der Darm stellt in toto einen konischen Schlauch dar, der seine grösste Ausdehnug am Pylorus, die geringste oberhalb des Anus aufweist, so dass die (Juerschnitte der betreffenden Partien, wie Gadow angibt, sich im Verhältniss wie ca. 3:1 bewegen. Die Duodenalschlinge ist hufeisenförmig gebogen, der absteigende Schenkel ist beträchtlich weiter wie der aufsteigende, ihre Gesammtlänge beträgt durch- schnittlieh 14—16 em. Zwischen den beiden Schenkeln ist das Pankreas eingelagert, dessen Ausführungsgänge in dieselben ein- münden. Der Lebergang tritt ca. Smm vom Pylorus entfernt in den absteigenden Schenkel ein. Irgend welche Anhaltspunkte für eine makroskopische Emtheilung des Darms bestehen in dessen anatomischer Configuration nicht; er stellt ein vollständig glattes Rohr dar. Dass, wie Gadow bemerkt, die Darmmitte bisweilen unregelmässig erweitert sei, ist mir, obwohl ich auch eine ziem- liche Anzahl Tauben seeirte, nieht aufgefallen. Die Blindsäcke, die ja bei vielen Vögeln eine ausserordentliche Ausdehnung be- sitzen, sind hier äusserst mangelhaft entwickelt oder vielmehr zurückgebildet und stellen eine, ca. 5cm oberhalb des Anus be- findliche leichte, beidseitige Anschwellung dar. Beim Aufschnei- den zeigt sich der Darm meist nur mässig gefüllt, der Inhalt ist in den oberen Partien dünnflüssig, gelb oder hellbraun und geht in den unteren Abschnitten in einen grünen Farbenton über, den man schon durch die Darmwand erkennen kann, und der eigent- lich das einzige Merkmal bildet, wonach sich annähernd eine Trennung in Dünndarm und Dickdarm machen lässt; zugleich werden die Massen auch bedeutend consistenter. Bei Betrachtung der Schleimhaut ergibt sich dieselbe als überall mit Zotten besetzt, die im Duodenum so dicht stehen, 1) Dr. Gadow, „Die Vögel“ in Bronn’s Classen und Ord- nungen des Thierreichs. Beiträge zur mikroskopischen Anatomie des Vogeldarmes. 93 dass die Mucosa, wie Gadow sagt, einen sammtartigen Ein- druck macht. Im Dünndarm sind die einzelnen Zotten deutlicher zu unterscheiden, am weitesten stehen sie im Enddarm aus- einander und sind derart angeordnet, dass sie beim Auseinander- klappen des Darmes scharfe Ziekzack-Längsfalten bilden. Durchschnitte durch den Darm ergeben, dass auch hier die bei allen Vertebraten bestehende Zusammensetzung aus Schleim- haut, Muskelhaut und Serosa vorhanden ist, doch zeigen die beiden ersteren Besonderheiten, die eine eingehendere Beschrei- bung nothwendig machen. Die Schleimhaut ist in ihrer ganzen Ausdehnung vom Py- lorus bis zum Anus mit Zotten besetzt. Dieselben zeigen in ihren verschiedenen Dimensionen erhebliche Schwankungen je nach ihrem Sitz, so dass man wenigstens annähernd bei Betrachtung eines Präparates hiernach entscheiden kann, aus welchem Darm- abschnitt dasselbe genommen ist. Bei oberflächlicher Betrachtung glaubt man an den Zotten des Dünndarms die grösste Länge zu constatiren, doch wird man sich durch Messungen bald über- zeugen können, dass dies nur eine Täuschung ist, hervorgebracht durch das wechselnde Verhältniss der Länge- zur Breitendimen- sion). Die grösste Ausdehnung besitzen entschieden die Zotten des Duodenum, die eine Länge von 1,0—1,25 mm aufweisen, bei einem Querdurchmesser von ca. 0,16 mm, welche Zahl ungefähr der Mitte der Zotten entspricht, während die Basis etwas höhere, bis 0,22 mm, die: Spitze entsprechend kleinere, 0,12 mm, Werthe aufweist. Es zeigen also die Zotten des Duodenum meist eine etwas konische Gestalt, was im Dünndarm weniger der Fall ist, während im Enddarm oft das umgekehrte Verhältniss eintritt. Gegen den Dünndarm zu nehmen die Zotten sowohl in Menge ab, indem sie weniger dicht beisammen steben, als auch die Dimensionen der einzelnen, und schwankt dort ihre Länge zwi- schen 1,0—0,7 mm, ebenso ist auch ihr Durchmesser verringert und zwar, wie schon bemerkt, in erheblicherem Maasse als die Länge; er beträgt zwischen 0,125—0,100 mm. Im Enddarm dagegen sehen wir eine sehr bedeutende Beschränkung im Längen- wachsthum bestehen, während der Durchmesser fast gar keine 1) Sämmtliche Messungen beziehen sich auf in Salpetersäure fixirte Präparate, die in Glycerin aufbewahrt wurden. 94 M. Cloetta: Aenderung erleidet, wodurch die Zotten des Diekdarms als die voluminösesten imponiren. Ihre durehschnittliche Länge schwankt zwischen 0,23—0,537 mm, die Dieke zeigt verschiedene Werthe, je nachdem die Mesgung an der Basis (0,13 mm) oder an der Kuppe (0,187 mm) vorgenommen wird. Diese Aenderungen des Durehmessers können, abgesehen von verschiedenen Contraetions- zuständen, durch die verschiedenen Componenten der Zotten be- dingt sein, und scheint es deshalb angezeigt, die Beziehungen derselben zu einander genauer ins Auge zu fassen. Im Duo- denum zeigt auch das Epithel die stärkste Ausbildung (0,048 mm) und steht zum Zottenstroma durchschnittlich in einem Verhältniss wie 12:10 —7. Die Epithelien des Dünndarms sind wiederum etwas kürzer, 0,059 mm, und ist hier die Beziehung zum Zotten- stroma eine stets schwankende, indem man Stellen sieht, wo das- selbe beinahe die Stärke einer Epithellage erreicht, während es anderwärts kaum !/, derselben beträgt. Der Enddarm zeigt eher eine leichte Vergrösserung der Epithelien (0,04), während das Stroma bis das Doppelte betragen kann. Eine Verschiedenheit im Durchmesser der Epithelien nach den verschiedenen Darm- abschnitten scheint kaum zu bestehen. Es haben diese Zahlen natürlich nur einen relativen Werth, da man den ÜContraetions- zustand der Zotten nicht so genau bestimmen kann; die ver- schiedenen Fixirungsmethoden scheinen keinen wesentlichen Ein- fluss auf das Epithel zu haben, wenigstens geben Sublimat und Salpetersäure-Lösung annähernd gleiche Resultate. Bei Betrachtung der Tunica propria fällt die geringe Ent- wieklung des Bindegewebes auf, das meist nur in geringer Menge zwischen die sehr dicht liegenden Lieberkühn’schen Drüsen ein- geschoben ist und nur an denjenigen Stellen, wo grössere Ge- fässe liegen, in bemerkenswerther Menge vorliegt. Nach aussen von den Lieberkühn’schen Drüsen liegt eine längsverlaufende Muskelschicht, die wir als Muscularis mucosae ansprechen müssen (Fig. 1). Dieselbe zeigt eine ganz ausserordentliche Stärke und ist von der Ringfaserschicht des Museularis muec. durch eine so geringe Lage von submucösem Gewebe getrennt, dass man fast versucht wäre, sie als selbständige Muskelhaut anzusehen und in Anbetracht der schwach entwickelten (s. u.) äusseren Längsschicht von einer inneren Längs- und äusseren Ringmuskelschicht zu sprechen. Ihre Dicke zeigt eine gewisse Schwankung in den Beiträge zur mikroskopischen Anatomie des Vogeldarmes. % verschiedenen Darmabschnitten. Im Duodenum beträgt ihr Dureh- messer ca. 0,048 mm, der dann im oberen Theil des Dünndarms etwas Weniges abnimmt und auf ca. 0,04 mm sinkt, um dann im Anfang des Enddarmes sich wieder etwas zu verbreitern und so, langsam zunehmend, seine grösste Ziffer mit 0,1 mm oberhalb des Anus erreicht. Eine ausgebildete Submucosa, die die Schleimhaut von den Muskelhäuten trennte, besteht nirgends; die Muscularis mucosae liegt vielmehr den äusseren Muskelhäuten ziemlich unvermittelt auf, nur durch einige schmale Bindegewebszüge getrennt. Ent- sprechend dieser geringen Entwickelung finden sich auch nirgends, nicht einmal im Duodenum, Drüsen in ihr eingelagert. Die Museularis zerfällt in eine äussere Längs- und innere Ringschicht, die den Darm in seiner ganzen Länge begleiten, hinsichtlich ihrer Dimensionen aber ebenfalls Schwankungen zei- gen in den verschiedenen Abschnitten. Im Ganzen ist die Ring- muskulatur die viel kräftigere, die ihre grösste Ausdehnung im Beginn des Duodenum zeigt, wo sie eine Dieke von ca. 0,37 mm aufweist, während die Längsfasern einen dagegen ganz ver- schwindenden Durchmesser besitzen. Die innere Schicht nimmt dann schon im Verlauf der Duodenalschlinge merklich ab, noch bedeutender im Dünndarm, in dessen oberstem Theil sie noch einen Durchmesser von ca. 0,14 mm zeigt, während die Längs- muskulatur sich nicht wenig geändert hat (0,037). Im ganzen Verlauf zeigt sich ungefähr dasselbe Verhalten: eine stete Ab- nahme der inneren und ein Gleichbleiben oder eher Zunehmen der äusseren Schicht, so dass im untersten Theil des Dünndarms die beiden Muskellagen nahezu einen gleichen Durchmesser von 0,05 mm besitzen. Im Enddarm nimmt dann, namentlich in dessen unterem Abschnitt, die Ringmuskelschicht wieder zu und erreicht ca. 2em oberhalb des Anus eine Ausdehnung von 0,125 mm, während an der äusseren Schicht kein wesentlicher Wechsel zu verzeichnen wäre. Feinerer Bau der Zotten. a) Epithel. Die Zotten sind auf ihrer ganzen Oberfläche mit Epithel bekleidet, das aus einer einfachen Schicht ziemlich schmaler, 96 M. Cloetta: langer Zellen von hexagonaler Begrenzung und prismatischem Bau besteht. Das Protoplasma zeigt reichliche Körner, die, wenn man überhaupt von einer Anordnung sprechen kann, der Richtung der Zellaxe nach gereiht liegen. Durchaus ungleich ist die Tinktionsfähigkeit des Protoplasma in den- verschiedenen Ab- schnitten der Zelle und kann man folgendes Verhalten bemerken (Fig. 2): Der peripher vom Kern gegen das Darmlumen gelegene Theil ist in seinen äusseren zwei Drittel intensiv dunkel gefärbt, dann folgt eine hellere Zone gegen den Kern hin, und zwar ist die Trennungslinie zwischen den beiden Farben eine ' ziemlich scharfe, in leicht eoncaven Bogen gegen den Kern hin verlaufende. Im eentralen (basalen) Abschnitt beginnt ungefähr in derselben Distanz vom Kern wieder eine dunklere Zone, aber nicht so deut- lich ausgesprochen wie die äussere, die gegen die Basis hin leicht abblasst; auch sie zeigt eine leichte concave Begrenzung gegen den Kern, so dass derselbe eigentlich wie in einem hellen Hof eingeschlossen erscheint. Diese Differenzirung ist namentlich deutlich bei dem Verfahren nach Ehrlieh-Biondi, aber auch die Eisenlackpräparate lassen sie ganz gut hervortreten. Nach aussen sind die Epithelzellen dureh einen wohlausgebildeten Cu- tieularsaum abgeschlossen, der lange Stäbehen trägt. In dem Zelltheil zwischen Kern und Cutieularsaum hat Nicolas!) bei Triton, Frosch und Fledermaus Gebilde gesehen, die er als „boules“ bezeichnet und die durch verschiedene Farben- reactionen ausgezeichnet waren. Es war mir unmöglich bei der ‚Taube dasselbe zu constatiren, was vielleicht auf Ungunst der Objeete beruht. Dagegen sind die sog. Einschlüsse da, älnlich den von Heidenhain?) beschriebenen, bald über, bald unter- halb des Kern, von verschiedener, oft diejenige des Kem er- reichender Grösse; meist sind dieselben rundlich. In den Ehr- lich-Biondi-Präparaten sind sie intensiv dunkelroth gefärbt, und da bekanntlich zu Grunde gehende Zellen und Reste solcher sich stark tingiren, so ist wohl die Ansicht Heidenhain’s, dass es sich um Reste abgestorbener Zellen handle, die richtige. 1) Intern. Monatsschrift für Anatomie und Physiologie, Bd. VIII, Heft 1. 2) Archiv für die gesammte Physiologie des Menschen und der Thiere, von W. Pflüger, 43. Bd., Supplementheft. Beiträge zur mikroskopischen Anatomie des Vogeldarmes. 97 Die meisten Einschlüsse finden sieh in den Epithelzellen der Zottenkuppe, doch sind sie auch in denjenigen der Seiten vorhanden. | Ein eigenthümliehes Bild ist mir beim Suchen nach inter- cellularen Einschlüssen aufgestossen (Fig. 3). Ein feiner Faden verläuft vom Zottenstroma gegen das Epithel, dort eingedrungen theilt es sich und scheint mit kugeligen, intensiv gefärbten Knöpfehen zu enden. Das Bild hat mit den von Pfitzner!?) abgebildeten Nervenendigungen im Epithel von Froschlarven eine gewisse Aehnlichkeit. Ich bin aber weit entfernt, dies als wirk- liehe Nervenendigungen aufzufassen, denn es fehlt ein nachweis- barer Zusammenhang des Fadens mit einer zweifellosen Nerven- faser. Auch die Endigung in färbbare Kügelehen ist eine Er- scheinung, die an Nervenendigungen nicht bekannt ist. Der Kern der Epithelzellen ist oval, nicht immer genau in der Mitte der Zelle gelegen, sondern meist etwas in die Peri- pherie verlagert; besonders bei den schmalen langgestreckten Epithelzellen des Dünndarms liegen die Kerne in ganz ungleicher Höhe, so dass dadurch an diekeren Schnitten ein mehrschichtiges Oylinderepithel vorgetäuscht werden kann. Mitosen fehlen. „Besitzen die Epithelzellen eine selbständige Membran ?* Mit dieser Frage beginnt Heidenhain?) ein Kapitel, in dessen Verlauf er versucht, den Beweis gegen die Existenz eines solehen zu führen. Kölliker?) hat eine solche angegeben, H. Arn- stein*) und Schäfer’) haben sich dagegen ausgesprochen. Die Gründe, welche Heidenhain gegen die Existenz einer Membran ins Feld führt, sind folgende: 1) Man sieht Protoplasmabrücken, welche benachbarte Zellen mit einander verbinden. Sind diese Brücken ohne Weiteres mit wahren Intercellularbrücken, wie wir sie bei geschiehtetem Pflaster- 1) W. Pfitzner, Nervenendigungen im Epithel; Morpholog. Jahrbuch 7. 2)mlaRe: 5) Kölliker, Handbuch der Gewebelehre des Menschen. Leip- zig, 5. Aufl., 1867. 4) H. Arnstein, Virchow:s Archiv, Bd. 39. 5) Schäfer, on the port played by amoeboid cells in the process of intestinal absorption. Physiolog. Laboratory, university college, Lon- don. Colleceted papers V. 1885. —ı Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 41. 98 M. Cloetta: epithel kennen, zu indentifieiren ? Vergleichen wir beide mit- einander. Der Unterschied ist ein in die Augen springender, wenn wir die Abbildung Heidenhain’s (Tafel I, Fig. IV) heran- ziehen. Bei einer Vergrösserung, wie sie in dieser Figur vor- liegt, dürften wahre Intercellularbrücken überhaupt gar nieht siehtbar sein. Es dürfte überhaupt fraglich sein, ob die in der Mitte angegebenen Körper alle Stücken von Epithelzellen ent- sprechen, ob nicht dabei Bindegewebszellen des Zoitenstroma sich befinden. Im Uebrigen- ist hier der Vergleich mit wahren Inter- eellularbrücken schon dadurch völlig’ ausgeschlossen, dass Hei- denhain selbst angibt, dass die dazwischen befindlichen Lücken der Hauptsache nach durch Leukoeyten ausgefüllt gewesen sind. Heidenhain ist, indem er auf diese Genese hinweist, gewiss auch der Meinung, dass von ächten Intercellularbrücken hier nieht die Rede sein könne; denn darüber besteht ja doch kein Zweifel, dass diese nicht durch eindringende Leukoeyten gebildet werden. Die von Heidenhain abgebildeten Protoplasmabrücken sind also keine wirklichen Intercellularbrücken. Dass aber diese Druckbilder gegen «das Vorhandensein einer Zellenmembran spre- chen, ist nur unter der Voraussetzung verständlich, dass em (lireeter Zusammenhang der Zellensubstanz zweier benachbarter Zellen bestehe. Für diesen Zusammenhang soll die Figur IV sprechen, die ich als volles Beweismittel aus den oben ange- führten Gründen nieht anerkennen kann, gegen den Zusammen- hang sprechen die vielen mikroskopischen Bilder, die, nach den besten Conservirungsmethoden erhalten, bei erwachsenen Zellen stets eine deutliche, oft scharfe Grenze zwischen den be- nachbarten Zellen zeigen. Ich möchte in dieser Beziehung auf viele Figuren Heidenhain’s selbst verweisen, woselbst die Schärfe der Zellenbegrenzung nichts zu wünschen übrig lässt. Heidenhain sprieht noch von feinsten Protoplasmabrücken, die in grosser Zahl auch die oberen Enden der Zellen zu ver- binden scheinen, gibt aber leider keine Abbildung davon, vielleicht waren sie ähnlich den feinen Brücken, welche Nicolas (l. e. Tafel II Fig. 13) abbildet, und die mit wirklichen Intercellular- brücken übereinzustimmen scheinen. Auch wir haben an feinen Flächensehnitten durch das Epithel der Zottenspitze der Taube etwas Aehnliches gefunden, unsere Deutung ist aber eine ganz andere. Figur 4a zeigt ein Paar soleher Zellenquersehnitte und Beiträge zur mikroskopischen Anatomie des Vogeldarmes. 8) erscheint als ein Beleg für die Meinung derjenigen, welche diesen Zellen eine Membran absprechen. Die Ränder der Querschnitte sind mit unregelmässigen Zacken besetzt, die auf den ersten Bliek mit Intercellularbrücken verwechselt werden könnten. Eine genauere Betrachtung ergiebt jedoch deutliche Unterschiede. Die Zacken sind kurz, knollig und frei, oft mit leichter Verdiekung. Ein Uebertreten der Zacken bis zur nächstsen Zelle findet über- haupt nicht statt, wir haben hier keine Brücken vor uns, sondern nur Fortsätze. Trotz aller Aufmerksamkeit bei Anwendung bester Systeme (Seibert homogene Immersion 2 mm) ist es uns nicht gelungen, eine deutliche Verbindung auch nur ähnlich den so leicht constatirbaren wahren Intercellularbrücken geschichteten Pflasterepithels wahrzunehmen !). Was bedeuten aber jene Zacken? Es sind Protoplasmapartikelchen, welche sich — wohl durch Ein- wirkung der Reagentien (im unserem Falle Platinchlorid-Os- mium-Essigsäure) — von der Zellmembran etwas zurückge- zogen haben, also Kunstproducte im Feinen, wie es etwa Knor- pelzellen im Groben zeigen; der oft sternförmige Umriss des Knorpelzellenprotoplasma wird ja bekanntlich durch eine ungleich- mässige Retraction desselben von der Innenwand der Knorpel- kapsel hervorgerufen. Wir sprechen von einer Zellenmembran; eine solehe ist auch deutlich vorhanden, eine leichte Drehung an der Mikrometerschraube bringt sie scharf im Erscheinung; Figur 4b ist dieselbe Stelle wie Figur 4a, nur bei etwas anderer Ein- stellung gezeichnet. Dass die Membran nicht bei jeder Einstel- lung sichtbar ist, erklärt sich wohl, wenn man berücksichtigt, dass hier nicht die ganzen Epithelzellen, sondern nur sehr feine (5 u) Querschnittscheiben derselben vorliegen. Der Membran- ring, der hier unter dem Präparat liegt, wird, so scheint es, etwas überragt vom Protoplasma, dessen zackige Umrandung hier etwas deutlicher sichtbar ist. Figur 4c soll zeigen, wie ich mir dies vorstelle. Einstellung auf die Querschnittsfläche des Protoplasma wird das Bild der Figur 4a, Einstellung auf (den Querschnitt der Membran wird das Bild Figur 4b ergeben. 1) Dass zu dieke Schnitte oder Schrägschnitte durch die Epithel- zellen Verbindungen vortäuschen können, ist leicht zu begreifen; solche scheinbaren Brücken werden durch Bilder, wie Figur 4a auf das zu- rückgeführt, was sie sind, Täuschungen. 100 M. Cloetta: Diese Form des Objeetes ist eme Zufälligkeit, und das macht es verständlich, dass man bei vielen anderen Querschnittsbildern bei jeder Einstellung die Membran sieht. Ich möchte die Frage aufwerten, ob nicht die verschiedenen Angaben über Intercellu- larbrücken an einfachem Cylinderepithel, wie die von Niolas, vonOgneff!) u. a. nicht auf ähnlichen Präparaten fussen? Ge- setzt aber, es seien wirklich wahre Intercellularbrücken vorhan- den, so liesse sich diese T'hatsache nicht als Argument gegen die Zellenmembran anwenden, sobald wir die Ansicht Manile Ide’s?) acceptiren, nach welcher die Intercellularbrücken aus den Membranen der Epithelzellen hervorgehen. Auch nach Ranvier's?) Untersuchungen schliesst die Existenz einer Zellmembran das Vorhandensein von Intercellularbrücken nieht aus. Die Proto- plasmabrücken, welcher Art sie auch sein mögen, sind keine vollwiehtigen Beweise gegen die Zellmembran. 2) Wenn bei Erhärtung der Schleimhaut die Körper der Zotte schrumpfen, ziehen sich die unteren Enden der Zellen in lange dünne Protoplasmafortsätze aus. Auch diese sollen nach Heidenhain der Anwesenheit emer das Protoplasma einhül- lenden Membran widersprechen. Es ist zweifellos, dass die un- teren Enden der Zellen oft umgebogen sind und von der nächst abwärtsgelegenen Zelle gedeckt werden. Man muss in dieser Form den Effeet der vom Drüsengrund herauf erfolgenden Ver- schiebung der Zellen erblicken. Aber es ist wohl ebenso sicher, dass diese kleinen „schuppenförmigen“ Fortsätze von den oben genannten langen Fortsätzen gestaltlich sehr verschieden sind; wir erblicken in Letzteren ein Kunstproduet und stimmen darin mit Heidenhaint) selbst überein. Die langen Fortsätze dürften bei dem Streit um die Zellmembran wenig brauchbar sein. Diesen, wie es mir scheint, wenig schwerwiegenden Argu- menten gegen die Existenz einer Zellmembran stehen, abgesehen von meiner obigen Schilderung, eine Reihe direkter Beobachtun- gen gegenüber: Die Epithelzellen der Zotten werden auf Zusatz von Wasser rund, eine deutliche Membran hebt sieh vom Proto- 1) Ogneff, Biologisches Centralblatt 1892. 2) Manile Ide, la muqueuse des cellules du corps muqueux de Malpighi. La cellule. Tome 4. 1888, eitirt nach Nicolas. ce. 3) Ranvier, Journal de Micrographie 1891., pag. 171. 4) ]. ec. pag. 21. Beiträge zur mikroskopischen Anatomie des Vogeldarmes. 101 plasma der Zelle‘, Heidenhain hat diese Membran als eine Folge der Einwirkung des Wassers auf die Albummate der Zelle, als Traube’sche Niederschlagsmembran erklärt. Wenn dem so ist, dürfte wohl zu erwarten sein, dass ähnliche Membranen auch bei andern Zellen z.B. Drüsenzellen auftreten. Davon ist nichts bekannt, selbst Heidenhain?), der die Zellen von Eiweiss- und anderen Drüsen unter Zusatz der verschiedensten Reagentien untersucht hat, erwähnt keiner derartigen Erscheinung. Anderer- seits ist die Zellmembran nieht nur auf Zusatz von Wasser oder sehr verdünnten Salzlösungen, sondern auch bei Einwirkung an- derer Reagentien, die schwerlich Traube’sche Niederschlagsmem- branen hervorrufen, nachzuweisen. An Sublimatpräparaten sieht man oft deutlich, dass die zwischen zwei Epithelzellen herablau- fende Grenzlinie aus zwei Streifen zusammengesetzt ist (Fig. 2). Besonders instructiv erscheinen Präparate, an denen sich das Protoplasma der Zellen etwas eontrahirt hat, dort hat sich die leicht geschlängelte Membran abgehoben und ist unschwer als ein selbständiges Gebilde zu demonstriren. Als weiteres Beweismittel für die Membran könnten wir die Becherzellen heranziehen, denen selbst Heidenhain, wenig- stens an den Seitenflächen eine Membran zuerkennt. Da aber die Frage, ob die Becherzellen aus gewöhnlichen Epithelzellen hervorgegangen sind, — das ist ja die jetzt herrschende Mei- nung, — noch nicht völlig entschieden ist, möge auf dieses Hülfsmittel verzichtet werden. Ich bin also der Meimung, dass die Zottenepithelzellen eine Membran besitzen, und erachte diese Meinung durch die vorstehende Erörterung hinreichend begründet. Die Epithelzellen . enden stets glatt abgeschlossen gegen dden Zottenkörper hin, ein Zusammenhang zwischen ihnen und dem Zottenstroma, wie er früher vielfach beschrieben und ab- gebildet wurde, besteht nicht. Vielfach schon sind bei Abbildungen von Epithelzellen unter den normal tingirten Zellen intensiver gefärbte abgebildet worden. Auch in den schon mehrfach erwähnten Arbeiten von 1) Kölliker, Handbuch der Gewebelehre 5. Aufl. 1867, pag. 409 und 412. 2) Heidenhain, Hermann, Handbuch der Physiologie, Bd. V, pag. 18, 102 M. Cloetta: Heidenhain und Nicolas finden sich solche. Bei Heiden- hain sind die Zellen in ihrer ganzen Ausdehnung dunkler ge- färbt, auch Kern und Kernkörperchen treten intensiver hervor; die Zellen stehen im Niveau der anderen, scheinen aber doch etwas schmäler zu sein und zeigen einen Cutieularsaum. Bei Nicolas finden sich ähnliche Abbildungen, auch lassen diese Zellen stellenweise deutliche Beziehungen zu Becherzellen er- kennen. Auch bei der Taube trifft man zahlreiche dieser dunklen Zellen an; auch hier sind sie schmäler, intensiv gefärbt, die oben erwähnte Ditferenzirung des Protoplasma ist verschwunden, und der Kern hat sich bei den Ehrlieh-Biondi-Präparaten tief grün-blau gefärbt. Derartige Zellen finden sich überall an den Zotten, an den Seitenflächen sowohl wie an der Spitze, auch in den Lieberkühn’schen Krypten kommen sie vor. Die Umstände, unter denen sie entstehen können, sind verschieden. Als die erste Ur- sache müssen Faltungen des Epithels, hervorgerufen durch Con- traction der Zotte, bezeichnet werden (vergleiche auch die Figur 9 Spee'st)), in anderen Fällen sind es die vergrösserten Becherzellen, welche ihre Nachbarn zu solehen dunklen Zellen umgestalten; in den Lieberkühn’schen Drüsen sind die dort häu- figen Mitosen als fernere Ursache leicht zu erkennen (Fig. 5), in wieder anderen Fällen, und das betrifft die Spitze der Zotten, ist es offenbar der von beiden Seiten her wirkende Wachsthums- druck der von den Krypten heraufrückenden Epithelzellen. Die- ser Letztere wirkt am besten auf alte Zellen, auf Becherzellen, die ihr Secret abgegeben haben, man sieht oft deutlich, dass solche dunkeln Zellen an ihrem freien Ende noch einen Rest von Schleim enthalten. Auch Nicolas?) bildet solehe Zellen ab. So verschieden auch die ursächlichen Momente sind, der Effeet ist stets der Gleiche, die Compression. Ich betrachte also die dunkeln Epithelzellen als comprimirte Elemente. Die Frage, welche von diesen Zellen unter die absterbenden Elemente zu zählen sind, habe ich nieht näher untersucht; ieh möchte aber glauben, dass gerade die an der Zottenspitze vorkommenden da- hin gehören... Es ist überhaupt auffällig, wie oft die Zottenspitzen 1) Graf Spee, Beobachtungen über den Bewegungsapparat und die Bewegungen der Darmzotten sowie deren Bedeutung für den Chy- lusstrom. Habilitationsschrift für Kiel 1885. 2) Nicolas, l. e. Figur 20. Beiträge zur mikroskopischen Anatomie des Vogeldarmes. 103 Läsionen des Epithels aufweisen. Wenn wir annehmen, dass dort die ältesten, am wenigsten widerstandsfähigen Zellen liegen, — die Berechtigung hierzu wird weiter unten erörtert, — so finden wir vielleicht damit die Erklärung für die eigenthümlichen Bilder Grünhagens!. Was Grünhagen für präformirte Oeffnungen hält, „durch welche das Saftnetz der bindegewebigen Zottenpapille direkt ohne Vermittlung des Zottenepithels mit dem Darmehymus in Verkehr treten könnte“, ist ein Kunstpro- duet, bedingt durch die dort befindlichen altersschwachen Zellen. b) Stroma (Zottenkörpern). Das Zottenstroma setzt sich zusammen aus Muskelfasern und aus Bindegewebe mit vielen zelligen Elementen, welches der Träger der Blut- und Lymphgefässe der Zotte ist. Ich vermag darüber verhältnissmässig nur wenig mitzutheilen. Die Muskel- fasern sind m den Zotten der Taube ziemlich zahlreich vor- handen, nehmen ihren Ursprung in der kräftigen Muscularis mu- eosae, von wo aus zwisehen den Lieberkühn’sehen Drüsen Bündel hinaufsteigen, die sich theils zu diekeren Stämmen verbinden, theils sich in einzelnen Fasern spalten, oder auch untereinander Bündel austauschen. Mall?) gibt an, dass beim Hunde die Zottenmuskeln nieht von der Museularis mucosae ausgehen, son- dern ohne Zusammenhang mit letzterer höher oben in der Tunica propria liegen. Ich muss dem für die Taube auf das Bestimmteste widersprechen; man sieht deutlich, wie sich Faserzüge von der Museularis mucosae abzweigen und senkrecht zwischen den Krypten in die Zotten aufsteigen (Fig. 1). Von der Basis der Zotte ziehen dann die Muskelstränge in gerader Richtung nach aufwärts. In Bezug auf ihre Vertheilung erwähnt Mall beim Hunde 2 Lagen, eine äussere schwächere und eine innere stärkere; ein ähnliches Verhalten scheint bei der Taube vorzuliegen, indem um den cen- tralen Chylusraum meist 2—4 dickere Muskelstränge liegen, während mehr nach aussen zahlreichere, aber dünnere Stränge 1) Grünhagen, Archiv für mikrosk. Anat. Bd. 29 pag. 145, Kıe.-9. 2) Mall, Die Blut- und Lymphwege im Dünndarm des Hundes. Abhandl. d. mathem.- physikäal. Klasse der Kgl. sächs. Gesellschaft der Wissenschaften Bd. XIX, Nr. III, 1887 pag. 179. 104 M. Cloetta: vorhanden sind. Die Anordnung ist natürlich variabel nach der Höhe der Zotten, .indem auf Zottenquerschnitten sich das ziem- lieh einleuchtende Verhältniss bestätigt, dass unten die Bündel sparsamer und dieker, oben zahlreicher und dünner sind. Auf ihrem Weg geben «die Bündel zahlreiche Fasern ab, aber nicht in der Weise, dass diese unter rechtem Winkel nach aussen ab- stehen, so dass quere Verbindungen beständen, sondern mehr in sehräger Riehtung nach oben. Nach der Zottenspitze zu werden die Muskelzüge immer schmäler und kann man sie bis fast unter die Zottenkuppe verfolgen, allwo nur noch einzelne Fasern be- stehen, deren Endverhalten, d. h. ob mehr bogenförmig und schlingenbildend, wie dies Speet) beschrieben, oder ob mehr gerade und frei endigend, mir unmöglich war zu erkennen. Das zwischen den einzelnen Muskelfasern befindliche Binde- sewebe ist an den schmalen Zotten nur in geringem Grade vor- handen. Besser ausgebildet ist es an den breiten Zotten des Enddarmes. Der äussere Contour der Zotte wird durch die sog. Basal- membran oder, wie Heidenhain sie nennt, „die subepitheliale Grenzschicht“, gebildet und verstehen wir mit ihm darunter die- jenige Zone, die nach innen von den Blutgefässen, nach aussen vom Epithel begrenzt ist. Schon 'mehrmals ist die Provenienz dieser Schicht diskutirt worden, ob es sich um eine selbständige Membran handle, oder ob sie, wie Heidenhain annimmt, als ein Bestandtheil des Zottenkörpers zu betrachten sei. Das dichter angeordnete Bindegewebe des Randes hebt sich hier und da etwas distineter vom Zottenkörper ab, wodurch eine wirkliche Membran vorgetäuscht wird; aber man sieht so vielfach innige Verbin- dungen mit dem unterliegenden Bindegewebe, dass die Meinung Heidenhains auch für die Taube geltend erklärt werden muss. Was die Zellen des Zottenstroma’s anbelangt, so hat Hei- denhain?) folgende Arten aufgestellt: 1) die gewöhnlichen Wanderzellen, 2) die sogenannten sesshaften Zellen, speeifisch nicht ver- schieden von den Wanderzellen, sondern nur einen anderen 1) 1.1e.,pag.. 159. 2) Heidenhain, |. c. pag. 37—44. Beiträge zur mikroskopischen Anatomie des Vogeldarmes. 105 funetionellen Zustand darstellend. Beide sichtbar bei Hämato- xylin- und Alaunkarmin-Färbung. Bei Anwendung der Ehrlich-Biondi'schen Methode unterscheidet er 3) noch 4 weitere Arten: a) Zellen mit kleinem, fast farblosen Protoplasmaleibhe, b) mit grösserem, hell rosa gefärbtem Protoplasma, e) mit farblosem Protoplasma, in welches intensiv dunkel roth gefärbte Körnchen dichter oder zerstreuter ein- gelagert sind; d) Zellen, deren Kern kleiner, intensiv dunkel blaugrün gefärbt, deren spärlicheres oder reichlicheres Proto- plasma intensiv dunkelroth tingirt ist. Bei unseren Untersuchungen ergeben sich hierzu folgende Befunde: An Schnitten von mit Boraxkarmin durchgefärbten Stücken sieht man in dem Stroma eine ziemliche Menge von Zellen ein- gelagert, deren Protoplasma gar. nicht, deren Kerne dunkelroth ge- färbt sind und die nichts anderes als die gewöhnlichen Leuko- eyten darstellen, die, wie Heidenhain und Hoyer!) schon hervorgehoben, das Gros der zelligen Elemente in der Zotte bilden. Namentlich hübsch präsentiren sich die Kerne an Prä- paraten in Chrom-Osmium-Essigsäure gehärtet und nach Her- mann tingirt, wobei man folgende zwei Arten unterscheiden kann: 1) Kleine Zellen mit chromatinreichem polymorphem Kern. 2) Etwas grössere Zellen mit bläschenförmigem Kern und einem oder mehreren Kernkörperchen, die wohl den von Hei- denhain als sesshaften beschriebenen an die Seite zu stellen wären. Was die Färbung nach Ehrlich-Biondi anbelangt, so muss ich bemerken, dass meine Erwartungen hierüber nieht ganz gerechtfertigt wurden, indem hierbei keineswegs sehr klare und hübsche Bilder geschaffen wurden, trotzdem ich die Färbung an Präparaten in Sublimat gehärtet, mit oder ohne Zusatz von Kochsalz, und mit verschieden langer Einwirkungsdauer ver- suchte. Der Kern der Leukoeyten erschemt diffus blau, das ‚Protoplasma röthlich gefärbt. Zellen, deren Protoplasma gefärbte 1) Hoyer, Beitrag zur Kenntniss der Lymphdrüsen, Archiv für mikrosk. Anat., Bd. 34. 106 M. Cloetta: Körnechen einschliesst, habe ich trotz aller darauf hingewendeten Aufmerksamkeit nieht finden können. Die Lieberkühn’schen Krypten. Was die Drüsen des Taubendarmes anbelangt, so existirt in demselben nur eine Art, die Lieberkühn’sehen Drüsen, wäh- rend die Brunner’schen Drüsen im Duodenum, wie übrigens bekanntlich bei allen Vögeln, fehlen. Die Lieberkühn’schen Krypten finden sich in der ganzen Länge des Darms, stellen einfache Blindsäcke dar, ohne gabelige Spaltung. Was die Länge der Drüsen nach den verschiedenen Darmabschnitten betrifft, so ergeben. sich ziemlich geringe Differenzen, sodass keine so deut- lichen Merkmale bestehen für das Erkennen des Darmstückes wie an den Zotten. Die bedeutendste Länge besitzen sie im Duodenum, ca. 0,20 mm, im Dünndarm nehmen sie etwas ab, noch mehr im Beginn des Enddarmes, während sie im untern Theil des Enddarmes wieder zu erheblicherer Länge (ca. 0,19) ausgebildet sind. Was das Lumen der Krypten anbelangt, so bestehen ebenfalls keine wesentlichen Differenzen. Die Drüsen sind in sämmtlichen Darmpartien von einem einfachen Cylinderepithel ausgekleidet, dessen Zellen nur minime Wechsel in Bezug auf ihre Dimensionen aufweisen und finden sich dementsprechend im Duodenum Werthe von 0,024, im Dünn- dar 0,02, im Enddarm wieder ähnlich wie im Duodenum. Es resultirt aus diesen Zahlen im Vergleich mit den Epithelien der Zotte (s. 0.), dass die Drüsenepithelien bedeutend kleiner sind, eine Thatsache, die ja übrigens schon bei einer Reihe anderer Thiere constatirt wurde. Das Protoplasma der Epithelien zeigt ebenfalls eine fein- körnige Zusammensetzung, tingirt sich gleichfalls rosa bei der Ehrlieh-Biondi-Färbung, aber doch nicht so entschieden, wie das Zottenepithel. Auch hier ist deutlich der gegen das Lumen zekehrte Theil etwas intensiver gefärbt, nur ist die betreffende Zone etwas schmäler als beim Zottenepithel; und ebenso zeigt das eentrale Ende oftmals eine etwas stärkere Imbibition, so dass ich in dieser Beziehung Panetht) nieht ganz beistimmen kann,, 1) Paneth, Ueber Darmepithel. Archiv für mikrosk. Anat,. Bd. 31, pag. 174. Beiträge zur mikroskopischen Anatomie des Vogeldarmes. 107 wenn er den Drüsenepithelien jeden Tinctionsunterschied ab- _ sprieht. Vom Zottenepithel senkt sich der Cutieularsaum auch in die Krypten hinab, doch zeigt sich dabei eine zunehmend schwächere Entwicklung, so dass man den auf der Zotte kräftig entwickel- ten Saum im Fundus der Drüsen fast aus dem Gesicht verliert. Paneth hat bei seinen Untersuchungen an der Maus diese Er- scheinung ebentalls betont, ja, er stellt sogar die Anwesenheit eines wirklichen Cutieularsaumes in den Krypten gänzlich im Abrede, indem er sagt, dass er sich nur noch „als homogene Linie fortsetze, an der nicht einmal mehr eine Querstreifung zu erkennen sei.“ Dieser Angabe kann ich mit Bezug auf meine Untersuchungen nicht ganz beipflichten; denn wenn auch ein deutliches Schwächerwerden vorhanden ist, so scheint dies doch mehr in einer Verkleinerung der Stäbehen zu liegen. Es ist allerdings richtig, ich habe den Saum nicht allerorts in den Krypten nachweisen können, aber an eimzelnen Orten besteht er in soleher Deutlichkeit, dass man an seiner Existenz nicht zweifeln kann. Zu einem ähnlichen Resultat kommt Heiden- hain, wenn er auch den Cutieularsaum der Krypten nicht als völlig identisch annimmt mit dem der Zotten. In Bezug auf die Kerne der Kryptenepithelien ist zu bemerken, dass sie mehr in dem basalen Theil der Zelle liegen, und da dort die Zelle breiter ist, — eine nothwendige Folge ihrer Anpassung an die Um- sebung (vergleiche das umgekehrte Verhalten der Zottenepi- thelien) —, so hängt wohl auch damit ihre mehr rundliche Form zusammen. In der Grösse scheinen zwischen ihnen und den- jenigen der Zottenepithelien keine merklichen Unterschiede zu bestehen, dagegen färben sie sich etwas intensiver. Intercellu- lare Einschlüsse habe ich in den Drüsenepithelien nur sehr wenig gesehen, auch die Leukocyten, die zwischen dem Zottenepithel sich oft so zahlreieh finden, sind hier spärlicher. In Uebereinstimmung mit den Berichten Bizzozeros!) kommen bei der Taube ‘Kerntheilungsfiguren auch nur in den Krypten vor; und zwar in der ganzen Krypte zerstreut liegend, ‚vom Grunde bis zum Hals, in reicher Anzahl, — man kann auf einem Schnitt bis 6 und mehr Mitosen sehen (Fig. 1. Zu ihrem 1) Bizzozero, Archiv für mikrosk. Anatomie, Bd. 33. 108 M. Cloetta: Nachweis reicht jede reine Kermfärbung bei passender Fixirung aus). Die Mitosen liegen stets in dem dem Lumen zugekehrten Theil der Zellen, ihre Theilungsebene steht senkrecht zum Krypten- lumen. Differenzen in ihrer Zahl oder in sonstigem Verhalten nach dien verschiedenen Darmabschnitten sind mir nicht aufgefallen. Was die Bedeutung dieser Kerntheilungen betrifft, so dürfte als teststehend anzunehmen sein, dass sie nichts mit der Seeretion zu thun haben. Schon Heidenhain hat nachgewiesen, dass weder Hungern noch gute Ernährung bei Hunden an der Häufig- keit dieser Kermtheilungsfiguren etwas ändert. und auch wir sind bei der Taube zu demselben Resultat gekommen; ebenso haben sich Pilocarpin-Injeetionen als gänzlich einflusslos erwiesen. Die Kerntheilungen dienen also nur der Erneuerung und frägt es sich hierbei nur wessen? Nehmen wir an, die Mitosen dienen nur zum Ersatz der zu Grunde gehenden Kryptenzellen, so bleiben uns zur Erklärung des entsprechenden Vorganges auf den Zotten nur zwei Wege übrig: Entweder die Zottenepithelien gehen über- haupt nieht zu Grunde, — eine Annahme, die wohl von keinem der neueren Forscher gebilligt würde, — oder für die zu Grunde »ehenden Zellen muss ein anderer Ersatzmodus bestehen. Mit dieser letzteren Annahme fänden wir uns im Einklang mit Frentzel?), welcher bei Untersuchungen über die Epithelregene- ration des Mitteldarmes bei Insekten zu dem Schlusse kommt, (lass die eigentlichen Epithelzellen, gleichviel ob sie dem Darm- schlauch oder auch dessen Ausstülpungen angehören, sich durch Amitose, die speeifischen Drüsenzellen der Krypten dagegen dureh Mitose fortpflanzen:; es ist auffällig, dass diese Angaben so vielfach eitirt werden, auffällig, weil eine emgehendere Prüfung die Bereehtigung solcher Angaben in sehr zweifelhaftem Lichte er- scheinen lässt. Ich vermag wenigstens, Bildern, wie Bd. 26 Taf. VIII Fig.26a u. Tat. I Fig.24a, absolut keine Beweiskraft für amitotische Vorgänge zuzuerkennen. Wo diese jungen Zellen überhaupt her- kamen, ist gar nicht gesagt; die Thatsache, dass die Kerne 1) Anmerkung: Auch bei Huhn, Meise, Amsel und Sperling besteht das gleiche Verhalten. 2) Frentzel, Ueber den Darmkanal der Crustaceen nebst Be- merkungen zur Epithelregeneration. Archiv für mikrosk. Anat. Bd. 25 und „Einiges über den Mitteldarm der Insekten, sowie über Epithelre- generation“. Ebenda Bd. 26. Beiträge zur mikroskopischen Anatomie des Vogeldarmes. 109 dieser Zellen nur «den vierten Theil, bei anderen nur den neunten Theil der Grösse der Kerne der alten Zellen besitzen, spricht wenig für die Identität der jungen Zellen und der ausgewach- senen Epithelzellen. Im Uebrigen sprieht die Mehrzahl unserer jetzigen Erfahrungen einer lebenstähigen Zellproduetion auf ami- totischem Wege «durchaus nicht das Wort. All diese Unklarheit fällt weg, sobald wir annehmen, dass die Mitosen auch zum Er- satz des Zottenepithels dienen. Hiermit stossen wir aber bei Heidenhain und Paneth!) auf Widerstand, indem Beide das Zottenepithel als nicht identisch mit dem Kryptenepithel an- nehmen. Heidenhain hebt zum Beleg hierfür im Einzelnen folgende Befunde hervor: 1. bestehen bedeutende Tinetionsunterschiede, 2. finden sich nirgends auf den Zotten den sog. Körnchen- zellen entsprechende Gebilde, Zellen, die zuerst Paneth im Fundus der Drüsen bei vielen Thieren gesehen und deren Vor- kommen auch von Heidenhain und Nicolas bestätigt wurde, 3. Unterschiede im Cutieularsaum. ß Dass durch diese Differenzen, die von uns im Vorausgehen- den ebenfalls z. T. bemerkt wurden, zu einer völligen Trennung der beiden Zellarten der Grund gelegt sein soll, können wir um so weniger acceptiren, als die Annahme?), dass die Zellen der Krypten die Jungen, jene der Zotten die Alten darstellen, um vieles plausibler erscheint und diese Differenzen einfach als Alters- differenzen zu erklären wären. Es wäre mit dieser Annahme auch eine vollkommen logische Erweiterung der Bizzozero'schen Theorie gegeben. Lymphknötchen. Umschriebene Ansammlungen von Lymphkörperehen fehlen auch im Darm der Taube nieht. Allerdings sind diese Knötchen nicht sehr zahlreich und vielfach solitär. Wirkliche Plaques scheinen zu fehlen. Wie wir wissen?) entstehen die Lymphknöt- DES: 2) Vergleiche Stöhr, „Ueber das Darmepithel“. Ergebnisse der Anatomie und Entwickelungsgeschichte, Wiesbaden 1892. 3) Stöhr, Ueber die Lymphknötchen des Darmes. Archiv für mikrosk. Anat., Bd. 38, 1889. 110 M. Cloetta: chen des Darmes in der Tunica propria und in den angrenzen- den Theilen der Submueosa — ihr weiteres Wachsthum vollzieht sich aber vorzugsweise in dem in der Submucosa gelegenen Theil, der damit zum Hauptkörper des Knötchens wird. Das fertige Knötchen der Säuger ist also ınit seinem grössten Theile in der Submucosa gelegen. Das oben erwähnte Fehlen einer eigentlichen Submuceosa im Vogeldarm be- dingt eine ganz andere Form der Knötchen. Sie liegen fast ausschliesslich in der Tunica propria') und sind von einer Höhe, die der eimer Zotte nieht viel nachgibt, man. könnte solehe Knötehen geradezu mit Leukoeyten gefüllte Zotten nennen, eine Auffassung, die mit unseren diesbezüglichen entwickelungs- geschichtlichen Erfahrungen wohl übereinstimmt. Dass die Tendenz einer Ausbreitung nach unten auch hier besteht, geht daraus hervor, dass der basale, hauptsächlich vom Keimeentrum gebildete, Theil des Knötehens die Museularis mucosae durchbrochen und noch eine deutliche Delle im der Ringmuskulatur verursacht hat (Fig. 1). Auf Querschnitten habe ich meist nur ein Knötchen getroffen; es lag in der Nähe des Mesenterialansatzes, aber ein solehes Knötehen enthielt, wie aus der Betrachtung der Serie hervor- geht, mehrere von einander getrennte Keimcentra; em Längs- schnitt könnte also wohl das Bild einer Reihe neben einander gelegener Knötchen, eine Art von Plaque, ergeben. Wirkliche Längsschnitte durch solche Knötchen besitze ich nicht. Zusam- mensetzung, Epithelbekleidung u. s. w. der Lymphknötchen zeigt die bekannten Verhältnisse. Aber auch in Bezug auf Nerven und Blutgefässe ist das Fehlen der Submucosa von Einfluss. Es ist unmöglich hier zwei getrennte Plexus zu constatiren; die an ihren bläschenförmigen Kernen leieht erkennbaren Ganglienzellen liegen z. Th. zwischen Ringmuskelschichte und museularis mucosae; sie entsprechen dem- nach Elementen des Meissner’schen Plexus, zum andern Theil finden wir Ganglienzellengruppen sowohl zwischen Längs- und tingmuskelschichte, als auch in Letzterer selbst. Bekanntlich lösen sich im Allgemeimen die Blutgefässe des Darmes, nachdem sie die Muskularis durchsetzt haben, gewöhn- 1) Beim Hahn lagen die Knötchen nur in der Tunica propria und waren nach unten von der undurchbrochenen muscularis mucosae begrenzt. Beiträge zur mikroskopischen Anatomie des Vogeldarmes. 111 lieh in zwei der Fläche nach ausgebreitete Netze auf «diesseits und jenseits der museularis mucosae. Bei der Taube muss sieh hierfür eine dem anatomischen Verhalten der Schichten entspre- chende Aenderung ergeben. Die grösseren Gefässe durchsetzen quer die Ringmuskelschicht, zu deren Ernährung sie vorher ein reichliches arterielles Flächennetz abgegeben haben; da nun eine Ausbreitung in der Submucosa nieht möglieh ist, so finden wir in der Tunica propria noch relativ grosse Gefässe, die regel- mässig in den Septen zwischen dem Fundus der Lieberkühn- sehen Krypten liegen, von wo dann die Zottengefässe an den Seiten der Drüsen, vereint mit den Muskelbündeln in die Höhe steigen. Beecherzellen. Es ist nicht meine Absicht, den sich so vielfach wieder- holenden Beschreibungen über Form und Structur der Becher- zellen eine weitere hinzuzufügen, — ich habe im dieser Hinsicht nichts wesentlich Neues zu berichten — ich möchte vielmehr die Aufmerksamkeit auf einen bisher fast völlig vernachlässigten Punkt lenken, nämlich auf die Topographie der Beeherzellen- stadien. Zum Nachweis jeder Beeherzelle, sowohl der im den ersten Stadien der Sehleimbildung begriffenen, wie der bis auf einen kleinsten Rest ihres Seeretes entledigten, bedarf es der Anwen- dung eines schleimfärbenden Reagens. Die eleganteste Färbung habe ich mit Delafield’schem Hämatoxylin erzielt, das, auf mit Flemming’s Gemisch fixirten Präparaten applieirt, den Vorzug hat, dass es ausschliesslich den Schleim — sonst nichts — intensiv färbt und so auch kleinste Spuren von Schleim leicht entdecken lässt. Dabei ist die Färbung dauerhaft, die zum Theil schon vor einem Jahr angefertigten Präparate haben sich bis jetzt nicht im Mindesten verändert. Beginnen wir mit der Schilderung der Topographie der Becherzellenstadien im Enddarm, weil dieselbe hier am Klarsteı vorliegt. Becherzellen in den Krypten. Es sind hier sehr feine Längssehnitte nöthig, die genau die Mitte des Drüsenlumen getroffen haben. Die dieht gedrängten Epithelzellen, ihre radiär 112 M. Clotta: zum Lumen gerichtete Stellung, bringen es mit sich, dass vielfach Tangential- und Schrägschnitte selbst bei den besten Präparaten mit unterlaufen, die bei der Beobachtung sorgfältig ausgeschaltet werden müssen, will man nicht zu falschen Schlüssen gelangen. Die meisten Becherzellen, die im der nächsten Nähe des Krypten- grundes stehen, sind schlanke, die Dieke gewöhnlicher Epithel- zellen nieht übertretfende Gebilde, bei denen der schleimige Ab- schnitt, der häufig nicht sehr intensiv gefärbt ist, zwei Drittel bis drei Viertel der ganzen Zellenlänge einnimmt (Figur 6a). Weiter gegen die Kryptenmündung zu ist der schleimige Abschnitt etwas mehr ausgebaucht (b) und intensiver gefärbt, doch findet man auch vereinzelte Becherzellen, die von derselben schlanken Gestalt sind, wie die oben beschriebenen tieferen Zellen. Im Kryptengrunde selbst sind neben den schlanken Becherzellen einige, die durch die Ausbauchung ihres Lumenabschnittes sich auszeichnen (b‘). In der Mehrzahl der Fälle sind die Becher- zellen nicht dicht nebeneinander gelegen, sondern durch 1—4 ge- wöhnliche Epithelzellen getrennt. Becherzellen auf den Zotten.' An.der Ges zwischen Krypten- und Zottenepithel ist ein auffallender Wechsel der Gestalt der Becherzellen zu constatiren. Die Becherzellen des Zottenepithels sind wieder viel schlanker geworden, das Längenverhältniss zwischen schleimigem und protoplasmatischem Abschnitt hat sich zu Gunsten des letzteren derart verschoben, (dass entweder beide gleich lang oder der protoplasmatische Ab- schnitt sogar etwas länger ist (Fig. Te). Dieser Gestaltswechsel lässt sich ungezwungen auf mechanische Einflüsse zurückführen ; (las gesammte Epithel unterliegt von dem Augenblicke an, da es das Lumen der Krypte überschritten hat, nicht mehr dem dort herrschenden Drucke. Dort bildet es die innere Auskleidung einer Röhre, deren Inhalt auf die Zellen einen Druck ausübte; hier auf der Zotte stellt es die Ueberkleidung eines Kegels dar, der Druck hat mit einem Male aufgehört, die Streekung der Epi- thelien ist das Resultat dieses Nachlassens '). Es ist leicht einzu- Sehen, wie unter solehen Umständen die Zelle b (Fig. 7) sich zur 1) Anmerkung: Als zweiter Faktor kommt selbstverständ- lich der durch die in den Krypten immer neuwachsenden Zellen aus- geübte Wachsthumdruck von unten her in Betracht. Beiträge zur mikroskopischen Anatomie des Vogeldarmes. 113 Form e umgestalten kann; die Umgestaltung trifft hauptsächlich den anpassungsfähigen, protoplasmatischen Abschnitt, er ist be- deutend länger geworden, der in b runde Kern hat in e eine oblonge, parallel der Zellen-Längsaxe gerichtete Gestalt ange- nommen. Allmähliche Uebergänge führen zu Formen, die etwa in der Mitte der Zottenhöhe sich finden. Der schleimige Ab- schnitt, intensiv gefärbt, hat sich auf Kosten des protoplasma- tischen Theiles stark ausgedehnt, er nimmt gut drei Viertel der Zellenlänge ein (Fig. 8d). Von da ab ist eine allmähliche Ab- nahme des schleimigen Abschnittes zu constatiren, dieser Theil verliert gleichzeitig an Breite (Fig. Se); an der Zottenspitze selbst erkennt man die Becherzellen nur mehr mit Mühe, sie sind zu ganz schmalen strichförmigen Gebilden geworden, an deren freiem Ende noch ein kleiner, tief dunkelblauer Zapfen sitzt, der letzte Rest von Schleim (Fig. Sf). Nicht selten ist die Epithel- oberfläche über solchen leeren Becherzellen zu einem kleinen Grübehen eingezogen. Auch auf den Zotten sind die Becher- zellen nicht nebeneinander gelegen, sondern durch mehrere (zwi- schen 1—6) gewöhnliche Epithelzellen getrennt. Bezüglich der Stellung der Becherzellen im Epithel der Duo- denalschlinge und des anschliessenden Dünndarms kann ieh mich kürzer fassen, da die Verhältnisse im Wesentlichen die gleichen sind wie im Enddarm. Auch in den Lieberkühn’schen Krypten dieser Darmabschnitte finden sich Becherzellen, aber ihr Vor- kommen ist ein sehr wechselndes, neben Krypten, die gar keine Becherzellen enthalten, finden sich — an ein und demselben Quer- schnitt der Darmwand — Krypten mit einzelnen und Krypten mit vielen Becherzellen, welch letztere sich wie diejenigen der Enddarm-Krypten verhalten. An der Zottenoberfläche liegen die Becherzellen in mehr unregelmässigen Distanzen, indem die Zahl der dazwischen ein- geschalteten gewöhnlichen Epithelzellen von 2—12 und mehr schwankt. Aber auch hier ergibt sich, dass die verschiedenen Stadien nicht regellos nebeneinanderliegen, sondern die jüngeren Stadien entfernter, die älteren Stadien näher der Zottenspitze liegen. Es kommen Varianten vor und zwar in der Weise, dass an der einen Zotte die im Maximum ihrer Secretfüllung befind- lichen Becherzellen der Spitze, an der anderen Zotte der Basis näher gerückt stehen, das gegenseitige Lageverhältniss der ein- Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 41 s 114 M. Cloetta: zelnen Stadien wird dadurch nicht alterirt. Der Grund dieser Differenz liegt vermuthlich in den Zahlen der Mitosen, die bald schnelleren, bald langsameren Nachschub aus den Krypten zur Folge haben. Dagegen kommt es nicht vor, dass frühe Becher- zellenstadien an der Spitze und ältere an der Basis derselben Zotte gelegen wären. Die Constatirung dieser Thatsache ist nicht so leicht wie im Enddarm; die Schwierigkeit steigert sich mit zunehmender Länge der Zotte und damit zunehmender Selten- heit eines genauen Längsschnittes; man muss sich eben hüten, Schrägsehnitte von Zotten für Spitzen zu halten und Tangential- schnitte ‘von Becherzellen für Anfangs- oder Endstadien der Seeretion anzusprechen. Das sind indessen Gefahren, die nur bei der ersten oberflächlichen Betrachtung bestehen; der nur einigermaassen darin Geübte wird solche Verwechslungen zu meiden wissen. Es ergibt sich aus vorstehender Beschreibung, dass die Beeherzellenstadien nicht regellos durcheinander, sondern in ge- setzmässiger Reihenfolge liegen. Ich werde kaum auf Wider- spruch stossen, wenn ich die zu Seiten des Kryptengrundes be- findlichen schlanken Becherzellen als jüngste, die strichförmigen Becherzellen (Fig. 8 f.) der Zottenspitze als älteste Form er- kläre. Beide, Anfangs- und Endstadien, sind durch zahlreiche Uebergänge mit einander verbunden. Wir dürfen also sagen, dass die Becherzelle, indem sie reift, aus der Krypte, dem Orte ihrer Geburt, in die Höhe rückt bis zur Zottenspitze, woselbst sie untergeht. Und damit findet die Annahme Bizzozero’s, dass die Elemente des Darmepithels aus den Lieberkühn- schen Krypten stammen, eine Unterstützung. Aber es bestehen doch einige Punkte, die in scheinbarem Widerspruch stehen. Est ist Regel, dass die jungen Becherzellenstadien tiefer (d. h. der muscularis mucosae näher) stehen als die älteren. Ich habe keinen Fall gefunden, in dem zwischen prallgefüllten Becher- zellen eine völlig entleerte gelegen war, wohl aber, wo noch eine prallgefüllte Becherzelle mitten in einer Gruppe halb ge- leerter Zellen sich befand; derartige Fälle erklären sich unge- zwungen aus der Thatsache, dass ja die Neubildung der Epithel- zellen nieht nur im Grunde der Krypten, sondern in ihrer gan- zen Länge bis zum Halse herauf vor sich geht (vergl. pag. 107). Es ist also leicht verständlich, dass einzelne höher gelegene Beiträge zur mikroskopischen Anatomie des Vogeldarmes. 115 Zellen etwas jünger sein können — sie müssen von Mitosen im Drüsenhals stammen, als andere tiefer gelegene; die Differenz wird aber nur eine geringe, entsprechend der geringen Entfer- nung des Kryptengrundes vom Kryptenhalse, sein. Ein anderer Punkt bietet grössere Schwierigkeiten: Wie erklären sich die grösseren Becherzellen (Fig. 6b) im Kryptengrunde selbst? Sind dieselben auf günstigere mechanische Umstände zurückzuführen ? Ich glaube kaum. Meiner Meinung nach sind sie dureh die Ver- sehiebungen zu erklären, welche durch die mitotischen Processe herbeigeführt werden. Wenn sich eine Epithelzelle theilt, wer- den durch die zwei jungen Zellen die Nachbarn zur Seite ge- drängt; im Allgemeinen wird diese Verschiebung nach aufwärts in der Richtung gegen das Kryptenlumen erfolgen. Und dass die Verschiebung wirklich in dieser Richtung stattfindet, dafür spricht, abgesehen von den oben angezogenen Beweisgründen, die neuerdings von Bizzozero!) betonte Form der Epithel- zellen; sie sind mit ihrer Convexität nach aufwärts gegen das . Kryptenlumen gekehrt. Aber es ist durchaus nicht ausgeschlos- sen, dass zeitweise auch — natürlich nur kleine — Verschiebungen in umgekehrter Richtung erfolgen. Sieht man doch auch Epithel- zellen in gerade umgekehrter Stellung die Convexität abwärts kehrend! Dass solche Verschiebungen durch Mitosen verursacht werden, dafür diene als Beleg Figur 5. Es könnte also sein, dass eine kleine Anzahl von Zellen abwärts gegen den Krypten- grund gedrängt wird und dort auch bleibt. Denn die in der Nachbarschaft auftretenden Mitosen werden sie geradezu an die- ser Stelle festhalten können. Es ist also leicht möglich, dass dort im Grunde ältere Zellen liegen und die verhältnissmässig grossen Becherzellen daselbst sprechen dafür. Diese Auffassung scheint mir auch für die Erklärung der von Paneth und nach ihm von Nicolas beschriebenen Körnchenzellen verwendet wer- den zu können. Wir haben oben gesehen, dass an der Spitze der Zotten, wo Zellen zu Grunde gehen müssen, häufig Körner in den Zellen gefunden werden. Sollten die körmerhaltigen Pa- neth’schen Zellen nieht auch alte, zu Grunde gehende Zellen sein? Ich stehe mit dieser Auffassung freilich nicht in Einklang 1) Bizzozero, Archiv für mikrosk. Anat., Bd. 40. Eine ein- gehende Berücksichtigung dieser Arbeit war mir nicht mehr möglich, 116 M. Cloetta: mit der kürzlich von Bizzozero gegebenen Deutung, nach welcher die Paneth’schen Zellen nur die jugendlichen Formen von Schleimzellen sind. Aber ich glaube, dass die bedeutende Grösse der Paneth’schen Zellen dieser Auffassung wenig gün- stig ist. Beträgt doch ihr Querdurchmesser nahezu das Doppelte einer Becherzelle, die wir sonst für eine jugendliche zu halten allen Grund haben !). Ich bin nicht in der Lage meine Auffas- sung weiter begründen zu können, denn bei der Taube habe ich im Kryptengrunde keine Zellen gefunden, die vollkommen mit den von Paneth beschriebenen Formen übereingestimmt hätten. Vor allem misslang der deutliche Nachweis von Körnchen ?). Ein weiterer Punkt möge hier noch kurz berührt werden. Bei einer jungen Taube habe ich in der ganzen Länge der Zot- ten prallgefüllte Becherzellen gefunden, ein direkter Widerspruch mit dem bisher Geschilderten ist damit nicht gegeben, denn es bestand ja keine Regellosigkeit in der Reihenfolge der Stadien. Die topographische Untersuchung der Becherzellenstadien führt also zu dem Ergebniss, dass im ganzen Darm, von Pylorus bis zur Mündung des Enddarmes, die Becherzellenstadien in gesetzmässiger Reihen- Lolse liegen, und zwar in,der-W eise, dass dieE teren Stadien stets höher (den Zottenspitzen nä- her) gelegen sind, als die jüngeren Stadien. Die Consequenzen sind eimschneidende und bedingen zum Theil eine Aenderung unserer bisherigen Auffassung. Zuerst liegt in dieser Beobachtung eine weitere Bestätigung der Ansicht Bizzozero's, dass die Regeneration der Darmepithe- lien durch Heraufrücken der Elemente aus den Lieberkühn’- schen Krypten erfolgt. Zweitens sind wir erst jetzt in der sicheren Lage, die er- sten Secretionsstadien der Becherzellen von Endstadien zu unter- scheiden. Es ist zweifellos, dass viele bisher gelieferten Be- schreibungen des Secretionseyclus auf Irrthümern beruhen, weil 1) Vgl. Bizzozero’'s Frgm. 1 der Tafel 19. 2) Ich habe aber dort Zellen gesehen, die sich durch helles Aus- sehen, durch ihre verhältnissmässig bedeutende Grösse von den Nach- barzellen auszeichnen. Beiträge zur mikroskopischen Anatomie des Vogeldarmes. 117 die Zusammenstellung der Reihenfolge eine willkürliche war. Man wird jetzt mit mehr Aussicht auf Erfolg an die Untersuchung der ersten Schleimbildung herantreten können, die um so wün- schenswerther ist, als einige der bisherigen Angaben sehr auf- fallend sind }). Drittens — und das ist das wichtigste. Resultat — wird unsere bisherige Anschauung, dass die Becherzellen öfter Schleim bilden und ausstossen können — einstweilen für die Taube — haltlos; denn wenn eine Becherzelle mehrmals Secret bilden könnte, müssten wir auch an der Zottenspitze Junge Stadien finden. Damit ist durchaus nicht ausgeschlossen, dass die Becher- zellen gleich von Anfang an in den Krypten schon secerniren, dass kaum gebildeter Schleim alsbald ausgestossen wird. Aber die Sehleimbildung geht rascher vor sich als die 'Schleimab- stossung; so kommt es, das der Grad der Füllung einer Becher- zelle stetig zunimmt bis zu einem gewissen Punkte. Von da ab überwiegt die Schleimausstossung, bis zur Zottenspitze ist dann die Becherzelle bis auf unbedeutende Reste leer und geht dann wahrscheinlich zu Grunde. Für diese Annahmen bietet der oft schon in den Kryptenlumina befindliche Schleim den Beweis. Ob die Beeherzellen wirklich specifische, von den gewöhn- lichen Epithelzellen verschiedene Elemente sind — wie Bizzo- zero meint — darüber wage ich kein Urtheil; die so überaus wechselnde Anzahl der Becherzellen scheint mir einer solchen Auffassung wenig günstig. Fassen wir die in Vorstehendem eingehend geschilderten Resultate meiner Untersuchung zusammen, so ergibt sich Fol- gendes: 1) Die Darmwand der Taube, des Huhns, der Amsel, der Meisen und des Sperlings besitzt eine mächtige muscularis mucosae, entbehrt einer Submucosa. Die bei andern Thieren daselbst ge- legenen Organe sind in Nachbarschichten gedrängt, die Lymph- knötchen und ein Theil der Blutgefässe sind in die Tunica pro- 1) Vergl. Lukjanow, Grundzüge einer allg. Pathologie der Zelle. Leipzig 1891. Steinhaus, Ueber Becherzellen im Dünndarm- epithel der Salamandra maculosa. Arch. von Dubois-Reymond, 1888 118 M. Cloetta: pria, ein anderer Theil der Blutgefässe und die Nervengeflechte theilweise in die Ringmuskelschicht gelagert. 2) Die reifen Epithelzellen der Darmoberfläche besitzen eine Membran; wahre Intercellularbrücken fehlen. 3) Mitosen der Epithelzellen kommen auch bei Vögeln nur in den Lieberkühn'schen Krypten und zwar in deren ganzer Länge vor. 4) In der ganzen Länge des Darmes sind die Becherzellen gesetzmässig nach dem Grad ihrer Secretfüllung vertheilt, die jüngsten Stadien liegen in der Tiefe, die älteren in der Höhe (den Zottenspitzen näher). Daraus ergibt sich, dass die Becher- zellen nur einmal secerniren. 5) Aus den beiden letztgenannten Resultaten (3 und 4) er- gibt sich eine neue Bestätigung der Lehre Bizzozero's, dass die Neubildung der Epithelzellen nur von den Lieberkühn’- schen Krypten aus stattfindet und dass die auf der Höhe der Zotten befindlichen Zellen aus den Krypten heraufgewanderte Elemente sind. Angelangt am Schlusse der Arbeit, bleibt mir noch die an- genehme Pflicht, Herrn Prof. Dr. Stöhr für das Interesse, das er dieser Arbeit gegenüber gezeigt, sowie für die vielen Opfer an Mühe und Zeit, die er deren Ausführung dargebracht, mei- nen herzlichsten "Dank auszusprechen. Seiner Hand verdanke ich die beistehenden Abbildungen. Erklärung der Figuren auf Tafel XI. Sämmtliche Figuren stammen von der Taube und sind mit einem Zeichenprisma entworfen. Alle Abbildungen sind naturgetreu, keine Schemata (mit Ausnahme der Figur 4c). Fig. 1. Stück eines Querschnittes durch den Dünndarm. Flemm. Flüssigkeit. Saffranin. Seibert Objectiv 00 Comp. Oc. 12. Fig. 2. Zottenepithel des Dünndarms. Sublimat. Ehrlich-Biondi-Flüs- sigk. Homogene Immers. 2 mın Comp. Oe. 6. Beiträge zur mikroskopischen Anatomie des Vogeldarmes. 119 Fig. 3. Zottenepithel des Dünndarıns. Flemm. Flüssigk. Hermann’s Färbung. Homogene Immers. Comp. Oc 4. 4. Querschnitt von Epithelzellen einer Dünndarmzotte. Hermann’s Flüssigk. Homogene Immers. 0Oec. 8. Fig. 5--9. Stammen von Präparaten, die in Flemming’s Flüssigkeit fixirt und mit Delafield’s Hämatoxylin gefärbt worden waren. Fig. 5. Längsschnitt einer Lieberkühn’schen Krypte aus dem Enddarm. be) to} x Seibert Apochromat 8 mm Comp. Oe. 18. Fig. 6. Desgleichen. Fig. 7. Längsschnitt einer Kryptenmündung, aus dem Enddarm. Vergr. wie 5. Fig. 8. Stück eines Längsschnittes durch eine Zottenspitze des End- darmes. Vergr. wie 5. Fig. 9. Senkrechter Schnitt durch die Schleimhaut des Enddarmes. Fig. 10. Senkrechter Schnitt durch die Schleimhaut des Dünndarms. Hermann’s Flüssigk. Delafield’s Hämatoxylin. Seibert Apo- chromat Smm Comp. Oe. 6. Beiträge zur Lehre von der Fortpflanzung und Vererbung. Von M. Nussbaum. In der Abhandlung, Zur Differenzirung des Geschlechts im Thierreich (Archiv für mikroskopische Anatomie 1880), begründete ich eine Reihe von Vorstellungen, die sich aus der Entwicklungs- geschichte der Geschlechtsorgane und dem Vorgang der Conju- gation und Befruchtung ergaben. Dem weiteren Ausbau meiner Theorie habe ich mit einer Reihe jüngerer Arbeitsgenossen seit jener Zeit den grössten Theil meiner wissenschaftlichen Bestrebungen gewidmet. Auch von an- derer Seite ist in den folgenden Jahren ein Theil der in jenen Arbeiten ausgesprochenen Gedanken durch neue Entdeckungen bestätigt worden und hat sich vielseitig Anhänger erworben. Ein anderer Theil aber wird auch, heute noeh von einer nicht 120 M. Nussbaum: unbeträchtlichen Zahl hervorragender Forscher auf dem Gebiete der Morphologie der Pflanzen und Thiere bekämpft. Zur zweiten Categorie gehört die Theorie der Vererbung auf Grundlage der von mir nachgewiesenen ununterbrochenen Folge der Geschlechtzellen. Ich würde keine Veranlassung neh- men, mich unter die Streitenden zu mischen. Die Sachlage ist aber verändert durch das neu erschienene Buch Weismann's: Das Keimplasma; eine Theorie der Vererbung, Jena 1892. Weismann hat bekanntlich seit dem Jahre 1883 unausge- setzt sich mit dieser neuen Lehre beschäftigt und ist durch seine experimentellen und schriftstellerischen Leistungen so sehr in den Vordergrund getreten, dass er seinen Vorgängern mit einer kurzen historischen Notiz gerecht werden zu können glaubt. Ausserdem entfernt er sich in seinen neueren Ausführungen immer weiter von der ursprünglichen Auffassung, so dass ich es für geboten halte, den von mir vertretenen Standpunkt nochmals zu beleuch- ten und bei der Gelegenheit auch der historischen Darstellung zu gedenken, die Weismann in seinem vorhin genannten Buche gegeben hat. Nach seinem Vorgänger Jaeger hat Weismann die Lehre von der Vererbung mit der Continuität des Keimplasmas begrün- det, während ich dieselben Erscheinungen durch die ununter- brochene Folge der Geschlechtzellen erklärte. Bei der Entscheidung ob Keimplasma oder Geschlechtzellen wird man sich fragen müssen, wo kommt denn das Keimplasma vor? Findet es sich in allen Zellen, oder ist es auf bestimmte Zellengruppen beschränkt? Ist es, wie eme grosse Anzahl aus- gezeichneter Forscher theoretisch anzunehmen sich bekennt, in allen Zellen vorhanden, so hat die Einführung des Begriffes Kemı- plasma keinen Werth. Findet es sich dagegen nur an bestimmte Zellen gebunden vor, so wird man diese Zellen auch benennen müssen, um sie von den übrigen Zellen des Körpers unterschei- den zu können. Wie man ein Individuum ausser mit seinem Art- namen auch noch männlich oder weiblich, zwittrig oder unge- schlechtlich nennt, so wird man aus der Summe seiner Zellgrup- pen diejenige, welche das Geschlecht bestimmt, herausgreifen und Geschlechtzellen nennen müssen. Man zeigt damit an, dass durch Differenzirung dieser, und nur dieser, Zellen das männliche oder Beiträge zur Lehre von der Fortpflanzung und Vererbung. 121 weibliche Geschlecht, die Zwitterbildung und durch den Unter- sang dieser Zellen die Geschlechtlosigkeit hervorgeht. In dem sachliehen Theile seines neuen Buches vertheidigt Weismann den auch von anderen Forschern zum Theile noch vertretenen Satz, dass die Vererbungssubstanz nur im Chromatin des Kernes gelegen sei. Die Entdeckung der Centrosomen hat in neuerer Zeit eine Reihe von Autoren dieser Vorstellung entfremdet. Weismann sucht an der Hand eimes Bildes seine Annahme immer noch wahrscheinlich zu machen. „Man hat auch gemeint, der nenerdings durch Fol und Guignard gelieferte Nachweis, dass bei der Befruchtung nicht lediglich der Kern, sondern immer auch der dem Zellkörper an- gehörige Theilungs-Apparat, das Centrosoma mit seiner Attrae- tionssphäre übertragen werde, sei ein Beweis gegen die Auffas- sung der Chromosomen als der Vererbungssubstanz. Wenn ich aber zwei entfernte Haufen Getreide auf zwei Wagen lade, vor jeden Wagen ein Pferd spanne und sie zusammen auf einen Platz führen lasse, liegt darin ein Beweis, dass die Pferde auch Ge- treide sind? Sie sind Bewegungsmittel, und so sind es auch die Centrosomen; ob die Letzteren zugleich auch noch etwas Anderes, also Vererbungssubstanz sind, wäre erst noch zu bewei- sen und ist wohl kaum unwahrscheinlicher, als dass die Pferde zugleich Korn seien.“ (Keimplasma pag. 40.) Das Bild scheint mir nicht glücklich gewählt zu sein. Es wird wohl Niemandem einfallen, Pferd und Korn für identisch zu halten; da aber zu der Vereinigung der beiden Getreidehaufen im Bilde Weismann's eben Pferde nöthig sind, so kann die Vereinigung nicht ohne ihre Hülfe gedacht werden. Die Theilbarkeit der Zellen ist eine so fundamentale Eigenschaft, dass die Vererbung aller anderen Momente einfach unterbleiben muss, wenn nicht alle an stoffliche Theile gebundenen Bedin- gungen für ihr Zustandekommen erfüllt sind. Fehlen die Centro- somen, fehlt die Strahlung im Protoplasma, so hört jede Ver- mischung, jede Theilung der Kerme auf, d. h. die Möglichkeit, eine Eigenschaft, also auch die fundamentale der Theilung von den elterlichen auf die Tochterzellen zu übertragen. Die Ver- erbungssubstanz zur Zelltheilung liegt nicht allen im Kern, son- dern auch im Protoplasma. Das wissen wir sicher; ob sie für 122 M. Nussbaum: die anderen zu vererbenden Eigenschaften ausschliesslich im Kerne liegen, das wissen wir nicht. Wir dürfen somit an dem von mir und nach mir von vielen Anderen vertheidigten Satze festhalten, dass die Conjugation der Einzelligen und die Befruchtung bei den vielzelligen Pflanzen und Thieren in der Vereinigung zweier Zellen bestehe, deren Bestandtheile für sich vereinigt werden. Wir kommen unten auf diesen Punkt zurück und heben für unsere Zwecke vorläufig als wichtig für die Feststellung ob Keimplasma oder Geschlechtzellen hervor, dass die Thatsachen gegen die Annahme sprechen, Keim- plasma sei allein im Kerne der Zellen vorhanden, dass weiterhin die Bezeichnung Geschleehtzellen auch theoretisch brauchbarer ist als das Wort Keimplasma. Berücksichtigt man das thatsächliehe Verhalten der niederen Organismen, bei denen Reproductions- und Regenerationsvermögen erheblicher und vollkommener ausgebildet ist als bei den Orga- nismen höherer Ordnung, so wird man die Begriffsübertragung „Geschlechtzellen“ bei den Pflanzen und den niederen Thieren auf solehe Zellen ausdehnen können, welche zwar nicht in be- stimmten Organen beisammen liegen und wegen ihrer Form auch nicht erkannt werden können, die aber, wie durch Versuch oder Erfahrung festgestellt ist, gleich den Geschlechtzellen der hö- heren Thiere zur Reproduction des Ganzen geschiekt sind. Gegen diesen Punkt der Theorie sind die meisten Angriffe gerichtet worden. Weismann begegnet im sachlichen Abschnitt seines Buches den erhobenen Einwänden, indem er einen Theil der gegnerischen Annahmen in die Theorie übernimmt. Er sagt l. e. pag. 244: | „Die Vorfahren der Keimzellen lassen sich aber als solche nicht erkennen, sondern sind somatische Zellen, d.h. betheiligen sieh am Aufbau des Körpers in derselben Weise, wie zahlreiche andere somatische Zellen und können in verschiedenem Grade histologisch differenzirt sein.“ Gegen diese Ausführung muss ich entschieden Einspruch erheben. Die Geschlechtzellen, mag man sie als solche erkennen können oder nicht, mögen sie in den Geschleehtdrüsen vereinigt sein oder im Körper zerstreut vorkommen, sind immer am Auf- bau des Körpers soweit betheiligt, als sie in ihm liegen und so- mit einen Bestandtheil desselben ausmachen. Ihre erkennbare Beiträge zur Lehre von der Fortpflanzung und Vererbung. 123 oder nicht erkennbare Lagerung kann keinen Grund abgeben, an ihrem Vorhandensein zu zweifeln. Da sie aber in ihrer histolo- gischen Differenzirung sich niemals über die Differenzirung der Protozoen erheben, so stellen sie gegenüber den höher differenzirten Geweben der höheren Pflanzen und Thiere m den Leibern dieser Organismen ein Material dar, das mit Bezug auf sein Fortpflan- zungsvermögen direet den Protozoen verglichen. werden kann, während die Gewebe und die sie produeirenden Zellen diesen Ver- gleich nicht aushalten. — Darauf wird unten näher eingegangen werden. Es kann nieht nachdrücklich genug betont werden, dass die histologische Differenzirung der Geschlechtzellen sich auf das Wesentlichste von der Differenzirung der Gewebe der Metazoen und höheren Pflanzen unterscheidet. Weismann hatte zwar wenige Seiten vorher, 1. e. pag. 242, es ausgesprochen, dass die Lehre von der Continuität des Keim- plasmas auf der Anschauung eines Gegensatzes von Körperzellen und Fortpflanzungszellen beruhe, und die von Seite 244 oben eitirte Stelle bezieht sich nur auf die Hydroidpolypen. Wenn man sich aber genöthigt sieht, zu Gunsten von Beobachtungen einen allgemeinen Satz so bedeutend einzuschränken, als es durch die Fassung jener Auslassung über die Polypen bei Weismann geschehen ist, so kommt das ungefähr dem Aufgeben der Theorie gleich. Dazu liegt aber gar kein Grund vor. In meiner ersten Abhandlung über diesen Gegenstand sprach ich schon den Satz aus, „dass man für die höheren Thiere wohl schwerlich wegen des Mangels hervortretender embryonaler Cha- ractere ihrer Geschlechtzellen einen Beweis wird erbringen können.“ (Arch. f. mikr. Anat. Bd. 18, pag. 109.) Diesen Satz haben verschiedene Forscher umgekehrt und dann als Einwand gegen meine Theorie verwerthet. — So war nach Brock „an jungen Aalen von ca: T cm Länge (Mai), sogenannter Montee, — bei voll- ständiger Entwicklung des Wolff’schen Ganges, der Urniere, des Darms ete. von Geschlechtzellen oder überhaupt von Ge- schlechtsorganen noch keine Spur zu entdeeken.“ (Mitth. aus der zool. Station zu Neapel Bd. II, pag. 454 vom Jahre 1881.) Brock schliesst daraus, dass die Geschlechtzellen aus dem Peri- tonealepithel hervorgingen. Ich würde wie gesagt in einem sol- chen Verhalten keinen Beweis gegen meine Theorie finden. Ein Ei oder ein Samenfaden sieht später auch ganz anders aus, als 124 M. Nussbaum: die Zellen, die Oogonie oder die Spermatide, aus der sie sich heranbilden. Hätten wir bei gewissen T’hieren nieht bestimmte Merkzeichen für die Geschlechtzellen aufgefunden, so würde die alte Auffassung, die Eier oder Samenkörper leiteten sich von den Peritonealepithelien ab, weiter zu Recht haben bestehen müssen. Wie man aber neben dem sichtbaren Sehroth des Augenhinter- grundes auch farblose Netzhäute gefunden hat, so wird auch die Untersuchung über die Bildung der Geschlechtdrüsen bald auf gewisse Merkzeichen stossen, die eine direete Ableitung von den (Geschlechtzellen gestatten; bald auf solche Fälle, die, wären sie allein bekannt, jede wissenschaftliche Begründung des Vorhanden- seins von Geschleehtzellen unmöglich machen müssten. Wenn man aber mit Recht annimmt, dass nicht jede chemische Reaction eine Farbenreaction zu sein braucht und sich in Folge dessen den Schluss erlaubt, auch in der ungefärbten Retina vollziehen sich unter dem Einflusse des Lichtes chemische, freilich unsichtbare Veränderungen wie in der Retina, deren Sehroth bei der Belich- tung ausbleicht, so wird man sich auch nicht der Folgerung ent- ziehen, dass in den Fällen, wo die Geschlechtzellen nicht durch sinnfällige Merkmale wie Grösse, Bau, bestimmte Lagerung sich kennzeichnen, sie ebensogut vorhanden sein können als in den für die Beobachtung günstigen Fällen. Ich habe in meinen Abhand- lungen stets darauf hingewiesen, dass was für Rana fusca mög- lich zu beweisen sei, für Rana esculenta nur erschlossen werden könne. Nebenbei will ich noch bemerken, dass Brock besonders betont, „der aus der Entwicklungsgeschichte der Evertebraten von Nussbaum herübergenommene Ausdruck „Geschlechtszellen“ ist der älteren Bezeichnung „Ureier*, da es sich um geschlechtlich indifferente Elemente handelt, entschieden vorzuziehen“ (1. e.). Bei Rana fusea und der Forelle konnte ich die Grösse der Zellen und die Einlagerung von Dotterkörnern zu einer Zeit, als die benachbarten Peritonealepithelien schon klein und frei von Dotter geworden waren, zu dem Schlusse verwerthen, dass die Geschlechtzellen bei diesen Thieren sicher keine um- gewandelten Peritonealepithelien seien, also schon früher, d.h. vor der Zeit, wo sie sicher als Geschlechtzellen erkannt werden konnten, schon als Geschlechtzellen bestanden hatten, In neuerer Beiträge zur Lehre von der Fortpflanzung und Vererbung. 125 Zeit wurde durch ©. H. Eigenmann!) das sichere Vorkom- men von Gesehlechtzellen bei Mierometrus aggregatus Gibbons schon viel früher nachgewiesen, als es mir bei Wirbelthieren ge- lungen war. Bei meinen Untersuchungen über die Entwicklung der Generationsorgane der Forelle hatte ich ebenfalls schon vor der Ausbildung der Woltff’'schen Gänge grosse mit Dotter ge- füllte Zellen im Mesoblast gesehen; da ich aber die Wanderung an ihre definitive Stelle in der Somatopleura nicht verfolgen konnte, so ging ich bei meiner Darstellung erst von dem Stadium aus, wo eine Lücke in der Beweisführung durch Speeulation nieht mehr überbrückt zu werden brauchte, wie dies auch für die in meinen Abhandlungen namhaft gemachten Fälle über die Entstehung der Generationsorgane niederer Thiere zutrifft. Diese Fälle hat Weismann aus der Literatur ergänzt und in übersichtlicher Folge in seinem neuen Buche zusammengestellt. In den historischen Capiteln seines Buches hat Weismann auch mir einen Platz angewiesen. Ich will nun zu zeigen ver- suchen, dass die geschichtliche Darstellung unseres Autor em ganz anderes Gesicht zeigen wird, sobald man streng sich an die Quellen hält. Demgemäss wird sich die folgende Auseinander- setzung vorzugsweise mit Quellenstudien zu beschäftigen haben. Nachdem Weismann den Antheill Riehard Owen's, Francis Galton’s an dem Gedanken der „Continuität des Keim- plasmas“, den er im Anfange seiner Publicationen zuerst in die Wissenschaft eingeführt zu haben glaubte, gewürdigt hat, sprieht er auch von G. Jäger, Rauber und M. Nussbaum. Da es darauf ankommt, die mich betreffenden historischen Angaben Weismann’s zu besprechen, so muss ich auf die G. Jäger be- handelnden Stellen ebenfalls emgehen und stelle das diesen Autor betreffende Material zuerst zusammen. Es wird sich zeigen, dass Jäger mein Vorgänger nicht gewesen ist, wie Weismann be- hauptet. In dem Weismann’schen Buche findet sich G. Jäger anlangend das Folgende pag. 262 und 263: 1) Journal of Morphology, Vol. V. Nr.3, pag. 481 sqq. Boston 1591. 126 M. Nussbaum: „G. Jäger hat zuerst den Gedanken ausgesprochen, dass der Körper der höheren Organismen aus zweierlei Zellen bestehe aus „ontogenetischen“ und „phylogenetischen® und dass die Letz- teren, die Fortpflanzungszellen nicht ein Product der Ersteren, der Körperzellen sind, sondern dass sie direet von der elterlichen Keimzelle abstammen.“ In einer Anmerkung verwahrt sich Weismann gegen Ged- des und Thomson’s Insinuation, G. Jäger sei sein Vorläufer gewesen und sagt dazu wörtlich pag. 265 Anmerkung: „Jäger hat aber in seinem Buche von 1878 nirgends von einer Continuität des Keimplasmas gesprochen, sondern nur einen Zusammenhang der Keimzellen behauptet, der nieht existirt. Die ganze neue Darstellung seiner Gedanken steht unter dem Einfluss meiner inzwischen erschienenen Schriften.“ In dem Lehrbuch der allgemeinen Zoologie von G. Jäger II. Bd. 1878 pag. 196 u. 197 finden sich folgende Auslassungen. Nachdem G. Jäger sich gegen die Darwin’sche Lehre von der Pangenesis gewandt und ebenso die Götte’'sche Auf- fassung von der Discontinuität des Lebens bekämpft hat, stellt er „der Lehre von der Discontinuität des Lebens und der von der Pangenesis die Lehre von der Continuität des Keim- protoplasmas durch alle Generationen hindurch“ in folgender Weise gegenüber: „Bei der Ontogenese (d.h. der Entwicklung des Multicellu- laten-Individuums) spalten sich die Theilungsproduete des Keim- protoplasmas in zwei Gruppen: Die ontogenetische, welche das Einzelwesen aufbaut, und die phylogenetische, welche re- servirt wird, um zu geschlechtlichem Protoplasma langsam heranzureifen. Die ontogenetische Gruppe und die phylogene- tische stehen in concentrischem Verhältnisse zu einander, d. h. erstere kapselt die letztere ein und darin liegt eben der Unter- schied in der Differenzirung. Die ontogenetische Gruppe ist den Reiz-Einwirkungen der Aussenwelt wegen ihrer Lage weit mehr ausgesetzt und passt sich diesen Existenzbedingungen an; das eingekapselte phylogenetische Protoplasma ist dagegen den un- mittelbaren Einwirkungen der Aussenwelt entrückt und bewahrt so, einen rein vegetativen Stoffwechsel pflegend, die embryonide Beschaffenheit, allerdings mit den sogleich zu besprechenden Ab- änderungen. Beiträge zur Lehre von der Fortpflanzung und Vererbung. 127 „Bei denjenigen Multicellulaten, deren Protoplasma überhaupt eine geringe Differenzirungsfähigkeit besitzt, wie z. B. dem der- Coelenteraten sind die Unterschiede zwischen ontogenetisch und phylogenetisch differenzirtem Protoplasma sehr gering und dem entspricht auch späteres Auftreten und ein geringerer Grad von Einkapslung des phylogenetischen Protoplasmas. Je diffe- renziver dagegen das Protoplasma ist, um so früher beginnt und um so tiefer geht die Einkapslung. Auf der einen Seite steht die Differenzirungsfähigkeit des Protoplasmas, auf der anderen stehen die Differenzirungsursachen d. h. die Einflüsse der um- gebenden Medien. Je grösser die Differenzirungsfähigkeit des Protoplasmas ist, desto weiter nach innen erstreckt sich die on- togenetische Differenzirung, so dass immer nur der innerste Kern des Thieres (nicht morphologisch sondern physiologisch gespro- chen) embryonide Eigenschaften behalten kann. Ob dies aber wirklich eintritt, hängt davon ab, ob so viel ontogenetisches Ma- terial produeirt worden und dies so beschaffen ist, dass es zum Sehutz des inneren Kerns ausreicht; ist es ungenügend so bleibt das Thier primär unfruchtbar, ein Fall, der jedenfalls sehr selten sein wird, da die Eigenschaft der primären Unfruchtbarkeit sich nicht vererben kann.“ In demselben Capitel (pag. 263) spricht Weismann über meinen Antheil in dieser Sache sich folgendermassen aus: „Zuletzt kam M. Nussbaum auf den Gedanken einer Con- tinuität der Keimzellen. Auch er nahm an, es theile sich „das gefurchte Ei in das Zellenmaterial des Individuums und in die Zellen für die Erhaltung der Art“ und stützte diese Ansicht auf jene oben schon erwähnten Fälle frühester Differenzirung der Geschlechtszellen.“ Nach dem Wortlaut der ersten Jäger’schen Veröffentlichungen ist es somit sicher gestellt, dass er den später von Weismann gebrauchten Ausdruck von „der Continuität des Keimplasmas“ erfunden und von Keimzellen nieht geredet hat. Somit kann ich nicht zuletzt auf den Gedanken von der Continuität der Keimzellen gekommen sem, da Jäger nicht, wie Weismann glaubt, diesen Gedanken zuerst ausgesprochen hat. Wohl hat Jäger zuerst von einer Continuität des Keimplasmas geredet; er ist daher trotz des Widerspruchs Weismann’s dessen eigner Vorgänger. 128 M. Nussbaum: Wir können nunmehr das mich betreffende Quellenmaterial hier folgen lassen. Gemäss der Weismann schen Darstellung würde diese Vor- führung der Quellen sich in höchst beschränktem Rahmen zu halten haben. Wie sich aber zeigen wird, ist in der von Weis- mann eitirten Abhandlung doch mehr enthalten, als die oben angeführte Stelle von der Furchung des Eies und dem Zellen- material des Individuums und der Art. Im Folgenden wird dann gleichzeitig die Widerlegung des Abschnittes enthalten sein, in dem Weismann über die Ursachen des Misserfolges seiner Vor- gänger spricht (l. e. pag. 264): „Worin es lag, dass keiner der angeführten Vorläufer der Continuität des Keimplasmas zur Geltung gelangte und emen Einfluss auf die Wissenschaft gewann, mögen Andere entscheiden. Dass es so war, wird nicht in Zweifel gezogen werden können und geht wohl schon daraus hervor, dass alle Gegner dieser An- schauung ihre Angriffe gegen mich gerichtet haben. — Dass ich weit davon entfernt bin, das Verdienst Anderer in den Schat- ten zu stellen, habe ich wohl dadurch bewiesen, dass ich selbst — sobald ich nur Kenntniss davon hatte — meine Vorläufer in dieser Frage an’s Licht gezogen habe. So würden Jägers Ge- danken ohne ihre Entdeckung durch mich wohl auf lange noch in Dunkelheit geblieben sein. — — Wenn es aber auch dem Ein- zelnen eine Genugthuung sein kann, einen richtigen Gedanken gehabt zu haben, so kann doch die Wissenschaft nur dann ihn als fruchtbar und als eine neue Errungenschaft anerkennen, wenn er so ausgesprochen wird, dass er in seiner Bedeutung erfasst werden, wirken und weiteren Fortschritt anbahnen muss. Diese Wirkung ist aber erst nach dem Erscheinen meiner Schriften eingetreten.“ Damit hat Weismann den Anderen gesagt, wie sie ent- scheiden mögen „worin es lag, dass keiner der angeführten Vor- läufer der Continuität des Keimplasmas zur Geltung gelangte“ und hat zugleich der anfangs bescheidenen Phrase eine unerwartete Wendung gegeben. Der vorhin eitirte Abschnitt behauptet nun zweierlei. Weis- mann habe seine Vorläufer in dieser Frage ans Licht gezogen, und alle Gegner hätten die Angriffe gegen diese Anschauung nur gegen Weismann gerichtet. Die erste Behauptung wird in Beiträge zur Lehre von der Fortpflanzung und Vererbung. 129 ihrem Gewichte bedeutend abgeschwächt durch den Zusatz „so- bald ich nur Kenntniss davon hatte* und von Weismann selbst auf ihren wahren Werth zurückgeführt. Ich habe früher schon anerkannt, wie viel Weismann zur Verbreitung dieser Gedanken beigetragen hat: kann aber nicht zugestehen, dass die neue Lehre Weismann ihre wissenschaftliche Begründung verdanke. Ich bedaure deshalb auf das Lebhafteste das beharrliche Verkennen der Sachlage, in der sich Weismann befindet und will nunmehr nachweisen, weleher Antheil meiner ersten Abhandlung vom Jahre 1880 in der Lehre von der Fortpflanzung und Vererbung zukomme, und auch die zweite Behauptung, alle Gegner hätten nur gegen Weismann ihre Angriffe gerichtet, erledigen. Die Gedanken über Leben und Tod, mit denen Weismann und Bütsehli hervorgetreten sind, hatte ich in meiner Abhand- lung, Zur Differenzirung des Geschlechts im Thierreich (Arch. f. mikrosk. Anatomie 1880, Bd. XVILH, pag. 97), in folgende Form gekleidet. „In ihrer primitivsten Gestalt vollzieht sich die Conjugation in der Weise, dass die ganzen Leiber der einzelligen elterlichen Individuen sich vermischen und entweder vereint oder nach der Conjugation wiederum getrennt zur Theilung sieh anschieken. Bei diesen Wesen gibt es weder Geschlechtsorgane noch sonstige geschlechtliche Unterschiede: sie sind homologe Zellen, Individuen und Generationsorgane zugleich. Das Individuum geht ganz auf in die Erhaltung der Art: was bei einer Amoebe noch vor Kur- zem dem Leibe zur Fortbewegung diente kann bald darauf in ein Theilproduet aufgenommen und vom Mutterthiere losgelöst als Junges eine eigne Existenz führen. „Bei den mehrzelligen Organismen tritt die Individualität charaeteristischer und selbständiger hervor. Für die Erhaltung der Art sind bestimmte Drüsen: die Geschlechtsdrüsen angelegt und es unterliegt heute keinem Zweifel mehr, dass das Wesent- liche der geschlechtlichen Fortpflanzung vielzelliger Organismen in der Vereinigung der Producte der männlichen und weiblichen Geschlechtsdrüse besteht, dass alle voraufgehenden oder beglei- tenden Vorgänge nur den Werth besitzen, das Zusammentreffen von Samenkörper und Ei mehr und mehr zu sichern.“ Bütschli veröffentlichte seinen schon im April oder Mai des Jahres 1876 niedergeschriebenen Aufsatz am 6. Februar 1882 Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 41. S 130 M. Nussbaum: im zoologischen Anzeiger. Da die Darstellung der Vergleichungs- punkte zwischen Conjugation der Protozoen und der Befruchtung der Metazoen, wie Bütschli in emer Anmerkung hervorhebt, schon zur Zeit der Veröffentlichung seines Aufsatzes durch neuere Beobachtungen überholt worden war, so beschränke ich mich auf die Wiedergabe der Einleitung des betreffenden Aufsatzes: „Wenn man die Erscheinungen des Entstehens und Ver- gehens in der grossen Reihe der thierischen Organismen über- bliekt, so wird man überrascht durch einen bedeutsamen Gegen- satz hinsichtlich der Bedeutung der Individualität bei den höheren d. h. vielzelligen Thieren und den niederen, den einzelligen, den Infusorien oder Rhizopoden. Während bei den ersteren in fast allen Fällen das Individuum eine bestimmte und scharfe Existenz auch neben seiner Nachkommenschaft behauptet, tritt uns hin- gegen bei den einzelligen, sich durch Theilung fortpflanzenden Organismen die gewöhnlich nieht besonders gewürdigte Thatsache entgegen, dass das Individuum als solches bei seiner Fortpflan- zung aufhört zu existiren, dass es seine Individualität gleichsam in die beiden neu entstehenden Individualitäten semer Nachkom- men spaltet. „Am characteristischsten gestaltet sich diese merkwürdige Erscheinung, wenn wir es versuchen, den Begriff des Todes, wie er sich bei den höheren Thieren hat ableiten lassen, auch bei diesen niederen zu verwerthen. Der Tod der höheren Organismen ist nicht das Erlöschen des Lebens überhaupt, sondern das der individuellen Existenz und demnach müssten wir auch sagen, dass die Fortpflanzung eines einzelligen Organismus zugleich der Tod desselben sei. Auf der anderen Seite hingegen liegt im Begriffe des Todes der höheren Organismen zugleich ein wirk- liches Ausscheiden organisirter Substanz aus der lebendigen Thä- tigkeit, also eine Vernichtung früheren Lebens und dieses Moment fehlt bei dem individuellen Tod der Protozoen bei seiner Fort- pflanzung völlig, es lebt vollauf fort, wenn auch in seinen Nach- kommen.“ Dass aber Weismann noch im Jahre 1883 den Kernpunkt dieser Frage nicht gewürdigt und berührt hat, geht aus einer Stelle seines Vortrages über die Vererbung, Jena 1883, hervor. Dort findet sich pag. 4: „Einzellige Organismen, Wurzelfüsser, Infusorien vermehren Beiträge zur Lehre von der Fortpflanzung und Vererbung. 131 sich durch Theilung, sie wachsen heran bis zu einer gewissen Grösse und spalten sich dann in zwei Hälften, die sich nicht nur in Grösse, sondern auch in Beschaffenheit vollständig gleichen und von deren keiner man sagen kann, sie sei die Jüngere oder ältere. Solche Organismen besitzen in gewissem Sinn die von ihren höchstorganisirten Brüdern so sehnsüchtig gewünschte Un- sterblichkeit, sie können zwar wohl vernichtet werden, aber wenn sie ein günstiges Geschick vor gewaltsamen Tode schützt, so leben sie fort und fort, und müssen nur von Zeit zu Zeit ihre allzusehr anschwellende Körpermasse durch Zweitheilung auf ein geringeres Mass herabsetzen. „Die Vererbung beruht bei diesen einzelligen Organismen auf der Continuität des Individuums, dessen Leibes- substanz sich fort und fort dureh Assimilation vermehrt. „Bei allen vielzelligen Thieren bildet die sexuelle Fort- pflanzung die Grundlage ihrer Vermehrung, nirgends fehlt sie ganz, und bei der Mehrzahl ist sie die einzige Art der Ver- mehrung. Hier ist nun die Fortpflanzung an bestimmte Zel- len gebunden, die man als Keimzellen den Zellen, welche den Körper selbst bilden gegenüber stellen kann und wohl auch muss, denn sie spielen eine total verschiedene Rolle wie jene. Sie sind bedeutungslos für das Leben ihres Trägers, aber sie allein erhalten die Art.“ Protozoen und Metazoen zeigen Zelltheilung. Während aber bei den Protozoen die getheilten Zellen selbst conjugiren, ist bei den Metazoen die Conjugation oder Befruchtung nur an die Theilproduete der -Geschlechtzellen gebunden. Die Ver- schiedenheit der Protozoen und Metazoen ist nicht durch die Theilbarkeit der Individuen der niederen Gruppe und die sexuelle Fortpflanzung der höheren Thiere bedingt, sondern wie ich 1880 dies hervorhob, durch die Vollziehung der Conjugation bei den Protozoen zwischen den ganzen Individuen, bei den Metazoen nur zwischen den durch Theilung aus den Geschlecht- zellen hervorgehenden Geschlechtsprodukten — Samen und Ei —. Die neueren Untersuchungen von R. Hertwig und Maupas haben die von Bütschli eröffneten Kenntnisse über die Conju- gation der Infusorien erweitert. Ich darf wohl bei dieser Ge- legenheit daran erinnern, dass ich schon im Jahre 1887 in einem 132 M. Nussbaum: in der Academy of sciences zu San Franeisco gehaltenen und im Jahre 1888 gedruckten Vortrage, den von Bütschli zuerst Mieronucleus genannten Nebenkern wie er sich bei vielen Infuso- rien findet, Geschlechtskern genannt und in seiner Bedeutung den Geschlechtzellen der höheren Thiere verglichen habe. In der neueren Literatur schreibt man die Erfindung des Namens Geschlechtskern Bütschli zu. Doch hat Bütschli diese Be- zeichnung in demselben Sinne erst ein Jahr später wie ich, 1889 gebraucht. In den allgemeinen und resümirenden Betrachtungen am Schlusse meiner Abhandlung aus dem Jahre 1830 wurde weiter- hin die Homologie der männlichen und weiblichen Zeugungs- stoffe dargethan, und in Grundlage dieses Nachweises eme Er- klärung des Hermaphroditismus gegeben. Da um jene Zeit die grundlegenden Entdeckungen über die Conjugation der Ein- zelligen von Pringsheim und Bütschli die Befruchtung des thierischen Eies von Fol und O. Hertwig, des pflanz- lichen Eies von Strasburger gemacht waren, so wandte ich die Ergebnisse meiner Untersuchungen auf die Deutung dieser Vorgänge an und fasste sie in dem Satze zusammen, die Be- fruchtung und Conjugation sind eine Copulation zweier homo- logen Zellen, deren gleichnamige Theile mit einander sich ver- einigen. Dies war um so eher geboten, als man zu jener Zeit noch in der Vorstellung befangen war, Samen und Ei seien un- gleichwerthige Zellen, wenn auch durch Reiehert und von la Valette St. George ein identischer Entwicklungsgang nachgewiesen worden war. Dass die Befruchtung ein Conju- gationsact sei, war durch Fol und Hertwig im Anschluss an Bütschli unwiderleglich nachgewiesen worden. Bis in die neue- ste Zeit hinein hat aber die grössere Mehrzahl der Forscher daran festgehalten, es handle sich bei der Conjugation um die Vereinigung zweier heterogenen Kerne, eines männlichen und eines weiblichen, so dass durch die Vereinigung eine herma- phroditische Zelle, die erste Furchungskugel, entstehe. Es war somit nicht gleichgültig an der Hand von Beobachtungen dafür einzutreten, Samen und Ei seien gleiehwerthige Zellen, ihre Kerne seien gleichwerthig. Es war aber ebensowenig belanglos zu behaupten, dass die Befruchtung eine Vereinigung von Zellen sei. Alle gegentheiligen Behauptungen haben sich als irrig er- Beiträge zur Lehre von der Fortpflanzung und Vererbung. 133 wiesen. Man kehrt allgemein zu der von mir zu jener Zeit ver- tretenen Auffassung zurück, namentlich bestimmt durch die Ent- deckung des Centrosoma in den thierischen und pflanzlichen Geschlechtstoffen von la Valette St. George, Platner, Boveri, van Beneden und Guignard. Aber schon im Jahre 1880 führten alle Beobachtungen zu der Annahme, dass die Befruchtung eine Copulation von Zellen und nicht von Kernen sei; denn der Samenkörper ist und bleibt eine Zelle und dringt als solche in das Ei ein. Man kann demgemäss die Entdeckung des Centrosoma und die Erkennung seiner Rolle bei der Be- fruchtung nur als eine Bestätigung einer schon früher durch gegebene Thatsachen wohl zu begründenden Auffassung betrachten. Alle neueren Entdeckungen, namentlich das feinere Studium der Conjugation der Infusorien durch R. Hertwig und Maupas haben meiner Behauptung, „es gibt keine hermaphroditischen Zellen“, neue und wichtige Stütze gegeben. Der Hermaphroditismus der Pflanzen und Thiere ist eine secundäre Erscheinung, entstanden aus dem Bedürfniss die Conjugation der homologen Zellen zu erleichtern; die Ausbildung von Samen und Ei ist eine histo- logische Differenzirung gleichwerthiger Zellen. Man gibt mehr und mehr die früher allgemein vertretene Ansicht auf, die Aus- bildung des Hermaphroditismus bestehe in einer Sonderung zweier anfänglich in einer Zelle vereinigten, entgegengesetzten Potenzen, eines männlichen und eines weiblichen Antheiles.. Die franzö- sischen Forscher freilich stehen noch zum grössten Theil unter dem Banne dieser Anschauung. Stellt man die Genese des Hermaphroditismus, wie sie von mir begründet wurde, der früher und zum Theil noch jetzt geglaubten gegenüber, so folgt nach der älteren Auffassung auf den primären Hermaphroditismus der eingeschlechtliche Zustand. Man befand sich bei dieser Annahme in völliger Uebereimstimmung mit den bis vor Bütscehli, Fol, O0. Hertwig und Strasburger be- kannten Thatsachen. Die niedersten Metazoen sind Hermaphro- diten, die höheren sind getrennten Geschlechtes. Dass die Be- fruchtung des Eies und die Conjugation der Protozoen ein und derselbe Vorgang seien, konnte nicht gedacht werden. Dass auf der anderen Seite die Geschlechtstoffe der höheren Thiere aus gleicher Anlage hervorgehen, war durch die bis zum Erscheinen meiner Arbeit vorliegenden Beobachtungen ganz undenkbar. In 134 M. Nussbaum: dieser Abhandlung habe ich den damaligen Stand unserer Kennt- nisse ausführlich geschildert und brauche hier nicht mehr da- rauf zurückzukommen. Mit Verwerthung der damals gewonnenen Thatsachen leitete ich demgemäss den Hermaphroditismus von einem histologisch undifferenzirten Zustande ab; stellte ihn, entgegen der früheren Auffassung, erst an die zweite Stelle in der Entwicklungsreihe und begründete seine Entstehung durch das bei den mehrzelligen Organismen auftretende Bedürfniss, den Copulationsact zu erleichtern, der gegenüber der Conjugation der Protozoen bedeutend erschwert war. Es entstanden Samen und Ei durch histologische Differenzirung gleiehwerthiger Zellen, wie beim Vogel sich die vorderen Extremi- täten der Säuger zu Flügeln, beim Fisch zu Flossen entwickeln ; alle aus der gleichen Anlage hervorgegangen und nur verändert in der Gestalt zur Befriedigung des specifischen Bedürfnisses. In der Einleitung habe ich schon erwähnt, dass in jener mehrfach eitirten Abhandlung vom Jahre 1880 für die Entwick- lung der männlichen und weiblichen Geschlechtsorgane nicht allein ein homologer Bildungsgang aus gleicher Grundlage für den funetionellen Theil nachgewiesen werden konnte, sondern dass auch mit Beziehung auf eigene und fremde Untersuehungen der Satz aufgestellt wurde, das gefurchte Ei theile sich bald früher, bald später in die Zellen für die Erhaltung der Art und in das Zellenmaterial zum Aufbau des vergänglichen Leibes des werdenden Individuum. Darauf gründete sich eine Theorie der Vererbung, die zu der damals fast allgemeim geltenden Darwin- schen Pangenesis in Gegensatz trat. Will man die Erscheinungen der Vererbung dem Verständ- niss näher führen, so wird man nothgedrungen sie in zwei Cate- gorien trennen müssen. Man hat eine Erklärung zu geben sowohl für die Vererbung der Eigenschaften der ganzen Ahnenreihe, als auch der bei den nächsten Vorfahren zuerst aufgetretenen, den „erworbenen“ Eigenthümlichkeiten. Die eine Categorie umgreift die Eigenschaften, welche eine Art uns constant erscheinen lassen; die andere dagegen führt uns die Veränderliehkeit, die Variabilität, vor Augen. Man hat sich oft die Frage vorgelegt, ob erworbene Eigenschaften überhaupt vererblich seien und den Satz ausgesprochen, dass mit dem Aufhören der bestimmenden äusseren Einflüsse die sogenannten erworbenen Eigenschaften Beiträge zur Lehre von der Fortpflanzung und Vererbung. 135 auch wieder in Wegfall kämen. Das wird aber in demselben Sinne für die Eigenschaften der Art gelten müssen. Wir sind nur nicht im Stande die Bedingungen zu eliminiren, die hier be- stimmend einwirken. Wenn Arten aussterben, so müssen die äusseren Bedingungen unter Umständen der Variabilität eine Grenze setzen können. Wenn gleichzeitig andere Arten abweichende Formen annehmen, so kann die Fähigkeit zu variiren nicht bei “allen Geschöpfen gleich stark entwickelt sen. Wenn sich aber täglich zeigt, dass durch den Einfluss äusserer Bedingungen Thiere und Pflanzen variiren, so müssen auch die variabeln Zustände der Individuen je nach dem Grade: ihrer Stärke und der Em- pfänglichkeit der Geschlechtsstoffe auf diese bestimmend einwirken; es kann somit eine Vererbung erworbener Eigenschaften nicht völlig ausgeschlossen werden. Die Constanz der Art, d. h. die Vererbung der von der ganzen Ahnenreihe her ererbten Eigenschaften suchte ich dureh den Nachweis der anatomisch durchgeführten Trennung von Ge- schleeht- und Körperzellen verständlicher zu machen. Man findet den betreffenden Abschnitt im Archiv für mikro- skopische Anatomie Bd. 18, vom Jahre 1880 pag. 112: „Es theilt sich demgemäss das gefurchte Ei in das Zellen- material des Individuum und in die Zellen für die Erhaltung der Art. In beiden Theilen geht die Zellenvermehrung conti- nuirlich weiter; nur tritt im Leibe des Individuum die Arbeits- theilung hinzu, während in seinen Geschlechtzellen sich eine einfache additionelle Theilung vollzieht. Die beiden Zellengruppen und ihre Abkömmlinge vermehren sich aber durchaus unabhängig von einander, so dass die Geschlechtzellen an dem Aufbau der Gewebe des Individuum keinen Antheil haben und aus dem Zellenmaterial des Individuum keine einzige Samen- oder Eizelle hervorgeht. Nach der Abspaltung der Geschlechtzellen sind die Conti des Individuum und der Art völlig getrennt, und wir glauben aus diesem Verhalten die „CUonstanz“ der Art, d. h. die in der Erscheinung des Atavismus gipfelnde Zähigkeit, mit der ‚sich die Eigenthümlichkeiten der Vorfahren vererben, begreif- licher zu finden. Denn Samen und Ei stammen nicht von dem Zellenmaterial des elterlichen Organismus ab, sondern haben mit ihm gleichen Ursprung. 136 M. Nussbaum: Drei Jahre später hat Weismann gelegentlich einer Universitätsfeier zu Freiburg im Breisgau diesen Theil der Er- klärung der Erscheinungen in folgende Worte gekleidet. (Ueber die Vererbung. Ein Vortrag von Dr. August Weismann, Jena 1883, pag. 58.) „Für die Vererbung sämmtlicher ererbter Eigenschaften des Organismus haben wir eine einleuchtende Vermittlung durch die Continutät des Protoplasma’s der Keimzellen; wenn vom Be- ginn des Lebens an das Keimzellen-Protoplasma in steter Conti- nuität geblieben ist, wie wir annahmen, wenn stets Keimproto- plasma und Körperprotoplasma gesonderte Conti geführt haben und Veränderungen des zweiten Conto, desjenigen des Körper- protoplasma immer nur dann erfolgten, wenn ihnen ein entsprechen- der Posten auf dem Conto des Keimprotoplasma’s vorhergegangen war, so können wir die Thatsache der Vererbung bis zu einem gewissen Punkt, nämlich im Prineip, begreifen.“ Zur Erklärung der Vererbung erworbener Eigenschaften führte ich in der oben genannten Abhandlung aus, fortfahrend in dem begonnenen Satze (Denn Samen und Ei stammen nicht von dem Zellenmaterial des elterlichen Organismus ab, sondern haben mit ihm gleichen Ursprung): „da sie aber in ihm aufbewahrt werden, so sind sie auch den Bedingungen unterworfen, welche auf den elterlichen Organis- mus modifieirend emwirken, weshalb die Vererbung der „erwor- benen“ Eigenschaften nicht ausgeschlossen ist.“ Ueber diesen Punkt spricht sich Weismann in seinem Vortrage vom Jahre 1883, pag. 57 in folgender Weise aus: „Ich glaube, dass sie (alle dauernden von Generation zu Generation übertragbaren Abänderungen) in letzter Instanz auf die verschiedenartigen äussern Einflüsse zurückzuführen sind, welche den Keim vor dem Beginn der Embryonalentwicklung treffen können, und damit ist, wie mir scheint, auch dem fertigen Organismus der ihm gebührende Einfluss auf die phyletische Entwicklung seiner Descendentenreihe eingeräumt, denn die Keim- zellen sind in ihm gelegen und die äussern Einflüsse, von wel- chen sie betroffen werden können, sind wesentlich durch Zustände des Organismus bedingt, welcher sie birgt.“ Die ursprüngliche Theorie von der ununterbrochenen Folge Beiträge zur Lehre von der Fortpflanzung und Vererbung. 137 der Geschlechtzellen hat Weismann aber nicht allein in dem Sinne dargestellt, dass er denselben Gedankengang auf die An- nahme der Continuit des Keimplasma’s stützte und späterhin nach dem Vorgang von OÖ. Hertwig und Strasburger das Keim- plasma auf einen Bruchtheil des Kernes beschränkt sein liess; er brachte auch die Bildung der Richtungskörper in Zusammen- hang mit dieser Theorie. 0. Hertwig hat dann gezeigt, dass diese Verquiekung: unhaltbar sei. Was nun die Vorstellung Kölliker’s und OÖ. Hertwig' anlangt, in jedem Kerne, oder sagen wir in unserem Sinne, in jeder Zelle, seien alle Kräfte und stofflichen Theile vorhanden zur Reproduetion des Ganzen und nicht allein der betreffenden Theile, so ist diese Annahme, wie mir scheint, deshalb nicht be- rechtigt, weil sie sich auf Thatsachen stützt, die einen Sehluss allgemeiner Art nicht zulassen. Wenn die Botaniker den Satz vertheidigen, dass „alle oder doch weitaus die meisten Zellen des Pflanzenkörpers die sämmt- lichen erblichen Eigenschaften der Art im latenten Zustande ent- halten“, so ist das ganz richtig und durch gut beobachtete Er- scheinungen zu begründen. Das gilt auch bis zu einem gewissen Grade von Coelenteraten, Echinodermen, Würmern, Tunicaten. Von den höheren Geschöpfen gilt das aber nicht. Wenn ©. Hertwig!) die Vorstellungen Joh. Müller's als Beweis dafür anführt, dass auch Thierphysiologen und Anatomen, die sich in das Wesen der Zeugung einzudringen bemüht haben, zu demselben Ergebniss (wie die Botaniker von heutzutage) ge- langt sind, und zwar schon zu einer Zeit, wo die Zellentheorie in ihren ersten Anfängen stand, so kann doch selbst das Zeugniss eines so berühmten Mannes, wie Joh. Müller die nach ihm gefundenen Thatsachen nicht wohl erschüttern. Zur Zeit des Erscheinens von Johannes Müller's Lehr- buch der Physiologie hatte man von der Fortpflanzung und Regeneration der Polypen nur die dem Entwieklungsgrad der . damaligen Zeit entsprechenden Kenntnisse. Dass der Polypen- leib aus Zellen bestehe, wurde erst viel später durch Leydig entdeckt. Es war somit für jeden zu Zeit Johannes Müller’s 1) D. Arch. Bd, 36, pag. 97 sqgq. 138 M. Nussbaum: lebenden Forscher unmöglich zu sagen, an welche Theile des Polypenleibes die Fortpflanzung und Regenerationserscheinungen geknüpft seien. Ich will die von OÖ. Hertwig aus Müllers Lehrbuch eitirte Stelle wieder hierher setzen, um zu zeigen, dass wir an der Hand der neueren Untersuchungen uns jedenfalls zu einer abweichenden Ansicht bekennen dürfen, und diese auch zu be- gründen verstehen. Joh. Müller sagte also: „Wenn blosse Stücke einer Planarie, einer Hydra und bei letzterer sehr kleine Stücke die Kraft zur Bildung eines Individuums enthalten, so ruht diese Kraft offenbar in einer Masse von Theilchen, welche, so lange sie mit dem Stamm verbunden waren, speeiellen Fune- tionen des ganzen Thieres dienten und Willenseinfluss erfuhren. In diesen Stücken werden Muskelfasern, Nervenfasern u. s. w. sein. Eine klare Vorstellung dieser Thatsache führt zu dem Schluss, dass ein Haufen thierischer Gewebe von verschiedenen physiologischen Eigenschaf- ten von einer Kraft beseelt sein kann, welche von den specifischen Eigenschaften der einzelnen Gewebe ganz verschieden ist. Die Eigenschaften der Gewebe in einem abgeschnittenen Stück Hydra z. B. sind Zu- sammenziehungskraft der Muskelfasern, Wirkung der Nerven- fasern auf die Muskelfasern u.s.w. Diese Eigenschaften hängen von der Struetur und dem Zustande der Materie in diesen Theilchen ab. Jene Grundkraft hingegen ist identisch mit der, welehe den gan zen Polypen erzeugt hat, wovon das Stück abge sehnitten wurde.“ Das Regenerationsvermögen ist eime Eigenschaft, die schon bei den einfachsten, als einzelne Zellen existirenden Geschöpfen auftritt. Die Protozoen pflanzen sich durch einfache Theilung fort und viele von ihnen können unter günstigen Bedingungen auch künstlich so getheilt werden, dass sobald nur Kern und Protoplasma im Theilstück vorhanden ist, das ganze Thier in kurzer Zeit ergänzt wird. Wie die Befruchtung in gleicher Weise bei Protozoen und Metazoen und Pflanzen verläuft, so ist die Fähigkeit sich zu theilen auch allen Zellen mit den Protozoen Beiträge zur Lehre von der Fortpflanzung und Vererbung. 139 gemein. Gehen Zellen aus dem Verbande im grösseren Organis- mus verloren, so werden sie durch Theilung der zurückgebliebenen wieder ersetzt. Wollte man aber aus der Fähigkeit der einzelligen Orga- nismen, das Ganze aus Theilen zu reprodueiren, eine Vorhersage auf die bei den höheren Wesen zu erwartenden Verhältnisse machen, so würde man mit den Thatsachen sehr bald in Wider- streit gerathen. Vöcehting, der erfolgreichste und umsichtigste Experi- mentator auf dem Gebiete der pflanzlichen Regenerationserschei- nungen, beschränkt die Möglichkeit zur Reproduction der Totalität auf die vegetativen Zellen. Die Hydren regeneriren sich nur aus solchen Körpertheilen, die intermediäre Zellen enthalten. Die ceomplieirten regenerationsfähigen Organe der Wirbel- thiere ersetzen sich nicht aus einer einzigen Matrix, sondern jedes Gewebe wird von seinesgleichen wieder erzeugt. Man sollte glanben, dass da nicht allein keine Nöthigung vorläge, nun allen Zellen oder allen Kernen der Metazoen die latente Fähigkeit zuzusprechen, etwas anderes als seines Gleichen zu ergänzen. Mir scheinen die Thatsachen umgekehrt zu fordern, dass den Zellen und Kernen die Fähigkeit zur Wiederherstellung des Gan- zen verloren gegangen ist, und nur diejenigen Stofftheile in den einzelnen Zellen vorhanden seien, die nur ganz speeifische Kräfte zu entfalten im Stande sind, d. h. in den Bindegewebszellen die Fähigkeit zur Regeneration von Bindegewebe, in den Muskel- zellen zur Neubildung von Muskelfibrillen, in den Drüsenzellen zum Ersatz des Secretionsmaterials, in den Nervenzellen zum Wiederaufbau der Nervensubstanz, in den Epithelien zur Deekung von Epithelverlusten, aber in kemer einzigen Categorie allein die Möglichkeit, ein Organ neuzubilden. Haben aber bestimmte Zellen entweder auf parthenogene- tischem Wege oder nach voraufgehender Copulation mit homo- logen Zellen die Fähigkeit ein Ganzes durch Theilung aufzubauen, zu erzeugen, so wird man doch nicht ohne Weiteres geneigt sein, diese Zellengruppen mit den übrigen des Körpers, von denen diese Fähigkeit in keinem einzigen Falle hat beobachtet werden können, gleich zu setzen. Sie müssen etwas besonderes sein und 140 M. Nussbaum: bleiben, ob sie nun wie bei den höchsten Thieren in bestimmten drüsigen Organen, den Hoden und Eierstöcken, vereinigt sind, oder ob sie weit verbreitet in der Pflanze und im Leibe der niederen Thiere vorkommen. Wir haben uns mehr und mehr seit den Zeiten Lamark’s und Darwin's gewöhnt ein Fortschreiten im der Entwicklung nach dem Prineip der Arbeitstheilung anzuerkennen. Der Darm der niederen Thiere dient der Athmung, der Gallenabsonderung, der Bereitung verdauender Enzyme. Später, in fortschreitender Entwicklung, spalten sich von dem embryonalen Darm der höheren Thiere für die Athmung die Lungen ab; die Leber liefert die: Galle, der Vorderdarm das peptische, das Pancreas das tryptische Ferment. Wollte man wohl glauben, dass die Lunge unter gün- stigen Bedingungen etwa der Gallenbereitung oder der Secretion des pancreatischen Saftes dienen könne? Mir scheint das un- möglich, weil es aller Erfahrung widerspricht und keine einzige Thatsache vorgebracht werden kann, die zu dieser Annahme hinführte. Die Muskelzellen der Hydren bilden noch an ihrer Aussenfläche ein drüsiges Secret und nehmen, je nach der Aus- bildung des seeretionsfähigen Zellenkopfes die verschiedenen Ge- stalten an, wie sie an der Fussscheibe oder am übrigen Körper sich finden. Schneidet man einen Polypen in der Mitte durch, so wandeln sich die Muskelzellen des vorderen Schnittrandes zu (den Drüsenzellen des Fusses um. Der Schnitt führt beim Polypen also die Bedingungen herbei, unter denen die Secretionssphäre der gewöhnlichen Muskelzellen sich vergrössert. Haben sich aber erst bei höheren Thieren Muskel und Drüsenzellen geschieden, so kennen wir bis jetzt auch keine Bedingungen unter denen eine Muskelzelle zur Bildung von Secretionsmaterial, oder eine Drüsenzelle zur Hervorbringung von Muskelfibrillen angeregt wer- den könnte. Warum will man denn bei einer glatten Theilung der Funetionen noch annehmen, dass sie nicht auf einer Theilung der Substanzen beruhe, welche die Arbeit in dem unvollkommneren Organismus zu verrichten hatten? Wir sehen doch bei der Muskel- zelle der Hydren, Muskelfasern und Secretionsmaterial; wir finden bei den höheren Thieren neben Muskelzellen gesonderte Drüsen- zellen, die sich gegenseitig ergänzen, aber nicht mehr vertreten Beiträge zur Lehre von der Fortpflanzung und Vererbung. 141 können. Wäre die Kraft, welche bei den niederen Geschöpfen beide histologischen Elemente in einer einzigen Zelle zur Aus- bildung gelangen liess, noch an stoffliche Theile der funetionell verschiedenen Zellen höherer Thiere gebunden, so müsste für diese Annahme irgend eine Thatsache geltend gemacht werden können. Das geht aber nicht an, und deshalb muss die Annahme, jede Zelle des Körpers enthalte als Abkömmling des Eies Erbmasse in sich und damit die Möglichkeit, unter geeigneten Bedingungen aus sich das Ganze zu reprodueiren hinter derjenigen zurück- stehen, welche mit den Thatsachen in Uebereinstimmung ist. ‚Mir scheint es demnach trotz des Widerspruchs, den dieser Gedankengang von Kölliker und Hertwig erfahren hat, noch immer erlaubt zu sein, die Protozoen und bei manchen In- fusorien den Geschlechtskern mit den Generationsorganen der höheren Thiere zu vergleichen und eine Verschiedenheit zwischen den Gewebezellen der Metazoen und ihren Geschlechtzellen zu finden. Hertwig gedenkt sodann des Einwandes selbst, den wir vorhin des Näheren durchgeführt haben. „Man kann hier nun einwerfen, dass eine Epidermiszelle, eine Knorpel-, Muskel- oder Darmzelle bei den Wirbelthieren doch unter keinen Bedingungen im Stande sei, das Ganze zu reprodueiren und in Folge dessen auch kein Keimplasma enthalten könne. So gewiss das erstere ist, so wenig nothwendig scheint mir das letztere zu sein.* Auch hier führt Hertwig wiederum das Zeugniss des grossen Phy- siologen Johannes Müller an und eitirt folgende Stelle aus dessen Lehrbuch der Physiologie. „Wie kommt es denn, dass gewisse Zellen der organischen Körper, den anderen und der ersten Keimzelle gleich, doch nichts erzeugen können, als ihres Gleichen, d. h. Zellen, aber keines- wegs der Keim zu einem ganzen Organismus werden können? wie die Hornzellen zwar neben sich durch Aneignung der Materie neue Hornzellen, die Knorpelzellen neue Knorpelzellen in sich bilden, aber keine Embryonen oder Knospen werden können? Dieses kann davon abhängen, dass diese Zellen, wenngleich die Kraft zur Bildung des Ganzen enthaltend, doch durch eine spe- cielle Metamorphose ihrer Substanz in Horn und dergleichen eine solche Hemmung erfahren haben, dass sie sowohl bald ihre Keim- kraft am Stammorganismus verlieren und todt geworden sich ab- 142 M. Nussbaum: schuppen, als auch, vom Stamm des Ganzen getrennt, nicht wieder Ganzes werden können.“ Gegen diese Auffassung ist durchaus nichts einzuwenden, da Müller das Nichtzutagetreten der Keimkraft am Stamm- organismus nicht wie Hertwig auf das Fehlen geeigneter Be- dingungen für ihre Entfaltung ableitet, sondern ausdrücklich von einem Verlorengehen derselben spricht. Die Fassung der Erklärung beiJohannes Müller deutet schon darauf hin, dass in diesen Dingen auch andere Vorstellungen zu Recht bestehen könnten. Den Einwand Hertwig’s dagegen, dass die jungen Ei- und Samenzellen Keimsubstanz enthalten und doch nicht in ihrem unreifen Zustande einen neuen Organismus bilden, kann ieh nicht in derselben Weise gelten lassen. In diesem Falle kennen wir genau die Bedingungen, unter denen das Spiel der Kräfte in den Zellen ausgelöst wird. Ei und Samenzellen brauchen nur reif zu werden, um einen Organis- mus zu erzeugen. In allen anderen Fällen haben wir aber die Be- dingungen nicht kennen gelernt. Bis jetzt ist noch aus keiner Knorpel-, Muskel- oder Darmzelle das Ganze reprodueirt worden. Es gibt eine ganze, grosse Menge latenter Kräfte in den Anlagen der Organismen. Wir können aber über diese Kräfte nicht eher etwas aussagen, bis wir ihre Wirkung beobachtet haben. Auch die Anlage der Zähne ist noch kein Zahn; lässt man ihnen aber Zeit zur Entwicklung, so werden sie zu Zähnen, zu nichts An- derem; ebenso wie aus nichts Anderem als den zu einer ganz bestimmten Zeit in Latenz gegangenen Zahnanlagen sich Zähne bilden können. Wir halten somit daran fest, dass nur die Geschlechtzellen die Fähigkeit zur Reproduction des Ganzen und die Gewebe- zellen nur die Kraft zur Regeneration gleichartiger Theile haben. Wer nach Unterschieden zwischen Geschlechts- und Körper- substanz suchen will, findet die bedeutendsten beim Vergleich der Geschlechtskerne (Mieronueleus, Nebenkern) und der Hauptkerne, Macronuclei, der Infusorien. Von der Grösse abgesehen, theilen sich die Geschlechtskerne nach dem Schema der Mitose, die Hauptkerne durch einfache Durchschnürung. Die Geschlecht- kerne bleiben wie ein Grundstock den betreffenden Infusorien erhalten, während die Hauptkerne oder Leibeskerne nach einer Beiträge zur Lehre von der Fortpflanzung und Vererbung. 145 gewissen Zeit des Bestehens spurlos zu Grunde gehen, um von dem Material der Geschlechtkerne aus ersetzt zu werden. Es erübrigt eines Einwandes zu gedenken, den Hertwig gegen Weismann erhoben hat, ohne dass ich direet betheiligt oder genannt wäre. Da ich aber im Grunde genommen mit Bezug auf diesen Punkt dieselbe Anschauung vertrete wie Weis- mann, so soll der Gegenstand auch hier eine Stelle finden. Bekanntlich sind durch Weismann mit Beziehung auf die Unterschiede in der Fortpflanzung der Protozoen und Metazoen die Bezeichnungen sterblich und unsterblich in die Körperwelt eingeführt worden. Mir persönlich scheint auch der Begriff „sterblieh“ und „un- sterblich“, wie Hertwig es ausdrückt, „wenig angebracht“; da alles Lebende sterblich ist. Will man aber damit ausdrücken, dass in dem undifferenzirten Leibe der Protozoen ein das Indi- viduum überdauerndes Etwas vorhanden sei, wie die Geschlecht- zellen der Metazoen das Individuum überdauern, so kann man die Ausdrücke als Schlagwörter wohl gelten lassen. Es wird ohnehin wohl Niemand eingefallen sein, zu glauben, dass alle die- Jenigen, welche auf diesen Gegensatz aufmerksam machten, nun auch der Ansicht seien, es bliebe der ganze Protozoenleib unverändert er- halten, oder es entwickelten sich aus jeder Geschlechtzelle neue Individuen. Dazu sind günstige oder geeignete Bedingungen nöthig. Dass aber ein Individuum unter den Metazoen, die ihm zugemessene Lebensdauer während der ganzen Dauer der Art über ungezählte Generationen hin ausdehne, dazu fehlen nach unseren Erfahrungen alle Bedingungen. Die Langlebigen unter den Menschen sind alle gestorben; das Menschengeschlecht ist erhalten geblieben. Wir haben zum Sehluss noch mit einigen Worten auf den Einwand einzugehen, die Fortpflanzungszellen seien nach einer bestimmten Richtung differenzirte Elementartheile und die zu an- deren Zwecken des Lebens histologisch differenzirten Gewebs- zellen der Pflanzen und niederen Thiere besässen das Vermögen entweder Theile des Körpers (Erscheinungen der Regeneration) oder sogar wie Fortpflanzungskörper den ganzen Organismus wieder zu erzeugen (Hertwig l. c. pag. 100). Die Bezeichnung „histologisch differenzirt“ ist, wie ich 144 M. Nussbaum: glaube, an dieser Stelle zu freigebig gebraucht. Die histologische Differenzirung der Fortpflanzungszellen erhebt sich richt über den Grad der Differenzirung, wie wir ihn bei den Protozoen finden. Ei und Samenzelle stellen zuerst gleich den Amoeben nackte, bewegliche Zellen dar, und überschreiten bei einer Reihe von Pflanzen und Thieren nicht diesen Entwicklungsgrad. Da aber die Eneystirung bei Protozoen vorkommt, so kann auch die Bildung von Dotterhüllen (eutieularen Bildungen) nicht davon “abhalten, den weiblichen Fortpflanzungskörper einem Protozoon zu vergleichen. Dasselbe gilt auch für die Ausbildung eines Wimperapparates bei den Samenfäden, da auch diese Art von histologischer Differenzirung bei den Protozoen sich schon findet. Ebensowenig kann aus der Umwandlung einer Zelle des Eeto- derm ein Widerspruch gegen unsere Auffassung abgeleitet wer- den. Die histologische Differenzirung muss auf die Ausbildung der Gewebe beschränkt werden, die bei den Protozoen noch nicht zur Entwicklung gelangt sind. Soweit unsere Erfahrung reicht, hat man noch nie aus einer Siebröhre, aus einem Milch- saftgefäss, aus einer Nesselzelle, aus Nervenzellen und ihren Endorganen, aus Muskel- oder Drüsenzellen, aus Bindegewebs- zellen ein neues Individuum entstehen sehen. Die Regeneration der einzelnen Theile ist stets an gleichartige Zellen gebunden, die Regeneration des Ganzen an Zellen, die noch keine geweb- liche Differenzirung erfahren haben. Schon früher machte ich darauf aufmerksam, dass die Localisirung der Geschlechtzellen in bestimmten Drüsen sich erst allmählich ausbildet, dass bei Pflanzen und niederen Thieren die Geschlechtzellen weiter ver- breitet im Körper vorkommen als bei den höheren Thieren. Daher können Pflanzen und niedere Metazoen zur Geschlechts- reife gelangende Knospen erzeugen; (die höheren können dies nicht. Die Theilung von Pflanzen und niederen Thieren liefert neue Individuen, der Leib der höheren Thiere ist unzerlegbar. Ebenso wie das Reproduetionsvermögen des Ganzen mehr und mehr mit fortschreitender Ausbildung der Arten auf bestimmte Zellengruppen beschränkt wird, so geht auch die Fähigkeit zur Regeneration verloren gegangener Theile in aufsteigender Reihen- folge mehr und mehr verloren. Niedere Thiere ergänzen Extremi- täten; aber die verloren gegangene Extremität ist dem Tode Beiträge zur Lehre von der Fortpflanzung und Vererbung. 145 verfallen, während jedes Bruchstück geeigneter Pflanzen, eines Polypen sich zum Ganzen wieder heranbildet. Bei allen aber sind nur die Geschlechtzellen, d. h. alle Zellen, welche für die Verrichtungen des Individuum noch keine gewebebildende Thätig- keit entfaltet haben und die bei den Wirbelthieren auf die Ge- schleehtdrüsen beschränkt sind zur Fortpflanzung, zur Repro- (luetion des Ganzen unter den geeigneten Bedingungen befähigt, die bei vielen Organismen durch Parthenogenese oder Knospung, bei den meisten durch die Befruchtung herbeigeführt werden. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 41l 9% 146 Bemerkung zu der Arbeit von Prof. @. C. Huber „Ueber das Verhalten der Kerne der Schwann’- schen Scheide bei Nervendegenerationen“ in diesem Archiv Bd. 40, Heft 3. In seiner unter «dem vorstehenden Titel veröffentlichten Arbeit hat Prof. Huber als wesentliches Ergebniss seiner in der mikroskopisch-biologischen Abtheilung des physiologischen Insti- tutes zu Berlin angestellten Untersuchungen die Vermehrung der Kerne der Sehwann’sehen Scheide bei Nervendegenerationen auf dem Wege der mitotischen Theilung beschrieben. Hierzu erlaube ich mir zu bemerken, dass die von Huber erhaltenen Resultate bereits in ausführlicher Weise in meiner im pathologischen Institut zu Marburg angefertigten Arbeit „Ueber die Degenerations- und Regenerationsvorgänge am Nerven nach Verletzungen“ (Beiträge zur path. Anat. u. allg. Pathol., herausg. von Ziegler, Bd. X, p. 322, sowie Arbeiten aus dem pathol. Institute zu Marburg, herausg. von Marehand, Heft 3, p. 165) mitgetheilt worden sind, wo ausserdem die Bedeutung jener Er- scheinung für den Regenerationsprocess (des Nerven eine ein- eehr de Berücksichtigung erfahren hat. Marburg, im December 1892. Dr. O0. v. Büngner, Privatdocent der Chirurgie. Zur Histologie der menschlichen Retina, spec. der Macula lutea und der Henle’schen F'aserschicht. Von Dr. med. Alfred Schaper, Assistent am anatomischen Institut zu Zürich. Hierzu Tafel XII. In den letzteren Jahren hat im Bereich der Histologie der Sinnesorgane ganz besonders die Endigungsweise der spezifischen Nerven, resp. ihr Verhältniss zu den Sinnesepithelien das Inter- esse der Forscher in Anspruch genommen. Die hierbei an der Hand der Golgi’schen Silber- und Ehrlich’schen Methylenblau- Methode erlangten Resultate haben auch für den feineren Bau der menschlichen Retina erfreuliche Aufklärungen gebracht. Doch ist andererseits nicht zu verhehlen, dass bei diesem Eifer in der Verfolgung der Nervenendigungen die übrigen histologischen Verhältnisse speziell der menschlichen Netzhaut etwas vernach- lässigt worden sind, obgleich auch hier noch manche Fragen offen stehen, deren Beantwortung «durch unsere neueren Methoden der Fixation und Färbung gegen früher jedenfalls erleichtert sein dürfte. Eine gut fixirte menschliche Retina gehört, wie bekannt, zu den histologischen Seltenheiten. Es ist daher begreiflich, wenn der Histolog jede Gelegenheit, die ihn in den Besitz eines solchen Objects bringt, mit Freuden begrüsst, um immer von Neuem wieder jenes so interessante und vielfach durchforschte Organ einer eingehenden Untersuchung zu unterziehen. Diese Gründe mögen es erklären, wenn ich eine solche Gelegenheit benutzend, es unternehme, der riesenhaft angewachsenen Littera- tur über die Retina, zu der unsere bedeutendsten Autoren bei- trugen, im Folgenden noeh einige kleine ergänzende Nofizen hin- zuzufügen. Archiv £, mikrosk. Anatomie. Bd. 41. 10 148 Alfred Schaper: Im verflossenen Sommer erhielten wir durch die Güte des Herm Dr. A. Fick, Dozent für Ophthalmologie an der hiesigen Universität, ein wegen eingedrungenen Fremdkörpers (im übrigen vollständig gesundes) enucleirtes Auge eines 57 jährigen Mannes. Dasselbe war unmittelbar nach der Operation in con- centrirter Sublimatlösung fixirt worden und zwar derart, dass nach theilweiser Eröffnung des Bulbus durch einen Aequa- torialschnitt derselbe so umgestülpt wurde, dass die Retina an der Aussenfläche desselben zu liegen kam. — Bald darauf ange- fertigte Schnitte durch die Netzhaut zeigten, dass sich dieselbe einer selten schönen Conservirung in allen ihren Schichten er- freute. Besonders auffällig war zunächst die ungewöhnliche Mächtigkeit der sog. Henle’schen Faserschicht m Schnitten, dieder äquatorialen Zone der Retina entnommen waren. Auf diese Thatsache hin veranlasste mich mein verehr- ter Chef, Herr Professor Stöhr, die Verbreitung dieser Schicht durch die Retina weiter zu verfolgen und ausserdem die Ma- eula lutea, an deren Zusammensetzung jene Faserschicht be- kanntlich einen Hauptantheil nimmt, einer gründlichen Nachun- tersuchung zu unterziehen. — Diese Aufgabe erschien bei der vorzüglichen Conservirung des Präparates von vornherein loh- nenswerth. Leider jedoch ergab die spätere Untersuchung der Maeula eine derartige starke Faltung der Schichten an dieser Stelle, dass ein richtiger Einblick in die topographischen Ver- hältnisse derselben unmöglich gemacht war. — Es bot sich mir hier ein Ersatz in einigen Präparaten der Macula, die mir von Herrn Professor Haab in liebenswürdiger Weise zur Verfügung gestellt wurden. Dieselben entstammten dem enucleirten Auge eines 60Jjährigen Mannes, waren ebenfalls im Sublimat fixirt und zeig- ten eine für meine Zwecke tadellose Conservirung. — Herrn Pro- fessor Haab sowohl wie Herrn Dr. Fick an dieser Stelle mei- nen besten Dank für ihr freundliches Entgegenkommen! Ehe ich mit der Darlegung meiner Untersuchungen be- ginne, muss ich vorausschieken, dass mir erst nach Abschluss derselben eine grössere Arbeit jüngsten Datums von Fr. Dim- mer!) in die Hände fiel, in welcher dieser Autor zur Erklärung 1) Dimmer, Fr., Die ophtalmoskopischen Lichtreflexe der Netz- haut. Nebst Beiträgen zur normalen Anatomie der Netzhaut. Leipzig und Wien 1891. Zur Histologie der menschlichen Retina etc. 149 gewisser ophthalmoskopischer Effeete der Retina auch der Ma- eula und speciell der Fovea centralis eine sehr sorgfältige und ausführliche Untersuchung zu Theil werden liess. Nach Kenntnissnahme dieses Werkes stellte sich heraus, dass ein gros- ser Theil der Beochachtungen Dimmers mit meinen Resultaten in Betreff der Histologie dieses Retinalabschnittes durchaus über- einstimmten. Ich bin daher in der Lage, dieselben bestätigen zu können. Nichtsdestoweniger habe ich in Bezug auf die Fo- vea noch einige Bemerkungen hinzuzufügen. — Eins aber ver- misse ich besonders in der Dimmer’schen Arbeit; nämlich eine in histologischen Details ausgeführte Ab- balidiau ng: sW üricbiesitzen »bishlezi keine»'isoilchie:. Die nach der Natur ausgeführten Zeichnungen von Henle!), Hulke?) und Wadsworth?) entsprechen nicht mehr den heutigen An- forderungen der Histologie, was z. Th. wohl der Mangelhattig- keit der zu Grunde liegenden Präparate zuzuschreiben ist. Die Merkel’sche*) Abbildung illustrirt im Wesentlichen nur das Stützgerüst der Maeula. ‘Alle übrigen Abbildungen, unter diesen die von M. Schultze’) und Schwalbe®), sind rein schematisch und geben, abgesehen von theilweisen Unrichtigkeiten, nur schwer einen Begriff von den thatsächlichen Verhältnissen. Auch die Dimmer schen Figuren (l.e. pag. 167 und 174) sind stark schematisch gehalten und füllen daher trotz ihrer sonstigen Klarheit die bestehende Lücke nicht aus. Dem Autor ist hieraus kein Vorwurf zu machen, da sein Werk im Hauptziel andere Zwecke als histologische verfolgt. Aus diesen Gründen füge ich meiner Arbeit eine Abbildung bei, die, wenn sie auch nicht we- 1) Henle, J., Handb. der systematischen Anatomie des Menschen. I. Bd. Eingeweide-Lehre. Braunschweig 1873, pag. 690 und 691. 2) Hulke, On the Anatomy of the Fovea centralis of the human Retina. — Phil. Transact. of the Royal Soc. of London 1868, pag. 109. Rat. Val. Pie. 15. 3) Wadsworth, O.F., The Fovea centralis in Man. Beiträge zur Ophthalmologie. Festgabe für Friedr. Horner 1831. 4) Merkel, Fr., Ueber die Macula lutea des Menschen und die Ora serrata einiger Wirbelthiere. Leipzig 1870. Taf. 1. Fig. 12. 5) Schultze, M., Zur Anatomie und Physiologie der Retina. — Arch. f. mikr. Anat. 1866 pag. 175. Taf. XIII. Fig. 1, 2 und 3. 6) Schwalbe, G., Lehrb. der Anatomie der Sinnesorgane. Er- langen 1887. pag. 112. 150 Alfred Schaper: sentlich Neues bietet, doch den Vorzug besitzt, dass sie nach einem gut fixirten Präparate bei hinreichender Vergrösserung ge- nau mit dem Zeichenapparate entworfen und durchaus naturgetreu ausgeführt ist. Es würde mich freuen, hiermit einem bestehen- den Mangel abgeholfen zu haben. Was zunächst das Relief der Fovea centralis an- betrifft, so habe ich mich überzeugen können, dass dasselbe ausserordentlichen Schwankungen unterworfen ist. Auch frühere Autoren weisen bereits auf diese Thatsache hin, die ausserdem durch die Differenzen in den vorhandenen Abbil- dungen zur Genüge illustrirt wird. Den geringsten Abfall (10—12°) der Fovea finden wir in Fig. 31 der Dimmer ’schen Arbeit, den steilsten (eirca 65—70°) in der Abbildung von Hulke. Zwischen diesen beiden Extremen sind alle möglichen Ueber- gänge abgebildet worden. Eine Erklärung für diese beträcht- lichen Unterschiede ist einerseits in der Behandlungsweise der Präparate, andererseits auch zweifelsohne in individuellen Schwan- kungen zu suchen, wenngleich letztere, wie nach Dimmer’s Angaben der ophthalmoskopische Befund beweist, nur innerhalb gewisser Grenzen statthaben können. Unter diesen Umständen verzichte ich auf bestimmtere Maassangaben. Meine Abbildung (Fig. 1), die einen Horizontalschnitt durch die Macula darstellt, gibt in dieser Beziehung mittlere Verhältnisse wieder, wie sie nach meinen Beobachtungen als die häufigeren angesehen werden dürfen, da in allen gut fixirten Präparaten der Neigungswinkel der Fovea niemals jene von Dimmer und Hulke angege- benen Extreme erreicht. Auffällig ist, dass die Fovea auf der Seite des Optieuseintritts (Fig. 1. M) steiler abfällt als auf der entgegengesetzten. Ob dies als Regel zu betrachten ist, habe ich nieht eonstatiren können, ist mir aber aus später anzuführen- dden Gründen wahrscheinlich. Ferner zeigt sich im Grunde der Fovea die Andeutung einer Foveola (Fig. 1,F) (Kuhnt), auf (dleren Vorhandensein ich jedoch kein besonderes Gewicht legen möchte, zumal ich sie nicht in allen Fällen antreffen konnte. 3ezüglich der einzelnen Schichten der Macula will Simmer sehr bedeutende Verschiedenheiten in den von ihm untersuchten 5 Fällen beobachtet haben. Ich muss sagen, dass die vonDimmer aufgeführten Differenzen mir ee- teris paribus durchaus nicht so wesentlich er- Zur Histologie der menschlichen Retina etc. 151 Beheinenvehenso wenig wielieh im den mir'zur Verfügung stehenden Präparaten fundamentale Abweichungen auffinden konnte. — In der Bildung der Fovea centralis soll lediglich dem Zweck entsprochen werden, den in das Auge eintretenden Lichtstrahlen an einer Stelle der Netzhaut möglichst ungehinderten Durehtritt zu den pereipirenden Elementen derselben, also zu den Sehepithelien, frei zu geben, um hiermit einen Ort schärfsten Sehens zu gewinnen. Es handelt sich also lediglich darum, die an der Perception des Liehtes nicht betheiligten Schichten der Retina nach Möglichkeit aus diesem Punkte zu elimimiren. Daraus resultirt einmal jene äusserste Ver- dünnung der Netzhaut, die dem Fundus foveae entspricht und andererseits die dadurch bedingte Verdiekung der Sehiehten in der Umgebung derselben, welcher die Maeula ihre Existenz ver- dankt. Die Dickenzunahme der Retina im Bereich des gelben Flecks beruht also zum grössten Theil auf einer seitlichen Verdrängung der meisten Netzhautelemente aus dem Raum der Fovea, verbunden mit einer umschriebenen Anhäufung derselben. Dazu kommt noch, dass einzelne Schichten, wie z. B. die Gang- lienzellenschicht obendrein eine Vermehrung ihrer Elemente er- fahren. — Halten wir an diesem mechanischen Prinzip im Aufbau der Maeula lutea fest, so istessowohlinhistologischer als physiologischer Hinsicht von recht geringer Bedeutung, ob die eineoder andere Schicht etwas früher oder später aus dem Centrum der Fovea verschwindet oder mit benachbarten zusammen- fliesst; ebenso wie es recht gleichgültig ist, ob einige wenige Elemente der einen oder andern Schicht noch am Grunde der Fovea anzutreffen sind, oder ob mit anderen Worten einzelne Schich- ten ohne Unterbrechung, aber in äusserster Ver- dünnung unter dem Fundus foveae hinwegziehen. In meiner Abbildung (Fig. 1), die emem Schnitte entstammt, der genau durch das Centrum der Fovea geht, ist letzteres z. B. der Fall. Nichtsdestoweniger wäre es wohl kaum gerechtfertigt, wenn ich mich aus diesem Grunde im einen Gegensatz setzen wollte zu jenen Autoren, welche das Vorhandensein jener Schich- ten am Boden der Fovea leugnen, resp. dasselbe in ihren Präpa- raten nicht beobachtet haben. — Ich habe die Ueberzeugung 152 Alfred Schaper: gewonnen, dass aus natürlichen Gründen ebenso wie in den Reliefverhältnissen der Fovea so auch in dem Verhalten der Netzhautschichten im Be- reich derselben die mannigfachsten Variationen statthaben können ohne Beeinträchtigung des physio- logischen Zwecks dieser Region. Aus denselben Gründen sind meiner Meinung nach auch für diese Verhältnisse genauere Maass- bestimmungen durchaus werthlos. Ich sehe daher von solchen vollständig ab. Sei es mir nun gestattet, von solehen Gesichtspunkten aus die eimzelnen Schichten der Retina bezüglich ihres Verhaltens im Bereich der Maeula und Fovea einer kurzen recapitulirenden Betrachtung nach Maassgabe der früheren Autoren und meiner Ergänzungen zu unterwerfen. I: Die Zapfenschtichts (Fig. 1) Die Schieht des Sehepithels setzt sich, wie Henle ent- deekte, lediglich aus Zapfen zusammen, welche diejenigen der übrigen Netzhautpartien an Länge übertreffen, aber schmäler sind als diese. Ihre Länge scheint nach den Angaben der meisten Autoren zwischen 0,04 und 0,05 mm zu schwanken. Ich selbst maass 0,05 mm. Die Dicke der Innenglieder betrug nahe dem Centrum der Fovea 0,002 mm. Das Aussenglied ist um ein Geringes länger als das Innenglied. Nach Kuhnt!) sind die Innenglieder am Fundus foveae schräg gestellt, entsprechend dem hier am ausgeprägtesten schrägen Verlauf der Zapfenfasern. Auch ich habe an einem meiner Präparate eine Convergenz der freien Enden der Zapfen gegen die Mitte der Fovea beobachten können. Ich halte jedoch diese Erscheinung für eimen künst- lichen Druckeffeet, zumal sie an den übrigen Präparaten nicht zu constatiren war. II. Membrana limitans externa. (Fig. 1b.) Die äussere Grenzmembran zieht nach meiner Beobachtung geradlinig über die Fovea hinweg. Auch Dimmer (l. ce. pag. 180) hebt dies in Uebereinstimmung mit Kuhnt, Schwalbe, 1) Kuhnt: Ueber den Bau der Fovea centralis des Menschen. Sitzungsb. der ophthalmolog. Ges. in Heidelberg 1891, pag. 141. Zur Histologie der menschlichen Retina ete. 153 Merkel und Henle ausdrücklich in seiner Arbeit hervor. Die frühere Angabe M. Schultze’s, der sich neuerdings zwar Wadsworth (. e.) wieder anschliesst, dass nämlich die Limi- tans externa eine Einbiegung nach vorn gegen den Fundus foveae erfahre, kann so vielen entgegengesetzten Beobachtungen gegen- über wohl als irrthümlich bezeichnet werden. II. Die äussere Körnerschieht (Schicht der Zapfenkörner). (Fig. le.) Die hier nur aus Zapfenkörnern bestehende Schicht ist bis dieht an den Fundus foveae heran nicht dieker als in den übrigen Partien der Netzhaut, eher sogar etwas dünner als in der Um- gebung der Macula. Erst hier pflegt eine geringe Verbreiterung derselben einzutreten, mit der gleichzeitig eine Schrägstel- lung der nunmehr oval gewordenen Kerne und zwar in der Riehtung der ebenfalls schrägverlaufenden Zapfenfasern verbunden ist. Ausserdem treten früher oder später die Körner in spitzem Winkel von der Limitans externa ab, um über der Mitte der Fovea ihre grösste Ent- fernung von derselben zu erreichen. An dieser Stelle finden sich die Körner nur noch spärlich und liegen entsprechend der starken Divergenz der Zapfenfasern weiter auseinander. So findet sieh also unter der Limitans externa in der Mitte der Macula ein körnerfreier, nur von den hier divergend verlaufenden Zapfen- fasern eingenommener Raum von der Gestalt eines gleiehschenk- ligen, stumpfwinkligen Dreiecks, «dessen Spitze gegen den Fundus foveae gerichtet ist. Es ist unter diesen Umständen nieht ausgeschlossen, dass in der Mitte der Ma- eula die Zapfenkörner in geringem Umfange auch gelegentlich fehlen können. — Kuhnt (l. e.) schildert diese Verhältnisse anders, obgleich die nach einem seiner Prä- parate angefertige Zeichnung Schwalbe’s mehr meiner Dar- stellung, die sich denen der übrigen Autoren anschliesst, ent- spricht. Er schreibt nämlich: „Hierselbst (in der Foveola fundi) lagern auch die Zapfenkörner nur in einfacher Lage neben ein- ander und der Limitans externa unmittelbar an. Von da an aber rückten einzelne Körner, deren Durchmesser grösser als der der zugehörigen Innenglieder der Zapfen ist, von der Limitans externa ab und begannen eine Art zweiter Lage zu 154 Alfred Schaper: bilden.“ — Ich will diese Angabe Kuhnt's auf ihre Richtigkeit hin nicht bezweifeln. Jedenfalls ist sie aber, vorausgesetzt, dass sein Schnitt wirklich durch die Mitte der Fovea ging, als eine Abweichung von der Regel zu betrachten, nachdem sowohl ich als viele andere nur das oben angeführte Verhalten der Körner- schicht beobachten konnten. IV. Die Henle’scehe Faserschicht. (Aeussere Faser- schicht, Schicht der Zapfenfasern.) (Fig. 1d.) Den Angaben über die Struktur dieser Schicht habe ich nichts Wesentliches hinzuzufügen. Der schräge Verlauf der Zapfen- fasern wurde zuerst von Bergmann beobachtet und beschrieben. Genauere Angaben darüber verdanken wir den Untersuchungen Henle’s, die ich in vollem Umfange bestätigen kann. In keinem meiner Präparate konnte ich einen geradlinigen Verlauf der Fasern ceonstatiren, wie Dimmer beschreibt und abbildet. Viel- mehr verliefen sie stets in einer gestreckten »förmigen Bogen- linie, derart, dass sie in steiler Riehtung aus der äusseren Kör- nerschicht hervortretend eine Strecke weit mehr oder weniger in der Längsrichtung der Schicht verliefen, um dann plötzlich, mehrere zu einem Bündel vereint, fast senkrecht in die äussere granulirte Schicht auszulaufen. In gewisser Entfernung von dem Centrum der Fovea treten die Fasern auch aus der Körnerschicht in Bündel gruppirt aus. Die Faserschieht verdünnt sich nach dem Fundus foveae ziemlich schnell, fehlt aber auch hier nieht völlig, wenngleich sie durch die starke Divergenz der Fasern auf ein Minimum re- duzirt ist. Wenn Dimmer diese Schicht in der Mitte der Fovea fehlen lässt, so beruht dies wohl auf einem Irrthum; denn so- lange Zapfenkörner am Grunde des Fundus sich finden, müssen natürlich auch Zapfenfasern hier vorhanden sein. V. Die äussere retieuläre oder subepitheliale Schicht. (Aeussere granulirte Schicht, Zwischenkörnerschicht, Schicht der Nervenansätze.) (Fig. 1e.) Nach Henle ist ene äussere reticuläre Schicht, soweit die Fasern der äussern Faserschicht in der Ebene der Retina streichen, nieht nachweisbar. M. Schultze, Merkel und Sehwalbe jedoch beobachteten eine solche und geben Zur Histologie der menschlichen Retina etc. 155 sie auch in ihren Abbildungen wieder. Letzterer lässt sie sich im Gebiet der Macula nebst der inneren granulirten Schicht so- gar um ein Geringes verbreitern. Neuerdings ist das Vorhanden- sein dieser Schicht wiederum durch Dimmer bestätigt, dem ich mich nach meinen Beobachtungen anschliessen kann. Darin stimmen alle Autoren überein, dass die äussere sowohl wie die innere retieuläre Schicht sich nach der Fovea zu allmählich ver- (dünne, um im Centrum derselben zu verschwinden oder richtiger gesagt, in jene dichtere, ebenfalls granulirt erscheinende, zum grössten Theil wohl aus Stützgewebe bestehende Maasse über- zugehen, welche den Raum am Boden der Fovea zwischen der äusseren Faserschicht und der Limitans interna einnimmt. Nach Schwalbe’s Ansicht handelt es sich in diesem Gebilde wahr- scheinlich um emen Rest der gesammten retieulären Substanz der Gehirmschieht. In dieselbe sind, wie wir unten sehen wer- den, auch noch vereinzelte Elemente der beiden gangliösen Schich- ten eingebettet. — An dem der Faserschicht zugekehrten Rande der äusseren granulirten Schicht beobachtete ich auch jene von Merkel (l. ec. pag. 10) schon beschriebenen, „nach Art einer mathematischen Hilfslinie“ in einer unterbrochenen Reihe zu- sammengestellten plattenförmigen Körpercehen, auf die ich später noch zu sprechen kommen werde. VI. Die innerere Körnerschicht. (Körnerschicht, innere gangliöse Schieht, Ganglion retinae.) (Fig. 1f.) Diese Schieht ist im Gebiet der Macula durch Vermehrung ihrer Elemente fast um das Doppelte verbreitert. Die Körner sind um ein Geringes grösser als die der äusseren Körner- schicht, aber kleiner als die Ganglienzellen. Gegen die Fovea zu verdünnt sich die Schicht allmählich, verläuft in leichter, dem Abfall der Fovea angepassten Krümmung auswärts und vereinigt sich in geringer Entfernung vom Fundus mit der Ganglienschicht. Vereinzelte Zellen beider Schichten finden sich ohne bestimmte Anordnung untereinanderge- mischt auch am Boden des Fundus foveae einge- lagert in jene oben erwähnte dichte retieulirte Substanz, wobei sie an die von der Limitans externa gegen den Fundus zu herab- getretenen Körner der äusseren Körnerschieht anstossen. Hier- dureh wird eine Verbindung mit den entspreehenden auf der 156 Alfred Schaper: gegenüberliegenden Seite der Fovea gelegenen Schichten herge- stellt. Das vollständige Fehlen der beiden gangliösen Schichten am Fundus foveae, was von vielen Autoren, auch jüngst wieder von Dimmer als die Regel angesehen wird, habe ich nur dann beobachten können, wenn die Fovea ein ausserordentlich flaches Relief zeigte, so dass der Boden derselben auf längere Strecke eben verlief. Da ein solches Verhalten der Fovea aber kaum als das normale angesehen werden kann (ich habe es eigentlich nur an schlecht fixirten Präparaten gefunden), so ist wohl auch das Fehlen dieser Schichten im Fundus foveae nicht als Regel aufzustellen. Es besteht daher die Schilderung Henle's (l. e. pag. 693) zu Recht: „Die beiden gangliösen Schichten fliessen zuerst unter sich und im eigent- lichen Centrum der Fovea mit der Körnerschichte zu einer Kör- nerlage von 0,08 mm Mächtigkeit zusammen, in welcher die Grenzen der einzelnen Schichten nicht mehr erkennbar sind.“ VO. Die innere reticeuläre Schicht. (Innere granulirte Schicht.) (Fig. 1g.) Auch diese erfährt im grössten Durchmesser der Macula eine geringe Diekenzunahme, die jedoch bald einer all- mählichen Verschmälerung wieder Platz macht, indem die Schicht zwischen den convergirenden gangliösen Schichten verlaufend sich nach und nach zuspitzt, um dort wo die letzteren -zusammen- fliessen ihr Ende zu erreichen. VII. Die Ganglienzellenschieht. (Ganglion nervi optici.) (Fig. 1h.) Diese nimmt bekanntlich durch die ausserordentliche Ver- mehrung ihrer Elemente nebst der äussern Faserschicht den w e- sentlichsten Antheilan der Verdiekung der Retina im gelben Fleek. Auch sie verdünnt sich gegen die Fovea zu, indem sie im Bogen zum Fundus derselben herabsteigt und hier jene oben erwähnte Vermischung mit der inneren Körnerschicht eingeht. Auch sie ist also am Boden der Fovea der Regel nach noch durch einzelne Elemente ver- treten. — Die Form der Ganglienzellen ist, wie von Merkel zuerst angegeben wurde, eine birnförmige. Das spitze Ende derselben ist meist der Mitte der Fovea zugewandt. Zur Histologie der menschlichen -Retina- ete. 157 IR. Die Nerwenfasersehicht.s (Fig. 11) Eine zusammenhängende Nervenfaserschicht hört, wie Dim- mer und vor ihm Andere bereits beobachteten, im sehr wech- selnder Entfernung von der Mitte der Fovea auf, erstreckt sich aber immer über die Höhe der Netzhautan- schwellung hinweg (Dimmer, ich). Sie ist bei der grossen Menge von Ganglienzellen auffallend dünn; auf der Seite des Opticuseintritts jedoch, wie ich eonstatiren konnte, immer dicker als auf der ent- gegsengesetzten. Auch sind veremzelte Fasern hier weiter gegen den Grund der Fovea zu verfolgen. Die Schicht der Ganglienzellen ist dort, wo. die Nervenfasern zu fehlen scheinen, noch durch einen dünnen Saum einer granulirt er- scheinenden Substanz von der Limitans interna getrennt (Kuhnt, ich). Dass die Nerven im Grunde der Fovea nicht wirklich fehlen können, ist von Henle und Mer- Belthereits. Detont und neuerdings von Dogiel?) nachgewiesen worden; sie entziehen sich in Folge ihres eigenthümlichen Verlaufes im Gebiet der Macula nur unserer Beobachtung, oder präsentiren sich wenigstens nicht in dem ge- wohnten Bilde. Es verlaufen nämlich nach den Untersuchungen Michel’s?) und Dogiel’s (l. e.) die in dem Raum zwischen Optieuseintritt und Maecula befindlichen Fasern in gerader radiärer Richtung. Dies ist jene zusammenhängende Lage, die sich in unserer Abbildung in der Längsrich- tung getroffen documentirt (Fig 1, M). Die zur Seite dieses Bündels (Macula-Bündel) aus der Papille hervorgehenden Fasern ziehen jedoch in leichten, mit der Concavität jenem Bün- del zugekehrten Bogen zur Macula, und zwar treten die den geradeverlaufenden Fasern zunächstliegenden von oben und unten in dieselbe ein, während die äusseren convexen Fasern kreis- förmig auf der entgegengesetzten Seite um die Macula herum- 1) Dogiel, A. S., Ueber die nervösen Elemente in der Retina des Menschen. Arch. f. mikr. Anat. Bd. 40. 1892, pag. 29. 2) Michel, J., Ueber die Ausstrahlungsweise der Opticusfasern in der menschl. Retina. Beitr. zur Anat. und Physiol. C. Ludwig ge- widmet, 1874. 158 Alfred Schaper: ziehen. Letztere können daher in einem gleichzeitig durch Maeula und Papille gelegtem Schnitt nur der Quere nach getroffen in Erscheinung treten und geben dann, wie in unserer ‚Abbildung (Fig. 1, L), die Bedingung zu jener auf der dem Optieusemtritt entgegengesetzten Seite liegen- den, gekörnt erscheinenden Nervenlage. — Endlich hat Dogiel noch nachgewiesen, dass die Nervenfaserschicht in Gestalt einer sehr dünnen und weitmaschigen, aus feinen Bündel- chen und einzelnen Achseneylindern bestehenden Schicht auch im Grunde der Fovea vorhanden sei. X. Membrana limitans interna. (Fig. 1k.) Hier bleibt mir nur übrig, die Angaben Merkels (l. e. pag. 12) zu bestätigen. Die Membran erreicht an der breitesten Stelle der Macula eine beträchtliche Dieke (nach Merkel 0,003 mm). Sobald sie sieh jedoch in die Fovea hinabsenkt, verdünnt sie sich von Neuem, um am Grunde derselben nur noch als jener feine strichtörmige Contour wie im übrigen Theil der Retina zu erscheinen. Sie macht im Bereich der Macula durchaus den Eindruck einer selbstständigen Membran, wie auch Merkel be- reits hervorhob. Häufig sieht man an Schnitten diese Membran als scharf begrenzte Linie von der Unterlage abgehoben. Für die Gesammtheit der histologischen Struc- tur der Macula möchte ich noch hinzufügen, dass meist alle Schichten auf der'Seiterdes Opticuseintridte mächtiger sind als auf der entgegengesetzten Seite der Fovea. Ich konnte dies Verhalten, auf welchem jedenfalls jener obenerwähnte steilere Abfall der Fovea an der medialen Seite beruht, in allen meinen Präparaten beobachten. Auch die Abbildung gibt diese Verhältnisse deutlich wieder. (Fig. 1,M.) In Bezug auf die Stützsubstanz des gelben Fleckes ist zu bemerken, dass dieselbe im Vergleich zu ihrer Ausbildung im übrigen Theil der Netzhaut hier bedeutend zurück- tritt. Daher rührt wesentlich seine grössere Weichheit und das raschere Auftreten von postmortalen Veränderungen (Toldt). Deutliche Müller’sche Radialfasern habe ich nirgends in meinen Präparaten wahrnehmen können. Nur vereinzelt sah ich zarteste Zur Histologie der menschlichen Retina etc. 159 Stützsubstanzfasern zwischen den zelligen Elementen verlaufen. An einem meiner Schnitte, der nieht durch die Mitte der Fovea sing, konnte ich auch mit grosser Deutlichkeit jenen von Mer- kel (l. e.) abgebildeten zarten Stützapparat der Henle’schen Faserschicht constatiren. Alle früheren Autoren stimmten darin überein, dass die Fovea centralis der Blutgefässe entbehre. Auch Schwalbe spricht in seimem Lehrbuche über die Anatomie der Sinnesor- gane (1887) noch von einem etwa 0,5 mm im Durchmesser halten- den sefässlosen Bezirk (H. Müller, Leber, Becker) im Grunde der Fovea. Vorher jedoch hat schon Wads- worth (l. e. pag. 108) in einer Entfernung von nur 0,576 mm vom Centrum der Fovea noch Capillargefässe angetroffen. Ich selbst habe dieselben noch näher dem Centrum, nämlich 0,152 mm von demselben beobachten kön- nen. Der Umfang eines solchen gefässlosen Bezirks, dessen Existenz durch äusserst zuverlässige Injectionspräparate (H. Mül- ler) sichergestellt ist, wird überhaupt ein sehr wechselnder sein und ineinem bestimmtenVerhältniss stehen zu der Menge der im Centrum der Fovea noch vorhan- denen Ganglienzellen, da ja bekanntlich nur die nervösen Schichten der Retina (wenigstens beim Menschen) gefässführend sind. Jedenfalls sind die bisherigen Maassangaben überudensgiefässlosensFleek der-Retinaudement- sprechend bedeutend zu redueiren, oder wenig- Suenssinsweitenre'Grenzen’zu fassen. Ich komme nunmehr zum zweiten Theile meiner Unter- suchungen, nämlich zur Betrachtung der Netzhautgebiete ausser- halb.der Macula lutea, wobei ich besonders die sog. Henle’sche Faserschicht im Auge habe. Für die Structur der übrigen Schichten und ihrer sie zusammensetzenden Elemente bleiben mir nur einige wenige Bemerkungen übrig. Die Schicht der schrägverlaufenden Zapfenfasern im Gebiet der Macula lutea, wo sie jene mächtige Entwicklung erlangt, wurde meines Wissens zuerst im Jahr 1854 von Berg- 160 Alfred Schaper: mann!) beschrieben. In den folgenden Jahren wurde sie Ge- genstand eingehender Untersuchungen von Seiten Henle’s und M. Schultze's. Besonders Ersterem verdanken wir die ge- nauesten Angaben über die Structur und Verbreitung derselben. Während früher diese Schicht einfach der in der Macula stark verdickten „Zwischenkörnerschicht* zugezählt wurde, führte Henle zuerst eine Sonderung derselben von der eigentlichen Zwischenkörnerschicht ein und nannte sie die äussere Faser- schicht. Ihm zu Ehren erhielt sie später, wie bekannt, den Namen der Henle’schen Faserschicht. M. Schultze allerdings sprach sich gegen die Einführung einer besonderen äusseren Faserschicht im Henle’schen Sinne aus, indem er gel- tend machte, dass dieselbe nur eine Modification der äusseren Körnerschieht darstelle, bedingt durch das Zurücktreten der Körner und einer dadurch entstandenen zellarmen Unterabtheilung derselben von rein faseriger Structur. Dementsprechend schlug er die Bezeichnung „innere Abtheilung der äusseren Körnerschicht* vor. Nichtsdestoweniger hat sich die Bezeichnung der Henle’- schen oder äusseren Faserschicht — wohl aus practischen Grün- den — bis auf den heutigen Tag erhalten. Ausserin derMacula kommt nun diese Faser- sehieht auch im übrigen Bereich der Netzhaut vor. Wiederum verdanken wir Henle hierüber die ersten aus- führlicheren Angaben, die noch heute als durchaus zutreffend bezeichnet werden können. Er schreibt darüber (l. e. pag. 667): „Zwischen musivische und nervöse Schicht der Retina tritt bei den Säugethieren zuweilen, ohne dass eine Species oder Region des Auges bevorzugt schiene, beim Menschen häufig und im cen- tralen Theil der Retina des letzteren regelmässig eine Zwischen- schiehte hinzu, aus Fasern bestehend, welche die musivische Schichte mit der nervösen verbinden. Die Zwischenschichte, die ich äussere Faserschiehte nennen werde, ist nur an Diekendurch- schnitten der erhärteten Retina nachweisbar. Die Fasern ver- laufen in der thierischen und im peripherischen Theil der mensch- lichen Retina radiär d. h. durch die Dieke der Retina; in der Maecula lutea und eine grössere oder geringere Strecke weit im 1) Bergmann, Zur Kenntniss des gelben Flecks der Netzhaut, Zeitschr. f, rat. Med, Bd. V. 1854, pag. 245. Zur Histologie der menschlichen Retina ete. 16 Umfange derselben haben sie emen flächenhaften Verlauf ..... Wo die äussere Faserschicht ausserhalb der Macula lutea in an- sehnlicher Mächtigkeit vorkommt, haben die Fasern einen radiären Verlauf und sind in Bündel gesondert, welche grosse, eliptische, in einer auf die Retina senkrechten Richtung verlängerte, Lücken einschliessen .. .. . Die Ausdehnung, bis zu welcher die radiären Fasern sich peripherisch erstrecken, scheint keiner Regel unter- worfen zu sein; in dem einen Auge fand ich sie noch in der Nähe der Ora serrata, in einem anderen waren sie medianwärts von der Eintrittsstelle des Sehnerven dieht neben derselben nicht zu finden. Die Grenze zu treffen, wo die äussere Faserschichte sich verliert und Körner- und äussere granulirte Schichte in Berührung treten, ist mir bis jetzt nicht gelungen. Auch kann ich nieht behaupten, dass der Mangel der äusseren Faserschichte nur den peripherischen Partien der Retina eigen sei, und dass sie nicht peripherisch wieder auftreten könne, nachdem sie bereits von der Macula lutea her sich verloren hat.“ Das Bestehen dieser von Henle so ausführlich beschriebenen Faserschieht auch ausserhalb der Mueula scheint nun bei den neueren Autoren völlig in Vergessenheit gerathen zu sein. Alle modernen Lehrbücher erwähnen dieselbe fast ausschliesslich nur bei Betrachtung der Macula lutea oder höchstens noch in deren nächster Umgebung im Augenhintergrunde. Nur Kölliker!) hebt in seinem Lehrbuehe im Anschluss an Henle hervor, dass die „äAwischenkörnerlage“ an vielen Stellen deutlich aus zwei Theilen bestehe; nämlich aus der äusseren Faserschicht und der äusseren feinkörnigen Lage (eigentliche Zwischenkörner- schicht, die heutige äussere reticuläre Schicht. Am Aequa- tor sollnaeh ihm die Faserschicht fehlen, um je- doch weiter nach vorn von Neuem aufzutreten. In seinen Abbildungen (l. e. pag. 668, 677, 680), die übrigens nur dem Augenhintergrunde entnommen sind, ist diese Differen- zung der „Zwischenkörnersehieht“ nicht ausgeführt wor- den. — In den Abbildungen der übrigen Autoren (M. Scehultze, Toldt, Orth, Schenk etc.) findet die Henle’sche Faser- schieht entweder gar keine Berücksichtigung oder wird in den- 1) Kölliker, Handb. der Gewebelehre des Menschen. Leipzig 1867, pag. 673. 162 Alfred Schaper: selben, wenn sie gezeichnet ist, so z. B. bei Stöhr!) äussere reticuläre Schicht benannt und so mit der eigentlichen reti- eulären Schieht (äussere granulirte Schicht) fälschlich eonfundirt. Die einzige Abbildung, im welcher nach Henle die äussere Faserschicht als solche neben der äusseren reticulären bezeichnet ist, finden wir in dem Schwalbe’schen Schema (l. e. pag. 98), das nach dem bekannten Schultze’schen modifieirt ist. Ich habe mich nun an einer Anzahl von Netzhautpräparaten überzeugen können, dass das Vorhandensein dieser Schicht auch in den vorderen Partien der Netz- haut.ein recht, häufig assist, wenngleich en manchen Augen vollständig zu fehlen scheint. Es ist mir aufgefallen, dass unter den mir zur Verfügung stehenden Präparaten die frisch conservirten und gut fixirten in grösserer oder geringerer Ausdehnung und Mächtigkeit diese Schicht stets aufwiesen. Möglich, dass dieselbe sehr schnell postmortalen Ver- änderungen (Erweichung) unterliegt, sodass eine Compression von Seiten der übrigen Schichten erfolgt, die eventuell durch unge- eignete und namentlich zu spät wirkende Fixationsmittel noch verstärkt wird. Wie dem auch sein mag, es steht jedenfalls fest, dass die Henle’sche Faserschichtin den mei- sten Fällen ein deutlich differenzirtes Consti- tuens der menschlichen Netzhaut inihrer ganzen Ausdehnung bildet und desshalb erneute Berück- sichtigung in unseren Lehrbüchern verdient. Auch in den Abbildungen, besonders in den Schema’s sollte sie nicht fehlen. — Ich nehme daher die Gelegen- heit wahr, zumal ich an der Hand vorzüglich conservirter Prä- parate in der Lage bin, durch naturgetreue Abbildungen (Fig. 2, 3 und 4) diese Verhältnisse in den verschiedenen Regionen der Retina wiederzugeben, die Henle’sche Faserschieht in ihre alten Rechte zurückzusetzen. — Die Abbildungen bedürfen in dieser Beziehung keiner eingehenderen Erläuterung. Die Henle’sche Darstellung hat noch heute ihre völlige Berechtigung. — Ich kann mich daher darauf beschränken, den auf Grund eigener 1) Stöhr, Ph., Lehrb. der Histol. Jena 1892, pag. 253. — Stöhr gibt übrigens trotzdem in seiner Abbildung den charakteristischen Unterschied zwischen Faserschicht und retieulärer Schicht deutlich wieder, — Zur Histologie der menschlichen Retina ete. 163 Beobachtungen gewonnenen Resultaten folgende Formulirung zu geben: Die Henle’sche oder äussere Faserschicht der menschlichen Netzhaut hat den Mittelpunkt ihrer mächtigsten Entfaltung in der Macula lutea. Von hyer aus nimmtusie nach’den Peripherie zunächst gleichmässig.an Dieke allmählich ab, derart, dass sie regelmässigim Augenhintergrunde sieh noch als eine beträchtliche Schicht, repräsentirt, die bierwesentliech. zur Vergrösserung. des Dicken- durchmessers der Retina beiträgt. Von jetztan jedoch weiter nach vorn zu ist die Abnahme der Schreht© in vielen Fällen. keine, gleichmässige mehr, sondern mannigfachen Schwankungen un- terworfen, sodass sich keine bestimmte Regel hierfür aufstellen lässt. Sie kann beispielsweise am:-Aequator dünner sein alsin der Nähe der Ora Ser raba,soden,.dort- bereits, gänzlieh,gehlen,' um später gegen. die Ora serrata zuvon Neuem auf zutseten. Die.Gesammtheit. der: Retina jedoch macht diese Schwankungen nieht mit, sie nimmt vielmehr gleichmässig vom Augenhintergrunde bis zur50r2 serrata;an,Dieke abyı(yeugl. ‚Fig! 2,3 und 4. Die Unreglmässigkeiten in der Breite der. -Easerschieht. beruhen auf: umschriebenen Verdiekungen der äusseren Körnerschicht, die entweder dureh grössere Anhäufung von Körnern oder durch Auseinanderweichen und eventuelles Herabtreten derselben bis zur äusseren granulir- wen Schicht;bedingt ist. Die von Henle beschriebene monströse Ent- wieklung der äusseren Faserschieht im Bereich der Ora serrata beruht auf einem Irrthum; wenig- stens insofern als die dort befindliche faserige Schicht zwischen äusserer und innerer Körner- lage nicht mehr der Henle’schen Faserschicht homolog ist. Das Haupteonstituens der eigent- liehen Faserschicht bilden bekanntlich die Stäb- chen- und Zapfenfasern (in der Macula nur die Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 41. 11 164 Alfred Schaper: Zaptenfasern). Die Schicht der Sehzellen ist nun aber an der Ora serrata bereits sehr lückere haft und z. Th. gänzlich gescehwunden, dement- sprechend auch die Fasern derselben bedeu- tend an Zahl abgenommen haben müssen. Schon aus diesem Grunde allein ist die stärkere Ent- wieklung einer solehen Faserschicht an dieser Stelle ausgeschlossen. Spätere Untersuchungen haben denn auch ergeben, dass es sich in dieser dort thatsächlich sehr ausgebildeten Schicht von faseriger Strwetur lediglich um einewtarke Vermehrung der Stützsubstanz spez. der Müller- schen Fasern handelt. In jener Retina, die dem von Herrn Dr. Fiek überlassenen Auge entstammt, war die Abnahme der äusseren Faserschicht vom Augenhintergrund bis zur Ora serrata eine gleichmäs- sige; erst dicht vor der letzteren verschwand sie vollständig. Die beigegebenen Abbildungen (Fig. 2, 3 und 4), welche den verschiedenen Zonen dieses Präparates entnommen und nach Schnitten ein und desselben Meridians angefertigt sind, mögen diese Verhältnisse illustriren. Der Typus der Faserschicht ist bei diesen in Sublimat fixirten "Präparaten"iein anderenzse wir ihn aus den Henle’schen Abbildungen kennen. Während wir in letzteren die Fasern zu Bündel geord- net, die elliptische Zwischenräume umfassend von der äusseren Körnerschicht zur äusseren granulirten Schicht verlaufen, an- treffen, sehen wir sie in meinen Abbildungen (Fig. 2, 3 und 4.d) von einander getrennt in mehr oder weniger pa- ralleler Anordnung und radiärer Richtung zur granulirten Schicht herabziehen. Dazwischen fin- detsich ausserdem noch ein zartes weitmaschiges Netzwerk einer hie und da gekörnt, meistens jedoch homogen erscheinenden Substanz. Ich halte dieses Gerüstwerk für einen Theil der Stützsubstanz der Netzhaut. Dementsprechend bin ich genöthigt anzunehmen, dass in den Henle’schen Präpa- raten in Folge ungeeigneter Fixation (Alkohol, Chromsalze) Schrumpfungen und Verklebungen zwischen den einzelnen Be- standtheilen der Faserschicht stattgefunden haben, die jene Bün- Zur Histologie der menschlichen Retina etc. 165 delbildung und die dadurch bedingte Undeutlichkeit der zarten Stützsubstanz verursachten. — In der Macula finden wir einsdewartigteharacherisirfesr Gerüst vom Stütz- substanz nicht. Es erklärt sich dies durch die geringere Ausbildung und zartere Structur derselben in dieser Region. Ueberhaupt nimmt die ‚Stützsubstanz vom Augenhintergrunde nach der Peripherie der Re- tina bedeutend an Mächtigkeit zu, wie ein Vergleich der drei Abbildungen (Fig. 2, 5 und 4) ohne Weiteres zeigt. Ihre höchste Entwicklung erlangt siein der Ora serrata durch jene oben erwähnte faserige Schieht zwischen äusserer und innerer Körnerlage, die also mit der Henle’schen Faserschicht nicht zu verwechseln ist. Die Zapfenfasern sind im Bereich der Maecula dünner und zarter als in den übrigen Netzhautbezirken, wo sie sich dureh ihre bedeutende Dicke leicht von den Stäb- chenfasern unterscheiden. Characteristisch für die Zapfenfasern ist ferner, wie bekannt, jene kegelförmige Verbreiterung, mit deren etwas vertiefter Basis sie der Aussenseite der äusseren reticulären Schieht aufsitzen. Ummittelbar unterhalb dieser Zapfenkegel fand ich nun fast beständig ein dunkel gefärbtes plattenför- miges, undeutlich contourirtes Körperchen, das stellenweise mit jenen in scheinbarem Zusam- menhange stand und wie eine Fussplatte sich aus- nahm; häufiger jedochdurcheinen helleren Saum davon getrennt war. Es sind dies zweifellos dieselben Gebilde, welche in der Macula lutea in Folge ihrer dichten An- einanderlagerung jene oben erwähnte, von Merkel zuerst be- schriebene unterbrochene Linie darstellen. Sie sind identisch mit den von Dogiel!) beobachteten „granulirten Klümpehen“, die in der etwas vertieften Basis der Anschwellung eines jeden Za- pfenfusses liegen und das in einen dichten Büschel feinster vari- eöser Fäden zerfallende Ende des peripheren Fortsatzes der bipo- laren Nervenzellen darstellen. Die Sehzelle selbst liegt den erwähnten Klümpehen bloss an, ohne mit denselben etwas gemein zu haben (Dogiel). 1) Dogiel, A., Ueber die Retina des Menschen. — Internat. Monatsschr. f. Anat. u. Histol. 1584 pag. 161. 166 Alfred Schaper: Zum Schluss noeh einige kleinere histolo- sische Bemerkungen. Die von Henle zuerst beschriebene und später von vielen anderen Autoren beobachtete quere Bänderung der Stäb- cehenkörner habe ich in meinen Präparaten (Sublimatfixation) nicht in einem einzigen Fallerantreffen können. Die Stäbchenkörner besassen vielmehr, ähnlich wie die Zapten- körner ein sehr deutliches, gleichmässig vertheil- tesKerngerüst, und meist ein oder mehrere Kern- körperchen. Die Stäbcehenkörner sind, wie bisher an- gegeben, durchaus nicht immer ellipsoid, sondern recht häufig rund. Die ellipsoide Form wird in vielen Fällen durch geringe Protoplasmareste und die konische Ver- breiterung der zugehörigen Fasern am äusseren und inneren Pol der Kerne vorgetäuscht. Die Kerne der Zapfen, welche (ausser in der Macula lutea) für gewöhnlich dieht unter der Limitans externa lagern, treten in der Nähe der Ora serrata häufig weiter von dieser ab und stehen solehergestalt mit dem Innengliede der Zapfen durch ein lang ausge- zogenes Halsstück in Verbindung. Es ist mir endlich aufgefallen, dass die zelligen Ele- mente der Retina, vielleicht mit Ausnahme der Zellen des Ganglion nervi optiei, vom Augenhintergrunde nach der Peri- pherie zuallmählich an Grösse abnehmen. Auch die ‚Stäbehen und Zapfen (diese besonders) "berker ligen sieh hieran. Letztere sind in der Nähe der Ora serrata stark verschmächtigt und machen einen etwas verkümmerten Eindruck. (Fig. 4). — Ich weiss nicht ob dieses Verhalten schon beobachtet ist. Jeden- falis gibt der Vergleich von Abbildung 2, 3 und 4, die bei ein und derselben Vergrösserung gezeichnet sind und demselben Auge entstammen, eine deutliche Anschauung hiervon. Am Schluss meiner Arbeit nehme ich Gelegenheit, meinem verehrten Chef, Herrn Professor Stöhr, meinen besten Dank für seine liebenswürdige Unterstützung bei Ausführung dieser Untersuchungen auszusprechen. Fig. Fig. Fig. sind, Zur Histologie der menschlichen Retina ete. 167 Erklärung der Abbildungen auf Tafel XII. Für alle Figuren gültige Bezeichnungen: a) Schicht der Stäbehen und Zapfen. b) Limitans externa. ce) Aeussere Körnerschicht. d) Henle’sche Faserschicht. e) Aeussere retieuläre Schicht. f) Innere Körnerschicht. &) Innere retieuläre Schicht. h) Ganglienzellenschicht. i) Nervenfaserschicht. k) Limitans interna. 1. Horizontalschnitt durch die Macula lutea eines 60 Jahre alten Mannes. — Sublimatfixation. — Färbung mit Hämatoxylin und Eosin. — Vergr. 135. 2. Meridionalschnitt durch ein Stück der Retina aus dem Hin- tergrunde der unteren Augenhälfte eines 37jährigen Mannes. — Sublimatfixation. — Färbung mit Borax-Carmin und Methyl- violett (nach Oppel). — Vergr. 500. 3. Meridionalschnitt durch ein Stück der Retina aus der äqua- torialen Zone der unteren Augenhälfte eines 37jährigen Man- nes. — Sublimatfixation. — Färbung mit Borax-Carmin und Methylviolett (nach Oppel). — Vergr. 500. » 4, Meridionalsehnitt durch ein Stück der Retina in der Nähe der Ora serrata der unteren Augenhälfte eines 37 jährigen Mannes. — Sublimatfixation. — Färbung mit Borax-Carmin und Me- thylviolett (mach Oppel). — Vergr. 500. NB. Die Schnitte, denen die Abbildungen 2, 3 und 4 entnommen liegen auf demselben Meridian. 168 Untersuchungen über das Gehirn der Vögel. Von Dr. F. Brandis (Friedrichsberg, Hamburg). I. Theil: Uebergangsgebiet vom Rückenmark zur Medulla oblongata. (Hierzu Tafel XIII.) Zur Untersuchung gelangten folgende Species: Cacatua galeata, C. roseicapilla, Melopsittacus undulatus, Palaeornis eupatrius. Pieus viridis, Jynx torquilla, Cypselus apus. Falco islandieus, F. tinnuneulus. Syrnium aluco. Turdus merula, T. musicus, Rutieilla phoenicurus, Regulus eristatus, Linota eannabina, Passer domestieus in verschiedenen Altersstufen, Corvus corone, Garrulus glandarius, Oyanoeitta eri- stata, Parus major, Hirundo urbiea. Tauben verschiedenen Alters. Numida meleagris, Lophortyx californieus. Grus virgo, Gr. viridirostris, Fulica atra. Anser canadensis, Cairina mosehata, Anas erecea. Die meisten dieser Vögel verdanke ich der Güte des Direk- tors des zoologischen Gartens zu Hamburg, Herrn Dr. Bolau, dem ich dafür auch an dieser Stelle meinen herzlichsten Dank aussprechen möchte. Die Gehirne wurden in Müller’'scher Flüssigkeit gehärtet, in Celloidin eingebettet und in Serienschnitte, sowohl Längs- als | Querschnitte, zerlegt. Neben der Färbung mit Carmin und Ni- grosin wurde hauptsächlich die Weigert'sche Hämatoxylinfär- bung und am meisten die Woljers'sche !) Modifieation der Methode von Kultschitzky angewendet; die letztere lieferte auch mit Nachfärbungen durch Boraxcarmin sehr gute Resultate. 1) Zeitschrift für wissenschaftliche Mikroskopie Bd. VII, Heft 4 pag. 466, Untersuchungen über das Gehirn der Vögel. 169 Der Querschnitt des obersten Theiles des Cervicalmarkes der Vögel zeigt im Groben dasselbe Bild, wie derjenige der Säugethiere und speciell des Menschen. Die weisse Substanz umgiebt die H-förmig angeordnete graue als ein Mantel, welcher an der ventralen Fläche eine tief einschneidende Spalte, die fissura longitudinalis anterior, zeigt, während die Mittellinie des Dorsum nur durch eine seichte Furche, die fissura longitudinalis posterior, gekennzeichnet wird. Auch der suleus lateralis ventralis und dorsalis sind in derselben Weise wie bei Säugethieren vorhanden. Ehenso sind die Vorder- und Hinterhörner ähnlich gestaltet, die ersteren sind ziemlich breit und kurz, so dass zwischen ihnen und der Peripherie eine breite Schieht weisser Substanz liegt, die letzteren sind schmal und langgezogen und nähern sich der Peripherie bis auf einen un- bedeutenden Saum. In der Commissur zwischen den Hörmern beider Seiten liegt der Centralcanal bedeutend mehr nach der ventralen Peripherie gerückt, er ist rundlich, wird aber bei den meisten Vögeln je weiter cerebralwärts um so mehr zu einer schmalen Längsspalte, während er bei einzelnen sehr lange seine rundliche Form beibehält. Er ist eingefasst von grossen mit Cilien versehenen Cylinderepithelien, die besonders an der ven- tralen Seite häufig mehrschichtig sind. Das Lumen des Central- canals, das bei den verschiedenen Arten einen sehr wechselnden Umfang hat, ist gewöhnlich durch ein lockeres, in der Mitte diehteres Netzwerk ausgefüllt, welches sich mit Carmin schwach färbt und eine zellige Struktur nicht erkennen lässt. Betrachtet man die weisse Substanz genauer, so sieht man, dass in der Stärke der einzelnen Fasern, die auf dem Quersehnitt erscheinen, bedeutende Unterschiede vorhanden sind, und zwar sind erstens im Allgemeinen die Faserquerschnitte um so schwächer, je näher sie der grauen Substanz liegen und werden nach der Peri- pherie zu immer stärker; am wenigsten tritt dieses in den Hinter- strängen hervor, am ausgeprägtesten in den Seitensträngen. Die Vorderstränge sind überhaupt durch das stärkere Caliber ihrer Fasern ausgezeichnet, doch ist es nicht ganz gleichmässig, und es finden sich zwischen den starken viele feine Fasern, am stärksten sind die Fasern, welche an der ventralen Peripherie und längs der fissura long. anterior liegen. Nach dem Seiten- strange hin ist die Grenze schärfer bestimmt als bei den Sängern, 170 Dr. Br amidı® da die vorderen Wurzelfasern auf dem Querschnitt mehr zu einem Bündel vereinigt sind; der Faserstärke nach ist jedoch die Grenze keine scharfe, die Fasern des Vorderstranges werden nach aussen hin nur allmählich feiner und behalten an der Peripherie auch jenseits der vorderen Wurzeln ein ziemlich bedeutendes Caliber. Die centraleren Theile des Seitenstranges bestehen dagegen aus sehr feinen Fasern, die zugleich viel weniger dicht gelagert sind. Im ventralen Theile der Seitenstränge fällt ein an der Peripherie gelegenes und stumpfwinklig in die Substanz ein- springendes Feld auf, das nur ganz vereinzelte feine Nervenfasern, kleine helle rundliche und spärliche grössere Zellen in der ge- wöhnlichen Grundsubstanz enthält. Dieses Feld tritt erst im obersten Theile des Cerviealmarkes auf und verschwindet bereits am Anfang der medulla ablongata (s. Fig. 1 u. 2a). Ein durch die Stärke seiner Fasern auffälliger Complex liegt an einer Stelle, die ungefähr der Lage der Kleinhirnseiten- strangbahn der Säuger entspricht, im dorsalen Theile des Seiten- strangs an der Peripherie und springt ziemlich weit nach innen vor (s. Fig. 1 u. 2b); er ist überall deutlich von den feinen Seitenstrangfasern abgesetzt und nur unmittelbar an der Peripherie ist bei manchen Vögeln die ventrale Grenze keine deutliche. Dorsalwärts dagegen hebt sich dieselbe um so mehr hervor, als hier in der Umgebung des Hinterhorns und zwar sowohl an dessen lateralen wie an der dorsalen Peripherie die Fasern ganz besonders fein sind und ziemlich zerstreut liegen, an der letzteren Stelle folgt allerdings häufig erst unmittelbar am Hinterhorn eine Schicht etwas stärkerer Fasern und erst dann die erwähnten feineren (Fig. 1 u 20: Die Hinterstränge zeigen im Ganzen eine mittlere Dicke der einzelnen Fasern, etwas stärkere trifft man zuweilen in der ventralen Spitze. In der Mittellinie sind die beiden Hinterstränge häufig nicht scharf getrennt, sondern stehen durch einzelne Faser- züge, welche das Septum überschreiten, im Zusammenhang. Häufig findet man schon ziemlich weit eaudalwärts jeden Hinter- strang durch einen von ventralwärts oder aussen eindringenden Bindegewebszug in einen inneren und äusseren Theil gesondert. Die Form der Hinterstränge ist bei den verschiedenen Familien eine recht mannigfaltige, ohne jedoch für dieselben ceharakteri- stisch zu sein. So zeichnen sich die meisten Sumpf- und Schwimm- [28 Untersuchungen über das Gehirn der Vögel. 171 vögel durch die schlanke, lang und spitz nach ventralwärts vor- springende Form der Hinterstränge aus, die besonders bei Phoeni- eopterus sehr ausgeprägt aber auch bei Cairina und Anas deutlich ist, während bei Grus und Anser die Himterstränge kurz und breit sind. Ebenso sind sie auch bei einigen Scharrvögeln (Numida und Lophortyx) und den untersuchten Raubvögeln. Bei Cacatua und Corvus sind die Hinterstränge an der Basis einge- zogen, verbreitern sich weiter ventralwärts wieder und endigen mit scharfer Spitze. Auch jener der Kleinhirnseitenstrangbahn entsprechende Complex zeigt Verschiedenheiten bei den einzelnen Arten. Er ist besonders gross, auffällig durch die Dieke der Fasern und stark nach innen vorspringend bei Cacatua, ähnlich bei den Sper- lingsvögeln und auch noch ziemlich umfangreich und distinkt bei den meisten Schwimmvögeln und Phoenicopterus, schwächer “ist er bei Picus, Faleo und den Hühnervögeln, bei diesen sind auch die Fasern weniger durch ihre Dieke vor der Umgebung ausgezeichnet, und das ganze Feld liegt mehr längs der Peri- pherie und dringt weniger nach innen ein. Die Vorderstränge zeigen in ihrer Form weniger Verschie- denheiten, bei Falco sind sie bedeutend stärker als bei anderen Familien, und die fissura longitudinalis anterior ist in ihrer ganzen Ausdehnung nur ein schmaler Spalt, während sie sich sonst ven- tralwärts weit öffnet. An letzterer Stelle sieht man verschiedene Arterien und Venen zum Theil quergetroffen, zum Theil der Länge nach und dann häufig durch die Fissur und bis durch die vordere Commissur in das Rückenmark eindringen. Bei Grus viridirostris sind die Vorderstränge dadurch ausgezeichnet, dass sie am inneren Rande ungefähr in der Mitte eine tiefe Ein- buchtung zeigen. Die Fasern liegen im Allgemeinen am dichtesten in den (Gegenden, in welchen die einzelnen Fasern am stärksten sind, die Dichtigkeit ist daher am geringsten in den inneren Theilen der Seitenstränge, wo zwischen den Fasern zahlreiche feine Bindegewebszüge verlaufen, welehe viele Gefässquerschnitte, zahlreiche kleine in Carmin stark färbbare Zellen von verschie- dener Form, spindelförmige, rundliche und platte und sehr ver- einzelt einige grössere Ganglienzellen zeigen. Auch im dorsalen Theile der Vorderstränge sieht man zahlreiche feine Bindegewebszüge 112 Dr’2R7Brannidie: und Gefässe, dagegen keine Ganglienzellen. In den Hinter- strängen, wo die Fasern gewöhnlich ziemlich dieht gelagert sind, findet man sie doch durch einzelne grobe Bindegewebszüge in verschiedene grössere und kleinere Complexe getheilt. Die Form des Quersehnitts der medulla eervicalis ist bei allen untersuchten Vögeln fast dieselbe, während weiter caudal- wärts der Querdurchmesser über den dorsoventralen bedeutend überwiegt, werden weiter cerebralwärts beide fast gleich und die Gestalt des Querschnitts fast kreisförmig; nur bei Pieus (s. Fig. 1) (auch Jynx) und den Corviden tritt diese Verkürzung des Quer- durehmessers nicht ein. Es scheint diese Ausnahme darauf zu beruhen, dass bei den erwähnten Arten die Kreuzung durch die vordere Commissur bereits in dieser Höhe eine sehr starke ist und die gekreuzten Fasern sich seitlich der Vorderstränge an- sammeln, also den Querdurchmesser vergrössern. Auch m der grauen Substanz sind bei den Vögeln mark- haltige Nervenfasern reichlich vorhanden. Schon im oberen Cervicalmark ist die vordere weisse Commissur ziemlich bedeu- tend; man sieht aus dem ganzen Seitenstrange, besonders aus dem ventralen und mittleren Theile desselben zahlreiche einzelne Fasern im dorsal-convexen Bogen durch das Vorderhorn nach der vorderen Commissur ziehen und sich hier zu stärkeren Bün- deln vereinigend und mit denen der anderen Seite sich kreuzend im entgegengesetzten Vorderstrange ventralwärts weitergehen, wo sie sich wieder im einzelne Fasern auflösen und an der Grenze des Vorderstranges verschwinden. In den Seitensträngen lassen sich diese Fasern mehr oder weniger weit nach aussen verfolgen, sie verlieren sieh hier schliesslich zwischen den sagittal verlaufen- den Fasern, aus denen sie wahrscheinlich durch Umbiegung hervorgehen. Eigentliche Commissurenfasern konnten nirgends gefunden werden, alle schienen Deeussationsfasern zu sein. Unmittelbar dorsal der vorderen weissen Commissur liegt in dieser Höhe der Üentraleanal, so dass eine vordere graue Commissur hier nicht existirt. Desto breiter ist die hintere graue Commissur, doch sind auch in ihr zahlreiche markhaltige Fasern enthalten, die von einer Seite zur anderen ziehen, und zwar sind es noch im obersten Oerviealmarke Fasern, welehe aus den Hin- terhörnern der einen Seite in starkem Bogen um die Hinter- Perle 7 Untersuchungen über das Gehirn der Vögel. 178 stränge herum in das gegenüberliegende Hinterhorn ziehen, wo sie theils ihre Richtung ändern und aus dem Querschnitte heraus- treten, theils aber auch in die das Hinterhorn besonders medial und dorsal begrenzenden Theile eintreten. Weiter proximal wer- den die Fasern dieser Richtung immer spärlicher, es treten all- mählich immer mehr Fasern auf, die aus den dorsalen Partien des Seitenstranges stammen, welche dem Hinterhorn anliegen; von diesen gelangen die meisten zur anderen Seite, einige treten aber auch in den ventralen Theil der Hinterstränge ein. Nicht selten hat es den Anschein, als ob Fasern der hinteren Commissur auf der entgegengesetzten Seite ventralwärts weiter zögen und so zu den Vordersträngen der anderen Seite gelangten; doch war eine ganz zweifellose Feststellung dieses Verlaufes bei einer grösseren Zahl von Fasern nicht möglich. Abgesehen von diesen beiden Commissuren trifft man noch zahlreiche markhaltige Fasern in der grauen Substanz, besonders die Vorderstränge zeigen ein dichtes Fasernetz um die Ganglien- zellen, aus welchem einerseits Fasern den vorderen Wurzeln sich anschliessen, andererseits solche in die Vorderstränge eintreten; man sieht ferner auch aus den Seitensträngen Fasern in diese Gegend einstrahlen, muss aber annehmen, dass sie dem Faser- system der vorderen Commissur angehören. Zu erwähnen sind hier ferner noch jene einzelnen Fasern, die aus den vorderen Wurzeln stammend direkt ohne Unterbreehung durch das Vorder- horn und die vordere Commissur zur anderen Seite ziehen. In der mittleren zwischen Vorder- und Hinterhorn gelegenen Gegend der grauen Substanz bemerkt man neben den zur vor- ‘deren Commissur gehörenden Fasern hauptsächlich Faserquer- schnitte, es ziehen hier also Fasern in sagittaler Richtung, welehe verschiedene Höhen der grauen Substanz untereinander verbinden, und die zum Theil sehr fein sind (s. Fig. 2d). Ein dichteres Fasernetz findet sich dann wieder in dem ventralen Theile des Hinterhorns, besonders in dem stark einge- schnürten Halse desselben (s. Fig. 2e). Nach dieser Gegend ziehen aus der ganzen Peripherie des Hinterhorns Fasern conver- girend zusammen, sie schlagen hier theils eine mehr sagittale Riehtung em, wie die zahlreich hier angehäuften Faserquer- schnitte beweisen, theils wenden sie sich mehr nach innen zum Hinterstrang oder schliessen sich den hinteren Commissurenfasern 3 174 Dr. Er Brandis: an, endlich wenden sich einige nach aussen und gehen in die Seiten- stränge über. Die erwähnten, das Hinterhorn eonvergirend durch- ziehenden Fasern werden nahe der Peripherie desselben von anderen Fasern gekreuzt, welche dieser Peripherie parallel ziehen und die Substanz des Hinterhorns in zwei Theile zerlegen. Die Grenze zwi- schen beiden ist auch dureh zahlreiehere Faserquerschnitte kenntlich. Als zellige Bestandtheile der grauen Substanz findet man erstens zwei Arten nervöser Zellen und zwar besteht die eine aus grossen Ganglienzellen, deren Hauptsitz das Vorderhorn ist, sie liegen hier ziemlich zerstreut und sind nur an einigen Stellen diehter angehäuft, nämlich erstens an der ganzen inneren Peri- pherie des Vorderhorns, dem Vorderstrange anliegend, zweitens hauptsächlich an der ventralen Spitze und drittens an einer Stelle, an der sich das Vorderhorn nach aussen in den Seiten- strang vorwölbt, doch sind an letzterer Stelle die Zellen etwas kleiner und mehr spindelförmig. “Einzelne grosse Ganglienzellen findet man auch noch dorsal der Fasern der weissen Commissur und selbst bis in die Hinterhörner dringen einige vor. Zu er- wähnen dürfte hier noch sein, dass diese Zellen in zwei Formen vorkommen, die eine nimmt mit Carmin gefärbt nur eine ganz blassrosa Färbung an, zeigt rundliche Contouren und scheint wegen ihrer hellen scharf von der Umgebung abgesetzten Farbe in einer präformirten Lücke zu liegen. Die andere Form da- gegen färbt sich mit Carmin dunkelroth, nach der Weigert- schen Hämatoxylin-Methode behält sie eine dunkelokergelbe Farbe, die den Kern gewöhnlich fast verdeckt, und erscheint von dem übrigen (ewebe nicht besonders scharf abgesetzt, ihrem Umrisse nach sind sie polygonal oft ausgesprochen spindelförmig. Die Kerne sind bei beiden Formen rundlieh, bei der zweiten dureh die stärkere Färbung des Zellleibes undeutlicher und bei sehr langgestreckten Zellen selbst von etwas länglicher Form. Es sind dieses dieselben beiden Zellarten, welche sehon unter anderen Autoren besonders Flesch'!) in den peripheren Ganglien, Gan- ser?) im Öentralorgan des Maulwurfs und neuerdings Braeutigam?°) i) Structur der Nervenzellen in peripheren Ganglien. Tageblatt der 58. Versammlung deutscher Naturf. u. Aerzte in Strassburg. 2) Morph. Jahrb. Nr. 7, 1882. 3) Vergleichende anatomische Untersuchungen des Conus medul- laris. Dorpat. Karew, 1892. Untersuchungen über das Gehirn der Vögel. 175 im Conus medullaris beschrieben hat. Ich möchte mich der An- sicht von Flesch anschliessen und annehmen, dass «die beiden Formen nicht ursprünglich verschieden seien, sondern dass viel- leicht die Function Ursache der Verschiedenheit sei. Man findet nämlich in derselben Zellgruppe beide Arten bald vereinigt auf einem Querschnitte, bald nur eine von ihnen vertreten, auch in den Kernen der Gehirnnerven kommen beide vor. Die zweite Art der Zellen, die ebenfalls wahrscheinlich nervöser Natur ist, ist beträchtlich kleiner, ist wenig färbbar in Carmin und hat einen relativ sehr grossen runden Kern; sie liegt in grosser Anzahl durch die graue Substanz zerstreut, be- sonders findet man sie zahlreich in der Mitte der Hinterhörner, aber auch in grosser Menge zwischen Vorder- und Hinterhörnern, und sie fehlen auch nicht in der Umgebung der grossen Zellen der Vorderhörner. Spärlieher sind sie an zwei Stellen, erstens in der Umgebung des Centralcanals und zweitens an der Peri- pherie der Hinterhörner, Stellen, welche der Lage der subst. gelatinosa beim Säugethiere entsprechen; doch sind sie bei den Vögeln nicht deutlich genug von der Grundsubstanz differenzirt, um diesen Namen zu verdienen. Die Gegend um den Oentral- canal färbt sich. zwar mit Carmın dunkler als die übrige graue Substanz, doch bei weitem nicht so intensiv wie bei Säugern, bei manchen Vogelarten ist sie sehr dieht und zeigt nur einzelne sehr kleine Lücken und keine Zellen, während sie bei anderen gerade dorsal vom Centraleanal ziemlich stark spongiös ist; bei den ersteren zieht vom Centralcanal aus ein dichterer, zuweilen bei starker Vergrösserung etwas faserig erscheinender Streifen, ziemlich intensiv gefärbt dorsalwärts bis zur Trennungslinie zwi- schen beiden Hintersträngen, der wohl der Raphe posterior Waldeyer's entspricht. Bei den übrigen findet sich nur seitlich vom Centraleanal diehtere zellarme Substanz, die sich ausserdem nicht von der Grundsubstanz unterscheidet. Was nun die Substantia gelatinosa Rolandi anbetrifft, so ist sie bei den Vögeln nur eben angedeutet hauptsächlich da- dureh, dass, wie oben erwähnt, vom Hinterhorm ein dorsaler kappenförmiger Theil durch Nervenfasern abgegrenzt wird, wel- cher sich aber bei Carminfärbung gewöhnlich garnicht, zuweilen durch eine kaum bemerkbar grössere Färbbarkeit unterscheidet. Diese Gegend ist meistens viel zellenärmer, enthält aber immer 176 Dr 'E.Brandes® noch hier und da einzelne Ganglienzellen von der zweiten oben beschriebenen Form. Eine äusserste Schicht, die wieder mehr seformte Elemente enthielte, ist bei Vögeln nieht zu constatiren. Die Grundsubstanz erscheint hier gleichmässig feinkörnig, etwas feiner als in den übrigen Theilen des Hinterhorns und besonders des Vorderhorns. Kurz zu erwähnen ist hier noch eine Zellform, die wahr- scheinlieh nieht nervöser Natur ist und sehr vereinzelt gefunden wird, es sind ziemlich kleine, spindelförmige, dunkelgefärbte Zellen, die nur undeutlich einen grossen rundlichen Kern erkennen lassen, man findet sie hauptsächlich in den dorsal vom Central- canal gelegenen diehteren Streifen mit der Längsaxe in dorso- ventraler Richtung, ferner hier und da im den Bindegewebszügen, besonders der Hinterstränge. Genaueres über die Anordnung und Form der grauen Sub- stanz bei den einzelnen Familien in dieser Gegend, die ja im Allgemeinen derjenigen der Säuger, wie oben erwähnt, entspricht, lässt sich nicht sagen, da sich diese auf jedem Schnitte verän- dert. Die Hinterhörner, welehe im oberen Cervicalmark sehr schmal und langgestreekt waren, werden jetzt allmählich immer breiter, indem sie sich besonders im ventralen Theile nach aussen hin weiter vorbuchten, so dass die starke Einschnürung des Halses allmählich ganz fortfällt. Zugleich verändert die ganze Längsachse des Hinterhorns in sofern ihre Lage, als sie sich mehr nach aussen neigt. Auch die Vorderhörner werden allmäh- lich etwas breiter und zugleich häufig länger, indem sie ventral- wärts mit einer längeren Spitze in die weisse Substanz eindringen. Dadurch, dass die Vorderstränge länger und schmäler werden und sieh zugleich mehr der Mittellinie ‚nähern, richtet sich die längste Achse der Vorderhörner mehr direkt ventralwärts anstatt wie vorher nach aussen. Auch die graue Substanz zwischen Vorder- und Hinterhorn gewinnt der weissen gegenüber an Terrain und buchtet sich ziemlich stark in diese vor. Hierdurch wird einerseits die allmähliehe Vergrösserung des Querschnitts erklärt, welche im oberen Theile des Cerviealmarkes erfolgt, andererseits nimmt auch die weisse Substanz dadurch mehr Platz ein, dass die Anordnung der Fasern eine lockerere wird. Die Form des Centralcanals scheint starken individuellen Sehwankungen zu unterliegen, und es ist daher sehr zweifelhaft, Untersuchungen über das Gehirn der Vögel. A ob eine bestimmte Form auf Rechnung der Species gesetzt wer- den muss. Im Allgemeinen erscheint aber als sicher, dass bei kleinen Vögeln das Lumen des Centraleanals verhältnissmässig weiter ist als bei grösseren. Meistens wird die Form im oberen Halsmark aus einer rundlichen zu einer länglichen, zuweilen ist sie ganz unregelmässig. Ein von vorn nach hinten sehr lang- gestreckter Centralcanal, der mehr als die Hälfte der grauen Commissur einnimmt, wie ich ihn bei Turdus musicus gefunden habe, und ein solcher, dessen sehr ausgedehntes Lumen «durch ein starkes Bündel markhaltiger Nervenfasern ausgefüllt wurde, welches der Länge nach darin verlief, wie ihn ein untersuchtes Exemplar von Melopsittacus zeigte, dürften wohl nur die Be- deutung individueller Abweichung haben. Was das Verhältuiss der Menge der grauen zur weissen Substanz auf dem Querschnitte in dieser Höhe anbelangt, so zeigt dasselbe ein sehr interessantes Verhalten, welches ich hier allerdings nur ganz kurz berühren will, um später ausführlicher darauf zurückzukommen. Es findet sich nämlich, dass dieses Verhältniss in sehr hohem Maasse durch die Grösse der betreffen- den Vogelart beeinflusst wird, indem bei kleinen Vögeln der Theil des Querschnitts, welcher die graue Substanz einnimmt, bedeu- tend umfangreicher ist (s. Fig. 4, Regulus) als bei grossen Arten, wo die weisse Substanz ihr gegenüber immer mehr an Terrain gewinnt (Fig. 2, Anser). Es beruht dieses vielleicht darauf, dass die Leitungsbahnen mehr proportional der Grösse d. h. der Ver- mehrung der Körpersubstanz der Thierspecies zunehmen als die Ganglienzellen; weil, worauf bereits Sn&ll!) hingewiesen hat, die Energie des Stoffwechsels und in Folge dessen die Lebhatftie- keit der ganzen Lebensweise um so geringer wird, je grösser das Thier ist, und diese an die graue Substanz, nieht an die weisse gebunden ist. Eine ganze Reihe von Veränderungen, besonders Umlage- rungen, aber auch das Verschwinden von Bestandtheilen und das Auftreten neuer verwandelt den eben beschriebenen Querschnitt des oberen Cervicalmarkes allmählich so, dass nichts in derselben Lage bestehen bleibt. 1) Die Abhängigkeit des Hirngewichtes von dem Körpergewicht und den geistigen Fähigkeiten. Arch. f. Psychiatrie und Nervenkr. Bd. XXIII, Hett 2. 178 Dr. F.Brandis: Zuerst sprechen sich diese Veränderungen in der grauen Substanz dadurch aus, dass diese immer reicher an markhaltigen Nervenfasern wird. Die vordere Commissur nimmt ganz bedeu- tend an Stärke zu, indem die Fasern, welehe aus den Seiten- strängen zu ihr hinziehen, sich sehr vermehren; sie beschränken sich nicht mehr auf den ventralen und mittleren Theil, sondern ent- springen auch in grosser Anzahl aus den dorsalen, dem Hinter- horn benachbarten Gegenden (s. Fig. 3). Ferner treten aus der ventralen und äusseren Peripherie der Hinterstränge ziemlich zahlreiche und kräftige Fasern hervor, welehe auf derselben Seite ventralwärts ziehend, den Centralcanal im grossen Bogen um- gehen und in die vordere Commissur einstrahlen. Die Fasern der letzteren laufen nach ihrer Kreuzung zuerst an der inneren Peripherie der Vorderstränge der anderen Seite unmittelbar au der fissura longitudinalis anterior ventralwärts, trennen sich dann allmählich von dieser und ziehen quer durch die Vorderstränge nach aussen, wobei sieh die stärkeren Bündel allmählich wieder zu einzelnen Fasern auflösen und aus dem Gesichtsfelde ver- schwinden, indem sie wahrscheinlich eine Richtung mehr eerebral- wärts einschlagen. Indem die Commissura anterior stärker wird, sammeln sich zwischen ihren Zügen Faserquerschnitte an, so dass sich auf diese Weise die Vorderstränge allmählich dorsal- wärts verlängern und schliesslich den Centralcanal bei einigen Arten von beiden Seiten einfassen können. Auch die hintere Commissur wird eine zeitlang stärker, nämlich so lange als die Hinterstränge und der dorsale Theil der Seitenstränge in ihrer ursprünglichen Anordnung bestehen bleiben. Besonders aus den letzteren verläuft ein förmlicher Strahl von einzelnen Fasern nach innen zu und trennt dabei die Hinterhörner von der übrigen grauen Substanz. Ein Theil jener Fasern verändert noch auf derselben Seite des Querschnitts seine Riehtung und zieht sagittalwärts weiter, so dass seitlich und etwas dorsal vom ÜOentralcanal eine grössere Anzahl ziemlich starker Fasern als Querschnitte erscheinen, die im mehr proxi- malen Horizonten ventralwärts zur vorderen Commissur weiter ziehen. Ein anderer Theil dieser Fasern zieht nach innen weiter und erreicht im ventral-convexen Bogen dieselbe Gegend des Seitenstrangs der anderen Seite, und bildet so einen ventralen Theil der hinteren Commissur, während ein dorsaler aus den Untersuchungen über das Gehirn der Vögel. 1,04 Fasern gebildet wird, die aus dem dichten Fasernetze hervor- gehen, welches, wie oben beschrieben, den ventralen Theil der Hinterhörner einnimmt, und in einem kürzeren, die Hinterstränge umschreibenden Bogen zu derselben Gegend der anderen Seite gelangen. Eine etwas ähnliche Richtung haben Faserzüge, die von der seitlichen Peripherie der Hinterstränge nach aussen gehend .die eben beschriebenen Fasern in sehr spitzem Winkel schneiden und in den dorsalen Theil der Seitenstränge einstrahlen. Der ventrale Theil der hinteren Commissur wird allmählich immer schwächer und seine Fasern schliessen sich immer mehr der vorderen Commissur an, zu welcher die Fasern nun radien- förmig aus der ganzen Rückenmarkshälfte zusammenstrahlen. Die Veränderungen in der weissen Substanz treten zuerst in jener Gegend auf, die zwischen Hinterhorn und Peripherie des Rückenmarkes gelegen ist. Die hier verlaufenden Fasern ver- lassen nämlich ihre rein sagittale Richtung und ziehen nun, auf dem Querschnitte als kurze Abschnitte erscheinend, zugleich etwas nach aussen und ventralwärts (s. Fig.2e). Es beschränkt sich diese Veränderung zuerst nur auf die nach aussen liegenden feinen Fasern, denn jene mehr innen gelegene und die Hinter- hörner unmittelbar begrenzende Schicht gröberer Fasern bleibt vorerst unverändert. Ebenso behalten die benachbarten etwas stärkeren Fasern des Seitenstranges noch dieselbe Richtung bei, diejenigen der letzteren, welche das Hinterhorn ventral mit be- grenzend weit nach innen in die graue Substanz hinein vor- springen, scheinen ihre Verlaufsrichtung auch weiter proximal kaum zu verändern. Auch die Fasern der Klemhirnseitenstrang- bahn bleiben noch in ihrer Lage, werden aber von den erwähn- ten Fasern, die jetzt der Peripherie entlang ventralwärts ver- laufen, durchzogen und verdeckt. Allmählich schliessen sich auch die übrigen Fasern der Seitenstränge mit Ausnahme der innersten dieser Richtung an, vom Dorsum her ventralwärts fortschreitend (Fig. 5), so dass man auf Schnitten, die einen gewissen Winkel zu dem auf der Längs- achse senkrecht stehenden Querschnitte bilden und zwar so, dass der ventrale Rand weiter proximal als der dorsale liegt, die Fasern der Seitenstränge in ihrer ganzen Länge von dem mehr dorsal gelegenen Ursprung bis zur ventralen Peripherie übersehen kann. Es treten dabei besonders bei gewissen Vogelarten die Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 41 12 180 Dr. F. Brandis: Seitentheile der ventralen Peripherie gegenüber der zurückblei- benden Mitte vor. Anfangs bleiben zwischen den so verlaufenden Fasern noch immer eine gewisse Zahl der Querschnitte soleher Fasern sichtbar, welche ihren sagittalen Verlauf beibehalten. An der ventralen Peripherie biegen die Fasern der Seiten- stränge wieder etwas nach innen um, scheinen hier aber zu endigen, so dass man keine unmittelbare Fortsetzung auf dem- selben Sehnitte erblickt, dagegen finden sich erst spärlich, dann weiter eerebralwärts immer zahlreicher Fasern, die aus dem ven- tralen Theile der so veränderten Seitenstränge nach der Mittel- linie zu (s. Fig. 5f) und zugleich etwas dorsal- und cerebralwärts ziehen, so dass man erst auf höher gelegenen Querschnitten einen längeren Verlauf derselben sieht und findet, dass sie im dorsal eonvexen Bogen die tiefe, durch das erwähnte Zurückbleiben des mittleren Theiles entstehende Einbuchtung der ventralen Peripherie umziehen und die Mittellinie ventral von «den Vordersträngen überschreiten. Eine Fortsetzung der Seitenstrangfasern in die zuletzt beschriebenen findet man hier nicht, auch erscheinen die ersteren von stärkerem COaliber zu sein, dagegen wird weiter proximal der Zusammenhang der beiden deutlich. Gekreuzt werden diese Fasern, die allmählich eine breite Zone an der ventralen Peripherie bilden, von vereinzelten an- (deren, welche, parallel der Peripherie verlaufend, die erwähnte Einbuchtung, in derselben Querebene bleibend, umziehen. Unterdessen haben in der Gegend der Vorderstränge folgende Veränderungen stattgefunden. Die fissura longitudinalis hat sich vom Dorsum her ventralwärts fortschreitend immer mehr ver- kürzt, sie ist jedoch häufig noch nieht ganz verschwunden, wenn bereits die Seitenstrangfasern am ventralen Rande die Mittellinie überschreiten, so dass hier dorsal jener Fasern eine Lücke ent- steht, die einem an der ventralen Seite der Medulla von eaudal- wärts her eindringenden kurzen, sich schnell cerebralwärts ver- engerndem Canale entspricht (foramen eoecum posterius der Säuge- thiere. Die Stelle der vorderen Fissur wird von den Fasern eingenommen, «die nach ihrer Kreuzung in der vorderen Commissur, wie bereits erwähnt, ventralwärts weiterziehen und so die Raphe bilden. Sie umziehen dann die ventrale Grenze der Vorder- stränge und biegen, wenn sie an deren äusserem Rande ange- kommen sind, dorsalwärts um. Im diese Gegend gelangen auch Untersuchungen über das Gehirn der Vögel. 181 Fasern desselben Ursprungs, die schon weiter dorsalwärts die Raphe in spitzem Winkel verlassen haben, soweit sie sich nicht bereits dem sagittalen Verlauf der Vorderstrangfasern ange- schlossen haben. Dass diese letztere Kategorie keine ganz unbe- deutende ist, sieht man daran, dass die Vorderstränge hier all- mählich an Masse zunehmen, besonders den Seitensträngen gegen- über, die sowohl an Umfang wie an Dichtigkeit mehr und mehr verlieren. Die Fasern, welche auf die beschriebene Weise an die äussere Grenze der Vorderstränge gelangen, verschwinden hier bald dem Auge, indem sie eine sagittale Richtung einschlagen und sich beiderseits den Vordersträngen nach aussen anlagern, so dass hier allmählich wieder ein grösserer Complex von Faser- querschnitten entsteht. Was die vordere weisse Commissur anbetrifft, so sind ihre Fasern noch immer sehr zahlreich und strömen aus der ganzen Hälfte des Querschnitts convergirend zu ihr hin. Es zeigt sich zwar eine gewisse Verschiedenheit bei den einzelnen Arten, in- dem besonders die von den Hintersträngen zur vorderen Con- missur ziehenden Fasern an Menge sehr verschieden und unab- hängig von der Grösse der Hinterstränge sind, wie denn z. B.. bei dem mit sehr umfangreichen Hintersträngen ausgestatteten Phoenicopterus diese Fasern verhältnissmässig wenig vertreten sind, doch bleibt im Ganzen die Form der vorderen Commissur mit den zu ihr ziehenden Fasern noch weit proximalwärts die- selbe; besonders ist auch allen gemeinsam, dass die dorso-ventrale Höhe der Commissur mehr und mehr zunimmt, wozu hauptsäch- lich in dieser Gegend kräftige Faserzüge beitragen, die aus den Seitensträngen kommend die Raphe mehr ventralwärts treffen, in derselben eine Strecke weit verlaufen und sie dann auf der anderen Seite im spitzen Winkel verlassen. Auffälliger sind die Veränderungen, welehe im den Hin- tersträngen sich einstellen. Diese werden allmählich immer kleiner und nehmen zugleich an Dichtigkeit ab, die einzelnen Fasern sind weiter von einander getrennt, besonders aber bilden sich in ihnen grosse faserfreie Stellen und zwar eine in der Mittellinie, welche beide Hinterstränge von emander trennt, und eine in der Mitte jedes einzelnen Stranges, wodurch derselbe in einen lateralen und mehr ventralen und in einen medialen und mehr dorsal gelegenen Theil geschieden wird (s. Fig. 3). Diese 183 Drei, Brands: Stellen enthalten ausser Gefässen und Bimdegewebszellen ver- schiedener Form, auch einige Ganglienzellen von mittlerer Grösse. Allmählich beginnt auch eine Aenderung der Verlaufsriehtung der Hinterstrangfasern, und zwar sieht man zuerst, dass an der äusseren Peripherie des Hinterstranges sowohl dorsal wie ventral des Hinterhornes zahlreiche Fasern sich nach aussen wenden (s. Fig. 4) und sich der Richtung der dorsal gelegenen Seiten- strangfasern anschliessen; ausserdem ist hier noch an jene Fasern zu erinnern, welche sich von den Hintersträngen ventralwärts wendend der vorderen Commissur. zu ziehen. Weiter cerebral- wärts verlassen immer mehr Fasern ihre sagittale Riehtung und wenden sich nach aussen, es wird dadurch die Zerlegung jedes Hinterstranges in zwei Theile immer deutlicher und erstreckt sich auch auf die Hinterstrangfasern, welche jetzt dorsal vom Hinterhorn nach aussen ziehen (s. Fig. 3). Bei einigen Vogel- arten ist diese Trennung schärfer als bei anderen, aber wenn auch nur selten eine ausgesprochene faserarme Zone zwischen den beiden das Hinterhorn dorsal begrenzenden, einander parallel verlaufenden Zügen vorhanden ist, so zeichnet sich doch der laterale, jetzt mehr innen gelegene schon durch etwas stärkere Fasern und stärkere Färbbarkeit aus. Faserbündel aus ihm (durchsetzen vielfach das Hinterhorm, begrenzen es ventral und bleiben beständig mit ihm im Zusammenhang, auch wenn es sich weiter cerebralwärts immer mehr von der Mittellinie entfernt und sich der äusseren Peripherie nähert. Die Fasern des ursprüng- lich der Mittellinie anliegenden Theiles dagegen ziehen fast nur unmittelbar an der Peripherie nach aussen und lassen sich bis in die Gegend der Kleinhirnseitenstrangbahn verfolgen, wo sie wieder in eine sagittale Richtung umzubiegen scheinen (s. Fig. 4). Die Hinterhörner nehmen, während sie sich von der Mittel- linie entfernen, allmählich an Grösse zu, und zwar wachsen sie hauptsächlich im horizontalen Durchmesser, während der dorso- ventrale etwas kleiner wird. Aus ihrer Umrandung, besonders der dorsalen, strahlen noch immer zahlreiche Fasern convergirend nach innen, um hier in jenes erwähnte Fasergewirr überzugehen und sich dann der vorderen Commissur anzuschliessen. Es tritt in dieser Höhe etwas ventral von dem in die Breite ge- zogenen Hinterhorn im dorsalen Theile des Seitenstranges eine dureh ihre Form bemerkenswerthe Zellgruppe auf (s. Fig. 5), die Untersuchungen über das Gehirn der Vögel. 183 aus ziemlich zahlreichen, grossen spindelförmigen, mit Carmin sich theıls blass theils intensiver färbenden Zellen besteht und einen nieht unbedcutenden Umfang hat. Eine bestimmte Beziehung dieser Zellgruppe zu irgend einem Faserzuge konnte nicht nach- gewiesen werden. Sie rückt allmählich immer mehr ventralwärts und verschwindet immer zellenärmer werdend. Was die übrige graue Substanz betrifft, so werden die Vorderhörner dadurch, dass die Fasern der Seitenstränge auf ihrem ventralgerichteten Verlaufe zugleich mehr nach innen vor- drängen und den sonst hier in den Seitenstrang vorspringenden Bogen der grauen Substanz abflachen, bedeutend schmaler und zugleich in dorsoventraler Richtung verlängert, so dass die grossen Ganglienzellen fast in Keilform mit. der Spitze ventralwärts an- geordnet erscheinen. Im übrigen ergiebt sich kein nennens- werther Unterschied daraus, dass diese Ganglienzellen jetzt ihre peripheren Fasern zum Hypoglossus ‘statt wie bisher zum ersten Cerviealnerven senden, ebensowenig wie eine Grenze zwischen den Kernen dieser beiden Nerven vorhanden ist. Auch der Vaguskern ist bereits in seinen ersten Anfängen in dieser Höhe auf dem Querschnitte sichtbar und zwar als eine Gruppe mittel- grosser, meist rundlicher heller Ganglienzellen, die seitlich und etwas dorsalwärts vom Centralcanal liegt und weder zum Vorder- noch zum Hinterhorn irgend eine Beziehung hat. Zwischen den einzelnen Zellen erblickt man mehrere, besonders starke Quer- schnitte von Nervenfasern, die auch ohne Zellfärbung die Lage des Kernes kennzeichnen und die einzelnen Theile des in sagit- taler Riehtung sehr ausgedehnten Kernes zu verbinden scheinen (Fig. 5). Doch behalte ich mir die genauere Beschreibung der Nervenkerne für einen späteren Abschnitt vor. Verfolgt man nun die Fasern des Seitenstrangs, welche sich, wie oben beschrieben, der Mittellmie zugewendet haben, weiter in ihrem Verlaufe, so findet man auf Schnitten, die wegen des zugieich cerebralwärts gerichteten Verlaufes dieser Fasern etwas schräg zur Querebene und zwar so angelegt sein müssen, dass der eine laterale Rand mehr cerebralwärts als der andere liegt, dass nach Ueberschreitung der Mittellinie, in der sie sich mit den Fasern der anderen Seite kreuzen, die einzelnen Fasern sich zu stärkeren Bündeln vereinigen und im dorsaleoncaven Bogen zwischen die noch ungekreuzten Seitenstrangfasern der 184 Dr. F.Brandıs: anderen Seite eindringen (s. Fig. 4). Die letzteren, welehe auf dem Querschnitte als kurze zu Gruppen vereinigte Abschnitte erscheinen, werden dadurch in eoncentrische, den eindringenden Fasern parallel verlaufende Reihen angeordnet, deren Richtung jedoch nieht mit der Richtung ihrer eigenen Fasern überein- stimmt (s. Fig. 5). Von den gekreuzten Faserbündeln lösen sieh seitlich zahl- reiche Einzelfasern los, sie ziehen gewöhnlich jene Reihen durch- brechend mehr oder weniger weit nach aussen zur Peripherie, nehmen aber später eine rein sagittale Verlaufsrichtung an, so dass die Zahl jener Fasern immer grösser wird, die aus dem Seitenstrange der anderen Seite stammend nach ihrer Kreuzung, sei es in der vorderen Commissur, sei es ventral der Vorder- stränge, nun wieder, wenn auch auf der entgegengesetzten Seite, ihre alte Verlaufsrichtung einschlagen. Complexe dieser Fasern wachsen von jetzt an zwischen den Vordersträngen und Resten der Vorderhörner einerseits und den Resten der ursprünglichen Seitenstränge andererseits immer mehr an, sie sind von den letzteren dureh die Verschiedenheit ihres Faserverlaufes deutlich zu unterscheiden, werden ausserdem noch davon im ventralen Theile durch em grosses fast faserfreies Feld grauer Substanz getrennt (8. Fig.5g), in welchem zahlreiche rundliche Ganglien- zellen mittlerer Grösse liegen, die aber keine Beziehung zu den Nervenfasern der Umgebung erkennen lassen, da dieselben es entweder nur umziehen oder durchqueren. Die oben beschriebenen Reihen der Abschnitte der ungekreuzten Seitenstrangfasern machen eine deutliche Kniekung an dem äusseren Ende derselben und ziehen nur ventralwärts jenes Feldes zur Mittellinie, während die von der entgegengesetzten Seite kommenden gekreuzten Fasern hauptsächlich weiter ecerebralwärts sowohl .dorsal wie ven- tral derselben verlaufen können. Weiter proximal wird dieses Feld besonders im Querdurchmesser immer ausgedehnter und durch Faserzüge in einen äusseren und inneren Theil geschieden; der letztere, der bis dicht an die Raphe reichen kann, stellt sich häufig senkrecht zur grössten Länge des ersteren, so dass Stieda!) die dadureh auf beiden Seiten entstehenden Figuren zusammen einem umgestürzten T (L) vergleicht. 1) Studien über das centrale Nervensystem der Vögel und Säuge- thiere. Leipzig, Engelmann, 1868. S. 31. Untersuchungen .über das Gehirn der Vögel. 185 Innmer ausgedehnter in dorso-ventraler Richtung wird die ventrale Faserkreuzung, je mehr man proximal fortschreitet, wo- dureh die Vorderstränge in ihrer Länge etwas eingeschränkt werden; man erbliekt jedoch ihre Faserquersehnitte noch zwi- schen den die Kreuzung bildenden Seitenstrangfasern. Die Fasern der Raphe dagegen reichen nicht mehr soweit ventralwärts, sie endigen schon früher, an ihrer Stelle sieht man beiderseits dicht an der Mittellinie zahlreiche, zum Theil recht grosse multipolare Ganglienzellen, zwischen diesen findet man die feinen Fasern sich kreuzen, welche von ventralwärts und aussen herkommend nach Ueberschreitung der Mittellmie sich zu den bekannten Faser- strängen vereinigen, in welchen die gekreuzten Seitenstrang- fasern dorsalwärts ziehen. Zugleich wird das Areal der gekreuzten Seitenstrangfasern immer grösser und dehnt sich nieht nur seitlich, sondern auch dorsalwärts immer mehr aus bis zur Berührung mit den aus den Hintersträngen stammenden Fasern. Nicht alle gekreuzten Seiten- strangfasern nehmen hier aber wieder die sagittale Richtung an, ein nicht unbedeutender Theil jener dorsalwärts ziehenden Faser- bündel gelangt, zugleich immer in cerebraler Richtung fortschrei- tend, bis zum intracerebralen Vagusstamme, überschreitet diesen und tritt, wie wir später sehen werden, in Beziehung zum cor- pus restiforme (s. Fig. 7). Die nicht gekreuzten Seitenstrangfasern dagegen werden allmählich spärlicher, sie sammeln sich immer mehr an der Peripherie und besonders auch der ventralen an, sie erscheinen zuerst noch als lange Abschnitte, dann aber findet man in dieser Gegend immer zahlreicher die Querschnitte sagittal verlaufender Fasern. Aus diesen die Peripherie ringsherum, mit Ausnahme des dorsalen Theiles, einnehmenden dichten Faseranhäufungen ziehen nun, weiter proximal immer zahlreicher werdend, in der Ebene des Querschnitts liegende Fasern, unmittelbar an der Peripherie verlaufend dorsalwärts. Ein Theil von ihnen lässt sich den ventralen Rand umsäumend bis zur anderen Seite verfolgen, die grössere Menge aber entsteht wahrscheinlich aus den ungekreuzten Seitenstrangfasern derselben Seite (s. Fig. 8). Weiter cerebral- wärts, um hier vorzugreifen, vermehren sieh die von hier dorsal- wärts ziehenden Fasern bedeutend und schliessen sieh ebenfalls 186 DraRsBrand ste dem corpus restiforme an, indem sie durch die Kleinhirnseiten- strangbahn hindurehziehen. Die Hinterstränge entfernen sich unterdessen immer weiter von der Mittellinie, so dass in der Mitte der dorsalen Peripherie eine deutliche Einbuchtung entsteht. Hierbei rückt der dem Hinterhorn unmittelbar anliegende Theil mit jenem zugleich immer mehr nach aussen, seine Fasern überdeecken dabei das Hinter- horn so, dass die Form desselben nieht. mehr deutlich hervortritt (s. Fig. 6k). Der ursprünglich median gelegene Theil des Hinter- stranges dagegen vergrössert sich allmählich dadurch, dass die in ihn eingelagerte graue Substanz, die oben erwähnt wurde, sich zu einem rundlichen klemzelligen Kern zusammenschliesst und mehr und mehr anwächst, so dass er schliesslich nur noch von einem schmalen Saum von Fasern umgeben ist, während die übrigen Fasern dieses Hinterstrangtheiles längs der dorsalen Peripherie nach aussen ziehen. Die hintere Commissur besteht noch in dieser Gegend und enthält ziemlich zahlreiche Fasern, welche jene erwähnte Einbuchtung ventralwärts umgeben und nach aussen hin, den inneren Theil der Hinterstränge umziehend, zwischen den Fasern der lateralen Abtheilung verschwinden. Während die Hinterstränge immer mehr auseinander rücken und der dorsal der vorderen Commissur gelegene Theil des Quer- schnittes immer kleiner wird bei fortwährender Zunahme des ventralen, nähert sich der Centralcanal, der eine unregelmässige Gestalt angenommen hat und bis dieht vor seiner Oeffnung in den vierten Ventrikel, wobei er sich dann sehr erweitert, noch eng bleibt, der dorsalen Peripherie immer mehr. Doch wie um die hintere Commissur vor dem drohenden Durehbruch zu schützen, erscheinen in ihr jetzt bedeutend stärkere Fasern, die ebenfalls aus der lateralen und mehr ventral gelegenen Abtheilung der Hinterstränge stammen; diese kreuzen sich in der hinteren Com- missur mit den entsprechenden Fasern der anderen Seite, treten aber, selbst nach dieser gelangt, nicht wieder in den Hinterstrang ein, sondern schlagen von jetzt an eine sagittale Richtung ein, so dass sie auf dem Querschnitte nur als eine Gruppe kurzer Abschnitte noch sichtbar bleiben. Diese Fasern nehmen weiter proximal an Menge zu und verdrängen allmählich ganz die hintere Commissur, so dass sie allein die dorsale Bedachung des jetzt erweiterten Centralcanals bilden, bis auch sie zuerst in der Mitte Untersuchungen über das Gehirn der Vögel. 187 verschwinden, und die Oefinung des Centraleanals in den vierten Ventrikel erfolgt. In den Seitentheilen dagegen bestehen diese Fasern noch länger und sind noch weit proximalwärts als Quer- schnitte und kurze Abschnitte zu verfolgen, sie entsprechen dem faseieulus solitarius der Säugethiere, dessen Kreuzung bei Vögeln schon Koch!) eonstatirt hat (s. f. 6—17 f. s.). Nach Oeffnung des Centralcanals liegen zu beiden Seiten des tief sich einbuehtenden vierten Ventrikels die umfangreichen Vaguskerne, dann folgt das Gebiet der eben beschriebenen faseieuli solitarii; daran stösst nach aussen der oben erwähnte Kern des Hinterstranges, welcher dorsal nur noch von einer schmalen Schieht nervenhaltiger Fasern begrenzt ist und sich so vergrössert hat, ‘dass er den ganzen äusseren Theil des Quer- schnittes dorsal vom intracerebralen Vagusstamm einnimmt (8. Fig. 7). Der andere Theil des Hinterstranges mit dem Hinterhorn ist allmählich soweit ventralwärts gerückt, dass er ventral der Vagusfasern liegt und die innere Begrenzung der Kleinhirnseiten- strangbahn bildet, die bisher ihre Faserrichtung beibehalten hat und jetzt wieder deutlich erkennbar ist. Auch der genannte Theil der Hinterstränge nimmt jetzt wieder eine mehr sagittale Richtung in seinem Faserverlauf an und bildet so einen ziemlich umfangreichen Complex von Faserquerschnitten, zwischen denen überall noch Theile des Hinterhorns sichtbar sind, und dürfte in dieser Lage der aufsteigenden Trigemimuswurzel entsprechen. Er wird durehzogen von den weiter dorsalwärts verlaufenden gekreuzten Seitenstrangfasern, dagegen nach innen und ventral begrenzt von Fasern desselben Ursprungs, die bereits wieder sagittal verlaufen. In den höheren Absehnitten der medulla oblongata werden die Nervenfasern immer zahlreicher, welche aus jeder gesammten Hälfte des Querscehnittes convergirend zum dorsalen Theil der Rapbe ziehen und ihrem ganzen Verlaufe nach noch immer den Fasern der vorderen Commissur entsprechen; nur aus dem Boden des vierten Ventrikels, welcher aus grauer Substanz besteht, ziehen nur ganz vereinzelte Fasern hierher. Diejenigen Fasern, 1) Nogle Bemärkninger om Udspringet af 9de, 10de og I1de Hjärnenerve af Dr. P. D. Koch. Nordisk Medieinskt Archiv Bd. XXI Nr. 11. 188 DrARSBTJa.ndas: welche aus dem dorsalen Theile des Querschnitts kommend, un- gefähr in gleicher Höhe zur Raphe ziehen, erreichen dieselbe, indem sie sich zu starken Bündeln vereimigen, etwas mehr ven- tralwärts, während die Fasern, welche aus dem ventral gelegenen Theile des Querschnittes entspringen und hier oft bis dieht an die Peripherie zu verfolgen sind, die vorigen kreuzend zu dem äussersten dorsalen Ende der Raphe gelangt nach innen umbiegen; ein auffallend starker Zug dieser Fasern zieht dieht an den Vor- dersträngen entlang. In der Raphe ziehen diese‘ Fasern dann wieder ventralwärts und verlassen dieselbe früher oder später auf der entgegengesetzten Seite. Sie ziehen dabei auch noch weiter ventralwärts, als das Gebiet der Vorderstränge reicht, welches sieh jetzt allmählich mehr und mehr verkleinert, sodass die Raphe, die bereits bedeutend verkürzt war, durch jene Fasern wieder mehr verlängert wird. Zu erwähnen ist noch, dass nicht alle Fasern das dorsale Rapheende erreichen, sondern einige davon auch weiter nach aussen ziehend in die graue Substanz des Bodens des vierten Ventrikel emstrahlen (s. Fig. 8). Jene Faserbündel der ventralen Kreuzung, die sich noch immer mehr «dorsalwärts ausdehnen, nehmen nun auch Fasern auf, die in der Raphe ventralwärts gezogen sind, während sie weiter distal fast ausschliesslich aus Fasern bestanden, welche nur ventralwärts aus dem gegenüberliegenden Seitenstrange kamen. Ob auch Theile der Faserbündel, welche in der Nähe der Raphe bald büschelförmig auseinanderstrahlen, die Raphe direkt überschreiten und in dem entgegengesetzten Seitenstrang oder den dort befind- lichen Zellen entstehen, erscheint für diese Höhe sehr zweitel- haft, während man dieses Verhalten weiter cerebralwärts häufiger findet. Solche Faserbündel, die aus der Raphe in verschiedener Zusammensetzung eutspringen, indem sie theils mehr aus dorsal- wärts, theils mehr aus ventralwärts herkommenden Fasern be- stehen, die aber wohl beide aus dem gegenüberliegenden Seiten- strange stammen, werden eerebralwärts immer zahlreicher und beherrschen durch ihre Form das Bild des Querschnittes, sie entsprechen wenigstens nach ihrem «dorsalwärts und nach aussen gerichteten Verlauf den inneren Bogenfasern der Säugethiere (s. Fig. 7 u. 8). Die Felder grauer Substanz, die im ventralen Theile des Querschnittes zwischen ihnen lagen, verschwinden Di 14 - Untersuchungen über das Gehirn der Vögel. 159 allmählich und werden von ihnen eingenommen, zuerst das- jenige, welches weiter ventral und nach innen lag, dann folgt auch das näher der Peripherie gelegene. Man findet dagegen schon in dieser Höhe über den ganzen Querschnitt zerstreut grosse multipolare Ganglienzellen, die bald heller bald dunkler gefärbt sind, und zu beiden Seiten der Mittellinie in grösserer Zahl zusammenliegen. Ferner erscheinen in dieser Höhe ziemlich zahlreiche Fasern, die zwischen den Faserzügen der ventralen Peripherie in einer gewissen Entfernung von der Mittellinie sichtbar werden und zwar so, dass ihr ventrales Ende nach der Mittellinie zu gerichtet ist, so dass sie von der anderen Seite herzukommen scheinen. Diese ziehen dorsalwärts und nähern sich dabei der Raphe von beiden Seiten mehr und mehr, bis sie schliesslich dorsal von der ventralen Kreuzung zum Theil in jene übergehen, zum Theil sich aber auch zwischen den Fasern der Vorderstränge verlieren. Es bleibt nun noch übrig die Bogenfasern in ihrem dorsalen Verlaufe weiter zu verfolgen; wir haben gesehen, dass sie den Theil der Hinterstränge, welcher die Lage der aufsteigenden Trigeminuswurzel angenommen hat, zum Theil durchsetzen, zum Theil nach innen davon verlaufend den intracerebralen Vagus- stamm überschreiten und in das Gebiet des jetzt dorsalen Theiles des Hinterstrangs eindringen, welcher in dieser Höhe als ein un- regehnässiges, ziemlich diehtes Fasernetz mit dazwischen liegen- den zahlreichen kleinen Ganglienzellen den äusseren Theil des Quersehnittes dorsal vom Vagusstamme einnimmt. Hier biegt nun ein Theil der Bogenfasern, und zwar der mehr nach aussen ge- legene, scharf nach aussen um und geht ganz in das erwähnte Netzwerk über, so dass hier ein dichtes Fasergewirr dorsal vom Vagus und der Kleinhirnseitenstrangbahn entsteht, welche der Peripherie anliegt (s. Fig. 8). Die Fasern verlaufen in diesem noch eine Strecke weit eerebralwärts und ziehen dann, wie wir später sehen werden, zugleich mit den Fasern der Kleinhirn- seitenstrangbahn dorsalwärts weiter und helfen so, den äusseren Theil des processus ad cerebellum mit zu bilden. Die mehr nach innen gelegenen Bogenfasern und auch em Theil der weiter aussen liegenden, die dann erst die oben erwähnten nach aussen umbiegenden Fasern in ihrem Verlaufe ventral vom Vagus kreu- zen müssen, ziehen auch dorsal des Vagus mehr nach innen 190 Dr. FE Brandis: weiter- in der Richtung auf den grosszelligen Kern hin, welcher, wie später näher beschrieben werden wird, im äusseren Theil des Bodens des vierten Ventrikels auftritt und zum Acustieus- system gehört. Dieser Kern ist von sehr dieht ‘angeordneten "asern umgeben, die ihrerseits nach Austritt des Acustieus zum Kleinhirnschenkel ziehen und zwar zu dessen innerer Seite; die- sen Fasern schliessen sich die zuletzt behandelten Bogenfasern an. Zwischen ihnen und den erst erwähnten ist auch ein weiterer Unterschied vorhanden, indem diese bedeutend weiter eaudalwärts bereits auftreten und näher der Peripherie aus der Raphe ent- springend hauptsächlich aus Fasern stammen, die ventralwärts von dem gegenüberliegenden Seitenstrange herkommen, während jene ihre stärkste Entwicklung erst zeigen, wenn die anderen verschwunden sind, mehr dorsalwärts aus der Raphe entspringen und zwar um so weiter, je mehr man proximal fortschreitet, und hauptsächlich aus solehen Fasern entsteht, die in der Raphe von dorsalwärts hinabziehen. Schliesslich bildet die letzte Faser- kategorie auch nicht so starke Faserzüge wie die erst erwähnte. Jener Faserkomplex, der um den grosszelligen Kern herum sich anlegt, erhält ausser von den Bogenfasern noch einen sehr bedeutenden Zuwachs durch einen sehr starken, auffälligen Faser- zug, welcher vom dorsalen Ende der Raphe durch die graue Substanz am Boden des vierten Ventrikels hierherzieht, er ent- steht zum Theil aus den Seitenstrangfasern der gegenüberliegen- den Seite, die zum dorsalen Rapheende ziehen. Man erbliekt nämlich weiter eerebralwärts immer mehr von den Fasern, welche statt in der Raphe ventralwärts weiter zu ziehen, sich hier mit den Fasern der entgegengesetzten Seite kreuzen und dann ihren Lauf dorsalwärts und nach aussen fort- setzen bis sie jene Faseranhäufungen um den grosszelligen Kern erreichen. Ein anderer nieht unbedeutender Theil dieser Fasern, der hauptsächlich weiter cerebralwärts überwiegt, dürfte aber aus Commissurenfasern zwischen diesen beiden Gegenden bestehen, Zwischen diesen Fasern, welche auf dem Querschnitt in ihrer Längsriehtung getroffen in längeren Abschnitten erscheinen und theils als Bogenfasern ungefähr parallel der Peripherie ver- laufen, theils radienförmig von allen Seiten zum dorsalen Ende der Raphe zusammenstrahlen oder endlich, eine mittlere Verlaufs- N Untersuchungen über das Gehirn der Vögel. 191 richtung einschlagend, in kürzeren Zügen zur Raphe ziehen, liegen die sagittal verlaufenden Fasern als Querschnitte zu kleinen Gruppen veremigt oder grössere diehte Komplexe bildend. Sie sind in der Höhe des distalen Endes des Acusticuskernes unge- fähr in folgender Weise angeordnet. In der Mitte liegen der -Raphe an die Fasern der Vorderstränge, welche in ihrer dorso- ventralen Ausdehnung stark redueirt sind, indem sie sieh zu einem gewissen Theile den Bogenfasern angeschlossen haben. Die gekreuzten Fasern der Seitenstränge haben sich all- mählich nach Verschwinden des Hypoglossuskernes den Vorder- strängen dicht angelagert, unterscheiden sich aber deutlich von jenen durch die geringere Stärke der einzelnen Fasern, im ven- tralen Theile des Querschnittes treten sie bis dicht an die Raphe heran. Von der umfangreichen aufsteigenden Trigeminuswurzel sind diese Seitenstränge durch eine ziemlich breite Zone, welche nur spärliche Fasern enthält, getrennt und unterscheiden sich von ihr auch dadurch, dass in der letzteren abgesehen von der ihr eingelagerten grauen Substanz, die Faseranordnung viel dich- ter ist. Schliesslich sind noch die Seitenstrangreste zu erwähnen, welche als eine dichte Lage von Faserquerschnitten ventralwärts von der Kleinhirnseitenstrangbahn die Peripherie umsäumen und zahlreiche dem Rande parallel verlaufende Fasern enthalten, die, wie schon erwähnt, sich später dem corpus restiforme anschlies- sen und zum Theil aus dem gegenüberliegenden Seitenstrange stammen, zum Theil aber auch ihren Ursprung auf derselben Seite nehmen. Ueber die auf dem Querschnitt zerstreuten Zellen in dieser Höhe sind, soweit sie ventral des intracerebralen Vagus liegen, nur wenige Worte zu sagen; die graue Substanz am Boden des vierten Ventrikels wird später im Zusammenhange behandelt werden. Im dorsalen Theile des bezeichneten Gebietes findet man zahlreiche kleine, rundliche, helle Zellen, die ventralwärts immer spärlicher werden und hier durch über den ganzen Querschnitt zerstreute, grössere, multipulare Ganglienzellen ersetzt werden, die sich, wie schon erwähnt, in der Umgebung der Raphe in — grösserer Zahl ansammeln. Nicht selten erblickt man „wischen den Fasern unregelmässig begrenzte kleine Felder grauer Sub- 192 Dr. F. Brandis: stanz, hauptsächlich in der Umgebung von Gefässen, und ferner in der Gegend der aufsteigenden Trigemmuswurzel. Genauere Beziehungen hauptsächlich zwisehen den grösseren Ganglienzellen und den Fasern konnten mit den angewandten Methoden nieht gefunden werden. Es sei gestattet, hier noch einige Bemerkungen über die physiologische Bedeutung der bis hierher verfolgten Fasersysteme anzufügen. Die Hinterstränge senden einen grossen Theil ihrer Fasern theils gekreuzt durch die vordere Commissur, theils direkt zu den Seitensträngen. Von den in dorsaler Lage bleibenden Resten tritt ein Theil (der laterale) in Beziehung zur aufsteigenden Tri- geminuswurzel und wahrscheinlich zum faseieulus solitarius, der mediale dagegen hat Verbindungen mit dem Kleinhirn und der Aeustieusgruppe. Die Kleinhirmseitenstrangbalın schliesst sieh nach einem sehr einfachen Verlaufe dem äusseren Theile des Kleinhirnschenkels an. Die Vorderstränge entsprechen zu einem grossen Theile dem hinteren Längsbündel der Säugethiere: hierfür spricht er- stens ihr Verlauf, der bis in die Gegend des Oculomotoriuskernes verfolgt werden kann, und ferner die sehr frühe Markscheidenent- wieklung derselben, da z. B. beim eben ausgebrüteten Sperling neben ihnen nur ganz spärliche, zerstreute Fasern, abgesehen von den Nervenstämmen, Markscheiden haben. Es ist jedoch nicht anzunehmen, dass sie allein die Vorderstränge bilden, sehr zahl- reiche mehr ventralwärts gelagerte Fasern verlassen sie auf der Strecke des oben beschriebenen Verlaufes und schliessen sich, theils direkt ventralwärts ziehend, theils die Raphe durchkreuzend, den Seitensträngen an. Diese letzteren enthalten so Fasern fast aller übrigen Stränge und stellen ihrem Ursprunge und Ziele nach ein sehr eomplieirtes Fasereonglomerat vor. Ganz bedeutende Fasermengen geben sie, wie wir oben gesehen haben, zum Kleinhirn ab, ebenso versorgen sie, wie wir später finden werden, den lobus optieus. Aus ihnen stammen auch schliesslich wenigstens zum Theil die Fasern der peduneuli cerebri. Deshalb müsste man mindestens im oberen Theile ihres Verlaufes auch die Pyramidenfasern suchen, weiter caudalwärts könnten sie sich trotzdem den Vordersträngen wieder anschliessen, wie man aus der Stärke der Fasern der letzteren Untersuchungen über das Gehirn der Vögel. 193 folgern möchte, und wie auch Kreis!) es annimmt. Es ist aber die Existenz derselben bei den Vögeln überhaupt noch zweifel- haft; zahlreiche Experimente?) haben ergeben, dass nach Ent- fernung einer oder beider Hemisphären wenigstens bei der Taube motorische Störungen nicht entstehen, auch durch experimentelle Entzündungsheerde im Grosshirn konnte Schrader?) solche nicht hervorbringen und sprach daher den Tauben das Pyramidenfaser- system ab. Singer!) fand auch durch die anatomische Untersuchung des Rückenmarkes einer Taube, welcher vier Wochen vorher eine Hemisphäre exstirpirt war, nichts Abnormes, was auf degenerirte Pyramidenfasern schliessen liesse. Sandmeyer?) dagegen kommt zu anderen Resultaten, er fand bei einer ebensolchen Taube nach (drei Monaten deutliche seeundäre Degeneration im Rückenmark, und zwar war diese auf die Vorderstränge beschränkt und in der Art loealisirt, dass der Degenerationsheerd ohne wahrnehmbare Differenz in der Intensität zu beiden Seiten des Sulcus anterior eine breite sichelförmige Figur bildete. Ich selbst erhielt leider keine positiven Resultate bei der Untersuchung zweier Tauben, (deren eine Hemisphäre exstirpirt war, und von denen die eine zehn, die andere sechs Wochen nach der Operation gelebt hatte; Rückenmark und medulla oblongata schienen unverändert zu sein, so dass die Frage nach der Pyramidenbahn der Vögel noch eine offene bleibt. 1) Zur Kenntniss der medulla oblongata des Vogelhirns. "Inau- gural-Dissertation. Zürich 1882. 2) Siehe Schrader, Zur Physiologie des Vogelhirns. Pflügers Archiv Bd. 44. H. 5—6 und Ueber die Stellung des Grosshirns im Re- tlexmechanismus des centralen Nervensystems der Wirbelthiere. Archiv f. experiment. Pathol. u. Pharmakologie Bd. 29, Heft 1u. 2 und ferner Boeck et le Boeuf, Ablation des hemispheres cer&braux chez le pigeon. Bull. de la soc. de med. mentale Belgique 1890. Decembre. 3) Ueber experimentelle Entzündungsheerde im Grosshirn bei Hunden und Tauben. Vortrag gehalten auf der XVI. Wanderver- sammlung der südwestdeutschen Neuralogen und Innenärzte zu Baden- Baden am 6. und 7. Juni 1891, ref. in Neuralog. Centralbl. X. S. 407. 4) Sitzungsberichte der kaiserl. Akademie der Wissenschaften in Wien, Bd. 84, S. 400. 5) Secundäre Degeneration nach Exstirpation motorischer Centra. Zeitschrift für Biologie XXVIII. Bd. Neue Folge Bd.X, S. 177. 1891. 194 Dr. E. Brandis: Untersuchungen über das Gehirn der Vögel. Erklärung der Figuren auf Tafel XIII. Die Figuren entsprechen einer vom obersten Cervicalmark cere- bralwärts fortschreitenden Reihe mit Ausnahme der Figur 7, die nur gezeichnet ist, um das quantitative Verhalten der weissen zur grauen Substanz bei kleinen Vögeln zu verdentlichen. Die angegebene Vergrösserung entspricht nur den gröberen Verhältnissen des Querschnittes, Nervenfasern und Zellen sind nach stärkeren Vergrösserungen eingezeichnet. Fig. 1. Querschnitt des obersten Halsmarkes von Picus viridis. Hart- nack. Okject 4, Oe. 1. Fig. 2. Wenig höher liegender Querschnitt von Anser canadensis. Obj. 2, Oe. 1. Fig. 3. Querschnitt der Medulla obl. von Corvus cornix. Obj. 2, Oe. 5. Fig. 4. Querschnitt des obersten Halsmarkes von Regulus cristatus. Obj. 4, Oe. 1. Fig: 5. Querschnitt der Med. obl. von Numida meleagris. Obj. 4. Oc. 1. "ig. 6. Etwas höherer Schnitt von Machetes pugnax. Obj. 4, Oe. 1. Fig. 7. Dasselbe von Fulica atra. Obj. 4, Oe. 1. Fig. 8. Dasselbe von Cacatua galeata. Obj. 4, Oe. 1. a. — Faserarmes Randfeld. b.— Kleinhirnseitenstrangbahn. ce. — Feinfaseriges Feld dorsal vom Hinterhorn. d. — Querschnittanhäufungen zwischen Vorder- und Hinterhorn. e. — Fasergewirr im Halse des Hinterhorns. f. — Medialwärts umbiegende Fasern des Seitenstrangs. &. — Graue Substanz im ventralen Theile des Querschnittes. h.— Lateraler Theil des Hinterstrangs. i. medialer Theil desselben. f. s. Fascieulus solitarius. 195 Die Nervenendigungen in den Schmeck- bechern der Säuger. Von Prof. C. Arnstein. Hierzu Tafel XIV. Im Folgenden soll über Beobachtungen berichtet werden, die aus dem Jahre 1890 stammen, also bereits vor zwei Jahren angestellt, der Oeffentlichkeit aber nicht übergeben wurden, da eine systematische Untersuchung aller Nervenendigungen in der Zunge geplant war. Dabei kamen natürlich nächst den Ge- schmacksnerven vor Allem die Drüsennerven in Betracht. Aber gerade in dieser Beziehung kann ich auch gegenwärtig meine Angaben nicht genauer präcisiren, als es speciell für die Drüsen- nerven der Zunge durch Retzius!) und für die Schweissdrüsen durch mich?) bereits 1889 geschehen ist?). Die nächste Veran- 1) Retzius: Ueber Drüsennerven. Verhandl. d. biolog. Vereins in Stockholm. Bd. I. Nr. 3. 2) Arnstein, Ueber die Nerven der Schweissdrüsen. Anatom. Anzeiger. Jahrg. IV. 1889. 3) Die seither bekannt gewordenen Arbeiten über Drüsen- nerven machen es wohl wahrscheinlich, dass ein periacinöses Ge- flecht feinster varicöser Fäden allen Drüsen eigen ist. Doch sind noch folgende Punkte klar zu stellen. 1. Bilden die den acinus, resp. tubulus umspinnenden Fäden ein echtes Netz, oder ein Geflecht? 2. Liegen diese Fäden epilemmal oder hypolemmal? 3. Liegen sie im letzteren Fall pericellulär oder dringen sie auch zwischen die Zellen ein, wie es Ramon y Cajal und Sala für das Pancreas behaupten? 4. Hängen die terminalen Fäden mit den Secretionszellen zusammen? Ich habe diese Fragen speciell geprüft an den Zungendrüsen, am Pan- creas und an der Harder’schen Drüse des Kaninchens und muss gestehen, dass ein sicherer Entscheid an Methylenblaupräparaten sehr schwierig ist. Was die Lage dieser Fäden anlangt, so sprechen sich die Beobachter zu Gunsten der pericellulären Lagerung der Terminal- fäden aus, ohne jedoch zwingende Gründe beizubringen. An Chrom- silberpräparaten ist die membrana propria nicht zu sehen, sie ist voll- kommen durchsichtig und farblos und man hat absolut gar kein Ur- theil darüber, ob die dünnen schwarzen Fäden über oder unter der Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 41. 15 196 Prof. C. Arnstein: lassung zur Veröffentlichung meiner mittelst der Methylenblau- methode erhaltenen Befunde, ist durch die Publication von Fu- sarı und Panasci!) geboten, die mit Chromsilber arbeiteten und zu Resultaten gelangt sind, die den meinigen gerade im Kardinal- punkt widersprechen. Die genannten Forscher statuiren einen direkten Zusammenhang der Nervenfibrillen mit den axial gele- genen Zellen der Schmeckbecher, während ich diesen Zusammen- hang auf das Entschiedenste verwerfe. Ich werde zuerst eine genaue Beschreibung dessen liefern, was man an Präparaten sieht, die nach der Methode von Ehr- lich gefärbt und mittelst der von uns angegebenen Methoden fixirt wurden. Infundirt man einem chloroformirten oder eben getödteten Kaninchen eine 4°/, Lösung von Methylenblau und wartet bis die intensiv blau gefärbte Zunge abgeblasst ist, was binnen 15—20 Minuten geschehen ist, so findet man in den meisten Fällen die intraepithelialen Nervenfäden sowohl am Deckepithel, als an den Sinnesepithelien gefärbt. Die Anfertigung der Präparate geschieht folgender Weise. Es wird eine papilla foliata herausgeschnitten, in Hollundermark geklemmt und in feine Schnitte zerlegt und zwar so, dass die Leisten oder Blätter im Querschnitt erscheinen. Ist das Rasirmesser genügend scharf, so gelingt es bei einiger Uebung die Schnitte so fein herzuriehten, dass sie mittelstarken Systemen zugänglich werden. Die auf den Objektträger gebrach- ten Schnitte werden mit Serum oder physiologischer Kochsalz- Membran liegen. Andrerseits können Schietschnitte leicht falsche Vor- stellungen über die Lage der Fäden veranlassen; conf. Erik Müller (Archiv f. mikr. Anat. Bd. 40, pag. 390). An Methylenblaupräparaten stehen die Sachen nicht viel besser. Ausserdem färben sich hier mehr oder weniger auch die Drüsenzellen, wodurch das Bild an Schärfe sehr verliert. Man wird aber mit dieser Methode vielleicht weiter kommen, wenn man Zupfpräparate anfertigt. Vielleicht gelingt es dann die dünne Grenzhaut abzustreifen und die umspinnenden Fäden in Ver- bindung mit Drüsenzellenkomplexen zur Anschauung zu bringen. Ich habe solche Versuche an dem Pancreas und an der Harder’schen Drüse angestellt, ohne jedoch bis jetzt beweisende Bilder erhalten zu haben. 1) Les terminaisons des nerfs dans la muqueuse et dans les glandes sereuses de la langue des mammiferes. Arch. italiennes de Biologie. Tome XIV. p. 240. Die Nervenendigungen in den Schmeckbechern der Säuger. 197 lösung angefeuchtet und mit schwachem System zunächst be- trachtet. Die vollständige Färbung der intraepithelialen Fäden tritt an der Luft sehr bald, d.h. nach ein paar Minuten ein und man kann nun die mit pierinsaurem Ammoniak übergossenen Schnitte auf dem Objektträger fixiren, oder man wirft die Schnitte in ein Schälchen, das die fixirende Lösung enthält und lässt sie dort eine Stunde und länger. — Schliesst man sie nun in Glycerin ein, so bekommt man Präparate, die dünn und durchsichtig genug sind, um mit starken Systemen untersucht zu werden. — So instruktiv diese Präparate sind, so genügen sie doch nicht, um die Kardinalfrage zu lösen hinsichtlich des Zusammenhangs der axial gelegenen „Geschmackszellen*“ mit den terminalen Fi- brillen des Geschmacksnerven. Den prineipiell wichtigen Ent- scheid bringen erst die Isolationspräparate, und dass solche Prä- parate angefertigt werden können, ist ein nicht hoch genug anzu- schlagender Vorzug dieser Methode, gegenüber der Chromsilber- methode, die, wie weiter unten auseinandergesetzt wird, zu Trug- bildern führt. An gut gelungenen Isolationspräparaten können die näheren Beziehungen der „Geschmackszellen“ zu den termi- nalen Nervenfäden mit aller nur wünschenswerthen Präeision und Klarheit festgestellt werden. Um Isolationspräparate anzufertigen, verfahre ich folgendermaassen. Ich schneide eme pap. foliata in dünne Scheiben, entsprechend den Leisten, und setze sie eine Zeit lang der Luft aus, oder ich benutze die mit dem Rasirmesser angefertigten, aber zu diek ausgefallenen Schnitte. Diese Gewebs- stücke werden darauf mit piermsaurem Ammoniak behandelt. Dieses Reagens ist ein vortreffliches Macerationsmittel, das wir seit Jahren zur Isolation von Epithelien benutzen. Im gegebenen Falle entfaltet es die gewünschte Doppelwirkung, es fixirt die Färbung der Nervenfibrillen und macerirt die Epithelien. Der Grad der Maceration muss aber genau abgepasst werden; lässt man die Stücke in der Macerationsflüssigkeit zu lange liegen, etwa 24 Stunden, so quellen die Zellen und verlieren ihre schar- fen Contouren. Ich habe es daher vorgezogen die gesättigte Lösung von pierinsaurem Ammoniak mit einer Lösung von Piero- carmin zu versetzen. Das Pierocarınin fixirt ebenso gut die Färbung der Nervenfibrillen in braun-violetter Farbe und färbt gleichzeitig die Zellkerne roth, ohne das Gewebe zu maceriren. Man kann die Mischung beider Lösungen so abpassen, dass (die 198 Prot. ©. Arnstein: saturirte Kernfärbung ungefähr gleichzeitig mit dem nöthigen Macerationsgrad eintritt. Man erhält dann Präparate, in denen die isolirten gelblich gefärbten Zellen scharf contourirt sind und einen lebhaft roth gefärbten Kern zeigen, während die Nerven- fibrillen violett erscheinen (Fig. 6). Man kann auch beide Lösungen nacheinander anwenden; zuerst etwa das Picerocarmin und dann die saturirte Lösung des pierinsauren Ammoniaks, bis der nöthige Grad von Maceration eingetreten ist. Die Epitheldecke muss sich leicht von der bindegewebigen Unterlage lösen und ein leichter Druck auf das Deckgläschen muss genügen, um die Deck- und Sinneszellen isolirt zur Anschauung zu bringen. Das mechanische Isoliren mittelst Nadeln darf nur sehr schonend ausgeführt werden, um die den Zellen anhaftenden, gefärbten Nervenfäden nicht zn zerstören. Das zu Isolationszwecken her- gerichtete Material kann ein paar Tage unbeschadet in einem Scehälehen mit verdünntem Glycerm ‘aufbewahrt und nach Bedarf verarbeitet werden. Eingeschlossen wird in Glycerin, dem etwas pierinsaures Ammoniak zugesetzt ist. Betrachtet man einen Schnitt aus der papilla foliata bei günstiger Schnittrichtung, d. h. wenn die Schmeckbecher sich in ihrer ganzen Länge dem Beobachter präsentiren (Fig. 1), so sieht man schon bei schwacher Vergrössernng dort, wo man die Schmeekbecher zu suchen hat, eine eigenthümliche bogenförmige Anordnung der gefärbten intraepithelialen Nervenfäden. Man kann sie bei einer bestimmten Einstellung leicht von der Basis des Sehmeckbechers bis an den Geschmacksporus verfolgen. Sie eonvergiren sehr stark in dem Maasse, als sie sich der Epithel- oberfläche, da wo der Geschmacksporus liegt, nähern. Die Con- vergenz der bogenförmigen Fäden an der Basis des Schmeck- bechers ist viel geringer und da diese charakteristische Anord- nung der Fäden an den Epithelstreifen zwischen den Bechern fehlt, so tritt die Tonnenform der letzteren ziemlich scharf hervor, obgleich die Zelleontouren gar nicht oder nur schwach hervor- treten. An den Stellen des Epithels, wo keine Schmeckbecher liegen, sind die intraepithelialen Fäden ganz anders angeordnet und bleiben häufig ungefärbt. — Diese bogenförmige Anordnung Die Nervenendigungen in den Schmeckbechern der Säuger. 199 der violetten Fäden tritt aber, wie erwähnt, nur bei einer be- stimmten Einstellung hervor, d. h. bei einer Einstellung auf die Oberfläche des Bechers. Schraubt man nun den Tubus um ein Weniges tiefer, stellt man scharf auf den axialen Theil. des Bechers ein, so bekommt man ein Gewirr von Nervenfäden zu Gesicht. Ein Theil der Fäden verläuft ziemlich geradlinig von der ‚Basis bis an den Porus des Bechers. Der grössere Theil der Fäden durchsetzt aber den von den Decekzellen eingeschlossenen Raum in schiefer, häufig wechselnder Richtung. Ueber die Be- ziehungen dieser Fäden zu den axialen Zellen bekommt man keinen sicheren Aufschluss, zum Theil, weil die Contouren der Zellen nieht scharf genug hervortreten, hauptsächlich aber wegen der. sehr zahlreichen, in den verschiedensten Richtungen sich kreuzenden und schlängelnden Fäden (Fig. 3a). Ganz ähnliche, aber viel klarere Bilder erhält man, wenn man mit einem scharfen Scalpell, das Epithel von der bindege- webigen Unterlage löst. Bei einem bestimmten Macerationsgrad, der bei Anwendung der saturirten Lösung nach 15—24 Stunden eintritt, lassen sich grössere Epithelfetzen ablösen, die man mit- telst Nadeln nach Bedarf zerkleinern kann. Man findet dann im Präparat Gruppen von Schmeckbechern , die dem Beobachter in seltenen Fällen ihre Langseite zukehren oder schief gestellt sind. Häufig ist der Geschmacksporus dem Beobachter zugekehrt, oder sieht umgekehrt nach unten. Fixirt man nun eine Gruppe sol- cher Becher, so bekommt man sehr klare und durchsichtige Bilder, die aber sehr wechseln, je nach der Stellung der betref- fenden Becher und der Einstellung der Schraube. Fig. 3 stellt solch ein Präparat dar. Man sieht 3 Becher von denen zwei (b u. e) den Porus zeigen , der dritte (a) ist so gelagert, dass der Porus nicht zu sehen ist. Ausserdem ist er bei tiefer Ein- stellung gezeichnet. Der Unterschied im der Gruppirung der Fäden tritt hier sehr deutlich hervor. Bei oberflächlicher Ein- stellung, wenn der nach oben gekehrte Porus scharf erschemt, laufen die Fäden radienartig gegen den Porus als Mittelpunkt. Man kann die Fäden, ohne die Stellschraube zu gebrauchen, bis an die grösste Peripherie des Bechers verfolgen. Will man ihnen aber weiter gegen die Basis (des Bechers nachgehen , so muss man den Tubus etwas senken und überzeugt sich dann, dass die 200 Prof»+C Arnstbein: am Rande des Porus frei endigenden Fäden gegen die Basis ddes Bechers bogenförmig verlaufen. Diese Bilder stimmen also vollkommen mit den oben beschriebenen Profilbildern an Sehnitt- präparaten überein. Es unterliegt also schon jetzt keinem Zwei- fel, dass die bogenförmigen oberflächlich gelegenen Fäden in ihrem Verlauf an die Deekzellen des Bechers gebunden sind. Will man nun die Beziehungen der Fäden zu den Deckzellen genauer feststellen, so gelingt es an unversehrten Bechern nur unvollkommen, und zwar deswegen, weil die Zelleontouren nicht scharf genug hervortreten. Doch sieht man, dass einige Fäden den Zellrändern anliegen , resp. zwischen zwei Deckzellen ver- laufen. Einige Fäden halten diesen Verlauf in ihrer ganzen Länge ein, andere verlassen den einen Rand der Zelle, um über die Zellfläche hinweg gegen den anderen Rand zu verlaufen und hier den Weg zum Geschmacksporus zu verfolgen. Hier angelangt, endigen sie frei, ohne den Rand zu überragen, mit einer Varieosität oder einfach fadenförmig auslaufend. -— Weitere Aufschlüsse erhält man, wenn man einen leisen Druck auf das Deekgläschen ausübt (Fig. 4. Die Zellen fahren dann ausein- ander und ein Theil der Fäden erscheint vollkommen isolirt, ein anderer haftet noch den Rändern und Flächen der Deckzellen an. Einige Fäden laufen auf der ganzen Strecke ungetheilt, andere gehen Theilungen ein, wobei sie sich manchmal verfeinern. Die Theilungsäste schlagen häufig verschiedene Richtungen ein, schlagen sich wohl auch um den Rand der einen, oderanderen Zelle, um dann wieder geradlinig bis an das freie Zellende zu ver- laufen. Geht man nun in der Isolation der Zellen weiter , indem man vorsichtig Zupfpräparate anfertigt, oder fixirtt man eine Deckzelle, die sich beim Druck auf das Deckgläschen vollkom- men isolirt hat, so sieht man häufig an solchen Zellen varieöse violett gefärbte Fäden, von denen sie umsponnen werden (Fig. 5b u. d, Fig. 6b ue.). War die Einwirkung des pierin- sauren Ammoniaks eine zu energische , so erscheinen die Zell- contouren verschwommen und an vielen Zellen fehlt das um- spinnende Netz, es hat sich eben abgelöst und man findet dann im Präparat isolirte, varieiöse, violett gefärbte Fäden. Zieht man nun das Facit aus dem was man in Sehnitt- und Isolationspäpraraten in Bezug auf die Nervenfibrillen an den Die Nervenendigungen in den Schmeckbechern der Säuger. 201 Deckzellen sieht, so stellt es sich heraus, dass letzteren varicöse Nervenfibrillen anliegen, die von dem basalen Ende der Zelle bis an das entgegengesetzte, den Rand des Porus bildende Ende reichen und hier frei endigen. Auf diesem Wege geben diese bogenförmigen Fäden feime Reiser ab, die von dem emem zu dem anderen Rande der Zelle verlaufen, sich auf die innere eoncave Zellfläche schlagen , um hier andere Fäden zu krenzen, so dass Jede Deckzelle von solehen Fäden umsponnen wird. Ob es da-. bei, abgesehen von den Ueberkreuzungen , auch zu Netzbildung kommt, ist zweifelhaft. Bilder wie Fig. 5d sprechen allerdings dafür. In den meisten Fällen hat man es aber entschieden mit Ueberkreuzungen zu thun. Wenden wir uns nun zur Betrachtung der Nervenfäden, die im Innenraum der Schmeekbecher liegen. Wir sind dieser Fäden schon ansiehtig geworden bei der tiefen Einstellung so- wohl an Schnittpräparaten, als an abgelösten, intakten Bechern (Fig. 3a). Man sieht unter solehen Bedingungen ein Gewirr von äusserst feinen varieösen Fäden, die in verschiedener Rich- tung und verschiedenen Ebenen verlaufen, so dass man bei wechselnder Einstellung immer neue Fäden zu Gesicht bekommt. Man bekommt wohl den Eindruck, dass der Innenraum des Bechers von zahlreichen sich schlängelnden,, varieösen Fäden durchsetzt wird, von den Beziehungen dieser Fäden zu einander und zu den axialen Zellen bekommt man jedoch keine klare Vorstellung. Man sieht wohl häufig feine Fäden den Geschmacks- zellen anliegen , man kann sie häufig auch bis zum äusseren, an den Porus heranreichenden, Zellende verfolgen. Man sieht aber noch eine Masse anderer Fäden, über deren Verbleib man nichts sicheres eruiren kann. Man überzeugt sich aber, dass diese Fäden nicht ausschliesslich in der Axe des Bechers liegen, son- dern, dass sie den ganzen Innenraum einnehmen. Uebt man nun einen vorsichtigen Druck auf das Deckgläs- chen aus, so fahren die Deckzellen auseinander. Die eine oder andere Decekzelle fällt wohl auch aus ihrer Lagerstätte heraus und man bekommt dann die mehr oder weniger verschobenen, aber doch frei liegenden Geschmackszellen zu Gesicht und zwar: mit den zugehörigen Nervenfäden. In Fig. 4 bei a sieht man eine durch Druck stark verschobene axiale Zelle, an welcher die zugehörigen Fibrillen zum Theil noch haften. Die beiden axialen 202 Prof. €. Arnstein: Zellen in Fig. De sind auf dieselbe Weise zur Anschauung ge- bracht worden. Die in der nächsten Nähe gelegenen Deckzellen sind in der Zeiehnung nicht aufgenommen. Die eine von den Zellen wird ihrer ganzen Länge nach von Nervenfibrillen be- gleitet, die bis an das freie (äussere) Zellende zu verfolgen sind. Von der anderen Zelle sind die Fibrillen abgestreift, möglicher Weise jedoch vorhanden, aber nieht wahrnehmbar, weil ungefärbt. Ich komme darauf noch zurück. Gehen wir num zur Betrachtung der Zupfpräparate über. Solehe Präparate müssen mit der grössten Vorsicht angefertigt werden. Vor Allem darf das pierinsaure Ammoniak nicht zu lange einwirken, d. h. das Epithel darf nicht zu stark macerirt werden, sonst werden die, die Zellen umspinnenden, gefärbten Nervenfibrillen abgestreift, ausserdem werden die Zelleontouren verschwommen, weil die zarten Geschmackszellen stark quellen. Andrerseits muss man bei der mechanischen Isolation zu viel Gewalt anthun, wenn das Epithel durch das pierinsaure Ammo- niak ungenügend gelockert ist und man bekommt dann eme Masse Bruchstücke von Zellen und Nervenfibrillen. Sehr werth- voll erweist sich bei dieser Untersuchung das Hoyer’sche Piero- carmin. Es fixirt die Nervenfärbung, färbt distinet die Zellkerne, macerirt aber das Gewebe nicht. Man kann dann die Gewebs- stücke nachträglich in pierinsaurem Ammoniak maceriren, bis man sich durch Zupfversuche überzeugt hat, dass das Epithel genügend gelockert ist, was nach 24 Stunden gewöhnlich ein- tritt. Dann werden die Gewebsstücke in verdünntes Glycerin übergeführt, dem etwas pierimsaures Ammoniak zugesetzt ist. Dieser Zusatz ist wünschenswerth, um die gelbe Färbung der Zellen zu erhalten, da das mit Wasser versetzte Glycerin das Pierin auszieht. Man erhält dann sehr elegante Präparate, in denen die Geschmackszellen scharf contourirt und strohgelb er- scheinen, während die Keme lebhaft roth und die Nervenfibrillen violett gefärbt sind. Betrachten wir nun solche isolirte Zellen und beginnen wir mit den best erhaltenen und daher charakteri- stischen Exemplaren, wie sie in Fig. 6 dargestellt sind. Bei a sieht man eine schlanke, strohgelbe, mit dünnen Fortsätzen ver- sehene Geschmackszelle. — Ihre Contouren sind scharf begrenzt und ihr Kerm lebhaft roth gefärbt. Sowohl ihr äusserer, als ihr innerer Fortsatz werden von äusserst dünnen, varicösen, violetten Die Nervenendigungen in den Schmeckbechern der Säuger. 203 Fäden umsponnen, die bis an das freie Zellende reichen. In der Gegend des Zellkerns weichen sie auseinander, theilen sich und umspinnen den Zellkörper. Von einem Eindringen der Fäden in die Zelle oder gar in den Kern ist nichts zu sehen. Die Fäden bleiben überall an der Oberfläche der Zelle, wovon man sich auf das bestimmteste überzeugen kann, wenn man die Einstellung wechselt. Neben dieser Zelle ist ein Büschel feinster, baumförmig verästel- ter Fäden zu sehen, deren freie Enden m einer Riehtung mit den die Nachbarzelle umspinnenden Fäden orientirt sind. Dieses Büschel feinster Fäden gehört offenbar einer Geschmackszelle an, die in Folge der Präparation oder Maceration herausgefallen ist. In Fig. 5e haben wir das entgegengesetzte Verhalten, d.h. zwei Zellen, von denen nur eine die umspinnenden Fäden zeigt, wäh- rend von der anderen Zelle das pericelluläre Fadenwerk abge- streift ist. Fig. 4a zeigt eine Geschmackszelle, die durch Druck stark disloeirt ist und deren zugehörige Fäden z. Th. abgestreift sind. Die Zelle e in Fig. 5 gehört in die Categorie der Stab- zellen (Schwalbe). Der dünnere Fortsatz ist der innere, ihm liegt nur eine sich stark schlängelnde Nervenfibrille an, die sich am Zellkörper in der Nähe des Zellkerns theilt und mehrere varieöse Fibrillen abgibt, die sich vielfach überkreuzen und die Zelle derart umspinnen, dass sie wie in einem Korbgeflecht liegt. An dem freien (äusseren) Ende des eylindrischen Zellfortsatzes sieht man die varicösen Fibrillen frei endigen. — Die Zelle b in Fig. 5 ist stark gequollen, und hat in Folge dessen ihre charak- teristische Form eingebüsst, so dass man Zweifel hegen kann, ob eine Deckzelle oder eine Geschmackszelle vorliegt. An dem einen Zellende sind die gefärbten Nervenfibrillen körnig zerfallen, was auf Macerationswirkung zurückzuführen ist. Der entgegenge- setzte Fortsatz, an dem drei wohlerhaltene Fibrillen zu sehen sind, erscheint jedenfalls breiter, als normal für eine Geschmacks- zelle. — Fig. 5a stellt eine axiale Zelle dar mit tief sitzendem Kern. Darauf weist die bedeutende Länge des einen (wahr- scheinlich peripherischen) Fortsatzes hin, der entgegengesetzte Fortsatz war so unscharf eontourirt, dass er in der Zeichnung nicht einmal angedeutet werden konnte. Doch sieht man in seinem Bereiche Nervenfibrillen. An dem entgegengesetzten Zell- ende sind die Fibrillen körmig zerfallen. Solche Bilder sind von Wiehtigkeit, da sie zu Trugsehlüssen führen können. Wir kommen 204 Prof HC:-Arnıste me bei der Beurtheilung der beschriebenen Bilder darauf zurück. Aus den mitgetheilten Thatsachen können wir aber schon jetzt den Schluss ziehen, dass sowohl die Deckzellen, als die axialen Zellen von varicösen Nervenfibrillen umsponnen werden, diean dem Geschmacksporus frei endigen. Wie verhalten sich nun die zelligen Gebilde der Schmeck- becher bei Infusionen von Methylenblau? Aus dem Mitgetheil- ten konnte der Leser schon ersehen, dass sowohl die Deckzellen, als die axialen Gebilde keine Farbe annehmen und dieser Um- stand ermöglicht eben das detaillirte und präcise Erkennen des Verlaufs der einzelnen Fäden im Becherraum. Das Fadengewirr, das bei tiefer Einstellung auf den Becher hervortritt, besteht aus Fäden, dieinihrem Verlaufan die Form und an die Lagerung der axialen Zellen gebunden ist. Besässen die axialen Zellen, namentlich die Stiftehenzellen, die Eigenschaft sieh intensiv zu bläuen, so würde das Verfolgen der ihnen anliegenden feinsten Fäden illusorisch gemacht. Doch findet man häufig auch in den gelungensten Präparaten einzelne Geschmackszellen und Deckzellen diffus gefärbt. Die Färbung ist selten intensiv und man kann dann die anliegenden varieösen Fäden noch wahrnehmen, namentlich an den varicösen Ver- diekungen, wo die Färbung auch intensiver ist. In Fig. 2 und 3 sieht man sowohl in der Wand, als in dem Innenraum des Be- chers zellige Gebilde gefärbt. In Fig. 2 sieht man von den zelligen Gebilden nur die gefärbten Deckzellen und eine axiale Zelle, der ein varieöser Faden anliegt. Der Becher erschien glas- hell durchsichtig. Die Grenzen der ungefärbten Zellen sind nicht zu sehen in Folge der aufhellenden Wirkung des pierinsauren Ammoniaks, die durch den Condensor noch gesteigert wurde. Der Rand des Geschmaeksporus ist nur insoweit zu sehen, als die Deckzellen gefärbt sind. Der Verlauf der tiefliegenden, intensiv ge- färbten Fäden konnte daher leicht verfolgt werden. Einige Fäden schienen über denRand des Porus hinauszugehen. Namentlich konnte ein Nervenfaden, der sich in seinem Verlauf genau an die ge- färbte Geschmackszelle hielt, bis über den Rand des Porus ver- folgt werden. Bei der schiefen Lage des Bechers und der Lockerung, die das ganze Gebilde durch das pierinsaure Ammo- niak erfahren hat, sind jedoch gar keine Schlussfolgerungen in Die Nervenendigungen in den Schmeckbechern der Säuger. 205 Bezug auf das Hinausragen der freien Enden der Nervenfibrillen gestattet. An Schnittpräparaten, wenn die Becher ihre Langseite dem Beobachter präsentiren, sieht man niemals gefärbte Fäden hervorragen. In günstigen Fällen sieht man wohl die Stiftehen als feine ungefärbte Härchen über den Rand des Porus hinaus- ragen und das gewöhnlich nur an frischen, blau gefärbten Prä- paraten. Nach Anwendung des pierinsauren Ammoniaks fehlen gewöhnlich diese Stiftehen. An isolirten Geschmackszellen fehlten sie selbst im den Fällen, wo die Nervenfibrillen sehr gut erhalten, scharf gefärbt, bis an das freie Zellende verfolgt werden konnten (Fig. 6a, d). Ist der Porus dem Beobachter zugewendet, so sieht man seinen Rand von den freien Enden der Fibrillen, die die Deekzellen begleiten, umstellt. In der Oeffnung selbst sieht man weder Stiftehen noch Fäden. Erstere sind entweder stark gequollen und daher unsichtbar, oder sie sind abgefallen. — Letz- tere treten erst bei tieferer Einstellung scharf hervor. Ich habe es mir sehr angelegen sein lassen, das Verhalten der Stiftehen und freien Enden der Nervenfibrillen festzustellen und bin zur Ueberzeugung gekommen, dass die Stiftehen sich eben- sowenig färben, wie die Geschmackszellen und dass die freien Enden der im Becherraum verlau- fenden, den Geschmackszellen anliegenden Ner- venfäden über den Rand des Porus nicht hinaus- ragen. Da der Umstand, dass die s. g. Geschmackszellen sich intra vitam durch Methylenblau nieht färben, entscheidend war für den Erfolg der Untersuchung, so muss ich auf diesen Punkt näher eingehen, umsomehr, als die Stützzellen und die Sinnes- epithelien der verschiedenen Sinnesorgane sich gegen Methylen- blau verschieden verhalten. Bereits Ehrlich hat darüber An- gaben gemacht, die sich auf die Geschmackspapillen und die regio olfactoria des Frosches beziehen. Es ist hier nicht der Ort, um das Verhalten der Epithelien an den Nervenendstellen in den verschiedenen Sinnesorganen ausführlich zu beschreiben. Es ge- nüge vorläufig der Hinweis, dass die Sehzellen, sowohl Stäbchen als Zapfen ungefärbt bleiben, ebenso die Hörzellen im Corti’- schen Organ, sowie die Tastzellen in den Grandry’sehen Kör- perchen. Epithelien, die durch ihre abweichende, charakteristische Form oder Struktur, sieh als s. 2. Sinnesepithelien doeumentiren, bleiben gewöhnlich ungefärbt, während die Stützzellen, z. B. die & 206 Prof. C. Arnstein: Flügelzellen an den Geschmackspapillen des Frosches, die Cylin- derzellen in der regio olfactoria des Frosches und der Säuger und im den Ampullen des Gehörorgans bei Fischen, Farbe auf- nehmen). Jedenfalls ist die Färbbarkeit einer „Sinneszelle“ (z. B. Riechzelle des Frosches) durch Me- thylenblau kein Beweis fürihren Zusammenhang mit Nervenfibrillen. Unter Färbbarkeit verstehe ich in diesem Falle die Fähigkeit der Zellen, die Farbe intra vitam aufzunehmen. Die Färbung ist dann immer eine granuläre, d.h. es färben sich in der Zelle die Granula, während die inter- sranuläre Substanz ungefärbt bleibt. Von der Zahl und Grösse dieser Granula hängt die Intensität der Färbung ab. Ganz ver- schieden von dieser Färbung ist die postmortale. Sie ist diffus, ist nicht an die Granula gebunden und in den meisten Fällen, wenig intensiv und immer verwaschen. Solche Färbungen kom- men an den gelungensten Präparaten vor, aber immer nur an vereinzelten Zellen, sowohl Deekzellen als Sinneszellen. Ich glaube, dass solche Zellen in Folge prolongirter Färbung abge- storben waren, oder überhaupt zu den deerepiden Elementen ge- hörten. Das Letztere muss in den Fällen angenommen werden, wo die maximale Nervenfärbung rasch eingetreten war und rasch fixirt werden konnte. ‘In den Fällen, wo man die distinkte Ner- venfärbung versäumt, was bei Warmblütern leicht passirt, bekommt an gewöhnlich diffuse Färbung der Epithelien bei mangelhafter Nervenfärbung. Das Gesagte gilt nieht nur für die Geschmacks- zellen, sondern auch für die übrigen Sinneszellen ?). 1) Ausserdem färben sich sehr früh und intensiv im’ Epithel die Wanderzellen (Fig. 3). Die Infusionen von Methylenblau geben in Bezug auf Wanderzellen sehr demonstrative Präparate, worauf ich in meiner Arbeit über die Cornea (Arbeiten der naturforschenden Gesell- schaft in Kasan, Bd. XX, 1889), sowie in meinem Artikel über den Glaskörper (Grundzüge der Mikroskop. Anatomie v. Owssiannikow und Lawdowskvy), hingewiesen habe. 2) Die Sehzellen bleiben ungefärbt, wenn man das Methylen- blau dem Blutgefässsystem eimverleibt, färben sich aber regelmäs- sig, wenn man die Färbung der Retina auf dem Objektglas vor- nimmt, und da die Nervenfibrillen auch intensiv gefärbt werden, so hat es den Anschein, als ob Sehzellen und subepitheliale Nerven- fibrillen (äussere reticuläre Schicht) zusammenhängen, was de facto nicht der Fall ist. Man kann diese Procedur, die nach den Angaben A Die Nervenendigungen in den Schmeckbechern der Säuger. 207 Für die uns beschäftigende Frage war es jedenfalls von ausschlaggebender Bedeutung, dass die im den Schmeckbecher eintretenden Nervenfibrillen in ihrem ganzen Verlauf im Becher- raum genau verfolgt werden konnten. Es hat sich heraus- gestellt, (dass die terminalen Fibrillen niemals indiecentralenFortsätzederaxialenGeschmacks- Zehlenlzübergehen, sondern ihnen nur anliegen, um sich an ihnen emporzuranken, und in der Höhe des Geschmacksporus frei zu endigen. An gut con- servirten Präparaten (Fig. 5e u. e; Fig. 6a u. d), konnte der centrale Fortsatz neben der gefärbten Nervenfibrille vollkommen scharf unterschieden werden. Man kann entweder nur eine etwas dickere Fibrille (Fibrillenbündel) unterscheiden, die am Zellkörper in der Gegend des Zellkerns in feinere Fäden zerfällt (Fig. De), oder es treten an den centralen Fortsatz zwei und mehr Fäden, die sich auf der Strecke bis zum entgegengesetzten Zellende theilen und verflechten (Fig. 6a u. b). Nachdem ich mich von diesem Verhalten überzeugt hatte musste ich mir die Frage vorlegen, ob ich mit der von mir ge- übten Methode alle im Becher vorhandenen Nervenfibrillen zur Anschauung gebracht habe, oder ob vielleicht die spezifischen Geschmacksfasern ungefärbt geblieben und dadurch der Beobach- tung entgangen sind? Es war ja a priori möglich , ja wahr- scheinlich, dass innerhalb des Epithelstratums zweierlei Nerven- fasern vertreten seien, sensible Fasern vom Trigeminus und Ge- schmacksfasern vom Glossopharyngeus. Dass hier einfach sensible Fasern eintreten, wird dureh die interepithelialen Fäden bewiesen, die nicht nur an den Deckzellen des Bechers, sondern in dem ganzen Epithelstratum zu konstatiren sind. Diese interepithelialen (von Sertoli zuerst nachgewiesenen) Fäden sind m der Zeichnung (Fig. 1) nicht aufgenommen, man sieht sie jedoch (links) in den Epithelzapfen, der keine Becher enthält, eindrmgen'). Für die / von Alexander Dogiel (Arch. f. mikr. Anat. Bd. 40, p. 34) 3—4 Stun- den dauert, bedeutend abkürzen und vollständige Nervenfärbung binnen 1/,—1/, Stunde erhalten, wenn man einen heizbaren Objekttisch benutzt. Dabei bleiben die Sehzellen ungefärbt, nur ihre Kerne neh- men Farbe an, wie sich Dr. Tepliaschin in meinem Laboratorium überzeugt hat. 1) Abgesehen von diesen netzförmig angeordneten interepithe- 208 Prof. C. Arnstein: Voraussetzung, dass die geschmackspereipirenden Fibrillen unge- färbt geblieben sind, gibt es gar keine Anhaltspunkte. Es hat sich bereits Ehrlich überzeugt, dass nicht nur alle sensiblen Fasern, sondern auch die Geschmacks- und Geruchsendigungen durch Methylenblau gefärbt werden, und wir konnten diese Angaben für den Frosch bestätigen. Es hat sich im Verlauf unserer Stu- dien an den Sinnesorganen der Wirbelthiere herausgestellt, dass durch Methylenblau die Terminalfasern aller Sinnesorgane gefärbt werden. — Am schwierigsten gelingt es an den terminalen Fa- sern in der Gehörschnecke der Säuger , aber auch hier ist es dem Prosektor am hiesigen histologischen Laboratorium , Dr. Geberg, gelungen die gefärbten Fibrillen bis an die äusseren und inneren Hörzellen zu verfolgen. Letztere bleiben dabei ganz ungefärbt. Wir haben also gar keinen Grund vorauszusetzen, dass die Geschmacksnerven sich gegen Methylenblau refractair verhalten und kommen zur Ueberzeugung, dass ein Theil der gefärbten Fäden zu den gustatorischen gehört, em anderer Theil .zu den einfach sensiblen, und zwar liegt es nahe, diejenigen Fibrillen, diesich an den axialen Zellen empor- ranken und in der Höhe des Geschmacksporus frei auslaufen, für die Enden desN.glossopharyn- seus zu halten. Diese Fäden sind äusserst fein und die Varicositäten weniger ausgesprochen, als an den die Deckzellen und indifferenten Epithelien umspinnenden Fasern. Wenn auch lialen Fäden färben sich durch Methyienblau sehr scharf die Ner- venendigungen in den fadenförmigen Papillen. Löst man mit einem Scalpell die Epitheldecke der Zunge von Hund oder Katze und bringt, ohne zu zupfen, den Epithelfetzen unter das Mikroskop; so sieht man in den fadenförmigen Papillen Büschel von verhältnissmässig dicken, sich schlängelnden Nervenfäden, die mit oder ohne knopfför- mige Verdickung frei endigen. Die vollkommen keratinisirte äusserste Spitze des Epithelzapfens enthält keine Nerven. Die Bilder entsprachen vollkommen den Schilderungen, die Rosenberg nach Chlorgoldprä- paraten geliefert hat. (Wiener Sitzungsber. Bd. 93, Abth. III, 1886.) Gleichzeitig überzeugt man sich, dass die Eleidinkörner im stratum granulosum durch Methylenblau gefärbt werden. Das Epithel erscheint in einem bestimmten Niveau, wie bestäubt. In den Papillen fliessen die Eleidinkörner z. Th. zu grösseren Tropfen zusammen. Ebenso verhält sich gegen Methvlenblau das Eleidin in der Oberhaut (Pliusch- kow. Kasaner Dissert. 1890). Die Nervenendigungen in den Schmeckbechern der Säuger. 209 diese Unterschiede wenig auffällig sind, so sind sie doch beach- tenswerth,, weil auch die von den Fäden umsponnenen Zellen (Geschmackszellen und Deckzellen) durch ihre Form und Lage- gerung im Becher differiren. Was den Verlauf dieser Fäden ausserhalb des Epithels an- langt, so konnte ich keime gesonderten Nervenbündel an die axialen Zellen herantreten sehen. Eine Sonderung der Ge- schmacksnerven in Bündel konnte unter dem Epithel nieht kon- statirt werden. Die Nervenfäden treten in den Becher an der sanzen Breite seiner Basis. Ueber die von Drasch!) entdeckten subepithelialen Nervengeflechte gibt die von uns geübte Methode keine Aufschlüsse. Dazu ist eben die von Drasch angegebene Präparationsmethode unumgänglich. Doch ist die Beschreibung, die Drasch von dem subepithelialen Geflecht giebt, und sind auch seine Abbildungen nicht dazu angethan, um der Hoffnung Raum zu geben, man könnte gustatorische von anderen Fäden unterscheiden, falls solche in den subepithelialen Geflechten vor- handen wären. Sehr beachtenswerth ist jedenfalls die Angabe von Drasch, dass der grössere Theil der subepithelialen Nervenfäden im bindegewebigen Substrat ihr Ende findet, während der weit- aus geringere Theil im das Epithel eindringt. An der Retina und an der regio olfactoria giebt es nämlich auch subepithe- liale Geflechte, die mit dem Sinnesepithel direkt nichts zu thun haben. Ich hätte mich mit der Mittheilung meiner Beobachtungen und der von mir benutzten Methode begnügen können und die Prüfung meiner Angaben getrost den Fachgenossen, die sich für diese einschneidende Frage der Histologie interessiren, überlassen können, doch fürchte ich eine Unterlassungssünde zu begehen, wenn ich mich emer Kritik entschlage, die durch die Verhält- nisse geboten ist und die vielleicht zur Klärung des faktischen Sachverhalts führen wird. Vertolgt man im der Litteratur die Entwiekelung der Lehre 1) Drasch, Histologische und physiologische Studien über das Geschmacksorgan. Wiener Sitzungsber. Bd. 88, III. Abth. 1883 und Untersuchungen über die papillae foliatae ete. Abhandlungen der königlich-sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften Bd. XIV, No.5, 1887. 210 ProtsoArneste ım® von dem Zusammenhang der Geschmackzellen mit den Nerven- fäden des Glossopharyngeus, so ersieht man, dass die Entdecker der Schmeckbecher, Schwalbe und Loven, diesen Zusammen- hang nur als wahrscheinlich hingestellt haben. Die Durchsehnei- dungsversuche von Vintschgau!) und Honichschmied be- weisen wohl die Zusammengehörigkeit des N. glossopharyngeus und der Schmeckbecher, d. h. die Abhängigkeit letzterer in ihrer Ernährung von dem besagten Nerven. Der Zusammenhang der terminalen Nervenfibrillen mit den Stiftchen- und Stabzellen wird jedoch durch die Atrophie der Schmeckbecher keineswegs be- wiesen. Ausserdem ist zu berücksichtigen, dass dabei nicht nur gustatorische, sondern auch secretorische und vasomotorische Fasern durchschnitten werden (conf. Drasch Il. e.). Die spä- teren Beobachter sprechen sich aber entschieden zu Gunsten dieses Zusammenhanges aus. Ranvier?), will sich an Chlor- goldpräparaten davon überzeugt haben. Drasch sagt in seiner ersten Arbeit, p. 45: „Einen direkten Zusammenhang der Fasern des N. glossopharyngeus mit den Sinneszellen der Geschmacks- knospen habe ich so wenig gefunden, als irgend Jemand vor mir. Nichtsdestoweniger aber stehe ich nicht an, einen Theil der Endigungen der Nervenfasern des Glossopharyngeus in die Geschmacksknospen zu verlegen, muss jedoch den Ausspruch thun, dass die Mehrzahl derselben im Blattstroma endigen.“ Auf p. 45 derselben Arbeit heisst es: „Ich habe beide Arten von Zellen (Stab- und Stiftehenzellen) in den Knospen in spärlicher Menge (2—5) immer finden können und zweifle keinen Augenblick daran, dass sie die Fortsetzungen der Nervenfibrillen sind, welche in die Knospen eintreten.“ Ebenso wenig zweifelt Lawdows- ky°’) an einem Zusammenhang der Geschmackszellen mit den Nervenfibrillen. Hingegen ist W. Krause*) der Meinung, dass der postulirte Zusammenhang zwischen Sinneszellen und Nerven- fibrillen nicht erwiesen ist und spricht den Präparaten, bei wel- chen dünne Chromsäure- oder Osmiumsäurelösungen, sowie Gold- chlorid in Anwendung kamen, jede Beweiskraft ab, und hält es, 1) Pflüger’s Archiv Bd. 14 u. 23. 2) Trait@ technique d’Histologie p. 948. 3) Grundzüge der mikroskopischen Anatomie, redigirt von Law- dowsky und Owssiannikow 1888, p. 548. 4) Allgemeine und mikroskopische Anatomie 1876, p. 536. Die Nervenendigungen in den Schmeckbechern der Säuger. 211 nach Analogie, für wahrscheinlich, dass die Terminalfibrillen an den Sinnesorganen wie in dem Epithel der Cornea frei zwischen den Zellen endigen. — Abgesehen von den zuletzt genannten Autoren, die entschieden Partei für die eine oder andere An- sicht nehmen, haben sich über die uns beschäftigende Frage eine Reihe von Histologen in Handbüchern oder in speziellen Arbeiten ausgesprochen , ohne einen bestimmten Entscheid zu treffen. Die überwiegende Majorität aller Autoren hält den Zu- sammenhang der Geschmackszellen mit den Nervenfibrillen nicht für erwiesen, aber für wahrscheinlich. Wir wollen nun sehen, wie die Gründe beschaffen sind, die von den Beobachtern zur Stütze ihrer Ansicht angeführt werden. Abgesehen von physiologischen Gründen, die nicht ausschlaggebend sind und die keineswegs den Zusammenhang der Geschmackszellen mit den Nervenfibrillen postuliren, da man sich recht wohl die Geschmacksperception bei freier Nervenendi- gung erklären kann, — waren es hauptsächlich die fadenförmi- gen, varicösen Fortsätze an den isolirten Stiftchenzellen , die den Uebergang der Nervenfibrille in die Geschmackszelle wahr- scheinlich machten, oder, wie ich jetzt behaupten kann, — simu- lirten. Es unterliegt meiner Meinung nach keinem Zweifel, dass die von den Autoren beschriebenen Varicositäten an den centralen Fortsätzen der isolirten „Geschmackszellen“ terminalen Nervenfibrillen angehören. Meine Isolationsversuche haben ge- zeigt, dass die axialen Zellen sich verhältnissmässig leicht in Verbindung mit den ihnen anhaftenden Nervenfibrillen isoliren lassen. Während nun die durch Methylenblau gefärbten Nerven- fibrillen als solche leicht erkannt und bis an das entgegengesetzte Zellende verfolgt werden können, ist das höchst schwierig, ja vielleicht unmöglich an Isolationspräparaten (aus Chromsäure- oder Osimiumlösungen), an denen Zelle und Fibrille ungefärbt sind. Man sieht dann wohl die varicöse Nervenfibrille, die dem centralen, häufig fadenförmigen Zellfortsatze anliegt, letzterer entzieht sich aber der Beobachtung, d. h. fliesst m dem Bilde mit der Fibrille in eins zusammen und man erhält den Eindruck , als ob eine Nervenfibrille in den Zellkörper überginge. Ein distinktes Bild, d. h. gesonderte Gesichtseindrücke von «dem Zellfortsatze und der Nervenfibrille würde man nur in dem Falle erhalten, Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 41. 14 212 Prots& Arnistiein® wenn die Nervenfibrille auf einer Strecke von dem Zellfortsatze abstünde, was aber gewöhnlich nicht der Fall ist, wie meine Präparate lehren !). Vorkommenden Falles würde man aber den Eindruck bekommen, als ob der Zellfortsatz sich gabelförmig theilte, eine Angabe, der man bei den Autoren vielfach begegnet. Ich will jedoch hiermit keineswegs behaupten , dass alle Angaben von dem Vorkommen von „Gabelzellen in Schmeck- bechern (Engelmann, Ditlevsen, Krause) in der von mir angegebenen Weise zu deuten sind, obgleich ich beim Ka- ninchen (rabelzellen, d. h. Zellen mit getheilten Fortsätzen nicht gesehen hahe. — Andrerseits beschreibt Loven und bildet in der Fig. 3 seiner Arbeit (Arch. f. mikr. An. Bd. 4) (Geschmackszellen ab, deren centrale Fortsätze, seitliche, gegen die Peripherie gerichtete Zweige bezitzen. Das sind eben dünne Fibrillenbündel , die sich auffasern, um (die Geschmackszelle zu umspinnen, conf. meine Fig. 6a. — Es fragt sich nur, warum die varieösen Fibrillen, die von allen Beobachtern gesehen und nit den centralen Fortsätzen der Geschmackszellen identifieirt wurden, nicht weiter verfolgt werden konnten. Zum Theil wohl aus denselben Gründen, die dem Auseinanderhalten der Fibrillen und der centralen Fortsätze im Wege standen, d. h. aus Mangel an optischer Differeneirung zwischen Zellkörper und Fibrille, und da im gemeinsamen Bilde der Zellkörper dominirte, so über- sah man die Fibrille. Zum Theil wohl auch deshalb, weil man sich begnügte, die Fibrille bis an den Zellkörper verfolgt zu haben. Hiermit war ja der erwünschte Nachweise des Zusammen- hangs zwischen Zelle und Nervenfibrille erbracht. Von Sehnittpräparaten versprachen nur die mit Goldchlorid behandelten einigen Erfolg. Doch auch mit dieser Methode konnten sich die meisten Beobachter (Sertoli, Honigschmied?), Merkel)?) höchstens davon überzeugen , dass einige Nerven- 1) Die Nervenfibrillen scheinen nämlich mit der Zelle verkittet zu sein. Dieser Kitt löst sich aber bei weiter gehender Maceration (s. ob.) und man sieht dann Zellen und Fibrillen vollkommen isolirt; Fig. 4 und 6a, Fig. de. 2) Honigschmied, Beitrag zur mikroskopischen Anatomie der Geschmacksorgane. Zeitschrift für wissensch. Zoologie, Bd. 23. 3) Fr. Merkel, Ueber die Endigungen der sensiblen Nerven in der Haut der Wirbelthiere. 1880, p. 89. TE ME 0 N a re u Die Nervenendigungen in den Schmeckbechern der Säuger. 213 fibrillen in den Schmeckbecher eintreten. Ueber den Verbleib dieser Fäden und ihre Beziehungen zu den axialen Zellen konnte nichts Sicheres eruirt werden. Aus eigenen Erfahrungen können wir nur den allgemein anerkannten Satz bestätigen, dass das Chlorgold hier; wie überall, wo es sich nm die Beziehungen der Sinneszellen zu den terminalen Nervenfibrillen handelt, im Stiche lässt. Entweder sind die axialen Zellen zu dunkel gefärbt, oder die Nervenfibrillen treten nicht scharf genug hervor. — In selte- nen Fällen gelingt es allerdings, eine Nervenfibrille in der Axe des Bechers bis zum Porus zu verfolgen; das genügt aber nicht, um den Connex der Geschmackszellen mit den Nervenfibrillen auszuschliessen. Wenn nun die bisher besprochenen Methoden die Entschei- dung in Bezug auf den Zusammenhang zwischen Sinneszelle und Nervenfibrille nicht bringen konnten, so glauben Fusari und Panasci den Beweis für den Zusammenhang mittelst der Golgi’schen Methode erbracht zu haben. Diese Autoren zweifeln keinen Augenblick an der vollen Beweiskraft der Chromsilber- bilder. Ich will den betreffenden Passus wörtlich eitiren, da er mir vielfache Anhaltspunkte für die Kritik gibt. Auf Seite 243 der Eingangs eitirten Arbeit liest man: „Les filaments les plus robustes vont se mettre en rapport, ou se continuent avec l’extremite profonde des cellules gustatives, dont on remarque, tant les formes A pointe, que les formes en baton (Stiftchen et Stabzellen de Schwalbe). Souvent l’extremite profonde des cellules mentionnees presente des divisions laterales qui vont se eontinuer avec d’autres filaments du plexus nerveux.“ — Die herangezogene Fig. 13q entspricht vollkommen dieser Beschrei- bung. Man sieht diekere schwarze Fäden, die continuirlich in die Geschmackszellen übergehen. Man sieht auch vermeintliche Theilungen der centralen Fortsätze der Sinneszellen ; diese 'Thei- lungsäste gehen contimuirlich in den subepithelialen Plexus über. Man sieht aber auch in der Abbildung links unten eine axiale Zelle, deren centraler Fortsatz einen nach aussen gerichteten Seitenzweig abgiebt, wie in der oben eitirten Zeichnung (3) von Loven. Für dieses Verhalten geben die italienischen Autoren im Text keine Erkläruug. Das ist, wie die Methylenblaupräpa- rate lehren, ein Fibrillenbündel, das sich in einzelne umspinnende Faden auflöst, conf. meine Figuren 5 u. 6, — „Les filaments les 214 rot 26 Arnistein® plus robustes“ sind eben Fibrillenbündel, die durch das Chrom- silber zu homogenen, schwarzen, dickeren Fäden zusammenge- backen sind, weil das Chromsilber sich nicht nur auf und in die varicösen Fäden, sondern auch zwischen ihnen niedergeschlagen hat. In die Schwärzung ist auch der centrale- Fortsatz der Sinneszelle mit einbezogen. Hat sich die Schwärzung (was häu- fig vorkommt) auf die ganze Zelle verbreitet, so wird die Illu- sion vollständig. Man hat dann eine Stiftchenzelle vor sich, die in einen schwarzen Faden ausläuft, der bis in das subepitheliale Gewebe zu verfolgen ist. Mit dieser Deutung wird sich wohl ein ‚Jeder einverstanden erklären, der die Lagerung der Nervenfäden an dem centralen Fortsatz und an dem Zellkörper der Sinnesepithelien an Methylenblaupräparaten gesehen hat. Andrerseits ist es eine Erfahrung, die man an Chromsilberpräpa- raten täglich machen kann, dass ein dünnes Nervenbündel strecken- weise als homogenes, schwarzes Band oder Cylinder erscheint, während in dem weiteren Verlauf des Bündels die ihn constitui- renden Nervenfäden sehr distinet und scharf hervortreten, weil hier zwischen den Fibrillen zufällig keine Schwärzung 'stattge- funden hat. Die Chromsilbermethode ist eben ein Imprägnations- verfahren, aber keine Tinetionsmethode. Das beweisen ja schon die prägnanten, schwarzen Ausgüsse von Drüsenkanälen, Gallen- capillaren und dgl. Dass sich pericelluläre und perifibrilläre käume bei der Golgischen Methode imprägniren und in Folge dessen schwärzen, ist schon vielfach urgirt, aber auch bestritten worden ; letzteres mit Unrecht. Die mittelst der Golgi- schen Methode .erhaltenen Bilder, die dene sammenhang der Geschmackszellen mit den ter- minalen Fibrillen des N. glossopharyngeus de- monstriren -Sollen;, sind somit, Trusbilder za dingt durch gleichmässige Schwärzung der Zelle und der ihr anliegenden Nervenfibrillen. Solche Trugbilder können natürlich jedes Mal eintreten, wenn Sinnes- zelle und Terminalfibrille gleichmässig gefärbt werden, gleich- giltig durch welchen Farbstoff, unter anderem auch bei Anwen- dung von Methylenblau. In dieser Hinsicht muss ich auf die Angabe von Ehrlich!) hinweisen, der an der Riechschleim- 1) Deutsche medizinische Wochenschrift 1886, No. 4. Die Nervenendigungen in den Schmeckbechern der Säuger. 215 haut des Frosches intensiv gefärbte Sinneszellen ohne jede scharfe Grenze in varieöse Nervenfi- brillen übergehen sah, und ich bestätigte dieses Verhalten in meiner ersten Mittheilung- im Anatom. Anzeiger (Bd. II. p. 130). Ich ging noch weiter und statuirte für die Geschmacks- papillen des Frosches zweierlei Nervenendigungen, 1. feinste Fä- den, die ziemlich gerade zwischen den Epithelzellen verlaufen und in einem Niveau mit ihnen frei endigen und 2. Nervenfäden, die mit den Axel Key schen Geschmackszellen zusammenhängen. Bei Säugern habe ich die erste Kategorie von Nervenendigungen in den Schmeckbeehern wiedergefunden. Die zweite muss ich aber für die Säuger in Abrede stellen, da ich einen Uebergang der centralen Fortsätze der (reschmackszellen in Nervenfibrillen niemals gesehen habe. Ich habe den Frosch in der letzen Zeit nach dieser Richtung hin nieht untersucht und konnte meine früheren Angaben, die aus dem Jahre 1886 stammen, nicht revi- diren. Die Folge wird lehren, ob meine Angaben in Bezug auf die Geschmackszellen des Frosches auf einer falschen Deutung der Methylenblaupräparate beruhen, oder ob sie dem faktischen Sachverhalte entsprechen. Ehrlich stellt den Zusammenhang der Geschmackszellen mit Nervenfibrillen in Abrede. Das würde also mit dem stimmen, was ich bei Säugern gesehen habe. Kasan, im November 1892. Lg Nachsehrift. Die vorliegende Abhandlung war bereits seit einigen Wochen in Händen der Redaktion, als mir durch die Güte des Herrn Dr. Niemack die Separatabdrücke zweier Abhandlungen aus den Merkel-Bonnet schen anatomischen Heften zugingen, von denen die eine die maculae und eristae acusticae behandelt, die andere den nervösen Apparat in den Endseheiben der Frosch- zunge. Da der geschätzte Autor auf meine Angaben im Anato- mischen Anzeiger, (II. p. 125) vielfach Bezug nimmt und ieh auch in der gegenwartigen Abhandlung meine früheren auf die Ge- 216 Prof. EG Arnstein: schmacksseheibe des Frosches sich beziehenden Angaben zur Dis- kussion gestellt habe, so benutzte ich die Gelegenheit, um die Ansicht mitzutheilen, die ich mir nach der Beschreibung und den Abbildungen Niemack's gebildet habe. Vor Allem muss ein- gestanden werden, dass das in Rede stehende Objekt ein sehr ungünstiges ist für die prinzipielle Entscheidung über den Zusam- menhang von Nerv und Sinneszelle, weil eben die verschiedensten Zellen gefärbt werden und zwar ist die Zahl und die Form der gefärbten Zellen in den einzelnen Versuchen verschieden. Es ist somit sehr erklärlich, dass hier Verwechselungen von Stützzellen und Sinneszellen vorkommen können. Doch kann ich Niemack nicht zugeben, ich hätte Zellen, wie er sie in Fig. Ta zeichnet, mit Nerven in Verbindung gebracht. Die Zelle a ist eine ge- wöhnliche Flimmerzelle, die wahrscheinlich abgestorben und sich daher durch Methylenblau diffus, aber wenig intensiv gefärbt hat. Die von mir beschriebenen Keulenzellen besassen keine Cilien und entsprachen, in Bezug auf die Form, der Zelle f in Fig. 7. Diese Zellen stehen den spezifischen Stäbehenzellen viel näher, färben sich auch ebenso intensiv wie diese, besitzen auch keine Cilien. Dagegen hat Niemacek wohl Recht, wenn er auch diesen Zellen eine Continuität mit Nerven abspricht und ich habe mich wahrscheinlich durch sgleichmässige Färbung der anliegenden Nervenfibrillen und des centralen Zellfortsatzes täuschen lassen. Was nun die Beziehungen der speeifischen „Stäbchenzellen*“ zu den Nervenfäden anlangt, so hat Niemack letztere bis an den Zellkörper verfolgt, glaubt aber eine,Continuität ausschliessen zu müssen, da an Macerationpräparaten der Zusammenhang zwischen Nerv und Zelle so gelockert wird, dass „die freien Zellen ohne irgend gefärbtes Anhängsel, die Nerven als ein leeres Maschen- werk mit Ausläufern und varieösen Fädchen erscheinen“. (Conf. meine Beschreibung der Macerationspräparate und meine Fig. 6 u.7.) Ob die Nervenfäden am Zellkörper ihr Ende finden, oder der Zelle entlang verlaufen (wie es bei Säugern der Fall ist), konnte beim Frosch nicht entschieden werden wegen der inten- siven Färbung der Stäbchenzellen. Jedenfalls constatirt Nie- mack beim Frosch, wie ich beim Kaninchen, zweierlei Nerven- endigungen: 1. freie Endigungen zwischen den Stützzellen resp. Deckzellen und 2. feinste Nervenfibrillen, die mit den Sinnes- zellen in Contact treten. Die identischen, auf den Frosch sich Die Nervenendigungen in den Schmeckbechern der Säuger. 217 beziehenden Angaben von Ehrlich habe ich bereits oben im Text berücksichtigt. Auch in Bezug auf das Gehörsorgan befinden wir uns, was die Beziehungen der terminalen Nervenfäden zu den Sinneszellen anlangt, in erfreulicher Uebereinstimmung mit Dr. Niemack, wie aus einer kurzen Mittheilung von Dr.Geberg im Anatomi- schen Anzeiger (VIII. p. 20) zu ersehen ist. Diese Uebereinstim- mung gilt aber nur für das Verhalten der Nervenendigungen beim Frosch. Hier besehreibt Niemack feinste varieöse Fibrillen, die den Haarzellen anliegen, ohne mit ihnen zu verschmelzen. Geberg konstatirt ein ähnliches Verhalten der Nervenfibrillen zu (den äusseren und inneren Haarzellen m der Gehörsschnecke der Säugethiere. Auch Retzius konnte sich an Präparaten, die er nach der Methode von Golgi angefertigt hatte, über- zeugen, dass die Nervenfibrillen den Haarzellen nur anliegen. Nervenendzellen gibt es hier also nicht. Was hingegen die „Endkelehe* an der erista acustica anlangt, so sind ihre Be- ziehungen zu den an sie herantretenden Nervenfasern durch Kaiser und Niemaek nicht vollkommen aufgeklärt und ist es vorläufig noch unmöglich, sich eine klare Vorstellung von dem in Rede stehenden Verhalten zu machen. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XIV. Fig. 1. Schnitt aus der pap. foliata des Kaninchens. Man sieht die gefärbten Nervenfibrillen den Deckzellen entlang von der Basis der Becher bis an den Geschmacksporus verlaufen. Unten eine Wanderzelle. Links Nervenfibrillen, die in das indifferente Epithel eintreten. Hartn. S. 7, Oe. 3. Ein isolirter Schmeckbecher, in welchem man 3 diffus gefärbte Deckzellen sieht, von denen eine gefaltet ist. In der Tiefe sieht man eine diffus gefärbte Stiftchenzelle, der eine varicöse Fibrille anliegt. Das ganze Gebilde stark gequollen. Die Grenzen der ungefärbten Zellen nicht zu sehen. Einige Fibril- len überragen scheinbar den Rand des Porus; bei a eine Wanderzelle. Einige von den Fibrillen liegen oberflächlich, andere in der Tiefe. Zeiss F. Oc. 3. Condensor. Fig. 0) 218 Prof.C.Arnstein: Die Nervenendigungen inden Schmeckbechern etc. Fig. 3. er > Ha Fig. 5. Drei zusammenhängende Becher aus einem abgelösten Epithel- fetzen. Im Becher a sind zwei axiale Zellen und eine Deck- zelle schwach gefärbt. Tiefe Einstellung. Man sieht die im Becherraum sich schlängelnden und verflechtenden, varieösen Fäden. Der Porus nicht zu sehen. In den Bechern b und ec tritt der nach oben gekehrte Porus bei oberflächlicher Ein- stellung schärf hervor. Im Becher b sind zwei Zellen, eine Deckzelle und eine axiale Zelle gefärbt. Die in b und ce ge- zeichneten Fäden gehörten grössten Theils den Deckzellen. Der Unterschied in der Lagerung der Fäden bei oberflächlicher (ec) und tiefer (a) Einstellung ist sehr auffallend. -Reichert 8a Oe. 3. Ein Becher, dessen Wandzellen durch Druck z. Th. disloeirt sind. Den Deckzellen entlang verlaufen varicöse Fäden, von denen sich einige theilen und frei endigen; bei a sieht man eine stark disloeirte und gequollene Geschmackszelle, an deren äusserem Fortsatze die zugehörigen Fibrillen noch haften. Von dem stark luxirten inneren Fortsatze sind letztere abge- streift; b aus der Becherwand herausgefallene Deckzelle. Zeiss, P. Ve. Isolirte Zellen der Schmeckbecher; d Deckzelle mit umspin- nenden Fäden. Die übrigen Zellen sind axiale Gebilde; b stark gequollene Geschmackszelle, an deren Spitze die gefärbten Nervenfäden körnig zerfallen sind; a Zelle mit tief sitzendem Kern, der kurze centrale Fortsatz nur angedeutet; e Stab- zelle, der dickere Fortsatz ist der äussere; e zwei axiale Zellen gut erhalten; von der einen sind die Fäden abgestreift. Zeiss F. Oc. 3 mit Ausnahme von e, die bei Reichert 8a, Oe. 3, ausgezogenem Tubus, gezeichnet ist. . Isolirte Zellen. Die Nervenfärbung fixirt mit Pierocarmin. Die Zellen gelb, die Kerne roth, die Nervenfibrillen violett; die Zelleontouren sehr scharf; a eine Stiftchenzelle von sehr feinen, varicösen Fäden umsponnen, nebenbei sieht man ein Büschel feinster Fäden von einer Zelle abgestreift; d Stiftchen- zelle, nebenbei eine Deckzelle; e—b wahrscheinlich eine Deck- zelle in halbem Profil. Reichert 8a, Oc. 3. * as A u 222 219 Ueber den Graaf’schen Follikel, seine Ent- stehung beim Menschen und seine Schicksale bei Mensch und Säugethieren. Von Dr. J. Schottlaender. Hierzu Tafel XV und XVI. Die vor Jahresfrist in einer kleinen Arbeit!) von mir nie- dergelegten Untersuchungen über den Untergang ungeplatzter Graaf’scher Follikel bei einigen Säugethieren, liessen es mir ausserordentlich wünschenswerth erscheinen, denselben Process in den Eierstöcken noch anderer Säugethiere weiter zu verfolgen, besonders auch in den Eierstöcken des Menschen, die ich da- mals nur oberflächlich berücksichtigen konnte. Es lag mir daran zu erforschen, in welcher Altersstufe des menschlichen Lebens die Erscheinungen der Atresie zuerst nachweisbar werden, und ob sie den früher beschriebenen analog sind. In letzterem Falle durfte ich hoffen, einer einheitlichen Auffassung der Follikelatresie in der gesammten Säugethierreihe die Wege zu ebenen. Bei meiner früheren Arbeit benutzte ich die Eierstöcke von Maus, Ratte, Meerschweinchen und Hund; inzwischen habe ich noch, und zwar zum Theil in mehreren Exemplaren, die Eier- stöcke von Igel?), Katze?), Kaninchen und Schwein untersucht. Das menschliche Material erhielt ich durch das liebenswürdige Entgegenkommen der Herren Geh.-Rath Olshausen, Dr. Carl Ruge und Dr. Gebhard aus dem pathologischen Institut der Berliner Frauenklmik : es entstammt bis auf 1 Ausnahme den Leichen von 22 durchaus frischtodten Kindern und 5 frisch zur Sektion gekommenen Erwachsenen. Von ersteren befanden sich Ir Arch.sf. mikr. Anat. Bd. 37, S. 192. 2) Die hier in Betracht kommenden Präparate verdanke ich der Güte des Herrn Hans Virchow. 229 Dr. J. Sehottlaender: in der 20.—24. Woche des intrauternen Lebens, zum Theil noch etwas darunter, 4; in der 283.—32. Woche 14: anscheinend (durchaus reif waren 4. Die Eierstöcke der Erwachsenen ver- theilen sich wie folgt: a) Ein Eierstock einer im IV. Monat der Schwangerschaft nach erfolgtem Abort an Pyaemie verstorbenen Erstge- bärenden. b) Beide Eierstöcke einer an Uterusinversion und Blutung während der Geburt verstorbenen Mehrgebärenden. e) Beide Eierstöcke einer an acutester Sepsis während des Wochenbettes verstorbenen Mehrgebärenden. d) Ein Eierstock einer während der Geburt an Blutung (Placenta praevia) verstorbenen Mehrgebärenden. e) Ein Eierstock einer nach operativer Entfernung eines Cervixmyoms verstorbenen Mehrgebärenden. Auf Grund der eben angeführten Daten kann scheinbar mit einigem Recht der Einwand erhoben werden, dass es sich wenigstens bei einem Theile der letztgenannten 7 Eierstöcke um ein durch pathologische Processe verändertes und deshalb un- taugliches Material handele. In der That hatte ich anfangs dieselben Bedenken und wollte mich gänzlich auf Verwerthung der kindlichen Eierstöcke beschränken. Allein das genauere Studium der hier in Betracht kommenden, zahlreich von mir an- gefertigten Präparate liess mich zu meiner Freude diese Be- schränkung bald als ungerechtfertigt erkennen. Einmal nämlich, was schon für sich selbst spricht, herrschte unter den Eierstöcken der Erwachsenen , einerlei welcher Art die Todesursache ge- wesen, eine ganz auffallende, bis in alle Einzelheiten gehende Uebereinstimmung. Weiter deckten sich hier die Befunde mit den bei den Kindern und Thieren gemachten in so ausgedehn- tem Maasse, dass wenigstens eine qualitative Einwirkung ebenso postmortaler wie pathologischer Veränderungen mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden konnte. Ob sich etwa patho- logische Faktoren quantitativ geltend gemacht haben, derart, dass durch ihre Einwirkung im einigen Eierstöcken der Erwach- senen mehr Follikel als unter normalen Verhältnissen atretisch zu Grunde gegangen sind, soll an anderer Stelle erörtert werden. Wie sehr bisweilen durch die verschiedenen Härtungsiittel Ueber den Graaf’schen Follikel ete. 221 die Deutung eines Bildes beeinflusst werden kann, darüber werde ich gleichfalls später des öftern zu berichten haben. Im An- schluss an die früher ausgesprochene, jetzt mir noch viel wahr- scheinlicher gewordene Vermuthung, dass auf die Wahl dieser Mittel viele der in der Literatur vorhandenen Widersprüche zu- rückgeführt werden können, liess ich es mir vor Allem angelegen sein, diesmal die Methoden der Härtung möglichst zu variiren. So habe ich denn ausser Flemm ing ’schem Chrom-Osmium-Essig- säure-Gemisch noch in ausgedehntem Maasse Alkohol, ferner Platinchlorid und Chrom-Ameisensäure (nach Rabl) angewendet und mich nach Kräften bemüht durch Vergleichung der dabei zu Tage tretenden Verschiedenheiten eine festere Richtschnur für die Auffassung mancher Bilder zu gewinnen. Zur Färbung, die in mannigfacher Weise mit der Härtung combinirt wurde, benutzte ich ausser Saffranin und Gentiana- violett, einzeln und nach einander, Carmin, Hämatoxylin mit und ohne Eosin, endlich versuchsweise Hämatoxylin und Alizarin!). Als Einbettungsmasse für meine Objekte diente mir Celloi- din und Photoxylin. Ich zog letzteres wegen seiner schnelleren Lösliehkeit in Aether-Alkohol im Ganzen vor, obgleich es leichter Wasser. anzieht. Die Aufhellung der Schnitte wurde meist mit Xylol, dessen Leichtflüssigkeit ausserordentlich angenehm ist, die, Einschliessung stets mittelst Xylol-Canadabalsam bewerkstelligt. Terpentin wurde wegen seiner Fähigkeit osmirtes Fett zu lösen 2) sorgfältig vermieden. — Noch muss ich hinzufügen, dass, um über die Vertheilung der Blutgefässe im atretischen Follikel ge- 1) In letzterem Falle kommen die Schnitte auf 24 Stunden in die tiefviolette Lösung, , welche man durch Eintragung ziegelrothen krystallinischen Alizarins (C,4Hs0,) in NH, bis zur Sättigung erhält. Nach Abspülung in Wasser erfolgt die Nachfärbung mit Hämatoxylin in bekannter Weise. Vielleicht dass dem Alizarin in Zukunft bei bes- serer Ausbildung der Methode insofern ein gewisser Werth zukommt, als es gleich dem Eosin: von dem Protoplasma und den Intercellularsub- stanzen, denen es einen zarten Alt-Rosa-Ton verleiht, vorzugsweise attrahirt wird. Vorläufig steht das Alizarin jedenfalls dem Eosin weit nach, schon wegen der Umständlichkeit des Verfahrens, der Unlös- lichkeit des Alizarins in Wasser und andererseits seiner ungenügen- den Widerstandsfähigkeit gegen Alkohol, welch letzterer ein starkes Abblassen der Schnitte bewirkt. 2) Vergl. meine frühere Arbeit (l. c.) S. 221. 180) po Dr. J. Schottlaender: naueren Aufschluss zu erhalten, die Eierstöcke von drei Kanin- chen (eines davon war trächtig) und einem jungen Meersehwein- ehen mit entsprechend zubereitetem, in Wasser löslichem Berliner Blau erfolgreich injieirt worden sind). Da es mir ursprünglich auf Untersuchungen ankam, bei (denen Serienschnitte entschieden entbehrlich sind, so habe ich auf eine regelrechte Anfertigung derselben verzichtet. Jetzt, da sich der Rahmen meiner Arbeit bedeutend erweitert hat, würde ich deren Mangel sehr empfindlich zu beklagen haben, wenn nieht die sehr grosse Anzahl der häufig aufeinanderfolgenden Einzelschnitte mir hinreichenden Ersatz gewährte. I. Entstehung der G@raaf’schen Follikel beim Menschen. Während des eingehenden Studiums der mir zu Gebote stehenden 44 fötalen und kindlichen Eierstöcke begann ich, zu- nächst halb unwillkürlich, mich auch mit der Entstehung der 1) Die, wie ich hier dankbar erwähnen muss, auf Anrathen des Herrn Hans Virchow theils durch ihn theils durch mich ausgeführte Injection wurde an den entbluteten Thieren von der Aorta aus be- werkstelligt. Beim Kaninchen konnte die Stelle dicht über dem Ab- sang der beiden in gleicher Weise sehr tief entspringenden Sperma- ticae internae gewählt werden und es gelang ohne grosse Mühe ausser der Unterbindung der Aorta dicht unterhalb des Abganges der Sper- maticae internae, noch die isolirte Unterbindung der dazwischenliegen- den Mesenterica inferior, so dass ein Entweichen der Injecetionsmasse in fremde Gefässgebiete verhindert war. Wenn nun schon bei den Kaninchen die Kleinheit der Gefässe — die Breite der zusammenge- fallenen Aorta betrug im Maximum ca. 21/, mm — eine Injection von den Spermaticae aus nicht rathsam erscheinen liess, so war bei dem Meerschweinchen, einem allerdings sehr jungen Thiere, von vornherein eine solche Möglichkeit ausgeschlossen, da die betreffenden Aeste der Aorta überhaupt nicht zu isoliren waren. Wir mussten uns hier da- mit begnügen, von der Bauchaorta aus ohne Unterbindung sämmtliche Gefässgebiete in toto zu füllen. Das Resultat war ein zufriedenstellen- des. — Von den 6 Kaninchenovarien zeigten sich 3, darunter 2 einem Thier gehörige, tadellos, 3 minder gut injieirt, obschon immer in glei- cher Weise vorgegangen wurde. Der Grund dieser Verschiedenheit entzieht sich der Beurtheilung; denn dass nicht, wie man denken könnte, der verschiedene Einfluss der Uterina-Anastomosen zu beschul- digen ist, deren Gefässgebiet wir bei unserer Methode nicht berück- sichtigen konnten, geht daraus hervor, dass letzteres sich rückläufig nicht füllte. et Tee EN BE WERITUOIDNGEN #5 Ueber den Graaf’schen Follikel ete. 223 (Graaf’schen) Follikel zu beschäftigen. Allmählich befestigten sich mir die dabei gewonnenen Erfahrungen und ich stehe heute nicht an sie zu veröffentlichen, umsomehr, als sie von den ge- meinhin gültigen Anschauungen in wesentlichen Punkten abwei- chen. Da Nagel!) in einer ausführlichen Zusammenstellung auch die Literatur soweit sie den Menschen betrifft, eingehend berücksichtigt hat, so kann ich meine Literaturangaben auf das Nothwendigste beschränken. Während, wie es scheint, wenigstens bei Säugethieren?), darin volle Uebereinstimmung unter den Au toren herrscht, dass sieh die Eizellen in und aus dem Keimepi- thel bilden, so stehen schon bei der Frage nach der Abkunft des Follikelepithels, zwei Ansichten einander schroff und unvermit- telt gegenüber. Nach der einen, die Foulis?), Sehroen®) und Andere, neuerdings Cuzzi-Berte°) und Gastel‘®) vertreten, ist das Follikelepithel von dem Eierstocksbindegewebe abzuleiten; die Eier gelangen zunächst nackt in das emporwachsende Binde- gewebsgerüst und werden von diesem mit einer epithelialen Um- hüllung versorgt. Die zweite und grössere Gruppe von Autoren vindieirt dagegen dem Follikelepithel eine epitheliale Abstam- mung. Allein Kölliker’) leitet es von dem Epithel des einge- wucherten Epoophoron (Waldeyer) ab, Harz®) wenigstens bei Säugethieren, von der Eizelle, also erst mittelbar vom Keim- epithel; nicht Alle erkennen somit letzteres als matrix an, wenn auch diese Ansicht die am meisten verbreitete ist. Als ihre Vertreter möchte ich hier nur Pflüger?) und Valentin!®), Palladino!!) und endlich Waldeyer!?) und Nagel!’) nennen, welche wiederum in mannigfacher Beziehung in ihrer Auffassung . von einander abweichen. Pflüger und Valentin nahmen ein aktives Einwachsen zellengefüllter Keimepithelschläuche in das Eierstocksbindegewebe an. Durch successives Emporwuchern des 1) Das menschliche Ei. Arch. f. mikr. Anatomie Bd. 31 (eitirt als Nagel ]). 2) Vergl. die von Valaoritis aufgestellte Theorie der Oogenese beim Landsalamander. Nagel I, |. c. S. 366. 3) NagellI (l. ec.) Literaturverzeichniss No. 34. 4) Ebenda, No. 76. 5) Ebenda in No. 65. S. 103 eitirt. 6) Contribution A l’etude de follicules de de Graaf. Paris 1881. 7) Nagel I, Literaturverzeichniss No. 53. S) Ebenda, No. 39. 9) Nagel I, Literaturverzeichniss No. 66. 10) Ebenda, No. 90. 11) Ebenda, No. 65. 12) Ebenda, No. 97. La) E Ife. 2924 Dr. J. Schottlaender: letzteren sollten aus den Schläuchen, in denen sich erst später die Eizellen sondern, Primordialfollikel abgespalten werden. Wal- deyer, dem sich Nagel völlig angeschlossen hat, hält die eben erwähnten Valentin-Pflüger'schen Schläuche nur für schein- bar selbstständige Gebilde. Nach seiner Ansicht entstehen zu- nächst, gleichfalls durch ein gegenseitiges Durchwachsen von Keimepithel (dessen Eizellen schon als solche erkennbar sind) und Bindegewebe die sogenannten Eiballen; dieselben stellen rund- liche, von Bindegewebszügen umgrenzte Zelleneomplexe dar, in denen Eier und Epithelien anfangs regellos, später derartig an- geordnet liegen, dass jedes Ei eimen Kranz von Epithelzellen empfängt. Aus diesen Eiballen bilden sich durch Abschnürung die Primordialfollikel; in höhern Altersstufen, nach Waldeyer erst beim Neugeborenen, wird der Eindruck von mit der Ober- fläche communieirenden Schläuchen dadurch hervorgerufen, dass dureh verstärktes Bindegewebswachsthum die Eiballen auseinan- dergeschoben und gewissermaassen platt gedrückt werden. — Palladino endlich hält Pflüger ’s Anschauung für eine Theorie und sagt in Betreff Waldeyer's: „ne infine e da seguirsi l’opi- nione sostenuta dal Waldeyer“. Er nimmt, wenn ich ihn recht verstehe, seinerseits an, dass die Follikel direkt durch excentri- sches Wachsthum des (m Form von soliden oder hohlen Schläu- chen im die Unterlage eingedrungenen) Keimepithels und concen- trisches Wachsthum des Bindegewebes entstehen, also ohne Ver- mittelung der Waldeyer’schen Eiballen. Als durchaus beweisend für seime Angaben erschemt ihm der mehrfach erhobene und auch abgebildete Befund einer direkten Verbindung zwischen Schlauch und Follikel. Wir wollen an der Hand unserer Präparate zu einer Ent- scheidung zu kommen suchen. Die frühesten von mir untersuch- ten Altersstadien liegen gerade in der Mitte zwischen den von Waldeyer beschriebenen !). Die grössten Längsschnitte messen 4—5:1,2—1,5mm. Das Keimepithel, dessen Continuität, ebenso hier wie bei den übrigen Eierstöcken durchaus nicht durchweg gewahrt erschien?), stellt sich, wie bekannt, als eine einfache Lage eubisch-eylindrischer Zellen dar; nur bei Schiefsehnitten ist es mehrschichtig. Der Kern erfüllt meist die ganze Zelle, 1) 1. e. S. 19—24. 2) Vergl. unten S. 243f. Ueber den Graaf’schen Follikel etc. 225 von deren Substanz man nur sehr wenig sieht; ein Kernkörper- chen lässt sich nur bei stärkster Vergrösserung, und auch dann nieht immer wahrnehmen; mitotische Bewegung fehlt. Die Be- srenzung der freien Oberfläche des Keimepithels ist oft eine ausserordentlich starre und erinnert an Cutieular-Bildungen. Zwi- schen den Epithelien fallen hier und da, nicht gerade sehr häufig, einzelne Zellen durch ihre Grösse und vor Allem dureh ihre und ihres Kernes runde Gestalt auf: zweifellos haben wir es mit ty- pischen Ureiern zu thun. Unterhalb des Keimepithels liegt eine auf den ersten Blick regellose Fülle von kleineren und. grösseren theils ovalen, theils runden Zellen, welche mit dem Keimepithel besonders an den Stellen in direkter Verbindung stehen, wo die noch spärlichen und seichten Furehen der Eierstocksoberfläche ihre tiefste Ein- senkung haben. Für das genauere Studium der eben erwähnten Zellen war eine Vergleichung verschiedenartig gehärteter Schnitte geradezu unerlässlich. Bei vielen Alkoholpräparaten liess sich nichts weiter darüber aussagen, als dass die häufig mito- tischen Kerne verschiedene Grösse und Gestalt besitzen. Die Betrachtung von Gemisch-, Chrom - Ameisensäure- und Platin- chloridpräparaten ergab dagegen, dass auch die Zellen wesentlich von einander differirten und dass ein zartes, vielfach Blutgefässe führendes Bindegewebsgerüst sich dazwischen befand. Es gelang Ei- und Epithelzellen einerseits und Bindegewebszellen anderer- seits schärfer wie vorher auseinander zu halten; ferner konnte festgestellt werden, dass erstere fast durchweg durch Bindege- webszüge zu festeren, an der Oberfläche grösseren, in der Tiefe kleineren, rundlichen Verbänden vereinigt waren. Ganz verein- zelt waren auch schon nahe dem Hilus deutliche Primordial- follikel vorhanden. Viel prägnanter gestalten sich die Verhältnisse beim 28 wö- ehentlichen Fötus bis zum reifen Kind, Altersstadien, welche ich aus später ersichtlichen Gründen zusammenfasse. In Fig. 1 ist ein Oberflächen-Abscehnitt aus dem Eierstock eines 28 wöchent- lichen Fötus dargestellt. Man sieht zunächst das etwas dunkler gefärbte Keimepithel!) (K), das an einer Stelle durch eine Brücke 1) Dasselbe enthält in diesem Stadium meist zahlreiche Ureier, In der Figur fehlen solche zufällig. 226 Dr. J. Sehottlaender: mit dem darunter liegenden helleren Gewebe eommunieirt; letz- teres besteht aus Epithelien und Eizellen, bei denen die später im Follikel zum Ausdruck kommende gegenseitige Lagerung zum Theil sehon zu bemerken ist, und dem umfassenden Binde- gewebe. Vergleicht man Figur 1 mit den nur etwas mehr sche- matisirten Figuren 9 und 11, Tafel II bei Waldeyer, so wird die Identität einleuchtend sein — mit andern Worten: es ent- stehen zunächst, genau wie es Waldeyer beschrieben und wie oben angedeutet worden, die sogenannten Eiballen, deren Con- tinuität mit dem Keimepithel hier in einem Bilde für hunderte dargelegt ist. Das Follikelepithel ebenso wie die Eizellen sind direkte Abkömmlinge des Keimepithels — ob der Zusammenhang sichtbar ist, hängt von der Gunst des Schnittes ab. Welehe Bewandniss hat es nun aber mit Palladino’s, Kölliker's und Pflüger 's Ansichten und wie sind dieselben zu verstehen resp. zu widerlegen ? Ausser den beim 20 wöchentlichen Fötus schon erwähnten, im späteren Alter an Zahl und Ausdehnung zunehmenden Gruben und Vertiefungen der Eierstocksoberfläche!) finden sich ab und zu, im Ganzen aber recht selten, verschieden weit in die Tiefe reichende Schläuche. Das Charakteristische für diese Schläuche (vgl. Figur 2) im Gegensatz zu den Valentin-Pflüger’schen ist, dass sie ebenso wie die Gruben der Oberfläche em mit der Aussenwelt communieirendes Lumen besitzen und von demselben einschich- tigen Keimepithel ausgekleidet sind, das diese und die Ober- fläche überzieht. Obgleich nun letzteres hier selbstverständlich ebenso wie im Uebrigen Ureier in sich birgt, obgleich bisweilen eine wirkliche Abschnürung von Schlauchstücken im der Tiefe vorzukommen scheint, so stellen diese Schlauchbildungen doch sicher keinen integrirenden Faktor der Follikelbildung dar. Dazu sind sie zu unregelmässig und verhältnissmässig zu selten. Aus diesen Gründen und nach Analogie der Verhältnisse beim Er- wachsenen?) ist es vielmehr wahrscheinlicher, dass im Falle einer Abschnürung nieht zur Entstehung von Follikeln, sondern zur Ent- stehung von Cysten Anlass gegeben ist, wie solehe meines Wissens 1) Vel. Na : l. e. 8. 369. S. ge ASB@Lk 35 Ueber den Graaf’schen Follikel ete. 227 bei Kindern auch ohne Zusammenhang mit Follikeln beobachtet worden sind. Es brauchen dann nur wie es anderweit so häufig geschieht!), die in dem abgeschnürten Schlauchstück etwa vor- handenen Ureier vorzeitig zu Grunde zu gehen. Bezüglich der Bedeutung des Epoophoron-Epithels als Ur- sprungsstätte für das Follikelepithel möchte ich mich ganz den Ausführungen Nagel’s?) über diesen Punkt anschliessen. Auch ich habe niemals eine Verbindung zwischen den Eiballen und den Epoophoron-Kanälen entdecken können und glaube auch, dass ein gegentheiliger einzelner Befund nur als „eine Zufälligkeit“ betrachtet werden darf. Figur 3°) zeigt einen Valentin-Pflüger’schen soliden mit Zellen ausgefüllten Schlauch. Die Verbindung mit dem Ober- tlächenepithel fehlt hier — in anderen ausserordentlich zahlreichen Fällen ist sie im typischer Weise vorhanden. Ebenso finden sich auch meistens zwischen den zahlreichen Epithelzellen, welche (vgl. die Figur) bisweilen etwas kleiner sind als diejenigen der Eiballen, Eizellen; doch ist ihre Anzahl im Allgemeinen gerin- ger als in den Eiballen und sie sind schwerer wahrnehmbar als dort*). Auch die Anzahl der in Mitose begriffenen Elemente ist hier eine geringere, als dort. Während beim 20 wöchentlichen Fötus entschieden weit mehr sich theilende als ruhende Zellen zu beobachten sind, kehrt sich dieses Verhältniss später mehr und mehr um; doch weisen auch die Schläuche verschiedentlich noch mitotische Eizellen auf, so dass eine Neubildung von Eiern in denselben zweifellos erfolgen kann und wohl auch wirklich erfolgt. Dass nun aber diese Schläuche nieht, wie Pflüger, Va- lentin u. A., neuerdings Palladino es wollen, primäre Forma- tionen sind, dass sie nicht direkt aus dem Keimepithel entstehen, geht m. A. n. mit Sicherheit daraus hervor, dass sie beim 20 wö- chentlichen Fötus, bei dem sie andernfalls vorhanden sein müss- ten, wenigstens in typischer Ausbildung?) vollkommen fehlen. Ferner spricht gegen ihre Funktion als direkte und einzige DES. u. S. 261.8. Des 3. 3) Vergl. Waldeyer].c. T. II, E. 12. 4) Vergl. Waldeyer |. c. S. 26. 5) Siehe unten. Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 41, 15 298 Dr. J. Sehottl’aender?: Follikelbildner (Palladino) die relativ geringe Anzahl der in ihnen enthaltenen Eizellen, ein Faktum, das vom Standpunkt der genannten Forscher nicht recht zu erklären sein dürfte. — Was end- lich die direkte Verbindung zwischen Schlauch und Follikel betrifft, auf die sich Palladino stützt, so existirt unbedingt ab und zu eine solehe und zwar handelt es sich hier nicht um eine Zufäl- liekeit. Allein man braucht, wie wir noch sehen werden !), trotz- dem nicht mit Palladino anzunehmen, der Follikel sei aus einem von der Oberfläche eingedrungenen Schlauche entstanden. Viel- mehr gibt es noch eine andere Deutung, die mit meinen bisheri- gen Ausführungen vollkommen in Einklang steht. Waldeyer hat somit den Antheil, welchen die Valentin- Pflüger schen Schläuche an der Follikelbildung haben, in durch- aus unanfechtbarer Weise klargestellt. Es sind secundäre unter- geordnete Formationen, welche in der oben angegebenen Weise aus den Eiballen erst dann entstehen, wenn sich aus diesen schon Follikel abgeschnürt haben; und muss auch unbedingt zuge- geben werden, dass aus den Schläuchen noch in gleicher Weise, wie aus den Eiballen, Primordialfollikel abgespalten werden können, so liefern letztere doch zweifellos das Hauptcontingent. Während ieh bisher durchaus den von Waldeyer so klar bezeichneten Weg eingeschlagen habe, möchte ich von nun an einen anderen, allem Anschein nach theilweise neuen betreten. Der mich dabei leitende Grundgedanke ist der, dass das Ver- hältnissdesKeimepithelwachsthums zu demjeni- sen des interstitiellen Eierstockbindegewebes ein in. viel weiteren Grenzien geregeltes sine bisher angenommen wurde. Ich schliesse das aus folgenden (Gründen. Einmal kann ich die s. Zt. von Waldeyer?) gemachte und von Nagel’) wiederholte Angabe, dass die Valentin-Pflüger'- schen Schläuche erst .im Eierstock des reifen neugeborenen Kin- des zu finden seien, nach meiner Erfahrung nieht bestätigen. Lässt sich sogar schon beim 20 wöchentlichen Fötus bisweilen ein stärkeres Auseinanderweichen der Eiballen durch verstärktes es Ueber den Graaf’schen Follikel ete. 229 Bindegewebswachsthum beobachten, sieht man hier schon bis- weilen eine leichte Andeutung, aber auch nur eine Andeu- tung!) der künftigen Schlauchbildungen, so erscheinen solche beim 28wöchentlichen Fötus schon vielfach völlig ausgeprägt. Vorausgesetzt, dass man meine S. 227 niedergelegte Auffassung von Figur 3 theilt, ist mir die Beweisführung leicht gemacht; denn Figur 3 und Figur 1, d.h. Eiballen und Schläuche, wie sie hier gezeichnet sind, entstammen ein und demselben Schnitt aus dem Eierstock eines 28 wöchentlichen Fötus. Aus den in meinem Besitz befindlichen Bildern ergibt sich, dass hinsichtlich der Ent- stehung der Valentin-Pflüger’'schen Schläuche in den ver- schiedenen Altersstufen keine bestimmte Regel aufzustellen ist. Von der 28. bis 40. Woche sind sie vorhanden und zwar meist in Gemeinschaft mit den Eiballen, aus denen sie hervorgehen und zu denen sie in einem quantitativ variablen Verhältniss stehen: in dem einen Eierstock wiegt der Eiballen-, in dem an- deren der Schlauehtypus vor; die extremsten, allerdings auch nicht allzu seltenen Fälle sind, dass überhaupt nur ein Typus ver- treten ist; und diese Fälle 'gruppiren sich im Allgemeinen derart, dass die jüngsten Eierstöcke nur Eiballen und die ältesten nur Schläuche enthalten. Ein weiterer Grund, welcher meine obige Behauptung be- züglich des Bindegewebswachsthums stützt, soll durch die Figuren 4, 5 u. a. illustrirt werden. Man könnte bei Figur 4 an eine Eizelle mit 2, bei Figur 5 an eine solche mit 3 Keimbläschen denken, welche durch Theilung aus einem Mutterkern entstanden. Bei Figur 5 müsste man dann, abgesehen von der ausgebliebenen Zellkörpertheilung, entweder eine Dreitheilung des Mutterkernes oder eine Zweitheilung desselben mit nachfolgender Theilung des einen Tochterkerns supponieren ; bei Figur 4 eine gewöhnliche Zweitheilung; die Furche innerhalb des Protoplasmas hätte die Bedeutung einer Zellkörperfurche. Ich muss gestehen, dass Figur 4 und ähnliche Bilder mir anfangs eine solehe Annahme nahe- legten — eine genauere Ueberlegung aber zeigte mir bald den wahren Sachverhalt. Dass wir es in Fig. 4 und 5 weder mit einer frischen noch mit einer abgelaufenen Theilung des Mutter- kernes resp. einer Eizelle zu thun haben, wird bewiesen erstens 1) S. oben. 230 Dr. J. Schottlaender: dadurch, dass die Zellkörpertheilung theils fehlt (Figur 5), theils wenn man die erwähnte Furche als solehe betrachtet, viel zu spät eingesetzt hätte (Fig. 4). Bei der Phase, in welcher sich die beiden Kerne befinden, müsste sie nach den Gesetzen der Mitose längst vollzogen sein. Man ist durch nichts berech- tigt), bei den Eizellen des Menschen hinsichtlich des zeitlichen Eintritts der Zellkörpertheilung eine Ausnahme zu statuiren, zu- mal da man innerhalb der Eiballen, wenn auch selten, typische Zellkörpertheilungen findet. Dazu kommt, dass die gegenseitige Lagerung, zum Theil auch die Gestalt und Grösse der betr. Keimbläschen ein Beweis gegen diese Auffassung ist; — weder in Figur 4 noch in Figur 5 würde man reguläre Bilder vor sich haben, selbst wenn man bei letzterer von der an sich unplau- siblen Dreitheilung absähe. Ich stimme Nagel vollkommen bei, wenn er den Eizellen in diesem Stadium jede Vermehrung durch Theilung abspricht?). Dagegen ist mir nach meinen Prä- paraten nicht recht verständlich und wohl nur durch Zufällig- keiten zu erklären, dass Nagel nur zweimal die in Rede stehenden Befunde erhoben hat. Während Bilder wie Figur 5 allerdings selten sind, finde ich solehe wie Figur 4 fast in jedem Schnitt — die Häufigkeit wächst im Eierstock des 20 wöchent- liehen bis etwa zum 32 wöchentlichen Fötus continuirlich, um dann wieder langsam zu sinken. Es ist das zwischen der 28. und 32. „Woche erreichte Maximum wohl begreiflich. Wenn wir vorhin constatirten, dass bei den Eierstöcken reifer Kinder im Allgemeinen der Schlauchtypus prävalirt, so ist damit zu- gleich gesagt, dass um diese Zeit die Bildung der Primordial- follikel, deren Hauptmenge ja aus den Eiballen stammt, mehr und mehr sich dem Abschlusse nähert. Ebenso nun wie mit den „typischen“ verhält es sich mit den in Figur 4, resp. Figur 5 dargestellten „atypischen“ Primordialfolliken. Ich nenne sie „atypisch“, weil sie ihre Entstehung einem zwar allem Anschein nach constanten, aber von dem gewöhnlichen abweichenden und unregelmässigen Vorgang verdanken. Wenn Nagel angesichts (dieser atypischen Follikel bald von Doppeleiern, bald von Eiern mit doppelten Keimbläschen spricht, so sind, wie mich dünkt, Vergl. Nagel Il. ce. 1) 2) Vergl. Nagel Il. ce. S. 374. 1 u A re Ueber den Graaf’schen Follikel ete. 231 zwei verschiedene Anschauungen nicht klar auseinandergehalten. Ich habe die Ueberzeugung gewonnen, dass überhaupt nur die eine von beiden hier berechtigt ist und zwar ist sie, wie ich glaube, in allen diesen und ähnlichen Fällen dahin zu präeisiren, dasses sich um zwei, selten dreiEizellenhandelt, die meistens (in Fig. 4u.5 sicher) nieht gemeinsamen Ursprunges, sondern zufällig zusammenliegend, von Bindegewebe umwachsen und dadurch aus den Eiballen (selten den Schläuchen) gesondert werden. Also nicht mit einer mehrere Kerne enthaltenden Ei- zelle, von der so oft in der Litteratur die Rede ist, sondern mit mehreren und zwar der Zahl der Kerne entsprechenden Eizellen haben wir es zu. thun. Es ist dies einmal negativ dadurch zu beweisen, dass nach dem Gesagten keine getheilte Eizelle vor- liegt; positiv dadurch, dass eine nähere Betrachtung der Eiballen genau dieselbe Gruppirung wiedererkennen lässt , indem zwei, selten drei Eizellen, die nach gegenseitiger Lage, Grösse, Rich- tung der Hauptaxe und Gestalt ihrer Kerne unmöglich aus einer Mutterzelle hervorgegangen sein können, auch mit Rücksicht auf das Epithel, in genau derselben Weise zusammenliegen. Es geht die Analogie oft so weit, dass man den Eindruck gewinnt, als harrten diese Zellen nur noch der Bindegewebsumhüllung. Auffallend und schwer zu erklären ist dabei nur der Umstand, dass bisweilen, ebenso noch innerhalb der Eiballen wie schon ausserhalb derselben, jede trennende Furche zwischen den ver- schiedenen Eizellen fehlt (vergl. Fig. 5). Wenn man nun hier zum Theil mit unbekannten Faktoren, zum Theil vielleicht mit ungünstiger Schnittrichtung zu rechnen hat, so wird man um so weniger auf die Möglichkeit einer Kerntheilung ohne nach- folgende Zellkörpertheilung recurriren, als ausserordentlich häufig die Grenzlinie zwischen den verschiedenen Eizellen klar und deutlich vorhanden ist. Die vermeintliche Zellkörperfurchung in Fig. 4 ist wohl kaum etwas anderes, als der Ausdruck der gegenseitigen Begrenzung. Allenfalls könnte man hier noch eine einzige andere Eventualität in Erwägung ziehen, welche uns zu- gleich auf die späteren Schieksale dieser atypischen Primordial- follikel führt. Es erfolgt (Fig. 6 und 7) durch nachträgliches, entweder einseitiges oder doppelseitiges Bindegewebswachsthum eine secundäre Trennung des atypischen Follikels; derselbe wird 232 Dr. J. Sehottlaender: wiederum in seine ursprünglichen Bestandtheile zerlegt und er- hält die Gestalt des typischen Follikels. An diese seeundäre Bindegewebsdurchtrennung muss man bei der Furche in Fig. 4 wenigstens denken. Da aber eine Verbindung der Furche mit der Umgebung nirgends zu sehen ist, möchte ich die erste Deu- tung bei Weitem vorziehen. — Wie lange dieser Zustand der Atypie bei den Primordialfollikeln stationär bleiben kann, voraus- gesetzt, dass man nicht eine Neubildung solcher beim -erwachse- nen Weibe annimmt, erläutert Figur 6, welche dem Eierstock einer Erwachsenen entstammt. Hier scheint die bindegewebige Trennung noch nicht lange vollzogen zu sein. — Ob auch bei Fig. 5 eine analoge spätere Sonderung zu erwarten ist, darüber vermag ich etwas Positives nicht auszusagen ; indessen ist ein soleher Ausgang wohl wahrschemlich. Andererseits ist zu beto- nen, dass sicher bisweilen die nachträgliche Trennung ausbleibt. — Es erklären sich auf diese Weise ungezwungen und einfach die öfters beobachteten Fälle mehreieriger grosser Follikel. — Indessen noch etwas Anderes lehren uns die Figuren 4—7. Es ist verschiedentlich unter den Vertheidigern der Keimepithel- genese des Follikelepithels darüber gestritten worden, ob das letztere gleich anfangs eine zusammenhängende Hülle um die Ei- zelle des Primordialfollikels bildet oder nicht. Manche lassen die Frage unentschieden (v. Beneden'!)). Waldeyer?) und mit ihm Nagel bejahen sie. In der That scheinen die Follikel bei der gewöhnlichen Entstehungsweise gleich anfangs ein continuir- liches Epithel zu besitzen. Allein es giebt auch, und zwar unter den atypischen Primordialfollikeln, solche mit zu Beginn diseon- tinuirlichem Epithel. Aus Figur 4 z. B. erhellt ohne Weiteres, dass das Follikelepithel anfangs diseontinuirlich sein muss und sich erst später aus sich selbst heraus zu einem geschlossenen Ringe ergänzt. Figur 6 stellt allem Anscheine nach die Ent- stehung dieses Ringes dar. Ob in Figur 7 anzunehmen ist, dass zwei schon mit continwirlichem Epithel versehene, aus den Ei- ballen gesonderte Eizellen nachträglich durch eine bindege- webige Scheidewand getrennt werden; oder ob wir hierin ein späteres Stadium von Figur 6 zu sehen haben, muss zweifelhaft 1)S. Nagel IS. 365, Literaturverzeichniss No. 12. Dnl..e, Ueber den Graaf’schen Follikel etc. 233 bleiben. Jedenfalls kann, wenn nicht Alles täuscht, auch das Epithel noch zu einer Zeit lückenhaft bleiben, in welcher die seeundäre Trennung der beiden Eizellen schon längst vollzogen ist. — Allerdings sind hier noch einige andere Umstände zu be- rücksiehtigen: eimmal die leichte Zerstörung des Epithels, das bei der Verarbeitung offenbar nieht selten ausfällt, ferner die in diesem allerersten Stadium des Follikels geradezu verhängnissvolle, noch zu- letzt auch von Nagel wieder betonte Aehnliehkeit zwischen Epithel- und Bindegewebszellen. Es ist mir nicht gelungen, abgesehen von der Lage, irgend welche charakteristischen Unterschiede zu eruiren, wie ich denn van Beneden’s Behauptung , dass die Epithelien klarer und weniger leicht färbbar seien, als die binde- gewebigen Elemente‘), durchaus nicht durchgängig bestätigt finde. — Zweifellos ist auf die beiden zuletzt genannten Gründe auch die immer wiederkehrende Lehre von der anfänglichen Nacktheit der Primordialeier, die erst später vom Bindegewebe aus mit Epithel versorgt werden sollen, zurückzuführen. Abge- sehen davon, dass mit dieser Lehre noch die gewiss nicht unan- fechtbare Theorie von einer Epithelbildung aus Bindegewebe in den Kauf genommen werden muss, sprechen auch, wie wir sahen, alle Thatsachen dagegen. — Was endlich die Ansicht von Harz?) anbetrifft, welcher bei Säugethieren das Epithel von den Ureiern ableitet, so ist beim Menschen die zweifellos anzu- nehmende Einwanderung von Keimepithel geltend zu machen. Weiter aber sind auch gewisse theoretische Bedenken nicht zu unterdrücken. Es ist nieht recht einleuchtend, dass die schon innerhalb des Keimepithels als Urei erkennbare, somit höher differenzirte Epithelzelle später in ihren Theilungsprodukten wieder auf eine niedrigere Stufe zurücksinken sollte. Ferner wird man sich gewiss schwer entschliessen zwischen Säugethier und Mensch in dieser Hinsicht eine Scheidewand zu errichten ; für den Menschen aber trifft nach Allem dieser Bildungsmodus nicht zu. Die geschilderten Abweichungen von der allgemeinen Regel der Entstehung typischer Primärfollikel, sind noch nieht die ein- zigen. Man betrachte die in den Figuren 8, 9 und 10 darge- stellten Follikel. 1) Nagel IS. 364. Alec. 234 Dr. J. Schottlaender: Zunächst ist auf die Verschiedenheit der Theca in Figur 8 und 9 hinzuweisen. Im ersteren Falle erscheint dieselbe rela- tiv zellenarm, die Kerne haben eine viel bedeutendere Grösse und ähneln noch unverkennbar den Epithelkernen. Im letzteren Fall, der auch für Fig. 10 gilt, sind viel mehr und viel kleinere Kerne in der Theeca vorhanden, die Aehnlichkeit mit den Epithel- kernen ist geschwunden. Weiter fällt auf den ersten Blick eine merkwürdige Ungleichmässigkeit des Epithels in allen 3 Figuren auf. Zwischen den kleineren, an sich nicht ganz gleichgrossen Elementen liegen grössere runde, auch ihrerseits in der Grösse verschiedene Zellen eingeschlossen, häufig von emem Kranz der kleineren um- geben. (Vergl. Fig. 8, 9, 10, Fig. 1Oaundb.) Dass die grossen Zellen sieh nicht in allen Figuren gleich darstellen, wollen wir zunächst ausser Acht lassen, und uns vorläufig nur mit ihrer Herkunft beschäftigen. Neben Sinety!) war Nagel?) einer der ersten, welcher auf diese Zellen besonders aufmerksam gemacht hat. Er sagt darüber u. A. Folgendes ?): „Noch auffallender ... sind die in Fig. 8, T. 21 abgebildeten grossen Zellen mit mattglänzendem Protoplasma und deutlichem Kern, welcher in allen Fällen ent- weder ein deutliches Kerngerüst oder ein oder mehrere Kern- körperehen aufweist. Man findet diese Gebilde in ganz jungen Follikeln, wo das Epithel noch einschichtig ist und auch in ziemlich grossen Follikeln und zwar in allen Lagen des Epi- thels und nicht allein nach der Mitte des Follikels zu.“ Dann heisst es später: „Ich fasse sie als Nährzellen auf und meine, dass diese Gebilde dieselbe Bedeutung für das Wachsen des menschlichen Eis haben, wie die Nährzellen in den Follikeln nie- derer Thiere z. B. der Insekten.“ Während wir, wie eine Be- trachtung der Figuren S—10 lehrt, uns ohne Weiteres mit dem erst eitirten Satze einverstanden erklären können, scheint mir 1) De Sinety Recherches sur l’ovaire de foetus et de l’enfant nouveau-ne. Arch. de physiol. norm. et path. 1875. 2. serie. 2) Il. ce. Nagel hat offenbar die eben genannte, schon so weit zurückdatirende Arbeit nicht berücksichtigt. Es ist aber durchaus mit Unrecht von anderer Seite so dargestellt worden, als wenn Nagel sich unbedingt die Entdeckung dieser Zellen zugeschrieben hätte. Nagel sagt vielmehr: „Dass diese, wie es scheint, bisher nicht be- kannt gewesenen Zellen... .“. 3) I S. 380/81. Ueber den Graaf'schen Follikel ete. 235 der zweite einen nicht unbedeutenden Irrthum zu enthalten. Ob- gleich ich die thatsächlichen Befunde bei Insekten nicht kenne und mir darüber kein Urtheil erlauben darf, möchte ich zunächst a priori auf das immerhin Missliche, was in der zwischen Mensch und Insekten gezogenen Parallele liest, hinweisen. Die Haupt- sache jedoch ist, dass ein fortgesetztes Studium dieser grossen Zellen uns direkt zu einem ganz anderen Resultat führt, bei dem man dieser Parallele gar nicht bedarf: Die vermeint- Bichen. Nährzellen sind, wie ieh mit Sicherheit glaube sagen zu können, nichts weiter, als aus den Eiballen übernommene Eizellen; die dieselben enthaltenden Follikel entstehen, indem kleinere oder: grössere Stücke der Eiballen eine beson- dere bindegewebige Hülle, eine Theca, erhalten und sieh direkt in Follikel umwandeln. Ich bin nun die Beweise für meine Behauptung noch schuldig. Dass wir es in den Figuren 8,9, 10 mit wirklichen Follikeln zu thun haben, wird wohl Niemandem zweifelhaft sein. Hin- sichtlich der Figuren 8 und 10, wo in der Mitte je eine grosse Eizelle liegt, bedarf es keiner weiteren Erörterung. Bei Fig. 9, wo die grosse Eizelle durch den Schnitt nicht mitgetroffen ist, sind die tiefe gesonderte Lage und die geschlossene Theca, Momente , welehe selbstverständlich in gleicher Weise für die Figuren 8 und 10 gelten, hinreichende Gründe für meine Be- hauptung. Halten wir nun die Figuren 8, 9, 10 neben Figur 1, oder besser neben Fig. 11, welche mit derselben Vergrösserung hergestellt ist, so fällt sofort die frappante Aehnliehkeit ins Auge. Wir brauchen uns z. B. in Fig. 8 und 10 nur das mittlere grosse Ei wieder auf die Grösse eines Eiballen-Eies redueirt zu denken und wir glauben einen Eiballenabschnitt vor uns zu haben !),. Ja die Aehnlichkeit erstreckt sich bei den jungen 1) Eiballenfollikel mit einem Nebenei kann man ebenso gut als atypische Primordialfollikel auffassen, bei denen die nachträgliche Trennung ausgeblieben und das eine Ei gewachsen ist. Es spricht sich darin die fundamentale Zusammengehörigkeit dieser Typen aus, deren Trennung durchgeführt wurde, theils aus äusseren Zweckmässig- keitsgründen, theils weil die Bedeutung für den Organismus eine ver- schiedene ist. Die atypischen Primordialfollikel sind ihrer Entstehung nach gleichfalls Eiballenfollikel, doch gilt dieser Satz nicht umgekehrt. 236 Dr. J. Schottlaender: Follikeln z. B. m Fig. 8 bis auf die Theca: hier wie dort finden wir noch grosse, den Epithelien ähnelnde Bindegewebselemente. Auch Nagel gibt zu, „dass die Nährzellen auf den ersten Blick eine grosse Aehnliehkeit haben mit Primordialeiern.“ Wenner aber dann fortfährt: „Eigentlich unterscheiden sie sich von diesen nur durch die geringere Grösse“ — es folgen die Maasse — so er- hellt daraus, dass er sie mit den Primordialeiern resp. Eizellen an unrechter Stelle verglichen und vor Allem, dass er die enor- men Grössenverschiedenheiten , welehe die sog. Nährzellen unter einander zeigen, übersehen hat. — Ein Hinweis auf die Figuren genügt um darzuthun, dass in demselben Follikel (z. B. im Fig. 9) einige derselben die anderen um das Doppelte an Grösse über- treffen , und dass zum Theil genau dieselben Grössenverhältnisse in den Eiballeneiern gefunden werden können. Wenn bei letz- teren z. B. in Fig. 11 nicht alle Grössen der in den Figuren 8— 10 gezeichneten sog. Nährzellen vertreten sind, so liegt das sowohl daran, dass in Fig. 11 nur ein kleiner Eiballenab- schnitt dargestellt ist (in anderen Eiballen besitzen die Eizellen vielfach einen anderen Durehmesser), als auch vielleicht daran, dass einige seit ihrem Einschluss in den Follikel noch etwas ge- wachsen sind. Dass indessen die Grösse emes Primärfollikel-Eies kaum je von ihnen erreicht wird, darf uns nach dem Gesagten nicht Wunder nehmen. Erst lange nachdem ich mich in dem angegebenen Sinne orientirt hatte, erfuhr ich durch die Leetüre einer Arbeit von Alexenko!), dass im Jahre 1882 in einer Dissertation von Statziewitsch?) genau derselbe Gedanke schon ausge- sprochen worden ist. Es heisst bei Alexenko S. 419: „D’apres ce dernier (se. Statziewitsch) ces cellules (sc. die Nagel’schen Nährzellen) ont pour point de depart un processus de formation de follieules tout partieulier, le mode selon lequel se produit cette formation consistant dans une naissance direete du follieule des Eiballen de Waldeyer, sans quelle soit precedee d’un entrelacement de tissu conjonctif et decomposition en follieules primitifs. Ces cellules presentent done des globules 1) Histologie norm. et path. des ovaires. Annales de Gynecol. etc. T. 35, Juni 1891. 2) Contribution A l’etude de la formation et maturation de la vesicule de Graaf. 1882. St. Petersbourg. Ueber den Graaf’schen Follikel ete. 237 ovulaires & l’etat embryonnaire, prives de la capaecite de ja- mais murir.“ Da mir die Öriginalarbeit leider nicht zur Ver- fügung steht, so muss ich mich hier mit diesem Citat begnügen. Mit dem letzten Satz desselben ist eine neue Frage berührt, nämlich die nach den späteren Schieksalen der grossen Zellen, die man im Gegensatz zum Hauptei vielleicht passend als „Nebeneier“ bezeichnen darf. Was wird später aus ihnen ? Es sind drei Möglichkeiten denkbar. Erstens könnte der mit Nebeneiern versehene Follikel oder kurz der Eiballenfollikel durch secundäre Einwucherung von Bindegewebe derart zerlegt werden, dass wiederum zahlreiche kleinere Follikel entstehen, bei denen je ein Nebenei die Rolle des Haupteies übernimmt. Ich habe bei den Eiballenfollikeln meiner Objekte für diese Möglich- keit nicht den geringsten Anhaltspunkt gefunden und möchte schon von vornherein deshalb davon abstrahiren, weil kaum an- zunehmen ist, dass stets mit einem so grossen Umwege!) ein Ziel erreicht werden sollte, das viel einfacher zu erreichen ist. — Zweitens könnten die in den Follikel eingeschlossenen Nebeneier für die Bildung von Epithelzellen in Anspruch genommen werden; die durchaus nicht so seltenen Mitosen (vergl. Fig. 9) könnten als Beweis dafür geltend gemacht werden. Allein wenn wir be- rücksichtigen, dass man niemals weiter fortgeschrittene Phasen der Mitose, also die Metakinese oder besonders den Dyaster be- obachtet?), — wenn wir ferner berücksichtigen , dass man gar nicht selten verklumpte (kranke) Spireme findet, wenn wir uns überdies der gegen Harz geäusserten Bedenken erinnern, so wird die etwa vorhandene mitotische Bewegung in den Neben- eiern viel eher als noch aus ihrer Eiballenzeit stammend anzu- sehen sein. Es sind ausser ruhenden auch mitotische Eizellen, resp. Kerne in den Eiballenfollikel übernommen worden. Also selbst wenn Nebeneier im Stadium der Metakmese oder des Dyasters gefunden würden, so wäre damit für eine endgültige 1) Vergl. dagegen oben die Trennung bei den atypischen Pri- mordialfollikeln. Hierin müssen wir zwar auch einen Umweg in der Follikelbildung sehen, derselbe ist aber klein und erfolgt bei im Gegen- satz zu den Eiballenfollikeln atypischen Gebilden. 2) Fig. 10 darf nach dem auf S. 229. Gesagten nicht als recente Theilung aufgefasst werden, sondern stellt höchst wahrscheinlich 2 ganz unabhängig von einander entstandene Eizellen dar. 238 Dr. J. Sehottlaender: Proliferation derselben noch nichts bewiesen. Viel wahrschein- licher ist vielmehr eine dritte Möglichkeit , an die auch Nagel und Statziewitsch gedacht haben, dass nämlich die Nebeneier alle frühzeitig zu Grunde gehen. Dafür sprechen nicht nur die verklumpten Mitosen !), ferner die Abwesenheit späterer Phasen, sondern vor Allem die zahlreichen als hyaline Schollen erschei- nenden Nebenei-Derivate. Genaueres über letztere folgt später?). Ausserdem fehlen Nebeneier gänzlich in den Follikeln der Er- wachsenen, wohlerhaltene in den grössten Follikeln des Kinder- eierstockes?); gerade diese sind aber zumeist als Eiballenfollikel anzusehen. Es gibt schliesslich noch einen weiteren Beweis dafür, dass die bisherige Anschauung über das Verhältniss von Keimepithel- und Bindegewebswachsthum eimer Modifikation bedarf. Mit an- deren Worten: es existirt noch ein weiterer Modus der Follikel- bildung, welcher in den Follikeln der Fig. 12 bei mir, der Fig. 17. T. II bei Waldeyer zum Ausdruck kommt. Ebensowohl wie beim Kaninchen, von dem Waldeyer’s Figur stammt, sind solehe spitz’zulaufende Follikel gar nicht selten auch im Eierstock des menschlichen Kindes zu finden — mitunter ist das spitze Ende noch an emer Stelle gekrümmt, so dass man den Follikel mit Recht als posthornförmig bezeichnen könnte. — Auch hier sind Alles in Allem drei Eventualitäten zu berück- sichtigen. Einmal muss besonders bei Bildern wie Fig. 12 an untergehende Follikel gedacht werden, die in einem gewissen Stadium ähnliche Formen annehmen können, indem Epithel ver- loren geht. Allein die Faktoren, durch welehe gerade in diesen Fällen die Zuspitzung des Follikels hervorgerufen werden kann, der Epithelverlust und die demselben entsprechende Thecawuche- rung sind, wie Fig. 12 lehrt, hier nicht in Wirksamkeit getreten. 1) Wollte man auch die Möglichkeit zugeben, dass die Nebeneier erst innerhalb des Follikels selbstständig in einen mitotischen Process eintreten, so ist nach dem Gesagten das Endresultat doch dasselbe: in beiden Fällen ist ein unproductives Untergehen vorauszusetzen. Die von Flemming (meine frühere Arbeit l. e.) und mir constatirte ver- frühte Richtungsfigurenbildung in untergehenden Säugethiereiern darf hier füglich ausser Beachtung bleiben. AD ur Se DTAT, 3) Vergl. oben. Ueber den Graaf’schen Follikel ete. 239 — Weiter ist ein secundäres einseitiges Wachsthum eimes ur- sprünglich runden Follikels, eine Erscheinung für die neuerdings Steffeek!) eingetreten ist, in Erwägung zu ziehen. Wir haben uns später mit Steffe@k’s Arbeit noch ausführlich zu beschäf- tigen. Unter Hinweis auf das dort Mitgetheilte?), halte ich auch diesen Fall hier für nicht zutreffend. Ich nehme vielmehr (drit- tens) an, dass die erwähnten Follikel ihre Entstehung einerdirektenbindegewebigenAbschnürungeines mehr oder minder grossen (Valentin-Pflüger’schen) Sehlaucehstückes verdanken; die betr. Follikel Edmicht 'nurönach ihrer Form, /sondern auch nach ihrer Entstehung wahre Schlauchfollikel. Die Aehnlichkeit zwischen ihnen und manchen Valentin- Pflüger ’schen Schläuchen ist vielfach eine eclatante und noch viel grössere, als sich in den Figuren 12 und 3 ausspricht. Ein ursächlicher Zusammenhang ist bedingter Maassen auch daraus zu folgern, dass im den Schlauchfollikeln entschieden selten Nebeneier gefunden werden’), wie denn auch die Schläuche im Ganzen viel weniger Eizellen enthalten als die Eiballend). — Palladino’s Beschreibung und Abbildung von einer direeten Verbindung zwischen Schlauch und Follikel5) wird uns nach dem Gesagten leicht verständlich sein. Es verwandelt sich thatsächlich ein Theil des Schlauches resp. der ganze Schlauch in emen Follikel allein während Paladino den Schlauch als direktes Keimepithelproduet ansieht, ist er nach unserer Auffassung als secundär aus einem Eiballen entstanden zu denken. Wollen wir die über die Entstehung der Graaf'schen 1) Steffeck, Zur Entstehung der epithelialen Eierstocksge- schwülste. Zeitschrift f. Geb. u. Gyn. 19. Bd. 2. Heft. AS Ulgstsh Bleldae 3) Diese Thatsache lehrt, dass das gänzliche Fehlen von Neben- eiern in den grössten Follikeln des kindlichen Eierstockes (s. oben) nur bis zu einem gewissen Grade als Beweis dafür dienen kann, dass die Nebeneier alle früh zu Grunde gehen. Denn manche der grössten Follikel, indessen sicher die Minderzahl, können ursprünglich Schlauch- follikel ohne Nebeneier gewesen sein. 4) Vergl. oben. 5) Vergl. oben. 240 Dr. J. Schottlaender: Follikel beim Menschen mitgetheilten Anschauungen nochmals zu- sammenfassen, so ergibt sich Folgendes t): Eier und Follikelepithel entstammen in gleicher Weise direkt dem Keimepithel. Es bilden sfeh zunächst die Wal- deyer’schen Eiballen. Aus diesen entstehen durch verstärktes Bindegewebswachsthum : a) Die Pflüger-Valentin’schen Schläuche, welche ebensowenig wie die hohlen (Kapf'schen) Keimepithelschläuche eine selbstständige Bedeutung besitzen. b) Die typischen Primordialfollikel. Das Verhältniss des Keimepithelwachsthums zu demjenigen des Bindegewebes ist indessen nicht ein in so engen Grenzen geregeltes, wie man bisher angenommen hat. Einmal findet die Ausbildung von Valentin-Pflüger’schen Schläuchen durch- aus nicht immer erst im Eierstock reifer Kinder statt; viel- mehr kommen solche schon beim 28wöchentlichen Fötus vor und werden bei noch vorhandenen Eiballen und gleichzeitig mit diesen gefunden. | Weiter entstehen ausser den typischen Primordialfollikeln und zwar, wie es scheint, ebenso constant wie diese nur quan- titativ geringer: e) Atypische Primordialfollikel,: d.Iihzeolcke) welche sich erst seeundär zu Primordialfollikeln umbilden, indem zwei (ev. drei) Eizellen, die aus den Eiballen durch Umwach- sung von Bindegewebe abgesondert wurden und dadurch die Bedeutung von Follikeln gewannen, nachträglich noch durch jindegewebe getrennt werden. Bleibt die Durehwachsung aus, so entstehen mehreierige Follikel. Das Follikelepithel ist in diesen Fällen sehr oft zuerst discontinuirlich. d) Eiballenfollikel, d. h. solche, die durch bindege- webige Umschnürung grösserer oder kleinerer Theile der Eiballen und Umwandlung derselben in Follikel entstehen. Die Nagel-- schen Nährzellen sind aus den Eiballen übernommene Eizellen und können vielleicht passend im Gegensatz zum Hauptei als Nebeneier bezeichnet werden. Die Nebeneier, welche nur in kindlichen Follikeln gefunden werden, gehen frühzeitig zu Grunde; ihr Untergang steht weder mit der Liquorbildung noch mit der 1) Vergl. das Autoreferat über meinen Vortrag im Centralblatt f. Gyn. 1892. No. 23, S. 440. Geber den Qrer senen kahl eie >41 Bildung der Flemming schen Epithelvacuolen im direktem Zu- sammenhang. Endlich e) Schlauchfollikel, d. h. solche, die durch bindegewebige Abschnürung grösserer oder kleinerer Theile der Valentin- Pflüger ’schen Schläuche und Umwandlung derselben in Follikel sich bilden. Zwischen e) einerseits und d) und e) andererseits besteht hinsichtlich der Bedeutung für den Eierstock, resp. in letzter Linie für die Trägerin desselben offenbar ein gewisser Gegen- satz. Während die atypischen Primordialfollikel sich zwar als nicht seltene, jedoch immerhin abnorme Bildungen documentiren und ihre Endbestimmung — es sei denn die Herstellung mehr- eieriger Follikel — durchaus nicht einleuchtend erscheint, liegt diejenige der Eiballen- und Schlauchtfollikel, wenigstens in ihren nächsten Consequenzen, wie mich dünkt, auf der Hand. Wenn ich anführe, dass in den 36 Eierstöcken der über 24 Wochen alten Föten nur sechsmal keine anderen als Primordialfollikel vorhanden waren, dass in den restirenden dreissig Eierstöcken 28 wöchentlicher Föten bis reifer Kinder Follikel bis zu einem Durchmesser von 1'/,;, mm sich fanden (vor der Reife bis zu !/;,mm und darüber), so braucht man, glaube ich, nicht weit zu gehen, um den gewünschten Zusammenhang zu erkennen. Selbst vorausgesetzt, dass ich mit dem Befunde so zahlreicher grosser Follikel bei meinem Material besonderes Glück gehabt!), dass im Allgemeimen viel seltener als es hier- nach scheint, grosse Follikel existiren, so drängt sich doch un- willkürlich die Frage auf: ist wirklich zu erwarten, dass aus Primordialfollikeln im einer so kurzen Spanne Zeit, wie sie thatsächlich nur zu Gebote steht, Follikel werden, die einen Durehmesser von 1!/,, ja auch nur von !/;mm besitzen? Ich vermuthe, man wird schon vornherein geneigt sem, diese Frage zu verneinen, und darf es mit Bestimmtheit für alle die- jJenigen Follikel thun, welehe Nebeneier enthalten. Ich halte es aber sogar für wahrscheinlich, dass überhaupt die Mehrzahl, wenn nicht alle, der im Kindereierstock zu beobachtenden grösseren Follikel als Eiballen- resp. Schlauchfollikel anzusprechen sind; denn ihre Grösse ist nach dem Obigen bedingt durch eine un- 1) Nagel berichtet übrigens ganz Gleiches. 249 Dr. J. Schottlaender: gewöhnlich rasche Bildungsweise und diese Bildungsweise ist bei Eiballen- und Schlauchfollikeln gegeben. Vielleicht können auf diesem Wege auch viel früher als auf dem anderen wirklich reife Follikel hergestellt werden; denn ist es nicht denkbar, dass die grössere aus den Eiballen stammende Epithelmasse (bis zu einem gewissen Zeitpunkt auch die Nebeneier) eine reich- lichere Nahrungsquelle repräsentirt, so dass die Wachsthums- resp. Befruchtungstähigkeit des Haupt-Eies in den Eiballenfollikeln eine grössere ist? Ist es nicht auch denkbar, dass auf diese Weise schneller die für die Lösung des Haupteies nöthigen Vor- bedingungen!) geschaffen werden? Ja am Ende darf man gar, ohne in der Speeculation zu weit zu gehen, sich vorstellen, dass nicht nur die Fälle von abnorm frühzeitiger Ovulation, über die Berichte vorliegen, sondern dass auch die gesetzmässige Ovulation bezüglich ihres zeitlichen Eintritts an diese Entstehungsweise der Follikel gebunden ist; mit anderen Worten, dass der Ovulations- vorgang, falls er sich nur auf die aus Primordialfollikeln langsam gereiften Follikel beschränkte, erst beieiner viel höheren als der thatsächlich zu beobachtenden Altersgrenze seinen Anfang nehmen würde. Jedenfalls schemt mir der Organismus in diesem Modus der Follikelbildung eine gewisse Sparvorrichtung zu besitzen: es werden die zahlreich entstandenen Primordialfollikel gewisser- maassen für die spätere Zeit aufbewahrt; wir verstehen leichter, warum noch im Eierstock der Erwachsenen eine relativ so grosse Zahl von solchen aufgespeichert liegt, endlich warum die Zeu- sungsfähigkeit des Weibes sich über so viele Jahre erstreckt. Für ein Urtheil darüber, wie grosse Eiballen- resp. Schlauch- abschnitte sich unmittelbar in Follikel umwandeln können, darüber, welehe Bedeutung dieser Umwandlung und welche einem nach- träglichen Wachsthum des schon umgewandelten Follikels zu- kommt, lässt sich ein sicherer Anhaltspunkt nieht gewinnen. Denn die Zahl der Eizellen in den einzelnen Eiballen ist eine derartig wechselnde, dass in der Zahl der in den Eiballenfollikeln vor- handenen Nebeneier ein solcher Anhaltspunkt nicht besteht. Bei den Schlauchfollikeln aber fehlt in dieser Beziehung jeder Fingerzeig. 1) Vergl. Gerlach, Beiträge zur Morphologie und Physiologie des Ovulationsvorganges der Säugethiere. Sitzungsber. der Physik.- medic. Societät in Erlangen. 1890. 22. Heft. Ueber den Graaf'schen Follikel ete. 243 Anhang. Entstehen beim erwachsenen Menschen, gleichfalls noch neue (Graaf’sche) Follikel? Diese Frage reiht sich naturgemäss den vorigen Ausein- andersetzungen an und beansprucht ein um so lebhafteres Interesse, als sie, gemäss den positiven Befunden bei einigen Säugethieren!), von manchen Forschern , in erster Linie von Palladino?), und Koster?) bejaht worden ist. Es galt die Wiederholung der oben beschriebenen oder eventuell neue Arten der Follikel- resp. Eibildung im Eierstock der Erwachsenen zu constatiren. Ich hatte daher nach Eiballen, Valentin-Pflüger’schen Schläuchen, nach Ureiern im Keimepithel, etwaiger Ei-Neubildung im den fertigen Follikeln, und in den gelben Körpern zu suchen®). Trotz redlicher Mühe ergab sich mir ebenso wie Anderen vor mir, ich nenne nur Waldeyer, Nagel, ein durchaus negatives Resultat. Das Einzige was ich und zwar nicht selten im Eierstock des erwach- senen Menschen °) fand, waren hohle Einsenkungen des Oberflächen- epithels; — dass diese indessen mit einer Follikelneubildung allem Anschein nach nichts zu thun haben, wird aus dem Folgenden erhellen. — Nagel hat in einer früheren Arbeit‘) ausgesprochen, dass das Keimepithel hauptsächlich beim Zusammentreffen beson- 1) Vergl. NagelI I. e. S. 376. DR. G: 3) Nagel I Literaturverzeichniss 54 und 55. Foulis (Nagell Literaturverzeichniss No. 34) hat beim 21/,jährigen Kinde eine solche Follikelbildung angenommen. Srverel-Waldeyer I! ce. S. 27. 5) In meinen Thierpräparaten fehlten auch diese. Es fehlte jede Spur einer im Sinne späterer Follikelbildung zu verwerthenden Er- scheinung, bis auf einen durchaus auch nicht eindeutigen Fall. Beim erwachsenen Kaninchen fand sich ein mit zweischichtigem Epithel ver- sehener doppeleieriger Follikel. Die Eier waren sehr verschieden gross. Das Bild erinnerte auffallend an die Fig. 8 vom neugeborenen Kinde. Ob es sich hier um einen während der Fötalzeit gebildeten Eiballenfollikel handelt, dessen Nebenei sich wider die Regel erhalten, ob um einen postfötal entstandenen Eiballenfollikel, ob endlich um einen atypischen Primordialfollikel, bei dem die Bindegewebsdurch- wachsung ausgeblieben und ein Ei im Gegensatz zum anderen ge- wachsen ist (vergl. oben), muss völlig dahingestellt bleiben. 6) Nagel, Beitrag zur Anatomie gesunder und kranker Ovarien. Arch. f. Gyn. 31. Band, 3. Heft, S. 335 und 359 (eitirt als Nagel II). Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 41 16 244 Dr. J. Sehottlaender: derer Bedingungen, vor Allem unter dem Schutze „peritonitischer Schwarten und in den Furehen zerklüfteter Ovarien“ sich erhält. Steffeek!) hat ihm neuerdings beigestimmt. Waldeyer?) sagt sogar, dass das Keimepithel nur an frischen Objekten nach- zuweisen sei. Wenn ich von der zuletzt angeführten Bemerkung, die, offenbar in Folge der seit den letzten 22 Jahren vervoll- kommneten Methodik, sicher nicht mehr zutrifft, absehe, so muss auch ich die allgemeine Richtigkeit dieses Satzes durchaus an- erkennen. Das Keimepithel ist ausserordentlich zart, streift sich leicht ab und wird vielfach nur durch eine schützende Hülle vor dem Untergange bewahrt. Auch ich finde es oft in meinen recht zahlreichen Präparaten von ausgebildetem oder werdendem Bin- degewebe, d. h. Granulationsgewebe, ferner von einer, wie es scheint, bisweilen dieselben Dienste leistenden Blutanhäufung überlagert. Allein nicht selten fehlte auch jede Spur einer solehen Deckschicht bei Präparaten, in denen das Keimepithel in vortrefflicher Weise sich erhalten zeigte; und so bin ich ge- neigt anzunehmen , dass eine peritoneale Entzündung nicht noth- wendig vorausgegangen sein muss, um das Keimepithel vor dem Untergange zu bewahren; seine Widerstandsfähigkeit ist ent- schieden unterschätzt worden und bei seiner häufigen Lücken- hattigkeit ist sicher noch mehr, als es bisher geschehen, mit einer artificiellen Zerstörung bei Verarbeitung des Objektes zu rechnen. Ich werde in dieser Ansicht bestärkt durch die That- sache, dass in meinen 7 Eierstöcken von Erwachsenen das Keim- epithel fast nirgends ganz fehlte — und, dass die 5 Trägerinnen der 7 Eierstöcke alle eine Peritonitis durchgemacht haben sollten, mag letztere auch noch so häufig sein, ist a priori wohl kaum vorauszusetzen. Ich kann mich daher mit Nagel nicht absolut einverstanden erklären, wenn er?) nun weiter angibt, dass „die Verlängerungen des Keimepithels in das Stroma hinein und die Abschnürungsvorgänge an denselben“ „eben durch die Entzündungszustände bedingt“ seien. Gewiss „als eine Wieder- holung des embryonalen Vorganges bei der Ei- und Follikelbil- dung“ sind sie nicht zu deuten, allein auch nicht überall nur als durch Entzündungszustände passiv abgeschlossene Ober- CH S)nlaze: | Ueber den Graaf’schen Follikel ete. 945 flächeneinsenkungen ; vielmehr handelt es sich m. A. n. bisweilen um eine entweder durch unbekannte Ursachen oder durch eben diese Entzündung veranlasstes aktives Einwuchern von Keim- epithel, dem dann in manchen Fällen eine Geschwulst- resp. Cysten-Bildung !) folgen kann. In den Figuren 13 (13a), 14 (14a, b), 15 und 16 mit 16a sind solche Keimepithelsehläuche aus 4 verschiedenen der oben erwähnten 7 Eierstöcke von Er- wachsenen dargestellt; nur im ersten Eierstock vermisste ich solehe Schläuche gänzlich. Man kann zweckmässig vier verschie- dene Formen unterscheiden : 1) Lange, gerade, entweder gleichmässig dieke, oder oben erweiterte Schläuche (Figur 13 und 13a). 2) Ringförmige, einen Theil des Eierstocks abgrenzende Schläuche (Figur 14 mit 14a und b). 3) Ganz unregelmässig geformte Schläuche (Figur 15). 4) Endlich Follikelartige Schläuche (Figur 16 und 16a). Bei 1) und 2) braucht die Abstammung vom Keimepithel nicht erst bewiesen zu werden; die direkte Verbindung mit der Oberfläche ist vorhanden. Bei 5) und 4) könnte man allenfalls an untergehende Follikel denken; allem der strikte Gegenbeweis liegst in der Beschaffenheit der Umgebung. Es fehlt jede An- deutung einer Theca, vielmehr sind die Schläuche in einen gelben Körper eingebettet, der in einem Fall frischeren (Figur 15a), im anderen älteren Datums ist (Figur 16). In beiden Fällen reichen die Luteinzellen bis dicht an das Epithel. — Ob- gleich es sich nun hier um Keimepithelderivate handelt, so ist doch nieht anzunehmen, dass daraus neue Follikel entstehen. Zunächst hauptsächlich deshalb, weil keine Spur von Eineubil- dung darin zu entdecken ist. Zwischen den Epithelien kommen zwar wie auch sonst wohl etwas rundere Zellen vor, aber erstens gewöhnlich nicht für sich allein, sondern in grösserer Zahl neben einander, zweitens mit nicht rundem Kern. Ausserdem ist ihre Grösse relativ zu den Nachbarzellen nie so auffallend, wie die der Ureier. Ein einziges Mal stiessich innerhalb eines Schlauches auf ein Eiähnliches homogen gefärbtes structurloses Gebilde (vergl. Fig. 16a). Es gelang mir nicht, mit Sicherheit zu er- 1) Vergl. Flaischlen Zur Lehre d. Entw. d. pap. Cystome u. s. f. Zeitschrift für Geburtsh. u. Gyn. Bd. 6. 946 Dr. J. Schottilaender: gründen, welcher speciellen Herkunft dasselbe ist; wie wir noch sehen werden, entstehen nämlich bisweilen solche Gebilde im Verlauf der Follikelatresie !) sowohl aus eonglomerirten Epithelien wie aus dem Ei oder einem Eitheil. In jedem Falle liegt em Destruetionsprocess zu Grunde und selbst wenn wir hier mit der Ei-Natur rechnen wollten, so wird in Anbetracht der Dimensio- nen, der Lage u. s. f. sicher nicht an ein neugebildetes Ei ge- dacht werden dürfen. Vielmehr haben wir wohl ein aus einem geplatzten Follikel nicht ausgestossenes, secundär von Keim- epithel umwachsenes Ei vor uns. Des Weiteren kann m. A.n. aber auch die Configuration des Epithels in unserem Sinne ver- werthet werden. Nie habe ich eine Anordnung desselben wie im Follikel gefunden; vielmehr zeigte es sich genau wie das Keimepithel einreihig, nur bei Unebenheiten des Schnittes mehr- reihig, und von etwas wechselnder eubischer bis eylindrischer Ge- stalt. Uebergänge zwischen gewöhnlichem Follikel- und hohem Epithel habe ich nieht ein einziges Mal beobachtet?). In Figur 15 ist das Epithel besonders regelmässig und hoch; es erinnert auffallend an die bei Uysten des Eierstocks angetroffenen Bilder. Während bei Figur 13 und 16, wo theils an der Oberfläche, theils im Inneren der Schläuche Bindegewebe liegt, wohl zwei- fellos Nagel’s schon mitgetheilte Auffassung über das Wesen der Schläuche zutrifft, möchte ich gerade hier nach Gestalt des Schlauches, und in Folge der Abwesenheit peritonitischer Schwarten eher an ein aktives Eimwachsen des Keimepithels denken. Auch bei Figur 15 ist es mir zweifelhaft, ob Nagel’s Auffassung befriedigt. Es ist hier ein recht grosser Theil des Eierstocks, der offenbar wie andere Schnitte lehren, früher der Sitz eines gelben Körpers war, (in der Figur ist nur Bindege- webe zu sehen) ringförmig durch Keimepithel abgeschnürt. Es macht den Eindruck, als wüchsen von 2 Seiten Keimepithel- schläuche einander entgegen, die sich in eimigen Schnitten (vergl. die Figuren) berühren. Ich wage nicht zu entscheiden, ob hier eine Täuschung vorliegt oder nicht. Bei der Erwachsenen wiederholen sich also — um die obigen Ausführungen nochmals kurz zusammenzufassen ?), weder 1) S. unten. 2) Vergl. unten S. 287. 3) Vergl. Centralblatt f. Gyn. 23. 1892. Ueber den Graaf'schen Follikel ete. DAT die früher erörterten, noch sind neue Arten der Follikelentstehung zu eruiren. Man findet einzig — doch diese nicht selten — hohle eierlose Keimepithelschläuche, welehe wie es scheint, vor- nehmlich m frischen oder älteren gelben Körpern, aber auch anderweit in dem interstitiellen Ovarialgewebe abgeschnürt oder dahin eingewachsen, vermuthlich zur Entstehung epithelhaltiger Oysten Veranlassung geben. Il. Der unveränderte Graaf’sche Follikel bei Mensch und Säugethieren. Es sei mir gestattet, auch hierüber einige Bemerkungen nieder zu schreiben, die weit entfernt davon, auf eine erschöpfende Behandlung des bezeichneten so reichhaltigen Themas Anspruch zu machen, nur die Klärung weniger, besonders in den neueren und neuesten Arbeiten berührten Fragen herbeizuführen bestrebt sind. — Von diesem Gesichtspunkt aus scheint mir eine geson- derte Betrachtung der einzelnen Follikeltheile gerechtfertigt und zwar möchte ich dieselbe ihren Ausgang von einer Zeitperiode nehmen lassen, wo der Zusammenschluss der verschiedenen Com- ponenten des Follikels noch nicht erfolgt ist. are: Eizelle: Gemeimhin wird der Eizelle des menschlichen Follikels eine constante Form und zwar die Form einer (nachNagel!) nicht ganz regelmässigen Kugel zugeschrieben. Ich möchte glauben, dass diese Angabe und zwar für «den Menschen ebensowohl wie für die von mir untersuchten Säugethiere nur bedingungs- weise, d. h. nur insofern zutrifft, als die Kugelform erst im fortgeschrittenen, der Reife nahen Stadium von der Eizelle an- gestrebt und erreicht wird. Innerhalb der Eiballen, oder was das Gleiche sagen will, bei «den Nebeneiern, ferner bei den Eiern im Primordialfollikel, aber auch noch bedeutend später, wechselt eine ausgesprochen ovale Form so häufig mit der runden in ein und demselben Schnittpräparat, dass man, glaube ich, mit mehr Reeht die Form eines Ellipsoids zu Grunde legen darf. Es würde sich dann sowohl die ovale wie die runde Form ungezwungen DIL 1. ce. S. 360. 248 Dr. J. Schottlaender: aus der verschiedenen Schnittrichtung erklären. Ich bm mir wohl bewusst, dass hier das letzte Wort erst nach Untersuchung frischer Präparate zu sprechen ist. Allein da alle Härtungs- methoden, bis auf einige Alkoholpräparate mir übereinstimmend dieses Resultat ergeben, so meine ich es anführen zu sollen. Bei verschiedenen Alkoholpräparaten hatten die Eizellen und Kerne wunderlich verzerrte Formen, lappige Fortsätze und er- innerten an amöboide, während der Wanderung abgetödtete Ele- mente. Der Grund dieser eigenthümlichen Gestaltsveränderung wurde mir bald klar; ich erinnerte. mich im einigen Fällen aus Versehen absoluten Alkohol zur Härtung verwendet zu haben und bin überzeugt, dass derselbe als chemischer Reiz auf die absterbenden Zellen gewirkt hat. Während hier selbstverständlich über die Grössenver- hältnisse der Eizellen nichts Sicheres zu ermitteln ist, geben uns die übrigen Präparate hinreichenden Aufschluss darüber. Es haben indessen nur die relativen Maasse einigen Werth, da die absoluten wegen der unvermeidlichen Schrumpfung beim Härten des Objektes nicht zutreffen. Ueber die mannigfachen Grössen- schwankungen , welchen die Eizellen innerhalb der Eiballen und als Nebeneier ausgesetzt sind, haben wir uns oben (vergl. die Figuren) unterrichtet. Nach meiner Erfahrung sind aber auch die Eier der Primärfollikel weder im Ganzen noch in ihren einzelnen Theilen einander stets gleich. Ich kann Nagel!) durchaus nicht beipflichten, wenn er beim Menschen sowohl dem ganzen Primordialei wie dem Keimbläschen im Speciellen „eine in allen Eierstöcken verschiedenen Alters gleiche Grösse“ zu- schreibt. Dass zunächst bei den verschiedenen Thierspecies eine individuelle Grösse vorherrscht, bedarf kaum der Erwähnung. Indessen auch bei derselben Species und vor allem beim Men- schen führt eine Vergleichung der einzelnen Primordialeier des- selben wie derjenigen verschiedener Eierstöcke ganz zu dem gleichen Resultat. Auch hier ergeben sich (s. d. Figuren) be- sonders in Rücksicht auf die Keimbläschengrösse gar "mannig- fache Differenzen, die einfach als artificielle zu bezeichnen man gewiss nicht berechtigt ist. Es ist vielmehr im Einklang mit den Erörterungen des vorigen Kapitels wahrscheinlich, dass je 16.8; 861. Ueber den Graaf’schen Follikel ete. 249 nach dem Zeitpunkt ihrer Abschnürung aus den Eiballen oder Schläuehen die Primordialfollikel des Kindes sehr verschieden grosse Eizellen enthalten können und dass diese Eizellen nicht ganz unverändert, wie Nagel will, sondern in zwar sehr lang- samem aber doch merkbarem Waechsthum die kommenden Schieck- sale abwarten. Eine Membran war bei den von mir untersuchten mensch- lichen und thierischen Primordialeiern in keinem Falle nachzuwei- sen). Erst bei relativ grossen Eiern fand sich eine solche. Ueber ihre Herkunft und den Zeitpunkt ihrer Entstehung unter- drücke ich jegliches Urtheil. Ueber ihre anatomische Beschaffen- heit gilt das in meimer früheren Arbeit Mitgetheilte mit dem Zu- satz, dass anscheinend auch die übrigen angewandten Härtungs- flüssigkeiten ebenso wie das Chrom-Osmium-Essigsäure-Gemisch eine Schrumpfung veranlassen; am wenigsten vielleicht Chrom- Ameisensäure. Der Zellkörper der jüngsten oberflächlich gelegenen menschlichen Eizellen hat annähernd denselben Bau, welchen Loewenthal, mit dessen beiden ausführlichen Ar- beiten?) wir uns noch mehrfach zu beschäftigen haben werden, dem Zellkörper der entsprechenden Eier einiger Säuger zu- schreibt. Der Zellkörper ist klar, kaum gekörnt; nur selten sieht man dunklere Partien sich abheben, denen ich jedoch im Gegensatz zuLoewenthal keine constante Lagerung zusprechen kann. Bei den grösseren, tiefer gelegenen Eizellen ist fast immer deutlich ein hellerer und dunklerer Theil zu unterscheiden; doch vermisste ich bei letzterem sowohl „die klare eoncentrische Sehiehtung resp. fasrige Streifung“ ?), als auch die „meist excen- trische“* Lage). Auf mich macht es im Gegentheil den Ein- druck, als ob der dunklere Theil im Allgemeinen eoncentrisch den Kern umgiebt und sich durch nichts als durch dichtere An- häufung seimer körnigen Bestandtheile von dem helleren Aussen- theil der Zelle unterscheidet. Ich bin meinerseits bei meinem N NVerel: Walde yer,.i.ic, 2) „Zur Kenntniss des Keimflecks im Urei einiger Säuger.“ Anatom. Anz. 1888, No. 13 (eitirt als ID). „Ueber die Rückbildung der Eizellen und das Vorkommen von Leukocyten im Keimepithel und in den Eischläuchen.“ Intern. Monatschrift f. Anatomie und Physiologie, Band 6, Heft 3 (eitirt als_ II). D)ELL..1. c: 350 Dr. J. SehottJaender: Material auch nieht im Stande, die von Loewenthal weiter angeführte stellenweise „Anhäufung eosinophiler Substanz“ !) zu entdecken. Ich finde mit Nagel?) das gesammte Zellproto- plasma eosinophil, derart, dass der ganze Zellleib bei Hämatoxylin- Eosinfärbung röthlich erscheint und zwar analog der eben angedeu- teten differenten Quantität, im Centrum am stärksten und nach der Peripherie abblassend. Bei Gemischhärtung und Saffraninfärbung ist in wohlgelungenen Präparaten die von Loewenthal ange- sebene „dunkelgelbliche“ Färbung zu constatiren, die mit der Färbung osmirten Fettes nicht verwechselt werden kann. — Protagonhaltige Körner im Zellleib der Primordialeier konnte ich gleich Nagel in meinen Präparaten nicht nachweisen. — Zu Untersuchungen über das gegenseitige Verhältniss von Proto- plasma und Deutoplasma und über das erste Auftreten des letz- teren innerhalb der gewachsenen Eizelle sind offenbar gehärtete Präparate absolut unzureichend. Ich muss auch diesmal den früheren Ausspruch, es lasse sich ein äusserer von einem inneren Dotter nieht differenziren, wiederholen. Nagel gibt an, dass man zum Zwecke der Differenzirung einen vorzüglichen Bundes- genossen im Eosin habe, das nur das Protoplasma roth färbe, nicht dagegen das Deutoplasma. Es ist mir trotz lebhafter Be- mühungen nicht gelungen, mich dieser Bundesgenossenschaft mit Vortheil zu bedienen. Wenn auch die Zahl meiner mittelst der Alkohol-Hämatoxylin-Eosin-Methode verarbeiteten, Objekte be- deutend gegen diejenige der übrigen zurücksteht, so müsste sie dazu immerhin genügend sein. Nun sind allerdings einige grös- sere Eier vorhanden, bei denen eine ungleichmässige Färbung existirt, sogar solche mit ungefärbter Mitte (welche ja das Deu- toplasma enthält); allein niemals herrschte hier die erforderliche regelmässige Abgrenzung und da noch ausserdem andere Ab- weichungen zu verzeichnen waren, so handelte es sich m. A. n. nicht um deutoplasmahaltige, sondern um untergehende Eier. Weiter aber zeigten nicht wenige recht grosse Eier eine durch- weg gleichmässig rothe Farbe. Will man hierauf Nagel’s An- gabe anwenden, so bleibt nichts übrig, als vorauszusetzen, dass die betreffenden Eier noch kein Deutoplasma besitzen. Es kom- MIET. >e. a I Ueber den Graaf’schen Follikel etc. >51 men ja bei der Reifung der Eier und der damit Hand in Hand gehenden Deutoplasmabildung unzweifelhaft mancherlei Variatio- nen vor — unreife Eier in als reif zu betrachtenden Follikeln und umgekehrt ); — indessen sind so zahlreiche Ausnahmen doch unwahrscheinlich. Im Allgemeinen wird bis zu einem ge- wissen Grade «loch die Grösse des Eies für die Reifebestimmung maassgebend bleiben und dementsprechend auch Deutoplasma in grossen Eiern zu suchen sein. Hierzu kommt, dass man in den grossen gehärteten Eiern meist deutlich bald kleinere (Mensch), bald grössere Dotterkugeln sieht. Dieselben haben bei Gemisch- härtung eine bräunliche (niemals schwarze) ?) Färbung und er- scheinen unregelmässig über das ganze Ei vertheilt. Das Keimbläschen, der Kern der Eizelle?) besitzt im Allgemeinen durchaus die bekannten Eigenschaften der übrigen Kerne, eine deutliche Membran, ein selbstständiges aus chromati- scher und achromatischer Substanz bestehendes Netz mit falschen und wahren Kernkörperchen. Nicht immer jedoch ist ein aus- gebildetes Netz vorhanden. Bisweilen findet man, besonders bei den Jüngsten Eiern nur emige tingirte Körnchen innerhalb einer hellen Grundsubstanz, also dasselbe, was Loewenthal®) bei den Ureiern der Katze beschreibt. Loewenthal verknüpft diesen Befund mit der niedrigen Entwiekelungsstufe, auf welcher die betreffenden Eizellen stehen. Es ist mir nicht gelungen beim Menschen mich von der Richtigkeit dieser gewiss sehr plausiblen Ansicht zu überzeugen. Es wird em sicheres Urtheil sehr durch die geringen hier obwaltenden Dimensionen erschwert. Im eini- gen Fällen vermisste ich übrigens die erforderliche Regelmässig- keit in der Anordnung der Körnchen und wurde an zerfallende Eizellenkerne gemahnt. Beberzäden Keimitleck, das /Kernkörperchen, 1) Vergleiche meine frühere Arbeit. Ich muss jetzt die damalige Aeusserung, dass dem Neugeborenen keine reifen Eier zukommen, weil daselbst nur jüngste Follikel vorhanden seien, den obigen Aus- einandersetzungen entsprechend corrigiren. Die Aeusserung basirte auf der gemeinhin giltigen Lehre. DESSEN SSP6HE under o7zulHtE 3) Ueber die Lagerung desselben in der Eizelle vergl. meine frühere Arbeit S. 205. 4) II. 1. e.; vergl. auch Balfour (Nagel Literaturverz. No. 5). 252 Dr. J. Schottlaender: das in Folge seiner Grösse und gesonderten Lage fast immer mit Sicherheit von den Verdiekungen des chromatischen Netzes, den falschen Kernkörperchen, unterschieden werden kann, häufen sich neuerdindgs wieder die (zum Theil etwas widerspruchs- vollen) Angaben. Nach Nagel soll es beim Menschen öfters, hei Föten und Neugeborenen ganz „auffallend häufig“ fehlen !). Ich kann mich Nagel nicht anschliessen. Ich sehe im Gegen- theil in der grösseren Mehrzahl der Fälle, ganz besonders bei meinem menschlichen Material, ein oder sogar zwei scharf um- srenzte Kernkörperchen, und zwar gilt das für die Eizelle in den verschiedensten Altersstadien. Auch Loewenthal?) be- richtet von den Ureiern verschiedener Thiere das Gleiche und hat sogar über Beschaffenheit, Gestalt und Lage des Keimflecks eingehendere Mittheilungen gemacht. Ausser soliden gleich- mässig gefärbten Keimflecken fand er bei Katze und Hund „fleekweise“ gefärbte; die hellgebliebene Substanz erinnerte theils an Vacuolen, theils war sie „ein festes granulirtes Stroma*, so (dass an eine eomplieirte Struktur des Keimflecks gedacht werden musste. Das Wenige, was ich diesen Befunden an die Seite zu stellen wüsste, sind die schon früher erwähnten und auch jetzt nicht selten von mir beobachteten schwarz umrandeten Hohlringe inner- halb des Keimflecks. Diese sind aber — ich zweifle nicht mehr daran — Artefakte und zwar mit dem Härtungsmittel einge- drungene Luftblasen. Sonst kann ich nur bisweilen, besonders beim Hund, dunkelere Körper in einer helleren, aber immer und zwar gleichmässig gefärbten Grundsubstanz erkennen. Die La- gerung dieser ungleich grossen, verschieden geformten Chromatin- brocken ewar ine sehr variirende. Bald hingen sie zusammen, bald waren sie getrennt. Manche Bilder erinnerten an Fig. 2e und f bei Loewenthal?). Die feste Umgrenzung des Kern- körperchens war in allen diesen Fällen erhalten; nur wenn eine solche fehlt, kann man mit Sicherheit von Absterbeerscheinungen sprechen. Hier liegt es jedenfalls näher, thatsächlich an eom- plieirtere Structurverhältnisse zu denken. Die Lage des Kern- 1) I.1.c. S.363; vergl. auch van Beneden’s u. A. Mittheilungen ebendaselbst. Nagel glaubt, dass die Primordialeier, bei denen es fehlt, nicht zur Entwickelung gelangen. 2) LoewenthalLl.l. ce. 3) L.l.e. EEE NL LM EEE ta N Ueber den Graaf’'schen Follikel ete. 253 körperchens innerhalb des Kernes war im Allgemeinen durch- aus inconstant. In den seltensten Fällen erschien es etwas buchtig, unregelmässig geformt, fast immer ohne Unterschied der Thierspecies rund. Eine solche Vielgestaltigkeit, wie sie Loewenthal und zwar gleichfalls nach gehärteten Prä- paraten beschreibt und abbildet, habe ich nicht gefunden ; eben- sowenig sichere Wanderungserscheinungen. Wenn aueh mitunter eine auffallend peripherische Lage, so vermochte ich doch nie einen wirklichen Durchtritt durch die Kernmembran zu consta- tiren. Nach Holl!) soll beim reifen menschlichen Ei das Chro- matin des Kernnetzes auswandern und nur das Kernkörperchen „als wesentlichster Kernbestandtheil“ zurückbleiben ; somit der umgekehrte Fall wie bei den Ureiern der Säuger eintreten. Ich beschränke mich auf die Mittheilung dieser Angabe; es bedarf hier unzweifelhaft noch weiterer Untersuchungen. — Nicht selten waren zwei deutliche Kernkörperchen sichtbar. Auch ich habe dann oft gleich Loewenthal den Eindruck gehabt, als ob innerhalb des Keimbläschennetzes eine dicentrische Anordnung sich bemerkbar machte. Wo und wie häufig sich mitotische Bewegung in den Ei- zellen documentirt, wurde oben schon berührt. Von den ein- zelnen Phasen ist das Spirem resp. der Aster am häufigsten ; es folgt der Dy-aster, das Dispirem, endlich — am seltensten — die Metakinese. Die Seltenheit der letzteren lässt sich nicht wohl anders als durch ihren raschen Verlauf erklären. Zu detail- lirten Studien über die chromatische und achromatische Figur eignen sich die menschlichen Eizellen aus naheliegenden Grün- den leider sehr wenig oder gar nicht. 2 Das-Eollikeleprtne! Die im Keimepithel meist durchaus distinete Sonderung von Epithel- und Eizellen bleibt im Verlaufe der Follikelbildung nicht durchweg erhalten. Die Theilungsprodukte der beiden Zellen- kategorien innerhalb der Eiballen zeigen sich, wie ein Blick auf die Präparate vom 20 wöchentlichen fötalen Eierstock lehrt , zu gewissen Zeiten einander ansserordentlich ähnlich — einmal 1) Anat. Anz. No. 19. 1891. 254 Dr. J. Sehottlaender: weil vielleicht noch eine seeundäre Metamorphose von Epithel in Eizellen stattfindet '). dann aber, weil in diesen frühen Stadien offenbar noch beträchtliche Form- und Grössenschwankungen vor- kommen. In Form und Grösse liegt aber ein der Unterschei- dung dienendes Kriterium, vielleicht mit das vornehmlichste. Im Allgemeinen und besonders bei etwas älteren Föten versagt dasselbe denn auch nicht, namentlich, wenn man noch die übri- gen Merkmale hinzunimmt. Die Epithelzelle ist im Verhältniss zu der Eizelle klein, meist länglich oval gestaltet, der Kern ebenso oder leieht bohnenförmig. Der Zellleib ist schwächer aus- geprägt, sehr oft ebenso wie auch später schwer erkennbar; das Kernnetz ist dichter; ein (bisweilen doppeltes) deutliches Kern- körperehen, über dessen Beschaffenheit eine bestimmte Aussage nicht möglich ist, wird fast nie vermisst. Die Kerntheilungen treten gegenüber denjenigen der Eizellen wesentlich zurück ; andere als mitotische Theilung habe ich hier ebensowenig wie bei den Eizellen gefunden. Während die Epithelzelle die ange- deutete Beschaffenheit ihres Inhaltes auch nach Ausbildung des Follikels und bei den verschiedenen Säugethierspecies nur wenig ändert, gilt nicht das Gleiche von der Form. Das platte Epithel der jüngsteu Follikel wird schon frühzeitig eubisch. Ob das nur durch einfaches Wachsthum ?) geschieht und ob Theilungs- erscheinungen dabei auszuschliessen sind, muss ich unentschieden lassen. Das Erstere ist wahrscheinlicher; denn analog den Be- richten Flemming’s u. A. ist es auch mir nie gelungen beim Säugethier im platten Epithel eine Kemtheilungsfigur zu ent- decken. Solche waren frühestens vorhanden während des Ueber- gangs des schon eubisch gewordenen einschiehtigen Epithels zum zweischichtigen, und zwar im Kaninchenfollikel, der neben dem- jJenigen der Maus entschieden das ergiebigte Feld für Kernthei- lungen innerhalb des Epithels darbietet. Beim menschlichen Kinde (vielfach im Gegensatz zu der Erwachsenen) enthält das Epithel der grösseren, also «der Eiballen- und Schlauchfollikel sehr wenig Kerntheilungsfiguren. Da hier das Hauptei gleich mit einer Fülle von Epithel d. h. von Nährmaterial versorgt worden ist, so scheint eine ausgedehntere progressive Thätigkeit des letzteren für eine gewisse Zeit wenigstens entbehrlich zu sein. 1) Ueber den umgekehrten Fall siehe oben. 2) Vergl. Nagel I. l.’e. S. 389. Ueber den Graaf'schen Follikel ete. 355 Bei den verschiedenen Säugethierspeeies wechselt, wie ich mich neuerdings zu überzeugen Gelegenheit hatte, die Formation des Follikelepithels nicht unbeträchtlich. Es sollen im Folgen- den nur die Eierstöcke von Igel, Kaninchen, Katze, Schwein und Mensch berücksichtigt werden). Am sgleichartigsten erschei- nen mir, summarisch genommen, die Epithelien von Mensch und Kaninchen — in beiden Fällen im Allgemeinen eubisch mit ova- len bis runden Kernen, nur in den am meisten peripherisch lie- genden Schiehten und bei den grössten Folliken im Eidiseus höher und eylindrisch. Beim erwachsenen Menschen ähneln die Epithelien nicht selten ausserordentlich den Zellen der Theca interna, besonders wenn diese sich vermehrt haben ; letztere sind jedoch etwas grösser und schwächer gefärbt. — Bei der Katze sind die Epithelien wie beim Hunde durchaus langgestreckt, an beiden Enden spitz zulaufend, mit meist länglichen Kernen. Viele wenden auf dem Sehnittbilde dem Beschauer nur die Schmalseite zu und es hat daher das Epithel ein besonderes Aussehen. — Beim Igel zeigt das Epithel ein von dem der übrigen Thiere abweichendes Verhalten insofern, als hier die eubischen Zellen ausserordentlich protoplasmareich, relativ sehr gross und mit kleinen, jedoch oval gestalteten Kernen versehen sind. Man wird, abgesehen von der intensiveren Färbung, an die epithelioiden Theeazellen grösster Follikel?) erinnert. — Beim Schwein endlich müssen zwei Arten von Zellen unter- schieden werden — worauf schon s. Z. Benckiser?) auf merksam gemacht hat: äussere säulenförmige, deren breiteres Ende sich auf die Theca stützt und deren Kem stark in die Länge gezogen ist — und innere mehr eubische mit rundlichen Kernen. — Zwischen den Zellen, sowohl beim Menschen wie bei den genannten Thieren, scheint stets das Palladino’sche In- terepithelialnetz *) ausgebildet zu sein. Wenigstens sieht man in günstigen Fällen zwischen ihnen zackige Ausläufer , welche in feinsten Knotenpunkten zusammenstossen. Diese Ausläufer besitzen wohl zweifellos die ihnen von Palladino zugeschriebene 1) In Betreff des Epithels bei Meerschweinchen, Ratte, Maus und Hund siehe meine frühere Arbeit. 9) Siehe unten S. 258. 3) Siehe meine frühere Arbeit S. 202, Anmerkung 4. 4) Siehe meine frühere Arbeit S. 203. 256 Dr. J. Sehottlaender: Funktion von Ernährungskanälen. Auf der centralen Seite der innersten Discusepithel-Lage sind sie besonders deutlich. Ich stimme mit Nagel vollkommen überein, wenn er sagt, es mache den Eindruck, als ob sie sich in die Zona hinein fortsetzten. Ueber die damit in Einklang stehende Unregelmässigkeit der äusseren Zonagrenze habe ich schon früher beriehtet. — Hin- sichtlich des Modus der Liquorbildung verweise ich, da essich dabei um einen Untergang von Epithelien handelt, auf das nächste Kapitel. Follikel mit 3— 4schichtigem Epithel waren in meinen Objekten die jüngsten, welehe Liquor enthielten. Im Gegensatz zum Kaninchen und wie es scheint auch den anderen Thieren !) tritt derselbe beim menschlichen Follikel zuerst nur an einer Stelle auf; nach Nagel?) ist diese Stelle in dem nach der Eierstocksoberfläche hin belegenen Follikeltheil su suchen. „Da, wo später der Discus proligerus sich bildet, findet“ nach Nagel „keine Liquorbildung statt.“ 3. Die Theeca follieuli. Die Theca follieuli ist bekanntlich ein Produet jener an- fangs zarten unscheimbaren Bindegewebsfibrillen, welche vom Hilus ovarii aus der Oberfläche entgegen wachsend das ein- wuchernde Keimepithel fächerförmig theilen und dasselbe mit der nöthigen Blutmenge versorgen. Anfangs lediglich eine bedeu- tungslose Scheidewand darstellend, entwickeln sich diese Fibrillen allmählich zu einer festen Verschlussmembran. Es ist klar, dass mit der neuen Funktion eine Veränderung der Structur Hand in Hand gehen muss, welche das Bindegewebe zur Uebernahme dieser Funktion geeignet macht; eine solche Structurveränderung ist denn auch leicht erweislich. Sie ist jedoch, obgleich schliess- lich dasselbe Endziel erreicht wird, nicht in allen Fällen die gleiche. Entsprechend dem verschiedenen Bildungsmodus der Follikel hat auch deren Theca einen verschiedenen Bildungsgang durehzumachen. Der Primordialfollikel erhält eine zarte binde- gewebige, wenig zellige Elemente enthaltende Umhüllung mit auf den Weg. Ganz allmählich und langsam geht Wachsthum und Vermehrung von Intereellularsubstanz und Zellen vor sich. 1) Vergl. Flemming (Nagel Literaturverzeichniss No. 31). 2) Vergl. Nagel 1. S. 382. Ueber den Graaf’schen Follikel ete. 257 Allein schon früh beginnt eine Sonderung der letzteren derart, dass innen mehr der ursprüngliche Charakter bewahrt bleibt, aussen ein neuer erworben wird. Anders bei den Schlauch- und Eiballenfollikeln. Hier ist die zwar auch zarte aber doch festere Bindegewebsumhüllung von vornherein zellenreich. Die Zellen bewahren lange in dem ganzen Gebiet der Theca ihren ursprüng- lichen Charakter, die oben erwähnte Sonderung tritt erst spät ein. — Diese Sonderung führt zu der Ausbildung zweier Schich- ten, der Theca interna und externa. Wie bekannt differiren die- selben nicht nur in dem Gehalt an Zellen resp. Intercellularsub- stanz,, welch’ letztere auf Kosten der ersteren in der Theca ex- terna vermehrt ist, sondern ebenso und besonders in der Zel- lenform. Während die Theca externa im Allgemeinen durch- weg protoplasmaarme Spindelzellen aufweist, sind die Zel- len der Theca interna protoplasmareicher und besitzen kürzere, diekere Kerne, sind aber ausserdem bei den verschiedenen Thierspe- eies nicht gleichartig. Die Form des Kernes, welche auch hier wieder das Hauptunterscheidungszeichen darstellt, ist allerdings vorwiegend die oval runde, allein die Grösse wechselt ganz be- trächtlich, ebenso die Affinität zu Farbstoffen. Die Aehnlichkeit mit den resp. Epithelzellen wurde schon mehrfach berührt. Beim Schwein ist nach meiner Erfahrung die Differenz zwisehen beiden Zellenarten am ausgeprägtesten. Auch hier besteht zwar in der Form der Kerne eine gewisse Aehnlichkeit — diejenigen der Theea interna sind nur ebenso wie die Epithelkerne länger ge- streckt als bei den anderen Thieren ; — indessen die Richtung der ganzen Zellenzüge ist eine genau entgegengesetzte, indem die äusseren Epithelschichten fast senkrecht auf den eoncentrisch verlaufenden Thecazellön stehen. Beim Menschen offenbart sich, wie ich glaube, in dem Verhältniss der Thecazellen zum Epithel wiederum der verschiedene Bildungsgang der Follikel. Bei dem Erwachsenen ebenso wie beim ausgewachsenen Thiere sind, wie wir schon wissen, die Epithelzellen entschieden kleiner und färben sich stärker als diejenigen der Theca interna. Beim Kinde ist es in Betreff der Zellengrösse gerade umgekehrt. Der Grund hierfür ist wohl darin zu suchen, dass bei den Schlauch- und Eiballenfollikeln die Epithelien sich relativ wenig vermehren, desto stärker aber vergrössern und zwar relativ schneller als die Thecazellen. Bei den von Primordialfollikeln herzuleitenden 358 Dr. J. Schottlaender: Follikeln der Erwachsenen überwiegt die Vermehrung das Wachs- thnm bei den Theca- wie bei den Epithelzellen. Da nun aber die letzteren sich unbedingt schneller vermehren müssen, so er- scheinen sie bald klemer. — Die grösste Dieke besitzt die Theca zur Zeit der mittleren Entwicklung des Follikels'). Indessen kommt kurz vor dem Bersten nochmals ein Stadium der Zu- nahme, das ich erst jetzt in voller Ausbildung kennen gelernt habe. Es ist dieses Stadium charakterisirt durch das Auftre- ten zahlreicher „epithelioider* Zellen in der Theea interna 2), deren Bedeutung später erörtert werden soll. Ihre Herkunft möchte ich nicht wie Palladino auf eine Vermehrung von Wanderzellen, sondern auf eine solche der fixen Theeazellen zu- rückführen. Hat die Zahl der letzteren auch bei den grössten Follikeln abgenommen, so ist sie immerhin gross genug, um diesen Nachwuchs zu liefern. Diese Auffassung wird durch das Vorhandensein von Mitosen gestützt. Bisher ist ein der Theca grosser Follikel von den Meisten zugeschriebener Bestandtheil mit Stillschweigen übergangen wor- den, — ich meine die an der inneren Thecagrenze belegene helle Membrana propria s. basilaris. Dieselbe wird von den meisten Forschern für strueturlos erklärt, Slavjansky und 3eulin haben ihr endotheliale Beschaffenheit zugesprochen °). Ich versuchte zunächst an frischen menschlichen Eierstöcken, sowie an solehen vom Schwein, mir durch Höllensteinbehandlung über diese Frage Klarheit zu verschaffen. In beiden Fällen war das Resultat hinsichtlich eines Endothels durchaus negativ. Nur ab und zu in ganz unregelmässigen Abständen erfolgt eine Schwärzung von Zellgrenzen; die so hervortretenden Zellen haben aber sicher eine ganz andere als eine endotheliale Bedeutung. Im gehärteten Eierstock des Schweins ist eine glashelle Mem- bran zwischen Epithel und Theca überhaupt nicht wahrzuneh- men *), in demjenigen des Menschen und anderer Thiere ist sie meist vorhanden. Allein einmal ist sie auch im Eierstock der- selben Speeies doch nicht so constant, wie ich s. Z. annahm; 1) Vergl. meine frühere Arbeit. 2) Vergl. Palladinol. c. 3) Vergl. meine frühere Arbeit S. 202. 4) Vergl. Benckiserl. ec. Ueber den Graaf'schen Follikel ete. 259 weiter variirt ihre Deutlichkeit resp. ihre Breitenausdehnung !) in den gleichgrossen Follikeln desselben Eierstocks oder gar desselben Eierstockssehnittes ganz beträchtlich. Endlich herrscht eine auffallende Ungleichmässigkeit in ihrem Auftreten rück- sichtlich des Follikelalters, namentlich beim Menschen. Bei den jüngeren und jüngsten Follikeln wird sie entsprechend den an- derweitigen Berichten zwar gemeinhin, aber nicht immer ver- misst. (Vergl. Fig. 9m und 17m.) Ja es finden sich mitunter sogar bei den Valentin-Pflüger’schen Schläuchen an der äusseren Epithelgrenze homogene, öfters etwas gefärbte Streifen (Fig. 3m), die sich ganz wie eine Membran ausnehmen. Wenn wir den genannten Gründen nun noch hinzufügen, dass innerhalb der hellen Schieht sich hin und wieder einzelne Kerne zeigen, die mit denjenigen der Theca Interna-Zellen völlig identisch sind (Fig.18); wenn wir noch die Befunde bei atretischen Follikeln ?) in Betracht ziehen, so befriedigt m. A. n. die Waldeyer'’sche, auch von Nagel u. A. getheilte Auffassung von der membrana propria nicht ganz. Die membrana propria ist wohl nicht nur als ein Produkt des Epithels, sondern zum Theil, wenn nicht ausschliesslich als innerste T’hecaschicht anzusehen, deren Ge- webe nach Untergang aller oder eines Theiles ihrer Zellen aufge- quollen ist?). Die innerhalb der hellen Schicht gefundenen Zellen sind also weder Endothelien der membrana propria, noch solche der Gefässe, sondern übrig gebliebene Theca- also Bindegewebszellen (Fig. 18). Sehon die Primordialfollikel besitzen, wie ich mich an meinen Injektionspräparaten vom Kaninchen und Meerschweinchen überzeugen konnte, ein völlig ausgebildetes Gefässnetz t). Wo die Injection geglückt ist, sieht man den ganzen Follikel von zarten Adern umsponnen. Im Uebrigen lässt sich für die Gefässverteilung, die beim unveränderten Follikel stets nur auf 1) In Gemischpräparaten ist sie im Ganzen stärker entwickelt. Da aber auch bei Alkoholpräparaten in dieser Beziehung Schwankun- gen vorkommen, so darf höchstens an eine artificielle Begünstigung der letzteren, nicht aber an eine überhaupt artificielle Entstehung der Bilder gedacht werden. 2) Siehe unten S. 284 ff. 8) Nagel I. S. 384. Wagner (Nagel Literaturverz. No. 93) hat s. Z. dieselbe Ansicht ausgesprochen. 4) Vergl. Schrön (Nagel Literaturverzeichniss No. 76). Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 41 17 960 Dr. J. Schottlaender? die Theeca beschränkt bleibt, schwer eine Norm feststellen. Selten ist ein grösserer Gefässstanm contmuirlich bis zu seinem Eintritt in die Theca zu verfolgen. Gewöhnlich ist diese, von kleinen, scheinbar ganz regellosen Aesten durchzogen, doch immer so, dass deren Hauptmenge in ihrer inneren Schicht liegt. Wanderzellen, die für den Follikel jedenfalls eine grosse, noch näher zu erforschende Bedeutung haben, finden sieh oft ziemlich zahlreich in der Theca ebenso wie innerhalb der Ei- ballen und Schläuche zwischen den Eiern und Epithelien). Aus letzterem Grunde darf uns, wie ich nebenbei bemerken will, auch ihr obzwar seltenes Vorkommen innerhalb des Epithels von Ei- ballen und Schlauehfollikeln nieht Wunder nehmen. Sie werden offenbar dorthin einfach übernommen, gehen indessen allem An- schein nach frühzeitig zu Grunde. Schon in den grösseren Follikeln dieser. Art und, wie ich im Gegensatz zu Lothrop?) betonen möchte, in den unveränderten Follikeln des erwachse- nen Thieres oder Menschen, fehlen sie nach meiner Erfahrung stets. Hinsiehtlieh des Vorhandenseins von Fett in der Theca nicht atretischer Follikel muss ich im Gegensatz zu Benckiser, Nagel u. a. auf meinem früheren, ablehnenden Standpunkt ver- harren 3). In eclatantester Weise hebt sieh in meinen sämmtlichen Gemisehpräparaten, besonders auch im Kaninchen- und Sehweine- Eierstock die je nachdem roth oder blau gefärbte Follikeltheca von den geschwärzten gelben Körpern ab. Da das auch an der Eierstockoberfläche der Fall ist, so liegt darım, falls es bei der typischen Wiederkehr des Befundesnoch eines solchen bedarf, ein sicherer Beweis, dass nicht etwa ungenügendes Eindringen der Gemisch-Osmiumsäure in den Eierstock für das erwähnte jild verantwortlich zu machen ist. III. Untergang der Follikel. A. Follikelatresie. Unter Follikelatresie (eine Bezeiehnung, welche soviel mir bekannt zuerst Slavjansky angewendet hat) ist der 1) Vergl. Loewenthal I.]. ce. 2) Ueber Regenerationsvorgänge im Eierstock. Dissertation Luzern 1890. 3) Siehe meine frühere Arbeit S. 202. Ueber den Graaf’schen Follikel ete. 261 Rücekbildungsprocess ungeplatzter Graaf scher Bohakelizuverstehen. Dieser Rückbildungspro- cess ist die Summe verschiedener durch einander bedingter, aber an sich selbstständiger Einzel- Beocesse: VWDerlerste, nie/fehlend,tür'den Begriff der.Atresie absolut wesentlich, ja als Atresie im enseren Sinne aufzufassen,besteht in.einem ‘zur schliessliehen Auflösung führenden Schwund won EirrundEpithel,d.h. des Follikelinhalts, ist also regressiv. Der andere, vielfach aber nicht immer vorhanden, für den Begriff der Atresie nicht absolut wesentlich, bestehtinteiner durch den voraufgehendenSubstanzverlust angeregten Kewebsneubildung, ist also progressiv; diese Gewebsneubildung führt zuDem, was nach den segebenen Umständen einzig möglichist, zu der Ausbildung einer unvollkommenen oder voll- kommenen Narbe. Schon vor geraumer Zeit, besonders aber auch in den letzten Jahren ist die Follikelatresie in ihrem Verlauf bei nie- drigen Wirbelthieren em Gegenstand des Studiums gewesen. Ich erinnere u. a. an die treffliehen Arbeiten von Brunn 's!) sowie G. Ruge’s?. Obgleich meine Ergebnisse bei Säugethieren reichlich Analogien, ja vielfach Uebereinstimmung mit den Er- gebnissen jener Arbeiten zeigen, unterlasse ich es absichtlich, daraus irgend welche Consequenzen zu ziehen. Ich halte es für nieht angebracht bei so durchaus differentem Material, wofern man nicht nach beiden Seiten hin eigene Erfahrung besitzt, Parallelen zu ziehen, geschweige denn, wenn auch noch so vor- sichtig, Kritik zu üben. — Die Litteratur, soweit sie Säuge- thiere betrifft, ist im meiner früheren Arbeit ausführlich be- rücksichtigt worden. Es ist inzwischen, abgesehen von ander- weitigen zerstreut sich findenden Bemerkungen, nur noch die oben- erwähnte, eingehende und mit zahlreichen vorzüglichen Abbil- 1) Die Rückbildung nicht ausgestossener Eierstockseier bei den Vögeln. Festgabe für Henle, Bonn 1882. 2) Vorgänge am Eifollikel der Wirbelthiere. Morph. Jahrbücher Bd. 25, Heft 4. 62 Dr. J. Schottlaender: dungen versehene Veröffentlichung Loewenthals!) zu meiner Kenntniss gelangt. — Während ich den Vorgang der Follikel- atresie bei den Thieren, speciell den Säugethieren schon früher als allgemein anerkannt bezeichnen durfte, scheint für den Menschen nicht das Gleiche zu gelten. Wird doch noch in dem neuesten Sammelwerk der Geburtshülfe von P. Müller das Vorkommen der Atresie mit einem Fragezeichen versehen. Es dürfte daher nicht überflüssig sein vorauszuschicken, dass nach dem übereinstimmenden Urtheil Aller, die sich mit dieser Frage beschäftigt haben, einem Urtheil, dem ich mich rückhaltslos an- schliesse, die Follikelatresie als em typischer physiologischer Vorgang in der gesammten Säugethierreihe incl. des Menschen zu betrachten ist. Ja noch mehr; was Loewenthal für die Ureier verschiedener Säuger bewiesen hat, gilt auch für den Menschen: die Follikel- bestandtheile: Ei und Epithelzellen erliegen, vielfach noch bevor sie sich zum Follikel zusammengeschlossen, zweifellos einem kückbildungsprocess. In dem Gesagten ist naturgemäss die Voraussetzung enthalten, dass die Atresie als solehe nieht nur in ihrem Endresultat, sondern auch in ihrem Verlaufe zu erken- nen ist. Mögen sich immerhiu ihre ersten Anfänge der Erkennt- niss entziehen und mögen auch zu dem Zustande des intacten Follikels breitere Wege, als ich früher gedacht, hinüberführen, es existiren solche Erkennungsmittel. Dieselben gründen sich auf die Beschaffenheit der Eizelle. Das Verhalten des Epithels ist nicht, wie ich s. Z. annahm, unbedingt, sondern, wie auch a priori eigentlich wahrscheinlicher , nur bedingt verwerthbar — geht doch bei der Liquorbildung im unveränderten Follikel immer ein grosser Theil des Epithels zu Grunde. Trotz meiner schon vorangegangenen Beschäftigung mit dem gleichen Thema sah ich mich, als ich dieselbe weiter ausdehnte und besonders als ich die Erscheinungen der Follikelatresie beim Menschen festzustellen suchte, anfangs einer geradezu bedrücken- den Fülle von verschiedenen Bildern gegenüber. Allmählich zeigten sich mir aber hier und da gemeinsame Beziehungen und ich hoffe, dass es mir gelungen ist alle hier in Betracht kommenden Erscheinungen ziemlich vollständig auf wenige ein- YA: 2: ic, Ueber den Graaf'schen Follikel ete. 263 heitliche, und zwar für Ei- und Epithelzelle in gleicher Weise gültige Gesichtspunkte zurückzuführen. Halten wir uns die gemeinsame Entstehung von Ei- und Fpithelzelle gegenwärtig, so wird uns das Gemeinsame in der Art ihres Untergangs nicht befremden, Indessen bedarf es hier einer Beschränkung. Mit der grösseren Entfernung von dem ursprünglichen Zustand, mit der complieirteren Gestaltung com- plieiren sich bei der Eizelle auch die Bedingungen des Unter- gsanges; es muss mehr und z. Th. anders geartetes Zellenmaterial resp. dessen Produet weggeschafft werden; daher treten hier einige besondere Erscheinungen hinzu. Wir betrachten wiederum Zellkörper und Kern gesondert und beschäftigen uns zunächst mit dem Untergange des letz- teren. Zwei von einander verschiedene Processe sind dabei maassgebend. 1. Die Chromatolyse. Schon früher bedurfte die ursprüngliche Definition, welche Flemming, ihr Entdecker, von der Chromatolyse gegeben, einer geringfügigen Erweiterung, insofern als sich der chromato- Iytische Process unzweideutig auch in Follikeln ohne Liquor nachweisen liess. Heute möchte ich, immer unter Beibehaltung des Namens, welcher gleichwohl zutrifft, damit einen Vorgang bezeichnen, bei dem das veränderte consolidirte Chromatin der Kerne bei lange erhaltener oder schoen früh zerstörter Kernmembran körnig zer- fällt und sich in der von dem umgebenden Zell körper mit oder ohne Beihülfe von Gefässtransu- Ben) scelveterten Klüssiskevt vwertheilt, und allmählich oder schnell darin gelöst wird?) (Vgl. Kieuren 19, 20 u. a.) Bald nach Flemming's Publication haben sieh verschie- dene Autoren über das Wesen der Chromatolyse geäussert, unter Anderen Hermann?°), auf dessen Mittheilungen ich, da meine Erfahrungen z. Th. etwas abweichender Natur sind, kurz eingehen 1) Siehe unten. 2) Vergl. Flemmings Definition (meine Arbeit S. 217). 3) Ueber regress. Metamorph. d. Zellkernes. Anatom. Anzeiger 18. Jan. 1888, No. 2 und 3. 264 Dr. J. Sehottlaender: möchte. Hermann benutzte in Chrom -Osmium - Essigsäure - Ge- misch gehärtete und mit Saffranin und Gentianaviolett doppel- gefärbte Präparate, bei denen im Allgemeinen das Kernkörper- chen roth, das Chromatinnetz violett erscheinen soll. Im Beginn der Atrophie nun, welche schliesslich zur Chromatolyse führt, vermehrt sich nach seiner Angabe zunächst die rothe Substanz auf Kosten der violetten. Meist in der Peripherie des Kerns bilden sich scharf roth gefärbte, theils rundliche, theils eckige, an Kernkörperchen erinnernde Körner. Die rothen Körner wer- den grösser, setzen sich durch Brücken in Verbindung, es ent- steht ein plumpes rothes Netzwerk; das violette Chromatinnetz schwindet mehr und mehr. Dieses Stadium ist vorübergehend ; die die Körnchen verbindenden Arme werden eingezogen und es entstehen im Kern in verschiedener Zahl stark liehtbreehende, leuchtend rothe, tropfenförmige oder zackige Gebilde. Soweit Hermann. Es ist mir zunächst nieht gelungen, auch bei vor- sichtigster d. h. zeitlich und quantitativ gleicher Anwendung der beiden Färbemittel eonstant eine rothe Tinetion des Kernkörper- chens, eine violette des Netzes zu erzielen. Vielmehr kommen zeitweise Variationen vor, über deren Ausdehnung und Classifi- cation ich mir bisher ein festes Urtheil noch nicht bilden konnte. jeachtenswerth bleibt indesssen jedenfalls, dass Kernkörperchen und Chromatinnetz nicht selten deutlich verschiedene Farbennüancen erhalten und dass die im Beginn der Chromatolyse auftretenden Chromatinbrocken thatsächlich öfters im Gegensatz zum Netz die resp. Farbe des Kernkörperehens besitzen. Daraus irgend welche Schlüsse für eine besondere Betheiligung des Kernkör- perchens an dem Processe ziehen zu wollen, dürfte trotz einiger vielleicht in diesem Sinne zu verwerthender Bilder !) verfrüht sein, ist auch, wie ich ausdrücklich bemerke, von Hermann nicht geschehen. Dass die Körnchen meist zuerst in der Peripherie des Kernes sichtbar werden, kann ich bestätigen. Brückenartige, später verschwindende Arme zwischen ihnen sind nur sehr selten ausgeprägt. Die vorwiegend runden Körner con- fluiren schliesslich entweder zu einem grossen runden oder un- regelmässigen Kom; oder sie zerfallen ohne diese Zwischenstufe 1) Siehe unten S. 268 f. nz a . un A ee Ben Ueber den Graaf’schen Follikel ete. 265 direkt zu immer kleiner werdenden, schliesslich verschwindenden Brocken. 2. Die einfache Kernatrophie. Ausser der Chromatolyse existirt aber und zwar beim Menschen wie bei den Thieren noch eine zweite Art der Kernatrophie, welche ich im Gegensatz zu der genannten als einfache Atrophie aufzufassen geneigt bin. Auch Palladino erwähnt einer „Atrophia diretta* und will allem An- schein nach darunter dasselbe verstanden wissen. Das Chro- mann des Kernnetzes, erfährt in-diesen Fällen vor seinem Untergang keine Veränderung, keine Consolidirung. Es schwindet vielmehr unter all- mählichem Abblassen, ohne in seinen einzelnen Breiten nrsend! welchen‘ Lagewechsierrdurehzu- machen, in situ; die Kernmembran und mit ihr die ursprüngliche Kernform bleibt dabei fast immer ausserordentlich lange erhalten. (V$l.Fig. 22,25, 24, frühere Figur 19 u. s. f.) Die genannten Veränderungen des Zellkerns hängen natur- gemäss eng mit solchen des Zellkörpers zusammen, ja sind viel- leicht theilweise durch diese bedingt. Die zum Untergang füh- renden Veränderungen des Zellkörpers aber sind: 1. Die Fettdegeneration. Wie schon in meiner früheren Arbeit erwähnt ist, gelang es Flemming!) unter Benutzung reiner Osmiumsäure sowohl am Ei wie im Epithel zu Grunde gehender Follikel Fett resp. fettähnliehe Substanz nachzuweisen, welehe im unveränderten Follikel in dieser Weise fehlte. Ich konnte mittelst Gemisch- präparaten schon damals diesen Befund vollinhaltlich bestätigen. Vorausgesetzt, dass die geschwärzten Tropfen oder Körner wirk- lich Fett sind, so möchte ich trotz der gegentheiligen Anschau- ungen Nagel’s?), Loewenthal’s?) u. A. auch heute noch daran festhalten, dass ihr Auftreten im Zellkörper der Ei- oder Epithelzelle eine regressive Metamorphose anzeigt. Ueber die sründe, welche für diese Annahme sprechen, sowie über die PEL.C, ar leur, 1]. € ANEEolze, 266 Dr. J. Sch ottlaendrer: vermuthliehen Ausnahmen später. Allerdings ist hier zu berück- sichtigen, dass die genannte Methode des Fettnachweises im ge- härteten Präparat noch keine vollkommene zu sein scheint. Nach den Untersuchungen von J. Gaule!) sind die erhaltenen Bilder mit Vorsicht zu deuten, da durch die Osmiumssäure artifieielle Fettumlagerungen bewirkt werden sollen. Allein wenn wir auch kein getreues Spiegelbild der lebenden Zelle vor uns haben, so dürfte bei eingetretener Schwärzung das Vorhandensein von Fett wohl zweifellos sein. 2. Die albuminöse (?) Degeneration. {=} Die Zerstörung des Zellkörpers erfolgt offenbar noch durch einen zweiten Process, dessen Wesen beim gehärteten Ob- jekt sieh der Controlle entzieht. Es ist verschiedentlich u. A. von einer „granulösen körmigen Degeneration“ ?) gesprochen worden. Mir scheint, mit dieser Bezeiehnung ist nichts gewon- nen. Zwar kommen solche im Einzelnen nicht zu analysirende, von Fett wohl zu unterscheidende Körner im Protoplasma unter- »ehender Zellen vor; sie sind darin staubförmig vertheilt und färben das Protoplasma dunkler. Allein in anderen Fällen wird der Zellkörper einfach blasser und schwindet, ohne dass diese und überhaupt eine wahrnehmbare Veränderung vorangeht. Trotz (dieser Verschiedenheit der anatomisehen Bilder ist es gewiss nicht unmöglich, dass hierdurch nur zwei Stadien desselben Vor- ganges charakterisirt sind, derart, dass der Zellkörper zunächst sich mit feinsten Körnermn füllt und erst secundär abblasst und schwindet. Ich erwäge diese Möglichkeit, weil Alexenko?°) nach ebemischer Untersuchung frischer Präparate mit Bestimmt- heit das Auftreten einer „albuminösen Degeneration“ bei der Liquorbildung behauptet. Zwischen dieser und der Atresie ist aber (s. u.) kein prineipieller Unterschied aufrecht zu erhalten und durch eine albuminöse Degeneration lassen sich die obener- wähnten Bilder am besten erklären. l) Ueber das Auftreten von Fett in den Zellen und die dadurch bedingten histol. Bilder. Arch. f. Anat. u. Phys. 1890. Phys. Abthlg. S. 580—83. 2) Vergl. Loewenthal I.|. ce. DIHLEC, Ueber den Graaf'schen Follikel ete. 267 Wie nun auch der Zellkörper zu Grunde gehen mag, der Effekt scheint schliesslich derselbe zu sein, nämlich eine Ver- flüssigung. Ist diese Verflüssigung auch nicht immer demon- strirbar, so darf doch an der gewaltigen Rolle, welche ihr na- mentlich im menschlichen Eierstock zufällt, wie wir noch sehen werden, kaum gezweifelt werden. Vielfach hat es den Anschein, als ob bei der Eizelle der Verflüssigung hier und da noch ein besonderer Charakter innewohnte, man wird unwillkürlich an die von den verschiedensten Seiten !) betonte hyaline Degene- neration der Eizelle gemahnt. Auch ich musste s. Z. bei den grossen Eiern der Säugethiere eine solche vermuthen und habe damals Veranlassung genommen auszusprechen ?), dass die Ab- lagerung echten dauerhaften Hyalins wenig plausibel, dass viel eher an eine Coagulationsnekrose mit Auscheidung fibrinös hya- liner Substanzen zu denken sei. In wie weit nun eine solche ausser im Dotter grosser Eier in Betracht kommt, entzieht sich meiner Beurtheilung. Auffallend bleibt immer, dass im Kinder- eierstock, wo Eizellen in so grosser Zahl zu Grunde gehen, ganz überraschend häufig homogen hyaline Bildungen 3) angetroffen werden. Allein man findet solche, wenn auch selten , gleichfalls innerhalb der Follikel Erwachsener und zwar auch da, wo eine Betheiligung von Eizellen sicher ausgeschlossen werden kann. Da sieh nun diese Bildungen, die immerhin eine differente che- mische Zusammensetzung haben könnten, anatomisch meist nicht unterscheiden lassen , so bleibt es zweifelhaft, ob der Eizelle von Anbeginn eine Sonderstellung gebührt oder nicht. Die angedeuteten Veränderungen des Zellkörpers und Kerns rufen, an sich in ihren Einzelheiten’ schon nicht einfach , durch wechselnde Combination ausserordentlich mannigfaltige Bilder her- vor, mit denen wir uns nun zu beschäftigen haben. 1.2 D.2.s5 Eu. Loewenthalt!) hat die Existenz von Rückbildungsvor- 1) Slavjansky (früh. Arbeit S. 194). Palladino, Loewen- Baal II u. s. f. 2) Frühere Arbeit S. 213 £. 3) Lamellöse Structur habe ich gleich Loewenthal hier nie gefunden. Vergl. meine frühere Arbeit S. 213. AUT. 1. €. 68 Dr. Schottlaender: gängen an den Ur- und Primordialeiern verschiedener Säuger m. A. n. in überzeugender Weise dargethan. Ich kann vom Menschen und den von mir untersuchten Thieren!) nieht nur ein Gleiches berichten, sondern auch viele, ich darf fast sagen die meisten von Loewenthal’s Befunden bestätigen. Indessen scheint es mir erstrebenswerth nach Maassgabe der uns bekann- ten Gesichtspunkte diese Befunde womöglich in einen festeren Zusammenhang zu bringen. In den untergehenden Eizellen, von den allerjüngsten bis hinauf zu den ältesten, ist zunächst die chromatolytische Atro- phie des Kerns eine ausserordentlich verbreitete Erscheimung. Figur 19 stellt eine solche bei einem etwas älteren Ei aus den Eiballen dar; Figur 10, die wir schon kennen, eine solche in dem grossen Hauptei eines Follikels von mittlerer Entwicklung, Figur 20a—g in ganz jungen wieder aus den Eiballen entnommenen Eiern. In Fig. 19 ist ein Anfangsstadium, wie ich es hauptsäch- lieh nur bei Eizellen beobachtet habe, illustrirt. Der Kern- inhalt besteht bei unverändert erhaltenem Kernkörperchen aus einer Fülle von über den ganzen Kern vertheilten gesonder- ten Chromatinkörnern. In diesem Fall treten die Chromatin- körmner nicht wie sonst zuerst an der Peripherie vereinzelt auf, sondern das ganze Kernnetz wird starr, erhält einen eigenthüm- lichen Glanz, wie es auch Loewenthal beschreibt, und man gewinnt den Eindruck, als ob es unter Contraction plötzlich in der geschilderten Art zerfällt. Doch ist die Bildung des in der Figur wahrnehmbaren, hellen Kemhofes wohl eher durch eine Retraction des Zellleibes, als durch eine Contraction des Kerns zu erklären; fehlt der Hof doch, abgesehen von allem Anderen völlig bei dem Kern der Fig. 10, die ein weiter fortgeschrittenes Stadium desselben Processes zeigt. Die Kernmembran erscheint hier zerstört und ich habe keinen Grund eine artificielle Ver- letzung vorauszusetzen, obgleich ich sie nicht sicher ausschliessen kann. Ein noch späteres Stadium haben wir allem Anscheine nach in Fig. 20a vor uns. Hier fällt abgesehen von einer Ent- färbung der Kern-Grundsubstanz das lufthaltige in der Mitte be- findliche Kernkörperchen in Folge seiner abnormen Grösse auf. 1) Bei diesen allerdings nur von den Priimmordialeiern der Pri- märfollikel, Ueber den Graaf’schen Follikel etc. 269 Es sieht aus, als sei es dureh Chromatinapposition gewachsen; in Fig. 20b ist man versucht ein in der gleichen Weise ad ma- ximum vergrössertes Kernkörperchen zu vermuthen. Auch Loe- wenthal berichtet über Aehnliches. In Fig. 20c—g ist der Zerfall des Chromatins weiter ge- diehen. Während aber 20e ebenso für die Epithelkerne gilt, ist 20d, wo der Kern halb mit Körnern erfüllt, halb entfärbt ist, besonders für den Eikern charakteristisch). In 20e ist die streifenförmige oberflächliche Anordnung des Chromatins bemer- kenswerth. 20f und g sind Endstadien — in letzterer Figur ist der Kernumriss nicht mehr sicher zu verfolgen. Viele der Fi- guren zeigen mit denjenigen Loewenthal’s die vollkommenste Uebereinstimmung?). | Bisweilen habe ich auch Bilder, die seinen Figuren 35 und 36 ähnlich sind, mit gröberen chromatolytischen Verklumpungen gefunden. Ich habe Grund zu glauben, dass es sich hierbei theilweise um chromatolytisch zerfallene Mitosen handelt. Wäh- rend im Zellleib der Figuren 20a—g ausser dem Abblassen und dem unregelmässigen Schwund des Protoplasmas keine weitere Veränderung zu constatiren ist, fällt in Fig. 19 der erwähnte, helle Kernhof als Zeichen eines gleiehmässigen Protoplasma- schwundes, der im Gegensatz zu vielen anderen Fällen offenbar von innen nach aussen vor sich geht, auf. Loewenthal hat diese Erscheinung als Eintheilungsprineip verwerthet; er trennt die untergehenden Eizellen einmal in solche, welche mit, dann in solehe, welche ohne Entstehung dieses Hofes sich rückbilden. Ich kann für meine Präparate diese Eintheilung nicht acceptiren. In dem Verhältniss von Zellkörper und Kern in Bezug auf ihren Untergang sind, wie man leicht erkennen kann, 3 Fälle möglich. Entweder Kern- und Zellkörper gehen gleichzeitig zu Grunde (Fig. 57T u. a), wobei die ursprünglichen Umrisse sich ziemlich gleich lange erhalten können (Fig. 25 u. a.), oder der Zellkörper geht vor dem Kern (Fig. 19, 21 u. a.) oder umgekehrt der Kern vor dem Zellkörper (Fig. 24, 37 u. a.) zu Grunde. Durch Fig. 19 erfahren wir nun, dass im zweiten Fall die obenerwähnte Modification bei der Zerstörung des Zellkörpers eintreten kann. 1) Vergl. meine früheren Figuren. Bsverol IE ISeJsTaL VL; Fig.138 una 270 Dr. IF NDChottlarenndren: Die Art seiner Zerstörung ebenso wie diejenige des Kerns weicht aber nach meiner Erfahrung von der im Uebrigen zu beobach- tenden weder hier noch anderswo in irgend einer Weise ab. Figur 19 macht uns noch mit einem andern von Loewen- thal erwähnten Befunde bekannt. Wie man sieht, sind daselbst im Zellkörper verschiedentlich rothe homogene, meist runde Körner verstreut. Ausser bei e handelt es sich zweifellos um keine wohlerhaltenen zelligen Elemente, sondern um deren Derivate, d.h. versprengte Chromatinbrocken. Loewenthal, der solche Körner im Zellleib sowohl degenerirender wie n. s. A. intaeter Eizellen öfters wahrgenommen hat, spricht sich über ihre Her- kunft nicht bestimmt aus. Lothropti, die so viel ich urtheilen kann, durchaus analoge Bilder vor sich gehabt hat, hält die Ab- stammung dieser Körnchen von in den Zellleib eingewanderten Leukoeyten für erwiesen. — Ohne die Möglichkeit in Abrede stellen zu wollen, dass ein Theil der Körnchen aus dem Chroma- tinnetz des Kerns resp. aus dem Kernkörperchen provenirt, — eine Möglichkeit, die Loewenthal in Erwägung zieht — möchte ich für einen anderen Theil derselben noch eine andere Ent- stehungsweise vermuthen. Ich sehe nämlich hier und da in der Umgebung der Körnchen, welche häufig blasser sind als das Chromatin des Kemnetzes und sich nach meiner Erfahrung weit häufiger in sicher degenerirenden Eizellen finden, mit Lo- throp deutliche Kerneontouren, oder wie bei e in Fig. 19 sogar an ihrer statt einen zerfallenden Kern innerhalb des Zellleibes. Auf Grund des erwähnten Bildes neige ich aber zu einer anderen Auffassung als Lothrop. Nicht als Derivat von Leukoeyten- kernen, sondern als ein solches von Epithelkernen resp. einge- wanderten Epithelzellen möchte ich die Körnchen, wenn vielleicht nicht in allen, so doch in einzelnen Fällen ansprechen. Dass eine Einwanderung von meist bald zerfallenden Epithelien in den Dotter atretischer grosser Eier wirklich stattfindet, darf m. A.n. auf Grund der vielen darüber vorliegenden Berichte — vgl. auch die meinigen ?) — trotz der abweichenden Anschauung Lothrop’s, welehe nur auf Wanderzellen recurirt, füglich nicht mehr be- zweifelt werden. Ich habe auch diesmal wieder reichlich Gelegen- 1196; 2) Siehe meine frühere Arbeit S. 212. Ueber den Graaf’schen Follikel etc. Dr heit gehabt, diese Thatsache zu constatiren, selbst bei Eiballen- und Schlauchfollikeln, wo nach den obigen Mittheilungen noch die meiste Veranlassung zur Einwanderung von Leukocyten ge- geben ist. Wie mir nun scheint, kann die Einwanderung von Epithelien schon in das Protoplasma ganz junger Eier erfolgen. Ob allerdings in dieser Einwanderung, wie bei den grossen Eiern ein Zeichen einer regressiven Metamorphose zu sehen ist, ob wir nur eine Ernährungserscheinung vor uns haben, lässt sich nicht sicher entscheiden. — Weiter möchte ich selbstverständlich die Frage, ob nur Epithelien oder ob ausserdem Leukocyten ein- wandern, hier in keiner Weise endgültig beantwortet wissen. Es ist sehr wohl möglich, dass bei den jungen Eizellen Beides vorkommt; ob auch bei den grossen, ist mir zum mindesten sehr fraglich. Figur 10 zeigt eine reichliche Ansammlung geschwärzter Körner, also eine Ansammlung von Fett innerhalb des Dotters. Wenn man diese Thatsache mit der besprochenen chromatolyti- schen Atrophie des Keimbläschens und noch anderen Erscheinun- gen!) innerhalb der Eizelle zusammenhält, wird hier das Faktum der Rückbildung nicht wohl angezweifelt werden können. Im Einklang mit meinen früheren Beobachtungen finde ich auch jetzt in der Mehrzahl meiner Schnitte resp. bei der Mehrzahl meiner Thiere inel. des Menschen schwarze Körmer nur in solchen Eiern, deren Keimbläschen entweder chromatolytische oder einfache Atrophie zeigen. Indessen es kommen Ausnahmen vor. Beim Menschen, sowie bei Thieren findet man gelegentlich solche Kör- ner in den Eizellen einzelner jüngster Follikel, ohne dass der Kern irgendwie verändert erscheint. Im Eierstock des Schweins enthalten auffallender Weise ausserordentlich viele, ja fast alle Primärfollikel-Eier, in ihrem Zellkörper solche Körner. Nagel, der die letztere Beobachtung gleichfalls gemacht hat?), fasste dieselben als Deutoplasma auf und wandte sich polemisch gegen Gottschalk, der s. Z. ein völlig damit angefülltes Ei als Körner- kugel und als zu Grunde gehend bezeichnet hatte?). Wie mich dünkt, hat Nagel geirrt. Wären die Körner geschwärztes Deuto- 1) Siehe unten 8. 275 f. 2)EL. 1. €. /S:: 386, DET 1. ec, S.1356. 372 Dr. J. Schottlaender: plasma so müssten sie folgerichtig auch m den grossen Eiern ddes Schweineovariums gefunden werden. Dem ist aber nieht so: ebenso wie bei den andern Thieren gibt es auch beim Schwein erosse Eier, welche keine schwarzen, sondern nur braune Körner enthalten; hier ist also auch ein Fehlen von Deutoplasma nicht vorauszusetzen. Wenn ich nun noch hinzufüge, dass man sehr oft einer gleichzeitigen Verfettung des Epithels begegnet, so ist hier ein anderer Zusammenhang der Erscheinungen anzunehmen und zwar bleibt meiner Ansicht nach die Wahl zwischen zwei Möglichkeiten. Entweder es gehen zeitweilig oder individuell sehr viele Follikel zu Grunde und wir haben jene Untergangsform vor uns, bei der der Zellkörper vor dem Kerm der Zerstörung anheimfällt. Oder es handelt sich um einen jener thatsächlich vorkommenden Uebergänge zwischen unschädlicher, nur vorüber- gchender Fettablagerung einerseits und zu Degeneration der Zelle führender Fettablagerung andererseits. Jede der beiden Möglich- keiten hat etwas für sich; es ist mir nieht gelungen, nach der einen oder anderen Richtung eine Entscheidung zu treffen. In jedem Falle wird aber die allgemeine Regel, dass das Auftreten von schwarzen Körnern in der Eizelle eine fettige Degeneration anzeigt, m. A. n. dadurch nicht erschüttert. Was Loewenthal damit meint, wenn er zur Begründung seiner abweichenden An- schauung sagt, er habe schwarze Körner sogar in starr hyalinen Eizellen gefunden, ist mir nicht recht verständlich. Solche Bilder (vergl. Fig. T meiner früheren Arbeit), die ich besonders bei Thieren sehr zahlreich gesehen, lassen sich doch wohl ohne Schwierigkeit so erklären, dass im den fettig degenerirten Zellen nachträglich eine Ablagerung von hyalinen Massen erfolgt ist und Fettüberreste zurückgeblieben sind. Wir wenden uns nun zu der weiteren Kategorie von Bil- dern, welche (Fig. 21, 22, 23, 24 u. Fig. 12) das Vorkommen einer einfachen Atrophie des Kerns beweisen sollen. Ueberall ist das Keimbläschennetz in seiner ursprünglichen Form und seinem Zu- sammenhang mehr oder weniger erkennbar; nur die Affinität zu dem Färbemittel ist verloren gegangen. Von Consolidirung des CUhromatins, von Zerfall desselben ist nichts zu bemerken; im Uebrigen mögen die Figuren für sich selbst sprechen. Der Zell- körper in Fig. 22 u. 24 zeigt keine ausgeprägten Veränderungen; in Fig. 12 ist eine Einwanderung von Epithelien in den Dotter | un Ueber den Graaf'schen Follikel ete. DIE erfolgt; in Fig. 21 ist der letztere dunkelkörnig und offenbar in Schwund begriffen; in Fig. 23 endlich sieht man nur noch einige Reste fettig degenerirter Zellsubstanz. An einer Stelle (e) macht es hier den Eindruck, als ob eine emgewanderte Epithelzelle dieser fettigen Degeneration erlegen sei. Aehnlich wie der Eierstock junger Thiere ') ist auch der Eierstoek menschlicher Foeten und Kinder ein besonders günsti- ges Feld für das Studium von Verflüssigungs- und Verquellungs- erscheinungen in den Eizellen. Wie wir schon hörten, findet man im Epithel der Kinderfollikel ausserordentlich häufig hya- line Schollen als Ueberreste von zu Grunde gegangenen Neben- eiern. Diese hyalinen Bildungen sind aber nicht die einzigen. Innerhalb völlig wohlerhaltener, innerhalb nur noch an der Form als solcher kenntlicher Eizellen, aber auch völlig frei im inter- stitiellen Gewebe des Eierstocks zwischen anderen Eizellen oder im Liquor der Follikel liegen vorwiegend kreisrunde, aber auch unregelmässig gestaltete Gebilde von unendlich wechselnder Farbe und Grösse. Meist völlig homogen, in anderen Fällen die Um- risse eines oder mehrerer Kerne erkennen lassend,, zeigt ihre Färbung bei Anwendung von Saffranin eine Stufenleiter vom tiefsten Roth d. h. der Farbe chromatolytischer Körner über Ziegelroth bis zum röthlichen oder grünlichen gelb. Die Mi- nimalgrösse ist etwa «die eines rothen Blutkörperchens, die Maximalgrösse die des Keimbläschens eines reifen Eies. Da- zwischen sind wieder alle nur denkbaren Uebergänge vorhanden. Ich glaube, dass trotz dieser enormen Verschiedenheiten eine ge- wisse Classification möglich ist. Was zunächst die Farben- nüancen anbetrifft, so darf daran gedacht werden, dass sie durch verschiedenen Gehalt der erstarrten Flüssigkeit an gelöstem und mittelbar oder unmittelbar aus dem Kern stammendem Chroma- tin entstehen. Ist die Flüssigkeit im Moment der Erstarrung eoncentrirt gewesen, so wird die Färbung dunkel und umge- kehrt. Es erklären sich so leicht die Abstufungen. Ferner : die Grössenunterschiede verdanken ihren Ursprung dem Umstande, dass folgende drei verschiedenen Substrate sich mit Flüssigkeit imbibiren können: a) die Zelle, b) der Kern und ce) die aus chromatolytischem Zerfall des Kernnetzes resultirenden Chroma- 1) Vergl. Loewenthal Il. l. ec, 374 Dr. J.Schottlaendet: tinbrocken. Da ec) in grösserem Maassstabe nur beim Epithel in 3etracht kommt, wollen wir uns hier nur mit a) und b) be- schäftigen. a) Es ist hier wieder zwischen zwei Fällen zu unterschei- den. Entweder die Kernmembran (bei vorausgegangener ein- facher oder chromatolytischer Atrophie) bleibt lange erhalten ; oder sie geht (bei vorausgegangener chromatolytischer Atrophie) früh zu Grunde. Diese Unterscheidung ist deshalb wichtig, weil man bei runder Form des homogenen Gebildes oft nur durch die erhaltene Kernmembran seine Zellennatur erkennen kann. Die Grösse ist nicht immer maassgebend, da, wie bekannt, nachträg- lich eine mit dem Verschwinden endende Schrumpfung statt- finden kann und die Eizellen so ausserordentlich verschieden gross sind. (S. Figur 25 und 26.) In Figur 25z sieht man unterhalb des Keimepithels, in Figur 26z im Epithel des schon Liquorhaltigen Follikels zwei solche verschieden gefärbte Ei- zellen, die beide noch deutliche Kerneontouren erkennen lassen). Ist dieses Bild auch kein seltenes, so überwiegen doch entschie- den die völlig homogenen Schollen, wie solche in Figur 9, 10 u. a. abgebildet sind. Dieselben haben wie man sieht, trotz ihrer verschiedenen Grösse, Form und Farbe, im Ganzen den- selben Charakter ?2). Indessen schon hier kann man theilweise zweifelhaft sem, ob wir es wirklich mit degenerirenden Zellen zu thun haben. Bei der am weitesten links liegenden Scholle in Figur 10 ist man freilich wegen der Grösse und auch wegen der Form sicher, bei den übrigen hier dargestellten Schollen darf man die Zellennatur vermuthen, wegen der Analogie mit der ebenerwähnten Scholle und weil der helle Hof in dem einen Falle nur wenig, für das ev. Keimbläschen zu wenig ausgeprägt ist, in dem anderen Falle fehlt. In Figur 9 aber, ferner in den Figuren 25 und 26 bei k, wo intacte Kerne von derselben Grösse daneben liegen , fehlt es an einem Anhaltspunkt für die Unterscheidung. Ich hätte trotzdem als wahrscheinlicher ange- nommen, dass es sich um untergegangene kleine oder grössere 1) Der zweite in Fig. 26z vorhandene Kern liegt nicht in der- selben Ebene. 2) Auffallend, und auch von Loewenthal erwähnt, ist der die Schollen umgebende helle Hof. Ueber den Graaf’schen Follikel ete. 275 sekundär geschrumpfte Eizellen handelt), wenn nicht Fälle existirten, in denen zweifellos als Kerne zu deutende Gebilde ähnliche Modificationen erleiden, also b) Geltung hat. In Figur 27 z. B. liegt in der Mitte eines grossen Eies ein in dieser Weise verändertes Keimbläschen. Dass es sich um ein solches, und nicht etwa um zusammenge- balltes Chromatin ?) handelt, geht daraus hervor, dass nur an einer Stelle ein solehes Gebilde vorhanden (vergl. dagegen Figur 34) und dass man noch verschwommen und undeutlich eine netz- förmige Zeichnung darin erkennen kann. Man muss sich hier wohl wieder vorstellen, dass von der Umgebung aus (auffallend ist der auch hier streckenweise sichtbare, das Keimbläschen umgebende Spaltraum im Dotter) Flüssigkeit in den Kern ein- gedrungen ist und sein Netz, wenn man so sagen darf, ausge- waschen hat. Tritt im Kern bei erhaltener Membran frühzeitig ein Zer- fall des Chromatinnetzes ein, so entstehen jene eigenthümlichen Doppelfärbungen, wie wir eine solche in Fig.20 f kennen lernten. Denken wir uns die beiden Chromatinbrocken geschwunden, ebenso den umgebenden Zellleib, so werden wir nach Grösse und Farbe ein rothes Blutkörperchen vor uns zu haben glauben. Figur 25 zeigt uns bei k ein ähnliches Bild, nur ist die Farbe hier etwas dunkler. In manchen Fällen ist die Entscheidung, ob es sich um einen zu Grunde gehenden Kern oder um ein rothes Blutkörperchen handelt, einfach nicht möglich’). Wir haben bisher die Schicksale der Zona unberücksich- tigt gelassen. Ich möchte dies. Z. geäusserte Ansicht*), dass eine hyaline Quellung derselben eintritt, ja vielfach das erste Zeichen der Atresie ist, mit einer Beschränkung aufrecht erhalten. Diese Beschränkung besteht darin, dass die Zona bisweilen, ehe es zu einer Quellung hommt (bisweilen aber auch erst später) zerstört wird. In den Figuren 28 und 29 sind Eier, resp. deren Derivate 1) Weshalb Epithelzellen und deren Kerne kaum in Betracht kommen, siehe später. 2) Siehe unten. 3) Loewenthal ll. I.ce. Es wundert mich, dass L. überhaupt eingehend eine solche Entscheidung disceutirt. ’ 4) Siehe meine frühere Arbeit S. 213. Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 41. 15 976 Dr. JS chottlaender: dargestellt, welehe unzerstörte, gequollene Zonae besitzen. In Figur 28a erweist sich der feingekörmte Dotter, dessen Keim- bläschen fehlt, von dem mächtigen Zonaring getrennt; das Ge- webe des letzteren erscheint aufgequollen und in seinen Grenzen unregelmässig. In Fig. 29 liegen innerhalb der schon fast zu- sammengeklappten, dieken Zona nur spärliche Ueberreste ge- schwärzten Dotters, daneben einige eingewanderte Epithelien. Bilder wie das zuletzt besprochene findet man beim Menschen im Gegensatz zu den meisten Thieren entschieden selten, einmal und hauptsächlich, weil entschieden weniger Follikel vorhanden sind, dann aber vielleicht auch deshalb, weil die Zona beim Men- schen allem Anschein nach häufiger als bei Thieren vor oder gleichzeitig mit der Aufquellung eine Zerstörung erfährt. Diese Zerstörung besteht in eimer durch eingewanderte Epithelien bewirkten Längsspaltung der Zona. Ich wüsste wenigstens Bil- der wie Figur 10 und ähnliche, wo man an einer oder mehreren Stellen die Zona plötzlich getheilt und innerhalb der Theilungs- produkte Epithelien resp. deren Ueberreste findet, nicht wohl anders zu deuten. Artifieielle Einflüsse dürften hier bei der häu- figen Wiederkehr des Befundes auszuschliessen sein. In Betreff des zeitlichen Ablaufs!) der einzelnen zum Un- tergang des Eies führenden Processe möchte ich auf das früher Mittgetheilte verweisen und nur noch bemerken, dass ich Rich- tungsfiguren in zu Grunde gehenden grossen Eiern bisher nicht wieder gefunden habe. 2. Dias. Epithel. Bei dem Untergange des Epithels sind, wie oben erwähnt, im Ganzen dieselben Faktoren massgebend wie beim Untergange ddes Eies. Was zunächst die Chromatolyse der Zellkerme betrifft, so bedarf es keiner weiteren Worte: ist doch gerade beim Follikelepithel die Chromatolyse entdeckt worden. Beim er- wachsenen Menschen und auch beim Schwein, dessen Eierstock in mancher Hinsicht, vor Allem auch in der mächtigen Entwick- 1) Mit Nagel muss ich entschieden Steffeck (l. ce.) gegenüber nochmals betonen, dass der Schwerpunkt der Follikelatresie m. A. n. im Untergang des Eies liegt, und dass, weil dieses entartet, das Epithel und der ganze Follikel zu Grunde gehen. Ueber den Graaf'schen Follikel ete. I lung des interstitiellen Gewebes demjenigen des Menschen gleicht, scheinen nicht selten neben runden auch unregelmässige, stäb- chenförmige Chromatinbrocken sich zu bilden; man wird bisweilen an die bei der Eizelle beschriebenen Bilder erinnert. Mit der ehromatolytischen Atrophie des Kerns verbindet sich sehr häu- fig eine Fettdegeneration des Zellkörpers. Diese Combimation tritt beim Menschen ebenso in die Erscheinung wie bei Thieren !), und zwar wie ich vermuthe nicht nur bei der Atresie, sondern auch beim geplatzten Follikel. (Vergl. Figur 38b.) Für eine chromatolytische Atrophie des Kerns mit anderweitiger albuminöser (?), jedenfalls nicht fettiger Degeneration des Zell- körpers ist, wie ich glaube, ein Beispiel in der gewöhnlichen Liquorbildung zu sehen. Palladino berichtete s. Z., dass dem Liquor ein gelbes Pigment beigemischt sei, und ich konnte diesen Befund schon früher bestätigen. Ausserordentlich über- rascht war ich nun, beim Menschen, besonders bei den Erwach- senen, aber auch hier und da beim Kinde das Liquorgerinnsel, in der Mehrzahl der Fälle, nicht nur mit feinsten gelben, sondern mit groben, bei Saffraninfärbung dunkel bis gelbrothen Körnern durchsetzt, ja sogar geradezu erfüllt zu finden. (Figur 31, 32 u. a.) Diese rothen Körner verdanken zweifellos einem chroma- tolytischen Zerfall des Epithelkernnetzes ihre Entstehung ?). Ein- mal nämlich findet man in den übriggebliebenen Epithelschichten hier und da von mitotischen Processen sicher zu unterscheiden- den Kernzerfall; ferner aber — und diesen Grund möchte ich vor Allem anführen — sieht man in diesen Epithelschichten Gebilde, welehe nach Art der Flemming’schen Epithelvacuo- len gebaut (Fig. 52), ehromatolytische Körnchen enthalten, ja häufig nur aus solchen bestehen. In letzterem Falle sind sie zu- sammengeballt und offenbar durch einen Flüssigkeitserguss netz- förmig verbunden. Mit Besonderheiten dieses Flüssigkeitser- gusses sowohl, wie mit einem mehr plötzlichen ruckweisen Ver- laufe des chromatolytischen Processes, hängt wohl auch zusam- men, dass der Kernzerfall in den übriggebliebenen Epithelschich- 1) Vergl. meine frühere Arbeit S. 222. 2) Zerfallende Wanderzellen, an die man einzig noch denken könnte, kommen nur in den spätesten Stadien der Atresie in Betracht, und spielen, wenn überhaupt, jedenfalls eine nur sehr untergeordnete Rolle. YT8 Dr. J. Schottlaender: ten hier und im ähnlichen Fällen nicht wie sonst bei chromato- Iytischen Follikeln hochgradig ist, Ja dass er sogar bisweilen fehlt. Es darf demnach in der alleinigen Chromatolyse des Epi- thels ohne gleichzeitige Fettdegeneration nieht mehr ein sicheres Zeichen der Atresie gesehen werden. Vorausgesetzt, dass das Ei fehlt, kann mannur vielleicht bei höchster Intensität des Processes sich in diesem Sinne entscheiden. — Wir gehen auf Grund der ange- führten Befunde schwerlich zu weit, wenn wir auch das erst erwähnte im Liquor befindliche gelbliche feinkörnige Pigment als abgeblasstes, durch Chromatolyse der Epithelkerne entstande- nes Chromatin deuten. Damit soll allerdings nicht gesagt sein, dass bei der Liquorbildung nur chromatolytischer Kernzer- fall vorkommt. Im Gegentheil machen es manche Bilder. durch- aus wahrschemlich, dass hier ebenso der einfachen Kernatrophie eine Rolle zufällt; ob eine so regelmässige, wie der Chromatolyse, muss fraglich bleiben. Hier ist vielleicht der Ort, noch einige kurze Bemerkungen über die Epithelvacuolen einzuschalten. Bald sind dieselben gleichmässig fein bald gröber gekörnt, bald enthalten sie un- versehrte Kerne, bald nur deren Gontouren, bald Chromatinkörner oder daraus entstandene Netze; dazwischen sind alle möglichen Uebergänge zu beobachten. Wenn man weiter hinzunimmt, dass die Vacuolen stets erst nach eingetretener Bildung des Liquor zu finden sind), und dass ihr Inhalt vielfach genau die Be- schatfenheit des letzteren wiederspiegelt, so ist über ihre Ent- stehung Alles gesagt: Die Epithelvacuolen sind nicht, wie auch von Alexenko ausdrücklich hervorgehoben wird, als besondere Gebilde zu betrachten, sondern sie entstehen innerhalb der Epi- thelien und aus diesen nach genau denselben Gesetzen , welche für den Epithelzerfall bei der gewöhnlichen Liquorbildung (s. ob.) maassgebend sind. Eine Ausnahme existirt indessen. Die in Fig. 33 dargestellte Epithelvacuole aus einem foetalen Follikel ist insofern von besonderer Beschaffenheit, als die die Kerncon- touren umgebende Grundsubstanz völlig homogen, hyalin ist, während der Liquor deutliche Chromatinkörner enthält. Diese sesonderheit erklärt sich glaube ich einfach dadurch, «dass hier 1) Vergl. Alexenko |. ec. Ueber den Graaf’schen Follikel ete. 279 zu Grunde gehende Nebeneier (worauf auch der grosse, runde Kernumriss deutet) an der Bildung der Vacuole betheiligt gewesen sind. Die hyaline Verquellung der letzteren erfolgt durch die den Nebeneiern besonders eigenthümliche Art des Un- terganges. Bei erwachsenen Thieren und Menschen kommen nach meiner Erfahrung solche vollkommen hyaline Epithel- vaeuolen nicht vor. — Nagel hat s. Z. eme Betheiligung der Nebeneier an der Liquorbildung angenommen und diese Ansicht damit begründet, dass im Centrum des Follikels die Nebeneier theils im Untergang begriffen, theils erhalten, in der Peripherie aber stets erhalten waren. Ferner bringt Nagel die zu Grunde gehenden Nebeneier in Beziehung zu den Flemmming’schen Epithelvacuolen. Diese Auffassung bedarf folgender Modifi- eation. Die untergehenden Nebeneier haben, wie aus ihrem Auftreten bei fehlendem Liquorgerinnsel !) hervorgeht, mit der Liquorbildung nur insofern etwas zu thun, als sie die Masse des- selben, wenn er einmal vorhanden, vermehren helfen; der Liquor selbst entsteht aber unabhängig von ihnen und ist anders be- schaffen. Die untergehenden Nebeneier verhalten sich demnach in dieser Hinsicht ebenso wie die wahren Epithelvacuolen, ohne ddieselbe Genese zu besitzen. Wahre Epithelvacuolen kommen auch beim Kinde vor, besitzen indessen das eben beschriebene hyaline Aussehen. Wenn bei der Liquorbildung schon sehr wahrscheinlich, so ist bei der Atresie mancher kleiner Follikel, wie mich dünkt, die Annahme einer einfachen Atrophie des Epithelkerns gerade- zu unerlässlich. Bilder, wie meine frühere Fig. 19 eines dar- stellt und wie ich ähnliche seitdem noch zahlreich gefunden, lassen eine andere Deutung nicht wohl zu — das Kernchroma- tin ist deutlich blasser geworden, das Netz aber in allen seinen Einzelheiten, ebenso wie die Kernform unverändert geblieben. Eine gleichzeitige Fettdegeneration des Zellkörpers fehlte in die- sen Fällen, doch ist diese Combination, wenn nicht alles täuscht, bei der Atresie liquorhaltiger Follikel zu beobachten. — In der genannten Fig. 19 liegen zwischen dem Epithel dunkle Sprossen, die ich von gewucherten Thecagefässen herleitete. Ich habe mich jetzt an Injektionspräparaten überzeugen können, dass wirk- 1) In den Follikeln der Fig. 9 u. 10 fehlt in beiden ein solches, 980 Dr. J. Schottlaender: lich Gefässe zwischen dem Epithel vorkommen, doch fand ich solche nur dann, wenn das Epithel schon zum grössten Theil zerstört war. Follikel, bei denen ich wie damals eine primäre Theca- resp. Gefässwucherung vorauszusetzen geneigt war, weil die Gesammteonfiguration des nur abgeblassten, nach meiner Meinung Gefässsprossen zwischen sich fassenden Epithels erhalten war, habe ich in den Injektionspräparaten vom Kaninchen und Meerschweinchen nicht wieder entdecken können. Ob daraus zu schliessen ist, dass diese Erscheinung nur bei einigen Thieren vorkommt, — (auch damals vermisste ich beim Meerschweinchen Aehnliches !)) — ob mir zufällig kein solches Bild wieder begeg- net ist, oder ob am Ende diese Sprossen bisweilen doch nur quergetroffene Epithelien waren, von denen sie oft nur bei direkter Wahrnehmung von Blutkörperchen unterschieden werden können, ist nicht testzustellen. Es bleiben noeh eimige ganz auffallende Bilder zu erklären, wie ich solche fast nur im Eierstock des Menschen wahrgenom- men habe. Dieselben scheinen geeignet, zu erweisen, dass auch beim Untergang des Epithels Flüssigkeit in grösserem Massstabe er- gossen wird. In Fig. 34 finden wir ein grosses, rundes, homo- sen rothes Gebilde von kleineren, ebenfalls homogen rothen Ge- bilden, die wieder eine verschiedene Grösse besitzen, umgeben. Dass ersteres Gebilde nicht etwa ein untergegangenes Keimbläs- chen ist, wird durch die Aehnlichkeit mit den kleinen wahr- scheinlich gemacht, durch das Liquorgerinnsel, in dem es liegt, endlich aber dadurch sicher bewiesen, dass das Ei an anderer Stelle vorhanden ist. Da es sich demnach sicher um ein Epi- thelderivat handelt, so ist wohl wahrscheinlich, dass hier kleine Chromatinkörner, die von zerfallenen Epithelkernen herrühren, zusammengeballt und durch Flüssigkeit abgerundet worden sind. — Trotz dieses auffallenden Bildes wird man sich, da im Ei (dessen Keimbläschen nicht mitgetroffen zu sein scheint) und im Epithel keine weitere Veränderung zu constatiren ist, aber doch schwer entschliessen , hier das Bestehen einer Follikelatresie vorauszusetzen. Anders bei den Figuren 35, 36 und 37. In Fig. 35 ist die Hälfte eines Kinderfollikels, der hochgradige Abwei- chungen von dem gewöhnlichen Zustand zeigt, wiedergegeben. 1) Vergl. meine früheren Mittheilungen. Ueber den Graaf'schen Follikel ete. 281 In Fig. 55a sind die runden homogenen Scheiben in allen Far- bennüancen vertreten. Wahrscheinlich kommen hier zusammen- geballte Chromatinkörner, homogen aussehende Kerne, ev. sogar hyaline Nebeneier (Nebeneier sind reichlich vorhanden) in Be- tracht. Wichtiger für uns ist Fig. 35b, welche den Uebergang zu den Figg. 36 u. 37 bildet. Fig. 36 entstammt einem kindlichen, Fig. 37 dem Eierstock eines Erwachsenen. In beiden Fällen finden wir weit verzweigte homogene Streifen, die im ersten Fall bei Hä- matoxylin-Eosin-Färbung mehr grünlich-gelb (eine Mischung von Kern und Zellenfarbe) im zweiten bei Saffraninfärbung glänzend roth sind. Die Genese dieser Streifen kann nicht wohl eine andere sein, als dass chromatinhaltige Flüssigkeit im Follikel- raum sich ausbreitet. Das lässt sich einmal aus den Ueber- gängen schliessen, wie sie die Figuren 35b und 37 (vergl. auch Fig. 32) darstellen, dann aber auch daraus, dass die Streifen in Fig. 56 neben Luft vielfach deutliche Kernreste zeigen. — Alle drei Follikel sind wohl atretische:: Bei Fig. 35 spricht dafür die Intensität des Processes, bei Fig. 36 und 37 die mächtige Ausdehnung und der Blutreiehthum der Theca, in Fig. 37 das Fett in den aufgetriebenen und zerfallenden Zellen. Zu Anfang glaubte ich in den rothen Streifen Blut vor mir zu haben, indessen spricht dagegen ihre sucecessiv zu ver- folgende Entstehung, ferner die eonstante Abwesenheit von Blut- körperchen in diesen Fällen. _ Freies Blut im atretischen Follikel ist ein ausserordentlich seltener Befund. Weder bei einem ein- zigen meimer 'Thiere, auch niemals beim Kaninchen !), noch bei den menschlichen Foeten und Kindern habe ich solches nach- weisen können: beim erwachsenen Menschen mit Sicherheit nur zweimal. Nur das eine Mal konnte ich in Folge der Lage des Follikels und der Abwesenheit des Eies die vorangegangene Berstung ausschliessen — und gerade hier waren neben Blut, und deutlich von diesem zu unterscheiden, solche Netzstreifen vor- handen. Es handelt sich um die uns schon bekamnte Fig. 28a, wo sol- che Streifen die Zona und den Dotter des atretischen Eies umspinnen. Nagel?) und Alexenko?°) unterscheiden zwei Formen 1) Ich möchte letzteres ganz besonders gegenüber Gerlach (l. c.) betonen, welcher dem atretischen Follikel des Kaninehens im Gegen- satz zu demjenigen der Maus solches zuschreibt, SEI. Ixc, ulR e: 282 Dr. J. Schottlaender: der Follikelatresie: eine aktive, bei der die Ursache innerhalb des Follikels liegt, mit anderen Worten nieht zu eruiren ist, und eine passive, bei der Erkrankungen (Geschwülste, Entzündungen) der Umgebung die Verödung hervorrufen. Nach dem gegen- wärtigen Stand unserer Kenntnisse müssen wir uns, glaube ich, mit dieser Unterscheidung, die schon um der Uebersichtlichkeit halber zweckmässig ist, zufrieden geben. Auch ich habe eimige Eierstoeksschnittevon der Erwachsenen, in denen eine solche passive Follikelatresie sich eonstatiren lässt. 7. B. scheint mitunter eine interstitielle Oophoritis, die Ursache der sehr verringerten Follikelanzahl zu sein. Indessen wir dürfen uns vielleicht mit einigem Recht die Frage vorlegen, ob nicht die oben als aktiv bezeichnete Form der Follikelatresie im Grunde insofern auch eine passive ist, als Veränderungen der Thecagefässe den ersten Anstoss zur Atresie geben. Die auch s. Z. von Flemming!) eingeräumte Möglichkeit, dass bei der Liquorbildung ausser der sicher erfolgenden Zellenauflösung noch Gefässtranssudate eine Rolle spielen, liegt m. A. n. sehr nahe. Zieht man nun die oben bei atretischen Follikeln beschriebenen Bilder in Betracht, bei denen eine Gefässtranssudation gleichfalls sehr wahrscheinlich ist, so möchte man fast glauben: Die Follikelatresie wird durch abnorm wässerige Ernährung des Follikelinhalts bewirkt; die abnorm wässerige Ernährung aber durch abnorme Durchlässig- keit der Gefässe, welche dem Liquor zu reichliche Transsudate beimischen. Dass das Ei zuerst untergeht, darf uns dabei nicht befremden; ist doch das Centrum des Follikels der locus mino- ris resistentiae, der von der Hauptnahrungsquelle, den Gefässen, am meisten entfernte Punkt, und bildet sich doch auch normaler Weise der Liquor nicht zuerst in der Peripherie. — Ich verhehle mir nicht, dass sich hier gleich die weitere Frage anschliesst, warum die Gefässe abnorm durchlässig werden, ob man mit einer bisher nicht nachgewiesenen Erkrankung derselben in diesen Fällen zu rechnen hat und dergl. m. Ja ich betone sogar aus- drücklich, dass manche Erfahrungen ganz im Gegensatz zu dem Angeführten dafür sprechen, dass die erste Ursache der Atresie in einer veränderten Beschaffenheit des Eies liegt. — Es muss hierüber erst die Zukunft Klarheit schaffen. l) Nagel I], (Literaturverzeichniss No, 31). a Ueber den Graaf’schen Follikel ete. 283 Wir haben nach dieser Abschweifung den untergehenden Follikel weiter zu verfolgen und noch Einiges über seine schliess- lichen Schicksale hinzuzufügen. Gewöhnlich während des Ab- laufs der mit der Zerstörung von Ei und Epithel und mit Ab- fuhr des verflüssigten Follikelinhalts endigenden Processe, selten erst später, geht die Theca charakteristische Veränderungen ein. Ihr Volumen wächst durch Vermehrung der fixen Theecazellen, grössere Ansammlung von Wanderzellen und wie es scheint oft durch Vermehrung der Gefässe. Nicht selten findet eine aus- gedehnte Blutdurchtränkung statt — der Hauptbestandtheil ihres Gewebes wird Blut, welches das Bindegewebe rarifizirt (vergl. Fig. 28 und 36). Dabei bleibt es aber in der Mehrzahl der Fälle nieht. Die regelmässige Begrenzung der Theca verschwin- det, eine neugebildete Gewebsschicht senkt sieh bald einseitig bald eoneentrisch in den Follikelraum ein — das neugebildete Gewebe ist zuerst zellenreich, später zellenarm,, und wir finden schliess- lich an der Stelle des ursprünglichen Follikels eine feste fibril- läre Narbe, ein corpus albicans. (Vergl. meine früheren Figuren 9, 21, ferner Figur 40, 42.) Ich habe früher diesen Vor- sang genauer geschildert und habe heute nur einige Zusätze zu machen. In Betreff des Ursprungs der Gewebsneubildung !) zog ich 5 Möglichkeiten in Erwägung: an ihrer Entstehung sollten sich sicher und bei kleimen Follikeln fast auschliesslich, die fixen Thecazellen betheiligen ; im Uebrigen wahrschemlich ausserdem Wanderzellen, vielleicht endlich die supponirten Endothelien der membrana propria. | Zahlreiche ausserordentlich charakteristische und schöne Bilder von Folliken, die fast gänzlich von grossen, den Theca- zellen durchaus ähnlichen Zellen durchwuchert waren, und zahl- reiche Mitosen enthielten, haben mir von Neuem hinsichtlich der Betheiligung der Thecazellen Gewissheit gegeben. Auch an einer Betheiligung der Wanderzellen möchte ich festhalten; allem Anschein nach kommen diese vornehmlich nur 1) Wegen des darin enthaltenen Fettes und der Gefässe vergl. meine frühere Arbeit. Bezüglich letzterer habe ich mich an meinen Injektionspräparaten inzwischen von der vollkommenen Richtigkeit des Gesagten überzeugt. 284 Dr. J. Schottlaender: bei grossen Follikeln in Betracht. Bei diesen aber kommt ihnen vielleicht eine besondere Rolle zu. Man findet nämlich im Eier- stock des Menschen und des Schweins Follikel, welche inner- halb des Liquorgerinnsels ausser Epitbeltrümmern noch eigenthüm- lieh gestaltete lappige Kerne enthalten. Diese Kerne liegen theils frei, theils innerhalb fettig degenerirter Zellen und man kommt -bei ihrem Habitus mit der Annahme, es seien zu Grunde gehende Epithelkerne, nicht recht aus. Ich möchte daher glauben, dass wir Wanderzellen, deren die Theca hier eine besonders grosse Zahl aufweist, vor uns haben. Ihre Lage innerhalb der Epithelzellen erklärt sich vielleicht durch ihre aktive Theilnahme an der Ent- fernung der noch vorhandenen Zellentrümmer. Man wird sehr leieht verleitet, in solehen Bildern eine Stütze für die Ansicht zu sehen, dass Wanderzellen auch im das Ei eindringen und hier eine destructive Thätigkeit entfalten. Indessen dagegen spricht die hochgradige Zerstörung des Follikelinhalts, welche mit einiger Wahrscheinlichkeit darauf schliessen lässt, dass ein Ei um diese Zeit meist gar nicht mehr vorhanden ist. In der That entdeckte ich nur einmal noch ein solches in einem Follikel des Schweine- eıerstockes. Dasselbe liess eingedrungene Leukocyten nicht er- kennen. »erade durch diesen Fall wurde ich darüber belehrt, dass auch bei atretischen Follikeln schon in einem früheren Stadium, als ich ursprünglich annahm, Wanderzellen in Aktion treten. In- dessen bieten auch Follikel, die ich wegen ihrer oberflächlichen Lage guten Grund habe als geplatzt und nachträglich wieder aufgebläht anzusehen, durchaus ähnliche Erscheinungen dar. Ich begnüge mich mit dieser kurzen Erwähnung und verweise im Uebrigen auf Fig. 38a. Wir sehen hier ein peripherisches Stück aus einem solchen Follikel. Fig. 38b mit Chromatolyse und Fettdegeneration stellt ein centrales Stück dar. Die Betheiligung der Endothelien der membrana propria muss nach den obigen Mittheilungen folgerichtig ausgeschlossen werden. Bevor ich mich an frischen Präparaten orientirt hatte, war ich allerdings eine Zeit lang recht im Unklaren über diese Frage: ich fand nämlich beim erwachsenen Menschen (nachträg- lich auch beim Kaninchen, nieht aber bei den anderen Thieren) jene glashellen von Slavjansky, Beulin u. A.!) beschrie- Siehe meine frühere Arbeit S. 194 f. Ueber den Graaf’schen Follikel etc. 285 benen Membranstreifen , welche von ersterem Autor zu der Thä- tigkeit der membrana propria in Beziehung gebracht worden sind. Beulin fasste sie als durch Sklerose des perifollikulären Bindegewebes entstanden auf. In den Figg.39,40,41 (41 a)u. 42 sind solche Mempbranstreifen dargestellt. Ich glaube nicht fehl zu gehen, wenn ich in den Figuren die aufeinanderfolgenden Stadien desselben Processes sehe, nämlich der Narbenbildung beim atre- tischen Follikel. In Fig. 39 ist die Theca zwar ausserordentlich zellenreich, also gewuchert, aber die Wucherung ist noch nicht in den Follikelraum , welcher mit einem körnigen zellen- resp. kernfreien Gerinnsel gefüllt ist, eingedrungen. In Fig. 40 ist der Follikelhohlraum eingeengt. Eine schon frühzeitig fibrillär um- gewandelte und mit zerfallenen Epithelkernen durchsetzte Theca- wucherung ist gegen das Centrum vorgedrungen ; dieses ist aber nicht ausgefüllt, sondern zum grössten Theil leer, es enthält nur noch einige Epithelreste. In Fig. 41 und 42 besteht Centrum und Peripherie in gleicher Weise aus Bindegewebe. Die Wuche- rung ist vollständig gewesen. In Fig. 41 ist das Centrum noch zellenreich, in Fig. 42 endlich zellenarm, fibrillär : die Narben- bildung ist vollendet. Verfolgen wir nun die Membran in den verschiedenen Follikeln, so ergibt sich . zunächst aus Fig. 39, dass sie sicher ursprünglich intrafollikulär liegt, d. h. die Theca innen begrenzt. In dem Follikel der Fig. 539 ist sie an der ganzen Circumferenz in ziemlich gleicher Breitenausdehnung sichtbar. (Aus der Fig. nieht zu entnehmen.) Anders im Folli- kel der Fig. 40. Hier fehlt sie grösstentheils und ist nur eine Strecke weit (bei m) zu erkennen. Ebenso ist sie in Fig. 41 vollständig; in Fig. 42 unvollständig und was hier durch einige wenige Bilder illustrirt ist, kann man ausserordentlich häufig wiederfinden. Was ist daraus zu entnehmen? Haben wir es mit der an einigen Stellen resorbirten typischen membrana propria zu thun, und wie erklärt sich dann die z. Th. enorme Breitenausdehnung? Mir scheint, alle Zweifel lösen sich, wenn wir von der oben über die membrana propria geäusserten An- sicht, in weleher ich dureh diese Befunde wesentlich bestärkt worden bin, ausgehen. Fassen wir die membrana propria als hyalin umgwandeltes Thecagewebe auf, so ist nichts dagegen einzuwenden, wenn man ihr auch bei der Entstehung dieser Membranen eine Betheiligung zuschreibt. Diese Membranen sind 286 Dr. J. Schottlaender: selbst — und das ist, glaube ich, die mit den Thatsachen am besten vereinbarte Erklärung — nichts weiter als hyalin umge- wandeltes Bindegewebe. So wird uns ihre Unbeständigkeit, ihre wechselnde Ausdehnung u. w. dergl. m. ist, völlig verständ- lich. Ob wir da, wo die Membran fehlt eine Resorption voraus- setzen oder annehmen sollen, dass sie an diesen Stellen überhaupt nie bestanden hat, ist dann eine Frage von untergeordneter Bedeu- tung. Wenn uns die grosse Ausdehnung der Membran im Fig. 41 u.42 interessirt, so ist es lediglich deshalb, weil wir über ihr Lageverhältniss zum Follikel Aufschluss haben wollen. Nun, trotz der Ausdehnung, welche ja durch hyaline Umwandlung der gesammten Theca zu perifollikulärer Lage geführt haben könnte, ist die Lage noch intrafollikulär. Das geht einmal aus dem Umstande hervor, dass die nächste peripherische Umgebung der Membran zellenreicher ist, als das benachbarte interstitielle Eierstocksgewebe, ferner aus der ringförmigen Anordnung dieser Umgebung. (Vergl. m. frühere Fig. 21.) Ueber die Natur der hyalinen Verquellung und ihren vermuthlichen Zweck soll im Zusammenhang mit den gelben Körpern berichtet werden. | In Fig. 39 haben wir ein gutes Beispiel dafür, dass die Narbenbildung im atretischen Follikel bisweilen unvollständig bleibt, resp. überhaupt nicht erfolgt. Da in dem in Fig. 39 veranschaulichten Stadium der Atresie noch jede Andeutung einer bindegewebigen Einwucherung in die Follikelhöhle fehlt, so ist eine wirkliche Narbenbildung kaum zu erwarten. Bisher hatte ich mit Nagel angenommen, dass in diesem Falle aus dem atretischen Follikel sich eine ‚epithellose Cyste entwickelt. Nun hat neuerdings Steffeek sehr überraschende Beobachtungen mitgetheilt, welche noch eine andere Möglichkeit eröffnen sollen. Steffeek berichtet von Follikeln, die durch das darin enthal- tene Ei als solche kenntlich waren, 1. eine Veränderung ihrer Gestalt, 2. das’Auftreten von Ausbuchtungen. Hierzu möchte ich bemerken, dass ich bei atretischen Follikeln !) nicht selten durchaus ähnliche Bilder gesehen habe, dass ich mir dieselben aber nieht wie Steffeck durch aktives excentrisches Wachsthum des Epithels, sondern durch aktives 1) Einige der von Steffeck abeebildeten Follikel machen auf mich durchaus den Eindruck atretischer Follikel, a A TEE Zul. Me ee Ueber den Graaf’schen Follikel ete. 287 eoncentrisches Wachsthum der in diesen Fällen gewucherten Theca erklären musste, die das Epithel zusammendrängt. Was ich indessen nie beobachtet habe und für durchaus beweisend halten muss, ist der dritte von Steffeek erhobene Befund: der Uebergang gewöhnlichen Follikelepithels in hohes Cylinderepithel. Es darf danach angenommen werden, dass vielleicht sogar aus atretischen Follikeln, so wenig plausibel das auf den ersten Blick auch erscheinen mag, wirkliche epithelhaltige Cysten hervor- gehen können. B. Der gelbe Körper. Den uns schon bekannten epithelioiden Zellen der Theca interna sprungfertiger Follikel, mit anderen Worten den fixen Thecazellen kommt m. A. n. der alleinige Antheil bei Herstel- lung der Luteinzellen der gelben Körper zu. Ich schliesse mich in dieser Beziehung durchaus den Berichten von Benckiser, Nagelu. A. an. Die Beobachtung lehrt eine so auffallende Formen-Uebereinstimmung der in Betraeht kommenden Elemente, die Theeazellen geben zu einer gewissen Zeit so genau den Habi- tus der Luteinzellen im Kleinen wieder, dass an eine direkte Betheiligung von Wanderzellen oder gar Epithelien füglich nicht mehr gedacht zu werden braucht. Als wichtiges Moment bei dem Mechanismus der Follikel- berstung hat Waldeyer s. Z. und nach ihm Nagel die fettige Degeneration des Epithels und der Thecazellen , welche zuvor erfolgen soll, hingestellt. Ich habe sehr grosse, meiner Ansicht nach sprungfertige Follikel gesehen, deren epithelioide Thecazellen sowohl, wie deren Epithel jede Spur von Fett ver- missen liessen. Ich möchte daher annehmen, dass diese Ver- fettung,, wenn überhaupt , erst ganz kurz vor dem Bersten ein- tritt, während sie später allem Anscheme nach (vergl. Fig. 38 a) sehr lebhaft ist. Daraus folgt, dass die alte bekannte Ansicht von dem Mechanismus der Follikelberstung doch nicht ganz unzu- treffend ist. Auch Gerlach!) scheint seinen neuesten Mitthei- lungen zufolge daran festzuhalten. Die Ansicht, welehe Nagel über die Ausbildung des eorpus luteum ausgesprochen hat, theile ich im Ganzen vollkom- DEE: 2SS Dr. J. Schottlaender: men. Auch ich möchte betonen, dass darin ein Wucherungs- vorgang zu sehen ist. Dass aber damit die Möglichkeit einer zeitweiligen Retraction des sekundär entstehenden Bindegewebes ausgeschlossen sein soll, sehe ich nicht recht ein. Ich habe allen Grund anzunehmen, dass das nach dem Verschwinden der Luteinzellen auftretende Bindegewebe zuerst zellenreich ist, dann zellenärmer wird, sich also retrahirt und dann erst hyalin ver- quillt. Ja gerade bei einem Fall einer epithellosen Cyste welehe ich beim Schwein gefunden, scheint mir dieser Bildungs- modus zuzutreffen. Es zeigte sich hier eine e. bohnengrosse völligepithellose Höhle, welche von fibrillärem Bindegewebe, das noch keine weiteren Veränderungen erkennen liess, unregelmässig be- grenzt war. An der peripherisch ringförmigen Anordnung des Bindegewebes war die Natur des Gebildes sofort kenntlich. Man darf hier wohl mit eimigem Recht voraussetzen, dass das ur- sprüngliche Coagulum resorbirt worden ist, ehe die Luteinzellen es durchwachsen hatten und dass gerade dabei eine sekundäre Retraetion des Bindegewebes stattgefunden hat. Wie schon erwähnt, erfolgt unzweifelhaft zu einer gewissen Zeit eine hyaline (colloide) Metamorphose des Bindegewebes ; ebenso unzweifelhaft werden die aus hyalinem Bindegewebe be- stehenden weissen Körper später, aber im Ganzen erst sehr spät, resorbirt. Beide Thatsachen stehen wohl in einem gewissen Zu- sammenhang. Es dürfte nicht unwahrscheinlich sein, dass in dieser hyalinen Umwandlung eine Vorbereitung zu leiehterer Re- sorption zu sehen ist. Dass es sich hier um echtes Hyalin handelt, ist daher wieder kaum anzunehmen — ob aber der bei der Resorption der grossen Eier vermuthete Process vorliegt, ob es sich um eine einfache Flüssigkeitsdurchtränkung handelt, muss erst spätere Forschung entscheiden. Das hyaline (colloide) jindegewebe der weissen Körper ist in seiner Beschaffenheit identisch mit den obenbeschriebenen Membranen. Wenn diese stark gefaltet sind und zwischen sich wie es vorkommt, nur einige wenige Bindegewebskerne fassen, so ist eine Unterscheidung von in Resorption begriffenen weissen Körpern oft nieht möglich (Fig. 45). Vielleicht dürfen wir für die atretischen Follikel daraus den Schluss ziehen, dass auch sie gleich den weissen Körpern schliesslich schwinden und ihren Platz heranwachsenden Follikeln einräumen. Ueber den Graaf'schen FPollikel ete. 989 Den Inhalt des letzten Kapitels möchte ich folgendermassen zusammenfassen '): A. Die Follikelatresie, der Untergang ungeplatzter Follikel ist bei Mensch und Säugethieren ein physiologischer Vorgang. Ihr Hauptkriterium liegt im der Beschaffenheit des Follikel-Eies. Der Zustand des Follikel-Epithels ist unr bedingt verwerthbar, da bei der Liquorbildung immer Epithel und zwar in analoger Weise zu Grunde geht. — Für den Untergang der Ei- und Epithelzelle gelten im Grossen und Ganzen die gleichen Gesichtspunkte. Der Kern geht entweder a) chromatolytisch (Flemming) oder b) einfach atrophisch; der Zellkörper ent- weder a) durch Fettdegeneration oder ß) auf eine an gehärteten Präparaten nicht controllirbare Weise (durch albuminöse Degenera- tion?) zu Grunde; letzteres, ß, findet in Betreff des Zellkörpers stets statt bei der gewöhnlichen Liquorbildung, während für den Kern dabei a) und b) Geltung zu haben scheint. Durch ver- schiedene Combination von a) und b) mit a) und ß) lassen sich die verschiedenartigen vorhandenen Bilder erklären. Der Effekt von a) und ß) ist eine Verflüssigung des Zellkörpers, die nament- lich bei der Eizelle eine besondere Rolle spielt und zu hyaliner Verquellung zu führen schemt. Schon die Ureier des Keimepi- thels können ebenso wie die grösseren und reifen Eier dem Untergange verfallen; dasselbe gilt von den Eiern der kleinsten bis grössten Follikel. In den meisten Fällen, wenigstens bei kleineren Folliken, erfolgt während des Untergangs von Ei und Epithel, wohl unter Betheiligung von Wanderzellen, die Deekung des entstehenden Substanzverlustes durch eine Wucherung der Theca interna, die zur Ausbildung einer aus fibrillärem Bindegewebe bestehenden Narbe führt. Ist die Narbenbildung unvollständig oder bleibt sie aus — was besonders bei grossen Follikeln vor- zukommen scheint — so ist wohl der Anlass zur Bildung epithel- loser Oysten gegeben. B. Das Corpus luteum entsteht ohne Betheiligung von Epithel- und Wanderzellen durch die Wucherung der epi- thelioiden Zellen der Theca interna sprungreifer Follikel. Eine Verfettung der Thecazellen scheint, wenn überhaupt, erst sehr spät einzutreten. Die Ausbildung des gelben Körpers beruht 1) Vergl. Centralblatt für Gyn. |. c. 290 Dr. J. Sehottlaender: vorzugsweise auf einem Wucherungsvorgang (Nagel); doch kann wohl zu gewissen Zeiten trotzdem eine Retraction des ein- wachsenden Bindegewebes stattfinden. Sicher erfolgt schliesslich eine Resorption der gelben Körper, vielleicht ist dabei eine hya- line Aufquellung des Bindegewebes, die auch bei den Narben- körpern der atretischen Follikel in Gestalt von Membranen zu beobachten ist, nicht ohne Wirksamkeit. Auch bei Thieren kommen epithellose Cysten des corpus luteum vor, wie ein beim Schwein gemachter Befund beweist. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XV und XVI. Alle Figuren sind, wofern nicht ein besonderer Vermerk gemacht ist, in natürlicher Grösse hergestellt. Unter „Gemisch“ ist das Flem- ming’sche Chrom-Osmium-Essigsäure-Gemisch verstanden. Fig. 1. Eiballenabschnitt aus dem Eierstock eines ca. 283 wöchentlichen menschlichen Fötus. Gemisch-Härtung, Saffranin-Färbung (Z. Obj. DD Comp. Oe. 4. Tubusl. 18). — K = Keimepithel. Im Uebrigen siehe Text S. 225 f. Fig. 2. Schnittpräparat aus dem Eierstock eines ca. 28wöchentlichen menschlichen Fötus. Härtung, Färbung wie oben, 3mal nach der Natur vergrössert. — ff = schlauchförmige Furchen der Oberfläche. Im Uebrigen siehe Text S. 226. Fig. 3. Valentin-Pflüger’scher Schlauch aus dem Eierstock der Fig. 1. Härtung, Färbung, Vergrösserung wie dort. — P= Primordialfollikel, m = Andeutung einer homogenen Membran. Im Uebrigen siehe Text S. 227 £. Fig. 4. Atypischer Primordialfollikel aus dem Eierstock eines reifen Kindes. Alkohol-Härtung, Saffranin-Färbung (Z. Apochr. Im- mers. 2,0 mm Comp. Oe. 4. Tubusl. 18). — Beschreibung siehe Text S. 229. Fig. 5. Atypischer Primordialfollikel aus dem Eierstock eines ca. 32wöchentlichen menschlichen Fötus. Gemisch-Härtung, Fär- bung, Vergrösserung wie oben. — Beschreibung siehe Text 8. 2297. Fig. 6. In Trennung begriffener atypischer Primordialfollikel aus dem Eierstock b. 2. (Text S. 220) einer Erwachsenen. Härtung, Färbung, Vergrösserung wie oben. — Siehe Text S. 231 ff. . In Trennung begriffener atypischer Primordialfollikel aus dem 1 1 Fig. Fig. Fig. oO Fig. Fig. Ueber den Graat’schen Follikel etc. 9291 Eierstock der Fig. 4. Vergrösserung wie oben, halbschematisch. — Beschreibung siehe Text S. 231 ff. 8. Eiballenfollikel aus dem Eierstock eines ca. 26 wöchentlichen menschlichen Fötus. Härtung, Färbung wie oben. (Z. Apochr. Imm. 2,0 mm. Comp. Oe. 2. Tubusl. 18.) — Theca mit relativ grossen, spärlichen Kernen, im Epithel Nebeneier. , 9. Theil eines Eiballenfollikels aus dem Eierstock eines ca. 32 wö- chentlichen menschlichen Fötus. Härtung, Färbung, Vergrös- serung wie oben. — Theca mit zahlreichen kleineren Kernen, bei m Andeutung einer homogenen Membran, im Epithel zahlreiche Nebeneier, zwei davon mit mitotischen Kernen; eines untergegangen, hyalin metamorphosirt. 10. Hauptei mit umgebendem Epithel aus einem Eiballenfollikel eines reifen Kindes. Alkohol-Härtung, Färbung, Vergrösse- rung wie oben, nur Comp. Oec. 4. — Zona des Haupteies leicht gequollen und allem Anschein nach durch eingewanderte Epi- thelien an mehreren Stellen zersprengt und längs gespalten. Dotter mit Fettkörnchen gefüllt, Chromatolyse des Keimbläs- chens. Im Epithel hyaline Nebeneier. 10a u. b. Nebeneier aus demselben Follikel. — Siehe bezüglich Eige. 10 b,:8. 237, .Anm..2. 11. Eiballenabschnitt aus dem Eierstock eines ca. 23wöchentlichen menschlichen ‚Fötus. Gemisch-Härtung, Färbung, Vergrösse- rung wie oben, nur Comp. Oe. 2. 12. Schlauchfollikel aus demselben Eierstock. Härtung, Färbung wie oben (Z. DD, Comp. Oe. 4. Tubusl. 18). — Zugespitzte Form. (Siehe Text S. 2385£.) Einwanderung von Epithelien in das Ei, dessen Zona zerstört ist; einfache Atrophie des Keimbläschens. 13. Keimepithel-Einsenkung aus dem Eierstock e einer Erwach- senen. Chrom-Ameisensäure-Härtung. (Z. Obj. A., sonst wie oben.) Beschreibung siehe Text S. 245 f. '. 13a. Der als a bezeichnete Abschnitt obiger Figur mit Z. Apochr. Imm. 2,0 mm, sonst wie oben. — Blk = rothe Blutkörperchen. . 14. Schnittpräparat aus dem Eierstock e 1 einer Erwachsenen. Gemisch-Härtung, 3mal nach der Natur vergrössert.. — Ring- förmige Keimepithel-Einsenkung siehe Text S. 245 f. g. 14a. Der als a bezeichnete Abschnitt mit Z. Apochr. Imm. 2,0 mm, sonst wie oben. ‚. 14b. Der als b bezeichnete Abschnitt ebenso. . 15. Abgeschnürter Keimepithelschlauch aus dem Eierstock c 2 einer Erwachsenen. Gemisch-Härtung. (Z. Apochr. Imm., sonst wie oben.) Hohes Epithel. In der Umgebung Luteinzellen. . 16. Follikelartiger Keimepithelschlauch aus dem Eierstock b 2 einer Erwachsenen. Härtung, Vergrösserung wie oben. b= Bindegewebe, o = Ei oder Epithelderivat. O = Eierstocksober- fläche. Siehe Text S. 245 f. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 41 19 299 Fig. Fig. 17. Fig. 18. Fig: 49. Fig. Fir. 21: Fig. 22. Fig. 23. Fig. 24. Fig. 25. Fig. 26. Fig. 27. Fig. 28. Dr. J. Schottlaender: 16a. Der als a bezeichnete Abschnitt mit Z. Apochr. Imm. 2,0 mm sonst wie oben. ep = Epithel, | = Luteinzellen. Follikel aus dem Eierstock b 2 einer Erwachsenen. Gemisch- Härtung, Saffranin-Färbung, Vergrösserung wie oben. Th= Theca, m = homogene Membran, Ep = Epithel, o =Ei. Abschnitt eines Eiballenfollikels aus dem Eierstock eines ca. 32 wöchentlichen menschlichen Fötus. Härtung, Färbung, Ver- srösserung wie oben, siehe Text S. 259. Eizelle aus den Eiballen eines ca. 26wöchentlichen mensch- lichen Fötus. Härtung, Färbung, Vergrösserung wie oben. Beginnende Chromatolyse des Kerns. Kernhof. Im Zellleib eingewanderte Epithelzelle (?) und Chromatinkörner. Siehe Text S. 268 ff. 2Da—g. Aus den Eiballen eines ca. 24 wöchentlichen menschlichen Fötus stammende Eizellen mit chromatolvtischer Atrophie ihres Kerns. Platinchlorid-Härtung, Saffranin- und Gentianafärbung, Vergrösserung wie oben. — Beschreibung siehe Text S. 268 f. Eirest aus einem Eiballenfollikel eines ca. 32wöchentlichen menschlichen Fötus. Gemisch-Härtung, Saffranin-Färbung, Vergrösserung wie oben. Einfache Atrophie des Keimbläs- chens. Hyalin metamorphosirtes, zu Grunde gegangenes Ne- benei innerhalb des Epithels. Primordialfollikel aus dem Eierstock der Figur 20, Färbung, Vergrösserung wie oben. Einfache Atrophie des Keimbläschens. Primordialfollikel aus dem Eierstock eines ca. 32 wöchentlichen menschlichen Fötus. Gemisch-Härtung, Saffranin-Färbung, Vergrösserung wie oben. Zellkörper fast ganz geschwunden. Hier und da Fett. Bei e fettig degenerirte eingewanderte Epithelzelle (?). Einfache Atrophie des Keimbläschens. &—= Getäss. Primordialfollikel dem gleichen Schnitt wie Fig. 22 entnommen. Keimbläschen im letzten Stadium der einfachen Atrophie. Derivate untergegangener Eier aus dem Eierstocke der Fig. 19. Färbung, Vergrösserung wie dort. K = Keimepithel. Siehe Text S. 274. Abschnitt aus dem Follikel der Fig. 21. Hyaline Nebeneier. Abgeblasste chromatolytische Körnchen im Liquor. Im Uebri- gen siehe Text S. 274 f. Schlauch (?) Follikel aus dem Eierstocke eines ca. 32 wöchent- lichen menschlichen Fötus. Gemisch-Härtung, Saffranin-Fär- bung. (Z. Apochr. Imm. 2,0 mm, Comp. Oe. 4.) Im Dotter ein- sewanderte Epithelien. Keimbläschen fast völlig structurlos, homogen, dunkel gefärbt. — Siehe Text S. 275. Schnittpräparat aus dem Eierstock e einer Erwachsenen. Chrom-Ameisensäure-Härtung. 3l/;mal nach der Natur vergrös- sert. Atretischer grosser Follikel. Der schraffirte Theil stellt die ausserordentlich blutreiche Theca dar. Bei a liegt das in 2 Fig. Fig. Fig. Fig. al. ig. 36. 8. 37. Ueber den Graaf’schen Follikel ete. 295 g. 28a mittelst Z. DD. Comp. Oc. 4 dargestellte Ei. Die Zona unre- gelmässig begrenzt, stark gequollen, hat sich von dem fein- körnigen, leicht hyalin aussehenden Dotter abgelöst. Dotter und Zona sind von gleichmässig gefärbten, netzförmig verzweigten Streifen (siehe Text S. 2851) umsponnen. In der Umgebung der Zona ausserdem freies Blut und fettig degenerirte zerfal- lende Epithelzellen. Eiderivat aus dem Eierstock b 1 einer Erwachsenen. Alkohol- Härtung, Hämatoxylin- und Eosin-Färbung (in der Figur aus äusseren Gründen rothes Colorit). Z. Apochr. Imm. 2,0 mm, Comp. Oe. 4. Tubusl. wie oben. — Gequollene fast schon zu- sammengeklappte Zona, welche verfettete Epithelien enthält. Follikelabschnitt aus dem Eierstock eines ca. 32wöchentlichen menschlichen Fötus. Gemisch-Härtung, Saffranin-Färbung, Vergrösserung wie oben. Chromatolyse der Epithelkerne. Bei n ein chromatolytisch degenerirtes Nebenei(?) (vergl. Fig. 20b.) Liquorhaltiger Follikel aus dem Eierstock e 2 einer Erwach- senen. Härtung, Färbung, Vergrösserung wie oben.. Abge- blasste Chromatinkörner im Epithel. Chromatolytische Epithelvacuole (siehe Text S. 277) aus einem Follikel desselben Eierstocks. Härtung Färbung wie oben; 2/, derselben Vergrösserung. Hyaline Epithelvacuole (siehe Text S. 278f.) aus einem an- deren Schnittpräparat des Eierstocks der Fig. 21. Härtung, Färbung, Vergrösserung wie dort. Chromatolytischer Liquorhaltiger Follikel aus dem Eierstock eines ca. 28wöchentlichen menschlichen Fötus. Härtung, Fär- bung, Vergrösserung wie dort. — Beschreibung s. Text S. 280. Chromatolytischer Follikel aus dem Eierstock eines reifen Kindes. Alkohol-Härtung, Färbung wie oben. (Z. DD. Comp. Oe. 4. Tubusl. 18.) — Beschreibung s. Text S. 280 f. . 35a u. b. Theile desselben Follikels mit Z. Apochr. Imm. 2,0 mm, sonst wie oben. — Beschreibung siehe Text S. 281. Follikel aus demselben Eierstock. Härtung wie oben. Häma- toxylin- und Eosin-Färbung. (Z. A. Comp. Oe. 4. Tubusl. wie oben.) (Wegen des Colorits in d. Fig. s. b Fig. 29.) — Beschrei- bung siehe Text S. 231. Atretischer Follikel aus dem Eierstock e einer Erwachsenen. Chrom-Ameisensäure-Härtung, Saffranin-Färbung. (Z. Apochr. Imm. 2,0 mm, sonst wie oben.) — Beschreibung s. Text S. 281. 35a u. b. Theile eines untergehenden, geplatzten (?) Follikels aus dem Eierstock e 1 einer Erwachsenen. Gemisch-Härtung, Fär- bung, Vergrösserung wie oben. 35a —= Peripherischer Theil. Bei w in die aufgeblähten Epithel- zellen eingedrungene Wanderzellen ? Dr. . 40. >. 41. ualer ig. 49. J. Schottlaender: Ueber den Graaf'schen Follikel ete. ‘. 35b = Centraler Theil. Chromatolyse und Fettdegeneration der Epithelzellen. Abschnitt aus einem atretischen Follikel des Eierstocks b 2 einer Erwachsenen. Härtung, wie oben. (Z. Apochr. Imm. 2,0 mm, Comp. Oec. 4. Tubusl. wie oben.) Th= Ge@wucherte Theca interna, m = homogene Membran, J = feinkörniger Inhalt. Atretischer Follikel aus dem Eierstock e 2 einer Erwachsenen. Härtung, Vergrösserung wie oben. Unvollkommene Narben- bildung. m= homogene Membran. — Siehe Text S. 285. Follikelderivat aus dem Eierstock b 1 einer Erwachsenen. Alkohol - Härtung, Vergrösserung wie oben. Vollkommen schliessende homogene Membran. Der als a bezeichnete Abschnitt obiger Figur mit Z. Apochr. Imm. 2,0 mm, Comp. Oc. 4. Tubusl. wie oben. Bindegewebe aussen zellenreicher wie innen. Follikelderivat aus demselben Eierstock. Vergrösserung Z. Apochr. Imm. 2,0 mm, Comp. Oec. 4. Unvollkommen schliessende Membran. Aussen zellenreiches, innen zellenarmes Binde- gewebe. Narbenkörper aus dem Eierstock e 1 einer Erwachsenen. Ver- grösserung wie oben. — Siehe Text S. 288. Ueber drüsenähnliche Bildungen in der Schleimhaut des Nierenbeckens, des Ureters und der Harnblase beim Menschen. Von Dr. A. v. Brunn, Prof. in Rostock. Hierzu Tafel XVII. Zu den Fragen, welche wegen Mangels an Uebereinstim- mung zwischen den Angaben der Autoren immer wieder auf die Tagesordnung gekommen und doch nicht endgiltig entschieden Ueber drüsenähnliche Bildungen in der Schleimhaut ete. 295 sind, gehört die nach dem Vorhandensein von drüsigen Gebil- den in den Ureteren und der Harnblase des Menschen. Während die Angabe Unruh’s (1) über das ausnahms- weise Vorkommen von verzweigten acinösen Drüsen im Nieren- beeken durch Egli (2) und Hamburger (5) Bestätigung er- hielt und auch von Toldt 5) und Gegenbaur (4) in deren Lehrbücher aufgenommen worden ist, erwähnt nur Hambur- ser (5) des Vorkommens von Drüsen im Harnleiter und giebt an, dass solche im oberen Theile häufiger seien als im unteren. Toldt (3) ist nicht im Stande gewesen, an letzerem Orte die in Rede stehenden Gebilde nachzuweisen und die übrigen seither erschienenen oder neu aufgelegten Lehrbücher wie z.B. Gray (6), Sappey (7), Schenk (8), Gegenbaur (4), thun ihrer keine Erwähnung. Die grössten Gegensätze findet man bezüglich der Angaben über Drüsen der Harnblase. Kölliker (9) sagt, dass sich in der Näheder Urethramündung und gegen den Blasengrund zu kleine Drü- sen in Form einfacher birnförmiger Schläuche oder kleiner Träubehen von solchen mit eylindrischem Epithel und hellem Schleim als Inhalt finden. Henle (11) beschreibt von derselben Lokalität kleine nur zuweilen vorhandene Drüsen und giebt an, dass ihr Bau derselbe sei wie derjenige der kleinen Drüsen die in der Urethra in der Nähe des Collieulus semmalis angetroffen werden; von ihnen hat bezüglich der weiblichen Blase Vir- cehow (10) mitgetheilt, dass sie nicht selten Concretionen ent- halten, die ganz den Prostatasteinchen gleichen, sodass man es also sicher mit verirrten Prostatadrüschen zu thun hat. Offen- bar dieselben Gebilde beschreibt Krause (12) als einfache we- nig verästelte acinöse Drüsen mit eylindrischem Epithel in den Ausführungsgängen ; er erwähnt aber ausserdem auch noch des Befundes von runden oder ovalen Krypten. Gegenbaur (4) nennt kleine Schleimdrüsen von acinösem Baue als Bestandtheile der Blasenschleimhaut; Gray (6) schliesst sich Krause durch- aus an, — wogegen Toldt (3) überhaupt Drüsen der Blase nicht erwähnt und Sappey (7), gestützt auf eigene Untersu- chungen und diejenigen von Robin und Cadiat das Vor- kommen drüsiger Bildungen überhaupt leugnet „jusqu'au moment ol les anatomistes qui disent les avoir vues apporteront A V’appui de leur opinion des faits plus concluants,“ 296 DEAN BERNDE Die seltene Gelegenheit, die Harnorgane zweier gesunder hingeriehteter Männer von 30 und 40 Jahren im frischen Zu- stande in Alkohol härten und danach untersuchen zu können, habe ich benutzt um festzustellen, ob in deren Nierenbecken, Harnleitern und Blasen drüsige Gebilde vorkommen, und welche ihre Beschaffenheit ist, und bringe im Folgenden das Ergebniss dieser Untersuchung. Da mag denn zunächst Erwähnung finden, dass mein Suchen nach den von Henle als zuweilen vorkommend bezeich- neten acinösen Drüsen in der Nähe des Orifieium internum urethrae in beiden Fällen ein vergebliches war, trotzdem gerade dieser Theil beider Blasen auf Serienschnitten sehr genau durch- forscht wurde. Ich wende mich jetzt zunächst der Pelvis renalis zu. Hier habe ich die von Unruh (1) entdeckten Gebilde weder in den Organen der beiden Hingerichteten noch in denen einer anderen männlichen Leiche vermisst und kann auch die Angaben des Entdeckers, dass sie ziemlich selten sind und ihre Vertheilung keine Regelmässigkeit erkennen lässt, be- stätigen. Am häufigsten begegnet man ihnen in der Verenge- rung nach dem Ureteranfang zu, sie fehlen den Kelchen voll- ständig. Die Grösse des Drüsenkörpers variirt von 0,4 bis 0,5mm. Die Form kann wohl als traubenähnlich bezeichnet werden, in- dem an einem Stämmcehen mehrere meist mit kugeligen Auftrei- bungen endigende Aestchen sitzen. Der Stamm geht mitunter senkreeht zur Innenfläche des Nierenbeckens ab, bald verläuft er demselben nahezu parallel, wie es in den beiden Exemplaren der Fall war, welche die in Fig. 1 gezeichneten Plattenmodelle geliefert haben. Der Bau derselben ist schon von Hambur- ger (5) richtig geschildert worden: sie sind von einer sehr deut- lichen, platte Kerne enthaltenden Membran umschlossen und fast ganz von Epithelzellen ausgefüllt; letztere sind an der Peripherie eylindrisch und radiär gestellt, weiter nach Innen hin polyedrisch. Man mussdas Epithel also alsgeschichtetes Pflasterepithel bezeichnen, welches dem Oberflächenepithel des Nierenbeckens durchaus gleicht. Auch im Hauptstamme befindet sich die entsprechende Auskleidung mit dem einzigen Unterschiede, dass hier die Zahl der Zellenlagen meist eine geringere ist. Ein Lumen kommt meist vor, fehlt aber auch mitunter; im ersteren Falle erstreckt es sich entweder nur eine kurze Strecke in den Stamm hinein — wie in Fig. 1 angedeutet — oder es Ueber drüsenähnliche Bildungen in der Schleimhaut ete. 2a geht bis in den Anfang der Aeste. Es ist nie glatt begrenzt wie die Lumina wirklicher Drüsen, sondern ganz unregelmässig umran- det und macht den Eindruck einer wie zufällig zwischen den polyedri- schen Innenzellen entstandenen Spalte. Jedenfalls ist es mit anderen Drüsenliehtungen nicht auf eine Stufe zu stellen. In den dies Lumen begrenzenden Zellen sind auch nirgends Erscheinungen zu erkennen, welehe auf eime Sekretionsthätigkeit schliessen liessen , sowie auch ein Sekret nirgends zu sehen ist. Unruh hat die Nieren- beekendrüsen mit den Talgdrüsen verglichen, und in der That trifft dieser Vergleich noch am meisten zu, wiewohl er insofern hinkt, als eben von Sekret und Sekretionserscheinungen nichts wahr- nehmbar ist. Die Untersuchung der Ureteren lässt im oberen Drittel ausser den zahlreichen Längsfalten, welche die Schleimheit bildet, in grosser Zahl diejenigen Gebilde erkennen, welche Hambur- zer (5) als Drüsen bezeichnet — s. Fig. 2 bei *, **, 1, it — Sie erweisen sich als Ausstülpungen des Epithels von beerenähn- licher Gestalt, nicht gerade häufig getheilt wie bei **, die manchmal völlig solid, manchmal mit eimer Höhlung versehen sind, welche letztere dann natürlich mit dem Ureterlumen eommuni- eirt. Ihr Bau ist ähnlich wie an den ihnen entsprechenden grösse- ren Gebilden des Nierenbeckens: eine Membrana propria ist vor- handen, geschichtetes Pflasterepithel erfüllt die soliden Exemplare vollständig, kleidet die ausgehöhlten aus; es ist in letzeren am Halse dünner als im Grunde — nirgends aber kann man es — und dadurch unterscheiden sich meine Befunde von denen Ham- burgers — als Cylinderepithel bezeichnen. Auch gilt hier in Bezug auf die Begrenzung des Lumens und das Aussehen der demselben benachbarten Elemente des Epithels dasselbe, was oben rücksichtlich der sogenannten Nierenbeckendrüsen mitge- theilt wurde. Es ist zweifellds, dass man es im Nierenbeeken und im Ureter mit denselben nur durch ihre Grösse verschiedenen Dingen zu thun hat. Die beiden untersuchten männlichen Harnblasen, die beide in völlig contrahirtem Zustande zur Härtung gelangten, zeigten eine wie mir scheint bisher noch nicht beschriebene merkwürdige Eigenthümliehkeit der Schleimhaut, die ich überall ausser im oberen Drittel beobachtet habe, nämlich das sehr häufige Vorkommen von tief in das Bindegewebe hineinreichenden 298 Dr. Arme Brusmn® Epithelzapfen von kolbiger Form und deren häufig unvollkom- mene, mitunter vollkommene Abschnürung vom Epithel. Ihre Erscheinungsweise ist die folgende. Bald auf den Kämmen der Schleimhautfalten, bald an ihren Abhängen und ebenso in den Thälern zwischen ihnen bemerkt man, und zwar so ziemlich auf jedem Schnitte, Ballen von Epithelzellen, wie sie auf Fig. 3—5 dargestellt sind. Sie bestehen nur aus diehtgedrängten Epithel- zellen, deren peripherische eylindrisch sind, während die een- tralen polyedrische Formen erkennen lassen, zwischen denen aber niemals die Spur einer Lichtung vorkommt. Das Zell- protoplasma fällt gegenüber dem des Oberflächenepithels durch helleres Aussehen, durch geringere Körnung , auf — namentlich nach der Färbung mit Hämatoxylin — Kali bichrom. nach Heidenhain. Diese ganz eigenthümlichen Epithelnester sind von einer zarten aber sehr scharf gezeichneten Hülle platter bin- degewebiger Zellen umschlossen ; sie liegen meist dem Epithel ganz dieht an, sind nur selten durch eine diekere Lage von Bindege- webe von ihm getrennt. Häufig drängen sie sich in das Epithel hinein, wobei letzteres dann über ihnen regelmässig ganz beträchtlich verdünnt ist (F. 3). Hat sich in Folge weniger guter Conservirung das Epithel der Oberfläche abgelöst, dann bilden sie häufig Promi- nenzen, die fast in Halbkugelform die Oberfläche überragen; an ihnen tritt dann, besonders wenn ihr Inhalt sich durch Schrumpfung verkleinert hat, die Hülle ganz besonders deutlich hervor (Fig. 6). Die Untersuchung dieser Gebilde an Schnittreihen giebt nun über ihr Verhältniss zum Oberflächenepithel und über ihre Form nähere Auskunft. Sie stehen zum Theil durch dickere oder dünnere Hälse mit dem Epithel in Verbindung, zum Theil ent- behren sie einer solehen. Sind Verbindungen vorhanden — was bei kleineren Exemplaren häufiger der Fall ist als bei grossen — dann finden sie sich meist nieht an dem mittleren dieksten Theile eines solchen Nestes, sondern nach der Peripherie hin, wo sein Durchschnitt schon kleiner erscheint, — sodass also der Verbindungsstrang sich zu dem Neste verhält wie der Hals einer Retorte zu deren blasenförmigen Theile (Fig. 4). Der Hals besteht meist nur aus wenigen in die Länge gezogenen Zellen. — Bei nicht wenigen, namentlich den grösseren Nestern ist trotz sorgfältigster Untersuchung kein Zusammenhang mit der Oberfläche nachzuweisen, sondern auf allen Schnitten zeigen sie sich Ueber drüsenähnliche Bildungen in der Schleimhaut ete. 299 völlig von ihrer Kapsel umhüllt, sie sind vollkommen selbständig ; so war das z. B. an den in Fig. 5 u. 57 gezeichneten der Fall. Die Zellennester selbst sind nun keineswegs immer einfach kugel- oder eiförmig, sondern oft durch tiefe Einschnitte unvollständig in zwei bis vier kugelige Abtheilungen, die man als Acini be- zeiehnen könnte, zerlegt, niemals indessen so, dass die einzelnen durch längere Stränge mit emander in Verbindung ständen. Der Gedanke ist wohl kaum abzuweisen, dass ursprünglich bei allen Nestern ein Zusammenhang mit der Oberfläche da war, aber bei einer Anzahl von ihnen verloren gegangen ist: die sehr verschiedene Dieke der vorkommenden Verbindungen weist da- rauf entschieden hin. Sind nun diese Dinge noch gar nicht beobachtet worden ? Das ist, glaube ich, nicht wohl anzunehmen. Die runden oder ovalen Krypten, welehe Krause (12) auf S. 248 nennt, ebenso wie die Omegaförmigen Einsenkungen des Epithels von denen OÖberdiek (15) spricht, mögen wohl die hier besprochenen Ge- bilde sein. Die aus dem Nierenbecken, dem Ureter und der Blase be- schriebenen Bildungen weisen viele übereinstimmende Eigenschaf- ten auf. Sie stellen Einstülpungen des Oberflächenepithels in das Schleimhautgewebe dar; sie bestehen aus denselben Zellen wie jenes; sie enthalten keinen oder einen nur sehr unregelmässi- gen, lückenähnlichen Hohlraum, der keinenfalls als Drüsenlumen aufgefasst werden kann: sie besitzen endlich eine deutliche bindegewebige Grenzmembran. Diesen Aehnlichkeiten gegenüber kann die Ungleichheit in der Grösse kein Hinderniss sein, sie alle als Gebilde von gleicher morphologiseher Bedeutung hinzu- stellen, — aber welehe ist diese ? Sind es Drüsen? Niemand, der den geschilderten Bau an ihnen erkannt hat, wird sich dazu entschliessen, sie so zu nennen. Es fehlt ihnen an einem regelmässigen Hohlraume, wie wir ihn als unentbehrliche Erscheinung an jeder wirklichen Drüse sehen !), es fehlt 1) Ich muss mich Schiefferdecker (14) anschliessen, welcher die Keimstöcke prineipiell von den Drüsen trennt, indem er hervor- hebt, dass die Drüsensekretion in den letzteren nicht der Zellenver- mehrung — und ihrer eigenthümlichen Modifikation zu Zeugungszellen — 300 Dr. 7A v7 Brumne ein Sekretund Sekretionserscheinungen an den Zellen, — letztere sind keine irgendwie charakterisirten „Drüsenzellen“, sondern ge- wöhnliche Elemente des Oberflächenepithels. Es bleibt wohl niehts anderes übrig, als sie mit dem indifferenten Namen von „Epithelsprossen“ —- soweit sie mit derOberfläche noch in Verbin- dung stehen, von „Epithelnestern* — soweit sie diese Verbin- dung eingebüsst haben, zu belegen. Wie ist nun das Vorkommen dieser eigenartigen Dinge zu erklären? Es scheint mir, dass den Schlüssel für ihr Verständ- niss ein ganz besonderes, bisher nieht beschriebenes Verhältnis zwischen Epithel und Bindegewebe der Harnblase, des Ureters und des Nierenbeckens giebt. Die Grenze zwischen den beiden ge- nannten Geweben verhält sich nämlich hier gerade umgekehrt wie bei der äusseren Haut und den mit geschichtetem Pflasterepithel be- kleideten Schleimhäuten. Dort erheben sich aus dem Corium konische Papillen, deren Zwischenräume vom Epithel ausgefüllt sind, sodass die tiefste Lage des letzteren in der Flächenansicht das Bild eines Netzes — daher Rete Malpighii — gewährt: hier dagegen ragen von der Schleimhaut aus plattenartige, scharf auslaufende, blutgefässhaltige Bindegewebsleisten in das Epithel hinauf, welehe, indem sie sich häufig mit einander ver- binden und gegen die Knotenpunkte zu regelmässig an Dicke zunehmen, in der Flächenansicht das Bild eines Netzes mit rund- liehen Maschen zeigen — Fig. T — im senkreehten Schnitte dagegen Papillen vortäuschen können. Die Höhe der Leisten beträgt 0,012—0,06 mm, ihre Entfernung von einander 0,024—0,04. Das diese Oberfläche bedeckende Epithel, dessen Dieke 0,09mm beträgt, senkt sich nun selbstverständlich m alle Vertiefungen ein, sendet also im die grubenförmigen Thäler zwischen den unter- einander netzförmig verbundenen Schleimhautleisten , zapfenför- mige Fortsätze. Es bietet im Flächenschnitt nicht das Bild des „Rete“, sondern zeigt einzelne rundliche Querschnitte, welche durch Bindegewebsstreifen von einander getrennt sind, — Fig. T. Die beschriebenen Bindegewebsleisten stehen meist senkrecht zur Oberfläche, jedoch nicht immer. An manchen Stellen der beiden in den ersteren gleichgestellt werden könne. Sind die Keimstöcke aus der Kategorie „Drüsen“ ausgeschieden, dann sind Drüsenzellen und l.umen mit Sekret die nothwendigen Bestandtheile der Drüse. Ueber drüsenähnliche Bildungen in der Schleimhaut ete. 301 oO untersuchten Blasen standen sie stark schräg und ragten so, sehr fein auslaufend , zwischen die Epithelzellen hinein, sodass Bilder entstehen ähnlich dem von Hamburger (5) in Fig. 5 der seiner Abhandlung beigegebenen Tafel gezeichneten. Hambur- ger vermuthet danach einen Zusammenhang des Epithels mit dem Bindegewebe und eine Regeneration des ersteren aus dem letzteren ; diese Vermuthung darf durch den Nachweis zahlreicher Kerntheilungs-Figuren in dem sich regenerirenden Blasenepithel durch Beltzow (15) als zurückgewiesen betrachtet werden, auch sprechen gegen sie gute Schnittpräparate, namentlich wenn sie mit Hämatoxylin — Kali bichr. nach Heidenhain gefärbt waren, sowie ferner das glatte Aussehen, welches die durch Maceration ihres Epithels verlustig gegangene Schleimhaut zeigt. Ob nun die beschriebene Grenzformation im gefüllten Zu- stande der in Rede stehenden Hohlorgane ebenso nachweisbar ist wie im leeren, vermag ich leider nieht zu sagen, da es mir nicht möglich gewesen ist, eine menschliche Harnblase zu er- langen, welche im gedehnten Zustande und frisch genug zur Härtung gelangt wäre. Ich halte es wohl für möglich, dass im gedehnten Zustande die besprochenen Unebenheiten an der Grenzfläche verstreichen, — das glatte Aussehen, welches auch im mikroskopischen Präparate, die macerirten gedehnten Blasen der Leichen 24 Stunden nach dem Tode haben, spricht dafür. Ich denke mir, dass jene Leisten der Schleimhaut beim Zusammenfallen der Blase während der Harnentleerung entstehen, vermutlich durch die Blutfüllung der hier vorhandenen Capillar- schlingen, dass sie desto höher werden, ja vollkommener das Organ entleert wird, dass hierdurch das Epithel im die angege- bene Form gelangt und dass dabei, gewissermassen zufällig, an einzelnen Stellen eine Abschnürung — bald mehr bald weniger vollkommen — zu Stande kommt. Durch Vermehrung der so abgesprengten Epithelmassen entständen dann die grösseren sich von Aussen gegen das Epithel vorwölbenden Nester. 302 Dr. A.v. Brunn: Ueber drüsenähnl. Bildungen i. d. Schleimhaut ete. Erklärung der Figuren auf Tafel XV. . Fig. 1. Plattenmodelle zweier verzweigten Epithelsprossen aus dem Nierenbecken. E= Epithel, L= Lumen. Vergr. 50. Fig. 2. Querschnitt des Ureters, nur Epithel und Epithelsprossen dar- gestellt; 7 einfache ausgehöhlte, Fr einfache solide Sprosse, tangentiale Schnitte durch Sprossen; ** getheiltes Exemplar. Winkel, Syst. 2, Oc. I. Fig. 3. Harnblasenschleimhaut, Mitte der Vorderwand; ein grösseres, sich in das Oberflächenepithel vorärängendes Nest. Winkel, Syst. 6, Oc. IH. Fig. 4. Aus derselben Gegend aber von einem anderen Manne. Epithel- nest mit seitlich ansitzendem Verbindungsstrange. Winkel, Syst. 8, Oe. I. Fig. 5. Aus derselben Gegend. Drei Epithelnester, theils ohne (F), theils mit (7) Verbindungsstrang. Fig. 6. Aus derselben Gegend, Epithel abgefallen. Ueber die Ober- fläche prominirendes Epithelnest mit stark geschrumpftem Inhalt. Flächenschnitt aus der Schleimhaut von der Mitte der Vorder- wand. @uerschnitte der Epitheleinsenkungen. SI Literaturverzeichniss. 1. Unruh, Ueber Blutungen in Nierenbecken und Ureteren bei Pocken. Archiv für Heilkunde. 1872. 2. Egli, Ueber die Drüsen des Nierenbeckens. Archiv für mikrosk. Anatomie IX. 3. Toldt, Lehrbuch der Gewebelehre. 2. Aufl. 1884. 4. Gegenbaur, Lehrbuch der Anatomie. 5. Hamburger, Zur Histologie des Nierenbeckens und Harnleiters. Archiv für mikrosk. Anatomie XV. 6. Gray, Anatomy. 7. Sappey, Traite d’anatomie. 4. Aufl. 1889. 8. Schenk, Grundriss der Histologie des Menschen. 1885. 9. Kölliker, Gewebelehre, 5. Aufl. 1867. 10. Virchow, Prostata-Concretionen beim Weibe. Virch. Arch. Bd. 5. 11. Henle, Handbuch, Bd. I. 12. Krause, Handbuch, Ba. I. 13. Oberdiek, Ueber Epithel und Drüsen der Harnblase ete. Göttin- ccen 1884. 14. Schiefferdecker, Gewebelehre, Bd. I. 1891. 15. Beltzow, Zur Regeneration des Harnblasenepithels. Virch. Arch. 97, Ey 3085 Ueber Cysten der ableitenden Harnwege. Von Dr. ©. Lubarsch, Privatdocent u. Assistent am patholog. Institut der Universität Rostock. Hierzu Tafel XVII. Die Cysten der ableitenden Harnwege haben in der Literatur nur wenig Beachtung gefunden, einmal deswegen, weil die ihnen zukommende pathologische Bedeutung eine geringfügige ist, zweitens weil ihre Entstehung nicht völlig aufgeklärt werden konnte. — So findet man namentlich in den neueren Lehrbüchern der pathologischen Anatomie diese Oystenbildungen nur flüchtig erwähnt (Ziegler, Birch-Hirschfeld) oder wie in fran- zösischen Werken (Cornil undRanvier) ganz vernachlässigt, während in älteren Werken und Spezialarbeiten genauere An- gaben vorliegen. Eine verhältnissmässig häufigere Berücksichtigung haben die Cysten des Nierenbeckens gefunden, weil sich zu ihnen nicht selten eine Bildung atlasglänzender aus verhornten Epithelzellen bestehender Schüppehen (Cholesteatombildung) gesellte, welche die Aufmerksamkeit der Untersucher in Anspruch nahm (Leber, Ebstein). Ihre Entstehung wurde meistens auf Schleimhautdrüsen zurückgeführt, welche jedoch nicht con- stant vorkommen sollen. Die Cysten der Ureteren werden bereits von M or- gagni') erwähnt, welcher sie bei der Section eines 60jährigen Mannes in beiden Ureteren vorfand und als theils ovale, theils rundliche, der Schleimhaut flach aufsitzende, mit Wasser gefüllte Gebilde beschreibt. Genauer sind sie von Rayer?), der sie „eruptions vesieuleuses“ nennt, und von Rokitansky°) unter- 1) De sedibus et causis morborum. XLIH. Art. 11. 2) Trait& des maladies des reins Bd. III, S. 560. Paris 1841. 3) Lehrbuch der pathologischen Anatomie Bd. III, 3. Aufl. S. 354 Wien 1861. 304 Dr. O0. Lubarsech: sucht worden. Der letztere betont bereits, dass diese Cysten meist in grosser Anzahl in der Schleimhaut sitzen uud bald klare, dünne, bald eine diekliche eolloide farblose oder gelblich bräun- liche Flüssigkeit oder auch harzartige Klümpehen enthalten. In neuerer Zeit sind Einzelfälle von Litten!), Ebstein?), Quarry Silcoek?°) und Frederic Eve*) beschrieben wor- den. In den Fällen von Ebstein und Eve waren beide Ure- teren befallen; in dem Ebstein’schen in ganzer Ausdehnung, in dem von Eve hörten sie bereits 1!/, Zoll unterhalb des Nie- renbeckens auf; in dem Fall von Litten war nur das obere Drittel, in dem von Sileock nur der untere Theil ergriffen. In diesen beiden Fällen war nur der Ureter erkrankt, in dem auch Nierensteine gefunden wurden. Im Fall von Eve waren andere Erkrankungen als die der Ureteren am Harnapparat nicht nachweisbar; er hält deswegen und auf Grund des mikroskopi- schen Befundes die Cysten für parasitären Ursprungs — durch Psorospermien hervorgebracht. Der Ebsteinsche Befund, in dem die Erkrankung am ausgedehntesten war, wurde an der Leiche eines Phthisikers erhoben; es bestand ausserdem chro- nische Nephritis mit Atrophie und Cystenbildung, sowie chronische eystische Pyelitis, Ureteritis und Uroeystitis. — Der grobanato- mische Befund ist in allen Fällen im Ganzen übereinstimmend ; die Oysten treten stets multipel auf, ragen über die Schleimhaut- oberfläche hervor; daneben finden sich meistens auch Bildungen, welche nur als kleine Knötchen imponiren und noch keine deutliche eystische Beschaffenheit besitzen. Die Grösse der Cysten schwankt zwischen Caviarkorn, bis Erbsengrösse; ihr Inhalt ist bald klar und dünnflüssig, bald fadenziehend , gelb bis bräunlich gefärbt, mit- unter klumpig. Ueber den mikroskopischen Bau wird immer notirt, dass die Hohlräume eine bindegewebige Membran besitzen, welche mit eylindrischem oder Plattenepithel besetzt sind oder auch des Epithels entbehren. Im Lumen finden sich rothe und 1) Ureteritis chron. eystica polyposa nebst eyst. Degeneration d. Niere. Virch. Arch. Bd. 66. 2) Zur Lehre von den chron. Katarrhen der Schleimhaut der Harnwege und der Cystenbildung in derselben. Deutsch. Archiv für klin. Med. Ba. 31. 3) Transactions of the pathological society London, Bd. 40, S. 175. 4) Ibidem Bd. 40, S. 444. Psorospermical eysts of both ureters. Ueber Cysten der ableitenden Harnwege. 305 weisse Blutkörperchen, freie Kerne, Epithelien und glänzende Sehollen und Klumpen, die mitunter einen geschichteten Bau zeigen. — Was die Entstehung der Cysten anbetrifft, so ist man naturgemäss darüber nicht ganz klar geworden. An solchen Organen, welche drüsige Gebilde besitzen, ist ja die Ableitung von eystischen Gebilden einfach; sie entstehen durch Erweite- rung der präformirten Hohlräume. Hier aber, wo das Vorkom- men drüsiger Gebilde inconstant und im besten Fall auf be- stimmte Theile beschränkt ist, stellen sieh der Erklärung von Öysten grössere Schwierigkeiten entgegen. Virchow!) leitet dieselben, ähnlich wie die Schleimeysten der Vagina, von tiefen Schleimhautkrypten sog. Schleimfollikeln ab; Litten 2) fasst die Cysten seines Falls ebenfalls als Retentionseysten auf, welche durch Stagnation des Sekrets der Schleimdrüsen oder der Krypten entstanden seien. Die relative Seltenheit solcher Cystenbildungen trotz häufiger entzündlicher Veränderungen der Ureterenschleim- haut soll dann darin begründet sein, dass sowohl die Schleim- drüsen, wie die Schleimhautkrypten nicht stets und in verschie- dener Menge vorhanden sind. Ebstein?) betont wiederholt, dass die Entstehung der Cysten eine verschiedene sein könne; für seinen Fall sucht er das Primäre in einer durch die entzünd- liche Reizung bewirkten papillären Wucherung der Schleimhaut, in denen erst secundäre Hohlräume durch Verfettung und Zerfall gebildet wären. Zur Unterstützung dieser Anschauung hebt er besonders hervor, dass die kleinsten Cysten sowohl einer deut- lichen bindegewebigen Membran , wie einer epithelialen Ausklei- dung entbehrten. Er sowohl wie Orth‘) lassen es sogar un- entschieden, ob die epitheliale Auskleidung der grösseren Cysten primär oder secundär war. — Eve’) endlich hält die Cysten seines Falls für parasitär, durch Psorospermien hervorgebracht. Er fand nämlich in senkrechten Schnitten durch die Cysten eine Anzahl derselben mit colloiden Massen angefüllt und in diesen viele ovoide Körper, welche m Form nnd Aussehen Pseudonavi- cellen glichen; manche erschienen an einem Ende abgerundet 1) Virchow, Geschwülste Bd. I, S. 247 u. 248. D)kam ar 0:8. 142 ra, a. ©. 8. 72—7. 4) Lehrbuch der speciellen patholog. Anatomie Bd. II, S. 190. Da. a..0. 8.445. 305 Dr. OÖ. Lubarsech: und spitz an dem anderen; die meisten Cysten waren aufge- brochen (breaking up). Eve verweist noch auf Cobbold’s Werk über Parasitie diseases, in welchem Psorospermieneysten unter der Nierenkapsel beschrieben werden. Nach Dr. Hadden!) stellen sich solche Cysten als kleine, mit verkalktem Inhalt ge- füllte Hohlräume dieht unter der Nierenkapfsel dar. — In wie- weit alle diese Deutungen berechtigt sind, soll erst weiter unten untersucht werden. Unter den Cysten der Harnblase sind die der Schleimhaut von denen der übrigen Wandungen zu unterscheiden. Die letz- teren, namentlich die der hinteren Blasenwand, sind wesentlich auf Entwicklungsanomalien zurückzuführen. Englisch?) leitet dieselben ab 1. von Ueberresten embryonaler Gebilde (Müller- sche Gänge, Wolf’scher Körper), 2. aus Erweiterungen des sinus prostaticus bei Verschluss semer Mündung, 3 aus Ausbuch- tungen der Samenbläschen. Ein Fall von Dermoideyste ist von Paget?°) berichtet worden. Die Cysten der Schleimhaut finden sich ebenso wie die des Nierenbeckens hauptsächlich bei ent- zündlichen Veränderungen. In den Lehrbüchern der pathologischen Anatomie werden sie kaum erwähnt, nur Orth?) gedenkt ihrer und leitet sie theils von einfachen Krypten, theils von aberrirten prostatischen Drüschen ab, welche sogar bräunliche Conerement- chen wie die Prostata enthalten können. Diese Deutung hatte schon vorher Virchow’) eigenthümlichen Gebilden gegeben, die er besonders in Leichen älterer Frauen am Blasenhalse und in der Harnröhre gefunden hatte. Er beschreibt dieselben als kleine Anschwellungen, „die sich als rundliche, graue oder gelb- liche, oft feinperlartige Knötchen darstellen und von denen sich allmähliche Uebergänge zu etwas grösseren, festeren und dunkle- ren, zuweilen dunkelbraunen oder braunschwarzen Körpern ver- folgen lassen, welche in die Oberfläche der Schleimhaut einge- senkt erscheinen.“ Da die Concremente, wie in der Prostata mitunter concentrische Schiehtung zeigten und auch chemisch 1) Pathologie. Transact. Bd. 34. 2) Wiener med. Jahrbücher. 1874. S. 174. 3) Paget, Surg. Pathol. 1853. Bd. II, S. 84. 4) a. a. O. II. S. 208. 5) Prostata-Conceretionen beim Weib. Virch. Arch. Bd. 5, S. 403. Ueber Cysten der ableitenden Harnwege. 307 mit denen der Prostata übereinstimmten, so sieht Virchow in Uebereinstimmung mit Leucekart!) hierin prostatische Gebilde. — Auch Rokitansky?) erwähnt bereits die Harnblaseneysten, ohne doch eine genaue histologische Beschreibung zu geben. Eine genauere Beschreibung findet sich m der oben eitirten Ar- beit von Sileock,'m welcher die ausgedehnteste Cystenbildung für die Harnblasenschleimhaut angegeben wird. Die Üysten sassen am zahlreichsten am fundus (over the base), wenige reichten bis in die pars prostatica der Harmröhre binein. Die ge- sammte Mucosa erschien etwas verdiekt, die Museularis leicht hypertrophisch. Bei der mikroskopischen Untersuchung schienen die Bläschen in Heerden von Epithelzellen zu entstehen, welche stark gewuchert waren; die centralen Zellen soleher Heerde werden dann körnig, zerfallen und bilden somit den körnigen Inhalt der Cysten; in einzelnen Hohlräumen fand sich auch Blut- pigment. Die Wand der Cysten war immer mit einem Epithel- lager besetzt; das Epithel in der Nähe derselben schien in Wucherung begriffen (appeared to be in active state of prolife- ration): die gesammte Schleimhaut war stark entzündet, doch waren die Zellinfiltrationen in ungleichmässiger Ausdehnung ver- theilt. — Eine Entstehung der Cysten vermag Silcock, der ihr Vorkommen für sehr selten hält, nieht zu geben. Er stellt zwei Möglichkeiten auf: entweder bewirkt abnorm oder übermässig reizender Urin dies Hervorbrechen des Bläschens oder es han- delt sich um einen reflektorischen nervösen Einfluss, welcher in dem beschriebenen Falle durch die Einkeilung der Nierensteine verursacht wurde. Wenn ich nun zu meinen Erfahrungen über die Cystenbil- dung in der Schleimhaut der ableitenden Harnwege übergehe , so will ich hervorheben, dass man diese Veränderungen thatsäch- lich nur selten zu Gesicht bekommt, am seltensten im Nierenbecken und Harnleitern, häufiger noch in der Harnblase. Unter etwa 3000 Sectionen, welche ich selbst gemacht oder genauer gesehen habe, konnte ich nur 2 mal Öysten im Nierenbecken und nur 4 mal solche im Harnleiter beobachten. — Die ersten Fälle von Harnleitereysten, die ich während meiner Thätigkeit am patho- 1) Münch. illustr. med. Zeitung 1852. Heft II, S. 90. 2) a..a. O.'S. 354. Archiv £. mikrosk. Anatomie. Bd. 41 20 308 Dr. BRUT S ch: logischen Institut in Breslau beobachtet habe und welche meiner Erinnerung nach sowohl doppelseitig als auch über den ganzen Ureter verbreitet waren, sind nur einer oberflächlichen mikroskopi- schen Untersuchung unterworfen worden; es waren Öysten, welche mit niedrigem eylindrischen Epithel ausgekleidet waren und eolloide Massen enthielten. Einer genauen histologischen Untersuchung habe ich dagegen zwei Fälle von Harnleitereysten unterworfen, wel- che bei zwei Sectionen im hiesigen Institut von mir gefunden wurden. Im ersten Falle handelte es sich um einen 75 Jahre alten Mann, bei dessen ‚Sektion eine j«uchige Uroeystitis mit Blasen- steinen und eitriger Pyelonephritis gefunden wurde. Beide Ure- teren waren erweitert und von oben bis unten mit kleinen perl- artigen Bildungen besetzt, die meistens zu kleinen Gruppen zusammen standen und von ÜCaviarkorn- bis Linsengrösse schwankten; die Mehrzahl prominirt deutlich über die Schleim- hautoberfläche und lässt eine klare oder leicht bräunlich-gelbe Flüssigkeit durchschimmern, einzelne erscheinen solide. Die Ge- bilde stehen am dichtesten im oberen Theile der Harnleiter, nehmen zwar nach unten zu ab, finden sich aber auch noch dieht an der Einmündungsstelle in die Blase. Einzelne Cysten werden angestochen, ihr Inhalt ist dünnflüssig, solche die bräunlich-gelb aussehen besitzen einen mehr fadenziehenden dickflüssigen In- halt; in der Flüssigkeit finden sich glänzende Schollen ‘und Strei- fen, sowie niedrige eylindrische Epithelien. Im zweiten Falle handelte es’sich um eine ea. 70 jährige Frau (S. N. 78. 91/92.), an deren Leiche wesentlich folgende Veränderungen festgestellt werden konnten: Pseudomembranöse nekrotisirende Uroeystitis, Pyelonephritis mit Schrumpfung der Nieren, Arterioselerose, Hypertrophie des Herzens, eitrige Bron- ehitis und beginnende Bronchopneumonie. — Beide Ureteren sind stark erweitert und in ähnlicher Weise wie im vorigen Fall mit kleinen Cysten bedeckt; nur stehen hier die Bläschen nicht so dieht nebeneinander, sind überbaupt weniger zahlreich vorhanden; ihr Inhalt ist überall klar und dünnflüssig, nirgends erscheinen dunkler gefärbte Bläschen. Der mikroskopische Befund war in beiden Fällen in den Hauptpunkten so völlig übereinstimmend, dass die Darstellung zusammenfassend vorgenommen werden kann. Einzelne Bläschen wurden frisch untersucht, andere Theile der Ureteren wurden in Ueber Cysten der ableitenden Harnweee. 309 coneentrirter wässriger Sublimatlösung fixirt, in Alcohol nachge- härtet, in Paraffin eingebettet und in feine Mikrotomschnitte zer- legt; von einzelnen Cysten wurden lückenlose Serien angefertigt um über den Zusammenhang der Cysten mit dem Oberflächen- epithel völlige Klarheit zu schaffen. Die Färbung der Präparate geschah meistens mit Delafielde’schem Hämatoxylin u. Eosin; für die Darstellung der colloiden Inhaltsmassen wurde auch die Ernst’sche Hyalinfärbung!), die Russel’sche Fuchsinfärbung?) und die Weigert'sche Fibrinfärbung benutzt. In den Schnitten fällt zunächst auf, dass die Schleimhaut nicht glatt ist, sondern eine Reihe von Erhebungen und Vor- sprüngen aufweist; das Epithel ist nur an den wenigsten Stellen erhalten geblieben und fehlt besonders über den Vorsprüngen ; wo es noch vorhanden ist, sieht man meistens nur eine Reihe von Epithelzellen erhalten, hier und da fmden sich auch 2 Reihen, äusserst selten alle 3 Schichten vor;. die unterste Schicht ist von eubischer niedrig-eylindrischer Gestalt. Der gesammte bindege- - webige Antheil der Schleimhaut ist aufgelockert und in diffuser Weise von weissen Blutkörperchen infiltrirt ; die Blutgefässe erwei- tert und mit rothen Blutkörperchen vollgepfropft ; nur in einzelnen Venen sieht man auch abnorm viel weisse Blutkörperchen ange- häuft. In den tieferen Bindegewebsschichten der Mucosa und Submucosa treten vereinzelt auch Ehrlich’sche . Mastzellen auf, deren Körner bei Anwendung der Russel’schen Fuchsin- methode roth erscheinen, während die Kerne dunkelblau gefärbt sind. Die entzündliche Infiltration setzt sich, wenn auch in gerin- gerer Intensität, bis in die Muskelschichten und die äussere Binde- gewebshülle fort; hier finden sich nur noch um Nerven und grös- sere Venen herum Ansammlungen von Leukoeyten; ausserdem sind in diesen Schichten auch ziemlich reichlich nach der W eigert’schen Methode färbbare Diplo- und Streptocoecen vorhanden, auf deren Anwesenheit jedoch mit Rücksicht auf die späte Section grosses Gewieht nicht zu legen ist. An den Stellen, wo die Vorsprünge der Schleimhaut auffallen, stellen sich schon bei schwacher Ver- grösserung rundliche Hohlräume dar, welche durchschnittlich bei 1) Ernst, Ueber Psammome. Zieglers Beiträge Bd. XI. 2) Russel, Abstract of an adress on the caracteristie organism of cancer. The Lancet 1390, p. 1259—60. 310 Dr. ©. Lubarsch: eireca 100 facher Vergrösserung die Grösse eines 2 Pfennigstückes besitzen. Ihre Wandung besteht aus zellig infiltrirtem Bindege- webe, welches besonders diek ist nach der freien Oberfläche (dem Ureterlumen) zu und an der Innenfläche meist mit ein- schiehtigem eubischen Epithel ausgekleidet ist; diese Epithelaus- kleidung bildet nicht immer einen geschlossenen Ring; hier und da fehlt an einer Stelle Epithel, oder es ist desquamirt. In der Mitte des Hohlraumes liegt meistens eine glänzende schollige, nahezu homogene Masse, welche bei Anwendung der Ernst’schen Färbung orangerot, bei der Weigert’schen Färbung intensiv blau und bei der Russel’schen roth gefärbt wird. Diese Mas- sen sind oft zerklüftet und durchbrochen von ovalen Gebilden, die nicht selten Aehnlichkeit mit den Coceidien der Kaninchen- leber besitzen. Ueber dem nach oben gerichteten bindegewebigen Theil der Cystenwand ist niemals Epithel nachweisbar, das, wie bereits oben erwähnt, überhaupt grösstentheils abmacerirt ist. Wohl aber lassen sich oft in denselben Schnitten noch in gleicher Höhe mit den Cysten auf dem bindegewebigen Theil der Schleim- haut Epithelinseln nachweisen. Dicht um die Cysten herum sind die Anhäufungen von Rundzellen meist besonders reichlich. Zerlegt man nun derartige — makroskopisch etwa caviarkorngrosse — Cysten, von denen möglichst isolirt stehende ausgesucht wurden, in Serienschnitte, so findet man meistens, dass sie durchweg sub- epithelial gelegen sind, dass sie nirgends mit dem Lumen com- municiren und von dem abmacerirten Epithel stets durch imfil- trirtes Bindegewebe geschieden sind. Nur bei einigen Öysten zeigt es sich, dass sie geplatzt sind, aber auch hier ist eben die bindegewebige Ueberdeckung miteingerissen. Nur bei einigen kleineren Hohlräumen lässt sich nachweisen, dass ein Zusammen- hang mit dem Epithel bestanden haben muss, denn hier hört an bestimmten Stellen die bindegewebige Scheide auf; das Uystenepithel geht direkt in Deckepithel über. Neben diesen ausge- sprochenen deutlichen Cysten finden sich nun aber Gebilde, welehe für die Entstehung der Cysten von der grössten Bedeutung sind. Man findet nämlich oft in einem und demselben Schnitt Gebilde, welche von soliden Epithelzapfen alle Uebergänge bis zu den grösseren ÖOysten zeigen. Zunächst sieht man dicht unter dem Deckepithel, welches hier dann und wann noch erhalten ist, ge- legene rundliche Anhäufungen eubischer Epithelien, welche ganz Jeber Cysten der ableitenden Harnwege. >11 mit den von Prof. v. Brunn im vorhergehenden Aufsatz be- schriebenen Epithelanhäufungen übereinstimmen, wovon wir uns beide durch Vergleichung der Präparate überzeugt haben. Dann folgen solche Epithelnester, welche nicht mehr vollkommen solide sind, sondern im Centrum kleine Lücken zeigen; allmäh- lieh werden diese Lücken grösser und der solide Zapfen erhält ein Lumen, in welchem allerdings theils feinkörnige Massen, theils glänzende Schollen und Tropfen liegen; an manchen Stellen gewinnt es dann den Anschein, als hätte man es mit einfach tubulären Drüsen zu thun; es bleibt aber auffallend, dass man dicht neben solchen, welche nur eine Reihe Epithel als Auskleidung besitzen, solche findet, welche noch 2 Epithelschich- ten aufweisen; dabei ist das Lumen um so kleiner, je mehr Epithel noch vorhanden , die Ansammlung colloider Massen um so mächtiger, je weniger Epithel sich vorfindet. Schliesslich werden diese Bildungen ausgeweitet und erreichen die Grösse der zuerst beschriebenen Oysten, neben denen man auffallender Weise meistens dicht anliegend kleine vollständig solide, oder erst in Hohlraumbildung begriffene Epithelzapfen vorfindet. Suchen wir auf Grund dieser Befunde ein Urtheil über die Entstehung der Cysten zu gewinnen, so erscheint folgende Auf- fassung als die wahrschemlichste. Sie entstehen nicht aus secer- nirenden Drüsen oder einfachen Schleimhautkrypten. Wäre das letztere der Fall, so müssten ja die Cysten in direkter Verbin- dung mit dem Lumen des Harnleiters stehen, was meistens keines- wegs der Fall war). Hierfür wäre es am einfachsten, wenn man eine Entstehung aus Schleimdrüsen annähme ; allein derar- tige Drüsen kommen wohl im Ureter überhaupt nicht vor, wie die Untersuchungen zahlreicher Histologen und besonders die neuesten von v. Brunn zeigen. Besonders wichtig erscheint es mir nun, dass gerade in den Fällen, wo Uretereneysten vorhanden waren, wie in denen von Litten, Ebstein und meinen beiden derartige Schleimdrüsen nicht aufgefunden wurden, obgleich doch gerade mein zweiter Fall, in dem die Cysten in ziemlich weiten Abständen von einander lagen, besonders geeignet dazu gewesen 1) Auch in dem Fall von Ebstein liegt nach Abbildung und Beschreibung zwischen Deckepithel und Cyste eine bindegewebige Scheide; in dem Fall von Litten ist nicht besonders darauf aufmerk- sam geachtet worden, 312 Dr: 9.01 arsch? wäre. Alle die drüsenartigen Gebilde, welche sich in meinen Fällen vorfanden, sind nun, wie die zahlreichen Uebergangs- bilder zeigen, überhaupt keine Drüsen, sondern veränderte solide Epithelnester. Dass es unter keinen Umständen Schleim- drüsen sind, beweist 1. das Epithel, welches dem der untersten Sehieht des Deckepithels völlig gleicht und 2. der Inhalt, wel- cher weder auf Essigsäure, noch auf Hämatoxylin und Methyl- violett wie Schleim reagirt. Es erscheint vielmehr die Annahme kaum abweisbar, dass diese Cysten aus den von Brunn’schen Epithelnestern hervorgegangen sind. Die Uebergänge zwischen diesen soliden Zellnestern und den grössten Gysten sind so klare und zwingende, dass an dieser Entstehungsart nicht zu zweifeln wäre, wenn nicht gerade bei den grösseren Cysten der Zusammenhang mit dem Deckepithel fehlte, der bei den v. Brunn’schen Nestern stets vorhanden sein soll. Aber ich kann hierhin keinen ausschlaggebenden Faktor gegen meine Ansicht sehen. Denn ebenso, wie in der Bläse (dieser Zusammenhang oft genug fehlt, kann er auch wohl im Ureter geschwunden sein; andererseits hat sich bei einigen klei- neren Cysten auch gerade ein derartiger Zusammenhang nach- weisen lassen. Auch das ist nicht von wesentlicher Bedeutung, (lass die Cysten über den ganzen Ureter verbreitet waren, wäh- rend die von Brunn’schen Gebilde nur im oberen Theile vor- handen sein sollen. Denn es handelt sich sicher bei diesen Bil- dungen um Gebilde, die weder vollständig constant noch gleich- mässig verbreitet sind. Sie fanden sich in meinen beiden Fällen in gleicher Weise im oberen wie mittleren und unteren Theil des Ureters, nur mit dem Unterschiede, dass sie nach unten zu in gleicher Weise an Häufigkeit abnahmen, wie die Cysten. In anderen Ureteren habe ich sie dagegen vollständig vermisst oder nur in äusserst geringer Anzahl gefunden; ich habe dabei so- wohl normale, wie besonders auch pathologische Harnleiter unter- sucht, und unter letzteren solche bevorzugt, bei denen die ur- sächlichen Bedingungen für das Zustandekommen von Cysten vorhanden gewesen wären. So habe ich in einem Fall von im Harnleiter eingekeilten Nierenstein (S. N. 137. 1891/92. Fall von Cardiacareinom bei eimer 52jähr. Frau) zwar im oberen Theil des Ureters spärlich die v. Brunn’schen Nester gefunden, an allen anderen Stellen dagegen und namentlich dort, wo der Ueber Cysten der ableitenden Harnwege. 313 Nierenstein eingekeilt war, völlig vermisst, während sie z. B. in dem oben erwähnten Fall von Sileock gerade im untersten Theil des Harnleiters, wo der XNierenstein eingekeilt war, vor- handen gewesen sein müssen; denn dort fanden sich allein die Cysten vor. In einem anderen Fall von chronischer Cy- stitis und Pyelonephritis fand ich in den erweiterten Ureteren ganz vereinzelte rundliche, weisse Hervorragungen von undurch- sichtiger Beschaffenheit und knapp Stecknadelkopfgrösse; mikro- skopisch erschien die gesammte Schleimhaut in Entzündung be- griffen, die weissen Hervorragungen erwiesen sich als kugelförmige Ansammlungen von einkernigen Leukocyten, richtige Follikel; drüsige Gebilde oder Epithelnester waren nirgends aufzufinden. Hier also traten wohl bei der acuten Entzündung die Schleimhaut- follikel hervor, welehe zum mindesten ebenso inconstant im Harn- leiter vorkommen wie drüsige Gebilde. Solche Follikel sind be- kamtlich von Hamburger im Nierenbecken und Harnleiter beschrieben worden, Chiari, Toldt, v. Brunn u. a. haben sie dagegen in normalen Harnleitern vermisst, und ich selbst habe sie auch nur in diesem einen Fall gefunden, sonst weder in nor- malen’ noch pathologisch veränderten. Es verhält sich in dieser Beziehung die Harnleiterschleimhaut anders, wie die der Blase, in welcher sowohl Follikel, wie Epithelnester eonstanter gefunden werden. Wenigstens habe ich die Epithelnester niemals vermisst und die Follikel auch in ganz normalen Harnblasen, wenn auch nicht regelmässig, gefunden, wie das auch Weiechselbaum angibt. Letztere treten namentlich bei pathologischen, entzünd- lichen Zuständen oft so deutlich hervor, dass sie mit blossem Auge wahrgenommen werden können. — Bei der Inconstanz dieser Bildungen drängt sich naturgemäss die Frage auf, in wie weit wir dieselben noch als „normal“ bezeichnen dürfen und es ist leicht verständlich, dass diese Frage vom normalen Anatomen anders beantwortet wird als vom pathologischen. Der Begriff des normalen ist ja ein äusserst relativer, der um so schwanken- der wird, je feiner die Dinge sind, welehe zur Beurtheilung vor- liegen. Und wohl an wenig Orten zeigt sich diese Unsicherheit des Begriffes so deutlich, wie an dem Harnapparat, auf den na- mentlich bei männlichen Individuen täglich eine Menge Schädlich- keiten in verschiedenster Stärke einwirken. In den Nieren älterer Individuen ist der Befund verödeter Glomeruli und ausgedehnter 314 Dr. 7OETUEh RAS ICHhR Ablagerung braunen Pigments in der Marksubstanz ein „normaler“ d. h. er findet sich bei der überwiegenden Mehrzahl der Indivi- duen, auch solcher mit „gesunden“ Nieren. Und doch sind beide Zustände die Folgen von Schädlichkeiten, deren Einführung bei dem Culturmenschen allerdings zum „Normalen“ gehört. Bei der Ausbildung und Ausdehnung solcher Veränderungen treten nun aber die grössten individuellen Schwankungen m Kraft; wir können nieht sagen, wie gross die Schädlichkeit sein muss, um eine Veränderung hervorzubringen und wir können noch viel weniger erklären, warum eine scheinbar geringe Schädlichkeit in dem einen Falle einen pathologischen Prozess hervorruft, in dem anderen nicht. Alle diese Erwägungen scheinen mir nöthig zu sein, um das inconstante und ungleichmässig vertheilte Vor- kommen der v. Brunn’schen Gebilde verständlich zu machen. Es kann sich entweder handeln um bereits bei der Anlage ver- sprengte oder nicht verbrauchte Epithelien, welche bei Einwir- kung geringer Schädlichkeiten weiter wuchern, oder es kann sich auch handeln um epitheliale Absprengungen, welche erst im postembryonalen Leben unter Einwirkung fast normaler Bedin- gungen sich ausbilden. Eine pathologische Bedeutung kommt solehen Nestern an und für sich nicht zu, mögen sie nun em- bryonal oder postembryonal versprengt sein; namentlich will ich hervorheben, dass primäre Careinome der Ureteren zu den aller- grössten Seltenheiten gehören; aber gelegentlich kann durch eine Häufung von Schädlichkeiten ihre Anwesenheit die Vorbedingung zu pathologischen Bildungen liefern. — Aehnlich legt es vielleicht mit den Follikeln, welehe ich allerdings nur bei Entzündungen im Ureter gefunden habe; auch hier mögen präformirte Stellen in der Schleimhaut existiren, in denen zwar unter gewöhnlichen Umständen keme oder äusserst geringe Ansammlungen von Lymphoeyten stattfinden, welche aber doch bei entzündlichen Veränderungen zur Aufnahme von weissen Blutzellen prädispo- nirt sind. Fasst man nun alles, was die histologische Untersuchung und die Sichtung der Literatur ergeben hat, zusammen, so wird man zu folgendem Ergebniss gelangen. Zum Zustandekommen der Uretereneysten sind 2 Bedingungen nöthig: 1. das Vorhanden- sein v. Brunn scher Epithelnester, 2. die Einwirkung von Schädlieh- keiten, unter denen die entzündlichen — mögen sie durch Stein- rn ne 3 rd Ueber Cysten der ableitenden Harnwege. 315 bildung oder andere Prozesse veranlasst sein — die Hauptrolle spielen. Wie sich dann die Cysten bilden, das zeigt die mikro- skopische Untersuchung meiner Fälle auf das Deutlichste. Zuerst kommt es zu einem Zerfall der centralen Zellen der Epithel- nester, an deren Stelle nun colloides und körniges Material tritt; da dieses Material nicht herausgeschafft werden kann und sich durch zunehmenden Zerfall der peripheren Zellen stetig vermehrt, so erweitert und vergrössert sich das gesammte Gebilde, wobei die Aufloekerung und grössere Nachgiebigkeit des entzündiich infiltrirten Bindegewebes unterstützend mitwirkt; sind die oberen Epithelreihen zerfallen, so bleibt nur noch der unterste Besatz niedriger Cylinderepithelien zurück;‘ im Lumen finden sich aber oft noch Plattenepithelien, welche denen der Schleimhautoberfläche entsprechen. Dass die colloiden Inhaltsmassen nicht schleimige Sekretionsprodukte, sondern Zerfallsprodukte!) der Epithelzellen sind, ergiebt sich aus dem mikroskopischen und tinetoriellen Verhalten der Ausfüllungsmassen — sie verhalten sich genau (gegenüber der Ernst'schen, Russel’schen und Weigert’schen Färbung) wiesdie Colloidmassen der Schilddrüse und die colloi- den Niereneylinger, welche mir nach zahlreichen Untersuchungen menschlicher Nieren und experimentell erzeugter Nierenentzün- dungen sicher Zerfallseylinder zu sein scheinen. Ob noch eine andere Entstehungsweise von Uretereneysten vorkommt, das ist natürlich nieht mit Sicherheit zu entscheiden. Der Litten’sche Fall lässt sich nach seiner ganzen Beschrei- bung am besten in der oben angedeuteten Weise erklären, ebenso der von Sileock. Aber auch die Fälle von Ebstein und Eve scheinen mir keine Ausnahme zu bilden. Dass in dem Fall von Ebstein weder solide Epithelnester noch colloide Inhaltsmassen auffindbar waren, mag an Zufälligkeiten und dem Fehlen geeigneter Einbettungsmethoden liegen. Dass in dem Fall von Eve wirklich Psorospermieneysten vorliegen, geht jedenfalls aus der Beschreibung nicht mit Sicherheit hervor. Es ist dabei wichtig, dass die Untersuchung an in Celloidin einge- 1) Scharf genommen ist allerdings zwischen Sekretions- und Zer- fallsprodukten der Zellen kein Unterschied; ich lege hier auch den Hauptwerth darauf, dass die colloiden Massen aus dem Zellprotoplasma stammen und nicht schleimhaltig sind. 316 DEAIOAIER ATS ech: betteten, gehärteten Objeeten vorgenommen wurde und dass in allen übrigen Punkten die histologische Beschreibung mit dem meiner Fälle übereinstimmt. Auch die Beschreibung der angeb- lichen Coeeidien ist nicht derartig, dass sie beweisend sein könnte; sie liegen in colloiden Massen, sind oft zugespitzt, nirgends wird Granulirung des Inhalts, sowie deutliche Kapsel erwähnt, so dass es mir viel wahrscheinlicher erscheint, dass es sich um Lücken- bildung in den colloiden Cylindern handelt, welche oft recht eoceeidienähnlich aussehen und auch in meinen Fällen sich vor- fanden (vgl. Fig. 1. C. J.). Dazu kommt, dass das isolirte Vor- kommen von Coeceidien im oberen Theil beider Hamleiter des Menschen sehr unwahrscheinlich ist und dass gerade der Sitz auch in dem Eve’schen Falle für eine Entstehung aus den von Brunn'schen Epithelnestern spricht. Bei den Cysten der Harnblase, welche sich bedeutend häufiger, wie die der Harnleiter namentlich bei ältereu Personen vorfinden, fällt es ohne weiteres auf, dass sie mit Vorliebe an einer bestimmten Stelle der Blase sitzen, nämlich am Trigonum Lieutaudii bis zu oder noch ein klein wenig oberhalb der Einmündungsstelle der Ureteren. Ich habe unter ca. 220 Sektionen, die in den letzten 18 Monaten im hiesigen Institut: gemacht wurden, 10mal Harnblaseneysten gefunden, welche stets den an- gegebenen Sitz ‘aufwiesen. Bemerkenswerth ist weiter, dass der- artige Cysten von mir noch niemals an männlichen Leichen, sondern in allen 10 Fällen bei Frauen gefunden wurden. Und zwar waren es meistens ältere Frauen (je eine im Alter von 82 u. 85, zwei im Alter von 72, je eine von 70, 68, 46 und 42 Jahren; und nur in einem Falle handelte es sich um ein Mädchen von 21 Jahren; bei einer sicher über 60 Jahre alten Frau war eine genauere Altersangabe nicht zu erhalten.) Es würde hier zu weit führen, jeden einzelnen Fall genau zu schildern; ich hebe jedoch hervor, dass nur in vier Fällen stärkere entzündliche Veränderungen in der Blase, in allen aber Veränderungen an den übrigen Harn- organen vorhanden waren, durch welehe eine Veränderung in der Zusammensetzung des Urins bewirkt sein konnte. Die Fälle sind kurz folgende: S. N. 51. 91/92. 70jährige Frau. Aeltere und frischere Infarete der Niere; embolische Sehrumpfniere, Kleine Cysten dicht über dem Abgang der Harnröhre, Ueber Cysten der ableitenden Harnwege. ol S. N. 54. 91/92. 21jähriges Mädchen. Cysto-Psammocareinom des rechten Ovarium mit ausgedehnten Metastasen der Lymphdrüsen des Bauchraums und der Hals- und Achselgegend. Erweiterung der Ure- teren. Hydronephrose. Niereninfarcte. 6 kleine Cysten zwischen der Ausmündung der Ureteren. S. N. 142. 91/92. 83jährige Frau. Pyelonephritis. Leichte Cy- stitis. Zahlreiche Cysten und Excrescenzen der Harnblase. S. N. 144. 91/92. 42jährige Frau. Tuberculöse Pyelonephritis. und Cystitis. Harnblaseneysten. S.N. 11. 92/93. 72jährige Frau. Acute Miliartuberculose. Nieren- tuberkel. Kleine, leicht bräunlich gefärbte Cysten im Trigonum der Harnblase. S. N. 13. 92/93. 46jährige Frau. Syphilit. granulirte Nieren und gelappte Leber. Vereinzelte Cysten der Harnblase. S. N. 18. 92/93. 72jährige Frau. Leukämie. Nierensteine. Pye- litis und eitrige Pvelonephritis. Obsolete Echinococcen dtr rechten Niere. Bräunlich bis schwarz pigmentirte kleine Cysten der Harnblase und Harnröhre. S. N. 75. 92/93. 68jährige Frau. Tuberculöse Entzündung des rechten Hüftgelenks und der Beckenschaufel. Eitrige Peritonitis. Cy- stitis und Kolpitis follicularis. Vereinzelte Cysten der Harnblase dicht am Abgang der Urethra. S. N. 80. 92/93. 82jährige Frau. Alter Erweichungsheerd im linken nucleus caudatus und capsula interna. Frische Erweichung im linken Schläfenlappen in Folge Verschlusses der art. profunda cerebri. Allgemeine Arteriosklerose. Zahlreiche Cysten und solide Prominenzen der Harnblase und Harnröhre. Cystitis. Ss. N. 81. 92/93. Ca. 70jährige Frau. Eitrige Bronchitis und fibrinös-eitrige Pleuritis. Arteriosklerose. Vereinzelte Cysten der Harn- blase am Trigonum und der Harnröhre. Nach dem Ergebniss der grob-anatomischen und mikrosko- pischen Untersuchung kann man nun 3 verschiedenen Gruppen unterscheiden, deren Typen am schärfsten ausgeprägtsind in Fall 7, 5 und 2, weswegen auch in der nachfolgenden Beschreibung in den Hauptzügen diese Fälle untergelegt sind. Die Cysten der ersten Gruppe sind selten über linsengross und stehen als wenig prominirende Bläschen dicht zusammen etwas oberhalb des Abgangs der Harnröhre ; meistens sind sie nicht alle durchsichtig, sondern durch Färbung des Inhalts bräun- lieh bis schwarz gefärbt, so dass auch hier der Morgagni’sche Vergleich zutrifft, dass die Stellen „wie mit Sehnupftabak be- streut“ aussehen. Nicht immer — ich möchte sagen in solchen Fällen, die den Uebergang zur zweiten Gruppe bilden — finden sich neben den Bläschen kleine oft kaum stecknadelspitzgrosse 318 DEIO ME am erh solide Erhebungen von grauer Farbe. Der Inhalt der Cysten ist nur selten dünnflüssig, meist fadenziehend; mitunter finden sieh auch bröcklige Conerementchen vor, welche mikroskopisch aus runden und eckigen tief braunen Schollen bestehen, welche nur ganz ausnahmsweise eine concentrische Schichtung zeigen. Bei der histologischen Untersuchung feiner Schnitte sieht man nun zunächst, wie es in Figur 2 bei e abgebildet ist, dass in den tieferen Zapfen des Oberflächenepithels durch Zerfall der Epi- thelien eine Einsenkung auftritt; einzelne Epithelzellen sind ge- quollen, ihre Kerne schlecht oder gar nicht mehr färbbar, neben ihnen liegen bereits gelbliche oder noch farblose glänzende Schollen von unregelmässiger Gestalt; in der Nähe finden sich in der mit- unter leieht entzündlich imifiltrirten Schleimhaut tiefere Epithel- zapfen, die entweder noch deutlich im Zusammenhang mit dem Deckepithel stehen (Fig. 2a) oder auch auf Serienschnitten einen solchen Zusammenhang vermissen lassen (Fig. 2b). In weiteren Schnitten sieht man dann, dass sich die Schleimhautkrypten tief ausbuchten und nur noch ein oder zwei Schichten eylindrischen Epithels enthalten, neben welchen aber ausnahmlos gelbe bis tiefbraune Schollen gefunden werden (Fig. 3a), daneben finden sich wieder in tieferen Schichten solide, mit geschichtetem Platten- epithel ausgekleidete Nester (Fig. 3 e) und ausihnen entstandene Hohlräume (Fig. 3b), welehe in ihrer Mitte vorwiegend bräun- liche eolloide Klumpen enthalten, zwischen denen Kerne und niedrige Plattenepithelien sichtbar bleiben, während ihre Wand mit ein- oder mehrschichtigem eylindrischem Epithel ausgekleidet ist. Wieder an anderen Stellen fangen die tiefen Ausbuchtungen der Krypten an Sprossen zu treiben und sich diehotomisch zu theilen ; oft sieht man dann tief in der Schleimhaut abgeschnürte drüsige Gebilde mit 2—3 Reihen annähernd platten Epithels, von denen sich aber meistens auf Folgeschnitten der Zusammen- hang mit den Sprossen der Krypten nachweisen lässt; immer ent- halten diese Hohlräume gelbe und braune, selten farblose Klum- pen. Untersucht man solche Stellen, die sich bei der Betrachtung mit blossem Auge als solide Gebilde darstellen, so findet man dieht unter dem Fpithelbelag bald im Zusammenhang, bald ohne denselben ganze Gruppen von Epithelnestern, welche theils solide sind, theils centrale Hohlräume aufweisen (Fig. 4 Epn u. Cy). Die ersteren enthalten geschichtetes Plattenepithel, die letzteren Ueber Cysten der ableitenden Harnwege. 319 enthalten gelbe oder braune Schollen im Centrum; ihr Epithel stimmt meist mit dem Deckepithel überein, doch sind mitunter auch die centralsten Zellen bereits annähernd eylindrisch gestal- tet. Daneben finden sich noch drüsige Gebilde (Fig. 4 Dr.), welche geschichtetes ziemlich hohes Cylinderepithel und offenes Lumen aufweisen. Die sich daran anschliessenden deutlichen Cysten zeigen äusserst stark erweiterte Hohlräume mit stark sedrücktem Epithel, dazwischen aber auch die drüsigen Bildun- gen, solide Epithelnester und zwar so dicht gedrängt, so tief und in solehen Mengen, dass kein Zweifel darüber herrschen kann, dass eine Neubildung von Epithelnestern vorliegt. Bei der zweiten Gruppe von Oysten tritt namentlich das letztere, die Wucherung drüsiger Gebilde deutlich und unzwei- felhaft m den Vordergrund. Kleinere und grössere Hohlräume wechseln mit soliden Zapfen ab und dringen bis dieht an die Muskelschicht der Blase vor. Die soliden Zapfen enthalten ge- schichtetes Plattenepithel, die Hohlräume sind bald mit mehre- ren Schichten eylindrischen Epithels ausgekleidet, bald ist nur die äusserste Schicht deutlich eylindrisch, während die inneren Zellen mehr dem Uebergangsepithel entsprechen ; da wo die Hohlräume besonders weit geworden sind, so dass sie fast das ganze Gesichtsfeld (Zeiss A. Oc. 4) einnehmen, ist das Epithel ganz niedrig ge- worden und ähnelt mehr einem Lymphgefässendothel. Sowohl die kleineren wie die grösseren Hohlräume sind mit Inhalts- massen ausgefüllt, welche eolloider Substanz gleichen, aber nur ungefärbt oder nur leicht gelblich sind; sie bilden oft grosse homogene Schollen, oft sind sie auch in Tropfen und kleine Bruchstücke zerfallen, an einzelnen Stellen lässt sich ihre Ent- stehungsweise aus Epithelien direkt verfolgen, denn man sieht namentlich bei starken Vergrösserungen in den gequollenen Schollen, die kaum noch deutliche Zelleontour besitzen, schlecht gefärbte Kerne liegen. Alle diese Gebilde, welche in den tieferen Schleimhautschichten und der Submucosa dieht gedrängt liegen können, stelien in keinem nachweisbaren Zusammenhang mit dem Deekepithel. In denselben Fällen kann man nun aber auch Cysten finden, welche dem Typus der ersten Gruppe entsprechen. Grobanatomisch unterscheidet sich die zweite Gruppe von der ersten wesentlich dadurch, dass die Cysten grösser sind und höher bis über die Ureterenmündung hinaufreichen, auch ganz 320 Dr. ©. Lubarsch: durchsichtig oder nur leicht gelblich gefärbten flüssigen Inhalt besitzen. Die dritte Gruppe weicht von den beiden ersten Gruppen am stärksten ab; hier fehlen jegliche Wucherungserscheinungen; die Cysten treten mehr isolirt und in viel geringeren Exemplaren auf (in einem Falle waren zwei, in einem anderen sechs vor- handen), sie sind dagegen durch eine auffallende Tiefe vor den anderen ausgezeichnet; niemals stehen sie in direktem Zusammen- hang mit dem Deckepithel, wenn sie auch bei grösserer Ausdeh- nung platzen und ihren epithelialen Inhalt in die Harnblase entleeren können. Ihr Epithel ist meistens mehrfach geschichtet, wie das Oberflächenepithel, und deutlich abgeplattet, was nament- lich auch dort hervortritt, wo die Epithelien noch in Fetzen zu- sammenhängen und den körnigen und tropfigen Inhaltsmassen anliegen. Diese körnigen und tropfigen Massen sind nicht gefärbt, auch nicht ganz homogen und enthalten vielfach noch dazwischen, auf- oder anliegend Kerne und Epithelreste. Die Grösse der Ge- bilde übertrifft die der v. Brunn’schen Epithelzapfen um das Drei- und Vierfache ; sie reichen bis dieht an die Muskelschicht heran. — Neben diesen Hohlräumen, deren Epithel mit dem Deckepithel der Blase genau übereinstimmt, finden sich im übri- gen ähnlich gestaltete, aber kleinere, welche etwas oberflächlicher gelegen sind, und ausschliesslich eylindrisches Epithel enthalten; auch dort, wo bei beginnendem centralem Zerfall die innersten Partien deutlich erkennbar sind, fnden sich ausschliesslich ziem- lich hohe eylindrische Epithelien vor. Suehen wir aus diesen histologischen Details ein Urtheil über die Histogenese der Cysten zu gewinnen, so fällt es auf, dass die Verhältnisse hier zweifellos nicht so einfach liegen wie bei den oben beschriebenen Uretereneysten, wenn auch in vielen Punkten Analogien bestehen. 3etrachten wir die erste Gruppe der Cysten, so drängt sich die Uebereinstimmung mit den von Virchow als Prostata- coneretionen besehriebenen Gebilden auf; und wir müssen daher die Frage erörtern, ob wir ein Recht haben, diese Cysten mit Orth von versprengten Prostatakeimen abzuleiten. Dass wir sie nur bei Frauen gefunden haben — was auch nach der Virchow’schen Notiz die Regel zu sein scheint — kann nicht als Gegengrund verwerthet werden. Im Gegentheil könnte man Ueber Cysten der ableitenden Harnwege. 321 sich grade vorstellen, dass sie als embryonal nicht verbrauchte Gebilde leichter zu pathologischen Bildungen Anlass geben als beim Manne. Andererseits erscheint es uns aber keineswegs bewiesen, dass die Virchow 'schen Gebilde wirklich Prostatadrüschen mit Conerementen sind. Ich will keinen Werth darauf legen, dass die Coneremente in meinen Fällen nur ganz ausnahmsweise con- centrisch geschiehtet waren und niemals die Jodreaction gaben, — denn selbst wenn die Concremente mit denen der Prostata völlig übereinstimmten, wäre dadurch nur bewiesen, dass es sich um die von Favre!) und Siegert?) auch weit entfernt von der Prostata gefundenen eorpora amyloidea der Harnwege han- delt —, ich muss aber hervorheben, dass die epithelialen Gebilde, in denen die Concremente liegen, nur ganz ausnahmsweise an die Drüsenbläschen der Prostata erinnern. Und wenn das der Fall ist, so kommt das auch mehr durch eine Ausbuchtung praefor- mirter Epithelzapfen und durch Zerfall der inneren Zellen zu Stande, als dass von vornherein eine derartige Aehnlichkeit, die übrigens nirgends sehr frappirend ist, bestanden hätte. Wir haben auch weiter durch unsere Untersuchungen Anhaltspunkte dafür gewonnen, dass die gelben Coneremente ebenso wie die eolloiden Massen im Ureter durch Zerfall von Zellen entstehen. Vor allem sind aber auch die Bilder, die man bei den ähnlichen Bildungen der männlichen Harnröhre erhält, verschieden; hier handelt es sich um abnorm weit vorgeschobene Theile des mitt- leren Prostatalappens, die Gebilde liegen fast immer submueös und zeigen auf das deutlichste den Bau von Prostatabläschen. Aus allen diesen Gründen können wir es nicht für bewiesen halten, dass die mit Conerementen versehenen Cysten aus Prostata- anlagen hervorgehen, um so mehr als für viele Fälle eine an- dere Entstehungsweise weit plausibler erscheint. Betrachtet man die Abbildungen Fig. 2e und 3a und b, so erhält man vielmehr den Eindruck, dass ein Theil der Cysten aus Schleimhautkrypten, ein anderer aus von Brunn’schen Epithelnestern hervorgeht. Und auch hier beginnt, wie bei der Bildung der Uretereneysten, der Process mit einem Zerfall der eentralen Zellen; die bindegewe- 1) Les corpuscules de l’appereil uro-g£nital. Thex de Gen&ve 1879. 2) Untersuchungen über die „corpora amylacea sive amyloidea*. Virch. Arch. Bd. 129, S. 513. 333 Dr. ©. Lubarseh: bige Hülle giebt um so mehr nach, je fester sich die Zerfallspro- dukte der centralen Zellen zusammenballen und auf dem immer schwächer werdenden Epithelbelag lasten. Auf die Frage hier einzugehen, worauf die verschiedene Farbe nnd Anordnung der Coneremente beruht, würde zu weit von den eigentlichen Fragen abführen. — Aus den v.Brunn’schen Nestern scheinen auch die Öysten der dritten Gruppe hervorzugehen ; jedenfalls spricht das Epithel ganz dafür. Aber sie entstehen nicht lediglich durch Zerfall, sondern es geht nebenbei eine Wucherung einher, welche zur Vergrösserung, aber nicht zur Vermehrung der Nester führt. Eine derartige und zwar sehr beträchtliche Wucherung von Epi- thelnestern müssen wir nun auch für die Cysten der zweiten Gruppe annehmen. Ob aber auch sie sämmtlich oder theilweise aus den v. Brunn’schen Nestern hervorgehen, erscheint zwei: felhaft. Einzelne der beschriebenen Bilder können zwar dafür angeführt werden, andere lassen sich aber nicht auf diese Weise erklären und das sind vor allem die kleinen, mit mehrschichtigem ylinderepithel versehenen und nirgends Zellzerfall aufweisenden Drüsen, welche im Ganzen den Drüsen der Harmröhre gleichen. Da nun gerade diese Gebilde dicht in der Nähe und hier und da (Fall 7) sogar im der Harnröhre sitzen, so erscheint die An- nahme wahrscheinlicher, dass diese Cysten aus abnorm weit nach ‚oben gelagerten Harnröhrendrüschen hervorgehen !). Eine derar- tige Annahme würde es auch zum Theil wenigstens verständlich machen, warum der Lieblingssitz der Cysten im Trigonum ist, während doch die v. Brunn 'schen Gebilde sich in allen Thei- len der Blasenschleimhaut — ausgenommen den Blasenscheitel — gleichmässig vorfinden. — Ob in den Cysten der ersten und zweiten Gruppe, bei welchen zweifellos eine Proliferation von Epithelnestern stattfindet, die Proliferation oder der Zerfall das Primäre ist, wird sich schwer entscheiden lassen. Denn selbst solche Bilder, wie man sie öfter findet, in denen neben stark - 1) Diese Vermuthung ist zur Gewissheit geworden durch Fall 8, den ich während der Drucklegung der Arbeit zur Untersuchung er- hielt. Hier fanden sich nämlich in der Harnblase deutlich tubulöse, mit eylindrischem Epithel ausgekleidete Drüsen, welche oft in Haufen von 35—40 Röhren zusammenlagen und mit den gleichartigen Drüsen der Harnröhre völlig übereinstimmen. Die Cysten gingen in beiden Organen durch Erweiterung und vielleicht auch Wucherung dieser Gebilde hervor. Ueber Cysten der ableitenden Harnwege. 323 eystisch erweiterten Hohlräumen zahlreiche kleine Epithelzapfen mit mehrschichtigem Epithel liegen, sind nicht völlig eindeutig, wenn sie auch mehr dafür sprechen könnnen, dass die Wuche- rung eine sekundäre ist. Jedenfalls will ich, um nicht zu prä- judieiren, diese Cysten nicht schlechtweg als Proliferationseysten (dureh Proliferation entstandene Cysten), sondern als Cysten mit Proliferation bezeichnen. Ich unterscheide demnach nach der Art der Entstehung in der Harnblase zwei Sorten von Cysten: 1) Einfache Zertallseysten, 2) Cysten mit Proliferation. Ihrer Histogenese nach haben wir drei Arten kennen ge- lernt: 1) solche, die von Schleimhautkrypten ausgehen, 2) solche, die aus von Brunn’'schen Epithelnestern ent- stehen, 5) solche, die (wahrscheinlich) aus abnorm hoch gelegenen Harnröhrendrüsen hervorgehen. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XVII. Sämmtliche Zeichnungen sind nach mehreren Gesichtsfeldern eines Präparates combinirt. Fig. 1. Durchschnitt durch die Ureterenschleimhaut mit Cystenbildung. DE. Deckepithel. Epn = Brunn'’sche Epithelnester. C. Z. Nester mit centralem Zerfall. Cy = Cyste. C. J. colloider Imhalt der Cyste mit ovoiden Lücken. Vergr. Zeiss A. Oc. 4. Fig. 2. Bildung von Harnblasencysten aus Schleimhautkrypten. a mit dem OÖberflächenepithel in Verbindung stehendes Nest. bBrunn'’- sches Epithelnest (auch auf Folgeschnitten ohne Zusammenhang mit dem Deckepithel). ce Krypte mit beginnendem Zellzerfall und Bildung brauner Klumpen. Vergr. Zeiss ©. Oe. 4. Fig. 3. Bildung von Harnblasencysten aus Krypten und Brunn’schen Nestern. Bei a tiefe Krypten mit braunen Klumpen. b. Zer- fallendes Brunn 'sches Nest mit Plattenepithel zwischen den gelben Schollen. ce. Solides Epithelnest. f. Follikel. Vergr. Zeiss A. Oc. 4. Fig. 4. Schnitt durch eine beginnende Proliferationseyste der Harn- blase. Bezeichnungen wie in Fig. 1. D= Drüsen. Vergr. Heiss ©. O6;14. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 41 21 324 Dr. von Wasielewski: (Aus dem II. anatomischen Institut zu Berlin.) Die Keimzone in den Genitalschläuchen von: Ascaris megalocephala. Von Dr. von Wasielewski. Hierzu Tafel XIX. Mit dem Studium der Keimzone der Genitalschläuche von Nematoden beschäftigt, fand ich besonders bei Ascaris mega- locephala Verhältnisse vor, die zum Theil bisher übersehen, zum Theil nieht richtig dargestellt waren. Ihre kurze Schilderung soll der Zweck vorliegender Zeilen sein, die nur zeigen sollen, dass eine genauere Beschäftigung mit dem vieldurchsuchten Ob- Jekt noch immer neue Aufschlüsse über die feinere Struktur und die Theilungsvorgänge der Zelle verspricht. 0. Hertwig’s zusammenfassende Arbeit über Ei- und Samenbildung bei Nematoden (1890) hat die völlige Gleichwer- thigkeit des Zellinhaltes im männlichen und weiblichen Genital- schlauch ausser Frage gestellt. Es darf also die Keimzone beider Geschlechter als völlig aequivalent betrachtet werden und demge- mäss zugleich beschrieben werden. Ebenso bietet die Scheidung der Varietäten Asc. meg. univalens und bivalens keinen Anlass zu einer gesonderten Besprechung, da der einzige bisher be- kannte Unterschied zwischen beiden in dem Vorhandensein von zwei Chromatinfäden in der Aequatorialplatte von Asc. meg. univ. und vier bei Asc. meg. biv. zu bestehen scheint. Die Abnahme der Kerntheilungen kennzeichnet das Ende der Keimzone und ihre Grenze zur Wachtumszone leieht mit ge- nügender Sicherheit. Schwerer war ihr Anfang zu finden. Die Autoren sprechen vom blinden Ende des Genitalschlauches ohne genauere Angaben darüber zu machen. Nach Hertwig be- steht nahe dem blinden Ende die Keimzone aus einem mit 5—8, nach v.Beneden mit 4—5 Zellen gefüllten Schlauch. Lameere gibt an: Les noaux des oomeres sont, „pres de lextr@maite aveugle dissemines dans un protoplasme commun peu abondant“ etc. Boveri gibt in seiner neuesten, referirenden Arbeit über Die Keimzone in den Genitalschläuchen von Ascaris megalocephala. 325 Befruchtung an, in dem äusserst dünnen, fadenförmigen blinden Ende der Keimzone finde man einen gleichmässigen Protoplasma- strang, in dem sich zahlreiche Kerne, aber keine Zellgrenzen nachweisen lassen. „Dieses Keimlager ist durch successive T'hei- lung des Kernes der Urgeschlechtszelle ohne entsprechende Thei- lung des Protoplasma entstanden. Erst weiter unten grenzt sich um die einzelnen Kerme ein Protoplasmahof ab, so dass wir Jetzt von Zellen sprechen können.“ (Spermatogonien.) Von diesem „Keimlager“ ist in den zahlreichen Präparaten der Keimzone von Asc. meg. mir nie etwas zu Augen gekom- men. Ueberall wo Genitalkerne auftraten, waren sie deutlich von einem abgegrenzten Protoplasmahof umgeben. Eine derar- tige Kernansammlung im Protoplasma sah ich nur in der Keim- zone von Asc. lumbrie., wo sich dies Keimlager aber auch nicht in den allerfeinsten Schläuchen fand, sondern dort, wo neben der Urgeschlechtszelle eine Epithelialschicht des Genitalschlau- ches zu bilden sich anfängt. Der Unterschied zwischen diesen Epithelzellkernen und den Geschlechtszellkernen ist aber ein so bedeutender, dass ich nieht annehmen kann, das beschriebene Keimlager der Autoren sei hierauf zu beziehen. Die Entschei- dung über diese Frage muss daher weiteren Untersuchungen vor- behalten bleiben. Dagegen schemt mir ein Stadium im Anfang der Keim- zone noch stets übersehen worden zu sein, wenigstens ist das- selbe noch nicht beschrieben worden. Nach der Eröffnung der Leibeshöhle von Ascaris megalocephala gelingt es bei einiger Sorgfalt meist ein kleines etwa !/,—!/, mm grosses Knäuel am Ende der Keimzone zu entdecken. Man nimmt die Eröffnung in physiologischer Kochsalzlösung in einem mit schwarzem Wachs ausgegossenen (Gefäss vor. Die Geschlechtsschläuche werden am besten im Ganzen aus dem in ganzer Länge gespaltenen Haut- muskelschlauch entfernt. Dann sieht man von dem schwarzen Grunde des Gefässes die feinen, weisslichen, zum Theil durch- scheinenden Schläuche, welche dem Anfang der Keimzone ange- hören, sich abheben. Diese verfolgt man, nach vorsichtigem Bei- seiteziehen der gröberen Schläuche mit der Präparirnadel, mit der Lupe bis zu dem erwähnten Knäuel, das ihren Abschluss bildet. Gewöhnlich hefindet sich der Knoten in einer Schlinge, welche sich um ein stärkeres Stück des Geschlechtschlauches legt. Durch sehr vorsichtiges Auseinanderziehen der Fäden kann 326 Dr. von Wasielewski: man die ganze Keimzone isoliren, im Zusammenhang konser- viren, einbetten und in Serienschnitten das Endknäul wieder auf- suchen. Sämmtliche für die Arbeit benutzten Präparate sind auf folgendem Wege hergestellt: Conservirung in Pikrinessig- säure, Auswaschen in Alkohol, Einbetten in Paraffin; Zerlegung in Serienschnitte von Du Dicke, Färbung mit Alaunfuchsin. Diese Methode hat mir von allen die sichersten Resultate gege- ben, so dass ich sie zuletzt ausschliesslich anwandte. Die so erhaltenen Präparate geben Aufschluss über die Beschaffenheit der Keimzone noch ein gutes Stück rückwärts von denjenigen Stellen, die 4 Zellen enthalten. Jedenfalls liegt hier die einfachste Form des Genital- schlauches vor, von der die complieirtere Gestalt mit Zunahme des Durchmessers eintritt, sich wird ableiten müssen. Sie muss desshalb als Ausgangspunkt der Betrachtung dienen. Aber es ge- lang mir auch noch einen anderen Ausgangspunkt zu gewinnen, der zur Aufklärung der Zustände im Genitalschlauch des ge- schlechtsreifen Thieres führen kann. Unter der grossen Zahl untersuchter Genitalschläuche befand sich ein Ovar, das «dem ganzen Zustande seines Inhaltes zufolge ein Jugendstadium dar- stellte, was als eine Seltenheit zu bezeichnen ist, da gewöhnlich nur ausgewachsene Thiere zur Beobachtung kommen. Es stellten sich weniger im Zelltheilungstypus als in der Anordnung des Schlauchinhalts und der Zusammensetzung der Wand Besonder- heiten heraus, die ein näheres Eingehen verdienen. Beginnen wir die Beschreibung der Keimzone von Asc. meg. mit der Schilderung des Anfangsknäuel dieses Jungen Thieres. Den Ausgangspunkt der Entwickelung scheint mir der aus einer einfachen Membran bestehende Schlauch zu bilden, der eine einzige grosse Zelle einschliesst (Fig. 1). Ob diesem Sta- dium ein anderes vorausgeht, das diese grosse Zelle noch nicht, sondern nur ein oder mehrere der nur !/, so grossen Zellen ent- hält, welehe wir im nächsten Stadium als innere Belegzellen der Schlauehmembran antreffen, werden nähere Untersuchungen fest- stellen müssen. Es folgt ein Stadium, in dem an der Wand eine Protoplasmaschicht auftritt, die schliesslich die immer wachsende grosse Zelle umgibt (Fig. 2). In dieser Schicht treten Kerne auf, es scheiden sich deutlich zwischen der grossen Zelle und der Schlauehmembran Zellen ab; zunächst sind dieselben breitgepresste, auf dem Querschnitt langgestreekte Zellen, die fast eine Hältte Die Keimzone in den Genitalschläuchen von Ascaris megalocephala. 327 der Sehlauchwand bekleiden können, mit kleinen, runden oder ovalen Kernen (Fig. 3). Allmählich vermehrt sich ihre Zahl und es zeigt sich die Wand von 4, 6, 8 beinahe eubischen, kleinen Epithelzellen besetzt (Fig. 4). Inzwischen beginnen auch die grossen Zellen sich zu vermehren und mit der allmählichen Er- weiterung des Schlauches treten innerhalb des. Zellbelags, der sich an Zahl vermehrt, aber immer noch eine einzige Lage bil- det, 2 ja4 an Grösse etwas hinter der primär vorhandenen einen Zelle zurückstehende Zellen auf (Fig. 5). Der Querschnitt des Zellschlauches vergrössert sich weiter durch Theilung der Wand- zellen und der grossen Zellen im Inneren des Schlauches. Be- sonders lebhaft ist die Vermehrung der Wandzellen, die bisweilen 2—4 Kerne enthalten und auch in mehreren Lagen die Wand bedecken. Sobald die Zahl der Genitalzellen auf 5 oder 6, 8 gestiegen ist, beginnt ein neues Gebilde sich zu zeigen, das von nun an die Axe des Genitalschlauches bildet und um das sich die Ge- nitalzellen von nun an gruppiren. In Gestalt eimer kleinen Protoplasmasäule, die in der Mitte zwischen den Genitalzellen liest, beginnt hier die Rhachis, über deren Bau und Entwick- lung eingehendere Untersuchungen von van Beneden vorliegen. Hier beginnt die schon bekannte Region des Genitalschlauches mit der charakteristischen Gruppirung der Ursamenzellen um die Rhachis. Wir wollen nun im eimzelnen die zelligen Bestandtheile der Keimzone verfolgen: zunächst die wichtigsten, die Urge- schlechtszellen bis zu ihrer Theilung in Mutterzellen ; dann die weiteren zelligen Einschlüsse, die im Schlauch enthalten sind. Wie schon gesagt, füllen die Urgeschlechtszellen im Beginn der Keimzone einzeln das ganze Lumen des Schlauches aus. Es sind grosse Zellen, die im Querschnitt ‘rund erschemen ; doch scheinen sie in der Richtung des engen Schlauches etwas in die Länge gezogen zu sein, denn es gelang 5—6 Durchschnitte einer einzelnen Zelle herzustellen. Die bei weitem grösste Anzahl dieser Zellen zeigt sich in ruhendem Zustande. Der runde oder etwas ovale Kern nimmt fast die Hälfte des Zellvolumen ein; ein feinkörniger Protoplasmamantel umgiebt ihn. Der Kern zeigt eine deutliche Kernmembran und meist ein diehtmaschiges Chro- matinnetz mit 1 oder 2 Nucleolen (Fig. 4). Bisweilen (Fig. 2) nimmt er auch hier schon eine Bisquitform an, die am meisten in den bisher beschriebenen Anfangstadien ausgewachsener Thiere 328 Dr. von Wasielewski: sich vorfindet und zu der Ansicht geführt hat, dass sich die Ur- samenzellen durch direkte Theilung vermehren. Während Hertwig und Boveri angeben, in der Keim- zone von Asc. meg. nie amitotische Theilungen beobachtet zu haben, betont Lameere, die auftretenden karyokinetischen Figuren seien nicht die Vorstadien einer Theilung; er meint viel- mehr, dass die Zelle nur zur Ausstossung chromatischer Substanz, der Corps residuels, diesen Mechanismus in Bewegung setze. Nachdem diese Ausstossung erfolgt sei, gehe die Zelle wieder in das Ruhestadium zurück, ohne sich zu theilen. Auf die Frage nach dem Ursprung und der Natur der Corps residuels kommen wir später zurück. Zu der Auffassung, dass die karyokinetischen Figuren überhaupt nicht zur Zelltheilung führen, kommt Lameere, weil er in seinen Präparaten die weiteren Stadien Dyaster und Dispirem nur als verschwindende Ausnahmen, im einem Ovar gar nicht gesehen hat. Die weiteren Auseinandersetzungen werden zeigen, dass sie doch vorhanden sind. Sogar im der einen, den Genitalsehlauch allein ausfüllenden Urgeschlechtszelle findet sich das Stadium der Aequatorialplatte. Die Form und Vermehrungsweise der Zellen scheint im wesentlichen während der ganzen Ausdehnung der Keimzone sich gleich zu bleiben. An Grösse und Protoplasmareichthum über- wiegen schembar die dem Anfang der Keimzone naheliegenden Zellen. Der ruhende Kern besitzt eine runde oder ovale, etwas langgestreckte Form und ist von einer deutlichen Kermmembran begrenzt. In seinem Inneren lässt das gefärbte Präparat das achromatische Gerüstwerk, in dessen Maschen die ehromatische Substanz in Form feinster Kügelchen gelagert ist, erkennen. Ausserdem sind in jedem Kem 1—2 sich färbende grössere Nucleolen zu unterscheiden. Der Uebergang aus diesem Stadium zum Knäuelstadium lässt sich nicht genau verfolgen, doch hat es (den Anschein, als ordneten sich die chromatischen Körner in Fadenform an; wobei zunächst an dem Aussehen der Kerme nicht viel geändert ist. Es erschemen nur die vorher unregel- mässig zerstreuten feinsten Körnchen mehr in Reihen geordnet. Durch einen in seinem Mechanismus völlig unbekannten Ver- schmelzungsprocess werden aus den Körnchenreihen homogene Fäden, als ein dichtes Knäuel zunächst den ganzen Kern voll- ständig erfüllend. Dabei bleiben die Nucleolen deutlich sichtbar Die Keimzone in den Genitalschläuchen von Ascaris megalocephala. 329 und scheinen an Volumen zuzunehmen. Sie sind meist kugel- rund, färben sieh stark mit Alaunfuchsin, und halten den Farb- stoff ebenso kräftig, wie die feinsten Chromatinkörnehen des ruhenden und die Chromosomen des in Theilung begritfenen Kernes zurück. Während im ruhenden Kern nur 1 Nucleolus sich findet, treten bei der Gruppirung der chromatischen Sub- stanz zu einem Fadenknäuel mit grosser Regelmässigkeit zwei Nueleolen auf (Fig. 6). Es muss angenommen werden, dass beide durch Theilung des erstvorhandenen Nucleolus entstehen, denn man findet sie häufig dicht nebeneinander liegen, und offenbar rücken sie immer innerhalb und längs der bisher unveränderten Kernmembran mit fortschreitender Differenzirung des Chromatin- fadens auseinander, um schliesslich an den Kernpolen zu ver- harren, bis sie weiter ihre Rolle im Kemteilungsprocess zu spielen haben. Wir haben die Gruppirung der chromatischen Elemente in einen zum Knäuel aufgewickelten Faden erwähnt. Der so entstan- dene Faden zieht sich zusammen, wodurch eine bedeutende Zu- nahme seines Querschnittes und eine bedeutende Abnahme seiner Länge erreicht wird. Im gefärbten Präparat erscheint der Faden im Knäuelstadium von Anfang an aus einer homogenen Sub- stanz zu bestehen. Die Zusammensetzung aus Chromatinkörnern liess sich in meinen Präparaten nirgends mehr erkennen. Die Consistenz und damit der Grad der Färbbarkeit wächst mit der Verkürzung und Verdiekung. Hat derselbe annähernd die Länge erreicht, welche der Summe der Chromatinschleifen entspricht, so ist er meist so übersichtlich im Kern gelagert, dass man ihn wirklich als einen Faden’ übersieht, was im Beginn des Knäuelsta- diums wegen der unzähligen Schlingen völlig unmöglich ist. (Fig. 8.) | Unterdessen haben sich die beiden Nucleolen innerhalb der Kernmembran von einander entfernt und sind an die Pole des ovalen Kernes gerückt. Zwischen beiden beginnt der Chromatin- faden, noch ganz oder schon in 2 oder 4 Stücke getheilt, sich in der Aequatorialebene anzuordnen. Mit der äquatorialen Lage- rung der Chromatinelemente verschwindet die Kernmembran als solche und es tritt die von beiden Polen ausgehende Spindel- strahlung auf, die sich im Aequator an die chromatischen Ele- mente heftet. Besondere Aufmerksamkeit verdient hierbei das Verhalten der Nucleolen. Während man ihnen bisher eine Be- 330 Dr. von Wasielewski: deutung bei der Karyokinese nicht zuerkannte, wies schon Hert- wig darauf hin, dass sie bei der Entstehung der Centrosomen eine Rolle spielen müssten. Ein Theil meiner Präparate, die mit starker Pikrinessig- säure eonservirt sind, zeigt eine besonders starke Tinktionsfähig- keit sowohl der Nucleolen wie der Centrosomen, und zwar be- steht zwischen beiden was Grösse und Färbbarkeit anbelangt kein Unterschied. Da in der grossen Anzahl von Präparaten nirgends irgend welche Punkte neben dem Kerne im Protoplasma auftraten, auf welche sich bei der beschriebenen Methode die EntwickInng der Centrosomen zurückführen lassen könnte, andererseits mit dem Verschwinden der Kernmembran die Nuele- olen spurlos verschwinden, dafür aber die völlig gleichen Centro- somen ebenso plötzlich auftreten, so kann man daraus, wenn auch nicht die Identität, so doch einen Zusammenhang zwischen beiden Gebilden wohl sicher stellen. _ Weitere Versuche mit Variiren in der Anwendung von Farb- und Conservirungflüssig- keit werden vielleicht im Stande sein, grade an diesem geigneten Untersuchungsmaterial mit Sicherheit die Bedeutung der Nuele- olen für die Karyokinese zu entscheiden. In dem Verhalten der chromatischen Elemente zeigt sich eine grosse Mannigfaltigkeit. Meist bilden sie einfache homogene Fäden, die ziemlich genau die Aequatorialebene einnehmen. Die- selben zeigen bisweilen eine deutliche Längsfurche, die ein Vor- stadium der später eintretenden Längsspaltung ist. Diese Längs- spaltung tritt bisweilen schon im Aequatorialstadium auf, sodass sich Aequatorialplatten mit 4 resp. 8 Tochterschleifen finden bei Asc. meg. univalens resp. bivalens. Hierdurch wird die An- nahme Lameere's widerlegt, die karyokinetischen Vorstadien führten gar nicht zur Zelltheilung sondern nach Ausstossung chro- matischer Theile kehre der Kern in das Ruhestadium zurück, um sich dann auf direcktem Wege zu theilen. Eine bisher noch nicht beschriebene Abweichung vom Kern- theilungsmodus tritt in der Keimzone auf, die geeignet ist, auf (die Natur der Chromosomenfäden einiges Licht zu werfen. Wir hatten zum Beginn der Beschreibung mitgetheilt, dass die Chro- matinkörner des ruhenden Kermes sich zu Chromatinfäden ver- einigen. Diese Auffassung wird durch das Vorkommen von Quer- Die Keimzone in den Genitalschläuchen von Ascaris megalocephala. 831 theilungen des Fadens neben den regulären Längsspaltungen unterstützt. Während im allgememen die Chromatinfäden ein völlig homogenes Aussehen haben und höchstens in der Richtung der Längsache eine Längsspaltung die sieh vorbereitende Theilung des Fadens in 2 andeutet, zeigt sich im Stadium der Aequato- rialplatte mit gut ausgebildeter Spindel, ein Zerfall des Chroma- tinfadens in eubische Elemente, zu deren jedem eme Spindel- faser sich begibt. Die Zahl derselben ist nicht genau bestimm- bar gewesen, da in den betreffenden Stadien die Aequatorialplatte nur von der Seite zur Beobachtung gelangt. Doch schien- sie 8—10 zu betragen. Bei einigen Präparaten theilten sich diese Elemente wieder. Dann rückten die Hälften auseinander, so dass num eine doppelte Perlenreihe im Aequator zu verlaufen schien. Die Zwischenstadien des Auseinanderrückens dieser Reihen konnte ich nicht auffinden. Dieser Theilungsmodus beweist, dass der Chromatinfaden durch Verschmelzung einer grösseren Zahl von Chromatinkörpern entstanden ist, die ihrerseits wahrscheinlich wieder der Zusammen- lagerung mehrerer im Öhromatinnetz des ruhenden Kernes ent- haltenen, feinsten Chromatinkörnern ihre Entstehung verdanken. Zugleich wird der bestehende Unterschied zwischen Zahl und Grösse der ehromatischen Elemente bei Asc. meg. und anderen Nematoden durch das Vorkommen dieses Teilungsmodus erklärt. Gleiehwerthig würden den chromatischen Elementen , die z. B. bei Ase. Jumbr. auftreten, diese eubischen der Chromatinfäden bei Asc. meg. sein. Für das Wesen der karyokinetischen Theilung ist es vollständig gleichgültig, ob der Faden im ganzen, oder die Fadensegmente getheilt werden. Nach Abschluss der Arbeit ersah ich aus Boveri’s neuester Arbeit, dass derselbe schon früher einen Theilungsmodus bei den Furchungszellen von Ase. meg. gesehen und in seiner Arbeit über Befruchtung in den „Ergebnissen der Anatomie und Ent- wieklungsgeschichte“, 1891 zuerst mit Abbildungen belegt hat, der dem eben beschriebenen entspricht. Boveri hat demselben, da er das Vorkommen in der Keimzone noch nicht kannte, als den Weg gedeutet, auf dem unter gleichzeitiger Ausstossung eines Theiles der Schleifen schon bei der Theilung der ersten Fur- chungszellen eine Differenzirung in somatische und Geschlechts- zellen zu Stande komme. Die von Boveri behauptete Chro- Dr: von Wasielewski: os IV matinausscheidung fehlt völlig in den betreffenden Kernfiguren der Keimzone. Eigene Untersuchungen über die Furchungszellen von Ase. meg. habe ich nicht angestellt. Das beschriebene neue Vorkommen dieses Theilungsmodus scheint mir nicht geeignet, Boveri’s Ansicht zu stützen. Der Genitalschlauch von Ascaris megalocephala schliesst neben den Ursamenzellen resp. Ureiern in nicht sehr grosser Zahl Zellen ein, die bisher noch nicht gesehen worden sind. Sie fehlen in den allerdünnsten Schläuchen, treten in einiger Entfer- nung vom Anfang der Keimzone auf, ungefähr in jedem 10. Quer- schnitt zu 1, 2, 5 oder 4 Exemplaren. Ihr ganzes Aussehen unterscheidet sie sofort von den gewöhnlichen Keimzellen, wäh- rend ihre Grösse dieselbe ist, bisweilen jene übertrifft. Die rund- liche oder polygonal geformte Zelle ist sehr protoplasmareich im Gegensatz zu den Keimzellen, bei denen die Zellsubstanz fast ganz gegen den stark vergrösserten Kern zurücktritt. In dem Zellprotoplasma lagern 1, meist 2 oder 4, runde bläschenförmige Kerne, die oft kaum !/,—!/, der Grösse der Keimzellen erreichen. Die Bedeutung und Herkunft dieser Zellen ist schwer zu verstehen. Entweder können sie mit den Keimzellen zusammen- hängen, was nach der Art ihres Aussehens und ihrer Vertheilung sehr unwahrscheinlich ist. Oder sie entwickeln sich aus den epithelialen Belegzellen des Genitalschlauches. Für diese Mög- lichkeit sprieht die Aehnliehkeit im Aussehen und Grösse der Kerne. Eingehendere Untersuchungen werden diese Frage zu entscheiden haben. Neben diesem zelligen Inhalt finden sich im der Keimzone Körper vor, die auch von Zellen herstammen und die von ver- schiedenen Forschern in sehr verschiedener Weise beurtheilt worden sind: die Zwischenkörperchen. Dieselben wurden zuerst von van Beneden in dem Hoden von Asc. meg. entdeckt und den Riehtungskörpern der Eier gleichgestellt. Dann wiesen Hertwig, Lameere und Boveri zu gleicher Zeit unabhängig von einander das Vorhandensein dieser Corps residuels oder Zwi- schenkörperehen in der Keimzone des Ovars nach, wodurch besser als durch alle theoretischen Einwände die Auffassung van Be- neden's widerlegt wurde. Während nun Hertwig die Zwischenkörperchen als ver- kümmerte, zu Grunde gehende Zellen auffasst, vindieirt ihnen Lamceere in seiner Schrift: „La reduction karyogamique“ eine Die Keimzone in den Genitalschläuchen von Ascaris megalocephala. 333 viel tiefere Bedeutung für die Genese der Geschlechtszellen. Von der Voraussetzung ausgehend, dass in allen Zellen, bei männ- liehen wie weibliehen Thieren, zu gleichen Theilen mähnliche und weibliche Kernsubstanz vorhanden ist, sieht er bei der Spermatogenese die weibliche, bei der Ovogenese die männliche Kernsubstanz aus dem Kern entfernt. Nachdem so Samen und Eier im Gegensatz zu allen anderen zweigeschlechtlichen Zellen eingeschlechtlich geworden sind, wird dureh die bei der Befruch- tung vor sich gehende Verschmelzung der Kernsubstanzen wieder eine vollgiltige Zelle hergestellt. Zum Zwecke dieser Geschleehts- differenzirung müssen aus den Ursamenzellen und Ureiern Kerntheile ausgestossen werden, und dies geschieht, nach Lameere, m der Keimzone durch Ausstossung der Corps residuels. Da wir uns hier absichtlich jeder theoretischen Discussion fern halten, bleibt nur die Frage zu beantworten: Findet die von Lameere in der Keimzone beschriebene Ausstossung einer Hälfte der chroma- tischen Substanz der Zellen wirklich statt und bildet diese aus- gestossene Substanz die Corps residuels. Lameere stützt seine Auffassung der Corps residuels auf Beobachtungen an den Keimzellen und zwar vorzüglich auf die folgenden: Von den 4 Chromosomen in Ase. meg. biv., die in der Aequatorialebene neben einander liegen, wird ems aus der Zelle auseestossen, nach einiger Zeit das zweite, so dass in der Zelle nur die Hälfte der Chromosomen zurückbleibt. Aus jedem dieser ausgestossenen Chromosomen bildet sich ein Zwischenkörper. Die Zelle theilt sich daraufhin nicht, sondern kehrt in das Ruhe- stadium zurück, um sich auf dem Wege der direkten Theilung zu vermehren. Diese Angaben beruhen auf irrthümlichen Aus- lesungen der Präparate. Zunächst muss zugegeben werden, dass sich in der Keimzone neben den Kernen mit 4 Chromosomen solehe mit 2 Chromosomen finden. Sehr vereinzelt fanden sich auch Kerne mit 3 Chromosomen, doch war hier immer die Möglieh- keit vorhanden, dass durch die sehr dünnen (5 u dieken) Schnitte der Theil des Kernes mit dem vierten Chromosoma entfernt worden sei. Dementsprechend fand sich ganz vereinzelt ein ein- zelnes Chromosoma, aber nie in der Lage wie dieselbe von Lameere beschrieben worden ist, neben einem Kern mit 3 Chromosomen, sondern entweder ganz zwischen ruhende Kerne zerstreut oder neben Kernen mit 4 Chromosomen. Die von Lameere behauptete Lagerung der Corps residuels 334 Dr. von Wasielewski: neben Zellen mit 3 oder 2 Chromatinfäden ist in den von mir systematisch daraufhin durehsuchten einigen Tausend Quersehnitten der Keimzone von Ase. meg. univ. und bival. kein einziges Mal zu finden gewesen. Dagegen fanden sich über das Vorkommen der Corps residuels andere für ihre Natur sehr bezeichnende Daten. Nach Lameere's Ansicht sollte man erwarten, dort die Zwisehenkörper am zahlreichsten zu finden, wo die lebhafteste Zellvermehrung vor sich geht. Gerade das Gegentheil ist der Fall. Bei dem bereits besprochenen, noch nicht ausgewachsenen Thier, das die stärkste Zellvermehrung in den Keimzellen zeigte, waren überhaupt keine Zwischenkörper zu finden, ein Fall, der an sich beweist, dass dieselben bei der Bildung der Geschlechts- produkte keine physiologische Rolle spielen. Dieser Fall zeigt aber zugleich, worauf die Bildung derselben überhaupt zurückzu- führen ist. In dem noch nicht ausgewachsenen Thier sind die Ernährungs- und Wachsthumsbedingungen für die Keimzellen äusserst günstige. Die relativ geringere Anzahl der Zellen findet überreiche Nahrung und die noch elastische , fortwäh- rend im Wachsthum begriffene Zellwand setzt ihrem ungehinder- ten Wachsthum keine Sehranken. Gegen das Ende der Ge- schleehtsreife werden diese Verhältnisse viel ungünstiger. Die Unmasse der produeirten Zellen werden nicht alle in gleicher Weise bei der Nahrungszufuhr bedacht werden. Ausserdem werden die Druckverhältnisse, welehe durch das Nachwachsen immer neuer Zellen bei der verringerten Nachgiebigkeit der Schlaueh- wände geschaffen werden, nur geeignet sein, in ihrer Ernährung geschädigte Zellen völlig zum Absterben zu bringen. Dass gerade abnorme Ernährungsverhältnisse bei gesteiger- ter Zellvermehrung von Genitalzellen geeignet sind, Zelldegene- rationen hervorzubringen , welehe der Bildung von Zwischenkör- pern völlständig analog sind, dafür gelang es mir, einige inter- essante Beweise zu finden. Zunächst zeigen sich in menschlichen Hodenkanälehen bei Nebenhodentubereulose Degenerationen unter den in starker Vermehrung begriffenen Samenmutterzellen, welehe der Bildung der Corps residuels vollständig analog sind. Während in dem Hoden bei Nebenhodentubereulose die Ausbildung von Samenfäden vollständig aussetzt, geht nichts destoweniger eine rege Zelltheilung vor sich. Dieselbe führt zu einer vollständigen Verstopfung des Lumens der Samenkanälchen mit Zellen. Sobald dies erreicht ist, üben die neugebildeten Die Keimzone in den Genitalschläuchen von Ascaris megalocephala. 335 Zellen auf einander einen Druck aus, der naturgemäss im Centrum des Canälehens am stärksten empfunden wird und dert auch am ersten zur Wirkung kommt. Nach dem Oentrum zu sind nun die sich zur Theilung anschickenden Samenmutterzellen gedrängt und zwar befinden sich dieselben sämmtlich im Stadium der Knäuelbildung. Ein anderes Stadium der karyokinetischen Kern- theilung fand sich nie vor. Bevor es noch zu einer Segmen- tirung der Fäden und Anordnung derselbeu in der Aequatorial- platte kommt, nimmt die chromatische Substanz eine dunklere Färbung an. Der zarte, lange, reich verschlungene Chromatinfaden ballt sich zu einem oder mehreren Chromatinklumpen zusammen. Hand in Hand damit geht eine Abnahme des Protoplasmakör- pers der Zelle, der fast völlig verschwindet. Das kuglige oder ovoide Endprodukt dieser regressiven Kernmetamorphose wird nur von einer dünnen Hülle umgeben. Es giebt dieselben Farbereak- tionen wie die Corps residuels, wie es ihnen in ihrem ganzen Aussehen zum Verwechseln ähnlich ist. Es wird sehr stark von allen Kernfärbemitteln tingirt und hält beim Entfärben besonders Safranin und Alaunfuchsin sehr stark zurück, das letztere sogar beim Auswaschen mit einer starken Lösung von doppeltehrom- saurem Kali. Um durch den Versuch zu kontrolliren , ob diese Degene- ration von in Theilung begriffenen Geschlechtszellen bei beson- ders ungünstigen Verhältnissen verbreitet sei oder ob nicht die Tubereulose an dieser Degeneration betheiligt sei, wurde bei Kaninchen eine Nebenhodenentzündung experimentell erzeugt. Dies gelingt leicht durch Injektion einer geringen Menge von Terpentinöl in den Nebenhoden. Dabei hat man den Vortheil, jede direkte Schädigung des Hodens zu. vermeiden und die beiden Einflüsse: Druck auf die Samenzellen durch Verhinde- rung des Abflusses der Kanälchen und Reizung des Organs zur Zellvermehrung durch den Entzündungsreiz in bequemer Weise zu vereinigen. Bei alleu Thieren wurde nur der eme Nebenhoden injieirt, so dass in dem anderen Organ Vergleichungsobjekte in norma- lem Zustande gewonnen wurden. In Abständen von mehreren Tagen wurden die Thiere getödtet. Alle zeigten eine starke ent- zündliche Schwellung des injieirten Organes mit mehr oder we- niger umfangreichen Eiterheerden in den Nebenhoden. Die 336 Dr. von Wasielewski: Hoden waren völlig unversehrt. und unterschieden sich gar nieht von denen der gesunden Seite. In den gefärbten Schnitten dagegen zeigten sich dieselben Veränderungen , welche bei den menschlichen Hoden bei Neben- hodentuberculose aufgetreten waren, mit dem Unterschiede, dass, entsprechend der längeren Dauer der Erkrankung bei Tubereu- lose, in den betreffenden Hoden jede Spur von Samenfäden fehlte. In den acut erkrankten Kanmehenhoden war noch ein Theil der Lumina der Samenkanälchen mit Samenfäden gefüllt, während zum grössten Theil dieselbe Verstopfung der Lumina mit Samenmutterzellen im Stadium der Knäuelbildung und mit den daraus hervorgehenden Kerndegenerationen eingetreten war. Die- selben gehen in der für die Nebenhodentubereulose beschriebenen Weise vor sich und enden ebenso wie dort als lebhaft sich fär- bende Chromatinklumpen, die sich von Corps residuels nur durch den Grössenunterschied, der der verschiedenen Zellengrösse ent- spricht, unterscheiden lassen. Der Versuch durch Vergleich mit anderen Nematodenarten über das Verhältniss zwischen Corps rösiduels und Reduktions- theilung direkten Aufschluss zu finden scheiterte an der Schwie- rigkeit, lebendes Material im genügender Menge für so ausge- dehnte Untersuchungen zu erlangen. Die einzigen erreichbaren Species Asc. lumbr. und mystax unterschieden sich in Bezug auf das Vorkommen von Corps residuels gar nicht von Ase. meg. Die Corps sind besonders bei Ase. lumbr. viel kleiner als bei Asc. megaloc. Das findet seine Erklärung in der viel ge- ringeren Zellengrösse bei Ase. lumbr., weshalb diese Species für Zellstudien kein günstiges Untersuchungsmaterial liefert. Hier wurden zuerst die im ‚Beginn beschriebenen Anfangsstadien der Keimzone gesehen, die sich nieht wesentlich von denen bei Ase. ineg. unterscheiden. Zur Beschäftigung mit den vorliegenden Fragen wurde ich durch Herrn Prof. O. Hertwig angeregt. Sein liebenswürdiges Entgegenkommen gab mir Gelegenheit im Il. anatomischen Insti- tut der Universität Berlin die hierfür nöthigen Arbeiten auszu- führen. Für die Durchsicht meimer Präparate im Hinblick auf die daraus gezogenen Schlüsse schulde ich ihm besonderen Dank. Die Keimzone in den Genitalschläuchen von Ascaris megalocephala. 337 Meinem Freunde R. Burekhardt, bisher Assistent am II. anat. Institut, verdanke ich nicht nur die Einführung in die feinere mikroskopische Technik; sein Rath und Beistand half mir über die vielen Schwierigkeiten, die sich dem Neuling in naturwissen- schaftliehen Untersuchungen häufig entgegenstellten, stets leicht hinweg. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XIX. Sämmtliche Zeichnungen sind mit dem Zeiss’schen Zeichen- apparat unter Anwendung von Zeiss Apochromat 2,0 mm, Ocular 6 hergestellt. Diese Bilder auf die Höhe des Objekttisches projicirt er- geben eine Vergrösserung von 750. Durch Tieferlegung der Zeichen- ebene wurde die Vergrösserung der Bilder auf 1000-, 1500- und 2000fache Vergrösserung erzielt und zwar geschah dies lediglich, um die Her- stellung der Zeichnungen zu erleichtern. Fig. 1—15 sämmtlich aus der Keimzone von Ascaris meg. univ. 9. Fig. 1—6. Anfang der Keimzone. Fig. 1. Vergr. 1000. Einzelne Zelle, das Lumen des Genitalschlauches ausfüllend. Fig. 2. Vergr. 1500. Einzelne Zelle, durch ‚einen Protoplasmaring von der Schlauchmembran getrennt. Fig. 3. Vergr. 1500. Auftreten der Belegzellen an der Wand des Ge- nitalschlauches. Vergr.‘1000. Epithelialzellbelag umgiebt die Geschlechtszelle. Vergr. 750. Theilung der Geschlechtszelle. Vergr. 750. 3 Geschlechtszellen und wuchernde Belagzellen füllen den Schlauch. Fig. 7—15. Theilungsvorgänge an den Geschlechtszellen. Fig. 7. Vergr. 2000. Zelle mit bläschenförmigem Kern, Chromatinfaden zum Knäuel geballt, 2 Nucleolen. Fig. 8. Vergr. 1500. Chromatinfaden bedeutend verkürzt. Fig. 9. Vergr. 2000. Polaransicht einer Zelle mit halbirtem Chromatin- = 3 SRON faden. Fig. 10. Vergr. 1000. Polkörperchen dem Chromatinfaden knäuldicht angelagert. 11 und 12. Vergr. 1000. Auseinanderrücken der Polkörper und Theilung des kontrahirten Chromatinfadens. Fig. 13, 14 und 15. Vergr. 1500. Spaltung der Chromatinfäden senk- recht zur Längsaxe, Spaltung der Segmente und Auseinander- weichen der Segmente an die Pole. Fig. 16. Hodenkanälchen eines wegen Nebenhodentuberenlose exstir- — 4 yn (de) pirten Hodens am Menschen. >75] 358 Berichtigung in Sachen der Kerntheilung in den Nervenfasern nach Durchschneidung. Von Dr. &. Bizzozero. In dem vorhergehenden Heft dieses Archivs schemt Dr. O.von Büngner in seiner Bemerkung zu der Arbeit von Prof. G.C. Huber „Ueber das Verhalten der’Kerne der Schwann’schen Scheide bei Nervendegeneratio- nen“ (veröffentlicht in diesem Archiv Bd. 40, pag. 404) die Priorität der Entdeekung, dass in den durchschnittenen Nervenstäm- ınen die Vermehrung der Kerne der Schwann’'schen Scheide (lureh mitotische Theilung erfolgt, für sich in Anspruch nehmen zu wollen. Hierzu möchte ich bemerken, dass das Verdienst dieser Entdeckung meinem, nunmehr verstorbenen, Assistenten Dr. A. A. Torre zukommt, der dieselbe im Jahre 1884!) veröffent- lichte. Denn er fand bei Untersuchungen, die er in meinem Laboratorium vorgenommen, nicht nur, dass nach dem Durch- schneiden die Vermehrung der Keme der Scehwann’schen Scheide dureh mitotische Theilung stattfindet, sondern auch, dass diese Vermehrung im ganzen Verlauf des peripherischen Stumpfs sich zeigt, und dass den daraus hervorgehenden Zellen die Eigenschaft zukommt, die durch den Zerfall der ehemaligen Faser entstehenden Myelintröpfehen aufzunehmen und in ihrem Protoplasma zu zerstören. Ueber diese seine Untersuchungen hat Dr. Torre nur einen kurzen Bericht in italienischer Sprache veröffentlicht; doch habe ieh dieselben zwei Jahre später in meiner Mittheilung „Ueber die Regeneration der Elemente der Gewebe unter pathologischen Bedingungen“ (abgedruckt im Gentralbl. f. d. med. Wissenschaften 1886 Nr. 5) erwähnt. Dr. Torre hat ausserdem gefunden, dass bei den wachsen- den normalen markhaltigen Nervenfasern die Vermehrung der Kerne der Schwann schen Scheide ebenfalls dureh mitotische Theilung stattfindet. 1) Giornale della R. Accademia di medieina di Torino, Sitzung vom 28. November 1884. 339 Die Keimblätterbildung bei den Cladoceren. I. Moina reetirostris Baird. Von Dr. phil. et med. Paul Samassa in Heidelberg. Hierzu Tafel XX, XXI und XXH. Die Keimblätterbildung bei den Sommereiern von Moina beansprucht desshalb besonderes Interesse, weil Moina die ein- zige Form unter den Cladoceren ist, über deren Entwicklung dureh die ausführliche Arbeit von Grobben!) genaueres bekannt geworden ist. Nach den Angaben dieses Forschers treten ins- besondere in der Bildung der Keimblätter höchst eingenthümliche Verhältnisse zu Tage, imsofern schon im Stadium der Blastula alle drei Keimblätter, sowie auch die Genitalanlage , differenzirt sein sollen. Da aber die geringe Menge des Nahrungsdotters bei Moina sekundär ist, weil, wie zuerst von Weismann nach- gewiesen wurde, eine Einrichtung zur Ernährung der Embryonen im Brutraume von Seiten der Mutter erworben wurde, so musste der Zusammenhang mit den übrigen Crustaceen in der Entwick- lung der dotterreicheren Eier anderer Cladoceren, welche in diesem Falle einen ursprünglicheren Typus der Entwicklung be- sitzen, gesucht werden. Ich wandte mich daher zuerst der Un- tersuchung dieser Formen zu, worüber ich im zweiten Theile dieser Arbeit berichten werde; je weiter ich hiebei vordrang, desto weniger schien es mir möglich, irgend welche Beziehungen zu den von Grobben bei Moina beschriebenen Vorgängen der Keimblätterbildung zu finden; daher sah ich mich veranlasst, die Entwieklung von Moina neuerdings zu untersuchen und kam da- bei in der That zu Ergebnissen, welche von denjenigen Grob- ben’s in sehr wesentlichen Punkten abweichen. Aus diesem Grunde schieke ich auch die Darstellung der Keimblätterbildung 1) ©. Grobben, Die Entwicklungsgeschichte der Moina recti rostris. Arbeiten aus dem zoologischen Institute zu Wien. Il. Bd. 1579. Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. ıl 22 340 Dr. PaulSamassä: an den Sommereiern von Moina voraus, um im zweiten Theile der Arbeit, welche diese Vorgänge bei Daphnella und Daphnia behandeln soll, auf die Grobben schen Angaben nieht mehr zu- rückkommen zu müssen. Das Material von Moima verdanke ich Herrn Lehramts- praktikanten Förster, der mich auf das Vorkommen derselben in einem Tümpel in der Nähe des Rheins bei Mannheim auf- inerksam machte; ich spreche ihm dafür meinen herzlichsten Dank aus. In der überraus grossen Menge von Ürustaceen, welche ich aus diesem Tümpel conservirte, ist Moina nicht gerade zahlreich; bald darauf trocknete der Tümpel aus, so dass ich neues Material nicht mehr erhalten konnte. Das verhältnissmäs- sig beschränkte Material, das mir demzufolge zur Verfügung stand, reichte aber vollkommen aus, um das Wesentliche mit voller Sicherheit festzustellen. Vom vierzelligen Stadium bis zur Blastophaera. Eier im em- und zweizelligen Stadium sind mir nur in ge- ringer Zahl zu Gesicht gekommen. Da sich an denselben Grob- ben’s Angaben bestätigen liessen, so habe ich nicht weiter nach denselben gefahndet, umsomehr als diese Stadien zu den vorlie- enden Fragen keine Beziehung haben. Bezüglich der Grösse der Eier und Embryonen möchte ich vorausschiecken, dass ich Grobben’s Angaben vollkommen bestätigen kann, denen zu- folge spätere Stadien häufig klemer sind als vorhergehende, was mit Verschiedenheiten in der Ernährung von Seiten des Mutter- thieres zusammenhängt. Ich fand in einem Falle Eier in einem jrutraume, von denen einige mehr als doppelt so gross waren als die anderen, trotzdem sich alle auf demselben Stadium be- fanden: daraus werden die Unterschiede in der Grösse der Zeich- nungen erklärlich. Die Furchung folgt dem superficialen Typus, wie bereits von Grobben festgestellt wurde. Im vierzelligen Stadium stellt das Ei eine vollkommene Kugel vor; jede Furchungszelle !) 1) Ich gebrauche den Ausdruck Zelle für den Kern und die ihn umgebende solide Protoplasmamasse, ohne mich auf die Streitfrage ein- zulassen, ob man beim superficialen Furchungstypus von Furchungs- Die Keimblätterbildung bei den Cladoceren. 341 nimmt einen Quadranten derselben ein. Zu einer Trennung der Furehungszellen kommt es nicht; es finden sieh höchstens an der Eioberfläche seichte Furchen, welche die Grenzen der Zellen an- deuten; ich habe aber Eier gesehen, wo sich nieht die Spur einer derartigen Furche vorfand. Die Furchen haben meist die Tiefe, wie sie in Grobben’s Fig. 4 ersichtlich ist. Ein so starkes Einschneiden derselben, wie es nach der Seitenansicht Fig. 3 dieses Autors anzunehmen wäre, habe ich nie gesehen. Das Ver- halten der Zellen zum Dotter wird von Grobben ganz richtig dargestellt. Der Meridionalschnitt !) Fig. 1 kann gleichfalls eine Vorstellung davon geben. Wir sehen hier zwei Zellen getroffen; um jeden Kern herum befindet sich eine solide dotterfreie Proto- plasmamasse; gegen die Eiperipherie zu sind Dotterkugeln in das Protoplasma eingebettet, welche sich auch zwischen die beiden Zellen einschieben. Das Protoplasma der Zellen schliesst sich aber den Dotterkugeln nicht unmittelbar an, sondern man sieht um jede Dotterkugel herum einen hellen Kreis, so dass also der kugelförmige Hohlraum des Protoplasmas etwas grösser ist, als die Dotterkugel, die er enthält. Ob dies den thatächlichen Ver- hältnissem entspricht, oder ob sich erst durch die Konservirung das Protoplasma zurückzieht, kann ich nieht mit Sicherheit ent- scheiden, doch scheint mir letzeres wahrscheinlicher. Dass unter den geschilderten Verhältnissen alle vier Furchungszellen durch Protoplasmafortsätze in Verbindung stehen, leuchtet von selbst ein. Im vierzelligen Stadium findet sich nach Grobben’s An- gabe an einem Pol der Richtungskörper, der wie von Weis- mann und Ischikawa?®) entdeckt wurde, bloss in der Einzahl zellen oder blos von Furchungskernen sprechen darf. (Vergl. hierüber Balfour, Handbuch der vergl. Embryologie, deutsche Ausgabe, 1880, S. 114). Es scheint mir, dass unsere gegenwärtige Auffassung der Zelle mehr für ersteres spricht. Diese Ansicht wird auch von Herrick vertreten (Brooks a. Herrick, The embryology and metamorphosis of the Macroura. Nation. Acad. of Sciences Vol. V), Auch Grobben gebraucht ohne nähere Begründung den Ausdruck Zelle und Fur- chungskugel. 1) Ich nehme eine durch die vier Kerne dieses Stadiums gelegte Ebene als Aequatorialebene an. 2) A. Weismann und C. Ischikawa: Ueber die Bildung der Richtungskörper bei thierischen Eiern. Berichte der Naturforsch.-Ge- sellschaft zu Freiburg. Bd. III, Heft I, 1887. 342 Dr. Pau! Samässä: eebildet wird. Ich habe den Richtungskörper gleichfalls an einem Pole des Eies gefunden; in eimem Falle aber und dies scheint mir von Interesse, war er bereits dem Protoplasma einer Furchungszelle einverleibt (Fig. 2); wenigstens wüsste ich den intensiv färbbaren Körper (R) in der Zelle, deren Kern auf späteren Schnitten deutlich nachweisbar ist, in keiner anderen Weise zu deuten. Nach den Beobachtungen Grobben’'s, als auch denen von Weismann und Ischikawa, kann es ja keinem Zweifel unterliegen, dass der Riehtungskörper bei Moina resorbirt wird, wofür auch Beobachtungen an anderen Arthropoden sprechen. Der Zeitpunkt der Resorption scheint aber zu schwanken , was ja bei der Natur des ganzen Processes nieht Wunder nehmen kann. Ich selbst salı den Riehtungskörper in achtzelligem, Grob- ben sogar noeh in sechzehnzelligem Stadium an seiner Stelle liegen ; während ich ihn andererseits auf Schnitten durch das Ei, das in Fig. 4 und 5 dargestellt ist, nicht mehr nachweisen konnte. Den Uebergang des vier- in das achtzellige Stadium schil- dert Grobben in der Weise, dass sich zuerst die Furchungs- zelle, weleher der Richtungskörper aufliegt, durch eine äquatoriale Furche in eine kleinere und eine grössere Zelle theilen soll, der dann die übrigen Zellen folgen, die sich in je zwei gleiche Zellen theilen. Ich kann dieser Darstellung nicht beistimmen ; was den Zeitpunkt der Theilung anlangt, so besitze ich eine Schnittserie, in welcher alle vier Kerne sich genau auf demselben Stadium der Theilung befinden, nämlich dem des Muttersterns; die Theilungsrichtung ist senkrecht auf die Aequatorialebene; ausserdem liegt mir eine erössere Zahl von Eiern im achtzelligen Stadium vor. Dieselben sind senkrecht auf die Aequatorialebene etwas abgeplattet, so (dass immer ein Pol nach oben liegt. Diese Eier (Fig. 3) sehen auf den ersten Blick denen des vorigen Stadiums sehr ähnlich ; der Grund davon liegt in der Lage des Dotters, welcher die von Grobben für das vierzellige Stadium hervorgehobene kreuz- förmige Anordnung zwischen den Furchungszellen besitzt. Bei eenauerem Zusehen ergibt sich aber, dass das Protoplasma, das im vorigen Stadium erst bei mittlerer Einstellung anzutreffen war, an die Oberfläche des Ei’s gerückt ist und dass auch nahe derselben die vier Kerne der einen Hemisphäre liegen. Betrach- tet man das Ei von der anderen Seite'!), so ergibt sich genau 1) Es erweist sich bier, wie auch in den folgenden Stadien als Die Keimblätterbildung bei den Cladoceren. 345 dasselbe; die Abbildung Fig. 5 kann für beide Hälften eines und desselben Eies gelten und von irgend einem wesentlichen Grössenuntersehied zwischen den einzelnen Zellen kann füglich nicht die Rede sein; ich wiederhole, dass ich eine grössere Zahl von Eiern dieses Stadiums daraufhin durchweg mit dem gleichen Ergebniss untersucht habe. Nun findet sich in meinen Präparaten eine Lücke , indem das nächste Stadium, das ich besitze , sich bereits in der Thei- lung nach dem 16zelligen befindet. Da aber die Zellgrenzen noch dem 16zelligen Stadium entsprechen, so lässt sich ein Schluss auf die vorhergehende Theilung machen. In jeder Hemisphäre finden wir 8 Zellen, deren Anordnung jedoch nieht in beiden gleich ist. Auf der einen Seite (Fig. 5) stösst jede Zelle an den Aequator, jedoch nicht alle Zellen mit gleicher Breite. Es muss sich also in dieser Hemisphäre jede Zelle des vorigen Stadiums durch eine meridionale Furche im zwei getheilt haben. Die Zellen bedecken nunmehr auch den Epiol, an dem im vorigen Stadium Dotterkugeln noch an der Oberfläche zu sehen waren. Doch reichen nur zwei Zellen ganz bis zum Pole, während die anderen bloss mehr weniger weit gegen denselben vordringen. Sämmtliche Zellen befinden sich in Theilung zum nächsten Stadium. Die andre Hemisphäre bietet folgendes Bild (Fig.4): An den Eiäquator stossen bloss sieben Zellen, von denen sechs sieh in Theilung zum nächsten Stadium befinden. Hingegen besitzt die siebente einen ruhenden Kern; an diese Zelle stösst gegen den Eipol zu eine kleinere Felle, welehe sich zwischen die benachbarten Zellen einschiebt und den Eipol gerade erreicht. In Bezug auf die vorige Thei- lung lässt dieser Sachverhalt folgenden Schluss zu: die sechs Zellen, welehe sich bereits wieder in Theilung befinden, sind aus drei Zellen des vorigen Stadiums in ähnlicher Weise durch meri- ddionale Furchen hervorgegangen, wie die Zellen der anderen Hemisphäre. Von den beiden Zellen mit ruhenden Kernen wird man mit Rücksicht auf ihre Lage und den Zustand ihrer Kerne durchaus nothwendig, die Eier immer von beiden Seiten zu betrachten. Jm dies bequem thun zu können, schloss ich dieselben in Canadabal- sam zwischen einem grösseren und einem kleineren Deckglase ein; das Präparat wurde dann zwischen zwei Korkplatten mit entsprechend viereckigem Ausschnitt gelegt und die Korkplatten dann mit Gummi aufeinandergeklebt. 34 Dr... Paul Sa miasısa» wohl annehmen dürfen, dass sie aus der vierten Zelle durch eine dem Aequator parallele Furche hervorgegangen sind. Aus dem Zustand der Kerne kann man auch schliessen, dass diese Theilung verspätet erfolgt sei; dafür scheint mir auch die Form der am Pole liegenden Zelle zu sprechen, die sich den bereits ausgebil- deten Grenzen der anderen Zellen anpassen musste. Vielleicht lässt sich mit dieser Auffassung auch die Dar- stellung, dieGrobben von diesen Vorgängen gibt, in Einklang bringen. Er sagt hierüber: „Es theilt sich sodann jede der sieben grossen Furchungskugeln in einer meridionalen Ebene in zwei gleich grosse Theile,... Die kleine Furchungskugel, wel- che den Riehtungskörper enthält, theilt sich bald darauf in zwei gleich grosse Kugeln.“ Mit diesen Angaben stimmt die gegebene Darstellung darin überein, dass sieben Zellen durch meridionale Furchen getheilt werden, die achte durch eine aequatoriale, und dass diese Theilung den anderen zeitlich nachfolgt. Bezüglich der Grösse dieser achten Furchungskugel habe ich mich schon bei Besprechung des vorigen Stadiums mit den Grobben’schen Angaben auseinander gesetzt. Desgleichen stimmme ich Grob- ben nicht zu, wenn er sagt, dass dieselbe sich in zwei „gleich - grosse Kugeln“ theile und begründe dies mit der Hinweisung auf meine Abbildung (Fig. 4). Ich will gleich hier bemerken, dass die Zelle am Eipol mit derjenigen Zelle identisch ist, die Grobben erst im nächsten Stadium fand und für die Anlage dder Genitalorgane hielt; er bezeichnete sie daher als Genitalzelle. Da sich aus der folgenden Darstellung einerseits ergeben wird, dass die Deutung Grobbens irrthümlich ist, andererseits aber, dass diese Zelle wohl charackterisirt durch mehrere Phasen der Furehung hindurch noch zu verfolgen ist, so will ich sie als Grobben’sche Zelle bezeichnen. Von Grobben wird dieselbe als grobkörnig charakterisirt; dem kann ich mieh nicht anschlies- sen; ich finde, dass das Bezeichnende dieser Zelle in einer an- deren Richtung liegt. Betrachtet man die Zelle an einem ganzen Ei von oben, so fällt sie dadurch auf, dass ihr Plasma im Ver- hältniss zum Plasma der anderen Zellen viel schwächer gefärbt ist; dies tritt im Stadium der Fig. 4 noch nicht hervor, sondern erst in den folgenden Stadien. Ueber den Grund dieser Erschei- nung klärt der Querschnitt dieser Zelle (Fig. 8, G) leicht auf, insofern es sich ergibt, dass die Dicke derselben viel geringer Die Keimblätterbildung bei den Cladoceren. 345 ist, als die aller anderen. In einem anderen Falle fand ieh auf Schnitten das Plasma von gleicher Dieke wie in Fig. 8, über- dies noch von Vacuolen und Dotterkörnehen durchsetzt. Auch der Kern, der meist etwas grösser ist, als der anderer Zellen, macht häufig den Eindruck , als ob das Chromatin in ihm spär- licher vertheilt wäre. Zieht man in Betracht, dass die Grobben sche Zelle, welche im 16zelligen Stadium beträchtlich kleiner ist als die übrigen Furchungszellen, vom nächten Stadium ab alle anderen Zellen an Grösse übertrifft, so schemt ihre ganze Eigen- thümliehkeit darin begründet, dass sie, ohne mehr Substanz zu besitzen als andere Zellen, eine grössere Fläche bedeckt. Da bis auf Weiteres das Ei durch die Grobben sche Zelle orientirt ist, so will ich die Hemisphäre, welcher dieselbe angehört, als die obere bezeichnen, ferner die Schwesterzelle derselben als a-Zelle. Die Theilung vom 16 zelligen zum nächsten Stadium stellt Grobben so dar, dass die Zellen, welche sieh früher zuerst ge- theilt haben, auch jetzt vorausgehen, was mit meiner Fig. 4 u.d vollkommen übereinstimmt. Ueber das Verhalten der letzten zwei Zellen macht Grobben keine Angaben. Ich stelle ein Ei des nächsten Stadiums in Fig. 6 von oben, in Fig 7 von unten dar. Eine Zählung ergibt, dass nicht 32, sondern bloss 31 Zellen vorhanden sind. Die untere Hemisphäre besitzt 16 Zellen, wie dies ja auch nach Fig. 5 nicht anders zu erwarten ist; die obere Seite besitzt nur 15 Zellen, in der Mitte die Grobben’- sche Zelle durch die bereits besprochenen Eigenschaften kennt- lieh. Aus Fig. 4 geht nun hervor, dass dieses Resultat nur da- dureh entstanden sein kann, dass sich entweder die Grobben’- sche oder die a-Zelle nicht getheilt hat. Aus der beibehaltenen Lage, sowie aus dem Umstande, dass, wie sich später ergeben wird, die Grobben’sche Zelle im der Theilung mit den übrigen Zellen überhaupt nicht gleichen Schritt hält, geht mit Sicherheit hervor, dass sie es war, welche sich nicht getheilt hat; Grobben gibt an, dass sich unter der „Genitalzelle* (Grobben’sche Zelle) eine in Theilung begriffene Zelle befindet; er hält dieselbe für die Anlage des Entoderms und glaubt, dass die Theilung bereits der nächsten Furehung zugehöre. Die Deutung als Entoderm- zelle wird sich im nächsten Abschnitte erledigen. Die Theilung ist aber zweifellos die letzte der Theilungen, welche zum 31- 346 Dr Pa) Samas'siar zellieen Stadium führt und gehört der a-Zelle an, welche, wie sich aus Fig. 4 ergibt, nothwendig hierin verzögert sein und den anderen Zellen erst nachfolgen muss. Zwar wendet sich Grobben gegen eine derartige Auffassung: „Der Einwurf, dass die Kernspindel eine noch zur letzen Furchung gehörige sei, tällt hinweg durch die Beobachtung, dass die Zahl der Zellen, welche sieh aus der letzten Furchung ergab, vollständig ist, wenn die mit der Kernspindel versehene Zelle als eine Furchungs- kugel, dem Alter nach gleiehstehend mit den übrigen Furchungs- kugeln angesehen wird.“ Da ich aber in Vorstehendem nachge- wiesen habe, dass die Zahl der Furchungskugeln überhaupt nicht „vollständig“ wird, 31 und nieht 32 beträgt, so musste Grobben sich unter allen Umständen um eins verzählt haben, während dies nach meiner Annahme um zwei der Fall war. Im Uebrigen ist auch Grobben’s Fig. 8, welche dieses Stadium darstellt, stark schematisch und entspricht insbesondere bezüglieh der Lage- rung der Zellen um die Grobben’sche Zelle und bezüglich der Zellgrenzen den thatsächliehen Verhältnissen nicht. Die Abplattung des Eies, welche ich bereits bei den vorigen Stadien erwähnte, ist hier sehr beträchtlich; zu derselben kommt noch eine Einsenkung an den Polen, die dem Ei eine Form gibt, welche der eines rothen Blutkörperchens am nächsten kommt. Doch glaube ich, dass so extreme Formen, wie sie etwa der Quersehnitt Fig. 8 zeigt, dureh die Conservirung her- vorgerufen sind. Dass aber schon am lebenden Objekt eine Ab- plattung vorhanden ist, scheint mir mit Sicherheit daraus hervorzu- &chen, dass dieselbe an allen Eiern und im allen Stadien in derselben Richtung, nämlich senkrecht auf die Aequatorialebene, vorhanden ist. An der nächsten Furchung betheiligen sich zunächst drei Zellen nieht; die Grobben’sche Zelle und zwei derselben an- liegende Zellen, welehe Abkömmlinge der a-Zelle sind und immer gegenüber den übrigen Zellen ihre Verspätung beibehalten. Cha- rakteristisch bleibt für die Theilung wie bisher, dass die Zellen der einen Hemisphäre nie in die andere rücken: ferner, dass die dem Aequator zunächst gelegenen 8 Zellen sich nur durch meridionale Furehen theilen. Man findet also auf einer in äquatorialer Richtung geführten Serie in wenigen Schnitten alle acht Spindeln, sämmtlieh in der Längsrichtung getroffen. Fig. 9 gibt einen solchen Schnitt wieder, Beachtung verdienen auf diesem Schnitte zwei Zellen Die Keimblätterbildung bei den Oladoceren. 347 (Fig. 9, x), welche am Rande getroffen sind; sie sind von Va- cuolen durchsetzt, in welchen, wie ich aus anderen Stellen schliesse, Dotterkugeln lagen, welehe nun bereits resorbirt sind. Es wird also am Rande der Zelle die Nahrung für dieselbe aus dem Dotter assimilirt. f Zuletzt theilen sich auch die Abkömmlinge der a-Zellen ; die Grobben’sche Zelle bleibt ungetheilt. Während alle Zellen sich bereits getheilt haben und ruhende Kerne besitzen, befinden sich die beiden a-Zellen, welche an die Grobben'sche Zelle an- grenzen, noch in Theilung und zwar in einer Richtung, welche auf ihre Grenze gegen die Grobben’sche Zelle senkrecht steht (Fig. 10). Mit der Vollendung dieser Theilung ist dann das Stadium erreicht, welches 61 Zellen besitzen muss. Dies durch eine Zählung, welche natürlich auf eins genau sein müsste, zu eontroliren ist kaum möglich. Auch Grobben gibt an, dass die „Entodermzellen“ (a-Zellen) sich noch theilen, während die übrigen Zellen schon getheilt sind. Dieser Darstellung ent- sprechend bildet er in Fig. 9 unter der „Genitalzelle* zwei Zellen ab, welehe in derselben Richtung in Theilung begriffen sind, wie ich es in Fig. 10 von den a-Zellen abbilde. In diesem Punkte stimme ich also mit den Grobben- schen Angaben überein; hingegen widersprechen dieselben offen- bar dem, was er vom 32zelligen Stadium gesagt hat: die „Entodermzelle* in Fig. 8 soll sich bereits in Furchung zum nächsten Stadium befinden; ist dieses nächste Stadium nun Fig. 9 so müssten sich die Entodermzellen zweimal getheilt haben, wäh- rend dies bei allen anderen Zellen nur einmal der Fall war, was immerhin eine Erwähnung verdient hätte. Soll aber der etwas kurz gehaltene Satz: „Sammtliche Zellen fahren fort sich zu theilen,* dahin gedeutet werden, dass Grobben zwischen dem Stadium der Fig. 8 und dem der Fig. 9 zwei Furchungen annimmt, so würde damit die Zahl der Zellen in Fig. 9, sowie die eben erst in Theilung begriffene „Genitalzelle“ schlecht über- einstimmen. Grobben's Angabe, dass sich gleichzeitig mit den beiden „Entodermzellen“ auch die „Genitallzelle* theile, kann ich nicht bestätigen, da ich im 6lzelligen Stadivm die Grobben'- sche Zelle immer einfach fand. Ich will aber die Möglichkeit, dass sie sich zu dieser Zeit schon theilt, nicht in Abrede 348 Dr. Pau]'Samasısıax stellen, da aus dem Folgenden hervorgehen wird, dass der Zeit- punkt der Theilung Schwankungen unterworfen ist. Die Theilung nach dem 61 zelligen Stadium bietet wiederum (die Erscheinung, dass die a-Zellen, die nun in der Vierzahl vor- handen sind, noch ruhende Kerne besitzen, während alle anderen Zellen sich bereits theilen (Fig. 11). Sie zeigen sich uns in Fig. 12 im Stadium der Tochtersterne, während die Theilung bei allen anderen Zellen bereits abgeschlossen ist. Diesmal theilt sich auch die Grobben'sche Zelle, so dass wir also in diesem Stadium 122 Zellen anzunehmen haben. Während aber in dem einen Falle (Fig. 11) die Zelle gleich bei Beginn der Furchung in Theilung tritt, ist in emem anderen Falle (Fig. 14) die Thei- lung an allen Zellen bereits abgelaufen und nur die Grobben'- sche Zelle befindet sich noch im Stadium des Muttersterns; woraus hervorgeht, dass der Zeitpunkt der Theilung schwankt. Der Charakter der nunmehr in der Zweizahl vorhandenen Grob- ben’schen Zellen ist derselbe geblieben; sie sind durch hellere Färbung, sowie beträchtlichere Grösse der Zellen und des Kerns vor den übrigen Zellen ausgezeichnet. Grobben verlegt, wie schon erwähnt, die Theilung der Genitalzelle in die vorige Fur- chung und lässt sie während dieser Furchung ungetheilt. Die Zahl der „Entodermzellen“ beträgt nach seiner Angabe acht, was mit meiner Darstellung der a-Zellen übereinstimmt. Ausserdem macht er folgende Angaben über dieselben, auf die ich hier näher eingehen muss: „die Entodermzellen sind von jetzt an leicht an ihren Kernen zu erkennen, welche kleiner als die der Eetodermzellen sind und im Inneren zahlreiche aber kleine Kern- körperchen besitzen.“ Diese Annahme, dass die „Entodermzellen“ von nun an durch ihre Kerne charakterisirt sein sollen, muss ich für irrthümlich erklären. Die Veranlassung zu diesem Irr- thum mag aber Folgendes gegeben haben: im Stadium von 122 Zellen, sowie in allen folgenden, sehen wir nach vollendeter Furchung die Kerne meist mit einem, selten mit zwei oder drei grossen Kernkörperchen versehen, welche man wohl im Anschluss an die von OÖ. Hertwig!) getroffene Unterscheidung als Nu- eleinkörper bezeichnen müsste; zwischen dem Kernkörperchen und der Kernmembran findet sieh scheinbar ein heller Raum ; ich 1) Hertwig, O., Die Zelle und die Gewebe. 1892. Die Keimblätterhildung bei den Cladoceren. 349 sage scheinbar, weil ich nicht zweifle, dass derselbe ein achroma- tisches Gerüst beherbergt, welches aber bei den angewandten "ärbungen nicht zu sehen ist. Bis zum 122zelligen Stadium sind grössere Kernkörperchen in der Ein- oder Zweizahl meist nur in der Grobben'schen Zelle zu sehen, während in den anderen Zellen das Chromatin in Form eines Gerüstwerkes auftritt, dem nur kleine Körner in grosser Zahl eingelagert sind. Schiekt sich aber eine Zelle, deren Kern nur ein Kernkörperchen be- sitzt, wie oben beschrieben, zur Theilung an, so wandelt sich dasKern- körperchen zuerst in ein chromatisches Gerüst um. Dasselbe Stadium wird dann auch durchlaufen, wenn sich nach der Theilung die Tochtersterne wieder in ruhende Kerne verwandeln. Da nun, wie schon erwähnt, die Abkömmlinge der a-Zelle (Grobben’s „Entodermzellen“) mit der Theilung immer im Rückstand sind, so muss es ein Stadium geben, in welchem alle übrigen Zellen be- reits Kerne mit Kernkörperchen haben, während bloss die a-Zellen noch ein vertheiltes Chromatingerüst besitzen. Ich habe dies be- sonders schön im nächsten Stadium gesehen (Fig. 15). Dass aber schliesslich auch die Kerne der a-Zellen denselben Habitus bekommen, wie die aller anderen Zellen, mag Fig. 13 beweisen, wo die Zellen m der Umgebung der Grobben’'schen im 122- zelligen Stadium abgebildet sind. Da, wie ich bereits hervorge- hoben habe, die a-Zellen sich immer den Grobben’schen Zellen anschliessen. was ja aus ihrer Genese leicht verständlich ist, so müssen sich unter den abgebildeten Zellen auch Abkömmlinge der a-Zelle befinden. Da sich aber keine Zelle dureh irgend eine Besonderheit auszeichnet, die a-Zellen mit den übrigen Zellen in ihrem Habitus vollkommen übereinstimmen, so geht daraus hervor, das Grobben eine vorübergehende Phase der Kern- theilung als ein charakteristisches Merkmal dieser Zellen ange- sehen hat. Das Stadium, das dem 122zelligen folgt, ist in Fig. 15 ab gebildet. Grobben lässt die „Genitalzellen* in diesem Stadium in der Vierzahl vorhanden sein; ich habe immer nur zwei ge- funden, welche sich allerdings in einem Falle bereits zur Theilung an- schickten. Die durch die verspätete Theilung der a-Zellen her- vorgerufene Charakterisirung ist schön zu sehen. Ich zweifle nicht, dass dieselben in der Zahl 16 vorhanden sind, doch ist eine Zählung ge cl gen den Rand hin um so weniger möglich, als 350 DraPamlSamassa: (die Kerne mit vertheiltem Chromatin sieh nur wenig vom umge- benden Plasma unterscheiden. Mit der nächsten Theilung ist das letzte Stadium vor der Keimblätterbildung, also die Blastosphaera'), erreicht. Ich bilde dlasselbe in Fig. 16 ab und füge hinzu, dass die Gegenseite ge- nau denselben Anblick gibt; die Grobben’schen Zellen haben sieh getheilt; sie sind aber als solehe nieht mehr kemntlich, denn sie haben sich mit den übrigen Zellen egalisirt. Ich habe eine grössere Zahl von Eiern dieses Stadiums stets von beiden Seiten untersucht, ohne die Grobben’schen Zellen jemals finden zu können. Diese Auffassung steht im Gegensatz zu derjenigen, welehe Grobben von diesem Stadium hat: während ich eine Blastosphaera finde, die aus durchaus gleichen Zellen zusammen- gesetzt ist, sieht Grobben in diesem Stadium alle drei Keim- blätter, die Anlage der Geschlechtsdrüse und Scheitelplatten be- reits differenzirt. Es muss dem folgenden Abschnitt vorbehalten sein, durch die Darstellung der Entstehung dieser Gebilde. die Grobben'sche Auffassung zu widerlegen. Ich will hier bloss untersuchen, wie es mit der Charakterisirung dieser Gebilde be- stellt ist. Dass die „Genitalzellen“ unmittelbar nach der Thei- lung noch zu erkennen sind, scheint mir nieht ausgeschlossen ; (lass sie aber noch in diesem Stadium den übrigen Zellen gleich werden, halte ich durch meine Beobachtungen für erwiesen. Ueber das Kennzeichen der „Entodermzellen“ habe ich mich schon früher ausgesprochen. Als Mesoderm betrachtet Grobben zwölf Zellen, welehe an die Genitalzellen grenzen; an sich sind sie von den übrigen Zellen dureh nichts unterschieden und Grob- ben schliesst nur aus den Schieksalen, die sie später erleiden sollen, I) Da die Furchung von Moina superfieial ist, so müsste man dieses Stadium ebenso wie die vorhergehenden, in denen die Zellen gegeneinander bereits abgegrenzt sind, — also vom 16zelligen an — als Keimhautstadien bezeichnen. Da aber in diesem letzten Stadium der Dotter bis auf einige wenige Kugeln bereits resorbirt ist und die Höhle des Eies von einer eiweisshaltigen Flüssigkeit erfüllt ist, erscheint es sinngemässer, den Ausdruck „Blastosphaera“ für das letzte Stadium vor der Keimblätterbildung zu gebrauchen, für das Ei während der Keimblätterbildung die Bezeichnung „Keimblase*, und vom Auftreten der Extremitäten an Embryo; endlich Blastocoel für den Hohlraum der Keimblase, der bei den dotterreicheren Formen mit Dotter er- füllt ist. Die Keimblätterbildung bei den Cladoceren. 351 auf diese ihre Bestimmung. Die Scheitelplatten habe ich in diesem Stadium niemals gesehen; wenn es mir auch wahrschein- lich erscheint, dass Grobben ältere Stadien mit diesem ver- wechselt hat, so will ich doch die Möglichkeit nicht m Abrede stellen, dass gelegentlich bei Moina die Scheitelplatten so früh auftreten, da dies wenigstens bei anderen Cladoceren vorkommt. Aus dem Blastosphaerastadium selbst ergibt sich demnach kein zwingender Grund, eine so frühe Scheidung der Keimblätter und Organe anzunehmen; er müsste erst aus der späteren Ent- wicklung beigebracht werden. An dieser Stelle möchte ich noch in Rückblick auf den ge- schilderten Furchungsprocess Einiges über die Orientirung des Eies während dieser Zeit bemerken. Wir haben gesehen, dass eine Ebene, welche durch die Kerne des vierzelligen Stadiums gelegt wird, als Aequatorialebene festgehalten werden kann. Sie ist auch im Blastosphaerastadium (dadurch kenntlich, dass das Ei senkrecht auf dieselbe abgeplattet ist. Ich will gleich hier bemerken. dass die Aequatorielebene mit Rücksicht auf das er- wachsene Thier einer Ebene entspricht, welche durch die Längs- und Transversalaxe gelegt wird, die also dorsal von ventral scheidet. Eine weitere Orientirung sehen wir vom 16zelligen Stadium bis zum letzten Stadium vor der Blastosphaera durch die Lage der Grobben’schen Zelle gegeben, die ich durch den provisorischen Ausdruck oben und unten bezeichnet habe. Eine dritte Orientirung besteht in der Lage des Richtungkörpers; wir können nach dem gegenwärtigen Stande unseres Wissens unbe- denklich annehmen, dass derselbe am animalen Pol liegt, was in diesem Falle mit dorsal gleich bedeutend wäre. Es wäre nun von grossem Interesse, die zweite und dritte der genannten Örientirungen in Beziehung zu setzen, das heisst: die Lage des Richtungskörpers zur Grobben'schen Zelle festzustellen. Mir ist das an Schnitten durch ein Ei des 16zelligen Stadiums nicht gelungen ; ich zweifle aber nicht daran, dass es an einem reiche- ren Material dieses Stadiums gelingen müsste in emigen Fällen den Richtungskörper noch aufzufinden, und dann meine proviso- rische Bezeichnung oben und unten durch die Defimition animal und vegetativ, bez. dorsal und ventral zu ersetzen. Ziehe ich zur Lösung dieser Frage Grobbens Angaben heran, so ergibt sich Folgendes: Grobben bemerkt, dass bei der Theilung des 352 Dr. PaulSamassa: achtzelligen Stadiums zum 16 zelligen die Zelle, welche den Rich- tungskörper enthält, in der’ Theilung zurückbleibt ; diese Zelle ist nun nach meiner Auffassung die Mutterzelle der Grobben’- schen und der a-Zelle. Die Grobben’sche Zelle würde dem- nach der animalen Hemisphäre angehören, also dorsal liegen, während sie nach Grobben’s Auffassung als Genitalzelle am vegetativen Pol und ventral gelegen ist. Aus der Darstellung, die ich von der Furchung gegeben habe, geht hervor, dass ich mich den Grobben’schen Deutungen bezüglich der Anlagen der Keimblätter und der Genitaldrüse nicht anschliesse; ihre tiefere Begründung wird diese Stellung im folgenden Abschnitt erhalten. Bereits hier muss aber her- vorgehoben werden, dass dadurch einigen Vorgängen während der Furchung die Erklärung genommen wird und dass dieselben einer neuen Erklärung bedürfen. Es ist kurz zusammengefasst folgendes: Bei der Furchung nach dem Szelligen Stadium bleibt eine Zelle in der Theilung zurück ; ein Abkömmling derselben — die Grobben’sche Zelle — theilt sich bis zum Blastosphära- stadium nur zweimal, während alle übrigen Zellen sich fünfmal theilen; sie ist ausserdem durch beträchtlichere Grösse und geringere Dicke den übrigen Zellen gegenüber ausgezeichnet. Der zweite Ab- kömmling, die a-Zelle, zeigt nur die eine Eigenthümlichkeit, dass sie und ihre Abkömmlinge die erwähnte Verspätung in der Theilung beibehalten. Ich bin ausser Stande, diese Vorgänge zu erklären; ich möchte aber darauf hinweisen, dass wir uns hier auf dem Gebiete der Entwicklungsmechanik befinden, über wel- ches wir noch so wenig wissen. Zudem können wir auch gar nicht hoffen, einen dem vorliegenden ähnlichen Fall so leicht auf- zufinden: denn bei Moina muss sich die Entwicklungsmechanik zum Theil erst ganz neu gebildet haben. Dies geht aus Folgen- dem leicht hervor: Moina stammt zweifellos von Daphniden ab, deren Eier einen grösseren Dotterreichthum besassen; da durch Weismann!) die Einrichtungen, welche eine sekundäre Re- duktion des Dotters ermöglichten, nachgewiesen wurden, so kann (darüber kein Zweifel bestehen. Infolge der geringen Menge des Nahrungsdotters kommen die Zellen früher gegen einander zur 1) A. Weismann, Beiträge zur Naturgeschichte der Daphniden. Zeitschrift für wiss. Zoologie, XXVIII. 1877. Die Keimblätterbildung bei den Cladoceren. 353 Abgrenzung, als z. B. bei Daphnia pulex, wo noch im 32 zelligen Stadium die Zellen nur durch pseudopodienartige Ausläufer mit- einander verbunden sind. Da das Letztere bei den Vorfahren von Moina sicherlich auch der Fall war, so war die Abgrenzung der Zellen im 16zelligen Stadium, sowie ihre. gegenseitige Lage- rung etwas, was erst bei Moina in Folge der Reduktion des Dotters auftrat. Ich bin von der Vermutung weit entfernt, damit eine aus- reichende Erklärung gegeben zu haben. Ich glaube aber doch, dass jeder Versuch einer Erklärung dieser eigenthümlichen Ver- hältnisse sich in dieser Riehtung wird bewegen müssen. Die Bildung der Keimblätter. Fig. 17 stellt das erste Stadium nach der Blastophaera dar. Wir sehen die ventrale Ansicht der Keimblase; dem Rande etwas genähert einen ovalen dunkleren Fleck (B), von dem aus dureh Einwucherung Entoderm und Mesoderm gebildet wird. Man könnte denselben demnach als Keimfleck bezeichnen; da aber die Einwucherungsregion nur bei Moina die erwähnte ovale Form besitzt, bei anderen Cladoceren {Daphnella, Daphnia) hingegen einen breiten Streifen in der Medianlinie vorstellt, so müsste man in letzterem Falle die Bezeichnung „Keimstreif* gebrau- chen. Dieser Ausdruck wird aber in verschiedenem Sinne an- gewendet; ausserdem wäre es auch wünschenswerth, für alle Cladoceren einen Namen benützen zu können. Ich wähle daher, um keine neuen Namen zu fabrieiren, den Ausdruck „Blasto- zone“, den Graber!) in der Insektenembryologie eingeführt hat, für jene Partie des Blastoderms (Keimblase Moina), welche dureh Einwucherung das Entoderm und Mesoderm liefert. Durch die Blastozone ist die Keimblase nunmehr bilateral symmetrisch orientirt: dieselbe liegt ventral und dem künftigen Schwanzende des Thieres etwas genähert; überdies liegt ihre Längsaxe in der künftigen Längsaxe des Thieres. Bei genauerem Zusehen ergibt sich, dass die Blastozone von einer doppelten 1) Graber, V., Vergleichende Studien am Keimstreif der Insek- ten. Denkschr. d. math. nat. Cl. d. Ak. der Wiss. Wien, Bd. 57. 1890. 354 Dr. Paul Samassäa: Zellschieht gebildet wird. In ihrer Mitte findet sich eime leichte Einsenkung (Fig. 17, PU); hat man auf den tiefsten Punkt derselben eingestellt, so erscheint die untere Zellschicht kranzförmig und die- sen Eindruck habe ich in Fig. 17 wiederzugeben versucht. Die Einsenkung wird von Grobben als Urmund bezeichnet, was unter Voraussetzung seiner Darstellung der Entodermbildung auch ganz correkt war. Da ich mit dieser Darstellung jedoch nicht über- einstimme, so ergibt sich mir auch für diese Einsenkung eine andere Auffassung, die ich aber erst am Schlusse des zweiten Theiles meiner Arbeit werde eingehend begründen können. Ich will diese Einsenkung als Pseudourmund bezeichnen. Genaueres über das Verhältniss der oberen Zellschicht der Blaztozone zur unteren ergeben Schnitte. Fig. 15 zeigt einen medianen Sagittalschnitt durch ein sehr frühes Stadium, das jedenfalls jünger als die Keimblase von Fig. 17 ist. Wir sehen hier im Bereich des Keimflecks eine Wucherung des Epithels, welche bereits zu theilweiser Zweischichtigkeit geführt hat. Das Bild macht durchaus den Eindruck, als ob einzelne Zellen des Epithels gegen das Blastocoel aus dem Epithelverbande herausgepresst wären. Dafür spricht wenigstens, dass die Zellen der unteren Schicht vielfach mit spitz ausgezogenen Enden zwischen den Zellen der oberen Schicht steeken. Der Vorgang wäre also als Einwanderung oder Immigration zu bezeichnen. Die dadurch gelieferten Zellen bilden die gemeinsame Anlage des Entoderms und des Mesoderms; ich bezeichne daher diese untere Zellschieht als Entomesoderm oder nach der von Kowalevsky bei Insekten eingeführten Bezeichnung als unteres Blatt. Ich bin auch durch das Studium späterer Stadien zu der Ueberzeugung gelangt, dass die Einwanderung den Hauptantheil an der Bildung des unteren Blattes nimmt; daneben fand ich aber, wenn auch spärlich, Kernspindeln, welche senkreeht zur Eioberfläche standen. Die aus diesen Thei- lungen hervorgehenden Zellen des unteren Blattes entstehen also nach der gebräuchlichen Bezeiehnung durch Delamination. Doch lässt sich auch hier die Möglichkeit nicht ausschliessen, dass schliesslich beide durch Theilung entstandenen Zellen einwandern, wofür ich bei anderen Formen sichere Beweise ‚habe. Von Wichtigkeit erscheint mir noch, dass in Fig. 18 irgend eine Eim- senkung an der Oberfläche des Keimflecks nieht zu sehen ist; ebensowenig ist dies an den vorhergehenden und folgenden Die Keimblätterbildung bei den Cladoceren. 355 Schnitten durch diese Keimblase der Fall. Es folgt daraus mit Sicherheit, dass die Einwucherung der Bildung des Pseudour- mundes vorausgeht. Etwas weiter vorgeschritten ist die Keimblase, von der Fig. 19 einen medianen Sagittalschnitt wiedergibt!). Hier sehen wir in der Nähe des Hinterendes den Pseudourmund; die Zellwucherung der Blastozone ist beträchtlicher als in Fig. 18 und springt bogenförmig gegen das Blastocoel vor. In Letzterem findet sich ein blasses Gerinnsel, in welchem äusserst spärlich einige Dotter- kugeln liegen. Das Gerinnsel rührt wohl von einer eiweisshal- tigen Flüssigkeit her, welche das Blastocoel erfüllt, und die ge- ringe Zahl der Dotterkugeln lässt schliessen, dass der eigene Nahrungsvorrath des Eies erschöpft ist und die Ernährung bereits hauptsächlich durch das mütterliche Blutserum erfolgt. Eine so grosse Menge von Nahrungsdotter, wie Grobben in seiner Fig. 15 von einem Stadium annähernd gleichen Alters abbildet, habe ich nie beobachtet; hingegen fällt auf, dass die wenigen Dotter- kugeln sich oft bis in sehr späte Stadien erhalten, nachdem sie schon in Zellen aufgenommen sind. In der Keimblase der Fig. 19 sind die Scheitelplatten noch nicht vorhanden. In manchen Fällen treten sie in diesem Stadium bereits auf, unter allen Umständen aber bald nach demselben. Sie ent- stehen paarig am Vorderende des Embryo und zwar immer dor- sal. Sie werden von vergrösserten Zellen gebildet, welche gegen das Blastocoel vorspringen; auch ihre Kerne erscheinen ver- grössert und enthalten nur einen Nucleinkörper. Die Kerne schieben sich meist etwas gegen das Blastocoel zu vor, so dass es bei Betrachtung ganzer Keimblasen mitunter scheint, als wären die Scheitelplatten Einstülpungen; die Schnitte beweisen aber, dass dies nicht der Fall ist. Nach hinten reichen die Scheitelplatten niemals so weit, wie Grobben es in Fig. 13 1) Das Ei von Fig. 19 ist aus demselben Brutraume, wie das von Fig. 18. Trotzdem es in der Entwicklung etwas vorgeschritten ist, ist es beträchtlich kleiner. Da ich in diesem Falle das ganze Mutter- thier geschnitten hatte, konnte ich feststellen, dass die geringe Grösse, sowie die starke Compression von einer für die Ernährung besonders ungünstigen Lage im Brutraume herrühren. Vergl. das eingangs des vorigen Abschnittes Gesagte. Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 41 23 356 Dr. Paul Samassa: darstellt. Die Vereinigung der beiden Scheitelplatten erfolgt erst verhältnissmässig spät. Im Sagittalschnitt Fig. 20 sind die Scheitelplatten bereits angelegt. Durch stärkeres Wachsthum der hinteren Hälfte hat sich der Pseudourmund in die Mitte der Keimblase verschoben. Die Wucherung ist beträchtlich stärker geworden als in Fig. 19; sie springt kuppenförmig gegen das Blastocoel vor. Vor der- selben liegen an der Keimblasenwand bloss drei Zellen, von denen zwei sich theilen. Nach hinten zu aber steht mit der Wucherung der Blastozone eine breite Masse von Zellen in Ver- bindung, welehe das hintere Ende des Blastocoels ausgefüllt und die dorsale Wand erreicht. Diese Zellenmasse, welche natürlich der Blastozone ihren Ursprung verdankt, hat imsofern eine be- sondere Bedeutung, als sie eine selbständige Wachsthumszone des unteren Blattes vorstellt, schon zu einer Zeit, da die Wuche- rung von der Blastozone aus immer noch stattfindet. Ich will sie als die Keimzone des unteren Blattes bezeichnen. Etwas weiter entwickelt ist ein Ei, von dem ich fünf Quersehnitte in Fig. 21—25 wiedergebe. Da die Selmitte nieht genau quer geführt sind !), so sehen wir in Fig. 21 rechts noch die Scheitelplatte getroffen, links nicht mehr. Der ventralen Wand der Keimblase liegt eine einfache Reihe von Zellen an, von denen zwei sich in Theilung befinden (x); da man die Aequatorialplatten in der Polansicht sieht, so findet die Theilung in der Längsrichtung des Körpers statt. Ausserdem sehen wir noch links Zellen frei im Blastocoel liegen. Der dritte Schnitt hinter diesem (Fig. 22) liegt bereits im Bereich der Blastozone, die sich als Wucherung des Keimblasenepithels darstellt; mit derselben steht links eine Zellschicht in Verbindung, welche der Keimbla- senwand anliegt und die Rückenseite fast erreicht; rechts er- strekt sich die Zellsehieht nicht so weit, was damit zusammen- 1) Bei der fast runden Gestalt der Eier bietet die Orientirung der Schnitte einige Schwierigkeit. Sind die Scheitelplatien bereits vor- handen, so kann man sich dadurch helfen, dass man das Ei in einer ziemlich dünnen Paraffinplatte einschliesst. Man kann dann meist bei schwacher Vergrösserung die Scheitelplatten erkennen und sich nach der Lage derselben durch einen Ritzer im Paraffin die Schnittrichtung festlegen. Ganz genaue Querschnitte dürften aber wohl auch dann nur durch Zufall zu erhalten sein. oo Hr = Die Keimblätterbildung bei den Cladoceren. hängt, dass, wie bereits erwähnt, die rechte Seite weiter vorne getroffen ist, als die linke. Bemerkenswerth ist, dass sich hier neben einer Zelltheilung in der Längsrichtung auch eime solche in dorsalventraler Riehtung vorfindet. Auch hier liegt an der dorsalen Wand der Keimblase eine Zelle frei im Blastocoel, eine zweite in der Nähe der Wucherungsstelle. Eime Einsenkung be- sitzt die Blastozone hier noch nicht. Dieselbe tritt erst in den nächsten Schnitten auf. Im dritten Schnitte nach Fig. 22 ist sie am tiefsten (Fig. 23 PU). Im Vergleich mit den jüngeren Stadien ist der Pseudourmund bedeutend seichter geworden. Von der Wucherungsstelle geht auch hier seitlich das untere Blatt flügelfümig ab. Fig. 24 zeigt den 5. Schnitt nach dem der Fig. 23. Er liegt bereits hinter dem Bereich der. Blastozone. Es finden sich hier zwei symmetrische Zellmassen, die miteinan- der nieht in Verbindung stehen. Die Kerme sind meist etwas grösser, als in den vorigen Schnitten; auch sind polygonale Zell- grenzen vorhanden. Aequatorialplatten in Polansicht lassen auf eine lebhafte Zellvermehrung in der Längsriehtung schliessen. Be- reits im nächsten Schnitte (Fig. 25) finden wir an Stelle der beiden symmetrisch gelegenen Zellmassen eine einzige mediane. Die Zellen derselben sind in. lebhafter Theilung in den verschie- densten Richtungen. Frontalschnitte durch dasselbe Stadium mögen das Bild noch vervollständigen. Fig. 27 giebt einen solchen wieder, welcher nahe der ventralen Wand sowohl durch die Wucherung der Blastozone als auch durch die Keimzone geht. Wir finden mehrere Zellen in Theilung, die Kerne meist vergrössert; nach vorne zu er- strecken sich von der compaeten mittleren Masse längs der Keimblasenwand Fortsätze.. Der Schnitt Fig. 28 liegt etwas über der Transversalebene, da auf der linken Seite die Scheitel- platte bereits getroffen ist. Wir sehen am analen Ende der Keimblase in der Medianlinie die Keimzone (K), deren Kerme theils vergrössert, theils in Theilung befindlich sind. Von der- selben erstreckt sich längs der Keimblasenwand eine theils ein- fache, theils doppelte Zellschicht, welche links bis an die Schei- telplatte (S) reicht. Suchen wir nun aus den geschilderten Schnitten ein über- sichtliches Bild zu gewinnen: Nahezu in der Mitte der Keimblase liegt an der ventralen Seite die Blastozone, die in der Mitte 358 Dr, Paul Samäa&sa! eine leichte Einsenkung besitzt, den Pseudourmund; von. der Blastozone aus findet hauptsächlich nach hinten zu eine starke Zeliwucherung statt, welche vorübergehend in Form zweier paa- riger Streifen auftritt. Ausserdem findet sich aber an der ganzen inneren Wand der Keimblase mit Ausnahme der dorsalen Seite das untere Blatt, welches mit der Blastozone sowohl, als auch mit der Keimzone in Verbindung steht. Zelltheilungen finden überall statt, besonders zahlreich aber in der Keimzone. Ausser- dem haben sich bereits einzelne Zellen vom unteren Blatt losge- löst und liegen theils frei im Blastocoel, theils haben sie sich der dorsalen Keimblasenwand angelegt. Eine Ablösung dersel- ben vom unteren Blatt ist umso leichter möglich, als insbesondere in der Kopfgegend der Zusammenhang der Zellen des unteren Blattes verhältnissmässig nur locker ist, wie dies aus der Fig. 20—22 hervorgeht. Diese losgelösten Zellen entsprechen den Dotterzellen der dotterreichen Formen, sind aber bei Moina, wenigstens in dieser Beziehung funktionslos. Ich habe auch nicht gesehen, dass die wenigen Dotterkugeln, welche in diesem Stadium mitunter noch vorhanden sind, von ihnen aufgenommen worden waren. Grob- ben findet, wie ich schon erwähnt habe, zu der Zeit, wo das Entoderm nach seiner Auffassung eingestülpt wird, noch eine grosse Menge Dotter im Blastocoel; es wäre möglich, dass unsere Differenz in diesem Punkte darauf zurückgeführt werden kann, dass uns verschiedene Varietäten von Moina vorlagen. Ich glaube, dies um so mehr, als Grobben angibt, dass Mesodermzellen sich des Dotters bemächtigen, die dann später zu Fettkörperzellen werden, und ich diese Angaben für die dotterreichen Formen Daphmnella und Daphnia vollkommen bestätigen kann. Ich bin daher auch überzeugt, dass die beschriebenen, losgelösten Zellen des unteren Blattes bei Moina zu Fettkörperzellen werden, wenn ich das auch nicht beobachtet habe. Der Anblick der Keimblasen dieses Stadiums in toto lässt die geschilderten Verhältnisse nur zum Theil erkennen. Ich sehe von einer Abbildung ab, da Grobben’s Fig. 16 den Gesammt- eindruck ganz ‘gut wieder gibt und wir nur in der Deutung auseinandergehen, woraufich noch eingehend zu sprechen komme. Man sieht einen dunkleren Fleck, der am hinteren Rande der Keimblase breit beginnt und zungenförmig .gegen ihre Mitte Die Keimblätterbildung bei den Cladoceren. Bag vorspringt; dieser dnnklere Fleck entspricht der Blastozone und den Wucherungsstreifen, welche sich von derselben aus gegen das hintere Ende hin erstrecken; er erscheint verhältnissmässig scharf begrenzt, da der Rest des unteren Blattes wie wir ge- sehen haben, meist einschiehtig ist. Aus diesem Grunde ist es ganz unmöglich, ohne Hilfe von Schnitten den Thatbestand aus der Betrachtung der ganzen Keimblase zu entnehmen. Ball nach diesem Stadium hört die Wucherung in der Blastozone auf und das untere Blatt grenzt sich vom Epithel der Keimblase, das nunmehr als Eetoderm zu betrachten ist, ab. Besonderes Interesse beansprucht das Schicksal des Pseu- dourmunds; wir haben gesehen, dass derselbe in dem Stadium der Fig. 21—25 im Vergleich zu den früheren Stadien der Fig. 19 und 20 flacher geworden ist. Hat nun die Wucherung aufgehört, so findet sich weder im FEetoderm eine Ein- senkung noch irgend ein eingestülpter Hohlraum im unteren Blatt. Ebensowenig spricht etwas dafür, dass sich das Epithel der Umgebung über dem Pseudourmund wegschiebt und den- selben schliesst. Es muss daher angenommen werden, dass der Pseudourmund sich nieht schliesst, sondern verflacht und schliess- lich verstreicht. Daraus folgt auch, dass die Zellen, welehe in dden früheren Stadien die Einsenkung begrenzten, durchaus nicht alle zu Zellen des unteren Blattes werden, sondern zum Theil zu Eetodermzellen. Mit der Abgrenzung des unteren Blattes vom Eetoderm ist die erste Phase der Keimblätterbildung abgeschlossen und ich wende mich der Besprechung der Grobben’schen Angaben zu. Ich habe dieselben beim Blastophaerastadium verlassen, in dem Grobben bereits alle drei Keimblätter sowie die Genitalan- lage für differenzirt hält, während ich die Blastophaera aus gleichartigen Zellen zusammengesetzt beschrieben habe. Der Gegensatz unserer Auffassungen muss natürlich bei Besprechung \ . jedes einzelnen Punktes wieder zu Tage treten. Grobben giht an, dass zwölf Zellen, welche die „Genitalzelle* umgeben, in die Tiefe rücken und das Mesoderm liefern. Er hat diesen Vor- gang an Schnitten nicht beobachtet; an der Keimblase in toto aber würde derselbe, wenn er auch wirklich vorkäme, kaum mit Sicherheit wahrzunehmen sein. Ich glaube daher dass Grobben in Beginn der Einwucherung die doppelten Zellschiehten im Be- 360 Dr. Paul Samassna» reiche des Keimflecks beobachtet hat und nun die Annahme machte, die unteren Zellschichten wären auf die geschilderte Weise in ihre Lage gekommen. Gleich nach der Einwanderung des Mesoderms lässt Grobben den Urmund auftreten, der in seiner Fig. 13 annähernd die Form und Lage hat, die in Fig. 19 dieser Arbeit der Pseudourmund besitzt. Vor demselben liegen die „Mesodermzellen“, die offenbar nichts anderes sind als einge- wucherte Zellen des unteren Blattes, deren Beziehungen zum Epi- thel des Urmundes Grobben verkannt hat. Nachdem die „Mesodermzellen“ eben erst in der Zwölfzahl bogenförmig in die Tiefe gerückt sein sollen, in Fig. 13 aber auf einem Schnitt fünf zu sehen sind, so müssten sich dieselben ganz unwahrschein- lich stark vermehrt haben. Die „Genitalzellen“ liegen nach Grob- ben’s Angabe in diesem Stadium noch im Epithelverbande vor dem Urmunde. Wie wenig sicher die Charakterisirung derselben ist, ergibt sich aus einem Vergleich der Fig. 14 und 13 dieses Autors: während in ersterer Figur sowohl dıe Zellen selbst als auch deren Kerne die „Entodermzellen“ und deren Kerne sehr beträchtlich an Grösse übertreffen, ist dies in Figur 13 kaum merklich der Fall. Nunmehr soll der Schluss des Gastrulamundes erfolgen, dessen Epithel zum Entoderm wird; Grobben sagt hierüber: „Der Gastrulamund schliesst sich wahrscheinlich vollständig.“ Aus dem „wahrschemlich“ ist wohl zu entnehmen, dass er diesen Vorgang nicht beobachtet hat, umsomehr als er davon auch keine Abbildung gibt. Nach Schluss des Urmunds sollen die Genitalzellen in die Tiefe rücken und sich unter das Entoderm legen. Nachdem Grobben diese Vorgänge geschildert hat, macht er pag. 13 eine Bemerkung, die mir völlig unverständlich ist. Er sagt: „Ich muss jedoch zum Schluss erwähnen, dass ich nicht sicher bin, ob die Orientirung, welche ich den Stadien von Fig. 8—13 gegeben habe, die richtige ist. Ich konnte nicht mit voller Sicherheit entscheiden, ob das Mesoderm am vorderen Rande des Gastrulamundes entsteht, da es unmög- lich ist, in den betreffenden Stadien Rücken und Bauch sicher zu unterscheiden.“ Mit Rücksicht auf diesen letzten Passus be- deutet das aber, dass Grobben die Möglichkeit offen lässt, dass das Entoderm, der Urmund und die Genitalanlage dorsal entstehen, hingegen das Gehim (vergl. Grobben’s Fig. 13) Die Keimblätterbildung bei den Cladoceren. 361 ventral in der Schwanzgegend! Grobben fährt dann fort: „Manche Präparate hessen in mir den Gedanken aufkommen, dass das Mesoderm möglicherweise am hinteren Rande des Gastrulamundes entsteht.“ Dies ist allerdings sehr begreiflich, da Grobben eben in diesem Falle die starke Wucherung, welche nach hinten zu von der Blastozone ausgeht und zur Bildung der Keimzone führt, gesehen und sich ausserdem an den Scheitelplatten richtig orientirt hat. Bezüglich der Letzteren stimme ich mit Grobben nicht überein, da er die Seheitelplatte sich unpaar und median anlegen lässt (Grobben’'s Fig. 15); später sollen dann in der Mitte durch Theilung der Scheitel- plattenzellen kleinere Zeilen entstehen, welche die grösseren Zellen auseinanderdrängen (Grobben’s Fig. 17). Diese letztere Figur entspricht aber gleich dem ersten Auftreten der Scheitel- platten ; sie liegen bei demselben bilateral symmetrisch und ohne Verbindung mit einander. Erst in einem Stadium, das Grob- ben’s Fig. 25 entspricht, gelangen sie in der Medianebene zur Berührung. Das nächste Stadium, das Grobben in Fig. 18—20 ab- bildet, entspricht ziemlich genau demjenigen, das ich in Fig. 20—27 abgebildet und eingehend beschrieben habe. Dass der Anblick der Keimblase ım Ganzen die wirklichen Verhältnisse nur theilweise zur Ansicht bringt, habe ich bereits bemerkt; Grobben hat denn auch in Fig. 16 den Eindruck, den dieses Stadium von der Ventralseite aus macht, ganz richtig wiederge- geben. Den erwähnten dunklern Fleck hält er für das Ento- derm, den Rest des unteren Blattes für das Mesoderm. Da nach seiner Auffassung das Entoderm hier bereits in so grosser Menge vorhanden ist, so musste er natürlich früher annehmen, dass sich der Urmund geschlossen habe. Desshalb hält er jetzt eine seichte Einsenkung, welche sich an der höchsten Stelle des „Entoderms“ findet und die ich für den verstreichenden Pseudo- urmund halten muss, für den Beginn der Stomatodaeumeinstül- pung und kommt so zu der Ansicht, dass der Mund an der Stelle, an der der Urmund zum Verschlusse gelangte, auftrete. Die Seitenansicht (Fig. 18), die Grobben noch von diesem Stadium gibt, zeigt wie undeutlich die Abgrenzung des „Entoderms“ gegen das „Mesoderm“ ist, Ferner sieht man unter dem „Entoderm“ die 362 Dr! Paul Samassa: „Genitalzellen“, wofür Grobben offenbar emige Zellen mit ver- srösserten Kernen aus der Keimzone angesehen hat. Es erübrigt mir noch zu besprechen, in welcher Weise sich das untere Blatt in Entoderm und Mesoderm sondert. Nachdem sich das untere Blatt vom Eetoderm getrennt hat, treten charak- teristische Veränderungen auf (Fig. 26); dorsal findet sich unter den Scheitelplatten eine quere Falte (F), welche langsam seitlich weitergreift und schliesslich auf die ventrale Seite umbiegt; während sie aber auf der dorsalen Seite quer verläuft, nimmt sie hier eine schiefe Richtung nach oben an, wo sie in der Nähe des Stomatodaeums, das sich mittlerweile gebildet hat verstreicht (Fig. 35). Diese Falte entspricht vollkommen dem Einschnitte, der beim erwachsenen Thier den Kopf vom Abdomen absetzt. Die erste Gliederung, die am Embryo auftritt, führt also zur Abgrenzung des Kopfsegmentes. Das dorsale Auftreten der Falte, sowie iiberhaupt ihr querer Verlauf am Rücken ist Grobben ent- sangen. Hingegen hat er sie auf der ventralen Seite wohl ge- sehen und hält sie hier für die Einsenkung, welche zur Abgren- zung der zweiten Antenne führt. Das stimmt aber nur insofern, als in der That die Basis der zweiten Antenne bei ihrem Auf- treten von dieser Falte begrenzt wird. Wenn aber Grobben an- nimmt, dass diese Falte dorsal ebenso nach aufwärts steigt, wie ventral (vergl. Fig. 20 dieses Autors), so entspricht das den thatsächliehen Verhältnissen nicht, wie sich aus Fig. 35 ergibt. Der dunkle Fleck, der im vorigen Stadium zungenförmig gegen die Mitte der Keimblase vorsprang, besitzt jetzt eine ver- breiterte Basis, reicht aber nieht mehr so weit gegen die Mitte. Er entspricht nunmehr blos der Keimzone. Die Beziehungen dieser Letzteren ergeben sich aus Sagittalschnitten (Fig. 29, 30). Der Schnitt der Fig. 29 ist genau median geführt. Wir sehen an der dorsalen Seite, die besprochene Falte (F), ventral und höher gelegen die beginnende Einstülpung des Stomatodaeums (St). Im analen Abschnitte findet man die Keimzone als eine gegen das Blastocoel vorspringende Zellmasse des unteren Blattes (u B), deren Kerne meist vergrössert sind. An der ventralen Keimblasenwand entlang erstreckt sich bis zum Stomatodaeum = Wb} Die Keimblätterbildung bei den Cladoceren. 96: ein Forsatz, der nur eine Reihe von Kernen enthält. Ein seit- licher Sagittalschnitt (Fig. 30) zeigt die Scheitelplatte (S), unter derselben die dorsale Falte (F). In der hinteren Hälfte der Keimblase finden wir wieder die Keimzone, von der em Zell- streifen längs der ventralen Wand bis zur Scheitelplatte reicht. Die Verhältnisse des unteren Blattes stellen sich demnach so dar, dass von der Keimzone aus eine Zellschicht ausgeht und die ganze ventrale Seite der Keimblase bedeckt; dieselbe ist median einschichtig und durch die Stomatodaeumeinstülpung un- terbrochen. Die lateralen, meist zweischichtigen Partien des unteren Blattes haben sich über dem Stomatodaeum in der Me- dianebene vereinigt, was daraus hervorgeht, dass sich hier (Fig. 29) der Kopfwand anliegend, Zellen finden. Eine Schei- dung des unteren Blattes in Entoderm und Mesoderm hat noch nicht stattgefunden. Man kann zwar sicher annehmen, dass die mediane Partie (Fig. 29 En) zu Entoderm, die lateralen zu Me- soderm werden. Es ist aber ebenso sicher, dass ein grosser Theil des Entoderms noch in der Keimzone enthalten ist, wie es andererseits unmöglich ist, eine Grenze zwischen dem medianen künf- tigen Entoderm und dem lateralen künftigen Mesoderm aufzufinden. Schliesslich ist noch das Verhältniss der Blastozone, be- ziehungsweise des Pseudourmunds zum Stomatodaeum zu be- sprechen. Ich habe bereits erwähnt, dass Grobben den Mund an der Stelle, an der sich der Urmund geschlossen haben soll, entstehen lässt. Ich habe aber bereits oben dargelegt, dass diese Annahme auf irrthümlichen Voraussetzungen beruht. Da ich nun der Einsenkung, die Grobben für den Urmund hält, diese Bedeutung überhaupt abspreche, so ist die Frage in meiner Auffassung bedeutungslos; ich werde dies im zweiten Theile dieser Arbeit noch näher begründen. Es genügt, wenn ich hier feststelle, dass die Blastozone sich etwa von der Gegend der späteren Stomatodaeumemstülpung bis in die Nähe des Schwanzpoles, an dem das Proctadaeum auftritt, erstreckt, ein Verhalten, das mit dem andrer Cladoceren, die ich untersucht habe, übereinstimmt. Bezüglich der weiteren, äusseren Gliederung des Embryo muss ich auf die Darstellung Grobben’s verweisen. Für uns hat vor Allem die Trennung des unteren Blattes in Entoderm und Mesoderm Interesse, Dieselbe geht vom Stomatodaeum aus 364 Dr. Paul Samassa: vor sich. Drei Querschnitte (Fig. 31—33) durch einen Embryo, der etwa Grobben's Fig. 25 entspricht, mögen dies veran- schaulichen. Unter dem Stomatodaeum treffen wir an der vorderen Leibeswand den kreisfömigen Durchschnitt des Entoderms (Fig. 31 En). In demselben findet sich kein Lumen und auch die Zellen sind keimeswegs epithelartig angeordnet. Das Mesoderm (M) liegt als mehrschichtige Zelllage der Leibeswand an und reicht bis zum Rücken. Ein weiter unten geführter Schnitt (Fig. 32) zeigt das Entoderm als einfache Zellenreihe, die aber bereits bogenförmig gegen das Mesoderm abgegrenzt ist. An den zwischen liegenden Schnitten konnte ich leider nicht ermitteln, wie die Form des Entoderms in Fig. 31 aus der Form in Fig. 52 hervorgeht; ich muss es daher offen lassen, ob dies durch Zu- sammenkrümmen der Zellschieht oder durch eine Art Zusammen- schiebung erfolgt. Noch weiter analwärts (Fig. 33) finden wir an der ventralen Leibeswand eine ein- bis zweischichtige Zell- lage (u B), die nur als unteres Blatt aufgefasst werden kann, indem eine Differenzirung des Entoderms noch nicht erfolgt ist. Die Keim- zone ist nicht mehr vorhanden ; sie hat ihre Aufgabe bereits erfüllt, indem aus ihr das untere Blatt der hinteren, sehr stark ge- wachsenen Leibespartien entstanden ist. In der angegebenen Weise geht die Bildung des Entoderms immer weiter nach hinten zu vor sich und bietet kein weiteres Interesse. Zu erwähnen ist noch, dass ich in dem geschilderten Sta- dium zuerst die Genitalanlage getroffen habe; sie wird jederseits durch vier Mesodermzellen vorgestellt, welche den übrigen Zellen gegenüber durch ihre Grösse kenntlich sind und gegen die pri- märe Leibeshöhle vorspringen. Ich habe dieselbe in Figur 34 auf einem etwas späteren Stadium abgebildet (GA). Die An- nahme, dass die Genitalanlage bereits in viel früheren Stadien durch die grossen Zellen der Keimzone dargestellt werde, lässt sich leicht dadurch entkräften, dass- die Zahl der Letzteren schon in sehr frühen Stadien viel grösser als acht war. Dass die Entodermbildung von vorne nach hinten zu fort- schreitet, hat auch Grobben gefunden, nur nimmt er in Ueber- einstimmung mit seiner früheren Darstellung natürlich an, dass das Entoderm auf eine Strecke hinter dem Stomatodaeum von den vorhergehenden Stadien her bereits vorhanden ist. Das un- differenzirte untere Blatt hinter dem Entoderm hat er gleichfalls Die Keimblätterbildung bei den Cladoceren. 365 gesehen und giebt es auch in seiner Fig. 42 ganz übereinstim- mend mit meiner Fig. 33 wieder; er fasst dasselbe aber als Mesoderm auf. Das Entoderm soll dann nach hinten zu vor- wachsen; es müsste also, da es doch immer der ventralen Lei- beswand anliegt, das Mesoderm gewissermassen mitten durch- schneiden. Bemerkenswerth ist, dass Grobben am analen Ende der „Mesodermstreifen“ einige ‚grössere Zellen findet, welche die Wachsthumszone derselben vorstellen sollen; es lagen ihm hier offenbar die letzten Reste der Keimzone vor. Die Genitalanlage gibt Grobben an Bildern von ganzen Embryonen als eine median gelegene Zellmasse wieder, welche sich in späteren Sta- dien in zwei bilateral symmetrisch gelegene Anlagen theilen soll. Ich habe aber am ganzen Embryo, der bereits eine Geni- talanlage besitzt, dieselbe niemals schen können, wahrscheinlich weil sie zu tief im Körper liegt, (vergl. Fig. 34). Ich bin auch ausser Stande zu sagen, was Grobben für die Genitalanlage gehalten hat. Heidelberg, 15. Februar 1893. Zeichen-Erklärung. a = Schwesterzelle der Grobben’schen Zelle und deren Abkömmlinge. B — Blastozone. Ee —= Eetoderm. En = Entoderm. F = Falte zwischen Kopfsegment und Abdomen. G=Grobben’sche Zelle und deren Abkömmlinge. GA = Anlage der Genitaldrüse. K = Keimzone des unteren Blattes. M — Mesoderm. PU = Pseudourmund. R — Riehtungskörper. S — Scheitelplatte. St = Stomatodaeum. uB — unteres Blatt. 366 Dr. Paul Samassa: Die Keimblätterbildung bei den Cladoceren. 12. 13. 14. . 15. 16. 17. Tafel-Erklärung. Tafel XX. 4zelliges Stadium. Meridionalschnitt. 4zelliges Stadium. Aequatorialschnitt. Szelliges Stadium. f 16zelliges Stadium von oben. Selbes Ei von unten. ölzelliges Stadium von oben. Selbes Ei von unten. ölzelliges Stadium. Meridionalschnitt. ölzelliges Stadium. Aequatorialschnitt. Letzte Theilungsphase vor dem 6lzelligen Stadium. Theilung nach dem 61zelligen Stadium. Tafel XX1. Letzte Theilungsphase vor dem 122zelligen Stadium. 122zelliges Stadium. 122zelliges Stadium. Grobben’sche Zelle in Theilung. Nächstes Furchungsstadium. Blastosphaerastadium. Einwucherungsstadium. 18—20. Sagittalschnitte. &. 21—22. Querschnitte. Tafel XX1. r. 23—25. Querschnitte. io. 26. . 27—28. Frontalschnitte. . 29—30. Sagittalschnitte. . 31-34. Querschnitte. 3D. Keimblase von der Dorsalseite. Keimblase von der Ventralseite. Sämmtliche Figuren sind mit Seiberts Apochr. S. 4, Oe. 6 (1/372) und Abh&'schem Zeichenapparat in der Höhe des Öbjecttisches gezeichnet. 367 Studien über Pigmentzellen. I. Ueber die Anordnung des Archiplasmas in den Pigment- zellen der Knochenfische. Von K. W. Zimmermann. Hierzu Tafel XXIII und XXIV. Nachdem E. van Beneden die Attraetionsspbäre aufge- funden und die These aufgestellt hatte, dass dieselbe nebst ihrem Uentralkörperehen ein permanentes Organ nicht nur der ersten Furchungszellen, sondern aller Zellen überhaupt sei, war es sehr begreiflich, dass man alle möglichen Zellarten daraufhin unter- suchte, ob sich an ihnen der van Beneden’sche Ausspruch be- wahrheitete. Mit welchem Erfolg diese Untersuchungen bisher gekrönt wurden, ist ja allgemein bekannt. So wurde unter an- derem auch in den Pigmentzellen von Esox lueius und Perca tluviatilis von Solger eine Attractionssphäre gefunden und auch ein Centralkörperchen von der gewöhnlichen Form durch Fär- bung nachgewiesen. " Alle Forscher nun, welche eine Attractionssphäre und ein Centralkörperehen in irgend einer Zellform aufgefunden haben, beschreiben Letzteres, sei es, dass es einfach oder doppelt vor- handen ist, als einäusserst kleines, kugeliges, homo- genes und stark lichtbrechendes Körperchen, das ge- wöhnlich von einem indifferenten Hof umgeben ist, von dem mehr oder weniger deutliche und zahlreiche Protoplasmastrahlen nach allen Seiten ausgehen. Nur Flemming!) beobachtete eine etwas abweichende Form. Er sagt darüber wörtlich Folgendes: „...., Jch will hier nieht unerwähnt lassen, dass ich viel- fach die Centralkörper der Leukoeyten nicht rund, sondern länglich geformt ‚finde, und dass sie auch dort, wo sie die erstere P [3 1) Neue Beiträge zur Kenntniss der Zelle, II. Theil. Archiv für ® ER . Dei ) Men ' mikrosk. Anatomie, Bd. 37, 1891, pag. 707. 368 K. W. Zimmermann: Form zeigen, doch länglich sein könnten, indem sie hier in der Riehtung ihrer Längsachse gesehen vorliegen mögen und dann, bei den kleinen Dimensionen, über ihre Form durch die Ein- stellung kaum zu entscheiden sein würde.“ Aus dem, was Flemming kurz vorher sagt, geht hervor, dass er geneigt ist, den erwähnten Befund so zu erklären, dass es sich wahrscheinlich um zwei Centralkörper handele, welche so dieht aneinander liegen, dass man sie einzeln nicht voneinander zu unterscheiden vermöge, und beide zusammen den Eindruck eines einzigen länglichen Körpers machen. Man wird aber nun aus den folgenden Erörterungen ersehen, dass die minimale homo- gene Kugelform des centralen Archiplasmas!), des Centrosomas, nicht die einzige ist, und dass von derselben sehr abweichende Gestaltungen und Anordnungen des Archiplasmas vorkommen. Im April vorigen Jahres untersuchte ich in der zoologischen Station zu Neapel die Pigmentzellen von Knochenfischen, um dasVer- halten des Archiplasmas und des Pigments bei der Zelltheilung zu studiren. Es gelang mir jedoch nicht, auch nur eine einzige Mitose in einer Pigmentzelle zu beobachten, obgleich ich ganz frisches Material, theils von jungen, theils von älteren Thieren, mit Hermann’schem Gemisch und anderen zuverlässigen Fixi- rungsmitteln behandelte. Meine Arbeiten waren dagegen in an- derer Hinsicht von einigem Erfolge begleitet, so dass es wohl gerechtfertigt erscheinen dürfte, wenn ich meine Beobachtungen mittheile. Ich untersuchte zahlreiche Knochenfischarten. Bei Allen konnte ich in den Pigmentzellen, sowohl in den bräunlichen und schwarzen, als auch in den gelben und rothen, sowie zum Theil auch in einzelnen Formen von Guanin enthaltenden Zellen in mehr oder weniger deutlicher Weise das Vorhandensein von, die Contraction des Pigments beherrschendem, in besonderer Weise angeordnetem Archiplasma nachweisen. In den meisten Fällen handelte es sich um die gewöhnliche Form der Attractions- 1) Boveri nennt das gesamnıte die eigenthümliche Strahlenfigur zeigende und die Kerntheilung beherrschende Plasma „Archoplasma“ von äozew, herrschen. Da aber in allen Fällen, in denen im Deutschen die Silben „Ober-* oder „Erz-“ vorgesetzt wird, die Griechen „aozı-“ und nicht „doyo-“ anwendeten, werde ich im Folgenden den Ausdruck „Archiplasına“ gebrauchen. Studien über Pigmentzellen. 569 sphäre mit minimalem kugeligem und anscheinend homogenem Centrosoma. Bei einzelnen Arten gewährte die Strahlung einen überaus prächtigen Anblick. So z. B. in den Pigmentzellen aus dem Kopfe von Siphonostomum ete. Diejenigen Arten, deren Pigmentzellen die gewöhnlichen Verhältnisse zeigen, werden nicht weiter erwähnt werden. Sargus annularis. Ich studierte ausschliesslich die Pigmentzellen der Rücken- flosse. Die Flosse wurde dicht am Körper abgetrennt und in eine 1/,°/,ige Chromsäurelösung in Seewasser, der etwas Eisessig (ea. !/,, des ganzen Quantums) zugesetzt war, gebracht und hierin vorsichtig mit dem Pinsel bearbeitet, bis nach ganz kurzer Zeit das Epithel vollständig herunter war. Sodann kam ein Theil der ganzen Flossenstücke sofort in reine !/,P/,ige Chromsäure- lösung, ein anderer Theil dagegen in die schwächere Hermann’- sche Lösung. In beiden Flüssigkeiten blieben die Stücke 24 Stunden. Nach 24stündiger Wässerung unter der Wasserleitung kamen die Flossen in 50°/,igen, dann 75°/,igen und schliesslich 95°%/,ıgen Alkohol. Nun wurden mit der Pinzette vorsichtig möglichst grosse Cutisstücke von der Flossenbasis aus abgezogen. Bis zu °/, der Flossenhöhe bekam ich aus einem Strahleninter- stitium stets ein sehr dünnes, vollständig zusammenhängendes Häutchen leicht ab, an dem alle Pigmentzellen vollständig intaet waren. Nur selten bekam ich ein Häutchen, das #wei Strahlen- interstitien entsprach, im Zusammenhang, da die Haut mit den Flossenstrahlen sehr innig verbunden ist. Diese Cutisstückehen wurden dann 24 Stunden in verdünntem Böhmer’schen Häma- toxylin und dann 24 Stunden in einer nicht ailzustarken wässerigen Eosinlösung gefärbt und schliesslich in Canadabalsam unter das Deckglas gebracht. Ein Theil der gut fixirten und nachgehärteten Präparate wurde, um die Archiplasmaverhältnisse in den braunen Pigment- zellen zu studiren, nach der P. Mayer ’'schen Methode gebleicht. Das Bleichen ist absolut nothwendig, da man sonst keine Auf- klärung über die immerhin sich nur zart färbenden Archiplasma- strahlen erhält. Für die gelben Pigmentzellen ist es nicht nöthig, da bei den mit Chromsäure oder Sublimat behandelten Präpara- ten der Alkohol und das ätherische Oel in kurzer Zeit das Lipo- 3706 K. W. Zımmermänn! chrom auszieht. Das Bleichen nahm ich gewöhnlich im der Weise vor, dass ich ein kleines Gläschen (ea. 10 cem Inhalt) zu '/, mit ganz kleinen Kalichlorieum-Krystallen anfüllte und hierauf 96°/,igen Alkohol goss. Dem Alkohol wurden nun wenige Tro- pfen eoncentrirter Salzsäure zugefügt und das Ganze dann um- geschüttelt. Nachdem die Krystalle sich gesetzt hatten, wurden die dünnen von der Flosse abgezogenen Hautstückehen in die Flüssigkeit gebracht und zwar so, dass dieselben einzeln auf den Krystallen lagen und einander nicht bedeekten. Nach guter Ver- korkung blieb dann das Fläschehen ruhig 24 Stunden stehen. War von einer Abblassung der Häutehen noch nichts zu bemer- ken, oder war dieselbe eine nur unbedeutende, so wurden wie- derum 1—2 Tropfen eoncentrirter Salzsäure unter leichtem Um- rühren zugefügt. Alsdann zeigte sich doch gewöhnlich nach weiteren 24 Stunden eime erheblichere Wirkung, so dass von einem weiteren Zusatz von Salzsäure Abstand genommen werden konnte, und die vollständige Bleiehung nach einem oder mehreren Tagen eingetreten war. Nunmehr wurden die Hautstückchen in 96 °/,igem Alkohol, der häufiger gewechselt werden muss, sorg- fältig ausgewaschen. Ist die Säure vollständig entfernt, so neh- men die Präparate die Färbung fast gerade so gut an wie vor der Bleichung. Da die Einwirkung von Chlor auf die Gewebe für gewöhnlich eine zerstörende ist, so muss man bei der Blei- chung sehr vorsichtig zu Werke gehen und dieselbe nur ganz langsam vor sich gehen lassen. Die Gegenwart des starken Alkohols verhindert dann jede Alteration der Gewebe. Wenn ich genau nach den eben gemachten Angaben verfuhr, so konnte ich in Bezug auf feinere Kern- und Protoplasmastruktur der gel- ben Pigmentzellen zwischen den gebleiehten und ungebleichten Präparaten Unterschiede nicht finden. Ich kann somit die Me- thode aufs Wärmste empfehlen. In Bezug auf die Färbung möchte ich noch erwähnen, dass ich auch die Heidenhain’sche Hämatoxylinfärbung nach Bei- zung mit schwefelsaurem Eisenoxyd-Ammoniak angewendet habe und zwar mit sehr befriedigendem Erfolge. Das Chromatin färbte sich schwarzblau und trat äusserst scharf hervor, wie ich es kaum bei anderen Methoden gesehen. Auch das centrale Archi- plasma zeigte sich bei kürzerer Entfärbung der Präparate fast schwarz und hob sich dadurch sehr gut von dem graublauen Studien über Pigmentzellen. 3a Maschenwerk des Protoplasmas im Zellleibe ab. Die Archiplasma- strahlen waren zwar auch zu erkennen, traten jedoch nicht ganz so stark hervor, wie bei der Färbung mit Böhmer ’schem Häma- toxylin und Eosin. Auch im Centrum liessen sich bei dieser Methode feinere Details erkennen als bei der Heidenhain’schen. Die letztere Methode dürfte deshalb ganz besonders dann von grossem Werthe sein, wenn es gilt, Centrosomen oder irgend welche andere Formen von auf kleinem Raume zusammenge- drängten Archiplasmamassen aufzusuchen. In den Rückenflossen von Sargus annularis zeigen sich nun zwei Arten von Pigmentzellen: schwarzbraune und gelbe. Die schwarzbraunen Zellen enthalten ein sehr dauerhaftes, aus feinen stets gleichgrossen Körnchen bestehendes Pigment. Die einzelnen Körnehen haben, soweit es bei ihrer Kleinheit zu erkennen mög- lich ist, keine kugelige Gestalt, sondern sie sind in einer Rich- tung etwas zusammengedrückt, so dass sie sich mehr der Linsen- {form nähern. Dieselben werden demnach, wenn sie isolirt sind, je nachdem wie sie liegen, entweder als Scheibehen oder als ganz kurze gedrungene Stäbchen erscheinen. Sind die Pigment- zellen intact und die Präparate gut ausgebreitet, dann liegen die Pigmentkörnehen in Reihen, welche den Archiplasmastrahlen ent- sprechen, und zwar so, dass sie sich mit ihren breiten abgeplat- teten Seiten gegenseitig berühren. Die Aequatorialebenen aller ein und derselben Reihe angehörenden Körmchen stehen demnach einander parallel, vorausgesetzt, dass, wie es gewöhnlich der Fall ist, die Reihen ganz gerade verlaufen. Eine Folge dieser Ver- hältnisse ist auch die, dass bei vollständig ausgestrecktem Pig- ment alle Körnchen als ganz kurze Stäbchen erscheinen müssen. Was nun die Gestalt der Zellen oder richtiger ausgedrückt, der Pigmentanhäufung in ihnen anbelangt — man darf nämlich aus der Letzteren noch nieht auf die Gestalt der Zelle schliessen, — so müssen wir wohl unterscheiden zwischen denjenigen, welche auf den Flossenstrahlen liegen und denjenigen, welche sich zwischen denselben befinden. Die Ersteren sind im grossen Ganzen kreisrund. Ihr runder Zellleib liegt unter einer dichten suaninführenden Zellschieht. Die Ausläufer dringen zwischen den Guaninzellen hindurch und verbreiten sieh oberhalb derselben nach allen Seiten, ein Verhalten, welches wir bei den Pigment- zellen im Bauchfelle von Fierasfer wiederfinden werden. Die Archiv f. mikrosk. Anatomie,. Bd. 41. 24 379 K. W. Zimmermann! Pigmentzellen zwischen den Strahlen liegen in einer Ebene. Der Zellleib besitzt eine eiliptische Form und kann stark in die Länge gestreekt sein. Die langen Durchmesser der Zellleiber laufen alle einander parallel und nähern sich einer auf die Strah- len der ausgespannten Flossen gefällten Senkreehten. Die Aus- läufer sind bald mehr schmal, bald etwas breiter, was wohl auf geringen localen Differenzen beruht. Sie stehen im Allgemeinen auf dem langen Durchmesser nahezu senkrecht. Auch diejenigen wenigen Ausläufer, welehe von den schmalen Seiten des Zell- leibes ausgehen, biegen sofort in die Richtung der übrigen Aus- läufer um. Kein einziger Ausläufer verläuft in seinem letzten Ende parallel mit dem langen Durehmesser des Zellleibes. Sieht man sich nun den Zellleib etwas genauer an, so bemerkt man, dass die Pigmentkörnehen nicht gleichmässig in demselben ver- theilt sind, sondern dass einzelne Stellen pigmentärmer oder gar vollkommen frei von demselben sind. Eine solche Stelle findet sich bei allen Pigmentzellen ausnahmslos genau in der Mitte des Zellleibes, besonders deutlich in den Zellen mit ausgebreitetem Pig- ment, weniger deutlich bei vollständig eontrahirtem Pigment. Bei den rundlichen Zellen auf den Flossenstrahlen ist die hellere Stelle in der Mitte eine rundliche. Bei den Zellen zwischen den Flossenstrahlen mit den länglichen Zellleibern ist jedoch die centrale helle Stelle nieht rund, sondern im Sinne des langen Zellleibdurchmes- sersin die Länge gestreckt. Je länger die Zell- leiber sind, um so länger ist auch der centrale helle Strieh in ihnen. Sie sind der Form der Zellleiber ent- sprechend zuweilen in der Mitte ein wenig dieker als an den Enden und gleichen somit dann mehr einer ganz schmalen Spindel. Da, wie wir weiter oben gesehen haben, die langen Durchmesser sämmtlicher Pigmentzellen einander parallel verlaufen, so sind auch die ihnen entsprechenden hellen Striehe sämmtlicher Pigmentzellen mit länglichem Zell- leib in allen Theilen der Rückenflosse gleich gerichtet (Fig. 1). Ausser (dieser hellen, stets central gelegenen, nieht ganz scharf eontourirten Stelle bemerkt man noch in jeder Zelle, wenn sie ausgestreekt ist, eimen oder zwei pigmentarme_ elliptische, schärfer begrenzte Flecke. Wenn man eine grössere Zahl von Studien über Pigmentzellen. BY) Zellen untersucht, so sieht man bald, dass sie weitaus in den meisten Fällen so stehen, dass ihr langer Durchmesser mit denn Pigmentausläufern gleich gerichtet ist. Es kommen jedoch auch andere Richtungen vor. Was die Lagebeziehungen zum centralen länglichen Fleck anbelangt, so ist eine bevorzugt, nämlich, wenn nur ein Fleck vorhanden ist, an einem Ende des centralen hellen Strichs auf ihm selbst oder auf der Verlängerung desselben. Sind zwei helle Flecke vorhanden, so liegen sie dann meist entweder beide an einem Ende oder an jedem Ende je einer. Man kann jedoch auch alle möglichen anderen Lagebeziehungen beobachten. Was die gelben Pigmentzellen anbelangt, so unterscheiden sie sich von den braunen Pigmentzellen nur dadurch, dass sie etwas kleiner sind, und dass sie statt der braunen (Melanin-)Körnchen gelbes fettartiges Pigment (Lipochrom), äusserst fein vertheilt enthalten, welches sich durch Behandlung mit Osmiumgemischen grauschwarz färbt. Im Uebrigen gilt alles soeben von den brau- nen Pigmentzellen Gesagte auch für sie. Fragen wir uns nun nach der Bedeutung der pigmentarmen Stellen im Leibe der Pigmentzellen, so werden wir den hellen rundlichen Fleck im Centrum der runden Zellen auf den Flossen- strahlen ohne weiteres als durch das Vorhandensein einer Attrac- tionssphäre bedingt erklären, nachdem Solger beim Hechte und beim Barsche ganz dieselben Verhältnisse gefunden hat. An Präparaten, welche mit Chromsäure fixirt und mit Hämatoxylin und Eosin oder dem Heidenhain’schen Eisen-Hämatoxylin ge- färbt waren, konnte man denn auch in den ihres Pigments voll- ständig beraubten gelben Zellen eine schöne Attractionssphäre nachweisen. Die Strahlen liessen sich weithin verfolgen und gingen von einem kleinen genau im Centrum gelegenen ebenso wie sie oder noch etwas dunkeler (bei mit Eisen-Hämatoxylin behandelten Präparaten, zuweilen fast schwarz) gefärbten runden Fleck mit verwaschenen Contouren aus. In demselben liessen sich nun noeh unter günstigen Verhältnissen Einzelheiten unterschei- den. Häufig bemerkte ich ein minimales sehr dunkel gefärbtes Korn in der Mitte. Sehr oft zeigten sich deren mehrere in be- liebiger Weise gruppirt. Waren Körnchen nicht zu beobachten, so konnte man doch gewöhnlich soviel erkennen, dass der Fleck nicht homogen sei, dass eine besondere Struktur vorhanden sem müsse, ohne dass man nachweisen konnte, weleher Art dieselbe 374 K. W. Zimmermann: sei. Ausnahmsweise zeigten sich an Stelle des rundliehen dunk- len Fleckes einzelne unter sich mehr oder weniger zusammen- hängende unregelmässig geformte und dunkel gefärbte Stellen in der Mitte des Zellleibs, von denen dann die Strahlen ausgingen. Um die Verhältnisse in den braunen Pigmentzellen studiren zu können, musste man die Präparate erst bleichen und dann färben. Es zeigte sich dann alles so wie bei den gelben Pigmentzellen. Was nun die Pigmentzellen zwischen den Strahlen anbe- langt, so hatte man ohne Weiteres noch kein Recht, die mehr oder weniger in die Länge gestreckte helle Stelle in der Mitte auf eine Attractionssphäre zurückzuführen, da ja diese nach unseren bisherigen Erfahrungen, und wie es schon der Name be- sagt, eine in einem runden Bezirk sich ausbreitende Archiplasma- anordnung mit radiär von einem Punkte ausgehenden Strahlen darstellt und in dieser Form ein Bestandtheil aller Zellen sein soll. Untersucht man jedoch an fixirten und gefärbten, resp. vor der Färbung gebleichten Präparaten die betreffenden gelben und braunen Pigmentzellen, so sieht man, dass auch hier der pigmentarmen Stelle der in der Mitte des Zellleibes eine der Attraetionssphäre sehr ähnliche Archiplasmaanordnung zu Grunde liegt. Sie unterscheidet sich aber von einer typischen Attractions- sphäre in weitaus den meisten Fällen wesentlich dadurch, dass die Strahlen nieht streng radiär verlaufen umd dass die denselben als Ausgangspunkt dienende centrale Arehiplasmaanhäufung nicht rund, son- dern mehr oder weniger in die Länge gestreckt und dabei ganz schmal ist. Die Mitte der centralen Archiplasmamasse oder des „Centralstabs“, wie ich dieselbe im Gegensatz zum runden Centralkörperchen der Kürze halber nennen möchte, ist bei den kleineren Zellen, bei denen er zwei- bis dreimal so lang als breit ist, etwas dicker als gegen die Enden hin, so dass er streng genommen mehr die Form einer ganz schmalen Spindel besitzt. Ausnahmsweise, wenn die Zellen, beson- ders gelbe, ziemlich klein sind, kann statt des Centralstab sein run- der Centralkörper vorhanden sein, so dass die ganze Attractions- sphäre derjenigen der Salamanderleukocyten gleicht, nur ist das Centrosoma grösser und die Strahlung viel reichlicher. Häufig erreicht der Centralstab eine respectabele Länge, wie die Figuren 2 und 3 zeigen. Der in Figur 3 wiedergegebene Fall stellt je- Studien über Pigmentzellen. 315 doch das Aeusserste an Längenausdehnung dar, was ich über- haupt jemals beobachtete. Es kommt hier und da vor, dass, wenn der Centralstab etwas länger ist, das eine Ende ein wenig dicker ist als das andere, und das letztere immer feiner und feiner wird. Auch bei dem Centralstab gelang es mir, hier und da noch einzelne wenige Details im Innern zu unterscheiden und zwar in der Achse desselben ein oder mehrere dunklere Körnchen von unmessbarer Feinheit, zuweilen auch eine oder zwei feinste Li- nien, welche an mehreren Stellen verdickt sein konnten (Fig. 5). Ich sah diese Details jedoch erst, wenn ich die betreffende Stelle eine Zeit lang angestrengt beobachtete. Es geht wenigstens aus dieser Beobachtung hervor, dass der Centralstab nicht einen homogenen Körper darstellt, sondern dass er noch eine besondere feinere Struktur haben muss, welche wir mit unseren jetzigen optischen Hilfsmitteln noch nieht in genügender Weise zu er- kennen vermögen. Es ist noch hinzuzufügen, dass die Contouren ddes Centralstabes nicht absolut scharfe sind, wenn auch die dunklere Färbung desselben ziemlich schnell in die hellere Fär- bung des übrigen Zellleibes übergeht. Da ein einziger Punkt als Centrum nicht vorhanden ist, so können auch die überaus reichlichen Archiplasmastrahlen, wie schon gesagt, nicht genau radiär angeordnet sein. Allerdings ist eine soleke Anordnung annähernd vorhanden, wenn der Cen- tralstab sehr kurz ist und sich in der Gestalt dem Centrosoma nähert. Ist der Centralstab länger, so stehen die Strahlen, die von seinen mittleren Partien ausgehen, ungefähr senkrecht auf ihm, während die von den Endabschnitten und den Endpunkten selbst ausgehenden sich anfangs fächerförmig ausbreiten, um schliesslich doch meistens in die Richtung der übrigen umzubie- < gen. Diese fächerförmige Endstrahlung ist gewöhnlich viel deutlicher als die übrige, was seinen Grund wohl darin hat, dass die Strahlen beim Abgange von dem Centralstabe sehr dieht stehen und deshalb zum Theil optisch verschmolzen er- scheinen oder vielleicht gar lose Bündel bilden, die sich dann späterhin durch Divergenz auflösen. Wenn wir die eben beschriebene Form von Archiplasma- anordnung mit der gewöhnlichen Attractionssphäre vergleichen, so werden wir sehen, dass ein prinecipieller Unterschied gar nicht 376 K. W. Zimmermann: vorhanden ist: wir haben in beiden Fällen in der Mitte der Zelle eine dichte Anhäufung von Archiplasma, welche in ihrer Form sich im grossen Ganzen nach der Gestalt des Zellleibs richtet; ebenso haben wir in beiden Fällen eme mehr oder we- niger reichliche Archiplasmastrahlung, welche von der centralen Archiplasmaanhäufung ausgeht und sich in ihrer Richtung den betreffenden Verhältnissen anpasst. Allerdings besitzt der Central- stab höchstwahrscheinlich eine feinere Struktur; ist denn aber das gewöhnliche Centrosoma wirklich eine homogene Masse? Ich habe, als ich die eigenthümlichen Verhältnisse bei den Pig- mentzellen aufgefunden hatte, mir sofort diese Frage vorgelegt und, um mir Klarheit zu verschaffen, die Leukoeyten in der Salamanderlunge, welche besonders grosse Centrosomen besitzen, genauer daraufhin untersucht. Wenn ich auch zu einem ganz bestimmten Urtheil nicht gekommen bin, so glaube ieh doch in vielen Fällen, in denen die Präparate erst stark gefärbt und dann auch kräftiger entfärbt waren, und die Centrosomen in Folge dessen nicht mehr so dunkel erschienen, an den Letzteren einen dunkleren Contour und im Inneren einzelne dunklere kleinste Partieen gesehen zu haben. Wenn ich mir auch nicht verhehle, dass man bei der Kleinheit des Objectes sich leicht irren kann und auch Kunstprodukte nicht ausgeschlossen sind, so kann ich mich doch des Eindrucks nicht erwehren, als ob die Centrosomen ebenfalls noch eine besondere Struktur besitzen müssten. Jeden- falls wäre es sehr wünschenswerth, dass dieser Frage künftighin besondere Aufmerksamkeit gewidmet würde. Was nun die ein oder zwei weiter oben erwähnten, schär- fer begrenzten, pigmentarmen Stellen von wechselnder Lage be- trifft, so ist an gefärbten Präparaten sofort zu erkennen, dass es sich um Kerne handelt. Es besitzen also sowohl die dunkel- braunen als auch die gelben Pigmentzellen ein oder zwei Kerne, welche sich auf den ersten Blick von den Kernen aller übrigen benachbarten Zellarten unterscheiden lassen, indem sie viel mehr fein vertheiltes Chromatin besitzen als jene und in Folge dessen bedeutend dunkler gefärbt erscheinen. Blennius trigloides (Larve). Untersucht wurden ea. 2em lange Thiere. Die Brustflossen waren auffallend lang und erschienen fast schwarz, während das Studien über Pigmentzellen. 377 übrige Thier nur sehr wenig Pigment enthielt. Bei genauerer Betrachtung mit blossem Auge bemerkte man auf den Brustflossen dichtstehende längliche schwarze Flecke auf blassgelbem Grunde. Unter dem Mikroskope wurde jeder der schwarzen Flecke als eine einzige mehr oder weniger langgestreckte Pigment- zelle mit schr dichtstehendem grauschwarzem Pigment er- kannt (Fig. 6). Der Zellleib war lang und schmal. An der Flossenbasis war das Verhältniss vom langen zum kurzen Durch- messer am grössten. Ich sah dort Zellen, deren längster Durch- messer bis zu 0,56mm und deren kürzester Durchmesser 0,15mm betrugen. Die langen Durchmesser sämmtlicher schwarzer Pig- mentzellen resp. ihre Verlängerungen standen auf den mittelsten Flossenstrahlen annähernd senkrecht und liefen somit einander parallel. Das Pigment war in den Zellleibern so stark angehäuft, dass man nur einen homogenen länglichen schwarzbraunen Klumpen vor sich zu haben glaubte. Nur schwer sah man einen grösseren oder zwei kleinere etwas hellere, Scharf begrenzte Stellen gewöhnlich mehr in der Mitte des ganzen Zellterritoriums. Sie entsprachen, wie man an gebleichten und gefärbten Präpa- raten erkennen konnte, den Kernen. Bei den hellsten Zellen glaubte ich im Zellleibe einige hellere feine Linien zu sehen, denen ich aber anfangs keine weitere Bedeutung beimessen zu müssen glaubte. Die ganz kurzen Ausläufer liefen, soweit sie von den breiten Seiten des Zellleibes ausgingen, einander parallel. Die von den beiden Enden des Zellleibes ausgehenden Ausläufer breiteten sich jedoch fächerartig aus. Ausser den schwarzbraunen Pigmentzellen sah man noch gelbe, welche jedoch weit kleiner waren, und im Ganzen mehr rundlich aussahen. Bleichte man nun die Zellen und zwar nur unvollständig, sodass der Zellkörper hellbraun und die Ausläufer ganz blass ge- worden waren, so bot sich dem Beschauer bei Anwendung stär- kerer Systeme ein überraschendes Bild dar: man sah aus- nahmslos in jeder Zelle und zwar imZellleibe ein von feinen hellen Linien gebildetes weitmaschi- ses Netzwerk, das der Gestalt der Zelle entsprechend mehr oder weniger in die Länge gedehnt war. (F. 7—10.) Begrenzt wurde das Netz durch eine scharfe in sich selbst zurücklaufende Linie. Von dieser Grenzlinie des Netzes gingen 378 K. W. Zimmermann: nun immer feiner werdende helle Strahlen bis in die Ausläufer der Zelle hinein. Bei grossen, stark in die Länge gestreckten Zellen waren diese Strahlen besonders an den Enden des nur einen schmalen Streifen einnehmenden Netzes in grosser Zahl angehäuft und zogen wie die Ausläufer fächerartig sich ausbrei- tend in diese hinein. Von den übrigen Theilen der Netzperipherie sah man nur wenige Strahlen ausgehen, die überdies nur schwer wahrzunehmen waren. Die Linien im Inneren des Netzes ver- liefen hier meist unregelmässig, doch herrschten solehe vor, welche mehr quer verliefen (Fig.7). Besonders gilt dies für diejenigen Zellen, bei denen das Verhältniss vom langen zum kurzen Durchmesser ein mittleres war. Es konnte hier soweit gehen, dass überhaupt nur wenige Linien, die senkrecht zum langen Durchmesser ver- liefen, allein mit der peripheren Linie das Netz bildeten und somit eine mehr oder weniger regelmässige Figur darstellten (Fig. 10 und 12). Die beiden Netzenden waren hier weniger spitz, bildeten auch nicht direkt die Centren für die radiären Strahlen, vielmehr schnitten sich die Verlängerungen der Letzteren in Punkten, die mehr im Inneren des Netzes lagen. Je kleiner und runder die ganzen Zellen waren, um so kleiner, runder und ein- facher waren auch die Netze. Ja, es konnte dies so weit gehen, (dass überhaupt nur eine einfache, einen Ring bildende Linie ohne jegliche Querlinien im Inneren das Netz darstellte, von der dann wie gewöhnlich die strahlig angeordneten Linien abgingen. (Fig. 8 und 9). Aber auch hier waren die Strahlen an zwei am weitesten von einander entfernten Abschnitten des Ringes am stärksten angehäuft. Wurden nun die Zellen vollständig gebleicht und dann in geeigneter Weise gefärbt (s. bei Sargus), so erhielt man dieselben Bilder, doch waren sie jetzt positiv, das heisst das Netzwerk er- schien dunkel und zwar violett auf hellem rosaviolettem Unter- grunde (Fig. 11—1T). Das Netzwerk und die Strahlen traten überaus scharf und deutlich hervor, waren jedoch sehr fein, so (dass man sie anfangs nur mit Mühe, bald aber leichter auffand. Man sah sehr häufig, dass der Grenzfaden des Netzes, da wo viele Strahlen dieht bei einander abgingen, etwas verdickt war, eine Erscheinung, welche man auch an negativen Bildern von unvollständig gebleichten Zellen beobachten konnte. Ich möchte noch hervorheben, dass das ganze Fadennetz sammt den Strahlen © — Me} Studien über Pigmentzellen. in einer einzigen Ebene lag, entsprechend der platten Gestalt der Zelle. Ich habe sorgfältig nach einem Centralkörperchen ge- sucht, aber auch nieht eine Andeutung von einem solchen ent- decken können. Das Protoplasma in den Maschen des Archi- plasmanetzes hatte die gleiche feinste, gerüstartige Struktur wie ausserhalb desselben. Da das Netzwerk stets in der Mitte der Zelle lag, und von der Peripherie desselben die Attractionsstrah- lung ausging, so bin ich überzeugt, dass das beschriebene Netz- werk hier das Centrosoma resp. den Üentralstab vertritt. In dieser Ansicht bestärkt mich noch der Umstand, dass die frag- lichen Pigmentzellen alle Zellarten, in denen bis jetzt ein mini- males Centrosama beobachtet wurde (mit Ausnahme der Eier), bei weitem an Grösse übertraf. Im kleineren Zellen genügt ein kleines compactes Körperchen als Stützpunkt für die Archiplas- mastrahlen. In den ungeheuren Pigmentzellen jedoch, in denen vielmal mehr Strahlen nothwendig sind, um die grossen Pigment- massen auf einen Klumpen zusammen zu ziehen, bedarf es eines weit grösseren Ansatzgebietes für die Strahlen. Zudem könnte ja auch durch eine Contraction des Netzwerks oder, wie ich das- selbe entsprechend den Bezeichnungen „Centralkörperchen“ und „Centralstab“ nennen möchte, des „Centralnetzes“ die Wirkung der Contraction der Archiplasmastrahlen noch verstärkt werden, falls sich dasselbe überhaupt zu eontrahiren vermag, worüber ich wegen Materialmangel keine Untersuchungen ange- stellt habe. Die verschiedenen Formen, in welchen das Central- netz auftrat — es glich keines dem andern — brauche ich wohl nieht eingehender zu beschreiben, als es weiter oben geschehen ist. Ein Blick auf die Figuren 7 bis 17 genügt, um die Mannig- faltigkeit derselben zu erkennen. Was die Kerne und ihre Lagebeziehungen zu dem Central- netz anbelangt, so lag der Kern, wenn nur einer vorhanden war, sewöhnlich im Bereiche des Centralnetzes. Dabei ragten oft, wenn das Netz schmäler als der kleinste Kerndurchmesser war, an- nähernd gleichgrosse Stücke auf beiden Seiten ‘über dasselbe vor. Es kam aber auch vor, dass ein Kern mit der einen Hälfte im Netz, mit der anderen Hälfte ausserhalb desselben, oder aber dass er vollständig ausserhalb lag. Waren zwei Kerne vorhanden, so konn- ten sie jede beliebige Lage einnehmen. Lagen sie im Inneren des Netzes, so liess sich bei scharfer Beobachtung fast stets deutlich 380 K. W. Zimmermann: constatiren, dass die Fäden desselben sich nieht etwa an die Kerne ansetzen resp. an ihnen endigen, sondern ununterbrochen über sie hinweggehen (Fig. 7, 9, 10, 12 und 17). Lagen die Kerne ausserhalb, so sah ich nie mit Sicherheit Archiplasmastrahlen nach ihnen hingehen. In Fig. 11 sieht es allerdings so aus, doch können die Strahlen auch gerade so gut an den Kernen vorhei- gehen. Man muss trotz alledem die Möglichkeit zugeben, dass doch Verbindungen mit dem Centralnetz existiren können, welche so fein sind, dass sie nieht gesehen wurden. Der Umstand, dass zwei Kerne vorhanden sein können ist wohl auf Fragmentirung eines anfangs allein vorhandenen Kernes zurückzuführen, wenigstens deuten tiefe Einschnürungen, die man zuweilen an Kernen findet, darauf hin. In Fig. 15 sind wiederum beide Kerne stark eingeschnürt. Ob es hier zu vollständiger Trennung gekommen sein würde, kann ich nicht sagen. Drei oder vier vollständig isolirte Kerne habe ich auch nicht in einer Zeile gesehen. Ich besitze zu wenig Material, um diese Frage entscheiden zu können. Ich vermag auch nicht anzugeben, ob das Archiplasma in irgend einer Weise an der Fragmentirung betheiligt ist. Von einer Zelltheilung, sei es einer direkten, sei es einer indirekten, habe ich nichts bemerkt. Zum Vergleich habe ich noch die gelben Pigmentzellen abgebildet (Fig. 18). Dieselben sind viel kleiner als die schwarz- braunen und zeigen das gewöhnliche minimale rundliche Central- körperchen. Die Archiplasmastrahlen sind sehr spärlich und wenig deutlich. Es ist somit das Centralnetz eine Eigenthüm- lichkeit einer bestimmten sehr grossen Zellart, der braunen Pig- mentzellen, während die kleinen gelben Zellen, welche die übri- gen Zellarten kaum an Grösse übertreffen, die allbekannte Attraetionssphäre besitzen. Was die Kerne der gelben Pigment- zellen betrifft, so sind es gewöhnlich zwei, ausnahmsweise habe ich auch drei und einmal sogar vier beobachtet. Fast immer liegen die Kerne so, dass sie gleiche Abstände vom Centrosoma besitzen. Nur selten ist es anders. Es unterscheiden sich so- mit die gelben Pigmentzellen auch in diesem Punkte wesentlich von den schwarzbraunen, bei denen, wie wir gesehen haben, die Kerne jede beliebige Lagebeziehung zum Archiplasma besitzen können, Studien über Pigmentzellen. 381 Blennius ocellaris und trigloides, ältere Exemplare. Beim erwachsenen Blennius sind die Verhältnisse wesent- lich andere geworden ; die Pigmentzellen sind viel kleiner und das ganze Zellterritorium ist nicht mehr in die Länge gestreckt, sondern erscheint rundlich. Ist das Pigment vollständig ausgebrei- tet, so erkennt man in der Mitte der Zelle eine pigmentarme Stelle, welche bei den auf den Flossenstrahlen gelegenen Zellen mehr rund, bei den zwischen den Strahlen gelegenen dagegen mehr eliptisch ist (Fig. 19). Die längsten Durchmesser dieser ellip- tischen Felder aller Zellen verlaufen mit eimander parallel und stehen annähernd senkrecht auf den Flossenstrahlen. Die Zell- leiber stellen grosse Platten dar, welche an den Rändern dicht stehende, verhältnissmässig kurze Ausläufer tragen und deshalb gezackt erscheinen. Die gewöhnlich in der Zweizahl vorhande- nenen Kerne liegen fast immer in der Mitte zwischen Centrum und Rand und stehen so, dass die Verlängerung der längsten Durchmesser durch den Mittelpunkt der Zelle geht, doch ist dies kein starres Gesetz. In den meisten Fällen sieht man die Kerne überhaupt nieht. Die Pigmentkörnchen bilden zu dicht nebeneinander liegenden Streifen geordnete Reihen. Es sieht so aus, als ob die Streifen schmale und lange Ausläufer darstellten. Die Zellen liegen alle nahezu in einer Ebene und stehen so dicht, dass die Ränder einander zum Theil ein wenig bedecken. Bleicht man nun die Pigmentzellen und färbt man in ge- eigneter Weise, so sieht man eine sehr schöne uud deutliche Archiplasmastrahlung. Die centrale Archiplasmaanhäufung ist scharf begrenzt und viel kleiner als das Centralnetz der Blennius- larven (Fig. 20—24). In den kleinsten Zeilen ist sie kreisrund und sehr klein, ganz an das Centralkörperchen der Leukoeyten des Salamanders erinnernd (Fig" 24). _Bei den grösseren Zellen zwischen den Strahlen ist das centrale Archiplasma mehr oder weniger in die Länge gestreckt und hat im grossen Ganzen Spindelform. Es kann vier bis fünfmal so lang als breit sein. Es färbt sich in allen seinen Theilen dunkler als die Umgebung Fig. 20—23. Von einem Netzwerk konnte ich nichts wahr- nehmen. Ganz homogen ist es jedoch nieht, indem der Rand und eine ganz in der Mitte gelegene mehr oder weniger läng- liche Stelle sich deutlich dunkler färben als das Uebrige. Eine 382 K. W. Zimmermann: derbe Bindegewebsschicht, welcher die Zellen dieht anlagen, färbte sich stark mit, sodass ieh weitere Details im centralen Archiplasma nicht erkennen konnte. Ueber die Kerne wurde weiter oben gesprochen. Fierasfer acus. Zu den zierlichsten und zugleich grössten Pigmentzellen gehören unstreitig diejenigen im Bauchfelle von Fierasfer acus. Kann ihr Durchmesser doch die Grösse eines Millimeters er- reichen! Diese Zellen sind bereis von Emery im seiner Monogra- phie über Fierasfer beschrieben und abgebildet worden. Der Voll- ständiskeit halber will ich sie hier noch einmal kurz beschreiben. Betrachtet man bei schwacher Vergrösserung das Bauchfell von der Aussenseite, so glaubt man auf emem durch zahlreiche und diehtstehende Guanmblättchen wie Silber glänzenden Untergrunde Gruppen von Pigmentzellen zu sehen, welche einen Kranz bilden und deren Ausläufer so angeordnet sind, dass die grössten der- selben peripher stehen und sich auf grosse Strecken hin aus- dehnen, während die kleineren Ausläufer gegen das Centrum der Gruppe und auch seitlich sich erstrecken. Ganz in der Mitte einer jeden scheinbaren Zellgruppe sieht man bei durch- fallendem Lichte eine Trübung, als ob etwas Dunkles durch- schimmere. Dreht man nun das Bauchfell um, so sieht man, dass die Trübung durch eine grosse braunschwarze Pigmentzelle mit scheinbar ganz kurzen Ausläufern bedingt wird. Sieht man genauer hin, so bemerkt man, dass die Ausläufer in die Guanin- zellschicht eindringen. Durch Vergleich der Befunde auf der inneren und äusseren Seite des Bauchfells erkennt man bald, dass die vermeintlichen Zellgruppen weiter nichts sind als die Endaus- breitungen der durch die guaninhaltige Schicht gestreckten Aus- läufer einer einzigen Zelle. Da der die dorsale Seite der Bauchhöhle überziehende Bauch- fellabschnitt sehr dünn ist und kein oder doch nur wenig Guanin enthält, so liegen hier Zellleib und Ausläufer in einer Ebene, wes- halb sich (diese Zellen besser als die anderen zu Archiplasma- studien eignen. Ihre kurzen dieken Ausläufer theilen sich ge- wöhnlich sofort in mehrere sehmälere, in radiärer Richtung weit hinziehende und sich zum Theil wieder spaltende Zweige, wel- che in ihren Endabschnitten ganz kurze seitliche Fortsätzchen Studien über Piginentzellen. 389 zeigen. Die Ausläufer stehen so dicht, dass die überall sich an- nähernd gleichbleibenden Zwischenräume kaum die Breite eines Ausläufers erreichen. Da auch die Ausläufer selbst in allen Theilen ziemlich gleich breit sind, so macht das ganze Zellterri- torium den Eindruck grosser Regelmässigkeit (Fig. 25). Die rundlichen Zellleiber zeigen genau in der Mitte eine stärkere Pigmentanhäufung. Von einer Strahlung ist nichts zu bemerken, wenigstens bei den kleineren Pigmentzellen. Bei den grösseren kam es mir jedoch manchmal vor, als ob mehr gegen die Peri- pherie hin die Pigmentkörnehen in radiären Reihen angeordnet wären, doch ist dies sehr undeutlich. Nie sah ich im Centrum eine mehr oder weniger deutlich begrenzte pigmentlose oder pig- mentarme Stelle, wie sie Solger bei Esox und Perca beschrie- ben hat und ich bei zahlreichen anderen Knochenfischen ge- sehen habe. Zwei scharf begrenzte in der Nähe der Peripherie des Zellleibes gelegene pigmentärmere Stellen von eliptischer Gestalt weisen auf dasVorhandensein zweier Kerne hin. Niemals liegen sie in der Mitte. Bleicht man diese dorsal gelegenen Bauchfellabschnitte und färbt sie in der früher angegebenen Weise, so zeigen sich fol- gende Verhältnisse. Zunächst muss constatirt werden, dass ich niemals ein typisches Centrosoma beobachtete, statt dessen zeigt sich im centralen Abschnitte des Zelleibes, zunächst bei oberfläch- licher Betrachtung ein nur schwach gefärbter verwaschener Fleck, der je nach der Grösse der Zelle eine grössere oder kleinere Ausdehnung haben kann. Wendet man eine gute Oelimmersion an, und beobachtet man den Fleck einige Zeit lang aufmerksam, so sieht man ihn bald, vorausgesetzt, dass die Färbung gut ist und die Zellen tadellos fixirt sind, sich in ein feines Liniensystem auflösen (Fig. 26— 37). Diese Linien verlaufen stets geschlängelt und sind in manchen Fällen gröstentheils ungefähr einander parallel (Fig. 27), oder es herrschen zwei und mehr Richtungen vor (Fig. 26). Die Zahl dieser Linien lässt sich nicht reeht be- stimmen, jedenfalls richtet sie sich nach der Ausdehnung des ganzen Liniensystems: je grösser dasselbe ist, um so mehr ge- schlängelte Linien sind vorhanden. Gegen die Peripherie hin werden die Linien immer feiner und feiner, so dass sie sich schliesslich in dem äusserst feinen Protoplasmamaschenwerk des 384 K. W. Zimmermänn: Zellleibes verlieren. Bei äusserster Anstrengung des Sehvermögens sah ich die Linien dureh ein sehr zartes Maschenwerk mit einander in Verbindung stehen; es handelt sich somit um ein Netzwerk, in dem bestimmte Faserzüge besonders deutlich hervortreten. Das ganze Netzwerk hat keinen scharfen peripheren Abschluss, wie bei Blennius trigloides (Larve), vielmehr geht es allmählich ın das Protoplasma des Zellleibes über. Ein Strahlensystem, wie man es sonst zu sehen gewöhnt ist, konnte ich selbst nieht ein- mal andeutungsweise wahrnehmen. Was die Ausdehnung des ganzen Archiplasmanetzes anbelangt, so steht dasselbe nicht immer zur Grösse des Zellleibes im selben Verhältniss. Sein Durchmesser kann die Hälite des ganzen Zellleibdurchmessers erreichen und sogar noch übertreffen (Fig. 26). Meist ist es je- doch kleiner. Alles das, was bisher über das Netzwerk gesagt wurde, gilt hauptsächlich für die grösseren Pigmentzellen. Bei den kleineren und besonders bei den kleinsten Formen treten die in einer bestimmten Richtung verlaufenden Fasern mehr gegen die anderen zurück, so dass die eigentliche Netzform mehr in den Vordergrund tritt (Fig. 28, 29). Es können jedoch immerhin einzelne wenige bestimmtere Figuren bildende Linien schärfer hervortreten (Fig. 31—35). In wenigen Fällen, wenn die Zellen und ihre Kerne ganz klein sind, bildet die ganze erkennbare Archiplasmamasse einen ziemlich kleinen, rundlichen Fleck, an dem man, wenn er auch nicht homogen erscheint, doch eine be- sondere, netzartige Struktur nicht erkennen kann. Diese Form bildet gewissermassen einen Uebergang zu der bisher allgemein beobachteten Form des Gentralkörperchens (Fig. 36, 37). Was nun noch die Kerne anbelangt, so liegen dieselben, wie schon weiter oben bemerkt, nie in der Mitte des Netzwerks, wie wir es bei der Blenniuslarve gesehen, auch nie in einem Ausläufer. Ihre Zahl schwankt von eins bis drei, letztere Zahl kommt jedoch nur selten vor (Fig. 26). Was ihre Grösse be- trifft, so kenne ich keine andere Zellart, bei der sie so sehr schwankt, als gerade bei den Pigmentzellen aus dem Bauchfelle von Fierasfer. Ein Blick auf die Figuren 26 bis 37, welche alle bei derselben Vergrösserung gezeichnet sind, wird dies er- kennen lassen. In Fig. 28 und 30 sind noch die Kerne der darunter liegenden Bindegewebszellen eingezeichnet, um die kollo- Studien über Pigmentzellen. 385 sale Grössendifferenz, die hier einzig dastehen dürfte, zu zeigen. Man muss dabei noch bedenken, dass die Pigmentzellen zwei solcher Riesenkerne besitzen. Es ist noch zu bemerken, dass, wenn zwei Kerne vorhanden sind, sie gleich gross sind. Sind jedoch drei verbanden, so sind gewöhnlich zwei davon gleich gross, jeder von ihnen aber kleiner als der dritte (Fig. 26.) Zusammenfassung. Fassen wir kurz die Ergebnisse aus obigen Untersuchungen zusammen, so sehen wir zunächst, dass bei allen Pigmentzellen der Knochenfische, sowohl bei denjenigen mit braunem und schwarzem Pigment (Melanin) als auch bei solchen mit geibem und rothem Farbstoff (Lipochrom), das Archiplasma sehr stark entwickelt ist, ja wir können wohl behaupten, dass keine andere Zellart wenigstens der Wirbelthiere in der Archiplasmaentfaltung an die Pigmentzellen heranreicht, selbst nicht die Leucocyten des Salamanders. Lässt sich doch bei den braunen Pigment- zellen auf den Schuppen des Rückens von Atherina in gebleich- tem und nachgefärbtem Zustande das Centrosoma bereits mit Ob- jJektiv 3 und Oeular I (Leitz) deutlich erkennen. Die Zahl der Archiplasmastrahlen muss besonders bei den grösseren Formen eine sehr grosse sein, indem alles ausstreckbare und einziehbare Pigment in radiären Reihen geordnet ist und jede dieser Reihe einer Archiplasmafibrille entspricht. Auch an gebleichten und nachgefärbten Präparaten z. B. von Sargus annularis lässt sich dies leicht erkennen. Es ist dies wohl aus der Funktion der Zellen zu erklären: je stärker und lebhafter eine Zelle sich zusammenzuziehen und überhaupt zu bewegen vermag, um so kräftiger muss auch die contractile Substanz entwickelt sein. Wir sehen dies ja auch an den Leucoeyten, besonders des Sa- lamanders, während z. B. die Attractionssphären der Epithelien so überaus klein und . unbedeutend sind, dass man sie nur bei subtilster Behandlung und dann nur unter besonders günstigen Verhältnissen erkennen kann, wie Flemming gezeigt hat. Was die Formen betrifft, in denen das Archiplasma in den Pigmentzellen der Knochenfisehe auftritt, so ist es in weitaus den meisten Fällen die typische Form der Attractionssphäre, d. h. im Centrum eine kugelige diehte Archiplasmaanhäufung von wechselnder Grösse, und davon nach allen Seiten ausgehende 556 K. W. Zimmermann: mehr oder weniger zahlreiche Archiplasmafäden, wie Solger bereits bei Esox lucius, Perca fluviatilis ete. nachgewiesen hat. Es giebt jedoch, wie wir gesehen haben, sehr abweichende For- men. Bei Sargus annularis ist die centrale Archiplasma- anhäufung mehr oder weniger in die Länge gestreckt (Central- stab) und es besitzt dieselbe noch eine besondere Struktur. Bei Blennius trigloides sehen wir an Stelle des diehten Centralkörpers oder Centralstabes ein scharf begrenztes, weit- maschiges Netzwerk von wechselnder Grösse und Gestalt. Von der Peripherie des Netzes (Centralnetz) gehen die Archi- plasmastrahlen aus und zwar sind sie, wenn das Netz mehr in die Länge gestreckt ist, an den beiden Enden desselben radiär an- geordnet. Beim erwachsenen Blennius ist das grosse lockere Netz auf einen viel klemeren, sich durchweg dunkler färbenden, bald mehr rundlichen bald mehr in die Länge ge- streckten, eliptischen Körper redueirt, der jedoch sehr wahr- seheinlich noch eine besondere Struktur besitzt, da eine mittlere Partie und ein schmaler peripherer Streif sieh dunkler färben als das Uebrige. Bei Fierasfer acus ist das centrale Archi- plasma ebenfalls netzförmig angeordnet. Die Maschen sind je- doch viel feiner als bei Blennius, auch ist das Netzwerk nicht scharf begrenzt, sondern geht allmählich in das Spongioplasma über, so dass es nicht möglich ist, Archiplasma von Spongio- plasma scharf zu trennen. Von den das Netzwerk zusammen. setzenden Archiplasmafäden treten einzelne geschlängelt verlau- fende besonders scharf hervor, die dann meist bestimmte Riehtun- sen einschlagen. Archiplasmastrahlen waren nicht nachzuweisen, womit aber nicht gesagt sein soll, dass solche nicht vorhanden sind. Vielleicht sind sie so fein, dass sie der Beobachtung ent- sangen sind. Auch bei Trigla (Larve) scheinen besondere Archiplasmaverhältnisse vorhanden zu sein, wenigstens deuten eigenthümliche helle Liniensysteme, welche mit der gewöhnlichen Form der Attractionssphäre nichts zu thun haben, daraufhin. Ich habe mir nur eine Larve verschaffen können und die Präparate da- von gingen vor dem Bleiehen dureh einen unglücklichen Zufall zu Grunde, weshalb ich weitere Untersuchungen nicht anstellen konnte. Mit Rücksicht auf die beschriebenen besonderen Verhält- nisse bei Knochenfisehen dürfte es wohl angezeigt sein, den Studien über Pigmentzellen. 387 van Beneden'schen Satz in Betreff der Attractionssphäre als Gemeingut aller Zellen etwas abzuändern und zu sagen: Eine rede Zelle besitzt eine besondere, sewisse Vor @=amzje sin ıhr leitende Moditikation des.Proto- plasmas, das Archiplasma. Dasselbe trittin den meisten Fällenin der Form dertypischenäAttrae- tionssphäre mit Centrosoma und Strahlung auf. Es kommen jedoch’ von diesem Typus weit ab- weichende Formen vor (Pigmentzellen gewisser Knochenfische). All die angeführten Befunde ändern an der Thatsache nichts, dass die Attractionssphäre die einzige typische Form des Archi- plasmas ist. Die sonderbaren Archiplasmaanordnungen in man- chen Pigmentzellen sind eben nur als rein sekundäre Verhältnisse aufzufassen. Hierfür spricht auch der Umstand, dass die betref- fenden Pigmentzellen, sowie besonders ihr Kern resp. ihre Kerne in bezug auf ihre Grösse eine ganz exceptionelle Stellung ein- nehmen. Es kommen ja auch bei demselben Thier neben der abweichenden Form stets Formen vor, welche an die typische Attrac- tionssphäre erinnern oder gar direkt als solche zu bezeichnen sind. Die absonderlichen Verhältnisse der Pigmentzellen, der überaus prächtige Anblick, den die meisten von ihnen gewähren, machen ihre Untersuchung zu den interessantesten und anregend- sten Studien, die es giebt. Wegen der Deutlichkeit und grossen Ausdehnung der Attractionssphäre gerade bei den Pigmentzellen der Knochenfische sind dieselben als Demonstrationsobjekte ganz besonders zu empfehlen. Erklärung der Abbildungen auf den Tafeln XXIII und XXIV. Fig. 1. Braune Pigmentzellen aus der Rückenflosse von Sargus annu- laris. Die helle Linie im Zellleib deutet die Lage des Central- stabs an. Die Centralstäbe sämmtlicher Pigmentzellen in den Flossen sowie auch in der Körperhaut laufen einander parallel. Leitz Obj. 3, Ocul. I. Fig. 2—4. Gelbe Pigmentzellen von Sargus annularis mit Centralstab und Archiplasmastrahlen. In Fig. 2 ist ein Stück von der Zelle auf der rechten Seite abgerissen. Zeiss hom. Immers. 1/ja- Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 41 25 Fig Fig. Fie. oO Fig. K. W. Zimmermann: Centralstäbe aus gelben Pigmentzellen von Sargus annularis, feine Pünktchen und Linien im Inneren zeigend. Zeiss hom. Immers. 1/s. Ein Stück Brustflosse von Blennius trigloides (Larve) mit in die Länge gestreckten braunen Pigmentzellen. Die drei längs- verlaufenden scharfbegrenzten Streifen sind Flossenstrahlen. Leitz Obj. 3, Ocul. I. . 710. Braune Pigmentzellen aus der Brustflosse von Blennius 18. 19. trigloides (Larve), schwachgebleicht. Man sieht das Central- netz und die von ihm ausgehende Archiplasmastrahlung. Beide erscheinen hell auf dunklem Grunde. Zeiss hom. Immers. 1/9. . 11—17. Braune Pigmentzellen aus der Brustflosse von Blennius trigloides (Larve), vollständig gebleicht und nachgefärbt. Das Centralnetz und die Archiplasmastrahlung erscheinen dunkel auf hellem Grunde. Die Figuren 7—17 zeigen, in wie mannig- faltigen Gestalten das Centralnetz auftreten kann. Zeiss hom Immers. Yıa. Gelbe Pigmentzellen von Blennius trigloides (Larve). Pigment (Lipochrom) durch Alkohol ausgezogen. Die Centrosomen zeigen die gewöhnliche Form. Archiplasmastrahlen sehr schwach. Die Figuren 11—18 sind aus einem Präparat ent- nommen. Zeiss hom. Immers. 1/ja. Braune Pigmentzelle aus der Brustflosse von Blennius ocel- laris (grösseres Exemplar). Die der centralen Archiplasma- anhäufung entsprechende pigmentärmere Stelle in der Mitte ist länglich. Die beiden anderen pigmentarmen, dunkelum- säumten Stellen deuten die Lage der beiden Kerne an. Leitz 0b1:77..0cuLT. g. 20—24. Braune Pigmentzellen aus der Brustflosse von Blennius trigloides (grösseres Exemplar). Die centrale Archiplasmaan- häufung ist mehr oder weniger in die Länge gestreckt und scharf begrenzt. In Figur 24 zeigt sie die gewöhnliche Form des Centrosomas. Die Strahlung ist bei allen Zellen deutlich und reichlich. Zeiss hom. Immers. 1/ıa. Braune Pigmentzellen aus dem Dorsalabschnitt des Bauchfells von Fierasfer acus. In der Mitte des Zellleibes findet sich eine stärkere Anhäufung von Pigment. Die beiden länglichen helleren Flecke deuten die Lage der Kerne an. Leitz Obj. 3, Oeul. II. 25—37. Braune Pigmentzellen aus dem dorsalen Abschnitt des Bauchfells von Fierasfer acus, gebleicht und nachgefärbt. Das Centralnetz ist in den einzelnen Zellen mehr oder weni- ger ausgedehnt und geht allmählich in die Umgebung über. Von einer Strahlung ist nichts zu bemerken. In Figur 25 und 27 herrschen in bestimmter Richtung verlaufende geschlängelte Archiplasmafäden vor. In den Figuren 28 und 30 sind auch Studien über Pigmentzellen. 389 einige Kerne von gewöhnlichen Bindegewebszellen mit darge- stellt, um die Grössenunterschiede zu zeigen. In Figur 30 ist das Centralnetz nicht abgebildet, da es wegen der Dicke des Prä- parates nicht deutlich zu erkennen war. In Figur 37 nähert sich das Centralnetz der gewöhnlichen Form des Centrosomas. Zeiss hom. Immers. 1/jo. In den Figuren 2—5, 11—18, 20—24 und 26—37 sind die Zell- contouren entweder gar nicht, oder doch nur diejenigen der Zellleiber angedeutet. Sie waren eben meistens nicht deutlich. Die Mitteldarmdrüse des Flusskrebses und die amitotische Zelltheilung. Von Prof. Joh. Frenzel (Friedrichshagen). Hierzu Tafel XXV und XXVIl. Es sind bereits gegen 10 Jahre verflossen, seitdem ich eine kleine Untersuchung über die Mitteldarmdrüse der Crustaceen !) veröffentlicht habe. Indem ich versuchte, gleichzeitig physiolo- gische Momente in» Betracht zu ziehen, hatte ich in Bezug auf die Decapoden im Drüsenepithel zweierlei Zellen unterschieden, die Fett- und die Fermentzellen, erstere deshalb so benannt, weil sie einen aus Fettkügelehen gebildeten Inhalt, letztere, weil sie einen typischen Fermentklumpen führen, der dem nicht un- ähnlieh ist, weleher sieh in den entsprechenden Zellen der Mittel- darmdrüse der Mollusken?) vorfindet. Obgleich ich mich nun 1) Joh. Frenzel, Ueber die Mitteldarmdrüse der Crustaceen. — Mittheil. d. Zool. Station zu Neapel, Bd. 5, S. 50f. 2) Joh. Frenzel, Mikrographie der Mitteldarmdrüse (Leber) der Mollusken, I. Theil. — Nova Acta der Kaiserl. Leop.-Carol. Deutsch. Akad. d. Naturforscher, Bd.48, No.2, S.81f. (Der zweite Theil dieser Mikrographie, seit fast 3 Jahren druckfertig, soll demnächst erscheinen.) 390 Prof. Joh. Frenzel: nieht auf die Untersuchung des frischen, überlebenden Gewebes beschränkt, sondern auch die damals erst im Emporblühen be- griffene Paraffinmethode in ausgiebiger Weise benutzt hatte, so so war ich doch in Betreff eines Punktes noch völlig im Dunk- len geblieben. Es war mir nämlich gelungen, im Sekret der genannten Drüse die Inhaltsbestandtheile. beider Zellarten nach- zuweisen. Ebenso konnte ich zeigen, dass wenigstens die sog. Fermentzellen zwecks der Sekretion ganz unzweifelhaft zu Grunde gehen, indem sie sich von der Basis des Epithels ablösen, um sich sodann unter steter Grössenzunahme abzukugeln, wobei gleichzeitig der Kern zu einem dünnen Scheibehen zusammen- schrumpft. Nur über die Art und Weise, wie die abgestossenen Zellen wieder ersetzt wurden, vermochte ich keine bestimmten Angaben zu machen, mit Ausnahme derjenigen, welche sich auf die Ersatzzellen selbst bezogen. Ich sagte damals folgen- des (l. e. pag. 79): „Wie weiter unten noch besprochen wer- den soll, gehen diese Zellen [i. e. die Fermentzellen] behufs der Sekretbildung zu Grunde. Daher erklärt sich die reichliche Menge der Ersatzzellen, welche in manchen Querschnitten die der fertigen Sekretzellen übersteigt. Woher diese Zellen nun ihren eigentlichen Ursprung nehmen, ist noch unklar. Es ist mir, wie gesagt, nie geglückt, Theilungsbilder an Kernen oder Zellen zu finden, auch nieht etwa zwei Kerne in einer Zelle, oder etwa einen bisquitförmigen Kern. Da ich im Darm der Krebse und Insekten habe Theilungsfiguren finden können, und da gerade hier die Zelltheilung eine sehr lebhafte und häufige sein müsste, wie sich aus der grossen Anzahl der Ersatzz@len schliessen lässt, so glaube ich, dass sich bei der Conservirung unbedingt Spuren einer solehen Theilung hätten erhalten müssen, wenn sie eben hier stattfände. Auch P. Mayer hat in der sog. Leber der Caprelliden nichts Derartiges sehen können, und Weber sagt in jetreff der Isopoden ausdrücklich (l. e. p. 402): „Eine Zellthei- lung selbst wurde niemals bemerkt, mit Ausschluss der indiffe- renten Zellen des blinden Endes der Schläuche“... Dass er aber an dieser Stelle mit Sicherheit eine Zelltheilung bemerkt hat, lässt sich aus diesen Worten nicht erschliessen, wie er auch nirgends in seiner Abhandlung auf diesen Punkt wieder zurück- kommt.“ — Im Anschluss daran schien es mir angebracht, der Die Mitteldarmdrüse des Flusskrebses u. die amitotische Zelltheilung. 391 Ansicht P. Mayer’st) zu gedenken, der annahm, dass die Epithel- zellen der Drüse von hinten her, „durch Nachschub“ ersetzt werden. „In der That“, so fuhr ich fort, „besteht das Epithel des Schlauchendes wie bei den Caprelliden, so auch bei den Deeapoden aus kleinen isodiametrischen Zellen, welche sich stark tingiren lassen und einen grossen kugeli- sen Kern besitzen. Ferner enthalten sie ein grobkörniges Protoplasma, ganz ähnlich dem der jungen Fermentzellen. Sie haben demnach ganz die Eigenschaften jugendlicher wachsender Zellen, und es ist daher wohl möglich, dass sie en Keimepi- thel darstellen, welches durch fortwährende Theilungen Zellen bildet, die sich vorschieben und zu den reifen Zellen auswach- sen“ ete. Ich schloss endlich mit dem Satze: „Es ist mir je- doch auch hier bei den Decapoden eben so wenig wie P. Mayer bei den Caprellen gelungen, Theilungsformen irgend weleher Art aufzufinden; denn in den Kernen liess sich nichts weiter als ein schönes Netzwerk wahrnehmen“ ete. Wie man sieht, handelte es sich hier um eine sehr empfind- liche Lücke in den Beobachtungen, eine Lücke, die um so eher ausgefüllt werden musste, als gerade die Vermehrung der Zellen eine der interessantesten Tagesfragen in der neueren Histologie geworden war. Ich hielt es daher für eine ernste Verpflichtung, die früheren Untersuchungen wieder aufzunehmen, um einen er- neuerten Versuch, sie zum Abschluss zu bringen, zu machen. In der That gelang es mir denn auch, in Zupfpräparaten der Mittel- darmdrüse des Careinus maenas Jüngere Zellen mit zwei Kernen zu konstatiren und auch solche, wo der Kern die sog. Bisquit- form zeigte?). Da ich andererseits mitotische Theilungen an gleicher Stelle gänzlich vermisste, so schloss ich, dass sich die Epithelzellen dieser Drüse auf amitotiscehem Wege vermehr- ten, ein Vorgang, den ich als nukleoläre Kernhalbirung bezeichnete, desshalb, weil hier im Gegensatz zur Mitose der Nucleolus während der Theilung nicht verloren geht. 1) Dr. Paul Mayer, Die Caprelliden des Golfs von Neapel etc. Monographie. Leipzig 1892. 2) Joh. Frenzel, Die nukleoläre Kernhalbirung. Ein Beitrag zur Kenntniss des Zellkerns und der amitotischen Epithelregeneration. Arch. für mikr. Anat., Bd. 39, S. 1f. 392 Prof. Joh. Frenzel: Bald, nachdem die obige kleine Untersuchung veröffentlicht war, machten H. E. Ziegler und O. vom Rath gemeinsam nieht unerhebliche Bedenken gegen meme Resultate geltend?). Sie riehteten nämlich ihr Augenmerk wieder auf das blinde Ende des Drüsenschlauches und fanden dort konstant bei jugend- lichen Exemplaren des Flusskrebses zahlreiche Mitosen, so dass diese wohl zu einer Regeneration des Gewebes, zu einem Ersatz der verloren gehenden Zellen ausreichen konnten. Etwas anders hingegen stellte sich das Resultat bei ausgewachsenen Krebsen ; denn hier wurden blos bei zwei Exemplaren derartige Mitosen in grosser Menge angetroffen, bei einer erheblich grösseren Zahl (mindestens 12) jedoch nieht. Infolgedessen wurden die beiden Autoren zu dem Schlusse geführt (l. e. p. 749), „dass bei er- wachsenen Krebsen das Auftreten der Mitosen in den Leber- schläuchen ein periodisches sei“, wie ja auch bei den Wirbel- thieren dieses Auftreten meistens „schubweise“ erfolge. Dabei wurde freilich die amitotische Theilung in dem Schlauche selbst von den Genannten nicht in Abrede gestellt. Sie gaben mithin zu, dass sich Zellen, die sich bereits zur Sekretbildung an- schieken, noch einmal amitotisch theilen können, hielten im Uebrigen indessen daran fest, dass die eigentliche Regeneration des Epithels von dem genannten Keimlager im oberen Sechlauch- ende ausgehe. Bei meiner früheren Untersuchung hatte ich junge, noch nieht ausgewachsene Individuen, oder solche, welche mir irgend- wie abnorm, oder in Häutung begriffen ete. schienen, gänzlich ausser Betracht gelassen. Wo es sich um das Aussehen und die Thätigkeit einer Drüse handelte, glaubte ich nur solche Objekte verwenden zu dürfen, welche völlig normal erschienen und wo die Drüse auf der Höhe ihrer Entwicklung zweifellos stand. Die Verschiedenheit der Objekte, welche Ziegler und vom Rath einerseits und mir andererseits zur Untersuchung vorlagen, mochte also schon so verschiedene Resultate zu Tage fördern, und die Gleichheit der Objekte hätte vermuthlich eine Ueberemstimmung oder doch nahezu eine solche ergeben, soweit es sich wenig- stens um das Vorhandensein von Mitosen im blinden Schlaueh- 1) Prof. H. E. Ziegler und Dr. O. vom Rath, Die amitotische Zelltheilung bei den Arthropoden. — Biolog. Centrälblatt XI, S. 744 f. Die Mitteldarmdrüse des Flusskrebses u. die amitotische Zelltheilung. 393 ende und ihr Fehlen im secernirenden Drüsenabschnitt handelt. Hierzu gesellt sich noch ein Umstand, der, wie mir scheint, nicht genügend beachtet worden ist. Man kann nämlich meiner Mei- nung nach nicht schlechtweg von „ausgewachsenen“ Krebsen sprechen. Denn diejenigen, welche wir als solche bezeichnen und deren Alter wir kaum bestimmt zu schätzen vermögen, stellen doch nur einen Zustand vor, in welchem das Wachsthum ‚nur noch sehr langsam fortschreitet, ohne indessen gänz- lich zum Stillstand gekommen zu sein. Die Krebse, und nament- lich die Flusskrebse, gehören nämlich zu jenen zahlreichen Thieren, deren Wachsthumsfähigkeit eine nahezu unbegrenzte ist, und die nur deswegen für gewöhnlich nicht über ein bestimmteres Maass hinauskommen, weil äussere Ursachen, wie ihre Feinde u. s. w._ sie daran verhindern. Wo sie sich jedoch ungestört weiter ent- wickeln können, da vermögen sie eine ganz beträchtliche Grösse zu erreichen, wie man dies an vereinzelten Exemplaren sehen kann. So hat der Flusskrebs, der einst bei Gelegenheit der Feier des sog. Stralauer Fischzuges oberhalb Berlins in der Spree gefangen wurde, fast die Demensionen eines Seehummers!), und der sog. Rolf Krake, das sagenhafte Seeungeheuer, mag auch nichts weiter vorstellen als einen ins Riesenhafte gewachsenen Octopus. — Geht man mithin von diesen Gesichtspunkten aus, so wird man jeden Flusskrebs von gewöhnlichen Dimensionen ebensogut als jung wie als ausgewachsen bezeichnen dürfen. und es kann dann nicht Wunder nehmen, wenn das blinde Ende der Mitteldarmdrüsenschläuche fort und fort noch vereinzelte Mitosen aufweist. Mit zunehmendem Alter des Thieres, mit dem 1) Vergl. auch: T. H. Huxley, Der Krebs. Eine Einleitung in das Studium der Zoologie. — Internat. wissenschaftl. Bibliothek, Bd. 48 (1881), p. 27: „Der Krebs wächst in der Jugend rasch, nimmt aber im fortschreitenden Alter immer langsamer an Grösse zu. Das Junge Thier, das eben das Ei verlassen hat, ist von gräulicher Farbe und etwa 9mm Länge. Am Ende des Jahres kann er fast 4/,cm er- reicht haben. Krebse von einem Jahr sind 6cm lang, von 2 Jahr 81J,, von 3 Jahren 10/,, von 4 fast 13!/, und von 5 Jahren 15cm lang. Sie wachsen auch dann noch fort, bis sie in Ausnahmefällen 20—25 em Länge erreichen“; ete. — Mir ist über den Verbleib des erstgenannten (Stralauer) Krebses leider nichts bekannt geworden, trotz vielseitiger Nachfrage. Ein ähnliches Objekt wird jedoch im zoologischen Institut der landwirthschaftl. Hochschule zu Berlin aufbewahrt. Pe 394 Prof. Joh. Frenzel: immer langsamer werdenden Wachsthum und den spärlicheren Häutungen müssten diese immer seltener werden, vielleicht, um nur noch periodisch zu gewissen Zeiten aufzutreten, während sie zu anderen Zeiten gänzlich zu vermissen wären!). Vergleicht man nun mit diesen Folgerungen die Resultate, zu denen ich früher gelangt war, sowie auch diejenigen, welche von H. E. Ziegler und vom Rath herrühren, so wird man finden, dass sie durchaus berechtigt sind. Man wird dann aber noch einmal danach fragen, auf welche Weise denn nun eigentlich der Zeller- satz, um nicht zu sagen: die Zellregeneration, in der Mitteldarm- drüse der Krebse vor sich gehe; denn in meiner letzten Mitthei- lung über diesen Gegenstand („Nucleoläre Kemhalbirung“) hatte ich mich ja eigentlich darauf beschränkt, das Vorkommen von amitotischen Kerntheilungen nachzuweisen, während alles Uebrige im Hintergrunde blieb, geradeso, wie es Ziegler und vom Rath hinsichtlich der Mitosen thaten. Da nun allerdings der Zwiespalt zwischen diesen Letzteren und mir kein allzugrosser mehr ist, so möchte es vielleicht einigermaassen überflüssig erscheinen, wenn dieses Thema noch einmal eingehender behandelt wird. Eine andere Untersuchung, die freilich scheinbar auf einem ganz anderen Gebiete gemacht wurde, lenkte jedoch meine Aufmerk- samkeit von Neuem diesem Gegenstande zu und war die unmit- telbare Veranlassung zu der nachfolgenden Mittheilung, die ich sonst, wie gesagt, gerne noch zurückgehalten hätte. Wie schon oben angedeutet worden, sehen Ziegler und vom Rath das blinde Drüsenschlauchende als en Keimlager an, von wo aus die jugendlichen Zellen allmählich nach dem entgegengesetzten Schlauchtheile zu wandern, wobei sie mehr und mehr auswachsen, das Sekret bilden u. s. w. Ganz das Näm- liche behauptet nun auch Bizzozero?) für den Darmtraktus der Wirbelthiere, speciell der Säugethiere, indem er angiebt, dass die Becherzellen, welche sich auf der freien Oberfläche des Epi- thels finden, nicht hier, sondern vielmehr in den Blindsäckchen entstehen — durch Mitose —, von wo aus sie sodann allmählich 1) Siehe auch weiter unten. 2) G.Bizzozero, Ueber die schlauchförmigen Drüsen des Magen- darmkanals und die Beziehung ihres Epithels zu dem Oberflächenepi- thel der Schleimhaut. — Dies. Arch., Bd. 40 (1892), No. 3, S. 3251. Die Mitteldarmdrüse des Flusskrebses u. die amitotische Zelltheilung. 395 nach jener Oberfläche hinrücken, um hier endlich unter steter Sekretion zu Grunde zu gehen. Würde man sich mithin diese Blindsäcke als tubulöse, länger gestreckte Schläuche vorstellen, welehe so dicht aneinandergedrängt stehen, dass das zwischen ihnen liegende freie Epithel zum Verschwinden kommt, so hätte man ganz das Bild, wie es die Mitteldarmdrüse der Krebse dar- bietet. Für den Fall also, dass die Angaben Bizzozero’s sich bestätigen sollten, läge somit nichts näher, als sie auch auf diese letztere Drüse, ja sogar auf viele andere Drüsen zu verallgemei- nern; und da mir nun scheint, dass hier weniger ein besonderer Fall als vielmehr eine prineipiell wichtige Frage in Betracht kommt, so glaubte ich Grund genug zu haben, das letzte Bedenken vor einer vielleicht verfrühten Publikation schwinden zu lassen. Vor mehr als Jahresfrist schlug ich Herrn Prof. Charles Huber aus Michigan (U. S. A.) vor, im Verein mit mir die Mittel- darmdrüse des Flusskrebses einer eingehenderen Untersuchung zu unterziehen. Ausser den oben schon entwickelten Fragen drängten sich uns noch eine Reihe anderer auf, denen wir an der Hand dieses Gewebes, das sich durch seine grossen Elemente auszeichnet, näher zu treten gedachten. Einerseits war es unser Ziel, die Wirksamkeit und die Erfolge einer grossen Anzahl von Fixirungs- und Conservirungsmitteln zu erforschen, andererseits aber auch auf dem Gebiete der feineren Anatomie der Zelle weiter,zu dringen. Da wir jedoch Beide in anderen Riehtungen vollauf beschäftigt waren und da Herr Huber bedauerlicherweise alsbald in seine Heimath zurückkehrte, so blieb es mehr bei einem frommen Wunsche, und es resultirten nur eine mässige Anzahl allerdings zum Theil ausgezeichneter Präparate, von denen die gelungensten von Herrn Huber herrührten. Es sei dieser letztere Punkt deswegen besonders betont,, als es ungemein schwierig ist, gerade von der Mitteldarmdrüse des Flusskrebses gute Schnittpräparate zu erhalten, eine Erfahrung, die ich bereits früher gemacht und die uns auch vom Hörensagen mannigfach bestätigt wurde. Ja, auch H. E. Ziegler und vom Rath scheinen, nach der von ihnen gegebenen Abbildung wenigstens zu urtheilen, durchaus keine mustergültigen Präparate vor sich gehabt zu haben. Das einem möglichst gut genährten oder frisch gefangenen 396 Prof. Joh. Frenzel: und lebenskräftigen Krebse entnommene Gewebe härteten wir in recht kleinen Stücken — etwa von Erbsengrösse — die wir gewöhn- lich von den äussersten Enden der umfangreichen Drüse mit der Scheere und unter Vermeidung von Quetschungen abtrennten. Gute Krebse waren nicht leicht zu beschaffen, da diese Thiere in Folge der Krebspest vor einigen Jahren in der Spree und den anderen Gewässern fast völlig ausgerottet worden sind. Wir erhielten jedoch aus einem Wiesenbach (Fliess) bei Friedrichshagen einige Krebse, die ich als halbgross bezeichnen möchte, d. h. von höchstens 10 em Totallänge, gemessen bei gestrecktem Leib vom Kopfstachel bis zur Schwanzspitze. Diese Thiere mochten also schon einige (2—3) Jahre alt sein; sie waren weder ganz jung, noch eigentlich ausgewachsen. Von unsern Conservirungsmethoden seien nur diejenigen genannt, die nieht gänzlich fehlschlugen. Als wirklich brauch- bar von diesen erwies sich nun eine Kombination, welche zu empfehlen ich schon früher mehrfach Gelegenheit hatte, nämlich eine Kombination von gleichen Theilen gesättigter wässeriger Sublimatlösung mit 10°/,iger Salpetersäure, auch mit einem ge- ringen Zusatz von Alkohol angewendet. Dieselbe Flüssigkeit warm angewendet, liess einen Vortheil nicht erkennen, doch gab auch heisse wässerige Sublimatlösung allein recht gute Bilder, soweit es sich wenigstens um den Zellleib und dessen Inhaltsbestandtheile handelt. Der Kern freilich wurde ganz diffus, und es scheint so, als wenn eine Lösung aus ihm heraustrat, die sich um den Kern herum vertheilte. Ein leidlich gutes Re- sultat liess sich ferner mit einem Gemisch von Pikrinsäure und Sublimat erzielen; Gemische von Osmiumsäure jedoch liessen völlig im Stich, da diese Substanz nicht nur ungemein schwer in dies Gewebe eindringt, sondern auch das massenhafte Fett so schwarz färbt, dass man von den übrigen Zellbestandtheilen nichts Dentliches mehr sieht. Einzig und allein die Kerne wur- den — wie kaum anders zu erwarten — gut fixirt. Das Gleiche muss endlich auch von Platinchlorid gelten, das theils mit Subli- mat oder mit Chromsäure kombinirt wurde. Es gab bei weitem nicht den bei der Mitteldarmdrüse der Seekrebse gehabten Erfolg. Alles in Allem genommen lässt sich mithin erkennen, dass behufs der Conservirung der Mitteldarmdrüse des Flusskrebses das Queck- silbersublimat, sei es für sich, sei es in einer Mischung ange- Die Mitteldarmdrüse des Flusskrebses u. die amitotische Zelltheilung. 397 wendet, das günstigste Resultat ergiebt, allerdings immer nur so weit, als es sich um Darstellung der Zellgrenzen und um gute Abgrenzung der Zellinhaltsbestandtheile handelt. Wie ein Blick jedoch auf beiliegende Tafel lehren wird, ist die Kernstruktur freilieh nur mässig gut erhalten. Diese Methode reicht indessen vollkommen aus zu erkennen, was eine Mitose und was keine ist; und das ist ja das, was wir im Wesentlichen zu verlangen hatten. Die Gewebsstückehen verblieben verschieden lange Zeit, . jedoch nicht unter !/, Stunde in der Härtungsflüssigkeit; dann wurden sie zu Paraffinschnitten verarbeitet. Zum Aufkleben der letzteren benutzte Herr Huber sein bereits bekannt gemachtes Verfahren, indem er sie zunächst auf erwärmtes Wasser legte und dann mittels eines mit Eiweiss ganz dünn überstrichenen Objektträgers auffischte. Als Färbungsmittel zogen wir die Benda’sche Safranin-Liehtgrünfärbung allen anderen vor!). Sie gibt nicht nur eine dem Auge wohlthuende Contrastfärbung, sondern auch ungemein distinkte Bilder, wie ich versucht habe, auf Taf. XXV darzustellen. Sehr schön ist ferner auch eine Hämatoxylin-Eosintinktion, sowie Hämatoxylin-Carmin resp. Häma- toxylin allein. 1. Die Vermehrung der Fermentzellen. Betrachtet man irgend eine Stelle eines Drüsenschlauches, von seinem blinden Ende und dessen allernächster Nachbarschaft abgesehen, so fallen sofort die Fermentzellen in allen Stadien der Entwicklung auf. Verfolgt man diese Entwicklung nun mehr und mehr zurück, so gelangt man zu kleineren aber immerhin noch ziemlich grossen Zellen, die ausnahmslos mit breiter Basis in der Tiefe des Epithels der tunica propria aufsitzen. Schematisch ausge- drückt haben sie etwa die Gestalt einer gleichseitigen Pyramide, deren Seiten von sphärischen Dreiecken gebildet sind (Taf. XXV, Fig. 1). Derartige Zellen sind in einem Querschnitt mindestens ebenso reichlich anzutreffen, wie völlig ausgereifte, und man kann wohl den Eindruck erhalten, als wenn für jede auszustossende Zelle ein Ersatz vorhanden sei. Der Kern dieser jugendlichen Zellen 1) Dr. C. Benda, Verhandl. der Anatom. Gesellsch. VI (1892); ferner: Verhandl. der physiolog. Gesellsch. zu Berlin. 1892. 398 Prof. Joh. Frenzel: ist stets von beträchtlicher Grösse und kugelig, was aber nur dann gut erkannt werden kann, wenn er im Schnitt voll und ganz getroffen ist, wenn also etwa ein grösster Kreis durch ihn gelegt worden ist. Bei den beträchtlichen Dimensionen dieser Elemente ist es daher rathsam, die Schnitte nieht zu dünn auszuführen, 10Ou Dicke ist zweckmässig, während sich 5 u schon als zu we- nig erweist. So bin ich der Ansicht, dass in Fig. 1 Taf. XXV der Doppelkern nur theilweise getroffen ist, infolgedessen er auffällig und ausnehmend klein erscheint. Oft ist nun an dem Kern einer solchen jugendlichen Zelle nichts Besonderes wahrzunehmen. Er zeigt den typischen Bläschenbau und führt einen meist excentrisch liegenden grossen, rundlichen Nueleolus, welcher bei einer Doppel- färbung mit Lichtgrün-Safranin von beiden Farbstoffen aufnimmt, infolgedessen er eine bläuliche oder violette Mischfarbe zeigt, während das spärliche und lockere Chromatingerüst roth, das achromatische oder Liningerüst grün und der sog. Kernsaft farblos sind. Bei sehr guter Fixirung sieht man, wie der äussere Umfang des Kernes, um nicht zu sagen: seine Membran, sowie das Fadenwerk grün ist und wie dann die chromatische Substanz längs oder auf diesem in Gestalt von Körnchen aufgereiht er- scheint. Gewöhnlich indessen fliessen diese zu einzelnen unregel- mässigen Tröpfehen, den sog. Knotenpunkten zusammen, die so- mit vermuthlich als Kunstprodukte, als Fehler der Technik zu betrachten sind. Ebenso bildet die grüngefärbte Substanz mehr- fache Tröpfehen und Flecken (Fig. 2 und 3, Taf. XXV). Ganz deutlich jedoch kann man in jedem Kern dreierlei verschieden gefärbte Gebilde erkennen, von denen nur der Nucleolus bald mehr nach dem einen, bald mehr nach dem anderen Farbstoff hinneigt, je nachdem zufällig im Präparat der eine oder der andere von beiden überwiegt. Diese Erscheinung bewahrheitet sich auch bei anderen Färbungen z. B. bei Behandlung mit Hä- matoxylin und Eosin (Taf. XXVI, Fig. 4), oder mit Hämatoxylin und Safranin (Taf. XXVI, Fig. 1, 2) u.s w. Ist nun auch, wie schon weiter oben angedeutet worden, in den vorliegenden Präparaten, die Kernstruktur nicht in muster- giltiger Form erhalten, so ist das Bild doch klar genug, um den Eindruck hervorzurufen, dass es sich hinsichtlich solcher Kerne auf keinen Fall etwa um schlecht fixirte mitotische Figuren han- deln kann. Gegen eine solche Auffassung spräche vor allem Die Mitteldarmdrüse des Flusskrebses u. die amitotische Zelltheilung. 399 schon das ganz konstante Vorhandensein des Nucleolus, der nur dann undeutlich ist, wenn die Tinktion überhaupt gerade eine blasse, oder der nur dann gänzlich zu vermissen ist, wenn er zufällig gerade nicht in den betreffenden Schnitt gefallen ist. So fehlt er z. B. in der etwas reiferen Zelle, die in Fig. 10, Taf. XXV dargestellt ist. Aber es ist unschwer zu erkennen, dass hier nur ein schmaler Streifen einer viel breiteren Zelle übrig geblieben und dass deshalb auch vom Kern nur ein Theilstück darin enthalten ist. Man kann nun auch alle Präparate durchmustern so oft und soviel wie man will, es gelingt nicht, auch nur einmal einer einzigen Mitose oder einer darauf zu beziehenden Figur innerhalb dieser jugendlichen Fermentzellen habhaft zu werden. Um ganz vorsichtig zu sein, so möchte ich zwar nicht behaupten, dass jede Möglichkeit, dass diese Zellen sich mitotisch vermehren, damit widerlegt sei; es wäre ja denkbar, dass sich hin und wieder einmal hierher eine Mitose verirrte, aber das eine wird man anerkennen müssen, dass, wenn diese Zellen sich überhaupt theilen, dass dann we- nigstens die mitotische Theilung nicht die gewöhnliche, typische und normale sem kann. Dies ist ein Schluss, den ich schon bei früherer Gelegenheit gezogen hatte. Es bleibt mithin jetzt nur noch übrig nachzusehen, ob diese Zellen und wie sie sich theilen. Bereits an früherer Stelle hatte ich auszuführen versucht !), dass es hinsichtlich des ersteren Punktes, d. h. hinsichtlich der Frage, ob sich gewisse Zellen überhaupt theilen, genügt zu be- weisen, dass der Kern sieh theilt und dass in reiferen Zellen stets nur ein Kern vorhanden ist. Dann muss sich folgerichtig die erstgenannte Zelle eben so gut wie ihr Kern getheilt haben, wenn man nicht annehmen will, es sei der bei der Theilung ent- standene 2. Kern etwa auf irgend eine Weise zu Grunde ge- gangen. Eine solehe Annahme wäre, das sei hier schon hervor- gehoben, an diesem Orte durchaus unstatthaft; aber sie könnte doch als Einwand erhoben werden, wesshalb sie ebenfalls eine sorgfältige Berücksichtigung verdient. Noch eleganter wäre aller- dings das Resultat, wenn man auch unzweideutige Zellthei- lungsbilder aufzuweisen hätte. Aber wenn es sich um mitotische Theilungen handelt, so ist man ja auch meist schon damit zufrieden, die Kernmitose festgestellt zu haben, und 1) Nucleoläre Kernhalbirung |. ce. p. 16f. 400 Prof. Joh. Frenzel: fragt nicht mehr allzuviel nach der dann als selbstverständlich angesehenen darauf folgenden Zelltheilung. Ich zweifle auch nicht, dass es an einem günstigeren Objekte als es unsere Drüse ist, nicht schwer fallen dürfte, solehe Zelltheilungsbilder zu konsta- tiren. Hier jedoch, wo die Fixirung des Gewebes an und für sich schon eine so schwierige ist, dass immerhin doch nur wenige Epithelzellen klar und deutlich genug ausgeprägt erscheinen, ist leider eine Beschränkung derartiger Ansprüche geboten. Dazu kommt nun noch der Umstand hinzu, dass vermuthlich die Thei- lung der Zelle rasch, viel rascher als die des Kerns verläuft, dass sie vielleicht erst einsetzt, nachdem die letztere fast beendet ist. So wenigstens würden sich die Bilder deuten lassen, die im nachfolgenden noch besprochen werden sollen, und ähnlich so ist es doch auch bei mitotischen Theilungen. Geht man nun wieder auf die jungen Zellen zurück, so findet man inihnen gewöhnlich wie bereits angegeben, einen grossen, run- den Kern mit einem einzigen grossen Nucleolus. Ausserdem sieht man, wenn auch seltner, ganz ebenso beschaffene Zellen, in denen der Kern schon gestreckt ist und zwei von einander getrennt liegende Nucleolen beherbergt (Taf. XXV, Fig. 35). Endlich gelingt es auch, wenngleich eigentlich ziemlich selten, derartige Zellchen aufzufinden, wo ein unzweifelhafter Doppelkern vorhanden ist. Ein solches Gebilde ist n Taf. XXV, Fig. 1 abgebildet; und ist hier auch der Kern nicht voll und ganz, sondern vielmehr nur theilweise und schief getroffen, so lässt sich doch unschwer erkennen, dass es sich in einem derartigen Falle um zwei gleich grosse Kernhälften handelt, die nicht auf mitotischem Wege ent- standen sind. Weiter oben ist angedeutet worden, dass es etwa ebenso- viel ganz junge wie ganz reife Fermentzellen in einem Schnitte giebt. Die Anzahl der in den ersteren Zellen zu beobachtenden Kerntheilungen steht im Vergleich hierzu jedoch weit zurück und würde nieht zu einer plausiblen Erklärung der Zellvermeh- rung ausreichen. In der That liegen nun auch die Verhältnisse nicht so, dass die Annahme berechtigt wäre, dass dies der ein- zige Weg sei, wie für den Nachwuchs dieser Zellen gesorgt wird. Im Gegentheil ist ein anderer Modus sehr viel häufiger, nämlich der, dass sich die jungen Fermentzellen in einem späteren Stadium theilen. Vielleicht kann man sich auch Die Mitteldarmdrüse des Flusskrebses u. die amitotische Zelltheilung. 401 vorstellen, dass die Kernhalbirung so langsam verläuft, dass die Zelle mittlerweile schon eine nicht unbeträchtliche Grösse erreicht. Wahrscheinlicher jedoch ist mir, dass die Einschnürung des Kernes erst dann eintritt, wenn die junge Zelle schon aus dem isodiametrischen Stadium heraus und zu einem gestreckteren übergegangen, ja schon die freie Oberfläche des Epithels mit ihrer Spitze erreicht hat (Taf. XXV, Fig. 18, 22, 26). Derar- tige Zellen mit Doppelkern sind nun recht häufig festzustellen, häufig genug, um die Zellvermehrung auf diesem Wege ausrei- chend erklären zu lassen. Es mag wenigstens nach den obigen Worten auffallen, dass es mir bei der erstmaligen Behandlung dieses Gegenstandes (Mit- teldarmdrüse der Crustaceen 1. e.) nicht gelingen wollte ein glei- ches Resultat zu erreichen. Schuld daran war damals indessen die Mangelhaftigkeit der Methodik, sowie die Kleinheit der entsprechenden Elemente bei den Seekrebsen. An den Fluss- krebs aber hatte ich mich schon gar nicht herangewagt, da die- selbe Methodik dort völlig im Stich liess. Auch hatte ich einen wichtigen Punkt nicht genügend berücksichtigt, nämlich den Ernährungszustand meiner Objekte. Denn obgleich ich mich da- mals schon bemühte, physiologische Vergleiche zwischen der Mitteldarmdrüse gut genährter und hungernder Krebse anzustellen, so legte ich doch kein Gewiebt darauf, die Thiere unmittel- bar nach dem Fange zu verarbeiten, wo man doch annehmen kann, dass sie hinlänglich Speise aufgenommen haben und dass die Mitteldarmdrüse am regsten funktionirt. Die Kerntheilung nun, wie sie in den grösseren der jungen Fermentzellen verläuft, ist gleichfalls eine nucleoläre Kern- halbirung. In jedem Theilstück sieht man einen grossen, runden Nucleolus, und jedes Theilstück ist gleich gross (Taf. XXV, Fig. 18, 22, 26, 29). Zwar kommen hiervon hin und wieder scheinbare Abweichungen vor, die sich indessen recht wohl erklären liessen. Vielleicht mag es sein, dass einmal ein Theilstück wirklich kleiner als das andere ist; bei schiefer Schnittführung aber muss man erwarten, dass von dem einen Kerntheil ein grösseres Stück in den Schnitt fällt als vom ande- ren (Taf. XXV, Fig. 11). Auch mögen durch rein mechanische Einflüsse Deformitäten entstehen können, was gerade bei so grossen Elementen leicht erklärlich wäre. Wie ja jede Epithel- 453 “ Prof. Joh. Frenzel: zelle in ihrer Gestalt durch den Druck, der von den Nachbar- zellen ausgeht, beinflusst wird, so kann dies auch für den Zell- kern stattfinden, der ebensowenig ein festes Gebilde ist. Es brauchen daher zwei Kernstücke, wenn sie in ihrer Gestalt von einander abweichen, dies nicht auch hinsichtlich ihres Volumens zu thun. Von derartigen Ausnahmen indessen abgesehen, wird man immer finden, wie die beiden Kernhälften nicht nur hin- sichtlich ihrer Grösse (Volumen), sondern auch ihre Gestalt und ihrer Inhaltsbestandtheile in ganz auffallender Weise überein- stimmen. Die Zerschnürung des Kernes dieser Jungen Fermentzellen kann man in allen Stadien antreffen. Vielleicht nur fehlen die ersten Stadien, die man somit in noch jüngeren, mehr isodiame- trischen Zellen zu suchen hätte. Sonst aber finden sich schon recht grosse Zellen (Taf. XXV, Fig. 22), wo die beiden Hälf- ten noch wenig von einander geschieden sind. Auch später rücken sie nieht auseinander und bleiben dieht beisammen liegen, so dass man glauben könnte, noch ein früheres Stadium vor sieh zu haben, wenn nicht eine deutliche Trennungslinie vorhanden wäre (Taf. XXV, Fig. 18). Die Richtung, in welcher diese Zerschnürung erfolgt, ist hierbei nun von hervorragendster Bedeutung, und zwar macht sich darin ein Unterschied zwischen ganz jungen und weniger jungen Zellen geltend. In ersteren nämlich streckt sich der Kern quer zum Längs- resp. Höhendureh- messer der Zelle (Taf. XXV, Fig. 1, 3), in letzteren jedoch nie- mals so, sondern entweder in der Richtung des letzteren (Taf. XXV, Fig. 26, 29), oder etwas schief zu ihm (Taf. XXV, Fig. 18, 22), und da die letzteren Theilungen die häufigeren sind, wie wir sahen, so ist die soeben genannte Erscheinung auch die ge- wöhnlichere. Für den Fall, dass wir nun annehmen, die Ein- sehnürung beginne bereits in einem früheren Stadium der Zelle und diese wachse währenddessen nicht unerheblich, so müssen wir dann auch annehmen, dass sich der Längsdurchmesser des Kernes hierbei drehe, so dass er anfänglich mit dem Quer- und später mehr mit dem Längsdurchmesser der Zelle zusammenfalle. Auf diese Weise würden sich wohl auch die schiefen Lagen des sich durchschnürenden Kernes erklären lassen (Taf. XXV, Fig. 11). Es mögen indessen hier ebenfalls rein mechanische Umstände mitspielen. Denn wenn auch eine jede dieser Zellen Die Mitteldarmdrüse des Flusskrebses u. die amitotische Zelltheilung. 403 dem Prinzip nach an der Basis breiter als nach der Spitze zu ist, so kann doch durch benachbarte Zellen bald hier, bald dort Quetschung eintreten, so dass dann der basale Zellraum, wo der Kern liegt, oft so verschmälert wird, das dieser eine dem Längs- durehmesser der Zelle entsprechende Gestalt und Lage annimmt, die dann naturgemäss auch auf seine beiden Hälften übergeht (Taf. XXV, Fig. 26, 29). Nachdem auf die oben geschilderte Weise in einer noch nicht reifen Fermentzelle zwei Tochterkerne entstanden sind, fragt es sich nun, was aus diesen wird. Sucht man weiter nach, so wird man grössere Zellen stets nur mit einem ein- zigen Kerm antreffen (Taf. XXV, Fig. 28, 10, 12 ete.). Es läge dann, wie bereits angedeutet, die Möglichkeit vor, dass einer der beiden Tochterkerne im Laufe der Entwicklung wieder verschwinde oder irgendwie umgewandelt werde. Allein für eine derartige Annahme findet sich nieht der mindeste Anhalt. Vor allen Dingen muss auch der Gedanke von der Hand ge- wiesen werden, dass etwa die Sekretblase aus einem der Kerne hervorgehe, so etwa wie Platner!) es gesehen haben will. Wir werden vielmehr die Entstehung dieser Blase eingehend ver- folgen können, wie weiter unten nachzulesen ist. Ebenso sieht man die Kerne stets in völlig intaktem Zustande, so lange ihrer zwei in einer Zelle liegen. Da endlich der eine von den beiden Kernen doch nicht so ganz plötzlich und ohne alle Spuren zu binterlassen verschwinden kann, so muss als einziger logischer Schluss nur der übrig bleiben, dass die Zelle nach geschehener Kern- theiling ebenfalls eine Theilung vollziehe und sich in zwei zerschnüre. Wir können auch weiterhin vermuthen, wie dies geschieht und wie sich die beiden Zelltheilstücke zu einan- (ler verhalten. Falls sich eine der ganz jungen isodiametrischen Zellen theilt, sagen wir etwa die Zelle, welche in Fig. l oder 3, Taf. XXV abgebildet ist, so ist es wohl möglich, dass die Theilungs- ebene in der Längsrichtung der Zelle, also quer zum gestreckten Kern erfolgt. Liegen beide Kerne indessen in der Längsrichtung der Zelle orientirt, so wird die Durehschnürung quer zu diesem erfolgen müssen, so dass also von der Zelle ein oberes und ein 1) Dr. G. Platner, Beiträge zur Kenntniss der Zelle und ihrer Theilungserscheinungen. Dies. Arch. Bd. 33 (1839), S. 125 (IN). Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 41. 26 404 Prof. Joh. Frenzel: unteres Stück abgetrennt wird, die ihrerseits einander nicht gleich zu sein brauchen und es auch gar nicht sind. Die Kernhal- birung zieht also nicht nothwendigerweise eine Zellhalbi- rung nach sich. Der eine, der basale Zelltheil, ist vielmehr eewöhnlich kleiner als der entgegengesetzte, da die Kerne doch immer der Basis genähert, also nicht central in der Zelle liegen, und enthält auch andere Inhaltsbestandtheile als dieser, wie später noch zu sehen sein wird. Wir wollen ihn jetzt als Mutter- zelle resp. als Fermentmutterzelle bezeichnen. Dabei ist jedoch noch ein Umstand zu beachten. Betrachtet man näm- lich eine etwas reifere Fermentzelle (Taf. XXV, Fig. 12, 30, Taf. XXVI, Fig. 1, 2), so sieht man, dass sie nicht etwa, wie wir erwarten sollten, von der Basalmembran abgelöst in den höheren Regionen des Epithels schwebt, sondern der letzteren Membran immer noch mit mehr oder weniger breitem Fusse auf- sitzt. Die Zersehneidung der Zelle kann mithin auch nicht in genau querer Richtung, sondern dürfte wohl am wahrscheinlieh- sten in sehiefer Richtung erfolgen, etwa in der Richtung, die in Fig. 18, Taf. NXV bezeielinet worden ist. Dann würde auch das resultiren was wir erwarten, nämlich eine isodiame- trische Mutterzelle von breiter Basis und geringer Höhe, so wie sie den Figuren 1 und 3, Taf. XXV entspricht, und eine heranreifende Fermentzelle, die an der Basis und der freien Oberfläche etwas verjüngt und in der Kernhöhe etwa am brei- testen ist (Taf. XXV, Fig. 19, 28). Erklären wir uns die Theilung der jüngeren Fermentzellen in der soeben angegebenen Weise, so haben wir mithin einen Fingerzeig dafür, woher diese isodiametrischen Mutterzellen her- stammen und haben nieht nöthig, sie von einem Keimepithel aus dem blinden Schlauchende herzuleiten, ohne damit indessen die Negation des letzteren Modus schon für völlig erwiesen zu halten, wie wir später noch sehen werden. Man könnte nämlieh die Thei- lung der jungen Fermentzellen im Prinzip zugeben, aber behaup- ten wollen — auf diesem Standpunkt wenigstens scheinen, wenn ich richtig schliesse, H. E. Ziegler und vom Rath zu stehen, — dass sie sich Jlängsspalten und zwei gleich- werthige Produkte lieferten, von denen jedes zu einer reifen Zelle auswachsen würde. Dann freilich blieben keine Mutter- zellen übrig, und man müsste nach einer anderen Herkunft für Die Mitteldarmdrüse des Flusskrebses u. die amitotische Zelltheilung. 405 diese suchen. Beachtet man aber, wie oben ausgeführt, die Lage der beiden Kernhälften, so wird man finden, dass eher eine (uer- oder eine Schiefspaltung, jedoch nicht gut eine Längs- spaltung einer solchen Zelle möglich ist (Taf. XXV, Fig. 26, 29); und gerade die am häufigsten anzutreffende schiefe Lage der Doppelkerne deutet darauf hin, dass die Theilung der Zelle in schiefer Richtung erfolge. Uebersehen wir noch einmal die Resultate, zu denen wir gelangt sind, so hoffe ich doch wenigstens den Beweis geliefert zu haben, dass die Fermentzellen in der Mitteldarm- drüse des Flusskrebses dureh ungleiche Thei- lung jüngerer Zellen auf nicht mitotischem Wege vermehrt werden können, so dass das eine Theil stück als Mutterzelle zurückbleibt, während das andere zur reifen Zelle auswächst. Es sei hier ausdrücklich nur von der Möglichkeit und weiterhin von der Wahrscheinliehkeit eines solehen Vorganges gesprochen, wie die nachfolgenden Ueberlegungen darthun sollen. Zur Er- klärung dieses Satzes müssen wir uns nämlich einerseits der Be- funde H. E. Ziegler's und vom Rath’s erinnern, andererseits über- haupt das blinde Ende des Drüsenschlauches in Betracht ziehen. Denn würde dieses dasselbe Epithel wie der grössere, secernirende Abschnitt besitzen, so würde die oben gegebene Erklärung ohne Weiteres anzunehmen sein. In der That aber haben die Zellen hier, wie ich dies schon früher erkannt hatte, einen nach dem geschlossenen Ende zu immer indifferenter werdenden Charakter, ohne indessen jemals ihren Charakter als selbstständige Zellindi- viduen aufzugeben und zu einem Syneytium zu werden. Man sieht vielmehr namentlich nach Sublimatbehandlung an feinen Schnitten, dass sich auch hier die einschichtig angeordneten Zellen sehr scharf gegen einander abgrenzen. Sie sind bloss erheblich kleiner als die eigentlichen Epithelzellen und besitzen einen grossen, länglichen und saftig erscheinenden Kern, von anderen Unterschieden abgesehen, die nicht weiter hierhergehören RSEEREEV ATS TED, 1 25, 27, Ta RRV E91 keinem Falle entsteht also ein so wirres Durcheinander von Zellen oder Kernen, wie Ziegler und vom Rath abbilden (l. e. p. 749), bei ihnen ohne Zweifel ein in Folge mangelhafter Fixirung her- vorgerufenes Trugbild. 406 Prof. Joh. Frenzel: Sehen wir nun von jugendlichen Krebsen mit Mitosen ab, so sollte man nach den Ausführungen der oben genannten Au- toren der Meinung sein, dass dann das sog. Keimepithel im Schlauchende sich in Ruhe verhalte und keine Zellen produeire. In Wahrheit aber liegen die Verhältnisse ganz anders und weisen dem Prineip nach genau dasselbe auf, was wir bereits weiter oben im secernirenden Abschnitte kennen gelernt hatten. Es giebt nämlich auch hier amitotische Kerntheilungen und zwar in ganz erheblicher Menge. So enthält die Kuppe des Drüsenschlauches, der im Längsschnitt in Fig. 14, Taf. XXVI dargestellt ist, unter etwa 12 Zellen nicht weniger als vier, die in Theilung begriffen sind, und in den Querschnitten ist doch oft genug, wenn auch nicht immer, eine oder zwei solcher Theilun- gen aufzufinden (Taf. XXV, Fig. 27; Taf. XXVI, Fig. 5). Ver- gleicht man endlich diese Anzahl mit den an anderer Stelle auf- tretenden Mitosen, so wird man feststellen, dass sie mindestens ebenso gross, wenn nicht grösser ist als die der letzteren (vergl. Taf. XXV, Fig. 14, 15, 17), von denen nach meiner Er- fahrung, die allerdings ganz junge Krebse nicht berücksichtigt, selten mehr als eine oder zwei in einem Schnitt angetroffen werden. Die amitotische Kerntheilung im sog. Keimepithel des Schlauchendes muss daher als en völlig normaler Vor- sang betrachtet werden. — Gehen wir nun auf diesen Vorgang näher ein, so sehen wir zunächst zwischen den gewöhnlichen Zellen des sog. Keimlagers solche mit zwei stets und ausnahms- los übereinander liegenden Kernstücken resp. schon isolirten Kernen. Entweder sind ferner beide Theilstücke schon ohne weiteres als gleich gross zu erkennen, da sie von gleicher Ge- stalt sind (Taf. XXV, Fig. 27), oder sie sind von ungleicher Gestalt und dann lässt sich ihr Grössenverhältniss eben nur ab- schätzen. Da nämlich die Zellen alle radiär um das hier sehr enge Lumen stehen, so müssen alle etwa keilförmig sein, spitz oben, breit an der Basis. In Folge dessen schmiegt sich auch der Kern dieser Gestalt an, und es ist bei der Abschnürung das obere Ende spitzer, das untere breiter. Erwägt man indessen, dass das erstere länger ausgezogen ist, etwa wie eine spitze Zwiebel, das letztere dagegen kugelig, also kürzer, so wird man sehr richtig folgern dürfen, dass beide Kernhälften hier ebenfalls genau oder doch ziemlich genau gleich gross sind. Es liegt also Die Mitteldarmdrüse des Flusskrebses u. die amitotische Zelltheilung. 407 auch hier wieder eine Kernhalbirung vor, und zwar gleichfalls eine nukleoläre, da jede Kernhälfte einen Nucleolus besitzt, ein neuer Beweis dafür, dass es sich hier nieht um eine Mitose handeln kann. Grade so ferner, wie wir dies schon weiter oben gethan hatten, werden wir auch hier wieder nachsehen müssen, was aus solchen doppelkernigen Zellen wird. Jetzt würde nun in der That diese Frage schwieriger liegen, da an diesem Orte so scharfe Unterschiede zwischen reifen und jungen Zellen nicht vorhanden sind wie im secernirenden Abschnitt; denn erstere bilden keine Sekretblasen und letztere gleichen ihnen an Grösse. Dennoch aber kann man nicht behaupten, dass diese Zellen doppelkernig bleiben. Erstens nämlich lässt eine glückliche Hä- matoxylintinktion (nach Pierinsäurebehandlung) erkennen, dass sie heller sind und nach der Spitze zu wenigstens einen feineren Inhalt haben als die übrigen Zellen (Taf. XXV, Fig. 14). Ferner gelang es mir aber auch, in dem gleichen Präparate zwei völlig von einander abgeschnürte und übereinander- liegende Zellchen zu sehen, die ganz zweifelsohne durch Quer- theilung aus einander hervorgegangen waren. Ist es somit ausser Frage, dass auch die Zellehen im sog. Keimlager sich amitotisch zu vermehren vermögen, so wird es sieh nun darum handeln, im welcher Weise der soeben geschilderte Vorgang zu deuten ist. Würden wir nämlich die Ansicht H. E. Ziegler’s und vom Rath’s zu Recht bestehend erachten, so könnte man vielleicht meinen, dass diese amitotischen Theilungen mit den mitotischen alterniren und gleichfalls zum Ersatz der im seeernirenden Abschnitt zu Grunde gehenden Zellen vorhanden sind, indem sie fort und fort nachschieben. So schön jedoch und so einleuchtend eine solche Perspektive erscheint, so werden wir ihr doch nieht nachgehen können. Denn wenn diese Zellen zum Nachschub dienten, so müsste man von ihnen erwarten, dass sie sich dementsprechend längsspalten, so dass wenigstens die eine Hälfte nach dem Drüsenausgang zuliegt, also so wie es die mitotisch sich theilenden Zellen thatsächlich thun, wie wir später noch sehen werden. Wenn sich die Zellen jedoch quer- theilen, so dass die eine Hälfte nach der freien Oberfläche des Epithels zustrebt, so lässt sich nicht im Entferntesten einsehen, wie dadurch jener Nachschub erzielt werden soll. Man müsste dann erst zu allerlei gekünstelten Hilfshypothesen seine Zuflucht 408 Prof. Joh. Frenzel: nehmen und die getheilten Zellen aus ihrer Lage übereinander nebeneinander rücken lassen. Dann aber dürfte man einerseits fragen, warum die Zellen dies nieht von Anfang an thun und sich sofort längsspalten. Und wenn man hierbei wieder sagen würde, dass sie wahrscheinlich durch den Druck der benach- barten Zellen verhindert werden, die ein seitliches Ausdelnen nieht zulassen, so müsste man diesen selben Einwand auch weiter oben geltend machen und einsehen, dass sich die quergetheilten Zellen doch kaum hinterher wieder nebeneinander lagern können, denn zu diesem Zweck müssten sie erst wieder den Gegendruck ihrer Nachbarn überwinden, was doch gar nicht so einfach wäre. Es liesse sich höchstens annehmen, dass die obere Zelle einen zarten Fussausläufer nach der tuniea propria hinsendet, während die untere einen ähnlichen Ausläufer an der ersteren vorbei nach oben schiebt, nach der freien Oberfläche zu. Mir scheint jedoch eine andere Erklärung viel einfacher und natürlicher zu sein. Wir werden nämlich zunächst davon ausgehen müssen, dass sich im secernirenden Schlauchtheile die jungen Fermentzellen ganz ebenso theilen. Allerdings hatten wir wohl betont, dass ihre Theilungsfläche schräg verläuft, so dass auch die obere Zelle noch mit ihrem Fusse in der Tiefe des Epithels verbleibt. Ein prinzipieller Unterschied liegt hier jedoch nicht vor, sondern bloss ein gradueller. Denn wir werden sehr gut annehmen kön- nen, dass im secernirenden Gebiete die Druckverhältnisse — auf diese dürfte es allein ankommen — ganz andere als am Schlauch- ende sind. Dort werden fort und fort gewaltig grosse Zellen ausgestossen, die stets für nachwachsende Zellen Platz machen. Der gegenseitig aufeinander ausgeübte Druck dürfte also wohl schwächer sein, als wie am Schlauchende, wo sich die Zellen im Gegentheil, wie wir noch sehen werden, nieht frei zu entfal- ten vermögen, aber doch das Bestreben danach haben. Ausser- dem vertheilt sich im secernirenden Abschnitt der Druck inso- fern anders, als er mehr nach oben zu, nach dem Lumen zu verschoben ist, weil sich dort die gewaltige Sekretblase ent- wickelt (Taf. XXVI, Fig. 16). In den tieferen Schichten des Epithels wird der Druck also eher geringer sein können, so dass es recht wohl möglich erschiene, wenn eine junge Zelle nach dorthin heruntergedrückt werden würde, falls sie ja etwa in Folge einer richtigen Quertheilung nach oben hin abgeschnürt Die Mitteldarmdrüse des Flusskrebses u. die amitotische Zelltheilung. 409 sein sollte. Nehmen wir nun an, dass die sich in obenbeschrie- bener Weise amitotisch theilenden Zellen des Schlauchendes nichts weiter als verkümmerte Fermentzellen sind, eine Annahme, die weiterhin noch eine wichtige Stütze finden soll, so werden wir, das glaube ich, einen Schlüssel für all die ge- nannten Vorgänge in der Hand haben. Wir werden dann be- haupten dürfen, dass auch sie das Bestreben zu secerniren und auszuwandern haben werden, dass sie aber dieses Bestreben doch nur höchst unvollkommen auszuführen vermögen, weil kein Platz für eine normale Entwicklung vorhanden ist. S}® machen es daher so gut und so schlecht, wie sie es eben können, theilen sich und bilden ein kleines aber ganz unvollkommenes Sekrettröpfehen, welches in manchen Zellen deutlicher, in andern es weniger ist (Taf. XXV, Fig. 27; Taf. XXVI, Fig. 5, 14), wie ein Blick auf beilie- gende Tafeln zeigen soll. Später werden wir nämlich noch erfahren, dass sich der Beginn, der Keim gewissermaassen, der zukünftigen Sekretblase in den normalen Zellen grün resp. roth färbt. Grade Benlchrein Keimutstinun auch’ indes Zeilenende blinden Schlauchendes, des sog. Keimlagers, vorhanden. Wir haben dann zum Schluss nur noch hinzuzu- fügen, dass eine solche Zelle nach dem vergeblichen Versuch zur Sekretbildung abgestossen wird, und wir erhalten dann eine vollkommene Analogie mit den normalen Fermentzellen, abge- sehen davon, dass die ersteren, wie schon gesagt, verkümmern müssen. Bedenkt man endlich im Anschluss hieran, dass die Zellehen des Schlauchendes doch nieht scharf von den secer- nirenden getrennt sind, sondern dass der Uebergang allmählich erfolgt, indem an den dazwischen liegenden Stellen auch Zwi- schenformen vorliegen, so wird man in dieser Ueberlegung eine weitere Stütze für unsere Ansicht finden. Denn bei einem derartigen Uebergang ist es leichter einzusehen, dass die Thätig- keit der Zellen abgeschwächt und auf ein Minimum herabgedrückt, als dass sie völlig verändert und aufge- hoben werde. Wenn man mir bis hierher in meinen Folgerungen nach- gegangen ist, so wird man noch ein Bedenken aufstellen können, das jetzt zur Besprechung gelangen möge. Man wird es nämlich sonderbar finden, dass in so vielen derartigen tubulösen Drüsen das Epithel kein gleichbleibendes ist, sondern sich nach «dem 410 Prof. Joh. Frenzel: blinden Ende zu derartig verändert, dass es ganz den Anschein eines Keimlagers annimmt. Es müsste doch genügen, so wird man geltend machen, dass sich die Zellen an der als Halbkugel gedachten Kuppe des eylindrischen Schlauches einfach radiär anordnen, wobei sie allenfalls an ihrem basalen Theil breiter als am entgegengesetzten werden dürften. Ihre sonstigen Dimensio- nen sollen aber doch ganz unverändert bleiben, und namentlich der Kern sollte doch nicht so erhebliche Grössendifferenzen auf- weisen wie etwa in der Mitteldarmdrüse des Krebses, wo er höchstens ein Drittel (linear) so gross ist wie der einer normalen jüngeren Fermentzelle. Man wird nun weiter sagen, weil Alles nieht so ist, wie man nach meinen obigen Ausführungen erwar- ten sollte, weil die Zellen nach dem blinden Ende zu einen embryonalen Charakter annehmen, deswegen müssen sie auch eine dementsprechende Bedeutung haben, also die eines Keim- lagers. In der That ist die Logik einer derartigen Folgerung nicht zu bestreiten, und im der That wird sie auch durch wei- tere Aufschlüsse unterstützt, aber nur n anderer Weise Wir müssen, um dies zu erläutern, noch einmal auf die Befunde H.E. Ziegler’s und vom Rath ’s zurückgehen. Diese hatten bekannt- lich im blinden Schlauchende mitotische Theilungen nachgewiesen und ferner einen Nachschub nach dem entgegengesetzten Ende hin erschlossen. Obgleich weiterhin die von ihnen gegebene Abbil- dung keine ganz mustergiltige genannt werden kann, so lässt sie doch am grössten Theil der Figuren erkennen, dass diese in der That dementsprechend liegen, nämlich — im Längsschnitt — nach vorn und nach hinten zu. Diese Lage ist nun, wie ich an der Hand guter Schnitte zu erkennen vermag, eme völlig konstante undausnahmslose (Taf. XXV, Fig. 14, 15, 17). Sobald sich also eine derartige Zelle mitotisch theilen will, so rückt sie mit ihrem Kerne nach oben, nach der freien Oberfläche zu, wenn dies nicht etwa schon früher geschehen ist. Dann tritt stets eine Längsspaltung ein, indem sich die Achse der Kernspindel, die sehr deutlich ausgeprägt ist (Taf. XXV, Fig. 14, 17), quer legt, also gleichlaufend mit der tuniea propria und nicht etwa senkrecht zu ihr. Es tritt dann die Theilung sowohl nach vorn und nach hinten ein, wie man dies an Längsschnitten sieht (Taf. XXV, Fig. 14, 17), als auch überhaupt in seitlicher Richtung, was wieder ein Querschnitt demonstrirt (Taf. XXV, Die Mitteldarmdrüse des Flusskrebses u. die amitotische Zelltheilung. #11 Fig. 15) und was ein Diekenwachsthum des Sehlauchendes an- zeigen würde, wie wir noch sehen werden. Im Anschluss an unsere obigen Deduktionen begreifen wir dann aber auch, wa- rum diese Zellen sich nicht m der Tiefe des Epithels zu theilen vermögen, wie es die amitotischen thaten. Denn für eine Längsspaltung ist dort schlechterdings kein Platz und die Zelle muss eben, um eine solche auszuführen, nach oben zu rücken, wo die freie Oberfläche leichter ein Ausweichen gestattet. Dieses Aufsteigen der Zellen ist mithin ein unge- mein wichtiger Vorgang, und er sei deshalb hier besonders be- tont, als Ziegler und vom Rath ihn gänzlich übersehen hatten und als sie’an anderen Stellen wenigstens gem von mitotischen Theilungen in der Tiefe des Epithels sprechen, so dass man wohl vermuthen könnte, dass auch in unserem Falle diese Thei- lungen derartig verlaufen. Allerdings geben diese Autoren auch Abbildungen, die sich so deuten liessen. Allein ich kann für dieselben durchaus nicht eintreten, sondern muss, um es noch einmal zu sagen, betonen, dass in der Mitteldarmdrüse des Fluss- krebses die Mitosen der Regel nach nahe der freien Oberfläche des Epithels verlaufen. In Folge starker Muskelkontraktionen, namentlich wie sie bei der Abtödtung vor sich gehen, mögen wohl allerhand Verschiebungen nicht ausbleiben; diese können indessen an dieser Regel nichts wesentliches ändern. Sehen wir nun, in welchem merkwürdigen Gegensatz die mitotischen zu den amitotischen Zelltheilungen in unserem Falle stehen, so werden wir darin auch eine plausible Erklärung un- serer Beobachtungen finden. Wir werden danach das blinde Drüsenende recht wohl für ein Keimlager halten können, in wel- chem nicht blos Zellen entstehen, die alsbald wieder zu Grunde gehen — die amitotischen —, sondern auch solche, von denen dies nicht anzunehmen ist, die mitotischen. Es fragt sich jetzt nur, welche Bedeutung diesem Keimlager zukommen möchte. Nun hatten wir bereits weiter oben gehört, dass der Zell- verbrauch im secernirenden Abschnitt recht wohl innerhalb dieses selbst gedeckt werden kann. Ferner wissen wir, dass die Mito- sen mit Vorliebe in jungen Krebsen auftreten, in älteren allen- falls nur periodisch. Was wäre nun einfacher und nahelie- gender, als den Satz aufzustellen, dass die Mitosen eben nur zur Vergrösserung des Drüsenschlauches dienen. Jeder Krebs 412 Prof. Joh. Frenzel: wächst, und mit ihm müssen auch die Schläuche der Mitteldarm- drüse an Länge und Dicke zunehmen. Bei einem alten Krebs sind diese auch sehr viel umfangreicher als bei einem jungen. — Allerdings wird man jetzt wieder sagen, dass der Krebs nicht kontinuirlich, sondern periodisch, zur Zeit der Häutung, wachse. Aber der junge Krebs wächst viel rascher als der alte und häutet sich öfters; ausserdem ist auch nicht einzusehen, warum nicht seine nicht chitinigen Organe unabhängig von dem Hautpanzer ruhig und mehr stetig weiter wachsen sollten, wobei ja gewisse Perioden des An- und Abschwellens nicht ausgeschlossen sein mögen). Ferner möchte ich hier noch einen andern und wie mir scheint, sehr wichtigen Umstand ins Feld führen, einen Um- stand, dem vielleicht Ziegler und vom Rath zum Opfer ge- fallen sind. Ein ausgehungerter Krebs, z. B. ein Winterkrebs, besitzt nämlich eine in ihrem äusseren Umfange stark reduzirte, gewissermaassen zusammengeschrumpfte Drüse. Kommt er nun zum Sommer hin in günstigere Verhältnisse oder wird er gar im Aquarium im Ueberfluss gefüttert, so wird die Thätigkeit dieses Organes stark angeregt, und es nimmt an Volumen wieder ganz bedeutend zu, d.h. seine einzelnen Schläuche werden länger und dieker, geradeso als wenn das ganze Thier wachsen würde. Es kann dann also ein besonders lebhaftes Auftreten von Mitosen auch bei eimem schon älteren Thier, das an eine Häutung gar nicht denkt, nicht weiter Wunder nehmen. Ja, wir werden es geradezu erwarten dürfen. Die von mir bearbeiteten Krebse befanden sich aueh in der That in derartigen Verhältnissen: es waren ausgehungerte Winterthiere, die dann gut gefüttert und bald darauf getödtet wurden. Daher waren sie reich sowohl an Mitosen wie auch an Amitosen. Sehen wir ferner, dass auch H. E. Ziegler und vom Rath ihre Krebse „reichlich mit Regen- würmern und rohem Fleisch“ fütterten, so hatten sie vielleicht ähnliche Objekte vor sich, soweit es sich um die Exemplare mit Mitosen handelt. Bringen wir nunmehr die Erfahrungen, welche wir an den verschiedenen Stellen des Drüsenschlauches gemacht, mit einan- der in Zusammenhang, so werden wir unsern oben aufgestellten Satz, dass die amitotischen Theilungen im secernirenden Gebiete 1) Man denke an die Geschlechtsdrüse etc. Die Mitteldarmdrüse des Flusskrebses u. die amitotische Zelltheilung. 413 zum Zellersatz hinreichen können, nieht irgendwie be- stritten, janur erheblich bestätigt sehen. Wir wer- den dies als den allerwahrscheinlichsten Modus ansehen und werden den Mitosen dafür die Fähigkeit zuschreiben, für das Grössenwachsthum der Drüse zu ..sorgen. Allerdings können wir auch jetzt nur noch von einer grossen Wahr- scheinliehkeit sprechen, denn einen strikten Beweis für unsere Ansicht zu geben sind wir zur Zeit wenigstens ausser Stande, und es muss immer noch die geringe Möglichkeit zu- gegeben werden, dass, wenn auch nur bei bestimmter Gelegen- heit, einNaehrücken der Zellen vom Keimlager aus vor sieh geht. Wir werden aber diese Mögliehkeit als eine sehr schwache bezeichnen dürfen und wir werden zugeben müssen, dass nicht einmal fürihre Wahrscheinlichkeit ein strikter Be- weis erbracht worden ist. 2. Die Vermehrung der sog. Fettzellen. Während die Fermentzellen, wie ich bereits früher be- sprochen (Mitteldarmdr. d. Crustaceen 1. e. p. 80 f.) und wie weiter unten noch einmal näher ins Auge gefasst werden soll, zwecks der Sekretion mit einem Schlage ihren Inhalt entleerend zu Grunde ge- hen, so ist dieser Vorgang für die sog. Fettzellen weder erwiesen noch überhaupt wahrscheinlich gemacht. Trotzdem aber kann man nach Befunden, die an anderer Stelle gemacht sind, auch für sie kein ununterbrochen langes Leben, sondern vielmehr eine baldige Erschöpfung annehmen, die ihr Ausgestossenwerden eben- falls zur Folge hat. Es ist dies eine Ansicht, für die zwar kein direkter Beweis, wohl aber im Nachfolgenden en indirek- ter Beweis erbracht werden kann. Betrachtet man nämlich die Schnitte durch unsere Drüse, so sieht man an allen Stellen des Epithels hier bald etwas häufiger, dort bald etwas seltener kleine, meist längliche Kerne liegen, die gewöhnlieh mit einer der langen Seiten der tunieca propria anliegen und die sofort durch ihre kräftige Tinktion auffallen, welche einem reichlichen Gehalt an Chromatin zuzuschreiben ist (Taf. XXV, Fig. 17, 25, Taf. XXVI, Fig. 16). Diese Kerne werden uns jetzt näher zu beschäftigen haben. Wir finden nämlich weiterhin, dass sie von einem schmalen, 414 Prof. Joh. Frenzel: hellen, d. h. fast gänzlich ungefärbten Saume umgeben sind, der nichts anderes als die ihnen zugehörige Zelle darstellt, die, wie wir sogleich sehen werden, als die Mutterzelle der Fettzellen aufzufassen ist. Manche dieser Zellehen nun enthalten auch zwei Kerne, welche einander völlig gleichen und von denen jeder einen grossen Nuc- leolus führt. Sie sind in der Regel auch von etwas gestreckter, etwa olivenförmiger Gestalt und liegen meist, gerade wie der erst- eenannte Kern mit ihren Längsseiten parallel zur tunica propria (Taf. XXV, Fig. 10, 23, 31). Eskann somit keinem Zweifel unter- liegen, dass sie das Produkt einer Kerntheilung sind, und zwar auch hier einer amitotischen, denn es gelingt endlich auch, soleher Doppelkerne ansichtig zu werden, wo die Durchschnürung noch nicht beendigt und wo zwei deutliche Nucleolen in jeder Hälfte vorhanden sind (Taf. XXV, Fig. 21). Es ist mithin hier wiederum ein Beispiel der nukleolären Kern- halbirung gegeben. Von dieser Darstellung kommen nur geringfügige Abweichun- gen vor. So sind die beiden Kernhälften zuweilen fast kugelig (Tat. XXVI, Fig. 9, 13), zuweilen mehr oder weniger stark ausge- prägt eiförmig, d. h. an dem einen Ende spitzer als am an- deren (Taf. XXV, Fig. 24, 31, 32), doch so, dass die gleich- namigen Enden entgegengesetzt orientirt sind. Endlich kommt es auch vor, dass die Kerne der tuniea nieht dicht und parallel anliegen, sondern sich mit dem einen Ende und zwar mit dem gleichnamigen von ihr abheben (Taf. XXV, Fig. 24, 32). In einem Falle sah ich die beiden Kerne auch überemander, anstatt nebeneinander liegen. H.E. Ziegler und vom Rath haben an keiner Stelle des secernirenden Abschnittes mitotische Kerntheilungen gesehen. Auch mir ist es so ergangen, so dass ich für diese Zellchen ge- rade wie für die jungen Fermentzellen die amitotische Thei- lung als die regelrechte und normale bezeichnen muss. Während aber für die letzteren die darauffolgende Zelltheilung nicht direkt zu erweisen war, so ist dies nun glücklicherweise für die uns hier beschäftigenden Zellchen der Fall. Es kommt uns nämlich dabei der Umstand zu statten, dass der Kern von dem schon genannten hellen Hofe umgeben ist, der sich scharf genug von den übrigen Epithelelementen abhebt. Anfänglich lässt sich allerdings an ihm eine Veränderung nicht sicher kon- Die Mitteldarmdrüse des Flusskrebses u. die amitotische Zelltheilung. 415 statiren. Sobald indessen die beiden Tochterkerne völlig von einander getrennt sind, sieht man auch die Einschnürung am Zellleibe auftreten (Taf. XXV, Fig. 24, 31; Taf. XXVL, Fig. 9), bis die beiden Tochterzellen endlich völlig von einander getrennt sind (Taf. XXVL, Fig. 13). Als ich vor einigen Jahren über ganz ähnliche am Mittel- darm der Decapoden gewonnene Befunde berichtet hatte !), wurde mir von einer hervorragenden Autorität auf dem Gebiete der vergleichenden Histologie gesprächsweise der Einwand ge- macht, dass es sich in derartigen Fällen, wie sie soeben darge- stellt wurden, möglicherweise um eingewanderte Blut- körperchen handeln könnte. Ist es doch unter den Wirbel- thieren wenigstens bekanntlich durchaus keine so seltene Erschei- nung, dass sich Leukocyten zwischen Darm- und Drüsenepithelien eindrängen und lässt man sie doch sogar bei der Absorption des Fettes ete. im Dünndarm eine beachtenswerthe Rolle spielen. Ich will nun auch gar nicht bestreiten, dass Blutzellen in das Epithel unserer Drüse einzuwandern vermögen, ja ich werde dafür sogar selbst weiter unten einige Beispiele anführen. Trotzdem aber kann ich den obigen Einwand nicht als zu Recht bestehend erachten. Vergleicht man nämlich die Blutzellen des Flusskrebses mit unseren jungen Fettzellchen, so wird man ganz unzweideu- tige Unterschiede nachweisen können. Erstens sind jene näm- lich gewöhnlich etwa kugelig, während die letztere, wie wir sahen, gemeinhin länglich sind. Ferner haben jene gewöhnlich einen viel grösseren Zellleib (Taf. XXV, Fig. 5), der ausserdem nicht hell und klar, sondern vielmehr mit einem waben- oder alveolen- artigen Gerüstwerk versehen ist, dessen Hohlräume ziemlich klein und dessen Wände resp. Fäden diek und grob sind. Da diese sich ausserdem mit Lichtgrün kräftig färben (Taf. XXV, Fig. 5, 17 links oben), so erhält die Zelle ein grünes Aussehen und unter- scheidet sich somit deutlich von den jungen Fettzellchen, die höchstens einige feine grüne Körnchen aufweisen. Herr Ch. Huber ist es, der diesen Unterschied besonders scharf ins Ange fasste und der auch mehrfach in verschiedenen Höhen des Epithels soleher Blutzellen habhaft werden konnte. Da ich leider in den Bemerkungen zur Epithelregeneration. Dies. Arch. Bd. 25, S. 1371. — Taf. IX, Fig. 28, 30 ete. 416 Prof. Joh. Frenzel: mir verbliebenen Präparaten keinen hierher gehörigen Fall antraf, so bin ich auch ausser Stande, davon eine Abbildung zu geben. Nur zwei Fälle möchte ich erwähnen, die aber alle beide wohl eine Abnormität vorstellen. Der eine betrifft nämlich eine ins Keimlager des Schlauchendes eingewanderte Blutzelle mit grün gefärbtem Leib, deren Kern jedoch ganz abweichend, vielleicht degenerirt ist, indem er zwei grosse kugelige Chromatinkörper von intensiver Farbe (Safranin) und Glanz enthält (Taf. XXV, Fig. 15). Ebenso zeigt der Kern der anderen Blutzelle, die wo anders eingewandert ist, mehrere grosse glänzende, durch Häma- toxylin stark gefärbte Chromatinkugeln, während der Zellleib hier rothe (Eosin) Waben enthält (Taf. XXVI, Fig. 4). Abgesehen weiterhin von diesen morphologischen Figen- schaften käme nun noch das ganze Verhalten der in Frage stehenden Gebilde in Betracht. Unsere Mutterzellehen nämlich haben, wie oben auseinandergesetzt, einen länglichen Leib und Kern, während die Blutzellen im Präparat, sowohl die frei in der Blutflüssigkeit liegenden, wie auch die eingewanderten fast kugelrund sind, und wenn sie sich strecken würden, was uns gar nicht Wunder nehmen dürfte, so sollte dies doch in Längs- und nieht m @Querrichtung geschehen, damit sie leichter zwischen den Epithelzellen hindurehsehlüpfen können. Sie müssten dann also eine Gestalt annehmen, wie wir sie bei heranwachsen- den jungen Fettzellchen z. B. finden (Taf. XXVI, Fig. 8). In diesem Falle wäre auch eine Verwechselung leichter möglich, wenn nicht die Färbung und Struktur die obenbezeichneten Ei- genthümlichkeiten darböten. Zu diesen Ueberlegungen muss sich ferner die gesellen, dass unsere Zellehen so häufig in Theilung begriffen angetroffen werden. Es wäre in der That doch mehr als auffällig, wenn sich die eingedrungenen Blutzellen erst quer- theilen also verdoppeln sollten, ehe sie weiter wandern. Dies wäre höchstens dann als plausibel anzunehmen, wenn die Blut- zellen etwa gar als die Mutterzellen unserer Fettzellen zu funk- tioniren hätten. Nun gab es allerdings wohl einmal die Ansicht, dass (derartige einwandernde Zellen (Leukocyten!) eine solche Aufgabe zu erfüllen hätten, dass also Epithelelemente ihren Ur- sprung von Blutzellen nehmen !. Aber wir dürfen diese Ansicht 1) Vergl. darüber: Rudolf Virchow, Transformismus und Die Mitteldarmdrüse des Flusskrebses u. die amitotische Zelltheilung. 417 wohl als längst veraltet und widerlegt bezeichnen, zumal überall ausreichend viel Kerntheilungen (Mitosen) gefunden wer- den, die den Zellersatz zur Genüge zu erklären vermögen. Die eingewanderten Blutzellen waren eben eine Zeitlang nichts ande- res, als ein bequemes Hilfsmittel zur Erklärung von Dingen, für die man eigentlich keine Erklärung wusste. Haben wir es somit in unserem Falle nieht mit Blutzellen zu thun, so blieben immerhin noch andere Einwände übrig, die jedoch gleichfalls nicht der Kritik Stand halten. Die Serosa nämlich, welche die Drüsenschläuche aussen überzieht, besteht aus einem lockeren, faserigen Bindegewebe, ganz so, wie ich es früher !) vom Darm der Maja beschrieben hatte. Es enthält zum Theil noch sehr deutliche, rundliche oder längliche Zellen in- mitten dieser Fasern (Taf. XXV, Fig. 17 links oben), die sich von den Blutzellen dureh ihren viel helleren Leib unterscheiden. An vielen Stellen erkennt man weiterhin nur noch die Kerne deutlich (Taf. XXV, Fig. 12), und wenn diese länglich gestreckt sind, so gleichen sie auf ein Haar unseren Mutterzellchen. Man könnte also vielleicht auf den Gedanken kommen, es seien der- artige Bindegewebszellen ins Epithel eingewandert, oder sie ge- hörten etwa der tunica propria an, als deren Kerme. Ihre oft recht platte Auflagerung auf dieser würde eine solche Deutung eher noch unterstützen. Dann aber wäre es noch viel sonder- barer, wenn man sogar Bindegewebszellen in's Epithel wollte einwandern lassen, um die zukünftigen fetthaltigen Zellen zu liefern. Ebenso kann es sich hier auch nicht um epithelwärts gelegene Zellen der tunica propria handeln, wie uns weitere Befunde zu zeigen im Stande sind. Von solchen Zellen nämlich. würde man doch nieht erwarten können, dass sie sich fort und fort von ihrer Descendenz. — Berlin. Klinische Wochenschrift Bd. 30 (No.1), S. 1f.— S. 4: „Auf dem letzten internationalen Congress zu Berlin (1890) bil- dete die Frage, inwieweit sich Leukocyten an der Gewebsneubildung betheiligen, das Thema einer Diskussion in der pathologischen Sektion, deren Ergebniss war, dass selbst diejenigen Forscher, welche früher an der Verbreitung jener Theorie den lebhaftesten Antheil genommen hatten, sich jetzt von derselben zurückzogen.“ (Hier handelt es sich eigentlich nur um Bindegewebsneubildung, wo die Verhältnisse nicht immer dieselben sein mögen, wie in so typischen Geweben, wie die Epithelien es sind.) 1) Darmkan. d. Crustac. l. c. p. 159. — Taf. VII, Fig. 10, 11. 418 Prof. Joh. Frenzel: tunica ablösen, um im Epithel aufzusteigen. Auch dies wäre wieder eine durchaus fremdartige, unerhörte Erschemung. That- sächlich aber sieht man allenthalben im der Tiefe des Epithels jene kleinen, ungefärbten Zellen von bald mehr runder, bald mehr länglicher Gestalt, die sich von der tunieca abheben und nach oben streben. Sie lassen noch, wenn auch nur unter glücklichen Umständen, wenn der Schnitt gut geführt ist, einen zarten Fuss- theil erkennen, der sich dureh etwas grössere Färbbarkeit von dem hellen Hof um den Kern herum abhebt und der an der tunica angeheftet bleibt (Taf. XXVI, Fig. 6, 7, 8). Befinden sich ferner beide Tochterzellen in demselben Schnitt, so sieht man in ihrer Nachbarschaft auch noch ihre Schwesterzelle (Taf. XXVI, Fig. 12), die nun als Mutterzelle für ein neues Zellenpaar zurückbleibt. Es gelingt dann das Wachsthum dieser’Zellen weiter zu verfolgen (Taf. XXV, Fig. 4, 6; Taf. XXVI, Fig. 4), bis die reife Fettzelle fertig ist, eine Reihe von Vorgängen, an die weiter unten wiederangeknüpft werden soll. Wir können aber nunmehr den Satz aussprechen: Die Fettzellen nehmen ihre Entstehung von klei- nen in der Tiefe des Epithels gelegenen Mutter- zellehen, welche sieh auf dem Wege der nukleo- lären Kernhalbirung halbiren und welche mit der einen Hälfte zurückbleiben, mit der anderen zu den Fettzellen auswachsen. Gegen diesen Satz wird wieder ein Einwand erhoben werden können, der aus den Befunden H.E. Ziegler's und vom Rath's abzuleiten wäre. Man wird nämlich folgenden Gedanken ausspinnen können. Wenn es nun auch bewiesen sein möge, dass die Ferment- zellen im secernirenden Abschnitt der Drüse entstehen, so wird man meinen, dann bliebe immer noch die Möglichkeit übrig, dass die Mitosen im Keimlager zwar nieht auf jene, sondern ausschliess- lich auf die Fettzellen zu beziehen seien. Sie würden Zellen liefern, welehe fort und fort nachrücken, sich dann noch einmal amitotisch theilen, um schliesslich ohne Hinterlassung einer Mut- terzelle auszuwachsen. Allein bei genauerem Zusehen wird man auch dieser Deutung nieht beipfliehten dürfen. Erstens ist nicht recht einzusehen, wie die an der Oberfläche gerückten Mitosen- zellen (Taf. XXV, Fig. 14, 17) nach geschehener Theilung plötz- lich wieder in die Tiefe des Epithels zurückmarschiren sollten. Wir müssen doch eher annehmen, dass die mitotisch getheilten Die Mitteldarmdrüse des Flusskrebses u. die amitotische Zelltheilung. 419 Keme mit der Hauptmasse des Zellleibes an jener Oberfläche so lange verbleiben, bis Platz für sie zum Wiedereinrücken geschaffen ist. Dies kann aber nur geschehen, wenn — denken wir an den Längssehnitt — nach vorne oder nach hinten eine Aenderung eintritt. Letzteres kann nun wohl eintreffen, wenn ein Wachs- thum des Drüsenschlauches vor sich geht. Dann drückt die ganze Zellmasse des Keimlagers nach hinten, und der Schlauch verlängert sich; sie drückt nach den Seiten, und der Schlauch verdickt sich. Dem Druck nach vorme aber widerstreben die gleichfalls energisch an Umfang zunehmenden Sekretionszellen. Infolgedessen lässt sich auch ein Nachrücken der kleinen Mutter- Fettzellehen nieht recht einsehen, denn es könnte eigentlich doch nur dann geschehen, wenn die ganze Epithelmasse sleichmässig vorwärtsrückt. Dies aber ist nun wieder nicht der Fall, weil die Fermentzellen, wie wir oben ge- sehen, hierzu nieht den mindesten Anlass haben. Man könnte höchstens meinen, dass die genannten Mutterzellchen selbst- ständig und selbstthätig in der Tiefe des Epithels und unter den übrigen Zellen weiterkriechen. Aber auch diese Er- klärung möchte doch recht gesucht aussehen. Dazu kommt nun noch ein sehr wichtiger Umstand. Geradeso nämlich, wie sich selbst im Keimlager die jungen Fermentzellen amitotisch vermehren, ist es sehr wahrscheinlich auch hinsichtlich der Fettzellen der Fall. Man kann sogar am äussersten Ende des Keimlagers wie auch weiter nach vorn vergesellschaftet ferner mit Mitosenzellen, ganz regelmässig unsere kleinen Mutterzellen antreffien (Tat. XXV, Fig. 14 (rechts), 15 (rechts), 17, 27; Taf. XXVI, Fig. 5, 14), die sich in nichts von denjenigen des sekretorischen Abschnittes unterscheiden. Allen- falls sind Theilungserscheinungen an ihnen seltener zu kon- statiren, was uns indessen nicht Wunder nehmen darf, wenn man berücksichtigt, dass im Keimlager nur eine ganz unbedeu- tende Sekretion vor sieh geht und dass daher auch nur ab und zu eine Zelle ersetzt zu werden braucht, was namentlich dann erst reeht der Fall ist, wenn die Zellen auch unter nor- malen Verhältnissen eine längere Thätigkeit haben. Ueberblicken wir nun die oben dargelegten Befunde, so werden wir eingestehen müssen, dass auch hier, hinsichtlich der Vermehrung der Fettzellen, ein strikter unantastbarer Beweis nicht erbracht worden ist. Wir werden hier ebenfalls bloss Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 41 27 420 Prof. Joh. Frenzel: wieder zwischen Möglichkeiten und Wahrscheimlichkeiten abzu- wägen haben. Als möglich muss also, die dürfen wir nicht vergessen, die Ansicht Zieglerss und vom Rath's immer noch beachtet werden, wenn sie uns auch nicht irgendwie wahr- scheinlich oder gar bewiesen dünkt. Eine unumstössliche Ent- scheidung in dieser so schwierigen Frage wird man an der Hand der uns augenblieklich zur Verfügung stehenden Methoden viel- leicht niemals treffen können. Und sollte nicht unsere Technik noch ganz erheblich verbessert werden, etwa durch Erzielung tadelloser Macerationen, die jede einzelne Zelle völlig intakt er- halten, so werden wir vorläufig unsere einzige Zuflucht zur un- mittelbaren Beobachtung des lebenden Gewebes nehmen müssen. Leider erweist sich ja die Mitteldarmdrüse des Flusskrebses der Dieke und Undurchsichtigkeit ihrer einzelnen Schläuche wegen als gänzlich ungeeignet für diesen Zweck. Vielleicht aber wird man bei anderen Crustaceen, wo ähnliche Verhältnisse obwalten, z. B. bei Amphipoden in dieser Rich- tung weiterkommen, besonders wenn man die Färbung des leben- den Gewebes zur Hülfe nehmen würde. Davon abgesehen aber glaube ich, dass es doch schon eine gewisse Befriedigung ge- währen kann, wenn man bei irgend emer nicht so leicht zu be- antwortenden Frage eine möglichst grosse Klarheit in die ob- waltenden Verhältnisse gebracht und doch wenigstens einen Er- klärungsversuch zu dem wahrscheinlichsten und plausi- belsten gemacht hat. Vergleicht man ferner die obigen, die Fettzellen betreffen- den Befunde mit denen, die ich s. Z. hinsiehtlich des Epithels im Mitteldarm der Crustaceen gemacht hatte (l. e. p. 176 f., Taf. IX, Fig. 13, 27, 28 ete.), so wird man doch eine ganz auf- fallende Uebereinstimmung zwischen ihnen nicht von der Hand weisen können. Auch im Mitteldarm der Decapoden, z. B. bei Astacus, Seyllarus, Maja, Dromia ete., giebt es junge, sich in der Tiefe des Epithels amitotisch theilende Zellchen mit einem auffallend hellen Raum um den Kern herum, die alsdann zu den eigentlichen Epithelzellen heranwachsen. Und wenn auch H. E. Ziegler bei jungen Thieren an gleichem Orte Mitosen konstatirt hat, was ich bestätigen konnte, so bin ich doch der Ansicht, dass es sich hier um die gleichen Vorgänge wie in der Mit- teldarmdrüse handelt. Erinnert man sich ferner, dass diese letztere Die Mitteldarmdrüse des Flusskrebses u. die amitotische Zelltheilung. 421 als eine Ausstülpung des Mitteldarmes selbst anzusehen ist, so wird man sofort die Zellen dieses zu den sog. Fettzellen der Drüse in die innigste Beziehung setzen, nicht etwa gerade, dass diese, die Fettzellen, fettig degenerirte Darmzellen vorstellen, wohl aber solche, die infolge und zum Zweck einer anderen Thätigkeit zum Theil eine andere Beschaffenheit angenommen haben, mit Ausnahme ihrer Ver- mehrung, die im Wesentlichen dieselbe ist. Wir hätten dann weiter die Fermentzellen als ein fremdes, speeifisches Element anzu- sehen, das der Mitteldarmdrüse erst ihren eigentlichen Charakter verleiht. Eine solche Auffassung, so meine ich, würde Vieles zur Erklärung physiologischer Verhältnisse herbeitragen, die bisher noch manch’ einen dunklen Punkt enthielten, nämlich die Thätigkeit der sog. Fettzellen überhaupt, die uns, wie wir später noch sehen werden, jetzt um Manches verständlicher werden wird. Hier sei nur noch kurz an ganz ähnliche Ein- richtungen erinnert, wie sie an anderen Stellen vorkommen. So besitzen die Echinodermen gemeinhin zweierlei Elemente in ihrem Darm, nämlich erstens ganz konstante langgestreckte Oy- linderzellen und zweitens auswandernde Fermentzellen, die nun aber gewissen Darmabschnitten fehlen können!). Sie würden nit- hin auch unseren Fermentzellen, jene Cylinderzellen hingegen unseren Fettzellen entsprechen, geradeso wie die sog. Schleimzellen im Darm der Raupen einerseits und die Cylinderzellen andererseits ?). Zum Schlusse dieses Kapitels erübrigt es noch eimer Er- scheinung kurz zu gedenken, die sich im sekretorischen Drüsen- abschnitt zuweilen bemerklich macht. Gewöhnlich nämlich liegen die Kerne der Fettzellen ungefähr in derselben Höhe oder sie bilden auch eine den Wülsten entsprechende Curve (Taf. XXVI, Fig. 16) mit Ausnahme der kleineren Kerne, die selbstverständ- lich tiefer liegen. Hin und wieder jedoch sieht man diesen oder jenen derselben ganz in der höchsten Schicht des Epithels ein- gelagert, wo er dem Kern einer Blutzelle sehr ähnlich sehen kann. Eimzig und allen der Zellleib lässt dann einen Unter- schied erkennen und macht es sehr wahrscheinlich, dass, wenn- 1) Joh. Frenzel, Beiträge zur vergleichenden Physiologie und Histologie der Verdauung. 1. Mittheilung: Der Darmkanal der Echino- dermen. — Arch. f. Anat. u. Physiol. (Physiol. Abtheil.) S. 81. 2) Joh. Frenzel, Einiges über den Mitteldarm der Insekten sowie über Epithelregeneration. Dies. Arch. Bd. 26, S. 229 f. 499 Prof. Joh. Frenzel: gleich selten, auch eine junge Fettzelle im Epithel aufsteigen kann, ohme dabei in der charakteristischen Weise zu wachsen. Wir müssen dann annehmen, dass es sich hier um eine abnorme, pathologische Erscheinung handle und mögen eine Erklärung da- für in Fig. 10 und 11, Taf. XXVI finden. Es kommt nämlich, wenn auch selten, vor, dass die Kermabschnürung im der Basal- zelle nach oben hin erfolgt (Taf. XXVI, Fig. 9). Dann würde die obere Zelle aus dem Zusammenhang mit der tunica propria gerathen (Tat. XXVI, Fig. 10), abreissen und — da ihr keine Nahrung mehr zugeführt wird — ohne Wachsthumsvermögen in Epithel aufsteigen, gerade so wie eine Blutzelle darin aufsteigt, oder wie eine auswandernde Fermentzelle (cf. Darmkanal der Eehinodermen 1. e. Taf. IV, Fig. 2, 6, 8, 11). Dies würde end- lich ein weiterer Beitrag zu unserer Ansicht sein, dass sich die Fermentzellen in unserem Falle aus sich heraus entwickeln, die Fettzellen hingegen auf weitere Ernährung angewiesen sind. 3. Die Weiterentwiceklung der Fermentzellen. Nachdem im Obigen dargelegt worden ist, wie wir uns die Entstehung und Vermehrung der Fermentzellen denken, haben wir noch einmal auf sie zurückzukommen und ihre Weiterent- wicklung in's Auge zu fassen; denn, obwohl ich bereits bei früherer Gelegenheit eine Reihe von Angaben über diese Zellen gemacht hatte, so wird sich doch an der Hand unserer neuen Präparate Manches nachtragen lassen. Gehen wir von den Produkten aus, welche aus der Zwei- theilung einer Jüngeren Fermentzelle hervorgehen, so wissen wir, dass eine etwa isodiametrische Mutterzelle zurückbleibt, während die andere, die Tochterzelle, die oft schon eine ganz respektable Grösse hat, sich weiter entwickelt. Sie wird zunächst zu einem etwa eylindrischen Gebilde, dass unten wie oben ungefähr dieselbe Dieke hat (Tafe XXV, Fig. 10, 12 links, 19, 28; Taf. XXVI, Fig. 1, 2). Später aber verändert sich ihr Aussehen mehr und mehr: ihr Fuss wird dünner und oben schwillt sie mehr und mehr an (Taf. XXV, Fig. 13 links, 30), bis sie schliesslich aus dieser mehr keulenförmigen Gestalt in eine birnförmige übergehen kann (Taf. XXV, Fig. 16 links, Taf. XXVI, Fig. 3, 15), je nachdem ihr Platz zur Entwieklung nach der einen oder nach Die Mitteldarmdrüse des Flusskrebses u. die amitotische Zelltheilung. 423 der anderen Richtung gelassen wird, d. h. sie ist breiter, wo der auf sie einwirkende Seitendruck ein geringer, höher, wo er ein stärkerer ist. Wird also die Drüse in Folge starker Muskelkon- traktion zusammengedrückt, so wirkt dies auch in der soeben genannten Weise auf die Gestalt dieser Zellen ein; und man kann annehmen, dass sie wieder zu einer kürzeren und gedrungenen Form zurückkehren, wenn jener Druck nachlässt. Vielleicht lässt sich so schon die Verschiedenheit anscheinend bereits reifer Fermentzellen hinreichend erklären. Das Epithel ist aber auch nieht in jedem Drüsenschlauch gleich hoch. Hier ist es bald etwas höher, dort bald niedriger. "Dazu kommen noch mannig- fache Wulstbildungen, die gleichfalls eine verschiedene Höhe der Epithelzellen bedingen. Man kann dann oft finden, dass dort, wo diese letztere eine sehr bedeutende ist, die Fermentzellen ge- wöhnlich viel schlanker sind, z. B. in der Mitte etwa eines Wulstes. Auch diese Erscheinung dürfte sich leicht erklären lassen. Sind nämlich alle Zellen hoch, so sind sie auch schlank und es stehen hier mehr davon als auf einem ent- sprechenden Bezirk mit niedrigen Zellen. Die Mehrheit der Zellen wird dann aber wieder einen erhöhteren Druck be- dingen, demzufolge Alles, was sich seitlich ausdehnen will, näm- lich die Fermentblase, zusammengepresst und nach oben hin ver- schoben wird. Dieser selbe Seitendruck wird ferner auch bei der Sekretion eine wichtige Rolle spielen, namentlich wenn er von Contraktionen der Ringmuskeln unterstützt wird. Hand in Hand weiterhin mit der Umgestaltung der Fermentzellen geht ein anderer ungemein wichtiger Process, nämlich ihre Loslösung von der tuniea propria, eine Loslösung, welche bereits frühzeitig erfolgt, früher als der sekretorische Inhalt der Zelle entwickelt ist (Taf. XXV, Fig. 13, 16, 30). Es zieht sich der Fusstheil dabei immer spitzer zusammen und verkürzt sich mehr und mehr bis er allen Zusammenhang mit der tuniea verliert (Taf. XXVI, Fig. 3). Die Zelle liegt dann frei in der Höhe des Epithels, der Fusstheil rundet sich weiter unter stetem Schrumpfen mehr und mehr ab (Taf. XXVI, Fig. 15), und endlich kann das Aus- stossen der reifen Zelle vor sich gehen. So lange nun die Fermentzelle noch der tunica aufsitzt, so lange kann man annehmen, dass ihr von dieser aus Nahrung zugeführt wird. Sobald sie sich jedoch abgelöst hat, ist sie 424 Prof. Joh. Frenzel: gewissermaassen zu einem selbstständigen Organismus geworden, der sich aus sich heraus und unabhängig von einer Nahrungs- zufuhr weiter entwickelt, wenn man nicht voraussetzen will, dass solehe Zufuhr von den benachbarten Zellen aus geschieht. Dann würde man vielleicht den Fettzellen eine ganz neue und bisher noch nicht irgendwie in Erwägung gezogene Thätigkeit zuschreiben können, ein Punkt, auf den wir noch einmal zurück- zukommen haben und der die vollste Aufmerksamkeit und die allseitieste Erwägung verdient. Jetzt haben wir uns jedoch erst den Inhaltsbestandtheilen der Fermentzellen zuzuwenden und war zunächst der Sekretblase. Um deren Entstehung nun zu ver- stehen, haben wir uns wieder den jüngsten Zellen zuzuwenden, d.h. also denen, die als Mutterzellen nach der Theilung zurück- bleiben. Sie fallen dadurch besonders auf, dass der grösste Theil ihres Plasmas kräftig roth mit Safranin resp. blau mit Häma- toxylin gefärbt ist. In der Region oberhalb des Kermnes giebt es sodann nur eine einzige Stelle, die sich anders verhält. Es ist dies ein kleines Körnchen, das von einem hellen Hofe umgeben ist und das sich sehr lebhaft grün (Licehtgrün) resp. roth (Safranin) färbt. Ausserdem liegt es in diesem Stadium dem Kerne ausnahmslos ganz dieht an, so dass man es zu diesem unwillkürlich in die innigste Beziehung setzen möchte (Taf. XXV, Fig. 1). Was würde also nun näher liegen, als dieses Korn für das Centralplasma (Strasburger) unserer Zelle zu erklären, wenn nicht richtiger für das Centrosoma (Centralkörperehen)? Das Bild ist so ungemein verführerisch, dass man danach allein dieser Deu- tung sofort zustimmen würde. Sie wird ferner noch ganz erheblich durch den Umstand unterstützt, dass sich dieses Körperchen allem Anscheine nach grade wie der Kern vor der Zelltheilung halbirt, ein Vorgang, der uns ja von der mitotischen Theilung her gleichfalls bekannt ist. So sehen wir in Fig. 3, Taf. XXV eine noch isodiametrische Mutterzelle mit gestrecktem Kern und bereits doppeltem Nucleolus und oben am Kern jedem Nucleolus etwa entsprechend ein grünes sich ganz scharf abhebendes Kör- perchen. Wohl ist es übrigens auch gar nicht so selten, dass man einmal eine derartige Zelle ohne dieses Gebilde bemerkt (z. B. Taf. XXV, Fig. 2). Man kann jedoch dann, wie das Folgende zeigt, annehmen, dass es zufällig nicht in den Schnitt gefallen ist. Denn es braucht ja nicht immer genau oben am Die Mitteldarmdrüse des Flusskrebses u. die amitotische Zelltheilung. 425 Kern zu liegen, sondern etwa mehr seitlich, d. h. ausserhalb der Sehnittebene. Ja hin und wieder sieht man dies Körperehen auch einmal unterhalb des Kernes, wo es leicht übersehen werden könnte, weil, wie man noch hören wird, auch hier grünes Plasma vorhanden ist. Verfolgen wir das Schicksal dieses Körperehens nun weiter, so fühlen wir uns eimigermaassen überrascht. Nehmen wir näm- lich an, dass jetzt die Zelle erheblich wächst und dass der Kern sich weiter durchschnürt resp. damit beginnt, so finden wir, dass die jetzt wohl meist in doppelter Anzahl vorhandenen grünen Kügelchen in der Zelle nach oben steigen und sich theil- weise wenigstens stark vergrössern (Taf. XXV, Fig. 11). Ja es ist wohl möglich, dass sie sich, noch ehe die Zelltheilung erfolgt ist, weiter theilen, resp. dass es der eine von beiden, der auf- steigende, thut. Man sieht nämlich später, nach erfolgter Zell- theilung, entweder erst einen (Taf. XXV, Fig. 12), oder schon zwei (Taf. XXV, Fig. 10, 19) oder mehr (Taf. XXVI, Fig. 2) derartige Gebilde, deren Dimensionen dann auch bereits erheblich zugenommen haben können. Höchst selten vermisst man sie (Taf. XXV, Fig. 26, 29), muss dann aber jedesmal annehmen, dass sie eben ausserhalb der Schnittebene liegen; denn es gelingt bei der Grösse der Zellenelemente und bei der immerhin noth- wendigen Zartheit der Schnitte doch selten, eine Zelle in ihrer vollen Länge zu durchschneiden, so dass gewöhnlich nur ein Stück von ihr klar genug zu sehen ist (z. B. Taf. XXV, Fig. 11, 12, 29). Ja es bestand gerade die Schwierigkeit dieser Unter- suchung darin, in den Präparaten völlig tadellose Zellindividuen autzutindenn(2. Be Daf. XXV, Fig. 19,28; Tafı RRV, Big. 2), die alle ihre Eigenthümlichkeiten in sich vereimigten. Wenn nun, um darauf wieder zurückzukommen, mehrere der beschriebenen Gebilde in einer heranreifenden Zelle liegen, so gelingt es nicht selten, Bilder zu erhalten, die die Ansicht unterstützen, dass dieselben durch Zweitheilung, ja vielleicht so- gar durch genaue Halbirung aus einander hervorgehen. So ent- hält Fig. 28, Taf. XXV, zwei elliptische helle Räume, und jeder von ihnen einen bisquitförmigen Körper. Man kann also recht wohl schliessen, dass zuvörderst die ersten beiden das Theilpro- dukt eines vorher einzelnen Körpers sind, und dass jeder einzelne davon wieder in Theilung begriffen ist. Ganz ähnlich so erken- 426 Prof. Joh. Frenzel: nen wir auch in Fig. 2, Taf. XXVI zwei dicht gelagerte Gebilde, die noch in einer gemeinsamen, aber schon eingeschnürten Höhle liegen. Sie liegen jetzt fast ohne Ausnahme im oberen Zelltheil, etwa mitten zwischen Kern und Grenzsaum. Ausserdem kann in derartigen Zellen, die wir als heranreifende bezeichnen, ein solches Gebilde noch mehr in der Tiefe sitzen (Taf. XXVI, Fig. 2), seltener sogar unterhalb des Kernes (Taf. XXVI, Fig. 1 links). Dies sind indessen alles blosse Uebergänge zu dem soeben genannten Zu- stande. Denn verfolgen wir die Entwicklung weiter, so finden wir, dass gewöhnlich der am grössten gewordene Körper die tiefste Lage einnimmt, während alle übrigen noch mehr in die Höhe rücken (Taf. XXV, Fig. 19), bis sie fast in die oberste Zellregion gelangen (Taf. XXV, Fig. 13 links). Bis jetzt ist das Aussehen der uns hier beschäftigenden Gebilde noch ein ziemlich gleichbleibendes, abgesehen von der Gestalt, denn diese bleibt nur bei den obersten kugelig, während das unterste, grösste, gewöhnlich oval wird. Dann aber treten noch weitere Differenzirungen ein. Anfänglich nämlich erscheint das kleine Korn annähernd homogen resp. sehr feinkörnig und färbt sich demzufolge diffus grün (Taf. XXV, Fig. 1, 3, 10) resp. roth (Taf. XXVI, Fig. 5). Später jedoch wird der Inhalt etwas fleckiger und namentlich in dem grösseren Klümpchen treten nun deutlichere Differenzirungen auf (Taf. XXV, Fig. 19), die endlich recht grobe Körner erkennen lassen. In diesem Stadium herrscht nun auch kein Zweifel mehr, dass dieses Klümpchen nichts an- deres als der Vorläufer des Sekretklumpens und dass das zuerst beobachtete, in der Mutterzelle dem Kern anliegende Körnchen als sein Keim anzusehen ist. Sei nun dieser Keim identisch mit dem Centralplasma (Centralkörperchen) oder nicht, was uns hier vorläufig nicht weiter berührt, so viel steht jetzt fest, dass er bereits in der Mutterzelle, also vor deren Theilung präformirt ist, im Wesentlichen mithin ganz so wie das Centrosoma, das ja auch präformirt ist und sich dann theilt. Es theilt sich, so ungefähr werden wir das Resultat der obigen Befunde im Allgemeinen formuliren dürfen, nachher noch wieder- holentlich weiter, bis ein grösseres Klümpchen davon zudem Fermentklumpen auswächst. Dieser Fermentklumpen, den wir nunmehr weiter verfolgen, bestimmt bald die Gestalt der ganzen Zelle, resp. wird von dieser Die Mitteldarmdrüse des Flusskrebses u. die amitotische Zelltheilung. 427 bestimmt. Er ist mit ihr bald mehr oval, bald mehr kugelig (vgl. Taf. XXV, Fig. 13, 16, 30; Taf. XXVL Fig. 3, 15), je nachdem er sich in der einen oder der anderen Richtung zu entwickeln vermag. Stets ist er von einem hellen, vakuolenartigen Hof umgeben, der bald breiter, bald schmäler erscheint, Erinnern wir uns jedoch, dass wir früher am lebenden Objekt einen solchen Hof vermisst hatten, so werden wir ihn mit Recht als ein in Folge von Schrumpfung entstandenes Kunstprodukt erklären können. Dem- gemäss dürfte auch der schon um den Keim herum auftretende Hof zu beurtheilen sein. Nach aussen ist der Klumpen ferner sehr scharf begrenzt und zwar von einer Membran, wie wir früher ebenfalls schon konstatirt hatten (Mitteldarmdrüse der Crust. Kierspe, Taf: 4 Fig. 20,22, 24). So lange der Fermentklumpen noch eme geringere Grösse und einen homogeneren Inhalt hat, bleibt seme Färbbarkeit eine ungemein distinkte. Sobald aber die Körnung auftritt, verliert sich diese, so dass er bald noch grün (Taf. XXV, Fig. 30), bald mehr violett aussieht. Auch grosse sich mit Safranin stark färbende Klumpen treten in seinem Innern auf, zu denen der übrige Inhalt lebhaft kontrastirt (Taf. XXV, Fig. 16). Es scheint also doch auch eine chemische Umwandlung darin vor sich zu gehen, denn man wird dieses so verschiedene Verhalten gegen die Farbstoffe nicht allein auf physikalische Verhältnisse zurückführen können. Es sei nun noch die innere Struktur des Klumpens in's Auge gefasst. Wir nannten sie weiter oben zwar eine grob- körnige. Es fällt aber auf, dass die scheinbaren Körner beim Heben und Senken des Mikroskops nicht rasch verschwinden, sondern sich gewissermaassen seitlich verschieben. Es ist dies ein Bild, wie man es auch bei einem sehr engmaschigen Netz- oder Wabenwerk erhält. Und in der That sieht man nicht selten einen Klumpen, der aus einer solchen ganz regelmässigen Textur besteht (Taf. XXV, Fig. 9; Taf. XXVI, Fig. 3), die bald etwas grösser, bald etwas feiner erscheint. Ja, wenn der Klum- pen nicht in Folge der Behandlung geschrumpft, sondern vielmehr gequollen ist (Taf. XXV, Fig. 8), so tritt diese Eigenschaft noch viel deutlicher zu Tage, namentlich wenn die Quellung im äus- sern Theil des Klumpens stärker als imnen gewirkt hat. — Wir dürfen daher aus diesem Befunde schliessen, dass die Differen- zirung im Klumpen so erfolgt, dass zuerst ein Maschen- oder 428 “ Prof. Joh. Frenzel: Wabenwerk — dies sei unentschieden — in ihm entsteht, welches schliesslich erst in einzelne Körner zerfällt; denn dass solehe in ausgereiften Zellen vorhanden sind, sieht man sowohl an ab- gerissenen Theilen des geschrumpften Klumpens (Taf. XXV, Fig. 16) als auch am frischen Gewebe, wie ich früher bereits angegeben hatte. Es erübrigt nun noch einen Blick auf die übrigen Abkömm- linge des Fermentkeimes zu werfen. Eigenthümlich mag unsere jehauptung wohl aussehen, dass nur einer derselben zum fertigen Klumpen auswachsen soll, und man wird fragen, was aus den übrigen wird. Gesehen hatten wir nun zuletzt, dass sie sich oberhalb des ersteren aufhalten (Taf. XXV, Fig. 13). Je mehr dieser nun anwächst, um so mehr verschwinden sie. Man gewahrt nur noch vereinzelte Ueberreste von ihnen und schliesslich, in der ausgereiften, oder nahezu ausgereiften Zelle .ist nichts mehr wahrzunehmen (Taf. XXV, Fig. 16, 30; Taf. XXVI, Fig. 3, 15). Sie sind eben, das ist die einfachste Lösung dieser Frage, gänzlich aufgebraueht worden und zwar sehr vermuthlich Zwecks der Sekretbildung. Sie enthalten ja ganz ähnliche Stoffe wie der Hauptkeim, mit dem sie ihren Ursprung theilen. Es ist also nichts wahrscheimlicher, als dass sie bei dessen immer mehr gesteigertem Wachsthum schliesslich in ihm aufgehen resp. von ihm gewissermaassen aufgezehrt werden. Wie dem jedoch auch sei, sicher ist ihr endgültiges Verschwinden, wie alle reifen Fermentzellen ausnahmslos lehren, so dass man also doch, der Vorgang mag im Einzelnen sein wie er wolle, wird sagen können, dass sie in späteren Stadien der Sekretbildung aufgebraucht werden, — mehr direkt oder mehr indirekt. Sehr viel unwahr- scheinliceher ist es endlich, dass sie etwa ein zweites sekretori- sches Produkt vorstellen, das vor dem völligen Ausreifen des grossen Klumpens nach aussen entleert werde. Für eine derar- tige Annahme fehlt vielmehr jeder Anhalt, wie denn auch ihr Verschwinden ganz allmählich vor sich geht. Als wir weiter oben von den Zellen des Keimlagers spra- chen, hatten wir schon die Meinung geäussert, dass wenigstens ein Theil derselben als verkümmerte Fermentzellen aufzufassen sei, oder, wie wir hier noch hinzufügen wollen, mit Rücksicht auf das Spitzenwachsthum des Drüsenschlauches, als zukünftige Fermentzellen, jedenfalls aber als solche, Die Mitteldarmdrüse des Flusskrebses u. die amitotische Zelltheilung. 429 die an der Ausübung ihrer Funktion verhindert sind. Wir hatten schon damals darauf hingewiesen, dass auch diese Zellen ein kleines sich lebhaft grün (Taf. XXV, Fig. 15, 27) resp. roth (Taf. XXVI, Fig. 5) tingirendes Körperchen enthalten, dass mit- hin auch nichts anderes als unser Fermentkeim ist. Ja man ge- wahrt sogar auch ab und zu, wenn auch nicht gerade am aller- äussersten Ende des Schlauches, so doch in dessen nächster Nähe, irgend eine, allerdings noch recht kleine Zelle, die einen ener- gischen Versuch zur Sekretbildung machend ihre Nachbarn über- ragt und einen unzweideutigen Fermentklumpen bildet. Wir können daraus mithin ersehen, dass unsere Auffassung von den Zellen des Keimlagers eine völlig richtige ist. Hinzugefügt möge dabei noch werden, dass auch Theilungszellen einen solchen Keim erkennen lassen, wenngleich recht schwierig (Taf. XXV, Fig. 27). Hier liegt das Kügelchen dem eimen Kern immer dieht an, wäh- rend es sonst auch weiter nach oben zu gerückt sein kann (Taf. XXVI, Fig. 5). Zuweilen sieht man es geradeso wie in normalen Zellen (Taf. XXVI, Fig. 1 Iinks) aber auch unterhalb des Kernes liegen (Taf. XXV, Fig. 27). Während sich der Sekretklumpen in der heranreifenden Zelle mehr und mehr ausdehnt, verringert sich die Menge des Zellplasmas, dem wir uns jetzt zuzuwenden haben, in gleichem Maasse. Es macht dabei indessen auch bemerkenswerthe Ver- änderungen durch. Früher war mir nämlich bei den Epithel- zellen der Mitteldarmdrüse schon deren Fusspartie aufgefallen, die sich dem Auge in ganz anderer Weise als der übrige Zellleib darbot. Ohne damals näher hierauf eingehen zu können, versuchte ich doch, dies Verhältniss in memen Abbildungen möglichst deutlich darzustellen (Mitteldarmdr. d. Crust. I. e. Taf. 4, Fig. 1, 2, 25, 27,31). Die kombinirte Lichtgrün-Safranin- resp. Eosin- Hämatoxylinfärbung giebt nun auch über diese Erscheinungen so manchen interessanten Aufschluss. Gehen wir, um dies näher auseinanderzusetzen, wieder auf die jüngsten noch isodiametri- schen Zellen zurück, so sehen wir, dass sie sich mit Safranin, also mit der Kernfarbe, äusserst kräftig färben, kräftiger als der Kern in seiner Gesammtheit, wo nur das spärliche Chromatin- gerüst lebhaft roth ist. Einzig und allein das im unteren Zelltheile angehäufte Plasma macht hiervon eine Ausnahme, indem es das Lichtgrün annimmt. So ist es ferner auch bei 430 Prof. Joh. Frenzel: Hämatoxylin-Eosinfärbung, wo der Fusstheil sich die letztere an- eignet. Es sondern sich mithin zwei verschiedene Zonen in der Zelle ab, und zwar liegt diese Absonderung nieht allein in ihrem Verhalten den Farbstoffen gegenüber begründet. Die obere Sub- stanz hat vielmehr ein deutlich faseriges Gefüge, der untere hin- gegen ein mehr homogenes, feinpunktirtes und von Hohlräumen unterbrochenes, die zum Theil von Fettkügelchen ausgefüllt waren. Was nun zunächst die erstgenannte Substanz betrifft, so kann ich auch dabei wieder einen Anknüpfungspunkt finden. Früher bereits hatte ich in Mitteldarmzellen von Arthropoden gesehen, dass sich gewisse Zellbestandtheile mit Kernfarbstoffen äusserst intensiv färben, wesshalb ich sie als „pseudochromatine“ bezeichnete!). Auch hier möge sie diesen Namen führen; denn dass ich wenigstens weit davon entfernt bin, diese Stoffe mit Chromatin resp. mit Nucleolen ohne Weiteres zu identifieiren, wie man es hinsichtlich der Ganglienzellen gerne möchte, brauche ich wohl nicht zu versichern. — Die pseudochromatische Substanz also zeigt einen faserigen Bau, der bei ganz jungen Zellen gewöhnlich in der Nähe und oberhalb des Kernes am diehtesten ist und eine eoncentrische Schichtung doch annähernd erkennen lässt (Taf. XXV, Fig. 1). Später nun, wenn sich die Zelle streckt, also noch vor der Theilung, geht diese Faserung in eine deutlich längstreifige über (Taf. XXV, Fig. 11), und man gewahrt jetzt ein oft sehr klares aus längsgezogenen Maschen gebildetes Maschenwerk mit zierlichen Knotenpunkten. Es ist gewöhnlich nicht gleichmässig in der Zelle vertheilt, sondern bald hier bald dort zu dichtern Strängen geflochten, fast wie zusammengedreht (Taf. XXV, Fig. 18, 19). Nach oben hin wird es gewöhnlich lockerer, so dass man dort die Maschen zu er- kennen besser im Stande ist (Taf. XXV, Fig. 22). Ebenso scheint es, als wenn die einzelnen Fäden nach oben zu schlanker und zarter, nach unten hin jedoch derber und, wie ich glaube, oft auch wellig geschwungen werden. 1) Joh. Frenzel, Das Idioplasma und die Kernsubstanz. Ein kritischer Beitrag zur Frage nach dem Vererbungsstoff. — Dies. Arch. Ba. 27, 8. 73f.—8. 92. Es Die Mitteldarmdrüse des Flusskrebses u. die amitotische Zelltheilung. 431 Eingelagert in das soeben gekennzeichnete Maschenwerk liegen nun die Keime der Fermentblasen, wie wir schon kennen gelernt haben. Aber es kommt nun noch etwas Anderes hinzu. Eine Junge Mutterzelle nämlich lässt an ihrer Spitze irgend eine besondere Ditferenzirung nicht erkennen, abgesehen davon, dass die Maschen lockerer und feiner werden (Taf. XXV; Fig. 1, 2,3). Noch ehe sie indessen mit ihrer Spitze die Oberfläche des Epithels erreicht hat, kann man in diesem Theile der Zelle mit Lichtgrün sich färbende Flecken gewahren (Taf. XXV, Fig. 11), die wenigstens nicht unmittelbar vom Fermentkeim herrühren, da sie ganz diffus und nicht scharf abgegrenzt sind. Ist das Längenwachsthum schliesslich beendigt, so erhält die Zelle auch den bekannten Härchensaum, den ich zu wiederholten Malen ausführlich beschrie- ben habe, und es tritt damit gleichzeitig eine ziemlich kräftige Längs- streifung auf, die sich nun ebenfalls lebhaft grün färbt, wodurch ein scharfer Contrast zur pseudochromatischen Substanz entsteht (Taf. XXV, Fig. 18, 19, 22, 26 ete.).. Weniger scharf ist übrigens dieser Unterschied bei Hämatoxylinfärbung, da in diesem Falle auch die Streifung mitgefärbt wird (Taf. XXVI, Fig. 1, 2, 14). Die Längsstreifen sind nur in einer schmalen Querzone scharf und deutlich, die nicht sehr viel breiter als der Härchensaum :ist. Von diesem würden sie sich ferner hinsichtlich ihrer Färb- barkeit kaum unterscheiden. Sie sind indessen viel dieker als die Härchen der letzteren, wenigstens oben an der Zellgrenze, um sich. dann freilich zu verjüngen und in eine dünne Spitze auszuziehen, die nach allen Seiten feine, maschenbildende Seiten- ästchen abgiebt. Jeder dieser Streifen hat also die Gestalt etwa einer sehr schlanken Pfahlwurzel mit feinsten Nebenwurzeln. Was aus diesen letzteren nun wird, vermag ich nicht ganz sicher anzugeben. Ich glaube aber gesehen zu haben, dass sie allmäh- iich in das Maschenwerk der pseudochromatischen Substanz über- sehen, so dass diese also kontinuirlich mit der ersteren zusammen- hängen würde. Es ist dies jedoch deswegen nicht leicht festzu- stellen, weil die nicht fädige Grundsubstanz im oberen Zelltheil aus zahlreichen sich gleichfalls färbenden Fleckehen u. s. w. be- steht, die das Bild in bedauerlicher Weise stören. Je mehr sich nun die Ersatzzelle an ihren freien Enden verbreitert und je mehr der Sekretballen anschwillt, um somehr verschwindet die pseudochromatische Substanz, um der plasma- 432 Prof. Joh. Frenzel: tischen, so wollen wir jetzt sagen, Platz zu machen, was aber durch einen ganz allmählichen Uebergang erzielt wird. Anfänglich sieht man nämlich noch die pseudochromatischen Fäden (roth) sich lebhaft von dem mehr diffusen (grün) Hinter- grund abheben. Dann verlieren sie ihre distinkte Färbbarkeit und nelımen eine Mischfarbe an, mit Ausnahme noch der Knoten- punkte, die diesem Process länger widerstehen (Taf. XXV, Fig. 19, 22, 28). Dies alles geschieht vom oberen Zelltheil beginnend und setzt sich nach unten hin, am Sekretklumpen vorbei bis zum Kerne hin fort, bis endlich die pseudochromatische Substanz völlig geschwunden und blos noch plas- matische übrig geblieben ist (Taf. XXV, Fig. 13, 16, 30; Taf. XXVI, Fig. 3, 15). Es ist dies derselbe Vorgang, der sich auch am Fermentballen vollzogen hat, dem gleichfalls seine ur- sprüngliche Färbbarkeit verloren ging. Ist nun endlich die Zelle ausgereift und der letztere völlig entwickelt, so sieht man blos noch oberhalb des Kernes die schmale Längsstreifung (Taf. XXV, Fig. 16) und allenfalls noch, je nach dem Reifezustand, einige Fettkügelchen (Taf. XXV, Fig. 30; Taf. XXVI. Fig. 3, 15), die, wie ich früher schon angegeben, ein konstanter Inhaltsbestand- theil heranreifender Fermentzellen sind. Sie sind von einem sehr spärlichen Plasma umgeben und dürften endlich auch ver- schwinden. Haben wir bis hierher das Schicksal der plasmatischen jestandtheile oberhalb des Kernes verfolgt, so haben wir jetzt das Gleiche hinsichtlich derjenigen unterhalb desselben zu thun. Man soll nun aber nieht glauben, der Kern bilde eine haarscharfe Scheidegrenze ; denn dies wäre schon deswegen un- denkbar, weil seine Lage gar nicht einmal unverrückbar fest ist. Ist er doch freischwebend in einer ziemlich flüssigen Masse vorzu- stellen, in welche er allein schon durch äussere Umstände, dureh Aenderungen in den Druckverhältnissen u. s. w. gewisse Verschie- bungen erleiden kann. Dennoch aber sucht er möglichst in der Längsachse und im unteren Raum der Zelle zu bleiben und kommf über deren halbe Höhe nur selten hinaus. Demzufolge sehen wir ihn oft mit seiner Unterseite eine Grenze zwischen den unteren Plasmaregionen bilden, oft aber auch nicht, so dass er in letzeren Fällen allseitig von dem pseudochromatischen Maschenwerk umgeben erscheint (Taf. XXV, Fig. 26, 28). Dies Die Mitteldarmdrüse des Flusskrebses u. die amitotische Zelltheilung. 433 löst sich jedoch je weiter nach unten zu um so mehr zu einem lockeren Maschenwerk von mehr gleichmässigen, rundlichen Maschen auf (Taf. XXVI, Fig. 1), die gewöhnlich von einigen grossen Fettkugeln durchsetzt sind (Taf. XXV, Fig. 22, 26, 28, 29; Taf. XXVI, Fig. 2). Ziemlich plötzlich aber, und oft mit auf- fallend scharfer Grenze brieht es sodann noch weiter nach unten zu ab, um endlich dem Fussplasma, wie wir es nennen wollen, Platz zu machen. Die Grenze ist hier jedenfalls eine viel schär- fere als nach oben hin, da durch die obere plasmatische Sub- stanz immer noch pseudochromatische Fasern ziehen, wie wir sahen. Dies geschieht nun hinsichtlich des Fussplasmas wohl kaum. Trotzdem aber können sich jene Fasern an den Wänden der Zelle entlang bis zu deren Basis erstrecken, das Fussplasma vor allen Dingen umhüllend — nur nicht von der unteren Fläche —, so dass das letztere oft wie eine Halbkugel in die Faser- masse vorspringt. So sah ich es früher (Mitteldarmdrüse der Crust. 1. e. Taf. IV, Fig. 1, 2, 27) und auch jetzt wiederholt (Taf. XXVI, Fig. 2, 4). Dies Verhalten ist weiterhin so konstant, dass ich bloss eine einzige Ausnahme anzuführen vermag, welche eine noch sehr junge Zelle betrifft (Taf. XXV, Fig. 2). Bei dieser ist es mir überhaupt fraglich geblieben, ob sie das Fussplasma besitzt. Ich sah nämlich ein anscheinend mit spitz endendem Fusse — also nieht mit breiter Fläche aufsitzendes Zellehen, dessen ganze Masse pseudochromatisch (roth) aussehend sich recht scharf nach links und nach rechts von grün gefärbtem Plasma abhob. Ob dieses letztere nun dieser selben Zelle oder den beiden benachbarten angehört, konnte ich leider an dem etwas verworrenen Sehnitt nieht unterscheiden. Mir fiel nur die unge- mein und ungewohnt scharfe Grenze auf, die beide Gebiete schei- dend recht wohl eine Zellgrenze sein mochte. Dann hätte unser Zellehen überhaupt kein Fussplasma gehabt. Oder, auch das ist ebenso möglich, es lag hier eine merkwürdige Verschie- bung derart vor, dass das Fussplasma aussen, das faserige innen abgelagert war. Sei dies nun wie es wolle, im Uebrigen ver- mag ich das Vorhandensein des Fussplasmas im allen jungen Ersatzzellen zu bestätigen, was wir ja auch erwarten dürfen, wenn wir uns den oben auseinandergesetzten Theilungsmodus vergegenwärtigen. Ja danach muss sogar das zurückbleibende 434 Prof. Joh. Frenzel: Mutterzellehen mehr von dem Fussplasma als die andere abge- spaltene Zelle führen (Taf. XXV, Fig. 18). Das Fussplasma hat, wie schon oben berührt, das gegen- theilige Färbungsvermögen als das pseudochromatische. Es nimmt Lichtgrün, Safranin und Eosin an, viel weniger das Hämatoxy- lin, dem es allerdings auch nicht ganz fremd bleibt (Taf. XXVI, Fig. 14). In seiner Struktur ist es zwar nicht ganz undifferen- zirt, aber doch sehr homogen und feinkömig. Eine Netzstruktur, sie müsste denn sehr fein sein, vermochte ich in ihm nicht sicher aufzuschliessen. Das Plasma bleibt aber selten so ganz kom- pakt, denn schon in ganz jungen Zellen zeigt es sich von läng- lichen und querliegenden hellen vakuolenartigen Räumen dureh- setzt (Taf. XXV, Fig.1,3, 11), die hier nicht auf ehemalige Fett- kügelchen zurückzuführen sind, da auch sie eine leichte grüne Farbe aufweisen. Später schwinden diese Vakuolen mehr und mehr (Taf. XXV, Fig. 19), und schliesslich können auch Fett- kugeln an ihre Stelle treten (Taf. XXV, Fig. 13 links, 30). Von den jüngsten Zellen an verhält sich das Fussplasma ganz konstant während der Weiterentwicklung, abgegrenzt von dem ebenso gefärbten Spitzenplasma (Streifensystem ete.) durch die pseudochromatische Fasernmasse (Taf. XXV, Fig. 18, 19, 22, 26 ete.). Mit deren Schwinden verwischt sich jedoch jener Unter- schied mehr und mehr, bis schliesslich nur noch eine gleichmässig gefärbte Masse übrig ist (Taf. XXV, Fig. 13 links, 16 links, 30). Bei einer kombinirten Hämatoxylinfärbung macht sich dann ein Unterschied insofern allerdings geltend, als das obere Streifen- plasma mehr vom Hämatoxylin aufnimmt als das restirende Fuss- plasma (Taf. XXVI, Fig. 3, 15), wie ersteres diese Farbe über- haupt gerne annimmt (Taf. XXVI, Fig. 1, 2), von Ueberfärbungen natürlich ganz abgesehen. So einfach das Fussplasma hinsichtlich semes äusseren Aus- sehens zu beschreiben ist, um so schwieriger bleibt seme Deu- tung. Als einfaches, nieht differenzirtes Protoplasma möchte ich es schon deswegen nicht ansehen, weil es zu kompakt in seiner Struktur ist. Eher könnte man es für ein möglichst zusammen- gedrängtes Reservematerial halten, das auch seinerseits Material zum Aufbau und zur Weiterentwicklung der Zelle liefert; denn thatsächlich verschwindet es mit dem übrigen Plasma, ja zeit- weilig sogar noch in erhöhterem Maasse, nämlich dann, wenn Die Mitteldarmdrüse des Flusskrebses u. die amitotische Zelltheilung. 435 der Fusstheil der Zelle sich von der tunieca abhebend zusammen- gezogen wird (Taf. XXV, Fig. 13, 30). Dieser schrumpft sodann weiter und weiter, bis nur noch Spuren (Taf. XXV, Fig. 16; Taf. XXVI, Fig. 15) und endlich nichts mehr von einem Fuss- plasma zu sehen ist. Auch dies wird mithin zum Aufbau des mäch- tigen Fermentklumpens verbraucht, wenn schon gerade nicht un- mittelbar. Ich stelle mir vielmehr vor, dass es nach oben hin fort und fort Material abgiebt; und frägt man nach der Herkunft der oberen plasmatischen Substanz, namentlich nach der dort diffus vertheilten Grundsubstanz, so möchte ich es am wahr- scheinlichsten halten, dass diese — direkt oder indirekt — von jenem Fussplasma herrühre. Nur das obere Streifensystem mag davon eine Ausnahme machen, indem es sich möglicherweise von dem faserigen (pseudochromatischen) Plasma herleitet, das uns ja auch direkt in jenes System überzugelhen scheint. Man wird dann vielleicht auch das Fussplasma für ein ursprüngliches oder Arcehiplasmat) halten können, ein Gedanke, der von Ch. Huber herrührt und der in der That Vieles für sich hat, nämlich vor Allem seine speeifische Färbbarkeit (Lichtgrün nach Benda) und ferner seine kompakte Struktur. Zwei Umstände bloss würden dabei einiges Befremden verursachen, nämlich erstens, dass wir es dann mit zwei Archiplasmaregionen zu thun hätten, mit dem Ferment- keim und dem Fussplasma, und zweitens, dass letzteres eigent- lich doch etwas zu umfangreich erscheint, um jene Deutung zu- zulassen. Einen vollgültigen Gegenbeweis vermag ich darin in- dessen nicht zu finden, namentlich wenn die Auffassung sich be- wahrheiten sollte, dass das den Fermentkeim darstellende, dem Kern dieht angelagerte Kom als Centralkörperchen zu deuten sei. Darauf würde namentlich sein Verhalten gegen Safranin hinleiten (Taf. XXVI, Fig. 1, 2, 5). Fassen wir nun das in obiger Darstellung Enthaltene zu- sammen, so hätten wir folgende sich gut von einander differen- zirende Substanzen resp. Substanzgruppen zu unterscheiden : 1. Das pseudochromatische Faser- und Maschen- 1) Das Wort Archiplasma ist wohl richtiger als Archoplasma (Boveri) gebildet. Vielleicht sagt man aber besser mit Ed. Stras. burger: Centralplasma. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 41 28 436 | Prof. Joh. Frenzel: plasma, speeifisch färbbar mit Safranin und Hämato- xylin, nicht jedoch mit Lichtgrün. Wohl indifferentes Plasma. Das Fussplasma, färbbar mit Lichtgrün, kompakter; vielleicht Archiplasma (Centralplasma). 3. Das Streifenplasma, färbbar mit Lichtgrün oder Hämatoxylin, resp. Eosin, nicht mit Safranin; wahrschein- lich ein Produkt des erstgenannten. 4. Diestrukturlose (?) Grundsubstanz, färbbar mit Liehtgrün. Fragliche Herkunft. (Vom Fussplasma ?) 5. Der Fermentkeim, färbbar mit Lichtgrün oder mit Safranin, wenig mit Hämatoxylin. Vielleicht das Cen- tralkörperchen (Centrosoma). 6. Fett, in Tröpfehen; ob von den benachbarten Fett- zellen herrührend ? (s. später.) Zu diesen verschiedenen Gruppen gesellen sich endlich noch die Substanzen des Kerns, auf welchen wir noch einmal, jedoch in Kürze zurückzukommen haben; denn zu einer eingehenden Untersuchung des Kernes reichten, wie schon betont, die von uns benutzten Methoden nicht aus. Hier soll daher nur mehr sein allgemeines Verhalten berührt werden und zwar im Anschluss und in Bestätigung des schon früher von mir Berichteten (Mittel- darmdrüse Crust. 1. ec. p.77f.) Gehen wir nämlich von einer jungen Mutterzelle aus (z. B. Taf. XXV, Fig. 2), so sehen wir darin als den Kern eine respektabel grosse Kugel schweben. DD Wächst nun die Ersatzzelle nach der Theilung weiter, so nimmt der soeben erst in seiner Masse halbirte Kern nieht nur sein ur- sprüngliches Volumen wieder an, sondern er wächst noch ganz ausserordentlich weiter, wenn auch allerdings nicht in demselben Maasse wie die Zelle (Taf. XXV, Fig. 19, 28; Taf. XXVI, Fig. 1, 2); deren Breitendimension erreicht er jedoch meistentheils, so dass er, mit ihr nicht selten stark zusammengedrückt, eine mehr längliche Gestalt annimmt (Taf. XXVI, Fig. 1 links). Dann aber tritt nicht nur ein Stillstand, sondern sogar ein ganz ausseror- dentlicher Rückschritt ein, indem er mit dem Fusstheil der Zelle stark zusammenschrumpfend kleiner und kleiner wird (Taf. XXV, Fig. 13). Dabei erleidet er auch eine starke Deformation, er wird dreieckig (Taf. XXV, Fig. 16), halbmond- (Taf. XXV, Fig. 30; Die Mitteldarmdrüse des Flusskrebses u. die amitotische Zelltheilung. 437 Taf. XXVI, Fig, 3) und endlich ganz schmal sichelförmig, d. h. in körperlichem Sinne erst etwa napf- und dann urglasför- mig. So stark schrumpft er dabei ein, dass seine Masse nur noch einen ganz geringen Bruchtheil der ursprünglichen ausmacht. Völlig verschwindet er jedoch, wie wir sogleich sehen werden, nicht, denn man erkennt ihn nicht nur, wie ich schon früher hervorhob, am ausgestossenen Sekretballen sitzend, sondern er schafft auch das jetzt unbrauchbar oder unnöthig gewordene Nuelein resp. Chromatin mit fort, das nämlich beim Aufbau der Zelle, wie wir aller Wahrscheinlichkeit nach sagen dürfen, nicht verwendet wird. Es ist dies ein Satz, der sich mit grosser Sicherheit erschliessen lässt. Denn betrach- tet man den Jugendlichen Kern, am besten nach der sehr distinkten Hämatoxylinfärbung (Taf, XXVI, Fig. 1, 2), so sieht man in ihm bloss ein ziemlich spärliches, chromatophiles Netz- werk. Je mehr nun der Kern zusammenschrumpft, um so mehr verdiehtet dieses sich, und das, was verschwindet, ist der ungefärbte sog. Kernsaft resp. die Interfilarmasse, wenn nicht auch noch die sog. achromatische Substanz (Linin) (Taf. XXV, Fig. 13, 16, 30). Der Gesammtkern zeigt sich infolgedessen mit zunehmender Schrumpfung immer stärker gefärbt und endlich er- scheint er als eine fast gleichmässig stark tingirte Masse (Taf. XXV, Fig. 16, 30; Taf. XXVI, Fig. 3, 15), die nun höchst- wahrscheinlich die gesammte chromatische Substanz des urspünglichen Kernes oder sogar noch mehr in stärkster Verdichtung darstellt. Und verfolgt man diesen ganzen Process durch alle Stufen hindurch , so erkennt man, dass von dieser Substanz währenddessen nichts verloren, nichts nach aussen abgegeben wird, sondern dass sie völlig in dem degenerirenden Kern verbleibt. Danach zu urtheilen hätte also die chromatische Substanz — das Wort Nuclein sei hier vermieden, da es sich ebenso gut um Paranuclein ete. handelt — nichts mit der weiteren Thätigkeit der Zelle zu thun, wenigstens nicht in rein stofflicher Beziehung, denn Alles Uebrige z. B. eine Wechselwirkung von Kräften ete. entzieht sich hier vollkommen unserer Beurtheilung. Ich denke aber, dass es vor der Hand schon einigermaassen genügt, jenes Verhältniss festgestellt zu haben, denn wir werden nun im Gegentheil von den ande- 438 Prof. Joh. Frenzel: ren Kernbestandtheilen, namentlich von dem so harmlos erschei- nenden, hier so massenhaften sog. Kernsaft vermuthen dürfen, dass sie bei der Thätigkeit unserer Zellen eine recht hervor- ragende Rolle spielen, insofern nämlich als sie bei seiner so ausserordentlichen Schrumpfung in den Zellraum austreten, sei es unvermittelt, sei es in umgewandelter Form, um bei der Bil- dung des Sekretklumpens in irgend einer Weise mit verwendet zu werden. Um dies zu verstehen, müssen wir uns ja vergegen- wärtigen, dass die heranreifende Zelle gänzlich ausser Zusammen- hang mit dem sie ernährenden Mutterboden gerathen ist. Es bleibt dann nur übrig, erstens dass sie sich aus sich heraus völlig selbst- ständig entwickelt, oder dass ihr indirekt, nämlich durch die be- nachbarten Elemente, die Fettzellen, Nahrung zugeführt wird, oder endlich dass auch beides geschieht. Irgendwie beweisen lassen sich nun die letzteren beiden Möglichkeiten nicht, wie wir später noch sehen werden, so dass die erstere, wenn auch in einer gewissen Beschränkung, als die wahrscheinlichere übrig- bleibt. Dann dürfen wir uns aber auch nicht wundern, wenn der gefrässige Sekretklumpen, um im Bilde zu sprechen, Alles geniessbare frisst, was er erreichen kann, mithin nicht nur die verschiedenen Zellplasmen und das Fett, sondern auch die Kern- bestandtheile mit Ausnahme bloss der chromatischen Substanzen, die jedenfalls eben ungeniessbar, d. h. unverwendbar sind. Zum Schluss dieses Abschnittes sei nun noch der abseits stehenden Elemente gedacht, nämlich der Zellen des Keimlagers. Von ihnen wissen wir schon, dass sie den Fermentkeim führen. Weiterhin können wir uns aber auch leicht von dem Vorhanden- sein der übrigen Bestandtheile der typischen Fermentzellen leicht überzeugen : Fussplasma, pseudochromatisches Fadenwerk, obere Längsstriche, Alles ist zu erkennen, mit Ausnahme von Fett- kugeln, die hier gänzlich zu fehlen scheinen. Ausserdem sehen wir, dass alle jene Substanzen sich im Keimlager ganz besonders intensiv färben (Taf. XXV, Fig. 14, 15, 17, 27; Taf. XXVI], Fig. 5, 14). Abweichend dürften sich nur die Mitosenzellen verhalten. Die Spindel ist ungemein deutlich, bald grün, bald in einer Mischfarbe gefärbt (violett). Sonst aber erkennt man ausser dem hellen, ungefärbten Hof um die Theilungsfigur herum nichts Speei- fisches, womit aber das Fehlen der typischen Bestandtheile Die Mitteldarmdrüse des Flusskrebses u. die amitotische Zelltheilung. 439 durchaus nicht behauptet sein soll (Taf. XXV, Fig. 14, 15, 17). Endlich sei noch erwähnt, dass auch die sich amitotisch theilen- den Zellen meist heller als die übrigen aussehen (Taf. XXVI, Fig. 14). Alles in Allem genommen werden wir jedoch auch hier wieder in unserer Ansicht bestärkt, dass die kleinen Ferment- zellen des Keimlagers prineipiell dieselben Eigenschaften wie die typischen Fermentzellen haben. 4. Die Weiterentwicklung der Fettzellen. Während die oben dargelegte Entwicklung der Ferment- zellen verhältnissmässig leicht zu verfolgen ist, so ist dies bei den Feitzellen mit einigen Schwierigkeiten verbunden, was in der verhältnissmässig geringen Grösse der Mutterzellchen seinen Grund findet. Diese selbst stellen sich zwar sehr bequem dar infolge des hellen den Kern umgebenden Hofes, der auch später noch, beim weiterschreitenden Wachsthum, erhalten bleibt und als Erkennungsmittel dient. Der schon weiter oben erwähnte Fusstheil ist jedoch so schlank und zart, dass er oft mehr er- rathen als demonstrirt werden kann. Er ist daher bloss in beson- ders günstigen Fällen wirklich in seiner ganzen Ausdehnung zu sehen. Wir bemerken dann zunächst ein kurzes, spitz auslaufendes und der tuniea aufsitzendes Füsschen, das, sich scharf von dem hellen Hofe abhebend am besten mit Liehtgrün zu tingiren ist (Taf. XXV, Fig. 6), weniger gut mit Hämatoxylin (Taf. XXVI, Fig. 7) und Eosin und kaum mit Safranin. Dies Zelichen wächst nun so, dass nicht etwa der Fuss und Kern alsbald an Masse und Grösse zunehmen, sondern so dass sich der letztere nur mehr und mehr streckt, so dass also der Kern mit seinem hellen Hofe immer höher im Epithel vorgeschoben wird (Taf. XXVI, Fig. 7). Mittlerweile aber hat sich auch oberhalb des Kernes eine ähnlich wie der Fuss färbbare Spitze ausgebildet, die erst stumpf und kurz (Taf. XXV, Fig. 6; Taf. XXVI, Fig. 8) mehr und mehr ausgezogen wird (Taf. XXV, Fig. 4, 7). So ist die Zelle sehon annähernd bis zur normalen Höhe hinaufgerückt und nun erst wächst der Kern mehr und mehr an, wobei gleichzeitig der helle Hof um ihn herum verschwindet und einem färbbaren 440 Prof. Johskrenzel: Plasma Platz macht. Dies färbt sich mit Liehtgrün sowie mit Eosin, kaum jedoch mit Hämatoxylin (Taf. XXVI, Fig. 4). In dieser jungen Zelle treten sodann die ihr eigenthümlichen Fett- tropfen auf, und sie erreicht die freie Oberfläche des Epithels, wo sie den Härchensaum erhält, der sie wie die Fermentzellen gleichmässig überzieht (Taf. XXV, Fig. 12 rechts). Die Fettzellen unterscheiden sich in unseren Präparaten schon hinsichtlich ihrer Färbbarkeit auf das Leichteste von den Fermentzellen. Die Jugendstadien beider unterscheiden sich, wie wir sehen, noch leichter, denn bei den Fettzellen theilen sich nur die kleinen in der Tiefe liegenden Mutterzellehen, bei den Fermentzellen dahingegen auch noch heranreifende Ersatzzellen. Aehnlich so ist es nun auch hinsichtlich der Färbbarkeit: die Jungen Fermentzellen sind roth durch Safranin und violett durch Hämatoxylin, die gleichen Fettzellchen liehtgrün resp. röthlich ; und erst viel später verwischt sich dieser Unterschied, indem in beiderlei Zellen das Lichtgrün überwiegt (Taf. XXV, Fig. 13). Betrachten wir nun eine reifere Fettzelle, so finden wir sie oberhalb und, wenn der Kern gerade höher liegt, auch unter- halb desselben von grossen rundlichen resp. zusammengedrückten Fettkugeln durchsetzt, die von einander dureh dünne Plasma- lamellen und Fasern getrennt werden. Sie fehlen nur der untersten Partie, dem Fussplasma, und der obersten Zone, dem Streifenplasma. Dass es sich hier ferner wirklich um Fett handelt, habe ich früher schon gezeigt, und auch jetzt sieht man, dass es sich nicht gut um etwas anderes handeln kann, da die von ihnen ausgefüllten Räume nunmehr, im Schnittpräparat, nach Behandlung mit Fettlösungsmit- teln völlig hohl sind. Es könnte mit dem Fett höchstens noch eine andere spärliche Substanz kombinirt und nachher mit fortge- schwemmt worden sein, eine Annahme, auf die wir noch einmal zurückzukommen haben. Das Plasma nun, welches die Fettkugeln von einander trennt, ist sehr zart entwickelt und tritt an Masse ganz hinter jene zu- rück. Es scheint aus zwei- oder dreierlei verschiedenen Sub- stanzgruppen zu bestehen. Die erste ist eine anscheinend diffuse Masse, die Grundmasse, welche etwas Lichtgrün, Safranin oder Eosin, jedoch weniger Hämatoxylin annimmt. Aus ihr treten so- dann zarte Faserstränge hervor, welche die grossen wie die kleinen Die Mitteldarmdrüse des Flusskrebses u. die amitotische Zelltheilung. 441 Fettkugeln, welch letztere zwischen ersterer eingestreut und auch unten und oben in der Zelle zu sehen sind, allseitig umziehen. Sie färben sich ähnlich wie die Grundmasse, nur kräftiger, wie auch etwas mit Hämatoxylin und zwar bei Safraninkombination in der Mischfarbe (Taf. XXVI, Fig. 1 rechts). Oft lässt sich ferner erkennen, dass sie ein recht regelmässiges feines Netzwerk bilden. Ausserdem treten als drittes Element noch recht kräftige Kno- tenpunkte auf, die mit Vorliebe die Eeken zwischen zwei sich berührenden Fettkugeln ausfüllen, und da sie die meisten Farb- stoffe lebhaft aufnehmen, z. B. Safranin, Hämatoxylin, Eosin ete., so heben sie sich scharf von dem Maschenwerk ab. (Taf. XXV, Fig. 13, 29, 32; Taf. XXVI, Fig. 1,4). Sie können also nicht gut allein als Kunstprodukte, als zusammengeflossene Tröpfehen etwa aufgefasst werden, sondern doch eher als differente, prä- formirte Gebilde. Gerade wie eine junge Fermentzelle, so besitzt eine solche Fettzelle noch kein oberes Streifensystem, so lange sie mit ihrer Spitze nicht die freie Oberfläche des Epithels erreicht hat. Sobald dies aber geschehen ist, so ist auch hier dieses Streifensystem schon vorhanden, dieselben Charaktere wie das der Fermentzellen darbietend. Es tingirt sich also auch lebhaft mit Lichtgrün, so- wie mit Hämatoxylin und Eosin, nicht aber, oder doch wenig mit Safranin. Es geht ferner hier ebenfalls, nachdem es seine Eigenschaft als em System dicker, paralleler Streifen eingebüsst hat, nach unten zu vermittels feiner Ausläufer in das schon vorhin beschriebene Maschenwerk über, und zwar anscheinend ganz kon- tinuirlich (Taf. XXVI, Fig. 1 rechts), was man allerdmgs nur dann gut zu erkennen vermag, wenn die obere Zellenzone noch mög- lichst frei von Fettkugeln ete. ist. Wie ferner hier, bei den Fettzellen, die Herkunft der Längsstreifen abzuleiten ‚sei, bleibt noch einigermaassen fraglich. Sie mögen aber, gerade wie bei den anderen Zellen, ein unmittelbares oder mittelbares Produkt des Fasermaschensystems sein. Was endlich ihre Bedeutung und ihre Funktion angeht, so möchte ich auch in diesem Falle, ehe eine bessere Erklärung gefunden, meine schon wiederholt geäus- serte Meinung wieder in Erinnerung bringen, nämlich dass diese Längsstreifen ähnlich wie der Härchensaum ein Strebepfeiler- system darstellen, das die freie Oberfläche der Zellen zu 442 BrotfsJonh.Rmenziel: schützen habe und gleichzeitig emem „Säftestrom“ oder dergl. den geringsten Widerstand entgegensetze. Schon weiter oben wurde gesagt, dass die Fettkugeln die Zelle nicht bis oben hin erfüllen. Es ist aber nicht nur das Streifensystem, so lange es noch seinen Charakter behält, frei von ihnen, sondern auch je nach dem Alter der Zelle eine darauffolgende Zone (Taf. XXV, Fig. 29 rechts; Taf. XXVI, Fig. 1 rechts). Darin liegt also gewissermaassen ein Unterschied gegen die Fermentzellen, wo sich ja, wie wir sehen, die gleichen Gebilde mit Vorliebe dieht unter dem Streifensystem aufhalten. Bei den Fettzellen indessen sieht man die grössten Fettkugeln in der Nähe des Kerns, während sie nach oben zu meist kleiner werden, um endlich ganz zu verschwinden. Dafür treten nun andere Gebilde auf, auf welche ich bereits in meiner früheren Publikation (l. e. Taf. IV, Fig. 1 ete.) hingewiesen hatte, Gebilde, die namentlich nach Sublimatbehandlung an Deutlichkeit erheb- lich gewinnen. Es sind dies einzelne runde, von einem hellen Hofe umgebene kleine Klumpen, die zuweilen lebhaft an ein kleines Fermentklümpehen erinnern, da sie sich ähnlich wie ein solches, nur etwas blasser färben (Taf. XXVI, Fig. 4). Sie sind indessen nicht so homogen wie die letzteren Gebilde, sondern vielmehr grobkörnig, resp. von homogener Grundmasse in der nicht sehr starkglänzende, graue Körner eingelagert sind (Taf. XXV, Fig. 32). Es ist dies mithin ein Befund, welcher sich völlig mit demjeni- gen deckt, den ich früher direkt unter dem Mikroskop nach Behandeln des frischen Gewebes mit Sublimat gewonnen hatte (Mitteldarmdrüse d. Crust. l. e. S. 64f.). - Das Fussplasma, um auch dieses noch zu berühren, unter- scheidet sich in nichts von dem der Fermentzellen. Ja, es er- scheint für gewöhnlich noch um Vieles deutlicher und schärfer abgegrenzt (Taf. XXVI, Fig. 4. Während es jedoch in der heranreifenden Fermentzelle allgemach verschwindet, so bleibt es im Gegensatz hierzu in unseren Zellen bis an deren Ende wohl- erhalten und allem Anscheine nach gänzlich unverändert. Nach den in Obigem mitgetheilten Befunden enthalten mit- hin die Fettzellen in der Mitteldarmdrüse des Flusskrebses fol- gende Inhaltsbestandtheile : ee Die Mitteldarmdrüse des Flusskrebses u. die amitotische Zelltheilung. 443 1. Das plasmatische Faser- und Maschenplasma, färbbar mit Lichtgrün, weniger mit Hämatoxylin. 2. Das Fussplasma, identisch mit dem der Fermentzellen (Archiplasma?). 3. Das Streifenplasma, identisch mit dem der Ferment- zellen. 4. Die strukturlose (?) Grundsubstanz, wohl ebenfalls mit der jener Zellen identisch. . Differenzirte Knotenpunkte zwischen den Fettkugeln. Kleine Körnergruppen im oberen Zelltheil, vielleicht dem Fermentkeim entsprechend. 7. Fett, m Form von Kugeln. Was weiterhin die Bedeutung dieser verschiedenen Be- standtheile betrifft, so seien für uns die letzten beiden noch be- sprochen. Die Körnergruppen, die recht konstant auftreten, könnten zweierlei Zwecken (dienen. Erstens nämlich, und das ist wohl am wahrscheinlichsten, sind sie gerade wie der Ferment- keim Vorläufer der Fettkugeln. Hierauf würde namentlich der Umstand hindeuten, dass sie in jungen Zellen zahlreicher als in reiferen sind (Taf. XXVI, Fig. 4) und dass sie später ganz oder theilweise von den Fettkugeln verdrängt werden; denn in sehr grossen Fettzellen ist kaum noch etwas von ihnen wahrzunehmen (Taf. XXV, Fig. 13). Nun könnte man sich allerdings auch noch vorstellen, dass sie nicht gleichartig seien, sondern theilweise vielleicht in Fett, theilweise aber auch im eine beson- dere Substanz übergehen, die etwa dem Fermentklumpen zu ent- sprechen hätten. Es wäre dies eine Vermuthung, die an diesem Orte bloss deshalb geäussert werden soll, weil sie möglicherweise den Schlüssel zur Erklärung der so wenig bekannten Funktion unserer Fettzellen geben könnte. Ich hatte nämlich bereits früher wahrscheinlich zu machen gesucht, dass die Fetttröpfehen dieser letztern wirklich in das Gesammtsekret der Drüse gelangen. Letzteres ist ja nicht nur sehr reich an Fett, sondern P. Mayer glaubte auch bei Caprellen eme Sekretion wirklich gesehen zu haben. Erinnert man sich ferner des Umstandes, dass zahlreiche Ersatz- und Basalzellchen für unsere Zellen vorhanden sind (Taf. XXVI, Fig. 16), so wird man doch deren Zugrundegehen wenigstens unter gewissen Verhältnissen zugeben müssen, denn op + 444 Prof. Joh. Frenzel: wozu sollten sonst jene erstgenannten Zellchen da sein? Wenn also nicht schon eher, so muss doch der Fettinhalt der Fettzellen in das Drüsenlumen entleert werden. Nun hat zwar neuerdings Const. de Saint-Hilaire (St. Petersburg)?!) nachzuweisen ver- sucht, dass die Resorption der Nahrungsstoffe beim Fluss- krebs in der sog. Leber stattfinde, und man könnte sodann das in dieser enthaltene Fett auch von der Nahrung herleiten. Leider aber scheint mir in jener Schrift kein strenger Beweis für jene Auffassung erbracht worden zu sein; und wäre diese wirklich richtig, was zu untersuchen hier viel zu weit führen würde, so wären damit doch nicht jene jungen Fettzellen, die einen Verlust alter bedingen, aus der Welt zu schaffen. Man könnte höchstens annehmen, wie ich dies für den Mitteldarm vieler Thiere thue, wo specifische Drüsen mangeln, dass ein und dieselbe Zelle einmal Sekretion und dann Absorption besorge. Es wäre aber dann in unserem Falle doch höchst sonderbar, wenn eine Fettzelle sich von aussen her mit Fett vollpfropfen sollte, um dies wieder nach derselben Richtung hin abzugeben. Diesen Punkt dürfte C. de Saint-Hilaire nicht genügend beobachtet haben, und ich möchte daher nach wie vor den Fettinhalt un- serer Zellen für ein Sekret halten, mit einer Einschränkung viel- leicht. Es wäre nämlich immer noch möglich, dass die Fett- zellen auch noch zur Ernährung unserer Fermentzellen dienten, deren Fett vielleicht unmittelbar aus ihnen stammte. Beweisen lässt sich indessen eine solche Vermuthung vor der Hand keines- wegs, so dass die reine Sekretion also noch der am meisten gesicherte Vorgang bleibt. Allerdings nimmt es sich höchst eigenthümlich aus, wenn eine Verdauungsdrüse, wofür wir ja die Mitteldarmdrüse der Crustaceen ansehen, in so reichlicher Menge Fett secerniren sollte, also einen Körper, der doch keine enzymatische Eigenschaft haben kann. Ja schon früher (l. e. S. 83) vermochte ich nachzuweisen, dass man einem aus unserer Drüse gewonnenen Glycerinextrakt sehr wohl seinen Fettgehalt entziehen kann, ohne damit die enzymatische Wirkung 1) Const. de Saint-Hilaire, Sur la r&sorption chez l’&erevisse. — Bullet. de l’Acad. roy. de Belgique 3e ser. f. XXIV, No. 11, pag. 506 f. (1892). Die Mitteldarmdrüse des Flusskrebses u. die amitotische Zelltheilung. 445 dieses Extraktes aufzuheben. Ich möchte dabei indessen noch einem anderen Gedanken Raum geben. Es wäre nämlich nicht so unmöglich, dass die Fettkugeln gar nicht das Sekret selbst vorstellen, sondern entweder dessen Vehikel, so dass dies an jene gebunden, imihnen gelöst wäre, oder dass das Enzym nicht in den Fettkugeln, sondern etwa in den kleinen Körner- gruppen im oberen Zelltheile zu suchen sei. Für erstere Annahme nun würde namentlich der Umstand sprechen, dass die Fettkugeln sehr wahrscheinlich aus runden Gebilden hervorgehen, die etwa dem Fermentkeim entsprechen, und für letztere Annahme, dass die Körnergruppen doch auch nieht so ganz bedeutungslos sein können. 5. Schluss. Nachdem in Obigem versucht worden ist, alles das zusam- menzustellen, was die erneuerte Untersuchung der Mitteldarm- drüse ergeben hat, wird manch ein strenger Kritiker vielleicht finden, dass diese Schrift mehr Wahrschemlichkeiten und Ver- muthungen als thatsächliche Angaben enthält. Dennoch aber schien es mir gerathen, in meinen Schlüssen diejenige Vorsicht obwalten zu lassen, welche ein späteres erfolgreiches Weiterar- beiten bedingt. Unsere ganze Methodik des Forschens und Un- tersuchens ist ja, so sehr sie auch im letzten Jahrzehnt ver- vollkommnet wurde, noch eine so mangelhafte und lückenreiche, dass sie selten oder nie ein unmittelbares, sondern gemeinhin nur ein mittelbares Herantreten an den zu behandelnden Gegenstand gestattet. Dies möge zu unserer Entschuldigung dienen. Ueber- blieken wir dann weiterhin unsere Befunde und was sich daran anschliesst, so hoffen wir doch wenigstens einen kleinen Fort- schritt gegen früher verzeichnen zu können. Wir werden uns sodann von der Mitteldarmdrüse des Flusskrebses etwa folgendes Bild zu machen haben: Der Mitteldarm des Flusskrebses besitzt ein Paar mächtig entwickelter Anhänge, die zu Zeiten des Futtermangels (Winter) etwas einschrumpfen, um sich zu guter Zeit wieder mehr auszu- dehnen. Sie werden aus zahlreichen langen Drüsenschläuchen zusammengesetzt, welche sich ohne besonders differenzirte Aus- 446 Prof. Joh. Frenzel: gänge vereinigen (H. E. Ziegler). Umhüllt werden sie ge- meinsam von einer zarten Haut, einer Serosa, die aus sehr feinen, straffen Fasern besteht (Taf. XXV, Fig. 17 rechts), während ein zartes locker-maschiges Bindegewebe sie unter sich zusammen- hält. Dies führt noch deutliche Zellen mit grossem Kerne so- wie Blutlakunen mit 'eingestreuten Blutzellen (Taf. XXV, Fig. 17 links). Hinsichtlich des Epithels, das einer anscheinend struktur- losen tunica propria von starkem Glanze aufsitzt, lassen sich zwei Bezirke unterscheiden, der viel umfangreichere sekretorische und der des Keimlagers, die ohne scharfe Grenze in einan- der übergehen. Der erstere Bezirk besteht aus zweierlei Zell- elementen, den Fermentzellen und den Fettzellen mit den dazu gehörigen Ersatz- und Mutterzellen. Erstere entwickeln aus einem, dem Öentralkörperchen wie es scheint, identischen Fermentkeim einen grossen in einer Blase liegenden Sekretklumpen, während das übrige Plasma, namentlich das des Fusses, das fragliche Archiplasma, dabei verschwindet. Ebenso wird der Kern dabei stark redueirt, und es bleibt nur noch seine unbrauchbar gewordene chromatische Sub- stanz zurück. Die Zelle wie endlich dieser Kernrest werden behufs der Sekretion ausgestossen. Die Fermentzellen entstehen sehr wahrscheinlich einzig und allein durch amitotische Theilung, nueleoläre Kernhalbirung, heranwachsender im Epithel vertheilter Mutterzellen. Das Gleiche gilt sodann für die Fettzellen, deren in der Tiefe des Epithels liegende Mutterzellen, (Basalzellen), sich früher in ähnlicher Weise halbiren. Sie bilden als sekre- torisches Element zahlreiche grosse Fettkugeln und vielleicht noch Körnergruppen. Ihr Fussplasma (Archiplasma?), wie auch der Kern werden beim Wachsthum nicht redueirt. Das Keimlager endlich wird von unreifen Epithelzellen, Zellembryonen, gebildet, die sich sowohl amitotisch wie auch mitotisch vermehren. Ersteres entspricht ihrer ver- kümmerten Funktion, letzteres sehr wahrscheinlich einem Spitzen- und Diekenwachsthum des Drüsenschlauches!). 1) Die Abbildung, welche Ziegler und vom Rath geben (l. e. S. 749) zeigt einen Schlauch mit auffallend schlanker Spitze, die ohne Zweifel mit Hilfe der Mitosen zu normalen Dimensionen heran- wachsen soll. Die Mitteldarmdrüse des Flusskrebses u. die amitotische Zelltheilung. 447 Versucht man nun, zum Schluss, eine allgemeine Folgerung aus diesen Befunden zu ziehen, so wird man diese nur auf ganz specielle Fälle ausdehnen können. Dennoch aber scheint mir, dass die Art und Weise der Zellregeneration, wie sie oben aus- einandergesetzt ist, nicht auf die Mitteldarmdrüse des Fluss- krebses oder der Decapoden beschränkt sein dürfte. Sie wird zunächst bei den Arthropoden noch weiter verbreitet sein, und, wie ich glaube, auch noch bei anderen Wirbellosen. Ja man wird dann vielleicht, wenn man von Zelltheilung spricht, in weiterer Durchführung ven zwei wesentlich verschie- denen Erscheinungen zu sprechen haben, nämlich einerseits von der Zellvermehrung, die sich mitotisch vollziehend ein Wachsthum des ganzen Organes resp. Organtheiles zur Folge hat, und von dem Zellersatz — was ich auch Regeneration nannte, — der auf amitotischem Wege vor sich geht und nur den Zweck hat, die behufs ihrer Thätigkeit dem Epithel verloren gehenden Zellen zu ersetzen, ohne dass daraus also ein Gesammtwachsthum resultiren würde. Wie sich bei dieser Frage endlich die Wirbelthiere verhalten, bleibe noch gänzlich offen. Es würde indessen emen ausserordentlich grossen Gegensatz zwischen den beiden Hauptabtheilungen der Metazoen bedeuten, wenn die Verhältnisse hier vollständig anders liegen und eine Abweichung von obiger Regel bedingen würden. Zwar soll diese letztere auch nicht für die Wirbellosen zur alleinigen Regel, zum Dogma erhoben werden, denn es wird auch unter diesen genug Ausnahmen davon geben. Es würde sich vielmehr nur fragen, ob sie überhaupt für gewisse Verhältnisse innerhalb der Wirbelthiere und Wirbel- losen zulässig sein wird oder nicht. Friedrichshagen (Berlin) im Februar 1893. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XXV und XXVI. Vorbemerkung. Es mag mehr als luxuriös aussehen, wenn in histologischen Dar- stellungen die Farben der Tinktionsmittel mit zur Ausführung kommen. Auch im vorliegenden Falle hätte ihre Wiedergabe vielleicht über- 448 Prof. Joh. Frenzel: flüssig geschienen. Allein ich wusste kein Mittel, um nach meiner Meinung wichtige Differenzirungen in anderer Weise darzustellen, als durch eine möglichst getreue Nachahmung der zu Grunde liegenden Präparate. In Folge dessen wählte ich auch einen getönten Hinter- grund (Juliennepapier), um in Gouachemanier die in Wahrheit stärker lichtbrechenden Elemente mittels Deckweiss hervorzuheben. ig. 14. Fig. Fig. 10. ie. 11. 18: 15. 16. Tafel XXV. Färbung der Präparate: Lichtgrün und Safranin. Isodiametrische Fermentmutterzelle mit sich halbirendem Kern und einem sichtbaren Fermentkeim (Centralkörperchen?). Vergr. — ca. 800. Aehnliche Zelle mit einem grossen Kern und Nucleolus. Das Fussplasma (Archiplasma?) ausnahmsweise kortikal gelegen. Vergr. dieselbe. Aehnliche Zelle mit bereits gestrecktem Kern, zwei Nucleolen und zwei Fermentkeimen. Vergr. dieselbe. Junge, spitz auswachsende Fettzelle.e Der Kern ist noch von seinem Hof umgeben. Vergr. —= ca. 1200. Blutzelle mit grüngefärbtem, wabenartigen Plasma. Vergr. — ca. 800. Junge Fettzelle,. beim Beginn des Auswachsens. Vergr. — ca. 1200. Desgl. in weiter vorgeschrittenem Stadium. Dieselbe Vergr. Gequollener halbreifer Fermentklumpen, das Maschen- (oder Waben?)werk zeigend. Vergr. = 800. Etwas geschrumpfter Fermentklumpen. Maschen mit dicken Wandungen. Dies. Vergr. Schmale Ferment-Ersatzzelle mit getheiltem Fermentkeim. Dies. Vergr. Jüngere Ersatzzelle vor der Theilung, mit sich einschnüren- dem Kern und zwei Fermentkeimen. Dies. Vergr. Eine junge Ferment- und eine junge Fettzelle. Die pseudo- chromatische Substanz in ersterer besteht aus langgezogenen Maschen. Dies. Vergr. Eine reifere Ferment- und eine reife Fettzelle. Der Kern der ersteren ist zusammengezogen und diffus. Dies. Vergr. Längsschnitt durch die Schlauchspitze (Keimlager eines jungen Krebses). Links eine oberflächliche Mifose, rechts ein Mutter- Fettzellchen. Vergr. = ca. 400. Querschnitt durch das Keimlager eines jungen Krebses, links eine oberflächliche Mitose, rechts ein Mutter-Fettzellchen und eine Blutzelle mit verändertem Kern. Vergr. = ca. 800. Eine fast reife und eine noch junge Fermentzelle, den Unter- schied zwischen den beiden Kernen darstellend. Der Ferment- ballen mit mehreren Klumpen. Vergr. = ca. 800. Die Mitteldarmdrüse des Flusskrebses u. die amitotische Zelltheilung. 449 Bio. 17. Fig. 18. Fig. 33. Längsschnitt durch das Keimlager eines jüngeren Krebses. Links eine oberflächliche Mitose, hinten und rechts kleine Fettzellchen in der Tiefe des Epithels. Ausserhalb des Epithels links faseriges Bindegewebe mit 2 Zellen, sowie in der Blut- lakune geronnenes Blut und eine Blutzelle.. Rechts vom Schlauch Serosa, aus straffen, feinen Fasern bestehend. Vergr. — er Ferment-Ersatzzelle mit halbirtem Kern, vor der Theilung: Der Pfeil deutet die voraussichtliche Theilungsebene an. Vergr. = 800. Heranreifende Ferment-Ersatzzelle. Der Fermentkeim ver- grössert sich. Vergr. = ca. 800. Fett-Mutterzellchen mit halbirtem Kern. Vergr. — 800. Desgl. Der Kern schnürt sich ein; 2 Nucleolen. Dies. Vergr. Ferment-Ersatzzelle mit sich zerschnürendem Kern (Doppel- kern). Dies. Vergr. . Fett-Mutterzellchen mit 2 gleichen Kernen. Vergr. — 1000. Desgl. Zwei eiförmige schiefstehende Kerne. Dies. Vergr. Querschnitt durch das Keimlager eines älteren Krebses. Keine Mitosen, jedoch mehrfache Fett-Mutterzellchen. Vergr. — ca. 620. Ferment-Ersatzzelle mit 2 übereinander liegenden Kernen, Vergr. = 800. Querschnitt durch das Keimlager eines älteren Krebses. Keine Mitosen, jedoch nukleoläre Kernhalbirung in unausgebildeten Fermentzellen. Vergr. — ca. 800. Heranreifende Ferment-Ersatzzelle mit verdoppeltem Ferment- keim. Vergr. = 800. Eine Ferment-Ersatzzelle mit 2 übereinander liegendem Kernen und eine Fettzelle. Dies. Vergr. Nahezu reife Fermentzelle mit halbmondförmigem (napfförmi- gem) Kern. Dies. Vergr. Sich theilende Ersatz-Fettzelle mit einseitig zugespitzten Toch- terkernen. Dies. Vergr. Zwei Fettzellen mit hochliegendem Kern nach Behandlung mit heissem Sublimat, an der Basis eine doppelkernige Mutter- Zelle, Vierer. 800. Kern einer Fermentzelle, nach derselben Behandlung. Dies. Vergr. Tafel XXVIl. Eine heranreifende Ferment- und ebensolche Fettzelle; Mutter- zelle an der Basis. Hämatoxylin-Safranin. Vergr. — 800. Heranreifende Ferment-Ersatzzelle mit sich theilendem (?) Fer- mentkeim. Dies. Behandl. Dies. Vergr. 450 Prof. Joh. Frenzel: Fig. 3. Fast reife Fermentzelle. Kern halbmondförmig. Ferment- klumpen wabenartig. Dies. Behandl. Dies. Vergr. Fig. 4. Zweinoch nicht reife Fettzellen, dazwischen eine aufwachsende, links eine Blutzelle. Eosin-Hämatoxylin. Vergr. = 800. Fig. 5. Querschnitt durch das Keimlager eines älteren Krebses. Eine amitot. Kerntheilung. Hämatoxylin-Safranin. Vergr. = ca. 800. 5, T und 8. Aufwachsende Fett-Mutterzellchen. Vergr. — 1200. Fig. 9. Fett-Mutterzellchen. Abweichende Kerntheilung nach oben hin. Vergr. = 1200. Fig. 10 und 11. Zwei anscheinend auseinander gerissene Fett-Mutter- zellchen. Hämatoxylin-Eosin. Dies. Vergr. Fig. 12. Zwei benachbarte Fett-Mutterzellchen, links zurückbleibend, rechts aufwachsend. Hämatoxylin. Dies. Vergr. Fig. 13. Zwei Mutterzellchen, unmittelbar nach erfolgter Halbirung. Dies. Vergr. . 14. Längsschnitt durch das Keimlager eines älteren Krebses. Meh- rere amitot. Kerntheilung. Pikrinsäure. Hämatox. Vergr. = 620. Fig. 15. Fast reife Fermentzelle. Der Kern ist sichel- (uhrglas-)förmig, sehr klein. Vergr. = 800. Fig. 16. Halbschematischer Querschnitt durch den sekretorischen Ab- schnitt eines Drüsenschlauches, die Zellen in allen möglichen Stadien darstellend. Vergr. —= ca. 300. Nachschrift. Die vorliegende Schrift war bereits dem Druck übergeben worden, als die Arbeit M. Cloetta’s: „Beiträge zur mikroskopi- schen Anatomie des Vogeldarmes“ erschien (s. dies. Arch. Bd. 41 (1), $S. 88 f.). Indem der ‚Verf. meine früheren Mittheilungen über diesen Gegenstand anführt, findet er es auffällig (l. ec. p. 108 f.), dass meine Angaben die amitotische Zelltheilung betreffend ‚so vielfach eitirt werden, auffällig, weil eine eingehendere Prüfung die Berechtigung solcher Angaben in sehr zweifelhaftem Lichte erscheinen lässt“. Verf. vermag wenigstens, „Bildern, wie Bd 26, Taf. VIII, Fig. 26a und Taf. I, Fig. 24a, absolut keine Beweis- kraft für amitotische Vorgänge zuzuerkennen“. Mir geht es m der That ebenso und ich muss M. Cloetta vollständig beistim- Die Mitteldarmdrüse des Flusskrebses u. die amitotische Zelltheilung. 451 men; denn die von demselben eitirten und mir zugeschriebenen Abbildungen existiren gar nicht und können mithin auch keine Beweiskraft haben. Bei einer Kritik sollte man “doch im Citat wenigstens so exakt sein, dass sich ein An- derer darin zurechtfindet. Vergeblich habe ich daher gesucht, welehe Abbildungen M. Cloetta denn eigentlich meint. Sollte es etwa dies. Arch. Bd. 26, Taf. IX, Fig. 26a sein? Dort ist freilich von einer Amitose nicht, wohl aber von einer deutlichen Mitose die Rede. Es bliebe dann noch Fig. 24a auf derselben Tafel übrig. Hier sieht man allerdings eime kleime Basalzelle mit zwei abgerundeten Kernen. Aber warum führt Verf. nur diese und nieht andere, beweiskräftigere Abbildungen an z. B. dies. Arch. Bd. 25, Taf. IX, Fig. 15 bis 26 ete.? — M. Cloetta wirft mir ferner vor, dass es gar nicht gesagt sei, „wo diese Jungen Zellen überhaupt herkamen“. Was ist damit gemeint, ihre embryologische Herkunft, ihre Abstammung von irgendwel- cher Embryonalzelle oder ihre Herkunft von anderen Epithel- elementen? Ersteres zu beantworten hatte ich nun nie unter- nommen, und letzteres sollte doch aus meinen Darstellungen hervorgehen können. Denn wenn wir eine Mutterzelle annehmen, — woher diese ursprünglich stammt, bleibt dabei ja gleich- gültig —, die sich theilt, so ist doch nichts einfacher, als dass der eine Theil zur Ersatzzelle auswächst, während der andere als Mutterzelle zurückbleibt, um sich späterhin in gleicher Weise wieder zu theilen. Würden freilich beide Theilhälften zu Ersatz- zellen auswachsen, so müsste man die Basalzellen von wo anders her ableiten, also, in unseren Fällen wenigstens, von einem Keim- lager aus. In der obigen Arbeit glaube ich jedoch ausgeführt zu haben, dass hinsichtlich der Mitteldarmdrüse der Deeapoden eine solche Annahme sehr wenig für sich habe. In anderen Geweben, bei anderen Thieren, namentlich bei Wirbelthieren, mögen freilich die Verhältnisse ganz anders beschaffen sein, und ich bin weit entfernt davon, auf Grund meiner Erfahrungen die Angaben Bizzozero’s und Cloetta’s bezweifeln zu wollen, selbst dann nicht, wenn sie von nicht gerade mustergiltigen Ab- bildungen begleitet sind. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 41 29 452 Das Keimbläschen, seine Elemente und Lageveränderungen. I. Ueber die biologische Bedeutung des Keimbläschen- stadiums und über die Bildung der Vierergruppen. Von Dr. Valentin Häcker, Privatdozent und Assistent am zoologischen Institut der Universität Freiburg i. Breisg. Hierzu Tafel XXVII und XXVIII und eine Textfigur. Der Versuch, auf’s Neue die vergleichend-morphologische Methode den Problemen des Keimbläschens gegenüber anzuwen- den, mag vielleicht der Rechtfertigung bedürfen angesichts der soeben von OÖ. Hertwig (20) ausgesprochenen Mahnung, man sollte „bei allen Untersuchungen des Kernes mehr Gewicht auf die chemische Beschaffenheit der einzelnen Inhaltsbestandtheile, als auf ihre formale Anordnung legen, welehe jedenfalls der er- steren gegenüber das Nebensächlichere ist“. Es wird wohl Niemand leugnen, dass wir allerdings erst durch eine genauere Feststellung des chemischen Werthes der verschiedenen Kern- elemente zu einer Grundlage gelangen werden, welche zuverläs- sigere Rückschlüsse auf das Wesen der im Kern sich abspielen- den Vorgänge gestattet. Es sind auch schon seit geraumer Zeit, seit den Untersuchungen Flemming’s und des Botanikers E. Zacharias, gewisse chemische Eigenschaften der Kernbestand- theile, ihr verschiedenes Verhalten gegen Tinktionsmittel, Säuren und Alkalien, herangezogen worden, um eine Sichtung des mor- phologischen Materials vorzunehmen. Jedoch nur zur Siehtung desselben sind auf diese Weise wesentliche Beiträge geliefert worden, dagegen sind unsere mi- krochemischen Kenntnisse noch vollkommen unzureichend, wenn es sich darum handelt, die Bedeutung und den Zusammenhang der verschiedenen im Kern und speziell im thierischen Keim- bläschen auftretenden Elemente klarzulegen. Hier darf wohl Das Keimbläschen, seine Elemente und Lageveränderungen. 453 auch heute noch die vergleichend-morphologische Forschung ein- setzen, wenn auch nur um den Boden für eine tiefer dringende Methode vorzubereiten. Die Mängel aber, welche naturgemäss der im Folgenden beibehaltenen Richtung anhaften, gleichen sich vielleicht einiger- maassen wieder aus durch die Berücksichtigung der biologischen Verhältnisse, unter welchen diese oder jene Keimbläschen- struktur wiederkehrt. Bereits m meiner früheren Arbeit über die Eibildung bei den Copepoden (12) habe ich versucht, von diesem Gesichtspunkt aus die verschiedenen bei der Reifung des Eies auftretenden Typen zu erklären und ich bin zu dem Eı- sebniss gekommen, „dass auch im Mikrokosmus des regenerati- ven Lebens eine weitgehende Anpassungsfähigkeit zur Geltung gelangt“. In dem vorliegenden Aufsatze nun soll dieser Satz auf's Neue eimer Prüfung unterzogen und die Frage gestellt werden, ob nicht gewisse Erscheimnungsformen der Kernbestand- theile im Zusammenhang mit bestimmten biologischen Faktoren stehen ? Bei den in dieser Richtung angestellten Untersuchungen, von welchen, wie gesagt, ein Emblick in die Beziehungen zwi- schen den einzelnen Kermbestandtheilen ‚erhofft wurde, gelangte ich. zunächst zu Ergebnissen, welche zur Beantwortung einer Vorfrage, nämlich der Frage nach der biologischen Be- deutung des Keimbläsehens überhaupt, herangezogen werden konnten. An und für sich liegt es ja nahe, das „Keimbläschensta- dium“ des thierischen Eies ohne Weiteres mit dem feinfadigen „Ruhestadium“ in Homologie zu setzen, welches bei den Fur- cehungsvorgängen und ebenso bei der Vermehrung der somatischen Gewebe zwischen zwei aufeinander folgende Kerntheilungen sich einschaltet. Nun hatte sich aber zunächst für die Copepoden (12, 14) herausgestellt, dass diejenige Längsspaltung des Chromatinfadens, durch welche die erste Theilung der Reifungsphase (Bildung des ersten Riehtungskörpers) eingeleitet wird, bereits vor dem Keim- bläschenstadium, nämlich schon in den Dyastern bezw. Dispiremen der letzten Theilung der Ureizellen, seinen Ursprung nimmt, und diese Ergebnisse haben neuerdings durch die Befunde Rückert’s (27) am Selachierei ein Gegenstück erhalten. 454 Dr. Valentin Häcker: Darin liegt nun offenbar ein Widerspruch zu den Verhältnissen in embryonalen und somatischen Kernen, bei welchen die Längs- spaltung des Chromatinfadens erst nach dem feinfadigen Stadium stattfindet und es erhebt sich die Frage: ist dieses besondere Verhalten der ehromatischen Substanz im Keimbläschen nur von nebensächlicher Bedeutung, so dass eine direkte Homo- logisirung des Keimbläschenstadiums mit dem feinfadigen Ruhe- stadium statthaft ist, oder liegen T'hatsachen vor, welche eine anderweitige Erklärung nothwendig machen? Aus den folgenden Abschnitten wird hervorgehen, dass die Frage in letzterem Sinne zu entscheiden ist. 1. Terminologisches. Um in die verwickelten Verhältnisse, wie sie bei den zu- nächst zur Besprechung kommenden Crustaceen vorliegen, einen Einblick zu bekommen, hat man sich vor Allem zu vergegen- wärtigen, dass bei den Copepoden und Cladoceren die von einem Weibehen während emer und derselben Fortpflanzungsperiode produzirten Eier nicht in ununterbrochener Aufeinanderfolge, son- dern partieenweise und in periodischen Zwischenräumen abgesetzt werden. Die Leerung der Eigänge und ihre durch Proliferation des „Keimlagers“ erfolgende Wiederauffüllung geht demgemäss schubweise vor sich, und, wenn wir zunächst absehen von der sekundären Differenzirung in Ei- und Nährzellen (Cladoceren), so zeigen im grossen Ganzen sämmtliche im Ovarium und in den Ovidukten befindlichen Kerne die nämliche Entwicklungsstufe. O0. Hertwig (19) hat bekanntlich in der Hoden- und Eier- stoeksröhre von Ascaris drei hintereinander folgende Zonen unter- schieden: m der Keimzone!) erfolgt die Bildung und Vermeh- rung der Urkeimzellen (Ursamen- und Ureizellen); in der Wachs- thumszone wächst die als Keimmutterzellen (Samen- und 1) Die Keimzone umfasst auch das „Keimlager“ oder „Keim- epithel“, welches als zusammenhängendes Epithelpolster oder in Form von gesonderten Regenerationsherden zur Zeit der Fortpflanzung durch Proliferation die Urkeimzellen liefert. Die Zellen des Keimlagers oder Keimepithels sind direkte Ab- kömmlinge der „Urgenitalzellen“ (Urgeschlechtszellen), welche in einem früheren oder späteren Stadium der Embryonalentwicklung als erste, sexuell noch nicht differenzirte Anlage der Geschlechtsorgane auftreten. Das Keimbläschen, seine Elemente und Lageveränderungen. 455 Eimutterzellen) bezeichnete letzte Generation der Urkeimzellen, ohne sich weiter zu vermehren, und speichert in ihrem Innern das Dottermaterial auf, während der Kern die typischen Bilder des „Keimbläschenstadiums“ zu zeigen pflegt. In der Reife- zone endlich erfolgt eine zweimalige die Befruchtung vorberei- tende Theilung (Bildung der Samenzellen, bezw. der Eizelle und der Riehtungskörper). Wir wollen in Anlehnung an die O. Hertwig’sche (im ÖObigen mit geringfügigen Abänderungen wiedergegebene) Termi- nologie die verschiedenen m den Genitalröhren sich abspielenden Entwieklungsstufen als Keim-, Wachsthums- und Reifephase unterscheiden. Auf Grund der oben erwähnten Periodizität der Eibildungsvorgänge decken sich bei unsern Crustaceen diese drei zeitlichen Phasen nicht auch mit drei örtlich hintereinander folgenden Zonen oder Abschnitten, wie dies bei Ascaris der Fall ist. Vielmehr pflegen — abgesehen vom Keimlager selbst — sämmtliche im Ovarium und in den Eigängen befindlichen Ele- mente nahezu gleichaltrig zu sein. Dies bildet selbstverständlich für die Untersuchung erhebliche Hindernisse, und bei den Daph- niden speziell kommt als weiterer erschwerender Umstand noch hinzu, dass der grösste Theil der in die Eigänge gelangenden Keimzellen die Rolle von Nährzellen übernimmt, und demnach in jedem einzelnen Mutterthiere nur relativ wenige eigentliche Eikerne zum Vergleiche vorliegen. Bei Sida erreichen die gleich- zeitig von einem Mutterthiere produzirten Wintereier noch die Zahl 20, bei Bythotrephes, Daphnia und Moina paradoxa sind es dagegen nur zwei, bei Moina rectirostris gelangt nur ein einziges jedesmal zur Ausbildung (28). Zu sicheren Ergebnissen führt hier nur die Heranziehung von solehen Formen, welche in Massen auftreten und so ein be- liebig zu vermehrendes Material darbieten, vor Allem aber muss der Vergleich nahe verwandter Arten die erwähnten Mängel ausgleichen. 2. Chromatische und achromatische Stufe der Wachsthumsphase. Als „Wachsthumsphase“* kann derjenige Entwicklungsab- schnitt der Eizelle bezeichnet werden, welcher mit dem Mo- mente, wo die Dyaster der letzten Theilung der Ureizellen in die Dispireme übergehen, beginnt, und welcher begrenzt ist durch 456 Dr. Valentin Häcker: den Augenblick, in dem das Keimbläschen an die Oberfläche des Eies getreten ist. Es ist eine Reihe von Erscheinungen, welche in den verschiedenen Thierklassen diesen Zeitraum cha- rakterisirt: dieallmähliche Verblassungdesvon der letzten Theilung der Ureizellen übernommenen Fadenknäuels unddiefrühzeitigeLängsspaltung desselben, das Verhalten der Nueleolen, das Waehsthum. des‘ Zellleibs. unter ‚gleichzeitieer Aufspeicherung des Dottermaterials, und end- lich die Wanderung des Keimbläschens an die Oberfläche. Wir sind heutzutage über den Zusammenhang dieser verschiedenen Vorgänge nur sehr wenig unterrichtet und es schien mir desshalb ein dankbares Unternehmen zu sein, unter möglichster Heranziehung der zahlreichen Beobachtungen anderer Forscher, die eigenen Ergebnisse zu einem übersichtlichen Bilde zu vereinigen. *” Zunächst waren es, wie erwähnt, die niederen Crustaceen (Copepoden und Cladoceren), welche für die morphologische und physiologische Betrachtung des wachsenden Eies ein gün- stiges Objekt zu sein versprachen, da unter dem Einfluss ver- schiedenartiger biologischer Faktoren die Vorgänge selbst bei nächstverwandten Formen bedeutend voneinander abweichen und demnach die Möglichkeit geboten ist, durch vergleichende Be- trachtung das Wesentliche von dem Sekundären zu trennen. Zunächst stellte sich für die erwähnten niederen Crustaceen die Nothwendigkeit heraus, aus praktischen Gründen die Wachs- thumsphase des Kerns selbst!) in zwei Abschnitte zu theilen, von denen der erste gekennzeichnet ist durch die Anwesenheit eines einzigen „Nucleolus* und durch die leichte Färbbarkeit des Fadenspirems (chromatische Stufe, Wph I), der zweite durch die Anwesenheit mehrerer „Nucleolen“ und die Abneigung der ehro- matischen Substanz, die Mehrzahl der Färbungsmittel anzunehmen (achromatische Stufe, Wph II). An diese achromatische Stufe reiht sich dann wieder eine kürzer dauernde (zweite) chromatische an, welche den Uebergang zur ersten Richtungstheilung darstellt. I) Wo im Folgenden der Ausdruck „Wachsthumsphase* ange- wandt ist, soll er stets nur eine Entwicklungsperiode des Kernes selbst, nicht der ganzen Eizelle bezeichnen. Das Keimbläschen, seine Elemente und Lageveränderungen. 457 Es seien nun in erster Linie die Verhältnisse ins Auge ge- fasst, wie sie bei den Copepoden vorliegen, und wie ich sie zum Theil schon früher beschrieben habe. Zur Orientirung sollen zunächst einige Skizzen vorausgeschiekt werden, welche den anatomischen Bau des weiblichen Geschlechtsapparats der Cyelo- piden klarlegen. In Figur 1 ist ein Frontalschnitt durch den Geschlechts- apparat von Cyclops strenuus kurze Zeit nach Füllung der Eigänge dargestellt. Die unpaare „Keimdrüse* (Ovarium) liegt im Cephalothorax an der Dorsalseite des Darms und zwar so, dass das blinde, das „Keimlager“ enthaltende Ende eaudalwärts gelegen ist. Bei einzelnen Arten, z. B. ©. signatus, tritt deutlich die paarige Anlage des Keimlagers hervor. Die jungen Eizellen rücken zunächst nach vorn und biegen dann rechts und links in die Eigänge ein, welche, wenn eben erst gefüllt, als einfache, unverzweigte Schläuche zu beiden Seiten des Darmrohrs nach hinten laufen. In der Keimdrüse selbst wollen wir, rein örflich, einen proximalen Abschnitt (p. ov.) von einem medialen (m. ov.) und einem distalen (d. ov.) unterscheiden. Der proximale Abschnitt enthält am blinden Ende das Keimepithel oder Keimlager, welches unter fortgesetzten Thei- lungen die Ureizellen liefert. Dieselben theilen sich (etwa an der Grenze von p. ov. und m. ov.) abermals und die aus dieser Theilung hervorgehenden Zellen stellen die Eimutter- zellen dar. Die Kerne derselben treten nun in die Wachs- thumsphase ein, deren verschiedene Stufen (siehe oben) in den Elementen des medialen und distalen Ovarialabschnittes, sowie in den Ovidukten zur Beobachtung gelangen. Die Dotterabscheidung beginnt unter allen Umständen’erst-beim DebertrittiderBEizellen aus dem Ovarium in die Ovidukte, einerlei, in wel- cher speziellen Stufe der Wachsthumsphase sich die Eikerne befinden. Die Eizellen zeigen in den Ovidukten Anfangs (Fig. 1) eine rundliche oder abgerundet-polygonale Gestalt. Mit zunehmendem Wachsthum aber nehmen sie eine überaus unregelmässige Form an: die ursprünglich schlauchförmigen Ovidukte treiben, mit den wachsenden Eizellen prall gefüllt, Aussackungen zwischen die dorsoventralen und längsverlaufenden Muskelzüge und dement- 458 Dr. Valentin Häcker: sprechend werden auch die plastischen Eizellen in der verschie- densten Weise gepresst und nehmen überaus wechselnde Um- risse an. Die Fig. 2 zeigt einen ziemlich hoch gelegenen Frontal- schnitt durch einen der Ovidukte und deutet die eben bespro- chenen Formveränderungen der Eizellen an. Bei d ist ein An- schnitt des Darmrohrs, bei m sind Querschnitte der dorsoventralen Muskelzüge dargestellt. Fassen wir zunächst Cyelops brevicornis in's Auge, eine Form, welche sich fast das ganze Jahr hindureh in Fort- pflanzungsthätigkeit befindet und in grösseren Zwischenräumen jedesmal eine relativ bedeutende Anzahl von Eiern (bis zu 100) liefert. Die „Keimphase“ der Kerne fällt mit dem proximalen Ab- schnitt (p. ov.) des Ovariums zusammen, der mediale Abschnitt des letzteren (m. ov.) wird von der ersten Stufe der Wachs- thumsphase ausgefüllt, während der distale Abschnitt (d. ov.), sowie die Ovidukte in den meisten Fällen die zweite Stufe zur Ansicht bringen. Wir übergehen die m der Keimphase sich abspielenden Theilungsprocesse und berücksichtigen allein die Verhältnisse, wie sie in den beiden genannten Stufen der Wachs- thumsphase vorliegen. Das verschiedene Verhalten des Kerns in desselben gibt die Fig. 3 wieder, welche nach einem Sublimatalkohol-Hämato- xylinpräparat!) gezeichnet ist. Wph I: Im medialen Abschnitt des Ovariums, unmittelbar neben den Dyastern der letzten Theilung der Ureizellen, sieht man (Fig. 3, Wph I) Kerne im Dispiremstadium mit kleinem, excentrisch gelegenen Nucleolus, der sich ebenso wie die chro- matische Substanz tief tingirt. Während aber in etwas älteren Kernen die letztere mehr und mehr verblasst und gegen das Ende des Ovariums zu fast vollständig unsichtbar wird, bewahrt der kleine, excentrische Nucleolus zunächst seine volle Tingir- barkeit. 1) Fixirung mit heissem Sublimatalkohol: auf ungefähr !/; Liter 7Oprozentigen Alkohol ein paar Tropfen konzentrirte Se, Färbung ‚mit Hämatoxylin: ammoniakalisch-alkoholische Lösung mit Zusatz von Methylalkohol und Glyc. puriss. Das Keimbläschen, seine Elemente und Lageveränderungen. 459 Wph II: Neben ihm treten in der zweiten Stufe (Fig. 3, Wph II) ein oder zwei grössere nucleolenförmige Körper auf, welche eine geringere Affinität zu den Farbstoffen zeigen, von mehr oder weniger unregelmässiger Gestalt sind und in ihrem Innern „Vakuolen“ zeigen, ebenso wie dies beim ursprünglichen Nucleolus der Fall ist. Dieser letztere scheint vielfach einem seiner neuentstandenen Genossen kappenförmig aufzusitzen und derartige Bilder erinnern dann an Verhältnisse, wie sie Flem- ming für das Keimbläschen von Cyclas comea und das der Najaden beschrieben hat (vergl. Fig. 20). Es soll im Folgenden der kleine, in der Einzahl vorhan- dene, exeentrisch gelegene und stark tingirbare Nucleolus als Hauptnucleolus (Flemming), die grösseren, in der Mehrzahl vorhandenen, unregelmässig geformten und schwächer färbbaren Körper als Nebennueleolen bezeichnet werden. In sämmt- lichen Tafelfiguren sind dann — ohne Rücksicht auf die jeweils angewandte Tinktion der Präparate — der Hauptnucleolus und seine Zerfallprodukte schwarz, die Nebennucleolen und ihre Aequivalente blau gezeichnet. Etwas anders als bei der oben angewandten Färbungs- methode, stellt sich nun die zweite Stufe der Wachsthumsphase auf Pikrinschwefelsäure - Alauncochenille - Präparaten dar. Wie Fig. 4a zeigt, zeichnet sich auch hier der Hauptnucleolus durch starke Tingirbarkeit aus, aber auch der Nebennucleolus hat sich intensiver gefärbt und ebenso tritt die chromatische Substanz noch längere Zeit hindurch in Form von blassen Doppelfaden- zügen deutlich hervor. Eigenthümlich ist aber bei dieser Fixi- rung und Färbung die Erscheinung des Nebennueleolus: er stellt sich vielfach als hohles Gebilde!) von ellipsoidischer Gestalt dar, dessen einem Pole der Hauptnucleolus kappenförmig aufsitzt. Die Rinde des Nebennucleolus ist gut färbbar und schwächer lichtbreehend, als das umgebende Medium, und ist scharf abge- grenzt von dem speckig glänzenden, stark liehtbrechenden Innen- raum. Verfolgt man nun die Veränderungen der Kernbestandtheile im Oviduktei, so sieht man sowohl auf Sublimat- als auf Pikrin- 1) Vielleicht werfen diese Bilder ein Licht auf die merkwürdige „Ringbildung“ im Keimbläschen von Canthocamptus (12). 460 Dr. Valentin’Häcker: schwefelsäurepräparaten neben dem allmählich kleiner werdenden Hauptnucleolus den Nebennueleolus eine unregelmässige, ausge- buchtete Form annehmen (Fig. 4b, Fig. 5), während die ehroma- tische Fadenstruktur immer undeutlicher wird. Sehliesslich finden wir Bilder (Fig. 6), in welchen der Haupt- nucleolus anscheinend verschwunden ist und im Umkreis des vollständig zerbröckelten Nebennueleolus sind concentrische, ver- waschene Flecken erkenntlich, welche als letzte Andeutung der ehromatischen Masse zu betrachten sind. . 3. Ueber einen doppelten Eireifungsmodus innerhalb einer Spezies. Was wir bisher bei Cyelops brevicornis kennen gelernt haben, soll zunächst nur den Unterschied zwischen der chroma- tischen und achromatischen Stufe der Wachsthumsphase klarlegen. Einen tieferen Einblick in die hier auftretenden Veränderungen und vor Allem in die Beziehungen zwischen Nucleolen und chro- matischer Substanz erhalten wir bei Heranziehung einer 2. Oyelops- Art, des Cyelops strenuus. Es ist dies, wie ich früher ausge- führt habe, eine „halbpelagische“ Art, d. h. eine Form, welche unter bestimmten örtlichen Verhältnissen die bezeichnenden pela- gischen Charaktere annimmt. Das von mir untersuchte Material wurde einem kleineren Tümpel in dem Altwassergebiet des Rheins entnommen, wo diese Form periodisch und stets nur für kurze Zeit in Massen aufzu- treten pflegt. Die Weibchen beeilen sich, dureh rasch hinter- einanderfolgende Produktion von Eiersäcken die Zeit, welche ihnen bis zur Bevölkerung des Tümpels durch andere Bewohner zu Gebote steht, auszunützen und die Aufeinanderfolge der ein- zelnen Eisätze geht in der Weise vor sich, dass häufig Weib- chen gefunden werden, welche Eiersäckchen mit Nauplien tragen, bei denen aber trotzdem schon der nächste Satz von Eiern (im Copulationsstadium) im Hervorquellen begriffen ist. Bei allen untersuchten Weibchen weist, genau wie bei ©. brevieornis, der Anfangstheil des Ovariums (Fig. 1, p. ov) die Theilungen der Ureizellen, der mediale Abschnitt (m. ov.) dage- gen die cehromatische Stufe der Wachsthumsphase (Wph I) mit stark tingirbarem Chromatin und excentrisch gelegenem, gleich- falls gut färbbarem Hauptnucleolus auf. Aber von hier an Das Keimbläschen, seine Elemente und Lageveränderungen. 461 zeigt sich unter den verschiedenen Weibchen ein wichtiger Unter- schied. Bei allen Weibchen, welche keine Eiersäcke mit sich führen, worunter sich jedenfalls sämmtliche erstgebärende befinden, behalten auch im distalen Abschnitt des Ovariums die Kerne den für die erste Wachtsthumsstufe charakteristischen Habitus (Fig. 3, Wph TI) bei, ja, es findet selbst in den Ovidukt- eiern kein Uebergang zur zweiten Stufe statt, vielmehr zer- legt sich das Doppelfadenspirem, welches bei der letzten Theilung der Keimphase von den Eimutterzellen über- nommen wird, direkt in die Schleifen oder Stäbchen welche bei der Bildung der Riechtungskörper die Theilungseim- heiten darstellen und der ursprüngliche Hauptnucleolus bleibt bis in die späteren Stadien der Wachsthumsphase erhalten. Wenn schon an und für sich — bei den klaren Zahlenverhältnissen — ein Zweifel über die Aufemanderfolge der einzelnen Stadien nicht bestehen kann, so haben wir ausserdem noch für die Beurthei- lung derselben eine Handhabe in den allmählichen Formverände- rungen, welche die Eizellen selbst in den Ovidukten ein- gehen (vergl. Fig. 1 und 2). Bei allen eiersacklosen Weibehen, deren Ovidukteier sich dureh ihre abgerundet-polygonalen Umrisse als verhältnissmässig jugendliche erweisen, bemerken wir (Fig. 7) neben dem in Einzahl vorhandenen Hauptnucleolus, der durch fortgesetzte Grössenzunahme aus dem Hauptnucleolus der Ovarialeier entstan- den ist, eine anscheinend vollständig zusammenhängende Doppel- fadenschlinge von homogener Beschaffenheit. Gehen wir dann zu solehen eiersaeklosen Weibchen über, deren Ovidukteier sich dureh Grösse und polymorphe Umrisse als ältere erweisen (Fig. 9), so sind hier aus der Doppelfadenschlinge zunächst vier und später acht Doppelfadensegmente hervorgegangen!). Diese 1) Bemerkenswerth an Fig. 8 ist vor Allem auch die Lage der Kerne. Die Eizellen sind in einfacher Reihe zwischen Darm und Längsmuskulatur angeordnet und dementsprechend auf einseitige Nahrungsaufnahme angewiesen. Sämmtliche Kerne liegen nun der dem Darm benachbarten Wand der Zelle an und als Wirkung dieser Lageveränderung ist eine halbmondförmige, dotterarme Plasmainsel an der dem Darm entgegengesetzten Seite des Kerns zu betrachten. Es bildet dieses Verhalten des Kerns eine Illustration zu den bekann- ten Befunden von Haberlandt (11) und Korschelt (21). 462 Dr. Valentin Häcker: letzteren verkürzen sich nach und nach zu Doppelstäbchen (Fig. Yund 10), während neben dem kleiner werdenden Hauptnucleo- lus ein paar andere nucleolenartige Körper auftreten. Vier von den kürzer und dieker werdenden Doppelstäbcehen treten bei der ersten Riehtungstheilung in den ersten Richtungskörper ein, vier verbleiben im Eikern (Fig. 11). Bei der zweiten Theilung der Reifungsphase findet eine weitere Vertheilung der Einzelstäbehen zu je vieren auf den zweiten Richtungskörper und Eikern statt (Fig. 12 und 13). Wir sehen also bei diesen Mutterthieren eine direkte Zer- legung des Doppelfadens in die bei den Theilungen der Reifungs- phase auftretenden Elemente, d. h. zwischen die letzte Theilung der Ureizellen und die erste Theilung der Reifungsphase ist kein feinfadiges Ruhesta- dium des Kernes („Keimbläschenstadium“) ein- seschaltet. Diesem Modus einer direkten Entwicklung steht nun scharf ein zweiter gegenüber, der sich bei allen Weibehen findet, wel- che Eiersäckehen mit sich führen und bei denen also die im Ovidukt befindlichen Eier des nächsten Satzes eine „Stauung“ erleiden. Dieser Unterschied macht sich, wie erwähnt, vom distalen Abschnitt des Ovariums an bemerklich. Neben den der Kernwandung angeschmiegten chromatischen Doppelfadenzügen tritt ein exeentrischer Hauptnucleolus und ein schwächer färb- barer Nebennucleolus auf: es sind dies Bilder, wie sie für Cyelops brevieornis in Fig. 3 und 4 abgebildet sind. Auch hier (bei ©. strenuus) nimmt der Hauptnucleolus an Umfang nicht zu, dagegen wächst der Nebennucleolus zu bedeutenderen Dimensio- nen heran und nimmt zu gleicher Zeit eine immer unregelmässigere Contour an. In den Ovidukteiern begegnen wir dann an Stelle des Nebennueleolus langen, knäuelig gewundenen Gebilden (Fig. 14) oder aber einem Haufen von zahlreichen, unregelmässig geformten Körperchen oder Bläschen (Fig. 15). Das Chromatin dagegen, welches anfänglich noch (Fig. 14) in Gestalt einer ho- mogenen Doppelfadenschlinge den Kernraum durchzieht, zerlegt sich später in ein System von überaus charakteristischer Be- schaffenheit (Fig. 15 a—c), welches desshalb von besonderer Wich- tigkeit ist, weil es die Entstehung der bekannten „Vierer- gruppen“ in unzweideutiger Weise erkennen lässt. Die eigent- Das Keimbläschen, seine Elemente und Lageveränderungen. 463 liche chromatische Substanz konzentrirt sieh nämlich zunächst auf bestimmte Stellen der Doppelfadenschlinge und an jeder dieser Stellen tritt mehr und mehr eine starke Kniekung hervor (Fig. 15a, 16a), dureh welche diese verdiekten Doppelfadenpar- tieen je in zwei gleiche Schenkel getheilt werden. Durch diesen Process werden also Gebilde erzeugt, welche die Gestalt von zwei nebeneinanderliegenden, scharf geknieckten Winkeln (oder von 2 grossen lateinischen V) haben (Fig. 16a). Diese Doppel- winkel, deren Anzahl auf den Schnitten nicht genau festgestellt werden konnte, aber vermuthlich ein Vielfaches der beim direkten Entwicklungsmodus auftretenden „Normalzahl“ beträgt — stehen durch feine schwach gefärbte Doppelfadenzüge miteinander in Verbindung, deren im Allgemeinen parallel verlaufende Einzel- fäden häufig mehrfache Ueberkreuzungen zeigen (vergl. namentl. Fig. 15a und 16). In einem weiteren Stadium findet eme tropfenförmige Ver- diekung der 4 Enden der Doppelschenkel statt (Fig. 16 b und e), in den Ecken der Doppelwinkel konımt es dann zur Zerlegung derselben (Fig. 16 d), die vier Schenkel verkürzen sich noch mehr und das Resultat dieser Veränderungen sind demnach Bün- del von je vier kurzen, dieken Stäbehen, welche in der oben an- gegebenen Weise durch feine Doppelfäden mit den Nachbarbün- deln verbunden sind. Es sind die charakteristischen Vierer- gruppen, welche immer und immer wieder vor der ersten Theilung der Reifungsphase auftreten. Den Process der nach- träglichen Auseinanderlösung in den Winkelecken, den je zwei hintereinander folgende Elemente erfahren, möchte ich als Metalyse (nachträgliche Lösung) bezeichnen. Hand in Hand mit diesen Umbildungsprocessen der Kern- elemente geht die Grössenzunahme und Formveränderung der Ei- zellen selbst vor sich, in der Weise, dass sich die jugendlichen, abgerundet-polygonalen Zellleiber (Fig. 1) nach und nach zu grösseren, polymorphen Gebilden (Fig. 2) umgestalten. Wir haben also eine bemerkenswerthe Verschiedenheit des Ganges der Ovogenese innerhalb einer und derselben Species vor uns: bei allen Mutterthieren, welche keine Eiersäcke tragen, also jedenfalls bei allen erstgebärenden Weibchen, findet eine direkte Zerlegung des längsgespaltenen Dispi- 464 Dr. Valentin Häcker: rems der letzten Theilung der Ureizellen in die Theilungselemente der ersten Richtungskörperbildung statt, ohne Einschaltung eines feinfadigen Ruhestadiums; bei den mehrgebärenden Mutterthieren dagegen, bei welchen eine „Stauung“ der Ovidukteier stattfindet, erfolgt die Einschaltung eines feinfadigen Stadiums und eine Zerlegung des Doppelfadens in Elemente, welche offenbar Theilungseinheiten niedrigerer Ordnung!) als die Stäbchen des ersten Typus dar- stellen und welche sich zu den charakteristischen Vierergruppen zusammenordnen. 4. Zusammensetzung der Vierergruppen. Biologische Bedeutung des Keimbläschenstadiums. Ueber die Zusammensetzung der Vierergruppen lehrt uns ihre Entstehungs-Geschichte folgendes ; Wenn wir unter emem Paar von Schwesterelementen („identischen Idanten“, Weismann 30) solche Elemente verstehen, welehe durch Längsspaltung eines Mutterelementes ent- standen sind, so besteht also jede Vierergruppe aus zwei Paaren von Schwesterelementen, welche im zusammenhängenden Doppel- faden ursprünglich hintereinander gelegen sind. Oder mit Weismann: Jede Vierergruppe besteht aus zwei Paaren iden- tischer Idanten. Heissen nämlich die im Chromatinfaden hinter- einanderfolgenden Idanten a,b,e...., so wird der längsge- al Bikini] darstellen lassen la bieguegl , und die Formel für eine Vierergruppe ist nach dem Obigen: jabı lab/' Dieser Befund steht im Gegensatz zu der von Boveri (2) und neuerdings von Brauer (4) vertretenen Ansicht, nach wel- cher die Vierergruppen durch zweimalige Längsspaltung des Mutterfadens entstehen, wonach also im Sinne Weismann’s die [aa] Formel für dieselbe ® 5 wäre. spaltene Chromatinfaden sich durch 1) Ich verstehe darunter Elemente, welche aus Schleifen oder Stäbchen durch eine weitergehende Segmentirung (Quertheilung) ent- standen sind. Das Keimbläschen, seine Elemente und Lageveränderungen. 465 Ich gedenke an anderer Stelle auf die Verwerthbarkeit der [ab Formel Kan im Sinne der Weismann’schen Idantentheorie zurückzukommen und möchte zunächst nur darauf hinweisen, dass, nachdem die Entstehung und Zusammensetzung der Vierer- gruppen wenigstens für die Copepoden sicher gestellt ist, das Problem der Vierergruppen sich im Wesentlichen auf die Frage konzentrirt, in welcher Weise die Vertheilung der vier Elemente im Verlauf der beiden Theilungen der Reifungsphase erfolgt, ob die Lage der ersten Theilungsebene eine vollkommen bestimmte ist oder ob dureh eine in dieser Beziehung bestehende Willkür- liehkeit im befruchtungsfähigen Eikern „die Zahl der möglichen Combinationen der Idanten erhöht wird“. Auf die Bedeutung der Vierergruppen in kernthei- lungsgeschichtlicher Hinsicht werde ich im letzten Absehnitt dieses Aufsatzes zurückkommen. Zunächst soll nur das verschiedene Verhalten der Eibildung, wie es sich bei Ver- gleich verschiedener Arten innerhalb einer und derselben Species herausstellt, einer näheren Betrachtung unterzogen werden. Berüeksichtigen wir zunächst die Thatsache, dass bei den Copepoden mit Regelmässigkeit der Beginn der Dotterbildung und des hauptsächliehen Zellwachsthums mit dem Uebertritt der Eier aus dem Ovarium in die Ovidukte zusammenfällt. Demge- genüber ist bezüglich des Verhaltens des Kernes selbst festzu- stellen, dass bei den erstgebärenden Strenuus-Weib- ehen (ebenso wie bei den Signatus-Weibchen) überhaupt kein Uebergang von der ersten zur zweiten Stufe der Wachsthums- phase erfolgt, während bei mehrgebärenden Mutter- thieren dieser Spezies, sowie bei Brevicornis-Weib- chen bereits im distalen Abschnitt des Ovariums dieser mit einer feineren Vertheilung des Chromatins verbundene Uebergang vollzogen wird. Ich habe schon in meiner früheren Arbeit aus ähnlichen Befunden den Schluss gezogen, „dass es für die Dotter- abscheidung und das Wachsthum des Eies unwesentlich ist, bis zu welchem Maasse der Vertheilung die Chromatinsubstanz fort- schreitet“. Man kann diesen Satz vielleicht noch besser in der folgenden Weise formuliren: Der Beginn des Zellwachs- thums und der Dotterabscheidung ist nur an ört liche Verhältnisse gebunden und hat keinen be- 466 Dr. Valentin Häcker: stimmten, zwischen Dispirem und feinfadigem Knäuel gelegenen Vertheilungszustand des Chro- matins und ebensowenig eine bestimmte Anordnung und Anzahl der Nucleolen zur Voraussetzung. Speziell für das feinfadige Ruhestadium des Eikerns, das typische „Keimbläschenstadium“, geht aus den Befunden bei erstgebärenden Strenuus-Weibehen hervor, dass dieser Ver- theilungsgrad des Chromatins für den Eintritt und Verlauf des Zellwachsthums und der Dotterabscheidung von keiner prinzipiellen Bedeutung sein kann. Und umgekehrt, die typischen Bilder, welche das Chromatin und im Zusammenhang damit auch, wie wir sehen werden, die Nucleolen im „Keimbläschenstadium“ zu zeigen pflegen, können nicht als der speeifische Ausdruck der zwischen dem Kern und dem wachsenden Zellleib bestehen- den Stoffwechselbeziehungen aufgefasst werden. Wir haben gefunden, dass in gewissen Fällen im Eikern eine direkte Zerlegung des Dispirems in die Theilungseinheiten der Reifungsphase ohne Durchgang durch ein „Keimbläschen- stadium“ erfolgt. Es erhebt sich also die Frage, von welchen Umständen das Auftreten eines „Keimbläschenstadiums“ abhängig ist. Bei der Beantwortung dieser Frage dürfte eben wieder der Unterschied hervorzuheben sein, der zwischen erst- und mehr- gebärenden Mutterthieren besteht, ein Unterschied, für welchen wir ein Gegenstück aufstellen können, wenn wir gewisse marine Calaniden, welche ihre Eier einzeln ablegen, einerseits und andrerseits Cyelops brevicornis betrachten, der in langsamer Folge und periodisch seine Eiersätze produeirt. Unter den Ca- laniden gibt es nämlich, wie früher erwähnt wurde (12), gleich- falls Formen mit persistirender Doppelfadenschlinge und Stäb- chenbildung !), Formen, welche also ein Verhalten zeigen, welches dem bei erstgebärenden Strenuus-Weibehen vorgefundenen ent- spricht; bei Cyelops brevicornis dagegen bemerken wir die Aus- bildung eines typischen Keimbläschenstadiums, welches, wie aus dem homologen Verhalten der Nucleolen hervorgeht, gegenüber den 1) Die mir vorliegenden Präparate entstammen Formen, welche leider vorher nicht vollkommen genügend bestimmt worden waren. Es scheint jedoch das angeführte Verhalten wenigstens für Temora- und Cetochilus-Arten zuzutreffen. Das Keimbläschen, seine Elemente und Lageveränderungen. 467 Bildern bei mehrgebärenden Strenuus-Weibchen gewiss nur eine gra- duelle Verschiedenheit bedeutet. Wir haben also einerseits bei eier- sacklosen Strenuus-Weibehen und bei eiersacklosen Calaniden, ande- rerseits bei mehrgebärenden Strenuus-Weibehen und bei Cyelops brevicormis ein analoges Verhalten, und wenn auch zwischen den beiden Typen jedenfalls Uebergangsstufen vorhanden sind, so lässt sich doch im Allgemeinen festhalten, dass die Auflösung des Dispirems in ein feinfadiges Keimbläschenstadium bei den Cope- poden da erfolgt, wo eine „Stauung“ der Ovidukteier statt- findet. Das feinfadige Keimbläschenstadium stellt sich also zum mindesten bei den Copepoden als ein sekundärer Zustand des Kerns heraus, welcher da eingeschoben wor- den ist, wo eine Verzögerung derEiablage stattfindet. Daraus würde sich seine weite Verbreitung bei allen denjenigen Formen erklären, bei welchen ein Uebergang zur periodi- schen Eiablage stattfunden hat. Ich glaube aber auch, dass damit die in der Einleitung be- rührte Frage nach dem merkwürdig frühen Auftreten der Längsspaltung des Chromatinfadens einer Beantwortung näher gerückt ist. Ursprünglich folgten wohl die Theilungen der Reifungsphase unmittelbar auf die letzte Theilung der Ureizellen und erst in Anpassung an biologische Verhältnisse wurde zwischen die beiden wichtigsten Momente der Kerntheilung: zwischen die Längsspaltung und das Auseinanderrücken der Tochterelemente, einsekundär hinzutretendes Moment, das „Keim- bläschenstadium“, eingeschoben. So dürften wenigstens die Verhältnisse bei den Copepo- den und Selachiern liegen. Das Gleiche scheint aber noch für viel weitere Formenkreise zuzutreffen. Wenigstens ist es mir inzwischen gelungen, im jungen Seeigel-Ei (Fig. 23) und im jungen Ei von zwei Cladoceren (Sida erystallina und Bytho- trephes longimanus) vor dem Uebergang zum feinfadigen Kein- bläschenstadium eine Anordnung des Chromatns in Doppel- fadenzügen zu finden. Eine Verallgemeinerung ist freilich zunächst wohl kaum zulässig: denn es wäre immerhin noch möglich, dass bei manchen Formen das Keimbläschenstadium sich in das Dispirem der letzten Theilung der Ureizellen hereimge- Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 41. 30 468 Dr. Valentin Häcker: schoben habe, ehe dasselbe die Längsspaltung in deutlicher Weise erkennen lässt?). Gi Wir sind in den bisherigen Ausführungen von der Voraus- setzung ausgegangen, dass das Verhalten bei erstgebärenden Weibchen, verglichen mit dem bei mehrgebärenden auftretenden, das ursprünglichere ist. Es ist dies sicherlich von vorn- herein auch wahrschemlicher. Es möge aber doch, gewisser- maassen als Beleg für diese Auffassung, die kurze Besprechung einer eigenthümlichen Erscheinung Raum finden, welche bei den Riehtungstheilungen der erstgebärenden Weibehen hervortritt. die beigegebene Skizze, Fig. 17, zeigt einen Frontalschnitt durch ein Mutterthier, dessen Ovidukteier theils die Vorbereitung zur zweiten Richtungsspindel, theils diese letztere selbst aufweisen. Es fällt bei dieser Uebersichtsfigur auf, dass die Richtungsspindel nicht, wie dies bei anderen Formen die Regel ist, an der Peripherie des Eies, sondern im Centrum desselben gelegen ist; ich habe dies Verhalten bei den erstgebärenden strenuus- Weibchen, sowie bei den signatus-Müttern bei beiden Theilun- gen der Reifungsphase mit Regelmässigkeit beobachtet. Man wird unwillkürlich zu einem Vergleich aufgefordert mit den Be- funden bei der Spermatogenese, wo es bei den entsprechenden Theilungen der Reifungsphase nicht zu einer Bildung von „Rich- tungskörpern“, sondern zur Bildung von vier gleichwerthigen Samenenkelzellen kommt. Ich muss es leider dahingestellt sein 1) Schon aus den bisherigen hieher gehörigen Beobachtungen scheint hervorzugehen, dass der Zeitpunkt, in welchem die Längsspal- tung auftritt, nicht immer der nämliche ist. Bei Cyclops signatus fand ich nämlich die Längsspaltung bereits im Dyasterstadium (14, S. 14 [173], Taf. XII, Fig. 2g). Damit decken sich nun die Befunde beim Selachier-Ei nicht völlig, denn Rückert schreibt (27, S. 49): „In den Phasen der Mitose, welche dem Dispirem vorausgehen® — und das sind doch wohl die Dyaster —, „habe ich die beschriebene Struktur der Schleifen nicht gesehen“. Möglich ist es ja, dass auch hier voll- kommene Uebereinstimmung herrscht, wie denn auch Rückert (27, S. 51) in seiner Schluss-Zusammenfassung es als wahrscheinlich aus- sprechen zu können glaubt, dass die „eigenthümliche Längsspal- tung der Chromosomen im Dyaster der letzten Theilung des Ureies“ stattfindet. Ob diese Uebereinstimmung in der That vorhanden ist, darüber müssen weitere Untersuchungen am Selachier-Ei Aufklärung geben. - Das Keimbläschen, seine Elemente und Lageveränderungen. 469 lassen, ob in unserem Fall wirklich zum Schluss eine derartige Theilung stattfindet, oder „ die Spindeln nachträglich an die Oberfläche rücken. Für das erstere würde namentlieh auch der Umstand sprechen, dass es mir bei dieser zweiten Richtungs- theilung nicht gelungen ist, das Chromatin des ersten Rich- tungskörpers aufzufinden. In einem Fall (12, Fig. 24) glaubte ich allerdings denselben in Form einer Doppelreihe von Chromo- somen neben der zweiten Richtungsspindel feststellen zu können, doch ist hier in Anbetracht der tiefen, diffusen Färbung des be- treffenden Präparates eine Täuschung nicht auszuschliessen. Viel- leicht gibt uns ein späterer Fund Aufklärung über die hier auf- tretende höchst merkwürdige Lagerung der Richtungsspindel. Wenn sich dabei auch herausstellen würde, dass nur die anfäng- liche Lagerung derselben eine centrale ist, so dürfte man immerhin schon darin eine gewisse Anlehnung an die Vorgänge bei der Samenbildung sehen, und es würde darin auch der Hin- weis liegen, dass bei den erstgebärenden Weibchen verhält- nissmässig ursprüngliche Verhältnisse vorliegen !). 5. Vorbereitende Bemerkungen über die Nucleolen des Keim- bläschens. Wir haben bei den Copepoden gesehen, dass im Zusammen- hang mit dem verschiedenen Verhalten der ehromatischen Sub- stanz im Keimbläschen auch die nucleoläre Substanz wesentliche Unterschiede aufweist. Aehnliches trifft, wie kurz erwähnt wer- den möge, auch für die Daphniden zu. Wir finden bei einzelnen Formen, z. B. in den Wintereiern von Sida erystallina (Fig. 18) und Bythotrephes longimanus, einen einzigen, formbeständi- gen, stetig wachsenden Nucleolus mit einer grossen Central- vakuole und mehreren Rindenvakuolen. Dieser „Hauptnucleolus“ persistirt in der Einzahl innerhalb des Keimbläschens bis zu dem Moment, wo dasselbe behufs Bildung der Richtungskörper an die Oberfläche des Eies getreten ist. Im Gegensatz dazu treten z. B. bei Moina paradoxa und reetirostris schon in Jünge- ren Eiern zahlreiche, häufig perlschnurartig aneinandergereihte, 1) Es sei beiläufig erwähnt, dass innerhalb eines und desselben Mutterthieres alle Richtungsspindeln in einer Richtung orientirt sind (Fig. 17). 470 Dr. Valentin Häckerz bläschenförmige Vakuolen auf. In den Kernen von solchen Ei- zellen, welche unmittelbar vor der Ablage stehen und neben denen die sekundären Nährzellen bereits vollständig verschwun- den und auch die primären in der Auflösung begriffen sind (vergl. 28), hat sich die Anzahl der Nucleolen ganz ausserordent- lich vermehrt (Fig. 19), und es erscheint zuweilen willkürlich, einen derselben als „Hauptnucleolus*“ aufzufassen. Offenbar lie- gen hier ähnliche Verhältnisse vor, wie sie oben für Cyclops brevicornis beschrieben worden sind (Fig. 6). Es dürfte angezeigt sein, an der Hand eines grösseren Ver- | gleichsmaterials auf das Verhalten der Nucleolen im Keimbläschen etwas näher einzugehen. Durch die Untersuchungen der beiden letzten Jahrzehnte ist man zu der sicheren Erkenntniss gelangt, dass in den thieri- schen und pflanzlichen Zellkernen mehrere verschiedene Sub- stanzen zu unterscheiden sind, von welchen hauptsächlich dem Nucelein oder Chromatin und andererseits dem Para- nuclein oder Pyrenin eine chemische und funktionelle Selbständigkeit zuerkannt werden muss. Erstere Substanz tritt im Gerüstwerk des ruhenden und in der Fadenfigur des sich theilenden Kernes auf, letztere dagegen in den „echten Nucleolen oder Kernkörperchen“ (vergl. OÖ. Hertwig, 20). Es war nament- lich Flemming's Verdienst, die Substanzverschiedenheit des Gerüstes und der Nucleolen betont und zur Geltung gebracht zu haben (9, S. 138 ff., S. 165), von besonderer Wichtigkeit war dann aber vor Allem der Befund des Botanikers E. Zacharias (31), wonach sich das Chromatin besonders intensiv in sauren, die Nucleolen in ammoniakalischen Farbstofflösungen färben. Das bezügliche Objekt dieses Forschers waren Kerne aus der Fruchtknotenwandung des Schneeglöckchens (Galanthus nivalis) und das von ihm angewandte Reagens eine mit Essigsäure stark angesäuerte, bezw. ammoniakalische Karminlösung. Auf Grund der erwähnten Verschiedenheit ist es möglich, bei gleichzeitiger Anwendung zweier geeigneter Farbstoffe, z. B. von Hämatoxylin und Eosin, Doppelfärbungen zu erzeugen (20, S. 36). Dass nun freilich diese beiden Substanzen in naher Bezie- hung zu einander stehen, ist überaus wahrscheinlich, und schon Flemming (9, S. 164) ist einen Schritt weitergegangen, wenn er die Vermuthung ausspricht, dass die Nucleolen „besondere Das Keimbläschen, seine Elemente und Lageveränderungen. 471 Reproductions- und Ansammlungsstellen des Chromatins“ sind, und dass demnach das Paranuelein „eine ehemiche Vorstufe oder Doppelverbindung des Chromatins“ darstelle. In ähnlichem Sinne haben sich mit mehr oder weniger Vorbehalt andere Forscher ausgesprochen, im Wesentlichen sind wir aber über die Funktion der Nucleolen noch vollkommen im Unklaren. Wir können nun diese Frage nicht weiter verfolgen, ohne vorher eine Scheidung zwischen Nucleolus und Nueleolus, so- weit dies unsere heutigen Kenntnisse zulassen, vorgenommen zu haben. Ohne Zweifel werden unter dem Ausdruck „Nucleolus“ recht verschiedene Dinge zusammengefasst und wir dürfen es mit O. Hertwig (20, S. 43) als ‚feststehend betrachten, dass die in den verschiedenen pflanzlichen und thierischen Kernen vor- kommenden, mehr oder minder kugeligen Körper, die in der Literatur meist schlechtweg als Nucleolen zusammengefasst wer- den, stoffliche Verschiedenheiten darbieten“, und diese Auffassung bringt OÖ. Hertwig namentlich auch dadurch zum Ausdruck, dass er den Keimfleck des unreifen Thiereies den „echten Nu- celeolen oder Kernkörperchen“ gegenübergestellt. In ähnlicher Weise haben sich auch schon früher Flemming (9, S.163) und andere Autoren ausgesprochen. Was nun für den Vergleich der Nucleolen der Zellkerne verschiedener Gewebe gilt, hat aber ganz besonders Geltung für die verschiedenen nuceleolusartigen Gebilde, welche das Keimbläschen in seinem Inneren birgt. Schon in einer Reihe älterer Arbeiten, welche den Bau des Keimbläschens zum Gegenstand haben, finden wir Angaben über Verschieden- heiten der Nucleolen desselben, so in den Untersuchungen Eimer’s über das Reptilienei (7), van Beneden’s über das Ei der Fledermäuse (1) u. A. Jedoch ist dabei aus begreiflichen Gründen nieht immer scharf genug ersichtlich, in wieweit unter den beschriebenen kleinen Bläschen und Körnern, unter den „Pseudonueleolen“ und anderen Gebilden Bestandtheile der chromatischen Substanz zu verstehen sind. Wichtig sind vor Allem die Angaben über die Lamelli- branchiateneier, bei welchen schon Leydig (22) eine Zusammen- setzung des Keimflecks aus zwei Theilen beschrieben hat. Nach den Untersuchungen Flemming's (8, 9) besteht hier der „Haupt- nucleolus“ aus zwei different beschaffenen Theilen: einem kleine- 472 Dr: Valentin Häcker: ren, bedeutend stärker lichtbrechenden und tingirbaren Körper (Fig. 20a) und einem grösseren, blasseren und schwächer chro- matischen „Haupttheil“ (Fig. 20b). Ausserdem treten in den Balken des Gerüstes kleinere „Nebennucleolen“ (Fig. 20e) auf, welche dieselbe Lichtbrecehung, Quellbarkeit und Tingirbarkeit, wie der grosse blasse Theil des Hauptnu- cleolus zeigen. Der kleine, chromatische Theil desselben kann in Form eines Bläschens neben dem Haupttheil, manchmal auch vollständig von ihm getrennt liegen (Fig. 21) oder aber demselben kappenförmig aufsitzen, wie das bei Behandlung des frischen Kernes mit fünfprozentiger Essigsäure hervortritt (Fig. 20). Es ist „die Zweitheiligkeit des grossen Kernkörpers am jungen Eier- stocksei noch nicht zu finden, sie bildet sich erst am reiferen aus.“ Wir werden wohl kaum fehlgehen, wenn wir diese Bilder mit den im Ovarium von Cyelops brevicornis auftretenden (Fig. 3, Wph. I und Fig. 4a) zusammenstellen. Wir müssen dann im Sinne der bei Cyclops angewandten Bezeichnung den kleinen chromatischen Theil des Flemming’schen Hauptnucleolus als eigentlichen „Hauptnucleolus“ (schwarz), die Nebennucleolen dagegen, sowie den grossen, blassen Theil, welche ja von glei- cher physikalischer und chemischer Beschaffenheit sind, als „Nebennueleolen“ (blau) bezeichnen. Wir dürfen umsomehr eine Selbständigkeit der beiden Theile des Flemming ’schen Hauptnucleolus annehmen, als ja schon aus den Flemming’- schen Abbildungen hervorgeht, dass dieselben auch bei den Lamellibranchiaten keineswegs immer dicht miteinander verbunden sind (Fig. 21). Der scheinbare Zusammenhang der- selben, welcher sich in einem kappenförmigen Aufsitzen des klei- neren Theils auf dem grossen, blassen äussert, lässt sich vielmehr, wie unten gezeigt werden soll, recht gut als eine unwesentliche bezw. künstliche Erscheinung verstehen. Wir wollen im Folgen- den den eben besprochenen Typus als Lamellibranchiaten- Typus bezeichnen. Neben diesen Angaben über die Beschaffenheit der Nucleo- len oder Keimflecke des Keimbläschens besteht eine zweite Reihe von Beobachtungen, nach welchen im Innern des Keim- bläschens neben dem chromatischen Fadengerüst ein einziger, regelmässig konturirter und an Grösse stetig zuneh- Das Keimbläschen, seine Elemente und Lageveränderungen. 473 mender Keimfleck oder Nucleolus hervortritt. Allerdings können neben demselben, namentlich gegen Schluss des Keimbläschen- stadiums, noch einzelne kleinere nueleoläre Bläschen sich ein- stellen, aber der in der Einzahl vorhandene Hauptnucleolus tritt stets in unzweideutig-typischer Weise in den Vordergrund. Auf diese Weise kommen diejenigen Keimbläschenbilder zur Anschau- ung, wie sie beispielsweise OÖ. Hertwig für Toxopneustes lividus beschrieben hat (17, vergl. Fig. 22). In zahlreichen Lehrbüchern ist diese Form des Keimbläschens als typisch verwendet und be- schrieben worden (Ecehinodermen-Typus). Es sei hier noch kurz auf die Fig. 23 hingewiesen, welche das Keimbläschen einer jüngeren, noch im Verband der Ovarial- epithelzellen befindlichen Eizelle eines Seeigels darstellt. Bemer- kenswerth ist hier, dass die chromatischen Fäden noch deutlich in Form von Doppelfadenzügen hervortreten, ein Verhalten, welches an die Copepoden und Selachier erinnert. In der glei- chen Figur habe ich den Nucleolus in einer Form wiedergegeben, in welcher er überaus häufig im konservirten Material auftritt: er zeigt nämlich die Form einer hohlen Blase, deren eine Hälfte in die andere eingestülpt ist. Es liegt nahe, diese „Kappen- form“, welche also unabhängig von dem Vorhandensein eines „grossen, blassen Theils“ vorkommt, als ein Kunstprodukt auf- zufassen, das durch Behandlung mit sauern Flüssigkeiten oder auch mit Oelen entstanden ist. Unter unsern Crustaceen zeigen dieses Verhalten die Nu- eleolen der Ovarial- und Ovidukteier der erstgebärenden Oyelops strenuus-Weibehen, Fig. 7 (und ebenso der Signatus-Weibchen), sowie diejenigen der Ovidukteier von Sida erystallina, Fig. 18. Eine dritte Gruppe bilden endlich diejenigen Keimbläs- chen, in welchen mehrere in Grösse, Form und Zahl überaus wechselnde Nucleolen auftreten. Hieher gehören u. A. die Keim- bläschen zahlreicher Wirbelthiereier, vor Allem des Froscheies (Fig. 24)1). Aber auch bei Wirbellosen, z. B. bei Sagitta (18), tritt dieser Typus (Vertebraten-Typus) vielfach auf. Unter unseren Crustaceen finden sich derartig beschaffene 1) Genauere Angaben über das Verhalten der Nucleolen in den verschiedenen Stufen der Wachsthumsphase hat neuerdings Rückert für das Selachierei gemacht (26). 474 Dr. Valentin Häcker: Nucleolen in den Ovidukteiern von Cyelops brevieornis (Fig. 6) und in denjenigen der mehrgebärenden Strenuus-Weibehen (Fig. 14 u. 15), sowie in älteren Eizellen von Moma (Fig. 19). Viel- leicht ist es angezeigt, hier schon darauf hinzuweisen, dass ein entsprechendes Verhalten auch die meisten Furchungskerne wäh- rend des Ruhestadiums zeigen. Hauptnucleolus und Nebennucleolen. Aus der obigen Zusammenstellung der verschiedenen Vorkommnisse geht zunächst die bekannte Thatsache hervor, dass das unter der Bezeichnung „Nucleolus“ oder „Keimfleck“ im Eikern auftretende Gebilde hauptsächlich in zweierlei Gestalt auftritt: entweder stellt das- selbe einen in der Einzahl vorhandenen, stetig seine Grösse ver- ändernden, formbeständigen Körper dar (Seeigelei; Ovidukteier der erstgebärenden ©. str.-Weibehen), oder aber finden sich als „Nebennucleolen“ Bläschen oder Tröpfehen von wechselnder Zahl, Grösse und Gestalt vor, welche u. U. sich zu langen, knäueligen, perlschnurartigen Gebilden vereinigen (Froschei; Ovidukteier der mehrgebärenden C. str.-Weibehen). Gehen wir nun bei Cyelops (sei es dem mehrgebärenden Strenuus-Weibehen oder dem Brevicornis-Weibehen) von den den letztgenannten Habitus zeigenden Ovidukteiern (Fig. 6) auf jün- gere Stadien zurück, so sehen wir in den Endabschnitten des Ovariums zunächst ein Nebeneinanderbestehen von Haupt- und Nebennucleolus (Fig. 3, Wph. II) und verfolgen wir diese Bilder in noch jüngere Stadien zurück, so tritt hier nur noch der Hauptnucleolus allen auf (Fig. 3, Wph. I) auf. Diese zunächst für Cyelops geltende Reihe, welche also gewissermaassen vom Vertebraten-Typus durch den Lamellibranchiaten-Typus hin- durch zum Echinodermen-Typus zurückführt, deutet den Weg an, auf welchem eine Vermittlung der Extreme zu bewirken ist, und sie führt uns, wie ich glaube, mit Nothwendigkeit zu folgen- der Auffassung: In den jüngsten Eimutterzellen, welche aus den letzten Theilungen der Ureizellen hervorgehen, tritt neben dem stark färbbaren Dispirem im Allgemeinen ein einziges, als „Hauptnu- eleolus‘‘ zu bezeichnendes Gebilde auf. Dasselbe kann als ein Organulum des Keimbläschens betrachtet werden. welches jeden- falls mit einer differenzirten peripherischen Schicht oder Hüll- membran versehen ist. Letzteres geht vor Allem aus dem Um- Das Keimbläschen, seine Elemente und Lageveränderungen. 475 stand hervor, dass unter dem Einfluss von Reagentien, sei es von Säuren oder von Oelen, unter Umständen ein charakteristischer Schrumpfungsprocess auftritt: es stülpt sich an einer Seite die Wandung der Blase in den hohlen Innenraum ein (Fig. 23), ein Verhalten, wie es z. B. auch die Chitinsechalen von kleineren Eiern namentlich bei zu langer Einwirkung von ätherischen Oelen (Nelkenöl, Cedernöl) zeigen. Dieses als „Hauptnucleolus“ bezeichnete Organulum kann nun entweder in dieser Form unter stetigem Wachsthum bis un- mittelbar vor die erste Theilung der Reifungsphase im Keim- bläschen persistiren. Dann nimmt es entweder rasch an Umfang ab oder aber es wird in Folge der Auflösung der Kernmembran frei und besteht noch eine kürzere oder längere Zeit hindurch als „Residuum“ des Keimbläschens, als „Metanueleolus“ fort (15). Diesen Fällen gegenüber, in welchen also ein persisti- render Hauptnucleolus in den Vordergrund tritt, steht eine Reihe von andern. Da nämlich, wo eine länger andauernde Zerlegung des Dispirems in ein „feinfadiges“ System, eine mit erheblicher Oberflächenvergrösserung (Rückert, 26, S. 127) verbundene Disgregation der chromatischen Substanz zu Stande kommt, tritt in dieser zweiten Stufe der Wachsthumsphase neben dem „Haupt- nucleolus“ eine grössere oder kleinere Schaar von „Nebennueleo- len“ auf, welche sich gegenüber dem ersteren vor Allem durch den Mangel an Formbeständigkeit auszeichnen. Sie nehmen vor- wiegend in Form von kleinen Tröpfehen oder Bläschen ihre Ent- stehung, dieselben ziehen sich gegenseitig an und können sich dann zu grösseren schaumigen Gebilden vereinigen. In anderen Fällen ist ihr Entstehen ein rapides, ihr Auftreten ein massigeres: auf der ganzen Linie der cahromatischen Fadenzüge sprosst die nucleoläre Substanz hervor, wie die Rauchwolke einer Schützen- kette, und darin dürften Bilder, wie z.B. das in Fig. 16 wieder- gegebene, ihre Erklärung finden. Mag nun die Bildung der Nebennucleolen auf die eine oder die andere Weise vor sich gehen, meistens nimmt in dieser zweiten Reihe von Fällen der Hauptnueleolus ein frühzeitiges Ende, indem er immer kleiner wird und schliesslich als unschein- bares und offenbar auch funktionslos gewordenes Gebilde einem der schaumigen Nebennucleolen aufsitzt. Entstehung und Bedeutung der Nebennucleolen. 476 Dr. Valentin Häcker: Fragen wir uns nun nach der Entstehung und Bedeutung dieser verschiedenen Gebilde. Wie in der Einleitung erwähnt wurde, haben in dieser Richtung unsere mikrochemischen Hilfs- mittel noch nicht denjenigen Grad von Vervollkommnung erreicht, als dass man von ihnen mehr als eine diagnostische Verwerth- barkeit erwarten dürfte. In dieser letzteren Richtung freilich sahen wir die Mikrochemie schon im Verlauf der bisherigen Aus- führungen Dienste leisten. Nachdem nämlich für das Lamelli- branchiaten-Keimbläschen die „Kappenform* des dunkel tingir- baren „Nebentheils“ (Fig. 20a) und dessen Zusammenhang mit dem blassen „Haupttheil“ (Fig. 20b) mit grosser Wahrschein- lichkeit als eine nebensächliche, bezw. künstliche Erscheinung bezeichnet werden konnte, durften wir auf Grund der mikro- chemischen Reaktionen den „Haupttheil“ als einen besonders grossen „Nebennucleolus“ betrachten und ihn mit analogen Ge- bilden z. B. bei Cyelops brevicomis (Fig. 3 und 4) zusammen- stellen. Um nun aber bezüglich der Bedeutung dieser verschie- denen Körper zu einer befriedigenden Erklärung zu gelangen, müssen wir uns auch hier wieder mit einem Vergleich der mor- phologischen Befunde bescheiden. Es dürfte vielleicht zunächst die Thatsache heranzuziehen sein, dass ein Auftreten von „Ne- bennucleolen‘“ von wechselnder Zahl, Form und Grösse und von analoger chemischer Reaktion auch in den ruhenden Furchungs- kernen der betreffenden Thierformen festzustellen ist und dass diese „„Nebennueleolen“ hier nieht mit einem als Hauptnucleolus anzusprechenden Körper vergesellschaftet sind. Nebennueleolen treten folglich auch da im ruhenden Kerne auf, wo kein Zellenwachsthum stattfindet. -Halten wir dieser Thatsache die umgekehrte gegenüber, dass sich z. B. in den Ovidukteiern erstgebärender Strenuus-Weibehen der Beginn und der Verlauf des Zellwachsthums als unabhängig vom Auftreten von „Neben- nucleolen“ erweist, so dürfte vor Allem die Annahme begründet sein, wonach das Auftreten der fraglichen Körperchen in erster Linie einen Ausdruck für Veränderungen der Kernsubstanz selbst, speziell des Chromatins darstelle. is muss also die Frage gestellt werden, ob diese Neben- nucleolen sich aus einer Nahrungsflüssigkeit zusammensetzen , welche aus dem umgebenden Zellplasma auf osmotischem Wege Das Keimbläschen, seine Elemente und Lageveränderungen. 477 in den Kern herein gelangt, sich sodann im Kernsaft zu Tröpf- chen verdichtet und erst von diesem Aggregatzustand aus Ver- wendung beim Umbau der chromatischen Substanz findet; oder ob dieselben Abspaltungsprodukte des Chromatins sind, welche in Form von Tröpfehen oder Bläschen während der gedachten Ver- änderungen des Chromatins zu Tage treten. Rückert hat neuerdings die Ansicht ausgesprochen (26), dass während des Wachsthums der Chromosomen die Nucleolen die Funktion haben dürften, nothwendige Stoffe an dieselben abzugeben, und dass sie andererseits später, wenn die Chromosomen merklich an Substanz verlieren, wohl eher als Träger der Zerfallprodukte des Chromosomen anzusehen seien. Ich glaube nicht, dass ein derartiger Funktionswechsel an- nehmbar ist, vor Allem habe ich beim Vergleich der verschieden- artigen Habitusbilder nicht die einer solehen Annahme zu Grunde liegende Vorstellung gewinnen können, dass man es bei den Nebennucleolen gewissermaassen mit Organen des Kerns zu thun hat, in dem Sinn, wie man etwa die chromatische Sub- stanz als eine solche bezeichnen kann. Vielmehr wird wohl nach Allem, was wir über die Nebennucleolen wissen, kaum eine an- dere Annahme zulässig sein, als die, nach weleher dieselben Ab- spaltungsprodukte oder Sekretstoffe der chromatischen Substanz darstellen. Diese Auffassung findet vor Allem in der Thatsache eine Stütze, dass die Nebennucleolen, z. B. bei Moina und Cyelops strenuus (mehrgebärend), im Lauf der Wachsthums- phase stetig an Grösse und Massigkeit zunehmen und dass sie das Maximum ihrer Entwicklung erst in dem Moment erreichen, wenn bereits die Vierergruppen zur Ausbildung gelangt sind (Fig. 16 und 19), wenn also von einem Wachsthum der ehroma- tischen Substanz kaum mehr die Rede sein kann. Mit der Auf- lösung der Kernmembran ist dann zugleich die Auflösung und der Untergang der Nebennucleolen besiegelt. Entstehung des Hauptnucleolus. Aber auch die Be- ziehungen der Nebennucleolen zum Hauptnucleolus können von dem soeben vertheidigten Standpunkt aus, wie ich glaube, besser verstanden werden. Wir sehen diesen letzteren bald allein, bald neben den Nebennucleolen auftreten, oder aber es kann der Fall eintreten, dass er durch die letzteren vollständig verdrängt wird. Was ihn hauptsächlich von diesen unterscheidet, ist seine 478 Dr. Valentin Häcker: Formbeständigkeit und der Besitz einer differenzirten Aussen- membran, was er im Ganzen mit ihnen gemeinsam haben muss, ist, wie das vikarirende Auftreten beider Gebilde lehrt, die Funk- tion. Man wird so zu der Anschauung hingeführt, dass seine Zusammensetzung und folglich auch seine Entstehung ursprüng- lich analog ist derjenigen der Nebennucleolen und dass er sich also im Lauf der Phylogenese aus einem ursprünglichen ‚‚Neben- nucleolus“ zu einem membranumhüllten, formbeständigen und stetig durch Diosmose wachsenden Organ herausdifferenzirt hat. Auch hier zeigt wieder eine unsrer Cyelops-Formen, C. brevi- cornis, ein Verhalten, welches als primitives aufgefasst werden kann: beim ersten Auftreten von Nebennucleolen sind dieselben nur durch den Grad ihrer Tingirbarkeit von dem Hauptnueleolus zu unterscheiden (Fig. 3, Wph. ID). Man könnte, um sich das Zusammenfliessen kleiner Neben- nucleolen zu schaumigen Gebilden einerseits und die Herausdiffe- renzirung eines Hauptnucleolus anderseits anschaulich zu machen, an gewisse Vorgänge erinnern, die sich bei den Protozoen, besonders Infusorien, abspielen. Hier entstehen die kontraktilen Hauptvakuolen durch Verschmelzung sogenannter Bildungsvakuo- len, und bei gewissen Formen (Vortieelliden) entwickelt sich an einem vakuolenartigen Gebilde durch Plasmadif- ferenzirung eine besondere Membran, so dass ein „Reser- voir“ entsteht, in welches sich die andern Vakuolen entleeren (5). Aehnliche Sammelbehälter finden sich auch bei den Eugleninen (6). Man könnte bei den kleinen Nebennucleolen an einen Vergleich mit den Bildungsvakuolen denken, bei den grösseren schaumigen Nebennueleolen an die Hauptvakuole und bei dem differenzirten Hauptnueleolus an den Sammelbehälter erinnern. Ein Vergleich liegt um so näher, als es sich ja, nach unserer Auffassung, auch bei der Bildung der Nucleolen um ein Sekretprodukt des Chromatins handelt. Die im obigen vertretene Anschauung über Entstehung und Bedeutung der Nucleolen des Keimbläschens kann nicht den Anspruch auf vollkommene Neuheit erheben. Ich erinnere hier an die Arbeit Leydig’s über das unbefruchtete thierische Ei (23). Auch dieser Forscher nimmt eine doppelte Art der Vermehrung der Nucleolen an, nämlich einmal eine Entstehung derselben durch Knospungs-, Abschnürungs- oder Theilungsvor- Das Keimbläschen, seine Elemente und Lageveränderungen. 479 gänge, die sich an dem grösseren, ursprünglichen Keimfleck voll- ziehen. „Liegt es im Plane der Organisation, dass die Zahl der Keimflecke sehr ansteigt, wie es z. B. bei Amphibien der Fall ist, so kommen zu jenen, welche aus dem einzigen Keimflecke des Ureies entstanden sind, gewissermaassen Nachschübe von den Knotenpunkten des Kerngerüstes. Für diese Annahme spricht dasjenige, was man z. B. im Ei von Triton sieht; aus der Mitte des Keimbläschens heraus heben sich die Pünktehen des feinen Reticulums ab und gehen durch Grössenzunahme unmittelbar in die Keimflecke des Randes über.“ Es klingen hier mehrfach Vorstellungen durch, welche mit denjenigen sich berühren, zu denen wir in den obigen Ausführungen gelangten. Wenn wir den Hauptnucleolus als besonders differenzirten Nebennucleolus ansehen und ihm damit im Allgemeinen die Funk- tion der Sekretspeicherung zuschreiben, so ist damit offenbar seine Bedeutung nicht erschöpft. Ich behalte mir vor, in einem zwei- ten Aufsatze auf seine direkteren Beziehungen zur Stoffaufnahme der Eizelle einzugehen, und Belege dafür zu erbringen, dass er u. A. zu gleicher Zeit die Funktion eines excretorischen Apparats des Keimbläschens übernimmt. 6. Zusätze zur Frage nach der Reduktion der Chromosomenzahl. Aus den neuesten Ausführungen Boveri’s (3) ergibt sich, wie er sagt, dass OÖ. Hertwig’s Untersuchungen so wenig wie die seinigen „im Stande sind, uns über die Art, wie die (nach Boveris Ansicht während des Keimbläschenstadiums erfol- gende) Reduktion der Chromosomen-Zahl zu Stande kommt, Aufschluss zu geben“. „So genau dieser Forscher (0. Hertwig) — fährt Boveri fort — auch die fraglichen Stadien unter- suchte, die Verhältnisse sind eben, wenigstens bei Ascaris, der- artige, dass eine Entscheidung unmöglich ist“. Es wird damit zugegeben, dass die Ei- und Samenbildung von Ascaris megalo- cephala, welche den Boden für eme Reihe von glänzenden Un- tersuchungen abgegeben hat, speziell für die Lösung dieser Frage ein weniger günstiges Objekt darstellt, obwohl, wie wir sehen werden, O0. Hertwig gerade auf Grund dieses Objektes derjenigen Auffassung beigetreten ist, welche sich wohl als die richtige erweisen dürfte. Mit zum Theil gleichfalls nicht sehr 480 Dr. Valentin Häcker: günstigen Objekten!) arbeitete auch Henking in seinen aus- führlichen Untersuchungen über die Ei- und Samenbildung der Insekten (16), und ich selbst habe mir gleichfalls einen Antheil an der Verzögerung der Entscheidung zuzuschreiben, indem ich, ver- führt durch die ausnehmende Klarheit, mit welcher die Zahlen- verhältnisse bei Cyelops hervortreten, die Befunde bei (erst- gsebärenden!) Cyelops Strenuus-Weibchen als typische be- trachtete. Ich habe auf Grund dieser Befunde den Verdopplungsprocess als einen Vorgang für sich und daher die beiden Theilungen als Reduktionstheilungen aufgefasst (12). Faktisch stellen sich allerdings, wenigstens bei den Copepoden, die Verhältnisse in die- ser Weise dar; genetisch aber muss, wie ich dies bereits in (14) gethan habe, gesucht werden, ob nieht ursprünglich doch die Längsspaltung des Fadens zur ersten Theilung in Beziehung gestanden hat?) und ob nicht diese Beziehung im Lauf der Phylogenese durch sekundäre Erscheinungen (Einschiebung des „Keimbläschenstadiums“ und Ausfall des folgenden Ruhestadiums) verdeckt worden ist. Um zu beweisen, dass die erste Theilung eine modifieirte „Aequationstheilung‘“ ist, müssten wir zeigen, dass ihr eine 1) Dies zeigt sich darin, dass bei den Henking'schen Objekten die sonst allgemein verbreiteten „Vierergruppen® nicht überall in deutlicher Weise hervortreten. 2) Es war namentlich die Thatsache einer Vertheilung von Doppelstäbchen bei der ersten Theilung der Reifungsphase, welche mich immer wieder davon abhielt, der alten Platner’schen Ansicht (24, S. 144) mich anzuschliessen. Vergl. 14, S.26 [185]: „Abgesehen von der weiten Zurückverlegung der Längsspaltung des Chromatinfadens bis in das Stadium unmittelbar nach der letzten Theilung der Urei- zellen, schien mir ein Zusammenhang (der Längsspaltung) mit der ersten Theilung der Reifungsphase desshalb unmöglich, weil bei den Copepoden bei der letzteren die Doppelelemente als solche auf Ei und ersten Richtungskörper vertheilt werden, weil also die Produkte der Längsspaltung zunächst überhaupt nicht auseinanderrücken.“ Nach unsern heutigen Anschauungen findet vor jeder nor- malen Kerntheilung während des ihr vorangehenden Ruhezustandes ein Wachsthum jedes einzelnen Chromosoms oder Idanten auf das Doppelte seiner Masse statt. Durch Längsspaltung zerfällt jeder dieser Idanten in zwei identische Elemente, von welchen jedes in Struktur und Grösse dem Mutter-Idanten gleicht. Es findet also vor jeder Kerntheilung eine Verdoppelung der Anzahl der Chromosomen Das Keimbläschen, seine Elemente und Lageveränderungen. 481 einmalige Längsspaltung vorangeht, durch welche die Normal- zahl der Elemente verdoppelt wird, und dass dann bei der Thei- lung die so erzeugten Schwesterelemente auseinandertreten. Bei den erstgebärenden Weibchen konnten wir den ersteren Vorgang mit zahlenmässiger Exaktheit verfolgen; statt der „Normalzahl‘‘ 8 tritt auf Grund einer einmaligen Längsspaltung des Chromatin- fadens vor der ersten Theilung die doppelte Zahl „16“ auf. Aber auch bei den mehrgebärenden Weibchen, bei welchen allerdings die Anzahl der Elemente nicht genau festgestellt wer- dien konnte, trat mit vollkommener Sicherheit die Thatsache hervor, dass der Bildung der Vierergruppen nur emne einmalige Längsspaltung des Fadens zu Grunde liegt (vergl. Schema A), und nicht, wie Boveri und Brauer für ihre Objekte annehmen, eine zweimalige. Nachdem es sich so herausgestellt hat, dass die Vierer- gruppen nicht durch zweimalige Längsspaltung eimes einzigen Chromosoms oder Idanten entstanden sind, frägt es sich, welche kerntheilungsgeschichtliehe Bedeutung haben diese Gebilde ? Nach den Ausführungen des dritten Kapitels kommen sie dadurch zu Stande, dass zwei Elemente a und b, welche im Faden hintereinander gelegen waren, zunächst noch in enge- rem Verbande mit einander, sowie mit ihren beiden (identischen) Schwesterelementen bleiben (Schema A) und somit eine Gruppe De bilden. Nun hatte ich schon in einem früheren Aufsatze theoretisch versucht, die Vierergruppen insofern auf das „hetero- oder Idanten statt, und jeder Tochterkern erhält von jedem Doppel- element je ein Einzelelement und somit die ursprüngliche (Normal-)Zahl von Elementen (Aequationstheilung). Wenn nun irgend einer Kerntheilung kein Ruhezustand und damit auch keine Verdopplung der Anzahl der Idanten vorangeht, und wenn trotzdem bei dieser Kerntheilung eine Vertheilung der vor- handenen Idanten in zwei „leichen Partieen auf die Tochterkerne stattfindet, so erbält jeder Tochterkern die Hälfte der normalen An- zahl von Idanten (Reduktionstheilung). Vergl. dagegen den noch heute von Boveri eingenommenen Standpunkt (3, S. 454), wonach „gerade im Gegentheil beim Fehlen des Ruhezustandes die Zahl der in beiden Theilungen vorhandenen cehromatischen Elemente genau die gleiche sein muss“. 482 Dr. Valentin Häcker: typische“ Kerntheilungs-Schema zurückzuführen, alsauch beiihnen „zwei im ursprünglichen Spirem hintereinander liegende Seg- Schema A. mente, im engeren alald Zusammenhang FERN, j | N bleiben und sich nd er . mit dem entspre- chenden Schwe- sterpaare zu einem ‚ ringförmigen, 1, 9, viertheiligen Gebilde vereini- B. gen“ (14, S. 16 [175]). Eine Ent- stehung der Vie- rergruppen im En x SinnedesSchemas AN [® “u hatte kurz NY NV Schema Bez Ze U nm Aequ. Aegu LI. gms [2 Dvaster Dvaster Veran ; vorher auch vom X Rath für die Sa- menbildung von * Gryllotalpa (25) 2 festgestellt, ohne sich jedoch weiter auf die Frage nach der kemtheilungsge- schiehtlichen Bedeutung dieser Gebilde einzulassen. Die bei Cycelops gemachten Befunde über die Entstehung der Vierergruppen aus Doppelwinkeln bestätigen nun, wie ich glaube, in durchaus präciser Weise die oben ausgesprochene An- sicht, wonach es sich hier im Prinzip um Erscheinungen handle, welche die ‚‚heterotypische‘‘ Kerntheilung bei Salamandra (10) charakterisiren. Nach (14) wäre nämlich der wichtigste Unter- schied zwischen der gewöhnlichen Mitose und der „heterotypi- schen“ Form darin zu suchen, dass bei letzterer je zwei hinter- einander folgende Abschnitte des längsgespaltenen Spirems — bei der Segmentirung (Quertheilung) des letzteren — vollständig oder zum mindesten sehr eng miteinander verbunden bleiben, so dass also die an die Pole rückenden Einzelfäden doppelwerthige Elemente darstellen. Indem ich mir erlaube, bezüglich der Be- gründung dieser Ansicht auf die eitirte Arbeit (14) zu verweisen, Das Keimbläschen, seine Elemente und Lageveränderungen. 483 stelle ich hier nur rein schematisch die gewöhnliche (Schema B, 1) und die „heterotypische‘“ Form der Mitose (Schema B, 2), wie sie sich im Aequatorialplattenstadium und im Dyasterstadium darstellen, nebeneinander. ‘Wir haben also in der Vierergruppenbildung einen Hinweis darauf zu schen, dass auch die erste Theilung der Reifungs- phase nach dem im Cyklus der generativen Zellen vielfach verbreiteten „heterotypischen“ Schema angelegt wird. Damit stimmt vor Allem auch eine bei der Vierergruppenbildung auf- tretende Begleiterscheinung zusammen. Wir haben gesehen, dass in den vorbereitenden Stadien sowohl die feinen, schwach gefärb- ten Doppelfadenzüge, als die chromatischen Abschnitte selbst mit Regelmässigkeit charakteristisch Ueberkreuzungen zeigen (Fig. 16). Solche Ueberkreuzungen der Doppelehromo- somen sind auch Rüekert (26) in den entsprechenden Stadien des Selachier-Keimbläschens aufgefallen, und ieh möchte daran erinnern, dass andrerseits auch bei der heterotypischen Theilung, wie sie Flemming (10) für die Samenbildung von Salamandra und ich selbst (15) für die Urgenitalzellenbildung bei Gyelops beschrieben habe, neben den centrifugalen Richtkräften, welehe die Doppelfadensegmente in die Aequatorebene einzuord- nen bestrebt sind, offenbar auch im Innern der Fäden wirksame Torsionskräfte auftreten. Es ist, als ob darin sich ein un- befriedigtes Bestreben der doppelwerthigen Elemente äussern würde, an den präformirten Stellen doch noch schliesslich zum Durehbruch zu gelangen und sich so in einwerthige Elemente zu zerlegen. Wir können diese scheinbar nebensächliche Begleiter- scheinung als Stütze für unsere Auffassung heranziehen, wonach der Vierergruppenbildung das heterotypische Schema zu Grunde liege. Ich bin nun inzwischen darauf aufmerksam geworden, dass der Name „heterotypisch“ vielleicht nicht geeignet sei, auf die ganze Gruppe der in (14) herangezogenen Erscheinungen An- wendung zu finden, da man doch bei diesem Namen zunächst an gewisse Besonderheiten denkt, welche bei der heterotypischen Theilung im Salamanderhoden auftreten. In der That dürfte es vielleicht am Platze sein, den Ausdruck heterotypisch für die Samenbildung von Salamandra und Triton zu reserviren und für die in (14) als „heterotypisch‘“ zusammengefassten Kerntheilungs- vorgänge eine andere allgemeinere Bezeichnung vorzuschlagen. Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 41 Sl 484 Dr. Valentin Häcker: Es handelt sich, wie erwähnt, im Wesentlichen um Kern- theilungen mit doppelwerthigen Elementen; alle anderen Merkmale, die eigenthümlichen Torsionen der Fäden, die End- verklebungen derselben und die dadurch zu Stande kommenden Ring- bildungen, die Tonnenformen, die sekundäre Längsspaltung deran die Pole rückenden Elemente, würden dabei theils als Begleiterscheinun- gen,theilsalssekundäre Hinzuthaten zu betrachten sein. Leider istnun der Ausdruck bivalens, welcher den Kernpunkt der Sache treffen würde, von OÖ. Hertwig (19) bereits in gerade entgegengesetztem Sinne angewandt worden. O.Hertwig hat nämlich damit einen der beiden von Boveri aufgestellten Typen von Ascaris megalo- cephala bezeichnet, nämlich denjenigen, bei welchem in den reifen Geschleehtszellen an Stelle von einem chromatischen Element (univalens) zwei solche auftreten. Der Ausdruck Ascaris megalocephala bivalens hat sich® nun bereits in der Litteratur eingebürgert und es würde sicher zu Verwirrungen führen, wenn die Bezeichnung bivalens noch in einem anderen, wenn auch zweifellos ihr mehr entsprechendem Sinn gebraucht würde. Da ich nun aber, selbst mit Hülfe philologischer Freunde, nicht im Stande war, einen anderen griechischen oder lateinischen zweckdienlichen Ausdruck zu finden, welcher das Wesentliche hervorheben würde, so möchte ich mir wenigstens zum Theil die bequeme O. Hertwig’sche Bezeichnung zu nutze machen. Da, soviel ich weiss, der Ausdruck „plurivalens“ noch keine spezielle Verwendung gefunden hat, und da, wie ich jetzt schon Grund habe annehmen zu müssen, sich mit der Zeit eine etwas allge- meinere Formulirung nothwendig machen wird, so gestatte ich mir, für alle Kerntheilungen, bei denen zwei oder mehrere im Spirem hintereinander folgende Elemente in näherem oder engstem Verbande bleiben, den Ausdruck plurivalente Kerntheilung vorzuschlagen. Dahin gehören also alle in (14) namhaft ge- machten Kermntheilungen, speziell die „heterotypische“ Theilung im Hoden von Salamandra und Triton, die Kerntheilung in der Urgenitalzelle und die letzte Theilung der Ureizellen bei Cyelops, die mit Vierergruppenbildung verbundene erste Theilung der Reifungsphase und andre bis jetzt nur im Cyklus der generativen Zellen aufgefundene Formen. Nachdem die Bildung der Vierergruppen bei den mehrge- bärenden Weibchen eine Aufklärung erfahren hatte, fiel auch ein Das Keimbläschen, seine Elemente und Lageveränderungen. 485 Lieht aufden Werth der Doppelstäbehen, die beiden erstge- bärenden Weibchen bei der Bildung des ersten Richtungskörpers sich als solche auf Ei und ersten Richtungskörper vertheilen (Fig. 11) und damit der Annahme zu widersprechen scheinen, dass es sich hier ursprünglich um eine „Aequationstheilung“ handle. Bei einer solchen müssten ja die durch Längsspaltung eines Mutterelements entstandenen Schwesterelemente von ein- ander getrennt werden. Ich verweise hier auf zwei Bilder, welche ich bereits, ohne sie vollkommen interpretiren zu können, in meiner ersten Arbeit (12, Fig. 21 u. 22) gegeben habe und an dieser Stelle in Fig. Se bezw. 11b wiederhole. Was zunächst die Figur Se anbelangt, so treten offenbar auch hier „Doppelwinkel“ auf, entsprechend denen in Fig. 16a und Schema A abgebildeten. Der Unterschied ist nur der, dass in ersterem Fall — bei erstgebärenden — diese Doppelwinkel be- deutend grösser und ihre Anzahl (4) eine geringere ist, als bei den mehrgebärenden. Bei den erstgebärenden findet also eine Zerlegung des Doppelfadens in Elemente statt, welche gegen- über den bei mehrgebärenden auftretenden „mehrwerthig* sind, d. h. es hat eine weniger weitgehende Segmentirung (Quertheilung) des Fadens stattgefunden. Nach Analogie von Fig. 16 (Schema A) wäre nun zu er- warten, dass die vier durch Durchbruch der Doppelwinkel ent- stehenden Stäbchen zunächst eine bündelweise Zusammenlagerung in Form von „Vierergruppen‘“ zeigen. Dies habe ich allerdings niemals gesehen. Es findet vielmehr sehr rasch ein Auseinander- fallen der Bündel in je zwei Paare von Stäbehen (in zwei Dop- pelstäbehen) statt und es erhebt sich demgemäss die Frage, welche Bedeutung diese Doppelstäbehen haben, ob die beiden Elemente, aus denen sich jedes derselben zusammensetzt, ‚‚iden- tisch“ sind oder ob dies nicht der Fall ist. Allgemeiner: in 1 r ab welcher Richtung liegt bei den Vierergruppen u die Thei- ) lungsebene ?, eine Frage, welche bereits oben, Eingangs des vier- ten Kapitels, gestellt worden war. Ein zufälliger Fund schemt auf eine Lösbarkeit dieser te) Frage hinzuweisen. In 12, Fig. 22 und an dieser Stelle in Fig. 11b tritt bei der ersten Richtungstheilung an Stelle eines der 486 DrVakenkikinzkrärelhze rn: Doppelstäbehen ein winklig geknicktes Stäbehen auf, dessen Schenkel die Länge von Einzelstäbehen haben. Ich habe seiner Zeit dies Vorkommniss nieht weiter beachtet und als nebensächlich abgebildet. Es scheint aber dasselbe, wenn es auch nur zufällig ist, insofern nieht ohne Bedeutung zu sein, als daraus hervor- seht, dass die Doppelstäbehen den Einzelwinkeln der Doppelwinkel entsprechen und also nieht, wie es zunächst den Anschein hat, aus je zwei identischen Elementen bestehen. Es folgt, dass die erste Theilungsebene die Vierergruppen in SIT? . ab Paare von nichtidentischen Elementen zerlegt: = ) und dass ) also die ersteRichtungstheilungaus einer Aequa- tionstheilung hervorgegangen ist, bei welcher jedoch nach dem Schema der plurivalenten (heterotypischen) Theilung je zwei der im Spirem hintereinander liegenden Idanten oder Chromosomen zunächst noch im engeren Verband mit einander verbleiben. In der zweiten Richtungs- theilung erfolgt dann die definitive Trennung der nieht-identischen Idantenpaare. - 7. Zusammenfassung des ersten Aufsatzes. 1. Als „Wachsthumsphase“ kann derjenige Entwiecklungs- abschnitt der Eizelle betrachtet werden, welcher mit dem Mo- mente, wo die Dyaster der letzten Theilung der Ureizellen in die Dispireme übergehen, beginnt und welcher begrenzt ist dureh den Augenblick, in dem das Keimbläschen an die Oberfläche des Eies getreten ist. 2. Die erste (ehromatische) Stufe der Wachsthumsphase ist bei den niederen Crustaceen gekennzeichnet durch die Anwesen- heit eines einzigen „Nucleolus“ (Hauptnucleolus) und durch die leichte Färbbarkeit des Fadenspirems, die zweite (achromia- tische durch die Anwesenheit mehrerer „Nucleolen“ (Neben- nucleolen) und die Abneigung der ehromatischen Substanz, die Mehrzahl der Färbungsmittel anzunehmen. 3. Die Dotterabscheidung beginnt bei den Copepoden unter allen Umständen erst beim Uebertritt der Eizellen aus dem Ovarium in die Ovidukte, einerlei, in welcher speziellen Stufe der Wachsthumsphase sich die Eikerne befinden. Das Keimbläschen, seine Elemente und Lageveränderungen. 487 4. Beierstgebärenden, eiersacklosen Cyelops strenuus- Weibchen findet in den Ovidukteiern kein Uebergang der Kerne zur 2. Wachsthumsstufe statt, vielmehr zerlegt sich das Doppelspirem, welches bei der letzten Theilung der Keimphase von den Eimutterzellen übernommen wird, direkt in die Schlei- fen oder Stäbchen, welche bei der Bildung der Richtnngskörper die Theilungseinheiten darstellen, und der ursprüngliche Haupt- nucleolus bleibt bis in .die späteren Stadien der Wachsthumsphase in der Einzahl erhalten. Zwischen die letzte Theilung der Ureizellen und die erste Theilung der Rei- Funssphaselist kein feinfadigestRuhestadium des Kernes („Keimbläschen-Stadium‘) einge- schaltet. 5. Bei mehrgebärenden, eiersacktragenden Cyelops strenuus-Weibehen, bei denen eine Stauung der Ovidukteier durch die Eiersäcke stattfindet, erfolgt in den Ovidukteikernen eine Zerlegung der Doppelfadenschlinge in ein System von chromati- schen Doppelwinkeln, welche durch feine, schwach färbbare Doppelfäden verbunden sind. Wie das Verhalten der Nucleolen zeigt, führen diese Bilder direkt hinüber zu den echten Keimbläschenstadien, wie solche z. B. bei Cyelops brevicornis auftreten. Aus den Doppelwinkeln gehen bei mehrgebärenden Weibehen dureh nachträgliche Zerlegung im die vier Schenkel (Metalyse) die für die erste T’heilung der Reifungsphase charak- teristischen Vierergruppen hervor. 7. Heissen die im Chromatinfaden hintereianderfolgenden Idanten a,b,e@..., so würde der längsgespaltene Chromatin- z r h arachost faden sich nach Weismann durch | eye darstellen las = Dur . r* . a b sen, und die Formel für eine Vierergruppe Ist: | N ‚leide 2 = lab/j Vierergruppe besteht also im Sinne Weismann's aus zwei Paaren von Schwesterelementen, und nicht, wie dies nach Boveri’s und Brauer's Angaben der Fall Se an (aa) sein würde, aus vier Enkelelementen ) laa 8. Der Beginn des Zellwachsthums und der Dotterabschei- dung ist nur an örtliche Verhältnisse gebunden und hat keinen 488 Dr. Valentin Häcker: bestimmten, zwischen Dispirem und feinfadigem Knäuel gelege- nen Vertheilungszustand des Chromatins und ebensowenig eine bestimmte Anordnung und Anzahl der Nucleolen zur Voraus- setzung. Speziell das typische „Keimbläschenstadium“ des Eikerns kann für den Eintritt und Verlauf des Zellwachsthums und der Dotterabscheidung von keiner prinzipiellen Bedeutung sein. 9. Für den Unterschied zwischen erst- und mehrgebärenden Cyelops strenuus-Weibehen besteht ein Gegenstück in dem Ver- halten mariner Calaniden, welche ihre Eier einzeln ablegen, und dem von Cyelops brevicornis, der inlangsamer Folge seine Eiersätze produziert. 10. Die Auflösung des Dispiremsinein fein- fadiges Keimbläschenstadium erfolgt bei den Copepoden da, wo eine Stauung der Ovidukteier stattfindet. 11. Ursprünglich folgten die Theilungen der Reifungsphase unmittelbar auf die letzte Theilung der Ureizellen und bereits in den Dyastern oder Dispiremen der letzteren wurde die der ersten Richtungstheilung zugehörige Längsspaltung angelegt. Sekun- där, beim Uebergang zur periodischen Eiablage, wurde bei Echinodermen, Copepoden, Cladoceren, Sela- chiern ein „Keimbläschenstadium* eingeschoben. Darin findet das Auftreten der Längsspaltung vor dem feinfadigen Ruhe- stadium eine Erklärung. 12. Bei den erstgebärenden Weibchen von Cycelops strenuus ist zum mindesten die anfängliche Lagerung der Richtungs- spindeln im Ei eine centrale und erinnert so an die bei der Samenbildung auftretenden Verhältnisse. 13. Der Hauptnucleolus ist ein in der Einzahl vor- handenes, stetig seine Grösse veränderndes, formbeständiges Organulum des Keimbläschens. Die Nebennucleolen sind Bläschen oder Tröpfehen von wechselnder Zahl, Grösse und Gestalt. 14. Der Hauptnucleolus kann entweder das ganze Keim- bläschenstadium hindurch persistiren (Eehinodermen-Typus, Fig. 22) oder durch die Nebennucleolen verdrängt werden (Verte- braten-Typus, Fig. 24). Der bei Cyelops brevicormis sich zeit- lich zwischen beide Typen einschiebende Lamellibranchiaten- Das Keimbläschen, seine Elemente und Lageveränderungen. 489 Typus (Fig. 3, 4, 20, 21) stellt die Vermittlung zwischen beiden Extremen dar. 15. Die Nebennucleolen stellen während des ganzen Keimbläschenstadiums Abspaltungspro- dukte der chromatischen Substanz dar. 16. Der Hauptnucleolus hat sich im Lauf der Phylogenese aus einem ursprünglichen Nebennueleolus zu einem membranum- hüllten, formbeständigen und stetig durch Diosmose wachsenden Organulum herausgebildet, dem ausser der Sekretspeicherung noch besondere Funktionen zuzuschreiben sind. 17. Die Vierergruppenbildung und damit die erste Rich- tungstheilung erfolgt nach dem plurivalenten (heterotypi schen, 14) Schema, insofern zwei im Spirem hintereimander- liegende Chromosomen oder Idanten zunächst noch in engerem Verbande mit einander bleiben. In der zweiten Richtungsthei- lung erfolgt dann die definitive Trennung der nicht-identischen Idantenpaare. Freiburg im Breisgau, den 3. März 1893. Literaturverzeichniss. 4 1. Beneden, E. van, Contributions & la connaissance de l’ovaire des mammiferes. L’ovaire du Vespertilio murinus et du Rhino- lophus ferrum-equinum. 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Die Ovidukteier zeigen einen jugendlichen, abgerundet-polygonalen Habitus. Fig. 2. (Zeiss, Obj. A, Oc. 4, Vergr. 97.) Frontalschnitt durch einen Ovidukt mit älteren, polymorphen Eizellen. d: Anschnitt des Darms, m, m: Querschnitt der dorsoventralen Muskelzüge. Fig. 3. Cyelops brevicornis. (Zeiss, Obj. A, Oc. 5, Vergr. 130). Ova- rium, erste (Wph I) und zweite (Wph II) Stufe der Wachs- thumsphase. Fig. 4. Cycelops brevicornis. Ovarialeikerne. a. der (schwarze) Haupt- nucleolus sitzt dem (blauen) Nebennucleolus auf. b. Der letz- tere wächst und nimmt eine ausgebuchtete Gestalt an. Fig. 5. Cyclops brevicornis. (Die Skizze links nach Zeiss, Obj. A. Oc. 4, Vergr. 97.) Ovidukteier mit knäueligem Nebennucleolus. Fig. 6. Cyelops brevieornis. (Die Skizze links nach Zeiss, Obj. A, Oc. 4, Vergr. 97.) Ovidukteier mit zerbröckeltem Nebennucleolus. Fig. 7. Erstgebärende Strenuus-Weibehen. Ovidukteier mit persistirendem Hauptnucleolus und Doppelfadenspirem. Fig. 8. Erstgebärende Strenuus-Weibchen. a. Frontalschnitt durch einen Ovidukt (nach Zeiss, Obj. A, Oc.5, Vergr. 130). Die Kerne be- finden sich sämmtlich an der dem Darm zugekehrten Seite der Zelle. b und ce. Zerlegung des Doppelfadenspirems in S Doppelfadensegmente. Fig. 9. Erstgebärende Strenuus-Weibchen. Dasselbe. Es treten meh- rere Nucleolen auf. 492 Dr. V.Häcker: Das Keimbläschen, s. Elemente u. Lageveränderung. Fie. Fie. 10—13. Erste und zweite Richtungstheilung bei erstgebärenden Strenuus-Weibchen und Signatus-Weibchen. 14—16. Mehrgzebärende Strenuus- Weibchen. Auflösung oO fo} der homogenen Doppelfadenschlinge in ein System von chro- matischen Doppelwinkeln und feinen, schwach färbbaren Dop- pelfäden. Fig. 16a—d (Zeiss, Oc. 18, hom. Imm. 3mm, Vergr. 1500). Bildung der Vierergruppen durch Metalyse. g. 17. (Zeiss, Obj. A, Od. 5, Vergr. 130.) Frontalschnitt durch den Geschlechtsapparat eines erstgebärenden Strenuus-Weibchens. Sämmtliche (zweite) Richtungsspindeln liegen central und sind in einer Richtung orientirt. 18. (Zeiss, Obj. A, Oe.5, Vergr. 130.) Winter-Eizellengruppe von Sida erystallina. Eiz Eizelle, Nz Nährzellen. Persistirender Hauptnucleolus. ‘, 19. Keimbläschen eines direkt vor dem Austreten befindlichen Wintereies von Moina paradoxa. Zahlreiche Nebennucleolen, Bildung von Vierergruppen. ig. 20 und 21. Lamellibranchiaten-Typus des Keimbläschens (nach Flemming). a. (Flemming: Nebentheil des H.): Hauptnucleolus. b. (Flemming: Haupttheil des H.) und e. (Flemming: Nebennucleolen): Nebennucleolen. . Eehinodermen-Typus desKeimbläschens (nach O.Hertwig). ) 23. Jüngeres Ovarialei eines Seeigels mit chromatischen Doppel- fäden und kappenförmig geschrumpftem Hauptnucleolos. ig. 24. Vertebraten-Typus des Keimbläschens, Frosch-Ei (nach O0. Hertwig). Untersuchungen über die Petrificirung der Muskulatur. Von Dr. Otto M. Reis, Kgl. Oberbergamt, München. Hierzu Tafel XXIX, XXX und XXXI. Zur Einleitung. In einer monographischen Bearbeitung des Skelets der Coelacanthinen, einer fossilen, in mesozoischen und palaeo- Untersuchungen über die Petrifieirung der Muskulatur. 403 zoischen Ablagerungen auftretenden und seit Ende der Kreide- periode ausgestorbenen Familie der „Crossopterygier“ (in Palae- ontographica, Band XXXV, 1887; vgl. auch v. Zittel, Hand- buch der Palaeontologie S. 120, Bd. III. Heft 1) hatte der Ver- fasser Gelegenheit, auch über die Erhaltungsmöglichkeit der Muskulatur in fossilem Zustande Einiges zu veröffentlichen. — Es zeigen nämlich fast sämmtliche im palaeont. Museum in München vorhandenen Exemplare dieser in den Juraschiefern von Solnhofen verbreiteten Familie diphyocerker Ganoidfische, zwischen den zusammengedrückten Schuppen der beiderseitigen Flanken eine feste steinartige Masse, die durch charakteristisch geknickte, sogleich auffällig an die Ligamentinseriptionen der Rumpfmuskulatur (Myocommata) erinnernde Furchen abgetheilt sind (vgl. Pal. Bd. XXXV Taf. 2. Fig. 5). — Diese Gesteinsmasse ist weisslich, im Querbruch elfenbeinartig, im Längsbruch grob- faserig, wie auch die Oberfläche faserig gestreift erscheint. Die erwähnten Massen sind am vorderen Rücken am stärk- sten, weniger auf den Flanken; längs der Chorda und entsprechend dem Verlauf der Seitenlinie sind sie in eine dorsale und ven- trale Hälfte auseinandergepresst. Nach dem Schwanz zu und auf der ventralen Hälfte des Rumpfes nach der Bauchkante zu nehmen sie an Dicke ab, wobei sie sich in auseinanderstehende kleiner werdende Fetzen auflösen und endlich nur einen schwa- chen, weisslichen Anflug auf der meist unrein gelblich getärb- ten Innenfläche der Schuppen bilden. Wenn so das Ganze den Eindruck versteinter (verkalkter) Rumpfmuskulatur macht, wobei die weisslichen Massen dem ver- kalkten Fleisch, und die erwähnten Furchen den Lücken der verwesten faserigen Bindegewebe zu vergleichen wären, so lie- fert die mikroskopische Untersuchung in überraschender Weise die Bestätigung dieses Anscheins. Bei einem Schliff in der Fläche der Versteinerungsmasse und parallel der Körperaxe erscheinen (vgl. unten Taf. XXIX, Fig. 4 und Palaeontographica Bd. XXXV, Taf. I, Fig. 9) eine Anzahl gleichbreiter, dicht aneinander liegender, wohl getrennter Längsbänder, welche in der Richtung der oberflächlichen, makros- kopisch zu bemerkenden Faserung liegen. Dieselben zeigen u. d.M. eine reizend feine, diehte und ziemlich scharfe Querstrei- fung, in sehr kleinen gleichmässigen Abständen der Streifen und 494 Draomto MM. ARetS® weiterhin ebenso häufig erkennbar eine mehr oder weniger aus- geprägte, regelmässige und unregelmässige Längsstreifung — also das Bild ächter Muskelfasern mit einer Nach- ahmungderPrimitivfibrillen und Querscheibcehen. Auf den ersten Anschein könnte diese Thatsache den volksthümlichen Begriff einer rechten „Versteinerung“ rechtferti- gen, als einer Umwandlung organischer Substanz in anorganische; dies ist natürlich nur scheinbar und wir können hier nur einen räumlichen Ersatz der organischen Materie durch Kalksubstanz, eine Art Pseudomorphose annehmen ; dieselbe kam dadurch zu Stande, dass durch irgend welche Ursachen, welche wir unten ein- gehend erörtern werden, das Kalksalze enthaltende Wasser beim Durehdringen des Fleisches den Kalk in gewissen wechselnden Diehteverhältnissen, die mit der histologischen Struktur d. i. dem Wechsel der verschieden liehtbreehenden organischen Substanzen übereinstimmen, direkt oder indirekt (dureh Vermittelung von der Muskulatur selbst angehörigen anorganischen Salze) ablagerte, so dass schliesslich nach der Ausweisung der organischen Bestand- theile annähernd derselbe optische Effekt erzielt wurde, wie bei dem unverkalkten abgetödteten Muskel. In diesem Sinne hatte ich mir zuerst diese isolirte Erschei- nung zurecht gelegt, wenn es mir auch bewusst blieb, dass hier- mit keine eigentliche Erklärung gegeben, sondern nur die Noth- wendigkeit des Vorgangs deductiv geschlossen war, deren zu- fälliges physiologisches und chemisches Agens ich überhaupt ausser den Grenzen der Empirie in dem Geheimniss längst ver- gangener Erdperioden verschlossen glaubte. In dieser Beziehung hat den Verfasser, wie aus den Schlusskapiteln hervorgehen wird, die Zeit und weiteres Studium hierher beziehbarer Litteratur eines Besseren belehrt. Etwas erschüttert wurde allerdings schon früher diese An- sicht durch die schon makroskopisch deutliche Erscheinung verkalk- ter Muskulatur noch bei anderen Fischen des lithographischen Schiefers (deren mikroskopische Untersuchung ich damals verschie- ben musste) und weiter durch eine Abbildung, die Kner!) von „gewissen Abdrücken der Rumpfmuskwlatur* bei einem sehr alten Fischtypus: Acanthodes (Perm v. Lebach) gab, welche 1) Sitzber. d. k. k. Ak. d. Wiss. Math.-natw. Cl. Bd. 57. 1868. Untersuchungen über die Petrifieirung der Muskulatur. 495 denen von Undina vollständig gleichen. — Es war also die Sache keine vereinzelte , von einer ganz einzigen Combimation der Umstände verursachte, sondern bei weit auseinanderstehenden Formen weit auseimanderliegender Zeitperioden eine gemein- same, wodurch auch die Annahme einer gesetzmässigen, allge- meinen Erscheinung nahegelegt schien, deren Ursachen man zu ergründen hoffen konnte. Während des Drucks oben erwähnter Abhandlung zeigte ich meine Präparate dem jetzt verstorbenen Herın Ad). €. Schwager (Pal. Inst. München) und dies leider etwas zu spät, so dass keine Anmerkung mehr angefügt werden konnte; der- selbe erinnerte sich nämlich bei Querschliffen durch fossile Fisch- schuppen ganz Aehnliches gesehen, es aber wegen jedes Anhalts- punktes der Deutung unbemerkt gelassen zu haben. In der That zeigte sein Querschliff durch eine Thrissops-Schuppe eine an deren Unterseite anhängende schwache Gesteinsmasse mit den bei den Coelacanthinen (Undina) auftretenden mikroskopischen Er- scheinungen, wenn auch nicht in so grosser Deutlichkeit. Die sofortige Wiederaufnahme der abgebrochenen mikroskopischen Untersuchung ergab nun auch die Thatsache der verkalkten Muskulatur bei den verschiedensten Gattungen der Plagiostomen, Holocephalen, Ganoiden und Teleostier. Herr Conr. Schwager machte mich weiter auch auf die jurassischen dibranchiaten, chondrophoren Cephalopoden aufmerksam, welehe, aus den gleichen Ablagerungen stammend, gewissermaassen eine körperliche Erhaltung zeigen, die einer Ver- kalkung des Muskelmantels zu entsprechen schien. Farbe, Bruch, Diehte und äussere Streifung der Verkalkungsmasse entsprechen vollkommen der erwähnten Erscheinung bei Undina; mikros- kopische Präparate, die wir durch die Substanz anfertigten, zeigten eine ähnliche Bänderung, welche, was besonders zu er- wähnen ist, fast die gleiche Breite wie die Muskelfasern der lebenden Cephalopoden besitzen. Eine Querstreifung war nicht zu verlangen, da dieselbe auch bei den lebenden Vertretern fehlt. Da die Bearbeitung dieser Cephalopoden die älteste streng wissenschaftliche Palaeontologie sehr beschäftigte, war es nöthig, die ältere Speziallitteratur über diesen Gegenstand zu befragen ; bei der augenfälligen, makroskopischen Erhaltung des Muskel- 496 Dr. OttoM. Reis: mantels kann es kein Wunder nehmen, dass eine Deutung schon frühe versucht wurde und sich hieran eine kurze — und ganz vergessene Diskussion knüpfte. Die ersten und ausführlichen Beschreibungen dieser in Juraablagerungen sehr verbreiteten und meist in ihrem Körper- umriss erhaltenen, phragmophoren und chondrophoren Cephalo- poden (Dibranchiata, siehe v. Zittel, Handb. der Palaeontologie Bd. IS. 494) finden sich bei DOrbigny und v. Münster!). Den Stand der Auffassung von der Art der Erhaltung derselben bezeichnet v. Münster mit den Worten: „Der Mantelsack des Thieres ist in eine weisse, kreideartige Masse verwandelt, deren Oberfläche durch sehr feine Streifen quergeringelt ist“. Eine nähere Deutung versucht v. Münster nicht. Dagegen findet sich hierüber folgende merkwürdige Stelle bei Richard Owen?) in einer „Beschreibung gewisser Belemniten, die mit einem grossen Theil ihres Weichkörpers erhalten sind“. Im Anschluss an die oben angeführte Beobachtung v. Münsters bemerkt Owen: „Der muskulöse Mantel scheint eine Umwandlung in Adipocire (Leichenwachs, Fettwachs) erlitten zu haben, so dass er fest-brüchig und spröde wurde und dem Schichtendruck nicht nachgab. Der Verlauf der Muskelfasern ist deutlich sichtbar, sie sind transvers und eireulär. Ich brachte ein Stückchen des Mus- kelgewebes unter das Mikroskop und es gelang mir mit einem Tropfen verdünnter Essigsäure die die Massen zusammensetzenden Fasern in ihrer Trennung von einander deutlich zu machen. Die scharfe Querstreifung, die bei lebenden Muskeln zu sehen ist, ist zwar im fossilen Zustande verschwunden und es konnte nur eine dunkle Granulation bemerkt werden.“ Owen vergleicht dies nicht ganz vollkommene Bild bei 600facher Vergrösserung mit dem Bilde der Muskulatur des le- benden Onychoteuthis, wobei, wie wir auch schon oben er- wähnten, die vollständig gleiche Breite der fossilen Streifen und der recenten Fasern auffällt. So einfach vorausgesehen und de- duzirt die Aussage Owen’s war, „dass jene Streifen den Mus- kelfasern selbst entsprächen*, so wenig hat sie mit ihrer ver- 1) Beiträge zur Petrefaktenkunde, 1843—1846, Heft I, V, VI, VII. 2) Philosophical Transactions, 1844, p. 695—85. Untersuchungen über die Petrifieirung der Muskulatur. 497 muthungsweisen Vergleichung mit dem Leichenwachs Anklang gefunden. Die einzige direkte Berücksichtigung fanden sie bei Quen-' stedt (Die Cephalopoden, 1849, S. 487) gelegentlich der Einlei- tung zu dem Capitel der „nackten“ Cephalopoden: „Nach Owen’s Meinung wurde die Muskelsubstanz (wohl nur das Fett zwischen den Muskeln) in sprödes Fettwachs (Adipoeire) ver- wandelt und konnte auf diese Weise Reste hinterlassen ; da diese Jedoch in Säuren unter Brausen sich lösen und nur einen ge- ringen bituminösen Rückstand lassen, so scheint nicht das Adi- poeire, sondern die Kalksalze im Mantel der Thiere die Ursache der Erhaltung gewesen zu sein. Auch wäre es sehr auffällig, wenn nur von nackten Cephalopoden solche Bildungen vorkom- men sollten, und von anderen fetten T'hieren, wie Fischen oder Sauriern keine Spur; während der Reichthum von Kalksalzen im Mantel wohl Analogieen mit Muschelthieren darböten. — Ana- Iysen werden die Sache entscheiden.“ In Quenstedt's Petrefaktenkunde S. 506 (1885) heisst es: „Der zähe Mantel musste viel Kalktheile enthalten, die sich bei der Verwesung niederschlugen und ein Bild von der organi- schen Form zurückliessen.‘“ An anderer Stelle: „Die Muskel- substanz ist in weissgraue Kalkmasse verwandelt.“ Der ersten Aeusserung nach ist die Erscheinung nichts als ein Niederschlag oder lokaler Absatz der hypothetisch (!) zwischen den Fasern des Mantels. befindlichen Kalksalze, welche ein nega- tives Bild der wirklichen Faserung erzeugen. Abgesehen von dieser Annahme spricht aber auch der histologische Befund di- rekt dagegen, da auch nach Owen’s Abbildungen die Breite der recenten mit der der fossilen Fasern ganz übereinstimmt. Da so Quenstedt die Erklärung Owen's zerstört und selbst eine Erklärung liefert, zu welcher er erst eine unbewie- sene Annahme aus der zu erklärenden und zu beweisenden That- sache folgert, da ferner die Strukturmerkmale bei Cephalopoden nicht so eklatant sind, dass die Erscheinung zugleich ohne Er- klärung einleuchtend ist, so blieb sie späteren Autoren gänzlich unentschieden und anfechtbar. H.L.Bronn, der in der „Geschichte der Natur“ (II, S. 647 1843) die Annahme Owen’s referirend unter den „Veränderun- gen organischer Ueberreste‘ anführt, spricht später im der 498 Dr. Otto M. Reis: Lethaea !) folgende Ansicht über die Erscheinung aus. „Die im Mantel vorhandenen Muskellagen hinterlassen im zarteren Gestein oft quergestreifte Eindrücke, wie aus nebeneinander liegenden Zwirnsfäden, wovon sich einer zuweilen in zwei auflöst oder anastomosirt.“ In v. Zittel’s Handbuch der Palaeontologie Bd. II wird zwar bei Geoteuthis (S. 518) die „gestreifte mit Kalksalzen imprägnirte Muskelsubstanz erwähnt; bei Ostracoteuthis und Belemnoteuthis (S. 513) heisst es dagegen, dass ihre Haut eine kreidige, quergestreifte Kalksubstanz absondere; von Plesioteuthis, der im lithogr. Schiefer häufig gefunden wird und dessen versteinerte Muskulatur für unsere Untersuchungen das hauptsächlichste Material lieferte, werden nur kurz (S. 519) die „Abdrücke des ganzen Thieres“ erwähnt. Alles dieses ist geeignet darzuthun, wie wenig beweisende Kraft die von Owen mitgetheilte Erscheinung gerade bei den Gephalopodenmuskeln hatte, so dass an eine positive Umwand- lung und Umsetzung innerhalb des Körpers der Muskelfaser nie- mand glauben mochte. Gerade dieser Punkt war aber in dem Erklärungsversuch Owen’s enthalten, indem man damals allge- meiner als heute annahm, dass Adipocire aus einer Umwandlung der Muskelfaser selbst in Fett und Fettsäure unter Bindung von Kalk entstehe. Owen’s Beobachtung war also im Einzelnen weder aner- kannt, noch im Allgemeinen verwerthbar, so dass sie fast in Vergessenheit versank und einer Ausgrabung bedurfte. Die 'That- sache der Fossilisation der Muskulatur war daher für den Ver- fasser bei der Publikation der „Osteologie der Coelacanthinen“ noch ein einzig dastehendes Curiosum, das zwar mit dem genü- genden Ernst gewürdigt, jedoch ohne Erwähnung der älteren mikroskopischen Untersuchungen Owen’s an Cephalopoden ver- kündet wurde. Die unzweifelhafte Thatsache, wie sie sich bei Undina fest- stellen liess, befestigt aber die Auffassung der Erscheinung bei den Cephalopoden vollständig, worauf ich schon in Mittheilungen der Gesellschaft für Morphologie und Physiologie in München 1839 näher eingegangen bin. 1) Leth. geognostica 1851--52, Bd. Il, S. 381. Untersuchungen über die Petrificirung der Muskulatur. 499 Im Anschluss an diese Untersuchungen hat nun auch in- zwischen Dr. Eb. Fraas bei einem Geoteuthis aus dem Lias Schwabens die Deutung der Muskulatur bei Cephalopoden von einer anderen Seite beleuchtet!) und befestigt, worauf wir in dem betreffenden Abschnitt näher eingehen werden. Die fossile Muskulatur ist nicht nur von Fischen und Ce- phalopoden zweifellos festgestellt, ich kann nun auch hinzufügen von Reptilien und Würmern (Anneliden). Was die Reptilien betrifft, so fand ich die Muskulatur bei Anguisosaurus (vgl. unten) in voller Deutlichkeit. Hierbei muss ich erwähnen, dass Dr. Eb. Fraas in Stuttgart gleichzeitig mit meiner Untersuchung über Undina bei Gelegenheit der Be- schreibung einer Finne von Ichthyosaurus wichtige Angaben über die fossile Erhaltung von Weichtheilen gemacht hat (vgl. Württemb. Jahresh. für vat. Naturkunde 1888. S.292— 296). Fraas erwähnt hier nach Owen’s Vorgange (A Deseription of some of the soft parts, with the Integument of the Hind-fin of Ichthyo- saurus, Trans. Geol. Soc. Lond. 1541) makroskopische Fleisch- massen und in Ergänzung besonders die Erhaltung von einer „durch das Ausfaulen der Muskulatur in zarte Streifenfalten ge- legten Haut“. Weiter wird angegeben, dass die Mikrostruktur der Muskulatur zerstört und durch feinen körnigen Kalk ersetzt sei. Da Dr. Fraas mir seine Präparate gelegentlich ge- zeigt hat, ist es mir möglich, sowohl hierüber, als auch über die Beziehungen der angeblichen Erhaltung von Epidermis, Cutis und deren Pigment und des fraglichen Vorhandensems von ver- horntem Pflasterepithel des Stratum corneum — zu unserer Fos- silation der Muskulatur in dem unten folgenden Capitel über hr Auftreten bei Reptilien einiges mitzutheilen. Alle diese Erscheinungen lassen sich unter einem Gesichts- punkt betrachten; da nämlich die Versteinerungsmasse ein „Phos- phorit“ ist — dem Gesichtspunkt der „Phosphoritisirung‘“ gewisser Eiweisssubstanzen ; wir können von einem M yo- oder Zoophos- phorit sprechen und wir werden im letzten Capitel darlegen, welehe Ausdehnung diese Erscheinung hat. Ich darf hier nicht versäumen, auch auf eine Darstellung 1) Jahreshefte des Vereins für vaterl. Naturkunde in Württemb. 1889, S. 217. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 41 32 500 Dr: Otto M. Reis: der Möglichkeit noch einer anderen Art der Erhaltung thierischer Substanzen aufmerksam zu machen, welche Oberbergdirektor Dr. Gümbel durch mikroskopische Untersuchung wahrscheinlich gemacht hat — Er Zoocarbonit (vgl. Sitzber. bayer. Ak. d. Wiss. II Cl. 1883. 1. Taf. III, Fig. 50au.b). Die Erscheinung wird daselbst Be charackterisirt: „Dass auch thierische Stoffe sich in eine förmliche Kohle umbilden können, beweist die Umwandlung von Fischresten in Glanzkohle, die man in ver- schiedenen Bildungen der Carbon-, Postearbon- und Liaseti-Schichten beobachtet hat. Dieser Zoocarbonit tritt denn auch zuweilen in zwei schmalen aber regelmässigen Flötzchen auf, namentlich in der Lebacher Stufe, z. B. Münster-Appel in der Rheinpfalz. Die glän- zend schwarze würfelförnig brechende Kohle umsehliesst zahl- reiche in ihrer Form und am Schmelz kenntliche Schuppen und ganze Fischkörper, erscheint im Uebrigen dieht und texturlos. — Nach der Behandlung mit der Bleiehflüssigkeit zeigt sieh eine höchst charakteristische Streifung mit eigenthümlichen narbenar- tigen Butzen und dazwischenziehenden dunkeln Adern wie von Gefässen herrührend“. Auf andere hierher gehörige Bemerkungen und Beobach- tungen früherer Autoren, wie Kner, Quenstedt, Hermann von Meyer, Traquair, Ehlers und Vetter, die nur die makroskopische Erscheinung berühren, werde ich im speziellen Theil an betreffender Stelle kurz eingehen. In letzterem werden die einzelnen Arten, an welchen die Beobachtungen gemacht wurden, getrennt behandelt, da ich glaube, dass hierdurch bei der genauen Beschreibung der spezifischen Eigenheiten der Ver- kalkung, besonders der Art der Uebergänge von typischer Struk- turerhaltung zu strukturloser Verkalkung der Kernpunkt der Erklärung von selbst hervorspringen wird. Eine Zusammen- fassung der makroskopischen und mikroskopischen Erscheinungen wird dann schematisch und summarisch verfahrend dasjenige hervorheben, was im letzten Kapitel zu einer vorläufigen Erklä- rung als Material dienen kann. Bei dieser Art der Abhandlung konnten auch mit der Deutung der Muskulatur zusammenhängende zweifelhafte Punkte der palaeontologischen Morphologie (vgl. die Frage der Hautbedeekung der jurass. Holocephalen, desgl. von Callopterus und Agassizia) in übersichtlicher Weise besprochen werden, worauf ich den Systematiker aufmerksam mache; des- Untersuchungen über die Petrifieirung der Muskulatur. 501 gleichen auf die kurze Begründung der Wiederherstellung der Pla- giostomen-Gättung Aellopus. Die Untersuchungen schliessen sich alle an das Material des palaeontologischen Instituts in München an und wurden im Jahre 1888 mit den mikroskopischen Präparaten fertig gestellt. Eine kurze Darstellung derselben habe ich schon in den Sitzungs- ber. der Gesellsch. für Morphologie und Physiologie in München 1889 gegeben. In den vorliegenden Blättern wird ausserdem noch eine unter den Begriff des „Myophosphorits“ fallende Fossili- sation des flüssigen Inhaltes des Tintenbeutels der Tintenfische und der Zellen des hyalinen Knorpels bei Elasmobranchiern festgestellt, während ich die Annahme einer Phosphoritisirung der Cutis oder der Nervensubstanz noch für zweifelhaft halte. Es erübrigt mir nur noch, Herrn Prof. v. Zittel für die Ueberlassung des Materials, Herm Prof. v. Voit und Prof. R. Hertwig, sowie Herrn A. Schwager (kgl. Oberbergamt in München) für vielfachen Rath und Belehrung meinen Dank aus- zusprechen. I. Beschreibung der Erscheinung bei fossilen Fischen. Wir beginnen zunächst mit den Elasmobranehiern und be- ziehen uns im Folgenden zur Orientirung über die einzelnen fossilen Gattungen und Arten auf v. Zittel’s Handbuch der Palaeontologie, Bd. III, S. 65—272 (Fische), Bd. III, S. 451 u. 595 (Reptilien), Bd. II, S. 491—521 (Cephalopoden), Bd. I, S. 565— 570 (Anneliden). 1. Plagiostomen. Notidanus. An dem m v. Zittel’s Handbuch 1. e. S. 66 angeführten Exemplare von Notidanus Münsteri Ag. aus den Solnhofer Schiefern befindet sich längs der Wirbelsäule, in einiger Entfer- nung von ihr dorsal nnd ventral in einer scheinbar dem Körper entsprechenden Umrisslinie abbrechend, und anschliessend an die wohl erhaltenen Kalkknorpeltheile des Cranium- und Visceral- skelets eine schwache Anhäufung fast schneeweisser, blätteriger 502 Dr. Otto M. Reis: Massen, die im Gegensatz zu der graulichen Kalk-Gesteinsmatrix stehen, sich leicht von derselben, als von einem etwas hetero- genen Material ablösen und bei der Ablösung auf der Aussenseite die Chagrinkörnchen des Hautskelets zeigen; sie entsprechen so augenscheinlich dem Körperinnern. Kleinere Stückchen dieses Petrefakts sind eigenthümlieh porös und kleben an der Zunge. Die reine Oberfläche ist fein- bis grobgestreift, der Bruch ist in der Fläche längsfaserig und schalig, quer dazu aber ganz dicht. Die Dieke ist (die beiden auf zwei Gesteinsplatten vertheilten Reste zusammengenommen) etwa 0,01 bis 0,015 m. U.d.M. lassen sich vor alleın in einer ziemlich gleichmässig hellen, schwach körneligen Grundmasse breitere Bänder erkennen, welche stellenweise ganz verschwinden; die Bänderung geschieht durch unregelmässig auftretende, aber hier und da gleichmässig von einander entfernte, spaltenartige, dunkle Linien. Innerhalb der Bänder tritt nun entweder eine feine, mit der Bänderung parallele Längsliniirung auf oder auch eine Längsreihung sehr feiner, als dunkle Körnchen erscheinender Unterbrechungen der Masse, welche häufig oder meistens fast unmerklich in der Rieh- tung der erwähnten Bänder und Streifen verlängert sind; Körn- ehenreihen und Streifen gehen überhaupt in einander über. Senk- recht hierzu tritt nun eine zweite Anordnung von in der Quere der Streifen sehr schwach verlängerten, in sehr gleichmässigen und schmalen Abständen stehender Körnchen auf, so dass ent- weder eine feine dunkle Kreuzstreifung resultirt oder auch eine kreuzweise Reihung von dunkeln Körnchen, welche zwar nicht zu scharf ist, aber doch dem Eindruck vollständiger Regelmässig- keit sehr nahe kommt (Taf. XXIX, Fig. 10). Am auffälligsten ist die Längsreihung, über welche wie ein Schleier die Queranordnung ausgebreitet ist. In regellos einge- streuten Stellen wird die Masse vollständig hell und ist fast in ganzer Tiefe ohne Körnehen. An anderen Punkten der Präparate finden sich in solcher gleichmässig hellen Grundmasse starke Anhäufungen der dunkeln Körnchen; sie sind hier nach einer Richtung besonders verlängert, spindelförmig und in ihren Längs- axen meist untereinander parallel, was die Richtung der ver- schwundenen Längsbänder andeutet. In solchen Spindeln scheinen die Körnchen in einander zu zerfliessen, wie auch die Anhäufun- Untersuchungen über die Petrificirung der Muskulatur. 503 gen unter sich in zwei aufeinander senkrechten Richtungen sich vereinigen; es erscheinen dann Bildungen, welche an unregel- mässige Dendriten regulär krystallisirender Mineralien erinnern. Die erwähnten dunkeln Körnchen sind nun nicht Einschlüsse eines anders gefärbten fremden Materials; wenn sie dunkel im Gesichtsfeld erscheinen, werden sie beim Niederschrauben des Tubus zu central erglänzenden Punkten; es sind also Hohlräume in der sonst einheitlichen Masse, welche auch durch flüssigen Canadabalsam ausgefüllt werden und daher beim Decken der Präparate oft verschwinden. Da nun diese Bildung in der ganz amorphen Körperausfüllung keine mineralische sein kann, so muss sie in irgend einer Weise von den im Körperinnern befindlichen (Geweben beeinflusst worden sein. Da es nun keine Gewebsart giebt, welche in dieser Weise und in solcher mikroskopischen Feimheit aufeinander senkrechte Faserungsrichtungen innerhalb deutlicher Bänder zeigt, weiter kein Gewebe, welches im Anschluss an das innere Skelet dorsal und ventral der Wirbelsäule unter der Haut in soleher Masse auftritt, wie die Muskulatur, so kön- nen die wohl angedeuteten Bänder mit ihrer dichten, kreuzweise abgetheilten inneren Faserung des Versteinerungsmaterials nur dureh die Muskelfasern und ihre Fibrillen verursacht sein, wofür wir im Folgenden noch andere mikroskopische Beweise bringen können. Der Querschnitt (Taf. XXX, Fig. 4) zeigt, dass die Längsbänderung dem Längsschnitt körperlicher Säulen von bieon- vexem Umriss zu verdanken ist; er erinnert ausserordentlich an die Querschnittsfelderung der Muskelbündel. Wir können daher unbedenklich diese Verkalkungsart den bei Undina mit typischer Muskelstruktur von mir beobachteten Verkalkungen gleichstellen und müssen die allerdings merklichen Unterschiede auf Rechnung einer möglichen zufälligen Metamor- phose oder einer gesetzmässigen Veränderlichkeit überhaupt setzen. Diese Gesichtspunkte im Einzelnen zu verfolgen, erscheint von besonderer Wichtigkeit für die Erklärung der Erscheinung. Die vorhandene Versteinerungsmasse entspricht nach den oben angegebenen Maassen nur einem Bruchtheil der Fleischmasse und kann in ihrem Volum auf höchstens !/, der anzunehmenden Muskulatur geschätzt werden. 504 Dr: r Ost 0-M. ARE isst: Acrodus (vgl. v. Zittel l.c. 8. 46, Fig. 72, Exemplar der Münchener Staatssamml.). Auch hier sind makroskopisch unter dem Schuppenkleid starke Wülste längs der Wirbelsäule bemerkbar, welche nur der Muskulatur angehören können. Das einzige Exemplar war aber zu schonen und konnte nicht zur mikroskopischen Untersuchung herangezogen werden. Desgleichen PalaeoscyTiaumvelv.'Zzttret re BI, Auch hier zeigen sich ganz ähnliche Wülste weisslich gelber Massen, welche auf verkalkte Muskulatur zurückzuführen sind. Squatina alifera v. Münster (s. v. Zittel l.e. S. 92 Fig. 105 und Quenstedt, Petrefaktenkunde, S. 286). Diese noch jetzt lebende Gattung ist auch in den Jura- schiefern von Eichstädt und Nusplingen vertreten. In der oben eitirten Abbildung eines Münchener Original- exemplars ist die ganze weisslich gehaltene Partie des Rumpfes freigelegt von der Bedeekung der eng gedrängten Zähnchen der Chagrinhaut. Man sieht so auf die Rippen und eine ganz weisse Zwischenfüllmasse, welche eine quer zu den Rippen verlaufende Streifung und Andeutungen der Myocommata zeigt. Sie hat ma- kroskopisch alle Kennzeichen der bei Notidanus beschriebenen Muskelmassen und ist unter den ihr eingedrückten Hautschüpp- chen auch an den Kiemenbögen bis zu den Kiefern bemerkbar. Auch Quenstedt erwähnt die Füllmasse bei der Beschreibung des Querbruchs eines Körpers von Squatina von Nusplingen (l. e. Taf. 22, S. 286): ‚Der Wirbelkörper ... ist nach aussen von einer weissen Masse bedeckt, worin braune Stacheln und Schuppen zerstreut liegen (also: eingedrückt! Der Verf.). Die- selben gehören offenbar nicht mehr zum Wirbel, so eng sie sich auch daran schliessen, sondern zur Haut, welche sich zu beiden Seiten als ein schmaler Streif voller Schuppenreste fortsetzt.‘ Der Dünnschliff zeigt nun die schönste Erhaltung der Mikro- struktur der Muskeln. Vor allem ausgezeichnet ist innerhalb der mehr weniger scharf getrennten Längsbänder die Längsstreifung, welche sowohl scharf liniirt, als fein und gröber gekörnelt auftritt; hier und Untersuchungen über die Petrifiecirung der Muskulatur. 505 da zeigen sich blasige Erweiterungen der gröberen Körnelung, die schwach mit fremdem Material infiltrirt erscheinen. Oefters be- stehen die Längsstreifen nur aus Reihen auseinander stehender Körnehen; sie stehen wechselnd in grösserer Dichte nebenein- ander, als auch in weiteren Zwischenräumen auseinander, im ersteren Falle bilden sie manchmal ein liehtes Geflirre von mehr weniger lichtbrechenden Linien (Taf. XXIX, Fig. 1). Dieser Längsstreifung ist sehr oft eine sehr feine flimmerige Querstreifung zugesellt, die platzweise diehtgedrängt auftritt und mit der Längsstreifung das feinste Kreuzkorn hervorruft, wie wir ein solches bei Notidanus ausführlich erwähnt haben. Es bildet hier das Auftreten des Kreuzkorns zugleich neben und in allen Uebergängen zu typischer Struktur eme Sicherung der Deu- tung der Muskulatur bei Notidanus; wir werden Gleiches fast in allen folgenden Fällen zu erwähnen haben. An den dünnsten Stellen des Präparates zeigt sich aber ohne jede Längsstreifung eine wunderbar zarte Querstreifung, wie ich sie schon Palaeontographieca XXXV, S. 34—36, Taf. Il, Fig. 9 bei Undina festgestellt habe und die dort als der sicherste Beweis angeführt wurde, (dass hierin eine vollständige, anorga- nische Nachbildung der mikroskopischen Struktur der Muskeln vorliege. Es verlaufen nun mit allen Uebergängen und Anschlüssen diese die deutlichste Muskelstruktur zeigenden Stellen in gleich- mässig helle oder auch fein und unregelmässig granulirte Felder, in welchen nur sporadisch eingestreut eine Quer- oder Längs- streifung zu bemerken ist. Selbst bei fehlender Bänderung be- weist dies den organisch untrennbaren Zusammenhang der struk- turlosen und strukturführenden Stellen, kurz die Einheit der Ab- stammung der Versteinerungsmasse. Spathobatismirabilis Wagen. (v. Zittell. c. 8.102, F.117). Diese an den lebenden Rhinobatis sich eng anschliessende Gattung besitzt auch in den von mir untersuchten Exemplaren unter der Chagrinhaut die weisslichen, kreideartigen Massen. U. d.M. zeigen sich neben spärlicher Längsstreifung und einem sehr feinen Kreuzkorn, überwiegend sehr gleichmässig gekörnelte, sonst strukturlose Flächen. Das Kreuzkorn ist häufig grob und 506 Dr. OttoM. Reis: es finden sich auch spindelförmige Anhäufungen dentritisch com- municirender Körnehen, deren Längsaxen der Faserung und Bän- derung entsprechen. Selbst an den unregelmässig gekörmelten Stellen sieht man beim Auf- und Niederschrauben d. M. deutlich die vorwiegende Längsanordnung der dunkeln Körnchen. Aellopus elongatus Münst. em. Reis. Das Originalexemplar des Grafen von Münster, an welchem die Untersuchung über die vorkommenden Gewebeformen vorge- nommen wurden, um ein Urtheil über etwaige vitale oder post- bume Verkalkungen zu erlangen, wurde von A. Wagner (Denk- schrift der bayer. Akad. d. Wissenschaften) als vermuthliches Schwanzstück von Squatina spec. erklärt. Die Afterflosse und I. Dorsalis sollte fehlen, während ein am vorderen Ende des Fossils befindlicher, ventral gewendeter Flossenlappen als Bauch- flosse erklärt wurde. Letztere hat aber einen Tragegürtel, der nur als Schultergürtel und nicht als Becken gedeutet werden kann, ebenso wie Flossenlappen und -Skelet dieser generellen Diagnose entgegenstehen. Weiterhin liegen hinter ihr sowohl die theilweise zerstörten knorpeligen Reste einer I. Dors., der Ven- tralis mit Beckengürtelresten, als auch Reste einer recht schwa- chen Analis. Für unsere Anschauung spricht weiterhin noch das Verhalten der Wirbel resp. Doppelwirbel; unter den ea. 110 Wirbeln sind ca. 47 einfache Wirbel, die der Bauchhöhle oder hauptsächlich dem Raum zwischen den beiden paarigen Flossen entsprechen müssen. Darauf folgen ea. 16 Doppelwirbel, die unter den Resten der II. Dors. beginnen, sich aber nach hinten wieder vereinfachen. Die Analis beginnt wenigstens unter dem 10. Doppelwirbel. Die I. Dors. beginnt etwa unter dem 25. Wirbel, 22 Segmente vor dem 1. Doppelwirbel. Bei Squatina beginnt aber die I. Dors. hinter dem Abschluss der Leibes- höhle über dem 12.—13. Halbwirbel: die II. Dors. folgt noch weiter nach hinten. Es kann also die hinterste Dorsalis, unter welcher bei Aellopus die Halbwirbel beginnen, unmöglich die hintere Flosse emer Squatina sein. Dasselbe, was hierbei gegen die Zuordnung von Aellopus elongatus zu Squatina spricht, gilt noch mehr in Bezug auf Spathobatis, unter dessen Synonymen Aellopus bei Untersuchungen über die Petrifieirung der Muskulatur. 507 v. Zittel aufgeführt wird (Handbuch, 1. e., S. 105). Bei dieser Gattung sind die erwähnten Unterschiede noch entschiedener, wozu noch nennenswerthe Verschiedenheiten in dem Umriss der Flossen, in der Entwiekelung des Chagrins dorsal von der frag- lichen Bauchflosse hinzutreten. Das in Rede stehende Fossil ist daher kein Platt-Hai; der sicher bilateral eompresse Körper ist vielmehr im Lateralprofil zu sehen und stimmt in der Lagerung mit der gewöhnlichen von Thyellina, Pristiurus und Palaeoseyllium, von welehen Gattungen er aber durch namhafte Unterschiede generell getrennt ist. Palaeosceyllium ist bei viel geringerer Körper- länge durch die grössere Zahl der Wirbel, das Fehlen der Dop- pelwirbel (?) dureh starke Verkalkung sämmtlicher Radialreihen der unpaaren Flossen ohne Verschmelzung der Basalia (Mustelus), andere Form und Stellung der Flossen schon oberflächlich leicht von Aellopus zu unterscheiden !). Agassiz stellte den Fisch von Anfang an zu Galeus und findet auch Aehnliehkeit in der Wirbelbildung mit Carcharias; hierher kann er aber nur m gewisser Beschränkung gerechnet werden. Aellopus Wagneri Ag. stellt Wagner zu Notidanus; es ist möglich, dass er nur das Schwanzstück eines grösseren Exemplars von A. elongatus ist. Beiden Exemplaren fehlt leider der. Kopf; nur an dem erst- erwähnten finden sich vor dem von mir als Schultergürtel gedeu- teten Knorpelgürtel ein Paar Knorpelreste, die ich für Kiemen- bogentheile ansehe, deren Breite, Form und Art der Verkalkung, sowie deren Struktur ganz besonders an gleiche Theile erinnern, welche mit dem als Sphenodus longidens Ag. (Solnhofen) bezeichneten, höchst charakteristischen, Lamnidenartigen Gebiss vorkommen. Auch die vorhandenen ersten Wirbel schliessen die Möglichkeit einer engeren Beziehung von Sphenodus und Aellopus nicht aus. Ein dereinstiger günstiger Fund kann allerdings erst die Frage entscheiden. 1) Bei Palaeoseyllium liegen von der II. Dorsalis bis zum Schwanz ca. 110, dagegen bei Aellopus bei viel grösserer Länge nur ca. 85 Segmente; der Beginn der II. Dorsalis liegt bei ersterem 30 Segmente hinter dem Beginn der ersteren, bei Aellopus ca. 22 ete., etc. 508 DrEAOKboIM ARrenise Ich bin hauptsächlieh deswegen im Vorhergehenden so um- fassend auf die Gattungsfrage eingegangen, weil die Struktur der erhaltenen Muskulatur an keine der Gattungen sich anreihen lässt, zu denen Aellopus als Synonym bisher gestellt wurde. Da mich meine Erfahrung belehrt hat, dass bei Verschieden- heiten der Muskelschliffe bei einer Gattung doch sich stets cha- rakteristische Uebergänge erkennen lassen und zwei verschiedene Bilder nie unvermittelt auftreten, Aellopus aber in der Struktur der Muskulatur solche Uebergänge zu Squatina und Spatho- batis nieht zeigt, sondern ganz isolirte Eigenheiten besitzt, so zeigt sich hierdurch, dass die Art der Muskelverkalkung als ein unterstützendes Begleitmoment der Gattungsdiagnose bei Gelegen- heit herangezogen werden kann. U.d.M. erkennt man eine gleichmässig helle Grundmasse, in weleher nur einzelne Partien kreuzweiser Körnelung eingestreut sind. Ausserdem bemerkt man längere gröbere Faserzüge, welche in kurzen schlauchähnlichen Abschnitten unregelmässig einge- schnürt oder auch von emander abgelöst sind; dieselben treten sowohl in grösseren Abständen von einander auf, als auch enger parallel neben einander gelegt. Sie erscheinen bei hoher Ein- stellung dunkel, bei tieferer verschwinden sie als eine dichte Anhäufung heller Körnchen in der hellen gleichmässigen Grund- masse, An die Beschreibung der plagiostomen Elasmobranchier haben wir noch zwei Beobachtungen von Kner und Traquair hinzuzufügen, welehe den makroskopischen Momenten Rechnung tragen und von denen die Darstellung Traquair’s in ihrer logischen Einfachheit die einzig richtige Deutung aufstellt. Kner berichtet in seiner Bearbeitung Lebacher Acantho- (dinen (Sitz.-Ber. d. Wiener Akad. der Wiss., Bd. 57, I, S. 199): „Zwei Gegenplatten sind besonders bemerkenswerth wegen der unter der Haut durechschimmernden Abdrücke der seitlichen gros- sen Rumpfmuskeln; die Lagerung der Muskelbündel ist genau dieselbe, wie bei lebenden Fischen. Diese grossen Muskel- sehiehten bilden mit zwei schiefen Längsreihen kleinerer Muskel- bündel, deren die obere längs des Rückens, die untere des Bauchs verläuft, deutliche Ziekzacklinien.“ ... Untersuchungen über die Petrifieirung der Muskulatur. 509 „Die zwischen den beiden mittleren oder Hauptreihen dieser Muskelschichten befindliche Trennungsfurehe, in der sie fast unter rechtem Winkel aufeinander stossen, läuft längs der Seite des Rumpfes, wo über ihr die obere Seitenlinie hinläuft. Sogar die Sehnen zwischen den einzemen Muskelbündeln sind theilweise im Abdruck zu erkennen.“ Diese Darstellung, so genau sie ist, leidet wie die oben mitgetheilten Aeusserungen Bronns (Leth. geogn. II) über den Cephalopodenmantel, an der unklaren Vorstellung von dem, was abgedrückt und was körperlich vorhanden ist. Nach der von Schlotterbeck gezeichneten guten Abbildung liegt die Erschei- nung aber genau so wie bei Coelacanthinen (Undina). Es sind auch hier die Myomere körperlich erhalten, die Sehnen nicht, sondern durch Furchen angedeutet. Bei weitem in klarerer Weise stellt Traquair seine Beob- achtung dar. Bei der Beschreibung des Rumpfes eines neuen Hypodontiden: Ctenacanthus costellatus (vgl. v. Zittel, Handb. der Pal. III S. 66) aus der Kohlenformation Englands er- wähnt er Folgendes: „... man sieht weiter Massen von schmutzig gelblich-weissem Material, augenscheinlich innerhalb des Chagrins gelegen. U. d. L. zeigt die Oberfläche Fasern, welche haupt- sächlich parallel der Körperaxe verlaufen; weiter sind sie durch untereinander parallele, schief gerichtete Septa durchschnitten. So sind zum Beispiel hinter dem Schultergürtel sechs solcher Septa zu sehen und ebenso zwischen den beiden Rückenstacheln nahe der Rückenkante, wo sie auch in der Nähe des zweiten Stachels einen Zickzackverlauf zeigen. Könnten diese Massen wohl fossilisirte Rumpfmuskulatur des Fisches darstellen? Es ist gewiss hierfür von höchstem Interesse, dass mein Freund, Mr. Peach in denselben Ablagerungen im Innern der Schenkelglieder fossiler Skorpione Muskelfasern entdeckt hat.“ (Traquair, On Ctenacanthus costellatus Geol. Mag., Dee. III, Vol. I, 8.2). 2. Holocephalen. Ischyodus (Taf. XXIX, Kies. 2). Dies ist die der lebenden Chimaera am nächsten stehende, verbreitetste Holocephalengattung der jurassischen Ablagerungen. 510 Dr. Otto M. Reis: N Die letzten eingehendsten Bearbeitungen derselben finden sich in v. Zittel's Handbuch der Pal., S. 108—110 und in Palaeonto- graphiea Bd. XNXXIV, Riess: „Ueber einige fossile Chimaeren- Reste im Münch. Pal. Museum“. An fast allen Exemplaren ist Kopf und Körper in deutlichem Umriss erhalten, welcher bei den schon erwähnten Haien von der Ausdehnung der Chagrinhaut, unterstützt dureh die versteinerte Muskulatur, bestimmt wurde. Die lebenden Holocephalen besitzen kein Chagrinintegument. Riess giebt aber bei Ischyodus Quenstedtiund I. avita ein solches an, welches also als erste Ursache einer im Gestein abgedrückten Umrisslinie des Thierkörpers zu betrachten wäre. Er giebt auch ein mikroskopisches Bild durch diese Chagrin- körner (und zwar soleher vom Kopf), welche zwar einen eoncen- trisch lamellösen Aufbau, aber weder Pulpa noch Dentinröhrehen zeigen. Hierzu muss ich bemerken, dass der lamellöse Aufbau nach meinen Sehliffen ausserordentlich unregelmässig, wellig faserig ist und durchaus nicht den compakten, man möchte sagen „eisernen“ Eindruck von Dentinlamellen macht; vielmehr wird man sogleich an verkalktes Bindegewebe erinnert. Dabei ist es auffällig, dass die von Riess angegebenen localen Reste dieser Chagrinhaut sich nur auf Stellen beschränken, wo Knorpel vor- kommt: Cranialknorpel, Unterkieferknorpel (= ‚der um den Unter- kieferzahn herumgeschlagenen Chagrinhaut“), Sehultergürtelknor- pel und Tragknorpel der I. Dorsalis (= „Chagrin neben oder hinter der ausgehöhlten Ansatzstelle des Rückenstachels‘“) und würde dies sehon indirekt auf die Kalkprismen des Elasmobran- chierknorpels hinweisen. Umgekehrt zeigt die Untersuchung von anderen Knorpeltheilen mit Prismenverkalkung den eigenthüm- liehen lamellös-faserigen, eoncentrischen Aufbau, wobei ich gleich bemerken muss, dass in überwiegender Mehrzahl der Fälle in fossilem Zustand die eingeschlossenen Knorpelzellen gänzlich verschwunden sind. Bei der Untersuchung def Prismen von Xenacanthus, Notidanus, Aellopus, Squatina, Spathobatis, Isehyodus, Chimaeropsis habe ich nur bei vereinzelten Prismen von Squatina und Aellopus noch schlecht erhaltene Knorpelzellräume beobachtet. Sonst verhalten sich die Prismen alle so wie die von Riess bei Ischyodus gefundenen „Chagrinkörner“. Wir werden auf die Erscheinung Untersuchungen über die Petrificirung der Muskulatur. 511 des Verschwindens der Knorpelzellräume und des Hervor- tretens des eubisch-lamellösen Aufbaus der Kalkprismen im letz- ten Kapitel noch eingehender zurückkommen. — Uns interessirt hier vorderhand nur die Thatsache, dass die Haut von Ischyo- dus vollständig nackt ist, der Umriss des Kopfes durch Kalk- knorpel und der deutlich abgesetzte Umriss des Rumpfes nur durch die verkalkte Muskulatur dargestellt wird. Besser als die Beobachtung von Riess ist eine viel ältere von Quenstedt, Petrefaktenkunde 1852, S. 292, über das später nach München gekommene Exemplar von Ischyodus Quen- stedti Wagn.; er berichtet, dass „unter der (vermeintlichen!) .‚Chagrinhaut sich eine dicke steinmarkähnliche Masse befinde, die statt der weichen Fleischtheile zurückgeblieben sei“! An dem Rumpf des Originalexemplars von Isch. avita in v. Zittel’s Handbuch I. e. Fig. 123 sind an einzelnen Stellen in der Versteinerungsmasse deutlich die Myocommata zu beob- achten. Hier ist sogar der Zwischenraum zwischen Kopf und Schultergürtel damit erfüllt und ist besonders die dorsale und ventrale Grenzlinie durch die Verkalkung der Opereularmuskulatur und der vor dem Schultergürtel liegenden dorsalen und ventralen Längsmuskulatur (Coraco-Arcualis) deutlich ausgeprägt; am Kopfe sind desgleichen vor dem Auge unterhalb der Schleimkanäle und ausserhalb des von Riess als Chagrin gedeuteten Cranialknorpels, die Reste des grossen Adductoren in gleicher Ausdehnung wie bei der lebenden Chimaera zu bemerken. Bei ersterwähntem Exemplar, das 1,5 m lang ist, beträgt die Dieke der Versteinerungsmasse bis zu l cm, bei letzterwähn- tem 0,6 m langen, sind dieselben nur bis 2 mm stark. Das Mikroskop zeigt nun in einer zarten Längsbänderung eine sehr deutliche, gleichmässige, in feinen Längsstreifen geord- nete Körnelung, welche bedeutend feiner ist, als bei Squatina; neben der Körnelung treten einfache, eontinuirliche Streifen, sel- tener spaltenartige Linien auf; häufig ist eine spindelförmige Anhäufung von körneligen Längsstreifen um eine mittlere stärkere Körnerreihe oder einen Spalt zu bemerken. Die Querstreifung tritt sehr schön in zarten blassdunkeln Linien oder sehr schwach gekörnelten Streifehen auf und erfüllt continuirlich grössere Fel- der der Präparate. Daneben tritt sowohl eine gekreuzte dunkele Strichelung, 512 Dr. OttoM. Reis: als auch Körnelung auf; im ersteren Falle sind die dunkeln Streifen eontinuirlich, im letzteren die hellen. Hier und da sieht man, dass dunkele Körner schlauchartig in der Querrichtung ver- längert sind und dann in die Längsrichtung rechtwinkelig um- biegen. Auch hier sind rings von Struktur-zeigenden Flächen umschlossene, durch keine Bänderung abgetheilte, strukturlose, aber gleichmässig gekörnelte Felder anzuführen. Nimmt man Chimaera zum Muster, so wird die erhaltene Muskelmasse etwa !/,—!/, des ursprünglich anzunehmenden Flei- sches betragen. Chimaeropsis paradoxa v. Zittell.ce. S. 113, Fig. 126 und Riess].e. S. 21, Taf. TI und IH (Palaeontogr. Bd. XXXIV). Auch bei dieser Gattung erwähnt Riess, dass die ganze Körperoberfläche und der Kopf mit Chagrin bedeckt sei. Das Originalexemplar ist in Körper- und Kopfumrissen ziemlich deut- lich erhalten. Zum Unterschied von dem ganz nackten Ischy o- dus (und Chimaera) findet sich aber hier wirklich eine Chagrin- bedecekung und zwar nur hinter dem Schultergürtel. Vor dem- selben und am Kopf finden sich nur sechs isolirte kleinere Haut- platten und keine Schuppen mehr. Was daher Riess hier als Chagrin erwähnt, ist in Knollen verkalkter Cranial- und Kiefer- knorpel, deren Struktur sich genau verhält, wie die vermeimt- liehen Schuppen von Ischyodus; die ächten Schuppen von Chimaeropsis zeigen deutlich Pulpa, Dentin und verkalkte Basalplatte. Verkalkte Muskulatur findet sich nun hier, wo sie allein angetroffen werden kann, im Rumpf unter dem Chagrin, am Kopf ausserhalb d. h. auf dem Knorpel; die Muskelreste an letzterem gehören ihrer Lage nach dem Unterkieferadduktoren an. Die im Rumpf befindlichen Theile haben eine Dieke von 0,005 bis 0,007 m. Im Längsbruch zeigen sie auch hier makroskopisch eine grobe, aber diehte Faserung und u. d. M. erscheint die feinste Muskelstruktur. Bei schwacher Längsbänderung zeigen sich spärliche Längsstreifen; dagegen treten grosse Felder schwach körneliger, fast continuirlicher Querstreifung auf, meist in zitterigen Linien und dicht gedrängt. Daneben beobachtet Untersuchungen über die Petrifieirung der Muskulatur. 515 man auch Kreuzreiben gleicher und ungleicher Körnchen, spindel- artige Spalten- und Körneranhäufungen, grosse gleichmässig, aber ungeordnet gekörnelte bis fast helle Felder in allmäligen Ueber- sängen (Taf. XXIX, Fig. 3 u. 93). Taf, XXX, Fig. 6 zeigt einen etwas schief durch ein Muskelbündel gelegten Querschliff bei starker Vergrösserung ohne die Körnelung. 3. Ganoiden. Undina peniecillata Mnstr. (vgl. v. Zittel, Hdb. 1. e. S. 171). Unter den Crossopterygiern sind bis jetzt nur die Coela- canthinen (Undina) bekannt, welche die Muskelverkalkung, aber auch makroskopisch und mikroskopisch in hervorragender Schönheit zeigen. Zu der in Bd. XXXV der Palaeontographica und Eingangs dieses Textes gegebenen Schilderung sei noch er- wähnt, dass sowohl die dunkelm Längs- und Querstreifen, die meist continuirlich, aber doch in zitterigen Linien erscheinen, sich auch in gleichmässige und ungleichmässige Körnerreihen auflösen können; Felder oder Bänder mit Querstreifen oder solehe mit Längsstreifen sind vorwiegend von einander getrennt. Felder mit regelmässiger körmeliger Kreuzstreifung, bei welchen Faser- trennungslinien nur hier und da als kurze Spalten auftreten, fehlen nicht. Oft zeigt sich aber auch bei höherer Einstellung in der- selben Faser an derselben Stelle eine Längskörnelung, wo bei tieferer eine quere Anordnung auftritt (Taf. XXIX, Fig. 4). Die Erscheinung tritt hier nur an der Rumpfmuskulatur, nie, wie ich an zahlreichen Exemplaren beobachten konnte, an der der paarigen und unpaarigen Extremitäten oder der des Kopfes auf. Die Mächtigkeit der Versteinerungsmasse beträgt im Maximalauftreten 0,004—0,005 m. Taf. XXX, Fig. 5 stellt den Querschliff durch mehrere Muskel- bündeldar, welehe unmittelbar von den Schuppen bedeekt werden. Es zeigen sich hier inmitten der gekörnelten Faserquerschnitte ganz helle (also im Längsschliff strukturfreie) Querschnitte. Während die gekörnelten Felderchen einen weniger scharf begrenzten aber ringsum regelmässigeren Umriss haben, zeigen sich die hellen 514 DrE..O,t1/6.M: Reis: einseitig doch schärfer umgrenzt und bilden grosse zellige Räume zwischen einander, als ob sie durch Contraktion von einander gezerrt wären. Dass diese Bildung nur zwei verschiedene Zu- stände der Fasern bedeuten, scheint zweifellos aus den Ueber- gängen hervorzugehen. Bemerkenswerth ist, dass nach der Aus- senwand des Körpers zu die Fasern heller und ihre Querschnitte kleiner werden. Desgleichen zeigt sich zwischen den einzelnen jündeln nach dem Spalt zu, welcher der verwesten Intermusku- larsehne entspricht, sowohl eine scharfe Erhellung als auch eine Verschmelzung der einzelnen Fasern; dies ist bei den hellen Fasern überhaupt der Fall, dass sie an einzelnen Stellen ihres Umfangs untrennbar mit einander verschmolzen sind, an den an- dern aber von den Nachbarfasern durch grössere Zwischenlücken getrennt werden (vgl. auch Taf. 30, Fig. 5). Unter den Lepidosteiden des lithographischen Schie- fers zeigen die zum Theil grossen und riesenhaften Sphaero- donten (s. v. Zittell. e. S. 207) fast nichts von der Erscheinung ; dagegen die Saurodonten (s. v. Zittel S. 112) fast sämmtlich, von welchen ich besonders Pholidophorus Taf. XXIX, Fig. 9 hervorhebe. Er zeigt eine reizende, in Quer- und Längsreihen geordnete Körnelung; die Körnehen sind ziemlich gleichmässig ; kleine Ansammlungen derselben sind local in einer gleichmässig hellen Grundmasse eingestreut. Ebenso häufig ist die Erscheinung bei dem Rhynceho- dontiden Aspidorhyncehus, seltener bei Belonosto- mus (vgl. v. Zittell. ec. S. 116). Bei einem Exemplar der er- steren Gattung zeigt sich zwischen den Schuppen in der Bauch- gegend aufgeschlossen eine 0,006 m dicke kreidige Masse, welche dünn geschliffen das Bild Fig. 13, Taf. XXIX zeigt. Neben ein- zelnen mit Punktreihen oder Streifen gekennzeichneten Muskel- fasern finden sich scheinbar durcheinander gewirrte kürzere Stücke mit deutlich wellig körneliger Streifung, welche sowohl feiner als gröber auftritt; dies sind hauptsächlich schief durch- schnittene Fasern. An einem zweiten Schliff zeigt sich ein starkes Kreuzkorn, dagegen ist keme eigentliche Querstreifung sichtbar. Unter den Pyenodontiden habe ich keine einzige Gattung mit fossilisirter Muskulatur angetroffen. Bei den ebenso auf Molluskennahrung angewiesenen „sphaerodonten“ Lepidostei- Untersuchungen über die Petrifieirung der Muskulatur. 515 den konnte ich, wie erwähnt, ebenso wenig die Versteinerungser- scheinung nachweisen. Die Amiaden, fast durchgängig Vertebraten-fressende Raubfische zeigen fast allgemein die petrificirte Muskulatur, deren Einzelbeschreibung wieder lohnend ist. Caturus furcatus Agass. (v. Zittell?e. 8.227). ‘Bei den zahlreichen Exemplaren dieses Fisches, welche das Münch. Pal. Institut besitzt, zeigt sich zwar die fossile Musku- latur in sehr wechselndem Auftreten, dagegen auch gerade hier in einer fast eonstanten Grösse des Maximums desselben. Die Dicke beträgt einseitig im Max. 1,5 mm. Hier ist auch die Muskulatur der unpaaren Flossen in starken Wülsten längs der distalen Enden der Flossenträger erhalten; sogar Theile der Kaumuskeln lassen sich erkennen. Die Farbe des Versteinerungsmaterials ist meistens aus- nehmend weiss, wie fossiles Elfenbein oder gebleichte Knochen ; das mikroskopische Bild (Taf. XXIX, Fig. 12) ist ein ausseror- dentlich wechselndes und es tritt die Längs- und Querstreifung in gleich deutlicher Weise auf, wenn sie auch meist auf ver- schiedene Felder vertheilt sind. Sehr scharfe, spaltenartige Streifen treten unregelmässig in einem diehten Gedränge mit feinen, eng und gleiehmässig auf die Breite einer Faser vertheil- ten, zart-dunkeln Streifehen auf. Die Fasern selbst sind beson- ders bei vorhandener Querstreifung ausserordentlich deutlich ge- trennt. — Statt einfacher Streifen sind auch im Körnchen aufge- löste, grob granulirte Reihen vorhanden ; stellenweise häufen sich die Granulationen und bilden mit querangeordneten Körnchen dunkle Butzen mit Kreuzkom. Es verschwinden aber auch die Fasertrennungslinien und dann zeigen sich weite Felder mit gleichmässiger Körnelung, in welchen auch stellenweise eine ver- einzelte Längs- und Querstreifung, schliesslich auch eine ord- nungslose Punktirung zu erkennen ist. Die eine dieser Formen geht in die andere über, und wenn selbst inmitten heller Flächen ein- zelne Felderchen mit Kreuzstriehelung zu bemerken sind, so sind ihre Componenten doch fast immer parallel oder nahezu parallel mit einander; ein Beweis für die Einheit der Versteinerungsmasse. Die Querstreifung ist an den verschiedenen Präparaten Archiv £. wikrosk. Anatomie. Bd. 41 39 516 Dr. Otto M. Reis: wechselnd; wo sie auftritt, ist sie sehr regelmässig, erfüllt ent- weder die ganze Breite der Fasern oder tritt nur in der Mitte auf; oft zeigt sich eine wellige Biegung oder auch eine einfache Coneavität, welche in vielen benachbarten Fasern gleichsinnig ist. Die dunkeln und hellen Streifen sind in den Fällen schönster Deutlichkeit nahezu gleich breit, wenngleich die helleren stets etwas breiter erscheinen. Die hellen Streifen sind durchaus eontinuirlich ; die dunk- leren aber sind nieht homogen; in ihrer Fortsetzung finden, be- sonders bei den Längsstreifen, auch die gröberen Unterbrechungen der Substanz statt, wobei sich grosse Poren oder gar schwachbla- sige Erweiterungen zeigen. In der Fortsetzung der dunklen Strei- fung treten auch scharfe Spalten auf; die dunklen Streifen werden auch hier wie bei Notidanus dureh die Infiltration mit leichtflüssigem Canadabalsam stellenweise ganz unsichtbar. Hvypsoeormus insiernis Waen. (s. v. Zittel l. e. S. 225). u fo) oO Die zwischen den Schuppen und dem Skelet befindlichen, gelblichen bis weisslichen Massen simd brüchig- faserig und zeigen unter dem Mikroskop Taf. XXIX, Fig. 11 ziemlich die gleichen Erscheinungen, wie sie von Caturus beschrieben sind. Die durchschnittlich denen von Caturus gleich breiten Fasern zeigen ganz besonders schön die an Stärke ab- und zu- nehmenden dunkeln Körnerreihen, welche bei tieferer Einstellung sich sämmtlich erhellen; daneben zeigen sich auch scharfgezo- gene, aber zart dunkle Streifehen bis zur äussersten Feinheit. Die Querstreifung ist zart und schleierartig. Beide Arten sind felderweise von einander getrennt. Der Querschnitt zeigt sowohl regelmässige Felderung als auch Bilder, wie wir sie von Undina beschrieben haben. Sauropsis longimanus Ag. (s. v. Zittell. e. S. 276). Ein Querbruch dureh den Körper zeigt zwischen den Schup- pen eine 21/, mm dieke weissliche, sehr harte Masse, welche die Anhangsgebilde der hier noch knorpeligen Wirbelsäule umgiebt. Der Durchschnitt der Neurapophyse liegt genau in der Mitte der Masse, die Durchschnitte der Rippen sind der Mediane mehr genähert als den Untersuchungen über die Petrifieirung der Muskulatur. 517 Schuppen. Die Masse liegt also überwiegend an der Stelle, wo Muskulatur sich vorfindet. U.d.M. ist eine gleichmässige Kör- nelung Taf. XXIX, Fig. 5 in sonst heller Grundmasse zu be- obachten ; häufig zeigt sich in derselben eine vorwiegende Längs- anordnung und stellenweise eine schwächer ausgesprochene, dazu senkrechte Querreihung. Callopterus Agassizi Thiolliere (v. Zittell. e. S. 230). Der Körper dieser im lithographischen Sehiefer nicht sehr häufigen grossen Fische (bis Im lang) ist in den vorliegenden Exemplaren dem Umriss nach scharf vom Gestein abgehoben. Nach den verschiedenen Autoren soll er einmal nackt, ein ander- mal „wahrscheinlich mit sehr dünnen Schuppen bedeckt sein“. Nach meinen Untersuchungen ist der Körper nackt bis auf den oberen und zum Theil unteren Schwanzlappen ; wie man das auch von Chondrostiern kennt, dass bei der Reduktion des Schup- penkleides sich im oberen Schwanzlappen die Schuppen am läng- sten und in ihrer primitivsten Form erhalten. Die Ansicht, dass der übrige Körper mit sehr zarten Schup- pen bedeckt sein soll, rührt von der feinstreifigen Oberfläche der erhaltenen Muskulatur her, welche auch sehr scharf den Körper- umriss darstellt (vgl. Taf. XXX, Fig. 1, in ?/, nat. Gr.). Die Dicke der erhaltenen Substanz beträgt einerseits2,5—2 mm; es ist eine fast continuirliche, fein gestreifte Masse, deren Strei- fung hauptsächlich parallel der Körperaxe und untergeordnet den Spinalfortsätzen verläuft (vgl. Fig. 1, Taf. XXX). Die Myo- mere der linken Seite sind fast bis zur Rückenkante abgehoben und man sieht auf die mediale Fläche der Myomere der rechten Seite, welehe unter den Dornfortsätzen hinzieht. Unter den vor- deren Wirbeln machen sich die nach hinten aufsteigenden Fur- chen der Intermuskularsepten schwach bemerkbar; man sieht hier zwar keine tiefen Furchen, wie bei Coelacanthinen, doch erkennt man die hintere Ueberschiebungsgrenze, längs welcher die hintersten dünnen, sich zerfasernden Theile eines Myomers sich auf das vorne eompaktere darauffolgende Myomer auflagern. Das mikroskopische Bild ist ein äusserst liebliches. Man sieht Taf. XXIX, Fig. 7 sowohl auf weite Felder schönster Querstreifung fast ohne jede Fasertrennung, welche nur dadurch 518 Dr. Ot6:0M. Reis: zu erkennen ist, dass sehr häufig die Querstreifung weithin in einem Sinne eoncav liniirt ist und so jedesmal mit einer neuen Einbiegung eine andere Faser beginnt; oft werden die eontinuir- lichen Streifen nach der Fasertrennung zu in kleine Körnchen aufgelöst. Die Längsstreifen fehlen hier in der sonst zu be- obachtenden Deutlichkeit: es ziehen nur senkrecht zu der so scharfen Querstreifung mehr oder weniger breite, schwachdunkle, kaum in Körnchen aufzulösende, nicht scharf begrenzte, schat- tenartige Streifen über die Präparate. Die Querstreifen sind bei aller Schärfe nur selten conti- nuirlich; sehr eng gereihte dunkle Stäbehen und Punkte machen den Eindruck dunkler Linien, die mit unsicherer, zitternder Hand gezogen sind. Die Streifen stehen sehr dicht. Spindelförmige Spalten und Körneranhäufungen sind selten. Der Querschliff zeigt hier die unregelmässig polygonal-rundliche Felderung un- gleichmässiger Faserquerschnitte, wie wir sie von Undina und Hypsocormus erwähnt haben, natürlich seltener, doch ist sie trotz der Regelmässigkeit der Erhaltung der Fasern auch hier zu beobachten. Agassizia titania Wagner (s. Zittel l. e. S. 226). Von diesem interessanten, bis zu 2m langen Fisch aus dem lithographischen Schiefer existirt ein Exemplar in der Dresdener und zwei in der Münchener Sammlung. Auf das erstere hat B. Vetter (Mittheil. aus dem kgl. geol.-min.-prähist. Museum in Dresden 1881) das neue Genus Agassizia wohl begründet. Bezüglich des Schuppenkleides bemerkt der Autor Folgen- des; erstens lange und ausnahmsweise schmale Schuppen, zwei- tens an anderen Stellen eine Skulptur dieser Schuppen, die ihm hier einen zweifelhaften und unsicheren Umriss zu haben scheinen, in „zahlreichen, ziemlich stark vorragenden, gerade oder sanft geschwungenen Leisten® .....; „diese Leisten, welche am Hinterrand wahrschemlich in feine Spitzen oder Zacken auslaufen, scheinen sich aber sehr leicht von ihrer Un- terlage abzulösen, denn überall findet man sie in Gestalt mehr oder weniger durch einander gewirrter, verbogener oder geknick- ter Fasern oder Streifen, oft auch büschelförmig gruppirt auf der Obertläche zerstreut, so dass es .auf den ersten Blick aus- Untersuchungen über die Petrifieirung der Muskulatur. 519 sieht, als ob das Thier ein aus kurzen groben filzigen Haaren bestehendes Fell besessen hätte“..... „Das Schuppenkleid hat sich nur noch zwischen den Rippen und Dornfortsätzen erhalten. Von der Seitenlinie ist keine Spur zu sehen, dagegen macht sich von der Gegend der Rückenflosse an längs den distalen Enden der oberen und unteren Dornfortsätze in kürzeren Streeken auch längs der Chorda je eine Reihe eigenthümlicher senkreehter oder schwach nach vorne eonvexer flacher Wülste bemerkbar (an Zahl den Köpersegmenten genau entsprechend), auf deren Wöl- bung fast stets longitudinal, also auf der Längsdimension des Wulstes senkrecht verlaufende Schuppen zu erkennen sind. Es ist dies um so auffallender, als wie gesagt, die Schuppen sonst gerade an den von innen vorgetriebenen Stellen fehlen (auf den Rippen), weshalb man auch hier nicht daran denken kann, die Wülste ‘als Folge von krampfhafter Zusammenziehung kurzer Muskelbündel anzusehen.“ Diese ausgezeichneten Beobachtungen, die den Forscher der Lösung so nahe brachten, zu der ihm aber der Schlüssel fehlte, würden, auch wenn ich das Original nicht gesehen hätte, mir keinen Zweifel gestatten, dass der oberflächliche Filz der ver- meintlichen Schuppen und das segmentale wulstige Auftreten derselben der Muskelverkalkung angehören. Auch die Münchener Exemplare zeigen dieselbe deutlich und lassen keine Zweifel aufkommen. U. d.M. zeigt sich in sehr dünnen Schliffen das feinste Kreuzkorn mit stellenweise deutlicherem Hervortreten der Längs- streifung und Bänderung mit gleichbleibender Breite; sonst tritt überall eine äusserst gleichmässige Granulirung auf. Der Quer- schnitt zeigt öfter ein schöneres Bild der eigentlichen Faserung, indem hier die Fasertrennungslinien eine Felderung ovaler Quer- schnitte hervorrufen. Einer weiteren Erscheinung muss ich hier gedenken; eines der Münchener Originalexemplare zeigt eine unmittelbar himter dem Kopf beginnende, deutlich von den oberen Dornfortsätzen an mehreren Stellen überlagerte, sich nach hinten etwas ver- Jüngende stabartige Einlagerung von wirklicher Versteinerungs- masse; obere und untere Grenzlinie sind sehr scharf ausgeprägt und durchaus regelmässig. Das Skelet ist nicht ganz ungestört, doch lässt sich der Stab bis ungefähr zum Ende der Leibeshöhle ver- 520 Dr. Otto M. Reis: folgen. Quer- und Längsschliffe zeigen eine deutlich regelmässige Faserung und feinste Granulirung der Masse, es ist keine Frage, dass hier eine Gewebeversteinerung vorliegt. Da ein Querschliff senkrecht zur Längsrichtung des Stabes stellenweise eine zu dieser senkrechte Faserung ergiebt, so wäre die Möglichkeit vorhanden, dass hier eine bilateral zusammengedrückte, theilweise eireuläre oder auch radiale Faserung vorliegt. Da die Struktur nicht ganz typische Muskelstruktur ist, so könnte sie vielleicht einem anderen nahe verwandten und ähnlich gefügten Gewebe angehören und es würde diesen histologischen Daten nicht wider- sprechen, wenn man nach dem morphologischen Befund den Stab als petrifieirtes Rückenmark erkärte; durchaus unzwei- deutig ist diese Annahme nicht, wohl aber ausserordentlich wahr- scheinlich. Die Versteinerungsmasse hat stellenweise eine Dieke von D mm: sie zeigt rem muscheligen Bruch und hat eme feine weisse Farbe. Eurycormus insignis Wagner (s. v. Zittel l. ce. 8. 231). Der in allen zur Untersuchung vorgelegenen Exemplaren mit den Schuppen erhaltene kleine Fisch zeigt an den meisten Bruchstellen zwischen denselben eine 3—5!/, mm dicke weiss- liche Masse, durch welche Fig. 1 Taf. XXXI einen Querschliff darstellt. Es ist der Schliff fast senkrecht zu der Körperaxe gelegt, so dass zwei hinter einander liegende Rippenpaare in einem nur wenig nach vorne und ventralwärts schiefen Durchschnitt ge- troffen wurden und so über einander liegen. Aussen erkennt man die Durchschnitte sich überschiebender Flankenschuppen. An beiden Seiten im Innern erkennt man längliche Felder mit einer inneren mosaikartigen, unregelmässig rundlich-polygonalen Klein- felderung. Diese Theilfelderchen sind durch unregelmässige, nicht sehr schmale, dunkle Linien von einander getrennt und zeigen innerhalb (besonders unten links im Präparat) eine sehr schöne gleichmässige Punktirung, welche sich beim Auf- und Nieder- schrauben des Tubus als die optischen Endpunkte längerer, dunkler, spaltenartiger Linien zu erkennen geben. Wir haben hier Querschnitte durch sehr regelmässig erhaltene, wenig ge- drückte Muskelbündel vor uns, innerhalb deren die kleineren hellen Untersuchungen über die Petrifieirung der Muskulatur. 521 Mosaikfelderehen den Querschnitten der Fasern entsprechen, deren Punktirung und kurze Linirung den mehr quer, bezw. mehr schief getroffenen dunkelen Längsstreifen zuzuschreiben ist. Zwi- sehen diesen reinen Quersehnitten dureh Muskelbündel treten auch schiefe Längschnitte durch dieselben auf; sie zeigen neben gröberen, spaltenartigen Linien eine sehr feine gleichmässige Liniirung mit nur schwacher Körnelung. Doch finden sich auch Körnerreihen, wie bei Hypsocormus und stellenweise ist eine feine Quer- streifung zu bemerken. Diese längs und quer getroffenen Muskellagen liegen haupt- sächlich zwischen den Schuppen und Rippen; doch ist auch noch der Streifen zwischen den Rippen der Muskelverkalkung angehörig und es ist die Grenze zwischen lateralen Hälften optisch nicht zu erkennen (vgl. Callopterus und Sauropsis). Aus den verschiedensten Stellen des Präparats geht hervor, dass auch diese mediane, an mehreren Stellen strukturlose, an andern dunkelbutzige Masse der Versteinerung des Fleisches zuzuschrei- ben ist. Es wird dies dadurch zu erklären sein, dass nach der Fäulniss der der Leibeshöhle angehörigen Organe, doch noch nicht die festen sehnigen Verbindungen der Rippen mit der Wirbelsäule aufgelöst waren und die noch weiche plastische Muskelmasse sich durch ihr eignes Gewicht auf der Innenseite der Rippen sammelte. Zu bemerken ist noch, dass zwischen den beträchtlich entfernten Schuppen eine der Versteinerungsmasse der Muskulatur ganz gleiche Füllmasse gelagert ist. Es zeigt diese Masse scheinbare Strukturstreifen, die an einigen Stellen deutlich dem Unterrand der Schuppenquersehnitte nahezu parallel laufen. Man könnte hierbei vielleicht an Verkalkungen der untersten vital nicht verknöcherten Lagen der Cutis denken. Doch ist diese Bestimmung einstweilen viel zu gewagt und be- darf es weiterer eingehender Untersuchungen zur Ermittelung untrüglicherer Kennzeichen. Megalurus altivelis Wagner (s. v. Zittel 1. e. S. 233). Bei diesem, der lebenden Amia ealva nächstverwandten Fisch (von Solnhofen) ist die Erscheinung wegen der Dünn- heit der Schuppen schon von aussen durch letztere hindureh zu 522 Dr. Otto M. Reis: beobachten. Die Streifung ist eine äusserst feine; die Ver- steinerungsmasse selbst hat eine Dieke von 1,5—2 mm. U. d.M. zeigt dieselbe eine scharfe Längsspaltung in deut- lich getrennte Fasern, welche sowohl eine feine, zart granulirte Längs- und Querstreifung zeigen, als auch eine regelmässige An- ordnung gleichmässiger Körmchen in den jenen entsprechenden Richtungen; seltener ist eine ganz grobe Granulirung innerhalb der Fasern zu bemerken, welche gelegentlich in langen Reihen grösserer Körner auftritt. Auch sah ich hier mehrmals, was sonst nicht zu beobachten ist, dass (statt der feineren diehtgedrängten Querstreifen) in grösseren, jedoch ziemlich gleichmässigen Abstän- den, Querreihen grösserer blasiger Poren auftreten, wie es bei der Längsstreifung sehr häufig ist. Die Struktur ähnelt sonst ausser- ordentlich derjenigen von Hypsocormus, Caturus und Eury- eormus. Taf. XXX, Fig. 2 stellt den Querschliff durch einen randlichen Theil eines Muskelbündels dar, in welchem eme äussere Zone sich leieht von einer inneren unterscheidet. Die Querschnitte durch die Muskelfasern in letzterem Abschnitt sind eng und dicht punktirt, die Trennungslinien nicht durch Furchen, sondern dureh glashelle Substanz angedeutet. In ganz gleicher Weise tritt dies wie am Rande der Fasern, so auch am Rande ganzer Muskel- bündel auf, dass die Substanz der Fibrillen ringsum zu einer glashellen Masse verschmolzen ist, welche mit der randlichen der Gegenfasern oder Gegenbündel ebenso eimheitlich verbunden ist und nur seltener die Furche der verschwundenen bindegewe- bigen Trennungswände noch erhalten zeigt (vgl. Fig.5, Taf. XXX). Der äussere Theil des Querschnittes zeigt nun im Gegensatz hierzu, wie bei Undina oben beschrieben, grosse zellige Lücken zwischen den einzelnen Fasern, die einseitig und stellenweise ganz mit einander verschmolzen sind; zugleich sind die Fasern fast ganz glasighell, zeigen fast keine Struktur, wie auch ihr (Querschnitt ein unregelmässiger ist. Auch im Längsschliff zeigen dergleichen Fasern fast keine Struktur, unregelmässige (meist geringere) Breite und zerbröckeln ausserordentlich leicht; das Bild macht den Eindruck von einseitig verschmolzenen und ander- seitig durch Contraktion scheinbar auseinander gezerrten Fasern. Untersuchungen über die Petrificirung der Muskulatur. 523 4. Teleostier. (Vgl. v. Zittel, Bd. III, S.272.) Unter allen Vertretern derselben aus den verschiedensten Ablagerungen zeigen die jurassischen Thrissops und Leptolepis noch am deutlichsten die verkalkte Muskulatur; sie bildet eine dünne, 0,5—1,0 mm dieke Lage zwischen den Schuppen, welche man nur zur Ansicht bringen kann, wenn man die Schuppen beiderseits abschleift. U. d. M. zeigt sich eine durch scharfe Spalten abgetheilte Masse, in welcher an einzelnen Stellen deut- liche Quer- und Längsstreifung erhalten ist. II. Reptilien. (Verey. Drittel 1. e. Bad II, 'S:589 591 und 8. 451-473. Von den dieser Classe von Wirbelthieren zugehörigen Ver- tretern habe ich makroskopisch der Muskelverkalkung vergleichbare Massen nur bei Anguisosaurus Geldfussi Mnstr. (Lith. Schiefer) untersucht. Von diesen bemerkte schon Hermann v. Meyer (Bei- träge zur Petrefaktenkunde Deutschlands Bd. I. S. 56): „Der Raum innerhalb der Grenze des Skelets ist mit einer etwas weisseren, zarteren Masse, als die der Schieferplatte ausgefüllt. Sie vertritt,. wie ich dies auch bei anderen Sauriern gefunden habe, den weichen Körpertheil des Thieres.“ U.d.M. zeigt diese Masse eine zarte Längsstreifung oder Kreuzkörmelung und stellenweise auch eine Querstreifung, kurz typische Muskelstruktur, welche aber zu besonderen Bemerkungen keine Veranlassung giebt. Gleichzeitig mit meiner mikroskopischen Entdeekung der Muskelstruktur bei Coelacanthinen hat sich auch Dr. E. Fraas in Stuttgart mit der histologischen Untersuchung der in einer augenfälligen Versteinerungsmasse erhaltenen Weichtheile einer Flosse von Ichthyosaurus (wie solche schon Buekland und Owen veröffentlicht haben) beschäftigt. Er kommt zu der histo- logischen Unterscheidung einer Epidermis, Cutis und einer sub- eutanen Muskelmasse. Von Letzterer sagt Fraas (Jahresh. für vaterländ. Naturkunde in Württemberg 1888, 8. 293): „Die helle, durehsichtige und ungefärbte Masse im innern Theil der Falte mag von der Fleischsubstanz herrühren, jetzt besteht aber die 524 Dr. Otto M. Reis: Materie nur noch aus feinem körnigen Kalk, welcher die Fleisch- substanz infiltrirt und dadurch deren Struktur zerstört hat.“ Es ist möglich, dass diese Masse der Muskelverkalkung angehört und zwar schliesse ich dies aus Folgendem. Fraas glaubt „mit Sieherheit* in zwei randlich gelegenen, hellen und dunkeln Sehiehten seiner Präparate eine Cutis und Epidermis annehmen zu dürfen, von denen die gefärbte Lage die Cutis repräsentire, deren Färbung „in der That von Pigmentzellen“ herrühre, die bei einem Flächensehliff in langen, gleich breiten Bändern ange- ordnet sind. „Auf der Cutis lagert die pigmentfreie Epidermis. In der subeutanen Muskelschicht .... zeigen... sich deutlich die Conturen der zahlreichen Canäle, welche sie durchsetzen und welche ihr einen grobmaschigen Habitus verleihen.“ Fraas ver- gleicht dies mit dem subeutanen Gewebe der Sehwarte der See- säugethiere. Schliesslich erwähnt Fraas verhornte Epidermis- gebilde mit einem Maschennetz, welches den „Zellwandungen des verhornten Pflasterepithels der Stratum corneum“ entspre- chen soll. Da Herr Dr. Fraas mir freundlicher Weise seine Präparate einmal gezeigt hat, so kann ich mir über dieselben ein Urtheil erlauben: ich bin mit keiner dieser Deutungen einverstanden. Die in „Reihen geordneten Pigmentzellen der Cutis“ halte ich für einen Längsschnitt durch die Muskelsubstanz, deren Fasern etwas infiltrirt sind (l. e., Taf. VII. Fig. 5): Fig. 2 halte ich nicht für Querschnitte durch die gefältelte Haut, sondern für Quer- schnitte dureh gröbere Muskelbündel und was Fig. 4 betrifft (ver- horntes Pflasterepithel), so kann ich auch nur sagen, «dass ieh ganz ähnliche Bilder bei Querschnitten durch Muskelbündel von Megalurus, Eurycormus, Notidanus, Chimaeropsis und Undina erhalten habe (vgl. Fig. 2—6 Taf. XXX). Die mit diesen eontinuirlich verbundene, helle, innere Kalkmasse, welche ohne Struktur ist, wird daher wohl auch der Muskelverkalkung zuzu- schreiben sein. Die äusserliche Verschiedenheit dieser einzelnen Bilder zeigt sich genau ebenso innerhalb des einheitlichen Muskel- gewebes bei Fischen als eine Verschiedenheit innerhalb der weiten Grenzen der Variabilität der Versteinerungsart der Muskulatur und es kann nach meinen Erfahrungen allein hierauf eine Unter- scheidung von Epidermis, Cutis und subeutanem Gewebe nicht aufgestellt werden. Wir müssen daher Fraas widersprechen, Untersuchungen über die Petrifieirung der Muskulatur. 5325 wenn er meint, die Muskelstruktur sei durch die Kalkinfiltration zerstört und sehen die erhaltene Struktur eben in dem, was er Epidermis, Hornschuppen und pigmentirte Cutis nennt (vgl. unten letztes Capitel). In der paläontologischen Staats-Sammlung in München ist nun auch eine wunderbar erhaltene Schwanzflosse von Ichthyo- saurus ausgestellt, wo aber petrifieirte Muskulatur nur längs des abgekrümmten Theiles der Wirbelsäule zu bemerken ist; der übrige Umriss der Flosse ist gebildet durch eimen ganz schwa- chen, vom Gesteim nicht zu trennenden Niederschlag, in welchem zahlreiche Kalkspathknöllchen auskrystallisirt sind, die offenbar dem Niederschlag angehören. Auch diese Erscheinung muss nach unsern jetzigen Erfahrungen nicht emer Cutiserhaltung zuge- schrieben werden, sondern kann ebensowohl von undifferenzirtem Bindegewebe zwischen den beiderseitigen Cutislagen abgeleitet werden, wie solches in gallertiger Consistenz mit eingestreuten elastischen Fasern die Axenebene der Flossenlappen der Knorpel- fische bildet und besonders stark in der Caudalis ventralis ent- wickelt ist. Zur mikroskopischen Untersuchung sind leider an dem ge- nannten Exemplar in München die Niederschläge von Ver- steinerungsmaterial viel zu schwach. Da vor Kurzem ein vollständig erhaltener Ichthyosaurus mit wohl petrifieirten Weichtheilen vom Stuttgarter Hof-Naturalien- Cabimet erworben worden ist (vgl. Jahrbuch für Mineralogie 1892. II. S. 88), so wird demnächst eine eingehende Bearbeitung der Histologie der erhaltenen Theile zu erwarten ‘sein; nach der vor- läufigen Mittheilung über diesen Fund schemt Fraas an der Deutung der Hornsubstanz festzuhalten. III. Cephalopoden. Ueber die makroskopische Erscheinung der Verkalkung des Mantels derselben haben wir schon in der Einleitung Einiges gesagt und wer in v. Münster, Beiträge zur Petrefaktenkunde Deutschlands, Heft VII. 1846 und in v. Quenstedt: Cephalopoden die schönen Tafeln ansieht, erhält sofort den Eindruck, dass (die fossilen Ueberreste die vollständige, körperliche Wiedergabe der muskulösen Theile des Weichkörpers darstellen. Von den Belemnitiden (vgl. v. Zittel l. ec. 495) scheint 526 Dr. OttoM. Reis: nur der von Huxley beschriebene Belemnites Bruguierianus Moll. (vgl. v. Zittel, I. Bd. S. 498) mit deutlichem Körperabdruck auch Muskelverkalkungen besessen zu haben. Von Belemnoteuthiden (vgl. v. Zittel 1. e. S.510) theilt dieselbe, wie Eingangs erwähnt wurde, Owen mit, wobei auch die vorzügliche Erhaltung anderer Theile, z. B. der Augen (wahr- scheinlich nur der äquatorial verdiekten Augenknorpel) zur Dar- stellung kam. Die jurassischen Chondrophoren, besonders die Vertreter im lithographischen Schiefer (Trachyteuthis, Geoteuthis, Leptoteuthis, Plesioteuthis, vergl. v. Zittel, 1. e. Bd’, S. 515) zeigen nun die verkalkte Muskulatur in ganz besonders schöner Erhaltung und man möchte sagen, fast ausnahmslos. U. d. M. zeigt die Versteinerungsmasse (vgl. Taf. XXIX Fig. 6 u. 14) entweder ganz helle Bänder von bedeutend geringerer Breite als bei den Fischen oder auch fein gestreifte Bänder, wie häufig die glatten Muskeln niederer Thiere längsgestreift erschei- nen. Diese Längsstreifung ist oft sehr fein körmnelig entwickelt, besonders an Stellen, wo auch die Grenzen der einzelnen Muskel- bänder nur sporadisch auftauchen, wobei letztere gewöhnlich spindelförmig zu- und abnehmen. Einzelne Felder mit diesen Unter- schieden sind, wie bei den Fischen, sowohl in Uebergängen da, als sehr scharf getrennt. Wie bei den Fischen finden sich auch Felder mit gleichmässiger Längskörnelung und gleichmässiger ordnungsloser Körnelung, sowie eingestreute Butzen ganz grober Längskörnelung. Die Richtung der Muskelstreifen ist im Mantel grössten- theils rings (oder quer), doch in verschiedenen Lagen nicht ganz sleich; an einzelnen Stellen beobachtete ich auch eine normale Kreuzung der Fasern, wobei doch die Hauptmasse der Fasern eine Richtung zeigte. Auch hier liegen nur ausserordentlich geringe Anzeichen einer mechanischen Verwirrung der Fasern vor. Die Versteinerungs- masse scheint im Maximum einen etwas bedeutenderen Bruchtheil der gesammten Muskulatur darzustellen, als er bei Fischen zu verkalken pflegt. Wenn nun eine Querstreifung innerhalb der Faser nicht zu verlangen ist, weil eine solche auch bei den lebenden Vertretern in der Muskulatur des Mantels nicht beobachtet ist, so zeigen Untersuchungen über die Petrifieirung der Muskulatur. 527 schon die mitgetheilten Thatsachen in allem eine solche Gleich- heit mit der bei den Fischen festgestellten Erscheinung, dass an der Deutung wohl nicht mehr zu zweifem ist; dass also nicht mehr nur an eine äusserliche Aehnliehkeit gedacht werden kann, sondern in der That das Bild der einzelnen Muskelfasern in allen Einzelheiten im fossilen Zustande dem der lebenden Fasern entspricht. Im Anschluss an diese Resultate !) hat nun Dr. Eb. Fraas ein sehr schön erhaltenes Exemplar von Geoteuthis aus dem Lias von Württemberg histologisch untersucht. Zu den schon besprochenen allgemeineren Kennzeichen der Muskulatur hat er noch zwei weitere hinzugefügt, welche die Anordnung des Muskel- gewebes betreffen. Im Vergleich mit Schnitten von lebenden Exemplaren hat er eine gefachartige Durchkreuzung der Ring- muskulatur durch mehr radiale Faserstränge, und im Arm hat er ebenfalls eine ähnliche doppelte Anordnung der Faserung fest- gestellt, welche, wie ich in Bronn?) III, 2. S. 1362 finde, auch bei den lebenden Dibranchiaten zu beobachten ist, dass nämlich nach der Peripherie der Arme hin zwischen den Längsmuskeln in regelmässiger Anordnung Radialfasern auftreten. In den Armen von Geoteuthis zeigte sich auch das von R. Owen von Arm- muskeln des Onychoteuthis abgebildete (vgl. auch Bronn l. ec. S. 1364) Verhalten des Faserinhaltes, nach welchem sich die Granulirungen zu rundlichen und eckigen Massen gruppiren und dadurch das Aussehen von Querstreifen hervorbringen. Es sind dies werthvolle Beiträge zu unserer Deutung der Bildung bei dibranchiaten Cephalopoden, welche so lange in steriler Unsicherheit sich befand und deren Befestigung, wie wir unten sehen werden, zur Erklärung der Erscheinung an und für sich von grossem Werth sein wird. Von den skeletlosen Oetopoden ist Acanthoteuthis (vergl. v. Zittel, l.c. Bd. U, S. 520) öfters mit erhaltener Mus- kulatur im lith. Schiefer gefunden worden; das mikroskopische Bild giebt zu eingehenderen Bemerkungen keinen Anlass; beson- ders wohl erhalten ist die Muskulatur der Arme. Was die Erhaltung des Tintenbeutels bei den fossilen 1) Vergl. Sitzungsber. der Gesellsch. für Morphol. u. Physiologie in München 1889. 2) Bronn, Classen und Ordnungen d. Th, 528 Dr. Otto M. Reis: dibranchiaten Decapoden betrifft, so ist bekannt, dass bei den Vertretern in den Schichten des oberen Lias von Schwaben, Franken und England die Tintenbeutel ausserordentlich oft noch mit den Schalen, oft auch isolirt vorkommen. Ihre Erhaltung ist hier nicht an das Auftreten der fossilen Muskulatur ge- knüpft und es hat auch die schwarze Substanz ihre färbenden Eigenschaften nicht verloren; sie lässt sich zur Bereitung von Tusche verwenden (vgl. unten S. 560). Nicht so verhält es sich mit den Tintenbeuteln der Chondrophoren des lithographi- schen Schiefers. Hier ist zwar stets eine körperliche Er- haltung gleich zu erkennen, welche der vorher angeführten vollständig entspricht, aber die Substanz, welche das Innere des Beutels erfüllt, ist nieht schwarz, sondern bräunlich weiss. Schleift man die schwarze Substanz aus den Liasschiefern, so erhält man keine durchsichtigen Präparate; erst wenn sie meh- rere Tage in der für Kohle angewendeten Bleichflüssigkeit liegen, werden sie bräunlichgelb und erweisen sich als homogene haut- artige Lappen, welche im bewegten Wasser flottiren. Die Er- füllung der Tintenbeutel im lithogr. Schiefer besteht aber aus unregelmässigen kugeligen Knöllchen (0,001—0,01 m diam.) von erdiger Beschaffenheit; sie lassen sieh leicht zur Durchsichtig- keit schleifen. U. d.M. zeigen sie Taf. XXXI Fig. 2 eine ausserordentlich gleichmässige Körnelung ohne bestimmte Anordnung im Innern; jedoch finden sieh tropfenartig eingestreut rein kugelige, hier und da eylindrisch auslaufende Zusammenballungen dieser Körn- chen, welche in grösserer Kleinheit in unregelmässigen Längs- zügen angehäuft sind !). Randlich sind die grössten, wie die kleinsten dieser Knollen dureh eine schmale periphere Zone von Streifen abgeschlossen, die der Muskelversteinerung sehr ähnlieh sieht. Die Masse ist vollständig amorph und verhält sieh in einfachem, wie im polarisirten Lieht ganz, wie strukturlose Muskelversteine- rung. Man muss sie für eme Verkalkung des Inhaltes des Tintenbeutels halten (vgl. unten S. 560). 1) In jeder Beziehung gleiche Kügelehen fand ich in den Hohlräumen der Havers’schen Canäle der Dermalgebilde verschie- dener fossilen Fische, in besonders starker Anhäufung bei Saurich- thys; sie sind hier offenbar Petrifieirungsprodukte der Blutflüssigkeit (vgl. unten). DD (de) Untersuchungen über die Petrifieirung der Muskulatur. 5 IV. Würmer (Anneliden). (Vgl. v. Zittel, l.c. Bd. I, S. 565—570). Die wenigen, ganz sicheren Ueberreste derselben befinden sich hauptsächlich in den lithographischen Schiefern (Eunicites, Fam. Nereiden). Sie sind gewöhnlich angedeutet 1) durch die Kiefer am Kopf und 2) durch die beiderseits erhaltenen, langen Reihen von parapodialen Borsten. Dabei findet sich stets noch eine weisse Kalkmasse, weiche die Körperwindungen be- gleitet und denselben einen deutlichen Umriss verleiht. Von dieser Masse, welehe wir schon makroskopisch olhme Zögern als verkalkte Muskulatur erklären können, bemerkt der Monograph der Wurmreste des lithographischen Schiefers Ehlers (Palae- ontographica Bd. XVII. S. 145) Folgendes: Am günstigsten für die Erkennung sind die Fälle, wo die Reste des Körpers auf dünnen weissen Platten erhalten sind; dann treten die Stütz- nadeln in grösster Schärfe hervor. Diese papierdünnen Platten bestehen aus einem äusserst feinkörnigen Kalk, der offenbar in feinster Schlämmung sich um den Körper niederschlug. Wahrscheinlich sind es chemische Vorgänge, welche beim Zu- grundegehen der thierischen Gewebe, das Ausscheiden eines solch’ feinen Kalkschlammes hervorgerufen haben. ... Meist greifen diese feinen körnigen Ausscheidungen wenig über den Körper- abdruck hmaus!“ Unter „Körperabdruck“ ist hier wirklich nur ein Eindruck im Gestein zu verstehen, welcher wohl durch eine schwache Um- wallung des Körpers mit Kalkschlamm entstanden ist; er ent- spricht natürlich nicht genau dem „Körperumriss“, welcher später durch Zusammendrückung der verkalkten Muskulatur hervor- gebracht wurde. An einem Exemplar des pal. Museums in München ist sogar die Segmentirung des Hautmuskelschlauches deutlich zu erkennen; Ehlers deutet die Erscheinung unrichtig als Erhal- tung der Reste der Chitindecken, welche in der Mitte emes jeden Segmentes am stärksten seien. Am stärksten ist stets die Musku- latur des Kopfes mit dem stets hervorgestülpten Rüssel erhalten, sie zeigt deutliche Faserung. U. d. M. zeigen diese schon makroskopisch als Muskel- verkalkung deutlichen, fast papierdünnen Kalklagen, auch ohne angeschliffen zu werden, in Glycern oder Canadabalsam eine 530 Dr Ott 0«M-Reisk ausserordentlich feine Faserung, welche die makroskopische Deu- tung stützt. Es ist also ein Niederschlag innerhalb des Körpers und nieht, wie Ehlers meint, um denselben und kann nur dem Hautmuskelschlauch und der Kopfmuskulatur entsprechen. Die Erscheinung ist bei vielen Exemplaren durchaus die- selbe und die Masse der Verkalkung entspricht im Verhältniss zum Hautmuskelschlauch nicht ganz, aber ungefähr dem Maximum (der verkalkten Muskulatur bei Fischen und Cephalopoden. Wenn man dies bedenkt, so hat man auch ein Normal- maass der bei Würmern möglichen Verkalkung und es lässt sich hieraus auch ein Schluss auf andere als Wurmreste bezeich- nete Körper ziehen, wie Hirudella, Legnodesmus und Lum- briearia. Diese ihrer Gestalt nach zu den Hirudineen und Lumbrieiden gerechneten Reste sind massive, lang-wurstförmige Körper von einer anorganischen Masse, welche bei Hirudella meist spiegelglatt ist, also die bei Eunicites sehr deutliche Muskelfaserung entbehren. Münster erwähnt (Beiträge zur Petrefaktenkunde Bd. V), dass Hirudella bei der Fossilisation, wie die meisten Sepienarten, eine braune, dem Tischlerleim ähn- liche Masse zurückgelassen habe. Wenn nun die Versteimerungs- masse, welche diejenige der Eunieiten um das zehnfache weit übertrifft, dem Hautmuskelschlauch entsprechen (die Masse ist mikroskopisch ohne Struktur und einheitlich) soll, so müsste es einem ungleich grösseren Thiere angehört haben. Eine solche Coneentration der versteinernden Masse ist aber ebenso wenig denkbar, als es wahrscheinlich ist, dass sie bei einem Zusammen- schnurren auf einen viel kleineren Raum ihre Gestalt beibehält. Es fällt also sonach jeder Grund, diese Körper nach ihrer wurm- artigen Gestalt mit Würmern zu vergleichen. Die einzige Deu- tung, die erlaubt ist, ist nur, dass sie in eben der massiven, wurstförmigen Gestalt geschaffen wurden, als in welcher sie vor- liegen; man kann daher nur an Koprolithen denken und zwar bei Hirudella an die von Geschöpfen, deren Nahrung knochen- tragende Lebewesen sind, und welche eine sehr vollkommene breiige Auflösung der Knochen derselben im Magen und End- darm erwirkten — also wohl Vertebraten selbst. Bei Lumbri- caria werden es Geschöpfe sein, deren Nahrung mehr kleinere Wesen mit Skeleten von kohlensaurem Kalk, als solchen von phosphorsauren Salzen bilden, wie Krebse und Würmer (z. Th.). Untersuchungen über die Petrifieirung der Muskulatur. 531 V. Zusammenfassung der makroskopischen Erscheinungen. 3ei den Fischen befindet sich die verkalkte Fleischmasse bei vorhandenem Schuppenkleide da, wo sie einzig gefunden werden kann, zwischen den beiden mehr, weniger bilateral zu- sammengedrückten Hälften desselben. Bei diekschuppigen Ga- noiden kommt sie seltener unmittelbar zur Anschauung und nur, wenn eine Flanke ganz abgehoben oder defekt ist. Bei recht dünnschuppigen vermag sie, wie dies nur bei fossilem Material denkbar ist, sogar öfters bis in ihre Einzelheiten durch die Schuppen hindurch beobachtet werden (Undina, Caturus, Me- galurus). Bei nackten Fischen (dem jurass. Holocephalen Ischyodus und dem Teleostomen Callopterus), sowie bei den nackten Öephalopoden und Würmern tritt sie, wenn vorhanden, natürlich direkt zur Anschauung und bestimmt mehr oder weniger scharf begrenzt den Körperumriss. Was die Fische betrifft, so bilden natürlich bei den nackten wie auch bei dünn beschuppten Gattungen das erste freikenntliche Kriterium der verkalkten Muskulatur die (wegen der Ueberschiebung der Myomere) seltener in tiefen Furchen deutlichen, aber doch mit der Lupe als fein-Iimienartige Unterbrechungen des Versteine- rungsmaterialserkennbaren Myocommata und die vorwiegend quer zu denselben verlaufende Streifung(Faserung) der Oberfläche desselben. Seltener ist die Muskulatur im Kiemen- und Kieferskelet, noch seltener in dem der unpaaren Flossen, ganz vereinzelt und schwach in dem der paarigen Flossen erhalten. Von den nackten Rep- tilien gilt natürlich das Gleiche; hier ist die Muskulatur von Körper und Extremitäten bekannt. Bei den Cephalopoden ist es die ununterbrochene, quer zur Körperaxe verlaufende Streifung, die häufige Diehotomieen zeigt. Auf der Ventralseite liegende Thiere zeigen, wenn ein Schulp vorhanden, denselben natürlich frei. Hier ist nicht nur der Muskelmantel, sondern es sind auch stellenweise, wenn auch selten, die Armmuskeln ver- kalkt. Das Aussehen der verkalkten Muskulatur ist das eines sehr feinen dichten Kalks oder Phosphorits; es ist zum Theil kreidig- weiss, häufiger gelblich-weiss und oberflächlich hellbräunlieh; es unterscheidet sich in den lithographischen Schiefern in der Farbe sehr wohl von den graulichen Beimischungen der weisslich-gelb- Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 41. 34 532 Dr. Otto M. Reis: lichen Schichtgesteine. Der Bruch der Massen ist im Allgemeinen der des Phosphorits, zeigt aber auch häufig seine zoogene Ent- stehung in einer faserigen oder blätterigen Flächenspaltung; quer ist er stets muschelig oder elfenbeinartig. Dies schliesst ein, dass die Massen dicht und nicht grob porös sind, wenn auch ihre fein poröse Struktur sich in capillarem Aufsaugen von Flüs- sigkeiten sehr intensiv und bei den mikroskopischen Präparaten störend zu erkennen giebt. Ihr Gefüge ist selten hart, doch er- langt es bei bestimmten Gattungen Kalkhärte; es ist dasselbe aber sehr gleichförmig und der Einschluss von Fremdkörpern ist sowohl der Natur ihrer Entstehung als der Auffmdung nach eine Unmöglichkeit. Die Dieke der erhaltenen Kalkmuskelmassen ist natürlich sehr wechselnd; wenn man bedenkt, was in der Zusammenfassung der mikroskopischen Erscheinungen betont wird, dass die ganze Kalkmasse räumlich ganz und gar nur den eng aneinandergelagerten Muskelfasern entspricht und nur die Zwischenräume der sehnigen Bindegewebe verschwinden, vielleicht ein unmerkliches Zusam- mensinken innerhalb der Fasern durch den Verlust des z. B. bei Fischen sehr beträchtlichen Wassergehalts und bei Cephalo- poden an leimgebender Substanz stattfindet, so kann man die vorhandene Versteinerungsmasse unbedenklich einer annähernd gleichen Muskelmasse des lebenden Thieres gleichstellen. Zur Schätzung des in der Versteinerung wirklich erhalte- nen Theiles der Muskulatur des verwesten fossilen Thieres ist man natürlich auf ein Circa angewiesen, da man nur wenige Jurassische Fischgattungen unmittelbar mit lebenden vergleichen kann (Ischyodus und Chimaera, Megalurus und Amia, No- tidanus, Squatina und Spathobatis). Bei solchen aber ist jedenfalls stets nur ein Bruchtheil erhalten, ein wechselndes Maxi- mum von höchstens !/,—"/, einer den Körperverhältnissen und der Verwandtschaft nach geschätzten, hypothetischen Fleischmasse. Dieses Maximum schwankt bei den einzelnen Gattungen nur wenig und behält ausserdem innerhalb derselben bemerkens- werther Weise eine ziemlich gleichbleibende Grösse. Dasselbe gilt für Cephalopoden und Würmer (Anneliden), zu deren Ver- gleich man die den fossilen Vertretern ausserordentlich nahe ver- wandten Loliginiden resp. Eunieiden (und Nereiden) herbeiziehen muss. Bei Cephalopoden ist das Verhältniss der versteinerten Untersuchungen über die Petrifieirung der Muskulatur. 533 Masse durchschnittlich höher als bei Fischen und beträgt etwa 1/,—?/, der anzunehmenden Muskelmasse des Mantels. Zu be- tonen habe ich noch, dass nicht alle Uebergänge von fehlender Fossilisation bis zu dem Maximum bei den einzelnen Vertretern vorhanden sind, dass vielmehr nur schwache Verkalkungen recht selten sind, dass sie, wenn sie aber überhaupt auftreten, dann gleich in einem dem erwähnten Maximum näher liegenden Stadium zu bemerken sind. Schon allein dieser Punkt legt nahe, dass es keine einfachen Kalkausfüllungen des Körperhohlraums ver- wesender Fische sein können, was hier als verkalkte Muskulatur gedeutet wird. Solche Kalkausfüllungen sind bei klaffenden Muschelschalen und offenen Schneckengehäusen verständlich, nicht aber bei Fischen, Cephalopoden und Würmern mit nackter Haut oder beweglichem, locker gefügtem und bei der Verwesung zu- sammensinkendem Schuppenkleid, welches bei der Fäulniss der ebenso durch Weichtheile gebildeten Gelenk- und Befestigungs- werkes des inneren Skelets zu gleicher Zeit seiner inneren Stützen beraubt wird; die Entstehung von einigermaassen stärkeren, mit Kalk ausfüllbaren Hohlräumen innerhalb eines Fischkörpers ist überhaupt unmöglich. Zwar giebt es Fisch-Fossile, die „körperlich“ erhalten schei- nen; soweit meine Beobachtungen reichen, ist dies im lithogra- phischen Schiefer aber stets nur einseitig der Fall, und ist es eine Erscheinung, die auch für körperliche Erhaltungszustände ganz heterogener Fälle gilt. Der Körper wurde nämlich dann auf der einen Seite sogleich nach dem Niederfallen rundum mit Schlamm umhäuft und hat sich daher die ‚Körperform als Maske darin erhalten. Später wurde die eine Seite eoncav nach der convexen Seite (nach unten) eingedrückt und bildete noch eine Stütze der Erhaltung der Letzteren. Das gleiche Prineip habe ich für die schembar körperliche Erhaltung der mit knöchernen, aber elastischen Schuppenwandungen versehenen Schwimmblase der Coelacanthinen klargestellt, von welcher man auch annahm, dass sie mit Kalk erfüllt sei (vergl. Palaeontogr. Bd. XXXV, 1888, S. 3). Weder ist hier noch bei der einseitig körperlichen Erhal- tung der Ichthyofossilien an eine Kalkausfüllung zu denken, noch spielt bei Letzteren die verkalkte Muskulatur eine Rolle. Bei solchen Kalkausfüllungen sollte man in erster Linie an 534 Dr. 0160 Me were! die Leibeshöhle denken, man sollte dann annehmen, dass Wirbel- dornen, Rippen und Schuppen nach Verwesung des Fleisches aut einem solchen der Leibeshöhle entsprechenden medianen Kalk- kern aufliegen würden. Statt dessen ist das Gegentheil der Fall: die knöchernen Anhänge der Wirbelsäule sind durch diese Kalk- massen von den Schuppen getrennt und median (wenn paarig) einander genähert; die Leibeshöhle ist nur noch hie und da durch die zwischen den häufig deutlich getrennten bilateralen Kalkmassen liegenden Erfüllungen des Darmes („Cololithen* — aus aufgelösten Knochenresten bestehend) angedeutet. So kann schon die Art der Auffindung der Kalkmassen ohne Strukturbild ausschlaggebend für ihre Deutung sein. Be- sonders wichtig ist dies natürlich bei nackten Fischen, Cephalo- poden und Anneliden, bei denen auch ganz besonders deutlich hervortritt, dass das die Körperform darstellende Versteinerungs- material in der grob mineralischen Struktur sich gänzlich von dem Schichtgestein unterscheidet, keine mineralische Continuität mit ihm hat, sich von ihm wie von etwas Heterogenem leicht abblättert, während es mit den Skelettheilen ausserordentlich eng verwebt und verbunden ist, daher als ein chemisch und mecha- nisch von der Umgebung wesentlich verschiedenes Niederschlags- material innerhalb des Körpers zu betrachten ist. Wenn wir also auch schon makroskopisch petrifi- eirte Muskelsubstanz ganz genau bestimmen können, so sind wir in den Stand gesetzt, auch mikroskopisch über Wande- lungen oder gänzliche Veränderungen der Struk- tur Aussagen machen zu können. Wie wir später sehen werden, kann auch die chemische Untersuchung die mikroskopische und makroskopische Diagnose unterstützen, wenn auch nicht ganz ersetzen. Zu erwähnen wäre noch, dass auch schon makroskopisch häufig festgestellt werden kann, dass alle ursprünglich sehnigen Trennungsbildungen vollständig geschwunden sind; so verschmel- zen sehr häufig die Trennungslinien der Myocommata, die Fleisch- massen der beiderseitigen Leibeswände, sowie die dorsale Median- scheide der beiden scharf getrennten Hälften der Rumpfmuskulatur mit einander. Dabei nehmen aber die Skelettheile eine Lage ein, welche so normal ist, dass an einen hierbei stattfindenden Untersuchungen über die Petrifieirung der Muskulatur. 535 starken Druck nicht gedacht werden kann. Ein wesentlicher Druck konnte erst nach vollständiger Erhärtung eingetreten sein. Gleiche Annahme erfordert die vorzügliche Erhaltung ober- flächlicher Streifung bei nackten Thieren. Bei der schon makro- skopisch zu folgernden Plastieität der Masse ist die oberfläch- liche Streifung in ihrer Erhaltung nur durch eine unverhältniss- mässig schnelle Erhärtung der Masse zu erklären, nicht einmal durch einen Vorsprung der Erhärtung, welchen die Versteinerungs- masse vor dem umgebenden Sediment voraus hätte. Der Mangel der Muskelstreifung kann in Gesellschaft mit andern Ueberlegungen ausschlaggebend sein für die Beurtheilung, ob ein einem Organismus ähnlicher, in seiner Versteinerungsmasse sich vom Gestein ebenso abhebender Körper (vgl. Coprolithische Bildungen oder andere Phosphoritknollen) der Versteinerung der Muskulatur angehöre oder nicht; wir haben diesen Fall bei Be- sprechung einzelner zu den Anneliden gerechneter Fossilien be- rücksichtigt. VI. Das mikroskopische Verhalten. Die Elementarerscheinung ist hierbei die der oberflächlichen makroskopischen Faserung entsprechende grobe Längsbänderung, welche bei den Reptilien und Fischen noch im Innern die Längs- und Querstreifung zeigt. Bei Uephalopoden und Würmern treten solche feineren Details innerhalb der Fasern nicht oder weniger auf. Im Nachfolgenden werden wir zuerst die Einzelheiten der petrifieirten Fischmuskeln behandeln. Die Quer- und Längsstreifung kommen häufiger in grösse- ren Feldern von einander getrennt, als vermischt vor, so dass es scheint, das Auftreten der einen Art beschränke in gewissem Maasse das extreme Erscheinen der andern Art der Streifung. Die Querstreifung tritt stets nur in kleineren und grösseren Gruppen von gleichmässig entfernten, in sehr kleinen Abständen dicht gereihten Linien auf; die Längsstreifung zeigt sich ausser- dem auch in isolirten, weiter auseinanderstehenden Linien; iso- lirte Querstreifen sah ich nie. Was nun die Streifung selbst betrifft, so besteht sie aus einer feinen, helldunkeln Liniirung in einer scheinbar einfachen und mineralisch thatsächlich homogenen Versteinerungsmasse. Diese Linienerscheinung beruht nur auf einem streifenweisen Unter- 536 DI O8 Male us: schied der Ablagerung des Materials; es ist ein Diehteunterschied und zeigt sich optisch, indem bei tieferer Einstellung die vorher dunkeln Streifen auch hell werden und bei raschem Auf- und Nieder- schrauben ein ganzes Geflirre wechselnd sich erhellender und abdunkelnder Linien entsteht. Bei der Anwendung stärkster Vergrösserung erkennt man auch die fem-poröse Struktur der dunkeln Linien in reihenweiser Anhäufung dunkler Punkte. Dies wird ganz besonders deutlich durch Erscheinungen, die im Uebergange und der Fortsetzung, besonders der Längs- streifen zu beobachten sind; es wird nämlich (fast in jedem Streifen ist dies zu beobachten) strichweise die ganze Breite der Streifen von relativ grösseren, deutlich umgrenzten, diskreten dunkeln Punkten eingenommen, die in den Streifen entweder un- regelmässig vertheilt sind oder gleichmässig perlschnurartig auf- einander folgen, wobei sie, oben und unten kleiner werdend, in dem dunkeln Streifen verlaufen; häufig communieiren sie auch zu deutlichen kurzen, schlauchartigen Höhlungen (die hie und da grossblasige Erweiterungen zeigen) oder zu ganzen Spalten, die durch unterbrochene quere Brücken (nach Art von Ein- schnürungen) die poröse Entstehung deutlich kennzeiehnen. Alle diese Bildungen werden bei. tieferen Einstellungen ganz hell, sind fast immer ohne jede Art von Infiltration und erweisen sich nur als optisch dunkle Unterbrechungen einer mmeralisch sonst dureh- aus homogenen Grundmasse. Ganz das Gleiche gilt von der Querstreifung, doch über- wiegt hier das Vorkommen der fast continuirlichen dunkeln Streifen; ganz selten erkennt man grössere Poren und perlschnur- artige Porenreihen, fast nie spaltenartige Querstriche, wie bei der Längsstreifung. Für alles Erwähnte und noch zu Erwähnende ist der all- mäliche Uebergang der einen Form in die andere oder auch das allmäliche Verschwinden in gleichmässiger, fast struktur- loser Helle als Regel zu betonen. Ich habe erwähnt, dass beide Extreme der Streifung sich auszuschliessen scheinen, doch giebt es eine gemeinsame Form ihres Auftretens: entweder krenzen sich die dunkeln Streifen oder Spalten und verursachen eine gleichmässige Auflösung der Masse in helle Körnchen oder es zeigt sich das andere Extrem d.h. dunkele Porenreihen kreuzen sich und es tritt im Folge dessen Untersuchungen über die Petrifieirung der Muskulatur. 997 eine helle Kreuzstreifung ein. Diese Bilder sind am wenigsten scharf und bilden sie meist die Uebergänge zu ganz gleichmässi- ger, aber nicht mehr in Linien geordneter Körnelung, von da zu ungleichmässiger Körnelung mit in den Fasern eingestreuten,. ganz gleichmässig hellen Felderchen. | Wir haben schon oben das gruppenweise Auftreten der Querstreifung erwähnt mit central grösster Deutlichkeit und allmälichen Uebergängen zu anderer Anordnung oder allmälichem Verschwinden jeder Regelmässigkeit. Aehnliches findet bei den groben Spalten- und Porenreihen in der Längsrichtung statt; um central am stärksten entwickelte schaaren sich schwächere in querer Anordnung mit Communicationen und Porenanhäufungen. Da die Längsstreifung die Queranordnung gewissermaassen be- schränkt, so sind diese Anhäufungen nicht breit und nach der oben ausgesprochenen Regel der allmälichen Uebergänge ent- stehen meist recht regelmässig spindelförmige Gruppen von Längsstreifen und Porenreihen, deren grosse Axe in der Längs- richtung der Fasern liegt (Taf. XXIX, Fig. 8, Fig. 10, Fig. 12). Aehnliche Bildungen habe ich in der Querrichtung nie beobachtet, da ja wie erwähnt, grössere Spalten, Porenreihen und unregel- mässige Porenanhäufungen in der Querrichtung der Fasern fehlen oder zu grossen Seltenheiten gehören. Die spindeltörmigen Anhäufungen kommen oft in sonst ganz strukturlosen Fasern vor; die Fasertrennung wäre aber auch allein bei dem Fehlen auch aller Anzeichen von einer Quer- und Längsliniirung Beweis genug für die Entstehung der Versteine- rungsmasse. Ja! der Gegensatz der Struktur, die unregelmäs- sigste Körnelung innerhalb der Fasern behält hierfür ihren Werth, besonders wenn sie sich optisch der regelmässigen Körnelung gleichgebildet erweist, d. h. als poröse Unterbrechung der Grund- substanz und nicht als körmnige Einstreuung eines andern fremden Materials erscheint. Mineralogisch wäre ein Vorkommen solcher mikroskopischer wohl abgegrenzter Poren in einer so dichten amorphen Masse in Gesteinen sedimentären Ursprungs, in welcher auch unter polarisirtem Lichte keine Bestandtheile erkennbar sind, ein höchst merkwürdiges unerklärliches Vorkommen. Die poröse Beschaffenheit der Struktur lässt sich auch noch aus an- deren Erscheinungen schliessen; so lässt das Durchtränken der Präparate mit feinflüssigem Canadabalsam die Struktur häufig 538 DOOR Mares: ganz verschwinden. Deckt man andererseits schon durehsichtige Präparate mit erhitztem Balsam, welcher noch Luftblasen ent- wickelt, aber nach dem Decken bald erhärtet, so füllt sieh oft der ganze Schliff mit Luft und erscheint ganz schwarz; durch erneutes Anschleifen erhellt er sich wieder. Auch Färbungsversuche ge- langen; endlich lassen Erscheinungen im polarisirten Lieht die feine Porosität der dunkeln Streifen erkennen (s. Cap. VID. Die Erscheinung der Fasertrennungen in strukturloser Masse leitet uns über zu dem Erhaltungszustande, in welchem die Fasertrennun- gen durch wirkliche spaltenartige Linien ganz aufgehoben sind (die Fasertrennung ist überhaupt nie eine vollkommene, sondern stets durch Stellen unterbrochen, an welchen eine Continuität der Fasern in der Quere stattfindet). Dies ist auch bei der schon makroskopisch zu folgernden Plastieität der Massen durchaus nieht zu verwundern und so entstehen die mannigfaltigsten Bilder. Wir finden grosse Felder mit einfacher Querstreifung, welche noch dadurch ihre Bänderung zu erkennen geben, dass entweder nach dem Rande der Faser zu die Streifung sich in eine Körne- lung auflöst, oder die Masse ganz hell wird, oder die Querstreifen der benachbarten Fasern gleichsinnig oder entgegengesetzt convex sind, so dass eine neue Faser mit einer neuen Biegung der Quer- streifen beginnt. Oft sind die Streifen auch aber so gerade, dass die Grenze der Fasern schwer zu erkennen ist. Wenn hier- zu noch vorwiegende Längsstreifung tritt, dann ist es natürlich ganz unmöglich, Fasertrennungen zu erkennen; weiterhin beobachtet man breite Felder mit dunkeler Kreuzstreifung oder Kreuzkörne- lung und eingeschlossenen hellen Feldern; endlich ganz unregel- mässig gekörnelte Felder mit spindelförmigen Körneranhäufungen (die oft ein dendritisches Aussehen haben) in bemahe struktur- loser, heller, selten zwar ganz homogener Versteimerungsmasse. Es ist natürlich, dass solche Versteinerungsarten, die selbst struk- turlos, aber in ihrer continuirlichen Fortsetzung doch Träger eines kleinen Anzeichens der Strukturerhaltung sind, nur unter dem gleichen Gesichtspunkt der Versteinerung der Muskulatur betrachtet werden können. Selbst wenn die Struktur ganz fehlte, würden schon allein gewisse Formen der Auffindung im Zusam- menhang mit der mineralogisch-optischen und der chemischen Untersuchung ausschlaggebend für ihre Deutung sein können. Untersuchungen über die Petrifieirung der Muskulatur. 939 Wir erwähnten schon, dass die Versteinerungsmasse ein „Phos- phorit“ ist; chemische und mineralogische Untersuchung hierauf könnten daher im Zusammenhang mit dem makroskopischen Be- fund die mikroskopische Untersuchung vollständig ersetzen. Wenn wir nun so auch vom mikroskopischen Standpunkt aus feststellen konnten, dass die strukturlosen Felder keine diffus in der Versteinerungsmasse eingesprengten Partieen sedimentären oder rein mineralischen Ursprungs sein können, sondern ebenfalls nur dureh die Verkalkung der Muskulatur abgelagert sind, so ist nun noch als Letztes festzustellen, ob diese strukturlosen Par- tieen durch Eimwirkungen der nach der Fossilisation und während der geologischen Perioden wirkenden chemischen oder mechani- schen Kräfte vielleicht ihre Struktur verloren haben könnten. Derartige chemisch-mineralogischen Processe müssten von aussen nach innen vorrücken, wovon nichts zu bemerken ist; ihre Wirkungen könnten auch nieht ungleichmässig, diffus im allen Raumriehtungen eingesprengt sein. Solche Wirkungen würden dann auch die Uebergänge von struktur- in nieht struktur- zeigende Partieen nicht stets nach demselben Modus aufführen können, wie die verschiedenen strukturführenden Stellen unter sich in einander übergehen. Solche Processe würden sich jedenfalls ebenso in der Erweiterung der Hohlräume als in der ausgleichenden Umsetzung der Substanzen und der Zerstörung der kleinsten Poren ausgedrückt haben; man müsste in der Nachbarschaft der struk- turlosen Stellen in den Poren und Spalten der Struktur, sowie in mechanischen Spalten Auskrystallisationen oder Infiltrationen be- obachten können, wie sie dem Palaeohistologen bei der Unter- suchung von Schuppen, Zähnen und Knochen leider nur zu oft entgegentreten. Alles dies ist nicht vorhanden und die fraglichen eontinuirlich strukturlosen und strukturführenden Stellen sind stets unter sich in allseitiger substanzieller Continuität. Im Falle metamorphischer Einwirkungen auf hydro-chemischem Wege müsste man verlangen, dass die nicht gestreiften Partieen un- ter allen Umständen eine andere mineralische Zusammensetzung hätten, als die gestreiften und jedenfalls eine stets wechselnde. Statt dessen erkennt man bei Anwendung von po- larisirtem Licht zwischen beiden weder einen Unterschied inder Substanz noch in derminerali- 540 DEROTEOFN-ARKERIS: schen Struktur, die in allen Fällen eine gleich- mässig amorphe ist). Wir finden also in dem Wechsel der Struktur nicht die Einwirkungen von etwaigen nach der Ablagerung, Austrocknung und Erhärtung des Versteinerungsmaterials und der umgebenden sedimentären Schicht eingetretenen hydro-chemischen Metamor- phosen. Hiermit ist zugleich ausgesprochen, dass in dem Bilde der fossilen Substanzen das fixirte Bild der in der Verkalkung begriffenen Substanzen zu sehen ist und dies bis zum letzten Augenblick des Processes, bis zum Ende der den Niederschlag be- wirkenden Kräfte. In der verkalkenden organischen Substanz waren also schon strukturlose und strukturzeigende Stellen vor- handen, d. h. die Muskulatur war in allen Stadien der Fäulniss, der verwesenden Auflösung des strukturellen Zerfalls der abge- storbenen Fleischmasse begriffen, welche alle möglichen Uebergänge in einander zeigte und als weiches zerfliessendes Magma auch das theilweise Verschwinden der Fasertrennungen bewirkte. Alle die erwähnten mikroskopischen Bilder liefern auch sehleeht eon- servirte, unter dem Deckglas sich weiter zersetzende mikrosko- pische Präparate von Muskeln; nur zeigen sich unsere Präparate, abgesehen von Mängeln der Herstellung, in der idealen Reinheit mineralischer, dureh die Ewigkeit der geologischen Zeitperioden seit Ende der Juraformation von der Besechmutzung aller organi- schen Beimengungen der Fäulniss geläuterter Strukturbilder, welche Jedermann in Erstaunen setzen. Wenn also die mikroskopische Erhaltung des Versteinerungs- materials das Bild der verwesenden Muskulatur mineralogischen Gesichtspunkten nach darstellen muss, so kommt diesen deduk- tiven Schlüssen auch die Thatsache entgegen, dass Muskulatur in verschiedensten Zuständen der Zersetzung in der That diesem jild vollständig entspricht. Wir erkennen in diesem Bild nicht nur den Zerfall der abgetödteten Faser in Querscheibehen und Längsfibrillen, sondern auch weitere Formen der Zersetzung, be- sonders die der Fibrillen in perlsehnurartige Körnerreihen und end- 1) Kleinere, nieht unwichtige Ausnahmen, welche aber auf die vor- liegende Frage durchaus keinen Bezug haben, werden im nächsten Capitel besprochen werden. Untersuchungen über die Petrifieirung der Muskulatur. 541 lich das allmäliche Aufzehren dieses körnigen Zerfalls der Fasern von der faulenden Zwischensubstanz aus, welche den weniger differenzirten Theil der Faser ausmacht; (am längsten widerstehen der Zersetzung die Fibrillen selbst). Man muss also diedunkle Streifung injeder Form der differenzirten in Quer- und Längsriehtung angeordneten Fi- brillensubstanz gleichstellen ; die helle Masse, die als Träger der Streifung erscheint, der einfachen Zwischensubstanz. Da nun die dunkle Streifung einem Dichteunterschied entspricht und nur dem Vorhandensein kleinster und grösserer Poren zu verdanken ist, so ist daraus zu schliessen, dass eben nur die in der Zersetzung begriffene Zwischensubstanz gleich- mässig und dicht verkalkt ist; der Vorgang der Struktur- erhaltung ist dann natürlich einfach der, dass die Fibrillensubstanz in jeglicher Anordnung von dieser verkalkenden Substanz in grösserer Diehteumschlossen wurde,undvon weiterer Fäul- niss auflängere Zeiten hin bewahrt bis zuneimer gewissen Festigung der umgebenden Nieder- schlagsmasse so lange verharrte, bis endlich die eingeschlossenen Fasertheilehen im Verlaufe der geologischen Zeiträume in eben derselben Weise und ineben demselben Maasse sich verflüchtig- ten, als Unmengen von in die Erdschichten ein- geschlossenen Theilehen organischer Substanzen spurlos aus denselben verschwinden!). Wenn es also die der vollständigen Fäulniss entgegen- gehende oder in ihr begriffene Masse der Zwischensubstanz_ ist, die verkalkt und in deren Fäulniss die Fibrillen allmälich herein- 1) Wir werden unten wahrscheinlich machen, dass nicht nur die fibrilläre Substanz von der Verkalkung umschlossen wurde, sondern dass in die ganze die Zwischensubstanz räumlich ersetzende anorganische Masse durch den Verkalkungsprocess selbst organische Materie in ähn- licher Weise und ähnlicher Modification einbezogen werden musste, in welchen sie bei allen organischen Verkalkungen als deren „Gerüst- substanz“ aus dem der Verkalkung ausgesetzten Protoplasma eliminirt wird. Solche Gerüstsubstanzen, so verschiedentlich sie auch seien, haben alle eine grössere Widerstandsfähigkeit gegen Zersetzung, als das Zelleneiweiss selbst; nur dadurch endlich kann die oben gerühmte ideale Ungestörtheit des foss. Muskelbildes erklärt werden. 542 Dr. Otto M. Reis: gezogen werden, so ist nicht zu verlangen, dass überall bei Muskelverkalkungen von Individuen einer Art die Struktur die- selbe ist, dass ein Individuum sie genau in der Weise zeigt, wie das andere; vielmehr ist es natürlich, dass sie bei dem einen vorhanden ist, bei dem anderen nicht und dass zwischen diesen beiden Extremen die Verkalkungsmasse in den verschiedensten Stadien der Erhaltung der Struktur auftreten kann. Diese Schärfe des Resultats konnte natürlich das mikro- skopische Bild der Muskulatur der Cephalopoden und Würmer nicht bieten, wenn auch bei ersteren starke Spuren einer eon- tinuirlichen und zart-körneligen Längsstreifung und schwache Anzeichen einer queren Anordnung auf gleiche Ursachen einer nicht sehr entschieden ausgesprochenen Struktur der lebenden Muskelfasern hinweisen. Die Verkalkung ergreift hier in bedeu- tend umfassenderem Maasse die ganze Muskelfaser. Die Unter- schiede und Uebergänge der Erhaltung derselben zeigen auch hier, dass die Verkalkung in verschiedenen Stadien der Fäulniss stattfand. Der Querschnitt durch die Muskelbündel, welcher auch schön die eubische Ausdehnung der einzelnen Fasern zeigt, lässt beim Zerfliessen der Fasern auch nur gleichmässig granulirte Felder erkennen, in welchen man natürlich vergeblich nach einer Längs- und Queranordnung sucht. Doch tritt auch eine andere Erschei- nung zu Tage. Sind die Faserquerschnitte gleichmässig granu- lirt, so sind auch da, wo die Trennungslinien überhaupt deutlich sind, die Felderungsquerschnitte regelmässig polygonal-rundlich. Meist sind aber die Fasern im Querschnitt spitz-oval; ihre Ab- plattung zeigt sich stets in der Riehtung von aussen nach innen, ist also durch den Druck der Lagerung bedingt. In Uebereinstimmung hiermit wurde oben das Verschwinden der Fasertrennungslinien als ein Beweis des zerfliessungsfähigen Zustandes der versteinernden Masse erklärt, welche durch den Druck ihrer Lage beim Ausfaulen der bindegewebigen Mittel alle Trennungslinien authebt. Fast bei jedem Querschnitt tritt nun auch platzweise eine Felderung auf, in welcher die einzelnen Faserquerschnitte fast ganz hell sind (in ihrer ganzen Masse also aus Versteinerungs- material bestehen), und dadurch einen unregelmässig drei- oder viereckigen Umriss erhalten, dass zwischen den einzelnen Fasern Untersuchungen über die Petrificirung der Muskulatur. 543 grössere unregelmässige zellig-eckige Lücken entstehen, zwischen welchen die Fasern noch. untereinander zusammenhängen. Da der Raum, den die Fasern in diesem Zustande einnehmen, wie sich aus mehreren genauen Vergleichen ergab, nicht grösser oder geringer als der der eng aneinander geschlossenen Struktur- fasern ist, so ergiebt sich, dass mit dem Verlust der Struktur unter Umständen eine einseitige Contraktion oder Verringerung der eubischen Ausdehnung der Fasern stattfand. Ich fasse dies in Consequenz unserer obigen Auseinander- setzung dahin auf; dass an diesen Stellen die Fäulniss die ganze Faser mit den meisten Primitivfibrillen früh ergriffen hat und so sehr rasch grössere Abschnitte der randlichen Faser schon über denjenigen Zustand der Fäulniss himausgeschritten waren, im welchem den vorhandenen organischen Produkten nach eine Ver- kalkung stattfinden konnte, daher randlich Lücken und innerlich eine massive, glasige Verkalkung eintreten musste !). Auch in der Erhaltung dieser ziemlich grossen Lücken ist eine früh eingetretene bedeutende Druckfestigkeit der verkalkten Fasern ausgesprochen (s. oben). VII. Verhalten bei gekreuzten Niecols. Wir erwähnfen schon bei dem Beweise, dass die strukturfreien Stellen gegenüber den strukturführenden keiner mineralischen Metamorphose zu verdanken wären, dass beide sich optisch gleich verhalten. Die Versteinerungsmasse ist überwiegend amorph und im Grossen und Ganzen homogen. Zwischen gekreuzten Nicols ist sie dunkel und zwar in der Regel, ohne eine Spur einer Aenderung in Beziehung auf den Unterschied‘ vorhandener oder fehlender Struktur zu zeigen. Die schönste Längs- und Quer- streifung, die am schärfsten ausgeprägte Körmelung verschwindet fast stets bei gekreuzten Nicols in der dunkeln Grundmasse. Die Versteinerungssubstanz ist also an den strukturlosen Stellen in derselben Zusammensetzung niedergeschlagen, wie in den regel- mässig gestreiften Feldern. 1) Auf diesen Zustand der Muskulaturerhaltung möchte ich das Strukturbild zurückführen, welche Fraas (l. e. Fig. 4) bei Ichthyo- saurusals „verhorntes Pflasterepithel des Stratum corneum“ beschreibt. 544 Dr. Otto M. Reis: Diese Erscheinung muss auch noch als zweiter nachträg- licher Beweis angeführt werden, dass die dunkle Streifung nur in einer Unterbrechung der Substanz beruht und nicht auf einer völligen Aenderung derselben. Diese Thatsache muss auch für den selteneren und isolirten Fall gelten, dass sich wirklich Substanzunterschiede innerhalb der Masse geltend machen. Es kommt nämlich vor, dass einzelne Längsstreifen sich unter X Nie. erhellen (Caturus, Squatina, Aspidorhynehus, Megalurus); desgleichen ganze Faserbänder, soweit sie Struktur zeigen. Dieser spora- dischen Erscheinung tritt nun die weitere Erscheinung zur Seite, dass innerhalb einzelner Fasern (mehr nach dem Rande oder an dem Rande gelegen) lange Züge sich grell erhellender, unregel- mässig begrenzter Butzen kleinkrystallinischer Ausscheidungen vorfinden und zwar an Stellen, wo mit der stärksten Vergrösse- rung bei einfachem Licht keine Spur Struktur zu erkennen ist, sich vielmehr eine unregelmässige, gegen die’ übrige homogene Masse sich etwas abhebende Consistenz bemerkbar macht. Diese Butzen treten auch meist zerstreut in der Versteinerungsmasse auf, ohne sich um die Richtungslinien der Faserung in ihrem ganz unregelmässigen Umriss zu kümmern; am allerwenigsten entsprechen sie den Unterschieden zwischen den ungleich grös- seren Feldern von Struktur und keine Struktur zeigender Masse. BeiIlschyodusundChimaeropsis fand ich diese aniso- trope Masse in grösserer Verbreitung als irgendwo; sie löst sich bei starker Vergrösserung besonders am Rande dieser Butzen in kleine lamellöse Plättehen von spitz-ovalem, nicht ganz unregelmässigem Umriss auf, deren Interferenzfarben sich in Zonen nach dem Um- riss richten. Bei Iscehyodus kommen daneben wirkliche isolirte Kryställechen vor, welche sich als Kalkspath erweisen. Mein College, Dr. Thürach (München) bestimmte die schlan- ken Kryställchen als eine Combination lang entwickelter Säulen mit einer spitzen Skalenoöder, welches dureh ein Rhomboeder abgestumpft ist. Es treten Verwachsungsgruppen von vier und mehr Individuen nach R und —!/;,R auf. Die durehschnittliche Grösse ist 0,05—0,01 mm; in den Verwachsungsgruppen sind einzelne 0,13 mm lang’). 1) Auch nach der ausgeführten mikrochemischen Reaktion be- stehen die Krystalle aus Kalkspath. Untersuchungen über die Petrifieirung der Muskulatur. 545 Es ist nun kein Zweifel, dass diese Kryställchen, welche ich stets nur in Gesellschaft von mehreren, (neben Ischyodus auch bei Caturus und Leptoteuthis), beobachtet habe, mineralisch identisch sind mit dem in kleinen Butzen auftreten- den kleinkrystallinischen Material, welches wir oben erwähnt haben und welches viel häufiger und verbreiteter ist, als wohl- entwickelte isolirte Kryställchen. Neben diesen Butzen tritt zwischen X Nie. noch eine an- dere Erscheinung zu Tage; bei Ischyodus und Chimaeropsis treten nämlich, besonders an dem Rande der krystallinischen Butzen angehäuft, kleine dunkle bezw. helle Kreuzchen auf, deren helle Arme zum Theil lebhaft, zum Theil schwach bläulichweiss erhellt sind. Bei Ischyodus erfüllen sie auch in Fläche und Tiefe, mehr und weniger dicht gedrängt, grössere Räume der Versteinerungsmasse und verschwinden isolirt und auch mit schwachem Schimmer (bei grösserer Anhäufung) in die Dunkel- heit der amorphen Grundsubstanz. Bei einfachem Lichte zeigen diese Stellen auch eine Körnelung oder kleinknollige Eimlagerung, deren Theilchen kugelig-polygonal zusammenstossen, ein unregel- mässig-haufenweises Auftreten haben und in die übrigens homogene Masse verschwinden; die Knöllechen haben einen Durchmesser von 0,01—0,02 mm, sind also wie die Kreuzchen ausserordentlich klein. Mit der Struktur haben sie bei Ischyodus nichts zu thuen, da diese noch viel zarter ist und die hellen Kreuzchen hauptsächlich im Anschluss und zwischen den zerstreuten Indivi- duen der kleinkrystallinischen Butzen vorkommen, an Stellen also, wo die Struktur ganz fehlt. 3ei Chimaeropsis finden sich dieselben Körperchen hauptsächlich am Aussenrand der Muskulatur unterhalb der Chagrin- zähnehen und ebenso im Anschluss an die erwähnten kleinkry- stallinischen Butzen. Hier sah ich auch in der That einmal die Querstreifen der Muskelfasern in gleicher Weise stark erhellt. Offenbar ist das von noch viel kleineren eingestreuten Körnchen, von der Art der in Rede stehenden Erscheinung verursacht). Auf dies ist auch theilweise die schwache Erhellung von 1) Vielleicht (!) ist hierauf zurückzuführen, dass die Muskelstränge bei Geoteuthis nach E. Fraas unter polarisirtem Lichte stark doppelbrechend sind (vgl. Württemb. Jahresb. 1889). 546 Dr. Otto M. Reis: Fibrillen und Fasern zurückzuführen, welche wir oben als eine sporadisch auftretende Erscheinung erwähnt haben und welehe stets in Fällen auftritt, wo in der Nähe die krystallinischen Aus- scheidungen mit grösseren hellen Kreuzehen zu bemerken sind. Sporadisch kommen auch letztere, zwar nicht häufig, aber fast überall vor. Diese dunkeln Kreuzchen mit hellen Sektoren bei Anwen- dung gekreuzter Nie. Prismen sind nun die Anzeichen der Struk- tur der „Sphaerolithe“, von eoncentrisch schaligen Coneretio- nen mit radialfaseriger Anordnung kleinster Krystalle (vgl. die Coceolithe). Die optische Erschemung ist im kleinen genau dieselbe, wie bei den oben erwähnten gruppenförmig strahligen Verwachsungen der grösseren Kalkspathkryställchen; da nun die Sphaerolithe sich stets an die erwähnten Butzen von mikritischen Kalkspathausscheidungen in der versteinerten Muskulatur an- schliessen, so ist die Wahrscheinlichkeit ausserordentlich gross, (dass sie selbst überwiegend aus kohlensaurem Kalk bestehen. Ich schreibe „überwiegend“, denn es ist die Ansicht sehr wohl ebenso zu begründen, dass diese Sphaerolithe aus Apatit bestehen könnten; der sphärische Bau dieser kleinsten Knöllchen könnte ebenso, wie beim Kalkspath die Bildung des dunkeln Kreuzes bei X Nie. erzeugen. So unterscheiden sich in Bezug auf das schwarze Kreuz Foraminiferenschalen, welche blos aus kohlen- saurem Kalk bestehen und senkrechte Durchschnitte durch Vaso- dentinkanäle von Vertebratenzähnen, welche überwiegend aus phosphorsaurem Kalk mit Fluorealeium bestehen, durchaus nicht von einander. Dies könnte man sehr wohl auf die Coneretionen in der Versteinerungsmasse anwenden und das gesellige Vor- kommen mit kleinkrystallinischen Kalkspathausscheidungen wäre nur als ein Anzeichen aufzufassen, dass hier ein Streben nach krystallinischer Ausscheidung vorgelegen hat, welches auch die überwiegend amorphe phosphoritische Versteinerungsmasse erfasst hat, freilich mit der Beschränkung, welehe die organische Grund- substanz ihr auferlegte (vgl. unten Capitel IX). (In allen sphärisch- radialfaserigen Bildungen, welche ein schwarzes Kreuz zeigen, liegen ja, wie bekannt, Krystallisationsprocesse vor.) Interessant ist hierfür das allmäliche Verschwinden der Sphaerolithe in die Versteinerungsmasse, besonders, wie ich bei Ischyodus und Chimaeropsis feststellen konnte, ihr über- Untersuchungen über die Petrifieirung der Muskulatur. 547 wiegendes Vorkommen an der Oberfläche derselben. Wir können hierin einen Uebergang oder wenigstens eine Aufeinanderfolge von mikrokrystallinischen, mikritisch-sphaerolithischen und ganz amorphen Ausscheidungen erkennen, wobei allerdings das festzuhal- ten ist, dass Letztere auch der Träger der Ersteren bleibt; diese Folge fände von aussen nach innen statt und es kann diese Thatsache bei der Erklärung der Versteinerung von Wichtig- keit sein. , Ich kann hier gleich, um den Zusammenhang der erwähn- ten Bildungen näher zu illustriren, daran erinnern, dass organische Flüssigkeiten im vitalen Process ganz ähnliche Gebilde erzeugen. Sphaerolithisch ist die Struktur ausserordentlich vieler in den Gehörsäckehen eingeschlossener Otholithe, welche zum Theil sehr klein sind, aber auch bedeutende Grösse, wie bei den Fi- schen bekannt, erreichen (vgl. hier anschliessend die Coceolithe). Bei vielen anderen niederen Thieren und besonders bei höheren Wirbelthieren finden sich dagegen einfache Krystalle von kohlensaurem Kalk, welche ähnlichen Wechsel in der Grösse, ähnliche fast gleiche Krystallform und Verwachsungen zeigen, wie die in der versteinerten Muskulatur beobachteten Krystalle'). Die verschiedenen Differenzirungen in der Versteinerungs- materie und deren Formen haben also durchaus keine Beziehung zur Struktur, weder zu den feinen Einzelheiten derselben, noch zu den Unterschieden zwischen strukturführenden und struktur- freien Partieen. Von allen erwähnten Erhellungen der Substanz zwischen X Nie. habe ich diejenigen ausgeschlossen, welche auf andere Ur- sachen als substanzielle Unterschiede zurückzuführen sind. Eine weitere matte Erhellung der Strukturstreifen findet häufig statt; diese ist aber auf die unvollkommene Auslöschung zu rechnen, welehe Spalten im Allgemeinen häufig zeigen. Dieselbe ist aber auch ein Beweis, dass die Strukturlinien Unterbrechungen der Substanz entsprechen. Diese Erhellungen verschwinden auch in den Fällen, wo durch Infiltration mit feinflüssigem Canadabalsam 1) Letztere zeigen auch ein feinkörneliges, fast unrein zu nen- nendes Gefüge, welches nicht durch mineralische Metamorphose, son- dern nur durch den späteren Verlust einer reichlich eingeschlossenen organischen Grundlage erklärt werden kann (vgl. letztes Capitel). Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 41 39 548 Dr. Otto M. Reis: die Hohlräume der Poren ausgefüllt werden und bei gewöhnlichem Lieht die Strukturanzeichen verschwinden. VIII. Die chemische Zusammensetzung der Versteinerungsmasse. Nachdem wir im Vorhergehenden das allgemeime mikrosko- pische Verhalten und den aus diesem nothwendig zu folgernden Vorgang der Fossilisation besprochen haben, müssen wir jetzt nach «len Ursachen des mineralischen Niederschlags fragen. Da der- selbe nur in der sich zersetzenden Zwischensubstanz stattfindet, muss wohl der Zersetzungsprocess selbst als Beihelfer des Nieder- schlags in Betracht gezogen werden. Hierbei kann nun zuerst die allgemeine Zersetzung der todten organischen Substanz, die "äulniss in Frage kommen oder auch spezielle ausnahmsweise Vor- gänge. Richard Owen hat so in seiner oben (S. 496) eitirten Abhandlung die Erhaltung des Muskelmantels der Cephalopoden auf Adipoeire (Leichenwachsbildung) zurückzuführen versucht, welehe Bildung auf fettiger Zersetzung der Muskelsubstanz selbst nach der Meinung einer grossen Anzahl von Physiologen beruhen soll. Es ist diese Frage allerdings nicht entschieden und die andere Behauptung ebenso weit verbreitet, dass diese Fettwachs- bildung nieht aus der Muskelsubstanz selbst abzuleiten sei, son- dern von dem Fett zwischen den Muskeln und den Fasern des Fleisches, wofür auch viele bemerkenswerthe Gründe sprechen. Die Entscheidung der Frage steht wegen ausserordentlicher Schwierigkeiten der Untersuchung immer noch aus. Das Moment, welches Owen besonders zu seiner Annahme veranlasste, ist die öfters grosse Härte des Leichenwachses, welehe der chemischen Zusammensetzung entspricht. Die aus der Zersetzung des Fettes entstehenden Fettsäuren binden, je älter die Bildung ist, je mehr Kalk, was zu der merkwürdigen Erhärtung und der Dauerfestigkeit derselben beiträgt (vgl. näch- stes Capitel). Die etwaige Beziehung unserer Fossilisationserscheinung zu solehen Bildungen kann natürlich nur die chemische Untersuchung entscheiden. Herr A. Schwager vom kgl. Oberbergamt in Mün- chen hatte die Freundlichkeit, dieselbe vorzunehmen. Es sind drei Proben, von einem Selachier „Notidanus“, von einem der jüngsten Ganoiden „Callopterus“ und einem Cephalopoden „Lep- Untersuchungen über die Petrificirung der Muskulatur. 549 toteuthis“, alle drei aus dem Solnhofer Schiefer verwendet worden. Zum Vergleich stelle ich an den Schluss zwei aus v. Gümbel: Die fränkische Alb S. 126 entnommene, von A. Schwager aus- geführte Analysen von Gesteinen hinzu, welche sowohl die durehsehnittliehe Zusammensetzung fränkischer Jurakalke reprä- sentiren können, als auch den Schichten, welehe die erwähnten Petrefakten führen, angehören; es ist No. V der Solnhofer blaue Lithographirstein III. Qual. und No. VI Dachplatten-Kalk von Kelheim. Noti- [|Lepto- [Callop- Solnhofer danus |teuthis| terus Schiefer Sp. €. 2,915 | Sp. G. 2,905 | Sp. E. 2,922 NOSMRIERNOHNT (SO | 05,12. 52,49 51.19 53,50 | 54,12 ia 0) MR 0,24 0,37 0,18 0,73 | 0,50 BODEer... . .- °2,0,00. 0,31 0,66 0,82 VOL 020 1,61 1,33 1,76 0,13 0,18 33,58 33,65 33,85 Spur 0,05 5139 5,39 5,80 42,84 42,64 2,12 2,29 2,06 = —_ 3,06 3,76 2,62 - _ _ _ — 1,29 0,84 RM _ — 0,66 | 0,60 BORN HETEAEN: — _ —_ Spur | Spur BD 0 ar a Rn a 0,15...\11.0,12 Glühverl. (H,O + NH, | ra) 005... 4,18 4,15 3,12 082 | 0,67 Summe . .| 100,76 | 104,09 | 100,96 | 10029 | 99,92 Die ungefähr festgestellte Zusammensetzung der Versteine- rungsmasse (Notidanus) ist daher folgende: H,O +NH, + Org. 4,18; CaSO, 3,60; CaCO, 12,25; CaFl, 6,28; Ca,(PO,), 69,04; Me,(PO,); 0,52; K,PO, 0,46; Na,PO, 2,82 = 99,15, welche, ‚Be- reehnung 33,27°/, P,0, erfordert. Schwefelsäure grösstentheils an Ca; NH, in deutlichen Spuren. — Alkalien, nieht schwefel- saure; H,O jedenfalls chemisch gebunden. Hingegen stellt sich das Schiehtgestein folgendermaassen: No. V. CaCO, 98,5 MgC0O, 1,5. No. VI. CaCO, 98,85 MgCO, 1,15. Zur Interpretation des chemischen und mineralischen Ver- haltens der Versteinerungsmasse habe ich nun anf Folgendes aufmerksam zu machen. 550 Dr.7OTtO MAREeTSE Vergleicht man Versteinerungsmasse und Schichtgestein, so fällt vor allen Dingen auf, dass bei nahezu gleichem Gehalt an Kalk doch das Verhältniss von Phosphorsäure und Kohlensäure ein reziprokes ist; bei der Versteinerungsmasse wenig Kohlen- säure und überwiegend Phosphorsäure, bei dem Schichtgestein bedeutend mehr Kohlensäure und vollständiges Fehlen des letz- teren; ebenso fehlt dem Schichtgestein der merkwürdige Fluor- gehalt; die chemische Zusammensetzung des Schiefers stimmt im Allgemeinen mit der des Meeresschlammes. Der Charakter des Sediments tritt im Schiehtgestein durch das Vorhandensein von Thonerde und Kieselsäure hervor, welche in der Versteinerungs- masse mit den Eisen- und Manganimfiltrationen vollständig fehlen. Auf diese Thatsache haben wir schon bei der Bespreehung des makroskopischen und mikroskopischen Befundes aufmerksam gemacht. Was nun die Versteimerungsmasse für sich betrifft, so ist vor allem auffallend, dass sie in allen drei Fällen bei so ausser- ordentlich verschiedenen Thiertypen, die gleichen Bestand- theile in nahezu gleichen Zahlenverhältnissen aufweist, dass sie also ein Mineral von einer gewissen chemischen Constanz ist. Lassen wir vor allem und vor der Hand den kohlensauren Kalk ausser Betracht, welchen wir schon mikroskopisch als krystallinisch eingesprengten Gemengtheil nachgewiesen haben, so lässt sich aus den übrigen, mikroskopisch ein einheitliches Mineral bildenden Gemengtheilen als Grundverbindung phosphor- saurer Kalk mit Fluorealeium herausschälen; dasselbe hat eine weite Verbreitung und allseitig grosse Bedeutung und ist kry- stallisirt als Apatit und derb als Phosphorit bekannt. Die theo- retische Zusammensetzung des Apatits ist Kalk = 55,54, Phosphor- säure — 42,26, Fluor = 3,79, während sich das Verhältniss bei Leptoteuthis resp. auf 52,49, 33,65 und 3,7 stellt. Die Differenzen gleichen sich noch etwas aus, wenn man bedenkt, dass in die Verbindung noch andere Salze himeingezogen sind, wie Kali, Natron und Ammoniak. Auch der Gyps ist mikroskopisch nicht nachweisbar und es ist nicht wahrscheinlich, dass er der Ver- steinerungsmasse nur fein vertheilt beigemengt wäre, ohne ähn- lich wie der Kalkspath, wenigstens am Aussenrand, in seinen charakteristischen Formen auskrystallisirt zu sein. Es ist daher sieher anzunehmen, dass wenn diese Bei- Untersuchungen über die Petrifieirung der Muskulatur. Dol mengungen nicht wären, wir auch in den Zahlenverhältnissen eine grössere Annäherung an reineren Phosphorit erkennen konnten. Auch Magnesia und Ammoniak müssen chemisch gebunden sein, da sie sich sonst wohl, ähnlieh wie kohlensaurer Kalk als Struvit ausgeschieden haben würden, welcher fast aus allen Lösungen entsteht, in welchen Magnesia mit Orthophosphorsäure und Ammoniak zusammentrifft, eine Verbindung, welche im Guano und faulendem Harn (u. fossilem Mist) entsteht und sich auch in den Fäcalien und den Darmeoncretionen findet. Wir haben also blos den kohlensauren Kalk eingesprengt in grösseren, wohl entwickelten Kryställchen, in klein krystallini- schen Butzen mit den ihnen vergesellschafteten Sphaerolithen, welche in die Versteinerungsmasse, den Zoophosphorit einzeln ein- gelagert, sich von aussen nach innen zu verlieren. Innerlich ist der kohlensaure Kalk jedenfalls auch der Verbindung molekular bei- gesellt. Es ist nun die Frage, woher die Componenten dieser Ver- bindung stammen. Die erste Möglichkeit wäre, ihre Herkunft aus dem Meerwasser abzuleiten und ihre Ablagerung in der Muskulatur auf Umstände zurückzuführen, welche z. B. Apatit und Phosphorit auf dem Wege der Segregation aus Gesteinen in dessen Spalten krystallinisch abgesetzt hätten. Wenn überhaupt eine solche Annahme hier gestattet ist, so ist vor allem zu bemerken, dass dies an und für sich ein ausserordentlich langsamer Process ist. Im diesem Falle wäre das Meerwasser der Träger der Salze, welches zwar die hier in Betracht kommenden Stoffe enthält und enthalten kann, aber nur in so äusserst geringen Mengen, dass ein solcher Process jedenfalls nur sehr langsam vor sich gehen könnte. Jeder Verbrauch eines Salzes durch Niederschlag erhält bei der geringen Vertheilung derselben seinen Ersatz nur sehr allmälich aus immer grösserer Ferne, welcher Ersatz für die verschiedenen Componenten auch jeden- falls verschiedene Zeit in Anspruch nimmt (vgl. letztes Capitel). Wenn sich daher die Bildung eines einheitlichen, noch dazu „amorphen“ Minerals auf diesem Wege als unmöglich herausstellt, so kann bei der Dauer, die ein solcher Niederschlag in Anspruch nähme, nicht mehr an Erhaltung der Muskelstruktur gedacht werden. Da wir so die Herkunft aller Salze der Verbindung aus 552 Dr. OttoM. Reis: dem Meereswasser kurzweg leugnen müssen, so bleibt nur eine Erklärung übrig, dass dieselben aus dem Bereich des Körpers selbst kommen. Dabei würden wir durch den phosphorsauren Kalk und das Fluorealeium hauptsächlich an die Salze des Skelets erinnert. Die Zusammensetzung der Versteinerungsmasse ist ähn- lieh derjenigen der Knochensubstanz; auch der Kalkknorpel und das Dentinhautskelet der Elasmobranchier könnten hier in Be- tracht kommen. Doch machen schon hier die nackten Holo- cephalen und die bei ihnen mit der Verkalkung des Fleisches in gar keinem Verhältniss stehenden, schwachen Erhärtungen des Innenskelets eine warnende Ausnahme. Noch wichtigere Momente gegen die Betheiligung der Salze des Skelets an der Bildung des Versteinerungsmittels bieten die Cephalopoden. Bei den mehr Sepien-artigen Formen tritt die Er- scheinung seltener auf; der Schulp der Sepia besteht aber mit 85°/, aus kohlensaurem, mit nur Spuren von phosphorsaurem Kalk. Bei den fossilen Loliginiden endlich tritt die Muskel- verkalkung viel häufiger auf und ihr Hormschulp ist fast ohne Betheiligung anorganischer Bestandtheile erhalten. Schliesslich wären die anneliden Würmer zu erwähnen, deren ganzes kalkführendes Skelet aus den beiden Kiefern be- steht. — Es erhellt hieraus, dass das Skelet durchaus nieht in Betracht zu ziehen ist, wie auch hier zu bemerken ist, dass seine Auflösung viel zu langsam von Statten gehen würde, und dass indessen die Muskelstruktur nieht mehr hätte erhalten blei- ben können. Wir würden sodann auf andere Gewebscomplexe und Organe des Körpers mit stetigem Gehalt an phosphorsauren Salzen verwiesen. Hier ist in erster Linie die Muskulatur selbst zu erwähnen, dann das Gefäss- und Nervensystem und ich kann erwähnen, dass Dr. E. Fraas auf meine Mittheilung hin, dass die Versteinerungsmasse hauptsächlich aus phosphorsaurem Kalk bestehe, in: Jahreshefte f. vaterl. Naturk. in Württemberg S. 232 folgendes annimmt: „Es ist die in der Muskelsubstanz und Lymphe enthaltene Phos- phorsäure im Stande, unter günstigen Umständen eine Menge des im Wasser gelösten kohlensauren Kalkes zu binden und als phosphorsauren Kalk in der Muskelmasse niederzuschlagen, wo- durch weder die Form noch das Strukturbild der Muskelzelle alterirt zu werden braucht.“ Die Sache liegt indessen nicht so Untersuchungen über die Petrifieirung der Muskulatur. 999 einfach und Fraas fühlt selbst, dass „damit noch keine voll- ständige Erklärung gegeben sei.“ In der That, wenn es blos die Phosphorsäure ist, welche den Kalk niederschlägt, warum treten keine umfassenderen unzweideutigen Petrifieirungen des Nervensystems und des Gehirns ein, wo ja die Aschenbestand- theile nahezu die gleichen sind, wie in der Muskulatur; warum sollten nicht auch die Züge des Gefässsystems, deren flüssiger Inhalt ganz ähnliche Salze enthält (wenn auch in bedeutend geringerer Menge), sich noch in grösserer Ausdehnung erhalten haben. Man sieht, dass für die starke Verkalkung der Muskulatur besondere Umstände vorliegen müssen, und dass der einfache Gehalt an den in Betracht kommenden Salzen nicht genügt, einen der Verstemerungsmasse vergleichbaren Niederschlag zu erzeugen. Ich war selbst früher der Memung, dass die Salze „hauptsächlich“ aus den Muskeln und dem Blut stammen müssten, machte aber schon auf andre „gewaltige Einwanderungen“ aufmerksam, von denen die auffälligste die des Fluorealeiums sei (vgl. Mitth. d. Ges. für Morph. u. Phys. in München 1889). Treten wir nun der Sache einmal näher, so finden wir, dass die Aschen je in den verschiedenen Geweben verschiedener Classen der Wirbelthiere ziemlich gleich bleiben. Die Muskulatur enthält bei Vertebraten hauptsächlich phosphorsaures Kali, bei den Fischen insbesondere aber überwiegend Erdphosphate und zwar stellt sich das Verhältniss ungefähr so, dass auf 1 Th. Fleisch — 0,04 bis 0,07 Asche — 0,0176 bis 0,0308 ördphosphate treffen; die übrigen Theile der Asche: CINa und Schwefelsäure können wir hier ausser Acht lassen. Im Blut der höheren Vertebraten finden wir auf 1000 Theile Blutzellen 2,108 phosphors. Kali und 0,218 phosphors. Erden, im Plasma 0,443 phosphors. Natron und 0,550 phosphors. Erden. In der Lymphe kommen auf 1000 Theile 0,02 phosphors. Kali und 0,26 phosphors. Erden. Was das Nervensystem betrifft, so sind im Gehirn und kückenmark die Aschenmengen der getrockneten Substanz gleich denen der Muskulatur. Die einzelnen Bestandtheile der Asche (vgl. Gorup-Besanez, Chemie der Gewebe, S. 636) sind fast genau dieselben, wie ja überhaupt Nerven- und Muskelsubstanz die engste Verwandtschaft mit einander haben. (Die Gleichheit der Aschen lässt hierbei schliessen, dass dieselben keine wesent- 554 Dr. Otto M. Reis: liehen Funktionen haben, sondern, dass sie aus der Cireulations- flüssigkeit in den Mengen in die verschiedenen Gewebe über- geführt werden, in welchen sie den vorhandenen Lösungsverhält- nissen nach aufgenommen werden können.) Auch dies würde dafür sprechen, dass für «das Nerven- system Verkalkungen eintreten könnten, wenn sie in der Musku- latur vorhanden sind); wir dürfen also auf die im Nerven- system vorhandenen Salze nicht zu sehr rechnen. Wenn wir aber trotzdem diese Annahme machen wollen, so könnten wir als höchstes Maass der verfügbaren anorganischen Salze die doppelte Aschenmenge der Muskulatur annehmen, also auf 1 Theil Fleisch 0,08 bis 0,14 löslicher phosphorsaurer Salze. Dass diese geringen Mengen nicht allein ausreichen, um entweder, wie Fraas meint, durch einfachen Salzaustausch mit den im Meereswasser gelösten Bestandtheilen oder wie wir von Anfang an annahmen, durch Vermittelung eines organischen Zwi. schenstadiums eine Verkalkungslage von dem spez. Gewicht 2,9, welche fast !/, der gesammten Muskulatur betragen kann, nieder- zuschlagen, liegt auf der Hand. Die Verkalkungslage hat im Durehsehnitt bei Ganoidfischen die Dicke des Panzers eines Polypterus und zeigt bei Schätzung der verhältnissmässigen Menge von organischer und anorganischer Substanz jedenfalls so viel phosphorsauren Kalk, als das Aussen- und Innenskelet zu- sammengenommen! Solehe Salzmengen werden zwar im Verlauf längerer Zeit- räume in ganz allmäligem Vorgange in den skeletbildenden Ge- weben abgelagert, finden sich aber nieht in äquivalenter Menge in allen übrigen gewebigen Organsystemen zu gleicher Zeit. Dies geht ungefähr daraus hervor, dass bei Säugethieren, welche in diesem Falle als Muster dienen können, zur Zeit einer embryonalen Bildung des Skelets bei ungenügender Salzernährung des Mutter- thieres die in den übrigen weichen Geweben gelösten phosphor- sauren Salze selbst bei allmälicher Concentration nieht ausreichen, so dass in bedenklich pathologischer Resorption auch der teste Salzgehalt des Skelets des Mutterthieres angegriffen werden 1) Meine obige Deutung der Erhaltung des Rückenmarks bei Agassizia ist nicht ausser jeden Zweifel gestellt und wage ich hierauf f .. / keine Schlüsse zu bauen. Untersuchungen über die Petrificirung der Muskulatur. 555 muss. Führt man diesen Vergleich mutatis mutandis nach allen Seiten aus, so giebt er auch eine Schätzung dafür, dass selbst der doppelte Aschengehalt der Muskulatur die zu fordernde Menge der Versteinerungsmasse nicht erklären kann. Hierbei ist noch die eigentlich unmögliche Praemisse an die Spitze gestellt, dass der ganze Salzgehalt unverkürzt von der Muskulatur auf- genommen würde, während ihn sicher das Meereswasser eher verringert, als concentrirt erhält. Daraus geht hervor, dass noch ganz andere Faktoren herbei- gezogen werden müssen, als die in allen weichen Geweben im vitalen Prozess verwendeten anorganischen Salze. Dies Resultat wird gestützt durch das Verhalten der Cephalopoden und Anelliden. Ihre Muskulatur enthält nur sehr wenig phosphorsaures Kali (vgl. Valenciennes und Fremy, Journ. de Pharm. et d. Chim. 3. Ser. XXVII. 401). Ihr Blut enthält auf 1 Theil ea. 0,0075 phosphorsauren Kalk und Kupfer. Wenn das Nerven- system überhaupt in Betracht gezogen werden darf, so ist zu bemerken, dass es hier in viel geringerem Maasse im Verhältniss zur Muskulatur entwickelt ist, als bei den Fischen. Noch mehr gilt dies von den Würmern, wenn wir hier, was gewiss be- rechtigt ist, ähnliche Aschenverhältnisse der Muskulatur, wie bei den Cephalopoden und des Blutes, wie die bekannten von Ce- phalopoden und Crustaceen annehmen. Wenn man im Allgemeinen nothwendigerweise vornehmlich jene Elemente und Salze im Cireulations-, Nerven- und Muskel- system antreffen, welche im Skelet abgelagert werden, so ist es auch sehr verständlich, dass bei den Cephalopoden und Würmern in diesen Systemen sich wenig oder auch keine Phosphorsäure finden soll. (Dass sich z. B. bei Cephalopoden Salze im Blut finden, welche nicht im Skelet abgelagert werden, aber sonst skeletbildend sind, ist kein Beweis dagegen, weil solehe Salze die dem Organismus weder schaden noch nützen, aus den Ver- dauungsorganen sehr wohl in das Gefässsystem gelangen können; dies wäre bei den nackten Cephalopoden der Fall vgl. unten). Wenn nun, wie dargestellt, verfügbare phosphorsaure Salze bei den Cephalopoden und Würmern noch in viel geringerem Ver- hältniss in den weichen Organen sich gelöst vorfinden, als bei den Vertebraten, wenn aber bei ihnen in ganz gleichem, bei Cephalo- Dr. Otto’M. Reis: Sr Du op} poden in noch bedeutenderem Maximalverhältniss die Muskulatur verkalkt, so stützt dies unsere oben ausgesprochene Ansicht, dass die im Körpergewebe vorhandenen und verwendeten Salze einen nur wenig wesentlichen Beitrag zur Versteinerungsmasse geliefert haben können. Das Gleiche beweist das Vorhandensein des zugleich mit den übrigen phosphorsauren Salzen in 6—7°/, amorph niedergeschlagenen Fluorcaleiums bei Fischen und Cephalopoden, wenn man bedenkt, in weleher geringen Menge es bei den Vertebraten im Knochen, Zahnbein und Schmelz vorkommt und im Cephalopodengerüst überhaupt nicht be- kannt ist. Dies leitet uns wohl zu dem letzten Ausweg. Das einzige Organ im Innern des Körpers, welches noch gelegentlich phos- phorsaure Salze und dabei auch Fluorealeium enthält, ist — der Magen (und Darm) und zwar in dem Speisebrei bei solchen Raub- thieren, welche sich von grösseren und kleineren Wirbelthieren oder deren Ueberresten nähren. Nun sind fast alle oben behan- delten, die Muskelversteinerung typisch zeigenden Gattungen verte- bratenfressende und knochenverdauende Raubthiere. Gehen wir die einzelnen Formen durch, so wissen wir, dass in der That die pelagischen Ichthyosaurier sich von Verte- braten nähren; ihre Koprolithen enthalten ausser einer feineren, amorphen phosphoritischen Masse auch viele Knochenreste und Schuppen. — Die nächstverwandten der Hatteria — Homoeo- saurus und Anguisosaurus — zeigen desgleichen phosphoriti- sche Darmerfüllungen. 3emerkenswerth erscheint mir, dass die im lithographischen Sehiefer vorkommenden Schildkröten zu den Küstenschildkröten «ehören, welche sich von Pflanzen und Mollusken nähren und auch (soweit meine Beobachtungen reichen) keine Spuren von petrifieirter Muskulatur zeigen. Bei den Pterosauriern des lithographischen Schiefers habe ich nur an einem Exemplar Reste der Halsmuskulatur, an einem anderen Reste der Rumpfmuskulatur entdeckt; die Reste sind schwach und bilden die Pterosaurier eine gewisse Ausnahme von der erwähnten Regel, da sie sich jedenfalls auch von Fischen genährt haben. Ueberhaupt ist die Erscheinung bei teptilien nur in untergeordneterem Auftreten zu erwähnen, (S} 1 SD) SI Untersuchungen über die Petrifieirung der Muskulatur. Sämmtliehe oben erwähnte Elasmobranchier sind knochenverdauende Raubfische, auch die Holocephalen, welche kleine Muscheln und kleine Fische trotz ihrer Kauzähne unzer- trümmert in ihrem Magen enthalten. Gehen wir nun über zu den Ganoiden des lithographischen Schiefers, so sind nieht nur die Coelacanthinen unter den Uros- sopterygiern, sondern auch unter den Lepidosteiden die Sauro- dontiden und Rhynehodontiden, unter den Amiaden die Mikro- lepidoti, Cyclolepidoti und Halecomorphi und endlich die 'Thris- sopinen als Raubfische bekannt, deren Magen kleinere Fische enthält, deren Darm mit einfachem oder Spiralklappen-Enddarm meist feinkömige, aus einem feinen Brei erhärtete Erfüllungen (Cololithen und Coprolithen) zeigt. Diese Ueberreste sind ohne Knochenfragmente und stellen einen der Muskelversteinerungs- masse sehr ähnlich zusammengesetzten Phosphorit dar, ein Be- weis für die vollständige Auflösung der im Magen vorhandenen Knochenreste. Merkwürdig ist nun, dass unter den Lepidosteiden die grossen „sphaerodonten* Lepidotus-Arten, deren Nahrung mehr in Mollusken bestand, ohne Muskelversteinerung sind. Dasselbe gilt für die ganz gleich organisirten Pyenodontiden, bei welchen ich auch niemals die sonst so häufigen Skelete kleinerer Fischehen im Bauch beobachtete. Von den Cephalopoden im Allgemeimen zeigen die fossilen Nautiliden und Ammonitiden, die mehr littoralen Aufent- halt am Grunde des Meeres liebten und sich (nach Nautilus zu urtheilen) mehr von Krebsen und Mollusken (mehr von den auf dem Meeresboden kriechenden Geschöpfen) nährten, niemals etwas von der Muskelverstemerung. Dagegen zeigen von den Dibran- chiaten die Phragmophoren (Loligo-artige Verwandte von Sepiola), Sepiophoren und Chondrophoren, welche mehr das hohe Meer lieben, bessere Schwimmer sind, feste Reisszähne haben, sowohl überwiegend die versteinerte Muskulatur, als auch phosphoritische Darm-(Magen-)Ausfüllungen mit Fischschuppen und Knochen; auch die pelagischen Arten der lebenden Dibranchiaten nähren sich mehr von kleineren Fischen. Dieser Gegensatz zwischen den äussern schaalentragenden Nautiliden und Ammonitiden und den dibranchiaten nackten Üe- phalopoden (mit innerem Stützskelet zur Ermöglichung rascherer 558 Dr. Otto M: Beis: Bewegung bei räuberischen Anlagen) wirft vielleicht auch ein Licht auf die Thatsache, dass von Lamellibranchiaten und (rastropoden ebenso wenig, wie von den Brachiopoden etwas der Muskelverkalkung der erwähnten Thiere Aehnliches trotz des ausserordentlich eingehenden paläontologischen Studiums derselben bekannt ist. Was nun die Würmer betrifft, so ist bezeichnend, dass die die Muskulatur zeigende einzige Gattung des lithogr. Schiefers zu der Gruppe der raubenden, freilebenden Anneliden gehört und in einer fast stets vorhandenen Erfüllung des Darmes mit Kalk- spath die Anwesenheit von andren festen Stoffen im Speisebrei anzeigt. Die Ernährungsweise dieser Würmer ist jedenfalls eine den Loliginiden und Sepien ähnliche gewesen und wenn sie nicht ganze Vertebratenzwerge verschlucken konnten, so haben sie sich vielleicht an deren getödteten Reste gehalten und konnten so jedenfalls wie bei den fossilen Dibranchiaten ersichtlich, auch Schuppen und Knochen von ihnen an Grösse weit überlegenen Fischen bei ihrer wenig wählerischen Fressbegier in Fragmenten in den Mageninhalt dieser niederen Würmer gelangen. Dagegen ist es bemerkenswerth, dass von den im allen Arten von Erdschichten aller Zeiten häufigen fossilen Serpulen mit ihrer dicken Kalk- schale keine makroskopische Erscheinung bis jetzt bekannt ge- worden ist, welche auf eine Petrifiecirung der Weichtheile schliessen lässt. Wir hätten also in der fast gleichen oder ähnlichen Lebens- und Ernährungsweise dieser sonst höchst verschiedenen Thiertypen, in dem stets in deren Därmen vorhandenen Speise- brei, dessen phosphoritische Beschaffenheit aus den durch die Magensäure aufgelösten Knochen herstammt, eine verhältniss- mässig bedeutende und gleichmässige Quelle der phosphorsauren Salze und besonders des Fluorealeiums. Diese Quelle ergänzt den erstens viel zu geringen, zweitens an Quantität wie an (Qualität bei den verschiedenen Typen höchst ungleichmässigen Gehalt der Muskulatur ete. an phosphorsauren Salzen, drittens bildet sie den einzig möglichen Ausgangspunkt der verhältniss- mässig enorm grossen Mengen von Fluorcaleium und dessen Ansammlung in einem Zeitraum, der der Erhaltung der himfälligen Fleischsubstanz entsprechen muss. Die hier angeführten Thatsachen, dass die in der Musku- Untersuchungen über die Petrifieirung der Muskulatur. 559 latur ete. enthaltenen anorganischen Salze nicht die Ursache des Niederschlags von phosphorsaurem Kalk in der Muskelmasse sein können, wird noch durch eine weitere Fossilisation gestützt. Wir haben oben erwähnt, dass die Tintenbeutelhöhlungen der chondrophoren Cephalopoden des Jlithogr. Schiefers von unregelmässig-kugeligen Knollen verschiedener Grösse dieht erfüllt sind, die aus einer erdigen Substanz von der mittleren Härte der Versteinerungsmasse der Muskeln bestehen, in einfachem Lieht ein einfach körniges Gefüge zeigen, wie die Verkalkung der strukturlosen (ursprünglich flüssig-zersetzten) Muskelmasse, im polarisirten Licht desgleichen, wie die Muskelversteinerung, voll- ständig dunkel werden. Es verhält sich diese Masse aber auch chemisch wie die Muskelversteinerung; eine nur auf wenig Substanz beruhende, aber für unsern Vergleich vollständig ausreichende Analyse ent- hielt nach Herrn A. Schwager (0,0404 gr — spez. Gew. 2,934): in 9% 0,0027 Glühverl. b. schwach. Glühn (H50 + Org) | 6,68 Org + H,0 0,0019 Glühverl. b. starkem Glühn (CO,) | 4,70 C0, 0,0191 CaO 47,27 CaO ..1.0,0134 PO, 33,16 PO, Plesio-) (9007 SiO, 1,73 SiO, theutis| 0,0005 AO; 1,23 AL,O, 0,0003 Fe,03 0,74 Fe,O; 0,0007 SO, 1,73 SO; ‚Mg, Alk und Fl Mg, Alk u. Fl. Wir haben also in dieser Versteinerungsmasse, wie schon auch das spez. Gewicht angiebt, fast dieselbe Menge phosphor- sauren Kalkes, wie in der Muskelversteinerung und es ist der- selbe dem mikroskopischen Befunde nach genau in derselben Weise niedergeschlagen wie in der letzteren. Wir haben also hier zweifellos eine Fossilisation des flüssigen Inhaltes des Tinten- beutels. Betrachten wir nun die Erhaltung dieses flüssigen Inhaltes in den Lias-Schichten, so haben wir schon erwähnt, dass die schwarze Füllung vollständig die Eigenschaften des getrockneten Tintensaftes der lebenden Decapoden behalten hat; E. Fraas (l. ec. 1889 5. 221), giebt au, dass die schwarze Substanz beim Glühen mit Entwiekelung eines bituminösen Geruchs fast voll- ständig verbrannte, also ausschliesslich organisch sei; dies be- 560 Dr. Otto M. Reis: weist auch unser Versuch mit der Bleichflüssigkeit an Dünn- schliffen der schwarzen Substanz. Herr A. Schwager fand hierbei das spez. Gewicht 1,440—1,480 und eine Aschenmenge von 0,0049 gr auf 0,1319 gr Substanz — 3,71 °/,; die nähere Zu- sammensetzung der Asche zeigen folgende Zahlen: 23,47 P,O;; 14,28 CO,; 28,57 CaO; 8,18 AL,O,; 14,28 F&,0,; 8,18 SiO, in %%o- — Vergleicht man hiermit die Analyse der Flüssigkeit bei leben- den Vertretern, so finden sich 19,56 Asche!) auf 78,00 Theile des schwarzen Farbstoffs organischer Natur und einen schleim- artigen Stoff. Wir können also von den Tintenbeuteln der Lias- Schichten annehmen, dass sie den organisch fast unveränderten, nur eingetrockneten Tintensaft darstellen und müssen uns über die ausserordentliche Erhaltung der organischen Substanz wundern. Vergleicht man aber diese Zusammensetzung mit der Tintenbeutel- erfüllung der Plesioteuthis aus dem lithographischen Schiefer, welche, wieauch Fraas von seinem Geoteuthis Zitteli angiebt, aus einzelnen ungleichen rundlichen Knollen (der zusammen- gezogenen Tintensubstanz) besteht, so erkennen wir den gewaltigen Unterschied der Fossilisation durch Eintrocknung und solcher (durch Phosphoritisirung der organischen Flüssigkeit. Wir erkennen erstens einen Verlust an den ursprünglich in der Flüssigkeit gelösten Salzen und weiterhin den Beginn eines Niederschlags von Salzen, welche in den Tintenbeuteln aus dem lithogr. Schiefer als Fossilisationsmaterial der ganzen Tinten- flüssigkeit auftritt. Vorausgesetzt ist hierbei die ganz unbedenk- liche Annahme der verhältnissmässigen und durchschnittlichen Vergleichbarkeit des Volums der Tintenbeutelerfüllungen, seien sie num phosphoritisirt oder nicht; desgleichen die Annahme der Gleichheit des Aschengehalts der Tintenflüssigkeit der ausser- ordentlich nahe verwandten lebenden und fossilen Gattungen. Zu betonen haben wir hierbei, dass 1) die Phosphoritisi- rung eingetreten ist an einer organischen Substanz in flüssigem Zustande; 2) dass ursächlich mit der Versteinerung verbunden eine Zersetzung dieser Flüssigkeit, d. i. eme Zerstörung des 'Farbstoffes, welcher in anderen Fällen eine ausserordentliche Widerstandsfähigkeit besitzt, stattgefunden hat; 3) dass die org. Substanz in die Versteinerungsmasse in einer Form eingeschlossen 1) Bestehend aus MgCo;, CaCO,, ClaNa und NasSO,. Untersuchungen über die Petrifieirung der Muskulatur. 561 wurde (als Gerüstsubstanz des anorganischen Niederschlags), welche der endlichen Zersetzung leichter anheim fiel, wie der Farbstoff selbst; 4) dass die Qualität und Quantität der durch den Versteinerungsprocess niedergeschlagenen Salze in gar kei- ner Beziehung zu der ursprünglich in vitalem Process in der organischen Gewebeflüssigkeit vorhandenen Asche steht, dass man also, wie wir auch oben bei der Muskulatur ausführlich auseinandersetzten, auf ganz andere Quellen dieses phosphoritischen Niederschlages zurückgreifen muss. IX. Die Ursachen der Petrifieirung. Nachdem wir im vorigen Kapitel alle Punkte in Erwägung gezogen haben, welche für die Bildungsweise des Myophosphorits vom chemisch-mineralogischen Gesichtspunkte zu erwähnen wichtig schienen, wollen wir im Nachfolgenden auch die möglichen Vor- gänge in dem organischen Bereich betrachten, in welchem die Phosphoritisirung vor sich gegangen ist. Nachdem festgestellt ist, dass ein einfacher Niederschlag in einem Austausch der Elemente von anorganischen Salzen inner- halb des Körpers und von solchen ausserhalb in Form eines ein- fachen chemischen Experiments nicht stattgefunden haben kann, sondern dass eine höchst seltsame Concentration aller im Körper (den Geweben und dem Darminhalt) enthaltenen Salze mit wahr- scheinlich nur schwacher Betheiligung der im Meereswasser ge- lösten Bestandtheile zu bemerken ist, welche in verhältnissmässig kurzem Zeitraum stattfinden musste, nach’ dem ist keine andere Möglichkeit vorhanden, als dass ein spezieller Zustand der orga- nischen Masse nach dem Tode die Ursache dieser Coneentration der anorganischen Stoffe und zugleich der Phosphoritisirung selbst d. h. der eoncentrirenden Auflösung und Reduktion in einen nicht löslichen Zustand gewesen ist!). 1) Der constante Gehalt der verschiedenen Gewebe an löslichen anorganischen Salzen beruht ja wohl auch auf gewissen Zuständen der organischen Flüssigkeiten. Hierbei dürfte der Wassergehalt eine nebensächliche Rolle spielen und es werden hier wohl die verschie- denen sauren Zersetzungsprodukte der Lebensthätigkeit hauptsächlich mitwirken. So erlangen die nahe verwandten und in ihrer Thätigkeit 562 Dr::O0tt0 M. Reis: Das wichtigste Moment hierbei ist, Zersetzungszustände zu betrachten, welche rasche Kalkniederschläge ermöglichen und zugleich bis zur Beendigung derselben sowohl die Erhaltung (ler Struktur sichern, als auch den Verbleib der im Fleisch oder Körper gelösten Salze. Hier tritt uns zuerst eine Verkalkung entgegen, auf welche Owen (vgl. Einleitung) zur Erklärung der Mantelerhaltung bei Öephalopoden zurückgriff, das Leichenwachs (Adipoeire). Be- striekend ist hierbei zuerst, dass diese Bildung von sehr vielen bedeutenden Forschern auf Zersetzungsvorgänge innerhalb der Muskulatur zurückgeführt wird. Kratter (Studien über Adipoeire, Zeitschrift für Biologie, Bd. XVI) hat Leichenwachs auch mikro- skopisch untersucht und dasselbe hypothetisch in Muskel-, Haut-, Fettgewebe- und Knochen-Adipoeire unterschieden. In Muskel- adipocire glaubte er den allmälichen Uebergang der Muskelfasern in Fett und Fettsäure beobachten zu können, fand thatsächlich in der Masse die, wie es ihm schien, der fettigen Zersetzung am längsten widerstehenden Fibrillen der anisotropen Substanz. Leh- mann (Sitz.-Ber. d. phys.-med. Gesellschaft, Würzburg 1888, S. 1) hat sich nach dem ehemischen Befund künstlich erzeugten Leichen- wachses für die Entstehung desselben aus dem Eiweiss der Mus- kelsubstanz ausgesprochen und ausserdem festgestellt, dass die Fettsäuren durch Kalk gesättigt sind. Diese Thatsache ist schon verschiedentlich früher ausgesprochen worden und hat besonders schon Wetherill (Journal f. prakt. Chemie, Bd. 68) bei subfos- silem Leichenwachs von Bison americanus die umfassende so ähnlichen Nerven und Muskeln ausserordentlich gleichartige Aschen- mengen; hier und in solchen Gewebeflüssigkeiten, wie in Blut und Lymphe finden sich die Salze in löslicher Form. Bei Geweben, welche der Lebens-, Willens- und Ernährungsthätigkeit entfernter entwickelt sind, deren Zellen in Bezug auf jene mehr ruhende Zellen sind, er- nährt werden müssen und Stützgewebe abgeben, können die Aschen- inengen auch in unlöslicher Form abgelagert werden. Diese Einker- kerung der Zellen beweist einen Rückgang der Lebensthätigkeit der- selben, wobei wieder nur regressive Zersetzungen des Protoplasmas eine Rolle spielen können, wie mit pathologischen Umbildungen sehr häufig Kalkausscheidungen verbunden sind. Im obigen Kapitel soll nun auseinandergesetzt werden, dass man die Frage der Phosphori- tisirung der Muskulatur sehr wohl von diesem Gesichtspunkt aus be- handeln kann. Untersuchungen über die Petrifieirung der Muskulatur. 963 Bindung von Kalk durch Fettsäuren dargestellt. Wenn diese Thatsachen richtig sind, so hätten wir in der Bildung von Leichen- wachs eine Kalkfassung, welche in der Zwischensubstanz der Primitivfibrillen stattfände und die letzteren umhüllte. Man könnte schliesslich denken, dass diese Bildung auch die Bestandtheile der Muskelasche vor der: Lösung verschliesse und im Fossili- sationsprozess endlich ein Austausch der Säuren stattgefunden habe, d. i. die organische Säure durch eine anorganische ersetzt worden wäre. Diese Auffassung hat mich auch kurze Zeit beschäftigt, wenn sie mir auch einen wichtigen Punkt nicht zu er- klären vermochte, die ausserordentlich starke Concentration der Phosphorsäure und des Fluorealeiums. Bei näherem Studium der Literatur über Adipoeire stiess mir ein weiterer Punkt auf, welchen auch Prof. Voit in München für sehr wichtig hielt, dass näm- lich, wenn Adipoeire aus der Muskelsubstanz entstände, dies doch so langsam vor sich ginge, dass keine Spur der im Körper vor- handenen Salze mehr verfügbar sein könne. Lehmann’s Adi- poeirungsversuch von 135 Gramm Fleisch unter stetiger Erneue- rung des Wassers (zur Verlangsamung der Zersetzung) bean- spruchte wenigstens 7 Monate zur Vollendung. Bedenkt man noch, dass auf dem Grunde des Meeres derartige Processe in noch viel langsamerem Tempo vor sich gehen müssen, die Lösungsverhältnisse für die im Körper gelösten anorganischen jestandtheile aber jedenfalls die gleichen, ja viel bessere sind, so ist dieser Grund nicht zu unterschätzen und bestimmt er uns, noch andere Möglichkeiten für die Phosphoritisirung der Musku- latur in Betracht zu ziehen, als die des Zwischenstadiums von Leichenwachs, welches auch an und für sich chemische Schwie- rigkeiten bietet. Zudem ist es bis heute noch unerwiesen, ob wirklich Adipoeire aus dem Fleisch selbst entstehen könne; die Kratter’schen Resultate haben durch Zillner (Eulenburg’s Vierteljahrsschr. N. F. XLII) entschiedenen Widerspruch erfahren; Zillner hat wahrscheinlich zu machen versucht, dass die von ihm nachgewiesene Wanderung des Fetts in der Leiche voll- kommen alle Leichenwachsfunde erkläre. Wie dem nun sei, so lassen wir die einfache Ueberlegung ausschlaggebend sein, dass, wenn bei dem Wechsel von struktur- führenden und eingeschlossenen strukturlosen Stellen unserer Ver- steinerungsmasse, die letzteren den vollständig verseiften Partieen Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 41 36 564 Dr. Otto M. Reis: der Muskulatur entsprächen, dann nothwendig Volumveränderungen stattfinden müssten, welche sich in Faserbiegungen und Zer- reissungen kund geben sollten, und dass weiter bei dem endlich zu. verlangenden Umsatz von Fettsäure und Phosphorsäure (wenn nicht überhaupt die die Struktur verursachenden Streifen zer- stört würden), weitere Volumveränderungen eintreten müssten und bei dem auf dem Körper lastenden Schlamm- oder Gesteinsdruck die ganze Versteinerungsmasse eher in eine Mineralbreecie verwandelt sein würde, als sie das getreue Urbild abgetödteter, faulender Mus- kulatur in einem so reinen, durchaus von sekundären Ereignissen unberührten, mineralisch unzersetzten Material erhalten könnte. Mit dieser Betrachtung wenden wir uns von Owens Adi- poeire!) zu einem anderen Erklärungsversuch, der besonders letz- terem Umstande Rechnung trägt, dass nämlich durch die Phos- phoritisirung keine Volumveränderungen der erhärtenden orga- nischen Materie stattfindet, wie dies bei vielen Verkalkungen in Weichtheilen vorgebildeter Skelettheile (ich erinnere hier nur an die Verkalkung des hyalinen Knorpels) im organischen Process zu sein pflegt. Unter den Untersuchungen, welche den Vorgang von Kalk- niederschlägen in Eiweisssubstanzen oder in deren Derivaten besonders zum Gegenstand haben, sind uns vor Allem und einzig die Experimente von Harting wiehtig (Verhandlungen der Koninklijke Akademie van Wettenschappen. Amsterdam 1873: Recherches de Morphologie synthetique sur la production arti- 1) Herr Dr. Eb. Fraas hat in einer freundschaftlich beabsichtigten, aber nieht autorisirten Mittheilung über einzelne Punkte meines Unter- suchungsganges (vgl. Jahrb. für vaterl. Natf. Württemb. 1889, S. 232) angegeben, ich suche die Erklärung in der Bildung von Leichenwachs, er glaube aber für seine Person, dass die Muskelsubstanz selbst che- misch mitgewirkt habe. Ersteres beruht auf einem Missverständniss meiner mündlichen Mittheilungen, Letzteres war von Anfang meine Meinung und schliesst einen Rechtfertigungsversuch von Owen’s An- nahme von Adipocire von vorneherein ein. Schliesslich darf ich mei- nen Freund daran erinnern, dass uns beide die chemische Untersu- chung von Herrn A. Schwager darauf führte, dass die Muskelsubstanz d. h. ihre Asche chemisch bei der Versteinerung mitwirken könne und nicht umgekehrt diese Annahme erst durch die chemische Untersuchung bestätigt wurde. Uebrigens kann, wie oben auseinandergesetzt, die Asche von Muskel und Lymphe nur in geringem Umfange sich an der Fossilisation betheiligt haben. Untersuchungen über die Petrifieirung der Muskulatur. 565 fieielle de quelques formations caleaires organiques)'). Harting weist nach, dass organische Flüssigkeiten thierischen Ursprungs Niederschläge von schwer löslichen oder unlöslichen Kalksalzen im Status nascendi beeinflussen, bestimmte und für gewisse Com- binationen eigenthümliche Formen anzunehmen. Wie die Krystalle nothwendig aus einem flüssigen Stadium entstehen und hier das Lösungswasser auf ihre Formen einen eigenen Einfluss ausübt, so entstehen aus Lösungen organischer Flüssigkeiten bei der Er- zeugung unlöslieher Ausseheidungen Krystalloidgebilde mit Ein- schlüssen organischer Materie, welche erstens wechselnde, aber für einzelne Fälle bestimmte Formen annehmen und zweitens die organische Materie als Gerüstsubstanz dieser Formen in einem ganz eigenthümlichen Aggregatzustand einschliessen. Dieser Aggregatzustand ist für das flüssige thierische Eiweiss merkwürdiger Weise ungefähr der des „Conchyolin“, der Gerüst- substanz der Molluskenschalen. Harting hat die Versuche an Eiweiss vom Hühner-Ei, an Gelatine, an Mischungen beider, an Blut, Galle, am Schleim von Arion rufus, an der Scehirmsubstanz von Aurelia aurita ete. gemacht und findet, dass sich bei sehr langsamen Niederschlägen von Caleiumearbonat (aus Chlorealeium und Natrinmearbonat) in den organischen Flüssigkeiten krustenartige Ansammlungen von kugeligen Coneretionen bilden, welche er Caleosphaerite nennt und deren organisches Gerüst als Caleoglobulin bezeichnet wird. Diese Caleosphaerite zeigen je nach den organischen Flüssigkeiten wechselnde Gestalt und wechselnde Verbindung unter einander; sie haben radial faserigen, eoneentrisch lamellösen Bau. Neben den Caleosphaeriten entstanden auch ganz dünne Lamellen ohne fibrilläre Struktur, wenn auch in reichlichen Fäl- telungen und Zuwachsstreifungen. Diese Lamellen oder struktur- losen Häute entstanden aber nur bei Anwesenheit eines Phosphates. Kalkphosphat kann also in eiweisshaltigen Flüssigkeiten aus einer Combination gelöster Salze in statu nascendi sich mit dem Ei- weiss verbinden, die Verbindung bleibt aber amorph. Dass hier der flüssige Zustand der Eiweisssubstanzen eine wich- tige Rolle spielt, wird dadurch bewiesen, dass differenzirte Gewebe- 1) Vgl. auch Steinmann: Ueber Schalen- und Kalksteinbildung in Ber. d. naturf. Gesellschaft zu Freiburg in Br., Bd. IV, Heft 5. 566 Dr. Otto M. Reis: formen, wie Ossein, Sehnensubstanz, hyaliner Knorpel oder geron- nenes Eiweiss, Blutgerinnsel ete. keine Caleosphaerite ete. bilden ; dies ist begreiflich wegen der Nothwendigkeit der vollständigen und gleichmässigen Vertheilung der gelösten Salze, welche bei dem Niederschlag ein chitinöses Eiweissgerüst einschliessen, das nach der Entkalkung dieselbe Form behält, wie der Caleosphaerit selbst (man vergl. Knochen vor und nach der Entkalkung). Weiterhin ist es die flüssige Form von Eiweiss, die schnell dem Fäulnissprocess verfällt und sehr wahrschemlich (vgl. Stein- mann, Ueber Schalen- und Kalksteinbildung, Berichte d. naturf. Ges. Freiburg i. B., Bd. IV, Heft 5) spielen bei dem Kalknieder- schlag Fäulnissprodukte eine wichtige Rolle. Harting legt diese Versuche im Prineip allen Kalkablage- rungen der Skelet- und Schalenbildung zu Grunde In der That, wenn man die Elemente der Letzteren betrachtet, wird man nur beistimmen können und es muss ein gewisser, der Fäulniss verwandter Zersetzungszustand der lebenden Eiweiss- substanz als die Ursache der uwnlöslichen Niederschläge von kohlensaurem, phosphorsaurem Kalk und Magnesia, Fluorcaleium ete. aus den in den Zellen gelösten Salzen betrachtet werden!). Der gleiche Process, glaube ich, darf auch der Phosphori- tisirung der Muskulatur zu Grunde gelegt werden. Wir haben in der Asche der Muskulatur, in der Erfüllung des Magens ete. die phosphorsauren Salze und Kalksalze im Meereswasser gelöst; wir haben weiterhin einen Niederschlag in der faulenden flüssigen /wischensubstanz der Muskulatur anzunehmen, welcher die bei dem Eintritt des Todes coagulirte Fibrillensubstanz einschloss (vgl. S. 541 unten) und jedenfalls bis zu einem gewissen Grade seiner Erhärtung conservirte. Diese eingeschlossenen organischen Reste faulten dann erst (vgl. auch S. 568) nach Festigung der umgebenden Substanz und letztere zeigt nun in Poren, Lücken, Spalten, streifenweise geordneten Dichteunterschieden der anor- ganischen Masse die ursprüngliche Vertheilung der eingeschlos- senen und von der beginnenden Fäulniss, welche eben den Kalk- 1) So entstehen in vielen pathologischen Processen Coneretionen von ?/3 gesättigten phosphorsaurem Kalk, welche sich in ihrem mine- ralischen Verhalten von einzelnen Kammern von Foraminiferen nicht unterscheiden. Fast alle übrigen organischen Verkalkungen lassen sich als Modificationen solcher Bildungen auffassen. Untersuchungen über die Petrifieirung der Muskulatur. 567 niederschlag erzeugte oder demselben in gewisser Weise ursäch- lich vorausging, abgeschlossenen, mehr oder weniger wohl er- haltenen Fibrillensubstanz. Wir haben oben auf die Thatsache einer der Verkalkung vorausgehenden Zersetzung ausführlich aufmerksam gemacht; wir haben nachgewiesen, dass typische strukturführende Muskel- masse in allen möglichen Uebergängen in ein- und angeschlos- senes strukturfreies Steinmaterial übergeht, dass letzteres ebenso der Verkalkung der Muskulatur angehört, aber schon vor Ein- tritt der Verkalkung die Struktur verloren haben musste. Da sich nun die strukturführende Versteinerungsmasse in Nichts von der strukturfreien unterscheidet, als in Diehteverhältnissen der Substanz mit Imear eingestreuten, sehr kleinen Poren, welche den Fibrillen entsprechen, so ist auch hier zu bestimmen, dass die Verkalkung der ersteren ebenso erst nach einer gewissen Zer- setzung der Zwischensubstanz der Fibrillen eingetreten sein konnte. Hiermit ist die Uebereinstimmung mit den Harting’schen Ex- perimenten gegeben, dass die Verkalkung in der sich zersetzen- den flüssigen Eiweisssubstanz stattfindet und zugleich die in ecoagulirtem Zustande befindliche Fibrillensubstanz an der Ver- kalkung nicht theilnimmt. Diese ist also per se in die Verstei- nerung eingeschlossen; nun ist noch die Frage, wie sich die der Versteinerungsmasse räumlich entsprechende organische Substanz zu dieser verhält. Wollte man einen schrittweise stattfindenden Ersatz der organischen Substanz durch die anorganisehe und eine endliche räumliche Verdrängung der ersteren durch letztere annehmen, so wäre zu verlangen, dass (da die Abführung der Zersetzungsprodukte von allen Seiten der eng aneinander liegen- den Fasern stattfmden muss) selbst bei Annahme des allmählich- sten und leisesten Entwicklungsganges der Fäulniss und Zer- setzung der ganzen organischen Substanz der Fasern dies grosse Störungen der Muskelstruktur und des Bildes der Muskelbündel verursachen müsste. Da alles Aufsteigen gasartiger und aller Austausch flüssiger Zersetzungsprodukte eine gewisse Ansammlung und Spannung derselben verlangt, so müsste bei dem Transport soleher aus dem Innern der Fasern vor allem eine höchst un- regelmässige Verzerrung der Struktur derselben zu bemerken sein; weiter müssten solehe Störungen in erhöhtem Maasse zwi- schen den einzelnen Fasern bei dem Transport aus den Muskel- 568 DE>70O Or MM RVenise bündeln nach den sehnigen Hüllen derselben stattfinden; des- gleichen an den Grenzen der einzelnen Bündel selbst, da an diesen Stellen die erst nach der Verkalkung vollständig ausfaulenden Sehnenwände nothwendig sehr starke Stauungen hervorbringen müssen; endlich an der Oberfläche der Haut, wo die Cutis mit ihren Verkalkungen ausserordentlich retardirend wirken muss. Von irgend welchen Störungen dieser Art ist aber das Muskel- bild vollständig frei; es giebt schwache Contraktionslücken zwi- schen den Fasern, aber durchaus keine Änzeichenvon Expansionen, welche als Störungen des Querscheibehen- Fibrillen- und Faserverlaufs oder als Auseinanderzerrungen der grösseren Bündel wirkten. Das reine, ungestörte Bild der im ersten Beginn sich sersetzender Muskulatur befindlichen Verstei- nerungsmasse verlangt daher, dass weitere substanzielle Transporte undstärkere chemische Umsetzungen in dieser weichen organischen Masse bei der Pe- trifieirungselbstnichtmehrstattgefundenhaben können; es musste daher der grösste Theil der eiweissartigen Zwischensubstanz in die Verkal- kung eingeschlossen worden sein. Hier treten wieder die Harting’schen Experimente zum Verständniss ein; es ist festgestellt, dass bei diesen künstlichen Verkalkungen ebenso, wie bei den organischen, stets eine eigenthümliche Ei- weisssubstanz aus der den Kalkniederschlag erzeugenden organi- schen Flüssigkeit mit der Verkalkung eliminirt wird. Wenn eine solche Gerüstsubstanz nicht mit der Kalkmasse der fossilen Mus- kulatur festgehalten wäre, wenn also letztere nur wie Schlamm in der faulenden Materie suspendirt gewesen wäre, so wäre ja die Wahrscheinlichkeit vorhanden, dass derselbe von den Bewe- gungen der faulenden Flüssigkeit in wechselnder Weise wieder fortgeführt wurde. Nur dureh die engste Verbindung des Kalks mit einer aus der Zwischensubstanz eliminirten Gerüstsubstanz ist auch die frühe Solidifieirung zu erklären, welehe die Form und Struktur der Fasern gegen alle spätere Einwir- kung bewahrte. Diese organische Gerüstsubstanz verschwand später ebenso wie die fibrillären Einschlüsse und andere organi- sirte Gerüstsubstanzen. Dieses Alles beweist, dass in der That solche jenen von Untersuchungen über die Petrifieirung der Muskulatur. 569 Harting künstlich erzeugten Niederschlägen nächstverwandte Processe hier vorliegen; dies wollen wir im Folgenden noch durch besondere Ausnahmeerscheinungen näher ausführen. Vor allen Dingen müssen wir hier der schon oben erwähnten, bei Ischyodus und Chimaeropsis besonders häufig beobach- teten sphärolithiscehen Bildungen gedenken. Sie haben zwar durchweg nur die Grösse der allerkleinsten von Harting beobachteten Calcosphaeriten, aber diese Kleinheit leitet eben über zu dem sonst durchaus amorphen Niederschlag, welchen Harting in Lamellen bei Anwesenheit von phosphor- sauren Salzen aus der organischen Lösung erhielt. Man wird nieht leicht vollkommenere Vergleiche erwarten können. Um das Zurückgreifen auf die Harting’schen Experimente noch weiter gerechtfertigt erscheinen zu lassen, muss ich hier noch auf eine andere Fossilisationserscheinung, welche aber nicht in der Muskulatur stattfindet, aufmerksam machen. Wir haben oben bei Isehyodus und Chimaeropsis erwähnt, dass in den Kalkprismen des hyalinen Knorpels der fossilen Elasmo- branchier fast durchweg und zwar von Vertretern aus den verschie- densten Ablagerungen (Xenacanthus aus der permischen Kohle von Nürschan und den Elasmobranchiern aus den jurassischen Solnhofer Schiefern) die Zellräume vollständig verschwunden seien, das Prisma nichts mehr von der strahligen Struktur zeige, sondern nur die bei Prismen lebender Knorpelfische ganz stellen- weise deutliche periphere Streifung, welche aber fossil als un- regelmässig concentrische Faserung sehr deutlich in der sonst homogenen Masse auftrete. Diese Metamorphose ist um so räthsel- hafter, als Skelet-Theile mit der continuirlichen Verkalkung faserigenBindegewebsknorpels (Wirbel, Genital- und sexuelle Stirnfortsätze) an denselben Exemplaren die Zellräume in typischer Erhaltung und auch keine weiteren Spuren der Meta- morphose zeigen; sie sind erhalten, wie stets die Knochen und "Dentingebilde erhalten sind, bei welchen sich eine Fossilisations- metamorphose auch in gänzlich verschiedener Weise zeigt. Ich halte daher die Metamorphose in den Prismen hyalinen Knorpels für eime Metamorphose, welehe sich unmittelbar an die Fäulniss des Knorpels anschliesst und zwar können wir auch hier die Harting’schen Versuche zum Paradigma nehmen. Harting hat ausser den flüssigen Eiweisssubstanzen auch här- 570 Dr. Otto M. Reis: tere, wie Sehnen, Ossöin und Knorpel seinen Versuchen unter- zogen und fand, dass Caleosphaeritenbildung nur in den Zel- len hyalinen Knorpels stattfindet und sich noch schwach über die Grenzen der Zellen fortsetzen könne. Denken wir uns diesen Process in den Kalkprismen vorgehen, so wird sich in den Zellräumen ein Niederschlag bilden, welcher chemisch ein dem Knorpelkalk ähnliches Verhalten zeigt. Wenn das Lösungsmittel die Kalkprismen durchsetzt, wird es mit eben solchen Salzen zu den Zellen gelangen, als die Prismen enthalten; die Möglich- keit der endliehen Bildung einer homogenen Masse ohne Zell- räume und mit den oben erwähnten Zeichen innerer Umsetzung ist daher sehr nahegelegt. Dass sich nun Selachierwirbel und andere Verkalkungen von Bindegewebsknorpel, so wie Dentin und Knochenskelettheile in fossilem Zustande nicht ebenso verhalten, liegt wahrscheinlich nur an der schwächeren Imbibitionsfähigkeit dieser Substanzen. Dieselben verkalken im vitalen Process direkt, während die Prismen in dem hyalinen Knorpel erst nach Bildung der hyalinen Substanz durch nachfolgende Auflösung derselben stattfinden kann. Hierbei ist nieht zu übersehen, dass die Grund- substanz dieser beiden Knorpel sich auch zoochemisch unter- scheidet, die der hyalinen ist Chondrogen, die des Faserknorpels ist Collagen. Es ist natürlich, dass bei dem hyalinen Knorpel die in die Verkalkung einbezogene organische Gerüstsubstanz in einem ganz anderen Verhältniss zur anorganischen Verfestigung steht, als bei den Bindegewebsknorpeln. Kalkprismen sind wei- cher und leichter permeabel, als irgend eine Verkalkungsform bei Vertebraten. Die nach dem Tode sich zersetzende Gerüstsub- stanz bildet die Zuleitung der Lösungsmittel zu den Zellen und die Zellen sind die Punkte phosphoritischen Niederschlags, zu welchen wahrscheinlich die Umsetzung des anorganischen Ma- terials die Salze selbst lieferte. Hierdurch wird das fossile Prisma fast homogen, zeigt sehr schön die Zuwachsstreifung, die bei lebendem Material nicht hervortritt und wird im Uebrigen fossil stets härter als rezent; fossile Prismenknorpel zeigen oft homo- genen, muscheligen Bruch und Steinhärte, ohne kömiges Gefüge. Herr A. Schwager hatte die Freundlichkeit, einen solchen Knorpel (Ischyodus) zu untersuchen. Ausser den Alkalien, welehe letzteren bei der fossilen Muskulatur auf die im lebenden Muskel enthaltenen Salze hinweisen, ist die chemische Zusammen- | — Untersuchungen über die Petrifieirung der Muskulatur. B) setzung fast die gleiche, wie die des Myophosphorits (54,62 CaO, 34,51 P,0,; 5,31:C0,; 0,54 MgO; 1,61 SO,; 0,69 Fe,0, ; 2,42 Org 1,0 29102): Wenn so die Umstände der Verkalkung der Muskulatur ete., d. h. sowohl die Zustände der verschiedenen organischen Grund- substanzen als des erfolgenden anorganischen Niederschlags auf die Experimente Hartings passen, so gilt dies auch von der Zeit, in welcher ein solcher Niederschlag erfolgt. Wie diese nur wenige Wochen in Anspruch nehmen, so muss dies auch für die Er- scheinung der Fossilisation gelten, welche zu einer Zeit stattfand, in weleher die Muskelstruktur sich meist noch ganz erhalten hat. Es mussten aber auch zu dieser Zeit schon alle Salze oder an- nähernd der grösste Theil verfügbar gewesen sein, auf der einen Seite lösliche kohlensaure und phosphorsaure Salze (Alkalien), welche ganz nach dem Schema der Harting’schen Versuche mit löslichen Caleiumsalzen kohlensauren und phosphor- sauren Kalk liefern mussten. Zu den in der Muskulatur selbst vorhandenen löslichen phosphorsauren Salzen treten, wie auseinandergesetzt, solche aus dem von den Magensäuren gelösten Knochenbrei; in letzterem löste Salzsäure den gesättigt-phosphorsauren Kalk der Knochenerde in 1/, gesättigt-phosphorsauren Kalk unter Bildung von CaCl, (vgl. Gmelin-Kraut, Anorg. Chem. II. 1. S. 370), welche sich später in der Muskulatur unter dem Einfluss der faulenden organischen Substanz wieder vereinigen können. Es ist dies sehr wichtig, 1) Bei vital nicht verkalktem hyalinen Knorpel würden die calco- sphaeritischen Bildungen der einzelnen Zellen bei vollständiger Fäul- niss des Knorpels entweder wieder ausgeschwemmt, oder sie könnten sich auch an Ort und Stelle ansammeln. Derartiges ist nun allerdings nicht festzustellen und es liegt auch die erstere Wahrscheinlichkeit näher. Was aber bei den Knorpelzellen möglich ist, das sollte von wenig faserig umgewandelten Bindegewebszellen wohl auch gelten; es ist daher nicht unmöglich, dass der schwache, an Eisenoxyd- und Kalkspathknöllchen reiche Niederschlag, welcher den Umriss der Schwanzflosse von Ichthyosaurus erhalten hat (vgl. Reptilien) der inneren bindegewebigen Erfüllung derselben zu verdanken ist. — Ob die berühmten Medusenabdrücke des lithogr. Schiefers unter Beihülfe solcher Kalkniederschläge entstanden sind, ist mir sehr fraglich, ob- wohl Harting auch mit der Schirmsubstanz von Aurelia aurita experimentirte und Calcosphaerite entstanden. 572 Dr. Ott o’M. Reis: dlenn wenn wir phosphorsaure Salze und Fluorcaleium in grösserer Menge in der Nähe der in den ersten Zersetzungszuständen be- findlichen Muskulatur verfügbar annehmen müssen, so gilt dies auch für Chlorealeium, welches bei viel grösserer Löslichkeit, als der des schwefelsauren Kalks, weleher auch im Meerwasser vor- kommt, hier zuerst in Betracht kommen muss (vgl. Hartings Versuche mit kohlens. und phosphors. Alk. und Chlorealeium). Die Annahme, dass das aus den Knochen gelöste unge- sättigte phosphorsaure Salz sich in der Muskulatur unter dem Einfluss der bei der Fäulniss derselben entstehenden organischen Produkte wieder mit Chlorealeium verbinde, scheint ihre Parallele darin zu haben, dass sich dasselbe auch erst im Enddarm wieder, vielleicht unter dem Einfluss fortschreitender Verdauung (in Be- gleitung der aus den Darmanhängen stammenden Secretionen) zu «den in unlöslicher Form erhaltenen Coprolithen oder Cololithen ver- diehtet. So weit nämlich meine Beobachtungen an fossilen Fischen reichen, erscheint der Magen derselben nur durch Skelettheile, aber nicht durch knochenbreiartige Massen erfüllt). — Leider liegen keine sicheren Daten über den Verdauungsgang der Knochen im Magen und besonders im Darm vor; doch wird nur durch obige Darstellung die Möglichheit der Vergleichung der Muskelfossili- sation mit den Harting’schen Experimenten auch den äusseren Umständen nach geschaffen, nach dem dieselbe dem mikroskopi- schen Befund nach so gut wie sicher sich dargestellt hat. 1) Es lässt sich Aehnliches auch vielleicht aus dem geologischen Auftreten der Coprolithen schliessen. Erwägt man, dass jedes Indivi- duum der unzähligen räuberischen Vertebraten nur ein Skelet hinter- lässt, während es unzählige Individuen vertilgt hat, deren Skelete in seinen Exerementen repräsentirt sind, so versteht man, warum immerhin nur ein geringer Bruchtheil der für die Entwickelung der Arten noth- wendig zu erfordernden Individuenzahl als Skelete in den Erdschichten erhalten sein können. Dies stimmt mit den thatsächlichen Verhältnissen; damit stimmt aber nieht das Vorkommen von Coprolithen; sie sind auch nieht im geringsten Verhältniss zu der hypothetisch zu erfor- dernden Individuenzahl als in dem Magen grösserer Raubthiere zu Kno- chenbrei verwandelten Skelete in den Erdschichten vorhanden. Hieran ist wohl weniger ihre Consistenz schuld, als wahrscheinlich hauptsäch- lich der Umstand, dass die phosphorsauren Salze häufig in löslicher Form den Körper verlassen. Daher sind Excremente als Hauptquelle der im Meerwasser gelösten Mengen phosphorsauren Kalks, Fluorcal- ciums und Chlorcaleiums anzusehen (vgl. unten 8. 576—5S0). So | at) Untersuchungen über die Petrifieirung der Muskulatur. Nachdem so erklärt ist, warum Muskel- (und [?] Nerven-) system posthum verkalken können, warum im Muskelsystem aber die fibrilläre Substanz hierbei nicht verkalkt, warum im hyalinen Knorpel nur die Zellen verkalken können und daher deren Zell- räume im fossilen Zustand in den Kalkprismen verschwinden, warum weiterhin kein Muskelschlauch, keine Fasern, keine Sehnen, kurz kein differenzirtes Bindegewebe im Anschluss an die Mus- kulatur pothum verkalkt, können wir auch ein Urtheil über die Wahrscheinliehkeit posthumer Verkalkung in anderen Geweben abgeben. Dies ist besonders wichtig, weil Dr. E. Fraas zu der- selben Zeit, als ich meine, die Thatsache der Muskelverkalkung beweisenden Untersuchungen bei Undina veröffentlichte, bei lchthyosaurus gerade behauptete, dass die Muskelstruktur dureh die Kalkinfiltration zerstört sei, dagegen die Cutis mit ihren Pigmentzellen und die Epidermis mit Horngebilden noch petrifieirt vorliege. Wir haben nun oben schon dargelegt, dass die diese histologische Diagnose stützenden mikroskopischen Er- scheinungen nur auf Längs- und Querschnitte von mit Eisen- verbindungen infiltrirter Muskelverkalkung zurückzuführen seien und es fragt sich nur noch, ob Cutis- und Epidermoidalgewebe nach der Theorie unserer Verkalkung in phosphoritisirtem Zustande erhalten sein können. Bei den Fischen haben wir keine sicheren Spuren der Erhaltung der Cutis in petrifieirter Umwandlung ; wir haben zwar bei Euryeormus erwähnt, dass anscheinend Zeichen einer solchen vorliegen, doch sind dieselben zu unsicher. Ausser diesem Falle scheinbarer Cutiserhaltung wurde nie Aehn- liehes beobachtet. Man könnte nun einwenden, dass bei den beschuppten Fischen und besonders diekschuppigen Ganoiden so wesentliche Theile der Cutis in den Schuppen vital verkalkt seien, dass ein Nachweis posthum verkalkter Cutis gar nicht möglich sei. Hiergegen sprechen nun besonders der Ganoide Callopterus und der Holocephale Ischyodus. Ersterer hat nur in der oberen Schwanzspitze dieke Schuppen, der übrige Körper ist ohne solehe und die Muskulatur ist in Masse und Struktur vorzüglich erhalten; dagegen fehlt jede Spur einer Cutis- verkalkung. Das Gleiche gilt für den nackten Isehyodus, welcher der lebenden Chimaera so ausserordentlich nahe steht. Bei den lebenden Holocephalen ist die Cutis reich pig- 974 DraotTor MAR ERS: mentirt, sehr feinfaserig, dieht und widerstandsfähig. Wenn die Cutis in gleichem Maasse wie Muskeln verkalken könnte, so müsste sie an diesen in ihrer Muskulatur untersuchten Exemplaren zu finden sein. Sie fehlt aber sowohl am Körper, als am Kopf; die Schleimeanäle des Rumpfes mit ihren in der Cutis liegenden faserknorpeligen Halbringen sind in die Musku- latur eingedrückt, die Schleimeanäle des Rostrums liegen ord- nungsgemäss weit vor dem verkalkten Knorpeleranium nackt auf dem sedimentären Kalk; die Muskelverkalkung reicht bis in die vordersten Fasern des Adduetor mandibularis und doch ist keine Spur der die grossen Kalkringe tragenden, zähen Cutis gerade in diesem wichtigen Abschnitt in verkalktem Zustande vorhanden. Ein Erklärungsprineip für die posthume Phosphoritisirung kann also auf einer Verkalkung von differenzirtem Bindegewebe nicht fussen und unser Erklärungsversuch lässt auch eine solehe im Allgemeinen gar nicht zu. Es könnte auch nach unseren obigen Auseinandersetzungen eine Verkalkung der Cutis (sowie aller Sehnen und Häute) nur möglich sein für die zwischen den Bindegewebsfibrillen liegenden undifferenzirten Theile der Mesodermzellen. Wir haben oben etwas Aehnliches für die Zellen des verkalkten hyalinen Knorpels dar- gestellt, welches aber für den fossilen Bindegewebsknorpel nicht oO gilt. Die Zellen verkalkten Bindegewebsknorpels verkalken nicht posthum und wir haben die Ursache auf die Verschiedenheit der organischen Gerüstsubstanz (Knorpelleim und Knochenleim) und seine Fäulniss zurückgeführt. Dieselben Hinderungsgründe gelten vielleicht auch für die unverkalkten Bindegewebe, welche alle Knochenleim enthalten, darunter auch die Cutis. Und wenn ihre Zellen verkalken könnten, so könnten sie wegen des Ueber- wiegens der Fibrillen (vgl. Muskelfibrillen) in gewöhnlichem Zu- stande keine continuirliche Lage erzeugen. Was nun die „Epidermisverkalkung“ betrifft, so ist sie gleich- bedeutend mit einer Möglichkeit der Hornverkalkung. Hier kann es sich natürlich nieht um eine Verkalkung des Zelleninhaltes handeln, sondern um eine solche der verhornten Zellwände. Die Möglichkeit einer Verkalkung der Hormsubstanz könnte aber nur auf den Nachweis einer Verflüssigung derselben bei der Fäulniss aufgebaut werden. Es ist aber bekannt, dass das Horngewebe in feuchtem Zustande unfähig ist zu faulen (vgl. Schloss berger Untersuchungen über die Petrifieirung der Muskulatur. 575 a.a. 0.8.2587). Die wunderbare Erhaltung der Federabdrücke bei Archaeopteryx aus dem lithographischen Schiefer be- stätigt diese Widerstandsfähigkeit. Jedenfalls erhält sich Hornsubstanz in unerweichtem Zustande weit über den Zeitpunkt hinaus, wo die Muskulatur längst ver- kalkt sein musste und überhaupt bis zu einem Zeitpunkt, wo die äusseren Bedingungen einer Verkalkung, bei einer verhältniss- mässig vorgeschrittenen Austrocknung der umgebenden Schlamm- masse auf das Vorhandensein der die Versteinerung verursachenden Salze in löslicher Form und in genügender Concentration längst zu. existiren aufgehört haben. Dies gilt wenigstens für Federn (Archaeopteryx ete.), wobei allerdings der Kieselsäuregehalt in der Erhaltung der Form mitgewirkt haben dürfte. Gewöhn- liehe Hornschuppen und -platten zerfallen früher faserig-schalig, klemblätterig und zerschleissen sich in ihre kleinsten zelligen Componenten, ehe sie in eimen weichen Zustand zur Aufnahme von Kalksalzen übergehen; sie können sich also auch aus diesem Grunde nicht in ceontinuirlicher Lage phosphoritisirt erhalten haben. Weiter ist nicht anzunehmen, dass die von dem gewöhn- lichen Zustande des thierischen Protoplasmas so abweichend differenzirte Hornsubstanz bei der Fäulniss wieder in jenen Zu- stand zurückkehrt, in welchem die mesodermalen Stützgewebe nicht zurückkehren und daher nicht verkalken, wie die viel weniger differenzirte Muskelsubstanz es thut; es ist unwahr- scheinlich, dass sie also wieder in einen Zustand gelangen, in welchem sie Salze aufnehmen und mit eigenthümlicher organi- scher Gerüstsubstanz niederschlagen können, wie das lebende Protoplasma im organischen Process. — Hierbei werden bei niederen Thieren zugleich mit der Bildung der chitin- und conchyolinartigen Gerüstsubstanzen die caleosphäritischen Bildun- gen abgelagert, bei den Vertebraten zugleich bei der Bildung des Dentins, von Bindegewebsverkalkungen und Knochen mit dem Glutin die lamellös-globulöse Ablagerung der phosphorsauren Salze verknüpft oder es tritt wie bei der Verkalkung des hya- linen Knorpels erst eime Auflösung der hyalinen Substanz ein und in den aufgelösten Partieen die Ablagerung von sphä- ritischen Kalkkrümeln. Eine ähnliche Annahme lässt sich poshtum für die Hormsubstanz nicht machen und es ist hierfür bezeichnend, dass die Sphenodontiden im lithographischen Schie- 576 Dr. Otto M. Reis: fer, wo die Bedingungen zur Phosphoritisirung der Horm substanz gewiss gegeben wären, keine Spur der Erhaltung der Hormschuppen aufweisen (ich will hier die Chelonier des litho- graphischen Schiefers nieht anführen, weil dieselben auch keine Fe) Muskelverkalkung zeigen). Eine solche Annahme ist aber nothwen- dig, nachdem festgestellt ist, dass nur gering differenzirte Eiweiss- substanzen bei ihrer freien Zersetzung nach kurzer Zeit aus ge- lösten Salzen Kalkniederschläge bilden, welche den Grundtypen der Kalkabsätze im vitalen Process gleichen und nachdem wir nachweisen konnten, dass dieselben, besonders die sphärolithischen Caleosphaeren bei der Phösphoritisirung der Muskulatur thatsäch- lich auftreten. Es schemt also für die etwaige posthume Verkalkung thie- rischer Gewebe folgende Regel zu gelten: eine Petrifieirung der Eiweisssubstanzen findet nur statt in den Theilen, welche im Leben eme möglichst wenig differenzirte Form des Protoplasmas be- wahrt haben ; sie findet nicht oder seltener statt in allen differen- zirten Zellsubstanzen, am wenigsten in solchen, welche schon im vitalen Prozess Neigung zu Verkalkungen zeigen; hierher ge- hören die Hornhaut, Cutis, alle Sehnen und Hänte, hyaliner Knorpel (exelus. dessen Zellen) und Bindegewebsknorpel'). Alle Drüsen und drüsenartigen Anhänge des Darms mit ihrem Bindegewebs- gerlist, ihrer reichen Gefässverzweigung und ihren speeifieirten Zellen (vielleicht wegen der physiol. Differenzirung derselben) haben sich nieht erhalten. Die erst erwähnten Gewebe sind die Mus- kulatur und wahrscheinlich das Nervensystem; in ersterer ist es auch die in der Todesstarre fibrillär gerinnende anisotrope Sub- stanz, welehe nieht verkalkt. Dieser Verkalkung thierischen Gewebes steht nun eine zweite pflanzlichen Ursprungs zur Seite, welehe von hohem Interesse ist, die Phosphoritisirung bei fossilen Hölzern. Hola aus dem Grünsand der Insel Wight zeigt bei einem sp. Gew. von 1) Ich meine hier natürlich unverkalkt oder unverknöchert ge- bliebene, vollständig entwickelte Gewebe. Bindegewebe mit weniger differenzirter Zwischensubstanz mögen ebenso verkalken können, wie die Muskulatur; für die geschichtete Cutis gewöhnlicher Differenzirung, besonders nackter Thiere würde eine Verkalkung nach unserer Theorie nicht eintreten können; doch liessen sich Ausnahmefälle und besondere Zustände des Integuments denken, welche eine solche nicht ausschliessen, Untersuchungen über die Petrifieirung der Muskulatur. B77 DRS AD E00 EOTMEO! 34,07, 0. BAT OT SO, 7,08. Spuren org. Subst.; foss. Holz aus dem Grünsand der Bukowina hat: 67,5 Ca°(PO,):, 9,3 CaFl, 13,5 CaCO,, 3,26 CaSO, und Wasser, org. Subst. ete. Ganz ähnlich sind Hölzer «ler Apatitsandsteine der russischen Kreideformation zusammengesetzt (z. B. No 4: J. Roth, ehem. Geol. S.610) 52,01 CaO, 0,42 MsO, 92,84 P,O,, (Fluor nicht bestimmt)!) 1,55 SO,, CO, 6,86 etc.) Wiederum zeigt phosphoritisirtes Holz aus der Kreide von Islettes, Dep. de la Meuse 50,47 CaO, 0,62 MgO, 36,57 P,O,, 3,31 Fl, 0,35 SO,, 2,42 .CO,, Eisenoxyd, Wasser ete. Die grosse Gleichheit der Analysen dieser von den ver- schiedensten und sehr weit auseinander liegenden Fundpunkten stammenden phosphoritisirten Hölzer untereinander und ausserdem mit der Zusammensetzung des Myophosphorits beweist, wie mir scheint, dass hier ein gesetzmässiger Niederschlag vorliegt, der mit der Fäulniss der Holzsubstanz in Zusammenhang steht und sich hierbei ähnliche Absätze bilden können, wie bei der Musku- latur. Nur ist hier der Unterschied, dass die Ablagerung in den Fasern des differenzirtesten Pflanzengewebes eintritt und nicht im den undifferenzirten parenehymatösen Theilen. Ausserdem ist der gewaltige weitere Unterschied zu betonen, dass sich die Holz- substanz unter Wasser nur äusserst langsam und unvollkommen zersetzt; wir müssten also in dessen Phosphoritisirung einen ausser- ordentlich allmählichen Vorgang erkennen, dessen Zeiträume auch hinreichen würden, aus der Umgebung des Wassers die Salze im faulenden Holze zu sammeln und niederzuschlagen. Wir haben auch hier die Frage ins Auge zu fassen, woher der phosphorsaure Kalk, besonders aber das Fluorealeium stam- men; dass beide zu keinem noch so kleinen Theil aus dem Holze selbst stammen, ist natürlich. Nun kommen in den Grünsand- ablagerungen der Kreide nicht nur solche phosphoritisirte Hölzer vor, sondern auch Skeletreste von Thieren (Schalen, Schwamm- skelete), deren Inneres mit Phosphorit erfüllt sind, desgleichen Steinkerne phosphoritischer Zusammensetzung, Knochen und Co- prolithe. Im unteren Lias finden sich ebenso solche Lager, ein Vorkommen von D’Avallon wurde von Deschamps (Comptes 1) Bei einem fossilen Holz von Uschakowka (Kursk) 4,75 (vel. ‚ Roth, Chem. Geologie, Bd. II, S. 610, No. 3). 578 Dr. Otto M. Reis: rendus 49. 1859. S. 136) analysirt und es fand sich in solehen Steinkernen 32,14%, PsO;, 2,73 H,O und org. Subst., sodann Eisenoxyd, M&O, KaO, NaO, CaO, Fl, CO, und SO,, ausserdem Thonerde und Kieselsäure als Verunreinigungen. Sowohl die Menge der Phosphorsäure als die Anwesenheit der übrigen Salze stimmt mit unseren Vergleichspunkten (des Myo- und Xylophos- phorits) vollkommen. Auch im oberen Lias kommen solehe Phosphoritbildungen vor, welche sowohl Schalen erfüllen, als auch knollig-traubige Umhüllungen um dieselben bilden. v. Gümbel hat (Sitzungber. der bayer. Akad. d. Wiss. II. Cl. 1864. S. 325) im Anschluss an bayerische Vorkommen, deren Bildung als eine Geoden-artige er- klärt; die Concentration der phosphorsauren Salze habe innerhalb des weichflüssigen Grundschlammes stattgefunden; der Kern der Knollen enthalte dann die Hauptmasse des phosphorsauren Salzes, nach der Peripherie reichert sich das sedimentäre Material an und bildet einen mehr oder weniger allmählichen Uebergang in das Schichtgestein. Da diese Geoden stets thierische Skeletüberreste enthalten, so ist es wohl nicht zweifelhaft, dass die organische Substanz in irgend einer Weise bei ihrer Bildung mitgewirkt hat. Das Vorkommen soleher Phosphoritknollen ist nun dureh- aus kein zu häufiges und merkwürdigerweise an gewisse Horizonte und in diesen an Localitäten geknüpft; wir müssen also beson- dere Umstände ihrer Bildung annehmen, es muss erstens das Wasser besonders geeignet gewesen sein, Phosphorsäure d. h. ihre Salze zu lösen oder gelöst zu halten, andererseits muss auch be- sondere Gelegenheit zu ihrer Aufnahme in das Wasser vorhanden gewesen sein. Wir haben nun oben S. 572 Anm. besonders darauf auf- merksam gemacht, dass ein ausserordentlich grosser Theil der zu Grunde gegangenen Geschöpfe, besonders von Vertebraten, in den Exerementen der fleischfressenden Raubthiere repräsentirt sein müsse, dass aber eine dem entsprechende Menge von in fossilem Zustand erhaltenen Exerementen (Coprolithen) auch nicht im entferntesten Maasse vorhanden seien. Sie sind also entweder in theils weichem Zustande zerstäubt worden, theils wurden phosphorsaure ete. Salze in löslichem Zustande ausgeschieden. Die merkwürdigsten Zusammenschwemmungen ganz anderer Ueber- Untersuchungen über die Petrifieirung der Muskulatur. 579 reste auf dem Meeresgrund lassen nun sehr wohl annehmen, dass auch derartige Ueberbleibsel local angehäuft und durch besondere Zustände des Wassers in Lösung gehalten wurden. Von allen Lösungsmitteln des phosphorsauren Kalkes käme hier als elementarstes die Kohlensäure in Betracht; es ist nun klar, dass sich da phosphorsaurer Kalk in löslicher Form anhäu- fen wird, wo zu einem allgemeinen Kohlensäure-Gehalt noch be- sondere Quellen auftreten, wie dies faulende T'hierleichen sind, welcke nicht nur eine Sphäre von CO, um sich sammeln, sondern auch, wie man dies beobachten kann, eine Hülle schleimigen Magmas fauliger, vom Körper abgelöster Substanzen. Soweit Letztere nun nicht differenzirte Gewebe sind, sondern Zersetzungs- produkte undifferenzirter Eiweisssubstanzen, soweit ist die An- nahme sicher gerechtfertigt, dass sie in ähnlicher Weise die löslichen Salze in unlösliche Form überführen, wie es die Harting’schen Versuche und der Myophosphorit zeigen. Selbst hier aber, wo wir den Typus eines allmählichen Niederschlags aus der Umge- bung der faulenden Cadaver vor uns hätten, müssen wir noch ausserordentliche Umstände annehmen, besonders aber auf die wichtigste Quelle phosphorsaurer Salze und des Fluorcaleiums zurückgreifen, auf die Coprolithe mit der aufgelösten Knochen- erde!). Auch hier kommen, wie in dem Myophosphorit und den Coprolithen der Vertebraten-fressenden Raubthiere auch die acces- 1) Ein recentes Beispiel solcher sich an organische Ueberreste anschliessenden Phosphoritbildung ist der Sombrerophosphorit (vergl. Sandberger, Jahrb. für Min. 1864, S. 631); es ist die Phosphoritisi- rung eines gehobenen Korallenriffs (mit phosphoritischen Pseudomor- phosen nach Solenastraea, mit Steinkernen von Cypraea, Cardita, Cytherea, Lucina etc.) von einer dies Riff bedeckenden Guanodecke aus. Hier spielt wohl die organische Substanz keine Rolle und ist die Bildung nur rein mineralisch; indessen ist sie wichtig wegen der Her- kunft der phosphorsauren Salze. Der Phosphorit tritt auch hier in Spalten und Hohlräumen als dünne Kruste mit traubiger Oberfläche und strahliger Struktur auf. Aehnlich ist das Auftreten des Phospho- rits in den Säugethier-reichen Juraspalten von Quercy, wo nach freund- licher Mittheilung von Dr. Max Schlosser in München die Säugethier- reste ganz verschiedener Zeitperioden des Tertiär zusammen vorkom- men. Dass auch hier aufgelöste Exeremente bei der Bildung dieses Phosphorits eine hauptsächliche Quelle bilden, erscheint sehr wahr- scheinlich. Ein Vergleich der Bildung dieser Knochenansammlungen mit denen in den diluvialen Höhlen ist nach Dr. Schlosser naheliegend. Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 41 37 580 Dr Otto MrReis: sorischen Gemengtheile vor, welche auch wichtige Aschenbestand- theile der Exeremente nicht knochenfressender Säugethiere sind (Kali, Natron, Kalk, Magnesia, Eisenoxyd, Schwefelsäure und Kohlensäure). Wir können daher den Unterschied in der Bildung desMyophosphorits und der desGeoden- und Steinkernphosphorits nur darin suchen, dass bei ersterem kurz nach dem Tode bei dem ersten Auftreten der Fäulniss der undifferenzirten Eiweisssubstanzen schon die genü- gende Menge von den im Phosphorit gefundenen Substanzen innerhalb des Körpers in löslicher Form vorhanden war, während bei dem Geodenphosphorit dieselbe sich erst allmählich aus der Nähe, aus weiter und weiterer Ferne sammeln mussten, während welcher Zeit sich die Formen der Gewebe und des Weichkörpers ganz auflösten, im Begriffe vollständiger Vertheilung in schleimiger Masse sich befanden und eine Hülle um den Körper bildeten. Was nun die phosphoritisirten Hölzer betrifft, so muss deren Entstehung noch ein viel langsamerer Process gewesen sein und hier sind im höchsten Maasse die Bedingungen einer allmählichen Concentration aus der Umgebung vorhanden ; wir können aber auch hier die Phosphoritquelle nit allen accessorischen Gemengtheilen, wie sie in dem Xylophosphorit auftreten, nur in aufgelösten Kno- chen-Exerementen suchen. Was nun die Möglichkeit der Erzeu- gung des Niederschlags der gelösten Bestandtheile von Seiten der organischen Substanz, hier der Cellulose betrifft, so hat Hermann (vgl. Bronn, Geschichte der Natur II, Seite 327) dargestellt, dass Holzfaser unter Mitwirkung von Luft, Wasser und Wärme durch Aufnahme von Sauerstoff und Stickstoff unter Verlust von Kohlensäure und Wasser sich in eine proteinartige Substanz (Nitrolin) umwandelt, welche sich auch ähnlich wie thierisches Protein weiter zersetzt, die Struktur des Holzes aber bewahre. Es wäre nun nicht unmöglich, dass von hier aus die Phosphoritisirung in ganz allmählichem Fortschreiten stattfand und ihr Process dem des Myophosphorits ganz analog verlief. Dieser Process könnte dann überall stattfinden, wo in der Nähe von Holz faulende thierische Substanzen, weiter sich zertheilende und sich auflösende Exeremente sich befänden. Wenn wir so sehen, in welcher verschiedenen Weise sich Phosphorit im Anschluss an faulende organische Substanzen nieder- schlagen kann und dies offenbar ohne jede ursächliche Betheiligung Untersuchungen über die Petrificirung der Muskulatur. 581 von den in der org. Substanz gelösten anorganischen Bestand- theilen im Geoden- und Holzphosphorit stattfindet, wenn wir weiter von der Bildung des Myophosphorits aus schliessen konnten, dass die Hauptmasse der Salze aus dem Darminhalt stammen müsse, so ist am Schlusse dieser Betrachtungen die Ansicht nicht von der Hand zu weisen, dass der eigne, Phosphorsäure führende Aschengehalt der phosphoritisirten Muskelgewebe gar nicht die eigentliche Ursache des Niederschlags gewesen sein möchte; es müsste derselbe sonst stetiger erfolgen, und besonders häufig sein in einer dem Aschengehalt entsprechenden Menge; statt dessen tritt, wenn der Niederschlag vorhanden ist, derselbe fast nur in dem einem Maximum näher liegenden Stadium auf. Es ist also von Anfang an eine Menge phosphorsaurer Salze eingewandert und mit ihnen das Fluorealeium, Chlorealeium ete. Hierdurch wird weiterhin nahegelegt, dass wahrscheinlich das Fluorealeium, welches in allen Knochenbildungen bei Vertebraten ein stetiger und wichtiger Begleiter ist, auch hier eine wichtige Rolle spielt. Wir erwähnten nach Harting, dass die Kalkniederschläge in sich zersetzendem Eiweiss eine ganz andere Form erhalten, wenn phosphorsaure Salze sich in der Lösung befinden; wird sich nicht noch manches ändern, wenn dieselben im Uebergewicht sind und gar Fluorcaleium als integrirender Gemengtheil hinzutritt ? Wenn bei den Harting’schen Experimenten in der Ab- wesenheit von phosphorsauren Salzen Lamellen entstehen, welche sich über das Niveau der eiweisshaltigen Flüssigkeit erheben, so ist bei der Anwesenheit derselben der Niederschlag amorph und findet in der Flüssigkeit statt. Vielleicht bewirkt bei grösserer Menge von phosphorsauren Salzen ein beigefügtes Fluorcaleium, dass der Niederschlag, selbst wenn er fein faserig-krystallin ist, innerhalb der organischen Flüssigkeit sich derart an die Form derselben hält, dass er deren Grenzen genau innehält (hiermit hängt vielleicht auch die ausserordentliche Kleinheit der Calco- sphaerite des Myophosphorits zusammen); da mit dem Nieder- schlag immer eine organische Gerüstsubstanz aus dem faulenden Eiweiss eliminirt wird, so ist die Erhaltung so feiner Struktur- verhältnisse immerhin ein Wunder, man sollte hierbei kleinste Zerrungen und Umgestaltungen durch Expansionen (vgl. S. 568) erwarten; dies ist nur möglich, wenn die Verbindung von an- organischem Niederschlag und eingeschlossener organischer Materie 582 Dr. !Otto M Reis: kein Streben nach eigner morphologischer Gestaltung hat. Da nun allein bei kohlensaurem und phosphorsaurem Kalk derartige eigenthümliche morphologische Bildungen in der Verbindung ein- treten, so ist es sehr wahrscheinlich, dass das Fluorcaleium hier- bei eine gewisse retardirende Wirkung ausübt. Vielleicht, dass es dieselbe Wirkung auch bei der Knochenbildung der Vertebraten hat und sich hierdurch die Kalkablagerung genau in den Grenzen der organischen Substanz hält. Vielleicht ist nur hierdurch die immerhin sehr merkwürdige, fast launige Bildung des Myophos- phorits vor allen andern Geweben zu erklären, wobei auch ganz spezifische Eigenschaften des Muskeleiweiss mitgewirkt haben müssen. Es war nicht unser Bestreben, im Vorhergehenden eine ab- geschlossene Erklärung für die Petrifieirung der Muskulatur zu geben!), sondern sie auf ein Urphänomen der Kalkablagerung in Eiweisssubstanzen zurückzuführen, welches zugleich für das Verständniss der Verkalkungen im vitalen Process von Bedeutung ist. Es war hierbei nothwendig, sehr in's Einzelne zu gehen, das Wesentliche vom Nebensächlichen zu trennen, damit bei einer so wichtigen allgemeinen Frage das Material für deren Lösung, so weit es die Palaeontologie zu bieten vermag, in möglichst durchgearbeiteter Form vorliege. Vielleicht regen auch diese Blätter zu einer experimentellen Prüfung meiner obigen Aus- führungen an, welche mir selbst nicht gelungen ist. Es wäre interessant und scheint nach der weiten Verbreitung dieser Fossili- sations-Erscheinung nicht unmöglich, denselben künstlich herzu- stellen; gelänge dies nach dem Harting’schen Schema unter Anwendung der anorganischen Produkte der Verdauung der Knochen, so würde dies nicht nur für unsere Theorie beweisend sein, sondern könnte möglicher Weise auch über die Rolle des Fluorcaleiums einen Aufschluss gewähren, weiter, welche chemische Beschaffenheit die künstliche Gerüstsubstanz hierbei besitzt (ob sie leim-, chitin- oder eonchyolinartig ist), in welcher Weise dieselbe auf die Form der anorganischen Ausscheidung zurück- wirkt, unter welchen Zeitumständen sie amorph oder faserig- 1) Eine vollständige Erklärung wird erst erfolgen können, wenn die chemischen Vorgänge bei den Harting’schen Versuchen bis in’s Einzelne experimentell dargestellt sind. Untersuchungen über die Petrificirung der Muskulatur. 585 krystallin auftritt, welche Fragen für das Verständniss der organi- schen Verkalkungen von hoher Wichtigkeit sind. Tafel-Erklärung. Tafel XXIX. 1. Längsschliff durch Muskelfasern von Squatina alifera (170 diam). 2. Längsschliff d. d. M. von Ischyodus avita (140 diam). 3. Längsschliff d. d. M. von Chimaeropsis paradoxa (vgl. Fig. 8) (80 diam). 4. Längsschliff d. d. M. von Undina penicillata (180 diam). 5. Längsschliff d. d. M. von Sauropsis. 6. a) Längsschliff d. d. M. von Plesioteuthis (100 diam). b) Querschliff. 7. Längsschliff d. d. M. von Callopterus (200 diam) (vgl. Taf. XXX, Fig. ]). 8. Längsschliff d. d. M. von Chimaeropsis paradoxa (100 diam). 9. Längsschliff d. d. M. von Pholidophorus. 10. Längsschliff d. d. M. von Notidanus eximius (70 diam). 11. Längsschliff d. d. M. von Hypsocormus (200 diam). 2. Längsschliff d. d. M. von Caturus furcatus (160 diam). Längsschliff d. d. M. von Aspidorhyncehus. . Längsschliff d. d.M. von Trachyteuthis (100 diam). Tafel XXX. Ansicht der vorderen Rückenmuskeln von Callopterus zwischen der Dorsalkante und den Neurapophysen. Die Rumpfmuskeln der linken Seite sind, soweit die Dornfortsätze reichen, abge- hoben; man sieht also auf die mediale Fläche der rechten Seite des Myomere. In jedem Segment erkennt man eine nach hinten und oben aufsteigende Ueberschiebungsgrenze; in den oberen Partieen ist der verschiedene Faserverlauf voll- ständig ungestört erhalten und kann zur Erklärung des Quer- schliffs Taf. XXXI, Fig. 1 (Eurycormus) dienen. (2/, natür- licher Grösse.) Aeusserer Rand eines Muskelbündels von Megalurus im Querschnitt; innere Zone mit punktirten, in heller Randsubstanz verschmolzenen Faserquerschnitten; äussere Zone mit fast glashellen Faserquerschnitten, einseitig verschmolzen, mit gros- sen zelligen Reliktenhohlräumen (150 diam). 584 Dr.OttoM.Reis: Untersuchung. üb. d. Petrifieirung d. Muskulatur. Fig. ID 140malige Vergrösserung einer Stelle von Fig. >. Querschnitt durch abgeplattete Fasern von Notidanus (ea. 65 diam). Querschnitt durch drei Muskelbündel von Undina mit punk- tirten und glashellen Fasern (vgl. Fig. 3 mit 140 maliger Ver- grösserung); am Oberrand des Präparates ist die Schuppen- bedeckung erhalten (ca. 40 diam). Schiefer Querschnitt durch Muskelfasern von Chimaeropsis (ea. 400 diam). Tafel XXXI. Sagittaler Querschnitt durch zwei hintereinander liegende Rippenpaare der Abdominalregion von Eurycormus; die untere Portion ist etwas distaler durchschnitten. Zu beiden Seiten Reste der sich überschiebenden Schuppen des Integu- ments. Zur Erklärung der Längs- und Querschnitte der Muskel- bündel vgl. Taf. XXX, Fig. 1; (ca. 45 diam). Schliff durch ein Knöllchen der Tintenbeutelerfüllung eines Plesioteuthis aus dem lithogr. Schiefer von Solnhofen; ein Sector 100 mal vergrössert. Beriehtigungen. In der Arbeit von A. S. Dogiel, d. Arch. Bd. 41, S. 62 ff. sind folgende Druckfehler zu verbessern: Seite 71, Zeile 11 muss Fig. 7b wegfallen. a ee \ 2 06 | 5 a... l, =. 1928talt Pie, Te zulesen Big. Se. TE VD einzuschalten: Fie.’7h! „. 8, „ 18 lies Nervenzellen statt Nerven. „832% ,„ 19 „ Neurone statt Neurome. 585 Die Nervenendigungen in der Haut der äusseren Genitalorgane des Menschen. Von A.S. Dogiel, Professor der Histologie an der Universität Tomsk (Sibirien). Hierzu Tafel XXXII und XXXII und ein Holzschnitt. W. Krause und seine Schüler Polle, W. Finger und Bense haben bekanntlich zuerst darauf aufmerksam gemacht, dass in der Haut des Penis und der Clitoris beim Menschen und bei den Säugethieren Nervenendapparate sich vorfinden, und zwar kugelige Endkolben und besondere Körperchen, welehe man Genitalnervenkörperchen (Wollustkörperchen) nannte. Seit dieser Zeit sind viele Arbeiten über Nervenendigungen in den Genitalnerven- körperchen, wie von A. Key und G. Retzius, Izquierdo, Merkel und zuletzt Aronson, Schwalbe und G. Retzius er- schienen, von welchen besonders die von Aronson und G. Retzius beachtenswerth sind, zumal von diesen Forschern zuerst das neue Mittel zur Nerventinetion, das Methylenblau, angewendet wurde. Als Objeet seiner Untersuchungen nahm H. Aronson die Haut der äusseren Genitalien (Penis, Clitoris und Vagina) des Kaninchens, in welcher man nach seinen Beobachtungen zweierlei Typen von Genitalnervenkörperchen unterscheiden kann — grosse und kleine; die letzteren trifft man hauptsächlich in der Schleim- haut der Clitoris und der Vagina an. In die grossen Körperchen treten gewöhnlich mehrere Nervenfasern ein, welche sich in jedem Körperchen auf verschiedene Weise krümmen und verwickeln, unterwegs viele, mit einander sich verbindende Seitenästchen aus- senden und dann in kleinen knopfförmigen Anschwellungen endi- gen. Diese Endanschwellungen sind nach Angabe H. Aronson’s oft mit einander durch Anastomosen verbunden. Was die kleinen Körperchen anbetrifft, so empfangen sie stets nur eine Nerven- faser, welche nach dem Eintritt in das Körperchen in eine ge- wisse Anzahl feiner Aestehen zerfällt, die sich wiederum mehr- fach theilen und in Endknöpfehen endigen. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 41 98 586 AS Dog Teil“ G. Retzius untersuchte die Nervenendigung ähnlich wie Aronson in den Genitalnervenkörperchen der Haut des Penis und der Clitoris beim Kaninchen, indem er intravitale Injection mit Methylenblau machte (1 gr auf 400 cem einer 0,75°/, Koch- salzlösung). Nach den Beobachtungen von G. Retzius treten (die markhaltigen Nervenfasern an die Körperchen heran, indem sie sich oft diehotomisch in einige (2—5) Aestchen theilen und verlieren grösstentheils in der Nähe dieser Körperehen ihre Mark- scheide. In einigen Fällen verliert die Nervenfaser ihre Mark- substanz noch vor dem Eintritt in das Körperchen und theilt sich darauf in zwei Aestehen, von denen jedes in zwei neben einander liegende Körperchen eintritt. Nachdem die Nervenfaser in das Körperchen eingetreten, zerfällt sie nach Retzius’s Angaben in zwei ziemlich dieke Aestehen oder giebt nach verschiedenen Richtungen feine Zweig- chen ab und verläuft dann weiter, sich windend, im dem Axen- theil des Körperehens, wobei sie während dieses Verlaufs fort- fährt beständig aufs neue Aestehen abzugeben. Dasselbe findet auch in dem Falle statt, wenn sich die Nervenfaser dichotomisch getheilt hat: nach dem Eintritt in das Innere des Körperchens zerfällt jeder der Aeste, je nach der Grösse des Körperehens, in eine mehr oder weniger grosse Anzahl feiner Aestehen, welche, sich versehiedentlich schlängelnd, nach den oberflächlichen Par- tieen des Körperchens hinziehen. Nach vielfacher Theilung en- digen alle Nervenzweige in der Nähe der Oberfläche des Körper- ehens in kleinen knopfähnlichen, rundlichen, birnförmigen oder ovalen Anschwellungen (Endknöpfehen), oder zuweilen ohne jeg- liehe Anschwellung. Anastomosen zwischen den knopfförmigen Anschwellungen, wie sie Aronson beschrieben, so wie auch feine Verzweigungen, welche sich mit anderen Aestehen in Verbindung setzen, hat Retzius nicht beobachtet. Die Form und Grösse der Genitalnervenkörperehen ist nach Retzius eine sehr ver- schiedene und neben kleinen Körperchen von ovaler, bisquitähn- licher oder unregelmässig gestalteten Form trifft man beständig auch grössere von derselben Form, häufig eingeschnürte und in mehrere Abtheilungen zerfallende Körperchen an; die Nervenfaser theilt sich gewöhnlich beim Herantreten zu den letzteren in eine entsprechende Anzahl Aestehen, die sich nach jeder Abthei- lung hinbegeben. Die Nervenendigungen in der Haut der äusseren Genitalorgane etc. 587 Auf solche Weise stimmen also sowohl die Beobachtungen von H. Aronson wie die von G. Retzius darin überein, dass die Nervenfaser im Innern des Genitalnervenkörperchens in eine gewisse Anzahl feiner Zweige zerfällt, welehe in knopfförmigen Anschwellungen frei endigen, ausserdem aber nimmt Aronson noch an, dass zwischen den einzelnen Nervenästehen und sogar zwischen den Endknöpfehen Anastomosen vorhanden sind, deren Existenz Retzius verneint. In letzter Zeit habe ich selbst die Möglichkeit gefunden, das Verhalten der Nerven zu den Genitalnervenkörperehen beim Menschen zu erforschen, worüber ich die Resultate meiner Beobachtungen in vorliegender Mittheilung darzulegen beabsichtige. Die Färbung der Nerven in der Haut der inneren Lamelle des Praeputium, Frenulum praeputii, Glans penis, Fossa navieu- laris und Clitoris des Menschen geschah mit !/,;°/, Lösung von Methylenblau nach der von mir bereits beschriebenen Methode auf dem Objectträger; die der Färbung unterworfenen Theile der Schleimhaut hatten eine Länge von eirca 2—3 em und eine Breite von I—2 cm. Zur Fixirung der Färbung der Nervenelemente wurde die Haut auf 24 Stunden in eime gesättigte wässerige Lösung von Ammoniumpikrat oder in eine Ammonium-Pikrat-Osmiumsäure- Mischung gelegt; darauf (in der Mehrzahl der Fälle) wurde das Epithel von der Oberfläche vorsichtig entfernt, wobei die letztere auf dem Objectträger sorgfältig ausgebreitet und in Glyeerin eingebettet wurde. Nach einigen Tagen war das Präparat voll- ständig durchsichtig und zur Untersuchung geeignet geworden. Die Schnitte wurden ausschliesslich von der Haut der Glans penis entnommen, deren Nerven zuvor mit Methylenblau gefärbt und mittelst oben angeführter Mischung fixirt waren, wonach kleine Stückehen der Schleimhaut an Hollundermark anfrieren gelassen und darauf mit dem Rasirmesser oder mit dem Mikrotom ge- schnitten wurden. An mit schwachen Objeetiven zu untersuchenden Sehnitten ist ersichtlich, dass im der tiefsten, mehr lockeren Schicht der Haut eine Menge Nervenstämmehen von verschiedener Dieke sich 588 A.S. Dosgiel: vorfinden, welche, unter einander anastomosirend, einen breit- maschigen Nervenplexus bilden (Fig. 1c). Von dem letzteren theilt sich eine beträchtliche Anzahl feiner Nervenstämmehen ab, welche in schräger oder senkrechter Richtung in die mehr ober- tlächliche und dichtere der Pars retieularis corii entsprechende Hautschieht eintreten, wobei sie unterwegs kleine Zweige an die benachbarten Stämmchen abgeben und schliesslich selbst, sich allmählich der Wärzehenschicht nähernd, in einzelne mehr oder weniger feine Aestchen zerfallen. Einige der eben bezeichneten feinen Aestchen, wie unten geschildert sein wird, betheiligen sich vollständig an der Bildung der Nervenendapparate, während andere zuvor in einzelne Fasern zerfallen, welche darauf zum Theil in den Endkörperchen, zum Theil im Epithel endigen. An der Bildung sowohl dieker wie dünner Nervenstämm- chen und Aestchen betheiligen sich vorzugsweise markhaltige und nur eine geringe Anzahl markloser Nervenfasern. Markhaltige Fasern, welche sich in den Nervenstämmehen einlagern, theilen sich, insbesondere an Verzweigungsstellen der letzteren, vielfältig in 2—5—4 Fasern, die eine gewisse Strecke im Stämmchen selbst durchmachen und sodann aus demselben austreten, um schliesslich in Krümmungen in die Haut überzugehen. Von den ebenbezeich- neten Aestehen, die durch Theilung der Nervenfasern entstanden sind, werden häufig marklose Aestchen abgesondert, welehe ihrer- seits, ehe sie die Bildung der Nervenendapparate bewirkt haben, sich vielfach wiederum theilen können. In vielen Fällen gehen von irgend einer markhaltigen Faser, die in dem Stämmchen sich einlagert, an der Stelle des Ranvier'schen Schnürringes ein, ja zuweilen sogar zwei feine marklose Aestchen aus, welche häufig eine beträchtliche Strecke weit in dem Nervenstämmchen selbst verlaufen und sehr leicht mit den marklosen — Remak schen — Nervenfasern verwechselt werden können. Die Mehrzahl der Nervenstämmehen und einzelner mark- haltiger Fasern, welche aus dem oben beschriebenen Nervenplexus entstanden sind, endigt in der Haut der inneren Lamelle des Praeputium, Frenulum praeputii, der Glans penis, Fossa navieu- laris und Clitoris in Nervenendapparaten verschiedener Art und zwar: a) in Genitalnervenkörperchen, b) in Nervenendkörperchen — Endkolben, W. Krause — und e) in Meissner’schen Tast- körperchen. Die Nervenendigungen in der Haut der äusseren Genitalorgane etc. 589 a) Die Genitalnervenkörperchen (Fig. 1—11) beim Men- schen liegen in einiger, bald mehr, bald weniger beträchtlichen Entfernung von der papillentragenden Schicht der Haut und werden niemals im Gewebe der Wärzchen selbst angetroffen (Fig. 1d). Einzelne Körperchen findet man zuweilen in jener lockeren und tiefen Schicht, in welcher, wie oben erwähnt, auch die dieken Nervenstämmchen Platz gegriffen haben. Die Form der Genitalnervenkörperchen ist, wie Aronson, Schwalbe, Retzius und Andere ganz richtig bemerken, eine sehr mannig- faltige: rund, oval, ei- und birmförmig; einige dieser Körperchen erscheinen als stark in die Länge ausgezogene oder cylinder- förmige Bildungen. Oft werden von irgend einem der Körper- chen Anhängsel verschiedener Grösse und Form abgesandt, wo- durch das Körperehen eine unregelmässige, sprossenartige Ge- stalt annimmt. Zuweilen erscheint das Körperchen gekrümmt oder an irgend einer Stelle mehr oder weniger stark eingeschnürt. So viel ich beobachten konnte, trifft man am häufigsten runde, ovale und eiförmige Körperehen an. Gewöhnlich sind die Körper- chen ziemlich nahe bei einander gruppirt und dabei in der Art, dass ihr Längendurehmesser mehr oder weniger parallel der Oberfläche der Haut belegen ist (Fig. 1d). Die Anzahl der zu beschreibenden Körperehen ist offenbar eine sehr beträchtliche, da man in einem Theile der Haut der Glans penis von dem Umfang eines Quadrat-Millimeters annähernd 1 bis 4 Körperchen antrifft und zuweilen auch mehr; in der Haut des Praeputium und Frenulum praeputii findet man dergleichen Körperchen dem Anscheine nach weniger als in der der Glans penis und Clitoris. Was die Grösse der Genitalnervenkörperchen beim Menschen anbetrifft, so kann sie ebenso wie ihre Form eine verschiedene sein: neben kleinen Körperehen von 0,04—0,09 mm Breite und 0,06—0,12 mm Länge, begegnet man Körperehen von beträcht- licher Grösse, deren Länge zwischen 0,15—0,20 mm schwankt, während die Breite 0,07—0,20 mm beträgt; manche Körperchen erreichen eine Länge von 0,40 mm, bei einer Breite von O,10 mm. Ein jedes Körperchen, wie bereits von W. Krause, W. Finger, Merkel, Izquierdo, Schwalbe und G. Retzius angegeben wurde, ist von einer Bindegewebshülle umgeben, welche eine beträchtliche Dieke und Consistenz besitzt und eine grosse Anzahl Kerne enthält. Nach der Beschreibung von 590 A.S. Dogiel: Schwalbe besteht diese Hülle aus Endothelhäutehen, welche den Innenkolben concentrisch umgeben, wobei zwischen dem äusseren Kapselsystem der Hülle und dem Innenkolben eine Schieht grosser flacher Kerne sich vorfindet. An den Schnitten der durch Flüssigkeiten verschiedener Art erhärteten Haut und an mit Essigsäure behandelten Präparaten wurde von G. Retzius beobachtet, dass zwischen der innersten Kapsellamelle des Körper- chens und dem Innenkolben Gebilde von rundlicher, ovaler oder eekiger Form wahrnehmbar sind, welche in einer schwach körnigen Masse ihren Sitz gefunden haben. Die bezeichneten Gebilde hält Retzius für diejenigen Kerne, welche Schwalbe bei seiner Beschreibung der Hülle der Genitalnervenkörperchen erwähnt. Ich habe die Kapsel der Körperchen an Schnitten der Haut (der Glans penis) untersucht, die zuvor mit Methylenblau gefärbt und durch Ammoniumpikratlösung oder durch Ammonium-Pikrat- ÖOsmiumsäure-Mischung fixirt wurde, wobei zur Färbung der Schnitte das Hoyer sche Pikrokarmin Anwendung fand. In einigen Fällen konnte man vermittelst schwacher Objeetive in den durch Methylenblau gefärbten, fixirten und schliesslich durch Glycerin genügend aufgehellten Antheilen der Haut grosse Genital- nervenkörperehen wahrnehmen und sie dann mit einem geringen Theil des sie umgebenden Bindegewebes vorsichtig mittelst einer kleinen Scheere ausschneiden; die auf solche Weise herausge- schnittenen Theilchen wurden auf dem Objektträger mit dem Hoyer’schen Pikrokarımin tingirt und mit Glycerin behandelt. Durch Anwendung des eben beschriebenen Verfahrens gelang es mir oft, die Genitalnervenkörperchen fast vollständig zu isoliren und Dank diesem Umstande den Bau der sie umgebenden Hülle genau zu erforschen. Um die Hülle der zu beschreibenden Körperchen zu unter- suchen, wurde ausserdem die Haut der Glans penis durch Flüssig- keiten verschiedener Art (Müller’sche Flüssigkeit, Sublimat- Lösung, Flemming’sche Mischung u. s. w.) gehärtet, worauf aus derselben Schnitte gefertigt und diese mit irgend einem Färb- mittel tingirt wurden. Auf den nach einer der eben angeführten Methoden be- handelten Präparaten tritt einerseits die Hülle der Körperchen sehr deutlich hervor, andererseits ist der Innenkolben mit dem Die Nervenendigungen in der Haut der äusseren Genitalorgane ete. 591 in demselben eingeschlossenen Nervenendapparat vorzüglich deut- lich zu erkennen. Gewöhnlich umgibt die Hülle jedes einzelne Körperchen und hat je nach der Grösse desselben eine mehr oder weniger beträchtliche Dieke: an grossen Körperchen erreicht diese Dieke zuweilen von 0,02—0,053 mm, an kleinen Körperchen pflegt sie viel geringer zu sein. Die Hülle besteht aus einer ganzen Reihe feiner bindegewebsartiger Häutchen, welche Längsstreifungen dar- bieten und, sich concentrisch über einander schichtend, den rund, oval oder unregelmässig geformten Innenkolben des Körperchen einschliessen. Die Anzahl der Häutchen, welche die Hülle bilden, ist direct von der Dicke der letzteren abhängig und beläuft sich von 4 auf 6—8 und mehr. In der Mehrzahl der Fälle kann man an den Schnitten und an den isolirten Körperehen wahrnehmen, dass ein Häutchen sich eng an das andere benachbarte anschliesst, indem es von dem letzteren durch eine Schicht unregelmässig gestalteter flacher Zellen mit grossen runden oder ovalen Kernen getrennt ist, wodurch die Hülle der Genitalnervenkörperehen einige Aehnlichkeit mit der Hülle der Paeini’schen Körperchen erlangt (Fig. 2). Die Oberfläche des innersten Häutchens, welches nach der Höhlungsseite des Körperchens gerichtet ist und dieselbe begrenzt, ist mit einer Schicht der eben beschriebenen flachen Zellen belegt (Fig. 2), deren kernhaltiger Theil mehr oder weniger tief in den Innenkolben hineinrückt, wie es bereits zum Theil Schwalbe und darauf in letzter Zeit G. Retzius beschrieben haben. Wie die Nerven der Genitalnervenkörperchen der Haut der Glans penis und der Clitoris beim Menschen endigen und wie der Bau des Innenkolbens beschaffen ist — in dieser Hinsicht sind unsere Kenntnisse noch sehr beschränkt. Nach der Schilde- rung von W. Krause und W. Finger treten in den Innenkolben jedes Körperchens eine, zwei oder mehrere Nervenfasern ein, welche darauf sich mehrfach in feine Terminalfasern theilen, I [9] wovon auch das feinkörnige Aussehen des Innenkolben-Inhaltes abhängig ist. Es ist G. Retzius nicht gelungen, die Endigungen der Nervenfasern in den Genitalnervenkörperchen beim Menschen zu erforschen. Schwalbe stimmt mit W. Krause darin überein, dass die Nervenfasern, nachdem sie in den Imnenkolben einge- 592 A.'8. Do’ gvel: treten, in Terminalästchen zerfallen, welche aller Wahrscheinliech- keit nach als knopfförmige Anschwellungen endigen, wobei zu- gleich auch eine Theilung des Innenkolbens selbst stattfindet, so dass jedes Nervenendfäserchen sich in einen besonderen Innen- kolben einlagert. Auf solche Weise muss der Bau des Innen- kolbens der bezeichneten Körperchen des Menschen nach der Meinung von Schwalbe ganz derselbe sein, wie der Bau der runden Endkolben. Meine eigenen, diesen Gegenstand betreffenden Beobachtungen, welche ich an den Genitalnervenkörperchen des Menschen an- stellte, erweisen, dass die Anzahl der Nervenfasern, welehe in ein Körperchen eindringen, in eimer gewissen Beziehung zur Grösse des letzteren steht: ein kleines Körpercehen erhält meisten- theils eine, zwei, selten drei markhaltige Nervenfasern (Fig. 1,2, 4 und 11), während in die grossen Körperchen 3 bis 8—10 Nervenfasern eintreten (Fig. 1, 3, 7 und 10). Die Eintrittsstelle der letzteren in die kleinen Körperchen pflegt eins der Polenden derselben oder irgend eine Stelle an der Oberfläche des Körper- chens zu sein. In einigen Fällen treten die Nervenfasern in irgend ein kleines Körperchen an beiden Polenden desselben ein. Ausserdem kann man oft beobachten, dass der Axencylinder der markhaltigen Faser, nachdem diese ihre Markscheide noch vor dem Eintritt in dieses oder jenes Körperchen verloren hat, sich in einige (2—5) Aestchen theilt, welche sich nach einem der Körperchen hinbegeben (Fig. 4 und 6), oder ein oder zwei Aest- chen treten in ein Körperchen ein, während die übrigen nach einem anderen, benachbarten Körperchen sich begeben, oder schliesslich, jedes Aestchen nimmt seine Richtung nach einem abgesonderten Körperchen. Oft macht eine markhaltige Faser ein oder zwei Windungen rings um das kleine Körperchen und tritt erst dann in den Innenkolben ein, wobei sich zuweilen von dem Axencylinder einer solchen Faser an der Stelle der Ranvier'- schen Schnürringe ein oder zwei marklose Aestchen abtheilen. Nachdem die letzteren eine kurze Strecke weit an der Oberfläche des Körperchens sich hingezogen, durchdringen sie die Hülle desselben und werden nun ebenfalls zur Bildung des Nervenend- apparats verwandt. Was die grossen Genitalnervenkörperchen anbelangt, so treten gewöhnlich alle Nervenfasern, mit welchen ein solches Die Nervenendigungen in der Haut der äusseren Genitalorgane ete. 593 Körperehen versorgt wird, an dasselbe von verschiedenen Seiten heran, und zwar in der Form von abgesonderten Fasern (Fig. 1, 4, 6, 7 und 10) oder zu 2—3 Fasern zusammen, oder endlich zuweilen als ein oder zwei Stämmehen, von denen jedes aus 5—6 Fasern besteht (Fig. 3). In dem Falle, wenn das Körper- chen stark in die Länge gestreckt erscheint, treten die Nerven- fasern von beiden seiner Polenden in dasselbe ein (Fig. 7). Oft theilt sich eine oder die andere der Fasern, welche die Richtung nach einem der Körperehen genommen, in der Nähe von dessen Hülle in einige Aestehen, von denen manche markhaltig, andere aber marklos sind. Wenn die Nervenfasern die Hülle erreicht haben, winden sie sich an deren Oberfläche, viele von ihnen theilen sich an der Stelle der Ranvier’schen Einsehnürungen dichotomisch, durch- kreuzen sich gegenseitig in verschiedenen Richtungen und über- spinnen schliesslich das Körperchen von allen Seiten, wie dieses aus Fig. 4 ersichtlich ist. Nachdem die Nervenfasern um das betreffende Körperehen eine gewisse Anzahl Windungen gemacht haben, verlieren sie ihre Marksubstanz, durchdringen in verschie- denen Punkten als nackte Axeneylinder die Hülle des Endapparats und treten in den Innenkolben des Körperchens ein (Fig. 4). Wenn die Nervenfasern, welche die Richtung nach irgend einem Körperehen genommen haben, in Nervenstämmchen ein- geschlossen sind, verlieren gewöhnlich einige derselben ihre Mark- scheide in der Nähe des Körperchens oder auf dessen Oberfläche (Fig. 3) und nachdem die Fasern sich in einige Aestchen getheilt haben, machen sie um das Körperchen ein, zwei Windungen, während andere Nervenfasern sogleich nach dem Verlust ihrer Marksubstanz in den Innenkolben eintreten. Man trifft zuweilen soleher Art grosse Körperehen, welche 2—3 dieke Nervenfasern empfangen, wie dieses aus Fig. 5 ersichtlich ist; nachdem die letzteren an die Hülle des Körperchens herangetreten sind, ver- lieren sie ihre Marksubstanz und dringen in Form sehr dicker Axeneylinder in den Innenkolben ein. Ausserdem kommt es nicht selten vor, dass von irgend einer Faser, welche das eine oder das andere der Körperehen umwindet, an der Stelle der Ranvier’schen Einschnürung zwei kurze marklose Aestchen sich abtheilen, während von einer anderen Faser ein mehr oder weniger langes Aestchen ausgesendet wird, das mit Markscheide versehen 594 A.S. Dogiel: ist, wobei die ersteren wie auch die letzteren abgesonderte End- apparate bilden (Fig. 4A), welche neben dem betreffenden grossen Körperchen gelegen sind. Um das eben geschilderte Verhalten der Nervenfasern zu (len Genitalnervenkörperchen beobachten zu können, ist es am geeignetsten, in dem Präparat solche Körperchen auszusuchen, deren Endapparate entweder gar nicht oder nur zum Theil mit Methylenblau tingirt worden sind, weil bei vollständiger Färbung aller im Innenkolben befindlichen Nervenästchen und Fäden es viel schwerer hält, den Verlauf der an der Oberfläche des Körper- chens sich windenden Nervenfasern zu verfolgen. Was die Schwann sche Scheide so wie die bindegewebige Hülle, welche die an die Körperchen herantretenden Nerven- stämmehen umgeben, anbelangt, so geht gewöhnlich die erstere wie auch die letztere noch vor dem Eintritt der Axeneylinder der Nervenfasern in den Innenkolben, in die Hülle des Körper- chens über (Fig. 2 und 5). Sobald ein oder mehrere Axeneylinder der Nervenfasern in den Innenkolben des Körperchens eingetreten sind, bilden sie beim Einrücken in den peripheren oder mehr centralen Theil des Kolbens in demselben eine grössere oder kleinere Anzahl bogen- förmiger Sehlingen, und senden unterwegs nach verschiedenen Richtungen allmählich zahlreiche Aestcehen von verschiedener Länge und Dicke aus (Fig. 2, 3, 5, 6, 7, 8, 10:und 11). . Nachdem die Axeneylinder schliesslich oft eine beträchtliche Strecke weit im Innenkolben verlaufen sind und in demselben eine oder zwei Umwindungen gemacht haben, zerfallen sie endlich im einige mehr oder weniger feine Aestchen. Zuweilen findet die Theilung des Axeneylinders sogleich nach dem Eintritt desselben in den Innenkolben statt. Alle zahlreichen Nervenästchen, welche sich durch allmähliche Theilung der in das Innere der Körperehen eindringenden Axen- eylinder der Nervenfasern gebildet haben, machen Windungen und verflechten sich untereinander nach verschiedenen Richtungen hin; während des Verlaufs zerfallen sie je’nach der Grösse des Körperehens in verschiedene mehr oder weniger zahlreiche feine Aestehen und Fäden, die sich in ziekzackförmigen Windungen schlängeln, durchkreuzen und mit einander in der allermannig- faltigsten Weise verflechten, so dass eine genaue Beschreibung Die Nervenendigungen in der Haut der äusseren Genitalorgane etc. 59 fast unmöglich ist; dabei sind sie wiederum der Theilung in zahl- reiche feine und sich mit einander verflechtende Fäden unter- worfen (Fig. 1—11). Ein grosser Theil der soeben beschriebenen Aestehen und Fäden vereinigt sich mit anderen benachbarten Fäden und bildet ein dichtes Netz!), während ein anderer ge- ringerer Theil allem Anscheine nach mit Anschwellungen von verschiedener Grösse und Form endigt, die sich entweder an der Peripherie des Innenkolbens befinden oder im Innern des letzteren zwischen den durch die Nervenästehen gebildeten Schlingen ihren Sitz haben, wobei einige dieser Anschwellungen sich unmittelbar an die erwähnten Aestchen anlegen (Fig. 2—8). Man kann ausserdem sehr oft wahrnehmen, dass aus dem einen oder dem anderen Zweigchen oder Faden kurze Seitenfäden ausgehen, von denen die einen mit benachbarten Fäden verbunden sind, andere wiederum mit Anschwellungen endigen (Fig. 7 und 8). Die Endanschwellungen haben bald eine runde, ovale, bim- förmige oder spindelartige Form, bald erscheinen sie im Gegen- theil in der Form dünner Plättehen mit zackigen Rändern oder als unregelmässig geformte polygonale, abgeplattete Gebilde, wobei ihre Grösse gleich ihrer Form variirt: neben sehr kleinen finden wir stets auch ziemlich grosse Anschwellungen (Fig. Tu. 8). Wenn man die eben beschriebenen Endanschwellungen mit einem starken Objective (!/,; Homog. Imm. Syst. Zeiss) untersucht, so kann man sich davon überzeugen, dass von den Rändern und Winkeln einiger derselben sehr feine Fäden ausgehen, welche sich mit benachbarten Aestchen und Fäden vereinigen. Folglich haben die oben bezeichneten Anschwellungen in der That nicht den Charakter von Endanschwellungen. Bei möglichst sorgfältiger Untersuchung einer Menge von Präparaten beobachtete ich eine sich stets wiederholende Er- schemung, nämlich: je vollkommener und vollständiger die Tingi- rung der Nervenästchen und Fäden war, eine desto geringere Anzahl jener oben beschriebenen freien Endigungen war in den letzteren anzutreffen, und im Gegentheil, bei nicht vollkommen ge- 1) In Anbetracht dessen, dass alle Nervenästchen und Fäden aus Nervenfibrillen bestehen, halte ich das Nervennetz nicht für den Zusammenflusspunkt der genannten Aestchen und Fäden, sondern ich verstehe unter der Bezeichnung Netz nur den Ort, wo eine Verflechtung der Nervenfibrillen stattfindet. 596 A.S. Dogiel: Iungener Tingirung erschien ihre Anzahl weit beträchtlicher, wobei man in solehen Fällen ein Bild erhielt, das den Zeich- nungen entsprach, die der trefflichen Arbeit von G. Retzius beigegeben sind. In einzelnen Fällen konnte man bei sehr voll- ständiger Färbung des Nervenapparats in keinem der Körperchen ungeachtet der allersorgfältigsten Untersuchung auch nur eine einzige Endanschwellung finden; dabei ist die Anzahl der Nerven- fäden und der von ihmen im Innenkolben gebildeten Schlingen und Windungen eine so grosse und sie legen sich so eng an- einander an, dass in der Höhlung des Körperchens in der That keine Stelle übrig erscheint, welche nicht von ihnen eingenom- men wäre. Diese überaus grosse Anzahl verschlungener und sich ver- fleehtender Nervenfädchen, welche man bei vollständiger Färbung des Nervenapparats durch Methylenblau wahrnehmen kann, macht es rein unmöglich, alle Verschlingungen und Windungen, welche sie im Innenkolben des Körperchens bilden, zu beschreiben, ja selbst in Zeichnung wiederzugeben. Ungeachtet dessen, dass ich bestrebt gewesen bin, in meinen Zeichnungen sowohl die Anzahl, als auch den Charakter der Anordnung der den Endapparat bildenden Nervenfäden möglichst genau wiederzugeben, so ge- währen sie dennoch keine vollkommene Vorstellung von der An- zahl und dem fast bei jedem Körperchen ganz eigenthümlichen Verlauf besagter Fäden, wie man sie in der Wirklichkeit wahr- nehmen kann. Gewöhnlich findet man an der Stelle der Absonderung der Nervenästehen und Fäden, welche an der Bildung des Endapparats Theil haben, Erweiterungen von drei-, viereckiger oder unregel- mässiger Form (Fig. 4A, 5, 6, 7, 8 und 9), die Aestchen und Fäden selbst aber erweisen sich in ihrem ganzem Verlauf mit varicösen Anschwellungen von der mannigfaltigsten Form — spindelartig, rund, eckig u. s.w. —, wie auch von der ver- schiedenartigsten Grösse besetzt (Fig. 1—9), und sie unterscheiden sich in dieser Beziehung nieht von den oben beschriebenen End- anschwellungen. Die Grösse der Varicositäten steht, so viel ich beobachten konnte, in einer gewissen Beziehung zur Frische der zur Untersuchung verwendeten Haut: in dem Falle, wenn letztere !/,—1 Stunde nach dem Tode zur Färbung der Nerven entnommen war, erschienen die meisten Nervenästchen fast voll- Die Nervenendigungen in der Haut der äusseren Genitalorgane ete. 597 ständig glatt und nur sehr wenige von ihnen hatten varieöse Anschwellungen. i 3ei Anwendung starker Objeetive kann man leicht consta- tiren, dass jede varieöse Anschwellung aus einem Centralfaden besteht, der durch den Axentheil der Ansehwellung hindurchgeht und aus der die Centralfäden umgebenden peripherischen Schicht (Fig. 24). Der Centralfaden vereinigt in der Art von mehr oder weniger langen Ueberbrückungen eine ganze Reihe varieöser An- schwellungen, wird dureh Methylenblau sehr intensiv gefärbt und besteht, meiner Meinung nach, je nach der Dicke des betreffenden Nervenästehens, aus einer Fibrille oder einem Bündel von Nerven- fibrillen, während die den Centralfaden an der Stelle der varieösen Anschwellungen umgebende periphere Schicht unter dem Ein- fluss von Methylenblau eine sehr schwache Färbung annimmt und nichts anderes darstellt als eine Interfibrillarsubstanz. Letztere lagert sich in überlebendem Nervengewebe als eine gleichmässig dünne Schicht an der Peripherie aller Nervenästchen und Fäden ab, während sie mit dem Eintritt der postmortalen Veränderungen wahrscheinlich ein wenig aufquillt und in abgesonderten Klümp- chen sich ansammelt, welche sich auf dem Verlaufe der genann- ten Aestchen vertheilen und ihnen ein charakteristisches Bild geben. Häufig erscheint ein oder das andere Aestchen auf eime ziemlich weite Strecke hin verdickt und dabei mit feinsten klei- nen Auszackungen besetzt, welche dem Anscheine nach nur aus Interfibrillarsubstanz bestehen. Erweiterungen verschiedener Art und Form, die sich an der Stelle der Theilung der Nervenästchen’ befinden, sowohl wie die varieösen Anschwellungen können bei unvollständiger Tinetion des Nervenapparates irgend eines Körperehens meiner Meinung nach als die oben beschriebenen Endanschwellungen erscheinen. Ausser dem Nervenendapparate befindet sich in dem Innen- kolben jedes Körperehens noch eine geringe Menge einer beson- deren, aller Wahrscheinlichkeit nach, halbflüssigen, feinkörnigen Substanz, welche alle freien Zwischenräume ausfüllt, die zwischen den Schlingen der Nervenfäden des Endapparats vorhanden sind. Unter dem Einfluss langdauernder Einwirkung des Methylen- blaus färbt sich die bezeichnete feinkörnige Substanz in den meisten Fällen mehr oder weniger intensiv blau, wobei die Fär- bung derselben, so viel ich beobachten konnte, zu der Zeit be- 598 A.S. Dogiel: einnt, wann die Nervenfäden des Endapparats bereits die Fähigkeit verloren haben, die Färbsubstanz in sich aufzunehmen; gleichzeitig mit der Färbung der kömigen Substanz des Innenkolbens färben sich auch viele Kerne der Hülle, und darauf schliesslich die letztere selbst, wodurch das ganze Körperchen in solchen Fällen blau tingirt erscheint. Anlangend die Nervenendigungen in den zusammengesetzten Genitalnervenkörperchen, in welchen der Innenkolben aus einigen mit einander in Verbindung stehenden Abtheilungen besteht, so geht gewöhnlich das eine oder das andere Nervenästchen aus einer Abtheilung des Kolbens in eine andere, benachbarte Ab- theilung über, in welcher sie in oben beschriebener Weise endigt, oder der Axeneylinder der Nervenfaser theilt sich vor seinem Eintritt in das Körpercehen in einige Aestchen, von welchen jedes in eine besondere Abtheilung des Innenkolbens des zusammenge- setzten Körperchens eindringt. Falls das zusammengesetzte Körperchen mehrere Nerven- fasern erhält, tritt gewöhnlich ein Axeneylinder einer der Fasern in jede Abtheilung des Innenkolbens, wo er sich verzweigt. Aber so viel ich beobachten konnte, — und es ist einerlei, ob nun jede der Abtheilungen des Innenkolbens ihre selbstständige Nerven- faser oder ein Aestehen empfängt, das aus der Theilung des Axeneylinders noch vor dessen Eintritt im das Körperchen ent- standen ist, — vereinigen sich überhaupt alle Nervenendapparate, die in den verschiedenen Abtheilungen abgelagert sind, stets mit einander durch mehr oder weniger dicke Nervenfäden, welche aus einer Abtheilung des Kolbens in die andere übergehen. Es kommt lange nicht immer vor, dass alle Nervenfäden, die sich im Innenkolben irgend eines Körperchens verzweigen, auch in demselben endigen: eimige (2—3) von ihnen dringen dureh die Hülle des betreffenden Körperchens ein und begeben sich zu einem anderen oder zu mehreren in der Nähe befindlichen Körperehen; nachdem sie in den Innenkolben dieser letzteren eingedrungen, zerfallen die bezeichneten Aestchen in abgesonderte Fäden, welche sich mit den Nervenästehen und Fäden des End- apparats des betreffenden Körperchens vereinigen. Auf solche Weise wird mit Hülfe der eben beschriebenen Aestchen eine ge- meinschaftliche Verbindung zwischen den nächsten und den von einander entfernten Körperchen hergestellt. Die Nervenendigungen in der Haut der äusseren Genitalorgane ete. 599 ei Berücksichtigung aller eben mitgetheilten Beobachtun- gen, welche auf möglichst genaue Untersuchungen einer zahl- reichen Menge von Präparaten begründet sind, meine ich, dass eine grosse Menge von Nervenästchenund Fäden, die aus der Theilung der Axeneylinder der Ner- venfasern im Innenkolben der Körperchen ent- standensind, sicehwindend undmit einander ver- fleehtend, schliesslichein sehr complieirtes und dabei geschlossenes System mit einander ver- bundener Nervenfäden bildet (Fig. A). Ein jedes solehes abgesondertes System, in welchem die Axeneylindereimer odeımehrezer Nervenswsern endeten, stehtwittelst”der obenmsbeschrreißenen anastomosirenden Fädeninunmittelbarer Verbin- dung mit anderen eben solehen Systemen — mit Endapparaten (s. umsteh. Fig. A). b) Die Nervenkörperchen (Endkolben — W. Krause) (Fig. 12—18). Ausser den Genitalnervenkörperehen liegen in der Haut der inneren Lamelle des Praeputium, Frenulum prae- putil, der Glans penis, so wie auch in der Haut der Fossa navi- eularis des Menschen noch besondere Nervenapparate, welche nach der Art der in ihnen endigenden Nerven, nach ihrer Lage u. s. w. am meisten Aehnlichkeit haben mit den von mir beschriebenen Körperehen im Gefässe enthaltenden Rande der Hornhaut und in der Bindehaut des Auges!). Sie liegen sehr oberflächlich — entweder im Gewebe der Wärzchen der Haut oder an deren Basis (Fig. I), fast unmittelbar unter dem Epithel, und zudem in ziemlich beträchtlicher Menge, so dass auf ein Iqmm annähernd 4—20 Körperchen zu liegen kommen; nur in seltenen Fällen findet man dieselben neben den senitalnervenkörperchen. Die Grösse der zu beschreibenden Endapparate ist im all- gemeinen eine viel geringere, als die der Genitalnervenkörperchen, während ihre Gestalt eine runde, birnförmige, eiförmige oder ovale zu sein pflegt. 1) Die Nervenendkörperchen (Endkolben, W. Krause) in der Cornea und Conjunetiva bulbi des Menschen. Archiv f. mikrosk. Ana- tomie, Bd. XXXVII, p. 602—619. 600 A.S. Dogiel: Zu dem Bestande dieser Körperchen gehört eine feine binde- gewebige Hülle, welche durch zwei, drei Häutehen — Kapseln — gebildet wird, zwischen denen grosse, runde oder ovale Kerne Fig. A. nenne Schema der Endigungen der sensiblen Nerven in der Haut der äusseren Geschlechts-Organe. a) Nervenfasern; b) Genitalnervenkörperchen; ce) Nervenendkörperchen (Endkolben, W. Krause); d) Meissner’sche Körperchen; e) Nerven- fäden, welche die Nervenendapparate verbinden; f) intraepitheliale Nervenfäden; g) intraepitheliales Nervennetz; h) Nervenfäden, welche mit knopfförmigen Verdickungen endigen. E) Epithelium; S) Cutis. liegen, die zu den abgeplatteten Zellen gehören. Die innerste Kapsel der Hülle des Körperchens begrenzt die Höhlung (den Innenkolben), wobei die zur Seite der letzteren gewendete Ober- fläche derselben, ähnlich wie es bei den Genitalnervenkörperchen Die Nervenendigungen in der Haut der äusseren Genitalorgane ete. 601 der Fall ist, mit einer Schicht abgeplatteter Zellen besetzt ist, deren Kerne mehr oder weniger weit in die Höhlung des Körper- chens hineinragen. In den allermeisten Fällen empfängt jedes Körperchen ein, zwei, und nur sehr selten drei markhaltige Nervenfasern (Fig. 12—18), oder aber eine markhaltige Nervenfaser theilt sich zuvor in einige (5—6 und mehr) lange oder kurze Aestchen, von denen die einen eine Markscheide besitzen, während andere in ihrem ganzen Verlauf derselben entbehren, wobei jedes Aestchen in ein abgesondertes Körperchen eindringt (Fig. 12—18). Oft theilt sich irgend ein beliebiges Aestehen abermals in zwei Aestchen, welche in zwei verschiedenen Körperchen endigen (Fig. 12). Die eben bezeichneten Nervenfasern und Aestchen, welche die Rich- tung nach den Körperchen nehmen, schlingen sich, so viel ich beobachten konnte, selten vor ihrem Eintritt in den Innenkolben um die Oberfläche des Körperchens, sondern begeben sich ge- wöhnlich direet zu beiden oder zu einem seiner Pole, wobei die Sehwann’sche Scheide der Nervenfasern mit der Hülle des Körperehens zusammenfliesst, während die Marksubstanz der- selben in einiger Entfernung von der Hülle des Körperchens ver- schwindet. Der Axeneylinder der Nervenfaser, nachdem er an die Hülle des Körperechens herangetreten, durchdringt dieselbe und theilt sich sogleich nach seinem Eimtritt in den Innenkolben in einige (2—53 und mehr) varieöse Aestehen; nur in verhältnissmässig sel- tenen Fällen findet diese Theilung des Axencylinders früher, in kurzer Entfernung vom Körperchen statt. Die besagten Aestchen beginnen sich bald darauf im der Höhlung des Körperchens auf solche Weise zu winden, dass jedes derselben nach verschiedenen Riehtungen hin eine Menge schlingenartiger Windungen macht, die sich mit einander und mit den von anderen Aestchen gebil- deten Windungen durehkreuzen, wobei sie unterwegs ihrerseits wiederum in einige feinere Aestchen zerfallen (Fig. 12—18). Die letzteren winden sich aufs neue, schlängeln und durchflechten sich mit einander in der allermannigfaltigsten Weise, theilen sich oft aufs neue in eine gewisse Anzahl in ähnlicher Art sich win- dender Fäden und endigen schliesslich als stumpf geschlossene Schlingen (Fig. 12—1B8). In Folge dieses eigenartigen Verlaufs der Nervenästchen Archiv £f. mikrosk. Anatomie. Bd, 41 39 602 4.8. Dosgiel: und Fäden im Innenkolben erhält der ganze Endapparat, wie aus Fig. 12—18 ersichtlich, das charakteristische Ansehen eines Knäuels, der aus auf verschiedene Weise über einander gewickel- ten Fäden besteht, welehe die ganze Höhlung des Kolbens aus- füllen. Bei allmählicher Aenderung der Focaldistanz beobachtet man an den Flächenpräparaten anfangs Schlingen, die an der Peripherie des Innenkolbens belegen sind, darauf eine Reihe Schlingen, welche tiefer liegen u. s. w., wobei in Folge dessen, dass die varieösen Aestehen und Fäden, welche Schlingen bilden, sich gewunden haben, man sie bei einer gewissen Focaldistanz im optischen Durchschnitt, als Endanschwellungen von verschie- dener Grösse und Form erblickt; aber man braucht nur die Focaldistanz zu ändern, um sich davon zu überzeugen, dass die besagten Anschwellungen in der That nur optische Durchsehnitte von Nervenfäden oder von varieösen Anschwellungen sind. Frei- lich, in dem Falle, wenn nicht alle Nervenfäden, welche den Endapparat bilden, mit Methylenblau gefärbt sind, scheinen einige von ihnen wirklich frei zu endigen, wie dieses auch bei den Genitalnervenkörperehen erwähnt wurde. Je grösser das Endkörperchen ist, desto mehr zusammen- gesetzt pflegt gewöhnlich der von den Nervenästchen und Fäden im Innenkolben gebildete Knäuel zu sein, d. h. die Nervenfäden sind während ihres sich schlängelnden Verlaufs häufigen Theilun- gen unterworfen und bilden eine grössere Anzahl von Schlingen (Fig. 13 und 14). In kleinen Körperchen theilt sich im Gegen- theil der Axeneylinder, nachdem er zuvor einige spiralförmige Windungen gemacht, oder sogar gleich nach seinem Eintritt in das Körperchen, in 2—3 Aestchen, welche sich mehr oder weni- eer winden und mit blinden Schlingen endigen (Fig. 12, 16, 17 und 18). Oft werden von den Nervenästehen feine und dicke, init grossen varieiösen Anschwellungen besetzte Seitenfäden ab- gesondert, welche zur Verbindung der nahe liegenden Aestehen dienen. Ausser allem Gesagten erregt an Flächenpräparaten und sogar an Schnitten mit möglichst vollständiger Färbung der Ner- ven eine interessante Thatsache die Aufmerksamkeit, nämlich, dass sich von den Endapparaten vieler Körperchen Nervenfäden verschiedener Dieke abtheilen, welche die Hülle durchdringen und aus dem betreffenden Körperchen austreten (Fig. 17 und 18B). Die Nervenendigungen in der Haut der äusseren Genitalorgane etc. 603 Das fernere Schieksal solcher Fäden, die sich auf den End- apparat emes und desselben Körperchens beziehen, pflegt ein verschiedenes zu sein: nachdem die einen von ihnen eine grössere oder kleinere Strecke weit verlaufen sind, treten siein den Innenkolben eines beliebigen benachbarten Kör- perchens’eineund’dienen entweder eaänzzur Bil- Kuna eines äbesonderen" Endapparatsw oder STe anastomosiren nur mitden Nervenfäden des letz- veren (PFie* ide und e, während andere” Faden häufig sich anfangs in einer gewissen Ausdeh- nung unter dem Epithel ausbreiten, darauf sich zuweilen dichotomisch theilen und dannin das Epithel eintreten, wo sie sich zwischen den Epi- twelzellen winden, um schliesslichindentieferen Schichten des Epithels mit grossen ovalen, coni- schen oder birnförmigen Anschwellungen frei zu endigen (Fig. 17b und ce; Fig. 18B). Vermittelst der letzteren steht der Nervenendapparat des Körperchens in einer gewissen Beziehung zu dem Epithel. Nach meinen neuesten Beobachtungen werden Nervenästehen ähnlicher Art, die frei zwischen den Epithelzellen endigen, auch von den im der Conjunetiva bulbi belegenen Nervenknäueln der Endkolben von W. Krause abgegeben und es ist sehr wahrschein- lich, dass dergleichen Aestchen auch in den Genitalnervenkörper- chen vorhanden sind, nur hält es wegen der tieferen Lagerung der letzteren in der Haut weit schwerer, sie zu verfolgen. Auf solche Weise besteht der Hauptunterschied zwischen den eben beschriebenen Nervenendapparaten und den Genital- nervenkörperchen darin, dass erstere mehr oberfläch- lieh, fast unmittelbar unter dem Epithel liegen, ferner darin, dass dieNervenästchen und Fäden, welche sich im Innenkolben verbreiten, in dem- selben eine Menge schlingenartiger Windungen machenundnicht ineine soüberausgrosse Anzahl sieh vielfältig theilender Fäden zerfallen, wie das bei den Genitalnervenkörperchen der Fall ist (Fig. A). Indessen kann man im allgemeinen sagen, dass ausser den oben aufgezählten keine anderen deutlich hervortre- tenden Unterscheidungs-Merkmale zwischen den Endkolben und 604 PS IE Reyrorıy zu R- den Genitalnervenkörperehen existiren; in Folge dessen kann man sie unter gewissen Bedingungen kaum, oder jedenfalls sehr schwer von einander unterscheiden. c) Die Meissner’schen Körperchen (Fig. 19) trifft man in der Haut der Innenlamelle des Praeputium, der Glans penis und der Clitoris in sehr beschränkter Anzahl an; sie liegen ge- wöhnlich sowohl in den grossen als auch in den kleinen Papillen und nehmen diese oft vollständig ein, so dass sich die Oberfläche des Körperchens fast unmittelbar an das die Papille umgebende Epithel anlegt. So viel ich beobachten konnte, trifft man die Meissner schen Körperchen häufiger in der Haut des Praepu- tium, Collum und der Corona glandis, als in der Glans penis; in der Haut der Fossa navicularis findet man sie überhaupt nicht. An Flächenpräparaten des Praeputium und der Glans penis, gleich wie auch an den Schnitten der Haut der Finger und Füsse des Menschen, hat man die Möglichkeit, die Nervenendi- gung in den Meissner’'schen Körperchen genau zu erforschen, wobei ich die Möglichkeit hatte, meine früheren Beobachtungen !) nochmals zu controliren und mich von ihrer Richtigkeit zu überzeugen. Bei Untersuchung der bezeichneten Präparate kann man, besonders bei vorausgegangener Färbung durch Methylenblau, eine ziemlich dicke Bindegewebshülle der Meissner 'schen Kör- perchen mit einer bedeutenden Menge in derselben abgelagerter Kerne von runder oder ovaler Form beobachten; ein grösserer Theil dieser Kerne gehört zu den platten Zellen der Bindege- webshülle des Körperchens, während der übrige Theil zu den Kernen der Schwann’schen Scheide der Nervenfasern in Be- ziehung steht, die sich oft an der Oberfläche des einen oder des anderen Körperehens winden. Gewöhnlich lagern sich einige Kerne quer und schräg, andere parallel zur Längsaxe ‚jedes Körperchens. Die innere Oberfläche der Hülle, welche zur Höhlung — zum Innenkolben — des Meissner'schen Körperchens gerichtet ist, ist nach meinen Beobachtungen mit ebensolehen platten Zellen 1) Die Nervenendigungen in Meissner’schen Tastkörperchen. Internat. Monatsschrift f. Anat. u. Phys. 1892, Bd. IX, H. 2. Die Nervenendigungen in der Haut der äusseren Genitalorgane etc. 605 besetzt, wie sie sich in der Hülle des Körperchens befinden, wo- bei die Kerne dieser Zellen sich dann und wann zugleich mit den Nervenästchen durch Methylenblau färben und in solchen Fällen sehr leicht für Termimalanschwellungen gehalten werden können. Jedes Körperchen empfängt je nach seiner Grösse ein, zwei und zuweilen auch drei Nervenfasern, welche grösstentheils in das Körperchen an dessen unterem Pol eindringen oder, in anderen Fällen macht die Nervenfaser um das Körperchen einige Windungen, durchdringt erst dann die Bindegewebshülle an irgend einer Stelle der Oberfläche des Körperchens in grösserer oder geringerer Entfernung von dessen unterem Pole und tritt darauf in den Innenkolben ein. Wenn das Körperchen aus einigen Läppehen besteht, so empfängt in solchen Fällen jedes Läppchen eine abgesonderte Nervenfaser oder ein, zwei Nervenfasern zerfallen zuvor an der Basis des Körperchens in eine gewisse Anzahl Aestehen, welehe sich zu den Läppehen begeben. Die Nervenfasern verlieren ihre Markscheide neben oder an der Oberfläche des Körperchens selbst oder häufig im beträcht- licher Entfernung von demselben. Nicht selten theilt sich irgend eine markhaltige Faser nahe bei dem Meissner ’'schen Körper- chen an der Stelle der Ranvier'schen Einschnürung in einige Aestchen, von denen die einen ihre Markscheide verlieren, wäh- rend andere dagegen dieselbe bis dieht zur Hülle des Körper- chens selbst bewahren. Nachdem der Axencylinder der Nervenfaser in das Innere des Meissner’schen Körperchens eingetreten, wie dieses von mir bereits des genaueren beschrieben worden ist, verläuft er, indem er sich an den Axentheil oder an die Peripherie des Innenkol- bens hält, mit einer kleinen Windung zu dem entgegengesetzten Pol des Körperchens, wobei er unterwegs Seitenästehen von ver- schiedener Länge und Dicke aussendet und schliesslich selbst in einige Aestchen zerfällt (Fig. 19). Alle Aestehen, welche durch allmähliche Theilung des Axeneylinders entstanden sind, zerfallen ihrerseits bald wiederum in feinere Aestehen und Fäden, welche sich wellenartig krümmen und im Innenkolben eine gewisse An- zahl fast kreisförmiger Windungen bilden, die sich bald an der Peripherie, bald in den tieferen Theilen der Höhlung des Körper- chens lagern und sich zugleich mit anderen, auf ähnliche Weise 606 A. S. Dogiel: gsewundenen Aestchen kreuzen (Fig. 19). Die soeben beschrie- benen Aestchen vereinigen sich mit einander und endigen schliess- lich mit Schlingen, wobei die von ihnen gebildeten Windungen quer, und ein wenig schräg zur Längsaxe des Körperchens liegen und sich nur zuweilen an der Spitze desselben mehr oder weni- ger parallel zur bezeichneten Axe lagern (Fig. 19); in den zu- sammengesetzten Körperchen können die Windungen jedes Läpp- chens quer, schräg oder parallel zur gemeinschaftlichen Längsaxe des betreffenden Körperchens gerichtet sein. Gewöhnlich pflegen die Nervenästchen und Fäden, welche den Endapparat bilden, mehr oder weniger abgeplattet und mit varieösen Anschwellungen von verschiedener Grösse und Form besetzt zu sein, welche bei einer gewissen Focaldistanz oder in Folge nicht vollständiger Tinetion eines oder des anderen Aestchens, wie es mir scheint, Anlass geben können, die Existenz freier Endigungen in der Art von Terminal-Anschwellungen anzunehmen. Die kleinen Zwischenräume, welche im Innenkolben der Körperchen von den Nervenfäden des Endapparats nicht einge- nommen werden, sind mit einer leicht körnigen Substanz ange- füllt, die sich gleich wie die Kerne der Hülle nur nach langan- dauernder Einwirkung des Farbstoffes (des Methylenblau) färben, wobei das ganze Körperehen in solchen Fällen eine mehr oder weniger intensiv blaue Färbung annimmt. Die Anwesenheit irgend welcher Zellen im Innenkolben, abgesehen von der oben beschrie- benen körnigen Substanz, konnte ich nicht eonstatiren. Wenn wir die Beschreibung der Nervenendigungen in den verschiedenen Nervenapparaten — den Genitalnervenkörperchen, den Endkolben und den Meissner’schen Körperehen —, welche in der Haut der äusseren Genitalorgane belegen sind, vergleichen und zugleich die beigegebenen Zeichnungen betrachten, so müssen wir zu dem Schluss kommen, dass zwischen ihnen kein wesent- licher Unterschied besteht: in allen aufgeführten Appa- raten treten die Axenceylinder der markhaltigen NervenfasernindieHöhlung— denInnenkolben— des betreffenden Körperchens ein, zerfallen in derselben in eine gewisse Anzahl varicöser Aest- chen und Fäden, welche während ihres Verlaufs Die Nervenendigungen in der Haut der äusseren Genitalorgane ete. 607 sieh winden, eine Menge spiralartiger Krümmun- sen machen, sich vwielfältug-thie Hlen,„vereininen,, durehkreuzen und in EN Weise mit einander verflechte und schliesslich ein ganzes System von mit Fr, verbundenen Schlingen oder ein sehr verwickeltesund dichtes Nervennetz bilden. Der ganze Unterschied, der Zw ls ch en. den, Körpres;chensderiver sche Rh Ty- pen. existirtg) beschvänktisichy nun auiıdıiesver; schiedene Form, Grösseund' La,Se.dewselben, in der Haut und beruht hauptsächlich auf der An- zahl und‘ Vertheilung. der, Nervenästchen,swel- ahesdurch,.diesallmähliche,TheilungzderzAxen; eylinder in der Höhlung — dem Innenkolben — desKörperehens entstanden sind. In dieser letz- teren. Beziehung nehmen, meiner Ansichtsmach, die Genitalnervwenkörperchen.die ersteistelle,ein und wir müssen siezu den am meisten zusammen- gesetzten Endapparaten rechnen, darauf folgen die Meissner schen Körperchen und endlich muss mandenEndkolben, namentlichaberdenkleinen, bei welchen der Nervenendapparat aus einem oder ausmehrerenspiralartiggewundenenFäden beisteht,Ikdierletziersrellejeinränmen Schliesslich haben fast alle Terminal-Kör- per chen: ‘das; mit,einander gemein,/dass; von/dem NervenapparatederKörperche a een: sieh einegewisseAnzahlNervenfäden absondert, von welchen die einen in das Epithel NN undmit knopfförmigen Anschwellungen endigen, während die anderen Fäden zur gemeinschaft- lichen Verbindung der Endapparate des. betref- fenden Typus von Körperchen dienen. Das dem Text beigefügte Schema (Fig. A) giebt ein Bild von den Endigungen der sensiblen Nerven in der Haut der äusseren Geschlechtsorgane. Die Nervenendigungen im Epithel (Fig. 20). Die Nervenstämmehen von verschiedener Dicke, welche, wie wir vorhin gesehen haben, in der tiefen, lockeren Schicht der Haut 608 A.S. Dogiel: liegen, bestehen aus markhaltigen und aus marklosen Fasern, wobei eine bedeutende Anzahl der ersteren in den oben beschrie- benen Endapparaten endigt, während die übrigen markhaltigen Fasern, nachdem sie sich von den Nervenstämmchen abgesondert haben, schräg oder senkrecht zum Epithel hin verlaufen und, nach Verlust ihrer Markscheide, in abgesonderte Aestchen zer- fallen. Die letzteren breiten sich anfangs auf einer geringen Strecke unter dem Epithel aus, biegen darauf nach oben hin um und dringen fast in verticaler Richtung in das Epithel ein (Fig. 20). Alle soeben bezeichneten intraepithelialen Aestehen krümmen sich, wie dieses an Schnitten und Flächenpräparaten ersichtlich ist, mehr oder weniger zwischen den Epithelzellen, wobei sie unterwegs nach verschiedenen Richtungen feine Seiten- ästechen aussenden, um schliesslich, nachdem sie die oberfläch- liehen Schiehten des Epithels erreicht haben, strahlenförmig in eine grössere oder kleinere Anzahl sehr feiner Aestehen und varieöser Fäden zu zerfallen. Die einen der oben bezeichneten Aestchen und Fäden winden sich auf verschiedene Weise zwi- schen den Epithelzellen, zerfallen beständig in eine Menge feiner varicöser Fäden und bilden, nachdem sie sich mit anderen ähn- lichen Fäden veremigt haben, ein feinmaschiges Nervennetz (Fig. 20); andere Aestchen verlaufen gleich den ersteren zuerst sich windend zwischen den Epithelzellen und endigen darauf in verschiedener Entfernung von der freien Oberfläche der Epithel- decke mit knopfförmigen Anschwellungen (Fig. 20b). Die marklosen Nervenfasern (Fig. 21, 22, 23 liegen zusammen mit den markhaltigen Fasern entweder, wie oben gesagt, in den Nervenstämmchen, oder sie bilden abgeson- derte mehr oder weniger dieke Stämmehen. Die ersteren sondern sich bald von den markhaltigen Fasern ab und bilden, indem sie sich mit den ausschliesslich aus marklosen Fasern bestehenden Stämmcehen verflochten haben, in der tiefen, lockeren Schicht der Haut ein feinmaschiges Geflecht. Von diesem Geflecht gehen Aestchen zweifacher Art aus: die einen verlaufen zu den Blut- gefässen, die anderen treten in die obere, mehr compacte Schicht der Haut ein und bilden im derselben, indem sie allmählich in feine Aestehen und Fäden zerfallen, ein dichtes Geflecht (Fig. 21). Die Schlingen dieses Geflechts haben eine unregel- mässige, vieleckige Form, wobei einige von ihnen unmittelbar Die Nervenendigungen in der Haut der äusseren Genitalorgane etc. 609 unter dem Epithel liegen und an Flächenpräparaten in derselben Focaldistanz sehr deutlich hervortreten (Fig. 21), bei welcher auch die Epithelzellen der allertiefsten Schieht — der Keim- schieht — genau wahrnehmbar sind. Gewöhnlich entstehen an denselben Stellen des Geflechts, wo einige, Schlingen bildende Aestechen zusammentreffen, knotige Verdickungen, in welchen grosse ovale Kerne liegen (Fig. 21 und 22); in Folge dessen er- hält das ganze Geflecht ein besonderes, charakteristisches An- sehen. Aehnliche Kerne trifft man auch im Verlaufe der einzelnen Nervenästchen. Von den Schlingen des unterepithelialen Geflechts, welches durch die marklosen Fasern gebildet wird, ‚sondern sich, soviel ich beobachten konnte, feine, in die Tiefe des Epithels gehende Aestchen ab und zerfallen in ihm im eime Menge feiner Nervenfäden; die letzteren betheiligen sich zusammen mit den Fäden, die aus der Theilung der markhaltigen Fasern entstanden sind, aller Wahrscheinlichkeit nach, an der Bildung des intra- epithelialen Nervennetzes. Was diejenigen Nervenästchen anbe- trifft, welche, wie oben gesagt, zu den Blutgefässen hin ver- laufen, so umspinnen sie die bindegewebige Haut der Arterien (Fig. 23) und Venen als ein dichtes Nervengeflecht!). Von die- sem Geflecht geht wiederum eine gewisse Anzahl sehr feiner Aestehen und varieöser Fäden aus, welche in der Muskelhaut der Gefässe in Form eines Nervenendnetzes endigen. Alles von mir in Bezug auf die Nervenendigungen in der Haut der äusseren Genitalorgane des Menschen Gesagte bezieht sich in gleicher Weise auch auf die Haut des Praeputium und der Glans penis weisser Mäuse, Ratten und Albino-Kaninchen, wie dieses meine späteren Beobachtungen dargethan haben. 1) An der Bildung dieses Geflechts nehmen auch einige mark- haltige Nervenfasern Antheil. 610 A. Do giiele Literatur, 1. L. Fick, Lehrbuch der Anatomie des Menschen. Leipzig. 1845. 2. Kölliker, Mikrosk. Anatomie. II. 2. 1854. 3 W. Krause, Ueber die Nervenendigungen. Zeitschr. f. rationelle Mediein. Bd. V. 1858. — —, Die terminalen Körperchen der einfach sensiblen Nerven. 1860. 4. Kölliker, Gewebelehre. 4. Aufl. 1863. 5. Dr. Polle, Die Nerven-Verbreitung in den weibl. Genitalien. 1865. 6. Tomsa, Ueber den peripherischen Verlauf und Endigung des Axenevlinders in der Haut der Glans penis. Sitzungsber. der kK.K. Akad. d. W. Bd. 51. 1865. W. Krause, Ueber die Nervenendigung in der Clitoris. Göttinger Nachrichten. 21. April 1866. — —, Ueber die Nervenendigung in den Geschlechtsorganen. Zeit- schrift f. rat. Mediein. Bd. NXVII. 1866. 8. W. Finger, Ueber die Endigungen der Wollustnerven. Zeitschr. rat. Medicin. Bd. XXVIIT. 1866. 9. Bense, Zeitschr. f. rat. Medicin. 3. Reihe. Bd. XXXIII. 1868. 10. Axel Key und G. Retzius, Studien in der Anatomie des Nerven- systems und des Bindegewebes. Bd. Il. Stockholm. 1876. ll. Izquierdo, Beiträge zur Kenntniss der Endigung der sensiblen Nerven. Strassburg. 1879. 12. Fr. Merkel, Ueber die Endigung der sensiblen Nerven in der Haut der Wirbelthiere. Rostock. 1830. 13. W. Krause, Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. XIX. 1881. 14. H. Aronson, Beiträge zur Kenntniss der centralen und peripheren Nervenendigungen. Inaug.-Diss. Berlin. 1886. 15. G. Schwalbe, Lehrbuch der Anatomie der Sinnesorgane. Erlan- sen. 1887. 16. Kölliker, Handbuch der Gewebelehre. 6. Aufl. 1889. 17. G. Retzius, Ueber die Endigungsweise des Nerven in den Geni- talnervenkörperchen des Kaninchens. Internat. Monatsschrift für Ba und Physiologie. Bd. VII. 1890. 18. P. Schiefferdecker und A. Kossel. Gewebelehre. Bd. II. 1891. -1 Erklärung der Abbildungen auf Tafel XXXII u. XXXIII. Alle Zeichnungen sind mit einer Camera-lucida von Oberhäuser von Präparaten aufgenommen, welche durch Methylenblau gefärbt und Die Nervenendigungen in der Haut der äusseren Genitalorgane ete. 611 mittelst einer Ammoniumpikratlösung oder einer Mischung derselben mit Osmiumsäure fixirt waren. Rie..T: Querschnitt der Haut der Glans penis des Menschen. a) Epithel; b) Cutis; ce) Nervenstämmcehen; d) Genitalnervenkörperchen; e) Endkolben. Reichert's Obj. 4. Fig. 2u. 3. Genitalnervenkörperchen aus der Glans penis des Menschen. a) Hülle eines Nervenstämmchens; b) Hülle eines Körperchens mit in derselben abgelagerten Kernen platter Zellen; ec) Axen- eylinder von Nervenfasern, welche sich im Innenkolben des Körperchens verzweigen. Reichert's Obj. Sa u. 6 (Fig. 3). Fig. 4A u. B. Genitalnervenkörperchen aus der Glans penis des Men- schen mit an der Oberfläche derselben sich schlängelnden markhaltigen Nervenfasern. Die Nervenfasern, deren Axen- eylinder rosa-violett (an der Stelle der Ranvier’schen Ein- schnürungen dunkel-violett) dargestellt sind, haben sich auf der dem Beobachter zugewendeten Seite des Körperchens aus- gebreitet. a) Hülle; b) markhaltige Nervenfasern; c) mark- haltige Faser, deren Axeneylinder sich im Innenkolben des Genitalnervenkörperchens verzweigt; d) zwei feine Aestchen, welche sich vom Axencylinder an der Stelle der Ranvier - schen Einschnürung absondern und in einem kleinen Körper- chen endigen. Reicherts Obj. 6. Fig. 5—8. Genitalnervenkörperchen verschiedener Form aus der Glans penis des Menschen. a) Markhaltige Nervenfasern; b) Hülle. Fig. 5 u. 6 sind bei einem Obj. 8a gezeichnet, die übrigen bei Reichert's Obj. 6. ni . .. » . ” . Fig. 10—11. Genitalnervenkörperchen aus dem Praeputium einer weis- sen Ratte. a) Markhaltige Nervenfasern; b) anastomosirende Nervenfäden; ce) Hülle. Fig. 10 ist bei Obj. 4 und Fig. 11 bei Obj. 6 Reichert's gezeichnet. Nervenendkörperchen (Endkolben) aus der Glans penis des Menschen. a) Markloses Nervenästchen, das aus der Theilung des Axencylinders einer markhaltigen Faser entstanden ist. Reichert’s Obj. Sa. Fig. 13—16. Nervenendkörperchen (Endkolben) aus dem Praeputium Fig. 17. (Fig. 13) und der Glans penis des Menschen. a) Markhaltige Nervenfasern. Fig. 13—14 bei Obj. 6 abgezeichnet, die übri- gen bei Reichert’s Obj. 8a. Endkolben aus der Fossa navicularis des Menschen. a) Mark- haltige Nervenfaser, deren Axeneylinder in der Höhlung des Körperchens einen ‚Nervenknäuel bildet. Aus dem Nerven- knäuel gehen 4 Aestchen aus (b, ec, d und e), wobei zwei (b und e) zwischen den Epithelzellen mit knopfförmigen Ver- diekungen endigen, die zwei anderen (d und e) dagegen ganz zur Bildung eines neuen Nervenknäuels verwendet werden, f) Epithel. Reichert's Ob). 8a, 612 A. S. Dogiel: Die Nervenendigungen in der Haut ete. Fig. 15A u. B. Endkolben aus der Glans penis einer weissen Maus. A) a) Markloses Aestchen, das einen einfachen Nervenknäuel bildet. B) b) Markhaltige Nervenfasern, deren Axencylinder mit einem Nervenknäuel endigen. Aus dem Knäuel geht ein feines Nervenfädchen aus, das zwischen den Epithelzellen en- digt. Querschnitt. Reichert’s Obj. 8a. Fig. 19. Ein Meissner’sches Körperchen aus dem Praeputium des Menschen. a) Markhaltige Nervenfaser. Reichert’s Obj. Sa. Fig. 20. a) Nervenästchen, welches durch Theilung des Axeneylinders einer markhaltigen Faser entstanden ist und zwischen den Epithelzellen des Praeputium eines Kaninchens endigt; b) ein Endknöpfchen. Flächenpräparat. Reichert's Obj. 6. Fig. 21. Ein aus marklosen Fasern bestehendes Nervengeflecht der Haut der Glans penis des Menschen. a) Nervenstämmchen, von welchen die das Geflecht bildenden Aestchen (b) ausgehen; c) Epithel. Flächenpräparat. Reichert's Obj. 4, halbherausge- zogener Tubus. Fig. 22. Nervenästchen, an deren Vereinigungsstelle sich eine knotige Verdickung mit einem Kern bildet. Glans penis des Menschen. Reichert's Obj. 8a. Fig. 23. Nervengeflecht um eine kleine Arterie, deren Wand ungefärbt blieb. Praeputium eines Kaninchens. Reichert’s Obj. 6. ie. 24. Einige Aestchen eines Nervenendapparates. a) Centralfäden und die denselben umgebende Schicht (b) der Interfibrillar- substanz. Das Präparat bei Reichert's Obj. 6 abgezeichnet und die Zeichnung darauf um das Doppelte vergrössert. Neuroglia der Retina des Menschen. Von A. S. Dogiel, Professor der Histologie an der Universität zu Tomsk (Sibirien). Dritte Mittheilung!). Hierzu Tafel XXXIV. Zur Untersuchung der Neuroglia der Retina des Menschen bediente ich mich ausschliesslich der Färbungsmethode von M. 1) Of. Archiv f, mikrosk. Anatomie Bd. XXXVIIl und XL. Neuroglia der Retina des Menschen. 613 Wolters!) und des durch Ramön y Cajal veränderten Golgi’- schen Verfahrens, wobei das letztere gewöhnlich die allerbesten Resultate ergab. Von den drei von Wolters zur Färbung der Marksubstanz und der Axeneylinder sowie auch der Nervenelemente und der Müller’sehen Fasern der Retina durch Hämatoxylin in Vorschlag gebrachten Methoden erweist sich, nach meinen Beobachtungen, die zweite als die beste. Nach dieser Methode wurde die Fär- bung der Retina auf folgende Weise zu Stande gebracht: die Retina wurde zunächst in der Müller’schen Flüssigkeit gehärtet, sodann durch einen beständigen Wasserstrom sorgfältig ausge- waschen, nochmals in 95°/, Spiritus gehärtet, in Celloidin ein- geschlossen und schliesslich .zur Anfertigung der Schnitte ver- mittelst eines Mikrotoms verwendet. Die letzteren wurden 24 Stunden lang in 8°/, Lösung von Aluminium aceticum liquidum oder, nach Wolters Angabe, in einem Gemisch von zwei Theilen Vanadium cehlor. (10°, Lösung) und acht Theilen (8°/, Lösung) von Aluminium aceticum liquidum gelegt. Nach 24 Stunden wurden die Präparate in Wasser leicht abgespült und in eine 2°/, Kultscehitzky’sche Hämatoxylinlösung gelegt, in welcher sie 24 Stunden lang bei einer Temperatur von 38° C. verblieben, wonach man sie durch Weigert's Differenzirungsflüssigkeit ent- färbte. Bei der Entfärbung der Präparate muss man sehr vorsichtig zu Werke gehen und sie beständig unter dem Mikroskop bei schwachen Objeetiven verfolgen, da etwa zu langdauernde Ein- wirkung der Differenzirungsflüssigkeit zu einer fast vollständigen Entfärbung des Präparats führt und letzteres dann eine mehr oder weniger gleichmässig bräunliche Färbung annimmt. An den nach der Methode von Wolters gefärbten Präpa- raten erscheinen die Kerne aller Zellelemente der Retina dunkel- braun oder schwarz, während die Zellkörper, wie auch ihre Fort- sätze eine hellbraune Farbe annehmen. Die Aussenglieder der Stäbehen und Zapfen, die Stäbchen- und Zapfen-Ellipsoide und Füsschen mit ihren kegelförmigen Anschwellungen färben sich gleich den Kernen dunkelbraun oder schwarz (mit einer Nüance linderfärbung mittelst Hämatoxylin. Zeitschr. f. wissenschaftl. Mikrosk. Bd. VII, H. 4, 1891. 614 A.'8. Dogiel: Gewöhnlich kann man an einem und demselben Präparate leicht bemerken, dass nicht alle Kerne der Stäbehen und Zapfen, wie auch der Nervenzellen aller drei (der äusseren, mittleren und inneren) gangliösen Schichten der Retina gleichmässig intensiv gefärbt werden: meistentheils werden einige von ihnen stark ge- färbt und erscheinen fast schwarz, während andere im Gegentheil viel schwächer gefärbt werden und das Aussehen von mehr oder weniger hellbraunen Gebilden haben. Diese Ungleichmässigkeit in der Färbung der Kerne der Stäbehen und Zapfen, wie auch der Nervenzellen der Retina kann nicht als Grund einer Ver- schiedenheit im Bau oder in der Funetion derselben angesehen werden, sondern hängt, aller Wahrscheinlichkeit nach, von an- deren Bedingungen ‘ab, wie Dieke der Schnitte, Einwirkungsdauer der Differenzirungsflüssigkeit u. s. w. Zu Gunsten einer solchen Annahme spricht auch die Thatsache, dass z. B. unter den Kernen der Stäbehen einige stark, andere dagegen schwach gefärbt er- scheinen. Dasselbe lässt sich von den Zellkernen einer oder der anderen der gangliösen Schichten der Retina behaupten. Was nun die Neuroglia der Retina anbelangt, so nehmen die Müller’schen Fasern, nach der Wolters’schen Methode tingirt, eine fast schwarze Farbe an, wobei man an solehen Prä- paraten sehr deutlich wahrnehmen kann, wie sie in senkrechter oder schräger Riehtung und zuweilen sogar bogenförmig gekrümmt fast die ganze Dicke der Retina bis an die äussere retieuläre Schicht durehdringen (Fig. 1); in selteneren Fällen kann man ihren Gang auf einer kurzen Strecke nach aussen von der ange- gebenen Schicht verfolgen, der weitere Verlauf der Fasern in der Neuroepithelschicht entzieht sich jedoch an nach Wolters’- scher Methode gefärbten Präparaten der Beobachtung. Die Kerne der Müller’schen Fasern färben sich gewöhnlich hell- oder dunkel- braun. Die Membrana lim. externa tritt sehr deutlich in Art einer schwarzen Linie hervor (Fig. 1 u. 2) und bildet die Grenze zwischen der Körnerschieht der Stäbchen und Zapfen und jenem verdiekten Theil ihrer Innenglieder, in welchen die Ellipsoide (Fadenapparat von M. Schultze) eingelagert sind. Anlangend das Verhalten der Müller’schen Fasern zu der äusseren und inneren Retieulärschicht, so wie auch zu allen übrigen Zellelementen der Retina, so giebt das Wolters’sche Verfahren in dieser Hinsicht keine positiven Resultate: die dünnen Fäden, Neuroglia der Retina des Menschen. 615 aus denen beide Retieulärschiehten bestehen, erhalten eine schwach bräunliche oder schwarze Färbung, ihre Verbindung jedoch mit den Müller'schen Fasern lässt sich nieht eonstatiren. Im Gebiet der Macula lutea, wie auch in denjenigen Theilen der Retina, welche um die Papilla n. optiei belegen sind, verbleibt, wie be- kannt, in der Zellsehicht des Neuroepithels, zwischen der Körner- sehieht des letzteren und der äusseren Retieulärschieht, ein ziem- lich beträchtlicher Zwischenraum, der nur von den Füsschen der Neuroepithelzellen eingenommen wird; Henle nannte diese Schicht „äussere Faserschicht“. An den nach Wolters Methode gefärbten Präparaten kann man wahrnehmen, dass in der genannten Schicht sich ebenfalls einige Reihen Kerne eingelagert haben, welche ihrer Form, Grösse und Färbung nach von den Kernen des Neuroepithels deutlich unterschieden sind: sie haben eine ovale oder eiförmige Gestalt, scheinen mehr oder weniger abgeplattet zu sein und enthalten ein oder zwei kleine Kernkörperchen (Fig. 2e); ihre Grösse übertrifft die der Stäbehen- und Zapfen- kerne um das 3—4fache, wobei sie stets hellbraun gefärbt er- scheinen, während die Kerme der Stäbchen und Zapfen eine dunkelbraune oder schwarze Färbung erlangen. Die Schicht der soeben beschriebenen Kerne tritt besonders deutlich im Gebiet der Macula lutea auf. Wenn man die in der Müller’schen Flüssigkeit gehärteten Retina-Sehnitte mit Pikrocarmin oder Hämatoxylin färbt, so kann man wahrnehmen, dass die beschriebenen Kerne eine sehr schwache hellrosa oder hellblaue Färbung annehmen, und dieses auch erst nach langdauernder Einwirkung der Färbmittel; wahrscheimlich aus diesem Grunde hat man sie auch, so viel mir bekannt, bis jetzt nieht wahrnehmen können. In der Maeula lutea haben die bezeichneten Kerme eine etwas geneigte Lage, d. h. ihr Längs- durchmesser ist von der Fovea centralis nach der Macula lutea gerichtet; sie gehören, wie weiter unten erklärt werden wird, zu jenem Theil der Müller’schen Fasern, welcher in der äus- seren Faserschicht Henle’s eingelagert ist und zur Stütze der Zapfenfüsschen (Zapfenfasern) dient. Aus der soeben angeführten Beschreibung ist ersichtlich, dass die Färbmethode Wolters’, wenn man sie bei der Retina anwendet, sowohl hinsichtlich der Färbung der Nervenelemente, als auch hinsichtlich der Neuroglia der Retina keine ganz zu- 616 A.S, Dogiel: friedenstellenden Resultate ergiebt: dieses Verfahren kann nur zur Demonstration der Stäbehen und Zapfen dienen, der Membrana limitans externa, und zum Theil auch der Müller’'schen Fasern in ihrer ganzen Ausdehnung von der äusseren Retieulärschicht bis zu den kegelförmigen Erweiterungen, mit denen sie endigen. Wie die ersten Beobachtungen S. Ramön y Cajal's?) gezeigt haben, muss man die Golgi'sche Methode für eine der besten zur Herstellung einer Neuroglia der Retina halten, und ich habe dieses Verfahren bei meinen Untersuchungen vorzugsweise zur Anwendung gebracht. Wenn man die Retina nach der Gol- &ischen Methode behandelt, so kann man unter gewissen Be- dingungen eine ganz besonders vollständige Färbung der Neu- roglia erhalten, während alle übrigen Elemente (Stäbchen und Zapfen, wie auch die Nervenzellen) ganz ungefärbt bleiben oder nur an begrenzten Theilen der Retina, und das auch nieht durch- weg, gefärbt erscheinen. Gewöhnlich verwandte ich zur Färbung nur möglichst frische Augen (!/,—!/, Stunde nach dem Tode) und schnitt zusammen mit anderen Augenhäuten kleine, 1—1'/, em grosse Stückchen der Retina heraus, wobei meistentheils ein Theil des Sehnervs damit verbunden blieb. Die bezeichneten Stückchen wurden in eine Osmium-Biechromat-Mischung (4 Th. 3,5°/,-Kaliumbichromat und 1 Th. 1°/,-Osmiumsäure) gelegt, wo sie 3—4 Tage verblie- ben, wobei die Selera und die Chorioidea am zweiten Tage sorgfältig von der Retina abgelöst und fast dieht an der Ein- trittsstelle des Sehnervs abgeschnitten wurden. Nach Ablauf der angegebenen Zeit wurde das Präparat zuerst sorgfältig in einer 0,25°/, Silbernitratlösung abgespült und sodann auf 2—3 Tage in eine 0,75°/, Silbernitratlösung gelegt. In einigen Fällen wurde nach Angabe von Ramön y Cajal, Gehuchten und M. Lenhossek zur Verhütung des Niederschlages zu der Silber- nitratlösung eine geringe Menge Ameisensäure (auf 200 cem ein Tropfen) hinzugefügt. Aus dieser Silberlösung ward das Präparat sodann auf !/;—1 Stunde in Alkohol und darauf auf eine eben- 1)S. Ramön y Cajal, Estruetura de la retina de los reptiles y batracios. Barcelona. 1891. — Derselbe, Notas preventivas sobre la retina y gran simpatico de los mamiferos. Gaceta Sanitaria del 10 de diciembre. Barcelona. 1891. Neuroglia der Retina des Menschen. 617 solange Zeitdauer m Celloidin gelegt und schliesslich an den Pfropfen angeklebt, wobei «las Präparat zur Erhärtung des Cel- loidins auf 1/),—®/, Stunde in 80°, Spiritus gestellt wurde. Die Sehnitte wurden mit dem Mikrotom gefertigt, durch Alkohol ent- wässert, durch Bergamottöl aufgehellt, in Xylol ausgewaschen und schliesslich mit Damarlack überzogen. Die Müller’schen Fasern durchdringen, wie dieses an den nach der Golgischen Methode behandelten Präparaten sichtbar ist, die ganze Dicke der Retina bis dieht an die Membrana lim. externa und bilden den Stützapparat für die Zellen des Neuro- epithels und für alle Nervenelemente der Retina ohne Ausnahme. Sie beginnen an der inneren Oberfläche der Retina mit kegel- förmigen oder trompetenartigen Verdiekungen (Fig. 3, 4 u. 5), deren Ränder einander anliegen und auf den Schnitten den be- kannten Anblick einer doppelt eontourirten Linie — der Mem- brana lim. interna — gewähren. Beim Hindurchdringen in senk- rechter Richtung durch die Nervenfaserschicht entsendet jede Müller’sche Faser nach verschiedenen Richtungen hin Seiten- abzweige nach Art von Fäserchen und Plättehen, welche sich mit einander verbinden und eine ganze Reihe von Scheidewänden bilden, die die Faserbündel des Sehnerven von einander trennen (Fig. 3 u. 5). Im der inneren gangliösen Sehieht sind die Müller’sche Fasern abgeplattet und entsenden seitwärts eine gewisse Anzahl feiner, in Art von Nischen eingedrückter Plätt- chen, welche die Körper der Ganglienzellen umgeben (Fig. 3, 4 u. 5). Die bezeichneten Nischen haben eine verschiedene Grösse, je nach der Grösse der in denselben enthaltenen Zellen, und im Gebiet der Macula lutea, wo die innere gangliöse Schicht aus einigen Reihen von Zellelementen besteht, erstrecken sie sich in einigen Etagen über einander (Fig. 4 u. 5). Nachdem die zu beschreibenden Fasern die innere Retieulärschicht erreicht haben, durehdringen sie die letztere in senkrechter oder schräger Richtung, wobei sie unterwegs eine Menge feiner Fäden aussenden, welche sich winden, vereinigen, in verschiedenster Weise mit einander verflechten und schliesslich ein sehr engmaschiges Netz, das Re- tieulum, bilden (Fig. 3, 4 u. 5); alle Zwischenräume dieses letz- teren Netzes sind von Fortsätzen verschiedener Nervenzellen be- setzt, welehe nur durch die genannte Schicht hindurchgehen oder in derselben endigen. Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd, 41 40 618 A.S. Dogiel: Auf solche Weise durchdringen die Müller'schen Fasern nicht nur die innere Retieulärschicht, wie dieses früher Retzius!), Schwalbe?), ieh?) und Andere annahmen, sondern sie nehmen auch selbst einen unmittelbaren und ausschliesslichen Antheil an der Bildung der genannten Schicht. Was den weiteren Verlauf der Müller’schen Fasern anbe- trifft, so gehen sie in der mittleren und in der äusseren gang- liösen Schicht der Retina, gleich wie auch in der inneren gang- liösen Schicht, in eine ganze Reihe feiner Plättchen über, welche Aehnliehkeit mit Zellen der Honigscheiben haben (Fig. 3 u. 5). Diese Plättchen umgeben alle Nervenelemente der oben bezeich- neten Schichten. Gewöhnlich ist an irgend einer Stelle jenes diekeren Theils der Faser, von welchem die bezeichneten Plätt- chen entsendet werden, ein ziemlich grosser, runder oder ovaler Kern eingelagert (Fig. 3d und Fig. 5e), welcher sich bald an der äusseren Oberfläche der inneren Retieulärschicht anlegt, bald näher zur äusseren Retieulärschieht herantritt. In dieser letzteren Schicht verhalten sich die Müller’schen Fasern ebenso wie zur inneren Retieulärschicht, d. h. beim Hindurehdringen durch die- selbe entsenden sie nach allen Richtungen bin eine gewisse An- zahl von feinen Fäden, durch deren Vereinigung und Verflech- tung ein diehtes Netz entsteht (Fig. 3, 4 u. 5). Schliesslich bildet jede einzeme der Müller'schen Fasern in der Neuro- epithelschicht auf's Neue ein System von Plättehen, welche von allen Seiten die Füsschen der Stäbchen und Zapfen und jenen ganzen Theil ihres inneren Gliedes umgeben, der nach innen von der Membrana lim. externa belegen ist (Fig.5). Die freien Rän- der der Plättehen der alleräussersten Reihe, welche schalenartig die inneren Glieder der Zellen des Neuroepithels umfassen, bilden auf den Schnitten der Retina eime deutlich conturirte Linie, welehe unter dem Namen Membrana lim. externa bekannt ist (Fig. 1-5 mle). Von den freien Rändern der genannten Plätt- chen geht eine Menge feiner, kurzer Fäden in Art von kleinen Nadeln (Fig. 3—5) aus, welche eine kurze Strecke weit einen 1) G. Retzius, Biologische Untersuchungen. I. 1881. 2) G. Schwalbe, Lehrbuch der Anatomie der Sinnesorgane. Erlangen. 1887. 3) A. Dogiel, Die Retina der Ganoiden. Arch. für mikrosk. Anatomie. Bd. XXII. 1883. Neuroglia der Retina des Menschen. 619 Theil der inneren Glieder der Stäbehen und Zapfen umgeben, der sich nach aussen von der Membrana lim. externa anlagert; mit den eben genannten Nadeln endigen auch die äusseren Enden der Müller’schen Fasern. Die beschriebenen Fasern gehen, wie ich oben bemerkt habe, in senkrechter Richtung durch die ganze Dieke der Retina, von der Membrana lim. interna bis zur Membrana lin. externa; eine Abweichung von dieser Richtung der Fasern macht sich nur an jenem Theil der Retina bemerkbar, welcher dieht an der Ein- trittsstelle des Sehnerven liegt und ferner im Gebiet der Maeula lutea, d. h. dort, wo die äussere Faserschieht Henle’s befind- lich ist. Gewöhnlich krümmen sich die Müller’schen Fasern in kurzer Entfernung von der Eintrittsstelle des N. optieus, indem sie in die Neuroepithelschicht eingedrungen, fast rechtwinklig zur Seite der Papilla n. optiei um und gehen dann eine gewisse Strecke weit schräg durch die äussere Faserschicht, wobei sie, nachdem sie die Körnerschicht der Stäbchen und Zapfen erreicht haben, eine senkrechte Riehtung zur Oberfläche der Retina neh- men und in Plättehen zerfallen, welehe sich in schon bekamnter Weise zu den inneren Gliedern der Zellen des Neuroepithels ver- halten. Im Gebiete der Macula lutea sind die Müller’schen Fa- sern, so weit man nach den bis jetzt bekannten Beschreibungen urtheilen kann, sehr schwach entwickelt. So sagt z. B. Schwalbe): „Im Gebiet der Macula Iutea werden die Fasern rudimentär und entbehren ihrer Basalkegel“. Die Retina-Präparate, welche nach der Golgi’schen Methode gefärbt waren, zeigen aber im Gegen- theil, dass die Müller’schen Fasern im Gebiete der Maecula lutea viel deutlicher hervortreten, als in den übrigen Theilen der Retina. Ihr Verhalten in allen Schichten der Retina bis dicht zur Neuroepithelschicht, in der Macula lutea, ist, wie dieses aus Fig. 4 u. 5 ersichtlich ist, ganz dasselbe, wie in den anderen Theilen der Retina, mit dem einzigen Unterschiede, dass sie im der inneren, wie auch in der mittleren und in der äusseren gang- liösen Schicht eine viel grössere Anzahl jener Plättehen bilden, welche als Nischen für die Nervenzellen der bezeichneten Schich- ten dienen. Ausserdem zerspalten sich die inneren Enden der Dil cu P.29. 620 A.S. Dosgiel: Müller’schen Fasern sehr oft in zwei oder drei Fasern, welche mit kleinen Verdiekungen endigen; diese Zerspaltung findet in verschiedener Entfernung von der Membrana lim. interna statt: zuweilen unmittelbar an der äusseren Oberfläche der inneren Re- tieulärschicht, zuweilen aber in dieser Schicht selbst, in der inne- ren gangliösen Schieht oder sogar in der Nervenfaserschicht (Fig. 4 u. 5). Jener Theil der Müller’schen Fasern, welcher im Neuroepithel belegen ist, nimmt im ganzen Gebiet der Maeula lutea eine eigenthümliche, nur für jenen Theil der Retina cha- rakteristische Richtung an: von der Peripherie der Macula lutea beginnend, verändert jede Faser ihre ursprüngliche senkrechte Richtung an der äusseren Oberfläche der äusseren Retieulärschieht und krümmt sich unter einem mehr oder weniger stumpfen, in einigen Fällen fast unter einem rechten Winkel zur Fovea cen- tralis (Fig. 4). Darauf in die Zapfenfüsschenschicht (die äussere Faserschicht Henle’s) eintretend, wird der äussere Abschnitt der Fasern gewöhnlich abgeplattet, erhält eine ganze Reihe von wenig vertieften Aushöhlungen (Fig. 5) und richtet sich in schrä- ger Richtung zur Zapfenkörnerschieht empor, wo die Fasern auf’s neue unter stumpfem Winkel sich krümmen und weiter fast in perpendikulärer Richtung zur Oberfläche der Retina durch die ganze Dicke der genannten Schicht bis dieht an die Membrana lim. externa hin verlaufen (Fig. 4 u. 5). Auf diesem Wege, gleich wie auch in den übrigen Theilen der Retina, verwandelt sich der äussere Faserabschnitt in ein ganzes System von Plätt- chen, welche sich in oben angeführter Weise zu den Zellen des Neuroepithels (den Zapfen) verhalten (Fig. 4 und 5). Wenn wir nun den Gang des ein wenig abgeplatteten schma- len Theils der Müller’schen Fasern allmählich von dem Rande der Macula lutea weiterhin zur Fovea centralis verfolgen, so be- merken wir, dass dieser Theil, welcher in der Zapfenfüsschen- schicht Platz greift, sich wellenförmig windet und eine mehr und mehr horizontale Lage annimmt, wobei er zugleich allmählich länger wird (Fig. 4), so dass der ganze äussere Abschnitt der Faser in kurzer Entfernung von der Fovea centralis, von der Membrana lim. externa bis zur äusseren Retieulärschicht, die Länge des inneren Abschnitts, welcher nach innen von der äusseren Re- tieulärschicht bis zur Membrana lim. interna belegen ist, um mehr als das Anderthalbfache übertrifft; der letztere Abschnitt nimmt Neuroglia der Retina des Menschen. 621 ebenfalls zuweilen eine geneigte Lage an (Fig. 4). Schliesslich dringen die horizontalen Theile des äusseren Abschnittes der Müller’schen Fasern, welche nahe an der Fovea centralis be- legen sind, auf eme kurze Strecke in diese letztere ein und nach- dem sie dort eine bogentörmige Schlinge gebildet haben, gehen sie in den senkrechten Theil über, der den kernhaltigen Abschnitt dies inneren Zapfengliedes bis zur Membrana lim. externa um- giebt (Fig. 4). Aus der soeben angeführten Beschreibung des Ganges der Müller’schen Fasern in der Maeula lutea ist ersichtlich, dass die inneren, wie auch namentlich die äusseren Abschnitte in der letzteren viel stärker entwickelt sind, als in den übrigen Theilen der Retina, wobei der aufsteigende (verticale) und eine kurze Strecke weit der horizontale Theil der äusseren Abschnitte der Fasern in der Fovea eentralis gelagert ist. Wir sind somit im Stande, uns nach der Lage der äusseren Abschnitte der Müller- schen Fasern in der Macula lutea riehtend, uns mit der Lage des inneren Gliedes der Zapfen und mit der Richtung ihrer Füsschen bis dieht an die Oberfläche der äusseren Retieulärschicht bekannt zu machen. Wie ich schon oben bemerkt habe, befinden sich in der Zapfenfüsschenschicht (der äusseren Faserschieht Henle’s) grosse runde oder ovale Kerne, welehe in den nach Wolters scher Methode gefärbten Präparaten sehr deutlich hervortreten; die bezeichneten Kerne müssen, aller "Wahrschemlichkeit nach, den äusseren, in der Macula lutea stark entwickelten Abschnitten der Müller’schen Fasern zugeschrieben werden. Zu den Neuroglia-Elementen der Retina gehören ausser den Müller’schen Fasern auch noch besondere Zellen, welche bereits von Ramön y Cajal') als m der Retina der Säugethiere (des Ochsen u. a.) vorhanden beschrieben worden sind. Die bezeich- neten Zellen befinden sich, so viel ich beobachten konnte, aus- schliesslich in der Nervenfaserschicht und zwar in der Nähe der Papilla n. optiei, an der Stelle, wo die Dieke der Schicht ein ziemlich bedeutendes Maass erreicht; weiterhin sind sie noch in der ganzen Papilla n. optieci und schliesslich an der ganzen Aus- dehnung des N. optieus vorhanden. Ib) I @ 622 ASIBCE Ve: Diese Neurogliazellen treten in Gestalt von kleinen stern- förmigen Gebilden auf, ‘von welchen eine enorm grosse Anzahl sehr feiner fadenartiger Abzweigungen ausgeht, die mit kleinen Verdiekungen besetzt sind (Fig. 6 und 7); diese Verdiekungen erinnern uns an die varieösen Anschwellungen der Nervenzellen- fortsätze. Gewöhnlich sind diese Aestehen ziemlich lang und chen vom Zellkörper bündelweise aus; darauf erst zerstreuen sie sich nach verschiedenen Richtungen hin. Die Neurogliazellen- körper sind mehr oder weniger abgeplattet und zwischen den Bündeln der Nervenfasern eingelagert, indem sie deren Oberfläche anliegen, wobei die Zellenfortsätze sich in verschiedener Weise mit einander verflechten und jedes einzelne Bündel umwinden (Fig. 6 und 7). Diejenigen Zellen, welche in der Nervenfaser- schicht der Retina und in der Papilla n. optici belegen sind, sind von geringerer Grösse als jene Zellen, welche zwischen den Fa- serbündeln des Sehnerven eingebettet sind; ihrerseits sind wie- derum die an der Peripherie des N. optieus belegenen Zellen etwas grösser .als alle übrigen Zellen (Fig. 6 u. 7). Erklärung der Abbildungen auf Tafel XXXIV. Alie Zeichnungen sind mittelst einer Camera-ucida von Ober- häuser gefertigt. Fig. 1. Ein nach Wolters’scher Methode gefärbter Retina-Schnitt. 1) Neuroepithelschicht; 2) äussere Reticulärschicht; 3) äussere und mittlere gangliöse Schichten; 4) innere Retieulärschicht; 5) innere gangliöse Schicht; 6) Nervenfaserschicht; a) Stäbchen und a) Zapfen; b) Müller’sche Fasern; mle) Membrana lim. externa. Obj. 6 Reichert. Fig. 2. Retina-Schnitt vom Rande der Macula lutea, nach Wolters’ Methode gefärbt. a) Die Kerne der Stäbchen; b) die Kerne der Zapfen; c) Zapfenellipsoide; d) Füsschen der Zapfen; e) Kerne des äusseren Abschnitts der Müller’schen Fasern; f) äussere Reticulärschieht; mle) Membrana lim. externa. Obj. Sa Reichert. Fig. 3. Eine Müller’sche Faser. a) Der äussere Abschnitt der Faser, welcher in der Neuroepithelschicht belegen ist; b) äussere Neuroslia der Retina des Menschen. 623 Dan] Retieulärschicht; ec) ein Theil der Faser, welcher durch die äussere und durch die mittlere gangliöse Schicht hindurchgeht; d) der Kern; e) innere Reticulärschicht; f) die Plättchen, welche Nischen für die Zellen der inneren gangliösen Schicht bilden; g) ein Theil der Faser, welcher durch die Nerven- faserschicht hindurchgeht; mle) Membrana lim. externa. Obj. 6 Reichert. 4. Sehnitt durch die Macula lutea. mle) Membrana lim. externa; 1) Neuroepithelschicht; 2) äussere Reticulärschieht; 3) die äus- sere und die mittlere gangliöse Schicht; 4) innere Retieulär- schicht; 5) innere gangliöse Schicht; 6) Nervenfaserschicht. Obj. 4 Reichert. Fig. 5. Müller’sche Faser aus dem Gebiete der Macula lutea. a) Ver- tikaler und b) horizontaler Theil des äusseren Abschnitts der Faser; ec) der Kern; 1) äussere Reticulärschicht; 2) ein Theil der Faser, welcher durch die äussere und durch die mittlere gangliöse Schicht hindurchgeht; 3) innere Retieulärschicht; 4) die Plättchen, welche die Nischen für die Zellen der inneren gangliösen Schicht bilden; 5) ein Theil der Faser, welcher durch die Nervenfaserschicht hindurchgeht; mle) Membrana lim. externa. Obj. 6 Reichert. Fig. 6. Ein Theil des N. opticus im Längendurchschnitt. a) Bündel der Nervenfasern ; b) Neurogliazellen; e) Neurogliazellen, welche in der Nähe der Papilla n. optiei belegen sind. Obj.3 Reichert. Bündel von Nervenfasern, an der Peripherie des N. opticus be- legen. a) Neurogliazellen. Obj. 4 Reichert. Fio =' Fie. — Untersuchungen über das Gehirn der Vögel. Von Dr. E. Brandis (Friedrichsberg, Hamburg). II. Theil: Ursprung der Nerven der Medulla oblongata. Hierzu Tafel XXXV. I. Hypoglossus. Wie wir im ersten Abschnitte gesehen haben, liegen im oberen Cerviealmarke zahlreiche grosse Ganglienzellen zerstreut, 624 Dr... ‚Bir amicınsz ohne in bestimmte Gruppen angeordnet zu sein, in den Vorder- hörnern dicht von Nervenfasern umsponnen. Der erste Cervieal- nery entspringt ziemlich weit nach aussen am ventralen Rande der Medulla und zieht einen, seltener zwei Stränge auf dem Quer- sehnitte bildend, dorsalwärts und zugleich nach innen durch die weisse Substanz, bis er die ventrale Spitze des Vorderhorns er- reicht hat. Hier angelangt, fasert er sich auf und strahlt in (dasselbe ein, sein stärkster Zweig aber läuft gewöhnlich an der inneren Peripherie desselben, da hier die Ganglienzellen in dieser Höhe am dichtesten zusammenliegen. Leicht zu verwechseln sind die hier verlaufenden Züge des Cervicalnerven mit den von dorsalwärts herkommenden und aus der vorderen Commissur stammenden Faserbündeln, welche am Rande der Vorderstränge entlang laufen. Diese erwecken besonders leicht den Anschein von Nervenfasern, die aus der vorderen Wurzel, ohne mit Vorder- hornzellen derselben Seite in Verbindung zu treten, zur Commis- sura anterior ziehen. Solche Fasern kann man allerdings eben- falls, wenn auch bedeutend seltener constatiren, man muss an- nehmen, dass sie aus den motorischen Zellen der anderen Seite entspringen. Edinger!) führt auch derartige Bestandtheile der vorderen Wurzeln an, von Lenhossek?) bestreitet dagegen ihr Vorhandensein entschieden, ich möchte mich jedoch, wenigstens was die Vögel anbetrifft, dem ersteren Autor anschliessen. Einer- seits glaubte ich nämlich solche Fasern nicht allzu selten auf dem Querschnitt constatiren zu können, dann aber fand ich auch bei einer Taube von zeln Wochen, welcher gleich nach der Ausbrütung der erste Cervicalnerv exstirpirt war, dass im Vorder- horn der nicht operirten Seite ziemlich zahlreiche Ganglienzellen atrophisch waren. Letztere lagen hauptsächlich am inneren Rande und in der ventralen Spitze, und grade an diesen Stellen waren auf der Seite der Operation zwischen den sonst gänzlich dege- nerirten Zellen am häufigsten intakte zu finden, so dass man an- nehmen kann, dass diese Zellen ihre Nervenfortsätze zur anderen Seite schicken. 1) Zwölf Vorlesungen über den Bau der nervösen Oentralorgane, von Dr. Ludwig Edinger. 3. Auflage. Leipzig 1892. p. 136. 2) Der feinere Bau des Nervensystems im Lichte neuester For- schungen, von Prof. Dr. Mich. v. Lenhossck-Basel. Berlin 1893. p. 98. Untersuchungen über das Gehirn der Vögel. 625 Man zählt auf dem Querschnitte gewöhnlich bedeutend mehr grosse Ganglienzellon im Vorderhorn als Fasern in der zugehöri- gen vorderen Wurzel; dieser Umstand beruht einerseits darauf, dass dieselbe Zelle sich oft über mehr als einen Schnitt erstreckt und daher mehrfach gezählt wird, andererseits steht ein Theil derselben als „Commissurenzellen* in keinem Verhältniss zur vorderen Wurzel. Allmählich rückt die Austrittsstelle der Nerven mehr nach innen, da das Vorderhom weiter cerebralwärts, wie früher be- schrieben wurde, seine weiter distal mehr nach aussen gewen- dete Spitze jetzt direkt ventralwärts richtet. Die Lageverände- rung findet so statt, dass die Fasern einzeln weiter nach innen die weisse Substanz durehbrechen, so dass dann eme Reihe von einander getrennter Fasern auf dem Querschnitte erscheint, von denen die äusseren weiter proximalwärts wieder verschwinden, so dass dann der ganze Nerv wieder an einer der Mittellinie näher gelegenen Austrittsstelle vereinigt ist. In dieser Höhe ziehen nun die austretenden Nervenfasern nicht mehr zum ersten Cervicalnerven, sondern zum Hypoglossus, ohne dass in der Abgabe oder im Verlaufe derselben eine Unter- brecehung stattfände. Nur das oben erwähnte Experiment ergiebt, dass die Hypoglossusfasern ungefähr dort beginnen, wo die Um- lagerung der Faserstränge des Rückenmarks zur Medulla oblon- gata anfängt. Das Vorderhorn wird jetzt in seiner dorso-ventralen Aus- dehnung dadurch beschränkt, dass es von der ventralen Peri- pherie des Querschnitts durch die Seitenstrangfasern abgedrängt wird, welche sich längs derselben der Mittellinie zuwenden ; ebenso wird auch seine Breite durch die sich jetzt abspielenden Veränderungen im Seitenstrange vermindert, seine Gestalt ist jetzt ungefähr die eines rechtwinkligen Dreiecks, dessen Hypotenuse dem Vorderstrange anliegt. Die Zellen liegen in ihm regellos zerstreut, und der in die graue Substanz eintretende Nerv zer- fasert sich nun gleichmässig nach allen Richtungen. Der letztere wird jetzt in seinem intracerebralen Verlaufe durch die grössere Entfernung des Vorderhorns von der ventralen Peripherie nicht nur länger, sein Verlauf ist auch stark cerebralwärts gerichtet, so dass man auf dem Querschnitte nunmehr kurze Abschnitte 626 Dr». Br andTs: von ihm erbliekt, während weiter distalwärts seine Fasern auf einem Schnitte in ihrer ganzen Länge sichtbar waren. Abgesehen von dieser Abweichung ist der Verlauf der Hypoglossusfasern um so mehr direkt ventralwärts gerichtet, je mehr man cerebralwärts fortschreitet. Ein Theil der Nervenfasern tritt nieht mit Zellen in Ver- bindung, sondern durchzieht den Kern und gelangt dorsalwärts bis zur vorderen Commissnr, hier biegt er nach innen um und verschwindet zwischen den Fasern der Raphe. Es sind dieses Fasern derselben Herkunft, wie sie bei der Beschreibung des ersten Cervicalnerven erwähnt worden sind; man muss annehmen, dass sie aus dem Kerne der anderen Seite stammen, da direkte längs der Raphe caudalwärts verlaufende Ursprungsfasern aus dem Grosshirn, wie sie noch vor wenigen Jahren von manchen For- schern, für die Vögel speciell noch von Kreis!), angenommen wurden, durch die neueren Untersuchungsmethoden nirgends be- stätigt sind. Auch der gekreuzte Ursprung des Hypoglossus aus dem Kerne der anderen Seite wird vielfach bestritten, so z. B. von Mingazzini?) und Schäffer?) für das Kaninchen und von Kocht) auch für die Vögel. Obersteiner?) jedoch constatirt auch beim Menschen Fasern, die aus dem Kerne des gegenüber- liegenden Vorderhorns stammen; dass diese dort ventral vom Kern gegen die Mittellinie abbiegen, während sie bei den Vögeln, wie oben erwähnt, dorsalwärts desselben zur Raphe ziehen, be- yuht darauf, dass der bisher beschriebene Hypoglossuskern der Vögel nicht dem Hauptkerne des Menschen entsprieht, sondern ventral von demselben gelegen ist. Fasern dieses Verlaufes habe ich nieht nur auf den nach Wolters gefärbten Schnitten gefun- den, sondern ich glaube sie auch durch die von Marchi ange- 1) 1.2; pas, 14f, 2) Mingazzini, G., Intorno alle origine del N. hypoglossus. Ann. di Fren. IH. 4. 1890. 3) Schäffer, Otto, Ueber die Ursprungsverhältnisse des Nervus hypoglossus. Inaug.-Diss. Erlangen 1889. 4) Koch, P. D., Untersuchungen über den Ursprung und die Verbindungen des n. XII. in der Medulla obl. Arch. f. mikrosk. Anat. Vol. 31. 1888. pag. 65 u. f. 5) Obersteiner, Dr., Heinrich, Anleitung beim Studium des Baues der nervösen Oentralorgane. Leipzig u. Wien 1892, 2. Aufl. p.39. fer} DD |] Untersuchungen über das Gehirn der Vögel. schene Methode constatiren zu können. Ich riss zu diesem Zwecke einer ausgewachsenen Krähe den rechten Hypoglossus heraus, tödtete sie nach 6 Wochen und behandelte die Medulla oblongata nach der von Marchi angegebenen Weise; ich fand dann auf den Querschnitten nicht nur die charakteristischen feinen schwarzen Schollen in den rechtsseitigen Hypoglossusfasern bis zum Kerne, sondern auch in Fasern, welche durch diesen hin- durch zum dorsalen Rapheende ziehen und sogar auf der linken Seite waren nicht selten Reihen davon zwischen Kern und dor- salem Rapheende zu sehen, während die Wurzelfasern dieser Seite frei davon waren. Die Verbindung des Hypoglossuskernes mit höher gelegenen Centren findet jedenfalls durch feine Faserzüge statt, welche den Kern an der medialen Peripherie verlassen und grade nach imnen ziehen, um in die Vorderstränge einzutreten. Sie kreuzen hier die sonst sämmtlich schräg nach aussen und ventralwärts ver- laufenden Fasern und werden dadurch deutlich. Sie verschwin- den bald zwischen den Querschnitten und lassen sich nur selten bis m die Nähe der Raphe verfolgen. Commissurenfasern zwi- schen den beiderseitigen Kernen quer durch die Raphe hindurch konnte ich nieht constatiren. Ganz allmählich werden die Zellen des Kernes spärlicher und ziehen sich besonders aus dem dorsalen Theile zurück, häufig bildet nun der Kern keimen einheitlichen Complex mehr, sondern zerfällt in mehrere durch Faserzüge getrennte kleine Abtheilun- gen, die in einer dorso-ventralen Reihe angeordnet sind (s. Fig. 3b), bis schliesslich auch die letzten ganz vereinzelten grossen Ganglien- zellen an dieser Stelle und fast zugleich der austretende Nerven- stamm verschwinden. Wie eben beschrieben wurde, verhält sich jedoch der Hy- poglossus nur bei einer ziemlich geringen Anzahl von Vögeln, ich fand dieses Verhältniss hauptsächlich bei den Hühnervögeln und möchte es für das ursprüngliche halten, da bei ihm der Ur- sprung des Hypoglossus noch am meisten dem einer motorischen Rückenmarkswurzel gleicht. Bei den meisten anderen Vögeln kommt aber zu dem be- schriebenen Hypoglossuskerne noch ein anderes Ursprungsgebiet hinzu. Man findet nämlich seitlich und etwas ventral vom ÜCen- tralkanal, nach aussen bis zwischen die von den Hintersträngen 628 Dr. F.Brandis: zur vorderen Commissur ziehenden Fasern reichend und dorsal bis zum Vaguskerne sich ausbreitend eine Gruppe grosser multi- polarer Zellen mit rundem Kern, die in ihrer Form ganz den Vorderhornzellen entsprechen und weiter eerebralwärts bedeutend an Zahl zunehmen. In diese Gegend zieht ein mehr oder weni- ger starker Theil des Hypoglossusstammes, welcher den oben beschriebenen Kern ohne Unterbrechung durchzogen und die Fasern der vorderen Commissur gekreuzt 'hat, im stark geschwun- zenen, noch aussen eoncaven Bogen und verliert sich dann zwi- schen jenen Zellen. Dieser «dorsale Kern steht in einem gewissen Gegensatze zu dem ventralen, er ist um so mehr entwickelt, je kleiner der letztere ist, und bleibt noch längere Zeit auf den (uersehnitten sichtbar, wenn jener bereits cerebralwärts sein Ende gefunden hat, so dass dann der Hypoglossus aus ihnen allein zu entspringen scheint. Weiter proximalwärts, nachdem der Centralkanal sich bereits in den vierten Ventrikel geöffnet hat, verkleinert sich dieser Kern allmählich immer mehr und wird dureh den bedeutend anwachsenden dorsalen Vaguskern weiter ventralwärts und zugleich nach aussen gedrängt, so dass seine Zellen dann zwischen den Fasern liegen, welche vom dor- salen Rapheende seitlich ausstrahlen. Sie erstreeken sich jedoch eerebralwärts beträchtlich weiter, als Hypoglossusfasern auf dem Querschnitte zu eonstatiren sind, so dass hieraus wie auch aus dem Umstande, dass sie vorhanden sind, wenn der Hypoglossus- ursprung auf den ventralen Kern beschränkt ist, erhellt, dass sie noch eine andere Funetion haben müssen, worauf bei der Be- schreibung des Vagusursprunges näher eingegangen werden muss. In Bezug auf diese zweifache Ursprungsart des Hypoglossus verhalten sich die verschiedenen Ordnungen der Vögel ungefähr folgendermaassen. Bei den Hühnern, wenigstens war dieser Be- fund bei Lophortyx, Phasianus (s. Fig. 3) und Numida zu erheben, entsprieht der Hypoglossusursprung der ersteren Beschreibung und beschränkt sich also auf den ventralen Kern. Dasselbe Verhältniss findet sich bei Larus, doch erblickt man hier ganz vereinzelte Fasern, die als kurze Abschnitte von dem «dorsalen Kerne ventralwärts ziehend die Ausstrahlungen des dorsalen Rapheendes durchsetzen, ein Zusammenhang derselben mit dem Hypoglossus ist aber nirgends nachzuweisen, sie sind auch nach dem gänzlichen Verschwinden jenes Nerven noch Untersuchungen über das Gehirn der Vögel. 629 sichtbar und verbinden wahrscheinlich jenen Kern mit höheren Gentren. Bei den untersuchten Schwimmvögeln war die Art des Hypoglossusursprungs eine verschiedene. Bei Anser konnte ein Ursprung aus dem dorsalen Kerne nicht nachgewiesen werden, dagegen ist dieser bei Anas und Cairina sehr deutlich. Auch bei den Watvögeln ist dieses Verhältniss ein ziemlich weehselndes. Phoenieopterus bei seiner voluminösen, allerdings wenig muskelkräftigen Zunge hat einen relativ schwachen ent- sprechenden nervösen Apparat. Der ventrale Kern ist nach kei- ner Richtung hin besonders ausgedehnt und nieht sehr zellreich, und was den sehr unbedeutenden dorsalen Kerm (s. Fig. 6e) anbelangt, so sieht man zwar einige Hypoglossusfasern hin und wieder die vordere Commissur kreuzen und dann nach aussen umbiegend zwischen den Zellen jenes Kernes verschwinden, jedoch ist die Zahl derselben so spärlich, dass ihre Constatirung Mühe macht. Ebenso ist bei Fulica kaum ein solcher Ursprung nach- zuweisen, wogegen bei Grus und Machetes der Hypoglossus mit einem starken Antheil vom dorsalen Kerne entspringt. Letzteres Verhalten zeigen auch die untersuchten Sperlings- vögel ohne Ausnahme, einen besonders kräftigen dorsalen Kern zeigt zum Beispiel Corvus (s. Fig. 5). Der ventrale Kern ist dagegen hier weniger entwickelt als in anderen Ordnungen. Bei Pieus zeigen sich einige besondere Verhältnisse. Beide Kerne sind ziemlich arm an Zellen. Der Querschnitt der Medulla ob- longata zeichnet sich hier ausserdem dadurch aus, dass der Theil dorsal der Raphe und der von ihrem dorsalen Ende ausstrahlen- den Fasern sehr schmal ist, da sich der Centralkanal bereits sehr weit distalwärts öffnet und sehr schnell sieh erweitert. In Folge dessen findet der dorsale Hypoglossuskern dort wenig Platz und liegt verhältnissmässig weit ventralwärts, mit seiner Hauptmasse zwischen den vom dorsalen Rapheende ausstrahlenden Fasern und zugleich ziemlich weit nach aussen gerückt, so dass die zu ihm ziehenden Wurzelfasern nach Passiren des ventralen Kernes bald nach aussen umbiegen. Auch nach innen zur Raphe umbiegende Wurzelfasern sind hier ziemlich zahlreich zu constatiren. Mit den eben geschilderten Verhältnissen zeigt der Hypo- glossusursprung bei Falco ziemlich grosse Aehnlichkeit, die haupt- sächlich in der gleichen Form des Querschnitts, hervorgerufen 630 Dr. F,. Brandis: durch die zur Lage der Nervenkerne ‘sehr frühe Oeffnung des Centralkanals, ihre Begründung findet. Auch hier wird dadurch der dorsale Kern nach aussen und ventralwärts verschoben, er ist ebenfalls ziemlich zellarm, sendet aber deutlich Fasern zum Hypoglossus. Bei Syrnium aluco ist der dorsale Theil dieses Nerven noch weit schwächer als bei Falco; der Kern ist sehr klein, und es sind nur ganz weit proximalwärts Fasern sichtbar, die von ihm ventralwärts ziehend sich dem Hypoglossus zugesellen. Die Lage des Kernes ist eine mehr dorsale als bei Falco, entsprechend der grossen Verschiedenheit der allgemeinen Verhältnisse des Quer- schnittes bei diesen Vögeln, die ja auch nach ihrer Stellung im System neuerdings weit von einander getrennt werden. Bei Cypselus zeigt das Ursprungsgebiet des Hypoglossus eine recht bedeutende Ausbildung, indem sowohl der ventrale Kern sehr umfangreich ist, als auch der dorsale, was Reichthum an Zellen und Ausdehnung auf dem Querschnitt und in proximal- distaler Riehtung anbetrifft, sich sehr auszeichnet. Bei dem afrikanischen Strausse!) ist der Hypoglossus von auffallender Stärke, er erscheint einerseits auf den Querschnitten als ein breites Faserband, andererseits reicht sein Ursprung sehr weit cerebralwärts bis in den vierten Ventrikel hinein. Er ent- springt aus einem sehr umfangreichen ventralen und einem kleine- ren dorsalen Kerne. Die zu dem letzteren verlaufenden Fasern (urehziehen im Bogen die Vorderhörner resp. den ventralen Kern, erreichen dorsalwärts von der Raphe fast die Mittellinie und lie- een dann ziemlich scharf nach aussen und dorsalwärts um und (ringen zwischen die locker gelagerten Zellen ein. Besonders ausgeprägt ist der Ursprung des Hypoglossus aus dem dorsalen Kerne bei den Papageien (s. Fig. 4). Man findet hier diesen Kern bereits sehr früh distalwärts stark entwickelt, 1) Durch die Güte des Herren Direktor Dr. Bolau konnte ich nach Abschluss des ersten Theiles ein Gehirn von Struthio afrieanus untersuchen, und constatiren, dass auch dieses in keinem wesentlichen Punkte von dem dort beschrieben, ausserordentlich gleichmässig durch die ganze Klasse der Vögel verbreiteten Bau der Med. obl. abweicht. Ferner wurden nachträglich untersucht und sind in dem obigen Ver- zeichniss nicht angeführt: Phasianus pietus, Machetes pugnax, Larus marinus, Phoenicopterus rosens. Untersuchungen über das Gehirn der Vögel. 631 und er erstreckt sieh weit cerebralwärts. Seine Zellen liegen zwischen dorsalem Vaguskerne und Raphe ziemlich zerstreut zwi- schen sehr dieht gelagerten, feinen, meist sagittalwärts verlaufen- den Nervenfasern, welche man übrigens auch bei anderen Vögeln, wenn auch in einer weniger dichten Anordnung findet. Diese Fasern verbinden vielleicht die einzelnen Theile des Kermnes in der Längsriehtung und würden dann den fibrae propriae nuelei hypoglossi Koch's!) entsprechen, doch werde ich auf diese Fa- serzüge und ihren Zusammenhang mit der Umgebung noch bei der Beschreibung der Vaguskerne zurückkommen. Die Entfer- nung zwischen Raphe und Centralkanal ist hier eine viel grössere als bei anderen Vögeln; wodurch der ganze dorsale Theil des Quersehnittes bedeutender wird und ein gewisser Gegensatz zu dem Verhalten desselben bei Pieus und Falco entsteht. Während bei den Papageien distalwärts der dorsale und ventrale Kern un- gefähr gleichzeitig auftreten, so dass der Hypoglossus seine Fasern sogleich aus beiden bezieht, endigt der letztere viel früher und man sieht dann den Nerven noch lange in bedeutender Stärke nur aus dem dorsalen Kerne entspringen. Bevor die Fasern die- sen Kern erreichen, wendet sich ein nicht geringer Theil dersel- ben ungefähr in gleicher Höhe mit dem dorsalen Rapheende nach innen, und erreicht in etwas ventralwärts gerichtetem Laufe durch die Raphe hindurch ziehend die andere Seite, aus deren ventra- lem Kerne er stammt. Gekreuzte Fasern aus dem dorsalen Kerne wurden weder hier noch bei einem anderen Vogel beobachtet. Nach Kreuzung der Rapheausstrahlungen resp. der vorderen Com- missur kann man dem Verlauf der Hypoglossusfasern noch recht weit dorsalwärts verfolgen, oft bis im die Nähe des dorsalen Va- guskernes. Sie ziehen nahe dem medialen Rande ihres Kernes entlang und dringen allmählich nach aussen umbiegend zwischen die Zellen desselben ein. Vergleicht man den Hypoglossusursprung der Vögel mit dem der Säugethiere, als deren Repräsentant, weil am genauesten unter- sucht, der Mensch gelten möge, so findet man, dass bei jenen die Ursprungsverhältnisse dieses Nerven auf einer primitiveren Stufe stehen. Anı meisten ist dieses bei den Hühnern und einem Theil der Schwimm- und Sumpfvögel der Fall, bei denen, wie schon 1) 1. c. pag. 60. 632 Dr. F.Brandis: erwähnt, der Hypoglossus noch gänzlich in Bezug auf seinen Ur- sprung einem motorischen Rückenmarksnerven entspricht, indem er nur von dem ventralen Kerne, der durchaus den Zellen des Vorderhorns entspricht, seinen Ausgang nimmt. Erst allmählig gesellen sich ihm Fasern aus dem beschriebenen dorsalen Kerne zu, welcher, wie weiter unten näher begründet werden soll, der Fortsetzung des Accessoriuskernes entspricht, also ursprünglich doch auch in einer gewissen Beziehung zum Vorderhorne stand. Der aus diesem Kerne entspringende Theil des Hypoglossus wird um so grösser, je mehr die Zunge für gewisse Zwecke, besonders für die Mannigfaltigkeit der Stimmgebung, benutzt und ausgebil- det wird. Es wird hier also allmählig ein Uebergang zu den bei dem Menschen bestehenden Verhältnissen gebildet. Hier entspricht dem dorsalen Kerne der Vögel der Stilling’sche oder Haupt- kern, der ebenfalls eine Fortsetzung des Accessoriuskernes bildet, wie Dees!) gefunden hat, und nach der Ansicht einiger Autoren der alleinige Ursprungskern des Hypoglossus ist, während andere Forscher doch annehmen, dass ein, wenn auch kleiner Theil der Fasern dieses Nerven aus dem ventralwärts von jenen liegenden Roller’schen kleinzelligem Kerne und den grossen multipolaren Ganglienzellen stammt, die mehr zerstreut in der Substantia reti- eularis, dem Wege der Hypoglossusfasern liegen. Diese letzteren beiden Zellarten würden einem Ueberrest des Vorderhorns ent- sprechen, und es würde dadurch eine Annäherung an die bei den Vögeln gefundenen Verhältnisse stattfinden, sollten Hypo- glossusfasern aus ihnen wirklich ihren Ursprung nehmen. Dass bei den Vögeln mit Sicherheit beide Kerne Fasern zum Hypoglossus senden, konnte ich auch aus dem oben erwähnten Experimente an einer Krähe nachweisen, ich fand nach der Aus- rottung des einen dieser Nerven, dass beide Kerne der operirten Seite ärmer an Zellen waren wie die der anderen. In einem ge- wissen Gegensatze zu den Erfahrungen vonDarkschewitsch?) 1) Ueber die Beziehung des Nervus accessorius zu den N, n. vagus und hypoglossus. Von Dr. Otto Dees. Allgem. Zeitschrift für Psy- chiatrie. Bd. 44. p. 655. Berlin 1888. 2) Ueber die Veränderungen in dem centralen Abschnitt eines motorischen Nerven bei Verletzung des peripheren Abschnittes. Von Dr. L. Darkschewitsch. Neurolog. Centralblatt. 11. Jahrg. p. 665 f. Untersuchungen über das Gehirn der Vögel. 633 fand ich dieselben besonders ärmer an den hellen bläschenförmigen Zellen, mit denen auch die normalen Hypoglossuskerne reichlich versehen sind; die noch vorhandenen Elemente schienen mir viel- mehr kleiner und stärker gefärbt zu sein als die auf der gesun- den Seite. Die Widersprüche in den Ansichten früherer Autoren beruhen hauptsächlich darauf, dass die einzelnen nur wenige verschiedene Arten untersucht und nach diesen auf die ganze Klasse geschlossen haben. So nimmt Stieda!) an, welcher hauptsächlich das Ge- hirn des Huhnes mikroskopisch untersucht hat, dass der Hypo- glossus „wie die untere Wurzel eines Spinalnerven von den nach abwärts gerichteten Unterhörnern* entspränge; Turner?) da- gegen, der besonders Columba und Turdiden zum Gegenstand seiner Untersuchungen gemacht hat, kennt nur den dorsalen Kern und erwähnt die Aehnlichkeit der Zellen desselben mit denen des spinalen Accessorius. Koch?) dagegen, der Taube und Ente untersuchte, fand den doppelten Urprung, er hält ihn für allge- mein und schildert den Verhältnissen dieser Vögel entsprechend richtig, dass der kleinere Kern an Stelle des klassischen Hypo- slossuskernes der Sänger liege, der grössere mehr ventralwärts in der direkten Fortsetzung der Zellensäule des Vorderhorns. II. Vagusgruppe. a. Accessorius. Eigentlich schon ausserhalb des in Frage kommenden Ge- bietes liegt der Ursprung des N. accessorius, indem der am wei- testen proximal gelegene Theil desselben mit dem distalen Ende der Medulla oblongata zusammenfällt. Man erbliekt im obersten Cervicalmarke auf manchen Schnitten doch nicht in ununterbro- chener Folge proximal von den hinteren Wurzelfasern des ersten Cerviealnerven kräftige Nervenfasern, welche die äussersten Theile 1) Studien über das centrale Nervensystem der Vögel und Säuge- thiere. Von Dr. Ludwig Stieda. Leipzig 1868, p. 33. 2) Morphology ofthe Avian Brain by C. H. Turner. Journal of comparative Neurology I. p. 275. 1891. 8) l. e. pag. 62. Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 41 41 634 Dr. F. Brandis: der Hinterstränge durchsetzen und in der weissen Substanz weiter nach aussen ziehend dorsal von den Hinterhörnern austreten (s. Fig. 1). Der innere Theil des Verlaufes ist gerade ventralwärts gerichtet; die durch ihre Stärke deutlich zu unterscheidenden Fasern verlassen die Hinterstränge, ziehen durch den ventralen Theil des Hinterhorns, dessen äusseren Rand sie fast erreichen, darauf wenden sie sich etwas nach aussen und gelangen hier zwischen Vorder- und Hinterhorn zu einer Gruppe von ungefähr 6—8 ziemlich grossen multipolaren Ganglienzellen, zwischen denen sie endigen (Fig. la). Diese Zellen liegen zwischen den am mei- sten dorsalwärts gelegenen Fasern der vorderen Commissur nahe der inneren Peripherie des Seitenstranges; sie bilden keine con- tinuirliche Zellensäule durch das Halsmark hindurch, sondern sind, wie es Dees!) auch vom Menschen beschreibt, rosenkranzförmig angeordnet, indem zwischen grösseren Complexen derselben zellen- freie Zwischenräume bestehen. Weiter proximalwärts, sobald die Verhältnisse des Rückenmarkquerschnittes sich durch Umlagerung der Fasern in die der Medulla oblongata verändern, sind die aus- tretenden Aeccessoriusfasern nicht mehr zu constatiren, dagegen erbliekt man noch länger an der Stelle des Kernes in dem Winkel zwischen dem dorsalen Theile der Seitenstränge und der vorderen Commissur vereinzelte grosse, auffällige Ganglienzellen, die in ihrer Form ganz denen des Kernes entsprechen (s. Fig. 2a). Diese rücken, je mehr man cerebralwärts fortschreitet, all- mählich immer weiter der Mittellinie zu, entsprechend der Lage- veränderung der Seitenstränge, welche sich hier immer mehr nach innen vorbuchten. Schliesslich sieht man diese Zellen zwischen den Fasern, welche von den Hintersträngen herkommend bogenförmig um den Centralkanal zur vorderen Commissur ziehen und dann innerhalb derselben in der um den Centralkanal liegen- den grauen Substanz und zwar nach aussen und ventralwärts von dem letzteren. Hier werden sie weiter proximalwärts all- mählich wieder bedeutend zahlreicher und bilden den Kem, welcher, wie wir gesehen haben, zum Hypoglossus in nähere eziehung tritt, aber auch, wie wir weiter unten finden werden, 1) Ueber den Ursprung und den centralen Verlauf des Nervus accessorius Willisii. Von Otto Dees. Allgem. Zeitschrift f. Psychiatrie. Bd. 43. Berlin 1887. p. 465. Untersuchungen über das Gehirn der Vögel. 635 dem Vagussystem angehört. So entsprechen die Verhältnisse bei den Vögeln einerseits den Anschauungen Meynerts!) über die Fortsetzung des Accessoriuskernes in den vorderen Vaguskern beim Menschen, andererseits dem Befunde von Dees?), welcher, wie schon erwähnt, denselben in den Hypoglossuskern über- gehen lässt. b. Vagus. Während die aus dem Vorderhorn entspringenden Nerven- fasern sich cerebralwärts continuirlich bis zum Auftreten der Hirnnerven fortsetzen, ist die hintere Wurzel des ersten Cervical- nerven weit schwächer und endigt bereits vor dem Anfang der Medulla oblongata. An ihrer Stelle erblickt man auf den Quer- schnitten zeitweise ein feines, aus wenig Fasern bestehendes Nervenbündel, das von aussen kommend in den äusseren Theil dies Hinterstranges eimtritt und im Bogen zugleich nach innen und ventralwärts ziehend diesen durchsetzt (s. Fig. 2), also soweit einen dem intracerebralen Accessoriusstamme sehr ähnlichen Ver- lauf hat. Dieser Faserzug verschwindet dann als solcher auf dem Querschnitte und man erblickt weiter ventralwärts in der Richtung seines Verlaufes nur einzelne stärkere Faserquerschnitte, die darauf schliessen lassen, dass die Fasern jetzt eine Richtung cerebralwärts eingeschlagen haben. Auf weiter proximalwärts gelegenen Schnitten findet man, dass die Austrittsstelle dieses Nerven allmählich immer weiter nach aussen rückt, so dass er dann die inneren Theile des Hinter- horns durchqueren muss, worauf er nach innen und ventralwärts weiter zieht. Es gelingt jetzt auch zuweilen seine Fasern, die sich dureh ihre Stärke vor der Umgebung auszeichnen, bis zu einem Kerne zu verfolgen, der hier im Uebergangstheile vom Rückenmark zur Medulla oblongata auftritt und etwas nach aussen und dorsalwärts vom Centralkanal gelegen ist (s. Fig. 2d). Derselbe ist anfangs sehr klein und besteht aus kleinen, hellge- färbten, ziemlich dicht aneimander liegenden Zellen, mit sehr undeutlichen, rundlichen Contouren und deutlichen, runden Kernen, 1) Psychiatrie. Klinik der Erkrankungen des Vorderhirns etc. Von Dr. Theodor Meynert. Wien 1884. p. 112. 2) Ueber die Beziehung des N. access. ete. siehe oben. 636 Dr. F. Brandiıs: zwischen denen zerstreut starke Faserquerschnitte liegen. Weiter cerebralwärts nimmt der Kern sowohl an Zahl als an Grösse der Zellen bedeutend zu, und breitet sich besonders ventralwärts aus. Unter den Zellen kann man jetzt die beiden im ersten Theile beschriebenen Formen, nämlich die mit Carmin sich hellfärbende, grössere bläschenförmige und die kleinere, dunkele, deutlich multipolare unterscheiden. Die Faserquerschnitte zwischen den Zellen treten jetzt mehr zurück, und man sieht statt dessen, wie der Nervenstamm sich zwischen denselben auffasert. Der letztere zeigt sich jetzt eontinuirlich und geht direkt von seinem Kerne nach aussen und etwas dorsalwärts; der letztgenannte Richtungs- eoöffieient nimmt aber immer mehr ab, bis der Nerv schliesslich grade nach aussen ziehend die Peripherie erreicht und in dieser Lage ganz dem Vagus entspricht. Es zeigen sich nun ventralwärts des beschriebenen Kernes bei einigen Vögeln, schon weit distalwärts bei anderen erst später auftretend, meist zerstreut liegende grosse multipolare Zellen, die sich durch ihre Grösse wie auch durch ihre schärferen Contouren von denen des dorsalen Kernes unterscheiden, dem sie zuweilen sehr nahe liegen. Weiter cerebralwärts werden diese Zellen immer zahlreicher und breiten sich hauptsächlich ventralwärts bis zur vorderen Commissur hinab aus, und schliessen sich häufig zu einem mehr oder weniger festen Kerne zusammen, der wie schon erwähnt, der Fortsetzung des Accessoriuskernes entspricht. Der intracerebrale Nervenstamm theilt sich, wenn er bei dem dorsalen Kerne angekommen ist, in zwei Theile, von denen der eine mit zahlreichen einzelnen Fasern in den Kern eintritt; der andere aber wendet sich hier dieht vor dem letzteren ven- tralwärts und zieht dann in einem starken, dorsal concaven Bogen nach innen. Er trifft hier auf die beschriebene, weiter ventral- wärts gelegene Zellengruppe, in welcher er jedenfalls mit einem Theile seiner Fasern endigt, ein anderer zieht jedoch weiter nach innen und erreicht das dorsale Ende der Raphe. Man kann jene Fasern in dieser weiter verfolgen und sieht, dass sie darin ziem- lich weit ventralwärts ziehend die Vorderstränge der anderen Seite erreichen, dagegen konnte ich niemals Fasern finden, die ihrem Verlaufe nach von den Kermen der gegenüberliegenden Seite hätten herkommen können. Untersuchungen über das Gehirn der Vögel. 697 Besonders zu erwähnen ist noch ein kleines aber deutliches Faserbündel, welches von dem dorsalen Kerne ventralwärts zieht, sich zum Theil dem dorsalen Ende der Raphe anschliesst, zum Theil aber auch deren dorsale Ausstrahlungen kreuzt und in die formatio retienlaris übergeht. Man hat wohl in diesen Fasern die Verbindung des dorsalen Vaguskernes mit höher gelegenen Centren zu suchen. Schon in dieser Höhe zeigt sich ventral und zum Theil medial von den Vaguskernen gelegen, und die graue Substanz um den noch geschlossenen Oentralkanal einnehmend, ein dichtes Netzwerk sehr feiner Fasern, welche bald quer, bald längs ge- troffen, wirr durcheinander liegen. Nur ganz vereinzelte Fasern von ihnen überschreiten zwischen Centralkanal und Raphe die Mittellinie und verbinden so diese beiderseitigen Fasernetze mit- einander; sie dürften wohl den von Koch!) beschriebenen Com- missurenfasern zwischen den beiden Hypoglossuskernen ent- sprechen. Ich möchte ihnen jedoch um so weniger Bedeutung beilegen, als sie etwas weiter proximalwärts bald gänzlich fehlen und andererseits die Begrenzung jener Formation feiner Fasern nach aussen und ventralwärts durchaus keine scharfe ist. Diese Formation -dürfte sich vielmehr über einen grossen Theil des ganzen Querschnittes erstrecken, nur ist ihr Netzwerk an einigen Stellen sehr weitmaschig, wie z. B. in den Hinterhörnern, und wird sonst an vielen Orten von stärkeren Fasern fast ganz ver- deekt. Es ist nieht recht klar, welche Leistung man von diesen massenhaften feinen Fasern erwarten soll, wollte man dieselbe für sie annehmen, wie für die stärkeren Nervenfasern, so könnte bei der durch sie bewirkten allgemeinen, wenn auch indirekten Verbindung aller Elemente von einer Isolirung einzelner Funktionen kaum die Rede sein. Innerhalb dieses feinen Fasernetzes finden sich mehr oder weniger vereinzelt, dorsalwärts der Raphe etwas zahlreicher, kleine multipolare Ganglienzellen, die oft eine aus- gesprochene Pyramidenform haben. An derselben Stelle sind auch sagittal verlaufende Fasern in grösserer Menge zu sehen 1) Untersuchungen über den Ursprung und die Verbindungen des n. hypoglossus in der Medulla oblongata. Von Dr. P. D. Koch. Arch. f. mikrosk. Anatomie. Vol. 31. 1838. pag. 60. 638 Dr. F. Brandis: und scheinen dem für den Menschen von Schütz!) beschriebenen „dorsalem Längsbündel“ zu entsprechen. Nachdem sich der Centralkanal in den vierten Ventrikel geöffnet hat, erscheint er noch längere Zeit als ein schmaler, langer Spalt, dessen Seitenwände wie der anschliessende innere Theil des Ventrikelbodens fast ganz von dem sich beständig ver- grössernden dorsalen Vaguskerne eingenommen werden, der hier bis dieht an die Peripherie heranreicht. Seine Zellen übertreffen jetzt stellenweise die des ventralen Kermes an Grösse, man sieht zwischen ihnen sehr zahlreiche Nervenfasern von der äusseren Peripherie des Kernes herkommend verlaufen, andere sammeln sich wieder an der inneren Peripherie zu einem ziemlich kräftigen Bündel, welches dann ventralwärts und, wie oben erwähnt, theils zur Raphe, theils zur formatio retieularis zieht, wobei es auch den zwischen Kern und Raphe gelegenen Abschnitt des intra- eerebralen Vagusstammes kreuzt. Der dorsale Kern ist ferner sehr reich an Gefässen und dadurch vor seiner Umgebung aus- gezeichnet. Nach Oeffnung des Centralkanals rückt der ventrale Kern, durch den dorsalen verdrängt, immer weiter ventralwärts und wird zugleich bedeutend kleiner, so dass er schliesslich nur noch dureh eine Zellengruppe vertreten wird, die bereits innerhalb der dorsalen Ausstrahlungen der Raphe liegt, wo sie sich bei der einen Species länger, bei der anderen weniger lange erhalten kann. Es muss aber besonders darauf hingewiesen werden, dass auch nach gänzlichem Verschwinden des Hypoglossus dieser Zellencomplex noch längere Zeit besteht und dadurch seine Un- abhängigkeit von jenem Nerven beweist. Diejenigen Vagusfasern, welche direkt zur Raphe ziehen, werden durch das Kleinerwerden und schliesslich durch das Verschwinden des ventralen Kernes nicht beeinflusst. Weiter proximalwärts wird auch der dorsale Kern allmählich kleiner; dadurch, dass der an Stelle des Centralkanals getretene schmale Spalt sich bedeutend erweitert, wird jener Kern an seiner inneren Seite eingeschränkt und seine Lage zugleich so verändert, dass der dorsale Theil sich nach aussen wendet. Die aus ihm 1) Anatomische Untersuchungen über den Faserverlauf im cen- tralen Höhlengrau ete. Archiv f. Psychiatrie. Bd. 22. 1891. p. 534 u. L. Untersuchungen über das Gehirn der Vögel. 639 entspringenden Fasern ziehen dann erst im Bogen ventralwärts und nach innen und biegen darauf erst nach aussen zum Vagus- stamme um, so dass hier der letztere erst emen Bogen um die ventrale Peripherie des Kernes beschreibt und seine Fasern von mecdialwärts in denselben eintreten (s. Fig. 7). Dieses Verhalten kann so ausgeprägt sein, dass es vorkommt, dass die aus dem Kern centralwärts ziehenden Fasern erst den Vagusstamm dieht am Kerne kreuzen müssen. Auch von aussen her wird der dorsale Kern allmählich mehr und mehr eingeschränkt und vom Boden des Ventrikels verdrängt dadurch, dass sich an dem letztern von aussen nach innen eine an unregelmässig netzförmig angeordneten Fasern sehr reiche Schicht vorschiebt und den Kern ganz von dorsalwärts und schliesslich auch von innen umgibt. Zugleich wird er auch selbst von jenen Fasern überzogen, so dass es den Anschein hat, als ob aus dem Kerme jetzt nach allen Richtungen verbindende Fasern zur Umgebung zögen. Die Zellen des Kernes werden im proximalen Theile wieder sehr deutlich kleiner. Der Kern liegt jetzt seitlich am Grunde der noch ziemlich tiefen mittleren Längsspalte des Ventrikels (s. Fig. 8), nach innen von ihm liegen noch jene feinen, meist sagittal verlaufenden Fasern, welche, wie schon erwähnt, dem dorsalen Längsbündel des eentralen Höhlengraus entsprechen, die sich auch nach gänzlichem Verschwinden des Kernes unverändert erhalten. Ebenso sind auch dann noch die zur Raphe ziehenden Vagusfasern in bedeutender Zahl vorhanden. Erschwert wird ihre Constatirung dadurch etwas, dass von der Raphe starke Faserbündel nach aussen und etwas dorsalwärts ziehen und den intracerebralen Vagusstamm schräg kreuzend zur Gegend des später genauer zu beschreibenden grosszelligen Kernes gelangen, welcher bereits zur Acustieusgruppe gehört (s. Fig. 8). Diese Fasern, deren Verlauf zur Verwechselung mit jenen Vagusfasern Veranlassung geben könnte, unterscheiden sich jedoch von ihnen dureh ihre Stärke und ihre vielfachen Krümmmumngen und Deh- nungen, die dem ganzen Zuge etwas Unregelmässiges verleihen, was dem intracerebralen Vagusstamme stets fehlt. Der intracerebrale Vagusstamm, welcher ursprünglich grad- linig nach aussen ziehend die Peripherie erreichte, macht weiter proximalwärts dieht vor derselben einen leichten Bogen ventral- 640 DraP.aBiryamialls® wärts, verbreitert sich dabei ziemlich stark und verlässt das ver- längerte Mark in mehreren Zügen und, um ein Bild Guddens zu gebrauchen, in Form eines Delta’s. Wie wir gesehen haben, besteht der eigentliche Vagus, ab- gesehen von Accessorius und Glossopharyngen, aus drei Bestand- theilen. Der grösste derselben ist der, welcher aus dem dorsalen Kerne entspringt. Dieser Ursprung kann nicht zweifelhaft sein, schon die einfache Betrachtung zeigt ganz unzweideutig, wie die Nervenfasern in den Kern einstrahlen und zwischen den Zellen verschwinden. Ebenso leicht ist diese Bedeutung des Kernes durch das Experiment nachzuweisen, welches ich in zwei Moditi- kationen angestellt habe. Erstens riss ich zwei eben ausgebrüteten Tauben den Vagus auf einer Seite aus, jedoch so, dass das Ganglion erhalten blieb, ich fand dann bei den nach 6 und 8 Wochen getödteten nach Markscheidenfärbung und Carminnach- färbung regelmässig, dass der imtracerebrale Nervenstamm dünner war als auf der anderen Seite, ferner, dass der dorsale Kern stark verkleinert war. Die Zellen des letzteren hatten sehr un- deutliche Begrenzungen, die Zellkerne waren kleiner als auf der anderen Seite und ebenso wie die Zellen weniger durch Carmin färbbar. ‘Schliesslich sah man zwischen den Zellen nur sehr spärliche Nervenfasern, und diese haben ein blasses und variköses Aussehen. Ferner wandte ich die Färbung der Degenerationsprodukte nach Marchi an, und zwar bei der Krähe; zwei erwachsenen Exemplaren wurde der Nerv einseitig ausgerissen, auch hier blieb das Ganglion erhalten, nach sechs Wochen wurden sie ge- tödtet, die medulla oblongata mit dem anhängenden Vagusganglion in Serienschnitte zerlegt und nach der erwähnten Methode be- handelt. Es zeigten sich dann die noch peripher vom Ganglion vorhandenen Fasern fast durchweg entartet und mit den schwarzen Schollen angefüllt; durch das Ganglion sah man ziemlich spärliehe degenerirte Fasern hindurchziehen, die Zellen desselben schienen intakt zu sein. Central vom Ganglion sind die degenerirten Fasern wieder deutlicher sichtbar und man kann sie leicht bis dorthin verfolgen, wo der intracerebrale Vagusstamm sich theilt; von hier an sind die zum dorsalen Kerne ziehenden mit schwarzen Schollen gefüllten Fasern ziemlich zahlreich, während unter den mehr ventralwärts zur Mittellinie weiter ziehenden Fasern nur Untersuchungen über das Gehirn der Vögel. 641 ganz vereinzelte degenerirte gefunden werden und auch nur dort in der Nähe, wo der Vagusstamm sich theilt. Ebenso unzweifelhaft wie die Fasern aus dem dorsalen Kerne, sind die aus der Raphe zum Vagus ziehenden. Diese blieben bei den oben erwähnten Experimenten unverändert, waren dagegen bei einer Taube, der Vagus und Glossopharyngens mit- sammt ihren Ganglien entfernt waren, stark an der eingetretenen Atrophie der intracerebralen Abschnitte dieser Nerven betheiligt, jedoch nur auf der verletzten Seite, sie waren spärlich, wenig gefärbt, stark varıkös und zeigten gegenüber den normal ent- wickelten Fasern der anderen Seite einen gleichsam zittrigen und unsicheren Verlauf. Man kann aus diesen Thatsachen wohl schliessen, dass diese Fasern aus den Zellen des Ganglion stam- men und, nachdem sie die Raphe gekreuzt haben, im Vorder- strange der anderen Seite proximalwärts zu höher gelegenen Centren ziehen. Weniger sicher als jene beiden Bestandtheile ist der Ur- sprung des Vagus aus dem ventralen Kerme, der, wie wir oben gesehen haben, zugleich dem N. hypoglossus zum Ursprung dient. Es ist hier besonders schwierig, eine Endigung der Vagusfasern nachzuweisen, da die Zellen gewöhnlich sehr zerstreut liegen und der grösste Theil der Fasern jedenfalls zwischen ihnen hin- dureh zur Raphe zieht. Es spricht aber dafür, dass hier Vagus- fasern endigen, der Umstand, dass dieser Kern auch bei solchen Vögeln vorhanden ist, bei welchen der Hypoglossus nicht in Be- ziehung- zu ihm tritt, ferner, dass der Kern bei den übrigen Vögeln viel weiter proximalwärts sich erstreckt, als der Hypo- glossus reicht, worauf bereits oben hingewiesen wurde. Doch könnte dieses alles auch für eine andere Bedeutung des Kernes neben dem Hypoglossusursprung sprechen und beweist nicht, dass seine Zellen ihre Fasern auch zum Vagus senden. Dieses letztere kann aber wiederum durch die oben beschriebenen Ex- perimente klar gestellt werden. Es zeigt sich nämlich bei den in frühester Jugend des einen Vagus beraubten Tauben, dass der ventrale Kern der verletzten Seite dem der anderen gegenüber deutlich verkleinert ist, und zwar fehlen regelmässig die den äusseren Theil desselben bildenden Zellen, während die inneren, die zum Hypoglossus in Beziehung stehen, erhalten sind; sobald daher der letztere Nerv proximalwärts sein Ende erreicht hat, 642 DER. Braindie: sind wohlausgebildete Ganglienzellen an dieser Stelle auf der verletzten Seite nicht mehr vorhanden. Eine Hindeutung auf die Beziehung dieser Zellen zum Vagus könnte man vielleicht auch darin finden, dass der ventrale Kern, wie oben auseinandergesetzt wurde, die Fortsetzung des Accesso- riuskernes bildet, der gleichfalls seine Fasern schliesslich zum Vagus sendet. Will man die so bei den Vögeln gefundenen Verhältnisse mit denen der Säugethiere vergleichen, so muss man entweder annehmen, dass der gemeinschaftliche Hypoglossus-Vaguskern der Vögel einer niederen Entwieklungsstufe entspricht, und sich bei den Säugern in den Hypoglossushauptkern und den nucleus am- bignus getrennt hat, indem der letztere Theil weiter nach aussen und ventralwärts gerückt ist, wozu jener Kern bei den Vögeln in seinem proximalen Theile bereits einen gewissen Anfang macht. Einfacher aber erscheint es, wenn man annimmt, dass der Acces- soriuskern bei den Säugern eine «doppelte proximale Fortsetzung hat, von denen die eine ungefähr die ursprüngliche Lage beibe- haltend, dem nucleus ambignus entspricht, während die andere bedeutend medianwärts verlagert, den Hauptkern des Hypoglossus bildet, dass bei Vögeln aber der Accessoriuskern nur eine Fort- setzung, den gemeinschaftlichen Hypoglossus-Vaguskern hat. Wenn man Unterschiede im Vagusursprung bei den ver- schiedenen Familien der Vögel hervorheben will, so ist es eigent- lieh nur das Verhältniss zwischen dorsalem und ventralem Kern, welehes einigen Wechsel darbietet, indem besonders der Jetztere je nach Betheiligung des Hypoglossus an ihm grösser oder kleiner ist und weiter distal oder proximal auftritt. So erscheinen bei den Sperlingsvögeln z. B. bei Corvus (s. Fig. 5) und ähnlich auch bei Cypselus schon sehr weit distalwärts zahlreiche, grosse, multi- polare Zellen und bilden bereits einen ziemlich umfangreichen festgeschlossenen Kern nach aussen und etwas ventralwärts vom Centralkanal, während der dorsale Kern noch sehr unbedeutend ist, statt der gewöhnlichen runden eine von aussen nach innen langgestreekte Form zeigt und nur spärliche, kleine Zellen ent- hält, so dass dementsprechend der ventrale Theil des Vagus hier viel stärker als der dorsale ist. Beide Kerne sind hier durch eine schmale Schieht getrennt, die sehr viele feine Fasern ebenso wie -die ganze graue Substanz um den Centralkanal enthält. Untersuchungen über das Gehirn der Vögel. 643 Erst nach Oeffnung des letzteren vergrössert sich der dorsale Kern sehr stark, so dass er dann den schnell kleiner werdenden ventralen Kern weit übertrifft, und zeigt dasselbe Aussehen, wie es oben im Allgemeinen beschrieben wurde. In der Familie der Papageien zeigen die untersuchten Exem- plare (s. Fig. 4), dass der dorsale Kern durch die ausserordent- liche Entwicklung des ventralen weit dorsalwärts und etwas nach aussen verdrängt ist, so dass der Rand des aus dem Gentralkanal entstandenen Spaltes von dem letzteren eingenommen wird, wäh- rend der erstere nur den Uebergang von diesem zum Boden des vierten Ventrikels inne hat und sich nur wenig davon nach aussen erstreckt. In einem gewissen, jedoch nur scheinbaren Gegensatz hierzu steht, dass die zum ventralen Kern und weiter zur Raphe ziehenden Fasern ziemlich unbedeutend an Menge sind, was sich leicht dadurch erklären lässt, dass der ventrale Kern fast ganz dem Hypoglossus zugehört und seine Vergrösserung auf der Zu- nahme dieses Nerven beruht. Bei Pieus dagegen überwiegt der dorsale Kern bedeutend; der ventrale tritt erst ziemlich weit proximalwärts auf und zeigt dann an seiner gewöhnlichen Stelle ziemlich grosse, aber nur ganz vereinzelte Zellen, die sehr bald gänzlich verschwinden; etwas zahlreichere dieser Gruppe zuge- hörige Zellen liegen, wie schon beim Hypoglossus beschrieben wurde, mehr ventralwärts zwischen den Fasern, die aus dem dorsalen Rapheende ausstrahlen; der zu ihnen ziehende Theil des Vagus ist entsprechend ihrer Zahl nur ein sehr kleiner. Der dorsale Kern dagegen ist sehr umfangreich, er zeigt in seiner Lage im Vergleich mit anderen Vögeln in sofern eine Verschie- denheit, als er scheinbar bedeutend weiter eerebralwärts, als ge- wöhnlieh der Fall ist, seine grösste Entwicklung erlangt. Es beruht dieses aber darauf, dass der Centralkanal sich bei Pieus schon sehr weit distalwärts zu einer breiten flachen Furche am Boden des vierten Ventrikels öffnet, wodurch die Höhenverglei- chung erschwert wird. Das Verhältniss der beiden Keme ist bei Falco ungefähr dasselbe wie bei Picus. Der ventrale Kern ist unbedeutend, liegt weit nach aussen, entfernt von dem grossen und zellreichen dor- salen Kerne; zum grössten Theil eingebettet in die Fasern, welche vom dorsalen Rapheende ausstrahlen. In der geringen Entwiek- lung des ventralen Kernes stimmt Syrnium, als Repräsentant der 644 DraRaBbmiamndae Eulen, mit Falco überein, die Lage desselben ist aber in sofern eine andere, als er hier weiter dorsal und näher der Mittellinie liegt, er tritt auch hier erst weit proximalwärts auf. Der dorsale Kern ist sehr gut entwickelt und besonders durch den Reichthum an Nervenfasern ausgezeichnet. Ebenfalls sehr überwiegend ist der dorsale Kern bei den Hühnervögeln, der ventrale ist arm an Zellen, er liegt gewöhnlich weit dorsalwärts dem dorsalen Kern sehr nahe und nähert sich erst weiter proximalwärts, wenn der letztere sich stärker ventral- wärts ausbreitet, der Raphe. Es entspricht hier eben dieser ven- trale Kern nur dem Vagusantheil, da der Hypoglossus, wie wir oben gesehen haben, keine Fasern von dort erhält. Auch beim Strauss ist der ventrale Kern ziemlich unbe- deutend, der dorsale schr gross und reich an Zellen und Nerven- fasern, auch der aus ihm centralwärts ziehende Faserzug dem entspreehend sehr deutlich. Bei den Sehwimmvögeln, auch bei denjenigen, bei welchen, wie bei Anser, der Hypoglossus nicht so weit dorsalwärts reicht, ist der ventrale Vaguskern wieder grösser, ohne jedoch einen festgesehlossenen Complex wie bei den Sperlingsvögeln zu bilden, ddie grossen Zellen desselben liegen vielmehr vereinzelt und dem dorsalen Kerne meistens ziemlich genähert. Dasselbe Verhältniss findet sich auch bei Larus. ec. Glossopharyngeus. Wie früher beschrieben worden ist, treten in der hinteren Commissur allmählich zahlreiche Fasern auf, die sich durch ihre Stärke von den anderen Commissurenfasern unterscheiden. Der Verlauf derselben ist von aussen nach der Mittellinie und zugleich ziemlich stark eerebralwärts gerichtet; verfolgt man sie distal- wärts, so findet man, dass sie den medialen Theil der Hinter- stränge in dorsal eoncaven Bogen umgehen und sieh dann dorsal- wärts wendend zwischen den Fasern des lateralen Theiles und in dem bereits stark verlagerten Hinterhorne verschwinden; ein schwächeres Faserbündel schlägt jedoch eine andere Richtung ein, indem es im Bogen ventralwärts zieht und nach Kreuzung des intracerebralen Vagusstammes in dem Seitenstrange ver- schwindet. Untersuchungen über das Gehirn der Vögel. 645 Nachdem diese Fasern sich in der Mittellinie mit denen der anderen Seite gekreuzt haben, ziehen sie auf dieser bis zur Seite des Centralkanals und ventralwärts des bereits stark nach aussen verschobenen inneren Theiles der Hinterstränge und biegen hier ziemlich scharf in einen grade cerebralwärts gerichteten Verlauf um. Allmählich treten ihnen gegenüber die anderen Fasern der hinteren Commissur zurück und jene bilden allein und in der Mittellinie sich kreuzend das Dach des Centralkanales, bis sie, nachdem dieser sich in den vierten Ventrikel geöffnet hat, nur noch in den Seitentheilen als ziemlich umfangreiche Complexe von kurzen Faserabschnitten, die den funieuli solitarii der Säuger entsprechen, sichtbar sind. Es kommt aber auch vor, wie ich es bei Phasianus pietus gefunden habe, wenn auch viel- leicht nur als individuelle Abweichung, dass die Solitärbündel, nachdem sich der Centralkanal bereits geöffnet hatte, denselben wieder für eine kurze Strecke überbrücken. Sie rücken dann, während die Seitentheile des Bodens des vierten Ventrikels sich abflachen, allmählich weiter nach aussen und entfernen sich dadurch von dem dorsalen Vaguskerne, dem sie vorher aussen anlagen. Die Gestalt des ganzen Complexes ändert sich dabei in der Weise, dass seine längste Achse von dorsal und aussen nach ventral und innen gerichtet ist, während sie vorher zu dieser Richtung einen rechten Winkel bildete, und zugleich nehmen die einzelnen Fasern immer mehr eine Richtung direkt cerebralwärts an, so dass sie auf dem Querschnitte der Medulla oblongata nur noch als Querschnitte erscheinen, während sie vorher noch etwas nach aussen gerichtet waren, und zwar beginnen die mehr ventralwärts liegenden Fasern mit dieser Richtungsänderung früher als die mehr dorsalen. Ueberhaupt differenzirt sich jetzt der Complex auf jeder Seite in einem dor- salen und ventralen Theil, welche allmählich weiter auseinander- rücken und durch die oben erwähnten von der Raphe zum gross- zelligen Kerne ziehenden Fasern getrennt werden. Bei einigen Vögeln, z. B. bei Corvus, rückt der dorsale Theil schliesslich nach aussen von den ventralen, so dass man hier einen lateralen und medialen Abschnitt unterscheiden muss. Besondere Zellformationen in der Umgebung der funieuli solitarii konnten nirgends aufgefunden werden, dagegen ist die Grundsubstanz zwischen den Fasern und auch zwischen dem 646 Dr. F.Brandis: Vagusstamme und ihnen stärker als sonst gefärbt und granulirt, während die rings umher sehr zahlreichen kleinen Zellen hier mehr zurücktreten, und entspricht so der Substantia gelatinosa. Nicht selten sieht man vom ventralen Theile aus ziemlich zahl- reiche Nervenfasern ventralwärts ziehend den Vagusstamm über- schreiten und in der formatio retieularis verschwinden. Zunächst verändert sich nur der ventrale Theil, und zwar in der Weise, dass seine Fasern eine Richtung ventralwärts und nach aussen einschlagen und sich entweder dem Vagusstamme anschliessen oder einen selbständigen ziemlich starken Nerven- stamm bilden und parallel dem Vagus und dorsal von ihm nach aussen zur Peripherie ziehen; selten sieht man auch, dass der so entstandene Glossopharyngeusstamm den Vagus kreuzt und dann ventralwärts desselben seine Austrittsstelle erreicht. Die Richtungsänderung kann allmählich vor sich gehen und von innen nach aussen fortschreiten, zuweilen aber ändert der ganze ventrale Theil des Solitärbündels zu gleicher Zeit seinen Verlauf. Der intracerebrale Vagusstamm verändert sich beim An- schluss der Glossopharyngeusfasern anfangs nur in sofern, als er an der Stelle, an welcher jene Fasern zu ihm stossen, nach ven- tralwärts in ziemlich scharfem Winkel abgelenkt wird. Nachdem der ventrale Theil des funieulus fast erschöpft ist, nehmen auch die Fasern des dorsalen eine Richtung nach ventralwärts an, sie erschemen dann auf dem Querschnitte häufig als von aussen nach innen lang ausgedehnte Reihen von kurzen Faserabschnitten, nur die am meisten dorsalwärts gelegenen Fasern behalten ihre sagit- tale Verlaufsrichtung und ursprüngliche Lage, dorsal von dem zum grosszelligen Kerne ziehenden Faserbündeln und nach innen von jenem Kern selbst bei, während die ersteren sich nach und nach dem Glossopharyngeusstamme anschliessen, der jetzt nicht selten mehrere einander parallel laufende Züge bildet. Besonders bemerkenswerth ist, dass auch nach gänzlichem Verschwinden beider Vaguskerne ein starker Faserzug die Riech- tung des Vagusstammes innehaltend in der Verlängerung des Glossopharyngeusstammes nach innen und etwas dorsalwärts weiter- zieht und das dorsale Rapheende erreicht, er dürfte demjenigen Theil des Glossopharyngeus entsprechen, welcher im Ganglion sein Öentrum hat; da er nach Entfernung des Glossopharyngeusganglion den- Untersuchungen über das Gehirn der Vögel. 647 selben Veränderungen unterliegt, welche oben von jenen nach Exstirpation des Vagusganglion beschrieben sind. Eine scharfe Grenze zwischen Glossopharyngeus und Vagus existirt in den meisten Fällen nicht, da die Fasern aus dem Solitärbündel sich gewöhnlich zuerst dem aus dem Vaguskern continuirlich entspringenden Stamme anschliessen und diesen nach Verschwinden jenes Kernes in derselben Richtung fortsetzen. Nach diesen Verhältnissen muss auch die Frage entschieden werden, ob der Vagus aus dem funieulus solitarius Fasern bezieht, und ferner jene, ob ein Glossopharyngeuskern besteht, oder ob als ein solcher der proximale Theil des dorsalen Vaguskernes anzusehen ist. Ein gesonderter Kern, der seine Fasern allein zum Glossopharyngeus sendet, existirt nicht, dagegen sprechen wenigstens die Experimente dafür, dass der proximale Theil des Vaguskernes seine Fasern zum Glossopharyngeus schickt, denn während bei jenen Tauben, denen, wie erwähnt, der Vagus ex- stirpirt war, der distale Theil des Kernes stark atrophisch war, zeigte sich der proximale nur wenig verändert, dagegen war (dieses sehr ausgeprägt bei jenem Exemplare, das zugleich den Glossopharyngeus eingebüsst hatte. Wir haben also für die Vagusgruppe einen ventralen und einen dorsalen Kern, der sehr lang gestreckt ist; aus dem ersteren entspringt der Accessorius und der Vagus im engeren Sinne, aus dem zweiten der letztere und der Glossopharyngeus, dazu treten für die beiden letzten noch die Ursprungsfasern aus den Ganglien und für den Glosso- pharyngeus das Solitärbündel als besonders charakteristischer Be- standtheil. Jedoch ist dieses letztere ihm nicht allein angehörig, son- dern auch andere Nerven haben Theil an ihm. Wie wir oben gesehen haben, biegt ein Theil des funieulus solitarius nicht in den Glosso- pharyngeus um, sondern behält seinen cerebralwärts gerichteten Verlauf bei, er liegt nach innen von den Faser-Complexen um den grosszelligen Kern und dessen proximaler Fortsetzung dicht unter dem Boden des vierten Ventrikels und bildet ein kleines diehtgeschlossenes Bündel, welches sich nicht selten durch die Intensität der Färbung in der faserreichen Umgebung hervorhebt. Gewöhnlich ist die Lage desselben dorsal von den Rapheausstrah- lungen bei einigen Vögeln aber auch zwischen diesen, so dass es dann viel weniger auffällt. Erst in der Höhe des Trigeminus- austrittes ändern diese Fasern ihre Richtung, und zwar sind es 648 Dr. F.Brandis: zuerst die am weitesten nach innen liegenden, welche fast grad- linig ventralwärts und etwas nach aussen ziehen und sich dem austretenden sensibelen Trigeminustheile anschliessen, dann folgt auch der Rest der Fasern in gleicher Weise. Aehnliche Ver- hältnisse sind übrigens auch für das Solitärbündel des Menschen von Boettiger!) beschrieben, nur konnte eine Zunahme dieses Bündels ceerebralwärts bei den Vögeln nicht constatirt werden, und ebenso war graue Substanz in seiner Umgebung in diesem Theile nicht mehr vorhanden. Mit grosser Wahrscheimlichkeit wenigstens ziehen schon mehr distalwärts aus dieser Gegend Fasern auch dem Acustieus zu. Erwähnen möchte ich schliesslich auch noch, dass nach Ausrottung des Glossopharyngeus und seines Ganglion, eine De- generation des Solitärbündels auf derselben Seite bis zur Kreu- zung zu verfolgen ist, dann aber sehr undeutlich wird, der zum Quintus ziehende Theil desselben ist nieht davon betroffen. ös bleibt nun noch übrig, die Ansichten der hauptsächlichsten Autoren über den Ursprung der Vagusgruppe bei den Vögeln kurz anzuführen. Stieda?) gibt nur an, dass die Wurzelbündel des Glosso- pharyngeus und Vagus bis in die substantia einerea laufen und hier zwischen den Zellen verschwinden, und dass ein kleiner Theil derselben von den „Commissuren“ unterhalb des suleus centralis stammt. Kreis?) begrenzt Vagus und Accessorius nicht in derselben Weise, wie es oben geschehen ist, sondern benennt einen weit grösseren Theil der Vagusgruppe mit dem Namen Accessorius, er gibt an, dass dieser sich gegen die Mittellinie hin in zwei Theile spaltet, von denen der obere den Kern erreicht, der untere in die Raphe läuft und aus „der Linsenkernschleife“ stammt. Der eigentliche Vagus ziehe zu dem dorsalen Kerne, erhalte aber auch aus dem Accessoriuskerne Fasern. Turner*) nimmt für jeden der 3 Bestandtheile der Vagus- 1) Beitrag zur Lehre von den chronischen progressiven Augen- inuskellähmungen und zur feineren Hirnanatomie. Von A. Boettiger, Arch. f. Psychiatrie. Bd. XXI, 1890. pag. 554. 2) l. c. pag. 34. 3) l. e. pag. 13. 4) ke, Pag 273 Untersuchungen über das Gehirn der Vögel. 649 gruppe einen gesonderten Kern an, indem er aus dem oben als ventralen Kern bezeichneten nur den Accessorius entspringen lässt, und von dem dorsalen Kerne behauptet, dass die Abschnitte für den Glossopharyngeus und Vagus häufig anatomisch, immer aber histologisch geschieden wären, indem der erstere sich gewöhnlich weiter dorsalwärts erstrecke und aus schmalen Pyramidenzellen bestände, die von den grossen, unregelmässig gebuckelten Zellen des Vaguskernes deutlich verschieden wären. Koch!) hat, wie erwähnt, zuerst die Kreuzung der Solitär- bündel beschrieben; nach ihm erhält der Vagus Fasern aus der Raphe, wo sie sich mit denen der anderen Seite kreuzen, ihr eigentlicher Ursprung ist noch unbekannt, ferner Fasern aus dem (dorsalen) Vaguskerne und schliesslich Fasern in bedeutender An- zahl vom Solitärbündel. Der Glossopharyngeus empfängt die Hauptmasse seiner Fasern von dem letzteren, ‚ausserdem bekommt er Züge von dem Vagus-Glossopharyngeuskern und von der Raphe. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XXXV. Fig. 1. Columba. Hartnack Obj. 2, Oe. 0. Fig. 2. Larus marinus. Hartnack Obj. 1, Oe. 0. Fig. 3. Phasianus pietus. Hartnack Obj. 2, Oe. 0. Fig. 4. Cacatua galeata. Hartnack Obj. 2, Oe. 0. Fig. 5. Corvus corone. Hartnack Öbj. 2, Oec. 0. Fig. 6. Phoenicopterus roseus. Hartnack Obj. 2, Oe. 0. Fig. 7. Larus marinus. Hartnack Obj. 1, .0c.0. Fig. 8. Syrnium aluco. Hartnack Obj. 1, Oe..0. a. Kern des N. accessorius. a. Fortsetzung desselben cerebralwärts. b. Ventraler Hypoglossuskern. e. Ventraler Vaguskern resp. gemeinschäftlicher Vagus-Hypoglossuskern. d. Dorsaler Vaguskern. ce. Centralkanal. R. Raphe. f.s. funieulus solitarius. r. a. radix ascendens n. trigemini. e. Grosszelliger Kern. 1) Nogle Bemärkninger om Udspringet ete. 1. e. pag. 9 u. f. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 41 42 650 Dr. P. Samassa: Die Keimblätterbildung bei den Cladoceren. Von Dr. phil. et med. P. Samassa, Privatdocent der Zoologie in Heidelberg. II. Hierzu Tafel XXXVIL XXXVLH, XXXVIU und XXXRX. Ich habe im ersten Theile!) dieser Arbeit über die Bildung der Keimblätter beim Sommerei von Moina rectirostris berichtet; ich trage nunmehr die Untersuchungen nach, die ich an Daphnella und einigen Daphniaarten gemacht habe, und glaube damit die typische Form der Keimblätterbildung bei den Oladoceren fest- zustellen. Bevor ich mich noch mit Mona beschäftigte, hatte ich ge- sucht, die Verhältnisse bei Daphnia pulex zu ermitteln: es ist dies aber ein äusserst ungünstiges Object, da die Eier verhält- nissmässig gross sind und bis in späte Stadien kugelrund bleiben, so dass eine Orientirung der Eier beim Schneiden fast unmöglich ist. Später fand ich in den längsovalen Eiern von Daphnella brachyura (Sida brachyura Liev.) ein Object, das in dieser Be- ziehung allen Wünschen entsprach. Die an Daphnella gewonnenen Ergebnisse konnte ich dann an Daphnia hyalina Leydig bestätigen. Die Eier dieser Form haben vor denen von Daphnia pulex den Vorzug, dass sie kleiner und etwas längsoval sind, so dass auch hier eine Orientirung möglich ist. In der folgenden Darstellung habe ich Daphnia hyalina nicht so eingehend behandelt wie Daphnella und mich darauf beschränkt, diejenigen Punkte hervorzuheben, die mir von besonderer Wichtigkeit schienen, oder in denen Daphnia von Daphnella abweicht. Auch von anderen Cladoceren besitze ich einige fragmentari- 1) Dieses Archiv Bd. 41, Heft 3. Die Keimblätterbildung bei den ÖCladoceren. 651 sche Beobachtungen, auf die ich aber nicht eingehen werde, da sie mit dem, was ich an Daphnella brachyura und Daphnia hyalina gesehen habe, im besten Einklang stehen. Die Literatur über den vorliegenden Gegenstand ist äusserst spärlich: nachdem ich die Grobben’'sche Arbeit im ersten Theile bereits eingehend besprochen habe, erübrigt noch eine vorläufige Mittheilung von Lebedinsky!) über Daphnia similis, Angaben von Weismann und Ischikawa?) über die ersten Entwieklungs- vorgänge bei verschiedenen Cladoceren, schliesslich eine gelegent- lich gemachte Bemerkung von Häcker?) über die Entwicklung von Moina aus dem Winterei. Ich habe mich bisher nur mit der Entwieklung der Sommer- eier beschäftigt; als dritter Theil und Abschluss der vorliegenden Untersuchung würde also noch das Studium der Entwicklung. der Wintereier erübrigen. Man könnte vielleicht meinen, dass hier der Schlüssel zu suchen sei, der uns manche Eigenthümlichkeit in der Entwieklung der Sommereier erklären werde; denn, da die Wintereier in Bezug auf die Befruchtung offenbar den ur- sprünglicheren Zustand bewahrt haben, so könnte man zu der von Häcker?) ausgesprochenen Annahme kommen, dass dies auch bezüglich der Entwieklung der Fall sei. Bei genauerer Ueberlegung kommt man jedoch zu dem Schlusse, dass dies nicht wahrschemlich ist; denn die Masse des Dotters spielt bei den cenogenetischen Abänderungen in der Entwicklung der Sommer- eier zweifellos die Hauptrolle; dasselbe Moment wirkt aber noch in erhöhtem Maasse bei den Wintereiern, so dass wir gewiss nicht erwarten dürfen, hier ursprünglichere Verhältnisse anzu- treffen. Nach Häcker?) soll beim Winterei von Moina eine „Parenchymgastrula® dureh „multipolare Delamination“ entstehen. Ich möchte zunächst die eingehende Begründung Häcker’s für diese Behauptung abwarten; es scheint mir aber, dass Häcker Anlass haben werde, sie zu berichtigen. 1) Lebedinskv, J., Die Entwicklung der Daphnia aus dem Sommereie. Zool. Anz. 14. Jahrg. 1891. . 2) Weismann, A. und Ischikawa, C., Ueber die Bildung der Riehtungskörper bei thierischen Eiern. Ber. d. naturf,. Ges. zu Frei- burg i. Br. III. Bd. 1. Heft. 1887. 3) Häcker, V., Die Kerntheilungsvorgänge bei der Mesoderm- und Entodermbildune von Cycelops. Arch. f. mikr. Anat. Bd. 39. 1892. 652 Dr. P. Samassa: Weit mehr als vom Studium der Entwicklung der Winter- eier erwarte ich von einer eingehenden Kenntniss der Entwick- lung der echten Phyllopoden. Leider breehen die werthvollen Untersuchungen A. Brauer's!) über Branchipus gerade bein interessantesten Stadium ab; hoffentlich bekommen sie bald ihre Ergänzung. Schliesslich möchte ich noch an dieser Stelle Herrn Prof. Bütschli meinen Dank aussprechen dafür, dass er mir in liebens- würdigster Weise die Benutzung seiner Privatbibliothek und der- jenigen des zoologischen Institutes gestattete, sowie auch die hiesige Universitätsbibliothek zugänglich machte. Daphnella brachyura Liev. Furchung. Das Ei dieser Form besitzt eine Länge von 0,18—0,24 mm; die Breite beträgt meist die Hälfte der Länge. Der Brutraum von Daphnella ist wenig geräumig, so dass sich meistens bloss zwei Eier in demselben finden. Ueberaus häufig liegen dann die Eier so, dass die Längsaxe des Eies, welche die künftige Längs- axe des Thieres vorstellt, parallel mit der Längsaxe des Mutter- thieres liegt. In solchen Fällen ist es dann natürlich vortheilhaft, das Mutterthier mit den Embryonen zu schneiden, weil sich hier- bei die Orientirung einfach ergibt; zudem ist das Herauspräpariren der Eier gerade bei dieser Forın wegen der Enge des Brutraums nicht so leicht, wie etwa bei Daplhınia. Bezüglich der Lage der Embryonen im Brutraum ist noch zu bemerken, dass in der über- wiegenden Zahl der Fälle das Kopfende des Embryos in der- selben Richtung liegt, wie das des Mutterthieres; doch habe ich in einem Falle zwei Eier in einem Brutraum gefunden, von denen das eine den Kopfpol nach oben, das andere nach unten ge- wendet hatte, so dass also die erwähnte Regel nicht unbedingt gilt. Einen besondern Werth für die Orientirung hat übrigens diese Lagerung nicht, da der Kopfpol durch die bereits sehr 1) Brauer, A., Ueber das Ei von Branchipus Grubii Dyb. von der Bildung bis zur Ablage. Aus dem Anhang zu den Abhandl. d. kön. pr. Akad. d. Wiss. zu Berlin im Jahre 1893. Die Keimblätterbildung bei den Cladoceren. 653 früh auftretende Scheitelplatte immer leicht zu erkennen ist; sie kommt höchstens in Betracht für das Studium der Bildung der Scheitelplatte, bez. der ihrem Auftreten unmittelbar vorausgehen- den Stadien. Einen Längsschnitt durch das jüngste Stadium, das ich besitze, gibt Fig. 1 wieder. Man sieht in der Mitte eine kreis- förmige Lücke (e 0), welche dem sogenannten centralen Oeltropfen entspricht. Dieser stellt in vivo eine durch ihr starkes Licht- brechungsvermögen leicht kenntliche Fettansammlung vor und muss sich natürlich am conservirten Ei als dotterfreier Hohlraum darstellen. Rechts vom centralen Oeltropfen sehen wir die beiden ersten Furchungszellen !), welche sich offenbar eben erst getrennt haben, da im jeder derselben noch das Centrosom mit der von ihm ausgehenden Plasmastrahlung zu sehen ist. Vom Plasma der Furehungszelle aus erstrecken sich Fortsätze desselben durch das ganze Ei zwischen die Dotterkugeln, so dass fast jede der- selben ganz von Plasma umgeben ist. Eine irgend beträchtlichere Plasmaschieht an der Oberfläche des Eies, die man als „Keim- hautblastem“ (Weismann) in Anspruch nehmen könnte, findet sich nicht vor. Hingegeh sehen wir an dem Pole, der nach seiner Lage im Brutraum der oben erörterten Regel zufolge wenigstens mit Wahrscheinlichkeit als der künftige Kopfpol angesehen werden kann, eine stärkere Plasmaansammlung (RK). Nach Weismann und Ischikawa?) liegt in dieser Plasmakappe der Richtungs- körper und ich habe keinen Grund, diese Angabe in Zweifel zu ziehen. Zwar konnte ich stärker färbbare Elemente in der frag- lichen Plasmaansammlung hieht nachweisen, da aber die Färb- barkeit der Kerne schon in diesem Stadium eine sehr schwache ist, Ja, wie ich noch zu erwähnen haben werde, in späteren Stadien die Kerne vorübergehend ganz unfärbbar sind, so kann dies nicht als Einwand gegenüber den Angaben der genannten Forscher gelten, welche die Richtungsspindel am Pole des Eies gesehen und gezeichnet haben. Ich gehe darauf desshalb ge- nauer ein, weil sich ergibt, dass Daphnella in einem Punkte von Moina und verschiedenen anderen Cladoceren, bei denen Weis- 1) Bezüglich des Gebrauches des Ausdrucks „Furchungszelle“ verweise ich auf den ersten Theil dieser Arbeit pag. 340. DRG. 654 Dr. P. Samassa: mann und Ischikawa die Bildung der Richtungskörper beob- achtet haben, abweicht: während nämlich immer die erste Furchungsspindel auf der Riehtungsspindel senkrecht steht, liegen bei Daphnella die beiden Spindeln in derselben Richtung, worauf übrigens schon Weismann und Ischikawa aufmerksam ge- macht haben. Auch die Mittheilungen der genannten Forscher über die weitern Theilungen kann ich bestätigen. Die Richtung der zweiten Theilung steht senkrecht auf der Längsaxe. Auf Quer- schnitten findet man je zwei Zellen über und unter dem centralen Oeltropfen. Zu gleicher Zeit treten dann alle vier Zellen wieder in Theilung. Fig. 2 gibt einen Querschnitt durch dieses Stadium: die Kernspindel der Zelle rechts war schon auf den vorher- gehenden Schnitten getroffen. Das achtzellige Stadium ist mir nieht zu Gesicht gekommen. Weismann und Ischikawa geben aber eine Abbildung davon (Fig. 35), auf die ich hier verweisen kann. Die Zellen liegen in diesem Stadium bereits an der Oberfläche. Sie bilden zwei Reifen von je vier Zellen um die Hauptaxe, von denen der eine. über, der andre unter dem centralen Oeltropfen liegt; was übrigens auch aus Fig. 2 hervorgeht. Soweit Beobachtungen bis jetzt darüber vorliegen, scheint es, dass bei den Cladoceren die Zellen immer im achtzelligen Stadium an die Oberfläche des Eies treten. Das nächste, 16zellige Stadium (Fig. 3) kommt dadurch zu Stande, dass alle Zellen des vorhergehenden Stadiums sich in der Längsrichtung des Eies theilen, so dass aus den zwei Reifen vier Reifen von je vier Zellen entstehen, wobei die Zellen auch in der Längsrichtung regelmässig untereinander stehen. Wie aus dem Querschnitte durch dieses Stadium (Fig. 4) zu entnehmen ist, erstreckt sich von den Zellen aus ein Fachwerk von Plasma durch das ganze Ei, ebenso, wie ich es vom zweizelligen Stadium geschildert habe; daher stehen alle Zellen mit einander im Zu- sammenhange. Eine Modification dieses Zustandes finde ich an einem Pol (Fig. 5): hier haben sich nämlich die Zellen im Dotter gegeneinander abgegrenzt, so dass die Dotterkugeln innerhalb bestimmter Zellen liegen. Es ist dies desshalb vom besondern Interesse, weil unmittelbar nach diesem Stadium das zwischen den Dotterkugeln gelegene Plasma sich gegen die Zelle hin zu- rückzieht, was auch an den Polen der Fall ist; es liegen also Die Keimblätterbildung bei den Cladoceren. 655 hier die Dotterkugeln vorübergehend in einer Zelle, um dann von derselben wieder ausgestossen zu werden. Erwähnen möchte ich noch, dass in diesem Stadium (vgl. Figg. 4und 6, N) die Kerne absolut ungefärbt bleiben. Die Präparate, an welchen ich diese Beobachtung machte, waren mit Boraxcarmin gefärbt und nur soweit mit Salzsäure ausgezogen, dass das Protoplasma noch einen schwachen rosa Ton hatte. Dass die Färbung gelungen war, konnte man daraus erkennen, dass die Chromosomen in den Theilungsfiguren intensiv roth gefärbt waren. Die ruhenden Kerne aber waren nur als kreisförmige Lücken im Protoplasma zu er- kennen, in deren Innern einige stark liehtbreechende Körner und Stränge sichtbar waren. Es reiht sich dieser Befund offenbar dem an, was bei Insekten über unfärbbare Kerne bereits be- kannt ist"). Vergleichen wir nun die Stadien, die ich bisher geschildert habe, mit den entsprechenden Vorgängen bei Moina, so. findet sich bei genauerer Betrachtung eine grosse Uebereinstimmung. Da die Axe, welche ich bei Moina die Hauptaxe genannt habe, eine dorsoventrale ist, so kann sie natürlich nieht der Längsaxe bei Daphnella entsprechen, die, wie schon bemerkt, die Längsaxe des Thieres ist, sondern einer darauf senkrechten, die etwa durch den centralen Oeltropfen geht und im vierzelligen Stadium von allen vier Zellen den gleichen Abstand hat; die Ebene, in welcher die vier Zellen liegen, ist die Aequatorialebene. Die Theilungs- richtungen würden dann bis zum achtzelligen Stadium genau denen bei Moina entsprechen. Die Theilung nach dem achtzelligen Stadium verläuft aber bei Daphnella auf beiden Seiten so, wie bei Moina, bloss auf der unteren Seite, während die eigenthüm- liche Verzögerung in der Theilung, welehe bei Moina zur Bildung ‘der Grobben’schen Zelle führt, bei Daphnella fehlt. Die That- sache, dass bei Moina die acht Zellen der unteren Seite in der Mitte zusammenstossen, bei Daphnella aber nicht, ist lediglich verursacht durch den Unterschied in der Form und Grösse der Eier. Ebensowenig wie ich im 16zelligen Stadium etwas der Grobben’schen Zelle bei Moina Analoges finden konnte, ist dies 1) Vgl. Henking, H., Untersuchungen über Jie ersten Entwick- lungsvorgänge in den Eiern der Insekten. Zeitschr. f. wiss. Zoologie. Bd. 54. 1892, pag. 206 „über farblose Kerne“. 656 Dr. P. Samassa: im weitern Verlauf der Theilung der Fall. Hingegen lässt sich feststellen, dass von jetzt ab die Zellen sich nieht mehr gleich- zeitig theilen; irgend eine Gesetzmässigkeit darin ist aber nicht zu entdecken. So finden sich in dem Ei, das ich oben beschrie- ben habe (Figg. 4, 5), mehrere Zellen bereits in Vorbereitung zu einer neuen Theilung. Einen ferneren Beleg gibt ein Längs- schnitt dureh ein weiter vorgeschrittenes Stadium (Fig. 6), wo ein ruhender Kern und zwei Kernspindeln zu sehen sind. Die anderen Schnitte durch dieses Ei weisen noch mehrere ruhende Kerne auf, die aber in ihrer gegenseitigen Anordnung keinerlei (Gesetzmässigkeit erkennen lassen. An Fig. 6 ist noch bemerkens- werth, dass sich zwischen den Dotterkugeln kein Protoplasma mehr findet, welches offenbar in die Zellen eingezogen wurde. Hievon sind jedoch die beiden Pole ausgenommen, wo noch ein Zusammenhang zwischen den Zellen vermittelst ihrer Plasmafort- sätze ‚stattfindet, der aber später aufhört, indem sich auch hier das Plasma ganz in die Zellen zurückzieht. Eine Abgrenzung der Zellen an den Polen gegeneinander ist nicht zu bemerken; dieselbe kommt also so, wie ich sie oben geschildert habe (Fig. 5), vielleicht nur gelegentlich vor. Nach dem 16zelligen Stadium habe ich das Alter immer nur annähernd nach der Grösse der Zellen und ihrer Kerne be- stimmt. Durch eine Zählung der Kerne liesse sich allerdings eine genauere Feststellung ermöglichen; doch bin ich der An- sicht, dass diese mühevolle Arbeit zu den Ergebnissen in keinem Verhältnisse stehen würde. Dem 16zelligen Stadium zunächst steht jedenfalls ein Ei, dessen Querschnitt ich in Fig. 7 wiedergebe. Die Zellen scheinen hier bereits eine allseitig geschlossene Keimhaut zu bilden, doch ist dies, wie die übrigen Schnitte lehren, nieht überall der Fall, da an einigen Stellen der Dotter die Eioberfläche noch erreicht. Von einem spätern Stadium gebe ich einen Längsschnitt (Fig. 8) und sechs Querschnitte (Figg. 9—15) wieder; dieses Stadium ist desshalb von Interesse, weil in demselben zwei Vorgänge ihren Anfang nehmen: erstens die Bildung der Scheitelplatte und zweitens eine eigenthümliche Umgestaltung der Dotterelemente. Im Ei der Fig. S sind fast alle Kerne im Ruhestadium und irgend ein bemerkbarer Unterschied in den Zellen an den Polen konnte nicht festgestellt werden. Hingegen sind die Dotterkugeln nicht Die Keimblätterbildung bei den Cladoceren 657 mehr rund, wie in den vorigen Stadien, sondern zeigen unregel- mässige Gestalt, als ob sie durch gegenseitigen Druck beeinflusst c wären; dabei stossen allerdings die einzelnen Dotterschollen durch- aus nicht direkt aneinander, wie man erwarten sollte. Aehnliche Formen werden von Nusbaum!) für Mysis beschrieben; doch haben dort schon von Anfang der Entwicklung an die Dotter- elemente diese Gestalt. Da Nusbaum den Dotter in vivo immer kugelförmig sah, so nimmt er an, dass diese Form durch die Conservirung erzeugt sei. Zur Zeit, als mir diese eigenthümliche Veränderung am Dotter auffiel, stand mir kein lebendes Material mehr zur Verfügung, so dass ich nicht sagen kann, wie es’ in dieser Richtung bei Daphnella steht; doch scheint mir wahr- scheinlich, dass ebenso wie bei Mysis die Dotterpartikel im Leben kugelförmig sind und erst dureh die Conservirung die erwähnte eigenthümliche Form bekommen. Ich brauche aber wohl nicht besonders zu betonen, dass im Dotter Veränderungen vorgegangen sein müssen, welche diese den Anfangsstadien gegenüber ver- schiedene Rkeactionsweise bedingen. Auf den abgebildeten Querschnitten (Figg. 9—14), die durch ein Ei gelegt sind, das wohl annähernd im selben Stadium sich befindet, wie das der Fig. 8, ist‘ die geschilderte Form der Dotter- körner noch nicht vorhanden; sie sind aber auch nieht mehr rund, sondern entweder oval oder in anderer Weise minder regel- mässig; ich gehe wohl nicht fehl, wenn ich darin ein Ueber- gangsstadium zu der oben geschilderten Form erblicke. Die erwähnten Querschnitte unterscheiden sich aber noch in anderer Richtung von dem Längssebnitte der Fig. 8. An denselben finden sieh viele Zellen in Theilungsstadien und es stellt sich hierin zwischen den beiden Polen ein Unterschied heraus: in den drei letzten Schnitten durch den Pol, der im Brutraum in der Richtung des mütterliehen Kopfes liegt, also wahrscheinlich den künftigen Kopfpol des Embryos darstellt (Figg. 9—11) sehen wir Zelltheilungen nur an einer Seite, die, wie sich später herausstellen wird, wahrscheinlich die ventrale ist, während auf der anderen Seite grosse Zellen mit ruhenden Kernen, die gleichfalls von beträchtlicher Grösse sind, liegen 1) Nusbaum, J., L’embryologie de Mysis chamaeleo. Arch. Zool. exper. (2) 5. 1887. 658 Dr. P:ı'Samlaissa: (Figg. 9, 10 5). Zwar finden sich gelegentlich auch in der Mitte Kerne von gleieher Grösse (Fig. 12); eine solehe Ansammlung von derartigen Zellen mit grossen Kernen, unter denen keine in Theilung begriffen ist, habe ich aber sonst nirgends gefunden, so dass ihr Vorkommen auf den drei auf einander folgenden Sehnitten (Figg. 9—11) wohl kaum ein Zufall sein kann. Zudem zeigen die Schnitte durch den entgegengesetzten Pol ein ganz anderes Ansehen (Figg. 15, 14): es sind da die meisten Kerne in Mitose oder Vorbereitung zu derselben und die beiden ruhenden Kerne in Fig. 13 sind sehr klein. Ziehe ich nun in Rücksicht, dass auf einem etwas späteren Stadium die Scheitelplatte bereits vorhanden ist, in Form einer Ansammlung von grossen Zellen mit ebensolchen Kernen an der dorsalen Seite des Kopfpols, so bin ich geneigt, den Unterschied zwischen den Zellen an den beiden Polen dadurch zu erklären, dass am Kopfpole die erwähn- ten grösseren Zellen als die erste Anlage der Scheitelplatte zu betrachten sind. Man muss annehmen, dass diese Zellen sich zunächst nicht theilen, sondern weiter wachsen, um dann die Zellen der Scheitelplatte vorzustellen; durch ihre Lage ist die dorsale Seite eharakterisirt. Ich konnte es im Vorstehenden lediglich wahrscheinlich machen, dass die Anlage der Scheitelplatte in dem geschilderten Stadium bereits vorhanden sei. Zweifellos ist dies aber an etwas älteren Eiern der Fall, bei denen gleichfalls von einer Sonderung der Keimblätter noch nicht die Rede ist. Wir sehen dies an einem Querschnitt (Fig. 15), wo die dureh die grossen Kerne charakterisirten Zellen die Scheitelplatte vorstellen (Fig. 15 8). Bemerkenswerth ist, dass dieselbe einfach ist und nicht doppelt, wie bei Moina; ich muss aber trotzdem die Angabe über Moina aufrecht erhalten, wobei ich unerörtert lasse, welches Verhalten das primäre sei. Es wäre ja wohl möglich, dass in Folge der eigenthümlichen Form des Daphnella-Eies die ursprünglich dop- pelte Anlage in eine unpaare zusammengedrängt wurde. Ich will noch erwähnen, dass an den ganzen Eiern die Scheitelplatte doppelt erscheint, als eine am Kopfpol symmetrisch zur Längs- axe gestellte Verdiekung der Keimhaut; es rührt dies aber offen- bar davon her, dass man den optischen Schnitt durch die beiden Ränder der Scheitelplatte, die sich etwas gegen die Ventralseite zu umschlagen, zu sehen bekommt. Die Keimblätterbildung bei den Cladoceren. 659 An dem Ei, von dem ich in Fig. 15 einen Durchschnitt durch den Kopfpol wiedergebe, sind noch zwei Eigenthümlich- keiten zu bemerken, auf die ich eingehen muss. Auf einem Durehschnitt, der etwa durch die Mitte des Eies geht, sieht man einige grössere Zellen (Fig. 16a), die stärker gegen den Dotter vorspringen, auch grössere Kerne besitzen als die übrigen Zellen des Blastoderms. Sie liegen dorsal und sind auf mehreren auf einander folgenden Schnitten zu sehen. Ich sehe sie noch bei einem Ei, an dem die Bildung des unteren Blattes eben begonnen hat (Fig. 18a); auf späteren Stadien konnte ich diese Zellen nieht mehr auffinden: über ihre Bedeutung weiss ich nichts aus- zusagen. An Fig. 16 ist noch bemerkenswerth, dass die Unregel- mässigkeit in der Form der Dotterkörmer in Vergleich zum Stadium der Fig. 8 noch beträchtlich zugenommen hat. Die zweite Erscheinung, die ich besprechen will, bemerkt man an Fig. 17, die den letzten Schnitt durch den Schwanzpol desselben Eies darstellt. Man sieht an demselben einige Zellen, deren Protoplasma durch semen dunklern Ton auffällt, und zwar tritt dies bei den verschiedensten Färbungen ein. Dass dieses Phänomen mit der Zelltheilung nieht im Zusammenhange steht, lehrt ein Blick auf die Abbildung. Hingegen lässt sich eine andere Eigenthümlichkeit der dunkleren Zellen bemerken: an späteren Stadien sieht man (Fig. 30), dass die helleren Zellen (b) meist runde Form besitzen, während die dunkleren (a) sich dieser Form anpassen und die Zwischenräume zwischen den hellen Zellen ausfüllen. In Fig. 17 ist dieses Verhalten zwar schon angedeutet, aber noch nicht so ausgesprochen, wie in Fig. 30. Hauptsächlich finden sich diese Zellen in der nun folgenden Periode der Bildung des unteren Blattes; ich habe sie aber auf den Zeichnungen ausser auf den erwähnten zwei Figuren nur noch auf Fig. 29 angedeutet. Die Bildung des unteren Blattes. Auch bei Daphnella findet in ähnlicher Weise wie bei Moina die Bildung des unteren Blattes oder Entomesoderms durch Wuceherung von einer Blastozone aus statt. Die Blastozone stellt hier einen in der Medianlinie gelegenen Streifen vor. Den Ein- druck der Eier in toto gibt Fig. 32 in seitlicher Ansicht wieder. 660 Dr. P. Samassa: Genaueres über die Ausdehnung der Blastozone, sowie darüber wie weit das untere Blatt noch mit derselben im Zusammenhang steht, ist an solchen Präparaten nicht zu erkennen; Querschnitte und gut geführte Sagittalschnitte geben darüber am besten Auf- schluss. Ein Querschnitt durch das jüngste Stadium, das ich besitze, ist in Fig. 18 abgebildet. An der dorsalen Seite finden sich die zu Ende des vorigen Abschnittes beschriebenen grösseren Zellen (a); an der Ventralseite sieht man eme Vorwölbung gegen den Dotter, die durch die Wucherung des Blastoderms gebildet wird. Eine Zelle (e) ist bereits ganz aus dem Epithelverband geschieden und befindet sich in tangentialer Riehtung in Theilung. Eine andere Zelle (b) scheint eben im Begriffe einzuwandern und ist gegen eine bereits im Innern liegende Zelle nicht abgegrenzt. Da sich ein dem Geschilderten ähnliches Verhalten nur auf zwei bis drei Schnitten nachweisen lässt, so haben wir es sicher mit den ersten Anfängen der Bildung des unteren Blattes zu thun. Ein weiter vorgeschrittenes Stadium zeigt Fig. 19—21 auf (Querschnitten. Aus Fig. 20 erhellt, dass die Blastozone ziemlich breit ist; gegen den Dotter springt eine beträchtliche Zellmasse vor, die mit dem Blastoderm in innigem Zusammenhang steht. Die spindelförmige Form der Zellen gibt den Eindruck, als ob dieselben gewissermaassen gegen den Dotter hin eingepresst wären; wir haben es also mit einer Einwanderung und nicht mit einer Abspaltung zu thun. Um diese Frage gleich hier zu erledigen, so bemerke ich, dass eine Reihe von Bildern, die man zu sehen bekommt, un- zweifelhaft für eine Immigration der Zellen spricht. So sehen wir in Fig. 28 ein Stück der Blastozone bei stärkerer Vergrös- serung von einem Ei, bei dem sich bereits der grösste Theil des unteren Blattes vom Blastoderm getrennt hat. In Fig. 28 reicht nur mehr eine Zelle (a) mit einem dünnen Fortsatz an die Ei- oberfläche. Da die Zelle in Theilung begriffen ist und die Axe der Spindel zur Eioberfläche in tangentialer Richtung liegt, so kann darüber wohl kein Zweifel herrschen, dass der an die Oberfläche reichende Fortsatz der Zelle auch eingezogen wird: es handelt sich also auch in diesem Falle um Einwanderung. Die Betheiligung einer Delamination von Zellen kann ich aber trotzdem nicht mit Sicherheit ausschliessen: so finden sich bei- Die Keimblätterbildung bei den Cladoceren. 661 spielsweise in Fig. 29 zwei zur Eioberfläche senkrecht gestellte Kernspindeln (a), die auf eine Abspaltung hindeuten würden. Es wäre aber natürlich in diesem Falle auch möglich, dass beide Zellen, welche durch Theilung entstehen, schliesslich einwandern, was sich jedoch der Beobachtung entzieht. Wenn ich aber auch den letztern Punkt unentschieden lassen muss, so kann ich doch mit Sicherheit sagen, dass der Hauptantheil bei der Bildung des untern Blattes auf Rechnung der Einwanderung zu setzen ist. Wenn wir nach «dieser Abschweifung zu dem Ei der Figg. 19—21 zurückkehren, so muss ich zunächst hervorheben, dass die in Fig. 20 dargestellte Einwucherung sich nur auf fünf bis sechs Schnitten (von 5 u Dicke) findet. In Fig. 19, welehe einen in Bezug zu Fig. 20 weiter kopfwärts gelegenen Schnitt wieder- gibt, liegt das untere Blatt als eine meist einzellige Lage unter dem Blastoderm; die Zellen des Letzteren buchten sich aber theilweise gegen das untere Blatt etwas vor, so dass es den Ein- druck macht, als wäre hier die Trennung des Blastoderms vom untern Blatt eben erst erfolgt. Man könnte allerdings auch an- nehmen, dass sich die Blastozone überhaupt nieht bis hierher er- streckt habe und dass sich das untere Blatt von der Blastozone bis hierher vorschiebt. Dagegen scheint mir jedoch die Ausdeh- nung der Blastozone, die ich an anderen Eiern angetroffen habe, zu sprechen: so reicht dieselbe in Fig. 29 nahezu von einem Eipol zum andern und in Fig. 31 ist es ähnlich. Es bleibt dann aber immer noch ein anderer Unterschied zwischen dem Ei der Fig. 19—21 und dem von Fig. 29: denn, trotzdem Letzteres, wie sich aus dem genauen Studium der ganzen Serie ergibt, zweifel- los viel weiter entwickelt ist, als das Ei der Figg. 19—21, besteht hier doch noch in der ganzen Ausdehnung der Blastozone der Zusammenhang zwischen dem Blastoderm und dem untern Blatte. Wiederum anders sind die Verhältnisse bei einem Ei, das wohl annähernd gleichen Alters sein dürfte, wie das der Fig. 29 und von dem Fig. 31 einen medianen Sagittalschnitt wiedergibt; hier ist in der Mitte das untere Blatt vom Blastoderm bereits getrennt, während in einer kopfwärts und analwärts davon gelegenen Zone der Zusammenhang noch gewahrt ist. Aus den hier angeführten Beispielen, sowie aus verschiedenen anderen Serien durch Eier desselben Stadiums gewinne ich die Ueberzeugung, dass sowohl die Ausdehnung der Blastozone, sowie auch der Zeitpunkt und 662 Dr. P. Samassa: die Art der Trennung zwischen dem Blastoderm und dem untern Blatte beträchtlichen Schwankungen unterworfen ist, auf die ich noch im theoretischen Theil dieser Arbeit zu sprechen kommen werde. Dasselbe ist offenbar auch mit einem andern Vorgang der Fall, zu dem ich nunmehr komme. Es betrifft dies jene Zellen, welche sich vom untern Blatte loslösen und deren Aufgabe die Resorption des Dotters ist. Man sieht zwei derselben (DZ) in Fig. 21, welche einen Schnitt darstellt, der analwärts von dem der Fig. 20 liegt. In Fig. 29 liegt eine Dotterzelle (DZ) am analen Eipole, zwei an der dorsalen Wand; da die übrigen Schnitte durch das Ei der Fig. 29 zeigen, dass das untere Blatt bis zur dorsalen Wand des Eies reicht, so scheint es mir wahr- scheinlich, dass die Dotterzellen sich vom Rande des untern Blattes losgelöst haben. Für diese Auffassung spricht auch Fig. 33, welehe einen Frontalschnitt durch ein Ei darstellt, das ebenso weit entwickelt sein dürfte wie das der Fig. 29, was sich allerdings an Frontalschnitten nicht so sicher entscheiden lässt. Es ist hier der gegen die Dorsalseite zu vordringende Rand des untern Blattes getroffen: wir sehen einzelne Zellen bereits ganz losgelöst (DZ), während andere sich noch im Verbande des un- tern Blattes befinden, aber mit Dotterelementen beladen und wahrscheinlich auch zu Dotterzellen bestimmt sind. Schliesslich verweise ich noch auf Fig. 31, wo zwei Dotterzellen dem untern 3latte direkt aufliegen und allem Anschein nach aus dem Ver- bande desselben eben erst ausgetreten sind. Im Gegensatz zu den genannten Zellen, wo die Ablösung der Dotterzellen vom untern Blatte verhältnissmässig früh erfolgt, steht ein -Ei, das bereits weiter vorgeschritten ist und von dem ich in Fig. 22—27 sechs Querschnitte abbilde. In Fig. 22 ist die Scheitelplatte getroffen, an der sich Fig. 15 gegenüber eine geringe Vermehrung der Zellen bemerken lässt. In Fig. 23 ist bereits das untere Blatt (uB) zu sehen, dasselbe stellt eine zwei- schichtige Zellmasse dar, die mit zackenartigen Vorsprüngen an die Blastodermzellen stösst. In einem späteren Sehnitt (Fig. 24) ist die Masse des untern Blattes viel grösser und grenzt an der ventralen Seite mit glattem Rande direkt an das Blastoderm. Bemerkenswerth ist, dass sowohl in Fig. 23 als 24 Dotterkugeln als Einschlüsse in unteren Blatt vorkommen. In Fig. 25 steht Die Keimblätterbildung bei den Cladoceren. 663 das untere Blatt noch im Zusammenhange mit dem Blastoderm ; doch hat im Vergleich zu Fig. 20 die Blastozone (B) nur mehr eine geringe Ausdehnung. Da sich überdies dieser Zusammen- hang nur mehr auf wenigen Schnitten findet, so können wir an- nehmen, dass die Trennung des untern Blattes vom Blastoderm unmittelbar bevorsteht. In Fig. 26 endlich sind wir bereits in der Nähe des Analpoles; das untere Blatt besteht nur aus vier Zellen, die ventral an das Blastoderm anstossen; gegen den Dotter aber haben dieselben keinen glatten Rand, sondern schicken pseudopodienartige Fortsätze zwischen die Dotterkugeln; letztere liegen zum Theil auch bereits zwischen den Zellen. Es ist ge- wiss, dass diese Zellen sich später von einauder trennen und zu Dotterzellen werden; da sie aber hier doch noch im Zusammen- hange stehen und auch der hart am Analpol geführte Schnitt der Fig. 27 weder von Dotterzellen noch vom untern Blatt etwas zeigt, so können wir mit Bestimmtheit sagen, dass das beschrie- bene Ei noch keine Dotterzellen besitzt. Damit ist die oben gemachte Behauptung gerechtfertigt, dass auch der Zeitpunkt für die Ablösung der Dotterzellen Schwankungen unterliege. Ich bemerke schliesslich noch, dass die Dotterelemente, die im diesem Stadium zum Theil grösser sind als während der Furchung, mitunter noch unregelmässigere Gestalt erhalten; das erstere dürfte wohl darauf zurückzuführen sein, dass mehrere Dotter- partikeln zusammenfliessen. Die Differenzirung von Entoderm und Mesoderm. Dassschicksal,.des Doutes> Ich habe im vorigen Absehnitte gezeigt, wie sich das un- tere Blatt durch Wucherung des Blastoderms im einer streifen- förmigen Blastozone bildet. Ich beginne nunmehr hier mit dem Zeitpunkt, da das untere Blatt sich vom Blastoderm geschieden hat und wir es also bereits mit zwei Blättern zu thun haben: dem Eetoderm, das die Eioberfläche allseitig überzieht, und dem untern Blatt, das an der Innenseite dem Eetoderm anliegt und nur die dorsale Wand desselben freilässt; die Hauptmasse des- selben liegt an der ventralen Seite. Es erübrigt mir also noch zu beschreiben, wie das untere Blatt sich in seine beiden Bestand- 664 Dr. P.Samassa: theile, das Entoderm und das Mesoderm sondert. Vorher muss ich einige Worte über die äussere Gliederung des Embryo sagen. Die Schilderung derselben liegt nicht im Rahmen meiner Aufgabe; es würde dies auch ein sehr genaues besonderes Stu- dium erfordern, da die zeitliche Aufeinanderfolge des Auftretens der Gliedmassen durchaus nicht leieht zu ermitteln ist. Ich be- schränke mich daher hier darauf einige Stadien anzugeben, welche als Anhaltspunkt für die gleichzeitig ablaufenden Vorgänge dienen können. So lange die Einwucherung noch dauert, ist der Embryo immer ungegliedert. Ist das untere Blatt von Eetoderm einmal gesondert, so tritt zuerst die zweite Antenne auf. Etwas später finden wir die Mandibelanlage vor. Bei den weiter entwickelten Embryonen sehe ich aber dann alle sechs Beinpaare, sowie auch die erste Antenne bereits angelegt, so dass ich über die Zeitfolge der Beinanlagen nichts sagen kann. Doch habe ich einen An- haltspunkt dafür, dass alle Beine zu gleicher Zeit auftreten, worauf ich später noch zurückkommen werde. In den zuletzt bezeichneten Stadien ist Stomatodaeum und Proctodaeum vor- handen; doch legen sieh dieselben zweifellos schon früher an, sind aber deshalb bei Daphnella kaum zu erkennen, weil sie als solide Zapfen gegen das Innere des Embryos vorwachsen. Auch für das Studium der Gliedmassenanlagen ist Daphnella sehr un- günstig, weil sich dieselben von der Körperoberfläche, wenigstens in den ersten Stadien gar nicht abheben (vgl. Figg. 39, A,, 41, BA). Ich gehe nunmehr zur Schilderung der Veränderungen, die sieh am untern Blatt abspielen, über. Die Figg. 34—36 geben (Juerschnitte durch einen Embryo wieder, an dem die Ablösung des untern Blattes erst kürzlich erfolgt sein dürfte. In Fig. 34 ist das untere Blatt an der Ventralseite noch mehrschichtig, an den lateralen Wänden ist es einschiehtig; wie ‘dies besonders links sehr gut zu sehen ist, lösen sich hier die Zellen aus ihrem Verbande, um zu Dotterzellen (DZ) zu werden. Einige Dotter- partikel (Fig. 34a) haben ein mehr körniges Aussehen, eine Vor- stufe ihres Zerfalls. Ein derartiges Verhalten habe ich aber bei Daphnella nur gelegentlich gesehen, so dass es hier keine allge- meine Erscheinung zu sein scheint. Hingegen werde ich bei Daphnia hyalina Gelegenheit haben, auf ähnliche Vorkommnisse näher einzugehen. An Fig. 34 ist noch von Interesse zu beob- Die Keimblätterbildung bei den Cladoceren. 665 achten, wie die Dotterelemente sich um die Dotterzelle (DZ) herum gruppiren, sich dichter aneinander legen und dadurch ihre Form gegenseitig beeinflussen. Während dieses Vorganges bleibt aber der Kern der Zelle immer am Rande des sich bil- denden Dotterballens, wobei das ihn umgebende Protoplasma spärlicher wird. Noch deutlicher sind diese Verhältnisse in Fig. 35, welche einen Schnitt aus der Nähe des analen Endes wiedergiebt; es macht hier den Eindruck, als ob alle Zellen des untern Blattes zu Dotterzellen werden sollten. Dies wäre um so eher möglich, als dieser Schnitt bereits, in jener Zone liegt, in die später das Proctodaeum vorwächst, so dass hier überhaupt kein Entoderm zur Sonderung gelangt. Am analen Pol, der im vorigen Stadium (Fig. 27) noch frei vom untern Blatte war, finden wir (Fig. 36 uB) das untere Blatt als solide Zellmasse vor, deren Zellen in lebhafter Theilung begriffen sind. Charakteristisch ist für das Stadium, in dessen Beginn das geschilderte Ei sich befindet, dass sich während desselben die Dotterzellen allmählich des gesammten Dotters bemächtigen. In späteren Stadien sieht man den Dotter nur mehr in grossen Ballen, zu denen sich die Dotterpartikel zusammengeklumpt haben, die aber immer noch darin zu erkennen sind. Diese Dotterballen sind schon am Embryo in toto leicht zu erkennen; beim Schnei- den.sind sie sehr brüchig, so dass die Serien in den späteren Stadien leichter missglücken als in den früheren. Auf den Sehnitten (Figg. 37—39) stossen die Dotterballen nicht so dicht aneinander, wie dies an den Präparaten in toto den Anschein hat. Auch erscheinen die einzelnen Dotterpartikeln, welche sie zusammensetzen, häufig gelockert. Ich vermuthe aber, dass die genannten beiden Erscheinungen irgendwie künstlich herbeige- führt sind. Grosse Schwierigkeiten macht es an diesen Dotter- ballen, die ja als Zellen aufzufassen sind, den Kern nachzuweisen. Derselbe findet sich als ein ganz kleines stark zusammengepress- tes Körperehen (Figg. 57—39N) am Rande des Ballens; er ist bei günstiger Lage auch an isolirten Dotterballen zu sehen, die man durch Zerklopfen eines Embryos erhält; von Protoplasma um denselben herum findet sich keine Spur. Vom cellularen Standpunkt bietet die ganze Erscheinung jedenfalls etwas Eigen- thümliches: der an die Wand gedrückte Kern, der doch als das Attractionscentrum für die ganze Dottermasse betrachtet werden Archiv f. mikrosk, Anat. Bd. 41 45 666 Dr. P. Samassa: muss, ohne eine sichtbare Spur von Protoplasma, das kurz vor- her noch sichtbar war und auch später an der Zelle wieder auf- tritt, wie wir noch sehen werden. Ich kehre nun wieder zum untern Blatt zurück, um die Veränderungen zu beschreiben, welche der Sonderung von Ento- derm und Mesoderm vorausgehen. Ich habe früher betont, dass die Hauptmasse des untern Blattes ventral liegt, während sich an den Seitenwänden meist nur eine einzellige Schicht befindet (vgl. Fig. 34). Dieses Verhältniss kehrt sich nunmehr um: die Hauptmasse des untern Blattes liegt jetzt lateral (Fig. 38, uB) und die beiden lateralen Streifen sind durch eine einfache Zellen- lage an der ventralen Seite mit einander verbunden. Hat diese Verschiebung einmal stattgefunden, so wird auf Querschnitten durch den obern Theil des Embryos zuerst das Entoderm in Form zweier grösserer Zellen sichtbar (Fig. 39, En), welche genau median liegen und mit den lateralen Zellmassen (M), die man nunmehr als Mesoderm bezeichnen kann, zunächst noch in Ver- bindung stehen. Dieser Zusammenhang ist deshalb von Wichtig- keit, weil er beweist, dass das Entoderm sich an Ort und Stelle bildet und nieht etwa, wie man vielleicht aus späteren Stadien schliessen könnte, von vorne nach hinten zu vorwächst. Bald darauf ist nämlich das Entoderm vom Mesoderm deutlich abge- grenzt, trotzdem es dieht an dasselbe stösst (Fig. 37, En). Die Differenzirung des Entoderms, wie ich sie eben geschildert habe, geht von vorne aus und schreitet nach hinten zu fort, ähnlich wie ich das für Moina angegeben habe; so sieht man dasselbe in Fig. 37 bereits differenzirt; der Schnitt Fig. 38, der weiter analwärts durch denselben Embryo geführt ist, zeigt noch keine Sonderung. Für den Zeitpunkt, in dem dieselbe stattfindet, habe ich folgenden Anhaltspunkt: in dem Embryo der Fig. 37 u. 38 sind die Beine noch nicht angelegt; man findet aber an streng umschriebenen seitlichen Stellen eine sehr rege Zellvermehrung, sowohl im Eetoderm, als auch im Mesoderm, bez. unterm Blatte (Figg. 37,38, BA). Ich werde wohl nicht fehlgehen, wenn ich diese Zellvermehrung mit der Beinanlage im Beziehung bringe; ich habe auch darauf meine früher ausgesprochene Vermuthung gegründet, dass alle Beine sich zu gleicher Zeit anlegen. Das Entoderm differenzirt sich also etwa gleichzeitig mit der ersten Anlage der Beine. Die Keimblätterbildung bei den Cladoceren. 667 Es erübrigt noch die weiteren Umgestaltungen des Ento- derms zu verfolgen, das nach seiner Trennung vom Mesoderm einen zwei Zellen breiten Streifen vorstellt, der in der Median- linie dem ventralen Eetoderm anliegt. Es findet im Entoderm nunmehr eine rege Zellvermehrung statt, welche schliesslich den Entodermstreifen zu einem soliden eylindrischen Strange umge- staltet. Im Gegensatz zur Differenzirung des Entoderms, die kopfwärts begann, geht dieses stärkere Wachsthum von beiden Enden des Entodermstreifens aus und schreitet von da aus gegen die Mitte zu vor. Dies zeigen die Querschnitte Figg. 40—43; in Fig. 40, welche einen Schnitt in der Nähe des Stomatodaeums wiedergiebt, ist der Durchschnitt durch das Entoderm (En) kreis- förmig. Auf einigen wenigen Schnitten in der Mitte erscheint der Querschnitt noch Iinsenförmig (Fig. 41), um dann gegen das Proctodaeum zu wieder kreisförmig zu werden (Fig. 42). Dass es sich in Fig. 42 nicht etwa schon um das Proetodaeum handelt, beweist Fig. 45, wo Letzteres getroffen ist; es ist wohl charak- terisirt durch eine Schicht von platten Mesodermzellen, welche sich um dasselbe herumlegen und die Anlage der am Enddarm stark entwiekelten Muskulatur darstellt. Ist das Entoderm ein- mal eylindrisch, so zeigen die Zellen immer eine radiäre Anord- nung um einen Mittelpunkt (Figg. 40 u. 42); in diesem tritt dann später eine Höhlung auf: das Darmlumen. Die Art, wie sich Proctodaeum und Stomatodaeum mit dem Mitteldarm in Verbin- dung setzen, habe ich nicht untersucht, da dies der Frage, die ich zu lösen suche, ferner liegt; Daphnella dürfte auch hierfür ein äusserst ungünstiges Objeet sein. Ich will noch das Schicksal der primären Leibeshöhle und der darin enthaltenen Dotterzellen besprechen. Betrachtet man einen Querschnitt wie Fig. 37, so sieht man, dass in demselben das Entoderm durch den ganzen Durchmesser der primären Leibes- höhle von der dorsalen Leibeswand getrennt ist. Im Gegensatz hierzu stösst beim erwachsenen Thier unterhalb des Herzens der Darm direkt an die dorsale Leibeswand, was auch schon an Schnitten durch weit vorgeschrittene Embryonen (vgl. Figg. 45 u. 46) zu sehen ist. Diese Umgestaltung ist nun nicht allein auf Rechnung des Darmwachsthums zu setzen, das, wie ein Ver- gleich von Fig. 42 mit Fig. 45 ergiebt, allerdings recht beträcht- lich ist; es kommt als zweiter Faetor in Betracht, dass die ganze 668 Dr. P. Samassa: ventrale Leibeswand gegen die dorsale hin eingestülpt wird, wo- durch die sogenannte Bauchrinne gebildet wird, bezüglich welcher ich auf eine frühere Arbeit von mir!) verweisen muss. Durch die genannten Vorgänge wird nun die primäre Leibeshöhle ge- theilt, und es entstehen zwei symmetriche Streifen von Dotter- zellen, welche neben dem Darme liegen. In der Kopfgegend drängt vor Allem der schiefaufsteigende Oesophagus den Darm gegen die Dorsalseite und hier beginnt die Theilung der Leibeshöhle; so sehen wir in Figur 44 einen Schnitt durch die Gegend des Abgangs der zweiten Antenne eines weit ent- wickelten Embryos, wo der Darm (Da) nur durch eine Zelle von der dorsalen Leibeswand getrennt wird, die wahrscheinlich zu der Herzanlage in Beziehung steht. Die Leibeshöhle ist hier bereits getheilt, während sie in den späteren Schnitten noch völlig einheitlich erscheint; so dass offenbar auch dieser Process von vorne nach hinten vorschreitet. Es erübrigt mir noch das Schicksal der Dotterzellen zu besprechen. Dieselben nehmen an Umfang immer mehr ab, und die Zusammensetzung des Dotterballens aus einzelnen Stücken ist nicht zu erkennen (Figg. 45, 46); häufig treten in demselben Vaecuolen auf (Fig. 46, V), und je mehr die Masse des Dotters in der Zelle abnimmt, desto mehr kommt wieder das Protoplasma zum Vorschein, das anfangs sichelförmig dem Dotterbailen an- liegt. Schliesslich kann man alle Phasen der Abnahme und des endlichen Verschwindens des Dotters verfolgen (Figg. 45, 46, DZ). Die Zellen bleiben aber an Ort und Stelle und bilden sich zu den Fettkörperzellen um, die im erwachsenen Thier genau die- selbe Lage einnehmen. Für Moina wurde übrigens dasselbe von Grobben?) behauptet. Es erübrigt mir noch, ein paar Worte über die Anlage der (eschlechtsorgane zu sagen. Dieselben entstehen in ähnlicher Weise, wie ich dies bei Moina beschrieben habe, im Mesoderm, wie dies der nicht genau quer geführte Schnitt der Fig. 39 zeigt (Ge). Im Gegensatz zu Moina tritt hier die Anlage mehr lateral auf, was wohl mit der grösseren Ausdehnung der primären 1) Samassa, P., Untersuchungen über das centrale Nerven- system der Cladoceren. Arch. f. mikr. Anat. Bd. 38. 1891. 2) Grobben, C., Die Entwicklung von Moina rectirostris. Arb. a. d. zool. Instit. der Univ. Wien. I. Bd. 1879. Die Keimblätterhildung bei den Cladoceren. 669 Leibeshöhle in Zusammenhang steht; aber ebenso wie bei Moina stossen die grossen Zellen der Genitalanlage immer direkt an die Leibeshöhle, bez. die Dotterzellen. Zwischen denselben und der Leibeswand liegt eine einfache Lage von Zellen; ein Spalt oder eine Höhlung, die als Andeutung einer secundären Leibeshöhle gedeutet werden könnte, findet sich nicht. Vielleicht könnte man aber immerhin die einfache Schicht von Zellen, die an die Körperwand stösst, als somatisches Blatt des Mesoderms an- sprechen und dann die Lage der Genitalzellen als eime Reminis- eenz daran auffassen, dass dieselben ursprünglich aus dem splanch- nischen Blatt entstanden seien. Vielleicht ist aber die Erklärung ungezwungener, dass die Genitalzellen dort entstehen, wo die Be- dingungen für ihre Ermährung am günstigsten sind. Daphnia hyalina Leydig. Ueber die Furehung von Daphnia habe ich nur fragmentari- sche Beobachtungen angestellt; ich gehe daher darauf nicht näher ein. Ich möchte jedoch eine Abnormität erwähnen, welche ich bei Daphnia pulex gefunden habe und die deshalb von Interesse ist, weil Graber!) einen ganz ähnlichen Fall in der Insekten- entwicklung beschreibt. Es handelt sich nämlich um ein inneres Blastoderm, indem die Zellen nicht an die Eioberfläche rücken, sondern sich im Innern des Eies epithelartig anordnen. Auf einem Querschnitt trifft man den Dotter, der überall an die Ei- oberfläche reicht; im Innern desselben kreisförmig angeordnet das Blastoderm, das aus relativ hohen Cylinderzellen besteht. Wenn wir einmal über die Mechanik der superficiellen Furchung etwas wissen werden, so werden gewiss derartige Abnormitäten Inte- resse bieten. Ich beginne nunmehr mit einem Embryo, in dem bereits die Bildung des unteren Blattes begonnen hat; die Figg. 47—52 geben Quersehnitte eines solchen wieder. Ich bemerke, dass in diesem Stadium im Gegensatz zu Daphnella die Scheitelplatten noch nicht zu sehen sind, so dass mir eine sichere Orientirung des Eies nicht möglich ist; doch vermuthe ich aus Gründen, die 1) Graber, V., Vergleichende Studien am Keimstreif der Insek- ten. Denkschr. d. math. nat. Cl. d. Ak. d. Wiss. Wien. Bd. 57. 18%. 670 Dr. P»Samasıgae ich noch darlegen werde, dass sich die Schnitte vom Schwanzpol gegen den Koptpol hin folgen; es gibt daher wahrscheinlich Fig. 47 einen Sehnitt vom Schwanzpol wieder. Wir sehen an demselben nur das einfache Blastodermepithel; bemerkenswerth ist, dass die gegen den Dotter zu gerichteten Ende der Zellen Dotterkugeln kleinern Umfangs einschliessen, eine Thatsache, welche man in diesem Stadium an allen Zellen des Blastoderms constatiren kann, woraus’ man wohl schliessen darf, dass sich alle an der Resorption des Dotters betheiligen. Die Dotterele- mente sind fast ausschliesslich kugelig und liegen nicht so dicht beisammen, wie bei Daphnella. Ein Theil derselben ist in den Schnitten ganz mit kleinsten Luftbläschen erfüllt und erhält da- durch ein opakes schwärzliches Aussehen (Fig. 47, a). Die Luft- bläschen dürften folgenden Ursprung haben: Im Leben ist der Raum, den dieselben einnehmen, von kleinen Tröpfehen einer von der Dotterkugel selbst ausgeschiedenen Flüssigkeit erfüllt; dieselbe wird dann bei der Conservirung durch Alkohol ausge- zogen und schliesslich nimmt bei der üblichen Behandlung Chloro- form oder Toluol diese Räume ein. Das Paraffin scheint in die- selben aber nieht oder nur ausnahmsweise einzudringen, so dass in den angeschnittenen Dotterkugeln nach Verdunsten des Chloro- forms Luft in diese kleinsten Räume eindrimgt, welche dann auch im Canadabalsam erhalten bleibt. Ob sie schliesslich hier vom Canadabalsam resorbirt wird, vermag ich nicht zu sagen, da die Präparate noch nicht genügend alt sind. Jedenfalls findet man auch Dotterkugeln, in denen die kleimen Hohlräume von Canada- balsam erfüllt sind; sie sind aber in diesem Falle wegen der starken Liehtbrechung des Dotters sehr schwer zu sehen. An Eiern gleichen Alters, an denen die Dotterkugeln durch Zerklopfen isolirt worden waren, ist von Luftbläschen nichts zu sehen, so dass ich sicher bin, dass dieselben erst durch das Schneiden in ihre Lage gekommen sind. Was schliesslich die Bedeutung der ganzen Erscheinung betrifft, so vermuthe ich, dass das Auftreten dieser Tröpfehen ein Entmischungsvorgang ist, die dem Zerfall der Dotterkugeln vorausgeht. Verfolgen wir nun wieder die Querschnittserie, so sehen wir in Fig. 48 zuerst das untere Blatt in Form zweier Zellen (u B), die aber nach ihrer verhältnissmässig scharfen Abgrenzung gegen die Blastodermzellen zu. schliessen, nicht an Ort und Stelle ein- Die Keimblätterbildung bei den Cladoceren. rl sewandert sind, so dass diese Partie noch nieht zur Blastozone gerechnet werden kann. Etwas weiter kopfwärts ist dieselbe aber zweifellos schon vorhanden; so sehen wir in Fig. 49 bereits in Zusammenhang mit dem Blastoderm einen Zellhaufen, der dureh die Wucherung der Blastozone (B) entstanden ist. Derselbe ist ganz durchsetzt von Dotterkugeln. Der Zellhaufen besitzt gegen den Dotter zu einen zackigen Contour, so dass es den Eindruck macht, als wollten sich die Zellen zwischen die Dotter- kugeln einschieben. Weil diese beiden Eigenschaften gerade für diese Partie charakteristisch sind, so habe ich darauf, wenn auch nur vermuthungsweise, die Orientirung des Eis gegründet; denn, da in späteren Stadien, wo eine Orientirung durch die Scheitel- platten bereits leicht möglich ist, in der analen Partie das untere Blatt stark von Dotterkugeln durchsetzt ist und auch zahlreiche . Dotterzellen abgibt (vgl. Figg. 54, 55), so scheint es mir wahrschein- lich, dass auch der Schnitt der Fig. 49 durch die anale Partie des Eies geht. In Fig. 50, die einen höher geführten Sehnitt dar- stellt, sieht man bereits, dass die Zahl der in der Wucherung enthaltenen Dottertheile geringer ist, und dass auch der Rand gegen den Dotter hier nicht ausgezackt ist, wie in Fig. 49. Ueber- dies ist noch ein dritter Unterschied zu bemerken: in Fig. 49 ist in der ganzen Breite des Zellhaufens der Contour der Blasto- dermzellen ein unregelmässiger, so dass wir annehmen können, dass sich das Blastoderm in dieser ganzen Breite (B) an der Einwucherung betheiligt; in Fig. 50 ist dies aber nur in einem mittlern Bezirk der Fall (B), während in den seitlichen Partien die Blastodermzellen geradlinige und ganz deutliche Grenzen gegen die eingewucherten Zellen haben; dieselben sind offenbar an der Emwucherung nicht betheiligt und nur die mittlere Partie (B) kann als Blastozone betrachtet werden. Am vordern Ende der Blastozone sind die Verhältnisse in dieser Beziehung, wie man aus Fig. 51 entnehmen kann, wieder denen am hintern Ende ähnlich. Hier sieht man auch (Fig. 51a) eine Zelle, welche nur mehr mit einer Seite mit der Zellwucherung zusammenhängt und den Eindruck macht, als wollte sie sich loslösen, um zur Dotter- zelle zu werden. Am vordern Ende läuft die Blastozone in eine Anzahl grössere Zellen aus, welche vielleicht als Vorläufer der Eimwucherung zu betrachten sind (Fig. 52, B); da ich sie aber 672 Dr. PASamialsısar nur auf einer Serie durch ein Ei dieses Stadiums gesehen habe, so will ich mieh nieht mit Bestimmtheit darüber aussprechen. Aus der vorstehenden Schilderung geht hervor, dass bei Daphnia hyalina, ganz ebenso wie bei Daphnella, eine Blastozone vorhanden ist, welche durch Einwucherung das untere Blatt lie- fert; dass dies hauptsächlich durch Immigration geschieht, ist ausser Zweifel. Radial gestellte Kernspindeln habe ich überhaupt nicht gesehen, häufig jedoch tangentiale in den dorsalen Blasto- dermzellen. Wenn also bei Daphnia Zellen überhaupt durch Delamination gebildet werden, so spielt dies jedenfalls bei der Bildung des unteren Blattes eine ganz geringfügige Rolle. Was die Ausdehnung der Blastozone betrifft, so erstreekt sich dieselbe bis nahe zum analen Eipol, ohne denselben jedoch zu erreichen, kopfwärts aber mindestens bis zur Stelle der künftigen Stomato- daeumeinstülpung, häufig wohl noch darüber hinaus. In der ferneren Ausbildung des untern Blattes finden sich Daphnella gegenüber einige bemerkenswerthe Abweichungen; ich gebe in Figg. 55—55 drei Schnitte durch ein weiter entwickeltes Stadium. In Fig. 53 ist die Blastozone in ihrem mittleren Theile getroffen; in Zusammenhang mit derselben steht ein Zellhaufen, der halbkreisförmig gegen den Dotter vorspringt; scharf abge- setzt davon finden sich zwei seitliche einschichtige Zellplatten, welche jedenfalls dem künftigen Mesoderm angehören. Man könnte vielleicht vermuthen, dass diese scharfe Grenze zwischen der mittleren Zellmasse und den seitlichen Platten bereits der Scheidung von Mesoderm und Entoderm entspricht; spätere Stadien zeigen aber, dass dies nicht zutrifft. Diese scharfe Son- derung verliert sich übrigens auch gegen den Schwanzpol zu, wie aus Fig. 54 hervorgeht; die linke seitliche Zellmasse ist hier breiter als in Fig. 53 und geht ohne Einsehnitt im den mittleren Zellhaufen über, der mit der Blastozone in Zusammenhang steht. Rechts sehen wir seitlich nur einzelne Zellen oder Zellhaufen, welche zwischen den Dotterelementen zerstreut liegen und wohl grösstentheils zu Dotterzellen werden. Bereits der nächste Schnitt (Fig. 55) zeigt uns eine einzige Zellmasse, welche den ganzen Raum innerhalb des Blastoderms erfüllt. Zahlreiche Dotterkugeln liegen in derselben, auch Vaeuolen (V), welehe von resorbirten Dotterkugeln herrühren. Die Blastozone ist auch hier noch vor- handen, und da dieser Schnitt dicht am Sehwanzpol liegt, so Die Keimblätterbildung bei den Cladoceren. 673 kann man daraus ersehen, wie weit die Blastozone gegen den- selben reicht. Schliesslich bespreche ich noch an der Hand von Quer- schnitten (Figg. 56—60) ein Stadium, in dem das Eetoderm vom unteren Blatt bereits gesondert ist. In Fig. 56 sind die Scheitel- platten (S) getroffen, welche als symmetrische Anlagen an ihren grossen Kernen leicht kenntlich sind. In Fig. 57 sehen wir unter dem Eetoderm (Ee) das untere Blatt (uB) als eine meist ein- zellige Schichte, welehe an der ventralen und an den lateralen Seiten gelegen und gegen den Dotterraum unregelmässig be- grenzt ist. An den lateralen Enden sieht man zwei Zellen (Fig. 57, a), welche Fortsätze zwischen die Dotterkugeln senden; sie besitzen ausserdem einen vergrösserten Kern mit einem einzigen Nuclein- körper, was für die Kerne der Dotterzellen, in diesem Stadium wenigstens, charakteristisch ist. Man hat daher guten Grund, anzunehmen, dass diese Zellen im Begriff sind sich abzulösen, um zu Dotterzellen zu werden. Dies wird ausserdem noch. durch einen tiefer geführten Schnitt (Fig. 58) wahrscheinlich, wo an jedem Ende des untern Blattes eine freie Zelle liegt (Fig. 58, DZ), welehe zweifellos als Dotterzelle anzusehen ist. Im übrigen weicht Fig. 58 von Fig. 57 wenig ab. Hingegen zeigt Fig. 59 — ein Sehnitt, welcher bereits unter der Mitte des Embryos geführt ist — ein anderes Bild: dem Eetoderm (E e) anliegend finden wir ven- tral und zum Theil auch lateral eine einfache, sehr regelmässige Zellschicht; auf dieser liegt nun in der Medianlinie noch eine zweite Zelllage auf (DP), die von der erstern scharf abgesetzt, im vorliegenden Falle aus fünf Zellen besteht. Dieselben sind etwas grösser als die übrigen Zellen des untern Blattes und haben gegen den Dotter zu einen unregelmässigen Contour, indem sie sich theilweise zwischen die Dotterkugeln einschieben. Doch ist dies nicht immer der Fall, und ich habe Präparate, wo die Zellen sehr regelmässig angeordnet smd und eine gerade Grenze haben. Es entspricht dies, wie ich vermuthe, einem früheren Stadium. Die Bedeutung dieser Zellen ergibt sich aus einem spätern Schnitte (Fig. 60), wo in der Mitte nur mehr zwei Zellen liegen; links findet man zwei losgelöste Zellen (Fig. 60 DZ), welehe zwar miteinander noch im Zusammenhange stehen, aber beide bereits in Beziehungen zu den umgebenden Dotterkugeln getreten sind, Rechts liegt eine isolirte Zelle (Fig. 60 DZ), an 674 Dr. P. Samassa: der dies weniger deutlich ist. Auch aus anderen Präparaten von diesen und späteren Stadien geht zweifellos hervor, dass die er- wähnte Zellplatte Dotterzellen liefert, weshalb ich sie Dotter- zellenplatte nennen will. ES liegt hierin ein wesentlicher Unterschied gegenüber Daphnella; es ist aber auch leicht einzusehen, was hiezu geführt hat. Aus einer Vergleichung der Zeichnungen lässt sich ent- nehmen, dass der Querdurehmesser der Eier bei Daphnia hyalina beträchtlich grösser ist, als bei Daphnella; während also im letztern Falle die Zellen, welehe sich am lateralen Rande des untern Blattes loslösen, sowie einige wenige, die ja auch hier aus der mittleren Partie austreten (vgl. Fig. 31, DZ), genügen, um den Dotter zu bewältigen, hat sich bei Daphnia eine be- sondere Zellmasse an der ventralen Seite aus dem untern Blatte differenzirt, die diesen Zweck erfüllt: die Dotterzellenplatte. Dass diese Annahme sehr wahrscheinlich ist, beweist auch Daphnia pulex; bei dieser Form ist der Querdurchmesser der Eier noch beträchtlich grösser als bei Daphnia hyalina; infolgedessen findet sich hier, wie der Querschnitt Fig. 65 zeigt, an Stelle der ein- fachen Zellreihe, die wir bei Daphnia hyalina angetroffen haben, ein Zellhaufen, der halbkreisförmig gegen den Dotter zu vor- springt (Fig. 65, DP); in Fig. 63 sehen wir eine Zelle, die sich bereits losgelöst hat (DZ); auf dieselbe Art werden dann schliesslich alle Zellen des Haufens zu Dotterzellen. In ähnlicher Weise, wie bei Daphnella, bemächtigen sich dann die Zellen der Dotterkugeln, und zwar schreitet dieser Process von hinten nach vorne zu fort. An einem zerklopften Embryo fand ich in den hinteren Partien den Dotter bereits ge- furcht (Fig. 62, b), während vorne die Dotterkugeln von den Zellen noch nicht beeinflusst erschienen (Fig. 62, a). Ebenso wie bei Daphnella platten sich die Dotterelemente unter «dem Einfluss der Dotterzelle gegenseitig ab (Fig. 62, b); doch ist im Gegensatz zu Daphnelia die Zusammensetzung des Dotterklumpens aus ein- zelnen Theilen bald nicht mehr kemntlich. Das Stomatodaeum und das Proctodaeum sind bei Daphnia hyalina schon beim Embryo in toto sehr leicht zu erkennen (Fig. 61, St, P). Sie treten als Einstülpungen zu einer Zeit auf, wo noch keine Extremität angelegt ist; bald darauf aber ist die An- lage der zweiten Antenne bereits zu schen, Bemerkenswerth ist, Die Keimblätterbildung bei den Cladoceren. 618 dass das Stomatodaeum dem Kopfpol nur wenig näher liegt als dem Schwanzpol. Auf die Bildung des Darms, der Genitalzellen, das Schick- sal der Dotterzellen gehe ich nicht ein, da alle diese Vorgänge srundsätzlich mit denen bei Daphnella übereinstimmen. Die schliessliche Lage der Dotterzellen ist allerdings eine andere als bei Daphnella, stimmt aber mit der Lage der Fettkörperzellen der erwachsenen Daphnia hyalina vollkommen überein. Um die Veränderungen der Dotterzellen zu studiren, ist Daphnia weniger geeignet als Daphnella. Es dürfte hier der Ort sein, die Angahen Lebedinsky’s!), der über die Entwicklung von Daphnia similis eine vorläufige Mittheilung gemacht hat, zu besprechen. Nach den Angaben dieses Forschers ist der Furchungstypus superficiell; einige Zellen sollen im Dotter zurückbleiben, was mit meinen Beobachtungen nicht im Einklange steht; in welchem Stadium die Furchungs- zellen an die Oberfläche treten, wird nicht angegeben. Durch Einwanderung von Zellen längs einer seichten Rinne, die Lebe- dinsky als Blastoporus bezeichnet, soll sich ein Entomesoderm bilden. Dass bei Daphnia similis in der Blastozone eine seichte Rinne vorkommt, ist wohl möglich; keinesfalls entspricht aber dieselbe einem Blastoporus, wie ich im theoretischen Theile noch zeigen werde. Wie viel Lebedinsky von der Entodermdiffe- renzirung gesehen hat, kann ich nieht erkennen. So macht er die Angabe, dass das Entoderm zum Theil zu dem eylindrischen Strange des Darms werde, zum andren Theil zwei symmetrisch liegende „provisorische Lebersäcke* bilde; was er damit meint, ist mir unverständlich. Theoretisches. Um ein Verständniss für die Keimblätterbildung der Olado- ceren zu gewinnen, müssen wir von der Entwicklung der echten Phyllopoden ausgehen; denn es wird wohl wenige phylogenetische Annahmen geben, die sich aus der vergleichenden Anatomie und den biologischen Verhältnissen der Thiere so sicher begründen 1) Lebedinsky, J. Die Entwicklung der Daphnia aus dem Sommerei. Zool. Anz. 14. Jahrg. 1891. 676 Dr. P. Samassa: liessen, wie die, dass die Cladoceren von den echten Phyllopoden, speeiell der Estheriden abstammen. Leider ist aber über die Entwicklung der Phyllopoden nur sehr wenig bekannt und die schöne Untersuchung Brauer ’'s!) über die Entwieklung von Bran- ehipus ist nicht vollständig. Trotzdem sind seine Mittheilungen über die erste Entwicklung für unsere Frage von grosser Wich- tigkeit, so dass ich genau darauf eingehen muss. Die Furchung ist bei Branchipus eine totale und führt zur Bildung einer Blastula. Hierauf bildet sich durch polare Ein- wucherung das „Entoderm“; ich bemerke gleich hier, dass das, was Brauer als „Entoderm“ schlechthin bezeichnet, meiner An- sicht nach primäres Entoderm oder Entomesoderm ist, da ich die Richtigkeit der Brauer’schen Angaben vorausgesetzt, eine andere Quelle für die Bildung des Mesoderms nicht entdecken kann. Ueber Form und Ausdehnung der Wucherungszone macht Brauer keine Angaben; doch muss dieselbe sehr beschränkt sein, da Brauer die Zahl der eingewucherten Zellen auf höchstens 20 anschlägt. Nachdem die Wucherung aufgehört hat, sollen sämmt- liche Zellgrenzen verschwinden, so dass nur ein Haufen von Kernen im Centrum des Eies das „Entoderm“ vorstellt, während das Eetoderm die Oberfläche bedeckt. Bis zu diesem Punkt reichen Brauer’s Angaben. Ich bemerke nun zunächst, dass die Entwicklung von Bran- chipus offenbar nicht mehr den ursprünglichen Typus der Crusta- ceenentwicklung darstellt, sondern dass man sich vorstellen muss, dass die polare Einwucherung aus einer Gastrulaeinstülpung ent- standen ist, wie eine solche noch in der Entwicklung der Cope- poden erhalten ist. Es würde zu weit führen, wenn ich hier erörtern wollte, wie wir uns den Uebergang der Invagmation zur polaren Einwucherung vorstellen können; es handelt sich hiebei um einen Vorgang, der weit verbreitet ist und daher nur von allgemeinen Gesichtspunkten aus betrachtet werden kann; es lag mir nur daran, festzustellen, dass ich die Entwicklung von Bran- chipus nicht als ursprünglich ansehe. Vergleichen wir nunmehr die Keimblätterbildung der Clado- ceren mit der von Branchipus, so sehen wir zunächst, dass die totale Furchung durch die superficielle ersetzt ist und dass auch die Dlsze: Die Keimblätterbildung bei den Cladoceren. 677 beträchtliche Abnahme des Dottergehaltes der Eier bei Moina nicht zum totalen Furchungstypus zurückgeführt hat; dies ist erst bei einer weiteren Reduction des Dotters der Fall, wie dies für Polyphemus und Bythotrephes von Weismann und Ischi- kawa!) nachgewiesen wurde. Dem Blastulastadium entspricht das Keimhautstadium bei Daphnella (Keimblase bei Moina). Bei Branchipus ist die Zahl der Zellen nach den Angaben von Brauer sehr gering im Ver- hältniss zu Daphnella, wo im letzten Keimhautstadium sicher über tausend Zellen vorhanden sind, während bei Moina diese Zahl auf ca. 480 herabsinkt. Weiter entspricht zweifellos dem Ein- wucherungsfeld bei Branchipus die Blastozone der Cladoceren, wobei vor Allem auffällt, dass im letztern Falle eine viel grössere Fläche des Blastoderms das untere Blatt hervorbringt, als im ersteren. Es ist aber in beiden Fällen in erster Linie derselbe Vorgang thätig: nämlich die Einwanderung von Blastodermzellen. Da nun zweifellos die polare Einwucherung bei Branchipus ur- sprünglicher ist und der Entodermbildung durch Gastrulation am nächsten steht, so muss man die umfangreiche Blastozone der Cladoceren von dem kleinen Wucherungsfelde bei Branchipus ab- leiten und als eine der Entwicklung günstige Neuerwerbung auf- fassen. Bezeichnend ist hiefür auch die Thatsache, die ich bei Daphnella hervorgehoben habe, dass nämlich die Ausdehnung der Blastozone Schwankungen unterworfen ist, was gleichfalls dafür spricht, dass es sich um eine phylogenetisch junge Erwerbung handelt, die noch nicht genügend fixirt ist. Diese Thatsache scheint mir deshalb von besonderm Interesse, weil sie vielleicht ein Licht darauf werfen kann, wie bei den Coelenteraten der multipolare Typus der Entodermbildung aus dem unipolaren ent- standen ist. Wir sehen nämlich im vorliegenden Falle, dass zweifellos im Laufe der Stammesgeschichte aus einem beschränk- ten Bildungsbezirk des Entoderms (Branchipus) ein weit ausge- dehnterer (Cladoceren) entstanden ist. Dass bei den Cladoceren eine wesentliche weitere Vergrösserung der Blastozone noch statt- finden könne, glaube ich natürlich nicht, da dieselbe mit Rück- sicht auf die weitere Entwicklung wohl immer auf die ventrale Seite beschränkt sein müsste; da aber derartige Hindernisse bei ul2ie, 678 Dr. P. Samassa: den Coelenteraten nicht bestehen, so ist nicht einzusehen, warum die Blastozone sich hier nieht noch weiter vergrössert und schliess- lieh zum multipolaren Typus der Entodermbildung geführt haben sollte. Vergleichen wir die Entwicklung von Branchipus mit der der Cladoceren weiter, so können wir das Stadium nach dem Aufhören der Einwucherung in beiden Fällen homologisiren. Es befindet sich in diesem Stadium bei Branchipus eine geringe Zahl von Zellen (10—20) des untern Blattes im Centrum des Eies, während bei den Cladoceren die Zahl derselben viel grösser ist und an der ventralen Seite liegt, was mit der Lagerung des Dotters im Zusammenhange steht. Da Brauer’s Angaben nur bis zu diesem Punkte reichen, so ist eine Erklärung der weiteren Schicksale des untern Blattes durch die Entwieklungsgeschichte der echten Phyllopoden leider zur Zeit nicht möglich. Es fällt in Folge dessen ziemlich schwer, die Art und Weise der Scheidung des untern Blattes in Entoderm und Mesoderm genügend zu erklären, umsomehr, als der Vorgang ziemlich isolirt dasteht, wenn wir ihn mit der Entwicklung anderer dotterreicher Eier vergleichen. Ich möchte daher versuchen, die Darmbildung der Cladoceren dadurch einigermaassen verständlich zu machen, dass ich an Stelle a der soliden Zellmassen überall B uD hohle Einstülpungen setze, ohne Den dass ich damit auch behaupten | wollte,dasserstere phylogenetisch in derselben Weise aus letzteren E “ “ entstanden seien; es soll nur eine provisorische Erklärung sein, die FETTE der definitiven Lösung der Frage durch eine eingehende Unter- suchung der Entwicklung der Er et echten Phyllopoden geme das Vu Feld räumen wird. Da er Denken wir uns also an Stelle B — Blastoporus, Ee = Eetoderm, der Blastozone einen langge- En — Entoderm, M— Mesoderm, streckten Urmund und statt der UD = Urdarm. soliden Einwucherung eine Ein- stülpung, wie der Holzsehnitt a Die Keimblätterbildung bei den Cladoceren. 679 schematisch im Durchschnitt wiedergiebt. Nachdem der Schuss des Blastoporus erfolgt ist, sehen wir im Querschnitt b den Urdarm durch den Emfluss des Dotters platt gedrückt; denken wir uns nun weiter, es erfolge die Abschnürung der seeundären Leibes- höhle vom Urdarm in der punktirten Linie a, so bliebe vom Ur- darm nur mehr ein schmaler Streifen übrig (C, En), der zur Bil- dung des Darms verwendet werden müsste. Ein derartiges Ver- halten stünde nieht ohne Analogie da; doch würde es zu weit führen, dies zu erörtern, da es sich doch nur um einen ganz hypothetischen Erklärungsversuch handelt. Nachdem ich, soweit dies möglich war, die Keimblätter- bildung der Cladoceren mit derjenigen von Branchipus in Parallele gesetzt habe, möchte ich noch die Stellung besprechen, welche Moina zu Daphnella und Daphnia einnimmt. Ich habe bereits im ersten Theile dieser Arbeit auf die von Weismann betonte Auffassung hingewiesen, dass die Dotterarmuth bei Moina zweifel- los eine seeundäre Erwerbung ist, und es ist von Interesse, die Folgen dieser Erscheinung auf die Keimblätterbildung zu be- trachten. Die Uebereinstimmung zwischen Daphnella und Moina bezüglich der ersten vier Theilungen habe ich bereits hervorge- hoben; ich habe auch bereits bemerkt, dass bei Daphnella nach dem 16zelligen Stadium die Zelltheilungen nicht mehr synchron verlaufen, und dass die charakteristische Verzögerung zweier Zellen in der Theilung, die ich bei Moina eingehend beschrieben habe, bei Daphnella nicht vorkommt. Dadurch gewinnt die Er- klärung, welche ich im ersten Theile dieser Arbeit für die eigen- thümliehen Verhältnisse bei Moina zu geben versucht habe, eine neue Stütze. In der Bildung des untern Blattes herrscht zwischen Daphnella, Daphnia und Moina insoferne Uebereinstimmung, als dieselbe in beiden Fällen durch Wucherung von einer Blastozone aus stattfindet. Hingegen habe ich bereits erwähnt, dass bei Moina die Bildung des untern Blattes bereits in einem Stadium beginnt, wo etwa 500 Zellen vorhanden sind, während bei Daphnia die Zahl mindestens 1000, bei Daphnella wohl noch weit mehr beträgt. Ein zweiter Unterschied liegt darin, dass bei Moina die Blastozone oval, bei Daphnella und Daphnia streifenförmig ist; doch ist dies offenbar von geringer Bedeutung. Einen dritten 680 Dr. P. Samassa: Unterschied muss ich etwas eingehender besprechen; es ist jene Einsenkung, welche sich m der Mitte der Blastozone befindet und welche Grobben auf Grund einer anderen Vorstellung, die er von der Bildung des Entoderms hatte, — von seinem Stand- punkt aus ganz correet — als Urmund bezeichnete. Ich habe ihr den Namen Pseudosamund gegeben und will dies nunmehr rechtfertigen. Zu diesem Zwecke muss ich auf die Begriffsbestimmung der Gastrulation und des Urmunds zurückgehen. Es ist nieht zu leugnen, dass diese beiden Ausdrücke in sehr verschiedenem Sinne angewendet werden: einerseits brauchen Forscher, welche auf dem Standpunkt der Gasträatheorie stehen, für sehr ver- schiedene Vorgänge, welche zur Entodermbildung führen, die Be- zeichnung „Gastrulation“, imdem sie in derselben die ontogene- tische Recapitulation der philogenetischen Gasträabildung sehen; andererseits verstehen Autoren, welche die Gasträatheorie ver- werfen, unter Gastrulation häufig die Entodermbildung durch In- vagination, mitunter aber auch andere Processe. Da ich zunächst an der Gasträatheorie festhalte, vor Allem deshalb, weil ich nicht finden kann, dass man bisher etwas Besseres an ihre Stelle gesetzt habe, so scheint es mir wünschenswerth, die palinge- netischen Processe von den cenogenetischen scharf zu trennen und den Ausdruck Gastrulation nur für den palingenetischen Pro- cess der Entodermbildung durch Invagination zu gebrauchen. Dasselbe gilt dann natürlich auch für den Urmund oder Blasto- porus, als welchen man nur eine Oeffnung bezeichnen sollte, welche in den Urdarm führt, nicht aber jede beliebige Vertie- fung, die mit der Keimblätterbildung irgend welchen Zusammen- hang hat. Ist also in einem Falle an die Stelle der Gastrulation die Entodermbildung durch polare Einwucherung getreten, so ist der Blastoporus eben verloren gegangen und, was immer man dann damit bezeichnet, kann unmöglich der palingenetische Urmund sein. So liegen nun die Verhältnisse in unserem Falle; wir müssen annehmen, dass die hypothetischen Urphyllopoden eine Gastrula- tion besessen haben, wie sie bei den Copepoden noch erhalten ist. In der phylogenetischen Reihe, die zu den Phyllopoden hin- führt, entstand dann aus der Invagination die polare Einwuche- rung, wie sie bei Branchipus vorkommt; und indem der ursprüng- lich beschränkte Einwucherungsbezirk sich immer mehr vergrös- Die Keimblätterbildung bei den Cladoceren. 681 serte, führte dies zu den Verhältnissen, wie wir sie bei den Cla- doceren vorfinden. Man könnte demnach bei Moina von einem Urmund nur dann reden, wenn hier — etwa infolge der Reduc- tion des Nahrungsdotters — wieder die ursprünglichen Verhält- nisse der Entodermbildung aufgetreten wären; da dies aber nicht der Fall ist, so muss der Einsenkung, welche ich Pseudourmund genannt habe, eine andere Bedeutung zukommen. Es scheint mir am wahrscheimlichsten, dass infolge der starken Einwanderung von Zellen in der Blastozone ein gewisser Zug auf die Oberfläche ausgeübt wird. Derselbe wäre aber bei den dotterreichen Eiern durch den Gegendruck der im Ei befindlichen Dottermasse para- Iysirt; da jedoch dieselbe bei Moina fehlt, so wäre es wohl mög- lich, dass dieser Zug zu einer leichten Einsenkung führte, die dann in späteren Stadien verstreicht. Ebenso muss bei Daphnia similis die seichte Rinne, die Lebedinsky als Blastoporus be- zeichnet, als eine secundäre Erwerbung aufgefasst werden, der die Bezeichnung Blastoporus keinesfalls zukommt. In beiden Fällen haben übrigens diese Vertiefungen des Blastoderms keine grosse Bedeutung, da ohne dieselben das untere Blatt offenbar in ganz derselben Weise gebildet würde. Es erübrigt mir noch einen Punkt in der Entwieklung von Moina zu besprechen: ich habe bei Moina den Theil des unteren Blattes, der den analen Pol der Keimblase bald nach Beginn der Einwucherung erfüllt, als Keimzone bezeichnet, da von hier aus das Wachsthum des unteren Blattes erfolgt, zum Theil schon, während die Blastozone sich noch in Thätigkeit befindet, haupt- sächlich aber, nachdem das untere Blatt sich vom Eetoderm be- reits gesondert hat. Von einer derartigen Keimzone sind nun bei Daphnella und Daphnia hyalina höchstens Andeutungen vor- handen (vgl. Figg. 56 und 55). Der Grund hierfür dürfte in Fol- gendem zu suchen sein: sowohl bei Daphnella als auch bei Da- phnia ist ein Ei im Blastodermstadium nur wenig kleiner als ein Embryo, an dem schon alle Extremitäten angelegt sind; erst spä- ter findet eine bedeutendere Streckung des Embryos statt. Bei Moima hingegen findet, wie ein Blick auf Grobbens Abbildun- gen zeigt, vor der Anlage der Beine eine sehr beträchtliche Streckung des Embryos statt, und es ist daher begreiflich, dass für einen grossen Theil des Abdomens das untere Blatt neu ge- bildet werden muss, wozu eben die Keimzone dient. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 41 44 682 Dr. P. Samassä: Ueberblicken wir im Ganzen die Abweichungen, welehe uns die Entwicklung von Moina zeigt, so sehen wir zwar einige Ver- schiedenheiten von der ursprünglichen Form der Cladocerenentwick- lung, die wir bei Daphnella und Daphnia zu suchen haben; diesel- ben sind offenbar durch die seeundäre Dotterreduction bedingt. Im Typus der Keimblätterbildung selbst finden wir aber zwischen den dotterreichen Formen und Moina keinen Unterschied, trotz- dem dieser Typus durchaus durch die Masse des Nährdotters ent- standen und bedingt ist. Es erweist sich also auch hier, dass seeundär dotterarme Eier in der Keimblätterbildung nicht auf primär dotterlose Eier ihrer Vorfahrenreihe zurückschlagen, son- dern die unter dem Einfluss des Dotters erworbenen Eigenthüm- lichkeiten beibehalten, eine Erfahrung, die wir ja beispielsweise auch bei den Säugethieren machen. Es wäre von Interesse im Hmblick auf diese Verhältnisse die Entwicklung von Bythotrephes oder Polyphemus zu unter- suchen, wo nach den Untersuchungen von Weismann und Isehikawa!) die Reduction des Dotters so weit geht, dass die Furchung eine totale wird. Ich zweifle nicht, dass sich auch hier der oben ausgesprochene Satz bestätigen lassen wird. Es bleibt noch ein Punkt in der Cladocerenentwicklung zu erörtern, der ein allgemeines Interesse beansprucht; es ist dies die Art und Weise, wie die Resorption des Dotters vor sich geht. Wir haben gesehen, dass sich vom untern Blatte zu einer Zeit, da eine Sonderung von Entoderm und Mesoderm noch nicht erfolgt ist, einzelne Zellen loslösen, welche den Dotter in sich aufnehmen und als Fettkörperzellen in das ausgebildete Thier übergehen. Es gilt nun festzustellen, ob diese Zellen dem Ento- derm oder dem Mesoderm zuzurechnen sind; denn, wenn auch die beiden Keimblätter zur Zeit, wo die Ablösung der Dotter- zellen erfolgt, noch nicht von einander getrennt sind, so ist es doch sicher, dass die Entodermzellen schon eine bestimmte Lage in der Medianlinie haben müssen, obwohl sie mit unseren Hilfsmitteln nieht zu erkennen sind. Wenn man also die Dotter- zellen einfach als Derivate des unteren Blattes betrachten wollte, so wäre dies ebenso, wie wenn man bei Daphnella, wo die Schei- Dalze: Die Keimblätterbildung bei den Cladoceren. 683 telplatten bereits im Blastodermstadium auftreten, sagen wollte, das Gehirn sei keinem Keimblatte zuzurechnen, sondern es sei blastodermal. Es scheint mir nun keinem Zweifel zu unterliegen, dass die Dotterzellen dem Mesoderm zuzurechnen sind; dafür spricht, dass sie sich am häufigsten vom lateralen Rande des unteren Blattes loslösen, also emer Partie, die sicher zu Mesoderm wird; vor Allem ist aber maassgebend, dass die Dotterzellen als Fettkörper- zellen in den ausgebildeten Organismus übergehen. Auch die mediane Dotterzellenplatte, welche wir bei Daphnia hyalina und pulex finden, muss als mesodermal aufgefasst werden; es handelt sich hier um eine seeundäre Erwerbung, welche mit der Zunahme des Dotters und der Vergrösserung des Eidurchmessers in Zu- sammenhang steht, wie ich bereits auseinander gesetzt habe; es bleiben eben einige Mesodermzellen auch nach Beendigung der Einwucherung, an ihrem ursprünglichen Platze, statt an die seit- lichen Partieen des unteren Blattes zu rücken, wie bei Daph- nella und werden hier sofort ihrer Bestimmung zugeführt. Der ganze Vorgang ist aber jedenfalls in dem Sinne aufzufassen, dass die Abspaltung der Dotterzellen in ein früheres Stadium zurück- verlegt ist. Dies führt mich auf die phylogenetische Entstehung der Dotterzellen in unserem Falle; denn, da ich oben die Annahme gemacht habe, dass bei den Urphyllopoden die Furchung eine totale war, so müssten die Dotterzellen in der von den Urphyllo- poden zu den Cladoceren führenden phylogenetischen Reihe neu aufgetreten sein. Hierfür spricht auch die von Claus!) beobach- tete Thatsache, dass nämlich bei Branchipus-Larven alle Gewebe mit Dotterkörnehen erfüllt sind; dies lässt darauf schliessen, dass es hier zur Bildung von Dotterzellen noch nicht gekommen ist. Vielleicht weist der Umstand, dass bei Daphnia hyalina noch während des Einwucherungsstadiums alle Blastodermzellen Dotter- partikeln einschliessen (vgl. Figg. 47—52), auf diese ursprünglichen Verhältnisse hin. Wir können uns nun vorstellen, dass mit zu- nehmendem Dotterreichthum der Eier, nicht mehr der ganze 1) Claus, C., Untersuchungen über die Organisation und Ent- wieklung von Branchipus und Artemia. Arb. a. d. zool. Inst. Wien, 6. Bd. 1886, 684 Dr. P. Samassa: Dotter von den gewöhnlichen Zellen der Keimblätter aufgenom- men wurde, sondern dass schliesslich noch ein Rest in der pri- mären Leibeshöhle liegen blieb, der dann von einzelnen Zellen des bereits differenzirten Mesoderms resorbirt wurde. Mit der weiteren Zunahme des Dotterreichthums musste es für die Ent- wieklung von Vortheil sein, die Dotterresorption in frühere Sta- dien zu verlegen und wir wären damit bei den Verhältnissen der Gladoceren angelangt. Die hier dargelegte Ansicht über die Herkunft und das Scehieksal der Dotterzellen wurde seinerzeit bereits von Grobben für Moina behauptet. Ich habe bei meiner Darstellung der Keim- blätterbildung von Moina bereits dargelegt, dass nach meinen Be- obachtungen der Dotter viel früher resorbirt wird, als dies Grobben angibt. Ich kann mir diese Differenz nur dadurch er- klären, dass es wahrscheinlich bezüglich des Dottergehaltes bei Moina Schwankungen gibt, -und dass Grobben eine dotterreichere Varietät bearbeitet hat, so dass die Angabe Grobben’s wohl gut begründet erscheint. Ich habe bei Moina einzelne freie Zellen beschrieben, welche sich von den Rändern des untern Blattes ab- lösen und welche den Dotterzellen entsprechen, wenn auch nur selten noch ein geformter Dotterrest in ihnen zu entdecken ist. Die weiteren Schieksale derselben habe ich nicht verfolgt, zweifle aber nicht daran, dass dieselben zu Fettkörperzellen werden. Die Herkunft und das Schicksal der Dotterzellen, wie sie nach der obigen Darstellung bei den Cladoceren vorkommt, ist sowohl unter den Arthropoden als auch sonst in der Thierreihe ziemlich vereinzelt, da die Dotterzellen meist Beziehungen zum öntoderm haben oder einem indifferenten Material ihren Ursprung verdanken. Doch findet sich hierin eine grosse Mannigfaltigkeit, die hier mit eingehenden Nachweisungen zu belegen zu weit füh- ren würde; es stimmen aber die Verhältnisse bei den Cladoceren insoferne ganz gut damit, als sie uns zeigen, wie weit diese Man- nigfaltigkeit gehen kann. Dass dies so ist, kann auch durch- aus nicht Wunder nehmen, da der Dotter zu den verschiedensten Malen und in den verschiedensten Gruppen selbständig erworben wurde, mitunter seeundär verloren ging und dann neuerdings wie- der auftrat. Es verhält sich also offenbar so, dass zu demselben physiologischen Zweek sehr verschiedene morphologische Mittel Die Keimblätterbildung bei den Cladoceren. 685 verwendet werden können und der Versuch von P.und F. Sarasin!) alle Erscheinungen der Dotterresorption unter einen morphologi- schen Gesichtspunkt zu bringen, scheint mir nicht aussichtsrei- cher, als wenn man alle Athmungsorgane im Thierreich für ho- molog erklären wollte. Dasselbe gilt überhaupt von jedem Versuch die Bildung der Dotterzellen als palingenetischen Process zu deuten. So hält bei- spielsweise Nusbaum?) und neuerdings Herrick?) die vom Blastoderm aus einwandernden Dotterzellen bei den Decapoden für homolog mit den Entodermzellen Metschnikoff’s®) im An- schlusse an dessen Phagocitellatheorie. Das hindert aber Nus- baum durchaus nicht, überdies die Keimblätterbildung bei Mysis auf eine Gastrulation zurück zu führen. Da aber nach Met- schnikoff die Gastrulation aus der multipolaren Einwanderung entstanden sein soll, so können doch unmöglich beide Processe in der Entwicklung desselben Thieres auftreten. Anstatt unsichere Hypothesen über den Ursprung der Keim- blätter zur Erklärung heranzuziehen, scheint es mir viel noth- wendiger, in jedem einzelnen Falle auf die nächststehenden holo- blastischen oder dotterärmeren Formen zurückzugehen, um auf diese Weise die eaenogenetischen Veränderungen festzustellen, welche der Dotter verursacht; man wird dann mit dem übrigbleibenden Rest palingenetischer Vorgänge viel sicherer operiren können, als wenn man sich dieselben nach Belieben auswählt. Schliesslich möchte ich noch einen Punkt hervorheben: die Verhältnisse bei den Cladoceren lehren uns, dass auch dem Me- soderm die Resorption des Dotters zufallen kann. Man hat dem- nach, wie ich glaube, kein Recht in einem Falle, wo die Dotter- zellen keine Beziehungen zur Darmanlage zeigen, dieselben ledig- lich mit Rücksicht auf ihre Funktion, dem Entoderm zuzurech- nen. Ich bemerke dies mit Rücksicht auf die Entwicklung der l) Sarasin, P. und F., Ergebnisse naturwiss. Forschungen auf Ceylon. II. Bd. 3. Heft. 2) Nusbaum, J., L’embryologie de Mysis chamaeleo. Arch. z00l. exper. (2) T 5. 1887. 3) Brooks, W. K. a. Herrick, F. H, The embryologie and metamorphosis of the Macroura. National Acad. of science. Vol. 5. 4) Metschnikoff, E., Embryologische Studien an Medusen. Wien. 1886. 686 Dr: P: Samassa: Cephalopoden. Nach den Untersuchungen von Korschelt!) kommt es hier nicht zur Ausbildung von Dotterzellen, sondern es wird der Dotter vom Epithel des Dottersacks, der ihn umgibt, resorbirt; dieses Epithel streicht aber eontinuirlich unter der klei- nen plattenförmigen Darmanlage hinweg, ohne zu ihr irgend wel- che Beziehungen zu zeigen. Auch in späteren Stadien ist dies nicht der Fall und im letzten Stadium, das Korschelt beschreibt, liegt der Dotter noch in der primären Leibeshöhle ; trotzdem hält Korschelt das Dottersackepithel wegen seiner Funktion für ento- dermal und zieht zur Erklärung der Verhältnisse bei den Cephalo- poden die Entwicklung von Nassa heran, wo gleichfalls eine grosse Dottermenge vorhanden ist, die schliesslich ins Entoderm zu lie- gen kommt. Da aber der Dotterreichthum bei Nassa und der der Cephalopoden zweifellos in zwei verschiedenen phylogeneti- schen Reihen neu erworben wurde, so kann das nichts beweisen, da sehr wohl in dem einen Falle der eine, in dem andern ein andrer Weg der Dotterresorption sich herausgebildet haben kann. Ich bin daher der Meinung, dass die Möglichkeit immer in Be- tracht gezogen werden muss, dass das Dottersackepithel bei den Cephalopoden dem mittleren Keimblatt zuzurechnen sei, so lange man bestimmte Beziehungen zur Mitteldarmanlage nicht nachweisen kann. Figuren-Erklärung. A,—= Anlage der Ruderantenne. B = Blastozone. BA = Beinanlage. cO = centraler Oeltropfen. D = Dotter. Da = Darm. DP = Dotterzellenplatte. DZ = Dotterzelle. Ec = Ectoderm. G = Gehirn. 1) Korschelt, E., Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Ce- phalopoden. Festschr. f. Leuckardt. 1332. Die Keimblätterbildung bei den Cladoceren. 687 GA = Ganglionanlage. Ge = Genitalanlage. L = primäre Leibeshöhle. M = Mesoderm. Mu = Muskulatur. N Kern. Oe = Vesophagus. P = Prociodaeum. RK = Richtungskörper. S = Scheitelplatte. Se = Schale. St = Stomatodaeum. uB = unteres Blatt. M—Vacuole. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XNXXVI-XXXIX. Daphnella brachyura. 1. Zweizelliges Stadium. Längsschnitt. 1/372. 2. Vierzelliges Stadium. Querschnitt. 1/372. 3. Sechszehnzelliges Stadium. Oberflächenansicht. 1/280. 4. Sechszehnzelliges Stadium. Querschnitt. 1/372. 5. Wie 4. 1/372. 6. Sechszehnzelliges Stadium. Längsschnitt. 1/372. 7. Keimhautstadium. Querschnitt. 1/372. 8. Keimhautstadium. Längsschnitt. 1/372. 9—14. Keimhautstadium. Querschnitte. 1/372. Daphnella brachyura. . 15—17. Keimhautstadium. Querschnitte. 1/372. . 18. Beginn der Einwucherung. Querschnitt. 1/372. g. 19—21. Einwucherungsstadium. Querschnitte. 1/372. ‚. 22—27. Einwucherungsstadium. Querschnitte. 1/372. . 28. Einwucherungsstadium. Theil eines Querschnittes. 1/750. . 29. Einwucherungsstadium. Sagittalschnitt. 1/372. . 30. Einwucherungsstadium. Sagittalschnitt. Flächenansicht des Ecetoderms. 1/750. . 31. Einwucherungsstadium. Theil eines Sagittalschnittes. 1/372. g. 32. Einwucherungsstadium. Totalansicht eines Eies. 1/280. Daphnella brachyura. .. 33. Einwucherungsstadium. Frontalschnitt. 1/372. g. 34—36. Unteres Blatt vom Eetoderm gesondert. Querschnitte. 1/372. 688 Rud.Kolster: Fig. 37—38. Querschnitte. Beginnende Sonderung des Entoderms und Mesoderms. 1/372. Fig. 39. Querschnitt. Anlage der Geschlechtsorgane. 1/500. Fig. 40—43. Querschnitte. Ausbildung des Darms. 1/500. Fig. 44. Querschnitt. Beginn der Trennung des Dotters in zwei late- rale Streifen. 1/372. Fig. 45, 46. Querschnitte. Umbildung der Dotterzellen zu Fettkörper- zellen. 1/372. Daphnia hyalina. Fig. 47—50. Querschnitte. Einwucherungsstadium. 1/372. Daphnia hyalina. Fig. 51, 52. Wie 47—50. 1/3172. g. 53—55. Querschnitte. Einwucherungsstadium. 1/372. . 56-60. Querschnitte. Unteres Blatt vom Eetoderm gesondert. 1/372. '. 61. Embryo vor dem Auftreten der zweiten Autenne. Seiten- ansicht. 1/280. g. 62. a) Isolirte Dotterkugeln. b) Isolirte Dotterzellen. 1/372. Do 0 9a 00 G ir - o Daphnia pulex. Fig. 63. Querschnitt. Dotterzellenplatte. 1/280. Sämmtliche Figuren sind mit Seibert’schen Apochromaten und Abb&'schem Zeichenapparat in der Höhe des Objecttisches gezeichnet. (Aus dem pathologischen Institut zu Helsingfors.) Zur Kenntniss der Regeneration durch- schnittener Nerven. Kine experimentelle Studie: Von Rud. Kolster in Helsingfors (Finnland). Hierzu Tafel XL. Nachdem schon lange Zeit eine erneute Untersuchung über die bei der Regeneration durchschnittener Nerven verlaufenden Vorgänge, welche trotz der vielen und sorgfältigen Arbeiten über Zur Kenntniss der Regeneration durchschnittener Nerven. 689 diesen Gegenstand immer noch nicht endgültig klargelegt wor- den sind, geplant war, erschien in Ziegler’s Beiträgen !) eine neue Untersuehung über diese Frage. Durch dieselbe wurde manches, was bisher schon als feststehend in die gewöhnlichen Handbücher übergegangen war, wieder bestritten. Da ‚jedoch die Beweis- gründe, welche v. Büngner für seine Ansicht ins Feld führte, nieht stets überzeugend genug waren, schien mir gerade der ge- eignete Zeitpunkt gekommen, die geplante Untersuchung wirklich auszuführen. Dieselbe sollte in erster Linie eine Nachprüfung der v. Büngner’schen Angaben sein. In Bezug auf geschichtliche Notizen kann ich mich kurz fassen, da dieselben in der erwähnten Arbeit eine sehr sorgfäl- tige und genaue Berücksichtigung gefunden haben. Die verschie- densten Theile der Nervenfasern sind ja bekanntlich als Aus- gangspunkt der regenerativen Vorgänge in Anspruch genommen. So lässt Hjelt?) z.B. die Neubildung aus dem Perineurium, Beneeke?) und Glueck!) aus den Kernen der Schwann’schen Scheide, Ranvier?) und Eiehhorst‘) dureh Längsspaltung und Auswachsen der Axeneylinder, Neumann und Dobbert’) aus einer dureh ehemische Umwandlung des Markes und der Axen- eylinder entstandenen Masse ihren Anfang nehmen. Nach einigen Verfassern tritt der Beginn der reparatorischen Vorgänge am centralen Ende auf und verläuft peripherwärts. Andere verlegen den Anfang in das distale Ende und lassen die Neubildung gegen das Centrum zu forschreiten. Schliesslich soll auch das die Ner- venstümpfe verbindende Bindegewebe als Matrixgewebe dienen können. Auch eine prima Intentio der Stümpfe wird angenom- 1) v. Büngner, Ueber die Degenerations- und Regenerations- vorgänge am Nerven nach Verletzungen. Ziegler’s Beiträge. Bd. X. 1891. 2) Hjelt, Om Nervernas Regeneration och dermed samman- hängande förändringen af Nervrören. Helsingfors. 1859. 5) Benecke, Ueber die histologischen Vorgänge in durchschnit- tenen Nerven. Virchow’s Arch. Bd. LV. 1872. 4) Gluck, Experimentelles zur Frage der Nervennaht und der Nervenregeneration. Virchow’s Arch. Bd. LXXI. 1878. 5) Ranvier, Manuel d’histolologie pathologique. Paris 1881. Bd. 1. 6) Eichhorst, Ueber Nervendegeneration und Nervenregenera- tion. Virchow’s Arch. Bd. LIX. 1874. 7) Neumann u. Dobbert, Ueber Degeneration und Regenera- tion zerquetschter Nerven. Arch. f. mikrosk. Anat. Bd. XVIII. 1880. 690 Rund Kolstier:; men. Nach v. Büngner!) wird den Zellen der Schwann’schen Scheide die regenerative Fähigkeit zuerkannt. Als nun bei so verwirrenden Angaben früherer Untersucher dieses Thema einer erneuten Prüfung unterworfen werden sollte, war es selbstverständlich, dass eine Methode zur Erlangung in Neubildung begriffener Nerven gewählt werden musste, welche dieselben so isolirt wie möglich zur Anschauung zu bringen ver- sprach. Speciell lag es mir daran, die Produkte der nach Ver- letzungen auftretenden traumatischen Degeneration in den zur Untersuchung gelangenden Theilen auf das geringste Mögliche einzuschränken. Dass durch eine die bindegewebigen Umhillun- gen erhaltende Unterbindung die günstigsten Bedingungen zur Wiederherstellung der Nerven gegeben sind, soll keineswegs ge- leugnet werden. Indessen wäre bei diesem Verfahren gerade der eben geäusserte Wunsch nicht im Erfüllung gegangen. Dasselbe gilt für eine partielle Diseission. Auch eine einfache Durchsehnei- dung, wobei sich die Nervenstümpfe durch Retraction von ein- ander entfernen, schien mir nicht genügende Gewähr zur Erlan- gung des erwähnten Vortheiles zu bieten. Aus Untersuchungen von Neuromen aus Amputationsstümpfen ist es indessen bekannt, dass hier sich vielfache neugebildete Fa- sern?) vorfinden. Experimentelle Reseetionen kleiner Nervenstücke ohne nachfolgende Adaption haben die dennoch erfolgende Wie- derherstellung der Nerven erwiesen. Bei dem zuletzt erwähnten Verfahren hebt man die Rege- nerationsfähigkeit der Nervenbahn nicht auf, verlegt aber die an dem peripheren Stumpfe auftretende Degeneration so weit vom centralen Stumpfe, dass dieselbe aus dem Untersuchungsgebiet der ersten Neubildung entfernt ist und hier nur die Produkte der Degeneration des centralen Stumpfes zu Gesicht kommen. Aus dem oben über die Amputationsstümpfe Gesagten geht hervor, dass am centralen Stumpfe jedenfalls eine Neubildung zu erwar- ten ist, wie dieses sich auch im Laufe der Untersuchung bestä- tigte. In Neubildung begriffene Nervenfasern verschaffte ich mir daher in folgender Weise. An Kaninchen, das einzige mir zur Zeit 1) v. Büngner.l c. 2) Ziegler's Lehrbuch d. allg. u. spec. pathol. Anat. Bd. II. 1887. Zur Kenntniss der Regeneration durchschnittener Nerven. 691 zur Verfügung stehende Material, wurde aus dem Ischiadieus in der Mitte des Oberschenkels ein 2—3 mm langes Stück resecitt. Nach der Operation entfernten sich die Nervenstücke durch Re- traction ungefähr 1 em von einander. Dass Kaninchen für solche Versuche keineswegs die geeignetsten Thhiere sind, hat sich mir auch bestätigt, indem ich trotz der sorgfältigsten Beachtung anti- und aseptischer Grundsätze, manchmal auch erst bei der mikroskopischen Untersuchung, das erhaltene Material durch Zell- infiltration als unbrauchbar verwerfen musste. Als Beweis dafür, dass bei dieser Methode eine wirkliche Wiederherstellung der abgebrochenen Nervenbahn eintritt, will ich anführen, dass zur Zeit ein Kaninchen noch am Leben ist, an welchem die Reseetion des rechten Ischiadieus am 3. X. 1892, die des linken am 6. XII. 1892 ausgeführt worden ist. Nachdem hier eine vollständige Lähmung beider Hinterfüsse und die verschiedensten trophischen Störungen, wie Abfall der Haare und Entwickelung von Decubitalgeschwüren eingetreten war, hat das Thier sich jetzt erholt und bewegt sich wieder mit Leichtigkeit, wenn auch bei genauem Nachsehen noch nicht ganz so unbehin- dert, wie unoperirte Thiere. | Das so erhaltene Material wurde in verschiedener Weise fixirt. Stets wurde jedoch ein Theil in Flemming'’sche Flüssig- keit gebracht und in Alkohol verschiedener Concentration nach- gehärtet. Sonst sind auch noch verschiedene Chromsäuremisehun- gen und einfach Alkohol in Anwendung gezogen. Auch die Gold- methode, wie sie Babes!) benutzt hat, ist versucht worden. Durch zahlreiche Vorversuche, bei welchen so ziemlich alle in Behrens Tabellen?) angegebenen Methoden zur Darstellung der Axenceylinder zur Prüfung kamen, zeigte es sich, dass viele derselben bisweilen gute Färbungen gaben, bisweilen aber gänz- lich versagten, ohne dass eine Ursache hierzu aufzufimden war. Ich entschloss mich daher, stets mit verschiedenen Stoffen zu ar- beiten, um in dieser Weise gegen das gänzliche Misslingen so viel wie möglich geschützt zu sein. 1) Babes und Marinesco, Recherches sur la pathologie des Terminaisons nerveuses des muscles. Annales de l'institut de Patho- logie et de Bacteriologie de Bukarest. 1891. 2) Behrens, Tabellen z. Gebrauch b. mikrosk, Arbeit. 1892. 692 Rud. Kolster: Als meine Untersuchung eigentlich schon zu Ende geführt war, publieirte Stroebe!) eine neue Methode zur Darstellung der Axeneylinder. Dieselbe wurde sogleich von mir, wie anderen Arbeitern im hiesigen Institut einer eingehenden Prüfung unter- worfen. Die Erwartungen wurden aber getäuscht, speciell an Schnitten aus dem Rückenmark ergab sie keineswegs bessere Bilder als früher, eher schlechtere oder versagte ganz. Dasselbe Resultat gaben Prüfungen mit peripheren Nerven. Ausser der auch hier zu Tage tretenden Launenhaftigkeit, welche sie für vorliegende Arbeit hinter die bisher bekannten stellte, gab sie im Glücksfalle nieht schärfere Bilder, wie gelungene Präparate nach anderen Methoden. Indessen ist Ja immer ein Versuch mit derselben bei Fehlschlagen anderer der Mühe werth. Um die durch Osmiumwirkung eingetretene Schwärzung des Myelins und dessen Zufallsproduete, welche oft störend auftrat und andere Details verdeckte, zu verringern, liess ich mein Ma- terial nach Erhärtung so lange in Terpentin verweilen, bis das- selbe eine ganz schwarze Färbung angenommen hatte. Hierdurch ge- lang es oft, wie z. B. in Fig. 4 die von Myelinkugeln erfüllte Schwann’sche Scheide so weit von denselben zu befreien, dass der restirende Axencylinder sichtbar gemacht werden konnte. Selbstverständlich benutzte ich anfangs Schnittpräparate, wie sie v. Büngner empfiehlt. Indessen fiel es mir bald auf, dass dadurch diese sonst schon schwer zu übersehenden Vor- gänge nur noch verwickelter wurden. Dieses aus dem einfachen Grunde, dass die neugebildeten Nervenfasern, wie es z.B. Be- necke?) erwähnt, wellig und nicht gestreekt bei mittelst Durch- trennung dargestelltem Material verlaufen. Die Anfertigung von Zupfpräparaten erleichterte ich mir dadurch, dass ich die fertig tingirten in dünne Faseikel zerlegten Nerven in Terpentin an der Luft stehen liess, bis dieses die Con- sistenz von käuflichem Damarlack angenommen hatte. In dieser diekflüssigen Masse liessen sich die Fasern allerdings auch jetzt noch nur mit grossem Zeitaufwand ohne zu zerreissen gut isoli- 1) Stroebe, Zur Technik der Axencylinderfärbung im centralen und peripheren Nervensystem. Centralblatt f. allgem. Pathologie und patholog. Anatomie. Bd. IV. 1893. 2) Benecke, |. e. Zur Kenntniss der Regeneration durchschnittener Nerven. 693 ren. Bei einiger Uebung gelingt es in dieser Weise sogar, das die Stümpfe bekleidende Granulationsgewebe ohne Zerstörung der feinen Nervenfasern in zur Untersuchung geeignete Theile zu zerlegen. Es war in jedem meiner so bereiteten Präparaten oft möglich, eine unverletzte Faser vom normalen Ende bis durch das Granulationsgewebe hierdurch isolirt zu finden. Da ich in verschiedenen untersuchten Stadien des periphe- ren Stumpfes stets nur Produkte der traumatischen Degeneration fand, anfangs allerdings auch zahlreiche Mitosen, aber niemals irgendwelche als neugebildete Axencylinder zu deutende Gebilde, habe ich demselben späterhin nur wenig Aufmerksamkeit ge- schenkt. Dieses umsomehr, als auch am 34. Tage hier nur zu- sammengefallene Sehwann sche Scheiden, stellenweise durch Myelinkugeln aufgetrieben sich vorfanden. Freilich habe auch ich im peripheren Stumpfe Bilder ge- funden, welche z. B. mit Fig. 23 bei v. Büngner!) übereinstim- men, habe mich jedoch nie überzeugen können, dass dieselben Nervenfasern vorstellen könnten. Dieselben müssen als zusammen- gefallene Nervenscheiden aufgefasst werden, umsomehr, da die- selben auch bei v. Büngner vollkommen mit der von ihm in Fig. 24 um den neugebildeten Axencylinder verlaufenden Scheide über- einstimmen. Bei meiner Untersuchung habe ich nur die an markhaltigen Fasern in Erscheinung tretenden Vorgänge beachtet. Vom centralen Stumpf war das erste Stück 24 Stunden alt, als es zur Untersuchung kam. Hier waren die Veränderun- gen noch so gering und unterschieden sich so wenig von dem bei der Herausnahme durchtrennten Ende, dass ein Entscheid, was thatsächliche Veränderungen waren, nicht zu treffen war. Die Goldimprägnirung zeigte den Axencylinder in ganzer Länge erhalten, auch liess sich das gleiche Bild durch Anwendung verschiedener Anilinfarben erhalten. Sogar die Markveränderun- gen waren gering ausgesprochen. Das folgende von mir untersuchte Stadium zeigte bedeu- tende Veränderungen. In diesen 3 Tage alten, wie in dem fol- genden vom 6. Tage leistete mir die Vergoldung die besten Dienste, um aber in älteren Nervenstümpfen gänzlich zu versa- »)iw Büngner;i « 694 Rud. Kolster: gen. So scharf und rein die Bilder vorher waren, so unklar und undeutbar wurden sie späterhin. Die Reduction des Goldes ging in meinen Präparaten freilich nicht so schnell von statten wie es Babes angiebt; erst nach wochenlangem Aussetzen an diffu- sem Lichte war sie in voller Schärfe ausgebildet. Um den Unterschied der Goldimprägnation am reseeirten und am beim Herausnehmen durehtrennten Ende zu zeigen, habe ich beide abbilden lassen. Fig. 1 und 2. Aus Fig. 1 ist er- sichtlich, dass die Durchtrennung und Goldimprägnation auf den Axeneylinder in der Art eingewirkt hat, dass derselbe innerhalb der leicht granulirten Markscheide wellig verläuft. Dieser ge- schlängelte Verlauf wird indessen vom ersten Ranvier’schen Schnürring an wieder gestreckt. Hier hat der Axeneylinder eine graublaue Farbe angenommen. An dem reseeirten Ende verhalten sich die einzelnen Nerven ganz anders. Das Mark zeigt eine zerfressene Kontur mit stellen- weise tiefen Einkerbungen. Dasselbe ist von brauner Farbe und diese zeigt eine centralwärts abnehmende Intensität. In der Mitte desselben zeigt das resecirte Ende emen gut begrenzten, ziemlich breiten hellen Streifen, der allmählich schmäler werdend, mehr und mehr dieselbe Farbe annimmt, welche der Axeneylinder in Fig. 1 zeigt. Dieser Streifen geht auch in den Axencylinder der noch normal sich verhaltenden Partie des Nerven über (Fig. 2). Die Einkerbungen des Markes gehen nie weiter als bis zu den in der Mitte befindlichen Streifen. Aus diesen Präparaten ergiebt sich also, dass die Nerven am reseeirten Ende sich so verändert haben, dass der Axen- eylinder sich nicht mehr wie in normalen Nerven mit Gold im- prägniren lässt und erst späterhin, wo derselbe noch scheinbar unverändert ist, diese Fähigkeit wiedergewinnt. Das Mark in- dessen verhält sich gerade umgekehrt; so lange der Axencylinder diese veränderte Beschaffenheit zeigt, nimmt dasselbe die Gold- imprägnation auf; in demselben Maasse, wie der Axeneylinder seine normalen Eigenschaften wiedergewinnt, verliert auch das Mark die erworbene und nimmt zugleich wieder die normale glatte Konturzeichnung der Goldpräparate an. Kontrolpräparate nach Flemming zur Darstellung der Kerntheilungsfiguren angefertigt, ergaben in denselben Grenzen die bekannten Bilder des Markzerfalles. Der Axencylinder liess Zur Kenntniss der Regeneration durchschnittener Nerven. 695 sich nicht mehr ganz bis an das reseeirte Ende hin verfolgen. Möglicherweise war er hier auch noch durch das geschwärzte Mark verdeckt, da ich die auflösende Kraft des Terpentins noch nicht kannte. Mitosen zeigten sich hier sowohl an Kernen der Schwann’schen Scheide wie in den übrigen bindegewebigen Hüllen. Im folgenden Stadium zeigten die Goldpräparaten ähnliche Veränderungen wie oben. Das Mark war nur noch als schmaler zackiger Rand vorhanden und hatte dieselbe braune Färbung angenommen. Centralwärts war dieses Verhalten weiter als im vorigen Stadium zu verfolgen, hörte aber gewöhnlich, nachdem es zwei oder drei Schnürringe passirt hatte, allmählich auf. Aus dem reseeirten Ende erstrekte sich peripherwärts ein blasser Streifen, der wie ein zusammengefallener Schlauch aussah und der sich in den hellen Streifen innerhalb des imprägnirten Mar- kes fortsetzte, um schliesslich in den allmählich seine normale Beschaffenheit wieder annehmenden Axeneylinder überzugehen. Die dunkle Färbung des Markes klingt auch eentralwärts mehr und mehr ab um in die aus Fig. 1 bekannte überzugehen. Die Chrom-Osmium-Essigsäure-Präparate ergaben ausser zahl- reichen Mitosen in verschiedenartigen Kernen einen entsprechen- den Markzerfall. Hier gelingt es indessen bisweilen in den, zwischen den früher von Anderen schon beobachteten spindel- förmigen Markanhäufungen, verlaufenden, verschmälerten oder zu- sammengefallenen Nervenscheiden, bei gelungener Tinktion den erhaltenen Axeneylinder siehtbar zu machen. Dieses jedoch nur in den mehr centralwärts gelegenen Theilen. Oft ist auch die Fortsetzung derselben in dem Axeneylinder des nicht der Dege- neration anheimgefallenen zu demonstriren, dieses besonders nach Aufhellung oder Lösung des geschwärzten Markes durch Ter- pentin. Die an den Goldpräparaten gemachten Beobachtungen er- wecken kein so geringes Interesse. Das in allen Präparaten auf- tretende Verhalten, dass sich das Myelin färbt, während der Axeneylinder des resecirten Endes keine Imprägnirung aufweist, darf durch sein regelmässiges Vorhandensein nicht mehr auf die bekannte Launenhaftigkeit der Vergoldung geschoben werden. Es muss eine bestimmte Ursache vorhanden sein, um dieses zu er- klären, dieses um so mehr, als mit dem eentralwärts wieder dem 696 Rud. Kolster: normalen sich nähernden Imprägnirungsresultat auch die auf Markveränderungen hindeutenden Konturverhältnisse abklingen. Das Veränderungen eingetreten sind, zeigen nebenbei die nach Flemming hergestellten Präparate. Die Ursache zu diesem Imprägnirungsresultat kann meiner Ansicht nach nur in einer Umwandlung des resecirten Nerven- endes liegen. Mir scheint es, als ob man in einer Aufnahme und Vermischung der normalerweise sich tingirenden Axeneylinder- substanz durch das Mark dieselbe am besten erklären kann. Hierfür spräche auch der helle, aus dem Ende hervortretende Streifen, der sich, so weit diese Imprägnirung aufgetreten ist, nachweisen lässt, um allmählich in den normal tingirten Axen- eylinder überzugehen. Dass ich geneigt bin, eine besondere Axen- eylinderscheide anzunehmen, ist aus dem Obigen ersichtlich. Zu der Annahme einer chemischen Umwandlung des Inhaltes der Sehwann’'schen Scheide bei Durchtrennung der Nerven sind auch Neumann!) und Eichhorst?) durch Anwendung der Osmiumsäure gelangt. Dieselben sehen in demselben die Mutter- substanz der sich neubildenden Axeneylinder. Wenn ich mit letzterer Ansicht auch nieht in Uebereinstimmung stehe, so findet meine oben dargelegte Auffassung der Vergoldungsresultate doch in denselben aus anderen Gründen Theilnehmer. Das 10 Tage alte Stadium ist eines der wichtigsten im ganzen Verlaufe. Hier finden sich in der Verlängerung der nor- malen Nerven spindelförmige Auftreibungen, als deren Inhalt die Osmiumschwärzung Myelinmassen nachweist. Die äusserst inten- sive Sehwärzung lässt nichts anderes mit voller Schärfe hervor- treten. Und doch war es wahrscheinlich, dass wenigstens in den, dem normal erhaltenen, mehr central näher liegenden Nerven- theilen, etwas anderes mit verborgen liegen sollte. Man beob- achtete nämlich bei Saffraninfärbung ausser den nicht allzu zahl- reichen Mitosen, die nur selten sozusagen zwischen den Mark- haufen lagen, als Verbindungsstücke der Markanhäufungen schmälere rosa gefärbte Stränge, welche aus den zusammengefallenen Nerven- hüllen bestanden. Zeigten diese sich auch vollständig leer am reseceirten Ende, so war es centralwärts anders. Hier trat oft 1) Neumann,l. c. 2) Eichhorst, 1. c. \ Zur Kenntniss der Regeneration durchsehnittener Nerven. 697 ein schmaler Streifen auf der etwas dunkler gefärbt, von den bindegewebigen Umhüllungen und von dem an den Längsenden der Neurilemmakerne angehäuften Protoplasma sich deutlich unter- scheiden ‚liess. Auch schien derselbe sich als rother Schimmer längs der einen Seite der Markanhäufungen fortzusetzen. Durch mehrere Tage währende Behandlung mit Terpentin gelang es, dieselben bedeutend aufzuhellen und den grössten Theil der Myelinkugeln zu entfernen. Nach Versuchen mit verschiedenen Mitteln, eine Axeneylinderfärbung in den so vorbereiteten Zupf- präparaten zu erhalten, gelang es mir schliesslich mit der Stroebe’- schen Methode, doch durch Ersetzen des Saffranins mit Fuchsin und essigsaurer Entfärbungsflüssigkeit einzelne brauchbare Präpa- rate zu gewinnen. Es zeigte sich hierbei, dass dieser rothe Streifen der per- sistirende Axeneylinder war, welcher nicht in derselben Aus- dehnung wie das Mark von der traumatischen Degeneration be- troffen war. In allen Fasern liess sich derselbe nieht gleich weit peripherwärts verfolgen, so dass es daraus hervorging, dass er in verschiedener Länge in verschiedenen Nerven erhalten bleibt. Aus Abbildung 4 geht hervor, wie die seitliche Verschie- bung des Axeneylinders zu Stande kommt. Die wenigen hier noch erhaltenen Myelinkugeln liegen alle der Schwann’schen Scheide an und drängen den Axeneylinder nebst dem noch nicht gänzlich zerfallenen Mark an die entgegengesetzte Seite der Scheide. Sowohl in diesem wie in dem vorigen Stadium fanden sich vielerorts die Abkömmlinge der Neurilemmkerne in Reihen ge- ordnet, aber weder in diesen Stadien noch in späteren habe ich jemals trotz Anwendung des Apochromaten eine fibrilläre Streifung in dem diesen angehörenden Protoplasma finden können. Wohl aber in den persistirenden Axencylindern. Nach weiter 2 Tagen ist die Strecke, in welcher der Axen- cylinder erhalten bleibt, leichter zu übersehen. Theils daher, weil der Markzerfall weiter vorgeschritten ist, theils daher, dass die isolirte Färbung besser gelingt. Die beigefügten Abbildungen 5 u. 6 zeigen dieses Verhalten deutlicher. Zu dieser Zeit hat sich durch die Wucherung der Kerne eine starke Bindegewebsscheide entwickelt, wie sie Neumann schon beschrieben hat. Auch zeigt sich der erhaltene Axen- eylinder in den eentralen Theilen von einer schwach tingirten Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 41 45 598 Rud.Kolster: Protoplasmaschicht innerhalb der Schwann’schen Scheide um- geben. An den peripheren Enden der erhaltenen Axeneylinder macht sich eine blasse, schwach tingirte Fortsetzung bemerkbar. Die Konturen derselben sind nicht ganz scharf, bisweilen erscheint es, als ob eine fibrilläre Zeichnung hier sich beobachten liesse. An den Seiten derselben sieht man deutliche bindegewebige Fibrillen, die Längsstellung der Kerne, wie sie mehr centralwärts oft deut- lich ausgesprochen ist, findet sich nieht immer. Umgeben sind dieselben von Granulationsgewebe. Aber auch weiter centralwärts lassen sich Spuren einer auftretenden Neubildung nachweisen. Wenn auch hier die Be- obachtung durch die dieke Lage umgebenden Bindegewebes er- schwert ist und die Protoplasmaschieht störend einwirkt, so erhält man doch den Eindruck, als ob sich neben dem erhaltenen Axen- eylinder eine neue Faser zeigte. Indessen ist die Beurtheilung dieser Erscheinung unter den erwähnten Umständen so schwierig, dass man, falls nicht Präparate aus späteren Stadien zur Hülfe kämen, an dem Gesehenen zweifeln könnte. Sowohl hier, wie auch an dem peripheren Ende, habe ich vergebens nach einer feinfaserigen Zeichnung gesucht, welche auf eine Betheiligung des Protoplasmas hinweisen könnte. Auch die Anwendung der apochromatischen Systeme konnte mir hierbei nicht helfen. Verfolgt man die normal erscheinenden central liegenden Nervenfasern' gegen das Rückenmark zu, so trifft man auf Bilder, wie sie Fig. 7 zeigt. Ob dieselben, welche bei der Regeneration auch früher beobachtet worden sind, mit derselben in Zusammen- hang stehen, ist mir nicht möglich zu entscheiden. Auffallend ist allerdings, dass sie nur an solehen Nerven zu finden sind, welehe die oben beschriebenen Andeutungen der Neubildung von Axeneylindern zeigen. Ihre Uebereinstimmung mit den von Gombault!) gegebenen Abbildungen ist nicht zu verkennen, möglich aber auch, dass sie in die Kategorie der von Sigismund Mayer?) beschriebenen Vorgänge gehören. | 1) Gombault, Contribution a l’etude anatomique de la nevrite parenchymateuse subaigu& ou chronique. — Nevrite segmentaire peri- axile. Arch. de Neurologie. Bd. 1. 1380. 2) Sigismund Mayer, Ueber Vorgänge der Degeneration und Zur Kenntniss der Regeneration durchschnittener Nerven, 699 Dass die oben angeführten Beobachtungen von mehrfachen Axeneylindern innerhalb derselben Scheide auf wirklichen That- sachen beruhen, bestätigen die 16 Tage alten Präparate. Hier ist die Isolirung der einzelnen Nerven dadurch erleichtert, dass die durch Wucherung entstandene bindegewebige Umhüllung fester geworden ist. Das sich zwischen den beiden Nerven- stümpfen entwickelte Granulationsgewebe bildete hier eine feste Verbindung derselben, so dass beide in Zusammenhang aus dem Thier entfernt werden konnten. In diesem Granulationsgewebe gelang es nun leicht, die Fortsetzung der einzelnen Nervenfasern zu isoliren. Hier fanden sich besonders, wo die Fortsetzung selber ein wenig aufgefasert war, mehrere blasse Streifen, deren weiterer Verlauf centralwärts sich gut verfolgen liess. War dieses auch schon mit den achromatischen Systemen möglich, so wurde jeder Zweifel durch die apochromatische Linse gehoben. Mehrfach habe ich auch, wie es die Fig. 9 aus einem späteren Stadium zeigt, schon am Ende des normal erhaltenen Nervenstückes 2 und mehrere Fasern innerhalb der gemeinsamen Scheide gefunden. Zwischen und um die Fasern herum findet sich eime Protoplasma- masse, deren Zusammenhang mit den zahlreichen Kernen der Schwann’schen Scheide nicht gut geleugnet werden kann. Dieses stimmt auch mit den Beobachtungen von Vanlair!), nach welchem die neugebildeten amyelinen Nervenfasern von einer Protoplasma- scheide umgeben sein sollen. An untingirten oder bei Saffraninfärbung stark entfärbten Präparaten liessen sich bisweilen im centralen Theil dieser Faser Andeutungen eines grauen Saumes wahrnehmen. Dieses muss auch ich als den ersten Anfang einer Wiederherstellung der Mark- scheide betrachten, besonders da dieselbe im weiteren Verlaufe mehr und mehr an Mächtigkeit gewinnt, wenn auch bei dem von mir zuletzt untersuchten Stadium 34 Tage diese graue Scheide noch nieht im centraleren Theil dieselbe Breite, wie an den un- berührt gebliebenen Nerven erreicht hat. Während es mir nicht gelungen ist, irgendwie eine Bethei- Regeneration im unversehrten peripheren Nervensystem. Zeitschr, f. Heilkunde. 1881. Bd. Il. 1) Vanlair, Nur aus Referaten bekannt, z. B. Ziegler’s Lehr- buch d. allg. u. spec. path. Anatomie, Bd. 11. 5. Aufl. 700 Rud. Kolster: ligung der Schwann schen Zellen bei der Neubildung der Axen- eylinder zu konstatiren, erscheint mir das Verhältniss der Aus- bildung der Protoplasmascheide um den restirenden Axeneylinder mit nachfolgendem Auftreten des grauen Saumes, welcher sich als Anlage der Myelinscheide erweist, für einen Zusammenhang zwischen diesen beiden Erscheinungen zu sprechen. In Ueber- einstimmung hiermit haben ja auch die zahlreichen embryolo- gischen Forschungen auf allen Gebieten des Nervensystems er- geben, dass die Axencylinder ectodermalen Ursprunges sind und als Auswüchse der eentralen Theile sich darstellen !). Die Myelin- scheide hingegen hat sich als ein Absonderungsprodukt von Zellen mesodermaler Natur erwiesen, wenn auch vollständige Einigkeit über die Art der Ausbildung der Schwann’schen Scheide, von weleher das Myelin abgelagert werden soll, noch nicht herrscht. v. Büngner leugnet allerdings die bindegewebige Natur des Neurilemmas, doch habe ich mich nicht von dem Vorhandensein der von ihm angeführten Gründe überzeugen können. Am 21. Tage ist dieser Saum deutlicher hervortretend. Durch die meistens von mir benutzte Färbung mit Saffranin in wässeriger Lösung mit einigen Tropfen einer koncentrirten Me- thylenblaulösung versetzt und Entfärbung in absolutem Alkohol mit oder ohne Ansäuerung mit Salzsäure wurde derselbe ganz verdeckt. Nur an stark entfärbten Saffraninpräparaten oder gänz- lich ungefärbten liess sich derselbe nachweisen. Wie es mir schien, ist die Protoplasmaumhüllung in den eentraleren Theilen nieht mehr so deutlich, wie früher. Die bedeutendsten Unterschiede gegen früher bietet das Narbengewebe. Hier finden sich Massen von blassen gleichförmigen schmalen Fasern, welche einen welligen Verlauf haben und sich meistens einige zu einem Bündel vereinigt antreffen lassen. Sowohl durch Annahme von Farbstoff, wie durch sonstiges Verhalten, lassen dieselben sich von den Fasern der bindegewebigen Grund- substanz wohl unterscheiden. So unterscheiden sie sich in der Breite bedeutend. Anwendung der schärfsten zur Verfügung stehenden Linsen zeigt in regelmässigen Abständen Kerne an denselben. Liessen sie sich hierdurch schon als Nervenfasern erkennen, so verschwand jeder Zweifel, als es in isolirten Nerven l) Kölliker, Grundriss d, Entwicklungsgeschichte, Leipzig. 1884, Zur Kenntniss der Regeneration durchschnittener Nerven. 701 gelang, ihren Zusammenhang mit den persistirenden Axeneylindern nachzuweisen. In denselben Präparaten fanden sich mehrfach Stellen, wo die traumatische Degeneration nur wenige Ranvier’sche Segmente betroffen hatte, und dieses an aneinander liegenden Nerven. Die direkte Fortsetzung derselben bestand in den erwähnten blassen Fasern, ohne dass an denselben noch eime Protoplasmahülle oder Markanlage nachweisbar war; wohl der beste Beweis für ein Auswachsen der Axeneylinder. Nach 24 Tagen sind die Verhältnisse im Ganzen noch die- selben. Nur treten dieselben schärfer und deutlicher hervor. In den centraleren Theilen hat der Kermreiehthum aber bedeutend abgenommen. Nur im Narbengewebe sieht man längs den Axen- eylinderauswüchsen noch. die frühere Kernmasse. Deutlicher als zuvor treten die multiplen Axenceylinder als Fortsetzung der normalen Nerven hervor. In vielen Fällen besassen dieselben eine deutliche Strichelung, wie sie Fig. 9 wiedergibt. Dieselbe fehlte indessen mehr distal, s. Fig. 10. Dieselbe ist jedoch nicht auf- fällig, da ja die Ansicht, dass der Axeneylinder aus Fibrillen bestehe, allgemein anerkannt ist. Vom 28. Tage verfertigte ich ausser einigen Saffranin- präparaten nur Goldimprägnationen. Dieselben waren indessen so undeutlich ausgefallen, dass aus denselben keine weitere Be- thätigung über die Natur der blassen im Narbengewebe ver- laufenden Bänder zu erhalten war. Aus meinen Notizen über die wenigen anderen Präparate entnehme ich, dass dieselben mit den früheren übereinstimmten, nur war der graue Saum deutlicher hervortretend. Ueber die folgenden von mir in diesem Zusammenhang untersuchten Stadien kann ich mich kürzer fassen. Dieselben betrafen den 30., 31. und 34. Tag. Sie boten im Allgemeinen wenig Neues, nur waren die schon früher an den centraleren Theilen beobachteten Erscheinungen weiter peripherwärts auch zu finden. Im ältesten untersuchten Falle hatten die auswachsenden Axeneylinder schon den peripheren Stumpf erreicht, ohne jedoch in nähere Beziehungen zu den theils zusammengefallenen, theils durch Myelinmassen aufgetriebenen Hüllen der degenerirten Nerven getreten zu sein. Sehr deutlich waren hier die in mehrfacher 102 RudrKolster: Zahl aus derselben gemeinsamen Hülle hervortretenden Axen- eylinder zu beobachten (Fig. 12). Durch die Zerzupfung waren dieselben oft am distalen Ende aufgelockert, so dass sie pinsel- förmig aus der bis zu den unverändert gebliebenen Nerven zu verfolgenden gemeinsamen Scheide hervortraten. Die Fasern selber hatten gleichmässige Seitenkonturen, waren ziemlich breit, auch trat die Graufärbung weiter peripher- wärts mehr hervor. Die früher nieht so ganz regelmässig ver- theilten Kerne waren jetzt in gleichmässigeren Intervallen vor- handen. Wie langsam die Resorption des durch die traumatische Degeneration hervorgerufenen Myelinzerfalles verläuft, lässt sich ddaraus ersehen, dass jetzt noch hin und wieder Spuren desselben zwischen den neugebildeten Elementen nachweisbar waren. Unter Beachtung der oben gegebenen Beschreibung der Präparate, welche unter gleichzeitiger Anwendung der verschie- densten Methoden der Nervenhistologie verfertigt worden sind, ist zuerst ersichtlich, dass am centralen Stumpfe eine traumatische Degeneration auftritt. Diese stets auch von früheren Beobachtern konstatirte Erscheinung führt am reseeirten Ende in wechselnder Ausdehnung zu einem Untergang des Markes sowohl wie des Axeneylinders. Dieser letztere bleibt eine Zeit lang noch als Kontur einer ihres Inhaltes beraubten und zusammengefallenen Scheide sicht- bar. Der Inhalt vermischt sich mit dem zerfallenden Mark und verleiht demselben dadurch an dieser Stelle die Fähigkeit, bei Vergoldung das Gold aufzunehmen, während der Axeneylinder dieselbe verliert. Der vorher stark geschlängelte Axeneylinder ist, soweit das Mark imprägnirt ist, gestreckter und breiter ge- worden, welches wohl mit dem tube verlaufenden Markzerfall in Zusammenhang stehen muss. Während der Markzerfall nun centralwärts weiter fort- schreitet und dieses oft in bedeutender Ausdehnung, und zu spindelförmigen Auftreibungen der Hüllen Anlass gibt, hält die in derselben Riehtung gehende Vernichtung des Axeneylinders nicht gleichen Schritt, sondern endigt bisweilen schon bedeutend früher. Hierbei wird der erhaltene Theil des Axeneylinders von dem geronnenen Myelin zur Seite geschoben und an den spindel- förmigen Auftreibungen stellenweise gänzlich verdeckt, so dass Zur Kenntniss der Regeneration durchschnittener Nerven. 705 an Osmiumpräparaten erst eine Aufhellung nöthig ist, ehe die Siehtbarmachung desselben dureh Tinetionsmittel gelingt. Die gleichzeitig unter Auftreten von Mitosen beginnende Kernvermehrung und Wucherung der Hüllen führt zur Ausbildung einer starken bindegewebigen Scheide um den restirenden Axen- eylinder. Ein anderes Ergebniss dieser Zellenwucherung ist das Auftreten einer protoplasmatischen Schieht an der Innenseite der Schwann’schen Scheide. Diese bildet sich zuerst an dem Ende der von der Degeneration nicht berührten normalen Faser aus, um allmählich peripherwärts auszuwachsen. Weder hier noch weiter nach dem distalen Ende zu lässt sich irgend etwas finden, was für eine Betheiligung bei der entstehenden Neubildung des Axeneylinders spräche. Wo der Axeneylinder noch erhalten ist, verschwindet diese regeneratorische Bedeutung ausserdem von selbst. Hingegen ist es wahrscheinlich, dass dieselbe mit dem Ersatz und Neubildung des Markes in Beziehung steht. In der Umgebung der Enden der restirenden Axeneylinder entsteht junges Granulationsgewebe, innerhalb welchem sich die Kerne in Längsreihen ordnen. Dieses geschieht in demselben Maasse, wie an den Enden der Axeneylinder blasse, durch so ziemlich parallele Bänder begrenzte Verlängerungen sichtbar werden. Die Kernreihen bestehen nicht nur aus Abkömmlingen der Neurilemmakerne, kenntlich durch die langgestreckte Form, zwischen denselben finden sich auch runde oder mehr ovale. Man erhält den Eindruck, dass dieselben durch die Verlängerung der Axeneylinder in Reihen zur Seite gedrängt worden wären und nicht diese Anordnung dem Auftreten derselben vorangehen. Im Verlaufe des restirenden Axencylinders treten seitlich von demselben innerhalb derselben Umhüllung heller gefärbte Bänder auf, welche mit den nun gleichfalls in mehrfacher Zahl als Verlängerung der einzelnen restirenden Axencylinder über- einstimmen. Auch mit dieser, besonders bei apochromatischer Betrachtung deutlich hervortretenden Beobachtung, die sich indessen auch bei Benutzung achromatischer Systeme wahrnehmen lässt, scheint es inir, als ob die regenerative Funktion der Neurilemmazellen sich nicht gut vereinigen liesse. Wenigstens habe ich nichts auffinden können, was zur Erklärung der Entstehung mehrfacher Axen- 704 tud. Kolster: eylinder durch Vermittelung der Neurilemmazellen innerhalb der- selben Scheide sprechen Konnte. Während der bei dem Zerfalle des Markes erhaltene Axen- eylinder sich schon frühzeitig von einem grauen Saume, neuent- standenes Mark umgeben findet und Anlagen Ranvier’'scher Schnürringe erkennen lässt, erreichen die erst spät eine solche Einfassung zeigenden amyelinen Ausläufer derselben das Narben- gewebe und treten in diesem Zustand in dasselbe ein. Als amyeline Faserbündel erreichen dieselben den distalen Stumpf, an welchem zu dieser Zeit noch keine Spur eines Er- satzes der alten Axeneylinder nachweisbar ist. Dieser distale Stumpf besteht um diese Zeit (34. Tag) nur aus zerfallenem, in Haufen angeordneten Myelin, innerhalb der zwischen den Anhäu- fungen zusammengefallenen und leeren bindegewebigen Scheiden. In meinen Resectionsfällen kann daher von einer Neubildung vom peripheren Ende aus nicht die Rede sein. Bei der hier dargelegten Entwickelung der neuen als Er- satz der untergegangenen auftretenden Nerven habe ich am Orte der Regeneration kein zellenhaltiges Gewebe auffinden können, welches eine für das Anwachsen der Axeneylinder bedeutsame Thätigkeit aufwies. Indessen steht dieselbe in Uebereinstimmung mit dem durch die embryologische Forschung dargelegten Ent- wiekelungsgange des peripheren Nervensystems. Für das liebenswürdige Interesse, welches mir bei meiner Arbeit vom Direktor des hiesigen pathologischen Instithites zu Theil geworden ist, erlaube ich mir demselben, Herrn Professor E. A. Homen hier meinen Dank auszusprechen. Helsingsfors, den 23. März 1895. Zur Kenntniss der Regeneration durchschnittener Nerven. 705 Erklärung der Abbildungen auf Tafel XL. Folgende Buchstabenbezeichnungen sind für alle Figuren gültig: a Axencylinder, p a persistirender Axencylinder, n a neugebildete Axenfaser, m Marksubstanz, mk Myelinkugeln, ks Kerne der Schwann’- schen Scheide, p Protoplasma, rs Ranvier’scher Schnürring, pe peri- pheres Ende. Fig. Fig. 1. Nerv vom ten Tage. Das bei der Herausnahme durchtrennte Ende. Leitz !/; hom. Im. Oe. 1. Goldpräparat. Nerv vom 3ten Tage. Resecirtes Ende. Innerhalb des dunkel- gefärbten und zerfallenen Markes sieht man als Verlängerung des schmalen, ähnlich wie in Fig. 1 gefärbten Axeneylinders einen hellen Streifen auftreten, der seiner Lage nach dem Axencylinder dieses Theiles entspräche. Leitz 1/‚ hom. Im. Öe. 1. Goldpräparat. Nerv vom 6ten Tage. Das Mark bedeutend mehr verändert, bildet nur eine schmale, zackige und dunkle Zone um den bedeutend breiteren hellen Streifen. An dem peripheren Ende ist die Verlängerung desselben als zusammengefallener Schlauch sichtbar. Centralwärts vom Schnürring herrscht mehr Ueber- einstimmung mit Fig.2. Leitz !/a hom. Im. Oe. 1. Goldpräparat. Nerv vom 10ten Tage. Aus dem centraleren Theil. Zwischen der Schwann'schen Scheide und der zerfallenen Kontur des noch nicht gänzlich zerfallenen Markes liegen Myelinkugeln und verursachen ein zur Seite Drängen des Axencylinders. Leitz !/ja hom. Im. Oe. 1. Nach langem Verweilen in Terpen- tin mit Methylenblau, alkalische Alkoholentfärbung und Fuch- sin behandeltes Präparat. u. 6. Nerv des 12ten Tages, Fig. 6 ist die Fortsetzung v. Fig. 5. Hier treten zwischen den durch Anbäufung von Myelinkugeln schmälere Verbindungsstücke auf, innerhalb welcher der nicht untergegangene Axencylinder sichtbar ist. Derselbe lässt sich auch längs dem einen Rande der Markanhäufungen verfolgen. Um denselben tritt eine starke bindegewebige Hülle hervor. Von den, zahlreichen hier auftretenden Kernen sind die meisten weggelassen, um das Bild nicht allzusehr undeutlich zu ma- chen. Leitz Obj. 7, Oc. 2. Saffraninpräparat. Aus dem centralen Theil desselben Nerven wie in Fig. 5 u. 6. An einem Schnürringe auftretendes Schaltstück. Leitz Obj. 7, Oc. 2. Saffraninfärbung. Nerv vom 2iten Tage. Uebergangsstelle des normal verblie- benen Nerven in den persistirenden Axencylinder, um welchen zwischen den längsgestellten vermehrten Kernen derSchwann'- schen Scheide eine schmale Protoplasmahülle sichtbar ist. An 706 Rud. Kolster: Zur Kenntniss d. Regeneration durchsehn. Nerven. demselben ist der graue Marksaum und ein neu ausgebildeter Sehnürring sichtbar. Leitz !/ hom. Im. Oe. 2. Stark ent- färbtes Saffraninpräparat. Fig. 9. Nerv vom 24ten Tage. Uebergangsstelle des normal verblie- benen Nerven in die Neubildung. Innerhalb der gemeinsamen Hüllen finden sich als Fortsetzung des einfachen Axencylinders des normalen Nerven zwei neugebildete Axenfasern. Leitz !/ hom. Im. Oe. 2. Saffranin-Methylenblaufärbung. Fig. 10. Aus demselben Nerven wie Fig. 9. Zeiss apochrom. Öbj. 2. Oe. 6. Fig. 11. Nerv vom 3lten Tage. Der persistirende Axencylinder, ein- fach bis zum ersten Schnürring, wird hier durch zwei Axen- fasern in gemeinsamer Hülle fortgesetzt. Leitz 1/j hom. Im. Oe. 1. Saffranin-Methylenblaufärbung. Fig. 12. Nerv vom 34ten Tage. Bündel neugebildeter amyeliner Ner- venfaser.aus dem Granulationsgewebe, welche die gemeinsame Fortsetzung eines bis zu seinem normalen Theile isolirten Nerven bilden. Leitz Y/j) hom. Im. Oe. 2. Saffranin Methylen- blaufärbung. Bemerkungen zu der Abhandlung Dr. Schottländers: „Ueber den Graaf’- schen Follikel etc.“ d. d.:41.. Bd. .S. 219. Von Dr. W. Nagel (Berlin). In einer jüngst erschienenen Arbeit: Ueber den Graaf- schen Follikel, seine Entstehung beim Menschen und seine Schick- sale bei Mensch und Säugethieren, dieses Archiv, Bd. 41, be- zweifelt Schottländer (Seite 271) die Richtigkeit meiner Auf- fassung, dass die in den Eierstockseiern der Säugethiere regel- mässig gefundene durch 0,0, geschwärzte Granulationen Deuto- plasma seien und begründet diese seine Behauptung damit, dass in den grossen Eiern beim Schweine und anderen Thieren zu- weilen „keine schwarzen, sondern nur braune Körner gefunden W. Nagel: Bemerkungen zu der Abhandlung Dr. Schottländers ete. 707 werden und dass gleichzeitig sehr oft eine Verfettung des Epi- thels vorhanden ist. Hierzu möchte ich zunächst bemerken, dass die Deutung der gedachten Elemente als Deutoplasma — sei es in Primordialeiern, sei es in reifen Eiern — nicht von mir stammt, sondern, wie ich auch seiner Zeit angegeben habe, von His und E. van Beneden, denen sich Waldeyer u. A. angeschlos- sen haben. Ich habe mich damals — wie ich es heute noch thue — zu den Ansichten der genannten Forscher bekannt, weil ich die sich in 0,0, schwärzende (oder bräunende) Granula, welche frisch gesehen, sich als dunkel fettähnlich glänzende Kör- ner präsentiren, regelmässig fand, nicht allein in Eiern von in bekannter Weise gehärteten Eierstöcken, sondern auch — und das ist doch sehr wesentlich — in Eiern, die aus frischen Eier- stöcken vom Schwein und Schaaf herausgenommen waren und die ich direet ohne Zusatz von irgend einem Reagens nur in Folli- kelflüssigkeit (gerade so wie ich die menschlichen Eier behan- delte), unter das Mikroskop brachte; die Primordialeier wurden an frischen in physiologischer Kochsalzlösung gelegten Schnitten studirt. Ich habe in den Eierstöcken der genannten Thiere kein grosses Ei gesehen, was nicht die stark lichtbrechenden grös- seren und kleineren Kügelchen enthielt, die man allgemein als physiologische Deutoplasma-Elemente ansieht, und zwar in sol- cher Menge, dass das Keimbläschen ohne besondere Behandlung nur selten zu Gesicht kömmt. Meine damals ausgesprochene Ansicht stützt sich also auf beobachtete und wohl erwogene Thatsachen und ich kann für diesen Fall einen Irrthum meinerseits nicht zulassen. Von dem bekannten Bilde einer degenerirenden Zelle, wo das Fett in feinen Krümelchen liegt, war in meinen Fällen nichts zu sehen. Es mag ja sein — obwohl ich es nicht glaube — dass ein im Zerfall begriffenes Ei zuweilen Bilder zeigt, die mit dem Befunde bei physiologischer Deutoplasmabildung Aehnlich- keit hat, wäre aber die Ansicht Schottländers (a.a. 0. Seite 272), die er als allgemeine Regel hinstellt, richtig, „dass das Auftreten von schwarzen Körnern, in der Eizelle eine fettige Degeneration anzeige“, so müssten demnach die Eier vieler Säu- gethiere und vor allem die Eier aller Vögel, gar nicht zu reden von niederen Thieren, sämmtlich in Zerfall sich befinden. Ob nun die erwähnten Elemente sich auf Zusatz von 0,0, enthaltender Flüssigkeit braun oder schwarz färben, das wird 708 W. Nagel: Bemerkungen zu der Abhandlung Dr. Schottländers ete. wohl von Zufälligkeiten abhängen; es ist doch bekannt, dass 0.0, unter Umständen ungleichmässig eindringt, so dass die tiefer liegenden Schichten viel weniger davon berührt werden als die oberflächliehen. Einen nur auf dieser verschiedenen Färbung be- ruhenden Unterschied kann ich nicht als berechtigt anerkennen, um so mehr nicht, als die erwähnten Elemente in frischem Zu- stande alle ein gleichartiges Aussehen darbieten. Uebrigens drückt Schottländer selbst seinen Zweifel nach dieser Richtung aus (a. a. 0.8266). Universitäts-Buchdruckerei von Carl Georgi in Bonn. Archiv fmikroskop. Anatomie BaA.XXXXI ® Dal. KAAT 4 Archiv £ mıkroskop. Anatomie Bd.X PR RER .. x Sg ELTERN “Res : RE M TR H. “ Mr . E Archiv f mikroskop. Anatomie Ba.XXXXT. Taf. II. — F 1 ar R) Wh x «“ 2 / Re 3 h BR A ß BR 27 DR 4 £ 4 I Be fi Gh BEE BR: 7:3 en FI ER 5 HH TEH 7% 75, ER, 7 ES, a e 3 "er. ACH | IE RRFFER: nt h IHHTFE | vs / fi 2. I: dal, 4 Veh 4 en Saft Big DT ET , {rn \ BI ARE “ h 4 1 J: Ai; 2: » RR EWR ul: $. LH 4 JEW: “ Y x ® } r 2 er \ \ Ä a. OR 3 nn R a u RE Y a = ri re: Bän: ERBEN” \ BP, Y SEE . ; RER N NEAR En : ER N .- En Kr h : en. £ u Be urn: NT = Are == - Sg Re S >> Rz — i b Sr SEN E BEETTIROS TERN Rs, Bm ae > ml EI Ben Se = = a Te £ = 5 ER ER SI > RN an EL IZE Sy s ” Sarg e FH - y2 — BE ki ER - — 2 D . ” - * # . - u j he * . 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